^ ^ ^^ LIBRARY , OF THE UNIVERSITY OF CALIFORNIA. Accession 9.5.3.9.2 • Clois m Die Vereinigten Staaten von Amerika. Von Dr. Friedrich Batzel, Professor der Geographie an der Universität zu Leipzig. Zweiter Band. Politische und Wirtschafts-Geographie. Zweite Auflage. ÜNIVERSITY OF München. Druck und Verlag von R. Oldenbourg. 1898. Politische Geographie der Vereinigten Staaten von Amerika unter besonderer Berücksichtigung der natürlichen Bedingungen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Von Dr. Friedrich Ratzel, Professor der Geographie an der Universität zu Leipzig. Zweite Auflage. Mit einer Kulturkarte und 16 Kärtchen und Plänen im Text. München. Druck und Verlag von R. Oldenbourg. 1893. 4. ^ Vorwort. Diese neue Auflage ist ein neues Buch geworden. Es ist sozusagen keine Zeile auf der anderen geblieben. Das Land und das Volk der Vereinigten Staaten von Amerika haben seit dem Jahre 1870, auf dessen Census die erste Auflage sich hauptsäch- lich zu stützen hatte, sehr grofse Veränderungen erfahren. Und aufserdem sind nicht einmal die Grundgedanken der Arbeit noch ganz die alten. Die Beschäftigung mit der allgemeinen politischen Geographie hat mich gelehrt, den Konstanten der poHtischen Geographie: Lage, Peripherie und Raum, einen gröfseren Wert beizulegen und sie sind also viel ausführlicher dargestellt wor- den. Ihre gründliche Erörterung ist gerade bei diesem jungen Lande geboten. Die praktischen Lehren , die uns die V. St. von Amerika erteilen können, liegen in der freieren, mit gröfseren Mitteln bewirkten Entfaltung unserer eigenen politischen und Kulturgedauken. Kein Problem ihrer Geographie übertrifft da- her das des Raumes an praktischer Bedeutung für unser politi- sches und wirtschaftliches Leben. Dem Staatsgebiet als Raum ist nicht blofs ein besonderes Kapitel gewidmet, es kehrt auch der Raum in jedem Kapitel in seinen Wirkungen auf das kör- perliche Dasein und den Geist der Bevölkerung, ihre wirtschaft- liche Thätigkeit und politische Bethätigung wieder. Was die Peripherie, also die Küste und die Grenze anbetrifft, so beweisen die V. St. klar, dafs der Peripherie mit der Ausfüllung und Aus- 95397 VI Vorwort. nützung des von ihr umschlossenen Raumes immer gröfsere Funktionen übertragen werden, die sich in der Peripherie immer mehr verdichten und summieren und deren Wert erhöhen. Die Erfahrung, dafs wichtige Stellen der Grenzen der V. St. auf ver- breiteten europäischen und amerikanischen Karten falsch gezeichnet sind, bestärkte mich noch in dem Wunsch, eine eingehende Dar- stellung der Peripherie zu versuchen. Bei der Betrachtung eines so weiten Gebietes, wo nur der kleinste Teil dessen, was möghch ist, auch fertig, das Meiste erst im Werden ist oder gar noch im Schlummer liegt, verliert man gar zu leicht den Mafsstab für das WirkHche. Die Bürger der V. St. selbst gehen mit dem Beispiel der Überschätzung voran, der bei Anderen den Gegensatz der Unterbietung hervorruft und das Greifbarste ist am Ende nur die Verwirrung des Urteiles. Eine politische Geographie der V. St. hat zunächst glücklicherweise gar nichts mit den Zukunftsbildern zu thun. Die tellurischen Thatsachen auf dem Grunde der poHtischen und wirtschaftlichen Erscheinungen festzustellen und zu beschrei- ben, das ist ihre unzweifelhafte erste Aufgabe, auf die die Beschrei- bung der Gröfse, Lage und Gestalt dieser Erscheinungen folgt. Die Beziehung zu jenen Schlüssen liegt nur darin, dafs sie ihnen den sicheren Boden festhält und zugleich die vorhandenen Entwickelungen so genau wie möghch umgrenzt. Die politische Geographie ist auch angewandte Ethnographie. Sie sucht neben der Beschreibung des Landes die des Volkes in womöglich gleicher Ausführlichkeit und Genauigkeit zu geben. Die Tiefe, Mannigfaltigkeit uud Beweglichkeit der Erscheinungen fordert aber dafür eine besondere Art von Darstellung, die sich von der der beschreibenden Naturwissenschaften in der Richtung auf die schildernde Beschreibung entfernt. Einige hierher ge- hörige Probleme der Rassenpolitik lassen sich geographisch fundieren und gewinnen dann sofort an Deutlichkeit und Be- greiflichkeit. Ich habe mir besondere Mühe gegeben, das Neger- problem klar hinzustellen, um so mehr, als die Thatsache, dafs Bryce in seinem grofsen, nützlichen Buche »The American Com- monwealth« es einfach bei Seite gelassen hat, mir immer den Eindruck nicht blofs einer Bresche, sondern des Mangels einer Vorwort. Vn ganzen Wand in seinem Baue macht. Die Aufgabe der politi- schen Geographie kann es nicht sein, die Bevölkerungsstatistik eines Landes zu reproduzieren, sondern vermittelst der statisti- schen Zahlen das Volk als einen lebendigen Körper zu verstehen und dessen Bewegungen auf seinem Boden zu erkennen. Durch die statistischen Zahlen hindurch, die in einem solchen Werke aus praktischen Gründen in gröfserem Mafse geboten werden müssen als eigenthch die Geographie bedarf, sollen die geographi- schen Bedingungen und Beziehungen gleichsam durchscheinen. Die diesem Band beigeheftete Kulturkarte, deren Erklärung auf einem besonderen Blatt gegeben ist, wird hoffenthch das geographi- sche Verständnis der statistischen Zahlen erleichtern. — Für die Mitteilungen der Census Bulletins, des Grundmaterials dieses Bandes, die ich bis No. 352 benützen konnte, habe ich Herrn Robert C. Porter in Washington, Superintendent und Herrn Henry Gannett, Geograph des U. S. Census zu danken, für die Zugänglichmachung unveröffentlichter Küstenlängen Herrn T. C. Mendenhall, in Washington, Superintendent des U. S. Coast und Geodetic Survey. Seitens der Smithsonian Institution, des Geological Survey of the Rocky Mt. Region und des Bureau of Ethnography, hatte ich mich, wie seit Jahren, des freundlichsten Entgegenkommens zu erfreuen. Besonderen Dank bin ich den Herren Albert S. Gat sehet und W. D. Dali schuldig. Über dunkle Punkte der Negerfrage halfen mir Mifs Ellen C. Semple in Louis ville und Dr. G. W. Gage, derzeit in Leipzig, Erkundi- gungen einziehen und unterstützten mich durch Zusendung seltener Litteratur. Den Professoren Dr. Emerton in Cambridge Mass., Dr. Richard M. Smith in Columbia College, New York, und Dr. Henry Clay Stanclift in Evanston bei Chicago habe ich für freund- liche Auskünfte über die Reste der Indianer in Neu-England, über die Ein- und Auswanderungs-Statistik und über eine schwierige Stelle in der Nordgrenze der V. St. zu danken. Für Angaben über die Missionsthätigkeit der Nordamerikaner bin ich den Herren Pastor Dr. Warneck in Rothenschirmbach und Missionsdirektor Dr. V. Schwartz in Leipzig verbunden. Mein verehrter Freund Her- mann Hof mann, Bibliothekar des Vereins für Erdkunde zu VTTT Vorwort. Leipzig, vermittelte mir amtliche russische Mitteilungen über den Handel der V. St. mit dem asiatischen Rufsland. Herrn Hof rat Perthes in Gotha habe ich für die Überlassung wichtiger Litte- ratur und Herrn Dr. Potthast, Bibliothekar des deutschen Reichstags, für freundliches Entgegenkommen bei der Benützung der Bibliothek des Deutschen Reichstags zu danken. Neben dem Gedanken, den wissenschaftlichen Wert des Buches nach allen Richtungen zu erhöhen, trieb mich zu dieser zweiten Auflage der Wunsch, die grofse transatlantische Republik dem Verständnis und Urteil der Deutschen noch näher zu bringen. Das Buch ist also nicht blofs für Geographen und deren Fach- verwandte, sondern für Alle bestimmt, die diesem Land ein ein- gehendes Studium widmen wollen. Ich habe es immer als einen grofsen Vorzug der Engländer empfunden, dafs sie die V. St. von Amerika mit der behaglichen Vertrautheit Nächstverwandter beurteilen. So nahe können wir nicht heran-, wohl aber zu einem klareren Blick und einem vielleicht sachlicheren Urteil kommen. Beide sind jedem notwendig, der die wirtschaftlichen und politischen Entwickelungen der Gegenwart überhaupt verstehen will. Es läfst sich sogar behaupten, dafs heute an dem Verständnis für das, was in Nordamerika vor sich geht und sich vorbereitet, das politische Verständnis eines Volkes überhaupt sich messen lasse. Wir müssen dafür sorgen, dafs Deutschland, das aus seiner Kenntnis der V. St. schon viel Nutzen gezogen hat, in dieser Kenntnis von keinem Volke übertroffen werde. Wenn das Buch etwas dazu beiträgt, wird meine Mühe belohnt sein. Leipzig, den 14. Juni 1893. Friedrich RatzeL Inhalts -Verzeichnis. Einleitung: Thatsachen und Wirkungen des Bodens. I. Lage. Nordamerika und die Vereinigten Staaten 3. Arktische und westindische Beziehungen 5. Die Interkontinentale Eisenbahn 7. Der Vergleich mit Europa 8. Die Lage zu den Meeren 9. Atlantische und pacifische Einflüsse 11. Seemachtstellung 12. Die Atlantische Seite 13. Ihr Übergewicht 14. Die Golfseite 16. Die nordatlantischen Westseen 18. Die pacifische Seite 20. Die Vereinigten Staaten als pacifische Kulturmacht 22. Die Eismeerseite und Alaska 24. Die Vereinigten Staaten als Durchgangsland 26. Der mittelameri- kanische Kanal 27. Die Sicherheit der Lage 28. Die Inseln 29. IL Die Peripherie: Grenzen und Küsten. Die Peripherie im Verhältnis zur Lage und Gröfse der V. St. 32. Annäherung an Naturgrenzen 33. Länge der Peripherie 36. Bevorzugte Ge- biete in der Peripherie 37. Das Zusammentreffen der Landgrenzen und Küsten 43. Übergreifende Eechte 44. Verlauf und Veränderungen der Gren- zen 51. Indianergrenzen 46. Einige Bemerkungen über die inneren Gren- zen 48. Die Küsten 61. Küstenlänge und Küstenentwickelung 64. Die Küsten- und Hafengebiete 69. Küstenlandschaften 77. Küstenverände- rungen 81. III. Der Raum. Das Areal 82. Kontinentale Gröfse 84. Vergleich mit anderen konti- nentalen Staaten 86. Europa in amerikanischer Perspektive 88. Kein ameri- kanisches Gleichgewicht 92. Innere Wirkungen 93. Gröfse und Zerfall 95. Die Politik der grofsen Räume 96. Überlegenheit der Raumvorstellungen in der wirtschaftlichen und politischen Expansion 98. Der Raum in Geist und Charakter des Nordamerikaners 100. Die Gröfsenverhältnisse der Staaten und Territorien 103. Anhang: Das Wachstum der Vereinigten Staaten. X Inhalts -Verzeichnis. IV. Der Boden. Die grofsen Züge der Bodengestalt 121. Die Anlage zum Verkehr und das Übergewicht der horizontalen Entfernungen 122. Das Flufsnetz 123. Die AUeghanies als Schranke 127. Wege und Pässe im Hochland des Westens 129. Die Bodengestalt und die Verteilung der Bevölkerung 131. Gebirgsvölker 133. Bodenschätze in Erzen und Fruchtbarkeit 134. V. Klima, Pflanzen- und Thierwelt. Klimatische Mannigfaltigkeit der Vereinigten Staaten 142. Entschei- dende Bedeutung der nordsüdhchen und ostwestUchen Klimagrenzen 143. Verschiedene Stärke dieser Unterschiede 145. Die Wirkungsweise des Kli- mas 147. Mittelbare und unmittelbare Wirkungen 150. Bevölkerungstypen 151. Khmatische Krankheiten 153. — Die natürliche Ausstattung Nordamerikas mit nützüchen und schädlichen Pflanzen und Tieren 154. VI. Die Natur und die Volksseele. Erster Abschnitt. Die Rassen und Stämme. VII. Die Rassenprobleme. In der Mehrheit der Rassen liegt ein tiefer Unterschied zwischen den Vereinigten Staaten und Europa 179. Bedeutung der Rassenf ragen 181. Die soziale Schichtung und geographische Sonderung 182. Allmähliche Umgestal- tung der politischen Ideale 184. Wirkungen auf die innere Entwickelung und nach aufsen 185. VIII. Die Indianer. Die voreuropäischen Bewohner Nordamerikas 188. Pacifische Bezieh- ungen und Abgeschlossenheit gegen atlantische Einflüsse 189. Rassen- und Charaktermerkmale 190. Gruppen und Völker 194. Ethnographisches 197. Schwächen der sozialen und politischen Organisation, die den Weifsen das Eindringen erleichtert 204. Statistik der Indianer in den Vereinigten Staaten 208. Ihr Rückgang an Gebiet und Zahl 210. Mischlinge '216. Die Bezieh- ungen zwischen Indianern und Weifsen und die Indianerpolitik 218. Die Reservationen und das Indianerterritorium 224. IX. Die Weifsen oder die Europäo-Amerikaner. Die Abstammung der Weifsen Nordamerikas 235. Das angebliche Angelsachsentum 236. Die Stammesangehörigkeit der Einwanderer 237. Der Europäo-Amerikaner 238. Die amerikanische Nationalität 243. Die Stellung der Deutschen in den V. St. 247. Die Veränderung der Rasse durch Ein- wanderung 250. Einige Bemerkungen über die deutschen, französischen und spanischen Elemente 253. Die Juden 259. X. Die Neger. Entwickelung der Sklaverei in den Vereinigten Staaten 261. Ihr Cha- rakter 268. Zahl und Verbreitung der Neger 269. Ihre Allgegenwart 270. Inhalts -Verzeichnis. XI Verdichtungen in den nördlichen Südstaaten 271. Wachstum, Geburten und Sterblichkeit 272. Beziehung zu der Zunahme der weifsen Bevölkerung und der weifsen Einwanderung 277. Geographische Verbreitung der Neger in den Vereinigten Staaten 278. »The Black Belt« und die Afrikanisierung des äufsersten Südens 280. Die Negerfrage 281. Der freie Neger 283. Seine politischen Rechte 284. Seine Erziehungsfähigkeit 284. Schulen und Cha- rakterbildung 286. Geistige Stagnation 287. WirtschaftUche Zustände und Fortschritte 288. Entwickelung des Südens seit 1860 289. Grundbesitz der Neger 291. Die Mulatten 293. XI. Die Chinesen. Zweiter Abschnitt. Die Bevölkerung. Ihre Verbreitung und ilir WacJistum. XII. Die Volkszalil und ihre geographische Verteilung. Das Heranwachsen der heutigen Volkszahl 301. Die Dichtigkeit 303. Das besiedelte Land 305. Ost- und Westgebiete der Volksdichte 306. Leere Stel- len 309. Ein eigener Typus der Volksverteilung in den V. St. 311. Der Be- völkerungsmittelpunkt 313. XIII. Städte und andere Siedelungen. Stadt und Land 315. Die ländHchen Siedelungen 316. Die Stadt 320. Städtische und ländliche Bevölkerung 324. Die Wohnungen 325. Städte- verwaltung 327. Die Bevölkerung 329. Die Grofsstädte 331. Die Verbreitung der Städte 336. Städtegruppen 339. XIV. Das innere Wachstum der Bevölkerung. Das innere und das äufsere Wachstum 344. Das Verhältnis der Ge- schlechter 245. Die Gröfse der FamiUen 345. Geburten und Todesfälle 346. Geographische Verbreitung einiger Krankheiten 352. Selbstmorde 353. Der Alters- Aufbau der Bevölkerung 353. XV. Die Einwanderung. Die Gröfse der Einwanderung seit 1790 und ihr Beitrag zum Wachs- tum der V. St. 355. Allgemeine Bedeutung der Einwanderung für die Bevöl- kerung der V. St. 357. Umschwung der Einwanderungspolitik 359. Verschie- dener Wert der Einwanderer 361. Die Berufe der Einwanderer 363. Die Ver- teilung der Einwanderer 364. XVI. Die innere Wanderang. Das Wandern der Einwanderer ins Innere 366. Der Wandertrieb der Einheimischen 366. Quellen und Strafsen der inneren Wanderung: Neu- England und Virginien 367. Andere Bewegungen 370. Gebiete des Rück- gangs im Osten und Westen 371. Die Auswanderung aus den V. St. 373. \ Xn Inhalts -Verzeichnis. Dritter Abschnitt. Wirtschaftsgeographie. XVII. Die Landwirtschaft. Die natürlichen Bedingungen 377. Das Ostgebiet 378. Der dürre Westen 382. Das Grenzgebiet zwischen Ost und West 387. Die Zukunft des Steppenlandes 388. Oasen und Abstufungen 391. Die künstliche Bewässe- rung 393. Artesische Brunnen 397. Sociale und politische Folgen der künst- lichen Bewässerung 398. Das pacifische Gebiet 400. Die landwirtschaftlichen Regionen 401. Landwirtschaft und Volksdichte 406. Der Ackerbau 408. Verbreitungsgebiete der wichtigsten Kulturpflanzen 408. Amerikanische Me- thoden des Ackerbaues 412. Die Urbarmachung 414. Das Wandern nach Westen 418. Farmer und Pflanzer 424. Farmen und Grundbesitz 430. Ge- schichthches 438, Der Mais 442. Der Weizen und andere Getreide 444. Wurzel- und Hülsenfrüchte 446. Die Baumwolle und andere Faserpflanzen 447. Zucker 449. Tabak, Hopfen, Indigo 451. Die Obstbäume 453. Wein- bau 455. Beeren 456. Wiesenbau 457. Gartenbau und Blumenzucht 458. Die Viehzucht 459. Das Verhältnis zwischen Ackerbau und Viehzucht 459. Rancher und Farmer 461. Entwickelung der Viehzucht 463. Rinder 463. Pferde 464. Schafe 465. Schweine 466. Der Hund 468. Seiden- und Bienen- zucht 468. XVIII. Die Wälder und ilire Ausbentnng. Verbreitung der Wälder in dem Gebiet der V. St. 469. Ihre Verteilung über die einzelnen Staaten 471. Neuanpflanzungen von Wäldern 473. An- fänge von Forstschutz und Waldwirtschaft 474. Waldverwüstung und Wald- brände 475. Die wichtigsten Nutzhölzer 477. Der Holzverbrauch und Holz- handel 478. XIX. Mineralreiclitani und Bergbau. Verbreitung und Entwickelung 479. Geschichtliches 480. Rückwirkung auf die Bevölkerung 481. Die Miners und Prospectors 483. Mining Excite- ments 485. Betrieb des Bergbaues 485. Eisen 486. Die grofsen Eisenerz- Regionen und die Hauptgebiete der Eisenindustrie 487. Steinkohlen 489. Verbreitung 489. Die hauptsächlichsten Kohlenfelder und -Becken -190. An- thracit 490. Bituminöse Kohlen 491. Braunkohlen 494. Gold 495. Die Gold- lager von Kahfornien, von Colorado und den übrigen Goldgebieten des Westens 496. Gold in den Alleghanies 499. Silber 499. Silbergebiete von Nevada, Colorado, Montana, Utah 500. Andere Silbergebiete 501. Queck- silber 501. Kupfer 502. Blei 503. Z i n k und andere Metalle 503. Edel- steine 503. Salz 504. Bausteine und andere Mineralien 505. Steinöl 506. Vorkommen, Gewinnung und Verfrachtung 507. Erdgas 508. Asphalt 508. XX. Die (iewerbthätigkeit. Die Anfänge 509. Zurückdrängung durch das Mutterland 510. Auf- schwung seit der politischen Selbständigkeit 511. Heutiger Stand 512. Der Betrieb 512. Arbeitskräfte, Maschinenarbeit, Werkzeuge 513. Der Erfindungs- und Unternehmungsgeist 513. Patente 513. Kredit 515. Leben und Stellung Inhalts -Verzeiclinis. itttt der Arbeiter 516. Die Hauptzweige der Gewerbthätigkeit : Textilindustrien 518. Metallindustrien und Maschinenbau 520. Landwirtschaftliche Geräte 522. Lederverarbeitung 523. Waffen 525. Uhren 526. Chemische Industrien 526. Brauereien 526. Keramik 527. Vervielfältigende Industrien 528. XXI. Verkehrswege und Verkehrsmittel, Anfänge 529. Periode der Kanalbauten und Gallatins Entwurf 530. Erie-Kanal 531. Die Eisenbahn-Aera 532. Wettkampf zwischen Kanälen und Eisenbahnen 533. Eisenbahnmonopole 534. Die natürlichen Grund- linien des Verkehres 535. Die Verkehrsgebiete 538. Die Naturstrafsen des Inneren 538. Die schiffbaren Flüsse 539. Mississippi 540. Ohio 542. S. Lorenz 543. Hudson 544. Kleinere schiffbare Flüsse von Bedeutung 544. Die Binnenseen 546. Die Kanäle 546. Kanäle und Eisenbahnen 547. Das Kanalsystem von New York, Pennsylvanien, New Jersey, des Ohio und Mississippi 548. Kanäle in den Süd- und Weststaaten 551. Die Eisen- bahnen 555. Statistik 556. Eisenbahngebiete 559. Aufzählung der grofsen Linien und Complexe 560. Besonderheiten im Bau und Betrieb 564. Strafsen und Brücken 567. Strafseneisenbahnen 570. Post und Telegraphen 571. XXIL Der Handel und Seeverkehr. Geschichtliches 573. Hauptgegenstände der Einfuhr und derAus- f uhr 575. Betrag des Gesamthandels der Haupthandelsgebiete mit den V. St. 576. Die Beziehungen zu den Ländern des »amerikanischen Systems« in Amerika und im Stillen Ocean 578. Der kanadische Durchgangshandel 582. Der mexikanische Landhandel 583. Verbreitung des kaufmännischen Sinnes 584. Der Storekeeper 584. Rückwirkung des Handels auf die Bevölkerung 585. Trusts 586. . Bankerotte 587. Banken und Versicherungswesen 588. Ehe der ei und Schiffsverkehr 589. Die Seefischerei 591. Der Walfischfang 593. Vierter Abschnitt. Staat und Gemeinden. Kirche und Schule. Geistiges Leben. Die Gesellschaft. XXin. Der Staat und die Gemeinden. Die Verfassung 598. Union und Einzelstaaten 598. Der Kongrefs 599. Der Präsident 600. Die Bundesgerichte 600. Die Verwaltung 601. Staatsamt 601. Einige Bemerkungen über auswärtige Pohtik 602. Inlandamt 607. Schatz- amt 608. Öffentliche Schuld 608. Geld 609. Mafse und Gewichte 609. Das Kriegsamt 610. Armee 610. Marineamt 613. Flotte und Küstenverteidigung 613. Die Einzelstaaten 614. Gruppierung 615. Politische Rolle und Partiku- larismus 618. Ihre Gesetzgebung 621. Gemeinden 622. Town und County 623. Die Städte 624. Das politische Leben 625. Die pohtische Anlage 625. Die Parteien 628. Die Wahlen 629. Korruption 632. Flagge und Wappen 636. XXIV. Die Kirche. ReUgiöse Anlagen 637. Kirche und Staat 638. Eigentümlichkeiten des religiösen Lebens in den V. St. 639. Wohlthätigkeit 640. Temperenz 643. XIV Inhalts -Verzeichnis. Statistik der ReligionsgeseUschaften 644. Die Hochkirche 644. Die Kongre- gationaüsten 644. Die Presbyterianer 645. Die Methodisten 645. Die Bap- tisten 645. Die Lutheraner und Deutsch-Reformierten 646. Die Römisch- Kathoüschen 647. Die Juden und andere 648. XXV. Das geistige Leben. Hemmungen und Förderungen 650. Der koloniale Typus des geistigen Lebens 651. Notwendige Mängel 652. Vorzüge 653. Begabung 654. Die Unterrichtsanstalten 655. Der Lerntrieb bezeichnend für die Nord- amerikaner 656. Aufwand für die Schulen 657. StaatUche Fürsorge 658. Die Volksschule 650. Der Lehrerstand 660. Die Mittelschulen und Colleges 661. Die Fachschulen 667. Die Bibliotheken 668. ÖffentUche Vorträge 669. D i e Wissenschaftspflege 671. Wert der amerikanischen Wissenschaft 671. Ihre Entwickelung 672. Franklin und Rittenhaus 672. Die Surveys 674. Die Geographie und Geologie 675. Die Naturwissenschaften 676. Die Medizin 678. Andere Wissenschaften 678. Wissenschaftliche Körperschaften 680. Litteratur 682. Abhängigkeit von der englischen 683. Eigentümlich- keiten 684. Dichter 684. Geschichtschreiber, Redner u. A. 685. Kunst 689. Die Presse 691. XXVL Das Volk und die Gesellschaft. Geistige Merkmale 698. Die Frühreife und das Altern 699. Freier und gebundener Geist 700. Volksstimmung 701. Geistige Bereitschaft, Beweglich- keit, Reiselust, Liebe zum eigenen Herd 701. Die Ermüdung im Äufseren 701. Die Höfüchkeit und Frauenverehrung 703. Die. Frau 704. Sittlichkeit 705, Zurücktreten der SinnHchkeit 708. Lockere Auffassung der Ehe 708. Die Familie 708. Die FamiHe und die Erziehung 710. Disciplin 719. pie Jugend des Volkes 712. Die drei Kulturzonen 712. Die Gesellschaft des Westens 713. Die Amerikamüden 715 Optimismus und Überhebung 716. Der Kultus der Sachen 718. Die gesellschaftliche Gleichheit 718. Die Unterschiede des Besitzes 720. Die Armen 723. Aristokratie 723. Gleichartigkeit der Sitten 724. Einflufs von New York 724. Die Kulturlandschaft 725. Erklärung der Kulturkarte 731 Register 733 Verzeichnis der Kärtchen und Abbildungen. Seite Fig. 1. Die Südwestgrenze und die Süd-Pacifikbahn 38 » 2. Die Nordostgrenze im unteren S. Croix und der Fundy Bay . 43 » 3. Die Grenze im S. Lorenz (westlicher Teil) 53 » 4. > 1 » , (östlicher Teil) 54 » 5, » » » Huronensee 55 » 6. » » vor dem Eintritt in S. Marys River 56 » 7. Westende der Grenze im oberen See 57 » 8. Die Grenze im Haro-Kanal 59 > 9. Die Höhenverteilung der Bevölkerung 132 » 10. Jagd- und Fischereigeräte nordamerikanischer Indianer . . . 198 > 11. Waffen und Jagdgeräte nordamerikanischer Indianer .... 199 j 12. Die Gebiete der stärksten deutschen Bevölkerung im Jahre 1880 (nach Engelbrecht) 255 » 13. Wanderung des Bevölkerungsmittelpunktes von 1790 bis 1890 314 » 14. Washington 333 > 15. Die Städtegruppe am Unteren Hudson und das Gebiet der gröfsten Bevölkerungsverdichtung zwischen Hudson und Potomac 335 > 16. Die Städtegruppe an der Bucht von San Francisco und das Gebiet gröfster Bevölkerungsverdichtung am Stillen Ocean 341 Geld, Mafse und Gewichte der Vereinigten Staaten. 1 Dollar zu 100 Cts. = 4,19 R. M. 1 Hundredweight zu 112 Pfd. = 101,6 kg. 1 Bushel zu 6 Pecks = 35,23 1. 1 Gallon zu 8 Pints = 3,78 1. (Neue G. = 4,54 1.) 1 Yard zu 3 FuTs = 0,91 m. 1 Statute Mile zu 1760 Yards = 1,61 km. 1 Square Mile zu 640 Acres =: 2,59 qkm. Einleitung. Thatsachen und Wirkungen des Bodens. Ratzel, Die V. St. von Amerika. 4 Nordamerika und die V. St. teil, die dem Verkehre drei offene Seiten schafft. Die Staaten ö. von den Alleghanies werden entsprechend als atlantische, die w. vom Felsengebirge, als pacifische, und die s. von Arkansas und Tennessee als Golfstaaten bezeichnet. Für die Vertreter der Lehre von zwei Typen der Kontinente, die bezeichnenderweise besonders in Nordamerika Vertreter gefunden hat, steht Nordamerika in der Mitte zwischen dem schmalen inselarmen und dem breiten und vielgeghederten, dem südamerikanischen und dem asiatischen Typus. So legt sich denn der vierten Seite, der nördlichen, der breiteste Teil des nach Norden immer mehr sich ausbreitenden Nordamerikas an, das nach Norden tief in das arktische Gebiet mit den ihm vorgelagerten Inseln sich erstreckt. W. von der bis 52" n. B. herein- ragenden Hudsonsbai liegt das nördliche Land ungebrochen von der Grenze bis zum 70. ** und jenseits zieht bis über 80° der Polararchipel Nordamerikas; ö. von der Hudsonsbai erstreckt sich die 25000 Q.-M. grofse Halbinsel Labrador bis 62 « n. B. und weiter zieht bis nahe an 85° die grofse Insel Grönland. Eine tiefe Verschiedenheit des Khmas nicht nur, sondern des Bodens zwi- schen alter und neuer Welt führt auf diese Beziehungen zur Arktis zurück. Amerika war in viel gröfserem Mafse Boden eiszeitlicher Vergletschung als Europa. Alles Land n. vom Susquehanna und mehr als die Hälfte der Staaten n. vom Ohio trägt die Spuren dieses Einflusses in Gestalt und Bewässerung, stofflicher Zusammen- setzung und Fruchtbarkeit. Die Südhälfte Nordamerikas verschmälert sich nach Süden bereits im Gebiet der V. St. so, dafs die Entfernung der nördhch- sten Punkte am Atlantischen und Stillen Ocean zu der der süd- lichsten sich wie 11 : 9 verhält. Die Verbreiterung macht sich aber besonders auf der Ostseite geltend. Die pacifischen Endpunkte der Canadian und Union Pacificbahn fallen fast in denselben Meridian, S.John, der atlantische Ausgangspunkt der ersteren, liegt 8 Grade östHcher als New York. In dem ganzen Erdteil i) 1) Nordamerika wird in diesem Buche immer als Erdteil bezeichnet. ^'Ouiamerika steht in dem natürlichen System der Erdteile neben Europa und A^ien, den Norderdteilen, und gegenüber den beiden anderen Gruppen, welche üe Süderdteile und die Arktis und Antarktis umfassen. In Nord- Nordamerika und die V. St. 5 nimmt die Massenausbreitung des Landes, und damit nehmen auch die Wirkungen, die man als kontinentale zusammenfalst, nach Süden hin ab. Die atlantische und pacifische Seite der V. St. erscheinen als die Flankenseiten des Trapezes, dessen Schmalseite durch die Südgrenze (deren Endpunkte halb so weit von einander entfernt sind, als die der Nordgrenze) und die Golfküste gebildet wird. Der Landausbreitung im Norden Hegt also die Landver- schmälerung im Süden des Gebietes der V. St. gegenüber , dem wachsenden Mafse kontinentaler Einflüsse dort ein Anwachsen oceanischer hier. Die Hudsonsbai, die einen grofsen Teil des Jahres mit Eis gefüllt ist, ändert nichts an diesem Unterschied. Am andern Ende liegt der Golf von Mexiko, eines der wärmsten Meere der Erde, der seine Wärme und seine Regengüsse bis Neu- england sendet, während die kalten Nordwinde allwinterlich über den Golf wegwehen und bis nach Veracruz unverhoffte schädliche Abkühlungen bringen. Schroff, wie die Eigenschaften dieser Meeresteile sich gegeneinander türmen, stehen sich auch die klimatischen Wirkungen entgegen, die sie über das weite Land ohne Schranke sich entgegensenden. Verglichen mit Europa und Nordafrika, denen die atlantische Seite Nordamerikas gegenüberliegt, sind die V. St. nach Süden zu verschoben. Vergleichen wir ihre Lage mit der Europas, so fallen die nördlichsten Teile jener in die Breite von Paris, Metz und Regensburg, die Südspitze von Florida fiele aber s. von den Canarischen Inseln etwa nach dem C. Bojador, und die Golfküste in den südlichsten Teil des Mittelmeeres an die Küste von Tripolis und den Golf von Sydra. Es ist wichtig, diese Verschiebung im Auge zu behalten, und sich zu erinnern, dafs New York und Chicago ungefähr die Lage von Madrid oder Neapel einnehmen, Boston die von Rom. Die Verschiebung der poHtischen Lage entspricht nicht der des Klimas. Um so leichter wird sie übersehen. Besonders ist das Verhältnis Nordamerikas zu Westindien und Mittelamerika nicht ohne die Erinnerung an das Hinabragen amerika ist es üblich, Südamerika als »the Southern Continent« zu bezeichnen, wie sehr auch anderseits der Zusammenhang der »drei Amerikas« aus politi- schem Gesichtspunkte betont wird. ß Lage zu Südamerika. bis an die Grenzen der Tropen zu verstehen. Cuba liegt 150 km von der Grenze der V. St., die Nordspitze von Yucatan (C. Catoche) 900 km von der Mississippi-Mündung, die Landenge von Panama (Colon) 1700 km von der Grenze der V. St. , d. h. ungefähr eben so weit wie die nördlichsten und südlichsten Punkte des Mittelmeeres von einander entlegen sind. Europa hat nur mittelbare Bezie- hungen zu den Tropenländern, die in seinen Meridianen hegen, Nordamerika ist gerade nach dieser Seite vorgeschoben und auf- geschlossen. Und da Südamerika nach Osten verschoben ist, wird es von jenem auf der pacifischen Seite überragt; die V. St. haben daher auch im Süden den Stillen Ocean vor sich. Es lasten um ebensoviel die V. St. schwerer auf Mittel- und Südamerika. Nicht blofs der Gestalt und Lage nach ruft das Antillenmeer die Erinne- rung an das Mittelmeer wach , es verhält sich auch mit allen seinen Inseln zu Nordamerika wie das Mittelmeer zu Europa. Die V. St. sind durch die Golfküste und Florida eine westindi- sche Macht ; wirtschafthch sind die Kolonien Nordamerikas schon im 17. -Jahrhundert innig mit den Antillen verbunden. Die Einfuhr von dort betrug 1890 186 Mill. D. Aber das Antillenmeer ist im Süden offen und liegt um 15 ^ dem Äquator näher. Der Nordrand Südamerikas liegt zu Mobile, New-Orleans, Galveston ungefähr so, wie der Nordrand Afrikas zu Triest, Venedig, Genua, Marseille. Nur besteht der grofse Unterschied, dafs nach New-Orleans der Mississippi den Handel des halben Erdteils trägt, während Mittel- europa durch Pyrenäen, Alpen, Balkan vom Mittelmeere getrennt ist. Nur die kleine Rhone kann als Naturweg zwischen Nord- europa und dem Mittelmeer mit dem neunmal längeren Missis- sippi verglichen werden, ^ Und auf der andern Seite ist Südamerika aufgeschlossener als Afrika und bietet dem nordamerikanischen Aspekt keine Sahara, sondern einladende Länder. Beide Amerikas sind mehr zur Verbindung geartet als die entsprechenden Länder der Alten Welt. Zur natürlichen kommt die ethnographische Gunst der Lage. Was s. von dieser Küste wohnt, seien es Mexikaner, Mittelamerikaner oder Westnidier, dem stehen die Nordamerikaner weit überlegen gegenüber. Der Einflufs der V. St. auf die wirtschafthchen und wohl auch die politischen Lage zu Südamerika. fj Entwickelungen im Umkreis dieses Meeresteiles wird nach der Natur dieser Lage immer ein bedeutender sein und ist seit dem Zuge nach Mexiko (1848) immer deutlicher zu erkennen. Gegenüber den panamerikanischen Bestrebungen ist aber auch daran zu erinnern, dafs diese ethnographischen Unterschiede der Bevölkerungen der drei ^^merikas viel tiefere Klüfte zwischen diese Erdräume legen als die trennenden Meere. Es wäre daher sehr falsch, dieses politische Problem nur aus dem geographischen Gesichtspunkte zu behandeln, wie es so oft, auch von Staats- männern der V. St. geschehen ist, die dem Verkehr eine Wunder- wirkung in seiner Lösung zuschrieben. Der Verkehr kann die Thatsache nicht auslöschen, dafs die Bevölkerungen aller mittel- und südamerikanischen Länder nicht blofs eine andere Grundlage von europäischen Einwanderern, sondern ohne Ausnahme dauer- haftere und stärkere Indianer- und Negerelemente haben. Nord- amerika steht im ganzen dem romanischen Mittel- und Südamerika als die germanische Hälfte der Neuen Welt und die V. St. noch besonders als das Land der ausgesprochensten Mehrheit und Vor- herrschaft der reinen Europäer gegenüber. Zu den politischen und Verkehrsentwürfen, welche die Inter- nationale Amerikanische Konferenz, den sog. Panamerikanischen Kon- grefs, beschäftigten, gehört auch die IntercontinentaleEisenbahn von San Francisco nach Buenos Aires. Sie soU ein weiteres Mittel zur Förderung der materiellen Interessen und freundschaftlichen Bezie- hungen der amerikanischen Staaten sein. Für den Verkehr zwischen Nord- und Südamerika hat sie aber keine Bedeutung, da der Seeweg durch den GoK von Mexiko kürzer ist, und für den Verkehr zwischen den mittel- und südamerikanischen Ländern steht sie in der Luft, so lange deren Inneres so unentwickelt ist. Vorausbesttmmt wurde nur die Neu- tralität dieser grofsen Linie, die Zollfreiheit der zu ihrer Erbauung notwendigen Materialien und die Niedersetzung einer Kommission in Washington, die nach der Annahme des Planes eine Studienkommis- sion von Ingenieuren bilden sollte. Die wegen der Angaben über die bestehenden und geplanten süd- und mittelamerikanischen Eisenbahnen interessanten Berichte über diese Eisenbahn nehmen in dem offiziösen Bericht über den Kongrefs 290 Seiten ein und sind jedenfalls dessen wertvollster Teil*). 1) AmM^e Prince, Le Congr^s des Trois Am^riques 1889 — 1890. Paris 1891, mit Karte der Interkontinentalen Eisenbahn. g Der Vergleich mit Europa. Der Vergleich mit Europa. Beim Vergleich mit anderen Teilen der Erde ist es immer Europa, dem sich Nordamerika gegen- überstellt. Das Suchen nach Ähnlichkeiten ist gerade in diesem Erd- teil, der vor allen anderen Neueuropa zu heissen verdiente, begreiflich. Der Gelehrte von heute steht in dieser Sache unter demselben Einilufs wie der Kolonist des 17. Jahrhunderts, dem die — für ihn unerwartete — Ähnlichkeit des Bodens und Himmels das Einleben im fremden Lande leichter machte. Es ist ja auch kein vergebenes Bemühen. Die Analogien sind nicht blofs im grolsen vorhanden, sie bestehen auch in kleineren Erscheinungen und erheben sich zu Homologien, in denen nicht blols die Erscheinung, sondern auch die Entwickelung übereinstiromt. Für uns werden sie von dem Augenblicke an bedeu- tungsvoll, dafs sie ähnliche Grundlagen der wirtschaftlichen und politi- schen Entwickelung schaffen. Den wirtschaftlichen und politi- schen Homologien, die dadurch entstehen, wohnt die Kraft tiefer Naturbedingtheit inne, die besonders in der Dauer sich äulsert. Für eine an der Oberfläche haftende Betrachtung bedeuten sie Wettbewer- bung vielleicht bis zur Aufreibung. Man mufs aber tiefer gehen und in diesen Ährdichkeiten eine Verstärkung der Wirkungen sehen, welche die Weltgeschichte bisher nur als europäische bezeichnete. Denn wenn Europa und Nordamerika ähnlich einander gegenüberstehen, so ver- halten sie sich zu den anderen Teilen der Erde als ein Übereinstim- mendes. In diesem Sinne ist der Vergleich mit Europa reich an Erkenntnissen für den geschichtlichen Beruf Nordamerikas. An die Spitze dieser Vergleiche wird immer die Zugehörigkeit beider Erdteile zur natürlichen Gruppe der Norderdteüe zu stellen sein. Damit ist die gemeinsame Lage auf der landreichen nördlichen Halbkugel und die entsprechende Zonenlage mit ihren klimatischen Folgen bezeichnet. Das Mittelmeer und das Antiüenmeer siad Meere ähnlicher Lage zu Europa und Nordamerika, sie sind auch äbnlichen Ursprungs und in- folgedessen ähnlich in den Umrils- und Tiefenverhältnissen. Durch das eine führen die afrikanischen Beziehungen Europas, und durch das andere die südamerikanischen Nordamerikas. So wird einst auch dem Suezkanal der interoceanische Kanal entsprechen, der bestimmt ist, das amerikanische Mittehneer mit dem äquatorialen Abschnitt des Stillen Oceans zu verbinden. Die Identität der Geschicke Nordeuropas und des nördlichen Nordamerikas in der Düuvialzeit bedingt gleiche Bodenformen und selbst übereinstimmendes Material. Die Vertreter der Nord- und Ostsee sind in dem »nördlichen Mittelmeer« der grolsen Seen zu suchen. Die Fjorde, Fjordflüsse, Seenketten, Flufsschlingen, Blockwälle, Sanddünen sind gleich diesseit und jenseit des Atlantischen Oceans. Durch jene grolsen klimatischen Veränderungen ist endlich selbst die Lebewelt aufs tiefste beeinfluXst worden und ebenfalls in Die Lage zu den Meeren. y übereinstimmender Richtung. In allen diesen Vergleichen sind der Westen und das pacifische Gebiet einem näher herangezogenen Stück Asien gleichzusetzen. Die Lage zu den Meeren. In der Verteilung des Wassers und Landes über die Erde liegt die Notwendigkeit, dafs eine grofse kontinentale Lage auch eine oceanische sei. Von den vier Seiten der V. St. sind drei dem Meere zugewandt, zwei gehören dem Atlantischen, eine dem Stillen Ocean. Die zwei atlantischen Seiten sind , im grolsen gemessen, ^) fast doppelt so lang als die pacifische. Der Atlantische Ocean legt eine Wasserfläche von 1448000, der Pacifische von 2926000 G. Q.-M. vor die Gestade der V. St. Ziehen wir eine Linie durch die "V. St. unter dem 40. Parallel und setzen sie durch die beiden Oceane bis zu den europäischen und asiatischen Ufern fort, so verhalten sich der pacifi- sche, der kontinentale und der atlantische Abschnitt wie 2,1: 1 : 1,2. Die Mittelmeere nehmen im nördlichen Atlantischen Ocean ^) 143000 G. Q.-M., die Randmeere 18500 G. Q.-M. ein, die Rand- meere im nördhchen Stillen Ocean 114000 G. Q.-M. Durch ihre Grölse und noch mehr durch ihre Gestalt wirken d'iese Meere über die Küsten hinaus tief in das Leben der Völker an ihren Rändern. Der Atlantische Ocean erteilt seinen Küsten, wie sie auch sonst geartet seien, einen andern Wert als der Pacifische.. Besonders der nördliche Atlantische Ocean ist klein im Verhältnis zu den Ländern, die ihn im Osten und Westen umgeben. Er erleichtert also ihren Verkehr , indem er ihn verkürzt. Aber mehr ; seine Ausläufer reichen im Osten und Westen tief in die Länder der Alten und Neuen Welt hinein, und zahlreiche Inseln vermehren »the blending of the water with the land» , das ihm den Charakter eines inneren Meeres im Gegensatz zum offenen Stillen Ozean aufprägt. ^) Dieser ist in Wahrheit der Grofse, dem Räume nach ; der Atlantische ist 1) Die eingehendere Besprechung der Küstenlänge und -glisderung 8. im 2. Kapitel. 2) Vom nördlichen Eismeer abgesehen , das K r ü m m e 1 zu den Mittel- meeren rechnet, dessen bewährter Klassifikation wir im allgemeinen folgen. Für Nordamerika kommt aber von Gliedern des nördlichen Eisuieeres noch die gegen 20000 G. Q.-M. grofse Hudsonsbai in Betracht. 3) The North Atlantic Directory. London 1862. Einleitung. •[Q ^Die Lage zu den Meeren. aber gröfser an geschichtlichen Wirkungen; er ist als geschicht- licher Ocean an die Stelle des Mittelmeeres getreten. Diese Über- legenheit reicht voll in die Gegenwart herein. Im Fiskaljahr 1890/91 gingen durch die grofsen atlantischen Häfen New York (63,6), Boston (8,4), Philadelphia (7), Baltimore (2,4) 81,5% der Einfuhren, durch San Francisco 6, durch New Orleans 2,4, durch Chicago 1,8. Die den V. St. unmittelbar anliegenden Nordabschnitte der beiden Meere sind schmäler als die südlicheren. Beide erreichen ihre kleinste Breite im Norden, der Atlantische zwischen Grönland und Norwegen mit weniger als 3000, der Stille Ocean in der Bering- strafse mit 90 km. Unter dem 30. Parallel ist der Atlantische 6700 und der Stille Ocean 12600 km breit, aber zwischen San Francisco und Tokio beträgt die Breite auf dem 35. Parallel nur noch 9000, und auf dem 40., dem von Philadelphia, die des Atlantischen 5800 km. Bremen wird von New York in 10 Tagen, Tokio von San Francisco aus in 20 Tagen erreicht. Die analoge Ordnung der Strömungs- und Windsysteme in den Nordhälften der beiden Meere bringt sie zu den Küsten der V. St. in ein entgegengesetztes Verhalten. Der Atlantische Ocean verhält sich zum nordamerikanischen Gestade wie der Stille Ocean zum asiatischen. Für den Verkehr nach und von diesen Küsten ist dies von der gröfsten Bedeutung. Die Reise von einem nord- oder mitteleuropäischen Hafen nach einem nordamerikanischen n. von C. Hatteras wird für Segelschiffe als eine der schwierigsten des Atlantischen Oceans bezeichnet. Die vorwaltenden Westwinde, in der zweiten Hälfte Strömungen, Eisberge und in der Nähe der Küste die Nebel bergen Schwierigkeiten und Gefahren i). Die Schiffe biegen nach Norden aus und schneiden den 50. Meridian zwischen 43 und 46 ^ N. B., um dem Golfstrom zu entgehen und aus der Zone der Westwinde in das Gebiet der Cyklone zu kommen. Dabei laufen sie Gefahr, zwischen die Eisberge zu geraten, die 1) Vgl. die Zusammenstellung der Schwierigkeiten des SegelschifEahrt von europäischen Häfen nach den nordamerikanisehen n. vom C. Hatteras im Segelhandbuch für den Atlantischen Ocean. Herausgegeben von der Deutschen Seewarte. Hamburg 1885. S. 375 f. Die Seewege nach Nordamerika. 21 der Labradorstrom fast das ganze Jahr, besonders aber vom An- fang des Winters bis zum Ende des Sommers führt. Noch immer beträgt die mittlere Dauer der Segelschiffahrt über den -Atlantischen Ozean nach New York von der Höhe von C. Lizard oder den Orkney-Inseln gerechnet (nach 212 Reisen, die in der deutschen Seewarte verglichen wurden) 43,4 Tage. Noch heute gewinnen die von Europa nach den südlichen atlantischen und Golfhäfen fahrenden Segler möghchst früh den Passat, den sie möglichst spät verlassen. Auch für sie bildet die «Durchstechung» des Golfstromes, wenn sie nach den Häfen s. von C. Hatteras be- stimmt sind, eine Schwierigkeit und nicht minder die Passierung der Floridastraf se. Dampfer erreichen New Orleans von Bremen aus in 22 Tagen. Für die ostwärts segelnden Schiffe häufen sich- dafür die Vorteile für das ganze atlantische und Golfgebiet der V. St. : Westliche Winde, Benutzung des Golfstroms, Vermeidung der Eisberge und Nebelregion und allgemeine Beständigkeit der Witterung, da die Fahrt sich in der Richtung der barometrischen Depressionen bewegt. Seit 1891 sind für die Dampfer des Nord- deutschen Lloyd folgende Wege festgelegt: Ausgehend wird vom 15. Januar bis 14. Juli der 49. Meridian in 42^ 30', vom 15. Juli bis 14. Januar in 46" geschnitten und von da an direkt auf Sandy Hook gesteuert ; heimkehrend wird vom 15. Januar bis 14. Juli der 49. Meridian in 41^40', vom 15. Juh bis 14. Januar der 45. Me- ridian in 46^ 30' geschnitten. Die Schiffahrt des nördlichen Stillen Oceans ist, mit den Worten des Pacific Directory »leicht und einfach«. Besonders in der amerikanischen Hälfte wird sie in westlicher Richtung durch die Passate, in östlicher in höheren Breiten durch die vorwiegend westlichen Winde begünstigt; die in der Westhälfte durch ihre Verschiebungen störenden Monsune bleiben auf die Nachbarschaft der asiatischen Küste beschränkt. Die östlichen Winde, deren Nord- grenze bei ungefähr 30^ liegt, nützen besonders bei den Fahrten nach den Sandwich-Inseln, Australien und dem südlichen China. Bei der Fahrt nach den japanischen und nordchinesischen Häfen nehmen die Segelschiffe nördlicheren Kurs, um den kalifornischen Strom und die Zone der nordwestlichen Winde zu umgehen. J2 Die Seemacht. Segelschiffe machen den Weg von chinesischen Häfen nach S. Francisco durchschnittiich in 59, von Honolulu in 23, von Austrahen in 75 bis 80 Tagen, die kürzesten Reisen von Hong- kong dauern 35, von Schanghai 34, von Honolulu 11, von Australien 57 Tage. Die V. St. haben die oceanischen Forderungen ihrer konti- nentalen Stellung so gut erkannt, dals sie als Seemacht vor allen anderen Grofsmächten, aulser England, gehen. Ihre Reederei hat besonders in den letzten Jahrzehnten durch den Bürgerkrieg, durch die Schutzzölle auf Eisen und Stahl, und infolge der zu- nehmenden Inanspruchnahme der jungen Männer durch die In- dustrie Rückschwankungen erfahren. Aber ihre Handelsflotte •mifst heute auf den zwei Oceanen 3221000 T. und auf den Seen 1 155000 T. Das ist eine Flotte, welche die Summe der norwegischen, deutschen, französischen, der drei grösften europäischen Seemächte nach England, noch um eine V4 Million T. hinter sich läfst. Seit 1888 ist sie merklich im Wachsen. Die Thatsache, dafs noch immer weniger als V4 des Schiffsverkehrs in den Häfen der V. St. (nach dem Tonnengehalt) sich unter der Flagge der V. St. bewegt, eröffnet dieser ein weites Feld der Wettbewerbung. Die hohe Stelle, welche die Seeleute der V. St. im nördlichen und südlichen Eismeer behaupten, wo alle anderen Konkurrenten aufser den Engländern zurückgeschritten sind , die gewaltigen Leistungen des Schiffsbaues und der Schiffsführung im Bürger- krieg — die Kriegsflotte der V. St., die beim Ausbruch des Bürger- krieges 92 Schiffe zählte, war 1865 auf 694 Schiffe gebracht — und endlich die grofse Entwickelung ihrer Seen- und Stromflotten geben die Sicherheit, dafs es nicht an den Kräften zur Aus- nutzung einer Drei Ocean-Lage mangelt. Heute wird eifrig an der Hebung der Kriegsflotte gearbeitet, die den ersten Krieg nach dem für die Unabhängigkeit, den mit den Barbareskenstaaten, durchgefochten und 1812, sowie im Bürgerkrieg Hervorragendes geleistet hat. 1890 stand sie an Geschütz- und Mannschaftszahl etwa der Österreich-Ungarns gleich. Zwar sehen manche Politiker der V. St. in dem „Navalism" nur eine transatlantische Spielart des europäischen Militarismus. Es machen sich auch binnen- Die atlantische Seite. J3 ländische Einflüsse gegen die maritimen geltend. Der Nachweis, dals die Kriegsflotte notwendig zum Schutz einer entsprechenden Handelsflotte, bietet die einzige Handhabe, um die Binnenstaaten zu Opfern für die Flotte und Küstenbefestigungen zu veranlassen. Aber die Durchbrechung der mittelamerikanischen Landschranke wird zu ihren Gunsten in derselben Richtung wirksam sein. Es wäre kurzsichtig, in der Förderung der Seemachtstellung der V. St. etwas anderes erbhcken zu wollen , als die Verwirklichimg der Vorteile einer oceanischen Lage, die kein anderer Staat von kontinentaler Gröfse besitzt, d. h. eine geschichtliche Notwendigkeit. Die atlantische Seite ist die geschichtlich wichtigste Nord- amerikas und ganz besonders der V. St. Wie könnte es anders sein, da sie, „the Europe-fronting Shore", dem eigenthch geschichtUchen Erdteil der neuen Zeit, Europa, gegenüber Hegt, da von Europa die Entdeckung, Eroberung, Kolonisation Amerikas ausgegangen sind und von dort aus die politische Herrschaft über Amerika erstreckt wurde, die in Trümmern und Resten noch geübt wird? Im Vergleich mit den kolonialen Anpflanzungen auf den pacifischen und Golfgestaden sind die atlantischen in Nordamerika herrlich gediehen, haben alle jene mit der Zeit in ihren Schatten auf- genommen; denn sie wurden nicht blofs einmal gepflanzt, sondern dann auch kräftig weiter genährt und gefördert. Die V. St. sind eine atlantische Schöpfung. Die ältesten, volkreichsten und verkehrs- reichsten Kolonien und Staaten Nordamerikas liegen noch heute am atlantischen Rande, die gröfsten und reichsten Städte, die hervor- ragenden politischen und geistigen Mittelpunkte findet man auf diesem Gestade, das die Natur selbst für den Verkehr mit Europa gestaltet zu haben scheint. Besonders aber Hegen die V. St. dem in jeder Hinsicht fort- geschrittensten I^ande Europas gegenüber. Ihr eigener rascher Fortschritt ist ein Produkt der innigen Berührung mit dem Lande , dessen durch insulare Lage und AbschHelsung begünstigte Frühreife aUein den schein- baren Widerspruch der frühen Reife auch des kontinentalen Tochter- landes erklärt. In der Praxis wie der Theorie ist England das grofse Muster und Beispiel. Trotz aUer fremden Einwanderungen ist der angelsächsische und keltische Typus der Kultur unzweifelhaft und wird bleiben, so lange die Wettbewerbung auf Kinder Europas beschränkt 14 Das atlantische Übergewicht. bleibt. Das Übergewicht der deutschen Einwanderung ist daneben erst eine junge Thatsache. Für den Handel der V. St. ist Grolsbritan- nien mit Irland ein vom übrigen Europa weit verschiedenes, den ganzen übrigen Kontinent aufwiegendes Land. Es wird hundertmal genannt bis Deutschland oder Frankreich einmal. Die südeuropäischen Länder treten aber ganz in den Hintergrund. Heute wie vor 300 Jahren schneiden ihre bevorzugten VerkehrsUnien die Parallelen des Atlantik in denselben Winkeln, deren Scheitel nach dem Antillenmeere hegen, während 15 und 20 Grade weiter n. die Linien des nord- und mitteleuropäischen Verkehrs zwischen Portland und Baltimore das Land treffen. Der Verlauf der östlichen und westlichen Küstenlinien des Atlantischen Oceans begünstigt diesen Verkehr. Eine Linie von der Mitte der einen zur Mitte der andern, die hier den 35., dort den 40. Breitegrad berührt, bezeichnet die Neigung dieser Lage und ver sinnlicht das Übergewicht der atlantischen Seite. In der Breite der V. St. drängt der Atlantische Ocean nach Westen und erreicht seinen westlichsten Punkt in der Bucht von Savannah, deren Meri- dian von der Küste von Ecuador an im Stillen Ocean liegt. Die atlantische Seite der V. St. ragt also weiter nach Süden als die pacifische und fällt «entschiedener nach Westen zurück, so dafs der nördlichste Punkt an der atlantischen Küste der V. St. 15 Längen- grade über den südlichsten vorspringt. Für die Schiffahrt be- deutet dies, dafs die Fahrzeiten vom europäischen Rand des Atlantischen Oceans nach den nördlichen Häfeii der V. St. kürzer sind als nach den südlichen. Ein Dampfer fährt von Liverpool nach Portland (Maine) fast einen Tag weniger als nach New York, und nach Baltimore vier Tage länger als nach Quebec. Alle un- mittelbar vom nördlichen Europa ausgehenden Versuche zur Ent- deckung Nordamerikas fanden den Kontinent bei jenen nördlichen Vorsprüngen, vor allem bei Neufundland, Labrador, Neuschottland. Indessen ist es nicht blofs die räumliche Annäherung an Europa, die diesem Ausladen der Küste nach Nordosten hin einen so bedeutenden Einflufs verleiht, sondern mehr noch die Thatsache, dafs die Schiffe, die von Europa nach der Ostküste Nordamerikas fahren, den Atlantischen Ocean in hoher Breite schneiden — selbst die nach Baltimore bestimmten Schiffe verfolgen bis 70^ W. L. denselben Weg wie die nach New York und gehen oft Einflufs der atlantischen Lage auf die jungen V. St. 15 bis in Sicht von C. Race — , und auch darum hegen die nörd- hchen Häfen der atlantischen Küste der V. St. gut für den Ver- kehr mit Europa. Die atlantische Küste von Nordamerika ist überhaupt für diesen Verkehr vor allen anderen Teilen der Neuen Welt in hohem Grade begünstigt. Sehen wir von Grönland ab, das nie mit dem übrigen Amerika gebend und nehmend so eng verbunden war wie mit Europa, so ist C. Race auf Neufundland der Europa am nächsten gelegene Punkt Amerikas, und wir sehen von hier die Küsten- linie gleichsam in drei grolsen Stufen südwestwärts zurückfallen, die durch C. Breton, C. Cod, C. Hatteras bezeichnet sind ; s. von C. Hatteras schneidet das Meer in flachem Bogen in das Land ein, aber Florida, die Halbinsel, mit der es sich wieder gegen Osten ausbiegt, bleibt weit hinter der nördlichen Küste zurück. Sehen wir vom hochentwickelten Verkehr unserer Tage zurück, so waren die jungen V. St., wie sie aus dem Unabhängigkeitskriege 1783 hervorgingen, eine rein atlantische Macht. Sie rückten an den Golf und den Stillen Ocean mit der Erwerbung von Louisiana 1803 und Kaliforniens 1848. Die Lage am Atlantischen Ocean war vom tiefsten Einflufs auf die Entwickelung gerade des jungen Gemeinwesens. »Durch den Ocean nicht nur von dem Mutter- lande, sondern von der ganzen alten Kulturwelt getrennt und auf einen Kontinent mit noch ungemessenen Grenzen gestellt, den die Natur in jeder Beziehung auf das verschwenderischste ausgestattet, mufste ihnen der Gedanke frühe nahe treten, dafs sie berufen seien, hier in der That eine , Neue Welt' zu schaffen^)«. Dieser Ocean begünstigte durchaus nicht die Anfänge des Ver- kehrs, er verspätete den Eintritt Nordamerikas in den Kreis der atlantischen Geschichte und schuf eine Isolation, die zu ihrer Zeit wohlthätig war. In der Lage zu den beiden grolsen Oceanen war es geschrieben, dafs Amerika erst spät den seefahrenden Völkern arischen und semitischen Stammes sich erschliefsen werde. 1) V. Holst, Verfassung und Demokratie der V. St. 1873. I. 3. Nur im Hinblick auf diese Entwickelungsstufe hat der Satz Ernst K a p p s Gültig- keit: »Die grofse Republik ist ein oceanischea Fahrzeug ohne historischen Ballast«. Vgl. Allg. Erdkunde 1868 S. 601. 16 Geschichtliche Beziehungen der atlantischen und pacifischen Seite. Der inselarme, stürmische Nordatlantische Ocean, mit seinen westHchen Winden und Strömungen bildete einst eine Schranke zwischen Amerika und Europa. Unzweifelhaft war Amerika leichter von Westen als von Osten her zu erreichen, und die früheren Landungen vor den normannischen, die zu keinem grolsen Ergebnis führten, dürften alle auf dieser Seite gemacht worden sein. Aber auf dieser Seite hatte die Alte Welt für die Weiterentwickelung unendHch weniger, und besonders im Norden, zu bieten als auf der atlantischen. Auch schlielsen die Kordilleren das innere Land in dem Mafse stärker ab, als es vom Stillen Ocean her leichter zu erreichen ist, und wenn sie nicht unübersteigbar sind, luden sie nicht ein und zwangen die Einwandernden, sich zu zerstreuen. Der am atlantischen Ufer Landende findet breite Wege ins Innere geöffnet. Im Verhältnis zu den beiden grofsen Ozeanen und damit in der Stellung zur ganzen bewohnten Welt, bedeutet die euro- päische Entdeckung Amerikas eine gänzliche Verschiebung. Bis 1492 stand Amerika mit seiner Menschheit am Ostrande der bewohnten Welt, bildete den Orient der Ökumene, mit welcher der Stille Ocean es verband ; der Atlantische aber gähnte wie eine Kluft zwischen Amerika und dem Westrand der Ökumene in Europa und Afrika. Die normannischen Grönland- und Vinland- fahrt^n überfuhren sie, überbrückten sie aber nicht. Seit 1492 zog die Kolonisation einen Faden um den andern über den Atlantischen Ocean, alle frisch und lebensfähig, während die alten Verbindungen über den Stillen Ocean abstarben und ver- gessen wurden. Die zunehmende Einwanderung hat in den ersten Jahrhunderten fast nur transatlantische Beziehungen gekannt und gekräftigt, und kein Land hat mehr gethan, Amerika vom Ostrand bis zum Westrand der Ökumene hinüberzuziehen als die V. St., die atlantischste oder europäischste aller Kolonien. Das Vordringen an den Stillen Ocean und die Verdrängung, fast Ver- nichtung der alten Bewohner kann als ein Sieg der Atlantiker auf altpacifischem Boden aufgefafst werden. Die Golfseite. Die scharfe Scheidung der östlichen von der südlichen oder Golfküste, die fast rechtwinklig aufeinander Die Golfseite. iq treffen und dazu noch durch die gerade am Winkel des Zusammen- treffens vorspringende Halbinsel Florida mit ihren Riffen aus- einander gehalten werden, ist ein weiterer bedeutsamer Zug in den allgemeinen Umrils- und Lageverhältnissen. Die scharfe Ecke bei Florida wird eine Thatsache von tellurischer Bedeutung durch die Wirkung, die sie auf den Warmwasserstrom des mexikanischen Meerbusens ausübt, der erst durch die Zusammendrängung in der Floridastraf se zum »Flufs im Meere« wird. Im politischen und Verkehrssinne bezeichnet sie den Wendepunkt in der bisher nach Osten, zu Europa gekehrten Lage. Durch den mittelmeerischen Einschnitt des Golfes wird eine Südküste geschaffen, durch die Nordamerika nach der mittel- und südamerikanischen Seite auf- geschlossen und um so entschiedener hingewiesen wird, als das ganze Mississippibecken nach derselben Seite geneigt ist. Dem Handel und Verkehr mit auf serhalb dieses Kreises gelegenen Ländern ist dagegen die eingeschlossene Lage dieses Golfes weniger günstig — Galveston wird von Bremen erst in 23 Tagen erreicht — und die unmittelbar vom Innern nach der atlantischen Küste führenden Eisenbahnlinien bringen einen grofsen Teil der Waren, von der natürlichen Straf se des Mississippi weg, den atlantischen Häfen zu. Aber der Wert des Golfes von Mexiko für Nordamerika ist noch lange nicht voll erkannt und ausgenutzt. Die Stagnation des Südens, die Vernachlässigung der Wasserstrafse des Mississippi, das starke Übergewicht des Nordens, der Mangel des interoceani- schen Kanals sind einige Gründe der langsamen Entwickelung dieser Gestade. Texas, der einzige Südstaat mit grofser Einwan- derung und fast westlicher Energie der Ausbeutung, geht aber mit raschen Schritten vorwärts, und der Südwesten folgt ihm, für den der Golf der nächste Weg zum Atlantischen Ocean ist. Von San Francisco nach New Orleans ist der Schienenweg drei Viertel so lang wie nach New York. Im Besitze von Florida haben die V. St. nur eine Hälfte des Einganges zum Golf von Mexiko inne, die nördhche; Cuba beherrscht die andere. Auch der vorgeschobene Punkt Key- West liegt noch n. von der Floridastrafse. Cuba schliefst aber zugleich zwischen San Antonio und C. Catoche den zweiten Eingang. Ratzel, Die V. St. von Amerika. 2 j[g Die nordatlantischen Westseen. Um Cuba führen also beide Seewege in den Golf. Zugleich führt an Cuba längsweise vorbei der Weg von den atlantischen nach den Golfhäfen der V. St. Wenn also bald nach der Erwer- bung Floridas (1823) Jefferson an Monroe schrieb: »Die Hin- zufügung Cubas zu unserem Bunde ist genau, was wir brauchen, um unsere nationale Macht bis zur Grenze ihrer äufsersten Inter- essen abzurunden«^), so begreifen wir, am Vorabend der Aus- führung eines internationalen Kanales, die ganze Wichtigkeit dieser Insel. Ihre Erwerbung würde zusammen mit der Vollen- dung dieses grofsen Werkes die Beherrschung des Antillenmeeres durch Nordamerika bedeuten. Die Stellung Englands auf den Bahamas wäre umgangen. Wirtschaftlich bildet ja die Perle der Antillen, die den gröfsten Teil ihrer Erzeugnisse an die V. St. absetzt, fast schon einen Stern im Sternenbanner. Für den Dampfer- verkehr liegt Havana 7 Stunden von Key -West, weniger als 60 von der Mississippi-Mündung und 66 Stunden — durch die neue Eisenbahnverbindung über Tampa — von Washington. Die nordatlantischen Westseen. Wie Europa vom hohen Norden durch die östliche Verlängerung des Atlantischen Oceans bis zum Finnischen Meerbusen getrennt ist, so das östliche Nord- amerika durch zwei westliche Ausläufer des Atlantischen Oceans. Den einen bildet in der geographischen Breite der Ostsee die Hudsonstrafse mit der Hudsonsbay, den andern der St. Lorenz- strom mit den Grofsen Seen. Fiir die V. St. kommt der zweite kleinere Einschnitt zunächst fast allein hi Betracht, da die Er- schHefsung direkter Wege zur Hudsonsbay der Zukunft angehört. Der St. Lorenzstrom mündet bei Quebec in eine grofse Meeres- bucht, und sein kurzer Lauf vom Ontario bis hierher gleicht einem inselreichen Fjord (vgl. Fig. 2). Verkehrsgeographisch ist die Verbuidung der fünffach gegliederten Gruppe der canadischen Seen mit dem Atlantischen Ocean durch künstliche Wasserbauten zu einer so leichten und ausgiebigen geworden, dafs man sie den 1) Jefferson 's Complete Works. VIII. p. 300. Eingehendere Be- merkungen über Cuba findet man in M^langes politiques et philosophiques extr. des M^moires et de la Correspondance de Thoin. Jefeerson. Paris 1833, T. n p. 36. Die grofsen Seen und die Ostsee. j^g Verkehrsmöglichkeiten nach fast als Meereseinschnitt betrachten könnte. Von Duluth am Oberen See bis Belle Isle an der Labradorküste zieht eine über 4000 km lange durchaus schiffbare Kette von Seen, Kanälen und Flüssen an und vor der Nordgrenze der V. St. hin. Die neuen Schiffahrtskanäle am Sault Ste. Marie und Niagara werden die oceanische Erschlielsung der Grossen Seen noch verstärken. Und schon spricht man von der Vergrölse- rung des Eriekanals für oceanische Fahrzeuge. Dafs die schmälste Stelle der V. St. zwischen dem Golf und der Seenregion liegt, wo- durch zwischen dem Eriesee und der Appalachen-Bucht die Breite auf 1350 km reduziert wird, trägt zum Werte beider Wasser- ränder bei. »Hundertvierunddreifsig Längengrade liegen zwischen Poti am Ostrande des Schwarzen Meeres und Duluth am Westende des Oberen Sees. Die Linie, die durch den Atlantischen Ocean diese Endpunkte der Mittelmeere beider Hemisphären verbindet, übertrifft also ein Drittel des Erdumfangs und auf diesem Wasser- wege kann ein Schiff von dem Herzen des einen Kontinentes bis zu dem des anderen vordringen.« Diese Einleitungsworte einer neuen Schrift über den Verkehr auf den Grofsen Seen ^) zeichnen die grofse Auffassung, die man in den V. St. von der Rolle dieser Seen hegt. Bei diesem Vergleiche ist allerdings der Unterschied der Gröfse zu betonen, denn das Mittelmeer um- schliefst die Fläche der Grofsen Seen sechsmal. Aber allerdings breiten auch sie wie ein vielgliedriges Mittelmeer im Innern Nord- amerikas sich aus , den Verkehr zwischen den angrenzenden Ländern nicht nur, sondern zwischen der Ost- und Westhälfte des Kontinentes fördernd und belebend und durch einen allerdings langen, aber sichern Weg mit dem Atlantischen Ocean verbindend. Den Vergleich mit der Ostsee legen die erdgeschichtliche Erwägung, die Gröfse, Gestalt und Klima näher als den mit dem Mittelmeer. Aber die auf diese Gruppe von Seen hingewiesenen Landräume, sind im Falle Amerikas gröfser und reicher. Immerhin bietet Chicagos Entwickelung als die der ersten und herrschenden Stadt 1) Cushman K. Davis (Senator für Minnesota), Our Lake Commerce and Ways to the Sea 1891. 2* 20 Die pacifische Seite. an diesen Gestaden zwanglos Analogien mit der vorauseilenden Lübecks in der Blütezeit der Hansa, das ebenfalls den Verkehr in einen Südwinkel seiner Ostsee zusammenzog. Für die Entwickelung der V. St. ist das Heranreichen an den oberen und mittleren St. Lorenz und der ungemein günstige Verlauf der Seengrenze, der ihnen den Michigansee mit der Mackinaw-Strafse ganz und vom Oberen. See den gröfsten und besten Teil, sowie gleichen ^oder über überwiegenden Anteil an all' den wichtigen Wasser- verbindungen im Seengebiet zuweist, von unschätzbarem Werte. Schon heute ist der Warenverkehr durch den St. Marys -Flufs grösser als der durch den Suezkanal. Die pacifische Seite. Die pacifische Küste der V. St. er- öffnet in der Breite von 16 Graden einen Zugang zu dem gröfsten Meer der Erde, von dem William H. Seward voraus- sagte, dafs auf ihm sich die gröfste Entwickelung der Menschheit vollziehen werde. Dazu kommt die Küste von Alaska zwischen 54^ 40' n. B. und 141° w. L., die am Eiskap sich ähnlich zur Nord- und Eismeerküste wie die Atlantische in Florida zur Süd- und Golfküste umbiegt. Jene entbehrt der reichen Gliederung der atlantischen. Der eigentümlich regelmäfsigen Auswölbung nach dem Stillen Ocean ist nicht dieselbe Bedeutung zuzumessen, wie jener Ausladung der atlantischen Küste; C. Mendocino liegt 8° weiter w. als der am weitesten nach Osten zurückreichende Punkt der kalifornischen Südküste, San Diego. Aber es wird das Klima Kaliforniens bestimmt durch das Zurücktreten seiner Küste von der Berührung mit dem warmen Strom von Westen. Auch ist es für die Metropole dieses Gebietes , San Francisco , nicht ohne Wichtigkeit, dafs es durch seine Lage so nahe dem Scheitel dieser Vorwölbung um volle 6 Längengrade weiter in das Meer hinaus- gerückt ist als die südkaUfornischen Plätze auf der einen und die am Puget-Sund und in Nordoregon gelegenen auf der andern Seite. Es wird dadurch der Vorzug der nördlichen Lage für den Ver- kehr mit dem gegenüberhegenden Gestade, dem asiatischen, einiger- mafsen aufgewogen, den auch hier die nördliche Lage bringt, die mit _ der geringeren Entfernung den ostwärts gewandten Meeres- strom für die Rückfahrt- verbindet. Die Stellung der V. St. am Stillen Ocean. 21 Der Strich von 16 Breitegraden , mit dem die V. St. sich dort hinlagern, ist aus anderen Gründen wichtig. Es ist der kulturfähigste Abschnitt der ganzen pacifischen Küste von Nord- amerika. Nur das entlegene und abgewandte AustraHen teilt mit diesen Küsten die Vertretung europäischer Kultur am Stillen Ocean, dessen Gestade sie auf ihrer Weltwanderung zuletzt er- reicht hat. Südlich davon macht die Regenarmut der Passat- region bis zum Wendekreis des Krebses aus der Küste von Unter-Kalifornien und Sonora eine Öde, die ^/i o ihrer Bevölkerung einbüfsen müfste von dem AugenbHck an, dafs ihre Bergwerke und Perlenfischereien unergiebig würden. Nördlich aber von der Grenze der V. St. sind am pacifischen Ufer British Columbia und Alaska unter den Einflüssen eines rauhen und übermäfsig feuchten Klimas der Vorbedingungen des ergiebigen Ackerbaues beraubt, der eine dichte Bevölkerung ernährt. In der Mitte zwischen diesen beiden Extremen sind zwar die pacifischen Uferstaaten Kalifornien, Oregon und Washington Territory bei weitem nicht die Kanaane, als welche sie von interessierter oder kurzsichtiger Seite dargestellt werden, aber glänzend heben sie sich von ihren Nach- barn im Norden und Süden ab. Nur in Kalifornien vermochte so früh eine Stadt wie San Francisco in die Blüte zu schiefsen. An den südlicheren Küsten der amerikanischen Seite machen die Hispano-Amerikaner, die von der Südgrenze Kaliforniens ununter- brochen bis zum C. Hoorn hinunter wohnen , den Anglo- Amerikanern weder im Handel, noch im Ackerbau, noch in der Industrie,- noch auf politischem Gebiet Konkurrenz. Sie verstehen nicht, die von der Natur ihnen gebotenen Vorteile zu nützen. Man vergleiche Acapulco , einen der schönsten Naturhäfen der Erde, seit 300 Jahren der pacifische Haupthafen Mexikos; es verdient noch heute mit seinen 3000 Einwohnern den Namen »ärmliches Nest«, den vor 90 Jahren A. v. Humboldt ihm beilegte, der im 4. Bande seines Essai politique sur le Royaume de le Nouvelle Espagne die Schönheit und Trefflichkeit dieses Hafens fast begeistert gepriesen hat. Dagegen mag weiter im Norden , wo am Puget Sund das Land der V. St. sich in einer ungemein glücklichen Küstenentwickelung aufschhefst und zu 22 Die Kulturmacht am Stillen Ocean. viel besser beanlagtem Hinterlande als bei San Francisco führt, ein zweites San Francisco einst entstehen, dem sowohl die nörd- liche Pacificbahn der V. St. als die canadische den Verkehr von Osten zuführen würden. Über den 50. ^ hinaus wird dieses zweite pacifische Emporium Nordamerikas nicht nach Norden rücken. Schon die Engländer haben in British Columbia und im Stikin- Territorium einen weniger begünstigten Strich inne, dessen Bevölke- rung in 100 Jahren trotz verschiedener »Gold-Excitements« nicht über 93000 (1891) gewachsen ist und noch immer bedeutende Bruchteile an die V. St. abgibt. Und Alaska wird noch immer wie eine grofse Ausbeutungskolonie behandelt, in der die weifse ansässige Bevölkerung 1890 nur 430 betrug. Wenn am Atlantischen Ocean die V. St. als Handels- macht eine der ersten Rollen spielen, so sind sie am pacifi sehen viel mehr als das, nämlich die erste Kulturmacht und treten vor allen den zahlreichen Uferstaaten diesen grofsen Meeres eben darum auch politisch hervor. Von der Ausbreitung ihres Ein- flusses im Atlantischen Ocean durch das Machtübergewicht der europäischen Staaten und die derzeitige Verteilung des Kolonial- besitzes von Grönland bis zu den Falklands-Inseln abgehalten, streben die V. St. im Stillen Ocean auch politisch als die Stärksten zu erscheinen. Ihre pacifische PoHtik ist vom Beringsmeer bis Hawaii und Samoa von dem Bedürfnis getragen, im Westen den Einflufs zu suchen, den Europa und die Kolonien der europäischen Mächte im Osten bis an die Schwelle des jungen Landes verkümmern^). Sehr bezeichnend ist die Lehre, die Rüssel Young als Gesandter der V. St. in Peking vertrat, dafs die Unabhängigkeit Chinas ebenso 1) Der Geograph denkt hier auch an die wissenschaftlichen Erobe- rungen in den pacifischen Gebieten, an die Teilnahme von Männern, wie Wilkes, Dana, Whitney, Dali, Davidson, Dutton, Milne an der Erforschung des Stillen Oceans und seiner Randgebiete. Besonders die Er- forschung des Hawaiischen Archipels wird seit den ersten Arbeiten von Dana und anderen MitgUedern der Wilkes - Expedition in den dreifsiger Jahren von den V. St. aus lebhaft betrieben. Zeugnis dafür sind u. a. die Mono- graphien Duttons über die Vulkane von Hawaii und die langjährigen Beobachtungen des U. S. Coast Survey über die Gezeiten an den Küsten dieses Archipels. Bedeutung des Stillen Oceans für die V. St. 23 energisch zu verfechten sei in Asien wie die Monroe-Doktrin in Amerika. Was die Monroe-Doktrin am atlantischen Rande nicht verschaffen wird, das kann in der That einer klugen pacifischen Politik nicht versagt bleiben : der vorwaltende Einfluls auf einem groi'sen Ocean und über ihn hinweg auf den Nachbar- kontinent. Japan und China sind bis jetzt nicht die Staaten, die ein Gegengewicht gegen diese aufstrebende pacifische Macht zu bilden vermöchten. Es wird mit Bewulstsein gesucht ; schon 1881 sprach B 1 a i n e als Staatssekretär von Hawaii als einem Glied des »amerikanischen Systems«. Vor den europäischen Mächten aber, die Einflufs auf die ostasiatischen Angelegenheiten nehmen, haben die V. St. ihre Nachbarschaft als Anwohner desselben Meeres voraus. Dieselbe ist zwar eine entfernte, aber der Seeweg von San Francisco nach Yokohama ist um 30 Tage kürzer als der von London. In Europa vergifst man über der atlantischen Seite, die man vor Augen hat, die pacifische der V.-St. , die von Jahr zu Jahr an Bedeutung zunimmt. Ich erinnere an die Frage des interoceani- schen Kanals, die man in Frankreich ganz falsch wie eine europäische aufgefafst hat. Wenn es sich für unsere Mächte darum handelt, auf kürzerem Wege als bisher in den Stillen Ocean zu gelangen, so sind jene von vornherein schon da. Nicht umsonst haben sie mit so zäher Beharrlichkeit ihren Weg an das «Weltmeer der Zukunft» gesucht, den einzigen Eroberungskrieg, den ihre Ge- schichte kennt, den gegen Mexiko, um dieses Ziel gewagt und noch einen gefährlicheren dazu gegen England wegen Oregons beinahe hervorgerufen. Die V. St. verdanken es der starken Vertretung, welche sie für ihre Interessen am Stillen Ocean, seitdem das erste neuengländische Schiff (1792) in den Columbia ein- gelaufen, besonders aber seit der Erwerbung Kaliforniens (1848) und Alaskas (1867) geschaffen haben, wenn sie mit verhältnis- mäfsiger Ruhe der Entwickelung des Isthmuskanals folgen konnten. Sie brauchen nicht zu fürchten, durch einen zu langen Umweg von der Teilnahme am Handel und Verkehr mit den pacifischen Küstenländern Amerikas und mit Ostasien ausgeschlossen zu werden. Sie können es nun den Kaliforniern und den Bürgern der 24 Die Eismeerseite. aufblühenden jungen Staaten Oregon und Washington überlassen, ihre wirtschaftlichen Interessen dort zu wahren. Für diese sind die Entfernungen sowohl nach den süd- und mittelamerikanischen als den ostasiatischen Gestaden natürlicherweise um sehr viel günstiger als für irgend eine europäische Macht. Von San Fran- cisco nach Acapulco sind es 7, nach Panama 13, nach Callao 22, nach Honolulu 9, nach Yokohama 18 — 20, nach Auckland 27, nach Hongkong 32 Tage. Dagegen sind es von Hamburg über Montevideo nach Valparaiso im günstigen Fall 50 — 54 Tage, öfters 2 Monate und von Hamburg nach Yokohama durch den Kanal von Suez 40 — 45 Tage. Der Unterschied liegt auf der Hand. Nach den Samoa-Inseln kommt von San Francisco ein Dampfer in 18 — 20 Tagen, während er von Wilhelmshafen aus das Dreifache braucht. Die Eismeerseite. Die Bedeutung des Stillen Oceans für die V. St. wird noch dadurch erhöht , dafs ihnen die Westseite der Beringsstrafse gehört, wodurch sie Mitbesitzer des Einganges in das Eismeer geworden sind. Die Erwerbung Alaskas hat die V. St. politisch ans nördliche Eismeer vorrücken lassen, um dessen Erforschung sie sich durch eine Reihe von grofsen und zum Teil ergebnisreichen Expeditionen verdient gemacht haben. Ihre Eis- meerküste erstreckt sich vom C. Prince of Wales bis Demarcation Point. Das Recht der ersten Entdeckung besitzen sie auf die Gebiete n. des Smithsundes, Grinnell-Land und Grant-Land auf der west- Hchen'), und Washington-Land auf der östlichen oder grönländischen Seite und was wir von Grönland heute n. vom 82.^ kennen, ver- danken wir viel mehr den Expeditionen von Lockwood und Peary als den vorangegangenen englischen. Ebenso sind die n. von den Neusibirischen gelegenen Jeannette-Inseln durch ameri- kanische Expeditionen entdeckt worden. Im antarktischen Gebiet^) 1) Der Prioritätsstreit zwischen der De Haven'schen Grinnell-Expedi- tion und der Omanneyschen ist zu gunsten jener zu entscheiden. Vgl. Ehsha K. Käme, The U. S. Grinnel Expedition. New- York 1854. Kap. XXV. 2) Amerikaner glauben mit den Engländern den Euhm der Entdeckung von S.-Shetland zu teilen. Auch Palmer, der seinen Namen in der Ant- arctis verewigt hat, war Amerikaner. Die Interessen der V. St. in der Arctis. 25 verdankt man der U. S. Exploring Expedition Wilkes' wertvolle Entdeckungen an den Rändern der antarktischen Länder. Die V. St. stehen in einem engen Verkehr mit Grönland, der sich allerdings fast nur auf die Ausfuhr von Kryolit (1890/91 für 95,495 I>.) beschränkt. Ihre Teilnahme am Walfischfang mit 71 Fahrzeugen steht (mit 17 231 T.) nur hinter der Englands zurück und ergab 1890/91 953 000 D. An der Küste des Tschuktschenlandes und Kamschatkas entfalten die Amerikaner eine ausgedehnte Handels- thätigkeit. Die Japaner sagen, der Walfisch führte die Amerikaner an unsere Küsten, und die Vorrechte der amerikanischen Walfisch- fänger im Archipel von Hawaii haben die Erwerbung der Flotten- station am Pearl R. vorbereitet. Unter den Grenzmächten des Arktis haben sich also die V. St. die gröCsten wirtschaftlichen Interessen im nördlichen Eismeer zu sichern gewufst und wetteifern heute, seitdem Englands letzte Nordpolar-Expedition 1876 zurückgekehrt ist, nur mit den Nach- kommen der alten Nordmänner in seiner Erforschung. In der räumlich engen Verbindung Nordamerikas mit den Ländern der Arktis ist dieses bedeutende Hervortreten der V. St. als arktische Macht geographisch begründet. Auch aus diesem Grunde ist die Erwerbung Alaskas, diese vielunterschätzte, zu würdigen, die besonders auch im Vergleich mit der leichtherzigen Abtretung durch den früheren Besitzer Beachtung verdient. Sie sicherte den V. St. nicht nur eine mächtigere Stellung unter den pacifischen Mächten überhaupt, sondern sie engte zugleich auf der einen Seite den enghschen Kolonialbesitz in dieser Region ein, während sie auf der andern Seite Rufsland ganz aus den amerikanischen Angelegenheiten hinausschob und zugleich von dem Drucke, den dasselbe von Norden her auf Japan übt, die Hälfte abnahm. Aufser einem grofsen Landstrich, dessen natürliche Hilfsquellen nicht so ganz gering sind, wie man es sich in Russland vor- stellte, hat die Union durch die Erwerbung Alaskas breiteren Fufs am Stillen Ocean und am nördlichen Eismeer gewonnen und ihren Einflufs bis nach Japan hin verstärkt. Einem Volk, das überhaupt noch etwas zu geben hat und das nicht gewillt ist, seine günstigen Geschicke zu verschlafen, mochten ein paar 26 Die V. St. als Durchgangsland. Millionen D. dafür nicht zu viel erscheinen. Es ist ein Beweis der Schwäche Rufslands als Kulturmacht im Stillen Ocean, dafs es so weit zurückwich vor der jugendlichen Unternehmungslust der V. St., die in diesem Handel mehr Weltmachtberuf bezeugten als jenes. An dieser Stelle betonen wir indessen am meisten die damit gewonnene Fufsfassung am Eismeer. In Alteuropa be- zeichnete man gleichzeitig die arktischen Gefilde als materiell un- lohnend und sogar wissenschaftlich uninteressant. Die Arbeiten, die heute die Männer von Nantucket, Barnstable etc. n. von der Beringsstrafse verrichten, fielen vor 200 Jahren unseren Insel- friesen bei Spitzbergen zu. Es ist nicht zu leugnen, dafs seit 100 Jahren die amerikanischen Interessen in beiden Eismeeren gewachsen, die europäischen zurückgegangen ~ sind. Die Vereinigten Staaten als Durchgangsland. Durch ihre Lage an den beiden gröfsten Oceanen der Erde drängt sich den V. St. das gröfste Interesse an jeder Frage des interoceanischen Verkehrs auf. Sie sind Durchgangsland. Wenn auch diese Funktion nicht konzentriert wie in Mittelamerika erscheint, so umschliefst doch schon die Geschichte ihrer Entdeckung einen Teil der Geschichte der nordwestlichen Durchfahrt, mit der sicher in einem früheren Jahrhundert die V. St. sich auf das Eifrigste be- schäftigt haben würden. Ihre grofsen atlantlisch-pazifischen Eisen- bahn- und Telegraphenlinien besorgen einen Teil desselben Welt- verkehrs zwischen der Ost- und Westhalbkugel, den ein inter- oceanischer Kanal auf den engen Raum einiger Meilen zusammen- drängen will^). Ist dieser interozeanische Verkehr noch nicht von ähnlicher politischer Wichtigkeit wie der über Britisch-Nordamerika nach dem Stillen Ocean für England mit seinen in beiden Oceanen weitzerstreuten Besitzungen — das Kabel Vancouver - Hawaii- 1) Auch der atlantisch-pacifische Schiffsverkehr um das C. Hoorn (amt- licliü Schreibweise in den V. St. ist C. Hörn) ist beträchtlich. 1890/91 hefen aus pacifischcn Häfen der V. St. 14, aus atlantischen 62 Schiffe aus, um diesen Weg zu machen, mit zusammen 132000 t. Dabei fahren die Segelschiffe von 50" s. B. bis San Francisco durchschnittlich 54 Tage. Von den atlantischen Häfen der V. St. nach San Francisco rechnete man vor 20 Jahren 180 Tage, heute 128 ; die schnellsten Fahrten bleiben wenig unter 100 Tagen ; die schnellsten Fahrten von Liverpool nach S. Francisco dauern 106 Tage. Der mittelamerikanische Kanal. 27 Australien wurde bevsonders wegen des Vorteils empfohlen, den es als zw^eite Verbindung mit Australien neben der über Indien biete — so ist doch seine Entwickelung nicht abzusehen. Seit der Er- bauung der Panama-Eisenbahn durch Amerikaner war der Weg S. Francisco-New-York über den Isthmus auf 20 Tage reduziert. Die seit 70 Jahren in den V. St. immer von Neuem erwogenen Pläne zur Durchstechung der mittelamerikanischen Landenge sind das Ergebnis der Konzentration aller Versuche kurzer Wege in den Stillen Ocean, 'die vergebens von der nordwestlichen Durch- fahrt bis C. Hoorn gemacht worden waren, auf den engen Raum weniger Meilen. Die den Panamakanal geplant haben, hätten sich sagen können, dafs nur dieses Durchgangsland, das bisher alle atlantisch-pacifischen Eisenbahnen, ausgenommen die letzte, die Canadian Pacific, gebaut hat, berufen und auch veranlafst sei, den interoceanischen Kanal zu bauen. Der mittelamerikanische Kanal bedeutet einen grofsen Schritt nach dem durch die Natur und die Geschichte nahe gelegten Übergewicht Nordamerikas über Südamerika und im Stillen Ocean. Der 50. Kon- gress inkorporierte 1889 die »Nicaragua Maritime Canal Company«, die auf Grund der letzten Messungen Menocals und amerikanischer Schiffsoffiziere unter Peary den Kanal in der Länge von 169 e. M., wovon 56,5 im See, 84,5 im San Juan- und 28 im Schleusenkanal (mit 6 Schleusen nach Art der in St. Marys FluXs und am Niagara an- gewandten) von Greytown bis Brito bauen will. Durch Vermittelung der Regierung der V. St. hat sie wertvolle Konzessionen von Nicaragua und Costarica erlangt. Die Kosten werden auf 85, die Einnahmen bei einem Verkehr von 7 Mill. T. auf 8 Mili. D. geschätzt. Die gröfsten Schwierigkeiten erwartet man an beiden Enden des Kanals^); auf der altlantischen Seite sind die Vorarbeiten so weit gefördert, dafs Schiffe von über 4 m Tiefgang in Grejrtown einlaufen. Beide grofse politische Parteien der Union haben sich für den Kanal ausgesprochen. Neben der Abkürzung des 23000 km langen Weges um das C. Hoorn und dem 1) Über die Eigenschaft der San Juan del Norte-Mündung spricht sich eingehend Henry Mitchell aus in dem wenig bekannt gewordenen Eeport of an Inspeetion of the terminal Points of the proposed Canals through Nicaragua etc. im Bericht des Coast and Geodetic Survey für 1874 S. 135 bis 147. Die beste Zusammenfassung der amerikanischen Berichte und Auf- fassungen findet man bei Li n die y, M. Keasby, der Mcaracugua-Kanal (Abh. a. d. Staatswissensch. Seminar zu Strafsburg) 1893. 28 Sicherheit der Lage. dadurch erleichterten Austausch zwischen den pacifischen und atlanti- schen Staaten der Union, zwischen diesen und Süd- und Mittel- amerika, some Ostasien und Austrahen, stehen gleichberechtigt die poHtischen Folgen. Ein früherer Vertrag von 1884, der den Bau des Kanals durch die V. St. angenommen hatte, wurde allerdings 1885 vom Präsidenten Cleveland zurückgezogen , da die V. St. durch um Land- besitzer in Mittelamerika und zugleich mit der Verteidigung der Selb- ständigkeit von Nicaragua und Costarica belastet worden sein würden. Diese Zurückziehung bedeutet aber nur eine Hinausschiebung der poHtischen Folgen, die unvermeidhch sind. Sqpator Sherman hat sie in die geographische Vorstellung gefafst, dafs die getrennten Küsten- linien am Atlantischen und Stillen Ocean durch diesen Kanal zu Einer werden. Andere sprechen davon, dafs die Monroe-Lehre, bisher Theorie, nun zum ersten Male in die Praxis übergeführt werde, damit nicht eine europäische Macht eine Stellung gewinne »drohender als Gibraltar und lästiger als Canada«. Für die Entwickelung der allgemeinen Seemacht- stellung der V. St. wird der Kanal folgenreich sein , während Europa und im allgemeinen der Atlantische Ocean, das spezifisch europäische Meer, verlieren würden. Wir würden ein ebenso grofses Gewicht auf die Schaffung eines neuen Bandes zum Zusammenhalt der atlantischen und pacifischen Hälfte der Union legen, das alle anderen an Stärke übertreffen wird. Dafs die Regierung sich einen Einflufs, ähnlich wie die enghsche im Suezkanal, durch Aktienbesitz sichern werde, wird bestimmt vorausgesagt, wie denn überhaupt erst das neue Übergewicht Englands am Suezkanal und in Ägypten die Überzeugung in weiteren Kreisen der V. St. befestigt hat , dafs der mittelamerikanische Kanal, der Zukunft nur unter dem Einflufs Amerikas, das in diesem Falle gleichbedeutend mit den V. St., stehen dürfe. Übrigens hefsen schon 1874 die V. St. durch den Assistenten des Coast Survey, Prof. David- son, den Suezkanal, besonders auf die Verhältnisse an seinen Mün- dungen, prüfen. Sicherheit der Lage. Diese ist für die V. St. minder wichtig als für jeden europäischen Staat. Wir werden sehen, dafs die Landgrenzen vom rein politischen Standpunkte aus gute, weil möglichst kurze Grenzen sind, mit Ausnahme weniger Strecken. Aber nicht diesen Landgrenzen liegen die festen Plätzen gegenüber, von denen bei einem Angriff von aufsen her am meisten zu fürchten wäre. Die V. St. würden nur zur See und von den Seen her in gefährhcher Weise angegriffen werden können. Ilire gröfsten Städte und reichsten Landschaften liegen an den Küsten. Ein Bericht des Chief of Engineers über Die Inseln. 29 Küstenverteidigung für 1876/77 hebt hervor, dafs eine feindUche Flotte die Küste der V. St. von HaHfax aus in 36, von Havanna in 6 und von Victoria (Vancouver) in 69 Stunden zu erreichen vermöchte. Die Sicherheit der V. St. hegt solcher gefährlichen Nachbarschaft gegenüber in dem Übergewicht ihrer Gebiets- ausdehnung, ihrer Bevölkerungszahl, der Intelligenz, Tüchtigkeit und Wohlhabenheit ihrer Bevölkerung, die ihnen ein moralisches Gewicht in Amerika verleihen, wie es in Europa keinem einzelnen Staate vor allen anderen zukommt. Dieses Machtübergewicht könnte die Neigung zu noch weiterer Ausbreitung begünstigen, die sowohl Canada als Mexiko und Cuba gegenüber bei einem Teile der Bevölkerung verbreitet ist. Es ist aber zu erwarten, dafs die viel näher liegenden und ohne Zweifel immer brennender werdenden Fragen des inneren Zusammenhanges die Gefahr einer Hinausrückung der jetzigen im ganzen so günstigen Grenzen zur Genüge erkennen lassen werden. Der Vorzug der geschlos- senen Lage auf der ganzen Südhälfte Nordamerikas kann durch keine Gebietserweiterung gesteigert werden, aber jede wird den inneren Zusammenhang schwächen, ohne den ein Staat von solcher Ausdehnung die Fähigkeit verliert, sich zu erhalten. Die Inseln. Die Lage der V. St. ist auch darin ausgesprochen kontinental, dafs das Land inselarm ist, keine einzige von den grofsen Inseln Nordamerikas und überhaupt keine weit aufsen- liegende Insel besitzt. Auch die gröfsten Inseln des Gebietes sind nur Küsteninseln. Suchen wir mit einer Linie die über das Fest- land hinausHegenden Teile des Gebietes der V. St. zu umfassen, so entfernen wir uns kaum von der kontinentalen Grenze; so gering ist die Gröfse und die Zahl der Inseln. Die Küsten der V. St. sind in der Nähe inselarm, und was ferner liegt, gehört anderen Mächten. Nur Alaska mit mehr als 80000 qkm, also einem Siebzehntel seiner Fläche, in Inseln, ist inselreich. Im Nordwest, Nordost und Südost schneidet die Grenze gerade dort durch, wo die insulare Entwickelung einsetzt: Vancouver, C. Breton, die Bahama sind englisch, Cuba spanisch. Grofse Inseln gehören überhaupt nicht zum Gebiete der V. St., und auch wenn -wir die grofsen Nehrungs- Inseln s. von C. Hatteras und im Golf mit- 30 I^iö Inseln. messen, erhalten wir knapp ein Tausendstel des Areals in Inseln. An der atlantischen Küste tritt nur Long Island (2620 qkm) in einer Grölse hervor, die nicht in der gewaltigen Landmasse verschwindet. Alle anderen Inseln sind zu klein und liegen zu nahe beim Fest- land, um selbständig hervorzutreten. Sie sind auch ihrer Ent- wickelung nach nur halb selbständig, denn wie sie hier als Inseln und dort als Nehrungshalbinseln auftreten, gehen sie auch zeitiich aus einer in die andere Form über. Unter den weUengepeitschten, ähnlich unseren friesischen Inseln landverlierenden »Wracks von Inseln« vor der neuengländischen Küste, für die der Neuengländer den provinziellen Ausdruck »thrums« hat, sind die s. vom C. Cod liegenden Gruppen von Nantucket (170 qkm) und Martha's Vineyard (mit den Elizabeth-Inseln 320 qkm) als Sitze einer höchst tüchtigen Seemannsbevölkerung bedeutend. Die Inseln von Rhode Island und Long Island gehören zu den bevöl- kertsten Inseln der Erde. Manhattan, die Insel New- Yorks, in der Mündung des Hudson, und das ungemein zerklüftete Smith- Eiland in der Chesapeake-Bay, bezeugen, wie auch hier bei der ersten Besiede- lung die Inseln eine wichtige Rolle spielten. Der 200 jährige Grenzstreit zwischen Virginia und Maryland um dieses vom 38. Breitegrad mitten durchgeschnittene Eiland ist erst in unseren Tagen entschieden worden. An der Küste Südcarolinas liegen die baumwoUberühmten Sea Islands s. vom Santee-Flufs. Ihre Oberfläche beträgt ca. 2200 qkm. Zwischen und liinter ihnen hegt ein Streifen Salzmarsch, der fast dieselbe Fläche bedeckt, das Land des Reisbaus. Beide sind heute fast nur noch von Negern bewohnt. Über die militärische Wichtigkeit der Küsteninseln von Nordcarolina und der Küstenstrecke Beaufort-Savannah und ihrer Inseln s. das nächste Kapitel. Die Keys, die vom C. Florida bis zu den Tortugas ziehen, sind echte Koralleninseln. Auf Key West haben der Verkehr der Floridastrafse, der Schmuggel und die Befestigungen eine Bevölkerung von 18000') zusammengeführt. Die Golfküste hat entsprechend ihrem dm-chaus flachen Charakter zahlreiche Küsten- und Mündungsinseln, die bis jetzt meist unbewohnt oder mindestens nicht ausgenutzt sind. Die niedrige Sandinsel Ship Island ist durch ihre Lage n. von den Mississippi-Mündungen geschichtlich bedeutend als der wichtige Punkt, an dem die Nordstaaten im Spätjahr 1861 zuerst wieder im Golf Fufs fafsten. Die breiten Nehrungsinseln der Küste von Texas, bisher wenig bewohnt und beachtet, sind durch ihre Lage zwi- schen dem Meer und den breiten, teilweise auch verhältnismäfsig tiefen 1) 1880 erst 9800, also 82 Vo mehr in einem Jahrzehnt. Das Streben nach insularer Ausbreitung. 3]^ Lagunen bestimmt, mehr als ein Galveston dereinst zu tragen. Die vulkanischen Eilande von der südkalifornischen Küste sind in indiani- scher Zeit wohl bevölkerter gewesen. Heute ist ihr Wert zunächst noch gering. Die seit der Grenzberichtigung von 1873 zweifellos den V. St. gehörigen San Juan de Fuca-Inseln (zusammen mit den vor Admirahty Inlet liegenden Whidbey und Camano 2300 qkm) er- warten bei vortrefflicher Lage und günstigster Küstengestalt eine grofse Entwickelung. In der Armut des Gebietes der V. St. an Inseln der offenen See wiederholt sich im grofsen eine Eigenschaft Deutschlands und Frankreichs. Es ist die geographische Erscheinungsweise der gleichen geschichtlichen Thatsache: Die Entwickelung des grofsen transatlantischen und dieser kleinen europäischen Staaten vollzog sich im Kampfe mit den grofsen Mächten Westeuropas. Die Stel- lung Englands auf den Bahamas, Bermudas, den Inseln der Fundy Bay und auf Vancouver entspricht der auf den Kanalinseln und (einst) auf Helgoland. An drei wichtigen Stellen wird also der Zugang zu der Küste der V. St. durch Inseln in fremdem Besitze beherrscht. Eine kontinentale Macht ist gegen das Festland zu- rück- und vom Meere abgedrängt. Die Hartnäckigkeit, mit der die V. St. um die paar ärmlichen Eilande in der St. Croix- Mün- dung und im Haro-Kanal stritten und das Streben nach insularen Fufsfassungen auf den kleinen Antillen, an der Küste von Nica- ragua und San Domingo, auf den Aleuten, im Hawaiischen und Samöa- Archipel entspringt dem Gefühl der Eingeengtheit. Für das weite Land ist seine oceanische Sphäre zu eng. Nicht blofs aus den Kriegen mit England, auch aus dem Bürgerkrieg kennen die Nord- amerikaner die Gefahr, die von so nahe gelegenen Stationen wie Bermuda oder Nassau ihrem Seehandel und ihren Küsten droht. Wie schwach der unvergleichlichen Lage Cubas gegenüber ihre Stellung an der Floridastrafse, haben wir gesehen. Auch zwischen den am weitesten nach Westen reichenden Gliedern der Bahama-Gruppe, Bemini- und Gun-Inseln, Southwest Point der grofsen Bahama- Inseln, die den Ostrand der Floridastrafse bilden, und dem West- rand liegt nicht ein voller Meridiangrad; die gerade Entfernung zwischen jenen und C. Florida beträgt nicht ganz 90 km. II. Die Peripherie: Glrenzen und Küsten. Die Peripherie im Verhältnis zur Lage und Gröfse der Vereinigten Staaten 32. Annäherung an Naturgrenzen 33. Länge der Peripherie 36. Bevorzugte Ge- biete in der Peripherie 37. Das Zusammentreffen der Landgrenzen und Küsten 43. Übergreifende Rechte 44. — Verlauf und Veränderungen der Grenzen 51. — Indianergrenzen 46. Einige Bemerkungen über die inneren Grenzen 48. — Die Küsten 61. Küstenlänge und Küstenentwickelung 64. Die Küsten- und Hafengebiete 69. Küstenlandschaften 77. Küstenverände- rungen 81. Die Peripherie im Verhältnis zur Lage und Gröfse. Auch die Grenzen der V. St. zeigen die Gunst der Lage und dazu die Wirkung einer dem Staate voraneilenden höchst kolonisations- fähigen Bevölkerung mit nahezu ungehemmter Ausbreitung über ein Land von kontinentaler Gröfse. Sie sind in gröfster Ausdehnung ganz natürlich, nämlich an den beiden grofsen Meeren. Wo sie auf dem Lande ziehen, vermeiden sie fast alle überflüssigen Krümmungen. Sie werden dadurch nicht natür- licher, aber im Vergleich zu dem weiten Areal, das sie zu um- fassen haben, sind sie sehr kurz. In der Kürze liegt unter den Verhältnissen der V. St. der gröfste Vorteil. Ein so junges und rasch wachsendes Land fafst die Grenzen nicht als etwas geschicht- Hch Gegebenes auf, sondern sieht darin nur ein zeitweihges Ab- kommen. Wenn die Grenzlinie des 49. Parallels den unteren Red River, die Quellflüsse des Missouri und den mittleren Columbia schneidet, so fiel diefs durch lange Jahrzehnte gar nicht auf. Die mathematische Linie entsprach ganz dem Bedürfnis einer Natürliche Grenzen. 33 grofsen, ins Ungewisse hinein verlegten Sonderling i). Sie gleicht darin den Grenzen der Einzelstaaten, die — man denke an die Grenze zwischen Dakota und Montana — mit Bewufstsein die natür- lichen Objekte zerteilen, an die bei uns die Grenzen Anlehnung suchen würden. Das Schutzmotiv und die im Laufe eines langen, hin- und herschwankenden geschichtlichen Prozesses festgelegte Linie fehlen in diesen Grenzen beide. Wenn doch ein Teil der Landgrenzen der V. St. natürliche Berechtigung hat, so liegt der Grund in einer andern Sphäre, nämlich in den Ausgangspunkten und der Richtung der geschichtlichen Bewegungen, die an dieser Grenze oder in ihrer Nähe Halt machten. Ein Blick auf eine Vegetationskarte des nordamerikanischen Kontinentes läfst er- kennen , dafs die Nordgrenze des mexikanischen Vegetations- gebietes wenig s. von der politischen Südgrenze der V. St. gezeichnet wird, und auf einer Höhenkarte sieht man diese politische Grenze das Depressionsgebiet durchziehen, das zwischen dem Gila und Rio Grande die eigentlich nordamerikanischen von den mexikani- schen Gliedern der grofsen Gebirgskette der Kordilleren trennt, eine der bedeutsamsten Erscheinungen in der Oberflächengestal- tung Nordamerikas. Die Jahres-Isothermen von 15^ und 18^0. sind gleichfalls in der Gegend dieser Grenze zu ziehen. Man kann sie als eine Naturgrenze in kontinentalem Stile, nämlich ein Grenzgebiet weitverbreiteter natürlicher Unterschiede bezeichnen *). 1) Die Anwendung von Breitegraden zu Grenzbestimmungen ist in der Geschichte Nordamerikas üblich seit 1620 Jacob I. der Plymouthgesellschaft das Land zwischen 48 und 40° »durch das ganze Festland« zuwies. So wurden später Connecticut, Carolina u. a. begrenzt. George Bancroft stellt das Historische dieser Methode der Grenzziehung ausführlich dar in der »Denk- schrift über den Kanal von Haro als Grenzlinie der V. St. von Amerika« (1871). Über die übliche Auffassung und Bestimmung der Breitegrade als Grenze hat James T. G a r d i n e r , der Vorstand des New York State Survey in seinem Bericht für 1880 (Albany 1881) S. 10 f. interessante Mitteilungen gemacht. 2) Diese Grenze ist übrigens von Anfang an mit Rücksicht auf den eigefitümlichen Charakter des von ihr durchschnittenen Landes gezogen wor- den; man wollte eine Naturgrenze. »Die Grenze ist gut«, sagt Major Emory, der Grenzkommissar der V. St., »und wenn die V. St. entschlossen sind, der Expansionskraft ihrer Institutionen und ihres Volkes zu widerstehen, die mir unvermeidlich zu sein scheint, und sich Grenzen zu setzen, ehe sie die Land- Katzel, Die V. St. von Amerika. 3 34 Natürliche Grenzen. Von der Nordgrenze kann nicht dasselbe gesagt werden. In fast geometrisch regelmäfsiger Halbierung des Kontinents von einem Rande bis zum andern schneidet sie in der westlichen Hälfte auch manche Naturverhältnisse in einer mit Naturgrenzen schwer vereinbaren Folgerichtigkeit. Nur der Umstand, dafs diese Grenze in so weiter Erstreckung durchaus im Sinn der geographischen Breite gezogen ist — dem im allgemeinen auch der Verlauf der Isothermen und der Vegetationsgrenzen folgt — , läfst sie nicht bedeutungslos in natürlicher Beziehung erscheinen. Sie scheidet allerdings in einer allgemeinen Weise die gemäfsigteren von den kälteren Teilen Nordamerikas und erinnert dabei durch ihr Ansteigen von der atlantischen zur pacifischen Küste an den entsprechenden Grundzug der Isothermen. Die Laubwälder des Ostens, die hohen Nadelhölzer des Westens, die Prärien des Innern, alle gehen nicht weit über den 49. Breitegrad hinaus. Aber vielleicht zeichnet nichts, so deutlich wenigstens, die Annäherung auch der Nordgrenze der V. St. an gewisse Naturgrenzen als die enge von Darien erreicht haben, so wird man wahrscheinüch vergebens auf dem ganzen Kontinente eine Grenzlinie suchen, die besser für diesen Zweck geeignet wäre. Es ist ein Glück, dafs zwei Völker, die in Gesetzen, Glauben, Sitten und Bedürfnissen so sehr verschieden sind, von einander durch Grenzen getrennt werden, welche gleichzeitig grofse Unterschiede in der Naturbeschaf- fenheit des Landes bezeichnen.« Weiterhin sagt Emory: »Ich beobachtete diese merkwürdige Depression (vom kalifornischen Golf bis zum Pecos) bei einer Durchforschung des Landes im Jahre 1846 imd lenkte auf dieselbe die Aufmerksamkeit des damaligen Staatssekretärs des Innern, Buchanans, worauf dieser unsern Gesandten, der über den Vertrag von Guadalupe Hidalgo verhandelte , verständigte , keine Grenzhnie n. von 32" n. B. an- zunehmen.« (Report on the U. S. and Mex. Boundary Survey, 1857. I. 39 u. 41.) Mit diesen Rücksichten trafen übrigens auch Gründe militärischer Art und des Verkehrs zusammen. Die Grenze von 1851, die ziemhch weit n. von der heutigen verlief und in ihrer gröfsten Erstreckung dem Gila River folgte, schnitt die Kommunikation zwischen den Grenzforts am Rio Grande und denen am Gila ab, war also schlecht für die V. St. Aufserdem wurde es zu jener Zeit als ein besonders hoch anzuschlagender Nachteil an- gesehen, dafs sie die Giladepression Mexiko überliefs, während es doch aufser Zweifel zu stehen schien, dafs die schon damals geplante Pacificbahn nur in dieser Einsenkung die westUche Gebirgsmasse zu passieren vermöchte. Dieses Motiv hat seine Geltung erst viel später bewiesen, als die letzte der jetzt bestehenden Pacificbahnen, die südliche, durch diese Senke gefülirt wurde. Wachstum und Verbesserung der Grenzen. 35 Thatsache, dafs sowohl am östlichen als am westlichen Ende dieser Grenze die Fjord- und Schärenbildungen, diese Küstenform von hervorragend klimatischer Bedeutung nur eben über sie hereinragen. Die klimatischen Bedingungen ihrer Bildung sind also s. von der heutigen Nordgrenze der V. St., mit Ausnahme eines schmalen Striches, in den die Küste von Neuengland und der Puget-Sund fallen, nicht mehr vorhanden. Die östliche Hälfte der Nordgrenze ist fast durchaus Wassergrenze, die in Flüssen und Seen verläuft. Das Wachstum der V. St. hat eine fortschreitende Ver- besserung der Grenze dadurch hervorgebracht, dafs es nicht eher Halt machte, als bis es an der natürlichsten aller Grenzen, dem Meeresrand, oder an den grofsen Seen und Flüssen angelangt war, an Stellen, wo die Natur selbst, und nicht blofs eine künst- liche politische Schöpfung ihrem Staate entgegentrat. Natürliche Grenzen wurden mit natürlicheren vertauscht, so im Vordringen vom Mississippi nach Osten der Pearl-Flufs gegen den Perdido — um diesen, der heute die Westgrenze von Florida bildet, drehte sich seit der Erwerbung Louisianas der Streit zwischen den V. St. und Spanien; jene behaupteten, dafs Louisiana sich bis zum Perdido erstrecke, dieses wollte den Pearl-Flufs als Westgrenze von Florida behaupten — und dieser gegen das Meer. Und so beim Vordringen vom Mississippi gegen Westen erst der Sabine-Fluf s , dann der von Texas 1836 , von den V. St. 1848 als Grenze gegen Mexiko gewonnene Rio Grande, die vorteilhafteste Linie, die im Südwesten zu finden war und ist. Diese letzte der grofsen Landgrenzlinien konnte sich nur an den beträchtlichsten Strom des Südwestens, den Rio Grande, lehnen. Das sind alles Grenzen, die dieses Land sich selbst als die seiner heutigen Entwickelung gemäfsesten frei bestimmt hat. Die die Grenzen der kontinentalen Mächte Europas bestimmende und indenlaunenhaftesten Verlauf zwängende Anpassung eines späteren Staatenwachstums, das auf ein früheres trifft, nach dem es nun also seine Grenzen zu modeln hat, tritt uns nur im äufsersten Nordosten entgegen. Der Gegensatz zwischen der östlichen und westlichen Hälfte der Nordgrenze der V. St. ist sehr bezeichnend für die verschiedenen .3* 36 Länge der Peripherie. Wirkungen der Berührung mit politisch organisierten und unorgani- sierten Gebieten. Soweit Kanada in den Umrissen fertig war, hatten die jungen V. St. seine Grenze zugleich als die ihrige anzunehmen. Daher die mit dem ganzen übrigen Grenzverlauf der V. St. so wenig übereinstimmende Unregelmäfsigkeit der Nordostgrenze mit ihrer An- lehnung an so kleine Motive, wie der S. Croix-Fluls, S. Johns- und Francis-Fluls u. s. w., und besonders ihrem tiefen Hinabsinken nach Süden — alles im scharfen Gegensatz zu der Linie des 49. Parallels, die bei der Mündung des Rainy-Fluls den Wäldersee verläfst und ein- förmig hinüber bis zur San Juan de Fuca-Strafse zieht. Auch der Längenunterschied der beiden Abschnitte — es sind 3611 km von der Passamoquoddy-Bai bis zum Westufer des Wäldersees, 2000 km auf dem 49. Parallel — , deren Gradentfernungen fast gleich sind , zeigt, wie unamerikanisch dieser nordösthche Grenzabschnitt ist, den noch nicht, wie den mexikanischen, ein glückhcher Krieg vereinfachte, und der noch viel w^eniger den Eindruck der atlantischen und pacifischen Grenzen des jungen Landes macht, ohne jede hemmende Konkurrenz bis zu den entferntesten und besten Naturgrenzen ausgedehnt zu sein*). Auf einen ähnhchen Unterschied wies jüngst Romero Robledo in seinen halboffiziellen Berichten über den panamerikanischen Kongrefs hin*), wo er erzählt, wie dem Vorschlage der V. St., alle Grenzfragen durch Schiedsspruch zu erledigen, besonders Mexiko mit dem Hinweis auf die Ungleichwertigkeit der Grenzen entgegengetreten sei, deren Re- gulierung in dem dünnbevölkerten Südamerika zwischen Ländern gleicher Sprache, ReHgion und Gewohnheiten sehr leicht sei, während viel folgenreicher jede Grenzstreitigkeit zwischen den V. St. und Mexiko sein müsse. Länge der Peripherie. Die Landgrenze der V. St. ist 8480 km (5260 engl. M.)^) lang, die Küste*) 7 070 km (4390 engl. M.). In 1) Sehr bezeichnend sagt J. D. Whitney: Um nahezu alles wert- vollste Land von Nordamerika in die Grenzen der V. St. einzuschliefsen, würde es notwendig sein, die Grenze des 49. Breitengrades vom Wäldersee ostwärts bis zu dem Punkte fortzuführen, wo sie den St. Lorenzstrom schneiden würde. The United States 1889 S. 5. Sie würde nur eben den Mündungsgolf dieses Stromes am Nordrand treffen, der also in seiner ganzen Ausdehnung in das Gebiet der V. St. fiele. 2) In der North American Review 1891. 3) Nach einer von Dr. C. Förster im hiesigen K. Geographischen Seminar für mich ausgeführten Messung. 4) Nach Mitteilungen aus dem U. S. Coast Survey. Näheres über Küsten- länge und -gliederung s. o. S. 64. Mit der Landgrenze ist hier die Küsten- linie mit Ausöchlufs der kleinen Buchten, Inseln, Halbinseln zusammengestellt, Bevorzugte Grenzstrecken. 37 der ganzen Peripherie von 15 550 km sind Küste und Landgrenze, da sie sich wie 1:1,2 verhalten, praktisch einander fast gleich- zusetzen. Zählen wir die Grenze von S. Lorenz und den Grolsen Seen als Wassergrenze zur Küste, so erhalten wir gegen 6532 km Landgrenze 9019 km Wassergrenze. Das Areal der V. St. (ohne Alaska) zu 7,8 Mill. qkm (3 024880 engl. Q. M.) angenommen, kommen auf 1 km der Peripherie fast genau 504 qkm Oberfläche. Der Vorzug der grofsen und geschlossenen Fläche macht sich hier in grofsartigem Mafse geltend. Vergleichen wir euro- päische Areale, so finden wir, dafs in Deutschland auf 1 qkm 7 km, in der Schweiz 24 km Grenze kommen. Das Areal auf 1 km Grenzlänge ist also über 20 mal so grofs in den V. St. als in der Schweiz. Von der Grenze der V. St. entfallen auf die nordöstliche Strecke von der atlantischen Küste bis zum S. Lorenz- strom 1013 km, von da bis zum Westufer des Oberen Sees 1949 km, von da bis. zum westlichen Ende des Wäldersees 649, von da bis zum Stillen Ocean (Grenze des 49. Parallel) 2000 km. Die Südgrenze mifst vom Golf von Mexiko an, so lange sie im Rio Grande verläuft, 1745, von El Paso bis zum Stillen Ocean 1125 km. Über die Verteilung der Küstenlänge s. u. S. 65. Beide Elemente der Peripherie stehen im günstigsten Verhältnis: Eine möglichst einfache Grenze am Land gegen die politische Nach- barschaft und eine reich entwickelte gegen die Nachbarin Natur am Meer. Bevorzugte Grenzstrecken. In der weiten Peripherie von 15550 km ist nicht jede Grenzstrecke der andern gleich an politi- scher Bedeutung. Wir haben gesehen, wie schon in der Form eine Verschiedenartigkeit der Entwickelung sich ausprägt, und wie ein- zelne Abschnitte in der Lage bevorzugt sind. Im allgemeinen wird die Nordgrenze politisch und wirtschaftlich wichtiger sein als die Südgrenze, und von ihr wird wieder die Osthälfte weit vor der Westhälfte stehen. 39 Mill. D. von der Ausfuhr der V. St. gehen nach der Dominion, 14 nach Mexiko, 130 Eisenbahnen führen (1. h. die General Coast Line, deren Charakter dem einer politischen Grenze von i'rofsem Stil ähnlich ist. 38 Bevorzugte Grenzstrecken. auf und grofsenteils über die nördliche Landgrenze, 6 auf und über die südliche. Aber nach der Menge der Eisenbahnen gemessen , übertrifft der Verkehr ö. von Duluth um das zwölffache den w. vom Westende des Oberen Sees. Gegen die Seen und den oberen S. Lorenz drängen immer dichtere Bevölkerungen zusammen , die der dort verlaufenden Grenze zunehmend mehr Wert und Bedeutung verleihen. Auf einer Karte des Wachstums der Bevölkerung der V. St. in dem Jahrzehnt 1880/90 zieht von der Halbinsel Michigan bis zum Puget-Sund Fig. 1. Die Südwest-Grenze und die Süd-Pacificbahn 1:10000000. eine ununterbrochene Zone sehr starker Zunnahme an der Grenze hin. Die durch Verdichtung der Bevölkerung oder des Verkehrs bevorzugten Gi'enzstellen sind sonst nirgends an den Landgrenzen, fast immer nur an den Küsten zu suchen. Bei jenen mufs man beachten, dafs es an den Landgrenzen Stellen gibt, gegen die hin die Bevölkerung von aufsen her sich früher oder rascher ent- wickelt hat, als die der V. St. Am auffallendsten hebt sich das fast unbewohnte nördliche Maine von dem angrenzenden Neubraun- schweig ab, doch ist dies eine grofse Ausnahme von rein geschicht- licher Begründung. Gerade die Bevölkerungs Verbreitung an der Kanadische Grenzbeziehungen. 39 Grenze gibt fast überall Zeugnis von dem Drängen von innen nach der Peripherie. Ja, es liegt darin etwas Bezeichnendes für die Ent- wickelimg der V. St. und weist auf wichtige Entwickelungswege der Zukunft hin. Die daraus hervorgehende Neigung zur Ein- beziehung der jenseit der Grenze gelegenen Gebiete in das eigene Verkehrsgebiet durch die Ausdehnung des Eisenbahnetzes ist zwar am energischsten im Südwesten zur Geltung gekommen, wo be- sonders die Linie nach Guaymas (Fig. 1) wichtig zu werden ver- spricht ; aber im Norden werden immer mehr Wege gebaut in engster Verbindung mit den peripherischen Bevölkerungsverdichtungen der V. St. nach jenseit der Grenze gelegenen Auslafspunkten. Hier überragt längst durch Dichte der Bevölkerung und des Verkehrs das Unionsgebiet das kanadische. Das Mils Verhältnis zwischen der ostwestlichen und nordsüdlichen Ausdehnung und die natürHche Veranlagung der V. St. zum Verkehr in nördlicher und südHcher Richtung wird über die Nordgrenze hinausführen. Von den zwei wichtigsten Landschaften des Nordens der V. St. , am Oberen Mississippi und Oberen See laufen schon zwei-Flufs- und Seen- verbindungen auf den Winnipeg in der Richtung der Hudsonsbai zusammen, an der, wenigstens von canadischer Seite, Churchill eine grofse Zukunft als Hafenplatz prophezeit wird. Ander- seits ziehen die Grolsstädte südlich von der Nordgrenze, besonders Chicago, Detroit und Buffalo immer mehr vom Verkehr Britisch- Nordamerikas an sich. .Was aber von östlichen Gebieten w. von den Nord-Alleghanies liegt, ist auf den S. Lorenzstrom an- gewiesen. Dazwischen entwickeln sich Erie- und Huronensee immer mehr zu einem, beiden Ländern gemeinsamen, in beider Peripherie gelegenen, beide wirtschaftlich verbindenden Verkehrsorganismus, in dem aber die Interessen der V. St. weit vorwiegen. Bei der Jugendlichkeit beider hier in Frage kommenden Staaten ist es kaum zweifelhaft, dafs so bedeutende peripherische Erscheinungen Grenzverschiebungen mit der Zeit herbeiführen werden. Im Fall Kanadas ist oft darauf hingewiesen worden, wie die lange Berührungslinie, die von so vielen Wasser- und Schienenwegen gekreuzt wird und die Ergänzung, welche die Erzeugnisse beider Gebiete jedem einzelnen von ihnen bieten, die Übereinstimmung einer greisen Anzahl von Interessen so stark machen, dafs das Dazwischentreten 40 Peripherische Verkehrsorgane. einer dritten , 800 g. M. entfernten , unter ganz anderen Bedingungen lebenden Macht nur zu Mifsverständnissen zwischen den Nachbarn führen könne. Man sagt in Washington : Geschäfthch ist Grolsbritan- nien für Kanada gerade so fremd wie die V. St. In den kanadischen Zolleinnahmen erschienen beide 1889 im Verhältnis wie 5:4, was nicht blofs zeigt, wie die V. St. und Canada geschäfthch eng verbunden sind, sondern zugleich, wie wenig Grofsbritanniens pohtischer Vorzug sich ins Wirtschafthche übersetzt. In der ZoUinie wiU man nur noch das Mittel sehen, um Kanada angesichts der überquellenden und über- greifenden Entwickelung der V. St. selbständig zu erhalten. In einem Lande, dessen Wachstum von aulsen nach innen vorgeschritten ist, fügt sich die geschichtliche Bedeutung der Peri- pherie zur gegenwärtigen. In ganz Amerika wirkt jene bis heute nach. Alle die grofsen Organe des Verkehrs liegen an den Küsten und Grenzen und damit fast alle Grofsstädte. In den V. St. liegen von den Städten mit mehr als 200000 E. New York mit Brooklyn, Philadelphia, Boston, Baltimore, Washington an der atlantischen Küste, New Orleans an der des Golfs, San Francisco an der pacifischen, Chicago, Cleveland, Buffalo und Detroit an der Seen- grenze. Nur St. Louis, Cincinnati und Pittsburgh sind in dieser Reihe Binnenstädte. So wie die Dichtekarte das Bild eines Ringes dichter Bevölkerung um ein dünn bewohntes Innere gewährt, zeigt auch die Städtekarte die gröTsten und zahlreichsten Städte in oder nahe der Peripherie. Und wenn man das Arteriennetz des Verkehrslebens betrachtet, gewahrt man eine ungemein grofse Ungleichartigkeit in der Zuteilung an die peripherischen End- und Knotenpunkte. Das nördhche Maine ist das eisenbahn- und wegärmste Land im ganzen Osten der V. St. Fast alle Eisenbahnen hegen s. vom 45.'* n. B. und führen nur kleine Strecken von der Küste einwärts. Neubraun- schweig und Quebec, die beiden Grenzprovinzen, sind besser versehen. Eme Linie der Canadian Pacific begleitet von Madawaska Settlement an den St. Johns-Flufs auf der Seite " von Neubraunschweig, mündet in St. Andrews an der Küste und gibt von Hopkin eine Sackbahn ab über Ft. Fairfield nach Presque Isle, weiter s. eine andere von Wood- stock nach Houlton. Ein Zweig derselben Linie geht in Neubraun- schweig bei Mc. Adam Junction ab, tritt bei St. Croix auf den Boden von Maine, wo er sich in Mattawamkeag mit der Maine Central Eisen- bahn verbindet; beim See Megantic verlälst sie Maine wieder. Als ein Die Verkehrswege an den atlantischen, Golf- und Südwest-Grenzen. 41 Zweig derselben Linie erscheint die kurze Linie Calais-Princeton. Von Rockland an beginnt die hart an der Küste entlang führende Linie Boston and Maine. Als Endpunkte gröf serer Linien sind an der Küste von Maine zu nennen: Bangor-Frenchman's Bay, Belfast, Rockland, Brunswick, Portland, in New Hampshire Portsmouth, in Massachusetts Newburyport, Boston, Plymouth, Provincetown, Chatham, Falmouth, New Bedford; in Rhode Island Newport, Providence und Narragansett; in Connecticut Norwich-New London, New Haven, Bridgeport; in New York New York, Sag Harbor und Greenport (beide auf Long Island) ; in New Jersey Jersey City, Perth Amboy, New Brunswick, Sandy Hook, Atlantic City, Cape May Point; in Pennsylvanien Philadelphia; in Delaware Wümington ; in Maryland Baltimore, Havre (Port Deposit) ; im Bundesdistrikt Washington; in Virginien Alexandria, Newport, Portsmouth; in Nord-CaroHna Beaufort, Wilmington; in Süd-CaroHna Georgetown, Charleston, Port Royal ; in Georgia Savannah und Bruns- wick, in Florida JacksonviUe, Port Orange, TitusviUe, Tampa, Cedar Keys, Pensacola; in Alabama Mobile; in Mississippi Scranton; in Louisiana New Orleans; in Texas Sabine Pass, Galveston, Brazos, Aransas, Corpus Christi, Brownsville. Die mexikanische Landgrenze überschreitet die von Corpus Christi kommende Mexican National bei Ft. Mac Intosh-Laredo in der Rich- tung auf Monterey; von San Antonio aus führt die Mexican Inter- national bei Eagle Pass (gegenüber Porfirio Diaz) über die Grenze nach Sabinas ; von dem Knotenpunkt des mittleren Texas, Fort Worth führt die Texas Pacific nach El Paso, von da die Mexican Central über Chihuahua nach Mexiko; die Linie, die von Ft. Hancock an Grenz- bahn, geht als Süd-Pacificbahn in derselben Eigenschaft durch das südHche Arizona bis Ft. Yuma an der mexikanischen Grenze. Bei Benson mündet die von Guaymas kommende nordmexikanische Linie ein , die bei Nogales die Grenze überschreitet (Fig. 1). Die Süd-Pacific- bahn trifft, in Los Angeles mit der südkalifornischen zusammen, die bei San Diego an das Meer und die Grenze herantritt. Von da bis Sa. Barbara, wo eine kleine Lücke durch die Sierra di S. Raffael gebildet wird, und bis Uklah in NordkalLfornien wird die kalifornische Küste von einer, in der Gegend von San Francisco von mehreren EisenbahnUnien be- gleitet, die nun mit der ganz Oregon durchziehenden Linie Redding Cal.-Portland Or. verbunden ist; bei Kalama überschreitet diese den unteren Columbia und verbindet sich mjt dem bereits sehr entwickelten Netz von Washington. In Oregon tritt die Columbia-Linie bei Kalama am nächsten ans Meer. Auch der Hafen von Yaquima ist mit der Längsbahn verbunden. Aber in dem reichgegliederten Washington sind schon die Häfen von W^illapa, Gray, Olympia, Tacoma, Seattle und New Whatcom Endpunkte des Eisenbahnnetzes, das über Clear 42 I^i© Verkehrswege der Nordgrenze. Brook und Blaine die jenseit der Grenze liegenden Vancouver und Westminster erreicht. Die den St. Johns-Flufs in Maine begleitende Bahn überschreitet die Grenze bei Edmundston und führt nach Riviere du Loup (Quebec) an der S. Lorenzbucht, die Canadian Pacific führt über Boundary Me. nach Cookshire (Quebec), wo sie mit der aus New Hampshire kommen- den Maine Central sich vereinigt, die bei Hereford die Grenze über- schreitet. Unter den Linien, die aus Vermont nach der Provinz Quebec führen, sind die des Connecticut-Thaies, die beiden von New- port ausgehenden und den Memphremagogsee umfassenden und die drei von Sheldon Junction ausgehenden die bedeutendsten. In Swan- ton Junction teilt sich die am Ostufer des Champlainsees hinführende Linie in eine bei Highgate Springs Verm. über die Grenze führende und die den nördHchen Champlainsee überschreitende Doppelhnie, die längs der Grenze nach Rousses Point N. Y. führt. Den Nordrand von New York schneiden 3 Linien an der Landgrenze gegen Quebec, 5 am S. Lorenz, 12 am Ontario, 4 am Niagara, 16 am Erie, wovon 12 in Buffalo. Die wichtigsten Übergangspunkte sind Oghdensburg, Morris- town, Watertown, Oswego, Rochester, Niagara, Buffalo, Dunkirk; Pennsylvania sendet 3 Linien an den Eriesee, deren T\achtigste End- punkte Erie und Girard, Ohio 22, von denen 2 in Ashtabula, 7 in Cleveland, 2 in Sandusky, 2 in Port Clinton, 10 in Toledo aus- münden. Von Buffalo bis Cleveland laufen 2 Linien hart am Ufer hin, ebenso wieder von Toledo bis Detroit. Auch die Halbinsel Michigan wird fast .auf allen Seiten von einer am Gestade hinlaufenden Eisen- bahn umgürtet, in der 42 Linien aus dem Innern auslaufen, von denen Monroe 2, Detroit 5 (und 4 aus Ontario), Pt. Huron 3, Bay City 5, Mackinaw 2 (und 1 aus der Nordhalbinsel), Manistee 4, Muskegon 4, Benton Harbour 3 aufnimmt. Auf der Nordhalbinsel von Michigan ist natürlich Sault Ste. Marie nut 3 Linien der wichtigste Punkt; der nördlichte Eisenbahnpunkt ist Allouez auf der Halbinsel Kee- wenaw. Wichtigere Randpunkte sind noch Marquette (4 Eb.) und Ontonagon. Am Ufer von Wisconsin erreichen den Huronensee 10 Eisen- bahnen, wovon 5 in Ashland, 5 in Superior City ausmünden. Von Duluth führt über Wabegan am Oberen See und über Long Lake eine Bahn, die in Kürze die Grenze erreicht haben wird. Aber nur eine einzige überschreitet die Grenze, die Great Northern, die auf der rechten Seite des Red River-Thales nach S. Vincent gegenüber Pem- bina führt, wo sie mit dem in Nord-Dakota dem Hnken Ufer des Red River folgenden Zweig der Nord Pacific -Bahn zusammentrifft. Beide führen nach Winnipeg weiter, die westüche nimmt bei Morris (Manitoba) noch eine westliche von Crafton Dak. kommende Linie auf. So über- schreiten hier in kurzer Entfernung voneinander 3 Linien die Grenze Die Landgrenzen an der Küste. 43 von Manitoba. Erst in der westlichen Hälfte von Montana folgt dann eine weitere Linie, die bei Shelby Junction die Nord-Pacificbahn verläXst, bei Sweet Grass die Grenze überschreitet und bei Dunmore (Assini- boina) in die kanadische Pacificbahn mündet. Ein Zweig, den in Idaho die Nord-Pacific am Kutench-Flufs nach Norden sendet, tritt bis auf einige Meüen an die Grenze heran, ebenso eine Linie, die im östhchen Washington dem oberen Columbiathal bis Little Dalles folgt. Das Zusammentreffen der Landgrenzen mit den Küsten. Zu den wichtigsten Punkten im Verlauf der Grenzen gehören die Berührungen einer Landgrenze mit dem Meere. Zwei politische Fig. 2. Die Nordost-Grenze im untern kS. Croix und der Fundy-Bay. Gebiete treffen mit einem Gebiete der Natur zusammen an einer Stelle, die durch die Auflösung des Landes in Halbinseln und Inseln, durch Flufsmündungen u. a. ohnehin mit besonderen Eigen- schaften ausgestattet ist. Leicht treten hier Abbiegungen der Küstenlinie und vielleicht sogar Unsicherheiten über ihren Verlauf 44 übergreifende Eechte. bis zum offenen Meere auf. Die V. St. besitzen solche Punkte am Atlantischen und am Stillen Ocean und am Golf von Mexiko. Die Nordgrenze bildet am Stillen und am Atlantischen Ocean je eine politisch wichtige Stelle bei ihrem Herantreten ans Meer. An die eine hat der Konflikt über den Haro-Kanal sich geknüpft, der beim Grenzverlauf (s. o. S. 58) besprochen ist; die andere war der Gegen- stand der Meinungsverschiedenheiten zwischen den V. St. und England über die Inseln in der Mündimg des St. Croix (s. Fig. 2 u. S. 51). Der für das Atlantische Ende der Nordgrenze der V. St. ent- scheidende nordsüdliche Verlauf, den die Grenze von dem Punkte einhält, bei dem sie den St. Johns-Flufs verläfst, um mehr als einen Breitegrad meridional, dann an das Westufer des Sohoodic- (oder Grand-)Sees und des St. Croix-Flusses gelehnt, nach dem Meere zu ziehen, bedeutet eine Schwächung. Indem sie sich dann durch die Küsteninseln zwischen East Port auf der Seite von Maine und St. Andrews auf der von Neu-Braunschweig windet, läfst sie alle gröfseren Inseln auf der Seite von Neu-Braunschweig, so dafs das Bild der Vorlagerung einer Inselkette vor die Küste der V. St. ent- steht. Dieses Merkmal der Zurückdrängung ist aber dem ganzen absteigenden östlichen Ast der Nordgrenze von Grand Falls an eigen. Es ist auch nur ein Fall der allgemeinen Thatsache der nach dem Festlande zu verschobenen Lage der V. St. , den wir am Schlufs des vorigen Kapitels erwähnten. Übergreifende Rechte. Die Rechte fremder Mächte in dem Gebiet der V. St. sind zusammengeschmolzen. Sie beschränken sich heute wesentlich auf die Bewohner Britisch-Nordamerikas. Die wichtigste Befugnis dürfte sein, dafs ihnen die Schiffahrt auf dem Michigansee ebenso wie den Bürgern der V. St. offensteht, und dafs sie die Kanäle der V. St. im Gebiet der Grofsen Seen frei benutzen. Dasselbe, zuerst im Vertrag von 1842 für die Kanäle bei Barnhart und den Long Sault-Inseln, im Detroit-Flufs und See St. Clair ausgesprochene, dann 1854 erweiterte Recht steht den Bürgern der V. St. auf den Kanälen der englischen Seite der Grofsen Seen zu. Nach einem Übereinkommen von 1817 be- schränken sich die V. St. ebenso wie England darauf, nicht mehr als je ein Kriegsschiff auf dem Ontario und Champlainsee und übergreifende Rechte. Die Fischerei an der Canadischen Küste. 45 je zwei auf den »Oberen Seen« zu unterhalten. Auf dem St. John steht, soweit er Grenze, die Schiffahrt beiden Teilen unter gleichen Bedingungen zu, und die Erzeugnisse der Wälder an diesem Flusse sollen in Neu-Braun schweig wie solche der eigenen Provinz oder des eigenen Staates behandelt werden, sofern sie nach den V. St. gehen. Mexico hat das Recht der freien Schiffahrt auf dem Colorado sich bewahrt. Dasselbe Recht auf dem Columbia ist für England seit der Zurückweisung seiner Ansprüche auf Oregon wertlos geworden. Und auch das Recht, an den Küsten der V. St. bis 36^ n. B. unter gleichen Bedingungen wie die Bürger der V. St. zu fischen, bedeutet praktisch fast nichts. Ganz anders ist es mit dem entsprechenden Recht der Amerikaner, an der atlantischen Küste von Britisch-Nordamerika zu fischen. Der Friedensvertrag von 1783 hatte das Recht der Amerikaner auf den Fischfang an der britisch-nordamerikanischen Küste in dem ganzen Umfang, wir er bisher geübt worden, aus- gesprochen. Endlose Zwistigkeiten zwangen zu einer genauen Bestimmung. Daher erteilte ein Vertrag zwischen den V. St. und England (am 20. Oktober 1818 in London abgeschlossen) den Bürgern beider gleiche Rechte des Fischfangs an der Süd-, West- und Nordküste von Neufundland und von Mt. Joly an der Süd- küste von Labrador bis n. von der Strafse von Belle Isle, soweit nicht die Rechte der Hudsonsbay - Gesellschaft in Frage kamen. Gleichzeitig wurde den Bürgern der V. St. das Recht eingeräumt, an den unbesiedelten Strichen der Südküste von Neufundland Fische zu trocknen. 1854 wurde dieser Vertrag auf die »Sea- coasts and shores, and the bays, harbors and creeks of Canada, New Brunswick, Nova Scotia, Prince Edward's Island and of the several Islands thereunto adjacent« ohne Beschränkung in den Entfernungen vom Ufer ausgedehnt. Der Vertrag von Washington von 1871 bestätigte die Bestimmungen der früheren, beseitigte aber nicht die Schwierigkeiten, zu denen sie Anlafs gegeben hatten. 1881 bezahlte England 15000 £ für Schaden, der in Fortune und Aspee Bay amerikanischen Fischern zugefügt worden. Besonders machte auch die Vorbehaltung der Süfswasserfischerei an den Flufsmündungen Schwierigkeiten. Einige Vorteile der spanischen 46 übergreifende Eechte. Die Beringsmeer-Frage. und russischen Schiffahrt in den Häfen des Golfes, bezw. des Stillen Oceans, die in älteren Verträgen ausbedungen waren, sind erloschen. Im Vertrag von Guadalupe Hidalgo ist auf die Ver- hinderung und Bestrafung der Indianereinfälle durch die V. St. ausdrücklich hingewiesen. Eine 1882 geschlossene und 1885 ver- längerte Übereinkunft gestattet den Truppen beider Teile die Ver- folgung der Indianer in die wüsten Grenzgebiete des Nachbarlandes. Einer eigentümlichen Auffassung des Gebietes sind die Schwierigkeiten im Beringsmeer entsprungen. 1891 wurde ein Versuch gemacht, gelegenthch eines im Repräsentantenhaus vor- geschlagenen Gesetzes über die Lachsfischerei in Alaska , die Bestimmungen über die Beaufsichtigung der Robbenjäger auf das ganze Beringsmeer innerhalb der Grenzen der russischen Ab- tretung vom 30. März 1867 auszudehnen. Dasselbe wurde seit 1886 praktisch versucht. Im Senat erfuhr aber dieser Versuch »ein Meer, gröfser als das Mittelmeer und mit 450 engl. M. Thor- öffnung« zum Marc clausum zu machen, Widerspruch. Die Frage empfing einen üblen Beigeschmack durch das Interesse der Alaska Commercial Company an der Fernhaltung jeder fremden Wett- bewerbung. Die Weghahme englischer Schiffe im Sommer 1889 geschah durchaus aufserhalb der gesetzlichen Grenze (1 Marine League = ^U deutsche geogr. M.). Diese war festgehalten worden in den Vorschriften von 1868 über die Jagd der Pelzrobbe an den Küsten von Alaska oder »in the waters thereof«. Rufsland, das seine Seehunds-Inseln an der asiatischen Küste, die weniger Beute und minder wertvolle liefern, stets gegen frem'de Jäger streng geschützt hat^), erklärte, dafs es keine anderen Rechte abgetreten habe, als ihm selbst nach dem Völkerrecht gehört hätten, und bezeichnete den Anspruch der V. St. auf das Beringsmeer als unbegründet. Die Indianergrenzen und inneren Grenzen. Für die Geschichte der Weifsen in den V. St. ist die Thatsache von der gröfsten Be- deutung, dafs sie mit dem schärferen, von den Römern her aus- gebildeten Grenzbegriff den viel breiteren und unsicheren Vorstel- 1) Die KoiTHnandeurR-Inseln sind Station für zwei Kriegsschiffe. Indianergrenzen. 4Y lungen der Indianerstämme von den Grenzen gegenübertraten. Die Grenzöden und -Wildnisse, welche die Stämme von einander trennten 1), erleichterten den Weilsen die Festsetzung auf scheinbar herrenlosem Boden und die Einschiebung zwischen die Stämme. Sie nahmen die Unbequemlichkeit in den Kauf , unsichere An- sprüche auf Gebiete von zweifelhafter Ausdehnung zu erwerben — man behauptet, die V. St. hätten das Gebiet des Staates Illinois in 14 Indianerverträgen doppelt und dreifach gekauft — waren aber sicher, dafs Völker, die über die Grenzen ihrer Ge- biete nicht im klaren waren, auch nicht den festen Halt am Boden besitzen konnten, den festbestimmte Grenzen gewähren. Die Wesenlosigkeit der Grenzbegriffe der Indianer spricht sich auch darin aus, dafs wir in den Grenzen der Staaten, welche die Weifsen auf altem Indianerboden begründeten, so selten die Reste alter Stammesgrenzen finden. Wo heute im Champlainsee die Grenze zwischen New York und Vermont zieht, sonderten sich einst auch die Irokesen und Huronen, und Vermont entstand in der Grenzwildnis zwischen Neuengland und Neufrankreich, über deren Besitz später New York und New Hampshire sich stritten, während der Staat sich selbständig bildete. Es läuft also hier eine alte geschichtliche Linie zwischen neueren Gebilden hin. Auch einige Strecken der Grenzen zwischen Wisconsin und Minne- sota liegen in Gebieten, die einst Winnebago und Monomoni schie- den. Aber dafs eine so wichtige Naturgrenze, wie der Arkansas bei der Bildung des gleichnamigen Gebietes zu gunsten geometri- scher Parallelgrenzen aufgegeben wurde, bezeichnet die Regel. Natürlich hat die dadurch entstandene Zerfällung der Stämme in mehrere Bruchstücke ihren EinfluCs auf die Geschicke der Stämme geübt. Die Teilung der Apaches zwischen den V. St. und Mexiko und dort wieder zwischen Texas, Neu-Mexiko und Arizona hat diesem räuberischen Stamm die Möglichkeit gegeben, sich mancher gerechten Strafe zu entziehen , sie hat aber auch seinen Zusam- 1) Diese Einrichtung ist von Lewis Morgan u. A. , besonders auch von Engels zu rasch verallgemeinert worden. Einige Nachweise habe ich in »Die allgemeinen geographischen Grenzen und die politische Grenze« in den Mitth. der K. S. Gesellschaft der Wissenschaften (1892) gegeben. 48 Innere Grenzen. menhang gelockert und wird seinen Untergang beschleunigen. Die tiefgehende Verschiedenheit in der Auffassung der Grenzen hat nicht blofs im Anfang des Zusammentreffens der beiden Rassen schädliche Folgen für den schwächeren Teil gehabt, sie bildet bis heute eine Ursache der Milsverständnisse und Streitig- keiten, die immer von neuem nur diesem zum Nachteil aus- schlagen. Einer der häufigsten Anlässe der Indianerkriege ist die Unzufriedenheit mit den Grenzen, die in einer für die Indianer unverständlichen Weise gezogen, und daher von diesen bei jeder Gelegenheit wie Ketten gebrochen werden. Die ungesetzliche Überschreitung der viereckigen Reservationsgrenze beginnt den Indianerkrieg, die zwangsweise Zurückführung der in den Treffen mit Truppen der V. St. nicht Umgekommenen und nicht den Mühen der Märsche Erlegenen schliefst ihn ab. Das verhängnis- volle Auseinandergehen beider Auffassungen der Grenzen hat von Anfang an eines von den Giften gebildet, welche die Wunde des Rassenstreites, die Todeswunde des Indianers offen halten. Die inneren Grenzen. Wer einen Blick auf die Karte der V. St. wirft und mit Staunen das geometrische Netz der Staaten- und Territoriengrenzen erblickt, mag in diesen geraden Linien und rechten Winkeln den Ausdruck des absoluten Triumphes des Staatsbegriffs der Einwanderer über den der Indianer sehen. Denn deren Grenzen sind weggewischt, wo sie je waren. In den Grenzen von heute spricht sich nicht, wie in Europa, die Über- einkunft mit den Grenzen von gestern aus. Auf den einzigen Fall solcher Anpassung haben wir S. 36 hingewiesen. Die Anpassungen an die Natur sind selbstverständlich häufiger. Bei den Wasser- grenzen wurde nach bekannten Grundsätzen in Flüssen der Thal- weg, in Seen die Mittellinie angenommen, und eigens ausgesprochen, dafs die Inseln immer nach der Seite fallen sollten, nach der die derart gezogene Grenze sie weise. Nur die amerikanisch-spanische Grenze am Sabine River wurde 1819 am Westufer gezogen, und alle Inseln im Sabine, Rio Roxo und Arkansas den V. St. zu- gewiesen, deren Unterhändler die Unkenntnis oder Schlaffheit der spanischen Kommissare ausnutzten. Diese Grenzziehung war eigent- lich schon der erste Übergriff in das texanische Gebiet, dem be- Innere Grenzen. 49 kanntlich bald stärkere gefolgt sind. Über den Rio Grande, Colorado und Gila wurde zwischen den V. St. und Mexiko vereinbart, dafs die in die tiefste Rinne gelegte Grenze auch dann an bestimmter Stelle bleiben solle, wenn jene seichter oder trocken werden sollte. Nur die allmählichen Wirkungen der Erosion und Anschwemmung sollten die Macht haben, die Grenze zu verlegen^). Mit zwei Ausnahmen sind alle Staaten und Gebiete der Union durch Breitegrade begrenzt, die auf die Parallelstreifen der alten Charters oder Patente zurückführen oder ihnen nachgebildet w^urden. Auf der Schwelle der neuen Staatenbildungen im Ohio- und Seen- gebiet konnte man die junge Republik zwischen den Alleghanies und dem Mississippi als eine Reihe von parallelen Streifen zeichnen , in denen die später an die V. St. cedierten Land- ansprüche von Massachusetts, Connecticut, Virginia, Nord- und Süd-Carolina und Georgia räumliche Gestalt annahmen 2). Sogar der für einen Teil der Nordostgrenze unbequem mafsgebende 45. Breitegrad war schon im ersten Charter von 1606, unter dem englische Kolonien in Nordamerika angepflanzt wurden, als Nord- grenze angenommen, ohne Rücksicht auf Acadie, als die Süd- grenze noch bei 34^ gezogen wurde Auf ungenaue Bezeichnungen der End- öder Schneidepunkte solcher geraden Grenzlinien führten mehre schwere Grenzstreite zurück, besonders wenn die Grenz- verträge noch von unrichtigen geographischen Vorstellungen aus- gingen. Noch gröfsere Verwirrung haben unrichtige geographische Grundlagen bei der Abgrenzung der Territorien und Staaten an- gerichtet. Ohio verdankt seine nördliche Ausdehnung einer 1) »Through the slow and gradual erosion and deposit of alluvium«. Nouveau Recueil des Traitös (Stoerk) 11. Serie Xni. p. 673. In AVäldern wurden 30 engl. F. breite Durchschlage vorgenommen. Eine Reihe von Zweifeln führt darauf zurück, dafs früher nur die Bäume angeschlagen worden waren. Bei der Grenz Verbesserung von 1843/46 zwischen Maine und Neu-Braun- schweig konnte man sich doch noch teilweise an die Narben der ersten Grenzbezeichnung von 1771 halten. 2) Die vollständigste Darstellung dieser Veränderungen findet man in Justin Winsor's Narrative and Critical History of America Vol. VII. Ap- pendix : Territorial Acquisitions and Divisions (Boston 1888). Ein interessantes und eingehend behandeltes Einzelbeispiel liefert die Entwicklungsgeschichte von Tennessee in Pheldans History of Tennessee. New York 1888. Ratzel, Die V. St. von Amerika. 4 50 Grenzstreitigkeiten. schlechten Karte , Michigan , dadurch nach Norden geschoben, entschädigte sich mit der Nordhalbinsel. Dazu kamen die mals- losen Landansprüche der alten Staaten, die den Grundzug der älteren Grenzstreitigkeiten bildeten und 1781 das Zustande- kommen des Bundes zu hindern drohten. Auf Grund ihrer Charters beanspruchten Virginia, New York und Massachusetts alles Land zwischen Kanada und Louisiana. Die damals und später bestimmte^ Grenzen der Staaten des Innern stehen noch nicht überall fest. Die Grenze des 42. Breitegrades zwischen dem Delaware - Flufs und dem Eriesee wurde durch New York imd Pennsylvanien erst 1877 genau bestimmt, 1786 war sie nur an einigen Punkten festgelegt worden^). Am interessantesten ist die Geschichte des pennsylvanischen »Erie triangle«, den New York und Massachusetts beanspruchten, bis die Union ihn an Pennsylvanien verkaufte , damit dieses einen Zugang zum Erie gewinne. Seitdem ein U. S. Geodetical Survey besteht, bildet die Bestimmung von Staatengrenzen eine beträchtliche Aufgabe, zu der fast alljährlich Vermesser abkommandiert werden. Der »Pfannenstiel« von Westvirginien ist erst auf diese Art vom Streit befreit worden. Natürlich hat überhaupt Westvirginien grofse Schwierigkeiten bei der genauen Abgrenzung gemacht, da es als jüngster gleichsam sich einschob zwischen die greisen Staaten Virginia, Pennsylvania und die mittelalten Kentucky und Ohio. Es zeigte sich dabei, wie viel noch an den Staatengrenzen zweifelhaft ist. Es wird noch immer mehr Streitigkeiten geben. Da die ersten Festsetzungen zu allgemein, mit Bewufstsein provisorisch getroffen worden sind, kommt mit der fortschreitenden Bevölke- rung und Wissenschaft in jedem Staat allgemach das Bedürfnis unzweifelhaft sicherer Grenzen. Es fehlt auch nicht an äufseren Gründen, die es zu rascherer Reife zu bringen streben. Dazu gehört bei den Gebirgsstaaten des Westens das Bedürfnis der Irrigation, über die Wasserquellen des Staates frei zu verfügen, welche die Grenze oft rücksichtslos von ihren natürhchen Bächen, 1) Eingehend berichtet in dem amtlichen Report of the Boundary Commission of the State of New York. Albany 1886. Die ersten Grenzbestimmungen. 5]^ die nach ihnen dürsten, abschneidet. Die Grenze zwischen Nevada und KaHfornien, die schon einmal eine starke Veränderung erfahren hat, wird auf der Sierra Nevada nicht immer so un- bilHg für jenen der Irrigation bedürftigsten Staat gezogen bleiben können. Hoffentlich werden aber diese Grenzstreite nicht so lange dauern, wie der zwischen Virginia und Maryland über die Lage der Grenze auf Smith' s Island in der Chesapeake-Bay, wobei Urkunden von 1685 und 1693 herangezogen wurden. Er ist erst in unseren Tagen durch einen Beamten des Geodetical Survey geschlichtet worden. Aber es werden immer neue auftauchen. Manche Gerade wird sich noch krümmen und sogar schlängeln, mancher rechte Winkel sich noch runden müssen. Verlauf und Veränderungen der Grenze. Die erste offi- zielle Grundlage für die Zeichnung der Grenzen der V. St. bildete der Friedensvertrag von 1873 mit England, in dem in kaum oberflächlich bekannten Strichen die Grenze an wichtigen Stellen so ungenau an- gegeben war, dafs schon bald Streitigkeiten ausbrachen. Nach diesem Vertrage soUte die Grenze im Osten gebildet werden durch eine Linie mitten im S. Croix von seiner Mündung in die Fundy Bay bis zu seiner Quelle und von dieser bis zu dem Hochland, das die Zuflüsse des S. Lorenz — damals noch River Iroquois or Cataraqui und erst 1822 bezeichnet als »now caUed St. Lawrence« — von denen des Atlantischen Oceans scheidet. »Die atlantische Seegrenze schUelst alle Inseln ein, welche 20 Leagues von dem Ufer der V. St. entfernt liegen, und liegt zwischen Linien, die geradeaus ostwärts von den Punkten gezogen werden, in welchen die Grenzen gegen Nova Scotia auf der einen, und Ost-Florida auf der anderen Seite die Fundy Bay, bzw. den Atlantischen Ocean berühren, mit Ausnahme solcher Inseln, die jetzt oder früher innerhalb der Grenzen der Provinz Nova Scotia gelegen sind oder waren.« Schon im Vertrage von Gent wurde eine Kommission nieder- gesetzt, um die Streitfragen über gewisse Inseln in der Mündung des S. Croix und im S. Lorenz zu schlichten. Aber erst 1817 wurde be- stimmt, dals die Inseln Moose, Dudley und Frederick in der Passa- moquoddy-Bucht der V. St., alle anderen aber unter denen das von den V. St. zäh beanspruchte Grand Menan besonders genannt ist, Eng- land gehören^) (Fig. 2 S. 43). Und 1842 warde folgender Verlauf fest- gesetzt«) : Von der Bucht steigt die Grenze den St. Croix-Fluf s aufwärts 1) Martens, Nouveau Eecueil des Trait^s Va. (Suppl.) p. 399. 2)Murhard, Recueil des Trait^s lU (1842). p. 456. 4* 52 I^iß Nordgrenze. bis zu seiner Quelle, von dieser gerade nach Norden bis zum St. John- Fluls, in diesem bis zur Mündung des Francis, in diesem zum Ausfluls des Sees Pohenagamuk, von da sw. in gerader Linie zu einem Punkte an dem nordwestlichen Zweige des St. John, der 10 engl. M. in gerader Linie entfernt von dem Hauptzweig des St. John angenommen wird; von da wieder in gerader Linie in s. 10^ westlicher Richtung bis zu dem Punkte, wo der Parallelkreis 46° 25' den südwestHchen Zweig des St. John schneidet, dann s. diesem Zweige entlang bis zu seiner Quelle auf der Portage Metjarnett und auf der Wasserscheide zwischen St. Lo- renz und Ocean bis zur Quelle eines der Arme des Connecticut (Hall R.) and an demselben hinab bis zum 45. Breitegrad, wo 1774 die Grenze zwischen Kanada auf der einen, New York und Vermont auf der andern Seite abgesteckt wurde, und diesem entlang bis zum St. Lorenz. 1843 wurde die Grenze zwischen Maine und Neubraunschweig zum ersten Mal genau vermessen, wobei u. a. die Zuteilung der Inseln im S. Johns R. je nach der Lage zum Thalweg, der als Grenze angenommen wurde, be- stimmt wurde. Ein Zweifel entstand nur bei La Septieme und wurde nach dem Übergewicht des Grundbesitzes der Amerikaner für die V. St. ent- schieden *). Eine Triangulation des S. Croix und der Seen in seinem oberen Gebiet ist seit Ende der 80er Jahre im Gang, die natürhch der Grenze zu gute kommt. Das ist entschieden der für die V. St. ungün- stigste Teil der ganzen Grenze. Nach dem Vertrag von 1783 verHef die Nordgrenze von der nordwestlichen Quelle des Connecticut aus in diesem Flusse bis zum 45.° n. B., dann auf diesem Breitegrad geradeaus w. bis zum L*oquois oder Cataraqui und in dessen Mitte bis zum Ontario-See. Von da ging sie durch die Mitte dieses Sees \md die Wasserverbindung zwischen ihm und dem Erie-See, durch die Mitte des Erie-Sees, bis sie die Wasserverbindung desselben mit dem Huronen-See erreichte, durch die Mitte dieses bis zu seiner Wasserverbindung mit dem Oberen See, durch diesen n. von den Inseln I. Royale und I. Philippeaux zum Long See, durch dessen Mitte und die Mitte der Wasserverbindung zwischen ihm und dem Lake of the Woods bis zu dem letzteren und in diesem bis zu seinem nordwestlichsten Punkte; von da geradeaus w. zum Mississippi und in der Mitte dieses Stromes südwärts bis die Linie den 31.° n. Br. schneidet. Im östhchen Abschnitt ist die Grenze durch den sechsten Artikel des Vertrags von Gent vom 24. Dezember 1814 näher bestimmt wor- den. Die Einzelheiten waren vollkommen unklar — selbst darüber 1) Die Aufzählung dieser Inseln nach ihrer Zugehörigkeit bei Hertslet, A complete CoUection of the Treaties and Conventions XIV (1880) p. 670. Ostgrenze, Grenze im S. Lorenz und den Grofsen Seen. 53 bestand keine Übereinstimmung, welcher in die Fundy-Bay mündende FluXs der St. Croix sei — bis zu der Deklaration der Grenzkommissäre vom 18. Juni 1822, die von den V. St. und England angenommen wurde ; seitdem ist die Grenze, von einzelnen Veränderungen abgesehen, unverändert gebheben. Die Grenze im Oberen See ist immer so Fig. 8. Grenze im S. Lorenz 1 : 750000, westlicher Teil. geblieben, wie sie 1783 festgesetzt worden war^). Von der Mündung des Regis verläuft im St. Lorenz die Grenze (Fig. 3 und 4) zwischen den an dieser Stelle hegenden Inseln so, dafs nur CornwaU- und Shiks- Inseln bei Ontario bleiben und ähnhch biegt sie bei fast allen Inseln dieses Stromes von der MitteUinie nach Norden aus, so dafs alle gröfseren Inseln, Gooseneck, Gallop, Wells, Grindstone an das Gebiet 1) Die wichtige Grenzerklärung von 1822 steht bei Martens Nouveau Kecueü des Trait^s VI. 1. p. 454. 54 Grenze in den Grofsen Seen. der V. St. fallen, während die gröfste von allen, Wolfe, der Dominion angehört. Die Grenze tritt zwischen ihr und C. Vincent in den See, wobei natürlich die Inseln in Sackett Harboui' bei den V. St. bleiben. Wer den Wortlaut dieser Grenzbestimmungen mit den grofsen Karten (1:30000) des St. Lorenz von 45»n. B. aufwärts des Survey of the N. and N.-W. Lakes vergleicht, stöfst auf eine ganze Anzahl von Un- klarheiten, die sich aufwärts von der Long Sault-Insel in Namen und Lage so häufen , dafs man diese Grenzstreeke bjs in die Mitte des Ontariosees als die an zweifelhaften Stellen reichste des ganzen Landes bezeichnen mufs. Fig. 4. Grenze im S. Lorenz 1 : 750000, östlicher Teil. Auf den Grofsen Seen ist .die Grenze nur dort genauer fest- gelegt, wo sie zu gunsten von Inseln von der mittleren Linie ab- weicht, die sonst festgehalten wird. Natürhch ist der Verlauf in jedem der Kanäle, welche die Seen verbinden, von hervorragender Wichtigkeit. Diese kurzen Grenzabschnitte im Niagara, Detroit, St. Clair und St. Mary gehören auch wegen des Verkehres zu den bedeu- tendsten Strecken in der ganzen Grenze. Der Ontario verläfst die Grenze so, dafs Grand-Inseln und das kleine Inselchen an ihrem Süd- westrand auf der Seite der V. St. bleiben. Die Grenze verläuft von hier aus in der Mitte des Niagara-Flusses, schneidet die Spitze des Hufeisen -Falls, geht w. von Goat-Insel und den kleinen Inseln an ihrer Spitze und zwischen Grand und Navy, w. und s. von Grand und Grenze in den Grofsen Seen. 55 Beaver, vmd w. von Strawberry-, Squaw- und Bird-Insel. Zwischen Buffalo und Ft. Erie ist sie durch die Hafenbauten von Buffalo etwas weiter vom kanadischen Ufer entfernt und schneidet unter 42" 48' den 79. Meridian. 1850 trat England an die V. St. einen Teil des Horse Shoe Riffs am Austritt des Erie-Sees zur Erbauung eines Leucht- hauses ab. Bei 41^ 40' tritt sie zwischen die Inseln des westhchen Erie so ein, dafs Middle und damit natürhch die gröfsere Pointe Pelee-Insel, dann die Hen and Chickens, East Sister und West Sister-Inseln n. bleiben. Bei 83" 7' w. L. schneidet sie den 42. Parallel und läuft mit einer ausgesprochenen Annäherung an das kanadische Ufer mitten durch den Detroit-Flufs. Sie schneidet zwischen der Bois blanc- und Sugar-Insel und läuft w. von der Insel Bois Blanc und ö. von den Inseln Fox und Story; bei der Insel Great Turkey geht sie nahe am W.-Rande vorbei in die Mitte des Flusses und diesem entlang s.-ö. von Hog- Insel und n.-w. von La Peche in den See St. Clair, den sie in der Mitte durchzieht, und tritt in das schwierige, veränderhche, von seichten Deltakanälen durchschnittene Südende des St. Clair mit einer Wendung nach Osten ein, indem sie dem einzigen schiffbaren Weg in diesem Gewirr, dem Old Ship Channel in der Mitte folgt, zwischen Squirrel im Südost und Heron im Nordwest bis zum oberen Ende von Heron, das fast genau gegenüber Pointe aux Chenes auf der amerikanischen Seite hegt, wodurch die grolse Insel Walpole samt Squirrel und dem un- benannten Sumpfland s. davon auf die kanadische Seite fäUt. Sie zieht dann in der Mitte des St. Clair - Flui ses w. und nahe den Inseln Belle Riviere und Aux Cerfs zum Huronensee (Fig. 5). Bei Port Huron tritt die Grenze so in den See, dafs sie den kanadischen Ufervorsprung berührt und sich dann ostwärts biegt, um die Mitte zu gewinnen. Sie verläuft dann mit verschiedenen Biegungen in der östhchen Hälfte des Sees so, dafs sie den gröfseren Teü dem Gebiete der V. St. zuweist. Gegenüber C. Hurd hegt sie mehr als doppelt so nahe dem kanadischen Fig. 5. Grenze im Huronensee, 1 : 5 000 000. 56 Grenze in den Grofsen Seen. Ufer , als dem der V. St. Von 45" 30' an biegt sie entschieden nach Westen um, läuft zwischen den Inseln Great und Middle Duck und Fig. 6. Die Grenze vor dem Eintritt in S. Marys Eiver. U. P. = Upper Peninsula. D. = Drummond-Insel. C. = Cockburn-Insel. S. J. = S. Josephs-Insel. L. = Lime-Insel. mitten durch den False Detour-Kanal in die North Passage und in den St. Mary's-Flufs, den sie so erreicht, dafs Drummond und die kleinen im Nordwesten vorgelagerten Insel, sowie die Lime-Insel') in das 1) Der in den V. St. weitverbreitete M'Nally'sche Atlas läfst in seinem Nordblatt Michigan die Insel bei Kanada. Diese wichtige kStelle hat der Ver- trag vom 9. August 1842 folgendermafsen genauer bestimmt: die Grenze geht zwischen den Inseln S. Joseph und Tammany durch den Schiffskanal bis zur Teilung des Kanals bei der Insel St. Joseph, um das untere Ende der Insel Sugar (oder George) und in der Mitte des Kanals zwischen ihr und St. Joseph, dann den östlichen Neebrik-Kanal hinauf, ganz nahe, »nearest«, bei der Insel George durch die Mitte des George-Sees, dann w. von der Insel Jonce in den S. Mary's-Flufs bis zu einem Punkte in der Mitte dieses Flusses, ungefähr 1 M. oberhalb der Insel George, so dafs diese Insel den V. St. zufällt. Auch der Library Reference Atlas von Bartholomew und Bradleys Atlas of the World zeigen Abweichungen in der Grenzziehung. Erkundigungen, die Herr Prof. Stanclift für mich im Custom House in Chicago und bei Kennern Die Nord- und Nordwestgrenze. 57 Gebiet der V. St. fallen (Fig. 6). Aus dem S. Mary's Flufs heraustretend, schneidet sie den Parallel von 46" SC/ unter 84<* 35', geht bei Iroquois- Leuchthaus ziemhch durch die Mitte und biegt n. von 47" scharf nach Nordwesten, schneidet eben noch die Bank s. von der Insel Caribou und läuft in einem Winkel von 33" nach Nordwesten, umgeht die Insel Chapeau , die samt Isle Royale zu den V. St. gehört und trifft im Hintergrund des Südarms der Pigeon Bay den 48. Parallel (Fig. 7). Pigeon Point gehört zu den V. St., Pine R. Bay zur Dominion, ebenso auch der Nordarm der Pigeon Bay. Von hier an verlauft sie bis in den Wäldersee, nach der Bestim- mung von 1783, die auch 1787 bei der ersten Umgrenzung des Nordwest- Fig. 7. Westende der Grenze im oberen See. Territoriums festgehalten wurde. 1818 wurde durch Vertrag die Grenze zwischen dem Wäldersee und dem Felsengebirge, damals noch Stony Mountains, bestimmt, die jetzt von dem nordwesthchsten Punkte dieses Sees bis zum 49. Breitegrad und von da diesem entlang läuft. Vermessen ist diese erst seit 1872. Jener Punkt war bis dahin unsicher gewesen. Er Hegt 26 engl. M. n. vom 49." Da der Mississippi keines- wegs weit genug nach Norden reicht, um, wie der Vertrag von 1783 annimmt, von einer vom Wäldersee gerade nach Westen gehenden Linie geschnitten zu werden , bestimmten die V. St. und England, dafs die Grenze nach Beendigung der Aufnahmen der unbekannten Westgebiete, die von beiden Seiten ausgehen sollte, neu festgesetzt werden solle. Wir verdanken dieser Bestimmung die grofsen Ent- deckungsreisen von Lewis und Clarke (1804—1806) und Pike (1807). von Lime Island einzog, lassen keinen Zweifel, dafs die Insel als zu den V. St. gehörig betrachtet wird, wie es der Grenzfeststellung entspricht. 58 Die Nord- und Nordwestgrenze. Nach dem Wortlaut der Bestimmungen von 1782 und 1818 würde die Grenze der V. St. vom Wäldersee aus etwas n. vom 50.® zu ziehen gewesen sein, da sie durch eine vom Nordwestende des Wäldersees »due west« laufende Linie gebildet werden sollte, und die 1819 von Spanien abgetretenen Rechte auf die Länder n. vom 42. Parallel schienen am Stillen Ocean diesen Anspruch noch zu erweitern. Im Laufe der Verhandlungen über das Oregongebiet bheben aber die V. St., nachdem Rulsland schon 1824 und 1825 seine über 54" hinausreichen- den Ansprüche zurückgezogen hatte, beim 49. Parallel stehen, der zuerst in den Ergänzungen vorkoromt, die 1806 und 1807 zu den Verträgen von 1782 gemacht wurden. Der eigentümliche Verlauf der Nordwestgrenze am Stillen Ocean ist das Ergebnis des Aufeinandertreffens der httoralen Aus- breitung Grolsbritanniens im nördhchen Stillen Ocean und des konti- nentalen Wachstums der V. St. Von Osten und Westen kommend, mulsten beide endlich einander begegnen, und da nun dies in einer buchten- und inseheichen Meeresstrafse geschah, entstanden ganz von selbst Schwierigkeiten in der genauen Abgrenzung. Der 49. Breitegrad war schon bei der Abtretung Louisianas als Nordgrenze angenommen und Spanien hatte 1819 alles Land n. vom A2.^ überlassen. Aber in den Verträgen zwischen den V. St. und England von 1818 wurde die Verlängerung der 49°-Grenze bis zum Stillen Ocean — welche die Vancouvers-Lisel schneidet — offen gelassen, und für das Oregon- gebiet eine Ai*t Condominium festgestellt. Als nun die Besiedelung Oregons fortschritt, drängten die V. St. zur Entscheidung. 1824 und 1827 bheben Verhandlungen unfruchtbar. Ein Vertrag von 1846 hefs die Vancouvers-Insel bei England. Die Grenzlinie sollte »fort- geführt werden längs des 49.° n. Br. bis zu der Mitte des Kanals, der das Festland von der Vancouvers-Inseln trennt, und von da nach Süden durch die Mitte des gedachten Kanals und der Fuca-Stralse bis zum Stillen Ocean«. Aus dieser Bestimmung wuchs neuer Streit heraus über den Besitz der Inseln im Kanal. Doch konnte die ganze Ent- wickelung dieser Angelegenheit*) keinen ernsthchen Zweifel darüber bestehen lassen, dals die V. St. der Abweichung vom 49.° nur 1) Vgl. die oben angeführte Denkschrift George B a n c r o f t s von 1871, die überhaupt von Wert für die Geschichte der Grenzen der V. St. ist , und dazu P e term an ns Karte, Taf . IV in den Geographischen Mitteilungen 1873, des S. Juan- und Haro- Archipels mit den Grenzen nach britischer und ameri- kanischer Auffassung. Das reichste Material über diesen Grenzstreit gab im Beginn seines Wiederauflebens die Eegierung der V. St. in dem Buche The Northwest Boundary. Discussion of the Water Boundary Question, Geogra- phical Memoir of the Islands in Dispute etc. Washington. Die Grenze im Haro-Kanal. 59 zugestimmt hatten, um die Zerschneidung der Vancouvers-Inseln zu vermeiden. So wurde denn auch durch Schiedsspruch unseres Kaisers Wilhelm 1872 die Grenze in den dieser Insel näheren Haro-Kanal gelegt, wodurch der San Juan- Archipel den V. St. zufiel. Nach der Entscheidung unseres Kaisers wurde 1873 durch eine amerikanisch- englische Kommission die neue Grenze auf einer Karte niedergelegt, die nach den enghschen Aufnahmen von K e 1 e 1 1 und Richards 1847 und 1858—62 gezeich- net war. Die Linie geht von der Westseite vom Point Roberts in den Kanal bis 123» 19' 15" w. L. , geht dann ca. 15 g. M. 50'* ö. und biegt dann mitten zwischen den Inseln Patos und Satura s. Zwischen den Inseln Stewart und Mo- resby und später Dis- covery und San Juan erreicht sie den »Fair- way« der San Juan de Fuca Strafse in 48» 17' n. und 123» 14' 40" w. und durchlauft sie mitten zwischen den Punkten BeecheyHead, Sherring- ham und Bonilla Point auf Vancouver und Ton- gue Point, Pülar Point und dem Leuchthaus von Tatuch Island auf der Seite von Washington. Gerade diese in jeder Hinsicht wichtige Grenzstrecke ist merkwürdiger- weise auf unseren Karten höchhchst vernachläfsigt (Fig. 8). Ich begnüge mich, die richtige Zeichnung, wie sie schon von Petermann im 1873er Bande der Geographischen Mitteilungen Taf. IV gegeben ist, hier einzusetzen. Schade, dafs der Mafsstab so klein sein muls. Auf vielen von unseren Karten ist selbst das abgeschnittene_Ende bei Point Roberts übersehen. Und doch ist schon auf der Karte Washington Sound and Approaches des U. S. Coast Sm-vey von 1866 die Grenze bei Fig. 8. Die Grenze im Haro-Kanal, 1:1000000. ßO Die Grenze im Haro-Kanal. Boundary Bluff (80—100' hoch) durchgezogen, und der dahinter hegen- den Bucht der Name Boundary Bay begelegt. Dieser Abschnitt, eine mihtärisch wichtige Stellung, ist vom Schiedsspruch nicht betroffen. Die Südgrenze ist im östhchen GoK von Mexiko die alte Grenze, die das bevölkerte, reiche Cuba von den menschenarmen und kaum beachteten Floridas schied. Sie läfst die Bajos de los Roques bei Cuba und nimmt als südhchste der Cayos oder Keys von Florida die Riffgruppe der Dry Rocks an. Die Abtretung der beiden Floridas durch Spanien (1819) umfafste alle Inseln »adjacentes, dependantes des dites provinces« ^), und weitere Grenzbestimmungen haben nicht statt- gefunden. Im Sinn dieser Bestimmung schliefst sich an die Halbinsel yiorida, die mit den Dry Tortugas in 83*^ w. L. endigende Insel- und Riffkette an, zu der Key West samt den Pine Islands und Bahia Honda gehört. Darüber hinaus hegt der tiefe Abfall zur Rinne der Florida- strafse, an deren südlichem Rande die Salt Key Bank auf der cubani- schen Seite auftaucht. Ihr vorgeschobenstes Riff ist Elbow Key unter 24* n. B. Die nördliche Fortsetzung dieser Rinne trennt die west- lichsten Güeder der Bahamas, die Inseln Bemini und Gun, vom Ost- rand Floridas. Louisiana hatte niemals feste Grenzen gehabt. Frankreich be- griff unter Louisiana alles Land, das bewässert wird von den Zuflüssen des Mississippi und gab diese Kolonie an die V. St., so wie es sie von Spanien erhalten. Nun war zunächst die Grenze zwischen Louisiana und der neuspanischen Provinz Texas von jeher strittig gewesen. Die Spanier besaXsen Texas thatsächhch, aber die Franzosen Kefsen ihre Ansprüche darauf nicht fahren. Beide Nationen hatten Ansiedelungen an diesem Teile des Golfes von Mexiko gegründet, die später teilweise verfielen, aber nach den Anschauungen der Zeit Besitzrechte erzeugten. Als Louisiana an die V. St. abgetreten worden war , kam man von beiden Seiten überein, den Sabine R. nicht zu überschreiten , und die V. St. helsen zunächst alles Land w. vom Meridian von Natchitotches unvermessen hegen. Nach den späteren Konflikten zwischen den V. St. und Mexiko wurde dieser Streitpunkt entschieden durch den Vertrag von Guadalupe Hidalgo (2. Februar 1848), der, ergänzt durch den Ankauf eines Striches von 27 500 engl. Q.-M. (Gadsden Purchase 1853), den Rio Grande und die Gila-Depression zur Grenze zwischen den V. St. und Mexiko macht (Fig. 1 u. S. 33). Die Südwestgrenze ist in dem Vertrag von Guadalupe Hidalgo (2. Februar 1848) so festgesetzt, dafs sie drei Leguas von der tiefsten Mündung des Rio Grande im GoH von Mexiko beginnt und in der Mitte des Flusses bis zur Südgrenze von Neumexiko verlauft, 1) Martens Nouveau Recueil V. p. 330. Der Wert der Küste. Q1 der sie bis zum »ersten Arm« des Gila und diesera Flusse bis zur Mündung in den Colorado folgt. Von der Mitte der Mündung wurde eine gerade Linie bis eine Seemeile s. von San Diego am StiQen Ocean gezogen. Die Grenzberichtigung von 1853 (s. o. S. 33) hat den Abschnitt vom Colorado w. unverändert gelassen; ö. von diesem Flufs aber ist die Grenze so weit nach Süden gerückt, dafs fast das ganze Becken des Gila nun zu den V. St. gehört. Die Küste. Das merkwürdige Band voll hybrider Erschei- nungen zwischen Land und Meer, den gröfsten Gegensätzen an der Erdoberfläche, wendet ein Antlitz nach aufsen und eines nach innen und ist ein selbständiges Wesen in sich selbst. So haben wir es auch in den Beziehungen zu erfassen , in die der Mensch zu ihm tritt. Für die nach Nordamerika wandernden Europäer war die Seeseite der Küste zuerst die wichtigste. Von ihrer Auf- geschlossenheit hing ihr Eindringen in das Land ab, ihre Gestalt bestimmte die ersten Siedelungen. Dann wurde ihre Gelegenheit für Anbau und Ausbreitung von Bedeutung. Und als die Ein- wanderer sich vermehrten und weiterwanderten, mufsten die Wege in Betracht kommen, die von der Küste ins Innere führen. Hatten sie sich festgesetzt und begannen sie, dem Boden mehr Früchte abzuringen, als sie brauchten, so war die Seeseite unter dem Ge- sichtspunkte des Verkehrs nach aufsen zu nützen, der bei der natürlichen Abhängigkeit junger Kolonien vom Mutterland beson- ders wichtig ist. Die meisten gedeihen nur, wenn die am neuen Ufer angeknüpften Verbindungsfäden nicht zu früh abreif sen. Später wurde dieser Verkehr immer wichtiger, je tiefer die An- siedler ins Land eindrangen, und je gröfsere Flächen sie in Be- nutzung nahmen. Dabei ergab es sich immer, dafs wo die Vorzüge der Innen- und Aufsenseite zusammentrafen, d. h. wo an einer Küste mit starker Gliederung eine Stelle auftrat, die den inneren Verkehr begünstigte, der auserwählte Punkt einer raschen Ent- wickelung lag. Deswegen blühten die ersten Siedelungen an oder in den Flufsmündungen auf. Und bis heute zeigen die beiden gröfsten Handelsstädte am atlantischen und pacifischen Eand, New York und San Francisco, die erstaunHch grofse Wirkung dieser Vereinigung. New York und San Francisco gleichen einan- der darin, dafs sie durch diese Kombination der äufseren Zugang- 62 Förderliche Wirkungen der Küsten. lichkeit und inneren Erschlossenheit einzige Stellen am Atlantischen und Stülen Ocean einnehmen. New York lehrt zugleich den dritten Vorzug kennen, dafs die Küste in sich eine möglichst günstige Lage zu geschützter Ansiedelung bietet, wie hier auf der Insel Manhattan. Der Hafen, die Insel, der Hudson, das Aufsen, die Küste, das Innen: das sind die Pfeiler der Gröfse von New York. Die äufsere ZugängHchkeit oder Aufgeschlossenheit einer Küste hängt von der Tiefe und der Gestalt ab. Der Bau des Landes wirkt auf die Küste hinaus. Flache Küsten sind in der Regel schwerer zugänglich als steile. Die atlantische und Golf- küste der V. St. können im allgemeinen als flach , die pacifische mufs als Steilküste aufgefal'st werden. Hier findet der LandfaU^) 70 bis 80 See-M. von der Küste über einer Tiefe von 200 Faden statt, dort nähert sich das Schiff mit der Sonde dem Land, das oft erst erblickt wird, wenn der Kiel den Grund berührt. Am Stillen Ocean gibt es an der Küste der V. St. Stellen, wo Berge 1500 m Höhe 5 km von der Küste erreichen ; aber auf der atlanti- schen Seite liegt ö. vom C. Cod die 200. Fadenlinie 5 Grade ent- fernt und die grofse Tiefe des nordatlantischen Kessels beginnt erst 9 Grade ö. von Sandy Hook. Die Küstenformen ändern aber sehr viel an diesen allgemeinen Verhältnissen. Durch zahlreiche und zum Teil tiefe Einschnitte ist die atlantische Küste so weit aus- gezeichnet, als die Felsengrundlage der nördlichen AUeghanies unmittelbar an das Meer herantritt. Auch weiter im Süden ist sie trotz drohender Untiefen und wandernder Schlammbänke noch besser aufgeschlossen als die pacifische s. vom Columbia. Und dazu kommt, dafs der Küstenstreifen eines seichten Meeres natur- gemäfs breiter ist, also der Siedelung und Ausbeutung mehr Raum und Selbständigkeit gewährt. Wir haben die aufs Meer hinausweisenden erziehenden und anregenden Wirkungen der Küsten noch nicht genannt. Sie werden im allgemeinen überschätzt und hier in Nordamerika konnten sie bei den übers stürmischste Meer gekommenen Euro- päern nichts mehr bewirken. Auch an den Indianern haben sie 1) The Landfall: die erste Sichtung des Landes. Geschichtliche Bedeutung und Wirkung der Küste." 63 sich nicht kräftig erwiesen, die vorher diese Küsten bewohnten. Von ihnen gehörten nur die Bewohner Floridas einer in kleinem Mafse schiffahrtskundigen westindischen Gruppe an. ' Als aber die Weifsen sich in Nordamerika festgesetzt hatten, fanden sie an der Küste, an die ja ihr Geschick sie zunächst fesselte, eine Menge von Vorteilen, deren fortschreitende Verwertung einen grofsen Zug in der Geschichte des jungen Landes bildet, und diese Geschichte verwuchs, wie die jedes Kolonialvolkes, zuerst am engsten mit der Küste. Die Küste ist der eigentlichst histori- sche Boden, an ihr liegen die ehrwürdigsten Stellen : wie für den ganzen Erdteil jene kleine Insel der Bahamas , so für die V. St. Plymouth Rock. Die Geschichte der V. St. begann sich eigentlich erst nach dem Unabhängigkeitskrieg, also nach 200 Jahren, von der Küste loszulösen. Es liegt in diesem Zusammentreffen, dafs das Gebundensein an die atlantische Küste sich mit dem an das transatlantische Mutterland zugleich lockerte, ein tieferer Sinn. Der Erwerbung der politischen Selbständigkeit folgte die Erobe- rung Nordamerikas bis zu den zwei anderen Meeren. Im Norden zeigt die fortschreitend^ Entwickelung früh noch ein anderes Bild, das gar nicht in die herkömmliche Auffassung der Wirkungen der Küstenglieder pafst. Hier wurde deutHch, dafs der Verkehr nicht die Verzettelung über eine möglichst lange Küstenlinie anstrebt, um jedes günstige Küstenglied auszunutzen. Er sucht vielmehr die Zusammendrängung auf beschränkte Punkte, in enge Kanäle. Ein Hafen wie New York wiegt 1000 Mt. Desert Islands, einer wie San Francisco 100 San Juan-Archipele auf. Einer Zeit, in der New Plymouth, Boston, Charlestown, Salem, Providence, New Haven u. a. auf gleicher Stufe standen, folgte eine andere, die Boston, eine zweite, die Philadelphia, eine dritte , die New York , und dieses überwältigend, hervortreten liefs. Ähnlich am Stillen Ocean, wo in der spanischen Zeit San Diego, Los Angeles, Santa Barbara, Monterey , San Francisco ziemlich gleich standen, während heute alle San Francisco weit überstrahlt. Verschiedene Zeiten treten mit verschiedenen Forde- rungen an die Küste heran, die also auch nicht immer durch die gleichen Eigenschaften ihre erziehende Kraft wirken läfst. 64 Geschichtliche Bedeutung und Wirkung der Küste. Wir stehen immer zu sehr unter dem Bann der Wirkung der reichen GHederung auf die Entfaltung Griechenlands und Kleinasiens. Erwägen wir doch, wie wenig Vergleichungspunkte das Verkehrs- leben im Mittelmeer vor zweieinhalb Jahrtausenden in seiner Zer- splitterung auf kleine Räume, Mittel und Wege und seinem Mangel grofser Hinterländer mit dem nordatlantischen Verkehre von heute bietet, der das Tausendfache an Menschen und das vielmals Tausendfache an Gütern bewegt. Der grofse Hafenreichtum von Maine begünstigte durchaus nicht diese älteste Kolonie an der Nordostküste, die Unternehmungen zersplitterten ihre Kräfte, indem sie ein zu weites Gebiet zu umfassen strebten in einem Lande, wo jede Bucht an den Küsten ein Hafen und zugänglich war^). Nur in der Reederei, die aus jedem zugänglichen Winkel ihre Fahrzeuge dem oceanischen Frachtverkehr zusenden kann, und in der Fischerei kommen die Einzelheiten der Gliederung noch im Frieden zur Geltung. Mehr gelten sie aber im Kriege. Die Ausdehnung der durch tiefe Buchten, Flulsmündungen und Haffe zergliederten Küste der Südstaaten, die eine Menge von Schlupfwinkeln und Eingängen boten, erschwerte ebenso sehr den Blocus, wie sie den Handel, die Piraterie und die Verteidigung der Südstaaten erleichterten. Ende 1861 verwendeten die Nord- staaten 43 Kriegsschiffe mit 6800 Mann zur Blockade der süd- staatlichen Häfen. 1812 fuhr die englische Flotte in den Potomac und nahm Washington; für die Kriegsschiffe von heute bieten die zurückliegenden Häfen der mittleren und südlichen Staaten, sowie die Golfhäfen keine leichten Zugänge, und San Francisco kann sein Goldenes Thor leicht sperren. Küstenlänge und Entwickelung. Die Länge der Küsten der V. St. beträgt mit Einschlufs der Inseln, Buchten und Flüsse bis zum Ende der oceanischen Schiffahrt an der atlantischen Küste (36 516 engl. M.) 58 430 km ' » » Golfküste ... (19 143 » » ) 30 630 » » » pacifischen Küste . (8 900 » » ) 14 240 » (64 559 engl. M.) 103 300 km 1) Bancroft I. Kap. IX. Colony of Maine. Küstenlänge und Gliederung. 65 und mit Ausschluls der kleinen Einschnitte, Buchten, Sunde und aulsenliegenden Inseln an der atlantischen Küste .... (2 043 engl. M.) 3 270 km » » Golfküste (1 852 » » ) 2 965 » » » pazifischen Küste (einschl. der Fuca-Strafse) (1810 » » ) 2 895 » (5 705 engl. M.) 9 130 km^) In der üblichen Weise die Küstenlinie mit dem Flächen- raum des Landes in Vergleich setzend, erhalten wir für jede englische Meile der (genauen) Küstenlinie 46 engl. M. des Areales. Vergleichen wir aber die »General Coast Line« mit der alle Einzel- formen umschlief senden, so erhalten wir die Verhältniszahlen 18 für die atlantische, 10 für die Golf- und 5 für die pacifische Küste. Die Verschiedenheit der Gliederung geht unmittelbar daraus hervor. An der Fjordküste von Maine, wo sie am aus- gesprochensten ist, zwischen der Grenze am S. Croix (45°) und 43° 38', steht der allgemeinen Küstenlinie von 318 km die Küste mit allen Einschnitten und Inseln 4 980 km lang gegenüber ; über die Hälfte dieser langen Erstreckung gehört der UferUnie der zahlreichen Inseln und Klippen an. Der allgemeinen Küstenlinie der Chesapeake-Bay von 1 160 km steht eine »Tidal Shore Line« von 7 500 km gegenüber. Die V. St. reichen im Osten wie im Westen in ein besonders reichgegliedertes der Schiffahrt günstiges Gebiet hinein. An der atlantischen Seite macht /ihr Gebiet auf der Schwelle Halt, an der pacifischen beruht aber ein grofser Teil der Bedeutung von Alaska darin, dafs es die reichst gegliederte Küste des nördlichen Stillen Oceans mit Küsten gliedern von polarer Grofsartigkeit umfafst. Ich verdanke dem Gewährsmann , den ich eben genannt , für Alaska die Zahl von 4750 engl. M. für die allgemeine, von 26376 für die genaue Küstenlinie. Eine ähnliche Zahl hat Prof . Davidson für die Küstenlinie Alaskas » einschlief slich der Inseln und grofsen 1) Ich schulde beide Zahlenreihen der freundlichen Mitteilung des Herrn T. C. Mendenhall, Superintendent des U. S. Coast and Geodetic Survey (d. Washington, 28. Dezember 1892). Ratze 1, Die V. St. von Amerika. 5 Qß Die Elemente der Küstengliedening. Sunde« veröffentlicht^). Unter diesen Sunden ist Cooks Inlet 160 engl. M. lang und zwischen C. Douglas und Elisabeth 65 engl. M. breit, ein wahres Binnenmeer. Diese Summen für die Küstenlänge der V. St. setzen sich vor^viegend aus kleinen Zahlen zusammen. Das ist bezeichnend für die ganze Küste der V. St. Die grolsen Elemente der Küstengliederung sind in diesem Gebiet in geringer Zahl und Ausdehnung vertreten. Wo sie in Nordamerika vorkommen, liegen sie entweder n. von den V. St. in Kanada , oder s. davon , in Westindien. Nova Scotia, »die einzige Halbinsel Nordamerikas, die Wert hat« (N. Shaler) liegt gerade vor der Nordostgrenze. In das Gebiet der V. St. fallen Barnstable 950, Delaware 16150 qkm, die Halbinsel zwischen der Chesapeake-Bay und Potomac 1900, die zwischen Potomac und Rappahannok 720, die zwischen Pamlico- und Albemarle-Sund 5080, Florida 126100, die Halbinseln des Goldenen Thores 1050 und die Halbinsel zwischen Admirality Inlet und Fuca-Stralse 7000 qkm. Eigentümliche , halbinselartige Ge- bilde entstehen durch die benachbarte Mündung grofser Astuarien in der Chesapeake-Bay (die neun Halbinseln Virginiens) und in Gestalt von Nehrungen vor den mächtigen Lagunen der süd- atlantischen und Golfküste. Und doch ist dies Land gegliederter als es auf den ersten Blick erscheint, und als die »allgemeine« Küstenlinie sowenig zum Ausdruck bringt, wie Übersichtskarten von 1 : 2000000 und mehr. Wer aber in die Einzelheiten geht, der findet einen Reichtum an kleinen Gliederungen und an grolsen, die in anderen Formen als den dem europäischen Auge gewohnten auftreten. Dazu gehören die Grofsen Seen und der S. Lorenz, sowie die Seenkette von ihnen zur Hudsonsbai, die in 'Wahrheit ein Binnenmeer mit schmalen Stralsen zum Ocean sind, dazu Flüsse, die eigentlich Fjorde, wie der Hudson und die mächtigen Haffe der südatlantischen und Golfküste. Vorzüglich müssen aber die grofsen Ströme, unter denen besonders der Mississippi hoch hinauf mit tiefgehenden Dampfern von 2000 T. befahren wird, nicht übersehen werden. 1) U. S. Coast and Geodetic Survey. Report f. 1890 p. 732. Das "Wesen der Küstengliederung. ß7 Auf der andern Seite sind es auf serordentlich verschiedene Formen, in denen der Küstenverlauf, von der geraden Linie ab- weichend sich ergeht, ja ganz verschiedene Objekte, die diese Summen in sich vereinigen. Sie sind viel zu abstrakt, um mit der Wirklichkeit des geschichtlichen Lebens unmittelbar in Ver- bindung gesetzt zu werden. Nicht in der Küstenentwickelung eines Landes, sondern in der allgemeinen Natur der Küste liegt ein Mafs seiner Kulturbefähigung. Das drängt sich uns angesichts eines so grofsen Landes unabweisbar auf. Noch nicht die Hälfte der Staaten und Gebiete der Union liegt am Meer, und 6 weitere grenzen an das Binnenmeer der Grofsen Seen. 20 erfahren nur mittelbar die Wirkungen der grofsen Wasser. Mit seiner Raum- gröfse ist Nordamerika kontinental geschlossener als Europa, und in der südlichen Hälfte, die arm an grofsen Halbinseln und Inseln, tritt diese Eigenschaft besonders hervor. Wo aber zahlreiche kleine Inseln auftreten, da finden wir sofort eine ungemeine Steigerung der Küstenlänge oder -entwickelung. Wo ist aber in Maine oder Washington, in Florida oder selbst Süd-Carolina die Kulturbedeutung dieser Inseln ? Sie tragen so viel zur Küsten- entwickelung bei und haben so wenig zur Entwickelung des Volkes und seines Staates beigetragen. Dafs in die gewöhnliche Auffassung der Küstengliederung die Inseln mit so grofsen Zahlen eingehen , scheint uns gerade hier nicht berechtigt. Natürlich tritt die Gliederung durch Einschnitte — für die Auf- schliefsung eines Landes viel wichtiger — dahinter zurück. Kann Italien, das inselreich ist und keine einzige tiefe Bucht aufweist, mit Virginien verglichen werden, dessen buchtenreiche, Chesapeake- Bay sich mit dem Meere in 7500 km berührt? Oder mit Nord- Carolina, das mit seinen grofsen Lagunen 5360 km Küste besitzt? Nach solchen Erwägungen sprechen wir nicht ohne Bedenken die seit Karl Ritter oft wiederholte Behauptung aus, die Küsten- länge der V. St. sei im Vergleich zu der Gröfse des Landes nicht bedeutend und verhalte sich zu der europäischen wie 1 : 4. Vielmehr scheint es uns geboten, die Küste in jene Abschnitte zu sondern, deren natürliche Ausstattung ihnen besondere ge- schichtliche Funktionen zuweist. 5* 68 Die Küsten- und Hafengebiete. Die Küsten- und Hafengebiete. Vereinigen wir mit der Küsten- entwickelung die anderen für die Kulturbedeutung der Küsten wichtigen Verhältnisse zu einer einzigen Betrachtung, so teilt sich uns die Küste der V. St. in folgende Abschnitte. 1. Nordostküste vom St. Croix bis an den Hudson; zugleich Küste Neuenglands. Seichtes Meer, reich geghederte, vorwiegend felsige Küste ohne sehr tiefe Einschnitte und ohne günstige Ver- bindungen nach innen aulser der des Hudson. 2. Küste der grofsen Halbinseln und der Meeresbuchten vom Hudson bis zur Chesapeake-Bay. Seichtes Meer mit wenigen tiefen, reich gegliederten Einschnitten in angeschwemmtem Tiefland, in die zum Teil grölsere Flüsse münden. Man findet daher die grolsen Häfen dieser Region in den Flufsmündungen , und sie teilen mit den Flufshäfen die Schwierigkeiten, die durch Ver- änderlichkeit des Wasserstandes und Schlamm- und Sandabsätze erzeugt werden. Philadelphia am Delaware, Baltimore am Potomac, Norfolk am James R., sind die hervorragendsten. Baltimore liegt seitab vom Suquehanna wie Marseille zur Rhone. 3. Südliche atlantische Küste bis C. Florida. Seichtes Meer, das durch grofse Nehrungen oder niedrige Inseln und durch hinter diesen liegende Haffe, Seen, Flüsse und Sümpfe vom eigent- hchen Lande getrennt ist. An wenigen Stellen ist durch aus- mündende Flüsse oder den Gezeitenstrom eine tiefere Lücke für den Verkehr geschaffen. Charleston am Cooper und Ashley R. , Savannah am gleichnamigen Fluss , Jackson ville am St. Johns-Flusse. 4. Südspitze von Florida und Kette der Keys. Riffküste. 5. Golfküste von Tampa bis zum Rio Grande. Gleicht der südlichen atlantischen Küste, ist aber bei schwächeren Gezeiten in noch höherem Malse durch Sand und Schlamm verbaut, so dafs das feste Land nur durch künstliche Anlagen hindurch zu erreichen ist. 6. Pacifische Küste von San Diego bis zum Columbia. Tiefes Meer und steile Küste mit Ausnahme der verschlammten Mündung des Columbia. Die Verbindungen nach dem Innern sind an fast allen Punkten durch Küstengebirge erschwert. Die Küste von Neuengland. 69 7. Fjordküste von Washington. Ungemein reich und tief gegliederte Steilküste mit guten Fernverbindungen nach innen. Die Küste von Neuengland ist ausgesprochene Fjordküste von der Grenze an bis zur Casco-Bucht oder C. Elisabeth. Für den Reichtum ihrer GHederung spricht die Thatsache, dafs die Küste mit Einschnitten und Inseln 15 mal länger ist als im glatten Umrils. Für den Verkehr bedingt das eine Fülle günstiger Anlässe zur Hafenbüdung und Er- schliefsung des Innern, eine im Vergleich zum Flächenraum gewaltige Ausdehnung der Berührung mit dem Lande. Die grofsenteüs unbewohn- ten oder nur vorübergehend bewohnten Inseln von Maine nehmen aller- dings die Hälfte dieser langen Linie in Anspruch. An Reichtum der Einzelformen nimmt es die Küste ^ von Maine mit jeder Fjordküste auf; auch der Parallelismus der Anordnung, die Beckenbüdung und andere, Merkmale sind schön ausgeprägt. Aber die einzelnen Elemente sind nicht von der Gröfse derer an der Nordwestküste Nordamerikas oder an der skandinavischen. Wir haben weder so tief ins Land reichende, noch so breite Einschnitte. Vor aUem aber ist das Meer an den Küsten von Maine nicht tief. Und so ist es auch weiter im Süden. Der von den amerikanischen Hydrographen gegebene Name G o 1 f v o n Maine für die flache Einbuchtung zwischen der Fundy-Bay und der C. Cod-Bay hat nur eine äufserliche Berechtigung. Nach der Küsten- büdung und -gestalt wäre die Hudsonmündung eine natürüchere Grenze als der veränderüche Vorsprung des C. Cod. Nur wenn man die Ge- staltung des Meeresbodens in Betracht zieht, büden die Bänke von Nantucket bis Seal Island einen »siU«, der das tiefere Wasser der Bai abschneidet. Aber es lälst sich ebensowohl geltend machen, dafs im Long Island-Sund diese isoUerten Bänke aufhören, und nun nur die Festlandstufe den Übergang zu oceanischen Tiefen bildet. Wo die reiche, aber nur äufserliche, d. h. randhch fransenartige GHederung der Küste aufhört, beginnen ünsüdlichenNeuengland die weniger zahheichen, aber geräumigen Buchten, in denen die Hafen- büdung sich konzentriert, und in die auch einige gröfsere Flüsse sich ergiefsen. Die Fjorde hören damit nicht auf. Die in der gleichen Rich- tung wie sie die Küste zerklüftenden Einschnitte, in die meerbusenartig sich erweiternde Flüsse münden, wie Piscataqua, Merrimac, Saconnet, Providence, Connecticut, treten an die Stelle der Fjordbuchten. Selbst für Buchten am C. Cod finden wir bei amerikanischen Geographen den Ausdruck Fjord, der hier im Sinn unseres Föhrde gebraucht wird. Die Häfen hinter dem C. Cod, Salem, Boston und Charlestown (die noch immer in der amthchen Statistik zwei Häfen sind), New Plymouth, sind in den Fels der Küste gehöhlt. Aber noch einmal tritt der ganze Reichtum der Fjordküste an Inseln, Halbinseln und Buchten 70 I^ie mittlere atlantische Küste. mit der ganzen erstaunlichen Tendenz zu gleichsinnigem Uferverlauf in den Zwillingsbuchten der Buzzard- und Naragansett-Bay ^) auf. Die natürhchen Gruppen von Häfen, die wir auch aufserhalb Maine in der Massachusetts-Bay (Gloucester Salem, Marblehead, Nahant und die Buchten Kettle und Brace), Buzzard -Bay (New Bedford, Mattapoiset, Sippican und Sakonnet R.), Narragansett-Bay (Newport, Dutch Island, Wickford, Mt. Hope-Bay, Bristol, Greenwich-Bay, Warren und Provi- dence R.) wiederholen den Buchtenreichtum in schwächerem Mafs. Diese weiten Öffnungen luden früh zum Verweilen ein: Buzzard- Bay ist der erste Punkt, wo 1602 Engländer den Boden Neuenglands betraten, New Plymouth wurde 1605 von Champlain besucht, die tiefe Mündungsbucht des Piscataguä wurde früh erkannt ; Dover und Ports- mouth gehören zu den ältesten Städten Neuenglands. Auf weiteren Raum zerstreut folgen dieselben Bildungen weiter und tiefer Buchten an der nach Süden schauenden Küste von Connecticut, wo Thames, Connecticut, Housatonic mit föhrdenartigen Erweiterungen in den Long Island Sund fliefsen. Zwischen New London und Bridgeport tritt die schöne, ebenfalls n.-s. gerichtete Bucht von Newhaven hervor. Den Abschluls macht die ganz in diese Reihe gehörige Mündungsbucht des Hudson mit dem gröfsten Hafen der Neuen Welt. Mittlere atlantische Küste. Schon von Montauk Point, der niedrigen Nordspitze Long Islands an beginnen • die niedrigen Küsten , deren langhingestreckte Nehrungssäume mit dahinter liegenden Haffen bis C. Sable und dann wieder an der ganzen Golfküste der V. St. zu ver- folgen sind. Norfolk, am Südrand der Chesapeake-Bay bezeichnet den einzigen grofsen Abschnitt in dieser langen Tieflandküste. Nördlich davon bieten die tiefen von Nord nach Süd zunehmenden Einbrüche in der Küste : Hudson-, Delaware-, Chesapeake-Bay, ein Bild der Unruhe und zugleich der ianigen Verbindung zwischen Land und Meer, s. die halb oder ganz geschlossenen Lagunen, ein Bild der Abschlielsung und der Ruhe bis zm-' Versumpfung hinter dem schützenden Wall der in flachemBogen geschwungenen Nehrung. Drei tiefe Buchten greifen auf 1) Narragansett-Bay, die 6 deutsche M. ins Land einschneidet, ist mit ihren zwei steilküstigen Inselreihen, zwischen denen genau s.-n. gerichtet drei Meeresarme mit nicht weniger als 19 kleineren Buchten (Coves) ein- schneiden, und die durch gleichsinnig gerichtete Halbinseln mit dem Lande sich verbinden, eine echte Fjordbucht. Die Wiederkehr des Namens »Neck« auf der Küstenkarte zeigt die Häufigkeit halsartiger Verengungen an. Die Verschmälerung auf weniger als 500 Yards zwischen dem nördlichen Rhode Island und der Küste von Fall R., wo zwei Brücken Rhode Island ans Fest- land binden, ändert daran nichts, denn dahinter folgt Mt. Hope-Bay. Es fehlen trotz der Verschlammung nicht gröfsere Tiefen im Hintergrund. Chesapeake-Bai. 71 dem Räume zweier Meridiangrade in nördlicher Richtung in das Land ein, aus dem sie die zwei Halbinseln von New Jersey und Delaware abschneiden. Bieten sie auch nicht so zahlreiche Hafenbuchten wie die nördhchere Küste und keine grolsen Tiefen, so führen sie doch einen gröfseren Verkehr aus weiterem Umkreis auf beschränkte Punkte zu- sammen, und wir finden in Jeder einzelnen eine grofse Hauptstadt des atlantischen Verkehrs. Die nördhchste dieser Buchten, die des Hudson oder von New York, scheint am wenigsten tief einzudringen, sie misst vom Eingang bei Sandy Hook bis zur Battery von New York oder der Südspitze der Insel Manhattan nur 30 km zwischen Nord und Süd und ist nicht ganz so breit von demselben Punkte bis Perth Amboy zwischen Ost und West. Aber sie ist durch die Vorlagerung von Long Island, der letzten der grofsen Inseln der Nordostküste, und durch Staten-Island geschützt, und es führt ihr der fjordähnhche, tiefe Hudsonflufs samt seinem natürhchen Nebenflusse Mohawk und seinem künsthchen, dem Erie-Kanal, den Verkehr aus Norden und Westen durch die merkwürdigste Lücke im AUeghaniessystem zu, das in seinem ganzen Zuge von Alabama bis Maine nur dieser KüstensteUe gegenüber solche Gunst zeigt. Die Länge der Delaware-Bay von C. Henlopen bis Philadelphia beträgt mehr als das Doppelte von der der Bay des Hudson, aber sie ist weit offen und erst wo der Schuyikill in den sich erweiternden Delaware-Flufs mündet, sind Schutz und Tiefe der Bildung des grofsen Hafens von Philadelphia günstig, der aber vom Meere viel weiter ent- fernt als New York und durch ungünstiges Fahrwasser getrennt ist, dabei auch viel weniger günstige Hinterlandverbindungen hat. An der Chesapeake-Bay, die sich 154 See-M. weit parallel mit dem Atlantischen Ocean nordwärts in das Küstenland hineinzieht, tritt an die Stehe der Inseln schützend eine Halbinsel, welche die ganze Küstenentwickelung ins Innere di'ängt. Sie bietet dem offenen Meere eine fast ungebrochene Dünenhnie dar, während sie auf der Innenseite durch unzähhge, viel verzweigte Buchten durchbrochen ist; so deckt sie, wie eine breite Nehrung, den Reichtum der Küstenentwickelung von Maryland und Virginien. Das ist die Virginian Sea der ersten Ansiedler, die nach der schwierigen Sand- und Sumpfküste s. von C. Charles mit Freude die tiefe Bucht begrüfsten. In sie münden Susquehanna, Potomac, und mit breiten Ästuarien Rappahannok, York und James. Grofse Halbinseln trennen diese Mündungen. Die zwischen York und James ist die Halbinsel Virginien im engeren Sinn, »The Peninsula«, die erstbesiedelte, deren central gelegener Hauptort WiUiams- burg lange die Hauptstadt der Kolonie war. Die Halbinsel Yorktown ist berühmt im Unabhängigkeits- wie im Bürgerkrieg, dort durch Corn- wallis' entscheidende Waffenstreckung, hier durch Lee 's Sieg in der 72 Chesapeake-Bay. siebentägigen Schlacht. Wir begegnen in diesem »many shaped, lobed, gashed, notched and sea penetrated« Land der Halbinseln einer un- gemein reichen Ghederung (s. o. S. 65). Der Umrifsreichtum der neun Halbinseln wird von Beschreibern Virginiens über den des Peloponnes gestellt*). Aber es fehlt die liefe Jenes ägäischen Felsenbeckens. Balti- more hat nur eine schmale Zufahrt, deren Tiefe für die grofsen See- dampfer künsthch erhalten wird; den Hafen hat aber wahrscheinlich schon der erste Erforscher der Chesapeake-Bay, Smith, gekannt. Der Potomac, dessen 50 km breite Mündung die ersten Ansiedler vor allem in Erstaunen setzte, in den bis Washington die Flut emporsteigt, wird bald unterhalb Washington bei Alexandrien zum breiten und tiefen, schifibaren Meeresarm: der Untere Potomac. Eine Anzahl von Zuflüssen des Unteren Potomac schneidet tief in seine Ufer ein, indem jeder wieder ein kleines Ästuar für sich bildet, und das ganze Land unterhalb AquiaCreek ist ein Gemisch von Meeresarmen, Sand- flächen und Sümpfen. Gewöhnlich wird die schon sehr breite Wasser- fläche unterhalb Mathias Point dem Meere zugerechnet. Stürme treiben in diesen Ästuarien das Wasser hoch über die mittlere Fluthöhe; in Alexandrien stieg der Potomac 1877 4 F. 2 Z. darüber. Die Lage von Washington an dem stumpfen Flufswinkel, 80 km von Harj)ers Ferry, '65 von Aquia Creek, zieht Vorteil aus dieser Nachbarschaft. An der südlichen atlantischen Küste erstrecken sich ausgedehnte Lagunen, wahre Binnenmeere, deren reiche UmriXsformen in der amthchen Zahl von 5400 km für die Küstenentwickelung zwischen dem Potomac und dem Rio Grande nicht zum Ausdruck gelangen. Ein schmaler Sandstreifen trennt zunächst den Pamlico-Sund vom offenen Meere, der also eine Lagune, aber mit so tiefem Wasser ist, dafs fast überall tiefgehende Schiffe hingelangen können. Zahlreiche Inseln erheben sich in diesem kleinen Randmeer, die gröfste R o a n o k e so, dass sie es in den eigenthchen Pamhco-Sund im Süden und den Albemarle-Sund im Norden theilt. WestHch von ihr führt der einzig für grofse Schiffe gangbare Weg durch den Croaton-Kanal. Den Scheitel der gebogenen Nehrung bildet das C. Hatteras, s. von welchem einer der schwierigen Eingänge, die an mehreren Stellen die Nehrung durch- schneiden, denselben Namen trägt. Weitere Eingänge in den Pamhco- Sund sind s. von Hatteras Ocracoke Inlet, n. die drei ^nebeneinander hegenden Oregon-, New- und Loggerhead Inlet. Noch vor der Chesapeake-Bay wurde 1584 diese Küste von den Engländern genauer untersucht. An ihr, der Küste der „Hundert Inseln" (Nord-Carohna) üefsen auf Roanoke und Croatan die ersten Ansiedler sich nieder, ehe 1) »Ihr Reichtum an Umrifslinien wird vom Peloponnes nicht übertroffen, Ja hier gibt es neun Moreas.« Hotcheiss, Virginia. Südliche atlantische Küste. 73 Raleigh die Kolonie in die Chesapeake-Bay verlegte. Die Inseln sind heute öder als damals, nur von „pilots and wreckers" bewohnt. Die Küste von Süd-Carolina, deren einfache Länge vom Sa- vannah bis zum Little R. 300 km beträgt, ist im Norden längs der Long Bay eine einfache Sandküste, aber von der Winyan-Bay s. ist sie durch ein Labyrinth von Kanälen in eine grolse Zahl von flachen, sandigen, halb überschwemmten Inseln zerlegt, die, klein und niedrig bis Charleston, nach Süden rasch an Zahl und Gröfse zunehmen, auch an Höhe von 3 auf 7 m (über Flut) wachsen , bis sie ihr Maximum am Broad R. erreichen, wo sie in 3- bis 4 f acher Reihe das Land umsäumen. Das sind die eigenthchen Sealsands, die eine der feinsten Baumwollensorten erzeugen, während die Mündungssümpfe der zahlreichen Flüsse Pflanzungen des berühmten Karohna-Reises tragen. Zwischen diesen Inseln und dem Festlande hegen Sunde und Ästuare, unter denen Nord-Edisto, S. Helena, Port Royal, Tybee und Warsaw die hervorragendsten sind, die gleichsam als fünfghedrige Kette am Lande sich hinschhngen. Hinter einigen Inseln erweitert sich das Küstenmeer zwischen Charleston und Savannah zu dem prächtigen Hafen Port Royal, an dessen Eingang Hüton Head vorspringt, und in dem die Inselgruppe von S. Helena zwischen Port Royal und Port S. Helena hegt, die bei der Eroberung von -Beaufort*) 1861 eine Rolle spielte. Vor dem Eingang zu Poi-t Royal hegt eine bogen- förmige Sandbank, über die der Weg durch ein wattenmeerähnliches Gewirr von Bänken und Kanälen zwischen den Inseln Hilton Head und St. Phihpp schwierig ins Innere führt. Nördhch folgt die Insel Edisto, jenseit deren das breite Ästuar des gleichnamigen Flusses gegen Charleston hinzieht. An die Gruppe von S. Helena schhefst sich eine ganze Reihe ähnlicher Inseln an, unter denen die vor dem Savannah-Flufs am rechten Ufer gelegene Insel Tybee als Trägerin eines Leuchtturms und Beherrscherin des Thores von Savannah wichtig ist. Der tiefe Eingang Warsaw Inlet trennt sie von der gleich- namigen Inselgruppe weiter im Süden. An der Lagunenküste kehren immer dieselben Eigenschaften wieder: Glatter Umrifs aufsen, reiche Gliederung durch ungestörte Anschwemmung bis zur Versumpfung innen, die tiefen Stehen des Haffes oder der Lagune durch seichte Canäle von der tiefen See getrennt. Daher immer die gleiche Aufgabe, für den Verkehr diese Kanäle zu vertiefen durch Baggerung oder durch Verlängerung ihrer Ufer vermittelst in die See hinausgebauter Eindämmung. Daher auch günstigere Verhältnisse an den Lagunen des offenen Oceans, als an 1) Port Royal und Beaufort erinnern an die Hugenotten-Niederlassungen, die 1562 an diesen Gestaden gegründet wurden. 74 Die RifPküste von Florida. denen der Golfküste. Denn die schwachen Gezeiten des GoKes von Mexiko genügen nicht, um die zur Freihaltung dieser Mündungskanäle nötige Stromkraft zu erzeugen, gestatten vielmehr die Anhäufung ungeheurer Bä,nke von Flugsand oder weichem Schlamm , die von den heftigen Südstüimen gegen das Land getrieben werden. Und dazu kommt in allen Holzdämmen s. vom 30." die Zerstörungsarbeit des Bohr- wurms in jeghcher Holzart in tropischem Malsstab. Einen merkwürdigen Beweis für die Entwickelungsfähigkeit dieser Küste Hefert der Auf- schwung des südüchen Hafens von Georgia, Brunswick, der un- bedeutend war, bis 1880 die Vertiefung der Zufahrt von 3 auf 5m begonnen wurde. Seine Bevölkerung ist von 3000 auf 12000, seine Ausfuhr von Baumwolle von 4000 auf 200000, von Holz von 37000 auf 100000 gestiegen. Der Hafen von Charleston ist das Muster eines Hafens an der südatlantischen Lagunenküste. Ein weites Becken mit ziemhch schmalem Eingang, hinter dem die Insel des Fort Sumter hegt, und den Cummings Point und Fort Moultrie von beiden Seiten her einengen. Vor diesem Eingang erstreckt sich eine mehr als 1 g. M. lange Sandbank, an deren Südende der Haupteingang Hegt, während sich zwischen dem Nordende und der Küste drei für kleinere Fahr- zeuge offene ^-Passes« befinden. Der Bürgerkrieg hat gezeigt, wie leicht dieser Hafen zu verteidigen war; er bot trotz der nordstaathchen Blockade den Blockadebrechern den besten Schutz. Die Riffküste von Florida. Die schöne Doppelkurve der südhchen atlantischen Küste der V. St. bricht bei der Miamimündung, n. von C. Florida ab, setzt sich aber in der 380 km langen Bogenhnie von Riffen und Keys fort, die an derselben Stelle zuerst auftreten und bis zum Westende der Tortugas ziehen. Die Keys büden eine innere Linie, die aulsen in der Entfernung von 8 bis 10 km von einem Riffgürtel begleitet wird, der 80 km früher abbricht. Zwischen beiden gibt es schiffbares Wasser, während zwischen den Keys und der Halbinsel das Meer seicht ist. Besonders ist die Florida-Bay seicht. Auf einer Linie vom Westende der Tortugas bis C. Romano findet man kein tieferes Wasser als 20 Faden. Dagegen fällt hart aulser- halb der Keys der Boden scharf ab. Bei C. Florida hegt die 100 Faden-Linie nur 11 km vom Land. In der Florida-Strafse hat zwischen Kuba und dem Riffbogen auf einer Breite von nicht über 160 km der Verkehr zwischen dem Golf und AntiUenmeer und dem offenen Ocean seine Wege zu suchen, die durch den Golfstrom, seinen Gegenstrom und starke örthche Gezeiten-Strömungen höchst unsicher gemacht werden. Kapitän Hunt beginnt seine Monographie dieses Gebietes, mit den Worten^): »The Florida Reef is the great 1) On the Origin, Growth, Substructure and Chronology of the Florida Reef. U. S. Coast Survey. Report f. Ib62 p. 241. Die Golfküste. 75 American danger to navigation«. Nach, der einzigen zahlenmäfsigen Angabe, die ich kenne, strandeten auf den Floridariffen 1844 — 1846 jährlich 37, 1854 — 56 (bei fast gleich gebliebenem Verkehr) 35 Schiffe»). Die Golfküste. Wenn wir den Hafen von Key West mit seinen 8 bis 10 m tiefen Einfahrten und Ankerplätzen verlassen haben, treffen wir von Tampa an durch Cedar Keys, Appalachicola etc. bis zur Mündung des Rio Grande immer nur Einfahrten von geringer Tiefe und höchstens gröfsere Tiefen hinter den nie fehlenden Sand- oder Schiammbänken. Auf der im äufseren Verlauf 3000 km langen GoLf- küste hegen zwischen C. Sable und dem Rio Grande eine ganze Reihe von Häfen, wie Key West, Charlotte, Tampa, Appolachicola und Pensacola — angebhch der beste aller Golfhäfen — in Florida, in Albama Mobile, in Mississippi Biloxi, in Louisiana New Orleans, in Texas Sabine Pafs, Galveston, Aransas Pals und Brazos S. Jago. Durch seinen Strom und seine centrale Lage ist New Orleans der bedeutendste. Mobile schien einst in Wettbewerbung mit ihm zu treten ; aber der Eingang durch den Hauptkanal in die grof se Mobile- Bay ist nicht einmal so tief wie der künsthcli vertiefte Südpafs des Mississippi. Der Bericht der drei Militär-Ingenieure, die im Auftrage des Kongresses 1889 an der westhchen Golfküste die Stelle für einen für die gröfsten Oceandampfer zugänglichen Hafen aussuchen sollten, entschied für Galveston, das durch seine Lagune, in der 350 ha unter 8 m, erhebhche Strecken unter 10 m liegen, einen grofsen natürlichen Vorteil hat. Und doch ist Galveston ein echter Golfhafen, den vor allem die Schwierigkeit der Einfahrt kennzeichnet, gerade wie New Orleans mit seinen durch beständig wechselnde Schlammbänke ver- barrikadierten »Pässen«. Dieses grofsartige Innenbecken ist durch eine schmale Sandinsel vom Golf getrennt. Der Haupteingang zwischen dem Ostende der Insel Galveston und dem Westende der Halbinsel BoHvar ist 2 400 m breit und kaum über 3 m tief und hat am Ein- und Ausgang vorgelagerte Bänke. Die Aufgabe ist also, durch künst- liche Dämme die äufsere Tiefe mit der der Lagune zu verbinden und den Gezeitenstrom so zu regulieren, dafs die beiden Mündungen offen gehalten werden. Wie neben New York sich Chicago stellt, wird ein westlicherer Hafen sich neben New Orleans aufschwingen. Darauf drängt der texanische Verkehr hin. Besonders aber der Südwesten sucht natür- lich nach anderen Auslässen am Golf al^ New Orleans. Schon Galveston liegt 580 km näher mit der Eisenbahn bei San Diego als bei New Orleans. Auch für Mexiko und Centralamerika hegt Gal- 1) U. S. Coast Survey. Report f. 1858 p. 270. 76 r^ie pacifische Küste. veston günstig. Aber vielleicht wird ein grofser Hafen noch weiter westhch in nicht ferner Zeit entstehen. Wo der Corpus Christi- Pafs den südwesthchen Ausgang der gleichnamigen tiefen Bucht bildet, die tiefes Wasser hat, deren Kanal aber eng und an beiden Enden versandet ist, baut gegenwärtig bei der Padre-Insel, die den Pals begrenzt, eine Gesellschaft unter Ermächtigung, die der Kongrefs 1890 erteilte, einen Hafen im äufseren tiefen Wasser, der später durch einen Viadukt mit der Insel verbunden werden soll. Mit der Corpus Christi-Bay hängt Aransas-Bay zusammen, an deren gleichnamigem Ausgang seit 1879 die Regierungs Ingenieure bauten. Die Arbeiten schritten gegen Triebsand und Teredo so langsam fort, dafs sie auf- gegeben wurden, 1890 erhielt auch hier eine Privatgesellschaft die Er- mächtigung, innerhalb 5 Jahren einen Kanal von 20 F. Tiefe zu bauen. Langsamer wird der Hafen auf der Grenze zwischen Louisiana und Texas, im Sabine-Pass vorschreiten, dem Auslafs des zwischen Texas und Louisiana gelegenen gleichnamigen seichten Sees; der Kanal ist 7 engl. M. lang und hat vor seiner Mündung eine grofse Bank aus weichem Schlamm, an deren Vertiefung durch die Verlängerung der Ufer des Kanals durch künsthche Dämme seit Jahren mit langsamem Erfolg gearbeitet wird. In der Mündung des Rio Grande liegt eine Bank von 5 engl. F., hinter der 19 engl. F. Ankergrund bei Bagdad sind. Die Länge der Küste der V. St. am Stillen Ocean haben wir oben angegeben. Nach einer früheren allgemeinen Schätzung ') soUten von dieser Länge 35®/o auf Kalifornien, 9 auf Oregon, 56 auf Washington entfallen. Kaüfomiens Küste liegt zwischen 32° 32' und 4:2^, die Oregons zwischen 42 und 46" 12', Washington nimmt den Rest bis 49° in Anspruch. Im Vergleich mit der meridionalen Erstreckung ist die Küste von Washington mehr als fünönal reicher geghedert als die Kaliforniens und zehnmal reicher als die Oregons. Es wiederholt sich also hier das Verhältms der nord- und süd- atlantischen Küste, wenn auch schwächer, da auf der pacifischen Seite die Fjordbildung, die die reiche Ghederung mit sich bringt, erst in höherer Breite einsetzt. S. von 46" n. B. folgt die Küste des StiUen Oceans keinem andern Gesetze als dem des Baues des aus grofser Höhe rasch zu grofsen Tiefen (s. o. S. 62) abfallenden Landes. Sie macht, wo sie in das Gebiet der V. St. fäUt, keine Ausnahme von der Inselarmut, die im allgemeinen den pacifischen Osten auszeichnet. Sie ist durchaus Steilküste, der nur an einigen Stellen Dünen- und Flach- uferstrecken eingeschaltet* sind. Ihre wenigen Inseln sind demnach gebirgig, und zwar fast durchaus vulkanisch. An der südkalifornischen 1) In G. Davidsons Pacific Directory von 1862. Die genaue Ver- messung ist am nördlichen Teil dieser Küste noch im Gang. Küstenlandschaften . J 7 Küste liegen die einen, im Norden die anderen, die Mitte ist inselleer. Die Bucht von San Francisco mit dem Goldenen Thor ist an dieser Küste der grölste, beste und bestgelegene, von der Natur zum Sitz des Emporium bestimmte Hafen. N. und s. von hier gibt es noch in einer ganzen Anzahl von kleineren natürlichen Felsenbecken vorzügliche Häfen ohne Hinterlandsverbindung. Nur San Diego und Los Angeles sind durch die Gila-Depression verhältnismäsig leichter von Osten zu erreichen. An der Oregon-Küste wiegt der flache Strand vor. Die Columbia-Mündung ist für grolse Seeschiffe un- zugänglich. Dagegen bieten die vielzerklüfteten Admirahty Inlet und Pudget Sund im äuXsersten Nordwesten genug günstige Örthchkeiten für gute Häfen, denen nur die Bevölkerungs- und Produktenmassen bisher fehlten. Dort sind Tacoma und Seattle heute aufblühende Seeplätze. Der seit 1886 thätige Survey der San Juan de Fuca- Stralse hebt aufserdem Port Angelos als guten, gegen Oststürme ge- schützten Hafen hervor. Die pacifische Nordwestecke zeigt in Fjorden, Strafsen und Inseln eine mächtigere Entfaltung als das atlantische Fjordgebiet. Die oceanische Aufgeschlossenheit kann nicht grölser gedacht werden und der Beruf zur Seeschiffahrt ist nirgends so aus- gesprochen. Die mit Foulweather Bluff wenig s. von 48" endigende Great Peninsula ist das geghedertste Stück Land innerhalb der Grenzen der V. St. zwischen Hoods Canal im Westen und Possession Sund und seinen südlichen Verlängerungen im Osten, die mit schmalen, vielgewundenen, selten über 3 km breiten Kanäle sie so zerschneiden, dafs sie an mehreren Stellen auf weniger als 5 km eingeschnürt ist. Sechs gröfsere Inseln hegen rings um sie. Andere Kanäle zerschneiden das Land in südlicher und östhcher Richtung, und die phantastisch geformte Insel Wideley sowie die San Juan-Gruppe setzen die Gestalt der Great Peninsula nach Norden fort. Und die 50 Faden-Linie reicht bis in den Hintergrund. Küstenlandschaften. Die Höhe über dem Meere und die Art der Verbindung mit dem Meere verleihen der Küste die Merk- male, die ein eigentümliches Stück Erdboden aus ihr machen. An ungegliederten Steilküsten, wie der gröfste Teil der kalifornischen, kann kein selbständiges Küstenland entstehen, wohl aber, wo das Meer mit vielen Armen eingreift und zerteilt, wie im Puget Sund und in kleinerem Mafse in Maine. Gegliederte Flachküsten er zeugen dagegen die breitesten Küstenländer. In den V. St. beginnen sie mit Long Island und werden nach Süden und am Golf immer breiter. Delaware fällt ganz in diesen Streif, und man kann schon die Hälfte von Virginien als Küstenlandschaft bezeichnen. Und 78 Küstenlandschafteii. davon ist ein Viertel Tidewater Land, von dem nur ein kleiner Teil der flachen Wasserscheiden zwischen den Ästuarien über 30 m liegt; V20 des virginischen Bodens liegt unter Fluthöhe. Es ist in 9 grölsere und zahlreiche kleinere Halbinseln zerteilt. Die Halbinseln von Jamestown mit der ältesten Niederlassung in Vir- ginien und die von Yorktown kriegerischen Andenkens gehören zu den geschichtlichen Stätten der V. St. Die Ansiedler, die alle die alten virginischen Städte wie Fredericksburg, Richmond, Alexandria an der oberen Flutgrenze gründeten, hatten damit 10 — 15 deutsche M. geraden Weges zwischen sich und das Meer gelegt. Dieses Land beherrschten sie schon früh, da ihr tiefes Eindringen es gleichsam umgangen hatte; und als sie so sich den Rücken gedeckt hatten, strebten sie tiefer ins Innere vor. Ähnhch schloi's das Einlaufen der eigens für sie organisierten nordstaatlichen Landungsflotten in diese »inneren Meere« sowohl im Pamlico- und Albemarle-Sund, als weiter südlich an der Küste von Süd-Carolina weite Gebiete vom Meere ab. An der nörd- lichen atlantischen Küste, wo ein so breites und eigenartiges Küstenland nicht vorkommt, übertrugen die Ansiedler dessen Funktion auf die Inseln und Halbinseln, die von Natur selb- ständigsten aller Küstenländer. Manhattan, auf dem New York entstanden ist, Rhode Island und seine Schwesterinseln in der Narragansett - Bay , die Halbinsel des südhchen Massachusetts wetteiferten mit Virginien. Nicht so reich in sich, boten sie leichteren Zugang zum Meer, und der beschränkte Raum zwang früh zur Ausbreitung nach dem Innern. Die Versuche ähnlicher Festsetzungen auf den Inseln von Maine hatten weniger Erfolg, da hier der Boden noch ärmer als in Neuengland. Aber der besondere Vorzug der reichgegliederten Fjord -Küste des Nord- ostens, herrliche Wälder zu besitzen, die bis an das Meer herab- steigen, begünstigte den Bau hölzerner Schiffe. Auf dieser Grund- lage ist an dieser Küste Schiffsbau, Reederei, Fischerei und Holz- ausfuhr an zahlreichen kleineren Küstenplätzen herangewachsen. Das Zurücktreten des Ackerbaues schafft eine schmale Kultur- landschaft von finnischem Typus. Da ergibt sich denn auch ein ganz anderes Verhältnis der Das atlantische Küstenland. 79 Bevölkerung zum Küstenland. Es entwickelt sich eine besondere Küstenbevölkerung. Die Bewohner der rauhen, vielgegliederten Neuengland-Küste sind am meisten thätig in der Hochseefischerei und dem Walfischfang, und ihr Anteil an der Reederei ist ver- hältnismäfsig sehr grols. Von 86 nordamerikanischen Segel- schiffen, die 1889 in den pacifischen Häfen der V. St. verkehrten, stammten 50 aus Maine, 16 aus Massachusetts und 20 aus New York. In den mittleren Staaten geht die Küstenbevölkerung in der der grofsen Städte des Küstenlandes unter. Wo das Küsten- land nach Süden zu anfängt, breiter zu werden, nimmt mit den •versumpften Stellen ^) auch die Ungesundheit zu, daher schon in der Zeit der Sklaverei die Neger in inimer grölserer Zahl hier angesiedelt wurden, wo sie heute an manchen Stellen 90% aus- machen. Aber erst die Zeit des Krieges, in der sie hierher flohen, und darauf folgend die der Freizügigkeit hat die Neger mit solcher Vorliebe sich ansammeln lassen, dals die Grenze zwischen festem Land und Küstenland auch zugleich eine Rassengrenze zu werden strebt. Fügt man hinzu die Ansammlungen Fremd- geborener, die im Küstenstrich besonders in grofsen Städten sitzen bleiben, wozu die Chinesen am pacifischen, die Irländer und neuerdings Italiener am atlantischen Rande neigen, so ergibt sich ein ganzer Rand fremder Rassen und Völker den zwei Meeren entlang. Ein nach Süden breiter werdender, am GoK die grölste Breite erreichender Streifen tiefen, sumpfigen, von Dünen eingehegten, zum Teil von der Flut überschwemmten Landes zieht von der Mündung des Hudson bis zu der des Rio Grande. Dies ist von aUen Küsten- landschaften der V. St. die ausgedehnteste , eigentümlichste und zur selbständigsten Stellung berufene. Gannett weist ihr über 220000 qkm (84140 engl. Q.-M.) und 1 809 000 Einwohner zu, die grofsenteüs Neger sind. Sie erreicht ihre gröfste Ausdehnung in Nord-Caroüna, Florida und Louisiana. Einzelne Erhebungen aus diesen Marschen von 40 bis 50 m wie die High Islands von Galveston, die niedrigeren Pine Barrens von Süd-Carolina, bewaldet, mit SüfswasserqueUen ausgestattet, sind wie Oasen. Das ist das Reich der Taxodien, Sumpfwacholder, Bambusse, 1) Vgl. Bd. I dieses Werkes S. 266 und 488 f., wo diese Küstentiefländer eingehend beschrieben werden. 80 I^as atlantische Küstenland. Alligatoren, aber auch der schönen Chamaerops Palmetto, der Kohl- palme, die selten über 10 engl. M. landeinwärts geht. Die Lebens- eiche steigt hier herab, die langstapelige Baumwolle gedeiht auf den sandigen Wölbungen der Sea Islands, der Reis in den Marschen. Unter der überwältigenden Menge von Negern wohnen ein paar arme Weilse als Fischer, Jäger, Holzfäller, »Pilots and Wreckers«. Eigentümliche Kulturlandschaften haben sich um die grofsen Lagunen und vor den Küstenkanälen des Südens auf Nehrungen und Inseln entwickelt. Der lebhafte und leichte Verkehr in diesen Binnengewässern hatte Jahr- zehnte hindurch, selbst in dem rascher fortschreitenden Texas, den Stralsenbau hintangehalten. An ihren Ufern hatte sich früh ein reges Leben entfaltet, das von dem des Binnenlandes nicht blols nach Art und Richtung verschieden, sondern auch räumlich getrennt war. Im* Bürgerkrieg entwickelten sich demgemäfs hier Plätze wichtiger und ganz eigentümhcher Aktionen (Einnahme von Beaufort, Besetzung der Insel Roanoke u. a.), deren Ausgang mitbestimmend für das Schicksal der binnenländischen Teile, besonders der beiden Carohnas war. Er- innern wir uns auf der andern Seite, dafs die volkreichste Stadt von Texas, Galveston, auf einer solchen Nehrung zwischen Meer und La- gune, und dafs New Orleans zwar 25 deutsche M. vom GoK, aber noch 1 m unter Hochwasser Hegt. Im altbesiedelten Louisiana ist Bäton- Rouge die erste Stadt auf höherem Grunde. Neben diesem über 5000 km langen Streifen Wasser- und Zwitterland, der ein grofs^s eigentümliches Naturreich ist, sind die Landschaften, die an der nördhchen atlantischen und der pacifischen Küste hervortreten, nur einzelne vom Meere bevor- zugte Stellen. Vielfach ist unter sonst gleichen Verhältnissen die Bevölkerung an der Küste dichter als im Innern. Wenn man die Bevölkerung der V. St. nach der Meereshöhe ordnet, lebten (1890) 10387000, also fast genau ein Sechstel, unter 100 e. F.i). Die 4^2 MilHonen New Yorks und Brooklyns, Phila- delphias, Bostons und Baltimores zeigen, wie gern gerade dieser Bruchteil der Bevölkerung sich konzentriert. Die Küstenbevölke- rung braucht keine selbständige Landschaft, um sich zu entwickeln, es genügt ein Hafen oder eine Hafengruppe, um MilHonen an- zuziehen und im schwierigsten Gelände zur Ansiedelung zu bringen. Ob sie nun aber auch nicht in ausgedehnten Sitzen die Küste einnehmen, der Küste und ihren Einflüssen gehören 1) Gannett im Census Bulletin. Die Häfen. gl sie an. Die meisten Entwickelungen dieser Art gehören zu den ältesten und älteren des Landes. Nur die Anfänge San Franciscos gehen blols bis 1769 zurück. Aber auf jungfräulichem Boden hat am Puget Sund eine neue auf dem reichst gegliederten Küstenland begonnen, das zugleich die Anlage zur Städtebildung in grolsem Mafse besitzt. Die Häfen. Was die ersten Ansiedler neben dem Boden für ihre ersten Hütten und Fruchtäcker am nötigsten brauchten, waren möglichst sichere Häfen, und die fanden sie, denn die atlantische oder Ostküste gehört zu den hafenreichsten, die man kennt, und zwar vorzüglich in ihrem nördlichen Teil bis zum C. Hatteras. Portland, Boston und New York sind von Natur grofsartige Häfen, und so zahlreich sind die kleineren, dafs an für den grofsen Ver- kehr in Betracht kommenden Hafenplätzen die atlantische Küste 55, die des Golfes 11 und die pacifische 6 zählt. Mit den von der Küstenschiffahrt und Fischerei benutzten ist die Gesamtzahl auf mehr als 500 zu erhöhen. A Table of Depths for the Harbors on the Coasts of the United State in Report of the U. S. Coast Survey f. 1883 führt allein für die Küste von der Nordgrenze bis New York über 100 gröfsere und kleinere Buchten und Ein- gänge auf, und unter diesen zählen einzelne wieder zahlreiche Nebenzweige, so die östliche und westliche Penobscot-Bay allein 120 Coves, Harbors, Reeden an oder zwischen kleinen Inseln, un- gerechnet den Penobscot-Flufs und die sonstigen einzelnen Anker- plätze, die diese Liste aufführt. Gröfseren Schiffen zugängliche Verbindungen gibt sie zwischen beiden Buchten dieser Bay und ihnen und der Blue Hill-Bucht 75. Küstenveränderungen. Die Veränderungen der Küste, deren Thatsächliches im I. Band S. 154 f. berichtet ist, haben in wenig Fällen den Menschen in Mitleidenschaft gezogen. In dem weiten Lande mied dieser die gefährdeten Stellen. Nur an der früh besiedelten C. Cod-Bucht und auf den benachbarten »Wracks« von Inseln, — von 1845 bis zu dem Resurvey im Jahre 1889 hat Martha' s Vineyard an einigen Stellen 30 bis 40 m verloren — die der Volksmund in Neuengland »Thrums« nennt, sind auch Wohnstätten in den Wellen verschwunden. An der Golfküste ist Ratzel, Die V.St. von Amerika . 6 g2 Küstenveränderungen. der centrale vorspringende Teil bedroht. Last-Isle bei New Or- leans wurden 1856 von den Wellen verschlungen, Grande Terre und Grande Isle verlieren jährlich Boden. Die ähnlich wie an unserer Nordseeküste hinter erhöhten Dünenwällen tief liegenden Marschländer Carolinas sind auch heute nur zu Vio bebaut. Viel mehr empfinden die Menschen das Wachstum als den Rückgang des Landes. Die Ablagerungen in der Delaware-Bay, deren Ma- terial sowohl durch die Ufererosion als durch die Schwemmstoffe der Flüsse geliefert wird , hat in den letzten 40 Jahren beträcht- Hche Veränderungen hervorgebracht. Eine eigene U. S. Advisory Commission ist für die Verbesserung der Zufahrt zum Hafen von Philadelphia eingesetzt. Wir werden von der schweren, aber erfolg- reichen Öffnung der verschlammten Zufahrt nach New Orleans zu sprechen haben. Alle Golfhäfen sind derselben Gefahr ausgesetzt. In der C. Cod-Bucht ist der historisch berühmte Hafen von New Plymouth am Eingang nur noch halb so tief wie zur Zeit Cham- plain's, der ihn 1605 besuchte, und der Pilgerväter, die 1621 hier landeten M. 1) Zu der Bd. I S. 154 f. angegebenen Litteratur füge noch die authen- tische Zusammenstellung von Landverlueten an der neuengländischen Küste bei Henry Mitchell, Physical Hydrography of the Golf of Maine in Eeport U. S. Coast and Geodetic Survey f. 1879 p. 176. f. III. Der Raum. Das Areal 82. Kontinentale Gröfse 84. Vergleich mit anderen kontinentalen Staaten 86. Europa in amerikanischer Perspektive 88. Kein Amerikanisches Gleichgewicht 92. Gröfse und Zerfall 95. Die Politik der grofsen Eäume 96. Überlegenheit der Raumvorstellungen in der wirtschaftlichen und politischen Expansion 98. Innere Wirkungen 93. Der Raum in Geist und Charakter des Nordamerikaners 100. Die Gröfsenverhältnisse der Staaten und Territorien 103. Anhang: Das politische Wachstum der Vereinigten Staaten. Der Flächenraum der Vereinigten Staaten. Auf die amt- lichen Zusammenstellungen über den Flächenraum der V. St., die mit den Ergebnissen des Census alle 10 Jahre veröffentlicht werden^), stützen sich alle Arealangaben unserer geographischen und statistischen Werke. Nach ihnen setzte sich die Gesamtzahl von 3567000 engl. Q,-M. (9212300 qkm) folgendermafsen zu- sammen: Staaten und Gebiete, einschl. des Indianergebietes . . 3024880 engl. Q.-M. 7834130 qkm Alaska 531400 » » 1376300 » Küstengewässer 2) .... 720 » » 1830 » 3556980 » » 9212260 » ^) 1) Für den Census von 1890 hat Henry Gannett die Areas of States and Counties im Census Bulletin No. 21 veröffentlicht. Wir folgen hier seinen Angaben, wiewohl sie an manchen Punkten der Kritik offenstehen. Vgl. Wagner und Supan, Die Bevölkerung der Erde VIII (1891) p. 205. 2) Delaware-Bay 620, Raritan-Bay und Untere New York-Bay 100. 3) 167 400geogr. Q.-M. 6* 84 I^er Flächenraum. Dieses Areal ist für die politische Geographie nicht vollständig und für die Anthropogeographie nicht beschränkt genug. Es ist eine gemischte Gröfse, die nicht unverändert angenommen werden kann. Man sieht nicht ein, warum der politische Flächenraum die drei Buchten einschliefst und die Chesapeake-Bay bei Seite läfst, in der die Grenze zwischen Virginien und Maryland läuft, und die zwischen C. Charles und C. Henry politisch ein geschlossenes Meer ist. Ebensowenig versteht man die Nichtaufnahme der Grofsen Seen, soweit sie zu den V. St. gehören. Die Grenzver- träge und andere Verträge, in denen z. B. der Michigansee den Britisch-Nordamerikanern zu freier Schiffahrt geöffnet ist, lassen keinen Zweifel , dafs die V. St. die Wasserfläche dieser Seen, so- weit sie in ihren Grenzen liegen, und das ist zu fast drei Vier- teilen, als ihr Gebiet betrachten. Das bringt 75176 engl. Q.-M. (195458 qkm)^) zu der obigen Summe hinzu. Dagegen sind für die anthropogeographische Betrachtung nicht bloüs diese Wasserflächen, sondern auch die 55600 engl. Q.-M. (144600 qkm) der Seen, Lagunen, Sümpfe und Flüsse abzuziehen, die der Census aussondert. Die Wasserflächen von Alaska sind nicht ausgemessen, im Innern zum Teil überhaupt nicht bekannt.- Während wir also für alle Untersuchungen über Volksdichte u. dgl. für die V. St. im eigentlichen Sinn (also ohne Alaska) ein anthropogeo- graphisches Areal von 7638645 qkm vorauszusetzen haben, erhöht es sich als politisches Areal mindestens um die Beträge für Alaska, den amerikanischen Anteil an den Grofsen Seen und den Küsten- gewässern, also auf (rund) 9410000 qkm. Kontinentale Gröfse. Von den V. St. von Amerika sprechend, scheine ich von einem Lande zu reden, wie Deutschland oder Frankreich, einem politischen Gebilde mit einer gemeinsamen Regierung, Vertretung, Flotte, Armee u. s. w., das eine bestimmte Lage und Gröfse einnimmt und besitzt, und dessen Betrachtung Teil einer geographischen Betrachtung des Erdteils, dem es an- gehört, und Teil von dessen politischer Geographie sei. Diese 1) Nach einer Ausmessung von Hermann Wagner. Behiii und Wagner, Bevölkerung der Erde II. S. 64 u. Anm. Kontinentale Gröfse. g5 Auffassung wird unterstützt, wenn ich die Bevölkerungszahl des Landes nenne, die nach der letzten amtlichen Zählung von 1890 62950000 betrug, in runder Summe 13 V2 Mill. mehr als Deutsch- land zu derselben Zeit aufzuweisen hatte. Wenn ich aber die Gröfse der Oberfläche hinzufüge, sehe ich ein ganz anderes Bild. Das ist eine Fläche wie Europa, kein Land, sondern ein Erdteil. Und dafs auch die Bevölkerungszahl auf kontinentale Gröfse hin- strebt, beweist ihr Wachstum, das von 1870 bis 90 in jedem Jahre durchschnittlich IV5 Mill. gewann, so dafs wir schon am Ende des Jahrhunderts 75 Mill. auftauchen sehen. Aber auch dann noch steht ein wahrhaft kontinentaler Raum einer Bevölkerung zu Gebote, die in Mitteleuropa auf zehnmal so kleiner Fläche wohnen würde. Wir haben hier also einen grofsen Teil eines grofsen Erdteiles vor uns. In den Grenzen der V. St. könnten 14 bis 15 Länder wie Deutschland oder Frankreich Raum finden. Wir müssen mit anderen Raumvorstellungen an diesen Staat heran- treten, als an eines von diesen beiden oder an sonst ein euro- päisches w. von Rufsland. Und wenn heute auch Volkszahl, Produktion, Handel u. s. w. der V. St. nicht in gleich hohem Mafse über europäische Grofsen hinausreichen, so haben wir neben dem Raum an sich zu beachten, die Fälle von Möglichkeiten, die er umschliefst, und die jeden Augenblick thätig sind in dem ge- waltigen Wachstum aller dieser Erzeuger und Erzeugnisse von Macht und Fortschritt. Die allgemeine Forderung , dafs die politische Geographie einen Staat nicht anders auffasse als ein lebendes Wesen, das nie starr, sondern immer nur in Bewegung, in Wachstum oder in Rückgang begriffen sein kann, ist gegen- über keinem Staate der Jetztzeit so berechtigt, wie dem der V. St. von Amerika. Der für europäische Verhältnisse gewaltige Raum dieses Stückes Erdoberfläche stellt die Aufgabe, politisch und wirtschaftlich verwertet, d. h. bevölkert, bebaut, in jedem Sinne benutzt zu werden. Sein Wert, im politischen Sinn liegt daher ebensowohl in dem Geistigen des Schwunges und Dranges, den der allseitige Blick ins Weite dem politischen Planen und Handeln verleiht, als in dem Stofflichen, dafs dieses Land so viel Erdraum für einen einzigen geschlossenen politischen Körper 36 Vergleich mit anderen kontinentalen Staaten. wegnimmt. Auch in allen den Möglichkeiten des Wachstums der Menschenzahl und der Vervielfältigung der Erzeugnisse auf so weitem Boden liegt dieser geistige neben dem materiellen Ge- winn, und wir müssen uns gewöhnen, jede Thatsache der politi- schen Geographie dieses Landes gleichsam vor seinem weiten Räume zu erblicken. Vergleich mit anderen icontinentalen Staaten. Die V. St. sind mit ihren 142 000 g. Q.-M. der gröfste geschlossene und in der gemäCsigten Zone gelegene politische Körper. Sie gehören mit Britisch-Nordamerika und Brasilien in Amerika, mit Ruisland und China in Europa und Asien und mit den britischen Kolonien in Austrahen zu der Gruppe der dm'ch Gröfse des Areals ausgezeichneten Weltmächte. Das sind die wahren Grofsmächte, die fast drei Fünftel der vier eben genannten Erdtheile einnehmen; man könnte sie kontinentale Mächte nennen, weil eine jede einen so grofsen Teil eines Kontinents einnimmt, dafs seine allgemeinen Eigenschaften für sie bezeichnend werden. Ihre weite Ausdehnung setzt sie miteinander in innigere Berührung oder Be- ziehung als die kleineren, die neben ihnen nicht mehr als Grofsmächte erscheinen, wenn auch ihre geschichtliche Wirkung gröfser ist, und ihre intensive Arbeit Gröfseres leistet. Es sind dies Mächte, denen vermöge ihres Raumes weite Möglichkeiten des Wachstums der Menschenzahl und der Rohproduktion eröffnet sind, denen die Gewinnung neuen Bodens, auch zimi Besten der von aufsen Einwandernden, und die Schaffung der gröf sten GHeder in der Kette der die Erde umspannendcD Verkehrslinien auferlegt ist. Auch in der äufseren Politik arbeiten sie mit gröfseren Raumvorstellungen als die mittleren Mächte Alteuropas. Die Monroe-Doktrin ist keine isolierte und noch weniger eine zufällige Lehre. Der Gedanke, dafs die V. St. den östlichen Stillen Ocean be- herrschen, und die Hawaiischen Inseln wie ein Aufsenterritorium behandeln, oder dafs ohne Austrahens Genehmigung keine Besitz- ergreifungen europäischer Mächte im mittleren Stillen Ocean vor- genommen werden sollten, entspricht derselben grofsen Raumauffassung. Wenn der Amerikaner in der Ausbreitung des neuen amerikanischen Typus die UnmögHchkeit einer kosakischen oder chinesischei; Zer- störung der Civiüsation sieht, so setzt er den sprichwörtlich ungeheueren Massen nur die Zuversicht entgegen, die er aus seinem Räume schöpft. Wir müssen diese Auffassung in den pohtischen Entwürfen dieser Mächte verstehen lernen, auch wenn wir ihre Berechtigung bestreiten, sonst droht uns Gefahr, dafs wir die pohtischen Fragen nach der Perspective der Kurzsichtigen beurtheilen. England mit seinen Kolonien nimmt 17, Rufsland 16Vo alles Landes ein, die V. St. gegen 6"/o, aber ein anierikanischer Bund würde mit 30Vo der Erdoberfläche Die V. St. und Rufsland. §7 eine politische Einheit darstellen, der Gegenwart und Vergangenheit nichts an die Seite zu stellen haben. Dann würden die drei Mächte zusammen fast zwei Drittel des Landes und über ein Dritteil der Menschen der Erde umfassen. Angesichts dieses politischen Kolosses, wenn er auch erst nur Schatten und Traum ist, mögen wir uns erinnern, dafs er nicht blofs einer andern Raumauffassung entsteigt, sondern dafs die Lage ihn begünstigt, Amerika Hegt den drei auseinander- strebenden Erdteilen der Alten Welt geschlossen und insular abgeson- dert, wie der ganze Erdteil, gegenüber, und alle Erfahrungen lehren, dafs nichts die Erkenntnis gemeinsamer Interessen besser fördert als eine so in sich zurückweisende Lage. In der kleinen Zahl und in den grofsen Zahlen der Mächte von kontinentaler Gröfse müssen die Vergleichspunkte für die V. St. gesucht werden. Die Eigenartigkeit ihrer Gröfse tritt deutlicher hervor, wenn wir betonen, dafs kein zusammenhängender politischer Körper in der gemäfsigten Zone jemals solche Ausdehnung erreichte. Britisch-Nord- amerika, das mit den arktischen Inseln fast genau so grofs ist (166000 Q.-M.), so dafs es sich mit den V. St. fast gleich in Nord- amerika teüt , kann nur in dem südlichen Streifen von 5 bis 6 Breite- graden klimatisch verghchen werden ; seine Bevölkerungszahl von 8 Mühonen entspricht dieser Einschränkung der Besiedelungsfähigkeit. China kommt als halbbarbarische Macht noch nicht in Vergleich, trotzdem es mit der Lage zwischen 46 und 22" n. B. die gröfste Ähnlichkeit mit den V. St. besitzt. Dafs seine Bevölkerung um 400 MiU. beträgt , zeigt Möghchkeiten , die einst in den V. St. sich erfüllen könnten. Austraüen steht noch in den durch ungünstiges Khma verlangsamten Anfängen der Entwickelung. Es hat jetzt (mit Neuseeland und Fidschi) noch nicht so viel Einwohner wie die V. St. im Beginn dieses Jahrhunderts. Das britische Reich mit seinen über die Welt hin zerstreuten Besitzungen kann am allerwenigsten mit der kompakten Macht der V. St. verglichen werden. Am nächsten steht unter all den Genossen von kontinentaler Machterstreckung das auf der Nordhalbkugel zwischen dem atlantischen und dem Stillen Meer entsprechend gelegene Rufsland in Asien. Seit es 1867 seinen amerikani- schen Besitz an die V. St. abgetreten hat, teilt es sich mit Amerika in den nördüchen Stillen Ocean, nach dessen Westgestade es eine alt- weltliche Pacificbahn, unendlich langsamer allerdings als jenes drei vollendet hat, vom Atlantischen Gestade zu führen strebt. Sind in Russisch- Asien, wie in Britisch-Nordamerika, weite Gebiete im Norden unbewohnbar, so fand jenes bisher im Süden keine einzige Macht, die sein Vorrücken in günstigere Zonen hemmte, und ähnHch ist Lage und Streben auf der andern Seite des StiUen Oceans. Dafs zwischen beiden das alte Europa, geschichthch und kulturhch ihr Mutterland, gg Europa in amerikanischer Perspektive. auf schmalem atlantischen Streifen liegt, vermehrt die Beziehungs- punkte, die längst auf beiden Seiten geahnt und in der Presse, oft mit dem kleinlichen Motiv England zu schrecken oder zu ärgern, über- trieben werden. In beiden nahegelegten Fragen, wie in der des Ein- flusses auf Japan und Korea, haben merkwürdigerweise die nord- amerikanischen Politiker Rufsland ignoriert, indem sie sogar von einer Monroe-Doktrin für den Stülen Ocean sprachen, um die Unabhängig- keit und zugleich die Freundschaft der ostasiatischen Mächte zu sichern^). Aber in Wirklichkeit haben einstweilen die V. St. ihre pacifische Aktionssphäre weiter im Süden entwickelt, wobei die Rück- sicht auf den Interoceanischen Kanal bereits zu erkennen ist. » Europa in amerikanischer Perspeictive. Im Vergleich mit diesen grofsen Genossen verschwinden die ehrwürdigen west- und mitteleuropäischen Verwandten. Als Jeff er son in einem Briefe an W. Short die Festsetzung eines Meridians vorschlug, der die europäische und amerikanische Hemisphäre poUtisch scheiden sollte, bezeichnet er als den Grund der Unterschiede zwischen beiden den Raum, der dort zu spärlich, hier in UeberfüUe vor- handen sei. Der enge Raum wird als das Geheimnis Europas be- zeichnet, das man drüben längst durchschaut haben will: »The difficulty with England, as compared with this countr}^ is its restricted area« liest man oft, häufig in Begleitung schlagender Vergleiche, wie dafs der Staat Missouri noch 8000 engl. Q.-M. gröfser sei als Alt-England, oder Texas gröfser als Österreich- Ungarn. Wenn die Vorzüge gerühmt werden, welche die V. St. zu dem »grandest country on earth« machen, wird die räum-: liehe Gröfse zuerst genannt. Die Überschätzung der Raumvor- züge ist dann sehr nahegelegt. Gehört doch in der That eine grofse Fähigkeit der Selbstbesinnung dazu, sich klar zu machen, dals auf diesem beschränkten Erdball überhaupt die Gröl'sen- unterschiede enge Grenzen haben müssen, und dafs die viel- gepriesene »Vernichtung des Raumes« durch Entwickelung des Verkehrs und Gewöhnung an grofse Raumvorstellungen sie immer nur weiter verkleinern kann. Es ist ganz natürhch, dafs die Beziehungen zwischen Europa und Amerika dem Amerikaner so erscheinen, dafs nicht Land gegen Land, sondern Erdteil gegen 1) Vgl. Kap. 1 S. 20 f . u. im 3. Abschnitt das Kapitel über Auswärtige Politik. Die Verkleinerung des Raumes. 89 Erdteil steht. ^) Daher der Grundsatz : Amerika den Amerikanern, Abwehr europäischer Eingriffe in das Leben Amerikas. Aber diese kontinentale Auffassung der Politik ist nicht auf alle Fälle« anwendbar, und gewohnheitsmäfsige Raumüberschätzung verläuft in Seichtigkeit, wenn sie vergifst, dafs die geschichtliche Ent- wickelung bis heute in kleinen Räumen grosse Ergebnisse ge- zeitigt hat, dafs den politischen Wert der Länder der Wert der Völker mitbestimmt, und dafs gegenüber geistigen Mächten unsere ganze Erde überhaupt nur klein ist. Wenn von anglo-amerikani- scher Seite dem Papsttum vorgestellt wird, dafs Rom nur eine Pro- vinzialstadt, die mittelmeerische Welt nur die Welt eines Binnensees sei, um die Gröfse der transatlantischen Welt mit New York oder Chicago als einzig entsprechendem Sitze des Hauptes einer wahr- haft katholischen Kirche um so deutlicher sich abheben zu lassen, vergifst man jene Wahrheiten, die durchaus zu den lebendigen gehören. ^) Je mehr in den V. St. die räumliche Überlegenheit betont wird, um so leichter wird vergessen, dass die Entwickeln ng des Verkehrs, die den Raum nutzbar macht, ihn auch ver- kleinert. Man mifst immer nur bewundernd den grofsen Raum an den grofsen Linien, die er braucht, um durchmessen zu werden. Jede dieser Linien besiegt ein Stück Raumwiderstand. Es ist eine zweischneidige Wahrheit, die ein geistvoller Optimist aus- spricht^), dafs die Erfindung der Eisenbahnen England auf Vs seiner Gröfse verkleinert habe, indem sie die Menschen einander um so viel näher brachten , während in den V. St. , deren Tage schon gezählt schienen infolge der Schwierigkeiten, Volksvertreter, Richter, Offiziere über so weite Strecken weg zu befördern, durch dieselbe die zerstreute Bevölkerung in ein einziges Netz zusammen- gewoben und beständig weiterassimiliert werde, so dafs keine Gefahr mehr bestehe, dafs örtliche Besonderheiten und Gegen- 1) Amerikanische Autoren kümmern sich auch nicht um die hierarchi- sche Reihenfolge unserer kontinentalen Mächte. Was hinter England Hegt, verschwimmt. 2) Vgl. in der Contemporary Review »The Papacy«. August 1889. 3) Ralph W. Emerson in seinem Vortrag >The Young American« (Works Bohn Ed. n. 293). 90 Rückwirkung grofsräumiger Auffassungen auf Europa. Sätze sich erhalten. Der Verkehr macht allerdings Vorzüge des Raumes flüssig, aber er vernichtet andere. Und das ganze Wachs- tmn der V. St. w. der Alleghanies, das in wenigen Jahrzehnten ein fast menschenleeres Land mit 30 Millionen Menschen besetzte, hängt mehr als vom KHma, vom Boden und von den freien Institutionen, von den Eisenbahnen ab, die den freien Raum erschlossen, zugleich damit aber sehr schnell den Raumanteil jedes Einzelnen verkleinerten und die Wertlosigkeit fernerer weiter Räume in Gesichtsweite rückten. Diese Bewältigung des Raumes darf, wenn einmal begonnen, nicht nachlassen, sie mufs sich viel- mehr immer noch steigern. Ein Herabsinken der Eisenbahn oder der Post von ihren heutigen Leistungen wäre die Lockerung des Bundes in politischer Hinsicht. Die mittleren Mächte Europas begriffen das Streben der beiden kontinentalen Mächte im Osten und Westen, sich zu eigenen wirt- schaftlichen Welten zu entfalten und abzuschlielsen, früher als die Notwendigkeit der ' Voraussetzung einer grofsräumigen Grundlage. Aber beim Versuch der Nachahmung, die den komischen Eindruck der »Megalomanie« macht, finden sie um so bälder die Unmöglichkeit heraus, auf ihrem beschränkten Räume so grofse Entwickelungen zu vollziehen. Sie erkennen, dafs ihnen auf dem engen Boden die nötige Mannigfaltigkeit des Klimas, der Stoffe, und die Masse der Kon- sumenten fehlt ^). Das Gesetz der räumlichen Anähnlichung, dem bisher die europäischen »Grofsmächte« folgten, scheint damit auch über den Ocean weg sich zur Geltung zu bringen. Aus Reden und Schriften geht die Erkenntnis der Schwäche hervor, in der jene sich dem jungen, grofsen und geschlossenen Staate gegenüber befinden. Den alten Staaten des Kontinents wird dringend empfohlen, sich einen Tropfen amerikanischen Blutes einzuflöfsen*). In der praktischen PoHtik ist der Gedanke eines europäischen Gegengewichts durch die Bildung gröfserer zollverbundenen Wirtschaftsräume von europäischen 1) A l'heure actuelle un territoire de 540000 km c. comine celui de rAUemagne, de 528000 km c. comme celui de la France, c'est au point de vue de l'appKcation scientifique a l'industrie ä la conduite m^thodique des Operations manuf acturieres , un territoire chetif, un district, une banlieue. II n'est pas possible d'organiser, en vue d'un espace aussi restreint, une production vraiment perfectionn^e et progressive. P. Leroy-Beaulieu in der R. d. D. Mondes 1892. 1. F^vr. 2) Man vgl. die Schriften von Alexander P e e z , besonders »Die ameri- kanische Konkurrenz« (1881). Rückwirkung grofsräumiger Auffassungen auf Europa. 91 Staatsmännern in den letzten Jahrzehnten oft vertreten worden^). Kurz- sichtig und unfruchtbar ist die Auffassung, dals Europa und Nord- amerika sich nur feindlich gegenüberstehen könnten. Doch nur im Sinne des Altersunterschiedes kann Amerika als »der geborene Gegner Europas«*) bezeichnet werden, der sich zum Kampfe entgegenstellt. Es ist der Konkurrent, der mit Wetteifer die gleiche Entwickelung durchmacht, aber ein höheres Ziel erreicht, weil die Tendenz auf wirtschaftliche Expansion bei ihm eng verbunden ist mit der auf politi- sche. In Europa müssen die beiden künstlich auseinander gehalten werden und gehören doch so nahe zusammen, dafs uns ein Zollverein nur eine Abschlagszahlung auf das Bedürfnis nach grölseren politischen Räumen erscheint. Die unter europäischen Staatsmännern älterer Schule weit verbreitete Geimgthuung über den Zerfall der Union im Bürgerkrieg, beruhte auf der gleichen Furcht vor der heranwachsenden Grölse des Riesenkindes, bewies aber zugleich die Verkennung der Kräfte, die dort Staaten bilden und erhalten. Auf das eine Bedenkliche, was in diesem grolsen Wachstums- prozels kommen muls, hat merkwürdiger Weise niemand hingewiesen. Da die Natur der politischen Probleme in solcher Raumausdehnung kontinental und oceanisch wird, berührt sie die grölsten Verbreitungs- gebiete der Völkergruppen. Es liegt in den Verbreitungsverhältnissen der Völker und Rassen, dals die expansive Politik auf Ras sen- fragen trifft, wo die des kleinen Raums Sprachkonflikte zu bewältigen hat. Vor dem Negerproblem verblassen die schwierigsten Nationalitäten- prozesse Europas, und gegenüber den ungezählten Millionen von Indianern, Negern, Mestizen und Mulatten Mittel- und Südamerikas ver- liert das Wort von dem Einen Amerika die tiefere Wahrheit. Die Raum Schwierigkeiten treten hinter den Rassenschwierigkeiten zurück. Wenn das Land auch Eines ist, legen doch die Rassenunterschiede die tiefsten Klüfte hinein. Inmitten grofser Möglichkeiten von Aus- 1) »Es ist in der letzten Zeit eine weltgeschichtliche Erscheinung zum Bewul'stsein der Völker gekommen, die ich hoch anschlage : Das ist die Bil- dung grolser Reiche, das Selbstbewufstsein dieser Reiche, das Bestreben, sich gegen andere abzuschliefsen. Der Schauplatz der Weltgeschichte hat sich erweitert, damit sind die Proportionen andere geworden, und ein Staat, der als europäische Grofsmacht eine Rolle in der Geschichte gespielt hat, kann, was seine materielle Kraft angeht, in unabsehbarer Zeit zu den Kleinstaaten gehören. Wollen nun die europäischen Staaten ihre Weltstellung aufrecht erhalten, so werden sie nicht umhin können, soweit sie wenigstens ihren sonstigen Anlagen nach dazu geeignet sind, sich eng aneinander zu schhefsen.« Graf Caprivi im Deutschen Reichstag. 137. Sitzung am 10. Dezember 1891. 2) Die Phrase hat Baron Hübner in seinem »Spaziergang um die Welt« (I. S. 329) wieder ausgeprägt, der sonst feinere Beobachtungen enthält. 92 Kein amerikanisches Gleichgewicht. breitung ujid Verbindung, die das Land bietet, will das Volk als Rasse isoliert bleiben. Diese folgenreiche Thatsache gehört zu denen, welche die übliche, nur den Raum anstaunende Betrachtung übersieht. Kein amerikanisches Gleichgewicht. Von einem amerikani- schen Gleichgewicht kann nicht die Rede sein. Es gibt nur ein europäisches Gleichgewicht. Nur Europas Natur und Geschichte ist so geartet, dafs es eine Anzahl von nach Grölse, Bevölkerungs- zahl, Reichtum und vor allem Kulturhöhe ähnlicher oder über- einstimmender Staaten entwickeln konnte. Neben der natürlichen Gliederung des Körpers Europas ist es die langsame Entwickelung, die im Hin- und Herwogen und in unerschöpflichem Nehmen und Geben Mächte geschaffen hat, die, wie Deutschland und Frankreich, selbst im Flächeninhalt nur um 1% differieren. In Nordamerika haben wir dagegen die unvergleichlich rasche Entwickelung, die alle anderen Bildungen in diesem Erdteile heute nur wie Ansätze erscheinen läfst. Und dazu kommt die natürliche Begünstigung, denn die ganze Osthälfte der V. St. ist ein Land der glücklichen Mitte und ebenso Kalifornien. Daher an Stelle des Gleichgewichts in der Neuen Welt das Übergewicht tritt , das die V. St. an die Spitze aller Staaten der Neuen Welt stellt, und das diese um so mehr wollen müssen, da es eine zweite mächtige Grundlage in der Rassenüberlegenheit Nordamerikas hat. Dem Flächenraum nach stehen die V. St. an der Spitze aller politischen Gebilde Amerikas. Ist die Distanz klein, die sie in dieser Beziehung von Britisch-Nordamerika und Brasilien trennt, so hindert der gewaltige Abstand in der Nutzbarkeit oder der bis heute erreichten Ausnutzung dieses Raumes, wie er sich in der Bevölkerungszahl und der wirtschaftHchen Leistung ausspricht, sie als gleichwertig zu betrachten. Die V. St. sind viermal so dicht als BrasiHen und zwölfmal so dicht als Britisch-Nordamerika bevölkert, dessen Ausfuhr den 10. Teil der Ausfuhr der V. St. be- trägt, während die Brasiliens den 6. Teil ausmacht. Bilden wir aus Argentinien, Mexiko, Bolivia, Venezuela und Peru eine zweite Gruppe politischer Räume von 50000 bis 20000 Q.-M., so erhalten wir unzusammenhängende Räume, deren Summe hinter der der V. St. um 12^/o zurückbleibt, während ihre Bevölkerung wenig mehr Der Eaum und die innere Entwickelung. 93 als ein Dritteil derjenigen der V. St. beträgt. Alles, was an Staaten und Kolonien von mittel- und westeuropäischen Dimensionen übrig bleibt, erreicht insgesamt nicht die Grölse dieser Gruppe. Dafs künftig einmal ein politischer Ab- und Ausgleichungs- prozels von der Art dessen, der in Europa eine Anzahl von Mächten von ähnlicher Stärke entstehen liels, den V. St. im Norden oder Süden Amerikas ein ebenbürtiges politisches Gebilde gegenüber- stellt, ist nicht zu erwarten. Von ßritisch-Nordamerika ist nur der dritte Teil einer Entwickelung , wie die V. St. , fähig. Das gemälsigte Südamerika ist kaum halb so grofs wie die V. St., und das tropische teilt sich ungleich, etwa im Verhältnis von 5 : 3 zwischen dem portugiesischen Brasilien und den spanischen Republiken. Auch bedeutet eine Fläche in den Tropen politisch nicht dasselbe wie eine gleiche Fläche in der gemäfsigten Zone. Mittelamerika und Mexiko bilden aber nur ein Gebiet von dem vierten Teile der Ausdehnung desjenigen der V. St. und ein durch Lage und Gestalt nicht zur Einheit geschaffenes. Auch rein räum- lich betrachtet, ist also die Stellung der V. St. unter den übrigen Staaten Amerikas einzig günstig. Alle anderen Vorzüge erhalten gröfseres Gewicht dadurch, dafs sie sich auf diesem Grundvorzug erheben , dessen Wert die V. St. wohl zu schätzen wissen. Dafs die Erhaltung der ungetheilten Union als Kampfpreis des Bürger- krieges mit so rücksichtsloser Energie erfochten wurde, ist zu- gleich als Mahnung an alle Verkleinerungsgelüste aufzufassen. Ein halbierter Freistaat hätte die Raumvorteile vernichtet^). Der Raum und die innere Entwicitelung. In der räumlichen Weite liegt auch für das innere Leben der V. St. der Vorzug einer Sicherung gegen das Umsichgreifen störender Erschütterungen, die in der grofsen Ausdehnung viel leichter lokalisiert werden. Von geschichtlichen Störungen gilt das so gut wie von natürlichen. Die die ganze Entwickelung der V. St. begleitenden Indianerkämpfe haben durch die weite Zerstreuung ihrer Schauplätze an entschei- 1) Treffend beurteilt die Folge dieses Ausganges des grofsen Krieges J.A. Fronde in dem sonst an Halbwahrheiten nicht armen amerikanischen Abschnitt (XX) von »Oceana« (London 1886): »There would not have been one America, but many Americas. The New World would have trodden over again in the tracks of the Old.« 94 Der Raum und die Kriegführung. dender Kraft verloren; sie nahmen einen ungefährlichen chroni- schen Charakter an von dem Augenblicke , dafs die V. St. über den engen Raum zwischen dem Atlantischen Ocean und den Alleghanies hinauswuchsen. Von dieser Zeit an betrafen sie immer nur die Peripherie des rasch wachsenden Körpers, mit der sie vom Mohawk bis zu den Lavabetten Kaliforniens gewandert sind. Was in Cuba Ausrottung und Aussterben, wird hier ein schleichen- des Übel, das die Masse gar nicht empfindet. Dafs der Bürger- krieg bald nach seinem Ausbruch (1861) in dem kleineren Teile des grofsen Landes lokalisiert blieb , ist einer der Gründe der raschen Heilung seiner Wunden. Wenn er den Westen und Norden überzogen hätte, würden die Folgen für das Gedeihen des Landes viel schwerer gewesen sein. Selbst die Einheit war dann ganz anders gefährdet. Aber diese wurde glücklicherweise nicht berührt. War doch so schon in dem Winkel des Südostens zwischen Potomac und Mississippi die grofse Schwierigkeit die Überwindung der Entfernungen. Auch der siebenjährige Krieg, der die denkbar eingreifendste Änderung in der äufseren Stellung der Kolonien herbeiführte, hatte in seiner ganzen Dauer jeweils nur einen beschränkten Teil ihres Gebietes berührt, und in allen anderen konnte politisches wie wirtschaftliches Leben wenig gestört seinen Fortgang nehmen. So wenig griff er in die Interessen eines grofsen Teiles der Bevölkerung unmittelbar ein, dafs viele waren, die handelten, als ob ein Kriegszustand gar nicht vorhanden sei. Und anders war es nicht im Kriege mit England 1812, der im Nordosten, und an einigen Küstenpunkten, und im mexikani- schen , der ganz im äufsersten Südwesten ausgekämpft wurde ^). Auch der Natur gegenüber fühlen sie sich sicherer, indem sie ihren Optimismus in einen unbedrohten Winkel retten. Am 10. September 1886 schrieb die New Yorker Handelszeitung in einer Wochenübersicht : »Dank der enormen räumlichen Aus- 1) Man erinnere sich auch an diese Unempfindlichkeit eines so grofsen politischen Körpers angesichts der Beobachtung , dafs die V. St. seit der Be- endigung ihres Unabhängigkeitskrieges zwei auswärtige Kriege und einen inneren durch gefochten haben und in zahheichen Fällen herausfordernd anderen Mächten gegenübergetreten sind, dafs überhaupt ihre Politik nie von quäker- hafter Friedensliebe diktiert war, wie cisatlantische Schwärmer meinen. Gröfse und Zerfall. 95 dehnung des Landes, wird der etwaige mangelhafte Ernte-Ausfall in einer Region durch überreichen Ertrag in anderen mehr als wettgemacht, und mit der zunehmenden Vielfältigkeit der kulti- vierten Bodenerzeugnisse kommen Witterungsverhältnisse, welche dem einen derselben schaden, dem andern zu gute. Die zuver- sichtliche und hoffnungsvolle Stimmung in unserer Geschäftswelt hat sich selbst durch die Erdbeben, welche die blühende Stadt Charleston in South Carolina in wenig mehr als einen Trümmer- haufen verwandelte , nicht beeinflussen lassen ! « Mehr kann man nicht verlangen. — Gröfse und Zerfall. Es ist verständlich, dafs Europäern an- gesichts des kontinentalen Staatsgebietes immer zuerst der Gedanke an den Zerfall kommt. Auch selbst die sogen. Grofsstaaten Mittel- und Westeuropas sind in der Beschränkung grofs geworden und haben von Versuchen der Ausbreitung nur die Gefahren kennen gelernt. Die Raumgröfse dagegen in den V. St. hat dem Zerfall ent- gegengewirkt, denn eben in dem beständigen Werden, das die räum- liche Ausbreitung nie sich vollenden liels, sondern mit jedem neuen Landzuwachs verjüngte und kräftigte, lag der Zusammenhang. Überhaupt ist bei einer noch so jungen und beweglichen, im vollen Bewufstsein ihrer Kraft stehenden, im Anstreben grofser materieller Ziele absorbierten Bevölkerung nicht dieselbe Fügsamkeit gegenüber dem Einflufs der Natur des Landes vorauszusetzen, wie bei älteren, passiver gewordenen Völkern. Kein Volk der Erde hat eine solche Energie in der Überwindung und Dienstbarmachung der Natur seines Landes bewährt, wie das nordamerikanische. So hat denn der Trieb und die Kraft, zu kolonisieren, die viele Einzelne beseelten, die Sphäre der nationalen Wirtschaft immer wieder erweitert, der auch immer wieder die nationale Politik folgen mufste. An der wunder- baren Festigkeit der politischen Verfassung der V. St. , die seit 100 Jahren weniger Veränderungen erfahren hat als irgend eine europäische, hat diese ableitende und zerteilende Wirkung des weiten Raumes ihren Teil. Indem viele einzelne so empfanden, wie der Squatter in Coopers Prairie (1832)^) wurde die Nation 1) Col. Boon wanderte 300 M. w. vom Mississippi, als ihm das junge Gebiet von Kentucky, an dessen Erschliefsung er den gröfsten Anteil hatte. 96 . I^i® Politik der grofsen Räume. im ganzen vorwärts getrieben. Für den Geschichtschreiber wird es einst eine der anziehendsten Aufgaben sein, die Entwickelung grolsräumiger Auffassungen aus den bescheidenen und oft zag- haften Anfängen, denen schon das Nordwest - Territorium von gef ährhcher Gröf se und eine Gefahr für die — 20 Jahre alte ! — »balance of power« schien^), zu verfolgen. Dafs sie schon im zweiten englischen Kriege weit genug gediehen war, um aus der Er- oberung Kanadas — wenige Jahre nach dem Ankauf Lousianas ! — ein populäres Schlagwort zu machen, ist sehr bezeichnend. Die Politik der grofsen Räume. Das weite Land hat dem Geist der Amerikaner etwas von seiner eigenen Gröfse gegeben. Blickt man auf die Geschichte der Gebiete zurück, die heute die V. St. bilden, so zieht sich die wachsende Überlegenheit der Raumvorstellungen durch die drei Jahrhunderte. Darin lag von Anfang an eine siegreiche Eigentümlichkeit der kolonisieren- den Europäer. Sie erwerben ein Gebiet der Eingeborenen nach dem andern, und diesen felilt der Überblick über das Grofse, das damit sich entwickelt; sie sehen nur die einzelnen Erwer- bungen und hatten ja genug fast wertloses Land zu vergeben, wenn sie in die unbesetzten Grenzstreifen zwischen den Stämmen hineingriffen. Die grofse Konzeption der französischen Kolonial- politiker des 17. Jahrhunderts von einem Reiche zwischen Quebec und New Orleans ''*) trägt bereits kontinentalen Charakter, und die Auffassung Washingtons, dafs der Mississippi nicht die Grenze, sondern der Strom der jungen Republik sein solle. Die grofsartigen Landnahmen waren kein politischer Luxus, denn mit 10 Einwohnern auf 1 engl. Q.-M. zu dicht bevölkert und »trammelled by the forms of human institutions« erschien. 1) Indem wir eine ungemessene Welt jenseit des Mississippi unserem Lande hinzufügen, stürzen wir uns kometongleich in den endlosen Raum. In unserem wilden Laufe mögen wir eine andere Welt aus den Angeln heben, in jedem Falle löschen wir das Licht unserer eigenen aus. Arnos Fisher, cit. bei Winsor Vn. S. Ml. 2) Die grofse Raumauffassung in der Politik haben die Amerikaner wahrscheinlich in diesem Falle zuerst von den Franzosen gelernt. Als die Franzosen nach Illinois vordrangen, um den oberen Mississippi zu gewinnen, war der Horizont der Kolonisten am atlantischen Rande noch sehr eng. Die wirtschaftliche und pohtische Expansion. 97 auch die Wirtschaft gewöhnte sich an die Grofsräumigkeit. Die Nordamerikaner wirtschaften bis heute wie Besitzer, die ihre grofsen Güter mit wenigen Kräften und daher nicht erschöpfend, aber schwungvoll, und daher mit raschem Erfolge bearbeiten und ausbeuten. Sie lassen viel einstweilen noch liegen, nehmen nur die ergiebigsten Strecken vor, gewinnen aber dabei viel mehr und mit leichterer Mühe als andere, die auf engen, viel durchwühlten Boden ein viel gröfseres Mafs von Emsigkeit verwenden. Das ist das System, auf dem vor allem das unerhörte Wachstum der Weizen- und Baumwollenernten beruht. Die politischen und wirt- schaftlichen Bedürfnisse zeugten aber ineinandergreifend einst jene expansive Politik, die den nach Baumwollenland hungrigen Süd- staaten den grofsen Einflufs einräumte, den sie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als die Hauptträger der Expansion in Nordamerika besafsen. Die expansive Politik hat am Stillen Ocean und am Golf einstweilen ihre Grenze gefunden, die ex- pansive Wirtschaft arbeitet weiter, und noch heute verschwindet die Wirkung der langsam zunehmenden Intensität und der damit wachsenden Durchschnittserträgnisse besonders in den Export- früchten hinter der Erweiterung der Anbauflächen. Die Frage der nordamerikanischen Konkurrenz mit Europa auf dem Gebiet der Landwirtschaft ist noch heute wesentlich Raumfrage. Sering bezeichnet es als eine Hauptaufgabe seines Berichtes über die landwirtschaftliche Konkurrenz Nordamerikas, festzustellen, wie- viel Raum noch in Nordamerika zur Kolonisation vorhanden ist, und unter welchen Bedingungen die bebaute Fläche weiterhin aus- gedehnt werden kann^). Als Träger beider Expansionen sind die Menschen von entsprechender Beweglichkeit, »essentiellement ex- pansive, comme un liquide, que rien ne retientÖstlichen Eisenbahnen die Alleghanies zu überschreiten, statt den Stromweg nach dem Golf von Mexiko auf- zusuchen. Indessen hat die Natur in diesem Stromsystem zu günstige Bedingungen geschaffen, als dafs der Verkehr nicht zu ihrer Ausnützung zurückkehren sollte, unter dem Bedürfnis billi- gerer Beförderung oder durch technische Vervollkommnungen.^) 1) 1892 bildete sich in S. Louis Mo. eine Mississippi River and Ocean Navigation Co., die mit doppelkieligen Dampfern Fahrten zwischen S. Louis Der Flufsverkehr. \26 Die grörseren texanischen Flüsse, die man noch in dieses Gebiet rechnen kann , sind so wenig schiffbar , dals sie wenig ins Ge- wicht fallen. Nur der Trinity R. (Galveston) bietet etwas günsti- gere Verhältnisse und im Rio Grande sind Dampfer bis zur Pecos- Mündung gegangen; aber die Mündungen von allen diesen Ge- wässern neigen zu einer Verschlammung , die sie von der See her schwer zugänglich macht. — Auch im Kriege schuf der Flufsreichtimi diesem Lande eine Geschichte eigener Art. Die greisen natürhchen Grundhnien des Ver- kehres verloren im Kriege nicht ihre Wirksamkeit, die Erleichterung des Verkehres kam auch den Bewegungen und der Versorgung der Armeen zu gute; aber nun kommen auch der Schutz und die Hem- mung ins Spiel. Die grolse Eigentümhchkeit des Bürgerkrieges hegt in der Verbindung der Land- und Flulskämpfe; die Versorgung der Armeen durch Transportflotten von Flulsdampfern, die Bombardements der Uferplätze durch Kriegsschiffe, Schiffskämpfe auf den Flüssen sind nie vorher in solchem Malse vorgekommen. Mitten in den grofsen Hin- und Herzügen der Armeen schafft die Unmöglichkeit, sich weit von den Flüssen zu entfernen, eine Reihe von festen Linien. Und daher fiel zuletzt die Entscheidung dort, wo die drei FluXsschiffahrts- und Eisenbahngebiete des einstigen Kriegsschauplatzes zusammentreffen, das atlantische, das des Ohio und des Tennessee; da lag der entschei- dende Punkt, die einzige Linie der Verbindung zwischen allen dreien, Atlanta-Chattanooga. Daher die Bedeutung Atlantas in den Feldzugs- jahren 1864/65. Im einzelnen aber gewannen beim Mangel an Strom- engen und -schnellen leichte Erhebungen der Ufer, die den Strom beherrschten, die gröfste Bedeutung. Dafs im Bürgerkrieg die Nach- richten über die Wasserhöhen des Tennessee u. a. zu den wichtigsten Nachrichten vom Kriegsschauplatz gehörten, erinnert daran, dafs An- schwellungen, besonders in der niederschlagsreichen Alleghany-Region, Flüsse in kurzer Zeit um 20 m steigen machen, und das Gebiet der Schiffahrt plötzhch und in gewaltigem Malse sich erweitern lassen. Dafs in der Gröfse der Höhen- und Formverschiedenheiten des Bodens das Mafs der Wasserkräfte gegeben ist, wird sich einst in der Verteüung der Industrien über das Land zur Geltung bringen. und den Golfhäfen eröffnen wollte. Für Dampfer von 1000 T. sollte der Tiefgang von 8 F. im Flusse auf 18 F. im Golf durch Niederlassen eines zweiten Kieles erhöht werden und man glaubte, die Entfernung von nahezu 500 geogr. M. zwischen S. Louis und Veracruz in sieben Tagen zurücklegen zu können. OFTHE 126 . I^iö Wegsamkeit des Steppenlandes. Auch auf dem Wege vom Mississippi westwärts liegen nicht in der Bodengestalt die Schwierigkeiten, denen in der Zeit der Auswandererkarawanen nach KaHfornien und Oregon zahlreiche Opfer fielen. Bilden doch die Thäler des Missouri, des Platte R. und des Arkansas ebensoviel natürliche Bahnen, an die zuerst die Auswandererstralsen und später die Eisenbahnen sich an- schlössen. Sie führen bis hart an das Gebirge hin oder in das- selbe hinein. Die von Westen her in den Mississippi und Missouri mündenden Flüsse erscheinen in einem allgemeinen Überblick als unschiffbar, aber ihre Rinnen sind naturgewiesene Wege. Kansas, Nebraska und die Dakotas sind daher fast ganz nur »Eisenbahnstaaten« . Die Entfernungen und die Dürre sind hier die Feinde und darin hegt auch die Sonderung zwischen dem Mississippibecken und dem fernen Westen. Wer vom Mississippi an durch 15 Me- ridiane die schiefe Ebene bis zum Gebirgsfufs ansteigt, sieht den Pflanzenwuchs ärmer und kleiner werden und befindet sich end- lich inmitten der Steppenebene der Plains. Mit dem 105.^ steht er über 1 500 m mitten im wüstenhaftesten Gebiete , das diesseits des Gebirges zu finden ist, wo Sandflächen und Salzwiesen aus. der dürren grauen Steppe auftauchen. Man hat in der Umgebung der Nordhälfte des Kaspisees und in der westlichen und südHchen Mongolei, bevölkerten und zum Teil oasenhaft wohlbebauten, aber steppenhaften Gegenden, die Parallele gesucht für diese Region, in die die Kultur seit dem Bau der Pacificbahnen energisch, aber mühsam und zerstreut und nicht ohne Rück- schläge vordringt. Das Leben nimmt hier einen nomadischen Charakter an. Die Rinder- und Schafherden der »Ranchers« machen weite Wege von einem Futter- oder Wasserplatz zum andern. Es kommt vor, dals sie in einigen Wochen von Oregon bis New Mexiko ziehen und ihre Hirten leben unter Zelten oder in bedeckten Erdgruben. Im nahen Gebirge kommt in beschränkten Gebieten durch das Zusammentreffen einer gröfseren Zahl von Kämmen und Gipfeln die alpine Natur mit dauerndem Firn, beständig flielsendem Wasser und einer Vegetation, die hoher Lage und zureichender Feuchtigkeit entspricht, zum Durchbruch. Die Gebirgsschranken. \21 Aber die Sandwüste des Pecos und des S. Luis-Flusses im nörd- lichen Neu-Mexiko, die Laramie Plains, die Sage Desert im Gebiet der Missouri-Quellen und all die zahlreichen ähnlichen Gebiete, dem Plateau, der breiten Basis des Gebirges, die überall hervor- tritt, angehörig, sind viel bezeichnender für den allgemeinen Natur- charakter des westlichen Hochlandes als die Föhrenwälder, Firn- flecken, kleinen Gletscher oder Alpenmatten der Park-Range oder Windriver-Gruppe. Die Gebirgsschranken. Die Bodengestalt der V. St. wird bei uns häufig auf ihre sondernden Wirkungen angesehen, wenn man von der Ansicht ausgeht, dafs auch sie, dem Beispiel Alt- Europas folgend, notwendig einmal in eine Anzahl von selbständigen politischen Existenzen zerfallen müfsten, die, wie bei uns, besonders von der Bodengestaltung und den grofsen Flufsläufen bestimmt würden. Man trägt da Erfahrungen des europäischen Lebens, das die Vorteile der Sonderung kennt, auf Amerika über, wo die Notwendigkeit der Zusammenfassung erkannt ist. Dem politischen Geographen drängen sich solche Betrachtungen nicht in erster Linie auf. Die Neue Welt ist in so vielen Beziehungen mit Er- folg neuernd aufgetreten, dafs vielleicht auch das vermeintliche Gesetz der notwendigen Zerfällung grofser Staaten im Laufe ihres Wachstums von ihnen nicht überall erfüllt werden wird. Völker, deren Jugend in die Zeit des Verkehres mit Dampf und Elektrizität fällt, geniefsen jedenfalls eine einigendere Erziehung, als unsere europäischen Staaten gründer. Noch überwiegt das Bestreben auf Expansion jedes andere. Es liegt ein geographisches Versehen in dem Schlufs von kleinen auf grofse Räume. Man vergifst, dafs, auf die weite Fläche verteilt, die Schwierigkeiten der verti- kalen Erhebungen sich in demselben Mafse vermindern werden, wie die der horizontalen Distanzen zunehmen. Nicht in der Übersteigung von Schranken, sondern in der Bewältigung von Entfernungen liegen hier die grofsen Aufgaben und diese nehmen gleichsam jene in sich auf. Vom atlantischen Rande bis wo bei 1800 m der Fufs des Felsengebirges auf der Steppenhochebene ruht, hat sich die Ausbreitung der Völker und die Staatenbildung immer nur kurze Zeit gehenmit gesehen. So wie einst die nörd- 128 I^ie geschichtliche Bedeutung der AUeghanies. liehen Algonkin, trotz des Keiles der Irokesen, vom Ocean bis zum Hochgebirge salsen, wohnen heute die Weilsen und berühren sich erst im Gebirge mit freien Resten der Indianer. Die AUeghanies boten der geschichtlichen Bewegung keine Fels- oder Eiswüsten, nur Wälder; ihre Oberfläche ist bewohnbar und nutzbar und an einigen Stellen ist die Überschreitung oder Umgehung der Erhebungen erleichtert. So wie der innere Bau und die Physio- gnomie dieses Gebirges an den Jura erinnern, gemahnen auch die um die Längsfalten sich schlängelnden Übergänge und die breiten Hoch- thäler an das schweizerisch-französische Grenzgebirge. Nur als die Bewaldung ununterbrochen über sie wegzog, nur von den schmalen Wüd- und Indianerpfaden durchzogen, waren sie ein ernstes Hinder- nis durch ihre breite Masse, nie durch die Höhe ihrer Erhebung. Sie sind aber mit ihrer Meridianrichtung keine KUmascheide, üire beiden Abhänge sind den Einflüssen von Süden und Norden gleich zugängüch und nur durch die unmittelbaren Wirkungen der Erhebung gewinnt das Gebirge klimatische Eigentümüchkeit. Die gröfste und zusammenhängende mittlere Erhebung hat auch im vorigen Jahr- hundert, verstärkt durch den unterholzreichen unabsehbaren Wald für ein mächtiges Hemmnis gegolten. In ihrem Schutze haben die Kolonien von Virginia und den Carohnas sich ruhiger entwickeln können, da die Indianerstämme am Ostabhang der AUeghanies klein waren. Aber dieses Waldgebirge von 500 km Breite und 4 mal so grolser Länge hat auch die Konzentration der Ansiedler auf das Küsten- land, ihre maritime Entwickelung und ihren Wohlstand gefördert. Der grofse pohtische Wert des S. Lorenz und Mississippi lag in der Schwierigkeit, direktere Wege vom atlantischen Ocean ins Innere zu finden. Washington und Jefferson erkannten in den ersten Jahren der Union die Gefahr der Ablenkung des westUchen Handels in die Seen oder den Mississippi und legten in der Potomac-Kompagnie (1784) früh den Keim zu den grolsen Weg- und Kanalbauten, die im Anfang unseres Jahrhunderts die AUeghaniesschranke überwandt. In den letzten zwei Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts flössen die Ströme der Ansiedler doppelt rasch, fast ungehemmt durch die oberen Thäler des Potomac und Mohawk, auf den Westabhang hinüber und den Ohio und Kentucky hinab in das weit offene Mississippibecken. Das zeitliche Eintreten und die Richtungen dieser Züge bestimmte der Bau des Gebirges, das von Virginien aus im Shenandoahthal am leichtesten zu überschreiten war. Daher das frühe Übergewicht Virginiens. Der Mohawkweg konnte, teils der Indianer wegen, erst später so gangbar gemacht werden, zeigte aber dann den grofsen Vorteil seiner tiefen Senke. Im Verhältnis der Gangbarkeit der Mohawksenke und der Der Verkehr über die Westgebirge. 129 Schwierigkeit der Gebirgswände von Pennsylvanien und Westvirginien drang dort die Kolonisation rascher vor und blieb hier zurück. Später trat der wichtige Pafs des Cumberland Gap., über den die Bahn nach Knoxville Tenn. führt, und auf dem die Gebiete von Virginien, Nord- Carolina und Tennessee zusammenstolsen, hervor. Die schmale Wasser- scheide zwischen Ocean und Golf, auf der die Quellflüsse des Savannah mit denen des Hiawassie und Tennessee sich gleichsam verflechten, legte auch den Gedanken eines Kanales über die S.-Alleghanies durch Rabun Gap (Süd-Carolina) nahe. In kleinem Mafse haben an dieser Stelle Ableitungen aus dem oberen Tennessee in den oberen Savannah stattgefunden. Die gröfste aus diesen Ungleichheiten hervorgehende Erscheinung ist sicherlich die frühe Besiedelung des Ohio- und süd- lichen Seengebietes, die den Westen, der jetzt der alte genannt wird, schnell über den Süden hinauswachsen liefs. Im Hochland des Westens treten uns durchaus gröfsere Verhältnisse entgegen. Aber es liegt auch hier mehr sondern,de Kraft in den Hochebenenwüsten als im Gebirgsbau selbst. Die Pässe der Gebirgsbahnen des Westens lassen sich mit denen der Alpen vergleichen: Evans-Pals 2360, Süd-Pafs 2290, Lewis and Clarkes-Pafs 1880, Flathead-Pafs 2320. Vom mittleren Missouri her führt durch das Quellgebiet des Platte-Flufses der von Fre- mont entdeckte Pafs, der von grofsem Nutzen für die West- wanderer war, die seit Ende der dreifsiger Jahre nach Oregon strebten und die Sicherung des Besitzes dieses Gebietes für die V. St. erleichterten. Durch das Gebirge hindurch ist von der Natur am deutlichsten der nördlichere Weg über den Lewis an(] Clarkes-Pafs von dem Missouri- ins Columbia-Thal vorgezeichnet. Weiter im Süden folgt die erste Pacifikbahn einer Oasenkette, deren Hauptpunkte durch den Evans-Pafs, den grofsen Salzsee, den Humbold-Flufs und den Summit-Pafs bezeichnet werden. Endlich führen noch weiter im Süden aus dem Thal des oberen Rio Grande, von Santa Fe und El Paso ab, zwei von Natur gang- iDare Strafsen in südwestlicher Richtung nach dem unteren Colo- rado. Innerhalb der grofsen Erhebungsmasse des Westens kann als Milderung der natürlichen Verkehrsschwierigkeiten die starke Vertretung der Hochebenen bezeichnet werden und das vorzüglich in dem Gebiete zwischen Columbia und Colorado. Aber gerade auf ihnen breitet sich die Wüste in ihrer menschenfeindlichsten Katzel, Die V. St. von Amerika. -^ 130 I^er Verkehr über die Westgebirge. Gestalt aus. In der südlichen Hälfte des Colorado-Gebietes schafft dagegen die überwiegende Canonform der Thäler ein tief- und steil- zerschnittenes Gebiet mit den ungünstigsten Bedingungen für allen weitergehenden Verkehr, und zwischen diesem Teile und dem Stillen Meer ist die Mohave- Wüste ein durch ihre Wasserarmut schwer begehbares Gebiet, durch das aber dennoch die Eisenbahn zwischen Süd-Kalifornien und dem Colorado-Gebiet führt. Dafür ist der Colorado trotz seiner Wasserarmut durch seine schmale und steile Thalbildung für die Schiffahrt in grofser Länge geeignet. Viel wechselnder und einflulsreicher als einzelne Einschnitte sind die horizontalen Dimensionen, auf deren Breite man noch den Mangel menschlicher Wohnstätten projizieren mufs, um die Schwierigkeiten des Verkehres über diese Erhebung, die 10 mal breiter als die Alpen, zu verstehen. Bestimmen wir die Erhebungen über 1500 m als eigentliches Gebirge, so liegt dessen breite Masse in den 10 Parallelen zwischen 33 und 43^. Im Süden haben wir die Auflösung in Mesas und Vulkangruppen, zwischen denen die Süd-Pacifikbahn ihren Weg sucht, im Norden den tiefen Einschnitt der nördlichen "Missouri-Arme und des Columbia, welcher der Nord- Pacifikbahn Wege öffnet, die nur den fünften Teil so weit wie die der Central-Pacifikbahn durch eigentliches Gebirge führen. Die nächsten Jahrzehnte werden diese Verbindungen sich vermehren, und damit den Wert der nördlichen und südlichen Einschnürungen des Gebirges sich ungeahnt steigern sehen. Die langsame Ent- wickelung der pacifi sehen Gestadeländer wird in den Verkehrs- schwierigkeiten gesucht. Daher die Hoffnung, durch die Lösung von Verkehrsproblemen das Tempo zu beschleunigen. Die wach- sende Welle des Verkehres wird nun voraussichtlich durch die nördlichen Striche sich immer breiter ergiefsen, in denen eine dichtere Bevölkerung als im übrigen Gebirgsland sich entwickelt, und denen das oceanisch aufgeschlossenste Land der V. St. am Stillen Ocean, Washington, mit den leichtesten Wegen zum Meere winkt. Das überall sich durchdrängende Element der Hochebene vermindert die Gefälle, vermehrt aber auch Dürre, Öde und Menschenarmut. Die Gebirge senden die Schmelzwässer ihrer Schneefälle und Firnflecken — nur wenige und kleine Gletscher Die Verteilung der Bevölkerung in Höhenzonen. l^\ läfst die Trockenheit des Klimas aufkommen — herab, aber ihre Macht reicht nicht weit in die wüstenhafte Hochebene und ganze Staaten wie Nevada bleiben wesentlich Wüste. Ein besonderes Gebiet unter den pacifischen bildet Kalifornien mit seinen zwischen Sierra und Küstengebirge eingeschalteten langen und breiten Thalbecken des San Joaquin und Sacramento. Diese Flüsse sind in erheblichem Mafse schiffbar und ihre Thal- niederungen bieten eine fast hindernislose Naturstrafse vom Süd- ende des Cascadengebirges bis zum Fufse des Tejon-Pafses. Da- gegen erschwert der rauhe Gebirgscharakter Nord - Kalif orniens den Verkehr mit Oregon, dem selbst heute nur eine einzige Eisen- bahn zur Verfügung steht. Der Columbia ist wegen seiner Strom- schnellen nicht höher als 180 km von der Mündung schiffbar. Zu den grofsen Plänen zur Hebung des Westens gehört daher ein Kanal um die »Dalles« des Columbia und auch ein anderer zur Verbindung des Washington-Sees mit Puget-Sund. Die Verteilung der Bevöllv "■----: ---^ .^ r=_.^_.-- 1=---^ .^^^_^.^^ ____ Bevölkerung V, 1890 Bev. von 1880 Bev. von 1870. Fig. 9. Die Höhenverteilung der Bevölkerung. auf den vier Stufen von 3000 bis 7000 0,60, 0,47, 0,78, 0,25 °/o wohnen, so kommt darin die Lage der wenigst bewässerbaren Steppen und Wüsten zwischen 4000 und 5000 und der grosse Wasser- reichtum der nächsthöheren Stufe, welche die am Fufs der Gebirge heraustretenden Flüsse und Quellen umfafst, sowie die hohe Lage der Gold- und Silberbergwerke in den Westgebu-gen zum Ausdruck. Nur diesen gehören endlich die 0,30 über 7000 F. an. 1870 lebten über 2000 F. 2,2, 1890 4,3%; ob dieses ursprüngHch vom Bergbau bedingte Hinaufsteigen sich noch lange fortsetzen wird, hängt von der Aus- dehnung der künstlichen Bewässerung ab. Ein Blick auf eine Dichtigkeitskarte der Bevölkerung der V. St. läfst die grofsen orographischen Ursachen ungleicher Ver- teilung in diesem so einfach gebauten Lande deutlich erkennen. Gebirgsvölker. j;33 Die Anhäufung findet man an den Küsten, in den Flufsthälern^ in der fruchtbaren Zone des lohnendsten Ackerbaues zwischen 43 und 37 ^ n. B. , an den Gebirgsrändern ; die geringe Dichtigkeit in den Gebirgen — der Zug der Alleghanies vom Alabama bis zum St. Croix tritt so klar wie auf einer Höhenschichtenkarte hervor — in den nordischen Urwaldgebieten von Maine, Michigan und Minnesota, die teilweise noch leer sind, in den Sümpfen des Südens und den Steppen und Wüsten des fernen Westens. Und schon glaubt man vorauszusehen, wie dereinst ein Gürtel dichtester Bevölkerung von Boston und New York durch die Mohawk- Senke über Chicago zum Mississippi-Thal und in diesem abwärts bis zum Golf von Mexiko ziehen wird. Dieser Gürtel wird die Höhe von 200 m fast an keiner Stelle überschreiten. Gebirgsvölker. Langsam zieht sich mit zunehjnender Verdich- tung die Bevölkerung in die Gebirge, rascher im Westen, wo die Vorzüge des feuchteren Höhenklimas entscheidend in die Wage fallen, als im Osten, wo der gebirgigste unter den älteren Staaten, New Hampshire, in den letzten Jahrzehnten seine Thäler veröden sah. Nur die Längsthäler der mittleren Alleghanies, durch die einst die belebtesten Wege vom atlantischen Rand in die Thäler des Kentucky und Mississippi führten, sind seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts in der Besiedelung immer mehr fortgeschritten. Die meisten Einwanderer kamen aus Tiefländern, besonders die englischen, und mieden die Gebirge. Noch hat sich kein achtes Gebirgsvolk herausgebildet. Nur im fernen Südwesten wohnen an den Wänden und Schluchten der Mesas von Neumexiko und Arizona kleine Indianergruppen » Cliffd wellers « , deren Existenz engst mit dem Gebirge verknüpft ist. Die Entwdckelung von Bevölkerungen, wie des Schwarz waldes oder des bayerischen Waldes (»die Waldler«) oder der schottischen Hochlande wird erst kommen. Auch die Anfänge alpiner Viehzucht im nördlichen Felsengebirge sind erst klein. Die herrlichen Waldgebirge im nördlichen Maine und Wisconsin gehören einstweilen noch zu den weifsen Flecken auf der Bevölkerungskarte der V. St. Die durch Einfachheit und Rauhheit ausgezeichnete Bevölkerung der »Lumbermen« zieht sich meistens vor dem Winter aus dem Walde zurück. Die J34 I^^® Bodenschätze. Bergleute, die in den Hochthälern von Colorado oder Montana in 3000 m wohnen, haften noch seltener an die Seholle. Nur in einem Teile des Ostens und zwar im Süden der Alleghanies, hat eine Gebirgsbewohnerschaft eine grolse geschichtliche Aufgabe in der Entwickelung der V. St. gelöst, die ihr eben aus der Natur ihrer Wohnstätten erwachsen ist. Die Sklaverei ging überall mit Tabak und Baumwolle. In den Südstaaten hat sie Halt gemacht vor jenen Höhen, die halb Virginia und Nord-Carolina und beträcht- liche Teile von Süd-Carolina, Georgia und Alabama, Tennessee und Kentucky erfüllen. Hier herrschte der kleine Farmer, wie im Norden, und es gab manche Grafschaft, wo ein Neger eine Seltenheit war. Als die Trennung zwischen Nord und Süd sich voll- zog, wohnte in diesem breiten Hochlandstreifen eine mit wenig Negern gemischte Bevölkerung, ein Vierteil der weifsen Bevöl- kerung des Südens , die geringe Sympathien für die Sklaverei und die Losreissung hatte und aus deren Mitte , besonders in West-Virginien, Kentucky und Tennessee, Scharen von Kämpfern in die Lager des Nordens zogen. Die Sache des Südens wurde nicht nur durch die Zerlegung des Kriegsschauplatzes in zwei Hälften durch die Alleghanies geschwächt, sondern ebensosehr durch den Keil einer unsüdlichen Bevölkerung, die in diesem Gebirge sich bis ins Herz der Konföderation zog. Den Weifsen der Alleghaniehöhen ist vor allem die Erhaltung Kentuckys und West-Virginiens beim Norden zu danken. Und heute haben am wenigsten von der Über- handnähme der Neger diejenigen Südstaaten zu fürchten, deren Boden zu einem grofsen Teile gebirgig ist. Die Schätze des Bodens und die FruchtbarJteit. Die vom Klima unabhängigen Schätze des Bodens sind in einem grofsen Lande immer ungleich verteilt. Bei der Besitzergreifung und ersten Bearbeitung des Bodens werden sie aber am frühesten gesucht und erworben und überschütten dann mit ihren Reicli- tümern eine Bevölkerung, die noch lange nicht das ganze Land ausfüllt. Man kann es als allgemeine Regel aussprechen, dafs junge Länder darum so viel Reichtümer erzeugen und abgeben, weil die besten Teile vorweg in Beschlag genommen werden, und weil im Verhältnis zur Ausdehnung und dem natürhchen Reich- Der Mineralreichtum. 135 tum die Zahl der gewinnenden und verbrauchenden Menschen noch so gering ist. Das Verhältnis wird sich von Jahr zu Jahr ändern in dem Mafse als die Bevölkerung dichter wird und sich gleichmälsiger über das Land verteilt. Besonders die Ausstattung der V. St. mit Mineralschätzen erscheint aus diesem Grunde so grolsartig, weil die dichtesten Gruppen der Bevölkerungen sich um sie zusammendrängen ; wenn aber die Menschen der V. St. sich auf 200 Mill. vermehrt haben werden, wird die Fülle dieser Schätze nicht mehr so grofsartig erscheinen; dann werden die Gegenden, die an Kohle, Eisen, Kupfer, Silber, Gold u. s. f. weniger besitzen, auch ihren Bevölkerungsanteil haben, dem die mangelhafte Aus- stattung seiner Wohnstätte mit diesen notwendigen oder angenehmen Dingen empfindlich sein wird. Die Verschwendung dieser leicht gewonnenen Gaben sowohl in der Gewinnung als in der Benützung wird dann aufhören. Doch wird sie nicht vergeblich gewesen sein. Gerade die Mineralschätze locken die Ansiedler am meisten an, die zuerst sich allein mit ihnen beschäftigen, dann die Industrie für diese Massenanhäufungen entwickeln und sich über das übrige Land ausbreiten, das sie mit dem Ertrag der Goldwäschereien, Bergwerke u. s. w. befruchten. Sowohl die mineralischen Bodenschätze als die Fruchtbarkeit des Bodens sind in den V. St. noch in Fülle vorhanden. Beide stehen noch auf der Höhe ihrer Ausnützung oder haben sie noch nicht erreicht. Nur in einigen Gebieten fangen die Spuren des Raubbaues an, sich zu zeigen, so in Virginien auf dem alten Tabaksboden und in den Goldwäschereien Kaliforniens. Ein mineralreiches Land wird das Gebiet der V. St. immer bleiben. Die AUeghanies und Kordilleren gehören zu den erzreichsten Gebirgen der Erde und auch im flacheren Inneren des Kontinentes sind noch beträchtliche Schätze , vorzügUch an Kohle , Eisen, Kupfer und Salz angehäuft. Die Steinkohlenformation allein, die nur in China noch gröfsere Ausdehnung erreicht, bedeckt in ihrer produktiven Ausbildung 325000 qkm und die Masse der Steinkohlen, welche in den V. St. heute gewonnen wird, steht nur noch hinter der Englands zurück und hat die Deutschlands längst übertroffen. Für die Eisenerzeugung sind sie nicht blofs durch 136 I^^r Mineralreichtum. auf serordentlichen Reichtum, denn Nordamerika ist überhaupt der eisenreichste Kontinent, sondern auch durch sehr günstige Lage und Verteilung ihrer Eisenerzlager begünstigt. Nur- einem einzigen Staate, Florida, fehlen die Eisenerze. Der grölste Teil der Eisenerzlager umgibt in engerem oder weiterem Kreis die grolsen Kohlenfelder und die Mehrzahl ist auch für die Ver- schiffung durch die Nähe des Mississippi, Ohio, Hudson und der Grofsen Seen günstig gelegen. ^ In unserer Zeit des immer ausgedehnteren Stahlverbrauches wollen wir nicht des Vorzuges vergessen, dafs einige der gröfsten Eisenerzvorkommen der V. St. ausgezeichnet sind durch die zur Stahlbereitung erforderlichen Eigenschaften. 1890 traten zum erstenmal die V. St. an die Spitze der eisenerzeugenden Länder der Erde. Sie stellten 9,2 Mill. T. Roh- eisen, 1 V2 Mill. mehr als England, und 5,5 Mill. T. Bessemerstahl, 3 Mill. T. mehr als England, her. Unzweifelhaft ist das Über- gewicht der V. St. in der Erzeugung der vier Metalle Kupfer, Quecksilber, Silber und Gold. Das Quecksilber lagert in Kali- fornien, das Silber und das Gold in Nevada, in Kalifornien, Colorado und den anderen Staaten w. der Felsengebirge in gröfseren Mengen als irgendw^o sonst in der Welt. Die ameri- kanische Quecksilber- und Silbererzeügung überwiegt, wie die des Kupfers, die gesamte Erzeugung der Alten Welt. Und dabei sind das erst Anfänge, denn Kupfer wird erst seit 1845, Quecksilber seit 1851, Silber seit 1859 in nennenswertem Mafse in den V. St. gewonnen Auch an der Blei- und Zinkproduktion beteiligen sich die V. St. in erhebhchem Mafse. Alle Vorkommen von Steinöl und natürlichem Leuchtgas, die bis jetzt zur Ausbeutung gelangt sind, treten vor der Massenhaftigkeit und Vorzüglichkeit der amerikanischen weit zurück. Nach Erschöpfung der Ölquellen und -Brunnen werden die bituminösen Schiefer an die Reihe kommen, von denen ein Areal von über 250000 qkm vom oberen Ohio nach Virginien streicht. Fügen wir hinzu, dafs Steinsalz, Phos- phorit, Gyps, Kaolin, Cementkalk, Asphalt sämmthch aus hervor- ragend reichen Ablagerungen im Gebiete der V. St. gewonnen werden, dafs auch Bausteine in grofser Mannigfaltigkeit und Güte vorzüglich in dem granit-, gneifs- und marmorreichen Gebiete öst- Ausbeutung und Abnahme. 137 lieh des Missisvsippi vorkommen , so scheint es , als ob bezüglich der Mineralschätze jedes andere Land der Erde dieses so un- gewöhnlich reich ausgestattete beneiden müsste. Wir sprechen von den günstigen Bedingungen, unter denen dieser Reichtum sich bis jetzt entfaltet hat; es sind aber auch Grenzen nicht zu übersehen, die ihm gezogen sind. Die ergiebigen Steinkohlenlager sind fast sämtlich auf das Land östlich des Mississippi beschränkt , während westlich davon , mit einziger Ausnahme vielleicht des noch wenig untersuchten texanischen Kohlenfeldes und kleiner Anthracitlager in Colorado und Neu- mexiko, meist nur Braunkohlen in zerstreuten Lagern vorkommen. Und doch gewinnt gerade in diesen baumlosen Gegenden fossiles Brennmaterial eine erhöhte Bedeutung. Auch Eisenerzlager, von der Gröfse der im Osten der V. St. vorhandenen, wären im Westen noch nachzuweisen. Gold, Silber und Quecksilber werden östlich der Felsengebirge wahrscheinlich nie in erheblichen Mengen ge- wonnen werden. Sie gehören den grofsen Gebirgszügen der Cordilleren an. Aber wie überall, hat der Goldreichtum nach- gelassen, als man erst einmal den oberflächlichen goldführenden Schutt der Flüsse ausgewaschen hatte. Er schwankt seit Jahren abwärts und dürfte wie der australische bald eine noch gröfsere Verminderung erfahren. Die Zeit der reichsten und leichten Ernten ist vorüber, denn es gibt gewifs keinen noch so kleineu Bach in dem ganzen Gebirgsland des Westens, so weit und öd es ist, der nicht schon des öfteren sein Geröll durch die Wiege des Goldwäschers hat laufen sehen. Das vom Weifsen gewaschene ist vom Chinesen seines letzten Goldgehaltes entledigt worden. Die Ausbeutung der Silberbergwerke, besonders in Nevada und Colorado, geschieht mit fieberhafter Eile , welche die Er- schöpfung mancher beschränkteren Vorkommnisse schon in* kurzer Frist herbeigeführt hat. Man wird vielleicht in nicht allzuferner -Zukunft jenen Silbergehalt von 30 ^/o noch zu gewinnen suchen, den man einst in Nevada in den Schlacken stecken liefs. Bedeu- tende Abnahmen hat man auch in den Petroleumbrunnen wahr- genommen und zwar sowohl nach Menge als nach Güte. Selbst in den Anthracitbergwerken hat man es schon notwendig gefunden, 138 1^61" Ackerboden. die alte blind ausbeutende Abbauweise mit einer vorsichtigeren zu vertauschen, die auch den künftigen Generationen noch einige Möglichkeiten übrig läfst. Zwischen die drei grolsen Erz- und Kohlengebiete der Alle- ghanies, der Seenregion und der Westgebirge legen sich die des Ackerbaues als drei durch Gestein, Höhe und Klima bedingte Abschnitte: Es sind das atlantische Tief- und Hügelland, das Mis- sissippibecken und das vielgestaltige westliche Gebirgsland mit dem pacifischen Abhang. Unzweifelhaft ist der mittlere nicht blofs der räumlich gröfste, sondern auch der fruchtbarste von allen und hat zugleich den Vorteil, dals er am leichtesten be- arbeitet werden kann. Dank ihm ist die Höhenlage des frucht- baren Landes der V. St. günstiger als in Asien , wiewohl immer noch weniger günstig als in Europa. Die Verbindung vorwiegend ebener Formen mit mäfsig tiefer Lage und Waldlosigkeit hat eine ungemein rasche Entwickelung des Ackerbaues möglich gemacht. Der Weizenbau und die Viehzucht im Grofsen, deren Erzeugnisse die V. St. seit der Überschreitung des Mississippi in erdrückenden Massen auf den Weltmarkt werfen, haben hier ihren -Boden. Ziehen wir den südlichen Teil bis zum Golf hinzu, so Hegt hier zwischen 80 und 100^ w. L. überhaupt das gröfste Gebiet fruchtbaren Landes der gemäfsigten Zonen. Wenn die Abschätzung der Fruchtbar- keit Nordamerikas und Europas zu Gunsten Nordamerikas ausfällt, gibt dieses Kerngebiet den Ausschlag. Das einzigartige in der raschen Entwickelung aller materiellen Hilfsquellen der V. St. findet hier seine Erklärung. Zum ersten Mal in der Geschichte kam ein fleifsiges Ackerbauvolk in Berührung mit einem Lande von grolser natürlicher Fruchtbarkeit, das nur gepflügt und mit Verkehrswegen zur Ausfuhr des Überflusses des Ertrages aus- gestattet zu werden brauchte. Zum ersten Mal wurden auch die Früchte dieses Bodens zu einer reichen Kultursaat, die das junge Land mit blühenden Städten und Anstalten der Bildung und Wohlthätigkeit sich bedecken liefs. Die natürHche Fruchtbarkeit des atlantischen Gebietes ist viel geringer. Im Norden tritt das eisschuttbesäte Gebirg un- mittelbar ans Meer. In Neu-England ist vielleicht nur ein Drittel Die Fruchtbarkeit des Bodens. 139 des Bodens dem Ackerbau zugänglich. Dichter als im alten Germanien bedecken die erratischen Blöcke und Schuttwälle das Erdreich. Von New Jersey an entwickelt sich das Tiefland und damit die Fruchtbarkeit selbständig. Von Virginien an fehlt der Eisschutt, und es beginnt das fruchtbare Flach- und Hügelland, das durch zw^ei Jahrhunderte die Stätte des grofsen Tabak-, Baumwoll- und Reisbaues des »alten Südens«, die Heimat der Sklaverei , aber auch der begabten , hochsinnigen Pflanzer- aristokratie war. Der Boden Nordamerikas ö. von den AUeghanies hat einen tiefgehenden Einflufs auf die Entwickelung der atlanti- schen Kolonien in den ersten anderthalb Jahrhunderten geübt. Der harte, steinreiche Glacialboden n. vom Susquehanna und Ohio gehört zu den schwerst zu bearbeitenden. Nathanael Shaler schätzt, dafs ein Acre neuengländischen Bodens durchschnittlich einen Monat für Lichtung und Beseitigung des Unterholzes und einen zur Beseitigung der erratischen Blöcke und Steine brauchte. Die Lichtung schritt daher im nördlichen Teil der V. St. sehr langsam voran und da bis ungefähr 1800 der leichter zu behan- delnde Boden nur in Maryland und Virginia in Angriff genommen war, finden wir die Geringfügigkeit des Exportes landwirtschaft- licher Erzeugnisse in dieser Zeit ebenso natürlich wie ihr plötz- liches Anschwellen nach der A\isbreitung der Kultur in das Ohio- Becken. Das Übergewicht des dem Landbau viel zugänglicheren Südens ging von dieser Zeit an rasch auf den Westen über. Die frühesten Ansiedelungen in Neu-England stehen bezeichnender- weise alle auf dem armen, aber von Felsen freien Alluvialboden der Küsten- und Flufsterrassen, der für den ersten Anbau geringere Schwierigkeiten bot^). Als Europa noch in dem Zustande dichter Bewaldung war, in dem die Einwanderer des 16. und 17. Jahrhunderts Nord- amerika fanden, war es sumpfreicher. Der Mangel an Mooren, Sümpfen und Sumpfwäldern im höheren Land, abgesehen von Maine und dem östlichen Canada, wo über 20000 qkm Sümpfe anzunehmen sind, ist als ein Vorzug des atlantischen Nordamerika zu betrachten. Nur an den Küsten sind Sümpfe in ausgedehntem 1) Vgl. die interessante Einleitung Shalers zu Bd. IV der Winsorschen Narrati ve and Critical History of America. 140 ^cr Ackerboden des Steppenlandes. Malse vorhanden (s. S. 79) und haben in Süd-CaroHna und Georgia wirtschaftliche Bedeutung als Reisländer gewonnen. Aus einem sumpf reicheren Lande würden die Indianer weniger rasch ver- drängt worden sein. Der Seminolenkrieg war der gröfste Sumpf- krieg, der in den Everglades, den sumpfigen Urwäldern Süd- floridas, die spärlichen Indianerdörfer auf den »Hummocks«^) zwischen den schmalen unregelmäfsigen Wasserläufen aufsuchte und erst nach 18 Jahren bewältigte. Und noch heute leben in jenen Sümpfen unabhängige Reste der Indianer, die einzigen im ganzen südlichen atlantischen Gebiet. Westlich vom 98.*^ w. L. dominieren die klimatischen Ein- flüsse. Der Boden zeigt seine Fruchtbarkeit nur wo künstliche Bewässerung möglich ist, diese aber hängt in grofsem Mafse von der Erhebung ab, die reichere Niederschläge bedingt und jenseits 3000 m sie in fester Form einen Teil des Jahres erhält. Die Berge des südlichen Idaho mit Gipfeln von 3300 m und darüber liefern nur Bäche, deren Wasser am Ende der trockenen Zeit rasch abnimmt und in vielen Fällen verschwindet, während die Firnfelder von Wyoming und Colorado ihre Wasservorräte nie ganz verflüssigen. In reich gegliederten Gebirgen sind diese. An- sammlungen festen Wassers verbreiteter als in massigen und in Thälern mit breiten Sohlen können sie in ausgedehnterem Mafse verwertet werden als in tiefen Rinnen. Nirgends hängt der Mensch so von Einzelheiten des Bodenbaues ab, wie im trockenen Westen. Grofse Stauwerke und Kanäle werden der Bewässerung noch weite Gebiete erschhefsen, aber die verfügbaren Wassermengen sind be- schränkt. Der Bericht des Secretary of the Interior für 1890/91 nimmt 120 Mill. Acres — acht Neuntel der Fläche des Deutschen Reiches — gegenwärtig wüst liegenden Landes als bewässerbar in Aussicht: immer nur ein Fünftel des Steppenlandes, das ein Drittel der Fläche der V. St. einnimmt. Diese 120 Mill. Acres entsprechen in der Ausdehnung Pennsylvanien, Ohio, Indiana und Illinois, die heute 15 Mill. Einwohner umschhefsen, die nach mitteleuropäischem Mafsstabe sich verdreifachen können. Minder optimistische Schätzungen gelangen nur zur Hälfte dieser Fläche 2). 1) S. Bd. I dieses Werken S. 139. 2) S. u. die Einleitung zum XVII. Kapitel »Landwirtschaft«. Schätzung ,der Fruchtbarkeit. 141 Den grörsteii Raum bieten noch die Hügelländer und Thäler am West-Fufs des grofsen Hochlandes von Oregon bis Washington. Besonders in der nördlichen Hälfte ist sowohl die Ausdehnung des anbaufähigen Landes als die Menge der Niederschläge beträchtlicher. Eine Abschätzung des höchsten Maises von Ertrag des Bodens der V. St. ist nicht durchzuführen. Wir wissen nicht, wie viel jetzt brach liegender Boden noch irgend einer Verwertung zugeführt werden kann. Deutschlands Boden wird wolil mindestens zwanzig Mal so intensiv ausgenutzt nach allen Richtungen hin als der der V. St. Eine fast zwölf Mal so dichte Bevölkerung hat von ihm den gröfsten Teil ihrer Nahrung und viele Rohstoffe yA\ gewinnen. Das erstreckt sich nicht blofs auf den Ackerbau, sondern in sehr beträchtlichem Mafse auch auf die Viehzucht — ich erinnere daran, dafs es in den nordamerikanischen Gebirgen trotz ihrer trefflichen Alpenweiden, die besonders n. vom 40. Parallel denen unserer Alpen ähnhch sind, nur Anfänge von Alpenwirtschaft gibt, dafs man statt der Forstwirtschaft die Waldverwüstung ausübt und dafs die Verwertung kahler Landstriche und dürrer Gebirgshänge für Schaf- und Ziegenzucht, die in den trockeneren Gebirgsgegenden Europas eine so grofse Rolle spielt, erst beginnt. Nicht blofs die künst- liche Bewässerung wird neue Acker- und Gartenländer schaffen. Austrocknungen von Sümpfen und Eindeichungen von Küsten- strecken, die von der Flut bedeckt werden, haben bisher nur in geringem Mafse stattgefunden; wo es geschah, waren es höher- gelegene Marschländer an Flüssen öder geschützten Buchten, die besonders im Süden für bestimmte Früchte trocken gelegt wur- den. Es bezeichnet einen ganz neuen Abschnitt in der Geschichte der Beziehungen zwischen Boden und Volk der V. St. , dafs in dem letzten Jahrzehnt eine Reihe von Plänen für die Austrock- nung und Kultur von Küsten- und Binnenlandsümpfen — selbst die Tule-Sümpfe im jungen Kalifornien gehören schon dazu — vorgeschlagen und erwogen wurde und in den Anfängen der Aus- führung stehen. Vor allem werden noch vor dem Schlufs des Jahrhunderts im dürren Westen die Arbeiten zur Stauung und Verteilung des Wassers grofse Dimensionen angenommen haben, und zum Teil von Bundeswegen ausgeführt sein. V. Klima. Pflanzen- und Tierwelt. Klimatische Mannigfaltigkeit der Vereinigten Staaten 142. Entscheidende Be- deutung der nordsüdlichen und ostwestlichen Klimagrenzen 143. Verschiedene Stärke dieser Unterschiede 145. Die Wirkungsweise des Klimas 147. Mittelbare und unmittelbare Wirkungen 150. Bevölkerungstypen 151. Klimatische Krank- heiten 153. — Die natürliche Ausstattung Nordamerikas mit nützlichen und schädlichen Pflanzen und Tieren 154. Mannigfaltige Idimatische Wirkungen. Auf Gebieten von kontinentaler Ausdehnung erreichen auch klimatische Unterschiede kontinentale Gröfse. Mittel- und Westeuropa sind Teile eines Klima- gebietes, die V. St. umfassen drei Klimagebiete ganz und von einem vierten den grölsten Teil. Der Wirkungen des Klimas sind es also von vornherein ebensoviele als Klimagebiete und jede äufsert sich in ganzer Ausdehnung und Stärke. Vor allem sind daher die mittelbaren Wirkungen durch Ackerbau, Viehzucht und Forstwirtschaft in verschiedenen Stufen ebenso weit verbreitet wie scharf gesondert. Bald sind die klimatischen Bedingungen diesen Thätigkeiten der Menschen günstig, bald lasten sie härter als bei uns. Die gröfsten, nicht in den Völkern selbst liegenden inneren Gegensätze in der Geschichte Nordamerikas führen auf klimatische Unterschiede zurück, die weit die Wirkungen der Bodengestalt überragen, ja sie besiegen, so dals ihre Grenzen leitende Linien in der geschichtlichen Entwickelung abgaben. Die uns ein chinesisch einförmiges Yankeevolk der Zukunft prophezeien, wollen beherzigen, dafs klimatische Unterschiede so tief zu trennen vermögen wie Meeresarme, und dafs durch sie die Völker von innen heraus umgebildet werden. Süd und Nord. 143 Ein auf neuem Boden heranwachsendes Volk steht immer tiefer im Banne des KHmas als ein fertiges, denn von Sonne und Regen sind ja die Arbeiten abhängig, die die Grundlagen seines Gedeihens schaffen und alle seine Tage ausfüllen. Erst wenn der Boden urbar gemacht ist, zieht Gesundheit und Wohlstand ein und nun erst reifen die Früchte, die auch andere, weniger abhängige Thätigkeiten möglich machen, und nun lasten die klimatischen Bedingungen nicht mehr so schwer auf allem Thun der Menschen. Die V. St. zeigen , dafs , solange ein Volk nicht fertig ist , das Klima seines Landes den Punkt bildet, in dem alle Fragen seiner Zukunft sich vereinigen. So gibt es noch heute kein grölseres Problem als die Fruchtbarmachung der westlichen Hälfte des Landes, von der es abhängen wird, ob dort grofse oder kleine Menschen- zahlen, stabile oder rasch wechselnde, reiche oder arme wohnen werden, ob grofse Städte heranwachsen werden, oder ob der Osten sein historisches Übergewicht behalten wird. Und vor 300 Jahren war ebenso entscheidend für den östlichen Teil des Landes, dafs die Ansiedler ein Klima mitteleuropäischen Charakters 15° süd- licher fanden als in ihrer europäischen Heimat. Die klimatischen Verhältnisse sind also für die Beurteilung der V. St. in dem- selben Mafse wichtiger, als das Land unfertiger ist. In den V. St. kann die Ausnützung klimatischer Faktoren in unsere Zukunfts- sehätzungen ein Plus oder Minus von Zehntausenden von Quadrat- meilen mit einer Bevölkerung von vielen Millionen bringen. Für die Kultur und Besiedelung von mehr als zwei Fünfteln des Landes ist auch heute nur die Frage entscheidend, wie der Niederschlags- armut durch künstliche Bewässerung abgeholfen werden kami. Die grofse Kulturgrenze in diesem Lande wird künftig durch eine Scheidelinie der Niederschlagsmengen zwischen Ost und West ge- geben sein. Süd und Nord. An Wirkung auf die bisherige innere Ent- wickelung der V. St. vergleicht sich aber keine Variation über Lage, Gestalt oder Boden dem Unterschiede zwischen Süd und Nord, der eine Grenze von weltgeschichtlicher Grofse durch das ganze Land legt. Was ö. von dem erst steppen- und bald wüstenhaften Gebiet des westlichen Hochlandes liegt, hat in allen 144 ^tid und Nord. klimatischen Verhältnissen übereinstimmende Grundbedingungen. Hohe Temperatur im Sommer , niedere im Winter, reichliche Niederschläge charakterisieren das Klima dieses ganzen Gebietes, das fast vom Rand der Tropen bis zum 50. ° reicht. Es wäre ein entschiedenes Kontinentalkhma , ohne die grofse Feuchtigkeit, welche die Winde von den Meeren im Osten und Süden her über das Land hin tragen. Nur im Monsungebiet Chinas sind so reiche Niederschläge über einen so weiten Strich der gemäfsigten Zone verbreitet. Die Sommerhitze vor allem ist so extrem, dafs sie fast aus dem Rahmen des gemäfsigten Klimas heraustritt ; wenn St. Louis (an der Missouri-Mündung) während der drei Sommer- monate mit seinen 27.° nur eine um 1,8° niedrigere Durchschnitts- temperatur aufweist als das fast tropische Key West und wenn das Maxinum der Sommerwärme dort sogar um 3° höher steht als hier, so scheint ein Tropenklima für 3 Monate das gemäfsigte verdrängt zu haben. Starke Niederschläge verstärken diesen Ein- druck, dem die weite nördliche Verbreitung feuchtigkeitliebender Sommerpflanzen zu Hilfe kommt. LTnd dabei sind diese Mei-k- male über den Osten mit einer Gleichförmigkeit verbreitet, als wäre er eine einzige Fläche. Aber zwischen 24 und 45° müssen natürlich die mittleren Wärmesummen und die Wintertemperaturen weit auseinanderliegen. Südlich von 35° n. B. ist die Sommerwärme unserer Mittelmeerländer mit Niederschlagsmengen verbunden, die eine tropisch-üppige Vegetation erzeugen. Die Küstenländer der südatlantischen und Golfstaaten und das untere Mississippi-Tiefland gehören zu den fruchtbarsten Gegenden der Erde. Die Jahres- temperaturen von 20° und die Whitertemperaturen von 7,5° ge- statten im Süden den Anbau der Baumwolle, des Zuckerrohres und des Reises, und als die Nordgrenze dieser Kultiu'en kaim im allgemeinen eine Linie bezeichnet werden von der Mündung des James R. nach der des Ohio und weiter des Pecos. LTndJdas ist die Grenze geworden zwischen Süd- und Nordstaaten, Sklavenarbeit auf Plantagen und freier Arbeit auf eigenem Grund, Freihandel und Schutzzoll, aristokratischer und demokratischer Gesellschafts- gliederung und Lebenshaltung. Sie wurde seit dem zweiten Jahr- zehnt unseres Jahrhunderts in zunehmendem Mafse die politische Ost und West. 145 Stromscheide, die alle Meinungen nach Nord und Süd schied. Nach der Aufhebung der Sklaverei hat sich mancher von diesen alten Gegensätzen gemindert, aber ' der Süden bleibt das Land der subtropischen Kulturen, der starken Negerbevölkerung und der trägeren Entwickelung auf allen Gebieten. Ost und West. Erst in unserer Zeit kam ein anderer klimatischer Unterschied zwischen Ost und West zur Geltung, dessen Grenze zwischen dem 98. und 100. Längegrad schwankt. Östlich dieser Grenze sind die Niederschläge, die diesseits des Mississippi durchschnittlich um ein Drittel die Mitteleuropas über- treffen, reichlich genug für den Ackerbau ohne künstliche Be- wässerung und einen Baumwuchs, der dichte Wälder oder aus- gedehnte Haine zu bilden vermag; w. davon ist, mit Ausnahme kleinerer Gebiete, unter denen die zwischen Gebirg und Meer ge- legenen Teile von Oregon und Washington die hervorragendsten sind, der Wassermangel so grofs, dals der Ackerbau ohne An- wendung künstlicher Bewässerung nicht möglich ist und ein Wald sich nur auf den Bergen jenseits 2000 bis 2500 m entwickelt. Zu dem Unterschied der Niederschlagsmengen im niederschlagsarmen Westen kommt s. vom 40. Grad die Steigerung der Wärme, Ver- dunstung und Sonnenstrahlung, die bedeutende Gesamterhebung und vorwaltend gebirgige oder hochebenenhafte Bodengestalt hin- zu, die dem Ackerbau weniger günstige Bedingungen bietet. Grofse Ausnahmen hie von bilden nur Kalifornien und Oregon, kleinere die wohlbewässerten Gebirgsoasen am Rande des Felsengebirges und in Utah. Nur 3 Vo der Bevölkerung wohnten 1890 im »Arid West« , wo weniger als 500 mm Regen fallen , auf einem Gebiet, in das Deutsch- land fast sechsmal geht. Aber auch die sehr regenreichen Regionen mit über 1700 mm sind dünn bevölkert, was aber mehr mit der Lage im äulsersten Süden und Nordwesten, als mit der Regenmenge selbst zusammenhängt. Die Regenmenge schwankt in den V. St. zwischen 0 und 3200 mm. Drei Vierteile der Bevölkerung') wohnen in Gebieten, wo 750 bis 1250 mm jährlich fallen und die gröfste Dichtigkeit finden wir in Gebieten mit 1050 bis 1250 mm, d. h. mit nordwest- 1) Distribution of Population in Accordance with Mean Annual Eain- fall. Census Bulletin No. 32 (1892). Ratzel, Die V. St. von Amerika. ^0 146 Wirkungen des Westens. europäischen Regenmengen. Die rascheste Zunahme hat in den beiden letzten Jahrzehnten in dem Grenzgebiet zwischen Regen- und Steppen- land stattgefunden, wo genügende Feuchtigkeit und der klare Steppen- sommer zusammen den blühenden Weizenbau gerade am westHchen Saum des Regenlandes von Texas bis Dakota hervorgerufen haben. \_x Hier liegt eine tiefere Wirkung als im Süden vor, denn es handelt sich nicht blols um verschiedene Grade von Gedeihen auf klimatisch bedingter wirtschaftlicher Grundlage, sondern um die Lebensmöglichkeit, nicht um die Form, sondern um die Thatsache der Existenz. Nur die Dürre schliefst in dieser Zone den Men- schen von weiten Gebieten aus. Der Süden wird einst ebenso dicht bevölkert sein , wie heute der Nordosten , nur seine Be- wohner werden anders geartet sein ; aber der Westen wird immer nur, ganz ungleich im einzelnen und dünn im ganzen bewohnt, ein »Land zweiter Klasse« sein können. Der Faden, der seine Bewohner mit dem Klima verbindet, wird kürzer sein. Im dürren Westen übt selbst die Zeit und Höhe, in der die gröfste Menge Schnee fällt, einen deutlichen Einflufs auf die künstliche Bewäs- serung, den vielleicht einmal die Anlage grofser Stauseen beseitigen wird, und in den heifsen Ebenen Nevadas und Südkaliforniens, wo nicht auf die Schmelzwasser des Hochgebirgsschnees gerechnet werden kann, werden kleine Unterschiede des Regenfalles aus- schlaggebend bleiben. Hier gibt es Wüsten, die sich fast unzugänglich zwischen die auf die schmalen Streifen der Flüsse, auf quellenreiche Berg- abhänge und auf an Gold oder Silber reiche Gebiete beschränkten Wohngebiete hineinlegen. Auch in Einzelheiten ist es ein anderes Siedeln und Wohnen. Der Rancho-Mann hat überhaupt keine feste Wohnstätte und der Steppenfarmer wohnt nicht im Blockhaus, an das der Lichter des Waldes die Stämme verschwendet, sondern im Bretterhaus, das in der nächsten Stadt aus dünnen Planken ge- zimmert und bis auf den letzten Zapfen an den Ort der Siedelung transportiert wird. Wer künstliche Bewässerung braucht, ist an einen Wasserfaden gebunden, an dem auch andere sich anbauen, und es entsteht ein langes Dorf, während die Höfe im Regen- land zerstreut liegen. Nicht blofs die Zahl der Siedelungen, sondern auch die Gröfse ist kHmatisch bestimmt. Wirkungsweise des Klimas überhaupt. 147 An so frischen Beispielen , wie die V. St. sie bieten , sieht man, wie wenig einfach die Wirkungsweise des Khmas ist. Das ist kein Prägungsprozels passiver Geister und Körper, sondern ein Entwickeln mit dem Küma oder wider das KHma, wobei es innen oder aulsen seine Spuren läfst. Im Süden wissen wir genau, wie die ungewohnte Wärme die Kolonisten schon sehr früh zur einseitigen Kultur bestimmter Pflan- zen anleitete, deren Erzeugnisse damals in Europa die begehrtesten waren, zuerst des Tabaks, dann des Reises, der Baumwolle, des Zucker- rohres. Diese Zucht von Handelsgewächsen führte zu einer anderen Wirtschaftsform als im Norden, wo man nach ererbter Art baute, was man selbst brauchte, zu den Plantagen und zur Sklaverei, und gestaltete die Bevölkerung bis auf die Rasse um. Aber nicht von allen diesen Folgen ist das KHma als direkte Ursache zu betrachten. Auch im Süden werden wir den Kleinbetrieb finden, der seit der Aufhebung der Sklaverei sogar stark zugenommen hat. Aufser durch das Klima, das dort die subtropischen Pflanzen, nicht aber unsere Ge- treidearten, aufser dem Mais, begünstigt, wurde aber die Plantagen- wirtschaft durch das Begehr nach ihren Erzeugnissen und die bülige Arbeitskraft der Sklaven, und besonders auch weü sie weite Lände- reien fast umsonst hatte, so herrschend, dafs sie alles andere zurück- drängte. Sie ist sogar immer einseitiger geworden und erzeugt seit lange nur Baumwolle in gröfstem Malse. So lange die Welt Baumwolle braucht, wird sich das nicht ändern. Wir haben auch im Norden den Grofsbetrieb des Weizenbaues einziehen sehen, aber damit hat nur die Billigkeit des Bodens und die natürhche Eignung des Steppenlandeö zur Bearbeitung im Grolsen zu thun ; das Klima würde den Ackerbau in europäischem Stüe zulassen und begünstigt nur die Arbeit auf den grolsen »Bonanza-Farms« insofern, als seine steppenhaften Kontraste, die Trockenjahre, die Heuschreckenplage, die Wirbelstürme u. a. den kleinen Mann schwerer treffen, als den, der mit grofsen Kapitalien Weizen »fabriziert«. Allerdings begünstigt die leichte Nuance des Steppenklimas, die in der Regenarmut des Spätsommers hegt, den Weizen mehr als anderes Getreide, da Reife und Ernte so glückhch verlaufen, dafs sie die besten Kömer der Welt erzeugen. Auch die reichhchere Schneedecke, welche die Saat schützt, ist nicht zu vergessen. Aber doch ist der Zusammenhang einer bestimmten Art Ackerbau mit dem Klima viel loser als in den Baumwollgebieten des Südens. In dem Zuströmen der beweghchen Bevölkerung nach bestimmten Gebieten, die früher als andere sich mit Bewohnern erfüllten, spricht sich ein klimatischer Einflufs auf den räumlichen Gang der Ge- schichte aus. Die Bevölkerung bewies dadurch, dafs sie sich von Anfang an den durch Breiten- und Höhenlage gemäfsigten Strichen zu- wandte, ihren Ursprung aus Ländern gemäfsigten Klimas. Und da sie sich 10* 148 I^iö Klimaregionen. demgemäXs vorwiegend in den gemälsigten Strichen ausbreitete und ver- dichtete, kam allmählich das im Bürgerkrieg entschiedene Übergewicht des Nordens zur Entwickelung. Das Wachstum der Bevölkerung ist seit einem Vierteljahrhundert besonders kräftig in den vorher vernach- lässigten heilsen und kalten (hohen) Gebieten geworden. Aber noch immer verlangsamt sich auch das Vordringen der Einwanderung nach Norden vom 45. Grade ab, wie man in den nördhchen Teilen von Maine, Michigan und Minnesota wahrnimmt. Auch diese Länder wer- den nachwachsen und wir werden die pohtischen und wirtschafthchen Gewichte sich noch weiter nach Norden verschieben sehen. Im Süden sind ganz vorwiegend Farbige die Träger des Wachstums im feucht- heifsen Tiefland, während die Nordeuropäer und Isländer sich mit Vorhebe den nördlichsten Strichen in Maine, Michigan, Wisconsin und Minnesota zugewendet haben, so dafs man diesen Streifen im Norden als »die teutonische Provinz« Nordamerikas bezeichnen hört. Die Klimaregionen. Wir sehen eine khmatische Wirkung, die aus der Westhälfte des Landes die greisen Massen der Menschen aus- schliefst, und der geringen Zahl der Zugelassenen für die Dauer ganz anderes Leben und Wirken, besonders andere Verteilung und Wohnweise auferlegt, als in jedem andern Teil des Landes. Sie ist die Ursache des räumlich verbreite tsten und tiefstgehenden Unter- schiedes in der Entwickelung der V. St., der allem Lande w. vom .98. bis 100^ w. L. vom Rio Grande bis zur Nordgrenze sein besonderes Geschick vorzeichnet. Durch die Osthälfte schneidet jene Grenze des 38. Parallel, die wiederum das ganze Land zwischen der Nordgrenze und dem Golf in zwei zum Wohnen wesentlich gleich geartete Gebiete teilt, deren wirtschaftliche Entwickelung aber weit auseindergeht. Das sind die drei grofsen Klima- regionen der V. St. , neben oder zwischen denen die kleineren Gebiete und Übergangsgebiete zwischen Wald- und Steppenland, und zwischen Nord- und Südregion nur dort deutlicher hervor- treten, wo sie durch ihre Lage, wie Kalifornien, dessen Süden mit Recht als das »Mediterranean Shore of America« bezeichnet wird, und Oregon, in dem Verhältnis von Oasen zu ihrer Um- gebung sich befinden, oder von grofsen aufsengelegenen Gebieten wie Ausläufer hinübergreifen, was einigermafsen auch von dem durch die weiten Wasserflächen gemilderten Khma der Seenregion mitten im gegensatzreichen Norden gilt, oder endhch w^o ein Die nordsüdlichen und ostwestlichen Übergangsgebiete. 149 wichtiger Übergang stattfindet, wie in dem Gürtel der nördlichen Südstaaten von Virginien bis Missouri, die man als die Südstaaten ohne Baumwolle bezeichnen kann. Ihre besondere Stellung kam bei der Secession zum Ausdruck, der sie sich nur zögernd anschlössen. Aber schon als die AboUtions- bewegung im Werden war, erwog man in Virginien, Kentucky, Ten- nessee, wo die BaumwoUe-Interessen nicht alles dominierten, Freilassung der Sklaven; nur die aufflammende Bewegung drängte bald solche Pläne zurück. Missouri vor allem war der ausgesprochenste Mittelstaat zwischen Nord und Süd. Die von dort und hier stammenden Kolo- nisten waren über seine ganze Oberfläche verbreitet. Die Nordischen Sassen am dichtesten im nördhchen Teil des Staates, am Mississippi und dem Grenzstrom Illinois, woher alljährhch neue Ansiedler ins westHche Missouri zogen, die Südlichen dichter in dem fruchtbaren Thale des Missouri. Kansas im Westen war zwar nach langen Kämpfen der Sache des Nordens gewonnen, aber Arkansas, das im Süden sich lang hinstreckt, stand entschieden auf der Seite der Südstaaten, die den Kampf auf den Boden Missouris verlegen mulsten, um mit der Mündung des Ohio in den Mississippi St. Louis und Kairo , zwei der wichtigsten strategischen Punkte Nordamerikas zu gewinnen, ohne deren Besitz die Hauptwasseradern des inneren Kriegstheaters, Mississippi und Tennessee, nicht in Verbindung zu setzen waren. Von beiden Seiten aufgesucht, spielte Missouri zu Anfang des Bürgerkrieges daher eine grofse Rolle, bis die gewaltigen Entfernungen zwangen, die Ent- scheidungen auf engerem Räume zu suchen. Der nördlichen Staatenreihe Norddakota, Montana, Oregon und Washington wird eine wichtige Stellung einst dadurch an- gewiesen sein, dafs sie durch grölseren Wasserreichtum ein Band besserer Bewohnbarkeit und Anbaufähigkeit am Nordrand des Steppenlandes vom Mississippi zum Columbia zieht. Dafs nach Norden zu die Niederschläge gerade da beträchtlich wachsen, wo die politische Grenze zieht, läfst die Farmer Norddakotas und Montanas begehrlich nach Norden blicken und wird vielleicht dereinst politisches Gewicht erlangen. Eine schwächere Verbin- dung bildet nach Süden hin vom Columbia zum Colorado die Oase von Utah. Die Abtönung des Steppencharakters nach Norden wird es einst noch klarer machen, dafs Nordamerika nicht blofs ein orographisches Inneramerika in sich hat, sowie Asien ein ein Innerasien, ein abflufsloses Becken. Es jimschliefst vielmehr 150 Klimatische Abtönungen. ein klimatisches Inneramerika, ein Steppenland, in das die be- feuchtenden und befruchtenden Einflüsse des Oceans nicht hinein- reichen. Hier wird sich mit der Zeit auch ein politisches und ethni- sches Kern- und Binnenland entwickeln, dessen wirtschaftliche Wege längst gebahnt sind, und dessen Anfänge in den grofsen Westwanderungen des beginnenden 19. Jahrhunderts liegen. Die Entwickelung des Westens ist die Herausbildung eines achteren Amerikanertums , das von den Einflüssen Europas sich entfernt und mit steigender Vorliebe sich auf seine und seines Landes Eigenart steift. Die Klagen über die geringe Teilnahme der Be- wohner des Mississippithaies an den atlantischen oder pacifischen Angelegenheiten ertönen immer häuflger. — Noch feinere Nuancen werden wir in der Verbreitung einzelner Zweige der Landwirtschaft kennen lernen, die im stände sind, Verteilung und Zustand der Bevölkerung zu beeinflussen. Es sind unzweifelhaft klimatische Verhältnisse, die den Weinstock im Osten nicht gedeihen und damit an den Bergabhängen Rebe und Winzer fehlen lassen. Nur in Kalifornien entfaltet sich eine Kultur mittelmeerischen Charakters. Der grolse Anbau des Zuckerrohrs ist auf den unteren Mississippi beschränkt. Selbst die Gebiete der Schaf- und Rinder- herden des Westens sind durch khmatische Nuancen geschieden, und es bedingt einen grofsen Unterschied im trockenen Westen, ob im Frühsommer nur 10 oder 30 % der Niederschläge des Jahres fallen, ob, wie in Colorado neben dem Sommermaximum ein solches des Frühlings tritt, oder, wie in Kalifornien, ein Winter- maximum der Regenlosigkeit des Sommers (Juli und August 0,04 Zoll) gegenübersteht, oder wie in Oregon die Winterregen um einen Monat vorgeschoben sind. Unmittelbare Wirkung des Klimas. Einige Physiologen schrie- ben den Hauptanteil an der eigentümlich raschen Umbildung der Menschen kaukasischer Rasse in Nordamerika dem Klima zu. Von der herannahenden Bildung einer neuen Menschenrasse der weifsen Nordamerikaner ist aber nicht zu sprechen. Man macht die starke Veränderlichkeit der Witterung und die, trotz reicher Niederschläge, grofse Trockenheit der Luft dafür verantwortHch. Die letztere ändert wenigstens manche Lebensbedingungen in auf- Unmittelbare Wirkung des Klimas. 151 fallender Weise. Ich erinnere an das rasche Austrocknen der neu- gebauten Häuser, der Lebensmittel, des Heues. Aber es wäre sehr grob aufgefalst, wenn man die körperhchen Eigentümlichkeiten der weifsen Nordamerikaner auf Austrocknung zurückführte. Früher hat man dem Boden und Klima Amerikas eine schwächende oder wachstumhemmende Wirkung auf die Organismen zuschreiben wollen und liefs neben Pflanzen und Tieren auch den Menschen nur als verkümmerte Erscheinung gelten. Wenn Martius von dem menschenarmen Amerika spricht, dessen ursprüngliche Mensch- heit vom Fluche der Unfruchtbarkeit getroffen worden ^) sei, so erinnert das an ältere, besonders Buffon'sche Spekulationen, die einem im vorigen Jahrhundert üppig entwickelten Gedankenkreis angehören, dessen Ausläufer in der grausam-bequemen Hypothese des notwendigen Aussterbens der indianischen Rasse nachklingen. Heute wissen wir aus zahllosen und folgenreichen Erfahrungen, dafs gerade das nordamerikanische Klima der Zucht der besten Rassentiere sehr günstig, vielleicht in manchen Beziehungen noch günstiger ist," als das englische. Auch beim Menschen ist der Einflufs der neuen Umgebungen grofs und macht sich so deut- lich bemerkbar, dafs man in ein und derselben Familie die in Europa und in Nordamerika geborenen Kinder von einander unter- scheiden kann. Nach einer Reihe von Jahrzehnten wird man ent- scheiden, ob hier das Klima oder die Lebensweise wirksam ist. Auch für die geringere Fruchtbarkeit, der in Amerika geborenen weifsen Frauen und die Thatsache, dafs im allgemeinen die weifse Nordamerikanerin körperlich zarter und minder widerstands- fähig, als ihre europäische Schwester ist, mufs man sich hüten, ohne weiteres klimatische Einflüsse anzunehmen (vgl. Kap.VHL). In den V. St. sind die klimatischen Bedingungen vorhanden, die mit der Zeit bestimmte ßevölkerungstypen in landschaft- licher Begrenztheit erzeugen. Der Norden, Süden und der weite Westen haben die verschiedensten Lebens- tind Wirkensbedingungen. Zugleich besitzen sie auch die Anlage zu weit auseinander- gehenden Völkermischungen, für die die Klimagebiete Rahmen 1) Über den Rechtszustand der Ureinwohner Brasiliens 1832, S. 27. 152 Nord- und Südländer. und Form liefern. Hinter dem Einflufs, den diese auf die Heraus- bildung neuer Tj^en üben, dürfte hier wie in Südeuropa die unmittelbare Wirkung des Klimas zurücktijeten. Der Unterschied zwischen Nord und Süd in der Osthälfte, des Landes ist der einzige, der Zeit gehabt hat, sich auszubilden und die Bedingungen seiner Entwickelung sind so dauerhafter Natur, dafs er sich nur immer noch verschärfen kann. J. W. Drap er hat ihn in seiner Geschichte des Bürgerkrieges in einer Weise geschildert, die auch auf andere Völker in ähnlicher klimatischer Lage Anwendung finden kann. ^) Es kommt hier der alte, in der Abstammung 1) Im Norden teilt der Wechsel von Winter und Sommer dem Leben der Menschen gesonderte Pflichten zu. Der Sommer ist die Zeit der Arbeit im Freien, der Winter wird in den Häusern zugebracht. Im Süden kann die Arbeit ohne Unterbrechung fortgehen, wenn sie schon verschieden ist. Der Bewohner des Nordens mufs heute vollbringen, was der des Südens bis morgen aufschieben kann. Aus diesem Grunde mufs der Norden arbeit- sam sein, während der Süden träger sein darf und weniger Neigung zur Vor- sicht und zu geregelten Gewohnheiten haben kann. Die Kälte, welche eine zeitweise Unterbrechung der Arbeit mit sich bringt, gibt damit auch die Ge- legenheit zum Nachdenken und darum gewöhnt sich der Nordländer, nicht ohne Überlegung zu handeln und ist langsamer in seinem Beginnen und seinen Bewegungen ; der Südländer ist geneigt, ohne Überlegung zu handeln und erwägt nie die letzte Folge von dem, was er zu thun im Begriff ist. Der Eine ist vorsichtig, der andere impulsiv. Der Winter mit seinem Mangel an Freude und Behaglichkeit wird dem Nordländer zum gröfsten Segen, denn er lehrt ihn, sich an den haushohen Herd und seine Famihe anzuschliefsen. In Kriegszeiten zwar erweist dieser Segen sich als seine Schwäche, er ist besiegt, wenn seine Wohnstätte genommen wird. Der Südländer fragt nichts danach. Abgeschnitten von den Anregungen der Natur während einer so langen Zeit des Jahres, wird das Gemüt im Norden mehr mit sich selbst beschäftigt; es begnügt sich mit nur wenigen Ideen, die es von den ver- schiedensten Gesichtspunkten betrachtet. Es ist fähig, sich innig an etwas zu heften und es mit der fanatischsten Ausdauer zu verfolgen. Ein süd- hches Volk, das beständig unter den Einflüssen des freien Himmels lebt, beständig den verschiedensten Gedanken zugänglich ist, wird sich in einem Überflufs von Ideen gehen lassen und sie alle oberflächlich behandeln; mehr flüchtig als nachdenkend, wird es nie beständige Liebe zu einer festen Einrichtung fassen. Ist der Nordländer einmal entschlossen zu handeln, so wird ein Entschlufs, der nur auf die Vernunft gegründet ist, die Begeisterung des Südländers überdauern. Im physischen Mut sind sich Beide gleich, aber der Nordländer wird überlegen sein durch das Gewöhntsein an Arbeit und Methode und seine unerschöpfliche Ausdauer. Um den unter Dach lebenden Menschen zu überzeugen, mufs man an seinen Verstand appeUieren; um Klimatische Krankheiten. 153 liegende Gegensatz zwischen Yankee und Virginier und das grund- verschiedene, durch die Anwesenheit von 6 Millionen Negern in den früheren Sklavenstaaten ganz anders geartete soziale Medium hinzu. Sklaverei hing an Baumwolle und Tabak. Wo diese gebaut wurden , kam jene hin. Insoferne war sie klimatisch bedingt. Die 10^ Isotherme einen Parallel nach Norden geschoben, brachte Indiana und Illinois und damit das ganze Innere in ihren Bann. Sklaverei und Plantagenwirtschaft machten die soziale Organisation des Südens zu einer vollkommen eigenartigen. In dem erzieherischen Einfluls all dieser Umstände auf die Weilsen tritt mittelbarer Einfluls des Klimas zu Tage. Mit Sicherheit sind durch Klima-Eigentümlichkeiten hervor- gerufene krankmachende Einflüsse nachzuweisen. In dieser Rich- tung ist die ausgeprägteste Erscheinung das gelbe Fieber, das, allgemein gesprochen, auf die Küstenzone der Baumwollenstaaten beschränkt ist und nur sporadisch über sie hinausgeht. Der 40. Breitegrad wird von ihm nicht überschritten. Die Abhängig- keit der Verbreitung der Schwindsucht von der vorwaltenden Feuchtigkeit läfst gleichfalls eine unmittelbare Beziehung zum Klima wahrnehmen. Höher gelegene Teile der Prärieregion von Minnesota und Jowa westwärts gehören zu den von dieser Krank- heit freiesten Gebieten der Erde, und schon sind manche Punkte dort zu klimatischen Kurorten geworden. Dagegen sind Neu- England, die Mittelstaaten und das Mississippi-Tiefland dieser Seuche verfallen. Die auf Neuland besonders im Inneren un- gemein häufigen Fieber sind nicht durch das Klima, sondern durch Lage, Bodenbeschaffenheit und Bodenbearbeitung verursacht. Ihre Zahl und Heftigkeit vermindert sich mit zunehmender Kultur des Bodens. ^) Eine rein geographische Thatsache von grofser dasselbe bei dem zu bewirken, der unter freiem Himmel lebt, mufs man sich an seine Gefühle wenden. (J. W. D r a p e r , Hist. of the American Civil War. 1867 I. 100.) 1) Die scharfen Nord- und Nordwestwinde, dem Klima der V. St. bis zur Golfküste hinab eigen, sind von günstiger Wirkung auf die Gesundheits- verhältnisse in den Fieberregionen. Die berühmte Gesundheit des Nordwestens wird den dort vorherrschenden Präriewinden zugeschrieben, und im Süden sind die Fälle nicht selten, in denen der Norte das gelbe Fieber vertrieb. 154 Klima und Landarbeit. Bedeutung möchten wir hier nicht übergehen : die grolse Nähe der klimatischen Kurorte des Südens bei den ungesunden Grofs- städten des Nordens. Man fährt in einer Nacht von New York nach Charleston. Selbst die noch 30 bis 40 geogr. M. näher bei New York gelegene Küste von Nord-Carolina wird allmählich ein klimatisches Zufluchtsland für die vom rauhen Winter geplagten Nordländer. Früher wurde das fieberreiche Klima des Südens auch für die Sklaverei verantwortlich gemacht. Man behauptete, dafs wegen des Klimas die Landarbeit in den Südstaaten für die weifsen Arbeiter ungesund sei. Es gilt dies in der That von den Reis- und einem Teil der Zuckerrohrpflanzungen und die zunehmende Zusammendrängung der weniger bedrohten Neger am Rande des Golfes von Mexiko und in den südlichsten der atlantischen Staaten hängt damit ' zusammen. Aber ^/lo alles Baumwollenlandes ist gesunder, trockener Boden und von der Mehrzahl der Maispflanzungen gilt dasselbe. Vor der Aufhebung der Sklaverei nahm man an, dafs Ve der Baumwolle von Weifsen erzeugt werde. Seitdem hat sich dieses Verhältnis stark geändert. In Texas und Arkansas ward die von Weifsen erzeugte Baum- wolle zu 62 bezw. 60 % geschätzt, und in den übrigen Baumwollen- staaten betrug sie 23 bis 41 % der Gesamterzeugung. ^) Auch im Tiefland von Süd-Carolina haben die Weifsen an manchen Stellen arbeiten gelernt, wo sie früher nicht einmal wohnen zu können glaubten. Die nutzbaren Pflanzen und Tiere. Die Länder der alten Welt nahmen ihre Kulturpflanzen und Haustiere aus drei Erd- teilen, deren Flächenraum ^k alles Landes der Erde in sich fafst. Amerika war auf sich angewiesen, bis es durch die Europäer mit der übrigen Welt dauernd verbunden wurde. Schon darum mufste die Zahl der Pflanzen und Tiere, die der Mensch hier sich an- eignete, geringer sein. Auch war Amerika nicht der Schauplatz Lyell (Second Visit 11. 87) führt solche Fälle an. Die Thatsache ist auch in Texas und Mexiko bekannt. 1) Schätzung in Cotton Investigation, Report Dep. of Agriculture 1876, p. 136. Amerikas Pflanzen- und Tierwelt. 155 der Entwickelung grofser Kulturvölker gewesen, wie die alte Welt, und der Antrieb zur Züchtung von Pflanzen und Tieren mulste hier ebenso geringer sein, wie die geschichtlichen Be- wegungen, die Keime umherstreuen, beschränkter. Der amerikani- sche Mensch hatte vor der Berührung mit den Europäern noch nicht Zeit gehabt, alle Schätze der Natur zu heben, die ihn um- gab. Aber wenn wir uns erinnern, dals die beiden grolsen Erzeugnisse der nordamerikanischen Landwirtschaft, Weizen und Baumwolle, von altweltlichen Pflanzen kamen, und dafs alle Haustiere von altweltlicher Herkunft sind, sehen wir das Land von der Natur selbst minder günstig ausgestattet. In Bezug auf das Pflanzenreich ist diese Behauptung nicht zu verallgemeinern für die Mehl und Knollenfrüchte, die Gewürze und Genufsmittel und die holzgebenden Waldbäume, in Bezug auf das Tierreich kann sie nur für das Geflügel nicht mit vollem Rechte aus- gesprochen werden. Ohne dafs wir uns auf denselben Boden stellen wie Buffon, der im vorigen Jahrhundert einen heftigen Streit durch seine Behauptung erregte, dafs alles organische Leben in der neuen Welt weniger entwickelt sei, als in der alten, wobei er als Gründe die Artarmut der neuen Welt, die Kleinheit ihrer Tierformen und die Entartung der Haustiere anführte ^), müssen wir den Mangel einer Reihe von wichtigen Kulturpflanzen und Haustieren, ohne die wir das Leben des heutigen Nordamerikaners uns nicht mehr vorstellen können, als eine ursprüngliche Schwäche des Kulturbodens der alten Amerikaner bezeichnen. Wir wollen aber nicht vergessen, dafs ohne den körnerreichen Mais manche Ansiedelung nicht gediehen sein würde und dals, wenn wir nach den vorwaltenden Kulturpflanzen verschiedene Perioden der Ent- wickelung der V. St. unterscheiden, das Weizenalter, in dem heute die V. St. stehen , auf ein Tabaks- und Baumwollenalter folgte. Das für uns anfangslose .Maisalter ging beiden voran. 1) Die Schriften über Amerika aus der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts sind angefüllt mit Widerlegungen dieser Behauptung. Am aus- führlichsten haben Clavigero und Winterbotham darüber sich aus- gelassen. Letzterer gibt in Bd. I seiner »View of the American U. S.« (1795) sogar eine Reihe von Tabellen, in denen die Gewichte' von über 100 ameri- kanischen und europäischen Tieren vergleichend nebeneinander gestellt sind ! 156 Alt- ^iid neuweltliche Kulturpflanzen. O.Peschel stellt in seiner Völkerkunde folgende Vergleichs- liste alt- und neuweltlicher Kulturpflanzen auf: Alte Welt. Neue Welt. Mehl- und Hülsenfrüchte. Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Mais, Mandiokka, Kartoffel, Hirse, Negerhirse, Buchweizen, Chenopodium, Quinoa, Batate, Kafirkorn, Reis, Linsen, Erbsen, Mezquite, Igname (?). Wicken, Bohnen, Igname. Obstsorten der gemäfsigten Zone. Rebstock, Äpfel, Birnen, Pflau- Catawbatraube. men, Kirschen, Aprikosen, Pfir- siche, Orangenarten, Feigen, Datteln. Pflanzen mit Faserstoff. Baumwolle, Flachs, Hanf, Maul- beerbaum (mit dem Seidenwurm). Gewürze/ Pfeffer, Ingwer, Zimmt, Muscat- VaniUe, Spanischer Pfeffer, (Cap- nufs, Gewürznelken, Zuckerrohr, sicum annuum). Narkotica und Genufsmittel. Thee, Kaffee, Mohn, (Opium), Paraguay-Thee, Cacao, Tabak, Hanf (Haschisch). Coca. Versuchen wir es, diese Liste zu vervollständigen, die ganz besonders Nordamerika zu kärglich bedenkt, so ist in erster Linie zu nennen der Wasserreis (Zizania aquatica L.), der im Norden der V. St. überall nicht selten ist und besonders im Nordwesteü eine gewisse ökonomische Wichtigkeit erreicht, wo er das einzige Beispiel eines einheimischen Getreides bietet, dessen Menge ge- nügt, den Bedarf der gewöhnlichen Verzehrung zu decken. Er ist besonders häufig in den seeartigen Ausbreitungen der Flüsse des oberen Mississippi- und des Seengebietes, wo er schlammigen, lockeren Schwemmboden findet. Selten findet er sich in den abflufslosen Seen. Als Speise wird er dort sogar dem ächten Reis vorgezogen. Die Indianer ernten ihn im September, indem sie mit niederen Booten durch das Röhricht eines Reissees fahren und Nordamerikanische Nahrungsgewächse. 157 die Ähren in das Boot ausklopfen. Der Indianeragent von Leech Lake Minn. gibt für 1876/77 die Menge des von seinen Indianern gesammelten wilden Reises auf 35000 Pfd. an. Aufser diesen sind von Körnern besonders die Samen des Lupinus biennis ge- gessen worden. Die Wurzeln von Lewisia redivia, Apios tuberosa, Lupinus littoralis und mehreren Onothera- Arten werden von den Indianern und den ihnen nachahmenden Waldläufern gegessen. Die erstere soll getrocknet, wie Salep zu geniefsen sein und eine besonders grofse Nährkraft besitzen. Es gibt zwei Kastanienarten, deren Früchte genossen werden : Castanea americana in den mittleren und C. pumila (Chinquapin) in den Südstaaten. Im Norden tragen zwei Haselnufs- Arten (Corylus), im Süden einige Hamamelis- Arten (Witch-Hazel) efsbare Nüsse. Sülse Eicheln werden von Quercus castanea (die bis 43*^ vorkommt) und alba und von der Lebenseiche geerntet. Die Nüsse von Juglans nigra, cinerea (Butter-Nufs) und fraxinifolia, von Carya oHvaeformis (Pekan-Nufs) und anderen Hikory-Arten vertreten unsere Walnüsse, haben aber teilweise dickere Schalen und minder ausgiebige Kerne. Eine efsbare Nufs trägt auch Hamiltonia oleifera. Im Südwesten spielen die ölig-harzigen Fruchtkerne einiger Föhren, Pinons (Pinus edulis und monophylla) als Nahrungsmittel bei den Indianern eine Rolle. Die meisten in Mitteleuropa vorhandenen Beeren sind auch in Nordamerika und oft in mehrfacher Zahl vertreten. Endlich sind die Weinreben nicht zu vergessen, von denen verschiedene Arten in den V. St. wild wachsen ^). Darunter sind sehr frucht- reiche und wohlschmeckende Arten, die teilweise bereits in er- heblicher Anzahl angebaut werden. Die erfrischende Frucht von 1) Selbst in den Steppen des oberen Red. R.-Gebiets findet man zahl- reiche wilde Reben, die im Flugsande halb vergraben, aber vielleicht gerade durch diese wärmebergende Sandhülle um so fruchtreicher sind. Hunderte von Acres erscheinen wie Weinfelder. Long beschreibt sie als »so mit Früchten beladen, dafs jeder Teil des Stammes verhüllt ist« und die Früchte »unvergleichlich feiner als irgend eine andere einheimische oder fremde Traube«. Account of an Exp. to the Ro6ky Mts. 1823 n. 126. Man hat in den V. St. vorgeschlagen, diese Sandumhüllung künsthch zur Beförderung der Reife der Trauben herzustellen. 158 Nordamerikanische Podophyllum callicarpum (Mandrake, wilde Citrone) ward gegessen. Die von Diospyros virginiana (Persimon) gilt für vortrefflich. Der Damascenerpflaume gleicht die Icacopflaiime von Chrysobalanus icaco. Der Pawpaw oder Melonenbaum (Papaya vulgaris) liefert melonenartige Früchte, die man eingemacht ifst. Wilde Pflaumen- und Kirschenarten sind in mehrfacher Zahl verbreitet. Die Früchte des wilden Apfelbaumes sind nicht geniefsbar, wohl aber die von Pyrus coronaria (Grab- Apple). Im Südwesten werden die Früchte einiger Kaktusarten, vorzüglich von Opuntien (Tunas) und vom Riesenkaktus oder Saguarro (Cereus giganteus) gegessen. Von wildwachsenden Früchten in der Felsengebirgsregion und dem Grofsen Becken werden hervorgehoben die verschiedenen Arten von Pflaumen (besonders Prunus chicasa), vier Arten von Kirschen (die niedrige buschige Cerasus prostrata trägt vortreff- liche Früchte), Himbeeren und Brombeeren (Rubus deliciosus und triflorus) und Johannis- und Stachelbeeren (Ribes aureum und floridum), In Neu-Mexiko und W. Texas kommen zwei Maulbeer- bäume (Morus rubra und M. nigra) und mehrere Weinreben vor. Als ein für den Haushalt der Landbevölkerung im Norden wichtiges Erzeugnis wildwachsender Pflanzen werden wir den Ahorn-Zucker kennen lernen, der aus Acer saccharinum gewonnen wird. Die kalifornischen Indianer benützen unter dem Namen Panoche einen Zucker, der durch Blattläuse an Schilfblättern erzeugt wird, also ein mannaartiges Gebilde. Ferner den mehr nach Harz als Zucker schmeckenden, aber immerhin süfslichen Ausflufs aus der Zuckerföhre (Pinus Lambertiana), der auf serlich ganz mannaartig ist und auch von den in der Sierra lebenden Weifsen nicht ungern genossen wird. Als Salat und Gemüse werden die Blätter von verschiedenen Arten Leontodon, von Cheno- podien, Phytolacca decandria und Caltha palustris gegessen. Der Palmetto (Chamaerops Palmetto) liefert in seinen Blattknospen einen Palmkohl. Die Blätter von Agave americana sollen ab- gekocht ein schmackhaftes Gericht geben. Unter den efsbaren Pilzen, deren Zahl sehr grofs ist^), ist das Indianerbrot oder 1) Schwämme werden in den V. St, bis jetzt wenig gesammelt und ver- zehrt, es scheint sogar, dafs die Indianer die Elsbarkeit von einer grofsen Nahrungspflanzen. 159 Tuckahu (Lycoperdon solidum), ein bis zu 30 Pfd. schwer werden- der Pilz, hervorzuheben, der in den Südstaaten wächst und oft die einzige Nahrung der entflohenen Sklaven gebildet haben soll. Einige Ericaceen liefern in ihren Blättern einen Thee, der bei den Voyageurs und Waldläufern des Nordwestens sehr beliebt ist. So Gaultheria procumbens (Wintergrün), Arctostaphylus Uva Ursi (Bärentraube), Ledum latifolium (Marschthee genannt). Diese Leute haben überhaupt gezeigt, wie man die Gaben der Natur ausnützen kann. Sie haben eine Menge Dinge gegessen oder sonst benützt, an denen der kulturbeflissene Mensch achtlos vorübergeht. So erzählt z. B. Prinz von Wied (Reisen in das innere Nordamerika 1838. 471): »Zur Erfrischung brachten die Kanadier eine Menge des Pappelsplintes mit, welchen sie La Söve nennen, sehr gerne abschaben und aussaugen. Der Saft desselben hat einen angenehm süfslichen Geschmack, etwa wie Wassermelonen, und ist höchst erfrischend.« Thoreau erzählt von einem kräftigen Thee aus Cedernsprossen, den die »Loggers« in den Wäldern von Maine geniefsen. Übrigens hat sich auch bei Gelegenheit des Bürgerkrieges, als die Südstaaten von der übrigen Welt fast abgeschnitten waren, gezeigt, welche Schätze in dieser reichen Natur zu heben waren. Ein Charlestoner Arzt, Dr. Porcher, gab damals ein Buch heraus, in welchem alle nutz- baren Pflanzen des Südens aufgezählt sind. Wenn auch derartige Werke in der Pegel reich an Übertreibungen und unpraktischen Vorschlägen sind, so ist doch bemerkenswert, dafs 14 KafEee- und mehr als 20 Theesurrogate, 15 Brot- und 13 Faserpflanzen, 50 Pflanzen die Brechmittel, 100 die Farbstoffe liefern und 57 Narkotika aufgeführt werden M. Anzahl derselben nicht kannten, und doch sind efsbare Schwämme in der Waldregion des Ostens sehr häufig. Dr. C u r t i s zählt (im Rep. Agr. Dep. 1876 p. 79) allein aus Nord-Carohna 108 efsbare Schwämme auf. 1) Unglücklicherweise sind nur oft, wie C. Parry in Owens Geol. Report on Wisconsin (1852 I. 607) hervorhebt, gerade die nutzbarsten Pflanzen auf die für Menschen am wenigsten zugänglichen Plätze beschränkt, so der Wasserreis, die Cranberrys, die in Sümpfen, und die Huckleberries, die auf den unfruchtbaren Drifthöhenzügen des Nordwestens wachsen. 160 Nutzhölzer. Giftpflanzen. — Nutzbare Tiere. Der nordamerikanische Wald ist reicher an verschieden- artigen Bäumen als der mitteleuropäische und besitzt eine grolse Auswahl vortrefflicher Nutzhölzer. Die Wälder von Oregon und Kalifornien sind die schönsten der gemälsigten Zone. Von den Bäumen des Ostens werden 20 zum Schiffsbau verwendet, wäh- rend vielleicht 30 die Eigenschaften besitzen, welche sie in einer oder der anderen Gestalt in dieser Richtung verwendbar erschei- nen lassen. Nach der Klassifikation des Amerikanischen Lloyd gibt es darunter 10 Schiffsbauhölzer I. Klasse. Um auch das dem Menschen Schädliche nicht zu vergessen, seien von den Giftpflanzen der V. St. die gefährlichsten hervor- gehoben : Rhus toxicodendron, Poison Jvy ; R. venenata, Dog-Wood (nicht mit dem gleichnamigen prächtigen Strauch Cornus florida zu verwechseln); Cicuta maculata, Water Hemlock; Veratrum viride , Indian Poke ; Symplocarpus foetidus , Skunk Cabbage; Lobelia cardinalis, Indian Tobacco. Unter den eingeführten Pflanzen finden sich unsere wohlbekannten, weitverbreiteten alt- weltlichen Giftpflanzen Schierling, Stechapfel, Bilsenkraut, Nacht- schatten, Taumellolch. P e sehe 1 vergleicht auch Tiere, die wirklich gezähmt worden sind, und solche, von denen man vermuten darf, dafs sie hätten gezähmt werden können^): Alte Welt. Neue Welt. Rentier, Rinderarten, Kamel, Rentier, Lama, Vicufia, Nabel- Dromedar, Schwein, Elephant, schwein, Wasserschwein, Tapir, Hund, Katze, Schaf, Ziege, Hund. — Truthahn, Hocco- Rofs, Esel. — Haushuhn, Gans, hühner, Moschusente. Ente. Auch diese Liste läfst Vervollständigung zu, wiewohl beim Mangel wilder Pferde, Rinder, Kamele, Ziegen, Elephanten kein Zweifel sein kann, dafs mit nutzbaren Tieren Amerika viel weniger gut ausgestattet war als die Alte Welt. Man hat zwar vielerlei Züchtungsversuche gemacht, aber über Hund, Truthahn und Wildente ist man in Nordamerika nicht hinausgekommen. Man 1) Völkerkunde. 3. Aufl. 1876. 442. Der nordamerikanische Büffel. \Q1[ hat grolse Hoffnungen auf die Zähmung des Büffels gesetzt; heute muls man auf sie verzichten. Die Zähmung des amerikanischen Büffels (Bison americanus), die erfahrungsgemäfs möglich ist, scheint in neuerer Zeit nicht mehr mit derselben Aufmerksamkeit betrachtet worden zu sein wie in früheren Jahren, wo bei schwächerem Verkehr der Sinn mehr auf die Ausbeutung der dem Lande ursprünglich eigenen Schätze gerichtet war als heute. Einzelne Versuche waren schon von Indianern gemacht worden, so nach Woodhouse von den Kriek. Von Zähmung zum Zweck der Ackerarbeit und Milchgewinnung oder der Mischung mit zahmen Rindern liegen besonders aus der Zeit der ersten Besiedelung sichere Nach- richten vor, die sogar den ungemischten Büffeln als Zugtieren wegen gröfserer Kraft den Vorzug vor den Rindern geben, be- sonders beim Pflügen; als Milchvieh scheinen sie sich weniger bewährt zu haben und ihr Fleisch steht im Ganzen zurück hinter dem des zahmen Rindes. Die Halbblutrasse stand an Gröfse und Kraft vor den allerdings meist sehr verwahrlosten Rinderrassen der westlichen Farmer. Die Fähigkeit dieser Mischlinge, mit zahmen Rindern fruchtbare Nachkommenschaft zu erzielen, wird nicht angezweifelt: die Fruchtbarkeit der Halbblutkuh wurde von der besten Autorität behauptet^), während die des Halbblutstieres an- gezweifelt ward. Als ein Vorzug der Büffel erschien ihre gröfsere Schnelligkeit und die Fähigkeit, Hitze zu ertragen. In neuerer Zeit wurden die Herden der Büffel immer weiter nach Westen gedrängt und ist der Büffel in den V. St. dem Aussterben nahe. Gegenwärtig zählt man 635 wilde Büffel und 456 in Gefangen- schaft, zusammen 1091. Mit dem Elentier, hier Moose genannt (Alces americanus) sind gleichfalls Zähmungsversuche gemacht, aber doch mehr nur in spielender Weise. Bemerkenswert ist, dals die nordamerikanischen Hyperboreer das Rentier (Tarandus 1) Wickliffe in brieflichen Mitteilungen an Audubon and Bach- mann s. deren Quadrupeds of N. Am. 11. 52. Auf seine Angaben führt fast alles zurück, was seither in dieser Sache berichtet ward. Die ausführüchste Zusammenstellung alter und neuer Nachrichten über Zähmung des Bison americanus hat Allen in seinem obenerwähnten Werke S.215 bis 221 gegeben. Ratzel, Die vl St. von Amerika. ü \Q2 Hirsche, Hasen, Nagetiere u. ä. rangifer), das dem europäischen so ähnlich ist, nicht gezähmt haben. Der Edelhirsch oder Elk (Cervus canadensis) ist mit Er- folg gezähmt worden wie das Elentier. Eine Zeit lang wurde die Idee besprochen, öde Stellen, wie sie im nördlichen New York vorkommen, und welche beim heutigen Stande der Kultur selbst noch nicht mit Vorteil zur Viehzucht verwendet werden können, mit Edelhirschen zu besetzen. Ein gewisser Lorenzo Stratton, der mit Erfolg sich der Hirschzähmung gewidmet hatte, wies in einem Briefe nach, der 1859 durch die Blätter ging, dafs New York allein mindestens 100000 Elks auf ödem, unbenutztem Lande ernähren könnte. Die Anregung hat aber keine Folge gehabt. Als Jagd- tiere sind der kleine Hirsch (Cervus virginiana) und zwei Hasen- arten häufig. Der nördliche Hase (Lepus americanus), der gröfsere von beiden, zwischen dem 40. und 60. Breitegrad lebend, ist Waldbewohner. Der kleinere graue Hase (L. sylvaticus) ist am häufigsten in Gegenden, wo Lichtungen und dünner Wald mit einander wechseln, und soll erst mit den Farmern sich über die Prärien verbreitet haben. Das Tier ist unserem Kaninchen ähn- lich und richtet gleich diesem Schaden in den Pflanzungen an. In den sumpfigen Gegenden des unteren Mississippi-Gebietes kommt der Wasserhase vor. Florida hat seinen Sumpfhasen, und in den Steppen und Gebirgen des Westens gibt es noch eine ganze Reihe von Hasen. Von gröfseren Nagetieren war einst der Biber (Castor fiber), der aus den bewohnten Teilen der V. St. längst verschwunden ist, als Pelztier wichtig; ihn ersetzt die Moschusratte (Fiber zibethi- cus), welche gleich ihm ein Wassertier ist, das in Höhlen des Ufers wohnt. Von mehreren Eichhörnchen, besonders vom Fuchs- eichhorn, dem schwarzen und dem grauen, die gröfser sind als unsere mitteleuropäischen Arten, vom Stinktier (Mephitis virgi- niana) und von dem auf den Prärien zwischen 35 und 58 ^ n. B. häufigen Dachs (Taxidea americana), dem Wappentier Wisconsins, wird das Fell geschätzt. Dasselbe gilt von dem Waschbär oder Raccun (Procyon lotor), der zu den verbreitetsten unter den gröfseren und jagdbaren Säugetieren der V. St. gehört ; er ist in- dessen gleichzeitig eines der schädlichsten durch seine Vorliebe Raubtiere. Der Hund. 163 für den Mais. In den jungen, noch tierreichen Gegenden des Westens haben kleme Farmer den Maisbau früher seinetwegen auf- geben müssen. Die Grundhörnchen (Tamias) und Gophers oder Taschenmäuse (Saccomys) thun den Feldfrüchten Schaden wie bei uns die Hamster. Dasselbe gilt von dem murmeltierähnhchen Woodchuk. Gophers gehören zu den Feinden der Bewässerungs- dämme, die sie durch ihre Gänge und Löcher undicht machen. Vom Stachelschwein (Erethizon dorsatus) wird das Fleisch gegessen, ebenso vom Opossum (Didelphys virginiana). Von grofsen Raubtieren ist der Schwarze Bär (Ursus ameri- canus) in erster Linie zu nennen, der noch heute im Westen, vorzüglich in der oberen Mississippi- und Missouri-Region, nicht selten ist. Es beruht wahrscheinlich auf der Verwechselung mit einer helleren Art, dem sog. Cinnamom Bear (var. isabellinus), wenn man sogar den Eisbär in Wisconsin gesehen haben will. Der Grizzly (U. ferox) der Sierra Nevada und des Küstengebirges gilt für das stärkste und gefährlichste von den nordamerikanischen Raubtieren. Der Vielfrafs (Gulo luscus) kommt von Kanada über die Nordgrenze , ist indessen selbst in den nördlichsten Staaten wie Michigan, das einst nach ihm genannt wurde, selten. Vom Wolf gibt es den gröfseren, dunkelgefärbten Waldwolf oder Black Wolf (C. lupus) in der Wald-, und den Prärie wolf oder Coyote (C. latrans) in der Steppenregion. ^) Nur jener greift vom Hunger dazu getrieben, den Menschen an. Dagegen sind beide den Herden gefährlich und in den nördlichen Staaten sind Preise von 3 bis 5 D. auf den Wolf gesetzt. Der Fuchs der östlichen Staaten (Vulpes fulvus) ist dem unseren ähnlich, doch etwas kleiner, aber reichlich ebenso schlau. Dem Federvieh der Farmer stellt er eifrig nach und wird mit Leidenschaft gejagt. 1) Über die Abstammung des Indianerhundes von einheimischen Wolfs- arten kann kein Zweifel sein. »Ich habe, sagt Richardson (Fauna Bor. Am. 1829 p. 64), mehr als einmal eine Bande von Wölfen für die Hunde einer Indianerschar angesehen, und das Geheul beider ist so genau in der- selben Tonart hinausgezogen, dafs selbst das geübte Ohr des Indianers es nicht zu unterscheiden vermag.« Weitere Belege bei Darwin, Animals and Plauts under Domestication 1868 I. 21. 11* f j_64 Haubtiere. Vögel. Die Otter (Lutra canadensis), ist in Gestalt, Färbung und Sitten der unseren ganz ähnlich, ebenfalls Pelztier. Aus der Familie der Katzen ist der Panther (F. concolor) das gefährlichste; im Süden und Südwesten heimisch, streift er in den zusammenhängenden Wäldern, vorzüglich der Gebirge, so weit nach Norden, dafs er selbst in den Adirondacks nicht selten ist. Seine Nordgrenze ist bei 55 ^ n. B. Der Puma oder ameri- kanische Löwe (F. concolor) gehört dem Südwesten an. Die Wildkatzen, wie verschiedene kleine, kurzschwänzige Luchse genannt werden, gehen als nicht eben häufige Raubtiere durch die ganze Waldregion. Von grölserer Bedeutung sind indessen durch Nutzen und Schaden, die sie bringen, die wiesei- und marderartigen Raubtiere. Der Mink (Putorius vison), der bis V2 m lang wird, gehört zu den blutgierigsten Wieseln; er greift seine Beute auch im Wasser an , in welchem er sich mit seinen Schwimmhäuten nicht weniger geschickt bewegt als auf dem Lande. Sein Winterpelz ist gesucht. Das amerikanische Hermelin hat die Lebensweise unseres Wiesels. Der Fichtenmarder oder amerikanische Zobel (Mustela americana) gehört zu den geschätz- testen Pelztieren. Er kommt nur in den nördlichen Staaten vor und ist ausschliefslich Waldtier. Deshalb zieht er sich vor den Ansiedelungen zurück, während die anderen mit der Zahl der Hühnerhöfe und Ententeiche zunehmen. Vögel. Von den Vögeln berührt nur eine geringe Zahl die wirtschafthchen Interessenkreise des Menschen, wogegen viele be- deutend mehr als die Säugetiere zu den Eindrücken beitragen, welche die umgebende Natur auf ihn macht. Man kann ihnen eine im weitesten Sinn mehr ästhetische Rolle zuschreiben. Von den Raubvögeln nährt sich der gröfste, der weifsköpfige Seeadler (Haliaetus leucocephalus) vorwiegend nur von Fischen. Seine Spannweite beträgt 2 m. Er ist das Wappentier der Union, i) Sperber, Bussarte, Falken fügen höchstens, wie bei uns, den Hühnerhöfen Schaden zu. Die gröfste und kräftigste der zahl- 1) Über die Varietäten dieses für Nordamerikaner begreiflicherweise sehr interessanten Tieres ist viel gestritten worden. Vgl. I. A. Allen »What is the Washington Eagle?« in American Naturalist 1871. 524. Vögel. 165 reichen Eulen, die Ohreule (Otus vulgaris), raubt sogar aus- gewachsene Truthähne. Aasgeier (Cathartes atratus) kommen nur im Süden vor, wo sie wegen ihres vermeintlichen Nutzens durch die Aufzehrung des Aases vom Gesetze geschützt werden. Den Saaten schädlich sind vorzüglich die Häher (Jay, Arten von Cyanurus und Iphelocoma), von welchen einige sehr schönes himmelblaues Gefieder haben, die glänzend schwarzen Dohlen oder Saatkrähen, die Black Birds der Amerikaner (Corvus ameri- canus), der Crossbill oder Kernbeilser (Loxia curvirostra) und der Seidenschwanz. Dagegen gehören zu den nützlichen, als Insekten- und Würmevertilger , die Singdrossel oder der Robin (Turdus migratorius) und andere Drosselarten, der Blauvogel, Blue Bird der Amerikaner (Siala - Arten) , der Eang Bird (Tyrannus caroh- nensis), die zahlreichen Spechte, von denen der grölste der Schwarz- specht (Hylotomus pileatus) fast so grofs wie eine Krähe ist. Durch ihren Gesang beleben die Landschaft der Oriol oder Pirol (Icterus- Arten) , die Drosseln, von denen sechs Hauptarten und mindestens doppelt so viel Abarten unterschieden werden, der Spottvogel (Mimus polyglottus) , der indessen nur in den Süd- staaten häufig ist; dann der Blauvogel und Katzen vogel (Mimus carolinensis). Als der vorzüglichste Sänger des Nordens gilt der Reis vogel oder Bobalink (Dolichonyx oryzivorus). Zur Be- lebung durch ihre Farben und Beweglichkeit tragen in hervor- ragendem Mafse die kleinen Papageien des Südens (der einzigen nördlichen amerikanischen Art angehörend) , der Redbird oder Cardinal (Cardinalis virginianus) , die Prärielerche , Horned Lark (Eremophila alpestris) und die Feldlerche (Sturnella magna), die ungemein zahlreichen Staare, auch Black Birds genannt, unter denen der Kuhvogel (Molothrus pecoris) einer der bekanntesten, das Kolibri (Trochilus colubris), das die deutschen Farmer mit dem unpoetischen Namen Schnurrvogel belegen, die sog. deutsche Fahne, ein schwarzer Vogel mit rot und gelber Flügelbinde, end- lich die zahlreichen Schwalben bei, die besonders auch auf die Prärien den Ansiedelungen folgen und ganz wie bei uns zu den Freunden des Menschen gezählt werden. Zu den lautesten gehört ein Ziegenmelker (Anthrostomus vociferus), Whippoorwill , der 166 Vögel. Der Truthahn. in den Sommernächten unaufhörlich das Geschrei ausstöfst, von welchem er seinen Namen hat. Die Landwirte klagen über die geringe Zahl insektenfressender Vögel. Es wird angenommen, dals die heftigen Stürme unzählige kleine Vögel tödten. Der europäi- sche Sperling aber, der vor 1850 unbekannt war, wird heute als eine Schädlichkeit betrachtet. Von den gröfseren jagdbaren Vögeln ist der Truthahn heute nur noch in den Südstaaten häufig. Im Norden ist er schon seit etwa 30 Jahren ausgerottet. Er ist dunkler von Farbe und gröfser als der gezähmte ^). Die Tetraoninae, Grouse, erreichen ihre grölste Entwickelung in Nord- amerika. Coues zählt neun Hauptarten auf. Hieher gehören ver- schiedene Haselhühner, Buschhühner, auch fälschlich Partridges genannt, etwas gröfser als unser Rebhuhn, Waldbewohner. Das Präriehuhn, Prairie-Hen (Cupidonia Oupido) ist ungefähr von derselben Gröfse und häufig in der Prärieregion. Das eigent- liche Rebhuhn der Amerikaner, von ihnen Quail genannt (Ortyx virginianus), ist kleiner als das europäische Rebhuhn, gröfser als unsere Wachtel^ von vorzüglichem Fleisch. Der ausgiebigste Jagdvogel ist jedoch die Wandertaube (Ectopistes migratoria), welche in jedem Frühjahr in grofsen oft wolkenartigen Schwärmen 1) Die Herkunft des Truthahns (Turkey) ist nicht ganz klar, wiewohl über den amerikanischen Ursprung des Vogels kein Zweifel sein kann. Die Schwierigkeit liegt in der Abweichung der Eigenschaften des domestizierten Truthahnes von denen des wildlebenden Meleagris gallopavo, der im östlichen Nordamerika vorkommt. Es ist vorzüghch die Färbung, welche erhebUch verschieden ist. Seitdem indessen zuerst Gould und später auch die beste Autorität in diesen Dingen, Spencer F. Baird (Pacific E. R. Eep. IX. 618), einen im Südwesten Nordamerikas, und zwar besonders in Texas, Neu-Mexico und Arizona, und aufserdem in Mexiko vorkommenden wilden Truthahn, M. mexicana, beschrieben hat, der in allen Eigenschaften, ausgenommen nur die geringere Entwickelung der Fettlappen am Kopfe, mit dem gezähmten Tiere übereinstimmt, scheint die Annahme berechtigt, dafs der letztere von dem westamerikanischen und mexikanischen Truthahn abstamme. Damit stimmen übrigens auch die geschichtüchen Zeugnisse, welche keinen Zweifel übrig lassen, dafs aus Mexico der Truthahn von den Spaniern nach Europa, West- Indien und ihren Niederlassungen auf dem nordamerikanischen Festland gebracht worden sei. Der mexikanische Truthahn hat auch weifsHches Fleisch, wie der gezähmte, während das des wilden nordamerikanischen von dunklerer Färbung ist. Reptilien. Amphibien. Fische. 167 erscheint; sie ist wenig kleiner als unsere zahmen Tauben und sehr wohlschmeckend. An ihren Brutstätten in den Wäldern salsen sie einst zu Hunderttausenden bei einander, und manche Farmer mästeten mit den aus dem Nest gefallenen Eiern und Jungen ihre Schweine. An Sumpf- und Wasser vögeln ist in einem so wohlbewässerten Lande natürlich kein Mangel. Am häufigsten sind Enten, von denen die sog. Canvas Back (Fuhgula vallisneria) die geschätzteste, die im Gefieder schönste die Waldente (Aix sponsa) ist. An Schnepfen und Becassinen (Snipes, Woodcocks, Plovers: Gallinago-, Tringa-, Totanus-Arten u. a.) ist kein Mangel. Unter den Tauchern ist der Loom oder Wassertruthahn (Colymbus torquatus) der grölste und ein beliebter Jagdvogel der Seeregion. Reptilien. Von Krokodilen hat nur der Süden der V. St. zwei Arten, einen ächten Crocodilus und einen Alligator. Von Schildkröten kommen Riesenschildkröten an den Küsten der Südstaaten und aufserdem zahlreiche Emyden und Trionychiden (Weichschildkröten) in Süfswassern durch das ganze Gebiet vor. Mehrere davon sind efsbar. Von Schlangen sind vier Arten Klapperschlangen (Crotalidae) und die Mokassinschlange als sehr giftige hervorzuheben. Diese ist eine Wasserbewohnerin, wäh- rend jene anderen auf sonnigen Lichtungen, vorzüglich aber auf den höheren trockenen Punkten der Prärien und in den Steppen gefunden werden. Amphibien. Der Osten allein übertrifft weitaus Europa an Formenreichtum dieser Klasse. Für den Natureindruck ist es von Bedeutung , dafs die Stimmen der ungemein zahlreichen Frösche ganz anders tönen als bei uns. Die kleineren Arten lassen einen Gesang ertönen, der »einem Schellengeklingel oder dem hundertstimmigen Piepconcert kleiner Vögel« gleicht. Die gröfste Art ist der Ochsenfrosch oder BuUfrog, der einen dumpfen Ochsenlaut von sich gibt. Gegessen wird nur von den Negern eine äufserlich aalähnliche Sirenart des Südens. Fische. Der Reichtum an nutzbaren Fischen ist im Osten und Süden ein sehr grofser, während er in der Felsengebirgs- und pacifischen Region gering ist. Alles in allem genommen, 16g Fische. enthalten die Flüsse und Seen der Osthälfte Nordamerikas wohl nicht weniger Nutzfische als die von Nord- oder Mittel-Europa und grolsenteils gehören sie denselben Familien an. (Vgl. Bd. I. 409.) Am reichsten, viel reicher als in Europa, sind die Welse vertreten. Ihre verschiedenen Gattungen Amiurus, Hopladeles u. a. fallen durch ihre grolse Zahl und die Gröfse der Individuen für die Ernährung der niederen Klassen, besonders der Neger, stark ins Gewicht. Der weitverbreitete sog. Cat Fish ist in dieser Beziehung besonders wichtig. Von Barschen ist der kleine Yellow Perch, der bis ^k m lang werdende Pike Perch, dann Rock Fish, White Bass und Black Bass hervorzuheben. Die Bass- Arten (Roccus und Labrax) gehören zu den feinsten Fischen Nord- amerikas. Unter den Hechten ist zunächst unser Esox lucius als Great Pickerei, der in den Grofsen Seen vorkommt, dann Mascalonge und Common Pickerei zu nennen. Von den Lachsen beherbergen die .Gebirgsseen des Nordostens einige Seeforellen, die an unsere Saiblinge erinnern; aber grofse Wichtigkeit er- langen sie erst in den pacifischen Flüssen, wo sie massenhaft und in riesigen Exemplaren vorkommen. Die Weifsfische haben in einigen Corregonus-Arten der Grofsen Seen massenhaft vorkommende und sehr wohlschmeckende Vertreter. Shad ist ein berühmter Fisch dieser Familie, der in neuerer Zeit auch in Europa akklimatisiert wurde. Eigentümlich amerikanisch sind die Sonnenfische (Centrarchidae) , von denen Goggle Eye oder Rock Bass und Grass Bass häufig und nützlich sind. Die Muschel- tiere, an denen die Flüsse und Seen Nordamerikas so reich sind (vgl. Bd. I. 410), dienen den Indianern und Negern in grofser Ausdehnung zur Nahrung. Aber für die Weifsen sind sie von keinem Werte. Dafür beuten diese den ungeheueren Austern- reichtum vorzüglich der atlantischen Küste aus , die in dieser Beziehung von keiner europäischen erreicht wird, und die Austern sind, in zahllosen Formen zubereitet, durch die ganze Union hin ein sehr wichtiges Volksnahrungsmittel. Auf die See- fischerei wird noch zurückzukommen sein. Aufser auf den nahe- gelegenen Neufundlandbänken ist der Fischreichtum besonders grofs über kleinen Kalkstein-Bänken, Fishing-banks, die in geringer Insekten. 169 Entfernung von der Küste auf der ganzen Strecke zwischen Nord- Carolina und Florida auftreten. Insekten. Es seien nur die verbreitetsten unter den schäd- lichen genannt. Von Käfern wird ein Curculio den Blüten und Früchten der eingeführten Pflaumenarten so schädlich , dafs manchenorts die Zucht derselben aufgegeben werden mufste. Ein etwas dunkler gefärbter Gattungsgenosse des Maikäfers wird von Jahr zu Jahr in den besiedelten Strichen zahlreicher und durch seine dem Engerling völlig gleiche Larve den Wiesen, Kartofltel- und Rübenäckern gefährlicher. Der in dieselbe Sippschaft ge- hörige Coloradokäfer (Doryphora decemlineata ) ist seit einigen Jahren auch bei uns zur Genüge bekannt geworden. Den Zucker- rohr-, Kürbis- und Melonenpflanzungen wird ein kleiner schwarz- und gelbgestreifter Rüsselkäfer verderblich. Die schädlichen Forst- insekten kennt man noch nicht alle, aber sicherlich richten Bohr- larven von Holzkäfern unter den Nadelhölzern grofse Verwüstun- gen an. Der Cutworm, die Raupe eines Nachtschmetterlings, wird den jungen Maispflanzungen gefährlich und der Cottonworm, die Raupe der Motte Aletia argillacea, richtet jährlich für Millio- nen Schaden in den Baumwollpflanzungen an. Die Heuschrecken sind der Schrecken der Prärie- und Steppenfarmer. Ihre Scharen sind so grofs und gefräfsig, wie in Westasien oder Nordafrika. Die Hessenfliege ist der gröfste Feind des jungen Weizens. Mos- kitos u. a. Stechfliegen, besonders die Black Flies, sind in dem wasserreichen Lande mit heifsen Sommern eine grofse Landplage^). Stubenfliegen, Flöhe, Wanzen fehlen nicht. Man behauptet in Amerika, mit dem Fortschreiten der Kultur habe auch die Menge des Ungeziefers zugenommen. Glücklicherweise gilt diese Regel auch für einige insektenfressende Vögel, die man zu hegen und zu vermehren sucht. 1) In dem Bericht über eine Grenzvermessung lesen wir: Wegen der Menge der Black Flies haben die Arbeiten des Geodetic Survey in den wald- reichen Gebieten am S. Croix-Flufs erst Mitte Juli begonnen werden können. VI. Die Natur und die Volksseele. Das Verhältnis der Nordamerikaner zu ihrer Natur ist be- sonders eng. Je jünger ein Volk ist, desto grölser steht ihm die Natur gegenüber, in der es weiter verteilt und vereinzelt wohnt. Die Berührungspunkte mit der Natur sind um so zahlreicher, je weniger sich die Menschen untereinander 'berühren. Die wirt- schaftliche Ausbeutung hat nun noch einen wahren Kultus der Naturschätze hervorgerufen, der bei Vielen die breite Grundlage dessen ist, was sie Vaterlandsliebe nennen. Von der Bewunderung und dem tiefen Einflufs der Eaumgröfse ist schon gesprochen. Bei einem Volke, das einer jungfräulichen Natur noch so nahe ist, das von so mächtigen Szenen umgeben und in viel entschie- denerer Weise von seiner Naturumgebung abhängig ist als jedes in der Kultur ältere und dichter wohnende Volk, müssen nicht blofs die grofsen unmittelbaren Einwirkungen der Natur auf das Wirtschaftsleben vorausgesetzt werden, von denen wir viel zu sagen haben werden; wir werden vielmehr dem Einflufs dieser Natur auch auf dem geistigen Gebiet begegnen. Es fehlt trotz der vorwaltenden Einförmigkeit langer Linien, der charakteristischen Profile der weiten Räume, nicht an grofsen Naturszenen, die einen tiefen Eindruck auf die Phantasie machen. Ihr Einflufs ist in der Poesie und der Kunst zu erkennend, wo nicht nur die 1) Ch. Lyell, der in seinen Travels in North America (1844 I. 3) den Farbenreichtum nordamerikanischer Sonnenuntergänge hervorhebt, ist über die »Helligkeit der Atmosphäre« in New York erstaunt und meint, sie rege auch zur Verwendung von hellen, leuchtenden Farben in Kleidung und Möbeln an. (Vgl. auch Second Visit 1855. II.) Das Naturgefühl. Eeisen. Naturparke. 171 Natiirschilderung und Landschaftsmalerei mit Vorliebe gepflegt werden, sondern er macht sich noch mehr in der Liebe geltend, mit der jene Klassen, die sich geistigen Luxus erlauben können, der Natur entgegenkommen. Man reist viel und in den land- schaftlich begünstigten Gegenden der AUeghanies, der Meeresküste, der Seen und der Sierra wimmelt es von Naturfreunden, die in wochenlangen ürwaldwanderungen und Küstenfahrten die Natur kräftigst auf sich wirken lassen. Was wir Sommerfrische nennen, kommt immer mehr in Aufnahme, nicht blofs, wie früher, das träge Genuf sieben in grofsen Gasthöfen, sondern die gesunde Naturgemeinschaft in Farmhäusern, Blockhütten oder unter Zelten. Das »Summer-boarding Interest« , dem allein die ländliche Be- völkerung New Hampshires jährlich ca. 5 Millionen D. verdankt, wird neuerdings sogar in den Jahresbotschaften neuengländischer Staats-Governors als ein wichtiges bezeichnet. In den Städten wird grofser Wert auf ausgedehnte Parks gelegt, die naturgemäfs heute vielfach noch jugendlich sind und wegen ihrer Entlegenheit oft wenig besucht werden. Den Wider- spruch zwischen diesen kostspieligen Anlagen und der Verwüstung der viel grofsartigeren Naturparke, in denen man die hervorragend- sten Naturschönheiten des Landes den Eingriffen der Spekulanten und Ausbeuter preisgab, hat man spät eingesehen. Der so oft mit dem Rheine verglichene Hudson fliefst heute zwischen ent- waldeten Ufern, den Niagara umdrängt ein Industrieviertel u. s. w. Die rasche, rücksichtslose Ausbeutung wirft mehr nieder als sie aufbaut. Die häfslichen Bilder der mit Feuer gelichteten Wälder, deren Boden nur flüchtig bearbeitet und mit Steinen übersät ist, gehören zu den Charakterzügen der Landschaft. Zuerst wurde 1872 das unvergleichliche Ge3^sirgebiet des Yellow- stone samt seinen Umgebungen in der Ausdehnung von 9200 qkm zum Nationalpark erklärt*). Dann wurde das Yosemitethal als ein Nationalpark von 4000 qkm ausgeschieden. Eine Privatgesellschaft hatte im Adirondack-Gebirge ausgedehnte Gebiete gekauft, um sie vor der Entwaldung zu bewahren. Die Wälderkommission New Yorks schlug darauf der Legislatur vor, die »Wilderness« des Adirondack-Gebü-ges 1) Vgl. Bd. I dieses Werkes S. 282. 172 Naturgefühl und zu einem Nationalpark umzugestalten. Früher bedeckte das Gebiet 30000 qkm, ist aber heute auf 14000 durch Lichtung reduziert. Der Park soll die höchsten Berge und grölsten Seen umfassen. Der Ge- danke, die Umgebungen der Niagara-Fälle zu einem öffentlichen Park als Staatsdomäne zu erheben, ist zuerst von Lord Dufferin geäufsert worden, der dafür die Cooperation von Ontario und New York vorschlug. Governor Robinson von New York nahm diese Anregung auf und beantragte in einer Botschaft von 1880, dafs der Board of the State Survey mit der Untersuchung dessen zu beauftragen sei, was zum Schutze der FäUe zu thun sei. Der Geograph James T. Gardner, der die Lage mit Unterstützung eines Landschaftsgärtners prüfte, schlug die Enteignung einer Reihe von geschäftlichen Bauten vor, die besonders am amerikanischen Ufer sich angesiedelt hatten. Sein Bericht, der mit Bildern des unentsteUten Stromes und Photo- graphien der »disfigured banks, repulsive scenery« u. s. w. ausgestattet ist^) liefert den glänzenden Beweis für eine grofse Auffassung der Natur- schönheit und ihrer Bedeutung für ein Volk. In Massachusetts hat sich 1891 eine Gesellschaft gebildet, deren vom Staat anerkannter Zweck ist »to hold as trustees and to maintain for the public benefit beautiful and historical places and tracts of land«. Diese Bewegung greift immer weiter. Möchten die abgesonderten Landesteile imi nicht dem Schicksal der Indianer-Reservationen verfallen, deren Zweck ein noch viel edlerer war und an denen der Verkehr und der Landdurst rastlos und erfolgreich nagten und nagen. — In der Naturliebe öffnet sich eine ganz neue Seite der Volks- seele. Dieses Vermächtnis der angelsächsischen Ahnen ist unge- schmälert überkommen. Es liegt etwas Gesundes und Heilsames darin. Die geistige Eingewöhnung in dem neuen Lande und die seelische Verbindung mit ihm, das Einleben im höheren Sinn ist durch sie erleichtert worden. Die von der Ausbeutung der jung- fräuHchen Naturschätze in grofsartigem Stil unzertrennliche rohe Verwüstung und Verschwendung wird gemildert. Manchem deut- schen Einwanderer erwacht der Natursinn erst drüben und er verkennt dann die heimische Natur, die er nie so gekannt. AUe grolsen Dichter und Schriftsteller Nordamerikas stehen der- Natur nahe. Cooper, Emerson, Hawthorne, Bryant sind be- sonders ausgezeichnet als Naturschilderer oder tiefsinnige poetische Dolmetscher der Naturgeheimnisse. Über allen steht aber Thoreau, 1) Special Report of New York State Survey on the Preservation of the Scenery of Niagara Falls. Albany 1880. Naturschildening. ]^73 der Eremit und feurige Apostel der Natur und natürlichen Einfachheit. James Russell Lowell, einer der vollendetsten Gelehrten auf dem Htterarischen Gebiet und der feinste Essayist Amerikas, war ein ebenso grofser Naturfreund und hat in seinen Aufzeichnungen über neueng- ländische Vögel eine Fülle feiner Naturbeobachtungen niedergelegt. Auch ihm verflüchtigte sich angesichts der Natur alles Geistige »in einen grünen Gedanken im Grün gedacht«. Zu seinen schönsten Wer- ken gehört die Schilderung »My Garden Acquaintances«. »Moosehead Journal« geht in der Beschreibung der Gebirgs- und Waldeinsamkeit in den Spuren Thoreaus. Derselbe Sinn prägt sich aber auch in den minder bedeutenden Litteraturwerken und in der Tageslitteratur aus'). Wir kennen in der deutschen Litteratur kern Werkchen, das vergleichbar wäre an Vertiefung den 16 Briefen »Our Trees« (Salem 1891) von J. Robinson, in denen mit feinem Sinn die Bäume in den Umgebungen und Strafsen des alten Salem beschrieben werden. Jede Generation der Dichter und Schriftsteller der V. St. hat ihre bevorzugten 1) Die Besprechung dieser Verhältnisse hat, trotzdem sie offen liegen, selbst bei wissenschaftlichen Schriftstellern wahre Blüten von Oberflächlich- keit hervorspriefsen lassen. »Und in der That, mir scheint, sagt z. B. B. V. C o 1 1 a , dafs dieser Mangel an landschaftlicher Romantik bereits seinen Einflufs auf den Charakter der erst seit wenigen Jahrhunderten Eingewan- derten ausgeübt hat, die, fast von aller Romantik absehend, sich auf einer durchaus praktischen Bahn bewegen. Keine genufsreiche Schwärmerei zieht sie ab von den ernstgenommenen Geschäften des Lebens, zu denen dort auch die Jagd gehört. Wer reist in Nordamerika zum reinen Vergnügen? Der Ursprung des bezeichnenden Wahlspruches »go a head« liegt tief in der Natur des Landes begründet« (Deutschlands Boden 1854 II. 50). Soviel Worte, soviel Schiefheiten ! Dagegen haben einige deutsche und französische Schrift- steller, welche über nordamerikanische Litteratur schrieben, dem starken Vor- walten des Naturgefühles verständnisvoll Rechnung getragen, am meisten Spielhagen in seinen »Vermischten Schriften« (1868), A. Strodtmann in der Einleitung zur »Amerikanischen Anthologie« (1870) und Philaretes Chasles in seinen »Etudes sur la litt^rature et les moeurs des Anglo-Ameri- cains« (1851 S. 291). Der Kenner der nordamerikanischen Litteratur wird eher den Eindruck eines zu tiefen, oft fast krankhaften Naturgefühles, eines zu weit überschattenden Hereinragens der äufseren Natur empfangen als des Gegen- teils, und zwar nicht nur aus den bedeutenden, sondern mehr noch aus den 10 000 unbedeutenden Dichtern, welche die im Übrigen so materiellen Zwecken gewidmeten Spalten nordamerikanischer Zeitungen in einer bei uns unbe- kannten Ausdehnung unsicher machen. Übrigens scheint es Tocqueville zu sein, der die Fabel von dem Mangel an Natursinn bei den Nordamerikanern zuerst in Kurs gebracht. »La Dömocratie en Amörique« enthält Bd. 11 Kap. 17 und 18 in dieser Eichtung Aufstellungen, die bei diesem feinen Kopf und dieser Sachkennerschaft Staunen erwecken. 174 I^iß Natur im geistigen Leben der Nordamerikaner. Schilderer der »Outdoor World«. Heute werden die Schriften von J. Burroughs und C. .C. A b b o t am meisten gelesen^). Auch in der Wissenschaft wird, wohl nach englischem und schottischem Muster, die »Scenery« verständnisvoll gewürdigt. Beweis dafür ist ein Buch wie Haydens The Great West (1880), das hauptsächlich bestimmt war, die grolsartige Landschaft dem grofsen Pubhkum zu zeigen und in dieser Beziehung heilsam gewirkt hat. Es ist wohl auch bezeich- nend, dafs die beste Geographie der V. St. aus amerikanischer Feder, J. D. Whitneys United States (1889) einen Abschnitt »Scenographical« enthält, den wir in den europäischen Geographien in der Regel ver- missen. Der Mangel einer alten Geschichte und ihrer Denkmäler ist natürlich ein Grund der Verehrung, die man der Natur ent- gegenbringt. Erst seit dem Bürgerkrieg schwebt über hundert Ortlichkeiten des Ostens und alten Südwestens der geschichtliche Hauch. Man sucht einen Ersatz. Und da sind die alten Ulmen und Ahorne Neuenglands, die Riesensykomoren des Ohiothaies und die Mammuthcedern der Sierra älter als die älteste Spur europäischer Geschichte in Nordamerika. Von dieser selbst heute noch vielfach jungfräulichen Natur hebt sich alles viel kleiner ab. Es braucht dazu nicht der überwältigenden Naturbilder des Niagara oder Mississippi, der neuengländischen Felsenküste oder der dunklen Alleghanies-Urwälder, überhaupt nicht dessen, was man im landläufigem Sinne schöne oder grofse Natur nennt. Daran ist Europa allerdings reicher als Nordamerika; wenigstens sind seine Schönheiten mannigfaltiger und räumlich konzentrierter (vgl. die Landschaftlichen Schilderungen Bd. 1 S. 429). Es genügt jedoch vollkommen, dafs noch sehr viel ungezähmte und un- verdorbene Natur vorhanden sei, an die ein Geist sich an- schliefsen kann, der von menschlichem Treiben allein sich nicht ausfüllen lassen will. Und daran fehlt es gewifs nicht. Eine anziehende Naturumgebung gehört notwendig zur harmonischen Ausbildung des Geistes eines Volkes. Diese Annahme wird gegen- über einem rastlos thätigen Volke wie den Amerikanern doppelt berechtigt. Das intensive Ruhebedürfnis ist, ebenso wie die rastlose 1) Von J. Burroughs z. B. The Wake Robin, Winter Sunshine, Fresh Fields, von C. C. Abbot Wasteland Wanderings und Upland and Meadow. Wirkung der Naturerscheinungen auf den Geist. 175 Arbeit, ein Zug im nordamerikaiiischen Leben. Auch, für die Er- füllung dieses Bedürfnisses ist in den V. St. gesorgt. Dem Gebiete der V. St. fehlen ganz jene gewaltigen, un- berechenbaren Naturerscheinungen, denen man einen grofsen Einflufs auf die Entwickelung der religiösen Gefühle und des Aberglaubens zuschreibt, wie die Tausende hinraffenden Vulkan- ausbrüche und heftigen Erdbeben, die oft wiederkehrenden Über- schwemmungen. Wenn also Buckle sagt: »In den auf sereuropäi- schen Kulturländern war die ganze Natur verschworen, um die Phantasie zu erhöhen und den Verstand zu schwächen«, so gilt dies nicht auch von Nordamerika, das vielmehr zu jenen gehört, wo die »Naturerscheinungen darauf hinzielen, die Phantasie zu beschränken, den Verstand hingegen kühn zu machen und so den Menschen mit Vertrauen auf seine eigenen Hilfsmittel zu er- füllen«. Entschieden thätige Vulkane besitzen die V. St. nur in dem fernen Alaska, das doch nur als Kolonie gelten kann. Eine Region häufiger starker Erdbeben ist Kalifornien mit den an- grenzenden Teilen von Arizona und Nevada. Aber die bekannten Erdbeben von Neumadrid und Charleston erinnern daran, dafs der Osten von ihnen nicht frei ist. Die gefürchteten Tornados der Süd- und Weststaaten erreichen zwar nicht die Heftigkeit der tropi- schen Wirbelstürme, treten aber verheerender auf als in Europa. Kleinere Überschwemmungen sind häufig, angeblich in vielen Gegenden, z. B. in Neuengland, jetzt noch häufiger als früher. Da aber im Osten die hohen schneereichen Gebirge und die starken Gefälle mangeln, welche die Flüsse der Alpen, Pyrenäen, des Himalaya so gefährlich machen und im Westen der Wasserreich- tum nicht grofs genug ist, so sind die Hunderte von Quadratmeilen bedeckenden Überschwemmungen des unteren Mississippi die ge- fährlichsten. Sie kommen aber weder mit bestürzender Geschwin- digkeit, noch vereinigen sie sich mit plötzlich hereinbrechenden Sturmfluten. Die grofse Erscheinung der in Strömen sich hinauf- wälzenden Bore kennt keiner der Ströme dieses Gebietes. Die Feuersbrünste, welche die an Holzhäusern reichen amerikani- schen Städte mehr als die europäischen heimsuchen, werden auch in den Wäldern und auf den Steppen durch die Trockenheit und 176 Wirkung der Naturerscheinungen auf den Geist. die langandauernden Wärmeperioden des Klimas begünstigt. Die Wald- und Präriebrände sind grorsärtige Erscheinungen, werden aber nur in seltenen Fällen dem Menschen gefährlich. Das gröfste und unabweisbarste Übel, mit dem die Natur eines Teiles des Landes behaftet ist, das gelbe Fieber, könnte wenigstens ge- mildert werden durch Gesundheitseinrichtungen in den Städten des Südens. Eine dichte Abschliefsung gegen Westindien ist nicht denkbar. Aber selbst mit dieser in kurzen Zwischenräumen wieder- kehrenden Seuche gehört das Gebiet der V. St. im Ganzen zu den glücklichen Regionen, deren Natur einen malsvollen Charak- ter zeigt und den mittleren Grad von Thätigkeit entfaltet, der ebenso fern von der Starrheit des Eises als dem Überschwall der Tropen bleibt. Die Natur Europas hat dieses selbe glück- liche Mafs, das man mit grolsem Recht als die Vorbedingung einer stetigen und dauerhaften Kultur entwickelung betrachtet. In Nordamerika ist nur ein grolser Teil des steppenhaften Westens mit seinem extremen Klima von ihm ausgeschlossen. Auch kann man behaupten, dafs, was die geringe Entwickelung der Geistesrichtungen betrifft, die von jenen Erscheinungen begünstigt werden sollen, wie Aberglaube, scheue, gedrückte, unternehmungslose Gemütsstimmung, Schwanken zwischen Ex- tremen, der Geist des Nordamerikaners auf derselben Höhe steht wie der des Europäers. Gerade die Fähigkeit, die Natur durch Wissenschaft zu überwinden, hat der Nordamerikaner früh bewiesen. Benjamin Franklin und die Erfindung des BHtzableiters ! Ohne Beispiel steht in der Geschichte die seit Jahrzehnten in grofsem Stil arbeitende Untersuchimg des Bodens und Klimas des südlichen Nordamerika, die selbst ein so schwie- riges, schon räumlich unbewältigbar scheinendes Problem, wie die Bewässerung des dürren Westens, auf wissenschaftliche Grundzüge zurückzuführen beginnt. Erster Abschnitt. Die Rassen und Stämme Ratzel, Die V. St. von Amerika. 12 VII. Die Rassenprobleme. In der Mehrheit der Rassen hegt ein tiefer Unterschied zwischen den Ver- einigten Staaten und Europa 179. Bedeutung der Rassenfi-agen 181. Die soziale Schichtung und geographische Sonderung 182. Allmähhche Umgestal- tung der politischen Ideale 184. Wirkungen auf die innere Entwickelung und nach aufsen 185. Wer die V. St. als ein Land darstellt , das Enropa gleicht oder in jedem Falle, wo es anders ist, überragt, der hat jedenfalls die 7470000 Neger und Mulatten, 249000 Indianer und 109500 Chinesen und Japaner vergessen, die 13 % der Gesamtbevölkerung ausmachen. Wie ist es möglich, den tiefen Unterschied zu über- sehen zwischen Europa, dessen Bevölkerung fast ganz nur der einzigen weifsen Rasse angehört, und Nordamerika, mit seinen grofsen Minderheiten aus drei anderen Rassen, die grofsen geo- graphisch wohl umschriebenen Gebieten eine ganz andere Ent- wickelung anweisen als je Europa erleben konnte? Ist doch durch zwei Jahrhunderte die äufsere Geschichte Nordamerikas die Geschichte der Rassenkämpfe, in denen der einstige Besitzer des Landes , der rote Mann , ausgerottet und nach Westen ver- drängt wurde, und entfachte sich doch der verheerendste und gefährlichste aller inneren Kriege, den die Neue Welt gesehen, um die Anwesenheit der Negersklaven auf dem Boden Nord- amerikas. Und endlich haben wir in unseren Tagen aus der Chinesenfrage eine vollständige Umkehr der in den V. St. bisher über Einwanderung herrschenden Ansichten sich entwickeln sehen. Wir stehen erst am Anfang der Rückwirkungen, die diese Umkehr 12* j^gÖ Neue Entwickelungen und Aussichten noch mehr auf Europa als auf Asien üben wird. Sie wird aber sicherlich nicht hier stehen bleiben, sondern »wenn die nordameri- kanische Demokratie ihr Verhältnis zu anderen Rassen ordnen wird , wird sie sich gezwungen sehen , ihre politischen Theorien mit neuen Thatsachen in Einklang zu bringen. Sie wird hoffent- lich an der Wahrheit in der Lehre von der Gleichheit der Menschen festhalten, in der Anwendung ihr aber gewisse Be- schränkungen auferlegen» ^). Nach der Verdrängung und Ver- nichtung der Indianer, der Negersklaverei, der Hemmung der chinesischen Einwanderung werden wir auch noch der Entwicke- lung eines neuen Verhältnisses zwischen Weifsen und Negern beiwohnen , das die Form der Sklaverei vermeidet , aber das Wesen der Unterordnung, der gesellschaftlichen Schichtung nach Rassen beibehält. Wir beklagen in Europa die Länder, durch deren Völker die doch nur seichten Furchen der nationalen Gegensätze ziehen und bewundern das glückliche Land im Westen, in dem, kaum dafs die Frage der Negersklaverei durch einen furchtbaren Krieg gelöst war, die Chinesenfrage nach Repressions- gesetzen rief, während als chronisches Leiden die Indianer-Mifs- handlung immerfort an der Seele des Landes frifst. Deutsche und Tschechen, Magyaren und Romanen, Italiener und Serben werden auch in Zukunft, wie dereinst, ruhig miteinander leben können, sogar ihrer Verschmelzung stehen nur Vorurteile entgegen. Die drei Gruppen der »Farbigen« in den V. St. sind durch Bluts- unterschiede getrennt, deren Verwischung nur möglich wäre, wenn die weifse Bevölkerung tief herabstiege. Die Rassenmischungen sind nach allgemeinem Urteile heute im ganzen seltener als je. Der Auffassung , dafs die gemischten Rassen die kräftigsten, leistungsfähigsten seien , stehen die echten Anglo - Amerikaner zweifelnd gegenüber, denn sie sehen die Ergebnisse der Mischung mit Indianern und Negern und die drohende Einwanderung aus östlichen Ländern Europas. Das notgedrungene räumliche Zu- sammenrücken und die Emanzipation haben bei Weifsen und 1) Dies die Worte des besonnensten der politischen Wochenblätter der V. St., The Nation vom 16. JuU 1891. der Rassenpolitik. \^^ Negern in der letzten Generation immer nur den Wunsch ver- stärkt »to withdraw from contact«. Die Erfahrung hat gelehrt, die Rassenuntersehiede zu er- kennen, die man früher im gröfsten Teil des Landes unterschätzte oder gar nicht zugeben wollte. Jetzt erkennt man ihre Bedeutung an, ja man hält vielleicht den Blick zu einseitig auf sie gerichtet. Aus der Color-line, von der man früher sprach, ist jetzt die Race-age-Hne geworden, d. h. man erblickt auf der einen Seite die reife , auf der andern die der Erziehung und damit natürlich auch der Leitung noch bedürftige Rasse und unterscheidet den plastischen , unfertigen Neger von dem starren , einseitig ent- wickelten Chinesen. Die praktische Frage ist, wie die notwendige Unterordnung der einen unter die andere mit den Gesetzen in Übereinstimmung gebracht werden kann. Preise man nicht zu eilig die Abolition als ein grof ses Opfer , das die V. St. der Menschheit gebracht hätten. Von diesem Opfer wird manches Stück wieder zurückgenommen. Wir sehen, dafs dem befreiten Sklaven nach wenigen Jahren die Menschenrechte gekürzt werden, die man ihm zugesprochen hatte. Die Gleichheit ist ihm praktisch nie geworden, die Freiheit ist ihm in grofsen Gebieten durch Gesetze oder Einschüchterung verschränkt. Es entspricht dem Rückstrom der Meinungen, wenn in der theoretischen Diskussion der Rassenfragen neuerdings die Schärfe und Sicherheit vermifst wird, die einst in der Behandlung der Sklaverei-Frage hervortrat, die nur zwei Meinungen kannte, Sklaverei oder Abolition. Nur zum Teil kommt das von der Schwierigkeit des Problems. Man merkt vielmehr den Mangel der Absicht, tiefer in das Wesen dieser Probleme unterzutauchen , deren Tiefe nicht zu ermessen ist. Viele scheinen darauf zu warten, dafs die Zeit den Neger näherbringt. Bei näherem Zusehen würden sie erkennen, dafs die dreifsig Jahre Freiheit ihn fernergerückt haben. Die Er- ziehungsfanatiker stofsen auf die wirtschaftlichen Probleme und finden, dafs die Negerschulen nichts nützen, wenn die Lebenslage der Negerfamilien nicht besser wird. Zu den Gesetzen, die das Wahlrecht der Neger einschränken, schweigt die Menge, denn es ist nicht zu leugnen, dafs sie es mifsbrauchten, so lange sie freien X82 Sklavenfrage und Eassenfrage. Gebrauch davon machen konnten. Man kann leichter an dem grolsen Rassenproblem vorbeigehen, wenn es sich dergestalt in eine Anzahl von Aufgaben zerlegt. Mit der Sklaverei war es anders. Die hatte wegen der weiten räumlichen Ausbreitung als grofse Organisation in einem geschlossenen, politisch einheitlichen Gebiete konzentrierte Beachtung gefordert. Das im Mai 1892 angenommene Chinesengesetz steht auf einer Linie mit der einst berüchtigten Fugitive Slave Bill (s. u. S. 266) und umschlielst dazu eine offene Vertragsverletzung. Das öffentliche Gewissen hat sich doch dabei beruhigt. Diese Abfindung mit der Unmöglichkeit, in die Gesetze, die für eine Rasse gemacht sind, zwei oder drei andere Rassen einzuschliefsen, wird zu dauern- deren Einrichtungen führen, als die Sklavenbefreiung, die einst nur als Episode und Versuch erscheinen wird. In der Abolitionsbewe- gung waren Ideale mitwirksam, deren Sieg schon darum dankbar begrüfst wurde, weil er ein Triumph geistiger Mächte über mate- rielle Interessen war. Die Erhaltung des durch diesen Sieg erreichten Zustandes wird viel schwerer, wenn überhaupt, mög- Uch sein. Die Erfahrung, dals der Neger seitdem verwildert ist, wo er sich vollkommen selbst überlassen blieb, und dafs er thätig und nützlich ist, wo der Weifse ihm die Wege zeigt, kann nicht mehr bestritten werden. Gerade die Neger und Chinesen bewohnen geographisch wohl umgrenzbare Gebiete, alle anderen Fremden haben sich über das Land zerstreut und keine geschlossenen Verbreitungsgebiete gebildet. Nur jenen wächst also die Antäus-Elraft aus dem festen Verhältnis zur eigenen Scholle zu, die Grundbedingung irgend eines Grades von selbständiger Entwickelung. Als der Raum in der Nähe des atlantischen Gestades frei war, langten die Einwan- derer deutschen oder französischen Stammes — die einzigen, die damals in Betracht kamen — in zu kleinen Zahlen und zu weiten Zwischenräumen an, um über geschlossene Gebiete sich aus- zubreiten und sich zu behaupten. Auf dem Boden der V. St. ist den Franzosen nirgends die Bildung eines gedeihenden nationalen Ablegers gelungen, wie in Unter-Canada , und die Deutschen haben in Pennsylvanien sich zwar geschlossen erhalten, aber Rassengebiete und -bewegungen. 183 nicht ausgebreitet. Dafs Wisconsin nur eine europäische und speziell teutonische Provinz sei, ist eine Erfindung oststaatlicher Politiker. Aber der »Black Belt« in den Südstaaten ist eine grolse Thatsache, die noch immer gröfser wird. Es ist dabei zu beachten, dafs die drei farbigen Rassen in der Bevölkerung der V. St. viel beweglicher bleiben als die Weilsen. Bei ihrer grofsen Masse zeigen die Neger diese Eigentümlichkeit am deutlichsten. Alle paar Jahre entsteht eine starke Bewegung unter ihnen, die plötzlich Massen nach einer oder der andern Seite zieht, da- zwischen gehen aber langsamere Verschiebungen vor sich, die in der Sunune noch wirksamer sind, da sie immer entweder weiter Süd- oder südwestwärts führen und nach dieser Richtung auf- häufend wirken. Es ist sehr bezeichnend, dafs die auch unter den ärmeren weifsen Farmern seit 1891 grassierende Sehn- sucht nach einem Besitz in Oklahoma, unter den Negern be- sonders Tennessees im Sommer 1892 gleich eine Westwanderung hervorrief ^) , wie sie schon öfters dagewesen ist. Aus den Berichten über die Lage der Neger im Süden ertönt aber auch auffallend oft die Klage über die Schwierigkeit, Land zu werben. Derselbe weite Raum, der ein Naturboden der Rassenkon- flikte (s. o. S. 91), gestattet der Rassenabstolsung und -sonderung, sich frei zu äufsern. Es ist keine instinktive Scheidung wider- strebender Elemente, wenn der Neger sich südwärts zieht, der Indianer westwärts und der Chinese nur in den pacifischen Ge- bieten massenhaft auftritt. Die Bedingungen des Gedeihens sind für jede dieser Rassen weit verschieden und decken sich nirgends mit den Lebensbedingungen der Weifsen. Auch diese empfinden das Auseinandergehen als einen Vorteil, zu dessen Erreichung 1) Unter den Negern im westlichen Teile von Tennessee ist wieder die Oklahoma- Wut ausgebrochen und in den letzten Tagen sind mehrere hundert Farbige nach diesem vcrheifsenen Lande aufgebrochen. Die Farmer in Shelby und Tipton County sind nicht im stände, Arbeiter für die Ernte zu bekommen, und fürchten, dafs die Erträge ihrer Weizen-, Korn- und Baumwollefelder ungeerntet verfaulen. In vielen Fällen haben farbige Pächter ihre Ernten zu Schleuderpreisen verkauft, um das Geld zu der Reise nach Oklahoma zu bekommen. Westüche Post, St. Louis, W. A. 31. Juh 1892. 184 Wirkung der Rassen auf sie auch gelinden Zwang nicht scheuen. Die grausamen Indianer- transporte nach Westen sind bekannt. Und in Virginia oder Nord-CaroHna ersehnt man heute eine Bewegung wie in Alabama, wo »the black counties get blacker and the whites whiter« , aber sie ist derzeit noch unmöglich. Vielleicht könnte sie mit der verbesserten Auslegung der Menschenrechte einmal erzwungen werden, wenn nicht zu fürchten wäre, dals das Übel durch die Afrikanisierung eines grofsen wichtigen Teiles des Landes nur vergröfsert würde. Vor 30 Jahren hiels es in einer amtlichen Schrift: Die weifse Rasse ist dem Fortschritt der afrikanischen in ihrer Mitte nicht günstiger als sie der Dauer der Indianer an ihren Grenzen gewesen ist; in Zahl und Stellung der weilsen Rasse weit untergeordnet, ist die farbige, ob frei oder Sklavin, zu vergleichsweise rascher Aufsaugung oder Vernichtung be- stiromt^). Seitdem ist die Zahl der Neger nahezu um 60% ge- wachsen. Die Indianer waren in der Zeit ihrer ungestörten Existenz auf nordamerikanischem Boden wahrscheinlich nicht ein Zehntel so stark wie heute die Neger. Der Nordamerikaner fühlt wenigstens den Unterschied. Er sieht den Indianer mit freund- licheren Augen an als den Neger oder gar den Chinesen. Es ist in seinem Gefühle gegenüber der Rothaut eine Mischung von Mitleid und Bewunderung, Schuldbewufstsein und vor allem die Überzeugung, von ihr nichts fürchten zu müssen. Der rote Proletarier wird westwärts geschafft, wenn er unbequem wird, der schwarze ist nicht zu verdrängen. Er steht nicht blofs dem einzelnen Weilsen im Wege, der das Land für sich haben will, sondern er hemmt die ganze Kultur- bewegung. Diese träge Masse verzögert die notwendige Südbewegung der Kultur, Bevölkerungsanhäufung, Produktion und des Reich- tums, die nicht immer so nach Norden gedrängt bleiben w^ollen, wie es jetzt die drei Millionenstädte New York, Chicago und Phila- delphia anzeigen. Heute ist aber nicht mehr die Frage, ob diese Bewegung am 35. Parallel Halt machen mufs, sondern wie viel weiter nach Norden ihr die Hemmnisse entgegenwachsen. Virginia, 1) Eighth Census of the United States in 1860 (1864). Introduction p. 1 die innere Entwickelung. 185 das sich einst passend zur Erzeugung eines vortrefflichen angel- sächsischen Menschenschlages erwies, wie kein anderer Staat der Union, hat durch seine Negerbevölkerung die Kraft verloren, die ihm diesen Vorzug verlieh. Es bleibt mit den anderen Süd- staaten zurück. Wie sehr auch die Zunahme der Neger in den V. St. in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts in den Schatten gestellt ward durch das überwältigende Wachstum der Weifsen, so bleibt also doch ihre Einwurzelung in dem neuen Boden so gut Thatsache wie in Cuba und Brasilien. Ihr Wachstum in Nordamerika, Kanada nicht ausgenommen, steht in einem schneidenden Gegen- satz zu der Unmöglichkeit der Weifsen, sich auf afrikanischem Boden zu behaupten. tJnd kaum minder grofs ist ihr Unterschied von den Indianern und Chinesen, den beiden anderen farbigen Rassen auf diesem Boden. Die Neger sind neben den Indianern der einzige gröfsere Bestandteil der Bevölkerung der V. St. , der ohne jede nennenswerte Zuwanderung ist, und doch wächst ihre Zahl im Gegensatz zu den Indianern rüstig weiter. Die Chinesen dagegen leben, in ihrem nahezu familienlosen Zustand, nur durch die Einwanderung und können, wie die Erfahrung zeigt, durch deren Regelung nach Willkür gehemmt oder vermehrt werden. Nichts ist in dieser Beziehung lehrreicher als der Vergleich Kali- forniens, wo diese drei Rassen in beträchtlicher Stärke neben einander leben. Hier zeigt das Jahrzehnt 1880 — 1890 für die Neger eine Zunahme von 90 ^/o, für die Chinesen eine Abnahme von 4,6%, für die Indianer eine Abnahme von 24%. Ein Blick in die Zukunft gewährt uns also nicht das rosige Bild, das die nach Neigung und Gewohnheit optimistischen Nord- amerikaner zu erblicken glauben. Die Neger sind ohne alle Einwan- derung und trotz elender Lebensbedingungen in den schlimmsten Jahrzehnten nach der Abolition ruhig weiter gewachsen. Man spricht viel von ihrer Sterblichkeit und w^enig von ihrer grofsen Kinder- zahl. Die Hebung ihrer Lebenslage und Bildung kann nur ihre Sterblichkeit vermindern , ohne ihrer natürlichen Vermehrung Schranken zu setzen. Ihre Bedürfnisse werden immer viel kleiner sein als die der Weifsen, und über diese stumpferen Massen 186 ' Wirkungen der Rassenprobleme auf die werden kulturliche und wirtschaftliche Schwankungen, welche die Weilsen erschüttern, ohne tiefe Spur weggehen. Sollte nun gleich- zeitig die weifse Einwanderung zurückgedrängt werden, so wäre in kurzem die farbige Bevölkerung gegenüber der weifsen wieder im Wachsen und würde rascher zunehmen in dem Mafse als die Tendenz der einheimischen weifsen Bevölkerung, kleine Fa- müien zu bilden, von der Einwanderung frei sich zu entfalten vermöchte. Die wirtschaftliche Hebung des Südens und die Aus- breitung nach Westen sind beide nur geeignet, die Lebensbedin- gungen der Neger zu verbessern. Sind diese so schlecht, wie sie geschildert werden (s. u. S. 273), so mufs ohne Rücksicht, ob eine hohe oder niedere Sterblichkeitszahl der Neger für die Weifsen bequemer ist, Hand angelegt werden. Es ist eine Selbst- täuschung, in der Gegenwart der Indianer ein Bild der Zukunft der Neger zu sehen. Schon im Interesse der Menschlichkeit ist zu wünschen, dafs dem Volk der V. St. nicht eine Wiederholung des Schauspiels der Agonie einer Rasse geboten werde. Die Indianer- kämpfe und die ganze Indi.anerpolitik haben unermef suchen Schaden angerichtet. Die Verrohung des Volkscharakters durch ein lang- sames Hinausdrängen und Hinsterbenlassen eines noch viel gröfse- ren Volkes würde tiefer und weiter wirken. Die Wirkungen bleiben nicht auf die inneren Verhältnisse beschränkt. Der frühere Gesandte der V. St. in Hayti, Frederick Douglas, ein Mulatte, führt das Mifslingen der Verhandlungen über die Abtretung einer Schiffsstation beim Mole St. Nicholas an der Küste von Hayti darauf zurück, dafs in Hayti der Zu- neigung zu den V. St. das Unbehagen entgegenstand, womit man dort die Zurücksetzung der Neger in den V. St. betrachtete^). Die mildere und menschlichere Auffassung der Rassenunterschiede die jenseit des Rio Grande beginnt und in ganz Mittel- und Süd- amerika herrscht, hat seit dem ersten Versuch eines amerikanischen Staatenkongresses (Panama 1821) bis zu dem letzten (Washington 1889) sich als die tiefste Kluft zwischen den V. St. und dem ganzen übrigen Amerika erwiesen. Denn auch die Dominion, wo 1) North American Review 1891. 11. p. 454. innere Entwickelung und nach aufsen. 187 in Britisch Kolumbia und Manitoba die Farbigen längst stimm- berechtigt sind, befolgt eine mildere Indianerpolitik. Die Abneigung gegen die Chinesen hat die Gefühle der chinesischen Staatsmänner gegen die V. St. abgekühlt, die selbst in Kleinigkeiten, wie in dem Wunsche Li Hung Tschangs, junge Chinesen in Westpoint auf- genommen zu sehen, sich ablehnend verhielt. Da dieses Recht Japan und südamerikanischen Republiken gewährt wurde, glaubte man auch hier die Furcht vor dem Zurgeltungkommen des gelben Mannes, des »irrepressible Chinese«, auf nordamerikanischem Bo- den sich äufsern zu sehen. VIII. Die Indianer. Die voreuropäischen Bewohner Nordamerikas 188. Pacifische Beziehungen und Abgeschlossenlieit gegen atlantische Einflüsse 189. Eassen- und Charakter- merkmale 190. Gruppen und Völker 194. Ethnographisches 197. Schwächen der sozialen und politischen Organisation, die den Weifsen das Eindringen erleichterte 204. Statistik der Indianer in den Vereinigten Staaten 208. Ihr Rückgang an Gebiet und Zahl 210. Mischlinge 216. Die Beziehungen zwischen Indianern und Weifsen und die Indianerpolitik 218. Die Reservationen und das Indianerterritorium 224. Die voreuropäischen Bewohner. Die Entdecker und Kolo- nisten fanden in Nordamerika wie im ganzen übrigen Amerika Völker einer einzigen Rasse, sowohl bei der ersten Landung als bei den letzten Reisen zur Aufhellung der noch unbekannt ge^ bliebenen Gebiete. Auf alle konnten die Beobachtungen des Kolumbus auf seiner ersten Reise Anwendung finden, der die Bewohner der Inseln , die er sah , weder schwarz noch weifs, wohl gewachsen , mit Haaren fast ebenso grob wie Rofshaare, und als Leute ohne Eisen schildert, die ihre Speere mit Fisch- zähnen oder Steinklingen bewehrten. Braune, straft'haarige, eisen- lose Völker, das waren die Amerikaner von einem Ende bis zum andern. Diese Merkmale der Farbe und Haare verbinden sie mit den im Westen von Amerika, in Oceanien und Asien wohnenden Völkern, die man mit den Amerikanern als Mongolen- ähnliche (Mongoloiden) zusammenfafst. Dagegen weisen keine Spuren über den Atlantischen Ocean. Die Fahrt der Grönländer nach Vinland ist die erste Verbindung in dieser Richtung, von der wir Kunde haben. Alle Annahmen, die auf alte transatlan- tische Beziehungen zu Phöniciern , Juden , Normannen u. a. Die voreuropäischen Bewohner. Rassenmerkmale. 189 deuten, stehen in der Luft. Für unser heutiges Wissen sind die voreuropäischen Amerikaner, die »Natural Inhabitants« , wie die ersten Kolonisten in Virginien sie nannten, die Bewohner des Ostrandes der bewohnten Erde, des eigentlichen Orients der Ökumene. Der Einbruch Europas in Amerika, 1492 beginnend und in der Frist eines Jahrhunderts zur Gewinnung von mehr als der Hälfte des Erdteiles führend, brachte daher die gewal- tigen Veränderungen, die nach einer langen einheimischen, we- sentlich kontinental beschränkten Entwickelung die plötzliche Aufschliefsung einer Verbindung mit einem andern in ganz anderer Richtung fortgeschrittenen Teil der Erde bedingt. Ist doch die Wirkung dieser Schliefsung des Ringes der bewohnten Erde durch das Aufeinandertreffen der bis dahin weit getrennten entgegengesetzten Enden , d. h. der tiefst verschiedenen Glieder der Menschheit in einem Teile die völlige Vernichtung derer, die hier lebten, und im andern ihre fast leidend ertragene Umkne- tung in Mischrassen oder Völker von durchaus anderer, neuer Kultur gewesen. Eine lange Zeit abgesonderte Völkergruppe wird von einem solchen Einbrüche um so stärker heimgesucht, je un- gestörter vorher ihre Entwickelung gewesen. In Westindien waren auf einer Reilie von Inseln die Urbewohner vor dem Ablauf eines Jahrhunderts verschwunden. In Nordamerika blieb ein weiter Raum offen, in den sie zurückweichen konnten, und diese Be- wegung hatte im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts auf der ganzen Linie vom St. Lorenz bis Florida eingesetzt. Die Indianer wurden vom Atlantischen Ocean weg und landeinwärts gedrängt, und damit begann die bis heute fortgesetzte Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen und die daraus hervorgehende Vermin- derung ihrer Zahl in unaufhörlichen Kämpfen, die ein chroni- sches Übel am Körper des Staates sind. Die Schwäche, die sie dabei zeigten, ward die Voraussetzung der raschen Entwickelung der eingewanderten Völker. Rassenmerkmale. Im Knochengerüst des nordamerikanischen Indianers waltet ein stämmiger, untersetzter Bau vor; der Schädel zeigt bei verschiedenen Stämmen sehr verschiedene Verhältnisse der Breite und Höhe, die für die Rassencharakteristik von minderem Werte sind, als man lange glaubte, zumal die Sitte der künstlichen Umformung bei 190 Rassenmerkmale. Indianern sehr verbreitet ist. Langschädel gehören bei ihnen zu den Ausnahmen, Meso- und Brachycephalie wiegen vor. Die breiten Joch- bogen der Mongoloiden kehren bei den Indianern wieder, wogegen der hohe Nasenrücken Adlernasen entstehen lafst, die den Breitnasen der asiatischen Mongolen stark entgegengesetzt sind. Die Kieferbüdung erreicht die Prognathie des niedrigsten Negerschädels selten und erhebt sich nicht bis zur Orthognathie des Kaukasiers. Der nordamerikani- sche Indianer steht an Muskelentwickelung hinter dem bedeutend stärkeren Neger und geübteren Em'opäer zurück; in früheren Zeiten, wo er noch kampfgeübter war, übertraf er beide in Ausdauer und in Schärfe der Sinne. Es sind das die überall wiederkehrenden Unter- schiede des Kultur- und Naturmenschen. Die Lidfalte, welche die Augen- öffnung geschützt erscheinen lälst, ist häufig ebenso scharf ausgeprägt wie bei den schhtzäugigsten Mongolen, aber oft ist das Auge weiter geöffnet , der Blick freier, kühner. Das Auge selbst ist dunkel , sein Weifses trüb. An Mund und Nase tritt die Fleischigkeit hervor, die besonders in den wulstigen Lippen oft einen sehr bezeichnenden Aus- druck findet, wie von einer überflüssigen, die Züge vergröbernden und vertierenden Masse. Die Gesichtsform ist durch die starke Entwickelung der Kiefer- und Mundteile und durch die Niedi'igkeit der Stirn oft nach unten verbreitert. Die weich anzufühlende Haut ist an den bedeckten Teilen schwach oder gar nicht behaart, und der Bart ist schwach. Die Hautfarbe variiert von Schmutziggelb durch die verschiedenen Schattierungen von Hellbraun bis Rotbraun. Das Haar ist schhcht, grob und tiefschwarz. Im Gesichtsausdruck findet man heute leider gar oft früh- zeitige Ausschweifungen, Entbehrungen und die Verzerrungen und Er- schlaffungen durch Branntweingenufs ausgeprägt. Auch in früheren, besseren Zeiten werden die Gesichter der Jäger- und Fischervölker die Spuren zahlreicher Entbehrungen, und bei den Kriegern der Strapazen getragen haben. Bei diesen ist der Ausdruck der Entschlossenheit oft bis zur Wildheit gesteigert. Aber öfter noch drückt sich nur eine brütende oder lauernde Stumpfheit aus. Meist läfst die starke Ent- wickelung der unteren Gesichtspartien jenen entschlossenen Ausdruck der Augen und der öfters stark vorspringenden Nase nicht bis zur Energie kaukasischer Gesichter gelangen. Die Ti-übheit des Blicks und die Niedrigkeit der Stirn machen den Ausdruck hoher Intelligenz selten. Wahrhaft energische und intelhgente Gesichter sind Ausnahmen in der überwältigenden Mehrheit von stumpfen, wilden und sinnlichen. Der platte, verschlafene Ausdruck der Mongolen kommt bei den pacifi- schen Stämmen häufiger zur Erscheinung als bei denen des Innern und des Ostens, die bisher das Material für die Konstruktion unseres typischen Indianers fast ausschhelslich geüefert haben. Indianercharakter. \^1 Der Indianercharakter ist gegensatzreich wie der aller un- verkünstelten Menschen'). Die Grundstimmung ist nicht die heitere des Negers. Der Indianer hat nicht die übersprudelnde Lebenskraft, die sich in Tollheiten Luft macht und an das Wesen aufgeregter Kinder erinnert. Es ist eher verschlossen und bis zum Schein von Stumpf- sinnigkeit düster. Die Förmhchkeit , die in den Verhandlungen der Indianer unter sich oder mit Weifsen eine so merkwürdige Rolle spielt, hängt teilweise damit zusammen, ebenso die Lust an Verstellung und die Selbstüberwindung in der Äulserung der Gefühle von Freude und Schmerz. Er ist eben deshalb nicht so unberechenbar, flölst mehr Achtung und Zutrauen ein. Aber freihch reilsen ihn die Leiden- schaften zu sehr unberechenbaren Thaten hin, und die Spielwut, die Trunksucht, die Rache verändern sein Wesen eben so gründhch wie bei den heilsblütigsten Völkern. Der zur Beurteilung seines eigenen Charakters so wichtige Mafsstab, mit dem er Recht und Unrecht und überhaupt die ethischen Verhältnisse milst, ist von den rehgiösen Vorstellungen ganz losgelöst. Der Begriff der Sünde tritt hinter dem des nur vom Beleidigten oder Verletzten bestraften Verbrechens zurück. Dieser Malsstab hat sich im Laufe der Zeit entsprechend dem all- gemeinen Niedergang der Rasse in ungünstiger Richtung verändert. In ÜberHeferungen und Erzählungen erscheinen Selbstverleugnung, Stand- haftigkeit, Tapferkeit, Uneigennützigkeit, Geschwister- und Elternliebe Ehrfurcht vor dem Alter, Freigebigkeit und Gastfreundschaft als lobenswerte Handlungen. Es ist dies die Moral einer von Natur mit edlen Trieben nicht unbegabten Rasse. Mut, Freigebigkeit und Gast- freundschaft sind nur von wenigen in Zweifel gezogen, konnten aber na- türhch immer nur von den Beobachtern wirklich in Erfahrung gebracht werden, die mit unverdorbenen und nicht zufälüg selbst in Mangel versetzten Stämmen in Berührung kamen. Nachdem die Weifsen einige Jahrzehnte im Lande verweilt hatten, war der Kampf ums Dasein für die benachbarten Stämme schon so heftig, dals für die Übung grofs- mütiger Tugenden gegen sie kein Raum mehr bheb. Früher kamen ohne Zweifel noble Charaktere unter den Stammeshäuptern den Euro- päern mit Vertrauen und Aufrichtigkeit entgegen, und Versprechen wurden gehalten. Später erlaubten die Übergriffe der Weifsen eine solche Haltung nicht mehr. Die Tugend der Wahrheitshebe scheint bei den Indianern, gleichwie bei anderen Naturvölkern schwächer ge- wesen zu sein, darauf scheint wenigstens die allgemein zugegebene Neigung zur Grolssprecherei und Übertreibung 2) schhefsen zu lassen. 1) Vgl. die Charakterschilderung des indianischen Kriegers in der Ein- leitung zu Cooper's The Last of the Mohicans. 2) Diese Sucht zur Übertreibung hat auch ihre ethnographischen Ee- sultate gehabt, denn manche der Überschätzungen, in die man mit Bezug X92 Begabung des Indianers. Indessen ist das eine bei Wilden, deren Geist nicht von der Gewohnheit ruhigen Denkens gezügelt wird, minder bedenkliche Untugend. Um so weniger fäUt sie in die Wagschale, als viele und darunter so vor- treffliche Beobachter wie Gen. Harrison und Heckewelder ilire Treue in der Freundschaft, Anhänghchkeit und dauerhafte Dankbarkeit mit hohem Lobe hervorheben. Dies sind schwerwiegende Formen von Wahrhaftigkeit. Auch über ihr grofses, den Europäern oft übertrieben scheinendes Ehr- und Selbstgefühl sind die zuverlässigsten Beobachter nicht im Zweifel. Die Empfindlichkeit gegenüber beschimpfenden Strafen und die Standhaftigkeit bei Martern und Todesdrohungen und noch im Tode selbst sind zuverlässig bezeugt. Der Indianer zählt nicht zu jener überwiegenden Masse der Naturvölker, die durch Verweichhchung in einer übergütigen Natur oder den Druck lastender Not schwach und feige geworden sind, sondern er ist eine von vornherein kräftige Natur, gestählt in einer Anstrengungen und Entbehrungen auferlegenden Umgebung. Unter ähnlichen äufseren Bedingungen wie unsere Urväter in den alten deutschen Wäldern lebend, erinnern sie in manchen ihrer Eigenschaften an sie. Der einst beliebte Vergleich beider ist nicht ganz von der Ober- fläche genommen, wie es überkiitischen Beurteilern scheinen mag, die vor dem Rassenunterschied nicht die Übereinstimmung vieler äufseren Bedingungen, vorzüghch des Klimas, des Lebens in einem weiten Waldgebiete , der kräftigen Naturanlage und der kriegerischen Neigungen sehen. Wie verschieden auch ihr späterer Beruf in der Weltgeschichte sein mochte, hier ist ihnen, gewissermafsen wie auf einem gemein- samen Durchgangspunkt, allen gemein die Stählung des Körpers und der Seele. Die männlichen Tugenden des Mutes und der Ausdauer haben sie beide bewiesen. Ehrgefühl, Anhänglichkeit, Dankbarkeit und Grofsmut finden wir nicht selten. Der auf dem Kriegspfad wan- delnde Indianer war vielleicht ein rücksichtsloserer Gegner als der Germane. Die Leidenschafthchkeit seiner Natur, das Übergewicht des Sinnhchen, das eigentliche Wesen des Wilden, das zum Teil in der niederen Rasse liegt, kam mehr zur Geltung. Reine Indianer haben in Nordamerika selten den Grad von Intelligenz gezeigt, der zur selbständigen Ausfüllung europäischer Kultur- formen notwendig ist. In Fragen der praktischen Politik haben sich einige ihrer Führer den Weifsen ebenbürtig gezeigt. Hervorragende Leute sind nicht selten aufgetreten, die im stände waren, die Gefahren, die das Leben ihres Volkes umgaben, seine Uneinigkeit, die vielfache Überlegenheit der Weifsen, die Verderblichkeit gewisser eingewurzelter auf die Volkszahl der Indianer in Nordamerika verfallen ist, führen auf grofssprecheriHche Angaben der Häuptlinge zurück. Geistige Begabung der Indianer. 193 Untugenden ihrer Stammesgenossen, wie des Trunkes, der Trägheit, des kui-zsichtigen Sondergeistes klar zu erkennen, und von denen energische Versuche zur Besserung ausgingen'). Aber sie scheiterten an der Stumpfheit der Masse. Wie bei anderen tieferstehenden Völkern bedingt nicht der absolute Mangel bedeutenderer Begabungen die In- feriorität, sondern ihre Seltenheit. So entscheidet auch bei den Indianern nicht das Vorhandensein einzelner Hochbegabten gegen, sondern es wirft im Gegenteil die Vereinzeltheit und Unvermitteltheit dieser Er- scheinung das Gewicht für die Minderbegabung der Rasse in die Wag- schale. Die Indianer Nordamerikas überragen an kühlem, ruhigem Denken die Neger entschieden, aber auch ihre Gedankenfäden sind kurz, der Einfiuls des Fühlens auf das Denken ist überwiegend, und die Wege zwischen Denken und Handeln sind daher häufig ver- worren und unberechenbar. Während ihre Gelehrigkeit im Jugendalter allgemein hervorgehoben wird, scheint auch bei ihnen beim Eintritt der Geschlechtsreife die sinnliche Natur sich auf Kosten der geistigen zu entwickeln. Ein Merkmal ihrer geistigen Thätigkeit ist der Bilderreich- tum. Die Phantasie greift der Logik unter die Arme und umgibt den schwachen oder hinkenden Gedanken mit schillernden Bildern, die freüich oft mit vielen Worten sehr wenig sagen*). Mit Recht hat daher vorzügHch die berühmte Beredsamkeit der Indianer eine sehr verschiedenartige Beurteilung gefunden, die keineswegs immer so günstig ausfällt wie bei den Enthusiasten^). Ihre Poesie benutzt dasselbe 1) S. Beispiele bei Waitz, Anthropologie HI. I. 221, 238, 283. 2) »Der Bilderreichtum des Indianers, sowohl in seiner Poesie als seiner Beredsamkeit, ist orientalisch, gedämpft und vielleicht verfeinert durch den beschränkten Kreis seiner thatsächlichen Erfahrungen. Er nimmt seine Bilder von den Wolken, den Jahreszeiten, den Vögeln, Tieren und Pflanzen. Darin thut er vielleicht nicht mehr, als irgend eine andere energische und einbildungskräftige Rasse thun würde, die gezwungen ist, ihre Phantasie durch einen engen Erfahrungskreis zu begrenzen; aber der orientalische Cha- rakter des Gewandes, in das der Indianer seine Ideen kleidet, so verschieden z. B. von dem des Afrikaners, ist bemerkenswert.« (J. F. Cooper, The Last of the Mohicans. Introd.) 3) Kein Urteil über die indianische Beredsamkeit finde ich der Wahr- heit so nahe kommend wie das Palfrey 's in der History of New England 1858 I. 31: »Man hat dem roten Mann die Gabe der Beredsamkeit zusprechen wollen. Niemals ist ein Ruhm leichter geerntet worden. Einige Anspielungen auf bekannte Naturerscheinungen und Gewohnheiten der Tiere machen fast seinen ganzen Schatz von rhetorischen Vergleichen aus. Nimmt man seine Gemeinplätze vom Berg und Donner, vom Sonnenuntergang und Wasserfall, vom Adler und Büffel, vom Vergraben der Streitaxt, dem Rauchen der Friedens- pfeife und dem Anzünden der Beratungsfeuer weg, so zeigt sicli das Material Katzel, Die V. öt. von Amerika. ^*^ 194 Das Wissen der Indianer. Material von Bildern zu einer losen und kunstlosen Aneinanderreihung. In den Sammlungen von Sagen und Märchen, die man veröffentlicht hat, finden wir, selbst mit Hinzurechnung aUes dessen, was fremd sein mag, nichts mehr als eine beträchthche Anzahl guter Einfälle, richtiger Sentenzen und treffender Bilder, kunstloser zusammengeordnet, als bei manchen anderen Völkern. Am besten gelingt es dieser springen- den Dichtungsart beim Märchen. Das Zufällige, Zusammenhanglose ist ihr wesenthcher Charakter, der nicht einmal das Hervortreten einer Lieblingsfigur erlaubt, eines nationalen Helden, um den die Mythen- dichtung ihre Ranken mit Vorliebe schlänge. In diesen Völkern fehlten die eigenthchen Träger der Dichtung, die Priesterkasten, die Sänger von Beruf. Das indianische Leben ist nach dieser Seite besonders arm. DasWissen der Indianer ging über die allernächsten Bedürfnisse nicht hinaus. Es gab Unterschiede in ihrer Zahlen- kenntnis, aber viele konnten nicht weiter zählen, als die Finger der Hand sie leiteten. Wiewohl sie fast jahraus Jahrein unter dem offenem Htnimel lebten, belegten sie wenige Sterne mit Namen. Die all- gemeinste Einteilung des Jahres hielt sich an das Reifen verschiedener Früchte ; es ist zweifelhaft, ob sie die Monate nach den Mondsphasen, und gewiXs, dafs sie keine Wochen unterschieden. Heilende oder schädliche Wirkungen gewisser Gewächse waren ihnen bekannt, sie waren geübt im Verbinden von Wunden mit Rinde und erweichenden Stoffen und wandten Schwitzbäder gegen Fieber und andere Übel an. Einige praktische Erfindungen der Indianer gingen sehr bald in den Gebrauch ihrer weifsen Nachbarn über. Das Schlagnetz, der cylindrische Korb, das sinnreiche Anlocken der Fische und ihre Tötung mit dem Speer gehören hierher. Ebenso gewisse Fallen für den Fang kleinerer Tiere, die Kunst, mit dem Gehirn eines getöteten Tieres seine Haut geschmeidig zu machen, die Schneeschuhe für die Winterreisen und zahllose kleine Künste und Fertigkeiten, die im beständigen Zusammen- leben mit der Natur erworben waren und die in jener für den Europäer rätselhaften Schärf ung der Sinne gipfelten, die aus den gleich- gültigsten Veränderungen und Bewegungen der Umgebung, die Züge der Menschen nicht ausgenommen, das Bedeutungsvolle herauslas. Die wichtigsten Gruppen und Völker der Indianer waren beim Eintritt der Europäer in die Geschichte Nordamerikas folgende: Algonquin, von Labrador bis zum Sakatschewan und zum Felsengebirge, dem Mississippi entlang bis zum 36." und an der ganzen seines Wortpompes auf eine sehr geringe Gröfse eingeschränkt. Seine besten Versuche zum Schlufsfolgern oder zur Überredung bestehen in der einfachen Erzählung von Thatsachen, die allerdings manchmal in sich selbst rührend genug sind.c Gruppen und Völker der Indianer. j^95 atlantischen Küste bis ziun 34." n. Br. herab wohnend, über- trafen sie alle anderen Stämme durch ihre weite Verbreitung. Die Europäer trafen mit ihnen von der S. Lorenzbucht bis zur Chesapeake- Bay zusammen. Die Keime der V. •St. sind in Neuengland, am Hudson und in Virginien in ihrem Gebiete gelegt worden. Ihre wichtigsten Ost-Stämme s. vom S. Lorenz waren: Micmac, Etchemin und Abenaki, [Neuschottland, Neubraunschweig, Maine]. Massachusett, Naragansett und Mohican, [Neuengland - Staaten] . Chinnakok und Montauk, [Long Island]. Minsi und Delawaren, [sw. vom Hudson R.]. Nanticoken, [Chesapeake Bay]. Powhattan, [Virginien]. Pampticu, [N. Karolina]. Die Nordstämme : Knistenaux, [zwischen dem Mississippi und der Hud- sons-Bay]. Kries, [n. von den Grolsen Seen]. Algonquin, [Ottawa R.], Tschippewäh oder Ojibwäh, [n. und w. vom Oberen See]. Pota- w^attamie, [Michigan-See]. Missiosigie, [n. vom Ontario-See] . Meno- monie [Green Bay]. Miami, Piankishaw, Illinois, [ö. vom Mississippi]. Saukie, Foxes, Kickapu. [am Mississippi zwischen 40 und 45" n. Br.]. Shawnie, [am Cumberland R.] Blackfeet oder Satsika, {am Saskatchewan und in Montana]. Cheyenne, [Platte R.]. — Inselartig umschlossen wohnten zwischen den Algonkinstämmen im 17. Jahrhundert von Montreal bis zum Miami die Hur on -Irokesen, mit den Hauptstämmen Huronen (Waiandot), Tionontate, Attiwandaronk, [Kanada] die fünf Nationen: Seneca, Onondaga, Mohawk, Oneida, Cayuga, [Staat New York]. Die Tuscarora safsen früher weiter s. und schlössen sich 1714/15 den fünf Nationen nach einem unglück- lichen Kriege an. Eric [Ohio]. Comastoga, [am unteren Susquehanna]. Meherrin, Nottowäh, [Virginien]. Für die ersten anderthalb Jahr- hunderte der Kolonien, aus denen die V. St. und Kanada erwachsen sind, war die Feindschaft zwischen den starken Irokesen des Hudson- gebietes und den zersplitterten Algonkinstämmen rings umher von gröfster Bedeutung. Sie erleichterte den Europäern die Fufsfassung unter den letzteren. Später hefsen sich die Huronen von den Franzosen, die Irokesen (im engeren Sinn) von den Engländern in ihre Kämpfe ziehen und spielten in dem kanadischen Grenzkrieg eine gewisse Rolle. Beide wurden dadurch so geschwächt, dafs die Weifsen daraufhin ihre grofsen Vorstöfse westwärts mit Erfolg beginnen konnten. Auch die Tscher okie, früher in den südlichen Alleghanies, jetzt im In- dianergebiet, sind entfernte Verwandte der Irokesen. Die Gruppe der Chahta-Muskokie umfafst zwischen den Süd- Alleghanies und dem Golf die Tschoctah und Tschickasah, ehist in Georgia, die Muskokie zu denen die Kriek und Seminolen, einst in Florida und Georgia, die Yamassie in Südcarolina, die Appalachen an der gleichnamigen Bucht und die Koschatta am Red R. gehören. Die meisten von diesen Stämmen sind zerspHttert oder in das Indianergebiet übergeführt. 13* 196 Gruppen und Völker der Indianer. Von den Tijnne oder Athapaska, die vom Westufer der Hud- sons-Bay quer durch den Kontinent bis zm- pacifischen Küste wohnen, gehören in unser Gebiet die Tlatskanai und Kwalhioqua, an der Mündung des Columbia, die Umpqua an der pacifischen Küste 43" n. Breite, die Hupa an der pacifischen Küste 41 ** n. Breite, die Wylackie s. vom Trinity, die Kenai oder Tnaina in Süd- und West- Alaska. Die südhch- sten Tinne sind Apache und Navajos. Dakota oder Sioux vom Mississippi w. bis zum Felsengebirge und vom oberen Missouri waren die mächtigsten Gruppen im Präriegebiet. Die wichtigsten Stämme waren: Sioux. Winnebago (Ochungaras). Iowa. Punka (Oponkas). Missouri. Osages. Kansas. Otu. Mandan. Minitari (Hidatsa). Upsaroka (Grows). Tutelos, [0. Kanada]. Quapaw, am Zusammenfluls des Ar- kansas und Mississippi. Arkansas. Shoshone (Schlangen-Indianer), im Felsengebirge, besonders im QueUgebiet des Missouri w, vom Snake Fl. Utah, [Utah und Colorado]. Pa-Ute, [am oberen Colo- rado]. Kiz (Tobikher), auf Missionen in Süd-Kahfornien. Kechi, [San Luis Rey (Kalifornien)]. Comanchen, Kaiowäh. [Teils im Indianerterr., teils auf dem Llano Estacado von Texas.] Moqui in den Pueblos n. vom Colorado Chiquito (Ark.)]. Arapahu, [Montana, heute grofsen- teils im Indianerterr.]. Seüsh, [von Montana und Idaho bis zum Stülen Meer]. Shushwap. Flatheads. Skitsuisuish (Coeurs d'Alene). Piskwaus. ClaUam. Lummi. Simiamu. Kowelitsk. Sanghus. Sahaptin, [zwischen Shoshone und Selish am mittleren Columbia und unteren Sknake R.]. Sahaptin (NezPerces). Walawala (mit den Dialekten der Yakama, Palü, Klikatat, Tairtla und Warm-Spring-Indians). Unter den Südwest-Stämmen sind zu nennen die Queres, [Acoma, S. Domingo u. a. Pueblos (Neu-Mex.). — Pueblos im engeren Sinn, [Isleta, Jemes, Taos, Tehua (Neu-Mex.)]. — Tonkawa, [Ft. Griffin (Texas)]. — Caddo, [Red R. des Süden und ö. Texas]. — Adaye (Adaize) und Chetimachas [n. vom unteren Red R. (Louis.)]. — Attacapa, [zwischen Red R. und Golf]. — Natchez, [am östhchen Ufer des unteren Mississippi]. Unter den zahlreichen Stänmien des pacifischen Gebietes sind die bedeutendsten die Ah t- Stämme. SquaUyamisch, [NisquaUy R.], Tschinuk, [von der Columbia-Mündung bis zu den Grandes Dalles]. Wayilatpu (Cayuse), Moleles, [N. Oregon]. — Kitunaha (Flatbows), [s. vom Kutenay oder Flatbow Fl.]. — Kalapuya, [am östhchen Ufer des Wülamette]. — Klamath, [am Klamath, jetzt Klamath-Reservation (43® n. Breite)]. Klamath oder Lutuami. Modoc. Shasta. Palaiks, [Pit R.]. Totutune, Yakon, [Küste von Oregon]. Tahlewah, [unterer Klamath]. Weitspek, [Einmündung des Trinity in den Klamath]. Ehnek, [Salmon. (Zufluls des Klamath)]. — Diggers (Stammesname un- bekannt), [am oberen Sacramento]. — Porno, [Küstenstrich zwischen Eel und Russian R. (Cal.)]. — Talatui, [am östlichen Ufer des unteren Ethnographische Merkmale. 197 Sacramento]. — Pujiini, Secumnes, Tsamak und andere Stämme am Westufer des Sacramento und am Feather FL] . — S. Raphael, [Bucht von S. Francisco (38" n. Breite)]. — Mutsun, (Rumsien, Achastlian), [Mission S. Juan Bautista, am Salinas R. in S. Carlos (Cal.)]. — Telame (Tatsche), [Mission S. Antonio bei Monterey (Cal.)]. — La Soledad, [gleichnamige Mission 35® n. Breite (Cal.)]. — S. Miguel, [gleichnamige Mission bei La Soledad]. — S. Luis Opisbo, [Küstensaum unter 35^40'. Angesiedelt]. — Kasuä, [Mission Sa. Barbara (Cal.)]. — Santa Cruz, [gleichnamige Insel (Cal.)]. Zuni, [gleichnamige Pueblos (Neu-Mex.)]. Ethnographische Merkmale. Die Europäer fanden in den Indianern Völker, die in vielen Künsten des praktischen Lebens hinter ihnen zAirückstanden. Sie lernten von ihnen den Maisbau, den Tabakbau, die Bereitung des Ahornzuckers, das Lichten des Waldes durch »Girdhng« und anderes minder Wichtige. Auch ist manche Ansiedelung der neu Eingewanderten im ersten Winter durch den Maisvorrat der Indianer vor Hunger bewahrt worden. Aber die Indianer waren doch in den Augen der Europäer arme und zurückgebhebene Leute. An- sammlung von Besitz, die Grundlage Jeder höheren Entwickelung der materiellen Kultur, fand in sehr geringem Mafse statt. Sie hatten nur Anfänge von Geld, ihr Verkehr und Handel war unentwickelt, und damit fehlten ihnen auch die Städte. Viele Schätze ihres Bodens kannten und nutzten sie gar nicht. Sie gewannen kein MetaU aus Erzen, sondern da wo sie es gediegen fanden, bearbeiteten sie es wie einen vortrefflichen Stein. Sie waren aber in der Verarbei- tung des Steines so weit fortgeschritten, dals man einige von ihren Waffen und Geräten mit dem Vollendetsten aus der prähistorischen Zeit Europas vergleichen kann. Sie hatten geschliffene Steinäxte von mannigfaltigeren Formen als Nordeuropa einst besafs, und den Feuer- stein bearbeiteten sie mit Meisterschaft. Der Tomahawk war in früherer Zeit eine oft mächtige Steinaxt (man kennt Exemplare von 30 cm Länge), die in einen gespaltenen oder von Natur gegabelten Stock ein- gesetzt wurde ; gewöhnhch trug er eine ringsum laufende Rinne behufs leichterer Befestigung. Man hat sogar Steintomahawks von gebogener Spatenform gefunden. Das berühmte Skalpmesser, früher aus Feuer- stein, war später ein rohes Metzgermesser europäischen oder amerika- nischen Fabrikats. Aber im Mangel des Eisens und der Feuergewehre lag eine grofse Schwäche der Indianer, che bei der Bedeutung der Jagd in ihrem Leben und den unaufhörhchen und immer weitergreifenden Kriegen mit den Weilsen verhängnisvoll wurde. Bogen und Speer kamen, trotzdem jener, ganz nahe verwandt mit dem asiatischen, kunstvoll gebaut ist, gegen die Waffen der Europäer auf die Dauer nicht auf. 198 Ethnographische Fig. 10. Geräte zur Jagd und Fischerei (Jagdhemd, Fischspeere, Fischpfeil mit Bogen, Angel, Schneeschuhe, Kahn). Merkmale. 199 Fig. 11. Waffen und Jagdgeräte (Lanze und Wurfspeer, Bogen und Pfeile, Holzkeule, Tomahawk [Steinaxt], Schild, Steinmesser, beschriebene Haut). 200 Jagd, Ackerbau Die Jagd war ihre Hauptbeschäftigung, auf sie zielte die ganze Ausbildung ihres Körpers und Geistes, ihr und dem Fischfang dienten die wenigen bemerkenswerten Erfindungen, sie bestimmte ihre Lebens- weise, und die Jagd war die Schule des Krieges. Aufser Afrika bietet kein Land der Welt so reiche Jagdgriinde wie Nordamerika. Der Reichtum an jagdbarem Wild war fast überall, die schwer zugänglichen Gebirge des fernen Westens vielleicht allein ausgenommen, grofs genug, um zahlreichen Menschen zur ausschliefshchen Nahrung zu verhelfen. Der Reichtum an grolsen und nahrhaften Fischen in den Flüssen und Seen, besonders am pacifischen Abhang, ist nicht zu vergessen. Das einzige Haustier des Indianers, der Hund , war der Jagdgefährte und wurde in seltenen Fällen als Zugtier benutzt. In Zeiten des Mangels afs man ihn. Der Fischfang wurde weniger an den Küsten als an den Flüssen und Binnenseen geübt. Die meisten der küstenbewohnenden Stämme gingen nicht einmal aufs Meer, um zu fischen. Sie verstanden nicht zu segeln. Aber die (jeschicklichkeit im Bau der Kähne war bei manchen bedeutend. Die einfachsten waren über ein Holzgeripp aus- gespannte Büffelhäute, bei den mit nicht furtbaren Flüssen selten in Be- rührung kommenden Mandanen und anderen Steppenstämmen wurden häufig Einbäume verwandt. Die Kähne aus Birkenrinde, die vor- züghch bei den nördhchen Stämmen in Gebrauch waren, erregten wegen ihrer Leichtigkeit und Elastizität die Bewunderung der Europäer, die sie nachahmten. Die Zubereitung der Häute ohne Gerbstoff und die Herstellung von ledernen Kleidungsstücken haben die weilsen »Waldläufer« ebenfalls von den Indianern gelernt. Die Beschränktheit des Ackerbaues und der Mangel jeghcher Viehzucht' sind die Hauptursache der geringen Zahl der Indianer Nordamerikas. Wir sehen, dals in den alten Ackerbauländern Mexiko und Peru der Weilse sich dem Indianer anpafst, um endhch mit ihm zu verschmelzen. Über diese Notwendigkeit hob die Europäer in Nordamerika die geringe Grölse der Indianerstämme und die Gröfse der Lücken hinaus, die zwischen ihnen klafften. Reine Ackerbauer oder Hirten fanden sich in Nordamerika nicht. Es gab zwischen den Grolsen Seen und dem Golf von Mexiko eine Reihe von Stämmen, bei denen die Weiber und Kinder regelmäfsig ein Stück Boden mit Mais oder Tabak, einigen Kürbissen, Erbsen, Bohnen und Sonnenblumen bestellten; aber es gab kein Volk, das hauptsächlich vom Ackerbau gelebt oder das mit Herden gezähmter Tiere die weiten Wiesen der Prärieregion beweidet hätte. Die Irokesen waren die eifrigsten Acker- bauer, die mit gemeinsamen Kräften ein Stück Gemeindeland an- pflanzten und in zahlreichen Vorratshütten den Überfluls der Maisernte für den Winter aufspeicherten. Der ganze Bedarf eines Stammes an Nahrungsmitteln wurde aber auf diese Weise nicht befriedigt, und das und Viehzucht. Sprachen. 201 Wachstum der Volkszahl blieb abhängig vom Ertrag der Jagd und des Fischfanges. A. Gallatin hat in seinen interessanten Notes on the Semi- civilized Nations of Mexico^) Berechnungen angestellt über die Volks- vermehrung, die ein solcher schwacher Ackerbaubetrieb zulassen kann, und er meint, dals wenn anf 10000 engl. Q.-M. fruchtbaren Landes eine civilisierte Bevölkerung von 1 Million ihre Nahrung zu finden verm()ge, dies beim Angewiesensein auf Wild und Fische wohl nur 10 000 möglich sein würde. Nimmt man nun an, dals diese durch Ackerbau ungefähr die Bedürfnisse der Hälfte der Bevölkerung zu befriedigen vermöchten, so bleibt doch eine Vermehrung darüber hinaus nicht möghch. Das massenhafte Vorkommen des Büffels, von dem man annimmt, dafs er einst dem dritten Teil der Indianer Nahrung geboten habe, hat die Not- wendigkeit des Ackerbaus vermindert. Der grofse Beerenreichtum der Wälder und Halden, die wilden Äpfel, Pflaumen und Kirschen trugen wesentlich zur Ernährung bei. Die Anthropophagie war im nördlichen Erdteil viel weniger verbreitet als im südhchen. Berauschende Getränke wurden erst durch die Europäer eingeführt und haben sich ungemein rasch verbreitet, aber das Rauchen von Tabak und anderen Kräutern kannten die Indianer vor ihnen. Während ein Teil der Indianer des Westens sich das Pferd aneignete und Ausgezeichnetes im Reiten leistete, wobei aber der Pferdediebstahl eine allzu grolse Rolle spielte, hat die Entwickelung der Viehzucht im fernen Westen einem andern Teil der Indianer Ersatz für den Büffel geboten; seit 1878 sind den Indianern über 18000 Rinder geliefert worden, und ihre Herden zählten 1890 154000 Stück. Die Neigutig zur Viehzucht ist offenbar gröfser als zum Ackerbau. Leider sind es auch die Rinder der Weilsen, die dem Indianer seit der Erschliefsung des Westens einen vorübergehenden neuen Aufschwung durch Viehraub verstatteten, nachdem die Vertil- gung der Büffel ihn nicht, wie Einige hofften, auf andere nützhchere Thätigkeiten als die Büffeljagd hingewiesen, vielmehr nur seine Not und Unruhe vermehrt hatte. Die Menge verschiedener Sprachen oder weit abweichender Dialekte hat die Indianer auseinander gehalten und den friedlichen Verkehr mit den Europäern erschwert. Die im Baue ähnlichen Sprachen einer und derselben Sprachgruppe werden von den ver- schiedenen Stämmen, die einer solchen Gruppe angehören, tiicht ver- standen. Die Algonkinsprachen weichen mindestens so weit von ein- ander ab wie die verschiedenen Zweige des germanischen Sprachstammes. 1) Transactions of the American Ethnological Society 1845. I. 193 ; vgl. auch History of the Agi'iculture of the U. S. in Kep. Agr. Dep. 1866. 499 f. Über die Gründe, die dafür sprechen, dafs die amerikanischen Völker den Ackerbau selbständig entwickelten, s. Gallatin in denselben Transactions I. 207 f. 202 Schrift. Religion Dem gegenüber lag in der raschen Ausbreitung des Enghschen über das ganze atlantische Gebiet vom 45. bis zum 25. Grad ein deutlicher Vorzug der Eingewanderten. Auch die Schriftlosigkeit bereitete den Indianern nur Nachteile. Sie benutzten nur symbolische Zeichen zur Festhaltung bemerkenswerter Begebenheiten und zur Mitteilung von Nachrichten von Stamm zu Stamm*). In der Religion kehrt überall die Geisterfurcht und -Verehrung wieder, welche die gröfste Ein- wirkung auf das wirkliche Leben des Indianers üben. An die Geister richten sich die Opfer, Tänze, Zaubereien, von ihnen hängen Wirkungen ab, die ins Leben eingreifen, die man durch Amulete, besonders durch den im Leben des Indianers eine so grofse Rolle spielenden Medizin- sack, zu lenken sucht. Allgemein verbreitet ist die Annahme, dafs dem Schutzgott des Geschlechtes eine Tiergestalt zukomme, und Natur- gewalten wie Donner und Regen werden als Geister vorgestellt. Einen Sonnenkultus von mehr oder weniger deutlicher Ausprägung fand man bei den südlichen Stämmen. Viele Tiere wurden mit Ehrfurcht betrachtet, vor allen Biber und Klapperschlange, und Tiersagen und -fabeln bilden einen grofsen Teil dessen, was Literatur der Indianer genannt werden könnte. Viel ferner steht der Grofse Geist , der aUes geschaffen hat. Man stellte sich ihn häufig als einen Riesen- vogel (dessen Spuren an manchen Orten gezeigt wurden) vor. Seine Idee dürfte nur wenig .Wirkung auf das Denken oder Handeln zu auf Sern vermocht haben. Von einem Jenseits und von Jenseitiger Vergeltung finden sich dunkle Ahnungen, die, ähnlich wie so manche Äul'serung über den Grofsen Geist, teilweise christlichen Ursprung verraten. Den Priesterstand stellten in jedem Stamme ein oder mehrere Zauberer dar, die durch Musik, Geschrei, Berauschung, Ver- zückung sich in Kontakt setzten mit den Geistern und sie für Wünsche günstig zu stimmen suchten. Diese »Medizinmänner« erinnern an die Schamanen der nordasiatischen Völker. Das Christentum nahmen die Indianer nur langsam mit dem Mifstrauen auf, das ein so her- vortretender Zug in ihrem Charakter ist; dafs sie daneben noch immer am Glauben und den Gebräuchen ihrer Väter festhielten, be- weist die Thatsache, dafs viele von den Missionsindianern in Neu- Mexiko wieder in ihr Heidentum zurückfielen, als die Padres nach 2 Jahrhunderten christlicher Unterweisung sie sich selber überlassen mufsten. Und doch waren diese hier, wie in Kalifornien, erfolgreicher als im übrigen Nordamerika. Noch immer bewahren einige^ der 1) Richard Andree, der in »Ethnographische Parallelen und Ver- gleiche« (1878) ausführlich die Felsritzungen, Bilder und Inschriften der nordamerikanischen Indianer (286—97) beschreibt, hebt die »vielfache Über- einstimmung« der nordamerikanischen mit sibirischen Petroglyphen hervor. Bas Christentum bei den Indianern. — Die Moundbuilders. 203 Missiones von Kalifornien und der Pueblos von Neu-Mexiko in der Halbkultur, die ihre indianischen Bewohner zu nicht ganz unnützen MitgHedern der Gesellschaft macht , Reste der Einwirkungen jener wohlwollenden Erziehung. Die Wirkung der Missionen der verschiede- nen protestantischen Religionsgesellschaften war dagegen gering. Es ist nur eine Stimme über die geringen Ergebnisse dieser Bemühungen '). Die mährischen Brüder haben allein Bedeutendes geleistet. Man bedenke, wie sie beständig durchkreuzt wurden von den störenden Einflüssen wirtschaftlicher und pohtischer Konflikte. Einige der hervorragendsten Führer der östlichen Indianer, wie Tecumseh und Little Turtle, haben leidenschaftlich gegen die Einführung des Christentums bei ihren Stämmen gearbeitet. In die Indianeraufstände spielten öfters als die Weifsen ahnten religiöse Motive hinein, und besonders in jüngster Zeit hat der Glaube an einen Messias des roten Mannes, der ihm sein Jagdgefielde zurückgeben und mit Wild bevölkern werde, eine grofse Rolle gespielt. 1888 fand eine grofse Versammlung der Messiasgläubigen in Nevada statt, der Indianer von weither, auch von ö. des Felsen- gebirges, und selbst Weifse anwohnten, die diesem Glauben huldigen. Die Kulturunterschiede haben sich n. von Mexiko nicht grols genug gezeigt, um irgend einer Gruppe der Indianer eine gröfsere Widerstandsfähigkeit gegen das Eindringen der Weifsen zu verleihen. Seitdem man die Ansicht hat aufgeben müssen, dafs die sog. Mound- buüders ein Volk auf höherer Kulturstufe gewesen seien ^), erscheinen uns die Irokesen des Hudsongebietes als die in Ackerbau, Staat und 1) Der amtliche Bericht des Indianerkommissärs für 1875/76 gibt für die Reservations-Indianer, die einer der christlichen Sekten angehören, die Zahl von 27 215 an, also noch nicht Vio der heutigen Indianerbevölkerung, der für 1889/90 23650, von denen 15000 den sog. civilisierten Indianern des Indianergebietes angehören. Die Zahl wird als unvollständig bezeichnet. Jedenfalls ist sie beschämend klein. Fast in jedem Berichte wird über lang- same Fortschritte der Christianisierung geklagt. 2) Die Moundbuilders sind ein sagenhaftes Volk, das seine Existenz in der Vorstellung der Menschen der Notwendigkeit verdankt, einen Zustand zu erklären, der auch wieder wesentlich vorausgesetzt ist. Die besonders im Mississippi- und Ohio-Thal häufigen künstlichen Hügel (Mounds), Umwallungen u. dgl., sollen von einer einst dichteren und zur Herstellung grofser, wenn auch einfacher Denkmäler befähigteren Bevölkerung erzählen. Aber die Indianer, mit denen die ersten Entdecker und Ansiedler zusammentrafen, haben nach- gewiesenermafsen noch derartige Werke errichtet und die Waffen und Geräte, die man in diesen Bauten findet, sind primitiv. Man findet die ausführlichsten Nachrichten über diese Reste bei Squier and Davis, Ancient Monuments. New York 1848. Squier, Antiquities of the State of New York. Buffalo 1851. Lucien Carr, The Mounds of the Mississippi Valley. Cyrus Thomas, Mounds of the N. Sections of the United States (V^^ Report of the Bureau of Ethnology). 204 I^ie Schwäche der socialen und politischen Organisation. Krieg höchststellenden, die von manchen Stämmen des Golfgehietes und des südlichen Felsengebirges nur in einigen Künsten wie Töpferei und Weberei übertroffen wurden. Die ethnograpliisch reichen Nord- weststämme erreichen von Norden her nur eben noch das Gebiet der V. St. Wenn man von ihnen absieht, so herrschte eine grolse Ein- förmigkeit in der Ausstattung des Lebens durch das ganze südliche Nordamerika. Es standen wohl die Kalifornier am tiefsten; sie sind der Typus des ai*men buschmannähnlichen Naturvolkes in diesem Gebiet'). Ihnen reihen sich andere Stämme des Westens an, und die höher kultivierten Stämme zeigt uns erst der Osten. Die ackerbau- lichen Möglichkeiten des- Westens zu entwickeln, waren die Indianer weder geschickt, noch geduldig genug. Für den schon von Francis Drake erwähnten Goldreichtum Kaliforniens hatten sie keine Ver- wendung. Nur im Rio Grande- und Coloradogebiet war eine Anzahl kleiner in Oasen zusammengedrängter und geschützt wohnender Indianer zu Sefshaftigkeit und Ackerbau mit künstlicher Bewässerung über- gegangen. Die Waldnomaden Nordamerikas und Nordasiens zeigen in ihren verschiedenen Kulturstufen sehr deutlich den Einflufs der Lage, die in dem einen Fall Verbindung gewährte, während sie in dem andern isolierte. In Nordamerika läfst sich in der grolsen Zahl von Übereinstimmungen, die auch in Sprachverwandtschaft sich kund- geben, ein Vorwalten hyperboräisch-asiatischer Einflüsse im Norden fest- stellen, das nach Süden hin immer mehr abnimmt, bis in Mittelamerika südamerikanische Merkmale erscheinen. In Ermangelung eingehender Bestimmung der Grenze beider Gebiete legen wir eine vorläufige Trennungslinie auf der Landenge von Tehuantepec. Die Verbindungen nach Süden unterbrach der breite Einschnitt des Golfes von Mexiko, über dessen Gestade wir westindische Einflüsse nicht weit landeinwärts verfolgen können. Die Schwäche der socialen und politischen Organisation. Die Indianer Nordamerikas bildeten keine moderne Gesellschaft, die durch das Band der Zugehörigkeit zum Boden als Gemeinde und Staat verbunden ist. Sie setzten sich aus Geschlechtern (Clans oder Gentes) und Stämmen zusammen, deren Einheit in der Blutsverwandtschaft liegt. Schon in frühen Berichten der Einwanderer treten innerhalb der Stämme Geschlechter auf, die häufig irgend ein Tier (Totem der Algonkin) gewissermalsen als 1) Der sonst in Namengebungen nicht glückliche Instinkt der Yankees hat in der Benennung »Digger-Indians«, die er den kalifornischen Indianern beilegte, weil sie, statt den Acker zu bauen, mit ihren steinbeschwerten Grabstöcken Wurzeln ausgruben, eine ganze Kulturstufe treäend bezeichnet. Die Stämme und Stammesbünde. 205 Wappen führten und sich danach nannten. Heute wissen wir, dafs bei vielen nordamerikanischen Indianerstämmen eine Gentil- verfassung herrschte und zum Teil noch herrscht, die zu den altertümlichsten Gesellschaftsformen gehört. »Als Amerika ent- deckt wurde, gab es daselbst weder eine poHtische Gesellschaft, noch Staatsbürger, noch einen Staat« (Lewis H. Morgan). Dafs die an Zahl anfänglich so schwachen Europäer ohne starke Rück- schläge sich den ganzen Erdteil unterwerfen konnten, findet nur in der niedrigen politischen Organisation der Indianer seine Er- klärung. Zahllose blutsverwandte Gentes, einzelne Dörfer bildeten unabhängige Staaten, die auch einem leiseren Stofse nicht wider- standen. Indem ein blutsverwandtes Geschlecht sich vermehrte, teilte es sich in mehrere Gentes, die eine Brüderschaft bildeten, und mehrere Brüderschaften, die aus verschiedenen Gentes her- vorgegangen sind, bildeten einen Stamm. Die Stämme sind den fremden Beobachtern früher verständlich geworden , als die Gentes und vor allem die S t a m m e s b ü n d e , die höchste poli- tische Entwickelung voreuropäischer Zeit auf nordamerikanischem Boden. Der Stamm hatte Führerschaft, Gebiet und Namen gemein, und in der Regel waren seine Glieder durch Gleichheit des Dia- lektes verbunden. Im Stammesbund übertrugen sich diese Attri- bute auf ein gröfseres Gebiet. Einige solche politische Organisatio- nen höherer Art bestanden vor der Zeit der ersten europäischen Einwanderungen und kämpften zum Teil noch gegen sie. Die ein- zige von längerer Dauer und gleichzeitig die vollkommenste, war die der fünf (später der sechs) Stämme oder der Irokesen (s. o. S. 195), die sich durch einen Bundesrat von 50 Häuptlingen regierte, an deren Spitze zwei Oberfeldherrn standen. Neben dem Kriek- bund mit sechs, dem Ottawabund mit drei Stämmen, dem Dakota- bund der »sieben Ratsfeuer« gab es manche kleinere Verbindung und vorübergehende Bündnisse zu Angriff und Verteidigung. Man sollte meinen, dafs das in der Gentil Verfassung lebendige Prinzip der Blutsverwandtschaft die Abschliefsung von Bündnissen begünstigt hätte, aber die Neigung zur Trennung überwog, und die Bünde sind wahrscheinlich nur bei drohender Gefahr geschlossen worden. Nur ausnahmsweise wurden ganz fremde Stämme in einen Stamm 206 I>ie Gentilverfassnng. Der Krieg. aufgenommen, wie die von den Franzosen zertrümmerten Natchez in den Bund der Kriek. Damit waren also selbst die Stammes- bündnisse in ihrer Entwiekelung beschränkt. Die fünf Stämme besafsen zur Zeit ihrer Blüte den grölsten Teil der Gebiete des heutigen New York, Pennsylvanien und Ohio und griffen auf das Nordufer des Ontario über, aber ihre Volkszahl war sehr gering; es blieben immer nur die fünf Gentilstämme, denen man nicht viel über 20000 Menschen zurechnen kann. Die englischen Kolonien lernten von dem Bund der fünf Nationen keinen einzigen Indianer- häuptling kennen, der über mehr als 7 bis 800 Bewaffnete gebot. Die Zusammenfassung selbst dieser Kräfte in einer Monarchie war immöglich. Jede Gens stand der andern gleich. Im Stamm bildeten die Häupter der Gentes die Ratsversammlung. Im Bunde der Irokesen stand ein Rat der Sachem, die mit den Stammes- häuptern an der Spitze der Stämme standen, auch an der Spitze des Bundes, wo sie aber nach Stämmen abstimmten. Unabhängig von den Stämmen waren nur die beiden obersten Kriegshäupt- linge des Bundes. Kriege wurden in bestimmten Formen er- klärt, sofern es nicht blofs Streifzüge oder Überfälle infolge un- verjährter Fehden sein sollten. Ebenso wurde der Friede durch Begraben der Streitäxte, Austausch von Wampums, gemeinsames Rauchen der Friedenspfeife besiegelt. Die Kämpfe hatten den Charakter von kleinen Guerillakriegen. Rasche Züge, oft über Hunderte von Meilen, Überhstungen , Überfälle, Belagerung ein- zelner Dörfer oder Hütten, fast niemals offene Feldschlachten machten ihr Wesen aus. Menschenleben wurden im Kriege nur geschont wenn man sie zur öffentUchen Zutodequälung oder für die Sklaverei aufbewahren wollte. Mit der Annahme, dafs die Geister der erschlagenen Genossen beruhigt werden müfsten, spielten diese grausame Sitten io das religiöse Gebiet hinüber. Auch der Kannibalismus hatte wahrscheinlich in abergläubischen Vorstellungen seine Wurzel. Das Schicksal aller Völker Amerikas war mit der UnmögHchkeit besiegelt, von der gentilen Grund- lage sich loszulösen. Sie hatten den politischen Organisationen der Europäer nichts Gleichwertiges entgegenzustellen. Darum mufsten sie Land und Selbständigkeit an sie verUereu. Nicht blofs Die Familie. Eigentum und Land. 207 in den Zahlen war der Kampf kein gleicher, er bedeutete den Zusammenstols emes alten und eines neuen Systems der Organi- sation der Völker. Die Familie fiel mit der Gens zusammen. Bei den meisten Stämmen herrschte noch das Mutterrecht und Spuren von Weiber- herrschaft treten deuthch hervor. Nicht bei allen Stämmen sind die Frauen von den Versammlungen der Männer ausgeschlossen. Aber im ganzen ist die Frau des Indianers mit Strenge aus jeder höheren Lebenssphäre verwiesen, und die gemeinen Arbeiten des tägUchen Bedarfes fallen ausschliefslich ihr zu. Daraus folgt die für das Volk im ganzen verderbliche Brachlegung der Kräfte der ganzen einen Hälfte der Bevölkerung auf allen Wegen höherer Kulturentwickelung, und die einseitige Ausprägung des extrem männlichen, kräftigen, rohen und grausamen Charakters in dem ganzen Thun und Treiben des Volkes. Der Unterschied zwischen der Stellung der roten und der weifsen Amerikanerin ist der gröfste, den wir bei zwei im gleichen Lande wohnenden Völkern kennen. Die Herrschaft des Gentilsystems konnte einer beträcht- lichen Vennehrung des Volkes nicht günstig sein, und nicht erst die Verdrängung von den alten Lebensgrundlagen hat die kleinen Kinderzahlen der Indianer geschaffen. Die Clanhäuser fielen durch ihre Kinderarmut auf. Eigentum und Land. Die Rechts begriffe der Indianer ^A^chen weit von denen der Europäer ab. Der Schaden, der dem einzelnen zugefügt ward, traf das ganze Geschlecht. Aus der Einzelschuld ging die Blutschuld hervor, die den Irokesen un- verjährbar war. Das private Eigentum entwickelte sich erst aus dem allgemeinen. Das Feld gab gewöhnlich für gemeinsame Bearbeitung gemeinsame Ernten, ebenso der Jagdgrund ; daneben konnte nach Bedarf noch Einzelbesitz durch Anstrengung einzelner erworben werden. Die Begriffe von Eigentumsrecht waren streng innerhalb des Stammes, locker aufserhalb. Dafs der rasche Rückgang der Indianer an innerem Halt und äulserer Macht und Ruhe auch eine grofse Korruption der ohnehin mit denen der neuen Herrn nicht übereinstimmenden Rechtsbegriffe mit sich geführt hat, ist zweifellos. Weitaus das meiste Land 208 Die Zahl der Indianer. war Gemeineigentum und wurde nicht bearbeitet. Es gehörten dazu die Jagdgründe und die zwischen den Stämmen absichthch leer gelassenen Gren^öden. Diese leeren Stellen haben den Weifsen das Eindringen in oder vielmehr zwischen die Gebiete der Indianer erleichtert. Später, als es sich darum handelte, die Grenzen der Stammesgebiete in Verträgen mit den Weilsen zu bestimmen, wurden sie noch schädlicher, da sie genaue Grenz- bestimmungen unmöglich machten. Mifsverständnisse, Vertrags- verletzungen und immer neue Verträge gaben die Mittel, den Indianern ein Stück Land nach dem andern zu entziehen ^). Der schwache Halt der Indianer an ihrem Boden, der die Fest- setzung der Europäer begünstigte, kommt auch in anderen Thatsachen zum Ausdruck. Er wurde offenbar in den nicht immer erzwungenen Versetzungen ganzer Stämme über Hunderte von Meilen. Es fehlt aber auch nicht an geschichtlichen Zeugnissen dafür aus der ersten Zeit. Die Küste, an der 1620 die Pilgerväter landeten, die Neuengland begründeten, war durch eine Krankheit fast aller Bewohner beraubt worden. New Hampshire war durch Kriege entvölkert, als es 1622 zuerst besiedelt ward. Die Geschichte Marylands erzählt von den Indianern von Ysacomoco am Potomac, dafs sie ihr Land den Ein- wanderern (1633) so bereitwillig abtraten, weil sie ohnehin begonnen hatten, vor den gewaltthätigen Susquehanna ins Innere zurückzu- weichen. Die Kriege brachten Verschiebungen und Verminderungen und hatten schon vor der Ankunft der Europäer das Wachstum der Menschenzahlen zurückgehalten. Nur ein Beispiel: Die dreifsig Jahre, die Champlain unter den Indianern in Kanada zubrachte, währten ununterbrochen die Kriege, die nach seiner Meinung schon lange vor seinem Eintreffen — er begegnete ihnen zuerst bei einem Siegesfeste — zwischen Algonkin und Irokesen begonnen hatten. Die Zahl der Indianer. Die Indianer werden im Census der V. St.^) nur so weit berücksichtigt, als sie zu der » Constitutional 1) Nach den U. S. Senate Documents 1886 Appendix S. 95 habe ich die Geschichte der an Mifsverständnissen reichen Grenze der Witchita in »Die 'allgemeinen geographischen Grenzen und die politische Grenze« (Berichte d. K. S. Ges. d. Wissenschaften, Leipzig 1892) zu geben versucht. 2) p]ine Indianerstatistik gibt es erst seit 1850. 1847 bewilligte der Kongrefs zum ersten Male eine Summe von 5000 D., um das Indian Depart- ment in den Stand zu setzen, eine Zählung der Indianer der V. St. nebst Untersuchungen über ihre Lebensverhältnisse vorzunehmen. An der Spitze dieses Unternehmens, dessen Resultate in dem 1850er Census niedergelegt sind, stand R. Schoolcraft. Die Zahl der Indianer. 209 PopulatioD« gehören, welche die Gesamtbevölkerung mit Aus- nahme der nicht steuerpflichtigen Indianer und der Bewohner der Territorien umschliefst. Früher unterschied man auch noch eine »Representative Population« , welche die Sklaven nicht mit umfafste. Die indianische Bevölkerung der V. St. wurde 1890 zu 249 273 angegeben. Der vorige Census (1880) hatte noch 322 534 verzeichnet, so dafs wir einem Ausfall von 73261 oder 22,7% gegenüberstehen. Wenn man aber die Ergebnisse der dazwischen vom Indianeramt vorgenommenen Zählungen und die Zahlen der früheren Zählungen vergleicht, will diese starke Abnahme in nur 10 Jahren nicht plausibel scheinen. Sie ist sicherlich nicht, wie es zu geschehen pflegt, allein auf das Aussterben zurückzuführen, sondern sie birgt auch eine nicht geringe Zahl von Mischlingen, die später zu den Weifsen gerechnet wurden. Und an kritischen Bemerkungen über die Zahlen früherer Indianerzählungen fehlt es kaum in einem einzigen der Berichte des Indianer-Kommissars^). Die Zählung von 1890 wies 32567 Indianer mit Bürger- recht nach. Es sind die keinem gröfseren Stamme mehr an- gehörenden, die man als Bürger der V. St. von dem Augen- blicke betrachtet, dals sie sich von ihrer Stammesverbindung los- gelöst haben. Wenn auch die Mehrzahl von ihnen keine Steuer bezahlt, so werden sie doch bei den Zählungen den Non taxed Indians, die in ihren Stammesverbindungen auf den Reservationen leben, die ihnen die Regierung eingeräumt hat, als Bürger gegen- überstellt, von denen Steuern erhoben werden würden, im Falle sie im Besitz steuerbarer Dinge sich befänden. Ihnen schlielsen sich die ebenfalls ins Bürgerrecht aufgenommenen 8278 Pueblos von Neumexiko an. Auf Reservationen oder in Schulen, in beiden Fällen unter Aufsicht des Indianeramtes, befanden sich 133 382. Im Indianer -Territorium befanden sich die sog. fünf civilisierten Stämme, 64871 und unter ihnen wohnend noch 1418 fremde Indianer. Die Reste der sechs Nationen und verschiedene kleinere Stämme in New York zählten 5304, die Reste der Ost- Tscherokie in Nord-Carolina 2885. Mit 568 in Kriegsgefangenschaft 1) Vgl. z. B. den für 1890 S. 253. Über die Schwierigkeit der Zählung s. die Angabe des Agenten der Lower Brul^s im Bericht für 1877, S. 435. Ratzel, Die V. St. von Amerika. 14 210 Der Rückgang an Zahl und Gebiet. und Gefängnissen befindlichen Indianern gibt dies 249273. In Alaska wohnen 13 795 Indianer, 1568 Mischlinge und die Zahl der Eskimo schätzt man auf 8400. Man erhält also in runder Summe 273000 als die Zahl der jetzt unter der Herrschaft der V. St. lebenden Glieder der amerikanischen Rasse. Der Rückgang an Zahl und Gebiet. Die Indianer traten mü- der ersten Generation der Einwanderer mit überwältigenden Zahlen gegenüber. Wahrscheinlich standen schon am Ende des 17. Jahrhunderts alle Indianer ö. des Mississippi an Zahl hinter den Weilsen zurück. Würde man Bancrofts Annahme begründen können, dafs 1600 in diesem Gebiet nur 180000 Indianer ge- sessen hätten, so wären sie schon früher von den rasch sich ver- mehrenden Einwanderern übertroffen worden. Das Maximum be- trüge 1 V2 — 2 Mill. , die wir erhalten würden , wenn wir die der Kulturstufe entsprechende Dichtigkeit von etwa 0,5 auf 1 qkm unter Berücksichtigung der unbewohnbaren Gebiete voraussetzten. Aber es bestanden grofse Lücken zwischen den Stämmen, auf Grenzwildnisse und unbewohnte Jagdgründe fiel bei manchen wohl die Hälfte des Bodens. Gerade in Gebieten, die sich den Weilsen als ungemein fruchtbar erwiesen, haben die ersten An- kömmlinge Tausende von Quadratmeilen menschenleer gefunden. Das Problem : Wieviel Indianer lebten in diesem Gebiete, ehe es von den Weilsen betreten wurde? ist unlösbar, denn die Berichte der ersten Entdecker und Ansiedler, an die wir uns halten mülsten, sind ihrer Natur nach aufserordentüch unzuverlässig. Sie übertreiben in der Regel, denn sie sehen nur kleine bevölkertere oder vorüber- gehend besuchtere Teile eines grolsen Gebietes, wogegen die menschen- leeren Urwälder und Steppen vorerst von ihnen unbesucht bleiben. Wenn sie später ins Innere vordringen, ist bereits das Gleichgewicht der Naturvölker gestört, sie haben sich zurückgezogen, oder sich des Handels wegen angehäuft, oder es sind Kämpfe zwischen den beiden ausgebrochen u. s. f. Kurz, es dürfte kein schwierigeres Problem der Völkerkunde geben, als die Abschätzung der Zahl von Natur- völkern in einem grölseren Gebiete*). Auch in Nordamerika stehen aUen Schlüssen über das Zurückgehen der Indianer an Zahl und 1) Lt. Col. G. Mallery hat aus der Litteratur eine Anzahl dieser Schätzungen herausgehoben, deren Unzuverlässigkeit augenfäUig ist. Proc. Am. Association Advanc. of Science.. Nashville 1877. p. 340. • . Überschätzungen. 211 Macht, die Unsicherheit älterer und neuerer Nachrichten über die Volks- zahlen ihrer Stämme entgegen ^). Noch in neuerer Zeit sind ganz un- vollkommene Schätzungen veröffentlicht worden. Das Indian Committee des Repräsentantenhauses gab 1834 die Zahl der Seminolen zu 5000 an, während Präsident Jackson im darauffolgenden Jahr sie auf 2000, und der Kriegssekretär auf 3500 veranschlagte. Der Indian Report 1876 gibt 2553 von diesem Stamme im Indianergebiet an, während 475 in den Everglades von Florida leben, und andere nach dem Rio Grande ausgewandert sind. Im U. S. Census für 1870 werden die Indianer von Alaska auf 70000 geschätzt, während W. H. Dali im ersten Band der Contributions to N. American Ethnology^) nicht mehr als 25700 zusammenzählte. Die erste sorgfältige Schätzung aller Indianer der V. St., die Ende der 40er Jahre von Schoolcraft ausgeführt ward, kam zu 383 229 und aulserdem zu »25 bis 35000 in bisher unerforschten Regionen«. Eine sehr einflulsreiche Ursache von Täuschungen über die Vollcszahl der wilden Indianer Hegt in der Unbeständigkeit der Be- nennungen, die sie sich selbst, und der WillkürHchkeit derer, die andere ihnen geben. Powell und IngaUs bemerken, dafs der Name Pah-Ute von den Indianern blols auf den am Mud Creek lebenden Stamm angewandt werde, während die anderen von den Weifsen so genannten Paviotsu genannt werden und eine von der der Pah-Ute sehr verschiedene Sprache sprechen, die der dei' Bannock nahe ver- wandt oder vielleicht sogar gleich ist. Offenbar würde man unrecht thun, alle Indianer, die Pah-Ute genannt werden, auf dieselbe Reser- vation zu bringen. Mc Kenney und HaU zählen in ihrer »History of the Indian Tribes of N. America« 272 Namen auf, die in den älteren Werken Indianerstämmen beigelegt werden, deren wahre Träger aber nicht mehr zu ermitteln sind. Hierher gehört auch die Verschmelzung oder Aufsaugung der Stämme, deren Namen damit natürhch ver- schwunden sind. Die Reste der Natchez sind in den Kriek, die On- tagami in den Kickapu, die Hitchiti in den Muskoki aufgegangen. Die Uinta der gleichnamigen Reservation setzen sich zusammen aus Utah, Suivirit, Yampa, Pahvant und echten Uinta*). Es gab auch pohtische Gründe, um die Zahl der Indianer zu übertreiben. Den hochtrabenden Ausdruck Nationen oder Völker legten ihnen z. B. ihre Alliierten bei, wie J. F. Cooper von den Ii*oquois sagt: »Sie bestanden aus den Stämmen, oder wie ihre Alliierten sich auszudrücken liebten, um ihre Wichtigkeit zu steigern, aus den Nationen der Mohawks etc.«^) 1) U. S. Geogr. and Geol. Survey of the Rocky Mts. Region. 1876. 2) Vgl. auch Proc. Am. Assoc. Advanc. of Science. Nashville 1877. p. 553. 3) The Pioneers Kap. Vn. 14* 212 Überschätzungen. Die besonnenste Erörterung über die Zahl der Indianer von Nord- amerika zur Zeit ihrer ersten häufigeren und innigeren Berührungen mit Europäern findet man bei G. Bancroft*), der für die Zeit des ersten und zweiten Drittels des 17. Jahrhunderts in dem Gebiete ö. des Mississippi und s. des S. Lorenz und der GroXsen Seen nicht viel unter 180000 annimmt. Bancrofts Auffassung der Lage der Indianer in jener Zeit neigt eher zu geringeren als grölseren Zahlen. Weite Ge- biete sind von den Europäern, die sie unter den ersten besuchten, als Einöden beschrieben worden, so Vermont, der Nordwesten von Massachusetts, New Hampshire. Marquette sah keinen Menschen und nicht einmal eine Fulsspur in dem ganzen weiten Gebiete zwischen der Portage des Fox und dem Wisconsin und Des Moines-Fl. Auch die gebirgigen Teile der Carolinas scheinen menschenleer gewesen zu sein, ehe die von den Tscherokie aus Kentucky vertriebenen Shawnie sich dort niederlielsen. Auf alten Karten wird das Tiefland von Florida bis Mobile als menschenleer bezeichnet. Das salzreiche Ken- tucky war der Wüdpark der Tscherokie und in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts fanden die ersten Erforscher der Steppen jenseit des 38. Längengrades auf Gebieten von der Grölse Deutschlands nur wenige tausend Büffeljäger (vgl. o. S. 208). Ebendarum waren verhält- nismäfsig kleine Stämme weit verbreitet. Die fünf Nationen, die kaum mehr als 10000 Krieger zählen konnten, streiften von der Hudsons- Bay bis zu den Carolinas und vom Kennebec zum Tennessee. Herr W. H. DaU, der die Freundlichkeit hatte, mir seine der breiteren Be- gründung und der VeröffentHchung in hohem Grade würdigen Ansichten über diese Frage dai'zulegen, wendet sich hauptsächHch gegen die schematische Anschauung, die ganz Nordamerika als Gebiet einer ein- zigen Kultur auffafst, während mehrere, mindestens drei verschiedene Abstufungen in dem einheitlichen Grundtypus alt-indianischen Lebens unterschieden werden müssen, welchen auch verschiedene Dichtigkeits- grade der Bevölkerung entsprechen. Als allgemeine Gründe der ver- hältnismälsig dünnen Bevölkerung sind besonders zu beachten die bei der ünvollkommenheit der Ackerbauwerkzeuge unvermeidliche Be- schränkung des Ackerbaues und damit aller daran sich knüpfenden höheren Entwickelung auf die natürhche Lichtungen an den Flulsufern und auf gelegenthche kahle Höhenrücken, die Einschränkung der Wohn- sitze durch wirkliche oder mögliche Feindseligkeiten der Nachbarn, die Beschränkung des Verkehrs, der grofsenteils zu Boot auf Flüssen und Seen sich bewegte, da alle Lasttiere fehlten. Was die wandernden Jäger- stämme anbelangt, so folgten diese den jahreszeitlichen Zügen des 1) Hlstory of the United Sates Boston 1840. lU. 253. Die Erscheinungen des Rückgangs. 213 Wildes und der Fische und beuteten besonders Büffel und Elkhirsch aus. Sie konnten die trockenen Prärien und wüsten Ebenen des Westens nur an den Rändern betreten, hatten auch, so lange der Büffel die Waldregion bewohnte, keinen Anlals dazu. Erst die Einführung des Pferdes hat sie in diese Gebiete vordringen lassen. Auch wenn die Zahl der ursprünglichen Bewohner Nord- amerikas gar nicht überschätzt wird, bleibt ihr Rückgang eine grofse traurige Wahrheit. Er ist keine Eigentümlichkeit der Indianer. Sie teilen nur das Schicksal der Australier, Maori, Hottentotten u. a. Sehen wir von den schwer zu bestimmenden Zahlen ab , so finden wir in den V. St. die Indianer heute auf den dreifsigsten Teil des Landes, das sie einst besafsen, zurückge- gangen, und selbst dieser ärmliche Rest schwindet von Jahr zu Jahr mehr zusammen. Aus fruchtbaren Gebieten, wo sie zu gröfseren Zahlen anwachsen sollten, sind sie vertrieben, in ungast- liche Winkel zurückgedrängt, ihre gröfste Menge aber befindet sich dort, wo die Hilfsquellen am ärmlichsten, unregelmäfsigsten fliefsen^). Der 98. Meridian teilt die V. St. in eine fruchtbare Ost- und eine vorwiegend steppenhafte Westhälfte, dort waren bei der ersten Zählung die Indianer ungefähr zehnmal weniger zahl- reich, während die Weifsen umgekehrt hier ^h MilL, dort 23 Mill. zählten. In Kanada hat vor 10 Jahren derselbe Prozefs in den neuen Nordwest-Territorien begonnen, wo 1881 in den Anfängen der Besiedelung 2,3 Indianer und 0,6 Weilse und Mischlinge auf 1 Q.-M. lebten, während die Zahlen schon 1885 sich in 2,2 und 3 verändert hatten. Dafs den Indianern eine rätselhafte Neigung zu Krankheiten innewohnt, die sie frühzeitig sterben lassen oder ihre Vermehrungs- kraft schwächen, belegt jeder Bericht der 56 Indianer-Kommissare. Die SterbefäUe sind auch bei den unter Regierungsaufsicht lebenden, mit Ärzten, Lebensmitteln und Schulen versehenen Indianern in der 1) Schon dem flüchtig Reisenden gibt es zu denken, dafs man auf dem Wege von der atlantischen nach der pacifischen Seite des Kontinents (New York — S. Francisco) Tausende von Kilometern reisen kann, ohne einem Indianer zu begegnen. Die Hauptarterie des Westens zieht in ihre Nähe Amerikaner, Deutsche, Neger, Chinesen, nur die Indianer bleiben ihr fern, ebenso wie sie in den grolsen Städten fehlen. 214 Sterblichkeit. Summe zahlreicher als die der Geburten. 1891 betrugen jene 4762, diese 4128*). Dabei kommen Verhältnisse wie 1 : 6 vor, die ein ganz rasches Hinschwinden bedeuten. Bei Vielen liegt die Ursache in den weitverbreiteten Geschlechtskrankheiten und künstlichen Frühgeburten. Wertvolle Zahlen aus eigener Beobachtung bringt der Bericht des Superintendent of Indian Schools für 1890. Wii- heben für Washington und das nordwestliche Idaho die Angabe hervor, dafs dort seit 1880 nur ein einziger Stamm, die Nez Perces, zugenommen hat, während alle anderen von 1870 auf 1880 und 1890 von 19079 auf 15479, end- lich auf 12483 zusammengeschmolzen sind. Die Kritik, die dieser Beobachter an den Zahlen älterer Censusse übt, ist beachtenswert*). In dem Berichte der Indianerkommissare für 1871 sind 23 Agenturen aufgeführt , bei denen die Sterblichkeit gröfser als die Vermehrung durch Geburten ist. Der Agent der Round Valley Reservation (Kali- fornien) schreibt in seinem Bericht vom 1. Sept. 1876: »Es ist eine beklagenswerte Thatsache , dafs eine grofse Zahl der erwachsenen Indianer so sehr von venerischen Krankheiten inficiert sind, dafs sie sich nicht fortzupflanzen vermögen. Da viele alte Leute dai'unter sind, die wegsterben, nehmen sie rasch an Zahl ab.« Auf dieser Reservation lebten 1876 952, 1875 aber 1144, 126 waren weggezogen. 1891 werden nur noch 564 gezählt ! Auch Rheumatismus und Lungen- schwindsucht werden als häufige Todesursachen genannt. Die Berichte des Indianerkommissars bezeichnen die häufigen Erkrankungen der indianischen Kinder als eines der Hindernisse ihres Unterrichtes. Die 1887 veröffentlichte SterbefaUstatistik weist als häufigste Todesursache der Indianer Schwindsucht (287 p. 10001), Durchfall, Masern, Unfälle und Verletzungen vor. Entsprechend lauten die Berichte der Agentur- ärzte , die 1891 unter 1232 Todesfällen 456 an Schwindsucht ver- zeichnen. An Masern sterben bei den Weifsen 12, bei den Negern 24, bei den Indianern 62 von 1000. Als allgemeine Sterblichkeits- ziffer gibt der X. Census nach (unvollständigen) Angaben von Major Powell und einer Anzahl von Indianeragenten 23,6 p. 1000 an, die sich in Wirkhchkeit auf 30 erheben dürften 3). Diese Thatsachen und Ziffern heifsen so viel, wie : die Indianer sterben aus, soweit sie sich nicht der Civüisation so weit genähert 1) Es geht aus dem Bericht nicht hervor, ob auch die traurigste aller Zahlen der Indianerstatistik : Indians killed by Indians 30, by Whites 368, mit in die Todesfälle aufgenommen sind. Die 243 Branntweinvorkäufer, die das Indianer-Amt 1891 verfolgte, und die 1003 bestraften indianischen Verbrecher gehören jedenfalls auch mit in diese Statistik hinein. 2) LIX"> Report of the Commissioner of Indian Affairs. 1890. p. 253 f. 3) Xti» Census. Vol. XI. p. 38. Moralischer Rückgang. 215 haben, um für sich selber sorgen zu können. Den gröfsten Gebui-ten- Überschufs findet man bei den halbcivihsierten Indianern des Indianer- Territoriums , New Yorks, Iowas , Michigans, Wisconsins und der Ötidstaaten, den gröfsten Ausfall dagegen bei den schweifenden Indi- anern des fernen Westens , besonders bei denen von Kalifornien, Kolorado , Oregon , Utah , die in einem elenden Zustande zigeuner- mäfsig nomadisieren. Man kann schhefsen, dafs die der Civihsation weniger zugänglichen Indianer ziemlich rasch absterben werden, während von denen, die sich auf den Reservationen von der Regierung füttern und daneben im Ackerbau und den Handwerken, sowie in der Kunst menschenwürdigen Lebens unterrichten lassen*), einige Gruppen sich langsam vermehren dürften. Aber für die Rasse als solche bleibt das Endresultat im Ganzen und Grofsen immer dasselbe, denn mit der Annahme einer gewissen Kultur geht auch die innigere Berührung mit den Weifsen und die davon unzertrennliche Mischung Hand in Hand. Die gröfste Zahl von Mischlingen findet man natürhch bei den Stämmen, die sich am meisten den Weifsen angenähert haben. Die Rasse wird also nicht ganz durch Aussterben, sondern teilweise durch Mischung zu Grunde gehen , durch diese aber sehr lang- sam. Die Mafsregeln der Regierung können diesen Prozefs nicht auf- halten; die Indianer sind an Zahl und moralischem Gewicht zu un- bedeutend geworden und treiben willenlos im Strom der weifsen Kulturbewegung. Auch im moralischen Sinne haben die Indianer den Boden verloren. Statt der nützlichen Kulturerrungenschaften sind von ihnen verderbliche Auswüchse, besonders die ungeregelten und übermäfsigen Genüsse und Aufregungen, mit Vorliebe und in ihrem Gefolge aber auch verheerende Krankheiten aufgenommen worden. Als Heckewelder 1818 seine Nachrichten über die Geschichte, Sitten etc. der Indianer Pennsylvaniens schrieb, fand er es für nötig, um seine Schilderung gegen den Vorwurf der Übertreibung zu verwahren, hervorzuheben, dafs diese Indianer seit den letzten 40 Jahren so ausgeartet seien, dafs eine Zeichnung ihres jetzigen Charakters mit dem ehemaligen gar keine Ähnlich- keit haben würde. Gleichzeitig war hier ihi*e Zahl auf ungefähr ein Drittel gesunken. Der viel zu lange geduldete, ja in gewinn- süchtiger Absicht von manchen Agenten geförderte Branntwein- 1) 1891 gehörten 82 besoldete Ärzte dem Indian Service an. Auch für Pockenimpfung ist Sorge getiagen. 216 Mischlinge. genufs (s. u. S. 228) steht hier in erster Linie. Aber die ganze Stellung der Indianer ist der Zunahme nicht günstig. Sie sind weit zerstreut, von einander getrennt, ihre alten Stammesverbände zerrissen, die Möglichkeit des Lebens von den Gaben der Natur, vorzüglich durch Jagd, wird immer mehr beschränkt, die Mehr- zahl lebt von der Gnade der Weifsen, und die Ohnmacht der wenigen tausend Unabhängigen ist so grofs, dafs jeder Versuch, den Weilsen entgegenzutreten, seit lange immer mit einer blutigen Niederlage geendigt hat. Die Indianer haben, mit einem Worte, aufgehört, ein thätiges Element in der Geschichte des Landes zu sein, das sie einst allein besafsen. Mischlinge. Verbindungen zwischen Indianern und Weifsen waren im Anfang der Kolonisation in Nordamerika nicht selten. Pocahontas, das indianische Weib Rolfes, ist eine geschichtliche Gröfse. Vielleicht ist die ganze Inselkolonie Roanoke in den Indianern des Pamlico-Sundes aufgegangen, die eine dahin deutende Überlieferung besitzen. Die späteren Generationen der Ein- gewanderten, die den Indianern fast immer nur feindlich gegen- überstanden, betrachteten solche Verbindungen mit Mifsf allen. Die Abneigung gegen Vermischung mit den Indianern zeigte sich hier zum ersten Male als ein hervortretendes Merkmal der germanischen, insonderheit angelsächsischen Kolonisation im Gegensatz zur roma- nischen. Welcher Unterschied zwischen Nord- und Süd- oder Mittel- Amerika in dieser Beziehung: Dort in den V. St. noch nicht V40 der Bevölkerung, hier die Hälfte oder noch mehr aus Mischlingen bestehend 1 Die Mischung, die doch mit der Zeit in den kleinen, rings von Weifsen umschlossenen Resten der Indianer un- vermeidlich wurde, vermochte nicht wie in Kanada oder Mexiko die Indianer im ganzen zu heben. Die soziale Stellung und Bedeutung der Indianer-Mischlinge regelt sich auch in den V. St. nach dem allgemeinen ethnographischen Gesetz, das den Misch- lingen ihre Stellung auf der mütterlichen Seite, d. h. auf der der niedrigeren Rasse anweist. So sind besonders die im Osten ver- bliebenen Reste der Irokesen und Algonkin mit dem Blute der Weifsen und der Neger gleichsam durchtränkt und werden sich langsam in die nächst umgebenden Schichten der weifsen Bevölkerung Mischlinge. 217 verlieren^). Auch im Westen ist die Mischung teilweise beträcht- lich. Die Tscherokie sind schon gemischt in das Indianergebiet eingetreten. Ihr geistiger Führer, der Erfinder ihrer Schrift u. s. w. war Mischblut. Ein neuerer Besucher nennt im Indianergebiete der V. St. die Mengung der Reste der reinen Indianer mit Weifsen, Mestizen, Zambos und Negern eine solche, dals man von einer eigentlichen Indianerstatistik gar nicht mehr sprechen könne ^). Weifse haben sich dort oft in einen Indianerstamm aufnehmen lassen, um seine Landprivilegien mitzugeniefsen. Die Berichte der Agenturärzte verzeichnen für 1891 auf den Reservationen nördlich vom 41.^ 691 Geburten von Indianer- und 136 von Mischlingskindern, auf den südlichen 217 von jenen und 20 von diesen. Die Indianertruppe, welche die Südstaaten 1861 unter einem Mischblut, Pike, in Arkansas aufstellten, soll wenig reine Indianer enthalten haben. Die indianische Truppe in der Armee der V. St. (Scouts) , deren Zahl gesetzlich auf 1000 be- schränkt ist , und die Indianerpolizei enthält in den höheren Stellen vorwiegend Mischblut. In Alaska ist von russischer Zeit her die Mischung beträchtlich. Der Census von 1890 nimmt fast 6% der Eingeborenenbevölkerung als gemischt an^). Nicht blofs der Kinder- und besonders Mädchenraub, den viele Stämme des Westens gegen die spanischen, engHschen, deutschen etc. Ansiedler seit lange geübt haben, sondern auch der freiwillige Übertritt verwilderter Weifser in die indianischen Stammesgemeinschaften und noch mehr das gar nicht selten zu dauernden Familien- gründungen führende Zusammenleben der Waldläufer, Bergleute, Ansiedler mit indianischen Squaws — diese Weifsen führen den bezeichnenden Namen Squaw-men — bereichern die Indianerstämme mit Mischlingsprodukten. Durch den Übertritt entlaufener Neger- 1) Die Litteratur über diese Indianer, besonders auch die interessanten Reste von Gay Head u. a. neuengländi sehen Kttstenpunkten, ist gering und zerstreut. Über ihre Zähl und ihren Mischungszustand konnte mir auf An- frage an berufener Stelle in Cambridge Mass. nichts Bestimmtes mitgeteilt werden. Es ist dringend zu wünschen, dafs der ganze Zustand dieser Völker- ruinen eine erschöpfende Darstellung finde, ehe sie weiter verfallen. 2) Vgl. Ten Kate's Reizen en Onderzoek in Nordamerika 1885. p. 436. 3) Census Bulletin No. 150 vom November 1891. 218 T)ie Beziehungen zwischen Indianern und Weifsen. Sklaven in Indianerstämme hat ohne Zweifel Negerblut dem indianischen sich beigemischt. Es gab auch Indianerstämme, die Negersklaven hielten. Ein Beminolenhäuptling besafs 1835 ihrer 100. Die beiden gemeinsame tiefe soziale Stellung hat ebenfalls zusammenführend und verbindend gewirkt, und wir finden heute sowohl im Westen als auch in den kleinen Trümmern von Indianervölkern des Ostens Neger nicht selten. Die sog. Indianer von Gay Head Mass., etwa 150, werden als ein Gemisch von Weifsen, Negern und Indianern bezeichnet. Auch in Ontario leben Irokesen, die sich mit Negern vermischt haben ^). Die Beziehungen zwischen Indianern und Weifsen. Die ersten Weifsen wurden nicht überall in Nordamerika von den Eingeborenen feindlich empfangen, aber es dauerte in der Regel nicht lange, bis Feindsehgkeiten ausbrachen. Ihr unberechtigtes P]indringen — und sie gehörten häufig den minder guten Klassen ihrer Heimats- länder an — erbitterte die rechtmäfsigen Eigentümer des Bodens. Selten kamen die Weifsen von vornherein mit dem Wunsche, das Land, das sie begehrten, von den derzeitigen Besitzern recht- lich zu erwerben. Und selbst dann reichten die Rechtsbegriffe einzelner nicht aus, um sie abzuhalten, wehrlose Indianer in die Sklaverei zu pressen, oder in den Nöten, welche die Anfänge mancher Kolonien bezeichneten, sie ihres Saatkorns zu be- rauben. In kurzer Zeit war in Neuengiand das Verhältnis durch zahlreiche Unrechtmäfsigkeiten und Gewaltthaten zwischen Weifsen und Indianern so weit gediehen, dafs es w4e von Natur feind- lich und unheilbar erschien. In die religiöse Lehre und in die Wissenschaft sogar fand die Ansicht Eingang, dafs der rote Mann bestimmt sei, vom Weifsen ausgerottet oder mindestens verdrängt zu werden. Die Kirche betrachtete nicht allgemein ihn als ihren Schutzbefohlenen und besafs in ihrer Zersplitterung auch nicht die Macht, ihn so zu decken, wie in Spanisch- Amerika. Es wiederholt sich hier der Gegensatz, der durch die Kolonisationsgeschichte des ganzen Erdteils geht. Überall sieht man die romanischen Stämme nach den ersten rohen Verwüstungen dem Indianer näher treten, 1) Vortrag A. F. C h a m b e r 1 a i n h im Canadian Institute 21. Januar 1891 Romanische und germanische Indianerpolitik. 219 ihn bekehren und schützen, sich mit ihm vermischen, während die germanischen ihn von vornherein schärfer den Gegensatz zwischen (Zivilisation und Naturleben fühlen lassen, um ihn bald zu ver- achten und zurückzustofsen. Dort hat sich die Kluft zwischen Weifsen und Indianern allmählich ausgefüllt, während hier die Gegensätze mit ungemilderter Schärfe auf einander stofsen. Dort Erhaltung der Indianer, freilich durch Herabsteigen des Europäers, hier starres Festhalten an seiner Kulturhöhe und infolgedessen notwendiges Zurückdrängen und Herabdrücken des- Indianers. Dieser Gegensatz hängt zum Teil zusammen mit der Art der Einwanderung, die bei den Angehörigen germanischer Stämme vorwiegend in Familien, bei denen romanischer mehr durch ein- zelne jüngere Männer sich vollzog. Auf französischer Seite fiel auch die Neigung zur Vermischung ins Gewicht und der ange- borene geringere Thätigkeitstrieb , der nicht so scharf auf die Eingeborenen eindrang, bei den Spaniern der Schutz der mäch- tigen Geistlichkeit. Unter diesen milderen Einflüssen hatten sich in Florida die Indianer frei erhalten , bildete sich in Kanada die Mischlingsrasse der Bois-brul^s, während in Texas, Neu- Mexiko , Arizona und Kalifornien die bekehrten Indianer in den Missionen von geistlichen Vätern zu einem friedlichen, geschützten, wenig fördernden Leben angeleitet wurden. In den englischen Kolonien verbreitete sich dagegen durch un- unterbrochene Feindseligkeiten Abneigung und Hafs. Die Ge- schichte der Beziehungsn zwischen Puritanern und Indianern ist von 1640 an wenig anderes als Krieg , der von friedlichen Intervallen unterbrochen ist, dafür aber wieder zeitweise, wie in dem blutigen Krieg mit König Philipp, zu verheerender Flamme auflodert. Bei der weiten Verbreitung, die puritanische Ideen späterhin in Nordamerika fanden, ist dieses Verhältnis von Be- deutung. Der Hals, Ausflufs energischen Charakters und harten Gemüts , den später die Indianerkämpfe in dem Westen ver- breiteten, ist in Neuengland entsprungen. Man kann hier die Ge- schichte jedes Territoriums und jedes Staates in zwei Haupt- abschnitte teilen: der erste ist mit Indianerkämpfen gefüllt, und der zweite beginnt in dem Moment, wo die Indianer dezimiert sind 220 Indianerkriege. und das streitige Gebiet verlassen. Die Ansiedler rücken ihnen nach und in wenigen Jahrzehnten vollzieht sich derselbe Prozefs eine Strecke weiter westlich. Virginien hatte schon zu Raleighs Zeit Kämpfe mit den Indianern erlebt, in New York brachen 1642 Feindseligkeiten aus, die Karohnas hatten 1712 ihren Krieg mit den Tuscarora, in Pennsylvanien konnte Penn 's milde Politik den Frieden nur 60 Jahre erhalten. Man kann ungefähr die Ostgrenze des heutigen Kolorado, Neu-Mexiko und Texas, allgemein ge- sprochen den 100. Längengrad, als die Grenze betrachten, wo anglo- und hispano-amerikanische Indianer-Politik um das Jahr der ersten genauen Indianer-Zählung 1848 sich berührten, und man findet, dafs in diesem Jahre östlich von hier ca. 36000, westlich dagegen und in dem hierhergehörigen Texas über 350000 Indianer lebten. Von jenen waren 500, von diesen 234000 halbcivilisiert, der Rest wild. Wenn Zahlen sprechen, thun sie es hier. Um das Bild zu vollenden, darf man nicht verschweigen, dafs gleichzeitig ö. von dieser Linie 23 Mill Europäer eine blühende Kultur entwickelt hatten, während w. davon nicht mehr als V2 Mill. auf einer Kultur- stufe lebten, die über der der Indianer oft nur unmerklich erhaben war. Angesichts dieser Thatsache ist es nicht übertrieben, zu sagen, es stehe das Gedeihen der Indianer in einem umgekehrten Ver- hältnis zu dem der Weifsen, und scheine das eine das andere auszuschlielsen. Nach den selbständigen Kriegen folgten die Kämpfe an der Seite europäischer Truppen. Es ist ein schlechtes Zeugnis für die politische Einsicht der Indianer, dafs sie sich in jedem Krieg der Europäer verleiten liefsen, Partei zu nehmen. Der siebenjährige Krieg an den kanadischen Grenzen schwächte ihren stärksten Stammesbund, den der Irokesen, für immer. Der durch Versprechungen der Engländer zum Losbrechen bewogene bedeutende Schawanuh-Häuptling Tecumseh führte 1811 und 1812 den letzten grofsen Indianerkrieg, der wie alle früheren unglücklich für die roten Männer verlief. Tecumseh fiel 1813. Die folgenden Kriege, wenn sie auch einige Male noch bis in das Herz der V. St. Schrecken verbreiteten, offenbarten doch im Ausgang immer die Schwäche der Indianer. Im Süden wurde durch die Semmolenkriege 1817 — 20 und 1835 — 42 der Rest indianischer Unabhängigkeit in den Sümpfen Floridas erstickt, im Nordwesten di'ängte der nach dem anführenden indianischen Haupt- Iiidianerkriege. 221 ling genannte Black-Hawk-Krieg die Indianer über den oberen Mississippi dem Westen zu. Der letzte Seminolenkrieg in Florida war überhaupt der letzte Krieg, in dem nordamerikanische Indianer mit einer solchen Zähigkeit den Kampl mit ihren Gegnern durchführten, dafs ihr Wider- stand eine Spur gelassen hat in der Geschichte des Landes. Aber seitdem die Indianer auf ihrem langsamen Rückzug den Mississippi überschritten haben, hat es nur noch kleine Parteigängerkämpfe gegeben. Es kam nie mehr zu einer kräftigen Vereinigung der Stämme. Die seitherigen Schicksale der Indianer wiederholen immer dieselbe Geschichte: Eindringen der Weifsen in ihre Gebiete, Kämpfe, die zuletzt immer unglückHch verlaufen, Verträge, die sie schlielsen, ohne ihren Inhalt zu kennen i), und gegen die sie sich dann auflehnen, Vertreibung nach mehr im Westen oder Süden gelegenen Wohnsitzen. Die sog. Indianerkriege dieses Zeit- raumes (Modoc-Krieg 1873, Nez Perces-Krieg 1877) sind nur noch Guerilla-Episoden. Der Ursprung manches sog. Indianerkrieges ist seitdem oft mehr in der Furcht der Weifsen als der Gefähr- lichkeit der Indianer zu suchen gewesen 2). Das Erstaunliche ist, dafs die Indianer nicht entmutigt wurden durch die zahlreichen fehlgeschlagenen Versuche, sondern immer von neuem sich erhoben. Weder Niederlagen noch friedliche Fortschritte der Weifsen haben sie zurückhalten können, imirier von neuem ihren ganzen Besitz in Waffen und »War-ponies« anzulegen. Seit 1884 hat man 1) Der Krieg mit den Nez Perc^s, der 1877 und 1878 den ganzen Nordwesten in Aufregung versetzte, hatte seinen letzten Grund in einem Vertrag, der 1863 von einer Hälfte des Stammes gegen den Willen der an- deren eingegangen war , und durch den das Waillowa-Thal an die V. St.- Regierung abgetreten wurde. Die unwillige Hälfte blieb in dem Thal und die Regierung bestätigte noch 1871 ihr Recht auf dasselbe. 2) Im Frühling 1873 mufste eine Sonderkommission, der Major J. W. Powell angehörte, rasch nach Salt Lake City reisen, um die Gründe zu untersuchen, die die dortigen Weifsen einen allgemeinen Indianerkrieg fürchten liefsen. Sie fand die Verstimmung der Weifsen gegen die Indianer sehr grofs , vorzüglich infolge des Modoc - Krieges , und fast ebenso grofs ihre Furcht vor indianischen Überfällen; aber ihre Erhebungen unter den Indianern jener Gegend bewiesen ihnen, »dafs die Befürchtungen der weifsen Ansiedler grundlos, und die Indianer selbst noch viel mehr von Furcht besessen waren als die Weifsen«. Viele Indianer waren sogar aus Furcht in die Berge geflohen. (Report Special Commission on the Condition of the Utes etc. 1873.) 222 VerHetzungen. neun Indianerkriege in den V. St. erlebt. Neun Jahre nachdem die Cheyenne, Kaiowäh und Comanchen aus dem Indianerterri- torium ausgebrochen waren, und ihre Gefangenen aus Florida zurückgekehrt waren, beschritten sie von neuem den Kriegs- pfad, und die Sioux liefsen sich 1867 in Minnesota nicht von einem neuen Kriege abhalten, nachdem sie 1862 besiegt, und dreifsig ihrer Führer gehängt worden waren. Die zwangsweise Versetzung auf Reservationen hat den Widerstand nur dann brechen können, wenn sie jede Rückkehr in die heimischen Ge- filde abschnitt. Diese Versetzungen waren aber oft gleichbedeutend mit der Vernichtung. Als General Crook die Apaches in einer Reihe von Feldzügen 1871 — 1875 unterworfen hatte, würden 1876 die Chiricahua und Warm- queUen- Apaches mit anderen auf der San Carlos-Reservation vereinigt, aber jene brachen 1881 aus und flohen über die mexikanische Grenze. Von Crook eingeholt, wurden ihrer 500 als Gefangene nach der Re- servation zurückgebracht. 1885 brachen neuerdings 134 nach Mexiko aus, wurden aber ebenfalls zurückgebracht, und 76 wurden im Fort Marion, Florida, eingesperrt. Die bürgerlichen Behörden von Arizona wehrten sich gegen die Rückkehr anderer Angehöriger des Stammes, denen der mit ihrer Unterwerfung betraute General Miles eine Reser- vation versprochen hatte, welche die Centrabegierung nicht genehmigte. Um aUen Schwierigkeiten zu entgehen, die besonders von den Zeitungen Arizonas vergröfsert wurden, entschlols man sich endlich, friedliche wie kriegerische Glieder des Stammes, fast 500, nach Marion zu schaffen, wo in kurzer Zeit der vierte Teü gestorben war. Von 498, die 1886 in- terniert wurden, waren 20 auf dem Kriegspfad gewesen, die anderen mulsten die Sünden dieser wenigen mitbüfsen, und der ganze Stamm wurde so dem Untergange zugeführt. Die Beziehungen nehmen immer erst einen friedlicheren Cha- rakter an, wenn die Indianer durch Not und Hunger herabgedrückt und durch Verträge und Machtentfaltung eingeengt sind. Dann erst fangen Schule und Kirche an, ihre Wirksamkeit zu entfalten, die roten Leute vertauschen den »blanket« (Wolldecke) mit dem »Citizens dress« , durch dessen Annahme sie ein äufserliches Zeugnis für ihren Wunsch ablegen, der Civilisation sich an- zuschliefsen, und mit der Zeit werden sie durch Staatsgesetze zu »Korporationen« erklärt und erhalten das Stimmrecht. So ist Bie neue Indianerpolitik. Schulen. 223 heute die Lage der meisten Indianer im Osten ^). Auch für den Westen lauten die Berichte insofern günstiger, als die Auffassung auch dort immer mehr Boden gewinnt, der Indianer sei allmäh- lich in die Gesellschaft der Weilsen und ihr Bürgertum überzu- führen. Zwar fühlen sich einzelne Staaten durch die grolse Zahl ihrer Indianer belastet. Von Kolorado, das heute nur 2000 In- dianer besitzt, heilst es im amtlichen Indianer-Bericht für 1890, es sei viel glücklicher als andere, wie Minnesota, Wisconsin, Montana, die drei- bis fünfmal soviel haben; aber alle bemühen sich, ihre Indianer fest anzusiedeln und heranzubilden. Die Indianer von Nbw York, Michigan, Iowa und .die 65000 der »Five civilized Tribes« stehen heute nur nominell unter Regierungsaufsicht, während unter der Wirkung des Land-in-Severalty Law (s. u. S. 229) von 1887, das Land als Privateigentum zuweist'-^), alljährlich mehrere Hundert Nez Perces, Santie, Sioux, Sisseton u. a. aus den Reservationen ausscheiden und selbständig werden. Für die indianische Jugend hat die Regierung 63 bessere Schulen (sog. Boarding Schools) und 106 einfache Schulen (Day Schools) auf den Reservationen und 11 Training Schools be- gründet, in denen neben dem Schulunterricht praktische Fertig- keiten, besonders Landwirtschaft gelehrt werden. Die gröfste von diesen ist die zu Carlisle Pa., wo 1890 sich 700 Schüler be- fanden. 1891 wurden 20000 Indianerknaben und -mädchen als Besucher der Schulen genannt, in denen sie im Enghschen unterrichtet und zugleich mit Patriotismus geimpft werden^). In der Richtung der neueren Indianerpolitik der V. St. liegt die Erschlielsung der allgemeinen Volksschule für indianische Kinder, die seit einigen Jahren angestrebt wird. Einigen Rehgionsgesell- schaften sind Mittel zur Unterstützung ihrer Unterweisung india- 1) Vgl. den Akt des Staates Nord-Carolina vom 11. März 1889 über die Inkorporierung der östlichen Tscherokie. Keport of the Commissioner of Indian Affairs 1890. I. S. 80. 2) Die ersten Zuweisungen (Allotments) von Land als Privateigentum fanden 1869 in Wisconsin statt. 3) Ein besonderer Abschnitt des amtlichen Indianerberichtes für 1890 zeigt unter dem Titel »Inculcation of Patriotism«, wie den jungen Indianern gelehrt wird, dafs ihre weifseu Mitbürger ihre Freunde seien. 224 Die Reservationen. nischer Kinder zugewiesen; sie beliefen sich 1891 auf 570000 D., wovon 363 OCO D. der römisch-kathoHschen Kirche zukamen, die ohne Zweifel die besten Ergebnisse in ihren Indianerschulen er- zielt. Die gesamten Ausgaben, die aufserdem von der Regierung der V. St. für Indianerschulen verwendet werden, erreichten 1891 1842770 D. Der gewaltthätige Zug in der Indianer-Politik ist nicht zu be- schönigen. Da er eine Folge der Kulturbewegung ist, die das Land der Ausbeutung und dem Besitze der Weifsen sichern will, kann nicht gerade dieser Zug der Regierung zur Last gelegt werden. Millionen von Bürgern der V. St. arbeiteten am Untergang der Indianer mit, die meisten unwillkürlich, einem dunkeln Verhängnis folgend, das sie in den Dienst eines grofsen Ausbreitungs- und Ausbeutungsorganismus stellt. Der Schatten aber, den dieser Prozefs wirft, fällt auf das ganze Volk, das ihn empfindet und die ganze Indianerfrage als eine grofse Unbequemlichkeit ansieht. Als die Westliche Post (St. Louis) schrieb: »Wie viele Generationen noch, und es wird keine Indianerstämme mehr geben, und nie- mand wird sich mehr über die Indianerfrage den Kopf zu zer- brechen brauchen«, hörte man den Stofsseufzer aus beschwerter Brust. Ein chronisches Übel ist die Indianerfrage geworden, das an der Selbstzufriedenheit des Volkes frilst und an die Ge- wissen pocht, also höchst lästig ist. Die Reservationen. In der Indianerfrage Hegt von Anfang an die ganze Land frage. Das Land mufste den Indianern abgenommen werden, ehe es von den Weifsen bebaut und be- siedelt werden konnte. Der Wunsch, Land zu erwerben, ist die tiefere Ursache fast aller Indianerkriege, und die Verdrängung vom heimatlichen Boden das traurig sichere Zeichen des Rück- ganges auch dort, wo die Statistik keine Abnahme nachweist. Nach dem Golddurst ist der Landhunger das stärkste Motiv gewesen, das die Weifsen nach der Neuen Welt trieb, und der Wunsch, einen und den andern zu befriedigen, hat das grölste Unglück über die Indianer gebracht. Der Landhunger wirkte aber viel verderblicher, weil er dem Indianer den Boden entzog, auf dem seine Existenz, sei es als Jäger oder Ackerbauer, beruhte. Die Laiidpolitik und die Indianer. 225 Die äulsere Geschichte der nordamerikanischen Indianer ist seit 300 Jahren die Zusammendrängung von grolsen auf kleine und von guten auf schlechte Gebiete, die innere Geschichte die daraus hervorgehende Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen. Die gewaltsame Entziehung des Mutterbodens schwacher Völker ist die schlagendste Form der Verdrängung und der Herab- drückung. Kein anderes Gut kann ersetzen, was ihnen damit genommen wird. Die beweglicheren Werte der höheren Kultur gereichen der niederen zum Schaden. Es klingt sehr schlecht, wenn von den amerikanischen Politikern den Indianern die Sum- men vorgerechnet werden, die sie empfangen haben, denn gerade diese Zuwendungen sind es, die schädlich gewirkt haben ^). Keiner von den mächtigen Stämmen befindet sich noch im Besitz des Gebietes, das er bei der Ankunft der Weifsen innegehabt, er hat aber auch fast nichts von dem behalten , was er einst dafür an Geld und Gut empfing. Über das Recht der Indianer auf ihr Land herrschten in den ersten zwei Jahrhunderten verschiedene Ansichten. Staatsrechtlich wurden die Stämme in dem politisch beanspruchten Gebiet als »Domestic dependent Allies« aufgefafst. Damit war aber nicht die Anschauung Vieler zu vereinigen, dafs die Schenkungen der Charters und Patente eine schrankenlose Verfügung über das Land der Indianer bedeuteten. Penn und Genossen nahmen jeden Streifen Land von den Indianern nur gegen Entschädi- gung. Diese Ansicht wurde im 18. Jahrhundert die herrschende, und die damals gebildeten Staaten haben fast ihr ganzes Gebiet durch wiederholte Käufe von den Indianern erworben. Unter dem Recht der Krone, das durch Entdeckung oder in wenig Fällen durch Eroberung erworben war, erkannten sie ein »Right of Occu- pancy«, das durch freiwillige Abtretung und nur an den Staat aufgegeben werden konnte. Georgia kaufte so von den Kriek 1802, 1805, 1814, 1818, 1821, 1826 und 1827 allmäWich alles Land w. vom Okonie. Die Frage, ob in dem neuen Gemeinwesen 1) Der Sekretär des Innern rechnete 185»! einer Sioux-Gesändtschaft in Washin^on mit grofsen Worten vor, dafs ihr Volk hin zum Jahre 1884 42000000^ von der Regierung erhalten habe! Katzi'l, Die V. St. von Amerika. 15 226 Reservationen. der Bund oder die Einzelstaaten die Nachfolger der Indianer seien, wurde durch Abtretung der Ansprüche der Staaten an den Bund in den einzelnen Fällen gelöst. Die für das romanische Amerika folgenreiche Schenkung des Papstes ist hier natür- lich nicht als ein Grund des Besitzes angenommen worden und damit fiel auch ihre Wirkung auf die Behandlung der Ein- geborenen weg. Nachdem öfter die Kolonien einzelnen Indianergruppen ab- gegrenzte und unverletzliche Gebiete angewiesen hatten, mufste auch der Bund gegenüber dem wachsenden Landhunger seiner weilsen Bevölkerung sein Augenmerk darauf richten, die Indianer in abgegrenzten Bezirken zu sammeln, die er ihnen im Tausch gegen ihr Land anwies. Die Weilsen sollten vor Störung ihrer Arbeit und ihres Erwerbes, die Indianer vor Ausbeutung und Vergewaltigung geschützt werden. Nach diesem System, dessen Idee richtig und wohlwollend, dessen Ausführung aber hart und ungerecht war^), ist heute die gröfsere Zahl der im Gebiet der V. St. lebenden Indianer teils im Indian Territory , teils auf an- deren Reservationen untergebracht. Als Notwendigkeit mufste die Regierung dieses System von dem Augenblicke an auffassen, wo kein freier unbegrenzter Westen mehr vorhanden, sondern so- gar die üferländer des Stillen Meeres der weifsen Einwanderung geöffnet waren. Dafs diese Isolirung auch bei der aufmerksam- sten Durchführung nur für eine verhältnismäfsig kurze Zeit mög- lich war, versteht sich von selbst bei der unwiderstehlichen Gewalt, mit der der Weifse in alle Winkel des weiten Landes vor- dringt. Bereits ist die gröfste Reservation, das Indian Territory, von Strafsen und Eisenbahnen der Weifsen durchzogen, zerstückt, 1) Nur in ungewöhnlichen Fällen ergriiJen sie selbst die Initiative, um auf eine Reservation zu kommen. So gaben 1873 die Seuarit, ein Stamm der Ute, den Wunsch zu erkennen, auf eine Reservation gebracht zu werden. »Sie gaben an, dafs ihr Volk in den letzten Jahren sehr rasch wegsterbe, so dafs sie an Zahl stark zurückgegangen seien, und dafs sie erschreckt seien durch eine Krankheit, die kurz vor dem Besuche der Kommissare in we- niger als einer Woche 20 ihres Stammes weggerafft habe.« Viele glaubten an Zauber anderer Stämme oder der Weifsen, aber welches auch immer die Ur- sache war, sie wünschten vor allem, ihre jetzigen Wohnsitze zu verlassen. (Special-Commission Report 1873. 7.) Reservationen. 227 und zahlreiche Nichtindianer haben sich dort niedergelassen. Andere Reservationen, die früher gegeben waren, sind, wenn sich Gold oder Silber oder sonst Wertvolles dort fand, wieder zurück- gezogen, und ihre Besitzer auf minder wertvolles Land gebracht worden. Dafs dabei die Indianer nicht gedeihen konnten, ver- steht sich. Und doch war die Vereinigung der Indianer auf Reservationen das einzig mögliche Ziel, das eine friedliche und menschliche Pohtik sich stellen konnte. Indem man ihnen sogar für den Lebensunterhalt sorgte, suchte man die Gelegenheit zu bieten, sich mit den friedlichen Beschäftigungen, in erster Linie mit dem Ackerbau bekannt zu machen. Der grofse Fehler war nur von Anfang an die grofse Zahl und die lockere und unvollkommene Organisation dieser Reservationen. Die Reservation gehört einem Stamme oder mehreren, ihr Boden ist Gemeingut, und es fehlt damit jede Anregung zu individuellem Fort- schritt. Die Unterstützungen, ungerecht oder unrichtig verteilt, riefen Unselbständigkeit und Armut hervor. Das Land wurde ohne Sach- kunde bestimmt. In Teilen von Montana, wo ohne künstüche Be- wässerung keine Ähre reift, hat man die Indianer natürlich ganz ver- geblich zum Ackerbau anleiten wollen. Nicht die Trägheit der Indianer, sondern die Thorheit der Regierungsagenten verschuldet den Mifs- erfolg. Als man endlich aus den beiden Bighornflüssen Wasser ab- leitete, gediehen die Felder der Krähen-Indianer ganz anders. Schlimmer wirkte die Anstellung von Beamten, die die Indianer-Agenturen als Belohnung für politische Dienste empfingen und weder moralisch noch geistig ihrer schweren Aufgabe gewachsen waren. Die Armee, die in ihren Offizieren meist vortreffliche Agenten geliefert hatte, konnte sich dieser Aufgabe nicht auf die Dauer unterziehen. Die Überlassung der Indianeragenturen an Delegierte der verschiedenen christlichen Sekten führte nur stellenweise zu guten Ergebnissen. Das Gebotene, nämhch die Schaffung eines eigenen Beamtenstandes, meint man der Republik nicht bieten zu können. Die Indianer haben keine Zeitungen, die ihre Klage vor die Öffentlichkeit bringen. Die von der Regierung ihnen be- stimmten Unterstützungen gelangen nicht immer in ihre Hände. Hunger spielt eine grofse Rolle unter den Gründen ihrer Erhebungen oder Aus- brüche: »The Indians are starved into hostility«. In den Zeitungen der Weifsen werden die Indianer- Angelegenheiten beständig als Beispiel der Korruption der Politiker hingestellt. »Ein Indianeragent kann kein guter Medizinmann sein, wenn er nur in die Steppen zu den Wüden zieht, um sich selbst etwas für die trüben Tage zurückzulegen, in denen ein neuer »Grofser Vater« in Washington einzieht«, bemerkte ironisch das Wochenblatt »The Nation« (1891). Der Sekretär des Innern ist 15* 228 Üble;^Einflüsse fonnell verantwortlich für die Indianer- Angelegenheiten, hat aber keine Macht in Händen. Auch die Indian Commission des Kongresses ist unfafsbar*). Von den Betrügereien, denen die Indianer zum Opfer fallen, wären viele Beispiele zu erzählen. Hier nur ein Muster. Der Sioux- Ausbruch von 1882 begann damit, dafs die Indianer ihr Geld für verkauftes Land in Gold verlangten, das der Agent für sie erhalten, aber in minderwertige Noten umgewechselt hatte, die sie zurück- wiesen. Zu den Agenten kommen die Anwälte, die die Indianer zu kostspiehgen Prozessen verleiten, und überhaupt die Weifsen »who hang round the borders of the reservations«. Die Reservationen, sogar das Indianer-Territorium, waren bis zur Errichtung eines eigenen Gerichtshofes, die Zufluchtsstätten der Verbrecher. Es ist sehr be- zeichnend, dafs die gröfsten Freunde der Indianer und deshalb die leidenschaftüchsten Bekämpfer der amthchen IndianerpoHtik immer die Offiziere waren, die in den engsten Verkehr mit ihnen zu treten haben*). Der Whiskeyhandel, der trotz der Verbote der Regierung schwung- voll betrieben wird, bildet das Hauptwerkzeug der Zerstörung. Es wurde behauptet, dafs der Bannockkrieg um eine Flasche Whiskey entbrannt sei. Einen solchen Einflufs schreibt man diesen Förderern eines gesetzlosen und ruchlosen Handels zu, dafs, als ein Indianer- knabe, von der Colville-Reservation — an der kanadischen Grenze — 1891 wegen Verdacht, bei dem Morde eines Weifsen anwesend gewesen zu sein, von Lynchern gehängt wurde, die Zeitungen die Blutthat auf Whiskeyhändler zurückführten, die fürchteten, entdeckt zu werden^). Eine gewisse Sympathie der Gebildeten für die verlassene und be- drängte Rothaut überträgt sich nicht auf die Masse, die nur das träge Hindernis einer noch rücksichtsloseren Ausbreitung und Ausbeutung in ihr sieht. Als in einer Indianerschule in Genoa Nebr. die jungen Indianer, die lernen sollen, sich selbst zu erhalten, auf den Zucker- rübenfeldern arbeiteten, erhob eine Versammlung von »Working Men« drohenden Protest, und der wohlthätige Versuch mufste eingestellt werden (1890). Es ist kein abstrakter Freiheitssinn, der die Indianer dem Reservationssystem so abgeneigt macht und einem ihrer hervor- ragenden Häupthnge das treffende Wort in den Mund legte: Gott hat mich zu einem Indianer, aber nicht zu einem Agentur- 1) There is to day no human being under this government, who caii 1)0 liold responsible for the treatment of the Indians. (The Nation 15. Jan. 1891.) 2) Man lese die Zeugnisse der Generale ITarney, Pike, Ilawkins in der North American Review 1891. Bd. 152 S. 6G7 u. f. 3) The Nation 5. Februar 1891. auf den Reservationen. 229 Indianer gemacht, und ich werde auch keiner werden (Äufserung Sitting Bull's gegen General Miles). Die schlechtgewählte Reser- vation wirkt wie ein Gefängnis oder schlimmer, weil sie selbst nicht die Erhaltung des Lebens gewährt. Die Mifsjahre 1888 und 1889 veranlafsten eine Menge von weifsen Ansiedlern, die Steppenländer zu verlassen, die Indianer mufsten bei ihren ver- dorrten, unergiebigen Feldern ausharren, da ihnen keine Erlaubnis gegeben ward , ihre Stellung zu ändern ; und so kommt die auf- gezwungene Trägheit zur natürlichen. Es ist ein grofser Fortschritt, dafs jetzt die Regierung selbst die Reservationen verkleinert oder zusammenlegt, indem sie die fort- geschrittenen Indianer zu Eigenthümern von 160 Acres Land unter der Bedingung der Nichtveräufserung in den nächsten 25 Jahren macht. 1890 gab es 172 Reservationen. Die 22 kleinen Gebiete der Missionsindianer in Kahfornien und die 19 Pueblos in Neu- Mexiko pflegen als je ein Gebiet aufgefafst zu werden, wo man dann 133 Reservationen zählt. Diese Reservationen umfassen 490000 qkm, ein Gebiet etwa so grofs wie Frankreich, und auf ihnen wohnen in runder Summe 250 OÜO Indianer. Diese im Ver- hältnis zu ihrer Bevölkerung gewaltige Fläche schrumpft rasch ein. Allein 1889 wurden 13 Mill. Acres an den Bund abgetreten, und über die Abtretung von weiteren 4,5 Mill. schwebten Ver- handlungen. Das bedeutet eine Abnahme des Indianerlandes um fast ein Siebentel. Der gröfste Teil dieser Abtretung umfafst Gebiete der Sioux in S. Dacota und der Chippewäh. So wird man fortfahren bis auf den Rest von 40000000 Acres, der den Indianern einstw^eilen bleiben soll. Die Indianerpolitik und das Indianerterritorium. Die jetzige Indianerpolitik wurde von der Regierung der V. St. , die alle Indianer- Angelegenheiten sich vorbehalten hatte, 1786 durch die Gründung eines besonderen Amtes unter dem Kriegsministerium eingeleitet, und zwei Superintendenten für die Indianer n. und s. vom Ohio aufgestellt. Diese sollten die Indianer durch gerechte Behandlung ruhig zu halten und sie vor Übergriffen der Ansiedler zu schützen suchen. Das war der Übergang von der Politik, die in den Indianern unabhängige Völker sah, zu der, die sie von nun 230 I^^-s Indianer-Territorium. an vormundschaftlich als »Wards of the Nation« behandelte. »Schools and Justice, Good Faith, and Humanity to the Indians« forderte die Ordinance für die Errichtung des Nordwest-Terri- toriums und nach ihr noch viele Gesetze. Aber wo lag es in der Macht der Regierung, den breiten Strom der Westwanderer zu dämmen, deren Bestrebungen immer den Lebensinteressen der Indianer feindhch sein mulsten? 1790 erliels der Kongrefs ein Gesetz , nach dem niemand mit den Indianern Handel treiben durfte, der nicht vom Präsidenten dazu berechtigt war, und das Land verkaufe der Indianer nur in öffentlichem Vertrage gestattete. Die erste Reservation wurde 1790 den Kriek-Indianern in dem Gebiet s. vom Oconse bewilligt, nachdem sie ihre Wohnsitze n. da- von aufgegeben hatten, aber schon drei Jahre später begannen sie ihre Feindseligkeiten und gaben später einen grofsen Teil dieses Gebietes wieder auf. 1804 traten die Sacs and Foxes 80000 engl. Q.-M. für eine Jahresrente von 1000 D. in Waren ab. Seit 1800 erscheinen Summen für die Beförderung der Civilisation unter den befreundeten Indianern. Als 1818 die Wyandot, Delawaren, Seneca und andere Stämme Ohios ihre 4 Mill. Acres Landbesitz in diesem Staate aufgaben, wurden ihnen verschiedene Landstriche als Reservationen gewährleistet, und damit das erste gröfsere System von Indianerreservationen geschaffen. In demselben Jahre willigten die Delawaren von Illinois ein, westwärts vom Mississippi zu ziehen, 1819 ein Teil der Tscherokie und die Kickapu von Illinois. Die Versetzung nach Westen und auf die Reservationen wurde von da an systematisch betrieben. 1826 und 1828 wurden gegen ihren Willen alle Kriek aus Georgia nach dem Arkansas versetzt. 1830 trat ein Wechsel in der Indianerpolitik insofern ein, als die Re- gierung der in den Staaten lebenden Indianer nicht mehr dem Bunde, sondern dem Staate zugewiesen wurde. 1832 schuf der Kongrefs das Bureau of Indian Affairs. 1835 zogen die Tscherokie ebenfalls nach dem Arkansas, wo nun das sog. Indian Territory, eingeschlossen von Texas, Arkansas und Kansas, für sie und die übrigen dahin versetzten Stämme abgegrenzt wurde. Nicht wie eine andere Reservation, sondern im Tausch gegen früher ihnen überwiesenes Land, das sie zum Teil schon Die einstigen Grenzen des Indianer-Territoriums. 231 lange bebaut hatten, und das unter ihrer Hand auf der Osage- Reservation in Kansas einen hohen Wert erreicht hatte ^), wurde den Indianern das Indian Territory eingeräumt. »Wenn irgend eine Verpflichtung der Regierung heihger ist als andere, so ist es die, dafs diesen Völkern dort eine ständige Heimat erhalten werden mufs «'**). So haben im Anfang auch die Versprechungen gelautet. Besonders als 1859 die Indianer aus Texas rasch ent- fernt werden sollten, um drohenden Unruhen vorzubeugen, wurde in einer Versammlung der Comanchen, Huecos, Kaddu u. a. feierlich von den Vertretern der V. St. versprochen, sie sollten ein Land erhalten, wo sie ruhig sitzen könnten, »so lange die Wasser fliefsen«, da es den V. St. und keinem Einzelstaate gehöre. Die genauere Umgrenzung des Landes findet man in der 1870 aus der Beratung der Vertreter der fünf Hauptstämme des Territori- ums mit denen der V. St. hervorgegangenen neuen Verfassung des Indianerterritoriums. Im 1. Abschnitt bestimmt sie das Land als »den ganzen Landesteil, der begrenzt ist im Osten von den Staaten Arkansas und Missouri, im Westen vom Territorium Neu- Mexiko und dem Staate Texas, im Süden von dem Staate Texas, und der durch Verträge und Gesetze der V. St. abgesondert und gewährleistet wurde als ein besonderer Wohnsitz (home) der Indianer, die gesetzlich berechtigt sind, darin zu wohnen, oder derjenigen, die in gleicher Weise später darin angesiedelt werden sollten, und der als ,The Indian Territory' bezeichnet werden soll«. Von der Natur dieses Gebietes hatte man leider in Was- hington keine klare Vorstellung. Es ist im ganzen für Acker- bau weniger ■ geeignet als für Viehzucht und begünstigte die umherziehende Lebensweise. Die Oberflächlichkeit der mit der Überwachung betrauten Beamten wird unangenehm empfunden, wenn in einem und demselben offiziellen Berichte man eine Aussage findet, der zufolge zwei Drittel des Indianerterritori- ums unbesiedelbar sei, und eine andere, die behauptet, dafs kaum eine Quarter Section gefunden werden könne, die un- fruchtbar sei. 1) Nähere Angaben im Eeport Indian Commissioner für 1870. 2) General Hazen in North American Review 1875. I. p. 23. 232 I^iß Verkleinerung des Indianer-Territoriums. Die Begründung des Indianerterritoriums ist keine unge- mischte Wohlthat gewesen. Zu grofs angelegt, lange Zeit unsicher in der Begrenzung, hielt es die Indianer nicht zusammen. Der Bericht von 1876/77 sagte: »Es ist kein Zweifel, dafs der Teil des Territoriums zwischen dem 98. Meridian und der Ostgrenze genügend grofs wäre für die Arbeit aller Indianer, die hierher übersiedelt werden könnten. Würde es möglich sein, sie alle hierherzubringen, so würden durchschnittlich 75 Acres auf jeden Kopf der 275 000 Indianer unseres Landes, Männer, Weiber und Kinder, kommen«. Derselbe Bericht betrachtet die dichtere Be- völkerung des Territoriums mit Indianern als das beste Mittel, um Weffse fernzuhalten 2) Auf die Dauer hat es dafür kein Mittel geben können. In die Lücken zwischen den schwachen, teilweise verfallenden Indianersiedelungen sind die Landsucher einge- drungen. Die »Kuhburschen« mit ihren halbwilden Rinderherden machten das Indianerterritorium zu einem der ergiebigsten Weide- gebiete, das nur hinter Texas und Neu-Mexiko zurückstand. Sie mieteten zu nominellen Preisen Weideflächen , an deren Grenzen sie sich nicht hielten, und waren weder Bürger des Territoriums noch Glieder eines der dortigen Indianerstämme. Ihre Anwesen- heit rief also überall Unzufriedenheit hervor. Die Vertragsbrüchige Einwanderung, die 1889 gröfsere Dimensionen annahm, läfst sich nicht dadurch beschönigen, wie General Sherman es that, dafs man sie als eine Einwanderung armer Leute hinstellt, die bescheidene Heimstätten zu erwerben suchen. Nordamerika hat noch Raum genug, um ohne Opfer das Recht der Indianer auf ihre Gebiete achten zu können. Schon im Jahre 1866 hatten die V. St. einen Vertrag mit den 5 civilisierten Stämmen des Indianertenitoriums — Tscherokie, Tschokta, Tschikasa, Kriek und Seminolen — geschlossen, der besagte, dafs den l)eiden Eisenbahn - Gesellschaften Union Pacific (Southern Brauch, später Missouri, Kansas and Texas) und Atlantic and Pacific das Recht zustehe, ihre Linien bis an die Nord- und Ostgrenze des Terri- toriums auszubauen und sie durch dasselbe weiterzuführen, wenn das Besitzrecht auf das in Frage kommende Land nach freiwilliger Cession '1) Board of Indian Comm. W Rep. 1870. 116 und 136. 2) Executive Documents. 44^*" Congress, III'* .Session, Vol. 4. Verkleinerung der Eeseryationen. 238 seitens der Indianer durch die V. St. gelöscht werden sollte. Die Indianer haben diesen Vertrag so ausgelegt, dals nur eine Nordsüd- und Ostwestlinie durch ihr Territorium gebaut werden sollten und wider- sprachen weiteren Linien. 1884 sprach sich aber der Kongrefs das Recht zu, den EisenbahngeseUschaften Land im Indianer-Territorium ohne die Zustimmung der Indianer abzutreten, kraft des Rechtes »of Eminent Domain in tlie Federal Government over the Territory«. So erhielten die Gesellschaften Gulf, Colorado and Santa Fe und Süd- kansas das Recht des Baues auf dem Indianerboden und nach ihnen andere. Auch andere Reservationen , wie die der Süd-Ute in Colorado wurden damals von Eisenbahnen durchschnitten. Die In- dianer wurden gewaltsam auf die Seite gedrängt, empfingen keinen Pfennig*) und es khngt ironisch, wenn die Vermehrung des Wertes ihrer Länder und Erzeugnisse und die Erhöhung ihres Wohlstandes als Folge des Eisenbahnbaues verheifsen wird. Die Indianer der Fort HaU Reservation in Idaho verloren 2126 Acres durch den Bau der Nord Utah-Bahn und erhielten weder Entschädigung, noch waren die Karten und Pläne dieses Baues irgend genehmigt, der eine nackte That der Vergewaltigung war. Das System der Reservationen hatte sechzig Jahre gedauert, als die überall vordringenden Ansiedler, besonders die Viehzüchter, die Erzsucher und die Eisenbahnen seine Einschränkung forderten. »Mehr Land« ertönt seit dem Ende der achtziger Jahre der immer wiederkehrende Ruf in den nordamerikanischen Zeitungen^). Das grolse Ereignis war die Auslösung von 101000 qkm des besten Landes aus dem Indianergebiet, von dem nur die kleinere Hälfte von 81000 qkm übrig blieb, in der die fünf civilisierten Nationen und die der Quapah- Agentur untergebenen wohnen. So entstand 1) Report Comm. of Indian Affairs for 1886, p. 11. 2) Hier eine typische Meldung aus der Westlichen Post (St. Louis) vom 15. Oktober 1892. Mehr Land. Der Präsident hat heute eine Proklamation unterzeichnet, durch welche die überflüssigen Ländereien der Reservation der Crow-Indianer in Montana, im ganzen etwa 1800000 Acker, der Ansiedlung eröffnet werden. Dem Gesetze gemäfs können die Ländereien sofort nach dem Unterzeichnen der Proklamation von Ansiedlern in Besitz genommen werden. Aus Billings, Stillwater und anderen an der Eisenbahn gelegenen Orten wird gemeldet, dafs eine grofse Menge von Landsuchern nach der Crow-Reservation eilt. Etwa der vierte Teil des der Ansiedlung eröffneten Landes kann durch Berieselung sehr fruchtbar gemacht werden. Viele Land- besucher haben schon seit Wochen auf die Erlaubnis gewartet, die Reser- vation zu betreten. 234 Verkleinerung der Reservationen. das neue Territorium Oklahoma.^) Gleichzeitig wurde in der oben geschilderten Weise mit der Reduktion der Reservationen nach dem Landverteilungsgesetz (Land in Severalty-Law) so ener- gisch fortgefahren, dafs in wenigen Jahren der schon 1875 an- gekündigte Plan^) der Aufhebung aller kleinen Reservationen und der Zusammenlegung der gröfseren verwirklicht sein wird. Das Aussterben der Indianer wird damit gehemmt, ihre Aufsaugung aber mächtig gefördert werden. Der Indianer, der die drei For- derungen erfüllt, die der Bericht des Indianerkommissars für 1886/87 als Bedingungen des Eintrittes der Indianer in den Bann- kreis der »amerikanischen Civilisation« erhebt: Einzelbesitz, Schul- unterricht, Gesetz, ist kulturlich schon ein Weifser. Dort heifst es : »Vermögen sie diesen nicht nachzukommen, so gehen sie der Vernichtung entgegen, weil eine Sonderexistenz von ihnen nicht aufrechterhalten, von der Regierung ihnen nicht gewährleistet werden kann«. 1) 8. das Indianergebiet in seiner neuen Gestalt auf der diesem Bande angehängten Kulturkarte. 2) Entwickelt in den Executive Documents. 44*'' Congrefs, II d Session, Vol. 4. OF TH£ ^ IX. Die Weifsen oder die Europäo- Amerikaner^). Die Abstammung der Weifsen Nordamerikas 235. Das angebliche Angel- sachsentum 236. Die Stammesangehörigkeit der Einwanderer 237. Der Em'päo- Amerikaner 238. Die amerikanische Nationahtät 243. Die Stellung der Deut- schen in den V. St, 247. Die Veränderung der Rasse durch Einwanderung 250. Einige Bemerkungen über die deutschen, französischen und spanischen Ele- mente 253. Die Juden 259. Die Abstammung. Von der Bevölkerung der V. St. stammen 88 % aus Europa. Diese sind als Glieder der kaukasischen oder mittelländischen Rasse zu betrachten, und zwar wiegen die west- europäischen Schattierungen vor, wie es in der Geschichte der Bildung dieser Nation begründet ist. Daher hat körperlich der Nordamerikaner zwar am meisten vom Teutonen, aber auch nicht wenig vom Kelten. Er ist in der Mehrzahl braunhaarig und blau- und grauäugig, aber dunkler von Haar und Augen als der Nord- germane^) und hat schärfere Züge, neben denen oft selbst das Gesicht des Engländers flach erscheint. Die französischen und 1) Mit dem Worte »weifs« die Bevölkerung europäischer Abstammung in Nordamerika zu bezeichnen, rechtfertigt sich nicht allein durch den Sprach- gebrauch »weifse Rasse«, sondern auch durch die Entgegensetzung in amt- lichen Schriften von White und Colored Population oder White, Negi'oes, Indians, Mongohans. 2) Wenn Benjamin A. Gould in seinen anthropologischen Beobach- tungen (s. u. S. 240) das Verhältnis der dunkel- und hellhaarigen wie 1 : 2, der dunkel- und helläugigen fast wie 1 : 4 berechnet, so ist zu beachten, dafs die braunen Augen zu den hellen gerechnet sind. 236 I^ie Abstammung. spanischen Zumischungen, die besonders von Kanada, Louisiana, Florida und Süd-CaroHna aus gewirkt haben, sind zwar nicht zu übersehen; das Übergewicht hegt aber auf germanischer und keltischer Seite. Die grolse Mehrzahl der Bürger der V. St. führt ihren Ursprung auf Einwanderer zurück, die aus England, Deutsch- land, Irland und Schottland kamen. Die Frage, Are we Anglo- Saxons? wird denn auch nur von einem Teile der Bürger der V. St. bejahend beantwortet. Andere finden mit Recht, dafs sie am liebsten aufgeworfen und am freudigsten bejaht werde von «Grofsbriten» wie Matthew Arnold, Freeman, Froude, die im Vorgefühl der Zeit, wo England hinter Nordamerika zurücktreten wdrd, dem Glanz ihres Volksnamens mehr Dauer zu verleihen streben. Es gibt besonders in den älteren Staaten der Union zahlreiche Anglomaniacs , wie sie wenig höflich genannt werden, »who desire to be English even in their fads«. Auch ruft die Herrschaft der englischen Sprache, der englischen Einrichtungen und Sitten bei der Masse der Nordamerikaner die Gewohnheit her- vor, alle europäischen Verhältnisse gleichsam hinter einem eng- lischen Vordergrund zu sehen. Aber die Frage der Abstammung ist eine andere, als die der vorherrschenden Einflüsse. Die tief er- liegende Lüge einer Behauptung, die das fundamentale Kelten- tum verschweigt, ist nur Eine, mehr an der Oberfläche liegt die Zurücksetzung der Deutschen, Franzosen, Scandinavier und an- drer p]lemente der Bevölkerung der V. St. Die Anmafsung der angelsächsischen Ideen klingt, als solle jeder weilse Mann zum Angelsachsen gestempelt werden; es steckt ein ganz falscher Stolz auf die Zugehörigkeit zur Anglo-Saxon Race dahinter, der Bluts- verwandtschaft und geistige Einflüsse verwechselt. Man hat ver- sucht, die Zahl der ächten Angelsachsen in der heutigen Bevölke- rung zu ca. 18 Mill. zu bestimmen ^), was 28 *Vo der heutigen Be- völkerung ausmachen würde, also viel weniger als die 60%, die 1) John C. Fl e m m i n g in North American Review 1891 p. 256. H ö f er, Das Zurückweichen des angelsächsischen P^lementes in Nordamerika, (xlobus LX., p. 382, der 38®/o durch nicht einwurfsfreie Schätzunj; gewinnt. Vgl. auch Journal of the Statistical Society of London 1870 p. 546 : »The Pcdigree of the U. S.c Herkunft der Einwanderer. r>37 sonst angenoiiunen wurden. Die nachweislichen Irländer machen allerdings nur etwa 16, die Deutschen 20% aus, aber zum Ver- gleich gehörte auch die nicht mehr nach dem Ursprung auszu- sondernde ältere Einwanderung. Vorzüglich sind die keltischen Ele- mente von den angelsächsischen vor dem Jahre 1820 nicht zu trennen. Die richtige Antwort auf die Frage nach dem Ursprung der Nordamerikaner lautet — und sie wird immer mehr die richtige werden — : Europa, nicht England, ist die Mutter der V. St. Folgerichtig ist auch die nur halbwahre Bezeichnung Anglo- Amerikaner durch die erschöpfendere Europäo-Amerikaner zu ersetzen. Nach der Landesangehörigkeit verteilen sich die von 1821 — 1890 Eingewanderten f olgendermafsen : 6 317084 Engländer, Schotten und Irländer, davon Irländer 3507 901'), 4553 947 Deutsche, 453 685 Öster- reicher, 174 383 Schweizer, 954 303 Schweden und Norweger, 145 918 Dänen und Isländer, 402 225 Italiener, 369 448 Franzosen, 43 927 Spanier und Portugiesen, 102 727 Holländer, 45 457 Belgier, 290 680 Chinesen, andere Asiaten 8064, 94 368 Westindier, Mexikaner und Mittelamerikaner 28 803, Südamerikaner 11209, von den Atlantischen Inseln 33 730, von den Pacifischen 24 789; aus Afrika 1288, aus verschiedenen Ländern 199 475. Unter 1047080 aus Britisch- Amerika Eingewanderten befinden sich zahlreiche Europäer, die den Weg über einen der dortigen Häfen eingeschlagen oder ihre Ansiedelungen in Britisch-Nordamerika verlassen haben, darunter eine gröfsere Zahl französischer Kanadier und auch Deutsche. Ein allgemeiner Überschlag läfst folgende gröfsere Gruppe ausscheiden: Gegen 9 MiU. Germanen, 43/4 Mill. britische Kelten, wenig über 1 Mill. Romanen, gegen V2 Mül. Slaven, Va MiU. asiatische Mongolen, 150000 mit farbigem Blut gemischte Amerikaner und Polynesier. Sehr verschieden ist die Verteilung dieser Summen auf die Jahrzehnte und für die Zusammen- setzung der heutigen Bevölkerung höchst wichtig. In Europa war der Trieb zur überseeischen Auswanderung nur in England, Irland 1) Es ist wohl zu beachten, dafs die am frühesten und zahlreichsten nach den V. St. gewanderten Irländer in der Mehrzahl aus dem Nordosten der Insel stammten, wo schottische und protestantische Ansiedler safsen. Diese Irish Scotchmen spielten im Unabhängigkeitskrieg eine Rolle und bilden bis auf den heutigen Tag ein eigentümliches Element in der Bevölkerung der V. 8t., das auch politisch der Masse der Irländer fernsteht. Über ihre Dialekt- litteratur in Amerika vgl. den Essay über Robert Dinsmore in Prose Works by Jolm Greenleaf Whittier 1866 I. 238 I^^r Europäo-Amerikaner. und Schottland seit dem 17. Jahrhundert rege und weit verbreitet. Er breitete sich langsam nach West- und Süddeutschland und der Schweiz , nach Nordostdeutschland — in den 10 Jahren 1841 — 1850 bildeten die Iren 46, die Deutschen 25%, in den 10 Jahren 1871—1880 jene 15, diese 26% — nach Skandinavien, wo er vor etwa 30 Jahren sich stärker zu äufsern begann, Ungarn, Polen aus, wo er erst seit einem Jahrzehnt die trägen Massen in Bewegung bringt. Die schon früher starke itahenische Auswanderung hat sich den V. St. erst seit einigen Jahren, aber plötzhch mit Vorhebe zugewandt. Die Masse der Einwanderer stammt wie immer noch aus Grol'sbritannien, Irland und Deutschland, aber im Verhältnis zu der aus Italien, Ruisland, Polen, Böhmen, Ungarn ist sie im raschen Rückgang. Nach der Reihenfolge ihres Wachstums in den zwei achtjährigen Perioden 1874/81 und 1882/89 beobachtet man folgende. Schwankungen : Frankreich 19,4% Abnahme, Dänemark 114,3% Zunahme, Norwegen 59,5% : Zunahme, Österreich ^) 136,5% Grofsbritann. Belgien 138,8% und Irland 67,8% » Polen 166,0% Deutschland 76,7% » Italien 286,0% Schweiz 88,3% » Rufsland 297,0% Niederlande 91,2% » Ungarn 476,4% Schweden 107,0% » Diese Bewegung ist noch lange nicht beendet. 1890 brachte zum ersten Mal die italienische Einwanderung die 62000 betrug, über 100% mehr als 1889, vor die irische und hart hinter die deutsche, die mit 96000, wie seit einer Reihe von Jahren an der Spitze stand. 1891 nahm Italien mit 76000 dieselbe Stelle ein und daran schlofs sich gleich Rufsland mit 75000. Aus Polen kamen 1890 20 000 gegen 5000 im vorangehenden Jahr und während Engländer, Schotten, Irländer, Niederländer und Schwei- zer zurückgingen, wuchs auch die Zahl der Einwanderer aus Ungarn, Österreich, besonders Böhmen. Der Europäo-Amerikaner. Der Europäo-Amerikaner ist als ein Werdender anthropologisch noch nicht klar auszusondern 1) meist Böhmen. Die angebliche Yankee-Rässe. 239 und zu beschreiben. Für den Grundstock, kann man noch nicht hinausgehen über die Definition, die Morton vor Jahren gab: »Die Anglo- Amerikaner gleichen in allen charakteristischen Eigen- schaften ihren Stammeltern. Sie haben gleich ihren englischen Ahnen einen längeren Schädel als die ungemischten Deutschen . . . Das Mittel ihres Schädelinhaltes entspricht dem der Teutonic Race« ^). Wenn auch die germanisch-keltischen Nordamerikaner in manchen Eigenschaften von dem europäischen Typus dieser Zweige der kaukasischen Rasse abgewichen sind, und es wohl möglich ist, dafs mit der Zeit eine bestimmte Varietät hier zur Ausbildung kommt, so ist doch dieser Procefs bei dem bestän- digen Zuflufs neuer Elemente, die in zunehmendem Mafse anderen Zweigen, besonders den romanischen und slavischen, entspringen, noch lange nicht abgeschlossen. Nur unter günstigen örtlichen Verhältnissen kann für einen kleinen Teil der Bevölkerung ein vorläufiger Abschlufs erwartet werden. Einige von den Anthropologen haben von den germanischen Nordamerikanern wie von einer neuen Rasse gesprochen, die von ihren europäischen Anfängen in der kurzen Zeit von 200 bis 300 Jahren sich weit entfernt habe. Aber die Eigentümlichkeiten, die sie charak- terisieren sollen, sind keineswegs allgemein verbreitet. Vorzüglich die Bewohner der Neuengland-Staaten, die von allen Nordamerikanern die reinste englische Abstammung aufweisen, zeigen jene Merkmale des Yankee-Typus, die irrtümlich für die Merkmale des Nord- amerikaners überhaupt genommen werden : Hoher Wuchs mit Neigung zur Hagerkeit, lange Glieder, schmales regelmäfsiges Gesicht, scharfe Züge, weitgeöffnete sprechende Augen. Man spricht auch von einem allgemeinen Zurücktreten der Drüsen- und Fettentwickelung, und davon, dafs das Zahnsystem im Allgemeinen schwächer sei als bei den europäischen Voreltern. 2) Nach manchen Schilderungen ist der Nordamerikaner überhaupt seinem körperlichen Wesen nach nichts anderes als ein heruntergekommener Europäer, und früher hörte man 1) Morton in Nott and Gliddon, Types of Mankind. 1854. 309. 2) Nach Benjam. A. Goulds Beobachtungen an den Soldaten der Armee der V. St. haben allerdings die Nordamerikaner sogar bessere Zähne als die meisten von ihren europäischen Vettern, unter denen die Skandinavier und Schotten am schlechtesten stehen. Wie weit die Zahnpflege, die hier nirgendsso hoch steht wie in Nordamerika, ein Rassenmerkmal verändert, ist nicht zu bestimmen. 240 I^^s Physische des Europäo-Amerikaners. häufiger als heute die Behauptung, der Europäer,, verwandle sich in Nordamerika langsam in einen weilsen Indianer. Allerdings sind die hageren Gestalten der Yankees keine Typen der Dauerhaftigkeit, wie die in der alten Welt vorherrschenden, gedrungenen, mehr eben- mäfsig gebauten. Sie erkennen das auch selbst an und möchten, dals »der immer grölser werdenden Schlankheit der Formen ein Ziel gesetzt werde«. Dilke, der Verfasser von Greater Britain, der den Angelsachsen die Weltherrschaft in Aussicht stellt, kann nicht ohne Bedenken die heutigen Nordamerikaner betrachten: »Die hohen Schultern und die bleichen Gesichter der Männer von Boston sind sicherlich nicht unvereinbar mit mächtiger Gehirnentwickelung und mit dem schärfsten Verstand, aber es ist nicht wahrscheinUch , dafs Talent und Energie sich auf die Generationen vererben werden, denen die ausgemergelten (worn out) Männer und Frauen von heute Ursprung geben . . . Jahr für Jahr werden die Amerikaner leichter, dünner, kurzlebiger, die Frauen noch mehr als die Männer«. Nott, der bekannte Anthropolog, betrachtete die gemälsigte Zone Nordamerikas als der Entwickelung der germanischen Stämme viel weniger günstig als die Europas. Es liegt in diesen Urteilen sehr viel Übertreibung. Es soll mit aller Gewalt ein ganz neues Volk geschaffen werden. Aber dazu genügt nicht die neue Umgebung. Vielmehr ist auf dem neuen Boden ein altes Volk gewachsen, das an Körper und Geist nur verschwindend kleine Unterschiede von seinen Ahnen in der alten Welt erkennen lälst. Der Wille, ein ganz eigenartiges Volk zu sein, kommt nicht gegen die Natur auf, die in die heutigen Menschenrassen nicht die Neigung gelegt hat, sich unter äulseren Einflüssen rasch umzugestalten. Auch die Neger sind, wenn man. von den Folgen der Mischung absieht, dieselben geblieben wie in Afrika. Der Wunsch, die Eigenartigkeit zu ertrotzen oder zu erkünsteln, führt zu unerfreulichen Verrenkungen. Natürlich gilt das noch viel mehr von der geistigen Sphäre. Die körperliche Anlage, das Rassenhafte, erscheint der gründlichen Beobachtung nicht von vornherein Ungünstig. Die anthropometrischen Beob- achtungen i) ergeben für die geborenen Amerikaner gerade die 1) Investigations on the Military and Anthropological Statistics of Ameri- can Soldiers. By Benjamin Apthorn Goukl. New York 1869. StatistiCH, Medi- cal and Anthropological of the Provost INIarslial-Generals Bureau. By II. Baxter, Washington 1875. 2 Bde. Das Physische des Europäo- Amerikaners. 241 Grörsen, die man bei Menschen erwartet, die von kräftigen Indi- viduen der besten Rassen Europas abstammen und unter gün- stigen Bedingungen sich entwickeln konnten. Die zahlreichen Grölsenmessungen Bowditchs an Kindern von Boston und Baxters an Soldaten der Armee der V. St. geben den Amerika- nern ein entschiedenes Übergewicht in der Körpergrölse und besonders auch den Mädchen in dem Fortschritt körper- licher Entwickelung. Die an grol'sen Mengen ausgeführten Messungen, die Baxter in seinem Werke verwertet, geben den in Amerika geborenen Männern reifen Alters eine gröfsere Körperhöhe als den Deutschen und Irländern; sie weisen in den V. St. gröfsere Mafse den westlichen als den östlichen und in diesen gröfsere den von der Fremden-Einwanderung am wenigsten beeinflufsten nördlichen Neuenglandstaaten, besonders Vermont und New Hampshire, zu. Hervorragend grofse Leute erzeugen auch Ohio und Indiana, die Niederlassungsgebiete der älteren Einwanderung, noch gröfsere Kentucky, Westvirginien und Ten- nessee, in denen mehr Amerikaner als fremde Einwanderer den Ein- flüssen des Westens ausgesetzt waren. Die Männer weifser Rasse in den Südstaaten, aus denen die Bewohner der eben genannten drei Staaten vorwiegend stammen, sind ebenfalls hoch gewachsen. Vergleichende Messungen von Studenten in Cambridge in Eng- land und Cambridge Mass., sowie New Haven Ct., ergaben für diese, meist den gebildeten Ständen des Ostens angehörigen Jüng- linge gröfsere Mafse. Und endlich scheint bei der amerikanischen Jugend beiderlei Geschlechts eine beträchtliche Gröfse früher er- reicht zu werden, als bei den Engländern und Deutschen. Es ist nur die Frage, wie weit dieses Kapital von Kraft ins Leben hineinreicht. Eine bessere Erziehung und vernünftigere Lebensweise würden es wahrscheinlich viel dauernder erhalten und doch ausnützen können. Die körperliche Gesundheit des Nord- amerikaners steht nicht auf der Höhe seiner Anlagen. Neben den Äufserungen der Thatkraft und Ausdauer begegnen wir bei vielen Männern den Spuren der Ermüdung und frühen Abnützung. Ner- ven- und Magenleiden^ sind weitverbreitet. Für Neurasthenie sind die V. St. ein klassisches Land. Die nordamerikanischen Ratzel, Die V. St. von Amerika. 16 242 I^^s Physische des Europäo-Amerikaners. Frauen sind zart, nervöser, mehr Krankheiten unterworfen, ertragen schwerer das Mutterwerden, als ihre nord- und mittel- europäischen Schwestern. JuHette Adam nennt sie die Orchi- deen unter den Frauen. Die Pest der künstlichen Frühgeburten, die selbst den mälsigsten Berichten nach in den V. St. sehr ver- breitet ist und seit Jahren öffentUch besprochen und bekämpft wird, trägt wohl mit die Schuld an dieser Schwächung des körperlichen Lebens. (Vgl. über die Kinderarmut in den öst- lichen und mittleren Staaten S. 349.) Körperliche Übungen, alles was man dort »Athletics« nennt, sind in Amerika von viel beschränkterer Verbreitung als in England. Sie sind Sache der Universitäten, der Wohlhabenden und Gebil- deten. Man geht weniger zu Fufs. Man läfst den Geist sich frei entwickeln, wobei er eine einseitige, regsame, fieberhafte Thätigkeit entfaltet und besonders in der durch eigentümliche Erziehungs- weise noch geförderten Frühreife des jungen Nachwuchses eine für Völker gemäfsigter Zone und germanischer Abstammung sehr rasche Entwickelung zeigt. Über den Einfluls des Klimas und der ohne Frage mitwirksamen Mischung wird man erst sprechen können, wenn die körperliche Erziehung mehr Beachtung ge- funden haben wird. Die körperlichen Schwächen des Yankee- Typus können dann vielleicht mit der Kurzsichtigkeit des deut- schen vergHchen werden. Schon heute hört man behaupten, dals die Zunahme körperlicher Übungen die amerikanische Jugend beiderlei Geschlechts kräftiger gemacht habe, Dyspepsie sei in Abnahme, Nervosität sei zurückgedrängt, es sei Mode geworden, gesund zu sein. Jedenfalls steht die physische Erziehung in der ersten Reihe der Gegenstände der öffentlichen Besprechung. »A magnifique physique« gehört zu den Idealen der Biographen und Novellisten. Die Nordamerikaner streben auch auf diesem Gebiet ihren englischen Vettern nach, hoffentlich mit dem gleichen Er- folg. Dafs aber nicht alles in der Lebensweise liegt, beweist die Frische und Munterkeit der pacifischen Amerikaner. Wer aus den Oststaaten konunt und überrascht ist von der gesunden Färbung der Kalifornier und ihrer rotwangigen Kinder, der wird sich an die häufige Klage über die Rauheit und Extremität des Klimas der Die amerikanische Nationalität. 243 atlantischen und inneren Gebiete Nordamerikas erinnern. In den Spekulationen über die Zukunft der Nordamerikaner wird man die körperlichen Verhältnisse in Betracht ziehen, da die Akklima- tisationsfähigkeit des Menschen auch für Regionen von ähnlichem Durchschnittsklima nicht unbeschränkt ist. Aber wer dürfte be- haupten, dafs der Akklimatisationsprozefs nicht zu günstigen Er- gebnissen führen könne, wenn erst die »Auslese der Passendsten« weiter fortgeschritten und die Organisationen den neuen Be- dingungen angepafst sein werden? Vielleicht wird gerade die Mischung sich günstig erweisen, wenn erst dieser Prozefs von der Mehrzahl überwunden sein wird. Rein kulturlich ist sie ja schon heute als Erzeugerin vielseitigster Gaben von Vorteil. Die amerikanische Nationalität. Die Nordamerikaner sind nicht blofs im Sinne des äufseren Wachstums und der Raum- erfüllung noch kein fertiges Volk, auch ihre innere Zusammen- setzung ändert sich beständig und wird sich noch immer mehr ändern. In jedem gröfseren Zeitraum zeigt das Volk eine andere Zusammensetzung. Wohl hat, im Grofsen betrachtet, Nordamerika bis jetzt nur zwei Schichten in der zeitlichen Aufeinanderfolge seiner Bevölkerungen aufzuweisen. Die unterste, die indianische, haben wir kennen gelernt; sie ist grofsenteils von der rasch an- wachsenden europäo-amerikanischen bei Seite gedrückt oder wird wenigstens so dicht von ihr bedeckt, dafs sie, wie ein altes im Unter- gang befindliches Land, nur noch im Westen an einigen Punkten hervorragt. In der Kultur des Landes ist sie jetzt fast ohne Be- deutung, aber auf die Zusammensetzung der Bevölkerung des Westens übt sie eine nicht unbedeutende Wirkung durch die Mischung. Die zweite Schicht ist noch im Wachsen. Ihre Zu- sammensetzung ist noch bunt und scheint noch immer bunter werden zu soUen. Sie war am reinsten angelsächsisch im 17. Jahrhundert, in dem der enghsche Charakter der Nordamerikaner für lange Zeit sich fest- stellte, für dessen Übergewicht es von der gröfsten Bedeutung war, dafs er sich so früh entwickelte und so lange einheitlich erhielt. All- mählich haben sich geschichtliche Volkstypen herausgebildet, an deren Entwickelung klimatische und soziale Einflüsse gearbeitet haben und arbeiten. Früher sprach man nur von dem Neuengländer oder Yankee 244 Innere Unterscliiede in der amerikanischen Nationalität. und dem Südländer, den man im Virginian am charakteristischsten verkörpert fand. Geschichtüch ist diese Scheidung wohl begründet, denn Virginien und die vier alten Neuenglandstaaten sind die Krystalü- sationskerne der älteren Kolonisation (s. o. S. 107) und aulserdem auch die wichtigsten Ausgangspunkte neuer Westwanderungen (s. u. Kap. XVI), die ihren Einfluls und einen guten Teil ihrer Art und Sitten und Einrichtungen in das weite Land hinein trugen. Die Verschiedenartig- keit der Abstammung der Virginier und Neuengländer, ihre ver- schiedenen politischen , wirtschafthchen und geseUschafthchen Ein- richtungen und Zwecke , nicht zuletzt auch der Unterschied ihres religiösen Bekenntnisses (Hochkirche und Piuitanismus), hat zwei sehr verschiedene Volkstypen aus ihnen gemacht. Es ist übertrieben, zu sagen, Virginier und Yankee seien dieselben Menschen, die sich in Altengland als Kavaüere und Rundköpfe bekämpften, aber sicherlich ist in jenem mehr aristokratisches Wesen und in diesem mehr demokra- tisches. Später hat der allgemeine Gegensatz von Nord und Süd, von freier Arbeit und Sklavenhaltertum diesen Unterschied teüs ver- schärft, teils auch, indem er ihn in jenem allgemeineren Gegensatz aufgehen hels, verdeckt. Aber das mehr offene, heitere, ritterhche, feiner gesittete, freigebige und gastfreundliche Wesen der Virginier steht dem verschlossenen, mifstrauischen, geschäftsbrütenden, eckigen, geldscharrenden Wesen vieler Neuengländer oder Yankees ^) noch immer mit ganz bestimmten Merkmalen gegenüber und rücht blols in den alten Staaten, wo diese Typen sich entwickelt haben, sondern kaum minder entschieden auch in den jüngeren, wohin die Einwanderung aus jenen sich richtete. Bis an den Mississippi hin lassen sich die vor- wiegend von Neuengland aus kolonisierten Gebiete von denen unter- scheiden, die ihre Bewohner aus Virginien empfingen. Viele wollen selbst in dem Unterschiede des Unternehmungsgeistes und der geschäft- hchen Regsamkeit zwischen Chicago und dem südlicheren St. Louis den Gegensatz dieser beiden Volkstypen erkennen. Sie sind gleich- zeitig die bis jetzt noch am wenigsten mit fremdem Blut versetzten, die am reinsten englisch gebliebenen Teile der Bevölkerung der V. St. Dagegen tritt in der Bevölkerung der mittleren atlantischen Staaten, die zwischen sie sich einschiebt, das nichtenglische Element von An- fang an einflulsreich auf : in New York das niederländische , in New Jersey das schwedische, in Pennsylvahien, Maryland und West- Virgi- nien das deutsche. Wie sehr auch englische Sprache und Sitte diese 1) Yankee findet in Nordamerika selbst nur auf den Neuengländer Anwendung. Man hat verschiedene Herleitungen dieses Namens aufgestellt, von denen keine befriedigend zu sein scheint. Vgl. u. a. W. Irving, History of New York I. 102. Innere Unterschiede in der amerikanischen Nationalität. 245 Nationalitätenunterschiede verhüllen, das Volk ist doch ein anderes. In engen Bezirken umschliefst es mehrere Typen nicht englischen Ur- sprungs. Die Abkömmlinge der Niederländer in New York (die Knicker- bockers) und die Pennsylvania-Dutchmen haben die schärfsten Ecken des angelsächsischen Wesens abgeschhffen. Die newyorker ist mit der Zeit die kosmopohtischste unter den Bevölkerungen der V. St. geworden aber im Pennsylvanier ist am meisten deutscher Charakter; er ist durch seine Ruhe, seine mehr gemäfsigten Ansichten und Handlungen vom ächten Anglo-Amerikaner weit verschieden. Philadelphia ist neben New York, Boston, Chicago arm an Untemehmungs- und Geschäfts- geist. Derselbe gemischte Tjrpus findet sich nun im Westen wieder, und zwar ist er am stärksten vertreten in dem mittleren Strich, durch den der Ohio zum Mississippi fliefst. Hier sind Cincinnati, Chicago, St. Louis und Müwaukee die Hauptstädte der dejitschen Bevölkerung. Hier entwickelt sich wie in den atlantischen Mittelstaaten ein Misch- volk, dessen starker Anteil deutschen Blutes unter der HüUe der eng- lischen Sprache und Sitte sich zur Geltung bringt. Nirgends ist die Reaktion gegen das engherzige Neuengländertum stärker als hier. In den Staaten am atlantischen Rand dürfte die dort in Massen ein- wandernde und mit Vorliebe in den Städten sitzen bleibende irische Bevölkerung alle anderen Mischungseiemente mit der Zeit verdecken. Von Maine bis hinunter nach Florida ist das irische Element in jedem Staate das unter den Fremdgebornen am stärksten vertretene, in aUen Staaten des Innern ist es das deutsche. Der ferne Westen und vor- züghch Kalifornien ist bis jetzt noch zu jung, um bereits einem be- sonderen Typus Ursprung geben zu können. Doch läfst sich schon jetzt voraussagen, dafs nirgends mannigfaltigere Mischungselemente vereinigt sind wie hier. Indianische , spanische und vielleicht auch mongoHsche dürften den künftigen pacifischen Zweig des nord- amerikanischen Völkerstammes stärker beeinflussen als irgend einen anderen. Und dazu kommt ein Klima, das von den Klimaten des ganzen übrigen Nordamerikas am weitesten abweicht. Mit ihrer aus so verschieden begabten Elementen zusammengesetzten Bevölkerung bieten die V. St. einen der bemerkenswertesten FäUe dessen, was man nationale Arbeitsteilung nennen kann. Die Verbindung des acker- bauenden germanischen und des gewerbthätigen keltischen Ein- wanderer-Elements, von denen jedes mit gleicher Energie sich auf eine andere der zahlreichen Hilfsquellen dieses grofsen Landes warf, so dafs ihre gemeinsame Arbeit viel gröfsere Resultate ergab, als wenn jedes einzelne in vermehrter Zahl sich beiden Zwecken ge- widmet haben würde, hat mächtig zum raschen Emporblühen des Landes beigetragen. 246 -Dcir Nordamerikauer im Werden. Diese Unterschiede haben nicht vermocht, innerhalb der Amerikaner fremde Nationahtäten im poHtischen Sinne auszubilden. Das geschichtlich gewordene Übergewicht des angelsächsischen Stammes macht englische Sprache, Sitten und Anschauungen herr- schend in den V. St. und jenen Bruchstücken ist es nur gegönnt, leichte Änderungen nach einer oder anderen Richtung hervorzurufen. Nichts beweist besser die Stärke dieser aneignenden Kraft, als daCs eine Stadt wie Chicago mit 451000 im Ausland Geborenen im Politischen und Administrativen, im Geschäft und grofsenteils in allem äufseren Leben ganz amerikanisch geworden und ge- bheben ist. Aber die amerikanische Nationalität andererseits als etwas Gegebenes anzuerkennen, ist eben den fremden Elementen nicht möglich. Als Schurz wegen seines Antrages auf Unter- suchung des Waffenhandels von 1871 zwischen der Regierung der V. St. und Frankreich als Fremder bezeichnet und die Forderung erhoben wurde, die Deutschen möchten sich der ameri- kanischen Nationalität anschliefsen , wurde auf einer deutschen Versammlung in Chicago gefragt: Was ist amerikanische Natio- nalität? Sie wird erst und die Deutschen werden beitragen, sie zu formen. Gerade auf, diese Teilnahme an der Bildung der neuen Nationalität richten sich ihre Hoffnungen, die leicht etwas unklar werden, da sie sich in eine gar zu ferne Zukunft erstrecken. Nur so ist die platonische Auffassung Friedrich Kapps, dafs in der Vermählung des deutschen und amerikanischen Geistes nichts für jenen Schmerzliches liege, zu begreifen^). Nach den bisherigen Erfahrungen hat der amerikanische Geist den deutschen (der Deutschamerikaner) überwältigt und verhältnismäfsig wenige Spuren von ihm nach 200 jährigem Assimilationsprozefs an- genommen. Das raschere, rücksichtslosere amerikanische Leben tritt mit starken Forderungen an den europäischen Einwanderer heran, die dieser nicht gewöhnt ist. Es ist in hohem Grade fortreifsend und aneignend. Jeder Einwanderer wird vom Strudel des neuen Lebens erfafst und in fremde Tiefen gerissen. Wie viele gehen 1) F. Bodenstedt hat in seinem Buche »Vom Atlantischen zum Stillen Ocean« (1882) S. 76 diese perspektivische Auffassung richtig be- und verurteilt. Der Bildungsprozefs des neuen Volkes. 247 dabei ganz unter! Mit mancher Zurückgebliebenheit, Ungeschick- Hchkeit, falschen Auffassung der Dinge legt er auch schon in den ersten Versuchen, sich zurechtzufinden, manches von dem ab, was ihn zum Deutschen, Franzosen etc. machte. Es ist die Vor- schule des Amerikanertums, aus der ihn oft die harte Notwendigkeit erst mit dem Entschlüsse entläfst, heimische Sprache und Sitte abzustreifen und mit gröfster Geschwindigkeit sich zu amerikani- sieren. Es imponiert ihm so vieles, er mufs bei so manchen Erschei- nungen des alltäglichsten Lebens die Überlegenheit der Amerikaner gerade in den zum praktischen Leben notwendigen Dingen aner- kennen, dafs er allzuleicht Pessimist der Vergangenheit und Optimist der Zukunft gegenüber wird. Dies gilt am meisten von jenen, die durch Litelligenz und Charakter zu voller Teilnahme an der Kulturbewegung des amerikanischen Volkes befähigt sind, während die minder Fähigen, vor allem die Franzosen, aber auch viele Deutsche, sich instinktiv abschlief sen und, durch die Abschlief sung zwar ihr Volkstum bewahren, aber gleichzeitig so ohne alle Wirkung bleiben, so gründlich versteinern und herunterkommen, dafs man sich fragen mufs, ob diese zähe Bewahrung ihrer Sprache und Sitten, die für sie ohne Zweifel ein Zurückbleiben bedeutet, für ihr Volk im Grofsen noch von irgend welcher Bedeutung sei. Am Ende werden doch auch diese Völkerfossile vom Strome zer- setzt und fortgeführt, wie die neuere Geschichte der Deutschen von Pennsylvanien deutlich lehrt. Vor Fragen der praktischen Politik gestellt, die einen raschen Entschlufs erfordern, fällt es heute schon der ersten Generation der Eingewanderten nicht schwer, mit einem einzigen Sprung den festen Boden des rücksichtslosen Amerikaner- tums zu erreichen. Als im März 1889 die falsche Nachricht von einem Gefecht zwischen einem deutschen und einem amerika- nischen Kriegsschiff in den Gewässern von Samoa nach San Francisco kam, schrieb der deutsche »California Demokrat«: »Ent- weder müssen wir uns um das Sternenbanner scharen und dasselbe mit unserem Leben und , Vermögen verteidigen, oder wir müssen das amerikanische Bürgertum abschütteln, indem wir dieses Land verlassen. Aber da wir gekommen sind, um zu bleiben, werden wir, Recht oder Unrecht, zur Fahne unseres Landes stehen oder 248 I^i^ Stellung der Deutschen. mit derselben fallen. « Gerade die Stellung der Deutschen zu den Anglo- Amerikanern ist lehrreich, da die Gründe ihrer politischen Unterlegenheit auch bei andern halbassimilierten Gliedern des Volkes der V. St. sich finden. Die Stellung der Deutschen In den Y. St. Eine ernste Befürchtung, dals die Deutschen sich als Volk in den V. St. absondern, und in einem geschlossenen Gebiet ihre Sprache und ihre Sitten zur Herr- schaft bringen könnten, gibt es bei den Amerikanern nicht mehr. Die bekannten Berechnungen, dafs es mehr Preussen in den V. St. gebe als Connecticut und West Virginien zusammen Bewohner haben, mehr Badenser als Leute in Delaware, doppelt soviel Hannoveraner als Leute in Nevada, kehren nach jeder Volkszählung wieder, erstaunen auch für einen Moment den Amerikaner, werden aber mit Recht als Kuriosa betrachtet. Ähnlich wenn New York oder Chicago hinter Berhn und Hamburg als deutsche Grofsstädte aufgeführt werden. Die Be- zeichnung einzelner Nordweststaaten als »Teutonic Province« ist eine Übertreibung der Politiker. Auch sind hier die Skandinavier neben den Deutschen in grolser Zahl vertreten. In der jüngst erschollenen Klage, dafs so viele Anglo-Amerikaner , besonders Neuengländer, ihre Farmen an Deutsche verkaufen, liegt die Befürchtung, dafs ein deut- scher Bauernstand sich herausbilde^), der die »Country Gentlemen« enghschen Schlages vertriebe. Man mufs betonen, dafs dieser Bauern- stand, ehe er solche Thaten vollbrächte, längst enghsch gelernt haben würde und müfste. Gerade in der wirtschafthchen Überlegenheit des deutschen Landmanns liegen keine Kräfte, die auf poHtische Geltung hindrängen. Die in kleineren Verhältnissen geschulte Anspruchslosig- keit und Bescheidenheit und der gründliche FleiCs, die werden heute noch von dem gröfseren Zug der amerikanischen Unternehmung in den Schatten gestellt. Wie in Texas die Deutschen die kleinen Schafzüchter sind, während die grofse Weidewirtschaft von den Amerikanern auf den weiten Flächen betrieben wird, die zugleich die Gebiete grofsen politischen Einflufses sind, so ist es auch in dem Weizengebiete. Das bleibt aber nicht immer so. Auch die Amerikaner sind an die Raumbedingungen gebunden und werden die Wege zu suchen haben, auf denen unsere Landsleute gewohnheitsmäfsig gehen. Der Deutsche arbeitet nachhaltiger auf dem wirtschaftlichen, der Amerikaner auf dem pohtischen Felde. Dort kann der Deutsche noch manches, lehren, hier ist er fast nur Lernender. Bei den grofsen Eisenbahn- und Brückenbauten durch Villard, Röbling u. a. hat es sich um ganz unpoHtische Werke gehandelt. Die wirtschafthchen Erfolge der 1) Prof. Welch im Forum Febr. 189X, Die Stellung der Deutschen. 249 Deutschen liegen eben in der Vertiefung und in der Abwendung von der Politik. In dieser fanden die Einwanderer alle Formen und Formeln fertig, von fremder Erfindung dürfte kein Schräubchen an diesem grossen Mechanismus sein, der das eigenste Werk der Anglo- Amerikaner darstellt. Der Fremde mufs zugeben, dals den Verhält- nissen des weiten und vielartigen Landes der amerikanische Geist sich am vollkommensten angepalst hat und sie am besten beherrscht. Er wird also politischer Lehrhng und durch das Bürgerrecht der V. St., das die verschiedenen Stämme nicht gleich heiCs erstreben, verbindet er sich organisch mit dem jungen Organismus, mit dem die wirt- schafthchen Fäden schon so manche Verbindung gesponnen hatten. Der 1885er Census von Massachusetts bringt über den Eintrit in das amerikanische Bürgerrecht folgende Angaben : Von den Fremden über 20 Jahren waren naturahsiert Chinesen 9,4, Italiener 12,5, französische Canadier 23, Portugiesen 25, Franzosen 44, Schotten 50, Engländer 55, Deutsche 59, Irländer 64%*). Vertieft er sich in die Geschichte der V. St. so wird ihm die Überlegenheit des enghschen Elementes noch klarer. Aus dem still- schweigenden Übersehen fremder Verdienste schöpft der Nordameri- kaner gleich seinem britischen Ahn Nahrung seines Selbstgefühles. Man wird einst die letzten Jahrzehnte als die Zeit einer einseitig enghschen und neuengländischen Geschichtsschreibung der Anfänge der Union bezeichnen, die besonders in der Unterschätzung des Einflusses der Niederländer und Deutschen und damit überhaupt der Mittelstaaten ge- fehlt hat. In den amerikanischen Geschichtswerken, besonders den der Geschichte einzelner Staaten gewidmeten, werden die Verdienste der Deutschen oft gar nicht erwähnt, ihre Namen und die ihrer ersten Ansiedelungen in enghscher Entstellung gegeben*). SelbstverständKch sind ihnen darin die Engländer und Franzosen gefolgt, Tocque- ville, Laboulaye, Bryce U.A., die von ihnen abhängen. 1) Census of Massachusetts 1885 I. XL VI. 2) »Wenn unsere Kinder die Geschichte unseres Staates aus einem der vorhandenen sog. Geschichtswerke lernen, so erfahren sie nicht, dafs jemals ein Deutscher in der Colonialzeit in Maryland gelebt hat; deutsche Namen sind bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Nur Parteikämpfe werden geschildert und enghsche Beamte erwähnt, die Bevölkerung der Kolonie und ihr Ursprung findet keine Berücksichtigung« . L. P. Henningshausen in einem Vortrage über die ersten deutschen Ansiedler in Maryland in der »Gesellschaft für Erforschung der Geschichte der Deutschen Marylands« 1891. In v. Holst 's Besprechung von Bryce The American Commonwealth in der Historischen Zeitschrift Bd. LXIV wird gegenüber der Unterschätzung bei Bryce den Deutschen ihre geschichtliche Stellung sehr gut bestimmt. 250 Deutsche Schulen und Litteratur. Das Bildungswesen der Deutschen in den V. St. ist auf nichts weniger angelegt als auf die Erhaltung eines Volkes in seiner Gesamt- heit. Es genügt nur den Bedürfnissen der unteren Klassen. Es gibt eine kleine Zahl von deutschen Privatschulen mittlerer Stufe, aber trotz des Ansehens, dessen deutsche Wissenschaft sich erfreut, keine deutsche Hochschule. Über die mangelhafte Bildung der jungen Landleute wird auch bei den Deutschen des Westens geklagt. Selbst der in einigen Weststaaten nach langem Streben errungene deutsche Unterricht in den öffenthchen Schulen hat mit den gröfsten Schwierigkeiten zu kämpfen und ist in den letzten Jahren, wo er in St. Louis und Louisville aufgehoben und in Cleveland und Indiana- pohs heftig bestritten wurde'), eher zurückgegangen. Vielleicht hat diese Errungenschaft mehr geschadet als genützt, indem sie manche deutsche Privatschule überflüssig machte, ohne doch einen gründhchen Unterricht im Deutschen zu gewähren. Der deutsche Volksunterricht ruht auf einem festeren Grunde, wo er Bestandteil des Planes einer konfessionellen Schule ist ; aber in dieser Form stölst er viele Deutsche ab, die eine unkirchhche Haltung für ein Zeichen pohtischer Fort- geschrittenheit halten. Dazu kommt die Gegnerschaft der enghschen Protestanten gegen den KathoHzismus. Gerade dieser hat viel für den deutschen Volksunterricht gethan. In Illinois und Wisconsin hat sich daher die vom puritanischen Neuengland ausgehende Agitation zugleich gegen die Fremden und den KathoHzismus gerichtet. Der Sprachenzwang in bester Form bestimmte, dafs die Elementarfächer und die Geschichte der V. St. in allen Schulen nur enghsch gelehrt werden dürfen. Aber neuer- dings begegnet jedes nationale Streben bei der im Westen so mächtigen kathohschen Hierarchie der Abneigung gegen »Nationahsierung der Kirche«. Was an deutscher Bildung in den Amerikaner übergegangen ist, stammt grofsenteils aus Deutschland, dessen Hochschulen und höhere Schulen von vielen Hunderten von jungen Amerikanern besucht werden. Wo das Reich der Wissenschaft beginnt, da fängt auch der deutsche Einflufs sich zu zeigen an. Früher waren nur Worte des gewöhnhchen Lebens in das Anglo-amerikanische übergegangen, jetzt lesen wir in den pohtischen Zeitschriften Reich, Zollverein, KampfzoU, Bundesrat, Ten- denz und so manches andere deutsche Wort, das zeigt, dafs auch unsere poütische Litteratur gelesen wird. Nachdem Goethe durch Carlyle den Amerikanern — ein Zeugnis für den überwiegenden Ein- flufs der enghschen Litteratur — verdolmetscht worden war, hat unser Heros immer eine Gemeinde in den V. St, gehabt. Widerstandslos hat die deutsche Musik Amerika erobert. Das alles hat zur Hebung 1) Im Frühling 1893 wurde er auch in den öffenthchen Schulen von Chicago stark beschränkt. Die Veränderung der Kasse. 251 des deutschen Elementes in den V. St. wesentlich beigetragen, aber nicht zur politischen Absonderung. Vielmehr begünstigt es den für die Sonder existenz der Deutschen durchaus nicht zu wünschenden Über- gang ihrer gebildeten Klassen in die entsprechenden amerikanischen. So durchdrungen ist man in Deutschland von der Aussichtslosigkeit der Erhaltung des Deutschtums gegenüber der fortreiTsenden Kraft des Amerikanertums, dafs die deutsche Kolonialbewegung von der Über- zeugung ausging, der Deutsche in den V. St. sei nicht national zu er- halten; aufserdem betonte sie auch die nahende Erschöpfung des freien Bodens für Einwanderer in Nordamerika. Es ist dies einer von den wenig beachteten Fallen der Rückwirkung von Thatsachen des amerikanischen Lebens auf Europa. Die Veränderung der Rasse. Durch die Zufuhr neuer Ele mente, die die Einwanderung bringt, wird die Rasse beständig verändert. Die allgemeinste von Einwanderern jeder Herkunft geltende Thatsache ist, dafs mit der Erleichterung des Verkehrs die Auswanderung aus Europa überhaupt aufgehört hat, ein Prozefs der Auslese zu sein. Die europäische Auswanderung bedeutete früher den Auszug der Kühnsten und Begabtesten, von dem die heutige Zeit, die jeden stagnierenden Tümpel zurückgebliebener erwerbsloser Bevölkerung in Europa dräniert, keine Vorstellung gibt. Der Widerstand gegen die Einwanderung von Verbrechern, Armen und Kranken sucht in dieser Änderung seine Recht- fertigung. Dafs die Bevölkerung der V. St., die heute zur Hälfte aus in den letzten 100 Jahren Eingewanderten und deren Nach- kommen besteht, nicht stärker sich verändert hat, beweist zwar eine grofse Assimilationskraft, die aber gegenüber Italienern, Slaven und Juden noch nicht so erprobt ist, wie gegenüber Irländern, Deutschen und Skandinaviern. Die Rasse und der Stamm werden bei der heutigen Lage der Verhältnisse und Anschauungen am willkommensten sein, die den Charakter der Bevölkerung, so wie sie jetzt ist, am wenigsten zu verändern drohen. Solange, wie bisher, die überwiegende Zahl der Einwanderer aus Briten, sei es aus Europa oder aus den nordamerikanischen Besitzungen Grofsbritanniens stammenden, aus Deutschen und Skandinaviern besteht, ist nicht zu fürchten, dafs der germanisch-keltische Grundzug der Bevölkerung der V. St. ver- wischt werde. Die einwandernden Engländer und Schotten, welche 252 Die Veränderung der Rasse. die Landessprache reden' bekannt sind mit den Gesetzen, Ein- richtungen und Sitten, sich daher schnell anschheCsen und in der Masse der schon vorhandenen Bevölkerung am leichtesten auf- gehen, werden schon wegen dieser leichten Aneigenbarkeit am willkommensten sein. Aufserdem liebt man sie aber am meisten unter den Ankömmlingen, weil man sie eben am besten kennt. Ausgenommen davon sind in den Augen der über die Sprach- gemeinschaft und die scheinbar leichte Assimilation Hinaussehenden, die Irländer, die fast zwei Drittel der ganzen britischen Ein- wanderung seit 1821 ausmachen. Ihr wandelbarer Charakter, ihre gröfsere Lebhaftigkeit kann dem langsamen teutonischen Blute nicht schaden. Aber solange die Mischung sich nicht vollzogen hat, ist die keltische Veränderlichkeit am wenigsten günstig in einem Staate von republikanischer Form, der die Stetigkeit des Volkscharakters als eine Gewährnis seiner Dauer verlangt. Lange bildeten die Irländer die ärmste Klasse der Einwanderer und setzten sich mit Vorliebe in den grofsen Städten und an den Mittelpunkten der Industrie fest, wo sie am wenigsten als eine wünschenswerte Bereicherung des Landes gelten konnten. Irländer bilden die grofse Masse des Pöbels in den grofsen Städten des Ostens und üben seit lange einen Übeln Einflufs auf das poli- tische Leben der Städte und Staaten. 30% der Bevölkerung von Boston sind in Irland geboren. Ohne das irische Element würde die Gefahr der Ochlokratie und des aus ihr fast unfehlbar folgenden Caesarismus selbst in New York und San Francisco, den in dieser Beziehung am meisten gefährdeten Städten, sehr viel geringer sein. Das deutsche Element entfernt sich zwar in der Sitte vielfach eben so sehr von den Einheimischen als die Irländer und war deshalb bei der oberflächlich urteilenden Masse eben so wenig beliebt. Aber es zögerte nicht, den germanischen Kern seines Wesens zu zeigen, sobald es sich aus der aus dem Polizeistaat mitgebrachten schwerfälligen Ungeschicklichkeit herausgefunden hatte. »Da die Deutschen ein betriebsames und gewecktes Volk sind, läfst ein groCser Teil von ihnen sich in dem offenen Lande nieder und entwickelt die Hilfsquellen des Westens und Südens, während der übrige Teil, aus Künstlern Entwickelung des deutschen Elementes. 253 und Handwerkern bestehend, lohnende Beschäftigung m Städten und Fabrikorten findet«^). Deutsche und Nordgermanen neigen am meisten zum kleinen Ackerbau und zeichnen sich durch Stetigkeit in diesem Betrieb vor den Engländern und Nord- amerikanern aus. Gleichzeitig bringt der Deutsche auch einen grölseren Betrag von Bildung oder wenigstens Schulung mit, als die ganze übrige Einwandererschar zusammen. Ihm ähnlich ist der Skandinavier, den der eben citierte Bericht »fleilsig, sparsam und mälsig« nennt. Die Angepalstheit an rauhes Klima, die die Schweden, Norweger und vor allem die Isländer mitbringen, ist in den Teilen von Wisconsin und Minnesota, die sie mit Vorhebe zu ihren Niederlassungen auswählen, eine erwünschte Eigenschaft 2). Ehe die deutsche Einwanderung als Masseneinwanderung begann, sind zahlreiche vereinzelte Deutsche, besonders aus den an die Nieder- lande grenzenden Landschaften, nach Nordamerika gekommen. Von mehreren von ihnen berichtet die Geschichte Hervorragendes. 1626 kam nach New York P. Minnewit aus Wesel, der als Leiter der da- maligen niederländischen Kolonie Neu Amsterdam bis 1632 amtete, und als Führer einer schwedischen Kolonie 1641 in Delaware starb. Jakob Leisler aus Frankfurt a. M. spielte die leitende Eolle in dem Aufstand New Yorks (1689) gegen die Anhänger Jakob's IL und wurde 1690 hingerichtet. 1708 ging auf englische Kosten eine Gesellschaft von 52 pfälzischen Protestanten aus Landau unter Führung des Pfarrers von Kocherthal nach New York, wo sie den Grund der Ko- lonie Neuburg am Hudson legte, aus der das heutige Städtchen New- burgh hervorgegangen ist. 1709 erfolgte dann die erste Massepaus- wanderung aus der Pfalz, von welcher im April 1710 600 Köpfe nach Nord-Carolina und 3000 nach New York kamen; ihre Ansiedelungen erhielten sich im Schoharie- und Mohawkthal bis zum Unabhängigkeits- krieg rein deutsch. Im ö. Teile des Staates New York, in Schekomeko, gründeten 1740 die Herrnhuter eine Mission, die später nach Pennsyl- vanien übersiedelte. Nach Pennsylvanien waren 1683 die ersten Deutschen, Pfälzer, gekommen und Hatten Germantown gegründet. Deutsche wanderten dann mit solcher Vorliebe nach dieser Kolonie, 1) E. Young, Spec. Bericht über Einwanderung in den V. St. 1872. 4. Über die Bedeutung der Deutschen für die Kulturentwickelung der V. St. Vgl. auch die Abschnitte über Kirche und Geistiges Leben. 2) Der >Skandinavian< ist in der gewöhnhchen Auffassung der Nord- europäer zwischen Schottland und Eufsland, und umschlielst sowohl den Finnen als den baltischen Deutschen. 254 Einwanderung und Verbreitung daXs man 1755 annehmen konnte, es bestehe die Hälfte der Bevöl- kerung, die auf 250000 veranschlagt ward, aus Deutschen. In den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts machten die Deutschen vier Fünftel bis fünf Sechstel der pennsylvanischen Einwanderung aus. Es kamen damals jährüch 4000 bis 5000 und eine Zeitlang schwebte die Frage, ob die Amtssprache deutsch oder enghsch sein soUe^). Wäh- rend Neu-England von der deutschen Einwanderung kaum berührt ward, empfing der jüngste Südstaat, Georgia, zuerst 1634 und später deutsche Einwanderer, meist Salzburger, die die Ansiedelungen Alt- und Neu- Ebenezer gründeten, und in Süd-jCarohna bestand beim Ausbruch des Unabhängigkeitskrieges eine deutsche Kolonie in Charleston und Um- gebung, die stark genug war, eine Kompagnie auszurüsten. Es wird nicht zu hoch gegriffen sein, wenn man annimmt, dass beim Ausbruch des Unabhängigkeitskrieges 250000 Deutsche in den V. St. lebten. Von diesen hatten sich allerdings in den nächsten Jahrzehnten manche bereits entdeutscht, da in den unruhigen Zeiten die Einwanderung von Deutschen auf ein sehr geringes Mals herabgegangen war. Die Schätzung Löhers, dafs zu Anfang unseres Jahrhunderts noch ein Fünfte] der Gesamtbevölkerung aus Deutschen bestanden habe, ist viel zu hoch. Für die Zahl der zwischen 1776 und 1818 herübergewan- derten Deutschen hat man gar keinen Anhalt. Im folgenden Zeitraum 1819 bis 1829 sind nach den niedersten Schätzungen 75000, von 1830 bis 1843 308000 anzunehmen. Dann beginnt des starke Wachstum. Für 1844 bis 1854 gibt die Statistik 1269000. 1854 war mit 252000 das an deutschen Einwanderern bis dahin reichste Jahr. 1855 bis 1870 kamen 1184038 und in den zwei folgenden Jahrzehnten 1871 bis 1880 und 1881 bis 1890 626000 und 1340000, in den letzten drei Jahrzehnten zusammen gegen 2 800000. Zählt man die deutschen Österreicher, Russen und Schweizer, die Luxemburger und die über Canada eingewanderten Deutschen hinzu, so sind drei Millionen für diesen Zeitraum keine zu hohe Annahme. Von allen Einwanderern, die in beträchthcher Zahl kamen, standen früher die Deutschen durch Sitte und Sprache der herrschenden Be- völkerung am fremdesten gegenüber und wurden wegen der Ohnmacht ihres Vaterlandes gering geschätzt. Sie htten daher am meisten unter den schlechten Einrichtungen der Auswandererschiffe, der Landungs- 1) Als diese hohe Stellung der Deutschen in Pennsylvanien schon seit einem Jahrhundert zu den vergangenen Dingen gehörte, bot sie doch noch einen bequemen Anlafs, um unseren biederen Landsleuten die Schuld an der viel späteren Nichtbezahlung der pennsylvanischen Staatsschulden zuzuschreiben! Selbst ein sog. wissenschaftlicher Reisender, G. W. Featherstonehaugh, F. R. S. und F. G. S., berichtete solches in seiner 1845 erschienenen Excursion to the Slave States (I. 19) als sichere Thatsache. der Deutschen. 255 256 Verbreitung und Zahl der Deutschen. platze und des Transportes ins Innere. Nicht selten starben 20 bis 40% auf der Überfahrt und die Überlebenden hatten ihr Überfahrts- geld durch 3 bis 6 Jahre langen Dienst bei dem abzuverdienen, der es für sie bezahlen mochte. Die Einrichtung ist vom Sklavenhandel nicht sehr entfernt gewesen. Man zittert vor Schmerz und Scham, wenn man die Unbüden und Leiden liest, denen diese armen Lands- leute unterworfen waren. In neuerer Zeit haben sich die Leiden ver- mindert, vorzüglich durch stärkere Benützung der Dampf boote an Stelle der Segelschiffe (1855 kamen nach New York 5, 1870 schon 88% der Einwanderer in Dampf booten), zu einem guten Teü aber auch durch schützende Mafsregeln der Staatenregierungen und einzelner Privat- gesellschaften , von denen die deutsche Gesellschaft in New York unter Leitung von Männern wie Bierwirth, Kapp u. a. sich die grölsten Verdienste um die deutsche Einwanderung erwarb. New York setzte 1847 eine besondere Behörde, die Commissioners of Immigration, zum Schutze der Einwanderer ein. Zugleich wurde aber die geographi- sche Verbreitung der Deutschen mit ihrer zunehmenden Menge viel günstiger (s. Fig. 12). Bis 1840 hatten sie ihre Sitze zwischen dem Hudson und Potomac, wo sie als ländhche Bevölkerung abgeschlossen lebten. Mit dem Wachstum New-Yorks büdete sich in dieser einflufs- reichsten Stadt Amerikas ein zweites Gebiet dichter deutscher Bevöl- kerung und ein drittes hat am Ufer des Michigansees in Wisconsin, Minnesota und Ilhnois sich entwickelt. Der Census von 1880 wies auf 10000 Einwohner 1400 eingewanderte Deutsche in Wisconsin, 880 in Minnesota, 770 in Illinois, 700 in New- York, 670 in Nebraska, 570 in New- Jersey, 540 in Michigan und Jowa, 510 in Ohio, 490 in Kah- fornien, Missouri und Maryland nach*). Die Deutschen der V. St. sind eine beständig sich ändernde GröXse. Wül man die Zahl der zu bestimmten Zeiten in den V. St. ansässigen Deutschen abschätzen, so begegnet man der unüberwind- Uchen Schwierigkeit, zu bestimmen, wie viele deutsch gebheben sind. Es ist der Behauptung Erwähnung gethan, dafs im Anfange dieses Jahrhunderts ein Fünftel der Bevölkerung der V. St. aus Deutschen bestanden habe. Zugegeben, dafs diese Angabe richtig sei, erleidet es doch keinen Zweifel, dafs nicht mehr alle von Deutschen Abstammen- den als Deutsche betrachtet werden konnten, da erfahrungsgemäls alle nicht in grölseren deutschen Gemeinschaften zusammenwohnenden 1) Im Augenblick der letzten Korrektur dieses Bogens kommt mir das CensusbuUetin No. 357 vom 16. Februar 1893 zu, in dem für 1890 2784894 in Deutschland Geborene in der Bevölkerung der V. St. nachgewiesen werden, das sind 30% aller Fremdgeborenen. Durch Zuzählung der Österreicher, Holländer, Belgier, Luxemburger und Schweizer wird eine Gruppe von 3119583 »Teutonsc gebildet. Franzosen und Spanier. 257 Deutschen schon in der zweiten und spätestens in der dritten Gene- ration sich verengländern und zwar in Sitten und Anschauungen nicht weniger als in der Sprache. Die Sprache ist aber das einzige Merk- mal, an welchem wir die Deutschen sicher erkennen können. Haben sie diese verloren, dann hört gar bald der Zusammenhang mit den Lands- leuten auf und worin liegt dann ihr Deutschtum? Wenn Löher 1846 annahm, dals zwei Drittel der Deutschen Deutschredende seien, so ist dieses Verhältnis gewils heute nicht mehr gültig, denn trotz der grofsen Nachschübe in den letzten drei Jahrzehnten fallen in Jedem Jahre Tausende vom Deutschtume ab, die in Amerika von deutschen Eltern geboren sind. Wir halten 7 Mill. Deutsche, also ein Neuntel der Gesamtbevölkerung, für die höchstmöghche Annahme. An den Census- zahlen kann man natürhch die Gröfse der deutschen Bevölkerung nicht messen, da der Census nur die in Deutschland Geborenen ermittelt. Man mufs die Kii'chen-, Schul- und Zeitungsstatistik mit heranziehen. Bis vor einigen Jahren haben nur die Franzosen und die Spanier in den V. St. die romanische Familie wirksam vertreten. Jene haben mit ihren Fehlern und Tugenden die heranwachsenden Kolonien von Canada und später von Louisiana aus beeinflulst. Die Hugenotten-Niederlassungen von Florida und Süd-Carohna haben da- gegen wenig Spuren in der Geschichte der V. St. hinterlassen. Von älteren französischen Ansiedelungen im Norden ist nur die Hugenotten- kolonie Oxford Mass. nennenswert. Orts- und Familiennamen sprechen von der vergangenen Herrschaft der Franzosen an den Seen und am oberen Mississippi. In Illinois und Missouri sind auch noch fran- zösische Gemeinden erhalten. Vereinzelte französische Canadier, meist mit Indianerblut gemischt, wohnen im fernen Nordwesten. Diese Fran- zosen waren einst die Väter grofser pohtischer Gedanken, deren Erben die V. St. geworden sind (s. o. S. 96). Sie haben auch in der Indianer- pohtik Lehren gegeben, denn sie waren mit den Indianern besser bekannt, stiegen aber in der Kriegführung in Nordamerika früher und entschiedener bis auf die Stufe ihrer Indianer herab, bis zur Skalp- jägerei, als die Angelsachsen. Am einflulsreichsten wurde aber ihre kolonisatorische Schwäche. Die Grenzkolonie Acadie befand sich 80 Jahre nach der Gründung trotz der grofsen Opfer, die ihr gebracht worden waren, im Stillstand, an manchen Stellen im Rückgang. Sie hatte 1689 nur 803 Einwohner*). Der Unterschied hegt tiefer als in der Uneinigkeit der Leiter und den Zwistigkeiten mit denNeu-Engländern. Die Kolonie, zeigte nach hundertjährigem Bestand wenig Früchte der auf sie verwendeten Arbeit und Opfer. »Acadie hat in dieser Zeit keine Männer von ausgesprochenem Charakter erzeugt und ihre Geschichte ist wenig mehr als der Bericht der Streitigkeiten zwischen 1) Murdoch, History of Nova Scotia L p. 166. Ratzel, Die V. St. von Amerika. . 17 258 Hispano-Amerikaner. kleinen Machthabern und des schwachen Widerstandes gegen die An- griffe stärkerer Nachbarn«*). Der Gegensatz zu der Geschichte der neu- engländischen Kolonien in demselben Zeiträume drängt sich auf. Noch mehr der Unterschied der pohtischen Aneignungskraft. Würde Quebec als Teil der V. St. eine nationale Sonderstellung eingenommen haben, die es jetzt zu einer Gefahr für die Dominion, zu einer Art Irland macht? Auch der Verkauf Louisianas an die V. St. ist ein Zeugnis des schwachen Haltes der Franzosen, die immer nur kleine Streifen des pohtisch beanspruchten Landes thatsächhch besetzt hatten. Auf ihre kleinen Menschenzahlen ist oben hingewiesen worden. Wenn französische Ein- flüsse in Politik, Kunst und Mode von den V. St. bereitwillig aufgenommen worden sind, so ist es auch das keltische Blut, das für sie spricht. Aus der neueren französischen Einwanderung müfste man im stände sein, die Elsässer und Lothringer auszuscheiden, um das echte französische Element zu gewinnen. Und aufserdem müfste man aus den Canadiern die französischen Untercanadier aussondern, die in Masse aus Quebec und Neu-Braunschweig nach den gewerbthätigen Neu - Englandstaaten einwandern. Ein Fünf zehntel der gegenwärtigen Bevölkerung von Mas- sachusetts ist in Canada geboren, zum gröfsten Teil von französischen Eltern. Der Census von Massachusetts unterschied 1885 zum ersten Mal französische Canadier, deren Zahl zu 64503 bestimmt wurde; die Gesamtzahl der in Britisch Nordamerika Geborenen betrug 147352. Gleich ihnen bleiben auch die anderen Franzosen gerne in den Städten, wo man sie in den bekannten Lieblingsbeschäftigungen als Gastwirte, Haarkräusler, Schneider, Sprach- und Musiklehrer u. s. f. nicht selten findet. Der Versuch einer französischen Kommunistensekte, eine fran- zösische Ansiedelung im Westen zu gründen, ist mifslungen. Während die spanische und portugiesische Einwanderung gering ist, ist ein nicht geringer Rest von altangesiedelten Hispano-Ameri- kaner n und hispanisierten Indianern und Mestizen in den früher spanischen Landesteilen , hauptsächhch in Neu-Mexiko , Kalifornien und Texas zu finden. Mehr noch als in den anderen spanisch-ameri- kanischen Ländern ist in diesen bis 1848 zu den entlegensten und wenigst einladenden Provinzen zählenden Teilen das Mischlingstum überwiegend. Es ist ein ganz besonderes Geschlecht: »Unter den reicheren (bzw. älteren) FamiMen ist der indianische Zug fast ganz verschwunden. Die Züge sind etwas dick, aber der Gesichtsausdruck ist mild. Die Farbe ist dunkel, meist bronzeartig, das Haar ist schwarz und straff. Von den Männern sind viele hübsch, hochgewachsen, breitschulterig, starkknochig, gesund und langlebig. Männer und Weiber werden im Alter fett. Sie sind gutmütig, mild und gefällig 1) Chs. C. Smith in Winsor a. a. 0. IV. S. 149. Hispano-Amerikaner. 259 gegen ihre Freunde, aber ganz »ont of place« unter den Amerikanern, die besonders im Geschäfte zu schlau für sie sind. Mit der Ent- wickelung des Landes sind die Spanisch-Californier rasch ärmer ge- geworden und besitzen nicht mehr ein Zwanzigstel von dem Grund und Boden, den sie 1848 hatten. Damals besafsen sie fast alles, jetzt ist kein einziger leitender Kaufmann unter ihnen ... Sie bilden jetzt eine kleine ohnmächtige Minderheit in einem Volke, das ihnen weit überlegen ist in Geschick für Ackerbau und Gewerbe und in Ge- schäftskenntnis, das ihren Reichtum aufsaugt und sie als Untergeord- nete betrachtet und behandelt. Viele hassen die Nordamerikaner. In den Grafschaften, wo die spanische Bevölkerung stark war, herrschte zu mancher Zeit in den Jahren 1853 und 1854 der Zustand oöenen Bürgerkriegs. Die meisten Spanisch-Kalifornier leben auf dem Lande; die Hauptbeschäftigung der niederen Klassen ist das Hüten der Heerden«.*) Diese Beschreibung, die zunächst die Spanisch-Kahfornier im Auge hat, findet ebensogut Anwendung auf die spanischen Texaner, Neumexikaner etc. Ist ibre Kulturbedeutung gleich NuU, so ist dagegen üir Einflufs auf die Rasse nicht unbedeutend. Ihre schönen und gesunden Weiber erzeugen mit Amerikanern zahheiche Kinder, und es ist dies einer der Wege, auf denen nicht nur spanisches, sondern auch indianisches Blut in die Adern des neuen nordameri- kanischen Volkes eingeführt wird. Auch scheinen sie sich in die eng- hsche Sprache rascher hineinzufinden als die Franzosen. Andererseits sind aus der ihrigen zahheiche Wörter in das amerikanische Enghsch übergegangen, vorzügUch Ausdrücke für topographische, bergbauhche, landwirtschafthche Dinge*). 1) Hittell, The Resources of California 1874. 40. Hören wir als euro- päische Stimme die des Erzherzogs Ludwig Salvator, der in seinem Buche über Los Angeles (2. Aufl. 1885) besonders warnt , den Hispano - Cahf ornier geringzuschätzen. >Sie überschätzen sich selbst und besonders ihre unfrucht- bare Vergangenheit, wenn sie sich mit einem Getreidefeld vergleichen, in dem eine Masse Unkraut aufgeschossen ist. Aber sie sind, sowohl die rein- blütigen spanischen Familien, deren man in ganz Kalifornien jetzt etwa 15 zählt, als auch die Indianermischünge , ein gesundes Volk, unter dem hohe Lebensalter eine sehr häufige Erscheinung sind. Den rastlosen, goldsuchenden ersten Ansiedlern kamen sie in ihrer bedürfnislosen Ruhe wie Fossile vor. Aber die sich verdichtende, die Vorzüge Kaliforniens geniefsende Bevölkerung von heute hat für die »Greasers«, — Spitzname für die Indianermischlinge, der übrigens auch dem reinen Spanier beigelegt wurde ; die Neumexikaner heifsen »Gringos«, die Sonorians, Einwanderer aus der nahen mexikani- schen Provinz Sonora, stehen für den Nordamerikaner ganz nahe bei ihnen — etwas mehr Verständnis gewonnen. 2) Prof. Tallich et führt in seinen ^Dialect Notes^ (C. IV) 175 Worte spanischen und mexikanischen Ursprungs auf, die in Texas bei den Nord- 17* 260 Juden. Über die neue Erscheinung einer sehr rasch anwachsenden italienischen Einwanderung s. S. 238 und Kap. XV. Grofs und sehr rasch wachsend ist die Zahl der Juden. Von gegen 7 Mill. Juden auf der Erde sind mehr als 500000 in den V. St., wovon über ein Drittel im letzten Jahrzehnt ein- gewandert sind. Allein in den Jahren 1885/9 sind 120000 im Hafen von New York angekommen und die grolse Auswanderung der Juden aus dem östlichen Europa wird sich, auch ohne nach den V. St. gelenkt zu werden ^), dem jüdischen Triebe nach Handels- thätigkeit und Reichtümern folgend, grofsenteils dorthin ergiefsen. Schon regt sich eine leise, noch ohnmächtige Abwehr in einem Ansatz zu antisemitischen Diskussionen, in den grolsen Blättern wie »North American Review« und »Nation« eine höchst ungewöhnliche Erscheinung, und der vermehrte Zuflufs wird noch lautere Pro- teste erschallen lassen. 1891 brachte die North American Review einen Artikel »Neues Licht über die Judenfrage« von Goldwin Smith, der die Stellung der Juden, besonders im Geld- und Zeitungswesen, scharf zeichnete und zahlreiche schwache Ent- gegnungen hervorrief. Aber trotz einer gewissen Neigung zur Be- handlung von Rassenfragen, die wir hervorgehoben haben, bewegt man sich doch nur auf sozialem und akademischem Grunde, wenn man, wie es in Saratoga geschehen, feine Gasthäuser den Juden verschliefst, oder den Anspruch der Juden zurückweist, daCs einige Helden des Bürgerkrieges Juden gewesen seien. Die Statistik zeigt bei den Juden der V. St. dieselben Eigen- tümlichkeiten wie in der alten Welt, besonders niedrigere Sterb- Hchkeitsziffer und längere Lebensdauer; auch das Verhalten zu verbreiteten Krankheiten ist ähnlich; doch gibt es in der Krank- heitsstatistik auch Momente, die auf schwächeren Widerstand gegen die Einflüsse des Wohllebens deuten''^). amerikanern üblich sind. Es sind fast durchaus Worte des gewöhnlichen Lebens: Tier- und Pflanzennamen, Bezeichnungen für Verrichtungen des Ackerbaues, der Viehzucht und des Hauses. 1) Baron Hirsch bekennt, dafs es ihm weder für das Land noch für die jüdischen Auswanderer passend erschienen sei, die >already enormous number of Jews in the United Statesc noch zu vermehren. N. Am. Rev. 1891 p. 3. 2) J. S- Billings, Vital Statistics of the Jews N. A. R. 1890. I. 70 bis 84. X. Die Neger^). Entwickelung der Sklaverei in den Vereinigten Staaten 261. Ihr Charakter 268. Zahl und Verbreitung der Neger 269. Ihre Allgegenwart 270. Verdichtungen in den nördlichen Südstaaten 271. Wachstum, Geburten und Sterblichkeit 272. Beziehung zu der Zunahme der weifsen Bevölkerung und der weifsen Ein- wanderung 277. Geographische Verbreitung der Neger in den Vereinigten Staaten 278. The Black Belt und die Afrikanisierung des äufsersten Südens 280. Die Negerfrage 281. Der freie Neger 283. Seine politischen Eechte 284. Seine Erziehungsfähigkeit 284. Schulen und Charakterbildung 286. Geistige Stagnation 287. Wirtschaftliche Zustände und Fortschritte 288. Entwickelung des Südens seit 1860 289. Grundbesitz der Neger 291. Die Mulatten 293. Geschichtliches. Die Neger sind auf dem Boden der Neuen Welt ein Produkt der Gewalt. Ohne den Sklavenhandel würde dort heute nicht der hunderttausendste Teil von ihnen leben. Das erste Sklaven- schiff kam 1620 mit 20 Sklaven in Jamestown (Virginien) an. Ein Jahr später wurde die erste Baumwolle in Nordamerika gebaut. Dieses war der Anfang der schwarzen Sklaverei. Eine weniger auffallende Form von Sklaverei hatte in Form bedingter Dienstbarkeit auf Grund von Kontrakten, die arme Einwanderer zur Abverdienung ihrer Reise- kosten durch Arbeit verpflichteten, schon früher bestanden und traf noch im 18. Jahrhundert manchen armen deutschen Landsmann. 1) Auch wenn die Aussonderung der Mischhnge nicht auf unübersteig- liche Schwierigkeiten stiefse, würde doch ihre sociale und politische Stellung die Zusammenfassung mit den Negern rechtfertigen. Den häufig für beide angewandten Ausdruck »Farbige« (Colored People) zu gebrauchen, mifsrät die Unbestimmtheit eines doppelten Sprachgebrauches. Es wirkt verwirrend, dafs auch in den Veröffentlichungen über den Elften Census Colored bald für Neger und Mulatten, bald zugleich auch für Chinesen, Japaner und bürger- hche Indianer angewendet wird. 262 Geschichtliches. 30 Jahre nach dieser ersten Einfuhr kamen in Virginien 50 WeiTse auf einen Schwarzen. Selbst die Puritaner-Kolonien Neu-Englands und die pennsylvanischen Quäker schlössen die Sklaverei nicht aus *). In den beiden Carohnas tritt sie gleich mit den ersten Anfängen der Kolonisation auf und in wenigen Jahren verhielt sich die Zahl der Schwarzen zu der der Weilsen wie 22 : 12. Georgia ist die einzige Kolonie des Südens, welche die Sklaverei von Anfang an ausschlofs, aber nur bis 1749. Bancroft ninamt die Zahl der in das Gebiet der 13 Kolonien eingeführten Sklaven von 1620 bis 1740 zu 130000 und von da bis 1776 zu 300000, Carey insgesamt zu 333000 an. Ein- fuhr und Vermehrung waren von Anfang an im Süden am stärksten. Während Virginien ein Jahr nach der Unabhängigkeitserklärung nicht weniger als 293427 Neger zählte, hatte Vermont in demselben Jahre deren 17. Der Census von 1790 gab die Sklavenbevölkerung der 4 Plan- tagen-Staaten Virginien, Nord- und Süd-Carolina und Georgia zu 567527, die der 9 übrigen Staaten zu 40370 an. In den letzteren war seit 1777 eine beträchtüche Anzahl von Sklaven in Freiheit gesetzt worden. Pennsylvanien bestimmte 1780, dafs alle von da an innerhalb seiner Grenzen geborenen Sklaven frei sein soUten. Massachusetts, Connecti- cut und Rhode Island schlössen sich kurz darauf diesem Schritte an. Selbst in Virginien war 1778 die fernere Sklaveneinfuhr verboten und jede Beschränkung der Emanzipation'') aufgehoben und in Nord- Carolina die früher prämiierte Einfuhr für unpohtisch erklärt und mit einer Steuer belegt worden. Der Kontrast zwischen den freiheitüchen Bestrebungen der Bürger und ihrer Sklavenhalterei kam nur aUmählich, und früher den Fremden als den Einheimischen zum Bewulstsein^). 1) »Es ist der unsterbliche Euhm unserer deutschen in Pennsylvanien eingewanderten Landsleute, dafs sie zu einer Zeit, wo selbst die Gewissen- haftesten nichts Anstöfsiges in der Sklaverei fanden, entschieden dagegen auftraten. Sie erklärten es im Gegensatz zu den Quäkern für unsittlich, Sklaven zu halten und reichten im Jahr 1688 bei der Assembly von Penn- sylvanien eine Petition ein, worin sie die unbedingte Abschaffung der Skla- verei forderten.« (F. Kapp, Gesch. der Sklaverei in den V. St. 1856. 40.) 2) »Die Emanzipation einzelner Sklaven ward in den V. St. vorzüglich von wirtschaftlichen Faktoren bestimmt. Als zwischen 1800 und 1820 sich der Baumwollenbau fast verdreifacht hatte, nahm die Emanzipation im Ver- hältnis zum vorhergehenden Jahrzehnt um zwei Drittel ab. Da das Baum- wollengebiet sich von 1820 — 1830 nicht ausdehnte, so nahmen die Freilassungen wieder zu. Von 1830 — 1840 sank sie in Folge des hohen Preises der Baum- wolle um mehr als die Hälfte. Von 1840 — 1850 hörte sie aus demselben Grunde so gut wie ganz auf, und von 1850 — 1860 war von ihr nur ausnahms- weise die Rede«. (F. Kapp a. a. 0. 138.) 3) »Es gibt nichts Lächerlicheres als den amerikanischen Patrioten, der mit der einen Hand die Unabhängigkeitserklärung unterschreibt, während Geschichtliches. 263 Die hervorragendsten Männer jener Zeit gaben die Verwerflichkeit der Sklaverei zu und nur über das Mals und die Wege der Aufhebung gingen ihre Meinungen auseinander. Es war der nachfolgenden wirt- schafthchen Entwickelung vorbehalten, den Wert der Sklaven so zu erhöhen, dafs ihre Befreiung eine Erschütterung der ganzen Grund- lage des Wirtschaftslebens bedeutete, der man sich nicht mehr frei- wilüg unterziehen konnte. Natürlich wurde die Aufhebung mit jedem Jahr schwieriger. Noch später kam der wirtschafthche Gegensatz in der Grundverschiedenheit der freien und der Sklavenarbeit und seine handelspolitischen Folgen zum Bewufstsein. 1787 wurde für die künftigen Staaten des Nordwestens die Sklaverei als unzulässig erklärt, aber die Bestimmung beigefügt, dafs flüchtige Sklaven aus anderen Staaten ihren Eigentümern auszuliefern seien. Es ist wahr- scheinlich, dafs nur mit diesem Zusatz das Gesetz die Stimmen der Südstaaten auf sich vereinigen konnte. Bald darauf wurde die Frage, ob die ganze Bevölkerung oder nur die freie bei der Verteilung der Bundessteuern und der Wahl der Vertreter in Rechnung zu ziehen sei, dahin beantwortet, dafs die Sklavenbevölkerung nur zu drei Fünftel der freien gerechnet werden soUe; und gleichzeitig wurde das 1776 beschlossene Verbot der Sklaveneinfuhr auf Andringen der Südstaaten bis zum Jähr 1808 aufser Wirksamkeit gesetzt. 1790 und 1792 führten Quäkerpetitionen um Aufhebung der Sklaverei zu einem Versuch süd- hcher Vertreter, das Petitionsrecht für alle mit der Sklaverei zusammen- hängenden Fragen aufzuheben. Als Nord-Caroüna 1790 sein west- Hches Territorium an den Bund abtrat, wurde ihm die Bedingung zu- gestanden, dafs es die Sklaverei in demselben nicht aufheben dürfe, und damit war Kentucky zu einem neuen Sklavenstaat bestimmt. Dagegen wurde 1807 die Aufhebung der Sklaverei in dem neuen Staate Indiana verfügt, und dies kam den später sich bildenden Illinois, Wisconsin und Michigan zu gute. Darin hegt der Hauptgrund aüer dieser auf Befestigung und Ausdehnung der Sklaverei gerichteteÄ Bestrebungen, dafs die Baumwollenausfuhr des Südens, die 1790 und 1791 kaum 5000 D. bewertet hatte, 1809 bis 1811 den Wert von 33 Mill. D. er- reichte, und dafs auch die Reis-, Zucker- und Indigo-Erzeugung des Südens in dieser Periode des wirtschafthchen Aufschwunges grofse Fortschritte gemacht hatten. 1803 wurde durch die Erwerbung des Mississippi-Thaies das Gebiet, in dem diese Produkte gedeihen, gewaltig erweitert und deren ungemein raschen Ausbeutung verdankt der Süden den gröfsten Teü des Übergewichtes bei der Aufnahme neuer Staaten bis zum Anfange der zwanziger Jahre. Wie das Streben nach neuem er mit der anderen die Geifsel über seinem Sklaven schwingt.« (Winter- botham 1795. I. 206.) 264 Geschichtliches. Landgewinn zu einem der wesentlichsten Grundsätze der Politiker des Südens wurde % haben wir S. 113 gesehen. Als die Sklaveneinfuhr von 1808 an wieder verboten wurde, hatten Staaten mit grofsem Bedarf schon vorgesorgt und Süd-Carohna hatte allein von 1804 bis 1808 zwischen 40000 und 50000 Sklaven eingeführt. Dieses Verbot brachte den Sklavenhandel im Lmeren der Union zu höherer Blüte. Den Ausfall in der Einfuhr '^) suchte man durch sorgfältige Züchtung von Sklaven zu ersetzen, die mit der Zeit in gewissen Staaten mit ebensoviel Virtuosität geübt wurde, wie irgend ein Zweig der Viehzucht. Man unterschied bald die Sklavenstaaten in sklavenzüchtende und sklavenabnehmende. Unter jenen stand Virginien, .das kurz vor dem Bürgerkrieg eine jährhche Ausfuhr von 6000 bis 8000 aufzuweisen hatte, in erster Linie ; aufserdem zählte man dazu Maryland, Delaware, Kentucky, Tennessee, Nord-Carohna und Missouri. 1850 verkauften diese sklavenzüchtenden Staaten 40000 Köpfe ihres Produktes. Den grölsten Verbrauch von Sklaven hatten natürlich die jungen Südstaaten bei Überfiufs an gutem Boden und dünner Bevölkerung, die einen ausgedehnten, aber oberflächhchen Ackerbau trieben : früher Louisiana, Mississippi, Alabama, später noch Texas und Arkansas. Es ist nicht zufällig, dafs eine wachsende Wertschätzung der ganzen »eigentüm- lichen Institution« von der Zeit des wohlgemeinten Einfuhrverbotes sich datiret^). Die Bestrebungen nach Aufhebung oder Milderung der 1) »Räumliche Ausbreitung ist eben so notwendig für das vermehrte Wohlbefinden des Sklaven als für den Wohlstand des Herrn« sagte R. Toombs 1856 in einer Rede zu Boston. (H. v. Holst, Verfassung etc. I. 295.) 2) Übrigens wurden unter der Hand noch immer Sklaven genug ein- geführt. 1818 z. B. in Alabama und Georgia 14000. (F. Kapp a. a. 0. 138.) 3) Das Gefühl, dafs mit dieser Institution nicht alles im Richtigen sei, war nicht so leicht zu verwischen. Der Ausdruck Sklave wurde in den Sklaven- staaten geflissentlich vermieden; man sprach von »our People, the Hands, the Negroes« u. s. f. Man gestand das Häfsliche an der Sache stillschweigend zu. Schon in den dreifsiger Jahren, also in der Blütezeit der Sklaverei, agitierte man in Charleston und mehreren anderen Hauptorten des Südens für Verlegung der Sklavenmärkte nach möghchst entlegenen Örtüchkeiten. (Vgl. H. Martineau, Society in America H. 161.) Später schwang man sich allerdings über diesen schamhaften Standpunkt hinaus und in den fünfziger Jahren gab es eine ganze Litteratur, die aus Bibel, Philosophie und Natur- wissenschaft die Sklaverei zu rechtfertigen suchte. Die aus der Verfechtung dieser Institution entspringende Anregung zu vergleichend anatomischen Unter- suchungen über die Negerrasse ist nicht ohne Einflufs auf die Entwickelung der Wissenschaft von den Rassenunterschieden und der Kraniologie geblieben. (Vgl. z. B. Nott und Gliddon, Types of Mankind.) Featherstonehaugh gibt gute Beispiele der wissenschaftüchen Begründung der Sklaverei in seiner Ex- cursion in the "Slave States 1845. U. 342 u. a. Geschichtliches. 265 Sklaverei starben im Süden fast vollständig aus. In den meisten der Südstaaten wurde die Freilassung verboten oder erschwert, in Süd- Carolina jede Versammlung von freien Farbigen selbst zum Unterricht verboten , und Virginien hatte schon nach einigen kleinen Neger- aufständen 1801 jeden Unterricht der Neger verboten*). Hier wie in mehreren anderen Staaten wurde der Aufenthalt der freien Neger beschränkt. Der gesteigerte Bedarf an Arbeitskräften infolge der wirt- schaftlichen Entwickelung und die Werterhöhung der Sklaven durch Hemmung der Einfuhr machten sich geltend. Dafs freie Neger in freien Staaten gefangen wurden, um in den Sklavenstaaten verkauft zu werden , führte zuerst wieder im Kongrels von 1817 zu einer lebhaften Debatte über die Sklavenfrage; zahlreiche Fälle von Ent- weichungen von Sklaven, die bei den Indianern von Florida Schutz suchten, riefen jene Verwickelungen mit den spanischen Behörden in Florida hervor, die formell mit der Erwerbung dieser Kolonie im Jahr 1821 endigten, aber in den Seminolen-Kriegen sich bis 1842 fort- setzten. 1817 war eine Kolonisationsgesellschaft gegründet worden, deren Ziel die Überführung freier Neger nach Afrika war. Weniger Humanität als der Wunsch, sich dieser gefährhchen Elemente zu ent- ledigen, Heh diesem Bestreben auch in den Sklavenstaaten Unterstützung. Das Resultat war die bekannte Neger - Repubhk Liberia, die sich unter amerikanischem Schutze langsam entwickelt hat*). In den Kon- gressen von 1818 und 1819 gewann die Sklavenfrage immer mehr die Gestalt einer zwischen Nord und Süd schwebenden Prinzipienfrage, in der zwei ungefähr gleich starke Hälften der Union scharf entgegen- ^gesetzte Punkte verteidigten. Das Missouri-Kompromils (1820), das den Staat Missouri als Sklavenstaat zuhefs, um dagegen aus dem Gebiet n. yon 36° 30' n. Br. die Sklaverei für alle Zeiten auszu- 1) Der Congrefsabgeordnete, später Senator, O. P. Morton schätzte 1865 in einer Eede zu Richmond Ind. die Bruchzahl der Neger, die lesen konnten, auf Vs ®/o, ihr Durchschnittseigentum auf 5 D. pro Kopf und scheint sich damit keiner erheblichen Übertreibung schuldig gemacht zu haben. 2) Die American Colonisation Society for Colonising the Free People of Colour of the United States wurde 1816 in Washington unter dem Präsidium Henry Clays ins Leben gerufen und brachte in 180 Fahrten über 15 000 Neger und Mulatten nach Liberia, wozu 6000 den Sklavenschiffen Weggenommene kamen. Diese Einwanderer haben sich nicht stark vermehrt, sind vielleicht sogar etwas zurückgegangen; die Zahl ihrer Nachkommen dürfte nicht über 20000 zu veranschlagen sein. Die Angabe, dafs Liberia 1 bis 1,5 Mill. um- schliefse, ist aus der Luft gegriffen, da über die Ausdehnung des Gebietes ins Innere die verschiedensten Vorstellungen herrschen; fast sicher ist eine viel geringere Zahl anzunehmen. Vgl. Büttikofer, Liberia. 1890 11. Abschn. 3. 266 Geschichtliches. schliefsen, überbrückte diese Kluft nur. In demselben Jahre war die Zahl der Sklaven in den V. St. auf Vh Mill. gestiegen. Die Agitation, die aus dem alten Widerwillen streng denkender RehgionsgeseUschaften, der Quäker in erster Reihe, gegen die Sklaverei in Jeder Form, aus der Empörung weiterer Kreise gegen die von ihr unzertrennlichen Grausamkeiten, endlich aus dem Beispiel der enghschen Abolitions- bewegung hervorging, wurde in die Tiefe und Breite des Volkes ge- tragen. Mit der Gründung der ersten Abolitionistengesellschaft (1831) fing die gründliche Scheidung der Gesinnungen über diese Frage an, die schon nach einem Vierteljahrhundert die ganze Nation in zwei feindliche Hälften zu teilen vermochte. In religiöser Schwärmerei stellten sich Tapp an und Garrison an die Spitze der Bewegung. Ihre Überschwemmung des Südens mit aboHtionistischen Druckschriften rief von Seiten des Südens zunächst den Versuch hervor, die Ver- letzung des Postgeheimnisses gesetzlich zu machen (1836); dann kam der berüchtigte Atherton Gag, eine Bestimmung, die die Nichtberück- sichtigung jeder auf die Sklaverei bezügUchen Petition seitens des Kongresses vorschrieb (1838); ferner die Verletzung des Missouri- Kompromisses durch Hinzufügung einer ursprüngHch nicht zum Staate gehörigen Indianer-Reservation und die Zulassung von Arkansas unter der Bedingung, dafs seine Gesetzgebung niemals zur Emancipation der Sklaven schreite (1836). Die texanisch-mexikanischen Angelegen- heiten sind o. S. 117 besprochen worden. Der Versuch, die Sklaverei in den neugewonnenen pacifischen Gebieten einzuführen, mifslang, und ein Kompromils von 1850 stellte die Zulassung Kaüforniens mit seiner die Sklaverei bereits ausschliefsenden Verfassung, die Neu-Mexikos und Utahs mit oder ohne Sklaverei, je nach ihren künftigen Verfassungen fest. Durch dasselbe wurde auch der Sklavenmarkt aufgehoben, der unter den Augen der Bundesregierung bis dahin in Washington geblüht hatte. Der wichtigste Punkt dieses Kompromisses war indessen das sog. Sklavenjagd-Gesetz, das die Aufstöberung und Zurückf ührung entflohener Sklaven in jedem Staate der Union gestattete. Allerdings war seit der Antisklaverei- Agitation die Zahl der flüchtigen Sklaven nur immer ge- wachsen*) aber doch war der praktische Nutzen dieses Gesetzes gering im Vergleich zu der aufregenden Wirkung, die es im Norden hervorrief. Die Sklavenjagden mit ihren Aufruhr- und Blutszenen haben viel dazu beigetragen, die Gemüter im Norden gegen die Sklaverei zu entflammen. 1844 trat zum ersten Mal eine entschiedene Antisklaverei-Partei auf, aus der die Freibodenmänner (Freesoilers) hervorgingen, die 1848 in die 1) In Kanada lebten 1851 2113 und 1861 8010 Neger bzw. Mulatten. Der gröfste Teil dieser starken Vermehrung kommt auf Rechnung der flüch- tigen Sklaven aus den V. St. Das "Wesen der Sklaverei in den V. St. . 267 Präsidentenwahlen eintraten. Der Streit um die Nebraska-Bill machte diese Partei aus einer Nebenpartei zu einer führenden. Unter dem alten Namen der republikanischen zog sie alle gegen die Sklaverei gestimmten .Elemente an sich und trat der Sklavenhalterpartei bei der Wahl von 1856 entgegen. Sie unterlag dieses Mal noch mit IVs MiU. Stimmen. Noch ehe der neue Präsident Buchanan sein Amt antrat , erging vom Oberbundesgericht die Entscheidung in einer Klage des Dred Scott, eines Sklaven aus Missouri, der , als er mit seinem Herrn 2 Jahre in Illinois gewohnt hatte, nach seiner Rückkehr nach Missouri die Freilassung forderte, weü er in dem die Sklaverei verbietenden Staate Illinois von selbst frei geworden sei. Die abweisende Entscheidung des Oberbundes- gerichtes bezeichnete »den Neger als ein Wesen niederer Ordnung, unfähig, mit der weifsen Rasse in morahschen oder pohtischen Be- ziehungen gleichgestellt zu werden«. 1859 hatte jener heroische An- griff des nordischen AboHtionisten John Brown auf Harpers Ferry in Virginien stattgefunden, dessen Zweck war, die Sklaven des Südens zum Aufstand und zur Befreiung zu reizen. Brown wurde am 2. De- zember 1859 gehängt. Sein Tod wurde in vielen Teüen des Nordens wie ein Martyrium beklagt und gefeiert, Weitersehende erblickten in ihm den Vorboten des unvermeidhch gewordenen Bürgerkrieges. Die Sklavenfrage trat im Anfang des Bürgerkiieges nicht in den Vorder- grund. 1862 wurde die Sklaverei im Distrikt Kolumbia aufgehoben und am 1. Januar 1863 die Freilassung aller Sklaven in den Süd- staaten (mit Ausnahme des bundestreu gebhebenen West- Virginien) verkündet. Gleichzeitig wurde bestimmt, dafs die früheren Sklaven in die Armee und Marine eingereiht werden könnten. Kurz darauf gab sogar die kleine Nation der Tscherokie ihre Sklaven frei. 1864 wurde das Freedmen's Bureau in Washington gegründet, das in allen Fragen bezüglich der Freigelassenen zu bestimmen und vorzüglich Mafsregeln zu treffen hatte für ihre Behandlung und Beschäftigung auf verlassenen Pflanzungen. 1864 und 1865 nahmen Senat und Re- präsentantenhaus den Zusatz zur Verfassung an, der die Sklaverei in den V. St. aufhob. Louisiana und Arkansas hatten im Lauf des Jahres in ihren Konventionen die Sklaverei aufgehoben. Im März 1865 hatte sogar der Kongrefs der Konförderierten als eines der letzten Mittel die Bewaffnung der Sklaven befohlen. Es ist viel gesprochen worden über den Charakter der Sklaverei in den V. St. im Gegensatz zu anderen Sklavenstaaten und besonders zu Cuba. Hier wie in allen romanischen und katholischen Ländern war allerdings die Kluft zwischen Sklaven und Herren nie so tief wie bei den germanischen Nordamerikanern, da der Rassengegensatz geringer, zwischen Südspaniern oder Portugiesen und Mulatten manchmal geradezu unbedeutend ist, und der an und für sich lässigere Chai-akter nicht so 268 . r^as Wesen der Sklaverei in den V. St. strenge Anforderungen an die Arbeitskraft seiner Untergebenen stellt wie der thätigere und prinzipiellere Germane. Auch die katholische Kirche hat der Sklaven sich stets mehr angenommen als die meisten Sekten der protestantischen. Es gut als Erfahrungssatz, dafs die Sklaven ein, um so zinsärmeres Kapital waren, je gewissenhafter ihr Besitzer bei ihrer Ausnützung verfuhr und der langsame Aufschwung des Südens wird noch heute der daraus sich ergebenden Lähmung des Unter- nehmungsgeistes zugeschrieben*). Die Sklaverei ist aber doch in den V. St. gründhcher und rationeller ausgebeutet worden, vorzügHch auch die Sklavenzüchtung, als in anderen Sklavereigebieten, und die Be- handlung des als Arbeitsmaschine betrachteten Sklaven war schon dadurch weniger mild. Die betreffende Litteratur ist natürlich auf beiden Seiten sensationell und reich an Übertreibungen, aber es liegen genug Berichte unparteiischer Beobachter vor, die es bestätigen. Die Übel der Sklaverei traten am schärfsten hervor bei den neuen An- siedlern aus den freien Staaten, Nordländern, die in ungesundem Klima ihr Leben für em Vermögen auf's Spiel setzten, und die keine Ent- schuldigung fanden für die Abneigung der Neger gegen andauernde Arbeit und ebensowenig einen Grund hatten, weniger Anstrengung ihnen zuzumuten. Charles Lyell schrieb zwar: »Wer in Georgia frisch von Europa ankommt mit einer lebhaften Vorstellung von dem Zu- stand der Bauern in manchen volkreichen Gegenden, ihrer Unwissen- heit, Unmäfsigkeit und Kurzeich tigkeit , der Schwierigkeit, mit der sie ihren Lebensunterhalt gewinnen, und der geringen Möghchkeit ihr Los zu verbessern, dem wird der Zustand der Sklaven auf einer solchen Pflanzung nur geringen Grund zu Mitleid oder Klage geben«'). Den unparteiischen Beobachter wird aber keine Schilderung daran irre machen, dafs die Sklaverei nicht nach der wechselnden Ausnützung der Rechte zu beurteilen ist, die sie dem Eigentümer gibt, sondern darnach, dafs sie Rechte gibt, deren Unbeschränktheit zum Mifsbrauch einladet. Und aufserdem lehrt die Geschichte, dafs die Sklaverei nicht stül stehen kann. Man hat sie darin mit dem Schutzzoll vergHchen, dafs sie wachsen mufste, um sich zu erhalten. 1) Seeond Visit to the U. S. I. 262. In Louisiana waren die französi- schen Kreolen als milde Herren bekannt, aber sie hatten kein System in der Art, wie sie ihre Sklaven hielten und vermehrten, und zogen in Folge davon keinen so grofsen Gewinn aus der Sklaverei wie die Amerikaner. Freilassungen kamen hier öfters vor und häufiger waren Vermischungen. Die wirtschaft- lichen Nachteile dieser Anhäufung von Kapital, dessen Ausbeutung von der Menschlichkeit des Besitzers abhing, waren übrigens seit 1840 gegenüber den steigenden Anforderungen an die Leistungen des südlichen Ackerbaues auch in anderen Gebieten immer klarer geworden; der Süden stagnierte. 2) Ebendas. n. 125. Zahl und Verbreitung der Neger. 269 Im April 1866 beschloXs der Kongrefs die Civil Rights-Bill, die alle im Gebiet der V. St. Geborenen und keiner fremden Macht Unter- thanen, mit einziger Ausnahme der unbesteuerten Indianer, als Bürger der V. St. erklärt und »den Bürgern von jeder Rasse und Farbe, ohne Rücksicht, ob sie früher Sklaven gewesen«, die gleichen Rechte erteilt. Ein Gesetz vom 2. März 1867 hob die Peonenarbeit in den früher mexikanischen Gebieten auf. Im Juli 1868 war der 14. Zusatz zur Ver- fassung (Sklavenbefreiung) von der nötigen Zweidrittel-Mehrheit der Staaten angenommen. Im Juli 1869 wurden 16 Farbige in die Gesetz- gebung von Virginia gewählt, das sich eine neue, auf jede Rassen- unterscheidung verzichtende Verfassung gegeben hatte. 1870 wurde der 15. Zusatzartikel zur Verfassung angenommen, der den Negern gleiche Rechte mit den WeiXsen gewährleistet, und die Südstaaten zur Ausübung ihres Vertretungsrechtes im Kongrefs zugelassen. Es kam dadurch eine gröfsere Anzahl farbiger Vertreter in den Kongrefs. Schien damit der alte Konflikt formell beendigt, so konnte doch in den früheren Sklavenstaaten ebensowenig die weilse Bevölkerung ihre einstigen Untergebenen kurzer Hand als Gleichberechtigte anerkennen, wie diese die MögHchkeit fanden, sich innerhalb weniger Jahre in ihre neue und so ganz ungewohnte Stellung hineinzufinden. Die neue Ordnung der Dinge konnte nicht ohne Kampf begründet werden und bis heute ist dieser Kampf nicht beendet. Die Zahl der Neger hat sich seit 1790 verzehnfacht. Für die Summen geben die CensusHsten folgende Zahlen: Gesamtzahl Verhältnis Wachstum Jahr der farbigen zur Gesamt- in Bevölkerung bevölkerung Prozenten 1790 757 208 19,30/0 _ 1800 1002 037 18,9 32,20 1810 1377 808 19,0 37,50- 1820 1771656 18,4 28,58 1830 2 328642 18,1 31,39 1840 2873648 16,8 23,44 1850 3 638 808 15,7 26,62 1860 4441830 14,1 22,06 1870 4 800000 -') 1) Die Zählung von 1870 wird amtlich (s. Census Bulletin No. 16 1891) als »grossly deficient in the Southern States« bezeichnet; vorzüglich gab er die Zahl der Farbigen um Va bis «/4 Mill. zu gering an. Auch der 1880 er 270 Zahl und Verbreitung Jahr Gesamtzahl der farbigen Bevölkerung Verhältnis zur Gesamt- bevölkerung Wachstum in Prozenten 1880 1890 6 752 810 7 638360 13,1 11,9 22,07 13,90 1) Die Abnahme des Wachstums beginnt mit 1810 und ist von 1830 an klar ausgesprochen; sie war zu erwarten, da seit 1808 keine neue Sklaven eingeführt werden durften und die Ein- schmuggelung und freie Einwanderung unerheblich waren, während die Zahl der über die Grenzen Geflohenen und der nach Liberia und Westindien Ausgewanderten bis zur Aufhebung der Sklaverei nicht unter 20000 betragen haben muls. Um die Bedeutung dieser Bewegung zu verstehen und besonders nicht zu überschätzen, mufs man die Einzelheiten ins Auge fassen. Zuerst die merk- würdigen Änderungen der geographischen Verbreitung. In dem der Befreiung der Sklaven vorangehenden Census- jahr 1860 wohnte die Masse der Neger in den Staaten Virginia, Georgia, Alabama, Mississippi, Süd-Carolina, Nord-Carolina, Loui- siana, Tennessee, Kentucky, Texas, Maryland, Missouri und Arkansas; 1890 hatte sich die Reihenfolge der Staaten, in denen mehr als 100000 Neger gezählt wurden, anders geordnet: Georgia, Mississippi, Süd-Carolina, Alabama, Virginia, Nord-Carolina, Loui- siana, Texas, Tennessee, Arkansas, Kentucky, Maryland, Florida, Missouri, Pennsylvanien ; und dazu kamen mit über 50000 noch der Bundesdistrikt, Ohio, New York, Illinois, Kansas. Die Ver- breitung von 1860 ist eine zwangsweise, wie sie die höchste Blüte der südstaatlichen Sklavenarbeit geschaffen hatte: Anhäufung in den wirtschaftlich regsten Gebieten, starke Ausbreitung nach dem Südwesten; die Verbreitung von 1890 läfst hauptsächlich die be- trächtliche Wanderung nach dem äufsersten Süden, daneben das Herabsteigen aus kühlen Höhen in das heifsere Tiefland und Census spricht von »imperfections of the Census of 1870« in dieser Richtung (I. S. 38). 1) Nach einer vorläufigen VeröfEentüchung im Census Bulletin No. 194 vom 22. Juni 1892. der Neger. 271 einzelne Verschiebungen nach Norden und Nordwesten erkennen, wo bevorzugte Gebiete und grol'se Städte eine im Verhältnis noch grölsere Anhäufung von Negern erfahren haben als die südlichsten Staaten. Im ßundesdistrikt, wo zwischen 1850 und 60 die Zahl der Neger nahezu gleich geblieben war, stieg sie zwischen 1860 und 1890 von 14 316 auf 75 927 ; und in Massachusetts hat in den zehn Jahren 1865 — 1875 die Zunahme der Neger 60,2, die der Gesamtbevölkerung 30,4 % betragen. Die farbige Bevölkerung der Neuenglandstaaten, in die der Census von 1890 auch Chinesen und civilisierte Indianer einschliefst, beträgt jetzt mit 47 554 1% der Gesamtbevölkerung und ist in Massachusetts, Rhode-Island und Connecticut in den letzten 10 Jahren wieder gewachsen. In Westvirginien haben die Neger von 1880 bis 1890 um 3% zu- genommen. Diese Zunahmen, wenn sie auch keine grofsen Massen repräsentieren, sind doch von weittragender Bedeutung : sie wider- legen die Annahme, das Wachstum der Neger sei klimatisch so beschränkt, dals es bald zu einem Stillstand kommen werde. In allen Staaten und Gebieten wohnen Neger, und es ist in ihrer Gesamtverbreitung diese Allgegenwart, wenn auch in un- beträchtlichen Mengen, durchaus nicht zu unterschätzen. Der Neger ist überall häufig zu finden, wo überhaupt die Bevölkerung zusammenfliefst , deren Bewegung er gehorcht, von der er mit- gerissen wird. So in den Grofsstädten, längs den Verkehrslinien, in den Industriebezirken. Es ist ein sehr bemerkbarer Zug in der Physiognomie der Bevölkerung, besonders der städtischen, dafs der Neger »dazugehört« und dieser Zug ist seit der Aufhebung der Sklaverei immer tiefer geworden. Für diese weite Verbreitung der Neger ist das Auftreten gröfserer Verdichtungen im Norden der Südstaaten von Bedeutung ; denn diese bilden die dem Norden zunächstgelegenen Ausstreuungspunkte. Vor- züglich wichtig sind natürlich Virginien und Nord- Carolina, die 1890 mit 640867 und 567170 Negern die fünfte und sechste Stelle unter den negerreichen Staaten einnahmen, und denen sich der Bundesdistrikt mit 75 927 (32,9 °/o der Bevölkerung) und Maryland mit 218004 an- schließen. Für den Westen spielen Kentucky (272 981) und Tennessee (434300) eine ähnliche Rolle, mit kleineren Zahlen Missouri und Kansas, Diese vorgeschobenen Posten dichter Negerbevölkerungen, hinter denen breite und negerarme Striche liegen, bis man in das 272 Verschiebungen und Verdichtungen. grofse Negergebiet des »Black Belt« ») kommt, sind keineswegs blols die Folge der einstigen Abschliefsung des Sklavereigebietes nach Norden zu. Die Sklaven wurden ein Hauptprodukt Virginiens, als der Tabak seine tiefen Länder ausgesogen hatte und der Getreidebau in die Hochthäler der Alleghanies hinaufsteigen mulste. Kentucky und in geringerem Mafse die anderen nördhchen Staaten beteiligten sich an diesem Geschäfte. Schwächere Ursachen sind der Übertritt grolser Sklavenscharen auf den von den nordstaathchen Armeen besetzten Boden in den Jahren des Bürgerkrieges und die Flucht einzelner Sklaven nach den Staaten des Nordens und nach Kanada, wo sie selbstverständhch frei wurden. Nach der Mitte der siebziger Jahre, als die politischen Verhältnisse im Süden den Negern ungünstig wur- den, schien eine gröfsere Verschiebung eintreten zu wollen. Damals erfafste eine grofse Wanderlust die Neger Mississippis, Louisianas und Nord-Carohnas und es setzte eine Auswanderung nach Norden ein, welche die Zahl der Neger in Kansas und Indiana ein wenig steigen liefs, in Arkansas aber, dem Staate, dem sie hauptsächlich zuströmten, eine Zunahme seit 1870 um 150 ''/o bewirkt hat. West-Virginien ver- dankt die Zunahme um 86% in demselben Zeiträume mehr dem Arbeiterbedarf seiner Industrie und Eisenbahnen. Zu den auffallendsten Ergebnissen dieser Bewegung gehört auch die Zunahme der Neger in Kalifornien in dem Jahrzehnt vor 1890 von 6018 auf 11437. Das Wachstum der Negerbevölkerung. Angesichts der un beträchtlichen Veränderungen in der Zahl der Neger durch Ein- und Auswanderung ist ihre Zunahme fast ganz als natürliches Wachstum, d. h. Überschufs der Geburten zu deuten, oder, »die 7^2 MiU. Neger der V. St. sind wesentlich Spröfslinge der 700000 Negerinnen, die 1810 im Lande lebten« 2). Wie grofs dieses Wachstum ist, können wir nach den bisherigen Zählungen nicht angeben, deren Unvollkommenheit gerade in der Aufnahme der Neger teilweise amtlich anerkannt, teilweise geargwöhnt wird. 1) Der Ausdruck »Black Belt« galt ursprünglich dem dunkeln Boden des Tieflandes der östlichen Golfstaaten. Im Gegensatz zum weifsen Sand des Küstenlandes und den Eed Hills von Süd- und Nord-Carolina ist er wohl verständlich. Seit der Verdichtung der Neger, die zum Teil auf demselben Boden stattfindet, bezeichnet er die ethnographisch-politische Thatsache. — Auf der diesem Bande beigegebenen Kulturkarte haben wir gleichsam als Kerne dieses Gebietes die Grafschaften dargestellt, in denen mehr als die Hälfte der Bevölkerung aus Negern besteht. 2) Francis K. Walker, The Colored Eace of the United States. The Forum XI. p. 502. Das Wachstum der Neger. 273 Setzen wir voraus, dafs Weifse und Neger gleich gut und gleich schlecht gezählt werden, dann bleibt die Zunahme der Neger um 13,11 % im Jahrzehnt 1880/1890 entschieden hinter der der Weifsen zurück ^). Die Zahl der Einwanderer, die fast ganz den Weifsen zufallen, ist dabei abgerechnet. Zur Erklärung dieser Thatsache wird eine sehr grofse Sterb- lichkeit der Neger angenommen, die durch eine Reihe von Einzeluntersuchungen für Kinder unter 1 Jahr sicher festge- stellt gilt; im Distrikt von Columbia wird für diese Altersklasse die Sterblichkeit der Weifsen und Neger als 17 und 32, in Süd- Carolina als 7 und 11 angenommen. Nehmen wir an, dafs den Erhebungen über die Sterblichkeit beider Rassen Fehler von ähn- licher Gröfse anhaften, so vergleicht sich auch die allgemeine Sterblichkeitsziffer der Neger (17,3) ungünstig mit der der Weifsen (14,7). Der Bearbeiter der Vital Statistics im 1880er Census ist aber der Ansicht, dafs die Angaben über die Todesfälle der Neger erheblich unvollständiger seien als die über die Todesfälle der Weifsen, und glaubt also, der Unterschied sei noch gröfser zu Ungunsten der Neger. 2) In den einzelnen Gebieten und Städten, für die genauere Angaben vorliegen, ist allerdings die Sterblich- keit der Neger durchaus gröfser als die der Weifsen. Die Kinder- sterblichkeit scheint daran die Hauptschuld zu tragen. Aus den Sterbelisten der sechs Städte Washington D. C, Memphis (Tenn.), New-Orleans, Savannah, Charleston und Richmond ergibt sich das Verhältnis der Sterblichkeit zwischen Weifsen und Farbigen unter 5 Jahren als 3 : 4 und unter 20 Jahren 3,8 : 5,1. Noch ungünstiger ist der Unterschied bei den Todtgeborenen : 7:11. Die Sterblichkeit der Weifsen und Farbigen aller Altersstufen verhielt sich in folgenden Städten mit verhältnismäfsig genauer Registrierung 1880 folgender- 1) In den 16 alten Sklavenstaaten nebst Kansas und Missouri verhält sich die Zunahme der Weifsen und Neger wie 25 : 14. The White and Colored Population of the South 1890. Census Bulletin No. 48. Washington, April 1891. 2) Tenth Census of the United States XI. Eeport on Mortality on Vital Statistics I (1885) p. 34. Damit sind die Angaben von Francis A. W a 1 k e r am Schlüsse der Arbeit The Colored Race in the United States (The Forum XI p. 508 f.), sowie F. L. Hof f mans Vital Statistics of the Negro (The Arena 1892 p. 229 f.) zu vergleichen. Ratzel, Die V. St. von Amerika. 18 274 Grofse Sterblichkeit. malsen pro 1000: Louisville 20:35, Washington 18:35, Richmond 19 : 32, Baltimore 23 : 38, New-Orleans 22 : 36, Charleston 24 : 45, also im Durchschnitt 21:35. F. L. Hoff man gibt in seiner er- wähnten Arbeit Zahlen aus einigen anderen Städten und spätere Aufnahmen (1890?), die teilweise noch ungünstiger lauten, z. B. Atlanta Ga. 15:36, Wilmington N. C. 13,9:28,5, Birmingham Ala. 14,8 : 26,6. Die Durchschnittszahl aus den Listen von zehn Städten, worunter auch Washington, Richmond, Charleston und New- Orleans, ist 17 : 31. Wenn man glaubte, dafs die südlichere Lage den Negern günstigere Lebensbedingungen biete, so findet man wenigstens in diesen städtischen Stcrbelisten dafür keinen Anhalt. Das Ver- hältnis der Sterbelisten bei Weifsen und Farbigen ist in den fünf genannten Städten s. vom 35. Parallel verglichen mit dem in den fünf Städten n. davon um 0,02 besser. Die 1887 veröffentlichte Sterblichkeitsstatistik weist als die tödtlichsten Krankheiten der Neger Schwindsucht ^), Pneumonie — in beiden Fällen stehen sie über den Weifsen — Nervenübel, Verdauungskrankheiten, Malaria nach. Todesfälle in Folge von Unfällen und Verletzungen sind bei ihnen viel häufiger, Delirium selten. Die grofse Sterblichkeit der Neger wird auch ohne diese nicht iromer ganz zuverlässigen Sterbelisten (vgl. u. Kap. XIV.) durch die Armeestatistik und die Lebensversicherungen bewiesen. Der Surgeon General spricht in seinem Jahresbericht für 1889 die Überzeugung aus, die Sterblichkeit der Neger sei immer höher als die der Weifsen in derselben Garnison, wo beide unter genau denselben Einflüssen leben. Die Lebensversicherungen nehmen von den Negern und Mulatten bedeutend höhere Prämien als von den Weifsen, ein Beweis, dafs die gröfsere Sterblichkeit nicht nur in den ungünstigen Lebensverhältnissen liegt, da nur gutgestellte Neger sich versichern lassen 2). Die Life-tables des X. Census (Vital Stati- 1) Nach F. L. Hof f man a. a. O. S. 535 verursacht sie bei den Weifsen in 6 Städten des Südens lü®/o, bei Negern 15®/o der Todesfälle. In den Sterbe- listen der Armee für 1870 — 1890 stellen die Neger gröfsere Prozentsätze der Sterblichkeit in jeder Krankheit. 2) Es liegt mir eine Anzahl Mitteilungen hervorragender nordameri- kanischer Lebensversicherungen vor, die einstimmig in der Bekundung der Abneigung gegen die Versicherung von Negern sind. Die Motive sind bei Proletarischer Typus. 275 stics 2. Bd. Einl.) lassen für eine Anzahl von kleineren Gebieten, in denen Weifse und Neger genau unterschieden wurden, die mittlere Lebenszeit für die Weifsen zu 26,8, die Farbigen zu 20,4 annehmen. Mit der grofsen Sterblichkeit geht eine starke Vermehrung zusammen, und so entsteht der proletarische Typus eines »waste- ful life«. Schon die kurzen Censusberichte aus früheren Jahr- zehnten zeigten eine grofse Kinderzahl der Sklaven, verbunden mit grofser Sterblichkeit. Auch heute noch ist die hohe Stelle des Südens in der Geburtenstatistik auffallend. Was w. vom Missis- sippi und s. von der Grenze Missouris liegt, steht in dieser Be- ziehung am höchsten. Aber der ganze Süden von 40^ an hat eine hohe Geburtsziffer, die noch steigt, wenn man sie mit der Zahl der Frauen vergleicht. Der Norden tritt gerade bei diesem Ver- gleich mit Ausnahme des jungen Nordwestens weit zurück. Dabei ist die Zahl der unehelichen Kinder grölser als bei den Weifsen, nach einer Angabe aus Richmond 1880—1890 siebenmal gröfser. John S. Billings stellte nach den Ergebnissen des X. Census 51 südliche Grafschaften zusammen, wo keine grofsen Städte vor- kommen, in denen also beide Klassen unter möglichst ähnlichen Be- dingungen leben, und die von 542000 Weifsen und 591000 Negern bewohnt waren. Er fand, dafs die Geburtsziffer bei jenen 34,3 pro 1000, bei diesen 39,5, die Zahl der im Censusjahr Geborenen und Gestorbenen 62,6 bei jenen, 91 bei diesen war^). Die erhöhte Sterblichkeit der kleinen Kinder gleicht sich aber in den späteren Jugendjahren aus. allen die gleichen: Die Lebensdauer des Negers wird als geringer als die der Weifsen angesehen. Teils wird angeborene Neigung zu Krankheiten, teils die Ungesundheit seiner Umgebungen und Lebensweise als Ursache angeführt. Als häufige Krankheiten werden Schwindsucht und Rheumatismus genannt. Übrigens vermögen die Neger in der Regel nicht mit Sicherheit die vor- geschriebenen Auskünfte über Lebensdauer und Gesundheit ihrer Vorfahren zu beantworten und werden schon darum von vornherein zurückgewiesen. Mit Bezug auf den auch auf die Lebensversicherung des Negers angewendeten 15. Zu- satz zur Verfassung (s. o. S. 269) schreibt einer der hervorragenden Lebensver- sicherungsbeamten des Westens : »Fortunately the Statistic tables in the possession of all Life Companies show that Natural Law interferes with Hu- man Law by furnishing the positive proofs, that the Negro Race is, as a race, less long Hved than the White Race.« 2) Tenth Census, Vital Statistics Bd. 2 p. 142. 18* 276 Zusammenhang des Negerproblems mit der Einwanderung. Für die Vermehrung der Neger ist es günstig, dals das Ver- hältnis der Geschlechter keine so starken Störungen mehr erfährt, wie in vielen Staaten des Nordens. Es zeigt die Neigung, sich abzu- gleichen. Unter dem Einfluss der Sklaverei, die die arbeitsfähigen Männer nach Westen führte, war früher die Zahl der Negerinnen gröfser gewesen. In Süd-Carolina betrug sie 1850 105,3 auf 100, und war 1880 auf 102,9 gesunken. Eine Anzahl von Sterbelisten südlicher Städte spricht dagegen für eine Steigerung der Sterb- Hchkeit des weiblichen Geschlechts bei den Negern, wie sie in der Zeit der Sklaverei nicht vorgekommen zu sein scheint. Die Er- hebungen des elften Census werden hoffentlich die eingehendere Prüfung dieser Erscheinung möglich machen. Sie wäre sehr be- denklich, wenn sie sich in gröfserer Ausdehnung zeigte. Das Wachstum der Negerbevölkerung steht also heute bei so grofser Sterblichkeit ganz auf der hohen Geburtsziffer. Ameri- kanische Statistiker, unter ihnen Francis A. Walker, glauben, dafs daraus sehr leicht Rückgang bei Verminderung der Geburten entstehen könne.. Es Hegt aber doch fast ebenso nahe, einstweilen noch an eine Verminderung der Sterblichkeit durch fortschreitende Anpassung an das Klima und Verbesserung der Lebensbedingungen zu glauben, für die die Weifsen, besonders in den südlichen Städten, im eigenen Interesse sorgen müssen. Vergleichen wir die über die Sterblichkeit und Geburten gemeldeten Thatsachen mit dem Wachstum der Neger, wie es sich in den Zählungs- summen ausspricht, so wiU uns bedünken, als stimme nicht alles klar zusammen. Es kann auch nicht anders erwartet werden, solange diese Zahlen nur in den gröfseren Städten gesammelt werden, wo die Masse der Neger das Leben eines tiefgesunkenen Proletariates führt. Solange die Erhebungen über die Bewegung der farbigen Landbevölkerung fehlen, darf man nicht die Ergebnisse der städtischen Sterblichkeitsstatistik verallgemeinern. Es bestand inuner eine Neigung im Süden, die freien Schwarzen so schwarz wie möghch zu malen ^). Es ist nicht zu leugnen. 1) Man erinnert sich, wie J. C. Calhoun 1843 einen unvollkommenen Census zu Hilfe nahm, um der enghschen Regierung zu beweisen, dafs die Freilassung der Negersklaven für diese die übelsten Folgen habe, indem 8°/ o der Zusammenhang des Negerproblems mit der Einwanderung. 277 dafs einige bedenkliche Symptome vorliegen, aber die Zunahme um 13% in dem Jahrzehnt 1880 — 1890 bleibt einstweilen doch immer die sicherste Thatsache der Negerstatistik. Aulserdem steht das Negerproblem in einem tiefen Zu- sammenhang mit der europäischen Einwanderung. Das scheint in Amerika nicht genügend gewürdigt zu werden. Sobald diese abnimmt, wird jenes wachsen. Die Zeit der grölsten Zunahme der europäischen Einwanderung seit 1830 ist auch die Zeit der Abnahme des Wachstums der Negerbevölkerung, und wenn, wie vorauszusehen, die europäische Einwanderung wieder abnehmen wird, ist ein verhältnismässig stärkeres Wachstum der Neger zu erwarten. Wenn die 1790 in den V. St. wohnende weifse Bevölkerung sich selbst überlassen und die farbige in der Sklaverei geblieben wäre, würden beide annähernd in gleichen Verhältnissen geblieben sein, so dafs die Neger den fünften statt den neunten Teil der Bevölkerung ausmachen würden ^). Die Verbreitungsverhältnisse der Neger in den einzelnen Ge- bieten sind ebenfalls nur zu verstehen, wenn man die Ein- wanderung der Weifsen mit in Betracht zieht. In Texas und Florida hat die starke Zunahme der weifsen Bevölkerung die schwarze zurücktreten lassen und gerade in Mississippi, Süd- Carolina und Georgia ist dieser Einflufs immer geringer gewesen. Die fremdgeborene Bevölkerung ist »praktisch nicht vorhanden«, wie der X. Census sich ausdrückt, in allen Südstaaten, Texas, Florida und Louisiana ausgenommen. Sie nimmt von Norden nach Süden im ganzen Lande ab. Ihre Minima liegen genau da, wo der »Black Belt« von Nord-Carolina bis Arkansas zieht. Mit 6,1% fremdgeborener Bevölkerung steht auch das negerreiche Louisiana noch tief unter den Weststaaten, die 25 bis 75% auf- weisen. Nord-Carolina zeigt 1870 — 1880 die geringste Zunahme fremdgeborener Bevölkerung in der ganzen Union. Alle Südstaaten, die alten und neuen, werden von der Einwanderung viel weniger Freigelassenen verkrüppelt, blödsinnig oder Verbrecher seien. Vgl. die Denk- schrift vom 13. April 1843 in Murhard, Nouveau Eecueil V p. 40. 1) Vgl. u. im XV. Kap. über den Einflufs der Einwanderung auf die Bevölkerungszahl der V. St. 278 Zusammenhang des Negerproblems mit der Einwanderung. aufgesucht als die Nord- und Weststaaten^). Nur Texas, Louisiana und Florida haben 1880 die verhältnismäfsig sehr niederen Prozent- sätze von 7,7, 6,1 und 3,8 Fremden, alle anderen Südstaaten, auch Westvirginien, weniger aufzuweisen gehabt. Der aufblühende Kohlen- und Eisenbergbau im südwestlichen Alleghany - Gebiet ändert dieses Verhältnis, aber nur in kleinem Mafse, denn die billigen Arbeiter sind doch wieder die Neger. Die Verbindung der Einwanderung mit dem Negerproblem ist nicht blofs in der Gröfse der Einwanderung, sondern auch in ihrer Qualität zu suchen. Es mehren sich unter den europäischen Einwanderern die Elemente von gröfserer Affinität zum Negertum. Die romanischen Völker haben, wie ihre Colonialgeschichte zeigt, nicht den Widerwillen gegen Zusammenleben und Mischung mit Negern gezeigt wie die germanischen. Louisiana wird vielleicht nicht immer so allein stehen, wie bisher, mit der Begünstigung seiner Neger und Mulatten durch das kreolische Element. Und wenn die zunehmende Einwanderung von Süd- und Osteuropäern, wie vorauszusehen, ein Proletariat schafft, das die V. St. bisher nicht gekannt haben, so wird bald die Kluft zwischen Weifsen und Negern sich verkleinern. Auch wirtschaftlich mufs die Lage der Neger besser werden, sobald die Zufuhr billiger und für niedere Dienste bereiter weifser Arbeitskräfte gehemmt wird. Der Zug nach Norden wird gröfser, die »Vermeidung der Berührung« schwerer werden. Wie unter solchen Umständen die Aufsaugung der Neger und die auf die Dauer nicht zurückzudämmende Zunahme der Ost- asiaten wirken wird, ist nicht abzusehen, aber es ist kein Punkt vorauszuerkennen, an dem sie den Weifsen günstig sein könnte. Wenn die praktischen Politiker sich gegen Beschränkung der Ein- wanderung aussprechen, so ist darin schon jetzt nicht blofs die traditionelle Liberalität der Jefferson' sehen Schule, sondern bei 1) Nach Beendigung des Bürgerkriegs strebten die Weifsen im Süden ohne grofsen Erfolg, die Einwanderung anzuziehen, die - sie vorher zurück- gestofsen hatten. Das M^ar die Zeit, in der durch die Gesetzgebung Boards of Immigration ins Leben gerufen und dann gelegenthch auch die Geo- graphie durch genauere Landesbeschreibungen gefördert wurde. Die Erfolge waren gering. Die Verdichtung der Negerbevölkerung. 279 Weiterblickenden auch die Furcht vor dem drohenden Anwachsen der Masse von Negern wirksam. Die Verdichtung der Negerbevölicerung. Die rein statistische Betrachtung des Negerproblems, wie sie von den Politikern der V. St. geübt wird, ist ganz ungenügend. Wenn die Gesamtzahl der Neger langsam wächst, gleichzeitig aber eine Verdich- tung in einem grolsen Gebiete in solchem Grade stattfindet, dafs dieses eine wachsende Mehrheit von Negern umschlielst, so ist diese zweite Thatsache politisch wichtiger als die erste. 60 und 57% Neger in Süd-Carolina und Mississippi bedeuten zwar noch nicht die politische Herrschaft, aber bereits die Unzurückdräng- barkeit einer der herrschenden Bevölkerung des Landes fremden Rasse auf einem Gebiete von 3640 deutschen Q.-M. Die Weifsen halten auch über diese mit Negermehrheiten besetzten Gebiete die Herrschaft, aber nicht wie dort, wo sie Alleinherrscher sind. Auch wo sie die politische Macht haben, steht zwischen ihnen und dem Boden diese schwere Masse, und nicht blofs die Abneigung der Einwanderer gegen diese Staaten mit Negermehrheiten, sondern die Natur selbst, Boden und Klima, streben, diesen Zustand, den Beginn einer Afrikanisierung, wie die Antillen oder Nicaragua sie erlebt haben, zu befestigen. Im Verhältnis zu den Weifsen kommen die Neger in den einzelnen Grafschaften des Südens entweder in erdrückender Mehrheit oder verschwindender Minderheit vor; wo die Weifsen sehr zahlreich sind, erreichen aber auch sie gröfsere Zahlen, da doch immer ein Teil von ihnen »den Anhang« der Weifsen bildet. Die grofse Mehrheit der Neger , rund 7 Mill. , wohnt in den Südstaaten, als deren nördlichste wir in diesem Betracht Delaware, West Virginien, Kentucky, Missouri, Kansas, als deren westlichsten wir Texas annehmen. In diesem Gebiete liegt wieder ein besonders dunkles Gebiet, der sog. Black Belt, der die dichteste Negerbevölkerung umschliefst; er beginnt im Tief- land Carolinas und Georgias und zieht durch diese Staaten über das mittlere Alabama nach Mississippi und Louisiana, um in Texas und Arkansas zu enden. Dafs weder das weitere, noch das engere unveränderlich sei, war bereits anzudeuten. Vorzüglich die 280 I>er »Black Belt«. Verschiebung des letzteren gehört zu den wichtigsten Erschei- nungen in der Geschichte der Neger in Nordamerika. Seit 1860 hat die Negerbevölkerung in Arkansas und Mississippi stärker zugenommen als die weilse, in Georgia ist die Zunahme beider fast gleich, und in Süd-Carolina ist die der Weilsen wenig stärker. Wenn man die »dunkelsten« Staaten Süd-Carolina, Georgia, Flo- rida, Alabama, Mississippi, Louisiana, Texas und Arkansas zu einer Gruppe vereinigt, die nördlicheren Delaware, Maryland Bundesdistrict, Virginia, West- Virginia, Nord-Carolina, Kentucky, Tennessee, Missouri und Kansas zu einer anderen, so stehen in jener die beiden Elemente wie 1,6 : 1, in dieser wie 4:1. Darin liegt das Ergebnis der vielbesprochenen Erscheinung einer lang- samen Verschiebung der Neger in südlicher und südwestlicher Richtung. Was die alten »Grenzstaaten« des Südens (s. o. S. 145) verlieren, gewinnen vorzüglich die südlichsten atlantischen und die am Golf gelegenen. Von den sechs Staaten des »Far South« ö. vom Sabine besitzen drei bereits Negermehrheiten und in drei anderen bilden die Neger mehr als 40% der Bevölkerung. Auf den Zu- saromenhang mit der Geringfügigkeit der Einwanderung in die Südstaaten haben wir hingewiesen. Es liegt in dieser Verschiebung zugleich eine fortschreitende Anpassung an die den Weifsen minder günstigen klimatischen Verhältnisse. Wenn die Masse der Neger- bevölkerung s. vom 40. ^ und am dichtesten in dem Gürtel zwi- schen dem 32. und 33.° sitzt, so bedeutet das, dafs 80% der Neger zwischen den Linien mittlerer Jahreswärme vom 13. und 21.° wohnen, während 85% der weifsen Eingewanderten zwischen denen von 5 und 13° sitzen, also gleichsam in den entgegen- gesetzten Temperaturzonen des Landes. Dieser Lage entspricht es, wenn 25% der Neger in einem Gebiete mit sehr hohem Regen- fall wohnen^). Sehr auffallend ist es, wie Kalifornien sich seit 1880 seinen eigenen kleinen Süden mit einer Zunahme der Neger um 90% in den südlichen Grafschaften Los Angeles, San Diego u. a. zu schaffen beginnt. •In diesem vernegerten Süden entwickelt sich ein ganz neues Land. Die Zahl der Neger ist zu grofs, um den Einflufs der 1) Diese Zahlen sind aus dem 1980 er Census genommen. Politische Bedeutung der Negerfrage. 281 Weifsen noch durchdringen zu lassen. Die Gemeinden zeigen also nichts von Wetteifer in der Verbesserung ihrer Lage. Selbst mit einem Minimum von Arbeit ist das Leben leicht. Lohnarbeit wird von den Negern abgelehnt. Wer von Weifsen noch geblieben war, verzweifelt an der Möglichkeit des Gedeihens und verläfst das Land^). Die Neger sinken in »Savagery« zurück, und es treten, ähnlich wie in Westindien, barbarische heidnische Nei- gungen und Gebräuche ungescheuter zu Tage. Politische Bedeutung der Negerfrage. Den ernsten Politikern Nordamerikas steht die Negerfrage sogar noch vor den zwei anderen grofsen Fragen der Union: der Arbeiterfrage und der Frage des allgemeinen Stimmrechtes. Ihre Wurzeln reichen tiefer, und ihre befriedigende Lösung ist noch schwerer denkbar. In den 16 Staaten, in denen die Sklaverei bis vor 30 Jahren bestand, stehen die Neger zu den Weifsen noch heute wie 5 : 12 und stellen mehr als eine Million Wähler. Trotz aller Fortschritte seit der Freilassung bilden sie aber noch immer eine tiefere Schicht der Bevölkerung. Das Helotentum, in dem einst die politische Gefahr der Sklaverei erkannt wurde, ist in anderer Form, und durch die Massenzunahme in allen Wirkungen verstärkt, wieder da. Die Partei der alten Sklavenhalter vereinigt im Süden fast alle In- telligenz, Besitz und Respektabilität gegenüber der des Negers und seiner Freunde, die selbst überzeugt sind, dafs die Farbigen eine tieferstehende Gruppe der Menschheit seien. Jene will nicht blofs herrschen, sondern weil's, dafs sie herrschen mufs, um zu existieren. Und die Auffassung der Negerfreunde, dafs die Neger »the Wards of tlie Nation« seien, hat nur helfen können, sie in dieser Abhängigkeit zu erhalten. In den tieferen und heifseren Teilen der Südstaaten fällt die Ackerarbeit ihnen fast allein zu, in den Städten thun sie fast nur die ungelernte Arbeit. Wenige haben sich durch Handel bereichert oder eine hervorragende Stellung im Gewerbe genommen, trotzdem sie in Nordamerika, 1) Vgl. die Schilderung der Küstenstriche von Georgia bei Leconte, The Race Problem of the South 1892 p. 358. 282 Die sociale Schichtung. besonders im Gegensatz zu Westindien, mehr und besser arbeiten, auch wo sie selbständige Eigentümer eines kleinen Landbesitzes geworden sind; auch in Gebrauch des Geldes haben sie Fort- schritte gemacht. Verglichen mit den Zuständen- auf der Guinea- küste oder am Kongo, welche die ihrer Vorväter waren, ist der Fortschritt gewaltig, den sie als Christen, die ihre Kirchen selbst unterhalten, als Lernende, die wenigstens teilweise^) für ihre Schulen sorgen, als Bürger, die einander wechselseitig durch Wohlthätigkeitseinrichtungen unterstützen, gemacht haben. Aber in Einem haben sie keinen Fortschritt gemacht: sie sind den Weilsen nicht näher gekommen. Der soziale Verkehr ist be- schränkter als zur Zeit der Sklaverei, er bewegt sich streng im Geschäftlichen. Die Ausschlielsung der Neger aus grofsen, natio- nalen Vereinigungen ist die Regel. Auch wenn schwarze Redner dagegen versichern: »Try us, and you will see that our color will not rub off and that you will not suffer for your pains« (bei dem 1891 er Kongrefs des Patriotic Order of Sons of America in Phila- delphia) bleibt es dabei. Nicht blofs in den meisten Südstaaten ist die Heirat zwischen Weifsen und Farbigen verboten^), auch der sonstige Verkehr der Geschlechter ist, mehr als je zu ahnen war, von der Sitte verpönt, die sich nur Nachteil von ihm er- wartet, und die Zahl der Mischlinge ist gering. Sie werden un- bedingt den Negern zugewiesen, die allein durch sie gewinnen. Ein reicher Neger, ein farbiger Rechtsanwalt, Arzt oder Geist- licher steht sozial den Weifsen nicht näher als der schwarze Kellner oder Stiefelputzer. Die »Color Line« geht selbst durch die Blindeninstitute. Die Bildung, von der Idealisten soviel gehofft hatten, hat dem Neger ideal wenig genützt, praktisch ihm eher geschadet, da der Durchschnittsweifse den ungebildeten Neger dem gebildeten vorzieht. Gerade die gebildeten Negerfamilien sind isoliert. Der Neger in den V. St. bedeutet mit einem Worte die 1) Ich finde dafür keine genauen Angaben. Le Conte, der in The Eace Problem in the South (1892) p. 364 angibt, die Weifsen trügen in Süd-Carohna 90^1 0 der Schullasten der Neger^ hat diese Zahl nicht weiter begründet. 2) F. J. Stimsons American Statute Law gibt an, dafs solche Verbote in allen Südstaaten Gesetz sind, bezeichnenderweise nur nicht im alten Kreolenstaat Louisiana. Die sociale Schichtung. 283 Aufhebung der Gleichheit. Die Rassenaristokratie wird durch ihn unvermeidHch. Die pohtische und soziale Entwickelung des Negers zeigt, wie sehr er der schwächere ist. Auch ohne die Gewaltthätigkeit der Weifsen, schichtete er sich ganz von selbst unter den Stärkeren. Die Freunde des Negers leugnen, dals er die gesellschafthche Gleichberechtigung anstrebe und bezeichnen diei's als eine ver- verleumderische Beschuldigung seiner Eeinde. Die Gesetze werden — auch für den Bund — mit der Zeit diesem Zustand entsprechen müssen. Die Indianer und Chinesen leiden mit unter dieser socialen Schichtung, sie werden von der Masse der Neger mit niedergehalten. Man läfst es stillschweigend zu, dafs die Gesetze für beide anders ausgelegt werden, und nicht blols vom Richter Lynch. Neger, und im Westen noch mehr Indianer, werden massenhaft hin- gerichtet, während auf die Weilsen die strengen Gesetze der V. St. — von denen nur Rhode-Island, Michigan und Wisconsin die Todesstrafe abgeschafft haben — viel seltener Anwendung finden^). Nur Weifse füllen die Bänke der Geschworenen. 1881 nahm das Staatsgefängnis zu Columbia S. C. 25 Weifse und 406 Farbige auf, als das Zahlenverhältnis beider dort 13 : 20 war. Im Staatsgefängnis von Georgia salsen 1880 115 Weifse und 1071 Far- bige , von denen 22 Weifse und 30 Farbige begnadigt wurden ^). Die politischen Rechte sind für den Neger nur ein hohles Wort geblieben. Er besitzt das allgemeine Stimmrecht und kann gesetzlich zu jedem Amte, auch Bundesämtern gewählt werden. Seitdem die mit dem Negerstimmrecht und der Einschüchterung der Weifsen er- richteten »Carpet-baggers«-Regierungen in den Jahren 1870 bis 1876 gefallen sind, haben die bekannten Zusätze zur Bundesverfassung, jetzt über 20 Jahre alt, den Negern kaum mehr einen Vorteil gebracht. Selten ist einer, auch selbst im Bundesdienste, zu mittleren Beam- tungen zugelassen worden. Von den Wahlurnen hat man sie in den kampfreichen Jahren 1870/80 mit Gewalt und später durch Betrug 1) Vgl. Hasselbachs Auf atz : Über die Abschaffung der Todesstrafe unter den Gesetzen der V. St. (Westliche Post, 5. November 1892), wo nach- gewiesen ist, dafs selbst im Bundesdistrikt die Neger eben so häufig wie die Weifsen selten gehängt werden. 2) Vgl. die Aufsätze >The Freedmans Gase in Equity« und »In piain Black and White« in Gentury Magazine, Januar und April 1885. 284 Die politischen Rechte des Negers. oder Gesetze*), endlich durch Einschüchterung (bull-dozing) fern- gehalten. Allen Vorwürfen gegenüber berufen sich die WeiTsen auf den teilweise noch jetzt nicht ersetzten Schaden, den jene verführten Farbigen mit ihrem mifsbrauchten Stimmrecht den Südstaaten zugefügt haben und auch selbst die Parteifreunde der Neger erkennen die Übereiltheit jener Bestimmungen an. Die UnempfindHchkeit der Masse der Neger gegen diese politische Bevormundung scheint ihnen Recht zu geben. Sie ist am gröfsten, wo die Masse der Neger am zahlreichsten, während das Unrecht von den Negern der Nord- und Mittelstaaten am stärksten empfunden wird. Eine vorübergehende gesetzhche Ord- nung der Negerfrage würde durch die Ausschüefsung der Unterrichts- losen vom Wahlrecht in Form eines üliteracy Act bewirkt worden sein, wenn nicht in den Südstaaten, wo sie am wirksamsten wäre, die Ver- minderung der Kongrefsvertretung und damit des Einflusses auf die Präsidentenwahl befürchtet würde. Das ist wohl auch der Grund, warum die Beschränkung des »Barbarian Vote« nicht nach südafrikani- schem Muster gesetzlicher und anständiger durch die Bindung an einen kleinen Besitz oder festen Lohn bewirkt wird. Im Staate Mississippi hat doch die gewaltige Überzahl der Neger (747 720 gegen 539 703 Weifse) 1890 zu einem Versuche in der ersteren Richtung geführt. Das Wahl- recht ist an einen zweijährigen Aufenthalt im Staate und einen ein- jährigen im Wahlbezirke, an Steuerzahlung in den letzten zwei Jahren, eine für Schulzwecke zu verwendende »Poll-tax« von 2 D. und endlich an die Bedingung geknüpft, dals jeder Wähler einen Abschnitt aus der Verfassung zu lesen, oder wenn vorgelesen, zu verstehen oder zu erklären vermöge. Natürlich fiel schon 1891 die grofse Mehrheit in den Vertretungskörpern wieder den Weifsen zu. Die Neger haben viel von der ihnen sonst eigenen Neigung zur thätigen Teilnahme an der Politik verloren, seitdem die Anforderungen an die Wähler höher gestellt wurden. Wer soUte aber nicht die Lust am Wählen verHeren, wenn seine Stimme nicht gezählt wird?*) Die Erziehung des Negers. Die Erziehungsfähigkeit des Negers ist bis zu dem Punkte bewiesen, auf dem er heute steht. 1) Das Eight Box Law von Süd-Carolina. In einer Anzahl von Süd- staaten wird das ganze Wahlgeschäft von Beamten geleitet, die der Governor ernennt, der seinerseits selbst ganz Parteimann ist. Die Bundesmarschälle ernennen dann ihrerseits bei den Wahlen in den Südstaaten ganze Scharen von Hilfsmarschällen, welche die Vergewaltigung der hauptsächlich aus Negern bestehenden Minderheiten verhüten sollen. 2) »The Negro Vote is not sijppressed, but in the Black Counties it is simply not counted«, nämlich in Nord-Carolina. Albert B. Hart in The Nation 17. März 1892. Die Erziehung des Negers. 285 Er nimmt seine Stelle nicht blofs hoch über dem afrikanischen, sondern auch über dem westindischen Neger ein, und leistet mehr Arbeit als eine gleiche Anzahl Indianer. Die vielgescholtene südUche Pflanzer- Aristokratie hat ihre Aufgabe durch die erste Erziehung des Negers gelöst, der nur in dieser feudalen Gesellschaft den Schritt unmittelbar aus der Barbarei herausthun konnte. In der Sklaverei und durch sie ist er über die Sklaverei hinauserzogen worden. Mit ihrem Sturz, der ihm die politische Freiheit und Gleichheit gab, hat eine andere, schwerere, langwierigere Erziehung begonnen, deren Aufgabe man viel zu leicht nahm, wenn man sie auf der Schulbank vollenden zu können meinte. Jetzt sieht man ein, dafs die üble Wirkung des Hauses viel mächtiger ist als die gute Absicht der Schule. Um auf die Familie zu wirken, will man nun auch die Negerfrage von der weiblichen Seite an- fassen, und sieht das letzte Heilmittel in der Erziehung der jungen Mädchen in »Boarding Schools«, wo sie 4 bis 6 Jahre den »Home Influences« entzogen wären. Der Charakter des nordamerikani- schen Negers ist aber trotz der Schulen dem des afrikanischen im Grunde doch noch sehr ähnlich. Sondert man die Mischlinge aus, die nicht durch Erbschaft, aber infolge ihrer schiefen, socialen Stellung den Weifsen mehr im Übeln als im Guten ähneln, so sind die Grundzüge der Sorglosigkeit, Nachlässigkeit, des Mangels an Energie, der unberechenbaren Ausbrüche von Heftigkeit, Be- geisterung und Stumpfheit alle erhalten. Bei der religiösen Anlage des Negers sahen seine Freunde der kirchlichen Entwickelung mit grofsen Hoffnungen entgegen. Aber die Gemeinden, in denen die Neger sich ganz frei von der Leitung weifser Geistlicher ge- macht haben, zeigen einen entschiedenen Rückgang und sind teil- weise Karikaturen christlichen Wesens. »Ebensogut würde die Kjnderklasse einer Sonntagsschule mit einem der älteren Knaben als Prediger eine . Gemeinde bilden können«, äufserte sich der Bischof der Episcopal - Kirche von Kentucky^). Den gröfsten Einflufs haben unter den Negern die Sekten gewonnen, die im Gottesdienste das freie Spiel des »Emotional Element« begünstigen, vor allem die verschiedenen baptistischen und methodistischen. 1) The Century Magazine Juni 1885. • 286 Erziehung und Leistungen der Neger. Der Neger eignet sich noch immer besonders zu Stellungen, in denen er geleitet wird. Er leistete als Sklave mehr denn als freier Mann, und hat als Soldat im Bürgerkrieg sich Anerkennung errungen. Der Vergleich mit dem Indianer zeigt, dafs gerade in der Gabe der Nachahmung und Anschmiegung eine Stärke des Negers liegt. Die 1892 in Boston erschienene Geschichte des ersten Neger-Regiments, das im Bürgerkrieg im Norden gebildet wurde, der 54er Freiwilligen von Massachusetts, zeigt, dals die Neger Ordnung, Disciplin und Mut bewährten. Neger wurden nach Kon- grefsbeschluls schlechter besoldet als Weifse, aber in diesem Re- giment wenigstens zeigten sie sich nicht als schlechtere Soldaten. Er ist ein bildsamer, geduldiger Untergebener. In den geistigen Anlagen hat man gelernt, die vielgepriesene »Brightness«, die bereite Auffassung, schnelle Erinnerung, scharfe Wahrnehmung der Negerknaben von der erst später sich entfaltenden Denk- fähigkeit zu trennen und demgemäfs nicht zu grofse Hoffnungen auf die Bedeutung der Erfolge der Schule für 's Leben zu setzen. Für die Schulbildung der farbigen Jugend wird in den meisten Staaten der Form nach genügend gesorgt. Von 1880 — 1890 hat die Zahl der in Schulen eingeschriebenen Kinder in den Süd- staaten sich bei den Weifsen um 46, bei den Negern um 62^lo vermehrt. Es läfst sich aber bei der Unregelmälsigkeit des Schul- besuches und der Untüchtigkeit vieler Lehrer daraus kein Schlufs auf den Fortschritt der Bildung bei den Negern ziehen. Grofse Schwierigkeiten hat der höhere Unterricht zu über- winden , für den nur im Norden schon frühe gesorgt ward. Eigens für den höheren Unterricht von Farbigen, besonders Negern, wurde 1771 Dartmouth College in New Hampshire ge- gründet, während die Herren des Südens natürlich keinen Eifer für Bildungszwecke entfalten konnten, die dem Wesen der Skla- verei widersprachen. Heute freuen sich die Neger 7 Colleges, 17 Akademien und 49 Hochschulen zu besitzen. Die 842 Ad- vokaten, deren sie sich rühmen, beweisen wenig für den Nutzen, den die Neger aus diesen Schulen ziehen, denn sie glänzen weniger durch Bildung, als durch die angeborene lebhafte Beredsamkeit. Auch die mehr als hundert von Negern herausgegebenen Zeitungen Aussichten. 287 beweisen nichts mehr ; es ist darunter keine einzige nennenswerte. Neben den Advokaten verschwinden die wenigen »studierten« farbigen Prediger und Ärzte, deren Zahl viel grölser werden mufs. Das selbständige geistige Leben der Neger ist noch ganz am Boden. Nichts ist bezeichnender, als dafs inmitten der Bemühungen um die Erschliel'sung und Kultur Afrikas der reiche und gebildete Neger der V. St. teilnamslos geblieben ist. Wenn für manche Weifse, besonders Geistliche, der Afrikaner »the coming Man of Earth« ist, so ist das ganz nur Zukunft. Man hört auch: seine Rasse, jetzt erst »the Boy Race of the World«, werde einst ein Riese ^) sein. Auf den Ausdruck solcher Hoffnungen beschränken sich seine wärmsten Freunde. Wir glauben uns nicht zu täuschen, wenn wir meinen, sie äulserten sich schon viel gedämpfter. »Dem Neger von heute gegenüber, der kaum seit einer Generation aus der Sklaverei befreit ist, und gezwungen war, Licht und Leben im brausenden Meer der politischen und Rassenkämpfe zu suchen, haben wir keinen Grund zu zweifeln, dafs, soweit Arbeitsfähigkeit in Betracht kommt, die Wirksamkeit der Erziehung auf die weifse und farbige Jugend dieselbe sei« 2). Arbeitsfähigkeit: der Anspruch ist ziemlich tief, er erinnert an die einstige einseitige Verwertung des Negers als Arbeitssklave. Wirtschaftliche Entwickelung. Nach der Aufhebung der Sklaverei mufsten die in Freiheit gesetzten Farbigen streben, sich eine selbständige wirtschaftliche Grundlage wieder zu gewinnen. Ihr ganzes Schicksal hing zunächst davon ab. Wenn man die Frage beantworten will, wie sie dieses Problem gelöst haben, so ist nicht zu übersehen, dafs es ihnen nicht rein geboten wurde. Ihr Hauptwohngebiet, der Süden, war in einer höchst gestörten Lage. Politische Mifsstände hemmten das wirtschaftliche Gedeihen der einst so blühenden Baumwollenstaaten. Die öffentliche Un- sicherheit und Korruption erschwerten die gesunde Heilung der vom Kriege her noch offenen Wunden. Mit den freien Negern trat ein ganz neues Element in ihr Wirtschaftsleben ein. Zahl- 1) Methodistenbischof H. M. Turner in Philadelphia, brieflich an G. W. Gage. 2) The Nation, 17. September 1891. 288 I^ie wirtschaftliche Entwickelung reiche Grofsbesitze, frühere Plantagen — , sogar das Wort ist merk- würdigerweise verschollen — gingen an Einwanderer aus den Nordstaaten und aus Europa über, die sie nach Art der Farmer des Nordens bewirtschafteten, andere wurden in ganz kleine Par- zellen zerschlagen, die selbst den Negern zum Kauf zugänglich waren, und ein nicht geringer Teil blieb öde liegen. Nicht wenig gutes Land liegt noch heute brach oder wird kaum genützt. Die Saltmarshes Süd-Carolinas sind jetzt weniger bebaut als vor 1860, die Neger, die 90% der Bevölkerung des Küstenstreifens bilden, nützen nur ihr saures Gras zu Futter und Streu. Und so können 30 Jahre nach dem Krieg in den Küstenländern des Südens die Landpreise auf den 50. Teil dessen stehen, was sie früher betragen hatten. Gleichzeitig verlor die amerikanische Baumwolle das Mo- nopol und ihr Anbau ist bei der Concurrenz Asiens und Afrikas bei weitem nicht mehr so gewinnreich wie vor dem Krieg — alles Ursachen einer wirtschaftlichen Umwälzung, die zu den gröfsten aller Zeiten gehört. Die unheilvollen Weissagungen, die an den Übergang von der Sklaverei zur freien Arbeit geknüpft wurden, haben sich dennoch zum Glück nicht alle erfüllt; die Hauptschwierigkeiten der Entwicklung des Südens liegen gegenwärtig weniger auf der wirtschaftlichen als der politischen Seite. Der Neger der Süd- staaten ist nicht mehr der Tropenmensch, der wie ein Kind ohne Arbeit nur von der Natur lebt. Weder das Klima noch die Um- gebung eines so thätigen und in seiner Thätigkeit rücksichtslos mitreifsenden Volkes wie des nordamerikanischen hat ihm dies hier erlaubt. Er sah bald ein, dafs er arbeiten müsse, wenn er nicht verhungern wollte. Nun fragt es sich zwar, ob seine Arbeit so viel wert ist, wie als noch der Overseer mit der Peitsche hinter ihm stand; aber es ist gewifs, dafs der Süden heute viel mehr von seinen Produkten erzeugt, und der gröfste Teil dieser Erzeugung ist farbigen Arbeitern zu gute zu schreiben, die für die Hälfte des Lohnes der weifsen arbeiten. In der Erzeugung des Hauptproduktes des Südens, der Baum- wolle (vgl. Abschnitt Landwirtschaft) hat die freie Arbeit die höch- sten Zahlen der Sklavenarbeit längst überschritten. 1889 wurde der Freigelassenen. 289 davon nahezu doppelt soviel erzeugt als dreifsig Jahre vorher. Auch die im Krieg zu Grunde^ gegangene langstapelige Sea Island- Baumwolle wird jetzt massenhafter und billiger erzeugt als vordem. Nordhoff ^) teilt die Angabe eines Pflanzers in Nord-Carolina mit, dals eine gleiche Anzahl Freedmen (freier Farbiger) um ein Viertel weniger leiste als zur Zeit, da sie Sklaven waren; andere sagten ihm, dafs die jungen Neger weniger gute Arbeiter seien als die, welche früher Sklaven gewesen seien. Aber niemand leugnet, dals die Neger selbst heute noch den Baumwollenstaaten eine Masse brauchbarer Arbeiter liefern. In der Sklavenzeit, in der natürlicherweise oft mehr von ihnen gefordert wurde, als selbst ein sehr fleifsiger weifser Arbeiter aus eigenem Antrieb leisten würde, glaubte man, dafs die Arbeit des Baumwollepflückens, die in sehr kurzer Frist auf weite Strecken hin gleichzeitig besorgt werden mufs, im Grofsen niemals von freien Arbeitern ausgeführt werden könne. Zur Zeit der Baumwollenernte ziehen heute Weiber und Kinder aus den Städten und Dörfern nach den Pflanzungen, wo ihre Arbeit notwendig ist, und ganze Schaaren von Arbeitern wandern durch das Land. Überhaupt werden die farbigen Arbeiter weniger der Faulheit als der Nachlässigkeit und Verschwendung angeklagt. Aber Viele tadeln auch ihre Unzuver- lässigkeit und die Ungleichheit ihrer Arbeit; sie arbeiten eine kurze Zeit tüchtig, um sich dann gehen zu lassen. Im allgemeinen hat man aber wohl mehr Grund erstaunt zu sein über das, was sie leisten, als über das, was sie unterlassen. In dem Verhältnis der freien schwarzen Arbeiter zu ihren weifsen Brotherren hat sich der Taglohn nicht bewährt, sondern man hat dem Pacht- oder dem Anteilsystem den Vorzug gegeben. Man kennt nicht die Zahl der schwarzen Tagelöhner im Süden, und für die Summe ihrer Leistungen gibt es keinen Mafsstab, aber es steht aufser Zweifel, dafs die Zahl der weifsen Tagelöhner gegenüber der ihrigen noch immer klein ist ^). Jedenfalls ist der bedeutende Aufschwung 1) Charles Nord hoff, The Cotton States. New York 1877. 2) Die Zunahme der weifsen Arbeit im Süden an Zahl und Leistung ist eine neue Thatsaehe, deren Wirkungen sich langsam geltend machen. Aber es ist gewifs, dafs durch sie selbständig gewordene Neger, die auf schwankendem Boden stehen, was Besitz und Fähigkeiten betrifft, wieder in Ratzel, Die V. St. von Amerika. 19 . 290 Der Neger als freier Arbeiter. der Landwirtschaft des Südens seit Aufhebung der Sklaverei zu einem Teil auch diesen schwarzen Feldarbeitern zu danken, die, um ihn zu erzeugen, mehr arbeiten mufsten als früher. Eine tiefgreifende Wirkung hat die Aufhebung der Sklaverei auf die Lohnverhältnisse geübt. Die Arbeitslöhne auf den Baumwoll- pflanzungen haben sich nach grofsen Schwankungen, deren Ursache vorzüglich in dem Fallen des Preises der Baumwolle zu suchen ist, niedriger gestellt als vor 25 Jahren ; sie sind wie da- mals am niedrigsten in den südatlantischen, höher in den Golf- staaten, am höchsten in den südwestlichen Staaten. Die Zeitschrift »The Tradesman«, Organ südstaatlicher Indu- strieller zu Chattanooga (Tenn.), versendete 1891 folgende Fragen: Machen die Neger Fortschritte als Arbeiter? Welchen Einflufs hat die Erziehung auf die jüngere Generation geübt? Vergrölsert die Erziehung die Verwendbarkeit des Negerarbeiters? Aus 200 Ant- worten von Beschäftigern von 7400 farbigen Arbeitern, die ein liefen, wurden folgende bezeichnendere Gruppen hervorgehoben: 49 ziehen den farbigen, 35 den weifsen Arbeiter vor, 27 sehen keinen Unterschied, 43 leugnen, dafs ein Fortschritt zu bemerken sei. Von 130 Antworten auf die dritte Frage lauten 96 verneinend. Für Muskelarbeit lauten natürlich die Urteile günstiger als für intelligente, und für jene sind die Löhne farbiger Arbeiter nur unbeträchtlich niedriger als die der weifsen. Die im Auftrag des Departement of Agriculture im Jahr 1867 gesammelten Thatsachen zur Beleuchtung des Zustandes der acker- bauenden Bevölkerung des Südens, kamen über die selbstän- digen Unternehmungen der Freedmen zu keinem günstigen Urteil. Der Bericht^) stellte auf die eine Seite die fehlgeschlagenen, auf die andere die gelungenen Versuche und zog das Facit, dafs der Mangel an Erfahrung in der Aufstellung von Berechnungen ein dienendes Verhältnis zurückgedrängt werden. Die Zunahme der Industrien und des Bergbaues scheint sie mit Macht in die Städte und Industriebezirke zu ziehen, und nur die Sparsamsten und Fähigsten halten ihren Grundbesitz fest. 1) Keport Agric. Dep. 1867 412 bis 428. Aufserdem enthält das eben genannte Buch von Ch. Nordhoff sehr viel interessantes, selbstbeobachtetes Material über diese Frage. Aus einer Erhebung über den Grundbesitz der Neger in Alabama, die 1890 veranstaltet wurde, teilt L. L. Barrows in The Evolution of the Afric- American (1892) mit, dafs in den Landbezirken 5 und in den Städten 20°/o der Neger Grundbesitzer sind. Selbständige Leistungen. 291 und Plänen, die sprichwörtliche Unvorsichtigkeit, die Unmöglichkeit, den Wert der Zeit zu schätzen, und der Mangel an Sparsamkeit so weit verbreitete Eigenschaften der schwarzen Farmer seien, dafs man ihnen einstweilen von allen Versuchen selbständiger Wirtschaft abraten und die Arbeit für Lohn dringend empfehlen müsse. Neben den fehlgeschlagenen Versuchen von zum Teil drastischer Natur sind um so bemerkenswerter Fälle, wie einer aus Georgia, wo ein Freedman mit eigener Hand 25 Acres Baum- wollenfeld bearbeitete und 15 Ballen erzeugte, oder aus Alabama, wo ein Tagelöhner in den Ruhestunden zwischen seinen regel- mäfsigen Arbeitszeiten 500 Pfund Baumwolle zog^). Eine grofse Frage wird nun sein, ob die Neger ihren Landbesitz ausbreiten. In Mississippi, wo ihre Lage noch die beste sein dürfte, sind ungefähr 20% der städtischen und 5% der ländlichen Neger Grundeigen- tümer ; genau so in Süd-Carolina. Es ist aber die Frage, ob sie als solche Fortschritte machen. Das Hypothekenwesen wird als ein grof ser Hemmschuh ihrer Entwickelung angesehen. In Georgia sollen die Neger 800 000 Acres Land besitzen und Steuer von 20 Mill. D. Eigentum zahlen^). In allen früheren Sklavenstaaten finden wir die Zunahme der Zahl der Farmen bei Verminderung ihrer Gröfse. Besonders die kleinen Komplexe von 10 Acres und weniger haben sich ungewöhnlich vermehrt. Süd-Carolina, Mississippi und Loui- siana zählten 1860 93000, 1870 148000 Farmen, deren Durch- schnittsgröfse von 462 Acres auf 226 gesunken war. Diese zer- stückelnde Bewegung ist noch im Gange. Allerdings mufs man bemerken, dafs es sich dabei in vielen Gegenden nur um eine zeitweilige Verpachtung eines zusammenhängenden Besitzes an Arbeitergruppen (Squads) handelt. Trotz dieser Vermehrung der Farmen liegt noch manche der grofsen Plantagen brach. Wo der weifse Mann so gut arbeiten kann wie der Neger, liegt die Gefahr nahe, daCs er als Grunderwerber ihn enteignet, und es ist das einer der Punkte, wo die Wechselbeziehung zwischen dem Negertum und 1) Ein Urteil, das der Bericht über die Cotton-Investigation von 1876 (Rep. Dep. of Agric. 1876 131) auf Grund eines sehr ausgedehnten Thatsachen- materials fällt, stellt eine allmähhche Zunahme des Nutzens der Arbeit der Freigelassenen fest. 2) Rev. J. C. Price, Salisbury, Nord-Carolina (brieflich). 19* 292 -~ Grundbesitz der Neger. der weifsen Einwanderung deutlich ist. Noch heute ist in vielen Teilen des Südens, selbst Nord-Carolina, das Land den 10. Teil von dem wert, was es in »Antebellum-Zeiten« brachte. Der Neger vermochte bisher wo die Preise steigen, nur den Nutzen zu ziehen, dafs er verkaufte, um in die Stadt zu ziehen. Dafs auch die wirtschaftliche Hebung der kleinen weifsen Farmer im Süden geringe Fortschritte gemacht hat, darf man nicht übersehen, zu- mal diese nach dem Niedergang der Plantagen eine einflufsreichere Stellung einnahmen, als vor 1860. Die Fortschritte der Neger sind eng verknüpft mit denen eines Dritteiles der weifsen Be- völkerung des Südens*). Die Negerfrage von ihrer gefährlichen Stellung einer alle anderen Probleme aufsaugenden Frage zurückzudrängen, hat bis- her nur die unverhoffte industrielle Entwickelung eines Teiles des Südens bis zu einem gewissen Grade vermocht. Die grofse Industrie von West-Virginien und Nord-Carolina, Ost-Kentucky und Ost- Tennessee, Nord-Alabama und Nord-Georgia hat neue Interessen und Bedürfnisse geschaffen und unter diesen vor allem einen Be- darf an billiger Arbeit, dem der Neger wenigstens einstweilen ge- nügt. Ob freilich man sich defswegen im Süden gewöhnen wird, ihn »more as a useful reservoir of labor, less as a possible source of danger« zu betrachten, ist abzuwarten. Auch in der In- dustrie scheint sich leider wie in der Landwirtschaft die Regel zu bewähren »A nigger can't make another Nigger work« und die Leitung erfordert also weifse Aufseher. (Prof. Price.) Die Mulatten. Die Frage der Mischung steht im Mittel- punkte des Negerproblems. Findet sie in so ausgedehntem Mafse statt, dafs eine breite Mischlingsschicht sich zwischen die beiden Rassen legt? In diesem Falle ist die Vernichtung beider als abgeschlossener Körper zu Gunsten einer neuen selbständigen Rasse das Ergebnis. Oder findet sie nur in geringem Grade statt? Dann wird sie die höhere Rasse im Ganzen unberührt lassen, während die Neger dadurch, dafs die Mischlinge immer wieder unter sie zurücktreten, sich langsam verändern müssen. Leider 1) Näheres über diese Verhältnisse bei A. J. Mayo, Progress of the Negro. Forum X. S. 345. Die Mulatten. . 293 verfügen wir gegenüber einer so wichtigen Erscheinung nur über ungenügende Zahlenangaben. Die Zählung der Mulatten u. s. w. gab 1860 und 1870 so ungenügende Resultate, dafs sie 1880 nicht wiederholt wurde. Die vom Kongrefs 1889 verfügte Ver- vielfältigung der Zählreihe für Neger durch eine Reihe für Misch- hnge im Census von 1890 hat die Zahl von 1132000 für die Mulatten, also nahezu 18°/o der ganzen Negerbevölkerung ergeben. Die Ergebnisse werden nur als annähernd gelten können. Jeden- falls sind sie besser als die Schätzungen, die bisher sehr ver- schieden ausgefallen waren. Lyell gab 1855 nach südstaatlichen Gewährsmännern 2 ^k % der südstaatlichen Bevölkerung überhaupt und der Census von 1870 540000, also 12% der Farbigen als Mischlinge an. Wenn 1890 soviel mehr nachgewiesen wurden, so ist darin nicht ein Zeugnis für den Fortschritt der Mischung, sondern zunächst für sorgfältigere Zählung zu sehen. Im Ganzen dürfte sie von Kennern des Südens noch immer für gröfser er- achtet werden, als die Censuszahlen glauben lassen. Eine offizielle Beschreibung von Süd- Carolina^) ist geneigt, zwei Dritteile als gemischt anzusehen. Ähnliche Schätzungen finden wir bei Be- obachtern, die sich auf die in weiteren Kreisen der V. St. herr- schenden Anschauungen stützen, wie bei Liebknecht, der rund- weg sechs Siebentel aller Neger für gemischt erklärt. Der Entwickelung des Mischlings zu einem wahren Mittel- gliede zwischen Negern und Weifsen widerstrebt die sich immer schärfer aussprechende Abschliefsung der Weifsen. Die Mulatten mischen sich wieder mit Negern und die Masse wird immer dunkler*). Die oft körperhch so schönen Mulatten hängen viel enger mit den Negern als den Weifsen zusammen. Es wird auch angenommen, dafs in den 30 Jahren der Freiheit die Moralität der Negerinnen sich gehoben hat. Die besseren Kreise, die aller- dings nicht grofs sind, fügen dazu etwas wie Rassenstolz ^), der, 1) Charleston 1882 S. 373. 2) The Negro as a mass is growing more solidly in blackness every day. Rev. J. C. P r i c e , Salisbury, Nord-Corolina (brieflich). 3) Die Verheiratung des Mulatten Fred. Douglas, einer der hervor- ragenden Persönlichkeiten der Abolitionspartei , mit einer Weifsen erregte unter den Farbigen Spott und Unwillen. 294 I^i® Mulatten. ein Produkt der Abstolsung der Weilsen, sich dem der Weifsen gegenüberstellt. In dieser Abschlielsung der farbigen Elemente aller Schattierungen liegt eine Stärkung der Masse, aber eine Schwächung des Einflusses. Herr G. W. Gage, der 1891 an der Leipziger Universität mit einer Schrift »TheNegro Problem in the U. S.« doktorierte, legte vieren der hervorragendsten Schulmänner und Geisthchen des Südens Fragen über die Neger-Mischünge vor, deren Beantwortung er mir mitteilte. Zwei davon bezogen sich auf die Zahl und Befähigung der Mischlinge, deren Zahl zu 35 bis 25 % der gesamten Negerbevölkerung angegeben wm-de. Dabei war von einer Seite betont, dafs, wer die Farbigen nur in den Städten beobachte, einen gröfseren Prozentsatz Gemischter annehmen würde. Die Städte sind auch hier die grofsen Mittelpunkte der Mischung. Einen grofsen Unterschied der Begabung zwischen Negern und Mulatten wollten die Schulmänner des Herrn Gage nicht zugeben. Sie erklären den dunkelsten Neger für ebenso erziehungsfähig wie den Mulatten. Dem widerspricht aber doch die starke Vertretung der Mulatten unter farbigen Politikern und Studierten, sowie der Ver- such der Negerfreunde, die Inferiorität der Neger der V. St. von ihrer Herkunft aus den unbegabtesten Stämmen des Congogebietes herzuleiten. XI. Die Chinesen. Die Einwanderung aus China befindet sich noch in den Anfängen, ist aber bereits zur festen Einrichtung geworden, und hat wahrscheinHch ein grolse Zukunft. Erst in den letzten zwei Jahrzehnten haben die Chinesen als Einwanderer viel von sich reden gemacht. Ihre Einwanderung ist aber früheren Datums. Von 1848—1851 sind während der Gold-Excitements 10000, im Jahr 1852 sogar 20000 Chinesen nach Kalifornien gekommen, so dafs die erste kalifornische Volkszählung von 1852 ihrer 25000 zählte. Nun hielt diese Einwanderung sich auf der mäfsigen Höhe von durchschnittlich 4 — 8000, bei einem Abgang von Vs bis V2 der Zuwandernden. Der Rest blieb hauptsächlich in Kali- fornien, geringe Zahlen zerstreuten sich über die Nachbarstaaten, wenige kamen bis nach den Ost- und Südstaaten. Nach den amt- lichen Listen waren bis 1. Oktober 1876 223136 eingewandert und 93 273 zurückgekehrt, woraus 1876 unter Annahme einer Sterb- Hchkeit von 20 \ gefolgert wurde, dafs 114000 Chinesen in den V. St. sich befänden. Die Zählung von 1880 wies 105000 nach. Schon 1877 war die Einwanderung wegen der feindsehgen Haltung der weifsen Arbeiter in Kalifornien, Colorado u. a. beträchtlich zurückgegangen. Eine kleine Zunahme zeigt die Zählung von 1890, die 107475 Chinesen nachmes. Sie sind aber in Kalifornien zurückgegangen von 75132 (1880) auf 71681 (1890). Schon in den fünfziger Jahren hat der Abflufs der Chinesen nach Osten begonnen. Kalifornien, Oregon, Washington und Nevada bildeten nicht bloCs den Kern ihrer Verbreitung, sondern auch die erste Etappe für 296 Wirtschaftliche Funktionen. den Fortschritt nach Osten, wo sie in jeder gröfseren Stadt gefunden werden. Das kleine und ferne Massachusetts zählte schon 1875 278 Chinesen und 10 Japaner. In allen Bergwerksstaaten und Territorien sind sie häufig und ihre Zahl steigt und sinkt mit der Blüte des Bergbaues. Die Chinesen haben dort, wo sie in den V. St. massenhaft auftraten, von Anfang an eine sehr bedeutende Rolle gespielt. Es wurden ihnen die Funktionen des wirtschaftlichen Orga- nismus übertragen, die die gröfste Geduld und Genügsamkeit voraussetzen, aber auch am wenigsten raschen Erfolg verheifsen. In einer instinktiven Selbsterkenntnis, die auf die heimische Gewöhnung zurückführt, ziehen sie selber allen anderen Beschäftigungen die vor, welche vorzüglich Fleifs und Ausdauer erfordern. Als Dienstboten, Erdarbeiter, Köche, Wäscher, Bügler, Cigarrenmacher, Schuhflicker u. dgl. ersetzen sie den amerikanischen Arbeiter nicht nur, sondern übertreffen ihn. Die Chinesen haben besonders den Kalif orniern gerade die Funktionen abgenommen, für die sich in einem so dünn bevölkerten, . weiten und reichen Lande und einer so jungen Gesellschaft die geringste Neigung zu zeigen pflegt. Die Kaufleute, die mit der Chineseneinfuhr zu thun haben und Buch führen über Ankunft, Abgang und SterbHchkeit der gelben Leute, gaben an, daCs von 48000 30000' in den Bergwerken und Goldwäschereien, 2000 mit Handel, 1200 mit Landbau und etwa 200 mit Cigarrenfabrikation in San Francisco beschäftigt seien, über die Zahl der in Wäschereien, Büglereien und anderen Gewerben, sowie als Dienstboten Beschäftigten konnten sie keine Angaben machen. Die Zahl der prostituierten Chinesinnen in San Fran- cisco wurde von anderen Zeugen auf 1200 — 2000 angegeben. Die Unternehmer von Eisenbahn-, Weg-, Dammbauten, die Ent- wässerer der grofsen Tule- (Marsch) Striche, die grofsen Industriellen, die Reeder, alle, die Dienstboten brauchen, sehen im Chinesen eine willkommene Bereicherung des Arbeitsmarktes. Dagegen hafst die arbeitende Klasse in ihm den gefährlichsten Wettbewerber, der alles unterbietet, weil seine Gewohnheiten und Bedürfnisse einfacher und vor allem wohlfeiler als die jedes Angehörigen der kaukasischen Rasse sind. Selbst in den Zinnoberbergwerken Ab- und Ausschliefsung der Chinesen. 297 und Quecksilberröstereien Kaliforniens beträgt der Lohn der Chi- nesen weniger als die Hälfte desjenigen der anderen Arbeiter. Aufserdem hat er aber auch in den Augen derer, die nicht arbeiten, den Fehler, einer Rasse anzugehören, deren Mischung die unsere, wie man voraussetzt, nicht verbessern kann, und in einem untergeordneten Kulturkreis aufgewachsen zu sein. Er hat den bedenklicheren Fehler, sich abzuschliefsen von allen im europäischen Sinne zivilisierenden Einflüssen und nur mit den Seinen in streng gegliederte, despotisch geleitete, konspirierende Massen zusammenzukluppen, die der öffentlichen Ordnung gefährlich werden können, und die Gefahr der Bildung einer besonderen sozialen und politischen Schicht in sich bergen. Er ist höchst unreinlich und dadurch bei seinem gedrängten Wohnen gesundheits- gefährlich, fast durchaus familienlos und oft sittlich verkommen. Die Stellung der Chinesenfrage hat also in einem Lande wie Kali- fornien, wo der gelbe Mann Vi 2 der Gesamtbevölkerung bildet, ihre Berechtigung; nur ist bedauerlich, dal's man sie benützt hat, um die Gemüter des Pöbels, dessen Exzesse mit ihrem Liflufskommen unvermeidlich waren, zu erhitzen. Die vernünftigen Leute waren für eine mäfsige Einschränkung der Einwanderung und für einen Zwang, der in der Richtung auf bessere Wohnweise, durchgreifendere Stellung unter die amerikanischen Behörden, Brechung der festgeschlossenen Geheimbünde zu üben ist; die Masse und ihre Politiker haben aber in dem Gesetz von 1888 Einschränkungen der Einwanderung von chinesischen Arbeitern erzielt, die einem Einwanderungs verbot nahekommen. Die Stellung der Politiker und später auch der Regierung der V. St. zur Chinesenfrage ist voll Lehren. 1862 gestanden diese den Unterthanen Chinas das Recht der Meistbegünstigten auf Einwanderung, Niederlassung und Handel in den V. St. zu und erkannten, zugleich mit China, »the inherent and unalienable Right of Man« an, seinen Wohn- sitz zu ändern und ebenso den wechselseitigen Vorteü der freien Wanderung und Auswanderung ihrer Staatsangehörigen. Richard M. Smith hat diesen Vertrag als die Scheidelinie zwischen zwei ver- schiedenen Grundsätzen in der Behandlung der chinesischen Ein- wanderung bezeichnet ; er bedeutet aber mehr, nämlich die Scheidelinie zwischen zwei verschiedenen Grundsätzen in der Behandlung der Ein- wanderung überhaupt (vgl. Kap. VH und S. 361 f.). In der Entwickelung 298 1^6 politische Seite der Chinesenfrage. der Chinesenfrage haben die an der Oberfläche hegenden Beschwerden über die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, die gesundheitsgefährhche Lebens- und Wohnweise, die Ausfuhr der Ersparnisse u. dgl. nur die Handhaben geboten, um eine Bewegung hervorzurufen, die sich gegen die chinesische Einwanderung aus tieferhegenden sozialen und pohtischen Gründen richtete. Die Büdung eines Volkes im Volke, einer Gemein- schaft mit ganz eigenartigen Gewohnheiten und Anschauungen, den po- htischen Einrichtungen der V. St. nach Anlage und Natur fremd, ohne jeden Wunsch nach Anpassung, schien eine schwere Gefahr für die Entwickelung der V. St. zu sein. Kaum ein Chinese hat in den über 45 Jahren der ununterbrochenen Einwanderung sich an die Kultur Nordamerikas angeschlossen, die christliche Mission hat unter den chinesischen Einwanderern fast nur Mifserfolge gehabt, ein Wunsch nach pohtischer Wirksamkeit, wie er bei den Negern so lebhaft ist, hat sich in keiner chinesischen Gemeinschaft gezeigt. Dem Gefühle der Inferiorität, das der Neger und Mulatte nicht loswerden kann, steht beim Chinesen die Überzeugung von seiner Überlegenheit gegen- über. Da gar keine Frage sein kann, dafs die Chinesen, wenn in grofsen Massen einwandernd, dem Lande ihre Kultur aufdrängen würden, und da es sicher ist, dafs ihre Selbstabschhefsung sie zur Inferiorität verurteilt, so lange sie in der Minderheit sind, so reduziert sich die Chinesenfrage in den V. St. auf eine Zahlen- oder Massen- frage. Kein Staatsmann kann ihre Masseneinwanderung wünschen. Bei der Beurteilung der Haltung der V. St. gegenüber der chinesischen Einwanderung ist nur die Frage wesenthch, ob die Gefahr einer Massen- einwanderung vorhanden war. Und diese Frage ist zu verneinen. Die aus Sitthchkeitsgründen so viel* getadelte Famihenlosigkeit der meisten chinesischen Einwanderer gewährleistet eine ungemein schwache Ver- mehrung. Und endHch hat die chinesische Regierung die Auswanderung nie ermutigt ; ein Teil der chinesischen Einwanderer bestand stets aus heimlich Ausgewanderten. Es unterliegt keinem Zweifel, dafs ange- sichts dieser Thatsachen die Bewegung gegen die chinesische Ein- wanderung in den V. St. keine hinreichenden inneren Gründe aufzu- weisen hatte, dafs sie vielmehr unter dem Einflüsse der Erwägung stand, um die bürgerhche Gleichheit zu retten, müsse die menschhche Gleichheit samt allen »Menschenrechten« als Phantom erkannt werden. Der Staatsegoismus siegte über das einst hochgehaltene Menschenrecht. Der Einwanderer wird nicht mehr als Mensch, sondern nur nach seinem Werte geschätzt. Zw^eiter Abschnitt. Die Bevölkerung. Ihre Verbreitung und ihr Wachstum. XII. Die Volkszahl und ihre geographische Verteilung. Das Heranwachsen der heutigen Volkszahl 301. Die Dichtigkeit 303. Das besiedelte Land 305. Ost- und Westgebiete der Volksdichte 306. Leere Stellen 309. Ein eigener Typus der Volks Verteilung in den Vereinigten Staaten 311. Der Bevölkerungsmittelpunkt 313. Das Heranwachsen der Volkszahl von heute. Die weifse Be- völkerung Nordamerikas glich vor 270 Jahren einem durch Wind und Wellen von Osten her an die westliche atlantische Küste verwehten und verschwemmten Anflug junger Sämlinge. Von den verschiedensten Antrieben hatten sich kleine Gemeinschaften von Spaniern, Franzosen, Engländern und Niederländern nach den Küstenländern Nordamerikas tragen lassen. Was heute Florida, Canada, Virginien, Neuengland, New York genannt wird, sah damals die Anfänge europäischer Kolonisation. Einige hatten sich schon festgewurzelt und sind ohne Unterbrechung weitergewachsen, andere sanken dahin und überhefsen ihre Plätze Späterkommenden. Aus den Anflügen wurden Wälder, die immer mehr Boden bedeckten. Bald wuchsen Geschlechter auf, denen dieser Boden Mutterboden war, und da die Zahl der aus Europa Nachwandernden immer noch zunahm, waren nach zwei Menschenaltern aus den Tausenden Hunderttausende geworden und nach anderthalb Jahrhunderten fing man schon an, nach Millionen zu zählen. Seit 1620 hatten 302 Die Entwickelung der Volkszahl. die Weif seil begonnen, Neger als Arbeiter einzuführen, und auch deren Zahl wuchs rascher als die der einheimischen farbigen Rasse. So wirkten Einwanderung, Einfuhr und eigene Vermehrung auf die Zunahme einer Bevölkerung, die 1890 nahezu 63 Millionen stark war, so dafs die V. St. an Bevölkerungszahl nur noch hinter China und Rufsland zurückstehen. Ein solches Wachstum bei solcher Jugend ist unerhört, und darin sind die V. St. unvergleichbar. In dieser Vermehrung von wenigen Tausenden auf eine solche Zahl von Millionen liegt eine Thatsache der Bevölkerungsstatistik und der Geographie. Sie konnte sich nur vollziehen, weil der weite und breite Boden da war. Dem Wachstum der Zahl mufste die Ausbreitung im Raum zur Seite. gehen. Neben die Zahl der wachsenden Bevölkerung müssen wir also die Gröfse ihres Bodens stellen. Ein tausend Quadratmeilen nach dem andern ging von den Indianern oder aus der Besitz- und Nutzlosigkeit an die Europäer über und jeder Landgewinn rief eine neue Aufserung der ex- pansiven Kraft hervor. Man konnte glauben, dafs sie mit der Er- werbung der Gestadeländer des Stillen Oceans von der Vancouver- Insel bis zum Californischen Golf an den äufsersten Grenzen an- gelangt sei, aber der Ankauf der 23000 Q.-M. von Alaska, der 19 Jahre nach der Erwerbung Californiens geschah, zeigte bereits einen neuen Weg der Ausbreitung am Stillen Ocean. Die weifse Bevölkerung ist hier nur klein, aber auch diese 23000 Q.-M. werden einst dazu beitragen, ihre Vermehrung zu beschleunigen. 1620 lebten in Virginien 2000 und im übrigen Nordamerika viel- leicht 600 Europäer. Neuengland empfing von der Gründung von New Plymouth bis zur Vereinigung der 4 Kolonien, 1620 bis 1643, 21 000 Einwanderer. 1690 mögen gegen 300000 Ansiedler im heutigen Nordamerika gewohnt haben und 1715 wird die Bevölkerung aller britischen Kolonien in Nordamerika zu 430000 angegeben, 1754 zu nahezu V/z MiU. und in dem Jahre des Friedens von Paris (1763) zu l^A MiU. Pennsylvanien und Massachusetts standen mit 280000 und 240000 an der Spitze und Neuenglands hervorragende Bedeutung in der Zeit des Unabhängigkeitskrieges wird angesichts der geschlossenen Zahl von 500000 seiner Bevölkerung verständlich. Damals wie jetzt war es das dichtest bevölkerte Gebiet der Union. Von den Haupt- städten zählte Boston 15000, Philadelphia 13000, New York 12000, Charleston zwischen 5000 und 6000. In den ersten Jahren des Die Dichtigkeit. 303 Unabhängigkeitskrieges pflegte man die Volkszahl der gesamten 13 Ko- lonien zu rund 3 Mill. anzunehmen. 1789 wurde eine allgemeine Zählung beschlossen, die zum ersten Mal im Jahr 1790 und seitdem alle 10 Jahre ausgeführt ward. Sie ergab: 1790 3929214 1830 12866020 1870 38555981 1800 5308483 1840 17069453 1880 50155 783 1810 7 239 881 1850 23191876 1890 62622250 1820 9633822 1860 31443321 Die Bevölkerung hat sich innerhalb dieser 100 Jahre versechs- zehnfacht. Die Dichtigkeit. Die absoluten Bevölkerungszahlen eines so grolsen und rasch wachsenden Landes mögen Staunen erregen, die tiefere Belehrung haben wir auf der Seite der relativen Bevölkerungszahlen oder der Dichtigkeit zu suchen, aber nicht in der Durchschnittszahl 7 auf 1 kqm für das ganze weite, ungleichartige Gebiet, die für 1890 berechnet wird. In viel höherem Grade ist die Volksdichte in einem so weiten und jungen Lande verschieden und schafft verschiedenartigere Grundlagen aller kulturhchen Entwickelungen. Die dünnst- und dichtestbevölkerten Staaten oder Territorien der V. St.^) Hegen mehr als 50 mal so weit auseinander, als die dünnst- und dichtestbevölkerten Staaten oder Provinzen Deutschlands. In den amthchen Censusberichten wkd angenommen, dals 2 bis 6 Menschen auf der engl. Quadratmeüe die geringste Bevölkerung eines nicht erst in den ersten Anfängen der Besiedelung stehenden Gebietes seien, in dem die weite Räume erfordernde grofse Viehzucht mit fast völliger Ausschliefsung des Ackerbaues die wirtschafthche Thätigkeit der Bevölkerung ausmacht. Eine so dünne Bevölkerung fand man vor 25 Jahren im fernen Westen, von Minnesota an durch Iowa, Kansas, Arkansas und Texas ; es gehörten dahin die eben besiedelten Teüe von Colorado, Neu-Mexiko, Utah, Oregon, Nord- und Süd-Kahfornien und von den älteren Staaten einzelne Ackerbaugebiete mit schlechtem Boden in dem gebirgigen Teüe West- Virginias, Georgias und Missouris, ferner Tieflandstrecken in Florida, Alabama, Mississippi und Louisiana. Es ist die natürhche Lage an der Grenze der Kultur. Und so ist sie im ganzen auch heute noch. Diese Bevölkerungsstufe ist in denselben Staaten und Territorien vertreten, aber im Süden und Norden ist sie eingeengt worden und im Westen hat sie eine grofse Zahl von kleinen Veränderungen durch zahlreiche Siedelstrecken erfahren, die an Flüssen 1) Am 1. Dezember 1890 zählten die Regierungsbezirke Lüneburg 37, Düsseldorf 361, am 1. Juni desselben Jahres Nevada, Wyoming, Arizona 0,2, Rhode Island 106, Massachusetts 104 Einwohner auf 1 qkni. 304 I>ie Stufen der Volksdichte. und Gebirgshängen sich am Rande der Wüste entwickelt haben. Als Durchschnittszahl der Volksdichte der Ackerbaudistrikte, die im Beginn der dichteren Besiedelung stehen, gelten 6 bis 18 p. engl. Q.-M. (ca. 2 bis 7 auf 1 qkm). Distrikte von dieser Dichtigkeit sind vorzüghch am fortschreitenden Westrand des Ackerbaugebietes in der Prärie- region von Dakota bis Texas, dann im Golfgebiete und in den Ge- birgsregionen der atlantischen und Golfstaaten zu finden. Die west- hchen Striche der letzteren und grolse Bezirke in ihrem Küsten- tiefland, kleine Strecken minder fruchtbaren Landes zwischen den Alleghanies, dem Mississippi und Arkansas fast in seiner ganzen Er- streckung , Louisiana , soweit es nicht in den üppigen Mississippi- Bottoms gelegen, die bevölkerten Teile von Florida, die Grenzstriche zwischen Prärie und Steppe in den westHchen Teüen von Wisconsin, Minnesota, Iowa, Missouri, endlich die durch ihre Bergwerksindustrie hervorragenden Gebirgsgegenden von Mittel-Kahfornien und Colorado gehören in diese Gruppe. Die dritte Stufe, 18 bis 45 p. engl. Q.-M. (ca. 7 bis 17 auf 1 qkm) gehört den Gebieten erfolgreichen Ackerbaues an; wohl mag diese Bevölkerungsstufe stellenweis auch erreicht werden durch die Ent- wickelung von Bergbau oder kleinen Industrien auf minder fruchtbarem Boden, aber es ist im allgemeinen die Region der in der Besiedelung fortgeschritteneren Ackerbaugegenden, daher heute am verbreitetsten in den älteren Süd- und Weststaaten. Virginia, Nord- und Süd-Carohna, Mississippi, Kentucky, Tennessee, Illinois, Missouri, Iowa gehören grofsenteüs, aulserdem die fruchtbarsten Teile von Louisiana, Georgia, Alabama, Wisconsin, Minnesota hierher. Von halb industriellen und halb ackerbauenden Regionen stehen Vermont, Teile von Maine und kleinere Distrikte in allen Neuengland-Staaten auf dieser Stufe und derselben gehören auch die raschest gewachsenen bevölkertsten Striche von Texas und Kahfornien an. Die vierte Stufe, 45 bis 90 p. engl. Q.-M. (ca. 17 bis 35 auf 1 qkm) deutet mit Bestimmtheit auf das Vorhandensein von Handels- und Industriethätigkeit, die einer Bevölkerung von dieser Dichtigkeit die Möghchkeit des Auskommens bietet; aber diese Erwerbszweige über- wiegen noch nicht den Ackerbau. Es ist die Stufe eines mittleren Zustandes, die wir daher am stärksten vertreten finden in den Staaten, die in oder nahe bei den Kohlen- und Eisengebieten hegen , dabei günstige Bedingungen einem eindringenden Ackerbau bieten. In New York, New Jersey, Pennsylvania, Ohio und Indiana überwiegt diese Stufe aUe anderen und ist aulserdem in gröfseren oasenai'tigen Bezirken, in einigen sehr fruchtbaren Ackerbau- und Industriebezirken des Mississippi- und Seen-Gebietes, in der Umgebung gröf serer Städte und auf beiden Abhängen der Alleghanies vertreten. Das besiedelte Land. 305 Die fünfte Stufe, mehr als 90 auf d. engl. Q.-M. (über 35 auf 1 qkm), ist die wenigst verbreitete, die aufser in städtischen Zusammen- drängungen und ihren Umgebungen nur in den industriellsten Be- zirken der südlichen Neuenglandstaaten Massachusetts, Connecticut, Rhode Island und Pennsylvanien und auch hier nur in der Aus- dehnung von ungefähr 70000 qkm vorkommt. Grofse Fabrik- und Handelsplätze und zahlreiche gewerbthätige Dörfer sind das Merkmal dieser Stufe, die in einigen Gegenden den dichtbevölkerten Gegenden Europas nahekommt. Das besiedelte Land. Der Census nennt besiedelte Gebiete (Settled Area) diejenigen, auf denen die Bevölkerungszahl 2 p. engl. Q.-M. er- reicht und überschreitet, und findet bei Anlegung dieses Mafsstabes, dafs sie von 1790 in folgender Weise zugenommen haben: Jahr Besiedeltes Gebiet Jahr Besiedeltes Gebiet 1790 619431 qkm 1850 2536 255 qkm 1800 791783 . 1860 3094432 » 1810 1056577 . 1870 3295129 . 1820 1317 577 > 1880 4080882 > 1830 1638 737 » 1890 5062941 > 1840 2090886 > Folgende Tabelle zeigt das Verhältnis, in welchem (in Tausendsteln) diese fünf Stufen von Bevölkerungsdichtigkeit in der jeweiliger^ Summe der besiedelten Flächen vertreten waren. Census- Vermehrung des besiedelten Gebietes in Procenten OD Stuf e jahr I n III IV "" 1790 348 348 247 54 3 1800 27,4 II 265 403 270 58 4 1810 33,4 286 379 265 67 3 1820 24,7 277 348 296 76 3 1830 24,4 239 357 295 103 6 1840 27,6 rn r"^ 228 361 299 105 7 1850 21,3 239 301 346 103 11 1860 22,0 O tS5 B 218 296 361 113 12 1870 6,5 193 286 369 137 15 1880 23,4 cg 245 238 353 148 16 1890 24,1 304 202 361 121 12 Man sieht, wie die dünnbewohnten Flächen mit jedem Jahr- zehnt hmaufrücken, wie sie aber dabei durch die Besiedelung neuer Flächen doch nicht regehnälsig abnehmen, sondern zeitweihg noch anwachsen, wie denn die erste Stufe seit 50 Jahren, abgesehen von dem kleinen Rückschlag des Jahrzehntes des Bürgerkrieges, immer Ratzel, Die V. St. von Amerika 20 306 Ost- und Westgebiete. nur an Ausdehnung gewonnen hat. Die dichter bevölkerten Gebiete können natürhch nicht in denselben Verhältnissen wachsen und die dünn bevölkerten ärmeren Gebiete geben sogar Bewohner ab — ver- gleiche die Abnahme der 2. und 3. Stufe seit 1870 — und so spricht sich in diesen Zahlen das Gegeneinander- und Zusammenwirken der Ausbreitung und Verdichtung der Bevölkerung aus. Die Ausdehnung des Verkehrsnetzes nach Westen und die gewaltige Westwanderung in den letzten 25 Jahren hat der Ausbreitung ein Übergewicht ver- heben, wie es früher nie vorhanden war. Die dritte Stufe, der Über- gang von den Anfängen des Ackerbaus zur Industrie und Bildung grolser Städte, deutet das Herannahen einer Zeit stärkerer Verdichtung an, in die wir seit dem Ende der achtziger Jahre in vielen Teilen des Prärie- und Gebirgsgebietes schon eingetreten sind. Das Land war in den V. St. im Überfluls vorhanden, so dals die gewaltige Bevölkerungs- zunahme lange Zeit die durchschnitthche Dichtigkeit,, wenn man die Besiedelungsflächen zu Grunde legt, nicht vermehrte. Von 1820 bis 1830 wuchs die Bevölkerung um 32,5 7o, die Besiedelungsfläche um 23,4 ^/o, so dafs sie noch nicht um 0,6 Vo Menschen auf 1 qkm zunahm. Im folgenden Jahrzehnt 1830 bis 1840 wuchs die Bevölkerung wieder um 32,5 7o, aber das besiedelte Land um 27,6%, so dafs die Zunahme nur 0,3 °/o Menschen auf 1 qkm betrug. Das waren so geringe Ver- dichtungen, dafs sie gar nicht fühlbar wurden. Und wenn man die rasch wachsenden Grofsstädte ausnimmt, so übertraf im Gegenteil das Wachstum des Areals das der Bevölkerung, die trotz Geburtenüber- schuls und Einwanderung auf dem flachen Lande dünner wurde. Ost- und Westgebiete. Geographisch hegen die Hauptgebiete der beiden Entwickelungen entsprechend der vorwiegend westhchen Wachs- tumsrichtung des Volkes und der ebenso vorwiegend östhchen Her- kunft der Einwanderer seit 100 Jähren immer so, dafs die Verdichtung im Osten, die Ausbreitung im Westen ihren Sitz hat und beide sind in dieser Lage gewachsen und gewandert. Mit 1830 war in den alten Staaten am atlantischen Rand die Besiedelung im ganzen und grofsen abgeschlossen, und es handelte sich nur noch um Verdichtung, die seitdem den höchsten bisher in den V. St. dagewesenen Grad erreicht hat. In derselben Zeit begannen die Eisenbahnen mit der Beschleuni- gung der Zunahme der Besiedelung im alten Westen und im neuen Süden, deren Boden seit 1870 nur noch an zwei entgegengesetzten Stellen, in Michigan und Florida sich vergröfsert hat. Und 1840 setzt das Wachstum jenseits des Mississippi und Missouri ein, in dem wir uns heute noch befinden, das aber mit dem Ende des Jahrhunderts ebenfalls seinem Abschlufs sich stärker zuneigen wird. Die gröfste Thatsache bleibt dabei und wird noch lange bleiben die dichte Be- völkerung im Nordosten. Sie ist geschichthch begründet in den Wachstum und Verschiebung der Gebiete der Volksdichte. 307 Anfängen der Kolonisation im 17. Jahrhundert, geographisch in der Europa am entschiedensten zugewandten Lage und in der natürlichen Ausstattung. Es ist der nach Geschichte, Lage und Zuständen euro- päischste Teil Amerikas, und es wäre kein leeres Wortspiel, wenn man den Namen Neuengland in Neueuropa verwandelte. Die Tendenz zu einer Verdichtung der Bevölkerung in den nordösthchen Teilen der Union ist alt, während nach Westen hin, entsprechend der Weite des hier zu bevölkernden Raumes, auch schon lange eine Tendenz zur Zerstreuung herrscht. Die dichteste Bevölkerung sitzt schon um 1790 in Teilen von Massachusetts, Connecticut, New York und Pennsylvania, von wo sie sich stetig, nach Süden nur die Grenzen von New Jersey, Rhode Island und eben noch Delaware überschreitend, binnenwärts ausgebreitet hat, ohne an der Küste selbst einen zusammenhängenden Streifen zu bilden. Am Albemarle-Sund liegt die Grenze zwischen dem dichter bevölkerten Norden und dem locker besiedelten Süden jetzt wie damals. Ethnogenetisch ist dieses Verdichtungsgebiet als Aus- gangsstelle der mächtigen Westverbreitung merkwürdig, die ähnliche Verdichtungen um die grofsen Verkehrspunkte der Seeregion : Buffalo, Detroit und Chicago, sowie südhcher im Kohlenbecken von Pittsburg hervorrief und dem ganzen Westen trotz des Zuflusses fremder Ele- mente, einen nordstaathchen Charakter aufprägte, dem teilweise sogar entschieden neuengländische Züge eigen sind. In dem Jahrzehnt vor dem Ausbruch des Bürgerkrieges war es klar geworden, dafs der Fortschritt des Westens in der Bahn geschehen werde, welche die nördhchen Staaten bezeichneten. Auf der Bevöl- kerungskarte spricht sich dies in der erstmaligen Erscheinung eines zusammenhängenden Bandes dichterer Bevölkerung vom Atlantischen Ocean bis zum Wabasch aus. Der Süden war also von den immer weiter wachsenden Kolonnen der nordstaathchen Westwanderer flankiert, die in kurzem am Mississippi mit einer Dichtigkeit stehen mufsten, der der ganze Süden noch nichts zur Seite zu stellen hatte. 1860 safsen in den Sklavenstaaten erst 6 Menschen auf dem Quadratkilo- meter und im Südosten waren 16%, im Südwesten nur erst 10 "/o des Bodens urbar gemacht. Die Veränderung war in den 80 Jahren seit der Unabhängigkeits-Erklärung viel geringer gewesen als im Norden. Im letzten Menschenalter hat sich nun die Dichtigkeit von 17 bis 35 auf dem Quadratkilometer, die in nennenswerter Ausdehnung vorher nur am nordostatlantischem Gestade zu finden war, bis zum Westrande des Michigansees, zum Mississippi und über den Ohio hinaus zwischen 45" und 38<^ n. B. verbreitet und an sie anschhefsend hat die nächst tiefere Stufe (7 bis 17) eine ebenfalls zusammenhängende Fläche zwischen den Seen und dem Missouri und noch darüber hinaus bis etwa 98" gewonnen, wo nur ein Band von 2,3 bis 7 auf 1 qkm sie von 20* 308 Wachstum und Verschiebung der Gebiete der Volksdichte. der Steppe trennt. Westlich von hier ist die grofse Thatsache der Ent- wickelung dieser Jahre der Zusammenhang, den die teilweise ungemein rasch besiedelten Gebiete am Ostfulse des Felsengebirges mit den grolsen Gebieten dichterer Bevölkerung im Osten gewonnen haben. Von Osten sind deren Vorposten von Dakota bis Texas, vorzüghch aber in Kansas und Nebraska vorgerückt, und von Westen sind am Laufe des Platte- oder Nebraska- und des Kansasflusses die Siedelungen ihnen entgegengekommen. In dem Landstreifen, der die Kansas- Pacifik- und die Union-Pacifikbahn umschüelst, zieht heute von Wyoming und Kolorado ein Streifen Landes mit 0,7 bis 2,3 E. auf 1 qkm nach Osten hinaus. Eine weitere Verbindung deutet sich im Norden in dem Bogen zwischen Yellowstone und Missouri an ; die raschen Fortschritte Montanas und Nord-Dakotas verheilsen ihre baldige Vollendung. Aber noch immer bleibt das Land w. von 100* w. L. ein Gebiet ganz anderer Bevölkerungsart, als das Land ö. von dieser Linie. Aufserhalb der wenigen grofsen Städte fehlen noch alle Dichtigkeiten über 17 auf dem Quadratkilometer. Die an Zahl und Ausdehnung noch geringen Gebiete mit 7 bis 17 finden sich an weit auseinanderhegenden Stellen, wo Bergbau oder Ackerbau mit künst- licher Bewässerung möghch ist. Der Anschluls an die natürhchen Bedingungen ist dabei so eng, dafs die Flüsse wie Leithnien der Be- völkerungsverbreitung uns entgegentreten, und dals die Gebiete dichterer Bewohnung alle oasenartig klein und vereinzelt hegen. In Kansas und Nebraska wuchs ebenso die Bevölkerung in bandförmigen Streifen am Missouri, am Nord- und Süd-Platte, am Arkansasfluls westwärts wie von Colorado und Wyoming aus am Oberlauf derselben Flüsse ostwärts. Dazwischen hegen noch heute gröfsere unbesetzte Stellen. Geradeso wuchs vor hundert Jahren vom Atlantischen Rande her die Bevölkerung an den Flüssen entlang, deren Ufer zuerst sich bevölkerten und seitdem immer dicht besiedelt bheben : Thal des Mohawk, Thal des oberen Potomac, durch die Appalachische Senke aus Virginien nach Kentucky. Die grölsten Gebiete dieser Art haben sich an der pacifischen Küste entwickelt. Sie hegen dort im mittleren und südHchen Kauf ornien, am unteren Kolumbia und am Puget Sund und lassen auf ein rasches Wachstum schhefsen, das schon im laufenden Jahrzehnt einen Streifen mitteldichter Bevölkerung am Stülen Ocean vollenden dürfte. Die Salzseesenke von Utah mit den Hängen des Wahsatchgebirges bildet einen zweiten Streifen dichterer Besiedelung, der einst mit den jungen Centren des metallreichen Montana im Norden zusammenfliefsen wird*). 1) Nur hier in Utah, wo der Bergbau von der Mormonenkirche von Anfang an, da er zuviel gottloses Volk ins Land zu ziehen drohte, verpönt wurde, hat sich eine starke Bevölkerung auf der Grundlage des Ackerbaues entwickelt, und nur hier konnte sie es. Leere Stellen. 309 Und endlich zieht ein dritter langer Streifen im Thal des Rio Grande von El Paso aufwärts und am wasserreichen Ostrande der Felsen- gebirge von Colorado und Wyoming entlang, der einst mit der örthchen Verdichtung in den Black Mts. von Dakota sich vereinigen wird. Dals nur dieser heute in breiter Verbindung mit den Gebieten grölserer Dichtigkeit im Osten steht, während jede Querverbindung zwischen den westUcheren Bevölkerungsgebieten noch fehlt, ist eine der merkwürdigen Folgen der vorwiegend in nordsüdhchen Linien gerichteten Oberflächen- gliederung des ganzen Landes. Leere Stellen. Heute noch sind in den Grenzen der V. St. Gebiete so gut wie unbesiedelt, die ebenso gut wie der Schwarz- wald oder der Bayerische Wald einmal ihre Bevölkerung erhalten werden. Wir denken zuerst an die noch dichtbewaldeten nord- westlichen zwei Fünftel von Maine, deren Bewohner, Holzfäller, Jäger und ein Paar Naturfreunde, nur im Sommer hier weilen, dann an das Waldgebirg der Adirondacks mit seinen hochgelegenen Thälern, und an die nördlichen Teile von Michigan, Wisconsin und Minnesota. Die drei Gebiete liegen um den 45. Parallel, also in rauhem Klima, sind alle hochgelegen ; die nördlichen Teile von Maine und Wisconsin ragen über 500 m; die Gipfel der Adirondacks erreichen Riesengebirgshöhen, das nördliche Minne- sota liegt zwischen 300 und 500 m. Alle drei sind wald- und wasserreich, aber ihre zahlreichen Flu f sehen und zahllosen Seen sind wegen starken Falles, vieler Stromschnellen und hoher Lage dem Verkehr nicht günstig. Am meisten schreckt von der Be- siedelung die Notwendigkeit der Lichtung gewaltiger Wälder und die Gefahr ab, im langen Winter durch tiefen Schnee von aller Welt abgeschnitten zu sein. Die Holzfäller (Lumbermen) sind die natürlichen Pioniere in diesen Gebieten, in die sie besonders in Wisconsin und Minnesota so manchen Pfad gebahnt haben. Dals der Bau hölzerner Schiffe in den Fjordhäfen von Maine so sehr nachgelassen hat, ist auch eine Ursache des langsamen Fort- schreitens der Besiedelung in diesem Staate seit 1860. Nur noch eine Gruppe des Ostens vergleicht sich an Menschen- leere oder schwacher Besiedelung mit diesen hochgelegenen Wald- ländern, es ist die Südhälfte Floridas von 29^ an, der Okifenoki- Sumpf von 3000 qkm im südlichen Georgia und sumpfige oder 310 Leere Stellen. sandige Küstenstriche im südlichen Alabama und Texas. Die grofse Leere der Halbinsel Florida führt auf die Armut des Korallen- kalkbodens, die vielen Sümpfe und die Hafenarmut der Küste zu- rück. Viele Quadratmeilen unbewohnten Landes liegen auch weiter im Norden in den sumpfigen Küstenstrichen von Carolina. Selbst das ältestbesiedelte Tidewater- Virginia hat auf einem Boden, der so grofs wie der Belgiens, eine Bevölkerung, die nur ein Zehntel der belgischen ist. An der Golfküste werden ö. vom Mississippi die fruchtbaren Striche von endlosen Föhrenwäldern mit unkultivier- barem Sandboden, weiter w. von Lagunen und Küstensümpfen unterbrochen. Es ist nicht zu übersehen, dafs die nördliche wie die südHche Gruppe unbesiedelter Gebiete n. und s. von der grofsen Bahn der Westwanderung liegt, die im Norden von Neuengland nach den Seen, im Süden von Georgia und den Carolinas nach dem Mississippi und darüber hinaus wiei. In ganz anderer Ausdehnung treten die leeren Stellen im Westen auf. Hier herrschen sie vor und sind bezeichnend. Heute gehört in diese Klasse alles unbewässerbare Land ohne Mineral- schätze zwischen 99^ und der Sierra Nevada bezw. dem Cascaden- gebirge. Im Vergleich mit diesem gewaltigen, äufserst dünn be- völkerten Gebiet, sind jene leeren Flecken des Ostens nur noch seltene Ausnahmen, zu denen die bereits dicht gedrängten Millionen des Ostens wie zu Kuriositäten aus den Niederungen des täg- lichen Lebens aufblicken, und die als Stätten der stillen Ver- senkung in die Natur bereits eine ähnliche Stellung zu den Menschen der Städte und dichtbevölkerten Industriegebiete ein- nehmen, wie unsere Wald- und Hochgebirge^). Noch vor 40 Jahren wurden Entdeckungsreisen in diese Berg-, Wald- und Seewildnisse unternommen und beschrieben. Der höchste Gipfel von Maine, Mt. Kathadin, ist von weifsen Männern erst 1804, von den ersten 1) Henry David Thoreau, der grofse Kenner und Schilderer der neuengländischen Wälder, Seen und Küsten, kannte noch in den Fünfziger Jahren das Land um den Mt. Kathadin als »einen unermefslichen Urwald, der nur daliegt, damit ihn die Sonne bescheint, kein Haus, keine Lichtung. Er sah nicht aus, als ob ein einsamer Wanderer ihn durchschritten und auch nur einen Stab in seinem Dickicht geschnitten hätte«. The Maine Woods (Boston 1872) p. 66. Typus der Verteilung der Bevölkerung. 311 wissenschaftlichen Erforschern (Bailey und Jackson) 1836 und 37 bestiegen worden. Typus der Verteilung der Bevölkerung. Die V. St. haben in der Volksverteilung ihren eigenen Typus, der nicht blofs von der Gleichmäfsigkeit alter Länder entfernt ist, sondern auch von jungen, unter ähnlichen Bedingungen wachsenden Kolonialländern sich unterscheidet. Im nahen Kanada herrscht unter dem Einflufs des Ackerbaues und der Waldwirtschaft eine gleichmäfsigere Ver- teilung der Bevölkerung, während umgekehrt in den australischen Kolonien, wo Bergbau, Viehzucht und Handel vorwiegen, die Verdichtung in Städten in übertriebenem Mafse sich vollzogen hat und vollzieht. Von der Bevölkerung der Dominion wohnen 5% in Städten mit über 100000 Einwohnern, von der Australiens 27 %i), von der der V. St. (1890) 15 \. Die V. St. stehen also in der Mitte zwischen dem rasch, aber einseitig wachsenden Australien und der langsam, aber gleichmäfsig über weite Flächen hin sich ausbreitenden Dominion. Ihres ist der Typus der raschen Aus- breitung über eine weite Fläche bei zunehmender Verdichtung durch Bergbau, Industrie und Handel, eine Verbindung von dichter Verbreitung und starker Anhäufung. Der Gang der Verbreitung, zu dem von Jahrzehnt zu Jahrzehnt die Censusergebnisse sich gruppieren, lälst seit 1790 folgende Haupt- züge erkennen. 1790 wohnten nur 5"/o der Bevölkerung w. von den AUeghanies. Von dem Verdichtungsgebiete im südlichen Neu-England verbreiteten sich erst in Flecken und Streifen, wie man sie heute etwa am oberen Kolumbia findet, dann zusammenhängend, die dichtesten Bevölkerungen nach Westen und Süden von Massachusetts und Con- necticut. Sie gingen direkt w. durch das westliche New York und in einem Streifen durch die Mohawksenke, und von Pennsylvanien aus w. den Ohio hinab, wo wir 1790 im Territory West of the River Ohio drei Kerne junger Ansiedelungen am mittleren Ohio und Kentucky und am oberen Tennessee finden. 1810 sind sie aUe drei verschmolzen und ragen vom Ontariosee bis zum mittleren Tennessee; sie treffen in jenem seit lange sich ausfüllenden, für Ackerbau und Gewerbe gleich günstig gearteten Lande zwischen Erie und Ohio zusammen, wo auf dem Boden von Ohio und Indiana die gröfste zusammenhängende Fläche sehr dichter 1) 1891 zählte Montreal 216650, Toronto 181220, Melbourne 489000, Sydney 386400, Adelaide 133019 Einwohner. 312 Typus der Verteilung der Bevölkerung. Bevölkerung sich herausgebildet hat. Schon bilden sich Vorposten am Missouri, Arkansas und Red R. des Südens. Der Mississippi ist überschritten. 20 Jahre später erstrecken sich die Ausläufer des Ge- bietes mittlerer Dichte bereits von West-Virginien und Kentucky süd- wärts nach Tennessee und Alabama — es ist die Zeit der grolsen süd- lichen Expansion — und n. nach Michigan, Illinois und Wisconsin, w. nach Illinois und Missouri. Was in der ersten Hälfte unseres Jahr- hunderts das nordösthche Dichtegebiet gegenüber diesem Westen gewesen ist, den man heute den »alten Westen« nennt, das wurde seitdem und wird immer mehr für den noch ferneren Westen ein neues centrales Dichtegebiet, das wie ein Gegenstück zum atlantischen um den Ohio sich anlegt. 1840 halten die zusammenhängenden Siedelungen bereits bei 93" w. L., die heutigen Gebiete von Texas, Kansas, Iowa beginnen besiedelt zu werden, und im Norden ist schon der Parallel von Wis- consin überschritten. Im darauffolgenden Jahrzehnt ist mit der Er- oberung des ganzen fernen Westens bis zum stillen Ocean das neue Gebiet eröffnet, auf dem seitdem die Ansiedler unter sichtHcher Be- günstigung Kaliforniens das Bild zerstreuter Verbreitung entwickeln, das die Karte von heute zeigt. Verfolgen wir den Prozel's der Verdichtung in diesem Jahr- hundert, so begegnen wir immer v^eder denselben erst klein und weit von einander entfernt auftretenden Stellen grofser Dichtigkeit, die sich vervielfältigen, wachsen und endlich verschmelzen. Die meisten sind herangewachsen, haben in ihrer Mitte Weltstädte entwickelt, einige sind stehen geblieben und in jedem Jahrzehnt sind neue hinzugekonunen, die dann dieselbe Entwickelung durchmachten. Längs dem Erie-See, dann im südlichen Teil der Halbinsel Michigan und quer durch die Halbinsel, ferner am West- rand des Michigan-Sees sah man aus gröfseren Streifen Mittel- punkte dichterer Bevölkerung sich herausgestalten, und zahlreiche kleinere Mittelpunkte dieser Art entwickeln sich in den Regionen mittlerer Bevölkerungsdichtigkeit im Süden und Westen, selbst am Missouri und am Fufs des Felsengebirges. Dazu kommen gröfsere Gebiete, die ohne absolut stark bevölkert zu sein, durch dichtere ßewohnung merklich über ihre Umgebungen hervorragen ; sie kehren in ähnlich gelegenen und gearteten Gebieten, wie z. B. an beiden Abhängen der AUeghanies bis Columbia und Mont- gomery in Georgia und Alabama, im zentralen Illinois und Iowa im südlichen Kentucky wieder, wo offenbar nicht blofs Besonder- Der Gang der Verdichtung. 313 heiten der Lage oder Bodenschätze sie begünstigen. Ihre dichte Bevölkerung beruht auf der breiten Basis eines eindringenden Ackerbaues. Auf der neuesten Volksdichtekarte der V. St., die auf Grund der Zählung von 1890 bearbeitet ist^), sieht man diese zahlreichen örtlichen Verdichtungen auf allen Stufen des Wachs- tums, im Westen und Süden noch vereinzelt, im Osten und Norden häufiger schon verschmolzen, in gröfsere Gebiete aufgegangen, die aber dann in der Unregelmäfsigkeit ihrer ümrifslinien den Ursprung aus verschiedensten Gestalten bezeugen. Beide Eigenschaften ge- hören eng zusammen und mit ihnen als dritte die sichtliche Ab- hängigkeit der Bevölkerungsverteilung von den Naturverhältnissen. Je weiter wir nach Westen gehen, um so klarer wird der Zusammen- hang zwischen der Dichtigkeit und den geographischen Thatsachen, besonders den Bodenformen und Flüssen. Er ist aber auch im Osten, dort, wo überhaupt die Natur schärfere Züge zeigt, deutlicher als in Alt-Europa. Es sind die Merkmale der Jugend, die wir auch hier wahrnehmen: das ganze weite Land bedeckt sich mit Siedelungen, die aber noch ungemein ungleich verteilt sind, da sie einseitig die günstigen Lagen und Bedingungen bevorzugen und die minder günstigen ganz vernachlässigen. Bevölkerungs - Mittelpunkt. Das Problem des Bevölkerungs - Mittel- punktes (Center of Population^) hat, wiewohl seine Lösung keinen praktischen Wert zu haben scheint, doch die Statistiker oder mehr eigentlich die Liebhaber der Statistik in den V. St. öfters sehr stark beschäftigt. Sie verstehen darunter den Punkt, in dem das Gleich- gewicht erreicht wird, wenn man sich über das Land die Bevölkerung mit gleichem Gewichte jedes Individuums verteilt denkt. Er lag 189Ö bei 39" 11' 56" n. B. und 85 o 32' 53" w. L. im südlichen Indiana, 20 engl. M. ö. von Colmmbus, wenig w. von dem Grafschafts- Hauptort Greensburg. Vor 100 Jahren war er O'^ 21' weiter ö., also ganz nahe beim atlantischen Rande in der Gegend von Baltimore gelegen und hat seitdem seinen Weg nach Westen, unter geringen Schwankungen in meridionalem Sinne , die ihn nicht weit vom 1) Beigegeben dem Extra Census Bulletin No. 2 : Distribution of Popu- lation according to Density (Washington 1891). 2) Richtiger bezeichnet als Center of Gravity of the Population. Über die Methode der Bestimmung vgl. die verschiedenen Censusberichte , zuletzt die ausführhche Darstellung von Henry Gannett im Census Bulletin No. 34 : Center of Population of the United States in 1890 (Washington 1891). 314 Bevölkerungs-Mittelpunkt. 39. Parallel entfernten, zurückgelegt. Wenn man annimmt, was ohne grofsen Fehler möglich ist, dals die Bewegung blofs w. auf dem 39. Parallel sich vollzogen habe, so können für die 10 Decaden seit 1790 folgende Strecken in deutschen Meilen bestimmt werden: 1790—1800 8,9 1840—1850 11,9 1800—1810 7,8 1850—1860 17,6 1810—1820 10,8 1860—1870 9,1 1820—1830 8,4 1870—1880 12,6 1830—1840 11,9 1880—1890 10,4 8J6 8 ?t 8 2 8 ^ — 7 3 we6tLl.v. Greenwr. ö|_ Cobxmjbv^ r ^ ^ ^^^ rJ fcO 0 Tarkersi niucbi # . ■jy • • Bcdtimorej ^m '^■Zoidsviae irt ^^ Fig. 13. Wanderung des Bevölkerungsmittelpunktes von 1790 — 1890. Die Strecken sind natürlich im ganzen gewachsen, und leicht erkennt man aus den Maximis der Bewegung die grofsen Folgen der Besiedelung des Ohio- und Seengebietes, des Vordringens in die Prärie- region und der Erwerbung von Kahfornien. In den nächsten Decaden dürfte die seit 1860 eingeschlagene Nordwestrichtung, entsprechend der Auffüllung des oberen Missourilandes und des Columbiagebietes, sich stärker ausprägen. Um den heutigen Punkt zu erreichen, hat das Center of Population 109 V« deutsche M. in 100 Jahren zurück- gelegt, fast 11 deutsche M. in einem Jahrzehnt. Der Weg von hier bis zur natürhchen Centralrinne des Landes, dem Mississippi, wäre in diesem Tempo um die Mitte des nächsten Jahrhunderts zu erreichen. Aber die Schwierigkeiten der Besiedelung des Landes w. von diesem Strom werden viel gröfser sein als die ö. von demselben und die Anziehung des Nordens wird sich daher stärker geltend machen als bisher. XIII. Städte und andere Siedelungen. Stadt und Land 315. Die ländlichen Siedelungen 316. Die Stadt 320. Städtische und ländliche Bevölkerung 324. Die Wohnungen 325. Städte- verwaltung 327. Die Bevölkerung 329. Die Grofsstädte 331. Die Verbreitung der Städte 336. Städtegruppen 339. Wenn amtlich 8000 Einwohner als die Grenze angenommen werden, bis zu der die Siedelungen als Städte gelten^), so darf dieses nicht den Glauben erwecken, als ob der städtische Charakter sich in den Siedelungen der V. St. erst bei so hoher Bewohnerzahl herausbilde. Unsere Statistiker in Europa pflegen bei 2000 Ein- wohnern diese Grenzen zu ziehen, aber in den V. St. beginnt der städtische Charakter , noch viel früher sich zu entwickeln. Da die Dörfer eine Ausnahme sind, trennt ein tiefer Unterschied länd- liche und städtische Wohnweise, der nicht blofs in den altsächsischen Gewohnheiten der englischen Einwanderer begründet ist. Die Fülle des Landes, das zur Verfügung stand, und die Ausbreitung in Ruhe, ohne andere Gefahr, als die von den Indianereinfällen, 1) In allen amtlichen Zählungsberichten ist bisher diese Grenze fest- gehalten, auch in dem Census Bulletin Urban Population in 1890 (U. 52, 1991) ; aber 1880 hat man angefangen , die Siedelungen bis 4000 Einwohner herab mit in die Betrachtungen der Städtebevölkerung aufzunehmen, da »the di- stinctive features of urban life are found in smaller bodies of populationc. Wir werden sehen, dafs bei dem eigentümlichen Gang der Städteentwickelung in den V. St. die Grenze selbst noch tiefer zu setzen wäre , als sie bei uns gezogen zu werden pflegt. — Auf der Kulturkarte, die diesen Band begleitet, haben wir die Siedelungen bis zu 8000 Einwohnern, nicht weil wir diese Grenze bilügen, sondern aus praktischen Gründen eingetragen. 316 I^ie ländlichen Siedelungen. die in weiten Gebieten, wie Pennsylvanien, die ersten Jahrzehnte der Ansiedelung noch ganz ruhten, hat die Farmer ermutigt, sich über das Land in Einzelsiedelungen zu verteilen. Wie überall, wo in der Besiedelung das Hofsystem herrscht, trägt die gesellige Ansiedelung auch sogleich städtischen Charakter. Nur Krämer, Wirte, Schmiede wohnen an der Strafse, alle anderen Handwerker vereinigen sich in den rasch aufblühenden Städten, deren Gründung oft selbst der Besiedelung vorhergeht, jedenfalls organisch mit ihr zusammenhängt und vorschreitet. Der Farmer ist also für den Erwerb fast aller Dinge, die sein Boden nicht erzeugt, auf den Bezug von aufsen angewiesen und an den Mittel- punkten, die ihm seine Kleider, Schuhe, Geräte, Konserven u. s. w. liefern, setzt er wieder den Überflufs seiner Erzeugnisse ab und und so verflicht sich die Landwirtschaft eng mit dem Handel und Verkehr, den gröfsten Förderern des Städtewesens »und die Form der Siedelung arbeitet gewissermafsen der Entwickelung des Exporthandels vor« (Sering). Die landwirtschaftlichen und Handels- und Gewerbesiedelungen bleiben aber räumlich ge- trennt. Die ländlichen Siedelungen. Die grofse Mehrzahl der Land- wirte wohnt inmitten ihres Landbesitzes in freistehenden Höfen, ganz wie unsere bäuerliche Bevölkerung im Alpenland und in Nieder deutschland. Der »Einödhof« ist die Regel. Dorf weise An- siedelungen, wie sie im französischen Unterkanada, dann in den ältesten Gebieten des Nordostens üblich waren und sich erhalten haben, sind in allen jünger besiedelten Teilen der V. St. selten. Dörfer im deutschen Sinn haben sich in den ursprünglich allein von Deutschen besiedelten Gegenden entwickelt, und geschlossene Ansiedelungen südspanischen Charakters in manchen Teilen des ursprünglich spanischen Westens und Südwestens, wo die Not- wendigkeit der künstlichen Bewässerung zur Vereinigung der Be- völkerung um eine Wasserader zwang. Verschiedene religiöse und kommunistische Gemeinden haben sich dorfweise angesiedelt, neuer- Hch noch die deutschrussischen Mennoniten, auch die Mormonen. Viele von diesen geselligen Siedelungen haben sehr frühe städtische Eigenschaften angenommen, besonders auch in den pennsyl- Das Holzhaus. 317 vanisch-deutschen Gebieten. Den ehrwürdigsten Eindruck machen entschieden die in die ersten Jahrzehnte der Besiedelung zurück- reichenden alten Dorfanlagen in Neuengland, deren Häuser in zwei Reihen an einer breiten Stralse stehen, in deren Mitte ein Wiesen- streif und Reihen von Schattenbäumen, besonders Ulmen, durch das Dorf ziehen. Auch die schönen Höfe in den fruchtbaren Teilen Neuenglands, z. B. im Connecticut-Thale , die von nicht erst gestern gewonnenem Wohlstand sprechen, rufen unter alten Ulmen, Ahornen oder Nadelbäumen die Erinnerung an die schönen Farmen in Kent oder Sussex zurück. Das Holzhaus ist der Keim aller grofsen und kleinen Sie- delungen der Nordamerikaner; es ist eben so bezeichnend für das germanische Nordamerika, wie das Adobe- oder Lehmziegelhaus für das spanische. Wo beide in Kalifornien oder Neumexico auf einander treffen, stehen sie einander so fremd gegenüber wie Englisch oder Deutsch dem Idiom Kastiliens. Im ganzen Osten und in der Mitte waren einst die ersten Gebäude auf den Lich- tungen (Clearings) die Blockhäuser (LogHouses), Hütten, deren Wände durch übereinander gelegte Baumstämme gebildet werden. Thüren und etwaige Fenster werden hineingeschnitten, wenn das Haus aufgeblockt ist, die Ritzen verstopft, im Dach eine Öffnung für die Ableitung des Rauches gemacht. An Stelle des Stalles tritt oft nur ein notdürftig nach der Wetterseite zu geschützter Schuppen (Shed). In den Prärien nehmen jetzt die Stelle der Blockhäuser Bauten aus geschnittenen Balken und Planken (Frame Houses) ein, die in den Fabriken bis auf den letzten Nagel hergestellt und zerlegt auf den Ort ihrer Bestimmung transportiert werden. Im Nord- westen erlaubt die Spaltbarkeit des Cedernholzes auch dem armen Ansiedler, sich ein Bretterhaus aus einigen Cederstämmen mit der Axt zu bauen. In der Regel bedeuten aber diese Häuser oder Hütten schon die zweite Stufe in der Entwickelung der Wohnstätten. Ilire ziegelartig über einander greifende Verschalung, ihre Schindel- dächer, ihr weifser Kalkanstrich und die grünen Läden, die Veranda, die den besseren nicht fehlt, machen sie zu sehr cha- rakteristischen Erscheinungen in der amerikanischen Landschaft, die durch sie oft einen entschieden freundlichen Zug bekommt. Die 318 Wohnstätten im jungen Westen. dritte Stufe ist endlich das Backsteinhaus (Brick House) der Wohl- habenderen. E^einere Städte bestehen oft fast ganz aus Planken- häusern, selbst in den Vorstädten von Chicago und St. Louis herrschen sie vor. Im jungen Westen haben andere Lebens- und Wirtschafts- bedingungen auch andere Wohnarten hervorgerufen. Dort gibt es in den weiten Gebieten der Rancho -Viehzucht aulserhalb der Eisenbahnstationen wenig feste Siedelungen, selbst das einsame Farmhaus verschwindet und an seine Stelle tritt die Ranch ^), das Zelt oder die flüchtige Strohhütte des Hirten. Und die ersten Siedelungen der Goldwäscher und Bergbauer sind »Camps«, Zeltlager, die früher Jahre lang unter Leinwand- oder Zweig- dächern ihre unsteten Bewohner beherbergten, jetzt aber bald durch die fabrikmäfsig hergestellten Bretterhütten ersetzt werden. Denn die Sägemühle gehört heute in den Gebirgen des Westens zu den »Pionier «-Einrichtungen, die am frühesten in einer neuen Gegend sich einfinden. Das Wohnhaus steht in der Regel allein. Grofse Scheunen macht die Dreschmaschine und der Elevator der nächsten Eisenbahn- station unnötig. Ordentlich und reinlich gehaltene Höfe, schöne und ertragreiche Gärten sind im Westen selten. Der Schönheitssinn hat sich, im Gegensatz zu unseren Einrichtungen, in die Wohnräume zu- rückgezogen. Unter der Vernachlässigung der Gärten leidet die Küche, die in ermüdender Einförmigkeit Kartoffeln und Tomaten, die pfleglos gedeihenden, bringt. Dagegen bildet in den alten Staaten der Garten einen landschaftlich wie praktisch wichtigen Bestandteil der Farm; aus ihm ist jene grolsartige Obstkultur hervorgegangen, die besonders in Neu-England, den atlantischen Mittelstaaten und Kalifornien viel zum Wohlstand der Landbewohner beiträgt. Die Farmhäuser geben durch ihr vereinzeltes Auftreten manches hübsche Landschaftsbild. Die Block- häuser finden sich nur noch in jungbesiedelten Teilen des Westens 1) Kanch ist nach dem spanischen Rancho gebildet, so wie der zugehörige Cow-boy, und bezeichnet den umzäunten Raum (Corral) — die Schafe werden >corraled«, d. h. in eine Einzäunung gebracht — für das Vieh nebst Haus und Stall; ebenso ist der Kuhbursche nach dem Vachero gebildet. Das gleichlautende Range bedeutet Weide, also Open Range, Winter Range, Summer Range. Sheds sind Wetterwände aus Brettern oder Stämmen, Windbreak ist ein offener Schuppen, der nur nach der Windseite verschalt ist und be- sonders den Schweinen zum Schutze dient. Der landschaftliche Eindruck der Siedelungen 319 häufig und jetzt schreiten selbst hier die Frame Houses rasch voran. Aber ihrer angenehmen Eigenschaften halber werden sie auch selbst im Osten und im alten Westen noch von konservativen Naturen den letzteren vorgezogen. Blockhäuser, wenn gut aufgeschlagen, sind kühl im Sommer, warm im Winter, leicht warm zu halten und dazu nicht unschön. Ihre Farbe stimmt sehr gut zum Boden und zur Vegetation. Im Nordwesten, besonders in Michigan, läfst man die Rinde an den Baumstämmen, aus denen ein solches Haus gebaut wird und erreicht damit einen pittoresken Reiz. Die verschalten Häuser, die selbst in den ödesten Teilen von New York und Neu-England die Blockhäuser fast ganz verdrängt haben, sind bei aller Einfachheit, weil aus Holz gebaut, das leicht in angenehme Formen zu bringen und, wenn beschädigt, leicht zu ergänzen nnd zu erneuern ist, oft von ge- fälhgem ÄuXsern und stehen dann wie Gartenhäuser inmitten der Mais- und Haferfelder. An deutsche Scenen gewöhnt, vermissen wir nur den Schmuck der Baumgärten und der Obstbäume um die Häuser. Wo man Bäume pflanzt, gibt man den grolsen einheimischen Schatten- bäumen, Ulme, Ahorn, Eiche den Vorzug und im trockenen Westen den Silberpappeln (Cotton-Wood). Im Mittelpunkte einer Anzahl von solchen Niederlassungen stehen, womöghch erhöht, das Schulhaus und eine oder mehrere Kirchen, die ebenfalls in der Regel aus Holz gebaut sind und wie kleine Kapellen aussehen. Dafs das Bild einer länd- Hchen Ansiedelung viel reizloser in den holzarmen Präriegegenden ist, wo man mit Bruchsteinen oder Ziegeln baut, versteht sich. Geradezu elend und unschön sind aber die Dug-outs, die halb in die Erde ver- grabenen engen Hütten, in denen die spärhchen Bewohner der Steppe, meist Hirten, sich vor den Stürmen zu schützen suchen. Neue Betriebsweisen, für die die alte Welt kein Muster bietet, haben auch neuartige Siedelungsformen entwickelt, deren Merkmal immer die rücksichtslose Anpassung an das Bedürfnis, das kahle Notwendigste ist. Das gilt vor allem vom Westen. Aber auch im Süden hat der Übergang von der Plantagenarbeit zur ärmlichen Kleinwirtschaft der Freedmen in den letzten Jahrzehnten einen häfslichen Stil sich ausbreiten lassen, den man besonders in den Carolinas und Tennessee findet: ein niederer Bau mit einem an- geklebten Schornstein an jedem Ende, von Vorhalle oder Vor- gärtchen keine Spur, einige schmutzige Ställe und Hütten rings umher. Halbverfallene Herrenhäuser mit Säulen und Giebeln breiten über die Landschaft des Südens einen melancholischen, geschichtlichen Hauch. Der Grof sweizenbau , der seit dreifsig 320 I>er landschaftliche Eindruck der Siedelungen. Jahren in den nordwestlichen Präriestaaten überhandgenonunen hat, entwickelt entsprechend seinem fabrikmälsigen Betrieb auch grolse, kahle, von allem Idyllischen landwirtschaftHcher Bauten entkleidete Siedelungen, die wesentlich aus Beamten Wohnungen, Arbeiterkasernen und Viehställen bestehen. Die Verteilungsart der groi'sen Ländereien beeinflulst sehr stark die Anlage und Verteilung der ländhchen Siedelungen. Da jede Sektion von vier Stralsen eingeschlossen ist, baut der Neusiedler unabänder- lich an die Strafse, mit Vorzug an die Ecken, und man findet in den jüngeren Gegenden fast keine Farm, die, wie so viele bei uns, abseits vom Wege gelegen wäre. So wie die Sektionen, sind auch die Viertels- und Achtelssektionen von Stralsen um- geben und so entstehen Systeme von rechtwinkhg einander schneidenden Stralsen, die den Verkehr oft sehr langwierig machen. Nur die County- und Schulstralsen laufen häufig schräg durch diese Quadrate, die an die zu regelmäfsigen Staatsgrenzen und Städteanlagen erinnern. Innerhalb dieses Netzes wird das ge- schlossene Dorf schon durch das Gesetz unmöglich gemacht, das jeden Eigentümer einer Heimstätte verpflichtet, mindestens bis zur Erteilung des Besitztitels auf seinem Lande zu wohnen. Die Stadt. Die grolse Mehrzahl der zusammenhängenden Ansiedelungen sind Städte oder Städtchen. Jede für Verkehr und Industrie günstige Lage hat zu einer Ansammlung von Store 's (Kaufläden), Gasthäusern oder Kneipen, Earchen oder Handwerks- betrieben und schon ganz frühe auch Banken und Agenturen Ver- anlassung gegeben. Die Strafsenzüge und Kanäle, vor allen aber die Eisenbahnen sind die natürlichen Förderer und Anschlufskörper solcher Gebilde. Die bedeutende Rolle, die bei dem regelmäfsigen grofsen Überschufs der landwirtschafthchen Erzeugung und dem Bedarf der Landwirte an Verbrauchsgegenständen aller Art Handel und Verkehr auch in den rein ackerbauenden oder viehzüchtenden Gegenden spielen, bewirkt solche Concentrationen in grofser Zahl. Aber an sie schliefsen sich doch auch Landwirte an und nicht einmal Städte von 8000 und mehr Einwohnern sind von rein städtischer Bevölkerung bewohnt. Als Cincinnati anfangs der vierziger Jahre 50000 Einwohner zählte, erstaunten den Fremden Die ytadt und ihre Umgebung. 321 ebenso sehr das Handelsgetriebe und die Menge der Dampfer an den Werften, wie die ländliche Freiheit der in den Strafsen umher- laufenden Schweine. Man sieht dergleichen auch heute in den nördlichen Ausläufern New Yorks und in den Vorstädten Chicagos. Keine Mauern und kein bürgerliches oder zünftiges Standesbewufst- sein trennen die Stadt vom Land. Das natürliche Übergewicht des Ländlichen in einer Ackerbaukolonie, wie die V. St. in ihren ersten zwei Jahrhunderten in ihrer ganzen Ausdehnung waren, hat im Gegenteil den Städten einen ländlichen Charakter erhalten. Und die Vorliebe für Licht, Luft und Grün hat ihn sogar künst- lich wieder hervorgerufen, sobald an Lebensgenufs gedacht werden konnte. Im Allgemeinen strebt das nordamerikanische Haus durch breite Fenster und Veranden Licht und im heifsen Sommer Kühlung zu gewinnen. Die Gärten der Häuser in den Vororten grofser Städte sind oft gar nicht von den Strafsen und von einander abgeschlossen, die freundlichen Häuser stehen wie in einem grofsen Garten, den eine Fahrstraf se und Gehwege durch- ziehen. Vom geschäftlichen Mittelpunkt, dem Marktfleck (Market Town) ausgehend, findet man dann an der County-Road zuerst das behagliche Heim des unter allen Schwankungen gedeihenden »Sub- urban« Farmer, dann 2 bis 3 engl. M. weiter die zerstreuteren Farmen, deren Aufseres von wechselnden Schicksalen erzählt. Weiter hinaus mag man aber mancher verfallenen Hütte (Hovel) begegnen, deren Insassen sich nach der Stadt gezogen haben. Oder aber — wenn wir unsere Wanderung in den neuengländi- schen oder mittleren Staaten machen — die Stadt kommt den Bauten vom Lande entgegen, d. h. es wachsen kleinere Industriestädte und Industriedörfer heran, ohne die die Entvölkerung des Landes in diesen städtischen Staaten noch deutlicher hervortreten würde. In jungen, rasch aufstrebenden Städten wird groXsartig, oft prächtig, aber flüchtig gebaut. Man läXst sich nicht die Zeit, gründlich zu sein, gerade wie in anderen Dingen. Geringe Dauerbarkeit wird den amerikanischen Häusern von den Architekten allgemein vor- geworfen. Der sehr beliebte Braunstein, ein braunrother Sandstein, gilt für ein sehr unsolides Material, dem grauen Granit wirft man vor, dafs er im Feuer springe, die Fundamente soUen oft ungleich, unter der Front stärker als unter dem Hintergebäude gelegt und Ralzel, Die V. St. von Amerika. 21 322 • "Die Häuser der Stadt. dafür die Rückwand oft um ein Paar Zoll erhöht sein, damit sie sich ungestört setzen könne. Für die Dauer eines Braunsteinhauses setzt man 40 bis 50 Jahre an. Dazu kommt die grofse Zahl der Feuersbrünste, deren Schaden 1891 in den V. St. 131 Mill. Doli, betragen haben soll. Alles was dazu dient, um rasch zu bauen, wird in Nordamerika mit Vorhebe angewandt. Am echtesten ameri- kanisch ist der »stringy« (strickartige) Stü der Eisenkonstruktionen. Im Gesamteindruck der grölsern amerikanischen Städte wiegen, von unwesenthchen örthchen Besonderheiten abgesehen, vier Erscheinungen unbedingt vor. Es sind die geraden und breiten Stralsen, der starke Verkehr, die durchschnittlich geringe Gröfse der Häuser, die scharfe Sonderung der Geschäfts- und Wohnstrafsen. Die grofse Zahl und geringe Grölse der Häuser ist besonders auffallend in wirklichen Grofsstädten wie Philadelphia, das in dieser Hinsicht einzig unter den Grofsstädten der Welt dasteht, und New-York. Sie beruht auf der gesunden Vorhebe für geschlossene Häuser, Famüienhäuser, und trägt gewifs viel zum körperhchen und geistigen Wohlsein der Bewohner bei. Aber das System ist nicht in der heutigen Ausdehnung haltbar. In New York und Boston nehmen grofse Mietshäuser, die das Boden- und Baukapital besser ausnützen, von Jahr zu Jahr mehr über- hand ^). Auch die Sonderung der Geschäftshäuser und Wohnhäuser nach besonderen Strafsen und Vierteln, die oft weit von einander ent- legen sind, mufs zum Wohlsein der Bevölkerungen beitragen, den Handelsverkehr erleichtern und bequemes, gesundes und billiges Woh- nen fördern. Diese Sonderung, die selbst in kleineren Städten durch- geführt wird, setzt allerdings die zahlreichen und guten Dampf- und Pferdeeisenbahnen voraus, die keiner mittleren oder grölseren Stadt fehlen. Ihrerseits fordern diese Verkehrsmittel breite und gerade Strafsen wenn sie ihren Zweck gehörig erfüllen sollen. Gas- und Wasser- leitungen und Kanalisationen, auf die der Amerikaner so hohen Wert legt, werden gleichfalls durch die regelmälsige Anlage der Städte er- leichtert.«) In kleinern Städten wiegt durch die Niedlichkeit und Rein- lichkeit der Häuser, die mit Vorliebe mit weifs getünchtem Holz ver- schalt sind, und durch die Gärtchen, die sie umgeben, ferner durch die Reihen der Schattenbäume, die selten in einer Strafse fehlen, der freundhche, ländhche Charakter vor. Ein Schimmer dieser Idylle ist durch die Baumreihen in den Strafsen, die Rasenplätzchen vol' den Häusern und die Schhngpflanzen an ihren Baikonen selbst 1) Neuerdings bilden neben der Unreinlichkeit der Strafsen die über- füllten Tenement Houses die wiederkehrende Klage der Health-Officers. 2) Kansas City plante 1891 die centrale Luftheizung für die ganze Stadt und, mit demselben Eöhrensystem, die Zuleitung kühler Luft im Sommer, Parke. Friedhöfe. Öffentliche Bauten. 323 noch mitten in New York oder Boston und in ganz hervorragender Weise in Philadelphia festgehalten. Selbst in S. Francisco hat man trotz des trockenen Dünenbodens Massen von begnügsamen Eucalj^ten angepflanzt. Blumen an den Fenstern sind hingegen viel seltener als bei uns. Man hat gewaltige Summen in den bedeutenderen Städten für Parke und Volksgärten ausgegeben, und selbst den Europäer, der den Prater oder das Bois de Boulogne kennt, wird die Gröfse der Fairmountanlagen in Philadelphia oder des Centralparks in New York in Erstaunen setzen. Aber auch die jungen Städte Cin- cinnati und S. Louis u. v. a. haben bereits schöne Parkanlagen. (S. o. S. 171.) Minder anziehend als diese Ruhe- und Erholungsstätten, zu denen auch die oft ganz parkartigen Friedhöfe gehören, smd ihre grolsen und grofsartig oder schön sein sollenden öffentlichen Bauten. Lange Zeit zierte man die öffentHchen Gebäude nur mit griechischen und römischen Säulenhallen, wie man noch an den meisten Bauten, die mehr als dreifsig Jahre zurückdatieren, besonders in Philadelphia, Boston und Washington sieht. Selbst für Kirchen war dieser repubh- kanische Stü behebt. Aber seit dieser Zeit hat man in allen Stilen experimentiert und mit besonderer Vorhebe ganz neue Kombinationen aufgesucht. Unruhe und Übertreibung gehen durch die meisten Bau- werke, die etwas vorstellen sollen, und das einfach Schöne und Edle muls man an bescheidenen, anspruchslosen Werken suchen. Den in Wahrheit grofsartigsten Eindruck machen hier die Werke der Brückenbaukunst, die bekanntlich in Nordamerika einige ihrer gröfsten Triumphe gefeiert hat. (S. u. Abschn. XXI.) Die neue Missis- sippibrücke von S. Louis und die Ohiobrücken von Louisville und Cincinnati sind erfreuhcher in der Gesamtansicht dieser Städte als alle ihre Kirchtürme und Prachthäuser. Die Riesenbrücke über den East River zwischen New York und Brooklyn fügte dem längst schon prachtvollen Bilde des new-yorker Hafens den grofsartigsten Zug hinzu. Die geringfügige Thatsache, dafs alle grofsen und kleinen Flulsdampfer hier weils getüncht sind, ist auch erwähnenswert. In der Nähe ver- kehrsreicher Städte, die an grolsen Flüssen Hegen, geben diese blanken Fahrzeuge, deren Menge grofs zu sein pflegt, der Flufsscenerie einen heitern Charakter, — das Gegenteil von der Wkkung unserer schwarzen, verrauchten Dampfer. Anscheinend ebenfalls geringfügig ist der Um- stand, dafs man in diesen grofsen Städten des Ostens vorzüghch nur pennsylvanische Anthracitkohlen brennt, die nicht ruisen. Es ist dies aber der Grund, weshalb trotz seiner grofsen Industrie selbst Phila- delphia nicht im mindesten geschwärzt ist. Cincinnati, das stark rufsende Kohlen brennt, sieht dagegen schon viel älter und düsterer aus als irgend eine der östlichen Grofsstädte, und in noch höherem Grade gilt dies von Pittsburg. 21* 324 Die städtische Bevölkerung. Die Bevölkerung aller amerikanischen Städte, mit Ausnahme der südlichen von Washington an, in denen die Neger ihre Faulheit spazieren tragen, ist ausgezeichnet durch ihr bewegliches, thatkräftiges, arbeitsames Wesen. Man kann nicht durch eine Strafse gehen, ohne diesen Charakterzug wahrzunehmen, und die kleinen Städte nehmen in kaum minderem Grade an ihm teil als die gröfsten. Es fällt ferner ein bedeutendes Mals von Wohlanständigkeit in Kleidung und Be- nehmen auf. Man wird auch nicht fehlgehen, wenn man der Be- völkerung der grofsen Städte eine im allgemeinen jugendlichere Phy- siognomie zuschreibt, als der der kleinern und des flachen Landes, und das Zuströmen zahlreicher jüngerer Einwanderer aus Europa und aus dem Innern erklärt diese Erscheinung zur Genüge. Für ein weit- verbreitetes mittleres Mals von Bildung spricht der grofse Absatz von billigen Zeitungen , Zeitschriften und Büchern , die an allen Ecken und Enden feilgeboten werden, was aber nicht hindert, dafs die Kirchen sich reger Teilnahme und Besuches erfreuen. Die Schulhäuser aller Art zeigen durch ihre Zahl, Grölse und schöne Ausstattung, dafs der Volksunterricht sich einer guten Pflege erfreut. In den gröfsern Städten fehlt nie eine öffenthche Bibhothek, entweder Privatstiftung oder von der Gemeinde errichtet, und Jedermann zugängHch. Hingegen smd mit Ausnahme New Yorks und New Orleans', der auch in dieser Be- ziehung am meisten europäisierten Städte, die Theater unbedeutend, sowohl im Äufsern als in den DarsteUungen. Die Musik erfreut sich in der Öffenthchkeit einer mäfsigen, aber in rascher Zunahme befind- Hchen Pflege. Öffenthche Vergnügungsorte, wie Bier- und Kaffeegärten, sind nur zu finden, wo eine starke deutsche Bevölkerung ist. Ein Zug von Einförmigkeit kann kaum den Städten fehlen, in denen die Grölse und Richtung der Häusergruppen, Strafsen und Plätze bei der Anlage schon bestimmt und fast gleichzeitig ausgeführt wird. Die FüUe von Luft und Licht entschädigt für die breiten Strafsen, an denen auf schachbrettartig regelmäfsigen Quadraten die kleinen Häuser stehen. Die Individualität ist aber doch nicht so ganz unter- drückt, wie man glaubt. Es gibt bereits eine grofse Zahl von stillen Städten mit geistigem Ausdruck, der liebenswürdig sein kann, wie in Cambridge oder mehr elegisch wie in Salem. Beide gehören Massa- chusetts an. Auch die im höchsten Grade zweckmäfsige Anlage, wie man sie in Chicago und noch ausgesprochener in jüngeren westHcheren Städten (St. Paul und Minneapohs, Kansas City, Fargo) findet, hat ihren geistigen Reiz, wenn auch nichts Schönes. Dauer und Stetigkeit, die wir in unseren Städten verkörpert sehen, sind den Schöpfungen der Kultur hier häufig in geringem Grade eigen. Der Grund Hegt in der BewegHchkeit der Bevölkerung selbst, die aus einer angeborenen Raschheit und Rastlosigkeit entspringt, und Veränderlichkeit der Wohnstätten. 325 von der geringen Dichtigkeit begünstigt wird. Indem der einzelne sich noch nicht in eine dichte Masse eingezwängt findet, hat er mehr Lust und Grund zur Bewegung und Veränderung. Seine Werke nehmen daran Teil. Ganze Dörfer und Städte werden versetzt und Tausende sind imstande, auf einmal herdenweise ihren Wohnplatz zu ändern (S. 367 f.). Man hat mit einiger Übertreibung die Nord- amerikaner als Kulturnomaden bezeichnet. Noch etwas Anderes kommt hinzu: das Streben nach möglichst rascher und gewinn- reicher Ausbeutung der natürlichen Reichtümer des Bodens, sei es an Erzen oder an Fruchtbarkeit. Man schöpft von einer Unternehmung den Rahm ab, um schnell nach einer anderen zu eilen. Das eine Unternehmen zerfäUt, während ein anderes aufblüht. Daher die Menge von »Kultur-Ruinen« (S. 337), die über das Land zerstreut sind. Daher auch die Leichtigkeit und Flüchtigkeit, mit der man in den jüngeren Gegenden nicht blofs Häuser, sondern Städte baut, Brücken errichtet, Eisenbahnen anlegt. AUes ist nur für ein paar Jahre be- stimmt, dann wird es entweder abgebrochen, oder sich selbst über- lassen, oder aber es treten etwas dauerhaftere Schöpfungen an seine Stelle. Im Osten baut man in den grofsen Städten bereits viel mehr für die Dauer, herrüche Marmor- und Granitpaläste gehören zu ihren Merkmalen, aber in den kleineren Orten und selbst in den Vorstädten grofser Plätze überwiegen noch die Holzbauten '). Es schiebt sich hier noch jene andere Eigentümlichkeit des minder scharfen Hervortretens der Sonderung von Stadt und Land ein (S. 322). Der flüchtige Bau der Eisenbahnen, Brücken, Dämme, Länden, der besonders dem euro- päischen Ankömmling im Hafen von New York auffällt, u. s. w. schliefst sich hier an. Die Hauptsache ist, dafs alle diese Dinge dem augenblicklichen Zwecke entsprechen; ihre Dauer steht in zweiter Reihe und ihre Schönheit kommt zuletzt. Die Wohnungen. Im Juni 1890 wurden 11483 318 Woh- nungen ^) gezählt (28,2% mehr als 1880) und 5,45 Personen kamen auf jede Wohnung, am meisten (5,87) im nordatlanti- schen, am wenigsten (5,05) im Westgebiet. Der Überschuf s der Familien über die Wohnungen ist also gering, ist aber in steter 1) Die Zählung von 1875 wies im Staat New York 598 013 Häuser aus Holz, 98298 aus Backstein und 19 718 aus Stein nach. Selbst in der Stadt New York bestand ein Vierteil der Häuser aus Holz. Nach dem 1885er Census sind in Massachusetts 91,7 <*/o der Häuser aus Holz, nur 7,7®/o ganz aus Backsteinen gebaut. 2) Als Wohnung wird jedes Gebäude und jede Vorrichtung angenom- men, die in der fraglichen Zeit bewohnt waren, vom Hotel der Grofsstadt bis zum Wigwam auf der Prärie, 326 r^ie Wohnungen. Zunahme; und am meisten in den dichtestbevölkerten , städte- reichen nordatlantischen Gebieten , auf die 1890 drei Fünftel dieses Überschusses entfielen. Im Staat New York beträgt der Über- schuls der Familien über die Wohnungen 46%, dann folgen Rhode Island und Massachusetts, ein Zeugnis für den Zusammenhang dieser Erscheinung mit der grofsgewerblichen Entwickelung ; mit ihr geht die geringe Gröfse der Familien Hand in Hand. Die Zu- nahme der Volkszahl in rascherem Verhältnis als die der Familien uiid die Abnahme der Gröfse der Familien sind zwei zusammen- hängende Eigenschaften fast aller Bevölkerungen gröfserer Städte in den V. St., vorzüglich im Nordosten und in der Mitte. Die Städte, und vor allem jene 28 mit über 100000 Einwohnern, deren Zahl so rasch wächst, entfernen sich in dieser Beziehung immer weiter vom Durchschnitt des ganzen Landes. Im Juni 1890 enthielt in der Stadt New York fast genau die Hälfte aller Wohnhäuser und -stellen mehr als 10 Einwohner und von der Bevölkerung dieser Stadt wohnten 83,5% in diesen Häusern, während von der Be- völkerung der V. St. nur 13,6% ihnen zufallen. Keine andere Grofsstadt der V. St. erreicht in dieser Beziehung New York. In Chicago leben in Häusern von mehr als 10 Einwohnern 49,2, in Brooklyn 56,6, in Cincinnati 51,5, in Boston 47,8, in Newark 40, in San Louis 36,3, in Buffalo 30, 'in Baltimore 14,1, in Phila- delphia 12,8%. Aus der Zählung der Familien, die auf ein Wohn- haus kommen, ergibt sich, dafs nur in New York die Häuser mit mehr als 10 Familien in grofser Zahl (8672) vertreten sind; die Häuser mit nur einer Familie bilden 46% in New York, 51 in Brook- lyn, 59 in Boston, 60 in Chicago, 61 in Cincinnati, 67 in San Louis, 75 in Buffalo, 76 in Minneapolis, 79 in Milwaukee und Louisville, 83 in Pittsburg und S. Paul, 84 in Baltimore und Cleveland, 89 in Washington, 91 in New Orleans, 92 in San Francisco, 93 in Philadelphia und Denver, 94 in Indianopohs. New York und Brooklyn stehen also weit von den anderen Grofsstädten ab, sind auch in diesem Punkte europäisch und werden sich noch weiter in derselben Richtung umgestalten. Die Tenement Wards in der östlichen Stadt, die doppelt so viel Familien in einem Hause zählen als andere Quartiere, breiten sich noch immer mehr aus, während Städteverwaltung. 327 die Geschäftsstrafsen ihre Bewohner immer weiter nach Osten und Norden hinausdrängen. Städteverwaltung. Die Städte (Cities) sind nach englischer An- schauung Korporationen, denen gegen bestimmte Leistungen durch staatHchen Freibrief (Charter) bestimmte Befugnisse beigemessen werden. In allem, was über diese Befugnisse hinausgeht, sind sie Teile des Staates wie jede andere Gemeinde. Sie sind in Wards (Stadtteile) zerlegt, die in den gröfseren 30000 und mehr Ein- wohner haben können. Jeder von diesen wählt jährlich einen bestimmten Anteil von den Mitgliedern der Räte (Aldermen, in gröfseren Städten auch noch Assistant Aldermen), sowie den Major (Bürgermeister). Früher durften allgemein nur die Steuerzahler wählen, jetzt ist ebenso allgemein das Wahlrecht an keine derartige Bedingung geknüpft, und so ist nun die Verwaltung gerade der gröfsten Städte in die Hände des Pöbels gegeben. Von den Aldermen ist keiner besoldet und keiner sollte an einträglichen Unternehmungen der Stadt teilnehmen. Der Major hat die Ver- waltung zu führen und die Beschlüsse der Aldermen zu prüfen und zu genehmigen. Wie in den Staaten die Tendenz dahingeht, den Governor so machtlos wie möglich zu machen, so strebt man in den Gemeinden, der Masse der Wähler und dem Stadtrat die ausgedehntesten Rechte zu geben. Im Einzelnen finden sich Ab- weichungen von dieser Form der Stadtverwaltung, im Ganzen wiederholt sie sich aber gerade wie die Staatseinrichtungen. Die Unzulänglichkeiten der Städteverwaltung in den V. St. ist allgemein zugegeben und wird dem Erfolge der Unions- und Staaten- regierungen kontrastierend gegenübergestellt, wobei eine Hauptwurzel des Übels in der Abhängigkeit der Städte von den Staaten gesucht wird, die ihnen Gesetze auferlegen. Die Legislatur des Staates New York beschlofs in ihrer letzten Session sieben besondere Gesetze über Schulen, Pflasterung, Parks von Buffalo, wie immer unter der Wirkung der An- nahme, dafs die Stadt eine vom Staat mit Charter ausgestattete Körper- schaft und dafs das Charter ein Gesetz ist, das die ganze Verwaltung auf das genaueste bestimmt. Kaum eine gröfsere Stadt der Union ist frei von Mifs Verwaltung und in allen gröfseren — über 200000 Ein- wohner — ist sie ein bekanntes und anerkanntes Übel, das allen politischen Ärzten bis heute trotzt. Besonders in den Städten tritt die Abneigung der besseren Elemente gegen politische Arbeit als eine 328 Städteverwaltung. ernste Gefahr hervor und wird als eine der ersten Ursachen des »mismanagement« betrachtet. In der Schaffung der Städte schliefst man sich im Norden und Westen unbefangen an das praktische Bedürfnis an. Jede dichte Zu- sammendrän gung von beträchthcher Gröfse erhält ein »Municipal Char- ter« und die »Urban Population« reichte soweit wie ihre Verdichtung. Aber die geschichthche Entwickelung hat in manchen Gegenden länd- hche Siedelungen mit städtischen zu einer Einheit zusammengef af st ; wir finden das in den mittleren atlantischen Staaten und in einigen Teüen der Präriestaaten. Als Regel tritt aber diese Zusammenfassung des Verschiedenen in Neuengland auf, wo eine T o w n eine oder zwei städtische mit mehreren ländhchen Siedelungen umfassen kann. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dafs eine einzige Stadt in die Gebiete mehrerer Towns fällt, oder dafs mehrere ursprünghch getrennte Städte sich zu einer einzigen verschmelzen. Die Sorge für die öffentliche Gesundheit nimmt einen her- vorragenden Platz unter den Aufgaben der städtischen Behörden ein. Die grofsen Städte haben eigene Gesundheitsräte mit reichen Mitteln; derjenige New Yorks verausgabte in den letzten Jahren durchschnittlich 240000 D. Die Sterblichkeitszahlen wurden früher meist geringer angegeben als die der meisten europäischen Städte, sind aber nicht ganz zuverlässig. Nicht nur das im Allgemeinen gesundere Leben und Wohnen und die geringeren Kinderzahlen, sondern auch der Zusammenflufs erwachsener und kinderloser Auswanderer, die mit Vorliebe die Städte aufsuchen, drückte die Sterblichkeit herab. Wer aber heute die sorgfältigen Berichte des Gesundheitsamtes von Boston oder New York liest, gewinnt den Eindruck, dafs die nordamerikanischen Grofsstädte jetzt mehr von epidemischen Krank- heiten heimgesucht sind, als die europäischen^). Im Durchschnitt der fünf Jahre 1886—1890 raffte der Typhus in Boston 169, in Berlin 199 Menschen hin. Boston hat zugleich eine unverhältnis- mäfsig hohe Schwindsuchtssterblichkeit. 1890 starben 3,3, 1891 2,9 vom Tausend an Schwindsucht. Über die mangelnde Reinlichkeit 1) 1891 : New York 1 631 232 Einwohner 352 Todesfälle an Typhus. Philadelphia 1046 964 ^ 666 Boston 448477 » 155 »» * London 4421661 > 618 Paris 2424 705 > 656 » . » Berlin 1579524 » 143 » > » Ländliche und städtische Bevölkerung. 329 der Städte wird viel geklagt. Ein Amerikaner hat die Strafsen von New York mit jenen Konstantinopels verglichen. Die Politik mischt sich auch in die Gesundheitspolizei und wirkt hier besonders schädlich. Ländliche und städtische Bevöiicerung. Die Unterschiede in der Verteilung der Bevölkerung über Stadt und Land sind mit der Zunahme der Volkszahl immer grölser, das Volk im Ganzen ist städtischer und der Einfluls der Städte stärker geworden. Aus der ursprünglich rein ländlichen wächst mit beschleunigter Ge- schwindigkeit eine immer mehr städtische Bevölkerung hervor. Die Bewohner der Orte von 8000 Einwohnern und darüber bildeten 1790 ein Dreilsigstel, 1800 ein Fünfundzwanzigstel, 1810 und 1820 ein Zwanzigstel, 1830 ein Sechzehntel, 1840 ein Zwölftel, 1850 ein Achtel, 1860 ein Sechstel, 1870 über ein Fünftel, 1880 ein Viertel, 1890 — mit einem Sprung — fast drei Zehntel (29 \) der Gesamtbevölkerung der V. St. Diese Vermehrung der städtischen Bevölkerung vollzieht sich, durch das Anwachsen in den bestehen- den und das Aufkommen von neuen Städten, die teilweise auf ser- ordentlich rasch sich entwickeln. Nebenher geht auch die nicht seltene Verschmelzung verschiedener Städte zu einer, wodurch die Zahl der Städte vermindert, ihre Gröfse aber vermehrt wird. Jene beiden Entwickelungslinien läfst folgende Übersicht erkennen: Städte mit Census- jahr 8000 bis 12000 12000 20000 bis bis 20000|40000 40000 bis 75000 75000 bis 125000 125000 250000 bis bis 250000 500000 500000 bis 1000000 lOOOOOü und darüber Summe Einwohnern 1790 1 3 1 1 6 1800 1 3 2 6 1810 4 2 3 2 11 1820 3 4 2 2 2 13 1830 12 7 3 1 1 2 26 1840 17 11 10 1 3 1 1 44 1850 36 20 14 7 1 3 3 1 1 85 1860 62 34 23 12 1 2 5 1 2 141 1870 92 63 39 14 i 8 3 5 2 226 1880 110 76 55 21 ' 9 7 4 3 1 286 1890 176 107 91 35 14 14 7 1 3 448 330 I^iö Anziehung der Städte. Einen grofsen Teil des Zuwachses der Städtebevölkerung liefert die überseeische und kanadische Einwanderung. Die Fremden lassen sich mit grofser Vorliebe in den Städten nieder, in denen 1880 60% der Italiener, 45 der Iren, 38 der Deutschen, 30 der Engländer und Schotten wohnten. Nur 31% der Bevölkerung von Boston waren 1885 in dieser Stadt geboren, in den neueng- ländischen Fabrikstädten Fall River und Holyoke nur 17 und 16%. Nicht mit Unrecht wird von den Gegnern der Einwanderung be- sonders darauf hingewiesen, dals das Wachstum der städtischen Bevölkerung einen grofsen Ein Auf s auf die Zusammensetzung der Vertretungskörper übt, in denen die städtischen Elemente die ländlichen immer mehr überwiegen. Die Zunahme der demo- kratischen Partei stützt sich sehr stark auf die Städte und be- sonders ihre fremden Elemente. Die Anziehung der ländlichen Bevölkerung durch die Städte äufsert sich in den älteren Teilen des Landes mit grofser Kraft. Auch drüben klagt man, dafs die Städte »Hirn und Herz des flachen Landes aufsaugen«. Der Zug in die Städte ist in diesen jungen beweglichen Gesellschaften noch viel stärker als in Europa. Der Mangel an Landarbeitern und der Überflufs an unbeschäftigten Arbeitern in den Städten existiert in Amerika, wie er in Australien zu beobachten ist. Dem Wachstum der Bevölkerung des ganzen Landes um 26% steht das der Städte um 45, des flachen Landes um 14 gegenüber. Bezeichnenderweise verliert das Land besonders in der Nähe der Verkehrswege, besonders auch der Flüsse, wo das Abströmen erleichtert ist und die Anziehungspunkte am nächsten liegen. In Ohio hatten 1890 von 27 am Ohio liegenden Grafschaften 13 Rückgang gegen 1880 erfahren. In Massachusetts ist die städtische Bevölkerung von 1855—1875 von 40 auf 50,7% der Gesamtbevölkerung gewachsen und betrug 1885 56%. Boston mit seinen Vorstädten zählte 1885 576000, also 29,6% der Bevölkerung des Staates. Die Aufsaugung der Bevölkerung des Landes durch 1) In dem Rahmen einer langsam wachsenden Bevölkerung zeigt auch die östliche, also ältere Dominion die Abnahme auf dem Lande, den Zuwachs in den Städten (Toronto 1881—1891 von 96000 auf 181000!), das langsamere innere Wachstum sich ausdrückend in dem Rückgang der Gröfse der Familien. Die Grofsstädte. 331 die grofsen Städte zeigt ein langsam wachsender Staat wie New Hampshire in der deuthchsten Weise. Die gesamte Bevölkerung ist von 1880 — 1890 um 25% gewachsen. Die Orte mit über 1500 Einwohnern nahmen alle zu und fast alle um so mehr, je gröfser sie sind, während die zwischen 1500 und 1000 4% und die unter 1000 11 \ einbüfsten. Diese Bewegung geht in New Hampshire seit 1850 vor sich. Endlich wurden die verlassenen Farmen in den letzten Jahren so zahlreich, dafs der Commissioner of Immigration 1890 1442 leerstehende Farmen zählte (Jahres- botschaft des Governors, 1891). In Maine nahm von 1880 auf 1890 die gesamte Bevölkerung um 11325, die der Städte um 14 290 zu, d. h. die ländliche nahm ab. Die Grofsstädte. Diesem Drange nach den Städten entspricht die weitverbreitete Anschauung , dafs die Zahl und Gröfse der Städte eine Zierde des Landes sei. Die Volkszahl gilt als der Ausdruck des Gedeihens. Die kleineren Städte suchen es den gröfseren nachzuthun. Die Schätzungen der Volkszahl, die zwischen den Census-Terminen von privater Seite vorgenommen zu werden pflegen, erwecken immer grofses Interesse, besonders w^enn man in einer Stadt Grund zu haben glaubt, die Censusangaben für zu gering zu halten. St. Louis, das mit den 451 770 Einwohnern des *1 890er Census unzufrieden war, hatte die Freude, im Januar 1892 in Goulds Adrefsbuch 542 922 herausgerechnet zu finden, wodurch der schmerzlich empfundene Abstand von Chicago etwas verkleinert wurde. Das pilzartige Wachstum amerikanischer Städte ist eines der bezeichnendsten Symptome des amerikanischen Lebens. Der unvergleichlich rasche und reiche Verkehr bewirkt hauptsäch- lich dieses Wachstum. In seinem Wesen liegt die Tendenz nach Zusammenstreben in einige bedeutende Punkte mit Übergehung minder bedeutender und nach Zusammenziehung des vielen kleinen Geäders in wenige, aber wirksame Hauptadern. Daher auch die zahlreichen Fälle von Verschmelzung. Neben New York wird das gröfste Beispiel die junge Grofsstadt von mehr als 300000 Ein- wohner am oberen Mississippi bieten. St. Paul und Minneapolis sind im Begriffe, nach so manchem harten Kampfe um die erste Stelle, sich zu einem einzigen Gemeinwesen zu verschmelzen. 1891 332 Die Grofsstädte. machten ihre Strafsenbahnen den Anfang. Die Wettbewerbung beider, oft in humoristischen Formen sich bewegend, war mit der Zeit eine Last geworden. Ein kleineres Beispiel bieten im jungen Nordwesten Portland, East Portland und Albina, die nur durch den Willamette getrennt sind, 1890 zusammen über 60000 Einwohner hatten und jetzt im Begriff sind, sich zu verschmelzen. Unnatürliche Trennungen, ein Erzeugnis der gewaltsamen Grenz- ziehungen (s. o. S. 48), wird die natürlich starke Tendenz auf Zusammenschliefsung überbrücken. Zwischen Bristol Tenn. und Bristol Virg. mit zusammen 6229 Einwohnern läuft die Staats- grenze mitten durch die Hauptstraf se. Ahnlich sind Texarkana Tex. und Texarkana Ark. zwei Hälften derselben Stadt. Cin- cinnati gegenüber liegen s. vom Ohio die Grafschaften von Campbell, Kenton, Boone in der Biegung des Flusses ; sie gehören politisch zu Kentucky, sind aber wirtschaftlich ganz von Cin- cinnati abhängig. Und doch bezeichnet der Handelskammerbericht von 1892 es als eine »impractical proposition and beyond any hope of realization« sie anzuschliefsen. Die Volkszahl Cincin- nati's würde um 60 \ wachsen. Die raschwachsenden Städte ent- sprechen den weiten Räumen, von denen die Menschen und Waren zusammenströmen. Enger als irgend sonst hängt ihre Entwickelung mit der der Verkehrswege zusammen. Besonders" sind sie in solchem Mafse Erzeugnisse der Eisenbahnen, dafs ihr Wachstum stets in einem nachweisbaren Bezug zu der Zahl und Bedeutung der Linien steht, die in ihnen zusammenlaufen. Die Zahl der Hunderttausendstädte betrug 1870 vierzehn, 1880 zwanzig, 1890 dreifsig. Von 1810 — 1890 hat New York seine Bevölkerung versechszehnfacht, Philadelphia die seine verelf facht, Boston die seine verzwölffacht, Baltimore die seine verzehnfacht, New Orleans die seine vervierzehnfacht. Boston ist weniger rasch gewachsen als Massachusetts, da viele seiner Bewohner vorziehen, in den Vorstädten zu wohnen, unter denen Cambridge 70000 zählt. Chicago ist von 1840 — 1890 von 4500 auf 1100000, St. Louis von 1820—1890 von 4600 auf 452000, Cincinnati von 1810—1890 von 2540 auf 297 000, San Francisco von 1860—1890 von 66000 auf 299000 gewachsen. Chicago hat im Jahrzehnt vor 1890 um Washington D. C. 333 mehr als eine halbe Million zugenommen, Minneapolis, S. Paul, Omaha, Kansas City, Denver, sind in dieser Zeit auf das Drei- bis Vierfache gewachsen. Die V. St. besassen 1890 elf Städte mit mehr als 250000 Einwohnern, Deutschland nur sieben. Im Osten sind New York und Philadelphia , im Inneren Cincinnati, Chicago und San Louis, am Stillen Meer San Francisco entweder bereits so grofs oder doch von so gewaltigem und regelmäfsigem Wachstum, dals man sie als künftige Weltstädte und als Maßstab,!: 500.000 Hauptstädte der V. St. bezeich- nen kann. Auch rivalisieren sie bereits in der lebhaftesten Weise im Hinblick auf die hohe Stel- lung, die sie einst einnehmen könnten. Washington, diepoHtische Hauptstadt, ist als sechzehnte in der Reihe mit ihrer Volkszahl von 230000 ebensoweit von der be- herrschenden Gröfse, wie durch ihre geographische vom Mittel- punkt entfernt. Die Absicht ihrer weitbhckenden Gründer ist er- reicht : sie wollten in ihrer Bun- deshauptstadt Washington den idealen Punkt setzen, der gedacht und genannt wird, aber nicht ist^). Wenn man diesen idealen Mittel- Fig. 14. 1) Der Bundesdistrikt wurde 1791 aus Teilen von Maryland und Vir- ginia gebildet , um einen neutralen Boden für die Hauptstadt der V. St. zu schaffen. 1871 wurde dem Distrikt eine territoriale Eegierung gewährt, unter einem vom Präsidenten ernannten Governor und elfgliedrigen Rat, sowie 22 gewählten Delegaten. Ebenso wurde 1863 ein eigenes vom Präsidenten zu ernennendes Gericht für den Distrikt gebildet. Der ganze Distrikt bildet zu- gleich Washington Cy., deren Hauptort Washington ist und deren Bevölke- rung der Mehrzahl nach mit der Regierung und dem Beamtentum (nahezu 6000 Beamte) zusammen- oder von ihnen abhängt. Die Lage am Potomac ist für den Handel sehr günstig, aber er wird fast ganz von Baltimore be- sorgt. Der Bürgerkrieg hat gelehrt, dafs Washington am linken Ufer des Potomac, wo er in ein mächtiges Ästuar übergeht, auf beiden Ufern von 334 New York. punkt einst durch einen materiellen wird ersetzen wollen, wird frei- lich eine mit der räumlichen Weite des Gebietes ebenfalls zusammen- hängende Thatsache zu Schwierigkeiten führen, nämlich die Mehr- zahl von Grolsstädten, von denen einige mit der Zeit eine ziemlich gleichartige Stufe nach Bevölkerungszahl und allgemeiner Wichtig- keit erreichen dürften. In der Unmöglichkeit, für ein so grofses Land eine nach Grölse und Lage zweifellos beherrschende Haupt- stadt zu finden, liegt eine der Garantien, dals Washington nicht so bald abgesetzt werden wird. Gegenwärtig ist Washington sieben Tagereisen vom pacifischen Rande entfernt und eine so excentrische Lage scheint eine Abnormität. Aber welche Stadt des Westens soll an ihre Stelle treten? Vielleicht statt des riesig wachsenden, aber rein nördlichen Chicago das langsamer fortschreitende St. Louis, das fast gleichweit von der Nord- und Südgrenze und wenig mehr als um die Hälfte weiter von der West- als der Ostküste entfernt ist? Solange das Problem nicht gelöst ist, die nordamerikanischen Riesenstädte von politischer Korruption frei zu halten, wird man sich wohl scheuen, die Zentralregierung mit ihr in zu enge Be- rührung zu bringen. An der Spitze der Grofsstädte der V. St. steht New York, dem der Census von 1890 1 515 301 Einwohner zuwies. Zu New York wird Brooklyn, seitdem beide durch die East River-Brücke verbunden sind, mit doppeltem Rechte gerechnet. Ihm weist der Census 806 343, Jersey City 163 003, Hoboken 43 648 zu, und man braucht nicht in die weiteren Umkreise zu greüen, z. B. nach Newark, das eine industrielle Dependenz von New- York ist, um mehr als 3 MiU. Menschen zu finden, die auf den Inseln und an der Mündung des Hudson sich in dem Radius von 25 km um das Rathaus auf Manhattan zusammendrängen. Der Plan eines »Greater New York« , der 1890 der Gesetzgebung des Staates vorlag, bestimmte die Vereinigung der Stadt New York mit Kings und Richmond County und Teilen von Westchester und Queens County, also Brooklyn, Long Island City und Staten-Island. Diese Grolsstadt um den Kern Manhattans würde an Bevölkerungszahl nur hinter London zurückstehen und an ihrem raschen Wachstum zur ersten Stadt der \^^elt zweifelt nur der Westen, der in dem erstaunlich Ketten leicht zu befestigender Hügel eingefafst, auch eine günstige strategische Lage hat, die leicht in ein verschanztes Lager umgewandelt werden kann. Die Städ^egruppe am unteren Hudson. 335 raschen Wachstum Chicagos die Gewähr für die baldige Verschiebung des Centrums an den Michigansee sieht. Aulserdem wird von be- sonnenen Leuten die Frage gestellt, wie angesichts der bekannten Milsverwaltung aller grofsen Städte der V. St. dieser Kolofs von Stadt wohl verwaltet werden würde. Die Amerikaner erwarten zu viel von der Entwickelung Chicagos, wenn sie sie als eine einzige, unvergleich- Fig. 15. Die Städtegruppe am unteren Hudson und das Gebiet der gröfsten Bevölkerungs- verdichtung zwischen Hudson und Potomac. liehe auffassen, die in dem bisherigen Tempo, immer jeden Wett- bewerb schlagend, fortschreiten werde. Sie ist einzig in der SchneUig- keit des Vorauseilens , aber wir haben gerade in den V. St. so viele beschleunigte Entwickelungen sich verlangsamen sehen. Gerade im Vorauseilen zeigt sich das'Vergänghche dieser blendenden Erscheinungen, denn es vollzieht sich auf Kosten anderer Entwickelungen, die un- fehlbar später zu ihrem Rechte kommen werden. Am atlantischen Rande ist an die Stelle einer oder zweier dominierender Städte eine ganze Reihe getreten. Trotz seiner überragenden Gröfse hebt sich New York heute nicht mehr so hell vor den anderen ab wie vor 336 Die Verbreitung der StÄdte. 40 Jahren. So sieht New Orleans ^lobile und Galveston neben sich emporkommen und andere keimen im früher städtelosen Südwesten. Hinter New York folgte seit Jahrzehnten Philadelphia , bis der Census von 1890 Chicago diese Stelle anwies: Chicago 1099 850, Philadelphia 1 046 964. Da wir Brookljni mit New York verbmden, steigen wir sofort auf eine bedeutend tiefere Stufe, wo wir St. Louis, die alte Rivalin von Chicago , mit 451 770, Boston mit 448 477 und Baltimore mit 434439 finden. Eine dritte Gröfsengruppe bilden San Fran- cisco (298 907), die Schwesterstädte ^linneapolis und S. Paul (297 899), Cincinnati (296 908), Cleveland (261353) und Buffalo (255 664): be- zeichnenderweise alles junge Städte des nahen und fernen Westens. Über 200000 Einwohner zählen dann weiter noch New Orleans, Pitts- burg, Washington, Detroit und Milwaukee. Und über 100000 zählen Newark, Jersey City, Louis^'ille, Omaha, Rochester, Kansas City, Pro- \idence, Denver, Indianapohs, Allegheny. Die Verbreitung der Städte. Die Bildung von Städten ist nicht in allen Teilen der V. St. gleich rasch fortgeschritten und noch heute sind einige Gebiete städtereich und andere städtearm. Über den Zusammenhang dieser Erscheinung mit der Volksdichte haben wir im vorigen Kapitel gesprochen (s. S. 304 u. f.). Er ist nicht der einzige. Handel und Industrie haben Städte in dünn- bewohnten Regionen ins Leben gerufen, wo sie manchmal ohne jede ländhche Umgebung wie Oasen in der Wüste stehen und ganz abhängig sind von einer einzigen Erzader oder einer Eisenbahn- linie^). Ean kleinliches poUtisches Motiv hat dagegen im Süden die Entwickelung der Städte aufgehalten. Man hemmte sie mit voller Absieht; nur die an der See: Charleston, Savannah, New Orleans, später Mobile und Galveston erhoben sich früh zu einer mäfsigen Blüte. Aber man fürchtete alle Anlässe zur Anhäufung der Neger in den Städten, zu der sie erfährungsmäfsig geneigt sind. Daher die Seltenheit kleiner Binnenstädte, die Vorliebe, mit der Grafschafts- Hauptorte an die Kreuzung zweier Wege in Gestalt einiger Hütten 1) Bear River City in Wyoming war 1874 verlassen, eine wüste Stelle neben der Bahn, wüster als die Steppe imiher, mit eingestürzten Lehmmauern, die oft noch die Hüttenumrisse erkennen lassen; Backsteine, Balken, Zaun- pMhle und zahllose Blechreste von Konservenbüchsen bedeckten den Boden, Wahsatch war noch später eine wichtige Station und verfiel, als Lokomotiv- schuppen und Speisehaus nach Evanstown verlegt wurde. Cheyenne war fast Ruine, als die Einmündung der Denver-Linie es neu aufleben üefs. Städtearme nnd städtereiche Gebiete. 337 gelegt T^-urden. Im Norden begünstigte man die Ent\i'ickelmig , der Städte, weil man die Industrie und den Handel begünstigen wollte. In der Städtebildung trat und tritt immer stärker die An- häufung des Eisens und der Kohle in dem Gebiete ö. des Mis- sissippi hervor. Neun Zehntel der Kohlenlager liegen in diesem Gebiet und zwar von der Nord- bis nahe an die Südgrenze und hier ist im Norden die Städtebildung schon lange am regsten und beginnt im Süden lebhaft zu werden. Ehe die Kohlen- und Eisen- lager von Tennessee und Alabama ausgebeutet wurden, war der Konflikt zwischen dem Norden und Süden in den ersten Anfängen und früher noch mehr als später auch der Widerstreit der dicht- wohnenden städtischen, gewerb- imd handeltreibenden Bewohner der nordöstüchen und der dünngesäeten ländHchen vom Ertrag der Pflanzungen lebenden Bewohner der südHchen Staaten der Union. Der überall wiederkehrende Gegensatz zwischen Agrariern und Handelsleuten, Bauern und Bürgern hatte hier einen auch geographisch grolsen und scharf abgegrenzten Ausdruck gefunden. So wie einst in der alten Welt die Städte wider ihre ländhche Umgebung, standen Ijier städtische und ländhche Interessen auf zwei Hälften des Landes verteilt gegeneinander. Die Städte mit mehr als 8000 Einwohner sind am zahl- und volkreichsten in den nordatlantischen Staaten, dann im nördHchen Teil des Mississippi- und Seengebietes ; dort umschhefsen sie 49,2, hier 31,7%, zusammen fast fünf Sechstel der städtischen Gesamt- bevölkerung. Sie sind in den südatlantischen Staaten nur mit 7,8, in dem südhchen centralen Gebiet mit 6,3, im Westen mit 4,9 vertreten. Diese sehr ungleiche Verteilung lälst erkennen, dals die Herausbildung der grolsen Städte nicht blols eine Thatsache der allgemeinen Dichtigkeit der Bevölkerung, sondern auch der Geschichte und des wirtschaftHchen Lebens ist, denn wir finden sie am stärksten in den alten imd gewerbthätigen Staaten. Die MilHonenstädte Hegen am atlantischen Kand und im Seengebiet, die HalbmiUionenstädte reichen nicht über den Mississippi hinaus. Je weiter wir nach Westen gehen, um so mehr treten die grolsen Städte zurück, w. vom Meridian vom Milwaukee sind nur noch die drei Mississippi-Grofsstädte, die um 6 und 9® auseinander- Ratzel. Die V.8t von Amerika. 22 338 Städtearme und städtereiche Gebiete. liegen. Und dann nur mittlere Städte weit zerstreut bis das ein- zige Denver am Fufs der Felsengebirge und endlich am Stillen Ocean San Francisco uns entgegentritt. Am städteärmsten ist noch heute der breite Raum von 19^ zwischen dem Fufs des Felsengebirges und dem pacifischen Rand, wo nur Salt Lake City mit 45000 hervorragt. Aber weiter im Norden wird- un- zweifelhaft schon die nächste Zählung neue gröfsere Städte in dieser Zone zu Tage bringen. Nichts lehrt schlagender die Jugendlichkeit der ganzen Entwickelung als die höchst un- gleiche Verteilung der Städte und die raschen Veränderungen, die gerade an ihnen zu Tage treten. Viele Plätze, die einst not- wendig grofse Städte haben müssen, sind noch frei von ihnen, so das ganze obere Missouri- und Columbia- Gebiet; an anderen keimen sie eben hervor, wie am Füget Sund, im nördlichen Teil der grofsen Seen, im westlichen Golfgebiet. Auch im Süden keimen künftige Grofsstädte, deren es bisher s. vom Parallel von Cin- cinnati nur eine einzige, New Orleans gab. Eine Reihe von werden- den Industriestädten und Verkehrskreuzungen bilden sich am westhchen Abhang der AUeghanies: Knoxville und Chattanooga in Tennessee, Birmingham in Alabama, Atlanta in Georgia; in Florida und Texas sind jüngere Hafenstädte, wie Tampa und Galveston in vielversprechendem raschen Wachstum. Von 74 Städten, die 1890 über 40000 Einwohner zählten. Hegen 14 w. vom Mississippi, sie zählen zusammen nur 1110000; es sind San Francisco mit Oakland, Los Angeles, Portland, Seattle (zusammen 487000) am pacifischen Rand, Denver und Salt Lake City (182000) im Cordillerengebiet, Omaha, Kansas City, Lincoln, S. Joseph, De Moines, Peoria (471000) im Steppengebiet. Von den 60 übrigen hegen 2 am oberen Mississippi, die Schwesterstädte Minneapohs und S. Paul (298000), 6: Buffalo, Detroit, Milwaukee, Rochester, Saginaw, Erie (1987000) im Seengebiet; 6: Cincinnati,' Cleveland, Louisville, Indianopolis, Columbus, Evansville (863000) im Ohiogebiet, 2 am mittleren Mississippi: St. Louis und Mem- phis (516000); 4 in der Alleghanyregion : Pittsburg, Allegheny, Sjrracuse, Troy, Utica (526000), 15 in Neuengland, wovon Boston mit Cambridge, Providence, New HaVen, Bridgeport, New Bedford Städtegruppen. 339 (821000) am Meer, Worcester, Lowell, Fall River, Lynn, Hartford, Lawrence, Springfield, Manchester, Sommerville (518000) im In- neren, 11 im mittleren atlantischen Gebiet, wovon New- York mit Brooklyn, Jersey City und Hoboken, sowie Philadelphia (3 574 000) an der Küste, Newark, Scranton, Paterson, Reading, Camden, Tren- ton (571000) im Inneren, 3 an der Chesapeake-Bay : Baltimore, Washington und Richmond (745 100), 3 im südlichen atlantischen Gebiet: Atlanta, Charleston, Savannah (164000) und 1 im Golf- gebiet: New Orleans (242000). Städtegruppen. Die Städte des gleichen Gebietes zeigen nicht blols eine Famüienähiilichkeit, die auf die Übereinstimmung der geschicht- lichen Entwickelung und die Ähnlichkeit der äufseren Bedingungen zurückführt, sie sind auch Träger übereinstimmender Funktionen und treten als solche entweder in Verbindung, indem sie sich ergänzen, oder in Wettbewerbung; entwickeln sich miteinander oder gegen- einander. An der atlantischen, stufenweis nach Süden und Westen zu abfallenden Küste Nord-Amerikas liegen sechs grofse Seestädte, jede südhcher gelegene ist damit auch weiter nach Westen, von dem europäischen Verkehr ab- und dem Binnenlande zugerückt. Hahfax, Quebec, Boston, New York, Philadelphia, Baltimore sind die Hauptplätze auf dieser Linie, die sich in die Arbeit des transatlanti- schen Verkehres teüen. Solange Nordamerika in seinem Handel- und Verkehr abhängiger von Europa war als heute, war Boston als die Europa nächstgelegene Hauptstadt der besiedeiteren Bezirke das Em- porium der jungen Kolonien. New York rückte an diese Stehe von dem AugenbUck, dafs die eigenen, inneren Produktionsverhältnisse der Union ausschlaggebend wurden. Der telegraphische und Post- verkehr hat jedoch lange den Vorsprung der nördlichen Häfen benützt. New York, das am Ende des 17. Jahrhunderts 5000 Einwohner gezählt hatte, wuchs von 1790 bis 1820 jedes Jahrzehnt um 30 000 und hatte im letztgenannten Jahr Boston und Philadelphia fast eingeholt. Den entscheidenden Zug aber that es mit der Erbauung des Eriekanals, der, 1825 eröffnet, New York zum Haupthafen für das damals in der energischsten Besiedelung und Ausbeutung befindhche Land südlich von den grolsen Seen machte. Wenn New York in den Jahrzehnten, die 1830, 1840, 1850 folgten, seine Bevölkerungszahl um 110000, 203000, 298000 steigen sah, erbhckte es darin mit Recht nur einen Reflex seiner in Jahrzehnten sich in der Bevölkerung verdoppelnden Hinter- länder Ohio und Indiana. Philadelphia, das sich den Weg ins Innere durch die Gebirgsmauer verbaut sieht, Boston, das jedes natürhchen Weges ins Innere entbehrt, bheben weit zurück. Andere Motive halfen 22* i \ B R 40* 340 Städtegruppen. das Wachstum beschleunigen, so der den neuen Bedürfnissen des inter- nationalen Verkehres besser angepafste kosmopolitische Charakter der Newyorker im Gegensatz zu dem der weniger beweglichen Puritaner von Boston und der Quäker von Philadelphia. New York, Philadelphia und Baltimore sind alle drei unter dem Einflufs der Lage in der dichtest bevölkerten, mineralreichsten und für den Verkehr mit dem Seen- gebiete günstigst gelegenen Landschaft erwachsen. Baltimore, das günstige Inlandsverbindungen besitzt, wird mit der Entwickelung der Ohiostaaten und des Südens noch weiter fortschreiten. Mit diesen nördlichen atlantischen Städten sind am engsten ver- bunden sowohl in der Entstehung als in den Funktionen die Städte des Seengebietes, unter denen die gröfsten die nach Süden und Osten vorgeschobenen Sammelpunkte sind: Chicago 1100000, Cleve- land 261000, Buffalo 256000, Milwaukee 204000, Rochester 134000. In der ganzen Fünfgradzone n. von ihnen entwickeln sie sich erst, aber in grölserer Zahl. Und welche Lagen könnten berufener sein als die von S. Marys Falls, Duluth oder Superior City? Die erste der Durchgangsstädte ist Detroit am gleichnamigen Kanal (206000). Buffalo wird nach Erbauung des neuen Niagarakanals in diese Reihe eintreten, in der Port Huron am S. Clair- und S. Marys Falls am gleichnamigen Kanal erst untergeordnete Stehen einnehmen. Die Ohiostädte Cincinnati (297000), Louisville (161000), Indianapolis (105000) finden ihre Verbindung nach Westen mit dem Missisippi und sind nach Osten am günstigsten für den Verkehr mit den Städten an der Chesapeake Bay gelegen. Pittsburg (239000), als die am weitesten nach Nordosten vorgeschobene, gehört schon in den Kreis von Philadelphia und New York. Cincinnati und Louisville sind Sammelpunkte für das südwesthche Alleghany- Gebiet, besonders für die jungen Industriebezirke von Tennessee und Alabama, wo in Chattanooga und Birmingham kleine Pittsburgs heranwachsen. Der direkte Verkehr nach den südatlantischen Hafenstädten über die AUeghanies wird später diese Gebiete an sich zu ziehen suchen. Einstweilen herrscht in den Hafenstädten s. von C. Hatteras überall die Funktion der Ausfuhr der Erzeugnisse der Äcker und Wälder des nächsten, räumhch beschränkten Bezirkes vor. Charleston, Sa- vannah, Brunswick, Mobile, New Orleans, Galveston sind BaumwoUenhäfen, Pensacola hat seine Holz- und Teer-, Jackson ville seine Orangen- Ausfuhr. Die Einfuhr ist auch in New Orleans (242000) beträchthch, da der Mississippi und seine Zuflüsse die Verteilung der Waren über das Land hin erleichtern. Die westlichen Golfstädte von New Orleans an sind durch An- näherung an das pacifische Gebiet zu gröfseren Aufgaben berufen. Westhch von New Orleans werden am Golf einige Plätze heran- Städtegruppen. 341 wachsen, die als Endpunkte durchgehender Verkehrswege, kürzester Linien aus dem Südwesten und den pacifischen Staaten nach dem At- lantischen Ocean selbständige Bedeutung gewinnen werden. (S. 17 u. 75.) Die Mississippistädte und die des Ohio und Missouri sind von S. Paul-Minneapohs, Pittsburg und Omaha an bis zum Golf durch die grolsen Stromschiffahrtswege verbunden. Was s. von Cairo hegt, hängt aber enger mit New Orleans zusammen, und hat, ähnlich wie überall im Süden, beschränkte Kreise gezogen. Zu Vicksburg ge- hört das Yazoogebiet, Memphis (65000) zieht den Verkehr aus dem westhchen Tennessee und dem Tiefland von Arkansas an. S. Louis Fig. 16. Die Städtegruppe an der Bucht von San Francisco und das Gebiet gröfster Bevölkerungsverdichtung am Stillen Ocean. (452,000) Hegt in der Mitte zwischen Süden und Norden und ist Sam- melplatz für das untere Missouri-Gebiet, während der obere Mississippi schon in den Kreis von Chicago gehört. Die Physiognomie beider Gruppen ist weit verschieden: s. von S. Louis Alter und langsamer Fortschritt, n. davon dasselbe jugendüche Auf schief sen wie in der Seenregion und selbst in manchen kleineren Städten ausgesprochen neuengländischer Tjrpus. Ein einzige Stellung nimmt die nördhchste Grofsstadt Minnea- polis-S. Paul (300 000) ein, die am Ende der Schiffbarkeit des Mis- sissippi hegt, wo die Falle gewaltige Wasserkräfte darbieten, durch die die gröfste Mühlenstadt der Erde sich entwickeln konnte. Unter den Missouristädten treten die Kreuz ungspunkte der grofsen Westbahnen 342 ' Städtegruppen. mit dem Strome hervor: Kansas City (133 000) an der Kansas Pacifik-, Omaha (140000) an der Central Pacifik-Bahn, dieses Sammelpunkt für das Becken des Kansas, jenes für das des Platte, dieses zu S. Louis, jenes zu Chicago gehörig. Was weiter im Norden an der Nord Pacifik- Bahn sich entfaltet, gravitiert nach S. Paul-Minneapolis. In den Westgebirgen haben an Stellen, die mehreren Thalein- gängen gegenüber für Bewässerung günstig und in der Nähe reicher Erzlager gelegen sind, sich gröfsere Bergstädte entwickelt, für die Denver (107000) typisch ist: Salt Lake City (45000), Virginia City Nev. und Helena Mont. Wie zu Denver Leadville und Pueblo, gehören zu jeder einige der zerstreuten kleinen Mittelpunkte der Berg- werksregion. Cheyenne ist die Stadt des Evans-Passes. Am Stillen Ocean sind die Gebiete der Städtebüdung zugleich die der gröfsten Bevölkerungsverdichtungen : San Francisco (299000) mit Oakland und Sacramento, Los Angeles im oasenhaften Süden, Portland (46000), die Stadt des Oregon, und die früher genannte Gruppe in der Fjordbucht von Puget-Sund. Zu den örthchen Gründen der Städteentwickelung kommen ähnhch wie bei den Städten der Seen- region die Beziehungen zu den östhcheren, die die südkalifornischen Städte mit denen des Golfes, San Francisco mit Denver, Omaha und Chicago, die von Washington mit S. Paul-Minneapohs näher verbinden. XIV. Das innere Wachstum der Bevölkerung. Das innere und das äufsere Wachstum 344. Das Verhältnis der Ge- schlechter 245. Die Gröfse der Familien 345. Geburten und Todesfälle 346. Geographische Verbreitung einiger Krankheiten 352. Selbstmorde 353. Der Alters-Aufbau der Bevölkerung 353. Das innere und äufsere Wachstum. Das Wachstum der Bevölkerung der V. St. geschieht in einem so grolsen Malse durch Zuwanderung, dals die gesamte Zunahme mit der keines anderen Volkes der Erde verglichen werden kann; denn keines kommt diesem in der Grölse der Einwanderung nahe. In den 100 Jahren, in denen die Bevölkerung der V. St. sich versechszehnfacht hat, hat die Deutschlands sich verdreifacht. Nun kennen wir seit 1821 die Gröfse des gröfsten Teils der Einwanderung und können annähernd den Beitrag schätzen, den sie zum gesamten Wachstum der Bevölkerung geliefert hat. Vgl. die Angaben auf S. 357 f., von denen man allerdings die Zahl der- jenigen abziehen mufs, die einwandern, ohne als Einwanderer ge- zählt zu werden. An den Landgrenzen besonders ist sie sicherlich nicht klein, entzog sich aber bis zu der ängstlichen Überwachung der Einwanderung, die eine ganz neue Thatsache ist, jeder Berech- nung. Zu irgend einer Zeit erscheint sie jedoch im Plus der Summe der Bevölkerung und steigert dann die natürliche Vermehrung zu einer überraschenden Höhe. Es bleibt aber immer noch eine be- trächtlichere natürliche Zunahnle als in den vermehrungskräftigsten Völkern Europas. Die Weite des Raumes, die Gröfse der Aufgaben, 344 Das Verhältnis der Geschlechter. die Fülle der Nahrungsmittel, das jugendliche Alter der Masse der Einwanderer : alles weist auf starke Vermehrung durch Über- schuls der Geburten hin. Die Überlieferung und die geschicht- lichen Nachrichten lassen auch keinen Zweifel, dals die Regel der starken Familien der jungen Siedel Völker auch bei den Nordameri- kanern sich bewährt hat und teilweise noch bewährt. Aber eben in der Jugend der Bewohner neuen Bodens liegt auch eine Schranke der Vermehrung, da die Geschlechter in ihnen immer ungleich verteilt sein werden, da die harte Arbeit der Urbarftiachung und ersten Anpflanzung manches Leben verkürzt, und da endlich die erst Eingewanderten leichter geneigt sind als die Altansäfsigen, wieder weiter zu wandern, und damit das Verhältnis der Geschlechter immer von Neuem zu verändern. Dann wirkt aber der weite Raum auch anziehend auf die in älteren Teilen desselben Gebietes Wohnenden, veranlafst sie zu wandern und erzeugt eine Ungleich- heit der Geschlechter im entgegengesetzten Sinne, nämlich einen Frauenüberschufs unter den Zurückbleibenden, der nun ebenfalls wieder der Vermehrung nicht günstig ist ^). Das Verhältnis der Geschlechter. Die Geschlechter sind in der Bevölkerung der V. St. noch immer ungleich vertreten, wie in allen jungen, neubesiedelten Ländern. 1890 standen 32 067 880 Männern 30554370 Frauen gegenüber. Aber der Unterschied wird durch das Übergewicht der älterbesiedelten Staaten immer geringer, in denen sogar durch die stärkere Auswanderung der Männer und die grofsartige Ausnützung der Frauenarbeit in den Fabriken ein überwiegen der Weiber eingetreten ist. In allen Gebieten, die in der Urbarmachung begriffen sind, auch wenn sie dem alten Kern des Landes angehören, wie im nördlichen Maine und den Adi- rondacks, besonders aber im ganzen Westen, und zwar vom Kamm der Alleghanies an mit der Entfernung zunehmend, finden wir die Männer in der Mehrzahl. Es ist wie ein Überschwellen der gröfseren Kraft und Kühnheit nach den noch unbesiedelten, harte Arbeit erfordernden Gebieten. Zurück bleiben die Frauen, die übrigens schon bei der ersten Zählung von 1790 in Massachusetts, 1) Über sehi Auftreten bei den Negern s, o. S. 276. Gröfse der Familien. 345 Rhode Island und Connecticut im Überscliufs vorhanden waren. Nur lag damals der grolse Männer überschufs noch ganz nahe, in Vermont, Kentucky, Ohio; heute sind Kalifornien, Colorado, Montana, Wyoming, Dakota u. dgl. die frauenärüisten. In der Mitte werden die Gebiete stehen, in denen eine mäfsige wirt- schaftliche Entwickelung, die sich hauptsächlich auf den Ackerbau gründet, seit Jahrzehnten fortschreitet ; es sind das die Südstaaten, einige Staaten des alten Westens und im Osten die industrie- armen Staaten. In Pennsylvanien und New Jersey haben wir das seltenere Beispiel, dals die Industrie den ausgleichenden Ersatz an einwandernden Männern heranzieht. Der Census von 1880 erlaubt die Staaten und Territorien nach dem Verhältnis beider Geschlechter in folgende Gruppen zu teilen: Der Überschufs der Frauen beträgt 5®/o und darüber: Distrikt von Columbien, Rhode Island, Massachusetts*). Der Überschufs der Frauen beträgt 2'/« bis 5%: Connecticut, New Hampshire, Nord-Carolina, Süd-Carolina, New York, Virginien, Alabama. Der Überschufs der Männer beträgt mehr als 50 Vo und darüber : Montana, Arizona, Wyoming, Nevada, Idaho*). Der Überschufs der Männer beträgt 50 bis 20%: Colorado, Washington, Dakota, Kalifornien, Oregon. Der Überschufs der Männer beträgt 20 bis 10 ''/o: Nebraska, New Mexiko, Kansas, Minnesota, Michigan, Texas. Der Überschufs der Männer beträgt 10 bis 5^»: Iowa, Missouri, Arkansas, Utah, Wisconsin, Illinois. Dem Gleichgewichte nähern sich mit 5®/o Männerüberschufs bis 2*/«% Frauenüberschufs : Indiana, West-Virginia, Florida, Delaware, Kentucky, Ohio, Vermont, Mississippi, Maine, Pennsylvania, Tennessee, Louisiana, New Jersey, Georgia, Maryland. Im Laufe unseres Jahr- hunderts ist die weibliche Bevölkerung immer stärker nach Westen vorgedrungen. In Kanada sind die Unterschiede ähnlich gelagert (Provinz Quebec 100,4% Frauen, Manitoba 77,2), die gröfsere Zahl der Indianer läfst sie aber nicht so grofs werden. Gröfse der Familien. Diese Zahlen stehen natürlich in engem Zusammenhang mit denen für die Familien, deren man im Juni 1890 1) In Rhode Island kamen auf 100 000 Männer 107 870, in Massachusetts 107 712 Frauen. 2) Auf 100000 Männer kamen 38975 Frauen in Montana, 43394 in Arizona, 46897 in Wyoming, 66872 in Kalifornien. 346 Bewegung. in den V. St. 12 690152 zählte i), so dafs 4,93 Personen auf die Familie kamen. Seit 1850 ist die Grölse der Familien stetig von 5,5 an gesunken. Sie war immer grölser im Osten als im Westen und im Süden grölser als im Norden ; aber die neue Zählung zeigt schärfere Unterschiede. Jetzt ist die durchschnittliche Zahl der Familienglieder im nordatlantischen Gebiet 4,69, im südatlantischen 5,25, im centralen nördlichen 4,86, im centralen südlichen 5,30, und im westlichen 4,88. Das dichtbevölkerte nordatlantische Ge- biet zeigt die kleinsten Familien, dahinter kommt der Westen und die nördliche Mitte, "also die jünger besiedelten Gebiete, und end- lich mit den gröfsten Zahlen die beiden Abschnitte des Südens. Verfolgt man die Entwickelung der Familien in den Census- berichten seit 1850, so sieht man sie in den neubesiedelten Ge- bieten von der geringsten Gröfse an rasch heranwachsen, während sie wieder abnehmen, sobald das städtische Wohnen gröfsere Aus- dehnung gewinnt. Heute sind überall in den alten Staaten des atlantischen Randes und auch schon im alten Westen die Fa- milien kleiner geworden und eine Ausnahme machen nur jene alten Staaten des Südens, wo die Negerbevölkerung vorherrscht; Mississippi und das westliche Tennessee bilden das grölste zu- sammenhängende Gebiet grofser Familien im Mississippi-Becken ^). Zwischen 1880 und 1890 ist nahezu in allen Städten mit mehr als 10000 Wohnungen die Gröfse der Familien zurückgegangen, ausgenommen wieder den Süden und jungen Westen. Die ent- sprechende Thatsache des wachsenden Überschusses der Familien über die Wohnungen (s. S. 326) hängt sicherlich damit zusammen. Bewegung. Geburten und Todesfälle werden nicht für das gesamte Gebiet der V. St. gezählt und nur Schätzungen sind es? die 1) Als Familie bezeichnet der Census von 1890 nicht nur die gewöhn- lich so genannte Vereinigung von Eltern, Kindern u. s. w., sondern auch die Alleinlebenden und die gröfseren, unter gemeinsamem Dache beisammen- lebenden Gemeinschaften, also die Insassen von Gasthäusern, Gefängnissen, Hospitälern. Die Famiüe wird dadurch natürüch erweitert, angeblich in ge- ringem Mafse. In Massachusetts, dessen Staatscensus für 1885 die Familie im gewohnten Sinne fafst, beträgt die Zahl der Famihengheder 4,45, während die Famiüe im Sinne des Census der V. St. 4,58 zählt. 2) Über die Bedeutung dieser Thatsache vgl. o. S. 272. Geringe Zahl der Geburten. . 347 wir in den Censusberichten über Vital Statistics *) finden. Wohl aber stellen die amtlichen Zählungen einige andere Zahlen fest, die für die Erkenntnis der Fortbildung oder Rückbildung dieses Volks- körpers von Bedeutung sind. Wir erwähnen zuerst die der Kinder unter 1 Jahr, für die in den amtlichen Volkszählungen eine Spalte offen gehalten ist. Aber ihre Zählung geschieht so ungenau, dals die Censusberichte das Ergebnis nur in stark korrigierter Form zu geben vermögen. Es wird die Zahl der Geburten aus der der Kinder berechnet, die im Census jähre geboren waren und Ende desselben noch lebten. Man zählte 1880 1 auf 34,6 der Ge- samtbevölkerung. Ordnet man die Staaten und Territorien nach diesem Verhältnis, so findet man, dafs am kinderreichsten alle jüngeren, aber schon seit mehreren Generationen besiedelten Ge- biete sind, so ein auffallender Streifen, der von Dakota bis Texas zu verfolgen ist, dann die Süd-Staaten, die Industriegebiete und das Gebiet der Polygamie; am kinderärmsten sind die Neuengland- staaten und die daran angrenzenden Striche des w. New York und Fennsylvanien, zwei der jüngsten im pacifischen Westen und nahezu alle erst in der Besiedelung begriffenen Staaten und Territorien, also vorwiegend die Gebiete mit erheblichem Frauen- oder Männerüberschufs. Aber auch schon in dem alten Westen .beginnt die Kinderarmut aus dem Nordosten herüberzugreifen. Nach dem Census von 1880 steht dem Minimum der Geburten- zahl von 19,1 in New Hampshire das Maximum von 42,7 in Arkansas gegenüber. Nur einige Staaten mit sorgfältiger Zählung der Geburts- und Todesfälle liefern uns einige schärfere Züge zum Bilde des inneren Lebens dieses Volkskörpers. Der Census von Massachusetts von 1875*) bringt folgende Beiträge: 398 759 Bewohnerinnen sind oder waren verheiratet und 309 520 von ihnen hatten geboren. Während aber die einheimische zu der fremdgeborenen Bevölkerung sich wie 74:25 verhielt, verhielt sich die Zahl der geboren habenden wie 61 : 38. 1) Das grofse Werk über den X. Census umfafst 2 Bände Vital Sta- tistics , Bd. XI und Xn des Censuswerkes , die 1882 veröffentlicht wurden. Vgl. auch den Aufsatz von E. B. Elliott im Ninth Census 11. 517 f. 2) Vol. I. Population and Social Statistics. Prep, under the Dir. of C. D. Wright. Boston 1876. 348 Geringe Zahl der Geburten. Von den einheimischen Weibern hatten 30, von den fremden 53 "/o geboren. Auch die Zahl der Geburten pro Mutter gibt den Ein- gewanderten ein starkes Übergewicht. Auf eine einheimische Mutter kommen 3,55, auf eine deutsche 4,23, eine enghsche 4,4, eine kanadi- sche 4,78, eine irische 5,03. 1874 kam durchschnitthch auf 6 ^A Mütter 1 Geburt, aber bei den einheimischen Müttern war dieses Verhältnis 1:9, bei den fremden 1:4%. Mit anderen Worten, 190311 einheimi- sche Mütter gebaren in diesem Jahr 20666 Kinder, 119,209 fremde dagegen 24965. Seit 1867 hat die Prozentzahl der Geburten von amerikanischen Eltern erhebhch abgenommen. Allerdings schwächt die gröfserere Sterbhchkeit der Kinder der Fremdgeborenen wieder in etwas dieses Übergewicht ab. Am 1. Mai 1885 wurden in Massachusetts 470,206 verheiratete Frauen gezählt, 62 Vo Einheimische und 38 7o Fremde. Unter den mit Kindern gesegneten waren 60 "/o Einheimische und 40*^/0 Fremde. Die einheimischen Mütter hatten durchschnitthch 3,37 Kinder, die Fremden 5,22. Die Verhältnisse sind also seit 1Ö75 noch ungünstiger für die Einheimischen geworden. Aus dem XX. Be- richte über die Bewegung der Bevölkerung des kleinen Staates Rhode Island*) für das Jahr 1872 geht hervor, dafs in diesem Jahre 6143 Kinder im Staate geboren worden sind, von denen 2620 amerikanische, 2806 fremde Eltern und 717 Eltern beiderlei Abstammung hatten. Und doch gab es 1870 unter der Gesamtbevölkerung von Rhode Island, die 217353 betrug, ' 161 957 Amerikaner und 45399 Fremdgeborene. Die fremdgeborene Bevölkerung verhält sich zu der einheimischen wie 21 : 79, die beiderseitigen Geburtszahlen verhalten sich wie 52:48. Auch die Zählungen, die unabhängig vom Census in den gröfseren Städten vor- genommen werden, deuten auf ähnhche Verhältnisse. Im Vergleich mit europäischen Städten ist die Kinderzahl beschränkt. Der Prozent- satz der Kinder unter 5 Jahi-en betrug 1890 in Boston 8,8, Phila- delphia 9,9, New York 11,6, Paris 6,2, Berhn 10,4, London 13«). Die auffallend geringe Zahl von Todesfällen von Kindern unter 1 Jahr in Massachusetts (20,4 in 1880) wird nur von Frankreich (17,6 in 1879) unterboten. Dafs die natürhche Vermehrung der einheimischen Bevölkerung geringer als die der eingewanderten, tritt aus diesen Zusammen- stellungen klar hervor. Über die Gründe dieser und ähiiHcher Erschei- nungen hat sich Francis A. Walker, der Leiter der 1870er Zählung, in unmifsverständücher Weise ausgesprochen. Nachdem er das ge- 1) Prepared under the Superintendence of Joshua M. Addeman by Dr. E. T. Caswell. Providence 1875. 2) Vgl. die Liste im Twentieth Annual Report of the Health Depart- ment for 1891. Boston 1892. p. 44. Rückgang der Geburten. 349 ringere Wachstum der Farbigen , die direkten Verluste durch den Krieg infolge von Wunden und Krankheiten, die indirekten durch Verzögerung der Volksvermehrung und Einwanderung hervorgehoben, fährt er fort: »Als fünfte Ursache kann noch angeführt werden, die offenkundige Zunahme in vielen Teilen des Landes von Lebensgewohn- heiten, die stark darauf ausgehen, das Wachstum unserer Volks- zahl langsamer werden zu lassen, und die, wenn darin verharrt wird, die Ausweise einer künftigen Zählung kaum so befriedigend erscheinen lassen werden wie die vorliegenden, und ohne dal's man dann einen verwüstenden Krieg für den Verlust von Hunderttausenden auf Schlacht- feldern und in Hospitälern verantworthch machen könnte. Niemand kann mit dem Leben in unseren östKchen und mittleren Staaten und in den Städten des Westens vertraut sein, ohne zu bemerken, dafs amerikanischen Eltern nicht mehr so viele Kinder geboren werden wie in früheren Tagen. Luxus, Mode und das Laster des »Boarding« *) wirken zusammen, um das Wachstum der Famiüen in einem Grade zu beschränken, der in einigen Teilen sogar die Fortpflanzung unseres ursprünghchen Stammes bedroht. Diese Richtung bedarf nicht des Beleges durch statistische Angaben. Sie ist offenkundig und greifbar« *). Die verschiedensten einheimischen und fremden Beobachter heben die kleine Kinderzahl besonders in den neuengländischen Familien hervor, wofür sie bald den Luxus, bald die Zartheit der Konstitution, bald so äulserhche Gründe nennen, wie die Schwierigkeit, gute weibliche Dienstboten und Pflegerinnen zu finden. Die Abneigung, ihre Kinder der Wettbewerbung mit armen Einwanderern auszusetzen, wird natür- Uch auch als eine Ursache der Kinderarmut der Amerikaner angegeben. Auch Beobachterinnen sprechen von dieser Abneigung wie von einem nationalen Charakterzug ^). Auch die gedruckte öff enthebe Meinung erteilt manche Lehre. So erregte in den nordamerikanischen Blättern 1) Des Lebens in Gasthäusern oder Pensionen. 2) Ninth Census Vol. I, XIX. Weniger klar ist die daran sich an- schliefsende Bemerkung Walker 's, dafs »noch andere Erscheinungen vor- liegen, die andeuten, dafs die V. St., indem sie von dem Knorpel der Jugend zum festen Knochenbau der Männlichkeit übergehen, etwas von dem raschen Wachstum verlieren, das zu den Eigentümlichkeiten der Jugend gehört, und dafs wir mit der Zeit als Nation mit einer etwas geringeren Zunahme als der früheren uns begnügen müssen«. Nachdem die Sterblichkeit nicht gewachsen ist, bleibt doch wohl nur die Abnahme der Einwanderung und der Geburten als Ursache des geringeren Wachstums übrig. 3) »The American women do not care to have children and have httle baby and nursery love«. Mrs. Ch. Kemble, Records 1848—83. 1891. Vgl. auch o. S. 239. 350 Abnahme des Wachstums. die Ängstlichkeit der Franzosen über den Rückgang der Geburten in Frankreich bezeichnenderweise nur Staunen und wurde als eine chauvinistische Regung belächelt. Malthus ist ein oft genannter Schriftsteller, Neomalthusianismus ein behebtes Schlagwort^). Die Ergebnisse jeder Zählung seit 1870 sind hinter den Er- wartungen zurückgeblieben. Für 1870 hatte man nach der bis- herigen Zunahme eine Bevölkerungszahl von über 42 Mill. erwartet und zählte dann blols 38,5. F. H. Walker schätzte die Sunrnie, um die die Bevölkerung im Jahrzehnt 1860 — 1870 vorzüglich in- folge des Bürgerkrieges, der die Vermehrung der einheimischen Bevölkerung nicht weniger als die Zuwanderung von aufsen störte, hinter der zu erwartenden Vermehrung zurückgeblieben ist, auf über 1 V2 Mill. ^) Jetzt wird amtlich zugegeben, dafs die Zählung von 1870 mangelhaft gewesen sei, und, dafs besonders für die Neger im Süden absichtlich zu niedrige Zahlen angegeben worden seien. Und doch hat sich die auf die anerkannt zu niedrige Zahl gestützte Berechnung des Wachstums bis 1880 auf 50 MilHonen bestätigt! Und als am 30. April 1889 der hundertjährige Geburts- tag der Verfassung begangen wurde, wurde triumphierend auf die 65 Mill. Bevölkerung hingewiesen, worauf die Zählung von 1890 über 2 Mill. weniger ergab. Auch ihr wirft man wieder Auslassungen, wenn auch unbeabsichtigte vor, sie können aber unmöghch so beträchtlich sein. Da die Volkszählungen leider für eine grofse politische Angelegenheit gelten, nimmt auch ihre Kritik einen politischen Charakter an^). Die Sterblichkeit der Bevölkerung der V. St. wird eben so wenig wie die Geburtsziffer im Census festgestellt, dessen Leiter ausdrücklich hervorhebt, dafs, »wenn der Wert der Sterblichkeits- statistik in einem Census der V. St. unter den jetzigen Gesetzen 1) Oswald Ottendorfer, der in einem Aufsatz : Are our Immigrants to blame ? (The Forum XI p. 545) vor den Gefahren des Neo-Malthusianismus warnt, ist ein Deutscher. 2) Ninth Census I p. 18, mit Angaben über den Ausfall in der Einwan- derung, der eigenen Vermehrung und die Verluste an Menschenleben. 3) So ist wohl auch die sehr abfäUige Besprechung des 1890er Census in The Nation vom 8. Oktober 1891 zu verstehen; sie steht im Widerspruch zu dem besonnenen Urteil eines Fachmannes wie F. A. Walker. Die SterbUchkeit. 351 auf der Zusammenstellung der Todesfälle beruhte, die in dem Zählungsjahre vorkonmaen, die Resultate nicht einmal die Ver- öffentlichung lohnen würden« ^). Die in statistische Werke über- gegangenen Zahlen, 12,5 für 1860 und 12,7 für 1870 sind als zu klein zu betrachten. Auch der Durchschnitt von 18^) ist gewagt, da er wesentlich auf der unbewiesenen Annahme beruht, dafs die Staatszählungen von Massachusetts und New- Jersey so fehlerlos seien, dafs aus ihnen die Berichtigung der vom Census-Amt eingesammelten, sehr unvollkommenen Zahlen abge- leitet werden könne; er bietet aber die zuverlässigste unter den zur Verfügung stehenden Zahlen. Mehrere europäische Länder, wie England, Schweden, Däne- mark, kommen dieser für 1880 berechneten Sterblichkeitsziffer der V. St. sehr nahe — Deutschland hatte 1880 26,1 pro 1000 — es wirken also die günstigen Ursachen nicht so stark, als man glauben sollte. Über die gröfsere Sterblichkeit der Neger siehe S. 273, der Indianer S. 213. Die mittlere Lebensdauer wird zu 39,25 Jahren angegeben^). Aus genaueren Erhebungen hat man in Massachusetts die etwas höhere Zahl 39,8 gefunden. Die Sterblichkeit ist in den Städten gröfser, als auf dem Lande und zwar besonders infolge der grofsen Zahl der Todesfälle bei Kindern. Sicherlich läfst die Ein- wanderung von Menschen im besten Lebensalter und die über weite Gebiete verbreitete Kinderarmut eine geringe Sterblichkeit erwarten, der aber die klimatisch bedingte grofse Sterblichkeit im Süden und in den Neger- und Indianerfamilien entgegensteht; die — hier wohl besonders unvollständige — Statistik zeigt Sterb- lichkeitsziffern, die dort um 17, hier um 64% höher sind, als die allgemeine. 1) Ninth Census I p. 9. 2) It seems safe to assume that the Death-rate was not less than 17 nor more than 19 per 1000 of Living Population and I shall assume the mean of these, viz. 18 p. 1000, as the MortaUty - rate of the U. S. during the Census Year. John S Billings in Tenth Census (1880) Vol. XI p. 19. Die von John S. Billings bearbeiteten Ergebnisse der im Censusjahr 1879/80 gemachten Sterbefällebeobachtungen sind erst 1887 vom Amt des Innern herausgegeben worden. Ein Auszug befindet sich in den Verhandlungen der Berüner Ges. für Anthropologie 1888 S. 69 bis 75. 3) Xinth Census 1872 I. p. 13. 352 Geographische Verbreitung einiger Krankheiten. Die geographische Verbreitung einiger Krankheiten bietet bemerkenswerte Erscheinungen. Als eine ausgesprochen nordische Krankheit erscheint Diphtherie mit Maximalgebieten im Nordosten und Nordwesten, sowie in der nördlichen Seeregion. Auch Scharlach- fieber neigt zu starker Vertretung im Norden, scheint aber im öst- Hchen Teil des westlichen Hochlandes nach Süden zu reichen, ähnhch wie Diphtherie in der Gebirgsregion der Alleghanies (z. B. West- virginien) stärker auftritt. Die Lungenschwindsucht hat ein fast lückenloses Maximalgebiet in Neu-England und dem westüchen New York und Pennsylvanien, ein zweites in der nördhchen und mittleren AUeghany - Region , in das Maryland , Virginien , West - Virginien, Tennessee, Kentucky, Ohio gehören, ein drittes in der waldreichen nördhchen Seeregion von Michigan, von wo nach Westen das Übel abnimmt. Dagegen sind die westüchen Teile von Texas, Arkansas, Kansas, Nebraska und Minnesota, das östHche Colorado und ein grolser Teil des Südens fast frei von dieser Seuche , während das mittlere Kalifornien sehr stark von ihr heimgesucht ist. Die Malaria- Krankheiten zeigen fast genau die entgegengesetzte Verbreitung. Sie fehlen fast in den Neuengland- und Mittelstaaten, sind aber an der atlantischen Küste von Delaware an, in den GoK- und Mississippi- Staaten am stärksten vertreten, beträchthch auch in Kentucky und Tennessee, ebenso in Texas und Arkansas, wo ihr häufiges Auftreten wahrscheinhch zum Teil mit dem Umbrechen des jungfräulichen Bodens zusammenhängt. Im GoHgebiet ist Malaria stark in Florida und Alabama, weniger in Mississippi und Louisiana, an der atlanti- schen Küste ist sie am stärksten in Nord-Carohna. Im Nordosten zeigt Connecticut eine etwas stärkere Vertretung dieser Krankheit. Die grosse Sterbhchkeit an Masern und Keuchhusten in den südatlantischen und östhchen Golfstaaten dürfte mit der tiefen Stufe zusammenhängen, auf der dort die starke Negerbevölkerung steht, ebenso die Häufigkeit tötHchen Ausgangs der Kindbettkrankheiten im ganzen Süden, aber auch im Westen mit seiner dürftigen Bevölkerung von Neuansiedlern. Herzkrankheiten sind eine seltene Todesursache im trockenen Hochland des Inneren. NatürHch sind die Angaben über Todesfälle durch Alkohohsmus noch unvollständiger als alle anderen. Auf die absolute Zahl (2,2 p. 1000 der Todesfälle aus be- kannten Ursachen) ist kein Gewicht zu legen, wohl aber darauf, dafs die grofsen Städte doppelt soviel Todesfälle dieser Ursache als das Land aufweisen, und dals die Bergwerksgebiete des Westens an der Spitze stehen, worauf der junge Nordwesten folgt. Aulserdem ist es lehrreich zu sehen, dafs von Todesfällen bekannter Ursachen auf Trunk- sucht bei den Iren 6,7, den Deutschen 2,7, sonstigen Weilsen 2,5, Farbigen 0,7 kommen. Dafs die Neger eine so grofse Widerstandskraft Selbstmorde. Der Aufbau der Bevölkerung. 353 gegen die Einflüsse des Alkohols zeigen, ist angesichts der Ver- wüstungen der Trunksucht bei Indianern doppelt merkwürdig. Diese Widerstandskraft, unter ihren sonst ungünstigen Lebensbedingungen ein glänzendes Zeugnis für die Stärke der Organisation der Neger, wird durch die geringe Zahl der bei ihnen vorkommenden Delirium- FäUe bestätigt. Die Zahl der Selbstmorde ist ungemein gering. Im Census- jahr 1880 wurden 2511 gezählt, was eine Zunahme seit 1860 wahr- scheinlich macht. Sie ist in den Städten beträchthch gröfser als auf dem Lande, bei den Weilsen grölser als bei den Negern und am grölsten bei den Chinesen. Wenn die Selbstmordstatistiken für 50 Städte der V. St., die der X. Census gibt *), zuverlässig sind, dann sind Selbst- morde selbst in den Grofsstädten der V. St. fünf- bis achtmal seltener als in den grofsen Städten Nord- und Mitteldeutschlands. Nur die Städte Kaliforniens nähern sich den Verhältnissen europäischer Städte, was grolsenteüs auf die Chinesenbevölkerung zurückzuführen sein dürfte. In der Armee geben die eingehenden Erhebungen für die mit 1882 endigenden 3 Jahre für Amerikaner, Irländer und Deutsche Selbstmorde im Verhältnis von 2, 7 und 10. Der Aufbau der Bevölkerung trägt in einem jungen Lande die Merkmale einer raschen Zunahme durch Einwanderung und eigene Vermehrung. Überwiegen der mittleren und jüngeren Alters- stufen bedingt den colonialen T3rpus. Von der fremdgeborenen weifsen Bevölkerung der V. St. gehören 59,6% in die Altersklasse 20 bis 45, von den Farbigen 33,6, von den einheimischen Weifsen 30,8. Die Bevölkerung ist im Ganzen jünger und am jugendlichsten in den geschichtlich jüngsten Gebieten. Die Zahl der Greise (über 60 Jahre) ist am gröfsten in Neuengland, in den mittleren Staaten, dem alten Westen und Wisconsin, am kleinsten in den Streifen Arizona -Nevada -Colorado -Wyoming -Montana. In den Staaten und Gebieten zwischen diesen ist die Zahl gröfser im ganzen Süden, Kalifornien, Utah und Neumexiko und im centralen Norden, als in dem Streifen Texas - Kansas - Nebraska - Dakota. Aber die Vertretung der jüngsten Stufe ist in der Verteilung dieser Unterschiede eigent- lich »leitend«. In wesenthchen Eigenschaften des Aufbaues bildet der Süden eine Einheit, der der Nordost und der Westen als unter sich verwandte, räumlich getrennte Gebiete gegenüberstehen, zwischen die sich das centrale Nordgebiet w. von den Seen wie 1) Bd. Xn S. 26. Ratzel, Die V. St. von Amerika. 23 354 I^er Aufbau der Bevölkerung. eine abgeschwächte Verlängerung des Südens einschiebt. Nach dem Census von 1880 lassen sich die Staaten und Gebiete in drei Gruppen teilen, in deren erster bis 12,5, in deren dritter über 15,5 Kinder unter fünf Jahren in 100000 der Bevölkerung vor- kommen. In die erste Gruppe gehören sämtliche nördliche atlantische Staaten von Maine bis zum Bundesbezirk, und alle Staaten w. von Colorado bis Kalifornien aufser Utah, Oregon und Washington; in die dritte sämtliche Südstaaten s. von Maryland und Kentucky und dazu Utah ; und in der Mitte zwischen beiden stehen Pennsylvanien, der alte und junge Westen vom Ohio bis Nebraska und Dakota, Maryland, Kentucky, Oregon, Washington, Neu-Mexiko. XV. Die Einwanderung. Die Gröfse der Einwanderung seit 1790 und ihr Beitrag zum Wachstum der V. St. 355. Allgemeine Bedeutung der Einwanderung für die Bevölkerung der V. St. 357. Umschwung der Einwanderungspolitik 359. Verschiedener Wert der Einwanderer 361. Die Berufe der Einwanderer 363. Die Verteilung der Einwanderer 364, Geschichtlicher Rücl/o. 1890 gab es 35 Mill. Rinder und Ochsen und 15 MiU. Milchkühe. Die Zahl der Pferde in den V. St. wurde 1890 auf 15 Mill. angegeben, 45Vo mehr als 1880. Man rühmt sich in Nord-Amerika, ein Achtel aller Pferde der Welt zu besitzen. Mit dieser grofsen Masse geht eine Vielartigkeit der Rassen Hand in Hand*). Seit der Verschmelzung der jenseits des Mississippi gelegenen Teüe mit den alten Staaten ist das Pferd spanischer Abstammung, das die Zwischen- stufe des verwilderten Präriepferdes durchgemacht hat, der Grund- stock geworden durch absolutes Überwiegen der Anzahl und durch 1) Nordamerikanische Landwirtschaft 1890 S. 279. Die Deutschen in Wisconsin verfertigen ihren heimischen Fettkäse. 2) Vgl. die Arbeit des Col. Ringwalt über das nordamerikanische Pferd im Report Dep. Agriculture 1866. 322. Pferde. 465 bestimmt ausgeprägten Charakter. Schon die Indianer züchteten vor- treffliche Pferde dieser Rasse, die sog. »Bronchos«, welche zwar klein, aber ausdauernd sind. Bei manchen Indianerstämmen sind jährhch wiederkehrende Pferderennen üblich und selbst armen Stämmen gelten vorzüghche Pferde als unverkäuflich. Unter den Rassen des Ostens sind die schweren Conestoga-Pferde, deren Heimat Deutsch-Pennsyl- vanien, eine der wenigen scharf charakterisierten; die Pferde von Kentucky und Tennessee sind seit lange berühmt, besonders als Traber. Der amerikanische Traber (Trotter oder Roadster) ist eine scharf aus- geprägte Rasse und in seiner Art unübertroffen. Die Traberzucht ist eine nationale Angelegenheit und bei der charakteristischen Vorhebe, mit der Amerikaner und Amerikanerin im »Buggy« und anderen leichten Wägen die grofsen Entfernungen zwischen Farm und Farm, Wohn- und Geschäftsstätte zurücklegen, von grofser praktischer Bedeutung. Die Erfahrungen im Secessionskriege, in dem der Reiterei und Artillerie eine so hervorragende RoUe zufiel, haben dem enghschen Pferde überall den Vorrang in Schnelligkeit und Ausdauer zuerkennen lassen, während die amerikanischen Traber sich als ArtiUeriepferde bewährten*). Für den Train griff man zu Maultieren, die an Ausdauer die Pferde schlugen. Die unvollkommenen Strafsen haben sich der ausgedehnteren Zucht schwererer Schläge fast überall ungünstig erwiesen. Die Abgehärtet- heit gehört zu den Vorzügen des nordamerikanischen Pferdes, dem beim Reichtum an Weideland von vornherein eine natürliche Lebens- weise gestattet war. Man rühmt ihm auch eine ganz besonders grofse Sanftmut und Gelehrigkeit nach, was zum Teil darin hegen mag, dals der Amerikaner gern und gut mit Pferden umgeht. Selbst ärmere Farmer lassen ihrem Reitpferd die gröfste Sorgfalt angedeihen. Gute Reitpferde stehen besonders in dem im ganzen doch noch immer sehr wegarmen Westen in hoher Schätzung, da sie zu den ersten Notwendigkeiten gehören. Gerade hier ist auch die Pferdezucht am verbreitetsten und leichtesten, weil genug Weideland vorhanden ist. Die pferdereichsten Staaten waren nach der oben erwähnten Zählung Ihinois, Iowa, Texas, Missouri, Kansas, Ohio, New York, Indiana, Pennsylvania. Im Verhältnis zu seiner Bevölkerungszahl ist bezeichnenderweise das dichtbevölkerte Massachusetts am ärmsten, das junge, weite Kalifornien am reichsten an Pferden. Die Pferde- einfuhr ist noch immer sehr beträchthch. Esel (auch von den Nord- amerikanern als »Burros« bezeichnet) und Maultiere findet man nur in den, früheren spanischen Gebieten in gröf serer Zahl; 1890 wurden 2 247000 Maultiere und 49000 Esel gezählt. 1) Report Dep. Agricultme. 1866. 326. Ratzel, Die V. St. von Amerika. 30 466 Schafe. Schweine.] Die Schafe werden in den V. St. erst seit drei Jahrzehnten in grolser Ausdehnung gezüchtet. Erst Texas und Kahfornien mit ausgedehnten Weiden, günstigem Khma und abgehärteten Steppen- schafen haben den Anstols gegeben zu einer Ausdehnung dieser Zucht, die Nordamerika die dritte bis vierte Stelle unter den woll- erzeugenden Ländern anweist. In den waldreichen Staaten des atlan- tischen und Mississippi-Gebietes war nicht viel Raum, bei den Farmern nicht viel Neigung für grofse Schafzucht, doch wurde sie für den eigenen Bedarf betrieben. . Dem anheimelnden Bild des Schäfers mit der Schippe und dem auf zwei Rädern ruhenden Holzhüttchen begegnete man vor zwei Jahrzehnten noch in den deutschen Teilen von Penn- sylvanien. Das hiesige Schaf, eine Misch-Rasse, die noch heute als »Native« oder »Common Stock« weit verbreitet ist, ist eine sehr zähe und fruchtbare, aber kleine und im Fliels mangelhafte Rasse. Die Verbesserungen haben in den nach englischer Sitte viel Hammel- und Lammfleisch verzehrenden atlantischen Staaten durch Kreuzungen mit engüschen Tieren die Fleischschafe begünstigt. Die Zucht von reinen Wollschafen ist vor dem Emporkommen der texanischen und kalifor- nischen Schafzucht nur in den Gebirgsgegenden der Alleghanies und besonders auf ihren trockenen, kalkreichen Westabhängen betrieben worden, die in den Mittel- und Südstaaten mit ihrem verhältnis- mäfsig müden Klima, reichen Weiden, guter Bewässerung und nahe- gelegenen Absatzpunkten günstige Bedingungen bieten. Auch die Prärie- region und ihre Übergangslandschaften sind für diese Zucht passend und Ohio steht an Schafreichtum nur hinter Texas zurück. Aber die Menge von Arbeit, die die Schafzucht erfordert, läfst sie in allen jüngeren Gebieten hinter anderen, viel bequemeren Zweigen der Viehzucht zurücktreten. Die Einfuhr von Rohwolle betrug 1891 18 Mül. D. Die Zahl der Schafe betrug 1890 über 44 Mill. Die Wollerzeugung (1885 330 Mül. Ztr.) ist in stetigem Steigen. 1880 standen an Zahl der Schafe und Gröfse der Wollerzeugung Kahfornien, Ohio, Texas, die Territorien, New York, Michigan, Pennsylvania, Indiana und Illinois in erster Linie. Kalifornien, Ohio und Texas beteüigten sich zu einem Drittel an der gesamten Wollerzeugung der V. St. Die nordamerikanischen Schweine sind ebenfalls aus der Mischung der verschiedensten Rassen unter vorwiegender Beteiligung engüscher.und irischer hervorgegangen. Die gröfste Zahl besteht noch immer aus der genügsamen sog. Landrasse, die in neuerer Zeit vorzüglich mit SufEolks und Berkshires gekreuzt worden ist. Kein Zweig der Viehzucht pafste besser zu den Lebensbedingungen und den Bedürf- nissen der Ansiedler als dieser und keiner hat sich infolge dessen so rasch ausgebreitet. Für den ersten Ansiedler konnte vielleicht nur der Hund nützhcher als das Schwein sein. Man hefs es frei laufen in den Schweine. 467 noch ungehchteten Wäldern, die ihm reichhches Futter boten, und in den jungen Ansiedelungen war oft schon im zweiten und dritten Jahr ein Überschuls an Mais vorhanden, für den beim Mangel naher Märkte und guter Wege keine Verwendung bestand. Durch die Schweine- mast ward er in eine marktbare Form gebracht*) und der Farmer erhielt nicht nur Fleisch und Fett, sondern auch Öl (Lard Oil) aus dem Speck, das vor der Petroleumzeit das verbreitetste Leuchtmaterial in den ländlichen Distrikten des Westens war, ferner Material zur Seifen- bereitung. Vo^ der weiten Verbreitung der Schweinezucht waren nur die Schnapsbrennereien erhebhche Abnehmer des Maisüberflusses, für den die Ausfuhr vor 1860 wenig in Betracht kam, aber auch diese inmier nur in der Nähe brauchbarer Transportwege. Es bleibt nur die Schweinezucht übrig zur Bewältigung dieses Überflusses. Für diesen Zweck erntet man vielfach den Mais nicht erst, sondern treibt die Schweine in die Maisfelder, die man ihnen abteilungsweise einräumt, und die sie auf diese Weise dann nach und nach abfressen. Wenn nötig, überläfst man ihnen auch schon im Frühsommer den grünen Mais oder Hafer. Seit 20 Jahren ist aber die Rindermast in den Vorder- grund getreten und die Schweine nähren sich seitdem von den un- verdauten Maiskörnern im Mist der Rinder. Auch als Konsumenten der Molkereiabfälle spielen sie eine grofse RoUe. Die V. St. sind das schweinereichste Land der Welt; die Zahl der Schweine betrug 1890 gegen 52 MiU. 1878 folgten nach der Gröfse ihres Schweine- reichtums Iowa, lUinois, Ohio, Indiana, Missouri, Kansas und Nebraska nacheinander. Das Schlachten der Schweine und die Verarbeitung der Dinge, die aus ihrem Fett und Fleisch und aus den Abfällen her- gestellt werden, ist eine der gröfsten und merkwürdigsten Industrien der V. St., die einst das Bedürfnis des Südens nach billigem Salzfleisch und Speck für die Sklaven hervorgerufen hatte, die aber nun längst eine imposante Weltindustrie geworden ist. Sitz derselben bleibt immer der Westen, wo Chicago, Kansas City, Omaha, S. Louis, IndianopoHs, Müwaukee, Sioux City, Cincinnati, S. Paul, Cleveland und Louisville 70°/o des ganzen Geschäftes besorgen. Aufserdem werden noch an verschiedenen Orten der Staaten, denen diese Porcopolen angehören, endlich in den grof sen atlantischen Städten gröfsere Mengen geschlachtet. 1) Freilich sind auch die Schweinepreise in den neubesiedelten Gegen- den des Westens oft aufserordentlich niedrig gewesen. 75 Cts. bis 1 D. für den Centner frischgeschlachteten Schweinefleisches war ein annehmbarer Preis. (Eep. Dep. Agric. 1866. 382.) Entsprechend gering pflegte allerdings auch der Wert des Maises zu sein, der in den hoLzarmen Präriegegenden als Heizmaterial verwendet oder destillirt wurde. Die weite Verbreitung der Trunksucht im Westen der V. St. hängt zu einem guten Teile mit der Billig- keit und Vortrefflichkeit des Kornbranntweins in jener Zeit zusammen. 30* 468 Hunde. Seiden- und Bienenzucht. Die Erzeugnisse der Schlächtereien machten 1891 61 °/o aller Gegen- stände tierischer Natur aus, die von den V. St. ausgeführt wurden *). Nicht zu vergessen sind unter den Haustieren die Hunde, die gerade in einem Lande mit weitverteüter und grolsenteüs in einzelnen Gehöften und kleinen Weilern wohnender Bevölkerung besonderen Wert erlangen. Ein Bericht über die Zahl der von Hunden getöteten oder verletzten Schafe schätzte 1868 die Zahl der Hunde in den V. St. auf 5 Mül. Über den amerikanischen Truthahn, der noch immer eine sehr wichtige Stelle unter den Bewohnern der Hühnerhöfe einnimmt, ist bereits oben (S. 166) gesprochen. Die Seidenzucht war einst bedeutender als jetzt; sie hatte ihren Sitz vorzügHch in den Südstaaten. Die einseitige Entwickelung des südüchen Ackerbaues hat sie zurückgedi'ängt. Ihr Ertrag fiel von 61 552 Pfd. Cocons in 1840, auf 4000 in 1870 und stieg langsam auf 17000 in 1890. Sie bot sich den früheren Ansiedlern ganz natürlich dar, solange diese noch nach den lohnendsten Betrieben umher- experimentierten. Sobald sie sich auf bestimmte Kulturen geworfen hatten, bheben ihnen keine Arbeitskräfte für die anspruchsvolle Pflege der Seidenwürmer übrig. Auch die Krankheit der Seidenwürmer hat zum Verfall der Zucht beigetragen. Die Einfuhr von Rohseide betrug 1889/90 24,3 Mül. D., 25 "/o mehr als im vorhergehenden Jahre, was natürhch den Wunsch nach Zollschutz oder Prämien auf einheimische Seide hervorrieft). Die Bienen, die in den V. St. gezüchtet werden, sind europäischen Ursprungs (vgl. Bd. I. 411). Die amerikanischen Gattungen Mehpona und Trigona hat man ohne Erfolg zu züchten versucht. Die Bienenzucht ist am ertragreichsten in lUinois, Nord-Carohna, Ken- tucky, Missomi und Tennessee. Die Ausfuhr von Wachs und Honig nach Europa trug 1891 313000 D. ein. 1) Unter dem Titel Provisions führt die Handelsstatistik auf : 85 Mill. D. Hog Products, 35 Beef Products, 9,8 Dairy Products, ferner 1,3 Häute. 2) Vgl. Eeport of the Secretary of Agriculture f. 1890 p. 38. XVIII. Die Wälder und ihre Ausbeutung. Verbreitung der Wälder in dem Gebiet der V. St. 469. Ihre Verteilung über die einzelnen Staaten 471. Neuanpflanzungen von Wäldern 473. Anfänge von Forstschutz und Waldwirtschaft 474. Waldverwüstung und Waldbrände 475. Die wichtigsten Nutzhölzer 477. Der Holzverbrauch und Holzhandel 478. Das Waldland der V. St. wird zu 25 °/o der Gesamtfläche geschätzt. Die V. St. stehen also an Waldreichtnm im Verhältnis zur Fläche hinter Skandinavien, Rufsland und Deutschland zurück, aber allen anderen Ländern Europas voran. Die Zusammensetzung der Wälder und ihre Verteilung über das weite Gebiet ist schon im ersten Bande (S. 366) besprochen worden und die ebendort gegebene Wälderkarte der V. St. läl'st Lage und Umrisse der bewaldeten Gebiete erkennen. Von den Waldprovinzen, welche die Pflanzengeographen in Nordamerika unterscheiden, erreicht die nördliche durch Picea nigra und alba bezeichnete nicht mehr die Grenzen der V. St. Aber das s. davon gelegene, durch Pinus Strobus charakterisierte Föhrengebiet füllt die Region der Grofsen Seen und den Nordosten bis in die mittleren AUeghanies aus. In ihm lagen und liegen die ertragreichsten Forste, die in Maine jetzt ziemlich gelichtet, in Michigan und Minnesota auf dem Weg der Ausbeutung sind. Die Weymuths- kiefer und Schwarzfichte sind die wirtschaftlich bedeutendsten Bäume dieses Gebietes. In einem 160 bis 300 km breiten Streifen umzieht dann der südliche Küstenwald die südatlantische und Golfküste ; sein wirtschaftlicher Wert liegt in den grofsen Föhren- 470 I^ie natürlichen Waldgebiete. Wäldern, vorzüglich der langnadeligen Föhre (P. palustris). In dem Innern des grolsen ßogens, den diese beiden Gebiete bilden, wächst der Laubwald des Mississippibeckens, den im Westen die Prärien begrenzen, während er in Florida und im südlichen Texas in den subtropischen Wald übergeht. Im Westen bedeckt ein eigentümlicher Gebirgswald die höheren Teile der Felsengebirge und des Grolsen Beckens. Er ist arten arm, die Nadelhölzer herrschen entschieden vor und er ist nach Ausdehnung und Zusammensetzung wirtschaftlich wenig wertvoll. Dagegen ist der pacifische Küste nwald, der zwischen dem Stillen Ocean und der Sierra Nevada wächst, durch eine grolse Anzahl von schönen und wirtschaftlich wertvollen Bäumen ausgezeichnet. Pinus Lambertiana und Pseudotsuga Douglasii, in beschränkten Gebieten die Sequoien, sind die Charakterbäume dieses Gebietes. Der Osten ist bis etwa zum 96. Längengrad^) eben so waldreich, wie der Westen waldarm ist. Nach einem für die ganze Erde giltigen Gesetze sind die Gebirge waldreicher als die tiefer ge- legenen Striche, die wohlbewässerten Tieflandstrecken waldreicher als die Hochebenen. Maxima der Bewaldung finden sich im Nordosten, Norden, Nordwesten und im Südosten: Im Nordosten das reichbewässerte und dünnbevölkerte Innere des Staates Maine und das Adirondack - Gebirge, im Nordwesten die Teile von Michigan und Wisconsin um den L. Superior, im Südosten die Halbinsel Florida, im Nordwesten der pacifische Küstensaum sind die waldreichsten Gebiete im Osten der Union. Kleinere Regionen dichter Bewaldung finden sich in den mittleren Alleghanies und den Küstensümpfen der atlantischen und Golfküste. Minima der Bewaldung finden sich dagegen in den dichtbevölkerten und gewerbthätigen Gegenden, wo die Ausrottung des Waldes am weitesten vorgeschritten, wie in Neu -England und den Mittel- 1) Oder genauer bis zu einer Linie, die bei 97** die Golfküste verläfst, bei 99^ den oberen Brazos schneidet, zwischen Arkansas und Kansas bis ö. vom 95.® zurückfällt, den Kansas bei Topeka, den Missouri s. vom Omaha, den Mississippi bei Davenport schneidet und ö. von Chicago den Michigansee erreicht, an dessen Westgestade sich bis Milwaukee der canadische Nadelwald herabsenkt , dessen Westgrenze auf dem Boden der V. St. im allgemeinen dem Mississippi und nördlichen Red. R. folgt. Verbreitung des Waldes. 471 Staaten, ferner auf den Hochebenen am westlichen Abfall der Alleghanies und in der Seenregion. Aber die gröfste Lücke im Waldkleide der Union wird durch die Prärien und Steppen hervor- gerufen. In den gebirgigen Regionen des Westens findet sich ein Ansatz von Wald überall, wo die Höhe von 2400 m — am- Stillen Ocean sinkt im Nordwesten diese Linie auf 1200 m — hinausgeht. Mit der Feuchtigkeit nimmt im allgemeinen der Waldreichtum von Norden nach Süden ab. Die einzige nicht von grofsen Lücken unterbrochene Waldzone findet sich zwischen 45" und der Nord- grenze der V. St. in Montana, Idaho und Washington. Die dichtest bew^aldete Gegend des Westens der V. St. gehört dem feuchten Westabhange des Cascadengebirgs in Washington und Oregon an. Ein weiterer Unterschied zwischen Osten und Westen beruht in der vorwiegenden Zusammensetzung der Wälder des Westens aus Nadelhölzern. Sog. harte Hölzer sind dort in so geringer Menge und Gröfse vertreten, dafs sie für den industriellen Verbrauch nicht in Betracht kommen. Die Kultur hat diesen Unterschied verschärft, da überall, wo sie im Osten die Nadelhölzer ausrottete, Laubwald auf den Lichtungen entstand, der z. B. in Virginien jetzt viel weiter und ausschliefslicher verbreitet ist als dereinst. Die Waldfläche der V. St. wurde 1890 zu 1957000 qkm, also 25,1% der ganzen Fläche (aufser Alaska) angegeben. Für die Verteilung des Waldes in den verschiedenen Staaten ergaben die amtlichen Erhebungen, von 1875 für die Zwecke der Centennial- Ausstellung in Philadelphia^), folgende Zahlen. Prozente des Areals sind mit Wald bedeckt: in Maine 46,9, New Hamp- shire 37,2, Vermont 36,5, Massachusetts 29,2, Rhode Island 24,2, Connecticut 21,2, New York 27,6, New Jersey 28,1, Pennsjdvania 38,9, Delaware 29,2, Maryland 38,4, Virginia 49,4, Nord-Carolina 24,2, Süd-Carolina 60,6, Georgia 60,2, Florida 50,6, Alabama 63,5. Mississippi 65,9, Louisiana 59,1, Texas 26,7, Arkansas 58, Ten- nessee 59,9, West- Virginia 54,9, Kentucky 49,1, Ohio 28,4, 1) Der erste Anfang einer Waldstatistik wurde im 1870er Census mit der Scheidung der »unimproved Farmlands« in Waldland und waldloses Land gemacht. Die Methode der genannten späteren Erhebungen und ihre Eesul- tate sind ausführhch dargestellt in Statistics of Forests (mit 31 Kärtchen) in Rep. Comm. Agric. f. 1875. 244 bis 359. 472 Verbreitung der Waldbäume. Michigan 47,1, Indiana 34,8, Illinois 16,9, Wisconsin 20,9, Minnesota 17,1, Iowa 14,1, Missouri 45,4, Kansas 5,6, Indian.- Terr. 8, Nebraska 5,2, Colorado 10, Wyoming 8, Neumexiko 6, Arizona 6, Montana 16, Idaho 15, Nevada 5, Washington 33, Oregon 25,2, Kalifornien 7,9. Von den für den Menschen wichtigeren Waldbäumen ^) ist der Zuckerahorn im Norden ungefähr eben so weit verbreitet wie der Mais, indem er von den Höhen am Südrand der Grofsen Seen bis zum Winnipegsee hinaufreicht, während er ö. von den AUeghanies nach Süden nur wenig über die Mittelstaaten hinaus- geht. Dagegen geht er im Thal des Mississippi und an seinen Zuflüssen bis zum 32.° und ist besonders häufig in Kentucky und Tennessee. Die übrigen Ahornarten sind mehr feuchtigkeit- liebend und besonders die weichholzigen stehen nur hinter den Espen in der Vorliebe für feuchte Niederungen zurück. Sie gehen eben so weit nach Norden und im Osten auch weiter nach Süden als der Zuckerahorn, dessen Nordgrenze im allgemeinen auch für die Buche und Ulme giltig ist. Die gröfsten Buchenwälder stehen auf den steifen Tertiärthonen am Westabhang der AUeghanies, von denen sie nicht in die Ebenen hinabsteigen. Die Linden gehören zu den vorwiegend nördlichen Bäumen, gehen eben so weit nach Nordwesten wie der Zuckerahorn. Von den Eichen geht die Mehrzahl bis Massachusetts und Wisconsin, während sie den nördlichen Neu-England-Staaten und Minnesota grofsenteils fehlen. Nur die immergrünen Eichen sind entschieden s. und finden ihre Nordgrenze am James R. Tulpenbaum und Schwarz- kirsche finden ihre Nordgrenze ungefähr in der Breite von New York. Die Kastanie gehört dem ganzen Norden an und geht südwärts über Maryland und Kentucky in den Ebenen nur vereinzelt hinaus. Walnufs und Hickory sind vorwiegend Bäume der Mittelregion, man findet sie weder im nördlichen Neu-Eng- land noch im äufsersten Süden. Von den Nadelhölzern gedeiht das wertvollste von allen, die Weifs- oder Weymouthsföhre, am 1) Über die Zusammensetzung und die natürlichen Gruppen des nord- amerikanischen Waldes vgl. den schönen Aufsatz Sargents: Die Wälder von Nordamerika (mit Karte) in den Geographischen Mitteilungen 1886. Die Pflege des Waldes. 473 besten in einer Zone, die in der Gegend des 45. Breitegrades bis Minnesota zieht. S. vom Potomac treten die Gelbföhre und die langnadeKge Föhre, zwei Hauptbestandteile des Waldwuchses der Ebenen hervor. Taxodium wächst in den Sümpfen von Mary- land und Tennessee südwärts. Die verwandte Sequoia gehört nur Kalifornien, wo S. sempervirens, Redwood, der wichtigste Wald- baum ist. Die Tannen sind auch in der Neuen Welt Bäume des Nordens; ihr Hauptverbreitungsgebiet umfafst Neu -England, das nördliche New York, Wisconsin und Minnesota. Nur in den Gebirgen ziehen sie weiter nach Süden und zwar sowohl in den Alleghanies als in den Westgebirgen, in welch letzteren sie in einer Anzahl von hochwachsenden Arten auftreten. Auch die Lärche ist ein Nordbaum und gedeiht am besten in den feuchten Regionen von Maine, Wisconsin und Minnesota. Die Pflege des Waldes^) hat bisher nur geringe Beachtung in den V. St. gefunden. Natürlich; die Kultur lief ja im ganzen Osten und Norden auf den Kampf mit dem Walde in der Urbar- machung hinaus. (Vgl. o. S. 414.) Der Schutz der Wälder ist erst in der jüngsten Zeit ins Auge gefafst worden. In den von Natur waldarmen Staaten des Westens hat man auch der Neuschaffung von Forsten Aufmerksamkeit geschenkt. Nachdem verschiedene Präriestaaten, am frühesten Illinois, Missouri, Iowa, seit 1868 auch Kalifornien, Gesetze zur Förderung und zum Schutz von Baum- anpflanzungen erlassen hatten, folgte 1875 die Bundesregierung selbst mit einem Gesetz, durch das Regierungsland dem zu- gesprochen wird, der einen Teil davon in vorgeschriebener Weise mit Bäumen bepflanzt haben wird. Nach 8 Jahren soll es ihm anheimfallen. Zu demselben Zweck hat der Staat Nebraska für jeden mit Waldbäumen bepflanzten Acre einen bestinmiten Teil des Grundeigentums steuerfrei gegeben und seinem Beispiel folgend haben die meisten Staaten einen »Arbor Day« im Frühling bestimmt, der dem Pflanzen von Bäumen gewidmet sein soll. Auch die grofsen Eisenbahngesellschaften des Westens haben längs 1) Vgl. aufser den angeführten Schriften den Vortrag von Oberförster Kefsler: Wald und Waldzerstörung auf dem westlichen Kontinent (Ver- handlungen der Berliner Ges. für Erdkunde 1890. S. 299 bis 315). 474 Der Waldschutz. ihrer Linien und um ihre Stationen herum Waldbäume angepflanzt. Über die Erfolge dieser zahlreichen Versuche liegen sehr viele Berichte vor^), denen sich als zweifellos festgestellt entnehmen läfst, dafs in den Präriestaaten, wo der Wald von Natur nicht ganz fehlt, die Anpflanzungen in grofser Ausdehnung gediehen sind, besonders haben sich die lichten Parke (Bd. I. S. 544) ver- dichtet und im westlichen Texas hat der Mezquite-Wald an Aus- dehnung gewonnen. In den Steppen liefsen die dem Waldwuchs durchaus ungünstigen natürlichen Faktoren wie Dürre, Stürme, Schneewehen u. dgl. nur an den geschütztesten Stellen die Bäume aufkommen. Zu ihnen ist in neuester Zeit die ausgedehnte Vieh- weide gekommen, welche die jungen Bäume zerstört. Einen wirk- lichen Wald wird man in diesen Gegenden niemals sehen. Sind doch selbst die natürlichen Wälder, die, auf die Flufsniederungen beschränkt, im Thal des Platte, Arkansas etc. vorkommen, ein- förmig und dünn. Die Berichte aus den Steppenstaaten stimmen darin überein, dafs die nicht einheimischen Bäume, vorzüglich die Nadelhölzer, durchaus schlecht gediehen sind. Die Insekten und Nagetiere erschweren in hohem Grade die Arbeit der Wieder- bewaldung. Für den Wald kann die Frage der weiteren Aus- breitung, die für den Ackerbau die Lebensfrage ist, hier nicht gestellt werden. Nur auf die Erhaltung kann es ankommen. Dem Waldschutze hat auch die Centralregierung ebensowohl im Interesse des Nationalvermögens, das sie in den grofsen Waldländereien zu verwalten hat, als zum allgemeinen Besten künftiger Geschlechter seit zwei Jahrzehnten mehr Aufmerksam- keit gewidmet als früher. Die Wälder, die noch Bundeseigen- tum sind, stehen unter der Verwaltung des Ministeriums des Inneren und im Ackerbauamt ist eine Division of Forestry eingerichtet worden. Früher stellte man sich, als ob es bei diesen Ländereien nur auf den Boden ankomme, nicht auf das Holz, das er trage. Man liefs die Regierungsforste meilenweise niederschlagen, ohne sich um die Folgen zu kümmern, die das für den Boden, für die Staatskasse und für den Nationalwohlstand haben mufste ^). 1) Statlstics of Forestry. Rep. Comm. Agric. 1875. 334. Die Waldbrände. 475 Seitdem K. Schurz das Ministerium des Innern antrat, ist in dieser Richtimg reformierend vorgegangen worden. Mit Recht nannte der Bericht des Sekretärs des Innern für 1876/77 ^) die Zuweisung von Nadelholz und besonders Föhrenwäldern (Pine Lands) unter dem Heimstättengesetz eine »mi fsverstandene, schäd- liche Wohlthätigkeit«. Sie sind für Ackerbau und dauernde Nieder- lassung, die Grundbedingungen, die das Heimstättengesetz erfüllt sehen will, meist nicht passend. Sie sind gröfstenteils von der Natur zur Waldwirtschaft bestimmt, aber nicht zum Ackerbau. Dies gilt vorzüglich von den Föhrenwäldern am Oberen See und Oberen Mississippi, und von denen der pacifischen Staaten und der Territorien des Felsengebirgs. Auf Tausenden von Quadratkilometern, die dort unter dem Heimstättengesetz von Privaten erworben wurden, ist keine Spur von Ackerbau zu finden. Das Gesetz wurde benutzt, um die Wälder ausbeuten d. h. zerstören zu können. Der Bericht schlägt vor, dafs der Staat dieses waldbestandene Land genau vermessen lasse, dafs er es baar verkaufe, soweit er es entwaldet sehen wolle, und dafs er aber diejenigen Strecken, die er im Interesse einer gesunden Waldwirtschaft erhalten zu sehen wünsche, von geeigneten Be- amten verwalten und vor den »lawless Trespassers and Bogus- homesteaders« schützen lasse. Sehr treffend hebt der Bericht den Mangel an Folgerichtigkeit hervor, der darin liegt, dafs man in den waldlosen Steppengebieten jedem eine Anzahl von Acres zu- weise, der Espen oder andere wertlose Bäume pflanze, während man die besten Forste an sog. Ansiedler verschleudere, die in Wirklichkeit nichts als Spekulanten sind. Von günstigem Einflufs auf beschränkten Gebieten ist die Schaffung von geschützten Parken ; für Zwecke rationeller Bewirtschaftung hat z. B. der Adirondack League Club 1889 93000 Acres Waldland in den südlichen Adirondacks unter die Verwaltung des Direktors der Forestry Division, Fernow, gestellt. Vgl. auch o. S. 171. Eine grofse, schwer zu beseitigende Ursache des Rückganges der Wälder sind die Waldbrände. Das Abbrennen des Unterholzes 1) Exec. Docum. 2'» Sess. W'' Oongress. Vol. IV. 1. 476 Der Holzverbrauch. oder das Niederbrennen ganzer Wälder, sei es zu Kulturzwecken oder aus Unvorsichtigkeit, ist sehr häufig. Der Amerikaner ist dem Wald gegenüber rücksichtslos. Im Censusjahr 1879/80^) sind 4 Mill." Hektar Wald im Wert von 100 Mill. M. abgebrannt. Am be- denklichsten sind solche Zerstörungen in dem ohnehin waldarmen Westen und gerade hier sind sie bei der Trockenheit der Sommer sehr häufig. Selbst an den höchsten Berghängen sind dort Wald- brände nicht selten. »Die Feuer verbreiten sich oft bis hier herauf«, sagt Hayden in seiner Beschreibung der Quellen des Gallatin R. , »und töten die grünen Föhren, die dann bald stürzen^).« Hier hat man sich denn auch am frühesten zum Schutz der Wälder aufgerafft, und es machte schon 1874 die Ge- setzgebung von Colorado ein Gesetz gegen das Anzünden von Wäldern, Prärien u. dgl. Gerade in diesen Gegenden wirkt auch der grofse Brennstoffbedarf der Bergbau- und Hüttenindustrien verwüstend. Weite Gebiete sind in den Silberregionen Nevadas und Colorados durch ihn baumlos gemacht. Der Holzkohlen- verbrauch von vier der gröfseren Silber-Schmelzöfen inEurekaNev. betrug anfangs der siebziger Jahre durchschnittlich im Tage 4000 Busheis und damals schon war 18 km in der Runde alles Holz in Kohlen verwandelt. Zum Glück sind in Nevada die Ver- suche, Dampfmaschinen mit holzigen Steppensträuchern zu heizen, von Erfolg gewesen. Aber wie lang wird das vorhalten? Der Holzverbrauch ist in den V. St. viel gröfser als in Deutsch- land, wahrscheinlich mehr als lomal so grofs. Der Census von 1880 nimmt an, dafs allein für Eisenbahnen jährlich ca. 14 Mill. Cubik- meter erforderlich seien, ebensoviel für Zäune, und daCs 25708 Säg- mühlen für 182 Mill. D. geschnittenes Holz lieferte, wozu an Brenn- holz und für Holzkohlen noch 512 Mill. Cubikmeter kommen. Der Wert des ausgeführten Bau- und Nutzholzes erreichte 1891 20,2 Mill. D., denen 17 Mill. D. in der Einfuhr gegenüberstehen. Lohrinden wurden für 241000 D. ausgeführt. 1) The whole Fire Question in the United States is one of bad habits and loose Morals. Fernow im Report of the Secretary of Agriculture 1890 p. 221. 2) 6'" Eep. 1872 p. 81. Nutzhölzer. 47.7 Von den nordamerikanischen Nutzhhölzern sind einige harte, wie Hickory, Lebenseiche, Weifseiche, zu den besten ihrer Gattung zu zählen ; unter den weichen gehören vorzüghch Weifs- föhre (unsere Weymouthsföhre) , Gelbföhre und Pechföhre, dann im pacifischen Gebiet Redwood (Sequoia) und Zuckerföhre zu den vorzüglichsten Bauhölzern. Die zunehmende Verwendung dieser sowohl als jener in Europa und anderen aufseramerikanischen Ländern bezeugt ihre Güte. An der Nordgrenze der V. St. ist auf der atlantischen und pacifischen Seite der Waldwuchs schöner als in Nordeuropa. Besonders ragen die Nordweststaaten hervor. Über die Bedeutung dieser Lage für den Schiffsbau siehe oben S. 78. In den Registern des Americanischen Lloyd, die die Hölzer nach dem Grade ihrer Tüchtigkeit für den Schiffsbau aufzählen, um- schliefst eine erste Klasse (Standard Woods) 1. Lebenseiche, 2. Weifs- eiche, 3. Akazie, 4. Rotceder, 5. Lärche, 6. Kastanie, 7. Weifsföhre, 8. Gelbföhre, 9. Pechföhre, 10. Schwarzfichte. In einer zweiten (Mixed Woods) findet man die minder wichtigen: 11. Schwarzeiche, 12. Hartahorn, 13. Hickory, 14. Buche, 15. Birke, 16. Rock Elm (Uhne), 17. Weifse Esche, 18. Rotföhre, 19. Bald Cyprefs (Taxo- dium), 20. Sweet Gum (Liquidambar). Aufser der Holzgewinnung ist die Erzeugung von Harz und Teer ein wichtiger Zweig der Waldwirtschaft in den V. St., am meisten in den sprichwörtlich föhrenreichen Südstaaten Nord- und Süd-Carolina, Georgia und Alabama. Nord-Carolina erzeugte schon am Ende des vorigen Jahrhunderts mehr Teer und Pech als alle übrigen Staaten zusammen. Die Pechföhre galt als die »Staple Commodity« von Nord-Carolina, und sie ist es noch heute in einem grofsen Teil des Südens. Die Ausfuhr von Harz, Theer, Pech, Terpentin, die als »Naval Stores« aufgeführt werden, betrug 1891 8,2 Mill. D. Allerdings dürfte ein Teil davon seinen Weg aus Britisch-Nordamerika nach den V. St. gefunden haben. Die Waldwirtschaft wandert geradeso wie der Ackerbau. Man hat sie ihren Schwerpunkt von der atlantischen Küste, wo die grofse Aus- beutung 1850 in Maine anhub, das nun alle seine erreichbaren Föhren- und Fichtenbestände stark gelichtet hat, auf die Halbinsel Michigan verlegen sehen, wo sie vor 20 Jahren die grofsartigste Entwickelung erlebte. Aber schon ist in Michigan, dem einst für unerschöpflich 478 1^16 Ausbeutung der Wälder und ihre Wanderung. gehaltenen grofsen Waldstaat, die Menge des an die Sägen gebrachten Holzes fast stabil, die grölsten »Pineries« sind erschöpft, anstatt des Föhrenholzes werden geringere Holzsorten in Angriff genommen. Wis- consin rückt nach, der Wert seiner Forstprodukte ist 1880 bis 1889 um 176, Michigans um 30*^/0 gestiegen und allein zmschen 1880 und 1890 hat sich die Reihenfolge der wichtigsten Holzstädte dieses inneren Nordwestens ganz verschoben und zwar ganz zu gunsten des Westens. Ihr Rang war 1880 1890 Bay City Mich. MinneapoHs Minn. Muskegon Mich. Menominee Mich. MinneapoHs Minn. Muskegon Mich. Saginaw Mich. Bay City Mich. Manistee Mich. Oshkosh Wisc. Menominee Mich. La Crosse Wisc. Michigan hat noch immer die grölste Zahl von Sägmühlen (1890 1914, Wisconsin 842, Minnesota 315) und erzeugt die grölsten Werte in Holz, aber in einer so raschen Bewegung erscheint sein lang- samer Fortschritt schon als Stillstand. Eine andere Art von Bewegung zeigen die Holzpreise, indem die Verarbeitung der Hölzer sich immer tiefer in die Wälder vorschiebt und daher von Jahr zu Jahr die von der gleichen Fläche gewonnenen Summen sich erhöhen. Michigan, Wis- consin und Minnesota erzeugten 1890 29,6 ^/o mehr Roh- und Sägholz als 1880, von 76Vo höherem Wert und mit 138,5°/o mehr Arbeitskräften. Es ist sehr bezeichnend, dals der in dieser Industrie älteste Staat Michigan eine sechsmal geringere Steigerung des Wertes erlebte als der jüngere, Wisconsin. Michigan, Wisconsin und Minnesota bilden gegenwärtig die grölste »Lumber-Region« der V. St. Der Wert des in ihnen ge- wonnenen Nutzholzes beträgt ein Drittel von dem Werte des Nutzholzes in den ganzen V. St. Die grofsartigen »Pineries«, die Wasserkräfte und vor allem das unersättUche, immer noch wachsende Absatzgebiet in den holzarmen Prärie- und. Steppenstaaten haben die Holzindustrie im grofs- artigsten Stile entwickelt. 1890 betrug der Wert der rohen Hölzer 30,4 der der Sägmühlprodukte 115,7 und des sonst bearbeiteten Holzes in diesen drei Staaten 21,1 , zusammen 167,2 Mill. D. In den Wäldern waren 96000, in den Sägmühlen 89000 Mann beschäftigt. XIX.' Mineralreichtum und Bergbau. Verbreitung und Entwickelung 479. Geschichtliches 480. Rückwirkung auf die Bevölkerung 481. Die Miners und Prospectors 483, Mining Excite- ments 485. Betrieb des Bergbaues 485. Eisen 486. Die grofsen Eisenerz- Regionen und die Hauptgebiete der Eisenindustrie 487. Steinkohlen 489. Verbreitung 489. Die hauptsächlichsten Kohlenfelder und -Becken 490. Anthracit 490. Bituminöse Kohlen 491. Braunkohlen 494. Gold 495. Die Goldlager von Kalifornien, von Colorado und den übrigen Goldgebieten des Westens 496. Gold in den AUeghanies 499. Silber 499. Silbergebiete von Nevada, Colorado, Montana, Utah 500. Andere Silbergebiete 501. Queck- silber 501. Kupfer 502. Blei 503. Zink und andere Metalle 503. Edelsteine 503. Salz 504. Bausteine und andere Mineralien 505. Stein öl 506. Vorkommen, Gewinnung und Verfrachtung 507. Erdgas 508. Asphalt 508. Wertvolle oder nützliche Erze oder Gesteine sind über die ganze Erde hin in so reicher Fülle zerstreut, dals man in einem so grofsen Gebiete wie dem der V. St. eine grofse Mannig- faltigkeit erwartet. In der That gibt es kaum eines, das in diesem Lande nicht vorkäme. Aber in Menge und Güte und in der Lage der Fundorte sind die V. St. noch viel mehr be- günstigt, als die Weite ihres Gebietes verhelfst. In einzelnen Teilen sind die V. St. so ungewöhnlich reich an Eisen, in anderen an Steinkohlen, in anderen an Blei, Kupfer, Quecksilber, Silber oder Gold, Erdöl, dafs sie für den Bezug keines dieser Stoffe vom Auslande abhängig zu sein brauchten. Der Wunsch, Me- talle, und vor allem kostbare, zu finden, hat in Nordamerika bei weitem nicht so mächtig zur Durchforschung und Besiedelung des Landes beigetragen wie in Mittel- und Südamerika. Zwar 480 Geschichtliches. spielt, wie man begreift, das Suchen nach ihnen und anderen Schätzen des Mineraheiches immerhin eine nicht geringe Rolle in der älteren Geschichte der nordamerikanischen Kolonien; aber die gewaltige Bedeutung des Reichtums an nutzbaren Erzen für die Entwickelung der V. St. ist nicht über 50 Jahre alt. Damals zählte der Ruhm der Silberminen von Potosi und Guadalajara schon 200 Jahre. Im ersten Jahrhundert der V. St. sind in runder Summe 2000 Mill. D. Eisen, Gold und Silber durch Bergwerksarbeit, Gold- wäscherei u. dgl. ihrem Boden entnommen worden. Und heute nehmen die V. St. in der gesamten Eisenerzeugung der Welt die erste, in der der Steinkohlen die zweite, in der des Goldes und des Quecksilbers die zweite, des Silbers, des Kupfers und des Steinöls die erste Stellung unter unter allen Ländern der Erde ein. Von 1880 bis 1889 sind für 4,7 Milliarden D. Mineralerzeug- nisse gefördert worden. Geschichtliches. Man schreibt alte Aushöhlungen, die man in den Öüdstaaten antrifft, alten Versuchen der Spanier zu, das Gold zu finden, von dem sie ärmliche Proben bei den Indianern gesehen. Das Gold, das man in Virginien fand, war sehr spärlich ; aber indem man goldglänzenden Glimmer oder Schwefelkies dazu rechnete, erlebte die junge Kolonie im Anfang des 17. Jahrhunderts ein Goldfieber, wie es 250 Jahre später bei der Entdeckung der Schätze von Kaüfornien und Colorado durch die Bewohner der Neuen Welt ging. 1620 wurde in Virginien das erste Eisenbergwerk eröffnet '). In Neu-England wurde die Gewinnung silberführenden Bleiglanzes in den fünfziger Jahren des 17. Jahrhunderts versucht und im Anfang des 18. wurden hier mehrere Kupferbergwerke eröffnet. In Missouri entdeckte 1700 P. Le Sueur Bleiminen, von denen einige seit 1720 fast ohne Unterbrechung in Ausbeutung begriffen sind. Auch das gediegene Kupfer am Oberen See ist bereits den Jesuiten-Missionaren des 17. Jahrhunderts bekannt gewesen; aber der ernsthafte und ununterbrochene Bergbau ist dort noch nicht 50 Jahre alt. Die Ausfuhr von Roheisen aus den Kolonien erreichte 1771 mit 7525 T. die höchste Zahl in der Kolonialzeit. Erst die Zeit der grofsen Kanal- und Eisenbahnlinien, welche die eisen- und kohlenreichen Bezirke der AUeghanyregion in Verbindung setzten mit den grofsen Städten an der atlantischen Küste, steigerten die För- 1) Im Nationalmuseum zu Washington wurden 1891 die Reste des ersten Eisenschmelzofens aufgestellt, der 1622 zu Falling Creek (Virg.) er- richtet worden war. des Bergbaues. 481 derung. Die zwanziger Jahre sind der Wendepunkt von der zer- streuten und unbedeutenden zu der Massenerzeugung. Das Kupfer des Oberen Sees trat von 1844, das Gold und Quecksilber von 1848 bis 1850, das Silber von 1859 an in die Periode der Massenerzeugung ein. Der letzte grofse Schatz an mineralischem Reichtum, der in den V. St. gehoben wui*de, ist das Petroleum, das zum ersten Mal im Jahre 1859 in Pennsylvanien zufälligerweise erbohrt wurde. Bemerkenswerte Momente in der Entwickelung, die in Zeit von 60 Jahren den Bergbau und die metallurgischen Industrien der V. St. zu einer der ersten Stellen in der Welt beförderte, waren der Aufschwung der Anthracitförderung 1824 und 1825, der von grofser rückwirkender Bedeutung wurde für die Eisenindustrie und die Kohlen- förderung, die Entwickelung des Kupferbergbaues am Oberen See 1844, die Goldentdeckungen in Kalifornien 1848, denen zahlreiche minder wichtige " im Gebirgsgebiet des Westens seitdem folgten, der Beginn des regelmälsigen Bergbaues auf Quecksilber in Kalifornien 1851, der Anfang der gründhchen Ausbeutung der Eisenlager am Oberen See 1856, die Entdeckung des silberreichen Comstock Lode in Nevada und der Petroleumlager im westlichen Pennsylvanien, beide 1859. Die Gesetzgebung für die Angelegenheiten des Bergbaues hat in den V. St. wohl nur insoweit einen gröfseren Einflufs auf dessen Ent- wickelung geübt, als sie ihn freihielt von den vielfachen Einschrän- kungen, denen er in allen romanisch-amerikanischen Ländern untere worfen war. Die Rückwirkungen des Bergbaues auf die wirtschaftlichen und allgemeinen socialen Verhältnisse der Bevölkerung der V. St. sind bedeutend. In den jüngeren Stadien der Entwickelung der einzelnen Staaten steht er in dieser Beziehung nur hinter der Landwirtschaft zurück, aber in den Staaten des Felsengebirges und der Sierra ist er dieser Jahrzehnte hindurch vorangestanden. Einige ernähren den gröfsten Teil ihrer Bevölkerung durch Berg- bau und die metallurgischen Industrien. Nevada ist fast aus- schlielslich hierauf angewiesen, Colorado, Idaho, Montana und mehr und mehr auch Utah überwiegend. 95% der Einwohner von Nevada leben vom Bergbau; von dem kleinen Rest, der Ackerbau und Viehzucht treibt, würde kaum etwas übrig bleiben, wenn dort heute die Bergleute ihre Arbeiten einstellten. Kali- 1) Anthracit wurde zuerst um 1768 im Wyoming-Thale verbraucht. Das erste Kohlenbecken aber, das überhaupt in gröfserem Mafse ausgebeutet wurde, war das unbedeutende triassische von Virginia. Kiitzel, Die V. St. von Amerika. 31 482 Wirkung des Bergbaues formen, das der Landwirtschaft so gewaltige Vorteile bietet, würde ohne seinen Goldreichtum und seine übrigen Metallschätze nicht die Hälfte seiner Bevölkerung haben. Auch nach Colorado wan- derten in den ersten Jahren nach den Gold- und Silberfimden zwischen 1859 und 1862 über 40000 Menschen, von denen nur wenige im Sinne hatten, sich der Landwirtschaft zu widmen; langsam wandten sich manche, die das unsichere Leben der Berg- bauer enttäuscht hatte, der Landwirtschaft und den Gewerben zu. Nicht nur Colorado, auch Nebraska und Wyoming empfanden diesen Anstofs. da sie an den Wegen der Wanderer lagen. In Kalifornien nahm in dem ganzen Jahrzehnt 1860 bis 1870 zugleich mit der Ebbe in den Goldwäschereien die Bevölkerung der Gold- wäscher- und Bergbaugegenden rasch ab, während die der Acker- baugegenden noch viel rascher zunahm. 10 Jahre früher waren diese noch fast unbeachtet gewesen. Die Bevölkerung der sechs Grafschaften, in denen die Mehrzahl sich mit Goldwäschen be- schäftigte, ging von 1860 bis 1870 auf die Hälfte zurück^), wäh- rend in rein ackerbauenden Grafschaften wie Colusa und Humboldt der Zuwachs 200% betrug. Der starke Einflufs des Bergbaus auf die gesamten Arbeitsverhältnisse hat in derselben Zeit ab- genommen. Die Taglöhne in Kalifornien standen früher in einer nahen Beziehung zu dem Durchschnittsertrag der Goldwäschen, indem sie sich meistens etwas darüber hielten. Aber die Aus- sichten des selbständigen Bergarbeiters sind immer geringer ge- worden, je mehr das Kapital und die Intelligenz sich auf dieses Gebiet wandten und jenem einsamen Glücksucher, dem »honest Miner«, Konkurrenz machten. Der abhängig um seinen Lohn arbeitende Bergmann ist nicht das Lebensideal des echten Ameri- kaners. Er überliefs das einst den Fremden, unter denen für bessere Arbeiten hauptsächlich Deutsche und WalHser, für schlech- tere, besonders in den Quecksilberbergwerken und den ertragarmen Goldwäschen, Spanisch- Kalifornier und Chinesen am gesuchtesten sind. Früher war die Beweglichkeit der Goldgräber sprichwörtlich. In den fünfziger Jahren kam es nicht selten vor, dafs ganze Ge- meinden, der ganze Organismus einer Goldwäscherei, einen Platz 1) Hit teil, The Resources of California 1874. 17. auf die Bevölkerung. 483 verlielsen, um vielleicht Hunderte von Meilen weit nach einem anderen zu ziehen und dort ihre Arbeiten von Neuem zu beginnen. So zogen 1858 auf blolse Gerüchte hin ca. 15000 Goldwäscher (ein Sechstel der stimmberechtigten Bevölkerung Kaliforniens) an den Fraserfluls, und nach 6 Monaten kehrte die Mehrzahl ent- täuscht zurück. Es sind auch in neuerer Zeit grofse Wande- rungen vorgekommen, so 1876 nach den Black Hills und 1878 nach den neuen Silbergebieten von Leadville in Colorado. Noch in den letzten Jahren haben wir eine kleine Völkerwanderung sich nach den Goldlagern von Ensenada und Santa Clara in Unter- Kalifornien ergielsen sehen. 1892 begann das Zuströmen aus Utah nach dem Goldlager am S. Juan in der Navajo-Reservation. Ihnen ist aber sofort die Grofsindustrie auf dem Fufse gefolgt und dem Unternehmungsgeist des einzelnen und seinem Glück, und damit auch allem, was man die Poesie dieses Treibens nennen könnte, wurde der Spielraum auch hier immer mehr verengt. Die 400000, die 1890 in Eisen-, Kohlen-, Gold- und Silberbergwerken arbeiteten, sind grofsenteils nur noch einfache Taglöhner. Geblieben ist sie noch am meisten in einer der charakteristischsten Figuren des westlichen Lebens, im Prospector. In einem gold- und silberreichen und vielfach noch wenig durchforschten Lande, wie dem westlichen Nordamerika, bildet das mit Leidenschaft betriebene Auf- suchen von Mineralschätzen die Beschäftigung von Tausenden. Aber der Geschäftsgeist und die Abenteuerlust des Amerikaners mufsten hinzukommen, um aus ihr ein fahrendes Gewerbe mit bestimmten Regeln zu machen. Was in der Industrie die »Inventors« (s.u. S. 514), das sind im Bergbau die »Prospectors«. Viele, die Minen suchen, kümmern sich nie um ihre Ausbeutung. Der echte Prospector verkauft, wenn er Glück hat, seinen Fund; ihm selbst ist die Arbeit des Bergmannes zu öd, er geht auf neue Entdeckungen aus, bis er ermüdet, selten be- reichert, auf irgend einem grünen Fleck sich ein Heimwesen gründet oder in irgend einer vereinsamten Bergmannshütte stirbt. Die kommenden Generationen werden das Verdienst dieser seltsamen Klasse um die Kenntnis des Landes und die Entwickelung seiner Hülfsquellen nie entsprechend würdigen, denn die Prospectors hinterlassen keine dauernden Spuren ihrer Wirksamkeit ; ihr Element ist das Unstäte und von dem Beginn der stetigen Kulturentwickelung einer Gegend an werden sie überflüssig. Aber in der Gegenwart, wo ihnen noch immer ein weites Feld der Thätigkeit offen steht und in den Gebii-gsterritorien 31* 484 Der Prospector. des Westens wird sie als eine eben so fruchtbare wie interessante anerkannt.*) Viel eingreifender als durch die Sitten und Anschauungen des Mining Camp hat in neuerer Zeit der Erzreichtum des Westens auf einen grofsen Teil der dortigen Gesellschaft gewirkt durch die grolsen und zugleich schwankenden Erträge der Bergwerke, die zu dem gewag- testen Börsenspiel und den gröfsten Glückswechseln Anlafs gaben. Der Zug von Waghalsigkeit und Spielsucht, der durch das ameri- kanische Leben geht, ist in dieser gold- und süberschimmernden At- mosphäre zur Fieberhaftigkeit gesteigert worden. Das ganze Geschäfts- leben der Städte des fernen Westens, S. Franciscos in erster Linie, 1) Wir entnehmen dem Berichte über den Bergbau in Colorado des Rocky Mt. Directory and Colorado Gazetteer for 1871 (Denver 1870) folgende aus dem Leben gegriffene Schilderung der damals gerade in Colorado mit grofsem Erfolge thätigen Prospectors : »Das erste Ziel des Prospectors ist die Blüthe, »the Blossom« (mit diesem Namen bezeichnen die amerikanischen Bergleute die von Eisenoxyd herrührende rote Farbe des zu Tage tretenden Quarzes, die sie für ein sicheres Zeichen von edler Metallführung halten), das zweite, zu erfahren, woher sie stammt. Beide erheischen sehr viel Fleifs, Geduld und Ausdauer, welche die kennzeichnenden Eigenschaften des er- fahrenen Goldsuchers bilden. Seine Ausrüstung besteht aus Schaufel, Pickel und der Pfanne, die er braucht, um Erde oder zersetzte Spaltenausfüllungen auf Gold zu waschen. Er trägt so viel Nahrungsmittel als er kann. Voll Hoff- nung tritt er seinen Weg an. Er geht durch dichte Wälder, längs den Ab- hängen steiler Berge, über rauhe Klippen und hochragende Gipfel, mit lang- samem, vorsichtigem Schritt, mustert sorgfältig den Boden, soweit er sehen kann, wendet die Felsblöcke um, untersucht die Betten der Bergströme und die Felsspalten. Er beobachtet die Bergformen und Felsumrisse und alle Gesteine, über die er wegschreitet. Nichts entgeht seiner Beobachtung. Findet er ein Stück Blossom-Rock, so untersucht er es auf das Genaueste und zaudert nicht, nach seiner Herkunft zu forschen. Oft gerät er rasch auf die Spur, oft sucht er Tage und Wochen darnach. Jeder Quadratzoll Boden wird untersucht und seine Arbeit endet nur der Fund oder die Nacht. Wo die Nacht ihn überrascht, legt er sich nieder; der ächzende Baumwipfel oder rauschende Wasserfälle schläfern ihn ein. Seine Träume sind golden. Die grofse Fissure-Vein ist gefunden und liegt voll Gold. Bei der Morgendämme- rung erwacht er, nimmt sein einfaches Mahl zu sich und beginnt die Nach- forschung von neuem. Stöfst er endlich auf den Blossom in beträchtlicher Menge oder gar in einer Ader, so setzt er den Pickel an, um Spaltenmaterial (zerklüfteten Quarz mit Erzen) und andere Belege für das Vorhandensein eines Erzganges zu finden. Was er ausgräbt, wird scharf durchsucht und gewaschen, um die sehnsüchtig erwarteten gelben Schimmer (Color) ans Licht zu bringen. Ist dieser dargestellt, so ist der Gang höchst wahrscheinlich wertvoll. Aber weitere Untersuchung, die dem Bergmann vorbehalten ist, hat festzustellen, ob er Millionen oder — nichts wert istc Spekulation und Raubbau. 485 trägt die Spuren davon. 1859 hatte mit der Entdeckung der Washoe- minen eine fieberhafte Spekulation mit Minenwerten begonnen, die 1863, als die nicht zum zwanzigsten Teile wahren Nachrichten von der Entdeckung immer neuer Silber- und Goldminen einHefen, einen Höhe- punkt erreichte, der sich nur mit der schwindelnden Höhe der Auf- regungen des Law'schen Bankfiebers vergleichen lälst.') Bessere Minen sanken damals innerhalb Tagen auf ein Zehntel ihres vorherigen Wertes. Ein Erfolg dieser Krise war die aulsergewöhnhche Regsam- keit, die sich auf die Auffindung neuer Minengegenden richtete, dann die Erkenntnis der Notwendigkeit eines fachmännischen Betriebes der Gruben und Hütten und die Einsicht in die Unentbehrlichkeit der Wissenschaft bei der Auffindung und Verwertung der Mineralschätze. Nachdem der Betrieb des Bergbaues in den V. St. bis auf die neueste Zeit mehr auf raschen Gewinn als auf möghchste Erhaltung und langsame Ausbeutung der unterirdischen Schätze bedacht gewesen war, ist man in den Kohlenregionen des Ostens bereits zu sorgsamerer Ausbeutung vorgeschritten, besonders in den Anthracitgruben, aber im Westen wird noch heute ein grofser Teil der Erze verwüstet, die nicht sehr leicht auszubringen sind. 1864 berechnete ein Sachkenner, dals in dem damals vorgeschrittensten Minendistrikt Nevadas, dem von Washoe, der Verlust an Edelmetallen bei der Verhüttung durch- schnitthch 32% betrage. Dies hat sich jedenfalls gebessert, aber noch immer sind die Verluste grofs genug (s. u. S. 497 f.). Nicht Ungeschick und Unkenntnis, sondern ganz wie in der Landwirtschaft wetteifernde Ungeduld drängt zu diesem Betriebe. Die Amerikaner verleugnen ihren erfinderischen Geist auch hier nicht. Schon 1864 schrieb F. v. Richt- hofen von der erst in der Entwickelung befindhchen Washoeregion : »In Bezug auf manche kleine praktische Einrichtungen beim Einfahren, Fördern und Wasserheben kann Europa von der neuen Gegend lernen«. Auch die wissenschaftliche Behandlung der Probleme des Bergbaus und der Metallurgie hat grolse Fortschritte gemacht. Man findet in den V. St. einige Bergwerksschulen von Ruf und das Institute of Mining Engineers veröffenthcht Schriften von wissen- schafthchem Werte. Jedoch macht die Mehrzahl der dem höheren Bergbau sich widmenden Jünghnge noch immer die deutschen Schulen durch, wie denn deutsche wissenschaftlich gebildete Bergleute einen grofsen Anteil an der Entwickelung und an einem vernünftigeren Betrieb der Bergwerke in den V. St. haben.*) l)v. Richthofen schätzte 1864 die Zahl der Minengesellschaften in den pacifischen Staaten auf nicht weniger als 30000. (Geogr. Mitth. Erg.-Heft 14. 1.) Vgl. S. 8 die lebendige Schilderung des Minenfiebers von 1863. 2) Vgl. J. C. Bartlett, American Students of Mining in Gfermany (Trans. Am. Inst, of Mining Engineers V. 431 f.) 486 Eisen. Eisen. Die V. St. werden an Reichtum, Reinheit und weiter Verbreitung ihrer Eisenerze von keinem Lande der Welt über- troffen. Den ganzen Zug der AUeghanies entlang ist Magneteisen der fast beständige Gefährte der älteren metamorphischen Gesteine dieses Gebirges; es findet sich vom S. Lorenz bis nach Georgia, in meist Hnsenförmigen bis zu 50 und 60 m dicken Ablagerungen. Es kommt in grölseren Mengen vor in den Adirondacks, am Lake Champlain, in den Highlands des östlichen New York und den angrenzenden Teilen von Massachusetts, dann im nördlichen New Jersey, im südlichen Teil von Pennsylvanien bei Cornwall, in West- Virginia und Virginia, in Nord-Carolina, wo es in hervor- ragender Reinheit auftritt (Cranberry-Ore von Mitchell Cy.), und in Nord-Georgia. Diese Kette von Magneteisenlagern ist durch die Nachbarschaft des grofsen appalachischen Kohlenbeckens be- günstigt. Das Vorkommen der mangan- und zinkhaltigen Magnet- eisen von New Jersey gehört in diese Reihe. Ahnlich sind Lager von Roteisenstein am Oberen See und in Missouri (Pilot Knob Und Iron Mt.) dem nordwestlichen Rande desselben Kohlenfeldes, sowie des Kohlenfeldes von Illinois und Indiana vorgelagert. Ein anderer oolithischer Roteisenstein (Fossil oder Clinton-Ore, Dye- Stone) ist als Glied der Clinton- Gruppe in der unteren Silur- formation von sehr weiter Verbreitung. Wie ein Formationsglied tritt er in derselben geologischen Zone und mit fast der gleichen Beschaffenheit in einem sehr weiten Gebiete der Union auf, und ist von Wisconsin durch New York, Pennsylvania und längs der AUeghanies durch Maryland und Tennessee bis Alabama zu ver- folgen. Eisenerze in der Kohlenformation sind in den V. St. weniger verbreitet als in Europa ; sie treten gegen die ebengenannten Lager zurück. Ihren gröfsten Wert für die Industrie gewinnen die Eisen- spathe in der Hanging Rock-Region des südlichen Ohio und öst- lichen Kentucky. Häufig, aber in kleinen Vorkommen, findet sich Thoneisenstein in den Kohlenbecken der appalachischen Region. Blackband-Ore tritt in dem triassischen Kohlenbecken von Nord- Carolina, bei Pottsville Penn, und in der Kohlenformation des östlichen Ohio vor. Brauneisensteine (Brown Hematites or Limo- nites) sind in der AUeghany-Region in jedem Staate an der Ost- Die Eisenregionen. 487 Seite des Gebirges und in diesem selbst vorhanden. Die gröfste Wirkung haben in dem letzten Jahrzehnt die Erze der Süd- alleghanies geübt. Vor 1870 gab es kaum eine nennenswerte grolse Industrie im Süden und 1890 erzeugten die neuen Eisen- staaten des Südens fast so viel Eisen wie 1870 das ganze Land. Die künftigen Punkte der grölsten Eisenerzeugung in den V. St. will man bereits in 20 geogr. M. Radius von den Smoky Mountains erblicken. Die Entwickelung der Eisenindustrie im südwestlichen Alleghany-Gebiet hat bereits auf das Ohio-Gebiet zurückgewirkt. Cincinnati ist einer der gröfsten Eisenmärkte geworden^). Die Bedeutung für die Negerfrage im Süden haben wir S. 292 an- zudeuten versucht. Fremde Eisenerze werden besonders aus dem südöstlichen Cuba, dessen Bergwerke in pennsy Ivanischen Händen sind, aus Spanien und Canada eingeführt. Ihr Wert erreichte 1891 2,4 Mill. D. Man zählt 7 grolse Regionen der Eisenerzgewinnung: Oberer See, Champlainsee, Missouri, Pennsylvania, New Jersey, Ohio und Kentucky, Alabama. Auf diese gründet sich die grolse Eisenindustrie der V. St. Zahlreiche andere gröfsere und kleinere Vorkommen stehen erst im Anfang der Ausbeutung oder liegen derzeit noch brach. Das Rohmaterial an Erzen wird fast ganz in den V. St. selbst gefördert. Die Gesamtförderung wurde 1889 auf 14,5 Mül. T. angegeben im Werte von 33 Mill. D. 26 Staaten und Territorien beteiligten sich daran. 1. Oberer See. Eisenglanz und Magneteisenstein kommen in dem Grünstein und den Chlorit- und Talkschiefern der Huronischen Formation am Südrande des Oberen Sees als sehr unregeLniälsige Lager und Stockwerke vor, die oft 15 und bis über 30 m Mächtigkeit, bis 300m Länge und grolse, teilweise noeh unbekannte Tiefen erreichen. Die Erze sind so reich, dafs solche von weniger als 50°/o nicht ver- arbeitet und von weniger als 64 bis 66°/o nicht versandt werden; im Durchschnitt gewinnt man über 60°/o Metall aus ihnen. Man ge- wann 1889 5,8 Mül. T. Der Reichtum des Distriktes ist noch immer grofs, wenn auch einige Gruben bereits ihre Förderung nicht mehr zu steigern vermögen. Dieser Bergbau beschäftigt 14000 bis 15000 Arbeiter. Hauptverschiffungsplatz ist Marquette. Begünstigt durch die billigen Schiffsfrachten auf den Seen, gehen die Eisensteine dieser Region bis S. Louis und Pittsburg und sogar bis Alabama. 1) Vgl. 43*'Annual Eeport of the Cincinnati Chamber of Commerce 1892 p. 55. 488 Die Eisenregionen. 2. Champlainsee. Magneteisen in den krystallinischen Ge- steinen am Ostfuls der Adirondacks. Es sind ausgedehnte Massen, oft steinbruchartig abbaubar, von 55 bis 65 Vo Eisengehalt. Förderung 1889 780000 T. Die Mehrzahl dieser Erze wird verschifft. Haupt- verschiffungsort: Crown Point am Westufer des L. Champlain. 3. P e nnsylvania. Das bemerkenswerteste Vorkommen in diesem eisenreichen Staat ist das von Cornwall, wo ein Berg aus Magneteisen sich erhebt, 450 m lang, durchschnitthch über 150 m dick. Der Eisen- gehalt beträgt 50%. Mit dreimal so grolser Förderung sind die gleich- falls in Pennsylvanien gelegenen, aber zerstreuten Brauneisenstein-Lager des Silur-Kalksteines im Lehigh-, Juniata-, Montour-, Konemaugh- Thale u. a. zu nennen. Pennsylvanien gewann 1889 1,6 Mill. T. 4. Missouri. Zwei berühmte Eisenberge, Iron Mt. und Püot Knob, liefern hier Eisenglanz, der in PorphjT eingebettet ist. Iron Mt., 120 km sw. von S. Louis, bedeckt 500 Acres und ist 70 m hoch. Beim Pilot Knob besteht der 2 Acres einnehmende Gipfel ganz aus Eisenerz. Missouri gewann 1889 266000 T. 5. Im Hochland von New Jersey treten Magneteisen und Frankhnit auf und heferten 1889 415000 T. Ihre günstige Lage ni grofser Nähe des Lehigh-Thales erleichtert die Verarbeitung. 6. Ohio und Kentucky (Hanging Rock Region). Die eisen- führenden Kalksteine der unteren Kohlenformation umschhefsen im nordwesthchen Pennsylvanien, im südhchen Ohio und östhchen Ken- tucky Eisenspathe und Brauneisensteine. Die Hauptorte der Eisen- Industrie sind hier Ironton O. und Ashland Ky. Die hiesigen Eisen- lager setzen nach West- Virginia fort. Westvirginien und Virginien förderten 511000, Ohio 254000, Kentucky 77000 T. 7. Alabama. Brauneisensteinlager von ungewöhnlicher Aus- dehnung und Reichhaltigkeit. Die Erze ergeben 50 bis 60*^/o MetaU. Das Shelby Iron von Alabama ist eines der geschätztesten Eisen des amerikanischen Marktes. Roteisenstein kommt im Westen und Süden des Cahaba-Kohlenfeldes in regelmäfsiger Schichtung und auf mehreren 100 km Erstreckung vor. Die Mächtigkeit wechselt zwischen 3 und 10 m. Im Warrior-Kohlenfeld hegt eine Schicht Blackband - Ore (Eisenspath) zwischen zwei Kohlenflötzen. Alabamas Erzförderung hat (1,6 Mül. T.) diejenige Pennsylvaniens erreicht. Die Roheisenerzeugung der V. St. betrug 1889 7,6 Mill. T., das doppelte von 1880, und nahm an der Gesamtmenge, welche auf der Erde erzeugt wurde, mit gegen 25 °/o Teil und steht vor Steinkohlen. 489 England und Deutschland. Im ganzen wird gegenwärtig in 22 Staaten und 1 Territorium Eisen erzeugt^). Das Wachstum der Roheisenerzeugung in den V. St. im Laufe dieses Jahrhunderts ist aus folgender Tabelle zu erkennen. 1810 . . 60480 T. (ä 907,2 kg) 1850 . 632 525 T. 1820 . 22400 ^ 1860 . 919 770 > 1830 . . 184800 . 1870 . . 1865000 » 1840 . . 352800 ^ 1880 . . 3375912 . 1889 . . 7 603 642 T. Steinkohlen. Die Steinkohlenformation, die auch in den V. St. in die zwei Gruppen Subcarboniferous (Untere Kohlen- formation) und Carboniferous (Produktive oder eigentliche Kohlen- formation) geteilt wird, hat, rein geologisch betrachtet, eine aufser- ordentlich grofse Verbreitung. Unser geologisches Kärtchen (Bd. I, S. 28; vergleiche mit ihm die Angabe der Kohlenfelder auf der diesen Band begleitenden Karte) zeigt, wie sie in einem Streifen von 500 km vom Westabhang der Alleghanies sich durch das Ohio- und Tennessee-Thal bis zum Missouri und Mississippi und südwärts durch das Gebiet des Arkansas bis nach Texas zieht. Ein isoliertes Stück füllt den gröfsten Teil der Halbinsel Michigan aus. Westlich vom 100.^ ist sie in Gebirgen und Tafelländern an nicht wenig Punkten nachgewiesen, war aber noch nicht überall scharf von den jüngeren oder älteren Formationen zu trennen, die dort mit ihr lagern. Zwischen dem 75. und 100.^ w. L. und dem 32. und 45.° n. Br. bedeckt sie nicht weniger als 30000 Q.-M. Sie zer- fällt darin in folgende vier grofse Becken. I. Appalachisches Kohlenfeld: Zieht am Nordwestrand der Alleghanies von New York an durch Teile von Pennsylvanien, Ohio, Maryland, West- Virginien, Kentucky, Tennessee, Georgia, Alabama. IL Das centrale Becken, das sich über Illinois, Indiana und Kentucky verbreitet. III. Das Michigan-Becken: Isoliert zwischen Huronen- und Michigan-See. IV. Das westliche Becken, das sich über Iowa, Missouri, Kansas, Nebraska, Indianer - Territorium, Arkansas bis Texas verbreitet. Als besondere Entwickelungen kommen die grofsen 1) Die eingehendste neuere Darstellung des Eisenbergbaues bringt Birkinbines Abschnitt »Iron Ores« im Report on Mineral Industries of the U. S. 1892 (Veröff. des XI. Census). 490 Die Kohlenfelder. Anthracitlager des nordöstlichen Pennsylvanien und ein Lager graphitischer Kohle in Rhode Island und Massachusetts hinzu. . Geologisch zeigen diese ungemein ausgebreiteten Becken oder Felder bei all ihrer breiten Entwickelung und aulserordent- lich weiten Erstreckung grolse Übereinstimmung unter einander. Dana teilt alle Kohlenfelder der V. St. zwei Gruppen zu: 1. der Inneren, die im Osten das grofse appalachische Kohlenfeld um- schlielst und im Westen bis Kansas reicht ; sie ist durch die Hebung der Silurschichten bei Cincinnati in zwei Abschnitte geteilt; 2. der Atlantischen, welche die Vorkommen von Nova Scotia, New Bruns- wick und Rhode Island umschliefst. In der ersteren tritt die untere Kohlenformation wie in Europa vorzüglich in Form von Kalksteinen auf und in einzelnen Schichten dieser »Subcarboniferous Beds« finden sich in Pennsylvanien und Virginien kleinere abbau- würdige Kohlenflötze. In dem oberen Teil der eigentlichen Kohlen- formation, den »Goal Measures», findet sich derselbe mannigfaltige Wechsel von Kohlen, Konglomeraten, Sandsteinen, Schiefern und Kalksteinen, der dieses Formationsglied fast überall charakterisiert. Innerhalb des appalachischen Kohlenfeldes ist die Sonderung in eine untere und obere Flötzgruppe überall vorhanden. Der ersteren gehören die Anthracite an. Unter den 12 bis 18 Kohlenflötzen in den appalachischen und centralen Kohlenfeldern erlangen zwei eine besondere Bedeutung durch ihre Mächtigkeit und ihre weite Verbreitung: das »Mammoth Bed«, das zweitunterste bauwürdige Flötz in Pennsylvanien, das nachgewiesen ist von Pennsylvanien bis Illinois, und das »Pittsburg Bed« in Pennsylvanien und Kentucky. 1. Das Becken von Neuengland im östlichen Rhode Island und in den Grafschaften Plymouth und Bristol in Massachusetts. 200 qkm. Die graphitähnlichen Kohlen kommen am häufigsten in der Aquidneck Mine bei Portsmouth R. vor, und werden wohl auch als Anthracit bezeichnet. 2. Das Anthracitkohlengebiet des nordöstlichen Penn- sylvanien, wiewohl eines der kleinsten der selbständigen Vorkommen (1210 qkm), ist der Produktion nach, sowie durch seinen Einflufs auf die Industrie und den Verkehr grofser Teile des Landes heute das wichtigste von allen. 1889 erzeugten sämtliche übrigen Kohlengebiete der V. St. in runder Summe 85 und dieses Gebiet 40,6 Mill. T. Im Anthracit. Das Appalachische Kohlenfeld. 491 Censusjahr 1879/80 hatte die Förderung 25,6 Mill. T. betragen. Die Beschaffenheit des Materials, die vortreffliche Lage des Gebietes zu den Absatzpunkten und der überaus grolse Reichtum der Lagerstätten er- zeugen dieses Übergewicht. Der Anthracit von Pennsylvanien ist nahe- zu reiner Kohlenstoff, der sehr grolse Hitzegrade fast ohne Rauch ent- wickelt'). Man sagt, dafs er als »das vorzüghchste und schönste Brenn- material anzusehen ist, welches überhaupt existiert«'*). Von dem grölsten Wert ist seine Eigenschaft, dem Einflüsse der Luft zu wider- stehen und zur Selbstentzündung gar nicht geneigt zu sein. Dadurch wird massenhaftes Aufspeichern und langes Lagern besonders in den grofsen Seeschiffen möghch. Die Mächtigkeit der im Abbau begriffenen Flötze von IV« bis 20 m übertrifft die der bedeutendsten deutschen und enghschen Kohlenflötze erhebhch. Die mittlere Gesamtmächtigkeit der 15 aufgeschlossenen Flötze beträgt etwa 50 m. Das Lager zerfällt in drei in der Richtung von Nordost nach Südwest sich erstreckende schmale Becken, nämhch das südliche oder Schuylkill-Becken , das mittlere mit den Sonderbecken von Shamokin, Mahong und Lehigh und das nördhche oder Wyoming- und Lackawanna-Becken. Als wich- tigere Orte in diesem Gebiet sind zu nennen : PottsviUe und Tamaqua im südlichen, Shamokin, Ashland, Shenandoa Cy., Mahanoy Cy., Hazel- ton und Beaver Meadow im mittleren, Wilkesbarre, Scranton, Pittston, Carbondale, Providence, Pljnnouth und Nanticoke im nördhchen Becken. Von der Kokeserzeugung der V. St. fallen 60 ^/o auf das Kohlengebiet von Connelsville s. von Pittsburg. Zwei Drittel der Förderung von 1889 wurden in Pennsylvanien, New York und New Jersey, 15% in Neu- England, 13 Vo im Westen, 0,6 "/o an der pacifischen Küste, 3"/o in Kanada verbraucht 3. Das Appalachische Kohlenfeld, 155 000qkm, zeigt die gröfsten Faltungen in der Nähe des Gebirges und verflacht sich in seichten Wellen gegen den Ohio hinaus. Acht gröfsere derartige Falten Hegen zwischen Alleghanies und Ohio und jede ist durch besondere Kohlenbecken bezeichnet. An der Nordgrenze ist dieses Feld durch Erosion in kleine Sphtter zerteilt, die durch Nord-Pennsylvanien hin zerstreut sind. Am Südende zeigt sich eine dreifache Beckenbildung 1) Abgesehen von diesem ästhetischen Vorzug des Anthracits, von dem man aus dem Gesichtspunkte der Reinlichkeit sogar einen moralischen ableiten kann, hat diese Rauchlosigkeit, wie man im Bürgerkrieg zur Gentige erfuhr, den Wert, die Dampfer auf hoher See nicht zu früh durch ihre Rauchwolken sichtbar zu machen. Der pennsylvanische Anthracit hat übrigens auch ein unbestrittenes Monopol in mehreren Industrien. 2) B r o j a , Der Anthracitbergbau in den V. St. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1877. 41. 492 Kohlen in Michigan, Illinois u. s. f. in Coosa, Cahawba, Black Warrior und Alabama. Man hat in den verschiedenen Teilen 9 bis 13 Flötze nachgewiesen. Die Mächtigkeit der abbauwürdigen wechselt zwischen 1 und 2,5 m. Man überschätzte früher den Kohlenreichtum dieses Feldes, dessen gewaltige Flächen- ausdehnung durch die geringe Zahl und Mächtigkeit der Flötze auf- gewogen wird. Die mageren Kohlen der unteren Schichten walten vor über die fetten Backkohlen der oberen; in Kentucky, Tennessee und Alabama fördert man nur magere Kohlen, wogegen die backenden Kohlen am ausgiebigsten im oberen Ohiothale gefördert werden und dort eine grofse Bedeutung für die Eisenindustrie erlangen. Besonders die Kohle von Maryland ist unentbehrlich in den grofsen Industrie- städten von Neu-England und auf den Ozeandampfern. An der Ge- samterzeugung des appalachischen Kohlenfeldes beteiligten sich 1889 die verschiedenen Staaten, in deren Gebiete Teile dieses Kohlenfeldes fallen, mit folgenden Zahlen (in Mill. T.): Pennsylvania mit 36, Ohio mit 9,9, Maryland mit 2,9, West- Virginia mit 2,9, Tennessee mit 1,9, Ost- Kentucky mit 1,1, Alabama*) mit 3,6, und Georgia mit 0,2. Während die Kohlenerzeugung im Anthracitgebiete ihre Höhe überschritten hat, ist der des appalachischen Kohlenfeldes nach der Breite wie der Tiefe hin noch lange keine Grenze gezogen. Die besten Kohlen dieses Beckens werden bei Pittsburg und in West-Virginien gewonnen, sehr gut sind auch die des isoHerten Cumberland-Beckens in Maryland. 4. Das Kohlenlager von Michigan fäUt der Längenaxe nach nahezu mit der Saginaw-Bay zusammen. Es bedeckt ca. 17 600 qkm, ist aber weder an Menge noch an Güte bedeutend. Die Gesamtmäch- tigkeit der Flötze beträgt noch nicht 4 m. Die Förderung (am lebhaf- testen in der Gegend von Lansing) betrug 1889 67431 T. 5. Das zentrale Kohlenfeld ist aufser in Illinois auch im südöstlichen Indiana und im westlichen Kentucky vertreten. Am wich- tigsten ist der Anteil von Indiana, der 16000 qkm beträgt. In der Ostzone kommen Blockkohlen vor, die Westzone enthält backende Kohlen in mächtigen Flötzen. Beide sind von hoher Bedeutung, weil weiter w. keine Kohlen mehr vorkommen, die zum Eisenschmelzen 1) Genaueres über das Kohlenfeld von Alabama, dessen Lage vorzüg- lich, wie auch über die dortigen Eisenerze, findet man in einem Aufsatze von R. P. Rothwell (Trans. Am. Inst. Mining Engineers 11. 444 bis 458), in dem die Zahl der brauchbaren Flötze auf 10 bis 12 mit einer Gesamt- mächtigkeit von 6 bis 10 m angegeben wird. 1880 war die Förderung in diesem Becken ein Zehntel von der im Jahre 1889. In keinem anderen ist das "Wachstum so grofs. Die geologische Landesaufnahme von Alabama schätzt die Ausdehnung des Kohlenfeldes , das 19 Grafschaften unterlagert, auf 21500 qkm. Kohlen im Westen. 493 brauchbar sind. Indiana erzeugte 1889 2,8 Mill. T. Hauptpunkt der Gewinnung ist Brazil. Illinois ist zu drei Vierteln von Kohlenf orination unterlagert und die Kohlen sind bei ihrer fast ungestörten Lagerung leicht zu gewinnen. Ihre Gesamtmächtigkeit ist 10 m. Die rasch zu- nehmende Förderung behef sich 1889 auf 12,1 MiU. T. Hauptgegenden sind die Big Muddy Region, nicht weit von S. Louis und den grofsen Eisenlagern, und der LasaUe-Distrikt mit Wümington. In Kentucky wurden aus diesem Kohlenfelde 1889 1,3 Mill. T. gewonnen. 6. Das westliche Kohlenfeld findet seine Entwickelung in Missouri, Iowa, Nebraska, Kansas, Arkansas, dem Indian Territorium und Texas. • Von dem von Illinois ist es nur durch das Mississippithal getrennt. Die Breitenausdehnung ist die gröfste von aUen Kohlen- feldern der V. St., aber die Gesamtmächtigkeit der Flötze erreicht in den besten Teilen nicht 6 m. Die produktive Formation weicht hier gegen Westen zu, gleich den anderen älteren Formationen, zurück. Im östlichen Nebraska, in der baumlosen Prärie, wo die Kohlen von un- schätzbarem Werte sein würden, erreicht die Kohlenformation ihr Ende und nur die oberen kohlenleeren Schichten (»harren Measures« des Ostens) sind vertreten. Die gröfste Förderung findet jetzt in Iowa (1889 4.1 Mill. T.) statt. Missouri hat über 50000 qkm Kohlenfeld im nörd- lichen und nordwestlichen Teil, in dem Flötze bis zu 1,3m Mächtig- keit vorkommen. Man förderte 1889 2,5 Mill. T. In grofser Nähe von S. Louis zeigt sich ein ziemhch ergiebiges Vorkommen im Winkel zwischen Missouri und Mississippi. Im südösthchen Kansas finden sich Flötze, die zum Teil in der Prärie selbst durch Tagbau aus- gebeutet werden (Cherokee Cy.). 1889 wurden in Kansas und Nebraska 2.2 Mül. T. gefördert. Übrigens tritt auch Braunkohle im westHchen Kansas in 1 bis 2 m dicken Schichten auf längs des Thaies des Smoky Hill R. Arkansas hat nur die unteren Schichten der Kohlenformation, aber es hegt darin Kohle, die halb anthracitartig sein soU und als Spadra-Coal bis nach S. Louis kommt. Die Lage zu beiden Seiten des Arkansas R. dürfte diesem Vorkommen eine gröfsere Bedeutung für das untere Mississippigebiet verleihen. Das Indianer-Territorium hat bisher die besten Kohlen aus diesem Becken gebracht. 7. Die Kohlenformation nimmt in Texas zwischen dem Oberlauf des Texas-Colorado uud des Red R. einen sehr weiten Raum ein und führt vier Flötze, deren Mächtigkeit bis 1*/« m beträgt. 1889 wurden 128216 T. gefördert. Insgesamt wurden 1889 in dem ganzen Becken 10 Mill. T. Kohlen gewonnen. Steinkohlen aus Schichten des sekundären Zeitalters, die von J. D. Dana der Trias zugerechnet werden, werden in einer 9 qm grofsen Ablagerung bei Richmond Va. gewonnen, wo vier Flötze von 6 bis 12 m Gesamtmächtigkeit vorkommen. Die Erzeugung nahm in 494 Braunkohlen. den letzten Jahren ab und betrug 1889 49411 T.'). Kohlenlager des- selben Alters kommen in Nord-CaroHna am Deep R. in einer Aus- dehnung von 15 qm vor und werden in kleinem Malse abgebaut. Zu den grölsten Thatsachen im Wirtschaftsleben der V. St. in den letzten zwei Jahrzehnten gehört die Entdeckung und beginnende Ausbeutung von einer ganzen Anzahl von Kohlenlagern im fernen Westen, wo im Felsengebirge ein Gebiet, das vielleicht Deutschland an Gröfse übertrifft, von kohlenführenden Schichten zwischen der Kohlenformation und Kreide unterlagert ist. Colorado und Neu-Mexiko liefern Anthracite von vorzüghcher Güte, die den pennsylvanischen in Kürze die westlichen Märkte streitig machen dürften^). Auch Da- kota, Montana, Utah, Wyoming zeigen Anfänge des Kohlenbergbaues; letzteres förderte 1889 1,4 Mill. T. Washington steht mit seinen ganz neuen Aufschlüssen an der Spitze der pacifischen Kohlengebiete; es wurden dort 1889 1,03, in Kalifornien 0,11, in Oregon 0,06 Mill. T, gewonnen. Braunkohlen verschiedener geologischer Horizonte sind in fast allen Staaten des Westens gefunden, aber ihre Förderung genügt dem Bedarfe nicht Kalifornien verbraucht grofse Mengen von austra- lischen und chilenischen Steinkohlen — 1891 wurden für 3,6 Mill. D. Kohlen in das Gebiet der V. St. eingeführt — und erhält Braunkohlen aus Washington und Brit. Columbia, während die Kohlen des unteren Missouri-Gebietes bis nach Colorado gehen. Da indessen in diesen baumarmen Gegenden minerahsche Brennstoffe jeder Art ein hohes Bedürfnis sind, nicht blofs für die Maschinenheizung, sondern auch für den haushohen Bedarf, so ist eine bedeutende Steigerung vorauszusehen. Der marine, aus Kalksteinen bestehende Teil der Kohlenformation ist zwar im Westen weit verbreitet, aber kohlenleer. Die Braunkohlen, am Ostabhange der Felsengebirge in Colorado, gehören dem Eocän oder einer Übergangsformation zwischen Tertiär und Kreide an. Hauptorte ihrer Gewinnung sind Golden City, Ralston Creek und Marshalls. In Wyoming wird dieselbe Formation bei Carbon, Hallville, Rock Springs u. a. 0. kohlenführend gefunden. In Utah Terr. sind bei Evanston und CoalviUe Kohlenlager desselben Alters aufgeschlossen und das von Evanston soU nicht weniger als 8 m 1) In diesen virginischen Kohlenlagern nahm der regelmäfsige Bergbau auf Kohlen in den V. St. seinen Ursprung. Noch 1833 stand Richmond an der Spitze des Kohlenbergbaues. 2) Kohlen verschiedener Gattung und Anthracite wurden bereits 1889 in Colorado 2,5, in Neu-Mexiko 0,48 Mill. T. gefördert. Eine anthracitartige Kohle, wahrscheinlich Braunkohle, die durch spätere Einflüsse umgewandelt ist, wird als in den San Lazaro Mts. N. M. vorkommend, von Frazer be- schrieben. (S. Hayden, Eeport 1871.) Gold. 495 mächtig sein*). Die Braunkohlen von Washington, Kalifornien und Oregon sind geologisch jünger als die Felsengebirgskohlen. Sie sind miocän. Der ergiebigste Abbau findet statt in den Mount Diablo Mines bei San Francisco, dann in Coos Bay (sw. Oregon)^ bei Seattle im Budget Sound und in Bellingham Bay Wash. 1890 standen an der Spitze des Kohlenbergbaues Fennsylvanien mit 82 Mill. T., Illinois mit 12, Ohio mit 9, West-Virginien mit 6, Iowa mit 4, Alabama mit 3,6, Maryland mit 3 Mül. T. Die gesamte Förderung betrug an Anthracit und Kohle 141 Mül. T., fast 98 "/o mehr als 1880. I. J. Wister gab 1891 das Areal der Kohlenfelder, tertiäre mit inbegriffen, auf 380000 qkm an (96 Mül. Acres) und berechnet eine durchschnitthche Mächtigkeit von 8 engl. F. und bei Steigerung der Ausbeutung im bisherigen Mafse Erschöpfung in 100 Jahren. Natür- hch sind aUe diese Schätzungen, selbst die des Areals, höchst vag. Gold. Es gibt keine erschöpfende Statistik der Goldgewinnung in den zahllosen Goldwäschereien und Goldbergwerken, die seit 1848 in den V. St. bearbeitet worden sind. Schätzungen werden erleichtert durch die Nachweise der Exprefskompagnien, die den Versandt von ungemünztem Gold besorgen, die Berichte des U. S. Mining Commissioner, die Berichte der Müuzvorstände und ähnliche Zeugnisse ; immer sind es aber nur allgemeine Schätzungen, zu denen man mit allen diesen Hilfsmitteln gelangen kann. 1848 beginnt die Ausbeutung der kalifornischen Goldlager und ergibt 10 Mill. D. Bis 1859 werden hier 600 Mill. D. gewonnen. Von da an treten auch andere Gebiete mit ein und die Gold- menge Kaliforniens beträgt 1860 bis 1869 300, die der andern Gebiete 170 Mill. D. Seit 1877 51 Mill. in allen Gebieten zusammen gewonnen wurden, ist eine Abnahme bis auf 30 Mill. 1883 zu verzeichnen. Seitdem schwankt die Summe um 33 Mill. (1889 32886744.) Es gibt kein Territorium in den V. St., das sich nicht schon einmal für goldreich gehalten hätte. In der That findet sich 1) Mac Farlane, Coal-Regions of America 1873. 554. 2) Die Zahlenangaben über die Gold- und Silbergewinnung sind öfters tibertrieben hoch befunden worden, besonders in den zwischen den Censussen liegenden Jahren, in denen sie durchaus nur als Schätzungen aufzufassen sind. Vgl. die kritischen Bemerkungen in dem Report on Mineral Industries of the U. S. (1892 p. 51 f.), der auf Grund des Census von 1890 veröffenthcht wurde und einen höheren Grad von Genauigkeit für seine auf 1889 sich beziehenden Zahlen beansprucht, die auch wir wiedergeben. 496 Gold Gold nicht blofs in den Gebirgen des Westens und Ostens, sondöm selbst in der Seeregion, wo sein merkwürdiges Vorkommen als Geschiebe in der eiszeitlichen Drift im vorigen Bande erwähnt worden ist (I. S. 122). Aber in erheblichem Mafse goldführend sind nur die Gebirge des Westens samt deren Flufsbetten und Schutt- lagern. Aus ihnen allein sind jene gewaltigen Mengen von Gold gewonnen worden, die seit 40 Jahren von grölstem Einfluls nicht nur auf die wirtschaftliche Entwickelung des Landes, sondern auf die ganze Weltwirtschaft gew^orden sind. Die goldreichen Gegenden von Kalifornien*) sind nicht schaii zu scheiden von den goldarmen, aber die Goldmassen, die für Kali- fornien den Ruhm des Goldlandes gewonnen haben, sind ausschliels- lich am unteren Teile des Westabhanges der SieiTa gewonnen worden. Hier zieht vom Tejon-Pals bis zur Nordgrenze des Staates der Gold- streif, Auriferous Belt. Die metamorphischen Schiefer und Sandsteine, die hauptsächlichen Träger des hiesigen Goldreichtums, sind in dieser Region am breitesten entwickelt und am wenigstens verhüllt. Hier ist es auch, wo die Bedingungen gegeben waren zur Ansammlung des Goldes im Geröll und Sand und seiner verhältnismälsig leichten Ge- winnung durch Wäschen. In so günstigen Bedingungen der Lagerung lag die Möglichkeit, dafs eine ungeschulte Masse von Goldwäschern Reichtümer aus diesen Goldlagern rasch gewann. Innerhalb dieses Auriferous Belt sind einige Abschnitte von verschiedenem geologischen Verhalten und Goldreichtum zu unterscheiden. Das ertragreichste und am meisten durchgearbeitete, man kann sagen, das »klassische« Gold- gebiet, liegt zwischen King River und Willamette River, wo es die west- lichen Hälften der Grafschaften von Mariposa, Tuolumne, Calaveras, Amador, Eldorado, Placer, Nevada, Sierra und Plumas, sowie die öst- lichen Teile von Yuba und Butte umfalst. Der Goldreichtum findet in diesen letzteren sein Ende durch Bedeckung der goldführenden Schichten mit Lava. Einen grofsen Teil von Nordkalif ornien bedecken diese Lavabetten und erstrecken sich noch über die Nordgrenze des Staates hinaus. Nur im Westen haben sie einen ziemlich breiten 1) Die erste Goldentdeckung in Kalifornien wurde durch J. W. Marshall am 19. Januar 1848 bei der Sägmühle eines deutsehen Ansiedlers Namens S u 1 1 e r aus Mülheim in Baden am Südarm des American R. in dem späteren Eldorado Cy. gemacht. Am 15. März 1848 wurde diese Entdeckung zum ersten Mal in einer Zeitung von S. Francisco an die Öffentlichkeit gebracht. Die Goldfunde im südhchen Oregon wurden 1852 gemacht, in Idaho 1852, in Montana 1858, in Arizona 1858, in Colorado 1859. In Nevada, Utah u. a. kommt Gold in nicht unbedeutender Menge in Silbererzen vor. in Kalifornien. 497 Strich goldführenden Schiefers unbedeckt gelassen, und der Nordwest- winkel des Staates gehört zu den »Mining Regions«. Das Küstengebirge ist arm an Gold. In den Terrassen und den sanfteren Abhängen am Westrand der Sierra stellen die goldhaltigen Ablagerungen Ausfüllungen der Betten eines grolsen, alten Flulssystemes dar. Diese alten Flufs- und Bachbetten sind in die Granite und meta- morphischen Schiefer eingeschnitten. In dem Sand hegt der aus dem Quarz herausgeriebene Goldstaub und in den Quarzgeröllen ist das Gold in Adern und Klumpen eingesprengt. Die bläuUche Farbe dieses goldführenden Flufsschotters hat demselben den Namen Blue Lead beilegen lassen. Dieses Flufssj^stem wurde am Ende der Di- luvialzeit von mächtigen Schichten vulkanischer Gesteine bedeckt, und zwar zu solcher Höhe, dafs die darunterliegenden Thäler und Hügel fast überall ausgeebnet wurden. Erst auf diesem Boden ent- wickelten sich dann die heutigen Flufssysteme Kaliforniens, die teils aus dem Material der vorher vorhandenen Schotterablagerungen, teils durch neu beginnende Zerstörung der Schiefer sich mit Gold be- reicherten, und in denen Gold und Goldquarz nun vorwiegend in den engeren Kanälen, tiefen Schluchten, kesselartigen Austief ungen, am reichsten aber natürhch immer unmittelbar an den goldführenden Quarzgängen gefunden werden. Die goldhaltigen Quai-ze bilden eine schmale Zone in der Mitte des Westabfalles der Sierra Nevada in 1000 bis 1600 m Meereshöhe und streichen gleich dem Gebirge im all- gemeinen von Nordnordwesten nach Südsüdosten. Sie kommen am häufigsten vor in den metamorphischen Schiefern. Das Gold ist meist nesterartig eingesprengt, und meist nur metallisch in der Nähe des Ausgehenden, verbindet sich dagegen mit Kiesen in den tieferen Teilen. Jedenfalls hat die Aufschliefsung dieser Gänge nicht den Aber- glauben bestätigt, dafs das Gold nach der Tiefe zu immer häufiger werde, bis die Gänge ganz und gar in Gold übergingen! Die Gewinnung des Goldes aus diesen beiden Ai-ten seines Vor- kommens hat sehr rasche Entwickelungen durchgemacht. Das im Schotter und Sand hegende Gold wusch man zuerst einfach im Schütteltrog, und zwar beutete man bei der ausgedehnten Aufgeschlossenheit dieser Ab- lagerungen zuerst und unter grofsen Verlusten an Goldgehalt bis auf den Grund aus. Der hydrauhsche Procefs (Hydrauhc Mming), bei dem grofse Wassermassen von starkem Gefäll auf bestimmte Schuttmassen geschleudert werden, vermochte nur km*z nach seiner Einführung im Jahre 1853 die Ausbeute zum höchsten Punkte zu steigern; alle anderen Verbesserungen in der Gewinnung des Waschgoldes sind nicht im Stande gewesen, die natürhche Erschöpfung einer nach Breite und Tiefe beschränkten Ablagerung aufzuhalten. Sogar die gewaltigen StoUen, mit denen man unter die Decke ging, die den »pay dirt«, den Ratzel, Die V. St. von Amerika. 32 498 Gold im Felsengebirg goldhaltigen Schutt verhüllt, und der ruhige Ameisentieils der Chinesen, die den öfters gewaschenen Schutt von neuem wuschen, haben den Ertrag nicht auf der Höhe zu halten vermocht. Am zukunftreichsten ist gegenwäi'tig der Bergbau auf goldhaltige Quarze, der später begann als das Wäschen*). Die zahlreichen Querthäler der Sierra erleichtern den Zugang zu den Quarzadern, und an Holz für Zimmerung und Dampf- maschinenheizung ist dort zunächst kein Mangel. — In Colorado wurde das erste Gold 1852 entdeckt, aber der Zufluls von Goldgräbern begann erst 1858 in ähnhch stürmischer Gestalt wie einst in Kali- fornien. Die Entdeckungen von Silbererzen in Colorado führen auf 1861 zurück. Nächst Kalifornien hat keine Gegend dm-ch die Aus- beutung ihrer Älineralschätze einen so raschen und für die ganze Kulturentwickelung des Westens bedeutungsvollen Aufschwung ge- nommen wie Colorado, das schon 1874 die dritte Stelle unter den Edelmetalle erzeugenden Staaten und Territorien einnahm. 1889 hatte Colorado eine Golderzeugung von 3,8 MiU. D., die seit 1880 um 46 7o gestiegen war. In den ersten Jahren nach der Entdeckung in den Bächen des Ostabhanges der Front Range wurden grofse Mengen Gold gewaschen. Gegenwärtig ist das Goldwaschen fast aufgegeben und an seine Stehe die Gewinnung von goldhaltigen Quarzen und Kiesen ge- treten, die vorzügHch unweit Denver m den Felsengebirgs-Grafschaften dear Creek und Gilpin gewonnen werden. — Nevada fäHt vorzüghch durch den Goldgehalt 'seiner Silbererze ins Gewicht. Seine Goldgewinnung durch Wäschen oder Quarzbergbau ist nicht bedeutend. Es heferte 1889 3,5 Mill. D. Gold gegen 4,9 im Jahre 1880. In Dakota ergaben die Goldlager der Black Mts. 3,09 MiU. D. In Montana haben die Goldwäschen bereits an Ertrag abgenommen, wogegen der Quarzbergbau auch hier seit Jahren eine vielversprechende Gleichmäfsigkeit des Ertrages zeigt. Die wichtigsten Bezirke sind im westhchen Montana um Virginia City, bei Helena und Bozeman. Der Goldertrag betrug 1889 3,1 Mill. D. gegen 1,8 im Jahre 1880. — In Idaho ist der hauptsächhchste Minen- distrikt Atlanta im Winkel zwischen Middle Boise R. und Yuba Fork, wo im Granit Quarzadern mit gediegenem Gold und Silber auftreten. Die Goldgewinnung betrug im ganzen Territorium 1889 1,9 gegen 1,5 MiU. D. im Jahre 1880. In trockenen Jahrgängen bildet der Wassermangel ein erhebUches Hindernis der Goldgewinnung. — Von den übrigen Goldgebieten waren 1889 Utah mit 0,48, Oregon mit 0,96, Washington mit 0,18, Arizona mit 0,9, Neu-Mexiko mit 0,8 MiU. D. vertreten. — Abgesehen von den seltenen und zufäUigen Vorkommen von Gold m dem Drift des oberen Mississippi und des Seen-Gebietes (s. Bd. I. 122) ist Gold in dem weiten Gebiete zwischen Felsengebirge 1) F. v. Richthofen a. a. O. 23. und im Osten. — Silber. 499 und Alleghanies nicht gefunden. In den Alleghanies ist es weit ver- breitet, wenn auch nirgends so massenhaft wie in den goldreichen Westgebirgen. Die huronischen Urschiefer sind durch Goldgehalt aus- gezeichnet, und zwar sind sie besonders reich in Georgia, wo Dahlo- wega, einst sogar Münzstätte, eine berühmte Fundstätte war. Die süd- atlantischen Staaten sollen bis 1870 40 Mill. D. an Gold ergeben haben*). Im alten Nordwesten hegt ein isohertes Goldgebiet in Michigan, wo 1889 87040 D. gewonnen wurden. Vereinzelt kommt Gold in allen Neu-England-Staaten vor und wird auch im kleinen gewonnen. Be- sonders im Staate New Hampshire wird Gold im Thal des Ammoonosuc, eines Zuflusses des Conecticut, gefunden. 1880 verzeichnete die Statistik kleine Golderträge in Maine und New Hampshire, die seitdem auf- gehört haben. Silber. Die Silbererze finden sich im Gebiet der V. St. am reichlichsten am Ostabhang der Sierra Nevada, in den Gebirgs- zügen des Grofsen Beckens und im Felsengebirge. Viel weniger reich ist das Goldgebiet am Westabhang der Sierra, wo das Silber bisher fast nur als Gemengteil des Goldes gewonnen wurde. Der Abbau silberhaltiger Bleierze ist nur in geringer Ausdehnung ver- sucht. Im Küstengebirg kommen arme Silbererze vor. Die ge- samte Silbererzeugung Nordamerikas ist bis 1851 unbedeutend gewesen, stieg aber mit der Einverleibung der Gebiete im Felsen- gebirge und am StiUen Meere bald so, dafs sie heute die aller anderen Silberländer der Erde übertrifft. Ihr greiser Aufschwung datiert von 1864, wo sie 10 Mill. D. überschritt. 1870 stand sie bei 16, 1880 bei 39, und erreichte 1889 66 Mill. D. Das gröfste Silbergebiet der V. St. ist lange Nevada gewesen, wo die Erschhefsung der Region von Washoe mit dem berühmten Com- stock-Lode, einem der gröfsten Silbergänge der Welt, für das Land ö. der Sierra eine Thatsache von nicht geringeren Folgen gewesen ist, als die Goldentdeckung für Kalifornien. Die Bevölkerung zwischen Sierra Nevada und Felsengebirg lebte in den ersten zwei Jahrzehnten nur vom Bergbau. Nevada trug 1876 ungefähr ^,\ der Silbererzeugung 1) H. Credner in Geogr. Mitteil. 1871 S. 47. 1851—1867 wurden aus den östlichen Staaten insgesamt nur noch 4V5 Mill. Gold abgeliefert. Die Statistik für 1889 weist für Alabama, Georgia, Süd- und Nord-Carolina, Vir- ginia und Maryland 0,3 Mill. D. Goldgewinnung nach. Tennessee ist seit 1880 aus der Reihe der Goldstaaten ausgeschieden , wogegen Alaska mit 0,9 Mill. hinzugekommen ist. 32* 500 Silber in Nevada, Colorado, in den V. St. Das Erz ist vorwiegend graues Schwefelsilber'). Die Hauptschwierigkeit des Abbaues liegt darin, dals das Vordringen in die Tiefe erschwert wird durch die in » dem jungen vulkanischen Ge- stein aufserordenthch rasch zunehmende Hitze. Bei Tiefen über 500 m beobachtet man Temperaturen bis 45, in schwer zu lüftenden Gesenken sogai- von 50" C. Erleichterung schuf diesem Übelstande das grofs- artige Werk des Sutro-Stollens im Comstock-Gange, der 1878 in der Länge von 4700 km vollendet wurde*). Südhch von Washoe folgen Silver Mt., unmittelbar am Ostabfall der Sierra gelegen, und Esmeralda, ö. vom Monosee, deren Erze in tertiärem Grünstein vorkommen, ferner das Minengebiet am Owens R., das in den Gebirgszügen Owens R. Mts., Slate Range und Coso Range silberreiche Quarzgänge in metamorphischen Schiefern und Granit umschliefst. Nach Osten zu, schon im Innern des grofsen Beckens, hegen die Distrikte Humboldt und Reese R. ; jener umschliefst in den West und den East Humboldt Mts. zahlreiche ergiebige Quarzgänge in Grauwacke und Keuperkalk, diese in den Reese River Mts. in Granit und paläozoischen Gesteinen. Seit Ende der siebziger Jahre geht der Silberertrag Nevadas zurück. Nevada stand schon 1880 hinter Colorado. Heute sind Colorado, Montana und Utah die reichsten Silbergebiete der Union. In Colorado war die Caribou Mine in Boulder Cy. das Gegenstück in kleinerem Mafsstabe des Comstock Lode. Der Caribou, ein 3000 m hoher Vorberg der Front Range aus Granit und Gneis, ist nach allen Richtungen von Quarzgängen mit gediegenem Silber und schwarzem Schwefelsilber durchzogen und hat seit 1870, wo er zum ersten Male auf Silber in An- griff genommen wurde, eine Zeitlang jährHch zwischen Vz bis 1 Mill. D. ergeben^). Aufserdem findet sich der Silberreichtum vorzüghch in den Grafschaften Pitkin, Ouray, Lake und Clear Creek. Colorado hat an 1) Bei den Amerikanern kurzweg »Sulphuret«, das eine grofse Rolle spielt, da es auch in den Silberregionen von Utah und Colorado weit ver- breitet ist. Es kommt bereits als Orts- und sogar als Personenname vor. 2) Da die Erze dieses Ganges sich nur stellenweise und unregelmäfsig zu bauwürdigen Massen zusammenhäufen, kommt unerwartetes Vordringen in sehr lohnende Regionen des Berges nicht selten vor. Die Bergwerke, wo dieses eintritt, heifsen dann >Bonanza Mines« (Ausbeutegruben), vom spani- schen Wort »bonanza«, Gedeihen. 3) Das Schicksal der Caribou Mine ist typisch für die Wechselfälle des Silberbergbaues im Westen. 1870 von einigen Prospectors entdeckt, die durch ihren Verkauf innerhalb eines Jahres Millionäre wurden, gehörte sie mehrere Jahre zu den berühmtesten Werken in Colorado ; 1873 für 3 Mill. D. an eine niederländische Gesellschaft verkauft, lag sie nach deren Fall brach, bis sie 1877 für 70000 D. wiederverkauft wurde. 1889 hat die ganze Boulder Cy. für 418000 D. Edelmetalle erzeugt. Montana u. a. — Quecksilber. 50t Silber 1880 16,5 Mill., 1889 23,7 Mill. gewonnen. Montanas Ausbeute hob sich von 1880 auf 1889 von 2,9 auf 17,4 Mill ! Die gröfsten Summen entfallen auf »Deerlodge und SilverboAv Cy. Utah besitzt Silberminen vorzüglich im Süden, in dem Oquirrha Mts., in den Sevier Mts., in der Gegend des auch durch sein goldhaltiges Kupfervorkommen berühmten Tintic u. a. 1880 hatte Utah 4,7 Mill. D. Silber gewonnen, 1889 hatte die Summe sich auf 9 Mill. erhöht, wie überhaupt Utahs Erzeugung von Edelmetallen derzeit noch zu den fortschreitenden gehört. Von den minder reichen Silbergebieten haben 1889 Kalifornien 1,3, Arizona 2,3, Neu-Mexiko 1,6 und Idaho 4,2 Mill. D. ergeben. — Im Osten der V. St. sind geringwertige Silbererze, meist Bleiglanz, früher häufig ab- gebaut worden, heute werden nur in den südhchen Alleghany Staaten noch einige 1000 D. Silber gewonnen. Auf der kleinen Silver Islet im Oberen See wird z. T. unterseeisch ein Bergbau auf Silber und Kupfer betrieben. Über die Menge des in den Kupfergruben des Oberen Sees zusammen mit dem Kupfer gediegen vorkommenden Silbers Hegt keine Angabe vor. Beträchtlichere Silbermengen hefert seit einigen Jahren Texas; 1889 gewann man dort 418000 D. Quecksilber. Die Quecksilbergruben Kaliforniens liegen sämt- lich im Küstengebirge zwischen 36 und 39^ n. B., also s. und n. von S. Francisco. Als Erz und gediegen tritt das Quecksilber daselbst in mehreren der Küste parallelen Zügen metamorphischer Gesteine auf. Vorzüglich drei Züge sind von Gruben besetzt; der westlichste durchzieht die Gegend von S. Luis Obispo und Sa. Barbara; auf dem nächstöstlichen in Sa. Clara Cy. sind die Gruben von Neu- Almaden angelegt und er setzt sich bis S. Fran- cisco fort, wo man Spuren von Zinnober selbst innerhalb des Stadtgebietes findet; den östlichsten beuten die Gruben von Neu- Idria aus. Aufserdem wird Quecksilber auch vereinzelt am West- abhange der Sierra, in Oregon und Utah gefunden. Die ergiebig- sten Gruben sind die von Neu- Almaden, dann die von Fresno (oder Neu-Idria) und von Napa. Der erste Bergbau auf Queck- silber wurde 1848 in Neu- Almaden eingeleitet und 1850 wurden bereits über 7000 Flaschen erzeugt. Die Erträge sind sehr un- gleich. Im reichsten Jahre (1877) wurden über 79000 Flaschen gewonnen, ungefähr drei Fünftel der gesamten Quecksilbererzeu- gung der Erde. Seitdem ist die Zahl auf 26464 im Jahre 1889 ziemlich regelmälsig zurückgegangen, während die Quecksilber- erzeugung von Spanien, Krain und Italien gewachsen ist. 1889 502 Kupfer. lieferten die V. St. nur noch wenig über ein Viertel des Queck- silbers der Erde. 1889 waren in den Quecksilberminen und -Werken 961 Arbeiter beschäftigt. Kupfer. Die V. St. liefern gegenwärtig über zw^ei Fünftel der gesamten Kupfererzeugung der Erde. 1889 wurden 231 Mill. Pfd. verzeichnet, 282% mehr als 1880. Der Hauptsitz dieser grofsen Erzeugung ist das Silbergebiet von Montana in der Umgebung von Butte City und der sog. Native Copper District am Oberen See, ein Teil der Oberen Halbinsel Michigan. Beide ge- hören zu den reichsten Kupfer vorkommen der Erde. Am Oberen See haben wir eine fast parallel dem nordwestlichen Uferrande der Halbinsel laufende Zone kupfer- und silberführender Sand- steine und Konglomerate mit zwischenlagernden Melaphyren und Dioriten, die bei einer Länge von 26 geogr. M. ^/s bis 1 geogr. M. durchschnittliche Breite aufweist. Das Kupfer kommt vorwiegend gediegen vor (schon die Indianer nützten es aus) und enthält als häufigere Beimengungen Silber, Silikate und Erden. Silber kommt gediegen und vermengt mit dem Kupfer vor. Massen gediegenen Kupfers von mehr als 100 T. sind zu verschiedenen Malen ge- funden^). In Montana werden Kupferglanz, Rubescit u. a. Erze aus 10 m breiten und über 100 m langen Adern gewonnen, die zugleich Silber führen. In Arizona ist der Reichtum an Kupfer vielleicht noch gröfser, besonders im Globe- und Clifton- Distrikt (Maricopa Cy.), aber die Lage ist weniger günstig. 1889 lieferte Montana 98, Michigan 87, Arizona 32, Neu-Mexiko 3,6 Mill. Pfd. Kupfer. Ein Kupfervorkommen von gröfserer Ausdeh- nung aber geringerem Reichtum ist das der Alleghanys, wo Kupfer- kiese und kupf erhaltige Schwefelkiese auftreten. Gleich dem Magnet- eisen bilden diese Kupfererze einen Gürtel von Nova Scotia bis Georgia. Man baut die reicheren Teile ab in Vermont, Tennessee und Georgia. Weniger bedeutende Vorkommen sind endlich in Idaho, Utah, Colorado und Kalifornien in Ausbeutung. Montana und Michigan heferten 1889 84% des Kupfers der V. St. 1) Als die gröfste Masse wird ein über 400 T. schwerer, 14 m langer Block genannt, der in der Minnesota-Grube 1857 gefunden wurde. Blei. 503 Blei findet sich in den V. St. vorzüglich in drei grölseren Lagern: 1. im oberen Mississippi- und Missouri-Gebiet; 2. in den Silberregionen der Westgebirge; 3.. in den Alleghanies. Das Erstgenannte ist am längsten bekannt und ausgebeutet. Es ist begrenzt vom Mississippi im Westen, vom östlichen Arm der Peccatonica im Osten, vom Wisconsin im Norden und vom Apple R. (111.) im Süden ; man pflegt die Bleiminen von Wisconsin, Illinois, Jowa als die oberen, die von Missouri als die unteren zu bezeichnen. Ein kleines Stück produktiven Gebietes liegt am West- ufer des Mississippi. Der Silbergehalt ist verhältnismäfsig gering, das Blei, das vorwiegend aus Bleiglanz gewonnen wird, fast frei von Verunreinigung. Missouri, Wisconsin und Kansas liefern die gröfste Menge Blei in diesem Gebiet. In den Silbergebieten des Westens treten silberhaltige Bleiglanze auf, vorzüglich in Colorado, Idaho, Montana und Utah. Die Bleigewinnung in der AUeghany- Region ist unbedeutend. Der gröfste Teil der Bleierzeugung der V. St. fällt auf die westlichen Silbergebiete. 1889 wurden 182967 T.^) gewonnen, was eine Zunahme von 87% seit 1880 bedeutet. Die Zinkerze der V. St. finden sich vereinigt mit den Bleierzen in der grofsen Bleiregion des Oberen Mississippi und im südlichen Staat Missouri; als Blende in den Süurschichten von. Bethlehem Penn, und als Rotzinkerz, Franklinit u. a. in krystalhnischem Kalk bei Franklin und Stirling N. J., ferner in Vtrginien und Tennessee. 1889 wurden 58 860 kl. T. ») Zink gegen 23 239 im Jahre 1880 gewonnen, das meiste in Illinois, Kansas, Missouri, Pennsylvanien und New Jersey. — Nickel und Kobalt werden zusammen in Pennsylvanien zu Gap und Camden aus Schwefel- und Kupferkiesen gewonnen. Der Ertrag (1889 252 663 Pfd.) ist im Rückgang. — Zinn ist adernweise im Granit und körnigen Kalk von Winslow, Hebron und Paris (Maine), in un- bedeutendem Vorkommen in New Hampshire und Massachusetts, in wahrscheinlich nicht abbauwürdiger Menge in Missouri, als Zinnsand von angeblich bedeutendem Reichtum in Idaho, und als Zinnerz in S. Bernardino Cy. im südlichen Kalifornien nachgewiesen. Verwertet hat man von allen diesen Vorkommnissen bis Jetzt wenig und die in den Kämpfen um den Zolltarif 1890 so hochgestellten Zinnquarzminen in den Black Mts. von' Süd-Dakota und Wyoming scheinen noch ganz 0 kl. T. = Tonne bedeutet hier Short Ton, von 2000 T. 504 Salz. in der Entwickelung zu stecken. Die Statistik von 1889 weils noch nichts von gewonnenem Zinn zu melden. — Von Aluminium wurden in demselben Jahr 47 468 Pfd., von Platin, das in Kalifornien vor- kommt, 500 Unzen verzeichnet. — Antimon ist öfters in Mischung mit Wismuth an einer Reihe von Örthchkeiten w. der Felsengebirge nachgewiesen, wo die Ausbeutung lohnend sein würde, wenn der Bedarf sie hervorriefe. Im Inneren ist ein gröfseres Vorkommen im südwesthchen Arkansas (Sevier Cy.) bekannt. 1889 sind 115 kl. T.*) ver- zeichnet. — Graphitlager sind in der atlantischen Gneiszone der AUeghanies und werden u. a. bei Sturbridge und Worcester Mass., bei Peapack, Mendham, Bloomingdale N. J., Raleigh N. Car. in kleinem Mafsstabe ausgebeutet. Der Wert wird 1889 zu 73000 D. angegeben. — Reiche Vorkommen von Molybdän und Tellur in dem Silbergebiet des Felsengebirges von Colorado sind noch nicht industriell verwertet. Dagegen werden Chromerze der AUeghany-Region seit einigen Jahren im südlichen Pennsylvanien ausgebeutet. — In schwarzen Sauden (meist durch Titaneisen und Chromeisen gefärbt) aus Goldwäschen Oregons und Kaliforniens sind mikroskopische Diamanten nachgewiesen. Sie sind ebenso wie das Vorkommen von Diamanten im Itakolumit der Süd-AUeghanies bis jetzt blols mineralogische Merkwürdigkeit. Die Statistik des Bergbaues gibt 1889 Edelsteine im Wert von 188 000 D. an. Salz. Das Salz wird als Soole aus Salzquellen, aus Meer- wasser, als salzigen Binnenseen und als Steinsalz gewonnen. Das Soolsalz liefert die weitaus gröfsten Mengen für den Verbrauch, der heute auf 'gegen lOOÖ Mill. Kilogramm (15 pro Kopf) ver- anschlagt werden kann. Die ergiebigsten Quellen kommen aus grolsen silurischen Salzlagern im westlichen New York (Onondaga) und aus Salzlagern devonischen Alters in den Thälern des Ohio, Kanawha und Saginaw. New York, Ohio, W Virginia und Mi- chigan erzeugen am meisten Soolsalz. Seesalz wird an der Golf- küste in unbedeutender Menge gewonnen ; die gröfste Masse, vor- züglich als Düngmittel verwendet, kommt von den Turks Islands. Steinsalz kommt in Virginien, Louisiana (besonders rein und mächtig auf Avery Island), Texas und allen Staaten w. vom Felsen- gebirg vor. Salz in Salzseen oder Salzsümpfen findet sich nur aUzureichlich in allen Steppenstaaten, wo an Salztümpeln Über- flufs ist. Über die ganze Gewinnung besitzen wir nur die all- gemeine Angabe, dafs sie 1889 8 Mill. Fässer im Wert von über. 4 Mill. D. betragen habe. Bausteine. 505 Aulser Kochsalz wird aus den Salzseen in Colorado (bei Denver) Soda, und in Kalifornien und Nevada (s. Bd. I. 276) an verschiedenen Orten Borax (18 898 Mill. Pfd.) gewonnen. Brom ist in gewissen Salz- quellen von Ohio so stark vertreten, dafs dieser Staat allein heute mehr Brom (1889 419000 Pfd.) erzeugt als ganz Europa. Schwefel kommt mit Gips und Kochsalz im westlichen Louisiana vor und wird in Kahfornien als Nebenprodukt bei der Quecksilberbereitung gewonnen. Die Menge ist unbedeutend. Schwersi3ath bildet den Gegenstand eines beträchthchen Bergbaues im Buntsandstein von Connecticut. Phos- phorit wird in Süd-CaroHna und Florida, und Grünsandmergel von zum Teil 40 m Mächtigkeit an der Küste von New Jersey abgebaut ; beide liefern vorzügUche Düngmittel'). Von jenem gibt die Statistik für 1889 den Wert von 2,9 Mill. D. an. An Bausteinen ist die Union in ihren östlichen und nörd- lichen Teilen reich. Ausgedehnte Verwendung finden vorzüglich Granit, Brownstone (feinkörniger, rotbrauner Sandstein, der den Strafsenfronten von Boston, New York, Philadelphia eine charakte- ristische Farbe gibt) und Marmor. Brüche eines in allen atlantischen Städten als Baustein verwendeten Granits liegen in der Blue Hill Bay Me. dicht am Meer. Weifse Marmore von grofser Schönheit sind in der Alleghany-Region , besonders in Vermont und Penn- sylvania so verbreitet, dafs sie zum Hausbau Verwendung finden. Der Marmor für plastische Werke wird jedoch grofsenteils aus Europa eingeführt*). Die grofsen Städte der Union lassen durch die Menge ihrer Marmorbauten alle europäischen hinter sich. In Pennsylvania wird sogar der dort häufig vorkommende Serpentin als Baustein verwendet. Vor allem ist aber der Reichtum an guten Bausteinen und an Kalk in der felsigen Grundlage der Präriegebiete nicht zu unterschätzen. So unterlagern den Boden der Osthälfte von Iowa in geringer Tiefe Gesteine der Silur- und Kohlenformation, die fast alle als Bausteine Verwendung finden können, und Kalke, die selbst zur Cementbereitung (1889^ schuf die Cementgewinnung 5 Mill. D. Werte) dienlich sind, finden sich über Iowa und die Nachbarstaaten verbreitet. Es ist ein glück- licher Umstand, dafs der Lehm, der den Hauptbestandteil der 1) In den Südstaaten wird der Fledermaus-Guano, der in Tausenden von Tonnen in Höhlen von Alabama, Tennessee und Texas vorkommt, als Düngmittel verwendet. Während des Krieges wurde Salpeter aus ihm gewonnen. 506 Steinöl. Prärieschichten bildet, sich durchgängig gut zur Herstellung von Ziegeln eignet^). Steinöl. Die V. St. sind noch immer der gröfste Steinöl- produzent. Mit wenig Schwankungen ist die in ihnen gewonnene Menge auf 35,2 Mill. Fässer zu 42 Gall. im Jahre 1889 ge- stiegen. Die Steinölvorkommen Nordamerikas sind hauptsächlich an eine langgestreckte Zone von Silur-, Devon- und Steinkohlen- schichten gebunden, die am Westrand des Alleghany- Gebirges von dem canadischen Ufer des Erie-Sees durch New York, Penn- sylvanien, Ohio, Indiana, West-Virginien, Kentucky und Tennessee zieht. Die Länge der Zone von Canada bis Tennessee beträgt 1400 , die Breite durchschnittlich gegen 400 km. Kleinere Vor- kommen werden in Süd-Kalifornien und Colorado ausgebeutet. Grofse Hoffnungen setzt man auf Wyoming. In dem reichsten Steinölgebiet , dem von West-Pennsylvanien , kommt das Öl in einem groben Sandstein der oberen Silurformation massenhaft yor; auch ein 20 m tiefer liegender vierter Sandstein ist noch ölreich. In minderer Menge findet sich Steinöl auch in den unteren Devon- schichten, wo entweder das Gestein durchtränkt ist oder An- sammlung in Hohlräumen und Spalten stattfindet. Da häufig Gas mit dem Steinöl zusammen vorkommt, wird es nicht selten springbrunnenartig herausgetrieben oder erzeugt selbstfliefsende, manchmal intermittierende Quellen. Die Vorkommen in Hohl- räumen sind vereinzelt. Im allgemeinen sind die mächtigsten Vorkommen verbunden mit der gröfsten Mächtigkeit des um- schliefsenden Gesteines. Wie anderwärts sind auch hier Soolen in der Nähe des Steinöles sehr häufig. Bei Pittsburg verwendet man sie zur Salzgewinnung. Einige an die Oberfläche tretende Steinöl- quellen waren schon von den Indianern und den frühesten An- siedlem gelegentlich ausgebeutet worden. Aber erst 1859 wurde bei Titusville im westlichen Pennsylvanien bei einer Bohrung das Steinöl in solchen Massen gefunden, dafs es die Gewinnung zu lohnen versprach. Sehr rasch verbreitete sich die Steinölgewin- nung von hier nach Süden, wo es überall genügend schwer und 1) 1891 bewertete die Einfuhr von Marmor und ähnlichen Steinen roh und verarbeitet 3780001». Steinöl. 507 ohne viel Gas- und Soolebeimengung aufgefunden ward. 1889 lieferte das zusammenhängende Gebiet von Pennsylvanien und New York 63% der Gesamtgewinnung. Im Verlauf der Steinöl- gewinnung, die heute kaum 30 Jahre alt, ist ihr gewerblicher und Handels-Mittelpunkt allmählich südwärts gerückt. An die Stelle des einstigen Hauptortes Titusville ist in neuerer Zeit Parker getreten. Titusville liegt am Oil Creek, einem Zuflüsse des Alle- ghany-Fl., Parker an dem Zusammenflusse des Clarion mit dem Allegheny. Immer ist der Schwerpunkt in den pennsylvanischen und newyorker Bezirken verblieben^). Neben ihnen kommen mit geringen Anteilen Ohio, West- Virginia, Kentucky, Colorado, Kali- fornien, Indiana, Illinois, Kansas und Texas in Betracht. Was in Ohio, Indiana und Kalifornien gewonnen wird, dient zur Heizung. Der Wert des natürlichen Gases i) betrug 1889 21 Mifl. D. Die grölste Menge des Steinöls wird unmittelbar vom Gewinnungs- ort nach den Plätzen abgeführt, an denen sich die Vorrichtungen zur Raffinierung befinden. Es sind dies Cleveland 0., New York, Pitts- burg, Philadelphia, Baltimore, Boston. In der Nähe der Brunnen wird das Öl erst in kleinere, dann in gröfsere Sammelbecken geleitet. Der Transport von hier bis zur Eisenbahn geschieht in Röhrenleitungen. Die einst heils umstrittene Idee, durch grofse Röhrenleitungen die Ölgebiete unmittelbar mit Baltimore und New York zu verbinden, ist in solchem Mafse verwirklicht, dafs 1889 aus Pennsylvanien, New York und dem Grenzgebiet W. Virginiens 21,8 Mill. FässerPetroleum den »Pipe Lines« zugeführt wurden. — Die Ausfuhr begann 1861, in welchem Jahre sie sich auf 27000 Fässer belief; doch waren bis 1862 die Märkte so schwer zu erreichen, däfs man annimmt, es seien bis dahin allein 10 MiU. Fässer Steinöl in den pennsylvanischen Feldern unbenutzt abgeflossen; 1) Gleichwie bei den Steinkohlen ist auch beim Steinöl die Aussicht auf möglicherweise nicht sehr fernUegende Erschöpfung in der Natur der jetzt in Ausbeutung begriffenen Vorkommen begründet. Es ist Thatsache, dafs viele Brunnen nachgelassen haben, dafs das Öl der unteren Schichten leuchtschwächer ist, und dafs mit der Tiefe die Kosten der Ausbeutung zu- genommen haben. Aber andererseits ist nur ein geringer Teil der vermuteten Horizontalausbreitung des Ölgebietes bis jetzt in Angriff genommen und ist die Gesamtergiebigkeit bisher nur immer gewachsen. 2) Bei Pittsburg hat man eigene Bohrlöcher angelegt, um dieses Gas zmn Betrieb der Schweifs- und Puddelöfen zu benützen; ausserdem wird es zur Versiedung der Soolen und zur Strafsenbeleuchtung in vielen Plätzen der Oelregion verwendet. 508 Steinöl. im Jahr 1890 erreichte sie einen Wert von 51,6 Mül. D. bei 689 Mill. Gall. Von Asphalt wurden 1889 52000 kl. T., von Ozokerit 50000 Pfd. gewonnen. Die Meerschaumlager am Sapello-Flüf sehen im nörd- hchen Neu-Mexiko werden als besonders reich und die Güte des Meer- schaums als hervorragend geschildert. 1889 wurden in den V. St. von 258 Mineralquellen gegen 13 Mill. Gallonen Wasser im Wert von 1,7 MiU. D. verkauft. Dazu werden jährhch für 350000 bis 400000 D. natürhche Mineralwasser aus Europa eingeführt. XX. Die Gewerbthätigkeit. Die Anfänge 509. Zurückdrängung durch das Mutterland 510. Aufschwung seit der politischen Selbständigkeit 511. Heutiger Stand 512. Der Betrieb 512. Arbeitskräfte, Maschinenarbeit, Werkzeuge 513. Der Erfindungs- und Unter- nehmungsgeist 513. Patente 513. Kredit 515. Leben und Stellung der Ar- beiter 516. Die Hauptzweige der Gewerbthätigkeit : Textilindustrien 518. Metalündustrien und Maschinenbau 520. Landwirtschaftliche Geräte 522. Lederverarbeitung 523. Waffen 525. Uhren 526. Chemische Lidustrien 526. Brauereien 526. Keramik 527. Vervielfältigende Industrien 528. Geschichtliche Entwicl(elung. Jagd, Ackerbau und Bergbau sind die natürhchen Nahrungszweige junger Ansiedelungen. Für die Industrie, über den täglichen Bedarf hinaus fehlen Geld, Kenntnisse, Fertigkeiten, Arbeitskräfte. GewöhnHch bilden die Industrieerzeugnisse des Mutter- landes den Hauptgegenstand des Austausches gegen die Rohstoffe und Erzeugnisse des Ackerbaues der Kolonien. In den enghschen Kolonien in Nordamerika kam hinzu, dals das Mutterland ihre in- dustrielle Entwickelung hintanhielt, um in ihnen ein Absatzgebiet für seine Fabriken zu behalten. Wenn auch schon 1608 in die virginische Kolonie zu Jamestown einige Deutsche und Polen eingeführt wurden, um die Erzeugung von Pech, Teer, Pottasche und Glas zu lehren, und 1621 unter den Ausfuhren der Kolonie Eisen, Rohseide, Tauwerk, Pottasche, Pech und Harz genannt werden, und von 1624 an der Schiffbau aufblühte, so bheben doch die Fortschritte in den nächsten 150 Jahren gering. Sägemühlen soUen in Nordamerika von den Holländern und den am Delaware angesiedelten Schweden früher gebaut worden sein als in England. Auch die ersten Mahlmühlen in Nordamerika waren Windmühlen, die von den Holländern gebaut wurden, die auch in der Ziegelei die Führung gehabt zu haben scheinen; Albany, eine ihrer ältesten Niederlassungen, ist noch heute Mittelpunkt dieser 510 Geschichtliche Entwickelung. Industrien^). Zu Roxborough bei Philadelphia ist durch Holländer 1692 die erste Papierfabrik gegründet worden. Die erste Druckerpresse ward 1631 in Cambridge Mass. errichtet. Die erste Zeitung wurde 1684 in Boston gedruckt und die ersten Lettern wurden von Christoph Sauer in Germantown Penn, gegen 1728 gegossen, demselben, der auch die erste deutsche Bibel in Amerika gedruckt hat. Die Verwendung des Maises zur Bierbrauerei ist vielleicht von den Indianern gelernt worden. Die Weber bedienten sich im Anfang für gröbere Arbeiten einheimischer Fasern, z. B. von Apocynum cannabinum. Der Gebrauch des ein- heimischen Sumachs zur Gerberei soll schon 1630 in Massachusetts empfohlen worden sein. Virginien erzeugte schon 1619 eigenes Eisen, aber die Eisengewinnung entwickelte sich sehr langsam. In Jenks aus Lynn Mass. tritt uns in der Mitte des 17. Jahrhunderts ein Er- finder entgegen, wie die V. St. später so viele aus ihren Gewerbstande hervorgehen sahen. Er verbesserte die altübüche enghsche Sense, fertigte die Stempel für die Kolonialmünzen, baute für Boston eine Feuerspritze, errichtete die erste Drahtzieherei und Kratzenfabrik. — Das beginnende 18. Jahrhundert sah in den Kolonien die Keime aller Industrien, die es damals in den fortgeschrittensten Ländern Europas gab; sie waren im Stande, das Nächste und Notwendigste aus eigener Kraft und mit den dem Lande eigenen Mitteln zu erzeugen. Aber schon diese Stufe der Entwickelung der kolonialen Industrien schien dem Mutterlande zu hoch, und es begannen die Einschränkungen und Verbote, deren Folgen weltgeschichtüche werden sollten. Im Jahre 1750 sprach eine Ordonnanz aus, die Errichtung von Manufakturen müsse als Versuch und Mittel angesehen werden, um die Abhängigkeit der Kolonien vom Mutterlande zu vermindern. Aber in diesen Kämpfen empfingen die Erforschung der Naturschätze des Landes und die Ent- wickelung des Erfindungsgeistes mächtige Anregungen, und die In- dustrie der Kolonien machte in diesen Jahren mehr Fortschritte, als in den ruhigeren Zeiten, die vorausgegangen waren. Die Not des Unabhängigkeitskrieges zwang zu weiteren Schritten auf diesem Wege Die Eisenindustrie machte unter der Wirkung der grofsen Anforde- rungen die gröfsten Fortschritte. Und gleich nach dem Schluls des Unabhängigkeitskrieges entstand in den Köpfen Washingtons und Hamiltons der Plan, den Absatz der Ackerbauprodukte durch Be- förderung der Industrie zu vergröfsern. Die neuen Erfindungen in 1) Es ist überhaupt wahrscheinlich, dafs die Holländer eine viel frucht- barere Wirkung auf die Entwickelung der Hülfsquellen von Nordamerika geübt haben, als gewöhnlich angenommen wird. Sie waren damals in den meisten Gewerben den Engländern überlegen, ebenso in der Schiffahrt und dem Handel. Vgl. o. S. 249. Geschichtliche Entwickelung. 511 der Textilindustrie suchten die Amerikaner oft auf unvollkommene Angaben sich anzueignen. Slater ahmte die Arkwright'sche Spinn- maschine in einer Weise nach, die fast das Recht gibt, ihn als Nach-Entdecker dieses epochemachenden Werkzeuges zu bezeichnen. 1787 wurde zu Beverley Mass. die erste Baumwollspinnerei errichtet. Am einflulsreichsten waren auch für Europa unter diesen Erfindungen die der Cotton-Gin durch Whitney, 1793, welche die Herrichtung der Rohbaumwolle ungemein erleichtert, ferner die gleichzeitigen Ver- besserungen der Mühlen von OHver Evans. 1790 wurde die erste Dampf-Mahlmühle gebaut. Schon 1782 waren in Amerika Versuche mit der Dampfschiffahrt gemacht worden, und 1807 schwamm Ful- ton's Dampfboot, der Ausgangspunkt aller brauchbaren Konstruk- tionen, auf dem Hudson und 1808 wurde von New York nach Phila- delphia die erste Fahrt zur See gemacht. Der Krieg von 1812 gab, zusammen mit den vorangegangenen Erschwerungen des Ver- kehrs infolge der europäischen Umwälzungen, der amerikanischen Industrie einen grölseren Anstofs. Mit dem SchutzzoUtarif von 1824 erfolgte ein neuer Aufschwung, der nun von gröfserer Dauerhaftig- keit war. Die Entwickelung der Verkehrswege kam hinzu. 1826 wurde die erste Eisenbahn gebaut, 1829 die erste amerikanische Loko- motive und Morse erfand 1832 den ersten praktischen Elektro-Tele- graphen. Der Zufluls von Einwanderern*) und die Vermehrung der Bevölkerung, die Fortschritte der landwirtschafthchen und bergbau- hchen Erzeugung und die rasche Ausdehnung des Verkehrsnetzes, zusammen mit dem Einströmen grofser Summen fremden Kapitales hielten trotz der Schwankungen der Zollpohtik die Welle im Steigen. 1853 fand die erste Internationale Industrieausstellung Amerikas zu New York statt. 1851 hatte Stevens den Bau des ersten Panzer- schiffes begonnen. Die Monitors, welche zuerst im Bürgerkriege der V. St. zur Verwendung kamen, haben bekannthch das Signal zu einer grofsen Umwälzung im Seekrieg gegeben. Der Sieg der repubhkanischen Partei von 1860 brachte neuerdings einen SchutzzoUtarif, der die In- dustrie so begünstigte, dafs 1870 der Wert der Gewerbeerzeugnisse nahezu das Doppelte von dem von 1860 erreicht hatte. Es fällt in diese Zeit der gewaltigste Schritt, den die amerikanische Industrie nach vorwärts gemacht hat. Unleugbar ist auch der mächtige Einflufs des während und nach dem Bürgerkriege hochgesteigerten Spekulations- 1) Um zu ermessen, welche Kräfte für die Industrie unter denselben sich befanden, braucht man nur zu erinnern an die einer früheren Zeit an- gehörigen Rittenhaus und Voigth in Pennsylvania, an den 1839 eingewan- derten Preufsen Roebling, den grofsen Brückenbauer, an Ericsson, der 1839 aus Schweden kam. 512 I>er Betrieb. geistes. Aber die Arbeitsamkeit, der Unternehmungsgeist und die grolse natürliche Befähigung des Amerikaners für alles Wirtschaftliche haben nadndestens ebensoviel gethan. Seit der Weltausstellung von Philadelphia 1876 sind die Nordamerikaner als eines der gröfsten In- dustrievölker der Erde anerkannt. Seitdem verfolgt man mit ge- spannter Aufmerksamkeit jeden industriellen Fortschritt, den sie machen, und fühlt das Anwachsen ihrer Konkurrenz nicht blofs auf den aufsereuropäischen Märkten, sondern sogar in Europa selbst. Der Betrieb. Von den notwendigen Daseinsbedingungen der Gewerbe sind einige der wichtigsten : Intelligenz und Arbeitsamkeit der Bevölkerung, leichter Absatz, Kohlen- und Eisenreichtum, in höherem Mafse in den V. St. als in Europa zur Verfügung. Wohl liegt aber in dem Mangel an Arbeitskräften in jungen Ländern immer die gröfste Schwierigkeit jeder Unternehmung, die zu ihrer Aus- führung fremde Kräfte in Anspruch zu nehmen hat. Man hat ihn den einzigen Mangel genannt, den das Gewerbe in den V. St. empfinde. Er wird nur in geringem Mafse dadurch aufgewogen, dafs unter den Einwanderern verhältnismäfsig viele tüchtige, geschickte und arbeitslustige Leute im besten Alter sich befinden. Dieser Mangel treibt zur Anwendung von Maschinenarbeit, regt dadurch die Er- findungsgabe an, führt aber auf der anderen Seite auch zur Ver- nachlässigung aller feineren, nur mit geduldiger Handarbeit aus- zuführenden Vollendung. Die Ersparung von Menschenkräfteh ist nicht das alleinige Ziel der Maschinen, sondern sie sollen auch an manchen Punkten die geringere Schulung der Arbeiter teilweise ersetzen ^). Die Vorteile dieser Bevorzugung der Maschinenarbeit sind ohne Zweifel überwiegend. Die Nachteile schwinden in dem Mafse, als die Maschinen selbst vollkommener werden. So ist die Güte der amerikanischen Uhren vorwiegend auf die durch die Maschinen erreichte Gleichförmigkeit der Uhrenbestandteile zurück- zuführen. Wie der Arbeiter mehr Beaufsichtiger der Maschinen wird und durch eigene kleine Erfindungen Zeit und Arbeit zu sparen sucht, wo es gehen mag, zeigt sich nirgends mehr als bei den Werkzeugen, in denen der amerikanische Erfindungsgeist unerschöpflich ist. Vom Einfachsten, der Axt (s. o. S. 414) und dem Hammer, bis zu den komplizierten Halbmaschinen, dem 1) F. Reuleaux, Briefe aus Philadelphia 1877. 20. Erfindungsgeist. 513 Bohrer mit Universalgelenk oder den endlosen Variationen von Sägen und Hobeln, gilt dieses. Die Ursache liegt nicht nur in dem angeborenen Erfinduugsgeist der Amerikaner, sondern viel- leicht ebensosehr in den Anregungen ihrer sehr vernünftigen Arbeitsweise, vorzüglich der Selbständigkeit, die dem einzelnen Arbeiter gelassen ist, der nach dem Stück arbeitet und in der Regel für sein Handwerkszeug selbst zu sorgen hat. Es liegt also in seinem Interesse, an Zeit und Kraft zu sparen^). Aber das amerikanische Publikum ist auch viel eher bereit, weniger vorteilhafte Geräte und Werkzeuge oder Maschinen gegen ver- besserte umzutauschen. Daher die weite und rasche Verbreitung, jeder Verbesserung. Auf Sägen, Hobel, Äxte, Bohrer und tausend grofse und kleine Notwendigkeiten der Werkstatt, des Hauses, der Küche, auf die Methoden des Thür- und Fenster- verschlusses, die Schürhaken, die Federn und Tintenzeuge, die Elsbestecke u. s. w. erstrecken sich die Verbesserungen, und diese zahllosen Vervollkommnungen von Dingen, mit denen man tag- täglich in Berührung kommt, üben einen wesentlichen Einflufs auf Behaglichkeit und Bequemlichkeit des Lebens. In der Vorliebe die des Amerikaners für die Erzeugnisse seiner heimischen Industrie ist diese ihre allgemeine Hilfsbereitschaft jedenfalls mit wirksam. Die Güte des Materials fällt unter den Vorzügen dieser nützlichen Dinge stark mit in die Wagschale. Nirgends werden so viele Patente genommen wie in den V. St. 25307 Patente wurden 1891 in den V. St. gewährt, ^k Mill. in den letzten fünfzig Jahren. New York, Pennsylvania, Massachusetts und Illinois stehen nach der Zahl der Patente oben an, die verhältnismäfsig gröfste Zahl hat Connecticut. In die Verfassung wurden Be- stimmungen über Patente aufgenommen und 1790 wurde unter ihnen das erste Patent der V. St. erteilt. Seit 1836 ist auch der Musterschutz eingeführt. Bei der hohen Entwickelung des Patent- 1) Reuleaux meint a. a. 0. S. 22 , dafs vielleicht Deutschland am meisten Talent habe, mit den hiesigen Werkzeugbauern zu wetteifern. »Es gehört zum Werkzeugmaschinenbau eine Gabe und ein Interesse, den tech- nologischen Vorgängen zu folgen, das dem deutschen Charakter sehr zusagt, c Trotzdem sind die Amerikaner in einer Anzahl von Werkzeugen und Werk- zeugmaschinen voraus. Ratzel, Die V. St. von Amerika. 33 514 Unternehmungsgeist. Wesens in den V. St. begreift man, dafs es selbst wieder Gegenstand einer ganzen Anzahl von Industrien geworden ist. Patentagenten, Patentzeichner, Modellmacher, Herausgeber von Patentzeitungen leben ebenso vom Erfinden wie die 352 Erfinder des Census von 1870. Manche von diesen fachmäfsigen Inventors haben ihr Leben lang noch keine nützliche Erfindung gemacht, sondern eilen von einem unfruchtbaren Entwurf zum andern, die meisten aber treffen doch einmal auf irgend etwas Verwertbares^). — Der Unternehmungsgeist und die Leichtigkeit des Kreditnehmens, Hauptgründe der hohen Entwicklung der nordamerikanischen 'Industrie, ruhen zunächst auf einem unerschütterlichen Vertrauen in die schrankenlose Entwickelungsfähigkeit der Hilfsquellen des Landes, das in seiner Kühnheit geradezu traumhaft wird und das selbst durch die heftigen Krisen, die das Geschäftsleben alle 15 bis 20 Jahre durchmacht, nicht erschüttert worden ist. Warum am Gang der Geschäfte verzagen, da eine einzige gute Ernte wieder einen Überschufs von ein paar 100 Mill. D. ins Land bringen mufs? Aber der thatkräftige Charakter dieses Volkes hat auch in sich selber Hilfsquellen, die ihm den Mut des Wagens wie keinem europäischen verleihen. Es ist, als ob von dem Selbst- vertrauen, das die Fülle der äufseren Mittel erzeugt, von Geschlecht zu Geschlecht immer mehr ins Blut übergegangen sei. Vor 1861 konnte man mit M. Chevalier sagen: »Wenn es wahr wäre, dafs der Handel und Verkehr den Krieg verdrängen, dann würden die Amerikaner uns weit überholt haben. Sie haben einen neuen Mut gefunden, der befruchtet, während wir noch immer durch jenen glänzen, der tötet oder sich töten läfst.« Dieser waghalsige Unternehmungsgeist zeigt sich aber natürlicherweise am stärksten dort, wo bei reichen Hilfsquellen und dünner Bevölkerung der Einzelne noch die gröfste Freiheit der Bewegung sich gestatten 1) Einer der bemerkenswertesten Typen dieser eigentümlichen Klasse ist William H. Towers, der als Erfinder eines sehr vorteilhaften Schnell- gerbprozesses auch in Europa bekannt ist. Derselbe hat aufserdem Hufeisen, Heizapparate, Eiszangen, Austernbrecher, Wagen, Besen, Nähnadeln, Kork- masse und Korkzieher, Gasheizer und vieles andere erfunden und viele von seinen Patenten haben Erfolg gehabt. Edison, der Erfinder auf elektro- technischem Gebiete, ist ein Beispiel der Erfinder höheren Stiles. Der Kredit. 515 kann, also im Westen. Hier sind die Beispiele riesiger Entwicke- lungen so nahegelegt und so häufig (man denke an Chicagos Wachstum aus einem Dorfe zur Grolsstadt in Zeit einer einzigen Generation oder an das Aufblühen Californiens und neuestens des Nordwestens), dafs sie allein schon zu den gewagtesten Unter- nehmungen anregen müssen. Dabei fehlt hier jedes geschichtliche Element, das an die Vergänglichkeit menschlicher Werke mahnt. Die Pietät kommt nicht ins Spiel. Alles ist Wachstum auf neuem Boden. Ein Kenner Californiens hat drei Stadien genannt, die jede neue Unternehmung im Westen durchlaufen müsse: Zuerst ein stolzes Überheben mit Hintansetzung aller Erfahrungen anderer Nationen, das Einschlagen eines selbstgewählten Weges; dann endlose Verluste und Geldopfer, zuletzt ein energisches Empor- ringen aus diesem Zustand und ein Zurückkehren zu denselben Einrichtungen, die in anderen Ländern längst bestehen, mit ein- zelnen Verbesserungen und landesgemäfsen Abänderungen. Der Kredit ist das erste Lebenselement des wirtschaftlichen Gedeihens in den V. St. Sie leben vom Kredit. Ohne ihn wären diese volkreichen Städte, die auf allen Seiten wie durch Zauberwort entstehen, diese reichen jungen Staaten des Westens, fern vom At- lantischen Meere, noch immer nichts Besseres als Urwälder und grundlose Sümpfe. In den V. St. zeigt sich der Kredit am unerschöpf- lichsten, wenn er am notwendigsten ist. Wenn auch manchmal seine natürliche Funktion übertrieben wird, so erfüllt er sie doch nirgends so vollständig. Jedes öffentliche Unglück, das irgend einen Teil der Bevölkerung der V. St. betraf, hat ihn zu den wunderbarsten und heilsamsten Wirkungen aufgerufen. Als 1835 ein grofser Brand des Geschäftsviertels von New York über 15 Mill. D. Werte zerstörte, lieh die Stadt den Versicherungsbanken 6 Mill., um deren Zusammensturz zu verhüten, der Kongrei's verlängerte die Termine für die Zollgebühren, die U. S. Bank in Phila- delphia lieh den Beschädigten 2 Mill. u. s. w. und das Resultat war, dafs kein einziges bedeutenderes Haus fallierte. Ähnlich war es beim Brand von Chicago 1871 und bei hundert anderen Ge- legenheiten. Nicht blofs die öffentliche Wohlthätigkeit, die hier gröfser ist als irgendwo in der Welt, sondern der gesunde Sinn, 33* 516 I>ie Arbeiter. die Berechnung der Möglichkeiten, wird bei solchen Gelegenheiten ins Spiel gebracht. »New York, der senior Partner der Firma, liels Chicago, den junior Partner, nicht fallen, es stundete die Zahlungen und schickte Warenladungen auf Warenladungen, die vom Feuer zerstörten zu ersetzen» ^). Dafs man sich indessen nicht auf das Kreditieren verläfst, sondern eigene Rückhalte zu schaffen sucht, beweist die Ausdehnung des Sparbankenwesens. In den älteren Staaten ist bis zu einem Drittel der Bevölkerung mit Spareinlagen beteiligt. Der Arbeiter ist gesucht, seine Stellung ist ideal und materiell besser als in Europa. Die durchschnittlichen jährlichen Ausgaben und Einnahmen von besseren Arbeiterfamilien mit ein bis vier Kindern wurden 1874 folgendermafsen berechnet, und die Berechnung dürfte im ganzen heute noch stimmen : Einkommen 900 bis 1000 D., Ausgabe für Nahrung 430, Heizung 60, Kleidung 130, Wohnung 150, Schule, Kirche u. s. w. 40, Steuern 14. Die Löhne in den Nordoststaaten verhalten sich zu denen in den pacifischen Staaten wie 5:9. Im Vergleich zu Europa sind die Löhne — in den Industriestädten des Ostens durchschnittlich 500 D. jährlich — bedeutend höher, aber das Gesamteinkommen der Arbeiterfamilien ist nicht um soviel gröfser ^). Die Stellung der Arbeiter in den V. St. ist zwar mit der Zeit eine nicht minder vielartige geworden als in irgend einem anderen Lande mit hoch- entwickelter Industrie , und es ist kein Zweifel, dafs sie mit zu- nehmender Dichtigkeit der Bevölkerung sich immer mehr europä- ischen Verhältnissen annähern wird; aber sie zeigt gewisse Be- sonderheiten, die tief in den politischen und wirtschaftlichen Zuständen der Nation wurzeln und nicht bald sich verwischen werden. Zunächst ist der Unterschied zwischen Arbeitenden und 1) E. Seeger, Chicagos Entwickelung, Zerstörung etc. 1872. 117. 2) Young, Labour in Europe and America 1876. 8111 Vgl. die Sammlung von Arbeiterbudgets bei Studnitz, Nordamerikanische Arbeiter- verhältnisse 1879 Kap. VI, wozu die genauen Angaben des III. Kap. über Nahrung, Kleidung und Wohnung gehören. Die treueste und lebensvollste Schilderung bringt »Die Lage der Lohnarbeiter in Amerika« von K. D. A. Douai in A. Tenners Amerika. Berlin 1884. Über die neuesten Verhältnisse s. E. R. L. Gould, Social Condition of Labour. Baltimore 1893. Die Arbeit. 517 nicht Arbeitenden geringer, weil die Zahl der Arbeitenden grölser ist. Nach der 1890er Zählung beträgt die Zahl der Beschäftigten über- haupt etwa ein Drittel und in den Städen von über 100000 Ein- wohnern die der Industriearbeiter 17 \ der Bevölkerung. Eigent- liche Mülsiggänger gibt es noch immer sehr wenig. Wenn auch das Bild nicht mehr ganz zutrifft, das einst M. Chevalier von der allgemeinen Arbeitsatmosphäre einer ganzen Stadt wie Cincinnati vor 40 Jahren entwarf ^) , so ist doch der Grundzug geblieben. Man kann heute freilich nicht mehr behaupten, dafs es undenkbar sei, mülsig in einer solchen Stadt zu leben. Aber eine über- wältigende Mehrheit arbeitet. Der Grundsatz, dals Arbeit adelt, ist sogar bis zur Ertötung des Körpers und Geistes durchgeführt. Dafs dadurch der einzelne Arbeiter gehoben wird, versteht sich von selbst. Nur daraus, dafs er eine hohe Vorstellung von seiner Arbeit hat, erklärt es sich, dafs bei höheren Löhnen die Gesamt- kosten der Arbeitsprodukte oft nicht höher als in Europa sind. Das Gefühl einer niedrigeren Stellung und eines schwereren Schicksals wird auch heute noch bei einer grofsen Zahl von amerikanischen Arbeitern aufgewogen durch das Bewufstsein, dafs im Grunde alle Arbeiter sind, und dafs bei miöglichster sozialer und politischer Gleichheit dem Tüchtigen alle "Wege zum Erfolg offen stehen. Die eingewanderten Arbeiter steigen ungemein 1) Der Mann von Mufse, der einen guten Teil seines Lebens der Kunst und den Rest dem Vergnügen zu widmen wünschte, fände das Leben hier unmögUch. Er würde sich verachtet sehen von der Pohtik, denn man fühlt hier sehr wohl, dafs jede solche Existenz ein Ansatz zur Aristokratie ist, und verflucht von der Religion, deren verschiedene Sekten alle darin einig sind , Vergnügen , Luxus , verfeinerte Sitten , die Kunst selbst zu ver- dammen. Und die V. St. gleichen nicht jenen Ländern Europas , und vor- züglich Frankreich, wo man ungestraft den religiösen Ideen und den Kanzel- einflüssen Trotz bieten kann. Isolirt durch die arbeitsamen Gewohnheiten, die politischen und religiösen Grundsätze seiner Umgebung, würde er sich genötigt sehen, ein ähnliches Leben zu führen wie die Menge, oder aber einen Boden, der seinen Neigungen etwas mehr entgegenkäme, in den grofsen Städten der atlantischen Küste, in Philadelphia, New York, New Orleans oder selbst in Europa zu suchen. In der That fehlt in Cincinnati, ohne dafs es doch an Reichtum fehlte, ganz die Klasse der Müfsigen, die ohne bestimmte Beschäftigung von dem Einkommen leben, das ihre Väter ihnen hinterlassen, oder das sie sich selbst in früheren Jahren erworben haben. Lettres de l'Amörique du Nord. H. S. 331. 518 I^i® Textilindustrien. rasch im Lohn, wenn sie geschickt sind, und besonders die besseren deutschen und enghschen Arbeiter widerlegen beständig den Vor- wurf, dals die Einwanderung auf die Löhne drücke. Die sozia- Hstischen Lehren, die in den jüngsten Jahren auch drüben viel von sich reden machten, sind weder den Köpfen amerikanischer Arbeiter entsprungen, noch vorwiegend und am frühesten von ihnen gepredigt und aufgenommen worden. Sie haben allerdings in der Zeit unerhört schlechten Geschäftsganges nach 1873 rascher Wurzel geschlagen und weitere Verbreitung gefunden, als man in Amerika selbst erwartete, Sie wurden begünstigt durch die seit dem Kriege immer mehr sich steigernde Kapitalanhäufung und Aus- wüchse des Erwerbstriebes, zu deren schlimmsten die wenig ge- regelte und vielfach in ungesetzlicher Weise ausgenützte Kinder- arbeit gehört, die einen dunklen Punkt im amerikanischen Wirtschaftsleben bildet; ferner durch die Entwicklung der Grofs- betriebe auf allen Gebieten — es gibt kaum ein Gewerbe, das nicht in den letzten Jahrzehnten in den Grofsbetrieb übergegangen wäre, viele sind von wenigen Unternehmern geradezu monopolisiert worden — , die die Lage von vielen Hunderttausenden aufs Un- günstigste beeinfluf sten ; endlich durch die Abnahme des ver- fügbaren fruchtbaren Landes. Die Hauptzweige der Gewerbthätigiceit. Die Textilindustrien der V. St., deren Erzeugnisse (nach Mulhall) sich 1890 zu denen Englands und Deutschlands wie 5 : 8,5 : 4,1 verhielten, sind von besonderer Be- deutung in der Herstellung von Wollen- und Baumwollwaren. Die Seidenindustrie ist noch jung und die Leinenindustrie wenig hervor- ragend. Seit 1880 hat, an den Erzeugnissen gemessen, die Seiden- industrie um 113, die Baumwollenindustrie um 39, die Wollindustrie um 26 Vo zugenommen. Die drei beschäftigten 1890 489000 Arbeiter. Die Baumwollenindustrie verbrauchte 1890 12,9 Mill. Ballen Baumwolle. Mit über 15 Mill. Spindeln sind die V. St. die zweite Macht auf dem Feld der Baumwollenindustrie; die übrigen Textil-Industrien repräsen- tieren zusammengenommen eine ähnliche Kapitalskraft, und in Seide sind England und Deutschland übertroffen, die Erzeugung von Teppichen wird nirgends in der Welt erreicht. Die Baumwollenindustrie der V. St. ist heute nicht blofs der Menge nach eine der ersten. Die ameri- kanischen Webstühle leisten an Schnelligkeit mehr als die englischen. Die amerikanischen Erzeugnisse zeichnen sich durch Solidität aus und haben dadurch selbst auf den ostasiatischen Märkten einen Vorsprung Die Textilindustrien. 519 gewonnen. Der Wert der Ausfuhr von Baumwollwaren hat sich von 2,3 MiU. D. von 1872/73 auf 13,6 Mill. 1890/91 gehoben. Die amerikanische Spinnerei erzeugt hauptsächhch starke und mittlere Nummern. »Das Klima des Landes mit seinen plötzlichen Temperatur- differenzen und starken Kälten erfordert kräftige Waren und auf ihre Erzeugung ist die Industrie treffhch eingerichtet« ^). Der Betrieb der Baumwollenindustrie ist in den V. St. der grofsartigste. Die Fabriken sind zum Teil von auf serordentlicher Ausdehnung. Die grölste hat 130000 Spindeln und 370 Webstühle. Die Maschinen sind gegenwärtig vorwiegend heimischen Ursprungs. Wasserkraft wird ungefähr zum doppelten Betrag der Dampfkraft benutzt. Die BaumwoUenindustrie war früher auf die Staaten des Nordostens konzentriert. Die Neu- England-Staaten besitzen allein zwei Drittel derselben, und hier ist wiederum Massachusetts am hervorragendsten in den grofsindustrieUen Mittelpunkten LoweU, Fall River und Lawrence. Dann folgt Rhode Island (Providence, Pawtucket). Nach den NeuEngland-Staaten kommen Pennsylvanien und New York. Die Südstaaten (sammt Tennessee und Kentucky) sind seit 1870 immer thätiger in diesem Felde geworden. Die Zahl der Baumwollspinnereien der Südstaaten ist von 1880 bis 1890 von 156 auf 366 gestiegen. 1891 verarbeiteten sie 7% der Ernte, mehr als das Doppelte als 1881. Die Wollindustrie stützt sich nicht so vorwiegend wie die der Baumwolle auf einheimischen Rohstoff, ob- wohl dessen Erzeugung sich seit 30 Jahren vervierfacht hat. 1890 gab es 2503 Fabriken mit 221000 Arbeitern, dieselben verbrauchten für 203 Mill. D. Wolle. Die Wollindustrie gehört zu den entwickeltsten Fabrikationszweigen der V. St. Auf der Ausstellung von Philadelphia bildete sie »den gröfsten und geschmackvollsten Teil der amerikanischen Ausstellung«*). Auf die Herstellung von Teppichen, Flanellen und Shawls hat die grolse einheimische Nachfrage in hohem Grade fördernd gewirkt. Die Ausfuhr von Wollwaren erreichte 1890/91 nur 0,5 MiU. D. Die räumliche Verbreitung der Wollindustrie ist sehr ausgedehnt, wenn auch nicht in dem Malse wie der Baumwollindustrie. Die Neu-England- Staaten, und in erster Linie wieder Massachusetts, dann Pennsylvania und New York sind Hauptsitze. Die Teppichweberei ist stark in Phila- delphia, dann in Lowell vertreten. Die Seidenindustrie, die in ihren ernsthafteren Anläufen kaum über das Jahr 1860 zurückreicht, gehört heute zu den meistversprechenden. Seit 1880 hat sich die Zahl der in ihr beschäftigten Arbeiter von 31000 auf 51000 und der Wert der erzeugten Gewebe von 34 auf 1) M. Weigert in den Berichten der deutschen Preisrichter aus der Reichsüommission für die Weltausstellung in Philadelphia 1877. 35. 2) Berichte der deutschen Preisrichter 1877. 7. 520 ^i© Metallindustrie. 69 Mill. D. vermehrt. Ein deutscher Seidenfabrikant urteilte von ihr 1876 : »Die Leistungen der Fabrikanten von Paterson und New York dürfen, was Gehalt und Fabrikation der Waren wie deren äulsere Herrichtung anbetrifft, als wahrhaft aulserordenthche bezeichnet werden, namenthch wenn man berücksichtigt, dafs die eigenthche Aera des Auf greif ens dieses Industriezweiges vor kaum 10 Jahren begann« *). Es wurde ebenfalls gelegenthch dieser Ausstellung die Solidität der ameri- kanischen Erzeugnisse in Gewichtsangaben, Qualität u. s. f. besonders hervorgehoben und der ebengenannte Fachmann macht besonders darauf aufmerksam, »dafs ein Vergleich der Verkaufspreise zeigte, dafs mit Rücksicht auf die gröfsere Haltbarkeit das amerikanische Fabrikat den Konsumenten nicht erheblich höher zu stehen kommt wie das- jenige der europäischen Konkurrenz«. Die Hauptsitze der Seiden- industrie hegen in New Jersey, New York und Pennsylvanien. — Die übrigen Gespinstfasern nehmen neben den vorgenannten eine neben- sächhche Stellung ein. Von Hanf, der bedeutendsten von ihnen, wur- den ca. 30 MiU. Pfd. erzeugt. Die Leinenindustrie wird im Gegensatz zu der der Baumwolle und Wolle weder durch sehr erhebhchen ein- heimischen Verbrauch noch durch starke Erzeugung des Rohstoffes gefördert. Der Verbrauch von Linnen ist in den V. St. gering. Baum- wolle zu Hemden, Bettwäsche, Tischzeug u. s. f. ist bis in die liöchsten Klassen übhch. 1891 wurden für 21 MiU. D. Flachs, Hanf, Jute und ähnhche Fasern und für 24 MiU. Fabrikate daraus eingeführt. Die reiche und glückhche Ausstattung der V. St. mit den wichtigsten Rohstoffen hat das Aufkommen einer grolsen Metallindustrie be- günstigt. Aufserdem hat gerade in dem für diesen Zweig so wichtigen Maschinenwesen der Erfindungsgeist der Amerikaner sich energischer als sonst irgendwo bethätigt. Infolgedessen hat sich die Metallindustrie am unabhängigsten vom Ausland gemacht und hat die nächste und sicherste Aussicht auf erfolgreiche Wettbewerbung mit der europäischen auch aulserhalb der Grenzen ihres Landes gewonnen. In erster Linie steht natürUch die Eisenindustrie. Das Wachstum der Roheisen- erzeugung auf 9,6 MiU. T. 1890 hat aUe Erwartungen übertroffen. Die Einfuhr von Eisen- und Stahlschienen ist seit 1872, wo sie drei Fünftel der einheimischen Erzeugung betrug, geringer geworden als die heran- wachsende Ausfuhr (1891 134 T. E., 15,871 T. A.). Die Stahlbereitung ist durch ausgezeichnete Rohstoffe begünstigt. Die Erzeugung von Bessemer-Stahl hat sich nirgends so rasch entwickelt wie hier. Das erste Bessemer-Werk begann 1867 zu arbeiten und 1890 wurden schon 2036 654 T. Bessemer-Stahlschienen erzeugt«). Die Gesamtmenge der 1) Consul G. Gebhard in Berichte der deutschen Preisrichter 1877. 144. 2) Census Bulletin No. 13. Production of Steel. 1891. C. Mosler in Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1876. 310. Der Maschinenbau. 521 Stahlerzeugung betrug 1890 4466926 T., fast viermal soviel als 10 Jahre früher; damals wurde in 14 Staaten Stahl erzeugt, jetzt in 19, am meisten in Pennsylvanien, das 1890 mit 62 7o an der Gesamterzeugung beteiligt war (1880 mit 57), dann folgen Illinois und Ohio. Die An- wendung des Eisens und Stahles ist in den V. St. ungemein mannig- faltig und ausgedehnt. Man hat sich jedenfalls geneigter gezeigt, neue Verwendungen für dieses MetaU aufzufinden als in Europa, und eine Anzahl von Neuerungen in dieser Richtung ist von dort ausgegangen. Einen Hauptgegenstand des Stahlverbrauches bilden die Eisenbahn- schienen, die 1890 fast die Hälfte der ganzen Stahlerzeugung der V. St. in Anspruch nahmen. Daneben ist besonders noch der Bedarf für den Schiffsbau und den Bau eiserner Brücken bedeutend. Der Maschinenbau ist unstreitig der Industriezweig der V. St., welcher der eigentümhchen Begabung des Volkes am meisten entspricht. Seine Leistungen werden deshalb auch als die chai-akteristischst ameri- kanischen anerkannt. Kein anderer Zweig der Industrie hat so mächtig auf aUe übrigen und auf das Gesamtleben der Nation eingewirkt. Über den Einflufs der Maschinenarbeit auf das Leben und die Bereicherung des Volkes ist bereits hingewiesen (S. 421). Während aUe anderen Leistungen der Amerikaner ihre Zweifler und Bemäkler gefunden haben, ist die GeniaUtät und der Scharfsinn ihrer Erfindungen im Maschinen- wesen, die Tüchtigkeit ihrer Arbeit und die grofsen Erfolge, die sie darin erreichen, allseitig anerkannt. Kühnheit des Gedankens, Scharf- sinn der Anpafsung, Feinheit und Sohdität in der Ausführung sind Merkmale der amerikanischen Arbeit auf dem Gebiete des Maschinen- baues. Man kann ohne jede Übertreibung behaupten, dafs kein anderes Volk seit 50 Jahren die Entwickelung der Gesamtwirtschaft der Welt so gefördert habe durch Erfindung und Verbesserung der Maschinen und Ausbreitung der Maschinenarbeit auf fast alle Gebiete menschlichen Schaffens wie die Nordamerikaner. 1890 wurden 2213 Lokomotiven gebaut und davon für 2,4MiU.D. ausgeführt. Nähmaschinen kamen 1891 für 2,8, verschiedene Maschinen für 9,8 Mill. D. zur Aus- fuhr. Die Amerikaner sind schon in früheren Stadien ihrer gewerb- lichen Entwickelung mit der Anwendung der Dampfmaschinen rascher vorgeschritten als die continentalen Europäer und neuerdings haben sie in dieser Richtung selbst England überflügelt. Die praktische Anwendung der Dampfmaschine zur Fortbewegung von Schiffen ist amerikanische Erfindung, ebenso die Dampfpumpe und Dampf- feuerspritze und die Mehrzahl von Anwendungen des Dampfes in Ackerbaumaschinen und zahlreiche wichtige Verbesserungen im Bau der Dampfmaschinen selbst. Reuleaux nennt die Erfindungen von Corliss, Porter und Allen unter den bedeutendsten, die überhaupt 522 Die Motoren. gemacht worden*). Zahlreiche Verbesserungen in Einzelheiten sind hier nicht zu nennen, aber sie sind von den sachkundigsten Fachmännern anerkannt*). Von den HeiCsluftmaschinen ist die be- rühmteste, die Ericsson' sehe, in Amerika erfunden. Von Gasmaschinen wird eine grolse Anzahl in der Nähe der Petroleumquellen benutzt, wo man natürhche Kohlenwasserstoffe in sogar unbequem grofser Menge hat. Die Wassermotoren sind trotz dieser hohen Entwickelung des Dampfmaschinenbaues in einem an flielsenden, fallkräftigen Wassern so reichen Lande natürhch noch immer von Bedeutung. Die Zahl der Pferdekräfte von Dampf- und Wassermotoren hält sich noch immer das Gleichgewicht. Der Erfindungsgeist hat sich auch hier so rege gezeigt, dafs von 1806, dem Jahre des ersten Turbinenpatentes, bis 1876 etwa 600 Patente allein für Turbinen gelöst waren. Man sagt, dafs in allen Ländern der Welt zusammengenommen nicht so viel Turbinen im Gange sind wie in den V. St. Behufs möglichster Aus- nützung der Wasserkräfte sind grofse Wasserbauten ausgeführt, die erlauben, die verfügbare Kraft in möglichst kleine Fäden zu zerlegen. Gesellschaften, die solche Arbeiten ausführen, gehören zu den einflufs- reichsten Körperschaften der Industriegegenden ; so z. B. die des Merri- mac, welche die 10000 Pferdekräfte dieses Flusses an Lowell und die Umgegend verteilt, oder die der Hadley Falls Cy., die den wasser- reichen Connecticut in ähnlicher Weise ausnützt. Die Luftmotoren verschiedenster Art haben in Amerika grofse Verbesserungen erfahren, besonders im Bau der Flügel und in der Übertragung der Bewegung. Diese Windmühlen, die allerdings sehr wenig Ähnlichkeit mehr mit unseren bekannten Staffagen flacher Landschaften aufweisen, erfreuen sich in den V. St. einer Verbreitung und mannigfaltigen Anwendung, von der man sich in Europa gar keine Vorstellung macht. Besonders von den Farmern sind sie zum Wasserheben und zum Betrieb 1) Vgl. F. Eeuleaux, Briefe aus Philadelphia 1877. 22. 2) > Zunächst hat Nordamerika die Dampfmaschine in gewissen Details weiter entwickelt und sodann ihrem Äufseren eine Formvollendung zu geben gewufst, welche bewundernswürdig ist. Ein bedeutsames Zeichen. Denn wo die Formenschönheit schon zur Entwickelung gebracht, zum Gegenstand besonderer Pflege, ja Kritik gemacht ist, da müssen die Schwierigkeiten für den blofsen Nutzbegrifl: bereits überwunden sein. Zum wenigsten mufs sich Zuversicht und Ruhe hinsichtlich derselben eingestellt haben. Auch ist die Herstellungsweise der Dampfmaschine sehr vervollkommnet worden. Mehrere Firmen stellten nämlich Dampfmaschinen in verschiedenen Gröfsen aus, deren Teile sämtlich auf der Maschine automatisch hergestellt sind und demnach ausgewechselt werden können. Und diese Fortschritte beschränken sich nicht auf die kleinen Motoren, für welche Amerika schon früher berühmt war.« (Ebendas. 21.) Der Maschinenbau. * 523 von landwirtschaftlichen Maschinen verschiedenster Art herangezogen. In den letzten Jahren sind durchschnittlich 60 Patente jährlich allein für die Flügelkonstruktion bei Windmühlen gelöst worden. — Die Kraft dieser Motoren findet nun ihre Verwendung zunächst in land- wirtschafthchen Maschinen. Schon in die Urbarmachung des Landes tritt die Maschine in Form des Stump Puller ein, der die lästigen Baumstrünke auszieht. Für die erste Ackerung des noch unebenen und sehr ungleichen Bodens sind eigene grofse und starke Pflüge erfunden. Nicht weniger als 500 Patente waren seit' der Eröffnung des Patent-Office bis zum Jahre 1857 auf Pflüge genommen worden. In noch höherem Grade findet die Verwendung von Maschinen beim Säen, Ernten und Dreschen statt. Da keine Klasse der Bevölkerung in den V. St. so sehr an Arbeitermangel leidet wie die Landwirte, hat diese mit der Erfindung arbeitsparender Maschinen schon sehr früh vorgehen müssen. 1791 wurde die erste Dreschmaschine, 1803 eine Getreidemähmaschine patentirt. Von 1852 — 1876 wurden gegen 3000 Patente auf Mähmaschinen, 100 auf Dreschmaschinen erteilt. Die kleinen Rasenmähmaschinen haben sich von Amerika aus über die Welt verbreitet. Maschinen zum Garbenbinden sind seit 1874, solche zum Heuladen schon länger in Anwendung. Hunderte von kleineren Maschinen und Werkzeugen verdanken wir den Amerikanern. Man kann sagen, dafs kaum ein einziges Werkzeug der Landwirtschaft, so unbedeutend es auch sei, nicht in Amerika praktischer oder soHder hergestellt wurde, als es bei unseren deutschen Bauern im Gebrauch ist'). — Das Mühlenwesen der V. St. hat sich durch die Erfindungen von 0. Evans 1780—1789 zuerst von dem bis dahin in Europa und Amerika ziemlich allgemein gültigen deutschen System emanzipiert. Evans' Neuerungen bürgerten sich in auffallend kurzer Zeit auch in Em*opa ein. Sein Buch über das Mühlenwesen (1795) erschien 1821 in 4. Auflage in Paris, und die preulsische Regierung liefs 1830 durch Delegierte das amerikanische Mühlenwesen studieren. Mit der Aus- breitung des Ackerbaues über ein weites dünnbevölkertes Gebiet wurde es notwendig, die Mühlen so leicht und transportabel wie möglich herzustellen und sie in ihren einzelnen Teilen im kleinsten Format womöglich den Farmern zugänghch zu machen. Daneben bestehen aber grolsartige Mahlmühlen mit 20 bis 30 Mahlgängen. 1890 wurde die jährhche Erzeugung der Mühlen auf eine halbe Müharde D. Wert geschätzt. Die Leistung der Mühlen von Minneapohs ver- vierfachte sich von 1880 auf 1891. Der gröfsere Teil des Gewerbes 1) Der Erfindungsgeist der Amerikaner überschlägt sich freilich manch- mal auch auf diesem Gebiete. G r o t h e , Die Industrie in Amerikas 1877. S. 348 bildet einen Pflug ab, >der als Kanone in Kriegszeit gegen Streif korps und Indianer dienen kann«. 524 Der Maschinenbau. und Handels der Stadt hängt mit dieser Industrie zusammen, die einen grofsen Anteil an der Entwickelungdes Weizenbaues im cen- tralen Norden hat. Bereits genügen die Dakotas und Minnesota nicht mehr dem Weizenbedarf der »Mühlenstadt«. — Von den Ma- schinen der Textilindustrie ist oben hervorgehoben worden, dafs sie in Amerika zahlreiche Verbesserungen erfahren haben. Die bekannte Cotton-Gin Eh Whitneys, 1793 erfunden, ohne die das rasche Wachstum der Baumwollenerzeugung nicht möghch gewesen wäre, ist rein amierikanisch. Die grundlegenden Erfindungen sind jedoch in diesem Falle, wo es sich um Maschinen handelt, die nicht dem täghchen und allgemeinen Bedarfe des Ackerbauers oder Hand- werkers, sondern einer hochentwickelten Industrie dienen, europäisch. Von den amerikanischen Baumwollewebestühlen sagt H. Grothe: »Im allgemeinen leisten die amerikanischen Stühle mehr als die englischen, zumal sie geringere Triebkraft beanspruchen« '). Ganz ursprünghch und eigentümhch sind aber wieder die amerikanischen Leistungen auf dem Gebiete der weiteren Verarbeitung der Erzeugnisse der Textil- industrie. Hier macht sich, wie bei den landwirtschafthchen und Handwerksmaschinen, ein starker Drang geltend, notwendige, täghch wiederkehrende Arbeiten an Maschinen zu übertragen. Daher die unzähligen Näh-, Strick-, Stick- etc. Maschinen, die fast aUe in Amerika erfunden und meist auch hier durch die ersten Stufen der Vervoll- kommnung durchgeführt wurden, um von da aus ihren Weg über die ganze Welt anzutreten. Ehas Howe verfolgte von 1835 an die Idee der Nähmaschine, die er 1846 patentieren liefs. Fast aUe wesentlichen Verbesserungen dieser Maschine sind amerikanische Erfindung. Ähnhch hervorragend sind die Leistungen in allem, was auf die Lederverarbeitung sich bezieht. Durch den grofsen Reichtum an Rohstoffen begünstigt, hat sie sich früh entwickelt. Es wurde schon 1651 Leder ausgeführt. Die Verwendung des Sumach und der Rinde von der Hemlock- oder Schierhngstanne zum Gerben führen vielleicht sogar auf die Indianer zurück. Eine grofse Anzahl von Schnellgerbprozessen ist seit 1852 versucht worden und Maschinen sind für fast alle Teile der Gerberei im Betrieb. Die fabrikmäfsige Herstellung von Schuhen und Stiefeln hat durch die Erfindung der Pflockmaschine und der Vorschnitt- maschine (1850 und 1851) einen grofsen Aufschwung genommen. Sie ist heute eine der gröfsten Industrien der V. St. Beiläufig sei erwähnt, dafs die ersten Gummischuhe in Amerika, 1825 in Boston, hergestellt worden sind. Die Verarbeitung des Kautschuks geschieht in den V. St. in so ausgedehnter Weise, dafs man berechnet, es verbrauche allein ungefähr die Hälfte des gesamten Rohprodukts, von dem 1891 für 1) Die InduBtrie etc. S. 311. Waffen, Uhren und Verwandtes. 525 4^/4 Mill. D. eingeführt wurde. Das Vulkanisieren des Kautschuks ist in New York erfunden, ebenso das Gummituch. — So bedeutend und folgen- reich die Leistungen der Amerikaner auf den vorgenannten Gebieten, so werden sie doch noch übertoffen von den Werkzeugmaschinen. Reuleaux sagt von ihrer Vertretung auf der Philadelphia- Ausstellung : »Reichtum an neuen, praktischen Ideen, überraschend geschickte An- passung an besondere Arbeitszwecke, eine in der Steigerung begriffene Genauigkeit in der Ausführung der zusammenarbeitenden Teile und eine zunehmende Eleganz der äufseren Erscheinung der Maschine charakterisieren die amerikanische Produktion auf diesem Gebiete*)«. Über Werkzeuge ist oben (S. 513) schon gesprochen. Bemerkenswert ist die maschinenmäfsige Herstellung der Metallwaren für die Ausrüstung der Häuser, der sog. Building-Hardwares. So wie es zu der Billigkeit der amerikanischen Häuser gehört, daf s alle ihre einzelnen Teile, Fenster, Thüren, Läden u. s. f. fabrikmäfsig hergestellt und dadurch zwar durchaus einförmig, aber zweckmäfsiger sind als entsprechende Hand- arbeiten, so sind auch alle Beschläge, Schlösser, Schrauben, Nägel u. s. f. nach allgemein anerkannten Regeln im Grofsen hergestellt. Schlösser stehen unter diesen Dingen in erster Linie ; sie sind fast alle aus Gufs- eisen angefertigt, für gutschhef sende Thüren und kleine Schlüssel berechnet, was natürlich eine entsprechende Genauigkeit der Arbeit voraussetzt. In der Fabrikation von Nägeln und Schrauben ist Amerika unübertroffen. Der Wheeling-Distrikt in Pennsylvanien erzeugte 1890 allein 1,7 Mill. Fässer Nägel. Die feuer- und diebssicheren Kassen verdanken wenigstens den gröfsten Teil ihrer heutigen Vollendung den Erfindungen der Amerikaner auf diesem Gebiete; in den Schliefs- vorrichtungen derselben hat sich ihr Scharfsinn bis zur Phantasie und zur Komik gesteigert. Von grolser Bedeutung ist in den V. St. auch die Industrie der Schufswaffen , besonders der kleineren, von denen Revolver und Repetiergewehre amerikanische Erfindungen sind. S. Colt konstruierte 1834 als 15 jähriger Schiffsjunge den ersten Revolver. 1891 wurde für 0,8 Mill. D. Schiefswaffen ausgeführt. Mit Torpedos haben amerikanische Fabriken im letzten Orientkrieg europäische Mächte versorgt. Die Panzerung der Schiffe ist zum ersten Mal im amerikanischen Bürgerkrieg erprobt worden. Die Ver- arbeitung der Edelmetalle zu Luxusgeräten und Gegenständen des Kunstgewerbes ist in den V. St. weit vorgeschritten. Die Ausstattung der Wohnhäuser mit Dingen, die Reichtum verkünden und Behagen um sich verbreiten, ist ein im Leben der Nordamerikaner besserer Klasse tief begründetes Bedürfnis. Aber die künstlerische Fort- geschrittenheit der Leistungen in Edelmetall erregt dennoch Erstaunen. 1) Briefe aus Philadelphia 1877. 22. 526 Papier. Bier. Zucker. Bezeichnend ist, wie leichte, zerbrechliche Dinge dem Amerikaner vollständig zuwider sind. Die Metallstärke ist auf einen langjährigen täglichen Gebrauch berechnet und die Metalle werden in bester Güte verwendet. Auch in der Verarbeitung der Edelmetalle finden Maschinen die ausgedehnteste Anwendung. Der Geschmack des Publikums, das in Amerika viel Schmuck zu tragen Hebt, fördert die Entfaltung der Schmucksachenindustrie, die am hervorragendsten in Providence R. I. vertreten ist. Amerikanische Spezialitäten auf diesem Gebiete sind die Goldfedern und die in Aluminiumbronze hergestellten Gegen- stände. Auch die ausgedehnte Anwendung der Vernickelung sei hervorgehoben; sie bietet einen der Fälle, in denen Amerika für den Rohstoff auf Europa angewiesen, in seiner Verwendung aber über Europa hinaus fortgeschritten ist. — In der Herstellung von Uhren und wissenschaftlichen Instrumenten sind die Amerikaner noch Jung, aber sie leisten auch hierin bereits so Bedeutendes, dafs sie sogar in europäischen Absatzgebieten konkurrierend auftreten. Die Massen- erzeugung vermittelst Maschinen ist es vorzüghch, die der Uhren- industrie der V. St. eine so grofse Leistungsfähigkeit verliehen hat. Der Mittelpunkt der amerikanischen Uhrenindustrie ist Waltham Mass. In der Erzeugung von Wagen sind die Mechaniker der V. St. denen Europas durch sinnreiche Erfindungen vorausgeeilt. Optische Appa- rate, deren Amerika für seine zahlreichen und teilweise so reich aus- gestatteten wissenschafthchen Anstalten viele bedarf, werden jetzt schon im Lande hergestellt. Die KugeUinse der Photographen ist eine ameri- kanische Erfindung. 1890 gab es in den V. St. 1158 Papierfabriken. Der Einfuhr von Papier und Papierwaren im Wert von 2,8 MiU. D. stand eine Ausfuhr von 1,2 Mill. D. gegenüber. Die chemische In- dustrie hat sich in den V. St. erst seit 1860 in teilweise sogar grofs- artiger Weise, besonders in den östlichen Staaten, zu entwickeln begonnen. Da es bei dieser Industrie mehr auf gründliche wissenschaft- Hche Kenntnisse als auf Scharfsinn und mechanische Fertigkeiten ankommt, so ist sie viel mehr als irgend eine andere noch abhängig von der europäischen Unterweisung. Die Leiter der chemischen Fa- briken sind mit sehr geringen Ausnahmen in Europa und zwar vor- züghch m Deutschland herangebildet und erst die jüngere Generation kann eines höheren chemischen Unterrichtes in den Laboratorien einiger besseren technischen Schulen sich erfreuen. Dem beispiellosen Seifenverbrauch der Bevölkerung entsprechend, ist die Seifenindustrie in grolsartiger Weise entwickelt. Der grönländische Kryolith wird gegenwärtig fast ausschhelshch in Philadelphia und Pittsburg auf Soda und Alaun verarbeitet. Speziell amerikanisch ist die grofse Industrie der Backpulver, die anstatt der Hefe verwendet werden. In der Photo- graphie fühi-en die Trockenplatten auf amerikanische Erfindung zurück. Keramik. Vervielfältigende Industrien. 527 Die Brauerei ist in den V. St. erst seit wenigen Jahrzehnten eine bedeutende Industrie geworden und zwar vorzüglich durch den Einfluls der zahlreichen Deutschen. Durch Anwendung der Maschinenarbeit in der grölstmöghchen Ausdehnung und durch zahh-eiche Verbesserungen und Erfindungen in fast allen Zweigen des Geschäftes ist die ameri- kanische Brauindustrie über die deutsche hinausgegangen. Die Zahl der Arbeiter in den Brauereien ist viel geringer. Porter- und Ale- Brauereien sind in den letzten 10 Jahren gegenüber den Lagerbier- brauereien im Rückgang. 1875 betrug in den V. St. die Biererzeugung 0,35 hl pro Kopf, gegen 0,9 im deutschen Reich und 2,34 im Königreich Bayern. 1888 wurde der Wert der Erzeugnisse der Bierbrauerei und Branntweinbrennerei auf 305 Mill. D. angegeben. New York steht unter den bierbrauenden Staaten in erster Linie; ihm folgen Pennsylvania, Ohio und IlHnois. — Der Zuckerindustrien sind es in den V. St. verschiedene. Im Süden wird Zucker bzw. Melasse aus Zuckerrohr, in den Mittelstaaten aus Sorghum, im Norden aus dem Zuckerahorn, in Kalifornien aus der Zuckerrübe gewonnen (s. o. S. 451 f.). — Fleisch- und Müchextrakt (oder condensierte Milch) sind in New York anfangs der fünfziger Jahre erfunden worden. Lieb ig hat das Verdienst, bessere Bereitungsarten angegeben zu haben. In grolsem Mafsstabe wurden beide Erzeugnisse zuerst im amerikanischen Bürgerkriege ver- braucht. Überhaupt ist der Verbrauch von Konserven jeder Art beim Amerikaner früher verbreitet gewesen als bei uns. Die konservierten kalifornischen Früchte, der Oregon-Lachs, Sardinen und Hummern, das »Canned Beef« haben sich einen Weltruf erworben. — In den keramischen Industrien ist Amerika durch die Güte und Billigkeit des Rohstoffes fast in allen Zweigen begünstigt. An den zahlreichen Rohbauten fallen die amerikanischen Ziegel durch ihre saubere Form, grolse Dichtigkeit und Härte auf. Die Porzellanindustrie ist nur erst im Werden, 1876 gab es nur eine einzige Porzellanfabrik (Greenpoint N. Y.). Soweit nicht eingeführtes Porzellan seine Stelle vertritt, ist ein einheimisches Steingut, »Ironstone China« genannt, zu Tischgeräte allgemeinst verbreitet. Trenton N. J. ist für diese Industrie der Haupt- platz. Die Glasindustrie Nordamerikas steht auf einer sehr hohen Stufe. Sie hat einen vorzüghchen Rohstoff in dem Berkshire Sandstein in Pennsylvanien, einem fast reinen Quarzsandstein, der 600 m mächtig mehrere Meilen weit sich erstreckt. Nach dem Urteil der Fachmänner lälst sich bei günstigen Verhältnissen im Vorkommen des Rohstoffes und des Brennmaterials eine riesige Entwickelung der Thon- und Glasindustrien in den V. St. mit Bestimmtheit voraussagen. — Unter den vervielfältigenden Industrien ist die der Buchdruckerei die erste. Eine rotierende Cyhnderpresse, Vorgängerin der König'- schen Schnellpresse, soll schon 1790 von Nicholson erfunden 528 Vervielfältigende Industrien. worden sein*). In den V. St. wird wahrscheinlich mehr gedruckt als irgendwo sonst. Nirgends wird mit Papier und Druckerschwärze ein solcher Luxus getrieben. Die auf allen Strafsen und Plätzen, in Eisen- bahnwagen und Dampfschiffen zerstreuten Geschäftsreklamen, Pam- phlete, Zeitungsblätter u. s. f. gehören zu den charakteristischsten Zügen in der Physiognomie des öffentlichen Lebens. An Massen- leistung dürfte die amerikanische Buchdruckerei nicht übertroffen werden. Neuerdings wird auch die Quahtät ihrer Leistungen im Buch- fach höher. Amerikanische Bücher sind durchschnitthch besser aus- gestattet als deutsche, im äulseren Gewand folgen sie den englischen Mustern. Hochentwickelt ist die Kunst der Banknotendruckerei, deren Pressen auch von eiu-opäischen Staaten und Banken beschäftigt werden, und für die im Schatzamt zu Washington eine eigene Abteilung besteht. Die Photographie in Amerika hat nach Prof. Vogels Urteil »mehr empfangen als gegeben und wenig dauernden dominierenden Einflufs erlangt«'). Die vorzüghchsten Porträtphotographen sind bis jetzt noch Fremde. Aber in Stereoskopen »nimmt, nach demselben Gewährs- mann, Amerika den ersten Rang ein. Fast in jedem Hause findet man ein Stereoskop und eine Sammlung zugehöriger Bilder«. Viel leistet Amerika auch in dem dort sehr populären Farbendruck. 1) Grothe, Die Industrie in Amerika 1877. 372. 2) Berichte der deutschen Preisrichter 1877. 165. XXI. Verkehrswege und Verkehrsmittel. Anfänge 529. Periode der Kanalbauten und Gallatins Entwurf 530. Erie-Kanal 531. Die Eisenbahn-Aera 532. Wettkampf zwischen Kanälen und Eisenbahnen 533. Eisenbahnmonopole 534. Die natürlichen Grundlinien des Ver- kehres 535. Die Verkehrsgebiete 538. Die Naturstrafsen des Inneren 538. Die schiffbaren Flüsse 539. Mississippi 540. Ohio 542. S. Lorenz 543. Hudson 544. Kleinere schiffbare Flüsse von Bedeutung 544. Die Binnen- seen 546. Die Kanäle 546. Kanäle und Eisenbahnen 547. Das Kanal- system von New York, Pennsylvanien, New Jersey, des Ohio und Mississippi 548. Kanäle in den Süd- und Weststaaten 551. Die Eisenbahnen 555. Statistik 556. Eisenbahngebiete 559. Aufzählung der grofsen Linien und Complexe 560. Besonderheiten im Bau und Betrieb 564. Strafsen und Brücken 567. Strafseneisenbahnen 570. Post und Telegraphen 571. Geschichtliche Entwickeiung. Bis über die Mitte des vorigen Jahr- hunderts bewegte sich der Verkehr in den englischen Kolonien Nord- Amerikas in derselben Weise wie in einem grofsen Teüe von Britisch- Nordamerika noch heute. Flüsse und Seen waren seine Hauptwege. Indianische Rinden-Canoes waren ein beliebtes Beförderungsmittel. Der einzige Kanal bei Philadelphia war 1200 m lang. Die erste Land- stralse nach europäischen Begriffen wurde 1790 von Philadelphia nach Lancaster eröffnet. Seitdem die Abtretung Kanadas an England den Kolonisten erlaubte, ihre Aufmerksamkeit Werken von öffenthcher Nützhchkeit, in erster Linie den Verkehrswegen ganz zuzuwenden, beschäftigten sich weitschauende Geister eingehend mit der Frage der inneren Schiffahrt; es wurden seit 1768 mehrere Pläne zur Schiffbar- machung des Mohawk und Potomac entworfen, und nach der glück- lichen Beendigung des Unabhängigkeitskrieges tauchten ähnhche Pläne in Menge auf; einige erlebten auch den Anfang der Ausführung. Washington selbst war in der Potomac Cy., die einige Bauten am Potomac und Shenandoa ausführte. Aber mit wenig Erfahrung und Ratzel, Die V. St. von Amerika. 34 530 Geschichtliche Entwickelung. Kapital wurden die Kanäle zu klein angelegt. 1817 war von allen diesen Werken im Betriebe übrig nur der Middlessex-Kanal von Boston zum Merrimac. Man hatte an ihm, der nur 43 km lang war, 19 Jahre gebaut. Erst nach dem Krieg von 1812 trat auch der Erie-See in den Plänen der Verbesserung des Verkehres zwischen den Seen und dem Atlantik in den Vordergrund. Die pohtische Erwägung der grölsern Unabhängigkeit des Erieweges von Kanada sprach dabei mit, dieselbe, die zu Gunsten der Verbreiterung des Eriekanals zu einem Meereskanal auch neuerdings wieder angeführt wurde. Vorher war der für New York günstigere Weg Oneida - Oswego - Ontario, trotz drei Umladungen, der behebteste *). Vom Erie- ging man durch den Chau- tauqua-See in den Allegheny und weiter in den Ohio. Im Anfang unseres Jahrhunderts fing man an einzusehen, dafs vereinzelte und zersphtterte Kräfte nicht im stände seien, die grolse Arbeit der Schaffung von Verkehrswegen für ein so ausgedehntes und von so verschiedenen Interessen bewegtes Gebiet -in die Hand zu nehmen. 1807 erstattete auf Anforderung des Senates der Finanz- minister Gallatin einen Bericht über Verkehrswege, deren Bau mit Mitteln des Bundes am notwendigsten sei. Dieser Bericht von 1808 entwirft ein ganzes System von Verkehrswegen für das Gebiet zwischen Atlantischem Ocean, Mississippi und den Grofsen Seen. Es ist das wertvollste Dokument für die ältere Geschichte des Verkehrswesens in den V. St. Für die Kanäle schlug Gallatin als Grundhnien vor: einen Parallel-Kanal des atlantischen Ufers von Massachusetts bis Georgia, und Seitenlinien für die Verbindung der atlantischen Küste mit dem Mississippi: vom Delaware R. durch den Allegheny nach dem Ohio, vom Susquehanna dm'ch den Monongahela nach dem Ohio, vom James R. durch den Kanawha nach dem Ohio, von Charleston oder Savannah nach dem Tennessee und dem Ohio. Gallatin dachte hier zunächst nicht an durchgehende Kanäle, sondern an eine Verbindung von Kanälen und Strafsen, welche die obersten Punkte der Schiffbarkeit der genannten Flüsse mit einander in Verbindung setzen sollten. Diese Verbindungen sind später ganz oder zum Teil ausgeführt worden. Für die Verbindung der atlantischen Küste mit dem S. Lorenz -Gebiet schlug Gallatin vor: Hudson — Ontario-See, Hudson — Champlain-See. Zur Vervollständigung des ersteren sollte ein Kanal um die Niagara- Fälle geführt werden. Alle drei sind längst ausgeführt. Und endhch Linien zur Verbindung des Mississippi und des S. Lorenz - Gebietes : 1) Über die Verkehrsverhältnisse dieser Gebiete vor der Zeit des Erie- kanales bringt J. H. Tuckeys Maritime Geography (1815) Bd. IV S. 149 f. interessante Mitteilungen. Die ersten Kanalbauten. 531 Erie-See — Pittsburg durch den AUegheny, Erie-See — Ohio durch den Cuyahoga, Erie-See — Ohio durch Maumee und Wabash, Erie-See — Ohio durch Sandusky, Michigan-See — Mississippi durch lUinois, Michi- gan-See— Mississippi von Green Bay durch Fox und Wisconsin. Mit Ausnahme des Sandusky-Kanals , an dessen Stelle schon früher eine Eisenbahn gebaut wurde, sind alle diese Linien später ausgeführt worden. Nur dem Gedanken eines Parallel-Kanales des Golfes vom unteren Mississippi bis Georgia ist man praktisch nicht näher getreten. Aulserdem schlug Gallatin grofse Hauptstraf sen vor, vor allen eine Parallel-Strafse der atlantischen Küste und die schon 1808 begonnene von Washington nach S. Louis. Diejenigen von Washington nach Detroit und New Orleans bestanden in Bruchstücken, die man ver- band und erweiterte. Der Bau eines Kanales zwischen Hudson R. und Erie-See, 1810 begonnen, wurde 1826 zu Ende, geführt. 1817 wurde der Champlain-Kanal in Angriff genommen und 1823 dem Verkehr übergeben. Der Staat New- York besafs 1839, zu einer Zeit, die man so ziemhch als den Abschlufs der Kanal -Aera bezeichnen kann, 1064 km schiffbare Kanäle. 1838 hatte dieser Staat für seine Kanäle 32971314 D. ausgegeben, 11916 446 allein für den Erie-Kanal. Dafür gehört aber zweifellos ein nicht geringer Teil der Fortschritte des Staates New York und seiner n. und w. Nachbarn in dieser Zeit und späterhin der befruchtenden Wirkung dieser Kanäle an. Wenn die Stadt New York von 1820—40 von 124000 auf 313000, Rochester von 1500 auf 15000, Buffalo von 2000 auf 16000 wuchsen, so Hegt der Grund dieses Aufschiefsens hauptsächhch in dem regeren Verkehr zwischen 0. und W. dm-ch den Erie-Kanal, dessen Verkehr schon 1835 587000 T. erreicht hatte ^). Wenn 1815 der Reichtum der Ein- wohnerschaft von New York auf 87 Mill. D., 1835 auf 233 Mill. ge- schätzt wurde, so erkannte man allgemein an, dafs den die Besiedelung und den Absatz erleichternden neuen Verkehrswegen der gröfste Anteil an dieser Verdreifachung zukomme. Pemisylvanien wurde durch den Erie-Kanal von New York in den Schatten gesteht. Erst 1824 begann man den Bau von Kanälen von Philadelphia nach Pittsburg und den Seen des w. New York, ferner vom Susquehaima nach dem Potomac. 1834 besafs der Staat 1158 km Kanäle und Eisenbahnen. In Neu- England sind die Kanalanlagen durch die Bodenbeschaffenheit so wenig begünstigt, dafs nur wenige zur Ausführung gelangten. Im Merrimac wurden 175, im Connecticut 435 km scliiffbar gemacht. 1) Vergleichsweise sei angeführt, dafs auf der Seine, Marne und deren Kanälen zusammen 1835 in Paris 1782430 T. ankamen. (M. Chevalier, Hist. des Voies de Communication I, 219, wo dieser Vergleich weiter aus- geführt ist.) 34* 532 I^as Zeitalter der Eisenbahnen. Dem Baue der Eisenbahnen hat sich Neu-England dagegen früher als alle anderen Staaten der Union zugewandt. Freilich bedurfte kein Teil der Union ihrer so wie Neu-England. Der Anlage der Kanäle kam seine Bodengestaltnng nicht entgegen, und doch verlangte kein anderer Landesteil so gebieterisch nach raschen und billigen Verkehrs- mitteln wie diese in Industrie und Handel thätigste Staatengruppe. Die erste Eisenbahn wurde 1827 in Massachusetts angefangen, von Quincy nach dem Neponset. Zwischen 1827 und 1830 folgte das erste Glied der nachmals zu einer der gröfsten Verkehrsadern der V. St. erwachsenen Baltimore- und Ohfo-Eisenbahn , die Linie Baltimore — Endicott Müls Md. 1830 zählten alle Linien zusammen nur 66 km. Aber schon in der darauffolgenden Dekade wurden jährhch durch- schnittlich 528 km Eisenbahnen gebaut. Kanalentwürfe fanden nun als Eisenbahnen ihre Ausführung. Die neue Erfindung eroberte sich so rasch das grofse Gebiet, das hier nur auf billige und rasche Verkehrs- mittel wartete, um den Reichtum seines Bodens zu Markte zu bringen, dafs die V. St. gegenwärtig mehr davon zählen als das ganze übrige Europa. Von 66 km in 1830 und 5868 in 1840 haben sie sich auf 275 370 m 1891 erhoben. Die Vorteile der Eisenbahnen für den Verkehr wuchsen natürhcher- weise mit der Vervollkommnung ihrer Einrichtung und Bewegungs- mittel. 1873 hob es Harket Derby in einer dem Statistischen Kongrefs von St. Petersburg vorgelegten Denkschrift »Über die Einwirkung der Eisenbahnen auf den Fortschritt der V. St.« hervor: »Vor einem halben Jahrhundert wurden Kanäle angelegt, um die Chesapeake Bay mit dem Delaware, den Hudson mit den Grolsen Seen, die letzteren mit dem Ohio und Illinois, Kohlenbergwerke mit Philadelphia zu ver- binden, aber die Kälte unserer Winter und die Wärme unserer Sommer unterbrachen ihre Benützung. Unterdessen haben unsere Ingenieure ihre Schienen und Lokomotiven mit Stahl gepanzert und dadurch die Geschwindigkeit vergrölsert, indem sie gleichzeitig die Kosten ver- minderten. Der grölste Teil unseres Flufs- und Kanalverkehres ist damit den Eisenbahnen zugeleitet worden. Weniger als ein Zehntel unseres Binnenverkehres bewegt sich jetzt auf Kanälen, weniger als ein Fünftel auf den Flüssen, der Rest benützt die Eisenbahnen. Wir haben in den V. St. eine grofse Anzahl von schiffbaren Flüssen, aber die Eisenbahnen schneiden die Krümmungen ab, vermeiden die Ver- zögerungen durch Eis oder niederen Wasserstand und erlangen damit ein Übergewicht über Flüsse und Kanäle. Einige Kanäle sind ganz verlassen und keine sind gegenwärtig in Bau begriffen. Ihre Hauptaufgabe wird in Zukunft darin bestehen, die Grolsen Seen und die Meereseinschnitte durch Schiffahrtskanäle unter einander zu ver- Die Entwickelung der Eisenbahnen. 533 binden« *). Ohne Zweifel sind in Amerika die Eisenbahnen in demselben Mafse notwendiger gewesen als in Europa, als die Entfernungen be- deutender waren. Nach der Schnelhgkeit, mit der das Ziel der Raum- beherrschung erreicht wird, lassen sich nach den benützten Wegen und Mitteln verschiedene Stufen unterscheiden. Im Streben nach Raum- beherrschung wurden hier nun die früheren Stufen zu Gunsten der- jenigen übersprungen, die dieses Ziel am raschesten erreichen lassen. So hat Nordamerika kein Zeitalter der Landstraf sen gehabt, und das der Kanäle gleichsam verstümmelt. Aber der Rückgang der Kanäle und Kanalbauten wird in diesem Lande nicht fortdauern. Die gewaltige Entwickelung des Bahnnetzes kann nicht die Thatsache verwischen, dafs ein wahres Binnenmeer die Verbindung mit dem Ozean erwartet. Auch ist die Leichtigkeit nicht zu übersehen, mit der so grofse, hindernislose Flächen zu überschienen sind, wie sie an der atlantischen Küste und mehr noch im Inneren sich ausbreiten. Nur Rufsland kommt durch seine einfache Bodengestaltung in ähnlichem Mafse der Anlegung von Verkehrswegen entgegen. Aber wenn ein einziger Staat wie Massachusetts, dem der Antrieb durch grofse Entfernungen ebenso wie die Erleichterung durch günstige Bodengestaltung mangelt, 1875 im Verhältnis zu seiner Grofse 10 mal mehr Eisenbahnen besafs als die übrigen V. St., so sieht man, dafs bei der gewaltigen Entwickelung noch andere Ursachen thätig gewesen sind. Der Unternehmungsgeist, die rücksichtslose Wettbewerbung, die Kapitalvermehrung, die Leichtig- keit, vom Ausland geborgt zu erhalten, und nicht zuletzt auch die Geschicklichkeit, Kühnheit und Bilhgkeit, mit der man die Eisenbahnen baute und betrieb, sind zu nennen, wenn man die Thatsache zu er- klären wünscht, dafs auf Jeden Kilometer Eisenbahn 233 Einwohner in den V. St., in Deutschland 1150 und in dem em-opäischen Staate, in dem die den Eisenbahnbau begünstigenden und bedingenden Verhältnisse denen Nordamerikas am ähnlichsten gelagert sind, in Rufsland gar 3200 kommen. Die Energie, mit der in den V. St. im Eisenbahnbau vorgegangen wird, hat natürhch auch ihre Schattenseiten. Die besonders in den Südweststaaten höchst unvorsichtig gebauten Eisenbahnen haben noch in den letzten Jahren eine Masse von Verlusten hervorgerufen. Fast jede Familie in Neuengland hat daran verloren. Aber viel gefährhcher ist entschieden der Rückgang der Zahl der selbständigen Linien im unbeschränkten Wettbewerb, wodurch die Monopole einiger kapitalmächtigen grofsen Gesellschaften immer unbedingter sich ent- wickeln, um zuletzt mit drückender Übermacht auf der ganzen Gemein- 1) Travaux prösent^s au VTH"" Congrfes Internat, de Statistique. S. Petersburg 1874. 30. 534 Verkehrsmonopole. Schaft zu lasten, die doch ihre Dienste nicht entbehren kann'). Das nach älteren amerikanischen Anschauungen unantastbare Recht auch dieser Körperschaften, innerhalb der vom Gesetze gezogenen Schranken zu handeln wie es ihnen gefällt, ist infolge des Druckes, den ihre Monopole auf einzelne Teile des Landes übten, in Frage gestellt und in einigen der transportbedürftigsten Weststaaten aufgehoben worden: ein Zeichen, wie stark dieser Druck sein mufs. Aber man hat bis jetzt kein Mittel finden können, das die Vorteile der freien Wett- bewerbung von ihren Nachteilen trennte und zugleich nicht gegen den freistaatüchen Grundsatz der möglichst geringen Staatsmacht verstiefse. Seit 1877 hat z. B. die Mehrzahl der in Chicago ausmündenden Bahnen eine Vereinbarung getroffen, deren Zweck es ist, alle Transportgeschäfte zwischen Chicago und dem Osten gemeinsam vorzunehmen, d. h. keine Spezialkontrakte einzugehen, die bisherigen Frachtsätze womögüch zu erhalten und die Einkünfte auf die einzelnen Bahnen nach Mafsgabe ihrer Beteihgung zu verteilen. Einige Staaten des NW. antworteten auf diese und ähnhche Abmachungen auf Anregung der zu den Granger- Bünden zusammengetretenen Farmer mit den sog. Granger-Gesetzen, die dem Staate die Befugnis gaben, die Frachtsätze der Eisenbahnen festzustellen. Aber die Unausführbarkeit dieser Gesetze trat bald zu Tage, als die Eisenbahnen den Verkehr sperrten. 1878 widerrief der stärkste Granger -Staat Iowa diese Gesetze, nachdem Ohio und Wisconsin vorangegangen waren. Die öffentUche Meinung ist noch nicht mit sich selber über diesen Punkt ins Klare gekommen, wie scharf auch durch die soziaHstische Agitation unter den Eisenbahn- 1) Kein geringeres Gleichnis als das der katholischen Hierarchie bot sich dem PoUtiker, der Betrachtungen anstellte über die möglichen Einflüsse der grofsen, immer mehr zur Verschmelzung drängenden Eisenbahnen auf die Geschicke der V. St. : > Durch das Gefühl gleicher Interessen und gleicher Gefahr verkittet, wird unser Eisenbahnsystem einst denselben grofsen Ein- flufs üben, wie die römisch-katholische Kirche, obwohl es an Stelle der rehgiösen und moralischen Herrschaft nur den mächtigen Einflufs besitzen wird, den ihm der Drang nach materieller Entwickelung überträgt, dem es so wirksam entgegenkommt.« (Charles F. Adams jr. in N. Am. Review 1870. I. 125.) Die Vereinigung aller Eisenbahnen der V. St. in ein grofses Sy- stem von Staatsbahnen ist ebenso oft abgelehnt wie empfohlen. Den Meisten graut es bei dem Gedanken an die Aufhebung aller Konkurrenz und die Korruption einer solchen Verwaltung, die über einige Milharden Dollars und bald über eine Million Beamte gebieten würde. Aus Furcht vor einem wahrscheinhchen erträgt man ein gewisses Übel. Die klarste, un- parteiischste Darstellung dieser Verhältnisse findet man in: Die nordameri- kanischen Eisenbahnen in ihren wirtschaftlichen und politischen Beziehungen. Gesammelte Aufsätze von Alfred von der Leyen. Leipzig, 1885. Die natürlichen Grundlinien des Verkehres. 535 bediensteten eine andere eng damit zusammenhängende Frage in den Vordergrund gerückt worden ist, nämhch die chronische Unsicherheit der Existenz von Tausenden von Menschen, deren Lebensunterhalt bei der beständig auf und ab schwankenden Wage des Erfolges in diesen wirtschaftHchen Wettkämpfen rücksichtslos in Frage gestellt wird. Die natürlichen Grundlinien des Verkehres. Bei der Anlage der Verkehrswege in den V. St. stellte sich eine Reihe von Aufgaben ganz von selbst aus der Bodengestaltung und aus der Lage der hauptsächlichsten Kulturmittelpunkte, die auch von An- fang an ganz klar verstanden worden sind. Wir haben versucht, sie im einleitenden vierten Kapitel ganz im grofsen zu skizzieren. So lange die Kultur und die Staatenbildung der Amerikaner ö. vom Mississippi stand, sahen wir ihr Gebiet in zwei grofse, von der Natur geschiedene Hälften zerfallen, in den Osten, das Land ö. der Alleghanies, und in den Westen, das Land w. der AUeghanies, oder das östliche Mississippi-Gebiet. Im Norden legte sich quer- über als drittes das Becken des S. Lorenz-Stromes und der Gofsen Seen. Von der Seite der Bodengestaltung her stellten sich also drei Gruppen von Aufgaben: 1. Verbindungen zwischen dem at- lantischen Abhang und dem östlichen Mississippi-Gebiet; 2. Ver- bindungen zwischen dem S. Lorenz-Becken und dem Mississippi- Gebiet; 3. Verbindungen zwischen dem atlantischen und dem S. Lorenz-Gebiet. Die Lage der Ausgangspunkte der Kolonisation und des Handels im Norden und Süden mufste weiter zu einer durchgehenden Verbindung zwischen New York und New Orleans nötigen und endlich mufsten zahlreiche kürzere Wege von Osten und Westen her in das AUeghany-Gebirge eindringen, um seine Thäler mit dem Atlantischen Ocean einer- und der grofsen Ver- kehrsader des Mississippi andrerseits in Verbindung zu setzen. Das Vordringen der Kultur nach Westen stellte den Wegebahnern neue Aufgaben, denen freilich erst die Erwerbung der weiten Gebiete auf der pacifischen Hälfte des Kontinentes ganz bestimmte und grofse Ziele gab. Die grofse Seenkette erlaubte tiefgehenden Schiffen das Vordringen in nordwestlicher Richtung vom Erie bis zum Meridian des Mississippi und bot damit eine nördliche Er- gänzung der Mississippi-Strafse , die mit dieser zusammen die 536 I^iß Grundlinien des Verkehres im Westen. ganze Mitte des Kontinentes zugänglich machte. Nur einige Längengrade weiter w. führt der Obere Mississippi, der bis S. Paul Minn., also bis ungefähr zum 45.° n. B. schiffbar ist, in eine Region, wo der Verkehr sich ähnlich wie im Hudsonsbay- Gebiet zahlreicher Seen und verbindender Flüsse zu bedienen vermag, und wo vermittelst des nördlichen Red R. auf diese Weise eine offene Straf se in den belebtesten Teil dieses Gebietes, in die Niederlassungen am Winnipeg-See , gebildet ist. Vom Mississippi nach Westen benutzte man naturgemäfs dessen Zu- flüsse, zunächst den Missouri, von dessen Verkehrsbedeutung man sich allerdings in der ersten Zeit nach seiner Entdeckung einen übertriebenen Begriff machte. Wenn man sein Thal verfolgt, geht man nach Nordwesten, wobei man die Steppenregion, deren unwirtliche Dürre und Menschenleere der Verkehr scheut, in einer langen Diagonale durchschneidet und die Richtung verfehlt, die zu verfolgen bis zur höheren Entwickelung des pacifischen Nord- westens allein von grofsem Interesse sein konnte, nämlich die der spanischen Niederlassungen dies- und jenseits der grofsen Gebirge des Westens und zwar in erster Linie Santa Fe in Neu-Mexiko und San Francisco in Kalifornien. Der einzige Vorteil, den der Missouri- Weg einstweilen bot, war der der möglichst kurzen Land- verbindung mit den Niederlassungen an der Mündung des Co- lumbia, eine Verbindung, die sehr erleichtert wird durch das nahe Zusammentreten des Missouri und des Kolumbia in ihren Quell- gebieten. Es ist auf diesem im Grunde natürlichsten und nächst- liegenden Wege, dass der Kontinent zum ersten Mal von wissen- schaftlichen Reisenden im Auftrag der jungen V. St. gequert wurde. ■ Aber die wenigen tausend Emigranten, welche nach den Kolumbia- Niederlassungen zogen, benutzten fast immer nur die See; jener war lang, beschwerlich und wegen der Indianer gefährlich. Erst 1884 ist auf diesem Wege in der Nord-Pacifik-Bahn eine Mississippi- Kolumbia-Bahn entstanden. Praktischer erwiesen sich für den alten Verkehr die Wege an dem grofsen südlichen Nebenflufs des Missouri, dem Platte oder Nebraska, und dem Arkansas auf- wärts. Sie führen vom Mississippi bis an den Fufs des Felsen- gebirges, und der erstere bietet noch den Vorteil, auf einige Die Grundlinien des Verkehres im Westen. 537 praktikable Pässe über das Felsengebirg hinzuleiten, hinter denen die einzige durch eine Oasenkette (Green R. , Grolser Salzsee, Humboldt R.) bezeichnete Naturstraf se durch das Grofse Becken hindurchführt. Der Arkansas führt in ähnlich direkter Weise weiter s. an den Fufs der Gebirge von Neu-Mexiko und Arizona und läfst durch seinen Nebenflufs Kanadian R. Santa Fe, den Haupt- ort von Neu-Mexiko und früheren Stapelplatz des nordamerikanisch- mexikanischen Steppenkarawanenhandels, in fast gerader ostwest- licher Richtung erreichen. Selbst eine Bahn von hier in das Thal des Gila und an ihm abwärts bis zur Mündung in den Kolorado begegnet keinen unüberwindlichen Terrainschwierigkeiten. Der Weg von Santa Fe im Rio Grande-Thal hinab nach dem nörd- lichen Mexiko schliefst sich an die Arkansas - Straf se an. Sie ist die älteste der grofsen natürlichen Verkehrsstrafsen in der Union, da sie schon seit der spanischen Besitznahme Neu- Mexikos den Verkehr mit Mexiko zu vermitteln hatte. Dafs endlich ent- lang der pacifischen Küste ein von der Natur des Landes gebotener, wenn auch nicht immer erleichterter Weg zur inneren Verbindung der Plätze an der steilen, an vielen Punkten für Wege irgend welcher Art unzugänglichen Küste sich von selbst in den Thälern des S. Joaquin, Sacramento und Willamette bahnen mufste, ist selbst- verständlich. Auch er ist heute mit Schienen belegt. Wir haben also zu den vier vorhin genannten Naturbahnen des Weltverkehrs im Osten noch folgende im Westen zu fügen : 5. die Seenkette ; 6. den Oberen Mississippi samt seiner Flufs- und Seenverbindung zum nördlichen Red R. hinüber; 7. Thal des Missouri; 8. Thal des Platte oder Nebraska; 9. Thal des Arkansas und Kanadian: diese drei als Wege bis zum Ostfufs des Gebirges; 10. Thal des Ko- lumbia; 11. über Green R., den Grofsen Salzsee und Humboldt R. in das Thal des Sacramento ; 12. von Santa Fe zum Unteren Kolorado ; 13. Thal des Rio Grande von Santa Fe nach Paso del Norte; 14. Thäler des S. Joaquin, Sacramento und Willamette R. zur Verbindung der südlichen und nördlichen Niederlassungen an der pacifischen Küste. Dieses sind die in der Natur gegebenen Grundlinien des Netzes der grofsen Verkehrswege im Gebiete der V. St. ; einige 538 . I^ie natürlichen Verkehrsgebiete. davon sind bis heute noch nicht ausgenutzt, andere dagegen haben schon zahlreiche Parallel- oder Ergänzungsstralsen ge- funden, sind gewissermafsen vervielfältigt worden, während wie- der andere sich bei weitem nicht in dem Mafse entwickelt haben, wie die Gunst ihrer Naturverhältnisse es erwarten liefs. Wie überall, hat auch hier der Eisenbahnverkehr die natürlichen Bahnen manchmal verschmäht, um die kürzesten Wege in Rich- tungen zu suchen, wo die Natur des Landes grofse Verkehrs- wege nicht zu begünstigen schien, und so ist z. B. die Missis- sippi-Strafse bei weitem nicht so wichtig geworden, wie man es einst vermutete. Die Seenkette samt dem S. Lorenz und das bei New York mündende Kanal- und Eisenbahnsystem, das den Erie-See direkt mit dem Atlantischen Ocean verbindet, sowie auch Eisenbahnlinien, welche weiter s. gehen, haben kürzere Wege nach dem Atlantischen Ocean geboten, der dem Bestinmiungs- orte vieler Waren des Inneren, Europa, hier näher liegt als der Golf von Mexiko. Diese Erscheinung hängt indessen teilweise zusammen mit einem ganzen Komplex anderer ähnlicher, die alle darauf hinweisen, dafs das Innere und der Westen der V. St., deren Verkehr mit einer gewissen Naturnotwendigkeit in den grofsen Sammelkanal des Mississippi fliefsen zu müssen schien, seit der Entwickelung des Eisenbahnnetzes mit Umgehung dieses grofsen Stromweges nach den direktesten Verbindungen mit dem Osten, und dem Atlantischen Ocean streben. Infolge dieser Ent- wickelung ist ein erheblicher Teil des Südens nicht sowohl Durch- gangsland für die Waren aus dem Inneren und dem Westen, als vielmehr ein abgesondertes Verkehrsgebiet geworden, dem das im Westen durch ein schlechtes Hinterland und ungünstige Boden- gestalt abgeschlossene Texas sich anschliefst. In diesem gegen Norden zu etwa durch den Ohio und Arkansas abgegrenzten Ge- biet gehen die grofsen Verkehrswege radial zum Meere, während n. von. der genannten Grenze die westlichen und östlichen Richt- ungen entschieden vorwiegen. Was s. dieser Grenze liegt, gehört dem Golf von Mexiko, was n., dem Atlantischen Ocean an ; ein pacifisches Verkehrsgebiet macht sich erst von der atlantisch- pacifischen Wasserscheide an geltend. Die schifPbaren Flüsse. 539 Die schiffbaren Flüsse. Die schiffbaren Flüsse der V. St. spielen seit der glänzenden Entwickelung der Kanäle und Eisen- bahnen eine bescheidene Rolle. Selbst die natürliche Lebensader des ganzen Inneren, der Mississippi, der mit seinen Zuflüssen ein volles Drittel des Gebietes der V. St. bewässert, ist seit der An- lage von Eisenbahnen, die von seinen Ufern oder selbst über ihn weg in möglichst gerader Linie nach dem Atlantischen Ocean führen, von seiner Stellung als Grundlinie wenigstens der Waren- ausfuhr aus dem Inneren verdrängt. Jahrzehnte ist seine Mündung versumpft gewesen. Noch im Sommer 1^92 legte eine Deputation von S. Louiser Bürgern dem Kongrefs die Notwendigkeit der Ver- besserung des Fahrwassers dar, wobei u. a. darauf hingewiesen wurde, dafs Passagierdampfer zwischen S. Paul und S. Louis bei niederem Wasserstand oft viele Stunden auf Sandbänken sitzen, und dafs Verzögerungen bis zu neun Tagen vorkommen. Wenn auch die Gegenwart sich wenig für die Regulierung des Mississippi erwärmt, so bleibt sie um so mehr eine der groCsen Fragen der Zukunft der V. St. Ihr Zusammenhang mit dem Interoceanischen Kanal liegt klar (vgl. o. S. 16 und 27). Erst die Entwickelung des direkten Verkehres mit Mittel- und Südamerika durch den Golf von Mexiko wird diesem mächtigen Strom etwas von der Be- deutung für den Verkehr zurückgeben, die er einst besafs. 1892 setzte der Kongrefs 5 255000 D. für Bauten am Mississippi, Missouri und Ohio aus und bewilligte aufserdem bis zu 12 Mill. für Arbeiten in den nächsten drei Jahren. Die Schiffbarkeit der übrigen Flüsse der V. St., die früher auf gegen 90000 km geschätzt wurde, hat heute nur noch gröfseren Wert da, wo Kanäle in dieselben münden, wie beim Hudson, oder wo die Wassertiefe sehr grofsen Schiffen den Zugang gestattet, wie gleich- falls beim Hudson, oder wo ein grofses schiffbares Süfswassermeer im Hintergrund den Verkehr anlockt, wie beim S. Lorenz, oder wo die dünne Bevölkerung andere Verkehrswege noch zu kostbar erscheinen läfst, wie am Kolorado in Arizona, oder endlich wo die Bodenbeschaffenheit der Anlage von Eisenbahnen entgegen- steht, wie am S. Johns in Florida. In einer Anzahl von Flüssen erreicht die Schiffahrt nicht mehr die früheren Punkte, z. B. im 540 Mississippi. Muskingum nicht mehr Dresden, sondern nur noch Zanesville. Man kann überhaupt sagen, dafs die Schiffbarkeit der Flüsse seit dem Aufkommen der Eisenbahnen am wenigsten Verwertung gefunden hat in den wirtschaftHch fortgeschrittensten Teilen des Landes, weil man sich da am raschesten den Eisenbahnen zu- wandte, während dagegen ihre Ausnutzung am gröfsten, im Ver- hältnis zur Bevölkerung, in den wirtschaftlich rückständigsten Teilen, nämlich im Süden und Westen, geblieben ist. Immerhin ist die Aufwendung für Flüsse und Häfen von 1822 bis 1892 von 23000 auf 25000000 D. gestiegen. In einer interessanten unter dem Titel : »Connected View of the whole Internal Navigation of the U. S. (Phü.)« 1826 erschienenen Zu- sammenstellung, die die schiffbaren Gewässer innerhalb der damaligen Grenzen der V. St. ausführlich beschreibt, ist die Länge der natürlichen und künstlichen Wasserstrafsen im Lande ö. vom Mississippi auf 50536 engl. M. angegeben und auf die natürlichen Abschnitte des Landes in der Weise verteilt, dafs Neu-England 1886, New York 3659, die Mittleren Staaten (mit Maryland und Ohio) 6126, Virginia 3215, Indiana 2000, die Östlichen Mississippi- Staaten 11080, die Carolinas und Florida 6255 engl. M. erhalten. Zu derselben Zeit und überhaupt in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts bildete die Schiffbarkeit der Flüsse des Transmississippi-Gebietes einen wichtigeren Gegenstand der öffentlichen Erörterung als heute. D. B. War den teilt aus jener Zeit in seiner »Description des fitats-Unis« (Paris 1820. 1. 162) Schätzun- gen der Schiffbarkeit dieser damals grofsenteils noch nicht genau be- kannten Flüsse vom Missouri bis zum Platte mit, welche die Summe von 9300 engl. M. erreichen. Von aU diesen Flüssen sind die wenigsten zu Verkehrswegen von dauernder wirtschaftlicher Bedeutung geworden. Der wirklich bedeutenden Flufsschiffahrtsysteme gibt es auch heute blofs vier und es sind dies die folgenden: Mississippi. Nach den Windungen des Stromes mifst die schiff- bare Länge des Mississippi von der Mündung bis zu dem höchsten Punkte am Missouri 8000 und bis zu dem höchsten Punkte am Arkansas und am Tennessee 4800 km. Die Schiffahrt auf dem Oberen Mississippi'), d. h. zwischen S. Paul Minn. und S. Louis Mo., ist aus verschiedenen Gründen erheblichen Schwankungen unterworfen. Nördlich von Keo- kuk lo. kann man auf Eisbedeckung in 4 bis 5 Monaten des Jahres rechnen. Die Stromschnellen vonKeokuk (13 km) smd zwar durch einen 1) In der Sprache der Schiffer und Anwohner begreift der Upper River nur die Strecke von 200 M. von S. Louis bis Cairo. Mississippi.' 541 Kanal auf dem Iowa-Ufer umgangen und die von Rock Island 111. sind durch Tieferlegung des Strombettes zu einem 60 m breiten und selbst bei Niederwasser 1,2 m tiefen Fahrwasser verbessert. Letzteres ist die für die grolse Schiffahrt hier notwendige Wassertiefe, die indessen nur 4 bis 5 Monate anhält, in den trockenen Zeiten des Jahres geht sie bis auf 1 und sogar 0,9 m zurück. Abwärts von S. Louis Mo. ist die SchifEbar- keit fast ununterbrochen vorhanden, auch für Schüfe von bedeutendem Tiefgang. Der durchschnitthche Wasserstand ist auf dieser Strecke sehr günstig; die Zahl der Tage, an denen er unter 1,2 m herabgeht, beträgt durchschnitthch nur 3 bis 4, an 137 geht er über 3 m hinaus. Erhebhche Schwierigkeiten bereiten der Mississippi- Schiffahrt in dieser Gegend die Baumstämme (Snags), die sich im Grunde festgerammt haben und den Fahrzeugen ihre oft gefährhch spitzen Äste entgegen- strecken, ferner die sehr oft wechselnden Sandbänke und l>eibholz- und Gestrüppanschwemmungen, endhch die dem ganzen unteren Mississippilande gefährhchen Überschwemmungen, gegen die ein grolses System von Dämmen nach den Verwüstungen der siebziger Jahre neu geschaffen wurde. Die grofse Mississippi-Überschwemmung von 1890 hat das Vertrauen in die neuen Dammbauten befestigt, von denen früher Hunderte von Kilometern durchbrochen wurden, während dieses Mal von 1100 engl. M. nur 5 fielen. Unterhalb New Orleans ist die Tiefe des Mississippi stellenweise nahezu 30 m , nimmt aber sehr rasch ab jenseits des Beginnes der Delta- Arme, an deren Aus- mündung durch die sich absetzenden Massen von Schlamm jene Bänke (Bars) gebildet werden, über denen nur noch 3 bis 5 m Wasser stehen. Diese Wassertiefe genügte für die Schiffe von durchschnitthch 4 m Tiefgang und 4 bis 500 T., die sonst den Handel von New Orleans mit fremden Häfen vermittelten; seitdem aber Fahrzeuge von 5 bis 7 m Tiefgang und bis zu 5000 T. New Orleans besuchen, sind jene Schlammbänke so ernsthafte Hindernisse des Verkehres geworden, dals man schon von dem Verfalle des Handels von New Orleans sprach. Durch eine Kongreisakte wurde 1875 dem Ingenieur James B. Eads die Aufgabe übertragen, den einen der Mündungsarme des Mississippi so einzudämmen, dals das zusammengedrängte Wasser zu rascherem Fhefsen gezwungen und in den Stand gesetzt werde, sich seine Wege selber zu vertiefen. Schon 1876 war die Tiefe über der Barre auf mehr als 6 m gestiegen. Heute verkehren Schiffe von 7 m Tiefgang frei in den »Passes« der Mississippi-Mündung. — Die Mississippi-Schiffahrt hat ihre eigene interessante Geschichte. Vor der Zeit der Dampf boote und der Eisenbahnen ging die ganze Ausfuhr des W. samt den Reisenden den Mississippi hinab nach New Orleans auf Flachböten, deren Bauart nicht fester und deren Bequemhchkeit nicht kostspiehger sein durfte als vereinbar war mit ihrer Bestimmung, nach der Ankunft in Stücke 542 - Ohio. zerschlagen und verkauft zu werden. Denselben Weg machte mit Segeln und Rudern und unter Gefahr und Mühen die Einfuhr nach Ohio, Indiana, Kentucky. Die Schiffe brauchten von New Orleans bis Cincinnati 100, manchmal auch 200 Tage. Schon 20 Jahre nach der Einführung der Dampfschiffahrt war die Dauer der Thalfahrt auf 8 bis 9, der Bergfahrt auf 10 bis 12 Tage gesunken. 1811 fuhr das erste Dampf boot, von Fulton gebaut, den Ohio und Mississippi hinab von Pittsburg bis New Orleans. 1818 zählte man 20 Dampfer mit 3642 T., 1829 200 mit 35000 T. Ihr Bau war nicht für die Dauer, sie waren in 4 bis 5 Jahren verbraucht, dafür waren sie zwei- bis dreimal so billig als die europäischen Boote von derselben Gröfse. Gleichzeitig hatte der Verkehr mit Flachbooten zugenommen, denn die Schiffer konnten jetzt die Thalfahrt drei- bis viermal, statt wie früher einmal, im Jahr machen, und in der That wurde 1835 der Betrag des direkten Verkehres per Dampfboot von New Orleans mit seinem Hinterland auf 14000 und per Flachboot auf 160000 bis 180000 T. geschätzt'). — Von den 54 Nebenflüssen des Mississippi, die mit Dampf booten befahren werden, ist der Arkansas 1300, der Red. R. d. S. 800 km bis Shreveport, aber nur in durchschnittlich 8 Monaten des Jahres , bis Alexandria aber bei jedem Wasserstande schiffbar; der White R. ist bis zur Black R.- Mündung (500 km), Francis R. ca. 450 km, der Yazoo fast die ganze Länge seines Laufes bis zur Mündung (gegen 500 km) zugänglich. Der Missouri wird von Dampfern, meist nur im Interesse der Verproviantierung der Militär- posten, bis Ft. Benton Dak. befahren, aber nicht regelmäfsig. Seit der Erbauung der Pacifikbahnen wird seine Schiffbarkeit nicht mehr für den grofsen Warenverkehr benützt. Das grofsartigste und wohlthätigste System von Strafsen der Binnenschiffahrt ist neben dem des Mississippi und des Hudson das des Ohio, das nur einige kurze Kanalstrecken, darunter den Port- land-Kanal, der die Fälle von LouisviUe umgeht, und kanalisierten Flulslauf hat, in seiner gröfsten Ausdehnung aber sich im natürlichen Zustande befindet ; die schiffbare Länge des Ohio beträgt 1547, die der 1) Die gröfsten Boote des Mississippi sind über 100 m lang und haben 10000 Ballen Baumwolle Tragfähigkeit. Der Transport von schweren Massen, vorzüglich Kohle und Eisenerz, wird auf dem Ohio und Mississippi in grofsen Flachbooten besorgt, die, in grösserer Zahl (bis zu 32) mit einander fest ver- bunden, von einem hinter ihnen angebrachten starken Dampfer (Tug-Boat) vorwärts gestofsen werden. Diese zusammengeketteten Massen sind bis über 120 m breit und lang, und es sind deshalb für die neueren Brücken über den Ohio und Mississippi Bogen von 150 m Spann und darüber angenommen worden. Übrigens sind auch auf dem oberen Mississippi Flöfse von 90 m Breite und 150 m Länge keine Seltenheit. Der S. Lorenzstrom. 543 Zuflüsse oberhalb Cincinnati 738, des ganzen Systems gegen 4000 km. Es beginnt in seinem wichtigsten östhchen Abschnitt mit dem in einer Erstreckung von 163 km von Morgentown W. V. bis Pittsburg kanali- sierten Monongahela, der die natürhche Verkehrsader des AUeghany- Kohlenbeckens ist; aufser ihm ist noch ein kleiner Zufluls, der You- ghiogheny, kanalisiert, der in den Mittelpunkt der Coakserzeugung, ConnelsviUe Penn., führt, und von den Zuflüssen oberhalb Cincinnati kommen noch Aflegheny, Muskingum, die beiden Kanawha und Big Sandy für die Schiffahrt in Betracht. Von den Millionen von Tonnen Kohlen und Coaks, die nach Pittsburg kommen, wird die Mehrzahl auf diesem Wasserwege verschifft. In Pittsburg schhelst er sich an die Ohio- und Mississippi-Schiffahrt an, so dafs zusammen auf diese Weise zwischen W.- Pennsylvania und New Orleans ein ummterbrochener Wasserweg von 3500 km hergesteUt wird. Der Ohio bietet bei ver- änderhchem und im ganzen überhaupt nicht grofsem Wasserstande der Schiffahrt einige Schwierigkeiten, aber regelmälsig unterbrochen wird sie doch nur durchschnitthch 14 Tage des Jahres durch Eisgang und Hochfluten. Unterbrechungen infolge zu niedrigen Wasserstandes kommen in Ausnahmsjahren vor. 1889 war ein Jahr ununterbrochenen Verkehres. Man spricht davon, das ungleiche, bald schlammige, bald felsige Bett des Ohio durch Parallelwerke und Buhnen zu regulieren. — Von den Ohio-Nebenflüssen ist der Tennessee in zwei Abschnitten unter- halb und oberhalb der Muscle Shoals schiffbar, dort 480, hier gegen 320 km. Der höchste Punkt der Schiffbarkeit ist KnoxviUe. Der Cumberland ist nur bei gutem Wasserstande bis Nashville zu befahren (320 km) , Green K. bei hohem Wasser und mit Hufe von Schleusen bis Greensburg (330 km), Licking bis Falmouth (80 km). 1889 fuhren auf den Flüssen des INIississippibeckens 1114 Dampfer und 6339 »unrigged« Boote, deren gesamter Tonnengehalt 3,4 MiU. betrug, wovon 211000 auf die Dampfer kamen, und auf denen 10000 Mann beschäftigt waren. Der obere Ohio mit seinen Neben- flüssen besafs Schiffe im Betrag von 2,5 Mill. T. Der S. Lorenz-Strom, der mit seinem klaren, grünen Wasser in immer gleich bleibender Fülle — die Sammelbecken der Grolsen Seen reguheren ihn so, dafs sein höchstes und tiefstes Niveau selten über 50 cm auseinander hegen — und mit seinem lebhaften Fhefsen in mächtigem Felsenbett als der schönste unter den nordamerikanischen Flüssen gilt, besitzt für den Schiffer viel weniger Reize; dieses Felsenbett hat eine Masse von Khppen, die als die »Thousand Islands« ebenso sehr das Ent- zücken des Naturfreundes wie durch enge Passagen und Stromschnellen der Schrecken der Schiffer sind. Dazu kommen weiterhin die Niagara- Fälle, die den Eingang in den Erie-See und damit in die grofse obere Seeregion ebenso verbarrikadieren wie jenes KhppengewiiT den in den 544 Hudson und kleinere schiffbare Flüsse. Ontario, ferner noch die Schwierigkeiten der Schiffahrt in den Kanälen, die die verschiedenen Seen verbinden. Die Mehrzahl der Hindernisse ist heute so weit beseitigt, dals sogar Schiffe von 2V« ni Tiefgang bis Chicago und Fond du Lac gelangen. Die Kanahsierungen, durch die dieses wichtige Ergebnis erreicht ist, sind vorzügHch die des S. Lorenz selbst, die Umgehung der Niagara-FäUe durch den WeUand-Kanal, die Vertiefung des S. Marys R. und der Kanal des Sault Ste. Marie. Die Hindernisse im S. Lorenz kommen für Schiffe von 2,7 m Tiefgang nur auf verschiedenen kleineren Strecken von zusammen 60 km in Betracht. Kleinere Schiffe überwinden dieselben bei der Thalfahrt mit so wenig Schwierigkeiten, dals für sie der Weg vom Eintritt des Niagara R. in den Ontario-See bis ins Meer offen steht ; nur bei der Bergfahrt benützen sie einen Kanal, der die Stromschnellen von Montreal umgeht. Bei der nördlichen Lage bleibt nach aU diesen Verbesserungen das einzige grolse Hindernis das kalte Khma. Der S. Lorenz ist 5 Monate wegen Eis unschiffbar. Über die Grofsen Seen s. u. S. 546 und 551 f. Der Hudson erhält seine grofse Wichtigkeit für den Verkehr vor- zügHch durch die Verbindung mit wichtigen Kanälen, die von ihm ausstrahlen, ist aber an und für sich ein für die Schiö'ahrt ungemein günstiger Flufs. Gehen doch die Gezeiten in ihm bis nach Troy'), also 235 km, und ebensoweit wü'd er von grofsen Dampfbooten befahren. Nur von Van Wye Point bis Albany, Ti'oy und Waterford erstrecken sich auf einer Länge von 22 km Sandbänke, die im Sommer nicht mehr als 1,5 bis 1,8 m Wasser haben und daher den Schiffen, welche der Mehrzahl nach mehr als 1,8 m Tiefgang besitzen, gefährlich sind. Ln übrigen ist der Hudson tief und breit genug, um Dampfer von mehreren 1000 T. bis nach Troy hinaufzutragen und daneben ohne Schwierigkeit die ganze Menge von Schleppern und Kanalbooten auf- zunehmen, die aus den Kanälen des Westens mit Getreide und anderen Massengütern nach New York gehen. Er ist im Durchschnitt 91 Tage durch Frost geschlossen, die gewöhnhch zwischen das letzte Drittel des Dezember und den halben März faRen. Einige kleinere schiffbare Flüsse'). An der südMchen atlantischen Küste münden einige Flüsse, deren Schiffbarkeit für den örthchen Verkehr Wert hat. In der Chesapeake Bay wird wichtig durch die Lage von Baltimore der Patapsco, der bis Baltimore (23 km oberhalb seiner Mündung) grolse Seeschiffe trägt. Der Potomac ist bis Washington 1) Man begreift, dafs sein Entdecker Hendricks Hudson in ihm einen Meeresarm vermutete, da er auf der Suche nach der nordwestlichen Durch- fahrt mit seinem Schiff bis in die Nähe von Albany ungehindert herauf- kommen konnte. 2) Unter »schiffbar« ohne nähere Erläuterung verstehen wir zugänglich für Dampfboote von ca. 1,5 m Tiefgang. Die Flufsdampfer. 545 (320 km) für Linienschiffe zugänglich und bis Harpers Ferry für kleinere Boote. James R. ist 160 km bis Richmond schiffbar. Auf den Flüssen Nord-Carolinas können Dampfboote 130 km den Neuse bis Kingston, 160 den Tar bis Tarborough, 200 den Roanoke bis Halifax hinaufgehen. Den Flüssen Süd-CaroUnas wird eine gesamte Schiffbarkeit von ca. 4000km zugeschrieben, aber nur auf dem Santee, Great Pedee (bis Cheraw) und Wateree (bis Camden) ist sie von Bedeutung, Der Savannah ist für Seeschiffe bis Savannah und für Flufsdampfer bis Augusta (370 km) zugänghch, der Ocmulgee ist bis Macon, Chattahoochee bis Columbus (gegen 500 km) schiffbar. Der S. Johns in Florida ist bei dem für Eisenbahnbau wenig geeigneten sumpfigen Charakter dieser Halbinsel und seinem grofsen Wasserreichtum, der ihn noch 250 km oberhalb der Mündung 2 km breit sein läfst, einer der für den Verkehr wichtigsten Flüsse des Südens. Dampfboote gehen bis Enterprise (370 km) , See- schiffe bis Jacksonvüle (40 km) und samt seinen Nebenflüssen und Seen soll er 1600 km schiffbare Länge darbieten. Von den Golf Aussen ist der Alabama 760 km bis Wetumpka schiffbar. Auf dieser Strecke sind gegen 200 Landeplätze. Im Black Warrior gehen Schiffe bis Tuscaloosa (660 km). Von den texanischen Flüssen bietet der Rio Grande nur kleinsten Dampfern Zugang bis Kingsbury Rapids (720 km) , im Brazos gehen Dampfer bis Columbus (65 km) und nur bei Hochwasser 500 km weit bis Washington. Im Texas-Colorado gehen Dampfer bis Austin (480 km), im Nueces 160 km. Der Colorado des Westens ist bei der Menschenleere seiner Ufer für die Schiffahrt von geringem Wert. Es gelangen Boote von ca. 0,5 m in 10 Tagen bis HardyviUe, 700 km oberhalb der Mündung, die Schiffahrt ist jedoch möglich bis CaUvüle (ca. 900 km). Im Sacramento gehen Dampfer von 1 m bis Sacramento, kleinere bis Red Bluff. Der S. Joaquin ist für Dampfer von 1,5 m bis Stockton (200 km oberhalb S. Francisco), bei Hochwasser aber für kleinere Schiffe sogar bis Fresno schiffbar. Oregon hat neben einer schiffbaren »Wasserfront« von 480 km am Stillen Ocean eine von 420 am Columbia, und der Wülamette ist 300 km von seiner Mündung an schiffbar. Die Flufsdampfer des W^estens sind sehr flache, mit dem Unter- deck wenig aus dem Wasser hervorragende Boote, deren Unterdeck die Maschine (Hochdruck), das Heizmaterial und den schweren Teü der Ladung trägt. Wenig hoch darüber folgt das »Boüer-deck« , auf dem die Passagierräume in Form eines langen Häuschens sich erheben, darüber das »Hürricane-deck«, dem das Steuerhäuschen aufgesetzt ist. Diese Boote smd sehr leicht gebaut, oft geradezu roh zusammen- geschlagen. Die Unglücksfälle sind zahlreich*). 1) Für 1876 wurde der Verlust an Gütern und Menschenleben durch Ratzel, Die V. St. von Amerika. 35 546 ' Schiffahrt auf den Binnenseen. Die Kanäle. Schiffahrt auf Binnenseen. Als 1818 das erste Dampf boot »Walk in the Water« auf dem Erie-See erschien, betrug der gesamte Tonnengehalt der Schiffe auf den vier oberen GroLsen Seen nur 1000 T. Der Welland-Kanal (1829) und der Ohio-Kanal (1832), die die Grofsen Seen in Verbindung setzten mit dem S. Lorenz und Ohio-Mississippi, die in dieselbe Zeit fallende Vollendung der ersten grölseren Hafenbauten der V. St. an ihren Küsten, endhch die Zunahme der Bevölkerung in der ganzen Seeregion hatte schon 1839 die Zahl der Schiffe auf 286 mit 25000 T. gebracht. Dampfboote gab es zu dieser Zeit auf dem Oberen See noch nicht, da seine Ufer fast noch ganz von Indianern bewohnt waren und der Zugang durch die Schnellen des S. Mary Fl. für alle grölseren Schiffe unmöghch war. 1889 zählte man auf den Grolsen Seen 2784 Schiffe der V. St. von 926000 T., darunter 1489 Dampfer. An den Grolsen Seen hat mit der Verwendung der Dampfer auch die Grölse der Fahrzeuge und ihre Herstellung aus Stahl zugenommen. Aus den 6 Stahlschiffen von 1886 sind bis 1890 68 geworden und ihr Tonnengehalt ist von 6500 auf 99500 gewachsen. Die Natur hat in dieser Gegend wenig gute Häfen geschaffen und die Witterungs- verhältnisse sind für die Schiffahrt keineswegs die günstigsten. Die 40 Häfen auf der Seite der V. St. sind alle erst seit den letzten 60 Jahren neu angelegt oder vertieft und werden heute von Dampfern mit 2000 T. besucht. Hauptgegenstände der Verfrachtung auf den Grolsen Seen sind Kohle, Eisen, Holz, Getreide und Mehl. 1889 wurden 27 Mül. T. transportiert. Auf den Grolsen Seen ruht nur Februar und März die Schiffahrt völlig, in den kleineren Häfen oft vom Dezember bis März. Die Schiffahrt der Binnenseen im nördhchen New York, vor allen des Champlain-Sees, ist ganz in das Kanalnetz hineingezogen. Vgl. u. S. 548 u. f. Im Westen trägt der Grolse Salzsee , der einzige, der hier in Frage kommen könnte, kleine Dampfer, die indessen nur dem örthchen Verkehre dienen. Die Kanäle. Die Kanäle der V. St. gehören fast alle in Teilen der Vor-Eisenbahnzeit an. Die letzten Jahrzehnte haben nur noch Vollendungen und Ausbesserungen, aber keine grofsen Anlagen mehr gesehen, denn die Eisenbahnen erwiesen sich schon früh als zu mächtige Konkurrenten der Kanäle. Die Hoffnung, das ganze Land mit einem grofsen Kanalnetz zu überziehen, die man in den zwanziger und dreifsiger Jahren gehegt hatte, war schon im zweiten Jahrzehnt der Eisenbahnen nicht mehr mächtig genug, um die Kapitalien zur Vollendung auch nur einiger Fäden in DampfschifEunfälle auf den Flüssen des Westens der V. St. auf öVs Mill. D. und 70 Seelen angegeben. (Deutsche Allg. Polytechn, Ztg. 1878.) Kanäle und Eisenbahnen. 547 diesem groEsen Netze zu vermögen. Bis 1840 vereinigte z. B. der Erie-Kanal in seinem Gebiete allen durchgehenden Verkehr, aber von dieser Zeit an gab er mit jedem Jahr mehr an die Eisenbahnen ab, bis er 1876 auf einen Anteil von 15 % gesunken war. Und doch ist er bis heute der einzige, der das Ideal west- östlicher, transalleghanischer verbindender Wasserstrafsen verwirk- licht; alle anderen sind am Fuls der Berge stehen geblieben. Welche Wandlungen das Verhältnis von Eisenbahnen und Kanälen in den V. St. durchgemacht, zeigt sehr gut eine Zusammenstellung des Erie- Kanals mit den beiden konkurrierenden Eisenbahnlinien New York Central und New York and Erie, von denen die erstere in der hier in Betracht kommenden Hauptlinie eine Länge von 714, die andere von 688 km (Erie-Kanal 562, mit Hudson 806 km) besitzt: Frachtmenge in Tonnen: 1856 1860 1872 1876 Erie-Kanal und Hudson . 2141400 2 789 589 3619560 ca. 1950 000 1) New York Central R. R. . 788029 1044 633 4964263 6 803680 New York and Erie R. R. 958 306 1157 786 5 653302 5 922966 Während die Frachtkosten sich auf den Eisenbahnen erheb- lich vermindert haben, sind sie auf dem Kanal sich gleich ge- blieben ^). Und doch handelt es sich hier noch um die günstigst gelegene und durch grofsartige Anlage zur Konkurrenz mit den Eisenbahnen in hervorragendem Mafse befähigte Kanalstrecke des bevölkertsten und verkehrsreichsten Staates. In anderen Gegenden sind die Verhältnisse viel ungünstiger für die Kanäle geworden; 1) Im Jahre 1884, dem letzten, über das ich mir Angaben verschaffen konnte, war die Fracht auf dem Erie-Kanal wieder auf 3,4 Mill. T. gestiegen. 2) Der geringe Frachtüberschufs auf Seite der Eisenbahnen fällt hier- bei nicht ins Gewicht wegen der viel gröfseren Pünktlichkeit der Abliefe- rungen der Eisenbahn und weil keine Umladung früher stattzufinden braucht als im Hafen, wo die grofsen Eisenbahngesellschaften alles gethan haben, um die Umladung auf die Schiffe zu beschleunigen. Besondere Verträge mit den Dampferlinien sichern billige Oceanfracht. Dafs bei den Summen, um die es sich besonders beim Transport des Getreides aus dem Inneren nach den Häfen handelt, eine Ersparung von Wochen mehr bedeutet als von eben- sovielen Cents, liegt auf der Hand. Dazu kommt die Unterbrechung in der Gefrierzeit. Die Eröffnung des Erie-Kanals findet am frühesten am 1. April, am spätesten am 18. Mai, der Schlufs am frühesten am 25. November, am spätesten am 20. Dezember statt. Durchschnittlich bleibt er 7 Monate offen. 35* 548 Kanäle und Eisenbahnen. die Anlagekosten waren bedeutender und die unzulängliche An- lage beschränkte von vornherein durch geringe Tiefe und Breite die Entwickelung des Verkehres. Die Kanäle blieben vereinzelt, während die Eisenbahnen grofse zusammenhängende Systeme aus- bildeten^). Heute ist selbst der Erie-Kanal nicht mehr rentabel 2). Andere werden mit Verlust betrieben oder sind von Eisenbahn- gesellschaften ihrem Bahnnetz "eingegliedert worden, wie die von der Philadelphia-Reading- Eisenbahngesellschaft erworbenen Schuyl- kill- und Susquehanna-Kanäle , oder wie das grofse System des Pennsylvania-Kanales, das in den Händen der Pennsylvania-Eisen- bahn gegenwärtig fast ohne Bedeutung ist, oder wie einzelne Strecken der grofsen Kanäle Von Ohio, die gänzlich verkehrslos geworden oder sogar zur Unterlage von Eisenbahnen umgeschaffen sind. Es scheinen am Ende nur noch so wichtige und mit der gröfsten Sorgfalt ausgebaute und von Staaten unterhaltene Kanäle wieErie- und Illinois-Michigan, oder tiefe Küstenkanäle, welche die Küstenschiffahrt erleichtern, wie der erst 1860 gebaute Chesapeake- Albemarle-Kanal, als bedeutende Verkehrswege übrig bleiben zu sollen. Das Kanalsystem des Staates New York ist durch Lage und Grofse das wichtigste. Es umfafst 3 Kanalgruppen von zusammen 1498 km und verbindet Erie-, Ontario- und Champlain-See mit dem Hudson und damit die ganze Seeregion mit dem Emporium Amerikas. Hauptkanal ist der Erie-Kanal, der bei Buffalo am Erie-See beginnt, bis Lockport zu 115 m über den See ansteigt, bei Rochester am Ontario-See den Genesee-Flufs überschreitet, dann von Rome an in dem Thal des 1) Es ist nicht zweifelhaft, dafs die rechtzeitige Verbreiterung der Kanäle ihr Unterliegen gegenüber den Eisenbahnen verzögert haben würde. Bei Buffalo lagen die Kanalboote bei dem grofsen Verkehr der fünfziger und sechziger Jahre oft in einer über IVa geogr. M. langen Reihe, um auf die Durchfahrt durch die Schleusen zu warten. Verzögerungen von Wochen waren in der verkehrsreichsten Zeit des Jahres häufig. 2) Der Sekretär der Handelskammer von New York, Stevens, sagte schon in einem Bericht von 1877: »Wir verdanken unsere ganze Blüte und Bedeutung im Handel dem Erie-Kanal, unsere Grofse hat 1825 mit diesem Kanal angefangen; aber jetzt ist es damit vorbei, wir müssen uns umsehen, wie wir den übrigen Häfen Konkurrenz machen können. Das geht mit dem Kanal nicht, wir haben deshalb anderweitig erleichterte Verkehrsbedingungen zu schaffen«. (Cit. in Kapps Bericht über die Kanalfrage an den Deutschen Kanalverein 1878.) Die Kanäle von New York und Pennsylvanien. 549 Mohawk über Schenectady zum Hudson führt, den er bei Albany er- reicht. Der grölsere Teil der Kanalspeisung geschieht aus dem Erie-See, ein geringerer Teil des Wassers wird den kleineren Hochebenenseen des nördhchen New York, vorzüghch dem Seneca- und Cassenovia-See, sowie künsthchen Becken entnommen. Die Oberflächenbreite beträgt 21,3, die Wassertiefe 2 m. Man zählt 72 Schleusen. Die Kanalboote gehen mit 4000 bis 5000 Ztr. von Buffalo nach Albany in durchschnitt- hch 243 Stunden unter Benützung von Zugtieren. Den Hudson hinab werden die Kanalboote von Dampfern geschleppt, wobei ein Dampfboot bis 80 von ihnen ins Schlepptau nimmt. Die ursprüngUchen Anlage- kosten des Erie-Kanals betrugen 33 Mill. M. , mit den späteren Er- weiterungen, Vertiefungen, den Ladeeinrichtungen u. s. f. sollen sich die Gesamtkosten auf 188 Mill. M. belaufen. — Von Zweigkanälen haben als Schiffahrtsstralsen nur noch Oswego- und Champlain-Kanal Bedeutung, beide von gleichen Gröfsenverhältnissen wie der Erie- Kanal selbst. Jener verbindet mit Hufe des Oswego-Flusses den On- tario-See mit dem Erie-Kanal. Die Salzlager in der Nähe des Oswego- Sees tragen erhebhch zu den Frachten dieses Kanales bei. Der Champlain-Kanal verbindet durch den Champlain-See und durch den aus diesem fliefsenden Richelieu R. den mittleren S. Lorenz mit dem Hudson R. ; er mündet oberhalb Albany in den Erie-Kanal. Die Frachtgüter des Erie- Kanales sind vorzüghch Bretter, Schwellen, Schindeln, Getreide, Leder, FeUe, Salz; des Champlain-Kanales Holz, Hausteine, Eisenerze; des Oswego-Kanales Holz, Getreide, Salz. Das Kanalsystem von Pennsylvannien und New Jersey, vor- züghch zu dem Zwecke der besseren Aufschhelsung der Anthracit- becken in der östhchen Hälfte des ersteren Staates angelegt, besteht aus einer Anzahl von Kanälen, die im Inneren die Umgebungen der Anthracitregion umgürten, zum Teil auch mit dem Erie-Kanal in Ver- bindung treten, und zumeist an der atlantischen Peripherie des Staates bei Philadelphia, in der Chesapeake Bay und in den unteren Hudson münden. Nur zwei von ihnen sind durch einen Längskanal im Grolsen Thal der AUeghanies verbunden, die drei anderen finden ihr Ende am oder im Gebirge, das die kanaUose Westhälfte des Staates (das Ohio -System ist mit dem Kanalnetz des östhchen Penn- sylvaniens nur durch Eisenbahnen oder Stralsen verbunden) von der Osthälfte trennt. 1875 mafs das Kanalnetz Pennsylvaniens 1264 km. Von den Kanälen dieses Gebietes haben drei den besonderen Zweck, die Küstenschiffahrt zu verkürzen; es sind Delaware and Raritan, Chesapeake and Delaware und Albemarle and Chesapeake, die ebenso viele zwischen Hudson- und Delaware-Mündung, Chesapeake Bay und Pamhco Sound gelegene Halbinseln durchschneiden und so bei be- trächthcher Tiefe ein grolses System von Küstenkanälen zwischen 550 I^i® Kanäle von Maryland. New Yoi-k und den südlicheren atlantischen Regionen und vorzüghch deren Hauptplätzen Philadelphia und Baltimore erleichtern. Der Delaware and Raritan C. bildet die kürzeste Wasserstrasse zwischen Philadelphia und New York. Unter den übrigen Kanälen dieser Region sind besonders hervorzuheben : Der Lehigh C, der schon 1820 eröffnete älteste Kanal Pennsylvaniens, der von Eastport am Zusammenfluss des Lehigh und des Delaware nach dem Anthracitbecken von Manch Chunk führt. Der Morris -Essex C, welcher Eastport am Delaware mit Jersey City am Hudson (New York gegenüber) verbindet und einst von grölster Bedeutung war für die Entwickelung der Eisengemnnung im Hochland von New Jersey, dessen Magneteisenstein-Züge er durch- schneidet und mit den Kohlenlagern von Pennsylvanien in Verbindung setzt. Der Schuylkill C. führt neben dem gleichnamigen Flusse in das südhche Anthracitfeld Pennsylvaniens , das er in Mt. Carbon bei Pottsvüle erreicht. Der Pennsylvania C. umfafst den Parallelkanal des oberen Susquehanna R., der bei Wükesbarre in das Anthracitfeld von Wyoming hineinführt, den Parallelkanal des Juniata R., der bis Peters- burg geht, und den Kanal im Montour-Thale bis Lockhaven. Diese Kanalanlage war dazu bestimmt, über die Alleghanies geführt und den ParaUelkanälen des oberen Ohio, AUegheny und anderer Ohiozuflüsse angegliedert zu werden. Doch ist die Verbindung nie zu Stande gekommen. Der Verkehr dieser Kanäle besteht zmn gröfsten Teü in Kohlenverschiffung. Der Delaware and Hudson C, der aus dem Anthracitbecken von Wyoming nach dem Hudson führt, den er bei Eddyvüle unweit Kingston erreicht, ist die Hauptader aus der pennsylvanischen Anthracitregion nach dem Hudson. Der Chesapeake- Ohio C. sollte die Chesapeake Bay mit Pittsburg verbinden, ist aber, wiewohl schon 1828 begonnen, bis jetzt nur bis zu dem Kohlenbecken von Cumberland Md., etwa Hälfte Weges von seinem Ziele, gelangt und dient fast nur dem Kohlenverkehr. Vor seiner Zerstörung im Jahre 1889 bildete dieser Kanal immerhin eine wichtige Abfuhrstrafse des Kohlenreichtums von Maryland an die Chesapeake Bay (Georgetown). Das Kanalsystem des Ohio und Mississippi, das nicht nach dem ursprüngMchen grolsen Plan ausgebaut wurde, umschhefst vier nord- südhche Verbindungen zwischen Zuflüssen des Atlantischen Oceans und des Golfes von Mexiko. Der Ohio C, der älteste dieses Systems, war, als er im Jahre 1832 eröffnet wurde, von sehr hoher Bedeutung für den Verkehr der in der ersten Entfaltung stehenden Staaten Ohio, Indiana und Illinois mit den Abnehmern und Schilfern ihrer landwirt- schafthchen Erzeugnisse in den atlantischen Staaten. Der Hauptkanal führt von Cleveland 0. nach Portsmouth 0. mitten durch die Kohlen- und Eisenregion Ohios, mit Abzweigungen nach dem Blockkohlen- und Eisenrevier des Mahony-Thales (Akron O. — Warren 0.), nach dem Kanäle des Westens. 551 Hocking Fl. (Carroll O. — Athens O.) und nach Columbus, der Haupt- stadt des Staates. Der Miami C, 1830 fertiggestellt, verbindet durch Parallelkanäle des Maumee und Miami R. nebst einer Verbindung über die Wasserscheide zwischen Erie-See und Ohio, Toledo O. mit Cincinnati; ein Seitenkanal des Little Miami führt von Lawrence am Ohio nach Connersville. Wabash-Erie C. (1827 begonnen) zweigt vom Miami C. bei Defiance ab und führt quer durch Indiana über Ft. Wayne Ind. und Wabash Ind. nach Terre Haute am Wabash. Den drei genannten grolsen Kanälen des Ohio-Gebietes fiel einst eine wichtige Funktion in der Entwickelung der Hilfsquellen dieser reichen Teile der V. St. zu. Ihr durchgehender Verkehr mit Ackerbauprodukten nach dem Erie-See, die von dort den Kanalweg nach New York ge- wannen, war einst beträchtHch, ist aber ganz den Kanälen entzogen und den Eisenbahnen zugeleitet worden, so dals gegenwärtig alle drei nur noch in einzelnen Strecken dem örthchen Verkehre dienen. Eine bedeutende Stellung nimmt neben ihnen der 1836 — 48 angelegte Illinois and Michigan C. ein, der vom Südende des Michigan-Sees bei Chicago ausgeht und mit Benützung des Chicago R. über die niedrige Wasserscheide hinüberführt zum Des Piaines, einem Zuflufs des lUinois, um durch diesen den Oberen Mississippi zu gewinnen. Er stellt damit eine ununterbrochene 543 km lange Wasserstrafse zwischen Chicago und S. Louis, Michigan- See und Mississippi her, eine der wichtigsten Verbindungen im Innern Nordamerikas. Er überwindet den Höhenunterschied von 44 m mit 16 Schleusen. Der Verkehr ist noch gering, beschränkt sich auf Getreide, Holz, Bausteine ; doch hofft man durch Vertiefung und Einführung biUigerer Transportmittel den Kanal gegen die Konkurrenz der Eisenbahnen erhalten zu können. Seit 1871 ist der mit Unterstützung der V. St. gebaute Kanal an den Staat Illinois gefallen. Die natürhchste und daher grofsartigste Entwickelung hat in unserer Zeit die KanaHdee im Nordwesten erlebt, wo es sich um die Verbindung grofser Schiffahrtsgebiete unter sich und mit dem Ozean handelt. Die Erzeugung von Massengütern, wie Erze und Holz, im nörd- lichen Seengebiet, hat eine unerwartete Steigerung erfahren, die dem Verkehr auf den Grofsen Seen zu gute kommt. Durch die Schleuse von Sault Ste. Marie am Ausgang des Oberen Sees gingen 1889 in 234 Schifffahrtstagen 9579 Fahrzeuge mit 7,5 Mill. T., zu vier Fünftel Eisenerz und Kohle, also bereits mehr als durch den Suezkanal im gleichen Jahr. 1891 passierten in 235 Tagen, die die Wege offen waren, Detroit 36 Mill. T. Im Dezember 1891 tagte in Detroit eine Deep Water- way Convention, die angesichts des Wachstums des Verkehres auf den Grofsen Seen um durchschnittüch jährlich 10 "/o eine durchgehende Tiefe von Buffalo bis Duluth von 20 engl. F. verlangte. Der Verkehr auf den 552 Kanäle im Seengebiet. Grolsen Seen wird bis auf ßQ % in Fahrzeugen der V. St. besorgt und 90 % der Ladungen werden als amerikanisches Eigentum geschätzt. Es handelt sich also hier um ein grolses Interesse wichtiger, auch politisch einflulsreicher Teile der V. St. , für das das Verständnis besonders in den nördhchen atlantischen Staaten weit offen ist (s. o. S. 18). Niagara und Sault Ste. Marie, die einzigen Hindernisse, denen die französischen Entdecker der Grolsen Seen im 17. Jahrhundert begegnet sind, stehen noch heute dem Vordringen des oceanischen Verkehres bis in die Enden des Oberen und des Michigansees entgegen. Seit Daniel Duluth 1679 den ersten Handelsposten an der Stelle des Gestades des Oberen Sees, die seinen Namen trägt, mit Waren, die er über die Seen aus Quebec gebracht, begründete, strebte der Verkehr immer nach einer ununterbrochenen Verbindung. Vom Ende des Obern Sees bis New York sind es 2250 km Wasserweg, wovon gegen 1300 km Tiefwasserweg durch die Grofsen Seen. 1886 bewilligte der Kongrefs 250000 D. zum Beginn einer allgemeinen Verbesserung dieses Weges, deren Ziel die Schaffung von durchgängig 20 engl. F. Wassertiefe. Für eine Warenmasse von 9 Mill. T., wie sie 1890 durch den S. Marys- Flufs ging, die des vorangehenden Jahres um 20 "/o übertreffend, wird eine Schleuse immer ein prekärer Weg^) bleiben. St. Marys Flufs ist 75 engl. M. lang und fällt vom Oberen zum Huronensee 20 F. 8 Z., wovon 18 F. 2 Z. auf den Sault Ste. Marie (im Volksmund kurz »Soo«) kommen. Unterhalb der Fälle ist der Flufs so reich an Windungen und Untiefen, dafs kein Schiff die ersten 35 engl. M. unterhalb der Schleuse bei Nacht zu fahren wagt. Durch die Verbesserung des Hay Lake-Kanals, der ein Teil des S. Mary Flusses, wird dieser Ab- schnitt erhebhch sicherer und der ganze Weg zwischen beiden Seen um 11 engl. M. gekürzt werden. Der Erzreichtum des Oberen Sees, der hauptsächlich im Osten verarbeitet wird, gab schon 1855 Ver- anlassung, dafs der Staat Michigan eine Schleuse zur Umgehung der Fälle baute , 1881 folgten die V. St. mit einem ähnhchen gröfseren Werk und gegenwärtig ist eine noch gröfsere Schleuse von 250 m Länge im Bau, die mit einer einzigen Hebung um fast 7 m die Höhe der FäUe überwinden wird. Nach ihrer Vollendung werden Schiffe von 4000 T. passieren. Die Dominion baut gleichzeitig einen Kanal auf ihrer Seite des St. Mary-Flusses. Der Plan eines Kanales um den Niagara auf der amerikanischen Seite führt auf die Jahre nach Be- endigung des zweiten Krieges mit England zurück. 1835 wurde ein Kanal von 10 engl. F. Tiefgang in allen Einzelnheiten ausgelegt. 1) 1890 und 1891 traten Stockungen durch Beschädigungen der Schleuse bei Sault Ste. Marie ein, die doppelt empfindlich sind in einem Klima, das die Schiffahrt im Kanal durchschnittlich nur sieben Monate gestattet. Kanäle im Seengebiet. 553 Indessen wurde der Welland-Kanal von Canada gebaut *). Der wachsende Verkehr auf den Grofsen Seen fordert aber breitere und tiefere Wege und will seine Millionen von Tonnen Eisen, Holz, Weizen und Mehl so nahe wie möglich auf dem siebenmal billigeren Weg der Seen nach den atlantischen Verbrauchsstellen bringen, was nur durch die Ein- beziehung des Ontariosees in das offene Verkehrsgebiet der westHcheren Seen gelingen kann. Oswego ist auf dem Kanalweg 145 engl. M. näher bei New York als Buffalo. Man glaubt durch einen tieferen Niagara- Kanal auf der amerikanischen Seite 20 % Zeit für den Verkehr nach New York zu gewinnen. — Die Bhcke der Kanalfreunde im Seen- gebiet richten sich bereits über die Grenzen der V. St. hinaus, wo der Winnipeg-See ein Drittel des Weges vom Oberen See bis Churchill an der Hudsons-Bay einnimmt. Die Untersuchungen, welche die kanadische Regierung anstellen liefs, zeigen, dafs Churchill an der Hudsons-Bay ein ausgezeichneter Hafen werden kann, der angebhch 5 Monate offen ist. Auf dieses grolse Verkehrsgebiet bezieht sich auch der einzige in den letzten Jahren mit einem gewissen Eifer besprochene Plan eines Flufskanales , nämhch der des Erie-Ohio-Kanales, der, nachdem der Bund nicht für ihn zu gewinnen war, vom Privatkapital Pennsyl- vaniens mit Unterstützung des Staates gebaut werden dürfte. Er- kundigungen beim Board of Pubhc Works von Ohio ergaben, dals der Erie- Ohio -Kanal eine Verbindung des Eriesees bei Conneaut mit Pittsburg anstrebt. Der Plan ist in den Kreisen der Pittsburger Kohlen- und Eisenleute entstanden, die die ersten Aufnahmen für einen Kanal von 50 m Breite und 6 m Tiefe machen helsen , auf dem Eisenerze von Michigan zur Verarbeitung nach den Kohlengebieten von Penn- sylvanien verfrachtet werden sollten. Der Kanal würde 200 km lang werden und mit 23 Schleusen Höhenunterschiede von 220 m überwinden. Die Kosten sind auf 23000000 D. berechnet. Der jähr- hche Frachtverkehr zwischen Pittsburg und dem Erie-See an Kohlen, Eisen und Coaks wird auf fünf Millionen T. beziffert und die Fracht- ersparnis per Tonne auf 2 500000 D. im Jahr. Von kleineren Kanalanlagen im Mississippi-Gebiet sind noch zu nennen : der 4 km lange Kanal von Portland nach LouisviUe, um die Ohio-Stromschnellen bei LouisviUe, und der Des Moines K. um die Mississippi-Stromschnellen bei Keokuk (s. oben S. 540). Der Seeregion 1) Ein Vertrag von 1861 sichert den Bürgern der V. St. die Benützung des Weiland-, St. Lorenz- u. a. kanadischer Kanäle unter denselben Be- dingungen zu wie denen der Dominion. 1891 verfügte das kanadische Mini- sterium ein »Rebate« für Weizen, der auf diesen Kanälen verfrachtet wurde ; die Mafsregel geschah, um Montreal zu heben. Die V. St. erwogen dann den Bau eines eigenen Niagarakanales von neuem. 554 Kanile des Sodens. gehören an : der erst 1877 fertig gestellte Kanal zwischen Michigan-See und Oberem Mississippi, der durch Benützung des Fox R. and Wis- consin R. nach dem Oberen Mississippi führt. Ebenfalls kürzHch erst vollendet ist die Dmt^techung der Landzunge, die Green Bay vom eigenthchen See trennt, durch den Sturgeon-Bay-Ship K., der mit 4,25 m Tiefe den gröfsten Seeschiffen Durchgang gewährt. In den eigenthchen Südstaaten überholte die Eisenbahnidee die der Kanäle. In Süd -Carolina wurde die Linie Charleston -Cincinnati schon an&ngs der dreissiger Jahre mit Eifer diskutiert und 1836 waren die Vorstudien für dieselbe gemacht und die Trace gelegt In den Carolinas wie in GJeorgia und Florida ist es b^reiflich, wenn der Drang nach grolsen Kanälen nicht so heftig war, wie in Pennsylvanien oder New York, denn die Aufgabe des Verkehrs war nur die Ausbeutung des Bodenreichtums eines Tieflandes, das breit zwischen Meer und (jebirge hingelagert und von einigen schiffbaren Flüssen durchströmt ist. Hier waren auch zunächst noch die LandstraTsen so schlecht und so gering an Zahl, da£s man eher an sie als an Kanäle denken mulste. Überhaupt ist ein Land mit Plantagenwirtschaft, dünner Bevölkerung und nur einem einzigen grofsen Stapelprodukt — Baumwolle — , dessen Ernte in wenigen Wochen verfrachtet ist, der wenigst günstige Boden für grofse Verkehrsw^e. Sogar die Eisenbahn ist in diesen Gregenden langsam vorgedrungen. Nur g^en Florida zu, wo ein Hefland vom Atlantischen Meer bis zum Grolf von Mexiko ausgebreitet ist, werden die Bedingungen einer grofsen Kanalanlage günstiger, indem hier zwei Flüsse, S. Marys und Suwanee R., von denen jener in den Ocean, dieser in den Golf mündet, ohne grofse Schwierigkeiten schiffbar gemacht und durch Kanal mit einander verbunden werden könnten. Auch an eine Durchstechung der Halbinsel Florida in ihrer Mitte durch einen Kanal, der Indian R. mit Tampa Bay verbände, hat man gedacht und 1879 sind hier von der R^erung der V. St Messungen angestellt worden. Es gibt einige wenige Kanäle im Mi^issippi-Delta , abgesehen von den eingedämmten Mündungsarmen, von denen aber für den grofsen Verkehr kein einziger Bedeutung hat *). — Im Westen verbietet die vorwiegend gebirgige Bodengestaltung in den meisten Fällen die Kanalisation für Zwecke des grofsen Ver- kehres, während die klimatischen Verhältnisse sie für die künstliche BewisBerong um so dringender erheischen. Was von nennenswerten KareJanlagen vorhanden, dient diesem Zweck. (VgL o. S. 395 1) 1) 1836 war der Pontchartrain-Kanal "8 km^ von New Orleans zum Pontchartrsün-See ToDendet; aber schon vorher, 1831, war eine Eisenbahn paiaDid mit ihm gebeut worden, die in Kürze zn den einträglichsten Linien dee Staates gehörte. Die Eisenbahnen. 555 Die Eisenbahnen. Die Verhältnisse der Eisenbahnen in den V. St. sind mehrmals berührt worden (s. o. S. 40, 89, 531 f.). Fol- gende Aufzählung mag ihr gewaltiges Wachstum nochmals versinn- lichen. 1850 gab es in dem ganzen Gebiete der V. St. 14965, Ende 1891 275 270 km Eisenbahnen, d. i. 123 % der gesamten europä- ischen. Die Zahl der Reisenden ist auf den Eisenbahnen der V. St. von 1882—1891 von 289 auf 556 Mill., die Menge der Güter von 360 auf 704 Mill. T. gestiegen. Auf die grofsen Verkehrs- gebiete verteilten sie sich Ende 1891 folgendermafsen : Neu-England-Staaten .... Mittlere Atlantische Staaten . Nördliche Centralstaaten . . . Südliche Atlantische Staaten Südliche Mississippi-Staaten Südwestliche Staaten und Gebiete Nordwestliche Staaten Pacifische Staaten Man erkennt die Bevorzugung des Ostens vor dem Westen und innerhalb dieses grölsten Gegensatzes wieder das Übergewicht des Nordens über den Süden. Am begünstigtsten sind die dicht be- völkerten, Städte- und industriereichen und zugleich als Durchgangs- gebiet des grofsen Verkehres aus dem nördlichen Inneren zur atlan- tischen Küste wichtigen mittleren Atlantischen Staaten ; dann folgen die gesegnetsten, kohlen- und eisenreichen und fruchtbaren Staaten des nördlichen Inneren, die in wenigen Jahren auch in der Dichte der Schienenwege an der Spitze sein werden; dann die Neu- England-Staaten, die Jahrzehnte hindurch das dichteste Eisenbahn- netz besafsen, aber zurückgetreten sind, weil ihre nördhchen und nordwestlichen Gebiete eisenbahnarm sind. Die südHchen At- lantischen und die südlichen Mississippi- Staaten bilden eine Gruppe mit mäfsig entwickelten, langsam herangewachsenen Bahnen. Die Nordweststaaten zeigen im Vergleich mit den ähnlich jungen Süd- weststaaten den Beginn eines rascheren Fortschrittes, der seit der Eröffnung der zwei nördhchen Pacifikbahnen sehr merkhch ge- worden ist. Areal in qkm km auf 1 qkm 1km 172,145 11,075 15,5 301,800 33,154 9,1 . 643,925 60,301 10,7 694,620 29462 23,5 596,270 22,275 26,7 . 2,088,110 53,688 38,8 . 1,576,070 44,885 35,1 . 1,446,970 20,430 72,3 556 Verteilung der Eisenbahnen. Auf die einzelnen Staate und Gebiete verteilten sich die Eisen- bahnen 1891, sowie 1850 und 1880 folgendermalsen (in englischen Meilen) : Neu-England: 1850 1880 1891 Maine ". 245 1005 1383 New Hampshire .... 467 1015 1144 Vermont 290 914 1001 Massachusetts . . . ^ . . 1035 1915 2100 Rhode Island 68 210 223 Connecticut 402 923 1006 2507 5977 6857 Mittlere Atlant. Staaten: New York 1361 5991 7765 New Jersey 206 1684 2132 Pennsylvania . . . . . 1240 6191 8920 Delaware 39 275 320 Maryland 1 District of Columbia . . J ^^^ 1040 15081 1269 21 3105 20427 Nördliches Central-G ■ebiet: Ohio 575 5792 8168 Michigan 342 3938 7187 Indiana 228 4373 6135 lUinois 111 7851 10189 Wisconsin 70 3155 5786 1276 25109 37465 Südl. Atlant. Staat en: Virginien 384 1893 3574 West Virginien .... 97 691 1547 Nord Carolina .... 283 1486 3205 Süd CaroUna 289 1427 2491 Georgia 643 2459 4870 Florida 21 518 2567 1717 8474 18254 Golf und Mississippi- Thal: Kentucky 78 1530 2962 Tennessee — 1843 2996 Alabama 183 1843 3576 Mississippi 75 1127 2440 Louisiana 80 652 1880 416 6995 13854 Verteilung der Eisenbahnen. 557 Südwesten: 1850 1880 1891 Missouri 3965 6179 Arkansas 859 2305 Texas 3244 8813 Kansas 3400 8891 Colorado ....'.. 1570 4441 Neu Mexiko 758 1424 Indianer - Territorium und Oklahoma . . . . 289 1272 14085 33325 Nordwesten: Iowa 5400 8437 Minnesota „ 3151 5671 Nebraska 1953 5430 Nord-Dakota ) 2223 Süd-Dakota J ^^^^ 2700 Wyoming 617 1049 Montana .... . . 1047 2291 12347 27800 Pacifischer Abhang: Kahfornien 2195 4485 Oregon 508 1504 Washington 289 2309 Nevada 739 923 Arizona 349 1098 Utah ........ 842 1336 Idaho . 206 960 5128 12615 Das Wachstum der Eisenbahnen ist mit der Bevölkerung und ihrem Gedeihen von Norden nach Westen und Süden gewandert. In den beiden nordöstUchen Gruppen ist es in der Hauptsache schon 1880 abgeschlossen, auch in der nördlichen centralen hat es in diesem Jahre einen hohen Punkt erreicht, zeigt aber noch ein starkes Wachstum im letzten Jahrzehnt. In noch höherem Mafse zeigen diese Erscheinung die beiden südlichen Gruppen, die zwischen 1880 und 1891 mehr Zu- nahme erfahren haben, als in den 30 vorangehenden Jahren. In allen drei Gruppen des Westens setzt das Wachstum erst nach 1850 ein und hat von 1880 bis 1891 mehr als das Doppelte der 1880 vorhandenen Grölse erreicht und schreitet nun langsamer fort. Das Wachstum von 1890 auf 1891 zeigt deutüch den grossen Unterschied der Gruppen: 558 Die Eisenbahngruppen. 18yi gebaut Neu-England 39 Atlant. Mittelstaaten . . 544 Nördliche Mittelstaaten . 654 „ Südstaaten . . 1010 Golf und Mississippi . . 571 Südwest *. . 495 Nordwest 506 Pacifischer Abhang . . . 661 4480 km Zahl der Fracht Passa- in Betrieb Stationen inMilLT. giere in Hill. 1. Die Neu-Englandstaaten . . . 6942 2283 a5,3 103,4 2. New York, New Jersey, Penn- sylvanien, Maryland und West- Virginia bis Harrisburg mit der Westgrenze Buffalo - Salamanca- Pittsburg-Bellaire 29792 5680 241,9 189 3. Ohio, Indiana, Michigans Süd- Halbinsel und New York und Pennsylvanien w. von der eben beschriebenen Grenze ... 35586 5119 122,8 55,4 4. Virginien, West-Virginien (ohne , den Streifen n. vonParkersburg), die CaroUnas 13478 1613 23,6 9,5 5. Kentucky, Tennessee, Missis- sippi, Alabama, Georgia, Florida 26451 2778 38,2 20,6 6. Illinois, Nordhalbinsel Michigan, Minnesota, Wisconsin, Iowa, die Dakotas ö. vom Missouri und Missouri n. vom Missouri . . 64640 6311 91,9 61,7 7. Nebraska, Montana, Wyoming, Colorado n. von Denver und die Dakotas w. vom Missouri . . 13254 803 9,9 4,8 8. Missouri s. vom Missouri, Ar- kansas, Kansas, Colorado s. von Denver, Indianergebiet, Neu- mexiko n. von Santa F6 . . . 26974 2095 21,3 11,3 9. Louisiana, Texas, Neumexiko s. von Santa F6 und ö. von El Paso 14155 969 8,5 5,5 10. CaUformen,Oregon, Washington, Idaho, Nevada, Arizona und Utah, Neu-Mexiko w. von Santa F^ und El Paso 17862 1160 10,5 20,5 Die Eisenbahngebiete. 559 Fassen wir das Ganze dieses grolsen Schienennetzes und zugleich seine Entwickelung ins Auge, so treten diese mehr oder weniger natürhchen Gruppen hinter den grolsen Abschnitten zurück, die Bodengestalt und Klima bewirken. Neu-England, die Mittleren Atlantischen und die Nördlichen Central-Staaten bis zum Ohio und zum Michigansee verschmelzen zu einem Nordgebiete grö Ister und ältester Entwickelung der Eisenbahnen, in- dem wir ein Drittel aller Linien, des Fracht- und Personenverkehres finden. Die grolsen Grenzlinien dieses mächtigsten Verkehrsgebietes laufen an den Grolsen Seen, am Ohio und Potamac. Als eine Art von Tri- butärland gehört ihm das Gebiet an, das weiter w. bis zum Missouri zieht und dessen Sammelpunkt das im Osten des Gebietes liegende Chicago ist, wohin die Erzeugnisse des Ackerbaues und der Vieh- zucht des Nordwestens geführt werden, um von da nach den anderen Städten der Grolsen Seen oder der atlantischen Küste, besonders New York, verteilt zu werden. Ein zweites, das Gebiet des Südens, nimmt eine ähnliche Lage im Süden ein und reicht nach Westen bis zum Rio Grande und zum 101.° w. L. Die Zerlegung in die meridionalen Abschnitte des s. atlantischen Küstenlandes und des Ost- und West-Mississippi- landes tritt hier an die Stelle der Vereinigung, welche die Grolsen Seen im Norden bewirken und statt der West-Ostwege der Seen und des Ohio haben wir die grolse Nord-Südstralse des Mississippi. Es fehlen ihm die grolsen Sammelpunkte im Inneren ; Cincinnati und S. Louis liegen an den Grenzen; eine grölsere Anzahl von mittleren und kleineren Sammelpunkten liegt in der Peripherie zerstreut, daher radiale Verteilung auf die Küste zwischen Balti- more und Galveston. Die Linienlänge von 54,084 ist im Ver- hältnis zum Gebiet und dem Alter der Entwickelung die kleinste in ganz Nordamerika. Der Fortschritt im Verkehr ist aber im letzten Jahrzehnt sehr merklich geworden. Auf den Eisenbahnen von Florida, Georgia, Alabama, Mississippi, Kentucky und Tennessee ist die Zahl der beförderten Passagiere zwischen 1880 und 1889 von 3,7 auf 20,5 MilL, die Menge der Güter von 10,9 auf 38,2 Mill. gestiegen. Wir haben gesehen, wie der Süden im Bahnbau fort- schreitet. 560 Die Hauptlinien Das dritte, das Gebiet des Westens, dessen Signatur die Abhängigkeit von den beiden östlichen und die JugendUchkeit der ganzen Entwickelung ist, reicht vom Missouri und Rio Grande bis zum Stillen Ocean. Grofse Linien verbinden die weitentlegenen Ansätze. Die wichtigsten unter ihnen sind die vier Pacifikbahnen. Die im Werden befindlichen Sammelpunkte und ihre Verbindungs- linien sind durch die früher geschilderten Oasenzüge und Erz- gebiete bestimmt. Die Entwickelung deutet seit einigen Jahren deutlicher auf die Selbständigmachung dieses mit ca. 32,000 km noch weit zurückstehenden Gebietes durch Vermehrung der paci- fischen Verbindungen hin. Unter den grofsen und für den grolsen Verkehr wichtigen Linien sind am bemerkenswertesten die folgenden: Die erste Pacifik-Bahn, die in zwei Abschnitten 1926 engl. M. lang von Omaha Nebr. (am Missouri) nach San Francisco führt, a) Union Pacific führt ursprünglich von Council Bluffs lo. über Cheyenne Wyom. nach Ogden Ut. (1043 engl. M.). Heute bildet sie durch die Erwerbung der Kansas Pacific (s. u.) eine zweite Linie durch Kansas und Nebraska nach Denver und mit einer Anzahl von zuführenden Seitenlinien, besonders zur Verbindung mit dem Missouri ein grofses System von 7674 engl. M., in dem die Linien Ogden-Butte Mont. und Ogden -Frisco Ut., dann Pocatello-Umatüla- Portland Or. die wichtigsten Wege aus dem Innern des Grofsen Beckens nach Norden und Süden beherrschen Der Bau dieser Bahn wurde vom Kongrefs gestattet durch Akte von 1862 und 1864. Die erste Akte gewährte aulser einem Streifen Land von 100' Breite für die Strecke eine Schenkung von 12800 Acres (zusammen ca. 12 Mill. Acres) für jede englische Meüe der Bahn und eine Bundesanleihe von 27 Mill. D. als erste Hypothek, die später hinter andern Verpflichtungen zurück- gestellt wurde, b) Central Pacific führt von Ogden Ut. nach S. Francisco (883 engl. M.) mit Seitenlinien, unter denen Roseville- Oregongrenze (296 engl. M.) die wichtigste; zusammen besitzt sie 1213 engl. M. Die ursprüngliche Hauptlinie wurde unter ähnlichen Bedingungen wie die Union Pacific mit Unterstützung der V. St. (Darleihen und Land- schenkung von 12 Mül. Acres) von 1863 bis 1869 gebaut und zugleich mit dieser eröffnet. Heute umfafst sie eine ganze Anzahl kalifornischer Linien, vorzüglich die frühere Western Pacific von Sacramento nach S. Francisco, ist aber nur noch ein Teil des 6461 engl. M. grofsen Systems der Southern Pacific Cy. , an die sie seit 1885 auf 99 Jahre vermietet ist, und der alle südkalifornischen Linien und deren Ver- bindungen mit dem Golf von Mexiko angehören. des^Eisenbahnnetzes. 561 Nordpacifik-Ba,hn. Die Hauptlinie, 1885 vollendet und mit einer Landschenkung von 47 Mill. Acres ausgestattet, führt in 2137 engl.M. von Ashland Minn. nach Portland Or. und Wallula Wash. Wichtige Zweiglinien des 4349 engl. M. umfassenden Netzes sind Duluth-Manitoba, N. Pacific-Montana, das ganze Netz von Washington, dessen Grundlinie von Portland nach Sumas an der Nordgrenze führt, und endhch die Verbindung von Ashland über Wankesha nach Chicago. Seit Januar 1893 wird das Cascadengebirge auf zwei Linien von Missoula aus über- schritten, von denen eine über Spokane nach Seattle, die andere über Mullan nach Tacoma führt. Die in geringer Entfernung von der Grenze auf dem Gebiet der Dominion von Montreal nach Vancouver (2904 engl. M.) führende Canadische Pacifik-Bahn steht an mehreren Punkten mit dem Gebiete der Nordpacifik-Bahn durch Seitenzweige in Verbindung, die wir kennen gelernt haben (s. o. S. 40 f.). Die Südpacifik-Bahn, ein GHed des grofsen Systems der den Südwesten beherrschenden Southern Pacific Cy., führt von San Diego in Süd-Californien über Yuma (Ai-.) nach El Paso, wo sie mit der früheren Texas-Pacific zusammentrifft, die von Houston Tex. ausgeht und von Spofford nach Eagle Pass (Piedras Negras) . in Verbindung mit den mexikanischen Linien tritt. Beide sind mit grofsen Land- schenkungen, jene mit 18 Mül. Acres vom Bunde unterstützt. In Texas ist Houston der Mittelpunkt eines eigenen Systems, das seine Linien nach La Vaca, Galveston, Sabine Pafs und New Orleans an der Küste nach Beeville im Westen und nach Austin im Innern und Denison an der Grenze des Indianergebietes im Norden sendet. Die Gesellschaft betreibt weiter Dampferhnien zwischen texanischen Häfen, New Orleans, New York, Veracruz, Havana, -Nicaragua, Bocas del Toro. Die südhchere Verbindung mit der grofsen Linie Mexico-Laredo (339 engl. M.) ist in den Händen der Mexican National R. R. Cy., die eine Anzahl westtexanischer Linien betreibt. Eine der wichtigsten Zufuhrlinien der mittleren Pacifik-Bahn ist die von Chicago über Burhngton lo. und Pacific Junction la. nach Denver führende Linie Burlington and Missouri R.R* (1024 engl. M.), die zu dem besonders in Nebraska entwickelten System der Chicago, Burhngton and Quincy R. R. Cy. gehört, das über 5325 engl M. verfügt. Die zwei wichtigsten Verbindungen des Atlantischen Oceans mit dem Innern sind die Erie, jetzt im System der New York, Lake Erie and Western Cy (Piermont N. Y. — Dunkirk N. Y. 460 engl. M.) und die New York Central und Hudson River (New York — Buffalo 442 engl.M.), die durch die Lake Shore and Michigan Southern (Buffalo — Chicago 540 engl.M.) mit Chicago verbunden sind. Mit den Seitenhnien umfafst diese 1445 engl. M. New York, Ratzel, Die V. St. von Amerika. 36 562 I^iö grofsen Pennsylvania and Ohio R. R., die in Salamanca N. Y. an die Erie- Bahn anschliefst und von da nach Dayton 0. führt, ist eine südKchere, bis Cincinnati fortgesetzte Verbindung zwischen New York und dem W. Als nördhche Verbindung führt Michigan Central von Chicago über Kensington lU. nach Detroit Mich. (284, mit Nebenhnien besonders nach Mackinaw und Bay City 1609 engl. M.). Die Linien, die die Verbindung von Chicago nach dem Atlantischen Ocean in der Richtung auf Pennsylvanien vermittehi, sind mit zahlreichen, örthchen Linien in der Ausdehnung von 2520 engl. M. in den Händen der Pennsylvania R. R. Cy., deren Haupthnie die Strecke Harrisburg-Pittsburg, an die sich von weiterreichenden Verbindungen die mit Elmira N.Y., Erie Pa., Baltimore und Washington, und als wichtigste die über Ft. Wayne nach Chicago (468 engl. M.) anschHefsen, die mit anderen Westhnien, besonders der über Vandaha und Terre Haute nach S. Louis unter Ver- waltung einer Nebengesellschaft, Pennsylvania Cy., stehen. In Kon- kurrenz mit diesem Komple;x steht der noch mächtigere der Balti- more and Ohio R. R., dessen Grundünie die Strecke Baltimore — Wheeling Va. 380 engl. M. Der Gesamtbesitz dieser Gesellschaft beträgt 2027 engl. M., worunter die wichtigen Linien von Pittsburg über Akron und Chicago Junction nach Chicago und über Parkersburg und Cin- cinnati nach S. Louis und eine Linie, die die Kohlenlager von Cumber- land Md. mit Pittsburg verbindet. Weiter s. führen direkte Ver- bindungen aus dem Westen nach dem Atlantischen Ozean über die Norfolk and Western, die den Hafen von Norfolk Va. mit Bris- tol Tenn. (408 engl. M). , also mit dem Ohio-Gebiet verbindet. Ihr gehören Linien nach Hagerstown Penn, und Columbus O. , die bei der wichtigen Kreuzung Roanoke ausstrahlen. In derselben Richtung geht Chesapeake and Ohio, die Monroe Va. mit Cincinnati ver- bindet (665 engl. M.). Die direkte Linie von Charleston S^. C. nach W. wird durch die S. Carolina R. R. gebildet (243 engl. M.), die Char- leston mit Augusta Ga. verbindet (137 engl. M.). Von Savannah führt die Savannah, Americus and Montgomery R R. (270) nach Montgomery AI., wo Linien nach Mobile, Vicksburg und Nashville anschhefsen. Alle diese Linien schneidet oder vervieKältigt die grofse Richmond and Danville mit ihren nördhchen und südlichen Ver- längerungen, die von Washington bis Columbia AI. reichen. Sie ist mit 3353 engl. M. der gröfste Eisenbahnkomplex des Südens, der von den Knotenpunkten Macon Ga., Atlanta Ga., Selma AI., Birmingham AI. und mit ihren östHchen und westhchen Fortsetzungen von Sa- vannah und Port Royal bis Memphis Tenn., Arkansas City und Green- viUe Miss, die wichtigsten Wege zwischen den AUeghanies und dem Mississippi beherrscht. Unter den grolsen Linien, die den Golf von Mexiko mit dem Eisenbahnlinien. 563 Inneren verbinden, also gleichsam rechtwinkhg das Netz der eben ge- nannten durchschneiden, sind am hervorragendsten die der Louisville and Nash ville Gesellschaft, die um die gleichnamige Hauptlinie von 185 engl. M. einen Komplex von 4708 gesammelt hat und Louisville Ky. mit den Hauptplätzen Tennessees, Nashville und Memphis, und mit St. Louis verbindet; Mobile and Ohio verbindet Mobile, den Hafen von Alabama mit Columbus Ky. in 472 engl. M. Ein Zweig des 2875 engl. M. umfassenden Netzes der Illinois Central R. R. verbindet New Orleans mit FiUmore Ky. (567 engl. M.) über Jackson Miss. Weiter w. kommt dann die Texas and Pacific hinzu, die durch die Missouri, Kansas and Texas (787) sich an die Missouri-Bahnen anschliefst. Ein wichtiger Knotenpunkt für die nördlichen Verbindungen Louisianas ist Meridian Miss. Auf der rechten Seite des Mississippi führen die Linien des westhchen Louisiana und von Texas über Shreveport Lo. und Alexandria Lo. nach Arkansas, dessen Verbindungen nach Norden und Westen hauptsächüch in dem System der Missouri Pacific (5289 engl. M.) Hegen, dessen Grundünien die von St. Louis über Little Rock nach Texarkana führende St. Louis, Iron Mt. and Southern ist. Ein grolser Teil des Verkehres von Kansas wird von diesem System be- herrscht. Im Westen schhefst sich Denver and Rio Grande an, deren Linien von 1677 engl. M. Denver mit Santa Fe und mit den Kohlengruben von Trinidad im Süden und South Pueblo mit der Grenze von Utah im Westen verbinden; die Fortsetzung nach dem Grofsen Salzsee ist geplant. Aufser den schon genannten östüchen Verbindungen Colorados durch Union Pacific und Missouri and Pacific besteht noch eine südösthche durch die Fort Worth and Denver nach Texas. Die inneren Verbindungen der nordöstüchen atlantischen Staaten sind teilweise schon früher besprochen (s. o. S. 40 u. f.). Ihre Grundünien sind die Bahnen der Maine Central Cy., deren Stamm Portland mit Bangor (137 engl. M.) verbindet, dann die canadischen Anschlüsse nach Montreal, die Linien Boston-Albany N. Y. (202 engl. M), Boston-Hopewell- Junction N. Y. (215 engl. M.) der New York and New England Cy. und die im Connecticut-Thal ver- laufenden Linien der New York, NevvHaven and Hartford Cy. Unter den gröfseren Linien des Seengebietes seien noch genannt die Verbindungen von Sault Ste. Marie mit Minneapolis nebst Verbindungen nach Westen bis Mericourt N. Dak (797 engl. M.) durch die Minnea- polis, St. Paul and Sault Ste. Marie R. R. und mit Duluth durch die Duluth, South Shore and Atlantic R. R. (Sault Ste. Marie — Iron River Wisc. 366 engl. M), ferner die grofsen Verbindungen Milwaukees mit dem Norden durch Milwaukee and Northern (Milwaukee — Champion Mich. 254 engl. M.), und die zum System der Nordpacifikbahn gehörigen Linien der Wisconsin Central R. R. 36* 564 jßau und Betrieb Wie die Eisenbahnen in einem Lande weiter Räume eine hohe poli- tische und kulturliche Aufgabe neben der wirtschaftlichen zu lösen. haben, versucht Kap. III der Einleitung dieses Buches zu zeigen. Wir werden sehen, dals dieser Aufgabe ihr poHtisches Gewicht entspricht. Aber das Wachstum und die Macht der Eisenbahnen in den V. St. , ihre Bedeutung für das ganze öffenthche Leben des Landes werden ver- ständlicher, wenn man auch ihre ganz eigenartigen Einrichtungen in Betracht zieht. Was die Gunst der Naturverhältnisse im atlantischen Tiefland und besonders im Mississippi-Gebiet beigetragen hat, wm-de schon berührt (s. Kap. IV). Man merkt den Einfluls davon an den Bau- kosten, die in den flachen Küsten-, Prärie- und Steppenstaaten 2 und 3 Mal geringer sind als in den Staaten des Nordostens oder in Cahfornien. Es ist wahr, dals man im allgemeinen billiger und schlechter gebaut hat in den armen, erst werdenden Süd- und Weststaaten als in den verkehrsreichen Mittel- und Neuengland-Staaten, aber der Boden kam dem entgegen ^). Das Klima übt nur im Gebirgsland des Westens einen entschieden hinderhchen Einflufs aus. Die Union Pacific R. R. wird jeden Winter durch Schnee blockirt und ist in harten Wintern einige Wochen hindurch unfahrbar. Im Osten und dem Inneren ist davon nicht mehr zu fürchten als in Nord- und Ost-Europa. Der Bahnbau wird rein geschäftüch behandelt, schmiegt sich also dem wirtschaftHchen Leben ganz eng an. Verfolgt man die Entwickelung des Eisenbahnnetzes in einem der grolsen Produktionsgebiete, so erkennt man den Wechsel der guten und der schlechten Jahre in der grölseren oder geringeren Zunahme der Linien. Die Konzessionen zu Eisenbahnen werden von den Legislaturen der Einzelstaaten verliehen, wobei der Grundsatz der gröfstmöghchen Freiheit in der Wahl der Trace, in der Ausführung und im Betriebe festgehalten wird. Nur so vermochten die Eisenbahnen den verschiedensten örthchen Verhältnissen sich leicht anzupassen und der private Unternehmungsgeist mochte nur so un- belästigt und ungebunden sich auf den Eisenbahnbau mit jener Energie werfen, die daraus einen Bahnbrecher der Kultm- gemacht hat. Die Linien der V. St. sind nicht so schlecht gebaut und unsicher , wie ein in Europa weit verbreitetes Vorurteil will. Wir haben dafür die Stimme deutscher Beamten: »Auf die Haupterfordernisse für jede lebensfähige Bahnanlage: guten Oberbau, gutes vollendetes Material und ein umsichtiges und wohldisziphniertes Beamtenpersonal wird in den V. St. ein eben so grofser, in letzterem Punkte noch grölserer Wert gelegt als in Europa. Man vermilst auf den amerikanischen Bahnen 1) Der höchste Pafs, den eine Eisenbahn in den V. St. überschreitet, ist der Laveta -Pafs im Sangre de Christo - Gebirge , den die Denver — Rio Grande-Linie überschient hat, 2850 m hoch. der Eisenbahnen. 5ß5 manche EinricHtungen, die nach europäischen Begriffen zur Vermeidung von Gefahren unentbehrlich sind, es sind indessen nur solche Ein- richtungen, die durch Umsicht, Geistesgegenwart und Vorsicht des Eisenbahnpersonals ersetzt werden können. Da die amerikanischen Bahnverwaltungen gegenüber den deutschen in der Lage sind, ihr Personal vollständig frei zu wählen, so können sie auch, abgesehen von einer wesentHch besseren Bezahlung, mehr für die Ausbildung desselben thun und gröfsere Ansprüche an die Leistungsfähigkeit und Selbständigkeit jedes Einzelnen stellen« *). Die Verwaltung der weitaus meisten nordamerikanischen Bahnen liegt in den Händen eines von den Aktionären gewählten Board of Direktors, an dessen Spitze ein Präsident steht. Unter diesem funk- tionieren gewöhnlich zwei Hauptbeamte, ein finanzieller Leiter (Trea- surer oder Secretary) und der Betriebsdirektor (General Manager oder Superintendent). Für die einzelnen Zweige des Betriebsdienstes sind ein General Freight Agent für Fracht und ein General Passenger Agent für Passagiere, ein Chief Engineer, ein Superintendent of Motive Power and RoUing Stock, ein Purchasing Agent, ein Superintendent of Tele- graphs angestellt. Bei grölseren Bahnen steht dem Treasurer ein Jurist, der SoUicitor, zur Seite. Die Beamten haben entweder von der Pike auf bei der Eisenbahn gedient oder sind aus den Bureaux der Zivil- ingenieure hervorgegangen. Um an Zeit und Kosten zu sparen, schmiegen sich die amerikanischen Bahnen dem Gelände aufs engste an, und lange Umwege zur Umgehung von Hindernissen sind nicht selten. Man errichtet Holzbauten von gewaltiger Länge und Kühnheit an Stelle von Dämmen und Viadukten. Auf Einfriedigungen ist wenig Wert gelegt. Wo Eisenbahnen mitten dm'ch Städte führen, liegen die Geleise im Niveau der Stralse und trotz ermäfsigter Geschwindigkeit und des unaufhörlichen Läutens der Lokomotivglocke sind Unglücksfälle hier nicht selten. Das Publikum verlangt seit lange Abhilfe dieses Mifs- standes, der in den gröfsten Städten auch abgestellt ist. Bei den Niveau- übergängen läfst man es gewöhnlich bei grofsen Warnungstafeln : »Be- ware of Engines and Cars«, »Look out for Locomotives«, oder einfach »Raüway Crossing« bewenden. Der grölste Teil der amerikanischen 1) Aus dem Reiseberichte des Kgl. Baumeisters Schröder. Mitt. des Kgl. Preuss. Handelsministeriums. Organ f. Fortschr. d. Eisenbahnwesens 1878. n. 51. So erstaunt z. B. beständig der auffallend kleine Kontroiapparat der amerikanischen Bahnen unsere Beamten, aber »der Schwerpunkt liegt darin, dafs jeder auch noch so niedrig gestellte Beamte das volle Vertrauen seiner Vorgesetzten besitzt, aber auch die ganze Verantwortlichkeit seiner Handlungen selbst trägt« (Bericht des österr. Komm. P. F. Kupka. Organ f. d. Fortschr. d. Eisenb. 1877. 69). 566 Betrieb der Eisenbahnen. Bahnen ist bis jetzt eingleisig, zweigleisig sind nur die allerbefahrensten ; die New York Central R. R. ist sogar viergleisig. Die Spurweiten waren ursprünglich sehr verschieden, neuerdings ist 1,435m als Normal- spurweite angenommen. Die Schwellen sind dicht gelegt und da- durch eine gröfsere Niedrigkeit der Schienen ermöglicht; die Kurven, für welche in den Ausführungsbedingungen ein Minimalradius jetzt gewöhnlich vorgeschrieben wird, setzen sich aus geraden Linien zu- sammen, deren Winkel von den Passagieren beim Durchfahren nicht eben wohlthuend empfunden werden. Als Minimalsteigung ist jetzt meist 1 : 45 vorgeschrieben. Die Geschwindigkeit beträgt 41 bis 50 km per Stunde. Es kommen aber viel gröfsere Geschwindigkeiten vor. Ein Extrazug fuhr 1891 von Utica nach Albany in 90 Minuten, d. i. nahezu 100 km in der Stunde, ein anderer auf der Philadelphia-Reading Linie 19 km in 8 Minuten. Die niederen Beamten sind nicht unifor- miert, sondern nur durch eine Aufschrift an der Kopfbedeckung kenntlich gemacht. Indem man die Bahnen einfach als Transport- mittel betrachtet*), gibt man ümen überhaupt das praktische, zweck- dienliche Äufsere von Dingen, die geschäftlichen Zwecken dienen. Daher sind auch die Bahnhöfe äulserst einfach, selbst an gröfseren Plätzen nichts als Holzschuppen zum Schutz vor Regen und Sonne; man begibt sich in seinen Wagen, der gewöhnhch einige Zeit vor der Abfahrt rangiert dasteht'). — Die Personenwagen der Eisenbahnzüge sind fast ohne Ausnahme durchgehende von 15 m Länge und mehr, für 50 bis 70 Passagiere. Sie passen zu den demokratischen Formen des nordamerikanischen Lebens und bieten praktische Vorteile. Die Selb- ständigkeit, die dieses System dem Reisenden gewährt, die MögHchkeit gleichmäfsiger Erleuchtung und Erwäi'mung und der Anbringung von 1) >Der Amerikaner benützt überhaupt seine Schienenstrafsen wie bei uns der Fuhrmann die Fahrstrafsen ; man weicht sich aus, schiebt zurück, fährt vor, wartet auf einen andern Zug, je nach Bedarf, und dank der aus- gezeichneten Bremsmittel ist der Verkehr ein sicherer als man bei uns zu glauben geneigt ist.< (P. F. Kupka a. a. 0. 98.) 2) In den alten dichtbevölkerten Neuengland- und Mittelstaaten haben sich Einrichtungen entwickelt, die den europäischen näherkommen. Dort findet man schwere Stahlschienen, definitive eiserne Brücken, steinerne und in, allerdings noch seltenen Fällen auch grofsartig angelegte Bahnhöfe (z; B. der der New York Central E. B. in New York), ein sehr gutes Signalwesen, das meist dem englischen nachgeahmt ist, uniformiertes Personal, Fahr- geschwindigkeit von 50 bis 60 km per Stunde und Fahrpreise, die von der riesigen Konkurrenz herabgedrückt sind. Sobald man aber von den Haupt- linien abgeht, begegnet man in den Landesteilen, die entfernter sind von den grofsen Strafsen des Verkehres, unabänderlich jenem oben beschriebenen Typus der eigentlich amerikanischen Eisenbahn. Strafsen und Brücken. 5ß7 Aborten, von Wasch- und Trinkwasser, die Erleichterung der Verbin- dung zwischen Reisenden und Zugpersonal und der Ortsveränderung kommen den Reisenden, eine gröfsere Sicherheit und Bequemlichkeit dem Zugpersonal, eine grölsere Raumausnützung den Gesellschaften zu gute. Diese Erleichterungen entsprechen dem Bedürfnis und der Lust zu reisen des Nordamerikaners. In der Theorie gab es früher nur Eine Wagenklasse. Man ist aber wegen der Neger zuerst im Süden zur Errichtung einer nur für Farbige bestimmten zweiten Wagenklasse geschritten, hat dieselbe dann auch, besonders im Westen, für die Raucher und auch für die Auswanderer eingeführt, die büügere Fahrpreise zahlen, und so ist nun mit der Zeit eine schlechter aus- gestattete, bühgere Klasse geschaffen worden, die gleichzeitig den Rei- senden der ersten Klasse als Rauchcoupe dient. Noch weiter hat die Einführung der Drawing Room- oder Parlor-Cars (Salonwagen) und der Schlafwagen *) geführt. Diese Luxuswagen haben sich in Kürze sehr weit verbreitet, so dafs die besondere Klasse, die sie über den beiden anderen bilden, bereits zu den Institutionen des nordameri- kanischen Eisenbahnwesens gehört. Charakteristisch einfach und natürhch hat sich hier die soziale Schichtung blols mit Hilfe des Geldes vollzogen. Ein Zuschlag von 3 D. per 24 Stunden schhefst natürhcherweise die grofse Menge fast vollständig von der Be- nützung dieser Luxuswagen aus. Die Fahrpreise auf den Eisenbahnen sind in den V. St. durchschnittlich doppelt so hoch wie in Deutschland, aber die Zahl der von Bahnzügen zurückgelegten Meüen verhält sich in beiden Ländern wie 12 : 3% *). Die Sicherheit des Reisens auf nord- amerikanischen Bahnen ist, wie man voraussehen kann, minder grols als auf unseren. Über ihren wirklichen Betrag hegen nur unvollstän- dige Berichte- vor. Die New Yorker Railroad Gazette, die aus den Zeitungen eme natürhch lückenhafte Unfallstatistik zusammenträgt, meldete für 1880 1078, für 1890 2146 Eisenbahnunfälle, bei denen in jenem Jahr 315 Reisende getötet und 1172 verwundet, in diesem 806 getötet und 2812 verwundet wurden. Die Verunglückungen durch Überfahrenwerden, Abstürzen vom Zug u. dgl. sind nicht mitgerechnet. Strafsen und Brücken. Die V. St. haben kein Zeitalter der Land- strafsen durchlebt. Nur dürftig war dort die Entwickelung der Ver- kehrswege zu der Zeit, zu der bei uns in Europa die meisten Land- strafsen gebaut wurden. Man baute keine Kunststraf sen für Jahrhunderte, sondern Fahrwege für die erste Notwendigkeit, wobei der Holzreichtum 1) 1858 wurden die ersten Schlafwagen auf einigen grofsen Linien eingeführt, doch wurde das Institut erst populär seit 1867, wo G. M. Pull- man in Detroit zuerst sein6 praktischen Schlafwagen baute. 2) Prof. Hadley, Railway Passengers Rates. Forum XL 1891. p. 218. 568 Strafsen und Brücken. des Landes die ausgedehnte Verwendung des Holzes bewirkte. An Stelle der Beschotterung tritt noch heute die Belegung des geebneten Grundes mit Planken (Plank Road), die wie Eisenbahnschienen an- einander gelegt sind, oder mit quergelegten Prügeln oder Faschinen (Corduroy Road). Heute baut man wenig Strafsen, höchstens kleine Strecken bis zur nächsten Eisenbahn. Wo indessen in unwegsamen Gebirgen transportlohnende Lasten zu bewegen sind, wie in den Minengebieten von Colorado und Kahfomien, sind in kurzer Zeit aus- gezeichnete Strafsen- in die wildesten Canons hineingebaut worden. Aber doch nur kurze Strecken, die dann sehr bald mit Schienen belegt wurden*). Die Steppennatur des fernen Westens, der Mangel an Wasser und Holz, hat vor der Eisenbahnzeit den Verkehr ungemein schwer gemacht. Es gilt das nicht nur von den dürren Gebieten des Grofsen Beckens, sondern noch mehr von den ö. vom Felsengebirg bis an den Mississippi hinziehenden. Hier waren die einst berühmten transconti- nentalen Auswandererstraf sen (s. o. S. 366 f.) nichts weniger als gebahnte Wege, sondern Pfade, gleich den Karawanenwegen in den Wüsten, die aufser durch Wagenspuren durch die Reste der umgekommenen Men- schen und Tiere bezeichnet waren. Aufser den ans Stille Meer führenden Wegen waren von den grofsen Steppenstrafsen noch ziemhch verkehrs- reich die beiden grofsen Karawanenwege vom Mississippi nach Santa Fe, deren erster und wichtigster von S. Louis Mo. über Independence, Caches und Cool Spring über den Arkansas nach S. Miguel führte, während ein später eingeschlagener von Van Buren an der Westgrenze von Ai-kansas im Thal des Canadian eine fast genau westliche Richtung nach S. Miguel beschrieb *). Die Lage dieser Wege der Westwanderer entschied sogar über das pohtische Schicksal der Staaten, die an sie sich anschlössen; so wurde aus Nebraska die Sklaverei, für die die Konstitution des Territoriums Raum gelassen hatte, ausgeschlossen, da der Auswandererweg über Ft. Kearney das Land durchschnitt. In den mittleren und südhchen Gegenden ist der Boden der Plains zwischen den beiden Gebirgen oft so eben und durch den verfilzten Wuchs der Haddepflanzen so fest zusammengehalten, dafs er ohne alle Vorbereitung mit Eüwagen befahren werden kann, und so viel- befahrene Strecken wie der Weg von Merced nach Colterville, der dann in das Yosemite-Thal mündet, führen bis an die Sierra einfach 1) Beim Mangel der Steine und des Holzes liegt das Eisen als Strafsen- material so nahe, dafs wir sogar dem Vorschlag begegnen, die einen grofsen Teil des Jahres unfahrbaren Strafsen des weichen Bodens von Iowa mit Eisenschienen zu belegen : > Eisen ist unser billigstes Strafsenmaterial.« (Prof. Wilson über die Landstrafsen in Iowa. Westl. Post, St. Louis, 13. Nov. 1892.) 2) S. Karte und Beschreibung dieser Wege in J. Gregg, Karawanen- züge durch die w. Prärien. 1845. Über den hier betriebenen Handel s. u. S. 587. Landstraf sen. 569 Über diesen natürlichen Boden weg. Die Entwickelung des Fracht- fuhrwesens war in diesen Gegenden eine grolsartige vor der Zeit der kahfornischen Bahnen, wo die sog. Stockton-Schooners , Wagen von 200 bis 250 Zti. Tragkraft, von 6 bis 12 der stärksten Maultiere gezogen, den Verkehr zwischen S. Francisco und den Bergwerks- gebieten besorgten. — Von den Strafsen des Ostens, die durch die Eisenbahnen und Kanäle die Bedeutung für den grofsen Verkehr verloren haben (nur einige Gebirgsstrafsen der Alleghanies machen davon eine Ausnahme), ist historisch bemerkenswert, dafs es die Gründung einer Poststrafse von Falmouth Mass. bis Savannah Ga. war (durch den Kongrels 1775 schon beschlossen), die dem Straf sen- bau den gröfsten Anstofs gab. Die Erträge der Post wurden damals auf Neuanlagen von Poststraf sen und Stationen verwendet und bei Portis von 10 bis 25 Cts. für Briefe, die weiter als 50 km gingen, waren sie auch nicht unbedeutend. 1794 legte man die Strecke von New York bis Buffalo (988 km) in 80 Fahr- und 20 Ruhestunden zurück. Von Philadelphia bis Pittsburg (515 km) fuhr man quer durch das Gebirge in öV« Tagen. 1813 wurde die Länge der Poststrafsen der V. St., d. h. der Wege, die von den Posten befahren oder geritten wurden, auf 66000 km angegeben. Von eigentlichen Strafsen war da- mals die von Robbinstown Me. bis St. Mary's Fl. (2680 km) die gröfste und verkehrsreichste. 1813/14 passierten 4055 Frachtwagen den Weg von Philadelphia nach Pittsburg und unmittelbar vor der Eisenbahn- Ära war der Verkehr in Neu-England so lebhaft, dafs 1832 die Zahl der jährlich zwischen Boston und Worcester verkehrenden Menschen auf 84000 und der Waren auf 30000 T. geschätzt wurde. Da der Amerikaner gern und rasch fährt, sind trotz des Überwiegens der Eisenbahnen noch heute seine Leistungen auf dem Gebiete der Fahr- post hervorragend. Die gröfste Fahrpostlinie ist zwar mit der Voll- endung der Pacifik-Bahn aufgelassen worden; es war dies die früher täglich von Atchinson Mo. über Denver und Utah nach S. Francisco ab- gehende Post, welche die 635 deutsche M. lange Strecke in 17 bis 18 Tagen zurücklegte. Sie hatte 260 Wagen und 6000 Pferde und man zahlte 500 D. für die ganze Reise. Aber im Westen sind noch immer grofse Strecken mit Pferden zu durchfahren, wobei mit grofser Kühnheit das nach mexikanischer Art mit fünf Maultieren oder Pferden bespannte Fahrzeug über Stock und Stein getrieben wird. Der Bau von Landstralsen bildet seit einer Reihe von Jahren den Gegenstand der öffentHchen Diskussion in Zeitungen und pohtischen Körperschaften und tritt selbst in den Jahresbotschaften der Governors häufiger hervor. Die Eisenbahn-Ära hat dort, wo sie spät eingesetzt hat, wie in den mittleren Südstaaten, z. B. Nord- CaroUna, den schlechten Zustand der Wege nur noch verschlechtert. 570 Strafseneisenbahnen. Brücken. Der Vernachlässigung der Stralsen wird neuerdings ein Teil des Sinkens des Wertes des Ackerlandes im Osten beigemessen. In wenigen Graf- schaften von New Jersey, Massachusetts und Rhode Island gibt es ein rationelles Stralsennetz, Die Eisenbahnen konnten grolse Räume zwischen sich lassen, so lange die Bevölkerung gering war, ihre Verdichtung hat immer dringender nach Wegen gerufen, je langsamer der Eisenbahnbau gerade hier fortgeschritten ist. Nur wer die leeren Räume übersieht, die zwischen den Eisenbahnen klaffen, kann glauben, die Wege seien dauernd durch die Eisenbahnen zurückgedrängt. Im Westen hat auch die Auslegung des Strafsennetzes nach den Graf- schaftsgrenzen die Schwierigkeiten des Strafsenverkehres vergröfsert, da die natürhchen Wege vernachlässigt wurden. Die Strafseneisenbahnen sind in den V, St. durch die weite Anlage der Städte, die Teuerung der Einzelfuhrwerke, die Neigung, mög- lichst peripherisch zu wohnen, während die Geschäfte im Mittelpunkt der Städte gemacht werden, endlich überhaupt in Anwendung des aUes beherrschenden Grundsatzes der Zeit- und Arbeitersparung zu einer sehr weit verbreiteten Einrichtung geworden. Den Grofsstädten haben sie nicht einmal genügt, sondern diese haben daneben noch besondere Dampf eisenbahnen, die in New York die merkwürdige Form der Elevated Rail Roads, die auf einem Säulenlager hoch über der Stralse hinführen, angenommen haben. Für die Städte von mehr als 50000 Einwohnern zählt der Census von 1890 807 Straf senbahnen »in independent Operation« mit 8200 km Linien. New York hat allein 950 km Geleise. In diesem Jahre erreichte die Länge der elektrischen Bahnen die der Dampfbahnen, aber noch fast 75% wurden mit Pferden betrieben. — Der Zustand der städtischen Stralsen ist in allen Städten der V. St., einige feine Hauptstraf sen abgerechnet, wenig gut, und das- selbe gilt von der Strafsenreinigung. Es wird in dieser Beziehung nur das Notwendigste gethan. Eigentliche Steinpflasterung ist selten, Holz- pflaster oder Macadam sind vorwiegend. Manche werdende Grofsstadt ist so gepflastert, wie es in alten deutschen Städten üblich war, wie Reuleaux sich ausdrückt, »mit Bachkieseln«. Brücken. Der amerikanische Brückenbau ist durch die Grofs- artigkeit und Kühnheit seiner Leistungen wohlbekannt. Der Natur der Verhältnisse entsprechend , unter welchen gebaut wird , sind es grofse und zugleich biUige, wenn auch weniger dauerhafte Konstruk- tionen, die man mit Vorliebe^ herstellt. Dafs man jedoch vor kost- spiehgen Bauten nicht zurückscheut, beweist die New York-Brooklyner Brücke über den East River, die gröfste bis jetzt gebaute Hängebrücke (s. o. S. 102). Überhaupt sind Hängebrücken in den V. St. mit Vor- hebe gebaut worden. Dabei sind vorzüglich die Werke deutscher Ingenieure, in erster Linie des Erbauers der Niagara-Hängebrücke, Post und Telegraph. 571 A. Rohlings, zum Muster genommen worden. Aulser diesen sind hölzerne Fachwerkbrücken in grolser Menge und Mannigfaltigkeit erbaut worden. Man hat sie in Europa vielfach nachgeahmt. Sie finden ihre grölste Entwickelung in den sog. Trestle Works, brückenartigen Holz- gerüsten von oft gewaltiger Höhe und Länge, die bei den Eisenbahnen grofse Bodeneinschnitte übersetzen, Sümpfe überbrücken u. s. f. Die von europäischen Offizieren mit am meisten bewunderten Leistungen der Armee der Nordstaaten waren die Brücken, die eine erst während des Kj:ieges gebildete Truppe schlug. 1865 ging die ganze Grant'sche Armee über den James auf einer 650 m langen Brücke an 28 m tiefen Stellen. Post und Telegraph. Das Postwesen war von Anfang an in der Verfassung der V. St. als Sache des Bundes betrachtet. Unter den Funktionen, die der Bundesregierung zugeteilt sind, hat die Post immer eine hervorragende Stelle eingenommen, teils aus Gründen, die mit dem Wunsche nach möglichster Förderung ihrer Zwecke zusammen- hängen, teils weil es dasjenige Bundesamt ist, das mit der gröfsten Zahl von Beamten am weitesten in alle Teile des Landes sich verzweigt und durch die innige Berührung mit der Bevölkerung einen grofsen, aber keineswegs heilsamen politischen Einfluls übt. Natürlich ist der Wechsel von Tausenden von Postbeamten bei jeder Präsidentenwahl für die Post selbst nachteilig. Der Generalpostmeister hat einen Sitz im Kabinet. Die Post hat einen erheblichen Einflufs auf die Ent- wickelung der Verkehrswege der V. St. in der voreisenbahnlichen Zeit geübt. Ihrerseits ist sie der Presse verpflichtet, die in den dünn- bevölkerten Gegenden durch reitende Boten ihre Blätter zu verbreiten pflegte und dadurch naturgemäfs sich auch am besten dazu eignete, die Post zu besorgen. Den Zeitungen hat die Post manchen Fort- schritt nachgethan. So war der Exprefsdienst , den der New York Herald in der aufgeregten Zeit des inexikanischen Krieges 1845 — 1848 zwischen New Orleans und New York eingerichtet hatte, die erste Über- land-Verbindung beider Städte, und schneller als die Post. Die Ein- nahme von Mexiko soll die V. St. -Regierung in Washington erst durch den Exprelsboten dieses Blattes erfahren haben *). Für die Postverbin- dung mit Europa und anderen überseeischen Ländern ist natürlich die Entwickelung der Dampfschiffahrt von der gröfsten Bedeutung ge- worden. Die erste transatlantische Postdampferhnie (Cunard Line), eine zweiwöchentliche, wurde 1840 zwischen Liverpool, Hahfax und Boston eröffnet. Aber der erste transatlantische Dampfer war schon am 23. April 1838 in New York gelandet. Die neueren Vervollkomm- nungen des transatlantischen Postverkehres haben es nicht blols mögüch 1) F. Hudson, Journalism in America 1873. 477. 572 Telegraph. gemacht, die europäischen Posten in 8 bis 9 Tagen nach Amerika zu bringen, sondern auch dort sofort nach der Ankunft zu verteilen. (Über die seit 1891 eingeführte deutsch-amerikanische Seepost vgl. Moritz Lindeman, der Norddeutsche Lloyd 1892 S. 87.) — Mitte 1891 zählte man in den V. St. 64 329 Postämter, und es wurden ca. 3800 Mill. Post- sachen befördert. Die elektrische Telegraphie zählt einen Amerikaner, Morse, zu ihren praktisch fruchtbarsten Erfindern, aber ihre Erprobung fand in den V. St. später statt als in Europa. Am 4. Juni 1844 brachten die New Yorker Blätter die Nachricht von der ersten gelungenen Korre- spondenz auf der vom Staate versuchsweise hergestellten Linie Washing- ton— Baltimore. Man knüpfte die ausschweifendsten Hoffnungen daran. Vernichtung des Raumes war damals das Stichwort. Die Telegraphenleitungen nahmen nun in den Händen einiger Privatgesell- schaften einen sehr raschen Aufschwung. 1862 wurde die grofse Über- landlinie New York — S. Francisco (865 deutsche M.) vollendet. 1854 wurde zuerst das Problem eines atlantischen Kabels ins Auge gefafst und die erste Legung gelang 1858, aber erst 1866 wurde ein Kabel gelegt, das dauernd thätig zu sein vermochte. Dieses erste Kabel wurde zwischen Valentia (Irland) und Neufundland gelegt. Zwei Kabel zwischen den V. St. und Cuba, eines an der Westküste und zahlreiche kleinere ver- binden einzelne Teile der V. St. mit einander und mit Britisch-Nord- amerika. Die Telegraphen der V. St. zählten Juni 1891 nahezu 300000 km Leitungen mit 1 145000 km Drähten und 59 Mill. Depeschen. Bei Annahme von 63 Mill. Einwohnern macht dies ca. 905 Depeschen per 1000 der Bevölkerung im Jahr. Die entsprechende Zahl war im deutschen Reichstelegraphengebiet 1890 547. Die Telegraphen sind Privateigentum einer grofsen und einiger kleinen Gesellschaften, deren Zahl immer mehr zusammengeschwunden ist. Die Einrichtung eines Telegraphendienstes in Verbindung mit der Post ist in Vorbereitung. Die von vielen Seiten gewünschte VerstaatHchung scheint noch nicht erreichbar zu sein. Den mancherlei UnzukömmHchkeiten dieses Systems würde man wohl schon früher durch Vereinigung des ganzen Kom- plexes in Staatshänden vorzubeugen gesucht haben, wenn nicht die Furcht zurückhielte, ein neues Macht- und Korruptionsmittel, noch gröfser als die Post, der jeweils herrschenden Partei in die Hände zu geben. XXII. Der Handel und Seeverkehr. Geschichtliches 573. Hauptgegenstände der Einfuhr und der Ausfuhr 575. Betrag des Gesamthandels der Haupthandelsgebiete mit den V. St. 576. Die Beziehungen zu den Ländern des »amerikanischen Systems« in Amerika und im Stillen Ocean 578. Der kanadische Durchgangshandel 582. Der mexikani- sche Landhandel 583. Verbreitung des kaufmännischen Sinnes 584. Der Storekeeper 584. Rückwirkung des Handels auf die Bevölkerung 585. Trusts 586. Bankerotte 587. Banken und Versicherungswesen 588. Rhederei und Schiffsverkehr 589. Die Seefischerei 591. Der Walfischfang 593. Von dem Beginn der genauen Statistik an war der Gang des Handels der V. St. mit fremden Ländern folgender : Einführ Ausfuhr Einfuhr Ausfuhr D. D. D. D. 1790 22460844 19666000 1850 124526 639 136 946912 1800 52121891 31840903 1860 335233232 373189274 1810 61008 705 42366675 1870 431950428 420500275 1820 56441971 51683640 1880 696817176 889683422 1880 88251207 59462029 1890 823397 726 857 502548 1840 163186510 113895 634 Wir haben in den vorhergehenden Kapiteln verschiedene Male des Handels im Zusammenhang mit der der übrigen Zweige des Wirtschaftslebens zu gedenken gehabt. Dabei war hauptsächlich zu bemerken, dafs die englischen Kolonien in Nordamerika schon früh einen beträchtlichen Handel mit den Erzeugnissen ihrer Wälder und Felder hauptsächlich nach England und Westindien trieben. Teils einzelne, teils zusammenfassende Zahlen für den- selben sind S. 426, 439 u. a. gegeben. Es stellten sich dabei die zwei 574 Entwickelung und Statistik des Aufsenhandels. Grundthatsachen heraus, dafs die Ausfuhr zuerst aus Erzeugnissen der Waldwirtschaft und dann in zunehmendem Malse des Acker- baues und der Viehzucht bestand, und dafs dementsprechend in der Einfuhr die Erzeugnisse der Industrie in erster Linie standen. Es entspricht das dem natürhchen Gange der wirtschafthchen Entwickelung einer Kolonie in wohlbewaldeter Gegend und unter gemäfsigtem Klima, die die Erzeugnisse einer in einer reichen Natur arbeitenden Wirtschaft, meist wenig veredelte Natur- erzeugnisse, gegen Hervorbringungen eines hochentwickelten Gewerbebetriebes tauscht. Das einzige Erzeugnis des Gewerb- fleifses aber, das schon früh zur Ausfuhr gelangte, waren die höl- zernen Schiffe, die in den Kolonien aus vortrefflichem und billigem Holze gebaut wurden, um mit Fracht beladen nach dem Aus- lande zu gehen. Neben ihnen stand Teer und Pottasche und später kamen auch Taue und gewisse Erzeugnisse der Hausindustrien hinzu. Aber noch in den ersten 2 Jahrzehnten unseres Jahr-* hunderts waren die Erzeugnisse des Ackerbaues mit 78 bis 83 % an der Gesamtausfuhr beteiligt, und Forstwirtschaft und Fischerei traten mit bis zu 16 ^/o hinzu. Zwar machten 1891 die Erzeugnisse des Gewerbfleifses 19 % der Ausfuhr aus, aber es trägt trotzdem der Handel der V. St. noch immer den kolonialen Stempel und trüge ihn noch schärfer, wenn nicht die Schutzzölle die einhei- mische Gewerbthätigkeit nach allen Richtungen gefördert haben würden. Zu keiner Zeit hat er freilich gröfsere Anstrengungen gemacht zu einer stärkeren Ausfuhr von Gewerbserzeugnissen zu gelangen als gerade jetzt und die Erfolge sind bereits zu sehen und gröfsere noch zu erwarten ; aber der Ackerbau wird noch lange dem Aufsenhandel der V. St. seinen charakteristischsten Zug ver- leihen. In der Ausfuhrliste des Jahres 1891 erscheinen mit 73,7 % die Erzeugnisse der Landwirtschaft, mit 19,4 die der Gewerbe, mit 3,3 die der Waldwirtschaft, mit 2,5 die des Bergbaues, mit 0,7 die der Fischerei. Der Ausfall der Ernten wird noch viele Jahre den Gang des AuCsenhandels der V. St. wesentlich bedingen. Die wichtigsten Gegenstände der Ausfuhr sind nach der Reihen- folge des Wertes, den sie in den Rechnungsjahren 1890/91 erreichten, folgende : Statistik des Aufsenhandels. 575 1891 1886 MilLD. MilLD. Rohbaumwolle . . . 290,7 205,0 Erzeugnisse der Vieh- zucht 139,0 90,6 Getreide und Melü . . 128,1 125,8 Petroleum 46,1 50,2 Tiere ....... 32,9 12,5 Eisenerze, Eisen- und Stahlwaren .... 28,9 15,7 Holz und Holzwaren . 28,2 20,6 Tabak und Tabakfabri- kate 25,2 30,4 Baumwollenwaren . . 13,6 13,9 Leder und Lederwaren 13,3 8,7 Kohlen 8,4 4,2 Ölkuchen 7,4 7,0 Kupfererz 7,3 3,0 'Zucker und Syrup . . 7,1 12,2 Chemikalien .... 6,5 5,3 Fische 5,0 4,2 Terpentinöl .... 4,6 2,8 Kupfer und Kupfer- waren 4,6 2,6 Paraffin 3,7 1,7 Schiffsausrüstungen . 3,5 2,0 Rauchwaaren .... 3,2 3,3 Die wichtigsten Gegenstände 1891 1886 MilLD. Mill.D. Zucker und Syrup . . 108,4 77,2 Kaffee 96,1 42,6 Eisen- und Stahlwaren 53,5 37,5 Chemikalien und Medi- zinen 47,3 37,8 Wollenwaren . . . 41,0 41,4 Seidenwaren .... 37,9 30,0 Baumwollenwaren . . 29,7 29,7 Häute 27,9 26,7 Früchte 26,0 17,2 Gespinste und Gewebe daraus 24,2 20,9 Flachs, Hanf, Jute . . 21,3 9,9 Seide 19,0 18,2 WoUe 18,2 17,7 Kautschuk 18,0 11,8 Kautschukwaren . . . 0,35 — 1891 1886 Mill.D. Mill.D. Ackerbauwerkzeuge . . 3,2 2,4 Wägen, Eisenbahnwägen 4,9 1,9 Samen 2,5 1,9 Früchte 2,4 3,3 Hopfen 2,3 1,7 Kautschukwaren ... 1,2 0,6 Künstlicher Dünger 2,1 1,1 Schmieröle .... 2,0 0,9 Sprit 1,9 2,7 Druckwaren .... 1,8 1,3 Uhren 1,6 1,4 Wissenschaftliche Werk- zeuge 1,6 0,5 Flachs-, Hanf- und Jute- gespinst 1,5 1,4 Traubenzucker und Glukose 1,4 — Gemüse 1,3 1,3 Häute 1,3 0,9 Musikalische Instru- mente 1,3 0,9 Papier 1,3 1,1 Seife 1,1 0,8 Phantasieartikel ... 1,1 0,9 der Einfuhr waren: 1891 1886 Mill.D. Mill.D. Holzwaren 14,5 8,7 Thee 13,8 16,0 Tabak 13,3 7,8 Tabaksfabrikate ... 3,5 3,4 Edelsteine 13,3 9,0 Leder und Lederwaren 12,7 11,8 Wein 10,0 6,9 Bier IJ 1,2 Gebrannte Wasser . . 4,2 — Rauchwaren .... 9,8 6,8 Silbererz 8,9 1,2 Thonware 8,4 4,9 Glas 8,4 6,3 Zinn 7,9 5,8 Phantasieartikel ... 7,3 5,9 Metalle und Legierungen 7,2 2,4 Gemüse 7,0 2,5 576 Statistik des Aufsenhandels. 1891 MilLD. Holz 5,4 Fische 4,6 Brotstoffe und Teig- waren 5,0 Papiermasse .... 5,0 Tiere 5,0 Reis 4,5 Bücher, Karten, Stiche 4,2 Cement 4,0 Mill.D. 3,5 3,6 8,6 5,2 1,7 3,3 0,7 1891 Mill.D. Kohle 3,6 Samen 3,3 Gewürze 3,1 Papier und Papierwaren 3,0 Baumwolle 2,8 Kunstsachen .... 2,4 Haare und Haarwaren 2,4 Eisenerze 2,4 Filz, Hüte und Ähnliches 2,2 1886 Mill.D. 2,5 1,7 2,8 1,8 0,6 0,9 2,2 1,3 4,8 Nach der Grölse des Umsatzes folgen die Länder in dieser Reihe ; Ausfuhr Mill.D. Grofsbritannien und Irland . Deutschland . Frankreich Westindien Brasihen . . Britisch Nord- amerika . . Mexiko . . . Belgien . . . Italien . . . Niederlande . China . . . Britisch Indien Japan . . . Spanien . . Britisch Austra- hen . . . Hawaii . . . Venezuela . . Mittelamerika Europäisches Rufsland Österreich-Ungarn 1,2 441,6 91,7 59,8 33,4 14,0 H7,3 14,2 26,7 15,9 23,8 8,7 4,4 4,8 14,6 12,9 4,9 4,7 Einfuhr Mill.D. 194,7 97,3 76,7 86,5 83,2 39,4 27,3 10,9 21,7 12,4 19,3 23,3 19,3 6,0 6,2 13,9 12,1 6,6 9,8 7,8 4,7 11,6 Summe Ausfuhr MiU.D. Mill.D. Niederländisch 636,3 Indien . . . 189,0 Schweden und 136,5 Norwegen 119,9 Argentinien 97,2 Columbien . . Britisch Gujana 76,7 Chile .... 41.5 Hongkong . . 37.6 Britisch Afrika 37.6 Portugal . . . 36,2 Dänemark 28.0 Peru .... 27.7 Uruguay . . . 24,2 Ecuador und Bo 20,6 Hvien . . . ^ Schweiz ... — 19.1 Philippinen . . — 18.8 Asiatische Türkei — 16,8 Europäische > — 16.4 Afrikanische > — Andere afrikani- 12.5 sehe Länder — 12,8 2,1 4,9 2,7 3,1 2,1 '^1 4,7 3,1 5,0 3,3 1,4 1.0 Einfuhr Mill.D. 3,7 5,9 4,7 4,9 3.4 0,9 1,6 2,3 Summe Mill.D. 8,9 8,6 8,6 ■ 7,8 6,8 6,5 4,0 6,6 3,3 0,9 — - 14,1 5,2 2,8 1,8 1,6 1,6 Fassen wir die Länder zu geographischen Gruppen zusammen, SO erhalten wir folgende Zahlen: Anteil an der gesamten Einfuhr: 1860 1891 1860 1891 % % % % Europa 61,3 54,4 Zentralamerika . . 0,2 1,2 Westindien .... 11,8 10,2 Südamerika .... 9,9 14,0 Britisch Nordamerika 6,7 4,7 Asien und Oceanien 8,4 11,0 Mexiko 0,5 3,2 Afrika 1,0 0,5 Die wichtigsten Handelsgebiete. 577 Ante il an der gesamten Ausfuhr: 1860 1891 1860 1891 «/o % % % Europa 76,3 80,0 Zentralamerika . . 0,1 0,8 Westindien .... 5,9 4,3 Südamerika .... 4,5 3,8 Britisch Nordamerika 7,1 3,8 Asien und Oceanien 3,9 5,0 Mexiko 1,4 1,6 Afrika 0,9 0,5 Im allgemeinen zeigt der Verkehr mit Europa in den letzten Jahrzehnten einen Rückgang, der mit den amerikanischen und paci- fischen Ländern einen Fortschritt. Aber noch immer hegt das Schwer- gewicht des Handels der V. St., wie des Verkehres auf der nordatlanti- schen Seite und zwar so entschieden, dals die Versuche der V. St., den Handel mit den amerikanischen und pacifischen Nachbarmächten zu fördern, hinter dem gewaltigen Übergewicht besonders des britischen, deutschen und französischen Handels zu verschwinden scheinen. Es ist aber doch nicht zu übersehen, dals nicht blols die Gesamtsumme des Anteiles Europas geringer geworden ist, sondern dafs die Einfuhr aus Europa noch stärker zurückgegangen, als die Ausfuhr nach Europa gewachsen ist. Hinter dem Übergewichte Grolsbritanniens treten die Beziehungen zu den anderen europäischen Handelsmächten weit zurück. Es ist das überhaupt eine der grölsten Thatsachen, die der heutige Zustand der V. St. darbietet und die langsame Rückschwankung, in die seit einigen Jahren die britische Ausfuhr nach den V. St. geraten ist, die nur hinter der nach Indien zurückstand, verleiht ihr ein erhöhtes Interesse. Fügen wir hinzu, dals die V. St. in einem grolsen Teile Amerikas und der pacifischen Länder die gefürchtetsten Wettbewerber des britischen Handels geworden sind, so erhellt, dals gröfseren Än- derungen dieser Beziehungen eine weltgeschichtHche Bedeutung zu- kommt. Alle britischen Besitzungen zusammengenommen setzen im Handel mit ihrem Mutterlande knapp ein Drittel mehr um als die V. St. Ein erhebhcher Rückgang würde die folgenreichste Bedrohung der herrschenden Welthandelsstellung Grofsbritanniens bedeuten. Kein Land ist so befähigt, diese Stellung mit Erfolg anzugreifen, wie die V. St. Und ihre Handeisp oHtik zeigt, dafs sie entschlossen sind, es zu thun. Besonders für Deutschland, das seit 20 Jahren die grölsten Fortschritte unter allen europäischen Handelsmächten in der Ausfuhr nach den V. St. gemacht hat, sind Schwankungen, wie die von 32 auf 27,5 Mill. Pfd. St. von 1890 auf 1891 in der Ausfuhr Grolsbritanniens nach den V. St. von der grölsten Wichtigkeit. Ordnen wir die Handelsgebiete der V. St. weiter nach ihrer geo- graphischen Lage, so zeigt sich ein gewaltiges Übergewicht der V. St. über jeden einzelnen Wettbewerber teüs als vollendete Thatsache? teils in raschem Heranwachsen in einem weiten Umkreise, der Britisch Nordamerika, die Antillen, Mexiko, einige Teüe von Mittelamerika, Katzel, Die V. St. von Amerika. 37 578 Handel mit Cuba, Mexiko, der Dominion, Hawaii Hawaii und Japan einschliefst. Cuba von dessen Zucker und Tabak die V. St. (1890) 807o und 72Vo- aufnehmen, steht in einem aner- kannten engeren Verhältnis zu den V. St. Im Verkehr mit Mexiko stehen (1889) die V. St. mit 22,6 Mill. D. in der Einfuhr und 43 MiU. D. in der Ausfuhr allen voran, ihr Anteil am Gesamthandel beträgt 657» • Rechnet man das Gewicht der nordamerikanischen Interessen an den Eisenbahnen und Bergwerken Mexikos mit ein, so erscheint auch dieses Land als ein Teil eines engeren, von den V. St. abhängigen Ver- kehrsgebietes. In ganzen Staaten des Nordens, wie in Durango, be- herrschen die zum Teil erst seit einigen Jahren an der Arbeit befind- lichen nordamerikanischen Gesellschaften von Pittsburg, St. Louis, Denver aus den Bergbau. Eine ganze Reihe enger Handelsbeziehungen verbindet die Do. minion von Kanada mit den V. St. Die Seeprovinzen senden Holz, Kohle und Fische nach den Neuenglandstaaten, Quebec und Ontario Holz, Gerste, Schlachtvieh, Eier nach New York, Manitoba und der Nordwesten Weizen, Gerste, Wolle nach Minneapohs ; Britisch Kolumbia Holz, Kohle, Lachs nach Portland und S. Francisco. 1891 nahm Britisch Nordamerika mit 37,3 Mill. D. die vierte Stelle in der Ausfuhr und mit 39,4 die sechste Stehe in der Einfuhr ein. Von den engen Beziehungen, die der Verkehr und die Wanderungen schaffen , ist bereits S. 39, 258 u. a. die Rede gewesen. Dazu kommen die vertragsmäfsigen Über- gangsrechte zwischen Neubraunschweig und Maine und im Seengebiet. Das Bild ist nicht ganz unrichtig, dafs eine Woge mannigfaltigster Be- ziehungen sich an dieser langen Grenze zwischen dem Atlantischen und dem Stillen Ocean breche. Erleichterungen würden zu einer erhebhchen Ausdehnung der Handelsbeziehungen beitragen, die in den letzten Jahrzehnten nicht fortgewachsen sind. Britisch Nordamerika nahm 1860 mit 6,7, 1891 mit 4,77o an den Einfuhren, 1860 mit 5,9, 1891 mit 4,3 an den Ausfuhren Teil. Auf die mannigfaltigen engeren Beziehungen zwischen den V. St. und Hawaii ist früher hingewiesen worden. Hawaü'sche Erzeugnisse genielsen ZoUfreiheit bei der Einfulir in die V. St. In den Einfuhrhsten der V. St. finden wir »Articles admitted free from the Hawaiian Islands^ 1891 mit 10,7 Mill. D. verzeichnet; 1887 betrug diese Einfuhr 12,6 Mül. Von dem Gesamthandel Hawaiis fielen in den letzten Jahren über 907o, von den in den Häfen Hawaiis verkehrenden Schiffen 707o den V. St. zu. Im Verkehr mit Japan nehmen die V. St. (1889) in der Ausfuhr mit 26,1 Mill. Yen die erste , in der Einfuhr mit 6,2 MiU. die vierte Stehe ein und stehen mit 23®/o Anteil am Gesamthandel fast auf der- selben Linie mit Grofsbritannien. Im Handel mit China (den Vertragshäfen) stehen (1890) die V. St. hinter Hongkong, Grofsbritannien, dem europäischen Kontinent und und Ostasien. Handel mit Südamerika. 579 Japan zurück. Die Statistik des chinesischen General-ZolHnspektors gibt 8,2 Mill. Haikuan Taels für ihre Ausfuhr, 3,7 für ihre Einfuhr an. Auffallend wenig entwickelt ist der Verkehr mit dem russischen Ostasien. 1890/91 betrugen die Einfuhren in die Häfen von Sibirien und Sachalin aus den V. St. 161,580, die Ausfuhren nach Häfen der V. St. 103,567 D. Diese bestehen fast ausschlief sHch aus Pelzwerk und einigen Fischen, jene zu einem Drittel aus Weizenmehl, dann aus Fleisch-, Eisen- und Stahlwaren, Ackerbaugeräten, Baumwollwaren, Salz, Streichhölzern, Pulver u. a.')- Der Aufschwung des eigenen Ge- treidebaues Ostsibiriens wird mit der Zeit das amerikanische Mehl wohl ebenso zurückdrängen, wie die Einfuhr von russischem Roggen zurück- gegangen ist. An den Hafenbauten in Wladiwostok und den Eisen- bahnbauten im Ussurilande scheinen die V. St. sich nicht beteiligt zu haben. Die Gebiete, in deren Handel die V. St. an erster Stelle stehen, umfassen ganz Nordamerika bis zur Landenge von Tehuantepec, und die transpacifischen Länder Hawaü und Japan. Vielleicht über- zeugen diese Zahlen zusammen mit den Thatsachen über die Lage der V. St. zu diesen Gebieten (s. o. S. 6 u. f.), dafs die durch Blaine offiziell vertretene Auffassung von einem »amerikanischen System« be- reits eine tiefere Begründung in den Thatsachen hat. Die wirtschafthche Unabhängigkeit der V. St. wächst in ihren Raumansprüchen mit der Bevölkerung und führt mit steigendem Rohstoff- und Nahrungsverbrauch konsequent weiter zur Einbeziehung tropischer Produktionsgebiete. Ganz andere Verhältnisse finden wir auf dem südamerikani- schen Kontinent. Die Ein- und Ausfuhren von und nach einigen Hauptländern zeigen, nach den amthchen Listen der V. St., folgende Entwickelung in den letzten drei Jahrzehnten: Brasilien . Kolumbia Argentinien Venezuela Chile . . Gujana Uruguay . Einfuhr Ausfuhr 1860 1891 1860 1891 6,00 9,85 1,81 1,61 1 0,80 0,56 0,42 0,36 1,14 0,71 0,23 0,30 0,89 1,43 0,25 0,54 0,58 0,41 0,90 0,36 §§ 0,21 0,67 0,43 0,25 ^ rl 0,26 0,28 0,21 0,12 J ÄS 1) Diese Angaben verdanke ich der Erkundigung meines verehrten Freundes Hermann Hof mann bei Herrn A. Grigorieff in St. Peters- burg. Vgl. damit die genauen Berichte über den Handel von Wladiwostok und Nikolajewsk 1891 im Deutschen Handelsarchiv (Jahrg. 1892 S. 471) , aus denen hervorgeht, dafs der Warenbezug in beiden Häfen aus Hamburg den aus San Francisco noch übertrifft, und dafs die amerikanische Flagge mit l^lo unter den fremden vertreten war. 37* 580 1^16 amerikanischen und pacifischen Handelsgebiete. Suchen wir aus den deutschen und enghschen Konsulatsberichten den Anteil der V. St. am südamerikanischen Aufsenhandel näher zu be- stimmen, so erhalten wir in so wächtigen Gebieten wie Argentinien 4,5 (1891), Peru 7 (1888), Uruguay 8,6 (1889), Chüe 5,8 «/o (1889). In Brasilien ist der Anteil viel grölser, ist aber nur nach der nordamerikanischen Statistik zu schätzen, nach der er 1891 37"/» betragen hat. Brasilien hefert zwei Drittel des Kaffees. An der Einfuhr nach Brasihen sind die V. St. nur mit 11 bis 127o beteiligt. In Argentinien, Chile, Peru und Uruguay stehen die V. St. nicht blofs hinter Grolsbritannien, sondern auch hinter Deutschland und zum Teil auch hinter Frankreich zurück. Gerade in Chüe und Peru wird ohne Zweifel der Interoceanische Kanal die Kraft ihrer Wettbewerbung stärken, und zum Teil haben Eisenbahnen und gewerbhche Unternehmungen ihnen bereits einen Einfluls verschafft, der in den Ein- und Ausfuhrzahlen nicht erscheint ; aber ihre Ansprüche auf das wirtschaftüche Übergewicht in Südamerika sind offenbar noch sehr weit von der Verwirklichung entfernt, und am weitesten in den zukunftsreichen südamerikanischen Ländern s. vom Wendekreis. Nach den amthchen Kundgebungen waren Argen- tinien, Kolumbia, Venezuela und Hayti die der Reciprocitätspoütik un- bequemsten, denen Ende 1892 mit Sonderzöllen gedroht ward. Die Förderung des Handels mit den mittel- und südameri- kanischen Ländern gehört zu den grolsen Anliegen der Politiker der V. St. Wirtschaftlich hat sie einen verständhcheren Sinn als po- litisch, denn 1889/90 betrug die Ausfuhr aus den V. St. nach den mittel- und südamerikanischen Ländern drei Achtel von dem Werte der Einfuhr aus diesen nach den V. St. Ausgeführt werden haupt- sächhch Erzeugnisse der nordamerikanischen Industrie — nur nach Cuba, Britisch Westindien und Brasihen gehen grofse Mengen Speck und Schweinefleisch — gegen Zucker (Cuba, Britisch Westindien) und Kaffee (Brasihen, Mittelamerika). Nur Argentinien und Chüe, die Getreideländer Südamerikas, führen in diesem Handel mehr ein als aus. Der ganze »Panamerican Trade« *) bewertete 1889/90 in der Einfuhr 178,7 MiU. D., in der Ausfuhr 88,1. Im Verkehr mit den mittel- und südamerikanischen und pacifischen Ländern hat also die Gunst der Lage sich noch nicht so stark zur Geltung gebracht, wie in Amerika erwartet worden ist. Es gibt aber andere nordamerikanische Einflüsse, welche die Statistik nicht verzeichnet. Wenn auch Mittel- und Süd- amerika noch lange für den Bezug vieler Gewerbserzeugnisse haupt- sächlich auf Europa angewiesen bleiben, besteht doch insofern eine Abhängigkeit von Nordamerika, als New York (und für das pacifische 1) Offizielle Bezeichnung im Report of the Secretary of Agriculture 1«90 p. 354. streben nach Ausbreitung des Handels. 581 Gebiet auch schon S. Francisco) der grofse Geldplatz nicht nur, son- dern der leuchtende Mittelpunkt der geistigen Interessen, der Politik, selbst des Geschmackes für Amerika ist. Was im romanischen Amerika sich über das Niveau der spanischen und portugiesischen Kultur erhebt, strebt wenigstens nach dem Firnis der Sitten, der Bildung, die von dort ausgehen. Der poHtische Einfluls der V. St. ist jedenfalls ein grofser Faktor in dieser Richtung. Man gewöhnt sich nicht blofs in Havana oder Mexiko, wo das natürlich, sondern auch im übrigen Mittel- und Südamerika und noch rascher in Japan daran , New York als die künftige Hauptstadt der westhchen Welt anzusehen. Schon heute wird sogar ein guter Teil des Bedarfes an Büchern und Zeit- schriften, von Ideen zu schweigen, von dort aus befriedigt. Um so leichter hat man sich in den V. St. daran gewöhnt, jene Gebiete als die natürhche Domäne des nordamerikanischen Handels zu betrachten. Die Unterstützung neuer Dampferünien wird diese Bestrebungen stärken. Die gröfsere Güte nordamerikanischer BaumwoUgewebe, Waffen und MetaUwaren, die z. B. in den deutschen Konsularberichten aus ver- schiedenen spanisch -amerikanischen Plätzen in den letzten Jahren beständig hervorgehoben, sogar aus China beglaubigt wird, wird ihre Verbreitung fördern. HinderHch scheinen aber noch der Mangel an amerikanischen Kaufleuten an den betreffenden Plätzen, die kurzen Zahlungsfristen, an welche die Kaufleute der V. St. gewohnt sind, die geringe Platz- und Sprachenkenntnis zu sein. Es wird sich auch noch zu zeigen haben, ob die Nordamerikaner sich jene Gefügigkeit werden aneignen können, die dazu gehört, um unter diesen nicht leicht zu behandelnden Völkern Boden zu gewinnen. Sie haben sich bis jetzt als sehr gute Kaufleute bei sich zu Hause erwiesen, es bleibt nun noch zu sehen, ob sie es auch im Ausland sein können. Ihre gemischte Abstammung dürfte ihnen dabei zu gute kommen. Jeden- falls hat das Streben nach Ausdehnung des Ausfuhrhandels jetzt jene fast epidemische Ausbreitungskraft erlangt, zu der neue Ideen in Nordamerika häufig gelangen. Man begegnet ihm überall, in allen Blättern wird es erörtert, als Sache des Nationalstolzes selbst von den Pohtikern aufgegriffen *). Für Europas südamerikanischen, polynesischen 1) Präsident H a y e s sagte im Dezember 1878 in einer Botschaft an den Senat: »Den im Jahre 187H gemachten Anstrengungen unternehmender Bürger unseres Landes, die seitdem unermüdlich fortgesetzt wurden, ist es gelungen, unseren auswärtigen Handel, besonders in Fabrikationsartikeln, in bedeutendem Mafse auszudehnen. Zu gleicher Zeit nahm die Einfuhr in demselben Verhältnis ab, so dafs hieraus ein vollständiger Umschwung der so lange obwaltenden Verhältnisse erzielt und dem Goldabflufs ein Ende ge- macht wurde . . . Die Mittel und Wege, durch die dieser Umschwung herbei- geführt wurde, müssen in Zukunft erhalten und befestigt werden . . . Alles, 582 I^er Handelsgeist. und ostasiatischen Handel kann es nur von wachsend ungünstigen Folgen sein. Der Handelsgeist. Dals die Bürger .der V. St. eine grofse kauf- männische Befähigung besitzen, war schon in den Kapiteln über Land- wirtschaft und Industrie zu berühren. Die eigentümliche Art des wirtschafthchen Lebens in den V. St. ruft mit Notwendigkeit ein Über- gewicht des Handels hervor und weist ihm eine hervorragendere Stelle an, als bei uns. So wie der einzelne Mensch sind auch die Güter dort beweghcher. Die Waren und das Geld wandern schneller dui'ch die Adern dieses rasch wachsenden wirtschafthchen Organismus und die Kaufleute sind die ersten Vermittler und Förderer dieses Lebens. Dies zeigt sich nirgends Idarer als bei den ersten Anfängen dieses Kreislauf systemes, den Kaufleuten auf dem Lande, den Storekeepers, die eine bei uns nach Art und Gröfse ganz unbekannte wirtschaftliche Rolle spielen. Wo in einer neuen Ansiedelung sechs Häuser bei einander stehen, ist eins sicherhch Store, d. h. Kaufladen für alles, oft auch Versammlungsort für alle Gesprächslustigen und Geschäfttreibenden, Bureau für Agenturen und Maklereien aller Art, für Frachtbesorgungen, Dampfbootfahrkarten, Branntweinkneipe und noch vieles andere. Der Storekeeper ist nicht blols Verkäufer, sondern sehr häufig auch Käufer für die Produkte seiner Kundschaft, die er entweder eintauscht oder gegen Geld, meist als Agent eines Grofshandelshauses , aufkauft. In sehr vielen FäUen ist er überhaupt gewissermafsen die Unruhe, das Schwungrad einer solchen jungen Ansiedelung. Indem er ziviH- sierte Bedürfnisse weckt und befriedigt, Arbeit anregt und verwertet, schützt er sie vor Verwilderung und Versumpfung. Er bildet die unentbehrhche und zum Teil auch wohlthätige Vermittelung zwischen der letzten Urwaldhütte und den kleinen und grofsen nahen und fernen Kulturmittelpunkten*). Die Rolle, welche die Stores in der was nur irgend zur Einführung unserer Boden- und Industrieerzeugnisse auf fremden Märkten dienlich sein kann, sollte gethan werden. Im Augenblick erfreuen sich viele von unseren Erzeugnissen eines derartigen Vorzugs, dafs sie überall lohnenden Absatz finden trotz der Nachteile, die in unserer im Argen hegenden Schiffahrt und der Unvollkommenheit unserer Einrichtungen im Verhältnis zu denen unserer Konkurrenten auf dem Weltmarkte liegen. Wenn wir erst gleiche Erleichterungen in Handel und Wandel haben, können wir es überall mit der Konkurrenz aufnehmen«. 1) In seinem Buch »Texas« (Bonn 1849) sagt F. Römer treffend von den Stores, deren Kepräsentanten in dem damals erst aufwachsenden Neu- braunfels er vorher drastisch beschrieben hat: »Diese , Stores' sind über- haupt bezeichnend für das Eigentümliche der amerikanischen Ansiedelung, die gleich mit der ganzen Errungenschaft der Civilisation und zum Teil selbst mit den Bedürfnissen eines verfeinerten Lebens in die Wildnis vordringt und Kulturbedeutung des Handels. 5g3 wirtschaftlichen und sozialen Geschichte der Besiedelung Nordamerikas spielen, ist besonders deshalb sehr bedeutend, weil sie durch ihre Viel- seitigkeit die Industrie, die auf dieser Stufe als Handwerk auftreten würde, fast ganz ausschhelsen und neben den Ackerbau unmittelbar den Handel als zweitgröfsten Faktor in der Besiedelung des Landes hin- stellen. Wie die Farmer die Pioniere der Zivilisation überhaupt, sind die Storekeeper die Pioniere des Handels und Verkehres. An der Bildung grofser Städte und an der Ausbreitung städtischen Lebens über das Land hat kein Teil der nordamerikanischen Bevölkerung gröfseren Anteil wie die Storekeepers. Hiermit ist schon ein Teil der grofsen sozialen und Kultur- bedeutung des Handels in diesem jungen Lande bezeichnet. Sie ist aber auf den höheren Stufen noch gröfser. Dieses kleine Räder- werk würde nicht die Bewegung hervorrufen und erhalten können, die es nur fortpflanzt. Dazu gehören die mächtigen Schwungräder der kaufmännischen Phantasie und Berechnungsgabe, welche die grofsen Pläne ersinnt, des Unternehmungsgeistes, der sie mit Kühnheit ins Werk setzt, der grofsen Auffassung der Verhältnisse, die nicht in den Übergängen stecken bleibt, sondern Anfang und Ende im Auge behält. Wenn oben die Allgemeinheit der Arbeit als einer der Charakterzüge des nordamerikanischen Lebens bezeichnet wurde, so ist dem als not- wendige Ergänzung die Allgemeinheit des kaufmännischen Sinnes hinzuzufügen. Wir haben gesehen, wie die Verkehrseinrichtungen kauf- männisch betrieben werden, und begegnen denselben Zug beim Land- wirt, beim Viehzüchter, beim -einfachen Arbeiter. Schon die so all- gemeine Verbreitung und Benützung der Banken in allen Formen, die grofsen Schwankungen des Arbeitsmarktes u. dgl. nötigen zum kauf- männischen Denken. Es hegt darin einer der Gründe der Überlegen- heit der Amerikaner in Geschäftssachen. Die häufige Anwendung von »I calculate« ist charakteristisch. Der Jude, der sich als Kleinhändler besonders im Süden sehr ausgebreitet hat, der Itahener und zum Teil auch der Deutsche, besonders der Niederdeutsche, übertrifft ihn an Sorgfalt im Kleinen, Geduld, Sparsamkeit, vor allem Bedürfnislosigkeit, und sie heben ihn wohl auch einmal mit diesen kleinen Hebeln aus dem Sattel; aber sie sind ihm in den grofsen Unternehmungen nicht gewachsen. In Canada so gut wie in Mexiko und Peru führt er die neuen grofsen Pläne aus, vor denen die anderen zurückschrecken. Männer wie Cyrus Field, der Durchführer der Idee der unterseeischen diese dadurch gewissermafsen überrumpelt und im Sturme nimmt, zugleich jene oft merkwürdigen Kontraste zwischen roher Ursprünglichkeit und den Zeichen tausendjähriger Gesittung hervorrufend, welche den Europäer in den Wäldern des westlichen Nordamerika überraschen« (S. 122). 584 Allgemeinheit des Handelsgeistes. Telegraphie, Henry Meiggs, der Erbauer der peruanischen Eisenbahnen, sind Beispiele dieser Klasse, von der es in jedem einzelnen Lande und Ländchen Vertreter gibt. Schon jetzt ist der Anteil gewaltig, den die Nordamerikaner mit diesen Eigenschaften an der wirtschafthchen Ent- wickelung des ganzen Kontinentes beanspruchen. Von seinen poHtischen Folgen haben wir früher gesprochen (s. o. S. 97). Am andern Ende dieser stolzen Reihe steht freilich der gewissenlose Bankerottierer oder sonst ein geldsüchtiger Bösewicht. Dieser berechnende und unter- nehmende Sinn, der sein Leben ganz nach Soll und Haben einrichtet, hat viele gute Wirkungen auf das Materielle der Einzelexistenzen, aber es fragt sich, wie die Gesamtheit dabei fährt? Es ist zu fürchten, dals der Egoismus obenauf komme. Wenn man im Sinne unserer Darlegungen dem Worte Handel den weiteren Begriff des raschen und mit Energie verfolgten Gelderwerbes unterlegt, so leben neun Zehntel der Bevölkerung der V. St. vom und im Handel. Es ist bei jeder der Krisen , an denen die Wirtschaftsgeschichte der V. St. so reich ist, hervorgehoben worden, dafs eben deshalb ihre Zerstörungen viel allgemeiner sind und tiefer gehen. Allerdings gelang es in der Regel dem an Hilfsquellen reichen und an Bevölkerung noch immer hinreichend armen Lande rasch, sich wieder zu erheben, aber die morahschen Folgen solcher Katastrophen sind nicht ebenso schnell geheilt. Ein verlorenes Vermögen wird mit doppelter Rücksichtslosig- keit wieder zu gewinnen gesucht. Die V. St. sind seit dem Anfange dieses Jahrhunderts von drei grolsen Handelskrisen heimgesucht worden : 1837, 1857, 1873 — 1878. Jedesmal lag das Heilmittel in einer guten Ernte und der Abfuhr der Schifibrüchigen nach Westen und Süden, wo sie Raum und guten Glauben für neue Unternehmungen fanden. Das Vertrauen auf die Hilfsquellen des Landes und die Leistungsfähigkeit seiner Bewohner bheb unter den härtesten Schlägen unverändert. Seit- dem aus dem Westen enttäuschte Ansiedler in wachsender Zalil zurück- wandern, ist die Hoffnung aufzugeben, dafs die leeren Räume des Westens ein Universalheilmittel für wirtschaftliche Erschütterungen seien. — Welches müssen mit der Zeit die politischen Folgen einer immer weiteren Verbreitung dieses Erwerbsfiebers in der Bevölkerung sein? Die poHtische Korruption, die mindestens die Hälfte aller poHtisch Thätigen verdächtig macht, hängt aufs engste damit zusammen. Bei den Fachpohtikern artet der kaufmännische Sinn nicht selten bis zu jenem Grade aus, wo der Mensch sich und andere als Waren taxiert, die für Geld feil sind. Die Trusts oder Syndikate, die ihre monopolisierende Wirksam- keit über Petroleum, BaumwoUe, Zucker, Kaffee u. a. längst hinaus er- strecken — ein grofser Trust verfügt sogar über vier Fünftel, wie er selbst angibt, aller Schulbücher — forderten in den letzten Jaliren beide grolse Geldverkehr. Versicherungen. 585 Parteien zum lauten Widerspruch auf, zunächst ohne Wirkung. Die republikanischen Konventionen von New York, Ohio u. a. forderten das Verbot aller »Trusts, Pools and Combinations of Capital«, deren Zweck die Verteuerung der Gegenstände des Verbrauches. In Boston führte die Bewegung auf »Nationalism« , welches neue Wort ziemlich genau mit Verstaathchung übersetzt werden kann, zur Gründung einer Partei von »Nationahsten«, die zunächst die Verstaatlichung der Eisenbahnen, der Straf senbahnen, des Telegraphen und Telephons, der Kohlengruben und Erdölquellen, der Heizung und Beleuchtung der Städte fordern, indem sie sich ganz besonders auf die Unerträghchkeit der riesigen Trusts berufen. Aufserdem fordern sie Schulzwang. 1890 zählte man 10 673 Zahlungseinstellungen, worunter 164 mit Passiven von über 100000 D. Von der Gesamtzahl wurden 24,5 "/o auf Unerfahrenheit und Unkenntnis der Geschäfte, 5,6 auf Speku- lationen auf serhalb des Geschäftskreises, 4,7 auf unkluges Kreditgeben, 3,9 auf Betrug, 3,6 auf Vernachlässigung des Geschäftes, 2,3 auf über- triebene Konkurrenz, 37,9 auf Mangel an Kapital zurückgeführt. Wenig entsprechend der allgemeinen Wichtigkeit des Handels ist seine politische Vertretung. Es gibt weder einen Handels- minister, noch hält die Regierung dü'ekte Fühlung mit dem Handels- stande. Die privaten Vereinigungen der Handelskammern (Boards of Trade) sind in den V. St. nicht von der Bedeutung wie in England oder Frankreich. Sie sind abgeschnitten vom unmittelbaren Einflufs auf die Gesetzgebung, sei es auch nur durch Beratung, durch die Fachpohtiker, die begreiflicherweise keine Freunde von selbständigen, ihre eigenen Interessen vertretenden Körperschaften sind. Die älteste und wichtigste von den Handelskammern der V. St. ist die von New York, 1768 gegründet. Durch die Gründung eines »National Board of Trade«, der seit 1868 als Wanderversammlung nach Art des deutschen Handelstages jährlich zusammentritt, ist der morahsche Einflufs der Handelskammern gestiegen. Die Beschlüsse dieser Versammlung sind in der Währungsfrage zuerst nicht ohne Einflufs gebheben. Die Gründung eines Ministeriums für Handel, Schiffahrt und Industrie hat sie öfters empfohlen. Wichtige Fragen kaufmännischer Natur, wie in der jüng- sten Zeit das Streben nach Ausdehnung des süd- und mittelamerikani- schen Handels, wurden nicht durch jene Organe des Handelsstandes, sondern in grofsen Volksversammlungen erörtert, in denen die An- gelegenheiten des Handels als nationale betrachtet werden. Von der direkten Einflufsnahme auf die PoHtik ist von allen Ständen in den V. St. der Kaufmannstand am weitesten entfernt. Er bildet keine grofse Masse, die schon durch ihr Schwergewicht wirkt, wie die Arbeiter oder I^andwirte, und er umschhefst gerade in seinen besseren Schichten eine überwiegende Zahl von Männern, welche die Berührung mit den 586 I^er kanadische Transit. Massen und der Politik absichtlich vermeiden. Insofern verdienen die V. St. keinen Namen weniger als den einer »Krämerrepublik«, der ihnen nur von unwissenden Europäern beigelegt werden kann. Die Erleichterung des Geldverkehres durch die der bekannten Londoner Einrichtung nachgeahmten Clearing Houses, die 1890 in 49 Städten eingerichtet waren, und durch das Cheksystem der Banken trägt zur Beschleunigung der Handelsbewegung sehr erhebhch bei. Die Zahl der Banken ist sehr bedeutend, der Umsatz der Clearing- häuser betrug 1890 60 Milliarden D. Der Sitz der grofsen Geldniächte ist der Osten. Besonders das an altangesammelten Schätzen reiche Neu-England ist »the great investing Region« Nordamerikas, was zur Erklärung seines gewaltigen Einflusses beitragen mag. Aber von New York hofft man, es werde das grofse finanzielle Centram der Welt werden '). Nicht weniger ist das Versicherungswesen entwickelt. Die Lebensversicherungen sind bei dem häufigen Wechsel der Glücksumstände eine ungemein verbreitete Einrichtung. 1891 wurden 53 Lebens- versicherungs-Gesellschaften mit Versicherungen im Betrage von 10 Mil- liarden D. gezählt, d. i. mehr als das Dreifache der Summen der Ver- sicherungen aller britischen und deutschen Gesellschaften. Zur selben Zeit arbeiteten 580 Feuerversicherungs-Gesellschaften, die 75 Mill. D. für Verluste auszahlten, daneben mehrere hundert Gesellschaften, die sich auf einzelne Grafschaften beschränkten*). Von dem Aufsenhandel über die Binnengrenzen — 1891 gingen zu Lande für 41 Mül. D. Waren ein und für 32 Mül. Waaren aus — ist der kanadische Transit und der mexikanische Landhandel bemerkenswert. Die eigentümhche Lage Kanadas um den Unterlauf und die Mündung des S. Lorenz, dieses grolsen Auslafskanales für eines der produktivsten Gebiete der Union, bedingt einen sehr erheb- lichen kanadischen Durchgangshandel von und nach den V. St. Ver- schiedene Linien der Dominion dienen als kürzeste Wege zwischen Neu-England, dem Meere, der Seeregion. Sie sind o. S. 40 f. genannt. Besonders bilden die von Norden nach Süden vom kanadischen Seen- und S. Lorenz-Gebiet nach New York, Boston, Portland führenden Eisenbahnen und Kanäle bequeme Wege für den kanadischen Ein- und Ausfuhrhandel. Früher waren die hierdurch entstandenen mannig- fach verschlungenen Wechselbeziehungen so leicht wie möghch gemacht. Es sind Verträge zwischen den V. St. und Kanada abgeschlossen, welche zollfreien Warenverkehr auf gewissen vorgeschriebenen Linien 1) It is here, that the Star of the financial Empire is likely to become a fixed Star. North Amer. Review 1891 p. 596. 2) Die Höhe der Feuerschäden des Jahres 1891 wurden auf 131 Mill. D. veranschlagt. Der Landhandel mit Mexiko. 5g7 gestatten. 1891 gingen aus Britisch Nordamerika durch die V. St. für 19,7 Mill. D. Waren und nach Britisch Nordamerika 27,8 Mill. D., Montreal hatte allein (nach dem Bericht im Deutschen Handelsarchiv 1892) 2,9 Mül. D. Transitgüter nach den V. St. und führte 9,6 Mill. D. Waren nichtamerikanischen Ursprunges aus. Montreal ist ein starker Konkurrent der Häfen der V. St. für die Verschiffung der aus Westen kommenden Brotstoffe, trotzdem sein Hafen 5 Monate durch Eis ge- schlossen und aulserdem noch eine unbestimmte Anzahl von Wochen der Stromweg durch Nebel und Treibeis gefährdet ist^). Eine neue Art von Transitverkehr scheint sich rascher als geahnt auf der kanadischen Pacifikbahn zu entwickeln, von der man fürchtet, dafs sie auch , frei von den Beschränkungen des Interstate Commerce Law, den südüchen NachbarUnien gefährhch werden könne. Nach China bestimmte Baumwollenwaren werden von Massachusetts über die Canadian Pacific nach Vancouver und von dort über den Stillen Ocean von den durch grofse Subventionen begünstigten englischen Dampfer- linien gebracht. 1891 verhefs ein Dampfer der Canadian Pacific-Linie Yokohama am 19. August, war in Victoria am 29. — 3900 engl. M. in 10 Tagen — , ein Extrazug legte dann die Strecke Vancouver-Brockville (am S. Lorenz) 2803 engl. M, in 80 Stunden 20 Minuten zurück und der Dampfer lieferte die Post in Liverpool 20 Tage nach dem Abgang von Japan ab. Der Landhandel mit Mexiko, zuerst ausschKefsHch in der Form des Karawanenhandels mit Santa Fe betrieben, schreibt seine kräftigere Entwickelung von 1824 her, wo zum ersten Mal an Stelle der Pack- tiere gedeckte Wagen benützt wurden*). Bis dahin waren nur ver- einzelte Unternehmungen gemacht worden, die teils in den Gefahren des Weges, teils in den Plackereien der Regierungsorgane grofse Hindernisse gefunden hatten. Diese wurden durch die Errichtung der Republik gemindert, die ersteren verringerten sich mit häufigerer Be- nützung dieses Handelsweges. #Vor der Annexion Neu-Mexikos an die V. St. hatte sich die Zahl der in dieser Richtung alljährhch abgehenden Frachtwagen auf über 200 erhöht. Mit der Zunahme der direkten Einfuhren zur See nach dem Inneren Mexikos hatte aber schon seit Anfang der dreilsiger Jahre der Gewinn dieses Handels über Santa Fe 1) Im Winter tritt Portland Me. in die Lücke, das mit derselben Eisen- bahnlinie verbunden ist und dessen Hafen nur 2 Monate eisbedeckt ist. 2) Indessen wurde dieser Handel schon 1812 von S. Louis aus in gröfserer Ausdehnung betrieben. 1821 ging z. B. eine Karawane von 81 Menschen, 156 Pferden und Maultieren und 23 Frachtwagen ab, die über Ft. Osage nach Taos ging und zu dieser Reise hin und zurück 4^2 Monate brauchte. Sie führte Baumwollwaren und andere Gebrauchsgegenstände ein und empfing dafür Massen billigen Silbers. (Hertha 1825. 91.) 588 Rhederei und Schiffsverkehr. abgenommen, und Chihuahua, das von Matamoros, Mazatlan und Guaymas aus versehen wurde, ersetzte Santa Fe in der Stellung eines Stapelplatzes für das nördliche Mexiko '). Seitdem hat der Land- handel, vorzüglich auch in Gestalt des Schmuggels, fortgedauert und noch zugenommen. Sonora und Chihuahua empfangen die HäKte ihres Imports auf diesem Wege. In den letzten Jahren sind die Handels- berichte der europäischen Konsuln in mexikanischen Grenzplätzen immer mehr mit Klagen angefüllt über den Schmuggelhandel nord- amerikanischer Waren nach Mexiko und die Frage des »Mala Fide- Handels« beschäftigt Regierung und Kaufleute jenes Landes, ohne dafs sie Abhilfe fänden. Die Eisenbahnen haben den Ti-ansithandel nach Mexiko ungemein gehoben, er betrug 1891 5 MiU. D., während von Mexiko durch die V. St. nur 0,6 Mül. gingen. Rhederei und Schiffsverkehr. Am Ende des Jahres 1889 dienten zur Schiffahrt auf dem Meer, den Grofsen Seen und im Mississippi-Becken 25540 Segelschiffe, Dampfer und Barken mit 7,6Mill. T. und 172000 Mann. 6067 davon waren Dampfer, deren Tonnengehalt 1,8 Mill. betrug. Es kamen auf die Atlantische Küste . . Fahr- zeuge . . . 12453 T. 2 794440 Bemann- ung 54859 Golfküste . . . 1008 77 562 3891 Pacifische Küste . . . . . . 1842 491939 15809 Die Grofsen Seen . . . . . 2784 926 355 15881 Mississippi . . . 7 453 393380 15 996 25540 7 633676 106436 Die V. St. haben unter ihren Zolldistrikten (die mit Hafen- plätzen in den meisten Fällen zusammenfallen) 46, in denen mehr als 100 Segelschiffe gezählt werden. Nach der Gröfse, wie der Tonnengehalt sie ausdrückt, geordnet, folgen die Distrikte mit Schiffen von mehr als 50 000 T. in folgender Weise auf einander : New York , Boston - Charlestown , Philadelphia , San Francisco, Bath Me., Portland - Falmouth Me., Waldoboro Me., Baltimore, Chicago, Belfast Me. Diese Reihe drückt die Stellung in der 1) Lebensvolle Schilderungen dieses auch für die geographische Kennt- nis des fernen Westens nicht unwichtigen Handels in J. Gregg, Karawanen- zttge durch die westlichen Prärien. 1845. 2 Bde. und Julius Fr ö bei. Aus Amerika. 1858. 11. Kap. 4 bis 7. Schiffsbau. 589 Rhederei aus. Die Distrikte bzw. Hafenplätze mit einem Gesamt- Tonnengehalt der Dampfschiffe von mehr als 25 000 T. folgen in dieser Ordnung auf einander: New York, Philadelphia, S. Louis, San Francisco, Buffalo, New Orleans, Baltimore, Detroit, Pittsburg, Cincinnati. In demselben Fiskaljahr 1890/91 wurden in den V. St. gebaut: 733 Segelschiffe mit 144290, 488 Dampfschiffe mit 185036, 57 Kanal- boote mit 7059 und 106 Barken mit 32915 T., zusammen 1384 Fahr- zeuge mit 369 302 T. Die gröfste Thätigkeit im Schiffsbau entfalten New York, S. Francisco, Philadelphia, Bath. Wie an den Küstenplätzen, ist auch in den Häfen der Grofsen Seen und der Flüsse eine stetige Zunahme der Dampfschiffe und besonders der gröfseren zu beobachten. Diese Bewegung zeigt sich am auffallendsten an den Grolsen Seen, wo die Zahl der Dampfer von über 1500 T. von 1886 bis 1890 von 21 auf 110, der Tonnengehalt von 35000 auf 188000 gewachsen ist. 1890 wurden auf den Grofsen Seen 191 Schiffe mit 188000 T. gebaut. Die gröfste Zahl von Segelschiffen wurde in den Neu-Englandstaaten und zwar besonders in den Bezirken Boston und Charlestown, Bath, Wal- doboro (Maine) und Gloucester (Massachusetts), von den Dampfbooten in Philadelphia, Delaware, New York, Missouri, S. Francisco, Willamette, Puget Sund gebaut. 1890 wurden in Oregon und Washington 15 Segel- schiffe und 44 Dampfer gebaut. Der Holzreichtum — es sind bearbeitete Fichten-Stämme von mehr als 150 F. Länge vom Puget Sund nach S. Francisco gekommen — begünstigt hier den Schiffsbau. Cuayohoga, Huron, Detroit, Buffalo Creek und Milwaukee sind die Hauptplätze für Schiffsbau an den Grofsen Seen, Louisvüle, Cincinnati, Wheeüng am Mississippi und seinen Nebenflüssen. Die Handelsflotte der V. St. , die trotz einzelner Rückschwan- kungen bis zum Bürgerkrieg kräftig gewachsen war — 1861 hatte sie das Maximum mit 5 540000 T. erreicht — war bis 1881 auf 4058000 T. zurückgegangen. Dann folgte eine Zeit des Stillstandes und erst seit 1888 hat das Wachstum wieder begonnen. Diese Bewegung hing mit der ZoUpoHtik zusammen. Die Schiffsbauwerkstätten haben vor anderen Unternehmungen der Grofsindustrie wegen ihrer Bedeutung für die Ver- teidigung und den Handel des Landes die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Dafs von 1870 — 1872 15 mal weniger Seedampfer hier gebaut wurden als in England, gehört zu den grofsen Argumenten der Schutz- zöUner und derer, die Subventionen für einheimische Dampfer und andere Mafsregeln verlangen, um einen grofsen Verkehr in »American Bottoms« zu schaffen. Aber die Ursachen des Rückganges lagen nicht blofs in den Zöllen auf das Rohmaterial des Schiffsbaues. Im Bürgerkrieg wurde durch die südstaatlichen Kreuzer den vorwiegend dem Norden 590 Rückgang der Rhederei. angehörenden Kauffahrteischiffen ungeheurer Schaden zugefügt. Mit ihm fällt der Niedergang des Baues hölzerner Schiffe, der »Time of Oak and Hemp« und das Aufkommen der Eisen- und Stahlschiffe zu- sammen. Dann kommt die Entziehung eines Teiles der besten Mann- schaften hinzu, die in Industrie oder im Ackerbau minder schwierige und gefährHche Beschäftigung fanden. Endhch ist, da in der Schiffs- statistik der V. St. auch die Fahrzeuge der Flüsse und Binnenseen mitzählen, die Verminderung der Kanalboote und teilweise sogar der Stromfahrzeuge durch die Konkurrenz der Eisenbahnen nicht zu über- sehen. Noch andere Ursachen hebt der »National Board of Trade« her- vor, der bei mehrfacher Behandlung dieser Frage den Hauptgrund in den Gesetzen der V. St. gesehen hat, die das Recht zur Führung der amerikanischen Flagge nur den im Inland gebauten und zu zwei Dritteln mit Amerikanern bemannten Fahrzeugen gewähren. Derselbe hat sich ferner im Interesse der amerikanischen Rhederei für den Lotsenzw^ang und den Prüfungszwang der Steuerleute und Kapitäne, ferner für Einführung des enghschen Schiffslehrjungen-Systems (Appren- tice System) ausgesprochen. Gegenüber der Verdrängung der Schiffe der V. St. aus dem Verkehr ihrer eigenen und der übrigen amerika- nischen Häfen hat sich seit Mitte der siebziger Jahre eine lebhafte Bewegung für Förderung der heimischen Schiffahrt vorzüghch durch Schaffung neuer Dampferhnien und Staatsunterstützung der bestehenden geltend gemacht. Am meisten erwartet man mit Recht von dem Auf- schwung der nordamerikanischen Export-Industrie. Von amerikanischen Dampfschiff -Gesellschaften sind nur Pacific Mail S. S. Co. und U. S. and Brazil S. S. Co. von Seiten der Regierung unterstützt, die gleich- zeitig jährlich an fremde Dampf schiff - Gesellschaften für Beförderung der amerikanischen Post einige 100000 D. zahlt. Folgende Liste zeigt die verkehrsreichsten Häfen bzw. Zolldistrikte der V. St. ; die beigesetzten Tonnenzahlen beziehen sich auf die im Jahre 1890/91 eingelaufenen Schiffe, aus denen die fremden ausgeschieden und in Klammer gesetzt sind: Ein- gelaufene Schiffe T. Davon fremde Schiffe T. Ein- gelaufene Schiffe T. Davon fremde Schiffe T. New York . . 6452877 5517 705 Key West . . 131460 8375 Boston und Char Peace River (Miss.) 108 576 82348 lestown . . 1502215 1305389 Mobile .... 103 284 87 683 Philadelphia . 1351466 1148938 Charleston . . 94869 88909 San Francisco 1095 776 579 617 San Diego . . 90927 27 715 Puget Sund . 1078228 134009 Portland und New Orleans . 885 785 771436 Falmouth . . 89690 84169 Baltimore . 711833 646 160 Brunswick Ga. . 84 503 76486 Pensacola . . 312 267 291 723 Willamette . . 77 597 69 963 Savannah . . 182 260 178972 Oregon . . . 68306 67 364 Galveston . . . 168058 161152 WilmingtonN.C. 65664 60908 Niederländisch . . . . . 218695 Dänisch .... . . . 66445 Hawaiisch . . . . . . 55472 Schwedisch . . . . . . 53424 Eussisch .... . . . 50472 Die Hochseefischerei. 591 Unter den Abgangsländern der 1890/91 in Häfen der V. St. ein- gelaufenen Schiffe stehen folgende mit mehr als 260000 T. verzeichnet: T. T. Grofsbritannien und Irland 4 056 828 Deutschland 1 594 223 Dominion von Canada: Neu- Cuba 1267 548 Schottland, Neu -Braun- Britisch Westindien . . . 664227 schweig und PrinzEduards Italien 483989 Inseln 1041715 Brasihen 476120 Dieselbe: Quebec, Ontario, Belgien 463595 Manitoba und Nordwest- Frankreich 377 602 Territorium 2831983 Spanien 328170 Dieselbe: Britisch Kolumbia 1372857 Niederlande 261017 Über die Nation ahtät der unter fremder Flagge (im Auf sen verkehr) eingelaufenen Schiffe gibt der amtUche Bericht für 1890/91 folgende Zahlen (in T.) : Britisch 9698317 Deutsch 1486242 Norwegisch 742076 Französisch 356538 Spanisch 342874 Belgisch 312378 Im Dampferverkehr mit Häfen der V. St. folgen die wichtigsten Abgangsländer fremder Dampfer in folgender Reihe: Grofsbritannien, Deutschland, Cuba, Brasihen, Britisch Westindien, Frankreich. Ameri- kanische Dampfer trafen am zahlreichsten ein aus Britisch Kolumbia, Cuba, Dominion, Kolumbia, Honduras, Mexiko. Die Hochseefischerei bildet an der atlantischen und paci- fischen Küste und auf den Grofsen Seen eine blühende Industrie. Auf die Bedeutung ihres Auftretens an der atlantischen Küste von Britisch Nordamerika und, als Walfischfang, in beiden Eismeeren, ist oben S. 24 und 79 hingewiesen. In beiden Richtungen ist sie pohtisch wichtig für die Expansion der V. St. geworden. Für die Fischerei an der atlantischenKüste sind Massachusetts und Maine die Haupt- staaten. Ihre Fischer brachten 1891 567 713 Quintal Stockfische, 50 714 Fässer Makrelen und 37 126 Fässer Heringe. Zahl und Tonnen- gehalt der in dieser Fischerei beschäftigten Schiffe betrug 1891 1483 und 68932, und auf die Fahrzeuge von mehr als 20T. kommt 61 911 des Tonnengehaltes. Die gröfsten Zahlen findet man in den Zolldistrikten von Gloucester und Barnstable in Massachusetts, Sag Harbor in New York und Portland, Falmouth, Frenchmans Bay, Castine, Waldoboro, Wiscasset und Belfast in Maine. Die Südstaaten s. von Virginien haben so gut wie keine Seefischerei. Die Fischerei am Stillen Ocean beschäftigte 1889 13850 Menschen mit 124 Schiffen und hatte eine Ausbeute im Werth von 6,4 MiU. D. 592 I^i^ Fischerei auf den Grofsen Seen. Ihre wertvollste Beute bildet der Lachs, von dem in diesem Jahre 416000 Ztr. gefangen wurden. Dieser Fang geht grölstenteils in die »Canning Factories«, wo die Lachse in Blechbüchsen verpackt werden. Es gibt 63 Canning Factories, davon 32 in Oregon. Der Fang anderer Fische wird für den örtlichen Bedarf betrieben, steht aber hinter dem Lachsfang zurück. Dieser ist seit Jahren, da er als Raubwirtschaft betrieben wurde, im Rückgang. Der Stockfischfang, der noch auf die spanische Zeit zurückführt, und überhaupt die Hochseefischerei, ist wenig entwickelt. Seit 1880 hat an der pacifischen Küste der Austern- fang einen grofsen Aufschwung genommen *). Die Fischerei beschäftigte auf den Grofsen Seen 1889 6900 Fischer mit 3983 Schiffen, die meisten auf dem Erie und dem Michigan, deren Fischertrag auf 10 Mill. Ztr. im Werte von mehr als 25 Mill. D. angegeben wird. Gegen 1880 sind Zunahmen um mehr als lOO'Vo im Erie und in den Oberen Seen zu verzeichnen, nur im Ontario ist Abnahme eingetreten. Die Zunahme der Fischerei ist mit auf Rechnung der starken Einwanderung aus den Nord- und Ostseeländern und Norwegen zu setzen, die eine grofse Zahl fischereikundiger Leute gerade in die Seenregion brachte. Durch die künsthche Fischzucht ist die Fisch- bevölkerung der Seen vermehrt worden. Der sog. Seehäring, eine Art Weifsfisch, Seeforelle, Weilsfisch und Stör machen zwei Drittel der Beute aus. Grofse Räuchereien und Versand-Anstalten sind ent- standen. Der kanadische Fischfang auf den Grofsen Seen ist verhältnis- mälsig klein. Tn Alaska, das die Bewohner der pacifischen Staaten Nord- amerikas wesentHch als ihre Domäne ansehen, werden die Tierschätze ähnhch wie dort ausgebeutet, aber noch rücksichtsloser. Die Pelzrobben, von denen von 1868 bis 1890 für 33 Mill. D. Felle gewonnen wurden, können vom Untergang nur durch strenge Schutzmafsregeln gerettet werden. In derselben Zeit sind andere Pelzarten für 16 Mill. D. zur Ausfuhr gekommen. An den Flufsmündungen, die von Lachsen schwärmen, sind dieselben »Canneries« thätig, wie weiter s., um Lachs- fleisch in Blechbüchsen zu packen. Sie beschäftigen 1100 Fischer und andere Arbeiter. Die Kadiak-Gruppe besitzt die meisten und die Hälfte ihrer von 1884 bis 1890 auf 7 Mill. D. Wert geschätzten Erzeugnisse stammt aus dem kleinen Karlukflüfschen, das an der Westküste von Kadiak mündet. 1890 wurden ca. 3 Mill. Lachse gefangen. Diese Industrie ist einer gewaltigen Entwickelung fähig. 1) Report on the Fisheries of the Pacific Coast of the United States by J. W. C o 1 1 i n s. Ein Werk mit zahlreichen Karten und Illustrationen, das auf amtlichen Erhebungen der U. S. Commission of Fish and Fisheries von 1889 beruht. * Der Walfischfang. 593 Der Walfischfang wird gegenwärtig nur von Massachusetts und Kalifornien aus in sehr grolsem Mafse betrieben. Seit Jahrzehnten war S. Francisco der Treffpunkt der pacifischen Waler, aber seit Ende der siebziger Jahre hat die Aussendung von der pacifischen Küste gröfsere Mafse angenommen. In New Bedford Mass. ist noch immer die gröfsere Hälfte dieser Schiffe beheimatet^), aber selbst diese rüsten sich teilweise in S. Francisco aus. Die 101 Schiffe der Walerflotte der V. St., wovon 11 Dampfer, verteilten sich 1889 auf New Bedford Mass., S. Francisco, Provincetown Mass., Edgartown Mass., Barnstable Mass., New London und Stonington Conn. und Boston Mass. 42 jagten in der Beringssee und im Eismeer, 36 im Atlantischen Ocean, 9 im Japanischen und Ochotskischen Meer, 8 im südhchen Stillen Ocean und 6 im Indischen Ocean. Die Robbenschläger, 20 Schiffe mit 422 Köpfen, worunter 155 Indianer und 29 Japaner, gingen von S. Francisco, Port Townsend Wash., Santa Barbara Kai. und Salem Mass. aus ; der Ertrag des Robbenschlags, darunter nur 150 Pfd. Walrofszahn, bewertete 1889 114000 D.; der des Walfischfanges, 1,7 Mill. ist ebenso wie die Zahl der Schiffe im Rückgang. Die 3000 Köpfe zählende Bemannung der Walerflotte umschliefst erfahrungsmäfsig die wertvollsten Elemente für die Kriegsflotte. Insofern ist von poütischer Bedeutung die Ab- nahme ihrer Gesamtzahl, und der Rückgang der Amerikaner, die heute nm- drei Fünftel ausmachen; der Rest sind grofsenteils Portugiesen, dann Engländer und Deutsche. 1) In New Bedford erscheint auch eigenes Organ der Waler »Whalemans Shipping List« seit einem halben Jahrhundert. Ratzel, Die V. St. von Amerika. 38 Vierter Abschnitt. Staat und Gemeinden. Kirche und Schule. Geistiges Leben Die Gesellschaft. 88' XXIII. Der Staat und die Gemeinden. Die Verfassung 5J)8. Union und Einzelstaaten 598. Der Kongrefs 599. Der Präsident 600. Die Bundesgerichte 600. Die Verwaltung 601. Staatsamt 601. Einige Bemerkungen über auswärtige Politik 602. Inlandamt 607. Schatz- amt 608. Öffentliche Schuld 608. Geld 609. Mafse und Gewichte 609. Das Kriegsamt 610. Armee 610. Marineamt 613. Flotte und Küstenverteidigung 613. Die Einzelstaaten 614. Gruppierung 615. Politische EoUe und Partiku- larismus 618. Ihre Gesetzgebung 621. Gemeinden 622. Town und County 623. Die Städte 624. Das politische Leben 625. Die politische Anlage 625. Die Parteien 628. Die Wahlen 629. Korruption 632. Flagge und Wappen 636. Die V. St. bilden einen Bundesstaat, dessen amtlicher Name »United States of America« istM, während in Amerika selbst der 1) In der Verfassungsurkunde heifst es im Eingange : »Wir , das Volk der Vereinigten Staaten. . . errichten diese Verfassung für die Ver- einigten Staaten von Amerika«. Die scheinbar gleichbedeutende An- wendung beider Namen erklärt sich so, dafs der erste Vereinigte Einzel- staaten bedeutet, während im zweiten erst der Titel des durch sie gebil- deten Bundesstaates hervortritt. Indessen wird der erstere Name abkürzungs- weise überall gebraucht und sogar amtlich nur seine Anfangsbuchstaben U. S. »The States« ist ein vertraulicher, mehr in der unpolitischen Schriftstellerei üblicher Ausdruck. In anderen Teilen von Amerika und in Europa gebraucht man aber auch zum Unterschied von den verschiedenen anderen V. St. , die es noch in Amerika gibt, den Ausdruck »Vereinigte Staaten von Nord- amerika«. Er ist bezeichnender als jene beiden amtlichen Benennungen, zumal man ihm entsprechend der Bevölkerung den Namen »Nordamerikaner« beilegen kann, der weniger mifsverständUch ist als »Amerikaner«, wie sie sich selbst kurzweg dem amthchen Namen ihres Staates entsprechend nennen und wie sie merkwürdigerweise auch von den Hispano-Amerikanern genannt werden. In den V. St. selbst scheint diese Bezeichnung seit der Gründung 598 Bund und Einzelstaaten. Gesamtstaat gewöhnlich kurzweg als »Union« bezeichnet wird. Dieser letztere Name bezeichnet deutlicher die Einheit in dieser Vereinigung vieler einzelner Staaten als das deutsche »Bundes- staat«. Man könnte ihn mit »Reich« vergleichen. Die Verfassung ist erst Grundgesetz geworden, nachdem die Einzelstaaten jeder für sich sie angenommen hatten, und Abänderungen sind nicht dem Kongrels anheimgestellt, sondern müssen von drei Vierteln aller Staaten genehmigt werden. Der Einzelstaat führt ein Leben für sich und seine Organe stehen in keiner unmittelbaren Beziehung zu denen des Gesamtstaates. Seine Beamten und Vertreter gehen aus einer anderen Wahl, meist sogar nach anderer Wahlart, hervor als die der Union. Aber es können begreiflicherweise Ver- schiedenheiten der Meinungen über die Befugnisgrenzen beider nicht fehlen und Streitigkeiten darüber durchziehen die ganze Geschichte der V. St. Was die gemeinsamen Interessen angeht, fällt dem Bunde, alles die Verhältnisse der Einzelstaaten Betreffende diesen zu. Zuerst sind also die äufseren Angelegenheiten (Diplomatie, Handel, Krieg) Sache des Bundes, die inneren (Wirtschaft, Unterricht, bürgerliche Rechte) Sache der Einzelstaaten. Es gibt aber wirtschaftliche Interessen, die die Gesamtheit in hohem Grade berühren (Hafenanlagen, schiffbare Flüsse, Poststraf sen, Eisenbahnen durch unbewohnte Gegenden u. dgl.) und andere, die dem Gebiet der äufseren Beziehungen angehören, ohne doch die Gesamtheit zu berühren. Dort tritt die Union für die Einzelstaaten ein, hier läfst sie ihnen Unterhandlungen und Verträge mit fremden Mächten zu, behält aber die Zustimmung des Kongresses einer ganzen Reihe von V. St. von Mexiko , Argentinien , neuerdings sogar Brasilien, mehr in Gebrauch zu kommen. Die wissenschaftlich wertvollste Geographie der Vereinigten Staaten yon Amerika, die bisher ein Amerikaner verfafst hat, von Prof. J. D. Whitney in Cambridge Mass. (1889 erschienen), trägt den Titel »The United States«, erweckt aber durch den Satz: »Die Fläche des unter der Bezeichnung ,Vereinigte Staaten' (von Nordamerika) u. 8. w.< die Vorstellung, als ob dies der offizielle Titel sei. Wir haben überall, wo es nötig war, den vollen Namen »Vereinigte Staaten von Amerika«, im Übrigen die amtliche Abkürzung »Vereinigte Staaten« und »V. St « und und für die weifse Bevölkerung »Nordamerikaner« verwendet. Der Kongrefs. 599 vor. Die Einzelstaaten dürfen ohne Zustimmung des Kongresses keine Truppen oder Kriegsschiffe unterhalten. Das Bürgerrecht des Einzelstaates verleiht auch das der Union. Aufser durch Vererbung wird es, wenn anderes Bürger- recht nicht geltend gemacht wird, durch Geburt auf dem Boden der V. St. erworben. Die Naturalisation geschieht auf Verlangen der Eingewanderten nach fünfjährigem Aufenthalte in den V. St. Die Trennung der öffentlichen Gewalt ist so weit als möglich durchgeführt in: 1. gesetzgebende Gewalt (Kongrefs), 2. voll- ziehende Gewalt (Präsident), 3. richterliche Gewalt (Bundesgerichte). Entsprechend sind in den Einzelstaaten Legislatur, Governor und E-ichter aus einander gehalten. Der Kongrefs der Union teilt sich in Repräsentantenhaus und Senat, die Vertretungen des Gesamtvolkes und der Einzelstaaten. Das Repräsentantenhaus, km*z The House, geht aus unmittelbaren Wahlen hervor, die in bestimmten Wahlkreisen nach Wahlarten, die der Einzel- staat zu bestimmen hat, stattfinden. Die Zahl der Vertreter wird nach den Censusergebnissen auf die Staaten verteilt^ Gegenwärtig beträgt die Gesamtzahl der Vertreter 325 nebst 4 Delegierten der Territorien, die nicht stimmen. New York stellt 34, Pennsylvanien28, die neu zu- gelassenen Staaten je 1 (s. u. S. 618) , die alten dreizehn Staaten zu- sammen 129, die einstigen Conföderierten Staaten 85. Wenige Staaten halten noch an einem Wahlcensus fest, aber das allgemeine Stimm- recht ist in der Ausdehnung begriffen. Bedingungen der Wählbarkeit sind : Alter über 25 Jahre, Bürgerrecht seit 7 Jahren, Wohnort in dem Staate der Wahl. In den Senat werden aus der Gesetzgebung jedes Einzelstaates je zwei Vertreter gewählt. Die Senatoren müssen über 30 Jahre alt, 9 Jahre Bürger und im Wahlstaate ansässig sein. Der Präsident des Senates ist Vicepräsident der Union, der vom Volke zugleich mit dem Präsidenten gewählt wird. Der Kongrefs übt die gesetzgebende Thätigkeit ausschliefshch, erläfst Kriegserklärungen, Ver- träge mit auswärtigen Staaten hat der Senat zu genehmigen, ebenso Friedensschlüsse; er hat das Recht des »Impeachment«, der Anklage der Bundesbeamten (ausgenommen die mihtärischen) bis zum Präsi- denten hinauf und ihrer Entfernung vom Amte; dabei steht dem Repräsentantenhaus das Recht der Anklage zu, während der Senat sich in den Staatsgerichtshof verwandelt; das Recht, durch Resolutionen seine politische Meinung zu äufsern ; endUch kraft seiner rechtsordnen- den Gesamtbefugnis stillschweigend verliehene Gewalten, das für die gemeine Wohlfahrt der Union Nötige anzuordnen. GOO I^er Präsident. Das Bundesgericht. Per Präsident vereinigt die ganze Regierungsgewalt in seiner Hand, nur er ist verantwortlich. Die Minister sind nur Beamte. Die Wahl macht den Präsidenten unabhängig vom Kongrefs, denn er geht, ebenso wie der Vicepräsident, aus mittelbaren Wahlen hervor, zu denen jeder Staat soviel Wahlmänner abordnet, als er Repräsentanten und Senatoren im Kongrefs hat. Am ersten Mittwoch im Dezember treten sie zur Wahl zusammen und im darauffolgenden Februar verkündet der Kongrefs als gewählt die, denen die absolute Stimmenmehrheit zufiel. Die Amtsdauer eines Präsidenten ist vier Jahre. Wiederwahl ist nicht ausgeschlossen und von den bisherigen Präsidenten sind Washington, Jefferson, Madison, Monroe, Jackson, Lincoln und Grant in zwei auf einander folgenden Terminen gewählt worden. Zur Wähl- barkeit gehört Alter von 35 Jahren, Bürgerrecht seit der Geburt, Auf- enthalt in der Union seit 14 Jahren. Die Befugnisse des Präsidenten sind hauptsächüch : Repräsentation des Staates nach aufsen, Ernennung (unter Zuziehung des Senates) und Entlassung der Gesandten und Konsuln, Empfang der Gesandten*) und Erteilung des Exequatur, Vertragsschhefsung mit fremden Staaten unter Zustimmung einer Zwei- drittel-Mehrheit des Senates. Im Innern ernennt er die Bundesbeamten entweder selbständig oder zusammen mit dem Senat; er kann den Beamten Befehle erteilen ; er sorgt für den Vollzug der Bundesgesetze auch in den Einzelstaaten; er kann militärische Mafsnahmen ergreifen, aber die Mihzen nicht ohne Ermächtigung des Kongresses einberufen ; er hat die ganze Militärgewalt im Kriege; er kann den Kongrefs zu aulserordentlicher Sitzung versammeln; er erläfst Botschaften an den Kongrefs, in welchen er dessen Aufmerksamkeit auf Verbesserungen lenken kann ; er hat das Begnadigungsrecht bei Straferkenntnissen der Bundesgerichte; er kann Proklamationen an das Volk erlassen; er er- nennt seine Minister (Sekretäre), deren es jetzt acht sind (Äufseres, Krieg, Marine, Finanz, Inneres, Post, Justiz, Landwirtschaft*). Weder er noch die Minister erscheinen vor dem Kongrefs. Die Bundesgerichte stehen selbständig neben den einzel- staatlichen Gerichten ; sie zerfallen in ein Bundesobergericht mit einem Präsidenten und neun Richtern mit Sitz in Washington, in zehn Kreis- und eine gröfsere Zahl von Distriktsgerichten. Jene werden zweimal jährhch in jedem Distrikt durch einen Oberrichter und den Distrikts- richter abgehalten. Alle Richter werden vom Präsidenten unter Zu-^ 1) Indem der Empfang die Anerkennung einschliefst, hat der Präsident die sehr wichtige Befugnis, einen fremden Staat anzuerkennen oder un- anerkannt zu lassen. Die letztere wurde 1865 gegenüber dem Kaisertum Mexiko in sehr folgenreicher Weise ausgeübt. 2) Selbständig steht aufserdem neben den Ministerien seit 1888 das Bureau of Labor, dessen Leiter aber keinen Sitz im Kabinet hat. Das Staatsamt. Bemerkungen über die auswärtige Politik. ßOl 8timmung des Senates ernannt. Unter dem Schutz der Bundesgerichte steht das Bundesrecht. Völker- und staatsrechthche Streitigkeiten und Civilprozesse, in denen der Bund oder ein Einzelstaat Partei ist, ge- hören in ihre Kompetenz. Die Verwaltung. Das Staatsamt (State Department), an dessen Spitze der Staatssekretär steht, nächst dem Präsidenten der höchste Beamte der Exekutive, entspricht unserm Auswärtigen Amt. Es hat aber auch die Gesetze zu verkünden und das Siegel der V. St. beizudrucken. Die V. St. haben vier Klassen von diplomatischen Vertretern : 1. »Envoys Extraordinary and Ministers Plenipotentiary« in Eng- land, Deutschland, Frankreich, Rufsland, Spanien, Österreich, Italien, China, Mexiko, Brasilien, Peru und Chile; 2. »Ministers Resident« in Dänemark, Schweden - Norwegen, den Niederlanden, Belgien, Portugal, Schweiz, den Hawaiischen Inseln, Hayti, Türkei, Griechenland, Japan, Nicaragua, Guatemala, Honduras, Salvador, Columbia, Venezuela, Ecuador, Argentinien, Bolivien, Paraguay, Uruguay, Liberia; 3. Charges d'affaires; 4. Konsuln. Das Konsulatswesen ist nicht blols durch die grofse Zahl von Generalkonsuln, Konsuln und Konsularagenten und deren Einflufs auf den auswärtigen Handel von Wichtigkeit. Konsulate mit grofsen Einkünften gehören zu den gröfsten Belohnungen für poü- tische Dienste. Auch Dichter wie Hawthorne und Bret Harte sind mit Konsulaten belohnt worden*). Mit Dolmetschern, Konsulatsrichtern u. dgl. zählt der Konsulatsdienst jetzt über 900 Köpfe. Die Konsuln und Konsular-Agenten der V. St. haben im allgemeinen denselben Thätigkeitskreis wie die entsprechenden Beamten anderer Länder. Aber aufserdem liegen ihnen Pflichten ob, die mit gewissen Besonder- heiten in dem Zollsystem der V. St. zusammenhängen. Einige Bemerl(ungen über die auswärtige Politil(. Die äufsere Politik der V. St wird durch jene Grundthatsachen der Lage und Gröfse des Landes, die wir in der Einleitung besprochen haben, besonders im I. und III. Kapitel, zu einer höchst eigentümhchen ; und dazu verleiht die ge- schichthche Jugend und das immer sich erneuernde Gefühl des noch mitten im Wachstum Stehens ihr einen Zug von Kühnheit und Frei- heit, den in Europa immer nur einzelne grofse, führende Persönlich- keiten der Pohtik ihres Landes aufzuprägen wagten. Er spricht sich nicht nur in dem offenen Ton ihrer Staatsschriften aus, er zeigt sich auch in der Energie des politischen Handelns und dem eifersüchtigen 1) Die Generalkonsulate der V. St. (nach der Höhe der Besoldung ge- reiht) sind : London, Paris, Havana, Rio Janeiro, Calcutta, Shanghai, Melbourne, Berlin, Kanagawa, Montreal, Kairo, Konstantinopel, Frankfurt, Rom, Wien, St. Petersburg, Mexiko. In der Biographie Hawthornesistzu lesen, dafs das Liverpooler Konsulat, als er 1850 damit belohnt wurde, 20000 D. eintrug. Bret Harte war einige Jahre Konsul in Krefeld. 602 Bemerkungen über Bedachtsein auf die Wahrung ihrer Würde und der Rechte ihrer Bürger. Die V. St. haben zwar mit England zusammen in vorderer Linie gegen den Sklavenhandel gekämpft, aber sie haben mit Frankreich sich ebenso entschieden gegen die Durchsuchung ihrer Schiffe verwahrt. Ihre Grenzstreitigkeiten mochten manchmal kleinlich erscheinen, sie haben aber dabei endhch fast alle Wünsche verwirkhcht (s. o. S. 44 u. 51 f.). Ihr Auftreten gegen andere Mächte war oft hochfahrend. Wenn sie auch 33 internationale Streitigkeiten in diesem Jahrhundert durch Schiedssprüche entscheiden hefsen, bleibt es doch eine aus Unwissen- heit geborene Phrase, dafs die grofse Repubhk des Westens sich fried- lich entwickelt habe. Nach dem Unabhängigkeitskrieg hat sie zwei äufsere Kriege und einen innern von grolsartigen Dimensionen geführt ; der Krieg gegen Mexiko war ein reiner Eroberungskrieg. ZahUose kleinere blutige Kämpfe begleiteten die Indianerpohtik , die Erwer- bung von Texas, den Streit um Kansas (s. o. S. 119), und in den letzten Jahrzehnten die Rassen- und sozialen Konflikte. In der Berings- See-Frage wurden so kriegerische Artikel von Stapel gelassen, dafs »The Nation« (24. März 1892) schrieb: In Frankreich, Deutschland oder anderen Ländern, die stark bewaffnete Nachbarn haben, und wo Frieden oder Krieg an einem Faden hängt, würden solche Dinge nicht ungestraft veröffentlicht werden«. Das Wort »Warriorism« wurde erfunden, um solche Äufserungen zu kennzeichnen. Die schöne Sitte, hervorragende Geister auf wichtige Posten zu stellen, Leute wie Motley, Bancroft, Lowell, White, hat diesen Tendenzen oft die Spitze ab- gebrochen, aber der Dilettantismus im diplomatischen Dienst hat auch viele Taktlosigkeiten zu Tage gefördert. Selbst China lehnte 1891 einen Gesandten ab, den die V. St. ernannt hatten, nachdem er die chine- sische Einwanderung mit der Einschleppung des gelben Fiebers ver- glichen und auch sonst China heftig angegriffen hatte. Auch die politi- schen Beziehungen der V. St. zu anderen Mächten sind in erster Linie Wirtschaftlicher Natur. Und so sind die Bedingungen und oft selbst die Mittel seiner PoHtik wirtschaftliche. Selbst den texanisch-mexi- kanischen Wirren lag das Expansionsbedürfnis der Baumwollenpflanzer des Südens zu Grunde und den Bürgerkrieg half der wirtschaftliche Gegensatz zwischen dem Norden und dem Süden heraufbeschwören. Die Benutzung geeigneter Erscheinungen der auswärtigen Pohtik zu inneren politischen Zwecken und die Behandlung von Fragen der aus- wärtigen Politik mit denselben Mitteln, wie sie in der inneren zum Ekel der anständigen Leute zur Anwendung gelangen, besonders mit Übertreibung, Lüge und Unverfrorenheit, gehört zu den Thatsachen, ohne die manche Phase der äufseren Pohtik der V. St. nicht zu ver- stehen ist. Es würde unbedacht sein, den Äusserungen auch der ernstesten Zeitungen der V. St. über die Fragen der auswärtigen Politik die auswärtige Politik. 603 das gleiche Gewicht beizumessen, wie ihren Ansichten über innere Politik. Über England in der Beringssee oder Deutschland in Samoa sind in Blättern ersten Ranges die gröfsten Unwahrscheinlichkeiten aus- gesprochen worden. Ein Beispiel der groben Entstellung geschicht- licher Thatsachen, an einer Stelle wo man Würdigeres erwartet, ist Arthur Richmonds Besprechung der deutschen PoHtik in Samoa, North American Review CXLVIII p. 26 f. Jenes gilt besonders von dem auf die Spitze getriebenen Amerikanismus, den in den letzten Jahren Blaine und McKinley vertraten. Der grolse, vor der Übertreibung nicht zurückschreckende Zug der auswärtigen Politik mufs als eine innere Notwendigkeit aufgefafst werden. Grölsere Tendenzen ersticken mit ihrem Übergewicht kleinere, und so bilden die panamerikanischen Pläne eines der Mittel, um den stets in einer germanischen Gemein- schaft im Verborgenen lauernden Partikularismus nicht zum Wort kommen zu lassen. So Hegt auch in der Richtung der V. St. als Ganzes auf den Stillen Ocean etwas Einigendes, das dem Aus- einanderfallen der westlichen und östlichen Staaten widerspricht. Dafs auch tiefere Gründe für die ausgreifende pacifische Politik der V. St. vorhanden sind, haben wir o. S. 20 zu zeigen versucht, w^o auch ihre Stellung als pacifische Kulturmacht besprochen ist. Vergessen wir nie, dafs, vergüchen mit Europa, das Eigentümüchste der V. St. eben ihre pacifische Seite ist, auf der sie mit vollem Recht eine grofse pacifische Zukunft sich öffnen sehen. Die V. St. haben keine eigentlichen Kolonien, ihre Auswanderungs- kolonien sind ihre Staaten und Territorien des Westens und Nordens. Nur seit der Erwerbung Alaskas kann man von etwas sprechen, das einer Kolonie ähnhch ist. Der grofse poHtische Vorzug, eine geschlossene Macht zu sein, wird mit Recht gegenüber den Bestrebungen auf terri- toriale Ausbreitung geltend gemacht und tritt besonders überzeugend im Vergleich mit England hervor. Die drei stäi'ksten Fäden der Politik der V. St. laufen in England zusammen. Das Handelsübergewicht, das britische Nordamerika, die britischen Kolonien im Atlantischen und Stillen Ocean machen England zu einer Macht, die in politischer Bedeutung für die Union alle anderen weit überragt. Dazu kommt die Stammverwandtschaft der herrschenden Mehrzahl, und die geschicht- Hchen Beziehungen, die bald anziehend, bald abstofsend, bald zum Wettbewerb anspornend wirksam sind. Das Gefühl der angelsächsischen Sohdarität hat nur in der Theorie politische Gestalt gewonnen, in WirkHchkeit waren die Gegensätze zwischen England und den V. St. bis jetzt zu scharf. Das Dilke'sche Wort: England wii'd durch Amerika zur Welt sprechen, bezieht sich, nüchtern betrachtet, nur auf die Form. Amerika wird vielmehr amerikanische Ideen und Wünsche in der Sprache Englands aussprechen. Vgl. auch das o. S. 236 über die angelsächsische 604 Die V. St. und England. Verwandtschaft Gesagte. Grolsbritannieii tritt als amerikanische Ko- lonialmacht am nächsten an die V. St. heran, sowohl räumlich als den Interessen nach. An Britisch Nordamerika grenzen die V. St. auf zwei Dritteln ihrer Landgrenze. Über Verkehr und Handel zwischen beiden Ländern s. o. S. 39 f. und 578. Dasselbe Britisch Nordamerika steht aber den V. St. politisch selbständiger gegenüber als irgend eine andere Macht Amerikas. Das wird diesseits der Grenze auch anerkannt, wo man die seit der Kündigung des Kanada günstigen Handels- vertrages von 1866 und der Bildung der Dominion (1867) nur immer wachsende Selbständigkeit der Dominion anerkennt, Dafs sie auf dem panamerikanischen Kongrels nicht vertreten war, dokumentiert diese Selbständigkeit. In den V. St. gibt es Leute, die diese Sonderentwickelung nicht so weit gehen lassen wollen, bis sie unterstützt durch den grofsen Einflufs der französischen und katholischen Bevölkerung in Quebec und Manitoba, durch die mildere Indianerpohtik, die Begünstigung des kanadischen Verkehres durch Grolsbritannien (s. o. S. 586) u. a. eine dritte Nationalität auf nordamerikanischem Boden erzeugt hat. Dem Einflufs dieser Politiker auf manche Kreise der Dominion ist der Mar- quis of Lome als Statthalter in der Presse der V. St. persönhch entgegen- getreten, der in Artikeln der North American Review die Gründe auf- gezählt hat, welche die V. St. abhalten müfsten, sich nach Norden aus- zudehnen'). Auch er kann sich indessen der Thatsache nicht verschHefsen, dafs wenn der Wunsch nach Expansion eintritt, er sich eher nach Nor- den, wo Stammverwandte wohnen, als nach Süden, wo die mexikanische MischHngsbevölkerung nicht anziehend wirkt, äufsern wird. Für diesen Glauben gibt es auch klimatische Gründe, die wir S. 149 angedeutet haben. Endhch wird nicht zu vergessen sein, dafs eine Zeit kommen wird, in der sich die Bevölkerung der V. St. über die Grenze der langsam sich besiedelnden Nordwestgebiete ergiefsen könnte. Die Streitigkeiten über die Fischerei an der Küste von Neufundland und Umgebung und über den Robbenschlag im Beringsmeer lenken die Blicke vieler immer wieder nach Norden und lassen das Problem der Beziehungen zwischen den beiden gröfsten poUtischen Körpern Nord- amerikas nicht zur Ruhe kommen. Mexiko hält sich zwar scheu vor zu naher politischer Berührung mit den V. St. zurück (s. o. S. 36), kann aber die Entwickelung des wirtschaftüchen Übergewichtes nicht verhüten, das zunächst in die Nordprovinzen Sonora und Chihuahua, dann neuerdings auch Durango 1) In kanadischen Kreisen hat man also der Expansionsbewegung doch mehr Wert beigelegt, als man nach Bryces bis zur Oberflächlichkeit opti- mistischer Darstellungen im dritten Bande des American Commonwealth (1888) p. 235 f. meinen sollte. Die V. St. und die amerikanischen Staaten. 605 eine starke nordamerikanische Einwanderung hervorgerufen hat, die natürlich das Schicksal von Texas ins Gedächtnis ruft. Wirtschaftüch hängt es bereits enger als Britisch Nordamerika mit den V. St. zu- sammen (s. o. S. 39 und 578). Über die Beziehungen zu den mittel- und südamerikanischen Staaten haben wir in den Kap. I u. XXII »Lage« und »Handel« zu sprechen gehabt. Die Vollendung des mittel- amerikanischen Meereskanals wird sie tief umgestalten. Er wird das Land bis 12*^ n. Br. in die Machtsphäre der V. St. ziehen und das natürliche Übergewicht der in ihrem Besitz befindlichen Golfküste unberechenbar verstärken. Die Interkontinentale Eisenbahn wird im Vergleich damit pohtisch bedeutunglos sein. Den Bestrebungen auf Ausdehnung des Verkehres mit den mittel- und südamerikanischen Ländern wkd er ganz andere Dienste leisten als die PoHtik der Re- ciprocitätsverträge. Hier ist auch am ehesten eine territoriale Erweiterung zu erwarten. Zu den »bonded« Guanokhppen Navassa und Swan vor der Westspitze von Hayti sollte schon vor 44 Jahren die Insel Tigre an der Küste von Honduras kommen, die wieder aufgegeben ward. Die immer wieder empfohlene, auch 1891, Erwerbung von S. Thomas könnte sich dann verwirkHchen*), die Verhandlungen mit San Domingo wegen der Samana-Bucht und mit Hayti und wegen Mole St. Nicholas könnten wieder aufgenommen werden. Der wirtschaftlich merkwürdigen Stellung Cubas zu den V. St. (s. o. S. 17), die vor 100 Jahren schon einmal in Jamaica da wai-, das damals für sie kommerziell wichtiger war als ganz Britisch Nordamerika, ist eine politische Entwickelung vor- behalten, die auch auf Mexiko und Mittelamerika Einflufs haben wird. Die Entwickelung der Beziehungen zu Mittel- und Südamerika ruht so breit auf wirtschaftlichen Grundlagen, dals man nur an ihre Fortentwickelung denken kann. Aber doch sind ihnen zu enge Schranken gezogen, als dafs der panamerikanische Gedanke auf dem natürlichen Nährboden grolser politischer Pläne, dem wirtschaftüchen, so rasch gedeihen könnte, wie manche Pohtiker 1891 glaubten. Die süd- und mittelamerikanischen Staaten finden nicht einmal für ihre Erzeugnisse den Markt der V. St. grols genug. Brasiüen vermag z. B. trotz seines Reciprozitätsvertrags seinen Zucker neben dem cubanischen nicht abzu- setzen. Selbst Mexiko wird nicht immer den Überflufs seines Silbers dort anbringen kön'tien. Die handelspolitische Lage der pacifischen Staaten von Südamerika (S. 579) wird vollends erst durch den Inter- oceanischen Kanal zu Gunsten der V. St. geändert werden. Bis dahin wird der europäische Handel dort vorherrschen. Es ist bezeichnend, 1) Die Erwerbung von S. Thomas galt 1868 für so sicher, dafs E. Behm sie damals samt S. John bereits dem Areal der V. St. zuzählte (Geogr. Jahr- bücher n. Jahrg. S. 74). 606 I^i€! V. St. und die pacifischen Mächte. dals auf dem panamerikanischen Kongrefs Chile jede poHtische Diskus- sion ablehnte und hoffte mit Argentinien und Brasihen vereinigt aufzu- treten; Argentinien lehnte aber ab. Diese Gruppierung, zu der noch Peru und die kleineren südäquatorialen Staaten zu fügen wären, wkd in der südamerikanischen PoHtik der V. St. noch öfter wiederkehren. Auch in den Beziehungen zu Hawaii und den ostasiati- schen Staaten spielen die wirtschaftlichen Absichten und Rück- sichten die grölste Rolle*). Hawaii ist wirtschaftlich geradezu abhängig von den V. St. und ist offiziell schon 1880 als ein Ghed des »ameri- kanischen Systems« bezeichnet worden. Hawaii gegenüber hielt die Regierung der V. St. mit Bewufstsein an dem System der politischen Unabhängigkeit bei enger wirtschaftHcher Verbindung fest, schlols aber zugleich mit grolser Bestimmtheit die Möglichkeit des Überganges so wichtiger Punkte in anderen Besitz aus. Über Japans Stellung s. o. S. 91 u. 578. In den Beziehungen zu China bildet natürhch die Behand- lung der chinesischen Einwanderung einen dunkeln Punkt (S. 182 u. 295). General U. S. Grant suchte auf seiner Weltreise die Chinesen zu überzeugen, dafs Amerika (d. h. die V. St.), »euer nächster Nachbar«, tiefer beeinflulst sei durch die Bevölkerungen des Ostens als andere Mächte und nie gleichgiltig gegen das sein könne, was dort vorgeht. Die Nachbarschaft Rufslands ist nun zwar in jedem Sinne näher, aber als pacifische Macht haben die V. St. allerdings sowohl mit China als Japan mehr Interessen gemein als irgend eine der atlantischen Mächte Europas. Man mufs uns nur nicht glauben machen woUen, dieser Ge- meinschaft könne nichts als Freundschaft entquellen. Bereits wider- sprechen die Thatsachen einer jungen Geschichte dieser Annahme. Zu der chinesischen Einwanderung kam die Haltung Amerikas in einigen Fragen, die China nahe berührten, besonders der koreanischen, in der die V. St. den Anspruch Chinas auf die Zugehörigkeit Koreas zum chinesischen Reiche zu Gunsten des abenteuerhchen Versuches einer halbselbständigen, von Amerika beeinflufsten Regierung verkannten. Es ist interessant zu sehen, wie das kontinentale Europa, als ein Ganzes von nicht imponierender Gröfse, dem amerikanischen Geiste erscheint, am deutlichsten natürhch auf dem wirtschaftlichen Gebiete. Grolsbritannien auf der einen und Rufsland auf der anderen Seite siad ihm die atlantischen und pacifischen Mächte, mit denen 1) > Zeigen wir China, dafs wir westlich von den Sandwich-Inseln kein politisches Interesse im Stillen Ocean haben, dafs seine Unabhängigkeit wesentlich für unsere wirtschaftliche Stärke im Stillen Ocean ; wir haben nur die Monroe Doctrin für den Osten zu verkünden, so wie sie von Quincy Adams für den Golf von Mexiko und Südamerika niedergelegt ward, um ein morali- sches Gewicht in seinen Angelegenheiten zu gewinnen«. (Rüssel Young, Ge- sandter der V. St. in China, in der North. Am. Review 1889.) Die V. St, und der europäische Kontinent. Inlandamt. 607 es sich berührt (über das Verhältnis zu RuMand s. S. 87). Alles was dazwischen liegt, hat heute für die V. St. in erster Linie wirtschafts- poHtisches Interesse. Dafs es noch einmal eine Partei der Franzosen- freunde, wie zu Jeffersons Zeit, geben könnte, ist undenkbar. Nach dem Zurückweichen des geschichthch früher eng mit Nordamerika zusammenhängenden Spaniens in cubanischen Angelegenheiten und den Niederlagen Frankreichs, wie einst in Kanada und Louisiana, so später in Mexiko und Panama haben sich die Beziehungen des kon- tinentalen West- und Mitteleuropa auf den regen Tausch der Erzeug- nisse zurückgezogen, in dem Deutschland sich die Stelle hinter Grofs- britannien errungen hat. Deutschland hat nie rein politische Interessen in Amerika vertreten und ist seit den Tagen Friedrichs des Grofsen als ein verläfshcher, unaufdringlicher Freund der V. St. anerkannt. Über die russischen Beziehungen s. S. 87 u. 579. Das Inlandamt (Department of the Interior) hat folgende Stellen unter sich : das Landamt (General Land Office), Pension Bureau, Indian Office, Unterrichtsamt (Bm-eau of Education), Patent Office, Interstate Commerce Commission, Geologische Landesaufnahme, Censusbureau. Das Landamt, das die öffentlichen Ländereien zu verwalten und deren Verkauf zu besorgen hat, ist eines der wichtigsten. Nicht der kleinste Teil der Lasten dieses Amtes erwächst aus den Ansprüchen, die von Privaten und Körperschaften auf grofse Teile der öffentüchen Lände- reien erhoben wurden. Acht Kommissionen der V. St. hatten eine länge Reihe von Jahren hindurch an der Entwirrung dieser An- sprüche zu arbeiten, wobei als Grundsatz ihres Verfahrens aufgestellt ward, dafs alle amtlich bekräftigten Ansprüche und ebenso alle auf thatsächhchen Besitz in dem Augenblick der Erwerbung durch die V. St. begründeten aufrecht zu erhalten seien. Dieser Grundsatz ist auch späterhin bei ähnüchen Entwirrungsgeschäften in den einst spanischen Landesteilen des Westens und Südwestens der V. St. als der leitende aufgestellt worden. In Santa Fe ist 1890 ein besonderer Ge- richtshof für Landfragen errichtet worden. Noch heute sind in Kah- fornien nicht alle Privatansprüche entschieden. — Über die Geschäfte des Indian Commissioner s. o. S. 224 f. Über das Patent Office s. o. S. 513. — Über die Interstate Commerce Commission s. o. S. 534, die Geologische Landesaufnahme und das Census-Bureau s. u. Kap, XXV. Das Unterrichtsamt wurde 1872 gegründet zu dem Zweck, »die Thatsachen zu sammeln, die den Zustand und Fortschritt des Unter- richtswesens in den Staaten und Territorien erkennen lassen, und Belehrung zu verbreiten über Einrichtung und Leitung von Schulen, über Unterrichtssysteme und -methoden, die dem Volk der V. St. nützHch sein können in der Einrichtung und Durchführung wirksamer Schulsysteme, und überhaupt die Sache des Unterrichtes im ganzen 608 Schatzamt. Lande zu fördern«. An der Spitze dieses Amtes steht ein Commis- sioner of Education. Es veröffenthcht zahkeiche statistische und andere Berichte über das Unterrichtswesen in den V. St. und anderwärts. Das Schatzamt (Treasury Department) hat aulser den Geldsachen des Bundes auch die Angelegenheiten des Handels, der Schiffahrt, der Küstenaufnahme und -beleuchtung unter sich. Die Einnahmen der V. St. flielsen hauptsächhch aus Zöllen und Innensteuern. Für ihre Erhebung sind die Grenzen der V. St. in 62 »Collection Districts« ge- teilt, deren jedem ein »Collector« vorgesetzt ist. Für die Erhebung der Innensteuern ist das ganze Gebiet der Y. St. in »Internal Revenue Districts« geteilt, deren jedem ein Collector vorsteht. Zu der Besteue- rung einer Menge von steuerbaren Gegenständen griff man in den V. St. in Zeiten grofsen und raschen Geldbedarfs immer in erster Linie. Die Jahre des Bürgerkrieges sahen einige der grölsten und merkwür- digsten Versuche zur Entwickelung der inneren Besteuerung. Seit 1873 hat man die steuerbaren Gegenstände auf vier beschränkt: Brannt- wein, Tabak, Bier, Banken. Über den Betrug, der zm- Umgehung dieser Steuern ins Werk gesetzt wird, s. u. S. 633. Andere Einnahmquellen, wie der Verkauf öffentlicher Ländereien (s. o. S. 432), Patentgebühren u. dgl., fallen nicht mehr ins Gewicht neben Zöllen und Steuern. Im Finanzjahr 1890/91 wurden aus ZöUen 219,5, aus inneren Steuern 145,7, aus Landverkäufen 4, aus verschiedenen Quellen 23,4 MiU. D. eingenommen. Von den Ausgaben nahm die ÖffentHche Schuld durch Zinsen und Tilgung im gleichen Jahre mit 365 MiU. die erste SteUe ein. AuXserdem erscheinen 74,8 Mill. für Armee und Flotte, 8,5 für die Indianer, 124,4 für die Pensionen. Das Geld ') der V. St. ist auf die Einheit des DoUar (4,197 M.) gegründet. Der DoUar, die durch die Spanier überall in der Neuen Welt verbreitete Sübermünze (Peso), 1) Das Geld der V. St. drang früher nur spärlich bis an die Grenzen der •Civilisation vor und der Geldmangel führte zum Tauschhandel zurück. In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts war z. B. der Preis der Vermont Gazette »as far north as Branton« 4 Bushel Weizen jährlich, darüber hinaus je nach der Entfernung steigend, so dafs er in Jericho 8 Bushel be- trug. (F.Hudson, Journalism in America 1878. 431.) In Missouri verfügten anfangs der dreifsiger Jahre Richter die Zahlung von Geldstrafen in Bären- fett oder Honig, die beide ganz bestimmten Wert hatten. Feather- stonehaugh gibt folgende Zusammenstellung der Münze, die ein Ansiedler in Missouri 1834 als 50 D. für ein Pferd zahlte: »Um Weihnachten hat er 15 Gall. Bärenfett ä 1 D. und 12 Rehfelle zu 75 Cts. abzuliefern ; vorher mufs er mit einem Neger nach einem Orte gehen, wo im Frühling junge Pferde zur Weide getrieben wurden, die nun aufgesucht und heimgebracht werden sollen, und erhält dafür 1 D. den Tag. Was den Rest betrifft, »he is to get along with it somehow or other< (a. a. 0. I. 389). Mafse und Gewichte. 609 wurde 1792 als Münzeinheit erklärt und in 100 Cents geteilt; der Eagle (Adler) zu 10 D. wurde als Einheit des Goldgeldes aufgestellt. Nach dem Vorgange Englands wurde als Wertverhältnis von Gold zu Silber 15 zu 1 angenommen. Kleine Scheidemünze zu 1 und 2 Cts. war früher Kupfer, seit 1857 verfertigte man sie aus einer Kupfer- und Nickellegierung, 1864 setzte man Bronze- und 1865 Nickelmünzen zu 3 Cts. in Umlauf. Während des Bürgerkrieges wurden Massen von Papiergeld geschaffen, deren Einlösung in Gold nach harten Kämpfen am 1. Januar 1879 durchgeführt ward. Fast gleichzeitig wurde aber durch die Bland-Bill die Prägung von Silbergeld in grofsen jährlichen Beträgen verfügt und zur Doppelwährung übergegangen. Der Bericht des Schatzsekretärs für 1890 weist 680 Mill. Doli. Geld in Gold, 344 Mill. in Silber, 347 Mill. in Schatzanweisungen, 211 Mill. in Banknoten und 77 Mill. in Scheidemünze nach. Die Ordnung der Mafse und Gewichte ist ebenfalls dem Schatzamte zugewiesen. Die Verfassung ermächtigte den Kongrefs »to fix the Standard of Weights and Measures«, und Washington betonte in seinen Botschaften an die zwei ersten Kongresse die Wichtigkeit der Vereinheithchung der Mafse, Gewichte und Münzen. Da aber die Versuche, sich dem neuen französischen System anzuschhefsen, keinen Beifall fanden, hielt man an den von den kolonialen Zeiten her üb- lichen englischen Mafsen und Gewichten fest. Seit 1828 wurden die Gewichte in den Münzstätten nach einem »Standard Troy Pound« bestimmt, das man aus England bezogen hatte. Zugleich wurde als Längenmals auf einer 82 Zoll langen Troughton Scale der Raum zwi- schen dem 27. und 63. Zoll als Yard festgesetzt. Der Vergleich mit dem englischen Urmals ergab, dafs jenes bei 62" F. um 0,00083 Z. zu lang war. Als Hohlmafs blieben die englische Weingallone von 231 Kubikzoll und der Winchester Bushel von 2150,4 Kubikzoll stets in Gebrauch. Avoirdupoids - Gewicht ist das allgemeine Gewicht. 1 Pfd. = 16 Ounces zu 16 Drachmes. 2000 Pfd. ^ 20 Hundredweight ^ 1 Ton»). Für Gold, Silber und Edelsteine gilt Troy-Gewicht : 1 Pfd. = 12 Ounces. — Die Gallon ist die Einheit des Flüssigkeitsmafses. 1 Gall. = 4 Quarts 1) Es begreift die Ton noch wie in England 2240 Pfd. und der Centner 1 12 Pfd. überall bei Angabe von Warenpreisen und auch allgemein an vielen Plätzen des Südens und Westens, Philadelphia u. s. f. Eine Ton Heu = 100 Kubikfufs, IT. Holz = 40 Kubikfufs, 1 Register Ton = 100 Kubikfufs. Aber in der "Regel versteht man unter Ton 2000 Pfd. Sehr wechselnde Malse sind Bale für Baumwolle (333 bis 504 Pfd.) , Barrel als Hohlmafs für Mehl 196 Pfd., Reis 600 Pfd., Petroleum 40 Gall. , andere Flüssigkeiten 30 Gall. Quintal (span. Centner) = 101,4 engl. Pfd. Die Verhältnisse dieser Einheiten zu den unserigen siehe am Sclilufs des Vorwortes dieses Buches. Ratzel, Die V. St. von Amerika. 39 610 Mafse und Gewichte. Das Kriegsamt. = 8 Pints = 32 GiUs. 1 Hogshead (Oxhoft) = 286,2 Lit. — Für trockene Gegenstände ist die Einheit des Hohlmalses der Bushel. 1 Bushel = 4 Pecks = 32 Quarts = 64 Pints. Der Rauminhalt des Bushel ist 2150,4 Kubikzoll. — Das Längenmafs ist praktisch dasselbe wie das enghsche: 1 Statute Müe = 8 Furlongs = 1760 Yards = 5280 Feet. 6 Feet sind 1 Fathom, SV« Yards 1 Pole oder Rod. Aber durch einen Zufall ist das amerikanische Normalmals, das in London angefertigt wurde, sehr unbedeutend länger als das enghsche, dem es gleichen sollte. Der Unterschied ist praktisch unmerkHch, aber als Eigentümhchkeit des amerikanischen Fufses anerkannt. — Einheit des Flächenmaises ist der Acre. 640 Acres = 1 Square Mile oder 1 Section. 1866 erklärte der Kongreis die Verwendung der Malse und Ge- wichte nach metrischem System für gesetzlich zulässig und ermächtigte den Schatzsekretär, den einzelnen Staaten Urmalse und -gewichte zu hefern. Bei den bekannten Unterschieden, die aber damals verschie- dene metrische Urmalse aufwiesen, hatten sich die V. St. den Beschlüssen der Pariser Mals- und Gewichtskonferenzen von 1872 und 1889 an- zuschHelsen, dals die damaligen »Metres und Kilogrammes des Ai'chives« als Urmalse anzusehen seien. 1889 wurden deren Nachbildungen nach Washington übertragen, wo sie in den Räumen des U. S. Coast and Geodetic Survey aufbewahrt werden, der nun auch mit den Funktionen eines Obersten Aichamts betraut ist'). Über die Arbeiten des Coast Survey s. u. Kap. XXV. Merk- würdigerweise fällt auch die Verwaltung des Territoriums Alaska dem Schatzamte zu. Das Kriegsamt hat an seiner Spitze den »Secretary of War«, der in der Regel kein Mihtär ist. Der kommandierende General hat seinen Sitz in S. Louis. Von den Hauptstellen dieses Amtes sind von allge- meiner Bedeutung: Ordnance Bureau: Waffen und Munition; Engineers Office : Landesverteidigung, Fluls Verbesserungen, Mihtär- Akademie West Point; Surgeon Generals Office: Mihtär-Medizinalwesen. — Das Land ist in 8 Departments geteilt, die die Namen militärisch wichtiger Gebiete tragen: Arizona (Kommandantur Los Angeles); Kahfornien (San Francisco); Columbia (Vancouver Barracks); Dakota (St. Paul); Platte (Omaha); Texas (San Antonio); Missouri (Chicago); Osten (Go- vernors Island). Die Armee, die heute aus 25 Regimentern Infanterie, 10 Regi- mentern Reiterei, 5 Regimentern Artillerie und einem Ingenieur-Bataillon 1) Vgl. O. H. Tittmans Historical Account of U. S. Standards of Weights and Measures , Customary and Metrie , in Report U. S. Coast and Geodetic Survey f. 1890 (Washington 1892). Die Armee. 611 besteht, ist aus den 800 Mann hervorgegangen, die 1783 als Kern eines stehenden Heeres beibehalten worden waren. Sie zählte 1892 25000 Mann mit 2159 Offizieren. Bei der Notwendigkeit, beständig kleinere Abteilungen auch in den Küstenbefestigungen am Atlantischen Meere und dem Golfe, sowie in den Arsenalen, Kommandostellen u. dgl. des Inneren zu haben, genügt die jetzige Zahl nicht einmal zu einer wirk- samen Grenzbewachung und jeder Indianerkrieg liefert immer wieder den Beweis, dafs überm äfsig lange Zeit vergeht, bis man so viel Truppen beisammen hat als nötig ist, um einen kräftigen Schlag zu führen. Man rechnet auf die Heruntergekommenheit der Indianer und auf ihr allmähliches Zurückgehen an Zahl und räurahcher Ausbreitung und läfst sich durch kleine Striche durch diese Rechnung, die ein Modoc- oder Sioux-Krieg bringt, nicht irre machen. Wie schwer auch die Armee diese Stellung empfinden mag, die ihr die herkömmhche Eifer- sucht eines repubükanischen Volkes bereitet, und wie laut die Klagen so verdienter Männer wie Sherman's, auf die man in anderen Fragen mit der gespanntesten Aufmerksamkeit hören würde, auch seien, die Politiker und die Presse sind dem Gedanken einer erhebhchen Ver- mehrung des stehenden Heeres erst von dem Augenblicke an näher- getreten, wo blutige Strike-Aufstände die Unfähigkeit der Milizen zur raschen Bewältigung eines Angriffes oder Aufstandes klar erkennen liefsen. Ein Bericht über die 1882 endigenden drei Jahre gab für die Armee unter einer Gesamtzahl von 71015 47028 Amerikaner, 7927 Deutsche und 7991 Irländer. Zwei Regimenter bestehen aus Negern und mehrere Regimenter haben Indianer-Kompagnien bzw. -Batterien. Dieses stehende Heer ergänzt sich durch Werbung, was bei den gesell- schaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Union besagen will, dals es eine Mehrzahl von Taugenichtsen aufnimmt, von denen 10 bis 15 '7o jährhch desertieren. Der Soldat vom Offizier abwärts nimmt eine wenig geachtete Stellung ein und selbst auf die Offiziere, die grofsenteils guten Famihen entstammen und eine vorzügliche Bildung erhalten, fällt ein leiser Schatten dieser repubhkanischen Mifsachtung des Waff'enhandwerks. Man betrachtet das stehende Heer als eine unangenehme Notwendigkeit, und hat es in der That mit der Zeit fast zu nichts anderem als einer Indianerpolizei herabgedrückt. Und doch ist das Kriegsamt der V. St. zugleich eine Art Ministerium der öffentHchen Arbeiten. Hören wir General W. T. Sherman, der in einem Berichte vom September 1876 an den Secretary of War J. D. Cameron folgendes Bild von der Thätigkeit der Armee im Frieden entwirft: »Keine Ai'mee verrichtet mehr wirklich harte Ai-beit im Krieg wie die unsere im Frieden. Sie errichtet Forts und Wacht- häuser entlang unseren beständig wechselnden Grenzen, baut Strafsen von Hunderten und Tausenden von Meilen Länge, hat Transporte und 39* 612 I^iG Armee. Signal Service. Erforschungs-Expeditionen zu begleiten, die ihren Abteilungen Märsche von Tausenden von Meüen auferlegen. Dazu kommen noch besondere Gründe, von denen ich die folgenden nennen wül : Die Kriegsakademie zieht jederzeit 30 Offiziere aus den Regimentern; das Gesetz ermäch- tigt die Universitäten zu ebensoviel ; das Rekrutierungsgeschäft erfordert 40; daneben gibt es Kriegsgerichte, Erforschungs- und Vermessungs- Kommissionen, Kommissionen zur Prüfung neuer Waffen und Aus- rüstungsgegenstände, Centennial-Boards *) u. s. f. Gegenwärtig sind 335 Offiziere auf diese Weise fern von ihren Abteilungen und aufser- dem noch viel mehr, die Urlaub von ihren Vorgesetzten erhalten haben. Diese Regimenter sind in der Regel kompagnienweise in die Forts und gröfseren Plätze des Westens und Südens gelegt und auf diese Art so zersplittert, dafs an Übungen in gröfseren taktischen Körpern nicht gedacht werden kann. Die Kompagnien eines Regimentes kommen oft jahrelang nicht zusammen«*). Die Reiterei besteht aus 8 weifsen und zwei schwarzen Regimentern. Ein Teü der Mannschaft der Artil- lerie ist als Infanterie ausgebildet. Die übrigen Kompagnien sind in den Forts an den Grenzen verteilt. Von dem Ingenieur-Bataillon von etwa 350 Mann und 100 Offizieren sind 4 Kompagnien bei New York stationiert, wo sie aufser ihren technischen Dienstzweigen besonders das Torpedo wesen üben, während die 5. der Militärakademie von West Point zugeteilt ist. Von den Offizieren ist die Mehrzahl bei Hafen- und Flufsbauten, sowie bei Vermessungen beschäftigt. — Eine merk- würdige Spezialtruppe ist das Signalcorps, etwa 400 Mann stark, eine Art erweiterten Telegraphen-BataiUons, das im Bürgerkrieg behufs des Signaldienstes gebildet wurde und auch heute noch in Fort Wipple bei Washington in diesem wie im Telegraphendienst geübt wird. Die gröfste Zahl ist aber in den 147 meteorologischen Stationen des Landes verteilt, denen der Chef des Signalcorps als »Chief of the Signal De- partment« vorgesetzt ist, dem zu seiner Hilfe 18 Offiziere von der Armee beigegeben werden. Gegenwärtig bekleidet der bekannte Polarforscher, General Greely, dieses Amt. Die zufälHge Thatsache, dafs früher beim Mangel anderer zuverlässiger Beobachter die Offiziere, besonders bei den Grenzabteüungen die Witterungsbeobachtungen anstellten, bewirkte, dafs dieser hervorragend friedhche Beruf des Wetterbeobachters und des Wetterpropheten der Armee überwiesen blieb. Erst 1890 teilte es der Kongrefs als »Weather Bureau« dem Ackerbauamt zu. Die 1) Anspielung auf die Inanspruchnahme der Armee durch das im Jahr 1876 gefeierte Fest des 100 jährigen Bestandes der Union. 2) Im Sommer 1877 war z. B. das 3. Infanterie-Regiment längs der ganzen Kansas Pacific E. B. in der Weise verteilt, dafs die einzelnen Abtei- lungen oft mehr als 50 km von einander entfernt waren. Ähnlich stand das 1. Regiment in einem langen Cordon an der Nordgrenze. Die Armee. Das Marineamt. 613 Länge der Militär -Telegraphenlinien betrug Ende 1878 3200 engl. M. Gröfsere taktische Abteilungen, zu denen diese verschiedenen Truppen- gattungen zusammengefalst würden, gibt es bei ihrem zersphtternden Berufe und der aus demselben folgenden Verteilung nicht; doch sind sie in drei Territorial-Divisionen (Missouri, Atlantischer und Stiller Ocean) eingeordnet. Ihre Unterkunft findet die Armee der V. St. in 71 Forts und Küstenbefestigungen, 20 Barackenlagern und 6 Garni- sonen. Die Forts sind gröfsere oder kleinere Blockhäuser, fest genug gebaut, um etwaigen Angriffen der Indianer Trotz zu bieten. Von Militär - Bildungsanstalten sind die Müitary Academy in West Point, die Ingenieur-Schule in Willets Point und die ALrtillerie- Schule in Monroe zu nennen. West Point ist eine höhere Bildungs- anstalt, in der auf allgemeine Ausbildung und auf Unterricht in den Hilfswissenschaften der Kriegskunst das Hauptgewicht gelegt wird. »Der Kadett soll«, wie ein älterer Prüfungsbericht sich ausspricht, »so erzogen werden, dafs er Liebe und Geschmack gewinnt an allen freien Studien, und dafs ihn der Wunsch durchdringt, jeden Augenbhck der Mufse zu benützen für die Veredlung seines Geistes und die Verbrei- tung einer höheren Bildung.« Eine ganze Anzahl hervorragender Naturforscher, Ingenieure u. dgl. ist aus dieser Schule hervorgegangen. Der Bericht des Kriegsamtes gibt 1892 98 000 Mann der organi- sierten Mihz mit 8312 Offizieren und 7,7 Mill. Männer an, die als kriegsbrauchbar in den Listen geführt werden. Der Masse der Milizen, die sich lossagt vom stehenden Heere, fehlt militärischer Halt. Uniform und Bewaffnung sind ganz wülkürhch, die Offiziere, die von der Mann- schaft gewählt werden, ohne gründhche Autorität. Bei Volksunruhen, wie den Eisenbahnstrikes von 1877 in Pittsburg und Baltimore, haben sich die Mihzen mehrmals nicht zuverlässig gezeigt. Das Marineamt (Navy Department). An der Spitze dieses Amtes steht der »Secretary of the Navy«, der in der Regel kein Seemann ist. Die Hauptstellen sind ähnhch wie im Kriegsamt verteüt. Bemerkens- wert ist jedoch das »Bureau of Navigation« , unter welchem das Astronomische Observatorium von Washington, das Hydrographische Bureau, die Naval Academy (in Annapolis Md.) stehen und welchem die Lieferung von Karten und Chronometern, die Herausgabe des »Nautical Almanac« u. ähnl. obliegt. — Die Kriegsflotte der V. St. ist seit dem Bürgerkrieg, wo sie eine so hervorragende, ehrenvolle RoUe spielte, auffallend vernachlässigt worden. Seit einigen Jahren beginnt sich das zu ändern. 1892 zählte sie 66 Fahrzeuge von 13 500 T., 805 Geschützen und 12000 Mann*). Die Schiffe verteilen sich auf die 1) Auch die Flotte leidet unter der Abneigung der Amerikaner gegen Kriegsdienst. Als vor einigen Jahren der »Trenton« bemannt wurde, waren 614 Die Einzelstaaten. Hauptstationen Atlantischer Ocean und Stiller Ocean. Für Küsten- befestigung werden seit lange grolse Aufwendungen gemacht. Für die Befestigung von Boston allein sind 1889 77« Mill. D. bewilligt worden. Die Einzelstaaten. Zu den 13 alten Staaten, die die Un- abhängigkeits-Erklärung unterzeichnet hatten (die 4 Neueugland- Staaten Massachusetts, New Hampshire, Connecticut, Rhode Island, die 4 Mittelstaaten New York, New Jersey, Pennsylvanien, Delaware und die 5 Südstaaten Maryland, Virginia, Nord- Carolina, Süd- Carolina, Georgia) sind bis heute 31 weitere in dieser Reihen- folge gekommen: Vermont 1791, Kentucky 1792, Tennessee 1796, Ohio 1802, Louisiana 1812, Indiana 1816, Mississippi 1817, Illinois 1818, Alabama 1819, Maine and Missouri 1820, Michigan 1837, Florida und Texas 1845, Arkansas und Iowa 1846, Wisconsin 1848, Californien 1850, Minnesota und Kansas 1858, Oregon 1859, West- Virginien 1863, Nevada 1864, Nebraska 1868, Colorado 1877, Nord-Dakota 1889, Süd-Dakota 1889, Montana 1889, Washington 1889, Idaho 1890, Wyoming 1890. Dazu kommen als Territorien : Neu-Mexiko, Utah, Oklahoma, Arizona, ferner der District of Columbia und Alaska. Das Indianergebiet, aus dem das neue Territorium Oklahoma 1890 herausgeschnitten worden ist, unterscheidet sich von den andern durch den Mangel der sog. territorialen Organisation. Über die Flächenräume der Staaten S. 105, die Grenzen s. o. S. 51 f . , die Bevölkerungszahlen S. 301 f. Die Bevölkerungszahl der Staaten bestimmt die Gröfse der Repräsentation im Kongrels und bei den Präsidentenwahlen, also überhaupt ihren unmittelbaren politischen Einflufs. Daher die politische Bedeutung der Volks- zählung, deren Leitung wie eine politische Handlung von der Gegenpartei angefochten wird ^). Die Selbständigkeit der Einzelstaaten wird von vielen Be- obachtern über der imposanten GröIse der Union weniger beachtet als von 450 Leuten 33% Amerikaner und im Eest befanden sich 27 verschiedene Nationalitäten. 1) Auch dem Direktor des Censuswerkes von 1890 wurde wieder vor- geworfen, dafs er auf politische Gründe hin ernannt worden sei und in seinen Zahlen wollte man schwere Fehler entdecken. Vor allem befriedigt die Bevölkerungszunahme um 7 Mill. nicht diejenigen, die auf mindestens 9,5 Mill. gerechnet hatten. Selbständigkeit der Einzelstaaten. 6I5 sie verdient. Aber sie fühlen sich als ganz eigentümliche Mächte und in den altern wohnt ein starkes Gefühl ihrer geschichtlichen Gröfse. Die Eifersucht, mit der die Einzelstaaten dem Bunde so wenig Rechte me möglich abtreten wollten, hat in manchen Richtungen den nor- malen Ausbau der Bundesverfassung gehindert'). Diese eigene Art von Partikularismus hatte anfänglich nur einen doktrinären Charakter. Man begreift übrigens seine Existenz, wenn man erwägt die Gering- fügigkeit des damahgen interkolonialen Verkehres, die dünnen Be- völkerungen und die weiten Entfernungen. »Ich betrachte es fast als ein Wunder«, schrieb Washington, »die Abgesandten von so vielen Ge- meinwesen, die verschieden sind durch Sitten, Lage und Vorurteilen, sich vereinigen zu sehen zum Zwecke der Gründung einer nationalen Regierung« 2). An der Streitfrage, ob die 13 Kolonien bereits als souveräne Staaten den Bund schlössen, so dafs ihnen das Recht bleibt, ihn wie einen anderen Vertrag zwischen souveränen Staaten wieder zu lösen, entzündeten sich grofse Zwiste innerhalb der Union. Als tiefe Unterschiede der Interessen sich ausbildeten, gewann diese Auffassung in den wirtschafthchen Gegensätzen zwischen Norden und Süden eine breite thatsächliche Grundlage. Je rascher die Bevölkerung im Norden wuchs, desto stärker wurde der Wunsch, von ihr politischen Gebrauch zu machen, und daher die den Gegensatz zum Süden verschärfende Nei- gung des Nordens zur nationalen im Gegensatz zur Staaten-Souveränetät, die der Süden verfocht, der zugleich, in die Defensive gedrängt, die wörthche Auslegung der Verfassung streng vertrat. Der Süden vertrat die Sonderrechte, als er den Norden mit grofser Entschiedenheit sich in den Bundesgedanken vertiefen sah. Es ist kein Zweifel, dafs in den Nordamerikanern ein guter Teil von der individuahstischen und parti- kularistischen Anlage sich vorfindet, die allen Germanen eigen ist. Massachusetts, der. Puritanerstaat und Virginia, »The old Dominion« der Kavaliere, haben mehr als das, nämüch ein geschichtlich tief be- gründetes Nationalgefühl in ihren Bürgern entwickelt. Bis heute sind dies die Staaten von der ausgeprägtesten eigenartigsten Physiognomie. In abgeschwächter Form hat Ähnliches hervorgebracht in New York das seit Jahrzehnten herrschende Gefühl, der wirtschaftlich und poli- tisch führende Staat zu sein, in Süd-Carohna das auf die Spitze ge- triebene Sklavenbaronentum, in Kahfornien die räumliche Abgesondert- heit, die pacifischen Beziehungen, der Reichtum des Landes. Eine gewisse 1) Sparks, Works of Washington H. 243. 2) Einen Beweis, wie weit die Selbstständigkeitssucht der Staaten selbst im verletzlichsten Punkt, dem der materiellen Interessen, ging, gibt die eine Thatsache, dafs der Staat Pennsylvanien 1834 entgegen dem allgemeinen Ge- brauch das Gewicht einer Tonne auf 2000 statt 2240 Pfd. Avoirdupoids fest- setzte. (M. Chev. Lettres de l'Am. I. 133.) 616 Die Gruppen Hochschätzung des eigenen Staates findet man aber bei den Bürgern eines jeden einzelnen, sogar der minder begünstigten wie Floridas und Nebraskas, und es gehört zu den Lieblingsgesprächen nicht blols der gemeinen Leute, die Vorzüge ihrer Staaten gegenseitig anzupreisen, wobei es ohne ungeheuere Übertreibungen nicht leicht abgeht. Sie beruht indessen grolsenteils auf der Erwartung, dafs dieser gute, reiche Staat sich seinen Bürgern gegenüber recht freigebig an Gaben des Bodens, des Ackers u. s. w. erweisen werde. Thut er es nicht, so setzt der Bürger ohne Überwindung auf die Karte eines anderen. Leicht versteht man, dafs es ein wohlthuendes Gefühl ist, das sich sogar zu einer wärmeren Gemütssache auswachsen kann, sein Lebensgeschick mit dem eines so hoffnungsvollen und seinen Bewohnern gegenüber so freigebigen Landes wie z. B. Kalifornien zu verknüpfen. Hier kommt dazu die Eigenart der natürhchen Lage, des Khmas u. s. f. Wie wenig sonst natürliche Momente bei der Entwickelung derartiger Neigungen für »engere Vater- länder« ins Spiel gekommen, wurde früher hervorgehoben. Die Not- wendigkeit der Einheit steht aber diesen Gefühlen als eine gebieterische Forderung des Verstandes gegenüber. Die politischen Einrichtungen der Union sind so nur mit der Einzigkeit des Staates im heutigen Räume denkbar. Jede Losreifsung eines Theües würde durch Zollinien und Kriegsbudgets, die inneren Zustände umwälzen. Das Recht der Secession gilt seit 1865 als ganz ausgeschlossen. Am bekanntesten und öftesten angewandt ist die Unterscheidung zwischen Nord- und Südstaaten, die indessen seit der Aufhebung der Sklaverei, die den Hauptunterscheidungsgrund bildete, unsicher geworden ist. Mason and Dixons Line, einst zu friedlichen Zwecken, um langjährige Grenzstreitigkeiten beizulegen, von den gleich- namigen Geodäten 1763 zwischen Pennsylvanien und Maryland bestimmt, wurde der Ausdruck des feindsehgen Aneinandergrenzens der freien und Sklavenstaaten. Man nahm später den Potomac im Osten, den Ohio, der viel schärfer sonderte, im Westen als eine schematische Grenzlinie zwischen Süden und Norden. Erst s. von Maryland begann echt südHche Kultur. Von der tieferen Begründung der Unterschiede zwischen Nord und Süd im Klima ist oben gesprochen (Kap. V). Ihre geschichthche Entwickelung darf darüber nicht übersehen werden. Die Nord- und Südstaaten haben sich um Krystallisationskerne angesetzt, die 5 Breitegrade voneinander entfernt lagen. Port Royal, die Chesa- peake-Bay, die Kap Cod-Bucht: das waren 1620 die 300 M. voneinander entfernten Punkte, von denen die Kolonisation ausging. Selbstverständ- lich bildeten sich zwischen den Extremen Übergänge iieraus und so finden wir im Süden heute wie einst extrem südliche und vermittelnde Staaten, deren Entwickelung in den verkehrsärmeren Gebieten, wo ohnehin die Theorie der Selbständigkeit der Staaten als Wahrheit galt, der Einzelstaaten. 017 besonders günstige Bedingungen fand. Weit über den üblichen Partei- gegensatz hinaus reichten die Unterschiede der Auffassung der einzelnen Südstaaten von ihrer Stellung zur Konföderation, sowohl vor dem Bürgerkrieg als der Gegensatz zwischen den ruhigeren Mittel- und den extremen südlicheren Staaten hervortrat, als auch während des Krieges. Dem raschen Fortschreiten Süd-Carohnas und seiner Genossen in der Secession standen Kentucky, Termessee, Missouri, zuerst selbst Virginien und Nord-Carohna, erschrocken gegenüber; später suchten sie im Nor- den für ihre Sache zu werben. Maryland und Delaware standen ver- möge ihrer geographischen Lage auf der nördlichen Seite, auf die auch Kentucky bald übertrat. Auch West -Virginien stand stets den Ohio- staaten näher als der »Old Dominion«. Statt Südstaaten sagt man jetzt treffend oft Baumwollestaaten und versteht hierunter die Staaten von den Carolinas südwärts, also aulser diesen beiden Georgia, Alabama, Florida, Louisiana, Mississippi, Texas und Arkansas. Man fafst diesen durch klimatische Lage, Geschichte, einseitige und rückständige Wii't- schaft, starke Negerbevölkerung, schwachen Verkehr und niedriges Bildungsniveau ausgezeichneten Komplex auch als »SoHd South« zu- sammen. Die n. davon gelegenen früheren Sklavenstaaten kann man als die nördlichen Südstaaten oder Übergangsstaaten bezeichnen. Es sind: Maryland, Virginien, Nord - Carolina, Kentucky, Tennessee. Im Norden ist die Gruppierung der Neuengland-Staaten (Maine, New Hampshire, Vermont, Massachusetts, Connecticut, Rhode Island) lange als die berechtigtste, auch aus natürhchen und wirtschafthchen Gründen sehr wohl zu rechtfertigende erschienen; war doch auch hier die khmatische Lage und der Boden geeignet, verwandte Entwickelungen zu fördern. Nun haben aber die drei südlichen : Massachusetts, Connec- ticut und Rhode Island eine so kräftige industrielle Entwickelung mit starker Verdichtung der Bevölkerung und beträchthcher Einwanderung, besonders von Iren und französischen Kanadiern, hinter sich, dafs sie immer verwandter werden den industrie- und verkehrsreichen Atlanti- schen Mittelstaaten New York, New Jersey, Pennsylvanien und Delaware. Die drei Nördlichen Neuengland-Staaten treten aber durch die dünne, teilweise sogar im Rückgang befindhche Bevölkerung auf armem, gebirgigem Boden, der teilweise noch waldreich ist, immer weiter von diesem Gebiete dichtester Bevölkerung der Neuen Welt zu- rück ; ihnen ähnlich ist noch der nördhchste Abschnitt von New York zwischen Champlain- und Ontariosee. Auch unter den Staaten, die man einst als die Mittleren Staaten des Inneren unterschied, den Staaten, die um die Seen, den Ohio und im Mississippi-Becken hegen : Ohio, Indiana, Michigan, Ilhnois, Missouri, Iowa, Wisconsin, Minnesota, Kansas, Nebraska, Nord- und Süd-Dakota, den eigentlichen Ackerbau- staaten, der ^Lais- und Weizenregion, hat die wirtschaftliche Entwickelung 618 Gruppen der Einzelstaaten. begonnen, sondernd einzugreifen. Ohio mit seinen Kohlen-, Eisen- und Erdöllagern wird immer mehr Industriestaat und zeigt, wie auch In- diana, Illinois und das südhche Michigan, die Kennzeichen des höheren Alters in einer dichteren, langsamer wachsenden, städtereichen Be- völkerung. Diese vier Staaten zwischen den Alleghanies, dem Mississippi und Ohio können als der Alte Westen zusammengefafst werden, Wisconsin, Minnesota und Nord-Michigan, die holzreichen Staaten der grofsen Seeregion, mögen den Alten Nordwesten bilden. Auch weiter im Westen betont sich immer stärker ein khmatischer Unterschied zwischen nördhchen und südhchen Gebieten. Der zum Golf hin gravitierende Südwesten umschhelst die westlichen Süd- staaten Texas und Arkansas, zu denen auch Oklahoma zu rechnen ist. Neu-Mexiko wird bei fortschreitender Entwickelung sich ebenfalls zu- gesehen. Im Norden hat aber die Nordpacifik-Bahn die Augen geöffnet für die aufserordentlichen Vorteile der Staaten an der Nordgrenze über alles, was s. von ihnen liegt bis Texas. Es wird sich darauf einst eine noch viel grölsere Überlegenheit des Nordens über den Süden begrün- den als im Osten. Wir unterscheiden als die Nördlichen Steppen- staaten Iowa, Nebraska, Nord-Dakota von den Südlichen Steppen- staaten, die das westliche Missouri, Kansas, Süd -Dakota und das östhche Colorado umschhefsen. Entsprechend zerfallen die Gebirgs- staaten in die Nördlichen: Montana, Ost-Oregon, Idaho, Wyoming, West-Colorado, und die Südlichen Utah, Nevada, das westhche Neu- mexiko und Arizona. Der Erzreichtum ist beiden Gruppen gemein, die nördhche wird aber eine weite Verbreitung ackerbauender Be- völkerung erleben, während in der südhchen stets die Wüsten in weitester Ausdehnung fortbestehen werden, die Bevölkerung dünn sein wird, die Metalle die herrschenden Mächte sein werden. Für die Pacifischen Staaten bildet die Gemeinsamkeit des Angrenzens an das Grofse Meer ein so starkes Band, dafs die Unterschiede zwischen dem wohlbewässerten waldreichen Washington und dem wüstenhaften, oasenweise mit mittehneerischem Klima ausgestatteten Süd-Kahfornien nicht dagegen aufkommen werden. Nach der Zahl der Vertreter im Kongrefs, die zugleich ein all- gemeiner Ausdruck ihrer Bevölkerungszahl ist, ordnen sich diese Gruppen folgendermafsen : Mittlere Atlantische Staaten 70, Nördliche Südstaaten 56, Alter Westen 54, Südstaaten 49, Alter Nordwesten 25, Südhche Neuengland- Staaten 18, Südwesten 16, Nördhche Steppen- staaten 15, Nördliche Neuengland - Staaten 8, Pacifische Staaten 8, Südhche Steppenstaaten 8, Nördliche Gebirgsstaaten 3, Südhche Gebirgsstaaten 2. Die nördhchen Gruppen haben zusammen 201, die südhchen 131, die ö. vom Mississippi 280, die w. vom Missis- sippi 52. Geschichtliche Gruppen. ßl9 Bei so rascher Entwickelung auf so weitem Räume wachsen schon in kurzer Zeit die Unterschiede zwischen fortgeschritteneren und nachschreitenden Gebieten ins Grofse und viele Merkmale der einen und der anderen führen auf Altersunterschiede zurück, die natürlich Zeitunterschiede sind. In anderen Ländern sind die ethnischen Anlagen und die geschichtlichen Schicksale die Ursachen der Kulturunterschiede; hier kommt die Zeit fast allein in Betracht. Zwischen alt und jung, reif und weniger reif stufen sich die Kulturunterschiede ab. Die Einteilung aller Staaten nach dem Alter führt zu natürlichen Gruppen, wie sich schon in der Bevölkerungsdichte ausprägt. Die ältesten Gruppen sind die Staaten des Nordostens : Maine, New Hampshire, Vermont, Massa- chusetts, Connecticut, Rhode Island, New York, Pennsylvania und New Jersey, die aus 162 065 engl. Q.-M. 17 400000 E., also auf 5,4 % der Oberfläche 27 % der Bevölkerung aufweisen. Die zweite Gruppe bilden die alten Südstaaten: Delaware, Maryland, District of Columbia, Virginia, Nord-Carolina, Süd-Carolina, Georgia, die auf 189735 engl. Q.-M. 7 703 704 E., also auf 6,4 % der Oberfläche 12,3 % der Bevölkerung zählen. Gröf seren Dimensionen begegnen wir in der dritten Gruppe, die die Staaten des alten Westens umf afst : Ohio, Westvirginien, Indiana, Illinois, Michigan, Wisconsin, Minne- sota, Iowa, Missouri, die beiden Dakota, Nebraska, Kansas, die auf 758195 engl. Q.-M. 23125073 Einwohner, also auf 25 % des Bodens 37 % der Bevölkerung zählen. Den jungen Süden bildeten die erst im Lauf unseres Jahrhunderts erworbenen und besiedelten Staaten Florida, Kentucky, Tennessee, Alabama, Mississippi, Loui- siana, Arkansas, Texas, Oklahoma^), die auf 594 625 engl. Q.-M. 11302481 Einwohner zählen; also auf 21 % des Areals 18% der Bevölkerung. Das pacifische Gebiet setzt sich aus den drei Staaten Californien, Oregon und Washington zusammen, die auf 317 420 engl. Q.-M. 1 871 387 Einwohner, also auf ll^lo des Bodens 3 'I, der Bevölkerung besitzen. Und endlich umschliefst die jüngst be- siedelten Staaten das Hochland des Westens, wo Colorado, Wyoming, 1) Oklahoma, das 1890 mit dem Tscherokie und Niemands - Land 38830 engl. Q.-M. mit 61834 Einwohnern zählte, liegt geographisch isoUert in^dieser^Gruppe. » 620 Geschichtliche Gruppen. Montana, Idaho, Neu-Mexiko, Arizona, Utah, Nevada auf 858 130 engl. Q.-M. = 29% des Bodens 1156 226 Einwohner = 1,8% der Gesamtbevölkerung beherbergen. Als Äquivalent der nach Jahren rechnenden Zeit sehen wir die nach Kultmieistungen jeder Art rechnende Entwickelung sich politisch wirksam erweisen. Die 100 ersten Jahre der Geschichte der V. St. sind eine Geschichte der unaufhaltsamen Verlegung des Schwerpunktes des Landes nach Norden durch stärkeres Wachstum der Bevölkerung, raschere Ausbreitung, Bereicherung durch Handel und Gewerbe. J e f - ferson sah sie zu einer Zeit voraus (1784), in der Virginia noch die politische Leitung hatte. Was Niemand voraussehen konnte und auch heute noch nicht abmessen könnte, ist die hemmende \^^ii'kung der wachsenden Millionen von Negern auf die Entwickelung des Südens. Sicherlich wäre ohne sie der Süden nicht so weit zurückgeblieben. Man mufs fürchten, sie machen seine Schwäche zu einer dauernden Eigenschaft. Gleichzeitig mit dieser Verschiebung ging die äufserlich grofsartigere Verlegung nach Westen vor sich, die zwischen den Grofsen Seen und dem Ohio ein neues Machtzentrum geschaffen hat, dessen sichtbarer Ausdruck Chicago als zweitgröfste Stadt der Union ist. Sie bereitet das naturgemäfse Massenübergewicht des Inneren über das geschichtlich ältere Küstenland vor. In dieser grofsen Bewegung hat sich noch stärker als im Osten der alte Unterschied zwischen Nord und Süd ausgeprägt: der Südwesten ist weit hinter dem Nord- westen zurückgeblieben, und dieses klimatisch bedingte Übergewicht wird mit dem Vorrücken in die Steppe noch immer wachsen. Unter oceanischer Begünstigung werden die pacifischen und Golfstaaten sich über die nächstangrenzenden Binnenstaaten erheben und allem An- schein nach wird das nächste Jahrzehnt vor allem ein stärkeres Hervor- treten der westlichen Golf- und nördhchen pacifischen Küste erleben. Im Vorgefühl kommender Gröfse hegt ganz Nordamerika, besonders für Kalifornien, eine warme, fast zärtliche Neigung, sein Wachstum erweckt mehr Interesse als das Nebraskas oder Nevadas. Früher beherrschten die Interessen des Nordens auch den Westen, soweit er von den Nord- staaten aus besiedelt worden war und der weltgeschichtliche Prozefs zwischen den Nord- und Südstaaten fand bis zur blutigen Entscheidung den Westen bis Kalifornien auf der Seite des Nordens. Der Süden reichte ähnlich bis Texas. Seitdem haben die gemeinsamen Interessen des in beiden vorherrschenden Landbaues den Süden und Westen einander genähert und der Kampf der Farmers AUiance, die im 52. Kongrefs 8 Abgeordnete aus Kansas, Nebraska und Minnesota besitzt, gegen die Eisenbahnmonopole ist nirgends im Osten so lebhaft aufgenommen worden, wie in Georgia. Aber noch immer tritt der Gesetzgebung in den Einzelstaaten. 621 Süden im Kongrefs geschlossen auf, denn von Maryland bis Texas sind nahezu alle Südstaaten noch heute dui'ch Glieder der demokratischen Partei ganz gleichmälsig vertreten, wie keine andere Staatengruppe. Den Industrie- und städtereicheren Weststaaten gelingt ein so enger Zusammenschlufs der agrarischen Interessen schon nicht mehr, wo- gegen wir die Vertreter der Gebirgs- und pacifischen Staaten geschlos- sen in den Silber- und Chinesenfragen auftreten sahen. Der ältere Ausdruck »Kalifornische Staaten«, der auf das frühe Übergewicht KaU- forniens sich bezog, hat sich trotzdem nicht befestigt ; öfter findet man dagegen den Begriff Pacifische Staaten so weit ausgedehnt, dals er bis an die Westgrenzen von Neu-Mexiko, Colorado und Wyoming reicht. Gesetzgebung in den Einzelstaaten. Die Verfassungen der Staaten zeigen viel Übereinstimmendes, das in einzelnen geschicht- lichen Gruppen sich steigert, so wenn bis Florida und Tennessee das virginische und bis Kalifornien das neuengländische Muster herauszuerkennen ist. Man findet leicht, aus welchem Gebiete die einflufsreichen Ansiedler stammten, die die Verfassung eines neuen Gebietes bauten. Noch deutlicher ist aber der ausgleichende Einflufs des Verkehres und der Zeitungen zu erkennen, die selbst eigenartigste Einrichtungen, wie sie einst in Rhode Island oder Süd-Carolina bestanden, so lange benagen, bis sie gleich gemacht sind. Die Volksvertretung ist gegenwärtig in allen Staaten nach dem Zweikammersystem geordnet. Beide Kammern oder Häuser gehen aus Wahlen hervor, bei denen fast überall ein Census die passive, selten noch die aktive Wahlfälligkeit einschränkt. Die Se- natoren haben einen höheren Census und höhere Altersgrenze, werden von einem gröfseren Bezirke und für längere Zeit gewählt als die Glieder des Repräsentantenhauses. Die Gesamtheit der beiden Häuser heilst gewöhnlich Gesetzgebung (Legislatur). Die vollziehende Gewalt ist bei einem Governor; er wird von den Wählern unmittelbar gewählt, der »Council« oder die Minister (Secretaries) , die ihm zur Seite stehen, in der Regel von der Gesetzgebung. Nur den ersten Minister, den »Secretary of State« ernennt der Governor selbst. Die Befugnisse des Governors sind gegenüber der Gesetzgebung ähnlich abgegrenzt wie die des Präsi- denten gegenüber dem Kongrefs. Er hat das Suspensivveto gegen Gesetze, die aus ihr hervorgehen. Die richterliche Gew^alt steht gewöhnlicli bei einem Obergericht (Supreme Court, C. of Appeals), 622 Verwaltung der Einzelstaaten. dessen Mitglieder nach neuerem System von der Gesetzgebung oder durch allgemeine Volkswahlen gewählt werden. Gleichzeitig ist auch in vielen Staaten die Amtsdauer auf 5 bis 7 Jahre ver- kürzt worden. Die Kreis- (Circuit Courts) und Distriktsgerichte (C. of District) werden in der Regel zweimal des Jahres unter • Beiziehung von Ge- schworenen gehalten. Die unterste Instanz sind die Friedensrichter (Justice of Peace), die für kurze Termine gewählt sind. Das Recht, nach welchem gerichtet wird, ist das enghsche, das jedoch humani- sierend gemildert und vereinfacht ist. Es sind in dieser Richtung vorzüglich die berechtigtere Stellung der Frauen vor dem Gesetz, die Erleichterung der Ehescheidung, die Aufhebung der Todesstrafe in mehreren Staaten, dann die Kodifizierung des Rechtes hervorzuheben. Für aUe Staatenregierungen ist die Finanzfrage die wichtigste. Durch allzueifrige Förderung der öffentlichen Arbeiten haben sich fast alle Schuldenlasten aufgebürdet, die bei vielen, besonders im Süden, durch Diebereien noch vergröfsert wurden. In den reichsten und blühendsten Staaten sind die Schulden durchaus geringer als in den schlecht regierten Staaten des Südens. Am meisten verschuldet waren 1890 Vii'ginia, Louisiana, Tennessee, Maryland, New Hampshire, Arizona, und Nevada, am wenigsten Oregon, Nebraska, Iowa. Die reichen Weststaaten lUinois, Michigan, Iowa u. dgl. sind verhältnismäfsig unbedeutend verschuldet. Stark verschuldete Staaten haben ki'itische Zeiten wie nach 1873 benützt, um mit der »Repudiation« ihrer Schulden vorzugehen, über die unten in dem Abschnitt über Korruption noch einiges zu sagen sein wird. Von 1880 — 1890 ist die Verschuldung der Staaten von 290 auf 223 Mill. D. zurückgegangen. Für ihre Ein- nahmen sind die Staaten auf die von der Bundesregierung offen ge- lassenen Quellen verwiesen, d. h. vorwiegend auf die direkten Steuern. Die Verfassung untersagt den JEinzelstaaten die Erhebung von Aus- und Einfuhrzöllen und von Tonnengeldern, sowie die Geldprägung und Ausgabe von Papiergeld. Taucht eine neue Ausgabe auf, so wird eine neue Steuererhöhung für diesen Zweck gemacht, für die Unter- stützung einer Bahnhnie, für ein neues Staatshaus u. dgl. Von Körper- schaften sind besonders die Eisenbahn- und Versicherungsgesellschaften hoch besteuert. Für Schulzwecke werden überall aulser den Steuern erhebhche Einnahmen aus Schenkungen an Geld oder Hegenden Gütern (Schulländereien der Territorien) gezogen. Nächst den direkten Steuern sind die »Licenses« für Verkauf geistiger Getränke ergiebige Einnahme- quellen in vielen Staaten. Nur unbedeutend sind dagegen die aus öffenthchen Werken. Die Ausgaben richten sich vorwiegend auf die Erhaltung und den Ausbau der Verkehrswege und Brücken, öffent- Die Gemeinde. Town und County. 623 liehe Bauten, Irrenhäuser u. dgl., und nicht zum wenigsten auf Schuld- zinsen. Die Gemeinde. In Neu-England gab es innerhalb des Staates oder der Kolonie keine gröfsere Einheit als die Town oder Township, eine Vereinigung von ländlichen Siedelungen, die ursprünglich zur Verteidigung um ein gemeinsames Beratungs- haus, Kirche u. s. w. sich zusammenschlössen. Ihre Gröfse war durch das Bedürfnis der Insassen, in Zusammenkünften sich selbst zu regieren, beschränkt. In einigen Teilen von Neu-England ist bis auf den heutigen Tag die Town die politische Einheit, die einen Vertreter in die Gesetzgebung abordnet. In Virginien war dagegen die Grafschaft (County, in Louisiana Parish) die politische Einheit, die nach dem Muster der englischen ein gröfseres Gebiet umfafste und sich nicht durch alle Freien, sondern durch eine gewählte Versammlung verwaltete; frühe erlangten die an Boden und Sklaven reichsten Grundbesitzer die Leitung der Grafschaft, die einen aristokratischen Charakter annahmen, sowie die Towns einen demokratischen. Eben darum traten die Grafschaften viel weiter hinter der Kolonie und dem Staat zurück, während in Neu-England die Towns sich ein selbständigeres Leben erhielten. In den mittleren Staaten waren die Grafschaften das frühere, aber der überwiegende Einflufs Neu-Englands hat das Townsystem auch dort zur Geltung gelangen lassen, wo vorher die Grafschaften schon gebildet worden waren und ebenso hat das Townsystem seinen Weg nach Westen gemacht, wo die am meisten von Neu- Engländern beeinflufsten Staaten auch seine reinste Ausprägung zeigen, z. B. Michigan, während es allerdings in jedem Staat örtliche Unterschiede zeigt. Die Fläche einer Town geht selten über 12 qkm hinaus. Die kleinste Town von Massachusetts (Gosnold) zählt 152, die gröfste (Brockton) 13 608 Einwohner. Einer über eine gewisse Volkszahl hinausgewachsenen Town gibt der Staat ein Charter als City. Ihr Organ sind die Town Meetings (Gemeindeversammlungen), die von den Select Men ausgeschrieben und von einem Moderator geleitet werden, und an denen alle Bürger über 21 Jahre stimmfähig teilnehmen, die eine bestimmte Zeit im Staate, eine kürzere in der Town wohnen. Michigan verlangt 6 Monate Aufenthalt im Staat, 10 Tage in der Town. Die Select Men (Gemeinderäte) werden auf 1 Jahr in diesen Ver- 624 Die Grafschaften. Die Städte. Sammlungen gewählt. In den Städten teilen sie sich häufig in zwei Gruppen: Aldermen und Council, von denen die erstere mit engeren Vorschriften über Census , Ansässigkeitsdauer u. s. w. gewählt wird. Neben ihnen ist eine Anzahl von gewählten Beamten thätig. Ein Town Clerk führt die Protokolle, ein Assessor verteilt die Steuern, ein Treasurer verwaltet die Kasse, ein Surveyor sorgt für die Wege, die Overseers für die Armen, der School Board für die Schule, die Registers of Deeds (Hypothekenwesen) stehen unter einem Beamten u. s. f. Dieser Aufbau des Staates aus kleinen Selbstverwaltungsgebieten von grofser Selbständigkeit hat durch die politische Schulung der Bürger heilsam auf die Entwickelung der ganzen Union gewirkt. VorzügUch hat er den entscheidenden Einflufs Neu-Englands in der Geschichte der V. St. begründen helfen. Da aber die Town auf kleine Verhältnisse zugeschnitten war, hat sie unter dem Wachstum der Bevölkerung gehtten; die politischen Neigungen der alten Neu-Engländer wurden von den irländischen und canadischen Einwanderern selten geteilt; und so ist, wie einst die Stärke, so in den letzten zwei Jahrzehnten die Schwäche Neu-Englands aus den Towns hervorgegangen. Die nächsthöhere politische Zusammenfassung wird gebildet durch die Counties (Grafschaften), die mit eigenen Namen (Essex Cy., Jefferson Cy.) vom Anfang des Bestandes eines Staates ab abge- grenzt sind. Die Counties haben keine eigenen Vertretungen, die Wahlberechtigten wählen unmittelbar die Beamten, die für die Steuern, Strafsen, Armenhäuser, Gefängnisse etc. notwendig sind, ebenso die Sherifs (Friedensrichter), Coroners (Gerichtsärzte) und Constables (Polizei), die früher vom Governor ernannt wurden. Die Gröfse der Grafschaft schwankt schon in Neu-England, ebenso wie die Bevölkerung, und natürlich noch mehr in dem geräumigeren Süden und Westen. In Rhode Island ist die durchschnittliche Gröfse 560, in Massachusetts 2860, Yavapay Cy. in Arizona hat 86000 qkm. Die Städte (Cities) sind, wie in England, Korporationen, denen gegen bestimmte Leistungen durch staatlichen (königlichen) Freibrief (Charter) bestimmte Befugnisse beigemessen werden. In allem, was über diese Befugnisse hinausgeht, sind sie Teile des Staates wie jede andere Gemeinde. Sie sind in Wards (Stadtteile) zerlegt, die in den gröfseren 30000 und mehr Einwohner haben können. Jeder von diesen wählt jährhch einen bestimmten Anteil von den Mitgliedern der Räte (Aldermen), sowie den Major (Bürger- meister). Früher wälilten nur die Steuerzahler, jetzt ist eben so Politische Anlage. 625 allgemein das Wahlrecht an keine derartige Bedingung geknüpft und auf diese Art ist die Verwaltung gerade der gröfsten Städte in die Hände der Politiker gegeben. Von jenen ist keiner besoldet und keiner sollte an einträglichen Unternehmungen der Stadt teilnehmen. Wie in den Staaten geht auch in den Gemeinden die Tendenz dahin, den Major so machtlos wie möglich zu machen und dagegen der Masse der Wähler und dem Stadtrat die aus- gedehntesten Rechte zu geben. Im Einzelnen finden sich Ab- weichungen von dieser Form der Stadtverwaltung, wie denn an manchen Orten die Aldermen aus mittelbarer Wahl eine& Gemeinde- ausschusses hervorgehen u. dgl. ; im Ganzen wiederholen sich aber die ebengenannten Einrichtungen überall, gerade wie die Staatseinrichtungen. Die finanzielle Seite der Gemeinde- und vor allem der Städte- verwaltungen ist von hoher Bedeutung für das ganze öffentliche politische wie wirtschaftliche Leben der V. St. Man hat den Betrag der Kommunalschulden der V. St. auf mehr als die Hälfte des Betrages der Staatsschuld, auf 1100 Mill. D., geschätzt. Die Unterstützung der Eisenbahnen, die man heranzieht, um die Stadt zu heben, hat viel dazu beigetragen, die städtischen Ausgaben so sehr anschwellen zu lassen. Überall sind es die Gemeindesteuern, die am meisten die Steuerkraft des Volkes in Anspruch nehmen. Allerdings ist an und für sich der Haushalt einer nordamerikanischen Stadt sehr kostspielig. Es wird in grofsartigerem Mafse gewirt- schaftet und die Schaffung grofser Einrichtungen von öffentlichem Nutzen ist in so jungen, raschwachsenden Gemeinwesen natürlich nur mit grofsen Opfern möglich. Aber unter den politisch korrum- pierten Städteverwaltungen werden manche Werke nur geschaffen, um die Väter der Stadt zu bereichern. Über Anlage, Bau und Gesundheit der Städte s. Kap. XIII. Politische Anlage. Der Nordamerikaner ist ein politisches Wesen. Öffentliche Angelegenheiten erfüllen seine Seele. Die amerikanische Litteratur hat bis jetzt keine über der Erde schwebende Geister hervorgebracht. Lyriker, Ästhetiker, Mystiker haben alle politisch gesungen, geredet, gewirkt. Die natürliche Anlage für Politik, die einen Freistaat von so gewaltigen Dimensionen möglich Ratzel, Die V. St. von Amerika. 40 626 Selbstverwaltung. macht und die gröTste Wirksamkeit in der Herausbildung eines entsprechend grolsen und einheitiichen Volkes übt (s. o. S. 83 f.) ist nicht blofs Erbteil des angelsächsischen Stammes. Das koloniale Leben hat hierin, wie in anderen Beziehungen, schulend gewirkt. Die Selbstverwaltung ist in den Keimen aus England und Schott- land mit herübergebracht, hat sich aber viel freier in dem jungen Boden entfaltet. Das Streben nach individueller Freiheit und besonders auch Gewissensfreiheit schwellte die Segel so manches Auswandererschiffleins auch aus Deutschland, Irland und Frank- reich. Der freie Raum war dem freien Sinne günstig : In Kolonien muls das Individuum wieder selbständiger werden, ähnlich wie es im Anfange jeder menschlichen Kultur ist ^). Diese selbe Frei- heit, die Viele zugleich ergreifen, schafft dadurch die Gleichheit. Junge Gesellschaften sind ihrem Wesen nach demokratisch. Wie bezeichnend, dafs schon vor der Revolution fast überall das englische Erbrecht, das den Besitz zu Gunsten eines Erben zu- sammenhält, aufgegeben war. Aber diese amerikanische Gleichheit ist etwas ganz anderes als die französische Egalite. Dem Nord- amerikaner sagt ein Aufgeben der Rechte des Individuums zu Gunsten seiner Nebenmenschen nicht zu. Er ist streng individu- ahstisch gesinnt. Die Gleichheit besteht für ihn darin, dafs jedem in seiner Sphäre das gleiche Mafs von Freiheit und Selbständig- keit zugestanden wird. Er mag sich im Übrigen entwickeln wie er will. Eine stillschweigende Übereinkunft läi'st die gröfste Scho- nung und Rücksicht den Schranken angedeihen, die der Einzelne um sich aufrichtet. Es spricht sich darin die politisch hoch- wertvolle Achtung vor dem Rechte Anderer und vor dem Ge- setze aus, die in dem wildbewegten Treiben dieses Volkes oft von Willkürlichkeiten durchbrochen worden ist, aber noch immer den Sieg behielt und in vielen Gemütern ein starkes, wirksames Leben hat. Die Herabdrückung Aller auf Ein Niveau ist eine spätere Im- portation und vor allem ist die politische Gleichberechtigung Aller ohne Rücksicht auf ihre Leistungen ein mehr französischer als ameri- kanischer Grundsatz, der in Form des allgemeinen Wahlrechts die schwersten Probleme des Staatslebens, die Frage der politischen Rechte 1) W. Röscher, Kolonien 1856 S. 79. Gleichheit und Ordnung. 627 der Neueingewanderten und der Neger erst geschaffen hat. Die Folgen sind für das wahre Wesen des Freistaates bisher verderbMch gewesen. Die Aufgabe, hervorragende Staatsmänner an die Spitze zu bringen, bietet immer grölsere Schwierigkeiten. Dazu kommt das alte Übel der Freistaaten, die politische Undankbarkeit, das Beiseite werfen, die rasche Ab- und Ausnutzung der besten Kräfte. Heute sind diese Bei- spiele vielleicht nur darum seltener geworden, weil die Uneigennützigen sich in der Mehrzahl fern halten von den öffenthchen Angelegenheiten. Aber noch vor 40 Jahren gewann man den Eindruck, dafs die Ameri- kaner ihre Privatdiener mit viel gröfserer Rücksicht behandelten als einige ihrer bedeutendsten öffenthchen Diener, denen man so oft wie möglich zu verstehen gab, dafs sie nichts Besseres als jeder andere Bürger und vom guten Willen des Volkes abhängig seien. Als Prä- sident Monroe seinen eigenen Besitz im Dienste des Landes verausgabt hatte, mufste er bittend vor dem Kongrefs erscheinen; Präsident Jefferson hatte in seinem Alter die Legislatur um die Vergünstigung zu bitten, seine Güter verlosen zu dürfen; GaUatin würde in Armut verfallen sein, wenn ihm nicht seine Freunde eine BankdirektorsteUe angeboten haben würden, und General Harrison, der Besieger der Engländer und der Indianer, der Held von Tippecanoe, mufste als Greis eine Stehe als Clerk im Court of Common Pleas zu Cincinnati annehmen. Die Unlust, die Überlegenheit bedeutender Menschen anzuerkennen, rächt sich durch den Betrug des Volkes und den Dieb- stahl derselben Rechte, auf welche es so eifersüchtig zu sein pflegte. Durch diese Auswüchse hindurch und zum Teil noch sie stützend, wird der Ordnungssinn der Nordamerikaner und die Fähigkeit zu gehorchen, pohtisch wirksam. Sie scheint dem Selbständigkeitssinn zu wider- sprechen, aber sie begreift sich aus dem grofsen praktischen Verstände, der unter diesem Volke sehr weit verbreitet ist und der Jedwedem ein so bestimmtes Urteil über das eingibt, was er thun und lassen soll, dafs Schwanken und Widersprüche selten aufkommen. Die Massen be- sitzen eine wunderbare Organisationsfähigkeit. Man sieht mit Staunen die freiwillige Unterordnung unter die Handhaber materieller Ordnungen, als da sind Schiffskapitäne, Zugführer, Kutscher, Wirte u. dgl. Ich habe nie geduldigere Menschen gesehen als die Amerikaner. (P. Lindau.) Es ist etwas Instinktives darin : Diese Leute sind notwendig, man muXs sich ihnen fügen, und das geschieht mit einem hohen Mafse von Ver- trauen in die Richtigkeit dessen, was sie thun. Man vertraut sich ihnen an wie einer Maschine, von der bestimmte Leistungen mit einiger Sicherheit erwartet werden können, und die man so wenig wie möglich in ihren geordneten Verrichtungen stören darf. Es Hegt hier ein tiefer Zug des amerikanischen Charakters. Die ruhige, gleichmäfsige Pflichterfüllung, die dem maschinenmäfsig Sicheren in 40* 628 Die politischen" Parteien. allen Bewegungen zu Grunde liegt, würde nicht möglich sein ohne das Gefühl des Vertrauens, mit dem Einer an die Leistung des Anderen herantritt. Es wird ohne weiteres verlangt und gegeben. Auf diese Weise wird die allgemeine Erfahrung zur Lebensregel, dafs man einem Manne, der seine Sache versteht, nicht dreinreden soll. Dasselbe wunderbare Talent des Amerikaners zur raschen Organisation einer Masse, das 1000 neuigkeitsgierige Menschen an einem Post- oder Zeitungsschalter sich in Reih und Glied stellen und geduldig warten lälst, bis die Reihe an jeden kommt, lälst auch jede Bande tm-bu- lenter Goldgräber oder Waldläufer im Moment einer gemeinsamen Niederlassung sofort zu einer kleinen Republik krystallisieren. Jeder fühlt sich in solchen Fällen gegen die Gesamtheit gleich verpflichtet. Jeder fühlt sich als Glied eines Organismus und sucht vieles zu unterlassen, was ihn aus dem Rahmen einer solchen Einghederung herausrücken könnte. Setzen wii' hinzu, dafs in dem Charakter des Amerikaners Ruhe und Stetigkeit vorwiegen, die nicht leicht zu leiden- schaftlichen Überstürzungen die Hand bieten, dafs ein guter Teil kon- servativer Neigungen noch vorhanden ist, die alle Gleichmacherei überdauern, dafs seinem Verstände die praktischen Erwägungen näher hegen als die philosophischen Gedankenflüge, ohne dafs er doch allgemeinen Ideen so schwer zugänghch wäre wie etwa der des Eng- länders, dafs er opferfähig für Zwecke der Allgemeinheit ist, dafs er mit seinen Meinungen nicht hinter dem Berge hält und dafs Beredsam- keit bei ihm eine weitverbreitete Gabe, so erhalten wir den Eindruck eines für das politische Leben reich ausgestatteten Volkes. Welchen Gebrauch macht es von diesen Gaben? Die Parteien gehören zu den Institutionen der Demokratie, in ihnen sammeln und äufsern sich die Ansichten über die Re- gierung und aus ihnen gehen neue Regierungen hervor. Der Präsident gehört der Mehrheitspartei und so auch der Sprecher des Repräsentantenhauses, der seiner Partei die Mehrheit in allen wichtigen Kommissionen gibt, deren Vorsitzende er aus ihr bestimmt, und ebenso ist endlich der Senatspräsident Parteimann. Wie ein- seitig daher selbst in Lebensfragen die Verhandlungen geführt werden , zeigt die Mc. Kinley-Bill , die am 26. September ins Re- präsentantenhaus kam, und anfangs Oktober in Wirksamkeit trat. Sie mufste vor der Wahl eines neuen Hauses (am 4. November) Gesetz sein. Diese Parteien äufsern nicht blofs Meinungen. Das Ziel jeder Partei ist, an die Regierung zu gelangen. Es gibt daher in der Regel nur zwei grofse Parteien : eine regierende und Die Wahlen. 629 eine, die Widerpart hält. Zeitweilig gibt es Mittelparteien, aber sie verschmolzen sich bisher immer wieder mit den Hauptparteien. Auf diese Art kann keine eine dauernde Überlegenheit bewahren. Auch der Anspruch der republikanischen »the Party of intellectual culture« zu sein, ist längst aufgegeben. In den ersten Jahrzehnten der Republik kämpften Föderalisten und Republikaner um den Einflufs. Der Gegensatz zwischen Süd und Nord gab diesen Formen neuen Inhalt : Demokraten und Republikaner. Aus demselben G egensatz gingen die sklavereifeindlichen Freesoilers und die fremdenfeindlichen Knownothings hervor. Neuere Ansätze sind die In depen deuten, die auf innere Reformen hin- arbeiten, die Farmer (Grangers) und die Arbeiter, die Interessen- parteien gegründet haben, von denen die Farmers Alliance im Re- präsententenhaus des gegenwärtigen (LH.) Kongresses mit 8 Mit- gliedern, die der Arbeiter aber noch gar nicht selbständig ver- treten ist; die Zahl der Demokraten beträgt in ihm 236, die der Republikaner 88. Im Senat desselben Kongresses sind die Demo- kraten mit 37, die Republikaner mit 47, die Farmers Alliance mit 2 vertreten. Bei der Wahl der Repräsentanten des LH. Kongresses erhielten die Demokraten 5042140, die Republikaner 4 282 922, die Farmers Alliance oder Volkspartei 230 343 für sich und 97 150 in Verbindung mit den Demokraten, die Prohibitionisten 198 880, die Unabhängigen 15 323 , die Arbeiterpartei 31 288 Stimmen , in denen zugleich 5998 Stimmen der Sozialisten von New York sich befinden. Die politischen Wahlen bilden den greisen Kampfplatz der Par- teien. Durch die Wahlen gelangen die Politiker in den Besitz jener Amter, in deren Ausbeutung der Lohn für die politischen Anstren- gungen und Opfer gesucht wird. Es handelt sich nicht blols um mora- lische Anstrengungen , sondern die Leute , die zu einer Stellung im Staate gelangen wollen, haben immer auch materielle Opfer zu bringen, die sich zu Millionen steigern können. Der .berühmte Grundsatz von der »Rotation der Ämter« ist unter die politischen Glaubensartikel aufgenommen und einer Partei, die in den Wahlkampf eintreten woUte, ohne ihren Anhängern die Beute, d. h. die Stellen zu ver- sprechen, die jetzt noch von ihren politischen Gegnern eingenommen werden, würde der Mifserfolg gewils sein. Die Aussicht auf den Sieg würde z. B. so gering sein bei einer ehrlichen Partei, die die Ab- 630 Die Wahlen. Schaffung des beständigen Wechsels der Beamten, wenigstens für die Bundesämter durchführen möchte, dafs man eine solche Reform jetzt noch für ganz unmögUch hält. Der Scharfsinn, dm-ch den die Nord- amerikaner auf industriellem Gebiete eines der erfindungsreichsten Völker geworden, zeigt sich auch bei den Wahlen in glänzenden Lei- stungen*). Eine Wahl zu machen ist für einen Politiker ebenso ein Geschäft, das alle Fähigkeiten in Bewegung setzt, wie ein Brücken- oder Eisenbahnbau. Und der Pohtiker, in drei Viertel der Fälle Advokat oder Zeitungsschreiber'), ist in seiner Art ebenso Fachmann wie der Ingenieur oder sonst ein Industrieller. Er macht Entwürfe, steht Kostenanschläge auf, hält sich einen Stab von Gehilfen lioher und niedriger Gattung, beherrscht (controls) so und so viel Tages- blätter, zieht Weiber und Geisthche in sein Interesse, die zu den wichtigsten Triebfedern der amerikanischen Poütik gehören, reist im Lande umher und läfst reisen u. s. f. Dafs diesem seltsamen Hand- werk eine eigene Sprache nicht fehlt, versteht sich, und dieselbe ist nicht ohne Geist erfunden und hat einen pikanten Zug von Selbstii'onie. Besonders in den Jahren der Präsidentschaftscampagne syid die Bande der Ordnung gelöst. Verwirrung, natürliche und beabsichtigte, durch- zieht das Land. Selbst die auswärtige Pohtik fühlt die Erschütterung. Diese Pohtiker entfremden die Wahlen ihrem eigenthchen Zwecke ; sie werden von ihnen nicht gemacht, um der Stimmung und Ansicht des Volkes Ausdruck zu geben, sondern um einer Pai'tei zum Siege zu verhelfen. Daher die starke Strömung, womöghch alle Ämter des Bundes, der Staaten, der Gemeinden zu Wahlämtern zu machen, um die Parteiherrschaft möghchst weit auszudehnen, ferner so viele Er- wählungen als möghch mit einem einzigen Wahlakt durchzuführen, um die Parteikraft und die Mittel nicht in kleinen Aktionen zu ver- geuden, und endlich die Massen des Volkes ohne Unterschied schran- kenlos wahlberechtigt zu machen, um mit imposanten Herden willen- losen Stimmviehs an der Urne auftreten zu können. Stimmenfälschung und Bestechung spielen eine grofse RoUe in diesen politischen Feld- zügen^). Es gehört ferner dazu der Gehorsam gegen den Leiter der 1) Die Wahlgeometrie, eine alle 10 Jahre wiederkehrende Nothwendig- keit bei einer rasch zunehmenden Bevölkerung, die nicht proportional ihrer Zahl vertreten ist, scheint eine amerikanische Erfindung zu sein. Sie trägt den Namen »Gerrymandering« nach Gerry, der sie im Parteiinteresse in Massachusetts vorzüglich zu handhaben wufste. 2) Im LII. Kongrefs sind 70*^/ o der Senatoren und 59*^/0 der Kongrefs- männer Advokaten. 3) F. Kapp sagt z. B. von der Stimmenfälschung: »Die New Yorker demokratischen Politiker haben sie zu einem Industriezweige, zu einem zahlen- den Geschäfte ausgebildet, zum Rang einer Wissenschaft erhoben ; sie haben Die Präsidentenwahl. 631 Partei und die fast autokratische Stellung der Parteiführer, überhaupt die ParteidiszipHn , die bei den Wahlen unfehlbar wie ein Feldherr auf seine Truppen zählen will. — Am stärksten kommt das alles bei dem entscheidungs vollsten Wahlkampf zum Ausdruck, der Präsidenten- wahl, die für 4 Jahre über die Regierung des Landes entscheidet und bei welcher Tausende von Kampfpreisen, von den Botschafterposten bei den europäischen Höfen bis zu Post- und Zolldienerstellen an die Sieger verteilt werden. Die handwerksmäfsigen PoHtiker haben es dahin gebracht, die ganze Zahl der Präsidentenwähler durch das ganze Volk eines Staates vermittelst eines einzigen allgemeinen Stimm- zettels wählen zu lassen Dies erlaubt eine leichtere Beeinflulsung der Massen, denen es gröfseres Gewicht gibt und befähigt besonders ihre Sammelpunkte, die grofsen Städte, die Politik für den ganzen übrigen Staat zu machen. Eine Mehrheit von ein paar Hundert Stimmen dm'ch Fälschung der Stunmzettel zu erzeugen oder wegzuschaffen, er- scheint bei diesem System sehr verlockend. Das ungesunde Über- gewicht weniger grolser Staaten wie New Yorks, Pennsylvanias, Ohios, Illinois, mit ihren grofsen Städten in den Präsidentenwahlen, deren 20 bis 36 Stimmen fast ungeteilt auf Eine Seite fallen, ist ein Ausfluls dieser Wahlmethode. 1856 gab der Ausfall der Staatswahlen in Penn- sylvanien den Ausschlag für die Präsidentenwahl in der ganzen Union. Pennsylvanien wählte nach alter Sitte seine Staatsbeamten kurz vor dem Termin für die Präsidentenwahl, deren Ausgang man nach dem Ausfall dieser Wahl bemafs. »Die fast unzweifelhafte Gewifsheit, dafs Pennsylvaniens 28 Stimmen für Buchanan faUen würden, hatte eine solche Wirkung auf das hocherregte und allen Eindrücken offene Volk, auf die Befürchtungen der einen und die Hoffnungen der an- die politische Arithmetik in ihren Dienst genommen, um ihre Gegner un- schädlich zu machen, sie füttern ganze Banden verschmitzter und gewissen- loser Werkzeuge auf Tagelohn, um sich im Besitz der Herrschaft zu behaup- ten. Bei der Präsidentenwahl des Jahres 1868 wurde gerichtlich bewiesen, dafs auf dem Falschenstimmen-Markte von New York der Engros-Preis einer Stimme 2 D. und der Detail-Preis 2V2 bis 3 D. betrüge . Er sagt weiterhin, dafs bei der ebengenannten Wahl im Staate New York 50 000 falsche und in der Stadt New York 8^/0 mehr Stimmen abgegeben wurden als Wähler darin waren. Die Mittel zu diesen Betrügereien finden die Politiker in Fäl- schung der Wählerlisten, Stimmabgabe derselben Individuen an mehreren Wahlplätzen, ungesetzlicher Naturalisation von Leuten, die sich zu Stimmvieh eignen u. s. w. (Aus und über Amerika 1877 11. 27 f.) Im wilden Westen und Süden geht man noch nicht einmal so fein vor. Dort brechen berittene und bewaffnete Banden ein und besetzen die Wahllokale, um blofs ihre Freunde wählen zu lassen, ganze Wahlurnen mit ihrem Inhalt werden ent- wendet. Vgl. o. S. 284 das über die Stimmlosmachung der Neger Gesagte. 632 Die Wahlen und die deren Seite und auf die Unsicheren und Anlehnungsbedürftigen im ganzen Lande, dals die Wahl in den anderen 30 Staaten im Kern der Sache aufgegeben wurde« ^). Auf diese Weise beschränkt sich die Entscheidung bei der Erwählung des Präsidenten, statt eine so weit und gleichmäfsig wie möglich über das Land verbreitete zu sein, auf eine kleine Anzahl von Mittelpunkten. »Aus einer Aktiengesellschaft, in der jeder Aktienbesitzer eine Stimme hat, ist diese Wahl zu einer Lotterie geworden, wo einige grofse Gewinne das ganze Geschäft bestimmen und absorbieren«. Bei den letzten Präsidentenwahlen wurde der Ausspruch gehört, die Entscheidung liege »in einem Kreis, dessen Radius 10 Meilen von dem Stadthaus von New York abstehe«*). Das ist eine der Wahrheit ziemhch nahe kommende journalistische Trope. Dafs mit einem solchen Mifsbrauche nicht aufgeräumt wird, dessen üble Folgen und praktische und logische Unberechtigtheit klar vor Augen Hegen, wii*d damit erklärt, dafs die Fachpolitiker zu stark sind, als dafs eine solche Mafsregel gegen sie durchgesetzt werden könnte. Wie bei der Frage der Entwaffnung weigert sich Jeder, den Anfang zu machen. In dem Geiste selbst besonnener Politiker hat deshalb der Gedanke Raum gewonnen, das bisherige Wahlsystem überhaupt fallen zu lassen und an seine Stelle die dii'ekte Wahl des Präsidenten dm'ch das Volk zu setzen ; mehrmals sind darauf Anträge im Kongreis gestellt worden. In den Einzelstaaten hängt die Wahl in die Legislatur zunächst von der erfolgreichen Führung der Wahlversammlungen ab. Das Ziel der Politiker ist, jedes mögliche Amt zu einem Wahlamt zu machen und dann die Ämter wieder zum Stimmenkauf zu benützen. Da die Politik als Handwerk getrieben wird, ist nur die kleine Zahl der mit ihr sich Befassenden für sie verantwortlich zu machen. Die Politiker sprechen nirgends weniger die sog. öffentlicbe Meinung aus. In dem ent- scheidenden Staat New York enthielten sich bei wichtigen Staatswahlen im November 1891 31 Vo der Abstimmung. Der Governor, der hemmend in den falschen Gang der Maschine eingreifen könnte, ist in vielen Staaten nur noch das Organ für die Ausführung der Beschlüsse der gesetzgebenden Körperschaften. Es liegt also die letzte Entscheidung bei diesen, die Bagehot charakterisiert als »gierig und habsüchtig, geneigt so viel zu erwerben wie möghch und so wenig zu geben wie 1) Richard H. Dana a. a. 0. I. 5. 2) Diese Rolle der grofsen Staaten wirkte ungünstig auf sie selbst zu- rück, ihre eigenen Angelegenheiten werden vernachlässigt. Es wird geklagt, dafs in einem grofsen Staate wie Pennsylvanien seit 20 Jahren die Fragen des Bundes, besonders die Zollfragen, die ganze Politik des Staates, sehr zu dessen Nachteil, ins Schlepptau genommen hätten. politische Korruption. 633 möglich. Die Leidenschaften ihrer Glieder beherrschen sie ; die gesetz- geberische Macht, die umfassendste aller Herrschermächte, ist ihr Werk- zeug; sie eignet sich die Verwaltung an, wo immer sie es vermag*)«. Mächtig greift die politische Korruption unter solchen Verhält- nissen um sich. Sie ist ihrem Wesen nach proteusartig und allgegen- wärtig. An sich schon verdirbt die Ämterjagd die Charaktere. Das Amt, das für kurze Zeit verliehen wird, mufs ausgebeutet werden. Welche zerrüttende Unsicherheit ! Welche Verführung zur Anwendung schlechter Mittel \^) Dies ist eine Quelle der Korruption. In der Tiefe hängt innig mit ihr zusammen eine zweite deren Dasein nur möglich ist unter der Voraussetzung, dals die Beamten gerade so schlecht sind, wie sie unter dem Systeme der Rotation der Ämter sein müssen. Es ist der Dieb- stahl und Betrug an Staats- und Gemeindegeldern. Es bilden sich zu diesem Zwecke grofse Verschwörungen, Ringe, die oft Tausende in ihr Interesse zu ziehen wissen. Der Whiskey-Krieg von 1875/76 zeigte die Macht solcher Ringe in ihrer ganzen Furchtbarkeit. Er brachte 1) Cit. bei G. Bradford, The Charter of the City of Boston 1876. 7. 2) Wir entnehmen dem deutsch-amerikanischen Volksblatt von Cin- cinnati (Juni 1879) folgende drastisch-wahre Schilderung der Schicksale eines Ämter Jägers : Wird er nicht erwählt, so ist all das schöne Geld hinausgeworfen und er kann von Glück sagen, wenn er sich nicht vollständig ruiniert hat. Selbst im besten Falle hat er oft lange an den Folgen der erlittenen Verluste zu leiden. Wird er erwählt, so beginnen die Verluste aufs Neue. Sein Ge- halt oder seine Gebühren entschädigen ihn nicht für die Kosten seiner Er- wählung. Dazu kommt, dafs er als Amtsinhaber nicht allein für Parteizwecke, sondern auch für alle möglichen wohlthätigen und gemeinnützigen Zwecke gebrandschatzt wird. Die Prominenz seiner Stellung richtet die Blicke aller Bettelexpeditionen auf ihn. Hat er während des Wahlkampfes Schulden ge- macht, so mufs er sie ebenfalls aus seinen Amtseinnahmen zu decken suchen. Und leben will er auch. Auch mufs er fortfahren ein »good fellow« zu sein, wenn er sich für die Zukunft nicht unmöglich machen will. Denn wer ein- mal an dem Ämterkelch genippt hat, der wird gewöhnlich im Leben nicht mehr satt davon. Das Schlimmste aber ist, dafs ihn das Amt unlustig und unfähig macht, zur regelrechten Arbeit zurückzukehren. Dies gilt hauptsäch- lich von den niedrigeren Ämtern. Wer einmal Constabler oder Polizist ge- wesen ist, der will sich nicht mehr an die Drehbank oder an die Maschine stellen. Da man aber unter unserem System nicht zeitlebens Constabler oder Polizist bleiben kann, so beginnt die Not und das Elend nachträglich. Es ist sehr leicht, eine Beschäftigung aufzugeben, aber sehr schwer sie wieder zu bekommen. Und wenn man einmal eine Zeit lang politisch gelungert hat, fällt es schwer, wieder professionell zu arbeiten. Das kleine politische Beamtentum erzeugt und befördert Hang zum Müfsiggang, und was aus dem Müfsiggang entsteht, ist bekannt. Wir sagen daher nicht zu viel, wenn wir behaupten, dafs die Politik im Grofsen und im Kleinen Jahr aus Jahr ein ihre Opfer fordert, wie irgend eine physische Krankheit. 634 Die Politiker und die den Staatssekretär Bristow, der die Branntweinsteuer-Unterschleife im Westen verfolgte, zu Fall, während gefälschte Briefe den Präsidenten vermochten, den Entdecker der Utiterschleife in St. Louis zu ent- lassen. Briefe wurden gestohlen und mit gefälschten Zusätzen dem Präsidenten vorgelegt. Der rege gewordene Argwohn verdächtigte auf der anderen Seite den Präsidenten, mehrere Minister und selbst den Generalstaatsanwalt. Ein Heer von Verläumdern und Fälschern ver- folgte die Entdecker der Unterschleife und suchte ihren Ruf zu be- schmutzen. Fast alle Bundesbeamten in S. Francisco machten Front gegen die von Washington abgesandte Ulitersuchungskommission. Es wurden in diesem Feldzug 227 Geschäftsleute und 11 Beamte des Be- trugs überwiesen. Die Summe, um welche der Whiskey -Ring in St. Louis die V. St.-Regierung jährhch geprellt hatte, wurde auf 3 Mill. D. geschätzt. Die riesige Verschuldung der Gemeinden (s. o. S. 327 und 625) ist zum Teil die Folge, zum Teil aber auch die Ursache der Korruption im Gemeinde wesen. Präsident Hayes hob in einer Rede zu Detroit (Sept. 1879) hervor, dafs das Borgen der Städte die Wurzel der Verschwendung und Korruption sei. »Wenn die Behörden soviel Geld bekommen als sie wollen, geben sie mehr aus als nötig ist und bezahlen für Dinge mehr als sie wert sind. Die Verschuldung der Städte ist eine entsetz- hche. Manche zahlen ebensoviel füi* die Zinsen der öffenthchen Schulden als sie für ihre eigene Verwaltung brauchen«. Der Präsident schlug vor, dafs es den städtischen Behörden verboten werden solle, neue Schulden zu machen und Gelder zu verwilligen, bevor sie eingenommen sind^). Aber der Bund selbst geht mit dem Beispiel der Verscliwen- dung voran; dafs unter der Disability Bill von 1890 100 Mill. D. Pen- sionen bezahlt und 600000 Bewerbungen alter Soldaten des Bürger- kriegs eingereicht wurden, erinnert an die Geschenke, die der römische Staat in der Zeit des Niedergangs seinen Bürgern machte. Eine dritte Quelle ist die Beeinflufsung der Vertretungskörper durch die grofsen materiellen Interessen der Eisenbahnen, Dampferlinien, Baugesell- schaften u. dgl. Die theoretisch gute Eimichtung, dafs die Staatshaupt- orte nicht mit einer der geschäftlichen Hauptstädte zusammenfallen, hindert praktisch diese Beeinflufsungen nicht, so dafs ganze Legis- laturen in feindliche Lager gespalten erscheinen durch die Parteinahme ihrer Mitglieder für eine oder die andere Eisenbahngruppe u. dgl. Nicht nur Staaten, die einst zu den stolzen gehörten, wie Virginien, haben Bankerott gemacht ; Städte wie Memphis und Mobile haben ihre Schulden dadurch abgeworfen, dafs sie erklärten, sie hörten auf Städte 1) Das grofsartigste Beispiel von Unterschleif mit städtischen Geldern 8. bei Kapp: »Aus und über Amerika« 1867. 11. New Yorker Stadtverwal- tung S. 3, Korruption. Die Armee. Die Gerichte. 635 ZU sein; andere Gemeinden haben dasselbe noch einfacher durch Ein- stellung aller Zahlungen gethan. Man glaubt sogar an eine seuchen- artige Ausbreitung dieses Lasters über die Grenzen. Die Korruption in der kanadischen Regierung ist nicht blols von Kanadiern dem Übeln Einflufs der südHchen Schwesterrepubhk zugeschrieben worden und besonders der Benutzung Kanadas als eines Zufluchtsortes poHtischer Diebe aus New York und anderen Städten. In unabhängigen Blättern wird mit unerhörter Schärfe gegen die Korruption gesprochen, scheinbar nicht ganz ohne Erfolg — mit Mühe sind durch die Gesetzgebungen einiger Staaten Corrupt Practices Bills nach englischem Muster durch- gebracht worden — und man will alle anderen Forderungen hinter denen der Ehrlichkeit zurücktreten lassen. So traten die Demokraten von Pennsylvanien 1891 in den Wahlkampf mit dem Rufe »Du sollst nicht stehlen«, nachdem grofse Betrügereien aufgedeckt worden, denen die Stadt Philadelphia zum Opfer fiel. Aber es gibt viele, die an eine Besserung der Verhältnisse durch das Eingreifen der Gesetzgebungen nicht mehr glauben. Eigentümhch, dafs auch hier, wie in der Indianer- politik, die Offiziere als die am wenigsten Belasteten erscheinen*). Die öffentlichen Kundgebungen der Offiziere sind oft sehr entschieden gegen die Pohtiker gerichtet gewesen, deren schändliches Treiben sie vor allem in den Indianerangelegenheiten besser als alle Anderen kennen (s. o. S. 227). Sie machen kein Hehl aus ihrer Abneigung gegen die demokratischen Bestrebungen. Sie wagen es, laut die Wohl- thaten des Krieges gegenüber dem dumpfen internationalen Friedens- dusel zu preisen. Im Beginn des Bürgerkrieges neigten sie in der Mehrzahl zum Süden hin. lYotzdem war die Armee nach dem Frie- den populärer als je und als Gran t nahezu zum dritten Mal Präsident geworden wäre, hörte man die Befürchtung aussprechen, dafs der Cäsarismus nahegekommen sei. Es könnten Verhältnisse eintreten, die die Armee oder die Flotte wieder in den Vordergrund treten liefsen. Bis in die Gerichtsstuben erstreckt sich die Fäulnis. Klagen über die schlechte Rechtspflege, meistens unter Überschriften wie »Macht des Geldes« oder ähnlichen, gehören zu den stehenden Artikeln der Zeitungen. Selbst der höchste Gerichtshof ist nicht frei geblieben von Verdacht. Wenn die Presse irgendwo von Übertreibung frei erachtet werden kann, ist es hier, wo es sich um tieferhegende Mängel handelt, die nicht blofs von den poHtischen Parteien abhängen. Auch der bos- hafteste Reporter meldet nur njit Widerwillen Scenen, wie die, wo der Richter unter Thränen (und der Staatsanwalt weint mit) es für »die 1) Es gibt Zeiten, wo es scheint, als sei selbstloser und treuer Dienst des Staates durch Ehrenmänner, denen nicht Geld das Höchste ist, nur noch in den Reihen der Armee und der Flotte zu finden. (The Nation 24. Dez. 1891.) 636 Flagge und Wappen. schwerste Pflicht seines Lebens« erklärt, einen frömmelnden Fälscher wie Güman (Januar 1878 New York) ins Zuchthaus schicken zu müssen. Es gibt kaum eine Strafe, die nicht durch Bestechung der Beamten und Ärzte der Gefängnisse umgangen werden könnte. So gab es nach der Verurteilung des politischen Schwindlers Tweed kaum einen urteils- fähigen Mann in New York, der an die Durchführung der Strafe geglaubt hätte. Nichts illustriert so krals die Vernichtung der bürger- Hchen Gleichheit durch die Macht des Geldes wie die Ungleichheit des Loses reicher und armer Spitzbuben. Flagge und Wappen. Die Flagge ist für alle Zwecke das Sternen- banner (The Stai's und Stripes), das aus sieben roten und sechs weifsen abwechselnden Streifen besteht, in deren oberer Ecke ein blaues Viereck so viel Sterne enthält, als die Union Staaten zählt. Das Wappen ist ein brauner Adler (s. o. S. 164) mit einem Bündel Bhtze in der einen, einen Ölzweig in der anderen Klaue. Auf der Brust trägt er ein zwei- geteiltes Schild, dessen oberes Feld blau und dessen unteres silbern und von sechs senkrechten Balken durchzogen ist. Im Schnabel hält er ein Band mit der Inschrift »E Pluribus unum« und 13 Sterne um- geben ihn. OF THE UNIVERSITY _ OF XXIV. Die Kirche. Religiöse Anlagen 637. Kirche und Staat 638. Eigentümlichkeiten des reli- giösen Lebens in den V. St. 639. Wohlthätigkeit 640. Temperenz 643. Sta- tistik der Eeligionsgesellschaften 644. Die Hochkirche 644. Die Kongregationa- listen 644. Die Presbyterianer 645. Die Methodisten 645. Die Baptisten 645. Die Lutheraner und Deutsch-Reformierten 646. Die Römisch-Katholischen 647. Die Juden und andere 648. Man hat gesagt, die Nordamerikaner besälsen ein Talent für Politik. Ihr Talent für Religion ist vielleicht noch gröfser. Der Nordamerikaner hat als angelsächsisches Erbteil diese Gabe mit- bekommen, die eng verknüpft ist mit Lebensernst, Pflichttreue und praktischem Sinn. Er hat neben seinem politischen Frei- heitssinn Achtung vor allem, dessen Hochachtung allgemein an- erkannt ist. Verstärkt wird dieses Gefühl durch die geschicht- lichen Überlieferungen aus der Zeit der flüchtigen Puritaner, Quäker, Deutsch-Reformierten, Katholiken u. a., die die Keime einer grofsen Anzahl von Kolonien in Nordamerika gelegt haben. Ausgewandert, um sich ihre Religion zu erhalten, pflegten sie die Religion mit um so gröfserem Eifer auf diesem freien Boden. Es kommt hinzu der verinnerlichende Einflufs des arbeitsvollen und genufsarmen Kolonistenlebens in menschenarmer Umgebung. Das puritanisch Einfache, aber Innerliche pafst vorzüglich für solche Zustände und hat in der That weit über die Grenzen der presby- terianischen Kirche hinaus auf andere Sekten gewirkt. Der grofse Einflufs der Frauen im amerikanischen Leben ist nicht zu ver- gessen. In so manchen Städtchen der Landbezirke wird die Kirche 638 Kirche und Staat nicht mehr durch FamiHen und Männer, sondern durch eine Vereinigung gleichgesinnter Frauen erhalten. Aber ebensowenig ist zu vergessen der praktische Sinn, der die Notwendigkeit des religiösen Elementes im Leben ahnt und es vorzieht, den Ver- stand auf die lösbaren Fragen des Lebens statt auf die unlös- baren Zweifel des Sinnens zu richten. Es würde wunderbar sein, wenn die Bevölkerung der V. St. verschont geblieben wäre von der Aufklärung und Zweifelsucht unserer Tage. Sicherlich dringen sie mit zunehmender Bildung immer mehr ein, aber noch immer ist in der Mehrheit des Volkes und bis hoch hinauf ein starkes, religiöses Leben ^). Es mag vielfach äufserlich sein, die Haupt- sache für uns ist, dafs es besteht. Die grofse Zahl von Sekten, von milden Stiftungen, von Kirchenbauten, das gewaltige Kirchen- vermögen, die Achtung vor den Dienern der Religion sind Beweis dafür. Nichtsdestoweniger ist die Trennung der Kirche vom Staat formell vollkommen. Sie ist ein Erzeugnis der letzten 100 Jahre. Die älteren Kolonien waren theokratisch angelegt. In den Ver- fassungen der Einzelstaaten erhielten sich die »Religious Tests«, Forderung einer bestimmten Kirchenzugehörigkeit für öffentliche Ämter, eine lange Reihe von Jahren. Die staatliche Unterstützung des öffentlichen Gottesdienstes wurde in Massaohusetts erst 1833 aufgehoben. Nicht blofs der Grundsatz, dafs das Gesetz des Staates keine besondere Form von Religion zu schützen habe, sondern das umfassendere Prinzip herrscht, dafs Staat und Kirche l).Eev. Dale sagt von den Neu-Engländern : Die gebildeten Christen, die ich traf, schienen weniger berührt von dem Konflikt zwischen Christen- glauben und moderner Spekulation als die meisten Leute von ähnlicher Bil- dung bei uns (in England). Es war in ihrer Frömmigkeit eine Einfachheit und Tiefe, die mich an unsere Überlieferungen von früheren Geschlechtern erinnerte. Auch schien es mir, als ob sich Männer von allen Kirchen vor- wiegend in einer gewissen konservativen Gesinnung der Betrachtung von Fragen der Lehre oder der Philosophie zuwandten. Sie waren vorsichtig und ehrfurchtsvoll . . . Die Luft war nicht ganz dieselbe wie zu Hause : sie war weniger scharf und atmete weniger Sturm. (Ninet. Cent. 1878. 11.) Ähnlich spricht sich Bryce aus in den zwei vortrefflichen, aber durchaus nicht er- schöpfenden Kapiteln >Churches< und >Influence of Religion« im dritten Bande seines > American Commonwealth«. Ein vorzügliches, noch immer höchst lesenswertes Buch über den Gegenstand, ist: Schaffs »Amerika, die politischen, socialen und kirchlich-rehgiösen Zustände« 1854. Das religiöse Leben. 639 nach ihrem Wesen geschieden sind. Die an Zahl und Macht gerade im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts stark gewachsenen Sekten und die Aufklärungsideen des 18. Jahrhunderts waren es, die dieses Ergebnis erzielten. Noch im Unabhängigkeitskrieg war der Einfluls bestimmter Kirchen auf die Staaten sehr stark ge- wesen, und wenn man den Gegensatz des neuengländischen Presby- terianismus zur mutterländischen Hochkirche erwägt, versteht man, wie der ältere Adams den Abbe Mably warnen konnte, die Geschichte des nordamerikanischen Unabhängigkeitskampfes zu schreiben, ehe er die kirchlichen Verhältnisse von Neu-England studiert habe. Das religiöse Leben in den V. St. ist ausgezeichnet durch die Kraft und Mannigfaltigkeit seiner Äufserungen. Man findet in ihm die fieberhafte Energie wie auf anderen Lebensgebieten. Reichlich nimmt es teil an der Ursprünglichkeit, die das Leben in den V. St. überhaupt auszeichnet. In keinem europäischen Lande durchdringt die Kirchlichkeit, soweit die Erfüllung der Formen in Betracht kommt, alle Schichten der Bevölkerung mehr wie in Amerika. Die besseren Klassen sind mindestens so kirchlich gesinnt wie in England. Nach dem Census von 1890^) gab es in den V. St. nahezu 170000 Kirchen, also 1 auf 370 Köpfe. Doch scheinen seit 1870 sich die Kirchenplätze nicht so rasch vermehrt zu haben wie die Bevölkerung. Das Kircheneigentum hat sich aber vervierfacht. Die Kirche ersetzt in den höchsten Schichten manche Genüsse geistiger und gesellschaftlicher Art. Der Kirchenbesuch nimmt als »guter Ton« einen aristokrati- schen und luxuriösen Charakter an. Die reichen Gemeinden in den Grofsstädten haben ihre prächtig ausgestatteten, teppich- belegten, durchwärmten Kirchen mit schwellenden Sitzen, bunten Fenstern, Bilderschmuck, im Chor vorzügliche Sänger und auf der Kanzel die Beredsamkeit eines geistvollen Weitlings wie Henry W. Beecher. Es werden Plätze in diesen Kirchen für Tausende von Dollars verkauft^]. Die von diesem Luxus unzertrennliche 1) Für eine Anzahl von Sekten, die im Census noch nicht veröffentlicht waren, sind die Angaben in deren Jahresberichten für 1890 benutzt. 2) Man hat die gegenwärtige Phase der religiösen Entwickelung in den 640 I^ie ästhetische Phase. Missionsthätigkeit. ;^Subservience of the Clergy to the Men of Wealth«, »Compromising relations of the Rieh«, wie sie Kardinal Newman im ersten der »Tracts of the Time« nach enghschen Erfahrungen als eine der Gefahren besonders der vom Staat ununterstützten , auf ihre reichen Mitglieder angewiesenen Dissenterkirchen bezeichnet hat, wird in den V. St. laut beklagt. Die ärmeren Gemeinden, die das nicht nachahmen können, werfen sich in das Extrem der äufsersten Einfachheit, wo aber dann verzückte, aufregende Predigten, »Erweckungen« innerhalb der Gemeinde, Gottesdienste in Wald und Feld, in ihrer Art nicht weniger sinnenerregend wirken. Über die Mauern des Gotteshauses hinaus wirken die Kirchen mit Missionen aller Art, inneren und äufseren, wozu ihnen reichliche Mittel zufliefsen. Die Missionsthätigkeit der Kirchen der V. St. hat von 1845 bis 1890 ihre Mittel verfünffacht und die Zahl ihrer Diener vervierfacht. Sie verfügte 1889 über 3,5 Mill. D. Einnahmen, 1052 Missionare und 589 weibliche Missionsarbeiter. Ihre wichtigsten Gebiete liegen in Polynesien und Ostasien, Birma, Persien, Kleinasien und der europäischen Türkei, Westafrika. Verhältnismäfsig schwach ist die Thätigkeit unter den Indianern des eigenen Landes und in Alaska. Die sehr wertvolle Arbeit unter den Negern des Südens ist als innere Mission anzusehen. Zur Bekehrung der Chinesen und Mormonen werden Anstren- V. St. als eine ästhetische bezeichnet. Sicher ist nie so viel Gewicht auf das gelegt worden, was in den Kirchen und ihren Umgebungen zu den Sinnen spricht, als in den 50 Jahren, die verflossen sind, seitdem die ersten gemalten Kirchenfenster hier aufgestellt wurden (1827), das Kruzifix als Kirchenschmuck allgemein angenommen und der Altar auf Stufen in den Hintergi'und der Kirche gerückt wurde. Bemerkenswert ist die weite Verbreitung alles dessen, was in dieser Richtung, wenn auch nicht immer zum Schönheitsgefühl, so doch zum Gefühl für das Ungewöhnliche, spricht. Man sieht in den grofsen Städten Nordamerikas bald mehr altertümlich aussehende Kirchen gotischen oder romanischen Stiles als in unseren alten europäischen Städten; freilich sind sie selten monumental. So sehr durchdringt dieses Streben alle Sekten, dafs sogar die puritanischen, deren Lebenselement einst der Kampf gegen alles Sinnliche und allen Schmuck in den Kirchen gewesen, heute demselben folgen. Es ist der Zwang der Mode darin. »Mittelalterliche Architektur ist nicht wie früher eine Frage des Prinzips, sondern einfach eine Frage des Geldbeutels«. (J. L. Diman, Rehgion in Amerika. North Am. Review 1876. I. 45.) Politische und soziale Wirkungen. Der Sektengeist. 641 gungen gemacht. Auch die Missionsthätigkeit hat in den Sekten der V. St. neue Wege versucht , die allerdings weitab von dem Ziel der Heidenmission führen. Verschiedene Kirchen der Bap- tisten haben ihre Vertreter unter den Protestanten Europas, um Anhänger zu werben, einige der Methodistenkirchen unterhalten eine regelrechte Missionsthätigkeit unter den KathoHken Spaniens, Österreichs, der Bretagne u. s. f., unter den Griechisch-Katholi- schen des Orients. Das Go-ahead-Prinzip und der Geschäftsinn haben sich auch auf diesem Gebiete wirksam gezeigt. Grofse poHtische Agitationen, wie einst die gegen die Sklaverei, dann die für Temperenz, teilweise auch für Frauenrechte, wurden zu einem grofsen Teile von den Kirchen getragen. Die Sonntagsschulen für Kinder und Erwachsene sind ein wichtiger Zweig der kirchlichen Thätigkeit nach aufsen. JüngHngsvereine spannen ihr Netz über das ganze* Land. Die Kongregationen werden geradezu soziale Mittelpunkte und nehmen sogar Musik und Tanz in ihre Zu- sammenkünfte auf. Dazu kommt eine religiöse Presse, die 1878 über 900 Organe zählte, und neben der politischen die erste Stel- lung in der Tageslitteratur einnimmt. Bemerkenswert ist die grofse Zahl der Sekten, die Leichtigkeit, mit der sie entstehen und unter günstigen Verhältnissen sich vergröfsern. Deutlich spricht sich hier eine gewisse Unruhe, ein Unbehagen in den alten Geleisen zu bleiben, die Lust zu experimentieren aus, zugleich aber auch die fanatische Energie, mit der das für wahr Erkannte ausgebreitet und vertreten wird, auch wenn es Unsinn oder Betrug wird. Man denke an die Geschichte der Mormonen seit 1830. Indessen mufs man hinzusetzen, dafs der Sektengeist vorzüglich eine Sache der unteren Klassen ist, während die höheren im Gegenteil einen konservativen Zug zeigen in der Innigkeit ihres Festhaltens an ihrem Glauben^), wo sie nicht in aller Stille sich von der Kirche abgewandt haben. 1) Eine Beziehung zwischen den Tendenzen zu streng zusammen- geschlossenen Gemeinschaften auf kirchlichem und zur Auflockerung aller Verhältnisse auf politischem Gebiet ist in Nordamerika öfters bemerkt worden. Es ist von vornherein wahrscheinlich, dafs mit dem Wachsen der Schwankung und Unsicherheit im politischen Leben eine Zunahme der Neigung zu festen Grundlagen im kirchlichen Hand in Hand geht. Ratzel, Die V. St. von Amerika. 41 642 Kirchen. Rückgang. Seit der Mitte des Jahrhunderts wird ein Rückgang be- obachtet, der immer deutHcher hervortritt. Die »Nativisten« möchten ihn gerne den Fremden zuschieben und besonders den Deutschen, die kirchUch verdächtig sind, weil sie ihren Glauben nicht so zur Schau tragen. Leute, die den deutschen Skepticis- mus nicht an sich für ein Übel halten, fürchten ihn als ein fremdes Element. Sie sagen mit Recht: So notwendig es sein mag, unsere religiösen Ideen breiter und freier zu gestalten, die Anregung sollte von innen und nicht von aulsen kommen. Der Kirchen- besuch hat aber gerade in Neu-England seit 50 Jahren immer mehr nachgelassen. Es sind auch nicht blofs die grofsen Städte, wo, ganz wie in Europa, die Kirche nicht bis in die Tiefen des Proletariats zu reichen vermag und die »unchurched masses« thatsächlich Heiden sind. Als in einem der letzten Jahre in 15 Grafschaften Maines die Kirchenbesucher gezählt wurden, fand man , dafs von 133 445 Familien nur 67 842 irgendeine Kirche besuchten^). Es wird auch geklagt, dafs der einst grofse Eifer im Kirchenbau nachgelassen habe. Kirchenlos werden zwar nur einige Mining Camps und ganz neue Ansiedelungen im fernen Westen sein, aber die Zeiten sind dahin, in denen junge Städte des Westens 1 Kirche auf 100 Häuser zählten 2). Der Katholicismus 1) Präs. Hyde, Impending Paganism in N. England. The Forum 1892. 2) Leider sind die Kirchen in den V. St. durchschnittlich ebenso klein als zahlreich. Mächtige Dome, wie man sie in den katholischen Ländern und vor allen auch in den gröfseren Städten Mittel- und Südamerikas findet, sind eine ganz seltene Erscheinung. Nur New York rühmt sich, in seiner von den Katholiken erbauten über 100 m langen und hohen Kathedrale aus weifsem Marmor eine Kirche zu besitzen, die an Pracht und Gröfse mit jenen grofsartigen Werken wetteifern kann. Aber die meisten Kirchen sind von Einzelnen oder Gesellschaften für kleinere Kreise erbaut, bleiben ihr Eigentum und sind zum gröfsten Teil von den geschlossenen Sitzen (Pews) eingenommen, die den Famiüen gehören, Miteigentümern der Kirche oder für sie Bezahlenden. Dem grofsen nicht bezahlenden Publikum wird ein je nach dem Eeichtum der betreffenden Gemeinde, Sekte oder Gesellschaft gröfserer oder kleinerer Raum auf den Galerien oder im Hintergrund an- gewiesen. Jene geschlossenen Sitze werden verkauft wie jedes andere Eigen- tum und ihre Preise schwanken je nach der Gemeinde, der Sekte, der Nähe bei der Kanzel, der Beliebtheit des Geistlichen, der in der Kirche predigt u. s. f. Ihre Inhaber zahlen eine jährliche Steuer für die Bestreitung der oft sehr behaglichen Ausstattung, Erwärmung und Beleuchtung der Kirche und des Gehaltes des Geistlichen. Sabbatheiligung. Mäfsigkeitsvereine. 643 hebt sich von dem zerfahrenen, bunten Hintergrund des Sekten- wesens als eine geschlossene Macht ab. Man sollte glauben, dafs sein Beispiel zur Einigung auffordern sollte. Statt dessen ist die Zersetzung gerade in der Zeit weitergegangen, die die lautesten Klagen über die Gefahr der Romanisierung erhob. Bezeichnender- weise sind die letzten Einigungsversuche von dem Schauplatz der gröfsten Ausbreitung der katholischen Kirche ausgegangen. Aber die vier Sätze, welche die Bischöfe der Episcopal- Kirche 1886 von Chicago aus verkündigten, haben keine Vereinigung erzielt. Die Presbyterianer gingen am bereitwilligsten auf den Gedanken einer kräftigen Organisation ein, die Unitarier standen als Ver- treter der Unabhängigkeit, ja Souveränität der Einzelkirchen am weitesten links. Nach allen Versuchen ist die Hoffnung wohl aufzugeben, dafs eine Vereinigung so bald zu Stande komme, wiewohl ein starkes, äufseres Motiv der Sektenbildung, die Zer- streuung der Gemeinden über weite, leere Gebiete, immer geringer wird. Aber gerade die letzten zwei Jahrzehnte haben in alten Kirchen, wie der lutherischen, die Absonderung neuer Sekten sich stärker äufsern sehen. Wie auch die Religion in den Herzen der Menschen be- schaffen sein möge, gröfsere äufsere Wirkungen vermöchte sie nirgends zu erzeugen. Mit ängstlicher Strenge von der Politik getrennt, ist sie neben dieser die stärkste Kraft des öffentlichen und privaten Lebens, das hier mindestens ebenso sehr ihren Stempel trägt wie in England. Die Sonntagsheiligung ist überall eine strenge, wo nicht etwa der deutsche Einflufs wie im Westen oder der französische wie in Louisiana etwas von unserer heitereren Auffassung dieses Tages gebracht hat. Auch dort wird dann am Sonntag weniger gearbeitet. Alle Staaten haben Gesetze für Sonntagsheiligung und in der Regel werden sie auch zur Aus- führung gebracht, oft mit starker Übertreibung. Die Mäfsigkeits- vereine (Temperence Societies) sind eine andere Form, in der das religiöse Leben sich nach aufsen geltend macht. Sie spannen ihre Organisation über das ganze Land und suchen überall nicht blofs dem Mifsbrauch, sondern auch selbst dem nicht-medizinischen Gebrauch geistiger Getränke entgegenzuwirken. Die »Temperance 41* 644 Wohlthätigkeit. — Hochkirche. Kongregationalisten. Society«, die 1826 zu Boston gegründet wurde, hatte im Jahr 1835 bereits 6000 Tochtergesellschaften in allen Staaten der Union und zählt heute Millionen von Anhängern. Die ganze Bewegung hat viel Lächerliches, das man besonders in den deutschen Kreisen herausfindet, aber es liegt ihr doch eine richtige Idee zu Grunde. So wie sie in dem Charakter und den Sitten des Amerikaners ihre Begründung (s. Kap. XXVI) findet, so wirkt sie auch zweifellos heilsam auf ihn zurück. Die Heuchelei, zu der sie Anlafs gibt, ist nicht so schlimm wie die rückhaltlose Hingabe an den be- täubenden Genuls geistiger Getränke. — Die Fürsorge für die Jugend ist bei ihrer frühen Selbständigkeit eine der Hauptsorgen halbreligiöser Gesellschaften und der öffentlichen Wohlthätigkeit. Die Young Mens Christian Associations zählen in Nordamerika 1385 Vereinigungen mit 225 000 Mitgliedern, die Young Womens Christian Associations 257 Vereinigungen mit 12000 Mitgliedern. Die innerhalb der protestantischen Kirchen thätige Young Peoples Society of Christian Endeavour zählt über 1 Mill. Mitglieder. Die Hochkirche (Church of England in the Colonies, wie sie sich officiell benannte) umschlols aulserhalb Neu-Englands die Mehr- zahl der Familien von Einfluls, sie war die älteste protestantische Kirche in Amerika und hatte die Gunst der Regierung des Mutterlandes für sich. Diese Kirche erhob sich mit dem Aufschwung, den das Land nach Abschluls der Revolution nahm und mit dem Rückgang des Einflusses von Neu-England. 1890 zählte sie 470076 Bekenner und 5118 Kirchen. Sie ist am stärksten in New York und in den Südstaaten vertreten. An Einfluls auf die Geschichte der V. St. steht allen Kirchen die der Kongregationalisten voran. Selten hat eine christliche Sekte eine solche kulturhistorische Bedeutung erlangt. Ihre innige Verbindung mit dem staatlichen Leben in den Neu-England-Staaten gab üir bis zur Revolution eine sehr grolse politische Bedeutung und der Einfluls auf die geistige und sittliche Büdung der Bevölkerungen wai' tief begründet in der ernsten calvinistischen Weltanschauung. Diese Lehre war geeignet, junge Kolonien vor den Gefahren des rasch anwachsenden Reichtums und vor dem Mifsbrauch des grofsen Maises individueller Freiheit zu bewahren. Die Kongregationalisten haben mit ihrer harten Zucht die stahlharten Männer schaffen helfen, die als Neu-Engländer das Ideal des Kolonisten und des Republikaners in der Neuen Welt geworden sind. Gleichzeitig haben sie die ältesten Universitäten der V. St. gegründet und wurden die Träger höherer Bildung mitten in einer Bevölkerung, der sonst im Drang der materiellen Tagesgeschäfte Presbyterianer. Methodisten. 645 wenig Blick nach dieser Seite hin übrig gebheben wäre. Im Beginn der Revolution stand das Übergewicht dieser Kirche über allem Zweifel. Mit 491985 Gliedern und 4689 Kirchen steht sie heute in T.Reihe. Die Ursachen des Rückganges liegen weniger in dem Zerfall in zwei Kirchen, als in der von früher her in Neu-England übhchen Ver- mengung politischer und kirchhcher Fragen, die zu einer Zeit den neuengländischen Klerus wie Einen Mann gegen T. Jef ferson und die demokratische Partei, und ähnlich später für die Sache der Abohtio- nisten stehen hefs. Aus einer grolsen Kirche wurde so eine enge, ab- geschlossene Partei. Die Presbyterianer, Leute von schottischer und irisch -schottischer Abkunft bildeten erst seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts eine organisierte Kirche in Nordamerika. In den theologischen Lehrmeinungen sind sie den CongregationaHsten nahe verwandt. Auf wissenschaftHche Bildung ihrer Geistlichen legten sie denselben Wert. Sie haben der hohen Entwickelung der amerikani- schen Kanzel-Beredsamkeit einen starken Impuls gegeben. In der Re- volution waren sie für die mittleren Staaten, was die Congregationa- Hsten für Neu-England: die Vorkämpfer für die Übertragung des republikanischen Prinzips ihrer Kirche auf die pohtischen Einrich- tungen. In den letztverflossenen 100 Jahren hat von allen alten Kirchen die der Presbyterianer sich am kräftigsten entwickelt. Sie ist heute die drittmächtigste unter den Kirchen der V. St. Ihre ver- schiedenen Zweige zählten 1890 1229012 Kommunisten und 13619 Kir- chen. Sie stellte sich am frühesten die Aufgabe der Missionsthätigkeit im Westen, wo sie grofsen Anhang gefunden hat. An Zahl der Bekenner und der Kirchen steht heute der Metho- dismus unter aUen Sekten der V. St. m erster Reihe. Bei der ersten Konferenz vor 110 Jahren hatte er 80 Prediger, während ihm eine Schätzung, die von ihm selbst 1890 ausging, 4980240 Güeder und 54 711 Kirchen zuwies. Das Wachstum dieser Sekte ist die grölste Thatsache der Geschichte der amerikanischen Christenheit im ver- flossenen Jahrhundert. Es ist eine ähnliche Erscheinung wie die Ablösung und das rasche Wachstum der Baptisten und anderer Sekten der Low Church. Ein Appell an das Gefühl rief alle zusammen, die mit der notwendig fortschreitenden Verstandesmäfsigkeit und wissen- schaftUchen Ausbildung der älteren Kirchen sich nicht befreunden konnten. Der visionäre Charakter seiner älteren Prediger und noch vieler neueren, die Erweckungen, die Camp-Meetings (Zusammenkünfte in Wald oder Feld), das »Lowly Preaching« der Brüder, machten den Methodismus zur Rehgion des Volkes. Er hat freüich sein Prinzip, dafs Rehgion keine logische Überzeugung sei, ebensowenig festhalten können wie die Zurückweisung aUer Theologie; indem er grofs und reich geworden, hat der Methodismus seine Universitäten, seine 646 Baptisten. Lutherische und Professoren, seine Presse, seine grolsen, geschmückten Kirchen gefunden, auch höher gebildete Anhänger, die andere Nahrung verlangen als die grofse Menge. Aber noch immer ist er die Kirche der Massen. Seine Verbreitung läfst das klar erkennen. Die Baptisten sind die zweit- zahlreichsten und mächtigsten unter den Sekten des demokratischen Protestes gegen die alten aristokratischen Kirchen. Ihr Wachstum hängt eng zusammen mit ihrer Lehre von dem allgemeinen Beruf zum Predigt- amt, die den Bedürfnissen junger und in der Wildnis und Armut zer- streuter Gemeinden mehr entgegenkommt als die Forderung höherer wissenschaftHcher Ausbildung der Geistlichen. Ebenso war ihr Be- stehen auf der persönlichen Erfahrung der Heilswahrheiten als einer Bedingung der Zulassung in ihre Gemeinschaft ein Zug, der in seiner individuahstischen Schärfe den Armen und Einsamen vor allen zusagen mulste. Den Baptisten fielen besonders in Neu -England zahlreiche Separatisten zu und sie haben auch unter den Negern einen grofsen Anhang gewonnen. Sie zählten 1890 4292 291 Bekenner und 48 371 Kirchen. Die Lutherische Kirche zerfällt in 4 gröfsere und 13 kleinere Synoden, Kirchenkonferenzen und Kongregationen, die zusammen 6560 Kirchen und 1199514 Kommunikanten zählen. Von diesen kommt die gröfste Zahl auf Pennsylvanien, Wisconsin und Minnesota. 7, darunter die gröfsten, sind vorwiegend deutsch, 10 skandinavisch*). 1) Von den Kommunikanten der Lutherischen Gruppen ist die Mehr- zahl deutsch, sie verdienen also unsere besondere Aufmerksamkeit. Die Sta- tistik (Census Bulletin No. 152. Statistics of Churches. Die 51 Seiten dieses Heftes bilden eine Art von statistischer Monographie der Lutheraner in den V. St.) weist nach, dafs 1889 in ihnen 454005 Kommunikanten deutschen, 232512 gemischten deutschen und englischen, 198997 englischen, 190154 norwegischen, 88 700 schwedischen, 13 674 dänischen, 1991 isländischen und 1385 finnischen Gemeinden angehörten. Die jetzt englischen Gemeinden sind fast alle aus älteren deutschen hervorgegangen und eine nicht kleine Zahl von Lutheranern ist in früheren Jahren, als den lutherischen Kirchen ein zu festes Halten an deutscher Sprache vorgeworfen wurde, zu englischen Kirchen übergegangen. Dazu mochte beitragen, dafs die älteste lutherische Organisation Nordamerikas, die Generalsynode, nicht so scharf wie die jüngeren lutherischen Sekten von den anderen protestantischen sich schied, so dafs ihre Geistlichen mit denen anderer protestantischer Kirchen die Kanzeln tauschten. Die beklagenswerte Sektirerei , die in der lutherischen Kirche der V. St. eingerissen ist , seitdem die Lutheraner der Südstaaten sich 18ö2 aus politischen Gründen zur United Synode of the South zusammenschlössen, hat ihre Hauptgründe in Unter- schieden der Lehre und Auslegung, die häufig nicht streng genug befunden wurden, und in den nationalen Unterschieden. Über die Bildungsanstalten der deutschen Kirchen in den V. St. kenne ich keine neueren Angaben als im Evangelischen Historischen Jahrbuch für alle deutschen Confessionen Reformierte. Katholiken. 647 Die gröfsten sind: General Council (1512 K. 317145 Komm.), Syno- dische Konferenz (1531 K. 357153 Komm.), United Synode of the South (379 K. 37 457 Komm.), Generalsynode (1322 K. 164640 Komm.). Sie hat 16 Seminare mit 41 Professoren und gegen 600 Studierende, aufserdem 7 Seminare für Lehrerinnen. Für die lutherischen Gemeinden werden 74 religiöse Zeitschriften (davon 31 in deutscher Sprache) heraus- gegeben. Unter den milden Werken dieser Kirche sind die Einwanderer- mission und das Einwandererhaus in New York zu nennen. — Die Deutsche Reformierte Kirche hat 1869 das Wörtlein »deutsch« aus ihrem Namen gestrichen und nennt sich »Reformed Church in the U.S.«, hat 1304 Kirchen und 204018 Glieder. Die Mehrzahl ihrer GHeder, von denen die Hälfte in Pennsylvanien wohnt, ist enghsch, wie aus den Veröfientlichungen hervorgeht, von denen 7 englisch und 3 deutsch gedruckt sind. Die Holländische Reformierte Kirche (Reformed Church in America) zählt 670 Kirchen und 92 970 Glieder. Eine Sekte von ihr bildet die Christian Reformed Church. Die Römisch-Katholischen zählen (1889) 10221 Gemeinden, 8766 Kirchen, 6 250045 Kommunikanten*) und ein Kirchenvermögen von 118 Mül. D. Sie sind in 13 Erzbistümer und 66 Bistümer eingeteilt. 1776 schätzte man die Zahl ihrer Geisthchen auf 26 und die der Ge- meinden auf etwa das Doppelte. 1800 gab es blofs 1, 1876 über 400 katholische Mädchenschulen. In derselben Zeit ist die Zalil der katho- Hschen Kollegien von 2 auf 64 gestiegen. Von 1855 — 1871 hat ferner die Zahl der Klöster sich von 50 auf 225 und die der kathoHschen Gesellschaftshäuser für Männer von 15 auf 95 erhöht. Die Hälfte der Katholiken wohnt in New York, Massachusetts, Pennsylvanien, Ilhnois und Ohio. Das starke Wachstum erklärt sich wahrscheinhch fast ganz aus der Einwanderung Römisch-Kathohscher, früher aus Irland und Süd-Deutschland, neuerdings aus Italien, Polen und Österreich. Diese Kirche umfalst die grölste Zahl verschiedener Völker; die Ab- stammung tritt am meisten in ihr hinter dem Bekenntnis zurück. In der Diözese Scranton gibt es 7 deutsche, 7 polnische, 4 ungarische, 1 lithauische, 1 itahenische und 1 enghsche Gemeinde. Die Zahl der Proselyten, die diese Kirche hier macht, wird wohl nicht ganz von den Verlusten aufgewogen, die sie vorwiegend durch die sehr thätigen Missionen der Low Church-Sekten erleidet. Die Thatsache, dals ihre Bekenner in einigen . gröfseren Städten wie New York, Cin- cinnati, New Orleans u. a. sehr kompakt beisammensitzen, gab ihr Amerikas (Pittsburg 1878), das 11 deutsche Predigerserainare, 14 CoUegien (Gymnasien) und 1 Lehrerseminar, 14 Waisenhäuser, 1 Taubstummenanstalt, 1 Emigranten-Mission und 22 Zeitschriften aufzählt. 1) Nach der eigentümlichen Auffassung der katholischen Kirche um- fafst diese Zahl alle Glieder der Kirche, die über 9 Jahre alt sind. 648 Griechisch-Katholische, Juden schon frühe den Schein gröfserer Bedeutung als sie in Wirklichkeit besals. Ohne Zweifel hat der Kathohzismus hier eine sehr grofse Fähigkeit zu Ausnutzung der Vorteile gezeigt, die ihm in einem Lande geboten sind, wo ihn keine Schranke der Staatsgewalt beschränkt. An Eifer und materiellem Wachstum hat ihn keine von den pro- testantischen Sekten übertroffen. Das Jahr 1840 bezeichnet seinen Eintritt in den poHtischen Kampf, und das Ziel, das er damals mit seiner Forderung der Entfernung der Bibel aus den Volksschulen im Sinne hatte, nämhch die Umformung der weltlichen Volksschulen in konfessionelle Anstalten, ist er seitdem nicht müde geworden zu ver- folgen. Die Alarmrufe, die über die wachsende Ausbreitung des Katho- lizismus immer von Zeit zu Zeit ausgestofsen werden, sind oft über- trieben. Man muls indessen gestehen, dafs eine so grofse und fest zusammengehaltene Macht wie die katholische Kirche eine erhebliche Bedeutung gewinnen kann und dies um so mehr, als der Protestan- tismus sich durch Sektirerei immer mehr zersplittert und jene dem rehgiösen und ästhetischen Bedürfnis und der Phantasie, vorzüglich auch der hier so einflufsreichen Frauen, in höherem Mafse entgegen- kommt*). Der Einwanderung aus Osteuropa ist es zuzuschreiben, wenn 1889 13 Kirchen und 10850 Gheder der Griechisch linierten Kirche und 335 GHeder der Armenischen Kirche gezählt wurden. Glieder der Griechischen Orthodoxen Kirche gibt es 13000 in Alaska und 500 in S. Francisco, deren Kirchen teilweise durch die Russische Regierung unterstützt werden. Für die Juden gibt die Statistik 1889 301 Tempel und 130496 Gheder, wobei zu beachten, dafs die Juden nur die Famüienhäupter als Kirchenmitglieder auf- zählen. 44'^/» bekennen sich zur Orthodoxie. Die ersten Juden, die angebUch 1654 nach New York kamen, sollen aus Braslhen gekommen sein. Die grofse Menge der Juden der V. St. folgt aber dem deutschen 1) Diesen Befürchtungen gegenüber ist hervorzuheben, dafs die Katho- liken selbst nicht immer so hoffnungsvoll sind, wie sie sein müfsten, wenn jene begründet wären. Zu einem irischen Missionar sagte der Bischof von Charleston 1851: »Ihr würdet der Religion einen Dienst leisten, wenn Ihr nach Euerer Rückkehr von Kirchspiel zu Kirchspiel ginget und dem Volke sagtet, dafs es nicht seine unsterbliche Seele verlieren möge, indem es hierher- komme«. Und zur selben Zeit der Erzbischof von New York: >Das Volk in Irland versteht nicht die Lage der Auswanderer. Tausende gehen in den grofsen Städten verloren und auf dem Lande ist der Glaube in Vielen aus- gestorben«. Noch 1870 klagte der Erzbischof von Cincinnati darüber, dafs die kathoHsche Kirche Hunderte von Deutschen verliere, die deutsche prote- stantische Predigt der enghschen katholischen vorziehen. Vgl. B a r n u m , Ro- manism in the TT. S. 1876. und andere kleinere Sekten. 649 Ritual. Die starke Zunahme der Juden in den V. St. erhellt aus der Zunahme ihrer Gemeinden von denen 1854 97, 1880 270 und 1889 533 gezählt wurden. Vgl. auch o. S. 260. Die noch nicht beendigte Zählung der religiösen Gemeinschaften nennt aulser den oben aufgeführten noch folgende besonders, denen wir die Zahl der Kommunikanten oder Kirchenmitgheder beigesetzt haben: AltkathoHken 665, Reformkatholiken 1000, Kirche des Neuen Jerusalem (Swedenborgianer) 7095, Kathohsch-Apostohsche Kirche 1394, Heilsarmee 8662, Advent Christians 25816, Evangehsche Adventisten 1147, Life and Advent Union 1018, Seventh Day Baptists 9123, die- selben als deutsche Gemeinde 194, Six Principle Baptists 937, Christ- liche Kirche des Südens 13004, Schwenkfelder 306, Theosophische Gesellschaft 695, Brüder in Christo 2080, Mormonen 144 352, Reorgani- sierte Mormonen 21773, Reformierte Episkopale 8455, Mährische Brüder 11 781, Deutsche Evangelische Synode 187432, Deutsche Evan- gehsch-Protestantische Kirche 36 156, Plymouth Brethren 2279, Menno- niten in 12 Untersekten 41541, Christian Union 3415, Tempel 340, Church of God 22511, Seventh Day Adventists 28891, Christian Con- nection 90718, Disciples of Christ 641051, Ethische Gesellschaft 1064, Friends in 4 Untersekten 107 208, Spirituahsten 45030, United Zions Children 525. Wir übergehen dabei die zahlreichen Untersekten der Lutheraner, Methodisten u. s. w., ebenso wie die chinesischen Götzen- diener, die eine Anzahl Tempel in S. Francisco und anderen Orten haben, die Sekten der Indianer und die halbrehgiösen Geheimbünde, von denen allein der der Freimaurer in den V. St. und Britisch Nord- amerika 673 643 Mitgheder zählt»). 1) Als letzte Auswüchse des Sektengeistes seien die Kommunisten- Gemeinden hier angefügt. Sie sind der Mehrzahl nach aus der Alten Welt eingeführt, haben aber selbst in diesem Boden kein grofses Wachstum auf- zuweisen. Der Census von 1890 weist den Shakers 1728, der deutschen Amana-Gesellschaft 1600, den Bruderhoff - Mennoniten 352, den Rappschen Harmonisten 250-, den Separatisten von Zoar 200, den Icariern 21, den Alt- ruisten 25 Mitglieder zu. Die Summe ist nicht gröfser als sie in einer 1878 in Oneida erschienenen Zusammenstellung angegeben wurde. Auch das bekannte Buch von Nordhoff, Communistic Societies of the U. S. (1875) läfst erkennen, dafs die meisten im Rückgang sind. XXV. Das geistige Leben. Hemmungen und Förderungen 650. Der koloniale Typus des geistigen Le- bens 651. Notwendige Mängel 652. Vorzüge 653, Begabung 654. Die Unter- richtsanstalten 655. Der Lerntrieb bezeichnend für die Nordamerikaner 656. Aufwand für die Schulen 657. Staatliche Fürsorge 658. Die Volksschule 659. Der Lehrerstand 660. Die Mittelschulen und Kolleges 661. Die Fachschulen 667. Die Bibliotheken 668. Öffentliche Vorträge 669. Die Wissenschaftspflege 670. Wert der amerikanischen Wissenschaft 671. Ihre Entwickelung 672. B. Frank- lin, Rumford, Rittenhaus 672. Die Surveys 673. Die Naturwissenschaften 674. Die Medizin 678. Andere Wissenschaften 678. Wissenschaftliche Körperschaf- ten 680. Litteratur 682. Abhängigkeit von der englischen 683. Eigentümlich- keiten 684. Dichter 684. Geschichtsschreiber, Redner u. A. 685. Litteratur und Volk 687. Kunst 689. Die Presse 691. Hemmungen und Förderungen des geistigen Lebens. Im geistigen Leben der Nordamerikaner hat lange das Lehren es über das Forschen, das Aufnehmen und Anwenden über das Selbst- schaffen davongetragen. Dieses Leben sah sich so viel Zwecke von praktischer Bedeutung nahe vor Augen gesetzt, dafs weder Zeit noch Lust sein konnte zu grolsen Leistungen in Kunst und Wissenschaft, die ihren Zweck in ihrer eigenen Vollendung sehen. Es fehlte auch der befruchtende Verkehr der Geister in unseren Bildungsmittelpunkten und es fehlten diese Mittelpunkte selbst. Uns alten Völkern, die wir nicht wissen, wie es um uns stand, als wir im Werden waren, ist es befremdlich, dafs ein Volk von diesen Leistungen in Staat und Gesellschaft, in Industrie und Handel, so jung und, wenn auch politisch und wirtschaftlich selbständig, doch in den geistigen Beziehungen noch Kolonial volk Hemmungen und Förderungen. 651 ist. Die Merkmale eines solchen hat W. Röscher am treffendsten gezeichnet^): »Aus dem üppigen materiellen Wachstum geht eine hohe geistige Bedeutsamkeit kervor, aber dieselbe wird in ganz besondere Richtungen getrieben. Der Erfindungsgeist wird vor allem entwickelt (vgl. o. S. 513), und da dem Einzelmenschen eine fast erdrückend groi'se Selbständigkeit aufgenötigt wird, richtet sich sein Denken auf praktische Gegenstände fast ausschliefslich : Alles günstige Bedingungen für die Pflege der technischen Künste«. Die geschichtlichen Fäden sind zerrissen, der Boden, auf dem man lebt, ist ohne Tradition. Kein Wunder, wenn die »Poesie der Örtlichkeiten« beim Nordamerikaner weniger stark ist als bei uns eingewurzelten Existenzen. Es fehlen also viele von den Grundbedingungen, die unserer »Gemütlichkeit« zu gründe liegen. Dafs sich aber dieser Mangel nicht auf das Naturgefühl erstreckt, haben wir hervorgehoben (s. o. S. 170). Man wird nicht viel historischen Sinn vermuten. Die V. St. sind mit allem, was sie von der Kultur der Alten Welt ererbt haben mögen , etwas nie Dagewesenes. Ihre Gröfse, ihre bunte Bevölkerung, ihr Wachstum sind neu und so sind es die meisten Einrichtungen des staatlichen, religiösen, materiellen, geistigen Lebens. Ein Geist der Neuerung ist beständig an der Arbeit, der nur unhistorisch sein kann. Dürfen wir es anders erwarten? Aber er ist kein Geist der Zer- störung. Er zeigte sich fruchtbar in zahllosen Entwickelungen, die manchmal Zeugnis ablegen von hohem idealen Schwung. Die innere Ausgestaltung des grofsen Freistaates mindestens in den ersten 60 Jahren seiner Existenz , also vor der Zeit der grofsen politischen Korruption, ist eine grofse ideale That! Und ist es minder die Befreiung der Sklaven? Es würde falsch sein, dem Amerikaner Mangel an Begeisterung vorzuwerfen; er ist ihrer in manchen Beziehungen in höherem Grade fähig als der kritische Deutsche. Die kolonialen Eigentümlichkeiten sind nicht an und für sich dem geistigen Leben und Schaffen hinderlich; sie leiten es 1) Kolonien, Kolonialpolitik und Auswanderung. 2. Aufl. 1856. Abth. I. Kap. V. 652 Mängel und Vorzüge des nur in andere Bahnen. Das Streben nach Erhaltung der nationalen Einheit bei rascher Ausbreitung ist, nach all den Lehren der euro- päischen Geschichte, ohne das Opfer der geistigen Mannigfaltigkeit nicht erfüllbar; je früher ein Volk sich ihm hingibt, desto tiefer werden auch seine Wirkungen sein. Schädlicher noch mufs die innig mit der kolonialen Entwickelungsstufe zusammenhängende Jagd nach Geld wirken, die den Sinn vieler Hochbegabten ab- wendig macht von der Verfolgung idealer Ziele. Die Überschätzung materieller Güter gibt uns das Recht, von einem weitverbreiteten Mangel an Idealität zu sprechen. Er liegt weniger in ihrer Natur, als in ihren Verhältnissen. Ich habe noch L. Agassiz, der die Bürger seines Adoptiv-Vaterlandes hoch hielt, diesen Fehler bitter tadeln hören. Sogar in die Studien trägt man den kaufmännischen Geist, von dessen weiter Verbreitung schon gesprochen wurde. Es gibt viel zu Wenige, die blofs studieren um zu wissen, nicht um zu erwerben. Die geräuschvolle, haschende Lebens- und Thätig- keitsart kann der stillen Arbeit des Geistes nicht förderlich sein. Wenn 99% einer Bevölkerung von einem Wirbel erfafst sind, der sie rastlos herumtreibt, wird es dem Hundertsten selten vergönnt sein, auch wenn er am Ufer stehen bleibt, sich die Sammlung zu bewahren, in der sich Gedanken schöpfen und wissenschaftliche Probleme ausspinnen lassen. Wer das amerikanische Leben kennt, wird eher geneigt sein, sich zu wundern über die grofse Zahl derer, die Kraft gehabt haben, den Lockungen materieller Lebensziele nicht zu folgen, und vom Geräusch des äufserlichen Lebens sich nicht stören zu lassen. Die Zahl der feiner Empfindenden ist im Wachsen, aber ihr Einflufs auf die Klärung der geistigen Atmo- sphäre gering ; insofern kann mit Recht behauptet werden , dafs trotz der vielen Bildungsmittel die Durchschnittsbildung nicht in dem Mafse gestiegen sei, wie die einer kleinen Elite. Die Tendenz auf eine Aristokratie der Bildung ist mit der Demokratisierung der Bildungsmittel und -ansprüche nur gewachsen. Wir dürfen nie vergessen, dafs die gebildeten Stände, deren Kern bei uns die Beamten, Lehrer, Offiziere bilden, dort nicht vorhanden sein können. Dafs die Geldsucht mit einem Teile des Errafften den Wissenschaften und Künsten wieder zu Nutzen wird, mildert nur geistigen Lebens. 653 wenig den Schaden, den sie dem Geiste des Volkes zufügt. Der Reichtum der Nordamerikaner macht sich bereits auf dem Gebiete der Kunst und Wissenschaft dadurch geltend, dafs prächtige Sammlungen angelegt werden, die nur leider nicht immer gut unterhalten werden i). Die besten Bilder moderner Maler wandern nach Nordamerika, die Einfuhr alter kunstgewerblicher Gegen- stände ist sehr erheblich, die Resultate ganzer wichtiger Aus- grabungsunternehmungen, wie z. B. die Cesnolas auf Cypern, sind bereits in New York vereinigt. Musiker und Maler heimsen dort die reichsten Ernten ein. Die einheimische Kunst und Kunst- industrie sind vollauf beschäftigt und die Vorliebe für monu- mentale Bauten^) gibt besonders den Baumeistern reichliche Ge- legenheit zur Entfaltung ihrer Kunst. Nicht weniger empfindet die schöne Litteratur diese Förderung, die Werke populärer Dichter erfahren eine ungemein weite Verbreitung, sie haben nicht über Vernachlässigung zu klagen. Nur für die Poeten, die zu einem erlesenen Publikum sprechen, einen Emerson, Whitman gilt das Wort: »A Foreign Country in a kind of Contemporaneous Posterity«. Nach allen Anzeichen ist es die Förderung der auf Ausbreitung, Massenherstellung und grofse, weite Wirkung an- gelegten Zweige geistigen Schaffens, der Unterrichtsmittel und -anstalten aller Art, der Architektur, des Kunstgewerbes, was als nächste und bedeutendste Frucht des goldenen Taues sich zeigen wird. Die Atmosphäre für höchste Schöpfungen des Genies kann nicht erzeugt, doch durch Verfeinerung der Sitten und des Ge- schmackes begünstigt werden. 1) Es gab eine Zeit, in der der wissenschaftliche Luxus ebenso primi- tiv war wie der künstlerische. Damals waren die Museen Raritätenkabinete. Einige Krystalldrusen, Mammuthknochen, die man in beliebiger Menge haben kann, indianische Waffen und Trachten, Büffelfelle, ausgestopfte Vögel und in »Spiritus gesetzte Schlangen, Wachsstatuen Washingtons und Jacksons, schlechte Stiche nationaler und lokaler Berühmtheiten setzten ein solches Museum zusammen. (S. M. Chevaliers Beschreibung des Museums von Cincinnati im Jahre 1835 in Lettres de l'Am^rique du Nord I. 316.) 2) Der Wunsch, monumentale Bauten zu errichten, hat sich mit der Zeit geradezu zur Leidenschaft gesteigert und von vielen Seiten wird geklagt, dafs sie einen unverhältnismäfsigen Teil der Stiftungen für Bildungszwecke verschlingen. 654 Einförmigkeit. Begabung. Die oft getadelte Einförmigkeit, die auch wir hervorzuheben hatten (s. o. S. 101), ist eine natürliche Folge der schnellen, weiten Ausbreitung eines und desselben litterarischen Ideals, nämlich des englischen in neuengländischer Umformung, die meistens nur Verdünnung war^). Es ist ein Verhängnis in der geistigen Ent- wickelung der V. St. , dafs der gröfste Unterschied , der bisher innerhalb der Grenzen der V. St. aufgetreten ist, der zwischen Süd und Nord, wegen der auffallenden Unfruchtbarkeit des geistigen Lebens im Süden von fast gar keiner geistigen Wirkung gewesen ist. Heute steht die Bildung im Süden tiefer als vor einem Menschenalter. Die Mahnungen zur Selbständigkeit, die nie beredter und aus tieferem Denken ausgesprochen wurden, als von E-. W. Emerson in dem Vortrage (von 1837) »The American Scholar« scheinen nur in dem Mafse Frucht zu tragen, wie die V. St. sich politisch und wirtschaftlich von England ablösen. Die Litteraturen der nichtenglischen Einwanderer haben bisher keinen merklichen Einflufs auf die amerikanische geübt. Viele Leute wollen nicht begreifen, dafs eine nationale Litteratur nicht erschaffen werden kann, sondern sich entwickeln will. Dafs die V. St. mit in die vordere Linie getreten sind in »Scientism« , Zeitungen, Erfindungen und praktischen Künsten, läfst um so klarer erkennen, dafs die alte, eigentümliche Litteratur fehlt. Nun sollte man sie aber nicht nach Rezepten erzeugen wollen. Ein vielgenannter Lyriker, Walt Whit man, schrieb ganz richtig, daraus, dafs die V. St. mehr Zeitungen drucken, folge noch nicht, dafs sie eine Litteratur haben; aber wenn er in demselben Aufsatz, der die Frage behandelt, ob die V. St. eine nationale Litteratur haben oder je haben werden u. dgl. — ähnliche Aufsätze sind in den besten Zeitschriften öfters zu finden — als die Bedingungen einer solchen 1) Sie macht sich auch in den Ortsnamen geltend, die sich niclit blofs ermüdend, sondern auch unpraktisch oft wiederholen. Lyell spricht von einer »angeborenen Armut an Erfindung hinsichtlich der Namengebung«, die den angelsächsischen Geist charakterisieren soll. (Second Visit to the U. S. 1855. n. 249.) Diese Einförmigkeit der Namengebung erstreckt sich auch auf Kirchen. In dem anonymen Büchlein On the Dedications of American Churches (1891) wird u. a. nachgewiesen, dafs in einer Diöcese von 82 Kirchen 16 St. Paul, 17 St. Johannes, 24 Trinity und 25 Christ getauft sind. Die Unterrichtsanstalten. 655 Patriotismus, Nationalität, Ensemble verlangt, so heilst das ein altes oder doch ein fertiges Volk verlangen. Als. Spröfslinge der begabtesten Völker Europas werden die Nordamerikaner mindestens ebenso begabt sein, wie ihre altwelt- lichen Vorfahren. Es könnten aber die Lebensverhältnisse, unter denen sie sich befinden, einen hindernden oder fördernden Ein- flufs auf die Entfaltung dieses Erbteils gewirkt haben. Darüber ist Folgendes zu bemerken: Es sind immer die Unternehmenden und Denkenden, die politisch, religiös oder wirtschaftlich Regsamen gewesen, die auswanderten. Durch diese unwillkürliche Auswahl kann eine Steigerung des Grades der Begabung stattgefunden haben. Dasselbe läfst sich von der Mischung angelsächsischen, deutschen, keltischen, romanischen Blutes erwarten. Dafs der Einflufs der Naturumgebung und der Lebensbedingungen mindestens kein ungünstiger war, ist bereits nachgewiesen (s. o. S. 170 f.). Die körperliche wie geistige Konstitution des Nordamerikaners ist im Vergleich zu der der Europäer eine verfeinerte und beweg- lichere. Er selbst hält sich für viel intelligenter. Die Leistungen haben zu zeigen, was wahr daran ist. Bewiesen ist bis jetzt durch Leistungen, dafs er rascher denkt und handelt als der Teutone, dafs er mit Phantasie reich begabt ist und dafs in geringem Grade seine geistige Thätigkeit von der sinnlichen Seite her Hemmung erfährt. Die Unterrichtsanstalten. Der Nordamerikaner ist ein viel lernender Mensch. Sein elf ener Sinn läfst ihn den praktischen Wert der Kennt- nisse richtig erkennen. Im reichen öffentlichen Leben tagtäglich zum Denken angeregt, wird sein Geist von einer Menge von Eindrücken bestürmt, die er immerfort regsam verarbeitet. Er ist zugleich von den besten Gelegenheiten umgeben, seinen Geist zu nähren und zu bilden: Unentgeldliche Schulen und Bibliotheken, billige Bücher und Zeitungen, die sich ihm geradezu aufdrängen, Vorträge über Alles, Möglichkeit des Umganges mit Höhergebildeten kommen seinen Wün- schen entgegen. Das ganze Leben fordert mehr als in der Alten Welt, aber in dieser Hinsicht bietet es auch mehr. Sogar der Staat nimmt sich des Unterrichtes mit Kj-aft an, selbst die Bundesregierung hat gewagt, eine der »Allgemeinen Angelegenheiten« in ihm zu er- blicken, auf die sie ihre Sorge erstrecken darf. Der Elementarunter- richt ist überall umsonst zu haben und zum höheren ist der Zutritt leicht. Einige Staaten haben sogar den Schulzwang eingeführt. Man 656 Fürsorge für Schulen. hat die Nordamerikaner als den Typus eines Volkes bezeichnet, bei dem die Unwissenheit der grolsen Masse gering ist mid die Leute von verfeinerter Bildung selten sind, wo also ein möghchst gleichmäfsiges Niveau des Wissens erreicht ist*). Man kann dieser Charakteristik nicht die Berechtigung absprechen. Aber es würde nicht dem regen, selbst- thätigen Charakter des Amerikaners entsprechen, das was er wissen will, blofs in der Schule zu suchen. Er glaubt ebensoviel aulserhalb der Schule lernen zu können wie in ihr. Fortbildungsschulen jeder Art, Vorlesungen und eine grolse Masse von populärer Litteratur kommen seinem Trieb entgegen. Regelmälsige Bildungsgänge, die von den Ele- menten bis hinauf zu den höchsten Wissenschaften die Schulen durch- laufen, sind selten. So gut die Leistungen der Volksschule, so lücken- haft sind die der höheren Unterrichtsanstalten. Nun ist zwar der Nord- amerikaner das beste Material zu einem »Seifmade Man« und das öffentliche Leben der V. St. ist ein Boden, auf dem solche kräftige Pflanzen gut gedeihen, aber dennoch schlägt die Erkenntnis durch, dals auch der höhere Unterricht eine nicht zu verachtende Mitgabe fürs Leben sei, und dals er aber auch sorgfältig gepflegt sein wolle. Diese Einsicht ist in den älteren Staaten verhältnismäXsig leicht zu gewinnen, da es hier gute höhere Schulen gibt, die in einigen vor- trefflichen Beispielen sogar fast an unsere Hochschulen heranreichen. Aber in den jüngeren Landesteilen ist dies noch nicht erreicht und hier ist die Schätzung einer wirklich gediegenen Bildung noch weit zurück und ihre Erlangung ist keineswegs leicht. Aber die Fürsorge für die Schulen ist auch hier eine achtunggebietende : Es ist überall für ihre Dotation eine gleiche Grundlage geschaffen durch die Zu- weisung für Schulzwecke seitens des Bundes von 1 Sektion (610 Acres) Land an jede Township. Dadurch besals jeder Staat und jedes Terri- torium von vornherein einen Schulfonds, in den dazu noch Stiftungen und andere Zuweisungen flielsen. So kommt es, dafs schon die Territorien den Schulen grolse Fürsorge zuwenden. Als die beiden Dakotas 1890 als Staaten aufgenommen wurden, hatten sie 4137 Schulen, 2 Lehrerseminare, 5767 Lehrer. Montana, das ebenfalls 1890 aufgenom- men wurde , hatte 1888 316 Schulgebäude. Später sind noch andere Schenkungen von Seiten des Bundes zum Besten des technischen Unter- richtes gemacht worden^). Die Einzelstaaten und Gemeinden ihrerseits 1) H. Th, Bukle, Geschichte der Civilisation in England (I. Kap. V). 2) Der Kongrefs genehmigte am 2. Juli 1862, dals jedem Staat ein Teil des in seine Grenzen fallenden öffentlichen Landes übergeben werden solle zu dem Zweck, mit dem Ertrage desselben Anstalten für den Unterricht in Ackerbau und Industrie zu gründen oder zu unterstützen. Von den Erträg- nissen sollte nichts auf Gebäulichkciten irgend welcher Art, sondern alles nur auf die innere Ausstattung der Schule verwendet, und es sollte die letztere Unterrichtsstatistik. Staatsschulen. 657 haben jedoch den gröfsten Teil des Aufwandes, den sie für Unter- richtszwecke machen, durch Steuern zu decken und die Opfer, die von den Staaten, Gemeinden und Privaten für Schulen gebracht w^erden, sind beträchtUch. Die Ausgaben für Volksschulen betrugen 1890 in den V. St. 2,2 D. auf den Kopf, und zwar 3,3 im Westen, 2,8 in den nörd- lichen und nordwesthchen , 1 in den Südstaaten. Die Einkünfte der höheren und mittleren Schulen sind ebenfalls im Norden und Westen verhältnismäTsig höher als im Süden. 1890 waren 20 % der Bevölkerung in ölf entheben Schulen eingeschrieben. Die gröfste Zahl (22 °/o) in den nördlichen Centralstaaten, die kleinste (17 "/o) im Westen; der durch- schnitthche Schulbesuch betrug 13 7o der Bevölkerung •). Man kann sagen, dafs in den nördhchen und westhchen Staaten durchschnittlich 3 bis 4 D. pro Kopf der Bevölkerung für Staatsschulen ausgegeben werden. Über den Unterricht der Farbigen s. o. S. 284. In allen Südstaaten sind die Schulen für Weifse und Farbige selbstverständlich getrennt und selbst der Ertrag der Kopfsteuern für Schulen wird in Alabama gesondert an beide Rassen verteilt. Man betrachtete es früher als natürhch, dafs jede Gemeinde für den Unterricht ihrer Jugend Sorge trage. Die Aufbringung der Kosten, der Bau der Schulhäuser, die Wahl des Lehrers und der Schulbücher und alles Ähnhche war der Gemeinde vorbehalten, und der Staat ver- langte, dafs sie dies thue. Die grofse Teilnahme, die dieses System erweckte, war natürhch doch nur imstande, sehr ungleichartige An- stalten zu schaffen. In reicheren und älteren Gemeinden entstanden Schulen in grofser Zahl, ärmere blieben ohne Schulen, mehr noch im Süden als in der weiten Zone der jungen vorrückenden Kultur. Ein innerhalb 5 Jahren nach Erlafs dieses Gesetzes begründet sein. Unter anderen technischen und Ackerbauschulen wurden unter diesem Gesetz gegründet oder erheblich erweitert: Cornell University in Ithaka N. Y., Sheffield Scien- tific School in New Haven Conn., Delaware State College in Newark Del., Illinois Industrial University in Urbana 111., Massachusetts Institute of Tech- nology in Boston und Massachusetts Agricultural College in Amherst, Uni- versity of Wisconsin in Madison Wisc. Bei den älteren Landschenkungen waren viele Betrügereien unterlaufen, die in der Geschichte des Schulwesens besonders im Westen leider eine grofse Stelle einnehmen. Vgl. z. B. Higher Education in Wisconsin Wash. 1889. 1) Die 1887 gegründete, zuerst dem Inlandamt unterstellte Centralstelle für Unterricht, Bureau of Education, entfaltet durch Sammlung statisti- scher Daten über den Schulunterricht im In- und Ausland eine höchst frucht- bare Thätigkeit. Sie verööentlicht jährlich einen Report, der 1891 zwei dicke Bände umfafste, in denen unter anderem eingehende Berichte über deutsches und französisches Schulwesen stehen, aufserdem sehr erwünschte Sonder- berichte über die Geschichte des Schulwesens in den einzelnen Staaten und über Fachschulen. Ratzel. Die V. St von Amerika. 42 658 Staatsschulen. ganzer Staat, wie Alabama, bietet seinen Schulkindern nur 74 Schul- tage im Jahr. Diese Ungleichheit rief der Staatshilfe, die auf anderen Gebieten mit Eifersucht zurückgewiesen und hier mit Eifer gesucht wurde. Das Gefühl für die Notwendigkeit des Unterrichts, womöghch aller Bürger, konnte in demokratischen Gemeinwesen nicht fehlen, wo AUe ihren Anteü an der poHtischen Verantwortlichkeit haben*). Aus diesem Gefühl heraus und mehr noch aus Schätzung des praktischen Nutzens des Unterrichtes widmeten die Staaten der Volksschule steigende Beachtung. Es wurden Schulfonds, Erziehungsämter, SchuHnspektionen gegründet. Die Gesetzgebung aber, die alle besteuert, um alle zu lehren, das »Common School«- System als eine amerikanische Erfindung, in Massachusetts zuerst bewährt, anzusehen, ist natürhch unberechtigt. Der Bund griff helfend ein durch seine Landschenkungen und seit 1867 auch dadurch, dafs er es unternahm, durch ein »Board of Edu- cation« eine beratende Behörde einzusetzen, die zugleich die Statistik des Unterrichtes zu besorgen hat. Bis 1870 hatte der Kongrefs 79,5 Mill. Acres (124000 engl. Q.-M.) für Schulzwecke gegeben. (Adams, Free Schools 1874. 59.) Mehrmals sind Anträge auf Einführung eines gemein- samen Systems des öffentHchen Unterrichts und Gründung eines Bundes- Schulfonds im Kongrefs abgelehnt worden. Das Mafs der Teilnahme des Staates an dem Unterrichte seiner künftigen Bürger ist sehr verschieden. Während in den älteren Staaten, vorzüglich denen Neu- Englands, vielfach der Grundsatz befolgt wird, dafs der Staat blofs für die ersten und einfachsten geistigen Bedürfnisse des Volkes zu sorgen und keineswegs das Recht habe, darüber hinauszugehen, sind von den jungen Staaten des Westens sogar die höchsten Unterrichtsanstalten gegründet und unterhalten*). Aber die Abhängigkeit der einflufsreichen 1) Schulzwang besteht jetzt in den Neu-England-Staaten , New York, New Jersey, Michigan, Texas, Nevada und Kalifornien. In Georgia sind öö^'/o der Bevölkerung des Lesens und Schreibens unkundig. Leider wurde die Abhängigmachung der Ausübung der politischen Rechte von den elementar- sten Kenntnissen vom Kongrefs nicht beliebt. Ebensowenig ging er auf den von farbigen Repräsentanten gestellten Antrag ein, für den Unterricht der farbigen Bevölkerung des S. Fonds durch neue Landschenkungen zu schaffen. 2) Ein gutes Beispiel dieser spontanen Entwickelung gibt die Geschichte des »Educational Board« der Stadt New York , der Hunderte von Schulen verwaltet. Bis 1795 waren alle Schulen im Staate New York Unternehmungen von Privatleuten oder von Körperschaften, am öftesten von Kirchen; von diesem Jahre an bewilligte die Legislatur öfters Mittel für Schulzwecke, be- sonders aus dem Ertrag der verkauften Staatsländereien. Zu dieser Zeit ent- standen in der Stadt New York verschiedene Gesellschaften, die sich die Er- ziehung der Armen, der Farbigen u. dgl. vorsetzten, und unter ihnen wurde der Freie Schulverein, später Volksschulverein der Stadt New York, durch tüchtige Leitung und rege Thätigkeit zu einer Art Schulbehörde, in deren Die Volksschulen. 669 »School Superintendents« von den lokalen oder Staatspolitikern — viele sind jährlicher Wiederwahl ausgesetzt — wird als ein grolses Übel empfunden, für das, ebenso wie für die poKtische Abhängigkeit anderer Beamten, die »Civil Service Reform« angestrebt wird. Nicht blofs Partei- geist, auch private, geschlechthche, nationale Einflüsse kommen in der Ernennung und Absetzung der Schulmänner zur Geltung. In den Volksschulen (»PubHc Schools«) geht der Unterricht klar darauf aus, die praktisch notwendigsten Dinge einzuprägen, wie denn in dem Lehrplane für die drei letzten Halbjahre die Einübung der Unterschrift und des Ortes und Datums immer wieder besonders aufgeführt ist und das Kopfrechnen, die Ortskenntnis und die Kunde der Malse und Gewichte mit grofsem Eifer gelehrt werden. Der Anschauungsunterricht erfreut sich in diesen Schulen einer hervor- ragenden Pflege. Die Knaben- und Mädchenabteilungen, die nach dieser einfachen Volksschule folgen und Grammatikschulen (»Grammar Schools«) genannt werden, stehen etwa zwischen unseren erweiterten Volksschulen und höheren Bürgerschulen. Sie fügen den elementaren Fächern u. a. die Geographie von Nordamerika, die enghsche Gram- matik, Vaterlandsgeschichte, angewandtes Rechnen, Physik hinzu, rühren auch an Astronomie, Chemie, physikahsche Geographie und lehren noch die Verfassung der V. St. , einiges aus der allgemeinen Geschichte und Buchführung kennen. In den Mädchenabteüungen darf daneben auch Nähen gelehrt werden. Dort wo die deutsche Be- völkerung in gröfserer Zahl vertreten ist, kommt häufig noch deren Sprache als obligatorischer Lehrgegenstand hinzu. — Die Mannigfaltig- keit von Lehrgegenständen ist dadurch möghch, dafs man auf Gründ- hchkeit im einzelnen verzichtet. Das vorgeschriebene Pensum oder gleich das Lehrbuch wird womöghch ganz auswendig gelernt. Im Be- richt des »Board of Education« für 1875 hiefs es über diese Methode, die den deutschen Lehrern ein Greuel ist : »Die Schüler lernen bis zum Überflufs auswendig, aber sie studieren nicht genug . . . Die Schüler gehen in die Schule, um Aufgaben herzusagen, und die Lehrer, um dieses Hersagen anzuhören.« Auf der anderen Seite fehlt es nicht an Verfechtern, die ihr eine tiefe Begründung in dem Charakter und den Bedürfnissen des Amerikaners zumessen. Sie bezeichnen als das ameri- kanische Prinzip, dafs der Zweck des Unterrichts nicht so sehr in dem zu suchen sei, was er für den Schüler leiste, als in dem, wozu er den- selben befähige. »Je eher wir den Knaben dazu bringen, dafs er seinen Hände der Staat und die Stadt die Mittel zur Schöpfung von Schulen nieder- legten. Nachdem dieser Verein sein Amt 37 Jahre zur Zufriedenheit der Bürger verwaltet hatte, wurde ein amtlicher Erziehungsrat bestellt, der 11 Jahre neben Jenem arbeitete , bis beide sich vereinigten ; bei dieser Gelegenheit gab der erstere ein Kapital von 600000 D. in die Kasse. 42* 660 I^ie Unterrichtsmethoden und die Lehrer. Bildungsgang selbständig verfolge, desto bälder mögen wir ihn aus der Schule entlassen . . . Die gedruckte Seite ist das Mittel, und die Fähig- keit sie zu lesen und zu verstehen, die Vorbereitung zum Eintritt in das Reich des Geistes. Wir geben dem Schüler den Vorteil einer be- ständigen Selbsterziehung. Mit diesem Grundstock kann er seine schlummernden Kräfte ins Endlose entfalten. Daher wird die Bibhothek bei uns, was die Universität vor Alters war. Der Stolz Amerikas sind seine selbstgebildeten Männer. So grofs die Übelstände des Lehrbuch- systems sein mögen, so wenig sind sie zu vergleichen mit denen der mündüchen Methode«*). Man muls übrigens dabei auch die Eigentüm- lichkeiten der Schüler und Lehrer mit in Betracht ziehen. Die Mehr- zahl besucht die Schulen nicht lange genug, viele arbeiten ein paar Monate für ihre Eltern, um dann wieder eine Zeit lang sich unter- richten zu lassen, und die Familien ändern häufig den Wohnsitz. Dazu kommt die nachlässige Famihenerziehung und der Mangel haushoher Nachhilfe bei den ärmeren amerikanischen Kindern, dann ihre Früh- reife. In diesen Verhältnissen sucht das Textbook-System seine Be- rechtigung. Aus ihnen erklärt sich auch die stramme Disziplin in den Volksschulen, die in einem auffallenden Gegensatze steht zu der Locker- heit der Familienerziehung. In so vielen Einrichtungen wirkt hier der Trieb, das Notwendige aus den zufäUigen Hüllen herauszuschälen, in die Gewohnheit es gehüllt hat, und in jedem Wirken nur das Erforder- hche, dieses aber entschieden und rasch zu thun. Er lebt auch in den Schuleinrichtungen, die vom Lehrer kein anderes Wissen ver- langen, als er zum Lehren nötig hat. Die Mehrzahl der VolksschuUehrer sind Frauen. Von 352231 Leh- rern, welche die Statistik für 1889 aufführt, waren 35,57o männliche, in den nördüchen atlantischen Staaten nur 20, im Süden dagegen, wo Neger überwiegen, bis 60'7o. Bei der verhältnismälsig geringen Be- zahlung ist für die meisten Männer der Elementarunterricht nm- Durch- gangspunkt für Aufstrebende. Als solcher bildete er allerdings einen bedeutsamen Abschnitt im Leben so manches hervorragenden Mannes in diesem Lande. Natürhch mufs bei diesem System die Voraussetzung einer unter allen Umständen bis ans Ende gleichmäfsigen Pflichterfül- 1) Dr. Harris cit. in N. Am. Eeview 1876. L 210. Auch der Bericht des »Bureau of Education« für 1888/89 (Washington 1891) bringt eine weit- hergeholte völkerpsychologische Begründung des amerikanischen Drill- und Eintrichterungssystems, das wie eine geschichtliche Notwendigkeit erscheinen soll. In Wirklichkeit wird es doch hauptsächlich angewandt, weil es dem Stande der Lehrerbildung entspricht. Scharfe Verurteilungen des Systems sind in den letzten Jahren immer häufiger ausgesprochen worden. Vgl. besonders den Bericht des Dr. Rice über die öffentlichen Schulen von S. Louis im »Forum« Dezember 1892. Der mittlere und höhere Unterricht. QQ\ lung, sowie eines Lehrkörpers von jederzeit durchschnitthch gleicher Güte aufgegeben werden. Höhere Schulen leiden hierunter weniger, .weil sie bei hohen Löhnen sorgsamer zu wählen und die Fähigen an ihre Zwecke zu fesseln vermögen; aber ganz ausgenommen sind sie von den Einflüssen des Systems der freien Wettbewerbung nicht. Sie kämpfen mit dem Mangel eines einheithchen Geistes in ihrem Lehr- körper ; schwer bildet sich ein einheitlicher Lehrerstand mit festen Tra- ditionen und Bestrebungen heraus. Amerika hat aber sein Schulwesen nicht am wenigsten darum so frei entwickeln können, weil es der Früchte langer und mühseliger Arbeiten, die in der Alten Welt ge- zeitigt wurden, in voller Reife teilhaftig wurde. Oder würde je eine Wissenschaft der Pädagogik im Kreise eines so bunten, ungleichen und immer fluktuierenden Lehrerstandes vom Keime an heraufgepflegt worden sein können? Würde dieser Lehrerstand das Nötige haben leisten können, wenn Europa ihm nicht die Mittel an die Hand ge- geben und die Wege gewiesen hätte ? — Über das Schulwesen der Neger vgl. das o. S. 284 Gesagte. Auch die Jahresberichte des »Bureau of Edu- cation« bringen darüber nicht blofs statistische Angaben, sondern auch Meinungsäulserungen hervorragender Schulmänner des Südens. So der Report für 1888/89 (Wash. 1891) im 2. Band S. 1412 bis 1439. Auch die Contributions to American Educational History bringen in den neuen Heften Education in Florida (Wash. 1889) und Education in Georgia (1889) Beiträge. Man darf bei der Beurteilung des unzweifelhaft tiefen Standes der Negerschulen nicht übersehen, dals überhaupt der Stand der Bildung im Süden immer ein tieferer war. Das Bildungsniveau ist aber im Süden seit 1860 noch gesunken, die »poor Whites« bieten keinen Ersatz für den Grundherrn von einst. Der mittlere und höhere Unterricht wkd von Lehr- anstalten besorgt, die mitteninne stehen zwischen unseren Gymnasien und Hochschulen, aber meist näher den ersteren als den letzteren. Man kann hierhin zählen die »High Schools« und »Academies«, eine Art Gymnasien, die »Normal Schools« (Seminarien) und die »Colleges und Universities«. Diese sind höhere Schulen nach englischem Muster, in denen mehr vorgeschriebenes Lernen unter der Aufsicht von Rek- toren und Tutoren betrieben wird, als freie selbständige Studien. Sie sind nicht blofs Unterrichts-, sondern immer auch Erziehungsanstalten, ihre Disziplin ist in der Theorie überall stramm. Verbreitung aUgemeiner Bildung in grölseren Mengen von Schülern ist ihr Ziel; viel weniger ist es die Förderung spezieller Studien und selbständiger Forschung bei Wenigen. Sie stehen häufig in enger Beziehung zu einer der zahlreichen christhchen Sekten, und bei den ehrwürdigsten und besten von ihnen ist eine oder die andere christHche »Denomination« nicht blofs zu Paten gestanden, sondern es war auch der Bedarf an klassisch gebildeten 662 r>ie Colleges. Geistlichen überhaupt ihr Werdegrund. Aber freilich haben die Gemein- wesen ganz wie bei der Volksschule, auch bei diesen von Anfang an unterstützend und ordnend mit eingegriffen, bis vielleicht, wie es bei den noch von den Kolonialbehörden mit Gesetzen und Rechten begabten »Colleges« Harvard und Yale der Fall war, die eigenen Einkünfte jede Unterstützung überflüssig erscheinen Hefsen. In den neuen Staaten des Westens sind derartige Anstalten nicht selten von vornherein von Staatswegen gegründet worden. Dennoch ist eine grolse Zahl von dem, was dort sich College oder University nennt, auch heute dem Sonder- geist der Sekten zu verdanken, der unterstützt wird durch reiche Stiftungen, und der nicht ruht, als bis er seine Geistlichen wie sein Publikum in eigenen Schulen herangebildet hat. Wenn dabei auch manchmal jede unmittelbare konfessionelle Färbung des Unterrichtes fehlt, so muXs doch mindestens die grolse Mehrzahl der Lehrer der betreffenden Denomination angehören und konfessionelle Propaganda wird in einer oder der anderen Form gemacht. Die Zahl dieser An- stalten betrug vor dem Unabhängigkeitskrieg 9, um 1800 26, aber 1890 wurden 415 gezählt, von denen die meisten in Ohio, Illinois, Missouri, Pennsylvanien und New York sich befinden. Auf jede Anstalt kamen 19 Lehrer^). Die Konkurrenz dieser zu übergrofser Zahl angewach- senen Colleges und die durch sie bedingte Zersplitterung der Mittel und Kräfte kann natürlich dem Gedeihen der einzelnen in keiner Weise förderhch sein. Wenn schon vor 15 Jahren Oregon mit 120000 E. 7 Colleges, Ohio 36 und Iowa 18 hatte, so fühlt man die Achtung schwinden, welche die Erinnerung an die klassischen Institute dieser Art in England und den älteren der V. St. wachruft. Eine bedeutende Konkurrenz wird ihnen gemacht von den meist von Anfang an besser ausgestatteten Staatsanstalten (gewöhnhch »State-Universities« genannt), die entstanden sind auf Grund einer für den Zweck der Errichtung eines »Seminary of Advanced Learning« von Seite der V. St. an jeden Staat gemachten Landschenkung (s. o. S. 656). Unter ihnen nehmen einige bereits eine geachtete Stellung ein. Übrigens scheint der Eifer für Errichtung neuer Colleges auf Seite der verschiedenen Denomina- tionen bei weitem nicht mehr so stark zu sein wie früher. Auch in dieser Beziehung schälen sich die V. St. rasch aus den Schalen ihrer Geschichte heraus. Der alte Westen ist bezeichnenderweise am reichsten 1) Das Kriterium eines College ist die gesetzlich ihm erteilte Befugnis, Grade und gelehrte Titel , wie Magister Artium , Bachelor of Science , Doctor u. dgl. zu verleihen. Man bezeichnet sie daher auch im Gegensatz zu anderen höheren Schulen, die diese Befugnis nicht besitzen, als »Degree-giving In- stitutions«. Die Aufnahmeprüfungen werden in den meisten Colleges durch »Admittance on Certificate« wenige andere sich nicht bequemt haben. Die Töchterschulen. 663 an solchen Anstalten, auch für die Südstaaten ist ihre grolse Zahl (129) im Vergleich mit der der nördhchen Atlantischen Staaten (72) kein Beweis für höheren Bildungsstand *). Die einst als Sekten-Hochschulen gegründeten Universitäten von Harvard (Cambridge) und Yale (New Haven), die bedeutendsten der V. St., haben den Sektencharakter gänz- lich aufgegeben, ebenso die Mehrzahl der State-Universities im Westen. Das bedeutendste unter .den jüngeren Colleges, Cornell University, ist grundsätzhch niclit sektirerisch. Vielleicht wird mit dieser Zurück- drängung konfessioneller Einflüsse auch eine gesunde Zusammen- drängung der höheren Unterrichtsanstalten in einzelne grofse Mittel- punkte der Geistesbildung verknüpft sein. Achtungswerte Männer arbeiten bereits diesem Bestreben vor'). Auf die Mädchenschulen der europäischen Länder, besonders Deutschlands und Frankreichs, sieht der Nordamerikaner mit Bedauern herab. Er findet die geringe Zahl der Mädchen, die höheren Unterricht empfangen, den Mangel der Frauen-Universitäten und die Thatsache auffallend, dafs die auf Co-Education gerichtete Bewegung nicht längst uns mitergriffen hat. Die Statistik gibt für 1889 290 Private Secondary Schools für Mädchen, 737 für beide Geschlechter, 198 Colleges for Women, und eine grolse Anzahl von Universities und Fachschulen an, die Frauen zulassen und ihnen Grade und die Unterstützung der Fellowships erteilen ; für diese Hegen leider keine erschöpfenden Mitteilungen vor. In den letzten Jahren haben Cornell und die Universität von Wisconsin ihre Hallen Frauen geöffnet und Yale erteilt den Doktorgrad an Frauen, die aber dem College fernbleiben. Eine ganz eigentümliche Entwickelung, die den Eindruck des Gesunden macht, nimmt das Frauenstudium in Harvard University durch die Gründung des Harvard Annex, in dem die Frauen besondere Vorträge der Hochschullehrer hören, das Recht auf die Benutzung der Bibhothek und andere Institute, sowie ge- wisser Stiftungen erlangen, aber vom eigentlichen College einstweilen 1) »Some of them have little more than a Name, a Charter and a Blas« sagt von diesen kleinen Colleges C. D. G i 1 m a n (Education in Amerika 1776 to 1875. 216). 2) So Präsident White von Cornell University, einer der erfahrensten Schulmänner von Amerika: »In den älteren Staaten sollten öffentliche und private Unterstützungen auf eine kleine Zahl der breitest und festest begrün- deten Anstalten konzentriert werden. In den jungen Staaten lasse man regel- mäfsig und ohne zu knausern staatliche Unterstützung den Staatsanstalten für die höhere literarische, wissenschaftliche und technische Heranbildung angedeihen, damit sie vollständig ausgestattet und von den konfessionellen Einflüfsen freigehalten werden könnenc Dr. Mc Cosh, der Vorstand von Princeton College, machte in einer Einführungsrede schon 1875 den Vorschlag, die Colleges jedes Staates in eine einzige Universität zu vereinigen. 664 Die Universitäten und noch streng getrennt sind. Die Mädchen machen mit Eifer Gebrauch von diesen Vorteilen und die Bildung der weibHchen Hälfte ist sichtlich in Hebung begriffen. Der Buffalo Courier schrieb im Februar 1892 : Die Zeit ist nahe, wo die Frauen im allgemeinen mehr InteUigenz zeigen werden als die Männer, soweit nämhch die Intelligenz durch Bücher- studium erworben werden kann. Die Entwickelung der nordamerikanischen CoUegien in der Richtung des freien Universitätsstudiums nach deutschem oder schotti- schem Muster ist seit einigen Jahrzehnten nicht zu verkennen — nur manche Amerikaner verkennen seinen altweltlichen Ursprung und finden darin einen nationalen Zug^) — und machte besonders in der jüngsten Zeit grofse Fortschritte. In das tjrpische CoUeg mit seinem vorgeschriebenen Lehrgang, in dem Latein, Griechisch und Mathematik die grölste RoUe spielen, während der Unterricht in den übrigen Wissenschaften nur in einer kurzen Einführung besteht, sind freiere Ideen eingedrungen. Durch Einführung der sog. Wahlfächer, d. h. Unter- richts- oder Vorlesungsstunden, aus denen den Schülern eine entweder ganz freie oder durch bestimmte Regeln beschränkte Auswahl freisteht, wird der starre Unterrichtszwang unterbrochen. Man legt auf Prüfungen in manchen Gebieten mehr Wert als auf beständige zwingende An- leitung zum Lernen. Der Kreis der Gegenstände, in denen unterrichtet wird, hat sich in den meisten Anstalten sehr erhebhch erweitert, und es haben vorzügHch die Naturwissenschaften eine immer gröfsere Geltung in den Unterrichtsplänen der CoUegien erlangt. Mit ihnen hat sich die Anleitung zu freier und selbständiger Forschungsarbeit in den Laboratorien oder in der Natur selbst Eingang verschafft. Auch auf die neueren Sprachen wird immer gröfseres Gewicht gelegt. In Harvard sind vier Professoren und Dozenten für Deutsch angestellt. In weiten Kreisen wird der Mangel der Sprachkenntnisse empfunden. Dafs die spanische Sprache selbst in hochamthchen Kreisen der Union fast unbekannt ist, machte sich z. B. beim panamerikanischen Kongreis schwer fühlbar. Die Anzahl der Lehr- oder Studiengegen- stände und die Freiheit ihrer Wahl ist in den fortgeschrittensten Anstalten wie Harvard College so weit gediehen, dafs die Ähnhch- keit mit der Universität im deutschen Sinne überwiegt. Dafs gerade diese Universität in einem stetigen Wachstum fortschreitet, legt ein günstiges Zeugnis ab für die Schätzung eines ächten Hochschulunter- richtes. Sie hatte 1892 als gröfste amerikanische Universität 2966 Stu- dierende, dazu in den Sommerkursen 500, die im Winter als Lehrer u. dgl. Geld für die Studien des Sommers verdienen. Ein Bericht, wie 1) So der Präsident von Columbia College in der Educational Review, Januar 1893. ihre Wirkung auf das Leben. 665 ihn 1892 Präsident Eliot vom Harvard College erstattete, spricht nur von Fortschritten, Vermehrung der Zahl der Studenten, Anwachsen des Vermögens und der Stiftungen, Vergröfserung der Sammlungen, sogar Verlängerung der Studienjahre (in Medizin). Eine Hochschule wie diese hat in ihrem Kreise, der sich lang- sam über Neu-England ausdehnte und heute die gebildeten Stände der ganzen Union umspannt'), verhältnismäfsig tiefere Wirkungen hervor- gebracht als manche Universität der alten Welt, die um Jahrhunderte älter ist. Diese Wirksamkeit kann nur mit der verglichen werden, welche die ersten Hochschulen im mittelalterhchen Europa übten. Gerade im Hinblick auf Harvard, das an der Spitze der gröfsten gei- stigen Bewegungen in den V. St. stand, muls Dölhngers Behauptung in dem akademischen Vortrag »Über den Einfluls Nordamerikas auf die Litteratur«, es gebe in den V. St. keine Universität, die sich mit einer dritter Klasse in Deutschland vergleichen könne, als nicht blols unrichtig, sondern auch unhistorisch bezeichnet werden. Das sind un- vergleichbare Gröfsen. Sie ist durch Lehrer und Schüler eng mit dem öffentlichen und geistigen Leben des ganzen Landes verflochten. In dem Kampfe gegen die Secession und den vorhergehenden Geistes- kämpfen war sie eine geistige Vorkämpferin, stellte aber nicht blols geistige Kräfte. 1239 Graduates von Harvard stritten im Bürgerkrieg in der Armee oder der Flotte, die meisten freiwillig, und 95 helsen dabei ihr Leben. Ihr Andenken bewahrt die ihnen zu Ehren er- richtete Memorial Hau und das Buch von Francis H. Brown »Harvard University in the War of 1861 — 1865«. Zu den hervorragenden Eigen- tümlichkeiten dieser Schule gehört der innige Zusammenhang ihrer »Graduates« lange nachdem sie ins Leben eingetreten sind. Eine Zeit- schrift, deren meiste Beiträge idealen Sinn und eine-n edlen Korps- geist atmen, wie das seit 1893 erscheinende Harvard Graduates Magazine, bildet ein geistiges Band um sie. Im Leben der Staaten und des Bundes zeichneten sich Harvardschüler durch rege geistige Interessen und hohe Gesinnungen aus. Charles Sumner gilt für einen ihrer hervor- ragenden Vertreter. Gleich den Doctores des Mittelalters bleiben sie in enger Verbindung mit ihrer Alma Mater, an deren Verwaltung und Vertretung viele später beteiligt waren. Die vom Bureau of Education 1) Die grofse Zahl der früheren Studenten von Harvard, die heute im Westen wohnen, zeigt, wie grofs der Einflufs dieser Universität auf die ganzen V. St. geworden ist ; 1892 wurden in Ihinois 152 , in Ohio 135 , in Kalifor- nien 127, in Minnesota 43, in Michigan 39, in Washington 28 frühere Schüler von Harvard festgestellt, im ganzen Westen 609, in den atlantischen Mittel- staaten 1303. Yale ist mit seiner starken, missionseifrigen theologischen Fakultät noch stärker im Westen vertreten, nämUch mit 915. Harvards Graduates Magazine 1893. I. p. 195. Die Universitäten. herausgegebene History of Higher Education in Massachusetts (Washing- ton 1891) gehört besonders durch die Geschichte der Harvard Uni- versity (S. 1 — 224) zu den wertvollsten Beiträgen zur Geistesgeschichte Nordamerikas. Die in einem Lande wie Nordamerika auch für die Uni- versitäten wichtige öffentliche Meinung legt durch die Schenkungen und Stiftungen für Schulen Zeugnis ab für das Vertrauen, das sie ihnen entgegenbringt. Das U. S. Bureau of Education hat für die letzten Jahre durchschnittlich 6 Mill. D. Stiftungen und Schenkungen für Unterrichtszwecke zu verzeichnen gehabt. Einzelne grofsartige Schen- kungen wie die Leland Stanfords von 20 Mill. D. für die nach seinem Sohn zu nennende Universität bei San Jose Cal. sind in diesem Durch- schnitt nicht gerechnet. 1850 gab es in Colleges und Universitäten, die eine klassische Vorbildung verlangen, 8837, 1890 31516 Studenten. Seit 1880 ist die Zahl der Studierenden doppelt so rasch gewachsen als die Bevölkerung*). Dafs im Kongreis und den Legislaturen in neuerer Zeit die Zahl der »College-bred«, der der Collegebildung sich erfreuenden Mitglieder, als eine unverhältnismäfsig geringe sich auswies, hat wenig mit der Güte dieser Anstalten zu thun. Es liegt ja in der Natur der politischen Ver- sammlungen, dafs nicht die Rücksicht auf Wissen und überhaupt geistige Bildung den Zugang zu ihnen bestimmt. Auch ist seit Jahren das allgemeine Urteil über die geistige und morahsche Höhe dieser Versammlungen ein so ungünstiges, dafs es jedenfalls nicht gegen die Colleges spricht, wenn sie nicht viele von ihren Leuten in dieselben entsenden. Bemerkenswert scheint ein anderer Vorwurf, welcher der College-Erziehung nicht selten gemacht wird, dafs sie näniHch eine gewisse Scheu vor den rauhen Kämpfen des Lebens, »eine Abneigung gegen die PoHtik, einen Schrecken vor dem Caucus« erzeuge. Ver- dient hier die PoHtik den Vorwurf oder die Schule? Die überall durch- dringende aristokratische Tendenz im nordamerikanischen Leben tritt natürhch auch an den Universitäten hervor. Harvard gilt, wiewohl eine ganze Reihe von Einrichtungen besteht, die den Studenten billiges Essen und Wohnen und Erwerb während der Ferien vermitteln — für Unterstützungen hat sich ein Kapital von 80000 D. angesammelt, — für die Universität der reichen Jugend. »The Grind«, der mühsam arbeitende, vielleicht gar selbst sich ernährende Student, ist dort schwach vertreten. Dem lärmenden Politiker ist es natürlich auch unbehaglich, dafs die kleinen »Collegiate Towns« wie Amherst, Ithaca, Hannover, Princeton Stätten einfachen Lebens gebheben sind, nach denen der New Yorker aus dem Geräusch und Luxus sich sehnt. Dafür hat er die Genugthuung, dafs die »University Extension« ihre Wellen aus 1) Educational Review, Februar 1892. Der wissenschaftliche Unterricht. 667 England nach Amerika geworfen hat, wo sie als ein Fortschritt auf das demokratische »Ideal der Erziehung« hin begrülst wird. Alle die grofsen Anstalten, voran Harvard, Yale, Princeton, Columbia haben sich in den Dienst dieser grofsartigen Vortrags- und Prüfungs-Organi- sation gestellt, aber nicht ohne Bedenken gegen dieses Heraustreten aus dem Kreise der alten Universität. Aufserdem arbeitet eine ähnliche Einrichtung, die Chatauqua Association, durch Vorträge, Aufgaben und Prüfungen, auf eine Art von Organisation des autodidaktischen Lernens reiferer Schüler hin. Der Unterricht in den verschiedenen Fächern und Wissenschaften war im Anfang auf das Verhältnis von Meister zu Lehrling gegründet und eigentUche Fachschulen sind vorwiegend erst im Laufe unseres Jahrhunderts entstanden. Noch heute genügt in den entlegeneren Staaten und Territorien für den Geisthchen die Anleitung eines Amts- bruders und die Anerkennung von Seiten der Profession, und ähnhch ist es beim Rechtsanwalt*) und Arzt. Aber überall, wo die Möglichkeit eines besseren Unterrichtes besteht, sind auch die Malsstäbe gewachsen, die an Kenntnisse und Fertigkeiten gelegt werden. 1774 wurde die erste nennenswerte Rechtsschule zu Litchfield (Conn.) gegründet. Har- vard College ernannte erst 1816 einen juristischen Professor. 1782 wurden an Harvard College die ersten Schritte zur Gründung einer Medizinschule gethan. Polytechnische Fachschulen sind ebenfalls ver- hältnismäXsig jung. Die Militär- Akademie zu West Point (New York), gegründet 1802, war von Anfang an nicht blofs eine Kriegsschule, sond-ern bildete • auch Topographen, Hydrographen und Ingenieure (s. o. S. 613). 1826 wurde das »Rensselaer Polytechnic Institute« in Troy (New York) gegründet und wurde bald zu einer Schule, die zahl- zeiche Sprossen in anderen Teilen des Landes trieb und einen starken Einflufs auf die Ausbildung der höheren Techniker übte. Nach und nach fügten die älteren Colleges sich »Schools of Science«, gewisser- mafsen kleine naturwissenschaftliche Fakultäten, an, in welchen zum Teil auch technische Fächer gelehrt wurden. Besonders häufig ist die landwirtschaftUche Unterweisung. Die Staa-ts-Universität von Ohio stellt sich die Aufgabe, einen guten Teil ihrer Absolventen zu Farmern zu machen. Den gröfsten Ruhm von allen diesen Anstalten hat Lawrence Science School in Cambridge (Mass.) durch die Wirksamkeit von Louis 1) Begreiflicherweise zieht das Studium der Gesetze die gröfste Zahl der intelligenten und strebsamen Jünglinge an. Die Rechtskunde ist die fast unvermeidliche Vorstufe zur Bühne des politischen Lebens und die Ausübung des Anwaltberufes gilt als die beste Schule der Redner. Sogar die berühmten »Seifmade Menc, die eine Rolle auf dieser Bühne spielten, haben fast alle diese Stufe überschreiten müssen. Der Anwaltstand is^ natürlich sehr zahlreich in den politischen Körperschaften vertreten. Taubstummen- und BKndenschulen. Agassiz, dann Sheffield School of Science in New Haven (Conn.) erlangt. Stevens Institute in Hoboken (bei New York) ist eine gröfsere, dem höheren technischen und physikalischen Handwerk gewidmete, vor- wiegend praktische Schule. Immerhin gibt es noch heute in keinem anderen industriell gleich hoch stehenden Lande so wenige wirklich methodisch geschulte Techniker wie in Nordamerika. Die zahlreichen amerikanischen Erfindungen lehren, dafs die Geschicklichkeit viel ersetzt ; aber auf der anderen Seite bezeugen die hohen Stellungen, zu welchen europäische, in erster Linie deutsche Ingenieure, Architekten Bergleute u. dgl. in den V. St. gelangt sind, dals die technische Er- ziehung daselbst nicht für alle Bedürfnisse aufzukommen vermag. Der Unterricht der Taubstummen begann in den V. St. i. J. 1817 in Hartford Conn. Gegenwärtig gibt es 74 Schulen für Taubstumme mit über 8000 Schülern. Eine den V. St. eigentümliche Einrichtung ist das »National Deaf Mute CoUege«, welches 1864 von Bundeswegen in Washington D. C. gegründet wurde. Man gibt in ihm den Taub- stummen den höheren Unterricht der Kollegien und erteilt die Grade wie an einer Universität. Das erste Blinden-Institut der V. St. war das 1829 gegründete Perkins Institute in Boston Mass., in welchem Dr. S. G. Howe seine berühmte Erziehung der armen Laura Bridgeman ausführte. 1890 gab es 33 Blindenanstalten im Lande; leider geht sogar durch sie die »Color Line« (s. o. S. 283). Die Bibliotheken erfreuen sich besonderer Aufmerksamkeit seitens derer, die die Volksbildung zu fördern streben. Man hat die Schätzung aufgestellt, dafs 1800 aUe Colleges zusammen 50000 Bände be- sassen, während heute die Bibliothek von Harvard College allein 240000 zählt. Die Zahl der Bände in öffentUchen Bibhotheken zu Boston Mass. und Cambridge Mass. hatte sich von 1817 bis 1875 verfünfzehnfacht. Die National Library in Washington wurde im Anfang unseres Jahrhunderts gegründet und zählte 1892 625000 Bände ')• In New York, Massa- chusetts, Connecticut, Illinois und Wisconsin u. a. sind die Gemeinden durch Gesetz ermächtigt, Steuern aufzulegen zum Zweck der Gründung von Bibhotheken. Massachusetts gibt jeder Gemeinde (town), die eine öffentliche BibHothek errichtet, Bücher im Wert von 100 D. Ende 1891 1) Ihre Schicksale, wie sie im Congressional Directory für 1892 erzählt werden, sind merkwürdig. Die 1800 begründeten Anfänge wurden 1814 im englischen Kriege zerstört. Die durch Jeffersons Bibliothek bereicherte neue Library of Congrefs wurde 1851 gröfstenteils das Opfer einer Feuers- brunst. In den letzten Jahren hat der Congrefs jährUch durchschnittUch 11000 D. verwilligt und die Bibliothek des Smithsonian Institute ist mit der Library of Congrefs vereinigt worden, die durch die Copyright-Exemplare und durch Stiftungen rasch anwächst. Gegenwärtig ist ein neuer Bau im Werden, der 1894 vollendet sein soll. Bibliotheken und Vorträge. 669 gab es dort nur noch 66 Gemeinden ohne »Free Libraries«. Selbst in unseren gröfseren Städten bleibt viel zu thun, bis dem Wilsbegierigen Bücherschätze und Räume zu ihrer Benützung zugänglich gemacht werden , wie sie Boston , New York , Cincinnati , St. Louis und andere Städte der V. St. oft in mehrfacher Zahl dem Pubhkum darbieten. In der Stadt New York sind 28 BibHotheken dem Pubhkum zugänghch. Man geht hin, verlangt eine Zeitschrift oder ein Buch und erhält es ohne jede Bedingung und Formahtät zur Benützung. Bei ihrer Auswahl scheinen weder religiöse noch nationale Engherzigkeiten sich geltend gemacht zu haben. In Boston mit seiner verhältnismäfsig geringen und einflufs- armen deutschen Bevölkerung fand ich z. B. Adalbert Stifters Werke in der öff entheben Bibhothek und in der Astor-Bibhothek zu New York zählte ich ein paar Dutzend deutsche Gesamt- und Einzelausgaben Goethescher Werke. Sachkenner beloben die praktische Aufstellung der Bücher und die Kataloge, in deren Anfertigung jede möghche Rück- sicht auf die leichte Auffindbarkeit der Bücher genommen ist. Als ein wichtiges Bildungsmittel sind die in Tausenden über das Land ver- breiteten amtlichen Schriften der Bundes- und der Staatsämter, besonders die statistischen und pohtischen, die Berichte des Ackerbau- und des Erziehungamtes zu nennen, die in den abgelegensten Orten des fernen Westens oft die einzige ernste Lektüre bilden. Von amt- Hchen Veröffenthchungen werden in der Regel 500 Abdrücke für BibHo- theken bestimmt, in bestimmten Fällen 1000. Aulserdem beziehen die Volksvertreter grofse Mengen, mit denen sie ihre Wähler erfreuen. Neben den Bibhotheken kommen zahllose öff enthebe Vorträge dem Bildungsbedürfnis aller Schichten der Bevölkerung entgegen. Sie zu hören ist eines der Gebote der Sitte, dem sich nicht leicht eine Famihe entzieht, die Anspruch auf geistigen Luxus macht. Was bei uns das Theater- oder Konzert- Abonnement, das ist hier für Jeden, der nicht als roh oder arm angesehen werden will, die allwinterhch wieder- kehrende Forderung, einen Cursus von Vorlesungen mitanzuhören. Der amerikanische Unternehmungsgeist ist dem Bedürfnis nach Vorlesungen schon vor Jahren entgegengekommen und hat das Vorlesertum zu einer der »Institutionen« der Gesellschaft gestempelt. Man gründete Bureaux, deren Zweck und Einrichtung den Bureaux für Arbeitsuchende zu vergleichen ist. Diesen Bureaux schickt Jeder, der sich hierzu berufen glaubt, seinen Namen und sein Repertoire von Vorlesungen nebst Preisverzeichnis ein und an sie wendet sich jede Gemeinde oder jede Gesellschaft, die etwas vorgetragen haben wiU; sie wählt nach Wunsch, Bedarf und Mitteln und zahlt den Betrag an das Bureau, das seinerseits dem Vortragsreisenden nach Abzug von Kommissionen, Provisionen, Prozenten und anderen »Technicahties« eine Summe aus- bezahlt. Der Amerikaner ist ans Redenanhören gewöhnt und ist nicht 670 Gefahr der öfeentlichen Vorträge. leicht zu übersättigen. Er ist aber auch ans Reden gewöhnt, das er ja schon in den Schulen zu lernen pflegt, und nicht schüchtern. Es fehlt daher weder an PubHkum noch an Vortragenden und die Bureaux samt den Rednern und Vorlesern machen gute Geschäfte, zumal jene in die Vorträge bald ein sensationelles Element hineinzubringen wuIsten, das mehr an die Neugier und Skandalsucht als an die Wilsbegier des Publikums appellierte. Irgend Jemand, der sich berühmt oder be- rüchtigt gemacht hatte, wurde zu einer Vortragsreise eingeladen und sagte jeden Abend vor einem anderen Pubhkum, was er meinte oder wufste. Der unternehmende Mann aber, der das Risiko des Geschäftes auf sich genommen, begleitete ihn als Impresario, sorgte für das Praktische, für die Marktschreierei, die übUche Musik zur Einleitung des Vortrages u. s. f. Auf diese Weise sind alle Art Leute mit Vor- trägen durchs Land gereist und haben oft viel Geld gemacht. Frauen- zimmer, an die sich irgendein Skandalinteresse knüpft, spielen dabei eine grofse Rolle. Aber die Vorträge selbst verloren an Wert, denn die grofse Konkurrenz verleitete auch bessere Geister, wie einen Wendeil Philipps, zur übertriebenen Betonung des Anziehenden und Über- raschenden in der Form. Der Phrasenkultus, überhaupt der unwahre Ton, den die ernsteren Leute hier an so vielen Äufserungen des öffent- lichen Lebens als »Sentimentalism« beklagen, drängte sich in die Vorträge ein. Man spielte mit den ernstesten Stoffen, um zu gefallen, und man entwürdigte mit der Zeit ernste Forschung und fleifsiges Lernen in den Augen eines Publikums, das nur zu bereit war, an die schmeichelnde Lehre zu glauben, dafs Bildung nicht erarbeitet und erkämpft zu werden brauche. Für jene flachen Plaudereien, die man »Small Talk« nennt, ist die in solchen Vorlesungen zu gewinnende Bildung von Wert, für ernsteres Bildungsstreben ist die Bedeutung des Vortrags Wesens immer geringer geworden. Eine grofse Gefahr der tieferen Bildung und besonders des ernsten, wissenschaftlichen Arbeitens hegt überhaupt in der übertriebenen Schätzung des Rhetorischen. Die Beredsamkeit allein kann einen Mann grols machen und den Mangel aller anderen Gaben ver- gessen lassen. Eine der hervorragendsten Figuren in der Politik und ReHgion der V. St. in diesem Jahrhundert, Henry Ward Beecher, dankte seine Stellung durchaus nicht seinem Charakter, und weniger seinem Geiste als seiner Beredsamkeit. Nur wenige Amerikaner hatten ein Gefühl für einen Zug von Unwahrheit, der durch sein ganzes Wesen und Auftreten ging. Es werden im allgemeinen in Reden, Zeitungen und Büchern viele hohle Worte gemacht. Die Politik mag daran ihre Schuld tragen, sie ist es aber jedenfaUs nicht allein, die veranlafst, dafs viele über Gegenstände sprechen oder schreiben, ohne in Wii'klichkeit darüber etwas zu sagen zu haben. Die Wissenschaftspflege. 671 Die Wissenschaftspflege. In der Alten Welt hört man Vorwürfe, dafs die Nordamerikaner in der Wissenschaft der idealen Ziele ent- behrten und vom Abfalle der Tische der europäischen Wissenschaft lebten. Damit stimmt schlecht, was 1876 Sir William Thomson nach seiner Rückkunft von Philadelphia den in Glasgow versammelten britischen Naturforschern sagte. »Ich bin mit tiefen Eindrücken von dem zurückgekehrt, was ich innerhalb und aufserhalb der Welt- ausstellung gesehen habe; es hat mich mit echtem Forschertrieb, Hingebung, Originahtät, Erfindungsgeist, geduldiger Durchführung der Arbeiten, Fähigkeit, die Leistungen anderer zu schätzen, grofsmütiger Offenheit und Sympathie, den Quellen der grofsen Dinge in der Wissenschaft bekannt gemacht.« Indem sich dieser Beurteiler über Einzelheiten verbreitete, zollte er besonderes Lob den grofsartigen wissenschafthchen Instituten, wie Coast Survey, Smithsonian Institute, Signal Service, Harvard University, Boston Technological Institute u. a. Wir hören ähnhch unsere Fachleute von der Pflege der Geologie, Paläontologie, Biologie, Ethnographie, Meteorologie in den V. St. reden. Die wissenschafthchen Leistungen der Amerikaner kann heute nur der gering anschlagen, der mit dem Stand der wissenschafthchen Arbeiten unserer Zeit nicht vertraut ist*). Dals auch die Wissenschaft drüben die Spuren der Jugend an sich trägt, ist nur natürhch. Die praktischen Bedürfnisse drängen die Abstraktionen zurück. Schon in den ersten kampfreichen Jahrzehnten war eine Hauptsorge der Ansiedler die Heranbildung von GeistHchen. Heute gibt es sicherlich kein Volk, das so grofse Mittel für theologische Schulen aufwendet wie das der V. St. So bedeutende Leistungen die Nordamerikaner auf allen Gebieten der praktischen Religion aufzuweisen haben, so arm ist ihre exegetische, kirchengeschichtliche, kritische, hnguistische Thätigkeit auf theologischem Gebiete. Doch ist der erste bedeutende Name ihrer Litteratur, Jonathan Edwards (f 1758), der eines Theologen. Die Gabe der Erfindung ist dem Norda,merikaner in reichem Mafse verliehen und hat ihn auch zu hervorragenden wissenschafthchen Leistungen befähigt (s. o. S. 513). 1) De CandoUe hat in seiner Histoire des Sciences et des Savants depuis deux Si^cles (1873) die Procentzahlen berechnet, mit denen die Nord- amerikaner unter den auswärtigen Mitgliedern der grofsen europäischen wissenschaftlichen Akademien vertreten sind. Im Zeitraum von 1666 — 1870 nahmen sie teil mit 2,2 "/o (ebensoviel wie Rufsland und Polen) an der Pariser, 1869 mit 2"/o an der Londoner (ebensoviel wie Niederland, Belgien, Italien und Rufsland), 3"/o an der Berliner (ebensoviel wie Niederland und Italien), 4,6"/o an der Petersburger (ebensoviel wie Schweiz, Skandinavien). Die Be- merkungen De Candolles über die Bedingungen der Wissenschaftspflege in den V. St. (S. 234 f.) sind die besonnensten, die ich in irgend einem euro- päischen Buche gefunden habe. 672 I^ie Wissenschaftspflege. Die Anzahl der Erfindungen, die von Nordamerikanern gemacht sind, ist erstaunlich. Die Mehrzahl gehört der Technik an, doch auch von solchen, welche die Entwickelung der Wissenschaft beschleunigt haben, hegt eine ganz bedeutende Zahl vor. Franklin, der erste hervor- ragende Naturforscher, den Nordamerika aufweist, ist auch in dieser Richtung ein echter Vertreter seines Volkes. Seine Identifizierung des Blitzes mit dem elektrischen Funken ist eine grofse wissenschaftliche Entdeckung, sein Blitzableiter eine ausgezeichnete Erfindung. Er ist kein Gelehrter gewesen und hat die Wissenschaft gefördert ; man wird ihn immer unter den hervorragenden Naturforschern des 18. Jahr- hunderts nennen. Ihm ähnlich war in manchen Punkten sein Zeit- genosse Rittenhaus in Philadelphia, ein mechanisches Genie; er ver- fertigte vortreffliche Uhren und seine Beobachtung des 1769 er Venus- durchganges war genauer als die der geschulten Astronomen seiner Zeit. Rumford kann als der dritte genannt werden mit seinen wichtigen Untersuchungen über die Wäi-me und seinen praktischen Erfindungen. Das waren Leute von grolsem praktischen Geschick und in hohem Mafse mit der kombinierenden Phantasie ausgestattet, die man Erfindungsgabe nennt. Ihnen fehlte zu grofsen Naturforschern nichts als die ruhige Vertiefung. Leider zersphtterten sie ihre Kräfte auf eine Anzahl von Gebieten menschlicher Thätigkeit. Sie standen in so hoher Achtung, dafs sie mit öffentüchen Ämtern geradezu über- laden wurden. Das Land glaubte ihrer Kräfte mehr zu bedürfen als der abstrakten Wissenschaft. In der Erinnerung an sie ist es geneigt, hervor- ragende Erfinder und grofse Männer der Wissenschaft zu verwechseln. Das Jahrzehnt der Revolution, das den jungen Staaten so grofse Opfer auf- erlegte, war nicht geräusch- und opfervoll genug, um der philosophischen Gesellschaft von Philadelphia die erste Beisteuer von 400 D. verweigern zu lassen, welche die Legislatur von Pennsylvanien ihr 1783 bestimmte. 10 Jahre später erbaute dieselbe Gesellschaft sich ein eigenes Haus für ihre Sammlungen und Vorträge, wie nicht viele europäische Gesell- schaften jener Zeit. Merkwürdigerweise folgte nun ein halbes Jahr- hundert, in dem sehr wenig geleistet wurde. Das Volk im ganzen war zu sehr in Anspruch genommen von der hohen materiellen Entwickelung und der Ausbreitung nach Westen. Man hatte einige sehr tüchtige Reisende wie Pike, Long, Lewis, Clarke, Schoolcraft, welche den Schleier lüfteten, der den fernen Westen jenseits der grofsen Steppen des Missouri-Gebietes verhüllte. Aber diese kühnen Erforscher förderten mehr die Kenntnis des Landes als der Wissenschaft. Die naturwissenschaftUche Kenntnis des Landes blieb daher hinter der geographischen noch lange zurück. Die Zoologie der höheren Tiere jener Westgebiete ist mehr durch des Prinzen Maximilian v. Wi e d s Reise (1828) als durch die Arbeiten Einheimischer bekannt geworden. Nur ver- Henry, Bache, Ferrel. 673 einzelte Gröfsen ragen in dieser Zeit hervor. Bowditch, der die Meca- nique Celeste Laplace's mit einem Kommentar übersetzte, der sie dem Verständnis ^deler nahe brachte und sie zu einem gesuchten Buche werden liefs; Henry, der mit seinen Entdeckungen im Gebiete der Elektrizitätslehre die späteren so fruchtbaren Arbeiten Morse's vorbereitete, waren Autodidakten. Bache, der spätere Direktor der Küstenaufnahme (U. S. Coast Survey), war ein Schüler der Mihtär- Akademie von West Point, die auch sonst noch hervorragende Männer der Wissenschaft in gröfserer Zahl geliefert hat. Aber allen dreien ist gemeinsam eine auffallend vereinzelte Stellung unter den Zeitgenossen, die den Mangel an innerem Zusammenhang ihrer Arbeiten erklären hüft. Auch Ferrel 's, desgrofsen Meteorologen Leben, das 1891 in May- wood (Ka.) schlofs, war vom Schullehrer bis zum Professor im Signal Office das stülste, aber fruchtbarste Gelehrtenleben. Viel mehr als heute trat damals der Mangel eines eigenthchen Gelehrtenstandes und der wissenschaftHchen Atmosphäre hervor. Der Wissenschaft gerade nützt ein Zug zum Kastenwesen, der in jungen Gesellschaften unmÖgUch ist. Sogar dieLehrthätigkeit an irgend einem College bringt in Amerika weniger Anregung zu forschender Thätigkeit, mehr Zerstreuung und Zersphtterung mit sich als bei uns. Die Schüler wollen den Lehrer mehr ausnützen, als geduldig ihm zur Seite zu stehen, und sich an ihm selbst heranzubilden. Selbst L. Agassiz, dem die Pflichten seiner Stellung von vornherein leicht gemacht wurden, hat, wie er oft klagte, unter dem Drucke der praktischen Arbeit seine rein wissenschaftliche Thätigkeit sich be- schränken sehen. Ebenso ward Bache von den Pflichten der Küsten- aufnahme, die 1832 unter Hassler's Leitung ins Werk gesetzt worden war, und Henry von denen eines Leiters des Smithsonian Institute in einer Weise absorbiert, die ihr Leben für die Wissenschaft nicht nach dem Mals ihrer Begabung fruchtbar werden hefs. Allerdings ist die Küstenaufnahme der V. St. eines der gröfsten und vollendetsten Werke ihrer Art und ebenso steht die grofsartige Thätigkeit des Smithsonian Institute ganz einzig da in der Geschichte der gelehrten Gesellschaften (s. u. S. 657). Was die Amerikaner auf astronomischem und nautisch- physikalischem Gebiete geliefert haben: die Herstellung der grofsen Femröhren, die Photographie im Dienste der Astronomie, die Ent- deckung zahlreicher kleiner Planeten und der Marsmonde, die Unter- suchungen über den Golfstrom, mit denen der Name Maury's un- vergängüch verknüpft ist, ihre Nordpolforschungen u. a. lehnen sich vorwiegend an diese beiden Anstalten an und sind zumeist von Schülern Henry 's und Bache 's ausgeführt. Eine bedeutende Anregung wurde der Pflege der Wissenschaften in den V. St. durch die Surveys gegeben , die von Seiten des Bundes und der Einzelstaaten seit 1830 in wachsender Zahl und Ausdehnung Ratzel, Die V. St. von Amerika. 43 674 U. S. Coaöt Snrvey. Geographische und mit wachsenden Mitteln') veranstaltet wurden. In erster Linie steht hier immer der Coast Survey unter Hassler, Bache und jetzt Mendenhall, der eine Masse wertvollen Kartenmaterials geschaffen und in seinen jährHchen Berichten zahlreiche Beiträge zur Hydro- und Geographie, zur Physik und Meteorologie gegeben hat. Die Anwen- dung der Telegraphie zur Längenbestimmung, eine epochemachende Neuerung, ist von dieser Seite zum ersten Mal in ausgedehnter Weise erprobt, geübt und zu einer wissenschafthchen Methode von hoher Vollendung ausgebildet worden. Die Küstenaufnahmen wurden nach dem letzten mir vorhegenden Bericht an der Küste bzw. in den Ge- bieten von 17 Staaten und 1 Territorium fortgesetzt. Specielle Aufgaben waren die Veränderungen der Küsterdinie durch Gezeiten und Bran- dung bei C. Cod, die Beobachtung der Küstenströme und der Abflufs- menge im Long Island Sund, Bestimmungen der Dichtigkeit des Meer- wassers und Golfstromstudien. Geodätische Arbeiten für die topo- graphischen oder geologischen Aufnahmen einzelner Staaten wurden in Massachusetts, New Jersey, Tennessee, Arkansas, Wisconsin und Minnesota ausgeführt. Auf die Mitwirkung des Surveys bei Grenz- berichtigungen, deren wichtigste jetzt die Alaskas beim liO**. w. L., wurde früher hingewiesen (vgl. o. S. 50). Ein Beamter des Survey machte auf einem der Schiffe der V. St. Beobachtungen über Schwere und Erd- magnetismus an der Küste Westafrikas. Mit dem Coast Survey ist die Office of Weights and Measures verbunden, die auf die Einführung metrischer Malse im Küsten- und ZoUdienst hinarbeiten wird. Die Kosten des Coast und Geodetic Survey allein betrugen 1890 537 120 D. 1886 begann man bei Washington den Bau eines Marine-Observato- riums, für das ein Gesetz im Januar 1892 eine ähnhche Organisation wie für das von Greenwich vorschrieb. Es ^drd den Namen führen »The U. S. National Observatory«. Die Surveys der einzelnen Staaten und Territorien haben sich erst später zur Höhe wahrhaft wissen- schafthcher Leistungen erhoben, denn die Ansprüche, welche die Auf- traggeber an sie stellten und die Ausführenden an ihre eigene Arbeit machten, stehen in einem leicht zu erkennenden Verhältnis zu dem 1) Pennsylvanien zahlt seit einer Eeihe von Jahren 50000 D. jährlich für seinen topographischen und geologischen Survey und in New York ist seit 1877 ein neuer Survey, zunächst rein topographisch, in Thätigkeit, mit einer jährUchen Zuweisung von 20000 D. New Jersey und Massachusetts waren 1891 die einzigen Staaten mit einer genau durchgeführten geographi- schen Aufnahme. Connecticut und Rhode Island folgen ihrem Beispiel. Die Notwendigkeit, die inneren Grenzen, besonders die der Townships, genau festzustellen, ist der praktische Anstofs zu diesen Unternehmungen. 1) Nach James T. Gardner (Rep. of the Board of Commissioners New York State Survey 1877) sind noch auf den bisher gebräuchlichen Karten und geologische Aufnahmen. 675 allgemeinen Stande der Wissenschaftspflege. Die früheren Landauf- nahmen waren rein topographisch, aber in ihren älteren Karten sind Irrtümer von 5 bis 10 Minuten keine Seltenheit'). Die erste grofse geologische Aufnahme eines bedeutenderen Gebietes war die des Staates Massachusetts von Ed. Hitchcok (1835). An wissenschaft- lichem Werte stand aber die New Yorks vorzüglich durch die schö- nen paläontologischen Arbeiten von James Hall (1847 — 1852) lange Zeit in erster Linie, und überhaupt trug das Gesamtwerk der Natural History of New York erhebhch bei zu der grölseren Schätzung der Arbeiten amerikanischer Forscher in Europa. Sehr viel bewirkte darin die Wertschätzung, die so grofse europäische Autoritäten wie A. v. Hum- boldt und Charles Lyell, letzterer aus wiederholter eigener Erfahrung auf gröfseren Reisen im Lande, den Bestrebungen der Amerikaner entgegenbrachten. Unter den späteren Staats - Surveys ragen durch wesenthche Bereicherung, die sie der Wissenschaft brachten, besonders der von Pennsylvanien unter Rogers (1858), von Michigan unter Whit- ney und Foster (1851), Ohio unter Newberry (1870), Ilhnois unter Lesquereux, Wisconsin unter Owen und Whitney (1852 und 1862), Iowa unter J. Hall und Whitney (1858) und Kalifornien unter Whitney (1864) hervor. Die grofse Zersphtterung der geographischen Vermessungen und Darstellungen hat eine Menge einzelner Karten und Kartenwerke geschaffen, die einander weder ergänzen, noch mit- einander übereinstimmen. Als Übersichtsblätter der V. St. sind die Karten des Kriegsamtes in 1 : 5000000 hervorzuheben , für einzelne Staaten der topographische Atlas von Massachusetts (1 : 63,366) , die Karten von Rhode Island, New York, New Jersey, die fragmentarischen Kartenreihen des Geographica! Sm-vey West of the lOO^*" Meridian unter Wheeler, die Militärkarten der Weststaaten, die Fluls- und Seen- karten verschiedener River und Lake Commissions, die Karten des Land- amtes u. a. Das bedeutendste Kartenwerk über die V. St. verspricht die vom U. S. Geological Survey herausgegebene Karte in 1 : 250000 zu werden, die unter der Leitung von Henry Gannett bearbeitet wird. Die Karten und Atlanten privater Anstalten in Amerika ent- sprechen selten den Anforderungen, die wir in Europa zu stellen pflegen. Zu den reichsten Quellen für Geographie , Naturgeschichte Städte wie Albany, Buffalo, Syracuse u. a. um IV2 bis 3 engl. M. von ihrer wahren Lage entfernt. Gerade in den ältesten Staaten herrscht auch noch heute, besonders im Süden, ein bedauerlicher Mangel an guten Karten. Beim Ausbruch des Bürgerkrieges waren die Aufnahmen Washingtons, Ferien- arbeiten seiner Jugend, für manche Gegenden die einzigen ! Da in den neuen Territorien der Bund Aufnahmen besorgt hatte, kam es, dafs »von den ältest besiedelten Gebieten die geographische Kenntnis am schwächsten war«. C"> de Paris, Histoire de la Guerre Civile I. 364. 43* 676 Geologische, paläontologische und Völkerkunde des Landes gehören aber die Berichte der von Bundeswegen in die westüchen Territorien entsandten Expeditionen, von denen ältere, vorzüglich durch wichtige geographische Entdeckungen berühmte, schon früher genannt wurden. Wissenschaftliche Expedi- tionen, wie so ergebnisreich die Spanier keine ausgesandt hatten, berei- teten die Erwerbung KaHforniens vor, und als diese kaum vollendet war, wurde im September 1848 bereits eine Kommission für die Küsten- vermessung organisiert. Fremont's Exploring Expedition (1843 — 1844) vermittelte der Welt die erste eingehende Kenntnis des Felsengebirges, Emory's Mexican Boundary Survey (1858) ergänzte sie im Süden, wie Stansbury's Expedition im Gebiet des Grofsen Salzsees und die von Verschiedenen geUeferten Berichte in den Pacific Rail Road Reports (1851 f.) vorzüghch im Norden und Nordwesten. Hayden's Expedition arbeitete im Auftrag des Landamtes, die Wheeler's in dem des Kriegs- amtes und die Powell's in dem des Inlandamtes, bis 1879 der Kongrefs eine einzige Stelle für Landaufnahmen schuf unter der Leitung des Geologen Clarence King, später unter der des Major Powell, des Colorado-Forschers. Dieser Geological Survey wurde als eine Ab- teilung des Inlandamtes 1879 begründet. Bis 1890 hatte er 10 Jahres- berichte, 13 Monographien, 58 Bulletins und 5 statistische Berichte herausgegeben. Aulser 12 geologischen hat er 1 geographische und 1 bergbauliche Abteilung und erstreckt seine Thätigkeit neuerdings auch auf den Osten. Es bleibt noch ungemein viel zu thun. Selbst von einem alten, mit Stätten der Bildung umgebenen Staat, wie New Jer- sey, ist die Durchforschung noch so wenig weit gediehen, dafs man es als zoologisch »practicaUy unexplored« bezeichnet"). lUinois ergänzte 1891 seinen Geological Survey durch ein »State Laboratory of Natural History«, das die vollständige Untersuchung des Landes in naturhisto- rischer Beziehung, besonders seiner Hilfsquellen und Schädlichkeiten, zur Aufgabe hat. Im Verfolg dieser Arbeiten sind die Geologie und Paläontologie in so erheblichem Mafse gefördert worden, dafs die V. St. auf keinem anderen Gebiete gegenwärtig so bekannte und glänzende Namen zählen wie hier. J. D.Dan a'^), James Hall, N. Shaler, J. D. Whitney, Cl. King, S. Newcomb, R. Hayden, 0. Marsh, 1) Prof. John B.Smith in Final Eeport of the State Geologist. Einl. zu Bd. n (1891). 2) In einem geographischen Werke heifst es nicht über die Grenze schreiten, wenn man die Verdienste Danas um die physikalische Geographie, die in Europa lange nicht genug gewürdigt worden, besonders hervorhebt. Seine Behandlung physikalisch-geographischer Probleme im elften Bande der »Reports« der U. S. Exploring Expedition Wilkes und in »Corals and Coral Islands« stellt ihn in die erste Reihe der Geographen unserer Zeit und in der Geologie und Mineralogie nimmt er eine hochgeachtete Stellung ein. und biologische Studien. 677 D. Cope gehören unter ihren Fachgenossen in die erste Linie. Während also auf diesen Gebieten eine von aufsen kommende An- regung, nämhch der natürhche Wunsch aller intelligenten Bewohner des Landes nach Kenntnis des Bodens und seiner Schätze, zu grolsen wissenschaftlichen Ergebnissen führte und eine ganze Anzahl höchst achtenswerter Forscher erstehen hefs, gab auf einem anderen, fast nur die reine Liebe zur Wissenschaft, zu ähnlichen bedeutenden Leistungen den Anstofs. Naturfreunde von scharfer und fleifsiger Beobachtung, wie Audubon, Bachmann (Deutsch-Amerikaner), Gould, hatten in der beschreibenden Naturgeschichte schöne Arbeiten geliefert. Aber die vergleichende Anatomie, wie Cuvier sie gelehrt hat, erhielt erst durch L. Agassiz' Berufung (1845) nach Cambridge Mass. eine Heimat in Amerika. Die Gründung des »Museum of Comparative Zoology«, die Herausgabe der »Contributions to the Natural History of the U. S.«, die zoologischen Tiefseeforschungen sind nicht blofs Denkmale dieses bedeutenden Mannes, sondern auch ebenso viele Beispiele zur Nacheiferung. Sehr fruchtbar ist auch Agassiz' Thätigkeit als Vortragender im populären Stile geworden. Er hat durch seine anregenden Belehrungen nicht wenig beigetragen zu der gröfseren Achtung, die alle Wissenschafts- pflege heute in Amerika geniefst. Zahlreiche Schüler von ihm, unter denen sein Sohn A. Agassiz, dann Packard, Pourtales, Verril erwarben europäischen Ruf. Man hat L. Agassiz den Vorwurf gemacht, dafs er durch sein Festhalten an den Cuvier' sehen Anschauungen von dem Werden der organischen Wesen der fruchtbareren Idee der Entwicke- lung den Eingang in weite, von ihm beherrschte Kreise in Amerika verwehrt habe. Aber diese Ansicht widerlegen so wertvolle Beiträge zur Entwickelungslehre, wie sie von Asa Gray, Wright u. a. erschienen sind. Die Tierkunde hat noch rege Förderung gefunden im Smith- sonian Institute, aus dessen reichen Sammlungen vortreffliche Arbeiten über höhere Tiere hervorgegangen sind, ferner durch die Conchylio- logical Society, deren Veröffenthchungen viel Wertvolles enthalten, und auf dem Gebiet der Entomologie durch die Einzelarbeiten von Le- conte, Hagen (Deutscher), Rilcy u. v. a. In dieser Richtung sind besonders die Arbeiten über schädhche Insekten hervorzuheben, die durch eigens hierzu vom Bunde und von einzelnen Staaten angestellte Entomologen ausgeführt und veröffentlicht werden. Seit einigen Jahren ist eine Zoologische Station an der Chesaspeake Bay (Chesaspeake Zoological Laboratory) von der Universität Baltimore ins Leben gerufen. In der Pflanzenkunde sind floristische Arbeiten von Wert schon im Anfang unseres Jahrhunderts von Michaux, Nuttall, später auf breiterer Grundlage von Torrey, Engelmann und Behr (Deutsche), Asa Gray, Brewer u. a. ausgeführt worden. In Asa Gray besitzen die V. St. einen der geistvollsten Biologen unserer Zeit. 678 Medizin. — Geschichtsforschung. In jenen Zweigen der biologischen Wissenschaften, die als Hilfs- wissenschaften der Medizin auftreten, wie Physiologie und Anatomie, hat bis heute die Thätigkeit amerikanischer Forscher vielleicht am wenigsten Hervorragendes geleistet. Es liegt dies daran, dafs überhaupt die medizinischen Studien in den V. St. durchaus auf einer viel tieferen Stufe stehen als bei uns. Man weifs dort nichts von den strengen Prüfungen und dem vorgeschriebenen langen Studiengang unserer Ärzte. Die Ausübung der Heilkunst ist frei wie jedes andere Gewerbe. In einzelnen Zweigen, wo es besonders auf sinnreiche Vorrichtungen und geschickten Handgriff ankommt, also z. B. in der Zahnheilkunde, sind die Amerikaner uns weit vorangeschritten ; sie sind hier wie auf anderen Gebieten sehr erfinderisch gewesen und haben in verbesserten chirur- gischen Werkzeugen und Methoden, in praktischen Krankenbetten und -Stühlen und vorzüglich in der Lazarett - Einrichtung manches Neue hervorgebracht, das man in Europa sich rasch aneignete. Die Chloro- formierung ist eine amerikanische Entdeckung. Auch mit ihren Feld- lazaretten haben sie uns in den Jahren des Bürgerkrieges Muster gegeben. — Wenig hervorragend sind bis heute ihre Leistungen auf dem Gebiete der reinen Chemie. Man verdankt ihnen dagegen eine Anzahl von wertvollen Anwendungen in der Metallurgie (s. o. S. 485) und Technologie (s. o. S. 513 f.), wogegen entsprechend der bis jetzt noch geringen Intensität des Ackerbaues die Ackerbauchemie weniger gepflegt wird. Die Geschichtsforschung wird in zahlreichen, historischen Vereinen gepflegt und ein lebhafter Sinn für die junge Vergangenheit der Staaten, Counties u. s. f. bis zu den leitenden Familien herab gibt sich kund. Über die Geschichtschreibung s. u. S. 685. Für die Geschichte und Volkskunde der Indianer ist durch Regierungen und Einzelne Bedeutendes geschehen. Die Arbeiten von Gallatin, Schoolcraft, Squier, Haie, Brinton, Dali, Gatschet (Schweizer), Bandelier (Schweizer), Boas (Deutscher) über die indianischen Altertümer (Mounds, Befestigungen u. dgl.) und über die lebenden Indianerstämme sind hervorragend. Musterhaft waren diejenigen Heckewelders (Deutsch- amerikaner), dessen Vertiefung und Treue in der ganzen amerikanischen Literatur zu seiner Zeit nur von wenigen Werken erreicht wurden. Die Indianersprachen, deren Kenntnis früher von den Missionaren gepflegt wurde, sind erst neuerhch wieder in den Vordergrund des Interesses getreten. Die alte Philologie Hegt den Amerikanern ferner. Aber ihr Webster hat das verbreitetste Wörterbuch der enghschen Sprache nach Johnston geschaffen. Enghsche Sprache und enghsche Literatur werden bereits auf besonderen Lehrstühlen gelehrt. Wie amerikanische und englische Geschichte und Geographie auch auf den unteren Stufen bevorzugt sind, ersieht man aus der grolsen Zahl von Lehr- Rechtswissenschaft, Volkswirtschaft, Statistik. 679 büchern. In den politischen und Rechtswissenschaften sind als Schrift- steller über Völkerrecht William H. Lawrence und Franz Lieber (Deut- scher) nennenswert. Das englische Recht ist in den V. St. vorzüghch prak- tisch nach der Seite der Einfachheit und Menschhchkeit (Abschaffung der Todess^trafe, grölsere Berechtigungen der Frauen) entwickelt worden, Die Codifikation ist hier früher durchgeführt worden als in England, was Jannet dem Einflufs der Deutschen des Westens mit ihrem »Geiste der Gleichförmigkeit und der Reglementierung« zuschreibt. Als die besten juristischen Werke der Amerikaner gelten die »Commen- taries« von Joseph Story und Chancellor Kent. Die Volkswirt- schaft hat vielleicht durch die einzige, in wirtschafthcher Beziehung so neue und überraschende Thatsache der Entwickelung der V. St. mehr gewonnen als durch die wissenschafthchen Arbeiten ihrer Be- wohner. Die Staatsmänner der älteren Schule, in erster Linie Hamil- ton, Jefferson und Gallatin, haben über volkswirtschafthche Gegen- stände geschrieben; manche ihrer Anwendungen mögen treffend sein, aber man verdankt ihnen keinen neuen Gedanken. Erst von 1820 an erschienen zusammenfassende Werke über Volkswirtschaft. Die meisten wiederholten blofs die Lehren der Engländer und Franzosen. Nur Henry C. Carey machte mit seinen 1858 veröffentlichten »Principles of Social Science« eine Ausnahme. Er ist vielleicht auf serhalb Amerika noch einflufsreicher gewesen als in seinem eigenen Lande und man kann dasselbe von Henry Georges tiefer Wirksamkeit sagen. Auf dem Gebiete der Statistik wird besonders in den alle 10 Jahre wiederholten Volkszählungen der V. St. Grofses geleistet. Eine ungeheuere Masse von Zahlen wird in zahlreichen Bänden mit grofsartiger Ausstattung veröffentHcht. Auch einzelne Staaten, allen voran Massachusetts, thun viel für Statistik, der leider die enge Verbindung mit der PoHtik oft- mals schadet. Vgl. The Eleventh' Census. An Address delivered before the American Statistical Association by Hon. R. P. Porter 1892. Aus- zug in Jom-nal of the Royal Statistical Society 1892. Vgl. auch das o. S. 269, 350 Gesagte. Überblickt man die Leistungen der Nordamerikaner auf wissen- schafthchem Gebiete, so mufs man nicht vergessen, dafs bis heute in Amerika wenig wissenschafthche Körperschaften sich entwickeln konnten, in denen die Wissenschaftspflege eine so sichere und förderhche Stätte fände, wie in unseren Universitäten und gelehrten Gesellschaften. In Amerika war lange Zeit das gebildete Publikum die einzige Instanz, an die die Wissenschaft sich um Förderung ihrer Ziele wenden konnte, und von dieser ist ohne Zweifel bisher mehr geschehen als bei uns auch nur denkbar wäre. Die 28 astronomischen Observatorien, auf denen heute in den V. St. gearbeitet wird, sind fast aUe aus Privatmitteln errichtet. Es ist ganz natürlich, dafs die Zahl derer, die eine richtige Anschauung 680 Wissenschaft und Leben. von der Thätigkeit der Arbeiter auf wissenschaftlichen Gebieten haben, sehr gering ist. Der Wissenschaft hegt es ob, ihre bewährten Methoden des Denkens und Schlief sens in das praktische Leben zu übertragen, damit sie auch hier in immer weiteren Kreisen zur Anwendung ge- langen. »Kein Mangel, an dem unser Volk leidet, ist so empfindhch wie der einer weiteren Verbreitung der Ideen und Denkmethoden der exakten Wissenschaften, und nichts ist täuschender als in den Resultaten dieses Denkens nichts anderes zu sehen als Sache der Zierde, als Arabeske. Ein grofser Teil der Arbeit in unserem öff entheben Leben besteht in der Prüfung und Besprechung von socialen Erscheinungen, in der ein sicheres Ergebnis nicht erzielt werden kann ohne die logische Schärfe der Überlegung, die dem täghchen Leben gänzhch fremd ist. Was notwendig ist, um uns vor Fehlern in dieser Richtung zu be- wahren, ist nicht die blolse technische Untersuchung der Dinge, sondern die Unterweisung unserer denkenden und einflufsreichen Klassen in der Logik, die verkörpert ist in den Methoden der wissenschafthchen Untersuchung. Von diesem Gesichtspunkte aus erscheint die Wissen- schaft als ein System freier Volkserziehung, welches aufrecht erhalten werden soll aus denselben Gründen wie die Erziehung des Einzelnen. Die Pflege der Wissenschaft im breitesten Sinn soll für die Zukunft unseres Volkes dasselbe leisten, was die Mathematik für den Ingenieur, die Chemie für den Arzt, die Mechanik für den Architekten« '). Die Staatsverwaltung leidet vielleicht am meisten unter dem AUeskönnen- wollen und Nichtswissen. Die Klage ist sehr oft ausgesprochen, dafs man gerade in diesen Regionen sich am schwersten von der Not- wendigkeit besonderer Vorbildung oder Übung für irgend einen Thätig- keitszweig überzeugen wolle. Die Regierung der V. St. hat nur ein Mal die Notwendigkeit gefühlt, sich einen wissenschaftlichen Beratungs- körper beizugesellen, eine Art Akad^nie. Es war dies im Anfang des Bürgerkrieges, als eine Menge von Erfindungen neuer Kriegsmaschinen ihr vorgelegt wurde, die nicht kurzer Hand zu bewältigen waren, und die man auch nicht ungeprüft zurückweisen konnte. Damals kam man auf die Idee, eine ständige wissenschafthche Körperschaft zu gründen, die jede Frage aus dem Gebiet der Wissenschaften und Künste, die die Regierung ihr vorlegen werde, zu prüfen und darüber zu berichten hätte. So entstand die »National Academy of Sciences«, der 1863 vom Kongreis ein Rechtsbrief ausgestellt wurde. Leider war diese Organisation von vornherein nicht von der Art, um eine wirk- hche Akademie der Wissenschaften aus ihr erwachsen zu lassen. Die Mitgheder sind so weit über das Land hin zerstreut, dafs mehr als 1 bis 2 Sitzungen im Jahr unmögHch sind. Eine seltsame Bestimmung 1) S. Newcomb, Abstract Science in America. 1876. 123. Smithsonian Institution. — Wissenschaft!. Zeitschriften. ßgl des Charter ■ wdll , dafs die Akademie nie irgend eine Art von Unter- stützung oder Belohnung von der Regierung für ihre Dienste erhalten solle; vor einigen Jahren wurde der Druck einer der Schriften der National Academy in einer Regierungsdruckerei unterbrochen, um diese Bestimmung nicht zu verletzen. Eine ganz merkwürdige wissenschafthche Anstalt, in eigenartiger Thätigkeit vortreffHch sorgend für die besonderen Bedürfnisse der Jungen Wissenschaftspflege in den V. St., ist die »Smithsonian Institution«, durch Stiftung eines Engländers geschaffen und unter Verwaltung des Bundes stehend. Ihre Hauptarbeit wird im Austausche wissenschaft- licher Veröffenthchungen und wissenschaftlichen Lehr- und Forschungs- materials und in der Veröffenthchung wissenschaftlicher Arbeiten ge- leistet. Sie ist vor allem gewissermalsen eine Vermittelungsstelle zwischen den wissenschaftlichen Vereinen, den Behörden und Privatpersonen in Europa, die ihre Veröffentlichungen an Vereine, Behörden, Privat- personen in Amerika senden und umgekehrt. Auf diese Art knüpft sie Tauschverkehr zwischen erst entstehenden gelehrten Gesellschaften und den älteren Schwestern in Europa an, und es hatte z. B. die junge Akademie der Wissenschaften in Kalifornien 1875 bereits eine BibHothek von 3000 Bänden durch das Smithsonian Institute erhalten. Die Veröffentlichung ihrer Berichte und Schriften ist insbesondere für Amerika von Bedeutung. Sie veröff enthebt jedes Jahr einen Report, in welchem mehrere monographische Arbeiten zusammengefafst sind, Arbeiten zumeist, für die der Verfasser keinen Verleger oder doch keinen gefunden hätte, der sie so schön ausgestattet, zu so billigem Preise und in solcher Zahl verbreitet haben würde, wie das Smithsonsche Institut. Wo es nötig, zahlt es auch Honorare und ist dadurch schon manchem aufstrebenden Gelehrten sehr nützlich geworden. Unter den Veröffentlichungen sind vorzügliche Monographien über Naturgeschichte und Völkerkunde Amerikas. Das aus den Sammlungen des Smithson- schen Institutes hervorgegangene National-Museum in Washington ist nicht immer mit dem nötigen Verständnis vom Kongrefs behandelt worden und steht hinter seinesgleichen in Berlin oder Wien zurück. An wissenschaftUchen Zeitschriften haben die V. St. in erster Linie Sil lim ans Journal of Science and Arts (früher von Silliman, jetzt von Dana u. A. herausgegeben) und daneben eine Anzahl von Zeitschriften für Chemie, Metallurgie, medizinische Wissenschaften. John Hopkins Universität in Baltimore gibt eine ganze Reihe von wissenschaftUchen Zeitschriften, 1892 nicht weniger als 5, heraus. Den Charakter einer Zeitschrift tragen eigentlich auch die Smithsonian Contributions und Reports, die jährhch erscheinen, dann die ver- schiedenen jährlich erscheinenden Berichte der Regierungs-Surveys u.ähnl. Die Akademieschriften, deren Zahl grofs, sind im allgemeinen von 682 Zeitschriften. Bücherproduktion. geringer Bedeutung, entsprechend dem Vorwiegen des' Dilettanten- elementes unter ihren Mitghedern und den geringen Mitteln , die zu ihrer Verfügung stehen. Am bedeutendsten sind die der Boston Natural History Society. Reich vertreten sind dagegen populär-natur- wissenschaftliche Zeitschriften, die viel verbreiteter, reicher an Stoff und Ausstattung und in dem Falle des Populär Science Monthly, der Science, des Artisan u. ähnl. auch besser gemacht sind als die unseren. Selbst Tagesblätter bringen ziemhch regelmälsig populär-wissenschaft- liche Aufsätze, oft gute und aus sehr guten Federn. Als hervortretende Eigentümüchkeit der amerikanischen Wissen- schaftspflege ist die geringe Menge ihrer litterarischen Hervorbringnisse angeführt worden. »Nicht ein Jahr vergeht, ohne dals die deutsche Presse eine ausgedehntere philosophische Litteratur über Darwinismus hervorbringt als die amerikanische in allen den Jahren aufzuweisen hat, welche seit dem Anshchttreten des »Origin of Species« verflossen sindT< '). Jedenfalls ist die Armut der Büchererzeugung der Amerikaner gerade auf diesem Gebiet keines der unerfreuHchsten Zeichen ihres geistigen Lebens. Es liegt darin ein Beweis für die noch wenig in die Breite gegangene Entwickelung des wissenschaftlichen Lebens. Die Zu* sammenstellung der 1892 erschienenen Bücher in »Publishers Weckly« weist von der Gesamtsumme von 60000 den V. St. 4074 neue Bücher und 788 neue Auflagen zu. In England traten in demselben Jahre 6254, in Frankreich 13132, in Deutschland fast 20000 ans Licht. Die Richtung auf das massig Überragende prägt sich dagegen in der Litteratur und selbst der wissenschaftlichen aus. Bücher wie Bancrofts History of the Pacific States (34 Bde.), Justin Winsors Critical and Narrative History of America (6 Bde.), Ringwalts Transportation Systems of the United States u. a., sind wahre Riesenbauten, die nur durch ein gewaltiges Mals von Arbeit errichtet werden konnten, meist nicht von einem einzigen, sondern von einem ganzen Stab von Ar- beitern wie in einer htterarischen Werkstatt hergestellt sind. Litteratur. Der Ausspruch eines französischen Reisenden in den V. St.: »Les litats-Unis manquent de perspective, pas de grandeur« *) findet nirgends eine deuthchere Bestätigung als in der Litteratur. Nicht blofs die Traditionen der litterarischen Arbeit, sondern auch der Stoff der htterarischen Darstellungen leidet unter dem Mangel an der Perspektive einer langen Geschichte. Eine Litteratur konnte nicht diesem Boden entwachsen wie eine Pflanze, deren Keime lange in ihm ruhten, sondern sie konnte nur aus fremder Erde übertragen und mit Sorge und Mühe 1) S. Newcomb, Abstract Science in Amerika. 1876. 110. 2) Philarfete Chasles, ;6tude8 sur la Litt^rature et les Moeurs des Anglo-Am6ricains 1851 p. 6. Litteratur. 683 angewöhnt werden. So ist die Sprache, in der sie sprechen sollte, nicht hier geworden, sondern eingeführt und ganz wie die Sitten, Anschauungen, die ganze Kultur, nicht selbständige, natürhche Ent- wickelung. Der Hauptteü der Kolonisten kam aus Grofsbritannien, so war die enghsche Litteratur der Stamm, dessen Zweige hier ein- gepflanzt wurden. Bis zum Unabhängigkeitskrieg waren die Kolonien in jeder geistigen Beziehung abhängig von England. Das Band besteht noch heute. Im ersten Jahrhundert lasen die paar Leute, die sich Htterarische Genüsse verschaffen wollten, enghsche Bücher. Nach- ahmungen von diesen waren es ausschlielshch , die im Lande selbst ' erzeugt wurden. Man hat keine Ahnung von der Zahl der enghschen Bücher, die im 17. und 18. Jahrhundert eingeführt wurden, aber es ist kein Zweifel, dafs die schöne Litteratur zu den letzten Luxusgegen- ständen gehörte. Es ist ganz bezeichnend, dafs die ersten hervor- ragenden Werke der neuen Litteratur, die Benjamin Franklins, nüchterne, didaktische Abhandlungen von erstaunlich gesundem Verstand, sehr klar und nützlich, waren. Jedes Spiel der Einbildungskraft war aus ihnen verbannt, ebenso jedes allzutiefe Eingehen in Fragen jenseits des Kreises des täghchen Lebens und der Interessen des Landes. Franklin und Washington, die berühmtesten Nordamerikaner des 18. Jahrhunderts, sind Geister von diesem mafsvollen und phantasielosen Typus. Briefwechsel, Denkschriften, pohtische Pamphlete der hervor- ragenden Nordamerikaner dieser Zeit eines Jefferson, Hamilton, Morris, haben vor allem den Vorzug der Klarheit und Sachlichkeit. Sie haben alle noch nichts Original -Amerikanisches, wenn nicht die allen gemeinsame Richtung auf das Praktische; von Washington Irving hat man gesagt, er sei der amerikanischste aller ameri- kanischen Schriftsteller. Er hat freüich in seinen Essays und in seinen historischen Werken amerikanische Stoffe behandelt, aber man wird darin immer nur den feinfühlenden, wohlwollenden, mafsvollen Gentleman Altenglands finden. J. Fenimore Cooper hat einen viel amerikanischeren Zug. Er hat die junge Geschichte der Union zum Hintergrund historischer Romane gemacht, wobei er das eigentüm- hchste Element der amerikanischen Dichtung zur Geltung brachte, die Anlehnung an die Natur. Er ist ein ausgezeichneter Schilderer der Natur, ebenso treu wie packend, seine Büder beruhen auf einer Beobachtung von naturwissenschafthcher Schärfe. In seinen Erzäh- lungen aus der Kolonialgeschichte hat die amerikanische Lesewelt einen Ersatz gefunden für den Mangel der Epopöe. Seine echt ameri- kanischen Typen aus dem Indianer-, Waldläufer- und Seemannsleben haben auch die Alte Welt einige der Quellen von Poesie kennen gelehrt, die in der für poetisch öd und unfruchtbar gehaltenen Neuen fliefsen. Im Gegensatz zu dieser Klarheit und "Wahrheit stehen Nathanael 684 Litteratur. Hawthornes Erzählungen und Schilderungen, die nie ohne einen mystischen Schimmer sind und bei aller Feinheit der Beobachtung etwas Blutloses haben. Ihre reine Gesinnung und vortreffliche Sprache und eine melancholische Poesie, die sie durchweht, haben H. dennoch zum LiebHngsschriftsteller zarterer Gemüter in Nordamerika und in England gemacht. Mehr Kraft, aber weniger Feinheit und Durch- bildung zeigen die Erzählungen von Bret Harte, die die Poesie im modernsten amerikanischen Leben dem skeptischen Europa bewiesen haben. W. Cullen Bryant hat auf lyrischem Gebiet den amerikani- schen Zug der NaturHebe, den wir o. S. 170 näher zu schildern suchten, bis zur religiösen Naturverehrung gesteigert. Sein melanchohscher Ton" kehrt bei Henry Wadsworth Longfellow wieder, dem berühmtesten Lyriker Amerikas, der mit einer ruhigen und milden Wärme des Ge- fühls und mit Einfachheit und Wohlklang der Sprache eine geistige Höhe verbindet, die ihn über die Tausende von Lyrikern erhebt, deren beständiger Gesang an die mildtönenden, aber einförmigen Froschkonzerte in den Sümpfen des atlantischen Tieflandes erinnert. Eine schärfere geistige Physiognomie zeigt Ralph Waldo Emerson, der Essayist, Fragmentist und prophetisch-dithyrambische Lyriker, ein Gemisch von Denker und Dichter, beides in hohem Stil, in dessen Zeilen sich tiefe Gedanken drängen, die in oft glänzender, oft barocker, aber immer anziehender und blendender Form auftreten. Er ist der kühnste . und originellste von allen amerikanischen Dichtern oder Denkern; ein neuer Typus in der Litteratur, der höchstens mit Carlyle zusammengestellt werden könnte. So wie er ist, ist Emerson nur in Amerika möghch, dessen Scharfsinn und praktischer Bhck in ihm seltsam zusammengehen mit den mystischen Träumen des Orients und der philo- sophischen Kühnheit des Occidents. In seiner Art ist Henry David Thoreau nicht weniger amerikanisch; ein bis zur bizarren Einsiedelei leidenschafthcher und einseitiger Naturfreund, ein praktischer Rousseau, in der Schilderung oft von wunderbarer Feinheit, Vertiefung und Glut, aber wie im Leben , so im Stil dem Seltsamen allzu eifrig nachjagend. Edgar A. Poe ist als Schilderer des Gespenstischen und Rätselhaften aufserordentlich wirksam. Sein »Raven« ist eines der am häufigsten deklamierten und zitierten Gedichte der Amerikaner. John G. Whittier und James R. Lowell sind als politische Lyriker vorzüghch in der Zeit des Kampfes gegen die Sklaverei von grofser Wirksamkeit gewesen. Gleich WiUiam Channing, dem gröfsten poHtischen Schriftsteller in der bewegten Zeit der Antisklaverei-Bewegung, haben auch sie als Essayisten sich hervorgethan. — Der Geschichtschreibung mufs notwendig eine bedeutende Rolle zugeteilt sein in dem geistigen Schaffen eines politisch begabten und thätigen Volkes. Man besitzt zeitgenössische Aufzeich- nungen aus den beiden ersten Jahrhunderten ihrer Geschichte, die Gescliichtschreibung. Beredsamkeit. 685 Seitenstücke zu den spanischen Conquistadoren- Geschichten bilden und aus der Revolutionszeit feine und geistreiche Memoiren. Wo der Anfang der Geschichte eines Staates die Lichtung eines Waldes und die Erbauung eines Blockhauses ist '), empfängt der Geist des Einzelnen die Empfindung, enger mit dieser Geschichte zusammenzuhängen, als wo die Anfänge in mythischer Dämmerung hegen. Die gebildeten und halbgebildeten Amerikaner kennen die Geschichte ihres Landes besser, nach dem Mafse ihrer Bildung, als Männer der entsprechenden Stufen in Deutschland. Die Geschichtschreibung als Kunst hat man erst in unserem Jahrhundert zu pflegen begonnen und zwar nach enghschem Muster. Die deutsche Schule hat erst seit wenigen Jahren sich zur Geltung gebracht. Noch 1888 hob Döllinger in seiner akademischen Rede über den Anteil Amerikas an der Litteratur den Absatz von 13 Auflagen des grofsen Gibbon'schen Werkes als Beweis hervor, wie wenig man drüben bereit sei, die Leistungen der deutschen Schule zu würdigen. W^iUiam H. Prescott (1716 — 1759) hat die nordamerikanische Geschichtschreibung durch seine Werke über die Eroberung von Mexiko und Peru zuerst in Europa bekannt gemacht. George Bancroft (1800—1877) hat die vollständigste und quellen- mäfsigste Geschichte der V. St. geschrieben (10 Bde. 1834 — 1874). George Ticknor (1791—1871) verdankt man die beste Geschichte der spanischen Litteratur. John L. Motley (1814 — 1877) ist in seinen Werken über den niederländischen Unabhängigkeitskrieg durch Geist und warme, glänzende Darstellung ausgezeichnet. Unter den Geschichts- werken über die Staaten oder Staatengruppen der Union stehen Palfreys History of New England und Parkmans Monographien aus den neuengländischen und kanadischen Anfängen allen voran. Die Kunst der Beredsamkeit findet in den Staatseinrichtungen der V. St. volle Gelegenheit sich zu bilden und' zu entfalten. Sie wird als Lehrgegenstand in den Schulen gepflegt und die Schüler üben sich in den »Debating Clubs« im öff entheben Reden. Die Nordamerikaner zeigen durch die Flüssigkeit ihrer Rede, durch ihre thatsächhche, be- stimmte Redeweise und andererseits durch den oft sogar ins Lächer- Hche gehenden Flug der Phantasie, zu dem sie sich bei Gelegenheit erheben können, dafs die Naturgabe der Rede nicht selten bei ihnen ist. Das Mafshalten sowohl in den Behauptungen als in den Mitteln der Einwirkung auf seine Hörer, läfst der amerikanische Redner am öftesten vermissen und der Verführung zum Vielsprechen und Sich- 1) »The History of Tennessee as a distinctive individuality begins with the erection in 1769 of William Beans Cabin near the junction of the Wa- tanga and Boones Creek in East Tennessee.« Phelan, History of Tennessee: The Making of a State, Boston 1888 (p. 5). 686 Politische Schriftsteller. Allgemeiner wiederholen, die in dem so regen poHtischen Leben manche Begabung in die Breite führt und verflacht, sind viele gefolgt. Daniel Webster mit seiner gediegenen, zusammengefafsten und doch feurigen Rede gilt für den eigenthch klassischen Redner. Durch Feinheit der Form und des Geistes glänzte John C. Calhoun. Als Meister in der viel- geübten Kunst der Denkreden galt Edw. Everett. Als Kunstredner vom Fach, die öffentüche Vorlesungen für alle mögUchen Zwecke halten, sind Wendell Phillips und Henry W. Beecher berühmt. Unter den politischen Rednern der neueren Zeit wird die Palme Charles Sumner und Karl Schurz gereicht. Von den zahlreichen hervor- ragenden Kanzelrednern ist Channing auch als origineller Denker und feiner Stiüst bemerkenswert, der durch seine moralphilosophischen Schriften einen grofsen und heilsamen Einflufs auf die nordamerikanische Gesellschaft geübt hat. An politischen Schriftstellern weisen naturgemäfs die V. St. den grölsten Reichtum auf. Die Tagesschriftstellerei schädigt aber diesen Zweig der Litteratur, indem sie zu Eintagserzeugnissen drängt und den poHtischen Geistern die zu klassischen Hervorbringungen nötige Ruhe nimmt. Der grölste auf diesem Gebiet ist AI. Hamilton, der den gröfsten Teil der Aufsätze für den berühmten Feder allst Heferte, ein origineller Denker und feiner Stilist, ein Staatsmann, »der zu denen gehört, welche die leitenden Gedanken und die Grundbedingungen .einer Regierung, die ihres Namens und ihrer Aufgabe würdig ist, am besten verstanden«. (Guizot.) Sein Gegner Thom. Jefferson hat mehr geschrieben als er, aber als Schriftsteller erreichte er ihn nicht. In der jungen Litteratur der V. St. fällt vor allem die im Ver- gleich zu anderen Kolonien grofse Menge der Werke auf. Lälst man die ungezählten Tausende von Lyrikern (wohl meist Frauen), die kaum ein einziges Zeitungsblatt gedichtlos in die Welt wandern lassen, aus dem Spiel, so bleibt eine ganze Reihe von hervorragenden Dichtern und Schriftstellern von eigenartiger Htterarischer Physiognomie, deren Namen und Werke im Ausland wohl bekannt sind. Diese Thatsache, neu in der Geschichte moderner Kolonien — man kann von der Weltlitteratur sprechen und dabei fast alles auslassen, was in der Neuen Welt s. vom 30. Breitegrad gedichtet und gedacht worden ist, aber man würde unvollständig sein, wenn man dabei vermiede, von den V. St. zu sprechen — , ist der litterarischen Begabung und Em- pfänglichkeit des Volkes der V. St. zuzuschreiben. Die nordamerikani- sche Litteratm' entbehrt nicht gewisser gemeinsamer Züge, die das Merk- mal einer NationaUitteratur sind: die bis zum Naturgottesdienst sich erweiternde Liebe für die Natur (Thoreau, Bryant, Emerson, Cooper), die in prächtigen Naturschilderungen Ausdruck findet; eine weiche melanchoHsche Stimmung, die, unzufrieden mit der prosaischen Charakter der Litteratur. 687 Welt, in das Reich der Träume flüchtet (Bryant, Hawthorne, Poe, Longfellow), oder ein begeistertes Erfassen alles Modernen, bis auf die Maschinen und Eisenbahnen, um es poetisch zu verklären (Emer- son, Lowell, Bret Harte). Man kann diesen Eigenschaften wohl ein starkes Vorwalten des epigrammatisch zugeschärften Verstandes (Emerson, die Humoristen, die Redner) zugesellen. Der vielgenannte amerikanische Humor zeigt sich bei seinen besten Vertretern wie Washington Irving und Oliver W. Holmes in warmherzigen, mit- fühlenden Schilderungen von Personen und Zuständen mit leiser Ii'onie, die daran erinnert, dafs Charles Lamb unter den englischen Humo- risten zu den LiebUngen der Amerikaner gehört. Aber bei den sog. echten amerikanischen Humoristen, die in ihrem Lande sich einer gewaltigen Popularität erfreuen, Mark Twain, Artemus Ward u. v. a., ist mehr Wortwitz und Übertreibung als wahrer Humor. Ihr einziger Zweck ist Lachen zu machen. Der amerikanische Witz ist sehr oft umständlich herausgediftelt, ein kichernder Greis, kein naiver, gesunder, hell lachender Knabe*). Die Übertreibung liegt dem amerikanischen Geist überhaupt sehr nahe. Aber alle diese Gaben sind noch nicht in hochklassischen Werken zum Ausdruck gebracht und sind bei den hervorragendsten Vertretern der Litteratur mit mehr oder weniger deutlicher Abhängigkeit von altwelthchen Mustern vermischt. Im originellsten von allen, Emerson, kehrt Carlyle und mancher An- klang an Deutsches wieder, in Cooper W. Scott, in Poe Balzac, in Irving Addison und Goldsmith, in Longfellow Tennyson, Uhland u. a. Auch ist die nordamerikanische Litteratur noch zu arm, um der Nation zu genügen. Man ist zweifelhaft, ob Scott oder Cooper zu ihrer Zeit populärer waren, aber nicht zweifeln kann man, dafs die Ge- schichten Dickens' und Thackeray's populärer waren als die Hawthorne 's und Poe 's. Ganze Gebiete Hegen brach. Die dramati- sche Dichtung und das Epos sind fast unangebaut. Von Volksliedern kann man kaum reden-). Was die Stellung der Litteratur zum Volke anbetrifft, so erfreuen sich die Dichter und Schriftsteller trotz des alles beherrschenden Ge- schäftsgeistes wohl nicht geringerer Achtung als irgendwo in der Alten Welt. Man mag in Nordamerika das praktisch Nützhche über alles halten, aber es wird viel gelesen und das Schöne findet auch hier seine Schätzer. Sogar mit Staatsämtern sind Dichter wie Hawthorne, • 1) Vgl. die ertödtenden Muster Wit and Humor Old and New, North American Eeview CXLVni. p. 33 bis 46. 2) Die Nationalhymne »Hail Columbia« ist noch künstlicher als solche Gedichte überhaupt zu sein pflegen und der viel gesungene »Yankee Doodle« ist eine geschmacklose Burleske. Ein volkstümliches clioralartiges Lied auf John Brown (s. o. S. 267) begeisterte die Nordstaatlichen im Bürgerkrieg. 688 Die Poesie im Leben. Lowell, Bret Harte und Geschichtschreiber wie Bancroft und Motley ausgezeichnet oder belohnt worden. Auch ist es für die Litteratur nicht unwesenthch, dals der Amerikaner nicht blofs best, sondern auch kauft'), und jedenfalls läfst die Nation keinen ihrer grofsen Geister am Hungertuch nagen. Das materielle Geschick der amerikanischen Dichter ist kein ungünstiges. Man sieht nach alledem keinen Grund, warum nicht die V. St. eine Litteratur von wachsender Bedeutung entwickeln sollten. Es fehlt weder an den Gaben, noch an den notwendigen äulseren Bedingungen. Was aber die schon erwähnte Klage wegen des dem amerikanischen Leben angeblich innewohnenden Mangels an Poesie betrifft, so lassen wir hier noch einen amerikanischen Dichter sprechen, der allerdings in seinen eigenen Werken den besten Beweis gehefert hat, dafs dieser Mangel, wo er auftritt, nur subjektiv ist. John G. Whittier sagt in seinem reizenden Essay über den schottisch -amerikanischen Natur- dichter Dinsmore (Prose Works 1866. I.) folgendes: »Wir (Neu-Eng- länder) haben keine Lieder. Das Amerikanische Stillleben hat nie die Weihe und Verklärung der Poesie erfahren. Wir haben keine Yankee- pastorale. Unsere Bäche und Flüsse drehen Mühlräder und führen Flösse zu Thal und sind auch in mancher anderen Hinsicht so nützhch wie die schottischen, aber keine Ballade, kein einfachstes Lied erinnert uns, dafs unter jedem Dach in ihren Thälern Lust und Leid des Lebens empfunden wurden. Man rühmt unserem Volke die Fähigkeit nach, rasch den Kern der Dinge zu erfassen, aber unseren Poeten scheint sie zu fehlen. Können sie nichts aus unserem Ernt- und Dankfest, dem alljährlich wiederkehrenden Tag des Wiedersehens lang getrennter Ver- wandten und Freunde, machen? Finden sie nichts für sich in den ländlichen Festen, im Beerensuchen, Maisschälen, Äpfelernten, in den Sommerausflügen und den winterlichen Schlittenfahrten? Ist denn nichts für sie in Klima, Landschaft, Sitten und Gesetzen dieses Landes ? Tritt der Yankee hart, schlau, voll Spekulationsgeist ins Leben, pallas- gleich für alle Kämpfe und Prüfungen gewappnet? Haben wir nicht Buben und Mädchen, Schulfreundschaften und Liebeleien, Freien und Geloben, Furcht und Hoffnung und alles Spiel menschlicher Leiden- schaften — Gewinn- und Ehrsucht, Sünde und Strafe, Reue und Läuterung? Wer kann sagen, dafs wir nicht allen Kern der Poesie 1) Von Prescotts »Conquest of Mexico« sind nach Lyells Angabe (Travels 1845. I. 264) 4000 Exemplare zu 6 D. im ersten Jahr nach dem Er- scheinen abgesetzt worden — eine bei einer damals vorwiegend hart arbeitenden Bevölkerung von ca. 20 Mill. fast unglaubliche Thätsache , die allerdings da- durch einigermafsen erklärlich wird, dafs auch bestimmte Bücher »Fashion« werden und dann notwendig von einem anständigen Mann besessen oder mindestens gekannt sein müssen. Die Kunst. 689 hier haben? Es ist nur ein ungeöffneter Schacht, ein ungeerntetes Saatfeld.« Kunst. In den ersten 100 Jahren der Kolonien trat hinter der gebieterischen Forderung der ersten Notwendigkeiten des Lebens alle Ausschmückung zurück. In den neuengländischen Kolonien galt die Verschönerung des Lebens durch Kunsterzeugnisse irgend welcher Art sogar als unberechtigt. In diesen starren Reformierten war noch etwas Bilderstürmerei übrig geblieben. Selbst Portraits wurden selten gesehen. »Die Kraft und Energie dieser alten Puritaner hat allerdings ihre Spuren dem Lande aufgedrückt, aber wir zweifeln, ob irgend welche andere von ihren Eigenschaften so lange das Übergewicht behauptet haben, wie ihre entschiedene Abwendung vom Schönen und ihre voll- ständige Vernachlässigung der Kunst. Bis auf den heutigen Tag sind die Spuren ihres vorherrschenden Einflusses in dieser Richtung in manchen Teilen des Landes noch zu erkennen*).« Copley soU bis zu seinem 30. Jahr kein gutes Bild gesehen haben und Trum bull riet einem Schüler, »Heber Schuhe zu machen oder Kai'toffeln zu hacken, als in diesem Lande Maler zu werden«. Die wenigen künstlerischen Talente, die Nordamerika im 18. Jahrhundert erzeugte, gingen dem Lande verloren. Copley, West, Stuart, die bedeutendsten von ihnen, verüefsen das Land, sobald sie einen Ruf gewonnen hatten. An ihre Stelle treten im Anfang unseres Jahrhunderts einige Land- schaftsmaler, welche die künstlerisch noch nicht verwerteten Reize der amerikanischen Landschaft: die, glühenden Sonnenuntergänge, die Herbstfärbungen, die Urwaldscenen malten. Doughty ist der erste, der diese Stoffe mit grofsem Geschick auffafste. Diese landschafthche Richtung, welche die amerikanische Malerei bis vor etwa 30 Jahren beherrschte, hat viel Mittelmäfsiges geüefert, aber dem Naturgefühl eine mächtige Anregung gegeben. Der gesellschaftlichen Gärung durch rasches Anwachsen des Reichtums, stärkeres Eindringen europäischer Sitten und Anschauungen und der Erschütterung der Kriegszeit von 1861 — 1865 entsprach eine starke Änderung des künstlerischen Ge- schmackes. Die Summen, die für Kunstgegenstände ausgegeben wurden, verzehnfachten sich in kurzem, Kunstsammlungen schössen auf, wm'den sogar Gegenstände der Spekulation. Die Einfuhr von Kunstsachen aller Art aus Europa gewann dabei am meisten^). Die einheimischen Künstler wandten sich der Nachahmung von Mustern zu, die man bisher kaum gekannt hatte, und es datiert von dieser Zeit der vielseitige, aber auch schwankende Charakter der amerikanischen Kunst, den Optimisten ihre 1) TheProgrefs ofPainting in America. N. Am. Rev. 1877. CXXIV. 452. 2) An Gemälden, Statuen, Farbendrucken und Photographien wurden 1891 für 2V2 Mill. D. eingeführt. Ratzel, Die V. St. von Amerika. 44 690 I>ie Kunst. Renaissance nennen. Dabei traten die fremden Elemente und Schulen zuerst in den Vordergrund. Deutsche (Bierstadt, Leutze), französische, spanische etc. Namen haben die Museen und Ausstellungen von New York, Boston in grofser Zahl aufzuweisen. Von allen bildenden Künsten ist die Baukunst durch die Masse öffentHcher Bauten, die Kirchen u. dgl. am meisten gefördert worden. In den ersten Jahrzehnten der Repubhk baute man Staatsgebäude fast nur in griechischem und römischem Stil (das grofsartigste Beispiel dafür, das Kapitol in Washington, ist nicht ohne edle Gröfse und das Haus des Präsidenten, das »Weilse Haus« von schöner Einfachheit), während für Kirchen der gotische in allen Abwandlungen und Entstellungen immer der behebteste blieb. Übei* die Kirchenbauten überhaupt s. o. S. 642. Der herrschende Natursinn prägt sich in der Vorliebe für einen pittoresken, lebhaften, landschaftlichen Charakter aus, den man den Bauten zu geben sucht. So ist bei vielen Kirchen der idyllische Zug alter Landkirchen nachgeahmt, so gleicht das Smithsonian Institute in Washington einem grofsen Komplex von Klostergebäuden u. s. f. In den grofsen Parkanlagen gibt sich entschiedener Geschmack kund. Ein See von 1 engl. Q.-M. inmitten einer Stadt, wie Providence R. I., die alten Ulmen in den Strafsen von Portland Me. oder Cambridge Mass. sind sehr nach dem Geschmack des Amerikaners. An reizenden Land- häusern ist in der Umgebung gröfserer Städte nirgends Mangel. Mit dem Hereinbrechen des Luxus in das öffentliche und Privatleben seit etwa 30 Jahren hat für repräsentative Zwecke auch ein üppigerer Stil Eingang gefunden. Regierungsgebäude, Banken, grofse Handels- häuser u. dgl. werden jetzt mit Vorhebe in irgend einem späteren Renaissancestil gebaut, mögHchst reich und kräftig gegüedert. Die französischen Mansardenbauten haben sich epidemisch in allen jüngeren Stadtteilen von Boston bis S. Francisco verbreitet. Wie sehr die vorzüglichen Materialien der Baukunst zu gute kommen, bedarf keiner Hervorhebung. Das Eisen findet sehr häufige Anwendung. Vgl. o. S. 321. Für die Bildhauerei ist sicherhch ein guter Boden in einem Lande, wo man so gern Denkmäler setzt. Auch scheint etwas Sentimentales, Abstraktes im gewöhnlichen amerikanischen Kunstgeschmack sich sehr zu den Marmorbildern hingezogen zu fühlen, von denen man besonders viele auf den Friedhöfen findet. Einige der besten Werke stammen aus Deutschland und Italien. Seit dem Bürgerkrieg sind schöne Denk- mäler aufgestellt worden. Power's Denkmal für die Soldaten der Ten- nessee-Armee und Sidney Johnston's Standbüd, beide in New Orleans, gehören zu den schönsten Kriegerdenkmälern. Die neuen Einflüsse des Landes und der Rassenmischung haben bis jetzt nichts Eigenartiges auf dem Felde der Musik entspriefsen lassen. Es müfsten denn die Riesenkonzerte mit Kanonen und tausend- Die Kunst. Die Presse. 691 fachen Hammerschlägen sein. Auch ist die gute öffentliche Musik noch vorwiegend deutsch und die Verbreitung des Geschmackes für gute Musik gehört zu den allseitig anerkannten Verdiensten der Deutschen*). Die deutscheste Stadt, Milwaukee, ist zugleich Musik- und Theater- metropole. Von allen Künsten hat bis heute die dramatische am meisten den Charakter eines Propfreises bewahrt. Nur wenige Städte haben feste Theater mit ständigen Gesellschaften. Theaterspielen war bis 1794 in Massachusetts verboten, wenn nicht etwa die Stücke als »Moral Lectures« angekündigt wurden. Die Einführung der Oper in den V. St. wird von der ersten Darstellung der »Lucia« in New^ York (1844) datiert. Trotzdem hat Nordamerika einige hervorragende Schauspieler erzeugt. Shakespearevorstellungen werden in Boston eben so stark besucht wie in Liverpool. Aber es entspricht ganz der Stufe des Geschmackes, dafs bei den Vorstellungen selbst klassischer Stücke nicht der harmonische Gesamteindruck das An- ziehende ist, sondern die Leistung irgend eines berühmten Schau- spielers. Daher das sog. »Star System«, nach dem alle Theatergruppen zusammengesetzt sind : eine oder zwei Berühmtheiten und alle übrigen Stümper. Zu eigenen dramatischen Hervorbringungen haben sich unter diesen Verhältnissen die Dichter natürlich nicht begeistern können. Man spielt Anpassungen von europäischen Stücken. Zu den Eigentüm- lichkeiten des jungen Westens gehört die Unvermeidlichkeit des Ballettes und der Pantomimen in jeder Theatervorstellung. Die Presse. Die erste Zeitung in Nordamerika soll 1690 in Boston erschienen sein. Ein Jahrhundert später waren die Zeitungen zu geschichtüchen Gröfsen geworden. Mit ihnen begann überhaupt die Litteratur in den neuen Gebieten. W. H. Venable zählt in seinem »Beginnings of Literary Culture in the Ohio Valley« (1891) 63 philo- sophische und htterarische Zeitschriften auf, die das jugendhche Zeitalter der Besiedelung und des ersten Wachstums mit seinem schrankenlosen Individualismus und Sektenwesen, seinem Sturm und Drang verkörpern. Benjamin Franklin, der dem Zeitungswesen zuerst geistigen Halt gab, veröffenthchte 1728 — 1765 die »Pennsylvania Gazette«, und der »Fede- rahst« von Hamilton, Madison und Jay, entfaltete in der Ver- fassungskrise von 1787 eine Wirkung von solcher Grölse, dafs ihm ein hervorragender Platz in der Geschichte jener Zeit gebührt. In den dreifsiger Jahren kamen die Pennyblätter auf, die durch massenhafte Verbreitung gewaltig auf die tieferen Schichten des Volkes wirkten. In den vierziger Jahren gab es schon eine ganze Anzahl von grofsen Zeitungen, die in der SchnelHgkeit ihrer Nachrichten wetteiferten. Der 1) M. Wagner gibt in seinen Reisen in Nordamerika (1854. 11. Kap. XV) eine interessante Schilderung dieser Kunstmission der Deutsehen in Amerika. 44* 592 ^^® Presse. Vertrag von Guadalupe Hidalgo (1849) wurde durch den N. Y. Herald früher veröffentlicht als er sogar in Regierungskreisen bekannt war. Die Erfindung des »Interviewing« kam Mitte der fünfziger Jahre und wurde bald eine lästige Manie *). Der Telegraph hat die Thätigkeit der Presse in den V. St. ungeheuer gesteigert. Ihre Leistungen in den aufgeregten Zeiten des Bürgerkriegs sind als bedeutend für die Sache der beiden kämpfenden Teile anerkannt worden. Seitdem entfaltete sie aber auch in den auf seramerikanischen Angelegenheiten eine erfolggekrönte Thätigkeit. Man braucht nur an die Berichte vom deutsch-französischen und orientahschen Kriegsschauplatz, an die Leistungen H. E. Stanleys, des Afrika-Forschers, an die Thätigkeit amerikanischer Journalisten in Mittel- Asien u. dgl. zu erinnern. 1891 wurde die Gesamtzahl der Zeitungen und Zeitschriften auf 18536 an- gegeben. Äufserhch haben die amerikanischen Tagesblätter durch die geschickte Mache, vorzüghch was Reichtum, Mannigfaltigkeit und mannigfaltige Zurichtung des Stoffes anbelangt, und in dem Streben nach lebhafter, unterhaltender, selbst sensationeller Form am meisten Ähnhchkeit mit den Pariser und Wiener Durchschnittsblättern. An Reichhaltigkeit und lebhafter, unterhaltender Schreibweise stehen selbst kleinere Lokalzeitungen, die nur ein- bis dreimal die Woche erscheinen, der entsprechenden deutschen Presse voran. Aber an Gehalt und Ziel sind sie trotzdem weit verschieden, und der Unterschied liegt darin, dafs sie innigere Beziehungen zu dem politischen Leben und folgerichtig zu den Parteien unterhalten, auIserordentUch weit gelesen werden, besonders nach der Tiefe der Volksmasse hin, und dafs ihr Hauptstreben auf mög- Hchst rasche Vermittelung der Neuigkeiten in möghchst grofser Menge gerichtet ist. Die nordamerikanische Tagespresse dient mit energischer Einseitigkeit dem Tage. Rasch zu verbreiten, was der Tag verlangt und was er bietet, das ist ihr Ehrgeiz. Von Unparteilichkeit könnte unter diesen Verhältnissen keine Rede sein, auch wenn nicht das poHtische Leben in dem Kampfe der Parteien fast restlos aufginge. Die Diskussion wahrhaft schwieriger, verwickelter politischer Fragen, der Negerfrage, Einwandererfrage, Silberfrage in der Tagespresse hat nicht gezeigt, dafs Scharfblick und Tiefe der raschen Bereitschaft zur Äulserung ent- sprechen. Aber die Tagesblätter sind mit verschwindenden Ausnahmen Parteiorgane und selbst die, denen ein bedeutender Redakteur den 1) Der erste regelmäfsig »Interviewte« soll Gerrit Smith gewesen sem, derselbe, der 1859 in das John Brown sehe Unternehmen gegen Harpers Ferry verflochten war. Der im Konservationston abgefaiste Bericht des inter- viewenden Korrespondenten des N. Y. Herald machte eine sensationelle Wirkung, welche rasch zur Nachahmung anspornte. (F. Hudson, Journalism in the U. S. 563.) Die Presse. 693 Stempel seines Geistes aufprägt, werden dadurch nur weniger schablonen- haft, bleiben aber ganz so entschieden Parteiblätter wie alle anderen. Es schliefst dies nicht aus, dafs Tagesblätter daneben auch anderen Interessen dienen und sogar in viel weiterer Ausdehnung als bei uns. Einige vertreten Konfessionen oder Sekten, andere Nationahtäten, andere Klassen und Stände (Farmer, Grof sindustrielle , Geldleute), andere sogar Rassen; aber die Parteischeidung greift so tief ein, dafs ein Los- sagen von ihr im allgemeinen nicht möglich ist. Wir finden selbst in Zeitungen, die nur der reUgiösen Erbauung dienen wollen (meist Wochenschriften), fast in Jeder Nummer Abschweifungen ins poütische Gebiet, ebenso in landwirtschaftHchen und technischen, ja fast in allen periodisch erscheinenden Blättern. Dafs es an Geist in dieser Presse und selbst an Charakter nicht fehlt, geht schon daraus hervor, dafs sie die Schule aller Pohtiker ist. Untadelhafte Charaktere auch der jüngsten Jahrzehnte, wie Greeley und Schurz, sind Journahsten gewesen und mancher bedeutende Staatsmann wurde wieder »Editor«, wenn er von seinem Amte zurücktrat. Der geistig bedeutendste Amerikaner des 18. Jahrhunderts, Benjamin Franklin, war Zeitungs- mann! Aber diese Leute ändern die Methode des amerikanischen Journalismus nicht und in der Regel sind nicht ihre Blätter die ge- schäftlich erfolgreichsten. Grofse, nicht nur unabhängige, sondern beherrschende Zeitungen, wie die Blätter unserer Hauptstädte, kann es in den V. St. schon der grofsen Entfernungen wegen nicht geben. Selbst die New Yorker Blätter sind aufser der Stadt nur noch im Staate von Bedeutung und nur einige ganz hervorragende erhalten in ihren Sonntags- und Wochenausgaben eine weitere Verbreitung. Es ist eine oft erwähnte Thatsache, dafs die Sitte des Zeitungslesens hier in viel tiefere Schichten hinabreicht als irgendwo in Em'opa '), und es erklärt 1) Einen merkwürdigen Beweis für die Unentbehrlichkeit der Presse bei den Nordamerikanern liefern die Armeezeitungen, die bei keinem Feld- zuge fehlten, selbst nicht dem mexikanischen, der seinen Pioneer in Mon- terey, seine American Flag in Matamoros, seine Sentinel in Tampico und noch manche andere hatte. Unmittelbar nach der Einnahme von New Orleans durch Banks (1863) erschienen Zeitungen der Eroberer, auf die Rückseite von Tapeten gedruckt. Der Journalismus breitet sich dabei auf Gebiete des Lebens und nicht blofs des öffentlichen aus, wo wir ihn noch lange nicht kennen. Die regelmäfsig erscheinenden Wochenschriften der Studenten und Studentinnen der Colleges — sogar die Schüler des Taubstummeninstituts von Louisiana haben ihren »Deaf Mute Pelikan« — deren manche dieser höheren Schulen mehrere besitzen, sind keine Kneipzeitungen wie bei uns, sondern zum gröfsten Teil ernstgehaltene Repertorien des studentischen Lebens, in denen mancher Artikel Zeugnis ablegt von der frühen Reife des Geistes und der früherworbenen Fähigkeit, öffentliche Fragen zu behandeln. Manches 694 I^ie Presse. daher schon der bedeutende Absatz, den die Zeitungen finden, ihr massenhaftes Auftreten. Unter den 18 436 Zeitungen und Zeitschriften, die es 1891 in den V. St. gab, darunter gegen 1800 Tages- und 14000 Wochenblätter, waren die zahkeichsten in den älteren Weststaaten Kansas, Iowa, Missouri, verhältnismäfsig die wenigsten in den Südstaaten vertreten. Die gröfste Zahl hat New York mit 1958 aufzuweisen. Aber dieses Entgegenkommen des Publikums würde die Presse nicht so üppig gedeihen lassen, wenn nicht Nahrung aus anderen Quellen ihr zuflölse. Das Anzeigewesen ist hier bedeutend höher entwickelt als in Deutschland, wie sich bei dem ungemein energischen, regsamen Handelsbetrieb von selbst versteht'). Die Patentmedizinen bringen manchem Blatte tagtägüch zwei bis drei Spalten voll Anzeigen; jüngere Ärzte und Anwälte, die nicht dauernd annoncieren, Eisen- bahn- und Dampf erhnien, die nicht täghch ihre Fahrtenpläne be- kannt machen, Wii-te, die nicht sehr oft in den Anzeigespalten ihre »Freunde« zu häufigem Besuch ermahnen, existieren für das grofse Publikum nicht. In dieser Beziehung herrscht hier eine andere An- schauungsweise als in Deutschland. Dafs die grofsen Geschäfte jahraus jahrein besimmte Spalten des Anzeigeteils für ihre Anzeigen gepachtet haben und ihre Empfehlung zum Überflufs noch auf jeden Zaun und Stein im Lande pinseln lassen, gereicht ihnen in den Augen der Amerikaner nur zum Lob und Vorteil. Es ist erstaunüch, wie gefüllt mit Anzeigen selbst die Winkelblättchen in den kleineren Städten sind. Viele würden sich ohne sie gar nicht halten können. Die gröfseren Blätter halten Reisende für diesen Zweck und die kleineren setzen die Geschäftsleute ihrer näheren Umgebung in Kontribution. Gewöhnlich ist der »Country Editor« kein sehr zartfühlender Mann und weifs sein Blättchen gefürchtet zu machen. Er ist in fast allen Fällen aussichts- jugendliche läuft mit unter, aber es überwiegt ein Lebensernst, den wir auf dieser Stufe bei uns nicht zu suchen pflegen. Staatsmänner wie D. Webster haben in solchen Collegeblättern ihre journalistischen Sporen verdient. Selbst Reisegesellschaften führen auf den Wegen und Bahnen des Westens kleine Druckereien mit, um tägliche Nachrichten verteilen zu können. 1) Das in England aufgekommene System mit Geschäftsanzeigen sogar die freie Natur zu verunstalten, ist in den V. St. eine Landplage. Jeder Fels, jede Klippe, jeder Zaun, sind mit fufslangen Lettern, meist Geheimmittel- anzeigen, bekleckst. Aufserdem sind in den Städten selbst Mauern, Säulen, das Innere der Wagen, die Gänge der öffentlichen Gebäude mit Plakaten tapeziert und in den Zeitungen ist -das Anzeigewesen zu einer Massenhaftig- keit und gleichzeitig einer fast wissenschaftlichen Gliederung und Methodik entwickelt, wie selbst in England nicht. Man behauptet, dafs die nordameri- kanischen Zeitungen durchschnittlich fünfmal soviel Anzeigen enthalten als die englischen. Die Presse. 595 reicher Kandidat für dieses und jenes Amt. Im 52. Kongreis bezeich- neten sich 3 als Jom*nalisten im Senat und 18 im Repräsentantenhaus. Ganze Staaten, wie Maine und Texas, waren in diesem Kongreis nur durch Advokaten und Zeitungsmänner vertreten. Oft schon setzte sich aus diesem Element mehr als die Hälfte einer Staatslegislatur zu- sammen^). Viele Zeitungen werden von einem Mann oder einer Gesell- schaft für Zwecke »gekauft«, die nicht mit den öffentlichen Interessen zusammenfallen, denen sie natürlich alle zu dienen vorgeben. Man denkt von der pohtischen Moral vieler Redakteure, besonders grölserer Blätter, im ganzen nicht hoch, lälst sich aber mit charakteristischer Unbekümmeftheit von derartigen Bedenken nicht im Genuls des Blattes und im Einfluls stören, den man ihm einräumt. Die Mache einer nordamerikanischen Zeitung ist immer folgende : Kurze Leitartikel und Leitartikelfragmente, die in der Regel sehr ge- schickt, witzig, pikant, aber in den Fällen, die aulserhalb des Gebietes der Parteipolitik Hegen, meist ohne Ernst und nicht mit hervorragender Sachkenntnis geschrieben sind; sehr ausgedehnte Lokalberichte; eine Menge kurzer Notizen als Mannigfaltigkeiten, Vermischtes etc.; zahl- reiche Telegramme und endhch eine Masse Reklamen, die diesen bevor- zugten Platz bezahlen, nehmen den Raum einer Zeitung über dem Redaktionsstrich ein. Die amerikanische Presse ist am weitesten von der Hochschätzung des akademischen Leitartikels entfernt, welche die französische auszeichnet. Theater- und Konzertberichte, Auszüge aus Predigten und Vorlesungen und in seltenen FäUen eine Korrespondenz aus irgend einem europäischen Lande schieben sich zu Zeiten dazwischen. Handels-, Schiffahrts- und Börsenberichte nehmen stets einen grofsen Raum ein und Anzeigen sind auf allen den vier oder acht Seiten zu finden. Ein Feuilleton im europäischen Sinn ist nicht vorhanden, aber in den Sonntagsnummern, und bei grölseren Blättern auch in anderen Nummern, finden sich sehr mannigfaltige belletristische und populär- wissenschafthche Mitteilungen. Hier, wo ein politisches Leben, das tief in die Interessen aller Bürger eingreift, den Zeitungen einen grolsen Einfluls und dem, was sie sagen, die Kraft thatsächhcher Bedeutung verleiht, haben sie einen präci- seren, praktischeren Zweck als bei uns. Nicht immer ist es gut und schön, was sie sagen und noch weniger wie sie es sagen, aber es hat einen 1) 1861 ernannte Lincoln nicht weniger als sechs Journalisten zu Gesandten bzw. zu Generalconsuln und zwar wurden die Posten in Paris, Rom, Konstantinopel, Rio, La Paz und Kairo mit denselben besetzt. Der Eigentümer des N. Y. Herald hatte die Pariser Gesandtenstelle abgelehnt. 1872 war Greeley vom Präsidenten Grant zum Gesandten in London be- stimmt gewesen und 1878 wurde der Berliner Posten dem Herausgeber der N. Y. Times angeboten. 696 I^® Presse. Zweck. Man kann sie nicht, wie unsere guten kleinen Blätter, als ein Volkslesebuch ansehen, das Blatt für Blatt veröffentlicht wird, sie sind Mittel zum Zweck der politischen Aufrüttelung, Wachhaltung und Leitung des Volkes. Die Idee einer Zeitung, die sich den politischen Ereignissen gegenüber, statt Agitator und Agitationsmittel zu sein, wesentUch referierend verhält, ist den Nordamerikanern fremd; ein Blatt, das dem Leser nicht sein Urteil, sondern nur die Materialien zur unabhängigen Bildung des Urteiles böte, würde keinen Beifall finden. Das innere poütische Leben in der Gemeinde, dem Staate und der Union gibt immer Stoff genug zu pikanten Ai'tikeln, und über die Zustände der fremden Völker hält man sich durch ein Telegranmi über die wichtigsten Vorkommnisse genügend informiert. Nur die grölsten Blätter haben eigene Korrespondenten im Ausland, die aber häufig nur das berichten, was durch die amerikanische Brüle bemerkenswert erscheint. Die Presse geniefst hier weniger Achtung bei aller Freiheit, die man praktisch unbeschränkt nennen kann, als in Deutschland oder Eng- land. Unter den grofsen und einflufsreichen Tagesblättern der V. St. sind nur wenige, von denen ein anständiger und gebildeter Mensch eine ganze Nummer mit voller Befriedigung lesen könnte. Jedes dient rückhaltlos einer Partei und jedes will so rasch als möghch seinen Leserkreis erweitern, daher steigt es zu den Vorurteilen der Masse oder der Klassen herab und wird im Eifer der Wettbewerbung von der Rücksicht auf Wahrheit und Gründlichkeit weggedrängt. Viele Blätter grolser Städte, die auf ein gebildetes PubHkum berechnet waren, jüngst noch der »Boston Advertiser«, sind im Laufe der Jahre denselben Weg gegangen »to teach a daily lesson in vulgarity«. Es wii'd geklagt, dals auch die billigen Jugendzeitschriften in den letzten Jahren einer verderbhchen Neigung zum Sensationellen fröhnen. Die Korruption der Presse ist eine nicht minder komplizierte Er- scheinung als die des ganzen politischen Lebens. Nicht ihre Käuflichkeit allein oder vorzüglich bedingt diese Korruption; sie ist nur eine Seite und nicht die wichtigste. Der Mangel an Anstand und Ehrgefühl ist in der Presse wie im ganzen pohtischen Leben die verdächtigste und häfslichste Erscheinung. BedauerHch, dafs das Publikum im ganzen ihn nicht fühlt, dafs es sich wohl behagt bei der Lektüre der Gemein- heiten, bis ein kräftiges Wort es aufrüttelt, wie das des Präsidenten Cleveland, der 1893 bei seinem Einzug in das Weifse Haus die Journalisten, die in den Vorhallen sein und seiner Familie Thun zu belauschen pflegten, verweisen liels, indem er sich die »journahstische Barbarei« des Auflauerns und Ausspähens verbat. Man muls sich am Ende doch sagen, dals die populären Blätter mehr oder weniger das bieten, was dem Volk gefällt. Ungemein verbreitet sind die illustrierten Die Presse. 697 Gerichts- und Sensationsblätter, die in raffinierter Weise dem weiber- losen Westerling das Weib in allen Gestalten in Masse von schlechten Illustrationen vorführen. Die »Society for the Suppression of Vice« in New York brachte 1890 156 Fälle verderbhcher Litteratur zur Anzeige und erzielte 155 Verurteilungen, grofsenteils gegen Zeitungen, selbst gegen solche, die ihre Leser im jungen Nachwuchs suchen. Wendet man sich den periodischen Erscheinungen zu, die über das alltägliche Lese-, Aufregungs- und Antreibungsbedürfnis hinaus- gehen, so bemerkt man eine grofse Besserung sowohl in Form als Gehalt. Der Reiz nach Sensation, der Wunsch, Aufsehen zu machen, fehlt zwar auch hier nicht, aber der Ton ist ruhiger, die Prüfung gründ- hcher, das Urteil abgewogener. Schon die zahlreichen Wochenausgaben der Tagesblätter sind oft besser als die Tagesausgaben'). Einige politisch- litterarische Wochenblätter sind sehr gut geschrieben und anständig. Merkwürdig tief stehen aber überall noch die Witzblätter, von denen trotz des so regen poHtischen Lebens bis jetzt kein einziges gröfsere Bedeutung gewonnen hat. Die Litteratur der illustrierten »Monthlys« ist reich und weist einige gute Organe mit vorzüglichen Bildern auf. Das »Atlantic Monthly« ist die »Deutsche Rundschau« des feineren Lesepubhkums in den V. St. Die enghschen Quarterlys sind achtungs- wert vertreten in der »North American Review« (seit 1815). Von aulser- gewöhnlicher Verbreitung sind Fachzeitschriften aller Art, besonders landwirtschaftlicher und industrieller Gattung. Einige wissenschaftHche Zeitschriften, vor allen das »American Journal of Sciences and Arts« (seit 1818) sind in der europäischen Gelehrtenwelt wohlangesehen. Die mit der University of Pennsylvania verbundene Wharton School of Finance and Economy hat 1891 einen Vorbereitungskurs für JournaHsten eröffnet. 1) Einflufsreiche Blätter , wie Horace Greeleys New York Tribüne ver- dankten ihre hohe Stellung der Wochenausgabe, die sechsmal so verbreitet war als die tägliche. Während der moralisierende, oft ideale Ton des Blattes der Handels- und Industrieatmosphäre von New York sehr wenig entsprach, sagte er dem hart arbeitenden Farmer um so mehr zu. Durch aufserordentlich niedrige Preise (2 Doli.), den sehr hohe Anzeigegebühren aufwogen, erreichte diese Wochenzeitung zeitweilig Auflagen von über 200000, allerdings nur in der besten Zeit, als Greeley das offizielle Haupt einer Partei, einer der populärsten Männer der Union und ein geschickter Redner war, der in aus- gedehnten Lecture Trips persönlich Reklame für sich und sein Blatt machte. XXVI. Das Volk und die Gesellschaft. Geistige Merkmale 698. Die Frühreife und das Altern 699. Freier und ge- bundener Geist 701. Geistige Bereitschaft, Beweglichkeit, Reiselust, Liebe zum eigenen Herd 701. Volksstimmung 702. Die Ermüdung im Äufseren 702. Die Höflichkeit und Frauenverehrung 703. Die Stellung der Frau 704. Sitt- lichkeit 705. Gewaltthätigkeit 707. Die Familie 708. Zurücktreten der Sinn- lichkeit 708. Lockere Auffassung der Ehe 708. Die Familie und die Erzieh- ung 709. Die Jugend des Volkes 712. Die drei Kulturzonen 712. Die Ge- sellschaft des Westens 713. Optimismus und Überhebung 716. Der Kultus der Sachen 718. Die gesellschaftliche Schichtung 718. Luxus 720. Die Armen 723. Die Aristokratie 723. Gleichartigkeit der Sitten 724. Einflufs von New York 725. Die Kulturlandschaft 725. Geistige Merlcmale. Eine neue, höhere Kultur, in deren Vorbereitung die Nordamerikaner das Ziel ihrer Jungen Geschichte erblicken, das sie ermutigt und anspornt, kann auch auf diesem günstigsten Boden nur durch höher begabte Geister und anders beanlagte Seelen geschaffen werden. Über die körperliche Seite, die nicht zu übersehen ist, haben wir gesagt, was gesagt werden kann. Es hegen Andeutungen vor, dafs Nordamerika die Kinder Europas auch körperlich verändere, aber die Jugend der Erscheinung läfst kein Mafs für sie angeben. Die geistige Seite ist im vorigen Kapitel (vgl. besonders S. 654) und- früher gestreift worden. Ohne Zweifel ist der germano-keltische Nord- amerikaner in einigen Beziehungen den europäischen Völkern über- legen, aus denen seine Elemente gezogen sind, und in den V. St. mehr als im übrigen Nordamerika. Der oft hervorgehobene Gegensatz der langsamen Entwickelung Kanadas zu der so viel rascheren der von der Natur ähnlich ausgestatteten Neu -England -Staaten beweist die Überlegenheit der »Yankees«. In der That gelten sie überall in Kanada als' die Unternehmenderen und Erfolgreicheren. Und doch sind die Naturbedingungen ganz ähnliche. Dasselbe Zeugnis stellt ihnen ihre ganze wirtschafthche Entwickelung aus, die ebensosehr auf ihrer eigenen Tüchtigkeit, als der Grolsartigkeit ihrer Hilfsquellen beruht. Ihre Begabung. Frühreife. 699 geschäftliche Überlegenheit wird von fast allen europäischen Beobachtern anerkannt. Rastlose Thätigkeit, Unternehmungsgeist, Fähigkeit, grofse Entwürfe zu ersinnen und durchzuführen sind in ihnen vorhanden. Ohne eine hohe geistige Begabung sind diese Eigenschaften nicht denkbar. Ob aber eine höhere geistige Begabung vorhanden ist als durchschnittlich bei den europäischen Völkern, sei es nun nach der Tiefe (einzelne geniale Begabungen) oder nach der Breite (allgemein höheres geistiges Niveau der Masse), ist für jetzt nicht zu entscheiden. Was die Nordamerikaner bis heute Bedeutendes geleistet, würden einige europäische Völker wohl ebenfalls zu leisten vermocht haben, wenn sie in die Notwendigkeit versetzt worden wären, alle Fähigkeiten auf- zubieten. Bis jetzt scheint es uns, dafs die Nordamerikaner keine Ausnahme von der Regel der Völkerbeurteilung machen, die lehrt, dafs die scheinbaren Unterschiede der Begabung verwandter Völker weniger in der Grösse der geistigen Kräfte, als in dem verschiedenen Grade ihrer Ausnützung und Anwendung zu suchen sind. In diesem Sinne kann man die Nordamerikaner als ein Volk bezeichnen, das mehr als alle anderen seine Geisteskraft auf die Probleme des praktischen, vorzüglich des Erwerbslebens, mit grofsen, materiellen Erfolgen konzentriert und in dem zugleich die günstigen Lebensverhältnisse der Einzelnen eine grosse Masse von Geist für alle möglichen Zwecke verfügbar machen, in dem also das Verhältnis des thätigen Geistes zum ruhenden ein sehr günstiges ist. Der Kenner der Geschichte der Kolonien findet gerade diese Eigenschaft auf engem Räume, aber glänzend entfaltet, wieder in den geistig und materiell hochstehenden Kolonien der Griechen. Unzweifelhaft überlegen ist es durch die Frühreife seiner Jugend. Indem hier der Einzelne zu einer Zeit in das Leben hinaus- tritt, wo er bei uns noch auf der Schulbank sitzt oder von der Familie abhängig ist, gewinnt er -eine frühe Schulung in den Fähigkeiten und Kenntnissen des praktischen öffentlichen Lebens, die vielleicht weniger fruchtbar für die Bildung seines Geistes als seines Charakters und die Erreichung seiner Lebensziele ist. In den Biographien hervorragender Amerikaner ist die frühe praktische Bethätigung ihrer Gaben ein fast immer wiederkehrender Grundzug. Aber auch bei denen, die nicht von der Notwendigkeit früh ins Leben hinausgezwungen werden, vollzieht sich die Entwickelung des Charakters früher als bei uns. Im allgemeinen darf man sagen, dafs der durchschnittliche Amerikaner mit 20 Jahren ebenso fertig ist wie der durchschnittliche Deutsche mit 25. Wenn unsere Statistiker den Beginn des »produktiven Alters«, wo der Mensch sich aus eigener Kraft zu ernähren beginnt, auf das 25. Jahr ansetzen, so darf man für den Nordamerikaner die Zahl um 5 bis 8 herunterrücken. Es hegt darin der grofse wirtschaftliche Gewinn, dafs die Familien bälder von der Last der Kinderernährung 700 Die freie Intelligenz. befreit werden und die jungen Leute früher in die Reihen derer ein- treten, die an der Förderung des Nationalreichtums mitarbeiten. Aber es ist auch der Gewinn für den Charakter damit verbunden, der vielleicht wertvoller ist, dafs die Schlaffheit und das unselbständige, unentschlossene Wesen dahinfallt, die dadurch entstehen, dals die Jugend mit ihrer Unklarheit und Abhängigkeit zu weit in das Mannesalter hinein verlängert wird. Bedauerhch ist nur, dafs die frühe Reife systematisch von den Pohtikern für Zwecke ausgenützt wird, die weit auf serhalb des Gesichtskreises der jungen Leute hegen, denen man in den Young Mens Political Associations eine viel zu grofse pohtische Wirkung einräumt, indem man von der falschen Ansicht ausgeht, dafs die Jugend die berufene Vertreterin neuer Ideen auf jedem Ge- biet sei. Das frühe Altern der Nordamerikaner, das oft behauptet wird, darf nur körperhch genommen, .nicht aber auf Geist und Energie über- tragen werden. Wenn man die Völker einteilen wollte — und der Einteilungsgrund wäre eines Versuches wert — in solche, deren Greise durch Frische des Geistes und des Charakters im Stande sind, mit ihren Lebenserfahrungen ihrem Volke bis ans Ende nützhch zu werden, und in solche, wo das Greisentum die Merkmale der Ver- lebtheit in Schlaffheit des Geistes und Charakters trägt, so würden die Nordamerikaner sicherhch der ersteren Klasse beizuzählen sein. Thatkräf tige , frische Greise spielen eine hervorragende Rohe in ihrer Geschichte. Man braucht nur an Washington und Jackson zu erinnern. Die pohtischen Fähigkeiten, als welche o. S. 625 f., vorzüglich der Ordnungssinn und die Fähigkeit zu gehorchen und die Achtung vor dem Rechte Anderer und dem Gesetze, sowie ein starkes National- gefühl genannt worden sind, haben natürhch ihre geistigen Grundlagen, deren Übereinstimmung mit den vorhin angegebenen Grundlagen der wirtschafthchen Befähigung sofort einleuchtet. Die pohtischen Ein- richtungen der V. St. wären nicht denkbar ohne das hohe Mals freier Intelligenz in allen Klassen der Bevölkerung. Die Schicht der Be- völkerung, in der überhaupt nicht pohtisch gedacht wird, ist in den V. St. klein. Fast Jeder hat von dem Verstand und der Energie, die er besitzt, etwas für pohtische Zwecke übrig. Dies hängt zusammen mit der Gewöhnung an reges pohtisches Leben, wie es die Repubhk mit sich bringt, vor allem aber mit der Grundstimmung des Volkes, die nicht übersehen werden darf. Diese ist hoffnungsvoll bis zum Optimismus, kühn, unternehmend und ein entschiedenes W^ohlbefinden drückt sich in ihr aus, das zu politischer Thätigkeit, wie zur Thätigkeit in jeder Richtung anregt. Niemand wird in diesem Wohlbefinden eine unmittelbare Wirkung der demokratischen Verfassung, des aUge- Beweglichkeit. 701 meinen Stimmrechtes oder der religiösen Freiheit sehen wollen, sondern der letzte Gtund bleibt immer die Weite des unbesiedelten Landes, das nm- Arbeit verlangt, um reichlichen Lohn zu geben, und die daraus folgende geringe Dichtigkeit der Bevölkerung, der »Ellbogenraum«, den der Einzelne findet, kurz die Jugend des Volkes. Dafs aber freilich selbst dieser groXse Vorzug nur auf dem Boden eines ihm entgegenkommenden oder sich ihm auf schlief senden Geistes zur Geltung kommt, beweisen andere Kolonialländer, die gleiche oder ähnHche Vorzüge besitzen. Der Mensch mufs mehr als das Land für seine Entwicklung thun, und das Volk hat durch seine eigenen Gaben einen grofsen Anteil an seinem Schicksal und seiner Stimmung. Wir brauchen uns nur die gleichen Länder in spanischen oder portugiesischen Händen zu denken, um ab- schätzen zu können , was die Bevölkerung der V. St. für die Mensch- heit leistet. Wir empfinden das Übermafs ihres Schaffens, dessen Ergeb- nisse unsere Märkte drücken, als lästige Wettbewerbung. Solange aber die Kultur auf der Schaffung der Möglichkeit geschützten und gesättig- ten,, die Geisteskräfte entfesselnden Lebens für die gröfste Masse von Menschen beruht, mufs man dem Volke Dank wissen, das gerade die- sen für Kulturarbeit glücklich angelegten Teil der Erde grofsartig nutzt. Mit dem Vorhandensein einer grofsen Masse von freiem Geist, der in dieser Stimmung seinen Ausdruck findet, hängt innig zusammen die beständige Bereitschaft des Geistes und Willens, die zu den hervor- tretendsten Merkmalen der Nordamerikaner gehört und zunächst sich ausspricht in jener grofsen und ausdauernden Beweglichkeit, die der Ruhe und Erholung im geringsten Mafse zu bedürfen scheint. Hierin ist der Nordamerikaner vom altwelthchen Germanen weit verschieden. Man hat ihn einer stets aufgezogenen Uhr verglichen: »Vertraut mit der Anstrengung, stets, selbst in den gewöhnlichsten Verrichtungen seines Berufes, eilfertig, gewohnt grofse Entfernungen in wenigen Stunden zurückzulegen, seine Mahlzeit in 10 Minuten einzunehmen, immer und überall zu laufen, besitzt er das »Monopol der Orts- veränderung« *). Reisen ermüdet und langweilt ihn nicht. Für die weitere Entwickelung dieser Gabe ist allerdings Amerika, das Land riesiger Entfernungen, eine vortreffliche Schule und nirgends wird so viel gereist. Die hohe Entwickelung alles dessen, was mit dem Reisen zusammenhängt, vor allem der Verkehrswege, Wagen, Dampfschiffe u. s. f., zeugt für die grofse RoUe, die die Ortsveränderung spielt. Man hat gesagt, der VoUblutamerikaner habe das mit dem Tartaren gemein, dafs er nicht wohne, sondern campiere auf dem Boden, den er betritt, und allerdings kann dies mit einem gewissen Recht von den Bewohnern der jungen Ansiedelungen gesagt werden, für deren erstaunhche Be- 1) Hübner, Spaziergang um die Welt. 1875. L 81. 702 I^ie Stimmung. weglichkeit wir mehrfache Belege zu geben hatten (s. o. S. 325). Diese Art von Beweglichkeit, die zu einem guten Teile in der Wirtschafts- weise der nordamerikanischen Landwirte begründet ist, zeigt sich im Osten, wo stabilere Verhältnisse Platz gegriffen haben, wohl vereinbar mit der altgermanischen Liebe zum eigenen Heim. Neigung zu selb- ständigem Wohnen ist einer der gesunden Züge germanischen Wesens, der in der Natur des Nordamerikaners tiefe Wurzeln behalten hat, und es gehört zu den grofsen Vorzügen des Landes, dafs sein Holz- und Steinreichtum den Hausbau so billig macht. Wenig scheint mit dieser kühnen, hoffnungsvoll gespannten Stim- mung die anscheinende Verdrossenheit und Verschlossenheit zu ver- einigen, die dem Beobachter des nordamerikanischen Lebens wenigstens bei den Männern so ausgeprägt entgegentritt. Viele sehen überarbeitet, ermüdet aus. »Wir sollten eigenthch glücklicher sein als die Engländer, aber wir sehen nicht so aus«, sagte ein Neu-Engländer zu Lyell'), der, wie alle Beobachter, einen abgearbeiteten Zug in ihrer Physiognomie findet, den er zum Teil dem Khma zuschreibt. Manches von diesem Aussehen hängt mit der Überspannung zusammen, die ihre natürlichen Rückschwankungen hat, manches damit, dafs der Geist beständig mit Geschäften und Entwürfen beschäftigt ist, die ihm selten Zeit zu heite- rer Ruhe geben. Dahin gehört das, was deutsche Beobachter »Dollar- brüten« genannt haben. Es wird seit lange behauptet, dafs diese Anspannung die Seelenkräfte früh ermatten lasse und eine grofse Neigung zu Nerven- und Qehirnki'ankheiten erzeuge. Der (noch un- vollständige) Bericht des 1890 er Census über die Irrenhäuser führt 97535 Personen auf, die 1889 in Irrenhäusern untergebracht waren; diese Zahl überragt um 73% die von 1881. Die Bevölkerung nahm in diesem Zeitraum um 25^/o zu. Aus dem Unterschied kann noch nicht auf ein Wachstum der Geistesstörungen geschlossen werden, aber die Zahl ist absolut sehr grols, und es faUt auf, dafs in dem dünn bevölkerten Westen verhältnismäfsig am meisten Wahnsinnige, 2,25 pro MiUe, verpflegt werden. Die laute Fröhlichkeit des Franzosen oder Süddeutschen oder auch die stiUere behaghche Vergnügtheit des Platt- deutschen ist dem Nordamerikaner fremd. Seine beste Stimmung ist die gespannte, gleichsam elastische, in der aUe Kräfte auf irgend ein Ziel energisch gerichtet sind, aber seine Lustigkeit ist fieberhaft auf- geregt und nur sporadisch. Deshalb findet er auch die ausdauernde Fröhlichkeit rasch als eines der auffallendsten Merkmale der Deutschen 1) Second Visit to the U. S. I. p. 123. William H. Hammond, einer der ersten Ärzte der Armee, schreibt in der North Am. Rev. 1891. 218 : The average American is incapable of self-amusement. He requires to be enter- tained; he is essentially gregarious. Die Stellung der Frau. 703 und Franzosen heraus. Er scherzt, lacht, singt und pfeift viel weniger als diese. Russell Lowell schlägt im »Moosehead Journal« (1853) die Gründung einiger »Lazyships« in Cambridge vor ; die Vergötterung der Arbeit widerstrebte ihm, der ein Neu-Engländer, aber ein femer Geist von mildem Humor war. Er sagt einmal: Wäre Adam ein Neu-Engländer gewesen, er hätte die Ströme des Paradieses eingedämmt, durch Baum- woUwaren die Feigenblätter ersetzt und die erste Sünde als eine weise, nationalökonomische Malsregel gepriesen. Während aber andere sich unvorteilhaft dadurch auszeichnen, dafs sie sich nicht scheuen, ihren Stimmungen auch im geselligen Verkehre Ausdruck zu geben, und am offensten leider den Übeln, ist der Nordamerikaner der Mann der kalten, aber ruhigen, gleichmäfsigen Höflichkeit. Er hat ritterliche Anlagen. Es ist in ihm nicht das neidische, verdrossene Wesen, das sich am Nebenmenschen reiben mufs und nach allen Seiten hin knurrt und kläfft, sondern er hat im Gegenteil ein gutes Bewufstsein, sowohl des Wertes, als der Grenzen seiner Persönhchkeit ; so wie er sie von Anderen geachtet sehen will, achtet er sie auch selbst. Darin zeigt sich wieder jene im PoHtischen hoch bedeutsame Anerkennung des Rechtes und Wertes der IndividuaHtät. Soviel man auch von Geld- protzentum sprechen mag, es ist im Nordamerikaner auch etwas Aristokratisches, das ihm, vorzüglich dem Deutschen gegenüber, eine entschiedene gesellschafthche Überlegenheit verschafft. Die Stellung der Frau. Die ritterhche Verehrung der Frauen, erscheine sie auch äufserhch, krönt diese achtungswerte Seite seines Wesens in einer erfreulichen Weise. Einer der schönsten germanischen Züge bricht hier glänzend durch die Farblosigkeit des Geschäftscharakters, und wenn es uns Deutsche auch schwer ankommt, wir müssen doch zugestehen, dafs jene Hochhaltung des Weibes, die Tacitus als eine der schönsten unter den Tugenden der Germanen rühmt, an diesem jungen Zweige viel ächter und reicher zur Erscheinung kommt, als bei dem alten kontinentalen Stamme. Dieser Zug ist nicht ohne praktische Folgen. In einem der Bildung feindhchen materiellen Leben bereichern die Frauen mit ihrer freien Thätigkeit das Leben der Gesamtheit. Was wäre die amerikanische Schule ohne die selbständigen Frauen! Für die weibhche Hälfte dieses Volkes erweckt dieser schöne Zug seiner Männer von vornherein ein günstiges Vorurteil. Die Nord- amerikanerinnen sind bevorzugte Vertreterinnen ihres Geschlechtes. Schönheit des Gesichtes, geistiger Ausdruck, edle Haltung sind bei ihnen weit verbreitet. Die Magerkeit und Sehnigkeit, die den Mann oft unschön macht, thut ihren Formen in geringerem Mafse Eintrag. Jedenfalls sind sie entschieden das schönere Geschlecht. Die geistigen Gaben sind bedeutend. Die Nordamerikanerin ist mit kühlerem Ver- stand begabt als im Durchschnitt die Europäerin, ebenso mit gröfserer 704 I^iß Stellung und Bildung der Frau. Willenskraft und Entschlossenheit. Keine Frau tritt so sicher auf, wendet sich unbefangener an die Öffenthchkeit, als sie. Was wir Weibhchkeit nennen, ist daneben weniger entwickelt, aber acht weib- Hche Grazie und Reinheit der Gesinnung fehlt nicht. Die Gemüts- seite ist am schwächsten vertreten. Man hat mit Recht gesagt, dafs die Amerikanerin mehr Feuer als Wärme habe. Indessen ist sie nicht en masse zu beurteilen. Wo die nach aufsen hin gewandten Gaben mit Charakter sich verbinden, sind sie nur geeignet, den Eindruck und die Wirkung der Gesamtpersönhchkeit zu erhöhen, wo aber jene nur allein vorhanden sind, ist der Eindruck eher abstofsend. Man könnte darnach zwei Gruppen unterscheiden, denen aber das starke Streben nach einer höheren Stellung gemein ist, als die einfache Er- füllung der Mutter- und Hausfrauenpflichten ihnen zuweist. Die Minder- heit sucht durch ehrliche Arbeit in Selbstbildung des Geistes und Ge- mütes jene Schranken zu erweitern, während viele von den natürhchen Pflichten so viel als möglich abwerfen und die Lücke mit Nichtigkeiten auszufüllen suchen. Jene sind es, deren ausgezeichneter Charakter vollauf die bevorzugte Stellung der amerikanischen Frauen rechtfertigt, die von diesen anderen dann oft unerträghch mifsbraucht wii*d. Auf ihren bedeutenden Einflufs in Famüie und Gesellschaft ist so manche oasenhafte Erscheinung in der Öde des geschäftigen Treibens zurück- zuführen. Sie sind häufiger als ähnhche Frauen bei uns, treten energischer und mit mehr äufserhchem Geschick mit ihren Gaben hervor, wissen sich und was sie erstreben besser zur Geltung zu bringen. Es ist hier nicht der Ort, in die Tiefen der Frauenfrage zu leuchten. Nur die Beobachtung will ich anknüpfen, dafs hier fast ausnahmslos die Frau in allem, was man Bildung nennt, weit über dem Manne steht. In allen jüngeren Staaten ist die Erziehung der Mädchen der der Knaben voraus. Was werden unsere wohlerzogenen Mädchen mit ihren ungebildeten Männern einst anfangen? (S, Louis Republic.) Männer mit Sinn für unverwertbare Wissenschaft, Litteratur oder irgend eine Kunst sind in Amerika seltener als in der alten Welt. Bei den Frauen ist es ganz anders. Bei ihnen ist es Erfordernis, gebildet zu sein, und die Sitte des Landes weist ihnen in jeder nicht ganz gedrückten Lebens- stellung viel Mufse zu. Lernen kann, wer lernen will, und manche benutzen die Gelegenheit aufs beste. Die Frauen wissen mehr von den Dingen, die idealen Sinn und edle Gesinnungen nähren, und ihr Ge- sichtskreis erweitert sich. Als vor einigen Jahren die landwirtschaft- hche Zeitschrift »Homestead« (in Springfield Mass.) ihre Leser auf- forderte, die »zehn besten Bücher« zu nennen, kamen die Einsendungen meist von den Frauen und Töchtern der Farmer. Natürlich schafft dieses Verhältnis auch Unzufriedenheit und Streberei, leitet zur Selbstüber- schätzung an und läfst die natürhche Stellung verkennen. Die hoch- Frauenarbeit und -rechte. 705 geachtete und einflulsreiche Stellung der nordamerikanischen Frauen ist indessen mit diesem Unterschied nur zum Teil erklärt. Die anfäng- lich geringe Zahl der Frauen in den Kolonien, die natürlicherweise ihren Wert steigern mulste, übt einen Einfluls nicht nur da, wo dieses Verhältnis wirklich besteht (s. o. S. 344), das sich ja in den wichtigen altstaatlichen Gebieten geradezu umgekehrt hat, sondern es leben die Sitten fort, die es hervorgerufen. Die wichtigste Ursache ruht aber in den Frauen selbst, in ihrer geistigen Begabung und ihrem selbst- bewufsten, würdigen Auftreten, in ihrer Erziehung zur Selbständigkeit und in der hohen Schätzung, die jedes Individuum für sein Recht in seiner Umgebung findet. Nicht blols im Innern des Hauses zeigt sich diese höhere Stellung, wo der Frau viele Leistungen nicht zugemutet werden, die sie anderswo zu verrichten hat, sondern auch in der Öffenthchkeit. Man sieht keine Frau schwere Arbeit verrichten, man sieht sie überall mit ritterhcher Zuvorkommenheit behandelt. Hundert- tausende von ihnen sind in den Schulen thätig, als Schriftstellerinnen und Rednerinnen erzielen sie grofse Wirkungen, in den Kirchen- und Schulvorständen entfalten sie eine nützhche Wirksamkeit. Sie haben die Ehegesetzgebung in fast aUen Staaten günstiger für sich gestaltet, als sie nach englischem Muster war. Nun fehlen nur noch zwei Dinge: Die politische Gleichberechtigung mit den Männern und das Recht auf ein gleiches Mafs von Unterricht. Für jene wird kräftig agitiert, aber bisher haben nur einige entlegene Territorien, bezeichnenderweise westhche, den Versuch gemacht, den Frauen die Wahhechte zu geben. Kansas, Utah und Washington, die früher damit vorgegangen waren, haben es wieder aufgegeben oder auf städtische Angelegenheiten beschränkt. In Schulvorständen sitzen Frauen auch in vielen Staaten des Ostens. Dafs bei den Gemeindewahlen von 1891 in Kansas die Stimmen der Frauen wider Erwarten meist den Demokraten, nicht den Republikanern, den Verteidigern ihres Munizipalwahlrechts zufielen, hat grofses Er- staunen erregt. Wyoming ist gegenwärtig das einzige Gebiet, wo die Frauen wählen und gewählt werden können. Die Zusammen-Er- ziehung der Frauen und Männer (Coeducation), die beiden Geschlechtern gleiches Mafs und gleiche Art von Bildung von Anfang an gewähren soU, wird versucht und könnte, wenn irgendwo, hier Boden gewinnen. Die Sittlichkeit eines Volkes ist in allen Fällen der am schwersten zu beurteilende Zug seines Wesens. Sie ist dies doppelt bei den Nordamerikanern, die als junges Volk mit Fehlern behaftet sind, die wahrscheinlich ihrem jugendlichen Zustande mehr als dem Kern ihres Wesens zuzuschreiben sind. Für die Zuverlässigkeit der Sitten- statistlk fehlt uns fast jeder Anhalt. Wir geben die wichtigsten der Zahlen, die der 1890 er Census bisher veröffenthcht hat. Mit Bestimmt- heit ist das Eine hervorzuheben, dafs die innere Ungleichheit des viel Katzel, Die V. St. von Amerika. 45 706 Sittlichkeit. gemischten Volkes von scharfem Urteil zm-ückhalten miifs*). Wir werden nicht nur die Indianer und Neger auszuschhelsen haben, die unter den Bedingungen einer ganz anderen Naturanlage stehen, sondern auch diejenigen Volksbestandteile, welche die herrschende Sprache und Sitte noch nicht angenommen haben, wie die Spanier und Mestizen Kaliforniens, die Kreolen Louisianas. Nur den form- und malsgebenden Stamm, den anglo-amerikanischen und die in ihn bereits völlig über- gegangenen, grundverwandten germanischen und keltischen fremden Bestandteile können wir hier ins Auge fassen. Auf manches, was zu sagen war über seine geistige und Charakter anläge, kann als seine sitt- hche Anlage beeinflulsend zurückverwiesen werden. Der Einflufs der Naturumgebungen ist S. 175 berührt, das mächtige Herrschen des Er- werbs- und Geschäftsgeistes S. 512 f., des kaufmännischen Sinnes S. 582, der poütische Rechts- und Ordnungsinn S. 625 f., die geistige Begabung S. 654 f., der religiöse Sinn S. 637, die Wohlthätigkeit S. 643. Für die Beurteilung seines sitthchen Charakters ist von dem allem besonders wichtig die Erkenntnis, dals der Nordamerikaner teils aus Anlage, teils aus geschichthcher Notwendigkeit vorzüghch Verstandesmensch ist; er neigt dadurch zum Kalten, Berechnenden und zur Rücksichtslosigkeit im Anstreben seiner Zwecke. »Keep a stiff Upper-lip« ist eines der zehn Gebote des Mannes, der Erfolg haben will. In Verbindung mit der Sucht zu erraffen, machen ihn diese Neigungen leicht gewissenlos in allen Dingen, wo Geld ins Spiel kommt, und bhnd gegen die Mittel, mit denen Erfolge erzielt werden'*). Wir werden über den »Kultus der Sachen« weiter unten zu sprechen haben, mit dem ein Kultus der mefs- baren Gröfsen und vorzüghch aller Geldwerte eng verbunden ist. 1) Die Aufnahmen für den XI. Census durch F. H Wines ergaben, dafs 1890 von 82 329 Gefängnisinsassen 57 310Weifse, 24277 Neger, 407 Chi- nesen, 13 Japaner und 322 Indianer waren. In Besserungsanstalten waren 14846 jugendliche Verbrecher untergebracht, davon 3311 weibliche, Vs wegen Eigentums verbrechen, 220 wegen Betrunkenheit, 256 wegen Sittlichkeits- vergehen. Auch in dieser Klasse sind die Kinder von Negern und Fremd- geborenen unverhältnismäfsig stark vertreten. Von der Chinesenbevölkerung safsen 0,39 im Gefängnisse, von der Negerbevölkerung 0,32, von der weifsen 0,14. 57"/o der weifsen Gefangenen waren von fremder Abstammung. Ebenso waren von den weifsen Armenhäuslern 58"/o fremder Abstammung. Vgl. Census Bulletin No. 352 (9. Febr. 1893). Wenn die Zahl der Gefängnisinsassen in einem alten Lande wie Massachusetts doppelt so rasch zugenommen hat, als die der Einwohner, so läfst sich daraus kein Schlufs auf die Amerikaner ziehen. 2) Eine interessante Bemerkung über »The American habit of pardo- ning, what is bad, if it has only worldly success and a tendency to meet exi- gencies with a certain persiflage«, steht in dem von George T. Curtis stam- menden Kapitel über die Verfassung der V. St. bei Winsor \TI S. 264. Geringschätzung der Menschenleben. 707 Das grolse Mafs von Selbständigkeit, das ihm eigen ist, wird zwar gemildert durch eine tiefeingewm:zelte Achtung vor den Dingen, die von der Gesamtheit seiner Mitbürger geachtet werden, vorzüglich vor dem Selbstbestimmungsrecht und den Meinungen anderer, sowie vor allem, was in das religiöse Gebiet einschlägt. Dieses wird ihn aber ebenso oft zum Heuchler werden lassen, wie jenes ihn zur Selbstüber- hebung und Gewaltthätigkeit geneigt macht. Die Messer- und Schiefs- affären (Shooting-affrays) sind nicht auf den fernen Westen beschränkt und Lo well wies auf die Blutspur hin, die durch die Geschichte des Landes und der Staaten geht^). In der Zeit von 15 Jahren sind zwei Präsidenten durch Meuchelmord gefallen. Der Wert der Menschenleben ist kaum, wie anderwärts, mit wachsender Volksdichte gestiegen. So- wohl der Bürgerkrieg als die seither immer häufiger gewordenen Auf- stände wegen Lohnstreitigkeiten haben Beispiele von rücksichtsloser Aufopferung geboten. Dieser Zug hat tiefere Wiu-zeln. Wir begegnen ihm wieder in der Grausamkeit der Indianerpohtik, und er findet sein Gegenstück in der rücksichtslosen Verwüstung der pflanzhchen und tierischen Schätze des Landes. Die Waldverwüstung ist eine der gröfsten und folgenreichsten Thatsachen in der Kulturgeschichte der V. St. Dafs sie sich grofsenteils in der Form der unberechtigten Ausbeutung öffent- 1) Vgl. den Aufsatz »The Brand of Cain in the Great Republic«. Con- temporary Review, Oct. 1891. Das 76 Seiten füllende Census Bulletin »Homi- cide in 1890« (No. 182 vom 6. Mai 1892) berichtet, dafs von 82 829 Gefangenen 7889 des Mordes oder Todtschlages angeklagt waren — 1880 4608 — , wovon 4425Weifse (1213 Fremdgeborene), 2739 Neger, 94 Chinesen, 92 Indianer und 1 Japaner. Genau ein Dritteil konnte weder lesen noch schreiben. 1267 werden als Trunkenbolde bezeichnet. 5548 Fälle wurden als Mord erkannt und in mehr als der Hälfte von diesen Todesstrafe verhängt, gegen die aber eine starke Abneigung sich in den älteren Staaten geltend macht. 1890 safsen in den Gefängnissen von Kansas (das eine Bevölkerung von 1,4 Mill. hat) 49 zum Tod verurteilte. Da aber hier seit 1872 kein Governor ein Todes- urteil bestätigt hat, sind diese Verurteilungen nur Form. In den Strafen für Todtschlag bemerkt man ein Wachsen der Strenge von Ost nach West und von Nord nach Süd, Neger werden durchschnittlich härter bestraft als Weifse, Chinesen am härtesten. 1889 wurden 156 Hinrichtungen und 117 Lynchun- gen berichtet, von beiden zusammen 94 in den Südstaaten. Die Zahlen sind nicht ganz vollständig. Wenn im Norden die Lynchjustiz auch abgenommen hat, äufsert sich doch noch immer ein starker Trieb, der Justiz, die man für zu schwachmütig oder sogar für parteiisch hält, nachzuhelfen. In den letzten Jahren hat sich vom Süden her ein Geheimbund der »Weifskappen« in die Ohiostaaten verbreitet, dessen Vehmgerichte ganz Indiana in Auf- regung hielten. Ärzte und Geistliche wirkten als Büttel bei den Versuchen mit, mifslibiege Individuen oder Familien durch Schädigung an Leib und Gut aus bestimmten Gegenden zu vertreiben. 45* 708 I^iß Familie. liehen Eigentums vollzieht, macht sie nicht besser. Die Ausrottung der Raubtiere und anderer schädlichen Tiere war eine Notwendigkeit, aber die Ausrottung der Büffel, die jetzt nahezu verschwunden sind, nennt ein Amerikaner (General Rush C. Hawkins) »one of the most discouraging chapters in the history of our cruelties«. Die Tierwelt des Wassers verfällt demselben Schicksale, soweit der Mensch ihr nachstellt. Dals die zahmen Tiere von diesem zerstörenden Trieb nicht verschont werden, beweisen die Massen Schafe und Rinder, die all- jährlich im Westen durch Kälte und Nahrungsmangel zu Grunde gehen. Auch hebevolle Behandlung der Geräte, Wagen, Maschinen ist nicht Sache des Amerikaners, der mehr die Zeit- als die Stoffverschwendung scheut. Die Familie. Das mit dem Vorwiegen des Verstandes verbundene Zurücktreten der Sinnlichkeit vermindert die Motive einer ganzen An- zahl von Ausschreitungen. In Verbmdung mit der Selbständigkeit der Frauen läfst es die geschlechthchen Verhältnisse und Mifsverhältnisse viel mehr in den Hintergrund treten als bei allen europäischen Völkern. Selbst in der Jugend leben die beiden Geschlechter so frei zusammen wie nirgends sonst und die Frauen könnten gesellschafthch nicht freier sein. Dafür hat aber die kühlverständige Art lockernd auf das Band der Ehe ge^drkt, und die Zahl der geschiedenen Ehegatten oder der getrennt lebenden ist sehr grofs. Die Gesetze mancher Staaten erleichtern die Scheidung ungemein. In demjenigen Staate, wo die Statistik des Familienstandes am genauesten durchgeführt wird, in Massachusetts, zählte man 1885 2956 Geschiedene und 136 unbekannten Famihen- standes. Nach der Ansicht des Statistikers sind die letzteren gröf stenteüs zu den Geschiedenen zu rechnen. AuffaUenderweise sind 86**/o von den Geschiedenen Einheimische (vgl. o. S. 348). Ehescheidungen sind in den V. St. ungemein häufig und nehmen mit jedem Jahre zu. W. F. Wil- cox sucht in den Statistics of Divorce (Studien der Pohtical Science- Faculty der Cornell Universität) nachzuweisen, dafs 1870 3,5, 1880 4,8 und 1890 (wahrscheinlich) 6,2"/o der Ehen mit Scheidung endigten. Dafs die Ehescheidungen besonders häufig unter Negern sind, mufs bei dieser Statistik mit in Betracht gezogen werden. Die Gerechtigkeit er- fordert es hervorzuheben, dafs Sekten, welche die Verneinung der Ehe oder wenigstens der Monogamie in ihre Satzungen aufgenommen haben, immer zu einem grofsen, oft überwiegenden Teil aus Nichtamerikanern bestanden. Man hat nach einem allgemeinen Gesetz für die ganze Union gerufen, um den massenhaften Ehescheidungen auf Grund der lockeren Gesetzgebung einzelner Staaten ein Ende zu machen. Thatsächlich wird in Städten Süddakotas, wie Sioux Falls und Yankton, die Ehescheidung, die nach einem Aufenthalt von 90 Tagen vollzogen wird, als eine Erwerbsquelle. T\de eine Heilquelle oder eine schöne Aussicht betrachtet. Die Kolonisation und die Familie. 709 da sie Fremde herbeizieht. In jungen weiten Ländern heiratet man frühe. Das kinderarme Neu-England hat dieses Jugendzei'chen bei- behalten, während es andere abgelegt hat. Es steht darin dem in anderen Beziehungen weit verschiedenen Rulsland nahe. Auch darin liegt einer der Gründe der häufigen Ehescheidungen. Ein anderer ist in dem auch auf diesem Gebiete übermälsig begünstigten Individualismus zu suchen, den törichterweise eine Gesetzgebung begünstigt, die z. B. im Staat New York Mann und Frau Verträge schhefsen läfst, als ob sie Fremde wären. Die Familie, die von allen Erscheinungen des gesellschaftHchen Lebens bei allen Völkern der Alten Welt sich am ähnhchsten bleibt, ist bei den Nordamerikanern am weitesten verschieden und darin hegt eines der auffallendsten Zeugnisse für den tiefen Unterschied zwischen der Gesellschaft der Alten und der Neuen Welt. Man findet in der nordamerikanischen Famihe mehr Selbständigkeit der Glieder, die ihren Grund teils in den Charaktereigenschaften der Weiber und der Frühreife der Kinder findet, teils in dem tiefgewurzelten Be- griff von persönhcher Freiheit und Verantworthchkeit, der jedem Lebensalter seinen eigenen Rechtskreis zuweist. Wenn die Kinder der nordamerikanischen Familien grolse Freiheit in der Erziehung, der Wahl ihrer Berufe, der Verehefichung geniefsen, so ist darin nicht sofort die Aufhebung der gemüthchen Beziehungen zu sehen, welche die Familienglieder verbinden soUten. Was leistet dort die Familie? Der in aller Völkerbeurteilung wertvolle Satz : An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen, lehrt uns als wertvollste der materiellen Früchte eines gesunden Famihenlebens den Zusammenhalt der GHeder einer Famüie zu erspriefshcher Thätigkeit schätzen. Die Familie mufs in einem Volke sehr gut fundiert sein, wenn nicht die Verlockung zur Absonderung, zur Loslösung von Pietät und Sitte, zur Überhebung, zur Trägheit, zur Mifsachtung der Heimat und des häuslichen Herdes, die bei der seit zwei Jahrhunderten fast unbeschränkten Ausbreitung über ein reiches, noch unausgebeutetes Land, wie bei aller Kolonisation, so nahe hegt, zu einem Rückfall in halbcivihsierte Zustände führt. Die Kolonisation mit ihren schweren Aufgaben und ihren nicht minder schwer zu er- tragenden Verlockungen ist der härteste Prüfstein eines Volkscharakters. Die V. St. machen nun seit den 250 Jahren ihrer Existenz eine Kolonialgeschichte mit beständig sich erweiterndem Schauplatz durch, sie sind noch heute in wesenthchen Merkmalen Kolonien. Sie haben die Probe bestanden und sind gediehen. Es gehört noch kein sehr tiefer Bhck in das Innere ihres Lebens dazu, um die RoUe der Familie in diesem Gedeihen zu würdigen. Man könnte die nordamerikanische Kolonisation als eine famihenhafte der famiüenlosen der Romanen in Süd- und Mittelamerika gegenüberstellen. Dort eine Verpflanzung der 710 ^i® häusliche Erziehung. europäischen Kultur durch ein Volk, das bei allen Berührungen mit den rohen Eingeborenen sich wesentlich rein erhielt, hier der Untergang der Europäer samt ihrer Civihsation in einer zur Halbkultur bestimmten Mischhngsbevölkerung. Das günstige Resultat in Nordamerika wäre ohne die Hochhaltung der Familie und den daraus folgenden, tief- gehenden Einflufs der Familie auf das private und öffentliche Leben der Einzelnen nicht möglich gewesen. Die Sittlichkeit in den Beziehungen der Geschlechter ist auch in den rohen Anfängen der Ansiedelungen hochgehalten worden. Die Litteratur kann in so weit täuschen, als die verschiedenen Völker nicht alle gleich offenherzig in dem litterarischen Ausdruck ihrer Gefühle und Gedanken sind, doch gestattet sie unter allen Umständen interessante Einblicke in die Volksseele. Die nord- amerikanischen Dichter teilen mit den englischen die Keuschheit der Phantasie. Wie würde ein Franzose das sitthche Problem behandelt haben, das Hawt hörne in seinem berühmten Scarlet Letter darstellt? Selbst Poe, der geniale Verkommene, ist in seinen Werken rein. Wie bemerkenswert die Umgehung jener faulen Stellen am sozialen Körper, in denen man anderwärts mit Vorliebe wühlt, durch so fruchtbare Romanschriftsteller und Novellisten wie Cooper, Holmes, Bret Harte! Nur die gesunde Abneigung des Publikums gegen die Ehe- bruchsromantik und ähnhche Zweige der »schönen« Litteratur kann sie erklären. Im Breitschlagen der Famüienskandale durch die Presse liegt ein Widerspruch hiergegen. Es ist bedauerlich, angesichts der grofsen Macht der Presse in den V. St., wenn sie auch die sonst züchtig verhüllten Schäden der Gesellschaft zum Gegenstand ihrer sensationellen Berichterstattung macht. Jede gröfsere Stadt besitzt dazu ihr gewisser- mafsen professionelles Skandalblatt, das in einem anständigen Hause unmöglich ist, wie weit es auch in den tieferen Schichten verbreitet sein mag. Die besseren Blätter suchen dagegen den Anstand zu wahren, soweit es mit dem allerdings sehr starken Neuigkeitsbedürfnis zu ver- einigen ist; aber die Amerikaner sind neuigkeitsHebend. Gleich den alten Athenern ist ihr gröfstes Vergnügen Neuigkeiten zu hören oder zu sagen. Die deutsche Presse ist darin mafsvoUer als die enghsche. Die häusliche Erziehung ist nachsichtsvoll. Die Nordameri- kaner, an denen in der Jugend so viel weniger erzogen wird, als an den Deutschen, übertreffen die letzteren durchschnittlich an Wohlerzogenheit im gesellschaftlichen Sinn. Der Grundsatz der Selbständigkeit des Ein- zelnen wird für die Kinder häufig zu weit ausgedehnt, aber die weit- gehende Selbständigkeit der Jugend des Volkes dürfte in ihren Aus- schreitungen kaum verderblicher sein, als die bei uns herrschende Abhängigkeit, die jedenfalls weniger geeignet ist, Charaktere zu stählen. Zuzugeben ist jedoch, dals das Vorwalten der Verstandessphäre dem amerikanischen Famüienleben vielfach einen ärmeren und kälteren Erziehung und Disziplin. 'J\\ Ton gibt, den die noch immer geringe Pflege der Musik u. a. künst- lerischen und geistigen Interessen nur noch tiefer stimmen kann. Aber die geschlossene Existenz im Familienhause macht sich um so heilsamer geltend. Als Soldaten haben Nord- und Südländer im Bürger- krieg, der fast aus jeder Familie Männer und Jünglinge ins Feld führte, Proben abgelegt, deren Wert, me die immer noch einander folgenden Veröffentlichungen beweisen, noch immer hochgehalten wird. Mut und Ausdauer bewiesen beide in hohem Grade, und es fehlte auf beiden Seiten nicht an unvergefsHchen Heldenthaten. Aber in den südstaat- Hchen Truppen war eine bessere Disziplin. Es sprach sich darin nicht blofs die Thatsache aus, dafs die Erziehung der Jugend in »Antebellum Times« im Süden viel patriarchahscher als im Norden, die Wohl- erzogenheit im Haus und in der Öffentlichkeit hochgeachtet war. Der Süden brachte in den Bürgerkrieg die Gewohnheit des Gehorchens auf Seiten der Soldaten auch, weil diese schon im Frieden an scharfe Klassenunterschiede gewöhnt waren und ihre Regierung den Besitzenden anvertraut hatten; diese aber hatten die Gewohnheit des Befehlens über unbedingt gehorsame Sklavenscharen und zugleich ihrer Ver- waltung und Verpflegung. Einer der wenigen höheren europäischen Offiziere, die den Bürgerkrieg mitmachten, hob den kriegerischeren Geist der Südstaatenarmee entschieden hervor'), . die besonders im Anfang, wie Bull Run und die Siebentägige Schlacht beweisen, im Angriff weit überlegen war. Aber der bHnde Gehorsam war nicht von Anfang vorhanden und ist auch am Ende des grofsen Krieges nur in einigen Truppenteilen erzielt worden. Die an vollkommene Unabhängigkeit gewohnten Männer gingen mehr aus räsonnierendem als passivem Gehorsam, mehr aus politischem als soldatischem Pflicht- gefühl in die Schlacht. Die Haltung des Einzelnen übte einen viel zu grofsen Einflufs auf die Anderen. Die Befehlshaber mufsten zuviel rückwärts sehen, ob man ihnen folge, da sie nicht sicher waren, dafs ihre Befehle ganz genau ausgeführt wurden. Der Mangel an Disziplin hat die ersten Niederlagen, die schwache Ausnützung der Siege, die schwerfäUige Langsamkeit der Bewegungen hauptsächhch verschuldet. General Hazen, der 1870 die deutschen Armeen kämpfen sah, hob als einen ihrer gröfsten Vorzüge die auf Disziplin gegründete gröfsere Beweglichkeit hervor. Ganze Corps der nördlichen Armeen gingen aus einer unentschiedenen Schlacht in wilder Unordnung zurück und verschwanden einfach. Die Gesellschaft. In der neuen Welt sind die verschiedenen Schichten der Gesellschaft mehr neben als, wie in der alten, über einander ge- 1) Col. F 1 e t c h e r , History of the American War I. und Comte de Paris, Histoire de la Guerre Civile en Am^rique I. bes. S. 343 f. 712 Die Gesellschaft. lagert. Wenn es möglich wäre, Bildung, Sitte, Reichtum, Arbeitsteilung u. s. f. für das Gebiet der V. St. graphisch darzustellen, so würde man klar drei Kulturzonen sehen, die von Osten nach Westen in der Weise auf einander folgen, dafs die Zone höchster Kultur im äufser- sten Osten, eine zweite oder mittlere Zone im Seen-, Ohio- und Missis- sippi-Gebiet und eine dritte der erst werdenden Kultur im fernen Westen sich ausbreitet. Es bestehen enge Beziehungen zwischen diesen Kulturzonen und den Zonen der Bevölkerungsdichtigkeit (s. o. S. 301 f.), sowie den Wirtschaftsgebieten. Dichte Bevölkerung und höhere Kultur gehen ebenso zusammen, wie dünne Bevölkerung, be- ginnender Ackerbau und Befriedigung der ersten Bedürfnisse, die fast nur materieller Art sind. Natürlich ist diese dreifache Zoneneinteilung nur ganz allgemein zu denken und so gut es dünnstbevölkerte Striche in Maine, New York oder Florida gibt, sind auch Anfänge der Besie- delung in die fortgeschrittensten Gebiete eingeschaltet. Von den wirt- schafthchen Grundeigenschaften dieser Zonen, auf denen ihre Kultur- entwickelung beruht, ist o. S. 378 u. 401 f. gesprochen. Auch manche Merkmale ihrer allgemeinen Kulturstellung waren im Vorhergehenden zu berühren. Hier mögen nun noch die hervortretendsten Merkmale besonders der amerikanischsten von allen diesen Zonen, der west- lichen, kurz hervorgehoben werden. In den älteren Staaten des Ostens, vor allem in den Neu-England- Staaten, lebt ja mancher freundliche Zug, der an die besten Seiten europäischen Lebens erinnert. Je weiter man sich aber von den Mittel- punkten der Bildung und des Reichtums entfernt, um so fremdartiger wird die amerikanische Gesellschaft. Immer deuthcher tritt die Jugend- lichkeit der Staaten und Gemeinden, der Mangel altangesammelten Reichtums und damit der Menschen hervor, die nicht Charakter, ruhige Entwickelung, ideale Hingebung an die allgemeinen Interessen, dem leidenschaftlichen Wunsche reich zu werden, zum Opfer bringen. Im Süden, wo der Bürgerkrieg die Pflanzeraristokratie zertrümmert hat, die dem Lande einst die besten Staatsmänner und Generale gab, sind die Gebildeten verarmt und ist eine Klasse von Menschen in den Vordergrund gerückt, die der Amerikaner treffend »Fortune-seekers« d. h. Vermögensucher nennt ; auf den Ruinen der alten guten Gesell- schaft macht es sich ein Geschlecht von Menschen bequem, das mit rücksichtsloser Energie am raschen Zusammenscharren von Reich- tümern arbeitet. Kurzsichtige Poütiker wollten in der Zerstörung der südstaatlichen Pflanzeraristokratie durch Zertrümmerung ihrer grofsen Landgüter eine Bedingung der Regeneration des Südens auf demokra- tischer Grundlage sehen. Sie übersahen, dafs über einer unselbständigen Masse, wie die Neger, sich immer eine Aristokratie herausbilden mufs, dafs aber die Rassenaristokratie, die keinen anderen Adelsbrief als die Die werdende GesellBchaft. 713 Weifse ihrer Haut besitzt, die für das Volk im ganzen unfruchtbarste aller Aristokratien ist. Im Westen ist dieser Zug noch schärfer aus- geprägt. Die entlegeneren Gebiete, früher Kansas, Iowa, Arkansas, Texas, später westlichere, sind immer im Anfang die Zufluchtsstätten der Vielen gewesen, denen die Gesetze und Sitten der geregelten Staaten des Ostens unbequem werden. Verbrecher aller Grade sehen in diesen weiten Gebieten, wo kein Gesetz herrscht, als das selbstgegebene, ihre natürliche Heimat. Andere, die zu unruhig und herrenlos sind, um irgend eine Schranke anzuerkennen, gesehen sich ihnen und als dritter Stand drängt sich in diese Gesellschaft das Heer der Handelsleute und Trödler, denen der gröfsere Gewinn die UnannehmUchkeiten und häufige Unsicherheit des Besitztums und selbst des Lebens an den Grenzen der Civilisation aufwiegt. Ohne Zweifel bessert das bewegte, entbehrungsreiche Treiben Manchen, den die Notwendigkeit jetzt zum erstenmal hart und mit Geduld arbeiten lehrt und darin liegt die Lösung des Rätsels, dafs man von einsichtigen Fremden im gleichen Atem die sitthche Heilkraft der nordamerikanischen Verhältnisse rühmen und die »Korruption« verurteilen hört, die am Mark des Landes frifst. Gegen die schhmmsten Verbrecher hilft sich die junge Gesellschaft durch Gesetze, die oft mehr als drakonisch sind — in allen diesen jungen Gebieten gab es Zeiten, wo »Vigilanz-Komittees« die Sicherheit mit bewaffneter Hand erhalten oder herstellen mufsten — und aUmähUch schleifen sich aus Furcht und Interesse die schärfsten Ecken der Gesetzlosigkeit ab. Bei vielen Mängeln hat diese Gesellschaft aber doch immer den Vorzug jung zu sein. Das will viel sagen in einem Volk, das als Ganzes die Züge der Jugend trägt. Laboulaye, der in seinen Werken über Nordamerika, wie so Viele, die über dieses Land geschrieben haben, neuen Vorurteilen Nahrung gab, indem er alte zu zerstreuen suchte, hat das geflügelte Wort in die Welt gesandt: »Die V. St. sind ein neues Reich, aber ein altes Volk« •). Der zweite Satz meint die Herübernahme altwelthcher Lebensformen, Anschauungen, Bildungs- elemente. Nach dieser Auffassung gäbe es weder junge Völker, noch junge Menschen, denn beide müssen durch die Aufnahme der Er- fahrungen älterer erzogen werden. Die Nordamerikaner weisen sich selbst diese Stellung zu. Ihre Geschichte lehrt sie, dafs die ältere, die vorauseilende Entwickelung der nachfolgenden ihren Stempel auf- prägt, nicht blofs moralisch, sondern auch materiell durch die Zufuhr überquellender Menschenmengen und Reichtümer. Jung sind sie aber als Bewohner ihres Landes, von welchem sie weite Strecken kaum ein Menschenalter inne haben; jung in ihrer ethnographischen Zu- 1) Laboulaye, Histoire des Etats Unis. 1870. I. 35. 714 I^i® werdende Gesellschaft des "Westens. sammensetzung aus zahlreichen Völkern und Rassen, in denen aber doch nur zAvei historische Schichten zu erkennen sind, und deren Verschmelzung noch lange nicht vollzogen sein wird; Jung in ihren gesellschaftlichen, wirtschafthchen und politischen Einrichtungen, voll Neuerungen, die zum Teil sich selbst, aUe aber ihre Rückwirkung auf das werdende Volk noch zu erproben haben; jung in ihrer Armut an den Besitztümern, die naturgemäfs nur im Lauf einer langen Ent- wickelung erworben werden. Es hegt nicht im Wesen unserer heutigen Entwickelung dies- und jenseits des Oceans, vollkommen Neues zu er- zeugen, aber die Amerikaner haben mehr eigentümhche Abwandlungen des alten geschaffen als irgend ein Kolonialvolk, und ihrem Leben damit einen höchst eigenartigen Stempel aufgeprägt. Man kann nicht sagen, was dieses Volk noch werden und leisten wird, und das Be- zeichnendste in seinem ganzen Wesen ist eben doch das Jugendliche. Am Rande des atlantischen Meeres, der Europa so nahe gerückt ist, erscheint Amerika schon viel älter als im Innern und der Altersunter- schied alt- und neuweltlichen Lebens wird sich bald nur noch west- lich vom Mississippi so fühlbar machen, wie er vor 50 Jahren im ganzen Lande war. Man hat treffend gesagt: Hier haben die Leute noch Lebensgeschichten. Die meisten sind nicht an dem Orte geboren wo sie leben, sondern in reiferen Jahren zugewandert, und ihr Leben ist dadurch in gewissem Sinn ein zwiefaches geworden, denn Aus- wanderung ist Verpflanzung : die neue Heimat bietet andere Aufgaben als die alte und entwickelt andere Kräfte. Ein begonnenes Leben wird abgebrochen und ein neues angefangen. Aber der Zwischen- zustand wird für viele Menschen der Beginn eines Lebensabschnitts, in welchem Auswandern und Ansässigmachen sich oft viele Jahre hindurch ablösen, bis zur Auswanderung nach einem Lande, wo selbst die Ruhe- losen Ruhe finden. Vor AUen die aus Europa kommenden finden sich selten in die neuen Verhältnisse ohne eine Prüfungszeit voU wechselnder Geschicke. Man stellt die Regel auf, es fange einem fremdländischen Einwanderer erst von der Zeit an in Amerika wohlzuergehen , wo er sein mitgebrachtes Geld ausgegeben habe und dadurch gezwungen sei, seine Lehrzeit ganz von unten anzufangen. Durch die grolse Masse derer, die hier im Westen noch in die Schule des Lebens gehen und keinen bestimmten Entschlufs gefafst haben über den Weg, den sie endgültig einschlagen woUen, bekommt die ganze Gesellschaft einen unruhigen Charakter. Jene Naturen, von denen berichtet wird, dals sie vor der anrückenden Kultur immer weiter in die Wildnis zurück- weichen, um der gefahrvollen Freiheit des Pionierlebens nicht ent- sagen zu müssen, sind keine Gebilde der Phantasie. Der »Devil may care«-Ton nimmt nach Westen zu. Dem Kalif ornier kommt es vor, als ob die Leute im Osten es sich gemüthcher machten und der Die Europäisierung im Osten. 715 Mann von Chicago findet New York viel zu östlich, zu europäisch. Dieses wechselvolle Leben, das die Freiheit an dem Räume mifst, in dem es sich bewegen kann, ohne mit fremden Rechten in Konflikt zu kommen, dieses Hinterwald- und Prärieleben hat nicht blofs für die Reize, die es leben. Manche Leute können ihre Vorliebe für Amerika nicht besser begründen als durch den Hinweis auf die Poesie dieses schrankenlosen Daseins, das edlere Kräfte in Thätigkeit rufe als das gedrängte Bei- sammenwohnen in unseren älteren höher kultivierten Staaten, wo keiner sich bewegen könne, ohne an engherzigen Gesetzen, Vorurteilen und Herkommen sich wund zu stolsen. Wir wollen uns aber doch hüten, in den Trappern und Holzhauern des Hinterwaldes Wiederholungen alter Germanen zu sehen. Die Heroenzeitalter kommen nicht wieder ; Einzelne mögen sich zu jeder Zeit heroisch erweisen. Moderne An- schauungen und Bedürfnisse sind hier in wunderbarer Weise mit alter- tümlicher Einfachheit und roher Kraft verquickt; viele von diesen »Heroen« heben moderne Dinge, wie Geld oder Schnaps, in einer Ausdehnung, die ihrem heroischen Charakter Eintrag thut. Sobald die Waldursprünglichkeit mit viel Kultur sich mischt, entsteht ein unschmackhaftes Zwitterprodukt, das besonders unangenehm in den Bergwerksgebieten und Pilzstädten des fernen Westens hervortritt. Mit der dichteren Bevölkerung und dem steigenden Wohlstand hat sich dagegen eine entschiedene Hinneigung zu europäischem Wesen in allen älteren Staaten entmckelt; dort kann man sogar von einer Amerikamüdigkeit sprechen. Der »European Trip« zieht immer mehr Menschen in seine Kreise. Die Zahl der in Schiffen Abreisenden ist im Vergleich zu der der Ankommenden 1892 fast doppelt so grofs als 1872 gewesen und hat sich in dieser Zeit fast vervierfacht. Nicht blofs der geschichtliche Hauch, auch das Rechnen auf die Dauer, der ruhigere Gang aller Dinge, die Abwendung von »Sham« und »Sham- work« wirkt unbewufst anziehend. Früher ist der sklavischen Nach- ahmung der enghschen Gewohnheiten überhaupt entgegengetreten worden, neuerdings werden besonders die enghschen »Society Novels« als verderblich gebrandmarkt, aber ohne Erfolg. Auch die Pariser Ein- flüsse werden beklagt, besonders beim weibhchen Geschlecht, in dem, soweit es mit Frankreich in Berührung kommt, lebhafte Wechsel- wirkungen, vielleicht auf gemeinsamer keltischer Grundlage, hervor- treten. Edler ist der Zug zum Alten in der eigenen Welt, der in der Liebe, mit der die Geschichte des eigenen Volkes, schon bis zu den Städtegeschichten herab, gepflegt wird, sich für die nationale Gesin- rmng fruchtbar erweist, während das Interesse für Anekdotisches und Auf serliches im ältesten Land Europas nicht reger sein kann. Die Täfe- lungen und Schnitzereien der alten Stadt- und Landhäuser des schon im vorigen Jahrhundert wohlhabenden Neu-Englands sind Wallfahrts- 716 Septimismus und jugendliche ziele von Kunstfreunden me Nürnberg oder Lübeck. Schon wird »Colonial Furniture«, d. h. die Möbel, die im 17. und 18. Jahrhundert in Nordamerika im Gebrauch waren, eingehend studiert. Vereinzelt findet man auch im Süden noch stattliche Herrenhäuser, aber umgeben von Schmutz und der Verkommenheit der Neger. Hier hat der Bürgerkrieg einen Rils gemacht. Ein altes spanisches Fort in St. Augu- stine in Ostflorida, angeblich das älteste europäische Gebäude in Nord- amerika, gut als Sehenswürdigkeit ersten Ranges. Die Ununterbrochen- heit der geschichtUchen Entwickelung gehört zu den Vorzügen des Nordens und besonders für Neu-England hegt eine Stärke in der Pflege seiner geschichthchen Überheferungen. Optimismus bis zur Selbstüberschätzung und Überhebung ist ein Jugendfehler. Für das Volk der V. St. ist die nicht blofs in den Verhältnissen begründete, sondern mit dem enghschen »Gant« tiefst stammverwandte Überhebung eine doppelt zu fürchtende Gefahr, da es leicht verführt ist, sich seine Ideale zu nah und seine Ziele zu nieder zu stellen. Der Amerikaner gibt sich mit manchem Unvoll- kommenen zufrieden, was alte Länder besser haben. Die geographische Lage gibt ihm mit den Vorteilen einer nahezu insularen Abschhefsung im grofsen kontinentalen Stü den Nachteil der beschränkten Berüh- rung mit anderen Völkern. Wohl ist die Gefahr der selbstgenügsamen Unkenntnis der auXseramerikanischen Welt früh erkannt worden. Der Staat und die Wissenschaft haben am meisten gethan, um über die Grenzen hinauszuweisen. Die verschiedensten Berichte der Bundes- behörden bringen wertvolle Mitteilungen über fremde Länder und Völker auch über Schuleinrichtungen, Ai'beiterverhältnisse u. dgl. Auch wird gesorgt, dals diese Berichte weiten Kreisen zugänglich gemacht werden. Und doch dürften weder Deutschland noch Frankreich, von Süd- und Osteuropa nicht zu r^den, in Nordamerika auch nur so gut gekannt sein wie in England. Mehr als einmal hat sich die ungenügende Kenntnis fremder Sprachen und Verhältnisse als eine Quelle politischer Fehler erwiesen. Dazu kommt die Verblendung des Optimismus, der nicht minder als Nationalfehler zu fürchten ist, wo er sich über wirk- üche Mängel durch Nichtsehen- und Verschweigenwollen wegsetzt. Bei der isoherten Lage des Landes hegt darin die Gefahr der Ver- knöcherung in falschen Vorstellungen, das Gegenteü von der ununter- brochen wirksamen aufrüttelnden Wettbewerbung unter den europäischen Völkern. Schon in den ersten Jahrzehnten ihrer Selbständigkeit traf die Nordamerikaner der Vorwurf, dafs sie sich durch Voreingenommenheit für ihr eingebildetes besseres Wissen und Können davon abhalten hefsen, von den Kulturvölkern Europas zu lernen. Die Negersklaverei war das erste grolse Übel, das beschönigt wurde, und ihm reihte sich sehr früh die schlechte Indianerpohtik an. Noch heute wird nach Selbsttiberschätzung. 717 innen die überragende Bedeutung des Negerproblems allgemein an- erkannt. Aber der Amerikaner teilt nicht gern seine Sorgen mit Anderen. Oberflächliche Beurteüer erwerben daher wohKeüen Beifall mit der un- moralischen und falschen Theorie des notwendigen Verschwindens der ganzen farbigen Bevölkerung. In der Litteratur bilden teilweise richtige, teilweise optimistische, im ganzen immer rosenfarbene Schilderungen der Hilfsquellen, belegt mit vielen grofsen, aber oft nicht genauen Zahlen, verschönert durch viele unbestimmte Ausblicke, eine »SpeziaH- tät«, seitdem der Westen aufgeschlossen ist. Aber diese Litteratur hat Jahrzehnte lang die Steppen des Westens todtgeschwiegen zum Scha- den von vielen Tausenden schwer enttäuschter Ansiedler. Der eng- herzigste Patriotismus bringt bei uns keine Schilderungen zustande, wie wii- von den V. St. hören und lesen : Dieses ist die beste Regie- rung und das beste Land der Welt. Die Bürger dieses Freistaates sind im Durchschnitt besser gekleidet, genährt und erzogen als irgend ein anderes Volk. Sie haben mehr Leben, schreiten rascher fort, er- greifen schneller die Vorteile, welche die Natur bietet als aUe anderen. Die Last der Regierungen ist hier am leichtesten, die Macht der Ein- zelnen am gröfsten, und hier werden die wichtigsten Probleme der Gesellschaft gelöst werden. Hier herrscht ein feineres Gefühl für das, was der Mensch dem Menschen schuldet als in anderen Ländern. Wir beugen uns nicht vor Gekrönten, wir stehen aufrecht. Unsere Sympathien sind stark und rasch. Grofsmut ist fast ein nationaler Fehler. . . . Hier findest du die Demokratie in der Famüie ... Der höchste Mafsstab der Civüisation ist die Behandlung der Weiber und Kinder und darin stehen die Amerikaner allen Nationen voran. »There is a magnitude, a scope, a grandeur about this country, an amplitude, that satisfies the heart and the Imagination. We have our faults, we have our virtues, but our country is the best« (Col. IngersoU). Derselbe, sehr volkstümhche Redner, nannte 1892 in einem Vortrage in Harlem (N. Y.) »die V. St. Amerikas das einzige Land, in dem ein anständiger Mensch im Bewufstsein seiner vollen Menschenwürde leben kann«. Der Gefahr solcher Volksanschmeichelung treten zwar ernste Männer ent- gegen, die für die Vorzüge anderer Völker sich ein offenes Auge bewahrt haben. Wir verdanken ihnen vorzügliche Schriften über Europa, unter denen nur Emerson's English Traits and Manners und Andrew W h i t e s , des früheren Botschafters der V. St. in BerUn , von tiefem Studium zeugender Essay The New Germany') genannt sein mögen. Solche Stimmen haben aber natürhch nicht das Ohr der Masse, deren »überreizte Empfindlichkeit«, um die Worte R.Romans, eines Kri- 1) Journal of the American Geographical Society Bd. IV (1882). 205 bis 258. 718 ^^^ Kultus der Sachen. — Soziale Schichtung. tikers Ingersolls in der N. Am. Review zu gebrauchen, eine beständige politische Gefahr darstellt, der aber selbst Staatsmänner opfern*). Zu dieser Selbsterhebung trägt das Zurücktreten der Ausbildung des Menschen hinter der der Sachen am allermeisten bei. Es herrscht ein wahrer Kultus derSachen, der in dem Kultus der Essenz aller, des Geldes, gipfelt. Möghchst viel Sachen zu erzeugen, zu beherrschen, ist das Ziel, über dem das Glück der Menschen vergessen wird. Hier ist die Gefahr schon eingetreten, dafs das Ziel zu tief gesteckt wird. Die mechanische Auffassung, die in der Verehrung der materiellen Gröfse der Massenleistungen sich gefällt, übersieht, wie das Ziel des Lebens sich durchaus nicht dadurch erhöht, dafs es mit gröfserem Aufwand von Kraft in kürzerer Zeit erreicht wird. Das nächste Ergebnis ist eine im Verhältnis zu den günstigen äufseren Bedingungen viel ab- normere Güterverteilung als bei uns, deren üble Folgen früher als alles andere ernüchternd auf diesen Götzendienst materieller Erfolge zurückwirken werden. Soziale Schichtung. Die koloniale Entwickelungsstufe einer Gesell- schaft ist der bürgerhchen Gleichheit günstiger als irgend eine andere. Die ersten Kolonien in Nordamerika, vor allem die privaten und rein bürgerlichen in Neu-England haben zu den in sich gleichartigsten geseUschafthchen Entwickelungen gehört, die es je gegeben hat. Die Kolonisten fühlten die Gleichheit ihrer Anfänge selbst so klar, dafs in einigen Kolonien von vorn herein eine kommunistische Organi- sation versucht wurde. Sie waren ja alle auf derselben Besitzstufe und in den ersten Jahrzehnten waren die Bedingungen der Erwerbung von Reichtum und Ehren für aUe so gleichartig, dafs nur geringe Standes- unterschiede sich zur Geltung bringen konnten. Erst in dem Mafse, als Reichtum sich mehr und mehr ansammelte, entstanden gröfsere Verschiedenheiten. Der erste Stand, der sich in diesen fast durchaus ernst rehgiösen Gesellschaften entschieden absonderte, war aber der der Geisthchen. Man lese die Geschichte einer neuengländischen Kolonie, um die Macht zu begreifen, die er besafs. Wie sehr sie aber dem Geiste der Gleichheit in dem Grofs der Bevölkerung widersprach, bezeugt die Thatsache, dafs alle jene Kirchen, in denen der Stand der Geist- lichen sich als ein höher gebildeter und einflufsreicher der Gemeinde gegenüberstellt, vor allen die kongregationahstische und episkopale, schon früh in Stillstand, teilweise sogar in Rückgang gerieten, während viel mächtigere Sekten auf demokratischerer Grundlage sich neben 1) Staatssekretär des Innern , John W. Noble, citiert in seinem Be- richt für 1890/91 allen Ernstes die Erwartung, dafs das Kind schon geboren sei, das einst 400 Mill. Menschen in den V. St. wohnen sehen wird ! Die Verteilung des Besitzes und der Luxus. 719 ihnen auf ihre Kosten entwickelten. Neben den Geisthchen war höchstens noch die geringe Anzahl könighcher Beamten, bürgerhcher und mihtärischer, die den Anspruch erheben konnten, einen besonderen Stand zu bilden. Indessen wurden viele davon aus den Kolonien ge- nommen und ihre Zahl war immer gering. Die StändegHederung konnte in allen übrigen Teilen der Gesellschaft nur auf Unterschiede des Besitzes sich gründen und solche mulsten in einer so thätigen Bevölkerung sich einstellen. Doch gab es einige Gründe, die ihrer Geltendmachung entgegenwirkten. Im Süden, wo die Sklaverei rasch anwuchs, erlaubte diese zunächst nur die Scheidung von Freien und Sklaven. Gegen diesen Unterschied traten alle anderen zurück. Im Norden war die in aUen Verfassungen durchgeführte politische Gleich- berechtigung der Steuerzahler in dieser Richtung thätig und in kaum geringerem Grade die Ungewohntheit derjenigen Dinge, welche die Besitzunterschiede nach aussen hin zu zeigen bestixnmt sind. Man erinnert sich der repubhkanischen Einfachheit der vorzüglichsten und höchststehenden Männer aus der Zeit des Unabhängigkeitskrieges. 1795 sagte Winter botham: »WahrscheinHch besitzen aUe Juwelen und Diamanten, welche von Bürgern der V. St., ihren Frauen und Töchtern getragen werden , einen geringeren Wert als die in einigen Ländern Europas Bestandteil der Kleidung eines einzelnen Menschen bilden« *) (View of the U. S. III. 308). Die Einfachheit gehörte zu den pohtischen Tugenden. Das Volk verlangte damals noch nicht, dafs ein leitender Pohtiker im Stande sei »to tap the barrel«, das Geldfafs für Wahl- bestechung anzuzapfen, sondern es wachte eifersüchtig über dem Re- pubhkanismus seiner Vertreter auch im Äufserhchen. Die Überwachung der öffenthchen Charaktere ging im Interesse dieses demokratischen Gefühles, dem der Neid nicht fremd ist, sehr weit. Gründe der Religion, der Philanthropie, des öffentlichen Interesses, der bürgerhchen Gleichheit wurden ins Feuer geführt, um die Einbürgerung vermeintHch unchrist- hcher oder republikanischer Gewohnheiten zu verhindern. Vor 50 Jahren paradierte ein BiUard, das John Quincy Adams im Weifsen Hause hatte aufstellen lassen unter den Gründen gegen seine Wiederwahl! Die Zeiten haben sich sehr geändert*). Der Reichtum ist eine anerkannte 1) Die Worte »Gentleman« und »Lady« konnten also eine viel breitere Bedeutung annehmen, als in engeren, befestigten Gesellschaftszuständen. In vielen Kreisen bezeichnen sie thatsächlich nichts mehr als männliches bzw. weibliches Individuum. Im aristokratischeren Süden behielten sie mehr von ihrem Werte und die Pflanzer von S. Carolina liebten es, sich mit dem stolzen Titel »The Gentlemen of America« zu bezeichnen. 2) Vgl. die Aufsätze »Who owns the United States« und »The Coming Billionaire« im »Forum« Nov. 1890 und Jan. 1891, in denen Thomas G. Shear- man berechnete, dafs die Hälfte des Nationalvermögens in den Händen von ']^20 ^^® Verteilung des Besitzes Macht und der Luxus tief eingedrungen. Heute rühmen sich die V. St., einige der reichsten Männer der Erde zu üiren Bürgern zu zählen. Einer der angestauntesten Millionäre, der »Eisenbahnkönig« Vanderbilt hinterliefs 200 Mill. D. und anfangs 1893 schätzte die New York World das Vermögen der Familie Vanderbilt auf 274 Mill. D. Die Konzentration des Geldes hat aulserordenthche Fortschritte gemacht, man sieht ein, dals das Geld eine viel gröfsere Macht hier als in der alten Welt übt. Es bedroht nicht nur die repubükanische Gleichheit, sondern beherrscht geradezu die politischen Institutionen, die zu Werkzeugen des Geldes erniedrigt werden und erniedrigt die Charaktere. Die Be- reicherung Zahlloser ohne Rücksicht auf die Mittel und Wege hat das Geld zum nationalen Einheits-» Standard« erhoben. Moralität hat keinen Marktpreis, Charaktergröfse ist unpraktisch und hohe Büdung verzinst sich schlecht. Der Besitz von Millionen, einerlei wie erworben, erweckt eine fast nationale Bewunderung. Die Grölse und Verteilung der Vermögen ist nicht blofs eine wirtschaf thche , sondern eine pohtische Thatsache ersten Ranges. Da die Ständeghederung in den V. St. vorwiegend auf der Verschie- denheit der Gröfse des Besitzes beruht, ist die Eifersucht der Ärmeren auf die Reicheren immer verbreitet gewesen. Ein Mann wurde nicht für irgend ein Amt gewählt, weil er reich war, oder Jemand wurde unpopulär, weü seine Tochter bessere Kleider trug als die anderen Misses. Die Quäker und andere Sekten trugen diesen Gefühlen Rechnung, indem sie die äulsere Gleichheit zum Gesetze machten. 40000, drei Viertel in denen von 250 000 Familien sich befinde. Gegen An- fechtungen hielt er seine Schätzungen aufrecht. — Wer den Eindruck der nordamerikanischen Gesellschaft genau an der Schwelle der Zersetzung ge- winnen will, lese dagegen in Harriet Martineaus Society in Amerika (1837 I. S. 15 f.) die Schilderung der Besitz Verteilung , wo es unter anderem heifst : Die neue Welt besitzt keine grofse, unterdrückte, gereizte, gefährliche Klasse, die bei der geringsten Gelegenheit über Agrarianismus schreit. In der ganzen wunderbaren Weite dieses Landes sah ich keine armen Leute mit Ausnahme einiger Bettler. In den ärmsten Häusern sah ich keinen Tisch gedeckt, auf dem nicht Brot und Fleisch erschienen. Jedes Fabrikkind hat seinen Kegenschirm und Schweinetreiber tragen Brillen. Mit Ausnahme des fremden Proletariats in den Landungsstädten und den in sinnlichen Lastern Begrabenen , weder die Einen noch die Anderen sind politisch gefährlich, gibt es Niemanden, der nicht dasselbe Interesse an der Sicherheit des Eigentums hätte, wie der reichste Kaufmann von Salem oder der Pflanzer von Louisiana . . . Gesetz und Ordnung sind ebenso wichtig für den Mann, der das Land baut, um seine Familie zu erhalten oder der um *Lohn arbeitet, damit er einst auf eigenem Boden sterbe, wie für irgend ein Mitglied des Kabinets des Prä- sidenten. und der Luxus. Die Armen. 721 Diese Gefühle, die in der ganzen Welt existieren, sprachen sich hier besonders klar aus. Lange hielt ihnen noch die Hoffnung und das Bestreben die Wage, es einst den Reichen gleich thun zu können. Eine interessante Aufgabe würde der Nachweis des Einflusses sein, der in der Einführung des Luxus und in dem immer merkhcheren Hervortreten der Ständegliederung je nach der Möghchkeit gröfseren Aufwandes den Frauen zufiel. Er ist zweifellos sehr grofs. Nicht zufälhg hat sich die Seidenindustrie so rasch zu erstaunlicher Höhe entwickelt und übertrifft die Verwendung von Edelmetall und Edel- steinen zu Schmuck so weit die in Europa. In diesen Menschen, die so lange puritanisch einfach lebten, ist eine gröfsere natürhche Neigung zum Schmuck des Körpers und Hauses als in so manchem alten Volk Europas, z. B. den Deutschen. Unsere Einwanderer stehen erstaunt auf den Teppichen, mit denen die Frauenräume einfacher Farmhäuser belegt sind und bewundern das massiv silberne Tischgerät des einfachen Haushaltes. In den Kreisen der Geldaristokratie von New York, Boston u. s. w. hat dieser Trieb zur Entfaltung fürstlicher Pracht geführt. Er trug zusammen mit der Erwerbsucht wohl am meisten dazu bei, die alte Gleichheit aufzuheben und hat seine RoUe in der sozialen Umgestaltung der demokratischen Gesellschaft von einstmals sicherüch noch nicht ausgespielt. Er würde längst schon verderbhcher gewirkt haben, wenn nicht eine gewisse Grofsartigkeit in Geldsachen die angenehme Kehrseite jenes jugendlichen Optimismus bildete. Mark Twain hat für seine freigebigen und gastfreundhchen Westerlinge den Ausdruck »picturesquely magnanimous« , der auch auf viele Bürger der älteren Staaten noch Anwendung findet. Nahe verwandt mit diesem wohlthuenden Zuge und in der Wirkung ähnhch, ist die Abneigung gegen kleinhche Mittel zum Geldgewinne im geschäfthchen Leben*). Weniger tritt der Luxus in den leiblichen Genüssen hervor. Das Land bietet Massen guter und bühger Nahrungsmittel, deren Zusammen- stellung und Zubereitung auch in den wohlhabenden Häusern oft noch nicht viel Verfeinerung zeigt. Die Bewohner der V. St. sind die gröfsten Fleischesser. 1885 wurde für die vergangenen 25 Jahre der Durchschnitt des Verbrauches von Schweinefleisch auf 70 Pfd. pro Kopf angenommen ^) ; er dürfte seitdem sich um so weniger vermindert 1) »Man mufs Amerika die Gerechtigkeit widerfahren lassen, dafs, wenn auch der Wunsch sich zu bereichern allgemein, man doch in den wichtigeren und nicht ganz jungen Handels- und Verkehrsmittelpunkten mehr Gewissen und vor allem weniger Engherzigkeit findet als bei uns. Der amerikanische Egoismus ist breiter als der unsere, er erniedrigt sich selten zu elenden, kleinlichen Mitteln, er schöpft aus dem Vollen.« (M. Chevalier, Lettres I. 272.) 2) Report Dep. Agriculture 1885 p. 372. R a t z e 1 , Die V. St. von Amerika. 46 722 Essen und Trinken. haben, als die verschiedensten Landesteile und aUe Klassen, besonders die weiXsen Arbeiter und die Neger, sich stark daran beteiligen*). Der uns seltsam kUngende Grundsatz: »A parsimonious people is not progressive« spricht sich auch in der Vergeudung aller Nahrungsmittel, besonders des Fleisches, der Butter, der Eier in Privat- wie Gasthäusern aus, die für Europäer unerhört ist. Die Nordamerikaner sind auch die grölsten Müchtrinker und Butteresser der Welt, während sie von den Engländern im Käse geschlagen werden. Die Gemüse sind auf dem nordamerikanischen Tisch weniger mannigfaltig als auf dem deutschen oder französischen, trotzdem die jungen Maiskolben und die süfsen Kartoffeln wesenthche und treffliche Bestandteile der Mahl- zeiten bilden. Im Westen sind Kartoffeln und Tomaten fast die ein- zigen Zuspeisen. Der europäische Landbesitzer hat als Essender mehr Genuls von seinem Boden als der nordamerikanische. Manche Ge- müse gedeihen nicht so wie in Europa. Von Spargeln sieht man meist nur dünne Sprossen mit aufgeblätterten Köpfen. Die Obst- und Beerenarten sind dagegen mannigfaltiger und werden in viel gröfseren Mengen verbraucht. Den einst allgemeinen Theegenuls verdrängt immer mehr der des Kaffees. Der Verbrauch von Thee, Kaffee und Zucker in den V. St. übersteigt weit die europäischen Mafse. Dagegen enthält sich ein viel gröfserer Teil der Bevölkerung der geistigen Getränke, was weniger der weiten Verbreitung der Mäfsigkeitsvereine und der den Handel mit geistigen Getränken be- schränkenden Gesetzgebung mancher Staaten als der Neigung zu über- mälsigem Genufse der stärksten Getränke bei einem Teile des Volkes und zwar in allen Schichten und bei beiden Geschlechtern zuzu- schreiben ist. »Prohibition« ist eines der grolsen Schlagworte und ein Hebel der Staaten- und Stadtpohtik, mit dem viel Milsbrauch getrieben und Heuchelei begünstigt wird^). 1) Über die Nahrung der arbeitenden Klasse s. Studnitz, Nordameri- kanische Arbeiterverhältnisse 1879 S. 84 f. 2) Der katholische Bischof Shaney in Fargo N. Dak. schrieb (Dez. 1892) über die Prohibition in Nord- Dakota: »Grofse Spirituosenhändler haben mir versichert, dafs ihre Verkäufe in unserem Staate jetzt dreimal so grofs sind, als vor der Einführung der Prohibition. Die Aussagen von Eisenbahn- und Exprefsbeamten bestätigen die Angaben der Spirituosenhändler. Handels- reisende erzählen dasselbe. Hotelbesitzer wissen kaum, was sie mit den leeren Whiskeyflaschen thun sollen, die von den Gästen in ihren Zimmern liegen gelassen werden. Farmer, die früher ein Glas oder zwei tranken, wenn sie in die Stadt kamen, halten jetzt einen 5 Gall.-Krug zu Hause und sippen die ganze Zeit über. Ich will nicht behaupten, dafs Prohibition an und für sich nichts tauge, aber ich behaupte, dafs sie in Nord-Dakota ganz und gar nichts taugt. Wenn das Volk Prohibition will, sollte es die bezüglichen Gesetze Die Armen. Die Aristokratie. 723 Der Census ist sich klar über die Unvollständigkeit seiner An- gaben in Betreff der Armen. Die Angabe des 1880er, dafs es eine halbe Million unterstützte Arme gebe, ist viel zu tief gegriffen. Weit- über 100000 beträgt allein die Zahl der Insassen der Armenhäuser. Allein New York, Pennsylvanien, Massachusetts, Ohio und Illinois zählten 1889 55000. In Buffalo N. Y. empfingen 1887 10% der Be- völkerung Almosen von der Stadt. Der Sekretär der New York »Charity« Organisation schätzte 1889 die Zahl der dauernd oder vorüber- gehend in den V. St. Almosen Empfangenden auf 3 MüHonen, gegen 5% der Bevölkerung, ein Verhältnis, das Prof. Ely in seiner Arbeit Pauperism in the United States (1891) für richtig hält. Während im Süden am meisten Kinder in der Armenhausbevölkerung sich befinden, besteht im Westen die grölsere Hälfte aus Leuten von 60 bis 80 Jahren. Früher meinten europäische Reisende, es sei unvernünftig, in den V. St. gegen die Geldaristokratie und gegen die Gemeinheit des Goldes und Silbers zu predigen. Wer Kapitalien habe, bringe sie zur Gel- tung und könne dieselben weder vermehren noch erhalten ohne sehr viel Thätigkeit und Wachsamkeit. Der Reichtum eines Mannes stehe daher hier ziemlich allgemein im Verhältnis zu seinen Fähigkeiten und Lei- stungen. Ein Blick nach Spanisch- Amerika lehrt allerdings, dafs ein Volk, das nur von Advokaten oder Soldaten regiert wird, weder glück- Ucher noch freier ist. In der Alten Welt haben die alten Mächte des Staates und der Gesellschaft sich mit den neuen Interessen der Industrie und der Macht des Geldes abfinden müssen ; wie wäre es denn mögUch, dafs in der Neuen Welt, wo die Institutionen der Vergangenheit nie tiefe Wurzeln gefafst haben, wo alles auf den Handel, auf das Geld hin gerichtet wird, diese Macht nicht dazu gelangte, eine Rolle auf der poHtischen Bühne zu spielen trotz all ihrer Neider und Gegner? Indessen bei allem so natürlich begründeten Übergewicht der Geld- aristokratie fehlt nicht die Wertschätzung des Geburtsadels, die ganz natürlich aus dem Wunsche besserer Familien sich erklärt, inmitten des allgemeinen Strebens nach Gleichheit, irgend einen Grund der Absonderung von der grofsen Masse, der Auszeichnung zu finden. Die genealogische Wissenschaft wird in den V. St. ganz so ernst be- trieben wie in Alt-Europa und die Stammbäume, die zu den Kava- Heren der ersten Jahrzehnte der Old Dominion oder den Puritanern der »May Flower« hinaufreichen, erfreuen sich höchsten Ansehens. Jeder Staat hat seine alten Famiüen, seine Aristokratie. »Ich habe«, durchführen. Wenn nicht, dann sollte es den Mut haben, es zu sagen und diese Gesetze abzuschaffen«. Über den Unterschied im Gebrauch der geistigen Getränke in den V. St. und Deutschland siehe die Bemerkungen Andrew D. White 8 in »The New Germany (Journ. Am. Geogr. Soc. 1882 p. 255). 46* 724 ^i® Aristokratie. Die Mode. sagt Hübner, »nie mit jemand dieser Klasse Bekanntschaft gemacht, ohne sogleich zu hören: ,Meine Familie ist sehr alt, meine Vorfahren kamen vor 200 Jahren nach Amerika, wir haben in England Verwandte, die in der Pairskammer sitzen, oder wir stammen von hugenottischen Edelleuten, welche vor dem Widerruf des Edikts von Nantes am französischen Hofe gut gesehen waren'. Und dieselben Personen zeich- neten sich durch Erziehung und feine Sitte aus«*). »American An- cestry« mit dem »Index to American Genealogies«, vier Bände, ist das Grundwerk der Genealogen. Bei dem Hervortreten der Individuen in der kolonialen Geschichte hat es grolsen geschichthchen Wert. Eine stark entwickelte Titelsucht entspringt demselben Grunde. Es gibt eine Masse betitelter Existenzen wie in jedem Freistaat, und wer einen Titel hat, wird immer bei demselben genannt. Nur die Lächerhchkeit der ellenlangen Titel und der Mit-Titulatur der Frauen ist bis jetzt nicht eingedrungen. Man ist versucht, anzunehmen, dafs der nordamerikanischen Ge- sellschaft jene äulsere Gleichmäfsigkeit der Sitten fehle, die das Ergeb- nis der Herrschaft begünstigter, geschlossener Klassen zu sein pflegt. Aber es ist dem nicht so. So grofs die ZerspHtterung in jeder poüti- schen und religiösen Hinsicht sein mag, so stark ist der Trieb der Nachahmung gewisser Muster in allen ÄufserHchkeiten. Es gibt kein Volk, bei dem die bizzarste Mode so rasch \md allgemein zu verbreiten wäre, wie bei den Nordamerikanern. Ein starker Nachahmungstrieb ist anglo-keltisches Erbteil, das hier aber sich noch bedeutend ver- mehrt hat durch die in Demokratien den niedreren Klassen eigene Sucht, es den höheren so viel als möghch gleich zu thun. Die Stimmung grofser Teile der Bevölkerung, ganzer Staaten, Parteien, Stände, Land- schaften, Städte nimmt in gewissen Zeiten bestimmte gleiche Formen an, die den Namen Geistesepidemien wohl verdienen würden. So wie aUe Geräte des Hauses, alle Kleider u. s. f. durch die ganze Union gleich sind, weil sie von gleichen Maschinen in gleichen Fabriken her- gestellt sind, so werden auch die Äulserhchkeiten im Benehmen u. dgl. en gros bezogen. Keiner hat Zeit sich speziell damit abzugeben, jeder wählt dasselbe Muster. Sollte nicht auch darin ein Sympton des mäch- tigen Einflusses der Frauen zu erkennen sein, die in den V. St. ihre Freiheit gegen alle Mächte, nur nicht gegen die Mode verfechten? Die ganze amerikanische Gesellschaft nimmt sich seit Jahrzehnten New York zum Muster. Die »Empire City« bestimmt die Sitten und die Moden, wie es in ihren Sphären Paris, London oder Wien thun. Einige Städte haben ihre gesellschafthchen Vorzüge vor New York, wie Washington, die kosmopoHtische, poHtisch angeregte. 1) Spaziergang um die Welt. 1875. I. 51. Die Kulturlandschaft. 725 Boston, die litterarisch feiner gebildete und geistig regsame Stadt, Richmond, Baltimore und Charleston mit den Resten einer aristo- kratischeren, traditionenreicheren, oder New Orleans mit einer freieren heitereren Gesellschaft. Aber New York übertiifft an Volkszahl, Ge- schäftsthätigkeit , Reichtum, finanziellem und politischem Einflufs, Luxus alle anderen. Vielleicht wird sie einst ihre Herrschaft an eine von den neuen Hauptstädten abtreten, die im Westen in der Ent- stehung begriffen sind. Heute ist sie aber noch die gesellschaftUche Hauptstadt der V. St. und erstreckt ihren Einflufs darüber hinaus so- gar auf die Hauptstädte des romanischen Amerika. Die Kulturlandschaft der V. St. Die Spuren des Daseins und des Wirkens des Menschen, die ein Land in seinem Äufseren trägt, haben erhebhchen Anteil an dem allgemeinen landschaftHchen Charakter. Diesen Anteil zu bestimmen, ist im I. Bande versucht (I> Bd. S. 429 f.), aber noch ist die Frage zu beantworten, welche Züge das Kulturbild der V. St. von dem der Länder der alten Welt unterscheiden. Von der Jugend des verhältnismäfsig dünn bevölkerten Landes erwarten wir die Seltenheit der Zeugnisse der Kultur, die weit zerstreut, in wenig besiedelten Gegenden noch kaum vorhanden und von der Natur über- ragt sein werden ; geringere Dauer und Stetigkeit der meisten Schöpfungen des Menschen, die selbst auf seine eigenen Wohnplätze sioh ausdehnt, und damit zusammenhängend zahlreiche Belege für einen rascheren Ablauf aller Lebens- und Thätigkeits - Auf serungen ; und überhaupt Mangel der Spuren des Alters der Kultur in diesem Lande. Aber wie äufsern sich nun diese Merkmale und gestalten die landschaftHchen Büder? Die Seltenheit der Kulturschöpfungen zeigt sich nicht überall im einzelnen, aber sie gehört zu den Eindrücken, die sich aufdrängen bei einer allgemeinen, zusammenfassenden Betrachtung des Landes. Sie entspricht zuerst der Thatsache, dafs selbst die dicht bevölkerten Teile noch fern sind von der Dichtigkeit der Bevölkerung in den volkreicheren Teilen von Europa. Sie wird gefördert durch die zwei entgegengesetzten Tendenzen der ländhchen und der städtischen Bevölkerung, zerstreut zu wohnen unter möglichster Vermeidung der Dörfer oder sich in grolsen Städten zusammenzudrängen. Die Mittel- und Kleinstädte, Marktflecken und grofsen Dörfer, in ihrer Häufigkeit so bezeich- nend für Deutschland, treten dort zurück. Straf sen und Eisenbahnen, auf denen man Hunderte von Meilen menschenarmen Landes durch- fliegt, um von einer Grofsstadt nach der andern zu gelangen, gehören zu dieser weiten Zerstreuung der Kultur Schöpfungen. Nicht minder tritt sie hervor, und noch unverkennbarer, in dem Überragen der Natur über die Werke des Menschen. Die letzteren verschwinden in den Urwäldern, Hochgebirgen und Steppen fast vor der Macht einer 726 ^i® Merkmale. noch ungezähmten Natur. Aber selbst in den bevölkertsten Teilen des Ostens, wo fast jeder Wald gelichtet, jeder Bach überbrückt, jeder Flufs eingedämmt ist, ist die Natur noch nicht so weit zurückgedrängt wie bei uns. Sobald sie einen Höhenzug, ein sumpfiges Thal, ein Moor findet, an dem sie Halt gewinnt, erscheint sie viel ursprünglicher. Noch immer gibt es in Staaten wie New York und Pennsylvania Hunderte von Quadratmeilen Urwald und in dem altbesiedelten Neu-England ist noch immer Maine der echteste Urwaldstaat. Dafs man in einem einzigen Tage von einem so vollkommen weit- und grolsstädtischen Platz wie New York in eine menschenleere Urwaldregion, wie die der Adirondacks zu gelangen vermag, und dals die Prairie sozusagen in Chicago hineinreicht, gehört zu den scharfen Würzen des amerikanischen Lebens. Wie diese Naturnähe auf den Volksgeist wirkt und in der Litteratur zun^ Ausdruck kommt, ist im VI. Kapitel angedeutet. Wenn Dauer und Stetigkeit den Schöpfungen der Kultur hier häufig in geringem Grade eigen sind, so hegt der Grund hauptsächhch in der Beweghchkeit der Bevölkerung selbst. Da der Einzelne sich noch nicht in eine dichte Masse eingezwängt findet, hat er mehr Lust und Grund zur Bewegung und Veränderung, und seine Werke nehmen daran Teil. Ganze Dörfer und Städte werden versetzt und Tausende sind imstande auf einmal herdenweise ihren Wohnplatz zu ändern (s. o. Kap. XVI). In der Bezeichnung der Nordamerikaner als Kultur- nomaden hegt etwas Wahres. Noch etwas Anderes kommt hinzu : das Streben nach möghchst rascher und gewinnreicher Ausbeutung der natür- hchen Reichtümer des Bodens, sei es an Erzen oder an Fruchbarkeit. Man schöpft von einer Unternehmung ab, um schneU nach einer anderen zu eilen, als wüchsen die Schätze aus dem Boden, wie im Märchen. Nicht nur Goldsucher, auch Farmer auf Neuland haben wie Schatzgräber gearbeitet und geerntet. Das eine Unternehmen zerfällt, während ein neues schon aufblüht. Daher die Menge von »Kultur-Ruinen« (s. u. S. 325), die über das Land zerstreut sind. Daher auch die Leichtigkeit und Flüchtigkeit, mit der man in den jüngeren Gegenden nicht blols Häuser, sondern gleich Städte baut. Brücken errichtet, Eisenbahnen anlegt. AUes ist nur für ein paar Jahre bestimmt, dann wird es ent- weder abgebrochen, oder sich selbst überlassen, oder aber es treten etwas dauerhaftere Schöpfungen an seine Stehe. Im Osten baut man in den alten Vierteln grofser Städte seit lange für die Dauer, herrhche Marmor- und Granitpaläste gehören zu ihren Merkmalen, aber in den Vorstädten wie in kleineren Orten überwiegen noch die Holzbauten. Es schiebt sich hier noch eine andere Eigentümlichkeit ein, die minder scharfe Sonderung von Stadt und Land (s. o. S. 321). Auch sie ent- springt zum Teil demselben Mangel an befestigtem, durch Generationen eingelebtem Dasein, an dem historischen Hauch, der bei uns mit ver- Die Kulturlandschaft. 727 schiedenem Odem die Städte und das Land durchweht; zum Teil ent- spricht sie dem jugendlichen Charakter des hiesigen Lebens, das es noch zu keiner so entschiedenen ständischen Scheidung zwischen städtischer und ländhcher Bevölkerung gebracht hat. Der Unterschied von Dorf und Stadt schrumpft hier zu dem von gröfserer und kleinerer Wohnstätte zusammen. Das Dorf mit grofsen Kaufläden, Banken, Zeitungen ist natürlich eine kleine Stadt. Der flüchtige Bau der Eisen- bahnen, Brücken, Dämme u. s. w. schliefst sich hier an. Die Haupt- sache ist, daf s alle diese Dinge dem augenblicklichen Zwecke entsprechen ; für die Dauer kann man später sorgen, und die Schönheit kommt zuletzt. Der Schönheitssinn möge daher in den Zügen der Kulturphysio- gnomie der V. St. nicht seine Befriedigung suchen. Man sieht sich an vielen Punkten von schöner Natur umgeben und häufig begegnet man schönen Menschen, aber die Werke dieser Menschen machen den Ein- druck der Beschränkung auf das Notwendigste. Unsere Bahnhofpaläste und unsere künstlerisch verzierten Brücken erscheinen dem Amerikaner als unzweckmäfsig. Man schätzt den Luxus nach der Seite der be- quemen Ausschmückung des Lebens, die nicht schön zu sein braucht und im äufseren Eindruck nicht zur Geltung kommt. Das wahrhaft Monu- mentale ist selten. Der Mangel zahbeicher hoher Kirchtürme, an die wir in unseren grofsen Städten gewöhnt sind, macht sich überall geltend, wo man eine der Grofsstädte der V. St. übersieht. Die überaus grofse Zahl der Gotteshäuser kommt erst zur Wahrnehmung, wenn man in die Strafsen herabsteigt, wo man freüich oft Mühe hat, die Kirchen von beliebigen Privathäusern zu unterscheiden. Die schroffen Gegensätze gehören zum Ausdruck des Jugend- hchen. Wie die Wellen des Lebens kürzer sind, so sind auch die Spuren der Thätigkeit des Menschen bald dicht, bald dünn gesäet, bald ragen sie hervor und bald sind sie am Boden. Das Nebeneinander von gröfster Regsamkeit und tiefster Stüle, von Verfeinerung und Rohheit bezeichnet im höchsten Grade den Westen und die neu ent- wickelten Industriegebiete des Südens. Aber auch der Osten hat diesen Zug noch nicht verloren. Nicht weit von den mächtigen Städten liegen elende Weiler mit Bretterhütten, an die liebevollste Gartenkultur der städtischen Bannmeile reiht sich die vernachlässigte Wüstenei. So ist es auch im Inneren der Häuser, die in Blockwänden teppichbelegte Räume und daneben vielleicht nicht das notwendige Küchengerät bergen. Die Ruinen sind Amerika in einem viel zu oft citierten Verse Goethe's abgesprochen worden; im Unterschied von »Europa, dem alten«, soll es ihrer entbehren. Heute trifft dies nicht mehr zu. Wenn die Kultur hier auch jung an Jahren, so hat sie um so rascher gelebt. Die Züge, die sie da und dort in die Physiognomie des Landes gegraben hat. 728 I^i® Merkmale. mögen weniger die Spuren wirklichen Alters als früher oder verfrühter Schicksale sein : sie sind oft nicht minder ergreifend als unsere Ruinen. Wie viele Ruinen bergen nicht die Gold- und Silbergebiete von Kali- fornien und Colorado oder die Ölgebiete von Pennsylvanien ! Das Riesenwerk der Pacifik-Bahn hat eine Menge vergänglicher Eisenbahn- städte geschaffen, die mit dem Bau entstanden und mit dem Fort- schreiten der Linien wieder verschwunden sind. Im Süden sind zer- fallene Pflanzerwohnungen, verödete Kirchen und Kirchhöfe keine seltenen Erscheinungen. In den einst spanischen Teüen des Süden und Westens liegen die Reste spanischer Adobe- (Lehmziegel-) Häuser, Klöster und Kirchen in Ruinen. KaHfornien ist das poetischste Land Nordamerikas'). Und dazu noch die Masse der indianischen Grabhügel, Schutzwälle u. s. f. Das Land hat für sein Alter Ruinen mehr als genug. Wenn in vielen Beziehungen das Kleine, Zerstückte, nur für den AugenbHck Geschaffene unter den Kulturschöpfungen, besonders denen des idealen Gebietes, überwiegt und hierin ein Merkmal teils der der Jugendüchkeit der Kultur entsprechenden Zerstreuung der Kräfte, teils des eingeborenen IndividuaHsmus der Bevölkerung, auf gesellschaft- Hchem wie politischem Gebiete zu erkennen ist, so tritt dagegen in allem was geschäfthche Unternehmung ist, eine Neigung zum Grolsen, Zusammengefafsten hervor, die Zeugnis ablegt für die Fähigkeit grofs zu entwerfen und mit gewaltiger Energie zu handeln. So schwer es oft zu sein scheint, in diesem Lande eine Summe von Kräften auf Ein Ziel zu vereinigen, so leicht scheinen dem Einzelnen die gröfsten Entwürfe und die ungewöhnlichsten Kraftanstrengungen zu fallen. Und das beschränkt sich nicht auf Eisenbahnen oder Brücken, von denen Nordamerika die gröfsten und kühnsten mit Stolz sein nennt, sondern selbst auf den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb. Als Folge des kühnen Unternehmungsgeistes und der Rastlosigkeit der amerikanischen Geschäftsleute tritt uns in allen Zweigen des Han- dels und Verkehrs die Erscheinung riesenhaft ausgedehnter Geschäfte entgegen, von denen man schwer begreift, wie sie nur von Einem Punkte aus geleitet werden können. In der Physiognomie der Städte treten sie so hervor, dafs z. B. in New York nächst der katholischen Kathedrale das grofsartigste und prächtigste Marmorgebäude lange Zeit ein riesiges Schnittwarengeschäft war. Am meisten scheinen aber Gasthäuser diesem Grofsbetrieb günstige Aussichten zu bieten, vorzügHch weil gewisse Einrichtungen, welche die Menschen anziehen, ün kleinen nicht leicht zu schaffen sind und weil bei ihnen der Ruf, 1) Die Poesie Kaliforniens liegt in der Vergangenheit spanischen Wesens, sagt Erzherzog Ludwig Salvator (Los Angeles 2. Aufl. 1885 S. 43), der durchaus kein Lobredner vergangener Zeiten ist. der Kulturlandschaft. 729 der mit der Gröfse wächst, ein so bedeutender Faktor des Erfolges ist. Es sind nicht nur in den Städten, sondern auch an beliebten Punkten im Gebirge, an der Seeküste, in den südlichen Kurorten Jacksonville und St. Augustine, überall, wo gröfsere Mengen von Gästen erwartet werden, riesige Gasthäuser, wahre Karawanserais entstanden, die mit übertriebenem Luxus ausgestattet sind und die üian, auch hierin äufserlichen Motiven folgend, mehr um ihres Glanzes als um der Schönheit ihrer Umgebungen willen aufsucht. Hier ist nun das Grofsartige geschäftlich berechtigt. Aber in anderen Dingen wird das Streben nach dem »biggest thing« fast kindisch, wie denn überhaupt das Interesse an dem Aulsergewöhnlichen, Ungeheuerhchen, Aufsehen- erregenden beim Amerikaner in beneidenswerter JugendHchkeit vor- handen ist. Wir kritischeren Kinder älterer Völker sind viel mehr gefeit gegen riesige Plakate, Wunderaiittel, barnumsche Sehenswürdig- keiten u. dgl. als der Amerikaner mit all seiner Geschäftsklügheit. Diese Dinge gehören für ihn zu den angenehmen Aufregungen und ihre reichliche Vertretung — z. B. die riesenhaft hingepinselten Ge- schäftsanzeigen in den fernsten Urwald- und Gebii'gseinsamkeiten — ist auch einer von den hervortretenden Zügen des nordamerikanischen Lebens. Es erhält dadurch etwas Groteskes, das die Amerikaner selbst nicht unangenehm berührt. Erläuterung der Kulturkarte, Auf dieser Karte im Mafsstab 1 : 10000000 ist der Versuch gemacht, die wichtigsten Bedingungen des heutigen Kulturzustandes der V. St. in Einem Rahmen zur Anschauung zu bringen. Die Vereinigung von Erschei- nungen, die sonst auf mehrere Blätter auseinandergelegt werden, wurde nur möglich durch den Verzicht auf die orographische Zeichnung, durch die Beiseitelassung der überflüssigen Ortsnamen und Ortszeichen und durch die Beschränkung der Parstellung der Volksdichte auf die Siedelungen bis zu «000 Einwohner herab , deren gröfste (bis 100 000 Einwohner) in ihrer natür- lichen Form gegeben sind. Auf diese Art wurde es möglich, folgende Er- scheinungen zu kombinieren: 1. Klima. Die als Steppengrenze angenommene Ostgrenze der Gebiete mit weniger als 20 Zoll Mederschlagshöhe zieht durch das ganze Land , das sie in eine feuchte Ost- und eine trockene Westhälfte teilt. Dieselbe Grenze sondert das pacifische Gebiet reicherer Niederschläge vom Inneren. In der Westhälfte umfafst eine zweite durch gelblichen Farbenrand kenntlicher ge- machte Linie die durch Niederschläge von weniger als 10 engl. Zoll zur Wüstenbildung am meisten disponierten Gebiete. Diese zweite Linie ist nach den Beobachtungen in dem letzten Greely sehen Bericht über die Steppen- regionen gezeichnet; zu ihrem Abschlufs im Norden fehlen die Grundlagen. Aber die Linie erfüllt auch in ihrem fragmentarischen Zustand den Zweck, die wichtigsten Trockengebiete zu bezeichnen. Schon jetzt teilt sie das Steppengebiet in einen südlichen Abschnitt, dessen starke Verdunstung den Ackerbau mit künstlicher Bewässerung einschränkt, und einen nördlichen, der ihn durch geringere Verdunstung begünstigt und zugleich durch höhere Erhebungen der örtlich schneereichere und feuchtere, aber auch rauhere ist. Im pacifischen Nordwesten prägt das Gebiet reicherer Niederschläge des oceanischen Klimas sich durch die Ausdehnung der kultivierten Flächen aus, die, ebenso wie die Kulturoasen des Gebirges, soweit gezeichnet sind, als sie eine Bevölkerung von mehr als 2 auf 1 qkm tragen. Erläuterung der Kulturkarte. 731 2. Kulturen. Von demselben Grundsatze liefsen wir uns in der Zeichnung der Westgrenzen der Gebiete der wichtigsten Kulturen leiten, in- dem wir annahmen — mit dem Census von 1890 — , dafs Ackerbau in gröfse- rem Mafsstabe nur in Gebieten vorkomme, wo die Bevölkerung zu zwei und mehr auf 1 qkm sitze. Indem wir nach denselben Grundsätzen die Oasen im westlichen Steppen- und Gebirgsland zeichneten, haben wir einige Gebiete als Ackerbau-Oasen bezeichnet, die dem Bergbau ihr Dasein ver- danken. Thatsächlich hat aber der Acker- und Wiesenbau mit Irrigation die gröfste Ausdehnung in der Nähe der blühendsten Bergbaugebiete, von denen übrigens die gröfsten bereits Städte entwickelt haben. Von den Kulturgebieten konnte das der Baumwolle, die als Re- präsentant der südlichen Kulturen überhaupt gewählt ward, ganz nach den Ergebnissen des 1890 er Census gezeichnet werden. Die Grenze wurde ge- bildet, indem die Grafschaften, die mehr als 100 Ballen Baumwolle ernteten, noch als zu dem Gebiete gehörig angenommen wurden. Für die Grenzen zwischen Mais- und Weizen- und Weizen- und Hafergebieten habe ich mich an Max Serings Karte in »Die landwirtschaftliche Konkurrenz Nordamerikas c 1887) gehalten, die nach der Anbaustatistik von 1880 gezeichnet ist; die Statistik des Getreidebaues für die wichtigsten Gebiete lag beim Abschlufs dieser Karte im Juni 1893 in den Censusberichten noch nicht vollständig vor. Über die Zeichnung der äufseren Grenzen, der Oasen und leeren Flecken haben wir oben gesprochen. Unter den Oasen der Westgebiete wurde zwi- schen Weizen-, Mais-, Hafer- oder Wiesenoasen und Oasen mit südlichen Kulturen nach den Mitteilungen in den Censusberichten über die Irrigation in dön Steppenstaaten unterschieden. 3. Mineralregionen. Die Kohlenfelder sind nach der Karte der »Developed Coal Fields of the U. S.« von John H. Jones, die Eisenerzlager nach der Karte der »Localities producing Iron Ore in 1889« von John B irkin - bine gezeichnet. Beide sind vom Censusamt 1892 veröffentlicht. 4. Das Eisenbahnnetz. Nach amtlichen Quellen bis Anfang 1893 eingetragen. 5. Die Indianergebiete. Nach der Karte im LIX**" Report of the Commissioner of Indian Affairs (Washington 1890) gezeichnet. 6. Die N.eger gebiete. Durch die Vereinigung aller Grafschaften gebildet, in denen die Neger in absoluter Mehrheit nach der Zählung von 1890 vertreten sind. 7. Die Volksdichte ist durch die Zeichnung der Kulturflächen, die Eintragung der Siedelungen bis zu denen von 8000 Einwohner herab und durch das von ihnen abhängige Eisenbahnnetz gleichsam auszugsweise dar- gestellt. Die Staaten und Territorien der Vereinigten Staaten von Amerika. Volkszahl Auf 1 qkm Vertreter im Kongrefs Pol. Hauptstadt Alabama . . . Alaska .... Arizona . . . Arkansas . . . Californien . . Colorado . . . Connecticut . . Delaware . . . Distrikt Columbia Florida . . . Georgia , . . Idaho ... . Illinois .... Indiana . . . Iowa .... Kansas .... Kentucky . . . Louisiana . . . Maine .... Maryland . . . Massachusetts . Michigan . . . Minnesota . . Mississippi . . Missouri . . . Montana . . . Nebraska . . . Neu-Mexiko . , Nevada . . . New Hampshire New Jersey . . New York . . Nord-Carolina Nord-Dakota . . Ohio .... Oklahoma . . Oregon . . . Pennsylvanien . Rhode Island Süd-Carolina Süd-Dakota . . , Tennessee . . Texas .... Utah Vermont . . . Virginia . . . Washington . . "West- Virginia . Wisconsin . . Wyoming ... 1513017 30329 59620 1128179 1203130 412198 746258 168493 230392 391422 1837 353 84385 3826351 2192404 1911896 1427096 1858635 1118587 661 086 1042390 2238943 2093889 1301826 1289600 2679184 132159 1058910 153593 45 761 376530 1444933 5997 853 1617947 182 719 3 672316 61834 313767 5258014 345506 1 151 149 328808 1767518 2235523 207 905 322422 1655980 349390 762 794 1686880 60705 11 0,2 0,2 8 3 1,5 57 32 1268 2 12 0,3 26 23 13 7 18 9 8 30 104 14 6 11 15 0,4 5 0,5 0,2 16 71 47 14 1 34 0,6 1,3 45 106 14 1,7 16 3 0,9 13 15 2 12 12 0,2 8 Montgomery. — Sitka. — Phoenix. 5 Little Rock. 6 Sacramento. 1 Denver. 4 Hartford. 1 Dover. — Washington. 2 Tallahassee. 10 Atlanta. 1 Boise City. 20 Springfield. 13 Indianopolis. 11 Des Moines. 7 Topeka. 11 Frankfort. 6 Bäton Rouge. 4 Augusta. 6 Annapolis. 12 Boston. 11 Lansing. 5 S. Paul. 7 Jackson. 14 Jefferson City. 1 Helena. 3 Lincoln. Santa F^. 1 Carson City. 2 Concord. 7 Trenton. 34 Albany. 9 Raleigh. 1 Bismarck. 21 Columbus. — Guthrie. 1 Salem. 28 Harrisbury. 2 Newport u.Providence 7 Columbia. 1 Pierre. 10 Nashville. 11 Austin. — Salt Lake City. 2 Montpellier. 10 Richmond. 1 Olympia. 4 Charleston. 9 Madison. 1 Cheyenne. ^ OFTHE UNIVERSITV Register. Abenaki 195. Abolition 181, 266. Academies 6B1. Acadie 49, 257. Acapulco 21. Ackerbau 138, 200. A.- Chemie 678. A.-Erzeugnisse 574. A. -Gebiete 402. A.-Kolonien V. St. 322. A.-Methoden 413. Natürliche Bedingungen 377. A. und Viehzucht 459. Adirondacks 344, 475. Bev. 310. Eisen 486. Wald 470. Admirality Inlet 31, 66, 77. Adobe- oder Lehmziegelhaus 317. Advokaten, Neger 287. Afrika, Handel 576. Agaven 450. Ahorn 319, 472. Ahornzucker 158. 451. Aht-Stämme 196. Akazie 477. Akron 0. 550, 562. Alabama 134, 280. Bev. 303, 305, 313, 314, 345. Eisen 486 488. E.-B. 556. Flufsverkehr 545. Gold 499. Gr. 105. Industrie 292. Kohlen 492. Wald 471, 477. Alaska 21, 22, 23, 29, 65, 118. Ankauf 302, 603. Commercial Company 46. Fischerei 592. Grenze 674. Mischung 217. Mission 640. Wasserflächen 84. Albany N. Y. 111, 123, 509, 544, 549. Albemarle-Sund 72, 78, 308. Albemarle and Chesapeake Can. 549. Albina 332. Aleuten 31. Alexandria Lo. 563. Alexandria Va. 41, 72, 78, 542. Algonkin 128, 194, 216. Alkoholismus 352. Alleghanies Ack. 379. Bev. 132, 134, 305, 312. Blei 503. Geschichte 128. Gold 499. Kanal 129. Physiognomie 128. A. und das Meer 123. Verk. 535. Viehz. 466 AUegheny Fl. 338, 507, 543. Kanäle 530, 531. AUouez 42. Alpenweiden 141. Alpenwirtschaft 133, 405. Alte Staaten 307, 618. A. Welt 156. A. Nordwesten 618. A. Süden 139. A. Westen 618. Aluminium 504. Amador Cy. Cal. 496. Amerika, Entdeckung 16. Gegner Eu- ropas 91. Menschenarmut 151. Amerikamüdigkeit 715. Amherst 666. Ammoonosuc, Gold 499. Amtliche Schriften 669. 734 Register. Amerikanischer Bund 86. A. Gleichge- wicht l>2. A.System 579. A.Typus 86. Amerikanismus 603. Ammiston City, AI. 437. Amphibien 167. Ämterjäger 633. Ananas 455. Angelsächsische Ideen 236. A. Mi- schung 655. A. SoUdarität 603. Angelsächsisch-keltischer Typus 13. Anglo - amerikanische Indianer - Politik 220. Anglomoniacs 236. Annapolis Ma. 613. Ansiedler 415, 416. Ansiedlungen, Konzentration 128. Antarktis 25. Anthracitbergwerke 137. Anthropo-geographisches Areal 84. Anthropophagie 201. Antillenmeer 6. Antimon 504. Apaches 47, 222. Apfelbaum 453. Apocynum cannabinum 510. Appalachen-Bucht 19. Appalachicola 75. Appalachisches Kohlenfeld 489, 491. Apple Creek 387. A. River 503. Aprikosen 454. Aquia Creek 72. Aquidneck Mine 490. Aransas-Bay 41, 76. A.-Pafs 75. Arbeiter 516, 523, 629. Intelhgenz 512. Arbeitslöhne 421, 433. Arbor Day 473. Argentinien 92. Handel 576, 579. Arid Land, siehe Steppe. Arizona 41, 47, 13H. Bev. 303, 345. Boden 384. Eb. 557. Gold 498. Gr. 105. Kupfer 502. Orangen 455. Silber 501. Viehz. 406. Wälder 385. Arkansas 48, 112, 113, 126, 149, 280. Ack. 420, 713. Bev. 303, 313, 345, 347, 371. Eb. 557. Farmer 429. Gr. 105. Kohlen 493. Verk. 542. Wald 471, 474. Arkansas City 562. A.-Flufs, Anwoh- ner 309. A.-Thal 537. Arktis, Beziehungen 4. Grenzmächte 25. Arktische Inseln 87. Armee 610. Armen, die 723. Armenische Kirche 648. Artesische Brunnen 397. Ashland Ky. 42, 488, 491. A. Minn. 561. Ashley R. 68. Ashtabula O. 42. Asien, Handel 576. Aspee Bay 45. Asphalt 508. Assimilation der Rassen 252. Assiniboina 42. Astronomische Observatorien 679. Atchinson Mo. 569. Athapaska 196. Athens 0. 551. Atlanta Geo. 98, 106, 125, 274, 338, 339, 498, 562. A.-Chattanooga 125. Atlantic City 41. Atlantische Küste 65, 68. Baumwolle 412. Boden 422. Rhederei 588. Ktistentiefland 408. A. Lage 15. A. Mittelstaaten 617. A. Seite 19, 577. A. Staaten Eb. 555. A. Ocean 9, 10, 14, 613. A.-pacifische Verbin- dungen 26, 119. Aufbau der Bevölkerung 353. Augusta Ga. 545, 562. Auriferous Belt 496. Ausbreitung nach Westen 111, der Südstaaten 368. Austin 545. AustraUen 11, 87. Bev. 312. Handel 576. Australische Steinkohlen 494. Auswanderung 372. Auswandererstrafsen 568. Auswärtige Politik 601. Avery Island 504. Aux Cerfs Insel 55. Axt 414, 512. Azoren, Einwanderung aus den 369. Eegister. 735 Bahama-Inseln 29, 31, 60, 63. Bahia (Goliad) 116. B. Honda 60. Bajos de los Roques 60, Bald Cyprefs 477. Baltimore 10, 40, 41, 68, 72, 80, 339, 340, 507, 725. Bev. 313, 327, 332. Eisenb. 562. Rhederei 588. SchifEs- verkehr 590. Univ. 677. Verk. 550. B. and Ohio 532, 562. Liverpol nach B. 14. Bananen 455. Bangor 5ö3. B.-Frenchmans Bay 41. Bankerott 429, 585. Bannockkrieg 228. Baptisten 645. Bar-Land 395. Bärenflufs, Utah 395. Barn 424. Barnhart 44. Barnstable Mass. 26, 66 Fisch. 591, 593. Barren Lands 388. Batate 447. Bath Me. Rhederei 588. Schiffsbau 589. Bäton Rouge Lo. 80. Battery von New York 71. Baumwollengebiet 402, 407. Westwande- rung 418. Baumwolle 144, 147, 288, 289, 412, 440, 442, 447. B.-Ausfuhr 263 B -Industrie 518. Bausteine 136, 505. Bay City Mich. 42, 478. Beaufort S. C. 41, 73, 80. Bear L. 391, 396. Beaver I 55 Beaver Meadow 491. Beechey Head 59. Beeren 157, 456. B.-reichtum 201. Belfast Me. Rhederei 41, 588. Belgien Handel 576. Schiffsverkehr 591. Belgier 237. Belle Isle 19. Strasse von B. 45. Belle Rivifere I. 55. Belhngham Bay Wash 495 Bench-Land 395. Bemini-Inseln 31, 60 Benson Ar. 41. Benton Harbour Mich. 42, Beredsamkeit 685. Bergbau 479, 574. Wirkungen 451. Bergleute, deutsche 485. Bergreis 458. Bergstädte 342. Beringstrasse 10. -meer 46. Bermudas 31. Bermudagras 458. Besiedeltes Land 306. Bethlehem Penn. 503. Bevölkerung. Bewegung 346. An der Küste 80. B. der Städte 325. Dichtig- keit 40. Gürtel, dichtester 133. In Höhenzonen 131. Mittelpunkt 314. Rückgang 370. Typen 151. B.u.Land 433. Unfertigkeit 359. Verteilung 312, 314. Wachstum 38, 35, 114, 201, 718. Zählung 350. Bewässerbares Land 140. Bewässerte Farmen 393. Bewässerung, künstliche 50, 141, 393, 554. Politische und soziale Folgen 398. B. -Anlägen 433. B.-Dämme 163. Biber 162. Bibhotheken 325, 668. Bienen 468. Bierverbrauch 452. Bighornflufs 227. Big Muddy Region 493. Big Sandy R. 543. Biloxi Miss. 75. Binnenseen Schiffahrt 546. Bird-Insel 55. Birke 477. Birmingham Ala. 274, 338, 562. Bituminöse Schiefer 136. Black Belt 183, 272, 280. B -Hawk- Krieg 220. B. Hills 483. B. Mts. 310 B R. 542. B. Warrior 492, 545. Blaugras 409. Bleiproduktion 136. Blockhaus 317, 415. Bloomingdale N. J. 504. Blue Hill-Bucht Me. 81, 505. Bluffs 380. Blumenzucht 459. 736 Register. Board of Agriculture 423. Bocas del Toro 561. Boden 121, 458. B.-Schätze 134. B.- Wert 421. Bohnen 446. Bohrwurm 74. Bois blanc I. 55. B.-brul6s 219. Bois6 R. 498. Bolivien 92. Handel 576. Bonanza-Farms 147. B.-Mines 500. Bonilla Point 59. BonneviUe, See 396. Borax 505. Börsenspiel 484. Boston 10, 40, 41, 63, 69, 81, 102, 106, 324, 328, 338, 339, 507, 725. Befesti- gung 613. Bevölkerung 302, 330, 332. Bibl. 668. Fischf. 593. Häuser 323, 327, 505. Obst 410. Rhederei 588 f. Schiffsverkehr 590. Mass Schule 668. Technological Institute 671. Theater 691.« B.-Albany N. Y. 563. B.-Hopewell-Junction N. Y. 563. Bottom-Grafs 405. B.-Lands 395. Boulder Cy. Col. 500. Boundary Bay 60. B.-Me. 42. Bozeman Mont. 498. Brace, Bucht 70, BrasiUen92,93. Handel 576, 579. Schiffs- verkehr 590. Brauerei 527. Braunkohlen 494. Braunstein 322. Brazil 493. Brazos Tex. 41, 545. S. Jago 75. Bremen-New York 10. Bridgeport 41, 70, 338. Bristol Mass. 70, 490. B. Tenn. 332, 562. B. Virg. 332. Britisch-Nordamerika 45, 87, 92, 93. Handelsübergewicht 603. B.-Nord- amerikaner 84. B. Westindien Handel 576. Schiffsverkehr 591. British Columbia 21. Brito 27. Brockville Kan. 587. Brombeeren 457. Bronchos 465. Brooklyn 80, 327, 334, 339. Brownstone 505. Brownsville Tex. 41. Brunswick Ga. 41, 74, 340, 590. Brücken 248, 567, 670, 728. Brunnen 415. Buchdruckerei 527. Buche 477. Buchenwälder 472. Bücher 528. Buffalo 39, 40, 42, 55, 308, 327, 338, 340, 548, 551, 561, 589. Oreek, Schiffs- bau 589. Büffel 161, 201, 708. Büffelgras 409. Buggy 465. Bunch- oder Buffalo-Grafs 405, 457. Bundesdistrikt 280, 333. Bundesgerichte 600. Bureau of Indian Affairs 230. Bureau of Education 657. Buren-Fluss 400. Bürgerkrieg 94, 118. Bürgerrecht der V. St. 249. Burlington lo. 313,561. B. and Missouri 561. Butte City Cal. 496, 502. Buzzard-Bay 70. Oabot 106. Caches 568. Cahawba-Kohlenfeld 488, 492. Cairo 124. Calais-Princeton 41. Calaveras Cy. Cal. 496. Californien = Kalifornien. Callville Ar. 545. Camano I. 31. Cambridge Mass. 325, 338, 510, 690. Bev. 332. Cambridge, Univ. vgl. Harvard 241. Camden N J. 339, 545, 503. Camps 318. Canada 29, 45, 106, vgl. Kanada. Ca- nadian Pacific 22, 40, 42, 661, 587. C. River 537. Register. 737 C. Breton 29. C. Charles 71, 84. C. Cod 62. C. Cod-Bay 69. C. Douglas 66. C. Elisabeth 69. C. Florida 31, 68, 74. C. Hatteras 72. C. Hen- lopen 71. C. Henry 84. C. Hoorn, Schiffsverkehr um das, 26. C. Hurd 55. Cap May Point 41. C. Men- docino 20. C. Romano 74. C. Sable 70, 75. Cape Fear R. Reis 433. Carbon Wy. 494. Carbondale Pa. 491. Caribou I. 57. C. Mine 500. Carlisle Pa. 223. Carolinas 106, 128, 280, 540, 554, s. N. und S. -Carolina. Caroll 0. 551. Caseo-Bucht 69. Castine Me. Fischerei 591. Cascadengebirge, Wald 387. Cassenovia-See 549. Cataraqui Fl. 51. Catawba 456. Cattle-Farms 404. Cattle-Trail 463. Cäsarismus 635. Cedar Keys 41, 75. Cedern 317, 452. Census Bureau 679. C.-Werk 614. Centralisation 118. Central Pacific 560. Centralstaaten 555. Chahta-Muskokie 195. Champion Mich. 563. Champlain-Kanal 531, 549. Champlainsee 42, 44, 47, 410, 486, 488. Schff. 546. Chapeau I 57. Charleston S. C. 41, 68, 73, 175, 339, 340. Bev. 302. Eisenb. 562. Erd- beben 95. Hafen 74. Sterbl. 273. Univ. 430. Verk. 590. Ch. Cin- cinnatti 554. Charlestown Mass. 63, (>9. Schiffsbau 589. Verkehr 590. Charlotte Fla. 75. Charter 49. Ratzel, Die V. St. von Amerika. Chatauqua 667. Chatham Mass. 41, Chattahoochee Fl. 545. Chattanooga Tenn. 338. Chemische Industrie 526. Cheraw J. C. 545. Cherokee Cy. 493. Chesapeake-Bay 30, 31, 45, 67, 68, 70, 71, 549, 616. Ch.-Albemarle-Kanal 548. Ch. and Delaware 549. Ch.-Ohio C. 550. Eisenb. 562. Ch. Zoological Laboratory 677. Cheyenne Wy. 222, 342, 560. Chicago 39, 70, 89, 106, 246, 335, 561, 610. Anlage 325. Bev. 308, 332. Brand 515. Deutsche 248. Eisenb. 562. Ent- wickelung 10, 19. Ind. 467. Macht- zentrum 620. Rhederei 588. See- schiffe 124. Verkehr 534, 559. Vor- städte 322. Wachstum 331. Ch.-New Orleans 123. Ch.-S. Louis 551. Ch. Junction 562. Chihuahua 41, 117, 588. Chile, Handel 576, 579. Chilenische Steinkohlen 494. China, Handel 576, 578. Pol. 602. Vergleich mit C. 101, 102. Chinesen 78, 137, 185, 237, 249, 295, 296. Abneigung 187. Bekehrung 640. Bergarb. 296, 482. Einwanderer 119, 298, 359. Chinesenfrage 179. 297. Chinesengebiet 182. Chinesen- gesetz 182. Chromerze 504. Churchill 39. Cider 453. Cincinnati 0. 324, 338, 340. Bev. 313, 332. Bibl. 668. Eisenb. 562. Handel 487. Ind. 467. Ohiobrücken 324. Rhederei 589. Schiffsbau 589. Verk. 542, 551. Vororte 332. Wohn. 327. C.-Mobile 123. Circuit Courts 622. City 327. Civil Rights-Bill 269. Clarion R. 507. Clear Creek Cy. Col. 498. 47 738 Register. Clearing Houses 586. Clearings 317. Cleveland 0. 40, 42, 327, 338, 340, 467, 507, 550. Cliffdwellers 133. Clifton-Distrikt Ar. 502. Coalville Ut. 494. Coast and Geodetic Survey 65, 610, 671, 673. Cockburn-I. 56. Cocospalmen 455. Colleges 661, 693. C. for Wonien 663 C. und Universität 666. Collegiate Towns 666. Columbia, Handel 579. Colonisation Society, American '-'65. Color Line 282, 294. C.-Wall 294. Colorado, Ack. 385. Anthracitlager 137. Bergb. 481. Bev. 303, 309, 4^2. Blei 503. Brunnen 397. Eb. 557. Gold 498. Gr. 105. Hochthäler 133. Kupfer 502. Salzseen 505. Silber 500. Steinöl 507. Viehz. 406, 460. Wald 476. C.-Leadville 483. C.-Fl. (Ar.) 45, 49, 61, 129. C. Chiquito 389. Schifebau 539. C. -Texas 545. Columbia, AI. 562. C. College 666. Col. D. C. Bev. 314, 345. Eb. 556. Gr. 105. Fl. 41, 45, 68, 77, 312, 387. Schiff. 131, 545. Thal 43, 537. Mil- Bez. 610. Col. S. C. 283. Columbus Cy. 563. Col. O. 315, 338, 545, 551, 562. Col. Texas 545. Colusa Cy. Cal. 482. Comanches 222. Comstock-Gang 481, 5t 0. Conestoga-Pferde 465. Conneaut 553. Connecticut 49, 69, 70. Ack. 410. 452. Auswanderer 368. Bev. 306, 308, 312, 345, 352, 379. Bibl. 668. Eb. 556. Fl. 531. Grenze 105, 108. Karten 674. Küste 70. Thal 42. Wald 471. Connelsville Pa. 543. Connersville Ind. 551. Cookshire (Quebec) 42. Cooks Inlet 66. Cool Spring 568. Coos Bay 495. Cooper E. 492. Cordilleren 130 Corduroy Road 417, 568. Cornell University 663. Cornwall-Inseln 53. Corpus Christi-Pals 41, 76. Corral 318. Cotton-Wood 319. Coso Range 500. Council Bluffs lo. 560. County623. C.Editor 694. C.Road3'22. Coves 70. Cow-boys 387, 463, s. Kuhburschen. Crafton Dak. 42. Cranberry-Ore von Mitchell Cy. 486. Cranberries 456. Croaton-Canal 72. Crow-Indianer in Montana 233. Crown Point N. Y. 488. Cuba 6, 17, 29, 74, 94, 116, 118. Eisen- erze 487. Handel 576, 578, 580. Pol. 572. Schiffsverkehr 591. Cultur, Sonderentwickelungen 102. Cumberland Fl. 124, 543. C. Gap. 129. Cumb. Md. 562. Kohlenb. 530. Cunard Line 571. Cuyahoga, Canal 531. Schiffsbau 589. Dahlowega Ga. 499. Dakota 610. Ack. 524. Bevölk. 345. Brunnen 397. Gold 498. Ind. 196. Bund 205. Kohlen 494. Niederschi. 392. Schulen 656. Viehz. 406. Wei- zen 389, 403, 445. Wüstenland 435. Dalles-Kanal 131. Dalrymple Farm 432. Dammbauten 541. Dänemark Handel 576, Schiffsverkehr 591. Dänen und Isländer 237, 646. Dänische Antillen 118. Dartmouth College 287. Dayton 0. 562. Defiance 0. 551. Deerlodge Mont. 501. Register. 739 Delawaren 230, 280. Delaware (Staat) 66, 77, 105, 108. Ack. 454. Bay 70, 71, 82, 83. Bev. 308, 345. Eb. 556. Kanäle 530. Flufs 41, 50. Peach State 411. Schiffsbau 589. Schweden 509. Wald 471. I). and Hudson 550. D. and Raritan 549, 550. Demokratische Partei 330. Denkmäler 174, 690. Denver 106, 338, 342. D. Becken 398. Bev. 333. Verk. 560, 569. Wohn. 327. D. and Rio Grande 563, 564. Depression am kalifornischen Golf 34. Des Moines Fl. 212, 338, 553. Des Piaines Fl. 551. Desert I. 60. Detroit 39, 40, 42, 338, 340, 562. Bev. 308. D. -Fluss 44, 55. Rhederei 589. Schiffsbau 589. Deutsche 237, 244, 248, 249, 252, 352, 509. D. - Amerikanischer Geist 246. D. Bauernstand 248. D. Bergbau 482. D. Bildungswesen 250. D. Einwan- derung 109, 253, 363. Erhaltung 251. D. Farmer 367. Geographische Verbreitung 256. D. Hauptstädte 245. D. in Chicago 360. D. in den Städten 330, 363. D. in Maryland 249 D. in Pennsylvanien 183, 262. D. in Texas 248. D. Kirche 646, 648. D. Mischung 655. D. Muster 664. D. Seeleute 593. D. Selbstmorde 353. D. Siedel. 317. D. Soldaten 611. D. Verdienste 249. D. -Österreicher 254. D. - Pennsylvanien 465. D. - russische Mennoniten Siedel. 317. Deutschland Handel 445, 576, 577. D. Schiffsver- kehr 591. D. Lage 37. D. Pol. 607. D Raum 85. Devonport Bev. 313. Diamanten 504. Dichtigkeit 303, 307. Digger - Indians 204. Diphtherie 352. Diplomatie 601. Disabilitv Bill 634. ' Discovery I. 59. Dismal Swamp 379. Division of Forestry 474. Dodge City Ka. 382, 463. Dominion (s. auch Canada) Bev. 330. Handel 40, 576, 578. Schiffsverkehr 591. Lage 37. Indianerpohtik 187. Kanäle 552. Selbständigkeit 604. Donner-See 396. Dorf 317. Dover N. H. 70. Dred Scott 267. Drei - Ocean - Lage 12. Dresden 540. Dry Farming 392. Dry Rocks 60. Dry Tortugas 60. Duck I. 56. Dudley L 51. Dug-out 319. Duluth Minn. 19, 38, 42, 340, 551, 563. Duluth, South Shore and Atlantic R. R. 563. Dunkirk N. Y. 42, 561. Dunmore Ass. 43. Durchschläge 49. Dutch I. 70. Düngmittel 422. Dyspepsie 242. Eagle-Pafs 41, 561. Eastport Me. 44, 550. East Portland 332. E. River, Brücke 324, 570. E. Sister-I. 55. Ebenezer Ga. 254. Ecuador, Handel 576. Eddyville 550. Edgartown Mass. 593. Edmundston Me. 42. Ehescheidung 622. Eiche 319, 472. Eindeichungen 141. Einbürgerung 423. Einförmigkeit 101, 654. Einwanderung 232, 251, 256, 355, 358, 361,511. aus China 295. Erschwerung der E. 99. E. nach Norden 148. Kon- 47* 740 Register. traktarbeiter 119. Verbrecher 119. Verteilung 364. E.-Gesetz 360. Sta- tistik 356, 373. Einzelsiedelungen 317. Einzelstaaten 614. Eisen 135, 486, 488, 512. E.-Konstruk- tionen 323. Eisenbahn 90, 533, 555. E.-bau 119. und Bevölkerung 557. E- Gesell- schaften 427. E.-Monopole 620. E.- Staaten 126. Eismeere, amerikanische Interessen 26. nördhches 12. E. -Seite 24. Eisschutt 139, 379. Elbow Key 60. Eldorado Cy. Cal. 496. Elisabeth N. J. 66. Ehnyra N. Y. 562. El Paso 37, 41, 310, 561. Endicott Mills Md. 532. Engländer 249. in den Städten 330, 363. Seeleute 593. Entreprise Fla. 545. Erbsen 446. Erdbeben 175, von Charleston 95. Neu- madrid 175. Erdbeere 457. Erdnufs 455. Erfinder 514. Erfindungen 668. Erie-Bahn 561. E.-Gebiet313. E.-Kanal 71, 531, 547, 548. E.-Ohio-Kanal 553. E.-See 42, 50, 52, 338. E. Triangle 50, E. Pa. 562. Ersparung von Menschenkräften 512. Erweckungen 640. Erziehungsfanatiker 181. Esel 465. Esmeralda Nev. 500. Etchemin 195. Eucalypten 324. Europa in amerikanischer Perspektive 88. Bez. 606. Flächenr. 85. mittlere Mächte 90. Rückwirkung auf 251. Vergleich mit 8. Europäischster Teil ^ Amerikas 308. Europäo-Amerikaner 235, 238. Evans-Pafs 129, 342. Evanston Ut. 494. Evansville Ind. 338. Everglades 140. Expansions-Politik 97, 604. länder 99. Exprefsdienst 571. der Eng- Pairmount b. Philadelphia 324. Fall-Line 132. Fall River. Mass. 70, 330, 339. Fall River Ind. 519. FaUing Creek 480. Falmouth Me. Rhederei 41, 543, 588. Falmouth Mass., Verk. 569. Familien, Grösse der 345. Familienhäuser 323. Fargo Dak. 325, 432. Farm 424. Farmer 422, 424, 427, 462. Pol. 427. Zahl 428. F.-AUiance 620. Felsengebirge Ackerbau 385. Fencing 416. Fertile Belt 380. Feuchtes Land 377. Feuchtigkeit 144. Feuersbrünste 175. Fieber 153. Fillmore Cy. 563. Finanzfragen 622. Finnische Gemeinden 646. Firnfelder Wyomings 140. Fische 167. Fischfang 200, 574. Fishing-banks 168. Fiumaren 384. Fjordküsten 35, 77. F. von Maine 65, 78 F. von Washington 69. Flachs 420, 449, 520. Flagge 636. Flathead-Pafs 129. Fledermaus-Guano 505. Florida 17, 60, 66, 67, 79, 106, 112, 135. Ack. 420. F.-Bay 74. Besied. 368. Eb. 556. Bev. 212, 303, 305, 307, 345, 371. Bewohner 63. Boden 379. Durchstechung 554. Flüsse 540. Kegister. 741 Grenze 105. Orangen 411, 450, 455. Posphorit 505. F.-Strasse 30, 31, 60. Stidhälfte 140, 311. Tabak 452. Verk. 554. Wald 470, 471. Zuck. 450. Flotte 54, 589. Flufsdampfer 125. Flufssysteme, diluviale 497. Flüsse u. Be Völker ungs Verbreitung 309. Verkehr 324, 529, 538, 539. Schifes- kämpfe 125. Forstinsekten 169. Fort Benton 542. Berthold 387. Bucha- nan 384. Duquesne 110. Erie 55. Fairfield 40. Griffit 462. Hall Ee- servation 233. Hancock 41. Hayes 385. Kearney 386. Mac Intosh 41. Marion 222. Sumter 74. Wayne 551, 562. Worth 41. F. Worth and Den- ver 563. Yuma 41. Fortune 45. Foulweather Bluff 77. Fox Kanäle 531. Grape 456. I. 55. Foxes 230. Föderahsten 629. Föhrengebiet 469. F. -Wälder 475. Frame Houses 317. Francis-Fl. 36, 52, 542. Frankreich 60, 85. Handel 445, 576. Schiffsverkehr 591. F. in Kanada 99. Kolonialpolitik 96. Frankhn Pa. 503. Franzosen 106, 237, 249, 257, Ein- wanderer 249, 355. F. in Kanada 110, 182, 183, 617. F. in Louisiana 439. Siedelungen 317. Frederick I. 51. Fredericksburg Va, 78. Freesoilers 629. Freie InteUigenz 700. Freigelassene 277. Arbeit 289, 291. Fremdgeborene 365. Fremont's Exploring Expedition 676. Frenchmans Bay Me. 591. Fresno Cal. 501, 545. Friedensrichter 622. Friedhöfe 324. Front Range 498. Fruchtbare Zone 380. Fruchtbarkeit 134, 417. Frühjahrskälte 378. Frühreife 699. Fuca-Strasse 58, 65, 66. F.-Grenze 119. Fugitive Slave Bill 182. Fundy Bay 44, 51, 53, 69. Inseln 31. Fünf Nationen 209, 212, 232. Gadsden Purchase 60. Gallop I. 53. Galveston 6, 17, 31, 41, 75, 80, 338, 340, 561, 590. Gap Pa. 503. Gas, natürliches 507, 522. Gasthäuser 728. Gay Head Mass. 217, 218. Gärten 322 Gebirgsoasen 145. G.-Rassen 405. G.- schranken 127. G.-Staaten 618. G.- Völker 133. G.-Wald 370. G. Wasser- reichtum 590. Gefängnisse 706. Geistige Ausstrahlungspunkte 103. Geistiges Leben 650. Geisthche 718. Gelbes Fieber 176. Gelbföhre 473, 477. Geld 197, 608. Geldaristokratie 721, 723. Geldsucht 652. Gemeinde 622. G. der Lidianer 204. Gemeindeverwaltung 625. Genesee-Flufs 548. G.-Thal 403. Genoa Nebr. 228. Gent, Vertrag von 51, Gentes der Indianer 205. Geological Surveys 675, 676. Georgetown 41, 550. Georgia 49, 109, 134, 225, 254, 280. Besied. 368. Bev. 303, 345. Eb. 556. Farmer 427. Gold 499. Gr. 105. Ind. 292. Kohlen 492. Kriek 230. Kupfer 502. Küstenstriche 281. Reis 453. Schule 658. Sklaven 262, 268. Verk. 554. Wald 471, 477- Germanisch - keltischer Grundzug der Bevölkerung 251, 742 Register. Germantown Penn. 253, 510. Gerrymandering 630. Gerste 409, 446. Geschichtforschung 678. Geschichtschreibung 684. Geschichtliche Entwickelung 106. Geschichtswerke 249, Gesellschaft 712. Gesetz der räumlichen Anähnlichung 90. Gesetzgebung 481, 621. Getreideböden 380. Gettysburg Pa. 445. Gewerbe 574. Giftpflanzen 160. Gila Fl. 49, 61 Depression 60. Gilpin Cy. 498. Girard Pa. 42. Gleichheit 626. G. der Ideale 102. Globe-Distrikt 502. Gloucester Mass. 70, 589. Goat-Insel 54. Gold 136, 495. G.-Durst 224. Goldenes Thor 64, 66," 77 Goldwäschereien Kahforniens 135, 497. Golden City Col. 494. Golf gebiet 101. G. Bodengestaltung 458. G.-Häfen 64, 82. G.-Kanal 531. G.-Küste 5, 30, 65, 68, 75. Gezeiten 74. Golfküste, Rhederei 588. G.- Küste, Föhrenwälder 311. G.-Seite 16. G.-Staaten 404, 620. G.-Städte 340. G.-Strom 10. G. von Maine 69, 82. G. von Mexiko 60. Gooseneck 53. Gosnold Mass. 623. Governors Island 610. Grafschaft 623. Grand Falls 44. Grand I. 54, 103. Grand Menan 51. Grande Isle 82. Grande Terre 82. Granger 629. G. -Gesetze 534. Grant-Land 24. Graphitlager 504. Gräser 458. Gray Wash. 41. • Grease Wood 404. Greasers 259. Great I. 56. G. Northern E. B. 42. G. Peninsula 77. G. Pedee 545. G. Turkey I. 55. Green Bay 554. Kanal 531. Greenpoint N. Y. 527. Greenport N. Y. 41. Green R. 537, 543. Greensburg Ind. 313, 543. Greenville Miss. 562. Greenwich-Bay 70. Grenzen 37, 48, 51, 54, 56, 60, 96 332, 400. G. -Berechtigungen 674. Innere 48. zwischen Kanada, New York und Vermont 52. zwischen Maine und Neubraunschweig 52. zwischen Ne- vada und Kalifornien 51. zwischen New York und Vermont 47. zwischen Wisconsin und Minnesota 47. zwi- schen Prärie und Steppe 132, 387. G.-Öden 47. G.-Wildnisse 47. Greytown 27. Griechenlands Küstengliederung 64. Griechische Kirche 648. Grindstone I. 53. Gringos 259. Grinnell-Land 24. Grofsbritannien 88, 89. Auf den Bahama 18. Handel 576, 603. Kolonien 86. Kriege mit 94. Rohbaumwolle 448. im nördl. Stillen Ocean 58. Über- gewicht im Handel 577. Schiffs- verkehr 591. Grofse Naturscenen 170. Gr. Seen 44, 54, 66, 67. Gr. Seen und die Ostsee 19. Rhederei 588. Fischerei 592. Gr. Salzsee 537, 546. Gr. Thal 121. G.-Farmen 432. Grofsräumige Auf- fassungen 96. G.-Städte 331, 338. Grönland 25, 15. Grundbesitz 431. Grünsand 422. Gruppen und Völker der Indianer 194. Guadalupe Hidalgo, Friede von 46, 60, 117. Eegister. 743 Guavas 455. (Tuaymas 39, 41. Handel 588. Gujana, Handel 576, 579. Gun-I. 31, 60. Hafer 409, 446. Gebiet 402. Halbinseln 68. Halifax 29, 339. Halifax N. C. 545. Hall R. 52. Hamburg und Valparaiso 24. Handel 14, 573. Handelsflotte 12, 589. Handelsgärtnereien 459. Handels- kammern 585. Handelskrisen 584. Hanf 449. Hadley Falls Cy. 522. Häfen 12, 81. Hagerstown Penn. 562. Hallville 494. Hanf 520. Handelsgeist 572. Hanging Rock -Region 486, 488. Hannover N. J. 666. Hardyville 545. Haro- Kanal 31, 44, 59. Harpers Terry 72, 545. Harrisburg - Pittsburg 562. Hart R. 387. Hartahorn 477. Hartford 339, 668. Harvard College 661, 664, 666, 671. Annex 663, H.-schüler 665. Harz u. Teer 477. Hausindustrie 449. Häuser 326, 727.. Häusliche Erziehung 710. Haustiere 439. Havana 18, 29, 561. Havana und New York 123. Havre (Port Deposit) 41. Hawaii 22, 23, 25, 31, 86. Pol. Bezieh- ungen 606. Handel 576, 578 Schiffs- verkehr 591. Hay Lake-Canal 552. Hazelton Pa. 491. Hebron Me. 503 Heilkunst 678. Heilsarmee 648. Heirastättengesetz 426, 434, 475. Helena Mont 342, 435, 498. Hemlock od. Schierlingstanne 524. Hen and Chickens I. 55. Herders 462. Hereford 42. Heroenzeitalter des W. 715. Heron 55. Heuschrecken 169. Hiawassie 129. Hickory 472, 477. Highgate Springs Verm 42. High Is. 79. Highland 447 N. Y. 486. High Schools 661. Hilfsquellen 514. Hilton Head 73. Himbeeren 457. Hispano - Amerikaner 258. Historische Landschaften 414. Hochebenenwüsten 129. Hochkirche 244, 644. Hochseefischerei 79. Hocking Fl. 551. Holländer 237, 507, 510. Holländische Reformierte Kirche 647. HoUy Springs Miss. 412. Holyoke 330, 334, 339. Holzfäller 310. Holzhaus 317. Holz- industrie 478 Holzland 435. Holz- verbrauch 476. Homologien, wirtschaftliche und poli- tische 8. H^miny 444. Honolulu 12. Honduras, Schiffsverkehr 591. Hongkong 576. Hoods Canal 77 Hopfen 452. Hopkin Me. 40. Horse Shoe, s. Hufeisen. Houlton Me. 40. Houston Tex. 561. Housatonic Fl. 70. Hovel 322. Höfe Neuenglands 317. 744 Hudson 62, 68, 108, 549. H.-Cham- plain-See 530. H.- Gebiet 456. H.- Mündung 70, 79, 549. H.-Ontario- See 530. H.-Bay 39, 553. Hufeisen-FaU 54. H. Riff 55. Hugenotten-Niederlassungen 73, 257. Humboldt Nev 482, 500. Humbold Fl. 129, 537. Hummocks 140. Hunde 468. Huron, Schiffsbau 589. Huronen 195. Grenze 47. Huronen-See 42, 52, 552. Hurricane - Deck 545, Hydraulic Mining 497. Hyperboräisch-asiatische Einflüsse 204. Idaho 140. Bev. 345. Ack. 387. Bergb. 481. Bewäss. 394. Blei 503. Boden 386. Eb. 557. Gold 498 Gr. 105. Kupfer 502. Silber 501. Viehzucht 404, 405, 406, 407, 461. Wald 471. Zinn 503. Ilhnois 47, 111. Ack. 439. Besied. 368. Bev. 305, 313, 314, 345, 371. Bibl. 668. Blei 503. Deutsche Bev. 256. Eb. 556. Eisen 521. Französische Gemeinden 257. Fruchtb. 381. Gr. 105, 149. Kan. 531, 550. Kohlen 489, 492. Mais 444. Obst 453. Schule 662. Viehz. 464, 465, 466, 467, 468. Survey 675. Wald 472, 473. Weizen 445. Zink 503. Zuck. 451. I. Central R. R. 563. I -Michigan 124, 548, 551. I.-Nebraska 404. imteracy 284. ^ Imphee (Sorghum) 450. Independence 396, 568. Independenten 629. Indian Kommission 228. I. Office 607. I. R. 554. Indiana Besied. 368. Bev. 305, 313, 345, 371. Eb. 556. Fl. 540. Freier Staat 113. Fruchtb. 381. Gr. 105, 111, 112. Kan. 550. Kohlen 489, 492. Mais 444. Steinöl 506. Vieh- zucht 465, 466, 467. Wald 472. Weizen 445. Zuck. 451. Indianer 188. Ackerbau 212, 443. Aus- sterben 151. Begabung 193. Be- wässerungsanlagen 398. Bilderreich- tum 193. Charakter 191, 706. Christ- liche Sekten 203. I. des Nordwestens 451. I.desPamlico-Sundes216. Eigen- tum 207. Erfindungen der, 194. Ethno- graphische Merkmale 197. Familie 207. I.-Frage224. Gesellschaft 204. Gesichtsausdruck 190 I.-Grenzen 46. HalbziviHsierte 215. I.-Hund 163. I. in Kanada 208. Krankheiten 213. Land 208, 225, 438. I.-Mischlinge 209. I.-Mission 640. I. mit Bürger- recht 209. I.-Politik 223, 602, 604, 707. Rechtsbegriffe 207. Reservati- onen 172. I.'sche Schicht 243. Schu- len 228. Statistik 208. I.-Transporte nach Westen 184. I. und Romanen 218. I. von New York 223. I. von Ysacomoco 208. I.-Truppen 217,611. Versetzung der Stämme 208. Wis- sen 194. Zahl der I. 208, 212. Indianer-Territorium 226, 229, 614. Boden 384. Eisenbahnen 233. Gr. 105. Kohlen 493. Viehzucht 406, 461. Indianopohs 327, 338, 340, 467. Indien, Handel 576. Konkurrenz 448. Indigo 452. Individualismus 615. Industrie 509. Bezirke 306. Gesch. 315. L-Dörfer 322. Inlandamt 607. Innere Wanderungen 366. Insekten 169. I -fressende Vögel 166. Inseln 29, 31, 67. Interkontinentale Eisenbahn 7. Interoceanischer Kanal 8, 23, 98. Interviewing 692. Iowa 256. Bausteine 505. Bev. 303, 305, 313, 314, 345, 371, 713. Blei 503. Eb. 557. Farmer 534. Flachs 449. Gr 105. Kohlen 493. Mais 444. Obst 453. Schule 662. Survey 675. Viehzucht 459, 464, 465, 467. Wald 473. Weizen 445. Register. 745 Iren, Irländer 79, 237, 245, 252, 353, 610, 617. I. in den Städten 330, 363. Trunksucht 352. Irish Scotchmen 237. Irokesen 128, 200, 265. Grenzen 47. Reste 216. Iron Mt. 488. Iron R. Wisc. 563. Ironton O. 488. Iroquois, Fl. 51. Irrenhäuser 702. Irrigationswiesen 459. Isländer 148, 253, 646. Isle Royale 52, 57. Italiener 79, 237, 249, 259. I. in den Städten 330, 363. Itakolumit 504. Itahen, Handel 576. Schiffsverkehr 591. Ithaca 666. Jackson Miss. 563. Jacksonville 41, 68, 545, 729. Jagd 200. Gründe 200. James Fl. 71, 106, 385, 545, 571. Can. 530. Jamestown, Halbinsel 78. Japan, Handel 576, 578. Japaner 25, 179, 706. Jefferson 18. Jersey City 334, 339, 550. Johannisbeere 457. Josephs-I. 56. Juden, Zahl der 259, 648. Jugend, Merkmale 314, 713. Juniata R. 488, 550. Kabel 26, 572. Kadiak, Fischfang 592. Kairo 149. Kaiowäh 222. Kalama Or. 41. Kalifornien 21, 23, 106, 117,150,256,296, 297, 610, 620. Abgesondertheit 615. Ackerbau 460. Baumwolle 386, 412. Bergbau 305. Bev. 303. 305. 313. Bewäss. 397. Boden 386, 431. Braun- kohlen 495. Chinesen 295. Eb. 557. Flachs 449. Gemüse 459. Gold 204, 481, 496. Gräser 458. Gr. 105. Hopfen 452. Khma 148. Kupfer 502. Küste 76. Latifundien 431. Obst 411, 453, 454. Orangen 411, 455. Quecksilber 481. Ranchos 460. Schafe 466. Schule 658. .Soda 505. Steinöl 507. C, südliches 411. Sur- vey 675. Thalbecken 131. Wein 410, 456. Verkehr mit Oregon 131. AVei- zen 401, 403, 406, 445. Wüste 384. Zuck. 451. K.'scher Typus 242, 245. Kamschatka 25. Kanada 36, 50, 66, 634. Berührungs- linie 39. Bevölkerung 312, 345, 371. Eisen 487. Entwickelung 698. Er- oberung 98. Franzosen 237. Kanadier 249, 258. Kanadischer Transit 586. Kanäle 530, 531, 546. Kanawha 504, 543. Can. 530. Kansas 117, 149. Bev. 303, 309, 313, 345, 713. Eb. 557. Blei 503. Boden 385, 403. Farmer 428, 434. Flachs 449. Fl. 308. Frauen 705. Gr. 105. Kohlen 493. Mais 444. Neger 280, 370 Stein- öl 507. Zink 503. Pacific Eb. 385, 560. Pol. 602. Viehzucht 407, 465, 467. Weizengebiet 389. K. City 323, 325, 333, 338, 342. Kap Cod-Bucht 616. Kartoffeln 447. Käserei 464. Kastanie 455, 472, 477. Katholizismus 250, 642 646. Kaukasische Rasse, Umbildung 150. Keewenaw, Halbinsel 42. Kelten 237, 655. Kensington 111. 562. Kentucky 50, 111, 124, 134, 149, 241, 280. Baumw. 412. Besied. 368. Bev. 114, 305, 312, 313, 314, 345, 371. Bienen 468. Boden 379. Flachs 449. Eb. 556. Gr. 105. Industrie 292. Kohlen 488, 489, 492. Pferde 465. Steinöl 506. Tabak 442, 451. Wald 471. Zucker 451. 746 Register. Keokuk lo. 540, 553. Keramische Industrie 527. Kettle 70. Keukasee 456. Keys von Florida 30, 60, 68. Key-West 17, 30, 75, 144, 590. Kickapu von Illinois 230. Kinderarbeit 518. Kinderzahl 347, 349. Beschränkung 99. Kingsbury Rapids 545. Kingston 545, 550. Kirchen 637, 690, 727. Rückgang 642. Kirschen 454. Klee 459. Kleinwirtschaft 451. Küma-Änderung 393. .Kl.-Gebiete 142, 148, 390. Kl. Grundeigenschaften 401. Kl. u. Industrie 519. Kl.-Wirkungen 142, 147, 150. Kl. Krankheiten 153. Knickerbockers 245. Knownothings 629. Knoxville Tenn. 129, 313, 328, 543. Kohlen 305, 489, 512. K.-Land 435. Kolonialgeschichte 709. K.-Volk 650. Kolonisationspläne 370. Kommandeurs-Inseln 46. Konemaugh-Eisen 488. Kongregationalisten 644, Kongrefs 599, 618. Kontinentale Gröfse 84. Kontinentale Staaten 86. Kontinental-Kongrefs 111. Korkeiche 455. Korruption 635, 713. K. der Presse 696. Krankheiten 352. Krähenindiai^er 227. Kredit 515. Kriegsamt 610. Kriegsflotte 12. Kriek 230. 232. Kr.-Bund 205. Kuhburschen 232, 318, 460. Kulturpflanzen 439. Verbreitungs- gebiete 408. Kultur mittelmeerischen Charakters 160. K.-Landschaft 725. K.-Ruinen 326, 726. K.-Unterschiede 203. K.- Zonen 712. Kultus der Sachen 706, 718. Kunst 170, 689. Kupfer 136, 502. Küste 61. K.-Befestigungen 611. K. Baumwollenbau 448. K -Bevölkerung 79, 288. Erziehende Wirkungen d. K. 62. K.-Gliederung 66, 67. K., Ge- schichtliche Bedeutung der K. 61, 63 K.-Grenzen 43. K.-Landschaften 77. K.- Länge und Entwickelung 37, 64. K.-Linien 14 K.-Sümpfe 379. K.- Veränderungen 81. K. d, V. St. am Atlant. Ocean 63, am Golf 62, am Stillen Ocean 76. Kutench-Fluss 43. Labrador 45. Lachse 168. L. -Fischerei 46. La Crosse Wisc. 478. Lage, Sicherheit 28. L. z. d. Meeren 9. Lagunenküste 73. Lake of the Woods 52. Lake Shore and Michigan Eb. 561. Lancaster 529. Landamt 607. L.- Arbeiter, Zahl 428. L. der Indianer 207. L.-enge von Panama 6. L.-enge von Nicaragua 23. L.-enge von Tehuantepec 204. L. der Eisenbahnen 435 L.-fall 62. L.-frage 224. L. für Schulzwecke 656. L.-hunger 224, 461. L. in Se- veralty 223. L.-leben 171. L -preis 432. L.-schaft 170, 689. L.-strafsen 529, 554, 569. Siedelungen, ländl. 317. L.-Bev. 329. Landwirtschaft 377,440. L. -Erzeugnisse 574. Expansion 418. Gebiete 401. Geschichtliche Entwickelung 438. Maschinen 523. Schwankungen 419. Überlegenheit 426. L. und Volks- dichte 407. L., und Wandern nach Westen 419. Langnadelige Föhre 473. Lansing 492. La Pdche 55. Laramie Plains 127. Lärche 473, 477. L.-sümpfe 386. Register. 747 Laredo 41. Lasalle -Distrikt 493. La Septieme 52. Last-Isle bei New Orleans 82. Lateinische Bauern 367. Latifundien - Wirtschaft 4'28. Laubbäume 413. Lavabetten 94. Lavaströme 386. La Vaca 561. Laveta-Pass 564. Lawrence Ind. 339, 519, 551. Lawrence Science School 667. Leadville Col. 342. Lebenseiche 477. Leere Stellen 309, 310, Lehigh Grafsch. 488, 550. Leuchtgas, natürliches 136. Lewis und Clarke 57, 111. L.- u. C. Pars 129. Liberia 265, 373. Lichtung 139. Licking Fl. 543. Lime - Insel 56. Lincoln Nebr. 338. Linden 472. Linsen 446. Litchfield Conn. 667. Litteratur 625, 682, 710. L. u. Leben 687. Little Dalles 43. Little Gulf 448. L. Miami 551. L R. 73. L. Rock 563 Llano Estacado 384, 394. Lockhaven 550. Loggerhead Inlet 72. Loggers 159. Log Houses 317. Lone Star State 117. Long Island 41, 30, 70, 77, 410, 457. Long Island City 334. Long Island Sund 69, 70 Long Sault- Insel 44, 54. Long- See 42, 52. Long Stapled Cotton-Zone 413. Los Angeles 41, 63, 77, 338, 437, 610. Louisiana 50, 60, 79, 80, 105, 112. Ab- tretung 58, 257. Besiedelung 368. Bev. 303, 305, 345. Eisenb. 556. Er- werbung 35, 112. Farmen 434 Fran- zosen 268. Gr. 105. Kreolen 278, 282. Neger 280. Orange 411, 455. Reis 453. Salz 504. Wald 471. Zucker 450. Louisville and Nashville 563. Louisville 327, 838, 340, 467, 542, 563. Ohiobrücke 324. SchifEsbau 589. Lowell Ind. 519. Lowell Mass. 339, 522. Löss 380. Lumbermen 133, 310. Lumber - Region 478. Lungenkrankheiten 352. Lupine 459. Lutherische Kirche 646 Luxemburger 254. Luxusgeräte 525. Luzerne 459. Lynchrecht 283, 707. Lynn 339, 510. Mafse und Gewichte 609. Mackinaw 42. Macon Ga. 545, 562. Madawaska Settlement 40. Madeira 369. Mahanoy Pa. 491. Mahanoy-Thal, Eisenrevier 550. Maine 46, 49, 67, 77, 79, 105, 106, 108, 112. Apfelbäume 453. Bev. 305, 310, 331, 345. Eb. 556. M. Central-Eb. 40, 42, 563. Fischerei 591. Föhren 477. Gold 499. Gr. 105. Hafenreichtum 64. Kirche 642. Kulturlandschaft 726. Nördhches M. 38, 40, 344. Rückgang 370. Urwald 133, 726. Wald 470, 471. Mais 411, 442, 444. M. -Ausfuhr 445. M.-Bau 163, 442. M.-Benutzung 444. M.-Gebiet 402, 420, 444. Nordgrenze 411. M-Überflufs 404, 467. M. und Besiedelung 443. Malade-Fl. 392, 396. Malaria 352. Mammoth Bed. 490. Mandel 455. Manchester N. H. 339. Manhattan 30, 62, 71, 78, 108. 748 Register, Manilahanf 449. Manistee Mich. 42, 478. Manitoba 345. Männerüberschufs 345. Marblehead Mass. 70. Maricopa Cy. 502. Marineamt 613. Mariposa Cy. 496. Market Gardening 459. M. Town 322. Marmorhäuser 326. Marquette 42, 487. Marschländer 82. Marseille 68. Marshalls Col. 494. Martha's Vineyard 30. Maryland 41, 51, 84, 108, 139. Ack. 441. Bev. 345. Eb. 556. Deutsche 256. Eisen 4^6. Gold 499 Gr. 105. Kohlen 492. Neger 280. Obst 454. Tabak 452. Wald 471. Maschinenbau 521. Mason and Dixons Line 616. Massachusetts 3, 41, 49, 79, 106, 195, 302, 327, 330. Anthracitlager 490. Bev. 303, 306, 308, 312, 345—347. Bibl. 668. Chinesen 296. Counties 624. Eisenbahnen 533, 556. Fischerei 591. Gr. 105. Karten 674. Puritaner- staat 615. Rückg. 379. School-System 658. Staatszählungen 355. Survey 675. Strafsen 569. Unterrichts w. 658. Wald 471. M. Bay 70. Mäfsigkeitsvereine 643, 722. Mattapoiset Mass. 70. Mattavamkeag Me. 40. Manch Chunk 550. Maulbeere 454. Maultiere 465. Maumee Fl. 531, 551. Mayflower 107, 724. Maywood Ka. 673. Mc. Adam Junction 40. Mc. Kinley-Bill 119. Meerschaumlager 508. Megantic S. 40. Memphis 273, 338, 341, 562, 563, 634. Memphremagogsee 42. Mendham N. J. 504. Menominee Mich 478. Menschenleben, Geringschätzung 707. Mericourt N. Dak 563. Meridian, politischer 88. Meridian Miss. 563. Merrimac 69, 522, 531. Mesas von Neumexiko 133. Mesquite-Wald 474. Metallindustrie 520. Methodismus 645. Mexiko 29, 36, 37, 41, 45, 47, 60, 92, 99, 442, 600, 604. Mexican Boundary Survey 676. Mexiko Dampferlinien 75. Handel 576, 578. Krieg 602. Landhandel 587. M. -Laredo 561. Schafzucht 461 Mexikaner 237. M- Central Eb. 41. M. E.-ß. 98. Mexi- can International Eb. 41. Miami C. 551. Miamimündung 74. Michigan 50, 112, 133. M.-Becken 489. Beeren 456. Besied. 368. Bev. 307, 310, 313, 345. Central-E.-B. 562. Eb. 556. Föhren 477. Fruchtb. 381. Gr. 105. Häuser 319. Halbinsel 38, 313, Kohlenlager 492. Kupfer 502. Rück- gang 371. Schule 658. Staat 163, 552. Survey 675. Townsystem 623. Vieh- zucht 466. Wald 472. Weizen 445. M.-See 84, und Mississippi 531, 551. Micmacs 195. Milchwirtschaft 405, 464. Militär-Telegraphenlinien 612. Millionenstädte 337. Milwaukee 338, 340, 365. Häuser 327. Industr. 467. Kunst 691. SchifPs- bau 589. Milwaukee and Northern Eb. 563. Mineralland 435. Mineralquelle 508. Minneapolis, Anlage 325, 331, 338, 563. Bev. 313, 333. Flour City 403. Häuser 327. Holzhandel 478. Mühlen 403, 523. M.-St. Paul Eb. 341. M.-St. Paul and Sault Ste. Marie Eb. 563. Register. 749 Minnesota 133, 472, 502. Ack. 524. Bev. 303, 305, 310, 345. Deutsche 256. Eb. 557. Flachs 449. Gr. 105. Holz 478. Weizen 403, 445. Mission Grape 456. M.- Indianer 229. M.-Thätigkeit 640. Mississippi (Fl.) 52, 66, 96, 149. als Grenze 112. Bevölkerung 122, 315. M.-Gebiet, Blei 503. M. -Bottoms 305. Dampfer 123. Eisenb. 555. Frucht- barkeit 381. Grofsstädte 337. Kanäle 550, 554. M.-Kolumbia-Bahn 536. Klima 408. Laubwald 470. M.-Mün- dungen 119. M. -Niederungen 101. Politischer Wert 128. River Co. 124. Schifeahrt 124, 536, 540, 541, 588. M.-Städte 341. M.-Strafse 535, 538. M.-Thal 101. M.-Tiefland 144. M.- Überschwemmungen 450, 541. M. und Michigan-See 123. M. und St. Lo- renz 124. Mississippi (Staat) Besied. 368. Bev. 303, 305,313,345. Eb. 556. Farmen 434. Gr. 105. Neger 279, 280. Wahlrecht 284. Wald 471. Missoula Wash. 561. Missouri (Staat) 88, 111, 112, 149. Bev. 303, 305, 309, 313, 345. Aufnahme 113. Bienen 468. Blei 480. Deutsche 256. Eb. 557. Eisen 486. Franzosen 257. Fruchtb. 381. Gr. 105. Hanf 449. Kohlen 493. M.-Kompromifs 266. Mais 444. Mil. 610. Milch- wirtschaft 464. Neger 280. Schule 662. Tabak 442, 452. Viehz. 465, 467. Wald 473. Weinbau 456. Zinic 503. Zuck. 451. M., Kansas und Texas 563. M. Pacific 563. Missouri (Fl.) 123, 124. Baumw. 412. Schiffahrt i88, 542. M.-Städte 341. M.-Thal 126, 386, 537. M. and Pa- cific 563. Mittelamerika, Handel 576, 580. Kanal 27. Pol. Bez. 605. M.- und Südamerika Verkehr 539. Mittelamerikaner 237. Mittlere Staaten des Lineren 617. Mittel- staaten, Boden 433. Eb. 564, 566. Einw. 365. Gesch. 149. Verkehr 540. Mobile 6, 41, 75, 340. 562, 563, 634. Bucht 411. Schiffsverkehr 590. M. and Ohio 563. Mode 724. Modoc-Krieg 221. Mohave- Wüste 130. Mohawk 71, 94. Mohawksenke 123, 312. Schiffbark. 529. Thal 548. Mohawkweg 128. Mohicans 195. Mole St. Nicholas 605. Molybdän 504. Mongoloiden 188. Monongahela Fl. 530, 543. Monopole 533. Monosee 500. Monroe Va. 562, 613. Monroe-Doktrin 18, 23, 28, 86. für den Stillen Ocean 88. Montana 42, 133, 149. Ackerbau 387. Bergb. 481. Blei 503. Bev. 309, 345. Bewässerung 227, 394. Eb. 557. Gold 498. Gr. 105. Hirten 404. Kohlen 494. Kupfer 502. Niederschi. 389, 390, 392. Pferde 405. Schulen 656. Silber 500, 501. Viehzucht 387, 404, 406, 407. Wald 471. Montauk Point 70. Monterey 41, 63. Montgomery AI. 562. Montgomery Georgia 314. Montour, Eisen 488. M. Thal 550. Montreal 561, 563. Handel 587. Strom- schnellen 544. Monumentale, das 103. Moose L 51. Moresby I. 59. Morgentown W. V. 543. Mormonen 144, 352, 648. Gesch. 641. Sied. 317, 385. Wanderungen 372. Morris-Essex 550. Morris (Manitoba) 42. Morristown N. Y. 42. Mounds 203. 750 Eegister. Mt. Carbon 550. Mt. Diablo Mines 495. Mt. Hope-Bay 70. Mt. Joly 45. Mt. Katadin 312. Mud Creek 211. Mühlenwesen 523. Mulatten 179, 293. Mullan Wash. 561. Munieipal Charter 328. Muscle Shoals 543. Museum of Comparative Zoology 677. Musik 690. Muskegon Mich. 42, 478. Muskingum Fl. 540, 543. Nachtfröste 378. Nahant Mass. 70. Nahrungsmittel 721. Namengebung 204. Nanticoke Pa. 491. Nantucket Mass. 26, 30. Napa 501. Narragansett-Bay 41, 70, 78. Narraganeetts 195. Nashville 313, 543, 562, 563. Natchezgras 458. Natchitotches, Meridian 60. National Academy of Sciences 680. National Library 668. National Museum 681. National Observatory 674. Nationalisierung der Kirche 250. Nationalität 243, 246. Nationalpark 171. Native Copper District 502. Natur-Charakter 176. N.-Gebiete der V. St. 101, 122. N.-Freunde 171. N.-Gemeinschaft 171. N.-Nähe 726. N.-Schilderer 683. N. und Dichter 172. N. und Volksseele 170. Navalism 12. Navassa I. 422, 605. Nebraska 256. Bev. 309, 345. Eb. 557. Farmen 434 Flachs 449. Frucht- barkeit 403. Gr. 105. Kohlen 493. Mais 444. Neger 370. Niederschi. 392. Obst 453. Ost-N. 386. Vieh- zucht 407, 467. Wald 473. Weg der Wanderer 482. Weizen 389. Zucker 451. Neck 70. Neger 179, 261. Arbeiter 290. Aus- wanderung 373. Bev. 184, 269, 276, 352, 433. Erziehungsfähigkeit 285. N.-Frage 281, 359. N.-Gebiete 182. Gesellschaft 282. Lebensbedingun- gen 274. Nahrung 168. Problem 294. N. und die europäische Ein- wanderung 277. Regimenter 611. Schulen 282. Soldat 286. Sterblich- keit 273. N. und Khma 281. Ver- breitung 271. Verdichtung 279. Ver- brecher 706. Vermehrung 185, 272, 275. Wanderungen 272. Wirtschaft- Uche Entwickelung 288. Zukunft 186. Nehrungs-Liseln 29. Neomalthusianismus 350. Neponset Fl. 532. Neu-Almad6n 501. Neu-Braunschweig 38, 40, 41, 44, 45, 49, 110. Rückwanderung 372. Neu-England 47, 107, 208, 308, 352, 698. Ackerbau 138,439. Bergbau480. Besiedelung 139, 368. Boden 379. Einwanderer 302, 365. Eisenbahnen 532, 555, 566. Entwaldung 470. Europaähnlich 425. Familie 709. Flüsse 540, 712 Gesch. 716. Ge- sellschaft 718. Gold 499. Industrie 519. Kirchen 642, 644. Kohlen 490. Küste 68, 79. Litt. 688. Schule 658. -Staaten 103, 305, 306, 347, 365, 564, 617. Towns 623. Verdichtungsgebiete 312. Neu-Engländer 102. Besiedelung 368. Religion 638. Neu-Engländertum 245. Neu-Europa 308. Neu-Frankreich 47. Neu-Fundland 572. Bänke 165. Küste 45. Neu-Idria 501. Register. 751 Neu-Mexiko 47, 106, 137. Bev. 303, 345. Bewässerung 394. Boden 384. Eb. 557. Gold 498. Gr. 105. Han- del 587. Raneho 461. Silber 501. Südgrenze 60. Viehzucht 406. Wie- sen 457. Neu-Schottland 45, 51, 66, 110. Neuse 545. Neue Welt 156. Nevada, Bergbau 481. Bev. 303, 345, 433. Bewässerung 394, 400. Boden 396. Chinese 296. Gy. 496. Eb. 557. Gold 496, 498. Gr. 105. Kultur- fähigkeit 385. Niederschläge 389. Ranchos461. Rückgang 371. Schule 658. Silber 476, 499. Soda 505. Wasserläufe 390. Wiesen 405. Wüste 389, 391. Newark 327, 339. New Bedford Mass. 41, 70, 338, 593. Newburg N. Y. 253. Newburyport Mass. 41. New Hampshire 41, 42, 47, 105, 108. Bev. 345, 347. Eb. 556. Gold 499. Rückgang 208, 370, 379. Wald 471. New Haven 41, 63, 70, 338. New Haven School of Science 667. New Inlet 72. New Jersey 108, 256, 457. Bev. 305, 345. Eb. 556. Eisen 486, 550. Gr. 105. Grünsand 505. Hochland 488. Industrie 520. Kanalsystem 549. Karten 674. Küstenland 410. Obst 454. Rückgang 370. Schule 658. Staatszählung 350. Strafse 569. Wald 471. Zink .503. New London Conn. 41, 70, 593. New Orleans 6, 10, 11, 40, 41, 75, 80. 122, 389, 340, 541, 543, 561, 563. 725. Bev. 273, 313, 327, 332. Denkm. 690. Hafen 82. Italiener 360. Rhcderei 589. Schiffsverkehr 590. Theater 325. New Plymouth Mass. 63, 69, 82, 106. Newport R. I. 41, 42, 70. New Whatcom Wash. 41. New York (Staat) 122, 327, 550. Acker- bau 441, 451. Bev. 302, 305, 308, 312, 332, 345. Eisenbahnen 556, 561. Flufs 540. Grenze 50. Gröfse 105. Hopfen 452. Industrie 519, 520. Kanalsystem 545. Karten 674. Obst 453. Politik 104, 615. Rückgang 370. Salz 504. Steinöl 506, 507. Survey 675. Urwald 726. Viehzucht 458,464,465,466. Wald 471. Wein- bau 456. New York (Stadt) 4, 10, 11, 41, 42, 61, 79, 80, 81, 89, 103, 105, 108, 106, 111, 339. Ausläufer 322. Bev. 114. Bibl. 668. Centralpark 324. Deut- sche 248, 256. Educational Board 658. Einflufs 724. Einwanderer 365. Eisen 486. Hafen 63. Handel 580. Häuser 323, 327, 505. Hochbahn 570. Holländer 245. Rhederei 588. Schifesbau 589. Schifesverkehr 590. Schule 658, 662. Staatswahlen 632. Stadtverwaltung 634. Strafsen 329. Theater 325. N. Y. nach Charleston 154. N. Y. nach Liverpool 14. N. Y. und Brooklyn 40. N. Y. und Erie 547. N. Y. und Chicago 75. N. Y. Bay 83. N.-Bufealo 366. N.-Central 547, 561, 566. N. Y. , New Haven and Hartford Conn. 563. N. Y.-Pittsburg 366. N. Y.-San Francisco 572. Nez Perc^s-Krieg 221. Niagara 42, 54, 552. Brücke 570. Fälle 172. Nicaragua 31, 118, 561. Niederländer 108, 244. Schifesverkehr 591. Niederländisch-Indien, Handel 576. Niederschläge 150, 391. Nieuw Nederland 108. Nogales 41. Nordamerika und die Arktis 25. N.-A. und Westindien 4, 5. Nordamerikaner 241. Altern 700. Be- gabung 654, 699. BewegHchkeit 701. Deutsche Bildung 250. Findigkeit 440. Geist und Charakter 100. Kriegsdienst 613. Selbstmorde 353. 752 r. Sitten 643. Stimmung 700. Ver- brechen 706. wissenschaftliche Lei- stungen 679. Nordamerikanerinnen 151, 241, 703. Nord-Carohna 49, 79, 109, 134, 280, 477. Baumwolle 420. Besiedelung 368. Bev. 305, 345. Bienen 468. Boden 379. Ebene 556. Eisen 486. Far- men 434. Gebirgsfarmer 429. Gold 499. Gr. 105. Industrie 292. Küste 154. Lagunen 67. Sklavenbevöl- kerung 262. Tabak 452. Wald 471. Wege 569. Nord-Dakota 42, 149. Ackerbau 387. Bev. 309. Ebene 557. Gr. 105. Indianer 387. Niederschläge 372. Viehzucht 460. Norddeutscher Lloyd 11. Nord-Edisto 73. Norden, Eisenb. 559. N.-Europäer 148. N.-Germanen 253. N.-Grenze der V. St. 34, 44. N.-Staaten, Handel 112. nordmexikanische Eb. 41. Nordost- Grenze 36, 43. Nordostküste 68. Nord Pacific Eb. 22, 42, 436, 536, 561, 563. N.-Staaten 64, 616. N.-St. Ackerbau 113. N.-St. Centrahs.- Tendenz 118. Blockade 74. Schulen 657. Über- gewicht 148. N. und Süden, Unter- schiede 112, 143. 152. Wachstum der Fläche 307. Weizenbau 407, 524. Nördliche Staatenreihe 149. N. Eis- meer 9. N. Steppenstaaten 618. N. Südstaaten 149, 617. Nordpolforschungen 673. Nord-Utah-Bahn 233. Nordwestgebiete 604. NW.-Grenze 58. Nordwestliche Staaten, Eisenb. 555. Gesundheit 153. Hafergebiet 403. Nw.-Territorium 96. Zunahme des Nordwestens 118. Norfolk Va. 68, 70. Norfolk and Western Eb. 562. Normal Schools 661. North Platte, Bewäss. 400. Norwegen, Schiffsverkehr 591. Norweger 237, 363. Norwich Conn. 41, Nova Scotia siehe Neuschottland. Nueces 545. Nurseries 453. Nutzbare Pflanzen und Tiere 154. Nutzhölzer 477. Oak Orchard Swamps 381. Oasen 391. Oberer See 37, 52, 546. Eisenlager 451, 487, 552. Kupfer 481, 502. Obstbau 319, 410, 453. Oceanische Begünstigung 620. O. Ver- kehr 357. Ochlokratie, Gefahr der 252. Ocmulgee Fl. 545. Oconse Fl. 230. Ocracoke Inlet 72. Öden 212. Office of Weights and Measures 674. Offiziere 635. Öffentliche Bauten 324, 690. Gesund- heit 328. Ländereien 434. Vorträge 669. Ogalalla Nebr. 463. Ogden-Butte Mont. 560. Ogden-Frisco Ut. 560. Ogdensburg N. Y. 42. Ohio 42, 50, 111, 114, 123, 124, 139, 144, 256, 330. O.-Canäle 530, 531, 546, 550. O.-Mündung 149. O.- Staaten 617. O.-Städte 341. O.-Thal 110. Wein 455. Schiffahrt 488, 543. Ohio (St.), Ackerbau 440, 459. Besied. 368. Bev. 241, 305, 313, 341, 345. Eisen 521. Eisenb. 556. Gr. 105. Mais 444. Obst 453. Pol. 616. Rückgang 371. Salz 504. Schafe 466. Schule 662. Steinöl 500. Survey 675. Tabak 452. Viehz. 464. 465. 467. Wald 471. Weinbau 456. Weizen 445. Zucker 451. Oil Creek 507. Okifenoki-Sumpf 311. Oklahoma 183, 234, 614. Land 438. Gröfse 105. Oekumene 16. Ostrand d. 0. 189. Register. 753 Old Dominion 107, 615, 723. Old Ship Channel 55. Olive 455. Olympia Wash. 41. Omaha Nebr. 333, 338, 342, 467, 560,610. Oneida Cy. N. Y. 464. Onondaga Salz 504, Ontario 42, 44. Ontario-See 52, 218, 313. 549. Ontonagon Mich. 42. Optimismus 716. Oquirrha Mts. 501. Orangen 411, 455. Oregon 21, 41, 76, 98, 106, 145, 149. O.-Gebiet 58. O. (Staat) Bev 303, 345. Bewäss. 394. Braunkohlen 495. Chinesen 296. Eb. 557. Fischerei 592. Flachs 449. O. -frage 99. O.-Ge- biet 117. Gold 498. O.-Grenze 105. O.-Hochland 141. Hopfen 452. Kir- schen 454. O.-Küste 77. Lachs 527. Niederschi. 390, 392. Oasen 148. Eanchos 460. SchifPf. 545. Schifis- bau 589. Verkehr 590. Schule 662. Weizen 445. Ost-O.-Viehz. 405. 0. Inlet 72. Organisationsfähigkeit der Massen 627. Oshkosh Wisc. 478. Ostasien, Pol. Beziehungen 606. Märkte 508. Osten, Grossindustrie 365. Landw. 378. Pol. 610. Ost und West J.45. Österr.-Ungarn, Handel 576. Raum 88. Österreicher 237, 363. Oswego 42. O.-Flufs 549, 553. Oswego- u. Champlain-Kanal 549. Ottawabund 205. Owens R. Mts. 500. Oxford Mass. 257. Ozokerit 508. Pacific Junetion la 561. Pacific Mail S. S. Cy. 590. Pacificbahn 4, 119, 560. Pacifische Gestadeländer 130. P. Kul- turmacht 22. P. Küste 65, 68. P. Ratzel, Die V. St. von Amerika. Rhederei 588. P Küstenwald 470. P. Seite 9, 20, 603. P. Staaten 439, 618, 620. P. Staaten von Südamerika 605. P. Staaten, Ack. 400. Eisenb. 555. Einw. 365. Padre- Insel 76. Pah -Ute 211. Palmer Land 24. Patos I. 59. Pamlico-Sund 72, 78, 549. Pamlico- und Albemarle - Sund 66. Panama 99. P.- Eisenb. 98. P.-Con- grefs 116. Panamakanal 27. Panamerican Trade 580. Panamerikanische Bestrebungen 7. P.- Congrefs 604. Papierfabriken 526. Baris Me. 503. Paris, Friede von 110. Parish 623. Parke 171, 324, 475. P. Range 127. Parker Pa. 507. Parkersburg 562. Parteien 628. Paso del Norte 537. Passamoquoddy - Bucht, 51, 36. Passagierdampfer 357. Pässe der Gebirgsbahnen 129. Patapsco Fl. 544. Patente 513. Paterson N. J. 339. 520. Pawtucket Ind. 519. Pay Dirt 498. Peace R., Schiffsverkehr 590. Peapack N. J. 504. Pearl Fl. 25, 25. Peccatonica Fl. 503. Pechföhre 477. Pecos 144, 394. P.- Mündung 125. P.- Wüste 127. Pekannüsse 455. Pelztiere 162. Pembina 42. Pennsylvanien 41, 42, 50, 63, 109, 269, 302, 306. Ack. 441. Anthracitlager 490. Bev. 305, 308, 312, 345. 48 754 Register. Dutschmen 245. Eisen 486, 488, 521. Eisenbahn 548, 556. Gebirge 129. Gr. 105. Industrie 520. Kanäle 548, 550. Karte 673. Kohle 324, 492. Schule 662. Steinöl 481, 506. Sur- vey 675. Tabak 452. University 697. Viehzucht 464, 465, 466. Wald 471, 726. Zink 503. Pennsylvania and Ohio R. R. 561. Pennsylvanier 245. Penobscot Bay 81. Pensacola 41, 75, 340. Schiffahrt 590. Peonenarbeit 269. Peoria 338. Perdido Fl. 35. Peripherie 36. Perry 454. Perth Amboy 41, 71. Peru 92. Handel 576. Eisenb. 584. Petersburg Pa. 550. Pferde 201, 464. Pfirsichbaum 454, Pflanzer 424, 430. P. -Aristokratie 139, 712. Pflaumenbaum 454. Philadelphia 10, 40, 41, 68, 71, 80, 106, 111, 245, 324, 339. 526, 550. Bev. 302,323,327,332. Hafen 82. Häuser 505. Industrie 519. Rhederei 588, Schiffsbau 589. Schiffsverkehr 590. Steinöl 507. Weltausstellung 512. Philadelphia -Reading E. B. 548. Philippeaux I. 52. Philippinen, Handel 576. Phrasenkultus 670. Piedmont - Region 132. Piedras Negras 561. Piermont N. Y. 561. Pigeon Bay 57. P. Point 57. Pike 57. Pillar Point 59. Pilot Knob 488. Pine Barrens 79, 379. P. Lands 475. Pine I. 60. Pine R. Bay 57. Pineries 478. Pinus Lambertiana 470. P. palustris 470. Pipe Lines 507. Piscataqua 69. Pittsburg 110, 123, 324, 338, 340, 490, 526, 542, 550, 553. Eisen 487. Kohlenbecken 308. Rhederei 589. Soolen506. Steinöl 507. Wohn. 327. Pittston Pa. 491. Placer Cy. 496. Plains 125. Plank Road 568. Plantagenbau 112, 147, 451. Platanen 413. Platin 504. Platte R. 126, 129, 309, 395, 474, 537, 610. Plumas Cy. 496. Plymouth Mass. 3, 41, 49L Plymouth Rock 63. Pocahontas 216. Pocatello-Umatilla Portland Or. 560. Poesie 170, 688. Pohenagamuk S. 52. Pointe aux Chenes 55. Pointe Pel^e I. 55. Point Roberts 59. Polen 363, 509. Politik 99, 249. P. der grofsen Räume 96. P. der Südländer 117. P. gegen- über Mexiko 116. P. Talent für, 637. PoHtiker 630. Pohtische Anlage 625. P. Areal 84. P. Leben 695. P. Raumsinn 99. P. Schriftsteller 686. P. Wahlen 629. Pontchartrain - Kanal 554. Pool 585. Porfirio Diaz 41. Port Angelos 77. Port Clinton 42. Port Huron 42, 55, 340. Port Orange 41. Port Royal 41, 73, 562, 616. Port Townsend Wash. 593. Portage des Fox 212. Portage Metjarnett 52. Portland -Kanal 542. Portland Me. 41, 563, 690. Hafen 587. Rhederei 588. Schiffsverkehr 590. Register. 755 Portland-Louisville 553. Portland Or. 41, 81, 332, 338, 342, 561. Portland - Liverpool 14. Portsmouth N. H. 41, 70, 490. Portsmouth O. 550. Portugal, Handel 576. Portugiesen 237, 249, 593. Porzellanindustrie 527. Possession Sund 77. . Post 90, 571. Potomac 64, 71, 72, 544. Grenzflufs 616. Halbinsel 66. P. - Kompagnie 128. 529. Schiffbarmachung 529. Potts ville Pa. 486, 491, 550. Prärien 471. Bev. 305. Ansiedler 417. Boden 413. P.-brennen 415. P.- gräser 458. P.-Heu 458. holzarm 467. P.-Kalk 422, 505. P.-pferd 464. P. -Viehzucht 466. P.-Wald 474. P.- Wind 153. Präsident 600. P.-Wahl 631. Presbyterianer 644. Presque Isle 40. Presse 691. Macht der P. 710. Reli- giöse P. 641. Prince Ed ward's Island 45. Princeton Me. 666. Prohibition 629, 722. Prospector 483. Providence R. I. 41, 69, 338, 491, 690. Providence Fl. 70. Providence Ind 519. Provincetown Mass. 41, 593. Pseudotsuga Douglasii 470. Pueblo 229, 342. Puget-Sund 38, 35, 21, 81, 342. Schiffs- bau 589. Schiffsverkehr 590. PuUman Car 567. Puritanismus 219, 244. Quebec 40, 42. Qu. nach Liverpool 14. Quecksilber 136, 501. Quellen 396. Quell-Oasen 385. Quincy 532. Rancho 146, 403, 406, 460. Rainy-Flufs 36. Raleigh N. Car. 504. Ralston Creek 494. Ranchers 126, 460. Ranch 318, 424. Range 318. Rappahannok 71. Raritan-Bay. 83. Rassenaristokratie 283. R.-Assimilation 246. R.-Fragen 91, 181. R.-Kämpfe 179. R.-Mischung 180, 293. R., nicht- kaukasische 102. R.-Probleme 179. R., Sociale Schichtung 283. Ver- änderung 251. R, und Stämme 177. R.-Stolz 294. R.-Ünterschiede 181. Raum 67, 83. R.: Bewältigung 97. R.-Fragen 97. R.- Ausbreitung 302. R.-Grösse im Volksgeist 99. R.- Grösse und Zerfall 95. R. u. innere Entwickelung 93. Vernichtung des R. 88. R.- Vorstellungen, Überlegen- heit 96. Räumlicher Gang der Ge- schichte 147. Reading Pa. 339. Rebe 378. 410. 455. Rechtspflege 635. Red Bluff 545. Redding 41. Red Hills 272. Red R. 542. Thal 42, 386. Red R. des Südens 313. Reformierte Kirche 646. Regenarme Räume 389. R.-Land 146. R.-Menge 145. Redwood 473. 477. Reese River Mts. 500. Regis Fl. 53. Reis 147, 440, 483. R.-Länder 140. Reklame 729. Rehgion 637. Religiöses Leben 639. Religious Tests 638. Rensselaer Polytechn. Institute 667. Reports 423. ReptiUen 167. Republikaner 629. Reservationen 224, 226. Rhetorik 670. Rhode-Island 78, 108. Anthracitla,ger 48* 756 Register 490. Bev. 303, 306, 308, 327, 345, 348. Counties 624. Grenze 105. Industrie 519. Karten 674. Str. 569. Wald 471. Rhone 68. Richelieu R. 549. Richmond 78, 118, 273, 309, 493, 545, 725. Bev. 313. Richmond and Danville Eb. 562. Rinderherden 432. Rinderzucht 463, 464, 467. R.-Züchter 462. Rio Grande 35, 49, 60, 68, 79, 125, 389, 395, 545. Mündung 76. Thal 310, 537. Rio Roxo 48. Riviere du Loup 42. Roanoke 72, 80, 545, 562. Rochester 42, 338, 340, 403, 548. Rock Elm 477. Rock Island in 541. Rockland 41. Rock Springs 494. Rodung 413. Roggen 409, 446. Roheisenerzeugung 520. Rohrzucker 440. Rolhng Stock 565. Rom 89. Romanen 237. Romanische Mischung 655. Rome N. Y. 548. Roseville-Oregongrenze 560. Rotation der Ämter 629. Rotceder 477. Rotföhre 477. Round up 464. Round Valley Reservation 214. Rousses Point N. Y. 42. Roxborough 510. Rüben 447. Rücksichtslosigkeit 706. Rugby Nebr. 382. Rufsland 25, 46, 58. Beziehungen 88. Handel 576. Schiffsverkehr 591. Schiffahrt 45. Russen 254, 363. Russisch Asien 86, 87, 579. Sabine-Fl. 35,280 Sabinas Tex. 41. Sabine Pass 41, 75, 76, 561 Sackett Harbour 54. Saconnet Fl. 69, 70. Sacramento 537, 545, 560. Sacs 230. Sadahoc Me. 106. Sag Harbor N. Y. 41, 591. Sage Brusch 404. S. Desert 127. Saginaw 338, 478, 504. S. Bay 492. Salamanca N. Y. 561. Salem 63, 69, 70, 107, 325, 593. Salt Lake 338. City 342. Saltmarshes Süd-Carolinas 288. Salt R.-Thal Ar. 398. Salzburger 109, 254. Salzland 435. Salzseesenke 309. Samana-Bucht 505, Samoa- Archipel 24, 31. St. Andrews 40, 44. St. Augustine 716. St. Clair-See 44, 55. St. Croix 36, 40, 44, 51, 52, 53, 68. St. Croix-Mündung 31, 44. St. Johns-Fluss 4, 40, 36, 42, 44, 45, 52, 68. St. Johns-Fluss in Florida 530, 545. S. John W. I. 605. S. Joseph 338. St. Lorenz 18, 53, 66. Eis 544. Schiff. 543, 546. Verkehr 535. St. Lorenz- Bucht 42. S. Louis 124. 144, 149, 338. 341. Bev. 313, 331. Bibl. 668. Eisen 487 Eisenb. 562. Häuser 327. Industrie 467. Mississippibrücke 324. Park- anlagen 324. Rhederei 589. Verk. 563. 568. S. L. Iron Mt. and Southern 563. S. L. und Veracruz 125. S. Marys Falls 19, 42, 340, 544, 546, 551, 552, 554, 563. S. Marys River 56. S. 57. S. Paul Minn. 338, 386. Anlage 325. Bev. 313. Häuser 327. Industrie 467. Verk. 536, 539, 540. Register. 757 S. Philipp 73. S. Thomas, Erwerbung 605. San Antonio 41, 384, 610. San Bernardino Cy. 503. San Carlos Reservation 222. San Diego 41, 61, 63, 68, 77, 561, 590. San Diego- Galveston 75. San Domingo 31, 118. San Francisco 10, 20, 21, 40, 41, 61, 64, 342, 560, 610. Anfänge 81. Bev. 313, 332 S. Fr., Bucht von 77. Fischf. 593. Handel 580. Schiffs- verkehr 590. -Oakland 338. Regen. 390. Rhederei 588. Schiffsbau 589. Verk. 536, 569. S. Fr.-New-York 27. San Jacinto 116. San Joaquin 537, 545. San Juan-Archipel 31, 59, 63, 77. San Juan de Fuca-Strafse 77. San Juan-Goldlager 483. San La^aro Mts. 494. San Luisflufs 127. San Luis Obispo 501. San Miguel 568. San Vincent 42. Santa Barbara 41, 63, 501, 593. Santa Clara Cy. 501. Santa F^. 129,^536, 537, 563, 588. 607. S. Helena 73. Sandusky-Kanäle 42, 531. Sandwich-Inseln 11, s. Hawaii. Sandy Hook 41. 62. 71. Santee-Flufs 30, 545. Sapello-Flüfschen 508. Satura, Insel 59. Sault Ste. Marie siehe S. Marys Falls. Savannah (Stadt) 41, 68, 73, 273, 339, 340. Bucht 14. S.-Flufs 73, 129, 545. Schiffsverkehr 590. Verk. 569. S., Americus and Montgomery Eb. 562. S.-El Paso 123. Shakamaxon 109. Schamanen 202. Scharlachfieber 352. Schatzamt 608. Schekomeko N. Y. 253. Shenandoahthal 128. Scheneetady 549. Schiffbare Flüsse 539. Schiffsbauhölzer 160. Schneedecke 147, 391, 404. Schnee- stürme 383. Schotten 249, 330, 363, 664. Schule 655. Frauen 703, 705. Schulhäuser 325. Schulbildung der Neger 286. Schuylkill 71. Kan. 548, 550. Schwarzeiche 477. -Fichte 477. -Kirsche 472. Schweden 109, 237, 244, 253, 646. Schw.- Norwegen, Handel 576. Schiffs- verkehr 591. Schwefel 505. Schweinefleisch -Verbrauch 408, 722. Schweine 466. Schw.- Zucht 432, 467. Schweiz 37. Handel 576. Schweizer 237, 254. Schwerspath 505. Schwindsucht 153. Scientism 654. Scouts 217. Scranton Miss. 41, S. Pa. 339, 491. Scuppernong 456. Sea Islands 30, 73, 80. Seattle 41, 77, 338, 495, 561. Secession 149. S,-Krieg 465. S.-Motiv 118. Seefischerei 591. Seemachtstellung der V.St. 12, 28. Seengebiet 49, 101. Bev. 305. S.-Gebiet Städte 340. S.-Kette zur Hudsonsbai 66. S. als Stauwerke 396. S.-Wege nach Nordamerika 11. Seideneinfuhr 468. S.- Industrie 519, 721. S.-Zucht 468. Sekten 641, 708. Selbstmorde 353. Selbständigkeit der Einzelstaaten 614, 615. Select Men 623. Selma AI. 562. Seminolenkrieg 140, 220, 232. Seneca-See 230, 549. 758 Eeffister. Sentimentalism 670. Sequoia 473. Seuarit 226. Sevier Mts. 501. S. Cy. 504. Shamokin 491. Shawuie 212. Shed 317. Shelby Junction 42. Shenandoa Cy. 491. Sherman Wy. 386. Sherringham 59. Shiks-Inseln 53. Ship Island 30. Short Stapled Cotton-Zone 413. Shoshone 196. Sierra Cy. 496. Shreveport La. 542, 563. Sierra di S. Eaffael 41. Sierra Nevada 51, 498. Signalcorps 612. S. Service 671. Silber 132, 499. Silverbow 501. Silver Islet 501. Sioux 222, 225. S. Cy. 467. S. Falls 708. Sippican 70. Sister-Inseln 55. Sittlichkeit 705. Sklaven, Befreiung der 262, 651. Skl.- Frage 113. Skl.-Staaten 100, 308. Skl.- Staaten, Farmen 292. Skl.-Züchtung 264. Sklaverei 118, 134, 153, 182, 237, 267, 290. Slate Range 500. Slavische Grubenarbeiter 360. Small Grain Belt 413. Smith-Eiland 30, 51. Smithsonian Institution 671, 681. Smithsund 24. Snags 541. Snake R. 395. Soldaten 610, 711. Solid South 617. Sommerville 339. Sonora 21, 117, 588. Sonorians 259. Soo 552. Sorghum 450. Southern Pacific Co. 560. South Pueblo 563. Southwest Point 31. SoziaUsten 518, 629. Soziale Schichtung 718. Spadra-Coal 493. Spanien, Eisenerze 487. Handel 576. SchifPsverkehr 45, 591. Spanier 106, 237, 257, 363, 439, 463, 480. Spanisch-Amerikaner 21. Sp.-amerika- nische Republiken 93. Pol. Bez. 116. Sp.-Kalifornier 258, 482. Sp. Pferde 464. Sphäre des Südens 369. Spofford 561. Spokane 562. Sprachenzwang 250. Springfield'Mass. 339. Squads 292. Squatters 435. Squaw I. 55. Squaw-men 217. Squirrel 55. Staat, der Indianer 204. Stammesbünde 205. Staten Island 71, 334. Städte 316, 346. S -Gruppen 339. S.- Verwaltung 327. Stadt. Bev. 330. Staat-Einzigkeit 616. Staaten 597. St.-Bildung 433. St.-Wachs- tum 119. Staatsmänner 626. Stadt 321. Städtearme Gebiete 338. St.- Bildung 337. St.-Charter 623. St.- Individualität 325. St.-Puget Sund 338. Städtereiche Gebiete 337. St.- Zug nach den, 330. Städtische und ländliche Interessen 337. Star-System 691. ' State Surveys 674. State Universities 662. Steinkohlenformation 135, 489. Steinland 435. Steinöl 136. Steppe, Bev. 145. St.-Grenzstrich 305. St.-Eisenbahnen 388 St.-Graswuchs Register. 759 383. St. -Gebiet 402. St. -Heu 383. St.-Zukunft 388. St.- Viehzucht 405, 463. Sterblichkeit 328, 350. Stevens Institute 667. Stewart I. 59. Stiller Ocean 6, 10, 11, 58, 62, 87. St. Oc, Fischerei 592. St. Oc, politisch 120, 603. St Oc, SchifCsstationen 613. St Oc, Städte 342. Stimmenfälschung 630. StirÜAg N. J. 503. Stockton 545. St. Schooners 568. Stonington Conn., Fischf. 593. Stony Mountains 57. Store 321, 582. Story I. 55. Strawberry I. 55. Strafsen 567. St. der Städte 323. Strafseneisenbahnen 570. Stump Puller 523. Sturbridge 504. Sturgeon Bay-Ship Kanal 554. Sturmfluten 175. Subhumid Region 392, 396. Suburban Farmer 322. Südamerika 6. S., Eisenbahnbau 98. S., Handel, 576, 580. Südamerikaner 237. Südatlantische Städte 340. Süd-Carolina 49, 67, 109, 134. Acker- bau 420. Besiedel. 368 Bev. 345. Eisenb. 556, 562. Gold 499. Gr. 105. Küste 73, 78. Neger 279. Phos- phorit 505. Reis 453. Sklaverei 615, 262. Wald 471, 477. Süd-Dakota, Ackerbau 387. Ebene 557- Flachs 449. Ges. 708. Gr. 105. Sioux in Süd-Dacota 229. Weizen 388. Südgrenze 37, 60. Süd-KaUfornien 389, 391, 401, 406, 455. Südpacific-Bahn 41, 130, 561. Süd-Pafs 129. Süd -Platte 461. Südstaaten 145, 616. Ackerbau 113. Auswanderung 373. Bev. 278, 353. Bildung im Süden 654. Einw. 365. Farmer 429. Eisenb. 559, 564. S.- Grenzstaaten 280. Grofsgrundbesitz 431. Industrie 487, 519. Krieg-Geist 711. Kultur 616. Küste 64. Süd- licher Küstenwald 469. Landarbeit 154. Landschaft 319. Schulen 657. Nördliche Südstaaten 149. Südliche Steppenstaaten 618. Süden und Westen 620. Süden, Verkehrsgebiet 538. Vernegerung 281. Volkszahl 146. Weifse Rasse 241, 290, 292. Wiesen 458. Südwesten 555, 618. Südwestgrenze 60. Sugar- Insel 55. Summit-Pafs 129. Sumpfwälder 139. Sümpfe 139. S., Austrocknung 141. Superior City 42, 340. Susquehanna 68, 71, 139. Susquehanna- Kanäle 530, 548, 550. Süfse Kartoffel 447. Suwanee R. 554. Swan I. 422, 605. Swanton Junktion 42. Sweet Grafs 42. Sweet Gum 477. Syracuse 338. Sulphuret 500. Sumachs 510, 524. Sutro-Stpllen 500. Tabak 147, 440, 451. T. Boden 135. T. Einf. 452. Tacoma 41, 561. Tahoe S. 396. Tamaqua Pa. 491. Tampa 41, 68, 75, 338. T. Bay 554. Tannen 473. iTar 545. Tarborough 545. Tarif frage 115. Tatuch Island 59. Taxodium 473, 477. Taxodien, Reich der 79! Tecumsee 220. Tehama, Kalifornien 456. 760 Register. Tejon-Pafs 131. Telegraph 511, 571. Tellur 504. Temperaturgegensätze 478. T.-Zonnen 281. Tenement-Häuser 323. T. Wards 327. Tennessee-Fl. 112, 124, 129, 134, 149. Schiffbar 543. Wasserhöhen 125. Thal 489. Tennessee (Staat) 338. Ackerbau 420. Baumwolle 412. Besiedelung 368* ßev. 305, 312, 313, 345. Bienen 468. Boden 379. Eisen 486. Eisenbahn 556. Farmen 434. Gebirgsfarmer 429. Grenze 105. Industrie 292. Kanäle 530. Kohlen 492. Kupfer 502. Neger 183, 280. Rückgang 371. Steinöl 506. Tabak 452. Wald 471. Zucker 451. Tennessier 241. Terre Haute 551, 562. Teutonen 256. Teutonische Provinz 148. Texarkana Ark. 332. Texarkana Tex. 332, 563. Texas 35, 47, 48, 60, 88, 98, 106, 112, 713. Aufnahme 117. Auswanderung 369. Besiedelung 368. Bev. 303, 305, 313, 345. Boden 380. Brunnen 397. Ebene 557. Erwerbung 116, 442, 602. Farmer 462- Flüsse 125. Gr. 105. Kohlen 493. Kohlenfeld 137. Küste 30. Landverteilung 431. Neger 280. Prärie 458. Ranchos 460. Salz 504. Schafe 465. Schule 658. Silber 501. Steinöl 507. Verk. 538. Viehzucht 406, 465. Wald 471. Weizen 488. Zunahme 371. T. and Pacific 41, 563. Textilindustrie 518. Thames 70. Thousand Islands 543. Tidewater Land 78. Tiefland-Gewässer 422. T.-Streifen 379. Tiere der Neuen Welt 160. Tigre Insel 605. Tinne 196. Titusville Pa. 41, 506. Todesstrafe 283, 622, 707. Toledo O. 42, 551. Tomahawk 197. Tongue Point 59. Tornados 175. Toronto 330. Tortugas 74. Town und Township 328, 623. Traberzucht 465. Transandinische Bahnen 98. Transatlantische Dampfer 571. . Trenton N. J. 339, 527. Trestle Works 570. Trinity R. 125. Troy N. Y. 338. Truck Farming 459. Trunksucht 467. Trusts 584. Truthahn 166, 468. Tscherokie 195, 212, 230, 232. Tsch. östliche 223. Tschikasa 232. Tschinuk 196. Tschokta 232. Tschuktschenland 25. Tulpenbaum 472. Türkei, Handel 576. Tule-(Marsch>8triche 297. Tuolumne Cy. 496. Tuscarora 220. Tuscaloosa AI. 545. Tybee 73. Typhus 328. Ubergangsstaaten 617. Übergreifende Rechte 44. Überschwemmungen 175. Uhren 525. Uinta 211. Uklah 41. Ulme 319. Union Pacific 232, 309, 397, 560, 563. Universitäten 661. University Extension 666. Unter-Kalifornien 21. Unterricht der Taubstummen 668. Register. 761 Unterrichtsamt 607. Unterrichtsanstalten 655. Uruguay, Handel 576, 579. Urwald, Ansiedler 417. U. S. and Brazil S. S. Cy. 590. Utah 145. Ack. 392, 396. Bergbau 481. 494. Bev. 203, 345. Bewäss. 394, 398. Blei 503. Brunnen 397. Eb. 557. Gold 496, 498. Gr. 105. Kohlen 494. Kulturfähigk. 385. Kupfer 502. Ranchos 461. Silber 500. Verk. 569. Viehz. 406, 407. Wüste 389. Utica N. Y. 338. Valentia 572. Van Buren 368. Vancouver 29, 31, 58, 59, 561. V. Bar- racks 610. Vancouver-Hawaii 26, 27. VandaUa 111. 562. Van Wye Point 544. Vegetationsgebiete 408. Venezuela 92. Handel 576, 579. Veracruz 561. Verdichtungsgebiet 308, 313. Verkehr. Anlage 122. Entwickelung 89. Grundlinien 535. Verkehrs- wege 366. Vermont 42, 112. Besied. 368. Bev. 305, 345. Eb. 556. Grenze 42. Kupfer 502. Rückgang 370. Viehzucht 464. Wald 471. Zuck. 451. Verschiebung nach Westen 104. Verschuldung der Gemeinden 634. Vicksburg 341. Victoria 29. Viehzucht 138, 200, 201. Gebiete 406. Klima 403. Ausfuhr 464. Viehzüchter, politische Macht 462. Virginia 41, 49, 50, 51, 84, 107, 112, 114, 134, 149. Auswanderung 369. Baumw. 412. Bev. 305. Eb. 556. Eisen 486. Farmen 434. Finanzen 634. Flüsse 540. Gold 499. Gr. 105. Halbinseln 66, 71. Hochäcker 379. Indianer 220. Kolonien 128. Küsten- landschaft 77. Neger 280. Obst 454. Pol. 615. Rückgang 371. Sklaven- bevölkerung 262. Sklavenzucht 272. Tabak 439, 452. Wald 471. Wein- bau 456. V. City. 342. 498. Virginian 244. V. Sea 71. Vögel 164. Volks-Charakter 186. V.-Ideale 103. V.-Schulen 659. V.-Zahl 301. Volkszählungen 679. Völkerfossile 247. * Völkerwanderungen 438. Vulkane 175. "Wabash, Kanäle 531. Wabash-Erie 551. Wachstum nach Westen 104. W. der Volkszahl 343. Waffen 525. Waghalsigkeit 484. W^ahlgeometrie 630. Wahhecht 624, 626. Wahsatch Mts. Irrigation 385, 392. W.- Gebirge-Viehzucht 405. W.-Wege 309. Wald 160, 469. Brände 475. Gebirgsw. 128, 133. W. der Bottoms 413. Farmer 463. W. Land 469. Nomaden 204. Pflege 473. W. Provinzen 469. -reiche Staaten 466. W. Staat 478. Statistik 471. Verwüstung 707. Wirtschaft 477, 574. W. Zone 471. Wäldersee 36, 37, 57, 58. Waldoboro Me., Rhederei 588. Schiffs- bau 589. Waldpole I. 55. Walfischfang 25, 591. Walhser 482. Wallula Wash 561. Walnufs 472. Waltham Mass. 526. Wandertrieb 366. Wankesha 561. Wappen der Union 164, 636. Wärme 144. Warren 0. 550. Warren R. I. 70. Warsaw I. 73. Washington (Staat) 21, 41, 106, 130. 762 Register. 145, 149. Bev. 345. Braunkohlen 495. Chinesen 296. Eb. 41, 557. Gr. 105. Hafer 401. Hopfen 452. Küste 76. Niederschi. 390. Ranchos 460. Schiffsbau 589. Städte 342. Verk. 562. Wald 471. Wei- zen 406. Washington D. 0. 40, 67, 324, 339. W., die poKtische Hauptstadt 333. SterbHchkeit273. Kapitol690. Wohn. 327. Vertrag 45. W. nach Detroit 531. W. nach S. Louis 531. Washington, Texas 545. Washington-See 131. Washington-Sund 59. Washoe 485, 500. Wasserfront 545. Wassergrenzen 37, 48. Wasserkräfte 522. Wasserreis 156. Wateree Fl. 545. Waterford N. Y. 544. Watertown N. Y. 42. Webber 396. Wege 123. Weinbau 455. Weineinfuhr 456. Weinreben 150, 157. Weifseiche 477. Weifsesche 477. Weifsföhre 477, 472. Weifse und Indianer 218. W. und Neger 180. Weifskappen 707. Weizen 382, 408, 441, 444, 445. Bau 138, 147. Gebiet 402, 406, 420. Welland-Kanal 544, 546. Werkzeugmaschinen 525. Westen, der alte 313. Bev. 353, 365. Einwand. 365. Eisenb. 560, 564. Flufsdampfer 545. Land 365, 433. Leere Stellen 311. Pol. 620. Schaf- I und Rinderherden 150. Schulen 657. i Wirkungen 146. Wüste 382. W.- j Indien 6, 66. W.-Indier 237. W.- I Indien, Handel 576. W.-indische | Einflüsse 204. West Point, Military j Academy 613, 667. Westseen 18. j AVest-Texas 384. Westwanderer 244, 308. W.-W., Bahn der 311. Western Pacific 560. Westerlinge 369. West-Virginien 50, 112, 129. Besied. 368. Bev. 303, 313, 345. Eb. 556. Eisen 486, 488. Gr. 105. Indu- strie 292. Kohlen 492. Neger 280. Politik 617. Salz 504. Steinöl 506. Wald 471. W.-Virginier 241. Wetumpka 545. Wharton School of Finance 697. Wheeling, W. V. 562, 589. Whidbey I 31. Whiskeyhandel 228. W.-Krieg 633. White R. 542. White Sage 404. Wickford 70. Wideley Insel 77. Wiesen 409, 457. Wilkesbarre Pa. 491, 550. Willamette 537, 543. Schiffsbau 589. Verkehr 590. W.-Thal 383. Willapa Waah. 41. Willets Point, Ingenieur- Schule 613. Williamsburg 71. Wilmington N. C. 41, 274, 493, 590. Windriver- Gruppe 127. Windbreak 318. Winnipeg-See 553. Winslow 503. Wintertemperaturen 144. Winyan-Bay 73. Wiscasset, Maine, Fischerei 591. Wisconsin, Ackerbau 418. Bev. 148, 305, 310, 313, 345, 371. Bibl. 668. Blei 501. Deutsche 256. Eb. 556. Eisen 486. Gr. 105. Hopfen 452. Indianer 212. Land 438. Survey 675. Tabak 452. Ufer 42. Uni- versität 663. Viehzucht 464. Wald 472, 478. Weizen 445. W. Central R. R. 563. Kanäle 531. Wissen Schaftspflege 670. Witchita, Grenze 208. Wladiwostok 579. Wohnhäuser 325, 525, Register. 763 Wolleinfuhr 466. W.-Industrie 519. Woodstock 40. Worcester Mass. 339, 504. Wüsten 146. W.-Bildung 377. Wyandot 230. Wyoming, Ackerbau 392. Bev. 303, 309, 345. Bewäss. 394, 400. Eb. 557. Flüsse 400. Frauen 705. Gr. 105. Grofsviehzüchter 462. Kohlen 494. Niederschi. 389, 390. Weidegrund 386. Viehzucht 404, 406, 407. Weg der Wanderer 482. Wiesen 390. Yale College 661, 663, 666. Yankee 244. Y.-Typus 239. Yankton S. D. 386, 708. Yaquima 41. Yavapai Cy. Ar. 624. Yazoo FL 381, 542. Yellowstone 123. York Fl. 71. Yorktown 78. Y.-Halbinsel 71. Youghiogheny Fl. 543. Young Mens Christian Associations 643. Yuba Cy. 496. Yuba Fork 498. Yuma Ar. 561- Zanesville 540. Zeitungen 325, 528. Zink 136, 503. Zinn 503. Zinnquarzminen 503. Zitronen 411. Zucker - Einfuhr 450. Zuckerföhrc 477. Zuckerrohr 144, 147, 150, 450. Le- bensbedingungen 412. Z,-Industrie 527. Zuckerrübe 451. Zwetschge 454. Zwitterland der Küste 80. -o-433^- 95 RETURN TO the circulation desk of any UnJversity of CalifornJa Library or to the NORTHERN REGIONAL LIBRARY FACILITY BIdg. 400, Richmond Field Station University of California Richmond, CA 94804-4698 ALL BOOKS MAY BE RECALLED AFTER 7 DAYS • 2-month loans nnay be renewed by calling (510)642-6753 • 1 -year loans may be recharged by bringing books to NRLF • Renewals and recharges may be made 4 days prior to due date DUE AS STAMPED BELOW MAR 13 2003 HO DD20 15M 4-02 D 21-100m-ll,'49(B7146Bl6)476 - M 'Sä 85397 ' mimi 'C'2 ■r* ^m Jk^