y Piety ype . one Lathan ay Caen hateteniet yan eh se sa ie eee S Cite Keven ae atheros Phe sidnwrnerrneusentep Secs ter watetesintc mney at r ot SF linc Sone Sten areata aro ee eee AE aya, HARVARD UNIVERSITY LIBRARY OF THE Museum of Comparative Zoology x Ones ; is vy AGH, iy ee i i fi ip te a ates alt Wig “ i Nai AAT iS “ese aby lay al ice Pil af Ss Mo A Oy aya Gea eee Lelia : fe: Y POA AN ”~ 3 VEROFFENTLICHUNGEN der ZOOLOGISCHEN STAATSSAMMLUNG MUNCHEN Herausgegeben von PROF. DR. DR. HANS KRIEG - MUS. COMP. 2601. LIBRARY AR 2°7 1950 RARVARB UWIVERSITY — eb) ose) VERLAG J. PFEIFFER, MUNCHEN Nees eat ta ed Slo) Inhalt Krieg, Hans STOTT E earns ie ee a Rn Oy ne mela raed te reo kon seo F ab EAR INC i ele; Erich Die Coregonen in den Seen des Voralpengebietes. XI. Herkunft und Einwan- derung der Voralpencoregonen, Mit 6 Abbildungen und 8 Tafeln Krieg, Hans Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika ...........2.., Schindler, Otto Der K6nigssee als Lebensraum. Erste Mitteilung iiber die bisherigen Ergeb- misses iViitis Abbildunsen; 3 Pabellen-und-2 Mateln 9.27. ir Hellmich, Walter Die Eidechsen der Ausbeute Schroder (Gattung Liolaemus, Iguan.), Beitrage zur Kenntnis der Herpetofauna Chiles XII]. Mit 2Tafeln. .......... 63 97 ae Geleitwort UAIVERSITY Wir beginnen nun mit der langst geplanten Drucklegung der _, Ver6ffentlichungen der Zoologischen Staatssammlung Miinchen", die in lockerer Folge Arbeiten wissenschaftlich-zoologischen In- halts bringen sollen. Der Entschlu8, diese Ver6ffentlichungen trotz aller Schwierigkeiten durchzufiihren, entspringt dem Wunsch, un- sere so dringend notwendigen Beziehungen zu den Fachgenossen und dem Schrifttum des In- und Auslandes zu erneuern bzw. zu verstarken. Dieser erste Band ist unserem Freunde und Kollegen Professor Dr. h.c. Lorenz Miller gewidmet, dem wir die Manuskripte zu seinem achtzigsten Geburtstag am 19. Februar 1948 als Festschrift tiberreicht haben. Dieser einzigartige Mann, in Mainz geboren, fand von der Malerei zur Wissenschaft, und es blieb immer bezeichnend fiir ihn, da seine Wissenschaft trotz aller Strenge und Sachlichkeit nie eng und einseitig oder pedantisch war und sichtlich beherrscht von kiinstlerischer Freude an der Form. Dabei hat er, der vortreffliche Formenkenner weit iiber sein Spezialgebiet hinaus, trotz aller Leidenschaft des Sammelns und des Beobachtens in freier Natur niemals den Anschluf an die Probleme und Errungenschaften der experimentellen Biologie und der Erkenntnistheorie verloren und blieb stets bereit, mit dem ihm eigenen Temperament tiber sie zu diskutieren. Sein lebhafter Geist ist von a Beschwerden des Alters unberiihrt geblieben. Er kann sich herrlich argern, wenn ihm etwas gegen den Strich geht, aber sein ausgeprasgter Sinn fiir Humor und Witz, seine heitere Liebenswirdigkeit und ein gut Teil Lebensklugheit machen ihn zum besten aller Kollegen. ae Seit 46 Jahren ist Lorenz Miiller an der Zoologischen Staats- sammlung in Miinchen tatig; neben seinen hervorragenden Leistun- sen als Systematiker und seinen Erfolgen auf zahlreichen Reisen im stideuropaischen Raum und einer Reise zum Amazonas ver- dient vor allem eines hervorgehoben zu werden: in schwersten Zeiten hat er uns allen ein Beispiel unerschiitterlicher Arbeits- freudigkeit gegeben. Wenn es wieder einmal galt, umzuziehen, neuzuordnen, Verluste auszugleichen, zu werben und Krisen zu iiberwinden, stets war er vorbildlich auf dem Posten und tat sehr viel mehr als nur seine Pflicht. Es ist vielleicht gerade fir ihn charakteristich, da8 man ihn noch in hohem Alter wieder in sein Amt zuriickrief, als sein Nachfolger zum Heeresdienst einberufen wurde, und daB er auch heute noch, wieder von jeder Verpilichtung entbunden, taglich erscheint und sich mit Eifer der Mehrung und Ordnung der herpetologischen Abteilung widmet, die er geschaffen und zu einer der besten der Welt gemacht hat. | Krieg. ; Higgs St: ee hy pat Fe a i Fe: r \ > “ ire Ty - / Tom Sha eent . % Wee RE Binmeas t id Nes F 5 _ VEROFFENTLICHUNGEN -F ee by ee " ane ; -ZOOLOGISCHEN STAATSSAMMLUNG -MUNCHEN Erich Wagler Die Coregonen in den Seen des Voralpengebietes XL Herkunit und Einwanderung der Voralpencoregonen MUS. COMP. ZOOL. | | LIBRARY MAR 27 1950 HARVARD _UNDERSITY : Veroff, Zool. Staatssamml. Miinchen S. 3—62 Miinchen, 1. Januar 1950. Die Coregonen in den Seen des Voralpengebietes XI. Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen | MUS. COMP. ZOOL. | | LIBRARY IAR 2'7 1950 | HARVARB NIVERSITY Von Erich Wagler, Grafelfing/Minchen Inhalt. Vorbemerkung Spe 1, Die Verbreitung der weteocnen bas Me arate 2. Ansichten iiber Zeit und Weg der Einwanderung Her Coraponens in chee mitteleuropdischen Wohnplatze 3. Die Verteilung der Coregonusarten auf die Niponceen a) Der bisherige Stand unserer Kenntnisse . b) Die Auswirkung der neuen Bewiriechaleingswere i die Renkenbecmene c) Die das Auftreten der Renkenarten beeinfluBenden Eigenschaften der Gewéasser 4, Finden sich die Alpendevedenén im nfirdlichien Werbreitunpeponier? a) Die Schwierigkeit der Identifizierung nordischer und alpiner Arten jaigtee der Unterschiedlichkeit der Altersbestimmungen b) Welche Coregonus-Arten leben in Norwegen? , . c) Gehéren Gangfisch und Kilch der Fauna Finnlands iy? d) Welche Coregonus-Arten leben in Irland und auf den britischen inigein? ; e) Die Coregonen Schwedens und WestruBlands Zusammenfassung und Schlu8betrachtung Seite. 5 5 5 ett 13 19 23> 24 27 33 55 Ba 58 Erich Wagler: He nwanderung der Voralpencoregonen. 5 "LIBRARY MAR 2°7 1940) HARVARB 3. Bande des Handbuchs der Binnenfischerei von DemolT & | rt (Wagler 1941) und ebenso im 9. Teil der Coregonen in den Seen des Voralpengebietes (Wagler 1937) habe ich der Verbreitung und Herkunit der mitteleuropdischen bezw. Vor- alpenarten besondere Abschnitte gewidmet. Auf diese Ausftthrungen komme ich nochmals zurtick, weil inzwischen gemachte Erfahrungen und Beobach- tungen die damals vorgebrachten Theorien noch besser zu stiitzen scheinen. 1. Die Verbreitung der Coregonen. Das Hauptverbreitungsgebiet der Coregonen erstreckt sich, wie seit langem erkannt ist, fast kontinuierlich in Abstand rings um den Pol tiber das nordliche Nordamerika (USA, Kanada, Alaska), Nordasien (Sibirien) und Nordeuropa (RuBland, Finnland, Skandinavien, Danemark, die baltischen Lander, Polen, Norddeutschland und die Niederlande, England, Schottland und Irland), Abgesehen von diesen weiten, nur teilweise von schmalen Meeresarmen unterbrochenen Landermassen (nérdliches Verbreitungsgebiet) finden sich noch eine Reihe weiterer Vorkommen in den Voralpen (Karnten, Salzburg, Tirol, Bayern, Schweiz und Savoyen) (Siidliches Ausbreitungs- gebiet),. Im allgemeinen ragt das nordliche Ausbreitungsgebiet im Norden nur wenig tiber den Polarkreis hinaus oder kommt teilweise nicht einmal bis an ihn heran; die klimatischen Bedingungen, d. h. die Méglichkeit des Bestehens temperierter Seen mégen hier in erster Linie ein weiteres Vordringen ver- hindert haben. Im Stiden jedoch kann weder das heutige Klima noch das vergangener Jahrtausende zur Erklarung des Verbreitungsbildes geniigen. Das Vorhandensein geeigneter Gewdsser ist nicht allein ausschlaggebend, mindestens ebenso wichtig ist, da zu ihnen auch die passenden Wasser- straBen hinftihrten. Im allgemeinen deckt sich die Stidgrenze des nérdlichen Verbreitungsgebietes mit den Grenzen der letzten starken Vergletscherung. Es ist dies im einzelnen fiir das éstliche und mittlere Europa durch Dom- ratscheff (1923) und Ekman (1922) geniigend sicher nachgewiesen worden. Kartenbilder bei anderen Autoren und fiir andere Gebiete (z. B. Kulma- tycki (1923) fiir Polen) unterstreichen nur das Ergebnis. 2. Ansichten tiber Zeit und Weg der Einwanderung der Coregonen in ihre mitteleuropaischen Wohnplatze. Die Coregonen kénnen nach diesem Befund im Norden nur innerhalb des Vereisungsgebietes gewandert sein und zwar unter Ausnutzung von Wasserlaufen und Staubecken, die sich erst beim Abschmelzen des Eises hinter den Endmoranengirlanden gebildet hatten. Eine andere Deutung ist kaum méglich und meines Wissens auch nie gegeben worden. Ahnliche 6 Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. Beziehungen zum eiszeitlichen Geschehen miissen aber auch fiir die Vor- alpencoregonen bestehen, denn auch hier ist im Kern des Ausbreitungsge- bietes dem Vordringen durch die Héhenlage, also das Klima, die Schranke sgesetzt, wahrend nach auSen zu (d. h. im wesentlichen in der Nordrichtung) die Endmoranengirlande die Grenze abgibt. Man hat demzufolge das Ein- riicken der Coregonen in ihre heutigen Standorte im Voralpengebiet in das friihe Postglazial verlegt. Das ist véllig logisch. Fragt man aber dann weiter, auf welchem Wege die Renken bis an die Endmoranenlinie herangekommen sind, dann st6&t man auf Widerspriiche. Die vorherrschende Ansicht laBt die Vorfahren der Alpencoregonen bereits vor dem letzten EisvorstoB, im Interglazial, in Deutschland ansdssig gewesen sein; sie seien dann ,durch die nérdliche Vergletscherung nach Siiden gedrangt worden. Sie bewohnten wahrend der grofen Vereisung ihren Anspriichen entsprechende Gewdasser des mitteleuropaischen eisfreien Gebietes, gehdrten also der eiszeitlichen Mischfauna an.” (Zschok- ke 1933). Durch diese Annahme kommt man aber in eine schwierige Lage, die Thienemann (1926) ganz richtig gefiihlt hat: ,Fiir die Coregonen- sruppen 4—6 (die groBen Maranen der lavaretus-, fera-holsatus- und wart- manni-generosus-Gruppen) mtissen wir wegen ihres Vorkommens in den sub- alpinen Seen annehmen, da’ sie wahrend der grofen Eiszeit geeignete Ge- wasser des ganzen eisfreien Gebietes bewohnt haben. Die heute in den norddeutschen Seen lebenden groBen Maranenformen aber werden — genau wie die Reliktenkrebse Mysis, Pallasea und Ponfoporeia — erst durch die beim Vordringen der Eismassen der letzten sogenannten baltischen Eiszeit bezw. bei ihrem Riickgang entstandenen Stauseen ihre jetzigen Wohnplatze erreicht haben. Die Arten Coregonus lavaretus und holsatus sind also frth- postglaziale Einwanderer, ,,Baltikumfische", wie Stint und kleine Mardane, die Formenkreises aber, zu denen sie gehdren im ganzen, miissen zur fgla- zialen Mischfauna gerechnet werden." (Thienemann 1926, S. 9). Es ist vollig klar, was hier gemeint ist. Alle Coregonen Mitteleuropas sind erst im Postglazial in ihre jetzigen Wohnplatze eingeriickt, die nord- deutschen sowohl als die siiddeutschen, aber die Vorfahren der Alpenrenken haben bereits zur glazialen Mischfauna gehért und die der kleinen Marane nicht. Die Gattung Coregonus oder wenn man, was einige Berechtigung hat, die kleine Marane einem besonderen Genus zuweisen will, die Familie der Coregonidae wird durch eine solche Annahme in zwei Gruppen zerschnitten, von denen die eine friiher, die andere spater zum grofen Marsch startete. Ob das richtig ist, kann man bezweifeln. Ich gehe mit Thienemann (1926) sonst vollig einig, eine Sonderstellung vermag ich aber den Voralpencore- gonen nicht zuzuweisen. Thienemann schreibt an anderer Stelle: , Wir werden also, ohne auf ernstlichen Widerstand zu stofen, von unsern kaltstenothermen Formen unter den Fischen annehmen diirfen, daB sie schon zur glazialen Mischfauna gehért haben. Allerdings nur dann, wenn sie auch heutzutage im ganzen Gebiet sich tiberall erhalten Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. 7 haben, wo giinstige Lebensbedingungen geboten sind. Haben sie aber wie der Stint und die kleine Marane heute ihr Verbrei- tungszentrum in Gegenden, die wahrend der Eiszeit von Eis be- deckt waren und finden sie sich dabei heute titberhaupt nicht in dem damals eisfreien Teil Deutschlands, dann kénnen wir sie auch nicht zur glazialen Mischfauna rechnen, sondern miissen sie als friihpostglaziale Einwanderer ansehen” (Thienemann 1926 S. 8). Diese letzte Voraussetzung wird meines Erachtens von den Voralpencoregonen restlos erfiillt. Alle siidlichen Vorkommen liegen aus- nahmslos innerhalb der Vereisungszone und selbst bei den Vogesenseen handelt es sich nach den neueren Beobachtungen ebenfalls um Becken, die noch innerhalb des vereisten Gebietes gelegen waren. Die Annahme, es kénnten zwar auch Seen mit Coregonen friiher noch jenseits des Endmo- ranenwalles vorhanden gewesen sein, jetzt aber nicht mehr bestehen, hat geringe Wahrscheinlichkeit. Man hat bisher die Coregonen immer als typische Bewohner der gr6- Beren, oligotrophen Gewdsser betrachtet. Diese Regel besteht im grofen und ganzen auch, aber sie hat Ausnahmen. So tritt einerseits die kleine Marane in Norddeutschland zuweilen in sehr kleinen und flachen Seen auf, die ohne Zweifel rein eutrophen Charakter haben und anderseits findet sich im Voralpengebiet selbst der Blaufelchen — mitunter mit dem Sand- felchen vergesellschaftet — in Gewdssern, die wie der Simssee (max. Tiefe 22,5m, mittl. Tiefe 13,4m) noch schwach oder wie der Riegsee (max. Tiefe 14,0 m, mittl. Tiefe 5,6 m) ausgesprochen eutroph sind. Warum sollten diese Arten sich nicht auch im mitteldeutschen Raum bis heute gehalten haben kénnen, wenn sie einmal da ansassig waren? Man ké6nnte hier zwar einwerfen, die Voralpenseen hatten im frithen Postglazial einen bis zu 30, ja 40 m hodheren Wasserstand gehabt und waren sehr allmahlich nur vom urspriinglich rein oligotrophen zum mehr oder weniger eutrophen Zustand tibergegangen, aber derartige Aenderungen des Trophiegrades konnten, wenn auch nicht in dem Ausmafe, wohl auch mitteldeutsche Seen erlitten haben. Es ist sehr schwer einzusehen, weshalb die Groficoregonen wohl im Alpenvorland und in der norddeutschen Seenplatte die Fahigkeit hatten, sich an eutrophe Verhaltnisse anzupassen, in anderen Teilen Deutsch- lands dagegen nicht. Die Zahl der im mitteldeutschen Raum ftir Coregonen in Frage kommenden Seen ist zwar sehr gering, trotzdem sollte man hoffen kénnen, letzte Spuren der angenommenen zwischeneiszeitlichen Volker wenigstens an vereinzelten Stellen noch anzutreffen — wenn solche da- gewesen waren. Die Zerlegung der Gattung Coregonus in die beiden zu verschiedenen Zeiten eingewanderten Gruppen wiirde leichter fallen, wenn grofe artliche oder biologische Verschiedenheiten vorhanden waren. Wie ich aber be- wiesen zu haben glaube und wie auch Thienemann (1926) annimmt, stehen wenigstens zwei der Voralpen- und norddeutschen Coregonusarten einander sehr nahe. Die Edel- oder Peipusmarane gleicht biologisch und 8 Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. morphologisch sehr stark dem Voralpenblaufelchen und die grofe oder Madiimaraéne dem Sandielchen. Die nordischen und voralpinen Formen sind wahrscheinlich nicht mehr als geographische Rassen zweier umfas- sender Arten. Die gréBie Schwierigkeit fir die herrschende Anschauung itiber die Zugehorigkeit der Renken zur glazialen Mischfauna sehe ich jedoch in der Frage, wie der Abzug aus dem eisfreien Gebiet Mitteldeutschlands beim Riickgang der Gletscher hat erfolgen kénnen. Im Alpengebiet kom- men heute Coregonen nur in solchen Seen vor, die mit dem Vorlande durch FluBlaufe in Verbindung stehen oder in fri - herer Zeit bei hdherem Stau in Verbindung gestanden haben. Der Marsch aus dem Vorlande kann also nur tiber Fliisse und Staubecken vor sich gegangem sein. Dann ist aber die logi- sche Folgerung, daB der Vorsto8B bis zum Alpenvorland eben- falls nur in der gleichen Weise erfolgt sein kann. Nun gehoren alle Renken fithrenden Seen des siidlichen Ausbreitungsgebietes drei Strom- systemen an, ndmlich dem des Rheins, der Rhéne und der Donau. Hel- ler (1871) erwahnt zwar drei Vorkommen im Etschsystem (Rechen-, Gran- ner- und Heidersee), es ist aber sehr wahrscheinlich, daB diese auf Ein- satze durch Menschenhand zuriickgehen. Die Renken stehen damit in ihrer Verbreitung in gewissem Gegensatz zu den Forellen und Saiblingen. Wahrend diese macrostomen Salmoniden viel tiefer ins Gebirge einge- drungen sind, teilweise die Wasserscheiden tiberwunden und andere Strom- systeme erreicht haben, der Saibling sich sogar in v6llig isolierten Gebirgs- seen findet, ohne daB er nachweislich vom Menschen dahin verpflanzt worden ware, sind die Coregonen im Voralpengebiet stecken geblieben. ‘Die Ausbreitungsmittel und -fahigkeiten miissen bei den vom Norden kom- menden Einwanderern sehr verschieden gewesen sein. Vermutlich haben Forelle und Saibling den Marsch viel frither angetreten und ihn auBerdem zum Teil passiv d. h. durch Verschlepptwerden bewaltigt, wahrend die Renken lediglich auf ihr eigenes Schwimmvermégen, das dazu noch weniger gut ist, in wasserreichen, passenden FluSlaufen angewiesen waren. Die genannten drei Stréme haben ganz sicher als Zubringer eine Rolle gespielt. Wie aber sind die Coregonen in sie hinein gelangt? Zunachst muB hier darauf hingewiesen werden, daB die Oberlaufe des Rheins, der Rhéne und der Donau zeitweilig miteinander in Verbin- dung gestanden haben. Nahere Daten zu dieser Frage habe ich in dem schon erwabnten Abschnitt in der Intern. Revue 35 S. 375 (Wagler 1937) gegeben. Es mii®te darnach vielleicht vollkommen geniigt haben, wenn die Renken in einen der drei Strome gelangt waren, denn sie konnten dann ohne gréfere Schwierigkeiten im Laufe der Zeiten auch in die an- deren hiniiberwechseln. Dann ist aber das nachste Problem: Welcher der drei Stréme hat als erster die Renken empfangen? Die Rhone schaltet natiirlich von vornherein aus, weil sie nach dem Mittelmeer abwassert. Das nachstliegende ware es, an den Rhein zu den- Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. 9 ken, da er heute die erforderliche Verbindung nach dem Norden und den nicht vereisten Gebieten hat, doch bestehen gerade fiir diese Art der Ein- wanderung einige Schwierigkeiten: ,den neueren Ansichten der Quartar- geologen zufolge, denen auch die Zoogeographen zuneigen (z. B. Lauter- born), floB der jetzige Hochrhein (vom Bodensee bis Basel) mit seinen Zufliissen durch die burgundische Pforte noch im Pliozan zur Rhone und damit zu dem Mittelmeerbecken ab, wahrend der Mittel- und Niederrhein im Pliozin dem Einzugsgebiet der Nordsee gehérte. Erst wahrend der alteren Quartarzeit wurde der ,,.Rhodne-Rhein" infolge des Absinkens der oberrheinischen Tiefebene an die Nordsee angegliedert. Die Strecke des Rheingebietes von der Quelle bis zum Bodensee gehérte, wie man annimmt, vor der Fiszeit dem Stromgebiet der Donau an” (Berg 1932). Es kommt also sehr darauf an, wann die Verbindung Hochrhein-Ober- rhein erzielt wurde. Wurde sie relativ spat erst hergestellt, dann konnte die Besiedelung nur tiber die Donau erfolgen, kam sie frith genug zustande, wie es den Anschein hat,.dann hatte auch der Rhein in seinem heutigen Mittel- und Unterlauf den Renken den Weg zum Alpenvorland bieten kénnen. Dann mufBten aber bestimmte Vorbedingungen eritllt gewesen sein, auf die wir spater noch naher eingehen wollen. Voraussetzung mute sein, daf§ die heute im Voralpengebiet ansassigen Arten in-den vom Mittel- und Niederrhein und seinen Nebenfliissen berithrten Landstrichen eben- falls vorhanden sind oder wenigstens in ihren Vorfahren dort lebten. Das ist aber nicht sicher der Fall. Die groBe Boden- und Schwebrenke finden sich wohl als Madii- bezw. Edelmarane in Norddeutschland, nicht aber der Gangfisch und der Kilch. Es hatten wohl die ersten beiden tiber den Rhein in die Alpen gelangen kénnen, nicht aber die zwei anderen. Wenn auch der Rhein ausschaltet, dann bleibt die Donau als letzte fiir den Einfall tibrig. An sich ware dieser Strom fiir das Auffangen von Norden kommender Einwanderer genau wie der vor ihm ziehende Main besonders geeignet, weil er der Alpenkette fast parallel verlauft. Das Alpenvorland dacht sich allmahlich zu ihm ab und leitet eine Anzahl von in den Alpen entspringenden Nebenfliissen ihm zu. Ebenso emp- fangt die Donau von Norden her eine Reihe stidwarts ziehender Neben- fltiisse, aber zwischen diese und den n6érdlichen Teil des im Glazial eisfreien mitteldeutschen Raumes schieben sich als schwer tiberwindbare Barrieren ’ die Ketten der Mittelgebirge (Sudeten, Riesengebirge, Lausitzer Bergland, Erzgebirge, Thiiringer-, Bohmer--und Frankenwald). Kein FluBlauf tiber- quert das Hindernis und stellt die Verbindung zur Donau her. Zudem kommt erneut die zweite Schwierigkeit, die Frage nach dem Vorhanden- sein der Stammarten im eisfreien mitteldeutschen Raum. Manche Forscher meinen (Gams 1924, Odenwall 1928/29, Schef- felt 1925), die jetzt im Genus Coregonus in den Alpenseen feststellbare Formentiille sei erst nach der Einwanderung als Folge der Isolation in den abgeschlossenen Seenbecken entstanden und nehmen demgemaB als Stamm- form nur eine einzige Art, eine Wandermardne an. Andere wieder glau- 10 : Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. ben, der Formenreichtum sei von Anfang an vorhanden gewesen und viele Arten hatten die Stammformen fiir die heutigen Renken und Felchen der Voralpen abgegeben. Dem gegeniiber bin ich auf Grund meiner langjah- rigen Studien zur Ueberzeugung gekommen, da zwar die heutigen Renken und Felchen in den verschiedenen Gewdssern immer ein wenig von ein- ander abweichen, also infolge der Isolation sich kleine Eigenheiten zugelest haben, daB sie aber alle relativ leicht in vier ,Arten” unterzubringen sind, die nach auferen Merkmalen mitunter schwer von einander zu trennen sind, nach biologischen Eigenschaften dagegen sich immer leicht charakte- risieren lassen. Diese vier Arten, namlich: 1. Coregonus wartmanni Bloch, (1784) die groBe Schwebrenke oder der Blaufelchen 2. Coregonus macrophthalmus N iis slin (1882), die kleine Schwebrenke oder der Gangfisch 3. Coregonus fera Jurine (1825), die groBe Bodenrenke oder der Sandfelchen 4, Coregonus acronius v. Rapp (1854), die kleine Bodenrenke oder der Kilch sind, da sie in den verschiedensten Seen einzeln oder nebeneinander wieder- kehren, seit der Eiszeit in ihren Grundcharakteren annaihernd konstant geblieben und stellen somit zugleich die Arten dar, die sich vom nordischen Verbreitungsgebiet abgezweigt haben und eingewandert sind. Ich habe die Einheiten ,Arten” genannt. Man kénnte ebenso gut eine andere Bezeichnung wahlen, kénnte von Formenkreisen, Artkreisen oder dergl. sprechen. Es ist lediglich Geschmackssache und hangt davon ab, welchen systematischen Wert man den trennenden Eigenschaften bei- miBt, ob man die kleinen Differenzen in der Ausbildung der Merkmale (Reusenbedornung, Schnauzenform, AugengréBe usw.) fir wichtiger halt als den Gesamthabitus und das biologische Verhalten (Standort im See, Ernahrungsweise, Abwachs, Laichgewohnheiten usw.). Die k6érperlichen Merkmale sind anfangs ausschlieBlich und selbst: in neuester Zeit noch vorwiegend bei der Aufstellung der Arten verwertet worden. Man hat den kleinen Abweichungen viel zu viel Bedeutung bei- gemessen und dartiber den Blick fiir die groBen Zusammenhange mehr oder weniger verloren. Nachteilig war z.T. auch die gewahlte Untersuchungs- methodik. Ich lehne es grunds&atzlich ab, nach konserviert eingesandten ganzen Fischen oder gar nur Képfen ein Urteil iiber die artliche Zuge- hérigkeit abzugeben und habe mich bei allen meinen Untersuchungen nur auf frisches Material gestiitzt, auf ganze Fange, die ich an Ort und Stelle studierte und von denen ich genau wubte, wo sie erbeutet worden waren; ich habe Nahrungsanalysen durchgefiihrt, die Laichgewohnheiten zu ermit- teln versucht und dergl. mehr. Auf diese Weise erhalt man natiirlich ein wesentlich anderes Bild. Nach der Reusenbedornung scheinbar Zusammen- sgehériges kann auseinander gerissen werden und scheinbar wenig gut Zu- sammenpassendes kann doch aneinandergeftigt werden. Die Gesamtheit Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. 11 der Merkmale, der kérperlichen sowohl als der 6kologischen, war fiir mich bei Aufstellung der Arten mafgebend, nicht irgend welches einzelne.}) Es 1aBt sich natiirlich schwer der Beweis erbringen, ob ich mit meiner Anschauung, die genannten vier Arten seien die, die aus dem Norden ins Voralpengebiet eingewandert sind, im Recht bin. Da paldontologische Do- kumente vollstandig fehlen, kénnen die einzelnen Etappen der Wanderung nicht klar festgelegt werden. Man kann nur Vermutungen hegen, kann meiner Meinung oder der anderer Forscher die gréBere Wahrscheinlich- keit zubilligen. Fiir meine Auffassung spricht vielleicht die heutige Ver- teilung der vier Renkenarten auf die Voralpenseen. 3. Die Verteilung der Coregonusarten aui die Alpenseen. a) Der bisherige Stand unserer Kenntnisse. Alle vier Renkenarten kommen relativ selten im gleichen See neben- einander vor, nicht gerade haufig ist auch die Anwesenheit von dreien, meist konnten bisher jeweils nur zwei oder auch nur eine Art in einem See nachgewiesen werden. Sind mehrere Arten nebeneinander vorhanden, dann ist stets die planktonfressende Art des offenen Wassers zugleich auch die besserwtichsige und die ebenfalls planktonfressende, daneben aber auch Bodennahrung aufnehmende und dem Ufer mehr genaherte die langsam-wachsende Form, und unter den Bodennahrung vorziehenden Bodenrenken wachst stets die etwas héher an der Halde sich aufhaltende besser als die die tieferen Schichten und den Seeboden bevorzugende. Fine Ausnahme von dieser Regel gibt es nicht. Ja noch mehr: Die Wachstumspotenz ist innerhalb der Art konstant und deshalb stimmt das Wachstum bei jedem Typus, gleiche Temperaturverhaltnisse vorausgesetzt, von See zu See bis auf Millimeter im Durchschnitt fiir die einzelnen Jahresklassen iiberein. Weiter haben stets die beiden groB- wtchsigen Arten relativ kleinere, die zwei langsamer wach- senden dagegen relativ gréBere Augen. Die planktonfressende Form des Limnetikums zeigt wegen des reichlichen Vorhandenseins von Mela- nophoren meist schéne blaue bis schwAarzliche Rtickenfarbung (,,Blau- felchen”) und diese Farbung halt auch nach dem Tode noch lange an 1) Die vorliegende Arbeit ist in den ersten Jahren des Krieges niedergeschrieben worden, Inzwischen ist eine Arbeit (Steinmann’s) erschienen, die die Systematik der Voralpencoregonen erneut behandelt. Steinmann kommt auf die alte, friiher mehrfach vorgetragene Ansicht zuriick, es sei im Voralpenraum nur eine in zahlreiche ,,Schlage“ aufgespaltene Art vorhanden. Die Schlage wechselten nicht nur von See zu See, die Aufspaltung sei sogar im gleichen Gewdsser im Gange. Ich komme in anderem Zu- sammenhange spater noch einmal auf die Frage zuriick, hier sei nur betont, daB ich nach wie vor Zu meiner Einteilung in vier Arten stehe und Uberginge zwischen diesen nicht kenne, Wohlist es nicht méglich nach einzelnen kérperlichen Merkmalen, insbesondere der Zahl der Reusendornen, die Trennung vorzunehmen, aber das Gesamtbild der Arten ist bei Beachtung aller kérperlichen und d6kologischen Eigenschaften so gut abgerundet, daB Zweifel an der Zugehérigkeit einzelner Populationen zu der einen oder anderen Spezies nicht aufkommen kénnen. 12 Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. wahrend bei den tibrigen Arten Lipophoren vorherrschen und eine fahlere braunlich bis griine Riickenfarbe hervorrufen, die nach dem Tode der Fische sehr rasch abblabBt. Es ist schwer denkbar, daB diese erstaunliche Gleichheit lediglich Konvergenzerscheinung ist. Ware nur eine Stammart eingewandert, dann hatte dasselbe Biotop in verschiedenen Seen vielleicht einigermaBen 4hn- liche 4uBere Erscheinungsform und ahnliche biologische Charaktere heraus- ziichten kénnen, da aber die Weiterentwickelung so gleichmafig nur nach vier Richtungen gehen wiirde, ware ,kkaum zu erwarten gewesen. Wenn — viele Stammarten eingewandert waren, dann miifte erst recht die heutige Einheitlichkeit tiberraschen und man miiBte sich fragen, weshalb kommt nicht auch einmal ein langsam wachsender Planktoniresser eulimnetisch und ein besser wiichsiger in Ufernahe vor, weshalb nicht dann und wann ein gut wachsender Bodentierfresser in der Tiefe und ein langsam wiich- siger in den seichteren Seeteilen — wo doch derartiges im nordischen | Ausbreitungsgebiet offenbar vorkommt! Warum sind derartige Ausnahmen nicht haufig vorhanden, wo doch die Zwergmarane (C. albula L.) genau wie der Blaufelchen, Bewohner des freien Wassers ist und trotzdem bedeutend langsamer wachst als diese Art. Es kann das Wachstum nicht lediglich sich aus der Umwelt ergeben, es ist vererbt und Artmerkmal. 1937 (Wagler 1937 S. 381) hatte ich fir die Verteilung der Renken- arten auf die Voralpenseen folgende Tabelle sgegeben: Verteilung der Renkenarten auf die Voralpenseen (n. Wagler 1937) Gass Brienzer See +) + Heiterwangsee | _ | Genfer See Bola Se Ammersee +/+ |4 Thuner See +}-+ }]+ |+] Mondsee — Vierwaldst. See +);+)+ Sarner See a Wallensee +;)+}+ Baldegger See — Bodensee (Obersee) +}|+}+}|+] Bieler See ++ Traunsee an Ie Cian? Kochelsee + | + Attersee +);+ |? Hallwiler See + Zuger See a= | 2 js6 “Chiemsee +);+)])+ Walchensee +) + Murtensee == Achensee + f- Pfaffikonsee — + Hallstatter See + Greifensee + = Neuenburger See 2? }+)+ Faaker See == == Wiirmsee + | + Alpsee == ote Abersee + WeiBensee + Sempacher See -+- . Worthsee + Plansee — — Unter-(Boden-)see +} + Ziirichsee +/+ /,+ | Staffelsee + == Worther See +)? Pilsensee = Tegernsee + | -- B = Blaufelchen, G = Gangfisch, S = Sandfelchen, K = Kilch Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. 13 Es kamen also nach dem damaligen Stand der Forschung alle vier Arien nur zweimal neben einander vor, im Bodensee, wo sie schon seit Jahrhunderten von den Fischern unterschieden werden und im Thuner See, an dem ich den Nachweis ftihren konnte, da der sog. Kropfer der Kilch ist und als vierte Art neben den Blauling (Blaufelchen), das Albeli (Gangfisch) und den Balchen (Sandfelchen) gestellt werden mu. Drei Arten waren im Vierwaldstatter See, Wallen-, Ziirich-, Ammer- und ‘Chiemsee zu Hause. Wahrend es sich dabei aber fast immer um die beiden Schweb- und die grofe Bodenrenke handelte, hatte der Ammer- see als einziger nur die kleine Schwebrenke und statt des Blaufelchen den Kilch. Die tibrigen Seen hatten meist nur zwei Arten und zwar je eine der Schwebrenken und die groBe Bodenrenke, bei wenigen war nur eine Art und zwar stets eine der Schwebrenken nachgewiesen. In der Tabelle erscheint als sicher nachgewiesen der Blaufelchen 21mal, als unsicher 4mal, der Gangfisch 23mal sicher und 2mal zweifel- haft, der Sandfelchen 23mal sicher und 2mal unsicher und der Kilch tberhaupt nur insgesamt 3mal. Der Kilch ist also, was lange bekannt war, die seltenste Art. Die anderen Spezies halten sich mit je 25 sicheren und unsicheren Vorkommen scheinbar die Waage. Aus der GroBe, maxi- malen und mittleren Tiefe der Seen einen Anhaltspunkt zu gewinnen, nach welchem Prinzip die Verteilung auf die Seen erfolgt ist, scheiterte. Das _Auftreten schien keinen besonderen Gesetzen zu unterliegen und vdllig -unabhangig von den hydrographischen Bedingungen zu sein. Nun wufte ich bei der Abfassung der Tabelle schon, da8 sie noch unvollstandig ist. Einmal umfaft sie noch nicht alle Renkenseen der Voralpen und zweitens bestanden Beobachtungsliicken insofern, als in manchen der Gewdsser mir eine oder die andere Art nicht zu Gesicht gekommen sein konnte und drittens lagen vielleicht auch manche Fehlbestimmungen infolge zu spar- lichen Materials vor. Ich vermutete, da sich noch gréBere Anderungen in der Tabelle ergeben wiirden. Die Vermutung hat sich als richtig heraus- gestellt. Vor allem ftir Bayern und die 6sterreichischen Lander kénnen jetzt gréBere Korrekturen angebracht werden, die das Verbreitungsbild stark verandern. Die fortschreitende Erforschung der Gewasser hat neue Erkenntnisse gebracht. Besonders ein Umstand ist mir dabei zu Hilfe gekommen: die Anderung der Bewirtschaftungsweise. b) Die Auswirkung der neuen Bewirtschaftungsweise auf die Renkenbestande. In Bayern ist auf mein Betreiben mit der friiheren Art, die Seen zu behandeln, endgiiltig gebrochen worden. Die Unterstellung der Fischerei unter die Obhut und Fiihrung des Ministeriums fiir Ernahrung, Landwirt- schaft und Forsten und der ihm nachgeordneten Organe haben in verhalt- nismaBig kurzer Zeit eine grundsatzliche Anderung erméglicht. Wahrend die Seenfischer in friiherer Zeit im groBen und ganzen tun und lassen 14 Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. konnten, was sie wollten, bezw. was die Genossenschaitsversammlungen durch MehrheitsbeschluB8 festlegten, erfreuen sie sich jetzt einer tatkraf- tigen Leitung und Férderung von oben her, und das hat sich schon in ver- schiedener Richtung niitzlich ausgewirkt. Was die Renken anlangt, beruht die jetzige Bewirtschaitungsweise vor allem auf zwei Mafnahmen: : 1. der Ausschaltung des Zuggarnes und damit der willkir- lichen Entscheidung des Fischers tiber die dem Ver- braucher zuzuftthrenden MindestgréB8en der Fische, 2. der Anpassung der Maschenweiten in den Stellnetzen an den Abwachs und den Reifeeiniritt bei den vorhandenen Stam- men und damit der Sicherstellung des Nachwuchses in ge- niigend grcBer Zahl. | Die Erfolge, die mit dieser planmaBigen Bewirtschaftung erzielt worden - sind, sind schlagend. Mit wenigen Ausnahmen waren die bayerischen Seen stark heruntergewirtschaftet. Hektarertrage von 0,5 kg waren nichts — seltenes. So wurden z. B. im Kochelsee bei Verwendung von 28 mm in den Stellnetzen bis 1930 nur noch 67 kg pro Jahr und qkm Seeflache gefangen. Auf meinen Rat hin, weitmaschigere Netze anzuschaffen, ging man mit einem Sprunge auf die als wiinschenswert bezeichneten 35 mm. In den beiden nachsten Jahren fing man dann wohl auch nicht mehr, aber das Vorgehen lohnte sich schlieBlich doch: bis 1937 stieg die Jahres- ernte allmahlich auf 932 kg/qkm. Leider kam darnach ein erneuter Riick- schlag. 1940 brachte nur noch 272 kg/qkm. In konsequenter Durch- ‘fihrung des angenommenen Bewirtschaftungsprinzips beschlof man, nur noch 38 mm zu gebrauchen und dieser Schritt hat endgiiltig die erwiinschte Besserung gebracht. Die Ernte schnellte erneut hoch und ist nun seit 1942 annahernd gleich geblieben mit tiber 1000 kg/qkm. Leider 1laBt sich die Zahl statistisch nicht ganz genau erfassen. Solange die Ertrage noch ge- ring waren, wurden mir von den Fischern bereitwillig .genaue Ausktinite gegeben, sowie aber die Steigerung da war, bekam man Angst vor dém Finanzamt und in der Zeit der Lebensmittel-Zwangsbewirtschaitung war noch ein zweites Schreckgespenst hinzugetreten. Die Fischer waren ge- halten, ein vom Ministerium festgesetztes Kontingent ihres Fanges an einen GroBhandler zur weiteren Verteilung an den Kleinhandel und damit an die Bevoélkerung der GroBstadt Miinchen abzuliefern. Da der freie Ver- kauf und Tausch der Fische sich lohnender gestalten lies als die Ablie- ferung an den GroBhandel, suchte man das Kontingent méglichst niedrig zu halten. Man gab weniger Jahresertrag an und holfte dabei, daf dann das Ablieferungssoll herabgesetzt wiirde. Die am Kochelsee mit den weiten Maschen gemachten Erfahrungen decken sich véllig mit den an anderen Seen gewonnenen (Ammersee, Rieg- see, Tegernsee, Weissensee etc.). Stets kam auf die Vergré8erung der Maschen eine dem Sprung entsprechende mehr oder weniger schnelle und groBe Verbesserung der Ernte, aber diese hielt nicht sofort an. Es Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. : 15 traten vielmehr meist gAnzlich unerwartet und unerwiinscht stérende Fluk- tuationen auf, die erst verschwanden, wenn die endgiiltige, dem Abwachs vollig angepaBte Maschenweite erreicht war. Beim Gangfisch ist das Mah 38 mm, beim Blaufelchen mindestens 45 mm, wahrscheinlich 48 mm. Ich komme auf die Frage in einer anderen Arbeit eingehend zuriick. So viel kann aber jetzt schon gesagt werden: der Grund fiir die Notwendigkeit der hohen Weiten in den Stellnetzen ist die auBerordentlich groBe Ver- nichtungsziffer bei den Eiern, der Brut und den Jungfischen der Renken. Wie sich zeigen 1a8t, kommt von mindestens 4000 im Laich abgelegten Fiern nur ein einziges bis zum fangreifen Fisch! Der Gesamtertrag der etwa 250 qkm bedeckenden bayerischen Renken- seen belief sich vor 1937 auf rund 37000 kg dieser Fische. Die Zahl war aber 1940 bereits auf 67000 kg angestiegen. Wenn nun auch infolge des Krieges und seiner Auswirkungen, des Arbeitskraft- und Faserstoff- mangels 1942 bis 1945 ein kleiner Riickschlag zu verzeichnen war, so ist 1946 und 1947 wieder eine leichte Besserung sptirbar und ein spaterer sleichmaBiger Aufschwung mit Sicherheit zu erwarten. Ich hoffe die Ernte bis auf fast 300000 kg im Jahr, also auf etwa das 8fache des urspriing- lichen, bringen zu k6nnen. Die Veranderung der Befischungsweise hat, was ich von Anfang an wuBte, sehr groBen EinfluB auf das Aussehen der Fische gehabt. Zunachst ist die Durchschnittsgr6Be im Fang stellen- weise ganz erheblich angewachsen. Als ich im Herbst 1927 am Wiirmsee einige Hundert Renken untersuchte, war die Hauptmasse, da noch mit 28 und 30 mm in den Stellnetzen und mit dem Zuggarn gefischt wurde, nur ca 25 cm lang. Viele Exemplare waren kleiner, bis herunter zu 19 und 20 cm, nur ganz vereinzelt wurden 30 cm erreicht. Heute bei 36 mm im Minimum in den Stellnetzen liegt das Langenmittel bei 29 bis 30 cm und eine ganze Anzahl ist stets im Korbe, die 35 cm und mehr hat, aber kleinere Fische sind selten. Am Ammersee waren die Renken des Fanges im Jahre 1928 nur 20 bis 32 cm lang mit dem Mittel bei 24 bis 25 cm, wahrend 1941 die entsprechenden Zahlen bei 25 bis 40 und 33 cm lagen. Infolge der gréferen KGrperlange treten jetzt zweitens die Artmerk- male viel besser heraus als friiher. Am Wtirmsee hatte ich schon bei der ersten Untersuchung von 1927 den Verdacht, es méchten unter den uberpriiften 650 Exemplaren zwei verschiedene Arten sein. Die beiden Formen, die ich als A und B in meinen Auizeichnungen fiihrte, waren jedoch wegen der Ahnlichkeit der Reusenbedornung und der geringen Ver- schiedenheit im Wachstum bei den jugendlichen Individuen nicht deutlich auseinander zu halten, weshalb ich auf ihre getrennte Beschreibung ver- zichtete und nur eine Art, den Gangfisch, anerkannte. Nunmehr hat die Untersuchung der weit gréBeren Fische ergeben, daf neben dem Gang- fisch auch noch der Blaufelchen auftritt. Am Ammersee liegen die Verhaltnisse ahnlich. Bei der ersten Untersuchung 1928 war im Fang nur der Gangfisch sicher bestimmbar, ob- 16 Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. gleich auch der Blaufelchen vermutet wurde. Es bildeten ja der Ammer-, Pilsen- und Woérthsee zusammen mit weiten jetzt trocken liegenden Flachen (z. T. noch ,,Filze* und ,Moose") im friithen Postglazial eine ein- zige groBe Einheit. MuBte es dann nicht merkwiirdig erscheinen, wenn zwei der Restseen (Ammer- und Worthsee) den Gangfisch allein hatten, wahrend im dritten (Pilsensee) der Blaufelchen sich fand? Hatte der kleine und flache Pilsensee die groBe Schwebrenke, dann mubBte sie erst recht - in den beiden gréBeren und tieferen Becken zugegen sein. Die Vermutung hat ihre Bestatigung gefunden. Im Ammersee lebt neben dem Gangfisch der Blaufelchen in schénen, typischen Exemplaren und auch im W6rth- see ist er wieder aufgetaucht — seit mit weiteren Maschen gefischt wird. Am Tegernsee war die Artbestimmung besonders schwierig. Fast seit der ersten Untersuchung, bei der allein der Gangfisch nachgewiesen wurde, fielen mir immer einzelne gut gewachsene Stticke im Material auf. Der Prozentsatz dieser Fische ist im Laufe der Jahre mit der Erhéhung der Maschenweiten immer groBer geworden. Heute weil ich bestimmt,. daB diese Stiicke der Art wartmanni zugehéren. Die letzten Zweifel hat — die im Herbst und Winter vorgenommene Untersuchung der Eier und Dottersackbrut beseitist. Aus dem Chiemsee hatte ich den Blaufelchen und Sandfelchen neben einer kleineren Art aufgeftihrt, die ich mit dem Gangfisch identi- fizierte. Scheffelt wollte allerdings den Kilch als Chiemseebewohner nachgewiesen haben. Inzwischen hat sich herausgestellt, da beide Be- stimmungen richtig sind. Kilch und Gangfisch leben im Chiemsee neben- einander, nur hat die ahnliche, niedere Reusendornenzahl bei den Fischen die saubere Trennung bisher verhindert. Die heute im Fang vorliegenden groBeren Fische zeigen die auBeren Merkmale der beiden Spezies sehr deutlich. Die Fischer, die frither tiberhaupt nur ,,Renken” schlechthin kannten, sprechen jetzt z. T. die Arten sicher an und gebrauchen in der Unterhaltung die Namen Blaufelchen, Sandfelchen, Gangfisch und Kilch vollig richtig — genau wie am Bodensee. In der Tabelle erschienen ferner Fragezeichen beim Traunsee in den Rubriken fiir Gangtisch, Blau- und Sandfelchen. Auch diese kann ich jetzt ausmerzen. Was von den Fischern als Reinanke bezeichnet wird, ist wirklich der Blaufelchen, wahrend der Riedling dem Gangfisch ent- spricht. Der Sandfelchen mu nach den Aussagen der Fischer ebenfalls vorhanden sein. Im Handbuch der Binnenfischerei wurden als Renken fiihrend die Trumer Seen nordlich Salzburgs mit aufgezahlt. Zu dieser Gruppe ge- hért als dritter der Grabensee. Er hat ebenfalls den Blaufelchen, wahrend der Niedertrumer See daneben noch den Ganglisch besitzt. Weiter darf ich mit Zustimmung von Kollegen Dr. Einsele folgendes erwahnen. Im Zellersee im Pinzgau waren in friiheren Jahrzehnten Reinanken ge- — fangen worden. Die Fische waren allmahlich angeblich wegen Verschlech- terung der Lebensbedingungen, in Wirklichkeit aber wohl infolge Raub- Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. 1|7/ fischerei mit zu engen Netzen, immer sp&arlicher geworden, so da der Fang schlieBlich als nicht lohnend ganz eingestellt werden mute. Neuer- dings hat sich der Bestand wieder erholt. Es werden Blaufelchen gefangen! Endlich haben sich ein paar bayerische Seen noch als Renkenseen herausgestellt, namlich einige der Osterseen (groBer Ostersee und manche der kleineren Gartenseen), die alle Trabanten des Wiirmsees sind und ehe- mals zu diesem gehérten, der Niedersonthofener See (Restsee des einstigen Illersees), der Obinger und Seeoner Kloster-See im Chiem- seegebiet und der Seehamer See an der Autobahn Miinchen-Salzburg. Alle enthalten, soweit ich bisher Bestimmungen durchfiihren konnte, den Blaufelchen — allerdings in sehr geringer Menge. Durch diese neuen Beobachtungen und Funde hat die Liste der Renken- vorkommen in Bayern und Osterreich ein wesentlich anderes Aussehen er- halten. In der Schweiz wiirden bei entsprechender Bewirtschaftungsweise ebensolche Veranderungen zu erwarten sein. Solange da aber wie am Boden- see alle Hoffnung auf die kiinstliche Erbriitung gesetzt wird, ist nichts zu erhoffen. Wie die nachfolgende Tabelle zeigt, ist der Blaufelchen die haufigste Renkenart im Voralpengebiet. In 35 Fallen von insgesamt 38 tritt er mit Sicherheit auf, wahrend der Gangfisch nur 15, der Sandfelchen 21 und der Kilch gar nur 4mal vorhanden ist. Die Ganglischvorkommen werden schwer- lich noch vermehrt werden k6onnen, weil kein schlechter wachsender Core- gone, auf den die Maschenweiten eingestellt sein kénnten, bei uns existiert und deshalb auch der Gangfisch zugunsten dieses Fisches nirgends unter- driickt sein kann. : Anders liegen die Verhaltnisse beim Sandfelchen. Ich nehme an, daf die Zahl der Fundorte noch sehr stark erganzt werden kann. Die grofe Bodenrenke wird iiberall, wo sie nachgewiesen werden konnte, nur in geringer Zahl und meist nur zu bestimmten Zeiten (Friihjahr und wahrend des Laich- geschaftes) gefangen. Es bleibt daher stets mehr oder weniger dem Zufall tiberlassen, ob sie dem nur hin und wieder an die Gewasser kommenden Biologen in die Hande gerat. Nach meinen Erfahrungen miiBte die grofe Bodenrenke in fast allen Seen noch bestatigt werden kénnen, 18 Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. Vorkommen der Coregonusarten in Bayern und Osterreich nach dem jetzigen Stande. Areal ma. T. | mit. | 3B 1G \'s4 K | M’) Bodensee (Obersee) | 475,49 | 252.0 | 100,1 + ]+ | + | -+ Chiemsee 80,14 73,6 24,5 +y)+y7+ 7+ Untersee (Bodensee) 63,00 46,0 13,2 +y7/+y7+)]+ Wiirmsee 57,10 123,0 54,0 +})+]-+ Ammersee 47,00 | 82,5 37.8 | 4-4 settee Attersee 46,72 | 170.6 Mp psp) ae == Traunsee 25,65 | 197,0 89.7> 4 oie | eel ee Worther See 19,14 84,6 43,2 + Walchensee 16,37 192,0 91,8 Sei Se oe Mondsee 14,22 68,3 35,9 + Abersee (Wolfgang-See) 13,15 | 114,0 47,1 — Tegernsee 9,12 71,0 39:7. =| 1st ale Tachensee (Waginger See) 8,97 20,5 15,6 + =e Hallstatter See 8,58 125,2 64,9 + Staffelsee 7,65 35,0 10,7 =F ate Achensee 7,34 | 133,0 706) Was “fz Simssee 6,54 22,9 © 13,4 =F = |= Kochelsee 5,95 67,0 28,5 = pe (cae Ce Obertrumer See 4,91 35,0 16,0 - Zeller See - 4,70 69,5 37,0 + Worthsee 4,49 33,0 ADE =|) =) Sr | A= Niedertrumer See 3,70 40,0 15,7 +] -+- Plansee 2,85 76,5 44,8 ab Alpsee bei Immenstadt 2,41 22,8 Wl tae s= Faaker See 2.34 29,5 14,2 + 1+ Schliersee 2,19 37,0 24,9 — + Pilsensee 1,93 16,0 9,4 + Sa Riegsee 1,86 14,0 5,6 + + Eibsee die 34,5 ? + + Heiterwangsee 1,35 60,0 39,2 + Niedersonthofener See 1,30 PANT 10,7 + Grabensee 1,30 13,0 7,0 + WeiBensee 1,29 25,0 13.5 ++ sgroBer Ostersee 1,19 29,8 11.7] -+4 Langenbiirgener See 1,03 35,0 ?. == Seehamer See ca 1,00 ? ? + Obinger See 0,32 14.0 ? +. Seeoner Kloster See 0,46 15,0 7,5 + ) es Io ae, 5 ernie und mittlere Tiefe, B= Blaufelchen, G = Gangfisch S = Sandfelchen, K = Kilch, M = kleine Marane, Das Areal ist in qkm angegeben. Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. 19 c) Eigenschaften der Gewadsser, die das Auftreten der Renken beeinflussen. Sieht man sich die Seen auf ihre limnographischen Eigenheiten an, so ergibt sich, daB sowohl gr6éBte und tiefste als kleinste und flachste vom Blaufelchen besiedelt werden. Dieser Coregone ist bisher mit Bestimmtheit nicht nachgewiesen worden im Faaker, WeiSen- und Worther See. Er kénnte aber nach meinem Dafitirhalten in allen noch entdeckt werden. Im Kochel- see habe ich ihm schon lange nachgespiirt, da er aus bestimmten Griinden eigentlich dort sein miiBte und ich glaube, ihn auch schon in einzelnen Exem- plaren angetroffen zu haben. Die Walchseepopulation des Gangfisches soll wiederum auf den Einsatz von Kochelseerenken zuriickgehen, den Abt Wilhelm von Benediktbeuren im Jahre 1480 mit vieler Mihe vorgenommen hat. Ich méchte bezweifeln, daB der gesamte Coregonenbestand im Walchen- see wirklich erst von Abt Wilhelm geschaffen worden ist. Der Walchensee waAssert jetzt in der Hauptsache tiber das Walchensee- Kraftwerk durch einen Druckstollen mit 200 m Fall nach dem Kochelsee ab und stellt, da von Stiden her die Isar zur besseren Wasserspeisung ein- seleitet wurde, eine einseitige, nur fluBabwarts gerichtete Verbindung zwischen dieser und der Loisach, die wiederum in die untere Isar einmtindet, dar. Die obere Isar zog frither am Walchensee vorbei, stand aber doch mit ihm durch einen seiner Abfiliisse, die Jachen, in Verbindung. Nun lag in der Nacheiszeit, eingebettet ins Tal der Isar, entweder ein einziger gewaltiger See oder eine Kette von kleineren oligotrophen Gew4ssern (Seen von Tdlz, Fall, Vorderrif und Wallgau-Mittenwald) und ein Seitenarm dieser Wasserbecken reichte in die Jachenau gegen den Walchensee hin. Weiter abwarts lagen im Tal der Loisach der grofe K6nigsdorfer und Wolfratshausener See. Sie alle mtissen Coregonen besessen haben und darunter besonders den Blaufelchen; denn wenn einerseits dieser Fisch iiber die Isar und Loisach und weiter iiber eine nicht mehr vorhandene Verbindung (Bergsturz) bis in den Eibsee gelangen konnte und er anderseits tiber den Oberlauf der Isar den Achensee erreichte, dann mtiBte es geradezu Wunder nehmen, wenn er nicht auch in die beiden verschwundenen Seen, sowie den Walchen- und Kochelsee, gelangt ware. Schon immer war es mir aufgefallen, daB viele der Walchenseerenken eine eigenartige, nicht recht zum Gangfisch passende, metallisch blaugriine Riickenfarbung besaBen. Ein sicheres Erkennen des Blaufelchen, an den die Farbung denken lieB, war aber an den wegen der engen Maschen sehr kleinen Fischen nicht méglich. Nun spielte mir der Zufall ein kleines Schuppenmaterial aus dem Walchensee vom Jahre 1912 in die Hande. Damals wurden nach den Aussagen eines 4lteren, sehr zuverlassigen Fischers, der selbst in seiner Jugend am Walchensee gearbeitet hat, mit weitmaschigen Zuggarnen vorwiegend gréBere Renken gefangen. Die Untersuchung dieser Schuppen und die Riickberechnung des Wachstums nach der Dahl-Lea’- schen Methode ergab einwandfrei den Blaufelchen. Abt Wilhelm hat wahr- Veroff. Zool. Staatssamml. Miinchen (1950) 2 20 Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. scheinlich den Walchensee nicht erst mit Coregonen besiedelt. Er hat viel- leicht aus dem Kochelsee den Gangfisch, der sich im Mittelalter besonderer Wertschatzung erfreute, zum vorhandenen Blau- und Sandfelchen hinzuge- fiigt, keineswegs aber einen neuen Renkensee geschaffen. Uberdies sind neuerdings groBere Mengen Blautelchen-Briitlinge aus dem Bodensee in den Walchensee eingesetzt worden. Den Blaufelchen sollte man ferner fiir den WeiRensee annehmen, das letzte gréBere Uberbleibsel des einstigen grofien Lechsees. Das gleiche gilt fiir den W6rther und Faaker See in Karnten, die mir noch relativ schlecht bekannt sind. An allen wird der Blaufelchen wahrscheinlich nur durch die im Gebrauche stehenden engen Netze so stark darnieder ge- halten, da er nicht recht in Erscheinuug treten kann. Am Faaker See wurde ja noch vor wenigen Jahren ausschlieBlich mit sehr engem Zuggarn auf den Laichplatzen (des Gangfisches) gefischt! Damit wiirde aber das Vorkommen der groBen Schwebrenke in allen voralpinen Coregonenseen entweder sicher nachgewiesen oder doch zum mindesten wahrscheinlich gemacht sein, Wesentlich anders ist die Verteilung des Gangfisches. Er findet sich vorwiegend in groBen und tiefen Seen, namlich im Arealion mil, Areal mi. T. Bodensee 475,46 100,1 Worther See 4,49 43,2 Chiemsee 80,14 24,5 Tegernsee 9,12 39,7 Wiirmsee 57,10 54,0 Kochelsee 5,95 28,5 Ammersee 47,00 37,8 Worthsee 4,49 13,0 Attersee 46,72 84,2 Niedertrumer See 3,70 15,7 Traunsee : 25,65 89,7 Faaker See 2,34 14,2 Walchensee ; 16,37 91,8 WeiBensee 1,29 13'S dagegen nicht in folgenden tiberwiegend kleineren oder flacheren Becken: Mondsee 14,22 35,9 Zeller See 4.70 37,0 Abersee 1snS 47,1 Plansee 2,85 44.8 Hallstatter See 8,58 64,9 Schliersee 2,19 24,9 Achensee 7,34 70,6 Heiterwangsee 1,35 39,2 Tachensee 8,97 15,6. Niedersonthofener See 1,30 10,7 Staffelsee 7,65 10,7 Grabensee 1,30 7,0 Simssee 654 13,4 gr, Ostersee , 1. 19be eT Niedertrumer See 3,70 ls}i7) Langenbiirgener See 1,03 & Alpsee 2,41 14,1 Seehamer See ? ? Pilsensee 1,93 9,4 Obinger See 0,32 z Riegsee 1,86 5,6 Seeoner Kloster-See 0,46 po Eibsee (hal ? Die Regel erleidet allerdings auf beiden Seiten einige Ausnahmen, aber gerade diese sind besonders bemerkenswert. Die gréB8eren und tieferen Seen, welche den Gangfisch nicht besitzen und in der ersten Gruppe der Tabelle besonders zusammengefaBt sind, liegen am weitesten im Gebirge, Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. D| haben steile B6schungen oder schroff in die Tiefe abfallende Wande, schmale, stellenweise ganz fehlende Uferbank und wenig flache Teile. Alle beher- bergen gleichzeitig den Seesaibling oder sind sogar wie der Mond- und Schliersee vorwiegend Saiblings- und erst in zweiter Linie Renkenseen. Die Seen der zweiten Gruppe sind mit. Ausnahme des Eibsees, der viel- leicht besser zur ersten zu stellen ware, mehr oder weniger eutrophe Ge- wasser. Die meisten sind Corethraseen mit rascher Sauerstoff-Abnahme nach der Tiefe. Bringt man nun die Lebensweise des Gangfisches mit der Eigenart der Seen in Verbindung, dann ahnt man mehr, ohne bestimmt er- kennen oder beweisen zu kénnen, welche Ursachen die eigenartige Ver- teilung regeln. Im Bodensee ist der Gangfisch keineswegs gleichmaBig tiber den ganzen See bezw. seine Uferzone verteilt. Er tritt hier haufiger, da spar- licher auf. Im ganzen scheint er an schroffen Felswanden und steilen Halden sich weniger wohl zu fiihlen als an sanft geneigten. Besonders bevorzusgt werden die nicht zu tiefen Seeteile (gré8ere Buchten wie vor Lindau und Bregenz, Konstanzer Trichter, Schussendelta usw.). Den gleichen Eindruck sgewinnt man beim Studium der Fangplatze in anderen Seen. Im Walchen- see halt sich der Gangfisch z. B. nur vereinzelt an den in den See ab- fallenden Steilwanden des Herzogstandes auf, reichlich dagegen an den gegentiber liegenden Ufern und besonders in den Buchten von Einsiedeln, Niedernach und Walchensee. ,,Nach den Fangen der Fischer, macht es den Eindruck, als ob der Gangfisch weiter seewarts (im Gebiet der Schussen- miindung) in groBer Zahl vorkommt. Im flachen Miindungsgebiet selbst wird er schon ab August in groBen Mengen gefangen. Er halt sich dort bis zur Laichzeit im wesentlichen an Stellen auf, die 18 bis 25 m tief sind” (Nu- mann 1940). Dazu kommt ferner noch eins: ,Die Fange zeigen, dafs der Gangfisch sich zur Laichzeit an den flachsten Stellen aufhalt. Die meisten Fische wurden von den Fischern gefangen, die in 2 bis 3m Tiefe gesetzt hatten. Die ersten laichenden Fische wurden, wie ich durch tagliche Kon- trolle bei den Fischern feststellen konnte, auf der Wysse gefangen" (Nt- mann 1940). Der Gangfisch ist nicht einseitiger Planktonfresser wie der Blaufelchen in den grofen und tiefen Seen, sondern nimmt mit Vorliebe und vor allem: wahrend der Wintermonate Bodennahrung (Chironomiden) auf. Besonders im Alter neigt er, wie ich wiederholt betont habe, starker zu dieser Er- nahrungsweise. Diese Vorliebe in Verbindung mit den Laichgewohnheiten erklart nun die eigenartige Verteilung tiber die Voralpenseen. In flachen Seen ist das Entscheidende fiir das Fehlen der kleinen Schwebrenke der Sauerstofischwund in der Tiefe. Der Blaufelchen vermag zwar bei ein- | tretender Sauerstofi-Zehrung in die oberen Lagen auszuweichen, weil er an sich schon an das limnetische Leben in den oberen Schichten angepabt ist und mit der Planktonnahrung vollig auskommt, der Gangfisch dagegen nicht. Er braucht anscheinend und zumal wenn er Alter wird, tieferes Wasser und ein bestimmtes Ma8 von Bodennahrung. Sauerstof{-Zehrung in der Tiefe 3* BD _ Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. tritt in unserer Héhenlage bei etwa 15 m und weniger ein. Das ist infolge- dessen die Mindest-Mitteltiefe, die ein Gangfischsee haben mu und die in der Tat in der obigen Zusammenstellung der Gangfischseen kaum unterschritten wird. In den tieferen Seen tritt der Gangfisch aber nur da auf, wo gentigend breite Uferbank ftir die Laichablage und flache Teile und sanit geneigte Halden fiir die Weide in der erforderlichen Ausdehnung vor- handen sind. Steile Felswande und Halden bieten ihm nicht die gewitinschte Bodennahrung in ausreichender Menge. Der wahlerischste Voralpencoregone ist zweifellos der Kilch. Da diese einzige wirkliche Tiefenrenke nur zeitweilig in flacheres Wasser zieht, ist es durchaus verstandlich, da sie nur in den groBten und tiefsten Seen zur Ansiedelung gekommen ist. In der Tabelle sind nur drei Kilchseen enthalten, der Ammer-, Boden- und Chiemsee, als sicher kann ferner der Thuner See in der Schweiz angeschlossen werden. Vielleicht lebt der Kilch unerkannt noch in einigen anderen Schweizer Seen. So vermute ich z. B., daB im Genfer See unter der Bezeichnung ,gravenche" wie am Chiemsee zwei verschiedene Coregonen mit ahnlicher niederer Reusendornenzahl laufen, namlich der Gangfisch und der Kilch. Es scheint also, wenn wir kurz zusammenfassen wollen, als ob Blau- und Sandfelchen die geringsten Anforderungen an ihre Umgebung stellten, empfindlicher ist schon der Gangfisch und am meisten spezialisiert der Kilch, Die Tatsache, da Blau- und Sandfelchen fast tiberall zuhause sind und die zweite, daB Gangfisch und Kilch trotz ihrer Anspriiche ans Milieu sowohl im AuBersten Osten als Westen des Gebietes angetroffen werden, machen es wahrscheinlich, daB ihre Vorfahren zunachst in alle Seen gelangt sind. Sie haben sich in manchen bis heute nebeneinander halten konnen, in an- deren ist die eine oder andere Art schon kurz nach der Einwanderung aus-. gefallen oder im Laufe der Zeiten mit der Veranderung des limnologischen Charakters allmahlich wieder verschwunden. Wir miissen ja immer wieder darauf hinweisen, daB die meisten der Seen bedeutend an Umfang verloren haben. Der Wasserspiegel ist teilweise bis zu 30 und 40m abgesunken. Weite flachere Teile sind dadurch den Seen entzogen worden. DaB die értlichen Umgebungsbedingungen und nicht die Einwanderungs- moglichkeiten das Auftreten der Coregonusarten in den Seen bestimmen, geht besonders deutlich aus dem Verhalten benachbarter Seen hervor. Der Gangfisch lebt z. B. im Attersee, nicht dagegen im Mondsee, trotzdem beide nur durch einen kurzen FluBlauf getrennt sind und ein Austausch von Blau- felchen von See zu See beobachtet wird. Ebenso lebt C. macrophthalmus wohl im Traunsee, nicht aber im Hallstatter See, obwohl er Traun aufwarts leicht dahin gelangen kénnte und dieser Weg von einer anderen Art (Blau- felchen) zur Laichzeit wenigstens teilweise auch heute noch zurtickgelegt wird. Im oberen Bodensee leben alle vier Renkenarten, im unteren sind dagegen nur zwei haufig. Wenn ich auch glaube, das der Blaufelchen bei éroBerer Maschenweite im Untersee an Zahl zunehmen kann, so wird doch die vierte Art, der Kilch, immer sehr selten bleiben. Er wird in einzelnen Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen, 23 Exemplaren als Zuwanderer gefangen werden, sich aber nicht zum Stand- fisch entwickeln kénnen. Ahnliche Beispiele konnten noch mehr angegeben werden. Alle beweisentast zwingend, daB die Auslese der See selbst vorgenommenhat. DasAngebot wariiberall das gleiche, aber die Méglichkeit zur Ansiedelung und zum Durchhalten war nicht tiberall gegeben. 4, Finden sich die Alpencoregonen im nordischen Verbreitungsgebiet? Wenn wir die vier heutigen Voralpen-Coregonusarten als die alten Einwanderer ansehen, die sich seit der Eiszeit fast unverandert erhalten haben, und wenn diese Einwanderer von Norden gekommen sind, dann diirfte wohl die nachste Frage, die gestellt werden muf, lauten: Sind diese vier Arten heute noch und, wennja, wo sind sie im nordischen Ver- breitungsgebiet nachweisbar? Fiir zwei Arten wurde diese Frage fiir Norddeutschland bereits beantwortet. Blaufelchen und Sandfelchen haben ihre nordischen Vertreter in der Edelmarane und groBen Marane. Die aus- fiihrliche Begriindung dieser Ansicht findet sich im Handbuch der Binnen- fischerei (Wagler 1940). Die Edelmardne (C. generosus Peters 1871) ist unter dem Namen Peipusmarane (C. maraenoides Poljakow 1874) am bekanntesten geworden. Sie findet sich in Deutschland in einer Reihe von Seen in Ostpreufen (z. B. Goldapgarsee) und in der Mark (Nominatform!: Pulssee und benachbarte Seen des Warthesystems). Nach Otterstrom (1912—17) soll sie auch in Danemark zu Hause sein und ein Vorkommen in England ist nach meinem Dafirhalten nicht ganz ausgeschlossen. Im allSemeinen macht es den Eindruck, als ob die Haufigkeit von Osten nach Westen zu abnehme. Leider laBt sich noch sehr schwer nachpritifen, wo im einzel- nen die Edelmarane in Skandinavien und Finnland auftritt. Vorhanden ist sie da auf jeden Fall. Die groBe Mardne (C. maraena Bloch 1779) ist in Norddeutschland sehr haufig. Sie kommt in zahlreichen Seen, meist allerdings in geringer Volksdichte vor. Nach Westen reicht sie sehr wahrscheinlich bis England. Gangfisch und Kilch sind aber bestimmt in keinem einzigen norddeutschen See ansdssig, obwohl einzelne Gewdsser groB und tief genug waren, ihnen geeignete Lebensbedingungen zu bieten. In England fehlen die beiden Arten ebenfalls, soweit man nach der vorhandenen Literatur entscheiden kann. Wie es in Skandinavien steht, 1aBt sich vorlaufig schwer sagen. Die bis- herige Art und Weise die Gruppe zu behandeln, steht hindernd im Wege. Der gré8te Wert wurde ja immer der Reusenbedornung beigelegt und diese gibt keineswegs sichere Kennzeichen fiir die Spezies ab. Biologische Notizen, aus denen man das Charakteristische der Lebensfiihrung erkennen kénnte, sind selten oder zu knapp gehalten, und auf die tiberaus wichtige Frage des Abwachses gehen nur wenige Arbeiten neuerer Zeit ein. Selbst dann entstehen noch Schwierigkeiten, weil den Altersbestimmungen zuweilen gr6- Bere Fehler besonderer Art anhaften. 2A Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. a) Die Schwierigkeit der Identifizierung nordischer und alpiner Arten infolge der Unterschiedlichkeit der Al- tersbestimmung, In friiheren Veroffentlichungen habe ich mehriach darauf hingewiesen, daB bei Fischen nicht alle auf den Schuppen erscheinenden dunkleren Ringe auch wirklich ,,Winterringe” darstellen. Nahrungswechsel, Veranderungen des Standortes und die damit verbundenen Anderungen der Umgebungs- temperatur sowie Krankheiten und Parasiten kénnen das Wachstumstempo so ungtinstig beeinflussen, da8 mitten in den Sommerfeldern dunklere Ringe auftreten. Ich habe diese Ringe ,,Sekund&rringe” genannt und Beispiele dafiir in mehreren Photographien im Handbuch der Binnenfischerei gegeben. Se- ligo (1908) kannte sie bereits als ,,accessorische Ringe” und neuerdings tauchen sie auch in der nordischen Literatur auf. Jarvi (1940) bildet sie ab und bezeichnet sie sehr treffend als , Unterbrechungsringe” oder ,,Schein- zuwachsgrenzen". Die Ringe sind bei manchen Populationen recht selten (meiste Blaufelchenstamme), bei anderen wieder tiberaus haufig (sehr viele: Gangfische). Das ist verstandlich, denn es spiegelt sich ja in den Schuppen die gesamte Lebensfiihrung wieder, bei den Blaufelchen das konstante Milieu der Freiwasserzone und bei den Gangfischen das Auf- und Niedertauchen in verschieden temperierte Wasserschichten. Ein einwandfreies Kriterium fiir die Entscheidung, ob eine ringiérmige Linie auf der Schuppe wirklich die Grenze eines Jahres darstellt oder ob es sich bei ihr nur um einen Unterbrechungsring handelt, besitzen wir leider nicht. Das Urteil bleibt immer dem Gutdiinken des Beobachters iiberlassen und kann nach dieser oder jener Seite fallen. Eine Méglichkeit zur Uber- priifung des Gesamtresultates ist aber vorhanden. Von verschiedenen Seiten ist festgestellt worden, daB auch das Wachstum der Fische nach bestimmten ~ Gesetzen verlauft, die sich mathematisch erfassen lassen. Der einzelne Fisch mag in seinem Wachstum etwas von der Norm abweichen, ftir die Gesamt- heit der untersuchten Population mu8 sich aber eine mittlere Abwachskurve ergeben, die durch eine mathematische Funktion beschreibbar ist. Solche Funktionen sind von Ford (1933), Pitter (1929) und v. Bertalanffy (1934) abgeleitet werden. Ich selbst habe eine der Ford’schen ahnliche mit gutem Erfolg bei den verschiedensten Fischarten angewendet. Es ist: ate ee b=1,+ 0-1) = — wobei 1, 1,, i die Langen des Fisches nach 1, 2 und t Jahren sind und m der Quotient ist, um den das Wachstum vom 2. Jahre ab regelmafig ab- nimmt. Ein Beispiel soll die Verwendungsmdéglichkeit aufzeigen. Am Tegernsee habe ich bis Ende 1946 1090 Gangfische auf ihr Wachs- tum untersucht und habe als Mittelwerte fiir die Altersklassen gefunden: Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. D5 Rick- Formel . Zahl der berechnung m = 0,76 Differenz Exemplare Die Altersbestimmung ist beim Tegernseegangfisch tiberaus schwierig, da Scheinzuwachsgrenzen fast die Regel sind. Es fragt sich nun, ob die in der Tabelle angegebene Reihe der Wirklichkeit nahe kommt und wie weit sie dem durch die Funktion ausgedriickten Gesetz entspricht. Setzt man |, = 9,27, 1,—l, = 8,02 und m — 0,76, so erhalt man die in der Tabelle in der dritten Spalte aufgefiihrten Werte. Man sieht, die errechneten Zahlen liegen bis zum 7. Jahre um wenige mm hoéher als die nach den Schuppen direkt gewonnenen, im 8. bis 10. Jahre dagegen etwas darunter. In der graphischen Darstellung decken sich die beiden Kurven bei der gewahlten VergroBerung fast vollkommen (Abb. 1). Wenn accessorische Ringe selten vorkommen, dann geniigen schon ver- haltnismaBig wenig Exemplare zur Berechnung einer guten mittleren Abwachs- kurve. 50 bis 100 Sttick reichen meist vdéllig aus. Je schwieriger die Be- stimmung wird, ein umso gro6feres Material mu verarbeitet werden. Die Abwachskurve hat auf jeden Fall sehr charakteristische Gestalt; sie steist anfangs steil an und biegt dann allmahlich zur Horizontalen um. Treten Abweichungen von diesem Typus auf, dann kann man sicher sein, bei der Bestimmung nach der Schuppe groBere Fehler begangen zu haben. In der Literatur begegnet man oft der Meinung, daB Abweichungen dieser Art durch verschiedenes Wachstum der Fische in aufeinander folgen-. den Jahren hervorgerufen wiirden, weil das Nahrungsangebot starken Schwan- kungen unterworfen sei. Das ist aber nach meinen Erfahrungen in unseren _ Seen jetzt noch nicht der Fall. Nahrung ist selbst in unseren besten Renken- seen bei der relativ geringen Volksdichte der vorkommenden Arten stets im Uberflu8 vorhanden und auch ihre Verteilung im Raume, ihre Greifbarkeit, ist so, daB die Fische jederzeit mehr als satt werden kénnen. Die Frage ist eingehender von meinen Schiilern Bohmann, Englander, Froese usw. (1939) behandelt worden. Auf die Arbeit sei verwiesen. Mehrfach habe ich ferner erwahnt, daB die Wachstumsformel uns noch ein Mittel in die Hand gibt, die Genauigkeit von Riickberechnungen zu be- 26 Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. EVER essen ae eee Be | epee eee eee Ae Meee a. | Bee eee eee eee eee ise 40 mes ae eRe eee eV eeeSeeer || el Aa ae eee te fe te /; re a al Pe] BEE ee eke eee eee Began Aes ee eee) | Se, Pee BSR aeee | af al aS ce PES eRe ewe eee i Pe ET SASS aS io appeal plea) Ta) eee SSR Bae ewewe 1 2 3 4 5) 6 Fh 8 9 10 ——> Jahre Abb. 1. — Wachstum des Gangfisches vom Tegernsee ——_—— berechnet nach der Wachstumsformel sneceencceesesssceee gefunden nach Dahl-Lea. Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. 27 urteilen. Die Formel geht, da m'—! rae 0 ee wenn t = o wird, liber in ep == 1, ies r Bae Der auf diese Weise gefundene Wert stellt die mégliche EndgréBe dar, d.h. die Lange, die das Volk im Mittel tiberhaupt erreichen kann. Deckt sich nun diese gut mit der Gr6éBe, die im Fang im Laufe langer Zeitraume als Maximum beobachtet wird, dann kann man sicher sein, die Schuppenbilder richtig peu: zu haben. In unserm Beispiel vom Tegernsee ist el yp) a B02 0.24 = 42.69 Die im Tegernsee gefangenen groBten Exemplare des Gangfisches haben in der Tat immer zwischen 42 und 45 cm KOrperlange. Die Erkenntnis der Natur der Unterbrechungsringe hat uns, wie mir scheinen will, in der Coregonenforschung sehr viel weiter gebracht. Wahrend man friiher allgemein die Neigung hatte, méglichst ,,griindlich” vorzugehen, d. h.jede auch noch so zart angedeutete dunkle Linie als Winterring zu zahlen, das Alter der Fische also méglichst hoch anzuschlagen, wird man seit einiger Zeit kritischer. Man beachtet die Sekundarringe und kommt zu besseren Resultaten. Das alte Prinzip hat die Abwachstypen schlecht er- kennen lassen, sie treten jetzt schon mitunter besser heraus und das wird vielleicht von groBem Nutzen fiir die verworrene Systematik der Coregonen sein. Wie ich schon sagte, ist der Abwachs artspezifisch und als Merkmal ebenso wertvoll fiir die Bestimmung wie jedes andere kérperliche. Man wird also unter Umstanden gute Wachstumsbestimmungen zur Identifizierung - der Species verwenden kénnen. Von skandinavischen, finnischen und russischen Forschern ist mehrfach der Versuch gemacht worden, Formen aus den von ihnen bearbeiteten Ge- bieten mit solchen der Voralpenseen zu synonymisieren. Zumeist hat man sich dabei auf die Zahl und Lange der Reusendornen auf den Kiemenbégen und einige andere kérperliche Merkmale gestiitzt. Uber den Erfolg kann man verschiedener Meinung sein. Sicher ist, daB richtig Beobachtetes darin enthalten ist, aber ebenso gewiB ist manches abwegig. Im Folgenden soll der Versuch, nordische Arten auf ihre Verwandtschaft und Stellung zu den . voralpinen zu priifen, daher nochmals wiederholt werden, jedoch jetzt unter — besonderer Beriicksichtigung der Wachstumsverhiltnisse. Es soll, wie gesagt, ein Versuch sein. Vielleicht regt er zur Nachpriifung seitens der nordischen Coregonus-Forscher an. b) Welche Coregonus-Arten leben in Norwegen? Fiir Norwegen witirde an sich gentigend Beobachtungsmaterial in der schénen Arbeit von H. Huitfeldt-Kaas: Studier over Aldersforholde og Veksttyper hos norske Ferskvannsfisker, Oslo 1927 vorliegen, um die Frage des Vorkommens voralpiner oder norddeutscher Coregonen in diesem Lande entscheiden zu kénnen. Darauf hinzielende Bemtihungen ftihrten aber eben 28 Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. wegen der Sekundarringe nur zum Teil zum Erfolg. Huitfeldt-Kaas spricht von ,normaltvoksende” und ,,langtsomvoksende" Sikstammen, Zu den ersten scheint mir zunachst einmal der Blaufelchen zu gehéren. Der durchschnittliche Abwachs stimmt bei einigen der beschriebenen Rassen mit dem im Voralpengebiet festgestellten tiberein u. die Photographien von ganzen Fischen und abgeschnittenen Képfen lassen ebenfalls diesen Schlu8 zu. Nachfolgend seien einige von Huitfeldt-Kaas nach dem Dahl-Lea’schen Riickberechnungsverfahren gewonnene Abwachsreihen den von mir fiir den Bodensee und als Durchschnitt fir das Alpengebiet errechneten gegen- tibergestellt: Jahr: 1. 205) 2 3.55 4S 5 I Oe Fina 9,67 20,83 30,83 34,67 36,67 38,80 39,33 Saltbuvannet 9,50 ©23,30 31,83 - 36,17 39\67 -41;838 4z%se Espedalsvannet 9,50 19,50 28,00 34,50 38,50 42,00 44,50 48,50 Strandefjorden 11,00," 22/67. 29,00 33,83 36550 38,17 sso-00 Blaufelchen: Bodensee 9,00 20,30 28,90 33,60 38,40 42,80 46,00 Alpengebiet 10,00 20,30 28,10 32,80 37,00 40,40 43,60 45,60 Im Mjésen kommen nach Huitfeldt-Kaas méglicherweise 2 ,,Rassen” des Sik vor, die sich durch die Lage der Laichzeit (Oktober bezw. Dez. bis Jan.) unterscheiden, sonst aber kaum auseinander zu halten sind. Nach den gegebenen Bildern scheint es sich ebenfalls wenigstens teilweise um den Blaufelchen zu handeln, denn das Auge ist klein, die Schnauze zu- gespitzt, die Flossen und offenbar auch der Riicken sind dunkel gefarbt usw. Die zugehérigen Zahlenreihen kann man dagegen nicht ohne weiteres mit dem Blaufelchenwachstum in Einklang bringen: Huitfeldt-Kaas findet als Mittelwerte nach Dahl-Lea: 12. J 3, 3 4 oad Oye Seite 338 7,33 15,67 21,00 27,83 32,42 34,55 36,67 339 6,60 16,90 23,20 25,90 28,10 29,00 29,80 Tegernsee 9.27 17,29 23,39 28,02 31,54 34;21=s6725 Man k6énnte nach diesen Zahlenreihen zunachst an den Gangfisch denken, dessen Wachstum im Tegernsee ich beigeftigt habe, wenn nicht einige Angaben bei Huitfeldt-Kaas zur Vorsicht mahnen wiirden. So konnen z. B.in seinen Tabellen S. 339 Fische von 34,5 cm Lange ebenso gut 6 als 12jahrig sein, 9jahrige Fische sind 32,5 bis 37,5 cm und 10jahrige dar 32 bis 38cm lang. Diese Streuung ist nach meinen Beobachtungen bei Renken aus Wildwassern viel zu groB. Nun gibt aber Huitfeldt-Kaas zwei sehr gute Aufnahmen von Sik-Schuppen aus dem Mjésen, die eine stammt von einem normal, die andere von einem langsam wachsenden Sik. Der erstere soll 6, der letztere 14 Jahre alt gewesen sein. Dieser Deutung ver- mag ich: leider nicht beizustimmen. Dem Fisch seiner Fig. 13 gebe ich nur 4 Jahre. Das innerste Feld, das Huitfeldt-Kaas fiir das erste Jahr halt, Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. 29 zahlt nach meiner Ansicht nicht voll, erst der zweite Ring schlieBt das 1. Jahr ab. Der 3. Ring, der nur teilweise durchgeht, ist Unterbrechungs- ring, der vierte gehért dem zweiten und der fiinite dem 3. Winter an. Seine Fig. 14 zeigt ein ahnliches Wachstum an und gehért nach meinem Daftirhalten zu einem 5-sémmerigen Sik. In beiden Fallen sind also aus den innersten Zonen der Schuppe, die der ersten Anlage und dem ersten Sommer ent- sprechen, zwei Jahre gemacht worden. Nach dem Dahl-Lea’'schen Ver- fahren und meiner Deutung wiirde sich an der Hand der Bilder ftir die beiden Sik folgendes Wachstum ergeben: (Taf. 1 Fig. 1, 2) ie aeels eo oude ae r Sted mie. 1. (Abb: 13H. kK) 8.2) 219,0.- 26.2% 34:0 Fig. 2. (Abb. 14 H. K,) SAAS 2e 1328) S7),5 im Mittel 8,3 18,85 26,70 33,40 37,50- d. h. wieder die fiir den Blaufelchen charakteristische Wachstumsgeschwin- digkeit und damit der Fisch, den man nach mitteleuropaischen Verhaltnissen fiir den groBen (362 km?) und tiefen (443 m) See unbedingt fordern mite. Selbsverstandlich kann man das Wachstum ganzer Stamme nach zwei einzelnen Schuppenbildern nicht sicher beurteilen und es liefe sich aufer- dem im vorliegenden Falle geltend machen: die norwegischen Seen lagen auf viel héherer geographischer Breite, hatten ein anderes Klima und das bei den Sikstammen in Erscheinung tretende Wachstum kénnte wohl zu- fallig mit dem der Voralpencoregonen iibereinstimmen, aber auf einem ganz- lich anderen Wachstumspotential beruhen. Artgleichheit brauche deshalb nicht vorhanden zu sein. Dem letzten Einwand 1a8t sich jedoch vielleicht die Spitze abbiegen. Huitfeldt-Kaas gibt aus einigen Seen das Wachstum {ftir den Lage- sild, d.h. die kleine Marane (C. albula L.) an, z. B. fede 2 Sade Ae ed: Sittensjoen fES0P PLO 25) 219225, 00K 23,75 Das ist durchaus das tibliche Wachstum der kleinen Marane in norddeutschen und voralpinen Seen, denn es fanden We 2 ee on Anes On ar Oude Willer: Mauersee etl See 195 il Gre 23-4 248 =) 29-5 Wadgler: Mauersee 107 18:3. 20.4 Loéwentinsee LOR at S022 “Ane 274 Schaalsee 11,0 18,0 19,8 Tachensee ft Oyo ct Sa 21 62-2 23;5 Die Reihe fiir den Lagesild des Mjésen fallt zwar bei Huitfeldt- Kaas etwas aus dem Rahmen heraus, aber es [aft sich wieder an der Hand einer Photographie die gleiche Korrektur anbringen. Huitieldt-Kaas 30 Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. halt den Lagesild zu seiner Abbildung 15 (Taf. 1 Fig. 3) fir 5-sémmerig, wahrend ich ihm nur vier Sommer geben méchte. Nach meiner Ansicht zahlt wieder das innerste Feld nicht. Vereinigt man darnach in der von Huitfeldt-Kaas gegebenen Reihe die beiden ersten Jahre, dann erzielt man sofort wieder mit den vorstehenden Reihen die Ubereinstimmung, es wird namlich: . dees, ede Oud: 11,75 18,25 20,25 usw. Die groBe Ahnlichkeit des Wachstums bei den sicher zu einer Art gehérenden Stammen der kleinen Marane Norwegens und Nordeutschlands 1aBt auf Ahnlichkeit der Temperaturftihrung in den Wohnschichten schlieBen und macht damit die Gleichheit des Wachstums auch bei den anderen Coregonusarten verstandlich. Der Blaufelchen, C. warfmanni Bloch, vielleicht in der generosus-Form, scheint also in norwegischen Seen vorhanden zu sein, wenigstens nach dem Abwachs zu urteilen. Aus den Photos bei Huitfeldt-Kaas kann man dazu noch einige charakteristische kérperliche Merkmale entnehmen, namlich das kleine Auge, die zugespitzte Schnauze mit dem endstaindigen Maul und die anscheinend sehr dunkle Farbung der Brustflossen. Zum Blaufelchen passen ferner auch die Notizen tiber den Reifeeintritt, Huitfeldt-Kaas schreibt: »Allerede ved tidligere undersdkelser, bygget ogs& pa annet materiale enn det her publiserte, har jeg funnet at Mjés-sikens Lagensstamme normalt bgynner sin gytning 5 somre gammel og at en mindre del — vesentlig hanfisk — blir gyteferdig allerede som 4-somringer. Likedan synes for- holdet 4 vaere hos en rekke andre stammer som f. eks. Kroderens grunnsik Hurdalssjgens ,,storesik* og Vravannets, Strandefjordens, Langsjgens og Nordresjos stammer. Sodan tror jeg forholdene er i de fleste av vare vann — ialfall pa Javlandet." Das heiBt dem Sinn nach: ,Schon bei friiheren Untersuchungen an anderem Material habe ich gefunden, da8 der Mjésen- Sik normal fiinfsOmmrig reif wird und da8 ein kleiner Teil, im wesentlichen Mannchen, schon viers6mmrig reif wird. Es scheint, da dieses Ver- halten bei einer Reihe anderer Stamme, zum Beispiel Kroderens-Bodensik, Hurdalssjéens Storesik und Vravannets, Strandefjordens, Langsjgens und Nordresjo Stammen zutrifft, und glaube ich, bei den meisten Seen das Ubliche ist, wenigstens in Lappland. Sehen wir uns einmal die Tabellen bei Huitfeldt-Kaas auf die finf- sémmrigen an. Es haben die genannten Formen im ftiniten Winter: Kre@deren ,grunnsik“ Dez. 1914 27 — 33 cm Hurdalssjgen ,,store sik" Dez. 1912 28,5— 35,5 cm Vravannet Nov. 1912 25 — 36 cm Strandefjorden Okt. 1915 34 — 37 cm Langsjgen Sept. 1913 22 — 31 cm Nordresjgen Dez. 1912.29. — 34 4em Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. 31 Mjosen, mittre parti Sommer 1908 26,5— 36,5 cm Langen Okt. 1908 31 — 36,5cm Vormen Jane O25) 50s" 52-5 em Das ist allerwarts (von Langsjgen vielleicht abgesehen) die GroBen- gruppe, die auch bei uns erstmalig zum Laichen schreitet und beim Blau- felchen in der Hauptsache dem viers6mmrigen entspricht. Vereinzelt soll die Reife auch ein Jahr frither eintreten, das wiirden demnach die drei- sOmmerigen sein. In Frage kommen k6énnten allerdings auch groBe Maranen von drei bezw. zwei Jahren. Huitfeldt-Kaas spricht verschiedentlich (s. die vorstehende Tabelle) von ,,grunnsik”. Ob der Sandfelchen in der maraena-Form in Norwegen vorkommt, ist darnach nicht ganz sicher zu beurteilen, man kann es aber nach ein- zelnen Bildern und Wachstumsreihen erwarten. Der kleine See Haugat- jernet von nur 0,15 qkm Areal hat eine Sikform mit sehr stumpfer Schnauze und bei vierjahrigen Stiicken recht breitem Kérper. Das von Huitfeldt- Kaas berechnete Wachstum ist: fede Qed) oS) In Adve Od Oe ds de 8,75 21,63 32,08 37,40 42,73 46,98 49,75 Das ist fiir den Blaufelchen etwas zu schnell, paBt aber vorziiglich zu dem von mir errechneten Mittel ftir den Voralpensandfelchen: tei sealer di) Ad Os dn 6 One ns 12,4 248 29,8 388 43,8 46,4 50,0 Das von Huitfeldt-Kaas gegebene Schuppenbild spreche ich ebenfalls als siebenjahrig an und wiirde nach Dahl-Lea ergeben: ee ed or aed Oe dei ONdr aed: 10:3). 2201 62, 38,4. 48,2 48,0. 50,4 Der Sandfelchen und ebenso die groBe Marane werden im allgemeinen schon mit sieben Jahren 50 cm lang, wahrend der Blaufelchen diese Gréfe erst mit dem zehnten Jahre erreicht. Interessanter Weise kommt nun im Hurdalssj@ neben dem ,,store sik” noch eine kleinwiichsige Form, der ,,Siksild“" vor. Sein Wachstum wird von Huitfeldt-Kaas durch folgende nach Dahl-Lea gewonnene Reihe gekennzeichnet: te On deal Ot Orde or dy Je 10:33 16,002 1817) 19:83 2017 23.7 — 25,50 Eine darnach konstruierte Kurve ist jedoch meines Erachtens nicht gut mOglich. Sie mtiBte ja, wie schon erwahnt wurde, wenigstens einigermafen einem Gesetze gehorchen und die regelmafige Abnahme des jahrlichen Zuwachses erkennen lassen. Davon kann aber keine Rede sein (Abb. 2). Die Berechnung des Abwachses direkt nach dem Fang (Tabelle 83, die die Lange und das Alter von nicht weniger als 327 Fischen angibt) liefert — 32 BERRA Rees see ae eof el oT EN 8) a NE A ee ade SEES SE SGI fc eal NG lr ees TESS aa Ber See ee er PASE PORARy SESE ey Eas Ve Pe op eel Oe [ea al ea ee elle | sal alas on RE aes [ESS es ee fe SS 1 2 3 4 5 6 7 —> Jahre Abb, 2. — Graphische Darstellung des Wachstums ———— vom Sik-sild des Hurdalssj6 vom Gangfisch des Tegernsees. Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpenceregonen. offenbar aus dem ¢glei- chen Grunde — auch kein besseres Resul- — tat. | Wahrscheinlich sind wieder accesso- rische Ringe bei vielen Exemplaren vorhan- den und beeintrachti- gen das Ergebnis. Trotz alledem scheint mir aber der Gangfisch im Hurdalsj6 vorhan- den zu sein; denn im allgemeinen greifen die Fischer ihre Be- zeichnungen nicht vol- lig aus der Luit und wenn sie die kiein- wiichsige Rasse als Sik-sild dem Stor sik gegentiberstellen, ist anzunehmen, daB tat- sdchlich zwei verschie- dene Arten sich hinter den Namen verbergen. Einen Fingerzeig er- halt man durch eine Angabe tiber den Rei- feeintritt: , Meget tid- ligere med hensyn til gytningens inntreden er Hurdalssjgens lille sikform, siksilden. Den begynner normalt syn gytning 3 somre gam- mel og undtagelsesvis | allerede 2-somring Jakttagelsene er her sikre da jeg selv har insamlet skjellmateria- ~ let.“ Das heif®t frei tibersetzt: ,,Viel friiher wird Hurda!sjoens kleine Sik- Form geschlechtsreif, sie beginnt normalerweise ihre Reife im Alter von drei Sommern und ausnahmsweise schon zweisémmrig. Die Mitteilung ist sicher, da ich selbst das Schuppenmaterial eingesammelt habe.” Das ist das charakteristische Verhalten des Gangfisches! Die Photographien zeigen Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. 33 auBerdem spitze Schnauze und ein recht groBes Auge, also wiederum Gang- fischmerkmale. Vielleicht kommt diese Art doch in Norwegen vor und wird vielerorts nur nicht scharf von den iibrigen Arten abgetrennt. In Bayern hat man dies ja auch erst in den letzten Jahren gelernt. Annehmen sollte man den Ganffisch fiir Norwegen, denn er kommt, um vorauszunehmen, wahrscheinlich auch in Finnland vor. c) Gehoren Gangfisch und Kilch der Fauna Finnlands an? Was den vierten der Voralpencoregonen, den Kilch, betrifft, so sind leider seine Spuren bei Huitfeldt-Kaas nicht aufzufinden, wohl aber kénnte er in Finnland vorhanden sein. Fiir die Coregonenforschung in diesem Lande liefert das reichste und wichtigste Material die Bearbeitung von T. H. Jarvi (1928), tiber die Arten und Formen der Coregonen s. str. in Finnland. Aus den dort gegebenen zahlreichen Bildern, Tabellen und Be- schreibungen geht zunachst einmal, wenn auch tiber die Ernahrungsweise nichts gesagt ist, einwandfrei hervor, daB unter den aufgefundenen und behandelten Sikstammen zwei verschiedene Typen sich finden, die wir mittel- europdischem Brauche entsprechend als Boden- und Schwebrenken (balleus bezw. dispersus-Typus) bezeichnen kénnen. Zu den ersteren gehéren in der Hauptsache die von Jarvi als Coregonus holsatus und fera gefiihrten Stamme, wahrend die letzteren die Arten wartmanni, generosus und ,,macrophthalmus“ umfassen. Die Schnepelformen des finnischen und bottnischen Meerbusens werden der Species Coregonus lavaretus L. zugewiesen. Die C. holsatus-Formen entsprechen vielleicht wieder unserem Sand- felchen bezw. dessen norddeutscher maraena-Form, da sie stark abgestutzten Oberkiefer und unterstandiges Maul, mittellange und -dichte Kiemenfilter haben (Dornenzahl auf dem 1. Bogen 20-30), ,,ziemlich mager“ sind, d. h. trockenes, festes Fleisch wie unser Sandfelchen haben und an seichten Stellen in 3 bis 4m Tiefe laichen. Dieses Vorkommen ist nicht auffallig, weil die grofe Marane in Norddeutschland und wahrscheinlich in Skandinavien allgemein verbreitet ist, wesentlich tiberraschender im Hinblick auf die deutsche Fauna ist dagegen das, was Jarvi tiber die FluBmarane Coregonus fera inarensis zu berichten wei. Die Unterart hat sehr stumpfe und hohe Schnauze, stark unterstandiges Maul bei kurzen und breiten Maxillen, sehr srokes Auge und sehr weite, kurze Kiemeniilter. Die Zahnzahl bewegt sich auf dem 1. Bogen zwischen 18 und 25! Das Fleisch ist ,,fett’.’). Der Fisch steigst Ende des Sommers in die in den Enare einmiindenden Fliisse auf, wo das Laichgeschaft bereits Mitte September, also lange vor den anderen Arten, stattfindet. Es fehlt in dieser Beschreibung nur noch die Bemerkung, daB8 die Flu@mardne vorwiegend Bodennahrung und zwar hauptsachlich 1) F, A. Smitt (1886 S. 249) spricht tibrigens auch von einem ,,Fetsik“ (Bottensik), der senkrecht abgestutzte Nase und sehr niedrige Reusenzahl (20—24 Dornen auf dem 1. Bogen hat und neben anderen Sik vielfach in schwedischen Gewdssern auftritt. Leider kann man, da Abwachszahlen fehlen, nicht nachkontrollieren, ob es sich dabei wirklich um den Kilch handelt. Zu vermuten ist es aber, 34 Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. Pisidien und andere Mollusken aufnimmt und dann ko6nnte sie auch ftir unsern Kilch zutreffen. Vergleicht man die Kopfbilder bei Jarvi 1928 (Taf. 4 Fig. 19 und 20) mit den von mir gegebenen (Wagler 1933 Taf. 1 Abb. 2) (siehe Taf. 2 Fig. 4 u. 5), ferner die Totalbilder (Jarvi Taf. 7 Abb. 34 und Wagler Taf. 2 Fig. 7), dann wird einem die verbliiffende Ahnlichkeit der Flu8marane mit dem Kilch auffallen. Ebenso stimmen die Kiemenkorbe (Jarvi Taf. 10 Abb. 45—49 und Wagler Taf. 1 Fig. 4 und Taf. 2 Abb. 10, 11) vollig tberein (Vergl. Taf. 3 Fig. 6 u. 7). Die Zahl der Dornen auf dem 1. Kiemenbogen ist bei beiden Fischen im Mittelwert und in den Extremen die gleiche. Dazu kommt ferner die Bemerkung itiber den Fettgehalt. Ich schrieb 1933: ,,Das Fleisch des Kilches ist zarter als das der anderen Bodenseecoregonen und hat nach Scheffelt (1925) hohen Fettgehalt. Siebold (1858) meint, es sei von einem feinen Ol getrankt." Gerade auf dem hohen Fettgehalt beruht ja die be- sondereEignung des Kilches fiir die Raucherung (Boden-, Ammer- und Chiem- see). Weiter mu die Laichgewohnheit besonders beachtet werden. Die Flu8marane des Enare laicht sehr frith, noch vor allen anderen Coregonen. Genau so verhalt sich aber auch der Kilch. Er schreitet im Boden- und Thuner See im September bis Oktober, im Ammersee dagegen bereits im Juli zur Fortpflanzung. Die Flu@marane steigt im Enare Ende des Sommers auf und der Kilch des Bodensees hat nach den itibereinstimmenden Be- richten verschiedener Autoren (s. Nimann 1940) ebenfalls seinen héchsten Stand und die gréBte Annaherung an das Ufer Ende des Sommers, wahrend er die tibrigen Monate des Jahres in gréBeren Tiefen, meist in mehr als 40 m, steht. Auffallig in der Beschreibung der fera inarensis konnte nur erscheinen, daB sie zum Laich in str6mendes Wasser zieht, doch kann man vielleicht hier darauf hinweisen,.daf das Aufsuchen von FlieBwasser in der Laich- zeit bei allen Renkenarten vorkommt, z. B. beim Blaufelchen des Attersees, Gangfisch des Bodensees, Sandfelchen des Traunsees usw. Zu alledem kommt aber endlich noch die Gleichheit des Abwachses. Die Flu8marane des Enare und die ihr entsprechende ,,Reeska" des Muddus- jarvi sind kleinwiichsig. Ich habe mir die Mithe gemacht, aus den gesamten von Jarvi gegebenen, nach dem Riickberechnungsveriahren gewonnenen Zahlenreihen den Mittelwert fiir die Altersklassen zu berechnen und habe folgendes erhalten. Je 2.5.) 3.5.%4. Se Sod. 6s 5. ede Seon lear FluBmarane 40 9,0 14,7 20,6 26,7 31,6 34,1 38,2 39,8 41,1 Reeska 6:20 1s 13 7 Insgesamt 44 9,6 14,6 20,6 26,7 31,6 34,1 38,2 39,8 41,1 Das stimmt zwar nicht sofort zu den von mir fiir das Kilchwachstum gefundenen Zahlen, denn es hatte der Kilch: Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. 35 Wei din adn aed Oud On ds des Ammersee 10,3 16,7 19,9 Bodensee 93 1677" 122.0 “26;2. 29.4: 31.8) 35:5 Thuner See 8,4 16,8 21,8 23,9 28,3 Mittelwert 9,5 16,7 21,2 25,9 29,4 31,8 35,5 aber es muB folgendes dabei bedacht werden. Der Enare See (nach Halbfa8 1922 1421 qkm, Inseln 191 qkm, maxi- male Tiefe iiber 80 m) liegt unter 699 N. in Lappland, wahrend Boden- und Thuner See auf 46—48 N., also reichlich 20° stidlicher liegen. Wenn nun auch die Voralpenseen wesentlich héher gelegen sind (Bodensee 395, Ammer- see 534 und Thuner See 560 m iti. M. so wird doch dadurch der Unterschied in der Breite nicht ausgeglichen. Der Winter an dem lapplandischen See diirfte langer als an den Voralpenseen sein, trotz alledem diirfte aber der Kilch im See unter ahnlichem Klima leben wie die Reeska und FluBmarane in den finnischen Gewassern. Der Kilch halt sich ja von einer kurzen Zeit- spanne in und vor der Laichzeit abgesehen immer in groferen Tiefen auf und wird da kaum Temperaturen finden, die viel tiber 4° ansteigen. Der Enare ist trotz seiner Lage innerhalb des Polarkreises ein temperierter See und wird in den tiefen Schichten vermutlich Temperatur-Grade um 4° haben, also der FluBmarane ahnliche Lebensbedingungen bieten wie der Bodensee dem Kilch. Die Warmeftihrung kann deshalb kaum fiir die groBen Unterschiede im Wachstum des Kilches und der Flu8marane nach den oben segebenen Zahlen mafigebend sein. Die Differenzen miissen andere Ursachen haben. Die FluBmarane laicht, wie erwahnt, im September. Nimmt man nun fir die Entwicklung als Mittelzahl ca 350 Tagesgrade an (s. Wagler 1933} so werden die Jungfische bei 49 Umgebungstemperatur spatestens Ende Dezember geschliipit sein. Sie geraten damit mit ihrem ersten Freileben mitten in die Wintermonate hinein und werden die ersten Schuppen noch vor Eintritt des Sommers anlegen. Die ersten Ringe werden also eng stehen und das innerste Feld daher dunkel erscheinen lassen. Mit Eintritt des Sommers werden die Ringe weiter gestellt, die Schuppe wird in der Durch- sicht heller, bis der friihe Winter wieder eine dunkle Zone anlegen 1laBt und damit das erste Jahr abschlieBt. Jarvi hat nun wohl tiberall oder doch . zumeist bei seinen damaligen Bestimmungen die erste dunkle Zone der Wintermonate als ganzes Jahr gezahlt. Beweisend dafiir sind die Photo- graphien 74—77 und vor allem 83 und 84 in seiner Arbeit (Fig. 8). Labt man jetzt in den Reihen die ersten Zahlen weg und nimmt das 2. Jahr als das 1., das 3. Jahr als das 2. und so fort, dann ergibt sich die gr6Bt- mégliche Ubereinstimmung. Es wird te deee2e Sade ia eRe on Oneny halle FluBmarane 96 14,6 20,6 26,7 31,6 34,1 38,2 Kilch OPS Ge 2 122 On 29-4) 31.8 S515 Veréff. Zool. Staatssamml. Miinchen (1950) nas 36 Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. Die Reihe bedarf allerdings noch einer Berichtigung. Jarvi hat wie auch in seinen spateren Arbeiten ,,die Lange des betreffenden Individuums von der Schnauze bis zum inneren Winkel der Schwanzflosse, d. h. bis zum Ende der kiirzesten Flossenstrahlen, bestimmt", wahrend ich stets bis zur Projektion des langsten Strahles auf die Mittellinie gemessen habe. Will man Jarvi's Zahlen mit meinen vergleichen, so mtissen die ersteren um etwa 7°/, erhéht werden. Man wiirde dann erhalten: ~ (ete De eee A 5 Gad cee 10,3 15.7 22,2 288 33,9 36,6 41,0 Nach meiner Ansicht kénnte die Flu8marane oder Reeska, C. fera inarensis Jarvi identisch mit dem Kilch C. acronius v. Rapp der Voralpen- seen sein. Dann taucht aber sofort die Frage auf, ob nicht auch die zweite der in Norddeutschland fehlenden Voralpenrenkenarten in Finnland ihre Parallele hat. Die Entscheidung ist wieder nicht ganz einfach zu fallen, weil offenbar mehrfach Durchmischungen und Verwechslungen mit anderen Arten vorgekommen sind. Da8 Coregonus generosus, den ich mit wartmanni vereinigt habe, in Nordeuropa zu Hause ist, erscheint beinahe selbstver- standlich, da neuerdings die Peipusmarane mit der Edelmarane identifiziert wird. Jarvi kennt aber noch andere Schwebrenken, die er sogar alpinen Arten einordnet. Wir treffen folgende Benennungen: C. wartmanni, Murokas-Marane Reusendornen auf dem 1. Bogen: 32—44 C. wartmanni f. borealis, Riika-Marane 20-55 C. macrophthalmus, kleine Binnenseemarane 40—46 C. generosus f. aspia Smitt groBe Binnenseemarane 41-- 61 Nach der Reusenbedornung lassen sich jetzt zwei Gruppen unterschei- den, deren erste 2944 und deren zweite 40 —61 Zahne auf dem 1. Kiemen- bogen hat. Die erste kénnte bei fliichtigem Zusehen mit den wartmanni- Formen des Alpengebietes, die zweite mit macrophihalmus NiBlin in Be- ziehung gebracht werden. Weitere Erklarung kénnte der Vergleich des Wachstums erbringen, wird aber durch die bei der Altersbestimmung auf- tretenden Schwierigkeiten und die daraus sich ergebende verschiedene Auffassung tiber das Alter der Fische verhindert. Indessen kann man mit Hilfe einiger weniger, fiir die Systematik zunachst nebensachlich erscheinen- der Bemerkungen iiber die Fische doch noch der Frage naher kommen. Der von Jarvi als macrophthalmus bezeichnete Sik des Kaartjarvi (629 N. im grofen Seengebiet) hat sehr niedrige Schnauze d.h. zugespitzten Kopf und auSerdem sehr grofBes Auge. Der Kiemenkorb, mit im Mittel 42,5 (40—46) sehr langen Zahnen auf dem 1. Bogen ist nach der Photographie (Jarvi Abb. 61) durchaus gangfischahnlich. Aus den von Jarvi auf S. 222 mitgeteilten Alters- und Wachstumsbestimmungen kann man folgende Mittel- werte fiir die Altersklassen berechnen: Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. 37 ieee ee 5 Ove JL id less) Kaartjarvi 7S A731. 21,67) 23.51% 25,20 27,10 .29,00 305 Bodensee C4 dig dt .22 6.626.823 29.9.) 31,1 oder wieder angeglichen Kaartjarvi Shae siGe 23.8 253, 27. 29,12 312) 3218 Sie stimmen, wie das Gegenbeispiel des Bodensees beweist, in den ersten drei Jahren nahezu vollstandig mit den ftir den Voralpengangfisch errechneten iiberein. Die Differenz in den héheren Altersklassen ist viel- leicht auf das sehr geringe Material alterer Fische, das Jarvi zur Ver- fiigung stand, zuriickzuftihren oder méglicherweise auf die mehr nordliche Lage des Kaartjarvi, was ich aber in Anbetracht der Lebensweise des Gang- fisches nicht recht glauben méchte. Immerhin der Sik des Kaartjarvi kénnte mit macrophthalmus des Alpengebietes identisch sein. Ebenfalls im groBen Seengebiet und unter 62°N. liegt der Leppavesi. -Er beherbergt zwei Schwebrenken neben einander, die Jarvi als grofe und kleine Binnenseemaradne bezeichnet und von den Fischern ,,Siika", »6roBe Marane“ und ,,.Murokas“-Mardne genannt werden. Die letztere hat sgroBes Auge und im Mittel 35,6 (32—41) Reusendornen auf dem 1. Bogen, steigt zum Laichen in sehr seichtes, nur 0,75 bis 1 m tiefes Wasser, haupt- sachlich auf ,,Grus- und Steinufer“ auf, wahrend erstere kleines Auge, im Mittel 45,8 (41—51) Dornen auf dem 1. Bogen hat und zum Laichen in tiefes (6—9 m), stromendes Wasser geht. Wenn nun auch Jarvi wegen der Reusendornenzahl ,,vorlaufig" die éroBe Form in die Art generosus als f. aspia und die kleine in die Species wartmanni, also nach unserer Anschauung in die gleiche systematische Einheit eingliedert, so konnte man doch an Blaufelchen und Gangfisch denken, denn die groBaugige, angeblich kleinwtichsige Form ist Uferlaicher und die kleinaugige und frohwiichsige laicht im tiefen Wasser. Ferner ist eine weitere Parallele zwischen Norden und Alpengebiet insofern vorhanden, als die kleine Art frither, die groBe spater zur Fortpflanzung schreitet. Jarvibezeichnet die wartmanni-Form(Murokasmarane)als kleinwiichsig, weil ihm von den Fischern nur kleinere, bis 35 cm lange Stiicke angeliefert wurden, und die generosus-Form als groBwiichsig, weil diese bis 51 cm lang waren und auch noch in ihren kleinsten Stiicken die Murokas tibertrafen. Nun wird aber die Fangér6Be auf er. durch die Wiichsigkeit noch durch die Weite der angewandten Netze und durch die Fangintensitat bestimmt. Man kann in unserm Fall héchstens von groBen und kleinen Fischen, nicht aber von grof- und kleinwtichsigen Formen sprechen, denn das von Jarvi mit- geteilte Zahlenmaterial ftir das Wachstum lat eine ganz andere Beurteilung zu. Als Mittelwerte ftir die Altersklassen berechnete ich aus ihm folgende: ree 2 eee Onde Oc dy et. J. won wartmanni GOZer WoO ml Sor e2022\ 29,31) 28,90' 933,905 Senerosus aspia 6,16 11,93 16,64 20,78 24,79 28,95 32,88 36,42. 3" 38 Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. 9: Jo 10. Ss Ve J ag A So So 1A ae wartmanni — — — — — — == generosus aspia 39,35 41,82 44,12 46,01 47,08 48,92 51,00 Die beiden Wachstumsreihen sind in ihren Werten ftir das erste bis sechste Jahr sehr Abnlich, so daB die generosus-Reihe vom siebenten Jahr ab als Fortsetzung der wartmanni-Reihe gelten kénnte. Beide Fischarten sind darnach etwa gleichwiichsig. Wenn Jarvi sie nach den Reusendornen trennt und wenn sogar die Fischer sie verschieden benennen, so muf das seine guten Griinde haben, und man miiBte verschiedenes Wachstum er- warten. Sollte nicht doch vielleicht Jarvi bei der Altersbestimmnng sich geirrt haben? Die von wartmanni aui Taf. 5 Fig. 10 abgebildete Schuppe ist zwar sehr klar, so da8 man tatsdchlich mit dem angegebenen Abwachs rechnen mu, die beiden Abbildungen der generosus aspia-Schuppen sind dagegen sehr problematisch (vergl. Taf. 5 Fig. 11.). Sie enthalten nach meiner Ansicht mehrere Unterbrechungsringe. Das Ablesen des Alters ist sehr schwierig und die endgiiltige Entscheidung wiirde das vergleichende Studium eines viel gréBeren Materials erfordern. So viel glaube ich aber doch sagen zu kénnen, daB die beiden Fische bestimmt nicht 13 bzw. 15-jahrig, sondern wesentlich jiinger sind. Leider kommt man hier an der Hand der Arbeit Jarvi's nicht weiter, aber es bleibt ftir uns die wichtige Tatsache bestehen, daB auch in finnischen Gewdssern zwei Schwebrenken nebeneinander vor- kommen k6nnen, von denen die eine kleinaugig ist und im tiefen Wasser, die andere groBaugig ist und im flachen Wasser laicht. Die letztere mit wartmanni zu bezeichnen halte ich nicht fiir angangig. Der Name C. generosus aspia wird von Jarvi auBerdem fur drei andere Populationen verwendet fiir die Sikformen des Nasijarvi (Murole), Koitere und Pyhajarvi. Alle drei haben dichte und lange Reusenbedornung, auf dem 1. Bogen: Nasijarvi 48,7 (43—56) Koitere (nur 3 Exemplare) 56,3 (54—58) Pyhajarvi 49,5 (39—61) Von diesen Zahlen fallen die fiir das Pyhajarvi-Volk auf. Im allge- meinen umfaBt das Variationsband ftir die Zahl der Reusendornen héchstens 10—15 Stufen. So fand ich im Voralpengebiet an gréBerem Material: Zah] der Reusendornen auf dem 1. Kiemenbogen a) Blaufelchen 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 Bodensee 10°17 26 30 27 22 15432372 Mondsee 2:55.15) 19228: 200105 2a Alpsee WP PR ORICA I WG) 67 ee il ee £ Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen, 39 b) Ganfgfisch 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 Bodensee tee 4 4 NShi2 316.21 SO19922 28 62.22 Tegernsee f— 2° 41221 271315 2 3 Faakersee 12a 2022124 13 02 eel a? WeiBensee De Nero 4 127-4 9 8105: 31 c) Sandfelchen 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 Bodensee 12.3 410 8 66 3———— 1 Untersee 2 10223) 29" 83421 On 66-33 22 33 d) Kilch IS 16.2 1-18 19) 20-21) 22 323") 24 Bodensee 1 Ly cSip 82 1S 8 Zine alii oS il Thunersee ier R SA On 20 12 eA 3 Das Variationsband ftir die Reusendornen des Pyhajarvi-Sik erstreckt sich dagegen iiber nicht weniger als 23 und bei einem umfangreicheren, in spateren Jahren gesammelten Material sogar iiber 28 Stufen. Die beiden Reihen sehen folgendermafen aus 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 I. 1925—1926 D3 12) S013 1202127 12 12°15 Il. 1924—1939 1 311 14 22 29 23 29 26 27 50 55 75 75 76 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 Peel 41117 oO 5 ie oe 3 ot Il. 83 76 84 76 66 57 53 41 25 22 16 12 8 Bei einheitlichem Material ergibt sich, wie man aus den oben stehenden Reihen erkennen kann, immer ein sehr deutlicher Gipfel in der Kurve und ein gleichmafiger Abfall nach beiden Seiten. Im Pyhajarvi-Material ist dies nicht der Fall. Es liegt deshalb der Verdacht nahe, da8 in ihm mindestens zwei verschiedene Arten enthalten sind, deren Variationsbinder sich weit iiberschneiden. Leider fehlen wieder Angaben tiber K6rperproportionen und biologische Beobachtungen. Man findet lediglich die Bemerkung, daB im Koitere die Fische im Ausflu8 ,an der ersten Stromungsstelle’ gefangen wurden. Nur fiir das Wachstum wird ein sehr reiches Zahlenmaterial beigefiigt, aus dem man folgende Mittelzahlen ftir die Altersklassen herausrechnen kann: . Lee ele Ona ce Oe Olda todas pS Nasijarvi 6,03 13,05 18,98 23,80 28,01 31,28 34,02 37,22 Koitere 4,50 11,56 18,33 26,66: 32,93 37,00 37,80 40,50 Pyhajarvi SF 2e el, 0S) 22595) 926,36) 29:23: 37-10) 44,00 Diese Mittelwerte stimmen zwar in den ersten Jahren recht wenig zusammen, kommen aber dann teilweise einander sehr nahe und werden 40 Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. dabei durchaus gangfischahnlich. Trotzdem ist mit der Identifizierung zu- nachst noch Vorsicht geboten, weil in dem Material sich Reihen befinden, die eine sehr verschiedene Wachstumsgeschwindigkeit offenbaren. So steht z.B. der einzige siebenjahrige Fisch mit durchaus edelmaranen-artigem Wachstum: Uae J Srdaeds 45.J.. Onde pare 8,8 22,9 32,7 38,8 41,0 42.8 44,0 anderen gegentiber, die viel langsamer wachsen und eher an den Gang- fisch denken lassen: Lo 2rd ee 4 dhe on 9,1 14,4 18,4 22,2 25,0 Solch starke Differenzen kommen nach meinen langjahrigen Beob- achtungen wiederum in reinen Vélkern nicht vor. Es scheinen auch hiernach im Pyhajarvi zwei Schwebrenken mit dichten Kiemenfiltern zu sein, eine kleinwiichsige, gangfischahnliche und eine frohwiichsige, blaufelchenartige. Erfreulicherweise hat nun Jarvi den Pyhajarvi noch genauer unter- sucht. Die neue 1940 ver6ffentlichte Schrift bringt gegentiber frither einen sroBen Fortschritt und tragt meines Erachtens damit viel zur Lésung der angeschnittenen Frage bei. Jarvi schenkt namlich jetzt den , Unterbrechungs- ringen” oder ,,Scheinzuwachsgrenzen" gréBere Beachtung. Seine Altersbe- stimmungen werden dadurch grundlegend geandert und meinen aus dem Voralpengebiet und aus Norddeutschland direkt vergleichbar. Wahrend Jarvi in seiner ersten Schrift den zu der Schuppe der Fig. 8 gehérigen Fisch noch ftir siebenjahrig erklart, wahrend ich ihm nur sechs Jahre zu geben geneigt bin, weil ich die erste dichtringige Zone zusammen mit der darauf folgenden weitringigen fiir das erste Lebensjahr halte, urteilt Jarvi nunmehr ebenso. Beweis dafiir sind neben vielen anderen seine Abbildungen 35 und 36 der Pyhajarvi-Arbeit (Fig. 9). Auch da ist wohl die erste Zuwachs- flache aus zwei verschieden hellen Feldern zusammengesetzt, aber beide werden nur als ein Jahr und nicht wie friiher als zwei gezahlt. Die beiden — Schuppen sind im tibrigen auch deshalb bemerkenswert, weil der zweite bzw. zweite und dritte Sommer Unterbrechungsringe zeigen. Dieser Alters- einschatzung stimme ich nunmehr volikommen zu. Der Sik-Bestand des Pyhajarvi (SW-Finnland unter 61° N., Areal 154,5 qkm, 25 m maximaleTiefe) geht nicht auf eine nacheiszeitliche Ein- wanderung, sondern auf Einsatze zuriick, die seit dem Jahre 1908 vorge- nommen worden sind. Das Besatzmaterial stammte aus verschiede- nen Gewassern, namlich: 1908/09 vermutlich aus dem Paijanne 1910/13 Kymijoki 1914 Paijanne 1921/23 See Vankavesi im Gewdsserzug des Nasijarvi 1926 Hoytiainen in Nord-Karelien Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. 41 Waren alle diese Einsatze angegangen, dann ware von vornherein zu erwarten, daB die entstandene Bevédlkerung nicht véllig einheitliche Charaktere zeigt. Bereits im Jahre 1915 hatte der Einsatz soweit zum Erfolg gefuhrt, daB mit dem Wiederfang begonnen werden konnte. Ab 1918 wurden die Ertrage reichlicher und sie waren 1921 nach einer Schatzung bereits aut ca. 250 000 kg gestiegen, d. h. auf die fiir Voralpenverhaltnisse kaum glaub- lich hohe Zahl von 1624,6 kg pro qkm Flache, wobei das Gewicht der Fische 800 bis 1200 ¢ betragen haben soll. Ab 1922 fielen dann die Fangergeb- nisse wieder. 1923 und 1924 galten als ausgesprochen schlecht. Die Ertrage blieben bis zum Jahre 1931 oder 1932 fortgesezt gering. Darnach ist der Bestand wieder starker geworden, so das die in mehreren Jahren, wie 1937, 1938 und 1939 erlangten Ertrage als gut zu gelten haben.“ 1939 sollen nach einer Berechnung Jarvi's 200 bis 300000 kg gefangen worden sein, was etwa 1294 bis 1424kg auf den qkm entsprechen wiirde. Das Durch- schnittsgewicht belief sich auf 511 g fiir den Fisch. Der Fang wurde anfangs mit weitmaschigen Netzen (60 mm Knoten- abstand) ausgefiihrt. Dann ging man ,,zu wirksameren Fangégeraten tiber’, zu groBen Maradnenreusen und Fischzaunen. Diese fiihrten zu den besonders hohen Ertragen von 1921, die, ,wie man sagen konnte, einer Abfischung” gleichkamen. 1931 wurden die Fischzaiune verboten und der Fang dann ,fast ausschlieBlich mit Netzen, daneben im Winter auch in gewissem MaBe mit Zugnetzen betrieben". Diese Feststellung ist besonders wichtig, denn sie erklart einerseits das Zurtickgehen der Fange nach 1921 und anderer- seits das Erholen der Bestande in den 30er Jahren, ferner aber auch die Zusammensetzung des Fanges, auf die wir noch ausfihrlicher zu sprechen kommen. Jarvi hat in den Jahren 1925 bis 1939 606 Exemplare der Sik auf die Beschaffenheit der Kiemenfilter gepriift ind dabei zwei verschiedene Typen festgestellt. 568 hatten dicht stehende, lange Reusendornen und nur ein kleiner Teil, namlich 38 Stiick, hatte kurze, locker stehende. Die errechneten Mittelwerte fiir den 1. Bogen waren: dicht und lang bezahnte im Mittel 49,13 (3762) Zahne - weit und kurz bezahnte im Mittel 32,43 (23—38) Zahne Darnach wiirden im Pyhajarvi schon zwei verschiedene Typen, d. h. wohl Arten zu Hause sein. Die weit bezahnte halt Jarvi fur eine Wander- mardne und legt ihr den Namen C. lavaretus L. f. typica Thienemann bei, wahrend die dicht befilterte als groBe Binnenseemarine C. generosus f. aspia Smitt bezeichnet wird. Wir werden kaum fehl gehen, wenn wir die als lavaretus angesprochene Form zu den Bodenrenken (balleus-Typ Fatio) stellen, zumal auch das Wachstum diese Zuordnung rechtfertigt. Jarvi erwahnt ja aus den Jahren 1921/23 einige Individuen (1928, S. 129), die im Mittel folgendes Wachstum besafen: Rau eaeen a 42 Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. (BAR ee oticica bee nc) ve oud k 5,5 10,2° 24,5. S47, 41 4,9 11,4 258 34,4. FaBt man hier wieder aus den schon erwahnten Griinden fiir das Ablesen der ersten Zuwachsperiode die beiden ersten Jahre zusammen, dann erhalt man: : tee Oe Cede aaa: 10,2 2405" S40. eae 11;4: 25:87 34-45 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 ——_— Zahi der Dornen Abb. 3. — Zahl der Reusendornen auf dem 1. Kiemenbogen bei den Sik des Pyhajarvi nach dem Material von 1929 bis 1936 (n. Jirvi 1940). oder fast dasselbe Wachstum, das ich fiir den Voralpensandfelchen und die norddeutsche grofe Marane errechnet hatte: 1d: 22. Seo eee Bodensee LO;Sys 2hed ot Pole Siac oon Ztrichsee 11s 25,536 3, Ou AOS Maditisee P16" = 20;3n5 Sota 405 Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen, 43 Ahnliche Reihen finden sich auch in dem Material von 1925 und 1926. Diese Fische sind zwar als dichtfiltrig erklart worden, absolut sicheres Kennzeichen ist jedoch die Reusenbedornung nicht, da die Va- riationsreihen ein wenig tibereinander fgreifen. Das Material von 1925/26, das nach Jarvi C. generosus entsprechen soll, ergibt in den einzelnen Serien folgende Mittelwerte ftir die Alters- klassen: : Serie Datum ibid AAA beans Lo easy Le (ne agi | DAS aaIN 6 ee tran eked fed 1 Sis -S. 25 8,6 17,0 23,0 24,4 2 Sept. 25 Tiss Pgh 22'5)) 26,3 3 S31 60823; 4 9,2 20,5 5 Okt./Dez. 25 Sine NOS 25,214 20 yl Ol. 6 Sion UA 2858 2019 7 8.7 17,4 25,0 8 30. 9.—4, 10.26 86 169 22,9 26,4 29,0 9 Sept. 26 88 22,9 32,7 38,8 41,0 42,8 44,0 10 Oe 19 1 26:0 1 130;3)) 35,9) 36.8 Lt 8,0 16,6 22,1 25.8 28,5 12 OFA) 1659" 23:6 27,0 13 1,9. Ad.8)))(295;9 14 10,0 20,6 ‘Geht man vom Gesamt-Zahlenmaterial aus, das diesen Durchschnitts- werten zugrunde liegt, so erhalt man als Mittelwert fiir diese Jahres- klassen: ede 2 gue aad eI Ge ed: 812 17,08 22,95 26,36 29,23 37,10 44,00 Das ist fast genau das mittlere Wachstum der kleinen Schwebrenke im Voralpengebiet, wie ich es im Handbuch der Binnenfischerei angege- ben habe (S. 434): ME a Ie Se de CA Ce Oh SOW, eT al: OG AW; Oo 22,9), 20,9 ty 129,91 GA 39,9) 113958 Es passen nur nicht zusammen die Jahre 6 und 7, aber diese bei- den Werte werden bei Jarvi sehr stark beeinfluBt durch den einzelnen siebenjahrigen Fisch der Serie 9. LaBt man ihn, da er ein ganz anderes Wachstum hat, fort und schlieBt man bei der Berechnung auch die zwei- jahrigen der Serien 4 und 14 aus, weil sie das ¢gleiche gute Wachstum anzeigen, dann erhalt man als Mittelwerte fiir die Altersstufen: de nae Sap 4, J. Shale 6. J. 8:02.) l6}82)4 22,79" (26,18. 28,81) 34,09 44 Erich Wagler: Herkunit und Einwanderung der Voralpencoregonen. d. h. nunmehr auch im 6. Jahre groBe Uebereinstimmung mit dem Gang- fisch. Die ausgeschiedenen Individuen gehGren einer anderen Art an, fiir die der Name generosus der rechte sein wiirde. Jarvi beschreibt in seiner Arbeit von 1940, daB das Wachstum der Sik im Pyhajarvi in den aufeinander folgenden Jahren der Untersuchung sehr verschieden gewesen sei. Wahrend die Fische vor 1923 langsamer witichsig gewesen seien, sei die Lange von 1923/24 ab dauernd gestiegen. Nach 1931 habe dann wieder ein Kleinerwerden eingesetzt. Als Ursache fiir diese Erscheinung wird eine Veranderung der Ernahrungslage ange- nommen. Wir wollen hier davon absehen, diese Frage weiter zu er6rtern. Ich verweise nur auf meine Darstellung im Handbuch der Binnenfischerei und auf die Arbeit meiner Schiler Bohmann, Frése, Englander usw. (1939), nach der in zusammengehGrenden Seegebieten das Nahrungsan- gebot (insbesondere Plankton) in aufeinander folgenden Jahren bei unsern jetzigen Renkenbestanden immer annahernd gleich groB ist. Die Schwan- | kungen sind nicht so bedeutend, als daB hier und dort und in diesem oder jenem Jahre besseres oder schlechteres Wachstum der Renken re- sultieren kénnte; denn Nahrung ist immer im Uberflu8 vorhanden, vor allem wahrend der eigentlichen Wachstumsperiode. Mir scheint die Schwan- kungen im Nahrungsangebot, soweit iiberhaupt solche vorhanden sind, kénnen nicht fiir den besseren oder schlechteren Abwachs der Sik ver- antwortlich gemacht werden. AuSerdem mu8 man wohl bei den Angaben Jarvis zweierlei sehr scharf unterscheiden: die DurchschnittsgréBe der Fische im Fang und ihre Wachstumsgeschwindigkeit bezw. ihre Wachstums- potenz. 1921/22 war fiir den Pyhajarvi ein sehr gutes Fangjahr. Uber 1600 kg wurden vom qkm geerntet. Der Fang kam einer Abfischung gleich. Dann sties die Lange der Fische, aber der Fangerfolg nahm ab. Seit 1931/32 setzte wieder eine Langenverminderung bei den Fischen ein, aber die Fangmenge stieg. Das ist also wieder einmal die alte Beobachtung, die ich in meiner zweiten Bewirtschaftungsarbeit (1938 S. 46/47) ausfthrlicher besprochen und in die Worte gekleidet habe: ,,Guter Fang - kieine Fische, schlechter Fang - groBe Fische’’. Die Beobachtung ist von mehreren Autoren an den verschiedensten Seen Deutschlands und der Schweiz an- gestellt worden. Ihre Ursachen sind durch mich an der Hand von zuver- lassigem Zahlenmaterial aus dem Tegernsee aufgedeckt worden. Wenn der Fangerfolg stark nachlaBt, dann fehlt der Nachwuchs, die jiingsten, kleinsten Fische sind knapp und die Masse des Fanges wird beherrscht von den aus friiheren, besseren Jahren iibrig gebliebenen Alteren und gréBeren Exemplaren. Umgekehrt werden die jiingsten Klassen reichlicher, wenn der Ertrag steigt. Die dlteren Individuen treten dann im Fang pro- zentual zuritck. Diese alte Regel ist Jarvi aufgefallen und man kann sie auch aus dem von ihm verO6ffentlichten Zahlenmaterial herauslesen. Das ist der erste der beiden Punkte: die Durchnittsgr6Be im Fange. Da- neben spielt aber sicher auch das Wachstum der gefangenen Sik eine sehr Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. 45 wichtige Rolle — nur in ganz anderer Weise, als der finnische Forscher meint. Die Schwebrenkenbevoélkerung des Pyhajarvi ist eben nicht einheit- lich in der Art. Es findet sich neben dem in der ersten Zeit des Fanges besonders stark hervortretenden langsamer wachsenden Typus (kleine Binnenseemarane) noch ein besser wiichsiger. Das ist derjenige, welcher in der vorstehenden Tabelle in den Reihen 4, 9 und 14 bereits sichtbar wurde. In der allerersten Zeit der Befischung mag mit den weitmaschi- gen Netzen von 60mm Knotenabstand diese frohwtichsige Art in erster Linie erfaBt worden sein. Als man aber zu Reusen und Fischzaunen iiber- ging, muBte die langsamer wachsende Form, die bis dahin fast vollstandig geschont worden war und sich deshalb stark vermehren konnte, massen- haft weggefangen werden. Der Erfolg war die hervorragende Ausbeute von 1921/22. Der Bestand der besser wachsenden Marane mufte aber mit den Reusen und Zaunen noch starker mitgenommen werden. Da bei ihr in Analogie zum Voralpenblaufelchen und dem norddeutschen C. ge- nerosus die Reife héchst wahrscheinlich ein Jahr spater eintritt als bei der kleinwiichsigen Form, so muBte sie sehr weitgehend an der Fort- pilanzung gehindert werden. Das bedeutete fiir den Bestand den Nieder- gang. Der Fisch trat im Fang zuriick. Er konnte sich erst wieder besser vermehren, als man sich entschlossen hatte, die Reusen und Fischzaune einzuschranken, schlieBlich ganz zu verbieten und wieder zur Netzfischerei iiberzugehen. Diese Bewirtschaftungsmafnahme war die einzig richtige! Wir haben offenbar in Finnland genau die gleiche Einwirkung der Bewirtschaftungsweise auf den Bestand, wie ich es oben fiir den Wtirm- see und Ammersee ausfiihrlicher geschildert habe. Wenn die Fische nach - 1931 immer groBer wurden, so ist dies nicht auf bessere Wiichsigkeit als Folge reichlicherer Ernahrung zurtickzuftihren, sondern als Anzeichen da- fiir zu werten, daB der besser wachsende Fisch im Fang nunmehr wie- der starker vertreten ist. Ich habe wiederholt darauf hingewiesen, dai in groBen Seen mit der groBen und der kleinen Schwebrenke bei giin- stiger Bewirtschaftung der erstere Fisch immer die Hauptmasse des Fan- ges stellen mu8, denn der von ihm bewohnte Raum, das offene Wasser, ist mehrfach gr6éBer als die Zone, die vom anderen bevorzugt wird. Am Bodensee z. B. verhalten sich die Fange von Blaufelchen und Gangfisch wie etwa 10 bis 20: 1. Wird die Bewirtschaftungsweise im Pyhajarvi nicht erneut geadndert, dann wird wohl auch in Zukunft der grofwiich- sige Sik im Fang vorherrschen u. das Fangergebnis etwa gleich gut bleiben. Man kann die Schwankungen in der Zusammensetzung des Fanges im Pyhajarvi unschwer aus den von Jarvi mitgeteilten Reihen fiir das mittlere Wachstum in den Einzelfangen herauslesen (1940 S. 76-81). Der langsamer wachsende Sik, der nach meiner Meinung dem C. macroph- thalmus entsprechen diirfte, bildete 1925 und 1926 noch die Hauptmasse des Fanges mit folgendem durchschnittlichem Wachstum: 46 Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. I die2idiiss: Sides CAL oe ae so On sasme nie 1925 Oily talOlS 2a e204 BONO 1926 Osman 0,01) 22,2 eZ, OOO 1927 6,8) 72015, 7 2720;3.47 92473) 21,0") 1,0) o,0 TA lO 20; O24 25S 27 te Se G0. 4 Er wird dann von Jahr zu Jahr immer geringer an Zahl, tritt nur noch in den 4ltesten Jahrgangen auf, verschwindet am Ende fast ganz. Dafiir nimmt der besser wachsende Sik seit 1925/26 standig zu. Anfangs (1925) ist er nur als zweijahriger nachweisbar, dann treten 1927 die drei- jahrigen, 1928 die vierjahrigen, 1930 die fiinfjahrigen hinzu, bis er schlief- lich fast allein das Feld beherrscht. Die Mittelzahlen fiir sein Wachstum ‘sind folgende: el Fee ec eee Seen Shen! fives [s. l. 1925 D2 2055 19260 LOO oe 2056 1927 1,0. A831 < 26;,6 1928 8,1 184 26,9 33,6 1929 Syria 2055). 730,390 Sune 1930 8:6 21,4 28,0 33,1 - 37,5 1931 878) 1720/38 31,57 = 9958 = 3933 1932 88 194 295 34,7 37,8 40,3 1935 Ol 2059) 2 S00) 35 4020 4495484 eo usW. Dieses Wachstum sieht dem der Art C. wartmanni auSerordentlich ahnlich. Ich glaube mich mit der Annahme von drei Sikarten im Pyhajarvi nicht zu tauschen. Wie bei uns ist die groBe Bodenrenke (der Grunnsik der Smitt’schen Benennungsweise) nur in geringer Zahl vorhanden und trotz ihres vorztiglichen Abwachses wirtschaftlich ohne gréBere Bedeutung: Sie wird wahrscheinlich nur zu gewissen Zeiten und zwar im Frihjahr bei Beginn der Wasserwarmung und im Herbst wdhrend der Laichzeit et- was reichlicher erbeutet. (s. oben S. 17). Die Brotfische ftir die Fischer bilden die beiden Maranen des Schwebs, in erster Linie die groBe Schweb- renke (groBe Binnenseemarane Jarvi's, Blawsik der Smitt’schen Nomen- klatur), Coregonus wartmanni generosus, in zweiter Linie die kleine Schweb- renke (kleine Binnenseemarane J&arvi's), Coregonus macrophthalmus NiB- lin. Die vorliegende Arbeit war vor langem schon abgeschlossen. lhre Drucklegung ist durch die Zeitumstande stark verzégert worden. Inzwi- schen tibersandte mir Prof. Jarvi seine neueste Ver6ffentlichung: Zur Kenntnis der Coregonen-Formen Nordfinnlands insbesondere des Kuusamo- Gebietes, Finlands Fiskerier 18 1943, die wieder ein sehr reiches Ma- terial aufweist und vielleicht neues Licht auf die hier behandelten Fra- gen zu werfen vermag. Die Arbeit basiert auf einer umfangreichen von Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. 47 andern zusammengebrachten Sammlung von Sik-Képfen und dazu geho- rigen Schuppenproben. Wenn ich nun auch zugeben muf, daB dieses Ma- terial mit den notwendigen biologischen Beobachtungen nur mit sehr ¢gro- Ben Schwierigkeiten vom Autor selbst hatte eingesammelt werden k6énnen, so muB ich doch mein oben gefalltes Urteil (S.10) aufrecht erhalten: Zur sicheren Bestimmung der systematischen Stellung von Coregonenstammen dehért die Kenntnis gewisser Eigenheiten ihrer Lebensweise. So grofe Mithe Prof. Jarvi auf die Verarbeitung des Materials verwendet hat u. so begrtiBenswert die Bereicherung unseres Wissens um die nordischen Coregonen ist, man erhalt durch die Arbeit nur Hinweise, keine klare Entscheidung, wo die Formen unterzubringen sind. 7 Jarvi teilt die Coregonen Nordfinnlands in drei Gruppen ein. Die erste umfaBt Formen mit im Mittel 16,75 bis 23,45 Reusendornen auf dem 1. Kiemenboégen, die zweite hat 26,95 bis 30,23 u. die dritte 32,40 bis 34,55. Die Einteilung ist also lediglich nach der Zahl der Reusendornen vorge- nommen worden und erscheint auf den 1. Blick etwas willktirlich zu sein, denn 1. wissen wir, daB in der Reusenbedornung innerhalb der gleichen Art von See zu See sehr grofe Verschiedenhkeiten bestehen kénnen. So hat z. B. (Wagler 1940 S. 388) der Blaufelchen des Chiemsees nur 23—34, im Mittel 28,6 Dornen auf dem 1. Kiemenbogen und der des Hallstatter Sees 37-47 bezw. 41,9 und zwischen diese beiden Extreme schieben sich die Blaufelchen-Rassen der iibrigen Seen als Jtickenlose Stufenleiter ein. Alle stimmen aber in den hauptsachlichsten morphologischen Charakteren und biclogischen Eigenheiten vollig tiberein. Die Art wiirde, wollte man der Einteilung Jarvi's folgen, auseinander gerissen werden. Der Chiemsee- blaufelchen kame in Jarvi's 2. Gruppe, andere wiirden zur 3. gerechnet werden miissen und fiir die Hallstatter Reinanke und einige andere For- men mtiBte gar eine 4. Gruppe neu geschaffen werden. 2. haben die Mittelzahlen fiir die nordfinnischen Coregonen sehr ver- schiedenes Gewicht. Von zwei Seen wurden nur 2 Exemplare, von sechs bis zu 10, von drei Seen zwischen 11 und 20, von ftini Seen zwischen 21 und 30, von sieben Seen zwischen 31 und 40 und nur von 2 Ge- wassern mehr als 50 untersucht. Die Streuung ist demzufolge bei den einzelnen Stammen sehr verschieden. Sie bleibt gering, wenn nur wenige Stiicke ausgezahlt werden konnten und wird gré8er, wenn reichlicheres Material zur Verfiigung stand. Meist umfaBt sie dann etwa 10 Varianten oder nur wenig mehr wie z. B. im Yli-Kitka, wo 16 bis 29, also 14 be- obachtet werden konnten. Das an den Seen gewonnene Material scheint darnach jeweils artlich einheitlich gewesen zu sein. Nur beim Suinunki und Kovajarvi ist die Streuung gr6éBer, aber nur deshalb, weil je ein Exemplar aus der Reihe herausfallt. Es haben die Formen 48 Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. des Suinunki 24 und 30 bis 39 Dornen Kovajarvi 25/26 und 29 bis 40 £ Wahrscheinlich ist in beiden Fallen unter die Masse der Schwebsik je ein Exemplar eines Bodensik hineingeraten. Wenn nun auch die Gruppierung einseitig nach der Reusenbedor- nung vorgenommen worden ist, so scheint doch in dem System ein rich- tiger Kern zu stecken. Gruppe I umfaBt im wesentlichen Stamme mit kurz- dornigen Reusen, in Gruppe II sind die Dornen etwas langer und in Grup- pe III sind sie extrem lang. Nach denErfahrungen im Voralpengebiet beur- teilt, kénnte man in Gruppe I die Sandfelchen (C. fera bezw. maraena) vermuten, in Gruppe II die Blaufelchen (C. warfmanni) und in Grup- pe III den Gangfisch (C. macrophthalmus) und zu dieser Vermutung fiihren auch die Abbildungen, die Jarvi von Képfen und ganzen Fischen seiner Arbeit beigeftigt hat. So haben z. B. die 3 Sik-Képfe aus dem Leihajarvi und Toranki der Abb. 24/25 und 28 typisches Sandfelchenprofil, den ho- hen steil abfallenden Zwischenkiefer und die eigenartige Kriimmung der Dorsalkontur zwischen Auge und Schnauzenspitze (Ramsnase) und dazu ein kleines Auge. Der Vergleich mit einem Exemplar aus dem Bodensee ergibt die groBte Ahnlichkeit (Fig. 12, 13). Die durch Riickberechnung gewonnenen Abwachszahlen sind ake nicht ohne weiteres als Stiitze fiir diese Anschauung verwendbar. Daf es sich bei den Rassen der Gruppe I um gut wachsende Formen handelt, steht auBer Zweifel, da in den Tabellen Fische von weit tiber 50cm mehrfach erscheinen und solche GréBen bei langsam wachsenden Arten, wie unser Gangfisch und Kilch und die kleine Marane es sind, ttberhaupt nicht m6¢lich sind'). Die Endwerte fiir die beiden ersten liegen bei wenig tiber 40cm, bei der kleinen Marane meist sogar noch wesentlich niedriger. Schnelles Wachstum ist sonst aber aus den Tabelien nicht herauszulesen, im Gegenteil der jahrliche Zuwachs ist auch in den 3 ersten Jahren gering. Fiir den Toranki gibt Jarvi folgendes Zah!enmaterial: (Tabelle 12 S. 79). Jahr 12: 3. rs OMS ae OP Texts: 9. 10:. v1.4. Vale aie cm 5,6 11,0 16,4 21,4 28,2 34,0 40,0 44,6 46,8 48,8 50,4 52,4 54,5 4,6 7,9 12,7 16,9 23,8 29,9 34,7 38,0 Ae ie 25) TOW 2228.41" 343153855 4,7 9,0 15,0 20,4 25,9 31,0 36,5 40,0 3,1 7,9 14,3 23,1 30,2 34,7 38,4 43,0 45 7,9 12,0 17,6 25,8 34,5 39,0 43,0 3,0) e2a03.6) 20/4 °28.2-36,0) 4013) 45,9 6,2 9,5 14,9 21,2 30,3 37,0 41,6 44,5 SOc POG 922,4)271,0952,9 SiO APS Slt 9 Os 2t Geae,o.. 07.0 AQ LO 18.2) 2ieOrs 179 37-5 5, a0;9) 1776425) 952:0 —- yg, Wagler 1940 S. 435 Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. 49 at ee oo ea SG ee 8 |) Oo P1Or 1 12. 13) eno) 9618.1 25:41 325 4,1 10,8 18,4 25,5 32,5 4,0 10,1 17,6 25,7 33,0 3,6 9,8 18,0 26,7 33,0 "5-0 10,1 18,1 27,7 33,0 4,3 10,5 18,9 28,0 34,0 4,5 10,2 18,9 28,3 34,0 4,2 11,4 20,8 29,2 34,0 4,3 12,6 24,2 30,6 35,0 5,0 13,4 22,6 30,4 35,0 5,0 12,6 22,5 30,1 35,0 4,6 11,3 21,1 28,9 35,5 Mittel: 4,4 10,2 17,6 24,8 31,0 33,9 38,0 41,9 46,8 48,8 50,4 52,4 54,5 Aus diesen Reihen erhalten wir ftir die Altersklassen die unter dem Strich stehenden Mittelwerte. Die Streuung ist folgende: 1. Jahr 4,4 3,1— 6,2 Dice OLD 7,2—13,4 et OF vel2.0——24,2 » 24,8 16,1—30,6 31,0 22,1—35,5 Mh S39) Sh 28nl—- Sil-O , 38,0 34,1—41,6 8. ,,, '741,9: -738,0—44,5 d. h. die Streuung ist im 1. Jahr noch klein, man kann sagen normal, im zweiten Jahr wird sie schon gréBer, ware aber auch dann noch denkbar und vom 3. Jahre an nimmt sie Betrage an, die nach meinen Erfahrungen nicht gut méglich sind. Hier stimmt etwas nicht! Sehen wir uns die Ta- belle etwas genauer an, so bemerken wir, dai die starke Abweichung vom Mittel in den Jahresklassen nur bei den Fischen vorhanden ist, die alter als 6 Jahre sind. Rechnet man die Mittelwerte fiir die 5- und 6-jahrigen allein aus, dann erhalt man: = es Cn > CS Mittel Streuung 1. Jahr 4,39 Sih 79,1 Pe i 11,14 9,6—13,4 itary 19,64 17,3—24,2 4 ts 27,76 25,4—30,6 Sete 33,50 31,9—35,5 | Gus lee 37 2537. 0-- 37,5 d. h. etwas héhere Zahlen und betrachtlich geringere Streuung. Nun gibt Jarvi eine ausgezeichnete Schuppenphotographie von einem Toranki-Sik, die ich in Taf. 7 Fig. 14 reproduziere. Der Fisch soll im 5, Jahr gestanden haben. Ich halte ihn jedoch nur fiir 4-sémmerig. Nach 50 Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. Abb. 4. — a) von Jarvi nach Dahl-Lea errechnete GréBe des einjahrigen Toranki-Siks. b) Gr6éBe der einjahrigen Blaufelchen in Voralpenseen. meinen Erfahrungen zahlt das innerste Feld nicht als volles Jahr, sondern — entspricht nur der ersten Anlage der Schuppe und den darauf folgenden Wochen des Friihjahres. Genau so dtirften die Schuppen bei allen iibri- gen von Jarvi untersuchten Fischen ausgebildet gewesen sein. Sie sind alle mindestens um 1 Jahr zu hoch eingeschatzt. Man braucht doch nur einmal die Mittelgr6Be von 4,39 cm sich durch eine Zeichnung zu ver- éegenwartigen (Abb. 4a) und man wird einsehen, daf sie nicht gut beim einjahrigen Fisch méglich sein kann, denn so grofs sind die Felchen in unseren Seen bereits im 1. Sommer (Anfang August bis September), wenn sie groBeren Coregonen in Mengen zum Opfer fallen. Der 1-jahrige hat in Wirklichkeit etwa 10cm (Abb. 4b) und diesen Wert erhalt man auch aus der Tabelle, wenn man den 2-jahrigen als einjahrig ansieht. Dariiber hinaus kommen aber bei den alteren Exemplaren auch noch Scheinzuwachsgrenzen als Stérquellen in Frage. Jarvi schreibt ja selbst (1943 S.35): ,,Es kann gesagt werden, dali diese Bestimmungen ihre Schwie- rigkeiten gehabt haben. Ganz speziell gilt das bei den alten Individuen, aber auch die Schuppen der jiingeren Exemplare haben manchmal Zweifel an der Richtigkeit der Alters- bezw. Zuwachsbestimmung aufkommen . lassen. Ohne fiir jeden Fall fiir unbedingte Treffsicherheit einstehen zu konnen, nehme ich gleichwohl an, daf mir in den meisten Fallen eine richtige Ablesung gelungen ist". Ganz gewif, in den meisten Fallen, aber gerade der Rest beeinfluBt leider das Gesamtresultat sehr stark. Wie friiher erwahnt wurde, miissen die Zahlen Jarvi's, wenn sie direkt mit meinen Ergebnissen verglichen werden sollen, wegen der Un- gleichheit der MeBmethode noch um 7°/, erhéht werden. Man erhalt dann: Jahr Mittel Streuung 1. 11,98 10,32 —14,41 2ilalel 18,60 — 26,02 29,84 2M AUS) 36,02 34,30—38,17 40,05 39,78 —40,32 UE NS Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen, 51 Diese Reihe wiirde recht gut mit der von mir seinerzeit fir den Silberfelchen des unteren Bodensees gegebenen, der ebenfalls zu C. fera zu stellen ist, tibereinstimmen, denn ich fand (Abb. 5): 1. Jahr 10,88 2 te 22,53 3: as 32,76 Arete 37,93 Sapte 41,36 Die ftir die tibrigen Angehérigen der Gruppe I angegebenen Ab- wachszahlen sind ebenfalls nicht ohne weiteres mit voralpinen Befunden in Einklang zu bringen. Nur ein See macht eine Ausnahme: der Kopatti- jarvi. Jarvi gibt folgende Zahlen: ile Ds, 3. 4, 5. 6. Te 8. TOR 14 29451340 Ha 197 31,0. 36,0 ROL A182... 31.8: 37:0 50. 17,8 28.7 | 36,22 390 AD NO BO SAO SOS Say 2002. (30:2) 1 uno 4100 66 188 31,5 36,3 40,6 44,0 io 8185 | 28.1 36,9 +7420) 450 4A 163. 308 ~37,9 449° 47,5 5,8 166 286 346 394 436 494 53,0. 66 18,2. 310 363 409 450. 49:4 53,0 Gleicht man die unterm Strich stehenden Mittelwerte meiner MeBmethode durch Erhéhung um 7°/, an, so erhalt man 1 Ore, 19,6, 1 -33;5)7739,0)) 44,0. 48,45 55,1 2) 97,00 d. h. eine Reihe, die dem von mir ftir den Sandfelchen des Bodensees festgestellten Wachstum in einzelnen Jahren sehr nahe kommt. Ich fand: 10;8:. 22,7. 132,9 -38,443,2. 48,0) 50,4 53,6 Auch der Sik des Kopattijirvi kénnte darnach gut zu Coregonus fera gehoren. (Abb. 5) Ganz anders stellen sich die Glieder der Gruppe II dar. Zunachst ist bei Jarvi (1943) auf Taf. 15 Abb. 26 der Kopf eines Sik aus dem Kero- jarvi abgebildet (Taf. 7 Fig.15 u. Taf. 8 Fig. 16). Es ist ein typischer wart- manni-Kopf, kegelférmig mit vollkommen gerade verlaufender Dorsalkon- tur, also ohne Ramsnase, zugespitzter Schnauze und endstandigem Maul und kleinem Auge. Die Reusendornen sind, wie die Abb. 12 und 13 auf Taf. 8 bei Jarvi beweisen, mittellang. Auch ihre Zahl 28—34 kénnte fiir die Art wartmanni sprechen. Das gréBte Exemplar hat nach Jarvi's MaB 51 cm, was rund 55 nach meinem entsprechen wiirde. Es kann sich dar- nach auch wieder nur um eine gut wachsende Rasse handeln, wenn dies Veréff. Zool. Staatssamml. Miinchen (1950) 4 52 Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. ee em EEEEEEEEEHE EEE Bawa fal A Pave fe De a) oe I any, be | Ff EEE HERE EEE eee a) ser ugney aeveaeeeree YA HE ia HEHE i eae HEHE aaa fi a : raannae EEE ff cE oe oT | =~ ele a I] TN Aa EE [4 Sy a aS [| CE] Al [] le S [| (A I feseraay ataatantoc if ae oe . = Seo Ee ie aa cece bie Seam ae SIN Les ace a ne isle le aa isles Ha i iz is Es a aE 3 AEE Sie = a Ltt Ses oN Es ——> Jahre Abb, 5 Wachstum von Coregonen. . Marine aus dem Toranki n. Jarvi (angeglichen) , Silberfelchen vom Untersee Marane aus dem Kopatti. 4- und 5-jahrige Fische (angeglichen) . Mardne aus dem Toranki. Zahlen nach Jarvi . Marine aus dem Kallunki n, Jarvi . Gangfisch vom Bodessee Do bWNe Erich Wagle1: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. y 53 auch die Mittelwerte ftir den Abwachs in Tabelle 14 S. 82/83 nicht klar erkennen lassen. Da man auch bei den anderen Formen der Gruppe II bessere nicht erhalt, mag die Frage offen bleiben, ob es sich wirklich um den Blaufelchen handelt oder nicht. Die Entscheidung ist fir uns in die- sem Zusammenhang auch nicht so wichtig, weil anderweitig in Finnland sein Vorkommen schon wahrscheinlich gemacht worden ist. Gruppe III] enthalt Formen mit langdornigen, teilweise sogar sehr langdornigen Reusen, was im Verein mit der hohen Zahnzahl auf den Gangfisch C. macrophthalmus hinweisen k6énnte. Dieser Verdacht wird noch bestarkt durch zwei Photos, die Jarvi beigefiigt hat. Die Maranen der Abb. 29 aus dem Kovajarvi sind beide sehr schlank von Gestalt, haben ein endsténdiges Maul, zugespitzte Schnauze und sehr grofes Auge. (Fig. 17). So viel man erkennen kann, sind auch die Flossen sehr wenig beruBt. Alle 5 zur 3. Gruppe gestellten Sik sind auBerdem nur in relativ kleinen Stiicken gefangen worden. Die gré8ten Exemplare mafen: nach Jarvi nach meinem MaB Kovajarvi 18,2 20,0 Sarkijarvi 20,3 21,8 Porontimonjarvi 21,0 22,6 Kallunki 32,0 34,4 Suinunki AQ) Siu 43,5 Selbst die letzte dieser Rassen wiirde darnach sich noch in den Rahmen des Gangfischwachstums einftigen. Der nach Dahl-Lea errech- nete Abwachs paBt allerdings nicht ohne weiteres zu C. macrophthalmus bis auf eine Ausnahme, die Rasse des Kallunkis Jarvi gibt folgendes Zahlenmaterial (Tab. 3 S. 73): i 2 3h 4, 5, 6. a HS) iso elt 208 2455) 285). 32.0 ie ALO TA 202 4 23,3 4228.0 FO ee oli 420.0; 1. 23;17 4 2010 Gee tS 16.74 21.5.4 26,0 Oto 160-2216 26,0 Bale Me tte pee 17.2.) 2241 26,0 BD et She Tig 25,3) 2.2910 PAS GD 2190.) 23,0 re ets 198.7. 23,0 64 5 2 2 19.38) 25,0 ie loo). 20,50 25,0 FT gO |. 21-0 Se NG 2 210 Oe Se 21,0 Mme tard 55 nie 702250) 125,41 28150) 9 32.0 4 54 : Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. Gleicht man nun wieder diese Zahlen meiner Me8methode an, so erhilt man: (EDU: e 4, 5. 6. oh Sik Kallunki 7,7 15,6 20,1 24,2 27,3 30,6 34,4 Ganglisch.\Bodensee ~ 9)1 . 17,3) = 22,5 26,3'° 29,9) "33'5 sensors Das ist etwa die gleiche Wachstumsgeschwindigkeit wie beim Vor- alpen-Gangfisch. Der Unterschied betragt zwar in den meisten Fallen noch etwa 2cm, es mu aber bedacht werden, daf die Zahl der aus dem Kal- lunki untersuchten Individuen recht gering ist. Reicheres Material hatte vielleicht bessere Ubereinstimmung gebracht, die drei dreijahrigen Fische der Tabelle, die vollkommen zum Gangfisch passen, deuten dies schon an. (Abb. 5). Was weiter in der oben stehenden Tabelle auffallt, ist die geringe - Streuung in den Jahresklassen. Sie ist nach Jarvi nach meinem MaB the llaete 5,2— 9,7 5,6—10,4 Daren 11,3—17,9 12,2—19,2 Soh, 16,7—21,0 18,0—22,6 Ae 20.0 —25,0 1,5—26,9 Bye 23,1—29,0 24,8—31,2 6s 30,6—31,2 32,9—33,5 Das spricht fiir richtige Auslegung der Schuppenbilder. Unterbre- chungsringe, die zu Irrtiimern Veranlassung geben kénnten, scheinen — bei dem Kallunki-Sik wenig vorzukommen. Wie erwahnt wurde, hat Jarvi selbst versucht, finnische Coregonen mit voralpinen zu identifizieren. Die Namen fera, wartmanni und macrophthalmus sind von ihm mehriach und nach meiner Meinung meist auch richtig verwendet worden. In seiner letzten Arbeit stellt er sich allerdings auf einen anderen Standpunkt. Er schlieBt sich der Meinung L. Berg's (1932) an, der ,,in der jetzigen Ver- breitung der nordeuropidischen und baltischen Maranen einen Grund ge- gen das Zusammenfihren derselben mit voralpinen Maranenformen” sieht und ,,die vorhandenen Ahnlichkeiten der Kiemenreusen als Konvergenz- erscheinungen” betrachtet, ,,die tiber die Gemeinsamkeit der Formen nichts aussagen". Der letzte Satz mag manchmal das Richtige treffen, aber eben nur manchmal. Die Kiemenreusen sind keineswegs das einzige Korper- merkmal, das sich taxonomisch verwerten la8t. Ein System, das sich auf ihnen allein aufbaut, bleibt sogar, wie ich immer wieder betonen muf, museales Kunstprodukt, Konstruktion, die der natiirlichen Verwandtschaft nicht zu entsprechen braucht. Mindestens ebenso wichtig wie die Kiemen- reusen sind andere kérperliche und 6kologische Merkmale und besonders die Wachstumsverhialtnisse. Beriicksichtigt man die Summe aller dieser Eigenschaften, dann erhalt man ein ganz anderes Bild. Es wird mehr als wahrscheinlich, da®B iiberall, im Norden wie im Alpengebiet, dieselben Ty- Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. BS pen — den Ausdruck Arten will ich zunachst absichtlich vermeiden— vor- handen sind. Dann miissen sich aber entgegen den Anschauungen Berg's die Formen des noérdlichen und siidlichen Verbreitungsgebiets doch zu- sammenttigen lassen. d) Welche Coregonus-Arten leben in Irland und auf den bri- tischen Inseln? Bereits in den altesten Arbeiten, die sich mit der Fischfauna Eng- lands, Schottlands und Irlands befassen, werden drei oder vier verschie- dene Coregonus-Arten unterschieden. Die Vulgarnamen sind immer die gleichen, namlich: 1. the vendace. C. bande Richardson 1836. Die Form gehért in den albula-Kreis, wenn sie nicht sogar mit der Zwergmarane identisch ist. Sie ist in Siidschottland in mehreren Seen gefunden worden (Castle u. Mill Lochs, Lochmaben in Dumfriesshire), tritt aber auch, angeblich in einer besonderen Unterart C. vandesius gracilior Regan 1906, in Derwentwater- und Bassenthwaitsee in Cum- berland (Nordengland) auf. 2. the pollan. C. pollan Thompson 1835. Die Art lebt in irischen Seen: Lough Neagh, Ulster, Lough Erne, Fer- managh, Seen im Shannongebiet. 3. the powan. C. clupeoides Lacépéde 1803. Aus Loch Lomond in Schottland. 4, the gwiniad. C. clupeoides pennanti V al. 1848 oder auch C. pennanti Val. 1848, der in lake Bala in Merionethshire (Wales) beheimatet ist. Von diesem wird neuerdings abgetrennt 5. the shelly. C. clupeoides stigmaticus Regan 1908 aus dem Hawes- water in Cumberland und Ullswater in Westmoreland. Pollan, Powan und Gwiniad sind zweifellos GroBcoregonen, obgleich Berg (1932) nach dem Vorbild von Smitt (1886) den ,,Pollan* zusammen mit den sibirischen ,tugun” und ,peled* dicht hinter den kleinen Mardnen anschlieBt. AuBerdem sind sie sicher z.T. als Schweb- und z. T. als Boden- renken zu betrachten. Es geht dies zwar weniger aus der Zahl der Reusen- dornen, die wir nach Berg bei ihnen finden, hervor, namlich Powan 20—21 Gwiniad 21—23} auf dem unteren Teil des ersten Bogens Schelly 22—28 was nach meinen zahlreichen Bestimmungen einer Zahl von Powan 33—35 ~Gwiniad 35—38! auf dem ganzen Bogen Schelly 36—48 56 Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. entsprechen diirfte, als aus morphologischen und biologischen Eigenheiten, die gelegentlich in den Schrilten erwahnt werden. Vom .,,Pollan" werden allgemein die gleichlangen kcetes mit dem endstandigen Maul als charakteristisch hervorgehoben und Y arrell (1841) betont dazu noch die dunkle Blaufarbung des Riickens. Er gibt auBerdem an, daB der Pollan in Menge nahe dem Ufer gefangen wiirde. Im Juni 1834 seien in einem Zuge mehr als 6000 Stiick erbeutet worden. Das wiirde ganz eindeutig auf eine Schwebrenke hinweisen, denn erfahrungs- gemaB k6nnen sich Bodenrenken niemals in einem See zu derartigen Massen entwickeln. Die Angabe Yarrell’s, da bis 13 Zoll lange Weib- chen reif seien und 11,5 Zoll lange Mannchen flieBende Milch gehabt hatten, wtrde unter Umstanden auf eine grofwiichsige Form schlieBen lassen, ebenso das beobachtete Gewichtsmaximum von 2,5 Pfund (—1134 g), das einer Lange von etwa 50 cm entspricht. Ebenso scheint der ,,Gwiniad” (mit dem Schelly) Schwebrenke zu sein, denn ,,they are gregarious and approach the shore in vast shoals in spring and summer”. Sie haben ferner ,,the snout rather truncated, the jaws nearly equal, the lower just shutting with the upper." Die gewohn- liche Lange von 10—12 Zoll — 25—30 cm wiirde auch wieder auf eine gut wachsende Form hinweisen. Der ,,Powan" des Loch (esol in Schottland hingegen ist héchst wahrscheinlich eine Bodenrenke. ,,Snout prominant, somewhat of a conical form, extending beyond the upper lip, jaws of unequal length, the lower one the shortest." Dazu breites Maxillare, groBes Auge und Bodennahrung, ferner als Fang¢éréBe bis 16 Zoll = 40cm. Vielleicht verbirgt sich dahinter die groBe Marane. In dieser Vermutung wird man we- nigstens bestarkt durch die von Yarrell beigefiigte SchluBvig- nette, die ich nachstehend wieder- gebe (Abb. 6). Sollte dann nicht eine der englischen Schwebren- ken, der ,,Pollan“ oder der ,,Qui- niad" unserer Edelmarane ent- sprechen? Oder geh6ren viel- leicht gar beide dieser Art an? Bei der unsinnigen Zersplitterung des Systems, die heute infolge der nicht einheitlichen Bearbei- tung zustande gekommen ist, ist @ he Gptdee (a ys es gut méglich. Wir kommen nicht weiter, solange nicht eingehende Abb. 6 — Schnauzenform des Powan (C. lacepedei) Formanalysen und gute neue bio- und Pollan (C. pollan) nach Yarrell. logische Beobachtungen, vor allem Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen 57 auch zuverlassige Wachstumsbestimmungen vorliegen. Eins scheint man aber jetzt schon mit ziemlicher Bestimmtheit aussagen zu kénnen: Der Kilch ist nicht in den englischen und irischen Seen und der Gangfisch fehlt wahr- scheinlich auch. e) Die Coregonen Schwedens und WestruBlands. Wie bei den britischen Coregonen, so ist auch bei den schwedischen Sikformen eine Eingliederung in ein europaisches System mit Sicherheit nicht méglich — trotz der zahlreichen vorliegenden Arbeiten. Berg zahlt an Arten und Formen auf: C. albula L. 1758 Dornen a. d. 1. Bogen gracilis Giinther 1866, Gestrickland humilis Giinther 1866, Wenersee nilssoni Val. 1848, Schonen, Smaland, Wenersee, 30—41 : Jemtland usw. lloydi Giinther 1866, Wener-, Wetter-, Malarsee 26—35 lavaretus L. 1758, in schwedischen Seen suecicus Thienemann 1921, Wettersee 2131 microps Smitt 1882, Wenersee 21—28 angermanensis Berg 1932 = microcephalus Smitt 1882, Angermanelf 26—34 magalops Widegren 1862 — bolmeniensis Smitt 1882 = bolmensis Malm 1877, von Siidschweden bis 27—30 Lappland : maxillaris Giinther 1866, Wenersee f 29—30 vetterensis Thienemann 1921, Wettersee 26—34 aspius Smitt 1882, Pited-Flu8, schwed. Lappland 4250 ferner erwahnt bezw. beschreibt Freidenfelt 1933: maraena Bloch 1779, Wenersee 25235 amnipetens Freidenfelt 1933, Wenersee 24—30 Nach der Reusenbedornung mégen aspius und microps die Extreme der Reihe sein. Man wird erstere, wie es Jarvi getan hat, gut mit generosus vereinigen k6nnen, wahrend die zweite vielleicht mit der von Freiden- felt erwahnten maraena identisch ist, zumal beide aus dem Wenersee stammen, Ganzlich unsicher ist aber, von den Ostseeformen abgesehen, alles andere. Fiir unsere Zwecke ist eine genauere Analyse zunachst nicht erforderlich, da aus den ostwarts und westwarts anschlieBenden Gebieten Finnlands und Norwegens einiges besser bekannt ist. Erst recht undurchdringlich wird die Coregonensystematik des Ostens. Die von Prawdin, Poljakow, Berg u. a. beschriebenen oder benann- ten Spezies, zumeist aus dem Ladoga- und Onegasee stammend, zeigen 58 Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. denkbar verschiedene Reusenzahlen. Manche wie C. muksun lehnen sich vielleicht an aspius bezw. generosus an, andere wieder errinnern an die éroBe Marane und C. karelicus kénnte sogar mit dem Kilch identisch sein, Zwischen diesen Extremen liegen aber zahlreiche Bindeglieder, die nicht ohne weiteres unterzubringen sind. Zusammenfassung und SchluBbetrachtung. Wenn wir nun das Ergebnis unserer Erérterungen tiber das Auftreten der Coregonusarten in den nordischen Landern kurz zusammenfassen, so kénnen wir folgende Punkte als besonders wichtig herausstellen: 1. In Norddeutschland sind nur die Edel- oder Peipusmarane und die groBe oder Madiimarane vorhanden. Sie entsprechen den Blau- und Sandfelchen der Voralpenseen. Die gleichen Arten finden sich mit groBter Wahrscheinlichkeit auch in Finnland, Skandinavien, Danemark, England, Schottland und Irland. 2. Gangfisch und Kilch treten in Norddeutschland bestimmt nicht auf, ob- gleich geeignete Gewasser zum mindesten fiir den ersteren vorhanden waren und er sich in ihnen hatte halten kénnen, wenn er einmal ein- debiirgert Sewesen ware. Beide Arten sind auch in britischen und irischen Seen nicht nachweisbar, wohl aber kann mit der Anwesenheit des Gang- fisches in Norwegen gerechnet werden und ich nehme als ziemlich sicher an, daB dieser Fisch in Finnland vorkommt, wo zu ihm wie im west- lichen RuBland noch der vierte unserer Coregonen, der Kilch, hinzutritt. 3. In Norddeutschland nimmt die Haufigkeit der kleinen Marane und ebenso die der Edel- und grofen Marane von Osten nach Westen zu ganz entschieden ab. Diese Tatsache ist nicht nur in der limnologischen Eigen- art der Gewasser begriindet. Geeignete Seen wiirde es auch noch im westlichen Deutschland geben, obgleich es sich nicht leugnen lat, daB solche in gréBerer Zahl im 6stlichen liegen. 4, Gangfisch und Kilch werden ebenfalls von Osten nachWestenzu seltener. Es ist daher anzunehmen, daf alle vier Arten aus dem Osten oder Nordosten stammen. Vielleicht liegt das Ausbreitungszentrum im nord- éstlichen RuBland, wo, nach der Literatur zu schlieBen, heute noch der sroBte Reichtum an morphologisch und biologisch verschiedenen Typen vorhanden ist. . 5. Im Voralpengebiet ist eine Haufung der Vorkommen im Osten nicht festzustellen, wohl aber 14Bt sich zeigen, daB hier genau wie im Norden die Ausbreitung sich nur im ehemaligen Vereisungsgebiet halt und dafi die Fliisse Rhein, Rhone und Donau, die zudem zeitweilig miteinander in Verbindung gestanden haben, als Wander- und Zubringerstrafen von éroBter Wichtigkeit gewesen sind. 6. Die Rhone kann unméglich die Coregonen als erste empfangen haben und ebenso schaltet der Rhein aus, da im westlichen Norddeutschland die beiden Alpenarten C. macrophthalmus und acronius fehlen und auch Erich Wagler: Herkunft und Einwanderung der Voralpencoregonen. 59 wahrscheinlich nie vorhanden waren. Selbst in die Donau konnen die jetzigen voralpinen Arten direkt von Norden her aus Mitteldeutschland nicht gelangt sein, da geeignete, die Mittelgebirgskette durchbrechende WasserstraBen nicht vorhanden waren und das nordische und alpine Vereisungsgebiet zu weit von einander getrennt waren. Das sind Tatsachen, um die man schwer herumkommen wird. Vom nérdlichen Verbreitungsgebiet mtissen die siidlichen Formen sich abgezweigt haben. Etwas anderes ist nicht denkbar. Wenn der Marsch aus Mitteldeutschland direkt nach Siiden iiber die Mittelgebirge hinweg nicht méglich war, dann muB8 die Pforte fiir die Einwanderung anderswo gelegen haben. Eine solche scheint mir aber tatsachlich vorhanden zu sein. Frither schon hatte ich darauf aufmerksam gemacht, da an einer Stelle der Mittelgebirge die zur Ostsee abwdssernden Fluflaufe ohne allzu hohe Barriere von den nach Siiden der Donau zueilenden Fltissen getrennt sind. Diese Stelle liegt im Osten im Bereich der Sudeten: March und stille Adler fiihren nach Siiden zur Donau, die Glatzer NeiBe nach Norden zur Oder und beide sind in ihren Quelladern nur durch eine wenige km breite und nicht ibermafig hohe Schwelle getrennt. Die Uberwindung dieses Hindernisses ist vielleicht in der Nacheiszeit oder noch im letztenInterglazial méglich gewesen, zumal Vorbedingungen gegeben waren, die anderwarts nicht vorhanden waren. 1. Reichten wahrend der groBen Vereisung, der Ri®eiszeit, die nordischen Eismassen nicht nur bis an den Sudetenrand heran, sondern in deren nordlichem Teil sogar bis in diese selbst hinein. Anderwarts ist das nordische Vereisungsgebiet weit von den Mittelgebirgen getrennt. 2. Haben im Ri8-Wiirm-Interglazial im Gebiet des Glatzer Kessels zwischen Wartha und Camenz ausgedehnte Stauseen bestanden (Friedrich 1904, 1905, Leppla 1900). - Wenn nun auch nach Zeuner (1928) die jiingste Vereisung Schle- siens ,,keinesfalls weiter als bis zum Trebnitzer Héhenzug nérdlich von Bres~ lau vorgedrungen“ ist, so war doch im Ri®-Wiirm-Interglazial den nordischen Wanderern Gelegenheit gegeben, bis in den Glatzer Kessel vorzustofen und hier in den Stauseen das folgende Wiirmglazial zu iiberdauern oder aber sogar das letzte Hindernis zu tiberwinden und in das Donausystem zu gelangen und in den alten von der Rifeiszeit gebliebenen Staubecken sich zu halten. Leider sind wir noch nicht genau dariiber unterrichtet, wie in der fraglichen Zeit die Terrainverhaltnisse dieser Schwelle waren. Zeuner und andere haben darauf hingewiesen, da im Bereiche des Glatzer Kessels Krustenbewegungen im Diluvium stattgefunden haben und da8 diese auch heute noch andauern. Vielleicht war der Niveauunterschied gar nicht so groB wie heute, so da die Passage vom Oder- zum Donausystem fiir die Coregonen leicht méglich war. Es mu8 dem Geologen und Stratigraphen iiberlassen bleiben, hier Klarheit zu schaffen, ob die von mir angenommene WanderstraBe fiir die Renken bestand. Ich sehe jedenfalls vorlaufig keine 60 Erich Wagler: Herkunfit und Einwanderung der Voralpencoregonen. andere Moglichkeit. War die schmale Stelle am Glatzer Schneeberg iiber- wunden, dann war der weitere Weg fiir die Renken frei. Sobald die March erreicht war, war die Invasion der Stauseen am Alpenrande nur noch eine Frage der Zeit. Wenn die Entscheidung der Stratigraphen giinstig ftir mich ausfallen wiirde, dann wiirde die oben angefiihrte Anschauung Thienemann’'s doch zutreffen. Die vier Alpenarten wiirden dann zwar nicht direkt von Norden her gekommen sein und auch das Interglazial nicht in Mitteldeutschland tiberdauert haben, aber der Zeitpunkt der Einwanderung wiirde stimmen und ebenso die Trennung von der Zwergmarane. Letztere wiirde sich viel spater auf den Marsch gemacht haben, in einer Zeit, als der Weg zu den alpinen Staubecken bereits nicht mehr gangbar war, d.h. also nach dem letzten EisvorstoB. Angetihrte Schriiten. Berg ila Sr, 1932: Ubersicht der Verbreitung der SiB®wasserfische Europas. Zoogeographia, 1., S. 107—208. Berger, Fr., 1931: Diluviale Stratigraphie und Tektonik im Gebiete der oberen ; NeiBe und der Steine. Mit einem Beitrag zur Schotter- analyse. Jahrb. preuB. geol. Landesanstalt, 52, S. 177 — 244. Bertalanffy, L. von, 1934: Untersuchungen iiber die Gesetzlichkeit des Wachstums,. Arch. Entw.-Mechanik, 131, S. 613—652. Bloch, M.E., 1779: Naturgeschichte der Marane. Beschaftig. Berliner Ges. na- turf. Freunde, 4, S. 60—94. 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Weitere Untersuchungen an Coregonen.Arch. Hydrob., 13, S. 415 - 447. Die SiBwasserfische Deutschlands, Eine tiergeographische Skizze. Handb. Binnenfischerei von Demoll-Maier, S.1— 32. Uber die Edelmarane und die von ihr bewohnten Seen. Arch. Hydrob., 19, S. 1—36. Lough Neagh Coregons,. Proc, zool.Soc. London, 3, p. 77—78. Histoire naturelle des poissons, Paris. History of british fishes, 24 Edit., London, Die Coregonen in den Seen des Voralpengebietes. VII der Kilch des Bodensees. Intern. Revue ges. Hydrob., 30 S. 1—48, IX, Die Systematik der Voralpencoregonen, Intern. Revue ges. Hydrob., 35, S. 345—446. X. Die Bewirtschattung der Coregonenseen, Intern. Revue © ges. Hydrob., 37, S. 1— 130. Die Lange der Fische als Funktion des Alters. Allg. Fischerei-Ztg., 61, S. 51—54. Die Lachsartigen (Salmonidae) II. Teil. Die Coregonen. Handb. Binnenfischerei von Demoll- Maier, II], S. 397—501. Diluvialstratigraphie und Diluvialtektonik im Gebiet der Glatzer NeiBe. Diss. Breslau. Die Parasitenfauna der Gattung Coregonus. Revue suisse de Zoologie, 40, S. 559 - 634. ah Erklarung zu Tafel 1 Fig. 1—3 Schuppen von Mardnen aus dem Mjésen nach Huitfeldt-Kaas 1927 Abb. 13—15 Fig. 1 snormaltvoksende Sik“ Fig, 2 ,langtsomvoksende Sik“ Fig. 3 Lagesild = kleine Mardne. Wagler Tafel 1 3. Jahr 2. Jahr 1. Jahr Fig. 1 4, Jahr 3. Jahr 2. Jahr 1. Jahr Fig. 2 3. Jahr 2. Jahr 1. Jahr Fig. 3 Tafel 2 Wagler Fig, 4 Fig. 5 Erklarung zu Tafel 2 Kopf des C. fera inarensis n. ew 1929 Taf. 4 Abb. 20. - Kopf des C. acronius v. Rapp n. Wagler 1933. aad t : - ' is - = x ‘ eee ys ‘ > ¥ ° = Erklarung zu Taiel 3 Fig. 6 Kiemenreusen des C. fera inarensis n, Jarvi 1928 Taf. 10 Abb. 45. large 7 Kiemenreusen des C. acronius v. Rapp n. Wagler 1933, Wasgler Tafel 3 Bigs 8 Sy Tafel 4 Wasgler Erklarung zu Tafel 4 Fig. 8 Schuppe des C. fera inarensis n. Jarvi 1928 Taf. 20 Abb, 75. Fig. 9 Schuppe eines Sik vom Pyhajarvi n. Jarvi 1940 Abb. 35/36. Erklarung zu Taiel 5 Fig. 10 Schuppe eines Sik vom Leppajarvi n. Jarvi 1928 Abb, 98. Fig. 11 Schuppe eines Sik vom Leppajarvi n. Jarvi 1928 Abb. 104. Wagler Tafel 5 Fig. 10 Fig. 11 Tafel 6 Wagler Fig. 13 Erklarung zu Tafel 6 Fig. 12 Kopf eines Sik aus dem Toranki n. Jarvi 1943 Taf. 14 Abb. 25. Fig. 13 Kopf des C. fera Jurine vom Bodensee. Erklarung zu Tafel 7 es F Be q Fig. 14 Schuppe eines Sik aus dem Toranka a, Faryi 1043 fat 21 Fig, 38. Fig. 15 Kopf eines Sik aus dem Kerojarvi n. Jarvi 1943 Taf. 15 Abb. 26. e ) ied 4 ‘ - rast Tea wae ee eee a 1 Oe Tatel 7 \i Wagler | wy yy) Yi Fig. 14 Fig, 15 Wagler Tafel 8 Fig. 17 Erklarung zu Taiel 8 Fig. 16 Kopf des C. warfmanni Bloch vom Walensee (Schweiz). Fig. 17 Sik aus dem Kovajarvi n. Jarvi 1943 Taf. 16 Abb, 29, ae , 4 ea wexes SS aes der -ZOOLOGISCHEN STAATSSAMMLUNG -MUNCHEN | Hans Krieg Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika | SUS. CORP. Z08L LIBRARY MAR 2 1950 HARVARD UNIVERSITY Miinchen, 1. Januar 1950. __ | Verdoff, Zool, Staatssamml. Miinchen | Band 1 |S. 6296 Tierpsychologische Beobachtungen in Stidamerika Von Hans Krieg MUS. COMP. Z08L LIBRARY MAR 2°7 1950 HARVARB UAIVERSITY H. Krieg; Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika. 65 MUS. COMP. ZOOL. LIBRARY MAR 2°77 1950 | L HARVARS Das Meideverhalten UNIVERSITY Die psychisch-nervése Differenzierung ist zweifellos nicht anders auf- zufassen als die somatische, mit der sie eine Einheit bildet. Uber die Taxien bezw. Reflexe hinaus kommen im Laufe der Evolution immer mehr gewisse Fahigkeiten des zentralisierten Nervensystems zur Geltung, deren Wesen darin liegt, daB sie zwischen jenen Verbindungen herstellen kénnen (nicht miissen), wodurch die Ablaufe koordiniert und von Fall zu Fall im Sinne einer sich bewahrenden ZweckmaBigkeit gesteuert werden. Die héchsten Grade dieser Steuerung imponieren als Erfahrungsverwertung und Einsicht, als Erzeugnisse assoziativer Vorgange im Grofhirn. Wie sie zustande kommen, wissen wir noch nicht; wir sind geneigt, sie als etwas zu betrachten, das sich gewissermaBen als etwas ganz Neues und Hetero- genes, als héhere Instanz tiber die Grundorganisationen gesetzt hat. Diese Meinung ist aber zweifellos falsch. Auch ihr Zustandekommen vollzieht sich, wie das aller Spezialisierungen, phylogenetisch und ontogenetisch flieBend im Sinne einer allmahlichen Evolution; sie wachsen aus den Grundelementen heraus oder entstehen als deren Zusammenschluf. Ich begniige mich mit dieser vorsichtigen und allgemeinen Formulierung, ohne mich auf die Diskussionen einzulassen, welche durch die verschiedenen Auffassungen der Psychologen hervorgerufen worden sind. Es soll hier nur von der Reaktion auf unlustbringende Reize die Rede sein. | Unlustbringend oder unlustbetont nennen wir Reize, welche entwe- der die innere (hormonale) oder die aufere (umweltbezogene) relative Harmonie eines Organismus stéren. Er reagiert auf sie grundsatzlich da- mit, daB er sich aus dem Reizbereich zuriickzuziehen versucht. Diese Gundreaktion hat mit der Organisationshéhe des Nervensystems nichts zu tun, also auch nichts mit der Erfahrung oder Einsicht oder Assoziation. Sie gilt fiir irgendein Saugetier wie ftir einen Regenwurm oder eine Amdébe. Der Unterschied besteht nur darin, daB im differenzierteren Fall die Grundreaktion nicht mehr nackt, einfach und allgemeingiiltig zutage tritt, sondern unter dem Zwange spezialisierender Beschrankungen eingeengt und damit selektorisch (scheinbar) verstarkt, durch Querverbindungen mit anderen Reaktionen verkettet, durch hormonale Antagonismen umgeschal- tet, sowie durch Erfahrung (und im héchsten Falle durch Einsicht) kon- trolliert und bevormundet werden kann. Dabei kénnen alle diese Einfliisse in allen nur denkbaren Arten der Kombination zur Wirkung kommen. Wenn ich hier nur Beispiele aus der Tierwelt Siidamerikas anfire, so bin ich dafiir eine Erklarung schuldig. Ich halte es fiir gut, die (ein- zig zuverlassigen) Feststellungen des tierpsychologischen Experimentes, e 66 H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika. das ja neuerdings mit groBer Intensitat betrieben wird, immer wieder durch Berichte iiber freilebende Tiere zu erganzen, bei welchen ja die Kom- plexheit der Verhaltensursache nur ausnahmsweise zu exakten Defini- tionen fiihrt (wie z. B. bei den Beobachtungen Lavens und O.Kéohlers am Sandregenpfeifer); auch hoffe ich, da manchen Kollegen gerade das Verhalten siidamerikanischer Tiere von Interesse ist, nicht weil es irgend- etwas prinzipiell anderes lehren kénnte als die Beobachtungen an Tieren anderer Gebiete, sondern nur deshalb, weil nun einmal nur wenige von uns Gelegenheit haben, sich jahrelang mit Tieren stidamerikanischer Wild- bahn zu beschaitigen. DaB ich gerade die Reaktion auf unlustbringende Reize herausgreife, liegt ganz einfach daran, daB sie am haufigsten zu beobachten sind, denn in der Regel wirkt ja der Mensch selbst auf die Tiere der Wildnis, besonders die gréB8eren unter ihnen, als unlustbrin- gender Faktor. Bei genauerer Betrachtung ist das Meideverhalten nie ganz ein- heitlich, sondern besteht aus mehreren Akten, welche wie Glieder einer Kette aufeinander folgend ein Instinktverhalten ergeben’). Man wird zum Beispiel bei tiberraschendem Eintreten einer St6rung an einem SpieBhirsch (Mazama) stets folgende Akte feststellen: Schrecksekunde — rasche Flucht — Sichern — Weiterflucht (je nach dem Ergebnis des Sicherns rasch oder langsam) — Einschieben in eine Deckung gegen Sicht; und je nach der Intensitat, Art oder Dauer des Reizes wird die artliche Reaktions- kette ihre Akzente auf verschiedenen Gliedern der Kette haben oder die Reihenfolge der Glieder wird verschieden sein. Wird der normale Ablauf der Reaktionskette irgendwie behindert, so springen ftir sie oder fir ein- zelne ihrer Glieder zuweilen andere Reaktionen ein, welche dem Bestan- de stammesgeschichtlich alterer oder — was auf dasselbe herauskommt — jugendlicher, beim erwachsenen, artlich voll diiferenzierten Tier sonst durch wirksamere ersetzter Verhaltensweisen entstammen. Ich will daraui in einem besonderen Kapitel eingehen. Auch das Erkundungsverhal- ten will ich getrennt besprechen, denn es ist nicht eine Form oder ein Teil des Meideverhaltens, sondern leitet dieses nur ein, kann aber auch zu lustbetonten oder neutralen Eindriicken fthren. Das Grundverhalten des Meidens kann in sein scheinbares Gegen- teil umschlagen, namlich in die Gegenwehr. Dieses Umschlagen ist umso eher zu erwarten, je mehr die betreffende Art tiber dabei wirksam einsetzbare Mittel verftigt; dabei zeigt sich in der Regel, daB diese Mittel nicht primare Verteidigungsmittel sind, sondern daf sie in engster Bezie- hung zur Lebensfristung oder Fortpflanzung stehen. Da®B sie unter Um- standen in den Instinkthandlungen der Meidung auftreten, beweist nur, daB8 sie bei gewissen Situationsreizen auch in diese als Glieder einer Reaktionskette eingeklinkt werden kénnen. Niemand wird bezweileln, dab der Schnabel einer Gans oder eines Papageis in erster Linie ein Instru- 1) Ich folge damit der Definition von K. Lorenz. H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika. 67 ment des Nahrungserwerbs, des Nestbaues und vielleicht der Kosmetik ist, und daB es Ganse und Papageien gibt, welche kaum in die Lage kommen, ihn als Waffe gebrauchen zu miissen. Tritt diese Lage aber ein, so tber- nimmt er diese Funktion mit reflektorischer Selbstverstandlichkeit. Wir kénnen hier geradezu von einem ,Ubersprung” im Sinne Tinber- gen's reden, sind uns aber bewulbt, dabei diesen Ausdruck iiber die tib- lichen Beégriffsgrenzen hinaus zu gebrauchen. Wie viele Ubersprunghandlungen haben auch die zu besprechenden den Charakter einer Verwendung als Ersatz fiir das Glied einer Instinkt- kette oder eines ganzen Instinktverhaltens, welches aus irgend einem Grunde blockiert ist. Die Ursache der Blockierung kann endokriner oder traumatischer Natur sein oder sie kann in der Besonderheit auBerer Um- stande liegen, welche dann vielleicht wiederum zum Anla®8 endokriner Schtirzungen wird, welche das Grundverhalten sperren. | Letzten Endes ist der Unterschied zwischen dem Meideverhalten und dem Verhalten der Gegenwehr nicht ganz scharf, insofern als auch die Gegenwehr der Neutralisierung eines Unlustreizes dient, also eine Aufe- rungsiorm der Meidetendenz darstellt. Die zweifellos und unmittelbar endokrin bedingte Umschaltung des Meideverhaltens in ein Verhalten der Gegenwehr bezw. des Angriffes ist — von pathologischen Fallen ganz abgesehen — auferordentlich sinnifallig. Geschlechtstrieb und Brutpflegetrieb sind allgemein bekannte Ursachen fir die Blockierung des Meideverhaltens, welche zuweilen zu einem Nicht- beachten oder Nichtbemerken der Stérung, meist aber zu aktiver Abwehr fihrt. Briinstige Mannchen machen ja oft genug geradezu einen apper- zeptorisch gelahmten, gewissermafien vergifteten Eindruck, der dann bei Frreichung einer bestimmten Reizschwelle in einen Zustand blinder Wut tbergehen kann. Briinstige mannliche Cerviden sind leichter anzupirschen als nichtbrtinstige und werden oft nur von den bei ihnen befindlichen Weibchen, welche viel weniger brunftbetrunken sind, vor Gefahren ge- warnt oder bei der Flucht mitgerissen. Aber es kommt gar nicht selten vor, da sie plétzlich in ganz unmotivierter Weise irgend etwas, einen Menschen, ein Tier, einen Wagen, angreifen, wobei es sich allerdings wohl meist um einen Scheinangriff handelt, das Tier also im letzten Augen- blick umschwenkt und jah die Flucht ergreift. Der Angriff kann also durch Er- kennen gehemmt werden. Dieses Verhalten ist mir vom Sumpfhirsch (Odocoileus dichotomus I11.) bekannt geworden. (In der Heimat habe ich es beim Rehbock erlebt, beim Rothirsch scheint es nicht selten zu sein.) Sehr bekannt ist in allen Gegenden, wo Kaimane haulig sind, da briin- stige Kaimanmannchen zuweilen in héchster Erregung réhrend Lagerfeuer tiberrennen. Sehr viel haufiger 14Bt sich beobachten, daB vom Brutpflege- trieb beherrschte Tiere Storungen durch (meist nicht ganz durchégefiihrte) Angriffe beantworten. Auch hier ist die endokrine Bedingtheit des Ver- haltens sicher. Ich selbst habe mehrmals erlebt, da&B Kaimanweibchen, die ihr Gelege oder ihre frisch geschliipften Jungen bewachten, mich oder 68 H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Stidamerika. einen meiner Begleiter angriffen. Einmal machte eine Jaguarundi- (Her- pailurus-) Katzin, welche ihr Geheck in der Nahe hatte, heftige und an- dauernde Scheinangriffe. Dieses Verhalten ist auch vom sonst recht scheu- en Puma und vom Jaguar bekannt. Im tibrigen kann man es ja bei jeder Dorfgans erleben. DaB fast immer der Mensch das Objekt des Angriffes zu sein scheint, liegt natiirlich daran, daf nur er gleichzeitig der Bericht- erstatter sein kann. i Die meisten Falle einer Blockierung und Umschaltung des Meidever- haltens kommen dann zustande, wenn das normale Verhalten unmdglich ist, sei es, da® der stérende Reiz auf nahe Distanz mit der Wucht der Uberraschung einsetzt und einer ,milden” Reaktion keine Anlaufzeit gewahrt, sei es, daB diese Reaktion mechanisch behindert ist. Wie ein erschreckter Hund sogar seinen Herrn beift, weil eben das Beifien seine beim Nahrungserwerb taglich getibte ,,billigste’ Reaktion ist, so handeln alle Raubtiere im Sinue der ,,billigsten", fiir ihr Wesen am meisten ty- pischen und fir ihre Lebensfristung wichtigsten Reaktion, namlich des Angriffes, sobald die Plétzlichkeit und Starke eines Reizes ihnen keine Mésglichkeit la8t, anders als reflektorisch zu reagieren. Die Uberraschungs- Reaktion verrat sozusagen am besten die wahre Natur eines Tieres. Diese reflektorische Reaktion schafft erst den psychischen Abstand von der Stérung, welchen das vielfach schon mit Erfahrungsengrammen belastete Meideverhalten braucht, um anlaufen zu kénnen. Ein Jaguar wird auf einen jahen Schreck stets zunachst durch einen befreienden Angriff ant- worten, bei irgendeinem wehrlosen Pflanzenfresser dagegen werden die Meidehandlungen meist unmitielbar einsetzen. Ein Ersatz des Meideverhaltens durch ein Abwehr-Verhalten kann ferner durch raumliche oder traumatische Behinderung erzwungen wer- den. Ich kann mir wenige Wirbeltiere denken, welche nicht, werden sie am Ausweichen oder an der Flucht verhindert, zu Abwehrmitteln griifen, die sie sichtlich dem Arsenal ihrer billigsten Alltagshandlungen der Er- nahrung, Reinhaltung oder auch der Defakation entlehnen; dhnliches ist ja vom Balzverhalten vieler Végel bekannt (Heinroth, Lorenz). Zwi- schen dem Abwehrbi8 einer Eidechse oder eines kleinen Nagers und dem wiitenden Sprung einer gestellten Wildkatze ist kein prinzipieller Unter- schied, und wenn ein Jaguar, welcher durch Verwundung zum normalen Meideverhalten unfahig geworden ist oder bei dem der Schmerz eines Knochenschusses dieses Verhalten psychisch blockiert, sich durch einen (meist durch einen Fluchtversuch gefolgten) Gegenangriff psychisch und raumlich Luft macht, so tut er nichts anderes als ein angeschossenes Bisamschwein, das um sich beif®t, oder ein verwundeter Sumpfhirsch, der mit Geweih oder Laufen einen Feind ,mutig" zu vertreiben sucht, oder eine Wildkatze oder ein Fuchs, welche wiitend das sie festhaltende Eisen mit den Zahnen bearbeiten. Solche durchaus zweckhafte, aber durch starke Erregtheit als Not- handlungen charakterisierte Verhaltensweisen scheinen mir nun nahe ver- H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika. 69 wandt mit anderen, welche den Eindruck grotesker Sinnlosigkeit machen und wohl ohne Zégern als echte Ubersprunghandlungen gedeutet werden kénnen. Wenn einer Maus in der Falle jede Méglichkeit eines Meidever- haltens blockiert ist, so pflegt sie sich zu putzen oder am Kéder zu fressen. Ich habe zum Tode verurteilte Menschen primitiven Charakters, welchen man unmittelbar vor der Exekution einen Laib Brot und eine éroBe Kanne mit Kaffee hinstellte, sich wie heiShungrig auf ihre Henkers- mahlzeit stiirzen sehen, weil sie in der Aussichtslosigkeit ihrer Lage eben das Bediirfnis hatten, irgend etwas zu tun ,,als ob es einen Sinn hatte”. Bei gefangenen Ozelots und Katzen der Gattung Oncifelis habe ich beobachtet, da sie, hilflos in der Falle hangend, wititend die Kéder- taube zerrissen; ein junger Briillaffe, der sich wehrlos und fluchtunfahig unseren Versuchen aus¢geliefert sah, bif in héchster Erregung in den Ast, auf dem er saB'), und ein eben gefangenes Borstengiirteltier, das ich am Schwanze senkrecht tiber eine Schale mit Milch hielt, trank in seiner Hilflosigkeit hastig das ganze Gefaf leer. Bei vielen ganz verschiedenartigen Tieren habe ich beobachtet, daB8 sie im Zustande letzter Hilflosigkeit laut klagten, genau wie wir es vom Feldhasen kennen und zuweilen von Rehen mit Knochenschiissen hdéren, wenn man sich ihnen nahert. Froésche, welche von Hornfréschen oder Schlangen gepackt worden sind, klagen zu- weilen laut und anhaltend, angeschossene Tapetis (Sylvilagus) klagen, wenn man sie aufnimmt; oft tun es auch angeschossene Cerviden (Mazama, Pudua, Odocoileus). Ihr Geschrei ist nicht als Hilferuf zu deuten, sondern nur als psychische Entspannungshandlung ohne eigentlichen Sinn, wie das entspan- nende Weinen, Wimmern, Seufzen oder Geschirrzerschlagen unbeherrsch- ter Menschen oder das Schreien der Kleinkinder. Es ist ja bekannt, daB derartige Klagerufe manche natiirlichen Feinde geradezu anlocken, und da’ man sie z.B. bei der Jagd auf Fiichse mit Erfolg nachahmt. Das gellende. Geschrei, welches viele Végel, ganz besonders Papageien und Corviden, die ja an sich lautfreudig sind, héren lassen, wenn man die Fliigellahmen anfaBt, und das dem Jager durch Mark und Bein gehende Jammergeschrei vom Baume geschossener Affen (bes. Alouatta, Cebus, Callicebus) schlieBt allerdings die Deutung als Hilferuf nicht aus, und tatsdchlich konnte ich oft feststellen, daB es Artgenossen dieser sozialen Tiere in Erregung ver- setzte und manchmal herbeirief. Auch wirken ja die Klagerufe von Jung- tieren oft wie Magnete auf die Mutter oder die Eltern oder auf alle Art- genossen und fiihren nicht selten zur Rettung aus den Fangen eines lierischen Feindes. Aber diese letzteren Beispiele zeigen nur, wie leicht eine Ver- aligemeinerung zu Trugschltissen fiihren kann, weil ein und dasselbe Verhalten bei verschiedenen Tieren biologisch ganz verschiedene Effekte haben kann. Immerhin liegt die Vermutung nahe, daB die biologische Zweckmabigkeit des Klagens auch dort, wo sie zweifellos vorliegt, vielleicht nur sekundarer Natur sein kénnte. ‘) Grzimek’'s ,,Radfahrer-Reaktion” 70 H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika. Es gibt Tierarten, welche bei Blockierung ihres normalen Meidever- haltens allem Anscheine nach kaum oder gar nicht fahig sind, an seine Stelle andere Instinkthandlungen zu setzen. Man darf dies aber weder mit voriibergehender Schrecklahmung verwechseln noch mit der resignativen Erschépiung, welche bei manchen besonders lebhaft reagierenden Tieren nicht selten mit Herztod endet. Ich will, als Beispiel fiir viele, hier das Faultier Bradypus nennen. Es ist ein zu rascher Bewegung und Reaktion unfahiger Blattfresser und Kletterer mit langsamem, aber auf erordentlich © perseverantem Meideverhalten. An einem gefangenen Tier beobachtet man nur immer wieder die schildkrotenhafte Ausdauer seiner Fluchtversuche. Was soll es auch sonst tun? Bei ihm ist nicht nur, wie bei allen schari einseitig spezialisierten Tieren, das Reaktionsrepertoire stark eingeenst, sondern die ihm verbliebenen Reaktionsméglichkeiten sind zudem noch zur Abwehr oder wenigstens zum ,,Ubersprung" denkbar ungeeignet. Es kann weder rasch zubeifen noch hat es Putzgesten, in die es hineinfliichten kénnte, ja es hat nicht einmal die Fahigkeit, sich in der Erregung zu lésen, denn es steht unter dem Zwange einer physiologischen Kotretention (Wasserentzug im Enddarm). Seinen eigenartig pfeifenden Schrei st6Bt es, wie es scheint, nur in ganz bestimmten endokrinen Zustanden aus. Es bleibt ihm nur der Klammerinstinkt seiner langen und kraftigen Arme, und deren langsame, quetschende Beugung ist auch die einzige Bewegung, welche man bei eini- gem guten Willen als Abwehrhandlung deuten kann. Eine extreme Erscheinungsform der Resignation ist bei Wirbeltieren die sogenannte Akinese, ein mehr oder weniger starrer Zustand absoluten Verzichtes auf Bewegung, doch ohne sensorische Lahmung. Ob man sie mit der Akinese der GliederfiiRer homologisieren darf, scheint fraglich; mit dem durchaus nicht akinetischen, sondern héchst bewegungsbereiten Zustand des Sichdriickens hat dieser Zustand nichts zu tun, ebensowenig mit dem, was ich einen Knockout-Zustand nenne (siehe Kap. VII). Es ist wahrschein- lich, daB der Akinese endokrine Verschiebungen zu Grunde liegen (Steini- ger, Vélgyes), und ich vermute, daB ihr beim Menschen die kataleptischen Zustande entsprechen, welche man bei Hysterie findet. Wir haben uns langst abgewohnt, hinter allen Erscheinungen eine Zweckmiéfigkeit zu wittern, und gerade bei der Akinese der Wirbeltiere schiene es mir gesucht, von einer sol- chen zu sprechen, obgleich nicht bestritten werden soll, da sie unter gewissen Umstanden das Leben eines Tieres retten kann (Warnke). Ich vermute, daB man die Akinese als ein totales Blockiertsein der Meide-Reaktion aufzu- fassen hat, und zwar im Sinne eines psychischen Traumas, gesetzt von einem tibermachtigen Reizsturm. Es ist nun noch einiges iiber das Meideverhalten an sich zu sagen. Ich habe es oben als Grundreaktion auf unlustbringende Reize bezeichnet. Es versteht sich von selbst, daB diese Grundreaktion sich je nach dem so- matisch-physiologischen Spezialisationstyp einer jeden Tierart verschieden abspielt. Bald vollzieht sich die Meidung vorwiegend oder ausschlieBlich durch Laufen, bald durch Springen, Kriechen, Graben, Schwimmen, Flie- H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika. 71 gen, Sichdrticken, Sicheinrollen, Sichfallenlassen. Je nach der Vorherrschait eines Sinnesorganes wird das Verhalten vorwiegend von optischen, olfak- torischen, akustischen oder taktilen Reizen ausgelést, und je nach der Leit- seschwindigkeit der Nervenbahnen und der Umstellungsgeschwindigkeit und Intensitat endokriner Faktoren wird es sich rasch oder langsam, je nach dem Differenzierungs¢grad der zugeordneten Zentren stereotyp oder verschie- denartig vollziehen. Wie jede psychische Reaktionsnorm so bildet auch diese mit den kérperlichen Eigenschaften eine geschlossene Einheit, und die Frage, ob sie deren Folge sei oder deren Voraussetzung, scheint mir miBig, weil sie beides ist oder, wenn man so will, keines von beiden. Die prinzipiellen Unterschiede in der Methodik des Meideverhaltens sind ja beim Vergleich groBer Anpassungskategorien deutlich genug. Ich brauche nur an das verschiedene Verhalten der meist groBen, gradrtickigen Huftiere und ihrer meist kleinen, rundritickigen Verwandten zu erinnern. Die Eigenschaft ,,groB" oder ,,klein” ist dabei nicht an sich ausschlaggebend, denn es kommt auf absolute GréBe oder Kleinheit gar nicht an, sondern auf die Rolle, welche die Kérpergr6éBe inbezug auf die Besonderheiten des Lebensraumes und ihre Einpassung in sie spielt. Die sehr stattlichen aber rundriickigen Sumpfhirsche gehéren (ebenso wie die gréBeren unter den Rusa-Arten der alten Welt) zum meist kleinen, rundriickigen Schliipferty- pus, verhalten sich also ahnlich wie der Zwerghirsch Pudu oder die Arten der ebenfalls siidamerikanischen Cervidengattung Mazama, denn sie sind nicht Bewohner offener Savannen oder Steppen, sondern Dschungeltiere. Wie weitgehend verschieden aber das Verhalten bei Tieren Ahnlicher Biotopgebundenheit sein kann, zeigt ein Vergleich zwischen Affen und Faultieren oder Eichhérnchen und Baumstachelschweinen, oder ein Vergleich von Affen der regsamen und vielseitigen Gattungen Cebus und Ateles einer- seits und solchen der tragen, einseitig spezialisierten Gattung Alouatta andererseits: sie alle sind Baumtiere der Urwalder, aber die Art ihrer Verzahnung mit dem Lebensraum ist durchaus verschieden. Ein gutes Bei- spiel dafiir, daB auch bei augenscheinlich naher Verwandtschaft ganz ver- schiedene Reaktionsnormen des Meideverhaltens sich entwickeln kénnen, zeigen die Giirteltiere. Die gut grabenden Hartgiirteltiere entziehen sich _unangenehmen und heftigen Stérungsreizen, wenn irgend méglich, durch rasches Eingraben, die schlecht grabenden, aber sehr rasch laufenden Weich- giirteltiere stets durch Wegrennen bis zu geeignetem Unterschlupf, die im Graben und Laufen wenig geschickten Kugelgtirteltiere durch Einrollen. Im Reaktionsrepertoire des groBen Ameisenbaren (Myrmecophaga) spielt das Meideverhalten eine ganz auffallend geringe Rolle. Die Beschaulich- keit seines Nahrungserwerbs und die Tatsache, dafi er vor natiirlichen Feinden (d.h. allen auRer dem sinnlos mordenden Menschen) kaum etwas zu fiirchten hat, erlauben ihm ein hohes Ma8B von Indolenz. Ich komme auf ihn an anderer Stelle (III. Kapitel) zurtick. Bisher war nur von Verhaltensweisen die Rede, welche ganz zweifel- los im wesentlichen instinkthafter Art sind. Sie bilden stets gewissermaBen WP H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in. Siidamerika. das artliche Grundschema, und bei vielen Tieren, besonders solchen mit geringer psychischer Differenziertheit oder kérperlicher Agilitat, kann man keine wesentlichen Abwandlungen dieses Grundschemas feststellen. Nun kann aber dieses Schema Veranderungen unterliegen, welche m. E. nicht ohne weiteres damit erklart werden kénnen, da einzelne Phasen des Verhaltens aus der Verhaltenskette ausfallen oder in sie als eine Art von Uberspriingen eingeschaltet werden. Solche Veranderungen k6nnen durch Erfahrung hervorgerufen werden, aber auch durch eine Reihe von Er- scheinungen, welche haufig mit Erfahrung (bezw. Lernen) falscherweise in einen Topf geworfen werden. Bierens de Haan nennt sie physiolo- gische Reifung, Ubung, Einfahrung und Gewéhnung, Reifung bedingt Verhaltenswechsel vom Jungtier zum Alttier nicht durch Ubung oder Erfahrung, sondern einzig und allein dadurch, daB ontogenetische Jugendstadien (die in der Regel zugleich phylogenetische Friihstadien dar- stellen) im Laufe der artspezifischen Differenzierung durch ,,reife’ Stadien | ersetzt werden, und mit ihnen die der jeweiligen Entwicklungsstufe zu- deordneten Verhaltensweisen. Beispiel: der flugunfahige Jungvogel driickt sich, der Altvogel fliegt weg. Dabei scheint mir nun die Feststellung wich- tig, daB die scheinbar tiberwundenen Verhaltensweisen keineswegs auch potentiell verloren gehen, sondern unter gewissen Umstanden wieder zu- tage treten (siehe III. Kapitel). Was das Moment der Ubung betrilfft, so scheint es mir am wenigsten problematisch, denn es bedeutet ja nur eine graduelle Verbesserung der Funktionen und damit eine Intensivierung, aber keine Veranderung des Verhaltens. Einfahrung und Gew6hnung sind kaum klar zu trennen. Sie werden am leichtesten mit Erfahrung verwechselt. Wenn, wie z. B. die beriihmten Versuche von Yerkes an Regenwiirmern gezeigt haben, Tiere die Stelle eines mehriach wiederholten Unlustreizes meiden, ohne da man bei der Einfachheit ihres Nervensystems an assoziative Vorgange denken diirfte, liegt die Annahme nahe, dafs die Meidereaktion nur darauf beruht, daB das urspriinglich reflektorische Verhal- ten auch ohne den Reiz eine Zeitlang beibehalten wird, weil es sozusagen einexerziert oder in den Nervenbahnen eingefahren ist. Der weitere Schritt zur Gewohnun¢g im eigentlich psychologischen Sinne ist — wenn man ihn tiber- haupt annehmen will — nur klein. Immerhin kann sich echte Gewohnung in sehr verschiedener Weise AuBern. Reize ich ein Kugelgiirteltier (oder einen Igel) in kurzen Zeitabstanden immer wieder, so stelle ich fest, daB seine Einrollungen allmahlich weniger fest werden. Seine Reaktion wird stumpfer und geringer, und ich habe den Eindruck, als liege die Ursache dafiir darin, daB die Unlustbetonung des Reizes dadurch abgeschwacht wird, daf& die erwartete Folge des ersten Reizes, namlich die weitere Behelligung auch nach der Einrollung, immer wieder ausgeblieben ist. Hier kann, meine ich, schon das Hereinspielen eines Erfahrungsmomentes angenommen werden. Dieses Verhalten entspricht dem ersten Schritt zur Zahmheit, welche ja oft als Abstumpfung in Erscheinung tritt, wobei diese Abstumpfung aber doch in der Regel eben dadurch zustandekommt, daB H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Stidamerika. 13 dem unlustbetonten oder unlustanmeldenden Reiz nicht weitere Behelli- gung folgt. Wenn Tiere freier Wildbahn ihre Scheu vor dem Menschen weitgehend verlieren, ,,weil sie wissen, daB ihnen nichts geschieht”, so liegt hier ohne Frage eine Abschwachung des Meideverhaltens aufgrund von Erfahrung vor, weil die Unlustbetonung des Reizes verringert ist. Aber es geschieht eigentlich nichts Neues, denn — vom stets unlustbe- tonten Schreck abgesehen — sind Reize nur dann primar unlustbetont, wenn sie unmittelbar unangenehm oder gar schmerzhaft oder schadlich sind. Unlustanmeldende Reize werden erst durch Erfahrung in die Sphare der Unlustbetonung einbezogen. Naive, unerfahrene Tiere sind héchstens schreckscheu, wie jeder wei, der in der Wildnis gelebt hat, und wie wir an Wintergasten aus dem hohen Norden (Seidenschwanz, Tannenhaher) in Mitteleuropa immer wieder feststellen kénnen. Vielverfolgte Tiere wer-— den aber auBerordentlich scheu, ihre Fluchtdistanz (Hediger) vergréBert sich auf Grund ihrer schlechten Erfahrung. In den Begriff der Erfahrung muf selbstverstandlich alles Ge- lernte einbezogen werden, also auch alles, was durch bloBes Vorbild oder Dressur (Fiihrung) dem Gedachtnis einverleibt wurde und durch assoziatives Erinnern das Verhalten in als 4hnlich erkannten Situationen beeinfluBt. Welche Mechanismen im Gehirn diese Vorgange erméglichen, wissen wir noch nicht. Daf einfache erfahrungverwertende Assoziatio- nen schon bei Fischen, Lurchen und Kriechtieren, ja sogar bei Wirbel- losen moglich sind, steht fest. Zwischen ihnen und dem viel feineren in sehr verschiedenen Situationen das Gemeinsame .erkennenden assoziati- ven Erfahrungsverhalten und schlieBlich der Neufindung ursachlicher Be-- ziehungen, wie wir sie von Affen kennen, ist gewif eine weite Spanne, aber alle Stufen sind unverkennbar durch Ubergange verbunden. Assoziative Vorgange sind, wie der Name sagt, Vorgange der Ver- kniipfung instinktiver bezw. engrammatischer Gegebenheiten, welche ein Verhalten erméglichen, das tiber den generellen Schematismus hinaus zur Meisterung einer neuen, erfahrungsmaBig als Ganzes vorbildlosen Situa- tion fiihrt. Das ,,Erkennen“ der Situation ist ein Wiedererkennen derje- nigen Faktoren in ihr, welche fritheres Erleben zum Erfahrungsschatz hat werden lassen. Das reine Instinkt- und Gewohnheitsverhalten setzt kein (bewuBtes) Erkennen voraus. Die Fahigkeit des Wiedererkennens ist auBerordentlich verschieden. Man wird zum Beispiel bei Kaimanen wohl Anzeichen daftir finden, dah sie neue Reizerlebnisse in grober, schematischer Weise mit friiheren in Beziehung setzen kénnen, etwa insofern als sie weidendes Vieh, das sich ihnen nahert, oder Wagen, welche in der Nahe vorbeirumpeln, als erlahrungsgemaB belanglos kaum beachten, dagegen vor zu Ful heran- kommenden Menschen zeitig ins Wasser fliichten; und ganz dhnliche Be- obachtungen kann man mit Capybaras (Hydrochoerus) machen. Ihre Asso- ziationen sind einfach und generell. Viel feiner reagieren Huftiere, die ja bekanntlich eine ausgezeichnete Fahigkeit haben, uns Menschen gar 74 H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika. nicht auffallende oder geringfiigig scheinende Besonderheiten wahrzuneh- men und dank ihres guten Gedachtnisses mit friiher Erlebtem zu verbin- den. Bei Affen, besonders Cebus (viel weniger Alouatta, Callicebus, Calli- thrix) wird man zwar feines Erkennungsverm6¢gen, aber relativ viel schlech- teres Erinnerungsverm6égen tiber lange Zeitintervalle feststellen. Daf fast immer der sich anschleichende Jager eine viel starkere Unlustwirkung auslést als der laut daherkommende, kann teils als Erfahrungsverwertung, teils als instinktive Reaktion auf alles raubtierartig Schleichende gedeutet werden. Schwierig ist die Entscheidung, inwieweit ein Meideverhalten gegen- uber spezifischen Eindriicken erblich-instinktiv festliegt oder durch Er- fahrung bedingt ist. Frischgefangene Jungaffen, denen ich Giftschlangen zeigte, erschraken gar nicht, sondern griffen neugierig nach ihnen, wahrend Pferde und auch Rinder, wenn sie sich ganz ungezwungen bewegen, eine instinktive Schlangenfurcht (oder vielleicht schreckhafte Furcht vor dem — unerkennbar Huschenden) zu haben scheinen. Meine Hunde wurden mehr- mals von Schlangen gebissen, nervés-aggressive Terriers haufiger als ru- hige und an sich vorsichtige Kamphunde. Sie scheinen nur durch Erfah- rung klug zu werden. In Argentinien ist bekannt, da Weidevieh, in dessen bisheriger Heimat der sehr giftige ,,Romerillo" (eine Baccharis-Art) nicht vorkommt, dieser Pfilanze leicht zum Opfer {fallt, wenn es in ein Rome- rillo-Gebiet gebracht wird. Man pflegt es deshalb nach seinem Eintreffen dort zu ,,impragnieren“, indem man es in den atzenden Rauch von Rome- rillo stellt und ihm damit eine Schleimhautreizung und einen Widerwillen gegen diese Pfilanze beizubringen versucht. Bei Saugkalbern ist dies nicht notwendig, weil sie bei ihren ersten tastenden Weideversuchen nur wenig gefahrdet sind, die Pflanze also kennenlernen, noch ehe sie ganz ent- wohnt sind. Hier handelt es sich also sichtlich um Meidung auf Grund von Erfahrung. Im allgemeinen scheinen Jungtiere zwar alles Fremde zunachst un- lustbetont zu empfinden, wenn nur der von ihm ausgehende Reiz schreck- hait genug ist fiir ihr noch ungettbtes Merkvermégen. Aber sobald dieses Fremde einen eltern- oder kumpanhaften Reiz auf sie austibt, schlagt die Unlustbetonung in Lustbetonung um. Als Jager kann man oft beobachten, daB die Erscheinung eines Menschen zunachst eine Meidereaktion, meist ein Sichdriicken, auslést. Bleibt aber dann eine Belastigung aus, so siegt — besonders bei Huftieren — das Anschlu8bediirfnis. Bei jungen Guanakos kann das eigensinnige Folgenwollen geradezu lastig werden. Ein Guanako- fohlen, das wir gefangen hatten, war von der ersten Stunde an aufdring- lich und lieB sich auch mit groben Mitteln nicht verjagen. Unter den -Hunderten von Beobachtungen, welche ich in Siidamerika beztiglich der Abschwachung oder Verstarkung des Meideverhaltens von Wildtieren dem Menschen gegeniiber machen konnte, ist keine einzige, welche tiber Instinkthaftigkeit oder relativ einfache Erfahrungsverwertung hinausginge. Ja sogar im Verhalten der Indianer des Gran Chaco fand ich H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika. 15 immer wieder, das es nicht von der intelligenzbedingten Vernunft gesteu- ert war, sondern ausschlieBlich von jenem kindlichanimalischen Utilitaris- mus, bei welchem Meidung auf dem Wege unkritischer, kurzsichtiger Er- fahrungsverwertung mit tragischer Sicherheit in Gew6hnung und schlieflich Zerrtittung umschlug. Wir machen vielleicht tiberhaupt den Fehler, im menschlichen Ver- halten die Bedeutung héherer abstraktiver Geistesfunktionen zu iiber- schatzen. Gerade in seinem Meideverhalten gegeniiber Unlustbetontem offenbart sich auch beim Menschen immer wieder die fiihrende Rolle des Instinktes, und die ,,modifizierenden“ Erfahrungen sind meist recht ein- facher Art. Moralische Motive sind solche der Unlustmeidung. Und auch dann, wenn ethische Motive menschliches Verhalten auf eine héhere Ebene fihren, diirfen.wir nicht vergessen, da diese in sozialen Instinkten ihre Wurzel haben. Darauf hat K. Lorenz deutlich hingewiesen. Die Frage liegt nahe, ob auch beim Menschen instinktives Meidever- halten gegentiber unlustbringenden Reizen psychisch oder materiell, wirk- lich oder eingebildeterweise blockiert werden kann und dann bei ihm ahnliche Umschaltungen vorkommen, wie wir sie von Tieren kennenge- lernt haben. Diese Frage mu bejaht werden. Alles, was wir als affekt- geladenen Angriff, als resignativen Zynismus, als Ressentiment, als hysterische Flucht in die Krankheit beobachten, 1aBt sich mit tierischen Verhaltensweisen vergleichen oder unmittelbar homologisieren. Es ware vielleicht im Dienste der Menschenbehandlung gut, wenn wir uns dies haufiger klarmachen wiirden. Wie letzten Endes jedes Instinktverhalten, ja jedes normale Verhal- ten tberhaupt, so entspringt auch das Meideverhalten dem Bediirinis, eine gestérte relative Harmonie mit der Umwelt wiederherzustellen. Diese Definition sagt tiber den physiologisch-psychischen Vorgang nichts aus. Wir mtissen uns vorlaufig damit begniigen anzunehmen, das jede Har- moniest6rung Spannungen erzeugt, welche grundsatzlich zur Lésung dran- gen; diese Lésung kann nie ideal sein, sie tragt stets den Charakter eines Kompromisses zwischen Subjekt und Umwelt, ja sogar zwischen antago- nistischen Faktoren innerhalb des Subjektes selbst. e IL. Das Erkundungsbediirinis. Eine einfache, sich stets bewahrende Methode, im Walde Vogel an- zulocken, tibten wir, indem wir Luft zwischen den Fingern durchsogen oder die Lippen auf den Handriicken preBten und so zirpende Laute her- vorbrachten. Meist kamen zunachst einzelne Kolibris und Dendrocolap- tiden, zuweilen eine Drossel, ein Starling (Icteride) oder eine Pipra her- bei, nach einiger Zeit stellte sich vielleicht ein Pfefferfresser (Rhamphastos) krachzend in einer Baumkrone ein, und stets war nach einiger Zeit das Gezweig ringsum beherrscht vom Geckern, Kreischen und Tschucken der 16 H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika. Blauraben (Cyanocorax). Einmal strich sogar ein Sperber heran und ver- suchte, auf meinem Kopf aufzublocken. In Nordostparaguay kamen gele- gentlich auch Kapuzinerafifen (Cebus azarae Rengg.) herangeturnt. Wir hatten dieses Verhalten der Tierwelt der Walder sicherlich auch mit an- deren Mitteln auslésen kénnen, vorausgesetzt, daB diese keine Schreck- wirkung gehabt hatten, wie etwa lautes Rufen oder ein SchuB. Die Tiere folgten einem Trieb, den man Neugier nennen kénnte, aber doch wohl besser als Erkundungsbediirfnis bezeichnet. Je nach dem Charakter der Umwelt und der artspezifischen Einstel- lung zu ihr mit Hilfe der fiihrenden Sinnesorgane und der Organe der Fortbewegung, dariiber hinaus je nach Stimmung (Affektlage), sonstiger Instinktgebundenheit, sozialer Bevormundung oder pers6nlicher Erfahrung des Einzeltieres wird selbstverstandlich einmal der Trieb der Meidung die Fiihrung haben, einmal der Erkundungstrieb, welcher dann seinerseits, nach erfolgtem ,Erkennen“ je nach Instinkt, Stimmung oder Erfahrung — entweder Gleichgiiltigkeit oder Flucht oder — zur Elimination der Sté- rung — Angriff zur Folge hat. Nur selten wird man den Erkundungstrieb ganz vermissen. Bei Tierarten, deren Nahrungserwerb mit weitraumigem Suchen verbunden ist, fallt er mehr oder weniger in den Verhaltenskom- plex der Nahrungssuche hinein und kann dann fiir sie auSerordentlich charakteristisch sein. Hunderte von Malen beobachtete ich bei Truthahn- geiern (Cathartes), welche in niedrigem Kreis- oder Gaukelilug das Land nach Kadavern, besonders solchen von Kleintieren, abzusuchen pflegen, daB sie dhnlich wie unsere Kolkraben im Gebirge in stillen Gegenden auf jede Neuigkeit, etwa das Auftauchen eines Menschen, durch erkun- dendes Niaherfliegen reagierten. Jede, auch die kleinste, Veranderung fallt ihnen auf. Nur so kann ich es mir erklaren, da®B sie mit kleinen Kodern beschickte Fallen, welche wir im Gebiisch der Lichtungen und Waldran- der fiir Fiichse, Wildkatzen und Beutelratten gestellt und gegen Sicht bestens getarnt hatten, mit erstaunlicher Sicherheit fanden und sich zu unserem Arger prompt darin fingen. Sehr ausgepragt ist der Erkundungstrieb bei den gré8eren Tieren der offenen Savannen und Steppen. Aufer bei Rhea (Pampastrau}, Pterocne- mia (Darwinstrau8) und Seriema (Schlangenstorch) habe ich ihn z. B. bei Kamphirschen und Guanakos haufig beobachtet; bei den halbwilden Rin- dern und Pferden der extensiven Wirtschaltsbetriebe, wo ein zu Fuf ge- hender Mensch eine seltene Erscheinung ist, kann. dieser Trieb fiir den Menschen sehr lastig werden. Bezeichnend ist er unter den Klettertieren besonders fiir die regsamen Kapuziner. In Gebieten wie z. B. dem men- schenarmen Norden von Paraguay, wo sie vom Menschen nicht verfolgt werden, fand ich sie oft von einer aufgeregten Neugier beherrscht. Unter den Végeln fiel mir besonders bei den Blauraben (Cyanocorax und Ver- wandten) eine fast unersattliche Neugier auf, welche den pirschenden Jager zur Verzweiflung bringen kann. Auch die blitzschnell fliegenden Kolibris sind auBerst neugierig. ; H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika. I7 Stets wird man ein besonders ausgepragtes Erkundungsbedirinis bei solchen Tieren finden, welche es sich gestatten kénnen, weil sie nétigen- falls tiber gute Meidemdglichkeiten verftigen, also bei raschen Laufern, gewandten Kletterern und Fliegern, und meist stehen dabei solche oben- an, die eine rasche oder vielfaltige Reaktionsfahigkeit haben. Bei Faul- tieren (Bradypus) wird man keine Spur eines Erkundungsbediirfnisses finden, bei Ameisenbaren (Myrmecophaga, Tamandua) ist es gering, und bei den fiir Affen psychisch und k6rperlich schwerfalligen Briillaffen (Alouatta) ist es weit weniger entwickelt als etwa bei Cebus. Die erkundende Annaherung an das Unbekannte ist oft mit regel- rechten Provokationsgesten verbunden. Man hat den Eindruck, als sollte der eventuelle Feind veranlaBt werden, Farbe zu bekennen. Pferde, Rin- der, Tapire, Cerviden klopfen meist unter hérbarem Schnauben mit den Vorderhufen. Heranturnende Kapuzineraffen schiitteln zuweilen ruckartig den Ast, auf dem sie sitzen, oder machen kurze, spielerische Flucht- gesten, als wollten sie zur Verfolgung auffordern. Eigenartig nickende, oft wiederholte Kopibewegungen, welche ebenfalls wie Provokationsver- suche aussehen, fallen bei vielen Huftieren, besonders bei Pferden, auf, welche sich einer-unbekannten Erscheinung nahern. Vielleicht miissen sie ahnlich dem erregten Kopfnicken vieler Eidechsen (z. B. Liolaemusarten) sinnesphysiologisch gedeutet werden. Fiihrt die Erkundung nicht zum Erkennen, so springt sie bei einer bestimmten Reizschwelle in das Meideverhalten (oder dessen Ersatz) tiber. Erkennen fiihrt je nachdem, ob das Resultat unlustbetont, gleichgiltig oder lustbetont ist, zu Meidung (bezw. Angriff), Ruhe oder weiterer An- naherung. Schreck tiberwiegt den Erkundungstrieb, der aber nach anfang- licher Meidung (Abstandgewinnung) doch einsetzen kann. IIL. | Die potentielle Persistenz stammesgeschichtlich iiberholten Instinktverhaltens. Die Frage, ob Eigenschaften, welche im Laufe ontogenetischer Deter- mination und phylogenetischer Spezialisierung aus dem Erscheinungsbilde verschwinden, auch als Anlagen, also potentiell, unwiederbringlich ver- loren gehen, scheint man im wesentlichen verneinen zu miissen. Erban- derungen, welche eine Anlage endgiiltig eliminieren, sind wohl stets als Defekte zu betrachten, auch wenn sie unter besonderen Umstanden bio- logisch keinen Verlust darstellen. Wenn eine Eigenschaft beim erwachsenen Tier fehlt, aber in einem embryonalen oder Jugendstadium voriibergehend in Erscheinung tritt, ist ihre genetische Persistenz jedenfalls erwiesen, ebenso wenn sie bei patho- logischer Hemmung der Normalentwicklung als Atavismus auftaucht. Der erstere Fall ist bekanntlich nicht nur bei somatischen, sondern auch bei psychischen Merkmalen auferordentlich haufig und wird gerne 78 H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika. im Sinne des biogenetischen Grundgesetzes abstammungstheoretisch ver- wertet (Krumbiegel). Bei allen flugfahigen Schwimmvéégeln 1aBt sich feststellen, daB sie in ihrer Jugend, ehe sie fliegen kénnen, gute Taucher sind und sich jeder Verfolgung in erster Linie durch Tauchen zu entziehen versuchen; dies gilt auch ftir Arten, welche in reifem, flugfahigem Zustande tberhaupt nicht mehr oder nur noch sehr stiimperhaft tauchen und das Tauchen nicht als Fluchtmittel, sondern héchstens gelegentlich, etwa als Teil des Balzgehabens, austiben. Die Ganse der Gattung Chloéphaga triffit man in feuchten, mit frischem Gras bestandenen Senken der ostpatagonischen Steppe zeitweise in groBen Scharen an. Sie sind von unmittelbarer Nahe des Wassers nicht abhangig. Auch noch nicht fligge aber schon fast ausgewachsene Jungv6égel traf ich oft weitab vom Wasser. Frischgeschliipfte Junge werden jedoch von den Eltern zum Wasser gefiihrt und bleiben wahrend ihrer ersten Entwick- » lungszeit dort. Uberraschten wir eine Familie von Chloéphaga leucopiera (Gm.) schwimmend, so flog meist zuerst das Mannchen unter Alarmrufen weg, ohne sich aber weit zu entfernen. SchlieBlich erhob sich auch das Weibchen, und in dem Augenblick, da es aufstand, tauchten die Jungen blitzschnell weg. Es leuchtet ein, daB dieses Wegtauchen ein guter Schutz gegen den Zugriff der Raubvoégel ist, welche in Ostpatagonien sehr zahl- reich und sicher am Tage die Hauptfeinde der Jungganse sind. Diese blei- ben allerdings nur wenige Minuten unter Wasser und werden, wenn man sie mehrere Male zum Tauchen gebracht hat, bald tauchmiide. Je Alter sie werden, umso schlechter tauchen sie, vermutlich weil die Luftschicht unter dem nun schon entwickelten Federkleid ihren Auftrieb erhéht und ihre Proportionen tauchungtinstig werden. Erwachsene Tiere sah ich nie spontan tauchen. Versuchte man aber eine geiltigelte Altgans, die noch schwamm, zu fangen, so machte sie in ihrer Hilflosigkeit stets Tauchver- suche, allerdings meist recht kiimmerliche. Sie verhielt sich also umge- kehrt wie Tauchenten, deren erste Fluchthandlung stets das Tauchen ist. Bei der fast flugunfahigen Dampfschiffente der Art Tachyres patachonicus (King) habe ich beobachtet, daB zwischen das Tauchen und den klag- lichen, nur einem Instinktrelikt entsprechenden Versuch des Wegfliegens noch das hastige Paddeln mit Rudern und Fliigeln eingeschaltet wird, welches fiir alle Dampfschiffenten so bezeichnend ist. Dieselbe Beobachtung wie bei Chloéphaga machte ich bei Coscoroba coscoroba (Mol.), einem sehr stattlichen weiBen Schwimmvogel von schwanen- ahnlichen Proportionen und schwanenartiger, stark wassergebundener Le- bensweise, welcher systematisch den Enten nahesteht. Diese Vogel sind gute Flieger und streichen meist zeitig ab, wenn man sich ihnen néhert. Tauchen als Fluchtmittel kommt nicht in Frage. Als ich aber eine geflti- gelt hatte und sie mit dem Faltboot fangen wollte, machte sie verzwei- felte Tauchversuche. Dieses Verhalten von Schwimmvégeln findet bei Landvégeln seine H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Stidamerika. 719 vollkommene Parallele. Gefltigelte Individuen suchen sich durch Sichdrticken der Verfolgung zu entziehen, und zwar gilt dies nicht nur fiir solche Ar- ten, bei welchen das Sichdriicken zum normalen Repertoire auch der Alt- vogel gehért, also etwa SteiBhiihner oder Nachtschwalben, oder solche, bei welchen es wenigstens fiir die noch flugunfahigen Jungvogel die Re- gel ist (Nestfliichter), sondern auch ftir viele von denen, welche nur als junge Nesthocker sich regungslos ins Nest driicken, wenn ein Altvogel warnt oder ein irritierender Reiz auf sie einwirkt. Vielleicht ist auch das Sicheinschieben in Dickungen, Hohlen, Felsspalten und unter Baumwur- zeln, das man bei fluchtunfahigen Saugetieren und Végeln, ,,zu denen dies gar nicht pafit“, so oft erlebt, nichts anderes als eine Riickkehr zu -einer stammesgeschichtlich alten, bei Jungtieren gelegentlich noch geiibten F'luchtreaktion, welche man z. B. bei groBen Huftieren der Steppe langst aus dem Instinktschatz geschwunden glaubte. : Das Auftreten unerwarteter Meidereaktionen unter Umstainden, welche ein normales, der artlichen Spezialisierung entsprechendes Verhalten nicht erlauben oder wirkungslos machen, kann geradezu als Fingerzeig fiir den Weg der Stammesentwicklung betrachtet werden. Ein altes Weibchen des grofien Ameisenbaren (Myrmecophaga), das ein Junges auf dem Riicken trug und von uns umstellt worden war, suchte sich (zundchst ohne sicht- liche Erregung, allmahlich aber in immer gr6Berer Unruhe) der dauernden Beunruhigung durch Weglaufen zu entziehen. Es war uns ein leichtes, es daran zu hindern. Als es dabei in die Nahe einer in der Savanne ste- henden niederen Palme geriet, begann es zu unserer Uberraschung, sie zu erklimmen. Es war dabei sehr plump und ungeschickt, hing schlieBlich hililos unter der Palmkrone fest und konnte von uns am Schwanz wieder heruntergezogen werden. Junge Tiere dieser durchaus bodenangepaften Gattung entschliefen sich leichter zum Klettern und offenbarenja auch darin, dafi sie sich auf der Mutter festklammern, die kletternde Vergangenheit von Myrmecophaga. thre Proportionen sind denen der noch in erwachse- nem Zustande kletterfahigen kleineren Gattung Tamandua viel ahnlicher als die der Alttiere. Zwei Voraussetzungen sind bezeichnend fiir die Reaktivierung ent- wicklungsgeschichtlich tiberholter Instinkthandlungen: erstens das Blockiert- sein des normalen Verhaltens und zweitens (ahnlich wie bei den Uber- sprunghandlungen Tinbergen’s) das Bestehen eines Erregungszustandes, den man hier als Verzweiflung bezeichnen kénnte. Um einen Akt der Uberlegung oder Erfahrung handelt es sich gewi® nicht. Wie der psycho- mechanische Vorgang sich abspielt, kann mit den heutigen Mitteln nicht festgestellt werden. Man hat den Eindruck, als suche die psychische Span- nung, da sie auf dem normalen, adaquaten Wege der Lésung auf Wider- ‘stand stie8, nun einen anderen Weg und finde ihn in den durch mangelnde Ubung und Assoziationsverkettung unzulanglich gewordenen Bahnen, welche dem spater erreichten Stande artlicher Differenzierung nicht mehr ent- sprechen. Veréff. Zool. Staatssamml. Miinchen, I, 1950 6 80 H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika. IV. Scheinbare Modiiikation des Instinktes der Nistort-Wahl. Der Tépfervogel, Furnarius rufus Gm., ist ein Bewohner der Baum- savannen, Gehdlze und Waldrander. Er baut sein kuppelf6rmiges Lehm- nest auf starke horizontale Aste, besonders gerne in Astgabeln, wobei er eine erstaunliche Fahigkeit zeigt, den breiten Sockel des Nestes der je- weiligen Unterlage anzupassen. Er ist ein sehr eifriger Nestbauer, bei dem man den Eindruck hat, als sei der Bautrieb weitgehend unabhangig von der tibrigen Instinktkette der Fortpflanzung, eine Erscheinung, welche sich iibrigens sehr haufig beobachten laBt. Er ist ein Siedlungsfolger, wobei nicht nur leichterer Nahrungserwerb anlockend wirkt, sondern vor allem auch die Tatsache, daB er in Menschennahe mehr apere und feuchte - Stellen antrifft, wo er das ganze Jahr tiber sein Nistmaterial findet. Noch mehr als in der Wildlandschait tobt er hier seinen Bautrieb aus und ver- seucht oft alle leidlich geeigneten Orte geradezu mit seinen Bauwerken, welche man in allen Stadien des Entstehens und Zerfallens vorfindet. Sehr oft gibt er begonnene Baue wieder auf, sei es, daB sein Trieb aus endo- krinen Grtinden erlahmt, sei es, daB er sich augenscheinlich ,,verbaut", d. h. die Konstruktion nicht geklappt hat und dadurch die Instinktkette abgerissen ist. Bei diesen Végeln bringt die Wirtschaitsfolge zahlreiche Variationen in der Wahl des Nistortes mit sich. Ich fand ein Nest auf der scheinbar sehr wenig geeigneten oberen Schnittflache eines Zaunpfostens, und iiber- all sieht man es auf den Gesimsen und Galerien von Gebauden. wo die aufgegebenen oder — meist erst nach Jahren — zerfallenden ,,Backéfen" zuweilen ganze Reihen bilden. Wie bei unseren Gartenamseln scheint Ubervélkerung zu einer Verkleinerung der Brutgebiete zu fihren. Bei der Wahl des Nistortes scheint aufSer dem passiv wirkenden Druck, wel- chen die einander benachbarten Paare aufeinander austiben, und der Nahe eines feuchten L6B oder Lehm liefernden Platzes, etwa eines Vieh- korrals, der Anreiz ausschlaggebend zu sein, welcher von jeglicher einiger- maBen horizontalen Flache innerhalb eines gewissen Bodenabstandes aus- getibt wird. Was die Nistortwahl des Furnarius betrifft, so scheint es mir nicht richtig, wenn man annimmt, daB die ihr zugrunde liegenden Instinkte oder Taxien bei den wirtschaftsfolgenden Vertretern der Art eine Veranderung erfahren haben. Sie offenbaren hier nur, da8 sie viel allgemeinerer Art sind als dies dort scheinen mag, wo den Végeln nur Baume zur Verfii- gung stehen. Ebene Gesimse und Galerien gibt es eben in der Savanne nicht. Weniger einfach scheint der folgende Fall. Der Carancho (Polyborus) ist ein in fast ganz Siidamerika verbrei- teter Aasfresser und Kleintierjager. Er ist nirgends so haufig wie in Ge- bieten extensiver Viehzucht, wo er an den Kadavern verendeter Tiere H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika, 81 reichliche Nahrung findet. Dieser ,,Geierfalke" baut, wo ihm Baume zur Verfiigung stehen, einen regelrechten Horst. Findet er in baumlosen Ge- bieten, deren giinstige Nahrungsbedingungen ihn fesseln, nur Buschwerk vor, so nistet er auf diesem; oft steht dann der Horst so niedrig, dab sogar ein FuBsanger ohne Mihe hineinsehen kann. Und wenn es auch an Biischen fehlt, so briitet er am Boden. Ganz 4hnlich verhalt sich der klei- nere, meist viel haufigere Chimango (Milvago). Auch er ist ein aas- und kleintierfressender Wirtschaitsfolger; er hat vielfach sogar, ganz ahnlich den Starlingen der Gattung Molothrus, dem Kuckuck Crotophaga ani, manchen Tyrannen und kleinen Falken der Gattung Cerchneis die Gepflo- genheit angenommen, dem Vieh Zecken abzusuchen. Ich habe des Ofteren Nester des Chimango gefunden, welche sich fast ohne Nistmaterial am Boden befanden. Beide, Polyborus und Milvago, errichten aber wieder Baumhorste, wenn ihnen durch Anpflanzung Gelegenheit dazu geboten wird. Man staunt iiber die Leichtigkeit, mit welcher sie beziiglich der Nist- ortwahl auf Anspriiche verzichten, welche doch ohne Frage instinktiv verankert sind. Nun ist eine ahnliche Plastizitat des Instinktverhaltens beziiglich der Nistortwahl gar nicht selten. Man findet sie bei zahlreichen Raubvogeln, z.B. Adlern, und unter den Eulen z.B. beim Uhu, und vom europdischen Storch ist bekannt, daB er, kiinstlich flugunfahig gemacht, in zoologischen _ Garten zuweilen ganz niedrig nistet, obgleich er doch im Freileben hohe Nistorte bevorzugt. Weniger verwunderlich scheint es, wenn durch Dome- stikation ein Verzicht auf gewisse Gepilogenheiten der Nistortwahl her- beigefthrt wird; ich errinnere an die im Freileben baumbriitende siid- amerikanische Moschusente (Cairina). Sie verzichtet darauf, nachdem sie durch Domestikation schwer, plump und mehr oder weniger flugunfahig geworden ist. (Leichte, flugfahig gebliebene Schlage der Stockente behal- ten die alte Gewohnheit des Hochbriitens bei.) Stets besteht die Anpassung in einem Verzicht, nie darin, da8 die Anspriiche gréBer und spezieller werden. Auch wird man einen solchen Verzicht niemals bei solchen Vo¢gel- arten finden, welche bezitiglich der Nistortwahl an ganz bestimmte, eng begrenzte Voraussetzungen gebunden sind, weil die besondere Technik ihres Nestbaues nur unter diesen Voraussetzungen mdglich ist. Fehlen diese Voraussetzungen, so wird ihr Bautrieb einfach nicht ausgelést. Vergleicht man das ,elastische Verhalten des Caranchos und des Chimangos mit dem Verhalten anderer stidamerikanischer Aasfresser, so stellt man fest, daB die doch ebenfalls als Wirtschaftsfolger auftretenden Schwarzgeier, der Rabengeier (Coragyps) und der Truthahngeier (Cathartes), stets ihre gewohnten Anspriiche an den Nistort beibehalten. (Noch mehr gilt dies beziiglich des Kénigsgeiers, Sarcorhamphus papa und des Kondors, S. gryphus, welche allerdings nie in so enge Bezie- hungen zur menschlichen Wirtschaft treten.) Diese Schwarzgeier haben ihre Nistplatze oft weitab von den Krépfstellen, was umso auffallender ist, als sie ja Bodenbriiter sind. Aber es ist, scheint mir, nicht n6tig, die Er- = 82 H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerike. klarung weit herzuholen. Carancho und Chimango sind zwar keineswegs ungewandte Flieger, aber sie sind ausgesprochene Hubflieger, ftir welche die Uberwindung groBer Distanzen einen erheblichen Kraftaufwand be- deutet; die beiden Geier aber sind vorwiegend Kreiser oder Segler. Be- sonders beim Truthahngeier ist mir immer wieder aufgefallen, daB er als bervotragender Gaukelflieger auch bei schlechtem Wetter, also ohne Auf- winde, erhebliche Raume miihelos beherrscht; und auch der Rabengeier:s bei triibem Wetter ohne thermische Aufwinde durchaus flugtrage, findet gerade in Steppen- und Savannengebieten mit ihrem weiten Vorherrschen der Sonnentage wenig Schwierigkeit, auch ziemlich groBe Strecken zwi- schen Nist- und Krépfplatz zu tiberwinden, und in relativ aufwindarmen Gebieten, d. h. den durch ausgesprochenen Regenreichtum ausgezeichne- ten Regionen, etwa der Passatzone der brasilanischen Kiiste, findet er stets auch unweit des Kropfplatzes die stillen Urwaldgebiete und Berge, die er als Nistplatze bevorzugt. Die Notwendigkeit zum Kompromi8 ist also bei diesen Geiern viel geringer als bei Polyborus und Milvago. Dazu kommen noch sehr auifallende Verschiedenheiten allgemein psychischer Art: wie fast alle hoch spezialisierten Segler und Kreiser zeigen die Geier bei weitem nicht jene psychische Vielgewandtheit und Regsamkeit, welche die beiden anderen so sehr auszeichnet. Gewi8 hat die Methode, Instinktketten in ihre einzelnen Glieder auf- zulésen, ihre Berechtigung, und es scheint haufig der Nachweis méglich zu sein, daB der Gesamtablauf einer Handlung durch Ausfall, Auswech- selung oder Einschiebung einzelner Kettenglieder variiert wird. Die be- sonders von Lorenz vertretene analytische Methode versagt auch bei der Interpretation der modifizierten Nistortwahl nicht, denn diese zeich- net sich ja sehr deutlich dadurch aus, da bei ihr auf etwas verzichtet, etwas aus der Kette eliminiert wird. Die Ursache daftir kann nur ein physiologisch (und damit auch psychisch) itibergeordnetes Moment sein, etwa das Eintreten der Begattungsbereitschaft der Weibchen trotz der Unmoglichkeit einer dem urspriinglichen instinktiven Beditirinis entspre- chenden Nistortwahl. Wenn man aber bedenkt, daB der Wegiall solcher (vermutlich taxienhafter) Kettenglieder bei manchen anderen Vogelarten ganz unmdglich zu sein scheint, das Fehlen eines adaequaten Nistorts sie vielmehr zum Abwandern oder zum Brutverzicht (etwa Ausbleiben der Balz oder ,,Verlieren“ der Eier) zwingt, so mu angenommen wer- den, daB es Arten gibt, bei welchen die Instinktkette fest in sich ge- schlossen ist, und solche, bei welchen das eine oder andere ihrer Glieder ohne Schaden fiir den Gesamtablauf ausfallen kann. Die Angehorigen der ersten Gruppe wirken straff spezialisiert und instinktstarr, die der zweiten locker und anpassungsifahig. Die Auflockerung oder ZerreiBung der der Brutpflege dienenden In- stinktkette kann sich, nach ihrer biologischen Wertigkeit betrachtet, ver- schieden AuBern: als fakultative Plastizitat im Sinne des Vorliebnehmens und als domestikative Entartung. Zur ersten Gruppe méchte ich neben H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika. 83 der Nistortbescheidenheit von Polyborus und Milvago die Nestgemeinschaft zweier stidamerikanischer Cuculiden, Guira und Crotophaga, und den Brutparasitismus des Starlings Molothrus und der Ente Heteronetta rech- nen, zur zweiten jene Ausfallserscheinungen, wie sie von hochgeziichteten Hiihnerrassen bekannt sind. Es ware von Interesse festzustellen, ob ue und Milvago, wenn sie ihr Nest fast ohne Nistmaterial am Boden errichten, nestbauende Leer- laufbewegungen machen. Beobachtungen dariiber sind von mir nicht an- gestellt worden, weil mir damals die Arbeitshypothese gefehlt hat. V. Siedlungstfolge. Man kann in Sitdamerika alle Stadien der Umpragung urspriinglicher Landschaften durch den Menschen oft in nachster Nachbarschaft beiein- ander finden und selbst miterleben, wie im Verlauf weniger Jahre aus unberiihrten Wildnissen intensiv bewirtschaftete Siedlungsgebiete werden. Als Biologe hat man dabei Gelegenheit zu Beobachtungen iiber jene Er- scheinungen, welche man unter dem nicht gerade glticklichen Begriff der Kulturfolge zusammenzufassen pflegt, der wohl besser Siedlungsfolge oder Wirtschaitsfolge heiBen sollte. Besonders gitinstige Ernahrungsverhaltnisse, Nistgelegenheiten und Schlupfwinkel veranlassen freilebende Tiere, sich in der vom Menschen gepragten Landschait einzufinden oder ihrer Heimat trotz aller Veranderun- gen treu zubleiben. In Viehkampen, Rodungen und Ackern, an Bahndammen, Wassergraben und Stauweihern, in Schattengehélzen, Garten und Parks, in Schuppen, Stallen und Kleintiergehegen, in Siedlungshausern, Gutshéfen, Dorfern und Stadten, tiberall findet man eine oft erstaunlich reiche Tier- welt, welche die kiinstlich erzeugten Verhaltnisse nicht nur in Kauf nimmt, sondern sich ihre jeweiligen Besonderheiten zunutze macht, und oft genug stellt man fest, daB in Siedlungslandschaften mehr Tierarten auf relativ engem Raume leben als in der benachbarten Wildnis, und dafB die Volks- dichte jeder einzelnen Art erheblich groBer ist als drauBen in der freien Natur. Uber zahlreiche Beobachtungen auf diesem Gebiet habe ich schon an anderen Stellen berichtet. Hier will ich nur einiges Psychologische dazu sagen. Ob eine Tierart auf die Vernderaue der Landschait durch den Men- schen und damit indirekt auf die Menschennahe positiv (durch Folge) reagiert oder negativ (durch Flucht), hangt natiirlich zundchst einmal davon ab, ob fiir sie Vorteil oder Nachteil damit verbunden ist, bzw. ob der Vorteil den Nachteil tiberwiegt oder umgekehrt. Ferner hangt es davon ab, ob der Mensch sie duldet, vielleicht sogar liebt, oder ob er sie als schadlich oder lastig bekampft oder verjagt. Bekampft er sie, so kommt es darauf an, ob sie durch starke Vermehrung, Vielgewandtheit oder Heimlichkeit der Be- kampfung gewachsen ist. Bei all dem wird man im allgemeinen feststellen, 84 H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika, dafi engraumige und kleine Tierarten zur Siedlungsfolge besser geeignet sind als weitraumig lebende, grofe Arten, welche meist iiber eine spora- dische, z. B. nachtliche, Folge nicht hinauskommen. Stets zeigt sich bei naherer Betrachtung, daB die Entscheidung, ob eine Tierart folgt oder fliichtet (bezw. ausgerottet wird) in der tiberwiegenden Mehrheit der Falle einzig und allein beim Menschen liegt. Sonst kénnte ja nicht dieselbe Tier- art hier Folger sein und dort Fliichter, oder heute Folger und morgen Fliichter; sonst kénnten nicht die sonst so scheuen Baren in Schutzgebie- ten Nordamerikas im Miill der Hotels nach guten Bissen suchen, und die gegen jede Stérung so empfindlichen Hirsche in den bayerischen Bergen kénnten nicht an der Winterftitterung dem Heger aus der Hand fressen. Bei den Mennoniten im Gran Chaco, welche damals (1931) weder Ge- wehre noch Hunde hatten, fanden wir nicht nur die Lengua-Indianer recht frech und zudringlich (es kam sogar vor, daB sie sich in die Betten der Siedler legten), sondern auch die Fiichse der Gattungen Cerdocyon und Lycalopex. Ja sogar der Mahnenwolf (Chrysocyon), der sonst fiir ganz besonders menschenscheu gilt, kam zuweilen am hellen Tage zwi- schen die Hauser, um sich ein Huhn zu holen. In den Steppen Ostpata- goniens fand ich die Guanakos iiberall dort sehr scheu, wo sie als Weide- konkurrenten der Schafe und als Raude-Ubertrager scharf bekampft wur- den; wo man sie duldete, waren sie aber so vertraut, daB man sich ihnen bis auf SchrotschuBweite nahern konnte, um sie zu fotografieren. In menschenleeren Wildnissen von Mattogrosso kreuzten Tapire ohne Scheu meinen Weg, in besiedelten Gegenden fand ich sie, soweit sie nicht aus- gerottet waren, nur als reine Nachttiere, welche im Schutze der Finster- nis zuweilen, wie die Pekaris, die Pilanzung dicht bei der Hiitte heim- suchten. Wo es im Chaco und in Ostparaguay den armen Kolonisten an Munition fehlte, kamen die Amazonenpapageien (Amazona aestiva) und mancherlei Sittiche (besonders Nandayus und Myiopsitta) in solchen Scharen in die Maisfelder, daf§ eine Ernte sich eriibrigte. Wahrend sie anderswo vor einem sich nahernden Menschen zeitig das Weite suchen, waren sie hier nicht einmal durch Rufen und Handeklatschen zu vertreiben. Ich kénnte diese Liste beliebig verlangern. In sehr vielen Fallen sind Folger dem Menschen aus praktischen Griinden willkommen. In Gebieten extensiver Viehzucht, besonders wenn Seuchen, Trockenperioden oder Uberschwemmungen den Viehbestand de- zimieren, ist ihm das Heer der aasfressenden Végel und SAaugetiere als Kadaververnichter erwiinscht, und die Starlinge, Cuculiden, Iyranniden und kleinen Falken, welche die Zeckenplage bei Rindern, Pierden und Schafen bekampfen helfen, sind es nicht minder. Viele Folger sind ihm gleichgiiltig. Kein Siedler wird sich itiber den geringen Schaden aul- regen, den einzelne SpieBhirsche der Gattung Mazama in seiner Pflanzung machen, und die Raubvégel, welche an der Front eines von Menschen gelesten Kampbrandes zuweilen in Scharen sich einstellen, um fliichtende Kleintiere (wilde Meerschweinchen, Schlangen, Eidechsen) zu fangen, H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika. 85 werden gar nicht beachtet. Die in Ackerbaugebieten mit allen Mitteln be- kampften Viscachas (Viscacia) werden in Gebieten extensiver Viehzucht, wo sie nur Weideschaden machen, oft lange geduldet. Im bolivianischen Fortin Ballivian im Chaco hatten Viscachas sogar unter den Baulichkeiten ihre groBen Hoéhlen gegraben und trieben sich bei Nacht ungestért herum. Niemand kiimmerte sich um sie. Ahnliches gilt vom europdischen Feld- hasen, der in den Alfalfa-Feldern Mittelargentiniens oft in enormen Men- gen auftritt und héchstens von Sportjagern gelegentlich verfolgt wird. Auch die meisten Végel, welche sich in angepflanzten Schattengehélzen, Garten und Parks Siidamerikas einfinden, werden nur gelegentlich von italie- nischen Vogelfangern behelligt, im iibrigen gerne geduldet, wenn auch nur selten so geliebt wie bei uns. Unerbittlich verfolgt werden nur aus- gesprochene Schadlinge des Viehbestandes (Jaguar, Puma), Gefliigel- und Eierrauber (Wildkatzen, Ftichse, Beutelratten, Hurone, evil. Echsen der Gattung Tupinambis, Feldschadlinge (besonders Pekaris, Papageien, Kapu- zineraffen) und Fruchtfresser (besonders Tukane), zuweilen auch, wegen ihrer Wiihlarbeit im gepfliigten Lande, manche Giirteltierarten, wenn sie allzu zahlreich werden, und Kammratten (Ctenomys), die als Wurzelschad- linge in manchen Gebieten sehr verhaBt sind. DaB gegen Wanderheu- schrecken, Blattschneider und alle anderen Schadlinge aus der Insekten- welt alles menschenmdgliche getan wird, ist selbstverstandlich. _ Zweifellos spielt eigene Erfahrung und Tradition (d. h. Erfahrung und Vorbild der Eltern) bei Flucht und Folge der Saugetiere und Végel eine groBe Rolle. Dafiir spricht auch die Beobachtung, da Feldfriichte und Baumfriichte anlockend wirken, welche urspriinglich ortsfremd sind. Hier kann also nicht einfach eine Taxie vorliegen, sondern die Zweckmabig- keit der Folge mu8 zunachst nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum erkannt werden. Fruchtfressende Végel, z. B. Starlinge der Gattung Xanthornus und alle Arten von Pfetferfressern und Tangaren, werden von angepflanzten Apfelsinen oder Baummelonen bald heftig angezogen, auch wenn diese im Umkreis von Hunderten von Kilometern bisher unbekannt waren. Truthahngeier, welche ein sehr ausgesprochenes instinktives Er- kundungsbediirfnis haben, wurden in der Nahe unserer Lagerplatze immer rascher durch Schiisse angelockt, weil sie lernten, daB es dann oft einen Aufbruch zu krépfen gab. Die Kaimane beiLapango (Gob. Formosa, Chaco) merkten schon ehe das Rind geschlachtet war am Getriebe des Schlacht- platzes am Ufer, daB es Zeit war, im FliiBchen naher zu schwimmen. Bei gehirnlich wenig differenzierten Tieren wie diesen Kaimanen wird man besser von Selbstdressur sprechen-als von Erfahrung im tblichen Sinne. Die Grenze zwischen beiden Begriffen ist freilich unscharf. Durch seine Versuche mit Beutelratten der Gattung Didelphys hat Hediger bewiesen, da8 auch diese so automatenhaft stupide scheinen- den, groBhirnlich sicher wenig begabten Tiere gewisse einfachste Dres- suraufgaben lésen kénnen. Der einzige Fall einfacher Selbstdressur oder Gewéhnung, den ich bei ihnen selbst beobachtet habe, bestand darin, daB 86 H, Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika, eine Didelphys jeden Abend nach Eintritt der Dunkelheit schnurstracks auf den stets an gleicher Stelle im Garten der Estancia stehenden Futter- nap{ des Hundes zukam — und zwar auch mit dem Winde, also nicht vom Geruchsinn geleitet — und ihn leerfraB. Bei jeder Ratte hatte ich diese Leistung ftir selbstverstandlich gehalten, bei diesem Opossum schien sie mir bemerkenswert; alle meine Zahmungsversuche an Gefangenen fiihrten stets héchstens zu einer gewissen Abstumpiung oder Ausschleifung des Verhaltens, nie zu einem wirklichen Erfassen der neuen Lebenslage. Deshalb bezweifle ich auch, daB man bei der Siedlungsfolge dieser Tiere von einer erfahrungsgesteuerten Anpassung an die Nahe des Menschen sprechen kann, ganz im Gegensatz etwa zu den Fiichsen oder Huftieren, und erwahne sie als Beispiel fiir die vielen, welche nur taxienhaft von giinstigen Eigenschaften des Lebensraums angelockt werden und in ihm sich erhalten oder zugrunde gehen, ohne jemals ,,etwas dazuzulernen". Man wird z. B. auch die Ratten und Mause und gelegentlich die Giirtel- tiere, welche beackertes Land bevorzugen, zu diesen primitiven Folgern rechnen miissen, bei vielen Folgern aber im Zweifel sein, wie sie zu-be- werten sind. Sicher ist jedenfalls, daB das tierische Verhalten, das wir etwas schematisch als Folge oder als Flucht (Meidung) bezeichnen, in psychologischer Hinsicht nicht einheitlich beurteilt werden darf. VI. Soziale Tumulte. Wer die Tierwelt warmer und relativ feuchter Gebiete naher kennen- lernt, der entdeckt immer mehr tierische Verhaltensweisen, welche keines- falls als lebensnotwendig betrachtet werden kénnen, auch wenn sie ohne Zweitel eine gewisse biologische Bedeutung haben. Er st68t auf tausend Extravaganzen k6rperlicher Art, welche zwar meist als sekundare Ge- schlechtsmerkmale gelten kénnen, aber ihre Entbehrlichkeit schon dadurch beweisen, daB sie unter nicht optimalen Daseinsbedingungen eine geringe Ausbildung erfahren, ohne daB dadurch die Erhaltung der Art in Frage gestellt wiirde, und auf andere, nur auf dem Gebiete des Verhaltens lie- gende, von denen dasselbe gilt. Ich habe an anderer Stelle die Vermutung ausgesprochen, das es sich um ein gattungs- oder artspezifisches Abreagieren von Bilanztiberschtissen handelt, wie sie sich gerade in feuchtwarmen, klimatisch einigermaBen ausgeglichenen Biotopen leichter einstellen als anderwarts, wobei eine Stapelung von Reserven in Gestalt von Fetten und Kohlehydraten physiologisch weder notwendig noch tragbar ware (Getahr der Warmestauung). Die luxurierenden AuBerungen des Verhaltens sollen hier von der psychologischen Seite her betrachtet werden. Es ist ja selbstverstandlich, daB sie, obgleich UberschuBbildungen, im Seelenleben ihrer Trager nicht ganz und gar sinnlos in Erscheinung treten kénnen, sondern bei jeder H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika. 87 Tierform dort ihren Platz haben, wo sie erstens ohne Schaden tragbar sind und zweitens als Aushangeschilder von Gesundheit, Fortpflanzungs- bereitschait und Selbstbehauptung gewisse zusatzliche Kriterien abgeben k6nnen. : AuBer bei zwei Arten der Gattung Alouatta (Briillaffen) fand ich sehr ausgesprochene spontane Schreikonzerte auch bei den Springaffen der Gattung Callicebus. Entsprechend der geringeren Gesamtgréfe und schwacheren Ausbildung des Kehlkopfes sind sie freilich weniger impo- sant1). Sehr ausgesprochene Schreitumulte, d. h. Wellen gemeinsamen Schreiens, fand ich bei zahlreichen Vogelarten, besonders den Cuculiden Crotophaga major Gm., Crotophaga ani L. und Guira guira (Gm.), bei verschiedenen Arten der Gattung Furnarius, bei den Rallen Aramides ypecaha (Vieill.) und Aramides cajanea cajanea (Miiller), bei den Baum- hiihnern (Cracidae) der Gattungen Penelope, Pipile und Ortalis und bei Odontophorus. Sie alle schreien in der Gemeinschaft eines kleinen Ver- bandes, einer Sippe oder Familie. Wahrend die Affen dabei ruhig da- hocken, sich mit gekriimmten Riicken, vorgestrecktem Kopfe und gestreck- ten Armen etwas krampfhaft auf dem Aste festhaltend, vollzieht sich das Konzert bei den erwahnten Végeln stets unter allerhand Gesten. Diese bestehen bei den Cuculiden und Craciden vorwiegend aus wiederholten Verbeugungen, bei den Rallen aus grotesken Tanzen (etwa denen der Kraniche vergleichbar). Diese Handlungen haben alle etwas gemeinsam: mégen sie nur we- nige Sekunden dauern oder erheblich langer, stets beginnen sie relativ ruhig mit einigen einleitenden Lauten bezw. Gesten, steigern sich allmah- lich in Starke und Erregtheit, wobei rasch hintereinander ein, zwei, schlieB- lich alle anderen Individuen in den Chorus einfallen. Die Erregung schwillt an, um dann nach einem jubelnden Héhepunkt rasch zu verebben. Man hat durchaus den Eindruck des Ablaufes eines endokrin beding- ten, orgasmusartig endenden Vorganges, der sich nie unmittelbar wieder- holt, sondern nach einer Pause von einigen Minuten bis vielen Stunden. Vielfach ist eine gewisse — aber nie feste — Bindung an legos und Wetterlage feststellbar. Bei den Affen ist zwar stets ein altes Mannchen der Anstimmer, aber Weibchen und Jungtiere einschlieBlich der Sauglinge singen mit, und auch bei den Schrei- und Tanztumulten der erwahnten Végel kann von einer Balz nicht die Rede sein, nicht nur weil. beide Geschlechter betei- ligt sind, sondern vor allem weil sie wahrend des ganzen Jahres beob- achtet werden. Das gelegentliche Hineinspielen erotischer Momente ist freilich nicht ausgeschlossen, nur eben bezeichnend oder ftihrend scheint es nicht zu sein. Ein etwa 3 Wochen alter Briillaffen-Saugling, den ich in einem meiner Standlager hatte, brillte, so gut er eben konnte, spon- a aenerSctreicancerts sind von altweltlichen Affen bekannt (Hylobates). Das Ver- halten der Brillaffen habe ich anderwarts geschildert (s. Krieg, schwarze Briillaffen, Ztschr. f. Sdugetierkde. 1928). 88 H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Stidamerika. tan vor sich hin, obgleich es ihm an Vorbild und Anregung fehlte. Dies war immer ein Symptom seines Wohlbefindens. Niemals sang er, wenn er eine seiner hauligen Verdauungsstérungen hatte. Das zweite Merkmal dieser Tumulte ist ihre Geméinschatte eres Denn diese ist unter natiirlichen Umstanden durchaus die Regel. Ob die Tiere sich sozusagen zusammenballen, wenn sie das Bediirfnis zu einer derartigen sozialen Kundgebung in sich ftihlen, die dann auch prompt ausgelést wird, oder ob einleitende Laute oder Gesten eines einzelnen sie zum mitmachen veranlassen, ist ohne sehr eingehende Beobachtung nicht zu sagen; der Vorgang kann vielleicht auf beiden Wegen zustande- kommen. Das dritte Merkmal ist die augenscheinliche Lustbetontheit der Tumulte. Kranke oder irritierte Tiere machen sie nie, auch haben sie nicht den Charakter von Auseinandersetzungen, sondern eher den von Selbstzweckhandlungen bezw. Handlungen, welche, wie so viele andere tierische Bewegungsstiirme, der Abreaktion von Spannungen dienen. Es besteht vermutlich eine gewisse lockere Verwandtschaft mit dem primiti- ven Lustgefiihl, das Menschen ein gemeinsames Trink- oder Wanderlied als Krénung und zugleich Befriedigung einer Stimmung empfinden 1aBt. Bei sozialen Lebewesen ist die Betonung der Gemeinschaft durch an sich sinnlose, luxurierende Handlungen wohl stets eine Kompensierung ihrer Einsamkeitsangst, d. h. ihres standigen Strebens, den AnschluB8 nicht zu - verlieren, das sie sicherlich in ahnlicher Weise beherrscht, wie Klettertiere das Bestreben, nicht abzusttirzen. Dieses Streben, in Fiihlung zu bleiben und so — wenigstens zeitweise — eine Einheit zu bilden, zeigt uns ein sich herumtreibender Meisenilug oder ein Flug von Zeisigen oder Krahen- végeln, dessen Glieder stets durch Rufe Fihlung halten. Am meisten fiel mir dies auf bei den ungeheuren, oft nach Tausenden zahlenden Filtigen der Amazonenpapageien, welche auBerhalb der Brutzeit des Abends, paarweise weithin verteilt, alle in gleicher Richtung den Schlafplatzen zu- fliegen und den Himmel mit ihrem Geschrei erfiillen. An den Schlafplatzen selbst wachst der Larm, nunmehr konzentriert, zu einem ohrenbetauben- den Gekrachze an, bei dem der Streit um den besten Ast und die Be- tonung der Gemeinsamkeit als Motive ineinanderfliefen, bis die herein- sebrochene Nacht endlich dem Schlafbediirfnis das Ubergewicht gibt. Jede exzessive, luxurierende Erscheinung auf ert sich jeweils in einer Richtung, welche bei der betreffenden Art ,,offen“, d. h. nicht durch ander- weitige Spezialisierung unterdriickt ist. Dies betrifft wiederum nicht nur die somatischen, sondern auch die psychischen bzw. motorischen Hyper- telien. Fiir jede Spezialisierungsform, etwa eine Familie oder Gattung oder Art, sind deshalb ihre etwaigen Hypertelien charakteristisch. Da8 sie nie- mals solche Eigenschaften betreffen, deren Ausbildungsgrad in straffer Beziehung zu den Anforderungen des Lebensraumes steht, also durch Auslese normiert werden, leuchtet ein. Sie betreffen stets einen locus mi- noris momenti, einen Ort geringerer funktioneller Bedeutung. H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika. 89 VIL Das ,,Sich-Totstellen*’ und der ,,Blutrausch“. Revision zweier Begrifie. Es ist zweifellos falsch, alle Falle jenes Verhaltens, das man landlaufig als ein Sich-Totstellen bezeichnet, gleich zu beurteilen. Bei Insekten handelt es sich sicherlich um die AuBerung eines Instinktes, welcher im Dienste der Arterhaltung steht, also nicht anders zu berwerten ist als irgend eine andere im groBen Ganzen bewdhrte Eigenschaft. Dies geht schon daraus hervor, da zur Hervorbringung dieses Zustandes eine bedrohliche Situ- ation, etwa ein Schreck, geniigt, und dafs es sich vielfach nicht um eine Vorspiegelung des Totseins handelt, sondern um ein Sichausschalten aus dem Beutetrieb des Angreifers. Dieses besteht oft nur in einem reg- losen Verharren, welches das gefahrdete Tier optisch in seiner Umgebung aufgehen oder einfach zu einem leblosen Gegenstand werden 1aft, der, wie wir wissen, von manchen auf lebende Beute eingestellten Fein- den nicht mehr als solche erkannt wird oder durch Herabfallen zum Boden sich seinem Blick entzieht. Das Verhalten des Aufgehens in der Umge- bung ist bei Végeln und Saugetieren wohlbekannt: ich erinnere an das Sichdriicken der Feldhasen, der Rebhihner und aller Kticken steppenbe- wohnender oder sonstiger Végel, deren Jugendkleid Schutz gegen das Erkanntwerden bietet, auch das Sichdriicken von Jungvégeln im Nest’). Ein schénes Beispiel bietet die etwa taubengrofe siidamerikanische Nacht- schwalbe Nyctibius aethereus (Wied), der Urutau. In Nordostparaguay be- obachteten wir an mehreren Tagen einen Urutau beim Brutgeschait. Er saB, sein einziges weiBes Ei deckend, steil aufgerichtet oben auf einem Zaunpfahl und schien schon auf ganz kurze Entfernung nichts anderes als dessen etwas angefaultes, spitz zulaufendes Ende zu sein. Man konnte sich ihm bis auf Armlange nahern, ohne da er abflog. Dabei war deut- lich zu sehen, daB er, je naher man kam, umso mehr seine Augen schlof, als wiiBte er, das deren Lichtreflexe ihn verraten k6nnten. Auch das bei vielenInsekten und Spinnen iibliche Sichfallenlassen scheint mir bei Végeln Parallelen zu finden, allerdings nur als,,ultima ratio”, wenn eine Rettung durch Flug wegen Fliigelverletzung nicht mehr méglichist. Die Inter- pretation des Verhaltens als instinktive Zweckhandlung ist allerdings nicht ganz sicher. Ich habe es bei Kolibris verschiedener Arten und besonders regel- mafig beidem etwa drosselgroBen Tyrann Gubernetes yetapa (Vieill.) beob- achtet, der sich gefliigelt stets von der hohen Staude, auf der er in den feuch- ten, Srasigen Steppen zu sitzen pflegt, steil herab fallen lieS und nun, den Kopf nach unten und die langen, Graser vortauschenden Steuerfahnen seines Schwanzes senkrecht nach oben, regungslos verharrte und sehr schwer zu fin- den war. Dieses Verhalten kann auch als Sonderfall des Sich-Einschiebens sedeutet werden, wie wir es als ultima ratio auch bei anderen Végeln finden. Es ist gegen Raubvégel ein besserer Schutz als das Wegfliegen. 1) Die ganz anders zu wertende ,,Akinese“ bei Wirbeltieren wurde im 1. Kapitel erwahnt. 90 H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika. Sicherlich ganz anders zu bewerten ist das im Schrifttum so oft erwahnte ,,Sich-Totstellen’’ bei den Opossum-Arten. Ich habe sehr haufig beobachtet, daB Beutelratten der Gattungen Metachirus und Didelphys regungslos liegen blieben, nachdem sie vom Hunde derb gepackt und ge- schiittelt worden waren — und nur dann —-; lief ich sie liegen, so setzte meist nach wenigen Minuten wieder deutliche Atmung ein, die Tiere ka- men wieder zu sich und versuchten, zunachst noch sichtlich benommen, wegzulaufen. Sie waren zweifellos in einem Zustande des ,,Knock-out", also dem eines Schocks, welcher nicht mit dem rein psychischen Zustand der Akinese zu vergleichen ist, wie er — falschlich als Hypnose bezeich- net — bei Végeln und Reptilien so haufig beobachtet wird. Ahnliche Zu- stande wie bei den Opossums sind von Katzen und besonders von Fiich- sen bekannt und pflegen von Laien fir raffinierte und bewuBte Intelligenz- handlungen gehalten zu werden. Traumatisch bedingte Zustande zeitweiliger BewuBtlosigkeit oder we- nigstens motorischer Lahmung sind jedem erfahrenen Jager von allen Wildarten bekannt. Die Geschichte vom Hasen, der im Rucksack wieder lebendig wird oder vom Hirsch, der, zur Strecke gelegt, pl6tzlich aufsteht und weglauft, sind kein Jagerlatein. Wildenten, Rebhitihner und Fasanen, ganz besonders aber Raubvégel werden oft irrtiimlich fiir tot gehalten. Meist handelt es sich um ,,Knock-out''-Zustande nach Krell- schiissen, also Stauchungen und Zerrungen des verlangerten Markes,. Ich selbst habe sie beim Reh, Mufflon, Feldhasen, beim Jaguar, vielen Végeln und auch bei Kaimanen erlebt. DaB solche Zustande bei Kleinraubtieren (einschlieBlich der Hauskatze) so besonders haufig vorkommen, liegt wohl erstens daran, daB diese besonders haufig dem Geschiitteltwerden durch Hunde oder anderen nicht sicher todlichen Einwirkungen unterliegen, und zweitens in ihrer gr6Beren Lebenszahigkeit, welche, wie ich vermute, weniger durch besondere Eigenschaften des Zentralnervensystems bedingt ist als durch die Geschmeidigkeit und Elastizitat ihrer Bander und Gelenke und vor allem durch Eigentiimlichkeiten des ersten und zweiten Halswirbels (dens epistrophei!), welche bei Zerrung zu Kontusionen des verlangerten Markes fiihren, welche bei ihnen seltener tédlich sind als bei anderen Tieren. Man sagt den meisten kleinen Raubtieren nach, sie tdoten, wenn sich Gelegenheit dazu biete, im ,Blutrausch" weit mehr Tiere, als sie verzehren kénnen. Man sagt dies in Europa besonders von den Muste- liden, also den Marder- und Wieselarten und dem Iltis. In Siidamerika behauptet man es hauptsachlich von den Beutelratten der Gattungen Didelphys und Metachirus, vom kleinen und grof%en Huron (Galictis vittata und Tayra barbara) und von fast allen Wildkatzen. Auch von den Caniden Cerdocyon und Lycalopex wurden mir solche Beobach- tungen berichtet. Stets ergibt sich mehr oder weniger genau etwa folgender Tatbe- stand: Ein Raubtier ist wahrend der Nacht in den Hihnerstall eingedrungen H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika. 91 und hat in vollkommen sinnloser Weise alle Hiihner abgewiirgt. Gar nicht selten findet man es (besonders wenn es eine Beutelratte ist) in tiefem Schlafe noch in einer Ecke liegen. Wie ist ein so unverstandliches, unbiologisches Verhalten eines Wild- tieres zu erklaren? Es kann doch nicht ernstlich angenommen werden, es handle aus einer Psychose oder Stichtigkeit heraus. Die Ursache mu anderer Art sein. Jedes Wildraubtier raubt nur zum Nahrungserwerb fiir sich und allen- falis fir sein noch unselbstandiges Geheck. Dabei wird es von Instinkten geleitet, welche es zu einem im grofen ganzen ,,richtigen", d. h. bewahr- ten, Verhalten veranlassen. Das Aufsuchen, Anschleichen und Anspringen der Beute, die Technik des Tétens und Anschneidens liegt im wesent- lichen fest und wird nur im Rahmen der gegebenen Umstande modifiziert. Stets lost die Nahe der Beute einen starken Erregungszustand aus, ihre nahe Wahrnehmung in angreifbarer Situation durch das leitende Sinnes- organ (bei Feliden besonders das Auge, bei Caniden die Nase, bei Beutel- ratten wohl neben der Nase das AufBerst feine Gehér) lést einen psy- chischen Mechanismus aus: nun mu8 das Raubtier anspringen und reifen’), Im allgemeinen wird diese Reaktionskette nach einem — gelungenen oder mif®lungenen — Angriff zu Ende sein, weil ein neues Auslésungs- moment, ein neuer unausweichlicher Sinnesanreiz fehlt. Das Beutetier ist erlegt oder entwischt, und wenn es nicht allein war, so haben seine Art- senossen das Weite gesucht. Jetzt beginnt, je nach der Sachlage und der Art des Raubers, ein neuer Akt: etwa der des Fressens, des Wegtragens, vielleicht der Verfolgung oder der neuen Suche. Wie ist es nun aber, wenn der Tétungsanreiz sich sofort wiederholt? Dieser Fall tritt ein, wenn etwa ein Opossum in den Hihnerstall gerat und sich, nachdem es ein Huhn getétet hat, noch immer inmitten er- schrocken durcheinanderflatternder Hiihner befindet, welche keinen Flucht- weg sehen, oder wenn ein Puma in einer Hiirde ein Schaf gerissen hat, und rings um ihn sind immer noch Schafe, welche nicht fliehen kénnen. Die Situation fiir den Rauber ist abnorm, ist programmwidrig. In freier Wildbahn kommt so etwas kaum vor, zum mindesten nie in solchem Aus- ma. Das Raubtier ist von seinem Tétenmiissen solange in Bann geschla- gen, als anwesende Beute es dazu zwingt. Es ,,will’ nicht, sondern es »muB" weitertéten, bis reiner Tisch gemacht ist oder ein neuer Faktor die Situation andert. Es ist durchaus denkbar, daf unter solchen Umstan- den das Raubtier bis zur Erschépiung weitertétet und erst spat oder gar nicht zur NutznieBung der Beute kommt. So ist es letzten Endes der Mensch, welcher an diesem sogenannten Blutrausch die Schuld tragt. Denn er hat die Voraussetzungen daftir ge- schafien. 1) Ich erinnere an die Versuche von H. Raber mit Martes foina (Raber 1944) 92 H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika. VIil. Praiadaption zur Haustierwerdung bei Caviiden. Die Meerschweinchen der Gattung Cavia beleben im subtropischen und tropischen Teil des siidamerikanischen Kontinents fast alle Busch- und Graslandschaften. Sie sind an Bahndimmen und an Randern staubi- ger LandstraBen ebenso haufig wie in den Cafiadas, wo derbe Stipagraser auf bald sumpfigem, bald steinhartem, oft von Glauber- und Kochsalz durchsetztem Grunde stehen. Ihre Ausbreitung reicht in mehreren syste- matisch m.E. noch revisionsbediirftigen Arten von Meereshdhe bis hoch in die Anden hinauf. Die Gattung Kerodon unterscheidet sich von der Gattung Cavia zwar durch eine Reihe anatomischer Merkmale, aber abgesehen davon, daB sie im allgemeinen einen besser ,,durchmodellierten* Eindruck macht als die viel neutralere Cavia, und einige ihrer Arten oder Unterarten felsigen Grund: bevorzugen, wird man sie doch rein geftihlsmaBig ebenfalls zu den Meerschweinchen rechnen. Denn es handelt sich um niedrige, rundriickige Schliipfer kleinen Formates, welche eilig von einem Schlupfwinkel zum anderen rennen und besonders beliebte Biotope so massenhaft bevolkern, | da8 ihre kleinen Wechsel das Gebiet wie ein Netzwerk durchziehen und man versucht ist, von Siedlungen oder Dérfern zu sprechen 4hnlich — wie bei den (unterirdisch lebenden) Kammratten der Gattung Ctenomys. Alle Schliipfer, zum mindesten die herbivoren, sind standorttreu und engraumig. Es wundert uns nicht, daB innerhalb der recht vielgestal- tigen Familie der Caviidae gerade die gréBeren Formen der Gattung Dolichotis (Pampashasen), die mit ihren diinnen, hohen Laufen geradezu an Huftiere erinnern, am weitraumigsten sind. Sie sind bei relativ hohem . Nahrungsbediirfnis an nahrungsarmen Lebensraum, namlich die trockene Buschsteppe, angepafBt. Dagegen ist die bei weitem schwerste Gattung der Familie, Hydrochoerus, trotz viel héheren Nahrungsbediirinisses sehr stand- orttreu und relativ engraumig. In ihrem feuchten, warmen und deshalb nahrungsreichen Lebensraum kann sie sich dies erlauben. Ausgesprochen engraumig sind Coelogenys (Paka) und Dasyprocta (Goldhase, Aguti), die ja beide geradezu den Prototyp des Schliipfers dartellen: stark rundriickig, vorne niedrig, durchaus dickungsgebunden. Bei den Meerschweinchen Cavia und Kerodon kommt zu den gewohnlichen Schliipfermerkmalen noch die geringe Kérpergr6Be, welche ein Leben auf engem Raum und in dich- ter Siedlung besonders begiinstigt. Die kleinen Schliipfer unter den pflanzenfressenden Saugetieren ent- fernen sich so wenig wie méglich von ihren vertrauten Schlupfwinkeln. Nur Briinstigkeit, Versprengtwerden durch Feinde und gewisse andere, wie Massenpsychosen wirkende Faktoren nicht einwandfrei geklarter Art (Lemming, Schneeschuh-Hase) kénnen ihre Standorttreue zeitweise aul- heben. So kommt es, daB manche von ihnen sich mit der Nahe mensch- licher Siedlungen abfinden (Reh, Mazama), ja diese sogar bevorzugen, H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika. 93 wenn irgendeine menschenbedingte Besonderheit des Biotops ihrer Stand- orttreue Vorschub leistet. Es ist bekannt, dai die Indianer sich auffallend wenige Haustiere geschaffen haben. Auer dem Hund, den ihre altweltlichen Vorfahren schon vor Jahrtausenden mitgebracht haben und der also nicht autoch- thon siidamerikanisch ist; haben sie aus dem Guanako das Llama, aus dem Vicufia das Alpaka, aus dem wilden Truthuhn das zahme gemacht, aus der Baumente Cairina die sogenannte Tiirkenente und aus einer Wild- schweinchenart der Gattung Cavia das zahme Meerschweinchen. Zielbe- wuBte Ziichtung liegt der Indianerpsyche nicht. Guanako und Vicufia drangen sich zur Domestikation geradezu auf, das weil jeder, der Jung- tiere dieser Kameliden von der Jagd nach Hause bringt und mit Staunen feststellt, daB ihr AnschluBbedtirinis dem Menschen geradezu lastig wer- den kann. Auch bezitiglich der Meerschweinchen kann man von einer Praadaption zur Haustierwerdung sprechen. Diese besteht freilich nicht in einem sozialen AnschluBbedtirfnis, sondern in ihrem den Menschen in Kauf nehmenden Festhalten an einmal angenommenen Unterschlupfen und der Scheu, sich wesentlich von ihnen zu entfernen. Wir hatten einmal — im Nordosten Patagoniens — ein frischgefan- genes Weibchen von Kerodon australis mit zwei Jungen in einer Kiste untergebracht und diese Kiste in eine leere Hiitte gestellt, in der auch einer von uns zu schlafen pflegte. Wie alle wilden Meerschweinchen (und auch Kaninchen) blieben die Tiere zunachst scheu und unruhig. Bald ge- lang es ihnen, aus der Kiste zu entkommen, und sie gewohnten sich nun daran, die Hiitte zu bestimmten Stunden zu verlassen und unmittelbar vor deren Eingang im Gras zu asen. Sobald sich jemand naherte, husch- ten sie in die Hiitte hinein, in deren dunkeln Winkeln sie sich sicher fiihl- ten. So taten sie selbst den ersten Schritt zur Domestikation und brach- ten mich zu der Vermutung, daB die Hiittengemeinschait zwischen Mensch und Meerschweinchen, wie wir sie heute noch in Peru finden, auf ahn- liche Weise entstanden ist, und allmahlich zu domestikatorischer Veran- derung des Erbgutes durch Entstehung und spielerisch-ziichterische Be- vorzugung echter Mutationen (z. B. Scheckung) gefiihrt hat. Rengger berichtet von Dasyprocta, daB man sie ,,frei herumlaufen _ lassen konnte, ohne daB sie entflohen waren”. Sie zeigten also dasselbe Verhalten wie meine Kerodon. Da®B die Indianer gerade Cavia domestiziert haben, ist wohl damit zu erklaren, da Cavia dort, wo sie vorkommt, haufig zu sein pilegt, daB sie eine geringe ,,Fluchtdistanz” (Hediger) hat, standorttreu und beziiglich des Unterschlupfes nicht wahlerisch ist, sich bei geringem Futterverbrauch stark vermehrt, fast nie beift. Ihre Haltung ist eigentlich nur eine Hiittengemeinschaft mit gegenseitiger Gewohnung, deren Anfang leicht aus der Neigung aller Indianer zu erklaren ist, Jung- tiere nach Hause zu bringen und es dann weitgehend diesen selbst zu tiberlassen, ob sie dableiben wollen oder nicht. Das Fleisch dieser billigen, stets greifbaren Nahrungsquelle bietet den armen Indianern eine hiibsche 94 H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika, Abwechslung in ihrer héchst einférmigen Ernahrung und schmeckt besser als gedérrtes Llamafleisch, mit dem man tiberdies sparsam sein muf. Aus rein spielerischen Motiven blieben auftretende Farb- und Zeichnungsmu- tanten vor dem Kochtopf oder Bratspiefs bewahrt, ebenso etwaige Defekt- mutanten psychischer Natur, welche ihre Trager bei den Weibern und Kindern beliebt machten. Die rasche Folge der Generationen begiinstigte die Haustierwerdung. IX. Das Einbrechen der Pierde. Die uns so rigoros und grausam vorkommende in Stidamerika tibliche Art des Pferdezaihmens ist in Reiseberichten schon oft geschildert worden. Sie besteht im Gegensatz zu der bei uns itiblichen Dressurmethode darin, daB das rohe, an freies, wildtierahnliches Weideleben gewGhnte Pferd un- ter Anwendung von Gewalt gefesselt, vollstandig gesattelt, mit scharfer Kandare aufgezaumt und von besonders geeigneten Domadores de potros in jaher, kampfender Auseinandersetzung seiner k6érperlichen und vor allem seiner psychischen Spannkraft beraubt wird. Bezeichnend ist dabei, da8 das Pierd mit Sporen und Peitsche immerfort angereizt wird, sich vollkommen zu erschépfen. Dieses Verfahren braucht nicht oft wiederholt zu werden. Nach wenigen Malen ergibt sich das Pierd ohne Widerstand dem Reiter, und allmahlich wird es durch Gewohnung und Erfahrung (Selbstdressur) zu einem ausgezeichneten Gebrauchstier, das sich bei der oft technisch gar nicht einfachen Vieharbeit der Gauchobetriebe aus der Situation heraus richtig verhalt. Auf die Weide entlassen — Stall kommt ja fast nie in Frage — benimmt es sich nicht weniger selbststandig als ,rohe" Tiere. Werden Pferde gebraucht, so wird ein zahmer Trupp in engere Um- zaunung (Corral) getrieben und man fangt sich mit dem Lasso die ge- wiinschten heraus. Auf gut geleiteten Betrieben wird dies dadurch ver- mieden, da® die Pferde daran gewOhnt werden, sich auf ein Kommando in einer Reihe, die Hinterhand gegen die Umzaunung, aufzustellen. Man geht dann sehr behutsam und den Pferden zuredend oder pfeifend die Reihe der Pferdeképfe ab und sucht aus. Man muf vermeiden, die Tiere zu erschrecken, denn sie bleiben meist Angstlich und kopfscheu. Es ist er- staunlich, daB ein eingebrochenes Pferd, dem man ein Halfter iibergestreilt oder auch nur einen Ziigelriemen locker iiber den Hals gelegt hat, sich meist sofort ergibt, sich herausftihren und satteln laft. Es kommt vor, da8 Pferde beim Einbrechen Schaden nehmen. Bei den haufigen Stiirzen und dem zuweilen nétigen Werfen des Pierdes vor dem erstmaligen Satteln ereignen sich nicht selten Knochenbriiche; besonders an heiSen Tagen kénnen sich auch Hitzschlage oder Herzfehler einstellen, die ja ein Pferd meist dauernd minderwertig machen. Bei schweren oder besonders wertvollen Rassepferden wird man die landesiibliche Methode H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika. 95 “ méglichst mildern oder ganz vermeiden, im grofen ganzen aber bewahrt sie sich gut, weil sie rasch zum Ziele fthrt. In Pfierdezuchtgebieten Siid- amerikas kann man ja den Verlust eines Tieres leicht verschmerzen. Jeder groBere Betrieb besitzt Hunderte oder Tausende. Das Einbrechen von Maultieren ist schwieriger als das von Pferden. Ihr Widerstand ist zaher und ihr Verhalten besonders abrupt und unberechenbar. Der schroffe Ubergang von wildtierahnlicher Freiheit zur Horigkeit, -welcher durch das Einbrechen erzwungen wird, hat mir oft zu denken - gegeben. Bei einem gut, d. h. rticksichtslos und vollkommen eingebrochenen Pferd scheint jede Tendenz des Meidens oder der Abwehr ganz ausge- léscht zu sein, sobald es, wenn auch nur symbolisch, den Zaum des Men- schen fihlt. Nur eine sehr lange Freiheit bringt es dazu, wieder Schwierig- keiten zu machen. Fiir das Pferd bedeutet die Prozedur des Einbrechens ohne Frage einen schweren psychischen Schock, der in einem Tier mit so gutem Erinnerungsvermégen fast unausléschlich nachwirkt. Dieses Erlebnis ist in héchstem Grade unlustbetont und muf eine groBe Angst vor Wieder- holung erzeugen. Es ware also zu erwarten, da dieser Wiederholung mit allen Mitteln ausgewichen oder wenigstens ihrem Beginn Widerstand ent- sgegengesetzt wird. Dies ist aber nicht der Fall. Ist die Aussichtslosigkeit des Widerstandes ebenfalls in der Erinnerung festgelegt? Diese Formu- lierung scheint mir falsch, denn sie wiirde ja eine Erkenntnis vorausset- zen, die Verallgemeinerung einer Erfahrung, und durchaus der Norm widersprechen, dali erfahrungsbedingte Meidung umso starker wird, je peinvoller das erste Erlebnis war. Es liegt nahe, in diesem Falle von Suggestion zu sprechen, wenn auch dieser Begriff kaum mehr ist als die Bezeichnung eines psychomechanisch ratselhaften Vorganges. Immerhin scheint es mir vorstellbar, daB gerade bei solchen Tieren, deren soziales oder herdenhaftes Zusammenleben sie zur Anerkennung einer Rangord- nung pradestiniert, ein Erlebnis riicksichtsloser Unterwerfung einen Zu- stand der Resignation erzwingen kann, der solange erhalten bleibt, als die dabei erworbene Erfahrung immer wieder aufgefrischt wird durch die Selbstverstandlichkeit, mit welcher der Sieger in jener entscheidenden Auseinandersetzung, hier der Mensch, die Unterwerfung voraussetzt und jeden Versuch, sich von ihr zu befreien, augenblicklich zum Scheitern bringt. Die Tradition des Gauchos, im Pferde nichts anderes als ein ge- fugiges Werkzeug zu sehen, kommt dem entgegen. Wenn man gesehen hat, mit welcher unbekiimmerten, unsentimentalen Riicksichtslosigkeit In- dianer und Mischlinge mit Tieren aller Art umzugehen pflegen und wel- che erstaunlichen Zahmungserfolge sie meist damit haben, so erkennt man, daB unsere Methode, Tiere durch Geduld und Mitgefiihl vertraut zu machen, zwar entschieden schéner aber doch weniger nachdriicklich ist. Gerade bei den Huftieren ist ja bekannt, daB sie ,Pedanten" sind und einmal durch Zwang und Gewohnung eingefahrene Schemata des Verhal- 06 H. Krieg: Tierpsychologische Beobachtungen in Siidamerika. tens fest in ihr Harmoniebediirinis zur Umwelt einbauen. Ich habe dies sehr eindringlich bei Hunderten von Maultieren beobachtet, die im Jahre 1927 am Ostrande des Chaco bei der ErschlieBung des Petroleumvor- kommens zu Tode geschunden worden sind. Auf unbeschreiblich schlech- ten Wegen zogen sie die schwer mit Bohrmaterial und Proviant beladenen Wagen. Wahrend der Ruhepausen hielten sie sich beim Weiden treu zu der ihnen beigegebenen Madrina, einer alten, zahmen Pferdestute, die eine Glocke trug. Wurde diese am Ende der Rast zu den Wagen gebracht, so folgten sie ihr ohne weiteres, und jedes stellte sich an seinen Platz im Gespann, obgleich es doch — nach menschlicher Vorstellung — wissen muBte, daB nun die Tortur weiterging. Sie erhielten dort zwar stets ein. paar Hande voll Mais, und dies mag nicht ohne Bedeutung gewesen sein. Aber sei dem wie ihm wolle, sie waren nicht fahig zu der Assoziation, daB es doch praktischer ware, wahrend einer der Arbeitspausen, bei denen sie sich oft weit enfernten, das Weite zu suchen. Sie liebten ihre Madrina, ihren Platz am Karren und ihre Unterjochung unter einen Zwang. Auch sie waren, wenn auch auf andere Weise als die Pferde der Gauchos, ,,eingebrochen“. Angeithrte Schriiten. Bierens de Haan, I. A,, 1940: Die tierischen Instinkte. Leiden. Grzimek, B., 1944: Die ,,Radfahrer-Reaktion", Z. Tierpsych., 6. Hediger, H., 1934; Zur Biologie und Psychologie der Flucht bei Tieren. Biol. Zentralbl, 44, ‘ 1935: Zur Biologie und Psychologie der Zahmheit, Arch. ges. Psych., 93, Heinroth, O., 1910: Beitrage zur Biologie, namentlich Ethologie und Psycho- logie der Anatiden. Ber. V. Internat. Ornith. Kongr. Kohler, O,, 1940: Instinkt und Erfahrung im Brutverhalten des Sandregen- pfeifers. S, B. Ges, Morph. Okol., Miinchen, 49. ‘ 1943; Die Aufgabe der Tierpsychologie. Schr. Kénigsb. Ge- lehrten Ges. naturw. KI, 18. Krieg, H., 1937: Luxusbildungen bei Tieren. Zool. Jb. Abt. Syst., 69. + 1940: Als Zoologe in Steppen und WaAaldern Patagoniens, Minchen-Berlin. * 1948; Zwischen Anden und Atlantik, Miinchen. Krumbiegel, L, 1938: Psychologisches Verhalten als Ausdruck der Phyloge- nese, Zool. Anz., 123. Laven, H., 1940: Beitrage zur Biologie des Sandregenpfeifers. J. Ornithol., 88 Lorenz, K., 1937: Uber die Bildung des Instinktbegriffes. Naturwiss., 25. “4 1943; Die angeborenen Formen méglicher Erfahrung. Z, Tier- psych., 5. Raber, H., 1944: Versuche zur Ermittlung des Beuteschemas bei einem Hausmarder. Rev. Suisse Zool, Rengéger, IL R, 1830: Naturgeschichte der Sdugetiere von Paraguay. Basel. Yerkes, R, M, 1912: The intelligence of earthworms, J. anim, Behav., 2, i es Vi Bae -VEROFFENTLICHUNGEN der _ ZOOLOGISCHEN STAATSSAMMLUNG MUNCHEN | | Otto Schindler ~~ Der Kénigssee als Lebensraum Erste Mitteilung iiber die bisherigen Ergebnisse MUS. COMP. 7061. | _ UBRARY — APR et 190 Higuera UNIVERSITY Verdff, Zool, Staatssamml. Miinchen S. 97—129 | Miinchen, 1. Oktober 1950. Der KOonigssee als Lebensraum Erste Mitteilung tiber die bisherigen Ergebnisse Von Otto Schindler O. Schindler: Der Koénigssee als Lebensraum 99 Der K6nigssee, im aufsersten Siidostzipfel Deutschlands gelegen, nimmt in mancherlei Hinsicht eine gewisse Zwischenstellung ein zwischen den Seen des bayerischen Voralpenlandes und den eigentlichen Alpenseen. Denn obwohl er sich hinsichtlich seiner Héhenlage von 602m tiber dem Meeres- spiegel und seiner Flachenausdehnung von 5,17 qkm — Lange 8km, gr6Bte Breite 1,3km — gut in die Reihe der Voralpenseen einfiigen wiirde, zeigt er doch mancherlei Ziige, die den Alpenseen eigen sind. Als auffallendste Eigen- schaft ist die niedrige Wassertemperatur zu nennen, die Einschrankungen der Lebensméglichkeiten fiir die Pilanzen- und Tierwelt bedingt. So ist z. B. die geringe Zahl der Fischarten des K6nigssees auffallig. Die relativ niedere Wassertemperatur, auf die spater naher eingegangen werden soll, ist wie- derum erklarlich durch die Lage zwischen hohen Bergen, die, besonders bei der schmalen Beckenform des Sees, eine kiirzere tagliche Sonnenbe- strahlung als bei freiliegenden Seen bedingt. Keiner der gréBeren deutschen Voralpenseen liegt so lange im Schatten der Berge wie der K6nigssee. Dazu kommt seine groBe mittlere Tiefe, die 93,1m betragt. Der K6nigssee ist damit — abgesehen vom Bodensee — der See des deutschen Voralpen- und Alpengebietes mit der grdéften mittleren Tiefe. Seine gr6Bte Tiefe betragt nach den bisherigen Angaben 188,2 m*). Der Walchensee, der ihm in vieler Hinsicht am ahnlichsten ist und der eine maximale Tiefe von 192 m hat, besitzt nur eine mittlere Tiefe von 81,8m. Der Bodensee aber, der sroBte und tiefiste deutsche See des Alpenvorlandes, weist bei einer maxi- malen Tiefe von 252m eine mittlere Tiefe von 100,1_m auf. Erklarlich ist die groBe mittlere Tiefe des K6nigsees durch den fast tiberall steilen Abfall seiner Ufer. Nur das schmale Nord- und Siidufer machen eine Ausnahme, und an diesen beiden Stellen kann man auch von einer Uferbank sprechen. Im Flachwasser des Nord- und Siidufers treten ausgedehnte Characeenrasen auf, an denen im Friihjahr Hechte und Barsche laichen. An den Langsseiten aber fallen die Felswande itiberall steil in den See ab. Eine Ausnahme macht nur das Gebiet um St. Bartholoma. An manchen Stellen, vor allem im nérdlichen Teil, an der sog. ,,Archenwand‘ und im sog. ,Echo" erreicht schon wenige Meter vom Ufer der Seeboden *) Bei Messungen im Juni 1950 stellte Fischer M, Stéckl (St. Bartholoma) éstlich von Kessel eine Tiefe von 210m fest. Am 16. 6.1950 nahm ich gemeinsam mit Dr. Pietsch- - mann und den beiden Fischern M. Stéckl und A. Cecconi eine Nachpriifung der Tiefen- messung mit einer geeichten Lotwinde vor. Bei 207m (der Gesamtlange des uns zur Ver- fiigung stehenden Drahtseiles) kam das Lotgewicht noch nicht auf Grund. Eine merkliche Abtrift war bei unseren Messungen nicht festzustellen. Bei Echolotungen durch Dr. Brandt (Hamburg) im September 1950 wurde eine maximale Tiefe von 194m gefunden. Eingehen- de Serienmessungen (gemeinsam mit Dr. Zorell) sind ftir die nachste Zeit vorgesehen. 7" 100 O. Schindler: Der Kénigssee als Lebensraum eine Tiefe von 100m und mehr, wahrend andererseits die Felswande seiner Ufer mehr als 2000m tiber den Seespiegel emporragen. Die Zufliisse be- stehen daher, mit Ausnahme des Zuflusses aus dem Obersee, fast aus- schlieBlich aus Sturzbachen mit hohen Wasserfallen. Selbst der Eisbach, der durch das mitgefiihrte Gerdlle am Aufstau des Schuttkegels von St. Bartho- loma beteiligt war und ist, kann zumindest in seinem oberen, langeren Teil als steiler Gebirgsbach angesprochen werden. Entwassert wird der K6nigs- see durch den K6nigsbach, der an seinem Nordende, beim Ort KGnigssee, ausmiindet, und nach Lebling (1935) 1,5 bis 2 m?/sec Wasser aus dem See fihrt. Mit der Entstehung des Koénigssees haben sich Lebling und seine Mitarbeiter (Lebling u. a. 1935) eingehender beschaitigt. Sie sagen hiertiber wortlich: ,,.Das Seebecken, das bis 420m M.-H. absteigt und von da nach Norden ansteigt, kann also nur durch jugendliche tektonische Bewegung oder durch Eiserosion entstanden sein. Die erstere kann nicht nachgewiesen werden; auch ist das Becken trotz seiner Lange von 8 km reichlich kurz im Verhaltnis zu einer Bewegung, die man sich doch als sehr weitreichend ~ vorstellen muf. Es bleibt also nur die Annahme iibrig, da Eiserosion das Becken geschaffen habe“. In der gleichen Arbeit wird dargelegt, da die éfters ausgesprochene Annahme, der K6nigssee und der nahe seinem Sitid- ostende liegende Obersee hatten frither miteinander ein Becken gebildet, irrig ist. Die Folge der Ereignisse war nach diesen Autoren vielmehr: zu- nachst Abschmelzen des Gletschers in dem Gebiet zwischen K6nigssee-Dorf bis mindestens Sallet. Dadurch Entstehung des K6nigssees. Stillstand des Gletschers dstlich von Sallet (also éstlich vom Siidufer) und Ablagerung einer Endmorane im heutigen Gebiet zwischen K6nigssee und Obersee. Hieraui weiterer Riickgang des Gletschers bis Fischunkel (Ostufer des Obersees) und damit Entstehung des Obersees. Der Kénigsee und Obersee hingen danach also nie zusammen. Uber der Endmorane zwischen K6nigssee und Obersee soll nach Petzholdt (1843) Schutt eines Bergsturzes liegen. In der Arbeit von Lebling u.a. (1935) finden wir auBerdem noch die Anga- ben, daB der K6nigssee ein Wasservolumen von 0,48 km* und ein Einzugs- gebiet von 137,64 km? besitzt. Auf die Untersuchung des K6nigssees wurde ich durch die in ihm vorkommenden Seesaiblinge (Salmo salvelinus L.) gelenkt, die hier in zwei Formen auftreten und zwar in der kleinen Form, den sog. ,,Schwarzreutern” und der groBen Form, den sog. ,, Wildfangsaiblingen” (vergl. Schindler 1940). Die Schwarzreuter erreichen meist nur eine Lange von 20 bis 23 cm und ein Gewicht von 70 bis 100 Gramm, wahrend die Wildfangsaiblinge Gewichte von mehreren hundert Gramm bis zu 9 und 10 Piund aufweisen. Die Hauptmasse wird von der kleinen Form gestellt. Sie ist auch von aus- _schlaggebender Bedeutung fiir die Fischerei des Sees; von den Wildiang- saiblingen werden alljahrlich nur einige Exemplare gefangen. Die Frage, ob es sich um zwei Rassen, Wuchsformen oder nur um verschieden alte — und dadurch verschieden groBe — Tiere der gleichen Art handelt, harrt noch O. Schindler: Der Kénigssee als Lebensraum 101 der letzten Klarung. Sie ist nicht nur von wissenschaftlichem Interesse, sondern auch fiir die Fischerei von Wichtigkeit, weil sie der Schltissel zur richtigen Befischung des Sees ist. Bei meinen Untersuchungen konnte ich selbstverstandlich nicht bei der Fest- stellung der verschiedenen Merkmale der Saiblinge stehen bleiben, wollte ich kein einseitiges Bild bekommen. Vielmehr mute damit die Erfassung des K6nigssees als Lebensraum Hand in Hand gehen. So ergab sich die Not- wendigkeit, vor allem Wassertemperaturmessungen vorzunehmen und den Nahrungsreichtum des Sees zu iiberpriifen; sind doch Temperatur und Nah- rungsmenge die beiden Faktoren, die das Wachstum der Fische am stark- sten beeinflussen. Zu ihnen treten verschiedene andere Umweltbedingungen, die gleichfalls so weit als méglich beriicksichtigt wurden. Die vorliegende Veroffentlichung kann nicht den Anspruch erheben eine abschliefende Be- arbeitung zu sein. Noch harren viele Fragen ihrer endgiiltigen Lésung. Die fiir sie notwendigen Arbeiten sind fiir die Folgezeit in Aussicht genommen und sollen mit einer monographischen Darstellung des KGnigssees als Le- bensraum ihr Ende finden. | Allen denen, die mich bei der Durchftihrung meiner Arbeit unterstiitzt haben, méchte ich an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank sagen. Zu besonderem Dank bin ich Herrn Geheimrat Prof. Dr. R. Demoll verpflich- tet, der meine Arbeiten in jeder Hinsicht forderte und dessen Rat und Anregungen mir auBerordentlich wertvoll waren. Herr Dr. Hans Liebmann tibernahm die Bestimmung fast aller Planktonorganismen und untersttitzte mich auch sonst bei der Auswertung der Planktonfange weitestgehend. Herr Prof. Dr. Erich Wagler priifte die Bestimmung einiger Plankton-Crustaceen nach und lieh mir seinen wertvollen Rat in verschiedenen Fragen. Beiden Herren sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Die Verwaltung der staatli- chen Garten, Schlésser und Seen in Miinchen sowie der Landesfischerei- verband Bayern iibernahmen im Jahre 1947 je einen Teil der Kosten fir die Fahrten an den Kénigssee, die Notgemeinschaft der deutschen Wissen- schaft stellte mir ab 1949 einen Reisekostenzuschu8 zur Veritigung. Ihnen, sowie allen denen, die ich nicht namentlich nennen konnte, danke ich fir die Unterstiitzung und Forderung meiner Arbeit. Temperaturverhialtnisse des Konigssees. In den Jahren 1947, 1948 und 1949 wurden in der Zeit von Ende Mai bis Anfang November Temperaturmessungen von Dr. GeBner und mir vorgenommen. Dr. GeBner war so freundlich, mir seine Messungsergeb- nisse zur Verfiigung zu stellen, so da sie hier mit verwertet werden k6n- nen. Bei den Messungen fand jeweils ein Kippthermometer von Richter & Wiese, Berlin, Verwendung. Beim Vergleich der Wassertemperaturverhaltnisse des Konigssees mit denen anderer oberbayerischer Voralpenseen fallen insbesondere die nied- rigen Wassertemperaturen dieses Sees — vor allem unter 3m bzw. 5m Tiefe — und die hochliegende Sprungschicht auf (Abb. 1). Auf die aufer- 102 O. Schindler: Der Kénigssee als Lebensraum Durchschnittstemperatur- Juni mit September Abb, 1 sgewohnlich hochliegende Sprungschicht hat bereits GeBner (1948) hinge wiesen. Er fiihrt sie auf die geschiitzte Lage des Sees, der eng zwischen hohen Bergen eingeschlossen ist, zuriick. Ich kenne den Konigssee von meinen ungefahr 30 — jeweils mehrtagigen — Besuchen recht gut und weiB auch, daB er zwar manchmal tagelang recht heftigen Nord- und Stid- winden ausgesetzt ist, die einen hohen Wellengang bedingen, da aber andererseits wohl die langere Zeit des Jahres seine Wasserflache spiegelglatt daliegt, so da im groRen und Sanzen gesehen die Bezeichnung des Konigs- sees als windgeschiitzter See berechtigt erscheint. Leider liegen. keine Windmessungen vom KG6nigssee selbst vor. Die nachste Beobachtungsstelle des Deutschen Wetterdienstes liegt in Berchtes- gaden. Beim Vergleich der Beobachtungsergebnisse tiber Windhautigkeit und mittlere Windstarke der Beobachtungsstellen in Berchtesgaden, Prien- Stock (Chiemsee) und Tegernsee zeigt sich, daB in den Jahren 1948 und 1949 die Windhaufigkeit an allen drei Orten zwar ungefahr gleich, die mitt- lere Windstarke in Berchtesgaden jedoch viel geringer war als an den bei- O. Schindler: Der Konigssee als Lebensraum 103 den anderen Orten”). Nun liegt aber Berchtesgaden viel offener als der K6nigssee, der durch die hohen Berge vor allem gegen West- und Ostwin- de fast vollkommen geschiitzt ist. Fur den K6nigssee sind praktisch nur die Nord- und Siidwinde von Bedeutung. Selbst im Vergleich zum Walchensee, der mit ihm — was die Lage zwischen hohen Bergen anbelangt — die gr68te Ahnlichkeit unter den groBeren oberbayerischen Voralpenseen besitzt, ist er mit Recht als wind- geschiitzt zu bezeichnen. Der Walchensee ist gerade bei gutem Wetter tag- lich von 10 Uhr Vormittag bis in die Nachmittagsstunden sehr starkem Wind | ausgesetzt, der von Norden her iiber das Joch herabbraust. Hier konnte ja auch Demoll (1922) die deutlich ausgepragten Temperaturwellen (seiches) feststellen, die durch den starken Wind bedingt sind und die bewirken, daf man an der gleichen Stelle in bestimmter Tiefe innerhalb kurzer Zeit die verschiedensten Temperaturen — Differenzen von 15°C und mehr — fest- stellen kann. Derartige Temperaturwellen sind also beim K6nigssee nur zu gewissen, ganz beschrankten Zeiten zu erwarten, wahrend in den langen windstillen Perioden eine ziemlich ungestérte Sprungschicht vorhanden ist, die relativ hoch liegt. Die Durchmischung der oberen 10 bis 15m Schicht mit dem warmen Oberflachenwasser kann im K6nigssee offenbar nicht so intensiv erfolgen und keine so starke Tiefenwirkung haben wie bei offen- gelegenen Seen. Der Haupttemperaturabfall lag an allen Untersuchungsta- gen wahrend der Sommermonate zwischen 0 und 5m — meist zwischen 3 und 5m — (vergl. Tabelle 1). Am 28. September 1947 war der maximale Tabelle1 Wassertemperaturen des KGnigssees. 4, VII. 47 |13.VIIL. 47| 28.1X.47 | 2. IX. 48 *) Das Zentralamt des Deutschen Wetterdienstes stellte mir in freundlicher Weise die Ergebnisse der Windbeobachtungen an den drei genannten Orten zur Verfiigung. 104 O. Schindler: Der Kénigssee als Lebensraum Temperaturabfall zwischen 8 und 10m festzustellen, fiir diese Jahreszeit © noch immer eine relativ hohe Lage, wenn man bedenkt, da die Herbst- vollzirkulation sicher bereits eingesetzt hatte. Bei einer Temperaturmessung am 5, November 1949 lag die Sprungschicht zwischen 20 und 25m Tiefe. Damals ergab die Messung bei */, m 8,4°C, 20 m 7,3°C und 25 m 4,7°C. In der Arbeit von Bohmann, Froese wa. (1939), die in den Jah- ren 1938/39 Temperaturmessungen an fiini Seen Oberbayerns und zwar am Wiirmsee, Chiemsee, Kochelsee, Simssee und Riegsee durchgefiihrt haben, sind Wassertemperatur-Tabellen gegeben, aus denen ersichtlich ist, daB eine derart hohe Sprungschicht in keinem der untersuchten Seen vorhanden ist. Der Haupttemperaturabfall liegt in den Seen vielmehr, mit Ausnahme ganz weniger Untersuchungstage, in den Monaten Juni mit September zwischen 5 und 10m oder 10 und 15m. Nur beim Kochelsee lag an 5 von 18 Unter- suchungstagen der gréBte Temperatursprung zwischen 0 und 5m und beim Simssee war lediglich am 28. August 1938 das gleiche der Fall. Nimmt man jedoch den Durchschnitt aus allen Messungen der genannten Zeit, dann ergibt sich der Haupttemperatursturz beim Chiemsee, Simssee und Kochel- see in der Wasserschicht von 5 bis 10m und beim Wiirmsee zwischen 10 und 15m. Nach Kith! (1928) lag im Walchensee in der Zeit vom Juli mit September 1921 die Sprungschicht zwischen 6 und 15m, und zwar sank sie mit fortschreitender Jahreszeit tiefer. Wahrend sie im Juni und Juli zwischen 6 und 12m beobachtet wurde, hatte sie sich im September in die Zone zwischen 12 und 15m verlagert. Bei Berechnung des Durchschnittes der Wassertemperatur in den genannten Zeiten zeigt sich im Walchensee der Haupttemperatursturz zwischen 10 und 15m. Auch in diesem, dem K6nigssee an und ftir sich am 4hnlichsten gréBeren Voralpensee ist also eine tiefere Lage der Sprungschicht festzustellen, die wohl vor allem durch die Durchmischung der oberen warmen Wasserschicht mit den kalteren unteren Schichten als Folge der Einwirkung des Windes zu erklaren ist. In Abb. 1, der graphischen Darstellung der Mitteltemperaturen in der Zeit vom 1. Juni bis 30. September aller genannten Seen, kommt dies ganz deutlich zum Ausdruck. Ebenso ist aus dieser Abbildung ersichtlich, dah der KGnigssee in den Sommermonaten die niedersten Mitteltemperaturen auiweist. Nur die Oberflachen-Durchschnittstemperatur des Kochelsees und Walchensees ist in den Sommermonaten ungefahr gleich der des K6nigs- sees. Dabei ist allerdings zu beriicksichtigen, da8 der Sommer 1947, in dem die meisten Temperaturmessungen im Ko6nigssee vorgenommen wurden, extrem warm war, so dal der K6nigssee in normalen Jahren vielleicht noch schlechter abschneiden wiirde. Bis zu 10m Tiefe nimmt die Differenz der Durchschnittstemperatur zwischen K6nigssee und den anderen genannten Seen immer mehr zu. Im Extrem betragt sie bei 10 m 5,8°C, bei 15m 5,7°C. Auch in 20 m Tiefe ist sie immer noch 2,1 bis 3,9°C. Die Differenz der Durchschnittstemperatur zwischen K6nigssee und den anderen fiinf Seen schwankt in der Zeit vom 31, Mai bis Ende September in folgenden Grenzen: O. Schindler: Der Kénigssee als Lebensraum 105 Om 5m 10m 15m 20 m -0,16 bis 4,2° D Suis) or oe 3,6 bis 5,8° 2,8 bis 5,7° 2,1 bis 3,9". Schon in 15m Tiefe herrschen also im K6nigssee wahrend der hei®esten Monate des Jahres Temperaturen, die ziemlich weit unter dem Optimum fiir kaltstenotherme Fische liegen, selbst fiir unsere am meisten kalteliebende Fisch- art, den Seesaibling. Fir ihn dtirften Temperaturen von 7 bis 8°C und knapp dariiber das Optimum darstellen, wahrend das Temperaturoptimum fiir die gleichfalls kaltstenothermen heimischen Forellen, soviel bekannt, héher liegt. Die Mitteltemperatur der 0 bis 40m Schicht, also der Hauptwohnschicht der Fische, liegt im Konigssee um mindestens 1°C (in den Monaten Juni mit September) tiefer als in den erwahnten fiinf Seen und um 2,4°C tiefer als im Bodensee*). Selbst wenn man einwenden wiirde, dali die Tempera- turmessungen an den verschiedenen hier genannten Seen aus verschiedenen Jahren stammten und daher kein genaues Bild geben kénnten, so wird doch ‘durch sie eine gewisse Ubersicht geschaifen. Es handelt sich in unserem Fall ja gar nicht darum, ob die Temperaturdifferenz bei Messungen im gleichen Jahr an allen genannten Seen um Zehntelgrade gegen die hier mit- geteilten Zahlen abweicht oder nicht. Vielmehr soll gezeigt werden, da das Wasser des Ko6nigssees wahrend der Sommermonate im Durchschnitt bedeutend kiihler ist als das der gréeren stiddeutschen Voralpenseen. Dieser Zweck ist durch die Angaben wohl erreicht, umso mehr, als die meisten Temperaturmessungen im K6nigssee aus dem extrem warmen Som- mer 1947 stammen, in dem die Wassererwarmung offensichtlich tiberdurch- schnittlich war. Uber die Auswirkung dieser niederen Wassertemperaturen des K6nigssees auf die Wassertiere, besonders die Fische, soll spater die Rede sein. Erwahnt sei noch, da die Wassertemperatur des Konigssees in den groBten Tiefen wieder zunimmt, wie ich bei einer Messung am 8. Septem- ber 1948 selbst feststellen konnte. Diese Erscheinung ist bereits bekannt und wird auf die Erdwarme in diesen groBen Tiefen zuriickgefiihrt (Halb- fa 1923, S, 205). Der Temperaturanstieg von 50 bis 185 m Tiefe betrug bei der Messung am 8. September 1948 0,67°C, von 150 bis 185m 0,3°C. Ich beabsichtige, in der kommenden Zeit diese Tiefenmessungen zu wiederholen, um noch ge- nauere Daten zu erhalten. Andere, tiefere Seen, wie z. B. der Bodensee mit 252m Maximaltiefe, zeigen diese Erscheinung nicht. Beim Kénigssee gibt wohl seine schmale Beckenform den Ausschlag dafiir, daB er zu den meromiktischen Seen, also den Seen mit unvollkommener Zirkulation ge- hort. Ausschlaggebend ist vor allem, daB beim Temperaturrtickgang im Herbst und Winter die Zirkulation nicht bis zum Boden durchgreift (vergleiche Findenegg 1937), *) Die Angaben iiber die Wassertemperatur des Bodensees sind der Arbeit von E. Wagler (1941) entnommen. 106 O. Schindler: Der Kénigssee als Lebensraum Plankton. Die Veroffentlichungen tiber die Zusammensetzung des KGnigssee-Plank- tons sind sehr sparlich, Brehm (1906) gibt nach einem Fang von 16. 8. 1904 aus 0 bis 15m Tiefe im siidlichen Teil des Sees nur 6 Arten von Zooplanktonten an und zwar Diaptomus bacillifer, Cyclops strenuus, Daphnia hyalina, Ceriodaphnia quadrangula var. hamata, Bosmina coregoni und As- planchna priodonta. Ferner schreibt er: ,,Das Litorale des Siidufers war von groBen Mengen des Simocephalus vetulus und der Peratacantha truncata bevolkert; seltener fand sich Pleuroxus aduncus Jurine, Acroperus angustatus Sars und ein kleiner Chydorus (wohl sphaericus)". Brehm und Zederbauer (1906) fiihren als erwahnenswert das Auftreten von Diap- tomus bacillifer K6lbel in dem nur 600m hoch gelegenen K6nigssee an, da diese Art sonst nur in den Seen der Hochgebirgszone gefunden wiirde. AuBerdem bildet er nach diesen Autoren die Grenze zwischen den Hete- rocope - fiihrenden westlichen Seen des Voralpengebietes und dem fast Heterocope - freien Seengebiet des Salzkammersgutes. . In meinen Proben fanden sich: von Crustaceen: Daphnia longispina O. F. Miller Ceriodaphnia guadrangula O. F. Miller Bosmina coregoni Baird Diaptomus bacillifer Ké6\bel Cyclops strenuus Fischer von Rotatorien: Asplanchna priodonta Gosse Keratella cochlearis (Gosse) Keratella quadrata (Mil1.) Notholca longispina (Kell) Brachionus urceus L. Polyarthra spec.* von Protozoen: Ceratium hirundinella O. F. Miller Dinobryon sertularia Ehrbg. Stobilidium spec. Prorodon oder Nassula spec. ein Heliozoon der Gattung Actinophrys mit griinen Cromatophoren (nur in einer Probe vom Novem- = ber 1949 vereinzelt). von Phytoplanktonten: Diatomeen: Asterionella tormosa Hassa ale Synedra acus Kg. Melosira botanica (nur November 1949) Jochalgen; Closterium spec. *) Eine Bestimmung der Art war bei dieser sowie bei anderen kleinen und zarten, gegen Formolfixierung empfindlichen Arten nicht méglich. Sie waren durch die Formol- fixierung zu stark deformiert. . O. Schindler: Der Kénigssee als Lebensraum 107 Griinalgen: Spirogyra spec. einige ganz vereinzelt auftretende Formen, deren Bestimmung in fixiertem Zustand nicht méglich war. Blaualgen: Microcystis spec. (Wasserbltite im Mai 1948) Phormidium spec. AuBerdem enthalt das K6nigssee-Plankton sicher noch eine Reihe an- derer kleiner Planktonten (besonders Protozoen), die in den mit Formol fixierten Proben nicht mehr festzustellen waren. Hier wird eine Untersuchung lebenden Planktons, die in nachster Zeit vorgesehen ist, wahrscheinlich noch manche Aufschliisse bringen. Alle bisher gefundenen Arten sind in der Tabelle 2 angeftihrt. Die Zahlen in den einzelnen Rubriken geben je- weils die relative Haufigkeit der Art in der betreffenden Probe an. Die Men- gendifferenzierung ist auf Grund einer Durchsicht von je 100 Blickfeldern (Leitz Mikroskop, Okular Nr. 6, Objektiv Nr. 3) aufgestellt. Die ganze Probe befand sich zur Untersuchung in einer Petrischale von 8 cm Durchmesser, die Hohe der Wasserschicht betrug '/, cm. Das durchschnittlich einmalige Auftreten eines Planktonten ist mit 1, das durchschnittlich zweimalige mit 2, das durchschnittlich dreimalige mit 3, das durchschnittlich viermalige mit 4 und das durchschnittlich mehr als viermalige mit m bezeichnet. Wenn ein Planktont selten, also nur in einem Teil der Blickfelder vorhanden war, wird dies durch ein v gekennzeichnet. An Hand der Tabelle lassen sich tiber Haufigkeit und Verbreitung der einzelnen Planktonten folgende Be stellungen machen: Beim Crustaceen-Plankton zeigt sich ein gewisses diametrales Verhal- ten der Arten Daphnia longispina O. F. Miller und Ceriodaphnia quadran- gula O. F. Miller einerseits und der Arten Cyclops strenuus Fischer und Diaptomus bacillifer K61bel1 andererseits. Wahrend namlich die ersten beiden Formen ihre Maximalentwicklung in der warmen Jahreszeit haben, zeigen die beiden letzteren Formen besonders starke Entwicklung wahrend der ktthleren Monate. Sehr deutlich war dies im extrem warmen und trocke- nen Sommer 1947. In der Probe vom 11. Mai 1947 sind Cyclops strenuus Fischer und Diaptomus bacillifer Ké6lbel in sehr groBer Menge festzustellen, wahrend Daphnia longispina O.F. Miller und Ceriodaphnia quadrangula O.F. Miller nur ganz vereinzelt zu finden sind. Am 17. August dagegen, also nach zwei heifien Sommermonaten, zeigte sich ein geradezu entgegengesetztes Bild, Die beiden Cladoceren Daphnia longispina und Ceriodaphnia guadrangula beherrschen infolge ihrer Massenentwicklung vollkommen das Bild, wahrend die Copepoden bedeutend abgenommen haben (Abb, 2 u. Fig.18u.19). Von einer Zu- nahme der Cladoceren ist in der Probe, die ich am 3. Juli 1947 nahm, noch nichts zu bemerken, die Massenentwicklung hat also frithestensMitteJuli eingesetzt, und ich nehme an, da} sie direkt explosionsartig bei Erreichung der Optimaltem- peratur stattfand. Das ist also ein analoges Verhalten, wie es in kleinen und seichten Gebirgstiimpeln in Héhen von tiber 1500m gelegentlich zu beobachten ist, in denen man nach heiBen Sommermonaten geradezu einen Brei von Cladoceren antreffen kann. Sicherlich benétigen die beiden Arten O. Schindler: Der Kénigssee als Lebensraum 108 Cy Di . Dee, Di Cy Di B Di 3 Di | 12,8° YB 172° fa 224° ide Sones ries oie 5 99° 125° 15,3° ah OL 136° 0-10m 82° . 99° 11,52 YE 102° 105° 0-20m Cy Di D Cy DCB So @ ae : C : i -2=8 all ; i = 2B @e 22.4. 47 11.5.4% 30) 5.47% 37. 4F 178.47 279.4% Di Di Bae i Di : C G Bho apy eS 13° pi 144° ag 84 Om ee C C HO fp) 82° 0-10m | u ey| | Oe 80° 0-20m Ya Cy b) © G s | : : | ws & a i : 31.5.48 15.6.48 29.8.48 9.9.48 3.-5.11.49 Abb, 2) | [Relative” Haufigkeit der einzelnen Planktonten in den Proben"der Jahre 1947, 1948 und 1949. Die Hohe der Saulen gibt ver- gleichsweise die Menge der Planktonart an (vergleiche Tabelle 2). D = Daphnia, C= Ceriodaphnia, B—Bosmina, Cy = Cyclops, Di= Diaptomus. 109 O. Schindler: Der Kénigssee als Lebensraum ‘W OPp—O UO0A (esnzjeyy42 A) u2aqoig uep ut U9}U0}HULT | UsU][IZUIe Iep yloysynepy etIp teqn yyotsraqy) ‘oeds wmniprmi0yg ‘oeds stysAo00101W ‘oads e1rkSostdg ‘oads wintsa4so]7) ROIUL}Og LIISO[OW;W snoe eipeuks esoulsot e]Jeuor1IajsV skrydoutpoy ‘91385 ‘Pp woozoreyy | ‘oads eynsse Ny topo uopoloig ‘oads wIMIpr[Iqosjs elre[Nj{1es uoAiqourq e]jeurpunsary umije1a7 ‘oads easyysedjog sneoin snuolpoelg euldsisuo] eo;OYJON eyeipenb e{[a}e1a yy SIteo[YOOO e]feyeloyy eyuopord euyoueldsy ueldney eruydeq “Aa uertddiydq snnuess sdojok> Jayfioeq snurojdeiq 1UOSe100 eUIWISOg Plefelaia} tj} lleleietlperey ly i pey leis) (ity ejnsueipenb eruydeporse) 6r61 Sh6l S61 Sh6l Srl LPO! Lol Lr6l Lvel Lol LV6l WE SAS SOO SOG ONG = GGA OGLE AB ills Lie, iS Oe eS Vb inh. ce WIOA aqoig SSS euidstsuo] eruydeq % P4e 1 110 O, Schindler; Der Kénigssee als Lebensraum Daphnia longispina und Ceriodaphnia quadrangula zur Massenentwicklung eine entsprechend hohe Wassertemperatur. Auf Abb, 2 ist jeweils die Oberflachentemperatur, die Mitteltempera- tur der 0 bis 10m Schicht und die Mitteltemperatur der 0 bis 20 m Schicht eingetragen. Es ist ersichtlich, da die Mitteltemperaturen im Juli 1947 ein Maximum erreicht haben, das offenbar die Massenentwicklung der beiden Cladocerenarten ausgelést hat. Schon im August 1947 ist das Temperatur- maximum tiberschritten, und damit geht langsam aber stetig eine Abnahme der beiden Cladocerenarten Hand in Hand. Im Sommer 1948, der in seiner ersten Halfte recht regenreich war und in dem aller Wahrscheinlichkeit nach nie so hohe Wassertemperaturen wie im Jahre 1947 erreicht wurden, fand ich in meinen Proben keine derartige Massenentwicklung der beiden erwahnten Arten wie bei dem Fang vom 17. August 1947. Aber auch hier ist schon nach einer kurzen Schén- und Warmwetterzeit in der zweiten Augusthalfte und in den ersten September- tagen ein starkes Ansteigen der Zahl von Daphnia longispina und Ceriodaphnia guadrangula in den Planktonproben zu sehen. Beim Vergleich der Proben vom 29, August 1948 und 9. September 1948 (Abb. 2) wird dies deutlich, wobei zu berticksichtigen ist, da die Wassermasse der oberen Schicht des Sees sich viel langsamer als die Luft erwarmt. Am 29. August 1948 hatte sich also das warme Wetter noch nicht bemerkbar gemacht, am 9, Septem- ber 1948 aber ist die in der Zwischenzeit erfolgte starke Vermehrung der beiden Cladocerenarten deutlich festzustellen. Leider stehen mir aus der Zeit zwischen Ende August und Anfang September 1948 keine Wasser- temperaturmessungen zur Verfiigung, ich kann bloB an Hand der Wetter- karte feststellen, daB die Lufttemperatur relativ hoch war (Tageshéchst- temperatur haufig tiber 20°C). Eine fiir den K6nigssee anscheinend relativ seltene Erscheinung konnte ich am 31. Mai 1948 beobachten. Nach starken Regenfallen, durch die der Eisbach, der auf dem Schuttkegel von St. Bartholoma in den K6nigssee miindet, viel Wasser gebracht hatte, trat eine von mir vor- und nachher nie beobachtete Massenentwicklung der kolonienbildenden Blaualge Micro- cystis spec. auf, die eine starke Triibung des Wassers zur Folge hatte. Man konnte direkt von einer Wasserbliite sprechen, wie sie ja sonst eigent- lich nur in warmen und verhaltnismaBig seichten Seen und Teichen beob- achtet wird. Am Tage vorher, also am 30, Mai 1948, schien es, als ob viel Pollenstaub auf dem Wasser liege. Leider kam ich am 30. Mai erst abends am K6nigssee an und damit zu spat zur Untersuchung an diesem Tag. Am 31, Mai friih aber war vom Pollenstaub an der Wasseroberflache nichts mehr zu sehen und nur noch die starke Triibung des Wassers durch Micro- cystis spec. bei den Planktonfangen zu beobachten. In diesem Zusammenhang verdient vielleicht eine Beobachtung der Fischer Erwahnung. Sie behaupten, in Jahren, in denen viel Pollenstaub auf dem Wasser liegt, trete eine ,,Hechtseuche" auf. Ein groSer Teil der ge- fangenen Hechte habe dann eitrige Stellen auf dem K6rper und viele stiir- O. Schindler: Der Kénigssee als Lebensraum 111 ben an dieser Krankheit. Man kénnte wohl an die Hechtpest denken. Leider ist es mir noch nie gelungen, derartige Hechte zu erhalten, obwohl ich die Fischer wiederholt bat, kranke Hechte sofort einzusenden. Ich selbst habe trotz meiner wiederholten Besuche des K®6nigssees das erste Mal Ende Mai 1948 Pollenstaubtreiben auf der Wasseroberflache beobachten kénnen. Ich erwahne diese Erscheinung hier auch nur, um darauf aufmerksam zu machen; denn es ware ja moglich, daB andernorts bereits Ahnliches beob- achtet wurde. Da bereits 6fter die Vermutung ausgesprochen worden war, da die Schwarzreuter des K6nigssees, die sich fast ausschlieBlich von Plankton ernahren, an Nahrungsmangel litten und deshalb so klein blieben, stellte ich vor allem die Planktonmenge dieses Sees in der Zone von 0 bis 40m fest. Diese Zone von der Wasseroberflache bis zu 40 m Tiefe, die weiter- hin als obere Wasserzone bezeichnet wird, wurde vor allem von Wa gler und seinen Mitarbeitern als die Wohnschicht der Renken erkannt, oder besser gesagt als die Schicht, in der die planktonfressenden Renken sich vor allem zum Nahrungserwerb aufhalten. Wagler und seine Mitarbeiter haben bei ihren zahlreichen Untersuchungen der Seen des deutschen Vor- alpengebietes stets die Planktonmenge dieser Wasserschicht gemessen. Zum Vergleich der Produktionskapazitat des K6nigssees mit der anderer Seen des Voralpengebietes, in denen gutes Wachstum der planktonfressenden Fische (vor allem der Renken) festgestellt ist, mute diese Tatsache also beriicksichtigt werden. Nun k6énnte eingewendet werden, die Saiblinge leben in den meisten Fallen auch noch weit unter 40 m Tiefe. Dies stimmt wohl, in der Hauptwachstumsperiode aber, also in den Sommer- und friihen Herbst- monaten, halten sie sich, zumindest zur Nahrungsaufnahme, in den oberen 40 m auf, und ich nehme auf Grund meiner Beobachtungen am K@énigssee an, daf} sie auch in der iibrigen Zeit zur Nahrungsaufnahme in diese Schicht auisteigen. In den oberen Wasserschichten werden sie daher auch in den Monaten Mai, Juni, Juli und teilweise noch im August in den friithen Morgen- stunden mit dem Zugnetz gefangen. Aus den angefiihrten Griinden wurde in den Jahren 1947, 1948 und 1949 eine Reihe von Fangen mit dem (schon in mehreren Arbeiten von E. Wagler und seinen Mitarbeitern erwahnten) ,Normalnetz“ von '/, m2 Offnung und ca 1 m? filtrierender Gazeflache (Miillergaze Nr. 8) ausgefiihrt. AuBerdem wurde eine Reihe von Stufenfangen, bzw. SchlieBnetzfangen von 10 zu 10m, sowie von 0—3m, 0—5m und je ein Fang von 40 bis 80m, bzw. 40 bis 60 m vorgenommen. Die gleich nach dem Fang mit Formol fixier- ten Proben lieB ich 24 Stunden in Mefzylindern (fiir 50 bzw. 100 ccm) ab- setzen und stellte dann die Menge des sedimentierten Planktons fest. Das Ergebnis ist aus Tabelle 3 ersichtlich. Vergleicht man nun die von mir im K6nigssee in der Schicht von 0 bis 40m in der Zeit vom 30. Mai bis Ende September festgestellten Plankton- mengen mit den Mengen, die Bohmann, Froese u.a. (1939) von Anfang Juni bis Ende September 1938 im Chiemsee, Wiirmsee und Kochelsee fan- 112 O, Schindler: Der Kénigssee als Lebensraum den, dann: ist festzustellen, daB der K6nigssee diesbeziiglich an zweiter Stelle steht. Er wird nur vom Wiirmsee iibertroffen. Als Durchschnitts- planktonmengen ergaben sich: Wiirmsee: 50,3 ccm KGnigssee: 42,1 ccm Chiemsee: 34,3ccm Kochelssee: 32,0 ccm Man mag die Zahl der Proben noch als zu gering fiir ein abschlieBen- des Urteil erachten. Immerhin geben sie ein ausreichend klares Bild fir unseren Zweck. Es sei tibrigens ausdriicklich erwahnt, daB ich auch schon in den Jahren 1932 bis 1939 zahlreiche Proben in der gleichen Weise aus dem K6nigssee entnommen habe, wodurch das zur Veriiigung stehende Untersuchungsmaterial in betrachtlichem Umfang vergréBert erschien. Auch damals ergab sich stets, daB der Kénigssee tiber eine verhaltnismafig hohe Planktonmenge in den Sommermonaten veritigt. Wegen des Verlustes samt- — licher Unterlagen wahrend des Krieges kann ich aber leider keine ins Ein- zelne gehenden Angaben mehr machen. Jedenfalls 1a8t sich nach dem Ver- gleich der Planktonmengen sagen, dafB Nahrungsmangel nicht der Grund ftir ein schlechtes Wachstum planktonfressender Fische des Kénigssees sein kann, denn im Chiemsee und Kochel- see, die eine geringere Planktonmenge aufweisen, ist das Wachstum der Planktonfresser unter den Fischen normalerweise gut. Auf diese Frage soll spater noch naher eingegangen werden. Wahrend also hinsichtlich der Planktonmenge der 0 bis 40m Zone der K6nigssee sich in die Reihe der drei genannten oligotrophen Seen Ober- bayerns gut einfiigt, zeigt er in Bezug auf die Vertikalverteilung Abwei- chungen, Auf Grund von Stufenfangen konnte namlich festgestellt werden, daB die Hauptmasse des Planktons sich in der Zeit von Ende Mai bis Ende September in der Wasserschicht zwischen 0 und 10m aufhalt: (vergleiche _ Tabelle 3 und Abb. 3). Die geringste Planktonmenge zeigt sich bei den Pro- ben vom 31. Mai 1948, 15. Juni 1948, 3. Juli 1948 und 26. und 27. Septem- ber 1947 in der Schicht von 10 bis 30m Tiefe, wahrend an diesen Tagen zwischen 30 und 40m wieder eine Zunahme zu verzeichnen ist. Im Monat August 1947 und Anfang September 1948 hingegen nimmt die Plankton- menge der oberen Wasserzone gegen die Tiefe zu bestandig ab. In den Pro- ben vom 3. bis 5. November 1949 ist ein Minimum in der 20 bis 30 m Schicht festzustellen, dem in der Schicht von 30 bis 40m wieder eine Zunahme folgt. Die Planktonmengen des Wiirmsees, Chiemsees und Kochelsees sind zwar im Juni in der 0 bis 10 m Schicht ebenfalls am gréBten, in den Mona- ten Juli, August und September tritt jedoch eine Verlagerung in die Tiefe auf (mit Ausnahme der Probe vom 11. August 1938 vom Kochelsee, bei der die 0 bis 10m Schicht die Hauptmenge enthielt). Zu der Planktonverteilung in den drei genannten Seen wird von Bohmann, Froese u.a, (1938), S. 584, gesagt: ,Betrachten wir zunachst die Tabelle fir den Wiirmsee, so sehen wir, daB zu Beginn der Wassererwarmung im Frihjahr (18. Mai 0. Schindler: Der Kénigssee als Lebensraum 113 Vertikale Verteilung des Planktons im K6nigssee Tabelle 3 in ccm ner 1m? Oberflache. 3. VIL. 47 |17.VII1.47) 27.1X.47 | 31.V. 48 | 15, VI. 48 |29.VIIL48!| 9, IX. 48 | Meter ca “ Durchschnittswert aus mehreren Fangen. Orpekichlerberichtigume: — Boe. of aur welte 115 sind, von Links nach reehis, ie: einzufvgen: Gee ak 47 VT. Ay, 27 1k, 27. Ateoscice 114, drittletzte Zeile von unten soll es stat lanktommenge"” heissen: "kleine Phytoplanktonmenge". bis 26. Juni) die Hauptmasse des Planktons sich in den obersten 1um be- findet, daB dann spater dieses Maximum schwacher wird, wahrend sich ein zweites starkeres in der Tiefe von 30 bis 40m herausbildet (17. Juli bis 1. September). Im Herbst findet die Umkehrung des Vorganges statt (9. Okto- ber, 30. Oktober). Das Tiefenmaximum verschwindet, und die Hauptmasse des Planktons halt sich wieder nahe der Oberflache auf. In den beiden anderen oligotrophen Seen liegen die Verhaltnisse ganz ahnlich. Die som- merliche Wanderung des Planktons nach der Tiefe ist auch hier, wenn auch nicht ganz so klar, zu verfolgen." Darnach kénnte man also annehmen, dak das Plankton die hodheren Wassertemperaturen der oberen Schichten, die wahrend der Sommermonate in diesen Seen auftreten, flieht. Im K6nigssee ist bereits unter 5m die Temperatur auch in den Sommermonaten derart niedrig, dai sie in den meisten Fallen unter der Juni-Durchschnittstempera- tur der 0 bis 10m Schicht des Wiirm-, Chiem- und Kochelsees liegt. Bei Veroff. Zool. Staatssamml. Miinchen (1950) 8 114 O. Schindler: Der Kénigssee als Lebensraum keiner Messung betrug die Durchschnittstemperatur der 0 bis 10 m Schicht des Kénigssees tiber 15,3°C. Die Sommerdurchschnittstemperatur des K6nigs- sees in 10m Tiefe entspricht somit Temperaturen, die in den drei anderen Seen zur gleichen Jahreszeit in 20 bis 40m erreicht werden. Fliehen also wirklich die Planktonten hohe Wassertemperaturen, dann ist ihr gehauftes Vorkommen in der 0 bis 10m Schicht im K6nigssee auch wahrend der heiBesten Jahreszeit nicht verwunderlich. Eigenartig ist blo®, daB die Lichtilucht bei der Vertikalverteilung im Falle Kénigssee anscheinend eine geringere Rolle spielt, als dies andernorts beobachtet wurde. Sollte hier der Faktor Temperatur doch eine grofere Rolle spielen als die Lichtflucht? Die Sichttiefe im K6nigssee ist namlich auch wahrend der Sommermonate sehr grob, sie betragt 8 bis 12m. Die Hauptmasse des Planktons halt sich also im stark durchleuchteten Teil der Wassermasse des KGnigssees aul. Auch Ruttner (1938, S. 293) weist bereits darauf hin, wenn er sagt: ,Besonders schwierig ist es, die Temperatur- und Lichtwirkung voneinan- der zu trennen, da diese beiden Faktoren vor allem im Leben der Pflanzen — beim ProzeB der Photosynthese — eng miteinander verkntipfit sind. Aber © auch bei den Tieren ist es oft schwierig zu sagen, ob das Licht oder die Temperatur das Verteilungsbild maSgebend beeinfluBt.” Schwieriger ist die im Koénigssee auftretende zweite Planktonanhaufung in der Wasserschicht zwischen 30 und 40m zu erklaren. Sie ist méglicher- weise durch eine Massenentwicklung der Nauplien in dieser Zone bedinst. Zur endgiiltigen Klarung dieser Frage sind jedoch noch weitere Untersuchun- gen notwendig. Die Hauptmasse des Chlorophyll - fiihrenden Phytoplanktons befindet sich im K6nigssee nach den Untersuchungen von GeBner (1950) Ende Mai 1947 zwischen 10 und 15m. Er sagt: ,,Mit fortschreitender Jahreszeit sinkt dieses Maximum weiter in die Tiefe und nimmt so stark ab, daB schon im August in vertikaler Hinsicht kaum mehr grofe Unterschiede in der Planktondichte bestehen"., Phyto- und Zooplanktonmaximum befinden sich nach diesen Untersuchungen also nicht in der gleichen Tiefe, wie man an und ftir sich annehmen sollte, weil ja das Zooplankton vom Phytoplankton lebt. Es ist vielmehr so, daB in der Tiefenschicht, in der das Zooplankton- maximum festgestellt wurde, eine Abnahme des Phytoplanktons zutage tritt (vergleiche Abb. 3). Offenbar ist die starke Zehrung durch das Zooplankton von ausschlag- sgebender Bedeutung fiir diese Phytoplanktonabnahme in der Zone des Zooplanktonmaximums ist. Gleiche Beobachtungen machte u. a. Ruttner (1938) bei seinen Untersuchungen an Seen der Ostalpen. Auch er stellte fest, daB haufig niedrigen Werten des Phytoplanktons hohe des Zoo- planktons gegeniiberstehen. Er geht auf die Tatsache, da einem grofen Zooplanktonvolumen eine verschwindend kleine Planktonmenge gegentiber- steht, naher ein und erklart sie folgendermaBen: ,,Diese Frage diirfte dahin zu beantworten sein, daB die Abhangigkeit des Zooplanktons vom Phyto- O. Schindler: Der Kénigssee als Lebensraum 115 plankton wenigstens zum Teil keine gleichzeitige ist, sondern den Charakter _ einer Sukzession tragt. Die Vermehrung der Pflanzen mu, wie ja 1171 schon mehrfach beobachtet wurde, z. B. durch Dieffenbach (1912), jener der Tiere vorangehen, und die Héhepunkte der Entwicklung dieser beiden Organismengruppen miissen daher keinesfalls zusammenfallen. Ja es scheint von vornherein wahrscheinlich zu sein, da das Zooplankton dann erst den kraftigsten Vermehrungsimpuls erfahrt, wenn die als Nahrung dienenden Formen des Nannoplanktons sich in maximaler Entwicklung befinden. Nach dem Uberschreiten dieses Héhepunktes kann der Abfall des Phytoplanktons — teils infolge Zehrung durch die Tiere, teils aus anderen Griinden — sehr rasch erfolgen und es resultiert schlieBlich eine Planktongesellschaft, in der die Tiere, die auf Konto des vorangegangenen Phytoplanktonmaximums herangewachsen sind, den weitaus tiberwiegenden Teil des Gesamtvolumens bilden.* Zusammenfassend sagt er schlieflich (S. 309): ,,Damit wird jedoch das Zooplankton, bzw. dessen Nahrungsbedarf, zu einem nicht zu vernach- -lassigenden Faktor fiir die vertikale Verteilung des Phytoplanktons". Die Untersuchungen Ruttners haben demnach zu denselben Folge- rungen gefiihrt, zu denen auch ich auf Grund meiner im K6nigssee durch- gefthrten Arbeiten gekommen bin. Im KG6nigssee ist bei der Planktonverteilung “awe: folgende Tatsache _zu berticksichtigen: Infolge der grofen Durchsichtigkeit des Wassers kann sich das Phytoplankton in diesem See auch in gréBeren Tiefen entwickeln als bei anderen Seen des Alpenvorlandes, deren Sichttiefe viel geringer ist. Es kann also unterhalb der Sprungschicht, in den kalteren Wasserschich- ten, seine Maximalentwicklung erreichen, wahrend fiir das Crustaceenplank- ton, das ja die Hauptmasse des Zooplanktons ausmacht, die oberen, war- meren Wasserschichten giinstigere Lebensbedingungen bieten. Vor allem Daphnia longispina O. F. Miller und Ceriodaphnia quadrangula O. F. Miil- ler bevorzugen héhere Temperaturen. Beriicksichtigt man alle diese Fak- toren — Wassertemperaturen, Durchsichtigkeit und Fra8 — dann werden die Bilder, die stets ein Abwechseln zwischen Zooplankton-. und Phyto- planktonmaximum zeigen, doch recht verstandlich. Betrachten wir nun auch noch kurz die Phytoplanktonmengen vom Stand- punkt der Produktionskraft des Kénigssees, dann 1aBt sich feststellen, dafB auch auf Grund der Chlorophylluntersuchungen von GeBner (1950) der KG6nigssee nicht als nahrungsarm anzusprechen ist, wie dies oft, besonders wegen der hohen Durchsichtigkeit seines Wassers, angenommen wurde. Ge8Bner erklart die relativ hohe Phytoplanktonproduktion des Kénigssees, der durch menschliche Abwasser kaum gediingt wird, insbesondere dadurch, dai die Hauptmasse des Phytoplanktons, begiinstigt durch die hohe Wasser- durchsichtigkeit, sich unterhalb der Sprungschicht befindet. Dadurch aber steht dem Phytoplankton — infolge der Vertikalstrémung — eine viel dickere Wasserschicht (mindestens 30 m) zur Ausschépfung der Nahrstoffe zur Verfii- sung alsin denanderen Seen, in denen es auf den relativ engen Raum des Epilim- nions zusammengedrangt ist, ja zusammengedrangt sein muh, weil das Licht 5 116 O. Schindler: Der Kénigssee als Lebensraum in ihnen nur 3 bis 6m eindringt. Die Sprungschicht aber schlieBt das Epi- limnion gewissermaBen von der groBen Wassermasse des Meta- und Hypo- limnions ab, denn die Vertikalstromungen durchdringen die Wasserschicht der Sprungschicht kaum. Aus allen diesen Feststellungen geht hervor, daB®B die fiir die Fische wichtige 0 bis 40m Zone des K6nigssees durchaus nicht als planktonarm anzusprechen ist, sondern ungefahr die gleiche Planktonmenge enthalt wie die der anderen Voralpenseen. Wiirde man allerdings die Gesamtplanktonmenge des K6nigssees auf sein Volumen umrechnen, dann fande man wahrscheinlich, daB er plank- tonarm ist. Unter 60m, zu gewissen Zeiten wohl schon unter 40m, nimmt ja die Planktonmenge des K6nigssees derart ab, dafi sie fast verschwindend klein wird. Die Hauptmasse des Planktons unter 60m (bzw. 40 m) besteht nur mehr aus leeren Schalen abgestorbener Plankton-Crustaceen, wie ich durch SchlieBnetzfange feststellen konnte (Taf. 20, Fig. 20). Aber eine Produktions- | berechnung durch Gegeniiberstellung von Gesamtplanktonmenge zu Wasser- volumen gibt bei tiefen Seen ein vollkommen irreftihrendes Bild. Der tiefere Teil des Hypolimnions scheidet namlich bei ihnen vollkommen fir die Pro- duktion aus, da sowohl die Hauptmasse des Planktons wie auch der Fische sich — zumindest zur Nahrungsaufnahme — nur in den oberen 40 m aufhalt und daher bloB diese Schicht maBgebend fiir die Produktionskraft solcher Seen ist. Man wird sich also mehr als bisher daran SewOhnen miissen (wie dies Wagler seit Jahren fordert), in tiefen Seen die Produktivitat nach dem Nahrtiergehalt der oberen 40m Zone zu bemessen.. Dabei zeigt sich dann fast immer, daB unsere Seen genug Nahrung fiir die in ihnen leben- den Fische enthalten und daB diese Nahrung auch gut greifbar fiir sie ist. Nur in besonderen und seltenen Ausnahmefallen kann Nahrungsmangel eines Sees fiir schlechtes Wachstum der in ihm vorkommenden Fische verant- wortlich gemacht werden. Fische. Temperatur sowie Menge, Greifbarkeit und Zusammensetzung der Nahrung sind die Hauptfaktoren, die das Wachstum der Fische beeinflus- sen. Die Temperatur ist weitgehend fiir das Langenwachstum, die Nahrungs- menge fiir das Dickenwachstum bestimmend. Der sogenannte Raumfaktor, d.h. die GréBe des Lebensraumes, der dem Fisch zur Verifiigung steht, spielt ebenfalls eine wichtige Rolle, kann aber natiirlich bei einem gréBeren See vernachlassigt werden. Ein Faktor mu8 allerdings noch Beriicksichti- gung finden, namlich die Fischkrankheiten. Fast alle Konigsseefische sind krank, wovon jedoch erst spater die Rede sein soll. Die Zahl der im K6nigssee vorkommenden Fisch-Arten ist gering. Der wichtigste Fisch fiir die Fischerei ist der Seesaibling (Salmo salvelinus L.), ferner kommen Barsch (Perca fluviatilis L.), Hecht (Esox lucius L.), Elritze oder Pirille [Phoxinus phoxinus (L.)| und Rutte oder Triische [Lota /ota (L.)], vor. O. Schindler: Der Kénigssee als Lebensraum 117 AufSerdem wurde immer wieder von Zeit zu Zeit die Seeforelle [Salmo lacustris (L.)] eingesetzt, die zwar ausgezeichnet wuchs, aber wegen schlech- ter Laichméglichkeit immer wieder nach mehreren Jahren verschwand, wenn sie nicht nachgesetzt wurde. Fiir die Fischerei von Bedeutung sind nur Seesaibling, Hecht und unter Umstanden, d.h. eben zeitweise, die Seeforelle. Die Fangergebnisse von Seesaibling und Hecht verhielten sich gewichtsmaBig in den letzten Jahren wie 1:6 bis 1:8, Seeforellen wurden seit dem Jahre 1938 nicht mehr gefangen. — Betrachten wir zunachst den Seesaibling in seinen beiden Er- scheinungsformen. Der Saibling (Salmo salvelinus L.) tritt, wie eingangs kurz erwahnt, im KG6nigssee in zwei verschiedenen Erscheinungsformen auf und zwar als srohwtichsiger sogenannter ,, Wildfangsaibling" und als verhaltnismaBig klein bleibender ,,Schwarzreuter*. Die Schwarzreuter ernahren sich fast aus- schlieBlich von Plankton und erreichen eine Lange von nur 20 bis 23cm und ein Gewicht von 70 bis 100g. Sie besitzen langs der K6rperseiten die fur junge Salmoniden charakteristischen Jugendflecken. Die Wildfang- saiblinge dagegen sind ausgesprochene Raubfische, die ein Gewicht von _ mehreren Pfund erreichen; die kleineren Exemplare, welche im K6nigssee gefangen werden, sind selten unter 200¢ schwer. Der gréBte seit Beginn meiner Untersuchungen (1932) gefangene Wildfangsaibling hatte eine Lange von 67 cm und ein Gewicht von 3,5 kg. Wildfangsaiblinge in der GroBe der erwachsenen Schwarzreuter und kleinere konnte ich im K6nigssee bisher nicht feststellen, und auch die Fischer, die schon seit Jahrzehnten die Saib- lingsfischerei im K6nigssee betreiben, kénnen keine einwandfreien Angaben tber junge Wildfangsaiblinge machen. Manchmal glauben sie zwar, den oder jenen Fisch um 20cm Lange als jungen Wildfangsaibling ansprechen zu kénnen. Sie kénnen jedoch niemals stichhaltige Griinde dafiir anfiihren warum sie gerade diese Exemplare als junge Wildfangsaiblinge ansehen. Vielmehr bezeichnen sie rein geftthlsmaBig den oder jenen Fisch von ,,Schwarz- reuter-GroBe" als jungen Wildfangsaibling, ebenso wie sie oft gerade Exem- plare, die besonders schlank und dunkel gefarbt sind, als ,sehr alte” Schwarzreuter ansprechen. Diese ,,sehr alten“ Fische stellen sich dann bei der Altersbestimmung stets als 3, héchstens 4jahrig heraus. Es fehlen also die alten Schwarzreuter und die jungen Wildfangsaiblinge unter den Saib- lingsfangen des K6nigssees. Dies erscheint immerhin merkwiirdig. Bei den Messungen der Kérperproportionen und den anatomischen Untersuchungen stellte sich auffierdem heraus, daB zwischen Schwarzreuter und Wildfang- saibling keine anderen Unterschiede bestehen, als zwischen jungen und alten Tieren der gleichen Art. Ich kam daher auf Grund meiner im Jahre 1939 vorlaufig abgeschlossenen Untersuchungen zu dem Ergebnis, daB es sich offenbar bei den Schwarzreutern des Koénigssees um die jiingeren, bei den Wildfangsaiblingen um die 4lteren Tiere derselben Art handelt und da8B die Wildfangsaiblinge méglicherweise die vorwiichsigen Tiere darstellen (Schindler 1940). Beachtenswert erscheint in diesem Zusammenhang die 118 O, Schindler: Der K6énigssee als Lebensraum Tatsache, daB die Wildfangsaiblinge friither im Jahr laichen als die Schwarz- reuter. Die Hauptlaichzeit der Wildfangsaiblinge fallt namlich im K6nigssee in die Monate August und September, wahrend die Schwarzreuter von August bis November laichen; die Hauptlaichzeit beginnt jedoch erst Mitte September und dauert bis Ende Oktober an. Auch im November werden noch laichreife Schwarzreuter bei Probefangen im K6nigssee ge- fangen. Die Laichplatze sind, wie auf Grund der Stellnetzfange zu schlieBen ist, bei beiden Formen die gleichen. (Die Hauptmasse der Laichfische wird in Stellnetzen in einer Tiefe von 50 bis 70m gefangen), Im Obersee, der die gleichen Saiblingsformen beherbersgt, liegen die Laichzeiten noch deut- licher getrennt, denn dort laichen die Wildfangsaiblinge im Juli und August, die Schwarzreuter aber erst im November und Dezember. Da die Laich- platze die gleichen sind, kann die unterschiedliche Laichzeit der beiden Formen nicht durch die Wassertemperatur bedingt sein. Auch eine Beo- bachtung des K6nigsseefischers St6ckl spricht dagegen. Er teilte mir mit, daB in friiheren Jahren (vor 1930), in denen Brut von K6nigssee-Saiblin- gen, die, wie bereits erwahnt, im K6nigssee um etwa einen Monat frither als die im Obersee laichen, in den Obersee eingesetzt worden war, und daf8 damals zur Laichzeit der Wildfangsaiblinge laichreife Schwarzreuter im Obersee gefangen wurden, die offenbar aus diesen eingesetzten Bestanden stammten. Mit dem Aufhéren des Einsatzes von K6nigssee-Saiblingsbrut hat bald auch der Fang dieser fiir den Obersee friihlaichenden Schwarz- reuter aufgehért. Es scheint darnach, dai die Laichzeit bei den Saiblingen schon soweit erblich fixiert ist, daB sie zumindest einige Jahre bestandig bleibt, auch wenn der Fisch unter andere Lebensbedingungen kommt. Andererseits ist anzunehmen, dafs Nachkommen dieser verpflanzten Kénigsseesaiblinge auch jetzt noch im Obersee vorhanden sind. Diese haben sich, wenn die Beobachtungen des Fischers zutreffen, nun inzwischen ,,auf die Laichzeit im Obersee umgestellt’.*) Die Verschiedenheit der Laichzeiten groBer und kleiner Saiblinge konnte ich iibrigens auch am Wiirmsee feststellen. Hier laichen zum Beispiel in der Bucht von Starnberg — und wohl auch in anderen Teilen des Sees, was ich aber noch nicht sicher sagen kann — die groBen Saib- linge im Dezember, wahrend die kleinen Saiblinge von 20 bis 30 cm Lange und durchschnittlich 100 bis 200 g Gewicht friihestens Mitte Januar zum Laichgeschaft schreiten. Anscheinend sind im Wiirmsee aber auch die Laich- platze der groBen und kleinen Saiblinge nicht die gleichen. Zumindest wurden bei wiederholten Versuchsfangen in der Nahe von Tutzing in Tiefen unter 40m mit Stellnetzen von 25, 34 und 36mm Maschenweite wahrend der Monate Januar, Februar und Marz stets nur kleinere Saiblinge (bis 30cm Lange), diese aber in groBen Mengen, erbeutet. *) Ausnahmen auch hinsichtlich der Zeit der Geschlechtsreife kommen bei einzelnen Exemplaren jedoch immer wieder vor. Am Neujahrstag 1948 fingen z. B. die K6nigssee- fischer ein laichreifes Wildfangsaiblingsmannchen, wahrend doch normalerweise sogar die Schwarzreuter um diese Zeit schon abgelaicht haben. QO. Schindler; Der Kénigssee als Lebensraum 119 Der Seesaibling ist im allgemeinen sicherlich eine sehr modifikations- fahige Fischart, wie zahlreiche Versuche, auch der letzten Jahre, bewiesen haben. Ich verweise hier auf die Untersuchungen von Steinmann (1942) iiber Versetzungs- und Aufzuchtversuche von Seesaiblingen in der Schweiz. Bei diesen ergab sich zum Beispiel, dai bei Einsatz von Seesaiblingsbrut, die aus Eiern vom Zugersee stammte, in den Luganersee nach einigen Jahren in diesem, in dem vorher tiberhaupt keine Saiblinge vorhanden waren, Grofisaiblinge von mehreren Kilogramm Gewicht auftraten. Im Zugersee dagegen waren nie solche grofe Saiblinge gefangen worden, vielmehr tre- ten dort nur die ,,Normalsaiblinge" auf, die eine Lange von 18 bis 25cm und ein Gewicht von 80 bis 100g besitzen. Die auf den Laichplatzen in groBer Zahl erbeuteten ,,.Normalsaiblinge“ des Luganersees waren im Durch- schnitt 28cm lang bei einem Gewicht von 180g. Aus den kleinen ,,Normal- saiblingen” des Zugersees waren also im Luganersee im Durchschnitt be- deutend gréBRere Saiblinge und auferdem eine kleinere Zahl von GroBsaib- lingen, also von sogenannten Wildfangsaiblingen, entstanden. Dieses Grof- experiment zwingt unbedingt zu dem SchluB, daB die groBen Saiblinge nur eine Modifikation der kleinen und daB die Wildfangsaiblinge entweder Vor- wtchser oder altere Tiere oder auch beides sind.*) : Die eben erérterte, von Steinmann und mir vertretene Meinung wird durch Schweizer Zuchtexperimente aus den Jahren 1939/40 und 1944 gestutzt. Dort wurden in Brutteichen Seesaiblinge unter gleichen Lebens- bedingungen herangezogen. Sie wuchsen schon nach 3 Monaten in ganz auffalliger Weise auseinander. Eines dieser Tiere wurde in 18 Monaten 39 cm lang und 420 ¢ schwer. 12 Sttick aus der Fischzuchtanstalt Arth am See (Schweiz) am 15. August von Steinmann untersuchte Exemplare schwankten im Extrem zwischen 3,1 und 9,8 cm Lange und einem Gewicht von 7,35 und 20g. Diese Untersuchungsergebnisse decken sich prinzipiell mit meinen aus den Jahren 1936/37. Auch ich konnte damals ein starkes Auseinanderwachsen feststellen: Ein Tier zeigte typischen Wildfangsaiblings- Charakter. Meine Versuchstiere stammten damals allerdings aus sogenann- ten ,Kreuzungen” zwischen Wildfangsaiblingen und Schwarzreutern des K6nigssees, weshalb die Ergebnisse nicht so eindeutig waren wie die Schweizer Versuche. Bisher deutet jedoch alles darauf hin, daB die Wild- fangsaiblinge die Vorwtichser sind und da® wir es nicht mit verschiedenen Rassen oder gar Arten zu tun haben, sondern mit verschieden schnell wachsenden und zum Teil verschieden alten Fischen der gleichen Art. “Wodurch diese Verschiedenheit im Wachstum zu erklaren ist, 1aBt sich heute noch nicht einwandfrei sagen. Steinmann weist erstens auf den Antagonismus zwischen Wachstumshormonen und Sexualhormonen hin, also auf Frihreife verbunden mit Zwergwuchs und Spatreife verbunden mit *) Diese Ansicht habe ich bereits im Jahre 1940 in meiner Arbeit iiber die Saib- linge des Kénigssees ausgesprochen, konnte sie aber noch nicht durch eine gentigende Anzahl von Versuchen belegen, 120 O. Schindler: Der Kénigssee als Lebensraum Riesenwuchs und zweitens auch darauf, da Salmoniden meist Nahrungs- spezialisten sind. Er folgert aus letzterer Tatsache, daB méglicherweise die Wildfangsaiblinge Individuen sind, die sich frihzeitig auf Fischnahrung um- gestellt haben und infolgedessen sehr rasch gewachsen sind. Ich méchte dazu vor Abschlu8 der auf meine Veranlassung hin begonnenen Aufzucht- versuche noch nicht Stellung nehmen. - Die meisten Saiblinge des K6nigssees sind, ebenso wie die ande- ren Fische des K6nigssees, krank. Sie sind mit dem Bandwurm Triaeno- phorus nodulosus (Pall.) infiziert, dessen Cysten in der Leber der Saib- linge, Barsche etc. oft in groBer Menge zu finden sind. Ab und zu kom- men sie auch in der Muskulatur vor. Den Endwirt des Bandwurms stellt der Hecht dar; in seinem Magen und Darm finden sich fast regelmaBig groBe Massen des geschlechtsreifen Wurmes. Das erste Larvenstadium halt sich im Cyclops auf. Da dieser ja zur Nahrung des Saiblings, Barsches usw. sgehort, kommt dieses Stadium im Kreislauf wieder in den Fisch, der vom Hecht gefressen wird. Uber den starken Befall der K6nigsseesaiblinge mit den Cysten des Bandwurmes habe ich bereits berichtet, méchte aber an dieser Stelle noch einige neuere Beobachtungen hinzuftigen. Bekanntlich wird vielfach angenommen, dai infolge dieser Bandwurm- infektion die Saiblinge des Kénigssees zu einer Zwergrasse degeneriert sind (Hofer, 1904, Plehn, 1924). Verwunderlich erscheint nur, sofern diese Annahme stimmt, da man hinsichtlich Gro8e und Ernahrungszustand bei gleich alten Tieren keine Unterschiede zwischen infizierten und nicht infizierten K6nigssee-Saiblingen feststellen kann. Das daraufhin in der Zeit von 1932 bis 1949 von mir untersuchte Material umfafte mehrere hundert Exemplare. Einen neuerlichen deutlichen Hinweis in dieser Richtung gaben Beobachtungen des Jahres 1947. Am 18. April 1947 fand ich einen 20,5 cm langen Saibling im K6nigssee fast tot an der Wasseroberflache treibend; dessen Untersuchung ergab, da die Leber fast vollkommen durch Triae- nophorus-Cysten verdrangt war. An diesem Tage konnte ich nur dieses eine Tier bekommen. Die Fischer fangen jedoch in jedem Frihjahr eine groBe Zahl derart verhungerter Saiblinge, die an der Wasseroberflache treiben, und zwar sind die ersten gleichzeitig mit den ersten Saiblings- schwarmen zu beobachten, die nach dem Aufenthalt in den tieferen Wasser- schichten wahrend des Winters zur Nahrungssuche in die oberen Wasser- schichten aufsteigen. Auch am erwahnten 18. April 1947 zeigten sich die ersten Saiblingsschwarme nahe der Wasseroberflache, wo sie ab und zu nach Luftnahrung sprangen. Die Annahme, der Grund fiir das Auftreten dieser sterbenden Hungerformen sei die starke Triaenophorus-Infektion, war naheliegend. Sie wurde jedoch durch Untersuchungen von drei Hunger- formen am 12. Mai 1947 hinfallig, von denen zwei vollkommen gesunde Lebern hatten, wahrend die dritte nur eine Cyste in der Leber aufwies. Unter den 19 an diesem Tag untersuchten Saiblingen befanden sich nur O. Schindler: Der Kénigssee als Lebensraum 121 drei Tiere ohne Triaenophorus-Cysten in der Leber, zwei davon waren die erwahnten ausgesprochenen Hungerformen mit einem Gewicht von 45g bzw. 47 ¢ bei einer Lange von 20,4 bzw. 21,4cm. Die anderen an diesem Tage untersuchten Saiblinge waren bei gleicher Lange um 20 bis 30 g schwerer. Das immerhin noch sehr geringe Gewicht erklart sich daraus, daB in dieser Jahreszeit die Menge des Planktons noch sehr gering ist und die Saiblinge nach der Winterruhe erst vor relativ kurzer Zeit mit der Nahrungsaufnahme begonnen haben. Spater, also in den Sommer- und Herbstmonaten, ist das relative Kérpergewicht bedeutend gréBer, jedoch nie so gro wie zum Beispiel bei den gleich langen Saiblingen des Wtirm- sees. Man hat bei den Schwarzreutern des Kénigssees stets den Eindruck, daB sie magerer sind als die Saiblinge anderer Voralpenseen, wenn sie auch durchaus nicht als Hungerformen anzusprechen sind. Das Durchschnitts- gewicht der 18,5 bis 22cm langen K6nigssee-Schwarzreuter — die meisten - sind 20 bis 21 cm lang — schwankt zwischen 63 und 82g, meist betragt es 70 bis 75 ¢. Die im Wiirmsee am 1. Februar 1948 gefangenen Seesaib- linge hatten bei Langen von 21,7 bis 25,3 cm — die meisten waren 20 bis 24cm lang — ein Durchschnittsgewicht von 116 g. Vergleichsmaterial von anderen Seen konnte ich bisher nicht erhalten. Es ist auch deshalb schwer zu bekommen, weil die in anderen Seen gefangenen Saiblinge, infolge der _dort verwendeten weitmaschigen Netze, meist gréBer sind. So hatten z.B. Seesaiblinge vom Walchensee, die ich im Herbst 1946 untersuchte, meist eine Lange von 25 bis 35cm, waren also schon kleineren Wildfangsaiblin- gen des K6nigssees gleichzusetzen, Wie mag wohl das immer wieder erGrterte ,,Kleinbleiben” der Schwarz- reuter des K6nigssees zu erklaren sein? An und fir sich erscheint die Annahme, die Bandwurminfektion sei daran Schuld, sehr bestechend. Die Tatsache, da infizierte und nichtinfizierte Tiere keinerlei Unterschiede im Habitus zeigen, spricht scheinbar dagegen. Da jedoch die Krankheit bereits seit vielen Generationen auftritt, ist die Annahme einer Degeneration der gesamten Population wohl nicht ganz von der Hand zu weisen. Jedenfalls kann ich mich des Eindruckes nicht erwehren, dal} die Triaenophorus-Infektion auBerst ungiinstig auf die Saiblinge wirkt; denn es ist kaum denkbar, daB die Zerstérung eines erheblichen Teiles der Leber keinen EFinflu8 auf die Auswertung der Nahrung und damit auf das Wachs- tum haben sollte. Traf ich doch auf Fische, deren Leber durch Bandwurm- cysten mehr als zur Halite zerstért war. Bei Annahme einer Degeneration der gesamten Population mtBte aller- dings die Nachkommenschaft, selbst wenn sie unter anderen Umweltbe- dingungen aufwachst, schlechte Erbanlagen zeigen. Aus diesem Grunde habe ich seit Marz 1948 Aufzuchtversuche in Fischzuchtanstalten durch- fiihren lassen, die jedoch noch nicht abgeschlossen sind. Ein Teil der in Fischzuchtanstalten aufgezogenen Saiblingssetzlinge wurde bereits im Spat- herbst 1948 in Saibling-freie Gewdsser ausgesetzt, um festzustellen, ob sie hier, unter anderen Umweltbedingungen, auch ein anderes Wachstum als 122 O. Schindler: Der Kénigssee als Lebensraum im K6nigssee zeigen. Andere werden in Forellenteichen mit Naturnahrung aufgezogen. Ein Ergebnis dieser Versuche ist jedoch kaum vor dem Jahre 1951 zu erwarten. Eine Uberftthrung von 300 Stiick Schwarzreutern (Lange der Tiere 18 bis 21cm) aus dem Ké6nigssee Ende Mai 1947 in drei Forellenzucht- anstalten im weiteren Umkreis von Miinchen ergab, daB die wenigen am Leben gebliebenen Fische auch nach zwei Sommern, in denen sie gut ge- futtert wurden, keinen merklichen Zuwachs zeigten, d. h. nicht tiber 25 cm lang wurden und auch nicht den Habitus von Wildfangsaiblingen annahmen. Dieser Versuch wiirde also gegen die Annahme sprechen, daB es sich bei den Schwarzreutern um junge Wildfangsaiblinge handelt.*) Aber dieser eine Versuch berechtigt noch zu keinem abschlieBenden Urteil. Er miBte zumindest noch einmal unter giinstigeren 4uferen Bedingungen wiederholt werden, was hoffentlich in der nachsten Zeit méglich sein wird. Die einzige Méglichkeit einer wirksamen Bekampfung der Triaeno- phorus-Infektion ware wohl die Unterbrechung des Entwicklungszyklus des Bandwurmes durch Ausschaltung des Endwirtes; in diesem Falle also durch Entfernung des Hechtes aus dem K6nigssee. Ob sich dies praktisch in vollem Umfang durchfiithren 1a8t, ist fraglich und hangt sehr weitgehend vom vollen Einsatz der Fischer ab. Auf jeden Fall ist eine derartige Maf- nahme nicht innerhalb kurzer Zeit durchfiihrbar, sondern bedarf jahre- langer intensiver Arbeit in dieser Richtung. Einen ungiinstigen Einflu8 auf das Wachstum der Saiblinge hat még- licherweise die niedrige Durchschnittswassertemperatur des K6nigssees selbst wahrend der warmen Jahreszeit und damit der Hauptwachstumsperiode. Sie liegt ja, wie bereits frither ausgeftihrt, relativ weit unter der Tempe- ratur anderer Voralpenseen. Allerdings ist bisher nicht einwandfrei nach- gewiesen, welches die optimale Wassertemperatur fiir den Seesaibling ist. Man kann jedoch wohl auf Grund der bisherigen Beobachtungen annehmen, daB sie bei7 bis 8°C, vielleicht sogar etwas hoher, liegt. Im K6nigssee aber betragt die Wassertemperatur, selbst wahrend der warmen Jahreszeit, in 15m Tiefe nur knapp iiber 6° C, in 20m Tiefe knapp tiber 5°C. Die Erfahrungen bei der Zugnetzfischerei lassen es jedoch als ziem- lich sicher erscheinen, da die Saiblinge die meiste Zeit ihres Lebens unter 10 m, wahrscheinlich sogar unter 15 _m Tiefe verbringen. Denn selbst in den Monaten Mai mit August, in denen sie wahrend der Abendstunden nahe der Wasseroberflache zu beobachten sind und in den frihen Morgenstunden, bevor die Sonne auf den See scheint, mit dem Zugnetz gefangen werden, gehen sie tagsiiber in gréBere Tiefen — zumindest unter 10 m Tiefe — wie die Fischer stets feststellen, da tagsiiber Zugnetzfange ergebnislos bleiben. Schon im September anderer- *) Schwarzreuter und Wildfangsaiblinge des Kénigssees zeigen ungefahr in gleichem MaBe Befall durch Triaenophorus nodulosus (Pall.), wie ich 1940 bereits ausfiihrte (Schind- ler 1940). O. Schindler: Der K6nigssee als Lebensraum 123 seits verlaufen Zugnetzziige, auch in den frithen Morgenstunden, meist erfolglos. Die Saiblinge stehen dann in gréBerer Tiefe, sammeln sich zum Teil auch bereits an den Laichplatzen, die gréftenteils unter 35 m liegen. In diesen Tiefen bleiben sie mit kurzen Unterbrechungen bis ungefahr Mitte April, oft noch langer, also bis sie die Suche nach Planktonnahrung wieder in hdhere Wasserschichten fihrt. Selbstverstandlich steigen sie auch zwischendurch, so zum Beispiel im Herbst nach der Laichzeit, zur Nahrungs- suche in héhere Wasserschichten auf, In dieser Zeit sind jedoch auch die oberen Wasserschichten durch die herbstliche Vollzirkulation derart abge- kihlt, da8 man kaum von einem Aufsteigen in warmere Wasserschichten sprechen kann. In diesem Zusammenhang mégen noch ein paar Worte tiber die Nah- rung der Schwarzreuter auf Grund der Mageninhaltsuntersuchungen gesagt sein. Ich konnte bisher feststellen, da die Hauptmenge des Mageninhaltes in der Zeit von Mitte Mai bis Ende September aus Cladoceren — Daphnia longispina O. F. Miller, Ceriodaphnia quadrangula O. F. Miller, und - Bosmina coregoni Baird — besteht. Eine Bevorzugung einer dieser drei Arten konnte nicht bemerkt werden; je nach der Menge, in der die eine oder die andere Art im Plankton vorkommt, findet man einmal die, das andere Mal jene maximal im Magenbrei. Ab und zu sind unter der Nahrung auch verschiedene kleine Fliegen, Miicken und Mickenlarven festzustellen. Be- sonders bemerkenswert erscheint, daB selbst im Frithjahr, zu einer Zeit, in der noch die Copepoden mit weitem Abstand zahlreicher im Plankton vorhanden sind als die Cladoceren, sich im Magen nur Cladoceren finden (vergleiche Taf. 20, Fig. 21.) Das gleiche, also die Bevorzugung der Cladoceren als Nahrung wurde auch bereits bei den Renken festgestellt. Wagler und seine Mitarbeiter geben als Erklarung folgende Méglichkeiten an (Wagler 1941): 1. Die Auswahl findet nach dem Geschmack statt. Die Wasserfléhe schmecken vielleicht den Renken besser als die Copepoden. Das ist zwar schon angenommen worden, aber noch keineswegs bewiesen und ist auch nicht sehr wahrscheinlich, weil die Auslese auch innerhalb der Art statt- findet. Es ist nicht anzunehmen, da jiingere Daphnien anders schmecken als altere. 2. Die Auswahl kann ohne Absicht, d. h. nicht nach dem Geschmack, vor sich gehen: a) weil die Cladoceren sich leichter fangen lassen, denn alle Clado- ceren, selbst die groBen Leptodoren nicht ausgenommen, sind lang- samer als die Copepoden. b) weil die Cladoceren in bestimmten Schichten dichter angehauft sind als die Copepoden. c) weil die Cladoceren im Durchschnitt gr6Ber sind als die Copepo- den und daher mehr auffallen. Dazu sagt Wagler noch: ,,Der Punkt 2a scheint mitzuspielen, b ist nicht sehr wahrscheinlich, weil gerade die am wenigsten dicht stehenden, 124 O. Schindler: Der Kénigssee als Lebensraum viel vereinzelter auftretenden Cladoceren (Leptodora) am meisten bevor- zugt werden. Die gré8te Wahrscheinlichkeit besitzt 2c, denn dann wird am besten die Auslese innerhalb der Art zu erklaren sein." Dazu ist nun in unserem speziellen Fall Kénigssee zu sagen, daB der letzte Punkt ausscheidet, denn die im K6nigssee vorkommenden Clado- ceren sind in der Hauptmasse kleiner als die Copepoden. Die Bosminen, die sich im Mai und teilweise auch im Juni vor allem im Magen der Saib- linge finden, sind viel kleiner als Cyclops strenuus Fischer und Diapto- mus bacillifer Kélbel. Es bleibt also hier nur die Erklarung, daB die Planktonten erstens nach dem Geschmack und zweitens deshalb ausgewahlt werden, weil sie sich leichter fangen lassen. Vielleicht ist es, was den zweiten Punkt betrifft, vor allem die Bewegungsart, die die Saiblinge mehr anlockt, denn die Cladoceren sind standig in langsam hiipfender Bewegung, wahrend die Copepoden von Zeit zu Zeit ruhig stehen und anschlieBend rasche und relativ weite Spriinge ausfihren. Aber auch die Annahme, da8 die Saiblinge des Konrescees ihre Nahrung nach dem Geschmack auswahlen, ist wohl nicht ganz von der Hand zu weisen. Der Einwand Waglers, diese Annahme besitze wenig Wahr- scheinlichkeit, weil die Auslese auch innerhalb der Art stattfinde und weil nicht anzunehmen ist, da jiingere Daphnien anders schmecken als Altere, erscheint mir nicht stichhaltig. Auf Grund der geschilderten Untersuchungen steht ja wohl einwandfrei fest, daB die Fische die Planktonten einzeln schnappen und daf also die friiher oft vertretene Meinung, der Fisch wiirde wahllos eine gewisse Menge Wasser in den Mund einsaugen und beim Auspressen durch die Kiemenspalten die Planktonten mit dem Kiemenfil- ter abfiltrieren, irrig ist. Wenn aber jeder Planktont einzeln geschnappt wird, dann erscheint wohl klar, daB der Fisch die gréReren Bissen bevor- zugt, weil er dadurch viel weniger oft schnappen mu, um seinen Magen zu ftillen. Gerade bei dieser Uberlegung aber gewinnt die Annahme der Auswahl nach dem Geschmack eine gro8e Wahrscheinlichkeit fiir die K6nigsseesaiblinge; bevorzugen sie doch, wie erwahnt, die kleineren Bosminen vor den gréBeren und haufigeren Copepoden. Wiirde die Aus- wahl nach der GréBe vorgenommen, dann miiBten sie ja Copepoden fres- sen, Hier sei erwahnt, daB im Jahre°1948, also nach dem Sommer mit dem starken Cladoceren-Maximum, die K®6nigssee-Saiblinge im Durchschnitt groBer waren als in den vorhergehenden Jahren. Das gleiche war im Jahre 1949, wenn auch nicht so deutlich ausgepragt, der Fall. Sollte doch, zwar nicht die Planktonmenge an sich, aber die Art der Zusammensetzung einen Finflu8 auf das Wachstum der kleinen Saiblingsformen haben? Dann ware ja klar, daf{i die im Jahre 1947 besonders gut ernahrten ein- und zweisOmmerigen Schwarzreuter, die im Jahre 1948, bzw. 1949 als drei- sOmmerige zum Fang kamen, auch besseres: Wachstum zeigten. Da die Ver- mehrung von Daphnia longispina O.F. Miller und Ceriodaphnia quadran- gula O.F. Miller durch héhereWassertemperaturen begiinstigt wird, waren O. Schindler: Der Koénigssee als Lebensraum 125 also die Bedingungen im Jahre 1947 besonders giinstig. Ich glaube, diese Beobachtung ware wert, in den kommenden Jahren auch an anderen Seen verfolgt zu werden. ee Fischerei Zum Schlusse seien noch ein paar Worte tiber die Fischerei im K6nigs- see angeltigt. Weitaus den gréBten Ertrag liefert die Saiblingsfischerei, bei der wieder nur der Fang der kleinen Form von wirklich wirtschaftlicher Bedeutung. fiir den See ist. Sie wird sowohl mit dem Zugnetz, wie auch mit dem Stellnetz betrieben und zwar jede zu bestimmten Jahreszeiten. _ Die Zugnetzfischerei vor allem — wie erwahnt — in den Monaten Mai bis August, die Stellnetzfischerei von Mitte August bis Oktober. Die Stell- netze werden vor allem an den Laichplatzen gesetzt; die laichreifen Saib- linge werden gestreift und die befruchteten Eier in der Brutanstalt von St. Bartholoma erbriitet. Die im Februar und Marz ausschltipfende Saib- lingsbrut wird knapp vor Verlust des Dottersackes in den See gesetzt. Uber den Wert dieser Erbriitung kann man geteilter Meinung sein. Der Hechtfang, der wertmaBig an zweiter Stelle steht, wird fast aus- schlieBlich zur Laichzeit des Hechtes im Friihjahr mit Reusen betrieben. Der Ertrag schwankt in den einzelnen Jahren relativ stark, in der letzten Zeit waren es meist 150 bis 250 Hechte pro Saison mit einem Durch- schnittsgewicht von 1'/, bis 2 Pfund, wobei allerdings das Stiickgewicht sehr schwankt. Der Ertrag an Saiblingen ist gleichfalls gro®en Schwan- kungen unterworfen, in den letzten Jahren belief er sich auf durchschnitt- lich 1500 kg, also 30 Zentner im Jahr. Sehr ungiinstig hat sich der Einsatz von Seeforellen auf den Saiblingsbestand ausgewirkt. In dem Jahr, in dem der Bestand an grofen Forellen am besten war, sank der Fangertrag an Saiblingen am starksten (vergleiche Schindler 1940). Da nun aber die groBe Seeforelle ungefahr acht bis zehn Pfund Fisch (vielleicht sogar noch mehr) fressen mu, um ein Piund zuzunehmen, ist sie im K6nigssee ein viel zu teuerer Fisch. Von einem gréBeren Neueinsatz wurde daher seit dem Jahre 1925, in dem der letzte Seeforellensetzlings-Einsatz erfolgte, Abstand ge- nommen. Das Wachstum der Seeforelle war allerdings sehr gut, sie hatte ja -schlieBlich Gelegenheit sich an den Laichplatzen, an denen die Saiblinge eng zusammenstehen, ziemlich miihelos sattzufressen. Beweis dafiir sind wohl die grofen Seeforellen, die im Jahre 1935 gefangen wurden. Von diesen war ein Mannchen von 96 cm Lange und 10500 g Gewicht, ebenso wie zwei Weibchen von 112cm (21000 g) und 100 cm {13500 g) nur fiinf Jahre, ein Mannchen von 108 cm Lange und 20000 g Gewicht sechs Jahre alt. Im Herbst 1949 wurden das erste Mal probeweise Felchensetzlinge, die von Tegernsee-Felchen*) abstammten, in den K6nigssee eingesetzt. Ob *) Im Tegernsee kommen 3 Felchenarten — Coregonus wartmanni Bloch, Coregonus macrophthalmus Niisslin und Coregonus fera Jurine — vor. Es lieB sich bisher nicht einwandfrei ermitteln von welcher der drei Arten die in den Kénigssee eingesetzten Setzlinge abstammten. 126 O. Schindler: Der K6nigssee als Lebensraum dieser Einsatz von Erfolg begleitet.sein wird, wird die Zukunft lehren. Fir die nachsten Jahre aber bleibt sicher der Seesaibling der wichtigste Fisch des K6nigssees. Er bedarf daher besonderer Pilege. Zusammentiassung Der Kénigssee weist in den Frithjahrs- und Sommermonaten (Anfang Mai bis 15. September) eine auBergewohnlich hochliegende Sprungschicht (meist oberhalb 5 m Tiefe) auf. Die Sichttiefe betragt zur gleichen Zeit 8—12m. Er unterscheidet sich dadurch von den anderen gréfBeren siid- deutschen Voralpenseen, bei denen die Sprungschicht zur gleichen Jahres- zeit stets tiefer liegt und die Sichttiefe geringer ist. Ihre Erklarung findet die hochliegende Sprungschicht des K6nigssees vor allem in der windge- schiitzten Lage dieses Sees. Die Durchschnittstemperatur des Wassers der oberen0—40 m Zone des K6nigssees ist in der erwahnten Jahreszeit bedeutend niedriger als bei den anderen gréBeren Seen des Voralpengebietes. Diese besonderen Eigenschaften des K6nigssees sind von grofem Ein- flu8 auf das Plankton und — direkt oder indirekt — auf die Fische. Die relativ groBe Sichttiefe und hochliegende Sprungschicht ergeben ftir das Phytoplankton, dessen Mengenmaximum unter der Sprungschicht liegt, die MOglichkeit, die gelésten Nahrstoffe des Meta- und Hypolimnions, also einer dickeren (héheren) Wasserschicht auszuschépfen als bei Seen mit geringer ~ Sichttiefe und tiefer liegender Sprungschicht, bei denen das Phytoplankton- maximum sich oberhalb der Sprungschicht befindet. Das reiche Phytoplankton seinerseits bietet die Ernahrungsgrundlage fiir das Zooplankton, das zwar in geringer Artenzahl, aber in groBer Menge vorhanden ist. Es ergibt sich also, daB der Konigssee in der oberen 0—40 m Zone nicht planktonarm ist, wie oft angenommen wurde, sondern ungefahr die gleiche Menge an Plankton wie die anderen stiddeutschén Voralpen- seen enthalt. Die zooplanktonreichste Schicht ist die der oberen 10 Meter. Offenbar ist die Anhaufung des Planktons in dieser Schicht durch das rasche Absinken der Wassertemperatur gegen die Tiefe zu bedingt. Die Lichtilucht der Planktonten scheint demgegentiber eine geringe Rolle zu spielen. Be- sonders die starke Vermehrung von Daphnia longispina O.F.Miller und Ceriodaphnia guadrangula O. F. Miller ist an héhere Wassertemperaturen gebunden. Sie kann bei Erreichung der Optimaltemperatur (iiber 10° C) innerhalb kurzer Zeit zu einer Massenproduktion dieser beiden Arten fiihren. Das Mengenmaximum an Zooplankton und Phytoplankton fand sich an den Untersuchungstagen nie in der gleichen Tiefenschicht. Vielmehr lag es fiir das Phytoplankton stets tiefer als fiir das Zooplankton. Es ist anzu- nehmen, da eine merkliche Phytoplanktonverminderung infolge des Frafes durch Zooplankton in der Zone auftritt, in der das Zooplankton ein Men- genmaximum erreicht. Die niedrige Wassertemperatur diirfte das Wachstum der Ké6nigssee- fische ungiinstig beeinflussen, AuBer dieser direkten Beeinflussung ist auch O. Schindler: Der Kénigssee als Lebensraum 127 noch, besonders fiir die Seesaiblinge, eine indirekte iiber das Plankton als Nahrungsquelle festzustellen. Die Seesaiblinge bevorzugen namlich, wie auf Grund von Mageninhaltsuntersuchungen festgestellt wurde, ganz ausge- sprochen die Cladeceren als Nahrungstiere. Die starke Vermehrung von zwei der insgesamt drei im K6nigssee vorkommenden Cladoceren-Arten aber wird, wie erwahnt, durch héhere Wassertemperaturen begiinstigt. Bei héherer Wassertemperatur ist also fiir die Seesaiblinge ein reichlicheres Angebot an bevorzugter Planktonnahrung gegeben, Allerdings kann auch in kalteren Jahren keinesfalls von einem Mangel an Plankton und damit von einem Nahrungsmangel fiir die Fische die Rede sein. Ungiinstig wirkt sich auf das Wachstum der K6nigssee-Fische der starke Befall mit dem Bandwurm Triaenophorus nodulosus (Pall.) aus. Eine erfolgreiche Bekampfung dieses Parasiten ist nur durch Entfernung der Hechte — als der Endwirte fiir den Bandwurm — méglich. Vom fischereilichen Standpunkt gesehen ist die — wiederholt kiinst- lich eingesetzte — Seeforelle (Salmo trutta L.) unvorteilhaft fiir den Fisch- bestand des Sees. Ein Einsatz von Schwebrenken kénnte vielleicht fischerei- liche Vorteile ergeben. Angefiihrte Schriften Bohmanzn, L., Untersuchungen iiber die Ertragsfahigkeit einiger Englander H. ua. 1939: Seen Oberbayerns. Intern. Rev. ges. Hydrob., 39, Se 171244, Brehm, V., 1906: Untersuchungen iiber das Zooplankton einiger Seen der nérdlichen und 6stlichen Alpen.‘Verh. k, k, zoolog.-botan, Ges. Wien, 61. S. 33—43, Brehm, : Beobachtungen iiber das Plankton in den Seen V. & Zederbauer, E., 1906: der Ostalpen. Arch, Hydrob. und Planktonk., 1. Demoll, R., 1922: Temperaturwellen (=seiches) und Planktonwellen. Arch. Hydrob., XIII, 2. S. 313—320. Findenegg, IL, 1937: Holomiktische und meromiktische Seen. Intern, : Rev. ges. Hydrob., 35, S. 586—610. GeBner, F., 1948: The vertical distribution of Phytoplankton and the Thermocline. Ecology, 29, Nr. 3. S. 386—389. GeBner, F.,, 1950: Das Phytoplankton der Seen Oberbayerns in seiner quantitativen Entfaltung. Ber. Bayer. Botan. Ges. Munchen, 28, S. 180—194. HalbfaB, W., 1923: Grundziige einer vergleichendenSeenkunde. Berlin. Hofer, B., 1904: Handbuch der Fischkrankheiten, Miinchen. Kihl, Fr. 1928: Untersuchungen tiber Temperaturverhdltnisse und Sichtigkeit im Walchensee und Kochelsee in den Jahren 1921—1923. Arch. Hydrob., VI, S. 57—95. Lebling, C., Geologische Verhaltnisse des Gebirges um den Haber, G. wa. 1935; KG6nigssee. Abh. geolog. Landesunters, am Bayer. Oberbergamt Miinchen, H. 20. Petzholdt, A,, 1843: Beitrage zur Geognosie von Tyrol. Leipzig. Plehn, M., 1924: Praktikum der Fischkrankheiten, Handb. Binnenf, Mitteleuropas, Stuttgart, 1, S. 301—470, Ruttner, F,, 1938: LimnologischeStudien an einigenSeen derOstalpen, Arch, Hydrob., 32, S. 167—319, 128 Schindler, O,, Schindler, O., Steinmann, P., Wagler, E., O. Schindler: Der Kénigssee als Lebensraum 1936: 1940: 1942: 1941; Zur Frage der Saiblingsfischerei im Kénigssee. Allg. — Pin ZisyA, Die Saiblinge des K6nigssees. Intern. Rev. ges. Hy- drob,, 39, S. 600—627. Experimentelle Untersuchungen tiber die Wiichsig- keit der Seesaiblinge (Rotel). Schweiz. Fi. Ztg., 9 Die Lachsartigen (Salmonidae), II. Teil Coregonen. Handb, Binnenf. ae Stuttgart, 3, H. 6, S. 371—501, Schindler Tatel 9 Tafel 10 ~ Schindler Fig, 20 Teil der Planktonprobe vom 27, September 1947, Vertikalzug 40—80 m. re » Fig, 21 Kleiner Teil des Mageninhaltes eines Seesaiblings (Schwarzreuter) vom K6nigs- see, gefangen Mai 1947, Sy Seay pn ee ic et a oe et at Ss. an o ae > VEROFFE - ZOOLOGISCHEN STAATSSAMMLUNG MUN CHEN vai ae der Walter Hellmich Die Eidechsen der Ausbeute Schroder (Gattung Liolaemus, Iguan.) (Beitrage zur Kenntnis der Herpetofauna Chiles XIII.) | Mit 8 Abbildungen auf 2 Tafeln Veréff, Zool, Staatssamml. Miinchen | MUS. COMP. Z08L LIBRARY APR 25 1951 Heavens S, 129—194} Miinchen, 1. Dezemb. 1950. Die Eidechsen der Adsbeute Schroder (Gattung Liolaemus, Iguan.) (Beitrage zur Kenntnis der Herpetofauna Chiles XIII.) Mit 8 Abbildungen auf 2 Tafeln Von Walter Hellmich Inhalt. A. Einleitung und Fundortsverzeichnis . B. Systematischer Teil ; Liolaemus altissimus altissimus Miller iad Hemien. Q'd & altissimus araucaniensis Miller und Hellmich . altissimus moradoénsis n. ssp. . ‘buergeri Werner . chiliensis (Lesson) fuscus Boulenger . : lemniscatus Gravenhorst : leopardinus leopardinus Miller und Hel Geek : leopardinus valdesianus n. ssp. lorenzmiilleri n. sp. : monticola chillonensis Miller dad Mein an : monticola monticola Miller und Hellmich. . monticola villaricensis Miller und Hellmich . nigromaculatus atacamensis Miiller und Hellmich nigromaculatus kuhlmanni Miller und Hellmich .. nigromaculatus zapallarensis Miiller und Hellmich . nigroviridis campanae n. ssp. nigroviridis minor Miller und Hola ene nigroviridis nigroviridis Miller und Helimich nitidus (Wiegmann) =i pictus pictus (Duméril et Bibeon) : platei curicensis Miiller und Hellmich. platei platei Werner : schroderi Miller und Higiiimaclh tenuis tenuis (Duméril et Bibron|) . Versuch einer Bestimmungstabelle der chilenischen alone. ees p , Allgemeiner Teil . I. Tiergeographisch- Skologische Bemoumeen II, Deszendenztheoretische Bemerkungen . 1. Gegenstand und Breite der Wearieten ; . Raumliche Bindung der Variation . . Oekologische Bedeutung der Variation . Entstehung der Variation . DOs W DN Systematik und Genetik . , Zusammenfassung . . Angefiihrte Schriften . . Alphabetisches Verzeichnis der i ANiaemne: Avion aa Rae . Modifikatorische oder mutative Variation — ikea cane Raskcn d . Oekotypische und autotypische ‘Merimale ied ‘ie Bedeutans ‘fir Seite 131 ieee Ge 133 135 136 138 139 140 141 141 142 144 146 147 148 149 150 151 152 155 156 158 159 160 160 162 163 164 168 168 173 173 178 181 183 188 189 190 192 194 W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder 131 - A. Einleitung und Fundortverzeichnis. In ungezahlten Gesprachen, die ich fast durch zwei Jahrzehnte hin- durch mit Herrn Prof. Dr. Lorenz Miiller wahrend gemeinsamer Arbeit fihren durfte, stand an erster Stelle das Problem der Variabilitat, der ungeheuer groBen Mannigfaltigkeit in der Merkmalsauspragung, derer manche Gattungen fahig sind. Neben der scheinbar unbegriindeten Fille der Formen und Farben tiberraschte zugleich eine Art GesetzmaBigkeit, nach der be- stimmte Merkmale — oft vollig unerwartet — immer wieder auftauchen. DaB in dieser Gegensatzlichkeit wie im Fragenkomplex der Variabilitat iiberhaupt ein Grundproblem der Biologie und in der Klarung dieser Fragen eine der Hauptaufgaben des Systematikers — zur Untersttiitzung der ge- netischen Forschung — geborgen liegt, hatte Herr Prof. Dr. Miiller sehr rasch erkannt. Seinem Spiirsinn nach hierfiir geeigneten Untersuchungsob- jekten war ebenfalls sehr bald die Gattung Liolaemus auigefallen, die in einer erstaunlich groBen Fille von Arten und Rassen den stidlichen Anden- raum Stidamerikas bis hinauf nach Peru und Bolivien bewohnt. Seinem Ratschlage folgend sammelte ich wahrend meines Chile-Auf- enthaltes fast ausschlieBlich Angehérige dieser Gattung. Ihre Untersuchung fiihrte mich nach meiner Rtickkehr zu engster Zusammenarbeit mit Herrn Prof, Dr. Lorenz Miiller, ftir deren Erméglichung ich ihm meinen tiefsten Dank schuldig bin. Wenn ich infolge der Ereignisse des letzten Jahrzehntes heute nicht in der Lage bin, der Monographie der chilenischen Liolaemus-Arten (1934) die langst geplante zusammenfassende Bearbeitung der auferchileni- schen Arten folgen zu lassen, so méchte ich heute — aus AnlaB der Festschrift fiir Herrn Prof. Dr. Lorenz Miller — ihm in Dankbarkeit und Verehrung wenigstens die Bearbeitung einer chilenischen Liolaemus- Ausbeute widmen, die letzten Endes auch auf seine Initiative zurtickgeht. Mein Dank verbindet sich dabei mit dem Wunsch, dal meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Lorenz Miller, noch viele Jahre ungestérter Sammlungs- und Forschungsarbeit geg6nnt seien. — Herr Wilhelm Schréder begleitete mich auf einem Teil meiner Ex- kursionen in die Santiago zunachst gelegenen Vorberge der Hochkordillere. Mit der Aufsammlung von Material am Cerro La Parva (3810 m) sowie am Potrero Grande (2200 m) erftillte er meinen Wunsch, zu den am Cerro de Ramon (3240 m), an der Mine Fierro Carrera (2700 m) sowie im Volcan-Tal (Bafios morales, 2400m, am Cerro Morado, 4320 m) aufgesammelten Beleg- stiicken Vergleichsmaterial aus benachbartem Gelande zu beschatfen. Seine im ,Kleinen Norden" durchgefiihrten Exkursionen (La Serena, Andacollo, Nueva Elqui) bereicherten unsere Sammlungen ebenfalls mit sehr erwiinsch- tem Vergleichsmaterial sowie mit einer neuen Art, seine Sammelfahrt in 9* 132 W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder die Kordillere von Curicé (Bafios de Azufre, Bafios de Fierro, Planchon) fuhrte ihn in das Gelande des bisher noch reichlich unbekannten Liolaemus buergeri Werner, von dem er neben einer neuen Rasse und einer neuen Art topotypische Exemplare mitbringen konnte. Seinen wiederholten Be- suchen der Umgebung von Pucén verdanken wir ein reicheres Material vom Volcan Villarica, das ebenfalls einen Vergleich unserer Samm'ungen(Goetsch- Hellmich) vom gleichen Vulkan gestattete. Endlich liegt noch Material von einer Zahl anderer Fundorte vor, das teils von Herrn W. Schréder selbst, teils von seinen Freunden gesammelt wurde, denen wir ebenfalls herzlichsten Dank fiir ihre Mitarbeit schuldig sind. Ein Teil der Schréder’schen Ausbeute wurde bereits bearbeitet (Miller und Hellmich, 1935, 1938, Hellmich, 1938). Der Vollstandig- keit halber fithren wir dieses Material ohne Besprechung auf. Insgesamt verdanken wir Herrn W. Schréder 616 Exemplare der Gattung Liolaemus, die er nach meiner Abreise von Chile gesammelt hat. Fiir seine aufopfernde | zielbewubte Sammeltatigkeit und fir die Uberlassung des Materials ist die Zoologische Staatssammlung Miinchen Herrn Schréder zu tiefstem Danke verpilichtet. — Zur naheren Kennzeichnung der Fundorte lasse ich hier ein alphabe- tisches Verzeichnis folgen: Alphabetisches Verzeichnis der Fundorte. (Bei der Angabe der s. Br. sind die Minuten auf 5’ abgerundet; die Regioneneintei- lung ist angegeben nach Hellmich, 1933, S. 215. Abkiirzungen: a) Strauchst. = Strauch- steppen-Region, Urw = Urwaldregion, i) KN = Kleiner Norden, MCh = Mittelchile, SCh — Siidchile, x = Hochkordillere. Fundort | Hohenlage | : | Siidl. Breite Region | Abanico | 1000—1800 m x 33930’ Strauchst. | MCh j Andacollo 1100 30°10’ s KN Banos des Azuire 2600 x 35°10) as MCh Bafios de Fierro 2700 5K 35°10’ ae ani Campana 1800 33°00" *, ts Cerro Morado 2400 x 33°45’ . ts Coquimbo 100 29°55’ . KN Cuesta Vergara 2400 x 35°10" - MCh El Salto 300 33°00’ “ | = Fierro Carrera 2800 x 33°10' - ; Lago Villarica 400 x 39°20’ Urw. SCh Laguna del Morado 2400 x 33°45’ Strauchst. | MCh Laguna Negra 2400 x 33°40’ ‘: q La Ligua 200 32°30’ = KN La Patagua 200 32°30’ ‘ “A Las Condes 1800 x 33°20’ ia MCh La Serena 150 29°50’ - KN Los Cipreses 900—1400 x 35°10’ Ps MCh Los Quefies 700—1400 x 35°10’ r- - Lo Valdés 2400 x 33°50" 5 ‘i Mamuil-Malal 700 x 39935’ Urw. SCh Manquehue 1100 33°20" Strauchst. | MCh Morales 2300 x 33°50' , ‘i ‘1 Nueva Elqui 2300 - x 30°00" . KN Parva 2300 x 33°20' * MCh Passo Peladero 2800 x 33°40’ " W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schréder 133 Fundort Héhenlage | Siidl, Breite Region Potrero Grande 2200—2400 x 33930’ Strauchst. Puc6én 300— 800 x 38°20’ Urw. -Rio Claro 900—1400 35920’ Strauchst. Rio San Francisco 2000 x 33015’ Rio Seco 3200 x 30°00’ Rio Teno 900—1 400 x 35°10’ San Ramon 2500—3220 x 33930’ Vicuna 700 30°05’ Vizcacha 2000 32°00’ Volcan Chillan 2200 x 36950’ Volcan Villarica 1000—1400 x 39930’ Urw. Zapallar 50 32940’ Strauchst. B. Systematischer Teil. Liolaemus altissimus altissimus Muller und Hellmich Terra typica: ,Fierro Carrera (Rio de San Francisco, Massiv des Cerro del Plomo), 2700 m Mittelchile*. Liolaemus altissimus altissimus Mtiller und Hellmich, 1932, Zool. Anz. 98, Seite 197 Fig.1. Hellmich, 1934, Abh. N. F. 24, Seite 68, Taf. I, Fig. 10. Vorliegendes Material: 103 Exemplare Fundort Fundzeit |] Sammler 111/1947 a—i | An der Parva | 24. 3.32 | Schroder | 300 hlbw. (Kord. v. Santiago) 1 O erw. 2300 m : foe LO hlbw: 112/1947 a—g 250 erw., 19 erw. Peladero-PaB 8.1 33 Grandjot 200 hlbw.1 9 hlbw.| Laguna Negra 2800 m 1 Oo erw. Laguna Negra Da)3 P45 SY 2400 m 211/1947 a—t 11 dd erw.,2 $6 hlbw.| Fierro Carrera 14.4.33 | Schroder 2 2 Q erw., 4jg. 2800 m 212/1947 14¢d erw.,149 Qerw.]| Potrero Grande | 25.2.33 | Schroder Dis. 2200 m 213/1947 14 +S erw.,609'Shlbw | Potrero Grande | 25.—26. | Schréder 89 Cerw.,39 9 hlbw. 2 200—2 400 m 25338 214/1947 1 oerw. Potrero Grande | 25.2.33 | Schréder 2200 m 215/1947 a—d 2 0'o erw., 1 9 erw. San Ramon 1932 Grandjot LAE. 2500—3 220 m Die groBe Bereicherung unseres altissimus-Materials war uns beson- ders willkommen, da sich einerseits die Abgrenzung der bisher beschrie- benen Rassen um so scharfer durchfiihren lie und sich andrerseits die Entwicklung des Farbenkleides und des Zeichnungsmusters sehr gut ver- folgen 1aBt. In der Pholidosis stimmen alle Exemplare sehr gut tiberein. Die Kopl- schilder neigen allgemein zu einer starken Aufspaltung, die vor allem die hintere Kopfregion und alte Tiere betrifft. Die groBe Variabilitat in der 134 W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schréder Frontoparietalregion wurde an einigen Beispielen bereits 1934 figiirlich dar- gestellt. Sehr deutlich sind die vergré8erten Supraocularia ausgebildet, von denen durchschnittlich vier angetroffen werden, von denen das zweite von vorn das gréBte zu sein pilegt. Die Uberpriifung des 1934 in der ,,Diagno- se" angegebenen Merkmals ,,[emporalschuppen gekielt" ergab das Gegen- teil in der Mehrzahl der Falle, in der die Temporalia ungekielt sind; sind sie trotzdem gekielt, dann besteht die Kielung immer nur aus sehr stumpfen Kielen, die meist nur auf den mittleren Temporalschuppen aus- sgepragt ist. Aurikularschiippchen sind héchst selten und dann nur sehr schwach ausgebildet. Die Schuppen der Halsseiten sind immer ziemlich éro8 und geschindelt, auf der Halsfalte fast immer etwas aufgerichtet und zuweilen auch deutlich gekielt. Nur kurz vor der Vorderextremitat, in der Schulterregion, werden die Halsseitenschuppen granular. Die Kielung der _ Riickenschuppen ist immer sehr scharf, das GréBenverhaltnis der Riicken-, Seiten- und Bauchschuppen zueinander variiert nur in geringem Ausmaf8.Die | Zahlen der Schuppen um die Rumpimitte bewegen sich zwischen 47 und 58, das Mittel liegt bei 51, schwankt aber innerhalb der einzelnen Populationen zwischen 49 und 53, wobei die Durchschnittszahl bei den 99 um ein Ge- ringes héher zu liegen pilegt. Die Zahl der Analporen ist konstant und betragt immer 2. Die Grundfarbe bleibt sich immer gleich, das Grundzeichnungsmuster besteht aus Querbinden, deren Auspragung und Konfiguration ziemlich groBen Schwankungen unterworfen ist. Mit fortschreitendem Alter, beson- ders aber bei den 6d, beginnt sich vom Nacken her eine Pfeffer-Salzzeich- nung auszubreiten, die durch eine Dunkelfarbung der Schuppenbasis und der Umgebung des Kieles entsteht und die urspriingliche Grundfarbung nur noch in der Form heller Spritzfleckchen bestehen 148t. Sie dehnt sich zu- nachst entlang den Flanken aus und iiberzieht schrittweise die gesamte Oberilache, bis schlieBlich nur der Schwanz lebhaft gezeichnet bleibt. Die Binden kénnen im einzelnen ziemlich gerade oder aber auch sehr deutlich gekurvt sein und sich bereits auf dem Riicken, meist aber erst auf den Seiten verzweigen. Supraciliarstreifen sind nie durch hellere Tonung hervorgehoben, sondern entstehen — allerdings sehr selten — héchstens dadurch, dafs die Querbinden diese Zone freilassen, Zuweilen sind die Bin- den auf dem Riicken nach vorn umgebogen, selten schlieBen sie sich auch unregelmafig, so daB eine Art schwacher Ozellenzeichnung ein- geleitet wird. Zwischen den Binden treten zuweilen zusatzlich einige dunkle Fleckchen auf. Selten sind die Binden hinten hellgerandet. Bei einem jiin- geren Tier vom Peladero-PaB schlieBen sich die Binden an eine dunkle Vertebrallinie an und verschmalern sich sehr stark nach den Seiten, um sich auf den Flanken wieder zu verbreitern oder aufzugabeln. Innerhalb der einzelnen Populationen ist die Neigung zu dem einen oder anderen Zeichnungstyp etwas starker ausgepragt, ohne daB eine deutliche Abgren- zung moglich ist. Ein Vergleich der Mae bei einzelnen Tieren ergibt ziemlich starke W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder 135 Abweichungen (s. MaBtabelle}, die vor allem auf die Konservierung und auf Verkiirzungen durch Tod oder durch Verquetschungen wahrend des Transports zuriickzuftihren sind. MaBe an toten Tieren diirfen wohl immer nur als Anhaltspunkte genommen werden. Ich darf hier auf die Erfahrungen verweisen, die L. Schuster bei ihren Messungen an unserem Liolaemus- Material gesammelt hat (1950, in Druck). MaBe: Nr Kopfrump{- | Schwanz- 4 lange lange 213/47a : 67 (84) 213/47b ; 67 100 213/47¢ ; 69 115 213/47d ; 66 115 213/47e : 67 113 213/475 : 68 105 Liolaemus altissimus araucaniensis Miller und Hellmich Terra typica: ,,Volcan Villarica, Siidchile, 1400 m”. Liolaemus allissimus araucaniensis Miller und Hellmich, 1932, Zool. Anz. 98, S. 205 Hellmich, 1934, Abh. N. F. 24, S. 72, Taf. I, Fig. 11. 1938, Zool. Anz. 124, S. 239. Vorliegendes Material: 42 Exemplare. Zool. Staatssammlung Alte or @écchlookt Sammler Herpet, Nr. : 65/1933 Fundzeit Fundort iL oh. Crane Volcan Villarica | 10.2. 33 |W. Schréder 1400 m ‘ " 66/1933 a—l 11 oo erw. ' , F ‘i 67/1933 a—i 6 e) Q erw. rT rT rT rT) 3 90 hibw. : i cee | ; 68/1933 aii 3 So jung. 7 ” rT rT 3 Q ie) jung. 9 1 7 7 94/1933 a—l 1 erw. _ Villarica-See 1932 7 4 oo etw. ice june: Lavafeld am Villa- | 17.2. 32 BF 2 99 erw. rica, 1200 m 1 jung. 1000 m 12 jung. am Villarica-See, ‘: 190 erw. 400 m Volcan Villarica 10. 2. 33 i 99/1933 a—d 4 Jungtiere 1400 m Der Originalbeschreibung lagen nur drei am Volcan Villarica gefan- gene Tiere zugrunde, von denen zwei Exemplare erwachsene QQ, eines ein halbwiichsiges Tier waren. Die reiche Ausbeute Schréder’s, die allein 18 erwachsene 3 enthalt, war deswegen besonders zu begriiBen, da sie eine wesentliche Liicke ausfiillte. Ein erwachsenes.¢ wurde von mir 1938 beschrieben, an gleicher Stelle wurde das gesamte Material und die Varia- bilitat besprochen. L. a. araucaniensis ist uns bisher aus Chile als siidlichste Form des altissimus-Rassenkreises bekannt, sie ist kleiner und plumper gebaut als 136 W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder die Nominatform. Ihr im wesentlichen dunkleres Kolorit kommt sowohl durch eine melanistische (s. str.) als auch nigristische Komponente zustande (v¢l. Reinig, 1937.) Im Gegensatz hierzu steht die starkere Betonung heller Supraciliar- und Subocularstreifen. Die Zahl der Schuppen um die Rumpf- mitte (56—63) liegt wesentlich héher als bei der Nominatform, noch héher liegt sie bei dem etwas n6rdlicher, aber auf argentinischem Boden vor- kommenden L. a. neuquensis, den Herr Prof. Dr. Goetsch vom Volcan Copahue (etwa 37°45’ s. Br.) mitbrachte. Bei dieser Rasse wurden 65—72 Schuppen um die Rumpimitte gezahlt (Miller und Hellmich 1939b), bei einem Jungtier sogar 78, auferdem ist die melanistische Komponente star- ker ausgepragt, indem neben der Grundfarbe der Oberseite auch der Bauch, die Analpartie und die Schwanzwurzel schwarz gefarbt sind. Liolaemus altissimus moradoénsis n. ssp. Tafel 11, Figur 22, 23. Terra typica: ,.Laguna del Morado (Lo Valdés), 2400 m, Hochkordillere von Santiago”. Liolaemus altissimus altissimus, part., Hellmich, 1934, Abh. N. F. H. 24, S. 68. Vorliegendes Material: 8 Exemplare. 216/1947 | : Schréder Typus (Lo Valdés) 2400 m 217/1947 a—e , Paratypoide , Schréder ; Grandjot 71/1931 a—b ; Trogtal des Hellmich Cerro Morado 2400 m Unter dem Material, das mir zur Ver6ffentlichung in den Abh. d. Bayer. Akad. d. Wiss. vorlag, fielen mir bereits zwei Exemplare aul, die ich selbst im Trogtal des Cerro Morado gefangen hatte und von denen sich beson- ders das Tier Nr, 444 (Coll. Goetsch-Hellmich) durch das Auftreten heller Streifen auf dem Riicken auszeichnete. Indessen brachten Frau Dr, Grandjot und Herr Schréder von dem gleichen Fundort sechs weitere Exemplare mit, die sich vd6llig gleichen und von dem iibrigen reichen altissimus- Material deutlich unterscheiden, so da8 es mir unerlaBlich er- scheint, sie von den tibrigen altissimus-Exemplaren aus den etwas nord- licheren Gebieten der Santiaguiner Hochkordillere subspezifisch abzutrennen. Diagnose: Eine Rasse von L. altissimus, die sich durch geringere Gr6éBe, durch die deutliche Heraushebung hellerer Supraciliarstreifen und parallellaufende Verdunkelung der Occipito-Parietal- und der Mazxillar- bander sowie durch deutlich ausgepragte Querbanderung auszeichnet. Beziehungen: L. altissimus moradoénsis nimmt eine Zwischenstellung zwischen der Nominatform und der siidlichen araucaniensis-Rasse ein. W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder 137 In der Ausbildung der Schuppen sowie ihrer Zahl um die Rumpfimitte gleicht sie noch der Nominatform (altissimus 46 —51—58, moradoénsis 48—52—56, araucaniensis 56—59—63), in der Zeichnung ahnelt sie sehr stark der araucaniensis-Rasse, nur neigt sie noch nicht zu dem starken Melanismus, durch den sich L. a. araucaniensis auszeichnet (vergl. S. 134). Beschreibung: ¢ erw. (Typus), Zoologische Staatssammlung Miinchen Herp. Nr. 216/1947, Laguna del Morado (Lo Valdés), 2400 m. Im Habitus etwas kleiner und ein wenig schlanker als die Nominat- form, im Schuppenkleid mit der letzteren iibereinstimmend. 52 Schuppen um die Rumpfmitte, 15 Schuppen kommen auf Kopilange, in Rtickenmitte gemessen, 2 Analporen. Lange der Hinterextremitat gleich der Entfernung von den Weichen bis knapp hinter die Ohréffnung, Schwanz reichlich anderthalbmal so lang wie Kopfrumpilange. Grundfarbung hellbraunlicholiv, die Pileusmitte etwas dunkler, mit klei- nen dunkelbraunen Fleckchen iiberstreut, die als Fortsetzung eines dunklen Bandes zu deuten sind, das die Occipito-Parietalregion bis zur Schwanz- wurzel durchzieht. Dieses Band entsteht durch eine Braunfarbung der Schup- penkiele und ihrer nachsten Umgebung. In diesem Bande stehen dunkle V-formige Querbinden, deren Spitze nach hinten gerichtet ist und deren Schenkelwinkel nach hinten immer stumpfer und schlieBlich sehr unregel- maBig werden. Die Binden werden auf den Flanken jenseits der hellen, etwa drei Schuppen breiten Supraciliarstreifen durch schmale dunkelbraune Barrenflecke fortgesetzt, die zum Teil in Verbindung stehen. Aui der Ober- seite der Extremitaten einige verstreute dunkle Fleckchen, auf dem Schwanz eine durch Einzelflecke angedeutete Medianlinie, die auf der Schwanz- wurzel mit zwei langgezogenen Querbandern beginnt. Unterseite blaugrau, ohne jede Zeichnung. Variabilitat: In den Merkmalen der Pholidosis stimmen die Exem- plare weitgehend tiberein. Die Zahl der Schuppen um die Rumpimitte schwankt zwischen 48 und 56 (Durchschnitt 52). Auch in der Farbung und Zeichnung sind alle Exemplare sehr ein- heitlich. Bei allen Paratypoiden sind auBer der dunkleren Ténung der Rtickenmitte auch die Flanken dunkler (meist braunlich) getént, so dal die hellen iiberall ziemlich breiten Supraciliarstreifen sehr deutlich heraus- springen. Die Bogenflecke des Riickens sind bei drei Exemplaren hinten hellgerandet und bei einem Tier ziemlich unregelmaBig ausgepragt. Aufl der Kehle zeigt sich bei einigen Exemplaren eine Andeutung von Langs- strichelungen; auBerdem trast die Unterseite bei der Mehrzahl der Tiere einen deutlichen blaugriinen Schimmer. Von den beiden Exemplaren, die ich selbst am FuBe des Cerro Mo- rado fing, zeigt ein Tier die gleiche typische Zeichnung, wie sie oben be- schrieben wurde. Das zweite Exemplar stellt Sewissermafen eine ,,concolor- Variante” dar, da bei ihm auBer der blassen Heraushebung der hellen Supraciliarstreifen, die hier drei bis vier Schuppen breit sind, keine Zeich- nungselemente zu erkennen sind. 138 W., Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schréder MaBe: Nr | | Kopfrumpf- | Schwanz- Kopt- Kopi- Kopt- Vorder- | Hinter- Fuf ‘ lange lange lange breite | hdhe bein bein be DiGit947 leceaw al oor (88) 155°] 11,5-| 9 | 21 36 19 217/47a | > erw. 57 96 14,5 le 8 20 30 18 217/47b | QO erw. 50 92 13 9 7 | 19 33 16 Liolaemus buergeri Werner Terra typica: ,Planchon, Cordillera de Curico, Chile”. Liolaemus buergeri Werner, 1907, in Biirger, An. Univ. Chile, Santiago, S. 6, Taf. I, Fig. 1. Muller und Hellmich, 1935, Zool. Anz. 109, S. 122, Abb. 1—2. Vorliegendes Material: 89 Exemplare. Zool. Staatss, Mitinchen Nr. Alter u. Geschlecht Fundort Fundzeit |. Sammler 16/1933 1. erw. Cuesta Vergara Schroder a ee 2400 m 17/1933 a—i 3 0'0", 3 © O,7 3 juv. VERE A00 menlecontese ; 18/1933 a—g 2 6'0',3 9 Cerw. Bafios de Fierro | 28.1. 33 z 2 2 9 hibw 2700 m 19/1933 1 oS erw. Pampas vor den | 26.1. 33 x Bafios de Azufre 2600 m 20/1933 a—o DS MLO Satie oe ARE SS . 21/1933 a—n 5 o'0',8 OV erw Dialers 4 22/1933 a—o 4 oo, 11 9 Qerw, 4juv Hp Ne SS ‘ 23/1933 a—I 309'0',5 9 0 erw. 3 juv = 28.1. 33 4 8d, 30 Y erw. es 26 bis ‘i 179/1947 a—f g aS ee : eek ‘ , 1 Q jung 7 11 Zu den interessantesten Ergebnissen der Sammlungstatigkeit W. Schr6- der's gehort die Wiederauffindung des von Biirger erstmalig gesammel- ten und von F. Werner beschriebenen Liolaemus buergeri. Da die Erst- beschreibung aber mangelhaft war, gaben wir (Mitiller u. Hellmich 1935) eine eingehende Beschreibung einiger erwachsener Tiere dieser Art. Das von W. Schréder gesammelte Material ist nicht einheitlich, Merkwitirdiger- weise unterscheiden sich die Tiere von der Cuesta Vergara und den Bafios de Fierro von den Exemplaren aus der Pampa de Azufre durch bedeu- tendere GréBe und ihren gedrungeneren Habitus. Die noch restlich vor- liegenden sechs Exemplare, die in die Besprechung der Variabilitat 1935 nicht eingeschlossen waren, gehéren der kleineren und etwas schlankeren Form an. Die Durchschnittsgré8e der 4 vollerwachsenen Exemplare betragt 66,7 mm gegeniiber 80,5 mm Durchschnittsér6Be der Tiere von den Bafios de Fierro und 93,8mm der Tiere von der Cuesta de Vergara. Die Zahl der Schuppen um die Rumpfmitte schwankt zwischen 73 und 76 (Mittel- wert 74.) In der Variabilitat der Pholidose und der Farbung und Zeichnung W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder 139 schlieBen sich die sechs vorliegenden Exemplare eng der bereits friiher besprochenen kleinen Form an, Die Grundfarbe ist hellolivgrau, Pileus und Schwanz zeigen eine mehr braunliche Ténung. Occipital- und Temporal- bander bestehen meist aus eng miteinanderverflochtenen dunkelbraunen unregelmaBigen Querbarren, die sich bei einigen Exemplaren in Form ab- gerundeter Fleckchen iiber die sonst ungezeichnete Region des Supraciliar- streifens fortsetzen. Die hellgraue Unterseite neigt bei drei Tieren zu einer leichten Verdunkelung, die dadurch entsteht, daB — vor allem in der Bauch- mitte — die Basis der Schuppen angeschwAarzt wird. Leider sind seit unsrer ausfiihrlichen Beschreibung keine weiteren Exemplare von L. buergeri bekannt geworden, so da die Frage, ob es sich bei den beiden Formen nur um eine Standortsmodifikation oder um geo- sraphische Rassen handelt, leider noch nicht gelést werden kann. Die Unter- suchung dieser Frage ware hier besonders reizvoll, da es sich bei dem Areal von L. buergeri um ein von mineralischen Quellen reich durchsetztes vulkanisches Gelande handelt, das vielleicht in irgendeiner Weise mit der erstaunlichen Variation in Zusammenhang stehen k6nnte (v¢l. S. 182). Fir spatere Vergleiche ftthre ich noch die MaBe von drei Exemplaren auf: MaBe: eee ca Kopflange | Kopfbreite | Kopfhéhe | Vorderbein | Hinterbein FuB Oo erw. 68 96 15,5 14,5 11 : 24 42- 20 © erw. 66 101 15 L3}S) 10 22 37 18,5 _| Q erw. 67 107 14,5 13 oS 23 38 19,5 Liolaemus chiliensis (Lesson) Terra typica: ,,Talcahuano", Calotes chiliensis Lesson, 1831, in Duperry, Voyage Coquille, Zool. Il, part. 1, S. 36, Tafel 1, Figur 2. Liolaemus chiliensis Hellmich, 1934, Abh.N. F. 24, S. 17, Taf. I, Fig. 3. Hellmich, 1938, Zool. Anz, 124, S. 237. Vorliegendes Material: 14 Exemplare. Zool. Staatss. Mtinchen N Alter u, Geschlecht Fundort Fundzeit} Sammler ie, 114/1948 a—e 4 oo erw. Rio Claro-Tal aay Scimides ] 1 © erw. 900 m Zhi 210/1947 1 of hibw. Rio Claro-Tal St) 133\|)- Schroder : 1200 m oo 61/1933 a—f 3 O° erw. Villarica-See AB tle BZ Schroder 2c co nicht vollig erw. Lavafeld am Wp Se Schroder 1 ovnicht vollig erw. Villarica 1200) mi ey 62/1988 ac 1 ofserw: Mamuil-Malal 5.2.32 | Schréder 2 OY erw. Bei saémtlichen aus dem Rio Claro-Tal stammenden Exemplaren ist 140 W, Hellmich; Die Eidechsen der Ausbeute Schroder das Frontale geteilt, die Zahl der Schuppen um die Rumpfimitte schwankt zwischen 26 und 32 (Mittelwert 30), die Zahl der Analporen betragt zwei. Ein Mannchen (Kopfrumpf-Lange 81 mm) ist beinahe zeichnungslos, nur ganz schwach heben sich zwei hellere Supraciliarstreifen ab, an deren Innen- rand einige wenige Schuppen der Riickenpartie eine dunkle braune Spitze tragen. Die drei anderen erwachsenen Mannchen zeigen eine aus einer dunkelbraunen Marmorierung zusammengesetzte Fleckenzeichnung, aus der die Supraciliarstreiien ausgespart sind. Die Unterseite samtlicher Exem- plare ist zeichnungslos. Die Exemplare vom Villarica-See und von Mamuil-Malal wurden be- reits friiher besprochen (1938). Der etwas héhere Mittelwert der Schuppen um die Rumpfmitte, der hier bei 32 liegt gegentiber 27 bei den Exemplaren aus Mittelchile, deckt sich mit der gleichen Erscheinung bei anderen Arten und Rassen der Gattung Liolaemus, deren Verbreitungsgebiete sich aus der Steppen- in die Urwaldregion erstrecken. Liolaemus fuscus Boulenger Terra typica: ,,Valparaiso”. Liolaemus fuscus Boulenger, 1885, Cat. Liz. II, S. 144, Taf. X, Fig. 2, Hellmich, Abh. INDE Se S04 (ene lee, ¥/- Vorliegendes Material: 5 Exemplare. Zool.Staatss. Miinchen Herp. Nr. 203/!947 a—e | 2 oo", 1 hibw. Alter u. Geschlecht Fundort Fundzeit | Sammier La Serena, 150m | 11.1. 33 Schroder 14 Coquimbo 30.12.32] Schréder 1 hlbw, La Patagua bei 20.9.32 | Schréder La Ligua, Kiisten- kordillere Papudo und Zapallar waren bisher die nérdlichsten Fundorte von L. fuscus-Exemplaren unsrer Sammlung. Der von Werner beschriebene L. erythrogaster (1898), den wir (Miller u. Hellmich 1933) fir identisch mit L. fuscus erklarten, stammte von Coquimbo. Die Exemplare aus der Sammlung Schréder bestatigen das Vorkommen dieser meist nur in ge- ringer Individuendichte lebenden Liolaemus-Art am nordlichsten Rande der Strauchsteppe. Bei den vorliegenden Exemplaren ist die Kielung der Temporalia zuweilen ziemlich schwach. Die Zahl der Schuppen um die Rumpfimitte liegt ein wenig niedriger (44-45-47) gegeniiber mittelchilenischen Tieren (47-50). Der fiir diese Art charakteristische dunkle Vertebralstrich ist bei allen fiinf Exemplaren deutlich ausgepragt. Von einer Rotfarbung des Bauches, die Werner fiir seinen erythrogaster auffihrt, ist nichts — oder zum mindesten nichts mehr — zu sehen. ve a FuB MaBe: Kopfrumpf- | Schwanz- lange lange Kopflange | Kopfbreite | Kopfhohe W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder 141 Liolaemus lemniscatus Gravenhorst Terra typica: ,,Valparaiso". Liolaemus lemniscatus Gravenhorst, 1838, Nov. Act. 18, 2, S. 731, Tafel 54, Figur 12. Hellmich, 1934, Abh. N, F.S 29, Tafel I, Figur. 6. Vorliegendes Material: 39 Exemplare. Zool. Staatss. Miinchen Alter u. Geschlecht Fundort Fundzeit |} Sammler Herp. Nr. 199/1947 a—f | ot, 312 © Manquehue, 12.2.33 | Grandjot Aig || Savatieso, 10 im J 200/1947 a—l 392 Rio Claro-Tal 31, 1.33 | Schroder 900 m Le, 1 QOD Rio Claro-Tal ae 250m : a 201/1947 a—n 4Agd,7 22 Los Quefies (Curic6)} 22. 1.33 | Schroder 2 hlbw. 700—1 400 m, bes. 1000 m 202/1947 a—i 25'0,792 La Serena, 150m | 27. 12. 32 | Schréder Die Variabiitat von L. lemniscatus konnte an Hand eines sehr groBen Materials (289 Ex.) ausftihrlich besprochen werden (Hellmich 1934); auch bei /emniscatus scheint die Zahl der Schuppen um die Rumpfmitte in stid- licher Richtung wenigstens etwas anzusteigen (vergl. S. 34). Bei den Tieren von Los Quefies betragen die Werte 39-43-46, bei den hier vorliegenden Exemplaren von Mittelchile 39-40-43, bei den Belegstiicken von La Serena 39-41-44, Die Vermutung, daB lemniscatus etwa die Grenze der Strauch- steppenregion einhalt, hat sich durch den neuen Fundort La Serena besta- tigt: die ndrdliche Grenzz dieser Region liegt auf der Breite von Coquimbo- La Serena (Hellmich 1933). Liolaemus leopardinus leopardinus Miiller und Hellmich Terra typica: ,Fierro Carrera (Rio San Francisco, Massiv des Cerro del Plomo), 2700 m, Mittelchile.” Liolaemus leopardinus leopardinus Miller und Hellmich, 1933, Zool. Anz. 97, S. 309, Fig. 1. Hellmich, 1934, Abh. N. F., S, 96, Taf. II, Fig. 5. Vorliegendes Material: 6 Exemplare. Zool.Staatss. Mitinchen Herp. Nr. Alter u. Geschlecht Fundort Fundzeit | Sammler 2041947 1 O erw. Potrero Grande | 25, 2, 33 Schroder mit Jungtieren 2200 m Ale Bose 205/1947 a—e DOGS, 2 Q2® Potrero Grande 25, bis Schroder | 1 Y hlbw. 2200 m 26. 2. 33 Die vorliegenden Exemplare vom Potrero Grande 4hneln sehr stark den Tieren von Fierro Carrera. Im Schuppenkleid {allt die ziemlich haufige starke Aufspaltung der Schilder in der Frontal- und Interparietalregion sowie die schwache Kielung der Temporalia auf. Die Temporalia zeigen 142 W. Hellmich: Die Eidechsen der. Ausbeute Schroder meist nur sehr stumpfe Kiele, die nicht die gesamte Lange der Schuppen durchziehen. Am Vorderrand der Ohréffnung stehen 2—3 verrundete Auri- kularschiippchen. Zahl der Schuppen um die Rumpfmitte 74-78-84, Schup- pen auf Kopflange 22-23-25, 4 Analporen. Auch in der Farbung und Zeichnung stehen sie den topotypischen Exemplaren am nachsten. Ihr Gesamtkolorit ist ein wenig dunkler, bei zwei Exemplaren mehr ins Blaugrtine spielend. Die dunkle Strichelung und Fleckung deckt sich mit der Zeichnung der Paratypoide, nur ist die dunkle Vertebrallinie bei allen Exemplaren vorhanden. Bei dem halbwiichsigen Exemplar sind die dunklen Flecke kleiner, so da eine Annaherung an den Zeichnungstyp der ramonensis-Rasse festzustellen ist, wahrend ein erwach- senes Weibchen durch schwache Unterdrtickung der Zeichnungselemente und Dunkelfarbung der Flanken eher zu den Exemplaren von Lo Valdes (valdesianus-Rasse) tiberfthrt. Die Exemplare vom Potrero Grande vermitteln somit zwischen der. etwas nordlicher lebenden Nominatform einerseits, der ramonensis- und valdesianus-Rasse andrerseits. Ich stelle sie zur Nominatform, halte aber eine weitere Uberpriifung der Variabilitat der Zeichnung gerade hier fur unerlaBlich und besonders reizvoll. Das erwachsene Weibchen 204/1947 tragt fast schlupfreife Jungtiere - im Leib (vergl. S. 171). Liolaemus leopardinus valdesianus n. ssp. Tafel XII, Figur 28, 29. Terra typica: ,,Lo Valdés, Morales, Volcan-Tal (Hochkordillere von Santiago) Vorliegendes Material: 9 Exemplare. tb ‘ Zool, Staatss. Miinchen Alter u. Geschlecht Fundort Fundzeit| Sammler Herp. Nr. 206/1947 ow erw. Lo Valdés, Morales,} 13.3.33 | Schréder Typus Volcan-Tal, 2300m 207/1947 a—h 8 OQ Lo Valdés, Morales,} 11. bis Grandjot Paratypoide Volcan-Tal,2300m] 13.3.33 | Schréder Diagnose: Eine Rasse von Liolaemus leopardinus, die sich von der Nominatform durch Zeichnungsmerkmale unterscheidet. Die aus rundlichen, zuweilen ocellenartigen Flecken bestehende Zeichnung, die uns veranlabte, - der Nominatform den Namen ,,leopardinus" zu geben, ist hier fast vollig zuriickgebildet und zumeist durch eine schwache, hinten hell gesaumte Quer- banderung ersetzt, auBerdem sind die Flanken mit dunkelbraunen, meist miteinander verschmolzenen Barrenilecken besetzt. Beziehungen: L.leopardinus-Exemplare vom Potrero Grande scheinen durch gleitende Variabilitat zu der neuen Rasse iberzuleiten, die dunkle Flankenténung ist bereits bei der ramonensis-Rasse angedeutet. Beschreibung: Typus, ¢ erw., (Zoologische Staatssammlung Mtinchen Herp. Nr. 2060/1947), Lo Valdés, Morales, Volcan-Tal, 2300 m, 13. 3, 1933, Schréder leg. Im Habitus und in der Pholidose ahnelt der Typus der Nomi- natform, so dafB sich eine langere Beschreibung eriibrigt. Die Beschilderung W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder 143 des Kopfes besteht aus ziemlich vielen kleinen Schildchen, Frontale auf- geteilt, Interparietale etwas groBer als die Parietalia, fiinf vergréBerte Supra- ocularia, Temporalia zum Teil mit stumpfen Kielen, Aurikularschiippchen nur schwach ausgeprast. 75 Schuppen um die Rumpimitte, 22 Schuppen kommen auf Kopilange, in Riickenmitte gemessen, drei Analporen.Lange der Hinterextremitat gleich der Entfernung von den Weichen bis knapp hinter die Ohr6finung. Der an der Spitze regenerierte Schwanz ist reichlich anderthalbmal langer als Kopfrumpflange. Grundfarbe olivbraun, Pileus durch braune Fleckchen auf den Einzel- schildern etwas dunkler erscheinend. Auch auf der iibrigen Oberseite tragen die Schilder in verschiedenem AusmaBe dunkelbraune Fleckchen, die meist an der Schuppenbasis beginnen und dem Kiel folgen, so dafi eine undeut- liche Zeichnung zustandekommt, aus der eine Anordnung zu dunkleren, leicht gebogenen, hinten nur schwach hellgesaumten Bandern zu erkennen ist. An den Flanken stehen dunkelbraune Querbarren, die nur in der Rumpf- mitte durch einige hellere, in senkrechten Reihen stehende Schiippchen getrennt sind, sonst aber miteinander verschmelzen. Oberseite der Extre- mitaten mit unregelmaBig verstreuten dunkleren Fleckchen. Auf der Schwanz- wurzel ist eine undeutlich ausgepradgste, aus Stricheln zusammengesetzte Langslinie zu erkennen. Schwanz mit dunkelbraunen, zu unregelmafigen Wirteln angeordneten Flecken, der regenerierte Teil mit zwei dunklen Langsstrichen. Unterseite hellolivgrau, mit blaSblaugrauer Langsstrichelung auf der Kehle und Wolkuns auf Bauch und Brust. Variabilitat: In der Pholidosis ist die Variabilitat gering. Die Schilder der vorderen Kopiregion sind immer stark aufgeteilt, die Temporalia sind -meist nur sehr schwach und immer nur stumpf ¢gekielt, Aurikularschiipp- chen nur auferst selten vorhanden. Schuppen um die Rumpimitte 74-78-83, auf Kopflange 19-21-22. Auch die Farbung und Zeichnung ist bei den sodiecenden Exemplaren tberraschend einheitlich. Die Abweichungen beziehen sich lediglich auf eine mehr oder weniger deutliche Neigung zu Querbanderung, die entweder fast ganz zurticktreten oder aber ziemlich klar ausgepragt sein kann, wo- bei die gebogten Binden nur eine oder auch mehrere Schuppen breit sein konnen. Die hellen Saume an den Hinterrandern der Bogenfiecken treten nur bei wenigen Exemplaren und auch dann nur schwach auf. Die Striche-_ lung der Kehle und die dunkelblaugraue Wolkung der iibrigen Unterseite kann so dicht sein, daB von der hellen Grundfarbe nur noch wenige helle miteinander verilochtene Schnérkellinien iibrigbleiben. MaBe: Schwanz- | Kopf- | Kopf- | Kopf- ; : : lange lange Jange } breite hohe Vorderbein Hinterbein (137) 7 12,5 (127) 18 12 135 16 12 Syl 16 12 144 W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schréder Liolaemus lorenzmiilleri n. sp. Tafel XII, Figur 26, 27 Terra typica: ,Nueva Elqui, 2300 m, Nordchile”, Vorliegendes Material: 8 Exemplare. | Z001,Staatss. Miinchen Alter u. Geschlecht Fundort Fundzeit | Sammler Herp. Nr. 208/1947 | 1 o& erw. Nueva Elqui 5,112.32 Schroder Typus 2300 m 108/1947 1 o erw. Nueva Elqui Sil Se Paratypoid 2300 m 109/1947 a—e 3 oo hibw. Nueva Elqui Sy WS Paratypoide 2 OQ erw. 2300 m 110/1947 1 o erw. Rio Seco 6. 1,32 Paratypoid 3200 m Schréder Schroder Schroder Aus héheren Lagen des ,,Kleinen Nordens", dem Tale des Rio Elqui, brachte Herr Schréder eine Reihe von Exemplaren mit, die habituell so- wie in der Ausbildung des Schuppenkleides etwa zwischen L. altissimus und L. leopardinus einzuordnen sind. Leider liegt mir nur dieses Material von einem einzigen Querschnitt durch die Kordillere, etwa in der Breite von Coquimbo vor, so da eine Einordnung in diese beiden Rassenkreise auBerordentlich erschwert ist. Es besteht durchaus die Méglichkeit, daf wir in dieser Art vielleicht den Nachfolger einer Ausgangsform fiir beide Rassenkreise vor uns haben, aus der sich der eine Rassenkreis auf diese, der andere auf jene Merkmale spezialisierte. Eine Aufklarung kann erst dann gewonnen werden, wenn uns Stichproben aus dem reichlich drei Breitengrade umfassenden Zwischensttick der Hochkordillere etwa zwischen Santiago und Coquimbo vorliegen. . Ich benenne diese Art nach meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Lorenz Miller. ; Diagnose: Eine mittelgroBe Art der Gattung Liolaemus, die sich durch ziemlich breite, nur schwach gekielte Riickenschuppen, durch nur wenig verkleinerte Seitenschuppen, durch granulare Halsseitenschuppen und durch eine relativ ¢eringe Zahl der Schuppen um die Rumpfmitte auszeichnet. Temporalschuppen nur schwach oder kaum gekielt, drei bis vier Anal- *poren. Auf hellbrauner Grundfarbe dunkelbraune Spritzflecke, die sich bei jiingeren Tieren zu nur schwach erkenntlichen Querbandern oder Verte- brallinien anordnen k6nnen. Beziehungen: Die neue Art steht habituell und in ihrer Pholidosis zwischen Liolaemus altissimus und L. leopardinus. Altissimus hat in seiner nordlichsten Rasse eine etwas geringere Schuppenzahl um die Rumpfmitte (Durchschnitt 51), Jeopardinus eine grofere (78), in der Gestalt und Gréfe ahneln die Rtickenschuppen von /orenzmiilleri mehr denen von leopardinus, die granulare Beschuppung der Halsseiten sowie die héhere Zahl der Anal- poren weisen ebenfalls auf /eopardinus. In der Neigung zur Ausbildung W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder 145 einer Spritzfleckung nach Art einer Pfeffer-Salz-Zeichnung dhnelt die neue Art dagegen eher L. altissimus. Beschreibung: Typus, ¢ erw., Zoologische Staatssammlung Miinchen Herp. Nr. 208/1947. Nueva Elqui, 2300 m. Habitus nicht ganz so gedrungen wie die leopardinus-Rassen aus der Santiaguiner Umgebung, etwas kleiner. Rostrale knapp zweimal so breit wie hoch. In der Mitte der vorderen Kopfregion ein unpaares Schild, das von vier paarigen umstellt ist. Fron- tale durch zwei quergeteilte Schilder und ein winziges Schildchen vom Interparietale getrennt, das kleiner ist als die Parietalia. Jederseits vier vergroBerte Supraocularia, das zweite von vorn ist das gréfte. Temporalia mit sehr stumpfem Kiel. Vorderrand der Ohréffnung rechts mit zwei kleinen, links ohne Aurikularschiippchen. Halsseiten stark gefaltet, die Schuppen granular und viel kleiner als die gekielten Schuppen des Nackens. Riickenschuppen etwa so lang wie breit, geschindelt, deutlich gekielt, ohne Dorn. Seitenschuppen nur wenig an GréBe, rasch aber an Starke der -Kielung abnehmend. Bauchschuppen geschindelt, glatt, etwas breiter als lang, kiirzer als die Riickenschuppen. Schuppen der Oberseite der Ober- und Unterschenkel ahnlich denen des Rtickens, scharf gekielt. Hinterseite der Oberschenkel einf6rmig granular. Schuppen der Schwanzoberseite hinter der Schwanzwurzel rhombisch, mit diagonal durchlaufendem Kiel, nur schwach geschindelt. Schuppen der Schwanzunterseite von ahnlicher Ge- stalt, zunachst ungekielt, nach dem Schwanzende zu gekielt, die Kielung nimmt in der Richtung zum Schwanzende zu. 54 Schuppen um die Rumpfmitte, 15 Schuppen kommen auf Kopflange, in Riickenmitte gemessen, drei Analporen. Lange des Hinterbeins gleich der Entfernuing von den Weichen bis knapp hinter die Ohréffnung. Schwanz regeneriert. Grundfarbe hellbraun, Pileus etwas heller, mit einigen dunkelbraunen Fleckchen. Die tibrige Oberseite mit Ausnahme der Extremitaten und des Schwanzes ist mit kleinen dunkelbraunen Fleckchen tiberstreut, die da- durch entstehen, daB die Basis der Schuppe sich zu verdunkeln beginnt. Da diese Verdunkelung, die verschiedenweit geht, alle Schuppen betrifft, entsteht eine Art von Pfeffer-Salz-Zeichnung. Nur auf dem Nacken sind Andeutungen einiger Langsstriche zu erkennen. Auf der Oberseite der Extremitaten sind nicht alle Schuppen gleichmaBig verdunkelt, so daf hier eine unregelmaBige Fleckung und Banderung entsteht. Unterseite hellgelblich braun, auf der Kehle etwas dunklere Wolkung, auf Brust und Bauch einige dunkle Strichelfleckchen, die sich in der Mittel- linie als Langsstrich, auf den Seiten als unregelmaBige Querstrichel anord- nen. Analpartie und Schwanzunterseite zeichnungslos. Variabilitat: In der Anordnung der Kopfschilder auf der vorderen Kopfregion umstehen vier paarige ziemlich regelmaBig gebildete Schilder eins bis drei unpaare, wobei sich in der Mehrzahl der Falle nur ein un- paares findet. Das Frontale ist meist ungeteilt und durch ein Schilderpaar vom meist ziemlich kleinen Interparietale getrennt. Die Temporalschilder Veréff, Zool. Staatssamml. Miinchen I, 1950 10 146 W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder sind in der Regel so gut wie ungekielt, die Schuppen der Halsseiten ver- lieren rasch an GrdBe und sind zuweilen fast granular. Die Zahl der Schuppen um die Rumpfimitte schwankt zwischen 54 und 61 (Durchschnitt 60}, die Zahl der Schuppen auf Kopflange, in Riickenmitte gemessen, zwischen 13 und 16. Die Seitenschuppen sind oft deutlich kleiner als die Riicken- und Bauchschuppen. Drei bis vier Analporen. Farbung und Zeichnung variieren nur wenig. Die Paratypoide sind durch das Verpackungsmaterial blaugriin verfarbt, bei einigen Exemplaren haben vor allem die Schwanze eine dunkelblaugriine Farbe angenommen. Die Grundfarbe dieser Tiere ahnelte sicher der des Typus. Die Zeichnung beruht standig auf dem gleichen Prinzip: die Basis der Schuppen ist dunkel- braun getont, durch Ausbreitung der dunklen Ténung auf bestimmte Schuppen- reihen kénnen Andeutungen einer Langs- oder Querstreifung oder beider zugleich entstehen. Diese Streifungen oder Banderungen sind aber nur im- mer schwach ausgepragt. Meist kommt nur eine einfache Pfeffer-Salz-Zeich- nung zustande. Der Bauch ist bei allen Exemplaren mit dunklen Spritz- flecken oder kurzen Schnérkeln gezeichnet. Das rund 1000m héher gefangene Mannchen vom Rio Seco dhnelt sehr stark dem erwachsenen Mannchen von Nueva Elqui (108/1947), ihm fehlt lediglickh die dunkle Medianlinie auf dem Bauch, und die Schnérkelflecke sind hier mehr als Querbander ausgeprast. MaBe: Nr Kopfrumpf-] Schwanz- | Kopf- | Kopf- | Kopf- lange lange lange | breite hohe Vorderbein | Hinterbein 208/47 79 (105) | 19 108/47 75 151 17,5 109/47 d 57 (83) | 12,5 110/47 67 125 | 15,5 Liolaemus monticola chillanensis Miiller und Hellmich Terra typica: ,,fermas de Chillan, 1700 m”. Liolaemus monticola chillanensis Miiller und Hellmich, 1932, Zool. Anz, 99, S. 183, Figur 2, Hellmich, 1934, Abh. N, F. H. 24, S. 92, Tafel II, Figur 7. Vorliegendes Material: 10 Exemplare. Zool, Staatss. Miinchen Alter u. Geschlecht Fundort Fundzeit | Sammler Herp. Nr. 198/1947 a—k 3 do erw. Volcan Chillan 1522:.33 Matthei 7 0'o hibw. Ex. ca, 2200 m 1 Jungtier Die von Matthei am Chillan gesammelten Exemplare sind leider nicht sehr gut erhalten, sie lagen offenbar in Formalin und erscheinen stark ge- schwarzt. Sie ordnen sich v6llig in die friiher besprochene Variabilitat ein (Hellmich 1934). Die Schilder der vorderen Kopfregion sind teils regel- maBig, teils unregelmaBig angeordnet, das Frontale teils geteilt, teils unge- teilt, Die Temporalschuppen sind immer glatt, Aurikularschiippchen fehlen. W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder 147 Der Unterschied in der Kielung der Riickenschuppen zwischen 36 und QQ ist auch hier deutlich. Die Seitenschuppen sind in der Seitenmitte oft auBer- ordentlich klein, zuweilen fast granular. Schuppen um die Rumpfmitte 80- 84-90. Die Analschuppen sind nur auSerordentlich schwer sichtbar. Soweit sich die Zeichnung noch erkennen 1laBt, besteht sie aus einem dunklen, nach oben welligen Temporalband und aus verstreuten Flecken auf dem Riicken, die nur bei einem halbwiichsigen Tiere als Langsstrichel, bei den anderen Exemplaren — falls tiberhaupt vorhanden — jedoch als rundliche, unregelmaBig verstreute Fleckchen ausgebildet sind. Nur bei wenigen Exem- plaren sind hellblaulichgriinliche Flecke zu erkennen. Die Unterseite er- scheint bei den meisten Tieren dunkelblaugrau, nur bei wenigen Enon plaren sind Andeutungen von Strichelflecken zu erkennen. Zweitellos liegt in L. m. chillanensis eine ziemlich stark von der Nomi- natform abgeanderte Rasse vor, wobei sich die Unterschiede auf eine Reihe von Merkmalen beziehen. Der Sprung ist ziemlich gro8 und wird durch die Ausweitung des Verbreitungsgebietes der Nominatiorm (s. u.) raumlich noch ziemlich eingeengt. Es ware auch vom Standpunkt der Evolution auBerordentlich interessant, Belegstiicke aus dem zwischen der Kordillere von Curicé und dem Volcan Chillan gelegenen Andengebiet zu erhalten — etwa vom Descabezado oder Volcan San Pedro —, um zu iiberpriifen, ob es sich um eine kontinuierlich beginnende oder um eine pl6tzlich einset- zende sprunghafte Variation handelt. Das zweifellos zu L. monticola geho- rende Exemplar, das Herr Prof. Dr. W. Goetsch vom argentinischen Vol- can Copahue mitbrachte, ist leider ein Unicum, so. da8 sich iiber seine Stellung innerhalb des Rassenkreises nicht viel aussagen 1a4Bt. Habituell scheint es der nordlichen Form, in der Pholidosis der chillanensis-Rasse naher zu stehen, dartiber hinaus zeigt es aber auch ihm eigentiimliche Merkmale, die vor allem auf einer offenbar starkeren Neigung zum Mela- nismus beruhen. MaBe: = aces Kopflange | Kopfbreite | Kopfhoéhe | Vorderbein oe Hinterbein | Fu 198/47 ag 79 (88) 198/47 bs 76 115 Liolaemus monticola monticola Miiller und Hellmich Terra typica: ,,Tal des Rio de San Francisco, ca. 1700 m (Mittelchile)". Liolaemus monticola monticola Miller und Hellmich, 1932, Zool. Anz. 99, S. 177, Fig. 1. Hellmich, 1934, Abh. N. F. Heft 24, S. 87, Taf. II, Fig. 6. Vorliegendes Material: 4 Exemplare. Zool. Staatss. Miinchen Herp. Nr. 197/1947 ; Los Quefies 22. 1. Schroder Alter u. Geschlecht Fundort Fundzeit Sammler Los Cipreses", Pile Schréder Rio Teno-Tal 900 —1400 m 10° 148 W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder Aus der Kordillere von Curicéd liegen vier weibliche Exemplare vor, die sich im Schuppenkleid wie in der Farbung in das Variationsbild der Santiaguiner Exemplare einordnen. Der Kopf ist meist sehr regelmafig be- schildert, die einzelnen Schilder sind ziemlich gro. In der vorderen Kopi- region sind meist vier paarige Schilder um zwei unpaare angeordnet, das Frontale ist meist gro8 und ungeteilt, drei deutliche vergréBerte Supraocu- laria. Die Temporalschuppen tragen zwei deutliche, oft aber nur sehr stumpfe Kiele, zum Teil bis zu drei Kielen auf einem Schild. Ein kleines Tympani- cum, die Zahl der Aurikularschiippchen, die meist eng zusammenstehen, schwankt zwischen 0 bis 3, zuweilen bei vollig verschiedener Auspragung auf beiden Seiten. 62-63-66 Schuppen um die Rumpfmitte. Die Grundfarbung ist hellbraunlich bis olivgrau, die schwarzlich brau- nen Flecke der Flanken sind mehr oder weniger stark ausgepragt und zum Teil bandartig miteinander verschmolzen, die hellgriinlichgelben Spritzfleck- chen haufen sich vor allem auf den Flanken. Unterseite hellgelblichgrau, nur auf Kinn und Kehle Andeutungen einer blaSgrauen Strichfleckung. Mit der Auffindung dieser Exemplare erweitert sich das Verbreitungs- gebiet der Nominatform von L. monticola, die bisher nur aus der Kordillere von Santiago bekannt war, ganz bedeutend. Besonders interessant ist der Umstand, daB die Angehérigen dieser Art hier, rund zwei Breitengrade stidlicher, noch vollig identisch mit der Nominatform zu sein scheinen, wahrend Artangeh6rige, die vom Chillan stammen — der wiederum zwei Breiten- grade siidlicher liegt — bereits eine besonders gut charakterisierte geo- sraphische Rasse darstellen (m. chillanensis). Nach Martin (1923, S. 115) ist der Mataquito, dessen n6rdlichen Quellilu8 der Rio Teno bildet, der stidlichste Flu8 Chiles, der noch groBe sommerliche Anschwellungen auf- weist und damit einen Klimacharakter anzeigt, wie er fiir die Kordillere yon Santiago und damit fiir die Strauchsteppenregion typisch ist, wahrend die Umgebung des Chillan bereits in das wesentlich feuchtere Gebiet der Urwaldregion gehért (vergl. Hellmich, 1933, S. 215). MaBe: Nr Kopfrumpf- | Schwanz- Kopfli Ranieees Kopthél derheinileEl bej 5 ienee famed opflange optbreite opthéhe | Vorderbein | Hinterbein 197/47aQ 62 (74) 14 11 8,5 20 35 17 197/47 b2 55 88 12 10,5 8 14 34 17 | Liolaemus monticola villaricensis Miiller und Hellmich Terra typica: ,Volcan Villarica, 1400 m, Stidchile”. Liolaemus monticola villaricensis Miiller und Hellmich, 1932, Zool. Anz. 99, S. 189, Abb. 3. Hellmich, 1934, Abh. S. 94, Taf. I], Fig. 8.1938, Zool, Anz, 124, S, 246. W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder 149 Vorliegendes Material: 17 Exemplare. Zool. Staatss. Mtinchen Herp. Nr. 95/1933 a—g Alter u. Geschlecht Fundort Fundzeit| Sammler 4 Q 9 erw., 1 Q hibw. Lavafelsen am 10.1.32 | Schréder Villarica, 1000 m Schroder NY Ne a fy 12 Q 2 hlbw. 1200 m 10. 2. 32 96/1933 a—k 4 O° erw. Volcan Villarica, | 10.2.32 | Schréder 6 2 O hibw. 1400 m Die VergroBerung unsres Materials dieser bisher als stidlichste Rasse bekannten monticola-Form war besonders willkommen, da sie eine Uber- prufung der am Originalmaterial (7 Exemplare) festgestellten Rassenmerk- male erlaubte. Die Variabilitat wurde bereits an anderer Stelle (Hellmich, 1938) ausfiihrlich besprochen. Die in gleicher Weise wie bei L. altissimus _araucaniensis vorgefundene Erhéhung der Schuppenzahl bestatigte sich auch hier, ihre Zahl erhdhte sich sogar noch betrachtlich (Hellmich 1934: 82 bis 89, 1938: 85-88-95). Die hier ebenfalls sich einstellende Verdunkelung des Gesamtkolorits kommt im wesentlichen durch einen Nigrismus zustande. Liolaemus nigromaculatus atacamensis Miller und Hellmich Terra typica: ,Atacama, nordéstlich von Copiap6” Liolaemus nigromaculatus atacamensis Miller und Helimich, 1933, Zool. Anz. 103 S, 129, Fis: 1, 2, Hellmich, 1934, Abh. N. E. 24, S. 50, Taf. I, Fig. 12, 13. Vorliegendes Material: 18 Exemplare. Zool, Staatss. Munchen tor a Goechlocht Herp. Nr. | | Fundort Fundzeit | Sammler 113/1947 a—b 1 & erw. Vicufia, Elqui-Tal, | 7.1.33 | Schréder 1 QO erw. 700 m 186/1947 a—c 1 O° erw. Vicufia, Elqui-Tal, | 7.1.33 Schroder 2 junge Ex, 700 m 187/1947 a—n 8 oo erw. La Serena 27, 12.32] Schréder 5 OO erw. 150 m lop lil, 1.383 Die erwachsenen Exemplare von Vicufia stimmen véllig mit den bis- her beschriebenen Tieren dieser besonders schénen nigromaculatus-Rasse tiberein. Das Frontale ist bei allen drei Exemplaren langgestreckt und durch eine Schilderreihe vom Interparietale getrennt. Die Kopfbeschilderung macht einen auBerordentlich regelmaBigen Eindruck. Das & hat 53, das erste O 54, das zweite 48 Schuppen um die Rumpfmitte, 14 bzw. 15 Schuppen kommen auf Kopflange in Riickenmitte gemessen. Drei Analporen. Auch der fiir atacamensis charakteristische Sexualunterschied im Farbenkleid kommt deutlich zum Ausdruck. Das ¢ zeigt auf der Oberseite die schénen blauen Spritzflecke, auBerdem eine Spur der urspriinglichen Querbanderung, wie sie fiir junge $¢ noch typisch ist. Die Weibchen tragen auf den Rticken und Seiten vier parallele Reihen dunkelbrauner, nach hinten mehr oder weniger ausgezackter Bogenflecken, die sich bei einem Q nach vorn in dunkle Langslinien fortsetzen und hinten hellgesaumt sind. Die helle Unterseite ist bei beiden Tieren zeichnungslos. 150 W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder Da uns bei der Originalbeschreibung nur erwachsene Tiere vorlagen, lasse ich die Beschreibung der wesentlichsten Merkmale der beiden Jung- tiere folgen. Eines der beiden ist mannlichen Geschlechts (Kopfrump!{-Lange 35mm, Schwanzlange 59mm). Die Kopfbeschilderung ist sehr regelmabig ausgebildet. In der Mitte der vorderen Kopfregion stehen zwei unpaare Schilder, die links von vier, rechts von fiinf Schildern umstellt sind, Auch hier ist das Frontale sehr langgestreckt, zwei kleine Schilder trennen es vom Interparietale. Links drei, rechts zwei Aurikularschtippchen, jederseits ein deutliches Tympanicum, 53 Schuppen um die Rumpimitte. Riickenschuppen deutlich gekielt, ohne Dorn, Seitenschuppen nur wenig kleiner als Rticken- schuppen, drei Analporen. Grundfarbung der Oberseite hellgrau. Vom Hals bis zur Schwanz- wurzel verlaufen iiber den Riicken zehn rotlichbraune, nach hinten ausge- zackte Querbander, die auf der Riickenmitte durch eine helle Zone in der Ténung der Grundfarbung, im Bereich der Supraciliarstreifen durch weil- liche Tropfenflecke unterbrochen sind. Die letzteren sowie eine Reihe hel- lerer Flecke unterhalb des Temporalbandes erwecken den Eindruck einer hellen Langsstreifung. In der Maxillarbandregion stehen dunkelgraue Bogen- - flecke (Offnung des Bogens nach unten). Unterseite hell cee auf den Kehlseiten schwach angedeutete Langsstrichel. Das kleinere Jungtier (Kopfrumpf-Lange 28 mm, Schwanzlange 47 a) mit _regelmaBiger Kopfbeschilderung, mit 53 Schuppen um die Rumpimitte, offen- bar weiblichen Geschlechts, zeigt die fiir erwachsene Weibchen typische Zeichnung. Die dunklen nach hinten ausgezackten Flecke setzen sich aus einem dunkleren braunschwarzen hinteren Teil und einem helleren rotbraunen vorderen Teil zusammen. Auch hier entsteht durch Aussparung in der Occipital-, Supraciliar- und Temporalregion der Eindruck einer hellen Langsstreifung. Der fiir L. nigromaculatus atacamensis charakteristische Sexualunter- schied stellt sich somit erst mit fortschreitendem Alter ein, wahrend sich die Jungtiere mannlichen und weiblichen Geschlechts noch véllig gleichen. Die von La Serena stammenden Exemplare sind ziemlich einheitlich. Die Zahlen der Schuppen um die Rumpfmitte liegen bei den dd bei 50- 51-54, bei den OQ bei 48-49-51. Sowohl die Mannchen wie die Weibchen zeigen durchschnittlich das fiir erwachsene Tiere typische Farbenkleid. ~ Liolaemus nigromaculatus kuhlmanni Miller und Hellmich Terra typica: ,Jahuel bei Los Andes" Liolaemus nigromaculatus kuhlmanni Miller und Hellmich, 1933, Zool, Anz, 103, S. 139, Fig. 5. Hellmich, 1934, Abh, N. F. 24, S. 60, Taf. I, Fig. 17. Vorliegendes Material: 10 Exemplare. Alter u. Geschlecht Fundort Fundzeit| Sammler TouliSinciecininenen Herp. Nr. 181/1947 a—h j O'o hlbw. Coquimbo 30.12.33] Schroder O' erw. La Serena, 150m | 27.12.32 GO ilbw 23, 12.32 W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder 151 Fundort Fundzeit | Sammler 181/1947 a—h : La Serena, 150m | 27.12.32] Schréder s 1 LSS 217/1947 a—b , 28.12.32] Schréder se baal tess Bei den vorliegenden Exemplaren ist die Beschilderung des Kopfes sehr regelmaBig ausgebildet, die Schuppen der Temporalregion sind kaum und nur in der oberen Halfte gekielt, die Aurikularschtippchen, meist drei an der Zahl, sind gut ausgepragt, zum Teil neigen sie zu einer Verschmel- zung, so daB eine zweite, dem Tympanicum ahnliche Schuppe entsteht. Zahl der Schuppen um die Rumpfmitte 48-49-51, auf Kopflange in Rticken- mitte gemessen 10-12-14. Das erwachsene 3 von La Serena (181/47c) ahnelt den von L. n. zapal- larensis beschriebenen QQ; es zeigt zwei deutliche Supraciliarstreifen, die Grundfarbe wird durch ein dunkleres Braun verdrangt, das in der K6rper- mitte am dunkelsten ist. Die tibrigen Tiere zeigen durchschnittlich ein hell- braunes Kolorit. Bei allen Exemplaren sind die Supraciliarstreifen deutlich ausgepragt, sie entstehen dadurch, daB in dieser Region die Schuppen nicht verdunkelt sind. Die Verdunkelung der iibrigen Schuppen geht von der Schilderbasis aus und ftihrt je nach der Starke der Ausdehnung zu einer mehr oder weniger deutlichen Querbanderung. Zum Teil sind die Quer- barren hinten hellgesaumt. Bei drei Tieren ist ein dunkler Mittelstrich an- sedeutet. Liolaemus nigromaculatus zapallarensis Miller und Hellmich Terra typica: ,,Zapallar” Liolaemus nigromaculatus zapallarensis Goetsch, 1933, Forsch. u. Fortsch., S. 66, (n.n.), Miller und Hellmich, 1933, Zool. Anz. 103, S. 137, Fig 4. Vorliegendes Material: 4 Exemplare. Zool. Staatss, Minchen (Mitem cen @eschiccht Fundort Fundzeit | Sammler Herp. Nr. 180/1947 a—c Coquimbo 9.1.33 Schréder (Hafen-Felsen) 1 & erw. La Serena 8.12.32 Schréder 1 QO erw. La Serena 30.12.32] Schroder 181/1947 1 ¥ erw. Zapallar 15. 4. 33 Behn In dem Exemplar von der Terra typica liegt ein typisches, sehr grofes 3d vor. Die Schilder der Frontoparietalregion sind bei ihm etwas unregel- maBig gestaltet. Am Vorderrand der Ohr6ffnung stehen drei groRe spitzige Aurikularschtippchen und ein mittelgroBes Tympanicum. 51 Schuppen um die Rumpfmitte, 12 Schuppen auf Kopflange in Rtickenmitte. Die im Alko- hol hellblauliche Grundfarbung ist auf der Oberseite durch ein tiefes Blau- 152 W. Hellmich; Die Eidechsen der Ausbeute Schroder schwarz bis auf kleine Spritzileckchen verdrangt. Auf der Unterseite ver- laufen tiber Kehle und Brust kurze blauschwarze Langsstrichel. Ein groBer Teil der Bauchschuppen, vor allem an den Flanken und der hinteren Bauch- halfte tragt an der Basis einen dunklen Fleck. Die Unterseite des Schwan- zes ist gelblich getént. Das von den Strandfelsen Coquimbos stammende ¢ ist etwas kleiner und zeichnet sich durch helle, etwa zwei Schuppen breite Supraciliarstreifen aus. Die Grundfarbung ist griinlich. 52 Schuppen um die Rumpfmitte, 14 Schuppen auf Kopflange in Rtickenmitte. Bei den Weibchen fehlt leider eine nahere Biotopangabe. Sie sind noch weniger typisch als das eben erwadhnte ¢ von Coquimbo. Ihre Grund- farbe ist hellgriinlichbraun, die Supraciliarstreifen sind sehr breit und kraf- tig herausgehoben, die dunkle Farbkomponente besteht nicht mehr aus schwarz, sondern einem Braun, das schon stark der Grundfarbe der be- nachbarten Rasse kuhlmanni ahnelt. Offenbar sind beide Rassen durch eine gleitende Variabilitat verbunden, wobei nur die im typischen Lebens- raum (Strandfelsen) vorkommenden Exemplare — und da besonders die erwachsenen ¢¢ — die Rassenmerkmale von L. n. zapallarensis zeigen. Bei den beiden QQ betragt die Zahl der Schuppen um die Rumpi- mitte 47 bzw. 51, die Zahl der Schuppen auf Kopflange in Rtickenmitte 10 bzw. 12. Die zwei bis drei spitzigen Aurikularschtippchen und das Tym- panicum sind deutlich ausgepragt. Bei allen vorliegenden Exemplaren sind nur die Schuppen der oberen Halfte der Temporalregion schwach gekielt. MaBe: Kopfrumpf- lenge Kopflange | Kopfbreite | Kopfhohe | Vorderbein | Hinterbein 181/47 | 20 16 erw. 180/47 a 15 6 erw. Liolaemus nigroviridis campanae n. ssp. Terra typica: ,Campana, Kiistenkordillere von Valparaiso, 1800 m, Chile”. Vorliegendes Material: 14 Exemplare. Zool. Staatss, Miinchen Wire S@eecnibcnt Herp. Nr. Fundort Fundzeit Sammler 195/1947 Campana, 24, 4,33 | Schroder (Typus) 1800 m 196/1947 a—k BIS ol 24, 4. 33 ‘ (Paratypoide) chen 24. 4. 33 5 ; ; 24, 4, 33 ii Weed 24, 4. 33 i 194/1947 a—c Vizcacha, 24,4533 a Paratypoide) 2000 m 24, 4. 33 i 24, 4. 33 4i W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schréder 153 Diagnose: Eine mittelgroBe Form von L. nigroviridis, mit etwas er- hohter Schuppenzahl um die Rumpimitte und nur sehr schwach gekielten Temporalschuppen. Beziehungen: Mit der Auffindung von L. nigroviridis an der Campana ist W. Schréder erstmalig ein Nachweis einer hochandinen Eidechse in der Kiistenkordillere gegliickt. Diese Form, die in ihrer Farbung und Zeich- nung sowie im allgemeinen Charakter der Pholidose mit der Nominatform einigermafen tibereinstimmt, steht in ihren GréBenausmaBen zwischen den beiden bisher bekannten Rassen von L. nigroviridis. Bei einem Vergleich der GréBen und der Schuppenzahlen bei allen drei Rassen erhalten wir folgende Werte: GroBe 66 71-76-80 68-69-70 55-62-67 QQ 61-63-67 60 50-55-60 L. n. nigroviridis L. n. campanae L. n. minor Schuppen um die <4 53-60-65 62-65-68 58-60-62 Rumpimitte OQ 57-59-63 63-64-65 57-61-65 Die neue Rasse hat also die durchschnittlich héchste Zahl der Schuppen um die Rumpimitte. Beschreibung: 195/1947, 3 erwachsen (Typus). MittelgroB, Habitus ziemlich scnlank, Kopf breiter als Hals. Nasenloch im hinteren Teile des Nasenschildes gelegen, nur ganz schwach nach aufwarts gerichtet. Kop{schuppen glatt. Auf das Rostrale folgen fuinf paarige Schilder, die ein gréReres mittleres unpaares und ein winzig kleines hinteres unpaares Schildchen umstehen. Frontale quer geteilt, durch ein Schilderpaar vom Interparietale getrennt, das kleiner ist als die Parie- talia, drei bis vier vergréRerte Supraocularia. Suboculare durch ein Schil- derpaar vom Interparietale getrennt. Temporalia deutlich geschindelt, ziem- lich groB, nur etwa zur Halfte gekielt, der Kiel erhebt sich meist nur als stumpfer Kamm itiber die Schuppe. Ein geteiltes Tympanicum, zwei nur schwach vergroRerte Aurikularschiippchen. Auf dem Halse eine nach vorn gegabelte sehr deutliche Langsfalte. Schuppen der Halsseiten kleiner als die des Nackens, geschindelt, glatt und in der obersten Halspartie schwach gekielt. Riickenschuppen ziemlich gro8, schmal elliptisch, zugespitzt, scharf ge- _ kielt, aber ohne Dorn. Die Kiele der Schuppen bilden nur schwach konver- gierende Reihen. Seitenschuppen nur wenig kleiner als Rtickenschuppen, etwas weniger schlank. Bauchschuppen kaum kleiner als Riickenschuppen, aber breit verrundet und glatt. Schuppen der Tibia etwas breiter als Rtickenschuppen, schar{ gekielt, mit kurzem scharfem Dorn. Hinterseite des Oberschenkels gleichmaBig granular. Schuppen der Oberseite des Schwanzes verschoben rechteckig, mit scharfem Kiel und kurzem Dorn. Schuppen der Schwanzunterseite etwas schmaler als die der Oberseite, mit schwach verrundeter Spitze, ohne Kiel und Dorn. 63 Schuppen um die Rumpfmitte, 16 Schuppen kommen aul Kopilange, in Riickenmitte gemessen. Vier Analporen. Lange der Hinterextremitat gleich der Entfernung von den Weichen bis etwa zur Halsmitte. Schwanz regeneriert. 154 W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder Kopfoberseite hellbraunlich, mit dunkelbraunschwarzen Flecken. Die gesamte Oberseite ist mit schwarzen Flecken tiberdeckt, die wie Verlan- gerungen der schwarzen Barrenflecke auf den Flanken erscheinen und von- einander durch hellériinliche Spritzfleckchen getrennt sind. Im vorderen Teil des Rtickens eine schwarze Mittellinie, die in der hinteren Rticken- halfte nur noch schwach erkennbar ist. Die schwarzen Barrenflecke der Flanken setzen sich — zum Teil aufgegabelt — auf die Bauchseiten fort, wo sie — in einzelne Fleckchen aufgelést —- wieder nach vorn umbiegen und so teilweise den Anschluf8 an die Langsstrichel der Kehle gewinnen. Grundfarbe der Unterseite blaugrau. Oberseite der Extremitaten mit schwar- zen Barrenflecken. Die etwas unregelmabigen Flecke der Schwanzoberseite ordnen sich auf den Seiten und der Schwanzunterseite zu dunklen, teilweise unterbrochenen Ringen an. Regenerierter Schwanz oben und auf den Seiten mit schwarzbraunen Langslinien. Variabilitat: Die Beschilderung der vorderen Kopfregion ist hier ziemlich regelmaBig. In der Mitte der vorderen Kopfregion stehen zuweilen eins bis fliinf unpaare Schildchen, um die meist vier paarige Schilder an- sgeordnet sind. Interparietale immer kleiner als Parietalia. Kielung der Tem- poralschuppen meist nur sehr gering ausgeprast. Bei den tibrigen erwachsenen Mannchen neigen die dunklen Flecke der Oberseite ebenfalls zu einer Anordnung in Querbander, die miteinan- der anastomosieren. Ein 3 zeigt eine schwarze Mittellinie, die kaum unter- brochen vom Kopfende bis tiber die Schwanzwurzel hinwegzieht. Auch bei einigen Weibchen sind die dunklen Flecke der Oberseite zu deutlichen, zum Teil ausgebogten, gerade oder schrag verlaufenden Querbandern an- geordnet, die zum Teil hinten hellgesdumt sind; bei einem Weibchen ist die braunliche Oberseite fast fleckenfrei. Sowohl bei quergebanderten wie auch langsgestrichelten Tieren kann eine schmale Vertebrallinie ausgepragt sein. Die Seiten sind meist mit deutlichen Barrenflecken bedeckt, die zu- weilen ein umgekehrtes U darstellen und deren freie Schenkel sich in Ein- zelfleckchen auflésen, die fast bis zur Bauchmitte reichen. Bei dem erwachsenen 9 von Vizcacha (KR-Lange 64mm, 61 Schuppen um die Rumpimitte) ist der braunoliv geténte Rticken nur von sehr wenigen dunklen Fleckchen besetzt, die dunklen Flecke der Seitenzonen ordnen sich zu Querbarren an, die nach riickwarts immer kleiner werden und in den Weichen fast verschwinden, Das halbwiichsige Exemplar von Vizcacha zeigt bereits sehr deutlich die Ausbildung hellgriiner Fleckchen, die sich an den Flanken zu hellen, die Querbarren trennenden Linien anordnen. MaBe: Kopfhéhe 195/1947 erw, (Typus) 196/1947e Q erw. SiS) W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder 155 Liolaemus nigroviridis minor Miller und Hellmich Terra typica: ,El Volcan (Hochtal in der Nahe von Santiago de Chile)” Liolaemus nigroviridis minor Miller und Hellmich, 1932, Zool. Anz. 97, S. 326, Fig. a—b. Hellmich , 1934, Abh. N. F. 24, S. 66, Taf. I, Fig. 19, 20. Vorliegendes Material: 14 Exemplare. Zool. Staatss. Miinchen Alter u. Geschlecht Fundort Fundzeit| Sammler Herp. Nr. ; 189/1947 a—i 71 SOo erw. Lo Valdés (Volcan-}| 10. bis Grandjot, 1 of hibw. Tal bei Santiago), | 13.3.33 | Schroder 2000—2300 m 190/1947 a—i 3 OF erw. Lo Valdés (Volcan-| 10. bis Schréder 3 9 @ hibw. Tal bei Santiago), | 13.3. 33 2000— 2300 m Von L. nigroviridis beschrieben wir eine kleinere Rasse (minor), deren Verbreitungsgebiet wir als eng begrenzt angaben. Die von den Herren Grandjot und Schréder bei Lo Valdés gesammelten Exemplare bilden eine sehr erfreuliche Erganzung zu dem Material, das uns zur Beschreibung vorlag; sie bestatigen die Berechtigung der Abtrennung dieser Form. Wenn auch zwei der erwachsenen Mannchen eine etwas bedeutendere Grdfe erreichen, so liegt doch die Durchschnittsgr6Be der erwachsenen Tiere auch hier weit unter der GréBe der Nominatform ($3 55-62-67, OQ 50-55-60 mm). Die Interparietalia sind durchgehend kleiner als die Parietalia. Der Vorderrand der Ohréffnung ist, vor allem bei den QQ, fast immer glatt- randig, nur selten sind zwei bis drei kleine Aurikularschiippchen vorhan- _ den. Das Tympanicum ist zuweilen zweigeteilt. Die Werte fiir die Schup- pen um die Rumpfmitte liegen bei den 33 bei 58-60-62, bei den OQ bei 57-61-65. Eine starkere Variabilitat im Schuppenkleide ist nicht fest- zustellen. Bei den 3$¢ 14Bt sich in der Farbung und Zeichnung sehr schén der Ubergang vom Jugend- zum Alterskleid verfolgen. Wahrend das Farbkleid der jungen S¢ noch vollig dem der QQ fgleicht, zeigen, ahnlich wie bei der Nominatform, erwachsene ¢¢ die véllige Verdunkelung der Oberseite, die durch eine Ausbreitung der schwarzen Zeichnung entsteht, sowie die Heraushebung der hellgriinlichen Fleckchen, so da im Extremfall die Oberseite von Rumpf und Extremitaten von schwarzen und griinlichen Fleckchen ahnlich einer Pfeffer-Salz-Zeichnung véollig tiberdeckt erscheint. Bei zwei ¢¢ laBt sich im Mosaik der Zeichnung eine schwache Langs- streifung erkennen. Die Langsstrichelung der Kehle ist verschieden stark ausgeprast. Bei den QQ sind gréBere dunkle Flecke nur auf die Region des Tem- poralbandes beschrankt. Diese Fleckenregion ist in dorsaler Richtung wie mit einer scharfen Linie abgeschnitten. Supraciliar- und Subocularstreifen treten nie besonders deutlich hervor, sie sind meist nur durch Aussparung der dunklen Fleckchen erkennbar. In der Temporal- und Halsregion sind sie zuweilen durch eine schmale dunkelbraune Linie beidseitig gesaumt. Die 156 W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schréder hellbraune Oberseite ist zumeist mit kurzen Strichelfleckchen tiberdeckt, die sich zu einer schmalen Vertebrallinie sowie zu weiteren Langslinien oder einer nicht sehr deutlich ausgepragten Querbanderung anordnen. Auch bei den 99 besteht die Zeichnung der Kehle aus mehr oder weniger deut- lichen blaBblaugrauen Langsschn6rkeln, die teilweise miteinander in Ver- bindung treten. MaBe: Nr. papa ane Sopa Kopflange | Kopfbreite | Kopfhéhe | Vorderbein | Hinterbein 189/47 a 66 (98) 16,5 14 9,5 S| erw. 189/47 b 67 (50) 16 9,5 oO etw. 189/47 c 62 108 14 oS erw. 190/47 a 58 (67) 13 Q erw. 190/47 b 59 (57) 14 © erw. Liolaemus nigroviridis nigroviridis Miller und Hellmich Terra typica: ,,Valle del Rio de San Francisco, ca, 2400 m, Mittelchile”. Liolaemus nigroviridis nigroviridis Miller und Hellmich, 1932, Zool. Anz, 97, S. 318, Fig. 3. Hellmich, 1934, Abh. N. F. Heft 24, Seite 63, Tafel I, Figur 18, Vorliegendes Material: 31 Exemplare. Alter u. Geschlecht | Fundort ona Sammler Zool. Staatss. Miinchen Herp. Nr, 191/1947 a—n 13 Soy erw. Potrero Grande | 25. bis Schréder eas eden eee eee aie 2200 m pak 20,2233 ae 192/1947 a—p 7 O°2 erw. Kordillere von 25. bis Schréder 8 oo hlbw. Santiago 26. 2. 33 Sees See Na i Bh | 2200240000 | os | 193/1947 a—c 1 6 erw. An der Parva 23.3.32 | Schroder 1 & erw. San Ramon 11.12.32] Grandjot SRC at he eas etieg 2500 m E Cu 1 hlbw. Tier Rio San Francisco-| 15.4.33 | Schroder Tal, 2000 m Von dieser auSferordentlich schénen Echse, zu deren Beschreibung uns insgesamt ftinf erwachsene Exemplare vorlagen (Miiller und Hellmich 1932) enthalt die Sammlung Schroder ein halbwiichsiges O von der Terra typica (193/1947 c, Kopfrumpf-Lange 50 mm, Schuppen um die Rumpf- mitte 58). Da uns bisher nur erwachsene Tiere vorlagen, lasse ich die Be- schreibung des Farbenkleides dieses Exemplares folgen: Grundfarbung hellbraunlich oliv, auf dem Riicken kleine dunkle Fleckchen, die ziemlich unregelmafig verteilt sind, jedoch die Tendenz zur Anordnung in Langs- streifen zeigen. Die Zeichnung der Flanken besteht aus etwas gréferen Flecken, die sich zwischen den Extremitaten zu einer nur schwach ange- W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeulte Schroder 157 deuteten Barrenzeichnung anordnen und zwischen denen hellere blaulich- griine Schuppen stehen. Nach oben wie nach unten wird diese Region durch - eine etwas hellere Zone (dem Supraciliar- und Subocularstreifen entspre- chend} begrenzt; die dorsale Grenze erscheint ziemlich scharf, wahrend tiber den Subocularstreifen die dunkle Zeichnung in Form kleiner unregel- maBig verteilter Fleckchen tibergreift. Auf den Kopf- und Halsseiten sind die beiden hellen Streifen dunkel gerandet. Unterhalb des Subocularstreifens verlaufen noch einige dunkle Linien, so daf die Halsseiten langsgestreift erscheinen. Die regenerierte Schwanzoberseite mit einem dunklen Mittel- strich, Kehle mit dunkelolivgrauen Langsstrichen. Die Zeichnung des Q vom San Ramon, von dem uns bisher nur 1 3 (Paratypoid) vorlag, ahnelt etwa dem ebenbeschriebenen Farbkleid, nur ist die Grundfarbung ¢griinlicher getént, die dunklen Flecke sind zahlreicher und stehen etwas unregelmafiger, die Le TESST auf den Halsseiten ist weniger deutlich ausgepragt. Das ¢ von der Parva (Kopirumpi-Lange 72 mm) gleicht in der Farbung dem Paratypoid (4) vom Rio San Francisco. Hier ist die Grundfarbe schon vollig verdunkelt, nur die hellblaugriinlichen Fleckchen sind iibrig geblieben, die sich zum Teil zu einer Querbanderung anordnen. Erireulicherweise liegt noch eine gréBere Serie dieser Eidechse vom Potrero Grande vor (28 Exemplare). Die Kopfrumpflange dieser Exemplare schwankt bei den erwachsenen Mannchen zwischen 71 und 80 (Mittel- wert 76), wahrend bei den Weibchen der Mittelwert bei 63 mm liegt. Die Werte fiir die Schuppen um die Rumpfmitte liegen bei den Mannchen bei 53-60-65, fur die Weibchen bei 57-59-63. Die Beschilderung der vorderen Kopiregion ist bei den ¢¢ oft sehr unregelmaBig. Das Interparietale ist immer kleiner als die Parietalia, die Kielung der Temporalschuppen nur undeutlich. Die Farbung der erwachsenen ¢¢ ahnelt vollig der Zeichnung des Typus. Durch Ausdehnung der dunklen Zeichnung haben sich nur noch die hellen Spritzflecken erhalten. Diese letzteren finden sich zuweilen auch bei den erwachsenen QQ, jedoch nur in geringer Anzahl. Die meist aus senkrecht gestellten Barrenflecken bestehende Zeichnung der Flanken ist in dorsaler Richtung meist scharf abgeschnitten, ohne da es zur deutlichen Heraushebung eines Supraciliarstreifens kommt. Die Barrenflecke greifen zuweilen auf die Bauchseiten tiber, wobei sie sich in Einzelflecke auflésen, die nur selten bis zur Bauchmitte ziehen. MaBe: Nr. ogame uae Kopflange 4 erw. 80 (126) 18,5 SYS) 11 26 41 22 2 erw. 63 (96) 14 12 8 20 35 19 158 W, Helimich: Die Eidechsen der Ausbeute Schréder Liolaemus nitidus (Wiegmann) Terra typica: ,,Chile, restr. Valparaiso" Tropidurus nitidus Wiegmann, 1834,in Meyen, Reise um die Erde (1830—32), I, S. 206 (n. n.), 1835, Nov. Act. 17, S. 234, Taf. XVII, Fig. 2. Liolaemus nitidas Hellmich, 1934, Abh. N. F., 24, S. 9, Taf. I, Fig. 1, 2. Vorliegendes Material: 14 Exemplare. Zool.Staatss. Miinchen Alter u. Geschlecht Fundort Fundzeit | Sammler Herp. Nr. 115/1948 a—e 2 oo erw. An der Parva | 24.3.32 | Schréder : 2300 m 1s, © enw: An der Parva | 28.10.32] Grandjot 2300 m fo Onernees Abanico, 1000 m | 27.3.32 | Grandjot 1 O° erw. : x 1800 m 116/1948 a—b 1 O° erw. Potrero Grande 22 bis Schréder 1. Oo noch 2200 m DD; 2433 nicht vollig erw. 5 117/1947 a—g 1 overw. Las Condes-Tal, | April 33] Schroder 1800 m 1 9Q erw. Lo Valdés (Volcan-| 10.3,33 | Grandjot Tal bei Santiago), Schréder 2000 m 2 2° hibw. Rio San Francisco-| 15. 4.33 | Schréder Tal, 1500m 1 © hibw. Valparaiso 14,5.33 | Schroder 1 Jungtier Valparaiso 14,5.33 | Schréder I 1 - ¢ jung Zapallar 15. 4, 33 Behn Bei allen Exemplaren ist das Frontale ungeteilt. Tympanicum und Auri- kularschuppen sind tberall deutlich ausgepragt. Die Zahl der Schuppen um die Rumpfimitte schwankt zwischen 29 und 33 (Mittelwert 32). Leider hat das Verpackungsmaterial bei den Exemplaren von der Parva und vom Abanico so stark abgefarbt und die Tiere so verdunkelt, daB sich tber Farbung und Zeichnung dieser Exemplare nichts mehr aussagen 1a8t. Das eine Exemplar vom Potrero Grande, ein noch nicht véllig erwachsenes Mannchen, tragt einen dunkelbraunen Pileus mit verstreuten hellgelblichen © Fleckchen und ein noch ziemlich helles Gesamtkolorit. Die Riickenschup- pen sind olivbraunlich getont und tragen hellblaulichgraue Rander, so da’ eine Art Langsstreifung entsteht. Schwanz einfarbig olivgrau. Unterseite hellgriinlichgelb, auf der Kehle kurze braunliche Langsstrichel. Die jiingeren Exemplare zeigen die fiir L. nitidus typische Querban- derung; besonders sch6n ist sie bei dem jiingsten Exemplar von Valparaiso (Kopfrumpf-Lange 29mm) ausgepragt. Der Pileus dieses Exemplares ist blaBolivgriin getont und kaum gefleckt. Der Nacken, der Rticken und die Oberseite des ersten Schwanzviertels sind mit unregelmaBbig ausgezackten dunkelbraunen Querbandern iiberzogen, die Zacken sind nach rtickwarts gerichtet, in den konkaven Ausbuchtungen stehen weifliche Flecke, die zum Teil miteinander verbunden, zum Teil getrennt sind. Bei den iibrigen vorliegenden Tieren ist der schrittweise Ubergang zur Zeichnungslosigkeit bei erwachsenen Exemplaren sehr schén zu beobachten. W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder 159 Als oberste Grenze des Verbreitungsgebietes fiir L. nitidus war bis jetzt die 1900 m Héhenlinie bekannt. Nach den neuen Funden Schroéder'’s steigt nifidus noch betrachtlich héher hinauf, offenbar ohne wesentliche Abweichungen zu zeigen. Er unterscheidet sich auch dadurch deutlich von dem nahe verwandten L. chiliensis, dessen Verbreitungsgebiet sich in der Ebene mit dem Areal von L. nitidus auf weite Strecken hin tiberschneidet. Innerhalb des gemeinsamen Areals bevorzugt aber jede Art einen geson- derten Biotop (vgl. Hellmich, 1934, Seite 16 und 21). MaBe: Kopfrumpf- lange des ¢ von der Parva: 93mm, Kopfrumpflange des ¢ von Potrero Grande: 74mm, Schwanzlange des ¢ von Potrero Grande: 186 mm. Liolaemus pictus pictus (Duméril et Bibron) Terra typica: ,,Chile, restr. Valdivia" Proctotretus pictus Duméril et Bibron, 1837, Erp. Génér. 4, S, 276. Liolaemus pictus pictus Burt and Burt, 1930, Proc. U. St. Nat. Mus. Nat. Hist. 78, S. 17, Hellmich, 1934, Abh. N. F. 24, S. 74, Taf. II, Fig. 1. 1938, Zool. Anz. 124, S. 243, Vorliegendes Material: 35 Exemplare. Zool.Staatss. Miinchen Alter u. Geschlecht Fundort Fundzeit| Sammler Herp. Nr. 97/1933 a—n 4 43 erw. Am Villarica-See | 15. 2.32 300—800 m 1p. =Grenw: 400 m 2X), il, Se 1 OQ erw. 400 m DS, ln GY 4 2 9 erw. 700 m Dale Se: 1 2 hibw. 800 m PSY y thes SV 3 O° erw. 800 m 15. 2.32 | Schroder 2 2° hibw. 800 m 1S), 2 SV 1 9Q erw. Lavafeld am Villa- | 17. 2.32 1 6 erw. rica, Volcan Villa-| 10. 2.33 1 OQ erw. rica, 1300m 1022533 1 jung: 1300 m 102533 97/1933 a—e 2 29 erw. am Villarica-See | 23.1.33 | Schréder 400 m 3 OO erw. 800 m 1562532 98/1933 a—n 10. Jungtiere Regenwald des 1. 1933 Behn Siidens Die Variabilitat bei den vorliegenden Exemplaren wurde bereits 1938 ausitthrlich besprochen; sie verlauft véllig in den bisher bekannten Bahnen. Lediglich die Zahl der Schuppenreihen um die Rumpimitte liegt etwas hodher als beispielsweise bei den von Chiloé stammenden Exemplaren. Noch héher liegt sie bei Tieren, die Herr Prof. Dr. Krieg an Waldblofen in der Um- sebung des Lago Nahuel Huapi auf argentinischem Boden erbeutete (Ancud- Chiloé: 54—62, Villarica 63—75, Nahuel Huapi 71—85). Da mit der Varia- tion in der Beschuppung auch eine Variation des Farbenkleides Hand in Hand geht, stellten wir die argentinischen Tiere zu einer eigenen Rasse, die wir unter dem Namen Liolaemus pictus argentinus beschrieben (Miller und Hellmich), Fiir die stidlicher, auf Chiloé lebenden Tiere schlugen wir den Namen L. pictus chiloéensis vor. Endlich scheint L. pictus auf kleinen, dem chilenischen Festland vorgelagerten Inseln eine groBe melanotische 160 W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schréder Form ausgebildet zu haben, die den Namen Liolaemus pictus major trast. Burt und Burt gaben als Fundort eine kleine Insel an, die zehn Meilen von Ancud entfernt liest. Liolaemus platei curicensis Miller und Hellmich Terra typica: ,,.Los Quefies, Kordillere von Curicé, 1500 m”, Liolaemus platei cuticensis Miiller und Hellmich, 1938, Zool. Anz. 122, S, 231, Abb. De Vorliegendes Material: 18 Exemplare. : Zool, Staatss. Miinchen | Alter th Geschlecht Fundort Herp. Nr. Fundzeit Schréder 58/1933 (Typus) 1 derw Los Quefies, Kord. ; So Rete ies ae ea | von Curicd, 1500m 59/1933 a—i 2 46 erw. Los Quefies, Kord.| 20. bis Schréder (Paratypoide) 712° erw. von Curicé, 22S le eis Bbw. =) |. 10001 6007m 7 60/1933 a—h 2466 erw. Rio Teno-Tal (Los] 24.1.33 | Schréder (Paratypoide) oe aie Cipreses), Kord v. 5 2° erw. bis hlbw. | Curico, 1400m Aus der Kordillere von Curicéd brachte Herr Schroder eine Aus- beute von 18 Tieren mit, die Liolaemus platei aufBerordentlich nahestehen, sich aber von der Nominatform durch starkere Bedornung der Rticken- schuppen, durch die héhere Zahl der Schuppen um die Rumpimitte (48-58 segeniiber der Nominatform: 40-46) sowie durch eine im allgemeinen wesent- lich kraftigere Ausbildung der schwarzen Zeichnung unterscheiden. Wenn es auch sehr verwunderlich erscheint, daB die Verbreitungsgebiete zweier Rassen durch eine so groBe Liicke getrennt sein kénnen, beschrieben wir der Geringfiigigkeit der Unterschiede wegen die von Curicd stammenden Exemplare als eine Rasse von platei und nicht als eine neue Art (Miller- Hellmich 1938). Dieser Schritt erscheint jetzt insofern als gerechtfertigt, als die stidlichsten Exemplare der Nominatform in gewissem Sinne zu L. pl. curicensis tiberzuleiten scheinen. Allerdings erreicht curicensis etwa die sleiche GroBe wie die Exemplare von pea und Copiap6o (Typus 56 mm Kopfrumpflange). Die Variabilitat der vorliegenden Exemplare wurde anlaBlich der Be- schreibung der neuen Rasse ausfihrlich behandelt, so dafi hier auf diese Veréffentlichung verwiesen werden kann. Liolaemus platei platei Werner Terra typica: ,,Coquimbo”. Liolaemus platei Werner, 1898, Zool. Jahrb. Suppl. Bd. IV, S. 255, Taf. 13, Fig. 2. Hell- mich, 1934, Abh.N. F. 24, S, 44, Taf. 1, Fis. 9 Vorliegendes Material: 17 Exemplare. Zool, Staatss. Miinchen Alter u. Geschlecht Fundort Fundzeit} Sammler Herp. Nr. 182/1947 a—k ele. : Andacollo 25. 12.32] Schréder 1100 m W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder 161 Zool. Staatss. Miinchen Alter u. Geschlecht Fundort Fundzeit | Sammler Herp. Nr. 183/1947 a—b SG erw. ~ Coquimbo 30.12.32| Schréder | 2 hibw. 185/1947 a—c G erw. Vicufia (Elqui-Tal)| 7.1.33 | Schréder 6 hlbw. 700 m erw. 188/1947 a—b aie Coquimbo 30, 12.32] Schréder | Die zehn Exemplare von Andacollo unterscheiden sich von unserm vornehmlich aus Copiapéd und Coquimbo stammenden Material durch ge- ringere GroBe und durch die etwas hdhere Zahl der Schuppen um die Rumpimitte (43-46-49). Die Kopfrumpf- und die Schwanzlangen (in Klam- mern) betragen ftir die gréBten Exemplare: ¢ 52 (72, regen.), 3 50 (96), S 51 (104), QO 47 (92). Die Variabilitat der Pholidosis ordnet sich vollig in den frither beschriebenen Rahmen (Hellmich 1934) ein. Bei allen Tieren finden sich drei vergréBerte Supraocularia, ein Tympanicum sowie ein bis drei Aurikularschtippchen. Mit Ausnahme eines Exemplares zeigen alle Tiere ein olivgriines Kolo- rit, das jedoch offenbar auf eine Abfarbung des Verpackungsmaterials zu- riickzuftithren ist. Auch die Variabilitat der Zeichnung bewegt sich etwa im gleichen Rahmen. Neben beinahe zeichnungslosen Exemplaren, bei denen nur auf den Seiten schwach ausgepragte Querbarren zu erkennen sind, liegen sehr kraftig gezeichnete Exemplare vor, die sowohl auf dem Rticken wie auch auf den Seiten kraftig ausgepragte Barrenflecke zeigen. Die Quer- barren auf den Seiten bilden oft eine Art Zickzack-Linie, von deren unte- ren Zacken dunkelbraunschwarze Querbander entspringen, die sich in ein- zelnen Flecken bis auf die Bauchrander fortsetzen. Bis auf diese Randpar- tien und eine nur selten schwach ausgepragte Langsstrichelung auf der | Kehle ist die Unterseite vollig ungezeichnet. Diese Population ist somit ziemlich einheitlich und durch zwei wesent- liche Merkmale von der Nominatform unterschieden; obwohl die Entfernung Andacollos von Coquimbo nur rund 50 km betragt, scheint sich hier doch bereits eine Rassendifferenzierung zu vollziehen. Ich méchte jedoch von einer Benennung dieser Form vorerst absehen. Das erwachsene 3 aus dem Elqui-Tal (Kopfrumpflange 56, Schwanz- lange 111 mm) sowie die beiden anderen Tiere von Vicufia ahneln dage- gen vollig topotypischen Exemplaren. Die Zahlen der Schuppen um die Rumpf- mitte betragen 48 (erw. 3), 46 und 43. Vicuifia liegt landeinwarts in gréBerer Entfernung von Coquimbo als Andacollo, das seinerseits allerdings 400 m hoher liegt als Vicufia. Nahere Biotopbeschreibungen waren gerade hier dringend erwiinscht. AuBerdem liegen noch einige topotypische Exemplare vor. Das erwach- sene ¢ hat eine Kopfrumpflange von 55mm und eine Schwanzlange von 112mm und tragt 45 Schuppen um die Rumpfmitte. Die kraftig ausge- pragte Zeichnung besteht vornehmlich aus Querbarren, die in der Region Veroff, Zool. Staatssamml. Miinchen I, 1950 11 162 W. Helimich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder des Parietalbandes aus unregelmaBigen Dreiecksflecken (Spitze nach hinten) bestehen und sowohl iiber die Occipitalregion als auch tiber die Supraciliar- streifen hinweg miteinander und mit den Querbarren der Flanken in Ver- bindung stehen. Die Barrenflecken der Ké6rperseiten bilden dorsal eine unregelmaige Zackenlinie, ventral verlaufen sie in regellosen Fortsetzun- gen bis auf die Bauchseiten, auf denen sie sich in Punktflecke auflésen. Die ubrige Unterseite ist ungefleckt. Die Zahl der Schuppen um die Rumpfmitte liegt bei den beiden Tie- ren (183/47) bei 45 und 48, fiir Exemplare aus Coquimbo ziemlich hoch, da wir bei den uns bisher aus Copiapéd und Coquimbo vorliegenden Tieren eine Variationsbreite von nur 40-46 fanden. Auch bei den beiden restlichen QQ aus Coquimbo (188/1947) liegt die Zahl der Schuppen um die Rumpfmitte bei 48 bzw. 49. Diese beiden Tiere erinnern in Farbung und Zeichnung sehr stark an erwachsene QQ von L. nigromaculatus atacamensis, so da die Entscheidung itiber ihre syste- matische Stellung nur schwer zu fallen ist. Die Zeichnung tritt hier etwas zurtick, nur die Querbarren der Flanken sind deutlich ausgepragt; der den nigromaculatus-Rassenkreis kennzeichnende Schulterfleck tritt hier aber nur undeutlich hervor, was bei QQ von atacamensis nur sehr selten zu beob- achten ist. Liolaemus schroderi Miiller und Hellmich Terra typica: ,,Los Quefies (Curicé), 1600 m”. Liolaemus schréderi Miiller und Hellmich, 1938, Zool. Anz. 122, S. 225, Abbildung 1. Hellmich, 1938, Zool. Anz. 124, S, 239. Vorliegendes Material: 30 Exemplare. Zool.Staatss. Munchen Alter u. Geschlecht | Fundort Fundzeit | Sammler Herp. Nr. 53/1933 (Typus) 17 MO enwe Los Quefies 20. 1.33 | Schréder 7 (Curicéd) 1600 m q 54/1933 a—i 3 O° erw. Los Quefies 20. 1.33 | Schroder i Poerw: (Curicé) 2 dd jung 1500—1 600 m 55/1933 1 =O erw: Rio Claro-Tal, 31. 1.33 | Schréder Kord, v. Santiago, 1400 m 56/1933 ewaauerw: Portero Grande, | 25. 2.33 | Schréder Kord. v. Santiago, : ek 2200 m (?) 57/1933 1 9Q hlbw. Rio San Francisco, | 27.12.30] Hellmich Kord. v. Santiago, f A 1600 m 63/1933 1 ee ouenw: am Villarica-See | 23.1.32 | Schréder Von einer gemeirisamen Exkursion zum Rio San Francisco (Kord. von Santiago) brachten wir (Hellmich-Schréder) ein halbwiichsiges 9 ohne Schwanz mit, das sich in die damals bekannten Arten nicht einordnen lief, _W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder 163 Auf spateren Exkursionen in das gleiche Kordillerengebiet, in die Kordil- lere von Curicéd sowie an den Lago Villarica erbeutete Schroder erneut einige wenige Exemplare, die mit diesem Weibchen identisch sind. Es handelt sich um eine kleine Form, die L. chiliensis und gravenhorstii nahe- steht, sich aber von dem ersteren bereits durch die wesentlich geringere GroBe, von beiden durch die meist leicht gefaltelten Halsseiten, die hohere Schuppenzahl (40-46) und die Zeichnung unterscheidet. Wir (Miller und Hellmich) beschrieben dieses Tier als Liolaemus schréderi. Durch den Fang eines weiteren Exemplares am Lago Villarica erweitert sich das Ver- breitungsgebiet dieser Echse, das sich nach unsern jetzigen Kenntnissen in einem schmalen am Gebirgshang entlang ziehenden Streifen von den Abhangen der Santiaginer Kordillere tiber die Kordillere von Curicé bis zum Villarica in einer Héhe von 1500m bis 2200 m erstreckt. Die Indivi- duendichte dieser Art scheint sehr gering zu sein. Liolaemus tenuis tenuis Duméril et Bibron ‘Terra typica: ,Chile, restr. Umgebung von Santiago". Proctotretus tenuis Duméril et Bibron, 1837, Erp. gén. 4, S. 279. Liolaemus tenuis tenuis Miller und Hellmich, 1933, Zool. Anz. 104, S. 305, Abb. 1. Hellmich, 1934, Abh. N. F. 24, S. 80, Taf. II, Fig. 2, 3. 1938, Zool. Anz. 124, Seite 245. Vorliegendes Material: 66 Exemplare. | Zool. Staatss. Munchen Alter u. Geschlecht Fundort Fundzeit| Sammler Herp. Nr. 199/1947 a—e 3 oS ”g erw. El Salto/Valpa- | 20. 4.33 Behn raiso leer @Gierwes Rio Claro-Tal, 31.1.33 | Schréder 900 m TGienw: Rio Teno-Tal 24. 1.33 A »Los Cipreses" 1400 m 64/1933 a—u DiS 16 22 enw. Pucén 300m 24.1.33 | Schroder f © hibw. " tlereASS a 1 6 Gini ,» 400m 112533 i 290° erw. ,»-. 9300 m. 12. 2.33 ‘i 2 SC hibw. ee 500 m 12e2533) ‘i 1 of erw., 1 oO jg Ay 600 m 12, 2.33 i (Peet Gate , 800m 12. 2.33 < Loe he Lavafeld am Villa- | 10. 2.32 44 rica, 1000m 200 erw. am Villarica-See | 20. bis - 2 1 Q erw. " " ” 23: 1.32 ” 2 2° hibw. fe aoe 2) 1932 - 64/1933 a—u 2 Io erw. am Villarica-See | 23.1.32 | Schroder : 2 2° erw. os Fs - 23. 1.32 ie 2 OC hibw. ‘ ‘ 235 M32 a 209/1947 10 o'¢ erw. Chile 1932—33] Schréder 3 co hlbw 22 QC erw Die vom Villarica stammenden Exemplare von L. t. tenuis wurden be- reits friiher besprochen (Hellmich 1938). Die Zahl der Schuppen um die itil 164 W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder Rumpfmitte betragt bei ihnen 66-70-76, bei den drei Exemplaren aus dem Rio Teno-Tal 58-65-69. Die Temporalia sind meist nur sehr schwach, oft nur tuberkelartig oder gar nicht gekielt. Zahl der Analporen (2) drei. Im Farbenkleide erwecken die Tiere aus der Umgebung des Villarica-Sees einen etwas dunkleren Eindruck als Santiaguiner Exemplare. Auferdem liegen noch 35 Exemplare ohne nahere Fundortsbezeichnung vor, Sie ordnen sich in die friiher an einem grofen Material (Hellmich, 1934, 279 Exemplare) besprochene Variabilitat ein. C. Versuch einer Bestimmungsliste ftir chilenische Liolaemus-Arten. Die vielfach noch ungeklarten Variationsbreiten der einzelnen Liolaemus- Arten sowie das Fehlen von Material aus weiten Gebieten Chiles hatten mich in meiner friiheren Bearbeitung (1934) veranlaBt, statt einer Bestim- mungsliste nur eine Tabelle tiber die Variabilitat der einzelnen Arten und Rassen zu geben. Hier soll nun der Versuch einer Bestimmungsliste vor- gelegt werden, die aber wegen der oft sehr ahnlich gelagerten Ausmafe der Variabilitat und der sich meist stark ttberschneidenden Merkmale auch die Verbreitung einbezieht. Zur Benutzung dieser Liste sollte also jeweils der Fundort annahernd bekannt sein. In die Liste wurden nur die uns genauer bekannten Arten aufigenom- men. Im Norden Chiles ist zweifellos noch zum mindesten mit Vertretern der multiformis-Gruppe zu rechnen, die sich durch ziemlich hohe Schuppen- zahlen auszeichnet (60-70, bzw. noch hoher). | Als Hauptcharakteristika wurden in der Liste einerseits die Schuppen- zahlen um die Rumpfmitte, andrerseits die GroBenverhaltnisse bentitzt. Die Arten und Rassen wurden in drei GroBengruppen eingeteilt, die folgender- maffen unterschieden werden: Gro8: 80—100 mm Kopfrumpflange Mittelgro8: 60— 80mm i: Klein: 40— 60mm i _ Selbstverstandlich gilt diese GréSeneinteilung nur fiir erwachsene Tiere so da man sich méglichst vergewissern muB, ob adulte oder juvenile Exemplare vorliegen. 1a Halsseiten ungefaltet, Halsseitenschuppen gleich 6roB oder nur wenig kleiner als Nackenschuppen . . . 2 1b MHalsseiten mehr oder weniger stark eetaltet Halsseitensohunpent kleiner als Nackenschuppen oder granular ......... 4 2a Gro, 28—33 Schuppen um die Rumpfimitte... . 3 2b Klein, 34—40 Schuppen, auf hellbraunem Grunde zwei nelle Langsstreifen, Strauchsteppe-Ebene . . Liolaemus gravenhorstii 3a 28—33 Schuppen, groBes Tympanicum, Kehle dunkelgestreift, 4S meist stark verdunkelt, mit hellen Fleckchen, Strauchsteppe, Ebene* und Hochanden . 4.) s6e oe) See cee a ce eee s W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder 14b 24—31 Schuppen, kein Tympanicum, Unterseite ungezeichnet, meist langsgestreift, Strauchsteppe und Urwaldregion, Ebene i OU BAe Ricans hy Pentel ea Saal ie L. chiliensis 40—55 Schuppen um die Rumpimitte . Mehr als 55 Schuppen um die Rumpfmitte Mit groBem schwarzem Fleck in der Schulterpe pend I icaiae und Strauchsteppenregion Ohne deutlichen schwarzen Bleck in det Schulteregion. Magallanes-Region, 36—40 Schuppen, mittelgroB, vier bis fiint helle Langsstreifen, dunkle Querflecke. .. . L. magellanicus Strauchsteppen- und Urwaldregion . ... Mit dunklem Mittelstrich auf dem Rticken, fea, 44-50 Schup! PeMeSteauchsteppe Mbene «4°95 7.) es Le juseus Ohne dunklen Mittelstrich . . . Mit leuchtend griiner (im Alkohol dunkelblawes) Unterscite, ea 40—50 Schuppen, Strauchsteppe ab Santiago und Urwaldregion, Bhene. > =~ Dope aid Oe evenoedstes Ohne chen drine ‘blauel Waterceite Mit hellem Occipitalband, mit regelmabig auerdngeordieten dunk: len und helien Flecken, klein, 34—44 Schuppen, Strauchsteppe, Phenes 2. See Ts es Le lemniscatus Ohne helles Occmiralband’. ies Mit deutlichen hellen Supraciliar- und Subacuiarstreiten sowie dunklen Querflecken, klein, 40—46 Schuppen, am Kordilleren- hang der Strauchsteppen- und Urwaldregion (1500 bis 2200 m) L. schroderi Ohne deutliche nelle Sunrdciliar: tad Subocularstreifen aoe : 40—48 Schuppen, klein, auf hellem Untergrunde vier Langs- reihen kleiner dunkler Flecken, kleiner Norden . L. platei platei 48-58 Schuppen, klein, dunklere Zeichnung etwas kraftiger ausgebildet als bei 11a, Kordillere von Curicé (1000—1 500 m). arian: L. platei curicensis Grofe Boonen: an oder Kiiste ee nordlichen Strauchsteppenre- gion (Kleiner Norden) . MittelgroBe Formen, mehr im loners des Landes” , Ziemlich kurzschwanzig, hellgriine Grundténe vorherrschend, 49 bis 54 Schuppen, in Diinen um Caldera... L. nigromaculatus bisignatus naschwarciser, Schwarcione voiherrcheud An Kiistenfelsen von Coquimbo bis Zapallar, selbpriine Grund farbe nur noch in Fleckchen sichtbar, Unterseite hell, oft rot- getont, mit dunklen Langsstrichen, 48—53 Schuppen . L. nigro- .. . maculatus zapallarensis Auf inseln iskend. (Isla de Passos Totoralillo), Unterseite eben- falls schwarz, 54—56 Schuppen. . . . L. nigromaculatus ater 165 10 11 13 15 14 166_ 15a 15b 16a 16b lutea 17b 18a 18b 19a 19b 20a 20b Zita 21b 22a 22b 23a 23b 24a 24b 25a 25b 26a ie W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder Mit deutlich ausgepragten Supraciliarstreifen, Brauntoéne vor- herrschend, von Coquimbo bis Valparaiso. ... ... . L. nigro- maculatus kuhlmanni Ohne deatlicn suecenragle is uppaciensitonen . Mit deutlichem Sexualdimorphismus im Farbenkleide (¢¢ Leese Fleckenzeichnung an den Flanken, QQ dunkle, verschiedenfar- big gesdumte Querbinden-Flecke), 48—54 Schuppen, Gerdéllwiiste der Atacama ......... L. nigromaculatus atacamensis Ohne deutlichen Sexualdimorphismus . Ahnlich L. n. bisignatus, aber kleiner und nine deutiene Guint oe 4955 Schuppen, Umgebung von Copiapo . . L. nigro- . maculatus copiapensis Spurn eines hellen Supvacibacsiestoas sowie seitlicher Quer- bander, 48—52 ae Umgebung von Huasco. . L. nigro- . maculatus nigromaculatus 5565 ‘Schipper nur wenie erldewere Seitenschuppen . Mehr als 65 Schuppen, stark verkleinerte Seitenschuppen . Kordillere von Nueva Elqui, 2200—3200 m, Kleiner Norden, 54 bis 61 Schuppen, mittelgroB, mit brauner Pfeffer-Salz-Zeichnung _ L. lorenzmiilleri Kordillere ae Gy aibhelengens aa Urwaldregion © Mit griinen Farben und dunklen Stricheln, die meist in Lanes zuweilen auch in Querlinien angeordnet sind . Ohne Griinténe und deutliche Langsstrichelung . In der Hochkordillere Santiagos. . . In der Kiistenkordillere Valparaisos, GréBe 60— 69. mm, 62 bis 68 Schuppen, mittelgrof . meat _L. nigroviridis campanae 61—68 mm, 63—65 Schuppen, mittelgroB, Kordillere nahe San- tfado. f . _ . L. nigroviridis nigroviridis 50— 67 mm, 5761 Schuppen mittelonon: Hochkordillere des Wolcan-Wlales? =e os _. . . . . L. nigroviridis minor Mit Brauntonen, dectichen @ierbandensae oder dunkelbrauner Pfeffer-Salz-Zeichnung . Mit hellerer Grundt6énung, mit egiien Barrenflecken an idea Seiten, ohne Pfeffer - Salz-Zeichnung, 900—1800 m, mittelgrof, 55—66 Schuppen. . . _ . . . L. monticola monticola In der Kordillere der Shrauehélenwentesion In der Kordillere der Urwaldregion, am Volcan Villanees sai hellen Supraciliarstreifen und deutlicher ausgepragter dunkler Zeichnung, klein, 56—63 Schuppen . L. altissimus araucaniensis In der Hochkordillere nahe Santiago, ohne deutliche helle Supra- ciliarstreifen, mittelgroB, 47-58 Schuppen L, altissimus altissimus In der Hochkordillere des Volcan-Tales, mittelgro8, 48—56 Schup- pen, mit hellen Supraciliarstreifen . . L. altissimus moradoénsis Mit 65—75 Schuppen um die Rumpimitte . Toy; 17 19 26 20 21 23 22 24 25 27 26b 27a 27b 28a 28b 29a 29b 30a 30b 3la 31b 32a - 32b Soa 33b 34a 34b 35a 35b 36a 36b W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder Mit mehr als 75 Schuppen . ; Mit helleren olivbraunen Grandioner Bpeiger Je) (ecleenverchnune und gelbgriinlicher Punktierung, Strauchsteppen- und Urwaldregion Mit dunklerer blaugriiner Tonung, dunkler Rtickenmitte und Zick- zackbanderung, Urwaldregion . Mit schwach ausgepragter Punkherung, Rien 6p 16 Selisper: Strauchsteppe und Urwaldregion. . . . . L. tenuis tenuis Mit extrem ausgepragter Punktierung, lea 68—76 Schuppen, HEISE Kiistenabstiirze Siidchiles (Umgebung von Concepcidn) L, tenuis punctatissimus Auf dem Festland lebend! mittelgro, (54) 63—75 Schuppen Rik 2 . L, pictus pictus Aut Insel iebend- SSRs HOG eee area OS Auf Chiloé, mittelgroB, eau 62 Schuppen: . .L. pictus chiloéensis Auf kleinen Inseln vor Stidchile, melanotisch . . L. pictus major Mit mehr als 75 Schuppen, mittelgroBe Formen, Hochkordillere der Urwaldregion . GroBe Formen, echt mallee ce Meese nad Strauchstep- penregion . . ; Am Volcan Ghillen mitteleroB. at duntle: lang eauer) Tone braunem Temporalband, 80—90 Schuppen L. monticola chillanensis Am Volcan Villarica, mittelgro8, 85—95 Schuppen. . L. monti- cola villaricensis Mit Sehevaiem Kapk 95 Sciiopen| Puna de Atacama . ._. L. (Helocephalus) naneens Olme eciwarzen Kopf, Hoch orcillere der Strauchsteppenregion Hochkordillere von Curicéd, 72—88 Schuppen, Querbarren auf Occipital- und Temporalbandregion (daneben mittelgroBe Form an den Banos de Azuire)<.9 532 42. | L. buergeri Hochkordillere von Santiago, mehr bdee weniger deutliche leo- pardenahnliche Zeichnung aus runden Flecken . be Volcan-Tal, leopardenahnliche Zeichnung stark marieltretend: an den Flanken verschmelzende Barrenflecke. . . L. leopardinus valdesianus Hochkerdillere von PE Sonaso leosacdenahaliche Zeichnung deut- lich . ee Zeichnung aus Sropen Blocker bectchend: Santiaduiner Kordllere ohne Cerro Ramon. ...... . L, leopardinus leopardinus Zeichnung aus kleinen Flecken Bestehond! auf dem Cerro Ramon L. leopardinus ramonensis 167 31 28 29 30 32 38) 34 35 36 168 W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder D. Allgemeiner Teil I. Tiergeographisch-ékologische Bemerkungen Die Langserstreckung Chiles und die Aufgliederung in Kiistenkordillere, Langstal und Andine Region erlauben eine relativ einfache schematische Darstellung der Verbreitungsverhaltnisse chilenischer Eidechsen. Tragt man in ein derartiges Schema, wie es in meiner Monographie der chilenischen Liolaemus-Arten auf Abb. 11 (1934) wiedergegeben ist, die Ergebnisse der Schréder’schen Aufsammlungen ein, so wird das damals gewonnene Bild nicht wesentlich gedndert. Nach unsren bisherigen Kenntnissen kénnen wir einer nordlichen Gruppe von Liolaemus-Formen, die von dem Rassenkreis des L. nigromaculatus und von L. platei gebildet wird, eine mittelchilenische (L. nitidus, chiliensis, lemniscatus, fuscus, gravenhorstii), eine siidchilenische (L. cyanogaster, tenuis, pictus) und eine andine Formengruppe (L. leopardinus, monticola, nigroviridis, altissimus) gegentiberstellen. Im extremen Siiden schlieBt sich der feuerlandische L. magellanicus an, im Norden miissen wir mit dem Ein- dringen eines bolivianisch-peruanischen Formenkreises rechnen, der sich um L. multiformis gruppiert. Hierftir sprechen das Vorkommen von L. (Helo- cephalus) nigriceps in der chilenischen Puna de Atacama sowie Aufsamm- lungen von multiformis-ahnlichen Vertretern und L. alticolor in der Puna de Tarapaca (nach brieflichen Mitteilungen von M. Codoceo). Wahrend im allgemeinen die Nord- und Siidgrenzen ein wenig ineinanderflieBen (z. B. bei L. tenuis, der aus der Urwaldregion bis hoch in die Strauchsteppen- region hineinreicht), so scheinen doch zwei Linien eine scharfere Grenze zu bilden: erstens scheint die Cuesta de Chacabuco, deren Wirkung durch den Rio Aconcagua verstarkt wird, die Nordgrenze fiir eine Reihe von stidlichen Formen zu sein, und zweitens scheint auch der Linie Coquimbo- La Serena-Elqui, also der Abgrenzung des Kleinen Nordens gegen die eigentlichen Wtistengebiete Nordchiles, eine faunistische Bedeutung zuzu- kommen. ; Schréder’s Sammlungsergebnisse zeigen zunachst einige Erweiterun- gen der Areale einzelner Arten. Fiir L. fuscus und lemniscatus wurden durch Schréder Fundorte bekannt, die das Verbreitungsgebiet wie bisher vermutet tatsachlich bis zur Linie Coquimbo-La Serena erweitern. In der Vertikalen vergréBert sich der Wohnraum von L. nitidus um einige Hundert Meter bis auf 2300 m,; nitidus erweist sich dadurch der zweiten GroBform, L. chiliensis, gegentiber dkologisch als weit iiberlegen. Die letztere Art scheint mehr auf die Ebene und auf etwas feuchtere Biotope angewiesen und eine stidlichere Form zu sein, Mit der Auffindung einer neuen Rasse von L. nigroviridis an der Cam- pana und deren naherer Umgebung ist erstmalig der Nachweis einer hoch- andinen Form in der Kiistenkordillere gegliickt. Das Verbreitungsgebiet dieser Art, das nach unsern bisherigen Kenntnissen nur auf die Santiaguiner Hochkordillere beschrankt war, erweitert sich damit betrachtlich. Die Ver- bindungsbriicke zwischen den Arealen der Nominatform und der neuen W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder 169 Rasse diirfte wohl die Cuesta de Chacabuco sein, auf der jedoch bisher - kein nigroviridis nachgewiesen wurde. Wahrend die Verbreitungsgebiete der Arten in der Ebene im allge- meinen kontinuierlich sind, tiberrascht ganz besonders die Diskontinuitat der Areale von beiden Formen des L. platei. Platei war bisher nur aus dem Norden bekannt (Coquimbo bis Copiapo). Rund sechs Breitengrade stidlicher taucht nun plotzlich eine Form aul, die zweifelsohne zu L. platei zu stellen ist (L. platei curicensis). Auf die diskontinuierliche Verbreitung der andinen Formen wurde frither ausdrticklich hingewiesen (vergl. Abb. 19 bei Hellmich, 1934). Auch hier konnte Schréder die bisher gewonne- nen Sammlungsergebnisse bestatigen. Erstaunlich ist besonders das Fehlen des sonst weit verbreiteten L. altissimus am Volcan Chillan, an dem offen- bar nur L. monticola in einer besonders weit abgeanderten Form (L. m. chillanensis) vorkommt. Monticola und altissimus fehlen tiberraschenderweise auch in der Cordillera de Curicé, in der Schréder daftir den friiher be- schriebenen L. buergeri in groferer Anzahl wieder auffinden konnte. Das Vordringen jetziger andiner Formen in hdhere Gebiete der Anden nach dem Rtickzug der Gletscher (vergl. Abb. 20, Hellmich 1934) ist also offen- bar nicht iiberall gegliickt, sondern weite Gebiete und viele isolierte Vul- kane sind unerreicht geblieben. Als Stidgrenze der hochandinen Eidechsen mittelchilenischen Geprages gilt noch immer der Volcan Villarica. Von den benachbarten Vulkanen (Lanin, Llaima) und den siidlicheren Bergen (Osorno, Calbucco u. a.) liegen noch keinerlei Nachrichten tiber das Vorkommen von Eidechsen vor, obwohl eine Absammlung gerade dieser Gebiete sowohl vom tiergeographischen wie auch vom evolutionistischen Gesichtspunkte aus auBerst interessant ware. Was hier und tiberhaupt in der Hochkordillere noch an Neuem und Interessantem zu erwarten ist, zeigen tiber unsre Entdeckungen hinaus (Goetsch, Hellmich, Schroder) die neuerlichen Vorst6Be Schréder’s in die Kordillere von Elqui: der neuen Art L. lorenzmiilleri kommt vom faunistischen und deszendenztheoretischen Standpunkt eine besondere Be- deutung zu. Hier ware vor allem zu untersuchen, ob es sich bei lorenz- miilleri ebenfalls um eine sekundare Besiedlung friiher vergletscherter Ge- biete handelt oder ob die jetzt bewohnten Biotope von den Gletscher-Vor- stoBen der stidhemisphaerischen Glazialzeit verschont blieben. Auch die neue kleine Form L. sciréderi, die ein schmales, der Kordillere entlang- ziehendes Band in der Héhe von 1500 bis 2200 m besiedelt, ist von auBer- ordentlichem Interesse. Wahrend die meisten anderen Liolaemus-Arten und Rassen in grofer Individuendichte vorkommen, konnte L. schréderi bisher nur immer in ganz wenigen Exemplaren beobachtet und gefangen werden. Umso erstaunlicher und ratselhafter ist die offenbar geringe Variabilitat und seine weite Verbreitung, die von der Kordillere Santiagos bis in die Urwaid- berge reicht. In der schematischen Darstellung der Vegetationsformationen und Verbreitungsverhaltnisse der Eidechsen Santiagos (Hellmich 1934, Abb. 10) ist L. schréderi zwischen L. monticola und L. nigroviridis einzufiigen. 170 ; W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder Auf die nach Siiden fortschreitende Annaherung und Uberschiebung der Areale in vertikaler Richtung wurde schon an anderer Stelle hinge- wiesen (Hellmich, 1938, S. 248). Hier lassen sich die Rassen verschie- dener Arten, die im Norden noch getrennte Biotope bewohnen, allein schon okologisch unterscheiden. Eine Reihe von Formen dringen hier im Stiden iiber die niedrigen Passe auch in argentinisches Gebiet ein. Den Austausch und das Ineinandergreifen der Areale chilenischer und argentinischer Formen habe ich kiirzlich bei der Untersuchung der patagonischen Arten ausfthr- licher dargestellt (Hellmich, 1950). Auf der argentinischen Seite der Hoch- kordillere scheint das Gebiet groBter Artendichte merkwiirdigerweise siid- licher zu liegen als auf der chilenischen, wo sich die ftir die Eidechsen opti- malen Bedingungen zweifellos auf der Breite Santiagos finden. Die raumliche Annaherung von Varietaten der gleichen Art ist im Rahmen biogeographischer Gesichtspunkte bei den AngehGrigen der nigro- maculatus-Gruppe am interessantesten. Nicht die jeweils am Ende des Ge- samtareals lebenden Rassen sind die am weitesten differenzierten, sondern diejenigen, die den extremsten Biotop bewohnen. Ich glaube, da dieser Tatsache die Bedeutung einer Regel zugesprochen werden kann. Auch Rensch (1947) bekennt sich neuerdings zu der Ansicht, daB es nicht not- wendig sei, da die geographischen Endglieder am. starksten differenziert sind. Andererseits fordert das Verschwimmen deutlicher einwandfreier Rassenmerkmale in den Grenzbiotopen (z. B. atacamensis, kuhlmanni, zapal- larensis), die anscheinend oft nur wenige Meter (!) auseinanderliegen, eben- falls zu einer viel griindlicheren Analyse der Biotope heraus. Gerade diese Untersuchungen lassen sich aber nur im natiirlichen Verbreitungsgebiete der Art selbst. durchftthren. Abgesehen davon, da8 uns hier — im Gegen- satz zur Limnologie — noch immer geeignete aérobiologische Untersuchungs- methoden fehlen (Hellmich, 1933, S. 166-67), ist auch wahrend kurzer Sammelaufenthalte nicht mit befriedigenden Ergebnissen zu rechnen. Den Verlauf von Isothermen zur Charakterisierung von Klimata und als alleinige Erklarungsnachweise fiir faunistische und evolutionistische Hypothesen zu benutzen, wie es beispielsweise von Reinig (1938) versucht wird, halte ich flr abwegig. Sicherlich geniigt es auch nicht, nur einen Faktor wie etwa die Temperatur als Charakteristikum des Lebensraumes anzunehmen, sondern das Zusammenwirken aller Faktoren mu dabei bedacht werden, wahrend umgekehrt das Pessimum eines einzigen Faktors bereits ausschlag- gebend sein kann. Kaum ein Land diirfte fiir die Untersuchung gegensatz- licher nahe aneinander grenzender Biotope so geeignet sein wie gerade Chile. Mit der Erforschung der abiotischen Faktoren mitiBte dann eine griind- liche Beobachtung der Verhaltensweisen der einzelnen Eidechsenformen parallel laufen. Ich verweise hier nur auf die bereits friiher mitgeteilten Beobachtungen iiber Bevorzugung von Biotopen und gednderte Fluchtreflexe bei den Rassen verschiedener Liolaemus-Arten. Sehr auffallig sind diese Unterschiede bei den beiden benachbarten Rassen bisignatus und zapalla- rensis von L, nigromaculatus. Wahrend die letztere die von der Brandung W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder ; 171 des Meeres tiberspiilten Felsen bewohnt, besiedelt bisignatus ausschlieBlich die unmittelbar an die Kiiste anschlieBenden Sanddiinen; sein Fluchtreflex ist nicht auf die Ferne gerichtet, sondern besteht in einem AuBerst flinken Einwuhlen in den losen Sand, wobei dem verkiirzten und verdickten Schwanz als Bewegungsorgan grofe Bedeutung zukommt. | Leider liegen mir von dem Schréder’schen Material nur die toten Tiere, kaum aber 6kologische Beobachtungen vor. Die Niederschriften W.Schréder’s sind bedauerlicherweise durch Kriegseinwirkung verloren gegangen oder unzuganglich. Nirgends ist ftir den Systematiker eine per- sénliche Beobachtung seines Untersuchungsmaterials im natiirlichen Lebens- raum unerlaBlicher als bei Gruppen mit groBer Variabilitat der taxonomisch wichtigen Merkmale und des Verhaltens. Thorpe’s erste Forderung fiir die Entwicklung einer modernen Systematik, namlich, da8B alle Spezialisten die Méglichkeit haben sollten, ihre Gruppe nicht nur am toten Material, sondern vor allem in der Natur zu studieren, kann nicht deutlich genug unterstrichen werden (Thorpe, in Huxley 1949), Bei der groBen Schwankung der Futterwahl bei Liolaemus-Arten und ihrer Bedeutung fiir Habitus, Farbung und Zeichnung (vergl. auch Eisen- traut 1950) ware es besonders verlockend, vergleichende Messungen an Darmlangen und Vergleiche von Gewichten vorzunehmen, Eine orientierende Voruntersuchung am toten Material ergab, daB bei den siidlichen Andenformen im Zusammenhang mit der Bevorzugung pflanzlicher Nahrung eine auffallige VergroBerung des Endabschnittes des Darmtraktus zu beobachten ist. Ein- wandireie Resultate sind aber am toten und vor allem injizierten Material nicht zu erhalten. Diese Untersuchungen, die von besonderem 6kologischen Interesse sind, kénnen nur am lebenden und frisch gefangenen Material im Lande selbst vorgenommen werden. Auf die Variabilitat der GroBenver- haltnisse, die zweifellos auch in engem Zusammenhang mit dem Verhalten der Tiere steht, komme ich in anderem Zusammenhange zu sprechen. Auch die Erforschung der Fortpflanzungsverhaltnisse bleibt Untersu- chungen im Lande vorbehalten. Die bisherigen Feststellungen ergaben jeden- falls, dali die Liolaemus-Formen im Hochgebirge und im Siiden zum Lebend- gebaren tibergehen und daf wir auch hier mit einer betrachtlichen Variation zu rechnen haben. Unter dem Schréder’schen Material befindet sich ein Weibchen.von L. 1. leopardinus, das am 25. Februar 1933 am Potrero Grande in einer Héhe von 2200m gefangen wurde (Zool. Staatssamml. Miinchen Herp. Nr. 204/1947). Eine Untersuchung dieses Tieres, das bereits halb auf- geschnitten war, ergab, daB es drei fast schlupfreife Jungtiere trug. Alle drei Tiere sind noch in die Eihaute eingeschlossen, zwei Tiere liegen auf der linken, eines auf der rechten Seite; die Eingeweide sind in der Mitte eng zusammengepreft. Die rechte Leibesfrucht fullt fast den gesamten Innenraum der rechten Leibeshohlenhalfte aus und erstreckt sich noch unter die Leber, die sich lappenartig um die Frucht herumschlagt. Auf der linken Seite nimmt der proximal gelegene Embryo einen groBen Teil des Brust- raumes ein, in dem er auch noch etwas nach der rechten Seite hertiber- LaZ W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder drangt. Das auf der linken Seite caudal gelegene Jungtier ist am weitesten entwickelt und stand offenbar kurz vor dem Ausschliipfen. Die beiden anderen haben noch einen grofenDottersack anhangen. Alle drei sind ziemlich éroB, die gréBte Lange jeder ,Fruchtblase" betragt 22—23 mm, die gréfite Breite 13—16 mm (Kopfrumpflange der Mutter 86 mm). Die Jungtiere sind in der EFihaut kurz vor den Weichen umgeknickt, zwischen Schwanz und Korperseite schaut die rechte, eng angelegte Vor- derextremitat nach oben, die linke ist nach hinten und seitlich unten an- selegt, der Schwanz ist zusammengeringelt, verdeckt die Hinterextremitaten und liegt unter dem Dottersack. Die Beschilderung des relativ sehr grofen Kopfes erweckt einen auBerordentlich regelmaBigen Eindruck. Alle drei zeigen auf der Oberseite auf hellrétlichbraunem Grunde eine fertige Zeich- nung, die dem typischen Leopardenmuster der erwachsenen Tiere 4hnelt und aus zuweilen hellgerandeten runden oder Querbarren 4hnlichen Flecken besteht. Genaue Messungen lassen sich an den Embryonen leider nicht vornehmen, da sie stark gehartet und bruchemplindlich sind. Bei Vorliegen eines groBeren Materials waren gerade hier fiir die Untersuchungen des allometrischen Wachstums von Kopf, Rumpf und GliedmaBen besonders aufschluBreiche Ergebnisse zu erwarten. Noch ungeklart ist die Frage, wann die Befruchtung stattfindet und wann die Jungtiere schliipfen. In der groBen Hohe, in der diese Eidechsen leben, bleibt die winterliche Schneedecke noch lange geschlossen. So stie ich Anfang November nur wenig stidlicher in der Hochkordillere um Lo Valdes in einer Hohe von 2200 bis 2400m erst auf kleinste apere Flecke, auf denen die ersten Eidechsen fiir nur wenige Augenblicke aus ihren Schlupfwinkeln herauskamen. Ob die kurze Spanne Zeit reicht, die Entwicklung der Embryonen von der mutmaBlich im November stattfinden- den Befruchtung soweit zu treiben, daB sie bereits vor Einbruch der neuen Kalteperiode schliipfen und den Winter tiberstehen k6nnen, ist sehr frag- lich, Zweifellos ist dabei zu bedenken, da die Insolationstemperaturen auch - in gr6Beren Hoéhen zwar oft betrachtliche Werte erreichen (vergl. Hellmich, 1933, S. 191), die entwicklungsbeschleunigend wirken kénnen. Die den weit- aus gréBeren Teil des Tages anhaltenden Tieftemperaturen (Nachtwinter) erzeugen aber starke Abkiithlungen, die des 6fteren und fir lange Zeit durch Schlechtwetterperioden erhalten und verstarkt werden. Leider liegen aus den chilenischen Hochanden keinerlei mikroklimatische Messungen vor, die als Unterlage dienen kénnen. Die Erwachungs- und Optimaltempera- turen der hochandinen Echsen liegen nach meinen Beobachtungen sicher niedriger als diejenigen der Liolaemus-Formen aus der Ebene. Auch zeig- ten sie fiir die einzelnen Arten verschiedene Werte, so dai es méglich war, etwa am Morgen nach dem ausgelegten Thermometer und seinen steigen- den Temperaturen vorauszusagen, welche Art zuerst die Ruheplatze ver- lassen und welche ihr folgen wiirde. Hier liegt noch ein weites Feld fiir Untersuchungen brach. Es ware ganz besonders reizvoll, die jeweiligen Temperaturkurven der Umgebung W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder 173 mit Erwachungs- und Aktivitatskurven der Tiere zu vergleichen und die einzelnen Arten und Rassen von Liolaemus auch physiologisch zu charak- terisieren. Nach meinen Erfahrungen in Chile wiirden wir auch hier auf eine auBerordentliche Variabilitat in der Bevorzugung der optimalen Temperatur- bereiche und des sich danach richtenden Verhaltens stoBen. Il. Deszendenztheoretische Bemerkungen 1. Gegenstand und Breite der Variation In der gleichen Weise, in der sich die tiergeographischen Ergebnisse der Schréder’schen Sammeltatigkeit in unsre bisherigen Kenntnisse ein- ordnen, bestatigt auch die systematische Untersuchung des neuen Materials die friiher gewonnenen Anschauungen tiber Art und Ausma® der Variabili- tat der Gattung Liolaemus. Wie bei vielen anderen Eidechsen finden wir auch bei Liolaemus vor allem die beiden hauptsachlichen Formen der Varia- bilitat, die individuelle und die geographische, vertreten. Beide sind auBer- ordentlich groB, und beide zeigen bestimmte Richtungen, deren Untersuchung und Vergleich uns sowohl Schliisse tiber die Evolution dieser variablen Gattung als auch eine Gliederung der Merkmale in zwei Gruppen erlaubt. Neben Merkmalen, die ausgesprochene Beziehungen zur Umwelt zeigen und die wir bereits frither (1934) ,oekotypische Merkmale* nannten, be- segnen wir Merkmalen, die nach unsrer Erkenntnisméglichkeit keine deut- lichen Zusammenhange mit der Umwelt haben kénnen. Wir wiirden sie am liebsten ,idiotypische” Merkmale nennen, sind aber gezwungen, diese Benennung- zu vermeiden, da der Begriff ,,ldiotypus" schon anderweitig fest- selest ist. Ich méchte deswegen die Bezeichnung ,autotypisch” vor- schlagen, und unter diesen Merkmalen solche verstehen, die keine erkenn- baren Beziehungen zur Umwelt zeigen. Ich werde nach der allgemeinen Schilderung der Variabilitatserscheinungen naher auf Begriff, Unterschiede und Vorkommen dieser beiden Merkmalsgruppen eingehen. AuBer vom Gesichtspunkt der Umweltbezogenheit kénnen wir die ein- zelnen Merkmale auch nach ihrer Verwertbarkeit fiir taxonomische Zwecke gliedern. Einige Merkmale variieren bei den chilenischen Liolaemus-Arten tiberhaupt nicht. So zeigt keine chilenische Liolaemus-Art oder -Rasse ver- sroBerte Schuppen an der Hinterseite der Oberschenkel, wie wir sie zu- weilen bei ostandinen Arten antreffen. Bei keiner einzigen Art oder Rasse wird eine héhere Zahl von Schilderreihen zwischen Suboculare und Supra- labialia angetroffen als die Einzahl. Andere Merkmale variieren zwar, aber nur in geringem Umfange, und es [aft sich keinerlei deutliche Ordnung und keinerlei Richtung in der Variation erkennen. Dies trifft beispielsweise fir die Anordnung der Kopfschilder, die Kielung der Temporalia, zuweilen auch fiir die Ausbildung der Aurikularschuppen zu. Fiir die Pholidosis des Pileus 1a8t sich nur verallgemeinern, daB sie bei Jungtieren regelmaBiger ist und daB sich mit zunehmendem Alter eine Aufspaltung oder fortschreitende Un- regelmafigkeit einstellt. Diese individuell auftauchende Variabilitat hat im geo- éraphischen Sinn weder eine Bedeutung noch zeigt sie irgend eine Progression, 1 74 W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schréder Diesen unwesentlichen Merkmalen stehen taxonomisch valide Merk- male gegentiber. Hierzu geh6ren vor allem die Kérperform und die GréBe, im besonderen die relativen MaSverhaltnisse zwischen KopfrumpfgréRe und Korpergliedmafen, weiterhin die GroBe, Zahl und Form der Rumpfschup- pen, die sich in der Zahl der rund um den Ko6rper gezahlten Schuppen ausdriickt, endlich die Farbung und Zeichnung. Wir wollen zunachst die Variabilitat dieser Merkmale besprechen und wollen sie erst anschlieBend zu ihrem Auftreten, ihrer Bedeutung fiir den Organismus und ihrer még- lichen Entstehungsursache in Beziehung setzen. a) Kérperform und GroéBe In meiner Monographie der chilenischen Eidechsen hatte ich bereits aul die Variabilitatserscheinungen bei den absoluten und relativen MaBen hingewiesen. Innerhalb des nigromaculatus-Rassenkreises sind die Formen an der Ktiste und auf Inseln gr6Ber als die im Innern der Atacama leben- den Rassen. Innerhalb einiger anderer Arten und der andinen Rassen zeigt sich eine progressive Abnahme der KorpergréBe und der relativen Extre- mitaten- und Schwanzlange in siidlicher Richtung, womit ein Plumperwerden der Gesamtgestalt verbunden ist. Fraulein O. Schuster hat in ihrer Arbeit tiber die klimaparallele Ausbildung der K6érperproportionen bei Poikilother- men auch unser Liolaemus-Material benutzt und durchgemessen, wobei sie auch die allometrischen Verschiebungen innerhalb des ontogenetischen Wachs- tums beriicksichtigt hat. Auch am Liolaemus-Material bestatigen sich die allgemeinen Resultate, namlich, da héheren Temperaturen auch groBere Tiere entsprechen, daB Eidechsen mit den langsten Schwanzen in den Arealen mit dem hdéchsten Temperaturmittel des warmsten Monats zu finden sind und da die Extre- -mitaten bei denjenigen Populationen am langsten sind, die Gebiete mit der héchsten sommerlichen Bodentemperatur bewohnen. Das gilt bei der Gat- tung Liolaemus sowohl fir Angehérige innerhalb der Art (z. B. chiliensis, . lemniscatus) als auch innerhalb der Rassen (altissimus, monticola), Doch sind dabei einige Ausnahmen zu finden, fiir deren Zustandekommen zum Teil besondere klimatische Verhaltnisse verantwortlich gemacht werden (z. B. bei tenuis), Die wenigen greifbaren Angaben itiber den taglichen und saisonellen Temperaturverlauf erschweren aber auch hier eine einwandfreie Deutung. Besonders interessant sind die Verhaltnisse bei L. monticola chillanen- sis, der an den Abhangen eines tatigen Vulkans lebt und sich durch be- trachtlichere GréBe gegeniiber der noérdlicher lebenden Nominatform aus- zeichnet. Auf die GréBenunterschiede der beiden Populationen von L. buer- geri hatten wir bereits bei ihrer Wiederbeschreibung hingewiesen (Miller und Hellmich). Die Tiere von den Bafios de Azufre, die kaum 6 km vom Fundort der zweiten Population, der Cuesta Vergara, entfernt liegen, bleiben viel kleiner als die anderen. Das dem K6rperwachstum gegentiber stark negativ allometrische Wachstum der Schwanze zeigt bei beiden Populationen W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder 175 keinen Unterschied. Dagegen wachsen die Extremitaten der Echsen von den Bafios de Azufre viel langsamer, Der unterschiedliche Habitus der bei- den Formen ist also wohl durch eine Entwicklungshemmung bei der Popu- lation von den Bafios de Azufre bedingt, die das Wachstum dieser Tiere besonders frith verzogert. Einer Verlangsamung des Kérperwachstums folgt dabei eine entsprechende Verzégerung des Beinwachstums, so daf hier bei mittelgroBen Tieren bereits Korper-Bein-Relationen auftreten, die bei der Population von der Cuesta Vergara erst viel spater zu beobachten sind (Schuster). Da auBerdem die relative Lange der weiblichen Beine in der Wachstumsgeschwindigkeit schneller abnimmt als die der mannlichen, ist demzufolge auch der morphologische Unterschied zwischen den erwachsenen Weibchen der beiden Populationen gréfer als zwischen den erwachsenen Mannchen, Ahnlichen GroBenunterschieden begegnen wir bei zwei Rassen des von Schuster nicht untersuchten L. nigroviridis; nur liegen hier die Biotope nicht so nahe aneinander. Die Nominatform, die in den starken Isolations- temperaturen ausgesetzten Hochanden Santiagos lebt, ist groéBer als die Rasse der ozeanisch beeiniluBten Kiistenkordillere (DurchschnittsgroBen: n. nigroviridis: 33 71-76-80, 29 61-63-67, n. campanae: 33 68-69-70, 99 60). In der gleichen Weise, wie von O. Schuster ftr die Gesetzmafigkeit des unterschiedlichen Wachstums von L. buergeri kein Zusammenhang mit irgend- einem der untersuchten klimatischen Faktoren angenommen wird, kann der ebenfalls bedeutende GroBenunterschied der minor-Rasse von nigroviridis ($4 55-62-67, OQ 50-55-60) nicht auf klimatische Differenzen zwischen den Biotopen der Nominatform und von minor zurtickgefiihrt werden. Hier scheinen andere Faktoren eine Rolle zu spielen, auf die wir spater zu sprechen kommen (vergl. S. 180). Von besonderem Interesse sind auch die Verhaltnisse bei L. pictus Hier stoBen wir auf eine Progression innerhalb der Mafe, die in der Rich- tung Nahuel Huapi (p. argentinus) tiber Villarica (p. pictus) zu Tieren von Chiloé (p. chiloéensis) ansteigt. An die Chiloé-Form reiht sich noch eine Inselrasse (p. major) an, die sich durch besondere GréfSe auszeichnet (Boulenger, 1885, Totallange 244mm). Der gleichen Erscheinung begeg- nen wir bei dem bereits oben erwahnten L. nigromaculatus, der ebenfalls Inseln besiedelt; auch bei ihm steigt die GréBe von den Populationen im Innern des Landes (atacamensis, copiapensis, kRuhlmanni) tber die Popula- tionen an der Kiiste (bisignatus, zapallarensis) zu dem Inselbewohner (ater) an. b) Form und Zahl der Schuppen Die allgemeine Variabilitat im Schuppenkleide habe ich bereits in meiner Monographie (1934) ausfiihrlich besprochen. Kein Merkmal erweist sich vom taxonomischen Standpunkt aus als so wichtig wie die Zahl der Schuppen um die Rumpfmitte, Die einzelnen Variationsbreiten habe ich bereits schematisch 176 W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder dargestellt (1934, Abb. 3, 4, 8, 12, 13), so daB hier auf diese graphischen Darstellungen verwiesen werden kann. Aus den Abbildungen 1a8t sich erkennen, da wir typische Zufalls- kurven mit Mittelgipfeln vor uns haben. Der auffalligen Zunahme der Zahl. der Schuppen um die Rumpfmitte von Norden nach Siiden, wie ich sie bereits fiir die Rassenkreise schilderte (1934, S. 119), begegnen wir auch innerhalb der einzelnen Arten, so dal wohl dieser Tatsache die Bedeutung einer Regel zugesprochen werden kann. Dabei verschiebt sich sowohl die Gesamtbreite der Variation als auch die durchschnittliche Gipfelhéhe der Kurve. Ich fthre hier nochmals einige Beispiele auf (die Zahlen in Klam- mern bedeuten Durchschnittswerte): chiliensis Mittelchile (27) Siidchile (32) lemniscatus Santiago 39-(40)-43 Los Quefies 39-(43)-46 fuscus Nordchile 44.47 Mittelchile 47-50 platei platei Nordchile 40-48 , curicensis Curic6 48-58 altissimus altissimus Mittelchile 47-58 , araucaniensis Siidchile 56-63 neuguensis Neuquen 62-78 tenuis Rio Teno-Tal 58-(65)-69 Villarica 66-(70)-76 pictus chiloéensis Chiloe 54-62 le DIGIUS, Villarica 63-75 , argentinus Nahuel Huapi 71-85 monticola monticola Mittelchile 80-(84)-90° F chillanensis Chillan 80-(84)-90 , Dillaricensis Villarica 85-(88)-95 Die Zunahme der Schuppenzahl entsteht zumeist durch Verkleinerung der Schuppe. Handelt es sich um Arten, die sich durch Seitenschuppen auszeichnen, die kleiner sind als die Rtickenschuppen, so setzt die Ver- kleinerung zunachst und besonders bei den Seitenschuppen ein. Der Erhéhung der Schuppenzahl entspricht raumlich eine Verschiebung der Lebensbedingungen aus warmeren und trockeneren zu feuchteren und ktthleren Biotopen. Dabei spielt auch zweifellos die Zunahme des Windes eine bedeutende Rolle, da wir bei Rassen, die in argentinisches Gebiet hintiberreichen (p. argentinus, a. neuquensis), eine noch betrachtlichere Er- ~ héhung finden; die argentinische Seite der Hochkordillere zeichnet sich ja durch ganz bedeutendere Windhaufigkeit und Windstarken aus als die chile- nische. Vielleicht bedeutet hier die Verschlimmerung vom Pejus zum Pessi- mum der Lebensbedingungen auch die Arealgrenze fiir eine Reihe von mittel- und stidchilenischen Formen in ihrem an sich méglichem Vordringen W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder (7 gegen Osten, wobei der Ausleuhlenesgreke des Windes eine wesentliche Rolle zuzusprechen ist. c) Farbung und Zeichnung Die bunte Mannigfaltigkeit des Farbkleides und der Zeichnungsmuster der chilenischen Liolaemus-Formen 1la8t sich auf drei Grundtypen zuriick- leiten, namlich auf Langsstreifung, auf Querbanderung und auf eine Kombi- nation beider Prinzipien. Diese drei einfachen Zeichnungstypen, die ich (1934) schematisch in Abb. 14 darstellte, sind bei den einzelnen Arten in verschie- den weitgehendem Mafie ausgepragt, wobei das eine oder das andere Ele- ment starker hervortreten oder ganzlich verschwinden kann. Ihre Variation kombiniert sich noch mit einer Abanderung der Grundfarbung, die von hellgrauen und hellbraunlichen Ténen bei Tieren aus dem Norden zu immer dunkleren Ténungen von Tieren aus dem Stiden Chiles iiberfiihrt. Das Samm- lungsmaterial Schréder’'s bestatigte auch in dieser Hinsicht die friiher gewonnenen Ergebnisse. Hier sei zunachst noch betont, daB sich im allgemeinen das Farb- und Zeichnungskleid, das bereits in friiher Embryonalzeit fertig angelegt ist (vergl. S. 170), in der Jugend durch Klarheit und RegelmaBigkeit auszeich- net, sich aber zuweilen im Laufe des Lebens verandert und durch fort- schreitende Verdunkelung und Pigmentanhaufung tiberdeckt wird. Dies gilt vor allem ftir Formen, bei denen eine Pfeffer-Salz-Zeichnung ausgepragt ist. Sie kann sowohl bei Arten (L. nitidus, lorenzmiilleri) als auch bei ein- zelnen Rassen von Arten (L. a. altissimus) auftreten, wobei auch eine Pro- gression festgestellt werden kann (L. nigromaculatus bisignatus zu L.n. zapal- larensis). Im Allgemeinen ist diese Pfieffer-Salz-Zeichnung auf das mann- liche Geschlecht beschrankt. Neben der Verdunkelung der Grundfarbe ist der zunehmende Melanis- mus bei Formen an der Ktiste und auf Inseln (nigromaculatus zapallaren- sis, n. ater, pictus major) sowie bei den andinen Rassen in siidlicher Richtung als geographische Variationserscheinung am auffalligsten und am interes- santesten. Er deckt sich mit dem auch bei vielen anderen Eidechsenarten- und Rassen beobachteten Insel- und Hochgebirgsmelanismus (vergl. Mertens 1934, Eisentraut 1950). Wenn wir uns der Nomenklatur Reinig’'s (1937) anschliefen, so finden wir alle Arten der melanistischen Farbung neben- einander; der Verdunkelung der Grundfarbe (Melanismus s. str.) lauft eine VergréBerung bereits vorhandener Zeichnungselemente (Nigrismus) oder Neu- bildungen von schwarzen Zeichnungsmerkmalen (Abundismus) parallel. Zu- weilen ist die eine oder die andere Form des Melanismus starker ausge- pragt (vergl. S. 134). Betrachten wir die Haufigkeit und die geographische Verbreitung des Melanismus, so kénnen wir nach Reinig von einem ge- nerellen und einem geographischen Melanismus sprechen, da die Verdunke- lung des Farbenkleides allen Individuen in mehr oder weniger starker Aus- pragung zukommt und da sich der Melanismus nicht nur auf einzelne Orte Veréff. Zool. Staatssamml. Miinchen I, 1950 12 178 W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder des Rassen-Areals beschrankt, sondern alle Individuen des jeweiligen Ge- samtareals der Rasse erfalst. Endlich sei noch auf das gelegentliche Zuriicktreten aller oder fast aller Zeichnungselemente bei Einzelindividuen einer Population aufmerksam gemacht, dem wir, wenn auch selten, so doch hier und da auch bei Lio- laemus-Arten begegnen (z. B. bei L. altissimus moradoénsis). Dieses Auf- treten zeichnungsloser Varianten ist vor allem von verschiedenen Lacerta- Arten bekannt und hat zu einer Reihe von Benennungen gefiihrt (z. B. olivacea, modesta, elegans). Kramer hat dafiir den bereits von Eimer gebrauchten Begriff ,,concolor“ eingefiihrt (1941) und hat nachgewiesen, daB dieses Merkmal bei den von ihm untersuchten Arten durch einen rezes- siven, einfach mendelnden Faktor kontrolliert wird. 2. Modifikatorische oder mutative Variation — Klinen oder Rassen Reinig hat schon auf die beiden Entstehungsméglichkeiten des Mela- nismus, auf eine modifikatorische und eine mutative, hingewiesen und ent- sprechend zwischen einem modifikatorischen und faktoriellen Melanismus unterschieden. Nattirlich steht uns das Vererbungsexperiment fiir die chile- nischen Liolaemus-Arten nicht zur Verfiigung, und wir kénnen, bevor hier nicht Kreuzungs-, Aufzucht- und Fiitterungsversuche durchgefiihrt worden sind, nichts Einwandfreies tiber den erblichen oder modifikatorischen Charakter sowohl des Melanismus wie auch der anderen oben genannten geographisch progressiven Variationen der Liolaemus-Arten aussagen. Ihre Konstanz, die groBe Zahl sowie die Parallelitat dieser oft tieigreifenden Veradnderungen veranlaBten mich schon friiher (1934) zu dem SchluBe, daB es sich nicht nur um phanotypische Standortsmodifikationen, sondern meist um genotypische Veranderungen handelt. Soweit es den Inselmelanismus betrifft, hat diese Ansicht auch Mer- tens vertreten, indem er in seiner Abhandlung tiber die Inseleidechsen (1934) darauf hinweist, ,da8 der Melanismus bei den Reptilien zumeist aber eine durchaus erbliche, d.h. genotypische Variation darstellt". Auch Eisentraut (1950) nimmt an, daB es sich bei dem Melanismus der von ihm untersuchten Eidechsen der spanischen Mittelmeerinseln mit groBer Wahrscheinlichkeit um genotypisch bedingte Farbvariationen handelt. DaB die Genetik des Inselmelanismus ,,jedoch kompliziert und eben erst ange- schnitten ist’ (Kramer, in litt.), geht aus den Ziichtungen von Eidechsen des AuBeren Faraglione (Lacerta sicula coerulea) hervor; hierbei sprechen ein Abklingen der Dunkelfarbung fiir eine Dauermodifikation, die aus einer Kreuzung von Festland QQ und Faraglone ¢¢ und aus reziproker Kombi- nation erhaltenen intermediaren, stark blaustichigen Tiere mit bla®blauer Unterseite fiir Mutation (Kramer, 1949). Das chilenische Liolaemus-Mate- rial wiirde hier ein dankbares Betatigungsfeld fiir Genetiker und Physio- logen darstellen. Es mag noch darauf hingewiesen werden, daf die Verringerung des W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schréder 179 Glanzes, die bei den in Gefangenschaft gehaltenen Faraglione-Fidechsen nach wenigen Wochen einsetzt, sowie das Hellerwerden der Oberseite moglicherweise eine Parallele in den Umfarbungen von Liolaemus-Arten finden, die ich in Chile wahrend der Gefangenhaltung der Eidechsen beob- achten konnte. Experimentelle Untersuchungen dieser Farbveranderungen, die ich zusammen mit Sefiorita M. Codoceo im Instituto Pedagégico durch- fuhrte, ergaben, das die Zeichnung in ihren Umrissen unveranderlich bleibt, daB aber die Ténung der Grundfarbe durch Wechsel der AuSenbedingun- gen verandert wird, wobei die ,,Auffarbung" bereits durch Erhéhung der Temperatur allein erreicht wurde. Der Schlu8 liegt nahe, daB wir bei den uns vorliegenden melanotischen Tieren mit zwei Faktoren zu rechnen haben, namlich mit einer leicht beeinfluSbaren Gesamtténung, deren Verdunke- lungsausma8 Umweltsfaktoren unterworfen ist, und einer erblich fixierten melanotischen Zeichnung. Da die letztere die wesentlichere ist, kénnen wir wohl im Sinne Reinig’s von einem faktoriellen Melanismus sprechen. Ob die geographisch variierenden GréBen- und Proportionsverhiltnisse ebenfalls zu einem gewissen Ausma8 einer individuellen, durch AuBenfak- toren ausgelésten Veranderlichkeit unterliegen, muB noch dahingestellt blei- ben. Wahrend bei Insellacerten (Mertens, Eisentraut) meist eine bipo- lar gerichtete Variabilitat vorliegt und z. B. beziiglich der GréBe Riesen- wuchs und Zwergwuchs, beziiglich des Habitus plumpe und zierliche Formen nebeneinander zu finden sind, ist die Variabilitat bei den chilenischen Liolaemus-Arten und -Rassen nach unseren bisherigen Kenntnissen unipolar gerichtet: bei den Formen, die bis zur Kiiste und bis auf Inseln gehen, nimmt die GréBe zu, bei Formen, deren Areale besonders in den Anden von Norden nach Siiden reichen, nimmt die GréBe ab. Insulare Riesen- und Zwergformen werden von Mertens zum gréBten Teile auf Mutationen zuriickgefiihrt. Auch O. Schuster beschaftigt sich eingehend mit der Frage, ob die von ihr festgestellten klimaparallelen Ver- anderungen nur auf einer modifizierenden Beeinflussung durch Au@enfak- toren oder auf einer durch die Umwelt verursachten Auslese besonders geeigneter Mutanten beruhen. Nach ihrer Meinung lassen weder die Ziichtungs- versuche noch das Naturexperiment eine endgiiltige Entscheidung dartiber zu, ob die klimaparallele Ausbildung dieser Merkmale im Genom verankert ist. Ftir die komplexe Eigenschalt ,KérpergréBe” halt sie beide Wege fiir offen, sowohl die Dauer der Wachstumsperiode als auch die Auslese be- sonders angepaBter GroBenvarianten kénnen als Erklarung herangezogen - werden. Fir die klimaparallele Ausbildung des Verhaltnisses zwischen K6rper- éroBe und Anhangslange wird dagegen im wesentlichen eine Abwandlung der ersten Entwicklungsschritte verantwortlich gemacht, die bei stark von- einander abweichenden Populationen zweifellos mutativen Charakter tra- gen soll, . Der auffalligen Tatsache, daB die meisten beobachteten Mutationen (vergl. auch Goldschmidt 1940) auch als Modifikationen auftauchen kénnen, begegnen wir auch bei der Frage der SchuppengroRe und Schuppenzahl. 12* 180 W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schréder Ich habe in diesem Zusammenhang bereits friiher auf die bei Tarentola mauretanica durchgefiihrten Regenerationsexperimente von Noble und Bradley (1933) hingewiesen, die ergaben, da’ Wachstum und GroBe der Schuppen durch mechanische Faktoren stark beeinfluBbar sind; die bei kih!'eren Temperaturen entstehenden Schuppen wuchsen schneller und waren kleiner, — eine Tatsache also, die sich mit der gréBeren Zahl der Schup- pen bei Liolaemus-Formen aus siidlicheren Breiten und verschlechterten Lebensbedingungen vollig deckt. Wir sind uns nattirlich dariiber klar, daB die Lésung der Frage, ob ein bestimmtes Merkmal (oder eine gréBere Anzahl derselben) bei Neube- schreibungen erblich oder durch Modifikation bedingt ist, a priori nicht zum Aufgabenbereich und zur Erforschungsméglichkeit des Systematikers gehért und daf die Durchfihrung der Nomenklatur zunachst nur eine tech- nische Seite seiner Arbeit darstellt. Wenn aber der Sinn der Taxonomie darin besteht, durch Gliederung und Einordnung der Tierwelt die natir- lichen Verwandtschaftsverhaltnisse und die Phylogenie zu erfassen (versl. Richter 1943), dann erscheint uns die Beschaftigung mit dem Fragenkom- plex der erblichen Verankerung einzelner Merkmale unerlaBlich. Sie scheint mir auch insofern erforderlich, als durch den technischen Vorgang der trindren Namengebung und der Auffassung einer neuen Form als geogra- phische Rasse laut Definition der ,,Subspezies" bestimmte Forderungen erfullt sein miiBten. Zu diesen gehort z. B. nach Huxley (1943), daB nicht- genetische Unterschiede nicht als Basis fiir eine subspezifische Unterschei- dung verwendet werden diirften. Auch die Einfiihrung des neuen Begriffs ,Cline" durch Huxley (1939) weist auf die Notwendigkeit der Untersu- chung dieser Frage hin, wenn ich auch der Entscheidung, ob erbliche oder nichterbliche Merkmale vorliegen, fiir die Einordnung in Rasse oder Kline nicht die Bedeutung zumesse, die O. Schuster offenbar als eine von mehreren Bedingungen erfiillt haben méchte (vergl. Zusammenfassung, letzter Absatz bei Schuster). Bei der Unterscheidung der beiden taxo- nomischen Gruppen kommt es m. E. Huxley auch nicht auf die Frage der genetischen Konsolidierung, sondern auf das Vorhandensein einer Gradation an. ,Gradationen" liegen nun, wie wir oben sahen, fast bei allen Liolae- mus-Arten vor. Die Diskontinuitat und Isolierung der meisten Populationen der Liolaemus-Formen sowie deren jeweilige Einheitlichkeit erleichtert aber die Frage, ob Einordnung in Rasse oder Kline vorzunehmen ist. So kénnte uns beispielsweise die graduelle Verschiebung der Schuppenzahlen, der auch eine Gradation der klimatischen Bedingungen parallellauft, dazu be- rechtigen, die Populationen der gleichen Art, die nérdlichere und siid- lichere Areale bewohnen, als Klinen aufzufassen (etwa bei L. chiliensis, lemniscatus, vergl. S. 174) oder in den oben bereits aufgefiihrten Zwischen- formen der nigromaculatus-Rassen Klinen zu erblicken. Hier wird die Ent- scheidung erschwert, da auch eine Bastardierung der Randpopulationen -vorliegen kénnte; wir kénnten sie dann als ,,Hybrid Clines" ansehen, W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder 181 Auch die Frage, ob mehrere Merkmale erforderlich sind, um Popu- lationen als Subspezies abzutrennen, oder ob ein Merkmal allein geniigt (vergl. hierzu ebenfalls die Forderungen von Schuster), scheint mir nicht wesentlich zu sein. In der Tat sind es ja meist mehrere Merkmale, viel wichtiger erscheint mir aber die Einheitlichkeit der Population, wie sie z. B. bei den fiir das Volcan-Tal aufgestellten Rassen jeweils vorliest, die auch offenbar raumlich gut isoliert sind. Damit sind die Forderungen, die Huxley fiir die Aufstellung einer Subspezies stellt und die sich auch mit den allgemein tiblichen Ansichten decken, voll erfiillt, so da8 wir wohl zu der Auffassung berechtigt sind, die bisher aufgestellten geographischen Rassen als solche zu Recht bestehen zu lassen. 3. Raumliche Bindung der Variation Aus einer friiheren kartographischen Darstellung der Verteilung rassen- bildender Liolaemus-Formen fiir den Santiaguiner Raum (Hellmich 1934, Abb. 19) geht deutlich hervor, da die Arten mit Rassenbildung auf die Hochkordillere verteilt sind, wahrend die monotypischen Arten die Ebene bewohnen. Die neueren Ergebnisse erlauben uns wohl unter der Beriick- sichtigung der Gedanken Huxley’s die Erweiterung, daB die in der Ebene lebenden Liolaemus-Arten, deren Areale mehrere Klimaraume durchziehen, im allgéemeinen zur Ausbildung von Klinen, die in der Hochkordillere leben- den Formen zur Ausbildung von geographischen Rassen neigen. Geographi- sche Rassen finden sich auBerdem bei dem nordlich der Cuesta de Chaca- buco den ,,Kleinen Norden" Chiles bewohnenden L. nigromaculatus, dessen Areal noch in die eigentliche Atacama sowie bis auf die der Kiiste vor- gelagerten Inseln reicht. Auch L. pictus, dessen Verbreitungsgebiet sich aus dem andinen Raum iiber das Langstal bis auf die Inseln der Urwald-Region erstreckt, bildet mehrere geographische Rassen. . Nehmen wir zunachst den Lebensraum von L. nigromaculatus aus, so sehen wir, wie bereits oben angedeutet, neben der progressiven Variation der Merkmale auch eine Gradation der klimatischen Faktoren, die ftir die Anforderungen eines poikilothermen Tieres im allgemeinen eine zunehmen- de Verschlechterung darstellen. Zur sinkenden Durchschnittstemperatur sesellt sich eine Zunahme der Feuchtigkeit, der Haufigkeit, Starke und Austrocknungsgr6BRe des Windes sowie eine Verschiebung und Verstarkung der jahreszeitlichen Unterschiede. Es eriibrigt sich, hier auf Einzelheiten einzugehen, da ich auf meine ausfiihrliche Darstellung der ,,biogeographi- schen Grundlagen Chiles“ (1933) verweisen kann, Die von O. Schuster gebrauchten klimatischen Charakterisierungen, die vor allem die Tempera- tur berticksichtigen, sind wohl zum Teil noch zu grob, hier und da wobl auch unzutreffend, die Deckung der Gradation der Merkmale und der kli- matischen Faktoren ist aber auch aus ihren Darstellungen deutlich zu er- kennen. Gleitende Unterschiede innerhalb der abiotischen Faktoren sind aber 182 W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder auch im Lebensraum des L. nigromaculatus ausgepragt, nur da es sich hier im wesentlichen um eine Zunahme der Ariditat handelt, der eine Ver- schiebung in der Ausbildung des Untergrundes parallellauft. So wandelt sich der Lebensraum vom Felsenstrand (vergl. Abb. 17 bei Hellmich 1933) iiber reine Sandkiiste (Caldera) zum Mauernbiotop (Copiap6o) und zur klein- wiirfeligen Steinwiiste der eigentlichen Atacama, in der alle extremen Klima- faktoren der Hochwiiste typisch ausgepragt sind. Die Feuchtigkeit spielt im Norden des Areals als Nebel (Camanchaca) eine groBe Rolle; er be- reitet an den Abhangen der Kiistenkordillere bandférmig einer reichen farbenfrohen und formenschénen Vegetation Existenzméglichkeiten und zieht in den Talern oft weit bis ins Innere der Wiiste. Der Gradation der biogeographischen Faktoren lauft eine sich zumeist steigernde Verscharfung der Isolation parallel; sie ist am deutlichsten in Stidchile verwirklicht, wo der dichte Teppich der Nothofagus-Urwalder die Areale der andinen Formen hermetisch voneinander abschlieft. Der Faktor der Isolation spielt aber nicht nur raumlich, sondern auch zeitlich eine Rolle. Die Areale waren friiher einheitlich und zusammenhangend; erst mit dem Abklingen der siidhemisphaerischen Glazialzeit, mit dem Fort- schreiten der Ariditat und mit dem Nachriicken der Pfilanzen- und Tier- arten verscharfte sich die jeweilige Isolation. Aber nicht iiberall deckt sich eine Ausbildung geographischer Rassen mit einer Gradation der biogeographischen Faktoren. Innerhalb der Hoch- kordillere Santiagos stoBen wir pl6tzlich auf eine Haufung subspezifischer Abtrennung bei drei verschiedenen Arten (L. nigroviridis, leopardinus, altis- simus), und zwar in einem Gebiete, das wegen seiner Nahe zu den Are- alen der Nominatformen sich in seinen klimatischen Faktozen zweifellos nicht von deren Biotopen unterscheidet. Es handelt sich hier um das Ge- biet rund um Lo Valdes im Tale des Rio del Volcan, das zu dem gewal- tigen Massiv des Volcan San José (rund 5900m), einem der héchsten feuertatigen Berge der Erde, fiihrt. In der naheren Umgebung dieses Riesen entspringen allenthalben hei&e und mineralische Quellen, so die Wasser der Bafios morales, aus deren nachster Umgebung L. altissimus moradoén- sis stammt. Einer Wiederholung dieser Tatsache begegnen wir bei den beiden sich in der GréBe so stark unterscheidenden Populationen von L. buergeri, von denen die kleinere Form ebenfalls in der Nahe von Quellen vulkanischen Ursprungs, den Bafios de Azufre, angetroffen wird. Auch hier kann bei der Nahe der Areale beider Formen — sie sind nur um wenige Kilometer getrennt — ein Unterschied klimatischer Faktoren nicht angenommen werden, Sehen wir von diesen beiden Beispielen ab, in denen die Variation kaum klimabezogen sein kann, so decken sich in der Mehrzahl der Falle bei einer Verbreitung von Nord nach Siid Merkmalsprogressionen mit klima- tischen Gradationen, und wir sind wohl berechtigt, in Ubereinstimmung mit den Regeln iiber klimatische Parallelitat der Merkmalsauspragung bei W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder 183 Homoeothermen wenigstens ftir die Gattung Liolaemus innerhalb Chiles fol- gende geographische Regeln aufzustellen: Verschiebt sich das Klima innerhalb des Gesamtareals einer Art von Nord nach Siid vom Optimum zum Pejus und Pessimum (von trockeneren warmeren zu feuchteren kiihleren Biotopen), so treten innerhalb der Klinen oder geographischen Rassen einer Art folgende Merkmalsveranderungen auf: 1. Die Kérpergr6é8e nimmt ab 2. Die Kérperanhange verkiirzen sich relativ 3. Der Gesamthabitus wird plumper 4, Farbung und Zeichnung verdunkeln sich im Sinne eines progressiven Melanismus 5, Die Schuppengr6Be nimmt ab, die Schuppenzahl steisgt. Die Untersuchungen O. Schuster’s haben gezeigt, daB sich die hier aufgestellten Regeln fiir Kérperanhange poikilothermer Tiere fiir Reptilien bei gleichen Verbreitungsverhaltnissen in weitem Rahmen verallgemeinern lassen. Es ware au erordentlich interessant, die Giltigkeit der Regeln auch fiir die anderen Merkmale bei einer gréferen Zahl von Genera poikilo- thermer Tiere, insbesondere von Reptilien, zu iiberpriifen. 4, Oekologische Bedeutung der Variation - Es besteht kein Zweifel, da die zuletzt aufgeftthrten Merkmale in irgendeiner Beziehung zur Umwelt stehen und daB wir sie damit als ,,oeko- typische Merkmale” bezeichnen kénnen. Wir wollen damit nichts’ weiter aussagen, als da zwischen dem Merkmal eines Tieres einerseits und der Umgebung andrerseits eine Beziehung besteht, und wollen mit diesem Ter- minus die Frage, ob dieses Merkmal eine Anpassung darstellt, ob es dem Tier forderlich oder schadlich ist oder ob es modifikatorisch oder erblich bedingt ist, keineswegs bertihren. Wir sind aber sicher berechtigt, auBer diesen morphologischen Merkmalen noch andere aufzufiihren, die ebenfalls als oekotypisch zu bewerten sind. Hier waren noch die Fortpflanzungs- verhaltnisse (Ubergang zur Viviparitat) sowie die Verhaltensweisen (Uver- gang zur vegetabilischen Ernahrung, Art der Fluchtreflexe etc.) zu nennen (Hellmich, 1934), womit die Frage angeschnitten ist, ob sich bestimmte Formen ohne Vorhandensein morphologischer Unterschiede allein schon durch ihre Verhaltensweisen als geographische Rassen abtrennen lassen. Wir haben bis jetzt die ,Umgebung" nur summarisch genommen und eine Reihe klimatischer wie edaphischer Faktoren eingeschlossen, und es liegt nun durchaus nahe, zunachst einmal zu untersuchen, ob es méglich ist, aus der Summe der Umgebungsfaktoren die jeweils wirksamen heraus- zusuchen. Wir kénnten dies per exclusionem tun, indem wir durch Ver- gleich der jeweils in Frage kommenden Biotope die Unterschiede elimi- nieren. Diese Versuche sind schon oft gemacht worden und haben unter Verwendung von Experimenten zu den verschiedensten Ergebnissen und 184 W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder Anschauungen gefiihrt. Ich erinnere hier nur an die Behandlung der Lite- ratur durch Reinig in seinem Buche iiber Melanismus, Albinismus und Rufinismus (1937). In neuester Zeit hat Eisentraut (1950) zusammenge- stellt, welche verschiedenen Faktoren fiir das Zustandekommen des Mela- nismus bei Inseleidechsen von den verschiedenen Forschern als mafgeblich angesehen werden. Nach Eisentraut selbst spielen die veranderten Er- nahrungsbedingungen eine ausschlaggebende Rolle bei der Entwicklung zum Filandmelanismus. Fiir die Veranderungen innerhalb der absoluten und rela- tiven GréBenverhaltnisse wird von Schuster im wesentlichen ein Zusam- menhang mit der Temperatur gefunden. Das Gleiche scheint der Fall beim Zu- standekommen der Gréfen- und Zahlenunterschiede im Schuppenkleid zu sein. Meinen eigenen Beobachtungen und Versuchen glaube ich entnehmen zu diirfen, daB die bisherigen Untersuchungen durchaus nicht ausreichen, um mit Sicherheit auf einzelne klimatische Faktoren schliefen zu kénnen. Ich méchte hier die gleiche Forderung stellen, die ich bereits bei der Be- trachtung der Verbreitungsverhaltnisse (vergl. S. 168) stellte, namlich, daB hier — ahnlich der Limnologie — im Rahmen einer Aérobiologie und in enger Zusammenarbeit mit den Mikroklimatologen erst geeignete Untersuchungs- methoden zu finden sind. AuBerdem bezweifle ich, ob jeweils nur ein Faktor als maBgeblich zu betrachten ist; sicherlich greifen zumeist mehrere inein- ander, die iiber ein verdndertes Verhalten der Tiere auch wieder eine Summe anderer abiotischer Faktoren wirksam werden lassen. Wir mtissen ja immer bedenken, da wir ein lebendes Wesen vor uns haben, in dem Anreize auBerer Natur immer wieder verwickelte Korrelationen auslésen. Dies fiihrt uns zweifellos zur Frage der oekologischen Bedeutung der bei geographischen Rassen auftretenden Variationen. Bei der Aufstel- lung der geographischen Regeln hat dieser Gesichtspunkt auch immer wieder im Vordergrund gestanden, und allen diesen bei den Homoiothermen ge- fundenen Veranderungen (Bergmann'sche, Allen’sche Regel etc., vergl. Rensch 1947) ist auch jeweils ein 6dkologischer Vorteil im Sinne einer Adaption oder zum mindesten ein Selektionswert zugesprochen worden. Ob ein Merkmal eines Tieres (einer Rasse) adaptiv, atelisch oder dystelisch ist (vergl. Giinther, 1949), hat zunachst mit der Tatsache, dab es oekotypisch ist, laut unsrer Definition nichts zu tun. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist es unméglich, auf die oft schwankenden Begritts- bestimmungen der eben genannten Merkmalsarten einzugehen. Allein der Begriff ,adaptives Merkmal” schlieBt, worauf vor kurzem auch Mayr hinwies (1942), einen doppelten Sinn ein, entsprechend der Tatsache, da8 man in der Adaption einen ProzeB oder das Resultat eines Prozesses sieht. Halten wir uns an die Auffassung von Mertens (1942), der unter einem adaptiven Merkmal keinesfalls ein im lamarckistischen Sinne durch Anpas- sung erworbenes versteht, sondern damit nur andeuten méchte, daB es fur eine bestimmte Umgebung bzw. Funktion zweckmafig ist, so finden wir bei den Liolaemus-Rassen zweifellos eine Fille oekotypischer Merkmale, die zugleich adaptiv sind. W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder 185 Ganz allgemein gilt dies ftir die Proportionsunterschiede im Zusammen- hang mit dem Verhalten (ich erinnere an L. nigromaculatus bisignatus, an die Unterschiede zwischen L. m. monticola und m. villaricensis) sowie in weitgehendem Mafe fiir die Farb- und Zeichnungstracht. Das bunte Flecken- kleid von L. nigromaculatus atacamensis stellt eine erstaunlich gute Wieder- holung des Wiistenuntergrundes mit den scharfen Schlagschatten seiner kleinen bunten Steinchen dar, Die dunkelblaugriine Tracht der L. pictus- Rassen deckt sich auffallig mit dem dunkelgriinen Gesamtkolorit des chile- nischen Regenwaldes. Der melanotischen Tracht der Inseleidechsen ist ein adaptiver Wert sowohl zu- wie abgesprochen worden. So erblickt Mer- tens im Inselmelanismus der Reptilien zwar nur in den seltensten Fallen eine Schutzfarbung, da die meistens extrem geschwarzten Insel-Reptilien auf den Eilanden tiberhaupt keine Feinde haben und auferdem oft auf ganz hellem Untergrunde leben, dagegen spricht er ihm eine selektive Bedeutung in seinem hohen Absorptionsvermégen fiir Warmestrahlen zu. Eisentraut hingegen lehnt eine biologische Bedeutung des Melanismus fiir die von ihm untersuchten spanischen Inseleidechsen ab und erblickt nur bei einer Rasse (Lacerta pityusensis grueni) in der Farbung eine Anpas- sung an den Untergrund. In der Tatsache, da auch die Pigmentierung der organschtitzenden Pleura (Lacerta sicula campestris auf den istrianischen Inseln) an der Verdunkelung teilhat, sieht Kramer (1949) eine Stitzung der Annahme, da der Inselmelanismus doch Anpassungswert hat. Der letztere besteht nach seiner Meinung in der Abschirmung schadlichen Lich- tes und in der Erwarmung, wobei der erste dieser beiden Effekte als der wesentlichere angesehen wird. Der mitbedingten Warmebildung wird nach diesem Autor der Organismus durch die Erhéhung seines Temperaturopti- mums gerecht. Soweit es bei den chilenischen Liolaemus-Rassen den Inselmelanismus betrifft, ware es auBerordentlich interessant, hier einmal die biogeographi- schen Bedingungen der Biotope von L. nigromaculatus zapallarensis und L. n. atacamensis zu tiberpriifen und im Rahmen verfeinerter aérobiologischer Methoden etwa die Strahlungsintensitat in der Wtiste und an der Kiiste zu iiberpriifen. Zapallarensis zeigt eine sehr weitgehende Schwarzung, wahrend atacamensis im Gesamtkolorit hell bleibt. Interessant ware in die- sem Zusammenhang auch die Uberpriifung der Frage, ob bei der grofe -Hohen der Atacama bewohnenden Liolaemus-Form ,,nigriceps“ in der voll- kommenen Schwarzung des Kopfes und Nackens etwa auch ein Strahlungs- schutz vorliegt; hier ist ja eine besonders hohe Insolation und Strahlen- wirksamkeit anzunehmen. Fiir den Hochgebirgsmelanismus der stidan- dinen.Rassen mochte ich dem Effekt der Ausnutzung von Warmestrahlen den Vorrang geben; denn sollte hier der Vorteil im Strahlungsschutz liegen, darn miiBten eher die nérdlichen Rassen verdunkelt sein, da die Strahlungs- intensitat in der Breite Santiagos zweifellos bedeutend gréBer und zeitlich auch wesentlich langer wirksam ist. Analysieren wir den Adaptionswert der oekotypischen Merkmale der 186 W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder stidandinen Rassen, so konnen wir wohl vermuten, da in der Verkirzung der Koérperanhange, der plumperen Gestalt, der Verdunkelung des Farb- und Zeichnungskleides, im Ubergang zur Viviparitat und zur vegetabilischen Ernahrung Anpassungen an das kithlere und feuchtere Klima mit kiirzerem Sommer zu erblicken sind und da vielleicht auch die Kleinheit der Schup- pen und ihr enges Zusammenriicken den Warmeverlust des K6rpers ver- mindert. ; Es wiirde im Rahmen dieser Arbeit wohl zu weit fiihren, den Anpassungs- wert aller 6kotypischen Merkmale zu tiberpriifen. Wie weit wir uns zugleich der Spekulation ausliefern wtirden, beweist wohl noch ein Ausblick aui die Frage, inwieweit die gesteigerte KérpergroBe bei Inselreptilien in einen Zusammenhang mit den auf Inseln gegebenen Lebensbedingungen zu brin- gen ist. Allein die Ernahrungsverhaltnisse werden entweder als durchschnitt- lich schlecht (Eisentraut) oder auch als stets auBerst giinstig (Mertens) angesehen, Fiir die Ktsten- und Inselformen von L. nigromaculatus ist zweifellos der letztere Faktor zutreffend, da hier entweder eine von Insekten reich besuchte, iippige Sukkulentenflora anzutreffen ist oder aber die un- mittelbare Nahe des Meeres mit ihren Anschwemmungen so viele biogene - Substanzen zur Verfiigung stellt, da8 grofen Schwarmen von Insekten auch an der von Landpflanzen véllig entbl6Bten Kiiste gute Existenzméglichkeiten seboten werden. Wahrend nach Kammerer und Eisentraut (1950) die mediterranen Lacerten die unmittelbare Nahe des Meeres meiden, konnte ich sowohl L. n. zapallarensis wie auch die an der reinen Wistenkiiste Nord- chiles lebenden Phyllodactylus gerrhopygus (Wiegmann) und Tropidurus peruvianus (Lesson) haufig selbst in der Gezeitenzone beobachten. ,,Auf- sgescheucht springt Tropidurus peruvianus in grofen Satzen von Fels zu Fels, oft von den Brandungswellen iiberschiittet, oder er lauft mit hoch- erhobener Schwanzspitze in rasender Geschwindigkeit tiber die glatten Sandflachen. Seine Nahrung-bilden die auf den angeschwemmten Tangen und Tierleichen sich iippig vermehrenden Insekten” (Hellmich, 1934), — Wir haben uns bisher nur mit oekotypischen Merkmalen beschaitigt und haben nun unsern Blick noch’ auf die ,autotypischen” Merkmale zu richten, auf Merkmale also, die unserm Einsichtsvermégen nach keine erkennbaren Beziehungen zur Umwelt zeigen. Von der Existenz solcher Merkmale ist wohl auch Mertens (1934) iiberzeugt, indem er neben Inselvariationen, denen Selektionswert zukommt, auch solche Variationen aufftihrt, ,,die als — von der Selektion herausgeziichtete — »Anpassungen« vorlaufig nicht zu deuten sind“. Unter solchen von Mertens aufgeltihrten Merkmalen méchte ich als autotypisch beispielsweise jene rassenscheiden- den Merkmale erblicken, die quantitativ oft ganz unbedeutend sind, ,,wie geringe Divergenz in Schuppen- und Schilderzahlen oder in Farbungs- und Zeichnungsmerkmalen. Derartige Mutationen vermégen sich aber trotzdem" — nach Mertens — , jin einer insularen” (isolierten) ,,Population leicht durchzusetzen, sofern es nur ihre Dominanz gestattet und der Mutations- koeffizient gentigend hoch ist’. Als weitere derartige Eigenschaften habe W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder : 187 ich bereits frtiher (1934) ftir die Liolaemus-Rassen Verschiebungen inner- halb der Kielung der Rtickenschuppen und der Temporalia, neue Anord- nungsprinzipien in der Beschilderung der Kopfregion, neu auftretende Sexual- dimorphismen und andere Merkmale angesehen. Fiir diese Merkmale ist weder irgend ein Zusammenhang mit der Umgebung noch ein Adaptions- oder Selektionswert zu erkennen, Natiirlich kann hier der Einwand erhoben werden, da8 es sich viel- leicht um Merkmale handelt, die mit einer oekotypischen Eigenschaft ge- netisch gekoppelt sind und dai sie — etwa wie die atelischen Merkmale nach der Definition von Giinther (1949) — Nebenwirkungen eines pleio- tropen Gens darstellen, ,,das daneben auch ein positives selektionswerti- ges Merkmal bedingt. Die von diesem gebotenen Vorteile mtiBten die Nachteile oder die Belastung durch das atelische Merkmal tiberwiegen. Auf solche Weise kann ein atelisches Merkmal einen vielleicht physiologisch bedingten, verborgenen Selektionsvorteil anzeigen, ohne selbst adaptiv zu zu sein” (Haldane 1942, nach Giinther). Diesen Einwand k6énnen wir wohl dort ausscheiden, wo geographische Rassen verschiedener Arten im gleichen oder nahe benachbarten Biotop nebeneinander vorkommen und zwar parallele oekotypische Veranderungen, dafiir aber differierende autoty- pische Merkmale aufweisen. Waren diese letzteren physiologisch mit den Genen fur die oekotypischen Merkmale gekoppelt, dann miiBten auch sie parallel ausgebildet sein und diirften nicht differieren. Beispiele hierfiir liefern die verschiedenen Rassen der andinen Liolaemus-Arten. So erscheint beispiels- weise das Auftreten der Pfeffer-Salz-Zeichnung bei den ¢¢ der Nominat- form von L, altissimus ,,autotypisch" zu sein und in keinerlei Zusammen- hang mit der Umwelt zu stehen. Das Gleiche gilt fiir die verschiedenen Ausmafe der individuellen Variabilitat der nebeneinanderlebenden Rassen von L. altissimus und L. monticola am Volcan Villarica. Hier witirden vor allem Vergleiche der andinen Rassen — falls man sie finden sollte — von den benachbarten Vulkanen (Llaima, Lanin u.a.), deren biogeographische Fak- toren zweifellos keine ausschlaggebenden Unterschiede aufweisen, von auBerordentlichem Interesse sein. DaB der Mannigfaltigkeitsrahmen der autotypischen Merkmale nur be- grenzt sein kann und wir nicht auf vdllig neue, tiberraschend anders gear- tete Eigenschaften stoBen werden, ist ja selbstverstandlich. Fiir ihre Existenz- moglichkeit gilt natiirlich auch jener Faktor, den Giinther (1949) — ange- wandt auf seine ,,atelischen Merkmale* — als ,oekologische Lizens” bezeichnet. Giinther's Begriff atelisches Merkmal deckt sich aber — wo- rauf ich nochmals hinweisen méchte — nicht mit dem Begriff des auto- typischen Merkmals, da ihm — dem letzteren — absichtlich keinerlei Wertigkeit im Sinne eines ,,Zieles" zugesprochen wird. Vergleichen wir endlich noch die Zahl und das Ausma®B der oekoty- pischen Merkmale innerhalb der Liolaemus-Rassen mit jenen der autoty- pischen, so tiberrascht — vor allem bei den andinen Rassen — die tiber- wiegende Mehrzahl der zuerst genannten. Dies scheint beispielsweise im 188 W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder Gegensatz zu der Gattung Varanus zu stehen, bei der nach Mertens ,die rassenscheidenden Merkmale kaum irgendwelche Beziehungen zur Umwelt erkennen" lassen. Hier wird der Eindruck erweckt, ,,daB die ge- ringen Abweichungen in der Schuppenzahl und der SchuppengréBe oder in der Zeichnung erbliche, autonome Variationen ohne jeden Einilu8 der AuBenwelt sind“ (Mertens 1942, S. 69). Vielleicht sind ftir diesen Unter- schied die bei dem Genus Liolaemus vollig anders gearteten Verbreitungsver- haltnisse (Arealerstreckung von Nord nach Siid tiber viele Breitengrade hinweg) und das Vorhandensein deutlicher biogeographischer Gradienten ver- antwortlich zu machen. 5, Entstehung der Variation Die am Ende meiner fritheren Liolaemus-Monographie (1934) aufgestell- te Forderung, daB weitere Aufsammlungen und Vergleiche eine allgemeine Giltigkeit der damals gewonnenen Ergebnisse erweisen miiBten, ist wohl auch insofern erfullt, als unsere Anschauungen tiber die Entstehung der vielen Liolaemus-Rassen und Arten sich auch an Hand des neuen Schr6- der’schen Materials durchaus bestatigen lassen. Wahrend ich im allge- meinen die Entstehungszeit der Arten als praeglazial ansah, sind die Ras- sen wohl ¢gr6dGtenteils jiingeren, postglazialen Alters. Diese Tatsache 1labt sich aus dem Umstande erschlieBen, da sie jetzt — vor allem in den Anden — Areale besiedeln, die erst kiirzlich bewohnbar geworden sind. In die vom Eise befreiten Gebiete wanderten diese Arten ein, wobei sich entweder mit der vertikalen Expansion eine von Nord nach Siid gerichtete horizontale Ausbreitung kombinierte oder sich eine nur in héheren Lagen stattfindende Nordstid-Ausbreitung vollzog. Fir die letztere Méglichkeit spricht die Annahme, da der neuerlich entdeckte L. lorenzmiilleri gegebenen- falls eine Stammform (oder dessen Nachfolger) fiir die beiden von ihr divergierenden L, altissimus und L. leopardinus darstellt, die ihrerseits in _ stidlicheren Gebieten wieder Rassen zu bilden begannen. Auch das Vor- - kommen von L. schroderi im Sinne eines von Nord nach Stid ziehenden Bandes kénnte fiir eine derartige Expansion sprechen. Hierdurch wurden neue Biotope gewonnen, die sich mit der fortschrei- tenden Klimaanderung immer starker voneinander unterschieden und iso- lierten. In den zunachst kleinen Populationen setzten sich relativ rasch Muta- tionen durch, die unter der Mitwirkung eines verstarkten Selektionsdruckes sowohl oekotypische als auch autotypische Merkmale zur Ausbildung kom- men lieBen. Im Gesamtareal der nigromaculatus-Rassen spielte wohl weniger eine Expansion der Art als eine mit der Zunahme der Ariditat fortschrei- tende Divergenz der Biotope die wesentliche Rolle. Da uns das Alter der Klima-Anderungen einigermafen bekannt ist, kénnen wir uns auch an- nahernd einen Begriff tiber die auferordentlich lange Zeit machen, die fur die Ausbildung geographischer Rassen ben6tigt wird. Wie sich dabei im Laufe der Zeit der Unterschied zwischen geographischer Rasse und neuer Art langsam verwischen wird, so méchten wir nach unsern jetzigen W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schréder 189 Kenntnissen in der Ausbildung von Klinen bei verschiedenen Arten den Beginn der Entstehung geographischer Rassen erblicken. Es ware reizvoll, diese Ansichten iiber die Entstehung des bunten Variationsbildes bei der Gattung Liolaemus (Chile) mit neueren Anschau- ungen der Evoiution zu vergleichen. Da es sich hier vielfach um Wande- rungen aus eiszeitlichen ,,Refugialzentren” handelt, liegt es besonders nahe, die hier vorgefundenen Ergebnisse zu Reinig’s Eliminationstheorie in Be- ziehung zu setzen. Die Forderung Reinig’s, daB die Variationsbreite in der Richtung nach den Verbreitungsgrenzen abnimmt, ist bei den Liolaemus- Rassen keineswegs erfillt. Der von Reinig geforderten Elimination von Allelen steht im Gegenteil das Auftreten besonders vieler von uns als oekotypisch bezeichneter Merkmale gegeniiber, deren Parallelitat zweifellos auf einen hohen Adaplionswert dieser Eigenschaften schlieBen lat. Wenn wir uns auf den Standpunkt Dobzhansky’s stellen, da ,Evolution im wesentlichen die Veranderung des Gleichgewichts bedeutet", so erblicken wir in der Tatsache der Ausbildung so vieler Rassen den Versuch eines besonders plastischen (labilen) Genus, sich mit den Anforderungen neuer Umgebungen auseinanderzusetzen und mit der Ausbildung neuer, im Rahmen ihrer Gestaltungsfahigkeit médglicher Merkmale ein harmonisches Gleich- gewicht wiederherzuste!len, ohne das ein Leben auf der Erde kaum még- lich ist. Innerhalb der ,auslosenden Einfltisse* der Umwelt k6nnte dabei die aulfallige Tatsache, da wir in der Nahe von Vulkanen und ihren eruptiven Nebenerscheinungen einer besonders starken Rassenbildung begegnen (z. B.- Volcan-Tal], den SchluB nahelegen, daf§ hier durch besonders geartete Um- welteiniliisse der ,,.Mutationsdruck" erhoht wurde. Die dabei auftretenden Veradnderungen sind nur in ¢eringem Mae oekotypischer Natur, falls man nicht in dem Auftreten kleinerer Formen (L. nigroviridis, Kleinpopulation von L. buergeri) einen st6érenden, das normale Wachstum hemmenden Fak- tor erblicken méchte. Oeko- und autotypische Merkmale und ihre Bedeutung — fir Systematik und Genetik Mit der Unterscheidung oeko- und autotypischer Merkmale innerhalb der Rassenbildung der Gattung Liolaemus wollten wir nur die Frage der Beziehung bestimmter Eigenschaften’ eines in hohem Mafe variablen Genus zu den stark divergierenden biotischen und abiotischen Faktoren der je- . weiligen Areale anschneiden. Das Preblem der Entstehung dieser Merk- male, insbesondere die Frage einer eventuellen direkten Bewirkung durch die Umwelt oder einer gerichteten Mutationsfolgée oder andere Theorien sollen damit keineswegs beriihrt werden. Chile kann durchaus noch nicht als tiergeographisch vollig erforscht gelten. Insbesondere die in starkem MaBe ortsgebundenen Reptilien werden noch fiir lange Zeiten ein weites Feld von Entdeckungen bilden. Durch die Tatsache, da®B hier in postglazi- 190 W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder alen Zeiten weite Gebiete mit extrem differierenden Umweltsbedingungen besiedlungsfahig geworden ‘sind, haben vorher unbesetzte Biotope (,,in- occupied niches” im Sinne Buxton’s} labilen Genera viele Méglichkeiten zur Ausbildung neuer Charaktere — oder anders gesagt — zur vollen Ent- wicklung ihrer Variabilitat geboten. Mit der Einfiihrung der neuen Begriffe wollen wir die fast untiber- sichtliche Terminologie der Evolution keineswegs vermehren, sondern ¢ine Klarung in das bunte Bild der Variabilitatserscheinungen bringen. Ftir die systematische Arbeit erhoffe ich mir eine klarere Analyse der geographi- schen Variationen. Wiirde von den Spezialisten bei der Unzahl von Neu-— beschreibungen vor allem geographischer Rassen auf die Beziehungen der Merkmale zu ihrer Umwelt mehr Acht gegeben, so wiirden sowohl dem beschreibenden wie auch dem experimentell arbeitenden Systematiker weite Gebiete zum Ansatz neuer Untersuchungen, vor allem zur experimentellen Erforschung der Modifikabilitat erschlossen. Die Lesbarkeit der oft véllig beziehungslosen taxonomischen Arbeiten wiirde auferdem betrachtlich er- héht; endlich wiirden derartige Publikationen auch dem Genetiker eine Fundgrube fiir die Lésung seiner Forschungsaufgabe bedeuten. Die so oft verachtete Systematik erscheint damit in einem neuen Lichte, und der Ruf nach einer Zusammenarbeit zwischen Taxonomie und Genetik, der auffal- ligerweise viel starker von der Seite der Genetiker als von jener der Syste- matiker kommt, wtirde m. E. ein fruchtbares Echo hervorrufen. Zur Untersuchung der Frage, ob sich oeko- und autotypische Merk- male bei der Rassenbildung in weiter gespanntem Rahmen unterscheiden lassen, sowie zur Erforschung ihrer eventuellen gegenseitigen Koppelung und ihrer Bindung an die Umwelt wiirde sich die systematische Analyse vor allem solcher Spezies oder Genera eignen, deren Populationen in ex- trem gestaltete Gebiete ausstrahlen. Als solche erblicken wir neben Steppen und Wiisten vor allem die mannigfaltigen Biotope des Hochgebirges, deren Untersuchung besonders dann reizvoll und erfolgversprechend wird, wenn sie nicht parallel, sondern senkrecht zu den Breitengraden verlaufen. Kein Gebiet diirfte zu derartigen Forschungen wohl so geeignet sein wie die gewaltigen Gebirge Amerikas, die von den polaren Breiten der nérdlichen Hemisphaere durch die Tropen hindurch bis zu den vom ewigen Eise be- deckten Bergen Feuerlands reichen. E. Zusammenfassung 1. Aus der reichlich 600 Exemplare umfassenden Liolaemus-Sammlung W. Schréder's konnten fiir Chile 2 neue Arten (L. lorenzmiilleri, L. schro- deri) und vier neue Rassen (L. altissimus moradoénsis, L. leopardinus val- desianus, L. nigroviridis campanae, L. platei curicensis) beschrieben werden; auBerdem konute von dem frither beschriebenen und wiederentdeckten L. buergeri ein gréBeres Material untersucht werden. 2. Die Variabilitat des vorliegenden Materials fiigt sich in den Rahmen W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder : 191 der friiheren Ergebnisse ein. Auf tiergeographischem Gebiete wurden mehre- re Arealerweiterungen festgestellt, von denen das Vorkommen einer hoch- andinen Art (L. nigroviridis) in einer geographischen Rasse (campanae) in in der Ktistenkordillere am interessantesten ist. 3. Innerhalb der Variabilitat der geographischen Rassen wie auch der Klinen werden oekotypische und autotypische Merkmale unterschieden. Die oekotypischen Merkmale stehen in enger Beziehung zur Umwelt, wahrend — bei den autotypischen Merkmalen keine Bindung an den Lebensraum fest- gestellt werden kann. Von beiden Merkmalsarten wird eine genotypische Verankerung angenommen. : 4, Den Gradationen der Umweltfaktoren laufen Merkmalsprogressionen oekotypischer Eigenschaften parallel. Folgende geographische Regeln wer- den am Liolaemus-Material festgestellt: . A. Mit der Ausdehnung des Areals aus trockeneren warmeren in feuchtere kiihlere Biotope treten innerhalb der Klinen und geographischen Rassen folgende Merkmalsveranderungen auf: a) Die Kérpergré8e nimmt ab b) Die Kérperanhange verktirzen sich relativ c) Der Gesamthabitus wird plumper d) Die Farbung und Zeichnung verdunkeln sich e) Die SchuppengréBe nimmt ab, die Schuppenzahl nimmt zu. B. Bei der Ausbreitung einer Art in der Richtung vom Festland zu Inseln treten folgende Veranderungen aul: a) Die Kérpergr6B8e nimmt zu b) Die Farbung und Zeichnung verdunkeln sich. 5, Die Existenz autotypischer Merkmale ohne Koppelung an oekoty- pische Eigenscaaften kann vor allem dort nachgewiesen werden, wo Rassen verschiedener Arten am gleichen oder nahe benachbarten Standort vor- kommen und zwar parallele oekotypische Veranderungen, doeegen diver- gierende autotypische Merkmale aufweisen. 6. Den oekotypischen Merkmalen wird laut Definition zunachst kein adaptiver Charakter zugesprochen. Die Untersuchung der oekologischen Bedeutung dieser Merkmale legt aber die Vermutung nahe, daf} fast alle oekotypischen Veranderungen auch adaptive Merkmale mit hohem Selek- tionswert darstellen, wahrend diese Eigenschaften den pulcnypieet Merk- malen kaum zugesprochen werden k6nnen. 7. Bei der Gattung Liolaemus und ihren Rassen tiberwiegt die Zahl der oekotypischen Merkmale iiber diejenige der autotypischen. Der Grund hierfiir wird in den besonderen Verbreitungsverhaltnissen erblickt. 8. Die Eliminationstheorie kann nicht auf die Entstehung der Liolae- mus-Rassen angewandt werden. 9. Die Klinen und geographischen Rassen, zu deren Abgrenzung auch ein verandertes Merkmal als ausreichend angesehen wird, sind postglazi- alen Alters und durch Expansion in besiedlungsfahig gewordene Biotope 192 W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schroder (Hochanden) und deren fortschreitende Isolierung oder infolge progressiver Divergenz eines friiher einheitlichen Gesamtareals (Atacama) entstanden. 10. Zur besseren Erforschung der abiotischen Faktoren wird eine Aus- arbeitung neuer aérobiologischer Methoden ftir erforderlich gehalten. 11. Eine gleichgerichtete Untersuchung der geographischen Variabilitat anderer Genera sollte die Berechtigung der Abgrenzung oeko- und auto- typischer Merkmale beweisen. Die Anwendung dieser Unterscheidung wiirde sowohl dem Systematiker als auch dem Genetiker wertvolles Material im besonderen ftir die Untersuchung der Modifikabilitat liefern und wiirde die fruchtbare Zusammenarbeit beider Disziplinen fordern. 12. Als besonders aussichtsreich fiir derartige Untersuchungen wird die systematische Analyse solcher Genera gehalten, deren Randpopulatio- nen in extreme Gebiete (Steppen, Wiisten, Hochgebirge) mit klar unter- schiedenen geographischen Faktoren expandieren und deren Lebensraume nicht parallel zu den Breitengraden, sondern senkrecht zu ihnen verlaufen. . Angetihrte Schriiten Binet, (Cin, 18, eunel WM, IDS miei. 1930: The South American Lizards in the collection of the Unit. States Nat. Museum. Proc. U. St. Nat. Mus. 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Ebenda 104, 395—310. Uber Liolaemus buergeri Werner. Ebenda 109, 121128. Beitrage XI, Uber zwei neue Liolaemus-For- men aus der chilenischen Kordillere (Samm- lung Schréder). Ebenda 122, 225—237. Ergebnisse der Argentinienreise von Prof. Dr. W. Goetsch, Breslau. II. Uber eine neue Lio- laemus-altissimus-Rasse vom Volcan Copahue. Ebenda 125, 113—119. The effect of temperature on the scale of regenerated lizard skin. J. exp. Zool. 65, 1—16. Melanismus, Albinismus und Rufinismus. Leip- zig, 1—122, Elimination und Selektion. Jena, 1—146. Neuere Probleme der Abstammungslehre. Die transspezifische Evolution. Stuttgart, 1—407. Einfihrung in die Zoologische Nomenklatur durch Erlauterung der Internationalen Regeln. Frankfurt a. Main, 1—154. Die klimaparallele Ausbildung der K6rperpro- portionen bei Poikilothermen. Abh. Sencken- berg. Naturf. Ges. In Druck. Ecology and the future of Systematics, in Hux- ley, 1940, 341—364., In Birger, An. Univ. Chile, Santiago, S. 6, ats Dpkiow 1 194 W. Hellmich: Die Eidechsen der Ausbeute Schréder Alphabetisches Verzeichnis der Liolaemus-Arten und Rassen alticolor 168 altissimus 168, 169, 174, 182, 188 ‘i altissimus 133, 137, 144, 145, 166, 176, 177, 187 < araucaniensis 135, 136, 137, 149, 166, 176, 187 A moradoénsis 136, 137, 166, 178, 190 rc neuquensis 136, 176 chiliensis 139, 159, 163, 165, 168, 174, 176, 180 buergeri 138, 167, 169, 174, 182, 189 cyanogaster 165, 168 fuscus 140, 165, 168, 176 gravenhorstii 163, 164, 168 lemniscatus 141, 165, 168, 174, 176, 180 leopardinus 168, 182, 188 leopardinus 141, 142, 144, 167, 171 Fr ramonensis 142, 167 +1 valdesianus 142, 167, 190 lorenzmiilleri 144, 166, 169, 177, 188, 190 magellanicus 165, 168 monticola 168, 169, 174 ‘2 chillanensis 146, 148, 167, 169, 174, 176 ; monticola 147, 166, 176, 185 fe villaricensis 148, 167, 176, 185, 187 multiformis 164, 168 nigromaculatus 168, 170, 174, 175, 180, 181, 182, 186, 188