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VERGLEICHEND - PHYSIOLOGISCEE VORTRÄGE.

VERGLEICHEND - PHYSIOLOGISCHE

VORTRÄGE

VON

C. Fli. ^y. KRUKENBEIIG.

ERSTER BAND.

HEIDELIJERG. (• A i; I, WIN i' i; K s r n i v k ks itä ts i? ii ( ; i i ii a n d i. u n c.

Das Recht der Ueberfetzung in fremde Sprachen wird vorbehalten.

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WILHELM KÜHNE

DEM I'HYÖIOLOGEN

OSWALD SCHMlEBEBEHa

DEM PHARMAKOLOGEN

Wilhelm Waldeyer

DEM ANATOMEN IN VEREHllUNd UND DANKBARKEIT

ZUGEEIüNKT.

I Inhalt.

Seite

I. Die Bedeutung der vergleichenden Methode für die Biologie .... 1

II. Grandzüge einer vergleichenden Phyfiologie der Verdauung .... 37 III. Grundziigo einer veigleichenden Pliyfiologie der Farbltoffe und der

Farben 83

IN'. Grundzüge einer vergleichenden Phyfiologie der thierifchen Gerüft-

fubftanzen 18.5

V. Grundzüge einer vergleichenden Phyfiologie der contractilen Gewebe 271

VI. Grundzüge einer vergleichenden Phyfiologie der nervöferr Apparate . 395

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I.

DIE BEDEUTUNG

DER

VERGLEICHENDEN METHODE

FÜR

DIE BIOLOGIE.

CAKI. WINTERS UNIVEBSITÄTSBDCHHANDLUNG IN HEIDELBERG.

Kruktiihtrg, Vergl.-phyfiol. VorträKC-

s/ Alle Rechte vorbelialten. ym

Die Bedeutung der vergleiclienden Methode für die Biologie.

Die chemifchen Erfcheinungen, welche die Thiere und Pflanzen während ilii'es Lehens erkennen laffen, die Stoffe, welche in der lebendigen Werkftatt entliehen, welche im Organismus felbftändig thätig find oder an beftimmten Plätzen des Körpers für ein fpä- teres Verbrauchsftadium aufgefpeichert werden, welche als Secrete oder unbrauchbar für eine weitere Lebensverrichtung als Zerfalls- producte an die Außenwelt abgegeben werden, haljcn fchon feit lange ein allgemeines Interelfe erregt, und eine neue Aera in der Biologie -snrd gewiß nicht mit Unrecht von dem Zeitpunctc ab datirt, wo es Wähler zuerll gelang, eine bis dahin nur als Product des Thierkörpers bekannte Subftanz, den Harnfloff, aus cyanfaurem Ammonium im Laboratorium darzuflellen. Diefer Synthefe find in den feither verfloffenen 50 Jahren viele andere gefolgt. Man hat gelernt die Oxalfäure, die Ameifenfäure , die Milchfäure, das Tauriii, \iele Fette u. f. w. aus ihren Elementen zufammenzufügen, und der Aun)au zahlreicher chemifch complicirt zufammengefetzter Producte des thicrifchcn wie })(i;iii/.li(;bon Stoffwechfels aus ein- facheren Vfrl)indungen ifl gelungen. Die tlieoretifche Chemie wie die chemifchc Induftric halben in gleicher Weife aus diefen 8yn- thefcn Nutzen gezogen, aber über «lio ProccITe, wel(;hc den Stoffen intra vitam ibr Entflehen geben, ha])cn die künfllichen Syntliefen nur wenig AuffchJuß ertheilt; denn (Ue (Jlieniie errang ibre glän-

1*

4 Die Bedeutung der vergleichenden [4

zenden Erfolge in diefer Richtung ausnahmslos durch Anwendung von chemifch Itark wirkenden Agentien oder von fo hohen Tem- peraturen, welche ein lebendes Wefen unfehlbar zu Grunde richten würden, und welches lieh deshalb noth wendig anderer Mittel be- dienen muß, um zu den gleichen Refultaten wie der Chemiker zu gelangen^). Auch die künlthchen S}aithefen, die Spaltungen, Re- ductionen und Oxydationen, welche unter Bedingungen ausgeführt wurden, die den innerhalb des lebenden Körpers vorhandenen möghchft entfprechend gedacht werden, wie z. B. DrecJifel's Dar- fteilung ^) des Harnftoffs aus carbaminfaurem Ammonium durch Electrolyfe mittelft Wechfelftröme oder Hoppe-Seyler's Umwand- lungsweife ^) des Benzols in Phenol durch Palladiumwallerftoff, er- fordern, um den vitalen Vorgängen vergleichbar zu fein, noch immer PrämilTen, welche der thatfächlichen Begründung entbehren. Selbft nur in fehr feltenen Fällen gelang es, ohne Anwendung kgend eines Mittels, über welches der lebende Organismus nicht felbfl; verfügt, ein gut charakterißrtes organifches Stoffwechfelproduct in ein anderes überzuführen, wie beifpielsweife bei der Umwandlung des Turacins in Turacoverdin^).

Die Phyßologie ilt auf einem andern Wege in der Stoffwechfel- frage entfchieden weiter gekommen; nämlich durch die Experi- mente an den lebenden Thieren felbrt, durch vergleichende Ver- fuche, welche unter verfchiedenen Verhältniffen an em und cler- felben Art oder unter normalen Bedingungen an möghchft vielen und möglichft verschiedenen Species ausgeführt wurden. Derartige Verfuche erlauben in der Regel zwar nicht, den ganzen Proceß, welchem ein dem Thiere emverleibter Stoff in cliefem unterhegt, durch eme chemifche Formel zum bündigen Ausdrucke zu brmgen, aber lie vermögen uns meift doch darüber Auffchluß zu ertheilen, welche Subftanz fchließlich aus dem gefütterten Körper hervorgeht, ' und welche Subftanzen bei diefem Vorgange in nennenswerther AVeife nicht gebildet werden. Mittelft diefes Verfalu^ens fand Wöliler%

5] Methode für die Biologie. 5

daß die neutralen ptianzenfaui-en Alkalien bei der tliierifchen Stoff- metamorphofe in Carbonate übergehen, daß dabei die Benzoefäure Hippui-faure , bei den Vögeln nach Jaffc^) aber flatt deffen Orni- tliurlaure liefert , und SalkowsJci '') entdeckte fo , daß das Taurin, wenn es den menfclüichen Körper pafflrt, in Taurocarbaminfäure verwandelt AAird. Lediglich unter Anwendung der vergleichenden Methode ließ ficli der merkwüi'dige Beftand zweier eiweißv^erdauen- den Enzyme m den Leberfecreten der meiften Wirl)ellofen confta- tiren: eine Thatfache, die, fo berühmt aucli die Forfcher find, welche, ohne den comparativen Weg einzufchlagen, die A^erdauungs- fäfte der Evertel^raten unterfucht haben, diefen vollkommen un- bekannt gebüeljen war. Böhm ^) be\des durch ein Vergleichsver- fahren, daß das Glykogen bei der Muskelcontraction nicht in Milch- fäure übergeht, und in älmlicher Weife gelangte man durcli Unter- fuchungen der contractilen Gewebe'-'), der Körperfäfte^'^), der lieber und ihre.s Secretes^^) l)ci fehr verfchiedenartigen Thieren zu dem l)indenden SchluIIe, daß der Inoüt, das Kreatin, Taurin und Hy- poxanthin in den Muskeln von einander völlig unabhängig ent- liehen können, während anderfeits nie in einem Organismus echte GaUenpigmente (Bilirubin oder Biliverdin) ohne gleichzeitige Gegen- wart von Hämoglobin, ja felbft nicht bei allen Hämoglobin-führenden Tbierformen angetroffen wurden, und es ergaben fich fernerliin bei diefen A'^erfuclien wichtige Thatfachen, welche die Richtigkeit des Satzes darthun, daß ]jei verfchiedenartigen Thieren Organe von äußerUch gleicher Function principielle Verfchiedenheiten in ihrem A'ennögen, chemifche Synthefen auszuführen, aufweifen können. In gleichem Maße, wie fich die Erwartungen, welche man cinft an die; rein cliemifclie Bcliandlung der Lebensvorgänge ftellte und von diefer (tellenweife nocli innner hegt, jetzt, wo feit dem epoche- maclienden P^ingreifcn der Chemie in die Biologie mehr als 50 Jabre vergangen lind, als übertrieben erweifen, fo gilt das, sage ich, in gleicliem Maße von den Hoffnungen, mit welchen man an

6- Die Bedeutung der vergleichenden [6

eine rein phyükalifche Behandlung gewilTer biologifcher Fragen herantrat. Ich fehe ab von den glänzenden Errungenfchaften, welche die phyfiologifche Optik und Akuflik, die Nervenphyüologie fowie die tliierifche Locomotion durch eine rein phyükalifche Be- handlung ihrer Themata zu verzeichnen haben, und will hier nur einiger Befchränkungen gedenken, welche die Anwendung phyli- kalifcher Methoden und Begriffe in einer Anzahl von Fällen er- fähi't, und bei denen gleichfalls nur das biologifche Vergleichsver- fahren eine Ausficht auf Erfolg geftatten dürfte. So wurde der Blutkreislauf bei den Wirbelthieren lange Zeit ziemlich allgemein als ein einfach phyßkalifcher Vorgang behandelt, bis befonders von Marey mit Nachdruck hervorgehoben wurde, daß die Gefäße nicht einfache elaftifche Röhren, fondern Hohlmuskeln darftellen, daß die Blutmenge in den einzelnen Bezirken und Organen des Thierkörpers je nach Bedarf ebbeartig linkt oder fluthartig an- fchwillt, und daß ohne diefe vitalen Vorgänge die geringe Blut- menge im Körper bei einer gleichmäßigen Vertheilung wie WalTer im Sande verrinnen würde. In vielfacher Weife wurde der Fort- fchritt auch in der Ernährungslehre der Pflanzen wie Thiere durch eine Auffaflung gehemmt, welche in der Stoffaufnahme wie Stoff- abgabe durch die lebenden Gewebe einen reinen Diffußonsvorgang erblickte und die Zehe als einen einfachen Dialyfator betrachtete. Noch jüngfthin glaubte Maly ^^) die Bildung freier Salzfäure in den Labdrüfen, die Entitehung freier Schwefelfäure in den Vorder- darmdrüfen bei Gaftropoden als eine Diffufionserfcheinung erklären zu können; auf eine Erklärung analoger Vorgänge (der Cimicin- fäurefecretion bei Rhaphigaster punctipennis ^^), der Abfchei- dung von Salicyligerfäure bei Chrysomela populi^"^)) hat er je- doch aufs Bereitwilliglte verzichtet. Aber die Auffaflung, daß fleh die lebenden Zellen per difFusionem ernähren, ifl mit den Eigenfchaften des Protoplasmas durchaus nicht in Einklang zu bringen ; « denn die Stoffwechfelvorgänge in den lebenden Geweben

7] Methode für die Biologie. 7

folgen nicht einfach den Gefetzen der Diffufion und Endosmofe, fondern jedes Gewebselement, jede Zelle belitzt während des Lebens die Fähigkeit, gewilTe Stoffe anzuziehen, in ßch aufzufpeichern und mit Zähigkeit feftzuhalten, andere dagegen abzufcheiden und dadiu-ch unabhängig von der umgebenden Flüfligkeit die Zufammen- fetzung zu bewahren, deren fie ziu- Ausführung ihrer Functionen bedarf. Worauf diefe Fähigkeit beruht, ifl uns vorläufig noch ein vollftändiges RäthfeP^)»; wii- Adffen nm-, daß ein derartiges Elec- tions- und Retentionsvermögen auch todten Maffen zukommt, z. B. dem Humus, welcher Natriumfalze durchläßt, die Ammonium- und Kalifalze dagegen energifch fefthält. Viele thierifche Ge- webe leiflen in der Fähigkeit, Materien, welche ihnen in mehr als homöopathifcher Verdünnung dargeboten werden, in fich aufzu- fpeichern, ein Unglaubliches. Trotz der empfindlichen Reactionen, welche wii* für den Nachweis des Jod und des Mangan beützen, ift es beifpielsweife nicht mögUch gewefen, in dem A^erdampfungs- rückßande einer bedeutenden Waffermenge aus der Adria irgend eines diefer beiden Elemente nachzuweifen, und dennoch begegnen wir reichlic?ien Quantitäten von Jod in den dortigen Strandpflanzen wie in den Badefchwämmen, und das Mangan finden wir in feltener Reinheit in den Concrementen einer adriatifchen Mufchelfpecies ^®). Wie unal^hängig fich die cellulare Einnahme und Ausgabe von den äußeren Umftänden geftalten küimen, lehrt gewiß kein Beifpiel beffer als die von StrecJcer ^^) entdeckte Thatfache, daß bei den, in einem kochfalzreichen Medium lebenden Meerwafferfifchen (Gadus mor- rliua, Pleuronectcs maxiiiius) die Kaliumfalze in dei- Galle prä- valiren, wälirend die Galle des Ochfen, eines Thieres, delfen Nah- rung vorzugsweifc Kali enthält, nur Spuren von Kali neben viel Natron nach dem Veri^rennen zeigt, und auf wie fcliwer verftändliche Verhältnin'e wir })ei dem Stofiumfatze im lebenden Köri)er flößen, I'linii <lic Fiictü. (I;iß lniiii Mcnrclicn gcracle die thätigften Organe (Gcliini. KückciiiiiMik', Heiz) von einer Atidjiliie niii wejiigficn

8 Die Bedeutung der vergleichenden [8

betroffen werden, und daß, während 91 93*^/0 des im Körper vertheilten Fettes bei Hungerkuren fchwindet, Lipome, Fettge- ^ fchwüLfte dabei nicht zurückgehen, obwohl alles ein und dalTelbe Fett ifl.

Selbffc echte paralitäre A¥efen verfügen über ein Affimilations- vermögen, und wie für ihre Ernährung und Erhaltung Diffufions- vorgänge nicht ausreichen würden, fo iffc bei den höher organi- firten Thieren auch die Befchaffung der Referveltoffe ein \'iel comphcirterer Proceß als eine ümple Diffulionserfcheinung. Das Thier produch-t me die Pflanze feine Referveftoffe (fein Fett, fein Glykogen), fein Eiweiß felber, und ledighch das Material dazu be- zieht es von außen. Wie Suhbot'in's Verfuche^^) gelelu't haben, fetzt ein Hund kein WaUrath an, wenn er mit Talg und Spermacet gefüttert wird, kein oleinfreies Fett, wenn er ausfchließlich Stearin- palnütinfeife erhält; nur richtiges Hundefett lagert fich in feinen Geweben ab, und nur diefes, kein anderes Fett vermag er zu bilden.

Aber alle bisher berührten Puncto treffen bei weitem nicht den fruchtbarften Boden, von welchem ^viI bei einer im vergleichend phyliologifchen Sinne betriebenen Bewkthfchaftung che reichften Ernten erwarten dürfen.

Bei jedem Schritte, den T^dr in der Biologie vorwärts thun, ftoßen vm auf Proceffe, von denen zwar nur wenige (ähnlich dem AfEmilationsvorgange) den Erfcheinungen, welche an einem todten Materiale ablaufen, unvergleichbar gebheben und, welche aber ins- gefammt wegen ilirer Variabihtät in '\''orkommen und Energie nm' durch Unterfuchungen an den lebenden Wefen felbft erkannt und dm'ch eine vergleichende Behandlungsweife unter allgemeinere Gefichtspuncte zu bringen fmd.

Wie jede lebende Protoplasmamalfe fich dm-ch ihi' Elections- und Retentionsvermögen ihre Selbltändigkeit der Außenwelt gegen- über bewahrt, fo widerftehen die lebenden Theile des Organismus

1

9] Methode für die Biologie. 9

den Schwankungen äußerer Lebensbedingungen weiterhin noch dadm-ch, daß fie fich mannigfachen EinfliUren und Schädlich- keiten (einem ungewohnten Küma, der Einwirkung von Giften) anzupaffen vermögen. Seit lange ift bekannt, daß die willkür- lichen und un^nllkürhchen ]\Iu.skeln, die drüfenartigen Organe und die Haut liei außergewöhnlicher Inanfpruchnahme In'pertrophiren ; fo che Muskeln, wenn diefell)cn größere Widerflände zu überwinden, die Epidermi-s, wenn fie norm^\'idrige PrelTungen au.szuhalten hat, und che Drüfen, wenn von ihnen Leiftungcn gefordert werden, welclie unter regelrechten Verhältnillen an lie nicht geltellt werden. So fall, um an ein Beifpiel flüchtig zu erinnern, Hunter bei einer Seemöve (Laru.s tridactylus), welche er ein ganzes Jahr lang mit Körnern fütterte, die urfprünglich weiche Magen fchleimhaut ib vollftändig erhärten, daß lie in ihrem Ausfeilen und Structur der harten fog. Hornhaut des Körnermagens einer Taube glich, und umgekehrt gelang es Holnifjren, den Körnermagen von Tauben nach hinreichend langer Fütterung der Tliierc mit Fleifch allmälig in einen echten Kaubvogelmagen umzuwandeln^"). Auch die Sinne fchärfen fich, wenn fie Uebergewöhnliches zu leiften haben, und die Tiiätigkeit der Centralorgane wächfi; proportional den Anfprüchen, welche an lie geftellt wenlen. Andcrfeits verkümmern die Organe b.'i chiein Nic]itgel)rauch mein- oder weniger, und indem man künftlerifcli dafür Sorge trägt, daß, wie es zweckmäßig erfclieiiit, diefer Orgaiithcil eine Hypertroi)hie, jener eine Atr()i)hie erleidet, und daß ti'otz dicfcr umiatürliclien Entwicklung dem (bnizen eine

•A'ide Harmonie bewahrt Ideiht, gelangt man alhnälig zu den \'urtheüen der Hebung und Erziehung.

Ich will hier nicht an die oftmals ventilirte Frage herantreten, bis zu welehein l*uncte licli die ny})ertrophie eines Organes treiben läßt, ich will auch nicht die Fragen eingehender erörtern, warum

'h (»ftinaliger, viele (Jenerationen hinduich rortgefetzler Zerltö- rung eines Organtheiles derfelbe nicht zum iihylogenelilchen \'er-

10 Die Bedeutung der vergleichenden [10

fchwinden zu bringen ift, oder warum auffälligere Eigenthümlich- keiten, z. B. in der Färbung ausfchließlich in männlicher oder aus- fchließlicli in weiblicher Linie fortgeflanzt werden^''), fondern allein noch darauf hinweifen, daß auch in complicirteren Fällen die für die natürliche Ausbildung eines Gewebes in hyper- oder atrophifcher Form günftigen, Momente aufgedeckt wurden. 'So hat man durch eine ungewöhnliche Nahrung nicht nur die Excretproducte verän- dern können, fondern hat fogar bei niederen Organismen, den äußeren ErnährungsfiüIIigkeiten entfprechend die Wachsthums- und Sproflungsvorgänge fowie die Größe der Zellen wechfelnd gefunden ; man erkannte den Einfluß des Lichtes auf die Entwicklung der Hautpigmente und der Sinnesapparate, den merkwürdigen Einfluß der Kälte auf die Behaarung der Säuger. In ähnlicher Weife wie der Einfluß des zinkhaltigen Bodens an der Flora der Galmeiberge bei Aachen ^^) zeigt fleh hier an Thieren die metamorphoürende Kraft der äußeren Exiftenzbedingungen. Wenn man eingedenk aller der zahlreichen Thatfachen, welche in diefer Hinfleht die Biologie unferer Tage aufweift, fleh fchließlich noch daran erinnert, wie man durch Abänderung der äußeren Lebensbedingungen aus einem Axolotl ein Amblystoma, aus einer Artemia salina eine Artemia Milhauseni, ja felbft einen Branchipus ^^) und aus dem Soorpilz eine Mycoderma vini^^) zu züchten verfl;and, fo glaube ich, whxl es ohne Zuhilfenahme großer Phantafle möglich fein, Mittel und Wege aufzuflnden, durch welche es einem amöben- artigen Wefen geflngen könnte, eine hoch entwickelte Organifation zu entfalten.

Wennfchon anfangs vielfache Zweifel fleh regten, ob es wirklich ganglionäre Elemente und Nerven feien, welche als folche bei Me- dufen befchrieben worden waren, und durch Experimente fchließlich entfchieden wurde, daß man fle thatfächlicli gefunden, fo lind doch überall nur grobe Täufchungen untergelaufen, wo Drüfen für Mus- keln, Muskeln für Nerven etc. gehalten wurden. So fehr gehen

11] "Mt'thodo für die Biologie. 11

in der ganzen ThieiTeüie die morphologifchen und die allgemein functionellen Eigenthüinlichkeiten der Gewebe Hand in Hand, daß man allein geleitet von der, an Wirbelthieren gewonnenen P'unctionskenntuiß lieh bis dahin , wo die Organifation beginnt, für fchlußberechtigt halten durfte. Und wer fein Auge nicht ver- fchließt vor dem Iji.sweilen fehr auffälligen Erwerbungs- und Ver- erbungsvermögen formeller und functioneller Eigenthüinlichkeiten und dabei nm* unbeachtet läßt die Defiderien der Biologie, der muß ßch fehler erfreuen an dem Theorem von dem Zufannnen- hange, der unter allem Lebenden befteht.

Aber bei einem Schlufle von fo fchwerwiegender Bedeutung, der nicht nur für die Morphologie, fondern für die Phyßologie in gleichem ]Maße für fruchtbringend gehalten wird, gilt es noch andere Factoren zu berückfichtigen , die lebenswichtiger find als die Form, als die Structur und Textur des leljenden Subflrates. Im mannigfachen Gegenfatze zu den Vorausfetzungen, zu denen die vergleichende Anatomie, vorwiegend bei Verwendung mor- pliologifch-ontogenetifcher Thatfachen gelangte, flehen die Ergeb- niffe der phyfiologifch-chemifchen Forfchung; aus einigen That- fachen geht fogar mit Evidenz hervor, daß (ähnlich der AUotropie und dem Ifomor})hismus Ijci den Kryftallen) Form und chemifche Befchaffenheit fich nicht immer decken, daß ein und derfelben Form auch in der lebenden Welt chemifch verfchiedenartige Su)> /tanzen zu Grunde li('g(;n, und daß verfchieden geftaltete Zellen vorherrfclieiid ein und dcniclbcn Körper Ijoherbergen können.

I)i<' generelle Pliyüologio hat nacli gründlichei' rnterfuchung aller Erfcheinungen, welclie als rein vitale, als den lebenden Wefen eigenthiiniliehe angefprochen wurden, nur die Ainmilation (d. i. die Anbildung lebender Subflanz) als ein Charakteriftikon des Lebens aufrecht zu halten vermocht; die AfIimilati<jnsvorgänge ver- laufen aber in der lebendigen \\'iik(l;itl nngefclKn und inigt Inirt, befchrilnkt auf den kleinllen Kaum, (»biie l>etlniligung (Imker

12 Die Bedeutung der vergleichenden [12

chemifcher Affinitäten, ohne die in unferen Laboratorien bei clie- niifclien Umfetzungen gebräuchliclien tiefgreifenden phyfikalifchen Veränderungen der gewöhnlichen Verhältnilfe, und fie gelangen uns deshalb als folche nicht zur Wahrnehmung; geringe Tem- peraturerhöhungen, Stoffaufnahme, Stoffanfatz und ifolirbare Stoff- wechfelproducte fmd ziemlich alles, was uns auf diefe ProcelTe fchließen und uns von ihnen indirect Weniges erfahren läßt. Mit der Unterfuchung diefer Erfcheinungen müllen wir uns fomit vor- läufig begnügen, und foUte der Kenntniß der Stoffwechfelproducte von manchen Seiten auch kein größerer biologifcher Werth zuge- ftanden werden als den anatomifchen und morphologifch-embryo- logifchen Befunden, fo flehen üe doch diefen an biologifcher Be- deutung jedenfalls nicht nach und haben ebenfofehr ein Anrecht bei Erörterung der Frage nach der Zufammengehörigkeit des Leben- digen in Betracht gezogen zu werden als jene.

Stets wo es gelang, durch äußere Eingriffe, durch ein be- flimmtes Nahrungsmittel, durch Abhaltung allen Lichtes oder ge- Aviffer Lichtforten u. f. w. den Organismus zu modificiren, han- delte es fich ausfchheßlich um morphologifche Veränderungen. Die geringfügigen Modificationen, welche man an den Stoffwechfel- erfcheinungen auf diefem Wege hervorzubringen vermochte, find für den Gefammtorganismus , vorausgefetzt, daß fie von diefem auf die Dauer hin überhaupt ertragen werden, von geringem Be- lang. Wenn ^^'ir dem lebenden Organismus Stoffe einverleiben, mit welchen er bisher noch nicht in Berührung kam, und er diefelben umzufetzen weiß, dann haben wir an ihm nur eine Fähigkeit ent- deckt, die uns früher unbekannt war; aber noch niemals ifl es gelungen, in einem Lebewefen neue affimilatorifche oder metabo- lifche Kräfte experimentell zu erwecken. Wü' verflanden nur, ähnhch wie bei den, der Hypertrophie und AtropMe fähigen Ge- weben und Organen, einen in der lebenden Subflanz neben vielen anderen Proceffen ablaufenden Vorgang durch unfer Zuthun von

1:^' Methode für die Biologie. 13

außen befoiiders anzuregen und dafür andere \dtale ProcefTe zum Stillftande zu zA\ingen. So gelang es z. B. HeclcP*)^ einem fran- zöfifchen Biologen, die Leberfunction der Maljn'ghi'^chen Gefäße bei Infecten (Mantis religiosa, Blatta oecidentalis, Ceram- byx heros) durch Arfenikfütterung zu vernichten, während dabei ihre Nierenfunction erhalten blieb. Wie m pathologifchen Fällen weder eine Zelle, noch ein Organ Functionen erkennen ließen, welchen eine quahtative Veränderung ilirer vitalen Verhältniffe, ihres Affimilationsvermögens oder ihres Stoffwechfels zu Grunde lag, fo war man auch experimentell zu derartigen phyfiologifchen Transformationen ftets außer Stande. Nur zu den Sagen rechnet man jetzt die Berichte, daß die Milchdrüfen als Nieren functionirt, daß man mit Hautnerven z. B. der Oberbauchgegend gelefen, mit Empfindungsnerven Tifche bewegt habe, oder daß Bindegewebs- zellen binnen 5 Minuten den Charakter von Ganglienzellen ange- nommen haben.

Mit Ausnahme der bezeichneten Novitäten des Stoffwechfels und der Umformungen, welche auf den erflen BHck bisweilen (z. B. wenn an Stelle der Kiemenathmung die Hautrefpiration tritt) als fchwerwiegend phyfiologifche imponiren, im Grunde genommen aljer phyfiologifch nichts bedeuten, gelang es, wie gefagt, an lebenden Tliieren bislier ganz ausfchHeßlich nur morphologifche Verände- nnigen experimentoll Iiei'vorzurufen, Veränderungen zwar, welche oft (wie z. B. bei der Züchtung der Hausthiere und befonders des Geflügels) fehr merkwürdiger Natur find. Eine allgemeinere bio- logifchc Bedeutung kann diefen Erfahrungen aber umfoweniger zugeftanden werden, als unl'ere ]>iologifchen , unfere functionellen Begriffe, die an der Zelle und jiii den Cog. organifchen Geftaltungs- gefetzen überliau|)t haften, außerordentlich minimal find. So ver- mögen wir mit dem hiftologifclicn Haue weder bei den einzelnen Ner\'<'n und Ganglien, noch bei den einzelnen (glatten, (|uerge- ftn-ifWn und doj)])eltfchräggeftreiften) Muskeln und Drüfcn den

14 Die Bedeutung der vergleichenden [14

Begriff einer durcliweg zutreffenden Functionseigenthümlichkeit zu verbinden; nur durch die ausgezeichneten Unter fuchungen, welche ficli an Hermann Meyer' s bahnbrechende Arbeit ^^) über die Structur der Spongiofa knüpfen, gelang es in einer beftimniten Textur der Knochen ebenfo wie in der Anordnung der Fibrovafalftränge in der Pflanze einen phyfiologifchen Nutzen zu erkennen. Wh wiffen nicht, warum hier die Zellen klein, warum ße dort ausnehmend groß find^^), wh mffen nicht, warum die Zellen, wie z. B. bei den Blutkörperchen der Säuger, bald eine elliptifche, bald eine runde Form haben ^^), warum die Drüfen bald traubenförmig, bald fclilauch- förmig geftaltet ßnd^^); ja wh wußten bis vor kurzem nicht ein- mal, was ein zelliger Bau vor einem einheitlichen Protoplasma- klumpen voraus hat. Erft Bunge's, und Schmiedeherg's Synthefe der Hippurfäure^^) durch das lebende Merengewebe, denen die mittelft lebensfrifcher Zellen anderer Organtheile ausgeführten Syn- thefen von Salonion, Kochs^^) und Pflüger^^) folgten, lehrten uns eine bis dahin völhg unbekannt gebliebene Eigenfchaft des orga- nifirten lebenden Subflrates in feiner ganzen Tragweite würdigen. In den Erfcheiimngen der Stoffmetamorphofe manifeftht fich bald eine Zufammengehörigkeit ähnlich organißrter Formen, bald tritt das nämüche Stoffwechfelproduct bei fyftematifch felir ent- fernt flehenden Gliedern der Thierreihe auf, während claffelbe bei organifatorifch nahe verwandten Formen durch einen functionell zwar gleichwertMgen , chemifch aber fehr differenten Körper ver- treten wird. In der Verbreitung des Kreatins , Kreatinins und Taurins, der, wie es fcheint, ausfchheßhch auf die Wirbelthiere im Vorkommen befchränkten Gallenfäuren , Gallenpigmente, in der Verbreitung der organifchen Gerüftfubflanzen ^^) und in den Eiweiß- körpern der lymphatifchen Flüfßgkeiten, welche für gewiffe Typen oder Gruppen von Thieren charakteriftifch ßnd-'^^), tritt die Abgren- zung eines beftimniten Modus des Stoffwechfels nach den allge- meinen Organifationsverhältniffen klar zu Tage. Die Verbreitung

I

löl Methode füi* die Biologie. 15

der refpirirenden Materien im Blute refp. in der Hämolymphe, in den Muskeln oder dem Centralnervenfyftem folgt dagegen \äel weniger der Organifationsanlage. Das Hämoglobin ^^) z. B. findet fich l>ei allen AVirbelthieren mit alleiniger Ausnahme der Lepto- cephaliden^^); wir l)egegnen ihm ferner bei Infecten, vielen Krebfen, Anneliden, Nemertinen und Gephyreen, bei einigen La- mellibranchiateu und Gaftropoden, wo es bei den einen ausfchließlich in der Gangüenkette , bei anderen in den Muskeln und in der Mehrzahl der Fälle wie bei den Wirljclthieren in den Körperfäften angetroffen wird. Wie fehr aber den Proceffen, welche im Thier- kör})er zur Bildung des Hämoglobins führen, eine fyftematifche Abgrenzung mangelt, erfieht man daraus, daß unter den gemeinen Süßwalfermollusken der refphirende Stoff der Hämolymphe bei Planorbis Hämoglobin ift, während die Hämolymphe von Lim- naeus und Paludina wie cüejenige von Hei ix, Limax, Arion und der meiflen marinen Gaftropodenformen ftatt delfen Hämo- cyanin führt, daß unter den Gephyreen die perienterifche Flüflig- keit von Sipunculus -nudus einen ganz befonderen Refpirations- floff, das Hämerythrin ^^), enthält, während bei anderen Arten diefer Claffe, bei Phoronis, Thalassema die Hämolymphe hämoglo- binhaltig fein wird, und daß endlich I^ernanthropus lieh wie die höliereu Thiere eines durch Hämoglobin gerötheten Blutes zu er- freuen hat, trotzdem bei Meer- wieSüßwaffcrcruftaceengewölndich'^^) das Hämocyanin die innere Athmung vermittelt. Genau denfelben Al)weichungen vom Syfteme begegnen wir bei der Harnfäurel)il- dung^*). Die Harnlaure erfcheint als Stoffwcchfelproduct bei ficisch- wie pflanzenfreirenden Wirl^elthicren (Schlangen, Vögel), bei flcifcli- wic ])fianzenfren'enden Mollusken (Sepia, Helix), bei lieifch- wie pllanzenfre(fenden Infecten (Carabus, Lampyris), lu'i Milben "ikI Tunicaten; bei gewilfen carnivoren wie phytophagcii l^'Üclicn lustelus, Cyi)rinus) und Mollusken (Octopus, Pinna) Ibwic bei Krel>feii""), Spiinien und Scorpionen '") fclicint dagegen die

16 Die Bedeutung der vergleichenden " [16

Harnfäure vollftändig zu fehlen und ftatt ihrer meift Guanin auf- zutreten.

Aehnhch wie die Federfarbftoffe bei einigen Vögeln '^^), be- zeugen die Pigmente fchon bei den niedrigft organifirten lebenden Wefen und felbft bei den Amorph ozoen, daß der Stoffwechfel bei Thieren einer ClalTe bemerkenswerthe Verfchiedenheiten, der Species oder dem Nährboden entfprechend , aufweift. Der blaue, von niederen Organismen producirte Farbftoffkörper, den ich^^) auf feucht gehaltenem Fibrin fich bilden fah, erwies lieh als chemifch völlig verfchieden von dem blauen Vibrionenfarbftoffe, den ver- fchiedene Forfcher amylumreichen Nahrungsmitteln entnahmen; und von allen beiden Stoffen weicht chemifch fowohl das färbende Princip des blauen Eiters wi.e das der blauen Milch ^^) ab, welche beiden Pigmente gleichfalls von einander differhen, trotzdem auch fie höchfl gering differenchten Organismen ihre Entflehung ver- danken. Diefe feltfamen Farbftoffverfchiedenheiten, denen lieh weiterhin ein oder mehrere rothe Pigmente hinzugefellen , bei den vibrionenartigen Wefen, die ßch hierin documentirenden Schwan- kungen des Stoffwechfels beflärken uns in der Hoffnung, daß es möglich fein wu-d, die Stoflfmetamorphofen auch bei anderen, bei höher organilirten Thieren willkürlich zu verändern, daß es viel- leicht gelingen wnd, als Excretftoff ftatt der Harnfäm-e das Guanin, als Refphationsftoflf ftatt des Hämocyanins oder Hämerythrins das Hämoglobin in einem Organismus, der unter gewöhnlichen A^er- hältnilTen deffelben entbehrt, entftehen zu lalTen. Bislang hegen pofitive Refultate in diefer Richtung nicht vor, und es werden die- felben bei, im Syfteme höher ftehenden Formen um fo fchwieriger zu erzielen fein, weil bei diefen den vitalen ProcelTen ein viel ge- ringerer Spiehaum gewährt ift als bei den einfacheren Lebewefen. Die Keimanlage vermag überall in der Thierreihe Ungleichartiges aus üch zu erzeugen, aber diefer am productiven Können kaum annähernd vergleichbar erfcheinen felbft die für einen weiteren

I

171 ^Methode für die Biologie. 17

Ausbau des Indmduums beftimmten Elemente, welche phyriologifcli als Folge einer Hiftolyfe^*) oder pathologifch als Granulationsge- webe den vorgefchriebenen, nur Altes wiederholenden AVachsthums- vorgang ausnahmsweife unterlirechen.

AVie ich bereits hervorhob, vermochten ^\tl" die Functionen \'ieler Organe dm'ch äußere Umftände zu verflärken, herabzufetzen mid auszufchalten oder auch zu ihrer Erhaltung beizutragen, aber fie nicht quahtativ zu modificiren, und zwar deshalb nicht, weil wh* die chemifchen Procelfe in ihnen nicht zu verändern verliehen. Wir und nur im Stande an einem Organe oder Gewebe einen Cyclus von quantitativen A'eränderungen hervorzurufen, welchen mancher ^luskel, manche Drüfe in den einzelnen Lebensaltern des Indi^dduums felbft durchläuft.

In fehr anfprechender AVeife hat die Descendenztheorie die embryologifchen Thatfachen für ihren Zweck zu benutzen verftanden. Hrf'ckel erblickt in der Ontogenie eine befchleunigte Recapitulation der Phylogenie und bezeichnet diefe AuffalTung als biogenetifches Grund- gefetz; aber es ift dabei fehr wohl zu berückfichtigen, daß es fich auch in diefem Falle nur um formelle oder organifatorifche Aehnlich- keiten handelt, nicht um chemifch-phyfiologifche, nicht um fpeciell affimilatorifche. Bemerkenswert!! ift allerdings, wie fehr gewill'e A])parate in der Anordnung ihrer Theilftücke beim Embryo von den fpäteren Verhältniffen abweichen. So befitzt in einem fpäteren Embrs'onalftadium das Herz der A^ögel*^) wie das der Säuger ^^) noch keinen oder einen nur unvollkommen actionsfähigen liem- mungsapparat; die rhythmifchen Contractionen , die es fclion zu licfer Zeit douthcli walu-nehmen läßt, fclieinen rein protoplasma- tifcher Natur zu fein, wie denn auch nach i/a r^m^'.s-Unterfuchungen^^) zu fclilicßen, die Bewegungen der Chromatophoren am Cephalo- j)odenenjl>ryo noch nicht von dem complicirten Meclianismus'*^) dirigirt werden, der an der Hautdecke des entwickelten Thieies das wunderbare Farbenfpiel entftelien läßt.

h'rukexh/i-f/. Vcrgl.-jihyfiol. Vortrüge. 2

18 Die Bedeutung der vergleichenden [18

Zwar hat es keineswegs an Forfcliern gefehlt, welche glaubten annehmen zu dürfen, daß bei höheren Thieren die Stoffwechfel- producte des Embiyos von denen des fpäteren Lebens völlig ver- fchieden feien, daß erftere anfangs denen glichen, welche bei Cölen- teraten angetroffen werden, und daß -m einem vorgefchritteneren Embryonalftadium interimiflifch ein Stoffumfatz erfolge, wie er den Mollusken oder Würmern beifpielsweife zukomme, daß die Ontogenie nicht nur morphologifche VerhältnüTe niederer Thiere reprocluche, fondern auch chemifch phyliologifche. Aber diefer Vorftellung liegen entfchiedene Irrthümer zu Grunde, denn derar- tiges wurde noch niemals beobachtete^); es liegen ■\delmelir eine Anzahl von Thatfachen vor, die gerade das Gegentheil des Ange- nommenen als richtig erfcliließen lallen. In den Muskeln zweier Rindsföten von 180 und 184 mm. Länge fanden ßch z. B. genau diefelben Subftanzen wie im Ochfenfleifche°°), und die Gallerte der Medufen, der Knorpel der Mollusken, die lederartige Hüllei der Holothurien beliehen durchgängig zum bei weitem größten] Theile aus Materien, mit denen die Stütz- und SchleunfubftanzenJ der Wirbelthiere nichts chemifch '^'Vergleichbares enthalten. Wir' erfehen hieraus, daß felbft den Primordialzellen , aus denen lieh das Individuum entwickelt, trotzdem fich ihr urfprünglicher Afli- milationsmodus in den Theilproducten ändert, die quahtativen Veränderungen des Stoffwechfels vom Anfang an genau vorge- fchrieben lind, und daß in der Kette, die ein Organismus vom Ei bis zu feiner Ausbildung durchmißt, keine Subftanz entdeckt wurde, deren Gegenwart dafür fprechen könnte, daß der Stoff- wechfel höher organißrter Formen im Anfange der Entwicklung demjenigen tiefer ftehender Typen mehr gliche als der des ausge- wachfenen, des ausgebildeten Thieres. Die intereffanteften Er- fcheinungen, welche bei höheren Thieren an VerhältnilTe tiefer flehender Formen erinnern, bleiben jedenfalls die Verdauungs- und Refpü'ationsvorgänge , die von einzelnen Geweben gleichfam

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19] Methode für die Biologie. 19

auf eigene Fauft, unbekümmert um den allgemeinen Verdauungs- oder Refpirationsproceß des Gefammtorganismus , rein egoiftifch ausgeführt werden. Unbehelligt von der Sauerftoffverforgung der übrigen Gewebe bezieht fo z. B. nach HuhrecJifs Unterfuchungen ^^) das Nervengewebe mehrerer Nemertinen auf directem Wege feinen Sauerftoffl:)edarf aus dem umgebenden Meerwaffer und felbft bei den Säugethieren ahmen die Ofteoklaften und pathologifche Zellen- neubildungen ^-) einen Verdauungsmodus nach, welcher lange als charakteriftifch für die protoplasmatifchen Gefchöpfe gegolten hat, bis erft in allerjüngfter Zeit uns die WilTenfchaft der vergleichenden Phyliülogie mit dem hochwichtigen Refultate bekannt gemacht hat, daß der fog. protoplasmatifchen Verdauungsweife eine Verbreitung auch unter den zoophytifchen Formen zukommt ^^).

Bisher liaben uns die Stoffe, welche wir als eigene Gebilde des Thierkörpers in diefem antreffen, und welche wir oft, trotz einer functionellen Aehnlichkeit fubftantiell auffallend verfchieden fanden, nur infofern interefTirt, als ße uns einen Einblick in die Vorgänge des Stoffwechfels, in die vitalen Procelle des Thierkörpers felbft geflatten. Als aber eine Subflanz nach der andern als ani- malifches Product erkannt, und ßch die Zahl der chemifch gut cliarakterifirten Thierßoffe fu erliel^lich fteigcrte, daß man zweifel- haft wurde, ob fchließlich mehr Producta thierifcher oder pflanz- licher Herkunft bekannt fein werden, da tauchte wiederholt die Frage auf, o]> alle die zahlreichen Materien dem Thieiieibe wirklich von Nutzen find.

Die vergleichende Anatomie hat uns eine Anzalil von Organen als rudimentäre, zurückgebildete und leiftungsunfähig gewordene vi-rftändlich gemacht; es ifl kein Zweifel, daß dagegen die ver- gleicljcnde Tliierchemie Subflanzen nachg(!\viefen hat, wclclio für den Organismus, der fie führt, noch nicht leiftungsf aliig, noch nicht funetionsmächtig geworden! find^*). Das PIämoglol)in, welclies für <lie Säugetliiere ein iiiiciitbclnliclicr Sauciltolfüljerträgcr ilt, hat

20 Die Bedeutung der vergleichenden [20

z. B. für das Leben des Frofches, der lange Zeit ohne jeden Tropfen Blut zu exifliren vermag, keine jenem Falle annähernde Bedeutung. Welchen Nutzen das trj^ptifche Enzym vielen Mol- lusken, welchen das peptifche vielen Würmern und Seefternen fchaffen könnte, iffc durchaus unbegreifhch^^), und fo begegnen wir denn auch großen individuellen Schwankungen in diefer Beziehung, ebenfo wie der Sauerftoff übertragende, dem Hämoglobin functionell gleichwerthige Körper in der Hämolymphe des Flußkrebfes bei dem einen Exemplare völhg fehlt, bei einem andern dagegen in ziemlich reicher Menge vorhanden ill^*^). Das lehrreichlte Beifpiel aber dafür, daß eine Subftanz, welche wichtige Functionen zu er- füllen befähigt iffc und bei vielen Thieren diefelben auch ausübt, für ein lebendes Wefen nutzlos bleibt, iffc Folgendes ^ ') : Im Plasmo- dium von Aethalium septicum findet üch ein auf Eiweißftoffe äußerft kräftig wirkendes Pepün. Diefes kann in dem Schleim- pilze aber deshalb keine oder nur eine fehr geringfügige Wirkung entfalten, weil das lebende Aethalium- Gewebe conftant alkahfch reagirt; denn, me bekannt, kommt den peptifchen Enzymen nur in fchwach fauren FlüITigkeiten eine peptonifirende Kraft auf die Eiweißfubftanzen zu.

Trotz der vielen individuellen wie fpecififchen Schwankungen prägt üch doch auch in dem Dienftbarwerden der Stoffwechfel- producte meiftens eine Vollkommenheit aus, die derjenigen der Pro- pulfionsorgane, welche die Säftemalfe im Thierkörper in Bewegung fetzen, in keiner Weife nachfteht.

AVenn Jemand, dem nur die Verhältniffe bei den Spongien geläufig wären, plötzlich Kenntniß erhielte von den Refpirations- vorgängen bei den Warmblütern, fo müßte er darüber im höchften ; Maße erftaunen, und er würde es kaum für möghch halten, daß in der lebenden Welt ein und daffelbe Bedürfniß nach fo grund- verfchiedenen Principien geftillt wird. Die Athmung des lebenden Schwammgewebes iffc fo außerordentlich mächtig, daß darin felbft

21] Methode für die Biologie. 21

Subftanzen vor einer Oxydation gefchützt find, welche eine weit größere Affinität zum Sauerftoff befitzen als das Hämoglobin ^^). Auch bei den Infecten und den Mantelthieren bezieht jede lebens- thätige Zelle ihren Sauerftoff direct von außen, und fo fehr ift bei diefen Thieren die Körperflüfligkeit von dem Refpirationsge- fchäfte entlaftet, daß darin, ungefährdet für das Leben, Sul^ftanzen exifliren, welche durch Zufuhr geringer Kohlenfäuremengen tief- greifende Veränderungen erfahren und dabei in fchwarze, äußer fi; rcfiftente Materien übergehen ^'^). Würden derartige Stoffe fich in einem refpirirenden Blute finden, fo würden fie unzweifelhaft durch die beim RefpirationsprocelTe in's Blut ül^ertretende Kohlenfäure fofort die angegebene Zerfetzungsweife erleiden und durch ihre Zerfetzungsproducte den Kreislauf in den engeren Theilen der Ge- fäßbahn bald unmöglich machen. Bei den Thieren, deren lebende Gewel)e indirect mit Sauerftoff gefpeilt werden, bei denen das kreifende Blut die Sauerfloffübertragung verficht, werden aber noch andere Bedingungen gefordert, ohne deren Erfüllung fich die Ath- mung auf circulatorifchem Wege nicht vollziehen kann. Erftens muß in diefem Falle die Gewel)eathmung weniger onergifch als z. B. bei den Schwämmen erfolgen und zweitens darf die Sauer- ftoff bindende Kraft der Sauerftoff übertragenden Stoffe in der refpirirenden Plüffigkeit diejenige der zu verforgenden Gewebe nicht überfteigen. In beiden Puncten wird von den verfchiedenartigften Thieren an Mannigfaltigkeit und Vollkommenheit das Erftaunlichfic geloiftet. Bei Sj)irographis Spallanzanii, wo die Gewebeath- mung weit cnergifcher als bei den Säugern von Statten geht, ver- mittelt ein Körpei- (\\v Sauerftoffaufnahme, welcher nfit Sauerftofi" imprägnirt, fmaragdgrün erfcheint und dcshall) von Hai/ L(n//.r/h'r''^) als Chloro(;ruoi'iii bezeichnet wurde, des Sauerltoffs l)eraubt, alier eine rothc Farbe annininit uiifl fo in das Erytlirocruorin Jiaij Lav- hftcr'H übergellt. Mitteilt <\i-v Luftpumpe, mitteilt Zuleiteiis von A\'a(rerItoirgas oder von Kohlenfäure gelingt es nicht, das Cliloro-

22 Die Bedeutung der vergleichenden [22

cruorin von feinem Sauerftoffe zu befreien ^^); es bedarf dazu Itär- kerer chemifcher Agentien (des Schwefelammoniums oder der StoJces'- fchen Löfung), um an ihm einen, dem des lebenden Gewebes gleichen Effect zu erzielen. Bei Sipunculus nudus, wo die In- tenlität der Gewebeathmung eine geringere ifl als bei jenem Röhren- wurme, beforgt das Hämerythrin, welches fchon nach längerm Ein- leiten von Kohlenfäure feines aufgenommenen Sauerffcoffs verluftig wird, die Sauer ftoffübertragung ; bei den meiften Gaftropoden und Cruftaceen chent demfelben Zwecke das mit einer noch geringeren Sauerftoff bindenden Kraft als das Hämerythrogen ausgeflattete Hämocyanogen, und bei den Warmblütern endlich, wo die Stärke der Gewebeathmung am meiften ßnkt, genügt die Gegenwart des Hämoglobins, um die lebenden Gew^ebe in den fernften Bezirken des Körpers mit Sauerftoff in ausgiebiger Weife zu verforgen.

Auch bei den A^erdauungsfäften ift es hochinterellant zu fehen, wie ein Stoff einem andern, functionell gleichwerthigen gegenüber zurücktritt. Es ift kein Grund dafür einzufehen, daß bei den Säugethieren die eiweißhaltige Kofl durch zwei Enzyme bewältigt, daß die Eiweißverdauung nicht ausfchließlich von Pepfin oder aus- fchließlich von Trypfm beforgt wird,' fondern daß der Organismus für die Eiweiß Verdauung ein peptifches und ein tryptifches Enzym in feinem Secrete entfendet. Man ift geneigt, hier um fo mehr an eine Luxusproduction zu denken, als felbft bei Wirbelthieren bald die peptifche, bald die tryptifche Wirkungsweife der Verdauungs- fäfte der andern gegenüber zurücktritt, ja es kann auch die eine oder die andere diefer beiden Wirkungsweifen den fämmtlichen Verdauungsfäften bei einer Thierart (fo z. B. die peptifche bei Cyprinus carpio^^) fehlen. Die Subftitution des peptifchen durch da,s tryptifche Enzym et vice versa tritt ganz befonders auffällig bei den Mollusken, Arthropoden und Würmern hervor '^^). Bei A^'er- tretern diefer Typen begegnet man in diefer Beziehung fehr be- deutenden individuellen Schwankungen, indem das Leberfecret des

23] Methode für die Biologie. 23

einen Individuums nur ein peptifclies, das eines andern zu der- lelben Art gehörigen Individuums dagegen nur ein tiyptifches oder ein tryptifch -\- peptifches Enzym enthält. Unterfucht man aber die Leberfecrete fehr ^ieler Exemplare ein und derfelben Species, fo erhellen aus der Summe fchwankender Refultate die fpecififchen Eigenthümhchkeiten mid die fehr bemerkenswerthen Abweichungen Zwilchen zwei organifatorifch nahe flehenden Arten. Das Leber- fecret z. B. des gemeinen Flußkrebfes enthält in der bei weitem größten Mehrzahl der Fälle trotz feiner conftant fauren Befchaffen- heit fall ausfchheßlich ein tryptifch wirkendes Enzym, das feines näcliften Verwandten, des Hummers, dagegen meift nur Homaro- peplin, und bei den meiften anderen Krebsarten finden fich in dem Leberfecrete l)eide eiweißverdauenden Enzyme in ziemlich gleicher Menge vor. Auch bei den Landfchnecken und Würmern begegnet man ähnhchen A^a-fchiedenheiten : das Leberfecret von Hei ix i)()matia enthält nur Helicopepfin, das von Arion empi- ricorum, Limax agrestis und L. cinereo-ater dagegen vor- \degend ein tryptifches Enzym; das Leberdarmfecret von Lum- l»ricus terrestris oder L. complanatus wirkt peptifch und ifotryiitifch , während der in den Leberl)lafen der Aphrodite aculeata angefammelte Verdauungsfaft nur Ifotrypfin führt.

Selbft die organifchen Beftandtheile der Gerüflfubßanzen, von denen man eine ganz l)efonderc Beltändigkeit im ^'^orkommen er- warten follte, variiren bei verfchiedenen Species ein und derfelben 'riiierclaire,

\'i('I(' Holothinicn (z. B. Ilolotliuria tubulosa und H. Poli) balicn <lic fcltfame Angewohnheit, bei unfaiifter Berührung ihn; gefanimte Eingeweidemaire aus der Kloake zu werfen; einige andere Holotliuricnformen (z. B. Synapta digitata) zerftückeln lieh unter •li'IV-n riidtänden, und wiederum bei anderen Arten (z. B. bei ichopus naso) (Twcicjit in dicfcni Tallc die derbe lederartige II;iutdeck<', von der man a piiori gai' nielit glanben würde, daß

24 Die Bedeutung der vergleichenden [24

ße einer A^erfclileimung überhaupt fäMg wäre. Letztere Erfchei- nung beruht darauf ^^), daß der Hautpanzer eine eiweißartige Sub- rtanz in großer Menge enthält, die in fcli wachen Salzlöfungen außer- ordentHch leicht löslich ift ; in den Schutzdecken gewilTer Holothu- rienarten (z. B. Thyone fusus), welche beim Kochen eme leim- artige Materie Hefern und deshalb fich zur Trepangbereitung Vor- zugs weife eignen würden, fehlt jene den fpontanen Auflöfungs- proceß bedingende Subftanz fo gut wie vollltändig, und ftatt ihrer tritt darin das Tryptocollagen auf, während bei der Mehrzahl der Holothurien in den Hautfchichten beide Stoffe nachzuweifen flnd^^). Ich habe im Vorhergehenden verfucht, in groben UmrilTen die Principien vorzutragen, von denen ßch die Wilfenfchaft der vergleichenden Phyßologie bei ihren Unterfuchungen leiten läßt; es ift mein Wunfeh gewefen, zu zeigen, daß auf diefem Felde an keinem Babelthurme gebaut, an keinem Werke gearbeitet wird, deß'en Nutzen ein rein iUuforifcher ift, fondern daß, wie die mannigfachen Erfolge, welche in diefer Richtung fchon jetzt erzielt ßnd, deutlich genug beweifen, hier ein Weg betreten wm'de, der ausfchließlich zum Verftändniffe der wichtigften Lebensvorgänge führt, und der betreten werden muß, wenn es in der Biologie mit der äußern FormbefchreÜDung , mit den rein morphologifchen Er- fcheinungen nicht fein Be^\'enden haben foll. Ich habe darauf hinge^^'iefen, daß die Aflimilationsvorgänge, die Stoffmetamorphofen, die chennfchen Proceße bei allen allgemein biologifchen Fragen in erfter Inftanz in Betracht gezogen werden muffen, daß ledighch morphologifche Verhältniffe, welche gleichfam Ueberproductionen des Lebens darfteilen *^*^), hierbei nicht maßgebend fein können. Müßte, wie noch jetzt viele Forfcher zu glauben fcheinen, che Bio- logie bei den \4talen Proceffen, bei den Producten des Stoffwech- fels, bei den Unterfuchungen der äußeren Exiftenzbedingungen der Thiere thatfächlich Halt machen, dann würde ße wahrhch beffer gethan haben, wenn ße überhaupt nicht angefangen hätte.

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25] Methode für die Biologie. 25

A'on Uebergäiigen, von \^crbiiidung.sgliedern zwifcheii den ein- fachen und hoch differencirten Wefen wird Fich bei den Unter- fuchungen der eigentlich vitalen A^orgänge allerdings nichts er- geben ; denn Derartiges tritt nur 1)ei Lebensproductionen auf, die in der Form, in einer Anordnung der Theile ihren Ausdruck finden. Bei keinem Lebensacte befteht, in gleicher Weife wie bei keinem chemifchen ProcelTe, etwas Interiniiftifches von einigermaßen an- dauerndem Beftande, nichts was zur Annahme berechtigt, hier läge ein vollkommener, dort ein unvollkommener Lcbensact vor; jeder Lebensproceß, jede chemifche Umfetzung ift in ihrer Art fo vollkommen, fo vollftändig, wie fie nur gedacht werden kann, und dalfelbe gilt in diefer Hinficht von jedem Lebewefen, wie fclion Claude Bernard betonte''^). Entweder ein beftimmter Proceß findet ßatt oder er findet nicht flatt, entweder ein beflimmtes Stofi'wechfel- product wird gel)ildet oder es bildet fich nicht; Uebergänge, ver- mittelnde Zwifchengheder von zwei Proceffen in der Art, wie fie die vergleichende Anatonne fucht, gibt es in der vergleichenden Phyfiologie des Stoff'wechfels nicht. Wie fich im Laufe diefes ^'ortrages genugfam zeigte, find für die vergleichende Phyfiologie des Stoffwechfels nur die Sul )ftitutionen belangreich, welche ihren Ausdruck in dci' i'unctionellcn und fiil)fiantiellen Analogie finden, und die Bearbeitung gerade diefes Kapitöls der Biologie dürfte zu den fchönflen Hofihungen berechtigen.

Dem Nachweife, daß feit der Al)lagerung der lilurilchen und devonifchen Scliichten ein außerordentlich beträchtlicher Zeitraum verflofien ift, und daß deshalb bei der Entfichung der Ai-ten die Länge der Zeit liöcblt \vahi-rclicinlich eine wefentlichc Rolle gelpielt habe, kann nur niorphologilrlicrrcits eine gi-avitii'cndc rxdcnlung für die DcscciidcnztlK'oric! bcigcmcd'en werden; denn die vergk'i- chende Phyfiologie zeigt. <laü die fürs Leben wichtiglten Factoren, die vitalen I'roceHe, licji nioinentjin verändern muffen. Pl()tzlicli muß das erfle IIämoglobiiniioIel<ül, plötzlich ih\s ei'fle Krealin- und

26 Anmerkungen und Literaturnachweis. [26

Glykogenmolekül in einem lebenden Wei'en entftanden fein; denn was hier der Augenblick nicht leiftet, das vermögen ceteris paribus auch nicht Millionen Jahre. Von diefem Gefichtspuncte aus ßnd für die Biologie Bruchtheile eines Augenblickes fo mächtig wie Aeonen.

Anmerkungen und Literaturnachweis.

') Krulcenberc/, Das Verhältniß der Toxicologie zu den übrigen biologirchen Disciplinen. BoUetino della Soc. adriatica di sc. nat. in Trieste. Vol. V. 1879. S. 72—85.

-) Brechfei, E., Ueber die Bildung des Harnftoffes im thierifchen Orga- nismus. Arch. f. Anat. u. Phyßol. Phyfiol. Abth. 1880. S. 550—556.

, Die fundamentalen Aufgaben der phyfiologifchen Chemie. Ein academifcher Vortrag. Leipzig. 1881.

3) Hopi^e-Seyler, F., Ueber GährungsprocelTe. Zeitfchr. f. phyfiol. Chemie. Bd. IL 1878—79. S. 23.

*) Knikenherg, Die Farbfloffe der Federn. Zweite Mitth. Vgl.-phyfiol. Studien. IL Reihe. I. Abth. 1881. S. 154.

") Wöliler, Fr., \"erfuche über den Uebergang von Materien in den Harn. Tieclemann's Zeitfchr. f. Phyfiologie. Bd. I. 1824. S. 143 146.

, Lehrbuch der Chemie von /. /. Berzelim. Bd. IV. Abth. I. Dresden. 1831. S. 376. Anm.

ß) Jaife, M., Ueber das Verhalten der Benzoefäure im Organismus der Vögel. Ber. d. d. ehem. Gefellfch. X. Jahrg. 1877. S. 1925—1930.

') Salkou-shi, F., Ueber die Taurocarbaminfäure. Ibid. VI. Jahrg. 1873. S. 744—746.

8) Bcelm, Bild., Ueber das Verhalten des Glykogens u. der Milchfäure im Muskelfleifch mit befonderer Berücküchtigung der Todtenflarre. Arch. f. gef. Phyfiol. Bd. 23. 1880. S. 44—68.

8) Krulienherg, Vgl.-phyfiol. Beiträge z. Chemie der contractilen Gewebe. Unterf. a. d. phyfiol. Inft. d. Univ. Heidelberg.' Bd. III. 1880. S. 197—220.

, LTnterfuchungen der Fleifchextracte verfchiedener Fifche u. Wirbel- lofen. Ibid. Bd. IV. 1881. S. 33—63.

, Die näheren organifchen Befiandtheile der Luvarus -Muskeln nebA einer allg. Betrachtung über den gegenwärtigen Stand der vergleichenden Muskelchemie. Vgl.-phyfiologifche Studien. IV. Abth. 1881. S. 56—66.

27" Anmerkungen und Literaturnachweis. 27

Krulctnhery, AVeitere Unterfuehungen z. vergl. Muskelchemie. Vgl.-i)hyfiol. Studien. II. Keihe. I. Abth. 1881. S. 143-147.

'") Knile)iher(j , \'gl.-phyfiol. Beiträge z. Kenntniß der Kefpirationsvorgänge. Vgl.-phyüol. Studien zu Tunis, Mentone u. Palermo. III. Abth. 1880. S. 6G— 123.

, Weitere Beiträge z. Verftändniß u. zur Gefchichte der ßlutfarbftotfe bei den wirbellofen Thieren. Vgl.-phyüol. Studien. V. Abth. 1881. S. 49 57.

, Zur vergl. Phyfiologie der Lymphe, der Hydro- u. Hamolymphe. Vgl.-phyüol. Studien. IL Reihe. I. Abth. 1881. S. 87—138.

") Krulxcnherg, Ueber das Verhältniß der Leberpigmente zu den Blut- farljftoffen bei den Wirbellofen. Vgl.-ijhyüol. Studien etc. III. Abth. 1880.

- 181 191.

, Unterf. bitter fchmeckender Evertebratenlebern refp. deren Secrete auf Gallenfäuren. Ibid. IL Reihe. L Abth. 1881. S. 175—179.

'"-) Maly, R., Unterf. über die Mittel zur Säurebildung im Organismus u. über einige Verhältniffe des Blutferums. Chem. Centralblatt. III. Folge. IX. Jahrg. 1878. S. 5«— 63 u. S. 73—80.

, Notizen über die Bildung freier Schwefelfäure u. einige andere chemifcheVerhältniffeder (jaftropoden, befonders vonDolium galea. Sitzungsb. d. k. Acad. d. Wiff. in AVien. IL Abth. März-Heft. 1880. S. 376—386.

'*) Carius, L., Ueber eine neue Säure der Reihe C"nH2n-202. Ann. d. Chem. u. Pharmac. Bd. 114. 1860. S. 147 156.

'*) Liebiff, J., Jahresber. f. die Fortfehritte der Chemie. Für das Jahr 1850. S. 583 u. 584.

'*) Gerlach, J., Ueber die Einwirkung von Farbftoff auf das lebende Gewebe. AViffenfch. Mitth. der P>langer phyük.-medic. Gefellfch. 1858.

Kn(kenher(j, Das Verliältniß der Toxicologie etc. L. c. S. 72 u. 75 ff. (Eh fei Ix-merkt, daß es in (liefern Auffatze S. 76 Zeile 2 von oben, ftatt «bei «ler Morbus Brightii// felbllverftändlich «bei morbus regius» heißen muß.)

. Nachträge z. meinen vgl.-phyüol. Unterf. über die Verdauungsvor- gänge. Vgl.-phyüol. Studien. V. Abth. 1881. S. 58—71.

Jinnrje, (r., Ueber das Verhalten der Kalifulzc im Bhitc. Zcitfcinift f. l.hyli..l. Cheuüe. Bd. IIL 1879. S. 69.

Ko/rd, Alhr., Ueber die chemifchen Wirkungen der DiHiidoii. IL Ibid.

- 210 u. 211.

"V KritLenhenj, Mangan ohne nachweisbare Mengen von Eilen in den ' iicretionen aus dem Bojanus'fchen Organe von Pinna squamosa. Unterf. a. d. phyfioj. Inft. <1. Univ. Ileirlelberg. Bd. II. 1879. S. 287-289.

"; Slredcer, Ail., Beobachtungen über die (ialb; verfchiedener 'l'liiere. Ann. <l. Chem. u. Phurmao. Bd. 70. 1849. S. 177.

'", Sithhotin, V., Beiträge ■/.. l'iiyliologic des I"cttge\vel)es. Zcilfchr. f. r.i<flr>gio. Bd. VI. 1870. S. 73 -94.

28 Anmerkungen und Literaturnachweis. [28

1^) Vgl. Semper, C, Die natürlichen Exiftenzbedingungen der Thiere. Leipzig. 1880. Th. I. S. 66 ff., S. 83 u. 84, ö. 254 u. 255. Th. IL S. 278.

20) Eines der interelTanteflen ßeifpiele dieler Art bietet eine Papageien- art, Eclectus polychlorus Warfler. Cf. Krukenherg, Die Farbftoffe der Federn. Zweite Mitth. L. c, S. 161—165.

^') Braun, A., Ueber das Vorkommen von Zink im Pflanzenreich. Pocj- gendorff's Annalen. Bd. 92. 1854. S. 175—179 und Journ. f. pract. Chemie. Bd. 61. 1854. S. 317—320.

'^'^) Schmanliewitfch, W., Zur Kenntniß des Einfluffes der äußeren Lebens- bedingungen auf die Organifation der Thiere. Sonderabdruck aus: Zeitfchr. f. wiir. Zool. Bd. 22. 1877.

2^) Graiüitz, F., Beiträge z. Tyltemat. Botanik der pflanzl. Parafiten mit exp. Unterf. über die durch fie bedingten Krankheiten. Virchoiv's Archiv. Bd. 70. 1877. S. 546—598.

2^) Heckel, E., De quelques phenomenes de la localisation de substances minerales chez les Articules; consequences physiologiques de ces faits. Compt. rend. T. 79. 1874. p. 512—514.

-s) Meyer, Herrn., Die Architectur der Spongiofa. Arch. f. Anat. u. Phyfiol. 1867. S. 615-328.

26) Der für die verfchiedenen Typen des Thierreichs wenig charakte- riftifcdien Größendifferenzen der Zellen gedenkt Leyäig (Lehrbuch der Hillologie. Hamm. 1857. S. 15) in folgenden Sätzen: «Man weiß, daß unter den Wirbel- thieren bei den Vögeln und Säugern im Allgemeinen die Zellen und deren Derivate kleiner find als bei Fifchen und nackten Eeptilien, und unter Letzteren überragen wieder die zelligen Theile des Landfalamanders und des Proteus die aller übrigen Wirbelthiere ; doch ift zuzugeftehen, daß eine ftrenge Durch- führung diefes Satzes nicht wohl möglich ilt, denn die Ganglienkugeln des Proteus z. B. fcheinen mir kaum größer als die des Frofches zu fein. In den Gruppen der Wirbellofen dürfte es bei den Arthropoden an vielen Stellen (Darm der Infecten, Serikterien, Harngefäße etc.) größere Zellen geben, als bei Mollusken, Würmern etc , obfchon auch hier beltimmte Organe (man denke z. B. an die großen Ganglienkugeln im Gehirn und die langen Cylinderzellen im Darm der Gaftropoden) fehr umfangreiche Elementargebilde haben.»

2') Bergmann und Leuclcart berührten bereits diefen Punct. In ilirer «Vergleichenden Anatomie u. Phyfiologie» (Stuttgart. 1855. S. 159) fchreiben fie: «Während die Verfchiedenheit der Form der Blutkörperchen bis jetzt zu keinen phyfiologifchen Folgerungen Anlaß gibt, fo kann man allerdings an die Größe derfelben eine Bemerkung knüpfen, welche fich auf ihre Function be- zieht. Es wird fich zeigen, daß die Blutkörperchen wahrfcheinlich bei dem Acte der Athmung betheiligt find, daß überhaupt jedes einzelne Blutkörperchen eine vorübergehende, vielleicht kurze Exifi;enz befitzt. Denken Avir uns nun

29] Anmerkungen und Literaturnachweis. 29

an der Oberfläche der Blutkörperchen eine Wechfelwii'kung zwifchen denfelben und der umgebenden Flülfigkeit, fo ift es klar, daß die Intenfität eines folchen Procefles eine ihrer Bedingungen in der Summe der Oberflächen der Blut- körperchen hat, an welchen ein folcher Proceß gefchieht; es wird diefer Proceß um fo energifcher vorfchreiten können, je feiner vertheilt ein gewilTes Quantum ßlutkörperchenfubftanz im Blute, oder mit anderen Worten, je kleiner die Blut- körperchen find, gerade wie z. B. die Auflöfung eines Salzes um fo rafcher möglich ifl:, je feiner man es gepulvert hat.» «Diefe Ueberlegung feheint fchon Edicards (De l'influence des agents phys. sur la vie. p. 283) angefl;ellt zu haben.»

**) Knikenherg, Der phyfiologifche Vergleich. Vgl.-phyü(jl. Studien. IL Reihe. I. Abth. 1881. S. 8.

*®) Bunge, G., und Schmiedeherg, 0., lieber die Bildung der Hii:)purfäure. Archiv, f. exp. Pathol. u. Pharmakol. Bd. VI. 1877. S. 233—255.

^) Kochs, W., Ueber eine Methode z. Beltimmung der Topographie des Cliemismus im thierifchen Körper. Arch. f. d. gef. Phyßol. Bd. 20. 1879. S. 64—80.

, Fortgefetzte Unterf. über die Bildung der Aetherfchwefelfäuren im thierifchen Organismus. Ibid. Bd. 23. 1880. S. 161—171.

'•) Fflüger, E., Der lebendige Organbrei u. die Topographie des phyfiolo- gifchen Chemismus. Arch. f. d. gef. Phyfiol. Bd. 23. 1880. S. 172—175.

^^) Knikenherg, Zur Kenntniß der organifchen Beftandtheile der thierifchen Gerüfl;fubflanzen. Vergl. -phyfiol. Studien. V. Abth. 1881. S. 1—37 und ibid., II. Reihe. I. Abth. 1881. S. 21—75.

^') Krukenberg, Zur vergl. Phyfiol« )gie der Lymx)he etc. L. c.

^^) Tabellarifche Zufammenftellung

der Hämoglobin-Xaclnveife bei wirbellofen Thiereu')«

(o ))edeutet in der Tabelle, daß da.s Spectrum des O-Hämoglobins, o -\- r, daß daneben auch das des reducirten Hämoglobins beobachtet wurde.)

Wiii'iiKM'.

a) Dendrocöle Turbellarien.

«I-ecies. Gewebe. 1 ^'^'^ Jlf^frij'*'^''' i Beobachter. Literaturangabe.

weife«.

I, r- » 1 i lucctrn-

I aralitarc- iiidit aii''«' --i i- i ir /•/

J'latiuria. geljcn. J.^ i -^

Natiirc. V(.l. \'. 4. Jan. 1872. p. 184.

') IJiä l'rotozoen, Cölenteraten und Eehinodcrmen konnte ilas Ililmogloliin bi.slang nlelit nacliKewicfen werden ; Angaben über das Vorkojnnien Hiimoglobin-iiliniicliir Stoffe b*l Jxihlnodennen und einfacher organilirten Wefen Hegen jedoch vor. So Ijcfclnieb ./. Un/- ßgnoH (Comiit. rend. T. 13. 18.^0. ji. OWJ) al.s eine dem Hlute in ihren pliylikalirchcn wie äußeren ehemifchcn Kigenlebaften Ulnilich«; Fliifligkeit, das in der Nilhc de» Dorfes <le la VIrtud bei (Jbolutrca in ('«iitralanierika aus trachytifchem (Jefteine cntfiiringemle, an In-

30

Anmerkungen und Literaturnachweis. b) Nemertinen.

[30

Species.

Gewebe.

Art des Nachweifes.

Beobachter.

Literaturangabe.

Meckelia

s 0 m a 1 0 1 0 m u s u.

Ehrenbergii, Po-

lia geniculata.

ausfchließlich die Ganglien.

fpectro- Ikopifch

(0).

Hubreclit.

Mederl. Arch. f.

Zoologie. Bd. II.

1874—75.8.99—130.

Polia sangui- rubra.

Gefäßflüffig- keit.

Ipectro- Ikopifch

(0).

Bay

Lankeßer.

Proeeed. of the r.

Soc. Vol. XXI.

Nr. 140. 1872. p. 73.

Drepanophorus

rubrostriatus u.

serraticollis.

Gefäßflüffig- keit.

Ipectro- fkopifch

(0).

Iliibrecht.

1. c, S. 104—106.

c) Hirudineen.

Hirudo und Nephelis.

Perivisceral- flttfligkeit.

fpectro- jo ^^°g5^^^ LaJeller.

Arch. f. d. gel".

Phyüol. Bd. IV.

1871. S. 320.

jSi ephelis.

Perivisceral- flüfligkeit.

Hämatin- kryftalle (?) be- obachtet in Form rothge- fäibter tafelför- miger Blätt- chen etc.

Leydig.

Zeitfchr. f. wilT. Zool. Bd. I. 1849. S. 116| Lehrb. d. Hiltologiei 1857. S. 446 u. 447.*

d) ChaBtopoden.

Lumbricus terrestris.

Perivisceral- flüfligkeit.

Häminkryl- talle u. Di- chroismus.

fpectrofkopifch

(0) u. Hämo-

globinkryftalle.

Bollett.

Preyer 0

Sitzb. d. k. k.Acad. d., WilTenfch. zu Wien.' Bd. 44. 1861. S. 615 ff.'

De hämoglobino obfer-,

vationes et experimenta.

Dissertatio. Bonnae.

1866. p. 9 et p. 30.

Tubifex, Limno-I

drilus, Lumbri- (Vom Lymph-

culiis, Enehy-

t r ä u s , N a i' s ,

Chaetogaster.

räum getrennte BlutHüffigkeit.

fpectro- fkopifch

(0).

Bay Lanlceßer.

Arch. f. d. gef.

Phyfiol. Bd. IV. 1871.

S. 319 u. 320.

Ophelia, Cirrha- feparirte tulus, Terebella,! Blutflüflig- Eunice, N er eis. I keit

fpectro- fkopifch

(0).

Bay Lankeßer.

Journ. of Anat. and

Phyfiol. Vol. II. 1868.

p. 114. Proc. of. the r.

Soc. Vol. XXI. Nr. 140.

1872. p. 73 note.

fuforien reiche QuellwafTer des Eio de 8angre. Nach T. L. Pht'p/on (Compt. rend. T. 1879. p. 316—318) foll fleh ein dem Hämoglobin verwandter Körper bei einer Alge (Palmellj cruenta) finden, und nach AI. Fmtünger (Bull, de l'Acad. r. de Belgique. T. 49. 1880. p. 402—404 und Archives de Biologie Vol. I. 1881. p. 405-412) kommt in dem Waffergefäßfy^Q^me von Ophiactis virens ein rothbrauner Farbftoff vor, defl"en Spectrum, ähnlich dem des Hämo- globins, zwei Abforptionsbänder aufweift, ohne aber in anderen Eigenfchaften mit diefem übereinzußimmen (cf. Knikenherr/, Vgl. -phyfiol. Studien. II. Reihe. I. Abth. 1881. S. 94, Anm. 2.) 1) Auf Herrn Profefl"or Preyer's gefällige Zufchrift hin, berichtige ich hiermit eine frühere Angabe (Vgl. -phyfiol. Studien. II. Reihe. I. Abth. S. HO, Anm.), welche Raij Lankeßer die Priorität des fpeetralanalytifchen Nachweifes des Hämoglobins bei Lumbricus vin- dicirte. Später als Fretjer, aber noch früher als Raij Lankeßer (November 18C7) theilte auch N/mrocki (Februar 1867) mit, daß fleh der rothe hämolymphatifche Farbftoff bei L u m b r i c u s wie Hämoglobin verhalte.

31"

Anmerkungen und Literaturnachweis.

31

Species.

Gewebe.

Art des Nachweifes.

Beobachter.

Literaturangabe.

Arenicola pis- Blutflünig- c a t o r u m. keit.

Hämin- kryftalle.

A. Eicald.

fpectro- fkopifch (0+r)

Kridenherr/.

Meine Vgl.-phyüol. I Studien. I. Reihe.

I. Abth. 1880. S. 165. I Anm. 2^

IVgl.-phyüol. Studien. i III. A1)th. 1880.

i S. 79.

., I Hämolvm-

Capitella, I pj^j^tifche (Tlycera. Körperchen.

N er eis eultrifera.

Blutflüffig- keit.

fpectro- fkopifeh

_iOjf r)._

Häminkryftalle

u. fpectrofko-

I pifch (0 + r).

i u j-i I Ganglien- Aphrodite ^^^^p ^ pi^^J

aculeata. ,-vnxmuskeln.|

Ipectro- fkopifch

(0 4- r).

Proc. of the r. Sog.

Vol. XXI. Nr. 140.

1872. p. 72 and 73^

Vgl.-phyßol. Studien. Krukenhercj. \ II. Reihe. I. Abth. 1 1881. S. 9.5 Anm. iProc. of the r. Soc\

Vol. XXI. Nr. 140. I 1872. p. 75.

Bay Lankeßer.

6) Gephyreen.

Phoronis.

Thalassema Neptuni.

Hämolym- Iphat. Körper- : chen.

iTläniolympha- | tifche Körper- eben, Muskeln, Cölovnepithel, Cölombeklei- dung der Ge- Ichlechts- tafchen.

fpectro- fkopifch.

Ray

Lanließer.

,!;P«^t;:'^; ] Ray Ikopifch I j^,,„;,,/^,,.

(O + Y).

Proc. of the r. 8oc. Vol. XXI. Nr. 140. 1872. p. 72 and 73.

Zool. Anzeiger. IV. Jahrg. Nr. 87. 1881. 8. 350—353.

ArtliropoderL. a) Cruftaceen.

l.ernanthro-

pen u. Cla-

vellen.

Hämatifche Flüfligkeit.

fpectro- fkopifch.

Ed. Van Be- neden.

Zool. Anzeiger.

III. Jahrg. Nr. 17. 1881.

S. .S.'>--3i) u. Nr. 48.

8. 55 60.

(•heirocepha-|^,^f^ßflj^jr,g- lus diajthanus j^^j^.

II. Daphnia. , '

I I Journ. of anat. and

fpcctro- Rriy I physiol. Vol. IV.

fkoi)ifcli. Lankelter. j i869. p. 122.

b) Infecten.

Larve von Clii rononiUH

JllumOKUH.

Solen legunien.

ccfaßnünrig

k(ät.

Hämin- krj'flalle u. DichroKsmus.

Rollett.

I Sitzt), d. k. k. Acad. Id. Wiff. zu Wien. Bd. |44. 18C.I. S. 615 ft.

Raif \Prcyc); Blutkryftalle. Lnulefler. ; Jena. 1871. H. 262.

MolUiHkexi. a) Lamellibranchiaten. ilainolviii Ipectro- | j^^^

phatifch., rkopifcl. ! La„Mlcr.

K(ii|i(U(:li('n. (() -f- r). I

Proc. of tlic! r. So(;. Vol. XXI. Nr. 140. 1872. p. 73 und 74.

32

Anmei-kungen und Literatuniaclaweis.

[32

b) Gaftropoden.

Species.

Gewebe.

Art des Kacliweifes.

Beobachter.

Literaturangabe.

Planorbis corneiis.

Hämo- hinplie.

fpectro- Ikopifch (0 + r).

Ray Lmikeßer.

Hämin- krvflalle.

KruJcenherg und Mays.

Journ. of anat. and

physiol. Vol. II. 1868. p. 114. note 2.

Vergl.-physiol. Stu- dien. III. Abth. 1880. S. 77. Anm.

Limnaens, Palu- GewiiTe Mus- -r.

dina, Litt orina,! kein des Pha- I Ipectro- I Eay

Aplysia, Pa- i ryiix u. des Ikopifch. Lanleüer.

tella, Chiton. Kauapparates. j

Arch. f. d. gef. Phyliol. Bd. IV. 1871. S.315. Proe. of the r. Soc. Vol. XXI.

Nr. 140. 1872.

p. 72 and 70.

35) Kölliker, A., Zeitfchr. f. ^vilT. Zool. Bd. IV. 1853. S. 364.

Kay Lankeßer, E., A Contribution to the Knowledge of Haemoglobin. Proceed. of the r. Soc. Vol. XXI. Xo. 140. 1872. p. 74 and 75.

Bobin, Gh., Xote sur quelques caracteres et sur le coeur caudal des an- guilles des Congres et des Leptocephales. Journ. de l'aiiat. et de la physiol. 16 Ann^e. 1880. p. 620.

36) Kriikenlerg, Vgl.-phyfiol. Studien. III. Abth. 1880. S. 66—78.

3') Knil-enberg, ibid., S. 82—99 u. II. Reihe. I. Abth. S. 111 Anm. 1.

^*) Tabellarifche Zufammenftellung

einiger Harnfänrebefnude bei wirbellofen Thieren.

(Als Ergänzung des Verzeichuifl'es in meinen „Vgl.-phyiiol. Studien" II. Abth. 1880. S. 17—21.)

Nur die Angaben find im Folgenden berückfichtigt, welche fich auf das Eintreten der

Murexidreaction gründen.

Tixnicaten.

Species.

Vorkommen. Beobachter. Literaturnachweis.

i . 1 1

Molgula (fpec?)

Concremente a.

d. B ojn Iltis' £chen

Organe.

Lacaze- Diähiers.

Arch. de Zool. exper. et gen. T. ni. 1874. p. 309.

Phallusiamentula.

Darmch-üfen.

Krukenherg.

Vgl.-phviiol. Studien. II. Abth. S. 22.

HVEoIlusken.

Lutraria iolenoides.

Concremente a. j Lacaze- d. Bojanus'kh.en\ Duthiers u. Organe. Biche.

Ann. d. scienc. nat. Ser. IV. T. IV. p. 312.

Pleurobranchus

Meckelii undtestu-

dinarius.

dito.

Lacaze- Dutliiers.

Ibid. T. XI. 1859. p. 260.

33]

Anmerkungen und Literaturnachweis.

33

Species.

Vorkommen.

Beobachter.

Literaturnachweis.

1 Pleurobranchus | Bojanus [chea marmoratus. j Organ.

Krukenherg.

Vgl.-plivüol. Studien. V. Abth. 1881. S. 70.

Helixpomatia, i j^.^^.^^.

nemorahs und ,oncremente. hortensis. \

C. Mylius.

Journ. f. pract. Chemie. Bd. XX. 1840. S. 509—511.

Limax-Arten.

Excremente.

Votjel und Heifchauer.

Neues Repert. f. Chemie. Bd. VI. S. 357.

1

Harleß.

Arch. f. Naturg. Jahrg. XIII. 1847. S. 1.

Sepia officinalib.

Nieren- concremente.

Krukenherg.

Unter!", a. d. phyfiol. Inft. d. Univ. Heidelberg, ßd. II. 1879. S. 412.

Vigelius.

Nieder!. Arch. f. Zool. Bd. V. 1880. S. 129.

Artliropoden.

Ixodes.

Dejeetionen der Larven und des Mutterthieres.

Megnin.

We.spcn- und Ilornill'enlarven.

Secret der

Malpiglu M\Qn

Gefäße.

C. Schmidt.

Compt. rend. T. 83. 1876. p. 994.

Müller' B Ardiiv. 1849. S. 62.

Polistes gallica.

Dejeetionen bei

der letzten Metamorphofe.

Audouin.

Ann. d. scienc. nat. S^r. II. T. V. 1836. p. 134.

Tachinu larvarum, | Sitaris humeralis, Un+fi,;-....^«,.

B o m b y X b u c e p ha 1 a , I * ettkorper. K|i hipp ige r vltiam. |

phinx pinastri.

Darminhalt der Puppen.

Fahre.

Ann. d. scienc. nat. 86r. IV. T. VL 1856. p. 168.

Schwarzen- bach.

Pieris rapae, \ anessa atalanta.

Melolonthu vulgaris.

Fettkörper.

Leydig.

I Körnchen In den 1 einfachen u. gefie- derten (längen der ] Malpir/hi fthcn i

I Oefiiße.

Kölliker.

Wittßein'ä Vierteljahrsfciir. f. pract. I'harm. ßd. VI. 8. 430. Verliandl. d. ined.-plivlik. flef. zu Würzburg. Bd. VJI. 8. 235.

Müllers Archiv. 1863. S. 197.

Verh. d. med.-phvük. Gef.

zu Würzhurg. Bd. VIII.

S. 227.

lachyotoU textor, MalpigM £che

.\I e I o e V i o 1 a c e a , 1 > ^ -

II <. d r o p h i 1 u it p i c e 0 s.

Gemße.

Kölliker.

Ibid. S. 230 ff.

( ' u (• u j OH. Lcuilitorgane.

h'rukniberij, Vergl.-pliyiiol. Vorträge.

C. Heine- mann.

Arch. f. niikr. .\nal. H.l. VMI. S. 4(19.

34 Anmerkungen und Literaturnachweis. [43

39) In befriedigender Weife konnte Harnfäure bei Krebfen bislang niclit nachgewiefen werden (cf. meine «Vergl.-plwüol. Studien» II. Abth. 1880. S. 20 u. 28). 31. Weber (Arch. f. mikr. Anat. Bd. 19. 1881. S. 610—612) gab jüngfl an, Urate bei Trichoniscus und anderen Onisciden (Asellus) im Fettkörper zu beiden Seiten des Darmes gefunden zu haben; doch auch feine Anficht gründet fich nicht auf die Murexidreaction, fondern vorwiegend auf die Löslich- keit der Concremente in concentrü-ter kohlenfaurer Lithionlöfung.

*'>) KruTcenherg, Unterf. der Fleifchextracte etc. L. c, S. 42, Anm. 1.

*0 Krukenherg, Die FarbfloflFe der Federn. A^gl.-phyßol. Studien. V. Abth. , S. 72—99 und IL Reihe. L Abth. S. 151—171.

■*^) Krukeviberg, lieber einen blauen FarbflofF, welcher fich auf feucht gehaltenem Fibrin bildete. Vgl.-phyfiol. Studien. V. Abth. S. 43 48.

*3) Neelfen, F., Unterf über ßacterien. X. Studien über die blaue Milch. Beiträge z. Biologie der Pflanzen, herausgegeben von F. Colin. Bd. III. 1880. S. 187—248.

**) Weismann, A., Die Metamorphofe der Corethra plumicornis. Leipzig. 1866.

Megnin, Note sur la faculte qu'ont certains Acariens, avec ou sans bouche, de vivre sans nourriture pendant des phases entieres de leur existence, et meme pendant toute leur vie. Compt. rend. T. 83. 1876. p. 993—995.

*^) Wernicke, B., Zur Phyfiologie des embryonalen Herzens. Jena. 1876.

Krukenherg, Vgl.-phyfiol. Studien. III. Abth. S. 153, Anm. 3.

*^)Soltman, 0., in Jahrb. f. Kinderheilkunde etc. N.F. Bd. XL 1877. S. 101.

Langendorff, 0., lieber den Nervus vagus neugeborener Thiere. Sep.- Abdr. a. d. Breslauer ärztlichen Zeitfchrift. 1879. Nr. 24.

") Harting, F., Les chromatophores des embryons de Loligo vulgaris. Niederl. Archiv f. Zoologie. Bd. IL 1874—75. Suppl. S. 8—25.

*^) Krukenherg, Der Mechanismus des Chromatophorenfpieles bei E 1 e d o n e moschata. Vgl.-phyfiol. Studien. L Eeihe. L Abth. S. 1—37.

48) Krukenberg, Vgl.-phyfiol. Studien. IL Abth. S. 61, V. Abth. S. 33 ff. und IL Reihe. I. Abth. S. 33 u. 34.

""'>) Krukenberg, Vergl.-phyfiol. Beiträge z. Chemie d. contractilen Gewebe. L. c. S. 117 ff".

51) Hubrecht, A. A. W., Unterf. über Nemertinen aus dem Golf von Neapel. Niederl. Archiv f. Zoologie. Bd. IL 1874—75. S. 99—130.

52) Krukenberg, Vgl.-phyfiol. Studien. I. Reihe. I. Abth. S. 55 u. 56.

^^) KruJcenberg, Ueber die Enzjanbildung in den Geweben u. Gefäßen der Evertebraten. Unterf. a. d. phyfiol. Infi;, d. Univerf. Heidelberg Bd. IL S. 338—365.

, Nachtrag zu den Unterfuchungen über die Ernährungsvorgänge bei Cölenteraten u. Echinodermen. Ibid. S. 366—377.

35] Anmerkunj^en und Literaturnachweis. 35

Krukenberg, Ueber den Verdauungsmodus der Actinien. Vgl.-]ihyßol. Studien. I. Reihe. I. Abth. S. 38—56.

, AVeitere Studien über die Verdauungsvorgänge bei Wirbellofen. Ibid. } S. 57—76.

, Zur Kritik der Schriften über eine fog. intracellulare Verdauung bei Cölenteraten. Ibid. II. Reihe. I. Abth. S. 139—142.

**) Krukenberg, Vgl.-phyüol. Studien. V. Abth. S. 58.

^^'i Krukcnherg, Vgl.-phyliol. Beiträge z. Kenntniß der Verdauungsvorgänge. L'nterf. a. d. phyfiol. Inft. d. Univ. Heidelberg. Bd. II. S. 1—45.

, Zur Verdauung bei den Krebfen. Ibid. Bd. II. S. 261 272.

, Ueber die Enzynil>ildung etc. L. c.

, Nachtrag z. den Unterf. über die Ernährungsvorgänge etc. L. c.

, Ueber die Verdauungsvorgänge bei den Cephalopoden, Gaftropoden u. Laniellibranchiaten. Ibid. S. 402 417.

, Notizen z. Literatur über die vgl. Phyßologie der NutritionsprocelTe. Ibid., S. 418—423.

S6) Krukcnherg, Vgl. -phyfiol. Studien. IL Reihe. I. Al)tli. S. 105 u. 106.

^') Krukcnherg, Uel)er ein pei)tifches Enzym im Plasmodium der Myxomy- ceten u. im Eidotter vom Huhne. L'nterf. a. d. i»hyfiol. Inft. d. Univ. Heidelberg. Bd. IL S. 273—286.

58) Krukcnherg, Vgl.-phyliol. Studien. III. Al)th. S. 111 123 u. V. Abth. S. 49—57.

5») Krukcnherg, Vgl.-phyliol. Studien. IIL Abth. S. 100—104 u. V. Alitli. S. 49—57.

Fredericq, L., Sur le sang des Inscctes. Bull, de l'Acad. r. de Belgitjue. 50'nc Annee. 3c Ser. T. I. 1881. p. 487—490.

**) Ray Lankc/ter, K., Preliniinary notice of some o])servationK with tlie HpectroHcope on aninial suljstances. Journ. of anat. and ])hysioI. Vol. IL 1868. p. 114—116.

, UelK'r den Einfluß des Cyangafes auf IIämoglo])in nach fpcctrosk. 15e<,bachtungen. Arch. f. d. geL Pliyfiol. Bd. IL 1869. S. 493.

, Abstract of a report on tlu; Kj)e<;troscopic examination f)f certain aniinal substances. .lourn. of anat. and. itliysiol. Vol. I\'. 1870. j). 119 129.

Da nach l'rcger, entgegen der J'^inlprache Jlug LunkcÜer^H (cf. meine V.'l. phydol. Studien. JL Reihe. I. Abth. S. 109, Anm. 1) da« Spectrum des (iwafTerflofrhäinoglobinH (cf. I'reyer, JJlutkryftalle. Taf. I. Nr. 12) aus dem liiimoglobin durch Behandlung mit Cvankalium und Schwefelammoniiim er lialten wird, fo bleibt es vorerlt zweiA-lbaft, ob bei demfelben Verfaiircn aus «leiii ('lilorocru«>rin derfelbo Körj»er als aus «li-m Hämoglobin entft(!lit, ob licidcn KarbdofFen, wie Uug Jj(uikc/tcr glaubt, ein gleiches Railical zu (Iruinlc lirgt.

•'•) Krukcnherg, Vgl. i)liynol. Studien. IL Keilic I. .\btli. S. lo'.t ii. lio.

36 Anmerkungen und Literaturnachweis. [36

62) Krukenberg, Verfuche z. vergl. Phyiiologie der Verdauung mit be- fonderer Berückfichtigung der VerhältniJTe bei den Fifchen. Unterf. a. d. phyfiol. InA. d. Univ. Heidelberg. Bd. I. S. 327—340.

, Zur Verdauung bei den Fifchen. Ibid. Bd. IL S. 385— 40L

, Notizen z. Lit. über die vgl. Phyfiol. der NutritionsprocelTe. L.

63) Siehe Note 55.

64) Knikenherg, Vgl.-phyfiol. Studien. IL Keilie. I. Abth. S. 35 flF. 6») Krukenberg, Ibid. S. 39—44. 66) Cf. Bernard, Cl., Le^ons sur les phönomenes de la vie communs aux

animaux et aux vegetaux. T. I. Paris. 1878.

6') Bernard, Gl., Eecherches sur une nouvelle fonction du foie. Ann. des scienc. nat. Zoologie. 3e Ser. T. XIX. 1853. p. 340.

n.

GEUNDZÜGE

EINER

VERGLEICHENDEN PHYSIOLOGIE

DER

VERDAUUNG.

...feWd

^

: v^.^ir/.v^

CAKI, WlNTEir.S UNIVKHSITATSBUCHHANDLUNG IN IIEIDELBKKO.

Kniktnl/trg, V<T(i;\.-\t\iyl\<i\. VortrRK''-.

^)t Alle Bechte vorbehalten.

Griindzüge einer Yergleiclienden Pliyfiologie der Yerdaimng.

Während Chlor und WalTer fich am Lichte zu Salzfäure und Sauerftoff umfetzen, wird die Jodwaflerftofffäure dui-ch den Sauerftoff der Luft unter Abfcheidung von Jod oxydnt. Erft mit Hülfe der Electrolyfe gehngt es, aus der Salzfäure und der BromwafTerflofffäure die Halyle abzufpalten. Genau der nämlichen verfchiedenen Widerfbandsfähigkeit begegnen wir bei, unter üch analog zufammengefetzten Kohlenftoffverbindungen. So erleidet der Schwefclkohlenfloff fchon bemi Aufbewahren an der Luft durch die Einwirkung des Lichtes eine tiefgreifende A''eränderung, indem aus ihm mercaptanartige Körper hervorgehen ^) ; die Kolilen- fäure läßt fich dagegen erft durch ftärkere Agentien (wie bei der Synthefe der Ameifenfäure von Kolhe und Schmitt^) oder der Oxal- Täure von DrechfeP)) ihres Sauerftoffs, und alsdann auch nur thcil- weife beraul)en. Aber eine große Clanb unter den lebenden Wefen befitzt die Fähigkeit, allein unter Lichteinfluß die Kohlenfäure zu desoxydiren, und zwar gcfchieht das, ähnhch wie bei der Um- wandlung des 8eh[)urpurs in Sehgclb^), am Icichteften durcli die ciiioro- gelben refp. rhiicli di(! gell>grünen Strahlen, nicht durch die ultra- fi"'etion, violetten, welche lieh bei anderen chemifchen Spaltungen als die wirkfamflon crwcifcn. Es und, wie allgemein bekannt ift, die Chlorophyll-führenden Pflanzenzellen und die Clihnoijhyll-führenden

40 Grundzüge einer vergleichenden [4

Thierzellen, welche ihren Bedarf an organifcher Subftanz der Kohlen- fäure direct entnehmen, und welche außer diefem, in feinem Zu- ftandekommen uns bislang völlig dunkel gebliebenen Vermögen keiner weiteren Vorkehrung bedürfen, um ein anderes organifches Nährmaterial ihrem Stoffwechfel zugängig zu machen.

Mit großem Unrechte hat man Itets den Ernährungsmodus der Chlorophyll-haltigen Zellen von dem wir nicht einmal wilTen, ob er fleh nicht auch ohne Chlorophyll und felbft im Dunkeln vollziehen kann, ja ob er nicht unter diefen VerhältnilTen, wie es nach Armand Moreau's Unterfuchungen ^) für die, mit der Außen- welt nicht communicirenden Schwimmblafen mehrerer Fifche allen Anfchein hat, thatfächlich exiftirt, mit der Ernährung der Chlorophyll -führenden Pflanze oder des Chlorophyll -bildenden Thieres identiflcirt; denn erfcheint, wie angenommen wird, bei den meiften Organismen die Stärke und vielleicht auch fettes Oel unter den erflen fynthetifchen Producten^), zu welchen die Kohlenfäure- zerfetzung führt, fo liegt es als felbflverfliändlich auf der Hand, daß zur Verwendbarmachung diefer unlöslichen und als folche unaflimilirbaren Stoffe noch Mittel verlangt werden, um auch die Chlorophyll-freien oder, richtiger gefagt, diejenigen Gewebselemente des Körpers, welche des Vermögens der Kohlenfäurezerfetzung entbehren, an diefem Selbflerwerb participiren zu lafl^en. Begriff der Die Proccfl'e nuu, durch welche die aus der Kohlenfäure ent-

Verdauung.

flian denen, in den Körperflüfligkeiten fchwer- oder unlöslichen Materien (Stärke, Fett und gewilfe Eiweißfubflanzen) durch lebende Wefen refp. durch deren (Zerfalls- oder Secret-)Producte in lösliche Stoff'e übergeführt werden, faßt man unter dem Begriffe der Ver- dauung zufammen, und wir unterfcheiden diefelbe aufs Beflimm- teflie ebenfofehr von den übrigen vitalen Umfetzungen und ganz fpeciell von der Aflimilation (d. i. die Anbildung lebender Subftanz) wie von der Reforption (d. i. die protoplasmatifche refp. intraceflu- lare Aufnahme flüfliger oder in Löfung beflndhcher Materien).

5] Phyfiologie der Verdauung. 41

Die ^^erdauu^gsvorgänge werden nach der Natur ihres Agens vitaie und in protoplasmatifche refp. celUilare und in fecretive unterfchieden,verdauuiig. und dem entfprechend wird auch ihr Zuftandekommen auf \itale (fog. organifirte Fermente) oder chemifche (lösliche Fermente oder Enzyme) "Wirkungsweifen bezogen, ohne daß jedoch bislang lieber entfchieden werden konnte, ob lieh die protoplasmatifche refp. cellulare ^''erdauung ausnahmslos nur durch die fog. geformten Fermente vollzieht. Der Vorgang der Digeftion, fpeziell die proto- X*^''*iauung plasmatifche refp. cellulare Verdauung ift, wie BenianV) zuerft meine

■^ '■ Lebenser-

erkannte (aber dabei infofern fchlecht unterfchied, als er nicht die fciieinung. protoplasmatifche refp. cellulare Verdauung der fecretiven, fondern die -propriete chgestive» der «fonction digestive» gegenüberftellte), eine Allgemeinerfcheinung des Lebenchgen; ihre Betrachtung fällt demnach an erfter Stelle der generellen Phyßologie anheim, und unfere erJfte Aufgabe würde eigentlich nur die fein, zu unterfuchen, •wo in der lebenden Welt die enzymatifche Verdauung einfetzt und fich der rein cellularen Verdauungsweife hinzugefeilt. Wenn ich mich trotz BernarcTs ausführlicheren Auseinanderfetzungen ver- leiten lalTe, einen Schritt auf das Feld der allgemeinen Phyfiologie zu thun, fo glaube ich diefes Vorgehen dadurch entfchuldigen zu können, daß es für das Verftändniß vergleichend phyfiologifch Anchtiger Thatfachen unbedingt nöthig ift, die bei ihrer Zufammen- fteUung maßgebenden Princiijien, welche durchweg auf allgemein phyßologifchen Anfchauungen fußen, genau zu kennen.

Ift es doch keineswegs fo ganz leicht licli ohne Weiteres vor- zuftellen, daß jedes lebende Wefen im Befitz eines Verdauungs- vermögens ift; gibt es doch felbft viele Thiere, welche ganz abgefehen von den Formen, welche ein fog. latentes Lel)cn") führen (d. h. welclie todt, aber lebensfähig find) monate-, jahrelang ohne Trank und Speife zu leben vermögen, andere, welchen der, von ihren Eltern ü})erkommene Vorrath an liefervc- material für das ganze Leben au.sreicht, und endlicli aucli Colclie,

42 Grundzüge einer vergleichenden [6

welche als echte Parafiten, nach Art eines Tumor in den gefunden Geweben eines anderen Thieres wurzeln und von diefem wie das eigene Fleifch und Blut mit bereits verdauten, reforbirten und eigens präparirten Nährftofflöfungen getränkt werden. Leben ohne Darf ich an einige diesbezügliche Beifpiele erinnern, fo fei

Nahrung.

erwähnt, daß befonders Galtropoden lange Zeit ohne Nahrung aus- zuhalten vermögen. So fand Wollaßon^) Helix papilio Loive und H. tectiformis, die am 1. Mai 1848 auf der Infel Porto Santo in Schächtelchen gepackt waren, beim Oeffnen am 19. October 1850 noch lebend, und im Brittifchen Mufeum wurden Schnecken, welche mit ihren Gehäufen aufgeleimt, jahrelang in der Sammlung auf- geftellt gewefen waren, plötzlich durch befonders günitige Witterungs- verhältnille zum Davonkriechen veranlaßt ^°). Leben auf j)[q VerhältnilTe, wo das Mutterthier für die lebenslängliche

Koßen von "

Referve- Ernährung feiner Nachkommen fchaft forgt, werden wohl am heften

material. " "

exemplificü't durch die Pefultate der Unterfuchungen von liegnin^^)' an Acarinen. Binnen eines Monates erhielt diefer Forfcher von einem afrikanifchen Ixodes-Weibchen 12,000 Eier (von durch- fchnittlich ^/a mm. im Durchmelfer und erfüllt von gelbbraunem Dotter), aus denen nach 4^2 6 Wochen Larven mit Augen, aber ohne erkennbare Refphationsorgane hervorgingen. Obgleich Megnin die Larven auf verfchiedene Weife zu füttern verfuchte, nahmen lie doch durchaus keine Nahrung auf. «La presence d'une bonne Provision de nourriture en reserve dans leur estomac et qui vient de leur mere donne explication du fait.» Ganz in gleicher Weife leben auch die mundlofen Acarinenlymphen aus den Gattungen Hypopus, Homopus, Trichodactylus, Astomes, Cellularis etc. ohne Nahrung. Aus den Ixodes -Larven gehen Weibchen und Männchen hervor; während aber die Weibchen fpäter enorme Mengen von Blut aufnehmen, gehen die Männchen bald nach der Begattung zu Grunde, ohne wie fchon ihre zur Nahrungs- aufnahme untaughch gewordenen Mundwerkzeuge bekunden

7] Phyliologie der Verdauung. 43

während ihres ausgebildeten Zuftandes auch nur ein einziges Atom von Nahrung zu lieh genonunen zu haben.

Aber noch überboten werden diefe Abfonderhchkeiten von der ^"'*,^^""e

der

Emährungs weife einiger paralitären Wefen. An der ventralen Parafiten. Fläche des Abdominalanhanges von Carcinus msenas findet man nicht feiten eine gelbliche gefüllte Blafe, welche fich bei näherer Unterfuchung als der Genitalfack einer anderen Krebsart (Saccu- lina carcini TJiompson) ausweift, bei der faft alle übrigen Organe vollftändig degenernt find. Diefer fackförmige Ki-ebskörper befitzt eine einzige Oeff'nung am hintern Pole, während der vordere, als ein kurzer Anliang wm-zelförmige Ausläufer entfendet, die Stomato- rhizen oder Radicellen. Letztere Gebilde beliehen aus feinen Röhren, gefüllt mit milchiger Materie und durchfetzen, ähnlich wie die Haultorien der Cuscutaceen, die Gewebe des Wirthes. So lagern i\(i fich bei Carcinus befonders um den Verdauungstractus bis zum Oefophagus hin; fie di-ingen in die Leber, in die Gefchlechts- organe, in die Muskulatur der Sternalregion, ja bis in die Spitzen der Füße. Frei davon bleiben aber das Herz, die Kiemen und das centrale Nerveniyrtem, und fo erklärt fich, warum der Carcinus lieh auch alsdann noch der beften Gefundheit zu erfreuen fcheint, wenn er zwei oder drei Parafiten zu verforgen hat^^).

Ein noch feltfamerer parafitifcher Krebs (Laura Gerardiae) lebt nach Lacaze-Diithicrs Befchreibung^^) in dem Korallpolypen Gerardia tuberculata Lani. Li das Cönofark der Gerardia tief verlenkt, ruht in Gellalt einer nierenförmigen Kapfei von rofa und \ioletter Farbe der von einem hornigen Panzer umhüllte 1 cm. lange Körper der Laura. Der Panzer des Parafiten ifi; von Canälen durchfetzt, die nach außen durcli düime, von feinen Filamenten (Stemhaare) umftellte Memln-anen gefchlofren find, nach innen zu aber mit eirujm Caijillarfyfleme in Verbindung liehen. Die Stern- haarc der Laura glei(;hen nach Larnze-Dutlucrs Anficht den Stomatorhizen oder liudicellen der Sacculina; lio befoi-gcu die

44 Grundzüge einer vergleichenden [8

Reforption der Gerardia- Säfte, welche durch das Secret der fich im Panzer vielfach veräftelnden Leberfchläuche die für's Leben der Sacculina geeignete Befchaffenheit erhalten.

Am überrafchendflen war jedoch die Kunde, daß bei einigen Bäderthieren und Krebfen (Lerna^aden) das Männchen das Weib- chen als Wirth benutzt; auf diefem nicht nur feßhaft wird, fondern nach Art der echten Paraßten fich von deffen Chymus oder Körper- fafte nährt. Ein merkwürdiges Beifpiel diefer Art bietet ferner eine, auch ihres grünen Pigmentes (Bonellein) wegen fehr inter- effante Gephyree des Mittelmeeres, die Bonellia viridis (x.H).

1868 fand Kotüalevs'ky bei feinen Bonelhen, welche ebenfo ^de die früher von Lacase-Duthiers unterfuchten, ausfchließhch weib- hchen Gefchlechtes waren, im ausführenden Abfchnitte des Ei- behälters eine Anzahl kleiner planarienähnhcher Schmarotzer, die lieh ihrerfeits fämmtlich als Männchen ausmefen. Er fprach des- halb diefe paraßtären Wefen, wennfchon mit einer gewilTen Referve, als zwerghaft gewordene Bonelüenmännchen an und forderte zu erneuten Unterfuchungen auf. Catton und Marion folgten zuerJft feiner Aufforderung und ßimmten feiner AuffalTung bei, welche fpäter auch in Vejdovsky der entdeckte, daß bei Bonellia eine wahre Polyandrie exiftirt und in Selenha ihre Vertreter fand; nm" Greef glaubte anfangs, daß die fraglichen Thiere Turbellarien feien, gab diefe Anßcht aber fehr bald wieder auf. Seitdem nun auch durch Spengel die Entwicklungsgefchichte des Bonelhamänn- chens bekannt geworden ift, dürfte der Beweis für die Richtigkeit von KoivaUvsky s fcharffinniger Idee zur Genüge erbracht fein. Vejdovslifs Beobachtungen führten zugleich zu dem intereüanten ErgebnilTe, daß die Männchen vom Weibchen für gewöhnüch im Vorderdarme ernährt werden und erlt zur Zeit, wo die Eier in den Eibehälter gelangen, aus dem Darmrohre in den Eileiter wandern, um die Befruchtung des Eies zu Stande zu bringen.

Wie lieht es nun bei diefen Thieren, die wh gar nicht fressen

9] rhyfiologie der Verdauung. 45

oder nur bereits verdaute Nalii'ung aufnehmen fehen, mit der ^'^er- dauung? Belitzen fie eine folche, verdauen fie oder verdauen fie nicht? Ift ^'iclleic]lt fpcciell bei den parafitären Wefen diejenige der beiden Möglichkeiten verwirkhcht, wo der lebende Thierleil) das zum Aufbau, oder heller gefagt zAim fortdauernden AVieder- erfatz feiner verfchiedenen Beflandtheile außerordenthch mannig- fache und z. Th. lehr com})licirte Material fertig vorgebildet und zulammengefügt aufnnnmt?

Das Leben ohne Xahrungszufuhr von außen verliert als ein außergewöhnlich protrahirter Hungerzuftand (ermöghcht durch reich- lichen Refervevorratli oder Ijei geringerer ^"erproviantirung durch emen. mit den Lebensäußerungen allerdings notliAvendig verbun- denen, aber höchft unbedeutenden Stoffverbrauch) fein Wider- fprechendes, und es ergi]:>t lieh ohne "\\^eiteres, daß auch diele Thiere ohne eine cellulare ^"erdauung nicht fortzubeftehen ver- mögen. Etwas anders liegt zur Zeit die Sache bei den parafitären Formen, welche (»Imc l'unctionirenden Veixlauungstractus (wie z. B. bei den Gregarinen, 0})alinen, Cestoden und Acantlioce- phalen) lieh mittelst der äußern Haut von dem Chymus oder endo- refp. ectoparalitifch von den Körperfäften anderer Thiere beftändig und Ibrtgefetzt ernähren; denn es wäre immerhin denk- bar, daß bei diefen «Icn einzelnen leljensthätigen Gewebselementen die Xährlöfuiig von Seiten des Wuthes innnittelbar in der Be- fchaffenheit zuginge, welche tur die Ausübung iln-er Lobensfunc- tioneii gefordert wird. Unterfucliungen, durch welche diefe, wie es fcheint. ziemlidi allgemein gemachte Annahme ehien irgend- welchen Anlialt gewimien könnte, liegen gegenwärtig nicht vor, und ich glanbe nicht lelil zu gehen, wenn ich ;inl" (Jrnnd nndei'- weitiger Thatlachen einer andeicn Auffaflung den \'or/ug gebe.

Oltichon die ccto- wie endo[)aralitären Species auf verfchieden- artigeii W'iithen (»rganifatorifch meist von einander al)weichen, viele Paraliten anf ein einziges 'Phier oder nnf nnr wenige; ^l'hieraiien

46 Grundzüge einer vergleichenden [10

im Vorkommen befchränkt find, mid üch hieraus, obgleich diefe Thatfachen auch anders interpretirt werden können, eine innige Beziehung zwdfchen dem Schmarotzer und dem Nährboden er- fchließen läßt, fo bin ich doch der Meinung, daß der Parafitismus nur eine extracellulare, eine fecretive Verdauungsweife entbehrlich inachen, daß nur diefe mit ihren Confequenzen bei Parafiten de- generiren, ja völlig obhteriren kann, niemals aber die ceUulare A'^erdauung, niemals ferner, was ziemhch offen zu Tage liegt, ein typifches Peforptions- und typifches Affimilations vermögen. Ja ich zweifle nicht, daß die Gewebszufammenfetzung eines Schmarotzers von der feines Whthes ftets erheblich abweicht, und daß jenem felbft nicht die Stoffwechfelvorgänge fehlen, welche zur Bildung eines eigenartigen Körperfaftes führen. So fehr auch die Folgen eines andauernden Parafitismus fich in der Abnahme der Organifation bemerkbar machen, fo werden die vitalen Procefle des Schmarotzers doch davon nicht tangirt. Die Ernährungsweife des herunter- gekommenffcen Eingeweidewurmes wird nicht anders verlaufen als die vieler fanguifugen Anneliden, und was die A^erdauung betrifft, auch wohl kaum verfchieden von der einiger blutfaugenden Wirbel- thiere. Die uns bei Schmarotzern bekannt gewordenen Organi- fationsverhältniffe und Stoffwechfelproducte weifen ebenfo wie die an höheren Thieren gewonnenen Thatfachen, welche für die all- gemein biologifchen Begriffe bislang faft ausfchheßlich maßgebend waren, darauf hin, daß diefe Anfchauung die richtige ist.

Jede lebende Thierfpecies befitzt, wenn nicht alles täufcht, eine Körperflüfiigkeit von eigenartiger Zufammenfetzung, welche fie fich aus dem aufgenommenen Nährmaterial, einerlei wie ihr daflelbe zufließt, felblt präpariren muß, und me fehr der Fortbeiland der einzelnen lebenden Elemente jedesmal an eine ganz beftimmte Zu- fammenfetzung des umgebenden und zugleich ernährenden inneren Mediums gebunden ift, lehren mannigfache Erfalirungen zur Ge- nüge. In ähnlicher Weife, wie auf gewilTe, chemifch äußerft pafliv

11] Phyfiologie der Verdauung. 47

lieh verhaltende Stoffe oft nur ein einziges oder nur fehr wenige Gewebe, alsdann aber meifl fehr energifeh reagiren, wie das der Befruchtung bedürftige Ei zu femer Weiterentwickhing eine ganz beftmimte Sorte von Samenelementen verlangt, fo ift auch die Exiftenz \-ieler lebenden Gewebe an eine FlüIIigkeit gebunden, der normal eine unglau])lich conllante Zufammenfetzung in mancher Hinßcht Ijewahrt zu Averdcn fcheint. An Säugethieren , welche einen Chymus von annähernd gleicher Befchaffenheit durch ihre Darmzotten reforbiren, haben die Transfufionen der jüngft ver- flogenen Jahre gelehrt, daß che Infufion verhältnißmäßig geringer Quantitäten eines fremdartigen Blutes (d. h. eines Blutes von Thieren anderer Species) für das Verfuchsthier leicht gefahrvoll wird, daß wenn z. B. Ijei einem Hunde 20 '''o der urfprünglichen Blutmenge durch Lammblut erfetzt Averden, gewöhnlich fchon am crftcn oder zweiten Tage der Tod eintritt, und die variabeln Re- fultate der Uebertragung von Infectionskranklieiten zeigen, wie fehr iinpfindhch felbft die niedrigft flehenden Lebewefen für (ho den nackten Zellen- oder Protoplasmaleib umfpülenden Flülligkeiten lind; zugleich folgt aus diefen Beifpielen el)cnfo wie aus den Mißerfolgen, maligne Gefchwülfle von einem Individuum auf ein anderes zu übertragen in welcher, für die vitalen Proceffe gravitirenden Weife die Körperfäfte naheftehender Formen ver- lihieden zufammengefetzt lind. Schließlich will ich au<li nicht unterlaffen daran zu erimiern, daß, wie fchon Ilrr.icliiis für Albii- minlöfungen und andere Forfcher für fremdartiges Blut oder Serum nachgewiefen haben, felbft die nahrhaftefte Koft direct in das Blut '/'•bracht, bei Säugethieren mn- Albuminurie erzeugt.

Ift es mir aus den angeführten Gründen (deren Summe lieb

vorau.sfichtlich noch beträchtlich vermehren läßt, wenn die mit-

' thcilten Erfahrungen an Warmblütern leitend füi- X'crrucjic an

Kaltblütern und fpccicll an wirlx-llofen Thieren geworden lind)

Iclion iKiclid Widirrclicinlicli, daß die allgcnicincn Fniäliiungs-

48 Grunclzüge einer vergleichenden [12

Vorgänge der freilebenden und der paralitären Formen im Grunde nicht von einander abweichen, daß letzteren nur die inteftinale Verdauung erfpart bleibt, fo hegen zugleich poßtive Beweife dafür vor, daß wenigltens einigen und zwar den typifchften Paraüten {Gregarinen, Cestoden) jedenfalls eine cellulare Verdauung nicht mangelt; denn auch diefe befitzen ihre, wie man' wohl an- nehmen darf, felbft producirten Referveftoffe (von denen außer fettartigen Materien das Glykogen von Rindfleifch^^) bei Cestoden [für Tsenia und Cysticercus beitätigt von Bernard^^) und fpeciell für Tsenia s er rata von Fredericq^'^)] und von M. FoRer'^^) bei Ascaris lumbricoides nachgewiefen wurde), die unter gemllen Umftänden ficherlich wieder in Löfung gehen und aufgebraucht werden; ße (Cestoden) belitzen auch, 'w\& Sommer unä. Landois^^), KaJicme^^) und PintJiner^^) nachgewiefen haben, ein mit der Außen- w^elt nicht communicirendes (Kahane u. Finthner) « plasmatifches Canalfyftem» (Sommer u. Landois). Ernährung Die Verhältnilfe bei den reinen Parafiten leiten uns unmittel-

der Amor- » i n t f

thozoen u. bar ZU den Em ährungs Vorgängen der Amorphozoen und Infuso-

Infuforien. . . , -,

rien. Auch diese Wesen ernähren fich nicht einfach auf dem ' Wege der Endosmofe, wie Dujardin annahm, fondern lie refor- biren, ße aißmihren und ße verdauen; letzteres zwar nicht, me ich, um nicht misverftanden zu werden, hier abermals ausdrück- lich betonen will, vermöge enzymatifcher Secrete, fondern die lebende Subftanz felbft beforgt in einer, zum Ueberfluß oft befchriebenen Weife fowohl die Verflüßigung aufgenommener Nährbeftandtheile als die abgefchiedener Eiweißkörper (wie z. B. nach K. Brandfs Beobachtungen^^) bei den Heliozoen die Auf löfung junger Acan- thinflacheln) und der als Referveftoffe zu betrachtenden Kohlehydrate, von denen Glykogen von Certes bei Infuforien, Stärke, amyloide oder paramyloide Subftanz von Gottlieh, Schneider, Äuerhach, Fougef und JBütfclüi bei Amöben, Gregarinen und Infuforien nachgewiefen wurden ^ ^) .

13] Phyfiologie der Verdauung. 49

Ob nun bei diefer protoplasmatifchen refp. cellularen Verdau- ung Enz}Tiie, und wie weit diefelben eventuell betheiligt find oder ob, vde vm: Urfache haben, bei Bacterien und Vibrionen anzu- nehmen, das Verdauungsvermögen mit dem Tode ausnahmslos er- hfcht, darüber, fage ich, wiffen wir nichts, trotzdem fchon ein eiweißverdauendes Enzym mit fehr wirkfameii Eigenfchaften aus nackten Protoplasmamafren (Aethalium septicum) extrahirt-'^) und auch eine faure Reaction am Protoplasma und an FlüITigkeiten bei Amöben und Infuforien von Engehnann^^) und K. JBrmicU^^) conftatirt wurde. Erwähnen will ich noch, daß verhältnißmäßig nur fehr wenige, in Löfung befindliche Subftanzen von der Sar- kode der Protiften analog dem Krappfarbftoffe von Geweben höherer Tliiere (von den Knochen, dem Schmelz und der Eburnea der Zähne; vom Eierweiß bei Fifchen und Vögeln, von der Ei- fchale, der Schleimhaut des Oviductes, des Kaumagens und des Kropfes beim Huhne; vom Spinndrüfenfecret bei Bombyx etc.) als folche aufgenommen werden ; evR. jimg[thm gelang es K. Brandt^'^) und Certes'^^) den Nachweis zu führen, daß gewilTe Farbftoffe ( Bismarckbraun, Hämatoxyhn, Cyanine oder Bleu de Quinoleiiie), aber auch diefe nur in geringer Menge das lebende Protoplasma ohne eine nachtheihge Wirkung auszuüben, pafliren und lebende Theile färben.

Xov kurzem wurde durch Mittheilungen von K. JBrandt^^) die allgemeine Auf merk famkeit auf die parafitären Algen gelenkt, welche, wie es auch für SalzwafTerfpongien von F. E. Schuhe an- gegeben ift, nach Brandt bei Hydren, Spongillen, einer SüßAvalTcr- planarie und zahlreichen Infusorien (Stentor, Paramaicium, Stylonychia, verfchiedene Vorticellinen etc.) vorkommen. Brandt fchließt aus feinen Unterfuchungen , daß die bezüglichen parafitären Algen (Zoocldorellen, welchen bei Radiolarien, gewiflen Hydrozoen und Actinien die Zooxanthellen cntfprechen) ihre Wirthe vollkommen am Leben erhalten. Solange die Thiere wenige oder

50 Grundzüge einer vergleichenden [14

gar keine grüne oder gelbe Zellen beherbergen, ernähren fie lieh ausfchließhch wie echte Thiere durch Aufnahme fefter organifcher Stoffe, fobald ße genügende Mengen von Algen enthalten, ernäh- ren fie fich von den Stoffen, welche die Zoochlorellen refp. die Zooxanthellen ledighch aus anorganifchem Material (unter Kohlen- fäurezerfetzung am Lichte) bereiten.

Ob und auf welche anderen grün gefärbten Thiere Brandt' s Theorie zu erweitern ift, werden fortgefetzte und befonders experi- mentelle Unterfuchungen erft noch zu lehren haben; ich möchte Mer nur darauf hinweifen, daß es durchaus nothwendig erfcheinen muß, in Fällen, wo der Algencharakter der Zellen nicht ganz offen zu Tage hegt, niemals zu unterlaffen, den grünen Farbltoff (wel- cher nach jRcq/ LanJiester^^) selbft bei Spongilla fluviatilis vom Chlorophyll abweicht und deshalb Chondriochlor genannt wurde) auf feine Chlorophyllnatur gründhch zu prüfen, damit fich fpäter einmal nichts ähnliches ereignet me beim Bonellein, wo der Bo- nellia allgemein ein Chlorophyllgehalt zugefchrieben wurde, aber fchon die erfte eingehendere Unteriüchung den groben Irrthum aufdecken mußte.

Völhg verfehlt ilt die Idee von MerejJcoivsJiP'^) , daß fich bei Vertretern der verfchiedenartigften Claffen unter den Whbellofen das Zoonerythrin findet, und daß diefes für diefe Thiere eine ana- loge Leiftung beforgt, wie das Hämoglobin bei M^irbelthieren und bei einigen AVhbeUofen ; denn erftens läßt fich zeigen, daß in den meiften von Merejhoiüshi bezeichneten Fähen (Actinia, Gorgo- nia verrucosa, Comatula, Echinus, Toxopneustes, Holo- thuria, Cucumaria, Phascolosoma, Maja, Palaemon etc.) vom Zoonerythrin in iliren chemifchen Eigenfchaften abweichende rothe oder braune Pigmente vorliegen; zweitens findet fich das Zoonerythrin nicht, me Merejhoivshi glaubt, vorzugsweife bei Hämo- globin-freien Thierformen vor, fondern gerade bei Hämoglobin- haltigen (weit verbreitet unter den Vögeln und Fifchen), und drit-

15] Phyfiologie der Verdauung. 51

tens w'ird doch ein Pigmentkörper, der, wie ich zeigte, am Lichte einmal desoxydirt dm-ch die ox^'direndften Mittel nicht zu regene- riren ift, für ein lebendes Wefen als Refpirationsftoff ganz un- brauchbar fein müITen. Auf die Erfahrungen, daß viele rothe EvertebratenfarbftofFe licli unter Lichteinfluß durch Sauerftoffauf- nalune in einen choleftearinähnUchen Körper verwandeln, und daß Ernährung

^ der

daneben ätherifche Oele in den Geweben gefunden werden, habe ^p^'wsiß"- ich^^) frülier für die Ernährung gemffer Spongien (z. B. mehrerer Suberitiden), deren Farbftoff mit dem Zoonerythrin als identifch oder als diefem in feinem phyßkalifchen wie chemifchen Verhalten wenigftens fehr naheftehend befunden wurde, eine andere Theorie gegründet, welche ich bereits 1<S79 in folgendem (hier nur ftyli- flifch ein wenig veränderten) Satze kurz zufammengefaßt habe: « Wie unter Kohlenfäurezerfetzung aus dem Chlorophyll die noth- wendigften Baufteine des Pflanzenkörpers hervorgehen, fo wird fich bei den Suberiten und \delleicht noch bei ^delen anderen Schwäm- men das Zoonerythrin unter Verbrauch des im Schwammkörper felbft producirten Ozons in Stoffe transformh-en , welche für den Schwammorganismus, für den Fortbeftand feines Lebens und für fein Wachsthum keinen geringeren Werth haben als die Kohle- hydrate und die Fette für die lebende Pflanze.»

Zugleicli conflatirte ich aber, daß auf die äußere Schwamm- fläche geheftete Fäden rohen Fibrins binnen 24 bis 36 Stunden vom Schwammkörper gelöft und reforbirt werden, während fie durcli das Thier hindurchgezogen innerhalb viel längerer Zeit keine erkennbare W-ränderung erleiden. Da eine mucöfe Flüfligkeit, welche unter diefen Verhältniflen allein indem fie am Schwamm- gewebe kleben l)leiben und nicht fogleich mit dem MeerwalTer ficli mifchen würde - als ^'erdauungsfaft von Nutzen fein könnte, bei den unterfuchten S])ongien (Suberites, Chondrosia) nicht vorlianden ift, fo ergibt fich ohne Weiteres, daß mn- lebende Zellen des Schwaminkör|)ers die Verdauung wie i\ef()r])ti()n des Plbrins

50

Grundzüge einer vergleichenden

[14

gar keine grüne oder gelbe Zellen beherbergen, ernähren ße fich ausfchließhch wie echte Thiere durch Aufnahme feiler organifcher Stoffe, fobald ße genügende Mengen von Algen enthalten, ernäh- ren fie ßch von den Stoffen, welche die Zoochlorellen refp. die Zooxanthellen ledighch aus anorganifchem Material (unter Kohlen- fäurezerfetzung am Lichte) bereiten.

Ob und auf welche anderen grün gefärbten Thiere Brandfs Theorie zu erweitern ift, werden fortgefetzte und befonders experi- mentelle Unterfuchungen erlt noch zu lehren haben; ich möchte hier nur darauf hinweifen, daß es durchaus nothwendig erfcheinen muß, in Fällen, wo der Algencharakter der Zellen nicht ganz offen zu Tage hegt, niemals zu unterlaffen, den grünen Farbftoff (wel- cher nach Bay Lanhester^^) selbft bei Spongilla fluviatilis vom Chlorophyll abweicht und deshalb Chondriochlor genannt wurde) auf feine Chlorophyllnatur gründhch zu prüfen, damit fich fpäter einmal nichts ähnliches ereignet me beim Bonellein, wo der Bo- nellia allgemein ein Chlorophyllgehalt zugefchrieben wm-de, aber fchon die erfte eingehendere Unterfuchung den groben Irrthum aufdecken mußte.

Völhg verfehlt ift die Idee von Merejhoivski^'^) , daß ßch bei Vertretern der verfchiedenartigflen Claffen unter den Wirbellofen das Zoonerytluin findet, und daß diefes für diefe Thiere eine ana- loge Leiftung beforgt, wie das Hämoglobin bei Wirbelthieren und bei einigen Wirbellofen ; denn erftens läßt fich zeigen, daß in den meiften von MerejJcowshi bezeichneten Fällen (Actinia, Gorgo- nia verrucosa, Comatula, Echinus, Toxopneustes, Holo- thuria, Cucumaria, Phascolosoma, Maja, Palaemon etc.) vom Zoonerythrin in ihren chemifchen Eigenfchaften abweichende rothe oder braune Pigmente vorliegen; zweitens findet fich das Zoonerjiihrin nicht, wie MerejhoivsM glaubt, vorzugsweife bei Hämo- globin-freien Thierformen vor, fondern gerade bei Hämoglobin- haltigen (weit verbreitet unter den Vögeln und Fifchen), und drit-

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15]

Phvüologie der ^'el•dauun<^

51

tens wird doch ein Pigmentkörper, der, wie ich zeigte, am Lichte einmal desoxydiit dm-ch die oxydirendften Mittel nicht zu regene- riren iß, füi- ein lebendes Wefen als Refpirationsitoff ganz un- brauchbar fem müiren. Auf die Erfahrungen, daß viele rothe Evertebratenfarblloffe fich unter Lichteinfluß durch Sauerftoffauf- nalime in einen choleftearincähnlichen Körper verwandeln, und daß r^»"äiirung

^ der

daneben ätherifche Oele in den Geweben gefunden werden , habe spongien. ich^^) frülier für die Ernährung gewifler Spongien (z. B. mehrerer Suberitiden), deren Farbftoff mit dem Zoonerji-hrin als identifch oder als diefem in feinem phyhkalifchen wie chemifchen ^^erhalten wenigflens fehr naheftehend befunden wurde, eine andere Theorie gegründet, welche ich bereits 1879 in folgendem (hier nur ftyli- ftifch ein wenig veränderten) Satze kurz zufammengefaßt habe: « Wie unter Kohlenfäurezerfetzung aus dem Chlorophyll die noth- wencügften Baufteine des Pflanzenköi*pers hervorgehen, fo wird fich bei den Suberiten und \'ielleicht noch bei Abelen anderen Schwäm- men das Zoonerythrin unter Verbrauch des ün Schwammkörper felbft producirten Ozons in Stoffe transformnen , welche für den Schwammorganismus, für den Fortbefland feines Lebens und für fein Wachsthum keinen geringeren Werth haben als die Kohle- hydrate und die Fette für die lebende Pflanze.»

Zugleicli conflatirte ich aber, daß auf die äußere Scliwamm- fläche geheftete Fäden rohen Fibrins binnen 24 bis 36 Stunden vom Schwammkörper gelöft inid reforljirt werden, während fie durch das Thier hindurchgezogen innerhall) viel längerer Zeit keine erkennbare Veränderung erleiden. Da eine mucöfe Flüfligkeit, woldie unter dicfen Verhältniflen allein indem fie am Schwannn- geweljc kleljen bleiben und nicht fogleicli mit dem Meerwalfer ficli mifchen würde als A'erdauungsfaft von Nutzen fein könnte, bei den unterfuchten Spongien (Subcrites, ('liondrosia) nicht vorliandeii ift, fo ergibt (idi olmc Weiteres, daß nur lebende Zellen des Schwaminkörpers die Verdauung wie ivcroi-ptioii des Fibrins

52 Grundzüge einer vergleichenden [16

beforgen. Durchaus verkehrt ift deshalb die Schilderung, welch -^ MiMucho-Maday^^) von der Verdauung der Spongien gibt, ui^.^' Metfchnilwff's ^^) Angaben über die Nahrungsaufnahme diefer Thiere verdienen nur infofern Beachtung, als fie zu der Frage Anlaß geben, ob hier nicht amöboide Zellen die Verdauung und Reforp- tion vermitteln, eine AuffalTung, welche wir fogleich weiter zu berückfichtigen haben werden. Aus einem Zerfallen und Aufge- löJftwerden lebender Protiften in der Nachbarfchaft des Spongien- parenchyms SchlülTe auf den Verdauungsmodus des letzteren zu ziehen, wie LieherMlhn und MetfcJmikoff wollten, muß als unftatt- haft erfcheinen, da jene protoplasmatifchen Wefen auch fchleimig erweichen und zerfallen unter Verhältnillen (z. B. in höchft fchwachen Chininlöfungen , wie zuerft Bin^ beobachtete), welche mit einer Verdauung nichts zu fchaffen haben; auch ift es nicht einmal bekannt, ob diefe Sarkodethierchen nicht felbft Enz}rme oder andere, eine Selbltverflüffigung bewirkende Subltanzen (ähn- lich wie es mit der Haut einiger Holothurien gefchieht^°)), bei fich führen. Durch Verreiben mit Glycerin und von mir^^) aus ver- fchiedenen Spongienfpecies (ebenfo wie bei Actinien und Medufen) tryptifch (d. h. Eiweißftoffe bei alkalifcher, neutraler und außerdem auch bei fehr fchwach faurer Reaction verdauend), diaftatifch (d. h. Stärke in Zucker überführend) und auch peptifch (d. h. Eiweiß- körper ausfchließlich in fauren FlüIIigkeiten verdauend) wirkende Auszüge erhalten worden; ob diefe Enzyme den Schwämmen bei ihrer cellularen Verdauung aber zu gute kommen, wird noch fo lange unentfchieden bleiben, als die Reaction ihrer einzelnen Ge- webe resp. der bei der Verdauung betheiligten Zellen nicht lieber beurtheilt werden kami.

Viele jüngere Forfcher haben es dem «alten» Ehrenberg fehr übel genommen, daß er den Infuforien einen ausgebildeten Ver- dauungsapparat zufchrieb ; aber niemand von denen, welche gegen Ehrenherg's Auffallung fo lebhaft protefthten, unterzog lieh der

17] Phyfiologie der Verdauung. 53

Mühe, dm'ch beweiskräftige Versuche den A^erdauungsraodus der Actinien und Medulen zu ergründen, welchen nicht nur i'Ärew- Ernährung

der Acti-

herq, fondern ^\ii' müITen geftehen, felbfl einige der heften Ken- i»ien und

Medufen.

ner der OrganifationsverhältnifTe bei den Medufen noch heutzutage emen klagen und Verdauungsfecrete zuerkennen. Den letztver- floflenen Jahren bheb es vorbehalten, liier den Weg zum richtigen Verftändniß anzubahnen und zu zeigen, daß Ehrenherg vollkom- men in feinem Rechte war, wenn er den Verdauungsmodus der Cölenteraten dem der Protisten für analog hielt. Aber wir fahen, daß bei den Amorphozoen der Verdauungsact kein fecretiver, fon- dern ein protoplasmatifcher ift, und dalfelbe gilt (ebenfo wie für Spongien) ficherhch auch für Actinien und Medufen, vielleicht fogar für die Ctenophoren, an welchen zweckentfprechende Unter- fuchungen noch nicht ausgeführt wurden.

Bei unferen Verfuchen über die Verdauung der Actinien und Medufen gelangten wir^^) zu ganz ähnhchen Ergebnifren als bei unferen Spongienunterfuchungen, nur trat bei jenen Cölenteraten die Auflöfung des Fibrins \T.el früher ein als bei den Schwämmen. Schon Fritz Müller ^^) hatte beobachtet, daß K^rebsmuskeln mit den, einer lebenden Tamoya hoplonema entnommenen Rand- fäden bedeckt und mit ein wenig reinem Seewafter übergoITen in 10 12 Stunden vollftändig refp. faft ganz zu einer trüben Flüf- figkeit gelöft waren, während entfprechende Muskeiftücke ßch in reinem Seewaffer während diefer Zeit nicht merklich verändert zeigten. Ganz die nämliche Erfcheinung fleht man an ungekochten Fibrinfäden eintreten, welche von den Randfäden einer Zygodac- tyla oder Cyanea längere Zeit umfchlungen gehalten werden. Bringt man eine mit rohem Fibrin gefüllte Federfpule in den cölenterifchen Raum eines Cerianthus, eüier Anthea oder Sa- gartia, fo erfolgt eine Verflüfligung des Fibrins nur an den Stellen, wo ein inniger Contact zwifchen den Mefentei-ialfilamenten und dem Fibrin zu Stande kommen kann; alle anderen Partioen des

h'ruktnbtrff, Verffl.-pliyiiol. Voitriige. •'>

54

Grundzüge einer vei-gleichenden [18

Fibrins bleiben unverflüffigt. Sehr klar ßnd die Erfcheinungen, wenn man die bezeichneten größeren Actinienformen zu den Ver- fuchen verwendet; zweifelhaft fallen die Refultate bei kleineren Arten aus, weil hier der Auflöfungsproceß zu langfam fortfclireitet, und das Fibrin unter günfligen Bedingungen, welche im Meer- walTer ausnahmslos gegeben und, zu feiner A^erflülligung durch Fäulnißorganismen kaum längerer Zeit bedarf, als in Berührung mit den verdauenden Geweben kleinerer Zoophytenformen. Durch diefen Umftand wurden Leives und Couch^^) bei ihren Verfuchen getäufcht, und auch ich blieb bei Beginn meiner Unterfuchungen im Zweifel, ob jene Autoi'en vielleicht nicht doch das Richtige getroffen haben möchten. Aber die Sache verhält fich genau fo, me ich fie bereits bei Befprechung der Spongien km'z fkizzirt habe, und um meinen Vortrag nicht über das gefteckte Ziel hinaus zu erweitern, will ich die bei diefen gegebene Darftellung hier nur noch durch wenige Sätze ergänzen.

Die Prüfung der fchleimigen Secrete, welche den Actinien- wie Medufenkörper gewöhnlich umhüllen, und befonders derjenigen FlüITigkeiten, welche fich in dem cölenterifchen Räume und feinen Verzweigungen finden, auf eine enzymatifche Whkung, hat ftets ein negatives Refultat zur Folge gehabt; letztere fehlt jenen felbft bei den, für eine Verdauung günftigflen Temperaturen (38 40*^ C). Dm-ch vergleichende Verfuche ift für Actinien fernerhin gezeigt, daß weder die Nelfelkapfeln (oder ihre Secrete) an der Außenfeite der Tentakeln noch die Flimmerzellen an deren Innenfläche auf Eiweißfloffe verdauend wirken; es find lediglich die Mefenterial- filamente, welche bei diefen Formen die Eiweißverdauung beforgen. Bei den Medufen dagegen find allem Anfchein nach fehr verfchie- denartige Theile der äußeren wie inneren Oberflächen mit einem cellularen Verdauungs vermögen ausgeftattet**'); auch durch das Thier hindurchgezogene Fibrinfäden werden bei einigen Medufen- arten (z. B. bei Cyanea capillata) verdaut und reforbirt. Hier-

19] Phyüologie der Verdauung. 55

bei dürften die von MetfcJiniJioff und Bai/ Lcml-eßcr'^^) über alle Gebühr m den ^^ordergrund gefchobenen mobilen Zellen mit in Frage kommen, auf deren Nachweis diefe Forfcher den Cölenteratcn eine intracellulare Verdauung Adndicii-ten, aber ohne zu bedenken, daß unter natürHchen Verhältniffen fich etwas derartiges bei den Zoophyten kaum ereignen ^vird, weil die Eiweißnahrung bereits an der Peripherie des Thierleibes der Verdauung und Reforption unterhegt. Wie gefagt, ift es aber fehr wohl möglich, daß amö- boide Zellen bei der Verdauung der Medufen eine Rolle mitfpielen, indem ilinen eine gewiffe Verdauungsfähigkeit, welche gleichfalls den Oßeoklaften und anderen Zellenneubildungen bei Säugern zu- geftanden whd, nicht vollltändig zu mangeln fcheint. Daß die für Cölenteratcn gang und gebe gewordenen Bezeichnungen wie Magen, Gaftrovascularapparat, Stomogaftrium u. dgl. m. phyfio- logifch nicht weniger verwerflich und als Ehrenboys Bezeich- nungen (Magen, Darm, Mund und After) bei den Infuforien, bedarf fomit keiner weitern Erläuterung; fchon das völhge AbgefchloITen- fein des cölenterifchen Raumes von der Außenwelt bei Individuen von Bougainvillea paradoxa oder die zwifchen beiden nur durch enge Canäle beftehende Communication (A\ie z. B. bei Rhi- zostomum Cuvieri, wo nach Hamann^'^) die cellulare Verdauung in den Trichterkraufen ftattfindet) deuten an, wie unrichtig die an diefe Namen ficli knüpfenden Vorftellungen lind.

Daß Zellen von feftweicher Befchaffcnheit ein ähnhches Ver- dauungsvermögen ])efitzen wie die enzymatifchen Secrete, wird den niclit wenig überrafchen, der fich feine Anfchauungcn nach den Eigenfchaften der wäffrigen Verdauungsfäfte von Säugethieren, Würmern, Artlii-oi)oden, Echinodermen oder Mollusken bildete. Aber wie überall im Thierreiche Secrete von Zellen umi lebenden Gebilden wegen der mannigfaclien und ganz allmäligen Uel)er- gäiige, welche iiier beftejien, nic])t Itreng zu unterfcheiden find, fo Ijietet un.s nach Ch. liirliri*'^) der an zelligen Elementen reiche

56 Grundzüge einer vergleichenden [20

Magenfaft oder, treffender ausgedrückt, Magenfchleim der Fifche auch ein Beifpiel dafür, daß zähe fchleimige Materien fehr wohl im Stande ßnd, die Verdauung der Eiweißftoffe ebenfo vollkommen auszuführen als der weit flüHigere Magenfaft der meiflen übrigen Thiere.

Am räthfelhafteften blieb, ' welchen Weg die reforbirte Nahrung im Körper der Zoophyten einfchlägt. Aus neueren Fütterungsver- fuchen mit gefärbter Kofl dürfte jetzt zu fchheßen fein, daß bei Acti- nien das verdaute Material vorwiegend von den Mefenterialfilamenten aufgenommen wird, bei Medufen dagegen in's Canalfyltem über- geht und von dort aus reforbirt T\Trd; doch fcheinen bei diefen die Verhältnilfe der Species entfprechend verfchiedene zu fein, fodaß im allgemeinen kaum einer oberflächhch gelegenen Partie ein, wie fich vermuthen läßt, fehr ausgefprochenes Reforptions- vermögen fehlt. Ernährung In fehr ähnlicher Weife wie bei den Cölenteraten wird ßch

der Turbel-

larienunddie Vcrdauung bei Turbellarien'^*) und Tunicaten*^) vollziehen;

Tunicaten.

doch gefeilt fich wahrfcheinlich bei einigen Arten diefer Claflen dem cellularen Verdauungsmodus bereits der fecretive hinzu, und bei einigen Tunicatenfpecies dient letzterer wohl ausfchheßlich dazu, die aufgenommene Nahrung im Darmcanal reforptionsfähig werden zu laffen. Vor allem verdienen die Salpen in diefer Hin- licht eingehender berücklichtigt zu werden; fchon an lieh ift es fchwer verftändlich, wie bei diefen Formen die Nahrung in den meift engen und langen Darmtractus hineingelangt, und wie das Unverdaubare fchließhch wieder herauskommt. Erftes Auf- Wir find, indem wir bei den Lebewefen von einfachfter oder

treten der

fecretiven ohne jede Organifation begannen und in der Thierreihe aUmähe:

Verdauung. ü & fe &

aufwärts fliegen, jetzt bei dem Puncto angelangt, wo die enzyma- tifch-fecretive Verdauung, die Verdauung par exceUence, fich der protoplasmatifchen refp. cellularen hinzuaddirt. Letztere, eine All- gemeinerfcheinung des Lebens, bietet den Protiften wie Zoophyten

31] Phyfiologie der Verdauung. 57

das einzige Mittel, fich der eiweiß-, fett- und kohlehydrathaltigen feiten Koft zu bemächtigen; bei den Tunicaten beforgen daneben auch enz}Tnatifche Secrete die Nahrungsaufnahme, und bei den Claffen, deren Befprechung folgen vrird, bei den Echinodermen, Anneliden, Arthropoden, Mollusken und Wirbelthieren tritt (voraus- gefetzt, daß es fich um keine parafitäre Formen handelt) nur noch die enzjTnatifche Verdauungsweife äußerUch in die Erfcheinung. Ich brauche aber kaum zu wiederholen, daß die cellulare Ver- dauung auch bei diefen Thieren neben der fecretiven fortbeftehen bleibt, in einzelnen Fällen fich auch hier fehr auffälhg manifeftirt, und daß diefelbe von uns im Folgenden eben nur deshalb nicht weiter berückfichtigt ^\ird, weil ihre Befprechung der allgemeinen und nicht der vergleichenden Phyfiologie angehört.

Alle Enzyme und fpeciell die eiweißverdauenden, welche bei Allgemei- nes über

Thieren bekannt geworden find, ftimmen unter einander darin über-<iie fecietive

. Verdauung.

ein, daß das Maximum ihrer Wirkfamkeit bei verfchiedenen Tem- peraturgraden nahezu bei 40'' C. liegt. In der Literatur ifi; zwar wiederliolt über fchlechte Beobachtungen, welche zum größten Theil auf den Magenfaft von Knochenfifchen Bezug haben ^^), berichtet, bei welchen man zu einem entgegengefetzten Refultate gelangt fein wollte; man l)raucht aber noch kein vorzüglicher Experimentator zu fein, um fich von den Fehlern, welche bei diefen Verfuchen begangen find, zu überzeugen; jeder muß fogleich erkennen, daß jene Beobachter quantitative Verfchiedenheiten für qualitative an- gefehen und für folche ausgegeben haben. Der an fich fehr be- deutende Nachtheil, in welchem fich demnach die poikilothcrmen Tliiere den homoiothermen gegenüber befinden müllen, wird bei Wirl)ellofen dadurch etwas gemindert, daß alle fecretiv verdauenden Foniicn ülx'r eine vcrhältnißmäßig fehr große Menge von Ver- dauungsfaft verfügen ; noch in diefer Hinficht günfliger fcheint mir aber für die Evcrtebraten der folgende; Umfiand zu fein. Bei wohl allen Wirlx'llofen, welche ihre Nalinnig ausfchließlich durch enzy-

58 Grundzüge einer vergleichenden [2^

matifche Secrete verdauen, find die Freßwerkzeuge gut entwickelt; diefe erreichen, fo verfchieden organißrt ße bei ^''ertretern der ein- zelnen Abtheilungen (z. B. bei Echinodermen, Arthropoden und Ctenobranchien [RhipidogloITen, PtenogloITen, RhachigloITen, Toxo- glolTen und Taeniogloffen] ) auch und, in vielen Fällen einen er- ftaunlich hohen Grad der Ausbildung, fo daß die Wirbellofen in der dadurch ermöglichten äußerft feinen Zertheilung der Speifen, welche den A^erdauungsact fehr befchleunigen muß, den meilten Wirbelthieren bevorzugt erfcheinen muffen.

Bei allen Thieren mit einer fecretiven Verdauung begegnen wir auch ein und demfelben Principe der Secretbefchaffung. Stets ßnd es difCeminirte Drüfenzellen oder dem Darme entlang flächen- artig ausgebreitete oder endlich conglomerirte Drüfenlager, welche durch ihren Zerfall oder durch Transfudation den enzymatifchen Verdauungsfaft liefern. Bald beforgt eine einzige, grob anatomifch nicht zu fondernde DrüfenmalTe die Production fämmtlicher zur Verdauung erforderlichen Enzyme, bald entflehen diaftatifch wir- kende und die Eiweißjftoffe peptonißrende Enzyme in verfchiedenen Organen, bald liefern verfchiedene Drüfenkörper verfchiedenartige eiweißverdauende Enzyme, kurz alle Möghchkeiten diefer Art finden fich in der Thierreihe verwirklicht. Es ift hier nicht der Ort, diefe Differenzen näher zu beleuchten; nur Weniges mll ich aus der großen Fülle diesbezüglicher Thatfachen kurz erwähnen. Soviel wir gegenwärtig wiflen, exiftiren bei Mollusken zwar befon- dere fäurebildende Drüfen, alle Enzyme (eni diaffcatifches, ein pep- tifches, ein tryptifches und vielleicht auch ein die Fette emulgiren- des) werden aber von einem einzigen Drüfenorgane , der fog. Leber, geliefert, welche deshalb nicht nur der Leber und dem Pankreas der Säuger, nicht dem Hepatopankreas der Lopho- branchier, der Cypriniden und vieler anderen Knochenfifche vergleichbar ift, fondern, wenn A'^ergleiche hier überhaupt fchon zuläflig ßnd, functionell als ein Complex von Speicheldrüfen,

23] Phyfiologie der Verdauung. 59

Magendrüfen. Leber und Pankreas aufgefaßt werden müßte. Des- halb ift auch die in jünglter Zeit gebräuchheh gewordene Bezeich- nung der ]\Ionuskenleber als Hepatopankreas für diefes Organ ebenfo unzui-eichend als die uns von Alters her überkommene der Leber, welche ich vorläufig in Ermanglung einer belTern noch bei- behalten muß. Bei Afteriden, Würmern und Krebfen treffen wir ähnliche VerhältnilTe als bei den Mollusken, nur find bei jenen Clalfen rein acidogene A'erdauungsdrüfen noch nicht aufgefunden. Bei Lifecten find zuerffc wahre (d. h. ein diaftatifches Enzym bildende) Speicheldrüfen mit Sicherheit wahrzunehmen, während auch hier die Leber von ihrem productiven Können noch nichts einbüßt.

Diefes find in groben UmrilTen die Refultate, welche fich an die neueften L^nterfuchungen über die Verdauung der Evertebraten knüpfen, welche für die einzelnen ClalTen aber nur unter der Berück- lichtigung zutreffen, daß auch fpecififche Eigenthümlichkeiten auf- treten können. Wie ich Ijereits angedeutet habe, entfendet die Leber bei den meiftcn Wirlx'llofen allerdings zwei eiweißverdauende (ein peptifches und ein tryptifches) Enzyme in ihrem Secrete; bei einigen Species verfchiedener ClafTen fehlt aber das eine oder das andere von diefen, und diefelben fpecififchen, ja indixäduellen Befonderheiten geben fich auch an der Leber im Vorhandenfein oder dem Ausfall der Säurebildung zu erkennen. Schließlich möchte ich nicht unerwähnt lalTen, daß weder alle peptifchen noch alle tryptifchen Enzyme, welche wir bei verfchiedenen Thierarten antreffen, in ihren Eigen fchaften genau übereinflimmen, daß felbft bei nahe verwandten Formen (wie befonders bei Mollusken) pep- tifch qualitativ verfchieden wirkende Leberfecrete vorkommen, aber Sicheres war bislang hicrübci' nicht zu ermitteln; wiibrcnd uns in der Zerflörbarkeit des Pepfins durch Alkalien und der des Tiypfins durch Säuren ein ausgezeiclmetes Mittel geboten wird, (ilieder Ixider Rcilien eiweißverdauender Enzyme neben einander zu er- kennen, mxl (außer durch das Vergleiclisverfahren) fo allein die

60 Grundzüge einer vergleichenden [24

Thatfache aufgedeckt werden konnte, daß die meiften Evertebraten- lebern fowolil ein peptifches als auch ein tryptifches Enzym zu bilden vermögen, fo fehlt uns doch zur Zeit noch jedes fcharfe Kriterium für eine Unterfcheidung verfchiedener peptifch wirkender Enzyme*'^). Einzeihei- Gehen wir nun auf einige befonders interelTante Specialfälle

ten über die

fecretive einer rein fecretiven Verdauung und im Anfchluß daran auf die

Verdauung

tei vertre- j]p]2ährungs weife der höher flehenden Wirbellofen etwas näher ein,

tern ver-

rchiedener fo hätten wir zucrft der infektenfreffenden Pflanzen zu gedenken.

ClalTen. ^

Aus der über diefen Gegenfland zu dicken Bänden pilzartig ange-

infectivore^vachfenen Literatur erfährt man aber nur fehr Weniges, was wirk- pflanzen. ®

lieh von wiffenfchaftflchem Werthe ifl ; man findet darin die That- fache weitläufig behandelt, daß peptifch wirkende Säfte auch von dicotylen Pflanzen felbfländig gebildet werden , erhält aber nicht einmal darüber Klarheit, ob fie diefen während ihres Lebens über- haupt etwas nützen. Vergleichend phyfiologifch von großer Be- deutung ifl das Ergebniß der Verfuche von Hoppe-Seyler^^\ daß bei Drosera das Enzym leicht im Secrete, aber nicht in den fecernirenden Blattflächen nachzuweifen ifl; bei diefer Pflanze zeigt fomit die Enzymbildung diefelbe normwidrige Abweichung als im Darme der Holothuria, auf welche wir zurückkommen werden. Verdauung Wir verlaffcn noch nicht, indem wir jetzt zu den Infecten

bei Arthro-.., , . n i rt T-r-ifi -\

poden, rpe- übergehen, an deren enzymatifchen Secreten die Forfchung bei Infecten. Wirbcllofcn ciufl begonnen hat, ein ganz modernes Gebiet der Forfchung; ^\ir haben immer noch über Refultate zu berichten, die insgefammt erfl die Früchte der allerletzten Jahre find. Wenn Senehier^^) von Spallanzani, deflen in mehrfacher Hinficht bahn- brechende Verfuche über die Verdauungsvorgänge fich auf Am- phibien, Reptilien, Vögel und Säuger befchränken, fagt : « il a par- couru tout le regne animal pour nous montrer l'uniformite de la nature dans ses procedes, et la maniere dont eile plie les formules ä tout les cas», fo ifl das ein übertriebenes Lob; denn entgegen

25] Phyfiologie der Verdauung. Gl

der Angabe von Senehier A^oirden nicht einmal die Infecten von Spalla)i^a)i( in's Bereich der Unterfuchung gezogen. Abgefehen von vereinzelten Notizen älteren Datums und der unter Briicl-es Leitung entftandenen Arbeit von S. Bafcli, von der ßch, fo oft die- felbe auch von Dilettanten als meifterhafte Leiftung gepriefen wurde, nm' Tagen läßt, daß lie (ausgenommen den Nachweis einer diafta- tifchen Wirkung des Speicheldrüfenfecretes ) ül^er die chemifchen Verdauungsvorgänge von Periplaneta orientalis nur Unrichtiges enthält, ift hier an erfter Stelle der umfangreichen Arbeiten von Fäix Plateau zu gedenken, dem unzweifelhaft allein das Ver- dienfl gebührt, die Phyüologie der Verdauungs Vorgänge bei Arthro- poden erfolgreich angeregt und nach beftem Können ftets gefördert zu haben. Eine Befprechung von PJatcau's detaillirten Auseinander- fetzungen darf aber deshalb unterbleiben, weil die VerhältnifTe bei Arthropoden, auf welche lieh feine Unterfuchungen befchränken, diejenigen find, welche Avir, da fie eine Allgemeingültigkeit für die höheren Wirbellofen befitzen, fchon im voraus befprochen haben. Ich halje einmal beiläufig die Anficht geäußert ^^), daß da, wo die Leber ein peptifcli wie tryptifch M-irkendes Secret liefert, die Säuerung refp. Alkalescenz der Secrete nicht in der Art gere- gelt werde, um der aufgenommenen Nahrung immer eine beflimmte Reaction zu geben; damit dem Organismus jedoch aus diefer Un- vollkommenheit kein größerer Schaden erwüchfe, fo würden bei diefen Thieren ein in faurer und ein in alkalifcher wie neutraler Löfung wirkendes Enzym der Speife gleichzeitig beigemifcht. Es find auch hier vor allem die Refultate einer neueren Arl)eit von Plateau-'^), welche in vollem Einklänge mit meinen früheren Be- obachtungen und mit analogen Befunden anderer Forfclier (z. B. iJanvin'fi^^)), die Wahrfcheinlichkeit (Hefer Vermutlmng crlicblicli rieigeni ; docli möchte icli hierbei nicht ganz das Moment außer Augen laden, daß es fich in gewiffen Fällen, (belbnders in folchen, WC» die X'erliältnifi'e bei organifatorifcli naheltehenden Formen ge-

62 Grmidzüge einer vergieichenden [26

rade entgegengefetzte ^^) und) auch um eine veritabele Luxuspro- duction handeln dürfte.

Die ClalTe der Infecten bietet uns mehrere fehr prägnante Beifpiele dafür, daß an jeder behebigen Stehe des Darmrolires Leberdrüschen entftehen können, deren Entwickhmgsgrad von der Natur ihrer Enzyme, der Befchaffenheit der zu verdauenden Nah- rung und der Zeit, Avälirend welcher das Secret im Darmrohre feine AVhkung entfalten kann, abhängen wird; andere Beifpiele (wie der außerordentlich lange Darm des fleifchfrellenden Hydro- philus) lehren, wie unberechtigt die gang und gebe gewordene Vorftellung ift, daß den Pflanzenfrefrern ein langer, den Fleifch- frelTern dagegen ein verhältnißmäßig kurzer Darm eigen ift, und eine andere, befonders bei Infecten deuthch Avahrnehmbare Erfchei- nung aber nicht, wie man lange glaubte, eine Eigenthümlich- keit derfelben, denn fie fehlt auch bei anderen Arthropoden, bei Gaftropoden, Anneliden und Afteriden nicht ift die theilweife orale Bewegung des Leberfecretes : eine Thatfache, welche unge- wöhnliche anatomifche Befunde (z. B. bei der Larve von Core- thra plumicornis •''^) und bei afterlofen Infectenlarven^^)) leicht verftehen und der allgemeinen Regel fubfummiren läßt. Um diefe Vorwärtsbewegung und gleichmäßige Vertheilung des Leberfecretes im Verdauungsrohre zu ermöglichen, finden fich bei Infecten ebenfo wie bei Gaftropoden (Wülfte und Falten im Darmblindfacke bei Helix^*^)) und Cephalopoden (fog. Spiralmagen ^^)) l^isweilen be- fonclere Einrichtungen ; als folche betrachte ich unter anderen den fog. Proventriculus der Orthopteren, welcher mir mit Unrecht dem echten Kaumagen der Vögel oder dem als DarmprelTe wirkenden Muskelbulbus am Vorderdarme von Mugil cephalus verghchen zu fein fcheint^^). Verdauung- Aucli die A'^crdauungseinrichtungen der Mollusken bieten einige

bei

Mollusken. Eigenthümlichkeiten, welche gleich denen der Infecten aber nur auf Nebenumftände Bezug haben.

27] Phyfiologie der \'erdaiUTng. 63

Jederzeit vom liervorragenclften Interefle war der fog. Kryltall- ftil (Knorpelllil Langer' s), welcher fich bei mehreren Lamelh- branchiaten wie Cephalophoreii findet, und über delTen Function fehl- verfcliiedene, z. Th. fehr vage Behauptungen aufgeftellt wurden. Es ift dies in den meilten Fällen ein durclüichtiger Gallertltab, welcher das Lumen enies (bei einigen Arten fehr entwickelten) Darmbhndfackes oder, wenn diefer fehlt, das Darmrohr felbft an manchen Stellen faft vollftändig ausfüllt und fo den Chymus zwingt, in möglichft nalie Berührung mit dem reforbirenden Epithclbelag des Darmes zu treten. Der Kryitallftil erfcheint hiernach als Theil- flück eines liöchft merkwürdigen Mechanismus, an welchen die Tvphlofolis der Lumbriciden und ähnlich gelagerte Leiften bei anderen Würmern nur entfernt erinnern. Während fonft im Thier- reiche einem gefleigerten Reforptionsbedürfnilfe durch Faltenbil- dungen, durch kegelförmige Erhebungen der Secretionsfläche auf unterliegenden Gallertzapfen (bei Luvarus imperialis), durch blindfackförmige Anhänge, durch rhythmifche Contractionen der Darmmuskulatur oder in vereinzelten P'ällen auch wohl durch eine Zunahme der Darmlänge entfprochen wird, gelangt der Organisnms vieler Mollusken einfach dadurcli zu demfelben Refultate, daß ein elaftifcher Stempel aus todter Materie das Centrum des Darmrohres verfchließt und der Nahrung nur einen verzögerten Durchtritt an den peripheren Bezirken geftattet. Als ich^") auf diefen augen- fcheinlichen Nutzen, den der Kryftallftil welclier, wie die ein- gehenden Unterfuchungen von J. Hazai/'^^') für Süßwan'ermufcheln außer allen Zweifel geftellt haben, zwar niclit inuner, doch wälu-end <ler längfleii Zeit im Jahre das Darmrohr tlieilweife verftopft notliwendig für das ReforiHionsgefchäft haben muß, vor zwei Jalii-en ziierft aufmerkfam maclite, da w;ii' icli mir wohl bewußt, daß (l.iiiiit die Functiou des Kryftallftils niclit ( iTeli()plen<l ausgediiiekt fein würde. Di«; ganze Bedeutung diefes fonderbareu (Jebiides i(t eilt «lurcli Jldzdii bekannt geworden. Dielei- •'"'oiTelier liuid, daß der

64 Grundzüge einer vergleichenden [28

gallertige Inhalt der Darmerweiterungen bei SüßwalTeracephalen vom Frühjahr bis zum Herbfle zunimmt, und daß Hand in Hand mit delTen Anfammlung fich der Kryftallftil entwickelt. Bei Mufcheln, welche zu Ende October, und zu Anfang November unterfucht wurden, war der fog. Magen leer, d. h. er enthielt keine Gallerte, dafür aber den ausgebildeten Kryftallftil. Diefer nahm im December, Januar und Februar allmälig ab und war zu Ende März gänzlich verfchwunden. Hasay fchließt aus diefen und einigen anderen Beobachtungen, daß der EjLyftallflil verhärtete Gallerte (ein Theil des Leberfecretes?) ift und den für den Winterfchlaf erforderlichen Vorrath an Eiweiß repräfentirt. Hasmj fcheint feine Befunde voll- kommen richtig interpretirt zu haben; aber in Hinbhck darauf, daß diefe Erfcheinung, wo der Darm die Referveftoffe zu beher- bergen hat, nh^gends bei Thieren ein Analogon findet, habe ich auf meine frühere Erklärungsweife nochmals hingewiefen, denn auch der von mir geltend gemachte Factor fcheint für die Func- tionskenntniß des Kryftallftils belangreich zu fein.

Bei einer großen Abtheilung unter den Nacktfchnecken (den Aeolidiern) und auch bei anderen Species (z. B. bei Tethys fimbria s. leporina) trägt das Darmrohr eine oft anfehnhche Zahl feitlicher Tafchen, welche ßch in die papillenartigen Fortfätze, die den Körper des Thieres außen garniren, hineinerftrecken. Man weiß feit lange, daß in diefe Tafchen Speifebrei gelangt, und ich zeigte''^), daß darin auch verdaut wird. Die functionell allein richtige Bezeichnung diefer Darmanhänge ift deshalb Hepatoin- teftinalcanäle, und die ftatt deren dafür gebräuchlichen Namen, welche den canaux gastro-hepatiques oder dem appareil gastro-vas- culaire Milne-Edivards' und dem appareil gastro-bihaire Sotdeyefs nachgebildet find, erwecken in Betreff ihrer Function fchon des- wegen eine vollkommen irrige Vorftellung, weil ein dem Magen höherer Thiere vergleichbares Organ den Wirbellofen (bei welchen, wie wir fahen, das Leberfecret die Eiweiß Verdauung ganz aus-

29] Phyfiologie der V'erdauung. 65

fchließlich beforgt) iusgefammt vollftälidig fehlt. Diefe Gebil(;le haben vor einigen Decennien ein großes InterelTe erregt, und man glaubte, daß ihr Vorkommen mit der Abwefenheit eines Gefäß- apparates Hand in Hand gehe, was in befchränkterem Maße auch nehtig fein wii'd.

Wenden wir uns nun zu den Würmern, fo treten uns den Verdauung

bei

Hepatointeftinalcanälen der Aeohdier morphologifch ähnliche Bil- würmerD. düngen entgegen, wie z. B. in den Leberblafen der Aphroditiden^^). Wie ihr Name richtig befagt, dienen diefe Darmanhänge nur der Secretion, der Aufbewahrung und Ableitung des Leberfecretes und fmd als folche nicht analog den Hepatointeftinalcanälen der Aeo- lidier, vielleicht aber der fog. «grünen Drüfe» der Siphonostomen. Dem Hepatointeftinal- Apparate äußerhch fehr verwandt, erfcheinen auch die fog. Magentafchen von Hirudo officinalis, welche jenem aber gleichfalls nicht analogifirt werden dürfen, weil Hirudo keine fecretive inteftinalc Verdauung befitzt, fondern die nährenden Be- ßandtheile des von ihm gefogenen Blutes vom Darme aus einfach reforbirt werden*^^). Diefe Reforption erfolgt bei Hirudo aus- nehmend langfam. G. F. Stodter^^), unfer befter Kenner der Leben.sweife von Hirudo, hat unter einer Menge von Egeln, die mit rothem warmen Blute genährt waren, felbft nach Verlauf des zweiten Jahres, während welcher Zeit ßc keine Nahrung erhielten, immer einzelne Exemplare gefunden, die einen Theil unverdautes Blut bei fich führten und nocli fo kräftig waren, um neuer Nahrung noch nicht zu bedürfen.

Die im Magen der Selachier (und in dorn kräftig wirkenden Magenfafte diefer Fifche tagelang am Leben zu erhaltenden) Tre- niatodenarten regen wie andere Eingeweidewürmer, welche gleich jenen P'ormen den energifchft wirkenden Darmfecreten ftändig exponirt find, die Frage an, warum diefe Wefen gleich der leben- den Magen- und Darmfchleimhaut den Verdauungsfäften zu widerftehen vermögen: eine Frage, die oft berührt und zu er-

66 Grundzüge einer vergleichenden [30

klären verflicht wurde, aber kaum fchon endgültig entfchieden fein dürfte. Verdauung Dem Leberdamie, wie er ficli bei den meiflen Anneliden findet,

"bei

Afteriden. ähneln die langen Leberfchläuche (die fog. Radialanhänge des Darmes) der Afteriden. Auch diefe dienen wie die Leberblafen der Aphroditiden nur zur Bildung und Aufbewahrung des Leberfecretes und find, da in ihnen nicht verdaut mrd, den Hepatointeftinal- canälen der Aeohdier ebenfowenig -wie jene vergleichbar '^°). ^^^"E^hinf Unfere allgemeine Darfteilung der Verdauungs Vorgänge bei

deu u. Ho- (^Q-^^ Wirbellofen würde unvollftändig bleiben, wenn wh nicht noch

lothurien. o '

des gegenwärtigen Standes unferer KenntnilTe von der Verdauung bei den Holothurien kurz gedenken würden. In dem, aller makro- fkopifchen Secretionsorgane haaren Darme der Holothurien trifft man wie bei allen höheren Wirbellofen einen mehr oder weniger ftark gefärbten Verdauungsfaft, der fich gleich dem der Arthro- poden, Mollusken und Würmer verhält, indem er in der Regel fowohl ein diaffcatifches wie ein peptifches und trj^tifches Enzym, jedes oft in fehr mrkfamer Menge führt. Woher diefe Enzyme ftammen, in welchen Organen des Holothurienkörpers diefelben gebildet werden, wifTen wir nicht; bekannt wurde nur, daß auch extrainteftinale Gewebe gewilTer Holothurienarten Enzyme enthalten, und hieraus würde der Schluß zu ziehen fein, daß der inteftinale Verdauungsfaft nicht von den Geweben des Darmrohres, fondern von diefem entfernter gelegenen gebüdet wKd und erft auf Um- wegen in den Darm gelangt. Die Verhältnifle bei den Afteriden und Echiniden, wo der Darm refp. deffen Annexe felbft enzym- bildend find, laßfen uns jedoch vermuthen, daß im Darme der Holothurien Secretionsorgane nur deshalb experimentell nicht ficher nachzuweisen find, weil in diefen die Enzymbildung langfam, die Ausfcheidung des Secretes aber verhältnißmäßig rafch von Stattengeht.

i

311 Phyßologie der Venlauung. 67

Wer die irebräuclilichen zooloffifchen Lehrl)üelR'r in Betrcff'^'c''<iauuug

*- ^ bei den

der ^"erdauungsdrüfen bei den Fifchen confnltirt, wird ausnahmslos ^ifchen. angegeben finden, daß den Fifchen wie den fleifchfrefrenden Ceta- ceen die Speicheldrüfen vollftändig felileu; ja Wele Forfcher liaben fich durch diefe negativen anatoniifchen Befunde fogar verleiten lafTen, die Anwefenlieit des Speichels bei den Fifchen als felbft- verltändlich zu negiren und aus diefer vermeintlichen Abwefenheit SchlüfTe auf die Speichelfunction bei den Säugern zu ziehen. Ich laffe es dahin gelt eilt, ob l3ei einigen Fifchen nicht auch grob- anatomifch ifoHrbare Speicheldrüfen, wie z. B. 3IcclrJ und BafMc wollten, vorhanden find und berichtige hier nur die Annahme, daß den Fifchen diaftatifch \Airkender Speichel fehlt.

Schon Spallanzam^^) fclnieb: «Au commencement de l'oeso- phage des Carpes, immediatement sous les dents, leui- palais est couvert d'une licjueur blanche, abondante, ^^.squeuse, insipide, qui se reproduit au moment qu'eUe a ete essuyee avec un petit linge. L'on y decouvre plusieurs papilles blanches et aigues, dont la base est large, qui laisscnt echapper une liqueur quand dies sont com- primees; dans les autres places voisines qui sont sans papilles, on en fait aussi sortir mie liqueur par une legere compression; mais cette liqueur nie parait differente de la premiere, eile est plus trans- parente, plus fluide, et presquc i:)oint \dsc{ueuse.» Jetzt haben die experimentellen Untcrfuchungcn auch auf's Beftimmteltc dargethan, daß die Mundfchleimliaut des Karpfen und des Lopliius pisca- torius von einer, gekoclitc Stärke rafch faccharificirendcn Flüflig- keit befeuchtet wird, und fpätere Unterfuchungcn werden nur darülx'i- Liclit zu verbreiten haben, welclie Inftologifche Befchaffen- heit die Drüfenzencn l)c[itzcii, denen das diaflatifcli wirkende En- '/vm entflammt.

Audi über das J^ankreas der Fifclie cuiliren nur iiiige An-

fdiauungen. Hin Pankreas, fo lautet meid (He gang und gdu;

wordene Anlicht, findet lieh nui- bei einigen Mfehen, und die

68 Grundzüge einer vergleichenden [32 if

i i

fog. Appendices pyloricae können als folches nicht functioniren, weil bei einigen Arten (z. B. bei Perca fluviatilis) neben den Pylorialanhängen auch ein gefondertes Pankreas vorkommt. Ich will auf den logifchen Fehler, welcher letzterer Schlußfolgerung zu Grunde hegt, nur ganz kurz aufmerkfam machen; diefer befteht nämhch darin, daß man die Möglichkeit nicht erwogen hat, daß auch zwei morphologifch verfchiedenartige Organe in principi ein und dielelbe Leiltung entfalten können. Die Neuzeit hat lieh aber nicht damit begnügt, nur diefe Möghchkeit aufzultellen, fondern zugleich gezeigt, daß es ßch bei den Fifchen thatfächHch fo und nicht anders verhält; bald hefert hier nur der Magen, bald nur oder vorzugsweife nur das Pankreas refp. ein Hepatopankreas, bald gemeinfam mit jenen auch der Mitteldarm (delTen Schleimhaut alsdann, um möglichffc ausgiebig fecretorifch thätig fein zu können, oft Falten und Wülfte bildet oder fich zu den Appendices pylo- ricae ausfackt) die eiweiß verdauenden Secrete.

Die Verhältnille bei den Fifchen beanfpruchen gerade deshalb eine befondere Berücklichtigung, w^eil uns darin die letzten An- klänge des für die höheren Wirbellofen charakteriltifchen Ver- dauungsmodus entgegentreten. Vor allem gilt diefes von der fowohl ein peptifch und tryptifch wie auch ein diaffcatifch wirken- des Secret produchenden Mitteldarmfchleimhaut einiger Fifche und außerdem von dem Hepatopankreas, welches bei zahlreichen Species nachgewiefen wurde. Bereits 1827 kam Ernü Heinrich Weher zu dem Ergebiüife, «daß die Leber bei den Cyprinus- Arten zugleich die Function des Pankreas habe, weil lie nämhch mit doppelten Ausführungsgängen, von denen die einen Galle, die anderen einen davon verfchiedenen Saft führen, verfehen ift, weil lie auch ihrer Farbe, Form, Anheftung an dem Darmcanale und ihrer Eintheilung in kleinere Läppchen nach, mehr Aehnlichkeit mit einem Pankreas als mit einer Leber hat, und weil endlich ihr Gefchmack nicht mit dem der Leber bei anderen Fifchen übereinilimmt. » Webers,

33] Phyßologie der Verdauung. 69

Beobachtungen erregten die Aufmerkfamkeit von Claude Bernard, der ßch in feinem Memoii-e sur le pancreas (p. 543) über Weber's Anficht folgendermaßen äußerte: Ich kann die Auffaflung nicht zulaffen, welche vorausfetzt, daß ein und dalfelbe organifche Ge- webe fehr verfchiedene Functionen erfüllen kann; aber es könnte indefTen ganz gut möglich fein, daß die beiden Gewebe (des Pan- kreas und der Leber), obwohl anatomifch wie phyfiologifch von emander wefentlich verfchieden, eine einheitliche Mafle bilden. Lcfjouis' umfaflende anatomifche Unterfuchungen lieferten neue Anhaltspuncte für die BcDiard'Mie Deutung der Weher ^chen Be- funde; aber daß die A^ermuthung E. H. Trc/jcr's in der von Cl. Bernard inteipretirten AVeife nicht nur für Cyprinus, fondern zu- gleich für eine große Anzahl von Ai'ten, welche den verfchiedenften Famihen unter den Fifchen zugetheilt werden, vollkommen richtig ift, wurde erft nach genau 50 Jahren experimentell bewiefen '^^).

Alle die zahlreichen Dislocationen der A^erdauungsdrüfen, wo- für die Fifche fo inftructive Beifpiele bieten, werden aber an Selt- famkeit noch l>ei weitem überboten von den fog. Beindrüfen der Phronimiden, vorausgefetzt, daß Clans' Deutung^^) ihrer Function die richtige ift. Man würde ßch alsdann das bei diefen Krebfen beftehende Verhältniß dadurch veranfchaulichen können, daß man licli vorftellt, unfere Speichel-, Pankreas- und Magendrüfen befönden fich in unferen Armen, ihre Ausführungsgänge mündeten an der Volarfläclie unferer Hände nach außen , fo daß jedem ergriffenen Biffe'n die für feine Verdauung erforderliche Secretmenge gleich bei feiner Kinfübrung in den Mund mitgegeljen und fchon in diefcm die Speife mit dem Verdauungsfafte aufs innigfte ge- mifdit wird.

l'iid aiicli die P\älle, wo dci' N'ordei-- oder Enddann außer- g<'\vöhnliclic I''un<-tioiien (wie; /. I>. l)ei Cobitis l'ossilis die Atli- niung''"), bei den Coliimbidcu die Secretion einer zur l'Jiiiiliruiig der Jungen dienenden käfeartigen Materie^")) veilielit, lind an

Kiuknihinj, Vi-rKl.-iiliyliol. Vortrüge. 0

70 Grundzüge einer vergleichenden [34

einzelnen Wirbellofen noch ^del vortrefflicher als an Wirbelthieren zu exemphficiren. Ich erinnere in cliefer Beziehung nur an die Schwefelfäure bildenden Drüfen am Yorderdarme von Dolium und Cassidaria^^) an die verfcMedenartigen Producte, welche der Enddarm der Infecten hefert, an die refpü'irende Thätigkeit des Sylhdendarmes^^), und ich glaube überhaupt auf keinen Wider- fpruch zu ftoßen, wenn ich behaupte, daß die intereffanteften Pro- bleme der vergleichenden Phyfiologie der A'erdauung an niederen Thieren aufgedeckt wurden, und die biologifch ^ichtigften Fragen nm' an diefen der Löfung entgegenzuführen lind, verfuche Müffen wir nun, um die Fundamente, w^elche füi' den Aufbau

über Ver- dauung an einer vergleichenden Phyfiologie der Verdaumig gefchaffen find,

Thieren. mögüchft erfcliöpfeiid zu behandeln, noch auf Beobachtungen an höheren Thieren recmTiren, fo find wü* dazu nur deshalb gez^Min- gen, weil diesbezügliche Unterfuchungen an Whbellofen bislang nicht angefteUt wurden, nicht etwa weil ße an diefen nicht aus- geführt werden könnten. Ernährung j)[q fötale Emähruiig iedes viviparen Whbelthieres verläuft

u. Enzym- o t^ x.

biidung vollkommen analog der eines exquifiten Schmarotzers. Nur aus

beim Fötus. ^ '■

dem mütterhchen Blute (und nicht aus dem Fruchtwaller) be- friedig-t die Frucht gleichzeitig ihr Athmungs- und Nälirbedürf- niß. Trotz alledem begmnen die Magendi'üfen der lebendig gebä- renden Selachier ''^), die Speichel-, Pankreas- und Magendrüfen bei einigen Säugethieren ^^) fchon in einer fein* frühen Embryonal- periode zu functionnen, zu einer Zeit, wo die gebildeten Enzyme wochenlang -^wirkungslos bleiben müiren. Wh treffen liier alfo ge- nau diefelben A^'erhältniffe an, welche wir bei den Protiften und Cölenteraten eingehender befprochen haben.

A^on den Gelichtsi3uncten , welche bei der Erforfchung der

Verdauungsvorgänge bei VertelDraten maßgebend waren, ift wohl

^f^^^l^'^'f^^keinev von fo hoher Bedeutung für diefen Abfchnitt der verglei-

^^un-ra^.^" chenden Phyliologie als derjenige, welcher feit Heidenhain's Arbeiten

I

35] Phyßologie der Verdauung. 71

für die Hiftologie der A^'erdauungsdrüfen der allgemem leitende geworden ift. Ich denke an die von Heidenhain"") und feinen Schülern an Eiweiß-. Schleim- und ]\Iagendrüfen aufgedeckten, von Kühne und Lea'^) zuerft am lebenden Gewebe des Pankreas näher ermittelten ^^eränderungen des liiftologifchen ^'erhaltens diefer Drüfen wälirend ihrer Thätigkeit. Und in gleichem ^laße, ^^-ie lebhaft zu wünfchen ift. daß unterfucht werde, ob fich auch bei Wirbellofen eine anhaltende Thätigkeit durch mikroskopifch nach- weisbare Umwandlungen der feceniii-enden Zellen verräth, ob auch in den Speichel- und LeberzeUen der Evertebraten zu gewifTen Zeiten Secretionsmaterial zum Zwecke des Verbrauches während der Thätigkeit angehäuft ^\-ird. fo muß es, fage ich, m gleichem Maße wünfchenswerth erfcheinen, daß die befonders von Kühne mit fo großem Erfolge angebahnten Unterfuchungen über die Spal- tungsproducte bei der Eiweißverdauung''), über die Abfcheidung und Reingewinnung der Enzyme ' *) auch auf die Secretionsproducte der Wirbcllofen Ausdehnung finden. Abgefehen von einigen bei der A'erdauung durch Evertebratenenzyme aus Fibrin entftehenden gut charakterifirten Spaltungsproducten ift in chefer Art bei Wnbel- lofen noch nichts bekannt geworden. Die Leber der Ki'ebfe und Mollusken würde ficli für hiftologifche Unterfuchungen in der be- zeichneten Richtung ganz vorzügHch eignen ; « ob in diefem viel- feitigen Organe», fo fchrieb ich^^) vor 5 Jahren, und der Stand der Dinge ift feitdem ziemUch derfelbe gebheben, «alles (die ver-

liiedenen Enzyme, das Fett, der Zucker, das Glykogen, die fog.

lUenfarbftoffo) durch Colliquation aus Einer Zelle hervorgehen jvunn. ob Transfudation und zur Bechcrzcllenbildung führende Quellung der Zellen periodifch abwechfeln oder ob Arlxntstheilung unt^r den Leberzellen herrfcht, muß zur Zeit als eine offene Frage ügefehen werden. Der kleine und gi"oße periodifche Wecl)fel der Enzymproduction , (He Verfchiedenheiten unter den Leberfecreten

6*

72 Grundzüge einer vergleichenden Phyfiologie der Verdauung. [36

bei nahe verwandten Thieren werden ßchere Ausgangspuncte zur Löfung diefer Fragen bieten». Schluß- Ein Rüclcblick auf das Vorgetragene lehrt uns, daß in der

betracli-

tungen. lebenden Welt die Umwandlung der feiten in flüffige Nahrung auf zweifache Weife gefehehen kann: erftens durch die lebende Sub- Itanz als folche und zweitens durch enzymatifch w^irkende Secrete. Von diefen beiden Verdauungsmodi kann der eine an Stelle des anderen treten ; ohne eine directe oder indirecte Verdauung ifl aber der Fortbeltand des Lebens undenkbar. Für die Möglichkeit, daß die ^dtale (protoplasmatifche oder cellulare) Verdauung die fecre- tive erfetzt, find uns im Vorhergehenden zahbeiche Beifpiele be- kannt geworden, für die thatfächhche Exiflenz des umgekehrten Falles, der in mehrfacher Weife (ohne oder durch Vermittlungeines anderen Lebewefens) perfectionü-t gedacht w^erden könnte, ift jedoch ein Beweis noch nicht geliefert. Die A^erdauung ift bei allen leben- den Wefen höchft wahrfcheinlich in potentia quahtativ ein und diefelbe. Aber nicht alle Wefen wußten lieh, wie wir fahen, das Verdauungsvermögen in feiner ganzen Vielfeitigkeit zu bewaliren, mid andere verftanden die Vortheile ihrer Befähigung, verdauende Enzyme zu bdden, gar nicht oder wenigffcens nicht annähernd aus- zunützen. Der Inftinct beftimmt, wie man zu fagen pflegt, das eine Thier ein ausfchließlicher PflanzenfrelTer, das andere ein aus- fchließlicher Fleifchfreffer zu fein, obgleich eine gemifchte Koft keinem von beiden fchaden würde.

So zeigt denn kein anderer Abfchnitt der vergleichenden Phy- üologie fo deuthch als der der Verdauung, wie in der Fülle der Mittel, über welche der lebende Organismus verfügt, die Ver- fchiedenheiten begründet liegen, welche fich an verfchiedenartigen Formen offenbaren.

73

Anmerkungen und Literaturnachweis.

(Die fettgedruckten Zahlen, auf welche im Folgenden verwiefen wird, beziehen lieh auf die den einzelnen Literaturangaben vorgeletzteu Nummern in der Tabelle am SchlulTe diefes Heftes.)

0 Vergl. icF/r in SiUiinait'ii Journ. 1866. Xovemberheft.

-) KoJhe, H. u. Schmitt, Jittä., Directe Uimvandlung der Kohlenfänre in Ameifenmure. Ann. d. Chem. u. Pharm. Bd. 119. 1861. S. 251-253.

^) Dreclifel, E., Keduction der Kohlenfänre zn Oxalfänre. Ann. d. Chem. u. Pharm. Bd. 146. 1868. S. 140 u. 141.

*) Kühne, W., Ueber den Sehpurpur. Unterf. a. d. phyiiol. Inlt. d. Univ. Heidelberg. Bd. I. 1877. 8. 54— JS.

Eicahl, A. u. Kühne, W., l'nterfudiungen über den Sehpurpur. Il)id. Bd. I. 1877. S. 185— ^18.

^) Moreau, Fr. A., Sur 1 air de Ja vessie natatoire des i)oissons. Com])!, rend. T. 57. 1863. p. 3.7—39 et p. 816—820.

, Variation des proportions d'oxygene dauB la veHsie natatoire des poissons. Ibid. T. 58. 1864. p. 219.

, Reeherfhe.s physiologiques sur la vessie natatoire. ^lemoire de phylio- logie. Paris, nin/foiu 1877. p. 64—67 et p. 69—86.

6) Pfeffer, W., Pflanzenphyliologie. Bd. I. l.eipzig. 1881. S. 182 ff.

'y Bernard, Cl., Le(,'ons sur les ph(''nonienes de la vie etc. T. II. Paris. 1870. 1). 241 389.

") Vergleiche hierzu die Vorträge von: Harting, 1\, I>as rclduiiunernde Leben. Skizzen aus der Natur. II. Leipzig. 1856. S. 69 106. Bernard, GL, L. c, T. I. 1878. p. 65 fi'.

l'reijer, W., Ueber die allgemeinen Lebensbedingungen. Naturwillen- r.liaftlidie Thatfaehen u. Probleme. Berlin. 1880. S. 1-32 u. S. 281—301.

») Wolla/Io», Ann. of nat. bist. T. \'I. 1850. j). 489.

10 V«*rgl. Seinper, C, Di*- natürlidii'n l';.\ilt(iizl>i-dingiiMgcn der Tbicre. Tb. L L«-ipzig. 1880. S. 250.

74 Anmerkungen und LiteraturnacliAveis. [38

") Megnin, Note sur la faculte qu'ont certains Acariens, avec ou sans bouche, de vivre sans nourriture pendant des phases entiei'es de leur existence, et meine pendant toute leur vie. Compt. rend. T. 83. 1876. p. 993 995.

12) ygi_ Jourdaiii, S., Sur les stomatorhizes de la Sacculina Carcini Thompson. Compt. rend. T. 92. 1881. p. 1352—1354.

13) de Lacase-Duthiers, H., Histoire de la Laura <jrerardiae, type nou- veau de Crustace parasite. Arch. de zool. exp. et gen. T. VIII. 1880. p. 537 581.

1*) de Lacase-Butliiers, H., Recherches sur la Bonellie. Ann. d. scienc. nat. Zool. Ser. IV. T. X. 1858.

Kowalevsky, Schriften der naturf. Gefellfch. zu Kiew. Bd. V.

Vejdovsky, Fr., Ueber die Eibildung und die Männchen von Bonellia viridis. Zeitfchr. f. wiiT. Zool. Bd. 30. 1878. S. 487—500.

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Greef, B., Arch. f. Naturg. 1877. S. 343 u. Die Echiuren. Nova acta d. k. Leop. Carol. Acad. Halle. 1879.

1^) Eindflei/cli, Zur Hiltologie der Ceftoden. Arch. f. niikr. Anat. Bd. I, 1865. S. 142.

") Bernard, Cl., L. c. T. II. p. 116.

") 5. p. 222.

1*^) Foßer, M., Proc. of the r. Soc. Jan. 1866. u. Journ. of anat. and physiol. Vol. I. 1867. p. 162.

'^) Sommer, F., u. Landois, L., üeber den Bau der gerchlechtsreifen Glieder von Bothriocephalus latus. Zeitfchr. f. wilT. Zool. Bd. 22. 1872. S. 47.

'Sommer, F., Ueber den Bau und die Entwicklung der Gefchlechtsorgane von Tfenia mediocanellata und Tsenia solium. Sep.-Abdr. a. d. Zeitfchr, f. wiir. Zool. Bd. 24. 1874.

^°) Kaliane, Z., Anatomie von Tgenia perfoliata, als Beitrag zur Kennt- niß der Ceftoden. Zeitfchr. f. wüT. Zool. Bd. 34. 1880. S. 175—254.

^0 Pinthner, Tli., ünterf. über den Bau des Bandwurmkörpers mit bef. Berückiichtigung der Tetrabothrien u. Tetrarhy neben. Sep.-Abdr. a. d. Arbeiten d. zool. Inft. zu Wien. T. III. Heft 2. 1880.

2-) Brandt, K., Ueber die Axenfäden der Heliozoen u. die Bewegungen von Actinosphterium. Sonderabdr. a. d. Sitzungsb. d. Gef. naturf. Freunde in Berlin vom 15. Oct. 1878.

, Unterfuchungen an Eadiolarien. Monatsber. d. k. Acad. d. Wifl". zu BerHn. (21. April) 1881. S. 388—404.

-2) Gottlieh, J., üeber eine neue, mit Stärkemehl ifomere Subftanz. Ann. d. Chem. u. Pharm. Bd. 75. 18-50. S. 51—61.

{

i

39] Anmerkungen und Literaturnachweis. 75

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Auerbach, L., Ueber die Einzelligkeit der Amöben. Zeitfehr. f. will'. Zool. Bd. VII. 1856. 8. 384.

Bonget, Des substances amyloides; de leur röle dans la oonstitution des tissus des animaux. Journ. de la physiol. T. II. 1859. p. 315.

Biitfchli, ()., Notiz über das Vorkommen einer dem Amyloid verwandten Subftanz in einigen niederen Thieren. Arch. f. Anat. u. Phyfiol. 1870. S. 302—365.

Certes, A., Sur la glycogenese chez les Infusoires. Compt. rend. T. 90. 1880. p. 77—80.

") Kritkenherg, [Jeber ein peptifches Enzym im Plasmodimii der Myxo- niyeeten u. im Eidotter vom Huhne. Unterf. a. d. phyfiol. Inft. d. Fniv. Heidel- berg. Bd. II. 1878. S. 273—286.

-■') Engehnann, Th. W., Protoplasma u. Elimmerbewegung. Handbuch der Phyüologie von L. Hermann. Bd. I. Theil I. Leipzig. 1879. S. 349.

■■'•*; Brandt, K., Färbung lebender einzelliger Organismen. Biologifches Centralblatt. I. Jahrg. 1881. S. 204.

«•) Brandt, K., 1. c. u. Verhandl. d. phyfiol. Gefellfch. zu Berlin. 1878. S. 35.

2») Certes, A., Sur un procede de coloration des Infusoires. Compt. rend. T. 92. 1881. p. 424—426 und Zool. Anzeiger. IV. Jahrg. 1881. S. 208—212.

, Dosage de la Solution de C'yanine pour la coloration des Infusoires. Ibid. .S. 287—288.

29) Brandt, K., Ueber das Zufammenleben von Thieren und Algen. Ver- handl. d. phyfiol. Gefellfch. zu Berlin. 1881—82. S. 22—26 u. Biolog. Centralis. \. Jahrg. 1881. 8. 524—527.

3") Baij-Lankeater, E., Al)Htract of a report on the Ki)ectrosc(pit' exami- nation of certain aninial substances. Journ. of anat. Vcjl. IV. 1870. p. 126—129.

ä') de Merejkoir.ski, C, Sur la tetronerytlirine dans le regne animal et sur Hon role ])hysiologique. Coni])t. rend. T. 93. 1881. ]>. 1029—1032.

*■-; Krukenberg, Vergleichend-i)hyfiologifche Studien. I. Reibe. II. A)»th. 1880. S. 39—73.

Mehrere Referenten (z. 15. E. Salkinrdi im Ilir/ili-V'irehoir'Mn'n Jahres- berichte für 1879) und Coini)iIatoren (cf. Jlal'cmann, IMlanzenstoil'e. 2. Aufi. Bd. I. Berlin. 1882. S. 280; find dadurch, daß in meinen Arbeiten über die X'erbreitung <leH Zoonerythrins 'damals von mir Tetronerythrin genannt) einige Maie (tatt Sjx.ngien die Bezeichnung Sciiwänmie gebraucht ilt, zu der irrigen V(»r(telhing gelangt, die von mir unterfuditen Spongien ('Sul)er it«'s, ("bon- droHJa etc.; fler Adria feien Pilze. Derartige! Pilzformen, weiche mau gcwoiiulicli hIh Schwämme bezeichnet, finden fich aber bekanntlicii im Meere uiclit, und icli brauche wohl kaum weiUtr auHeinanderzufetzen, <!al.( die vnu mii- unter

76 Anmerkungen und Literaturnachweis. ' [40

fuchten, genau fpecificirten Schwämme (Spongien) veritabele Thiere und keine Pflanzen lind.

33) MiMuclio-Maday, N., Beitr. z. Kenntniß der Spongien. I. Jenaifche Zeitfchr. f. Medicin u. Naturw. Bd. IV. 1868. S. 233.

3*) Metfclmikoff, E., Spongiologifche Studien. Zeitfchr. f. wiJI. Zool. Bd. 32. 1879. S. 371—375.

35) Ygl. meinen erllen Vortrag, S. 23.

36) 3, S. 339—342 und 7, S. 64—75.

37) Vgl. Vortrag I. Note 53.

38) Müller, Fr., Die Magenfäden der Quallen. Zeitfchr. f. wiJT. Zool. Bd. IX. 1858. S. 542—543.

39) Vgl. Leives, G. H., Naturftudien am Seeftrande. LTeberfetzt von J. Frefe. Berlin. 1859. S. 198 ff.

*°) Aus diefem Grunde halte ich es trotz neuerer, TremlAey'a Verfuchs- refultaten widerfprechender Angaben (cf. Engelmann, Tli. W., Ueber Trembley's Umkehrungsverfuch an Hydra. Zool. Anzeiger. I. Jahrg. 1878. S. 77 78 u. Jenünk, F. A., Tidfchr. nederl. dierk. Vereen. 1879. IV. D. 2. Afl. Versl. S. LI— LIII) für mehr als wahrfcheinlich, daß Hydren, welche derart umgeftülpt Avurden, daß die Entodermis nach außen, das Ectoderm dagegen nach innen lieht, in dem von der Ectodermis umgebenen Behälter ihre Koft ebenfo gut verdauen als normal, wo das Entoderm den Sack innen auskleidet. Ein theoretifches Bedenken, welches Tremhley'a Ergebniffe unwahrfcheinlich macht, liegt jedenfalls nicht vor, und daß Hydren das Experiment des Umflülpens oft fogar an lieh felbll vornehmen, wird wer lieh Hydren hält leicht beobachten können.

*0 Vgl. Knikenherg, Zur Kritik der Schriften über eine fog. intracellulare Verdauung bei Cölenteraten. Vergl.-phyfiol. Studien. IL Reihe. I. Abth. 1882. S. 139—142.

*^) Hamann, 0., Die Mundarme der Rhizoltomen u. ihre Anhangsorgane. Jenaifche Zeitfchr. f. Medicin u. NaturwilT. Bd. XV. 1881. S. 243—285.

*3) 51, p. 69—70.

**) Vgl. Metfchnihoff, E., Ueber die Verdauungsorgane einiger Süßwaffer- turbellarien. Zoolog. Anzeiger. I. Jahrg. 1878. S. 387—390.

*5) 3, S. 360—361 u. 8, S. 62—63.

*6) 52, S. 37—46.

") Specielleres hierüber findet fich 2, 3, 6, 10 u. 32.

*8) 9, S. 396.

*9) 40, p. XLIX. .

5») 2, S. 36.

^0 26.

=2) Darwin, Gh., Die Bildung der Ackererde durch die Thätigkeit der Würmer. In Ueberfetzung von J. V. Garns. Stuttgart. 1882. S. 28.

41] Anmerkungen und Literaturnachweis. 77

Vergleiche dazu meine weit älteren Angaben (2, S. 37) über die Reaction des Darminhaltes bei Lumbricus, welche Dancin, ohne daß er lie kannte, nur zu beflätigen vermochte.

53^ Vgl. Vortrag I, S. 23.

^*) Vgl. 2, S. 6 Anm. 1.

** Cf. Grube, Ed., Fehlt den Wefpen- und HornilTenlarven ein After oder nicht? Arch. f. Anat. u. Phyüol. 1849. S. 47—74.

Ich \\ill zu dem im Texte Gefagten noch bemerken, daß einige Ento- mologen z. B. Hermann Müller (vgl. die Zeitfchrift «Humboldt» 1882. Nr. 1) von der angelilichen Afterloligkeit der Bienenlarven nicht überzeugt zu fein fcheinen, und daß der genannte Forfcher, nachdem er fclum vor 12 Jahren Ex- cremente von Megachile- Larven beobachtet, neuerdings die Anwefenbeit und Thätigkeit eines Afters bei den Larven von D a s i p o d a b i r t i p e s nachgewiefen hat.

*^) Cf. Gartenauer, H. M., Ueber den Daimcanal einiger einheimifchen Gafteropoden. Jena. 1875. 8. 11 15 u. Fig. 3.

-) 2, 8. 5.

58) 2, S. 28—32.

^9' 32, S. 414—41(3.

ßö) Hazay, J., Die ^Molluskenfauna von Budapefl. III. Biologifcher Tlieil. Malakozoifche Blätter von L. Pfeiffer. X. F. Bd. IV. 1881. S. 196—203.

6'; 3, S. 350—352.

6-2) 3, 8. 352—356.

«••») 3, S. 357.

**) Stcnlter, G. F., Ueber die Nahrung des medicinifchen Blutegel. Viertel- jahrsfchrift f. pract. Pharmacie von Wittßein. Bd. VI. S. 528—532.

•■'5; Kriikenherg, Sind die nicht drüfigen Theile der fog. Radialanhänge des Afteriden<larmes Hei)atointeftinalcänale oder reine Leberausführungsgänge'? Vgl.-pliyliol. Studien. II. Reihe. I. Abth. 1882. S. 181 182.

««J 40, p. 149—150.

«") 1, 2, 8. 41 ff. un<l 49.

*8) Claim, ('., Der Organismus der l'hioniiiiidcn. Arb. des zoojog. Inlt. der Univ. zu Wien. T. II. Heft 1. 1879.

*»7 Vgl. Baumert, M., Chemifche Unterfuchungen über die l\cfi)iratioii de» Schlamnipeizgers (Col)itis frjssilis;. .Viin. d. ('bcin. u. IMiarm. Bd. 88. 1853. S. 1—56.

•"; Vgl. Ifitfll; ('., Leber den Oefoiibagns der Taulicn etc. Zcitfcbr. f. rationelle Medicin. III. Reib.-. I'.d. 23. 186.',. s. 101 132.

") Die vollltändige Literatur über di(r Schwefelfäure haltigen Secrete der Vorderdarnidrüfen von (iaftrojioilen findet (ich zufammengelteiit in iiieiiieii «'Vergl. -phyliol. Studien . I. Reihe. V. .\btli. IKKl. S. 66. Anm. I.

''' Cf. Kifitf. ](., I'eber das N'orkniiiiiicii eines fcliw iiiiinhlareniiliiiiicheii

78 Anmerkungen und Literaturnachweis. [42

Organs bei Anneliden. Mittli. a. d. zoolog. Station zu Neapel. Bd. II. Heft 3, 1881. S. 255—304.

'3) 49, S. 396 u. 397.

''*) Langendorff, Ofc, Ueber die Entftehung der Yerdauungsfermente beim j Embryo. Arch. f. Anat. u. Phyfiol. 1879. Phyfiol. Abth. S. 95—112.

") Vgl. Heidenhain, B., Phyüologie der Abfonderungsvorgänge. Hand- buch der Phyfiologie von L. Hermann. Bd. V. Th. I. 1880.

''^) Kulme, W. u. Lea, A. Sli., Ueber die Abfonderung des Pankreas. Öonderabdr. a. d. Verhandl. d. naturhift.-med. Vereins zu Heidelberg. N. F. Bd. I. Heft 5. 1876.

") Kühne, W., Ueber das Secret des Pankreas. Ibid. Bd. I. Heft 4. 1876,

''^) Kühne, W., Ueber das Trypfln (Enzym des Pankreas). Ibid. Bd. I Heft 3. 1876.

") 2, 8. 22 u. 23.

Zufammenftellung der Literaturangaben über die fecretive Vei'dauung' bei TVirbellofen und bei Fifcheii.

(Chronologifch geordnet.)

\o\\ ^''ertretern mehrerer Typen handeln:

1. Krukenherg, Yerfuche zm' vergl. Phyüologie der ^"erdauung mit befonderer

Berücklichtigung der VerhältnilTe bei den Fifchen. Unterf. a. d. phyüol, Infl. d. Univ. Heidelberg. Bd. I. 1877. S. 327—340. (Infecten, Krebfe, Würmer, Mollusken u. viele Fifchfpecies.)

2. , Yergleichend-phyiiol. Beiträge zur Kenntniß der Verdauungsvorgänge,

Ibid. Bd. IL 1878. S. 1—45. (Infecten, Krebfe, Würmer, Mollusken, Fifche.)

3. , Ueber die Enzymbildung in den Geweben und Gefäßen der Everte-

braten. Ibid. Bd. IL 1878. S. 338—365. (Zahlreiche Repräfentanten aller Typen.)

4. , Nachtrag zu den Unterfuchungen über die Ernährungsvorgänge bei

Cölenteraten u. Echinodermen. Ibid. Bd. IL 1878. S. 366—377.

5. Fredericq, L. Sur la digestion des albuminoides chez quelques inverte-

bres. Bull, de l'acad. r. de Belgique IL Ser. T. 46. 1878. p. 213—228 u. Archives de zool. exper. et gen. T. VII. 1878. p. 391—400. (Lumbricus terrestris, Nereis pelagica, Haemopis vorax; Arion rufus, Mya arenaria, Mytilus edulis; Asteracanthion rubens.)

6. Kruken'berg, Noizen zur Literatur über die vergl. Phyfiologie der Xutri-'

tionsprocelTe. Unterf. a. d. phyfiol. Inft. d. Univ. Heidelberg. Bd. IL (Verfendet 1878.) S. 418—423. (Kritik der Arbeiten von Fredericq und Litchhaii.)

43] Anmerkungen und Liten^tul■nach^veis. 79

7. Krukenberg, "Weitere Studien über die Verdauungsvorgänge bei Wirbellofen.

Vgl.-phyüol. Studien. I. Reihe. I. Abth. 1879. S. 57—76.

8. , Nachträge zu meinen vergleichend-pliyfiologifchen Unterfuchungen über

die Verdauungsvorgänge. Vgl.-phj-fiol. Studien. I. Reihe. V. Abth. 1881. S. .58—71.

Artliropoden. a) Cruftaceen.

9. Hoppe-SeyJer, F., Ueber Unterfchiede im ohemifchen Bau und der Ver- dauung höherer u. niederer Thiere. Arch. f. d. gef. Phyliologie. Bd. XIN'. 1876. S. 397—398 u. Phyfiologirche Chemie. II. Theil. BerUn. 1878. S. 176.

10. Krukenberg, Zur Verdauung bei den Kreblen. Unterf. a. d. phyüol. Inft.

d. Univ. Heidelberg. Bd. II. 1878. S. 261—289.

11. Weher, M., Veber den Bau u. die Thätigkeit der fog. Leber der Cruftaceen.

Arch. f. mikr. Anat. Bd. 17. 1880. S. 385-457.

b) Arachnoiden.

12. Blancliard, E., L'organißation du regne animal. Classe des Araehnides.

Paris. 1852 1855. p. 60—70. (Scorpio occitanus.)

13. Plateau, F., Note eur les phenomenes de la digestion et sur la structure

de l'appareil digestif chez les Phalangides. Extrait des Bullet, de l'acad. r. de Belgique. 2. S6r. T. 42. 1876.

14. , Recherches sur la structure de l'appareil digestif et sur les pheno-

menes de la digestion chez les Araneides dipneumones. Ibid. 2. Ser. T. 44. 1877.

15. Bertkau, Ph., Ueber den Bau und die Function der fog. I.,eber bei den

Spinnen. Zool. Anzeiger. IV. Jabrg. 1881. S. 543—544.

c) Myriopoden.

10. Platmu, F., Recherches sur les pheiKnnenes de la digestion et sur la structure de rapi»areil digestif chez les Myriapodes de Belgique. Extr. des JUilIct. d(; ] aca.l, r. de Bclgitjue. 2. Ser. T. 42. 1876.

d) Infecten.

17. licngger, J. Ji., Phyliologifche l'nterfuchungen liber die tbicrifche Ilaus-

liaitung der Infecten. Tübingen. 1817. S. 7 ff. IH. Jiouchardnt, De la digestion chez le ver ä soie. MeuHjire d'ol)S('rvationH

sur les niaiadies de cet insecte. Compt. rend. 'l\ 31. 1H50. p. 379 381

u. Uev. et Mag. <le Zoologie. 1851. p. 34—40.

80 Anmerkungen und Literaturnachweis. [44

19. Bafcli, S., ünterruchungen über das chylopoetifche u. uropoetifche Syllem

der Blatta orientalis. Sitzungsb. d. k. Ak. d. Will, in Wien. Math, naturw. ClalTe. Bd. 23. 1858. S. 234—260.

20. Plateau, F., Recherches sur les phenomenes de la digestion chez- les in-

sectes. Bruxelles 1874.

21. Jousset de Bellesme, Eecherches experimentales sur la digestion des insectes.

Paris. 1875.

22. , Eecherches sur les fonctions des glandes de l'appareil digestif desj

insectes. Compt. rend. T. 82. 1876. p. 97—99.

23. Plateau, F., Sur la digestion chez les insectes; remarques ä propos d'un '

travail recent de Mr. Jousset. Ibid. p. 340 342.

24. Jousset de Bellesme, Reponse ä la reclamation de INIr. F. Plateau, au sujet

de la digestion des insectes. Ibid. p. 461- 463.

25. Plateau, F., Note sur les phenomenes de la digestion chez la Blatte ameri-

caine (Periplaneta americana L.). Extr. d. Bull, de l'acad r. de Belgique. n. Ser. T. 41. 1876.

26. , Note additioneile au memoire sur les phen. de la digestion chez les

insectes. Ibid. T. 44. 1877.

27. Jousset de Bellesme, Travaux originaux de physiologie comparee. Vol. I.

Insectes. Paris. 1878.

28. Erlenmeyer , E., u. v. Planta-Beichenau , A., Chemifche Studien über die

Thätigkeit der Bienen. EichßcEdter Bienenzeitung. Bd. 34. 1878. S. 181—183. u. Bd. 35. 1879. S. 155—158.

'NLollnsk-en..

29. Bernard, Gl., Recherches sur une nouvelle fonction du foie. Ann. d. scienc

nat. Zoologie. IIL Ser. T. 19. 1853. p. 331 335. (Loligo, Limax^ Ostrea u. Anodonta.)

30. , Memoire sur le pancreas. Supplement aux Compt. rend. T. I. 1856

p. 545.

31. , Le^ons de physiologie experimentale. 1856. T. I. p. 101. u. T. 11. pi

487—493.

32. Krukenberg, Ueber die Verdauungsvorgänge bei den Cephalopoden, Gaftro

poden u. Lamellibranchiaten. Unterf. a. d. phyfiol. Inft. d. Univ. Heide! berg. Bd. IL (Verfendet 1878.) S. 402—417.

a) Gaftropoden.

33. Barfurth, D., Die Leber der Gaftropoden, ein Hepatopankreas. Zoolog

Anzeiger. III. Jahrg. 1880. S. 499—502.

45] Anmerkungen und Literaturnaclnveis. 81

b) Cephalopoden.

34. Bert, F., ^Memoire sur la j^hysiologie de la Seiche. Extr. des Mem. de la

80C. des seienc. phys. et nat. de Bordeaux. T. V. 1857. p. 115. u. Compt. rend. T. 65. 1867. p. 300—303.

35. Fredericq, L., Sur l'organisation et la physiologie du Poulpe. Bull, de

l'acad. r. de Belgique. IL Ser. T. 46. 1878. p. 761—762. u. Archives de zool. exper. T. VII. 1878. p. 578—581.

36. Jousset de BcUesme, Recherches sur le foie des ^lollusques cephalopodes.

Compt. rend. T. 88. 1879. p. 304—306.

37. , Recherches sur la digestion chez les MoUusques cephalopodes. Ibid.

p. 428—429.

38. Vigelim, W. J., I'el)er (.las fog. Pankreas der Cephalopoden. Zoolog. An-

zeiger. IV. Jahrg. 1881. S. 431—433. 3vt. Boitrquelot, E., Recherches relatives ä l'action des sucs digestifs des Cephalopodes sur les matieres amylacees. Compt rend. T. 93. 1881. p. 978-980 (Widerlegung der Ideen \o\\ Jomset de Bellesme, Bellätigung u. Erweiterung meiner ^'erfuche).

Anhang.

40. Spallanzani, L., Exjjcriences sur la digestion de liioinnie et de differentes

especes d'animaux. Avec des considerations par J. Sencbier. Nouvelle Edition. Geneve. 1784. p. 146—154.

41. Tiedemann, F., u. Gmelin, L., Die Vei-dauung nach Verfuchen. IL Bd.

2. Aufl. Heidelberg u. Leipzig. 1831. S. 270—271 (Außer neuen Ergeb- neren zugleich eine Zufainnienitellung vereinzelter Angaben aus älteren Schriften enthaltend).

') Außer (liefen AbhaiuUiingen phyliologifchen Inhaltes veigl. auch folgende, zum gTÖ&ten Theile wenig bekannt gewordenen anatomifche Arbeiten : Weber, K. IL, l'ebir die Leber von Cy p riii u s cariiio, die zugleicli die Stelle des Panliieas

zu vertreten rdicint. Anh. f. Anat. u. Pliyfiologie. .Jahrg. 1827. S. 294—299. Vi'aalittijti, //. »'., Uijdrage tot <le Histologie van den Vi.Hchdami. Acad. Proefschrift Leiden. 1872. Legouis, I'., I£eeherche« sur le.s tube.s <\e W'fitir et sur le j)ancr(''as des jiois.sons osseu.x. Ann.

d. »cienc. nat. Zoologie. V. 8er. T. XVII. u. XVIII. 1873. Edivijer, L., l'ebcr die Schleimhaut des Fifehdannes etc. Arcli. f. niiki. Anat. I'.d. -XIII. 1870.

8. cii-caa. Oaril, J., Heeherehes sur i'anat. gen. eomp. et la .signifieation mori)hologi((uc. des giandes

de la mucjueuse intestinale et gastririue des animaux vertelirrs. Paris. 1879. l^niiUji, .!. S., XI. Siifiill, II., On tlie Changes in Pi'iisiii-forming ülands during Secretion.

.louni. of Physiology. Vol. II. 1879-1880. ji. 2'.»i(- 291.

82 Anmerkungen und Literaturnachweis. [46

42. Fick u. Muriner, lieber das Magenferment kaltblütiger Thiere. Verhandl.

d. Würzburger phyf.-med. Gerellfcli. N. F. Bd. IV. 1873. S. 120 ff.

43. Babuteau et PcqMlon, Observations sur quelques liquides de l'organisme des

poissons etc. Compt. rend. T. 77. 1873. p. 136.

44. Hoppe-Seyler, F., Arcb. f. d. gef. Phyßologie. Bd. XIV. 1876. S. 395—396

u. PhyUologifclie Chemie. II. Theil. Berlin. 1878. S. 218—219, 230 u. 257.

45. Luchhcm, E., Vorläufige Mittheilung über die Magenverdauung einiger Fifche.

Centralbl. f. d. medic. Wiff. 1877. S. 497—498.

46. Homturger, L., Zur Verdauung der Fifche. Ibid. S. 561 562.

47. Bichetj Gh., Des proprietes chimiques et physiologiques du suc gastrique

chez l'homme et les animaux. Paris. 1878. p. 12 16 et p. 69 79.

48. Luchhcm, F., lieber die Magen- u. Darm Verdauung bei einigen Fifchen.

Inaug.-Dillertation. Königsberg. 1878.

49. Krulienberg, Zur Verdauung bei den Fifchen. Unterf. a. d. phyüol. Inll.

d. Univ. Heidelberg. Bd. 11. (Verfandt 1878) S. 385—401.

50. Bernard, Gl., Lepons sur les ph^n. de la vie. T. II. 1879. p. 350.

51. Bichet, Gh., et Mourrut, De quelques faits relatifs ä la digestion gastrique

des poissons. Compt. rend. T. 90. 1880. p. 879—881.

52. Kriikenberg, Phyßol.-chem. Unterfuchungen an Luvarus imperialis.

(Die enzymat. Eigenfchaften der Secrete der Drüfen am Digeftionstractus.) Vergl.-phyfiol. Studien. I. Eeihe. IV. Abth. 1881. S. 37—46 (Enthält zu- gleich eine eingehendere Erörterung der um-ichtigen Vorflellungen über die Wirkung des Fifchmagenfaftes bei verfchiedenen TemiDeraturen)

i

III.

GRUNDZÜGE

EINER

VERGLEICHENDEN PHYSIOLOGIE

DER

FARBSTOFFE UND DER FARBEN.

M^

(Mi f. WINTKIfH I'NIVER8ITÄTSBrCHHANDLUNG IN HKIDELBEKG. Kruktnhiry, Vtrgl.-iihylifd. Vorträge. 7

^Z Alle Rechte vorbehalten. \s?

Gnmdztige einer yergleiclieiideii Phyfiologie der Farbftoffe und der Farben.

Die Phyfiologie der tliierifchen und pflanzlichen Farbftoße hat in der jüngllen Zeit infofern eine gewifle Abrundung erfahren, als es gelungen ift, fowohl die Zahl der einzelnen Farbftoffgruppen dadurch zu vermindern, daß man emen Zufammenhang zwifchen mehreren derfelben erkannte, als auch die Identität refp. die Zu- fammengehörigkeit von Pigmenten bei weit von einander ab- flehenden Formen nachzuweifen.

Yov vier Jahren fließ ich bei meinen Spongienunterfuchungen auf einen rothen Farblloff", welcher fich mit dem von Wumi aus den fog. Rofen der Auerhähne extrahirten und von ihm Tetron- erythrin genannten Pigmente in feinen chemifchen und phyü- kalifchen Eigenfchaften als identifch erwies^). Diefem Befunde, der feiner Zeit fehr überrafchen mußte, wurde jedoch bald feine Ab- fonderhchkeit genommen, indem ich weiterhin zeigte, daß das sog. Tftronerythrin einer Claffe von Farblloff en angehört, welche bei den verfchiedenartigflen Thier- wie Pflanzenfpecies ihre Vertreter findet. Das Tetronerythrin (Zoonerythrin Bof/danotv's) war, wie UH-hrere gleichfalls fchon länger bekamite Pigmente (Carotin, Saffran- farbfloffe, LutoTn etc.), hiermit als Glied einer weit verbreiteten I irbfloffclalfe erkannt, welche man jetzt als Lipochrome (Fettfarb- lt<jfte) bezeidmet, und man darf behaupten, daß gerade das Studium

86 Grundzüge einer vergleichenden [4

der Lipochrome, die Abgrenzung diefer Farbftoffgruppe und die Kenntniß ihrer Verbreitung uns über viele vermeintliche Compli- cationen bei der Pigmentirung der Thiere wie der Pflanzen hin- weggeholfen hat. Die Lipochrome find die Wegweifer geworden, mittelfl deren es möglich war, lieh in dem zuvor wilden Chaos der thierifchen wie pflanzlichen Pigmentirungen zurechtzufinden, das Gleichartige auszulefen und von dem äußerlich Aehnhchen, aber feiner chemifchen Befchaffenheit nach ganz Differenten zu unterfcheiden. Die Lipochrome muffen deshalb bei einer verglei- chenden Chromatologie der lebenden Wefen vor allem in's Auge gefaßt werden, und es bedarf keiner weiteren Rechtfertigung, wenn wir unfere Betrachtungen mit denfelben beginnen laffen^). ''chroirfe'' Durch ihre LöslichkeitsverhältnifTe, ihre Unzerffcörbarkeit bei

der Verfeifung mit üedender Natronlauge in wäffriger wie alkoho- lifcher Löfung, durch die Blaufärbung, welche fie im trockenen Zuftande durch conc. Schwefelfäure oder ftarke Salpeterfäure er- fahren, durch ihre Lichtempfindlichkeit , durch die Gleichartigkeit ihrer Bleichpro ducte (Choleflearin oder choleftearinartige Körper), durch ihre chemifche Zufammenfetzung (nur aus Kohlenftoff, WafTerftoff und Sauerftoff beftehend), und endlich durch ihre Fär- bungen (grüngelb, gelb, orange, roth) und die Lipochrome im All- gemeinen charakterifirt. Eine fcharfe Abgrenzung derfelben ift zwar unmöglich, weil fie einerfeits in die fpectrofkopifch fchlecht gekennzeichneten und in den lipochromatifchen Löfungsmitteln fchwer oder faft unlöslichen Lipochromoide refp. Melanoide über- gehen und weil andererfeits Küline^) nachgewiefen hat, daß ein echtes Lipochrom, das Rhodophan nämlich, nach befTerer Reinigung keine Blaufärbung durch falpetrige Säure mehr annimmt. Ferner- hiii verdient bei einer allgemeinen Charakteriftik der Lipochrome die Thatfache nicht außer Acht gelaffen zu werden, daß fich ein Theil derfelben auch beim Benetzen mit Jod-Jodkaliumlöfung blau- grün färbt, ein anderer Theil dagegen nicht oder nur mangelhaft"*),

5] Phyfiologie der FarbftofFe und der Farben. 87

und daß das fpectrofkopifche ^''erhalten der einzelnen Lipoehrome in manchen Fällen erheblich von einander abweicht, indem die Löfungen der Xanthophane und Rhodophane durch ein, die der Chlorophane durch zwei oder drei Abforptionsbänder ausgezeichnet ßnd. Die Abforptionsbänder ein und desfelben Lipochromes lagern im Spectrum verfchieden, je nach dem angewandten Löfungsmittel. In alkoholifcher oder ätherifcher Löfung hegen ße am meiften dem \-ioletten Ende des Spectrums genähert, in Schwefelkohlenftoff find fie am meiften nach dem Roth zu verfchoben und in Chloroform oder fetten Oelen gelöft, hält die Lage der Streifen zwifchen beiden Extremen die Mitte ein. Aus Kundfs Unterfuchungen^) über die Verfchiebung, welche die jNIitte des dem rothen Ende des Spectrums zunächft liegenden Abforptionsftreifens vom Chlorophyll und welche der Abforptionsftreifen des Cyanins bei Anwendung verfchiedener Löfungsmittel erfährt, wü'd zu folgern fein, daß die entfprechende Lageveränderung der Lipochrombänder nicht, wie Kraus für das Chlorophyll annahm "), mit dem fpecififchen Gewichte des Löfungs- mittels durchgängig im Einklang fteht, fondern durch die l^rechende Kraft des Löfungsmittels derart veranlaßt wird, daß, je größer die Disperfion desfelben für den blauen Theil des Spectrums ift, um fo weiter die Abforptionsftreifen nacli der brechbareren Seite des Spectrums fortfchreiten.

Die Tinctionskraft der Lipoclu'omc ift eine außerordentlich intenfive, die Umfetzung in choleftearinartige Stoffe^), welche fie unter Sauerftoffaufnahme am Lichte (aber auch , wenn fchon weit langfamer, im Dunkeln) erfaln-en, eine verhältnißmäßig rapide, fo daß fell)ft aus äußerlich ftark gcfärl)ten Geweben davon meift nur fehr fclnvierig größere Quantitäten rein zu erhalten find. Deshalb l>lieb man zur Feftft^llung der cliomifchen Zufammenfetzung der Lil)Ochrorae bislang allein auf das Carotin angcwicfen, welches als der am b<'ften bekannte Repräfentant diefer Farl)ftofFclane zu gelton hat.

88 Grundzüge einer vergleichenden [6

Das Carotin (C18H24O) ift der Farbftoff der cultivirten Mohr- rübe (Daucus Carota L.). Seine braunrotlien Bandkryflalle voii rhombifcher Wetzfleinform fchmelzen bei 168° C, und es zeigt un- mittelbare Beziehung zum Hydrocarotin (CigHgoO), welches fich neben ihm in der Mohrrübe findet und dem Choleltearin nahe fteht.

Solange wie die chemifche Zufammen fetzung allein vom Ca- rotin bekannt ift, ficher kryltallifirt außerdem nur noch das Luteni, Eläochrin, Lecitochrin und das Chlorophyllgelb gewonnen wurden^), ßnd es vorwiegend optifche Differenzen, welche zu Unterfcheidungen in der Lipochromreihe nöthigen. «Diele Unterfcheidung ift aber einie zwingende, denn man hat jetzt im Carotin, Lutein und Eläo- chrin rein und kryftalhnifch zu gemnnende Körper, welche in diefem Zuftande fchon ohne Weiteres verfchieden erfcheinen durch die Farbe, vollends bei genauerer Unterfuchung der KryftaUe unter Beachtung des Dichroismus und der Abforption. Wie die Spectren der Fettpigmente vom Carotin bis zum Chlorophan in gleichen Löfungsmitteln eine merkwürdige Reihe zur brechbareren Seite fortfchreitender Abforptionsftreifen darbieten, deren Verfchiebung vielleicht in derfelben Weife durch die chemifche Zufammenfetzung der einzelnen Glieder bedingt wird, wie dies für die Linienfpectren der Didymverbindungen nach Bimsen s bekannten Arbeiten^) gilt, fo bilden die am reinften dargeflellten Pigmente auch eine Reihe bezüglich der direct wahrnehmbaren, dem Gelb zugehenden Farbe und eine Reihe in Hinficht auf die Verwifchung des Dichroismus.»^*^)

Was die Herkunft der Lipochrome anbelangt, fo ift es wahr- scheinlich, daß diefelben in den meiften Fällen aus fettartigen Subftanzen hervorgehen, denn häufig, wenn auch wohl nicht aus- nahmslos, find üe in ihrem Vorkommen an Fett gebunden und laffen fich auch leicht in choleltearin artige Körper überführen. So wird ebenfalls ihr Vorkommen in den grünen Gewächfen zu er- klären fein, welches bekanntlich ein fo conftantes ift, daß bis zu den verdienftvollen Arbeiten von Hänfen trotz der unzählbaren

7] Phyfiologie der Farbftofte und der Farben. 89

Abhandlungen über diefen Gegenftand der grüne und der gelbe Chlorophyllforbftoff als eine einheitliche Subftanz angefehen werden konnte. Aber zweifellos entliehen die Lipochrome auch noch auf andere Weife, aus Lipochromogenen oder aus Pigmenten, welche keine directe Verwandtfchaft zu den Lipochromen erkennen lalTen ; fo aus dem CyanokrvftalUn^^), dem kryftallirirten blauen, unter dem Panzer bei \ielen Cruflaceen abgelagerten Farbftoffe, der fich dm-ch die geringfügigften Eingriffe in ein Lipochrom umfetzt.

Die Verb reitungs weife der Lipochrome ift von großem Intereffe. Sämmtliche bislang unterfuchten gelben Blüthenblätter, gelbe und rothe lymphatifche Flüdigkeiten und zahlreiche Secrete bei Wirbel- thieren wie Wirbellofen, die bunten Oelkugeln in den Zapfen der Wirbelthierretina, die Corpora lutea, die Eierdotter der verfchieden- ften Thierfpecies, die gelben, grünen, orangenen oder rothen Haut- theile der Aillu-opoden und Yertebraten (von den Fifchen bis zu den A^ögeln) verdanken ihre Färbungen mit äußerfb geringen Aus- nahmen gelöften, körnig oder diffus abgelagerten Lipochromen; dagegen betheiligen fich die Lipochrome nie in erfichtlichem Maße an den Färbungen der Epithelialgebilde bei den Säugethieren, an den Färbungen der ^"ogeleierfchalen und fcheinen auch vielen protoplasmatifchen refp. unicellulären Wefen zu fehlen. Auffallend find die conftanten ünterfchiede , welche verfchiedene Species in der Intenfität der lipochromatifchen Färbung gewilTer Gewebe, be- fonders des Fettgewebes^^), aufweifen, und fehr üben-afchend ift die Thatfache, daß Lipochrome bei Schlangen nur fpurenweife auf- treten, während die verfcliiedenartigften Organe der A^ögel, Am- phibien, Fifclie und auch vieler Rei)tilien mit lipochromreichen Löfungen getränkt lind. Einer eingehenderen Unterfuchung würde - fich gewiß weiterliin lohnen, welche von den zahlreichen, mit eigenen Namen belegten gelben, orangenen, i'otlien und braunen Farliftoffeii pflanzHcher Gebilde (z. B. Bixin, Polychroit, SafHorgelb, CartliHiiiii). Luteolin, Draconin) d(!n Lipochromen zugerechnet

90 Grundzüge einer vergleichenden [8

werden müfTen und welche nicht ; befonders wünfchenswerth dürfte es aber fein, in Erfahrung zu bringen, ob fcharfe chemifche Unter- fchiede zwifchen den fpectrofkopifch fo unter fchiedhchen Chloro- phanen, Xanthophanen und Rhodophanen beliehen, ob fich viel- leicht nicht die eine von der anderen Gruppe als Homologes oder als Anhydridverbinduug ableiten läßt. Lipociiro- j)ig Lipochromoide und Melanoide, welche, me ich zeigte ^^),

M^eianüfe!' vorzugswcifc die Stämme von Gorgoniden , die Gehäufe von Mol- lusken gelb, roth, braun, violett oder fchwärzlich färben, führen unmittelbar zu den dunkelen Pigmenten, welche feit lange als Melanine ^■^) zufammengefaßt werden. Es fteht außer Frage, daß unter diefem Gefammtbegriff fehr verfchiedene , gegen Reagentien widerftandsfähige braune, in dickerer Schicht fchwarz erfcheinende Pigmente vereinigt wurden, von denen einige (z. B. die fchwarzen Farbftoffe melanotifcher Gefchwülfte, der fchwarze, fedimentirende Körper pathologifchen Harnes) ebenfo ficher eines ganz andern Urfprungs als die Lipochromoide und Melanoide find. Dafür je- doch, daß manche fog. Melanine trotz ihres Gehaltes an Eifen und an Stickftoff mit den Lipochromen in näherer genetifcher Beziehung flehen als z. B. mit dem Hämoglobin, dürften die fcharfe Abgren- zung einer melanotifchen von einer hpochromatifchen Färbung (z. B. in vielen Federn), fowie das bei vielen Thieren ftets verge- fellfchaftete Vorkommen von Repräfentanten beider FarbftoflFgruppen aufs Ueberzeugendfte fprechen. Für die Entftehung vieler mela- notischen Pigmente fcheinen Licht und Sauerftoffmangel in einer zwar noch unaufgeklärten Weife unbedingtes Erforderniß zu fein^^); derartige Nebenumftände machen es denn auch verfländlich , daß bei albinotifchen Individuen die Melanofe in den Epidermoidal- gebilden ausbleiben kann, während fich die hpochromatifchen Fär- bungen völlig normal entwickeln. Ich befchränke mich hier des Weiteren darauf, eine Zufammenftellung der genaueften Analyfen derartiger melanotifcher Farbftoffe zu geben und die Refultate

9]

Phvfiologie der Farbftoffe und der Farben.

91

neuerer Unterfuclimigeii mitzutheilen , welche am Fnscin, dem bramieii Chorioi'dealpigmente des Wirbelthierauges , und an dem Sepiafarbftoffe gewonnen find.

Elementare Zufaniffienfetzung melauotifclier Pigmente (in Piocenten).

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Das Fuscin erwies ficli bei verfchiedenen Thieren als mehr oder weniger hchtempfindlich, in keinem Falle aber als (bei Sauer- ftoffanwefenheit) vollkommen lichtbeftändig; concentrirte Säuren wie Alkalien bedürfen jedoch längerer Zeit oder des Erhitzens, um eine und felbft dann nur fehr unvollftändige Zerfetzung oder Auflöfung des Pigmentes zu bewirken. Nur nach längerer Einwirkung von verdünnter Salpeterfäure wird da^ Fuscin in verdünnten Alkalien fehr leiclit löslich.

Das Sepienfchwarz ift eine braunfchwarze, amorphe Mafle mit grünlich metallifchem Reflex. Es ift vollkommen unlöslich in Waffer, Alkoliol und Aether. Concentrirte Schwefelfäure wie Sal- peterfäuro zerfetzen es und färben fich dabei rothbraun; Salzfäure wirkt fehr fchwach ein, Chlor bleicht den Farbftoff. AVarme Kali- lauge erzeugt eine tiefbraune Löfung, die durch Schwefelfäui'e wie Salzßiure gefällt wird; auch Ammoniak foll löfend wirken, nicht aber Alkalicarbonate.

Eine große Anzahl von dunkelviolettcn, gelb- und rothbraunen Pigmenten, welche lieh von den Lipochromoiden und Melanoiden

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92 Grundzüge einer vergleichenden [10

durch das Nichteintreten der Schwefelfäurereaction , von den Me- laninen durch ihre Färbung unterfcheiden, gleicht in der Reliftenz gegen Löfungsmittel, gegen Säuren und Alkalien den Melaninen; j über jene läßt ßch zur Zeit aber noch weniger fagen als über diefe. * Ich erinnere deshalb nur kurz an jene humusartigen Subltanzen, welche fich unter Sauerftoff- und WalTeraufnahme aus Chromogenen in ablterbenden Pfianzentheilen (z. B. in den lieh zur Herbftzeit bräunenden Blättern und Akazienfchoten) bilden, oder welche durch Wärme- wie durch Alkalieinmrkung aus den Uranidinen unter Sauerftoff aufnähme hervorgehen.

^^*^jP''^"^" Als Uranidine^^) habe ich jene gelben Farbftoffe fehr ver-

fchiedenartigen Vorkommens (Aplyfmofulvin in Aplysina aero phoba und Aplysilla sulfurea, die lymphatifchen Farbftoffe voü Ascidien und Infecten [Hydrophilus, Dyticus, Oryctes, Melo lontha, Lepidopterenpuppen etc.], AethaHoflavin in Aethaliur septicum) zufammengefaßt, welche unter Mitwirkung von Fer menten (fei es, daß folche bei der Melanofe zerftört, fei es, daß diefe dabei überhaupt erft in Wirkfamkeit treten) in bräunliche oder dunkelviolette, gegen lipochromatifche Löfungsmittel und AI kahen, theilweife auch gegen Säuren widerflandsfähige Mafien ver- wandelt werden. Diefer Art wird auch der grüne Farbftoff fein, welchen Graf B. Haller in den Epithelzellen der Zuckerdrüfe von Chitonen antraf, und deflen Veränderung in Violett er mit dem Secretionsvorgange der Drüfen als in Beziehung ftehend nachwies ^^); Die Tabelle auf S. 98 gewährt einen Einblick in die bei der Ver färbung der Uranidine verlaufenden, jedenfalls fehr comphcirten Vorgänge.

Am längften und am beften bekannt von allen thierifchen Farbftoffen find die Hämöglobine mit ihren Derivaten.

Die Hämo- J)iq HämogloMnc zählen zu den Proteiden, d. h. Eiweiß ver-^

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Abkömm- biudungen, welche bei Spaltungsvorgängen neben anderen Stoffen Eiweißfubftanzen liefern; fo zerfallen fie bei längerer Erwärmung

11] Phyfiologie der FarbftofFe und der Farben. 93

der wäfTrigen Löfung auf 70 80^ C. in coagulirtes Eiweiß vincl in Hämatin.

Das Speetralverhalten der Hämoglobine und ihrer Abkömm- linge ift ein fehr beftimmtes und zum Nachweife derfelben wohl geeignet. Diefes gilt jedoch nur, wenn man fich fraglichen Falls nicht nur mit der oberflächlichen fjDectrofkopifchen Prüfung eines einzigen Körpers diefer Reihe (z. B. des Oxyhämoglobins) begnügt, fondern die Unterfuchung auch auf die Zerfetzungsproducte des- felben ausdehnt, die Intenfität der einzelnen Abforptionsbänder und deren Lageverhältniß zu den Fmimhofe/ khen Linien im Spectrum allemal genügend berückfichtigt ; diefes ift fchon deshalb nöthig, weil nicht nur die aus dem Indigcarmin durch Kochen mit über- fchüITigem Alkali entftehende Purpurinfchwefelfäure ein dem redu- cirten Hämoglobin ähnliches Spectralbild liefert, fondern auch thierifche Farbftoffe (Turacin, Helicorubin, Carmin) dem Oxyhämo- globin fpectrofkopifcli außerordentlich ähneln ^^). Nach Kimdfs Unterfuchungen ^^) fcheinen die felbft in kaum gefärbten Hämoglobin- löfungen fo fchwarz ^xie Tintenftriche hervortretenden Spectralflreifen auf anormaler Disperüon zu beruhen und an das fpectrofkopifche Ver- halten des Hämoglobins Betrachtungen über Abforptionsverhältnifle und chemifche A\"irkungs\veife zu knüpfen, dürfte deshalb heute nicht unfruchtbarer fein als bei dem Chlorophyllgi'ün.

Bei den Hämoglobinen liegen die Dinge gerade umgekehrt wie bei den Lipochromen : die optifche Analyfe läßt uns der chemifchen und kryftallograj^hifchcn (vgl. beiftehende Tabelle) gegenüber im Stiche und zeigt conftantc Abforptionen bei großen fonftigen Differenzen, was fich vermuthlich daraus erklärt, daß alle Hämo- globine als einziges gefärbtes Derivat das ftets gleiche eifenhaltige Hämatin liefern, wonacli fie fämmtlich als Verbindungen dcfl'elben Farbftoffcs, und zwar des »SVo/ir.s'fchen reducirtcn Hämatins ( = Hämo(;hromogen Hoppe- ScylcrH) aufzufa/Ten wären ^"). Nur die Färbungsintonntät weiclit zwifchcn llämogloljiiu'ii vorfcliiedener

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Grundzüge einer vergleichenden

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13] Phyüologie der Farbftoffe und der Farben. 95

Herkunft bisweilen, and in manchen Fällen alsdann felbft erheb- lich ab-'=^).

"Wie die Tabelle auf S. 29—32 im erften Hefte diefer Vorträge zeigt, wurde das Hämoglobin außer bei allen Wirbelthieren (mit alleiniger Ausnahme von Amphioxus [?]^^) und den Leptocepha- liden) auch noch bei Würmern (Turbellarien [?], Nemertinen, Hi- rudineen, Chätopoden, Gephyreen), Arthropoden (Cruftaceen, Infecten) und Mollusken (Lamellibranchiaten, Gaftropoden) nachgewiefen. Den Echinodermen , Cölenteraten , Protiften fcheint daffelbe ebenfo wie den Pflanzen zu fehlen; es hat fich herausgeftellt , daß alle dies- bezüglichen pofitiven Angaben auf Irrthümern und fchlcchten Be- ol)achtungen beruhen.

Auch leicht künlllich zu erhaltende Abkömmlinge des Hämo- globins wurden in thierifchen Organismen angetroffen^'*). So finden ßch die aus dem Oxyhämoglobin durch Säuren oder ftärkere Al- kalien unter Eiweißabgabe hervorgehenden Hämatine in feltenen Fällen auch in alten Blutextra vafaten bei Wirbelthieren vor, das eifenfreie Hämatin (Hämatoporphyrin), in welches das Hämoglobin durch conc. Schwefelfäiu'e überzuführen ilt, ift ein Secretionspro- duct von Drüfen des Ovarialtractus bei Vögeln, deren Eierfchalen es ein rothes, braunes, lederfarbenes, gelbes oder fchwarzes Colorit verleiht; bei Hämoglobinurie foU im frifchen menfchlichen Harne nur Methämoglobin , ein moleculares Umwandlungsproduct des Oxyhämoglobins, auftreten ^°), und Malijs Hydrobilirubin (Urobilin Jaffc»), welches durch Einwirkung von nascirendem WalTerftoff aus dem Hämoglobin erhalten wird, ift ein häufigei-, vielleicht fo- gar ein conflanter Beflandtheil des Harnes bei Säugetliieren. Das Hydrobiliruliin wurde nicht nur aus dem Hämoglobin, fondei-n auch aus dein Biliruljin (durch 2 3tägigc Maceration mit Natriumamal- gam l)('i Luftal)fc]diiß oder durcli Ziiiii und Salzfäure) gewonnen, und CS wurde dadurch wabrfchcinlich gemacht, daß auch das Biliniliiii und di(! ühriiren Gallen fafblioffc Abköintnlinire des Hämo-

96 Grundzüge einer vergleichenden [14

globins find, für welche Annahme das A'^orkommen der fog. Hämo- toidmkry Halle, welche nichts anderes als Bilirubm find, in alten BlutergüfTen jedenfalls noch überzeugender fpricht.

Die Gallenpigmente der Wirbelthiere werden durch eine Farben- reaction, durch die fog. Gmelin (che Gallenfarbftoffprobe, welche an ihnen fowohl rohe Salpeterfäure wie alkoholifche Bromlöfung hervorbringt, als Ganzes zufammengehalten. Bei diefer Reaction hefern fämmthche Gallenfarbftoffe als Oxydationsproduct fchließlich das Choletelin, mit dem das Hydrobihrubin, welches ein Reductions- product des Bihrubins darftellt, nicht zu verwechfeln ifl. Die Angabe, daß auch Choletelin bei Behandlung mit AValTer und Natriumamalgam Hydrobilirubin liefere, ift nicht ohne Widerfpruch geblieben.

Entgegen vielen neueren, fchon durch ältere, weit genauere Verfuche als widerlegt zu betrachtenden Angaben mußte bis vor Kurzem angenommen werden, daß die durch das Eintreten der Gmelin (chen Gallenfarbftoflfreaction gekennzeichneten Pigmente auf die Wirbelthiere im Vorkommen befchränkt find; die Leber und ihre Secrete hatten ßch bei Wirbellofen verfchiedeniter Clallen von derartigen Farbffcoffen als vollkommen frei erwiefen^^). Bei den Wirbelthieren waren diefe Pigmente jedoch nicht nur in der Galle gefunden, fondern auch die Placenta des Hundes ^'^), die blauen und grünen Vogeleierfchalen waren als biliverdinhaltig erkannt worden ^^). Ich konnte indeß zeigen ^^), daß auch Wirbellofe BiH- verdin bilden, daß fich diefes. in großer Menge in den Gehäufen von Trochiden und Haliotiden findet, daß es nach Extraction der verkalkten Gebilde mit Salzfäure, fowohl durch Salpeterfäure oder Bromwaffer, wie auch durch die fuccefiive Aufeinanderfolge der Spectraleigenthümlichkeiten bei der Gmelinlchen Probe als folches leicht und ficher in der Löfung nachgewiefen werden kann. Fernerhin zeigte ich auch, daß ein dem Hämoglobin chemifch fehr fern flehendes Pigment, das Turbobrunin, welches die dunkelrothen

15] Phyfiologie der Farbftoffe und der Farben. 97

Gehäufe von Turbiden und Halioten tingirt, einfach in falz- faurer Löfung kui"ze Zeit gekocht, in BiHverdin übergeht^''). Diele Befunde lehren, daß das Biliverdin und vermuthhch auch alle fonfligen Gallenpigmente der AVirbelthiere nicht nothwendig aus Hämoglobin zu entftehen brauchen, fondern auch aus andersartigen Subftauzen hervorgehen können, während zugleich die Refultate einer anderen Reihe vergleichend phyfiologifcher Unterfuchungen lehren, daß ßch das Hämoglobin bei vielen Thieren (z. B. bei Planorbis, Lumbricus, Aphrodite) niemals in veritabele Gallen- farbftoffe transformirt, fondern im Organismus andersartig zer- fallen muß.

Das bei der Umfetzung des Hämoglobins in eifenfreie Farb- ftoffe (Hämatoporphmn, Gallenfarbftoffe, Hydrobilirubin) austretende Eifen verläßt bei den Säugethieren in der Galle und der Milch den Organismus und ift in diefen Secreten dm'cli Reagentien chrect nachweisbar, während z. B. der Harn niemals Eifenfalze in freiem Zuftande enthält. Eine ähnliche Abfpaltung von Eifen, wie ßch folche normal im Körper vollzieht, erfährt auch das Hämoglobin in Blutextra vafaten , welche in Folge deffen zu gelbbraunen eifen^ reiclien Infiltrationen Veranlagung werden ^'^). Bei den Vögeln fammelt fich das bei der Hämatoporphyrin- und Gallenfarbftoff- bildung aus dem Hämoglobin abgefplifTene Eifen oft reichlich in den Federn an; ])ei einem bosnifchen Lämmergeier fand ich in den durch Eifenoxydhydrat dunkelbraun gefärbten Federn, welches diefen durch verdünnte kalte Salzfäure fo gründlich entzogen wer- den konnte, daß die Federn nach der Salzfäureeinwirkung voll- kommen weiß erfchienen, nicht weniger als 4 5 "/o reinftes Eifen- oxyd {Fe,0,r').

Durch die Eigen fchaft, den Sauerftoff der Luft locker chemifch zu binden und den feilten bei einer Sauerftoffverarmung der Um- gebung an diefe wieder abzutreten, ift das Hämoglobin für den Wiri>elthierorganismus ein Kefpirationsftoft" /aT'sio/YJv. P^ür eine

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17] Phyßologie der Farl)Itoffe und der Farben. 99

vergleichende Betrachtuug der Refpirationsvorgänge der Thiere ift es nicht wenig günflig, daß auch manche andere in thierifchen Organismen als SauerJftoffüberträger fungirende Subflanzen, ganz ebenfo wie das Hämoglobin, fchon durch die Färbung allein ihren Gehalt an Sauerftoff errathen lalTen^-). Harlcß entdeckte einen, lieh dem Oxyhämoglobin in diefer Beziehung fehr ähnlich verhal- tenden blauen Farbftoff, das Hämocyanin, in der Hämolymphe von Mollusken, und durch meine Unterfuchungen wurde die Zahl derartiger Refpü-ationspigmente noch um ein Erhebliches vermehrt. Zu den Refpirationspigmenten zählen vornehmhch die Floridine ■^^) wie Fiori-

diin'.

(Hämer}i;hrin, Bugulapurpur, das kirfchrothe Pigment von Reniera purpurea, das Rofa der Hircinia variabilis und einiger Spon- gelia- wie Reniera-Arten), \'iolette bis purpurrothe Farbftoffe, welche in WalTer und Glycerin löslich, in den lipochromatifchen Löfungsmitteln dagegen unlöshch find, ohne aber von diefen zer- ftört zu werden. Sorbys Mittheilungen ■^^) zufolge würde das Aphi- (lin gleichfalls den Refpirationspigmenten einzureihen fein. Ich überzeugte mich aber zugleich, daß bei den, dem Hämoglobin functionell analogen Farbftoffen der Wirbellofen die refpiratorifche Action keineswegs fo einfach ift wie bei dem Hämoglobin, und wie fie auch für jene von mehreren Forfchern ohne Weiteres an- genommen war. Auf der hier nochmals zum Abdruck gebrachten Tabelle dürften die diesbezüglichen Complicationen auffällig genug li ervortreten.

Als venneintliche Hämatinverbindungen hat man noch meh-Aiisfbiiciic rere andere thierifclie Farbftoffe mit dem Hämoglobin in dii-ecter ^i'^,'"g["' Beziehung geglaubt, fo das Chlorocruorin I{aij-Lanl-('ßers^% einen rothen, kryftallifabeln Farbftoff des Lcberfecretes von Helix po- iiiatia (Helicorubin )■*'') und die fog. Dermochrome^^).

Die Angaben von Hay-Lankcäcr über das Chlorocruorin, fowio die üV)er das Helicorubin von Sorhy habe ich in vielen gi-a\dtireii- df-n Punkten berichtigen müiren, und auch die Anficht diefer Au-

Kruktuhtrg, Vergl.-phyfiol, Vorträge. 8

Dermo- clirome.

100 Grundzüge einer vergleichenden [18

toren, daß es fich bei diefen Pigmenten um refpirirende Stoffe handle, ift vollkommen hinfällig geworden, feitdem ich nachgewiefen habe, daß Ray-Lankelier' s Oxychlorocruorin und Er}i;hrocruorin ein und diefelbe Subftanz und, welche durch Schwefelammonium nicht zu reduciren iffc. Ebenfo erhellt aus meinen Unterfuchungen, daß das Helicorubin durch Schwefelammonium keine Reduction er- leidet, und nur die durch thatfächhch Beobachtetes fehr un- genügend genützten Vermuthungen, daß das Chlorocruorin durch Cyankalium und Schwefelammonium dasfelbe Reductionsproduct me das Hämoglobin, das Helicorubin bei der Oxydation durch Kaliumhypermanganat Hämatin liefern foll, bedürfen noch der Beftätigung oder, was fich vermuthlich eher ereignen wird, der Befeitigung.

Die Speculationen Mac Munn^ über feine fog. Dermochrome wären der WilTenfchaft licherlich ganz erfpart geblieben, wenn fich diefer Forfcher mit meinen ^,'4 Jahre vor feiner Publication erfchie- nenen Unterfuchungen bekannt gemacht hätte; fo entging es ihm aber, daß feine Dermochrome nur Gemifche von Lipochromen und Hämoglobin derivaten find. Daß Mac Munn aus der Haut von Hirudo medicinalis durch Digeriren und Erwärmen mit Itarker Natronlauge und nachherige Säurebehandlung fchheßlich Hämato- porphyrin erhielt, kann Den nicht Wunder nehmen, welcher weiß, wie weit fich bei diefem Wurme die Darmwülfte an die äußere Haut erftrecken, und wie fchwierig diefe zu präpariren ift; daß daneben Lipochrome {Mac 3Iunns Lutein) gefunden wurden, ift ebenfalls nichts Neues, da ich diefelben nicht nur bei Arthropoden und MoUusken, fondern auch bei Würmern und Echinodermen weit verbreitet fand. Ein gewiffer Werth ifl; in Mac Munns Arbeit nur den Angaben beizumelfen, daß auch aus dem Integumente von Uraster, Limax flavus und Arion ater durch fuccelfive Be- handlung mit kochender Kalilauge und verdünnter warmer Schwefel- fäure Hämatoporphyrin erhalten werden kann, was jedoch an Ge-

191

Phvfioloeie der Farbftoffe und der Far})en.

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102 Grundzüge einer vergleichenden [20

weben, welchen zuvor die Lipochrome voUItändig entzogen wurden, erft noch näher zu unterfuchen fein wird.

Eine mittelbare Beziehung zwdfchen den einzelnen im Vorher- gehenden abgehandelten Farbftoffgruppen ergab ßch mit Sicherheit nur für das Turbobrunin (durch das Biliverdin) mit den Gallen- farbfloffen einerfeits, und (durch das Hycbobilirubin) mit dem Hämoglobin anderfeits, eine directe für das Cyanokryftallin mit den Lipochromen; vielleicht exiftirt eine mittelbare Beziehung auch zwifchen den Lipochromen und dem Hämoglobin, nämlich durch die Lipochromoide, Melanoide und Melanine. Die fchema- tifch gehaltene Tafel auf S. 101 bringt diefe VerhältnilTe zum Ausdruck. Echtes uud Die Chlorophyllfarbltoffe betreffend, hatte fich in der bota-

falfches ^ "^ '

phyiigrto üifchen Literatur während der letzten Jahre der Unrath in einer fo enormen Weife angehäuft, daß es unmöglich war, auf Grund derfelben den Chlorophyllnachweis bei Thieren überhaupt nur zu verfuchen. Was von Unkundigen in diefer Richtung trotzdem unternommen wurde, mußte in feinen Refultaten nothwendig be- langlos bleiben. Aus den Unterfuchungen von Hanfen^^), welche den Ballaft aus der Literatur entfernten, die begangenen Irrthümer aufdeckten und der verdienffclichen Arbeit von Kraus wieder zu dem verdienten Anfehen verhalfen, ift der WilTenfchaft ein uner- meßlicher Segen erwachfen. Jetzt, wo durch Hänfen fertgeftellt wurde, daß das Chlorophyll ein Gemenge zweier Farbftofife, des Chlorophyllgrüns und eines Lipochromes, des Chlorophyllgelbs, ift, beide Beftandtheüe des fog. Chlorophylls kryftalhßrt erhalten, über das optifche Verhalten beider endgültig entfchieden und das Chloro- phyllgrün qualitativ wie quantitativ genau analyfirt werden konnte, dürfte es allerdings der Mühe werth fein, zu unterfuchen, inwiefern frühere Vermuthungen in Betreff des Vorkommens von Chloro- phyllgrün bei wirbellofen Thieren das Richtige getroffen haben oder auch nicht ^^). Abgefehen von pflanzlichem Paraßtismus und auf-

21] Phyfiologie der Farbftofle und der Farben. 103

genommenem pflanzlichen Chlorophyll, fcheint mir die Gegenwart echten Chlorophyllgrüns bei Thieren äußerft zweifelhaft. Sorhy und ich haben bereits dargethan, was Schenk vordem nicht ver- mochte, daß das Bonellein kein Chloropliyllgrün ift**'); ich zeigte fernerhin ^^), daß den grünen Infectenflügeln keine Chlorophyll- farbung zu Grunde liegt und daß die gegentheiUge Angabe von U. Pocldinfjtow^^) nm' darauf beruht, daß diefer Forfcher nicht die gefonderten Cantharidenflügel , fondern die ganzen Thiere mit Al- kohol extrahirte und weil der Darmtractus der Käfer in den aufgenommenen Efchenblättern unverändertes Chlorophyll ja in Menge führt fo nothwendig eine Chloroj)hylllöfung erhalten mußte. Ebenfo erklärt fich die, meinen Ergebniffen feltfamer Weife entgegengeftellte Angabe von 3£ac 3fiinn^^), welcher eine fpetro- fkopifche Aehnlichkeit zwifchen dem von den durchfcheinenden Raupen der Pieris rapae reflectirten Lichte und dem des Chloro- phylls beobachtet zu haben angibt. Ein eventuell gefehenes Chloro- phyllfpectrum kann in diefem Falle aljer niclit, wie 3Iac Mann annimmt, von den Pigmenten des Integumentes, fondern nur von unveränderten clrlorophyllhaltigen Maffen im Darmkanale der Raupe hergerührt haben. Schließlich wurde auch von mir die fchützende Färbung der zwifchen Tangen lebenden grünen Virbius-Artcn als nicht durch Chlorophyll veranlaßt erwiefen**). Befonders verdienft- Hch müßte es jetzt fein, das Antheagrün und die grünen Farb- ftoffe von Stentor, Raphidiophrys, Heterophrys, 8pon- gilla, Hydra viridis, Idotea viridis, Convoluta Schultzii, Mesostomum viride, Chaetopterus Valcnciennesii, Elysia viridis, Actaeon viridis, die chlorophylloiden Farbftoffe in den Leitern von Mollusken, Artlu'opodcn, AVürmorn und Ecliinodermen einer ebenfo gründliclien Unterfuchung zu unterwerfen, als die ift, M'clclie }ieut(j über da.s pflanzliche Chlorophyll vorliegt, und auf Grund dorfol))en das Chlorophyllgrün hier kurz charakterifirt werden foll.

104 Grundzüge einer vergleichenden [22

Das afchefreie Chlorophyllgrün befteht nach Haufens Analyfen aus 67.60 Th. Kohlenftoff, 10.50 Th. WalTerfloff, 5.34 Th. Stick- Itoff, 16.55 Th. Sauerftoff und enthält nur fehr minunale Spuren von Elfen, keinen Schwefel. Gleich den Lipochromen widerfteht es einer Verfeifung mit ßedender Natronlauge in wälTriger wie alkoholifcher Löfung und geht, wenn man bei der Extraction der Seife nach Kühnes Methode '^'^) verfährt, in den Aetherauszug über; es wüxl von Alkohol, Aether, fetten Oelen, Chloroform etc. in Löfung gebracht, gibt mit Waffer eine dunkelgrüne Löfung und löft fich auch in concentrhter Schwefelfäure mit fchön fmaragd- grüner Farbe, nicht aber in Schwefelkohlenitoff. Durch Salzfäure entfteht aus dem Chlorophyllgrün eine fpangrüne, in Aether un- löshche Salzfäm^everbindung, durch Chlor ein braungelbes Chlorid. Die den Löfungen des Chlorophyllgrüns zukommende blutrothe Fluorescenz fehlt der feiten Subltanz, welche Dichroismus zeigt. Die Lichtempfindlichkeit des Farbltoffes ift befonders beträchthch in wäffriger Löfung und in Chloroform. Salpeterfäure lölt das Chlorophyllgrün chamoisfarbig ; roth fluorescirend ilt die im übrigen gleich gefärbte Löfung diefes Körpers in Aether. Das Spectral- verhalten der Umwandlungsproducte durch Salzfäure, Schwefelfäure oder Salpeterfäure ilt von dem des unveränderten Chlorophyllgrüns nm' clm-ch eine Lageverfchiebung der Abforptionsbänder gekenn- zeichnet.

Auf die zm- Zeit wohl noch keineswegs ganz außer Frage gelteilte Symbiofe von Thieren und einzelhgen Algen hier näher einzugehen, muß überflülTig erfcheinen, weil diefer Gegenltand von K. JBrandt^^) erlt ganz klnzlich mit großer Ausführüchkeit behan- delt wurde. Nur glaube ich ausdrücklich hervorheben zu foUen, daß fämmtliche in Brandts fonll fo verdienltvoller Arbeit heran- gezogenen, vermeintHchen Chlorophyllnachweife bei WirbeUofen durchaus nichts befagen, und daß es unltatthaft ilt, die Verdienlte von Geddes durch die Bemerkung abzufchwächen : «Da aber fchon

23] Phyfiologie der Farliltofte und der Farben. 106

längft durch 3Ia:c ScJiiilfze das A^orkommen von echtem Chlorophyll hei Turbenarien und anderen Thieren fichergeftellt, und auch fpäter durch SorJtif und Andere auf fpectrofkopifchcm Wege echtes Chlorophyll in Thieren nacligewiefen war, fo hatte das Ergebniß der Unterfuchung von Geddcs nichts Ueberrafchendes. » Auch Efigchiicuni foll durch feine «forgfältigen Unterfuchungen» dargethan liaben, daß der «goldgelbe» (!) Farbftoff der Acanthometridcn Chlorophyll ift. Capramca hatte feiner Zeit die Farbe des Hühner- eierdotters in eine fchön fehrothe und die Spectren der Auszüge von Eigelb in die von Extracten aus Hühneraugen verwandeln können'*'), warum vermöchte alfo nicht auch Eugelmann in einem goldgelben Pigmente ein fmaragdgrünes zu erblicken? Ich wieder- hole hier, was, wie es fcheint, zwar nur Wenigen zu hören ange- nehm ift, daß chlorophyllähnliche Stoffe (Enterochlorophyll Mac Munnii) von mir auch im Lebergewebe zahlreicher Mollusken-, Arthropoden-, Würmer- und Echinodermenfpecies aufgefunden find, und daß pflanzliches Chlorophyllgrün durch eine zweckentfprechende Farl^ftoffanalyfe bislang noch bei keinem einzigen Wirbellofen nach- gewiefen wurde. Jeder Sachkundige wird zugeftehen muffen, daß es ohne lehr forgfältige und eingeliende Unterfuchungen ganz un- mr»glich ift, manche veritabelc Thicrpigmente (z. B. Bonellein und die zahlreichen Hepatochrome) von dem Chlorophyllgrün mit feinen Zerfetzungsproducten auf hgend einem Wege durch Behandlung mit noch fo vielen Keagentien oder auch fpectrofkopifch zu uiiterfcheiden; auf einer großen Literaturunkenntniß beruht es zwar, wenn Mac Mumi glaubt, icli ha1)e den chlorophylloiden Farbftoff der gel])en Zellen bei Anthea viridis mit dem Antliea- grün verwechfelt; bin ich docli der Erftc gewefen, welcher l)eide Farbftofie nicht nur unterfchied, fondern fie auch von einander tn-imcii lehrte^**).

Zu der Annalime, daß die gelben ]i[)oclii'()iii;itirclieii rilaii/.en- ^'•'J.'/^'J,,'^."'^ farbftofft.- (z. I>. das C'bloro[)hyllgelb, di(!gell)en liliitlieiifaiMlolfe etc.) luiiiiiöni-.

106 Grundzüge einer vergleichenden [24

direct aus dem Chloropliyllgrün hervorgegangen lind oder zu diefem in irgendwelclier chemifchen Beziehung ftelien, refp. daß fie unter Aufnahme von Stickftoff und gleiclizeitiger Abgabe von WalTerltoff und Sauerltoff in Cliloropliyllgrün übergelien können^^), hegt gegen- wärtig gar kein Grund vor; wir wilTen vielmelir, daß ßcli Lipo- chrome aucli in den Geweben der Thiere, felbffc nocli bei Vögehi und Säugern felbftändig bilden, daß üe in chemifcli ganz anderen Subrtanzen als das Chlorophyllgrün ilt, vorgebildet fein können. Eine gleiche Unabhängigkeit vom Chlorophyllgrün documentiren auch die gewöhnlichen, hn Zellfaft gelöJften rothen, blauen wie violetten Blüthen- oder Fruchtfarbltoffe, welche als Erytlii'ophyll, Anthocyan, Cyanin, Oenolin etc. bezeichnet wurden. Die blauen und violetten Farbrtojffe gehen durch Säuren in den rothen über, und der rothe wird durch Eifenvitriol wie durch wenig Natriumphosphat violett, auf reichlichem Zufatz des Natriumfalzes aber blau. Alkalien färben die rothen Löfungen grün, beim nachherigen Neutralifiren mit hgend einer Säure kehrt aber das urfprüngliche Roth unverändert zurück ^°). Ein farblofes Chromogen im Blattparenchym der Aloearten geht, wie Hänfen nachmes ^^), unter Walfer- und Sauerftoffaufnahme in ein rothes Pigment über, welches mit dem Violettroth vieler Früchte völhg übereinftimmt. Die Umwandlung diefes Chromogenes in den rothen Farbfloff erfolgt bei Anwefenheit von Waller und Sauerltoff noch nach vorausgegangenem, mehrere Stunden unterhaltenem Trock- nen des Blattparenchyms bei 150^ C, nicht aber in kaltem oder lie- deiidem Alkohol; ein in Walfer gegolfener alkohohfcher Auszug des Parenchyms färbt fich aber gleichfalls roth, was beweill, daß das Chromogen durch den Alkohol nicht zerltört, fondern durch diefen nur an einer Walferaufnahme verhindert w^urde. Aus diefen wich- tigen Beobachtungen folgt die Unabhängigkeit des Entflehens der rothen Pflanzenfarbltoffe von der Anwefenheit des CUorophyllgrüns. ^iSiii-"^ Subltanzen der Indigogruppe 5^) finden fich bei Pflanzen wie ftoffe. bei Thieren. In den fauren Säften mehrerer Pflanzen, welche

25] Phyüologie der FarbftaÜ'e und der Farben. 107

Indigweiß nicht zu löfen vermöchten, findet üch nach SrhancJi ein Chromogen von Glykofidnatur, das Indican (CoeHgiNOi^), welches lieh durch verdünnte Säuren und Fermente leicht in Indigblau ^ (C16H10N2O2) und Indiglucin (C^HioOg) fpaltet. Specics der ver- fcliiedenften Pflanzenfamilien werden zur Indigobereitung verwandt und auch aus vielen anderen, darauf noch nicht genauer unter- fuchten Pflanzenarten läßt fich ein dem Indigblau ähnlicher, viel- leicht damit übereinftimmender Farbflioff" gewinnen.

Im Harne der Säugethiere findet fich oft in reichlicher Menge das fogenannte Harnindican, d. i. indoxylfchwcfelfaures Kahum (CgH^NSOJv), hervorgegangen aus reforljirtem Indol (CgH^N), einem Zerfetzungsproducte der Eiweißkörper bei dem Fäulnißvorgange im Darmkanale, und ganz analog dem Indol crfcheint das homolog conftitunte und glciclifalls bei der Eiweißfäulniß entflandene Skatol (C.jH,N) als fkatoxylfchwefelfaui'es Kalium (C.HgNSOJ^:) im Harne wieder.

Dem Indigblau verwandt oder damit identifch fchien lange der dunkelpurpurrothe Farbfloff", welcher fich am Lichte, unab- hängig vom Sauerfi^off" der Luft, aus einem Chromogene in dem Mantelfecrete von Purpura lapillus und P. patula bildet. Diefer Farbfloff", der Purpur der Alten, Schundes Punicin ifi in Waffer, Alkohol und Aether unlöslich, in liedendem Benzol wie fiedendem Eisefiig in geringem Grade und in heißem Phenol wie in kochen- dem Anilin fehr leicht lö.slich. Jjctztere Löfung zeigt einen breiten Al)forptionsftreifen zwifchcn C und D. Das Punicin fublimirt bei VMV' C. in fcliönen, metallglänzenden Kryftallen, deren Ränder tief indigblau gefärl>t lind, löil licli in conc. Schwefel lau re, bildet aber keine Sulfolaure, wodurcli es vom Indig])lau abweicht. Die Schwefcl- Täurelöfung zeigt einen A))forptionsftreifen zwifchen D und E, wiid durdi alkalifdie Zinnoxydullöfung reducirt, der Farbfloff' iallt aber uu.s diefer Löfung an der Luft wieder aus. Hali)etei-fäui'c und Chromfäure greifen das Punicin auch in der Wärme lun- langCam

108 Grundzüge einer vergleichenden [26

an, Brom verwandelt es in einen, in gelben Nadeln kryftallißrenden, in Alkohol löslichen Körper. Schmiele vermuthet, daß das Punicin ein fonfl noch unbekanntes Ghed der IndigogrujDpe ift.

Der violette Körper, welcher fich unter Lichteinwirkung aus einem gelblichen Chromogene in dem Purpurdrüfenfecrete mehrerer Muriciden bildet, belteht nach Ä. und 6r. de Negri bei Murex trunculus aus zwei Farbltoffen, deren einer Indigo fein Toll, welchen diefe Forfcher daraus abgefchieden haben wollen. Diefe Schluß- folgerung befindet fich im Widerfpruche mit den Angaben von Bizio, denen gemäß der Purpur von Murex dmTii conc. Schwefel- fäure nicht angegriff'en, durch conc. Salpeterfäure goldgelb gefärbt wird. Nach JBi.do der Farbfiioff in Alkohol, Aether, Waffer, verdünnten Samten und kalten Alkalien unlöshch, nur kochende Kalilauge färbt er gelbhch. Mir gelang es aus dem Purpur fafte von M. trunculus (in einem gewiffen Stadium feiner Umfetzung) eine wäßrige violettblaue Farbltofflöfung zu erhalten, deren Spec- trum ein breites Abforptionsband vor und um E zeigte. Näheres ift über den Muricidenpurpur nicht bekannt geworden. Angebliche Aucli natürliche Anilinfarbftoffe •^^) will man im Thierreiche

Aniliiif'arb-

Äoffe. aufgefunden haben. Nach 0. Erdmann foll das carminrothe Pig- ment, welches Monas prodigiosa auf ftickftofi'h altigen Nahrungs- mitteln bildet, nur in feinem Verhalten gegen Salzfäure vom Ros- anilin abweichen. Durch die Güte des Herrn Dr. G-. Ffeffer erhielt ich kürzlich Rahm, welcher von diefem Schizomyceten befallen war, und überzeugte mich, daß der Farbftoff in Waffer unlöshch, in Aether wie Alkohol dagegen leicht löslich ift. Die alkoholifche Löfung wurde durch Alkalien entfärbt, beim Neutralifiren mit Salzfäure das Pigment aber regenerirt. Im trocknen Zuftande färbte fich der Farbftoff" mit conc. Schwefelfäure vorübergehend purpur\iolett, mit ftarker, roher Salpeterfäure anfangs gelblich, fpäter verfchwand die Färbung ganz. Das Spectrum der alkoho- lifchen Löfung zeigte drei Abforptionsbänder: eins hinter D, ein

271 Phyüologie der Farbltoffe und der Farben. 109

zweites unmittelbar vor E und ein drittes vor F. Da nun das Fuchfin ein nur einbänderiges Spectrum liefert, der in der Mitte von D und E lagernde Streifen fich mit zunehmender Concentra- tion, befonders nach dem violetten Ende des Spectrums hin rafch verbreitert, fo ift der rothe Farbftoff von Monas prodigiosa un- möglich damit identifch.

Erdmann wies ebenfalls darauf hin, daß die Blaufärbung der von Vibrio cyanogenus befallenen Milch auf einem Farbltoffe beruht, welcher in feinen Reactionen fpeciell demjenigen Anilinblau gleicht, welches A. W. Jlofuiann als Triphenylrosanilin betrachtet. Mh" hat fich mehrfach Gelegenheit geboten, diefen Vibrionenfarb- ftuff auf Leichentheilen , feucht gehaltenem Fibrin zu beobachten und zu unterfuchen. Die Uebereinftimmung desfelben mit einigen Anilinfarbftoffen ift eine auffallende, auch fein fpectrofkopifches Verhalten weicht nur darin von dem Anihnblau ab, daß das Ab- forptionsband um D bei dem ^"ibrionenblau ein wenig mehr nach dem violetten Ende des Spectrums verfchoben ift als bei irgend einem der von mir geprüften Sorten von Anilinblau. Ob es lieh bei diefem blauen Vibrionenpigmente jedoch thatfächlich um einen Farbftoff aus der Triphenylmethan-Gruppe handelt, vermag nur die Elementaranalyfe desfelben endgültig zu entfcheiden.

Auf Grund weniger, nichtiger Reactionen behauptete M. Ziegler, daß die gefärbte FlüfTigkeit, welche Aplysia depilans abfondert, eine concentrirte Löfung von Anilinroth und Anilin\aolett fei. Er gibt an, daß lieh die gefärbte Löfung fehr leicht zerfetzt; fälle man aber den Farbftoff durch Schwefelfäure und nochmals aus der alkoholifchen Löfung duirli Kochfalz, fo werde eine Sul)ftanz gi'woimeii, die lieh durch concentrirte Schwefelfäure in ein fchöncs Blau verwandele, beim Lölcn in Waffer aber wieder violett werde {Zirf/lc/ii Anilinviolett). Der bei der Kochfalzfällung in Löfung ))leibende Farbltoffdurch Gerl)fäure abgefchieden, Ibllte (wieFuchlin), durch Ammoniak entfärijt, durcl) EHigfäure wieder geröthet werden.

HO Grundzüge einer vergleichenden [28

Die Farbftoffe im Aplyüafecrete find auch von Mofeley und Mac Miinn ftudirt worden. Mofeley s Apiyfiopurpurin ifl ein Pur- purfarbJftoff, deJTen alkoholifche Löfung ein fehr dunkles Band zwifchen b und F zeigt, das ficli über E hinaus in ein fchwächeres fortfetzt. Beim Anfäuern wird die Löfung fchön \dolett und zeigt dann drei Spectralbänder, indem ßch das fehwarze zwifclien b und F in unveränderter Lage erhält, und an Stelle feiner fchwächeren Verbreiterung nach dem Roth zu zwei neue Bänder auftreten, ein fchmales unmittelbar vor D und ein breites in der Mitte von D und E. Nach Mac Munn löft fich der Aplyßapurpur (ficherlich ein Farbftoffgemifch ! ) in Walfer, Alkohol, Aether, Chloroform, Schwefelkohlenitoff und zeigt in wäJTriger, alkoholifcher, ätherifcher Löfung wie auch in Chloroform ein ähnliches Spectralverhalten (ein Band vor D und zwei breitere vor E und vor F), welches aber von dem des Apiyfiopurpurin Mofeley^ immerhin erheblich abweicht. Durch Natronlauge wird die alkoholifche Löfung fchwach blau oder grün, und in dem Spectrum der Löfung zeigt ßch nur das Band vor D erhalten. EIßgfäure, Salzfäure, Schwefelfäure wie Salpeterfäure färben die alkoholifche Farbftofflöfung violett, welche dann ein breites, dunkeles Band um D bis E und ein fchwächeres vor F aufweift. Mofeley unterfuchte Aplyßen vom Cap Vincent und von den Cap -Verdif eben Infein, Mac Munn folche von der Weftküfte Lrlands, woraus ßch vielleicht einige Differenzen in ihren Ajigaben erklären. Die fpectrofkopifchen ünterfuchungen iDeider Forfcher lehren indeß übereinftimmend, daß bei der- Färbung des Aplyßafecretes keine Anilinfarbftoffe in Frage kommen.

Die thierifcheu Färbungen entftehen in allen bislang betrach- teten Fällen einfach in Folge der durch die in den Geweben depo- nirten feflen Farbftoffe oder Farbftofflöfungen erfolgenden Abforption einzelner Strahlengattungen des in die Gewebe eindringenden Lichtes. Fallen die nicht abforbuten Lichtbeftandtheile durch die farbftoff- haltigen Gewebe hindurch, fo erfcheinen diefelben farbig durch-

29] Phyüologie der FarbftoÖ'e und der Faiben. 111

ßchtig, M'erden diefelben dagegen zurückgeworfen, fo erfcheinen lie farbig undm-chfic-htig. Beide Male rührt die Körperfarbe von den, bei der Abforption übrigbleibenden Beftandtheilen des weißen Lichtes her , und da in dem zurückgeworfenen Lichte diefelben Strahlengattungen fehlen \ne in dem dm-chgelalTenen, nämhch die in den oberßen Schichten abforbü'ten, fo muß ein farbig durch- fichtiges Gebilde im durchfallenden Lichte chefelben Farben zeigen ■wie im reflectü-ten. Die Farbe wechfelt hierbei weder miter ü'gend einem Winkel des einfallenden Lichtes, noch des die Farbe perci- pirenden Auges. Nur die Oberflächenbefchaffenheit der überliegen- den durchfichtigen Gewebsfchichten modificirt die Färbung infofern, als bei rauher Oberfläche die Farben mehr oder weniger matt find, -bei glatter hingegen mehr oder weniger glänzend und gefättigter erfcheinen.

Die FäUe, wo den thierifchen Färbungen ein Farbfloffkörper zu Grunde Hegt, find zweifellos die theoretifch emfachften; außer diefen fog. objectiven chemifchen Abforptionsfarben, durch welche JJ/,^^^*/^]',^' fämmtliche fchwarze und braune, die rothen, orangenen und gelben Farbentöne meiftentheils be^^ii-kt werden, kommen, abgefehen von den Fluorescenz- und Phosphorescenzerfcheinungen, bei einer ver- gleichenden Chromatologie der Organismen aber auch noch die objectiven und fubjectiven Stmcturfarben ^^) in Betracht, welche, ausgenommen wenige zweifelhafte Fälle, im durchfallenden Lichte ftets andere find als im auffallenden. Gerade die brillanteften Tliierfarben beruhen fehr liäulig nicht (oder nicht hauptfächhch) Muf cler Gegenwart eigen thüinlicher, vermöge ihrer chemifchen Natur farbiger Stoffe, fondem auf befonderen Structurverhältniffen (Faferung, Streifung, eingefchloffene Lufträume u. f w.), weshalb fie auch flurch rein mechanifche Eingriffe (Quetfclien, Hämmern, Pulverifiren) verändert oder aufgelioben werden, chemifchen Agcn- tien gegenüber, foweit die Structurverhältniffc dadurch keine Ab- Jinderung erfahren, dagegen wid<Tn<'li<ii. Xirgcnds in der ganzen

112 Grunclzüge einer vergleichenden [30 I

Thierreihe treten die Structurfarben in einer lolchen Mannigfaltig- keit und fo überrafchend in ihrem Effecte auf als am Gefieder der Vögel, an welchem wir diefelben deshalb auch vorzugsweife erläutern wollen. ^

Die objectiven Structurfarben unterfcheiden fich dadurch von den fubjectiven, daß erflere in keiner Weife von der Lage des Auges oder der auffallenden Liclitftrahlen abhängig find, während die fubjectiven Structurfarben unter diefen beiden Verhältnillen wechfeln.

Der einfachfte Fall einer objectiven Structurfarbe ift das reine "Weiß, welches durch einen, dem Gewebe eingelagerten undurch- Tichtigen Körper hervorgerufen wird, der alle Beflandtheile des auf ihn fallenden Sonnenhchtes in hohem Betrage und in gleichem Maße zurück-wdrft, wie fie in dem Sonnenlichte enthalten und, der alfo nur kleine Beträge davon abforbirt. Derfelbe Effect wird oft (z.B. in allen weißen Federn, den weißen Haaren) dadurch erzielt, daß die Gewebe von Lufträumen durchfetzt werden, bisweilen fo reichlich, daß die feiten Gebilde auf ein zartes Mafchenwerk reducirt find.

Viele weiße Färbungen von Thieren find als AnpafTungser- fcheinungen gedeutet, andere als zweckmäßig für das darüber ver- laufende Chromatophorenfpiel befunden worden. In der That ließe fich außer dem amorphen Calciumcarbonat kaum eine, in thierifchen Zellen auftretende Subftanz ausfindig machen, welche wegen ihrer kreidigen, undurchflchtigen Befchaffenheit einen paffenderen Unter- grund für ein Spiel von Farbftoffzellen abgeben könnte als das Guanin^^), welches Epidermiszellen bei Fifchen, Amphibien und Reptilien oft fo malTenhaft erfüllt. Einer Verallgemeinerung diefer Idee fteht aber die Thatfache entgegen, daß bei vielen Thieren {Batrachier, Schlangen) vornehmlich die untere Körperfläche guanin- haltig ift, nicht die Schaufeite, an der doch allein der Farben- wechfel wirkungsfähig werden könnte. Wie die kreidigen Par-

I

31] Phj'fiologie der Farl)ftofl'e und der Farben. 113

tieen in der Haut bei Ranpen zu Stande kommen, wifTen wir noch nicht mit Beftimmtheit anzugeben, nur foviel fleht feft, daß diefelben nicht, wie Loydig glaubte, auf Guanineinlagerungen berulien^*^).

"Während das reine Guaiiin die Hautdecke der Batrachier, Reptilien und Selacliier flellenweife in einen undurcliliclitigen weißen Mantel verwandelt, auf welchem die Chromatophoren oder Chro- matoblaften ihr Spiel treiben, verleilien feine Kryltällchen von Guaninkalk der äußern Haut von Knochenfifchen den prächtigften Silberglanz. In der Cephalo})odenfklera lind es fpindelförmige Krvflalloide deren chcniifche Natur noch nicht aufgeklärt, fon- dern nur l)ewiefen wurde, daß fie weder aus Uraten noch aus Guanin beliehen-'''), Avelche einen fehr ähnlichen Eindruck her- vorrufen. In wie weit diefer Silberglanz auf Interferenz oder auf totaler Reflexion beruht, wo alsdann der Guaninkalk ähnlich den mit Luft erfühlen Poren an der Unterfeite der Hydrophiliden, Dyticiden und der Hydrometra wirken würde, bedarf wohl noch eingehenderer Unterfuchungen.

Zu den objectivcn Structurfarben zählt fernerhin das helle bis dunkele Blau vieler Vogelfedern (Irena puella, zahlreicher Psit- tacidenfpecies, Pitta moluccensis etc.) und nackter Hautllehen bei Vögeln (z. B. bei Casuarius) wie bei Säugethieren (z. B. beim ^hlndri^). Das pbyfikalifche Zuftandekommcn der intenliven Blau- färbung in den Hauttheilen wurde noch immer ganz uuuntcrfacht gelaffen, und wie diefe Färbungen durch die vielfachen Abforp- tionen und Brechungen, welche die das Gewebe treffenden Licht- flrahlen bis zum Eintritl in die fclnvarze Pigmentlage oder in iiiifer Auge erfahren, in den Federn der Vögel entlieht, ifl äußerft fchwer, all<T W'alirfchcinnchkcil nacli ganz miiiKighcli zu erklären. Wir wiircii iiui-, daß in aHen derartigen Federn der l)laue Farben- ton genau an der Stelle einfetzt, wo fich über (he, llets zu unterft liegende fchwarz(! rcfp. l)rauiu! I^igmentlage eine Schiclit von pris- malifchen oder kugiiHgcu Hohh'äumen (als l'c'iiiail zuerfl; von 7'Vf;f/V>

114 Grundzüge einer vergleichenden [32

befchrieben und als große polygonale Zellen mit gefärbten Kernen gedeutet; Gadow's prismatic cells oder prismatic columns) fchiebt; meifl zeigt fich die Blaufärbung auf die Federäfte befchränkt, welche an diefen Stellen jeder weitern Veräftelung und der Anhänge entbehren, dafür aber breiter und flacher w^erden.

Einige thierifche FlüIIigkeiten und durchfcheinende Gewebe zeigen im durchgelalTenen Lichte einen mehr gelblichen oder röth- lichen, im auffallenden Lichte dagegen einen bläulichen Farbenton. Diefe Farbenerfcheinungen beruhen nach BrücJce und Heimholte darauf, daß das Licht unter diefen LTmftänden ein mit fehr kleinen Theilchen erfülltes Medium paüirt; das auffallende ■weiße Licht wird dann nicht gleichmäßig zurückgeworfen, weil die Lichtwellen der verfchiedenen Strahlengattungen ja bekanntlich verfchieden groß und je kleiner diefelben und, defto bedeutender auch die relative Größe jedes Theilchens, auf das die Lichtwelle auffällt, und delto größer demnach auch die Reflexion fein muß. Im zer- ftreuten Lichte fehen wir deshalb das Blau überwiegen und das durchgelalTene Licht wird da, wo von ihm nur eine kurze Strecke in dem trüben Medium zurückgelegt wurde, gelblich erfcheinen.

Li vielen, ftellenweife blauen Papageienfedern liegt (unter Bei- behaltung der deil blauen Federn charakteriftifchen Textur) über der fchwarzen Pigmentfchicht ein gelb gefärbtes Horngewebe, wo- durch die Feder einen, im auffallenden Lichte rein dunkelgrünen Farbenton bekommt. Alle gelben Federn, mögen diefelben ein gelbes Pigment enthalten oder nicht, zeichnen üch nach Gadotv's Unterfuchungen durch eine fehr feine Längsftreifung ihrer Ober- fläche aus, bei der die einzelnen Erhabenheiten mehr oder weniger parallel zu einander flehen und als gerade verlaufende Linien er- fcheinen. Häufig beruht die Gelbfärbung von Federn lediglich auf einer folchen Längsftreifung; fo z. B. bei den, im auffallenden Lichte gelb, im durchfallenden farblos erfcheinenden Federn von Pitta, bei welchen die Längswülfte nur um ca. 0.0015 mm von

33] Phyfiologie der Farbftofle und der Farben. 115

einander abftehen. Die \T.olette Färbimg gewilTer Federn (z. B. bei Aethopyga und Sturnus) liegt in ähnlicben VerhältnifTen be- gründet, jedoch ill bei diefen die Riffelung eine viel feinere als bei den gelben Federn, und die leiftenförmigen Erhebungen fclieinen auch nicht geradlinig zu verlaufen.

Nach Gadoiv's Unterfuchungen kommt auch das Grün bei den meißen gi-ünen Federn nicht als Mifchfarbe eines gelben Pigmentes und eines durch die Textur bedingten Blau zu Stande, fonderii durch eine andersartige Structur. Die grünen Federn beützen. gewöhnlich eine glatte Oberfläche und z^^'ifchen den durchlichtigen, äußeren Zellenlagen und dem bald gelben, Ijald braunen oder nelkenfarbigen Pigmente in der Tiefe befindet üch ein Syflem von Streifen und feinen Grübchen. Je regelmäßiger und paralleler die dadurch entfhehenden Furchen angeordnet find, delto mein* foU das Grün in's Gelbe übergehen. Da pigmentfreie grüne Federn unbekannt find, lieh aber bei allen die eigenthümhche Zwdfchen- ftructur findet, fo wnd man nach Gadow niclit annehmen können, daß das Grün oder em eventuelles Blau rein in der Textur be- gründet Hegt, fondem daß vielmehr die Federn das von dem gelben Pigmente ausgehende Licht dem Grün zu brechen. Vergleiche ich indeß die Zeichnung einer folchen grünen Feder in der Abhand- lung Gadow s mit den von mir eingehender unterfuchten blauen Federn der Irena puella, fo kann ich niclit zugeben, daß ficli beide Federn in ihrer Structur erheblich unterfcheiden. Durch ähnliche Lichtreflexe wie in den Federn entfteht zweifellos auch die grüne Hautfarbe der Amphibien (z. B. bei Rana, Hyla ar- borea) und Reptilien (Charaaeleo, Ijacerta etc.).

0]> die Vjlauen Farbentöne, welche man oft in felir intcnfivem Grade und ohne begleitendes fchwarzcs Pigment an Mollusken- fchalen (z. B. l>ei Mytilus edulis, Cypraea moneta) auftreten fieJit, welche fich aber weder bei durchfallendem und in verfchie- denen Richtungen auffallendem Lichte, noch wenn die Gehäufe

Krukenhtnj, VcTgl.-phyliol. Vortrüge, 0

116 Grundzüge einer vergleichenden [34

ZU Pulver zerJftoßen lind, ändern oder gar verfchwinden, ebenfalls nur in der Structiu' des Gewebes begründet liegen, vermag die wilTenrchaftliche Optik unferer Tage wohl kaum zu entfcheiden. Mir gelang es nicht, mich in diefen Fällen von der Anwefenheit eines Farbftoffkörpers direct zu überzeugen, gefchweige denfelben aus den Schalen zu extrahiren, wobei allerdings eine vorherige Befeitigung der Kalkfalze durch Säuren nicht umgangen werden konnte.

Die fubjectiven Structurfarben find folche, welche wechfeln mit der Stellung des einfallenden Lichtes und des beobachtenden Auges. Diefe zerfallen in zwei Gruppen, 1) in die Interferenzfarben und 2) in die prismatifchen Disperfionsfarben.

Die Interferenzfarben werden hervorgebracht durch eine äußerft feine Streifung oder auch durch fchichtenweifes Abwechfeln von dünneren und dickeren Gewebslamellen refp. von zarten Häuten und eingefchloITenen Lufträumen. Die metallifch glänzenden Farben der Schlangenfchuppen, der Schmetterlingsfiügel , der Schwing- plättchen bei den Rippenquallen, der Calyptren einiger Käfer (Cur- culioniden, Hoplia farinosa) verdanken einer feinen Streifung ihre außergewöhnhche Farbenpracht. Sehr fchön zeigen lieh «die Farben der geftreiften Oberflächen» am fog. Perlmutter der Mol- luskenfchalen. Hier find es ausnehmend dünne Lagen, welche, wenn man üe beim Poliren der Schale durchfchneidet, ihre Ränder und dazwifchen die für das Zuflandekommen der Interferenz- erfcheinungen erforderlichen kleinen und regelmäßigen Furchen zeigen. BrewRer lieferte den entfcheidenden Beweis, daß das Iri- liren des Peiimutters dem mechanifchen Zultande der Schalen- oberfläche zuzufchreiben iit, dadurch, daß er ein irifirendes Schalen- ftück in fchwarzes Siegellack abdrückte, worauf diefes mit den Furchen auch die Farben des Peiimutters wiedergab.

Als Interferenzfarben betrachtet Brücke auch das an den Edel- opal erinnernde Opalifiren der Haut von Cephalopoden, welches

35] Phyßologie der Farl)IloftV und der Farben. 117

unter den mittelläudifelien Species befonders fchön an Sepiola Rondeletii beobachtet werden kann. «Es ift mir nicht zweifelhaft», fagt BrücJce, «daß diefe Farben Interferenzfarben dünner Blättchen lind. Erftens fpricht dafür der außerordenthche Glanz und die Lebhaftigkeit der Farben, und zweitens der Umitand, daß alle Farben, welche hier vorkommen, einer beftimmten Abtheilung der Farbenfcala entnommen und; es fmd nämlich keine anderen als die des dritten Xcnion'Mien Ringfyftemes, w^elche vom Violet auf- wärts bis zum Roth vollftändig und in allen Abftufungen vertreten find. Xamentlich waren an meinem Exemplare häufig l^laue, meergrüne, grasgrüne und gelbgrüne Fhttern. Man nuiß lieh er- innern, daß, wenn väi mit unferen zufammengefetzten Mikrofkopen die Gegenftände bei durchfallendem Lichte unterf neben, unfere Netzhaut kern Bild derfelben im gewöhnhchen Sinne des Wortes empfängt, fondern der Schatten des Objects auf lie geworfen wii'd. Wenn ]um aucli der Effect der Beugung bei größeren Gegenftänden fo gering i(t, daß er nicht wahrgenommen Avird, fo kann er doch bei einem fo kleinen Objecte, wie das in Rede fi;ehende, die op- tifchen Eigcnfchaften desfelben fehr wohl verdecken. Vielleicht mochte auch die Intenfität der im durchfallenden Lichte inter- ferirenden Wellenzüge fo verfchiedeii lein, daß die Farbe an fich imr fehr fchwach ausfallen konnte. Deshah) iah man die Flittern, wenn fie von unten beleuchtet waren, nur als einzelne helle, matt gelbliche oder bräunUche Punkte, von einem dunkleren Rande nmgel^en.» P^ine Nachforfchung über das Entftehen der irifirenden l'arben an der Haut von Sepiola Rondeletii haben mir^^) indeß ■zeigt, daß diefclljen nicht, wie Uriich-f will, (luicli zahllofe, fehr kleine, der Haut eingeftreute FUtterclien, Ibudciii (liiicli eine feine Ritt'elung von Zellen bewirkt wei'dcn, und diele JM'fclieiuungen loniit iilivfikalilch ganz die nändichen lind, wie an den .Scliup})en 'ler Sdilangeii, Lej)idoi)teren und TJurculioniden.

Die Scliillerfarben weißer und grauer Federn (z. J>. beiTau!>en),

9*

118 Grundzüge einer vergleichenden [36

welche fich beim Uebergange von der fenkrechten zur ftreifenden Incidenz von Roth in Grün oder von Grün in Roth ändern, und, wenn man die Feder (am heften mit Alkohol) benetzt, verfchwinden, beim Trocknen aber wiederkehren, hält Brüclie für Farben dünner Blättchen, welche als folche durch zwei Reflectionen hervorgebracht werden, von denen die eine beim Uebergang von Licht aus der Luft in einen feiten Körper, die andere beim Uebergang von Licht aus einem feiten Körper in Luft entlieht. Auch die Schillerfarben beim Chamäleon- entliehen nach Brücke wie die Farben der Newton - fchen Ringe; «bei diefen ill der Ablland der refiecthenden Flächen fehr ungleichmäßig, fodaß das Mikrofkop an einer und derfelben Zelle immer mehrere Farben gleichzeitig nachweill. An den Tauben- halsfedern ift dies in geringerem Grade der Fall, fo daß eine Farbe Ilets die Hauptfarbe ill, neben der nur hier und da andere auftreten. Für die mikrofkopifche Unterfuchung, bei der zunächll die Strahlen in Betracht kommen, die mit dem Einfallslothe verhältnißmäßig kleine Winkel machen, ill die Hauptfarbe des auffallenden Lichtes bei den meillen Zellen grün, die des durchfallenden roth».

Weit refervirter äußert lieh Brüclie über das Zultandekommen des Metallglanzes an den Pfauenfedern. Diefe Federn «verlieren durch Benetzen ihre Schillerfarben nicht, ja felblt durch Kochen in Terpentinöl werden lie nicht zerftört, fondern nur in Glanz und Farbenton etwas verändert; legt man das mit dem fog. Auge verfehene peripherifche Ende einer folchen zwifchen fich und eine Lichtquelle horizontal auf eine Unterlage, die fich um eine verti- cale Axe dreht, fo wird man finden, daß die Farben durch alle Phafen der Drehung diefelben bleiben; hebt oder fenkt man aber die Feder, dann ändern fich die Farben fofort; fie find alfo unab- hängig von der Orientirung und nur abhängig von der Incidenz. Beim Uebergange aus der fenkrechten in die Ilreifende Incidenz verändert fich Grün durch Blau in Purpur und andererfeits Kupfer- roth in Grün». Brücke verfuchte, diefe Erfcheinungen ebenfalls

37] Phyfiologie der Farbftoffe und der Farben. 119

nach dem Princip der dünnen Blättchen zu deuten; ich muß je- doch dagegen einwenden, daß nach Entfernung des fchwarzen Pig- mentes durch Kahumchlorat und Salzfäure die metallglänzenden Partieen der Pfauenfedern (bei ftarken Vergrößerungen betrachtet) fehr wohl eine feine Streifung erkennen lallen, und fich ihre Me- tallfärbung deshalb doch ^ielleicht nach dem Princip der irifiren- den Knöpfe erklären dürfte; jedenfalls find die regelmäßigen Furchen- fyfteme an der Oberfläche für das Entftehen des Metallglanzes in diefem Falle von der größten Bedeutung.

Die Betrachtung der Structurfarben und der pigmentöfen Ein- lagerungen umgreift die thierifchen Färbungen insgefammt. Fälle, wo fich che Gewebsfubfiianz felbft aus einer farbigen Maffe auf- baut, find denkbar, aber kaum reahfirt. Die gelben Horngebilde, die fchwarzen Antipathidenftämme verdanken ficherlich diffus ver- theilten Farbftoffen ihr Colorit, und daß keine an fich rothe Mus- keln exiftiren, -wie folches noch PoncJiet^'-') annahm, fondern nur mit Hämoglobin oder einem anderen rothen Pigmente imprägnirte, heute jeder weiteren Discufiion enthoben.

Ein guter Theil der aus Organismen in reinem Zuftande künfllich abgefchiedenen Subftanzen fällt auf che thierifchen und pflanzlichen Pigmente; allerdings nur von wenigen derfelben ift die cliemifche Confl;itution erforfcht und außer Frage geftellt, und ihre Befprechung fchließt deshalb ein chemifclies Hand- oder Un- ttrrichtsbuch für gewöhnlich ab. In der Phj^fiologie gebührt den Pigmenten jedoch eine höhere Rangftellung, eben deshalb, weil nur wenige andere, fich an dem Aufbaue der lebenden Wefen be- theihgenden Stofle einer wiirenfchaftlichen Behandlung verhältniß- mäßig fo Uiclit zugängig, die Kenntnißnahme von der chemifchen Natur der Farbfl-offe gegenwärtig durch weit mehr Mittel ermög- licht ift als z. B. die der Eiweißkörper, ja felbft' der Kohlehydrate. Die fpectralanalytifchou T^iiterfuchungen mit allen ihren Feinlieitcn, die Reinigungsverfahren in ihrer, noch vor wenigen Jaln-en un-

120 Grundzüge einer vergleichenden [38

geahnten Vollkommenheit, charakteriftifche Reactionen geben heut- zutage unzählige Mittel an die Hand, die Pigmente mit einer Voll- ftändigkeit zu ifoliren und uns von ihrem Intactfein zu überzeugen wde bei nur wenigen anderen, aus der lebendigen Werkftatt her- vorgegangenen Verbindungen.

Vergleichen Avir die Farbenphyliologie von heute mit der weniger Jahre zuvor, fo fehen wir die Zahl der pflanzlichen Pig- mente gegen damals erheblich vermindert, die der thierifchen Farb- ftoff'e dagegen um ein Beträchtliches vermehrt. Was mit unzu- reichenden Mitteln unterfucht, fleh als zahlreich ergeben haben foUte, wurde auf ein Minimum reducirt, und man begreift nicht mehr, wie Hoppe-Seyler noch im Jahre 1881 den vierten Theil feiner phyfiologifchen Chemie mit dem Satze eröfii'nen konnte: «Die große Mannigfaltigkeit und der Reichthum an verfchiedeneu che- mifchen Producten, welche in den Lebensprocellen der Pflanzen entflohen, finden in den Thieren nicht ihresgleichen». Ein kaum mehr als zehn Thiere umfalTendes WilTen fteUt hier Hoppe-Seißer der jahrhundertelangen Erfahrung gegenüber, welche z. Th. fchon feit der Zeit des TlieophraR oder Bioscorides datirt und jetzt Tau- fende von Vertretern des Pflanzenreiches umfaßt. Wie kann es darum nur wunderbar erfch einen, daß gegenwärtig mehr Stoffe pflanzhcher als thierifcher Herkunft bekannt find, und wie nur Jemand fich erkühnen, diefes zu einem Axiom zu geftalten, welches auf feine Richtigkeit zu prüfen, vor mir noch keiner ernftlich ge- willt war. Das Folgende, bei welchem wir rein fyffcematifch vor- gehen woUen, wird uns eine Anfchauung davon zu geben ver- mögen, was in der Bildung von Pigmenten, der am heften charak- terifirten Stoff'wechfelproducte alfo, auch der Thierkörper zu leifteu vermag, und daß diefer in feinem productiven Können hierin keineswegs dem pflanzlichen Organismus nachfteht.

Indem wir, foweit es eben der gegenwärtige Stand unferer Kenntniffe geflattet, die Urfachen der Färbung bei ausgewählten

39] Pliyliologie der Failjftotll" und dt-r Farl)en. 121

Repräfentauteii der einzelnen Thierclaflen jetzt kurz erläutern wollen, übergehen wir dabei die durch das Hämoglobin veranlaßten Pig- mentationen, weil diefe fchon in meinem erften A^ortrage Berück- fichtigung fanden, und l)erühren auch die lipochromatifchen und cldorophylloiden Farbftoffe nur in den Fällen, wo diefclljcn zu weiteren Betrachtungen A^eranlall'ung geljen; Lipochrome finden fich mit fehr geringen Ausnahmen in der Thierreihe überall vor, und über die chlorophylloiden Farbftoffe läßt lieh, wie ich bereits bemerkte, erft wenig Beftimmtes ausfagen, weil man bis vor Kurzem das A'erlialten des pfianzlichen Chloroph3'lls nicht einmal kannte, und um über das Vorkommen des Clilorophylls fchlüffig zu werden, eine Uuterfuchung nach Kühne h Verfeifungsmethode unumgäng- lich nöthig, Iblche al^er Inslang nur von mir in vereinzelten Fällen an Farbftofflöfungen von A\^irl3ellofen ausgeführt worden ift.

Den auf niedrigfter Stufe der Organifation flehenden Lel)e- i''fii'^|'ft"ffö wefen^"), den Schizomvceten und ]\Iyxomyceten, Icheinen die Lipo-^''°^"''"^"' chrome nocli zu mangeln; ganz andersartige blaue, rothe und gelbe Pigmente treten hier in Wirkfamkeit, über welche Repräfentanten holierftehender Thierclaffen gar nicht mehr verfügen. Wie ich gleichfalls fchon in meinem erften Vortrage hervorhob, ftoßeii wir bei diefen Formen, befonders in Betreff der blauen Pigmente, auf ]>ifferenzen, deren genauere Kenntniß für eine allgemeine Biologie fehr werthvoll fein müßte. Den v(jn fehr verfchiedenartig gefchulten und intereffirten Forfchern gemacliten Angaben läßt fich wenigftens fchon jetzt foviel entnehmen, daß Fordos' und Lüche h Farbftoff des blauen Eiters fovvohl von ErdmunnH blauem Vibrionenpigmente, wie auch von NeelfenH Farbftofie der blauen Milcli clHiiiircli er- heblich abvN'cicht. ])ocli Irhon bei den Flagellaten addiren [ich «inern, den) Chlorophyllgrün ähidichen Farbftofie cliloiophan- wie rliodojihaiiartige Li[>ochrome hinzu.

Durch die Güte des Herrn (ieheimcrath Kii/nir bin ich in der Lage. liinen in diefer Hinfieht ftatt weitläufigtu- Referate das Er-

122 Grundzüge einer vergleichenden [40

gebniß einer vollftändigen Farbftoffanalyfe mitzutheilen. Meine Unterfuchung betrifft einen alkoholifchen Auszug von Euglena sanguinea, welchen Herr ProfelTor BütfcJdi angefertigt hatte. Derfelbe wurde nach Kühnes Methode verfeift und bei dem nach- herigen Behandehi der Seife mit Petrolätlier, Aether und Efligäther 1) ein gelber, chlorophanartiger Farbftoff erhalten, der auch ohne vorheriges Ausfalzen der Seife mit Kochfalz vollftändig in Petrol- äther überging, 2) ein fpectrofkopifch als Rhodophan charakteri- firter Körper, aus der Seife direct nur dm^h EITigäther zu extra- hhen, mit fchön purpurvioletter Farbe in SchwefelkohlenJftoff löslich, und 3) ein gelbgrünes Pigment, welches fich weder mit Petroläther noch Aether der wällrigen Flüfligkeit entziehen ließ , in welche es nach dem Ausfalzen der Seife übergegangen war. Das Spectrum diefer Löfung zeigte zwei Abforptionsftreifen (einen hinter C, den anderen hinter D), was ebenfo wie das chemifche Verhalten auf ein Zerfetzungsproduct von Chlorophyllgrün hinweift. Ein ficherer Anhaltspunkt für diefe Muthmaßung wird vorausüchthch aber nur an Euglena viridis zu gewinnen fein, über deren Farbftoff die vom Fürften Scdm-Horßmar mitgetheilten Reactionen allein nichts fchheßen lalTen. Daß in Euglena sanguinea ein an verfeifbares Fett gebundener rother Farbftoff vorkommt, hatte fchon v. Wittich bemerkt und diefen von dem begleitenden chlorophylloiden Körper auch zu trennen vermocht; doch die beiden lipochromatifchen Farb- rtoffe blieben in feinen Löfungen vereinigt, und es ift deshalb auch unmöglich anzugeben, ob die granatrothen, durch Chlor nur die Farbe verlierenden, nicht die Form verändernden Octaeder, welche er erzielte, auf das chlorophan-, rhodophanartige Pigment, das chole- rtearinähnliche Zerfetzungsproduct beider oder vielleicht nur auf anderweitige Verunreinigungen der Farbftoffe zu beziehen find.

Hänfen und ich haben uns wiederholt bemüht, rhodophan- artige Farbftoffe auch im Pflanzenreiche nachzuweifen ; es ift uns aber bislang nicht gelungen. Wir können zwar nicht behaupten,

41] Phyßologie der Farbftolie und der Farben. 123

auch mir einen nennenswerthen Tlieil der vegetabilifchen Gebilde in Unterfuchiing gezogen zu haben, Ijei welchen der Augenfchein che Anwefenheit von Rhodophanen wahrfcheinhch macht; allein die von uns getroffene Auswahl dürfte eine folche gewefen fein, daß unfer negatives Refultat wenigftens den Schluß erlaubt, daß rhodophanartige Lipochrome im Pflanzenreiche außerordentliche Seltenheiten und, wodurch natürlich nicht ausgefchloffen bleibt, daß lie hier ganz fehlen. Die gewöhnlichen rothen Blüthen-, Blätter-, Frucht- und Stengelfarbftoffe find, wie wir gezeigt haben, überhaupt keine Lipochrome, und was von rothen, pflanzliche]i Lipochromen (z. B. das Carotin, die Saffranfarbftoffe) bislaug unter- fucht wurde, ergal:» lieh fpcctrofkopifch immer als der Chlorophan- gruppe angehörig. In den rotlien Augenpunkten der Flagellaten präfentu-t lieh uns, foviel wir willen, das Rliodophan zum erften Male; durch alle Claffen des Thierreiches , bei der einen Species fehlend, bei einer andern um fo reicher entwickelt, wird es uns von jetzt al) ])is zu den Vögeln hinbegleiten, in deren Retina es am längften Ijeharrt; denn ift das Rliodophan bei den höher or- ganifirten Wirljclthieren erft aus dem Sehorgan verfchwunden, dann hat der Organismus feiner auch fo gut wie ganz entfagt.

Den Stand unferer Kenntniffe über die Farbftoffe der Rhizo- poden refumirt Bütfchli in folgenden Sätzen: «Bei marinen Rhizo- poden lind namentlich die feinkörnigen, intenriv rothen bis gelb- lichrothen und gelbbraunen Pigmente fehr verbreitet und verleihen «lurch ihre reiclüiche Anhäufung diefen Formen meift eine mehr oder minder intenlive Färbung. Befonders reichlich find üe in den iilteren Kammern der Polythalamen angehäuft. Die genauere Unter- fuchung diefes Farblloffes fowie der Farl)ftoffbläschen bei J^)ly- -tomeUa und (rl-oniia dlll'cb ^f. SikuUse (Uoltcr den OrgaiiimmiH der l'olytlialaini<ii neljft Ijciin.rkuiim'n ühor dio Ilhizopodcn im Allg(;ni('inen. J^eip- zii,' iHöij ergab, daß es (ich liier um eini^n dem Diatoniin entfpre- ' henden Körper handelt, und leitet ihn von der vorzugsweifc aus

124 Grundzüge einer vergleichenden [42

Diatomeen befteh enden Nahrung her. Die Richtigkeit diefer Auf- falTung ergab fich auch noch daraus, daß fich in hungernden Polystom eilen der Farbltoff fehr verminderte, wogegen reichliche Fütterung ihn bald wieder vermehrte. Auch SüßwalTerformen weilen nicht feiten ähnliche Pigmente auf. So findet fich ein ähn- liches diatominartiges Pigment häufig bei Pseudochlamis pa- tella, ein tief violettes bei Amphizonella violacea Grceff'. Ein zinnoberrothes, zuweilen in's Braunrothe und Grünliche gehendes ilt charakteriltifch für Plakopus ruber F. E. Schuhe und foll wahrfcheinlich aus dem Chlorophyll der Nahrung hervorgehen, wie ja ähnliche Umwandlungen gefrelTener Chlorophyllmaffen zu gelben bis braungelben Mafien z. B. auch von Auerbach (Zeitfchr. für willenrch. | Zoologie. Bd. VII) bei Cochliopodium bilimbosum beobachtet wurden. Chlorophjdl felbft, als endogenes Erzeugniß des Rhizo- podenkörpers, ift mit Sicherheit kaum bekannt, es fcheint fich hier fafi; durchaus um als Nahrung aufgenommenes Chlorophyll zu handeln. Doch iffc eine der befchriebenen Varietäten der Dacty- losphaera vitreum H. u. L. mit grünen Körnern reichlich ge- füllt, während die andere Varietät ähnliche gelbe Körper zeigt. Zahbeiche Chlorophyllkörner enthalten auch eine Art oder Varietät von Cochliopodium, fowie fehr häufig auch die Difflugien {Carter, Ann. and mag. of nat. hist. 3 Ser. Bd. XIII)».

Ich vermag dem nichts Genaueres oder Beltimmteres hinzu- zufügen, und auch in Betreff der Infuforien ift nichts Wichtigeres zu verzeichnen. Nur mit dem blauen Farbftoffe aus Stentor caeruleus wurden von Ray-LanlieRer einige Verfuche angeftellt, welche Folgendes ergaben:' Das Spectrum des blauen Stentorins zeigt zwei Abforptionsbänder , ein dunkleres an der rothen Seite von C und ein fchwächeres zwifchen D und E. Der Farbftoff wird von Effig-, Salz- und Schwefelfäure nicht angegriffen, Kalilauge macht ihn dunkler, löfcht das Band im Spectrum zwifchen D und E aus und läßt das andere, jetzt etwas nach B verfchobene Band

43] Phyüologie der Farbftofle und der Farben. 125

ftärker hervortreten. Im Ectoplasma von Yorticellen fand EiKjrJmann einen grünen Farbftoff (Chlorophyll?) diffus vertheilt, der die Thiere befähigt im lichte Sauerftotf auszAifcheiden und ein eigenes Erzeugniß des Vorticcllenkörpers vxx fein verfprieht.

Unter den Cölenteraten^'^) findet lieh Ichon l)ei den Spongien ^'^'"^^^.^'^0 eine reichhaltige Pigmentirung. ^^rfchiedenartigeu gellten und tS-Slü rhodophanartigen Lipochromen verdankt eine große Anzahl von Schwämmen (Suberitiden, Myxilla, Clathria etc.) ausfchließ- lich ihre, oft fehr inten üve Färbung, welche, je nachdem chloro- phan- oder rliodoi»hanartige Pigmente in den Geweben vorherrfchen, gelb, orange oder fatt roth erfclieint; l>ei keiner einzigen, daraufhin unterfuchten Salzwalferfpongie Avurden Lipochrome ganz vermißt. Bei Aplyfiniden gefeilt fich den Fettfarbftoffen ein gelbes Ura- nidin hinzu, und auch die SchAvärzungen vieler Cacofpongien beruhen wohl ebenfo wie die Verfärbung, welche das alkoholifche Extract von Hircinia spinosula bei der Verfeifung erfährt, auf der Bildung melanotifcher Zerfetzungsproducte von Uranidinen. Ein fchwärzliches Pigment maskirt einen gelben Fettfarbftoff bei den Gummineen (Chondrosia), und bei einigen llenierafpecies werden die Lipochrome durch Floridine vülhg unfichtbar gemacht, während z. B. bei Reniera aquaeductus auch fie es find, welche die Färbung diefer Spongie ausfchließlich bedingen und zwifchen gelb, orange und roth variiren lalfeii.

Die rothen Floridine der Kcnieren und der Hircinia varia- bilis zeigen in ihrem chemifchen Verhalten manche Ueberein- ftinmiung mit rothen pflanzlichen Blütlien- und Fruclitfarbfioffen, auch wohl mit rothen Algenpigmenten. Sie lüfcn licli mn- in W'adcr und (dycerin (Vjisvveilen mit prächtiger Fluorescenz), und iliic Löfungen entfärben fich meilt k-icht unter Sauerftoffabgabe, ohne aljer einer Kückverwandluiig bei Sauerftoffzufuhr unzugängig zu werden. Ich halx! früher mehrere Gründe gelteiul gemacht, welche micli bcftimmcn, dicCc Pigmente als thiereigeiu! Pixxhicte

126 Grundzüge einer vergleichenden [44

ZU betrachten, und halte daran um fo mehr feft, als das Hämery- thrin in den hämolymphatifchen Körperchen der Sipunculiden den Floridmen nicht fern zu ftehen fcheint, und jenem analog functionirende Pigmente bei Pflanzen zur Zeit noch unbekannt, bei Thieren hingegen weit verbreitet find. Ob den einzelnen, fpectro- fkopifch gut gekennzeichneten Floridinen, fpeciell dem kirfchrothen Farbftoffe der Reniera purpurea ßch auch das von Mofeley unterfuchte Roth von Poliopogon Amadou anfchließen wird, läßt üch den Angaben diefes Forfchers nicht entnehmen.

Bei Protozoen wie Spongien erlaubt abgefehen von den quantitativ differirenden Färbungen zwifchen Rinden- und Mark- fubftanz (z. B. bei Steletta, Chondrosia, Tethya) außer der Farbfloffanalyfe nur eine mikrofkopifche Prüfung die Sonderung einzelner , verfchieden localifirter Pigmente. Bei den . Anthozoen tritt das ungleichartige Colorit einzelner Theile aber fchon in fo hohem Maße hervor, daß hier eine anatomifche Trennung der ftark und verfchieden tingirten Organe einer nachfolgenden Farbftoff- analyfe wefentliche Dienfte leiften kann ; von diefem Vortheile haben allerdings nur wenige Forfcher Gebrauch gemacht und wie bei den Prötiften und Spongien auch bei den Actinien noch die gefammten Thiere der Extraction unterworfen.

Bei den Alcyonarien und es bald verkalkte Axenfkelete (Coralinen, Milithaeaceen), bald die das Axenfkelet überziehende, aus Körpern des Cönenchyms gebildete Kalkrinde (Gorgoniden), bald die Einzelthiere allein (Alcyoniden, Pennatuliden), welche durch eine ftärkere Pigmentirung hervorltechen.

Schon Trommsdorff gab an, daß bei der Edelcoralle das feu- rige Roth nicht, wie viele vor und nach ihm angegeben haben, auf Eifenoxyd, fondern auf der Gegenwart eines in Terpentinöl, und wenn es dadurch aus der Kalkmalfe erffc einmal ausgezogen ift, auch in Alkohol und Aether, nicht aber in Kali löslichen Harzes beruhe. Meine diesbezüglichen Unterfuclmngen haben er-

45] Phyüologie der Farbfloffe und der Farben. 127

geben, daß Tronnii.^sdorffs Anficht infofern eine richtige ifi, als der die Färbung bedingende Körper ein fog. Fettfarbftofi' ift, der mit den Lipochromen das Verhalten zu conc. Schwefelfäure und ftarker Salpeterräure theilt, fich aber von diefen durch feine Refiftenz den lipocliromatifchen Löfungsmitteln gegenüber und durch das un- charakteriftifche Spectralverhalten diefer Löfungen unterfcheidet. Ich Helle denfelben deshalb zu den Lipochromoiden , denen auch die gelben und rothen Pigmente im Axcnfkelete der Melithaeen fowde die dunkehdoletten in der Rindenfchicht der Leptogorgien und die gelben, orangenen und rothen Rindenfarbftoffe anderer Gorgoniden zuzurechnen find. Sämmtliche hier namhaft gemachten Pigmente färben fich mit conc. Schwefelfäure wie mit conc. Sal- peterfäure blau, und daß fie auch als Lipochrome einftmals vor- gebildet waren, fcheinen die Spuren von letzteren anzudeuten, welche man ziemhch regelmäßig findet, wenn man frifche Gebilde unter- fuclit. Es ifi; fehr merkwürdig, daß die Lipochrome nur ganz be- ftimmter Vorkommniffe (in pflanzlichen Gebilden, fo viele ich deren auch unterfuchte, nur in den Blüthenblättern einiger Compofiten, in Federn nur [aber hier bei faft allen Species] bei Papageien und außerdem noch in den Schalen der Mollusken) zu einer Umwand- hnig in diefe unlösHchen und fpectrofkopifch fchlecht markirten Producte (Lipochromoide und Melanoide) incliniren. Die Meinung, daß es fich bei den I^ipochromoiden vielleicht nur um Gemifche von andersartigen Far])ftoffen mit Lipochromen handelt, ifl; end- gültig dadurch widerlegt, daß ich auch nach gründlicher Extrac- tion der entkalkten und durch Pepfin wie Trypfin angedauten ' " webe mit den verfchiedenartigflien lipochromatifchen Löfungs- mittc'ln an den gefärbten Rückftänden noch innner die Schwefel- wie Salpeter fäurereaction erhielt. Am überrafchendften war für mich diefes Refultat bei dem viol(;tten Gorgonidenfarbfi:ofFe, aber auch für dicfiTi dürfte fich das Räthfcl lofeji, wenn man darauf ausgehen wird, die VanquelM^cha Angabe'''^) näher zu verfolgen,

128 Grundzüge einer vergleichenden [46

der gemäß bei einer rothen Maclrepore ein durch Alkali violett werdendes rothes Pigment aufgefunden wurde. Der Analyfe von Witting^^ welche für die käufhchen rothen Corallen einen Gehalt von 4,25 ''/o Eifenoxyd angibt (über viermal mehr, als Vogel^^) fand), werden erhebliche Fehlerquellen anhaften; zweifellos ift das Eifen bei der Färbung der rothen Edelcoralle weder direct noch indirect (als Beftandtheil des rothen Lipochromoids, wie z. B. ScMoß- herger vermuthete) irgendwie betheihgt; denn in ftark rothen Exem- plaren traf ich nur fo minimale Mengen von Eifen an, daß eine quantitative Beftimmung derfelben gar nicht auszuführen war.

Die weichen, von zahlreichen Ernährungskanälen durchzoge- nen Achfencylinder der Melithaea ochracea und verwandter Species zeigen bald eine gleichmäßige zinnoberrothe oder ockergelbe, bald außen eine rothe und innen eine gelbe oder aber außen eine gelbe und innen eine rothe Färbung. Nur infofern fcheint bei diefer Pigmentirung eine Uebereinftimmung zu herrfchen, als fehr ftarke alte Stöcke gewöhnlich gelb find. Diefe Farbenverfchieden- heiten laffen ficli nur durch die Annahme erklären, daß zwei Lipo- chromoide (ein rothes und ein gelbes) in dem Achfenfkelete der Melithaea vorkommen, von welchen das rothe, fei es durch Zer- fetzung oder daß es ftellenweife überhaupt nicht abgelagert wird, bisweilen ausfällt. '^°)

Den blauen Farbftoff von Heliopora caerulea unter fuchte Mofeley, und bei mehreren Zoantharien (Flabellum variabile, Fungia hymmetrica, Stephanophyllia formosissima etc.) wie auch bei einer Cassiopeia der Tieffee fand derfelbe ein in Waffer, Glycerin, Alkohol und Aether wie auch in flarkem Am- moniak und Kalilauge unlösliches krapprothes Pigment, welches aber nach Behandlung mit ftarker Salz-, Salpeter- oder Schwefel- fäure rothbraun gefärbte wälfrige wie alkoholifche Löfungen lieferte, die bei gewilfen Lichtftellungen grün erfchienen, alfo dichroitifch waren. Das Spectrum des genuinen feiten Farbftoffes befaß drei

47] Phyfiologie der Farbftofle und <lcr Farben. 129

Abforptioiisbäiider von ziemlich gleicher Stärke; eins hinter C, ein zweites unmittelbar vor D und ein drittes vor E. Die Spectren der fauren Lüfungen wielen dagegen nur zwei Bänder auf, das ^ eine dicht vor 1) und das andere zwifchen D und E, nälier an D; letzteres verbreiterte lieh bei zunehmender Concentration befonders nach E hin. Diefen Farbftoff nannte Mofdc}) Polyperythrin ; es foU derfelbe durch Alkalien aus den fauren Löfungen in dunkel- braunen Flocken niedergefchlagen werden und (ich dann fpectro- fkopifch wieder wie der natüi'liche Farl)ftoff verhalten. Indem ich in Betreff der unzureichenden J3eobachtungen 3Iordri/s üljer die Farblloffe einer Adamsia der Tieffee und einer Coenopsammia von St. Vincent auf das Oiiginal felbfl verweife, fei noch der Unterfuchungen diefes Forfchers über das Actiniochrom gedacht. Es ift diefes der dunkelrothe Farbftoff von Bunodes crassicor- nis, den 3Iac Mnnn auch bei Actinia mesembryanthemum, I'raster rubens und in der Hypodermis von Homarus vulgaris angetroffen haben will. Ein Eöl'ungsmittel für das Actiniochrom wurde nicht gefunden; es zeigt dasfelbe aber ein charakteriftifches S[)ectral]jand, ähnlich lituirt wie das des reducirten Hämoglobins. Das Puqiuridin des Ceriantlius membranaceus löft lieh in ammoniakahürten, kamn in faureni, Wafler und ift in den lipo- chromatifchen Löfungsmitteln ganz unlöslicli; fein fj)('ctrofkopifches ^'e^llalten zeigt nichts, was zu feiner Erkennung beitragen^ könnte. Aus Antliea Cereus var. smaragdina extrahiren lieh durch Mkohol mehrere Pigmente, von denen mindeftens das Eine aus- Iiniend rafch Veränderungen unterliegt, welche an der, zwar fehr unregelmäßigen Verlagerung dei- Abrori)tionsbändei- fj)ecti'ofko})ifcli l'idit zu verfolgen find, im fcbi-offen Gegenfatze zu den weclifel- mIIoi fpectrofkopifchen Bildei-n, welche die Auszüge der Tentakeln Icr der ganzen Antliecn «larljieten, (teilt das fpCH^trofkopifch ül)er- « inftimmendc Verlialtcn dci- ajkoholifclien Extracte, weldie aus den Entod(,'i-mg(bildcn des Antbcaköi-yers nacb Abtrennung dei- Tcnta-

130 Grundzüge einer vergleichenden [48

kein gewonnen werden, und welches auf die FarbftofFe der fog. gelben Zellen zu beziehen fein wird.

Ueber die blauen, in Waller löslichen, in den lipochromatifchen Löfungsmitteln aber unlöslichen Farbftoffe der Medufen lauten die Angaben der einzelnen Unterfucher fo übereinfbimmend, daß anzu- nehmen ift, es handle ßch fowohl beiVelella väe auch bei Rh i- zostoma, Aurelia und Cyanea um den gleichen Farbftoff, um Cyanein. Entgegen der Angabe de Negri's wü^d zweifellos auch der blaue Farbftoff der Velella ein Bandenfpectrum zeigen und die meine Beobachtungen bemeifternden und davon abweichenden Angaben R. Blancharcl's beruhen nur darauf, daß diefer, der deutfchen Sprache nicht hinreichend mächtig, meine Abhandlung ftellenweife nicht verftanden und die Reagentien in einer andern Concentration als ich angewendet hat. Der gelbbraune Farbftoff der Chrysaora foll nach MerejJiotvshj in Waffer ( Vorzugs weife in liedendem) gleichfalls löshch fein, das Spectrum desfelben nach Mac Kendrick aber keine Abforptionsbänder aufweifen. Farbßoffe Vou den Epidermoidalpigmentcn der Echinodermen*^*^) -uairden

dermen' u^ntcrfucht das ComatuKu (der rothe Farbftoff der Comatula me- diterranea), das Antedonin, das pm-purfarbene und das rothe Pentacrinin (Pigmente von Pentacrinusformen der Tieffee), die Farbftoffe in der Haut von Holothuria Poli, verfchiedener Afte- riden und der kalkreichen Schälen und Stacheln von Echiniden. Das Comatulin ift ein, in verdünntem Alkohol wie in Waffer leicht löslicher Körper, der aber^" von abfolutem Alkohol, Aether, Chloroform nicht aufgenommen wüd ; am Lichte verwandelt es lieh in braune und gelbe Materien, welche lieh im Uebrigen von ihm wenig unterfcheiden und in den gleichünnig gefärbten Comatula- varietäten natürlich vorzukommen fcheinen. Als Antedonin wurde von MoMey der Farbfloff einer dunkelpm-purfarbenen Antedon- fpecies befchrieben, deffen alkoholifche Löfung drei Abforptions- bänder (zwei dunkele zwifchen D und E, ein fch wacheres vor F)

4Vtj Phyfiologie der Farbftofle und der Farben. 131

im Spectrum aufweift, während reine Comatulinlöfungen ftreifen- treie Spectren zeigen. Auf Salzfäurczufatz fchlägt die rothe Farbe der alkoholifcben Antedoninlöfung in Orange um, und das Spec- trum zeigt dann um- zwei fcharfe Bänder (vor E vmd hinter b) inid bei geeigneter Concentration außerdem einen weniger deuthchen Streifen dicht vor F. Beim AlkaHfiren fällt der Farbftoff in purpur- farbigen Flocken aus der alkoholifcben Löfung nieder ; diefem find zwei breite Bänder im Spectrum (eines vor D und ein zweites genau in der Mitte zwifchen D und E) eigenthümlich. Das Ante- donin traf Mofelcy auch l)ei einer Tieffeeholothurie des füdlichen indifchen Oceaus an.

Das Specti-um der Löfung von 3Iofdnjs purpurfarbenen Penta- criniii in fchwach angefäuertem Alkohol zeigt drei Abforptions- bänder, von denen che erften beiden fehr ähnlich gelagert und unter einander ebenfo verfchieden an Stärke wie die Turacinbänder find, das dritte fchwächer ift und zwifchen b und F hegt; letzteres Band gehört walu-fcheinhch einem Rhodophane [Mofeley^ Red Pentacrinin) an, da dasfelbe feine Lage nicht ändert, wenn auf Zufatz von Alkahen, welche die Flüffigkeit blaugrün und roth fluoresch'end machen, die beiden anderen verfchwinden und ein neuer Streifen zwifchen a und B erfcheint. Durch abwechfelnden Säure- und Alkalizufatz läßt fich der Farbenwechfel an der alko- liolifchen Löfung eine beliebige Anzahl von Malen repetiren, und Mofelcy ift der Anücht, daß die weißen, gelben und orangenen Pentacrinusfpecies von den Ke-Islands, Panglao und den Signijor- T^ilands, welche Alkohol faftgrün färben und erft auf Säurezufatz r<iitacrinin frei werden laffen, die alkalifche Modification diefes Pigmentes enthalten. Diefer Deutung dürften die von mir klar l'gteu \'erhältninc Ixi den Echinometriden fehr günftig fein.

In den dicken und großen Stacheln der Acrocladien'^^) fin- den fich meift zwei Pigmente, ein blauviolettes und ein rothes. Wafier wie Alkohol, dcru-n eine ftärkere Säure zugcfetzt wurde,

h'ruktiihfr;/, Vcrgl.-jih vliol. Vortrüge. 10

132 Grundzüge einer vergleichenden [50

löfen beide Farbftotfe mit intenfiver Chamoisfärbung auf, und nach Entfernung der freien Säure durch Dialyfe oder durch Alkahzufatz fällt fämmtlicher Farbftoff in blau violetten , nur minimale Spuren von Eifen enthaltenden Flocken aus. Es kann kein Zweifel dar- über beliehen, daß die Acrocladien bald die faure rothe Modifica- tion diefes Pigmentes, bald dagegen die neutrale oder alkalifche violette führen. Auch Kupfervitriol wie Gerbfäure fällen den Farb- ftoff aus der fauren Löfung, nicht aber Sublimat oder Alaun; Eifenchlorid bemrkt keine Reaction, conc. Salpeterfäure bräunt nur die trockene Farbftofffubftanz und conc. Schwefelfäure färbt lieh damit prachtvoll kirfchroth. Letztere Löfung, welche lieh wochenlang unverändert hält, zeigt, fpectrofkopifch unterfucht, drei Abforptionsbänder (eins hinter D, ein zweites um E und ein drittes vor F), wälirend die Spectren der fauren alkoholifchen und wäffrigen Löfung keine deutliche Streifen darbieten. Das Echinorubin und Echinin von Merejhoivshij können aus allem Denkbaren beftehen; ihr Entdecker vermochte ße durch keine Reaction irgendwie fcharf zu charakterißren. Das Hoplacanthinin Mofeleys, ein dunkelröthes, frifch in Alkohol lösliches, ßch darin nach ca. 12 Stunden aber wieder ausfcheidendes Pigment aus einer unbeftimmten Hopla- canthusart dürfte, feinem Spectral verhalten nach zu urtheilen, ein Lipochrom oder ein lipochromatifches Gemifch fein.

Durch das bei Holothurien weit verbreitete braune Pigment wird in der Haut von Holothuria Poli ein Farbftoff verdeckt, der ßch in Alkohol, Wafler und Glycerin mit gelber Farbe und grüner Fluorescenz leicht auflöft. Diefer Uranidin genannte Farb- ftoffkörper ilt gerade deshalb von großem Interefle, weil er ßch in unreinen Gewebsauszügen fehr rafch zerfetzt, in reiner alkoholifcher Löfung aber fehr beftändig, weder licht- noch wärmeempfindlich zu nennen ifl. Die Unterfuchung diefes Farbftoffes hat die Kennt- niß von den Uranidinen außerordentlich gefördert, und ich bedaure nur, an diefer Stelle nicht ausführlicher auf ihn eingehen zu

51] Phyüologie der Farl)ftofle und der Furljen. 133

können; die für feine melanotifche Verfärbung maßgebenden Factoren lind in der Tabelle auf S. 98 mitberückrichtigt worden.

Bei vielen Afteriden ift die äußere gelbe, orangene oder rothe Färbung eine rein lipochromatifche. Bei Aftropeeten auran- tiacus babe icli das Farbftoffgemifch der kalkigen Decke nacb Kühnes Methode analyfirt; ein chlorophanartiges Pigment (Orangin) Avurde dabei der ausgefalzenen Seife durch Petroläther und Äther, ein Rhodophan derfelben vollftändiger erft durch EfTigäthcr ent- zogen. Neben den Lipoclii'omen wurde von mir in dem Aftro- pectenpanzer em eigenthümlich blauer Farbftoff (Afterocyanin) an- getroffen, der in Waffer mit tief l3lau\äoletter Farbe löslicli ift, delTen Spectrum zwei Abforptionsbänder (z^^'ifchen C und D wie hinter D) zeigt, und der durch Erwärmen auf 80 '^ C. durch Al- kohol wie Natronlauge in eine rothe Subftanz verwandelt, durch Ammoniak wie Salzfäure aber nicht verändert wird. Bei Urafter fand ferner 3Iae Mumi ein, nach eintägiger Digeftion mit Natron- lauge ficli in diefer mit Ijraunrother, in Alkoliol mit gell^er Farbe löfendes Pigment, deffen alkoholifche Lüfung licli bei alkalifcher und famx'r Reaction wie Hämatoporphyrin verhielt.

In der Peri\'isceralflüfrigkeit, der Schale und den Ovarien von Echinu.s (esculentus?) foll fich nach Mac Munn ein anderer brauner Farljftoff (Echinochrom) finden, der lieh durch ein breites Band vor E auszeichnet; in der PerivisceralflüfTigkeit ift derfelbe gelöft, und auf Zufatz von Schwefelammonium ff)ll das Al)forptions- band noch deutlicher hervortreten. Zumal auf Zufatz diefes Rea- gens in der Flülfigkeit ein Niederfclilag entftebt, vei-mag icli der Anficht diefes Forfchers nicht beizuftimmen, daß bicivbircli ein Rt'duction.sproduct gefchaffen wird, luiidcni halte es i'üi- walirfchein- licliei-, daß durch das SchwefelamiiKHiiuiii \^ rinnvinigungcn ent- r«rnt werden und i)i Folge dedcn das Band bei einer ftärkeren Scliichteiidicke als in der anfänglichen Ecifung noch zu felicn ift und deshalb auch vei-liefter eiTcliein«!! kann. Der N'eirneh ]\f(if

Kl*

134 Grundzüge einer vergleichenden [52

Munns ift alfo nicht geeignet, die Anficht von Gecldes experi- menteh zu ftützen, daß es fich bei den amöboiden, acajou- braunen hämolymphatifchen Körperchen der Ecliiniden und einiger Holothuriden um einen Refpirationsftoff handelt, der im desoxy- dirten Zuftande grün gefärbt ift.

Im Iniaalte des WafTergefäßfyltemes gewiffer Holothurienformen (z. B. Cucumaria doliolum) findet man nicht feiten einen roth gefärbten Bodenfatz, defCen Färbung von einem Pigmente herrührt, das dem Helicorubin in mancher Beziehung gleicht; eine derartige Subftanz wurde vielleicht auch von Foettinger bei Ophiactis virens gefehen und ohne jeden triftigen Grund für Hämoglobin erklärt.

Die Leberpigmente der Afteriden erinnern fehr an die vieler Arthropoden und Mollusken; fie beftehen in Lipochromen oder in einem durch Alkohol leicht lösbaren Farbftoffe, einem fog. Hepato- chrome, das durch ßedende Natronlauge zerfetzt wird und deffen Spectrum ein Abforptionsband nahe der C- Linie auf weift. Der Darm einiger Seeigel (z. B. Sphaerechinus granularis) führt reichliche Mengen chlorophanartiger Lipochrome, und die rothen Ovarien von Holothuria Poli färbt ein ziemlich reines Rhodophan. Farbftoffe Unter den Ascidien*^®) herrfcht eine große Farbenmannigfaltig-

Ascidien. \q{i^ M-Qii\ trifft oft an ein und demfelben Fundorte blaue, violette, gelbe, gelbgrüne, orangefarbige, fchwarze, gelb- und rothbraune Species. Der violette Farbftoff der mittelländifchen Botryllus- arten fcheint nur im feften Zuftande als folcher beltehen zu kön- nen, da denfelben alle als Löfungsmittel auf ihn einwirkenden Reagentien bräunlich färben, Säuren das Violett aber regeneriren. Bei den zwifchen gelb und roth varihenden Cynthien und Di- demnen find es meift Lipochrome (Chlorophane und Rhodophane), welche die Färbungen bedingen; bei einigen Ascidien (z. B. bei Ascidia fumigata und A. mentula) ifl: es ein gelbes Uranidin, das die Lymphe wie die inneren Organe bei Berührung mit der

53] Phyüologie dei" Farbftofle und der Farben. 135

Luft dunkelbraun werden läßt (vgl. Tabelle auf S. 98), und von dem das Pigment in den fclnvarzen Mantelftellen der Ascidia fu- migata \'ielleicht nur ein Umwandlung.sproduct darftellt.

A"on Br}''Ozoen '''') wurde nur Bugula neritina einer eingehen- Faibßoflfe deren Farbftoffanalyfe unterworfen. In diefer Bryozoe und min- '^'"^ozoen. deftens zwei verfchiedene Farbftoffe vorhanden: Einer (Bugulapur- pm*), welcher lieh mit rofa oder purpurrotlier Farbe in Glycerin und Waffer löll (vgl. Tabelle auf S. 98) und ein (chlorophan- artige.s Pigment) oder mehrere (Hepatochrom etc.) andere, welche in Glycerin. Waffer und Benzol wenig oder unlöslich find, dagegen in Alkohol, Chloroform, Schwefelkohlenftoff, Terpentinöl etc. mehr oder weniger leicht übergehen und diefe Flüffigkeiten alsdann gelb- gi'ün, gelb oder bräunlich färben.

Die Hautfärbungen bei den Würmern ^'^) und gewöhnlich keine i-'a,iJftoffe fehr hervorftechende. Die Epidermis ill bei vielen durchüchtig (iri- Türmer, firt auch wohl in Folge ilirer feinen Canellirung), und die bisweilen kräftigen Färbungen innerlich gelagerter Organe lind alsdann durch die Haut hindurch üchtbar. Bei einigen Arten, wo die Hautpig- mentirung eine intenfivere ift (z. B. bei Hirudo medicinalis [cf. S. 100], Spirographis Spallanzanii), hat man die derfelben zu Grunde liegenden Farbftoffe zu extrahiren und durch Reactionen zu charakterifiren verfucht; wichtigere Auffchlüffe lind durch diefe Beftrebungen jedoch nicht erreicht.

Bei Paramatta in New South Wales beobachtete Mofdcy zwei große Rynchodemusipecies, von deneii die eine blau, die andere roth war. Das blaue Pigment der erfteren Art war in Alkohol unlöslich, wurde durch Säuren rotli und durcli Alkalien abermals blau, während der rothe Farbftoff der zweiten Art iiiclit in (ünen blauen Körper zu verwandeln war und wahrfcheinlich ein rhodo- phaiiaHiges Pigment gewefen ift. Ben)erkensvverth ift von den Hautfarbftoffen bei den Würmern eigentlich nur das grüne Pig- ment der Bonellia viridis, welches lange für echtes Gl dorophyll-

138 Grundzüge einer vergleichenden [56

halb wir zuerft die Infecten betrachten und die Cruftaceen den Mollusken direct vorausgehen lalTen. ^'^^^^°^^ Die gelben bis rothen Farbftoffe in den Cal3^ptren der Coc-

cion eilen, wahrfcheinlich auch die mehrerer anderen roth ge- färbten Käfer (Elateriden, Cerambyx Köhleri u. f. w.), die lieh im frifchen Zuftande durch Alkohol, Aether etc. extrahken lalTen, gehören, wie das Eintreten der Schwefel- und Salpeterfäure- reaction, die LöfungsverhältnilTe bekunden, der LipochromgTuppe an. Mitteilt der Verfeifungsmethode wurden diefe Farbftoffe noch nicht analylirt, in den Spectren der orange bis roth gefärbten alkoholifchen Auszüge von Chrysomela populi vermochte ich von Lipochrombändern nichts zu entdecken, und bei längerer Auf- bewahrung der eingetrockneten Gewebe nehmen die Pigmente einen lipochromoiden Charakter an, Avodurch es lieh zugleich erklärt, daß ich über ihre Natur früher in Zweifel bleiben konnte''^).

Eingehendere Verfuchsreihen liegen nur über die Farbftoffe der Cocciden und Aphiden'^^) vor, von denen der Eine, die Carminfäure, durcli mehrere neuere Arbeiten beffer bekannt, deffen chemifche Conftitutionsformel aber auch noch keineswegs endgültig feftgeftellt worden ift. Die getrockneten Weibchen von Coccus cacti enthalten von diefer Säure 26 50*^/o : ein, in der thierifchen Organifation wohl einzig daftehender Fall, daß ein fo beträchtliches Quantum der gefammten thierifchen Trockenfubftanz in einem Farbftoffe aufgefpeichert wird. Diefe Thatfache dürfte auch wohl nur dadurch verftändlich werden, daß die Carminfäm^e für die Cocciden einen Referveftoff nach Art des Glykogens oder der Gly- kofe darfteilt, was ihr Zerfall beim Kochen mit verdünnten Säuren in einen unvergährbaren , optifch inactiven Zucker (CgHioOs) und in Carminroth (C11H12O7) andeuten dürfte.

Die Carminfäure (CuHisOio) fcheint im Thierreiche auf Coc- ciden und Aphiden im Vorkommen befchränkt zu fein; aber bei einer Labiate des Alleghaniegebirges , bei Monarda didyma,

57] Phyfiologie der Fai-hltoHe und der Farben. 139

Avill Belhomme lie gleichfalls gefunden haben. Seit lange bei Coc- ciis cacti bekannt, wiu-de das Carmin von Sorhy bei Aphiden, Avelche von den Rinden der Apfelbäume gefammelt waren, und von mir bei Coccus ilicis und C. polonieus nachgewiefen ; im letztern Falle rein dargeftellt, in Carminroth übergeführt, die Löfungen wie die der Spaltungsproducte mit denen der Carmin- lam-c aus Coccus cacti fpectrofkopifch genau vergHchen und in allen Punkten damit identifch liefunden. Die freie Säure layftalli- lirt, lölt lieh in Alkohol und Walfer, fchwer in Äther und liefert meifl roth gefärbte Sal/.t>. Alle durch Säuren aus dem Carmin entllehenden Derivate haben faure Eigenfeh aften. Durch kochende Salpeterfäure entllelit daraus die in großen fill:)erglänzendeii Platten kryftallilirende Nitrococcusiaure (C7a[N02]30H.CO.OH), welche mit Waller auf 180" C. erhitzt, (ich weiterhin in Kohleniaure und Trinitrokrefol (CgHfCHa] [NOäjaOH) fpaltet. Erhitzen mit conc. ßchwefeUaure verwandelt die Carminfäure unter Entwicklung von Kohlenräure und von fchwefliger Säure in Ruficoccin (CioHioOc), fchmelzendes Kali in gelbes Coccinin (C14H12O5).

Die übrigen Farl^ftoffe der Aphiden find von Sorhy wie von Mac Mann unterfucht; mir hat fich bisher leider nie Gelegenheit zu euier Nachunterfuchung geboten, und ich theile deshalb einige Ergebnille aus den Arl)eiten jener beiden Forfcher mit, obfchon die von diefen in Anwendung gebrachten Methoden zur Tremunig der einzelnen Pigmente als unzweckmäßige bezeichnet werden müflen, und deshallj Farbflott'gemifche auch für reine Farbftolf- kürper gehalten und mit eigenen Namen belegt worden find.

Verfetzte Sorhy den cai-melim-othen Heißwairerauszug feiner Aphiden mit Eifciiviti-iol und Schwefelan)m(iiiium, fo nahm derfelbe eine blalle Fleifchfarbe an und, falls ein wenig Ammoniak im Ueberfchuß zugefetzt wm'de, entfärl)te licli dic^ Löfung faß voll- fländig. IJeim Stehcni an der Tjuft kehrte tue urfpi'üngliche Farl)e zurück, von <ler OberHäche nach dem Grunde zu fortfchreitend.

140 Grundzüge einer vergleichenden [58

An dem fauer gemachten Auszuge war keine Farbenveränderung durch das Eifenfalz zu erzielen. Es exiftirt der betreffende Färb- ffcoff (Aphidein), fo fchließt Sorh/, ebenfo wie das Hämoglobin in einer oxydirten und in einer desoxydhten Form (in beiden Fällen bei alkalifcher Reaction der Löfung) und whd für Aphis jedenfalls eine ähnhche refpiratorifche Bedeutung haben wie das Hämoglobin bei anderen Thieren. Mac Munn erhielt aus Aphiden, welche er auf Physalis Alkekengi («Morella cherry») gefunden hatte, eben- falls einen Aphidein-haltigen Auszug, dellen fpectrofkopifches Ver- halten üch auch durch Schwefelammonium änderte; von einer ge- glückten Rückverwandlung in den oxydirten Zuftand whd von ihm aber nichts berichtet. Zweifellos ilt Sorhys Aphideni ein Farbftoffgemifch und die von ihm als Umwandlungsproducte des- felben betrachteten und als Aphidilutein, Aphidiluteohn und Aphi- dh'hodein bezeichneten Pigmente find z. Th. Lipochrome oder auch wohl unreine Carminfäure, welche in reinem, freien Zuflande und in alkohohfcher Löfung von wälTrigem Carminammoniak fpectro- fkopifch fehr unerheblich abweicht, während faure Carminlöfungen fehr bald ganz anders gelagerte Spectralbänder aufweifen.

Nur die Chironomuslarven wurden von allen, darauf unterfuchten Infecten als hämoglobinhaltig erkannt; die Angabe Mac Mtmns, daß bei Musca domestica diefer Stoff üch ebenfalls finde, kann auf keiner exacten Prüfung bahren, denn ich habe mich mederholt überzeugt und über diefe Verfuche bereits früher berichtet '^■^), daß der rothe Farbftoff in den Fliegenköpfen weder Hämoglobin noch ein Lipochrom ift, fondern feinen Eigenfchaften nach am nächflen dem Stäbchenpurpm- der Cephalopoden fteht.

Landois wie Graher hatten in ihren morphologifchen Arbeiten fchon vor mehreren Jahren die Färbungen der Infectenlymphe ^^) befprochen, das Zuftandekommen der eigenthümüchen Melanofe, welche diefelbe bei den meiflen Coleopteren und Lepidopteren zeigt, wurde aber erft vor Kurzem durch Fredericq aufgeklärt. Diefer

59] Phyfiologie der Farbflofle und der Farben. 141

Vorgang beruht wie bei Aplysina, Ascidia fumigata und Aethalium septicum auf der Anwefenheit eines Uranidines und ift in der Infectenlymphe gerade dadurch fo merkwürdig, daß durch ^ eine, nur kurze Zeit unterhaltene Erwärmung auf ca. 55'' C. die Oxydation und fomit aucli die melanotifche Verfärbung inhibirt wird. Eine vergleichende Unterfuchung der LymphfarbllofFe bei verfchiedenartigen Käfern und Saturnidenchryfaliden hat mir er- geben, daß da.s gelbe Uranidin keine charakterillifchen Spectralbänder befitzt, daß fich daneben aber meift noch andere FarbftofFe finden, welche für die einzelnen Species eine große Conftanz beßtzen und fpectrofkopifch gut gekennzeichnet find. So findet fich in der bräunlichgelben Lymphe von Saturnia Pernyi, Callosamia Promethea und Telea Polyphemus ein, nach der Verfeifung der ausgefalzenen Seife leicht durch Äther, unvoUfländig oder gar nicht durch Petroläther zu entziehendes, chlorophanartiges Lipo- clirom und in der gelbgrünen von Saturnia Pyri wie von Plati- samia Cecropia neben diefem Pigmente noch ein anderes, delTen Spectrum ein breites Band um D zeigt, das aber fowohl auf Effig- fäure- oder Ammoniakzufatz wie auch nach längerem Erwärmen der Lymphe auf 66" C. fch windet. Dasfelbe Lipochrom, welches fich bei den Puppen in der Lymphe findet, pflegt auch dem Fett- körper fein gelbes oder grünliches Colorit zu geben.

Dem Hämocyanin, einem meift kupfer-, bisweilen aber auch Farbftoffe eifenhaltigen Albuminate, das beim Kochen wie dm-ch Alkohol ^'"«ßaceen. coagulirt, bei Sauerftoffentziehung in ein farblofes Chromogen (Hämocyanogen) übergeht, aus dem es durch Sauerftoffzufuhr zu regeneriren ift, begegnen wir bei den Krebfen ^''') zum erften Male. r.- ift niclit zu bezweifeln, daß diefes für das Refpirationsgefchäft lifo wie das bei einigen Krebfen (Daphnia, Lernanthro- pus etc.) fich findende Hämoglol^in von Nutzen fein kann; ob aber auch noch andere, in ähnUcher Weife als SauerItoflul)er- träger fungirende rothe Pigmente bei Krebfen vorkommen, ilt nach

142 Grundzüge einer vergleichenden [60

meinen Beobachtungen wahrfclieinlich , jodoch keineswegs ent- fchieden.

Wefentlich verfchieden von dem Hämocyanin erweifl lieh das fo leicht zerfetzbare Cyanokryftallin, welches üch kryllallifirt in der Hypodermis fehr vieler Krufter findet. Unrichtig iR. die Vermuthung Merejhoiuslcy s , diefer Farbftoff fei eine mit dem Velellablau iden- tifche Subftanz ; denn ich habe fchon früher nachgeMdefen, daß das Cyanokryftallin (fowohl von Astacus wie von Homarus) weder in reinem Waller, noch in Salzlöfungen verfchiedenfter Concentra- tion auf irgend eine Weife zu löfen ifl.

Was fonft von Cruftaceenpigmenten genauer bekannt geworden ifl, betrifft nur die hpochromatifchen Farbftoffe, welche hier fehr verbreitet find und durch die Verfeifungsmethode aus dem alko- holifchen Auszuge der Ovarien von Maja squinado wiederholt ifolirt find. Das Crustaceorubrin Ilofeleys, das Vitellorubin Mcdys find lediglich andere Bezeichnungen für Kühnes Rhodophan. Die grünen Cruftaceenfarbftoffe find gewöhnlich (z. B. bei Virbius) ebenfo leicht durch Löfungsmittel zerfetzbar als die der Infecten (z. B. von Locusta); doch treten bei einigen Ivrebfen grüne Farben- töne auf, die fich gegen Alkohol äußerft refiftent verhalten (z. B. bei Palinurus argus und P. spongipes) und ebenfo violette (z. B. bei Gonodactylus chiragra und auch bei Palinurus argus); beide find noch nicht Gegenftand einer genaueren Unter- fuchung gewefen. Indem ich bei Befprechung der Cruftaceen fchließlich noch auf die Ipectrofkopifchen Unterfuchungen der Leberpigmente aufmerkfam gemacht haben möchte, weife ich zu- gleich die feltfame A'^ermuthung Mac Mimn's, daß der Farbftoff der grünen Drüfe reducirtes Hämoglobin fein könne '^''), auf Grund meiner Verfuche als unrichtig zurück, ^'^^de^^^'^ Die allgemeine Uebereinflimmung in den Stoffmetamorphofen

Mo US en. |^^^ Cruftacecn und Mollusken ^^) documentirt fich in Bezug auf die bei beiden Claflfen gebildeten Pigmente: 1) in den Farbftoffen

öl] Phj-fiologie der Farbftoffe und der Farben. 143

der Hämolymphe (Hämocyamn, Hämoglobin), 2) in denen der Leber (Hepatochronie, Lipochrome) wie einiger anderen Drüfen z. B. der Ovaiien (Lipochrome) und 3) in denen der äußeren Haut (Lipochrome). Nm* bei verhältnißmäßig wenigen Molluskenfpecies zeigen die Gallen- refp. die HautfarbftofFe fpecififche Eigenthüm- lichkeiten. So findet fich in der Galle von Helix, Limax, Zo- nites, Cyclostoma und LTnio tumidus ein rother, in WalTer löslicher, in den hpochromatifchen Löfungsmitteln aber unlöslicher und, wie fich den Beobachtungen von Hazay entnehmen läßt, «in icharffpitzigen Rhorabusformen» kryftallifirender Farbltoff, das Heli- corubin (vgl. S. 99). Diefes wurde, ebenfo wie gewilTe Hautpig- mente von Arion ater und Limax variegatus in unmittelbare Beziehung mit dem Hämoglobin gebracht (vgl. S. 100), aber, wie ich bereits andeutete, ohne genügende Gründe. K. B. Hof mann berichtet, daß im Mantel von Arion ater ein in Säuren mit prächtig violetter Farbe lösHches, in Weingeift unlösliches Pigment vorhanden fei, und einige weitere Angaben über das Verhalten diefes und der Hautfarbfloffe von Limax flavus finden fich bei Mac Mmm.

Eigen ift den Mollusken eine Fülle von Farbftoffen in befon- deren Hautfecreten, welche theils zur Vertheidigung entfandt, theils zur Färbung der Gehäufe verwendet werden. So bildet fich, wie wii- bereits fahen (S. 91), bei Cephalopoden ein melaninartiger Körper, der in dem Secrete des Tintenfackes ausgefi:oßen wird, bei .\plysia ein puqnirfarbiges, bei Purpura patula ein grünes Pig- ment, bei Muriciden ein am Lichte veränderhches Chromogen; ' «rithien fecerniren eine gelbe Flüfiigkeit, die an der Luft gras- gi'üu wird, und Scalaria clatlirus einen Puiiau-faft, der durch AlkaHcii nicht verändert, durch Mineralfäuren blaugrün und duicli Licht nur langfam gebleicht wird. Die von Planorbis cornous auf Reizung (,'ntleerte P'lüfiigkeit ift aber bekanntlich kein Drüfen- fecret, fondern hämoglobinhaltige Hämolymphe, und ebenfo wird der liinimelblaue Saft, welchen nach PMe/j^rd's Angabe Triton i um

I

144 Grundzüge einer vergleichenden [62

nodiferum vor dem Tode entleeren foU, die hämocyaninhaltige Hämolymphe diefes Thieres fein.

Einige Reactionen und das fpectrof kopifche Verhalten des Janthi- nins, des blauen Farblloffes in dem Secrete, welches gewilTe Jan- thinafpecies am Rande und der Oberfläche des Mantels abfondern, find (fpeciell von nordatlantifchen Formen) durch Mofeley bekannt geworden. Das Janthinin lölt lieh in Weingeift wie Aether mit blaß violetter Farbe, rother Fluorescenz (ähnlich alfo dem Aesculin) und zeigt drei Abforptionsbänder im Spectrum (ein tief dunkeles um D und zwei fchwäche vor E und vor F). Dasfelbe Spectral- verhalten befitzt die mit tief violetter Farbe in Glycerin gelöfle Farbfubftanz. Salzfäure verwandelt die Farbe der alkoholifchen Löfung in ein reines, lichtes Blau mit nur einem Spectralbande um D. In angefäuertem Aether lölt lieh das Janthinin mit pracht- voll tief blauer Farbe ; diefe Löfung fluorescirt nicht, und ihr Spec- trum ilt ohne Abforptionsltreifen. Die Janthininlöfungen waren wenig haltbar; nach 1 bis 2 Wochen fand Mofeley fämmtliche zerfetzt.

Was fpeciell die Färbungen der Gehäufe bei den Mollusken anbelangt, fo ift die Zahl der dabei in Anwendung gebrachten Farbftoffe eine ausnehmend große. Wir finden hier:

1. Farbftoffe mit allen 'Eigenfchaften der Lipochrome (z. B. bei Littorina und gelben Pe et en Varietäten).

2. Lipochromoide und Melanoide, welche die Gehäufe der Muriciden, Coniden und vieler anderen Gaftropoden (z. B. Cassis, Mitra, Strombus, Cypraea, Turbinella) wie zahlreicher La- mellibranchiaten (z. B. Pecten) von dem zarteflen Rofa, durch Gelb, Orange, Roth und Braun hindurch bis zum tiefen Braun- fchwarz (z. B. bei Murex radix, Conus marmoreus, Turbi- nella rinoceros) variiren laden. Wie viel die Structur und wie viel nur vorhandene Spuren eines LipochromoTdes, z. B. eines rothen bei dem leichten Rofaanfluge an der inneren Schalenfläche von

63] Phyliülogie der Farbftofte mid der Farben. 145

Strombus gigas, Murex bicolor und Delphinula laciniata beitragen, vrird fich allerdings nur durch fortlaufende Sehnittferien der Schalenftücke entfclieiden lalfen.

3. Biliverdin bei Haliotiden (z. B. Haliotis Crachcrodi) und Trochiden (z. B. Turbo margaritaceus, T. concinnus, T. dis- junotus, Troclius pyraniis, Tr. olivaceus).

4. Turbobrunin, ein in angefäuertem Alkohol wie in angefäuer- tem WalTer leicht lösliches, eifenfreies oder nur Spuren von Eifen enthaltendes rothes Pigment, das beim Neutralifiren feiner Löfung in braunrothen Flocken ausfällt und bei längerer Berührung oder beim Kochen mit fauren Flüffigkeiten in Bihverdin übergeht, un- vermifcht mit diefem die Gmeliu''kh.e Gallenfarl^ftoffreaction aber nicht zeigt. Das Turbobrunin fcheint auf die Haliotiden (Ha- liotis rufusens) und die Gattung Turbo (T. sarmaticus, T. ru- gosus) befchränkt zu fein.

5. Bei Helix nemoralis ein intenßv gelber, in kaltem Alkohol leicht löshcher, in Waffer, Aether, Chloroform u. dgl. m. al)er un- löslicher Farbftoff, der fich beim Erwärmen feiner Löfung auf etwa 90'' C, ähnlich den Uranidinen bräunt, und deffen Spectrum frei von Aljforptionsljändern ift; feine alkoholifchc Löfung ift fehr lichtempfindhch.

0. Ein i)Uii3ur\dolettes, eifenreiches Pigment, vorkommend bei Gaftropoden (Troclius rota, Tr. erythraeus) wie Acephalen (Pla- cuna sella, Perna isognomum), das im unveränderten Zuftande ein Ijreites Abforptionsband zwifchen b und F aufweift, beim Löfen in faurem Alkohol oder Waffer aljer leicht in andere, fpectrofkopifch gut gekennzeichnete Farbfloffe umgewandelt wird. Der Farl)ftoff und die durch keine tiefgreifendere Umfetzung aus iliin hervor- .rangenen Derivate lind in Chloroform wie Aetlicr uid<)slich. Die lain-en wäffrigcii Löfungen erfahren Ix-im Kociien keine fpcctro- fkopifdie \'()'änd('i'ung, werden (hn'ch Alkali(;n gefällt, nidit aber durcl) Sublimat, Alaun oder (Jerbfäure; l'm gel)en fernerhin weder

144 Grundzüge einer vergleichenden [62

nodiferum vor dem Tode entleeren foll, die hämocyaninhaltige Hämolymphe diefes Thieres fein.

Einige Reactionen und das fpectrof kopifche Verhalten des JantM- nins, des blauen Farbftoffes in dem Secrete, welches gewiffe Jan- thinafpecies am Rande und der Oberfläche des Mantels abfondern, und (fpeciell von nordatlantifchen Formen) durch MoMey bekannt geworden. Das Janthinin löft fleh in Weingeifl: wie Aether mit blaß violetter Farbe, rother Fluorescenz (ähnlich alfo dem Aescuhn) und zeigt drei Abforptionsbänder im Spectrum (ein tief dunkeles um D und zwei fchwäche vor E und vor F). Dasfelbe Spectral- verhalten befltzt die mit tief \äoletter Farbe in Glycerin gelöflie Farbfubftanz. Salzfäure verwandelt die Farbe der alkoholifchen Löfung in ein reines, lichtes Blau mit nur einem Spectralbande um D. In angefäuertem Aether löft fleh das Janthinin mit pracht- voll tief blauer Farbe ; diefe Löfung fluorescirt nicht, und ihr Spec- trum ifl ohne Abforptionsfl;reifen. Die Janthininlöfungen waren wenig haltbar; nach 1 bis 2 Wochen fand Mofeley fämmtliche zerfetzt.

Was fpeciell die Färbungen der Gehäufe bei den Mollusken anbelangt, fo ift die Zahl der dabei in Anwendung gebrachten Farbftoffe eine ausnehmend große. Wir flnden hier:

1. Farbftofl"e mit allen 'Eigenfchaften der Lipochrome (z. B. bei Littorina und gelben Pe et en Varietäten).

2. Lipochromoide und Melanoide, welche die Gehäufe der Mmiciden, Coniden und vieler anderen Gaflropoden (z. B. Cassis, Mitra, Strombus, Cypraea, Turbinella) wie zahlreicher La- mellibranchiaten (z. B. Pecten) von dem zartefl:en Rofa, durch Gelb, Orange, Roth und Braun liindurch bis zum tiefen Braun- fchwarz (z. B. bei Murex radix, Conus marmoreus, Turbi- nella rinoceros) variiren lalfen. Wie viel die Structm^ und \y\q viel nur vorhandene Spuren eines Lipochromoides, z. B. eines rothen bei dem leichten Rofaanfluge an der inneren Schalen fläche von

63] rhyüologie der FarbfloHe und der Farben. 145

Strombus gigas, Miirex bicolor und Delphinula laciniata beitragen, Avird iich allerdings nur durch fortlaufende Schnittferien der Schalenftücke entfcheiden laffen.

3. Biliverdin l>ei Haliotidcn (z. B. Haliotis Crachcrodi) und Trochiden (z. B. Turbo margaritaceus, T. concinnus, T. dis- junctus, Trochus pvramis, Tr. olivaceus).

4. Tiu'bobrunin, ein in angefäuertem Alkohol wie in angefäuer- tem WalTer leicht lösliches, eifenfreies oder nur Spuren von Eifen enthaltendes rothes Pigment, das beim Neutralifiren feiner Löfung in braunrotheu Flocken ausfällt und l)ei längerer Berührung oder beim Kochen mit fauren Flüffigkeiten in Biliverdin übergeht, un- vermifcht mit diefem die Gmelin'ichQ Gallenfarbftoffreaction aber nicht zeigt. Das Turbobrunin fcheint auf die Haliotiden (Ha- liotis rufusens) und die Gattung Turbo (T. sarmaticus, T. ru- gosus) befchränkt zu fein.

5. Bei Helix nemoralis ein intenfiv gelber, in kaltem Alkohol leicht löslicher, in Waffer, Aethcr, Chloroform u. dgl. m. aber un-

lösHcher Farl)ft<)fl\ der üch beim Erwärmen feiner Löfung auf etwa 90" 6'., ähnlich den Uranidinen bräunt, und deffen Spectrum frei von Abforptionsbändern ift; feine alkoholifche Löfung ift fehr lichtempfindlicli.

<j. Ein })ur})urviolettes, eifenreiches Pigment, vorkommend bei Gaftropoden (Trochus rota, Tr. erythracus) wie Acephalen (Pla- cuna sella, Perna isognomum), das hn unveränderten Zultande ein breites Abforptionsband zwifchen b und F aufweift, beim Löfen in faurem Alkoliol oder Walfer ah^v leicht in andere, fpectrofko])ifcli gut gekennzeichnete Farbftoffe umgewandelt wird. Der I'\irl)lt()if und die durch keine tiefgreifendere Umfetzung aus iliiii licrvoi'- gegangenen Derivate lind in ( .'hlorofonn wie Aether unlöslich. Die fauren wäffrigen Löhnigen erfahren Ix'im Koclien keine Cpcctro- fkopifclie \'( rändennig, werden «hu'ch Alkahen gefällt, nidit aber durch Subliniat, Alaun oder Gerbfäurc; lie geben ferneiliin wcdc^r

146 Grundzüge einer vergleichenden [64

mit roher, Ilarker Salpeterfäure oder conc. Schwefelfäure, noch mit Eifeiichlorid oder Kupfervitriol cliarakteriftifche Reactionen und ändern fich felblt nach tagelanger Behchtung nicht.

7. BeiTrochus pica einen Miwarzen, in dünnen Schichten blaugrünen Farbftoff, delTen Spectrum drei Abforptionsbänder (ems vor D, ein zweites in der Mitte von D und E und ein drittes zwifchen b und F) aufweilt. Derfelbe wird im trockenen Zuftande von conc. Schwefelfäure lange intact gelallen, durch rohe Salpeter- fäure gelb gefärbt und von Natronlauge gar nicht, von falzfäm'e- haltigem Waller nur fchwer in Löfung übergeführt ; in verdünnter Salpeterfäure löft er ßch dagegen mit blauvioletter Farbe, und die Löfung, welche zwei Spectralbänder (eins hinter D, ein anderes zwifchen D und E) zeigt, hält fich wochenlang unverändert. Die Farbe der blauen Löfung des Pigmentes in KönigswalTer geht rafch in ein unanfehnliches Violettroth und fpäter in ein bräun- liches Gelb über. Nach Entfernung der freien Säure durch Dialyfe oder durch Ueberfättigen mit Ammoniak wird der Farbftoff aus feinen Löfungen in dunkelindigblauen Flocken unverändert ausgefällt.

Neben einem gelbgrünen, den entkalkten Schalenhäuten bis- lang nicht zu entziehenden Farbffcoffe findet fich bei Neriten ein dem foeben befprochenen Pigmente ähnlicher, in dünnen Lagen violettblau, in dickeren fchwarz erfcheinender, aber weit widerJftands- fähiger Körper, der durch Salpeterfäure ebenfalls remer violett ge- färbt, jedoch weder durch diefe Säure direct gelölt, noch dadurch für Ammoniak lösbar gemacht wird.

8. Ein tief indigblaues Pigment bei Trochiden, welches fich auch durch feine Refifi^enz gegen Säuren, AlkaHen und lipochro- matifche Löfungsmittel dem Indigblau in feinen Eigenfchaften nähert; aber weder Salpeterfäure noch conc. Schwefelfäm-e üben auf den trockenen Farbfi;off einen auffälligeren Einfluß aus, und auch Alkalien löfen ihn nicht nach vorausgegangener Behandlung j mit ftarker Salpeterfäure.

65] Phyüologie der Farbftofle und der Farben. 147

9. Bei verfchiedeiien Species der Gattung Melania ein dunkel- braunes, in Aether ^^'ie Cliloroforni unlösliches, in falzfäurehaltiges Walter und Weingeift niit einer, bald in's Gelbe umfchlagenden ( iummiguttfärbung übergehendes Pigment ohne charakteriftifches Spectralverhalten und diu"ch Ammoniak aus der fam^en Löfung in braunen Flocken zu fällen. Dm'ch conc. Schwefelfäure wie durch conc. Salpeterfäure wird der Farbftoff gebleicht, nicht blau gefärbt wie che Lipochrome.

10. Undefinirbare braune (z. B. bei Lithodomus litho- phagus) und grüne (bei AmpuUaria und Achatina) Farbjftoffe,

flehe nicht die Lipochromreactionen geben und bislang auch iiiclit in Löfung zu bringen waren.

Um die Ueberzeugung zu befeftigen, daß noch manches Wiflens- werthe über die Schalenfärbungen der Mollusken unaufgeklärt, ja ganz ununterfucht gelaffen werden mußte, erinnere ich kurz an das intenßve Blau der Mytilusfchalen (vgl. S. 115) und das tiefe Himmelblau der Chryf oten, an die braunen durchlichtigen Stellen in den Schalen von Ortho Stylus nimbosus und verwandter Species, welche (im durchfallenden Lichte betrachtet) von dem opaken Weiß fo auffällig abftechen, an die grünen Farben bei ' '(K'hlodi'vas florida vmd Helicostyla orbitula''").

Es erübrigt noch, des Stäbchenpurpurs der Cephalopoden zu gedenken. Der Stäbchenpur|uir (fpeciell von Sepiola Rondeletii) unterfcheidet fich vom Sehpuii)ur allein fchon durch feine Perfiftenz gegen Licht. Es löll fich derfelbe in Ammoniak ; durch verdünnte Säuren, Kupfervitriol- wie Bleiacetatlöfungen wird der Stäbchen- purpur zerflört. während er fich in Kochfalzlöfungen felir ver- fchicdcner Concentration (2— 30''/o), in Löfungen von Nati-ium- fulfat und Natriumjdiospliat fowie in Benzol als halt])ar erwciit. Beim Erwärmen der Retina in einer SOprocentigen Kochfalzlölüng auf 70" C büßt der Purpur kaum etwas von feiner Färbung ein, und nur längeres Erwärmf-n bei 100° C. l)k'ic]it die Kcliiia all-

Krukdtljtnj, VcrKl.-jihyCiol Vorträge. II

148 Grundzüge einer vergleichenden [66

mählich, aber vollftändig. Nach V. Henfen findet fich üi der Stäbchenfchicht von Pecten Jacobaeus wahrfcheMich wahrer Sehpurpur; eine Nachunterfuchung hat mir aber ergeben, daß nur ein Theil der rothen Stäbchenpigmente bei diefer Pectenfpecies hchtempfindhch ift, ein anderer dagegen fehr hchtbeftändig. FarbÄoffe ßej ^q^ Wirbelthicrcn vereinfachen fich die Färbungen in

der "^

mS!' auffallendem Maße; nicht etwa infofern, als denfelben intenüvere oder mannigfaltigere Färbungen abgingen oder daß eine geringere Anzahl von Farbftoffen in Anwendung gezogen würde, fondern ledighch in der Weife, daß fämmtliche Pigmentirungen durch Glieder weniger Farbftoffgruppen veranlaßt werden, daß eigenartige Pigmente, wie folche bei Wirbellofen aller Typen in reichhchem Maße angetroffen werden, bei den Wirbelthieren außerordenthche Seltenheiten find.

Abgefehen von dem Hämoglobin und Biliverdin, welche wegen ihres conitanten Auftretens in der Wirbelthierreihe für uns mchtig find, welche aber bei Wirbellofen gleichfalls vorkommen, ob- fchon bei diefen das Gallenpigment eines ganz andern Urfprungs ift als bei den Wnbelthieren ^'') find es nur das Zoorubin, Tu- racin und Turacoverdin, welche von den befier bekannten Pigmenten auf Wirbelthierfpecies im Vorkommen befchränkt gefunden wurden.

Mit feltenen Ausnahmen find es Lipochrome und Hämoglobine, welche nebft ihren Abkömmlingen ( Gallenfarbftoffe, Melanine und Melanin-ähnliche Stoffe) die fog. objectiven, chemifchen oder Ab- forptionsfarben bei den Wirbelthieren bedingen und nur unter Mitwirkung gewifi'er Structm-eigenthümlichkeiten auch blaue wie grüne Farbentöne möglich machen. Die Urfache der Grünfärbung unferer Fröfche^^) kannten bereits viele ältere Forfcher, ebenfo auch die Thatfache, daß die in Alkohol lavendelgrau, ja oft blau gewordene Frofchhaut beim Bedecken mit angefeuchtetem gelben Seidenpapier wieder grasgrün erfcheint. Bogdanow und ich wiefen daraufhin, daß die blauen Federn im durchfallenden Lichte bräunlich, die grünen

67] Phvfiologie der Farbftofte und der Farben. 149

gell) erfcheinen, und Ä. B. Meyer machte darauf aufmerkfam^^), daß, «wenn man bei dem grünen Eclectus polychlorus das Licht möghchft horizontal auf das Grün des Rückens auffallen läßt, wenn man z. B. in Augenhöhe über den grünen Rücken, dem Lichte zugewendet, hinwegficht, derfellje fchön orangegelb erfcheint, fo l)lendend grün fchillernd er auch bei auffallendem Lichte ift; fafl noch in die Augen fpringender » , bemerkt Meyer weiter, «ift diefes Verhalten, und zwar fchon bei fchräg auffallen- dem Lichte, bei den grünen Federn der Araras, bei Sittace mi- litaris L. und S. chloroptera Gray». Schließlich gelang es Gadoic^^) an den tiefblauen Federn eines Makao durch einfache Preffung das Blau ganz zu bofcitigen.

Obfchon bei den von mir Ijcobacliteten mittclländifchen Cre- nilabriden die grünen und blauen Farben^*) in ähnlicher Weife wie l)ei den Federn auf Structurverhältniffen beruhen, fo foll ßch nach G. Francis bei einigen feltenen Fifchen (Odax radiatus, 0. frenatus und 0. Richardsonii) ein grünblauer Farbftoff finden, und auch bei BananenfrelTern, welche in ihren Färbungen gleichfam eine Ausnahmeflellung einnehmen, kommt ein grünes in Waffer lösliches Pigment den grünen Federn zu. Hiermit ift aber die Summe aller Ijci Wirbelthiercn in der Pigmentirung auf- gefundenen Befonderheiten erfchöpft; denn daß die Salmonfäure ^^) nicht nur ein unreines Lipochrom darfteilt, ift bislang als ebenfo- wenig feftgeftellt zu erachten, als daß der Färbung der Belone- knochen ein grüner Farbftoffköry)er thatfächlich zu Grunde liegt.

L^ntei- den Wirbelthiercn felbft gibt licli aber ein allgemeiner

Wechfcl in der Pigmentirung auch noch daiin zu erkennen, daß

Fifche, Am})hibien und Reptilien (mit Ausfchluß doi- Schlangen)

vorzugswein» auf lij)Oc]n()matische Färbungen angewiefcn find, l)ei

Schlangen nnd Säugetliieren die melanoklen Färbungen vorhcrr-

fchen, die lipocjn-oniatifchen dagegen felir zurückftehen odei- auch

wohl ganz zum Ausfall kommen, wälircml mitcr <lcn N'ögcln Ix'i

11*

150 Grundzüge einer vergleichenden [68

einigen Species die Lipochrome, bei anderen die Melanine mit ihren Verwandten bevorzugt erfcheinen.

Das Wiclitigfle, was die Analyfe der Farbftoffe bei den Wirbel- thieren bereits erfchloITen hat, ifl die Befchränkung charakteriftifcher Pigmen,te auf vereinzelte Species oder auf Vertreter einer oder weniger Familien. Selbft die Verbreitung der Lipochrome bietet uns prägnante Beifpiele, wie die Anbildung auch diefer, wie es fcheint, fo veränderlichen Subftanzen mit der Organifationsanlage Hand in Hand geht. Mehr oder weniger beträchtlich ift fo z. B. die rho- dophanartige Beimengung, welche das Lipochriii in der Haut der einheimifchen Salamandrinen conftant begleitet; ffcets findet" man ferner in der Haut der einheimifchen Lacertiden einen andern chlorophanartigen Körper (Lacertofulvin) als in der Haut von Hyla arborea, Rana temporaria und R. esculenta (Lipochrin), und diefelbe Differenz belteht nach Kulme für diefe Thiere auch bezüglich der gelben Lipochrome in den Zapfen der Retina®^), '^'^'ftoffe^^" ^™- lehrreichften find in diefer Hinficht die Pigmentirungen Vögel, des Gefieders der VögeP''); mit Ausnahme der in ihren Effecten fo überrafchenden Structurfarben , welche den Colibris und vielen anderen tropifchen Vögeln ihre Farbenpracht und Farbenmannig- faltigkeit verleihen , beruhen an diefem alle gefättigteren Farben auf der Anwefenheit von Lipochromen. Vorwiegend find es chloro- phan- und rhodophanartige Stoffe, welche ihre Wirkung dabei ent- falten, deren Repräfentanten in den Federn verfchiedener Vogel- arten oft aber differente find. Bald findet fich in den Federn von Lipochromen veritabeles Rhodophan, bald das fchlecht charakteri- firte Zoonerythrin vor, und in den rothen Papageienfedern ein dem Rhodophan nm- entfernt verwandter Körper, das Araroth, welches fich gleich feinem, dem Chlorophan analogen Begleiter, dem Pfitta- cofulvin, in feinem Verhalten gegen Reagentien fehr den Lipo- chromoiden nähert. Von gelben Lipochromen fcheint das Zoofulvin die weiteffce Verbreitung zu befitzen, weniger häufig findet fich das

69] Phyüologie der Farbltoffe und der Farben. 151

Coriofulfurin und das Picofulviii charakterifirt , foviel wir wifTeii, die Vertreter einer einzigen Familie, nämlich die Piciden.

Das Picoful^'in ^'*) wurde von mir in den grünen Federn von Ge- cinus viridis entdeckt und bei forgfältiger Prüfung von 19 Specht- arten bei 9 Species, theils nur mit Rhodophan (Campop hilus Malherbii, Picus major, Callolophus mentalis, Gecinus viridis), theils mit Rhodophan und Coriofulfurin (Mulleripicus fulvus, Yungipicus Temminckii, Chrysoptilus punctigula, Chloronerpes aurulentus, Chi. Kirkii) vergefellfchaftet gefun- den, bei 10 Species (Dendropicus cardinalis, Campethera nubica, Tiga tridactyla, Dr3^ocopus flavifrons, Colaptes auratus, C. olivaceus, C. rubricatus, Melanerpes formici- vorus, Picumnus minutus, Jynx torquilla) dagegen vermißt. Bei weiterer Nachforfchung über eine eventuelle Verbreitung des Picofulvins bei Vertretern der den Piciden nächftftehenden Familien (Pfittaeiden, Bucconiden, Ramphastiden)^^), welche die groß- artige Liberahtät Adolf Bernhard Mei/er's und fein warmes InterefTe für jeden, auch noch fo kleinen Fortfehritt in der Lehre von den thie- rifchen Färbungen mü' ermöglichte, ergab fich, daß diefer Farb- floff hier durchgängig fehlt und demnach (wenn auch nur vorläufig) als eine Eigenthümliclikeit der Piciden betrachtet werden muß.

Einen ebenfo }>efchränkten Verbreitungsbezii'k als das Pico- fulvin fcheint das Turacin''") zu befitzen. Diefer kupferreiche, purpur- rothe Farbftoff der Mufophagiden ift durch die Reifebefchreibung von Vcrrcaitj- zuerfl ])ekannt geworden. Den fpäteren Mittheilungen anderer Ornithologen läßt lieh entnehmen, daß lieh das Turacin bei den meiden Mufophagidenfpecies findet, davon, daß es bei irgend einer derfelben tliatfäclilich vermißt wurde, ilt mir überhaupt nichts bekannt geworden. Scbr genaue Unterfuchungen über diefen Farb- ftoff verdanken wir Chiirrh. Nacli Clutrcli, aber unbeeinflußt von den in feiner Arbeit niedergelegten Refultaten, unterfuchte icl) das Turacin und fand fcliließlich, nach vielem Suclien, aucli feine Ab-

152 Grundzüge einer vergleichenden [70

hancllung wieder auf, welche bis dahin vergelTen und begraben lag in der großen Katakombe der Philofophical Transactions.

Nach allen Beobachtungen, welche über das Turacin in der Literatur niedergelegt lind, und nach den Erfahrungen, welche ich in den größeren ornithologifchen Sammlungen Deutfchlands wie Oelterreichs bezüglich einer zu erw^artenden Turacinfärbung bei anderen Gruppen zugetheilten Species fammeln konnte, hatte es den Anfchein, als ob diefer Farbftoff nur bei Mufophagiden vor- komme. Bei meinem Befuche des SencJcenberg' ^chen Mufeums zu Frankfurt fiel mir jedoch kürzlich ein Cuculide von Manilla, Dasy- lophus super ciliosus Swainson auf, bei welchem das fatte Roth fparfam vorhandener Köpffedern auf Turacin fchließen ließ. Dank der Bereitwilligkeit der Direction der SencJceiiberg' ^chen Gefellfchaft :war mu' eine Unterfuchung diefer Federn möglich, welche zu dem Refultate führte, daß der fragliche Farbftoff wirkliches Turacin war. Mofeley erwähnt in feiner von mir fchon wiederholt citirten Ab- handlung, er glaube gelefen zu haben, daß das Turacin auch bei einer kleinen Papageienart Auftraliens entdeckt fei. Ich habe in ornithologifchen Kreifen von einer derartigen Mittheilung nichts in Erfahrung bringen können und bin deshalb geneigt anzunehmen, daß diefe Notiz nur auf Verwechslung des Turacins mit einem andern Farbftoffe von Seiten Mofeley & beruht; ift es mir doch fchon wiederholt vorgekommen, daß mir Mittheilungen über das Turacin zugingen, welche fich ftets als irrthümhche entpuppten. Daß fich diefer Farbftoff bei keinem Papageien findet, ift mh fo ficher als irgend etwas.

Noch fpecialifirter im Vorkommen als das Turacin ilt der grüne Farbftoff, welcher aus ihm bei längerer Aufbewahrung im angefeuchteten Zultande und an der Luft hervorgeht, das Turaco- verdin^^); diefes wurde von mir bei Corythaeola cristata aufge- funden, aus den grünen Federn von Corythaix albicristata ifolh't wie in Löfung erhalten und ifl weder bei anderen Mufopha-

71] Phyruiliigie der Failtltotie und der Farben. 153

gideu noch bei irgend einer Spccies einer andern Vogelfamilie fernerhin nachgewiefen.

Während das Picofulvin, Turacin und Turacoverdin durch ihre Befchränkung auf Repräfentanten einer einzigen Famihe (und refp. auf wenige andere, diefer fehr nalieltehende Formen, deren fyftematifche Stelknig überdies noch fraghch ift) von Interelfe find, venhent das Zoorul)in deshalb Beachtung, weil es bei verhcältniß- mäßig wenigen Species fernftehender Familien in den Federn auf- tritt; auch diefer Farljfiotf wurde fonft im Thierreiche nicht wiedergefunden .

Bei Paradifeklen ift das Zoorubin ^^) am regelmäßigften anzu- treffen; fo findet es fich bei Paradisea papuana, P. rubra, Diphyllodes magnifica und ganz befonders reichlich bei dem Männchen von Cicinnurus regius, deireii Gefieder es eine präch- tige l)raunrothe Färbung verleiht. Außerdem habe ich dielen Farbftoff aber auch Ijei Trogoniden (Pyrotrogon Diardi ö"), Alectoridcn (Otis tarda) und Phafianiden (gewiffe Varietät von Gallus domesticus) nachzuweifen vermocht, und zweifellos wird derfelbe auch Arten mehrerer anderen Familien nicht fehlen; in lammtlichen von mir unterfuchten braunen Phanipliaftiden- Fftlcni lialic ich ihn indeß vermißt.

Gewöhnliche und außergewöhnliche Färbungen treten uns bei ^.J;i^^^]^_ den Vögeln nicht nur am Gefieder, fondern auch an den Eier- *"■'■^"^"^^• fchalen'-'^) entgegen. Durcli die Unterfuchungen von Sorhi/, Lirhrr- iiinuH und mir ift feftgeftellt, daß die Färl)ungen der blauen l)is grüiK II \'ogeleierfchalen von Biliverdin oder diefen fclu- naheih licn- den Farbftoffköri)eni (Oocyaii Sorliyn) herrühren, während die dunkelen und rötldichen Farbentöne (fleilch-, olivcu-, lederfarlng, i"oth , braun, fchwarz u. dgl. m.) durch ein Häm()gl<)l)iudci'ivat (Oorhodein Sorhi/'s) veranlaßt werden, welches nacli dem J^]iitkalken der Sclialen als Hämatopori)hyrin in die Säure übergelit. Beide l'igrneiitirungKweiP-n ni;niif('(lii-<'n lidi als gi'iindlicli vcrfcliicdcn-

154 Grundzüge einer vergleichenden [72

artige fchon dadurch , daß die Biliverdinfärbung auch in .tiefere Schaleiilagen hinabreicht, daß fie im Umfang der Schale aber an allen Stellen ftets eine gleichmäßige ift, während das dkecte Spaltungsproduct des Hämoglobins nur ganz oberflächlich und hier ftets in mehr oder weniger circumfcripter Vertheilung (als Flecke, Punkte, Kritzeln, Schlieren etc.), niemals in der Tiefe der Schalen zu finden ift. Das fog. Oocyan mrd, fo fchheßen wir aus diefen Befunden, in Gemeinfchaft mit den Kalkfalzen fecernirt, das Oorhodein hingegen der fertigen Eierfchale erft ganz zuletzt aufgetragen.

Außer dem Biliverdin und Hämatoporphyrin tragen nachge- mefenermaßen nur noch bei zwei Vogelclallen andere Pigmente zur Eierfchalenfärbung bei, indem in beiden Fällen auf die Oorho- deinfärbung verzichtet wird. Es ift bemerkenswerth , daß diefe Abweichungen Familien betreffen, bei denen die Färbungen des Gefieders fich durch keine Abfonclerlichkeiten auszeichnen, und daß anderfeits die Vögel mit ungewöhnlichen Federfarbftoften keine von dem allgemein Gang und Geben in ihrer Färbung abweichende Eier legen. Ledighch che Crypturiden und Cursor es nehmen durch die Pigmentirung ihrer Eierfchalen eine Sonderftellung unter den Vögeln ein, indem fich nämhch bei den Cursores dem Oocyan das Oochlorin, und bei den Crypturiden Oochlorin und Ooxanthin hinzugefellen.

Wir können hiermit unfere Darfteilung der Färbungsurfachen bei den Wirbelthieren befchheßen, denn die Unterfuchung der me- laninartigen Stoff"e hat wegen der Schwerlöshchkeit diefer Subftanzen zu vergleichend - phyfiologifch mchtigeren Refultaten noch nicht geführt. Bei der . Lösbarmachung und Reinigung diefer Pigmente von Hörn- und Eiweißgebilden hat man fi^ets zu Mitteln greifen muffen, welche die Farbftoffe felbft verändern und zerfetzen, ohne aber zugleich auch nur irgendwelche Garantie zu bieten, daß die verunreinigenden Stoffe thatfächhch dadurch befeitigt werden. Vieles

73] Phyliulogie der Farbftofle und der Farben. 155

der Befprecliuiig und der Unterfuchung Wertlie ließe licli allerdings auch noch aus der Farbenwelt bei den AVirbelthieren namhaft . machen, doch giaulje ich nicht, daß die Forfclunig bereits foAveit ■' vorgefchritteu ift, als daß man über das Wie diefer Färbungen auch niu- eine ^'^ermuthung ausfprechen könnte. Meine und die Unterfuchungen anderer Autoren haben allerdings gelehrt, daß das rothe Knochenmark, die meiften rothen, halbrothen oder tief lackfarben zinnoberrothen Wirbelthiermuskeln durch unverändertes Hämoglobin gefärbt lind, was jedoch die Färbung des gellten Knochenmarkes bedingt, wie die Farbe der himmelblauen Muskeln vieler Scomberiden, die rothe, auf fog. «acide salmonique» beru- hende Färbung des Lachsfleifches 7at Stande kommt, das wiffen wir nicht und was die gelbe Farbe des.Blutferums bei Säugethieren veranlaßt, das wilfen wir aucli nicht. Ebenfo fchlecht find wir über (he gelben l>is hochrot] len Färbungen der Schneidezähne ge- wifler Nagethiere, über die Schwarzfärbung der Zähne von Wieder- käuern und Fachydermen unterrichtet, und bei Fragen nach den Fär]>ungsverfchiedenheiten der Haare ^^) würde üch ein Räthfel an das andere reihen. Auch über die Federfarben der Vögel breitet ßch ftellenweife noch ein tiefes Dunkel aus. Die \äoletten und purpurvioletten Federn bei den Tauben der Infein um Neu-Guinea (Ptilopus speciosus lios. cf, P. pulchellus Tcni., P. geminus Sab:. 9) trotzten bislang jedem Verfuche, eine ähnlich gefärbte Subftanz aus ihnen a])zufc;heiden, und nichts Avilfeu wir über die feurigen Farben des Goldfafans, nichts über das wunderbare Roth der Xipliob'iia pf)iiipa(l()]'a. Ueljcrall wüi'dcii hier zur Zeit nur ^Vünf(•ll(■ an Stelle des Geiftes abgefchlolfener exacter Unteiiucli- ungeii treten können.

T"nl)eirrt durcli die \"orurtheilc und die Suclit einzelner Unter- inukbiick. fucher, in jedem rotbcii, Ijraunen oder dunkelgrünen JMgmente befinde es iicb iiii hdüforien gebunden in den Flüden bi'i (hiate- mala f Jlo/rifji/oiiJ, in Algen (Phijilhn) oder irgendwo l»<i 'Tliicren

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Grundzüge einer vergleichenden

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artige fclio'. dadurch , daß die Biliverdiiifärbung auch in tiefere Schaleiilagö. liinabreicht, daß lie im Umfang der Schale aber an allen Stella Itets eüie gleichmäßige ift, während das dii-ecte Spaltungsp)duct des Hämoglobins nur ganz oberflächheh und hier Itets i mehr oder weniger circumfcripter ^\n•theilung (als Flecke, Pukte, Kritzeln, SchHeren etc.), niemals in der Tiefe der Schalen ziifinden iß. Das fog. Oocyan wird, fo fchüeßen wir aus diefen Befuden, in Gemeinfchaft mit den Kalkfalzen fecernü-t, das Oorhoein hingegen der fertigen Eierfchale erft ganz zuletzt aufgetragei

Außerdem Biliverdin und Hämatopurphyrin tragen nachge- ^nefenermäen nur noch bei zwei Vogelclallen andere Pigmente zm- EierfcMenfärbung bei, indem in beiden Fällen auf die Oorho- deinfärbui^i verzichtet wird. Es ilt l)emcrkens\vertli, daß diele Abweichui^en Familien betretten, bei denen die Färbungen des Gefieders eh durch keine AblVtnderliclikeiten au.szciclnien, und daß anderfits die Vögel mit ungewöhnlichen Federfarbftoftcn keine von dem agemem Gang und Geben in ihrer Färbung abweichende Eier leueii Ledighch die Crypturiden und Cursore.s nehmen dmx'h die igmentirmig ilu*er Eierfchaleu eine Sonderfteliung unter den Vögeh ein, mdem fich nämhch l>ei den Cursores dem Oocyan das Ooclddn, und bei den Crj^Dtmiden Oochlonn und Ooxantliin hinzugei'elii.

Wir Domen hiermit untere Darllellung di-r Färbungsurfacheu bei den W'belthieren befcliließen, denn die Unterfuchung der me- laninartige Stoffe hat wegen der Schwerlöslichkeit diefer Subßauzen zu vergießend - phyfiologifch wichtigeren Refultaten noch nicht geführt. M der Lösbarmachung und Reinigung diefer Pigmente von Horn-und Eiweißgebilden hat man ftets zu Mitteln greifen muffen, wehe die Farbftoffe felbft verändern und zerfetzet aber zugleh auch nur irgendwelche Garantie zu Itieten verunreinijaiden Stoffe thatfächUch dadurch befeitigt wj

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Phyfiologie der Farbfloffe und der Farben.

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der Befprechung und der Unterfuchung Werthe ließe ih allerdings auch noch aus der Farbenwelt bei den Wirl)elthie}n namhaft machen, doch glaube ich nicht, daß die Forfchung Ireits foweit vorgefchritten ifl, als daß man über das Wie diefea Färbungen auch nur eine Vermuthung ausfprechen könnte. Meie und die Unter fuchungen anderer Autoren haben allerdings ekhrt, daß das rothe Knochenmark, die meiften rothen, halbrotbn oder tief lackfarben zinnoberrothen Wirbelthiermuskeln durch uverändertes Hämoglobin gefärbt und, was jedoch die Färbung des gelben Knochenmarkes bedingt, wie die Farbe der himmelblaen Muskeln ^deler Scomberiden, die rothe, auf fog. « acide salmaique» beru- hende Färbung des Lachsfleifches zu Stande kommt^das Aviflen wir nicht und was die gelbe Farbe des.Blutferums bei |feugethieren veranlaßt, das wilfen wir auch nicht. Ebenfo fchleot lind wh* über die gelben bis hochrothen Färbungen der Schneiezähne ge- wifler Nagethiere, über die Schwarzfärbung der Zähne 'on Wieder- käuern und Pachydermen unterrichtet, und bei Frage: nach den Fär])ungsverfchiedenheiten der Haare ^^) würde lieh eiiRäthfel an das andere reihen. Auch über die Federfarben der ^gel breitet fich ftellenweife noch ein tiefes Dunkel aus. Die vilctten und purpurvioletten Federn bei den Tauben der Infein uniVeu-Guinea (Ptilopus speciosus Eos. cf, P. pulchellus Tem., 1 geminus Sah. 9) trotzten bislang jedem Verfuche, eine ähnläi gefärbte Subftanz aus ihnen abzufcheiden, und nichts wilfen vr über die feurigen Farben des Goldfafans, nichts über da Rolli

der Xipholena pompadora. Ueberall würden hicj r Zeit nur Wünfche an Stelle , des Geiftes abgefchloflener > hiterfuch-

ungen treten können.

Unbeirrt durch die Vorurtheile und fucher, in jedem rothen, braunen ()(i befinde es fich an Infuforien gd mQ]^^( BoMffnon), in Algen ( '

156 Grundzüge einer vergleichenden [74

(Fimj-Lankeßer, Sorhy, Mac Munn) ein verkapptes Hämoglobin- derivat zu entdecken, in Jedem gelben wie grünen Farbftoffe die Kraft des Chlorophyllkorns zu wittern, jede lebhaftere Pigmentirung als das Product einer, auch unter natürlichen VerhältnilTen ab- laufenden PettenJcof er Ichen Gallenfäurereaction zu deuten (Cafali) oder überall nur Lipochrome zu fehen (Merejlioivsliy), habe ich verfucht, Ihnen von den thierifchen Pigmentirungen nur Das zu bieten, was als erwiefene Thatfachen in der WilTenfchaft von dauern- dem Beflande ift, was, um nicht zu Irrlichtern zu werden, berichtigt werden mußte, und fchließlich auch die auf Thatfachen baürten Theorieen und Ideen, an deren Hand lieh rüftig weiter forfchen läßt. Wir nahmen bis dahin den thierifchen Pigmentirungen eine analoge, allerdings ganz entgegengefetzte Stellung gegenüber ein als der moderne anatomifche Mikrofkopiker den thierifchen Ge- weben ; diefer ift zufrieden geftellt, wenn ihm eine möglichft brillante und diftincte Färbung an einem Organelemente gelungen ift, und es könnte nach dem Vorgetragenen auch leicht den Anfchein er- wecken, als ob unfer Intereffe völlig befriedigt fei, wenn die Farb- ftoffextraction eine gelungene gewefen ift. Ich bin jedoch weit davon entfernt zu glauben, daß mit der Kenntniß der chemifchen Natur der Farbftoffe allein, und mag ßch diefelbe in der Zukunft auch noch fo vollkommen geflalten, biologifch viel gewonnen ift; cüefe bildet meines Erachtens nur ein unbedingtes Erforderniß, um die Päthfel der thierifchen Färbungen, deren es fo unend- lich viele und einer wiffenfchaftlichen Unterfuchung fo würdige gibt, überhaupt erft ihrer Löfung näher zu führen. Ebenfo wie in einer rationellen Hiftologie der beabüchtigte Zweck aller Tinc- tionen nur der fein kann, zu erforfchen, was in jedem einzelnen Falle für chemifche Gewebsbeftandtheile und warum gerade diefe mit dem angewandten Färbemittel imprägnirt werden, fo hat auch, fage ich, eine wilTenfchaftliche vergleichende Chromatologie der Thiere vor allen in Erfahrung zu bringen, warum gerade diefe und

T-V Phyfiologie der Farl)ftoflL' und der Farben. 157

nicht andere lebende Organtheile gefärbt Und, und auf welchem Wege der Farbftoff an die betreffenden PLätze gelangt ilt, refp. ob derfelbe erft an Ort und Stelle gebildet wurde. Der Hiltologc wird feiner Aufgabe ficherlicb erfl dann gerecht werden, wenn er hell nicht darauf l)efchränkt, die Gewebe durch Anilin, Eolin u. dgl. ni. in ein gefchmackvoUes Licht zu fetzen, fondern ücli aucli dazu bequemen wird, durch fuccellive Entfernung der durch ver- fchiedene Farbflofflöfungen different gefärbten Gewebstheile üchere Anhalts[>unkte über die chemifche Structur der Gewebe felbft zu erlangen. In entfprechender A\"cife wird die vergleichende Phyflo- logie der tliierifchen Färbungen al)cr auch nur dann ihrem beab- fichtigten Ziele lieh zu nähern wilfen, wenn ße niclit in einer Farbftoffchemie aufgeht, fondern vorwiegend ihr Augenmerk der Erforfchung der natürlichen Färbungsurfachen zulenkt ^^).

Wa.s ich Ilnien nach diefer Richtung zu bieten vermag, ifl fehr wenig. Das zur Jjöfung diefer Fragen angehäufte Erfahrungs- material ift außerordentlich reichhaltig und gewiß noch weit be- deutender, als ich es zu überfehen vermag; ich fülüe mich unfähig, ohne eine große Eigenerfahrung und ohne Unterftützung geeigneter Sammlungen dasfelbe zu lichten und in eine fo aphoriltifche Form , zu kleiden, als es der Rahmen diefer Vorträge mir geftattet. Ich befchränke micli doshall) <larauf, nur die Punkte hervorzuheben, an deren Klarflellung uns bei einer naturgemäßen Betrachtung der thierifchen Pigmentirungen vorzugsweife gelegen fein nniß, welche al)er nur tiefere imd umfadendc Studien zu dctaillii'en vermöcliten.

Wii- l)egannen unfere Betraditungen damit, die Momente aus- nerkmift

der

lindig ZU niacjicn, wcjclic (idi l'ür eine genetifchc Beziebnng zwi leben Pittmento, den einzelnen Farbftottgrui^pen verwerthen ließen; diefer Tendenz lind wir bei allen uideren Auseinanderfetzungen, wie ich glaube, treu gebheben, und es ergal) lieh außer den Refultaten, welche die Tafel auf S. lOl refuniirt, weiterhin nodi die Tliatfache, daß

158 Grundzüge einer vergleichenden [76

einige natürliche Farbjftoffe, obfclion äußerlich einander fehr un- ähnlich (rothe und violette Farbltoffe der Acrocladien wie der Blüthenblätter, das Pentacrinin und feine grüne Verbindung) doch nichts anderes vorflellen als in dem einen Falle die freie Farbftoff- fäure, in dem andern das Salz derfelben. Hiermit ift aber alles erfchöpft, was ßch über die thierifchen und pflanzlichen Farbftoffe in diefer Beziehung Tagen läßt.

Eine andere Frage ifl nun die, ob ein oder der andere Farb- ftoff in offenbarer Beziehung zu einer ungefärbten Subftanz fteht, fei es, daß diefe im Organismus bereits unter phyßologifchen Ver- hältnilfen vorhanden ifl, fei es, daß diefe denfelben nur bei einer gewiffen Ernährungsweife zugeführt wird. Soviel ich erfehe, läßt ßch für ein derartiges Abhängigkeitsverhältniß nur ein einziges ßcheres Beifpiel anführen (die Umwandlung des Indol in fog. Harn- indican und Indigo), welches nicht viel bedeuten kann, wenn man berückßchtigt, daß jeder thierifche Farbftoffkörper eine folche Ab- flammung fchließhch haben muß. AYie fchwer es hält, in diefer Richtung Refultate zu erzielen, dürfte fchon daraus zu entnehmen fein, daß mr in vielen Fällen nicht einmal wiffen, ob eine Subftanz whklich ein thiereigenes Product ifl oder fchon als folche von außen aufgenommen wurde; ob es ßch bei ihr nicht um einen Körper handelt, welcher in minimaler Menge dem Organismus einverleibt, in diefem (ähnlich dem Kupfer in den Haaren, dem Silber in der Haut bei Arg3aie) retinht blieb, um gelegentlich viel- leicht, wie der Krapp dem Kalke in die Knochen und in die Eier- fchalen folgt, auch mit dem Fette oder gewiffen Eiweißfloffen mobü und transportabel zu werden.

Viele Abhandlungen find erfchienen, bevor man die Kohlen- partikelchen im Lungenparenchym als folche erkannte, den Guanin- producenten unter den Thieren kennen wir noch immer nicht, und- man kann ßch deshalb nicht gerade wundern, wenn fafl alle, der Entflehung thierifcher Pigmente zugewandten Nachforfchungen

77] Phyßologie der Farbftofle und der Farl^en. 159

einen mein- oder weniger generalifirenden Charakter angenommen haben, und man fich vorläufig auch damit zufrieden ftellt, wenn es aufcheinend gelungen ift, eine beftimmte Färbung in caufalem Zufammenhange mit einem beftimmten Nahrungsmittel zu wiflen. Wie \'iele von den Beobachtungen aber, durch welche ein derartiges Abhängigkeitsverhältniß z^^ifchen Farbe und Nahrung crfchloITen fein foll, richtig find, ftelle ich fpäteren Experimentatoren zur Ent- fcheidung anheim und führe hier nur einige derfelben auf.

So ifi; behauptet worden, daß die Flamingos ihr zartes Roth aus der Fifchnahrung beziehen, daß das Schwarzwerden von in Käfigen gehaltenen Gimpeln, Buchfinken und Stieglitzen bei einer zu übermäßigen Fütterung mit Hanf eintrete ^^), daß verfchiedene Yölkerfchaften es verliehen, grüne Papageien durch eine befondere Art der Ernährung und auch durch andere Mittel gelb zu färben («tapiriren»)^^), und neuerdings hat man gelbe Canarienvögel dui-ch Füttern mit fpanifchem Pfeffer dunkelorange zu färben vermocht. Nur felir vage allgememe Angaben liegen über den Einfluß des Futters auf die Färbungen bei den Infecten^*) vor. Allgemein

9

bekannt ift die Behauptung, daß Schmetterlinge, ganz befonders Arten der Gattung Euprepia, eine andere Färbung als die ge- wöhnliche annehmen, wenn ihre Raupen mit ihnen für gewöhnlich niclit zu Gebote flehenden Blättern gefüttert werden; fo foll Eu- prepia caja einfarbig braun werden, wenn man ihre Larven mit Walnußblättern ernährt. Die Raupe von Elloparia fasciaria foll auf Fichten grün, auf Kiefern braun fein, und die Raupe von Xylomiges conspicillaris entfprechend der Verfärbung des Ginfters, auf dem fie lebt, die Farbe ebenfalls wechfeln; fo lange diefcr jung, ift fie grün, wenn die gelben Blüthen kommen, erfcheint fie auch im gel]>en Koftüm nnd wcchfclt diefes noch einmal in Graubraun um, wenn Wq^ fchon ausgewachfen, zwifchcn dürrem T Mibe fich bewegt. Eine andere Raupe, Eu])itliccia absinthiata, ; polypliages Thier, foll auf dem gelb blülienden Senccio Jaco-

160 Grundztige einer vergleichenden [78

baea gelb, auf rothen Centaureen röthlich und auf weißer Camille weiß fein. Leydig verfiel fogar auf den Gedanken, daß das feiner irrtliümlichen Annahme nach in den grünen Heufchrecken- und Chryfopa-Flügeln deponirte Chlorophyllgrün üch mit vorrückender Jahreszeit an feinem neuen Platze ebenfo me das der Blätter ver- färbe.

Strenger durchgeführt, befonders in den Arbeiten von Weis- mann, find die Beobachtungen über den Einfluß von Licht und Temperatur auf die Entwicklung der Farben bei den Schmetter- lingen. Schon Dorf meißer war es gelungen, bei Euprepia caja das normale Hothgelb der Hinterflügel durch erhöhte AVärme in Mennigroth, durch erniedrigte in Ockergelb nach Belieben umzu- wandeln. Der Saifon-Dimorphismus , d. h. die nach den Jahres- zeiten wechfelnde Färbung des Netzfalters (Vanessa levana L.) und einer Reihe anderer Tagfchmetterlinge, den bereits fei ge- kannt. Weismann aber erft näher erforfcht und erklärt hat, bietet in diefer Beziehung wohl das anziehendfte Beifpiel dar. Diefe Farbenveränderungen, welche V. Graher in feinem, fo origüiellen Werke «Die Infecten» höchft finnreich befchrieben und den wei- teften Kreifen dadurch erfchlolfen hat, betreffen aber insgefammt nur die Structurfarben , welche einem A^erftändnifle und einer eingehenderen Unterfuchung zur Beantwortung des Warum weit fchwieriger zugängig find als die Fälle, wo die Färbung durch greifbare und ifohrbare chemifche Stoffe eine Beeinfluff'ung erfährt; ihre wiJTenfchafthchere Inangriff'nahme erfordert weit mehr Vorar- beiten als die der letzteren Art, welche fchon, wie mr fahen, fehr complichter Natur ift. Nur eine, für die Kenntniß des Entftehens der chemifchen Färbungen fehr wefentliche Vorfrage bleibt uns bei den Structurfarben erfpart, nämlich die nach der Bildungs- fiätte des Färbungsmateriales , zu deren Befprechung ^Air fogleich übergehen können, weil von den äußeren phyfikalifchen Einflülfen auf die fonftigen Färbungen der Thiere nur foviel gewiß ift, daß

79] Fhyfiologie der Farbftoffe und der Farben. 161

das iiitenfivfte Sonnenliebt verbunden mit der gr(3ßten Wärme, wie man es in den Tropen findet, die größte Mannigfaltigkeit und Pracht der Farben bedingt, und daß fowohl mit der Erhebung über die INIeeresfläche wie namenthch gegen die Pole 7A\ ficb die Farben mehr und mehr al)fchwächen oder monotoner werden.

«Ob das Pigment am Orte, wo man es vorfindet, entftanden Biiduugs-

^ flätte der

ift und fo z. B. in den Farbezellen als Product ihrer metabofifchen Pigmente. Thätigkeit angefehen Averden kann, oder ol) es fchon als folches auf h'gend eine Weife (flüflig oder feft) in die Zelle gelangt», ift eine Frage, welche nach meinem Dafürhalten für jeden befonderen Fall erwogen und nicht feiten verfchieden beantwortet werden muß. Ich gebe zu. daß bei manchen thierifchen Färbungen ein in Hin- bhck auf die chemifche Zufammenfetzung des Farbftoffkörpers unbedeutendes Atom einer hinzugeführten Subftanz (wie z. B. von einem Eifenfalze bei chlorotifchen Pflanzen) ausreicht, aus einem ungefärl)ten Chromogene einen Farbfloffkörper an's Licht zu zau- l)eru, daß auch entfernt liegende Organe (fo z. B. die Nel)ennieren bei der Adfli/oi/'i'cheii Krankheit) auf eine Pigmentablagerung in ganz anders gearteten Geweben von gra\dtirendem Einfluife fein können; für die Federn fpeciell, vertrete ich aber die Auffaffung, daß fämmtliche Farbftoffe derfelj^en, mit alleiniger Ausnahme des Coriofulfurins, in loco entftehen und l)eziehe mieh dal)ei:

1. auf .1. 7!,'/r«Ws Tinctionsverfuclie •'•'), welche ergeben lial^en, daß die Affinität anderer tliierifchcn Gewel)e fiu- die aus den Federn in Löfung erlialtenen Pigmente weit größer ilt als die des Feder- "'■weljes fell)ft ;

2. auf die fcharfe Abgrenzung i\i-v lipochromatifclicn und nicla- ■tifchen P^ärbungen, welche für erftere Farl>ftoffe an «Icr X'ogcl-

retina, wo <lic einzelnen Za]»fenkugeln ihre eigenen Lij)()chr(jme fülircn, un<l ganz befonders an Pigmentzellen der Jhuit von Fifehen, wo in einei- einzigen Zelle fepariil i'olhe, gelbe und gi'üidiehe Fett- tropfen lagern, noch weit pi'ägnantei- h(!rvoi'tritl als an den J*\'dern.

162 Grundzüge einer vergleichenden [80

Nur durch die Annalime eines ganz außergewöhnlichen Elections- vermögens gemfler Zellenbeftandtheile heßen fich diefe fo abfon- derlichen VerhältnilTe fonfl noch erklären;

3. auf die chemifche Eigenartigkeit fo yieler Federfarbftoffe, welche weder im Blute, noch in Drüfen, Muskeln und Haut, ja nicht einmal im Federfchafte ^°°), fondern nur in der Federfahne anzutreffen ßnd;

4. auf die Schwerlöslichkeit und große Unveränderhchkeit des Melanins durch chemifche Agentien, welche dasfelbe gar nicht transportfähig erfcheinen lalTen;

5. auf 'den Fortfall der melanotifchen , nicht der lipochroma- tifchen Färbungen bei albinotifchen Formen, und

6. auf die Eegeneration des Turacins nach Entfernung des- felben aus den Federn durch Waller oder alkalifche Flüfligkeiten.

Um dem Farbenbildungsvermögen der Zellen felbft näher zu treten, wüßte ich für die Melanine kein anderes Mittel anzugeben, als einen Vergleich der durch gründliche anatomifche und hifto- logifche Unter fuchungen (welche nicht nur die Federn, fondern auch alle, eventuell dabei in Frage kommenden Organe betreffen) an albinotifchen und normalen Formen gewonnenen Refultate, während uns in Betreff der Lipochrome auch allgemeiner gehaltene vergleichend -phyßologif che Studien eine Aufklärung verfprechen dürften, ver- Nicht feiten erfahren gefärbte Theile nach kürzerer oder län-

farbuugen ^

Pigmente, g^i'^r Zeit eine Abnahme ihrer Farbenintenfität, ja felbft einen voll- ftändigen Schwund ihres Pigmentes, fei es, daß der Farbftoff an Ort und Stelle zerftört oder durch Keforption entfernt mrd. Am dm^chßchtigffcen find die Verhältnifle bei den turacinhaltigen Federn der Mufophagiden, wo jeder ftärkere Regen, dem diefe Tropenvögel in ihrer Heimath zwar nur feiten ausgefetzt und, den Farbftoff aus den pm-purvioletten Federn abwäfcht und diefe verblaffen macht. Wo hpochromatifche Färbungen an den dem Lichte exponirten

81] Phyfiologie der Farhftofte und der Farben. 163

Körpertheüeii eine Abfchwächung ihrer Intenütät erfahren, wnd (Ue gemeinfame AVirkung des Luftfauerftoffs und des Sonnenhchtes für die Abnahme der Färbung verantwortHch zu machen fein; (benfo verhält es fieh auch bei der Umwandlung des Comatulins in unanfehnhche bräunhche oder gelbhche Subftanzen. Aber fchon bei der Entfärbung der Lipochrome fpielen Factoren mit, welche uns noch vollkommen dunkel find, und diefe tragen auch daran die Schuld, daß einige lipochromatifche Färbungen (z. B. in der Haut von Luvarus imperialis) außerordentlich lichtempfindHch, andere (z. B. das in den gelben Fängen der Raubvögel abgelagerte Coriofulfmin, das Zoonerythrin in den fog. Rofen der Waldhähne) weit hchtbeltändiger find, und die lipochromatifchen Färbungen an den Federn (auch nicht foiiderlich vor Licht- und Lufteinwir- kung gefchützt) ^^ele Jahre fich erhalten.

WeinJand^^^) väes bereits 1856 darauf hin, daß das Fett die Farbenintenfität fehr beeinfluITe, und ich überzeugte mich durch A'erfuche, daß fettarme, fchwach gefärbt erfcheinende Federn nach Durchtränkung mit fettem Oele eine ungleich gefättigtere Färbung annehmen. BekanntHch verfchwinden aus normalen Geweben bei fchlechter Ernährung und bei Krankheit kehie anderen Stofte fo leicht als die Fette, und L. Martin'^^^) bezieht gewiß mit Recht viele fog. flüchtige Farben, welche er bei Säugethieren (z. B. an r dottergelben Kehle des Baummarders) und A^ögeln (am Rofa- auflug der Pelikane, am Frühlingsgefieder vieler Möven und Meer- (V-hwalben, am Flaumgefieder der Trappen, am fchönen Gelb der Pilger u. f. w.) nacligcwiefen hat, und welche «bei kranken oder 1' blecht genährten Thieren, fowie an alten Häuten und Bälgen <itl ganz verfchwinden» auf eine unter normalen Verhältnifien in 'l'ii Geweben vorliandene F'ettmengc. Dagegen glaube ich in Ueber- einnirnmung mit anderen Ornithologen, daß das vergängliche fchöne Afcbgrau der Reiherfedern (Ardea cinerea), welclies bei der Icifeften Berülirung fchwindet, und über welches Herr Baron E. F.

KruktnUrij, Verf^L-phyliol. VortrüKC. 12

164 Grundzüge einer vergleichenden [82

von Homeyer mich brieflich zu unterrichten die Güte hatte, auf feineren StructurverliältnilTen beruht, welche durch mechanifche Infulte leicht zerflört und entfernt werden. Das Verfchwinden des namentlich bei den Amazonen-Papageien, doch von Martin'^^^) auch bei manchen BulTarden und WalTervögeln beobachteten Duft- gefieders, welches man feit Nitfch befonderen Puderdunen zufchreibt, wird fich nach der Anficht des erftgenanuten Forfchers wahrfchein- lich auch in einer ähnhchen Weife vollziehen, nämlich durch eine Abfchülferung der Federhälfe. Worauf es jedoch beruht, daß, wie E. F. von Homeyer'^^^) auch an unferen einheimifchen Vögeln be- obachtete, die Farben mit dem Schwinden des Lebens- (fchon für das bloße Auge bemerkbar) fich verändern, fo z. B. bei alten- Männchen unferes Pirols, wo mit dem Erkalten des Vogels ein bemerklicher Theil des Farbenglanzes erlifcht, läßt fich an durch- fichtigeren Erfcheinungen noch nicht verfi:ändlich machen.

In einer Entfernung des zuvor veränderten Pigmentes durch Reforption liegt es zweifellos begründet, wenn man die von der Geburt an fchwarze Hautfarbe fich bei ge^vilTen fchwarzen Hühner- arten lichten ^*'^) und, was allerdings zu einer großen Seltenheit gehört, die Haut eines Negers zu der eines Kaukafiers werden ficht ^"^^j. Eine ganz eigene Bewandtniß hat es mit dem plötzHchen Ergrauen der Haare. Zahlreicher und ficherer als für Thiere find die über das plötzliche Ergrauen bei Menfchen gemachten An- gaben ^^^), welche die oft beflrittene Möglichkeit, daß derartiges vorkommen könne, zur völligen Gewißheit werden laflen. AVir be- ; fitzen über einen derartigen Fall, der einen Mann betrifft, welcher während eines Anfalles von Säuferwahnfinn in einer Nacht ergraute, eine fehr gediegene Arbeit von Leonard Landois, nach der die Ver- färbung darin begründet lag, «daß fich reichliche Luftbläschen im ganzen Marke der (blonden) Haare, zerfi^reut auch in der Rinden- fubftanz entwickelt hatten, während das Haarpigment erhalten war. Diefe Luftbläschen verliehen dem Haare den exquifit grauen Schein. »

83] Phyfiologie der Farbftoffe iiml tler Farl)en. 165

In fehr feltenen Fällen hat man auch em intermittirendes Ergrauen der Haupthaare beobachtet, fo daß das Haar in Abfländen von etwa 1 mm abwechfelnd hell und dunkel geringelt war. Lrindois fand auch in einem derartigen Falle die hellen Stellen von einer reichlichen Entwickelung kleiner Luftbläschen im Markcanale und dem umgebenden Rindenbezirke herrührend, während das Pigment wohl erhalten war.

Das dem blendendweißen Schneekleide arktifcher Formen gleichende Winterkleid einiger anderen Säugethiere und Vögel ent- fteht nach einigen Autoren gleichfalls durch Verfärbung, nicht in Folge einer Härung refp. Maufer; ift diefe AuffaJTung richtig, fo Müi'de noch feftzuftellen fein, ob dabei (wie bei den Haaren der Greife) ein -wirklicher Schwund des meift dunkelen Pigmentes oder nur eine Maskirung desfelben, \delleicht (ebenfo wie in den plötzlich ergrauten Haaren) durch Luftporen, welche lieh im Marke anhäu- fen, eintritt. Hierhin zählt auch die von J. lifinhardt^^^) gemachte Beobachtung, daß das Männchen von Chasmorhynchus nudi- 'oUis, einer brafilianifchen Cotengide, fein grünliches, unten gelb geflecktes Jugendkleid in das fchneeweiße des alten Vogels um- ändert; die weiße P'arbe ift nach Reinhardt das llefultat einer Ver- färbung, aljer foweit er beobachten konnte, erfolgt lie nur einmal, nämlich beim Uebergang vom Jugendkleide zum Gefieder des alten \'ogels, denn wenn der alte weiße Vogel fpäter wieder maufcrt, lind die neu hervorfproffenden Federn rein weiß. Das von Chr. L. lirrhn beobachtete Verfchießen des Jugend- wie des ausgefärbten Kleide.« l>ei Milvus parasiticus, das Verbleichen der Federn beim Habicht und bei fämmtlichen Geiern (mit alleiniger Ausnahme von (iyps Rupj»elii, bei dem das Gefieder mit zunehmendem Alter buntei- wird) beruht gewiß iiui- auf ciiui' diii-cli das Licht hervor- ir'Tufenen Zei-ftöruiig des Pigmentes.

Die mir geglückten Umwandlungeu natüi-licli vorkoniiiicnder Pigmente in einander, wie z. ß. die des Turacins in 'J^uracoverdiii

VI*

166 Grundzüge einer vergleichenden [84

(ohne Anwendung irgend eines Mittels, über welches der lebende Organismus nicht felblt verfügte), des Turbobrunins in Biliverdin, des Comatulins in die braunen oder gelblichen Farbltoffe gewifler Antedon-Varietäten, des violetten in den rothen Acrocladienfarb- rtoff und umgekehrt, bieten ebenfo wenig wie die künftlich er- zeugten Veränderungen des Hämoglobins genügende Anhaltspunkte dar, welche die natürliche Umbildung der Pigmente in loco auf- klären könnte; felblt den, unter natürlichen Bedingungen lieh fo leicht vollziehenden Umfärbungen der Lipochromoide flehen wir, wenn es die Erfcheinungen zu deuten gilt, noch ziemlich rathlos gegenüber. Manche Verfchönerung der Farbe mag in bereits an- gedeuteter Weife durch eine, feitens der Organe ftattfindenden Fettaufnahme, bedingt werden, aber auch diefes Moment reicht für die Erklärung vieler Erfcheinungen keineswegs aus. Und nicht nur fehen wir die Pigmente in den Geweben an MalTe zunehmen oder aus diefen verfchwinden, nicht nur lieh in andere transfor- miren, fondern auch in Theilen, welche aller Lebensfäfte baar zu fein fcheinen, regt fich bisweilen die ftoff bildende Kraft von Neuem, um alte Farben wieder zu erzeugen oder zuvor noch gar nicht dagewefene zu bilden. Das hebte Blau der Augen ifl bei den neugebornen Säugethieren gewöhnlich nur von kurzem Beftande und in feltenen Fällen von Retinitis pigmentofa färbt fich auch die Linie wachsgelb, ja fogar mahagonibraun. Am merkwür- digften find aber auch in diefer Beziehung die Erfcheinungen, welche fleh am Gefieder der Vögel abfpielen, fowohl bei den- jenigen, deren anfangs helle Federn fleh an gewiffen Körperflellen (fo z. B. an der Kehle bei Charadrius auratus, am Kopfe bei Larus minutus) erft fpäter fehwarz färben oder welche ihr weißes Winterkleid gegen das dunkle Sommerkleid vertaufchen, was felbfl bei den Schneehühnern durch eine Verfärbung des Gefieders und nicht durch Maufer zu erfolgen fcheint, wie auch bei den Mufophagiden, welche den ausgewafchenen Purpurfarbftoff

85] Pliyfiologie dor Fnrbftofl'e und der Farben. 167

ihren Federn anfs Neue einzuverleiben wiQ'en. Nichts wäre in- terelTanter als zu erfahren, wie lieh im erlleren Falle die Wieder- hei'ftellung der temporär verfelnvundcnen dunkeln FarlxMitöne, in letzterem wie lieh die Regeneration (unter oder ohne Nerveneinliuß) des Turaeins vollzieht.

Eine der anffälligften Erfcheinungen ill die Ausbildung des log. Hochzeitskleides bei den Vögeln; diefe äußert lieh jcxloch in fehr mannigfacher "Weife. Bei den Ilühnerarten fehwellen die Kännne und Augenpolfter an, womit eine Erhöhung der Farbe diefer Theile verbunden ift. Ein Taucher (Colymbus septentrio- nalis), der Staar, die Annnern, die J^erehen und fehr viele Finken- arten helfen fich beim Anlegen ihres Hochzeits])\ilzi>s einfach damit, daß fie von ihrem dülleren Winterkleide die grauen Sjntzen und Ränder der einzelnen Federn al)werien und in Folge delfen zuvor bedeckt gelegene und fo vor Abnutzung gefchütztc Theile der Federn fichtbar werden. Bei anderen Vogelarten aber (zu welchen die Fhegenfchnäi)per [nach Mdiiin Muscica})a collaris, M. atri- '•apilla und M. parva], wahrfchcinlich auch mehrere Drod'el- wie Entenarten [nach Schlegel z. B. Anas carolinensis und A. galeri- culata] gehören), Avelche es zu diefem Kunftgriffe noch nicht ge- bracht liaben, findet, wenn die Hochzeit naht, eine gelteigcrte Säfte- zufulir zu den Federn ßatt, und das ])is dahin fchleeht ernährte <Jclic<l('r gewinnt in Folge dcUcn den verlrhwundencn (ilanz nnd das Luftre wieder, mit denen es in längh vergangeiu^i- .Ingendltlüthe prangte.

Bei I^eiirtheilung aller P^ärbungsvei-rchiedenheiten, welclu' auf eunftanz

individuellen, fexuellen oder auf Ivalleneigenthümlichkeiti'n beruhen, ''"'gtlj}}^!.''^"

nwigen dielelben (wie z. I). an den menfchlichen Haaren (»dei' wie inodiKtc,

ipoficll der II den l''edei-n von Ivdectus j)ol ycli loi'us) noch fo überrafcbend i*'i>''''W"rt'"-

in ihrem Ell'ecte fein, wiiwl hdiii nie zn \'('i-gell'en liaben, dal.i alle

derartigen Dillei-enzen mn- dnidi den .\nsl'all eines Pigmentes (nn-

vollftändiger Albinismus) oder ihiicb llrnetnrelle N^'i-fehiivlenbeiten

168 Grunclzüge einer vergleichenden [86

der Organtheile oder endlich dadurch zu Stande kommen können, daß es bei der Bildung einer definitiven FarbltoffTubJftanz nur bei Vorltufen derfelben bleibt; die chemifchen Eigenthümlichkeiten einer Zelle, die fynthetifchen' Procefie in ihr werden durch die Factoren, welche das Individuum, die Sexualität oder die RalTe beflimmen, fo viel wir wenigflens bis jetzt wilTen, nicht tangirt. Niemals ifl es möglich gewefen, die fpecififchen Stoffwechfelvor- gänge einer Zelle in gravitirender Weife umzugellalten oder diefel- ben von felbfl fich verändern zu fehen. Wie ich in meinem erflen Vortrage ausführte, handelt es üch, abgefehen von den, in fehr weiten Grenzen fchwankenden rein morphologifchen Verhältniffen, die, wie Claude JBemarcl bewies, ftreng biologifch nichts bedeuten, bei allem, was Kunft und Natur unter unferen Augen als Ab- änderungen fchuf, nur um ein Plus oder Minus des Normalen, nicht um Außergewöhnliches. Auf diefen Satz gründete ehemals Budolf Virchmv den Bau der modernen Pathologie, und clerfelbe trägt in gleicher Weife auch die vergleichende Phyfiologie unferer Tage.

Ebenfowenig wie fich Taurin ftatt des Kreatins in den menfch- lichen Muskeln, ebenfowenig wie fich ein Lipochrom Itatt des Uranidins bei den Myxomyceten bildet, oder Melanine ftatt der Floridine bei Hircinia variabilis entflohen, vermag das menfch- liche Haar einen grünen Farbfloff zu erzeugen; was jüngfl Der- artiges gefabelt wurde, beruht entweder auf der, S. 158 erwähnten Kupferfärbung oder auf einer ähnlichen Pigmentirung, welche aus Geliert's Gedichte vom grünen Efel jedermann bekannt ift. Das Beifpiel von Eclectus polychlorus^^^) beweift, daß die Sexuali- tät beftimmend werden kann für die Art des entftehenden Lipo- chromoides ; zahheiche andere Formen lehren fernerhin, daß indi- viduelle Einflüfie die Lipochromoide refp. die Melanoi'de zwifchen gelb, roth bis braunfchwarz variiren lauen, und in den Farben- abweichungen der menfchlichen Haare befteht eine entfprechende

ST] Phyßologie der Favbftoffe und der Fai-ben. 169

Skala für das Melanin mit feinen ^"o^ftufen refp. . feinen Abkömm- lingen. Die Macht der Individualität, der Sexualität und der Ralleneigentliümlichkeiten reicht aber nicht einmal ib weit, an Stelle de^^ Melanins das Hämoglobin .oder ein echtes Lipochrom treten zu laffen, ja bei den Wirbelthieren zeigt ßch felbft die Ab- grenzung der chlorophan- und rhodoph anartigen Pigmente fo be- Itändig, daß individuelle oder fexuelle Unterfchiede ße nicht mehr vermfchen.

Srniper ift einer von den wenigen Zoologen gewefen, der zwi- Farbftofif fchen Färbung und Farbftoff ftreng zu unter fcheiden wußte. In Färbung. feinen «NatürHchen Exiftenzbedmgungen der Thiere» (Leipzig- 1880. Th. IL S. 231) fagt er: «Daß die Zuchtwahl unter keinen Umltänden das Pigment, den eigentlichen Farbftoff felbft, zu erzeugen vermag, ift eüileuchtend. Die Entftehung der Pigmente muß abhängen von phj'fiologifchen Procetren im Körper jedes Individuums, welclie für das gefunde Leben diefes einzelnen Thieres von hoher Bedeu- tung zu fein fcheinen. Die beftimmte Art ihrer Vertheilung auf der Haut wird fomit zunächft ganz allein durch innere, im Thiere felbft tliätige Urfachen bewirkt werden muffen; lie kann dabei von Anfang an eine regelmäßige oder ganz ungeordnete fein, und dies wird davon abhängen, ob die inneren phyfiologifchen Urfachen die Ablagerung der Farbftoffe in die Haut in gewilfe Bahnen leiten "der nicht. Sind dicfe Bahnen fehr fcharf beftimmt, fo wird natürlich auch die Farbenvertheilung eine fehr regelmäßige fein muffen, und viele der fo ungemein charakteriftifchen Zeichnungen bei den Actinicn, Stehlkorallen, Schnecken- und Mufchelfchalen dürften auf fblche Weife entftanden fein.» Daß natürlich da, wo I'igmentzellen untei- directem oder indirectem Nerveneinfluß ftehen, lieh nervöfe Einflülle an den Färbungen bemerkbar werden, kann Itenfowenig übcrrafchen , als daß fleh der Muskel durch Ai'l)eit ftärkt, durcli geiftige Anftrengungen der CJeliclitsausch-uck lieh . < rfeinert.

170 Gruudzüge einer vergleichenden [88

Auch noch heute fragen lieh viele, wenn üe eine weiße Katze auf einer weißen Mauer, und einen fchwarzen Kater auf einem fchwarzen Dache fehen, warum der Kater in diefem Falle fchwarz und die Katze in jenem Falle weiß ift. Eine Erklärung ift bald gefunden; denn läßt die Vererbung im Stiche, fo muß .das Gefetz der AnpalTung helfen. Andere glauben mederum, der Wilfenfchaft dadurch einen Dienlt zu erweifen, wenn lie die mannigfachften Farbffcoffgemifche mit recht vielen Reagentien tractiren; ich befand mich feiner Zeit in der mh allerdings unangenehmen Lage, in letzterer Art felbffc thätig fein zu muffen, allein, wie ich wohl be- haupten darf, indem ich fehr eklektifch vorging und nur das als Unterfuchungsmaterial auswählte, an welchem fleh allgemeinere Geflchtspunkte gewinnen refp. deren Richtigkeit erproben ließ. Ich prüfte nicht, wie fo mancher nach mir, Alles, was ich gerade auf dem Wege fand! Jetzt, wo man fowohl viele fehr hübfche Bei- fpiele kennt, welche von einer Schutzfärbuug Zeugniß ablegen, wo man fernerhin, wie das Vorgetragene lehren dürfte, über die tliie- rifchen Farbfloffe im Allgemeinen orientirt ift, und die Lücken, welche die Allgemeinbetrachtung laffen mußte, nur von kundiger Seite ausgefüllt werden können, erfcheinen alle Arbeiten im gerüg- ten ein oder andern Sinne nicht nm' überflüflig, fondern als lite- rarifcher Ballaffc überhaupt verAverflich. Wer als Zoologe die Sache ernftlich fördern will, mag die albinotifchen Formen anatomifch und hiftologifch eingehend ftudiren, wer als chemifcher Phyflologe fleh an dem weiteren Ausbau einer vergleichenden Chromatologie erfolgreich zu betheiligen gedenkt, mag die einzelnen Farbftoffe rein darzuftellen, zu analyfiren nnd ihre chemifche Conftitution zu ergründen verfuchen, und wer der A^ivifection Herr ifl, mag fehen, wie Nerv, Ernährung und Licht auf die Pigmentbildung wirken. Von alledem, was fleh ohne Aufwand fonderlicher Mühe über die thierifchen Pigmente in Erfahrung bringen läßt, ift, foviel wie Noth thut, jetzt bekannt.

89] Phyliologie der Farbfloöe und der Farben. 171

Wir haben uns ftets zu vergegenwärtigen, daß die Farbftoffe Bedeutung nicht nur vom äfthetilchen Geflchtspunkte aus den übrigen Be- anaiyi'eu" flandtheileii des Organismus an Interelle etwas voraus liaben, fondern daß ihr Studium wegen der Sicherheit und Genauigkeit der zur Erkennung und Charakteriftik der Pigmente dienenden Methoden auch der cliemifchen Phyfiologie vorläufig weit mehr neue Anfchauungen und wichtige thatfächhche Ergebniffe zuwenden kann, als die Unterfuchung irgend einer andern Claffe animahfcher Stoffwechfelproducte. Kein Studium verdient deshalb ein fo in- tenßves zu werden, wie das der Farbftoffe und der Farl)en.

Am räthfelhafteften bleibt jedenfells noch die Thatfache, daß ein fcharf eharakterifirtes Stoffwechfelproduct (wie z. B. Bonellein, Turacin oder die Carminfäure), wie es fcheint, ein Selbfterwerl) nur weniger Thierformen ift, daß diefes auf wenige Species oder wenige Thierfamilien im ^^orkommen befchränkt ift. Diefe Er- Icheinungen zu deuten, hatte Mofch'i/^'''*) unter]iommen; al^er wenn er glaubt, diefelben durcli den Hinweis, daß das Kupferfulfat blau ift, und diefem entfprechend conftituirte Kupferitüze niclit JDlau gefärbt find, verftändliclier gemacht zu haben, fo befindet er fich in einem großen Irrthum; denn fämmtliche Pigmente, welche diefen l)efchränkten \'^erbrcitungsbezirk befitzcn, find fo eigenartige Producte, daß man nicht erwarten kann, iliiien nahe Wn'wandtes ganz allgemein zu finden. Lehrt docli das von Mofclci/ felbft herangezogene Beifpiel mit E\ädenz, daß wo fich ül3erhaupt inten- iivere Färbungen zeigen, fei es in der lel)enden oder in der todten Natur (icli erinnere auch an die Chrom- und Kobaltverbindungen), faft alle Subftanzen mit dem nämlichen Radicale oft wohl anders, aber immerhin doch e.vquifit gefärbt crfclieiiien.

172 Anmerkungen und Literaturnachweife. [90

Anmerkungen und Literaturnachweife.

1) lieber das Zoonerythrin (Tetronerythrin) vgl.: Bogdanow, Compt. rend, T. 45. 1857. p. 688 690 u. Journal f. Ornithologie von Gahanis. VI. Jahrg. 1858. S. 311—312; Wurm, Zeitfchr. f. will. Zoolog. Bd. 31. 1871. S. 535—537; Krukenberg, Centralbl. f. d. medic. WilT. 1879. Nr. 40, Vergl.-phyfiol. Studien. I. Reihe. IL Abth. S. 67—71, III. Abth. S. 114—115, IV. Abth. S. 30—35, V. Abth. S. 87—94, II. Eeihe. I. Abth. S. 165—167 und III. Abth. S. 135.

2) Wichtigere Literatur über die Lipochrome:

Carotin: Wackenroder, (rei^/er's Magazin. Bd. 33. 1832. S. 144; Zeile, Ann.

d. Chem. u. Pharm. Bd. 62. S. 380; Th. Hulemann, Ann. d. Chem. u. Pharm.

Bd. 117. S. 200.

Lutein und pflanzliche Lipochrome: Marquart, Die Farben der

Blüthen. Bonn. 1835; Fremy u. Cloez, Journ. f. pract. Chem. Bd. 62. S. 269;

FüJiol, Compt. rend. T. 39. p. 194, T. 50. p. 545 u. 1182; Piccolo u. Lieben,

Giornale di scienze naturali ed economiche. Palermo. 1866. IL Jahrg. Vol. IL

S. 258; Holm u. Stcedeler, Journ. f. pract. Chem. Bd. 100. 1867. S. 142;

Städeler, ibid. S. 149; ThudicJium, Centralbl. f. d. medic. WiH. 1869. S. 1;

Kühne, TJnterf. aus dem phyfiol. Inftitut d. Univ. Heidelberg. Bd. IV. 1882.

S. 249 252; A. Hänfen, Sitzungsber. d. phylik.-medic. GefelUch. zu Würz- burg. 1883.

Chromophane: G. Schimlbe, Handb. d. gef. Augenheilkunde von Grcefe

u. Scemifch. Bd. I. 1874. S. 414; St. Cajjranica, Arch. f. Anat. und Phyfiol.

Phyfiol. Abth. 1877. S. 283-296; Kühne, Unterf. a. d. phyfiol. Infi. d. Univ.

Heidelberg. Bd. L 1878. S. 341—369, Bd. IV. 1882. S. 169—248.

Lipochrome der wirbellolen Thiere: GÖbel, Schweigger's Journal.

Bd. 39. 1823. S. 426 431; v. Wittich, Arch. f. path. Anat., Bd. 27. 1863.

S. 573 575; Krukenberg, Vgl.-phyfiol. Studien. IL Reihe. III. Abth. 1882.

S. 1—115.

Auf das Vorkommen luteinartiger Körper im Pflanzenreiche mit Be- ftimmtheit hingewiefen zu halben, ill das Verdienit Thudichum's, während der Itricte Beweis für die weite Verbreitung der Lipochrome im Thierreiche erft durch meine Unterfuchungen erbracht wurde; nur unklare Ideen fprach zuvor Pouchet (Journ. de l'anat. et de la physiol. T. XII. 1876.) aus und zu unbe-

91] Anmerkungen und Literaturnachweife. . 173

grüntleten Behauptungen verflieg üch C. de Merejlowsl'i/ (Compt. rend. T. 93. 1881. p. 1029 u. Bull, de la soc. zool. de France. 1883.), welcher deshalb auch allerverfchiedenartigften Pigmentkörper zufammenwarf .

Die Blaufärbung der rothen Fettfarbfloffe durch conc. Schwefellaure kannte bereits v. Wittich (1863), welcher fie an den erhaltenen i'othen Kryflallen aus Euglena sanguirubra auftreten fah. Die VeranlalTung, diefen Verfuch anzuftellen, war eine ^littheilung von Buchlioltz, «daß in den großen Ganglien- zellen einiger wirbellofen Thiere ein eigenthümlich rothgelbei-, an Fett ge- bundener Farbftoff voi-komme, der durch Schwefelfäure blau gefärbt wird, nach Auswafchen derfelljen aber feine frühere Farbe annimmt». Koch weit älteren Datums ifl jedoch die Beobachtung, daß fich Marquart's Blumengelb (Antho- santhin) «mit Mtrioliil dunkel -indig]>lau färbe, welche Farbe in Purpurroth ■übergeht und durch Waller verfchwiudet». Ficcolo und Lieben fanden ein nämliches Verhalten beim Lutc'in, und Filhol, Stüdeler wie Thudichum er- kannten, daß conc. Salpeterfäure ganz ähnlich wie conc. Schwefelfäure auf die Lipochi'ome einwirkt. Die Jodreaction wurde zuerfl von Schivalhe an den far- j'-n Kugeln in den Zapfen der ^'ogel- und Eidechfenretina erhalten. «Die verfchiedenen Farbflofle diefer CJebilde», fo bemerkt Scliicalbe (1. c, 8. 414), «zeigen eine höchft auffüllende Keaction. Auf Jodzufatz färben lieh fowohl die rothen wie die gelben Kugeln fchon blau, die rothen faft blaufchvvarz, die gelben erft grün, dann blaugrün und fchließlich rein blau. Die farblofen Kugeln zeigen diefe lieaction nicht; wo an ihnen eine mattgrüne oder bläuliche Fär- bung wahrzunehmen ifl, kann man auf Spuren von Farbfloü' fchließen.» Daß die Lipochrome ftickftofffrei find, machten bislang nur die gründlichen Arbeiten über das Carotin zur Gewißheit. Für thierifche Lipochrome wurde ein Fehlen des Stickftofis fchon 1823 von Gühel an den Farbftoffen der Vogelhaut wie bei Krebfen beobachtet, und die Unterfuchungen von Mahj wie von Kulme be- ftätigten feine Angabe.

lOrft durch Kühne'» bahnbrechende Arbeiten über die Ghromophane uurden Ilandhal^en gewonnen, die Lipochrome von den übrigen Pigmenten, 1 Fetten u. f. w. zu trennen, die einzelnen Gliedei- diefer Farbfloftieihe von einander zu fclieiden und durch ihr fpectrofkopifclies Verhalten, durch ihre •lift'erente Lichtemplindlichkeit etc. fcharf zu cliarakterifiren. Viele fpätero I nterfucher (t,. B. WdlchU, Meirjl.oiisl:!/, Mac Munn, Tfchirch) hal)cii lieb diefe wiirenfchaftlichen Krnmgcnfcliaften uilerdingH nicht anzueignen verltanden und fcheiiien den Anforderungen, welclu; die Jetztzeit an Farbltcjüiintcrfucliungen Itejlt, auch nidit gewachfen zu fein.

^ Kiihne, Unterf. a. <!. pliyn«]. lult. .1. L'niv. Heidelberg. F.d. IV. S. 213.

*; Kiihne, ibid. S. 213.

V A. Kundl, Ann. d. Cbem. ii. I'bylik. 1874. Jubelban.l. S. 615-024.

', Kriins. Zur K<Tiiitni(i der ( bli)r<.pliylifarbftofrc. Stuttgart. 1872. S, 63.

174 Anmerkungen und Literaturnachweife. [92

') Vgl. Kriilcenberg, Vgl.-phyüol. Studien. I. Reilie. III. Abth. S. 114.

8) Ein rliodophanartiges Pigment fcheint fchon 1863 von v. Wittich aus Euglena sanguirubra und ein clilorophanartiges 1876 von Pouchet (Journ. de l'anat. et de la plij'-fiol. T. XII. p. 12.) aus Hummer im kryltalliürten Zu- ftande erlialten zu fein. Ivrj'ftallifirtes Lutein wurde zuerA von Piccolo und Liehen, fpäter von Thudichum u. A. dargeftellt, das Eläochrin und Lecithoclirin zum Kryftallißren zu bringen, gelang Kulme, und unzweifelhafte Kryftalle von Chlorophyllgelb fah ich bei Hänfen. Schon 1849 beobachtete Zeife die rubin- rothen Kryftalle des Carotins.

«) Bunfen, Ann. d. Pliyfüc u. Chemie. Bd. 128. 1866. S. 100-108.

10) Kulme, 1. c, S. 204.

11) Krukenherg, Vgl.-phj^fiol. Studien. IL Reihe. III. Abth. S. 71 Anm. 1.

12) Vgl. Kühne, 1. c, S. 205 Anm. 1 u. S. 252.

Die fo häufig, aber Ilets ohne Quellenangabe erwähnte Beobachtung Chevreul's, daß im Hühnereidotter ein rother Farbfloff den gelben begleite, findet fich im «Dictionnaire des sciences naturelles, T. 35. 1825. Article: Oeufs d'oiseaux. p. 444», und lautet folgendermaßen: «Le jaune d'oeuf. On y admet generalement, 1. De l'albumine; 2. Une matiere grasse . . .; 3. Une partie colo- rante, qui me paroit formee de deux principes colorans, un de couleur jaune et un autre de couleur rouge: le premier semble avoir quelque analogie avec le principe colorant jaune de la bile».

13) Krukenberg, Centralbl. f. d. medic. Wiffenfch. 1883. S. 785—788. 1*) Literatur über die Melanine:

ScMoßherger, Chemie der Gewebe. Leipzig u. Heidelberg. 1856. S. 147. ff.;

Scherer, Ann. d. Chem. u. Pharm. Bd. 40. S 63 ; Heintz, Arch. f. path. Anat. Bd. 3.

S. 477; Hofäus, Arch. d. Pharm. Bd. 120. 1861. S. 27; Dreßler, Prager Viertel-

jahrsfchr. Bd. 101. 1869. S.59; Bofou; Gräfe's Archiv, f. Ophthalmol. Bd. IX.

Abth. 3; K Mays, Unterf. a. d. phyfiol. Inft. d. Univ. Heidelberg. Bd. H.

S. 324; B. HodgMnCon u. Sorhy, Journ. Chem. Soc. London. 1877. p. 427;

P. Girod, Compt. rend. T. 93. p. 96 u. Arch. de zool. exp. et gen. T. X. 1882.

p. 1—100.

Auf Grund feiner Beobachtungen an Frofchlarven nimmt Hoppe- Seyler (Arch. f. path. Anat. Bd. 9.) an, daß anfänglich pigmentlofe Zellen dadurch pigmenthaltig werden, daß fie fich durch einen Ausläufer mit den Capillar- gefäßen in Communication fetzen und auf diefe Art und ohne Extravafat oder Infiltration Blut in fie gelange, delTen Körperchen in den Zellen dann zu Grunde gehen und das Pigment frei werden lalTen ; diefes metamorphofire fich allmäh- lich zu Melanin.

1°) Bei Fröfchen, die 18 Tage lang in reinem Sauerftofigafe geathmet hatten, will Molefchott (cf. ScMoßherger ., 1. c. S. 172.) ein Verfchwinden des fchwarzen Hautpigmentes beobachtet haben. Daß Licht und Wärme eine

93] Anmerkungen und Literaturnachweife. 175

Briiunung der Haut, Kälte eine Entfärlning der Haare zur Folge hat, lehren zahlreiche Beobachtungen zur Genüge, die aber experimentell und planmäßig weiter zu verfolgen fohwer fein wird.

'^) Die Literatur über die Uranidine findet ficli zufannnengeftellt in meinen Vgl.-phyfiol. Studien. II. Reihe. III. Abth. S. 41 56. ^'gl. dazu: Fredericq, Bull, de l'acad. r. de Belgique. 3 ser. T. I. 1881. p. 487—490.

1') B. HaUer, Arb. a. d. zoolog. Inft, d. Univ. Wien, Bd. IV. Heft 3. 1882. S. 341 ü".

18) Cf. meine \'gl.-phyfiol. Studien. I. Reihe. V. Abth. Taf. 3, II. Reihe. IL Abth. S. 65.

1») A. Kundt, Ann. d. Phyfiiv u. Cliemie. Bd. 142, 143 (1871), 144, 145 u. 14G (1872).

20) Kühne, Unterf. a. d. phyfiol. Inft. d. Univ. Heidelljerg. Bd. IV. S. 195.

21) Vgl. C. Bojnnowsli, Zeitfchr. f. wiff. Zoolog. Bd. 12. 1863. S. 312—335.

22) Cf. Hoppe-Seyler, Handbuch d. phyfiol.- u. path.-cliemifchen Analyfe. 5. Aufl. Berlin. 1883. S. 290 ^.

23j Nach Mofelcij (Quart. Journ. of mikr. Scienc. New Ser. Vol. XVII. 1877. p. 18.) fcheint auch bei dem durchfichtigen Fifche Plagusia das Hämo- globin zu fehlen.

2*) Vgl. meinen (irundriß der medic. -chemifchen Analj'fe. Heidelberg. 1884. S. 58.

25) Eine Anficht Hojjjje-Sei/ler's (cf. Salkowshi-Leube, Die Lehre vom Harn. Berlin. 1882. S. 249.). Seitdem ich mich felbft mit dem fog. Methämoglobin eingehender zu befchäftigen angefangen habe, komme ich jedoch, trotz der vielen über diefen Körper vorliegenden Arbeiten immer mehr zu der Einficht, daß derfelbo nur ein, durch Hämatin verunreinigtes Oxyhänioglobin ift. Auch die Abweichungen in den Angaben der einzelnen Unterfucher, nach welchen da« Oxyhämogloljin durch Trj^pfin anfangs in Methäraoghjbiii {Kühne, Unterf. a. d. 7)hyfiol. IiiKt. d. Univ. Heidelberg. Bd. I. S. 342, Anm. 1), oder in Hämo- fliromogon (Ildpjte-Seyler, Handl). d. phyfiol.- u. path.-chem. Analyfe. 5. Aufl. 1883. S. 308) verwandelt wird, dürften diefer Auffalfung nicht wenig günftig fein.

2«; Krulenbery, Unterf. a. d. phyfiol. Inft. d. Univ. Heidelberg. Bd. IL .<. 18 (f. u. Vgl.-j)liyfiol. Studien. I. Rciiie. III. Abth. S. 181 191.

2'j Jfoppc-Seyler, Handb. d. phyfiol.- und path.-chem. Analyfe. 3. Aull. S. 180; Ein, OcfteiT. Vierteljahrsfchr. f. wilF. Veterinärkunde. Bd. 36. Heft 1.

2*) Cf. Kruketibery, Die Farbftofie der Vogeleierfchalen. Würzburg. 1883.

2«J Kruhmhcry, Ccntraibl. f. d. medic. Willenfcii. 1883. S. 785.

'") Vgl. Kunkel, Zeitfchr. f. phyfiol. Chemie. Bd. V. S. 40—56.

•"; J^- Jfodek u. Krukenberg, Mitth. deH ornithol. V{Mein<;H in Wien. .labi- ^'ung VII. \m:\. Nr. 2; E. F. v. Homeyer, ibid. Nr. 3 u. 4; E. JIndck, il)id. Nr. 4.

Kiirzlich unterwarf ich au<'ii noch den lieft der in meinem Belitze bcv

176 Anmerkungen und Litei'aturnachweife. [94

findlichen Federfahnen delTelben Lämmergeiers, die aber Aveit fchwächer als die zu den erften beiden Analyfen verwendeten "gefärbt .waren, einer quanti- tativen Eifenbeflimmung. 1,293 gr. der zuvor bei 100" C. anhaltend getrockneten Federfahnen lieferten 0,0413 gr. Eifenoxyd (= 3,20 «/o Fe203), welches vor der Wägung von Kiefelfäure (durch abwechfelndes Eindampfen und Aufnehmen mit Salzfäure), Thonerde (durch Auskochen mit Natronlauge) und allen, in Waller löslichen Salzen (durch Auskochen mit WalTer) aufs Sorgfältigfte be- freit war.

ä^) Die Literatur über die Refpirationsfermente findet lieh zufammen- gellellt in meinen Vgl.-phyfiol. Studien. I. Reihe. III. Abth. S. 66—123, V. Abth. S. 49-57, IL Reihe. L Abth. S. 87—138, III. Abth. S. 1—61.

^^) lieber die Floridine ßehe meine Vgl.-phyßol. Studien. IL Reihe. III. Abth. S. 22—40.

34) Sorby, Quart. Journ. of mikr. Science. N. S. XL 1871. p. 352—361.

Schon von Kuhlmann (Ann. d. Chem. u. Pharm. Bd. 9. S. 286) war an- gegeben, daß ßch Cochenilledecoct durch reducirende Mittel (am rafcheflen durch Zink und Salzfäure, langfamer durch Schwefelammon oder Eifenoxydul- hydrat) entfärbe, an der Luft aber feine Farbe wieder annehme. Ein näm- liches Verhalten zu SchwefelwaßerftofF zeigen auch Schütsenherger's Carmin- fäuren (Compt. rend. T. 46. p. 47, N. Ann. de Chim. et de Phyßk. T. 54. p. 52), von denen die Cochenille zwei oder mehrere (deren einer die Formel CisHieOio mit Wahrfcheinlichkeit zukommt, während die anderen vielleicht nach den Formeln Ci8Hi60]2, CisHieOis und CisHieOi-t zufainmengefetzt ßnd) nach diefem Forfcher enthalten foU.

3°) lieber das Chlorocruorin vgl. meine Studien. IL Reihe. III. Abth. S. 16 und die dafelbft erwähnten Schriften.

36) Cf. meine Vgl.-phyßol. Studien. IL Reihe. IL Abth. S. 63-69.

") Mac Munn, Proc. of the Birmingham Philos. Soc. Vol. III. 1883. p. 351 407.

38) A. Hänfen, Sitzungsb. d. phyfik.-medic. Gef. zu Würzburg. 1883. u. Arbeiten des botanifchen Infi, in Würzburg. Bd. III. Heft 1. 1884.

39) Literatur über die vermeintlichen Chlorophyll n ach weisebei wirbel- lofen Thieren:

V. Siebold, Zeitfeh. f. wifl". ZooL, Bd. L S. 274; F. Colin, ibid., Bd. IIL S. 264; M. Schnitze, Compt. rend., T. 34. 1852. p. 683 685; Bay-Lmikeüer, Journ. of anat. and phyßol. Vol. IL 1868. p. 114, Vol. IV. 1870. p. 126, Quart. Journ. of mikr. Science Vol. 14. p. 400, Vol. 19. p. 434, Vol. 22. p. 229, Nature Vol. 27. Nr. 682. p. 87; Sorby, Quart. Journ. of mikr. Science 1871. p. 352, ibid. Vol. 15. 1875. p. 47; Gl. Bernard, Le^ons sur les phen. de la vie. ^T. I. 1878. p. 209 ff.; de Negri, Ber. d. d. chem. Gef. IX. Jahrg. 1876. S. 84; P. Geddes, Compt. rend. T. 87. p. 1005, Proc. of the r. Soc. Vol. 28. p. 449,

95]

Anmerkunjren und LiteraturnacliAveife.

177

Areh. d. zool. exp. et gen. T. 8. p. 51; Enychnann, Arch. f. d. gef. Phyfiol. Bd. 25. 1881. S. 285—292; K. Brandt, ]Mitth. a. d. zool. Station zu Neapel. Bd. IV. 1883. S. 191—302.

■*<>) VoUIländige Literatur ül)er das Bon eil ein in meinen Vgl.-phyfiol. Studien. II. Eeilie. II. Abth. S. 70.

*') Krulenhery, Vgl.-phyfiol. Studien. I. Reihe. II. Al.tli. S. 73 - 76, III. Abth. '^. «2— 04.

*==) PockJ Im/ton, Pharm. Journ. Transact. T. III. p. 081 u. 949.

«) Mac 3Ii(n)), 1. c, p. 387.

") Krukenberg, A^d.-phyfiol. Studien. IL Reihe. III. Abth. S. 104 ff.

*') Kühne, XJnterf. aus dem phyfiol. Inftitut d. Univ. Heidelljerg. Bd. I. S. 341 369 u. Bd. IV. S. 169—248.

^6) K. Brandt, Mitth. a. d. zool. Station zu Neapel. Bd. IV. S. 191 302 u. Arch. f. Phyüologie. 1883. S. 445—454.

Die von Vosvuer und Brandt mit fo großem Aufwände an Zeit und jNIühe zufammengefuchten Literaturangaben, -welche die Anwefenheit pflanzlicher Stärke bei Spongien beweifen foUen, befagen gleichfalls nlfhts; denn in den meiften, wenn nicht in allen Fällen haben die Unterfucher das Eintreten der Schvalbe-' fchen Lipochromreaction auf Amyluni bezogen. Stärkelialtige wäffrige Aus- kochungen, an welchen diefe Subltanz allein ficher erkannt werden könnte, habe ich (Studien. I. Reihe. II. Abth. S. 55 ff.) vielleicht ausfchließhch, jeden- falls zuerft aus Spongien zu erhalten verfucht, jedoch mit negativem Erfolge.

*') Vgl. Kühne, 1. c, Bd. IV. S. 192 u. 193.

") Krukenherg, Vgl.-phyßol. Studien. IL Reihe. III. Abth. S. 72—87.

*») Eine von E. Sach/Te (cf. A. und Th. Hufemann, Die Pflanzenßoffe. 2. Aufl. Berlin. 1882. S. 248 u. 249) vertretene Anficht.

'""') Nach unpublicirt gebliebenen llnterfuchungen von Hänfen. Die von MarquaH und Hänfen aufgedeckten Beziehungen zwifchen den rothen, violetten und l)lauen Pflanzenfarbftoffen laffen ficli folgendermaßen überfichtlich grupjiiren :

Es gehen über:

in Roth

in Violett

in Blau

Il'ith

1) Durch Eifen- oxyd- oder Eifen-

oxydulfalze.

2) Durch kleine ^Mengen von

Na2HP04

Durch gnißere

Mengen von

Na2HP04

Violett

Durch HCl, IhSO*

wie organifclic

Säuren

Durch größere

Mengen von

NajHPOi

Blau

Durch Säureji

Diin-Ii Spuren IVrbwaclicr Säuren

178 Anmerkungen und Liter aturn ach weife, [96

51) Bislang nicht publicirt.

52) Literatur über das Vorkommen der fraghchen Indigofarbftoffe bei wirbellofen Thieren:

Bizio, Jotu'n. de chim. medic. T. 10. p. 99; de Lacaze-Dutliiers, Ann. d. scienc. nat. IV. ser. T. 12. 1859. p. 5 84; de Negri, Ber. d. d. ehem. Gef, IX. Jahrg. 1876. S. 84 u. X. Jahrg. S. 1099: Schund, ibid. XII. Jahrg. 1879. S. 1358 u. XIII. Jahrg. S. 2087; Krukenberg , Vgl.-phyliol. Studien. II. Reihe. III. Abth. S. 62.

=3) Literatur über das angebhche Vorkommen von Anilinfarblloffen im Thierreiche:

Blaue und rothe Schizomycetenfarbitoffe: Erdmann, Journ. f. pract. Chem. Bd. 99. 1866. S. 385— 407; Krukenberg, Vgl.-phyjQol. Studien, L Reihe. V. Abth. S. 43 47; F. Neelfen, Beitr, z. Biolog der Pflanzen, herausg. von Colin. Bd. 3. 1880. S. 187—248; G. W. Schneider, Bot. Zeitung. 1873. S, 406; 0. Helm, Arch. d. Pharmac. 1875. S. 19 24; Bay-Lmikeüer, Quart. Journ. of mikr. Science. N. S. Vol. 13. p. 408.

Farbftoffe der Aplyfien: M. Ziegler, Journ. f, pract, Chem. Bd. 103. 1868. S. 63; Mofeleij , Quart. Journ, of mikr. Science. N. S. Vol. 17. 1877. p. 12 14; MacMunn, Proc. of the Birmingham Philos. Soc. Vol. III. 1883. p. 392 394.

s^) Literatur über die objectiven und fubjectiven Structurfarben:

Böfel, Infectenbelultigungen. Bd. 3. S. 254; Gourneau, Ann. de la soc. entomol. de France. 2 ser. T. I. p. 201 (Lepidopterenfchuppen); Breivßer, Philos. Transact. 1814 (Perlen); Brücke, Sitzungsb. d. Akad. d. Will, in Wien, Math.-naturw. Clalfe. Bd. 8. 1852. S. 196 (Octopus), ibid., Bd. 7. 1851. S. 802, Unterf. über d. Farbenwechfel des Chamäleons (Sonderabdr. a. d. IV. Bd. d. Denkfchr. d. math.-naturw. Clalfe d. Akad. d. Wifl". zu Wien. 1852.) u. Sitzb. d. math-naturw. Clafl'e d. Akad. d. Wilf. zu Wien. Bd. 43. 1861. S. 177 (Feder- farben); V. Witticli, Müller's Archiv. 1854. S. 41 59 (Amphibien); B. Altum, Journ. f. Ornithol. 1854. S. XIX XXXV u. Naumannia. Bd. IV. 1854. S, 293 304; A. Bogdanoiv, Journ. f. Ornithol. Bd. VI. 1858. S. 311 312; V. Fatio, Mem. de la soc. de physique et d'hist. nat. de Geneve. T. 18. 2epart. 1866; Krukenberg, Vgl.-phyfiol. Stuchen. IL Reihe. IL Abth. S. 12 u. S. 14 19; H. Gadotv, Proc. of the zool. Soc. of London. 1882. p. 409 421; J. Amory Jeffries, Bull, of the nuttal ornithol. Club. Boston. Vol. 7. 1882. p. 129 135.

5=') Wichtigere Literatur über Guanin ablag er ungen in der äußern Haut, in der Argentea, im Peritoneum etc.:

Barresioil, Compt. rend. T. 53. p. 246; Voit, Z. f. wifl". Zool. Bd. 15. S. 515; Kühne u. Seivall, ünterf. a. d. phyfiol. Inft. d. Univ. Heidelberg. Bd. 3, 1880, S. 223—235; A. Etvald u. Krukenberg, ibid. Bd. 4. S. 253—265 u. Zeitfchr.

97] Anmerkungeil und l^iteraturnachwoife. 179

f. Biologie. Bd. 19. 1883. 8. 154—158. Vergl. aucli E. Berger, Morpholog. Jahrb. v. Gegenhaur. Bd. 8. 1882. S. 97—165.

5^) Leydtg, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 12. 8. 537; Ewald u. Knil'enherg, l'nterf. a. d. phyfiol. Inft. d. Univ. Heidelberg. Bd. 4. S. 2G1.

-) Ewald u. Kndenberg, Zeitfchr. f. Biologie. Bd. 19. S. 154. Anni. 1. ^*) Ewald u. Krulcenherg, ibid. S. 154. Anm. 1.

5^) G.PoKchet, Journ. de l'anat. et de la phys. par i?o?>ü?. T. 12. 187G. p. 4. ®°) Literaturangaben über die Färb Hoffe der Protozoen: Schicomyceten: vgl. Anm. 53.

Myxomyceten: J.Rehike u. H. Bodewald, Studien über das Protoplasma. Berlin 1881. S. 43 u. 44; Kndicnherg , Vergl. -phyfiolog. Studien. II. Reihe. III. Abth. S. 51—53.

Flagellaten: Salm-Horümar , Ann. d. Phj'ük u. Chemie. Bd. 97. 185G. S. 331-333. r. Wittich, Arch. f. path. Anat. Bd. 27. 18G3. S. 573-575; P. Geddes, Quart. Journ. of mikr. Science. January 1882 (Chlamydomyxa labyrinthuloides Arch.).

Rhizopoden: Bütfchli, Bronn's Claffen u. Ordnungen des Thierreiches. Bd. I. 1880. S. 102.

Infuforien: Ray-Lankeßer, Quart. Journ. of mikr. Science. Vol. 13. 1873. p. 139; Engelmann, Onderz. Phyfiol. Laborat. Utrecht. III R. VIII Dl. 1883. S. 147— 1G9.

ß') Literaturangalten über die Farbltoffe der Cülenteraten: Mofeleij, Quart. Journ. of mikr. Science. N. S. Vol. 17. 1877. p. 1; Kruken- herg, Vgl.-i.hyfiol. Studien. II. Reihe. III. A])th. S. 1—115; C. de Mercjkowsl-g, Conipt. rend. T. 93. p. 1029 u. Bull, de la soc. zool. de France. 1883.

Antliozoen: Trommsdorff, deSen .]o\una]. Bd. 22. S. 40; MacMunn, Proc. of the Birmingham Philo.s. Soc. Vol. 3. 1883. p. 351; Mofeleg, Quart. .lourn. of the mikr. Science. Vol. 13. 1873. p. 143; K. Brandt, Mittli. a. d. zool. -tation zu Neapel. Bd. 4. S. 191 H'.

Ilydromedufen: Cf. die Zufaminenltellung der Literatur in meinen N'gl.-jihyfiol. Stu<lien. II. Reilie. III. Abth. S. G2 ff. Ferner: R. Blanchard, 15ull. de la soc. zool. de France. T. 7. p. 181. p. 402. u. Zool. Anzeiger von V. Carus. VI. Jalirg. 1883. S. 67; Krukenberg, ibid. S. 215. ") Vgl. Schlauberger, Chemie d. (iewebe. 1856. S. 163. «») Witting, Ann. d. Pharmacia. Bd. I. S. 113. "j Vogel, Ann. de Chimie. T. 89. p. 113. «*) Nach eigenen, bisher unpublicirt geblieben(;n Verfuchcn. «•>; Lit<Taturangaben über die Farbftoffe der lOchinodermen: Mofeleg, Quart. .lourn. of tlio mikr. Science;. N. S. Vol. 17. p. 1 If. ; Krukcubcrg, Vgl. pliylMjJ. Studi<;n. II. Reihe. III. Abth.; Mac Murin, ].v.\ Merejkowskg,\. v. '''•) Nicht |iiiblicirte cigf-iu! BcolKichtuiigcn. Kriikiiil/iifj, V'<:r^l -i'l'y''"'. Viirtrüf^c. 13

180 Anmerkungen und Literaturnachweife. [98

6s) Literatur über die Farbltoffe der A seidien: Cf. meine Vgl.- phyfiol. Studien. IL Reihe. IIL Abth. S. 48—51 u. S. 105—107.

69) Ueber Bryozoenfarbltoffe (bei Bugula neritina u. Lepralia) cf. meine Vgl.-phyliol. Studien. IL Eeihe. III. Abth. S. 23—29.

^0) Ueber Farbfloffe der Würmer vgl. die sub 66) angeführten Schriften.

71) Krulienlerg, Vgl.-phyüol. Studien. IL Reihe. III. Abth. S. 6—21.

72) Vgl. Knikenherg, ibid., I. Reihe. V. Abth. S. 92. Anm. 1. Ueber Fär- bungen bei Infecten cf. auch H. Hemmerling, Ueber die Hautfarbe der Infecten. Inaug.-Diir. Bonn 1878 u. II. A. Hagen, Proceed. of the American Acad. Vol. 17. 1882. p. 234-267.

'3) Ueber Aphiden- u. Coccidenfarblloffe cf. H. C. Sorhy, Quart. Journ. of mikr. Science. N. S. Vol. XL 1871. p. 352 361 u. Mac Mann, 1. c, p. 385 387. Unpublicirt geblieben find meine Verfuche, Avelche das Vorkom- men der Carminfäure bei Coccus polonicus darthun.

Speciell über Carminfäure vgl. die Literaturangaben in GmeUn-Kraiit's Handbuch der Chemie. Bd. VII. S. 1135 u. ferner: HlaRwetz u. GräboivsTä, Ann. d. Chem. u. Pharm. Bd. 141. S, 333; C. Liebermann u. v. Dorp, Ber. d. d. chem. Gef., Bd. 4. S. 655; Belhomme, Compt. rend. T. 43. p. 382.

7*) Krukenherg, Vgl.-phyfiol. Studien. IL Reihe. III. Abth. S. 104 Anm. 1.

76) Die Farbltoffe der Infectenlymphe behandeln: John, Tableau chimique du regne animal. p. 307; C. H. Lehmann, Lehrb. d. phyfiol. Chemie. Leipzig 1853. Th. IL S. 222 ff.; H. Landois, Zeitfchr. f. will. Zool. Bd. 14. 1864. S. 55—70; V. Gräber, Sitzungsber. d. k. Akad. d. AVilT. zu Wien. Bd. 64. Abth. L 1871. Juni-Heft. Cf. fernerhin die Litei-aturnachweife in Note 16.

76) Literaturangaben über die Farbltoffe der Crultaceen: Cyanokryftallin: Cf. meine Vgl.-phyfiol. Studien. IL Reihe. IIL Abth.

S. 71. MerejTioiosTcy, Bullet, de la soc. zool. de Fi-ance. 1883.

Lipochrome: Goebel, Schweigger ^ Journ. Bd. 39. 1823. S. 426—431; Fremy u. Valenciennes, Ann. Chim. Phys. T. 50, p. 165; B. Maly, Sitzber. d. k. Akad. d. WiE. zu Wien. Bd. 83. Abth. IL 1881. Mai-Heft; Krukenherg, Vgl.-phyfiol. Studien. IL Reihe. III. Abth. S. 99 ff.

Maly war nicht der Erlte, der das rothe von dem gelben Oruflaceenlipo- chrome trennte; fchon Pouchet (Jom-n. de l'anat. et de la physiol, T, 12. 1876. p. 10 ff.) war diefes gelungen.

Leberfarbftoffe: Krukenherg, Vgl.-phyfiol. Studien. I. Reihe. IIL Abth. S. 181 ff.; Mac Munn, Proceed. of the r. Soc. 1883. No. 226.

77) Mac Munn, Proc. of the Birmingham Philos. Soc. Vol. III. 1883. p. 383; Krukenherg, Vgl.-phyfiol. Studien. I. Reihe. III. Abth. Taf. I.

78) Literaturangaben über die Farbflioffe der Mollusken: Hämolymphatifche Farbflioffe: cf. Heft I dief. Vortr., Anm. 34u. 37,

fowie Verhdl. d. naturhifli.-medic. Vereines zu LIeidelberg. N. F. Bd. 3. Heft 1.

''■'] Annierkunsjeii und Literaturnachweifo. 181

Leber- u. Galleni)igmente: J. Hcuaij, Ffeiff'er's MaJakozoifche Blätter, X. F. Ikl. 4. 1881. S. 197. Vgl. auch die Angaben in Note 34 u. 76.

Pigmente der Haut fecrete u. der Schalen: Schloßhenjo; Die Chemie der Gewebe. S. 165; K. B. Hofmann, Lehrb. d. Zoochemie. Wien 1879. S. 369; cf. die Angaben sub Note 13, 37, 52 n. 53. Meine Unterfuchungen über die Schalenfarbltoffe find in extenso bislang nicht publicirt.

Stäbchenpurpur: Knikenberg, Unterf. a. d. phyfiol. Inft. d. Univ. Heidelberg. Bd. H, S. 58 61; V. Henfen, Zool. Anzeiger. I. Jahrg. 1878. S. 30.

■'■*} Auf mehrere diefer prägnanten Färlningen machte mich Herr Dr. (}. Pfeffer in Hamburg freundlichft aufmerkfam.

*'') Es hat lange gewährt, bis daß die Abflammung der Gallenpigmente vom Hämoglobin bei den Säugethieren über allen Zweifel erhoben wurde. Das von Kühne, Frerichs, Neulcomm und Städeler beobachtete Auftreten von Gallen- farbfloff im Harn von Thieren, welchen Gallenfäuren in das Blut injicirt wur- den, hatte Frerichs Veranlaffung gegeben, diefe Erfcheinung im Zufammen- lialte mit gewilTen anderen Beobachtungen und klinifchen Erfahrungen in anderer Weife zu deuten und anzunehmen, daß die Gallenfäuren im Blute in < hvllenfarbflofF umgewandelt Avürden. Da nun aber Icterus nicht allein nach Injection von Gallenfäuren, fondern auch von Walfer, Ammoniak etc. eintritt, Gallenfäuren auch im Harne Icterifcher nachgewiefen wurden, und das Bili- rubin alter Blutextravafate licherlich aus Hämoglobin hervorgegangen ift, kann die Theorie von Frerichs keine Berückfichtigung mehr finden.

«') Vgl. Schloßberfjer, Chemie der Gewebe. 1856. S. 157 u. 158. 82) A. B. Meyer, Sitzungsber. d. k. Akad. d. AVilf. zu Berlin. Bd. 24. 1882. S. 517—524.

*^) H. Gadow, 1. c.

**) Ueber die grünen Farbentöne bei Fifchen cf. meine Vergl. -phyfiol. >tudien. II. Reihe;. III. Abth. S. 139 143.

*^) Frennj und Valencicnnes , Journ. de Pharm, et de Chim. Ser. III. T. 28. 1). 401.

««; Kühne, Unterf. a. d. phyfiol. Infi. d. Univ. Heidelberg. Bd. I. S. 341 ff. II. B<1. IV. S. 169 ff.; Krukcnhcrf/, Vgl.-phyfioi. Studien. II. Reiiie. II. Abth. -. 43-58 u. III. Abth. S. 138 iL

Ueber die Ketinapigmente der Wirbelthiere (Sehpurpur, Cin'onio- )>hane etc.) liegt eine zufammcnfairende Ar])eit von KüJine {Hermantit^ Handl). der Phydologie. Bd. 4. Th. I. S. 235-342) vor, auf welche an diefer Stelle mir verwiefen w(!rden kann.

*') Vgl. die 4 Abhandlungen über die Farbfloffe der Federn in meinen Vgl.-i.liyüol. Studien. I. Reihe. V. Abth. S. 72—99, II. Reihe. I. Abth. -. 151-171, II. Abth. S. 1-42, III. Abth. S. 128—137; ferner: A. B. Meyer,

182 Anmerkungen und LiteraturnachM-eife. [100

Mitth.d. Ornitholog. Vereines in Wien. V. Jahrg. 1881. No. 11. S. 83—85 u. Siteungsber. d. k. Akad. d. AViff. zu Berlin. Bd. 24. 1882. S. 517—524.

88) Krulcenberg, Vgl.-pliyfiol. Studien. II. Eeilie. IL Abth. S. 19—24 und III. Abth. S. 128—135.

Die Spectren der Picofulvinlöfungen zeigen Avie die der übrigen cliloro- phanartigen Lipochrome zwei Abforptionsbänder, welche aber fo weit in's Blau und Violett gerückt und wie bei keinem anderen diefer Fettfarbltoffe.

89) Von Bucconiden (Capitoniden) unterfuchte ich Chotorea (Mega- laema) mystacophanes Gray imd von Khamphalliden, welche ich z. Th. von Herrn Hofrath Ä. B. Meyer in Dresden, z. Th. von Herrn ProfelTor W. Blaßus in Braunfchweig erhielt, Pteroglossus aracari lU, Ft. torqua- tus Wagl, Pt. maculirostris Lieht, Pt. viridis lU, Ehamphastus dis- colorus L., Rhamphodryas vitellinus III, und Aulacorbynchus pavoninus Bonap.

"0) Ueber das Turacin cf. meine Vgl.-phyliol. Studien. I.Reihe. V. Abth. S. 75—87, II. Reihe. I. Abth. S. 151—155; Mofeley, Quart. Journ. of the mikr. Science. N. S. Vol. 17. 1877. p. 17, note l.

Das Turacin, dem nach Church die Formel CsoHseCuNsOig zukommt, welches zugleich aber auch ziemlich viel Eifen enthält, ill in reinem, allerdings leichter noch in alkalifchem WaHer löslich ; von den lipochromatifchen Löfungs- mitteln wird es dagegen nicht aufgenommen, und auch verdünnte Mineral- fäuren wie einige Salze (z B. Alaun, baf. Bleiacetat, Chlorcalcium) fchlagen es aus den wälTrigen Löfungen nieder. Sein fpectrofkopifches Verhalten erinnert fehr an das des Oxyhämoglobins, verändert fich aber weder durch Schwefel- walTerftoff oder Schwefelammonium, noch diu'ch Einwirkung von Ilärkerem Alkali und ilt bei der feiten. Subftanz nur wenig anders als bei der gelöften. Wie fchon Preyer wußte, verändert üch die Lage der beiden Abforptionsbänder im Spectrum nach Sättigen der wäffrigen Löfung mit Cyankalium; dasfelbe gefchieht, wie ich fand, auch beim Eintragen von Rhodannatrium. Werden jedoch die Salze durch Dialyfe entfernt oder das Turacin durch Efligfäure ge- fällt, fo zeigt fich der Farbltoff als fpectrofkopifch unverändert. Das Turacin ift fehr licht- wie wärmebeltändig, rauchende Salpeterfäure zerftört den trockenen Farbltoff fchon in der Kälte unter Schwarzfärbung, conc. Scliwefelfäure ver- wandelt ihn in Turaeein, welches die Säure purpurviolett färbt und ein Ab- forptionsfpectrum mit zwei Bändern (ein ftärkeres, breiteres hinter D und ein fchwächeres vor D) aufweill; die von mir früher als a -Turaeein bezeichnete Subftanz ift, wie ich fpäter fand, nur ein Gemifch jenes Stoffes (des fog. ß- Turaeein) mit unverändertem Turacin.

91) Kruhenberg, Vgl.-phyfiol. Studien. IL Reihe. L Abth. S. 151 155.

Das Verhalten des Turacoverdins gegen Licht, Wärme und Löfungs- mittel ift ziemlich das nämhche wie das des Turacins; doch fcheint es von

101] Annu-rkuiiiicn und l/itcintninacliwcife. 183

iliefem nicht nur durch feine grüne Farbe und fein fpectrofkopifches Verhalten (das Spectrum der wälTrigen Löfung zeigt ein fcharfes, dunkeles Abforptions- band urunittelbar vor D) abzuweichen, fondern auch dadurch, daß es kupfer- frei ift. Eifen enthält das Turacoverdin verhältnißniiißig viel. Kalte conc. Sclnvefelfäure bräunt den trockenen Farbftoff, Salpeterfäure, conc. Natronlauge •wie conc. Salzfäure greifen ihn gar nicht oder erft fehr langfam an. Schichtet man eine Turacoverdinlöfung auf conc. Sclnvefelfäure, fo fär])t fich letztere violettroth, während Salpeterfäure lange einflußlos auf Turacoverdinlöfungen bleibt und fchließlich die Flüfligkeit nur unanfehnlicher macht.

^^) Krulenhery, ibid. S. 155—160, II. Abth. S. 1 ft'.

Das Zoorubin ill in alkalifclien FlüOigkeiten leicht Irislicli, unlöslich in Alkohol, Chloroform, fetten wie ätherifchen Oelen, Schwefelkohlenftnff u. f. w. Verdünnte Mineralfäuren fällen es aus der alkalifchen Löfung, ftin-ke Saljjcter- fäure l>leicht das Trockenpräparat, Salzfäure färljt es dunkclviolott und conc. Schwefelfäure blaugrün; es enthält keine nachweisbare Mengen von Eifen, Kupfer oder Mangan und fcheint auch fchwefel- wie ftickitofl'frei zu fein. Zoo- rubinlöfungen zeigen fpectrofko])if(^h nichts charakteriftifcheB, dagegen zwei Reactionen, welche zur Erkennung diefes FarbllofFes verwerthbar find. Schichtet man nämlich eine Zoorubinlöfung auf englifche Schwefeiräure, fo bleibt letztere farblos, während die Zoorubinlöfung an der Berührungsfläche mit der Säure anfangs eine violettrothe, fpäter eine dunkelgrüne Farbe annimmt; und eine zweite Probe mit Efligfäure fchwach fauer gemacht, färbt lieh auf Zufatz minimalfler Spuren eines Kupferfalzes fchön kirfchroth.

^^) (T. Krulenherf/, Die Farbfloffe der Vogel eierfchalen. Würzburg. 1883. Fernerhin: G. DicJde, Ann. and mag. of nat. bist. Ser. IL Vol. 12. 1848. p. 169 bis 176; Cornay, ^lem. sur les causes de la coloration des oeufs des oiseaux etc. 1860; Glofjer, Verliandl. d. Gef. naturf. Freunde zu Berlin. Bd. I. 1829. S. 332.

»*) //. C. Sorbij, Journ. of. the Anthrop. Inst. Vol. 8. 1878. p. 1 14; Knikenherf/, Vgl.-phyfiol. Studien. I. Reihe. V. Abth. S. 89 Anm. 1.

**; Cf. Kahne, Lnterf. a. d. phyfiol. Inft. d. Univ. Heidelberg. Bd. I. S. 224. 11. I{. IL Chittcmlen, ibid. Bd. III. S. 171-193.

»«) iJohner, Zoolog. Garten. Jahrg. VI. 1865. S. 3 12.

") Cf. A. B. Meyer, Sitzungsb. d. k. Akad. d. Will", zu lieilhi. Bd. 24. 1882. 8. 521.

^'y \'g]. Sentker, Die natürlichen Kxiftenzbedingungciu der Thiere. i5d. I. ^. HI ff.; V. Graher, Die Inferten. Bd. IL, Abth. I. S. 37 ff.; Leydif/, Anh. f. mikr. Anat. Bd. 12. 1876. S. 540 (cf. meine Vgl. -pliyliol. Studien. I. IJcilio. II. Abth, S. 73 ff.,.

**/ Vgl. meine in .\(jte 87 nandiaft gcmacliliMi Scliiin<'M ülicr «lic l'cdcr- farbftrjfre.

'""j Eine intenfive lijfochromalirchc l'ärbung «Ich iMMlciicIiartcH (ludet licii,

184 Anmerkungen und Literaturnacliweife. [102

foviel ich weiß, nur bei einigen Piciden (z. B. bei Colaptes auratus und 0. rubricatus).

101) D. F. Weinland, Journ. f. Ornithologie. 1856, S. 125—129.

102) L. Martin, Zoolog. Garten. Jahrg. 20. 1879. S. 249 252, Illuflr. Naturgelch. der Thiere.' Heft 32. 1882.

103) Briefliche Mittheilung. 10*) Briefliche Mittheilung.

105) G. Brucklacher, Zoolog. Garten. Jahrg. 8. 1867. S. 274 u. 275.

106) Ä. Smester, Eevue d'Anthrop. 1879. p. 675.

10') Sehr bekannt find die Erzählungen von einem plötzlich eingetretenen Ergrauen der Haare bei Marie Antoinette und dem früheren preußifchen Kammer- deputirten Waldeclc. Auch erzählt die Gefchichte (Raumer's Gerch. d. Hoheuftaufen), «daß Ludwig von Bai/ern, der in dem Wahne, fein Weib fei ihm untreu ge- worden, die vermeintlichen Mitwiller diefes Verbrechens mit dem Schwerte niedergeftoßen hatte, nachdem er von der Unfchuld überzeugt wurde, vor Gram und innerem Seelenfchmerze in Einer Nacht graues Haar bekommen habe. Merkwürdig ifl auch jene Erzählung von einem jungen Schweizer, der fich, um aus einem Geierhorffce die Jungen auszunehmen, mit einem Säbel bewaffnet, mitteilt eines Taues von einer überragenden Felswand, unter welcher der Horll fich befand, herunterlalTen ließ. Unter ihm gähnte ein jäher Abgrund. Nach- dem er die Jungen herausgenommen, und er eben wieder heraufgezogen werden foll, flürzen die alten Vögel, durch das Gefchrei der Jungen herbeigelockt, zum Kampfe auf ihn los. Mit dem Säbel um fleh hauend, bemerkt er plötz- lich einen Euck am Seile, das ihn trägt. Er fleht hinauf und erblickt, daß er mit der Säbelfchneide in den Strick gehauen, der jetzt nur noch mittelfl; einer dünnen unverletzten Stelle zufammenhält. Namenlofe Angft befällt ihn, jede Secunde kann der Strick völlig zerreißen; als er endlich glücklich wiederum nach oben hinaufgezogen, ift fein Haar ergraut. S. G. Vogel {Hecker's liter. Annalen. 1825) erzählt von fleh felbft, daß ihm in feinem dreißigftien Lebensjahre durch den Schmerz über den Verlufl; feiner geliebten Seh weiter in Einer Nacht das Haupthaar gebleicht fei. Aehnliche Fälle berichten uns Nicolaus Floren- tinus (Sermon, vil. tract. 6 sum. 3. c. 24), Schenl; Borelli, Turner, Cälius Bhodigimis» . Vgl. L. Landois, Arch. f. path. Anat. Bd. 35. 1866. S. 575—599.

108) Briefliche Mittheilung. Cf. auch Beinhardt, Videnskabl. Meddelel. Naturh. Ferening. 1870. S. 316.

109) Ueber Eclectus polychlorus vgl. die in meinen Vgl.-phyfiolog. Studien. IL Reihe. L Abth. S. 161 fowie in Note 87 angeführten Schriften von A. B. Meyer.

110) Mofeley, Quart. Journ. of the mikr. Science. N. S. Vol. 17. 1877. p. 19.

IV.

GRUNDZÜGE

EINER

VERGLEICHENDEN PHYSIOLOGIE

DER

THlEI{It<CHEN GERÜSTSUBSTANZEN.

I AIIK WINTf:R'S rNIVKIi.SITÄTHBL't'IlIIANDLUNG IN HEIDELBERG. h'ruktnljtrg, Vergl.-pliyfiol. Vorträge. 14

Alle Rechte vorbehalten.

Grundzüge einer vergleichenden Phyfiologie der tMerifclien Gernftfubftanzen.

I

An die Entdeckung der Aetherfchwefeiräuren in den wäffrigen Abfonderungen der Säugethiere, an die Kenntniß ihrer Ent- ftehung und ihres Ausgangsmaterials fchloß fich eine lange Reihe wiclitiger ünterfuchungen über die Veränderungen, welchen gewilTe, dem Organismus an und für fich fremde Subftanzen, nach ihrer Ein- führung in den allgemeinen Kreislauf, im Getriebe des thierifchen Stoffwechfels unterworfen find. Nach und nach famraelte sich ein reichhaltiger Erfahrungsfehatz an, welcher auf's Unzweideutiglte lehrte, daß che Stoffwech fei Vorgänge bei verfchiedenen Thierarten, ja felbll bei zwei Individuen ein und derfelben Species ihrem Wefen nach weit bedeutender auseinandergehen können, als es nach ver- einzelten, fchon länger bekannten, aber mehr als Curiofa betrach- teten Thatfachen bis dahin angenommen wurde. Die fo gewonnene Ueberzeugung , daß die Stoffwechfelprozelfe bei naheftehenden Formen bisweilen fehr verfchiedenartig verlaufen, wurde auch weiterhin befefligt durch mehrere, auf dem Gebiete der vergleichen- den Toxicologie fowie durch die mit Hülfe der hilliofynthetifchen Methode SrhmiedeherfjH^) erzielten Refultate, und ihre Richtigkeit wohl am Schlagendflen illuftrirt durcli die nach mehr iils einer Richtung liin 'Ah. ])ahnbrechend zu Ixzeichnenden farbenanaly- tifclicn Studien von Ehrlirh'^) ül)er das Sauerfloirbcdürfiiiß des Organismus.

u*

188 Grundzüge einer vergleichenden [4

Diefes Ergebniß ift freilich kein fehr erfreuliches; denn einmal irre geworden an dem Glaubensfatze, daß bei Wahrung der Aehn- Hchkeit in groben anatomifchen VerhältnilTen auch der Stoffumfatz in den lebenden Zellen das Bild der Uebereinflimmung nicht wefentlich verwifche, wird von vorn herein nicht mehr zu ent- fcheiden fein, welche von den beifpielsweife für den Hund feflge- Itellten Thatfachen auch auf's Kaninchen palfen, gefchweige welche von den an Fröfchen gewonnenen Erfahrungen bei SchlüITen auf die Lebensvorgänge des Menfchen ohne Weiteres verwerthbar find.

Eine Hauptaufgabe der chemifchen Phyßologie wird fomit jetzt darin zu fehen fein, die Summe der mit der Art, dem Ge- fchlechte, dem Alter und der Individualität qualitativ fchwankenden Stoff wechfelvorgänge noch weiter zu vermehren, um dermaleinfb in der Lage zu fein, die Gründe für diefe Abweichungen klarzu- legen. Der allein naturgemäße Weg, auf welchem üch der Löfung aller diefer Fragen zu nähern ift, wird auch hier wieder der ver- gleichend-phyliologif che fein ; denn vorerft gilt es doch, die compli- cirenden Nebenumftände als folche zu erkennen und Objecto ausfindig zu machen, bei welchen bald diefer bald jener, eine reine Beobachtung erfchwerende Factor fehlt; wie das lieh aber anders erreichen lallen wird als durch Unterfuchungen an mög- lichfl zahlreichen und organifatorifch möglichft entfernt ftehenden Thieren, ift wenigftens mir völlig räthfelhaft. Indeß lind auf dem Felde der vergleichenden Phyüologie bislang nur erft wenige von den Schätzen gehoben, welche uns fchon das Studium der natür- hchen Verhältnille und der normalen Gewebsbeftandtheile bei Inangriffnahme der namhaft gemachten und gegenwärtig fo bren- nenden Fragen zu bieten vermag. Befchränkt ift zwar die Zahl der Fälle, wo das Erz hier offen zu Tage fleht, und wo nur ein fcharfes Zufehen und ein fachgemäßes Prüfen erforderlich ift, um lieh über den whklichen Thatbeftand zu verlichern; doch fehlen derartige FäUe keineswegs ganz, wenn fchon auch lie lange Zeit

5] Phyfiologie der thierifchen Gerüftfubflanzen. 189

ganz ununterfucht gelaflen wurden und auch jetzt nur erst fehr dürftig bekannt lind. Ich denke dabei vor allem an die thierifchen Farbftoffe, welche den Stempel ihrer gegenfeitigen Verwandtfchaft oder Verfchiedenheit offen zur Schau tragen, und gewiß fchon die erfte Bearbeitung diefer fo viel verheißenden Klaffe thierifcher Stoffwechfelproducte, welche ich in dem vorigen Hefte diefer Vor- träge verfucht habe, ifb trotz ihrer unvermeidlichen UnvoUkommen- heiten nicht Johne jeden Erfolg gebheben. Des Weitern abgefehen von einigen wenigen Thierftoffen , welche an fich zwar farblos, aber durch charakteriltifche und zugleich fehr empfindliche Farben- reactionen ücher und felbft in minimalflen Mengen nachzuweifen find, yvie z. B. die Harnfäure und das Guanin, deren Nachweis überdies aber auch weit weniger fchwer ins Ge\\'icht fällt als der gewiffer Farbftoffe, weil die in Vergleich zu ziehenden Objecte (im angeführten Falle z. B. der Harnftoff und die Xanthinkörper) weit weniger fcharf zu erkennen Und, abgefehen von den .thie- rifchen Pigmenten und der bezeichneten Gruppe von mittelbar fich in der gleichen augenfälligen Weife manifeftirenden Stoffwechfel- producte find es, fo fage ich, nur noch die Subftanzen, welche dem Thierleibe als tragende Pfeiler Innern Halt, als fchützende Decke conflante Form verleihen, welche in hinreichender Reinheit zu erhalten waren, und deren Verfchiedenheit unter einander ficher dargethan werden konnte.

Nur auf der niederften Stufe der Organifation und in feltenen Ausnahmefällen greift der Organismus zu dem nächft liegenden, dem anorganifchen Materiale, um dem Ganzen ein feftes Gerüft und feinen Weichtheilen eine weniger nachgiebige Stütze zu bieten, oder befchränkt fich darauf, durch ein dichteres und derberes Gefüge diefen den nothwendigcn Halt zu fchaffen. Das Gcwölm- lichc blei})t ftets die Verwendung eigenartiger, felbfi. producirter, organilV'lier Subftanzen, welclie licli moift niclit nur durch ihre phylikalifche Widerftandsfäliigkcit, verbunden mit einem mehr oder

190 Grundzüge einer vergleichenden

weniger hohen Grade von Elafticität auszeichnen, fondern denen auch eine große Immutabilität gegen chemifche Eingriffe, gegen die Einwirkung der Enzyme, freier Säuren und Alkahen, ja felbfi; gegen die vitalen Procefle innewohnt, welche noch weit mächtiger als jene ßnd;^) nur hier und da fehen wh die der organifchen Gerüftfubltanz eigene Fefligkeit durch anorganifche Einlagerungen oder in Folge einer mit anorganifchen Stoffen eingegangenen, locker chemifchen Verbindung den Anforderungen, welche an den Organismus geltellt werden, entfprechend erhöht. Stoffe von einer verhältnißmäßig beträchtüchen , phylikaHfchen wie chemifchen Widerffcandsfähigkeit, welche fich bei den Lebensvorgängen ftets mehr paffiv verhalten, finden lieh im Organismus nur an beftimm- ten Plätzen vor, in den vorwiegend lebensthätigen Herden würden fie nicht allein nutzlos, fondern geradezu hinderlich fein, und fo erklärt es lieh denn auch, daß die thierifchen Stütz- und Deck- gewebe nicht nur eine fcharfe anatomifche Definition und Ab- grenzung zulaffen, fondern daß der entfprechende Begriff der «thierifchen Gerüftfubftanzen» auch chemifch gut umfchrieben ift; letzterer fubfumkt die in ihrem Vorkommen auf die inneren und äußeren Skelettheile befchränkten Subftanzen und muß biologifch nur deshalb etwas weiter gefaßt werden, als es üch vom rein che- mifchen Standpunkte aus rechtfertigen läßt, weil bei Vertretern einiger Klaffen unter den Wirbellofen veritabele Eiweißkörper, ohne befonderes typifches Verhalten, lediglich durch Aufnahme anorga- nifcher Materie erhärten und fo demfelben Zwecke dienftbar ge- macht werden, welchen die fpecififchen Gerüftfubftanzen bei den höheren Thieren allerdings in meift viel vollkommenerer Weife erfüllen.

Das allgemeine Intereffe wird, wie fchon dem Gefagten zu entnehmen ift, weit weniger den anorganifchen Beftandtheilen der Schutz- und Stützvorrichtungen zugewandt fein als vielmehr dem organifchen Subftrate derfelben, und diefes foU deshalb auch vor-

7] Phyßologie der thierifchen GerüilfubHanzen. 191

wiegende Berückfichtiguug finden. Verfuchen wir jedoch, die organifche Gnmdlage der Skelettheile chemifch näher zu definiren, das Verwandte zufammenzubringen und von dem chemifch ent- fernter Stehenden zu fcheiden, fo ftoßen Avii- auf Schwierigkeiten, welche keine geringe find, und die hauptfächhch in der fo fchweren Angreifbarkeit der Gerüftfubßanzen für chemifche Agentien begrün- det liegen. Das Verhalten gegen die proteolytifchen Enzyme und beim Kochen mit concentrirter Salzfäure, die Xanthoprotein- und MiUon (che Reaction, die Zerfetzungsproducte, welche beim Kochen mit verdünnten Säuren und beim Schmelzen mit kauftifchen Alkalien entfi;ehen, gefi;atten uns allein ein Urtheil abzugeben, ob die fragliche Subltanz ein Eiweißkörper ifi; oder nicht, refp. -wie weit fie fich von den Albummftoffen in ihren chemifchen Eigen- fchaften entfernt. Aber auch die wenigen, für unfern Zweck ge- eigneten Reactionen find keineswegs den Eiweißköi-pern eigenthüm- hche, fondern eine Reihe anderer und verhältnißmäßig einfach conflituirter Stoffe geben diefelben gleichfalls, und es muß deshalb auch angenommen werden, daß diefe Reactionen an befl;immte Seitenketten im Molecül geknüpft find, deren Exifl;enz bei den Eiweißkörpern im engern Sinne zwar durchgängig bewahrt zu fein fcheint, bei deren Verlufl;e aber der Stammkern der Ver- bindung nicht nothwendig einen tiefgreifendem Zerfall erlitten zu haben braucht, obfchon die Subfianz alsdann nur noch eine oder die andere, oder vielleicht auch gar keine Eiweißreactioneii mehr zeigen wird. Andererfeits wird man fich aber auch, wenn die Millon'tche oder die Xanthoproteinreaction gelingt, Leuciii und Tyrofin beim Kochen mit verdünnter Schwefelfäure erhalten werden, oder wenn man bei Einwirkung von fchmelzcndem Kali Indol unter den Zerfetzungsproductcn auftreten ficht, ftets zu vergegen- wärtigen haben, daß trotz aller Uebereinftimmung der Reactionen mit d('nen der ächten Eiwcißftoffe der in Frage kommendem Körj)er doch in voro fich fehr weit von den Albumin fubftanzen entfernen,

192 Grundzüge einer vergleichenden [8

ja daß das Radical der Verbindung ganz anderer chemifcher Natur als das der zum Vergleich herangezogenen Eiweißkörper fein kann. Inwiefern das Gefagte nun aber nicht nur für die bei feften Ei- weißftoffen allein anwendbaren Nach weife, fondern auch für die fog. Alkaloidreactionen, welche nur an Eiweißlöfungen ausführbar und, Gültigkeit beiitzt, läßt lieh meines Erachtens zur Zeit nicht entfcheiden; dazu bedürfte es erft einer Erweiterung und Verviel- fältigung der von Fr. Hof meißer ^) angeflellten Verfuche über die Empfindlichkeit der einzelnen fog. Eiweißreactionen.

Durch die künftlichen Zerfetzungen der Eiweißkörper fcheint lediglich das gefiebert, daß die Conftitution derfelben «fehr compli- cirt und die Molecüle fehr groß, Gruppen aromatifchen Charakters neben folchen der fetten Stoffe in den Molecülen enthalten find, und die Gefammtanordnung der letzteren den Harnftoffen oder Guanidinverbindungen oder Hydantoinen zugehört. » ^) Wir wilTen des Weitern aber auch, daß aus Eiweißffcojffen fowohl Fette wie Kohlehydrate hervorgehen, wenn fchon letztere ebenfalls aus Fetten, und umgekehrt Fette aus Kohlehydraten entftehen können; damit jedoch aus Eiweiß Fett abgefpalten werde oder Fette fich in Kohle- hydrate verwandeln, bedarf es der Action lebendiger Zellen: beide Metamorphofen haben noch immer als Functionen lebender Zellen zu gelten^). Glückficher war man bei üeberführung der Eiweiß- körper in Kohlehydrate !

Lange bekannt ift die Thatfache, daß viele Eiweißfubltanzen, fo die fchwefelreichen Hornftoffe, bei Maceration mit Laugen einen Theil ihres Schwefels als SchwefelwalTerfboff abgeben, und auch Beobachtungen, daß durch diefelben Agentien Stickfloff aus eiweiß- artigen Materien abgefpalten wird, finden fich in der Literatur verzeichnet. Erfl; kürzHch zeigte ich^) aber, daß eine, fich in ihren Reactionen als ein Eiweißkörper verhaltende SubJftanz, das Spiro- graphin in den Wohnröhren von Spirographis Spallanzanii, durch Behandlung mit kalter Natronlauge unter Umffcänden glatt,

9] Phyfiologie der thierifclien Gerüllfuliftanzen. 193

ohne daß ein eiweißartiger Rückftand bleibt, in ein fliekftoffhaltiges Derivat der Kohlehydrate überzuführen iffc, welches beim Kochen mit verdünnter Schwefelfäure ein Spaltungsproduct hefert, das ßch nicht mehr den Eiweißfubftanzen anfchheßt, fondern feinem chemi- fchen Verhalten nach den Zuckerarten entfpricht, und fprach, geflützt auf weitere Erfahrungen, zugleich die Vermuthung aus, daß dem Spirographin analoge eiweißartige Stoffe (Hyalogene) in gewilTen Gewel)sparthien bei Wirbeltliieren wie Wirbellofen normal vorhanden find, m anderen Gewebslagen fich dagegen nur zeitweife oder unter pathologifchen A'^erhältnilTen in größerer Menge bilden und anhäufen. Ein bindender Beweis für die auf die Befunde bei Spirographis begründeten Verallgemeinerungen ließ fich bislang allerdings nicht beibringen, denn die Eiweißkörper von nicht hyalogener Natur überwiegen in den Organen fo lehr au Malfe, daß ein dem Abnehmen der Eiweißreactionen ent- fprechendes Anwachfen der zuckerbildenden Subftanz nicht wie bei Verarbeitung der Spirographishüllen zu conftathen ift. Aus Gründen, die aber ebenfalls nicht beweiskräftig lind, haben mehrere Forfcher eme meiner Auseinanderfctzung ähnliche Anficht ent- wickelt. So gelangte Landwehr^) durch Beol)achtung , daß das Glykogen nach Natronzufatz befTer als ohne folchen den Geweben zu entziehen ift, zu der Auffaffung, daß ein eiweißartiger Beftandtheil des Protoplasmas fich aus Glykogen und einer Gloljulinful)ftanz zufaminenfetze, für FrtrP) wurde eine Beziehung zwifchcn Eiweiß und Kohlehydraten wahrfcheinlich wegen eines älndiclien Ver- haltens beider bei der Aldehydreaction (mit Natronlauge und Dia- zobenzolfulfoufäure) und J^afchiitiu^'^) fah lieh veranlaßt, auf (he Kohlehydratentartuiig der Gewebe fi)eciell in paihologilrhcn Zii- ftänden (bei der Zuckerharnruhr) hinzuweifen. Da jedoch l)ei Diabetes der maßgebende Fack^r allgenujin und ganz mit Recht mehr in dem N'erüegen oder Stocken der ncn-malen, Zucker zer- ftörenden Procelle als in einer anormalen K(jhlehydratdegeneniti(jii

194 Grundzüge einer vergleichenden [10

eiweißartiger Gewebsbeftandtheile gefacht wird , fo hat diefe Krankheit für die vorliegende Frage noch nicht die Bedeutung, welche man ihr ohne eingehendere Kritik fo gern einräumen möchte.

Weit wichtiger als die Zuckerkrankheit, als die fog. Colloid- und Mucinmetamorphofen der Kröpfe, Gallertkrebfe, Myxome und Ovarialkyflome ift für uns der Umitand, daß die Unterfuchungen der thierifchen Gerüftfubftanzen fchon jetzt eine Reihe von Stoffen aufgedeckt haben, von denen einer ein achtes Kohlehydrat, ein zweiter das Amidoderivat eines folchen ift und andere, welche obgleich lie durch das moleculare Verhältniß des Stickftoffs und Kohlenftoffs (C30 ^4,-9) noch ihre Beziehung zu den Kohle- hydraten erkennen lalTen fich nach diefer od^r jener Reaction mehr oder weniger den Eiweißftoffen in ihrem chemifchen Verhalten anfchließen.

Scheinen wir aber fomit auch noch ein ziemliches Stück davon entfernt zu fein, die ächten Eiweißkörper, die Keratine und Ver- wandte als Derivate der Kohlehydrate oder, wie ich (gemäß der Genefe des Spirographeins) annehmen möchte, als fehr reßftent gewordene Spaltungsproducte von Hj^alogenen begreifen zu lernen, fo wünfche ich doch, darauf Bedacht nehmen zu wollen, daß, wenn ich mich entfchließe, bei Claflification der thierifchen Gerüftfub- ftanzen die Trennung der Eiweißkörper von den Kohlehydraten noch fcharf hervortreten zu laffen, lieh (trotz der neu aufgeflellten Gruppe der Skeletine) die Grenzen an allen Punkten verwifchen, und daß es kaum zu rechtfertigen ift, wenn ich die Hyalogene den Albuminoiden , das Cornein aber den Skeletinen zugefelle. Nur praktifche Gründe, die Wahrung der UeberfichtHchkeit und die Vermeidung von Wiederholungen beftimmen mich, an diefer z. Th. Drechfel^^) entlehnten und auf den erften Blick fehr beftechen- den Eintheilung der Gerüftfubftanzen feftzuhalten. Diefelbe würde folgende fein:

11] Phyfiologie der thierifchen Gerüftfubftanzen. 195

I. Claffe: Reine (d. h. ftickftofffreie) Kohlehydrate, welche bei f"!**^»«-

cation der

der Spaltuno- Zucker liefern: ^^/'^'li'^'^1'^

Tunicin Berthelot (thierifche Cellulofe Loeivig und Kölliher). "'"''^°" II. Claire: Skeletine. Stickftoff haltige , aber fchwefelfreie Sub- ftanzen, welche nur eine oder die andere Eiweißreaction geben, ßch durch ilire Widerftandsfähigkeit gegen Alkalien Avie Säuren auszeichnen und auch von den amylolytifchen wie proteolytifchen Enzymen durchaus unverändert gelaffen werden. Auch von kaltem oder fiedendem Waffer, von Alkohol, Aether u. dgl. m. werden fie in keinerlei Weife angegiifien und auf Jod reagiren ße nur mit Braunfärbung.

A. Derivate der Kohlehydrate, welche bei der Spaltung redu- cirende Subllanzen (Zucker, Glykofamin) aber keine Amido- fäuren liefern:

Chitin Odier.

B. Stoffe, welche bei der Spaltung keine reducirende Sub- llanzen fondern Amidofäuren geben. Bei allen beffer bekannten Gliedern diefer Gruppe kommen, wie auch beim Chitin, im Molecül auf 30 Kohlenftottatome eine beftimmte Anzahl (9 oder 10) von Stickftotfatomen , und das Ver- hältniß des Sauerftoffs zum Walferftoff macht es wahr- fcheinlich, daß auch fie Derivate von Kohlehydraten find.

Spongin Staedder.

Conchiolin Fremy (und die Byflusfubltanz der Bivalven?).

CorneTn Valencicnnes.

Fibroi'n Midder. III. Clafre: AlbuminoVde Subftanzen. Körper, welche lieb in ihren chemifchen Eigenfchaften fchon mehr den Eiweißfubflunzen annähern, doch durch das Felden dereinen oder aiid<rn Eiweiß- reaction von den AlbuTninnoffen abweichen:

Myelogene.

Collagene.

196 Grundzüge einer vergleichenden [12

Keratine oder erhärtete Mucine (nach Ausfchluß der

Hyalogene und Hyaline). Elaftine. IV. ClalTe: Aechte Eiweißfloffe, welche bei BS'^— 40« C. durch Pepfm in falzfauren FlüITigkeiten (0,1 0,2 *^/o Cl H) wie durch Trypßn bei neutraler oder alkahfcher Reaction (l,0*^/o CO3 Nag) des Verdauungsgemifches leicht und gleich gut verdaut werden.

I. Die Kohlehydrate.

Das Tunicin Berthelot' ^^% die thierifche Cellulofe Loewig's und ^Tunicin. KölUker's wurde bereits 1845 von C. Schmidt als ein Jftickflofffreier Gewebsbeftandtheil bei Phallusia mammillata erkannt und mit der Subftanz der Pflanzenzellmembran verghchen. Loewig und KöUiJcer wiefen darauf durch chemifche und mikrofkopifche Unter- fuchungen das Tunicin bei einer großen Anzahl von Tunicaten (5 verfchiedene Species von Phallusia, Clavelina lepadiformis, 3 Species von Cynthia, Diazona violacea, Botryllus poly- cyclus und violaceus, Didemnum candidum, Aplidium gibbulosum, Pyrosoma giganteum, Salpa niaxima und bicaudata) nach, vermißten es aber bei den erfl fpäter damit vereinigten Formen der AppendicuUaria und Pelonaea. Payen beobachtete feine Löslichkeit in concentrirter Schwefelfäure und die Blaufärbung durch Jod-Schwefelfäm-e, und Schacht wie 0. Hertivig conftatirten durch mikrochemifche Reactionen (befonders durch das Verhalten des Tunicins gegen Jod-Schwefelfäure), daß der fog. Cellulofemantel der Tunicaten, Jftreng genommen, nur die Tunica externa (Cuticula) desfelben ijft, daß aber auch im Innern des Tunicatenkörpers ein Bindegewebe vorkommen kann, welches die Cellulofereactionen des Mantels zeigt, fo z. B. am Muskelfchlauche und am Darme von Cynthia mytiligera.

I

13] Phyßologie der thienfchen Gerüftfubftanzen. 197

Die Verfuche, das Tunicin bei PoljT^en und Acalephen zu entdecken, blieben erfolglos, und obfchon die orgauifche Grund- lage der Ectocyfte bei Bryozoen, welche mit den Tunicaten zu der ClalTe der Molluskoide vereinigt wurden, gleichfalls refiftent gegen fiedende Kalilauge vne auch gegen ftarke, kalt angewandte Säuren (mit Ausnahme der concentrirten Schwefelfäure, welche löfend ^\irkt) ift, fo zeigte mir doch diefelbe (auch nach Behandlung mit concentrh-ter Salzfäure und Salpeterfäure oder nach dem Kochen mit KaHlauge) Aveder bei Bugula plumosa und B. neritina, noch bei Flu st ra papyrea die Jod-Schwefeiräure- oder die Chlor- zink-Jodreaction, fondern färbte fich mit den Reagentien im günftig- ften Falle nur ähnlich dem Choleflearin ^^).

Das zu den Analyfen verwandte Tunicin wurde meift diu-ch Auskochen der Tunicatenmäntel zuerft mit einer ISIineralfäure und darauf mit Kalilauge gewonnen; Schaefer kochte zur Darflellung desfelben Tunicatenmäntel einen Tag lang im Pcqnn' [chen Topfe mit WafTer, hierauf längere Zeit mit verdünnter Salzfäure, dann mit conccntrirter Kalilauge und laugte fie' fchheßlich mit WalTer vollftändig aus.

Das Tunicin ftimmt in feinen wefentlichen Eigenfchaften und Reactionen mit dem Holzftoffe (Lignin) der Gewäclife überein. Es bildet eine durchfcheinende weiße, in dünnen Schichten felbft durchfichtige, papierähnHche Maffe, welche die Form der Cuticula beibehalten hat. Es löft fich in Kupferoxydammoniak, und Säuren fällen es aus diefer Löfung flockig nieder, welches W-rhalten von Franchimont auch zur Reinigung benutzt wurde; durch längere Einwirkung von Schwefelfäure entfteht daraus ein gährungsfähiger, rechtsdrehender, kryftallinrbanr Zucker, mit Glykofe wahrfdieinlich idontifcb (Franchimont), und rauchende Sali)eterfäure verwandelt das Tunicin in ein Nitro] )roduct, wclclies in alkolioliCchem yVcther klar löslich ift, beim Verdunften der Löfung eine collodiuiniilinlicihü Haut hinU;rläßt und beim Erhitzen verpufft. Mit Jod iiii'l wwcn-

198

Grundzüge einer vergleichenden

[14

trirter Schwefelfäure Towie mit Chlorzink-Jod färbt fich das Tuni- cin blau, und es wird, wie ich zeigte, weder von Diaftafe, noch von Pepfin oder Trypiin unter den günftigften Verfuchsbedingungen irgendwie angegriffen. Nach Berthelot unterfcheidet lieh das Tunicin durch feine Reßllenz gegen Säuren von den vegetabilifchen Cellu- lofen, auch foll es nicht wie letztere durch Fluorborgas in der Kälte verkohlt werden; m der procentifchen Zufammenfetzung ftimmt es jedoch mit der Pflanzencellulofe überein, wie folgende Analyfen lehren :

Berechnet

Gefunden bei

Phallusia mam- millata (C.Schmidt) (Loewig) (Loewig) (Berthelot)

Cynthia papulosa

Ciona

i n t e st i -

nalis

(Payen)

Pyrosoma atlanti-

cum (Schaefer)

Hic

44.44

6.17

49.39

45.38 6.47

(48.15)

43.40

5.68

(50.92)

43.20

6.16

(50.64)

44.6 6.1

(49.3)

44.5 6.4

(49.1)

44.09 6.30

(49.61)

Ueber die Bildung des Tunicins im Organismus der Tunicaten ifl nur Hiftiologifches ermittelt. «Der Cellulofemantel», fagtO. Hertwig, «ift keine perfiftente Eihaut. Er entlieht nicht aus den Tefta- zellen, fondern zunächfl als Cuticularbildung von den Epidermis- zellen aus. Diefes Stadium findet fich dauernd erhalten im Mantel von Doliolum und Appendicularia, in welchem fich keine Formelemente vorfinden. Später wandern bei den Ascidien Epi- dermiszeUen in den Mantel ein und bilden feine urfprünglicliften und auf einem gewilTen Stadium allen Ascidienarten in derfelben Form zukommenden zelligen Elemente. Die urfprüngliche Cuti- cularfchicht der Epidermis verwandelt fich alfo fpäter durch Zellen- einwanderung in wirkliche cellulofe Bindefubjftanz. »

15] Phyfiologie der thierilchen Gerüftful)ftanzen. 199

II. Die Skeletine.

Das Chitin ^^) befitzt wohl unter allen thierifchen Gerüftfub- ftanzen die intereirantefle Gefchichte. Bereits 1823 von 0dl er ent- ^^'^■ deckt, in Folge eines leicht erklärlichen Irrthmns aber für ftick- ftoÖYrei gehalten, wurde es erft wieder im Jahr 1843 von LalTaiync, der es im Seidenwm-me auffand und als ftickftofflialtig erkannte, zmn Gegenftande der Unterfuchung gemacht. Von diefer Zeit ab wird der Stickitoffgehalt des Chitins durchgehend aber weit zu lioch (von Fayen zu 8,93 9,05^/0, von Childrcn und Baniell zu 10,29 ^/o) angegeben, und andererfeits wu'd auch von angefehenen Forfchern noch angenommen, daß das Chitin ftickitofffrei (Fremy) oder nur eine Verbindung von thierifcher Cellulofe und einer albuminoiden Materie fei (Felujot). Die Widerfprüche verfchwanden indeß bald, als C. Schmidt und C. G. Lekmann das Chitin analyfu-t hatten und zu Werthen gelangt waren, welche fich, wie wir jetzt, Dank den unermüdlichen Arbeiten von Ledderhofe und Sundwih zu urtheilen berechtigt lind, von der Wahrheit nicht fehr weit entfernen. Nur in einer incorrccten Wiedergabe des feftgeJftellten Thatbeftandes hegt es begründet, wenn Claude Bernard ^■') noch vor wenigen Jahren bemerkte, daß die Cruftaceen mit Holz ge- panzert feien.

Das Chitin ift die einzige Gerüftfubftanz aller Arthropoden; . bei Repräfentanten zahlreicher Infectenordnungen, bei vielen Crufta- ceen und Arachnoiden ift es nachgewiefen , und auch bei den Myriopoden verdanken das Außenfkelct, welclies zugleicli das ganze Darmrolir auskleidet, wie die inneren derberen Gewebslamellen (Apodemen oder Sehnen) ihre Widcrftandsfäliigkeit uikI I'ilafticität au.sfchließUcli dem Chitin. Eine; anahtgt- Dillcn-nz wie hei den Wirljcltliicren , wo die äußere Dcckfchicht aus Kei-atin, das Bin- nenfkelet aus Collagen gebildet ift., giebt es bei den Ai'throjjoden nicht; felljft die Scheiden der Nervei ifa fern, welche bei den Wirbel- thieren aus Neurokeratin beftehcn, lind na<li A'/taWs und Kühne»

200 Grundzüge einer vergleichenden [16

Verfuchen ^^] an den Itarken Nervenfafern im Bauchmarke des Fluß- krebfes aller Wahrfcheinlichkeit nach chitinöfer Natur.

Seitdem Bud. Leuckart^'^) 1852 das Thierreich auf Cliitin durchmuflert hat, ilt das Vorkommen des Chitins auch bei Thieren aus anderen als den 4 im Arthropodentypus vereinigten ClafTen wieder- holt behauptet, doch nicht einwurfsfrei bewiefen worden. Erlt ganz kürzHch wurde auf elementaranalytifchem Wege fowie durch Reac- tionen und durch das Studium der Zerfetzungsproducte endgültig entfchieden, daß die Rückenfchulpen vonLoligo vulgaris und die fog. Sepienknochen achtes Chitin und zwar fehr reichlich enthalten, daß ßch diefes daraus leicht und abfolut rein darftellen läßt. Ein gleicher Befund ergab fich weiterhin auch für Lingula anatina, in deren Schalen Hilger 1867 leltfamerweife kein Chitin, wohl aber fog. Chondrogen nachzuweifen vermochte, während Schmiedeherg 1882 richtig angab, daß die durch Salzfäure und Kalilauge gereinigte organifche Subftanz der Schalen von Lingula anatina keine Spur von Biuret- oder anderen Albuminoidreactionen gebe, aber alle Eigenfchaften und Reactionen des Chitins belitze. Nach abwechfelnder Behandlung mit verdünnter kalter Salzfäure und Kalilauge hinterlallen fowohl der Stiel als auch die Schalen von Lingula verhältnißmäßig reichliche Mengen von Chitin, welches nur in den Schalen von einem gegen Kalilauge ebenfo unlös- lichen Körper, wahrfcheinlich von Conchiolin begleitet wird, während eine folche Beimengung in den Stielen voUfländig fehlt. Weiteres ilt über die Verbreitung des Chitins außerhalb des Arthropoden- typus zm^ Zeit noch nicht ermittelt.

Die Sepienrückenfchilder, welche jederzeit und überall in be- liebiger Menge zu erhalten lind und nicht wie die Panzer der Krebfe oder die Flügeldecken der Käfer von fchwer zu befeitigenden Einlagerungen von Farbftoffen und deren ebenfo widerftandsfähigen Umwandlungsproducten erfüllt ßnd, eignen lieh jedenfalls am Beften zur Reindarftellung des Chitins. Die Organe werden nach-

17] Phyüologie der thierifchen Gerüftfubftanzen. 201

einander mit kalter verdünnter Salzfäure ausgezogen und mit Kalilauge, Alkohol und Aether ausgekocht; zur vöHigen Entfernung der anorganifehen Bellandtheile kann man das Chitin noch in concentrirter Salzfäm-e löfen und durch Waflerzufatz wiederum ausfällen.

Das Chitin ift eine amorphe, fchneeweißc Maffe, welche die Form der Organe, welchen es entflammt, beibehalten hat, mehr oder weniger dm-chfcheinend ift und beim Erhitzen verkohlt ohne zu fchmelzen. Laugen verändern es felbft nach anhaltendem Kochen nicht, concentrirte Schwefelfäure wie concentrirte Salzfäure lüfen es fchon in der Kälte, anfangs, wie Emmerling bewies, ohne Zerfetzung. Beim Eindampfen mit concentrirter Salzfäm-c Hefert das Chitin neben humusartigen Maffen Elligfäm-e, Butterfäure und als allein ficheres primäres Produet ca. 90°/o falzfaures Glykofamin, welche Menge 70 75 ''/o freien Glykofamins entfprechen würde. Aehnhch fcheint auch die Umfetzung des Chitins beim Kochen mit verdünnter Schwefelfäure zu verlaufen, während es mit Salpeter- Täure einen im Waffer unlöshchen, nicht beim Schlag, wohl aber beim Erhitzen, getrocknet manchmal unter 112'' C. explodirbaren Salpeterräureäther liefert (Sundivik). Schmelzendes Kali verwandelt das Chitin in Ammoniak, Efligfäure, Butterfäure und Oxalfäure,

Das wichtigfte Spaltungsproduct des Chitins ift zweifellos das falzfaure Glykofamin (C6Hi3N05,HCl). Dasfelbe bildet farb- lofe, harte, glasglänzende, monofymmetrifche Kryftalle, die fich bei 100 '^ C. nicht zerfetzen, in Walfer leicht, in Alkohol fehr fchwer und in Aether ganz unlöslich find; es fchmeckt anfangs füß, bc- litzt aber einen bittern, falzigen Nachgefchmack, ift rticlitsdrehcnd, reducirt 7'V'///m//'fche Löfung ebenfo ftark als Traubenzucker, bei Einwirkung von concentrirter Natronlauge entftelit daraus Milcli- fäure und Brenzkatechin, und feine wälfrigen I.öfungcn werden durch Fermente nicht in Gälirung verfetzt. Durch Einwirkung äquivalenter Mengen von fali)eterfaurem oder fchwcfclfaurem Silber

KrukcnhcTfi, Vergl.-phyflol. VorlnlKf. "*

202 Grundzüge einer vergleichenden [18

ßnd aus der falzfauren Verbindung leicht das falpeterfaure und fchwefelfaure Salz darzuffcellen, das freie Glykofamin (CgHiiOg-NHa) ift aber im kryftalliürten Zuftande noch nicht ficher zu erhalten gewefen. Ledderhofe, dem wir diefe werthvoUen Auffchlüffe über das falzfaure Glykofamin verdanken, hat weiterhin gezeigt, daß beim Erwärmen von falzfaurem Glykofamin mit Silber refp. Kalium- nitrit Stickftoff entwickelt wird, und hat durch MelTen des bei diefer Reaction gebildeten Stickftoffs feftgeftellt, daß die Zerfetzung nach folgender Gleichung verläuft:

C6Hii05NH2,HCl + KNO2 = CeHi^Oe + N^ + H^O + KCl. Er hat den dabei entgehenden, vorausßchtlich nach der Formel CgHigOe zufammengefetzten, zuckerartigen Körper nur in Form eines Syrups erhalten und nachgewiefen , daß derfelbe die Ebene des polarifirten Lichtfbrahles nach rechts dreht, auf FeJiling' ^che Löfung reducirend einwirkt, aber durch Hefe ebenfowenig wie das falzfaure Glykofamin in Gährung verfetzt werden kann. Tiemann erhielt aus dem falzfauren Glykofamin durch Einwirkung von Salpeterfäure eine weiße, zähe Mafle vom Ausfehen des Traganth- gummis, welche in Waller gelöft und mit Calciumcarbonat gefällt das Calciumfalz der Ifozuckerfäure (CgHgOgCa) gab, welches durch Verfetzen feiner wälTrigen Löfung mit der genau äquivalenten Oxalfäuremenge und Eindampfen der vom Calciumoxalat abfiltrirten FlüIIigkeit die freie Säure (CgHioOg) in fchönen, weißen, rhom- bifchen Kryffcallen heferte. Von derfelben wurden die Baryum- (CgllgBaOg), die Kupfer- (CgHgCuOg) und die Silberverbindung (CßHgAgaOg) analyürt und feftgeftellt, daß beim Erhitzen derfelben weit über ihren Schmelzpunkt (bei 185*^ C.) hinaus Kohlenfäure und WalTer abgefpalten werden und reichlich Brenzfchleimfäure (C5H4O3) fubhmirt; auch wurde durch Behandeln des in Alkohol vertheilten ifozuckerfam^en Calciums mit Salzfäm-egas der ifozucker- fäure Aethyläther (C4Hg04.2C02C2H5) gewonnen.

19]

Phyfiologie der thierifchen Gerüftfubftanzen.

203

Analyfen des Chitins aus:

^

.f

Arthropoden

Cephalopoden

£ 's-

E 'S

ö

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2^ 3

ds 2

Ss'e

iZ s*^

"(5 > fco

0 --

CO

C,5

45.69

^60

46.75

46.66

46.73

46.32

45.69

46.03

46.78

46.14

46.30

46.57

H26

6.60

Hioo

6.50

6.60

6.49

6.40

6.42

6.26 6.42

6.53

6.42

6.39

N,

7.10

Ns

7.27

6.53

6.59

6.14

7.00

7 r.r}{BÜtJchU)

'•""17.02 (Em-

1 merling)

6.81

7.35

7.37

0,0

40.61

038

39.48

(40.21)

(40.19)

(41.14)

(40.89)

(40.71)

(40.52)

(39.93)| (39.67)

Die Refultate der \Tielen Elementaranatyfen , welche über das Chitin voriiegen, und von denen die zuverläffigllen oben zufammen- geftellt find, fo\A'ie die befprochenen Zerfetzungsweifen desfelben haben eine rationelle oder auch nur eine empirifche Formel dem Chitin noch nicht gefiebert. Ledderhofe, welcher die Efiigfäure als gleichzeitig mit dem Glykofamin entfl;anden und als direct aus dem Chitin hervorgegangen anficht, nimmt für das Chitin die Formel: Ci5H^,jN20io an und drückt die Bildung des falzf-iuren Glykoiamins durch l^eiltehende Gleichung aus:

2C,,H,„N,Oio + 6H2O = 4C,H,3NO, + 3C,H,0.,.

SimdniJi faßt dagegen als primäres Spaltungsproduct des Chitins nur das Glykofamin, beziehungsweife die Glykofe auf, welche letztere bei dem Procefle weiterhin in die ftets zu beobachtenden humusartigen Maffcn, in Efiigfäure und Butterfäure zerfallen foU. Er giebt dem Chitin die allgemeine Formel: CijoHnjoNgOag -[- nHgO, in welcher n zwifchen 1 und 4 variiren kann, und findet eine Stütze für feine Anficht darin, daß die verfchiedenen Chitinanalyfen zwar nicht untereinander, aber fi;ets mit der Zufammenfetzung eines der nach diefer Formel mögliclien Hydrate ülx'reinfiimmen. Lcddcrfiofe z. B., der bei 110"— 120'^ C <las Chitin trocknete, fand bei feinen Analyfen eine Gruppe von Piilparaten, welche 45,04— 45, 10°/o C enthielten, und euie andere mit 45,82— 4(),18"/o,

15*

204 Grundzüge einer vergleichenden [20

aber keine mit dazwirchen liegenden "Werthen und flets einen viel geringeren KohlenJftoffgehalt als Sundwih, der das Chitin bei 132 bis 135 <* C. getrocknet und im Mittel von 9 Analyfen 46,78 ^'/o C, erhalten hat. Nach Sundicih gefchieht die Spaltung des Chitins nach folgender Gleichung:

CeoHiooNgOss + 14 H,0 = 8 C6H,3N05+ 2C,-R,,0,, und er denkt fich das Chitin als Amin aus einem Kohlehydrate CßoHiooOgo dmxh Aufnahme von 8NH2 in folgender Weife entftanden: C60H100N50 + 8NH3 = CeoH,ooN8038 + 12H,0. Das ganze Exofkelet der Arthropoden wird von den darunter hegenden Zellen erzeugt, entweder indem diefe die Chitinfubftanz ausfchwitzen, die dann erhärtet oder, was Huxley^^) fpeciell für die Krebfe wahrfcheinhcher ift, durch chemifche Metamorphofe der oberflächhchen Zone der Zellkörper zu Chitin. Wie es fich jedoch auch damit verhalten mag, jedenfalls bilden die Cuticulargebilde anhegender Zellen zuerft ein einfaches, zufammenhängendes dünnes Häutchen. Durch Wiederholung des ProcelTes, dm^ch den diefes entftanden ift, nimmt die Dicke der Cuticula zu. Das fo an der Innenfläche der letztern hinzukommende Material hat aber nicht immer die gleiche Befchaffenheit, fondern ift abwechfelnd dichter und weicher. Das dichtere Material bildet die -zähen Blätter, das weichere die durchfichtigere Zwifchenfubftanz. Die Menge der letztern ift anfangs fehr gering ; daher hegen die äußeren Blätter fehr dicht auf einander. Später nimmt die Menge der Zwifchenfubftanz zu, und fo entfteht die dicke Schichtung in der mittlem Region des Exofkelets, während fie in der Innern unbe- deutend bleibt. spongin. ^as Homfafergerüft der Spongien ^^) fcheint aus zwei chemifch

verfchiedenartigen Subftanzen zu beftehen, wenigftens wh'd die zartflockige, gleichfam verfilzte Materie, welche die Hornfäden überzieht, von 5°/oiger Natronlauge ziemhch rafch unter Am- moniakentwicklung gelöfl, während die Fäden felbft dabei nicht

21] Phyfiologie der thierifchen Gerüllfubftanzen. 205

bemerklich angegriffen -werden (Stacdder). Kupferoxyd -Am- moniak vernichtet an den 20 30 Stunden lang zuvor mit Natron- lauge digerirten Fäden die Elafticität und macht lie brüchiger, indem nm- eme Spur organifcher Materie ausgezogen wird; ohne vorausgegangene Behandlung mit Natronlauge ibllen dagegen die Fäden durch das Reagens von außen ftark angegriffen werden.

Das mit verdünnter Salzfäure und 5°/oiger, kalter Natronlauge ausgezogene Schwammgerült , das Spongin Sfaedelcr's, MÖi-d von verdünnter kalter Natronlauge nicht wefentüch oder doch nur fehr langfam gelöft, leicht aber, wenn es damit gekocht wird. Concen- trirte Schwefelfäm-e löft es unter fchwacher Braunfärbung fchon bei gehndem Erwärmen rafch auf; bei zehnflündigem Kochen mit der verdünnten Säure (1:4) wird eine geringe Ammoniakentwick- lung wahrgenommen und Leucin, Glycin, aber kein T^ToIin erhalten. Concentrirte Salzfäure und Salpeterfäure von 1,3 fpec. Gew. löfen das Spongin ebenfalls beim Kochen, und in beiden Fällen erhält man anfangs farblofe Löfungen. Das Spongin giebt nicht die 3Iülo)i' [che Reaction, färbt concentrirte Salzfäure beim Kochen in keiner Periode blau oder violett und zerfetzt fich beim Erhitzen, ohne vorher zu erweichen oder klebrig zu werden (Po/TcU).

Als Fo/fdt und Croocheivit ihre Analyfen des Badefchwammes ausführten, war das differente Verlialten der organifchen Schwamm- fubftanz, welche Behandlung mit kalter, verdünnter Salzfäure, Aether, Alkohol und Waffer zurückläßt und worauf fich ilu' Reini- gungsverfahren })efchränkte, noch unbekannt, und ihre Ergcbniffe find fclion deshall) unzureichende geworden. Die Verfuchsreilien beider Forfcher weichen in iliren Refultaten, welche icli deshalb aucli hier mitgetheilt habe, nur unbeträchtHch von einander al), wenn fclion die aus den Analyfen berechneten Formehi zweifellos unrichtige find, und die ZufannnenCctzung des Spongins vorau.s- ficlitUcli auch wie die des Chitins, Conchiolins und Corneins auf 30 Kohlenftoff im Molecül hinausgehen winl. RcHlucircn wir die

206

Grundzüge einer vergleichenden

[22

aus den Analyren für das Spongin berechneten Zahlen auf 30 Kohlenftoffatome im Molecül, fo erhalten wir für diefes die Formel: C30H46N9O13, welche mit den Befunden weit belTer übereinftimmt als die von FofCelt berechnete Zufammenfetzung (C48H7gNi3022) oder als die von CroocJceivit ad hoc angenommene Miilder^che Fibroinformel. Analyfen der Spongins,

Be- rechnet

Gefunden

(PoßeltJ

fCrooclceivitJ

C30

48.65

48.75

49.11

48.74

47.14

48.01

46.91

47.20

47.28

H46

6.22

6.35

6.25

6.27

6.34

6.35

6.35

6.51

6.33

N,

17.02

16.4

15.9

16.40

16.33

16.07

Oi3

28.11

(28.50)

(28.74)

(28.59)

(30.32)

(29.44)

(30.54)

(30.09)

(30.19)

Das Conchiolin^*'), welchen Namen 1855 Fremy dem in ver- conchioiin. dünuter, kalter Salzfäure unlöslichen organifchen Beftandtheile der Mufchelfchalen beilegte, war kurz zuvor von KoR für identifch mit dem Chitin erklärt, fpäter von Schloßherger wieder als ein Körper sui generis angefprochen und in jüngfter Zeit von Schmiedeherg als eine albuminoide Subftanz bezeichnet. Jetzt, wo der in Frage kommende Körper aus den Eierhüllen der Muriciden in großer Menge rein zu gewinnen war, läßt lieh nachweifen, daß Schloß- lerger's Arbeit allein Werth befitzt, und auch die von ihm mitge- theilte Analyfe der nach dem Entkalken der Auflernfchalen und Auskochen des organifchen Rückffcandes mit Kalilauge erhaltenen braunen Membranen ftimmt gut zu den Procentzahlen, welche fich für das Conchioiin der Eikapfeln ergeben haben.

Das Conchioiin fcheint in den Lingulafchalen das Chitin zu begleiten, in den Schalen von Mytilus edulis findet fich da- neben aber kein Chitin vor und ein fehr fparfam verwendeter Mucin- oder Hornftoff hält in den meilten Eierballen der Profo- branchier die einzelnen conchiolinöfen Eikapfeln unter einander zufammen. Außerhalb des Molluskentypus ift diefe SubJftanz bis- lang nicht nachgewiefen worden.

Beim Erhitzen fchmilzt das Conchioiin, bläht fich auf und

23] Phyfiologie der thierifchen Gerüftfubllanzen. 207

hinterläßt eine fchwer verbrennliche Kohle. Es wiixl von über- hitztem WalTer nicht gelöft (Schloßbcryer), in der Kälte durch concentrirte Schwefelfäure , rauchende Salpeterfäure , concentrirte Salzfäure, Salpeterfäure und Kaliumchlorat innerhalb zwei Tagen nicht bemerkUch verändert; nur concentrnte Chromfäurelöfung greift das Conchiolin Avälirend diefer Zeit erüchtlich, aber auch nur langfam an. Beim Kochen löft es lieh in concentrirter Schwefel- fäure «de üi Salpeterfäure auf Kahumchloratzufatz fofort, in ver- dünnten Mineralfäuren, rauchender Salpeterfäure und concentrirter Salzfäure aber auch erft dann alhiiähhg, während es von fiedender Effigräure gar nicht angegriffen wird. Laugen färben es fchon in der Kälte citronengelb , verändern es äugen fcheinhch jedoch nicht weiter. Wenn fchon anhaltendes Sieden mit concentrirter Kali- lauge (1:1) das Conchiolin unter Bräunung nur fchrumpfen macht, fo bin ich doch der Anficht, daß es von den Laugen nicht ganz intact gelaffen wird, und befchränkte mich deshalb auch darauf, das zu den Analyfen verwandte Material, nachdem es durch Salz- fäure entkalkt, durcli Pepfm- und Trypfinein Wirkung von den Eiweißkörpem befreit war, nur 48 Stunden mit verdünnter Natron- lauge zu maceriren und nicht mit Kalilauge auszukochen. Die Widerftandsfähigkeit des Conchiolins gegen AlkaHen fcheint um ib beträchthcher zu fein, je länger dasfelbe angebildet war oder, mit anderen Worten, je älter es ift. Altes Concliiolin (und ebenfo verhält fich auch das gleich näher zu befprechende Cornein) zeigt eine ähnUche Verfärbung als die ift, welche AlkaHen an völlig farl>lofen und reinen Präparaten hervorrufen; diefer gelbhche oder bräunliche Farbenton fcheint durch kein befonderes Pigment liedingt zu fein, fondern dem Conchiolin wie Cornein als folclien anzuge- hören, wenn gleich derfelbe letzterm durch kalte, rauchende Salpeter- fäure leicht zu benehmen ift. Zum Untcrfchicde hiervon bietet <la.s Chitin in allen Vorkommniflen die gleiche weiße Farbe dar, gewöhnlicl) mir imi)rägnirt mit fremdartigen Pigmenten.

208

Grundzüge einer vergleichenden

[24

Beim Kochen mit verdünnter Schwefelfäm-e entfteht aus dem Conchiolin Leucin, niemals Cornikryftallin , und auch Tyrolin, Glycin, wie ein auf alkalifche Kupferfulfatlöfung bei Siedetemperatur desoxydirend wirkender Körper lind unter den Spaltungsproducten nicht nachgewiefen ; beim Eindampfen mit concentrirter Salzfäure bildet lieh aus ihm kein Glykofamin, fondern, wie es fcheint, hauptfächlich ebenfalls nur Leucin. Das Conchiolin giebt keine einzige der für die Eiweißftoffe charakteriflifchen Farbenreactionen ; es röthet ßch nicht beim Kochen mit Mülon's Reagens, färbt fich bei der Xanthoproteinreaction auf Ammoniakzufatz nur gelb oder braungelb, niemals rothbraun, und concentrirte Salzfäure nimmt beim Kochen mit Conchiolin weder eine purpurne, noch eine violette oder blaue Färbung an; ebenfo verfagt die Reaction von . Adamkiewics , welche allerdings auch nur eine befchränkte Anzahl ächter Eiweißftoffe in prägnanter Weife darbietet. Höchffcens können die minimalen Indolmengen, welche man beün Schmelzen des möglichft gereinigten ConchioHns mit Kali auftreten fieht, ver- muthen lalTen, daß ein allen Eiweißkörpern eigenthümlicher Atom- complex auch im ConchioHn erhalten blieb.

Aus beigefetzten Analyfen berechnet lieh für das Conchiohn

die Formel:

C30H48

Analyfen des

ConcMolins :

Be- rechnet

Gefunden für

die Eierkapfeln von

die brau-

]

Murex truncu (Krukenberg

. Präparat

lus

)

II. Präparat

Bucci-

num un-

datnm

(Kruken- berg)

in den Aufterfcha-

len

(Schloss-

berqer)

C30

50.70

6.76

17.75

24.79

50.78 6.71

17.88 (24.70)

50.88

6.81

17.74

(24.54)

17.79

51.22 7.01 17

(23.78)

51.00 7.04 .99 (23.97)

50.72

6.82

17.92

(24.54)

50.7 6.5 16—16.7

(26.1)

Ebenfo wie das Spongin ift auch der in fiedender Kalilauge unlösliche Theil des Secretes der bei gewilTen LameUibranchiaten

25] Phyfiologie der thierifchen Gerüllfubftanzen. 209

ßch findendeu By ffusdrüfe -^ ) , welclier bei Pinna nobilis, Dreissena polymorpha von Schloßhcrgcr, bei Mytilus gallo- provincialis von mir, allerdings nur fehr ungenügend unterfucht wurde, einer weitern Nachforfchung in hohem Grade bedürftig.

Der Byflus wurde von Lavini und ScharUng zu den Hornge- weben geflellt, von LchcImH für Chitin erklärt, fein in fiedendor Kahlauge unlöshcher Beftandtheil fcheint mir jedoch die nämUchen chemifchen Eigenfchaften wie das Conchiolin zu beiitzen; er verhält lieh gegen Säuren und Alkalien ziemüch genau fo wie jenes, und auch die Zerfetzungsproducte find, foviel fich eben darüber ausfagen läßt, in beiden Fällen die gleichen. Ich würde fogar nicht anftehen, beide Subftanzen für identifch zu erklären, wenn nicht die Ana- lyfen von Schloßherger, welchen zu mißtrauen ich keinen Giiind kenne, für die Byirusfubflanz einen weit niedrigem Stickftoflgehalt ergeben hätten als für das Conchiolin. Der mechanifch, dann durch Auskochen mit Waffer, Alkohol und verdünnter Salzfäure gereinigte Byffus gab 13,5 13,9 °/o Stickflotf, während die nach vollkommener Extraction mit kochender Kalilauge zurückbleibenden, gelbbraunen, fehr brüchigen Bänder nur nocli 12,2 12,G'^/o Stick- ftoff enthielten.

Da eine eingehendere Arbeit über die BylTusfubflanzen l)evor- fteht, fo will ich mich hier des Weiteren darauf befchränken, von Schloßhergers Befunden am Pinna-Bylfus nur noch folgende ber- vorzuheben: Beim Erhitzen verkohlen die Byllüsfäden ohne zu fchmel/en, mit Beibehaltung ihrer Form (wie Cliitin). Kalte wie fiedende EfTigfäure lalTen die Fäden unverfehrt und auch mehrtägige Berührung mit feuchtem Chlorkalk verändert deren Structur kaum. Nach einer Stunde langem Koclien mit Walfcr unter G Atmo- ft)liärendruck war der Byflüs nur etwas brüchiger geworden; «die über ihm befindliche Flüfligkeit war gelb, leimte und gehitinirtc nicht, gab aber mit Gerbfäure reicliHclie Flocken»,

Das Comein"), die Gerüllfubftaiiz der Gorgoiiiilm iiikI Aiiti- «omnn.

210

Grundzüffe einer vers;leiehenden

[26

pathiden, flimmt in den meiften Reactionen mit dem Conchioliu überein: eine Aehnlichkeit , welche bereits Fremy aufgefallen war. Ebenfo ift feine Reingewinnung die nämliche wie die des Conchio- lins; doch auf's Beftimmtefte unterfcheidet fich von diefem das Cornein in folgenden Punkten: Es röthet lieh, ohne aber eine andere Eiweißreaction zu geben, beim Kochen mit Mülons Reagens, verhält lieh weniger refiftent als das Conchiolin beim Kochen mit rauchender, concentrirter Salpeterfäure wie überhaupt den concen- trirten Säuren gegenüber, entwickelt mit Kali gefchmolzen anfehn- liche Mengen von Indol und liefert beim Kochen mit verdünnter Schwefelfäure neben Leucin einen in dachziegelförmig aufgebauten Plättchen kryftalliürenden , äußerfl hygrofkopifchen Körper, der nur in concentrhter Schwefelfäure als unlöshch, darin aber als jahrelang haltbar befunden wurde, das Cornikryftallin. Die unten mitgetheilten Analyfen deuten an, daß ßch das Cornein zum Conchiolin wie die Oxalfäure zum Aethylenalkohol verhält, indem an Stelle von 4 WalTerftoff im Conchiolin 2 Sauerftoff getreten lind. Während Frhmj die Achfe einer unbeftimmten Gorgonenfpecies aus 49,4 Kohlenftoff, 6,3 Wafferfloff, 16,8 Stickitoff und dement- fprechend aus 27,5 Sauerftoff beffcehend fand, ergab mir das nach Art meiner Conchiolinpräparate belTer gereinigte Cornein folgende Werthe:

Be- rechnet

Gefunden bei

Rhipidogorgia

Gorgonia

Anti-

flabellum

verrucosa

pathes

C30

48.78

48.92

48.96

48.86 49.18

48.86

H44

5.95

5.68

5.93

5.80 5.83

6.26

N9

17.07

17.06

16.76

16.60

0,3

28.20

(28.34)

(28.05)

(28.58) (28.23)

(28.28)

Ueber die Genefe der Hornachfe von Gorgonia verrucosa fowie der von Antipathes haben die Arbeiten 6r. v. Koch's^^) einen werthvoUen Auffchluß ertheilt. Nach v. Koch's Unterfuchunffen

27] Phyfiologie der thierifchen Gerüftfubftanzen. 211

entlieht das Achfenfkelet von Gorgonia verrucosa nicht durch Verhornung der Bindefubftanz des Cönenchyms, fondern es ifl ein Ausfcheidungsproduct der Achfenepithelzellen, und ebenfo \\^rd auch das Binnenfkelet bei Antipathes «von einer Zellfchicht (Achfenepithel) ausgefchieden, welche ßch innerhalb der dünneren ßindefubltanzlamelle , die eine Fortfetzung der Polypen wand ift, befindet und weder mit Ectoderm noch mit Entoderm in Ver- bmdung fleht».

Noch eine Subllanz bleibt uns zu betrachten übrig, welche 'seriein!" lieh den bisher abgehandelten Skeletinen, befonders dem Spongin, mit welchem fie auch von Croockewit identificirt wurde, in ihren Eigenfchaften und, wie wir fogleich erfahren werden, auch in ihrer cliemifchen Zufammen fetzung eng anfchließt: das Fibroin^*).

Die theils blinddarmähnlichen, theils baumartig gelappten, wohl auch birnförmig geftalteten Spinndrüfen oder Sericterien, welche einige Abtheilungen der Arthropoden auszeichnen, fondern kurz vor der Puppenperiode oder, was nur feiten (z. B. bei den Phryganeen) vorkommt, im ganzen Larvenlladium eine zähe Flüflig- keit ab, welche bei ihrem Hervortreten aus den Secretgängen , zu einem Faden ausgezogen, an der Luft erftarrt. Die betreffenden Arthropoden bereiten fich auf diefe Weife Gefpinnfte, welche ihnen Schutz gegen feindliche Eingriffe gewähren, ihnen zum Auskleiden von Erdhöhlen, zum Aufbau der Gehäufe dienen oder, wie z. B, die fog. Herbftfäden den Xyllicus-, Pachygnatha- und Mi er j'- phanthus- Arten, zur fchnellen Ortsbewegung behülflich find.

In diefem Secrete, von welchem z. B. die Seidenraupen im reifen Zuftande nach Vi-ligot^-') etwa 8- lO'^/o ihres Gewichtes ent- leeren, treffen wir, wenn dasfelbe feft geworden ift, fowohl bei Spinnen wie bei den Lepidopterenclnyfaliden das Fi))roiu an ; daneben findet fich der fog. Soidenleim , das Sericin , auf welches wir fpäter noch zurückkommen werden.

Wird li/jhfeide nacheinander mit Wafier, Alkoliol, Aelher,

212

Grundzüge einer vergleichenden

[28

kalter 5^/oiger Natronlauge und mit Salzfäure ausgelaugt, darauf mit WaJTer ausgewafchen oder mit WalTer ftundenlang auf 133*^ C. erhitzt und dann mit Aether und Alkohol extrahirt, fo bleibt das Fibroin als eine farblofe, der entfchälten Seide ähnliche, zu zartem Pulver zerreibliche MalTe zurück. Dasfelbe löft fich in concentrirter Salz- und Schwefelfäure rafch fchon in der Kälte und wird in pulveriflrtem Zuftande auch von liedender Effigfäure (nach mehr- ftündigem Kochen), fowie von concentrirter Kalilauge, von Kupfer- oxyd- und Nickeloxydulammoniak aufgelöft; Säuren fällen aus den Metallfalzlöfungen farblofe Flocken, welche fleh bei Säureüberfchuß wieder löfen. Eiweißreactionen foU das Fibroin nicht geben, obfchon es, mit Barythydrat auf 150^ 180^ C. erhitzt, diefelben Zerfetzungs- producte wie die Eiweißkörper hefert, beim Kochen mit verdünnter Schwefelfäure Spuren von Ammoniak entwickelt und in Leucin, Tyrofin und Glykocoll zerfällt. Gramer nahm für das Fibroin die Formel: C3oH4eNioOi2 an, welche fleh meines Erachtens nur wenig Von der Wahrheit entfernen kann, und der, wie beiftehende Tabelle zeigt, die belferen Analyfen auch annähernd entfprechen.

Analyfen des Fibroms

!

a>

Gefunden

nach Cramer

"3 tu

S

(Mulder)

(Staede- ler)

(Cramer)

(Vogel jr.)

(Bolley)

C30

48.77

47.83

48.60

48.39

48.06

49.99

47.08

48.50

H46

6.24

6.54

6.40

6.51

6.02

6.88

7.20

6.58

N10

18.97

17.36

18.89

18.40

18.21

19.03

17.70

18.89

Ol.

26.02

(28.27)

(26.11)

(26.70)

(27.71)

(24.10)

(27.02)

(26.03)

Wir wilTen von einer ganzen Reihe thierifcher Gerüftfubftanzen, daß fie fleh im Jugendzuftande gegen chemifche Einwirkungen, ja felblt in ihrer chemifchen Zufammenfetzung anders verhalten als im Alter. So erfuhren wir bereits, daß fowohl beim Cornein wie beim Conchiolin (und dasfelbe gilt auch für die Byllusfubrtanz)

29] Phyßologie der thierifchen Gerüflfubftanzen. 213

«die Unlöslichkeit in Alkali meift um fo ausgefprochener ift, je melir diefe Stoffe eine ge-^älTe Entwicklung oder ein beftimmtea Alter erreicht haben »^''). Noch auffälliger find Altersdifferenzen diefer Art bei dem Elaftin, und, dem Folgenden vorgreifend, fei auch fehon hier bemerkt, daß die keratinöfe Subftanz, welche die Selachiereierfchalen bildet, anfangs durch Pepfinfalzfäure leicht zu verdauen, fpäter aber für diefe ebenfo unangreifbar wie die übrigen Hornfubltanzen geworden ift. BoJIcys ^Vnalyfen weifen bei dem Fibrom, Schloßherger b Befunde bei der B^^ffusfubftanz auch darauf hin, daß beide Materien mit der Zeit nicht nur fchwerer angreifbar für chemifche Agentien, fondern, me w^ahrfcheinüch auch die Horn- fubftanzen, zugleich ftickftoffreicher werden. Handelt es fich jedoch darum, in überzeugender Weife darzuthun, daß fo ziemlich alle der hier aufgezählten thierifchen Gerüilfubftanzen frifch angebildet oder fecernirt ganz andere Eigenfchaften befitzcn als auf einer höheren Altersftufe, wo fie ihrer phyfiologifchen Beftimmung erft entfprechen, fo bietet uns die Seide unzweifelhaft das inftructivite Beifpiel dar; man könnte fich faft verfucht fühlen, für die durch ihre veräftelten Riefenkerne fchon hifliologifch fo merkwürdigen Zellen der Sericterien bei den Schmetterüngsraupen einen ebenfo myfleriöfen Einfluß auf das Flüffigbleiben des Spinndrüfenfaftes anzunehmen, als ein folcher den unfcheinbaren Endothefien der Gefäßwandung als fibringerinnungshinderndes Moment zuerkannt wird.

Ganz im Gegen fatze zu dem Fibroin, deffen große Widcrftands- fähigkeit den gewöhnlichen Löfungsmitteln gegenüber wir foeben kennen gelernt haben, befitzt der frifche Seidenfaft eine bernflein- bis goldgelbe Farbe, ift durchfichtig, zähe, löft fich in Waficr zur neutralen goldgelben Flüffigkeit, welche beim Kochen ohne zu gerinnc-n auffchäumt, beim Stellen zur zitternden Gallerte erftan't und fich beim Kochen nicht wieder völlig klärt. Die Löfuiig ift in der Hitze fadenziehend und fcheidet auf Säurezufatz ein (lockigci Gerinnfel ab, welches (ich bei Säureübcrlcliiiß iiidil ;iiillö(l; loglcich

214

Grundzüge einer vergleichenden

[30

mit viel Säure verfetzt, bleibt ße klar, erJftarrt aber nach einigen Stunden zur Gallerte. Die Löfung färbt ficli beim Kochen mit concentrirter Salzfäure fchmutzig violett, wird durch Natronlauge, KalkwaiTer, Sublimat, Höllenflein oder Blutlaugenfalz nicht verän- dert und entwickelt, mit Natronlauge gekocht, auf Salzfäurezufatz kein Schwefelwalferrtoffgas ; Bleizucker und Kupferfulfat erzeugen in der urfprünglichen Löfung einen gallertigen, Gerbfäure einen flockigen Niederfchlag.

Diefer frifche Seidenleim, der an der Luft zur Seide erhärtet, ift nach JBoUey nichts anderes als weiches Fibrom, welches fich beim Spinnen oberflächlich in Seidenleim (Sericin) umfetzt. Das Sericin geht aus der Rohfeide in die wäffrige Abkochung über, läßt fich aus diefer durch Bleieflig fällen und fteUt, aus der Blei- verbindung durch Schwefelwafl'erftoff abgefchieden ein weißes, geruch- und gefchmacklofes Pulver dar, welches fich, wie die bei- ffcehend mitgetheilten Analyfen lehren, in feiner chemifchen Zu- fammenfetzung nicht fehr weit vom Fibroin entfernt, fich von diefem aber durch feine Löshchkeit in Waffer wie durch feine Zer- fetzungsproducte unterfcheidet. Schon in kaltem Wafi'er quillt das

Analyfen des Sericins: ^ ^^^^i^i^ a^^' l^A üch in heißem

und bildet dann, ähnhch dem Glutin, beim Erkalten eine gelati- nirende Malle. Aber auch vom Glutin unterfcheiden es fchon feine Zerfetzungsproducte ; denn Sericin 18.64 giebt beim Kochen mit verdünn- ter Schwefelfäure kein Glykocoll und nur wenig Leucin, wohl aber etwa 57o Tyrofin und lO^/o Serin (die in Prismen kryftallifirende Glyceramin- oder Amidomilch- fäure), welches mit falpetriger Säure in Glycerinfäure übergeht: C3H,N03 + NQ.OH = CH^lOH). CH(OH). GOGH + N, + H^O.

(Serin) (Glycerinfäm-e)

Berechnet

Gefunden

Äüttel-

werth

(Cramer)

(Bolley)

C30

44.67

44.82

44.29

H50

2.61

6.18

5.81

N,o

1762

18.80

18.64

0,e

31.50

(31.20)

(31.26)

31]

Phyfiologie der thierifclien Gerüftfubftanzen.

216

Ueber die Genefe des Fibroins ift nichts Näheres ermittelt; doch möchte ich die Angabe von Peligot niclit unerwähnt lafTen, daß die Seidenraupen, wenn fie bereits die erften Fäden gefponnen haben, grüne oder weiße, harnfäurereiche Excrete bilden, während fie fpäter eine farblofe, in Folge des Gehaltes an l,5°/o Kahum- carbonat alkahfche Flüffigkeit abfondern.

Die Formeln für die einzelnen 8keletine.

Chitin

Conchiolin

Coruein (Krukcnbcrg}

Spougiu

Fibroin (Cra

Serie in

(Snndwik) riedrfer- nnfc) Halbirte Verdoppelte Formel Formel

mer)

Cso ' '-"so H50 H52

N4 ! N,

0,9 O20

^30

C30 H44

0:3

C30 H4G

0,3

C30 H46

o„

('30 H50

0,6

"Wenn ich mich veranlaßt fah, die Ijcfondere Gruppe der Skeletine aufzuftellen, fo gefchah das weniger aus dem Grunde, •weil die in ihr vereinigten Stoffe dm-ch ihren Schwefelmangel und das Fehlen aller entfcheidenden Reactionen fo fehr von den E'weiß- körpern al) weichen, daß es völlig willkürlich fein würde, fie als AlbuminoTde zu bezeichnen, fondern weit mehr noch deshalb, weil diefelben (wie fchon ein flüchtiger Blick auf beiftehende Tafel lehren dürfte), vielleicht mit Ausnahme des Chitins, dem wir überdies eine Sonderftellung unter den Skeletinen eingeräumt haben, in ihrer chemifchen Zufammenfetzung fo außcrordentlicli verwandt erfchei- nen. Der von Stacdder, Lcdderhofr, Ticmann u. A. geäußerten Anficht, daß bei chemifch fo complicirt gebauten Subftanzen, wie es die Skeletine find, und welche keine Verl)indung('n mit anderen Köi*[)ern eingehen, deren Reingewinnung ferner mit ausnehmendeu Schwierigkeiten vcr})unden ift, die Berechnung einer chemifchen Fonnel durch die Analyfen allein, ohne genaue Kenntnifi der Spaltung.sproducte , nicht cniiöglicht wird, fchlicßc ich mich voll- kommen an; aber wenn icii aucl» zugeftehe, daU die von Cnnnn-

216 Grundzüge einer vergleichenden [32

für das Fibroin und Sericin berechneten Werthe von den gefundenen erheblich abweichen, fo kann ich mich doch nicht des Gedankens erwehren, daß die durch die Analyfen gefundenen Beziehungen, wenn auch mit geringfügigen Abweichungen, zwifchen den einzel- nen Skeletinen thatfächhch beliehen. Auf diefen Nachweis lege ich kein geringes Gewicht; denn ich glaube dadurch den Schlüilel gefunden zu haben, mit welchem das dunkle Gebiet der Eiweiß- ffcoflfe, wenn auch erft im Laufe der Jahre, zu erfchheßen fein wird. Durch das Studium der Skeletine und ähnlicher Subftanzen wird fich ücherlich am Leichteften entfcheiden laffen, von welchen Seiten- ketten im Molecül die einzelnen Eiweißreactionen abhängig zu machen find, und die Erfahrungen an der Summe der hierhin zählenden Körper werden dann auch zu erfetzen vermögen, was uns an Speciellerm über ein und diefelbe Subftanz zu ermitteln verfagt ift.

Das Chitin weicht in feinen Zerfetzungsproducten wie in feiner procentifchen Zufammenfetzung zu fehr von den übrigen Skeletinen ab, als daß an eine nähere Beziehung desfelben zu jenen vorerft gedacht werden könnte; vielen Reactionen nach Heße es lieh weit befler einer andern Gruppe der Gerüftfubflanzen, nämhch den Hyalogenen einreihen, doch da dasfelbe keine Eiweißreactionen giebt, kann es weder als ein achtes Hyalogen, noch, wegen feiner Unlöslichkeit für Waffer, als ein achtes Hyahn betrachtet werden.

III. Die albuminoiden Subftanzen.

Die Hyaio- Bei den Wohnröhren meln-erer Borftenwürmer , bei der Haut

gene und

Hyaline. gewilTer Holothurienformen, bei den Matrixzeilen der Schlangenhaut, beim Knorpelgewebe der Säugethiere, bei den Blafen der Echino- coceen, bei den Gummineen oder den Gummifchwämmen (Chon- dro sia reniformis) und gewiß noch an unzähligen anderen Plätzen im Organismus ftößt die Forfchung, wie ich km^z fchon

33] Phyüologie der thierifchen Gerüftfubßanzen. 217

vorhin (S. 192) bemerkte, auf Mateiien, welche die wefentliehen Eiweißreactionen {fo vor allem die Violettfärbmig beim Kochen mit concentrii-ter Salzfäm-e, die Xanthoprotein- mid die 3IiUon (che Probe) mein- oder weniger vollkommen zeigen, welche ßcli aber dadurch von allen aechten Eiweißkörpern unterfcheiden , daß üe, ohne oder unter Abnahme ilires Schwefel- und Sticklloffgehaltes beim Kochen mit verdünnten Mineralfäuren , bei Behandlung mit kalter Natronlauge oder durch vitale, nervöfe EinflüITe (fo bei den Holothurieh), manche vielleicht auch fchon durch die Einwirkung proteolytifcher oder amylolytifcher Enzyme m für Wafler leicht lös- liche, IlicküofFhaltige Körper, in Hyaline übergehen, welche durch weitergehende Umfetzungen fchließhch reine Kohlehydrate ergeben ; wie ich S. 193 bereits ebenfalls bemerkte, ift diefer Wechfel m den Reactionen aber nur am Spirographin genau verfolgt, in den übrigen Fällen fließ fein Nachweis auf unüberwindliche, experimen- telle Schwierigkeiten.

Die Zufammenfetzung der Hyalogene^^), welche uns, da die Hyaüne in wäflrigen Flüffigkeiten durchgängig leicht löshch lind und deshalb als Stützfubflanzen direct keine Bedeutung befitzen können, flreng genommen hier allein angehen, haben jedenfalls eine fahr verwickelte chemifche Structur, und diefe muß uns nach den Analyfen noch weit compHcirter erfcheinen als fie es in \yahr- heit fein wird , weil die Hyalogene fehr labiler Natur find und mit den hyalinen Spaltungsproducten häufig fchon in ihrem natür- lichen Vorkommen gemifcht find oder, wenn das nicht der Fall ift, bei den angew^andten Reinigungsverfahren ganz regelmäßig zum Theil in Hyaline umgefetzt werden. Die beiden näher unter- fuchten, in größerer Menge zu erhaltenden und leichter zu rei- nigenden Hyalogene, das Spirographin und das Hyalin xat' e^oy/Jv letzteres von Lücke in den Echinococcusblafen entdeckt und von Ifopjin-Seykr benannt, bieten als folche keine Belbndcr- heilen dar; ein weit größeres chcmifches Intereffc fällt aber den

Krnkinherg, Vergl.-iihyflol. Vorträge. '*•

218 Grundzüge einer vergleichenden [34

Hyalinen zu, durch deren Eigenfchaften auch die zugehörigen Hyalogene allein zu charakterifiren lind. Die belTer bekannt gewordenen Hyaline, welche im reinen Zuflande keine Eiweiß- reactionen mehr aufweifen, unterfcheiden üch von einander vor- nehmlich durch ihren abweichenden Stickftoffgehalt und dm'ch ihr Verhalten zu den Metallfalzen. So verbindet lieh das durch die Chloride des Baryums, des Eifens, des Chroms und des Zinns, nicht aber durch Calciumfalze fällbare Spirograpliidin mit ca. 37*^/0 Eifen und mit 48,87"/o Zinn; das mit Calcium- wie mit Eifenphos- phat unlösliche Doppelfalze gebende Onuphin bindet dagegen 34— 56*'/o Eifenphosphat, und von der ledighch durch neutrale Ferricumfalze , durch bafifches Bleiacetat und ZinncUorid , nicht aber durch die Chloride des Calciums, Baryums und Chroms nieder- zufchlagenden Chondroitfäure fmd nur Salze bekannt geworden, welche 10— 12'7o Eifen oder etwa 39*^/o Blei enthalten; auf Zufatz von Silbernitrat wie Quecklilberchlorid bleiben fämmthche, bislang unterfuchten Hyaline gelöft. Eine Reingewinnung der Hyahne ifl immer noch nicht gelungen, und es ift jetzt gewiß fehr fraglich, ob diefelben im freien Zuftande überhaupt exiftenzfähig find; der Afchengehalt der Chondroitfäm*e Heß üch im günftigflen FaUe auf 7,470 reducüen, der des Onuphins betrug 10 lö^'/o und der des Spirographidins fogar noch 17,4 23''/o. Unfer ftellenweife fehr dürftiges Wiffen von den Hyalogenen und ihren Derivaten habe ich vor einem Jahre gelegenthch zufammengeftellt ; eine Ver- voUftändigung durch fortgefetzte Unterfuchungen hat dasfelbe inzwifchen nicht erfahren, und fo kann denn auch die damals gegebene Ueberücht, welche auf S. 219 reproducut ift, noch jetzt zur Orientirung dienen.

Die Subftanzen, welche unter der landläufigen Bezeichnung «Mucine» gehen, find in der Regel nichts anderes als durch Hyahne oder Kohlehydrate verunreinigte Eiweißfloffe, voraus- gesetzt daß in solchen Fällen nicht ganz andersartige Verun-

35^

Phvüologie der thierifchen Gerüllfuljftanzen.

219

Tabellarifclie Zufammenftellung der Su))ftanzen aus der Hyaliiignippe.

Hvalogen

Zugehöriges Hya- lin

Bei der Um- fetzung biswei- len auftretender Körper aus der Eiweißgruppe

Reines Kohlehy- drat als Endpro- duct derUmfetzung

Hyalogener Be- ftandtheil des Knor- pels

Chondroitfäure (als Eifenfalz: C^sHjiSNaOsoFe^)

Metalbumin, Mucin zum Theil zum Theil

Linksdrehende Chondroglykofe, die fleh durch Gährung (ähnlich derMelitofe) in einen gährenden und nicht gährungs- fähigen Zucker fpal- tet {J. de Bary)

Thierifches Gummi (CjjHjoOio)

Hyalogen in der Schlangenhaut,beim Häutungsprozefle fleh erft in größerer Menge bildend. Von de Luca für Cellu- lofe gehalten

de Lucaa reduci- rend wirkender Körper

Hyalogener Be- i ftand theil derWohn- röhren von Gnu- 1 phis tubicola

Schmiedeherg's Onuphin Albuminoid (?) | Schniiedeberg'aDex-

(C24H43NO18) I (45,35«/o C. trinoid

6,60»/oH) I

Spirograpldn

I Spirographidin ! (C38H,oN,025)

Spirographefn Glykofe (?)

Hyalogener Be-

ftandtheil des fog.

.Schneckenmucins Achrooglykogen HeHx pomatia)

l)(!xtrin und Gly- kofe

Sog. Hyalin der 1 Echinococcus- (nicht unterfucbt) blafen ')

Gährungsfilhiger, rechtsdrchcndcr Zucker (Glykofe?)

Chondrofin (aus , , ^ <• , ^ Chondrosia reni- (noch ununterfucht formi«) gelaffen)

Gilhrungsfilhige, kryfliillilin'iidc 1 Zu("kcr:irt (Glykofe?)

') Obfchon .i<T Afclicgclialt Ix^i jiiiiK<Tcn (ir),80''/o) iiikI illtercn (0,25t»/o) Kchin'icocciiHlilafen erlKiblicli abweicht, iiiitcrlicgt di<! ejcnicntan' Ziifiiiiiiiicn fetzung nur geringen .Schwankiing(;n. jAickc fand für jüngtTcIIiliitc ■ll,07"/o C, 6,7P;o H, 4,48"/o N, 44,74" 0 O und für ältere 4ö,34<'/o <^'; (i,G5«>/o U, G.lf.o/o N,

42,950/0 O.

10*

220 Grundzüge einer vergleichenden [36

reinigungen eiweißartigen MalTeu eine fchleimige Befchaffenlieit verleihen, welche dann, wie z. B. das aus Eiweiß und Gallen- fäuren. bestehende fog. Gallenmucin , ohne genauere Prüfung ebenfalls für Mucine ausgegeben wurden. Nach Abtrennung der Hyalogene, der Hyahne und ihrer Endproducte von reiner Kohle- hydratnatur ift zwifchen den fog. unlöslich gewordenen Mucinen und den Hornftoffen keine Grenze mehr zu ziehen; im phylio- logifchen Sinne decken sich beide Begriffe vollftändig.

Es wird sich kaum verkennen lallen, daß, indem wir unfere Betrachtungen der thierifchen Gerüftfubftanzen mit dem Tunicin begannen, durch die Skeletine hindurch weiterführten und dann zu den Hyalogenen gelangten, wir von chemifch einfacher confti- tuirten Verbindungen zu immer complicirter werdenden vorgei'ückt und. Noch mehr erhellt diefe Steigerung der Complicirtheit in der Zufammenfetzung, wenn wir die Analyfen und die Spaltungs- producte derjenigen Albuminoide mit in Vergleich ziehen, deren Befprechung uns noch bevorfteht: der Collagene, der Keratine und der Elaftine. Entfprechend dem verwickeitern chemifchen Gefüge, der Annäherung an die aechten Eiweißftoffe conitatnen wir dann die auch von DrechfeP^) hervorgehobene Thatfache, daß im Gegenfatze zum Tunicin und den Skeletinen, welche, foviel wenig- ßens bis jetzt ermittelt werden konnte, ein ausfchheßlicher Belitz wirbellofer Thiere lind, die Collagene, che Keratine und die Elaftine hauptfächhch bei den Vertebraten vorkommen und in analoger Weife, als die Nachforfchungen über die Verbreitung des Hämo- globins ergeben haben, nur hier und da bei einer kleinen Gruppe oder bei nur wenigen Vertretern der Wirbellofen ganz vereinzelt auftreten. Ich brauche indeß wohl kaum weiter auszuführen, daß über die Verbreitung der Gerüftfubftanzen weit fchwieriger eine Gewißheit zu erzielen ift als bei denFarbftoffen; denn des äußeren Stempels der Uebereinflimmung oder Verfchiedenheit, welchen letztere an lieh tragen, entbehren die Gerüftfubftanzen ganz; wo

37] Phyfiologie der thierifchen Gerüftfubftanzen. 221

man glaubte, auch ße fogleicli als das, Avas fie find, erkennen zu können, hat man fich nahezu allemal bitter getäufcht: der Schleier, der die wahre Natm- der Gerüftfubftanzen uns verhüllt, ift, fo lehrt die Gefchichte, nur durch die intenfivften Unterfuchungen zu lüften. Bei diefer Sachlage verdient nun aber der Umftand alle Beachtung, daß die aechten Eiweißkörper fich nicht wie die Albuminoide vor- herrfchend bei den Wh'belthieren an dem Aufbaue der Stütz- vorrichtungen betheihgen, fondern daß fie eine mächtigere Entfaltung nach diefer Richtung hin nur im Bereiche der Wirbellofen erfahren: unter den Echmodermen, fpeciell bei den Afteriden, vielleicht auch bei den Echiniden \vie Crinoiden (aber nicht fchon mehr bei vielen Holothurioiden) und außerdem noch unter den Zoophyten, z. B. bei den Medufen.

Können wir, was die ^'^erbreitung im Thierreiche anbetrifft, die Collagene, Keratme und Elaftine in eine Parallele mit dem Hämoglobin bringen, fo werden die Hyalogene durch ihren umfang- reichen Verbreitungskreis den Lipochromen an die Seite zu ftellen fein; denn ihrer werden fich, Avenn fchon die Acten darüber keines- wegs gefchloffen find, vorausfichtlich fämmthche Organismen be- dienen, wenn es gilt, untauglich geAVordene Gewebe abzuftoßen, innere Theile durch andersartige zu erfetzen oder gewilTe StofF- wechfelproducte fecretionsfähig zu machen.

Das BindegCAvebe, das elaftifche GcAvebe, das Knochen-, Knor- ^^^ ^^^^^^ pel- und Zalmgewebe bilden bei fämmtlichen Wirbelthicren (auch '''^'"^' Amphioxus ift, entgegen der irrigen Behauptung A^on Hoppc- Seylcr,'^^) dal)ei nicht au.szufchließen) eine hiftiologifch wie cluiiiifcli zufammengehörigc Gruppe. Das hiftiologifcli Gemein fame diefer auf den erften Blick fehr verfcliiedcnartig ausfeilenden Structuren liegt darin, daß eine als Zellenderivat oder Zelleiuiuslcheickuig be- trachtete und deshalb gewöhnlich Intercellularfubfianz gcinannto Gnindniaffe mit eingelagerten Zcilcnkörpern in allen vorlinnilen ift. Ferner in ihrer Molecularftructui-: die Analyfe im ixiiarilirten

222 Grundzüge einer vergleichenden [38

Lichte erweiffc jene Grundfubflanz aus zahlreiclien, kleinften, ein- achfigen, pofitiv doppelt brechenden Körperchen zufammengefügt, welche mit ihrer Hauptachfe der Längsrichtung jener Zellenkörper, die meifl länglich-oval lind, oder deren Flächenausdehnung parallel liegen. In chemifcher Beziehung ftimmen lie, ausgenommen das elaflifche Gewebe, darin überein, daß lie beim Kochen mit WalTer Glutin-, d, h. Leimlöfungen geben, FlüITigkeiten alfo, welche lieh durch ihre Klebkraft auszeichnen und beim ruhigen Erkalten zu einer Gallerte erltarren. Die Subftanz, welche das Gelatinirungs- vermögen der wälTrigen Auskochungen veranlaßt, ift das Collagen ^*^), welches bei jener Operation in Glutin übergeführt wird, und welches, da diefe Umfetzung (unabhängig von der Textur des Gewebes oder von fremden Beimengungen) bald fehr rafch (fo z. B. bei dem ge- wöhnlichen Bindegewebe der Filclie), bald weit langfamer erfolgt, nicht überall genau das nämliche fein kann; deshalb fprechen wir auch nicht von einem, fondern von mehreren Collagenen^^).

Vorwiegend durch den Einfluß Hoppe -Seyler'^ und feiner Schüler hat lieh, fo unglaublich es auch dermaleinft erfcheinen wird, die Auffaflung Decennien hindurch unangetaftet erhalten können, daß dem Knorpel eine chemifch ganz andere Subftanz, das fog. Chondrogen, welches beim Kochen mit WalTer das fog. Chondrin liefern follte, zu Grunde hege als dem Binde- und dem Knochengewebe. Diefe gänzhch verfehlte Anlicht wurde zuerft von V. Morochowet^^^) als höchft unwahrfcheinlich hingeftellt, und fpäter dann auch von mir^^) gezeigt, daß das fog. Chondrogen nichts anderes als ein, mit einem Hyalogen und deflen Spaltungsproducten (in diefem Falle Chondroitfäure und Chondroglykofe) gemifchtes Collagen ift.

Mit dem Collagen in ihren Haupteigenfchaften und befonders in dem Gelatinirungsvermögen der wäflrigen Auskochungen überein- ftimmende Gerüftfubftanzen lind auch bei Wirbellofen nachgewiefen, fo z. B. bei einem Gephyreen (Sipunculus nudus), bei mehreren

'^^] Phyüologie der thierirchen Gerüftfubftanzen. 223

Holothurienarten(Cucumaria Planci, Thyone fiisiis, Stichopiis regalis, Holothuria tiibulosa, H. Poli) und im Kopfknorpel der Cephalopoden ; da ßch nun aber in letzteren Fällen die ur- Iprüngliche Subftanz gegen die proteolvtifchen Enzyme diametral verfchieden von dem Collagen der Wirbetliiere verhält, fo liegt im Cephalopodenknorpel wie bei den Holothurien ficherlich eine, auch hier (ähnlich wie im Säugerknorpel) außerdem noch mit einem Hyalogen und defTen Spaltungsproducten untermifchte Materie vor, die mit dem Collagen unmöghch identifch fein kann und deshalb auch als Tr}q)tocüllagen bezeichnet wm-de. Auch noch bei einigen anderen Holothurienformen (Colochirus quadrangu- laris, Mulleria lecanora etc.) wie bei Brachiopoden (Lingula anatina) will Hihjer, in Tunicatenmänteln Schaefer, in Auftern Pasquier collagene Stoffe nachgevviefen haben ; doch gelang es diefen Unterfuchern in keinem Falle das Gelatinirungsvermögen der wälT- rigen Auskochungen zu beobachten und ihre ziemlich willkürlichen Annahmen ii'gendwie beffer zu ftützen.

Ueber das Collagen, welches durch Extraction von Knochen mit verdünnter Salzfäure, aus Sehnen durch Extraction mit Koch- falzlöfung und darauf folgende alkahfche Tiypfinverdauung an- nähernd rein zu gewinnen ifl, läßt ßch wegen feiner Unlöslichkcit als folchem felbftverftändlich ebenfowenig ausfagen als über die Hyalogene. Bemerkenswerth ift darüber nur, daß fich dasfelbe weder in WafTer noch in Salzlöfungen und Natronlauge löft, durch Pepfin verdaut, von alkalifchen Trypfmflüffigkeitcn dagegen nur dann in füg. Leimpeptone übergeführt w'ird, wenn es zuvor durch Säuren zum Quellen oder durch Waffer von 70'' C. zum Sclirumi)fen ge- l^raclit wurde; ganz anders verhält fich das Tryptocollagen : diefes ift durch Trypfin leicht verdaulich und wird von PepfinfalzHlure fehr larigfam ang(;griffen.

Wie in der Klalfe der Hyalogene die Unterfucliungen faft ausfchließlidj den Hyalinen zugewandt waren, Ib in d«r Kliillc der

224 Grundzüge einer vergleichenden [40

Collagene vorwiegend dem Glutin. Reine Leimlöfungen find farblos, in dünnen Schichten durchfichtig, ftark Hnksdrehend, färben fich (zum Unterfchiede von den Eiweißftoffen) nicht beim Kochen mit MiUon's Reagens, geben aber die Biuretprobe und find fällbar durch Alkohol, Queckfilberchlorid, Metaphosphorfäm-e und Gerb- fäure, nicht aber durch Alaun, Bleizucker, Eifenfalze oder durch Elfigfäure und Ferrocyankahum. Bei längerem Kochen mit WalTer verlieren Leimlöfungen ihr Gelatinirungsvermögen, indem das Glutin in fog. Leimpepton übergeht; letzteres Yon Hof meilier^^) in zwei zweibafifche, weiterhin in Glycin und Leucin zu fpaltende Säuren zerlegt, von denen die eine, das Semiglutin, durch Platinchlorid, die andere, das Hemicolhn, durch Phosphorwolframfäure gefällt wurde; die Analyfen der Kupfer- refp. Platin Verbindungen diefer Körper veranlaßten Hofmeißer für die Umwandlung des Collagens in Glutin und deffen Spaltung in Semiglutin und Hemicollin folgende Gleichungen aufzuftellen :

I- C102H149N31O38 + H2O = C102H151N31O39

(Collagen) ' (Glutin)

IL C102H151N31O39 + 2H2O = C55H85N17O22 + C47H70N14O19. (Glutin) (Semiglutin) (Hemicollin)

Mannigfacher Art find die aus dem Glutin erhaltenen Zer- fetzungsproducte, ' fowohl beim einfachen Erhitzen (Wafi'er, Am- moniak, Methyl- und Butylamin, Kohlenfäure, Cyanammonium, Pyrrhol [C4H5N] und Derivate desfelben, wie Homopyrrhol [C5H7N] , Dimethylpyrrhol [CgHgN], Pyrocoll [CigHeNgOa]; außerdem noch kleine Mengen flülfiger Kohlenwafl^erfioffe, Spuren von Phenol und anderen nicht näher unterfuchten Producten, vielleicht Chinolin, aber ficher nichts von Pyridinbafen), beim Kochen mit verdünnten Mineralfäuren (GlykocoU, Leucin, Afparaginfäure und unter anderen Amidofäuren wahrfcheinHch auch Glutaminfäure, aber kein Tyrofin) wie beim Erwärmen mit Kalilauge (unter anderen Leucin und Gly- kocoU). Gegen Barythydrat verhält fich Leim bei 150^ 200*^ C.

41] Phyfiologie der thierifchen Gerüflfuljftanzen. 225

im Allgemeinen wie die Eiweißkörper; ebenfo bei der Oxydation mit Kaliumehromat und Schwefeiräm-e.

Es Lft eine Eigenthümlichkeit der Epidermiszellen der A\''irlDel- '^'^{^1^.^"''"" thiere, daß lie miter AValTerverluft und gewöhnlich auch unter SchAnnden des Zellkerns dem Organismus noch eine längere Zeit, zwar mehr als paffive Theile erhalten bleiben. Die Zellen verhornen, wie man fagt, und gehen fo in die Subftanzen über, welche als Keratine^^) zufammengefaßt werden. Die Zufammenfetzungder Horn- Jftoffe muß demnach nothwendig in der urfprünglichen Zufammen- fetzung der Zellen begründet liegen, und damit Hörn lieh bilde, bedarf es weder einer Erfetzung des im urfprünglichen Eiweiß vorhandenen Sauerftoffs durch Schwefel, wie z. B. Drechfd^^) an- ninnnt, noch der Subflitution eines Theiles der im Eiweiß ange- nommenen Leucin- oder verwandte Amidofäuren gebenden Atom- complexe durch Tyrofm. Die Verhornung läßt fich durch eine einfache Wafferabgabe vollauf verftändlich machen, durch eine Walferabgabe allerdings, die mit einer Eintrocknung durchaus nichts zu fchaffen hat; «denn diefelbe verläuft auch an Stellen, die niemals aufhören befeuchtet zu fein, fo an der Epidermis der im Waller lebenden Säugethiere, beim Fötus u. f w.»^^) Erinnert man lieh der fog. DermoidgefchAvülfte, deren Bildung von Organen ausgeht, die nacli- weislich dem eml)ryonalen Ilorn blatte angehören, des Vorkonnnens großer Haarbüfchel in den Eieiftockscyllen, deren Entwicklung von Zellen des Ovariums ausgegangen fein muß, welche in hifliogene- tifchem Sinne dem Eie fell>ft gleichwerthig lind, des Neurokeratins als Stützfubftanz der Hirjunalfe und der marklialtigen Nervenfafern, welche letzteren dadurch ebenfalls ihren ectodermalen Urfprung docunientiren, ferner auch des Auftretens keratinöfor Subllunzcii in den Eierfchalen fow(jlil der Vögel und Selachiei-, wie auch der Profobranchier unter den Molhisken, fo liegt g(!wiß nichts iiiihcr als (he Annahme, daß alle perliflenten ectodeniialcii (icMldc <l<i- Honibildung unterworfen IVin müiren, wähniid nur ganz au.snalnns-

226

Grundzüge einer vergleichenden

[42

weife Mefocierm- oder, wenn man will, Entodermbildungen (wie die Hüllen um den Selachier- und Hühnereiern) in gleicher Art keratiniliren. «Die Zufammenfetzung des Linfengewebes, in welchem Keratin zu fehlen fcheint, lehrt indeß, daß aus dem Hornblatte bei der Entwicklung nicht nothwendig immer Epidermisfubftanz hervorzugehen braucht; denn während in allen epidermoidalen Zellen das Eiweiß zurücktritt, befindet es ßch befonders rein und reichhch gerade in den Linfenfafern. » Die zuletzt angeführten Fälle des Keratinvorkommens, fein Auftreten in den Eikapfeln bei organifatorifch fo verfchiedenartigen Thieren zeigt uns aber weiter- hin, daß es lieh bei den Keratinen nicht ausfchließlich um meta- morphofirte Zellen handelt, fondern daß auch aechte Secrete voll- rtändig keratinißren: Secrete, welche frifch erffcarrt, fleh in ihren chemifchen Eigenfchaften dem Fibrin ähnlich verhalten oder wenig- ftens von Pepfinlöfungen leicht verdaut werden und erft ganz all- mählich zu der Refiftenz gelangen,^®) welche als eine Eigenthüm- lichkeit der Keratine angefprochen wird,

Analyfen der Keratine:

'S

9 S

"äs

o

S

g

Meufchliche Nägel (Scherer)

3 a s

a|

3 C3

'S

1

m

ä

1

p

o

1

o

1

1 1

pH

1

li

■ö S 'S e ^^

03 .r-t

w

Eierfchale von

Scyllium catuUis

(Krukenberg)

c

50.65

50.5

50.65

51.09

51.04

51.10

51.9

51.86

52.4

54.89

49.78

51.50

H

7.03

6.9

6.36

6.82

6.80

6.77

6.7

6.87

7.2

6.56

6.64

6.51

N

17.71

16.8

17.14

16.90

17.23

17.28

17.8

15.71

17.9

16.77

16.43

15.34

ö

[24.61

5.4

5.00

|25.19

J24.93

4.60

124,0

3.60

] 22.5

1

2.22

4.25

0.88

0

20.4

20.85

20.15

1

21.17

19.56

22.90

25. VV

Unter diefen VerhältnilTen kann es nun auch nicht Wunder nehmen, wenn für die Hornftoffe fo fehr verfchiedene, procentifche Zusammenfetzungen (f. obenftehende Tabelle) gefunden wurden, wenn

43] Phyßologie der thierifchen Geröftrubftanzen. 227

der meift hohe, 4\2— ö^^^'/o erreichende Schwefelgehalt ein anderes Mal unter Vio hinabfinkt, und übereinftimmende Werthe für ein Keratin durchaus analoger Herkunft nicht erzielt werden konnten ; es liegt deshalb auch diefer Bezeichnung ein rein phyfiologifcher, .kein chemifclier Begriff zu Grunde. Wo die Subftanzen phyAo- logifchen Transformationen ftänchg unterworfen bleiben, genügt es« der chemifchen Phyßologie diefen AVandel verliehen zu lernen, und die Sucht, chemifche Formeln aufftellen zu können, führt unter folchen Umftänden kein Verlländniß herbei, fondern nur von diefem ab.

Wie bereits kurz angedeutet wurde, find die Keratine keines- wegs im Vorkommen auf die Wirbelthiere befchränkt; auch bei den Würmern fetzen fich die Epidermoidalgebilde vorwiegend aus ihnen zufammen und auch bei Mollusken finden fich diefelben vor. Die fehr inflructiven, demnächffc zur VeröffentKchung ge- langenden Bilder, welche Herr Giltfeh von den Eierfchalen mehrerer Profobranchier nach dem Kochen derfelben mit Millon'ii Reagens entworfen hat, weifen jedoch darauf hin, daß diefc Thiere äußerft fparfam bei der Verwendung der keratinöfen Malfe als Kitt- material verfahren, und die chitinöfen Gebilde der Arthropoden ■s\ie der Cephalopoden find zwar mit peptifch leicht verdaubaren Eiweißfu])ftanzen dicht durchwebt, aechte Hornfubfl:anzen find darin aber nicht aufzufinden gewefen. Zugleich lehrt die Erhaltung aller Gelenkverbindungen an dem Integumente der Arthropoden nach der Reingewinnung des Chitins, daß diefes iiiclit nur (Uu einzelnen Skelettheile Inldet, fondern auch die Verbindungsmaffe zwifchen den einzelnen Stücken ausmacht, während das Conchiolin, vielleicht weil es zu rafch erfl:arrt, fich zu diefem Zwecke nicht eignet und deshalb als KittfuJ>Itanz Ijei den Eierfchalen der Mol- lunken auch ein keratinöfer Stoff Verwendung finden mußte.

Die durch Extraction mit Waffer, Alkohol, Aether gereinigten und mit einer kalten, verdüiinU;n Minerulfilure behafidelten Keratine

228 , Grundzüge einer vergleiclienden [44

werden weder von Pepfinfalzfäure, noch von Trj'pßnflüIIigkeiten irgendwie angegriffen. Nur die meiften derfelben zeichnen ßch durch einen verliältnißmäßig hohen Schwefelgehalt aus, der aber auch von anderen organifchen Beftandtheilen des Thierkörpers er- reicht (die Chondroitfäure enthält z. B. 4,45 5, 74*^/0) und von dem Taurin, welches in dem Fleifchfafte der Cephalopoden fo malTen- haft enthalten ift, mit einem Schwefelgehalte von 25,6 ^/o noch weitaus übertroffen wird. Ueberdies ift der Schwefel in den Horn- fubftanzen ganz oder theilweife fehr locker gebunden; Haare z. B. fchwärzen lieh fchon bei Berührung mit metallifchem Blei durch Bildung von Schwefelblei, und Wolle kann nach den Angaben von Chevreul durch anhaltendes Kochen mit Waffer faft ganz ent- fchwefelt werden, ohne ihre fonftigen Eigenfchaften einzubüßen; doch ift, wie gefagt, ein ausnehmend hoher Schwefelgehalt nicht durchgehends bei den Hornftoffen vorhanden, die Eierfchalen von Scyllium catulus enthalten fogar weit weniger Schwefel als zahlreiche veritabele Eiweißfubftanzen.

Mit Waffer im Po^^m'fchen Topfe bei mehreren Atmofphären Druck überhitzt, werden die Keratine zu einer nicht gelatinirenden FlüIIigkeit gelöft, welche im Gegenfatze zu allen bekannten Eiweiß- körpern mit Effigfäure und Ferrocyankalium in überfchülliger Säure lösliche Niederfchläge giebt; bei Natroneinwirkung fpalten ße ßch unter Schwefelabfcheidung in Alkalialbuminat und Pepton und liefern, mit Barythydrat auf 150''— 200^* C. erhitzt, im Ganzen die- felben Producte wie die Eiweißkörper unter den nämlichen Be- dingungen. Beim Kochen mit verdünnter Schwefelfäure geben alle Keratine Leucin und erhebliche Mengen, bis 5°/o Tyroßn; beim Kochen mit concentrirter Salzfäure und Zinnchlorür entfteht Glutaminfäure, Afparaginfäure, Leucin, Tyroßn, Ammoniak und Schwefelwafferfloff, toieEiaftine. Wie die Collagene durch ihre Löslichkeit in ßedendem Waffer und das Gelatinirungsvermögen der wäßrigen Abfude, die Keratine

45] Phyfiologie der thierifchen Gerüftfubftanzen. 229

durch ihre Unverdaubarkeit für die eiweißverdauenden Enzyme, durch ihre Zerfetzungsproducte und ihren gewohnUch hohen Schwefelgehalt ausgezeichnet find, fo werden die Elaftine charak- terifirt und vor allem von den Eiweißkörpern dadurch fcharf unter- fchieden, daß fie fchwefelfrei find, beim Kochen mit verdünnter Schwefeiräure fehr viel Leucin (36 45 ^/o), wahrfcheinhch aber gar kein Tyrolin hefern und von den beiden Arten der proteolytifchen Enzyme unter Bildung von Hemialbumofen (fog. Hemielafi.in) wie Peptonen (fog. Elaftinpepton) zwar verdaut, aber immerhin nm' langfam angegriffen werden.

Die Elallme^^) aehneln darin den Collagenen, daß fie der Ein- wirkung von Reagentien ^ne von Enzymen bald mehr, bald weniger gut widerftehen, und gleichen genetifch darin den Keratinen, daß fie fowohl durch eine chemifche Umwandlung aus Zellen direct liervorgehen, als auch in Secretform abgefchieden werden können. Von letzterem Modus, der zu einem chemifch ganz gleich zufam- mengefetzten Producte wie die reine Zellenmetamoqihofe führen kann, erfcheinen die Elaftine als fchalenbildend um den Eiern der Schlangen, z. B. bei der Ringelnatter; bei den Säugethieren dagegen weit ver- breitet in einer Form, die Zellenausläufern zu entfprechen feheint. Auch bei Fifchen findet fich Elaftin vor; es beliehen daraus z. B. flie fog. Hornfäden in den Floffen der Selachier, und nach dem Verhalten zu Kalilauge, zu den proteolytifchen Enzymen und nach dem Ausfall der Eiweißreactionen kann es auch kaum einem Zweifel unt<,-rüegen, daß die organifche Grundlage der von mir unterfuchten Pennatulidcnachfen, fo bei Fusculina und Halisceptrum Gufla- vianum, ebenfalls elaftifche Subflanz ift.^'')

Elaftin, welches von Fett, Eiweiß, von den Salzen und den collagenen Verunreinigungen auf chemifchem Wege zuvor befreit ifl, ftellt getrocknet eine fpröde, fehr harte, kaum gelbliche Mafie <lur, die im Walfer quillt, unter dem Mikrofkoi)e noch die Form des frifclien elaftifchen Gewebes erkennen läßt und (i<n <inzelneu

230

Grundzüge einer vergleichenden

[46

Ünterfuchern folgende Procentzahlen als Mittelwerthe in der Zu- fammenfetzung ergab:

Nackenband vom Oclifen :

Eifchale

Homfädeu

von Coluber

Mustelus

(Tilanus)

(W. Müller)

(Horhac- zeiuski)

natrix (Hilger)

(Kruken- berg)

c

55.28

55.46

54.04

54.68

49.83

H

7.33

7.41

6.95

7.24

6.11

N

17.63

16.24

16.67

16.37

15.97

0

19.76

20.89

22.34

21.10

28.09

Die reinen Elafline zeigen die Mülon'^che wie Xanthoprotein- reaction, nehmen aber erft beim Abdampfen, nicht fchon bei mehrmaügem kurzen Aufkochen mit concentrirter Salzfäure eine Violettfärbung an und löfen lieh nur in concentrirter kalter Schwefelfäure, in ganz concentrirter Salpeterfäure, fowie in kochen- der concentrirter Kalilauge. Aber gerade letzterm Reagens gegen- über beftehen ebenfo wie hinlichtlich des Verhaltens der Elaftine zu den eiweißverdauenden Enzymen, von welchen Peplin gewöhn- lich belTer auf diefelben wirkt als Trypfm, nennenswerthe, hauptfächlich wohl auf Altersdifferenzen hinauslaufende Ver- fchiedenheiten, indem fchon manches Elaftin beobachtet wurde, welches auch kalte, concentrirte Kalilauge in kurzer Zeit angriff, und anderfeits das Schalenelaffcin, welches den Eidotter bei den Reptilien umhüllt, gegen Enzyme noch reliftenter ßch erwies als das Elaflin des Nackenbandes der Wiederkäuer.

IV. Veritabele Eiweißkörper als Gerüftfubftanzen.

•Biwefßftoffe ^^^ Wunderbarfte, was in dem mechanifchen Aufbau und der

fubftanzen. Textur der Gerüftfubftanzen ein lebender Organismus geleiftet hat,

find jene, hiftiologifch wie chemifch fo lange unerklärt gebliebenen

Gebilde, welche bald von gallertiger, bald von knorphger Befchaffen-

47] Phyüologie der thierifchen Gerüftsubftanzen. 231

lieit im Grunde nichts anderes vorftellen als ein mit äußerfl waDTeiTeichen Flüfligkeiten gefülltes und von Eiweiß- oder Keratin- membranen gebildetes, fo außerordentlich feines Mafchenwerk, daß dasfelbe nicht nur den Hiftiologen unter Zuhülfenahme der ftärk- ften Vergrößerungen entging, fondern daß es fogar erft gewilTer Kunftgriffe bedurfte, um durch chemifche Reactionen feine Exiftcnz und eiweißartige Natur endgültig feftzuftellen.

Bildungen fo merkwürdiger Art treten uns fowohl in dem von Hans Virchow^^) hifliologifch genau unterfuchten Glaskörper im Auge der Wirbelthiere entgegen, als auch in den Nahrungs- dottern der Vogel- und Selachiereier, ganz befonders aber in der Gallerte der Medufen^-'). Letztere enthält z. B. bei Rhizostoma Cuvieri aus der Adria nicht mehr als 4,G08*'/o fefte Beftandtheile, von denen noch 3,0 anorganifche und, und Formen weniger falzreicher Meere (z. B. der Oftfee) fcheinen nach den Angaben von Moehius noch weit walferreicher zu fein. Ein leicht verdau- licher, dem Fibrin wohl nicht unähnlicher Eiweißkörper, bald zu derberen Fafern verdickt und gegen Löfungsmittel reliflentcr ge- worden, bald zu zarten Häuten gedehnt, hält hier bei den Medufen die cololfale WalFermaffe zufammen, welcher das Thier feine pralle Befchaffenheit und ein Körpergewicht verdankt, das zu feinem Gehalte an organifcher Materie in gar keinem \''crhältniire fteht. Koratinöfe wie collagene Subftanzen fehlen bei den Medufen ganz, und Hyalogene lind darin höchftens in minimaler Menge vertreten''^): Thatfaclien, die um fo mehr hervorgehoben zu werden verdienen, als in neuefter Zeit wiederholt die Anlicht ausgefprochen wurde, daß, gelie man die Zufammenfetzung der Gewebe vergleichend von den nieder organifirten zu den liöher entwickelten Tliieren fort- fchreitend durcli, man zucrft das Auftreten von fog. mucingel)en(K'n ^lewelx'U linde, dann bald von fog. choiKh-ingcbendcii und endlicli auch das Auftret<.'n von glutingel^cndrn Geweben, und <laß ganz diefelbe Reihenfolgo refultire, weiui mau die SUidien <ler Entwick-

232 Grundzüge einer vergleichenden [48

lung eines Embryo, z. B. des Hühnchens im Ei verfolgt. Ganz abgefehen davon, daß diefe von Hojype-Seyler^'^) entwickelte Idee mit zwei Körpern, dem fog. Mucin und dem fog. Chondrogen, operirt, welche nicht einmal als phyliologifche , gefchweige als chemifche Individuen, fondern nur als Gemifche in der Natur exifliren, fo kann ich nach meiner Erfahrung, welche Repräfentanten ziem- lich aUer ThierklalTen umfaßt, nur fagen, daß alle Thatfachen mehr und mehr darauf hinweifen, daß diefer chemifche Parallehsmus zwifchen ontogenetifcher und phylogenetifcher Entwicklung ein fcheinbarer ift, daß die Gerüftfubftanzen wie mehrere andere Stoffe in ilirer Verbreitung eine den Typen und Klaffen gemäße Sonderung aufweifen.-

Analoge Verhältniffe wie bei den Medufen dürften nach den ünterfuchungen von Stenberg^^) beim Chordagewebe der Petromy- zonten vorliegen; denn auch an diefem fiel die Prüfung auf fog. Mucin und Collagen negativ aus. Was für ein chemifcher Stoff dem Glaskörpergewebe der Wirbelthiere zu Grunde hegt, ift noch nicht ficher ermittelt. Die Gallertmaffen um den Eiern der Selachier^^) verdanken ihre Conßftenz einer keratmöfen Materie, die aber erft allmählich ihre Eeßftenzfähigkeit gegen Enzj^me erlangt und in einem frühen Stadium genau fo, wie es von Kühne^'^) für die das Weiße im Hühnereie durchfetzenden Membranen an- gegeben ift, aus einem, dem Fibrin vergleichbaren Eiweißltoffe befteht.

Abgefehen von den Medufen bilden, foviel bis jetzt feftgeftellt wurde, ausfchheßhch aechte Eiweißltoffe''®) die Gerüftfubftanzen nur noch bei den Afleriden*^), welchen das organifche Subftrat des Echinidenpanzers verwandt zu fein fcheint. Diefe albuminöfen Gerüftfubftanzen gleichen in ihrem Verhalten den proteolj^tifchen Enzymen gegenüber fowie in ihren anderen chemifchen Eigen- fchaften den Eiweißftoffen im Gallertgewebe der Medufen. Bei den Afteriden wde Echiniden begegnen wir aber der im Thier-

49] Phyfiologie der thierifchen Gerüftfubftanzen. 233

reiche immerhin fehenen Erfcheinung, daß aechte Albuminftoffe im großartigften Maßftabe verkalken, und es erfordern diefe Verhält- nifTe eine allgemeine Betrachtung des Zuftandekommens von Hart- gebilden durch Incruftation oder, was dasfelbe befagt, der Impräg- nation von Geweben mit Metallfalzen.

Die Paradoxie, welche darin liegt, daß man fich einerfeits mit ^'^ Peo-ifi- dem Gedanken vertraut gemacht, die einheitlichen, organifchen Stoff- wechfelproducte müßten ohne Anwendung zerflörender Mittel wenigftens in einem afchenfreien Zuftande zu erhalten fein, und anderfeits der Anficht huldigt, daß die normal erfolgende Petrifi- cation der Gewebe in erfter Inftanz A^on der chemifchen Befchaffen- heit des fich incruftirenden, organifchen Subftrates abhänge, läßt fich, väe ich glaube, nicht verkennen. Doch wird kaum zu leugnen fein, daß man bei Einhaltung des erflieren Principes glücklicher in den Refultaten gewefen ist als bei Vertretung des letzteren.

Es gelang, che meiften Gerüftfubftanzen ohne tiefgehendere Eingriffe nahezu rein zu gewinnen ; fo fand Horhaczewshi in feinem Elaftin nur noch 0,51*'/o anorganifche Beftandtheile, das Chitin ift leicht vollftändig afchenfrei zu erhalten, und das Conchiolin wie Comein hinterlafien nach dem von mir eingefchlagenen Reinigungs- verfahren ftets einen unverbrennlichen Rückftand von nur 0,35° /o. Die einzige Klaffe unter den thierifchen Gerüftfubftanzen, deren Glieder nicht in annähernd gleicher Weife von den anorganifchen Stoffen zu befreien waren, bheben die Hyalogene mit ihren nächfteif Abkömmlingen, den HyaHnen. Deren Entftehung verlangt allemal, das läßt fich den Befunden entnehmen, die gleichzeitige Anwefen- heit einer gewifien Menge von Mineralbeftandtheilen , welche von Urnen chemifch gebunden werden können; falls es an jiiiorganifclien Mat<*rien fehlt, bleibt die Bildung der Plyalogene aus oder fic zerfallen fogleich weiter in Kolilcliydratc, geben auch wohl rellftente 8paltungsi)roducte von Eiw<ißriatur. In ähnlichem Sinne äußei-tf

h'ruktnbcry, VcTgL-phyrtol. VcjrlrilKC. 17

234 Grundzüge einer vergleichenden [50

lieh bereits Schmiedeher g°^) über die Bildung der Wolmröliren von Onuphis tubicola. «Die Onupliisröliren beftelien», fo fagt er, «bis auf geringe Beimengungen von albuminoider Subftanz fowie von Kali und Natron aus einer gut charakterilirten , organifche und anorganifche Beftandtheile enthaltenden chemifchen A-^erbindung, ein Fall, wie er bisher an keinem analogen tliierifchen Gebilde nachge'wdefen ift. » «Am Wahrfcheinlichften erfcheint die Annahme, daß das Onuphin in Form einer Alkali-, vielleicht Kaliumphosphat- verbindung, "vne fie künftlich erhalten wurde, als eine das ganze Thier umhüllende Schicht abgefondert wird, die fich durch Subfli- tution von Kaüum durch Calcium und Magnefium in die völlig unlösliche, feite und wiclerflandsfähige Verbindung umwandelt, deren chemifche Zufammenfetzung (unter Anm. 50) mitgetheilt ift. In Folge der durch diefen Vorgang bewirkten Confolidirung verdünnt lieh die Wandung diefer fo gebildeten, zunächft aus einer äußerfl dünnen Lamelle beftehenden Röhre, während ihr Lumen weiter wird, fodaß die Wandung lieh von der Oberhaut des Thieres abhebt und dadurch zunächft für die Ablagerung einer neuen Schicht der Onuphinverbindung und fchließhch für die freie Bewegung des Thieres Platz gefchaffen wü'd. »

Zwar vermag ich^^) mich nach meinen Erfahrungen an den Hüllen von Spirographis Spallanzanii der von Schmiedeberg ver- tretenen Anficht nicht in allen Punkten anzufchheßen und zwar fehon deshalb nicht, weil ich mich von der Exiftenz eines der- artigen Hyahns, me es Schmiedeberg im Onuphin annimmt, in den Spirographisröhren nicht habe überzeugen können, fondern vielmehr nachwies, daß ein folches aus einem in den Röhren präformirt enthaltenen Hyalogene erft bei der A^erarbeitung entfteht; aber hier kommt es uns lediglich darauf an, die Thatfache zu konftatiren, daß mit dem Entftehen eines Hyalogens ftets die Bindung eines bedeutenden Procentfatzes an anorganifcher Materie unbedingt verknüpft ift, und in diefer Beziehung fmd Schmiedebergs Angaben

51] Phyüologie der thierifchen Gerüftfubftanzen. 235

für uns von nicht geringerem Belang als diejenigen von LncJie^-), denen gemäß junge Echinococcusblafen einen Gehalt von 15,807o Afche, alte dagegen einen folchen von nur 0,29 ^o hinterlallen. Vorausgefetzt, daß LUrlr nicht, wie es mir fall vorkommt, alte Blafen für junge und junge für alte gehalten hat, würde aus diefen Beobachtungen zu fchheßen fein, daß die hyaline Befchaffenheit der Blafen fich mit der Zeit ändert, indem \'ielleicht fchließlich ein reines Kohlehydrat refultirt, welches keine Verwandtfchaft zu den anorganifcheu Stoffen mehr befitzt.

In entfprechender Weife, -wäe von den Hyalogenen und Hya- linen Händig bedeutende Mengen anorganifcher Stoffe chemifch und zwar fehr feft gebunden werden, hat man fich auch die Incruftirung mehrerer anderen Gerüftfubflanzen vorgeftellt. Seitdem durch die Unterfuchungen der letzten Jahre entfchieden ifl:, daß die fog. Mucine als Gemengtheile meift Stoffe aus der Klaffe der Hyalogene einfchließen , häufig aus folchen vornehmlich beflehen, und fich die von Kilhnc'^^) bereits 1868 ausgefprochene Anficht, daß fich die Skeletine augenfcheinlich den Kohlehydraten anfclili'^ßen, immer mehr zu bewahrheiten fcheint, muß ein verhältnißmäßig hoher Gehalt an Mineralbeftandthcilen jener fog. mucinöfcn Secrote als ein ebenfo unbedingtes Erforderniß gelten wie für die Secrete, aus welchen die Wohnröhren der Spirographis und der Onuphis hervorgehen ; auch kann es, fo glaube ich, nicht mehr befremden, wenn man den organifchen Secrctbcftandtheilcn , welche fpätcr zu Conchiolin, Comein oder Spongin erhärten, die Eigenfchaft vindiciren wollte, fich in dem Stadium, wo fie die Zelle als Secret verlaffen, mit einer beftimmten Menge anorganifcher Stoffe zu verbinden und diefe wiederum frei werden zu laffen, wenn \w in die refiflenten Endproducte übergegangen find. Dorfell)e Stoff, welcher in einem frülicrn Stadium die Mineralbeftandtheile durch chemifche W-rwandtfchaft an fich kettete, würde dann als eine für Waffer und Salzlöfungen fcliwer durclidringbarc und zugleich

236 Grundzüge einer vergleichenden [52

als eine meclianifch fehr widerflandsfähige Membran die anorgani- fchen Materien auch fernerhin zufammenhalten. Lange bevor man von den Eigenfchaften der Hyalogene eine Anfchauung befaß, ifl die hier entwickelte Idee fowohl für die «Verirdung» der Mollusken- fchalen wie auch für die Petrification von pathologifchen Secret- malTen entwickelt, doch heute wohl allgemein wieder verlalTen w^orden.

So vertrat z. B. H. Meckel^^) diefe Anficht in der Pathologie, indem er meinte, daß die zur Steinbildung führende Krankheit der Harn- und Gallenwege fog. colloides Material erzeuge, welches, weil es zähe und fchwer beweglich ifl, retinirt würde und mit dem fchwer löslichen Körper, namenthch mit dem Kalk der Gewebs- flüfligkeit, chemifche Verbindungen einginge. Die Fremdkörper follten in den Secretions wegen ia der Regel erfl eine Entzündung, einen Katarrh hervorrufen, welcher dann das Material zu ihrer Incruflation liefere, und die feltenen Fälle von Speichel- und Blafen- fleinen bedingen. Diefe Theorie würde als Confequenz die Annahme zm" Folge haben, daß bei der Verfteinerung der Gewebe die chemifche Befchaffenheit der letzteren die Hauptfache ausmache, und alfo eine beflimmte Art von Collagen, Muskelfubftanz, Kryflalhnfe oder von Fibrin erforderhch fein würde, um die Kalkfalze zu fixu-en; nicht jede veränderte, abgeftorbene Muskelfafer, nicht jeder nekro- tifche Herd, auch bei langem Beflehen, würde fomit geeignet fein, fich zu einem Steinlager umzubilden.

Der meiflen Anhänger hat fich die chemifche Theorie der Incruflationen, wie ich mich kurz ausdrücken will, feit lange bei dem Olfificationsvorgange zu erfreuen gehabt. Bei der einge- fchlolfenen Lage der Knochenkörperchen , ihrer Feinheit und ungleichen Vertheilung, bei dem verfteckten Verlaufe von tiefer in den Knochen eindringenden Gefäßen, Nerven und Fafern des Periofts alles Verhältnifi'e, welche fowohl die EntwälTerung des Collagens nur unvollkommen ausführen und kein gleichartiges Unterfuchungsmaterial befchajffen lafi'en, überrafcht die üeberein-

53] Phyfiologie der thierifchen Gerüilfubftanzen. 237

Ilimmung in den Analyfeu der Knochen gleichgültig ob diefelbeu einem oder verfcliiedenen Tliieren entftammen, ob diefelben gleichen oder verfchiedenen Alters find^^) nicht wenig und reden der Annahme von einer z\\äfchen dem Collagen und der Knochenerde beltehenden chemifchen Verbindung gewiß ebenfo fehr das Wort als die Thatfachen, daß bei der Reforption der Knochenfubftanz durch die !Myeloplaxen die KalkmalTe ftets gleichzeitig mit dem Collagen aufgelöft wii-d, daß das phyüologifche Yerhältniß zwifchen organifchen und anorganifchen Beftandtheilen auch in den erhalte- nen, normalen Knochenreften rhachitifcher Knochen bewahrt bleibt, und daß eine fo gleichmäßige Durchdringung des organifchen Subftrates von den Mineralbeftandtheilen als gerade beim Kochen wohl fonft nur feiten beobachtet wird. Auch die Erfahrung, daß bei einer Zunahme der, in den Gewebsfäften normal gelöften oder der, mit dem Gewebseiweiß in chemifcher Verbindung befindlichen anorganifchen Stoffe die Zufammenfetzung der Knochenerde und ihr Verliältniß zum Collagen unverändert bleibt, hat man als Beweis für ein, im Kochen vorhandenes, beftimmtes, gegenfeitiges Mengen verhältniß zu verwerthen verfucht und ebenfo überzeugte man fich, daß die regelrechte Ausbildung der Knochen nur bei äußerfler Kalkarmuth der Gewebsfäfte unterbleibt, fei diefe nun durch eine ungenügende Reforption vom Darme aus (z. B. durch eine übermäßige Aufnahme von kalireicher Nahrung''^)) bedingt oder durch eine kalkarme Koft, deren Gehalt an Erdfalzen vielleicht in diefem Falle nur deslialb nicht ausreicht, weil zur Zeit ausnehmend \iel davon im Organismus anderweitig verbraucht wird (fo z. B. für die Entwicklung des Skelets der Frucht während der Schwangorfchaft, oder für die Milch während der Lactation); über weder bei Verabreichung kalkarmer Nahrung gelang es bei unferen Ilaustliieren, noch in einer, von Ih-iü'''') falt ein Jahr lang fortge- fetzten Experimentalunterfuchung, während «Icr ein kleiner Ilun.l tägiicl) im MitU^l 7,4 gr, im (ianzen 2280 gr, d. li. beinahe «lie

238 Grundzüge einer vergleichenden [54

Hälfte feines Körpergewichtes Milchfäure erhielt, dem einmal fertig geftellten Knochen feine Erdfalze wieder zu entziehen. Scliließlich ergab fich eine mit dem Knochen übereinftimmende Zufammen- fetzung auch für die an lieh reinere Zahnmalle, und Hoppe- Seyler^^) fragt, auf diefe Thatfache verweifend, wohl nicht mit Unrecht, ob diefe Coincidenz nicht darauf hindeute, daß der eigentlichen, fecun- dären Ablagerung, die in Zahnbein und Knochen die Zellen umgiebt, eine ganz beltimmte Quantität von Collagen, und zwar ungefähr 25*^/ 0 zu Grunde hege.

Wiederholt lind nun von diefen Geßchtspunkten aus Formeln für die Knochenerde ^^) aufgefteUt, welche man ßch als ein chemifch mehr oder weniger fcharf definirbares Calciumphosphat meiß; mit dem Collagen verbunden dachte. So hatte Berselius der Knochen- erde die Formel SPO- + 8CaO zuerkannt, welche, in unfere jetzige Lehre unagefetzt, befagen würde, daß die Knochen neben dem neutralen gefättigten Calciumphosphate, (P04)2Ca3, noch die Ver- bindung: P04CaH enthalten. Heint^ wies dagegen nach, daß das im Knochen vorhandene Calcium zur alleinigen Bildung von {FO^^Goi^ neben COgCa und Fl2Ca vollkommen ausreiche. Später haben indeß v. BecMingJiaufen und Wüdt wieder das Vorhanden- fein von P04CaH im Knochen angenommen, während Hoppe-Seyler, der zwar die Knochenerde mit dem Collagen nicht chemifch ver- bunden fein läßt, fich nach feinen Unterfuchungen dahin ausfpricht, «daß in dem Schmelze der Zähne und in den Knochen Phosphor- fäure und Calcium trotz mancher Schwankungen, die die Analyfen ergeben, fich annähernd in den VerhältnilTen des Apatit befinden, nämlich lOCa : 6PO4, ein Verhältniß, welches den wefentlichften und wichtigflen Vorkommen der Phosphate in den Gefteinen ent- fpricht. Die Phosphorfäure ift nicht im Stande, fo viel Calcium zu fättigen, der übrige Theil des Metalles findet in Knochen und Zähnen feine Sättigung hauptfächlich durch Kohlenfäure, nur Spuren davon werden durch Chlor und Fluor gefättigt». Hoppe-

55] Phyfiologie der thierirdien Gerüftfubftanzen. 239

Seifhr überzeugte ficli zugleich, daß diefes Yerhältniß im Zahne

wie im Schmelze eingehalten wird, und verßnnlicht uns, indem

er von den Spuren an Chlor nnil Fluor in der Knochenerde abfieht,

die Verbindung: 3([POj2Ca3)«CaC03 dm-ch folgende moleculare

Anordnung der Atome:

PO,

/Ca/ ! \Ca. PO/ Ca \po.

Ca"^ Ca CO3 Ca^ Ca.

'^Ca^^'-^/Ca/ ' PO,

Ganz anderer Anficht ift fchließlich noch Aehij, welcher haupt- fächliches Gewicht auf das Verhalten der Knochengebilde beim Erhitzen und auf die Befchaffenheit von foffilen Knochen legt. Nach Acht/ ift der, eine vom Knochen durchaus verfchiedene Metamorphofe durchmachende Zahnfchmelz neutrales Orthophosphat, und er erkennt dem Elfenbeine, von welchem fich das Knochen- pliosphat nur durch den Mangel an bafifchem Waffer (2H.^0) unterfcheiden foll. folgende Formel zu:

6P,OgCaa-2H,0.2CaO.CO, + 3aq.

Auf einem von den genannten Unterfuchungsmethodcu lehr abweichenden Wege ift man ebenfalls beftrebt gew^efen, den Nach- weis zu führen, daß die Knochenerde mit dem Collagen wirklich cliemifch verbunden fei. Man bereitete fich Glutin- und Calcium- phosphat enthaltende Löfungen, mifchte beide und erhielt dann Niederfchläge, welche fowohl Glutin als auchCalciumfalze einfcliNjÜen. Ich brauche indeß wohl kaum zu bemerken, daß derartige N'erfuche nur zeigen, wie fein vertheilte Niederfchläge, fonft in Jjöfuiig verbleibende Subftanzen mit ausfällen, und daß «licrclbcii /ui- Fiit- fcheidung der Frage, um deren Willen fie angeftellt wurden, fchon deshalb nichts beitragen können, weil <ler Knochen kein (Jlutin, fondern Collagen, alfo einen ganz andersartigen Körper enthält, wenn- fchon Jloj/pr-Seijler beide Bezeiclinungen in feinen Auseinander- fetzungen immerfort promiscue gebrauclit.

240 Grundzüge einer vergleichenden [56

Nun giebt es jedoch eine allerdings nur kleine Zahl von Ueberlegungen und Thatfachen, welche, wie ich glaube, weit fchlagender gegen eine chemifche Verbindung der Knochenerde mit dem Collagen fprechen als alle vorgebrachten Argumente für diefelbe. Ich will nicht auf den fog. permanenten Knorpel ^°) hinweifen, delfen Gehalt an Kalkfalzen lieh viele Jahre hindurch auf einem Niveau von 4 7°/o erhält, denn hier würde einzuwenden fein, daß die Knorpelgrundfubftanz nur deshalb nicht in ausgiebigerem Grade petrifiche, weil in ihr die meiften freien Affinitäten des CoUagens durch das Hyalogen gefättigt find ; aber ich frage, warum petrificirt nicht ebenfo wie der Knochen alles hyalogenfreie, collagene Bindegewebe, was doch nothwendig der Fall fein müßte, wenn die Anziehung und Ablagerung der Kalkfalze eine rein chemifche Urfache im CoUagen befäße. Andererfeits tritt nun aber auch im Zahnfchmelze, defifen Subfi;rat bekannthch kein Collagen, fondern Epithelzelle ifl;, wenn auch wohl nicht, wie Hoppe-Seyler will, die- felbe, fo doch eine chemifch fehr annähernd conftituirte, anorganifche Verbindung wie im Knochen auf, und es fteht fomit außer Zweifel, daß die übereinftimmende Zufämmenfetzung der Knochenerde fo verfchiedenartiger Vorkommniffe lediglich eine vitale Zellenleiftung ift, und nicht etwa die petrificirende Subftanz fie zufammenführt. Schließlich whd auch noch geltend zu machen fein, daß keine Affinitäten bekannt find, welche eine chemifche Verbindung zwifchen der Calciumphosphatverbindung und dem Collagen begreiflich erfcheinen heßen, und daß Muskel- wie Nervenfafern, Ganglien- zellen, Chitin ^^) wie Corneingebilde^^), trotzdem fie ebenfalls keine chemifche Verwandtfchaft zu Kalkfalzen befitzen, fich unter Um- Itänden in ganz ähnhcher Weife wie das Knochengewebe mit diefen beladen können. Die annähernde Befländigkeit in der Zufämmenfetzung der Mineralbeftandtheile hegt hier, wie überall in der lebenden Welt, in der Zellenfunction felbft begründet; nie geftattet diefelbe als folche den Schluß auf eine Beziehung der

57] Phyfiologie der thierifchen Gerüftfubftanzen. 241

Salze zu den organifchen Beftandtheilen der Zellenproducte. So ift es bei den flüITig bleibenden Drüfenfäften wie auch bei den bald feit werdenden Secreten , welchen letzteren die Knochen- grundfubltanz ebenfo wie die verkalkende Chitinmembran zuzu- rechnen ilt.

Schon, wenn man fich erinnert, daß ein Hyalogen oder Hyalin unter günitigften Verhältniflen 40^/o Alkah- und Erdalkalimetalllalze chemifch zu binden vermag, und die wahi-haft cololfalen MalFen anor- ganifcher Stoffe dagegen hält, welche das Knochengewebe oder nun gar die Molluskengehäufe, die Korallenftöcke erfüllen, die Speichel- und Uratfteine bilden, ferner die fpecififchen Differenzen erwägt, welche in Betreff der Petrification bei nahe verwandten Formen auf- treten und wofür uns die Arthropoden wie Gorgoniden, unter Gleich- bleiben des organifchen Subftrates die eclatantellen Beifpiele liefern, fo muß man die Fragen, warum fich bei Loligo die Rücken- lamelle, bei Infecten die chitinöfe Decke welche im erltern Falle bei Sepia, im letztern bei den Cruftaceen doch in ausgiebigftem Maße verkalken fo ausnehmend arm an Mineralbeltandtheilen erweifen, warum fich in den Brachiopodenfchalen , gleich denen der Laraelübranchiaten in der erlten Zeit ihrer Entwicklung {Ras2)aü und Frevost*^^)), aber fo abweichend von den älteren aller fonfligen Mollusken ^^), haupträchhch Calciumphosphat und nicht Calcium- carbonat anhäuft, als ebenfo unzeitgemäße bezeichnen, als wenn gefragt und zu entfcheiden verfucht wird, warum die Magendrüfen Salzfäure und ftatt ihrer keine Schwefellaure fecerniren oder warum die Concremente im ^o;Vm?(.s'fchen Organe von Pinna sqammosa fo reichUch Mangan, aber kein Eifen und kein Kupfer enthalten *'•'*), warum bei dem einen Fifchc das Guaniii vorwiegend in der Schwimmblafe und im Peritoneum, bei einem andern dagegen in den P)indegeweljszellen der Epidermis lagert.

Derartige fpecififche, vitale ZellenfunctioiK'ii wi<' die eben betrachteten, können, entfiireclund «Jen Stoffweclifelvorgängen,

242 Grundzüge einer vergleichenden [58

weiterhin noch nach Alter und Gefchlecht fehr variiren und erfchei- nen auch in pathologifchen Zuftänden weit mehr verändert als die organifchen Subftrate; doch im Allgemeinen bewahren auch ße ßch eine ziemliche Conftanz.

Zur eingehenderen vergleichenden Betrachtung diefer Verhält- niffe wähle ich nur noch zwei Beifpiele aus, welche mir in mehr als einer Beziehung biologifch lehrreich und foweit unterfucht erfcheinen, daß man einen vollkommenen Einblick in die hier ob- waltenden Variationen empfängt; es feien das die Verkiefelung der Federn und die Verirdung der Molluskengehäufe.

Als es am Ende der fechziger Jahre den Bemühungen von Friedel, Grafts und Ladenburg gelungen war^^), organifche Ver- bindungen darzuflellen, in welchen fämmtlicher Kohlenfloff oder wenigftens ein Theil desfelben durch das allein ebenfalls noch vieratomige Silicium erfetzt ift, und man fo zu den Synthefen des Silicochloroforms, des Anhydrids der Siliciumameifenfäure, der Silico- propion-, Silicobenzoe- und Silicotolylfäure fowie zu den Synthefen des Siliciumäthyls, der Siliciumäther und des Silicononylalkohols gelangt war, fand zugleich mit den Ideen, es könne fehr wohl den Kohlenftofforganismen ein füg. Siliciumleben vorausgegangen fein, und es fei wohl alle Ausficht vorhanden, auch den complicirter auf- gebauten Kohlenftoffverbindungen, den Kohlehydraten und Eiweiß- körpern, fich in ihren chemifchen Eigenfchaften analog verhaltende Silicium Verbindungen künfthch erzeugen zu lernen, zu einer Zeit, wo man auch der Vorftellung huldigte, es möchten fich, als Ueberbleibfel jener vorausgegangenen Siliciumwefen noch bei mehre- ren recenten Organismen organifche Siliciumverbindungen erhalten haben, da fand, fage ich, auch die Anficht ihre Vertreter, daß die Kiefelfäiu-e in den Tabafchiren der Bambufen, in den Skeleten der Equifetaceen nicht nur als folclie abgelagert fei, fondern fich viel- mehr hier mit einem organifchen, mit einem Kohlenftoffcomplexe in wahrer, chemifcher Verbindung befände. Diefe jedenfalls geilt-

59] Phyfiologie der thierifehen Gerüftfubftanzen. 243

reichen Hx-potheleu lind indeß durch Thatrachen niclit zu ftützen gewefen, und wir Tehen deshalb in den Kiefelfäureablagerungen pflanzlicher und thierifcher Vorkomnnülle gewiß mit Recht das nämhche Reliütat eines fpecififchen Ausfcheidungsvermögens leben- der Zellen, welches an den, die verfchiedenartigllen, organifchen Stoftwechfclproducte (ohne irgend welchen chemifchen Connex) imprägnircnden Kalkverbindungen fo often zu Tage tritt.

Quantitative Beftimmungen des Kiefelerde- und Afchengehaltes der Vogelfedern wurden in großer Anzahl, mit Berückfichtigung der Ernährungsverhältnilfe und des Alters der Thiere von v. Gorup- Befanez angefkellt. Hauptlachlich bildet der Federbart, weniger die Spule und das Federmark die Stätte der Ablagerung, und die unter Anmerkung G7 mitgetheilten Analyfen weifen fowohl eine be- ftimmte Beziehung des Kiefelerdegehaltes zur Nahrung nach, indem die Federn der Körner freflenden Vögel am meiften, diejenigen der Fifche freflenden am wenigften Kiefelfäure enthalten, wie auch ein Steigen des Gehalts der Federn an diefer Säure mit zunehmen- dem Lebensalter.

Die gäng und gäbe gewordene Anficht über die Entftehuiig der Molluskengehäufe geht trotz wiederholt erhobener Einwände"^) gegenwärtig noch dahin, , daß diefelben gleich dem äußern Skelet der Arthropoden zu den membranöfen Zellenabfcheidungen (Cuti- cularbildungen) gehören, und daß die ihnen in Form von Häuten oder eines Mafchenwerks zu Grunde liegende conchiolinöfe Subltanz wie Frülijahrs an unferen einheimifchen Helix-Arten und auch an Schneckenembiyonen gut zu l^eobachten ift das zuerft (»c- bildetc ift, welches erft nach und nach in verl'chiedenem Grade mit Kalkfalzen imprägnirt oder in den Holilräumcn mit den Kalk- verbindungen au.«g(füllt wird. Wie fchon C. Sdnnidt^^^) richtig erkannte, der der E[)ithelzelle des Mantels die Eigenfcliaft znfclirifb, ein Kalkalbuminat abzufondcrn, das zur Schale erftarrc, wir«! (lj(5 Schalenmafle von der gefammten Haut uimI zwar von ilcn Ei»itlicl-

244 Grundzüge einer vergleichenden [60

Zellen felbli; abgefondert; befondere Drüfen liefern noch Schleim hinzu, aber H. MeckeV^) befand fich gewiß im Unrechte, wenn er befondere Kalk abfondernde Drüfen annahm, wie lie für die Farben allerdings und ausfchließlich im Mantelrande, der überdies nach Semper auch die Epidermis der Schalen bildet, vorkommen.

In frühefter Zeit fcheint man die Schale ''^) allgemein als etwas von außen zum Thiere Hinzugekommenes, als eine Incruftation aus dem WaDfer aufgefaßt zu haben, deren Bildung man fich nicht anders vorzuftellen habe als die der fog. Dornenfteine in den Gradirwerken und der in vielen Quellen abgefetzten Sinter- oder Sprudelfteine. Erft Reaumur unterwarf 1709 die Schale einer genaueren Unterfuchung und conftatirte, daß diefelbe ein Secret fei und ihre Dickenzunahme an der gefammten Mantelfläche, das Weiterwachfen jedoch nur am Mantehande gefchehe. Entgegen diefer Anficht Beaumur's betrachtete 1766 HeriJTant die MoUusken- fchale als einen knochenartig belebten Körper und vindicirte ihr, wenigftens bis zu einem gewiHen Grade, ein inneres Wachsthum, auf welches, feiner Meinung nach, fchon die Auswüchfe und Stacheln an vielen Conchyhen hinweifen follten.

Die Auffaffung, daß ein Theil, wenn auch nur 0,5 "/o des Calciumcarbonates mit dem Conchiohn chemifch verbunden fei, finden wir noch von Bifchoff in feinem Lehrbuche der chemifchen Geologie vertreten, der darin die Erklärung findet, daß die innere Schicht der Aufterfchalen z. B. 36mal foviel kohlenfaures Walfer zur Auflöfung bedarf als Kreide, ISmal fo\T.el wie gepulverter Kalkfpath und lOOmal fo \del als frifch gefälltes Calciumcarbonat. Die Widerftandsfähigkeit der mit den lebenden Thieren in Ver- bindung befindlichen "Schalen gegen den fog. Verffceinerungsproceß (welcher im Wefentlichen darin befieht, daß das Calciumcarbonat in der Schale wirklich kryftallifirt oder pfeudomorphotifch durch andere Mineralftoffe verdrängt wird), gegen das Zerfrefienwerden der Wu'bel, wie es bei manchen Flußmufcheln zu beobachten ift,

61] Phyfiologie der thierifehen Gerüftfubltanzen. 245

und fchließlioli auch gegen ein Spröde- und Hinfälligwerden, welches bei einem Zurückziehen des Thieres aus den hiuterften Schalenwindungen bei Bulimus decollatus, Truncatella, einigen Cyclostoma-, Mclania-, Cerithium- und Buccinum- Arten fo fchön gefehen ward, ^"^j hat ebenfalls mehrere Autoren auf eine zwi- fchen dem Conchiohn und den anorganifchen Schalenbeftandtheilen befl^hende chemifche Verbindung recurrhen lafTen; doch diefe Thatfachen lalTen fich nicht weniger gut und noch weit unge- zwungener durch die rein mechanifch fchützende Hülle, welche die einzelnen Conchiohn ftraten den Kalkeinlagerungen bieten, oder durch den Halt, den die Spitzen der Gehäufe durch die in fie cingefenkten Theile des lebenden Thieres erfahren, erklären, und es liegt hier zu der Annahme einer wirklich chemifchen Vereinigung zwifchen den anorganifchen und den organifchen Beftandtheilen ebenfowenig irgend ein triftiger Grund vor als beim Collagen.

Was den Chemismus der Secretion und des Verkalkungsvor- ganges der Schalenfubftanz felbll anbelangt, fo hatte C. Schmidt '^) die Meinung geäußert, daß die Epithelzellcn des Mantels ein eigen- thümliches Kalkalbuminat aus der Hämolymphe abfcheiden, und diefes dann zur Schale erhärte. In der Hämolymphe von Ano- donta hatte Schmidt Fibrinogen, Kalkalbuminat, Alkalien, Calcium- phosphat nachgewiefen und glaubte nun, daß in den Mantel- epithelien aus der Hämolymphe freies Albumm und Calcium- phosphat abgefchieden und dem Kreisläufe zurückgegeben, wäh- rend ein anderer Albuminkalk zur Sehale abgefondert werde.

Dank den Unterfuchungen fo vieler ausgezeichneter Minera- logen find wir weit beffer als über jene Verhältniire über die Menge der anorganifchen Beftandtlicile, über deren Modification und Ab- lageningHWoife in den Molluskcngchäufen unteniclitot. Wie aus beiftehenden analytifchen Belegen erüchtlich fein wii-d (hi denen zwar die gefammte ermittelte Kohlen fäuremenge auf Calcium- carbonat berechnet und auf die übrigen, hi der Schale vorhandenen

246

Grundzüge einer vergleichenden

[62

Carbonate keine weitere Rückficlit genommen wurde), ift der Afchengehalt der MoUuskengehäufe ein fehr bedeutender, und dementfprecliend hoch ift auch ihr fpecififches Gewicht. Letzteres fand G. Bofe bei einer Schale von Strombus gigas = 2,97,

Specififches Glewiclit der Molhiskengeliäufe und Gelialt derfelbeii an

Calciumcarbonat ;

Species

(unterfucht von

de la Seche)

'S

.r-(

q

ö

O Oh

Species

O c

Species

(unterfucht von

ScJiloßberger)

O P

Helix iDomatia

2.82

1

V e n u s d e c u s - sata

93.5

Oliva

93.20

Bulimus decol- latus

2.85

Mytilus edulis

(junge)

82.1

Cypraea moneta

92.85,

Paludina

2.82

Anodonta

89,0

Turbo neritoides

92.48

Jantliina com.

2.66

h

{Poti/l'a bei om- a, Bofe)

99.19

Voluta rustica

92.01

Chiton

2.79

jas (Oesten bei G. Bofe)

98.97

Turritella fuscata

88.70

Bulla, Voluta j

musica, Cassis-

testiculus J

2.83

Helix pomatia (JoijJ

98.50

Helix nemoralis

82.62

Haliotis tuberc.

2.70

rS

CO

Cypraea chineusis

95.16

Strombus gigas

2.77

C. erosa

94.21

Pyrula Melon- gen a

2.84

Pupa (aus W e s t i n d i e n)

93.48

Helix citrina

2.87

Bulimus r a d i a t u s

93,41

aKo weit höher als das des Kalkfpaths (2,6 2,8), ja felbft das des Aragonits (2,9) noch um etwas übertreffend. Die conchio- linöfe, organifirte Grundfubftanz ift in der Schale oft nur in fein- geringer Menge vertreten, in Strombus gigas finkt der Procent- gehalt an ihr auf 0,8, doch immer bleibt lie durch die Ent-

63] Phyliologie der thierirdien Gerüftfubftanzen. 247

kalkungsmethode nachweisbar, und ihr werden ßch jedenfalls die fo beträchthcheu Kalkablagerungen in ihrer Form anzufchließen haben. Sehen wü' aber fo die organifche Materie auf ein Minimum reducirt, noch weit tiefer im Procentfatz fmken als bei den Stein- corallen,^^) welche man bis zu Tournefort und PctjITond für vege- tirende Steine hielt, dann kann es auch kaum mehr Wunder nehmen, wenn die Kalkfalze, ähnlich den Otolithen oder wie in den Kalkfäckchen an den vSpinalganglien beim Frofche, ihren eigenen Formgefetzen folgen und in den fäulenartigen oder platten Lückenräumen, welche die Conchiohnmembranen auszufüllen ge- ftatten, als Krvftallaggregate fich niederfchlagen.

Bereits 1826 hatte He /Ter'") Kalkfpathrhomboeder in verfleinerten Crinoideen beobachtet und fah diefelben nur als eine weitere Aus- bildung der KryltaUtendenz an, welche fchon in dem feilen Gerüfte des lebenden Thieres vorhanden fei. Boiirnon und Haidinger''^) fanden fpäter in dem zarten Mafchenwerke der Echinidenflacheln''^) den Kalkfpath zwar nicht zu einzelnen Kryftallen individualifirt, doch fo gut ausgebildet, daß die einzelnen Seeigclftacheln Kalkfpath- kryftallen glichen, indem die Hauptachfe der Kryflalle den Längs- achfen des Stachels parallel ging und in diefer Stellung die rhomboe- drifche, durch fämmtliche Mafchen des Stachelgewebes gleichmäßig hindurchgehende Spaltbarkeit des Kalkfpathes deutlich wahrzu- nehmen war. Die Kalkimprägnationen der Molluskenfchalen lind fehr ähnlicher Natur als die der Echinidenitacheln, während im Gegenfatz dazu das Calciumcarbonat in den Panzern der Crullaceen völlig amorph verharrt.

An d(.'n Lamellibranchiatenfchalen unterfcheidet man 3 Lagen, deren Au.sbildung aber bei vcrfchicdenen Species großen Schwan- kungen unterliegt. Es find diefes: 1. das Perioftracum, d. i. die erhärt<;te und mit dem verkalkten Tlieile der Schale feil vcr- wachfene, aber ablös})are Epidermis, welclie mit dem Abfatz der äußern Kalkfchicht weiterhin wechfellagcrt und lieh i>is z\vif<;hen

248 Grundzüge einer vergleichenden [64

diefe und die innere Schicht, bisweilen auch noch in die letztere mit äußerft zarten Lamellen hinein fortfetzt. Unter dem Perioftracum liegt 2. die zellige oder prismatifche Schicht und zu innerft lagert 3. die aus zahllofen dünnen Plättchen zufammengefetzte, Tehr ver- fchieden ftark entwickelte, aber niemals völlig fehlende Perlmutter- fchicht. Bei den Gaftropoden trifft man beide kalkhaltigen Schichten feltener (z. B. bei Haliotis, Turbo, Trochus) zufammen an, fondern hier ift gewöhnhch nur die zellige Schicht, welche als die porzellanartige bezeichnet ^ird, entwickelt.

Nachdem Home 1806 auf die fchönen rhomboedrifchen Kjy- rtallebei Teredo gigantea aufmerkfam gemacht und Graf Bournon in feinem berühmten Traite von 1808 mitgetheilt hatte, daß er an Bruchflächen von Strombus gigas den rhomboidalen Blätter- durchgang fo deutlich wie an einem Stücke Kalkfpath beobachtet und daran auch die Winkel von 101^32' und 87*^28' gemelTen habe, nachdem ferner BreivRer (1814) gefunden, daß Perlmutter, gleich dem Aragonit, zwei Achfen doppelter Strahlenbrechung be- fitze, ift die kryftallinifche Textur der Mollusken fchalen mehrfach Gegenftand eingehender Unterfuchungen gew^efen. Die Arbeiten von L. V. Buch, Necker und Nöggerath haben ergeben, daß bei den Lamellibranchiaten nur die eine der beiden Schalenfchichten die Eigenfchaften des Aragonits, die andere aber die des Kalkfpaths befitzt; fo fand Necker, daß das kryfi;allinifche Gefüge der äußeren Schichten der Schalen von Unio und Anodonta Körper\Adnkel zeige, welche mit Aragonit, aber nicht mit Kalkfpath verträglich find, daß alle unterfuchten Schalen (ca. 30 Arten) und am ftärkften die von Pholas und Venerupis, gleich dem Aragonit, isländifchen Doppel- fpath ritzen und meiffc auch etwas fchwerer als Kalkfpath find, aber doch das fpecififche Gewicht des Aragonits (wohl wegen ihrer Beimengungen) nicht erreichen. Eine weitere Beftätigung fanden diefe ErgebnilTe durch mehrere geologifche Funde. ''^) So zeigte fich z. B., daß in der Kreide von Spondylus oft allein die äußere

65] Phyüologie der thierifchen Gerüllfubllauzen. 249

von Pinna in den Liasfchiefern öfters nur die innere Schalenfchicht erhalten war, daß in dolomitifchen und kiefeligen Kalkgebirgen außer den blättrigen Schalen von Oflrea und einigen Verwandten alle Conchyhenrefte bis auf ihre Abdrücke verfchwunden waren, und man fand bei Petunculus im Tertiär die innere von der äußeren Schalenfchicht losgelöft.

Für die Gaftropodengehäufe ift vorAnegend durch die Unter- fuchungen von G. Böse und Leijdolt feftgertellt, daß die Perlmutter- fchicht aus Aragonit befteht, und daß diefe nach dem Anätzen auf ihren Flächen 6- und 8eckige Felder üchtbar werden läßt, welche Querfchnitten durch Aragonitprismeu von 116^, combinii-t mit der Längsfläche, angehören. Auch die Porzellanfchicht läßt aus ihrem fpecififchen Gewichte und ihrer Härte eine Aragonitbefchaffcn- heit erfcliließen, doch gelang es nicht, an ihr die Structur wie an der Perlmutterfchicht hervorzurufen und es fcheint demnach hier der Kalk durch die überwiegendere Menge der organifchen Materien an der Kryftallifation weit mehr beeinträchtigt zu fein als in der Perlmutterfchicht. In der porzellanartigen MalTe find der Dicke nach gewöhnhch drei Kalklagen zu unterfcheiden, welche aus kleinen, in allen Lagen gleich gebildeten, rechtwinklig fpaltenden Plättchen oder Prismen zufammengefetzt, der Bruchfläche ein fplittriges Aus- fehen geben. Die drei Lagen erweifen fich oft von fehr ungleicher Stärke und wie befonders fchön bei Strombus gigas zu erkennen Lft, find die Plättchen in der mittlem Lage anders gofi:cllt als in den beiden feitlichen.

Ifl; nun aber die confl^ntc Zufammenfetzung der Knoclienerde und der MoUuskenfchalen ledigHch der Effect electiver Eigenfchaften fecemirender Zellen, fo liegt nichts näher als die Vernnitliung, daß die phyfiologifchen Verfleinerungsmaterialien der (JerüfiTubflnnzcn eine Vertretung durch ifomorj)he und clicmifcli analog conflituirte Salze geftatten. Diefe Frage verfudite fchon vor vielen Dccrnnien Wicdemann 7.\i entfcheidcn und fpäter erfuhr diefeUxdnnli Iluii/li}/''')

Krukfnhrrij, Vergl.-phyflol. Vorträge. J"

250 Grundzüge einer vergleichenden [66

eine ausgedehntere experimentelle Behandlung. RouIRn fand bei Hühnern fowohl nach Fütterung mit Witherit und Strontianit den Baryt- refp. Strontiangehalt der Eier fchalen proportional den gefütterten Mengen fteigen, als auch nach Einverleibung von Verbindungen mehrerer Schwermetalle (z. B. von Manganit, Manganoxydul, Zink- carbonat, Eifencarbonat, von Kobalt, Kupfer wie Bleifalzen) die ent- fprechenden Metalle in den Eierfchalen wieder, während er Thon- erde und Antimon aus der Nahrung nicht in die Schale übertreten fah; auch beobachtete BovtMn, daß beim Kaninchen Calciumarfenat reichlich in den Knochen wiedererfchien. Doch alle diefe Beob- achtungen geftatten keineswegs den Schluß, daß in in diefen Fällen eine wirkliche A^^ertretung der normalen Organbeftandtheüe durch die künfllich zugeführten ifomorphen Verbindungen und nicht nur eine, davon ganz unabhängige Retention derfelben (wie in vielen anderen Organen, fo auch in den Knochen und Eierfchalen) ftattgefunden hat. Eine Entfcheidung der hier aufgeworfenen Frage ift demnach noch nicht erfolgt.

Die Verödung der MoUuskengehäufe und zwar ganz befonders bei Mitberücklichtigung der natürlichen wie künfthchen Perlbildung wo es ja bekanntlich leicht gelingt, zwifchen Mantel und Schale eingeführte Fremdkörper, ähnlich wie in den Karlsbader Quellen mit Kalkßnter, fo hier gleichmäßig mit Perlmutterfubftanz zu überkleiden führt uns unmittelbar über zu der dritten Art der Petrificationen, welche üch von den beiden, bisher betrachteten Verffceinerungsweifen, der auf rein chemifchem Wege erfolgenden (wie bei den Hyalogenen und Hyalinen) und der, auf einer vitalen Zellenfunction beruhenden, welche fich am EffectvoUften bei den NuUiporen^*') geftaltet und in der Holothurienhaut die zierhchflen und regelmäßigften Kalkgebilde hervorbringt, fehr wefentlich unter- fcheidet, wenn fchon man die Unterfchiede feiten beachtete und die VerhältnilTe, bei denen es fich lediglich um ein Abfetzen oder Niederfchlagen von fchwer löshchen Materien auf todten, durch

67] Phyfiologie der tliierifchen Gerüftfubftanzen. 251

zackige A'orfprünge und andere Unebenheiten dazu befonders ge- eigneten Fremdkörpern handelt, gern zur Erklärung der Ijeiden an- deren Verfteinerungsmodi herangezogen hat.

Bei allen derartigen, rein mechanifch refultirenden Incrultationeu treffen wir ein Ablagerungsmaterial an, welches (ich in den Gewebs- Täften normal gelöft findet, fich aber durch feine fchwere oder durch eine, von der Reaction der Fluida fehr abhängige Löslichkeit auszeichnet. So willen wir, daß, wenn im menfchlichen Urine die Erdphosphate ausfallen, und diefe in der ßlafe, ja fchon im Nieren- becken ein Sediment bilden und felbft die Epithehen der offenen Sammelröhren in den NierenpjTamiden incrufliren, eine Verlängerung der Acidität und vollends die Alkalescenz des Harnes dafür eine ausreichende Erklärung bietet. Oft bedarf es aber zum Unlöslich- werden derartiger Stoffe nicht einmal einer Veränderung der Re- action, fondern ein längeres Stagniren der mit diefen Körpern überladenen Flüffigkeit, eine Verzögerung ihrer Fortbewegung in dilatirten Organen, in Divertikeln, Procelfus und Venenplexus ift ausreichend eine Sedimentirung zu veranlaffen und ganz be- fonders in folchen Fällen, wo durch irgend welche Urfache fich die fchwer löshchen Subftanzen in den Fluidis in ungewöhnlich großer Quantität angehäuft finden. Wie wir l^ereits erörterten, ipielt bei den Incruftationen, welche lediglich eine mechanifche Urfache hal^'U, auch die Anwefenheit eines Fremdkörpers, zu welchen im Organismus verbhel)ene al)geflorbene Malfen das Ilaupt- contingent (teilen, eine große Rolle. Die todte Tricliine oder P^inne incruftirt fich von außen nach innen fortfchreitend mit Erdfalzcii, die Extrauterin frucht bekommt eine förmliche Kalkfcliale uiul wiid fo zum Litliopädioii, der 'J'liiomlnis verwandelt lieli in eiiKii X'eiien- Ilein, das Exfudat in ein mörtelartiges Coiicrement und winzige Schleimfiöckdien, Jihitg(;riimfel, Mikrococcen- wie Bacterienunfumm- lungen können die Veranlalfung, ein Punctum crystallisutioniH werden für die Bildung eines Gallen-, eines Dann- oder llarnfleincs,

252 Grundzüge einer vergleichenden [68

eines Speichel-, Zahn- oder Mandelfteines. Doch bedarf es augen- fcheinlich nicht einmal der Nekrofe, d. h. des völligen Erlöfchens der Adtalen Vorgänge, um einen günftigen Boden für die Ablagerung der Erdfalze zu fchaffen, fondern es genügt hierfür vielleicht fchon eine erhebhchere Schwächung und eine hochgradig verringerte Energie derfelben, eine Obfolescenz, wie es Virchoiv genannt hat. Ob nun aber auch auf einer folchen z. B. die Kalkincruftationen der fenilen Gefäße und die zuweilen fehr voluminöfen Verkreidungen gefäßarmer Gefchwülfbe beruhen, wie eine große Zahl pathologifcher Anatomen angenommen hat, ift ftark zu bezweifeln und die Mit- wirkung der Vita minima bei dem Zuftandekommen diefer Ver- kalkungen noch keineswegs ausgefchloITen. Hüten wir uns ftets, die einfachen Sedimentirungen irgend welcher Stoffe in gefättigten Secreten oder GewebsflüHigkeiten und die daraus mechanifch reful- tirenden Incruftationen mit den chemifchen und durch vitale Procelle erfolgenden Petrificationen zu confundiren oder die Letzteren wegen jener für verftändlicher zu halten.

Die allgemeineren Gefichtspunkte, welche ßch bei Betrachtung der Gerüftfubftanzen in der Thierreihe gewinnen heßen, find im Vorhergehenden (vergl. u. a. S. 232) hervorgehoben und es würde unfruchtbar bleiben, wollten wir nochmals das ganze Thierreich in Hinblick auf die einzelnen Klaffen und Ordnungen darauf durchmuftern. Um fo mehr glaube ich, von einer derartigen Aufzählung Abfland nehmen zu dürfen, als man lieh in den letzt vergangenen Decennien' nicht fehr weit von dem Puncte entfernt hat, auf welchem lieh ScMoßherger und die Bearbeiter von Bronn' s Claffen und Ordnungen des Thierreichs befanden, als üe eine Darftellung der thierifchen Gerüftfubftanzen nach diefem Eintheilungsprincipe durchführten; ift doch ziemlich Alles, was ich Ihnen mehr als jene Compilatoren zu Ende der fünfziger und zu Beginn der fechziger Jahre unferes Jahrhunderts zu bringen ver- mochte, erft das Werk der allerletzten Jahre, zum Theil nicht ein-

69] Phyfiologie der thierifchen Gerüftfubflanzen. 253

mal ausfüliiiicher publicirt und noch kaum in weitere Kreife ge- dnmgen!

Schließlich würde der erfolgi-eichen Arbeiten zu gedenken fein, welche uns eine fo innige Beziehung zwifchen der feineren Textur und der Function der einzelnen Stützorgane erfchloflen haben. Alle Unterfuchungen diefer Art befchränken fich indeß noch immer einerfeits auf den Menfchen und andererfeits auf die Ge- wächfe, und geltatten deshalb noch keine vergleichend phyüologifche oder allgemein biologifche Behandlung.

Obfchon diefes Forfchungsgebiet in der aidmalen Phyfiologie und Morphologie feine Wiege fand, fo hat es in diefen Disciplinen leider doch nur verhältnißmäßig fehr wenige Bearbeiter angezogen, ja felbft nur einen kleinen Kreis von Interelfenten gefunden 1 Eine weit zahlreichere Theilnahme wurde den Arbeiten Schtvcndcner's von Seiten der Pflanzenphyfiologen entgegengebracht, und auf diefem Felde konnte es Potonie^^) aucli fchon unternehmen, ein gedrängtes Bild von den Unterfuchungen über «das Skelet der Pflanzen» zu entwerfen. Wenn aber die einzelnen thierifchen Ge- rüftfuljftanzen dermaleinft genauer erforfcht fein werden, und die Einblicke in die gegenfeitigen Verwandtfchaftsverhältnifle derfelben vollfländigere geworden find als heute, dann werden zweifellos auch die Beziehungen zwifchen Textur und Function eine all- gemeinere wie größere Würdigung finden und auch einer ver- gleichend phyfiologifchen Behandlung nicht mehr unzugängig bleiben.

254 Anmerkungen und Literaturnacliweife. [70

Anmerkungen und Literaturnachweife.

1) Vgl, Kriikenlierg, Die eigenartigen Methoden der chemirchen Phyfio- logie. Heidelberg. 1885. S. 6—8.

2) P. Ehrlich, Das Sauerltoff-Bedürfniß des Organismus. Eine farben- analytifche Studie. Berlin. 1885.

3) Es ift fchon mehrfach die Frage aufgeworfen, warum die gegen ehemifche Agentien fich l'o reüftent verhaltenden Gerült- und Deckfubltanzen der Wirbellofen (befonders das Chitin, Cornein und Spongin) nicht, wie fich erwarten ließe, als Ueberrefte von fo vielen vergangenen Generationen, den Meeresgrund in ungeheurer Mafle erfüllen, warum von ihnen weit weniger zurückbleibt als von den verkalkten Binnenfkeleten der Steinkorallen? Zwar ift es richtig, daß das Chitin, Cornein, Spongin, Conchiolin wie auch das Tunicin von den proteolytifchen Enzymen durchaus nicht verändert werden, aber dem fermentativen Verdauungsvermögen, welches bei den Mikroorganismen fo fehr entwickelt ift, vermögen jene Subftanzen ebenfowenig als die Cellulofe- membranen der Pflanzen Widerftand zu bieten ; der Zerfetzung durch Fäulniß- vorgänge find fie, gleich den eiweißartigen Gewebsbeflandtheilen, wenn fchon langfamer unterworfen.

Diefem Verhalten entfprechend beobachtete Schloßherger (Ann. d. Chem. u. Pharm. Bd. 98. S. 119 und 120), daß Chitin, welches ein Jahr unter AVaUer auf- bewahrt wurde, erweichte, unter Entwicklung eines «eigenthümlichen Geruches» in eine fchleimige Mafl"e zerfloß und theilw^eife fich auch löfte.

*) Fr. Hofmeißer, Zeitfchr. f. phyfiolog. Chemie. Bd. II. 1878. S. 288—295.

^) F. Hoppe-Seyler, Handb. d. phyfiol.- und pathol.-chem. Analyfe. V. Aufl. Berlin. 1883. Ö. 260.

6) Vgl. Colmlieim, Vorlefungen über allg. Pathologie. Bd. I. 2. Aufl. Berlin. 1882. S. 652—654; J. Sachs, Vorlefungen üb. Pflanzenphyfiologie. Leipzig. 1882. Vorlef. 19—21. Roppe-Seyler, Phyfiologifche Chemie. Berlin. 1881. S. 1002—1009. ^ ') Krukenberg, lieber die Hyaline. "Würz bürg. 1883.

8) Lanäivehr, Zeitfchr. f. phyfiol. Chemie. Bd. VHI. 1884. S. 167.

8) Petri, ibid. S. 291—297.

71] Anmerkungen und Literaturnachweife. 256

10) V. Pafchutin, Centralbl. f. d. medic. WilF. 1884. 8. 689—695. ") Brechfel, Chemie der Abfonderungen u. Gewebe. Hermann'a Hand buch der Phyliologie. Bd. V. Th. II. Leipzig. 1883. S. 587. 1*) Literatur über das Tunicin (thierifche Cellulofe): C. Schmidt, Zur vgl. Phyliologie der wirbellofen Thiere. Braunfchweig.

1845. S. 61 65; Locuig u. KoeUiker , Compt. rend. T. 22. 1846.

p. 38 u. Ann. scienc. nat. 3. 8er. T. V. 1846. p. 193—239; Ikiyen, Compt.

rend. T. 22. p. 581 u. Ann. scienc. nat. T. V. 1846. p. 240—242; H.

Schacht, Miilhr'H Archiv. 1851. S. 176 200; Berthelot, Ann. chini. et

phys. 3. Ser. T. 56. 1859. p. 149; Schäfer, Ann. Chem. u. Pharmac. Bd. 110.

1871. S. 312—329; F. E. Schuhe, Zeitfchr. f. wilT. Zool. Bd. 12. 1863.

S. 175—188; 0. Herticig , Jenailche Zeitfchr. Bd. 7. 1873. S. 46 73;

Franehimont , Bei: d. d. chem. Gef. Bd. 12. 1879. S. 1938 1940;

Krukenberg , N'gl. phyüol. Studien. I. Reihe. 5. Abth. Heidelberg. 1881.

.S. 32 Anm. 1.

'ä) Nur von Bugula plumosa Itanden um- durch gef. Vermittlung der zoologifchen Station zu Neapel erheblichere Quantitäten zur Ver- fügung, und diefe Art eignet ficli fchon wegen ihres großen Gehaltes an Bugulapurpur fchlecht zmn Stucfium jener vielleicht ganz eigenthümlichen Gerüflfubftanz, welche die Anwendung fämmtlicher, beim Chitin gebräuchlichen Reinigungsverfahren geftattet. Der mit verd. Salzfäure, Alkohol und Aether extrahirte, mit Waller (lundenlang ausgekochte und fcliließlich mit Natron- lauge mehrere Tage digerirte wergartige Rückftand der Bugula enthielt 14,3''/o anorganlfche Beftandtheile, und es erfchien deshalb wenig lohnend, denfelben einer Klementaranalyfe zu unterwerfen. Beim Eindampfen mit conc. SalziUure auf dem Wall'erbade bildeten üch reichlich Ichwarzbraune, amorjjhe Materien, nur fehr wenig war von Stoffen entftanden, die alkalifche Kupferlöfungen beim Kochen desoxydirten und in Alkohol löslich waren. Die in angegebener Weife gereinigte Subftanz der J-]ctocyften färbte üch weder (zum Unterfchiede von allen Eiweißftoflen und auch vom Cornem) beim Kochen mit MiUon'a Reagens, noch mit Kalilauge (zum Unterfdiiede von Conchiolin und Cornein) gell); auch löfte fich diefelbe nicht, wie das Chitin, in conc. kalter Salzfäure auf und wurde, im Vergleich mit den übrigen (ierüftfubltanzen, lelblt von conc. SchwefelTäure nur langfam angegriffen.

'♦; Lit<;ratur über das Chitin und (Jly kofamin:

Chitin bei A rthroj.oden: A. Odier, M6m. de la soc, d'liist. nat. de

Paris. T. l. 1823. p. 29; Lasmigne, Compt. rend. T. 16. 1843. p. 1087 u.

.lourn. de cliim. m<'-dicale, 2. Ser. T. 9. 1843. \>. 379; Payen, Compt. rend. T. 17.

1843. p. 227; Children und JJanicIl , Todd'n Cyclop. of anat. and i.liysiol.

T. II. p. 882; C. Schmidt, a. a. (>., S. 32-69 u. Ann. d. Chem. u. Pharmac.

Bd. 54. 1845. S. 284; Lehmann, Journ. f. pract. Chem. 1843. S. 323 n. l-.hrb.

256 Anmerkungen und Literaturnachweife. [72

d. phyßol. Chemie. Bd. I. Leipzig. 1853. S. 382; E. Fremy Ann. chim. et phys. 3. Ser. T. 43. 1855. p. 93—96; Schloßherger, Ann. Chem. u. Pharm. Bd. 98. 1856. S. 115—120; Peligot, Compt. rend. T. 47. 1858. p. 1034; G. Staecleler, ibid. Bd, 111. 1859. S. 21 28; BütfchU u. Emmerling, Bu Bois- BeymoncVs, Archiv. 1874. S. 362 ff.; G. Ledderhofe, Ber. d. d. chem. Gef. Bd. 9. 1876. S. 1200 1201, Zeitfchr. für phyfiol. Chem. Bd. 2. 1878. S. 213—227 u. Bd. 4. 1880. S. 139—159; E. E. Sundwik, ibid.; Bd. 5.. 1881. S. 384—394; Krukenberg, Vergl. phyfiol. Studien. I. Eeihe. 5. Abth. 1881. S. 32.

Chitin bei Mollusken: Hilger, Journ. f. prakt. Chem. Bd. 102. 1867. S. 418—424; Schmiedeberg, Mitth. a. d. zoolog, Station z. Neapel. Bd. 3. 1882. S. 392; KruUnberg, Ber. d. d. chem. Gef. Bd. 18. 1885. S. 989—993; W. D. Halliburton, Quart. Journ. of microsc. scienc. Vol. 25. New Ser. 1885. p. 173—181.

Glykofamin: Ledderhofe, a. a. 0.; Simdioik, a. a. O.; F. Tiemann, Ber. d. d. chem. Gef., Bd. 17. 1884. S. 241—251; Krukenberg, ibid., a. a. 0.

1^) Gl. Bernard, LeQons sur les phön. de la vie etc. T. IL Paris. 1879. p. 113.

16) A. Eicald u. Kühne, üeber einen neuen Beltandth. des Nervenfyllems. Sep.-Abdr. a. d. Verh. des naturh.-medic. V^ereins zu Heidelberg. N. F. Bd. I. Heft 5. 1876. S. 13.

") Bud. Leuckart, Arch. f. Naturgefchichte. 18. Jahrg. 1852. S. 22—28.

18) T. H. Huxley, Der Krebs. Leipzig. 1881. S. 165 u. 166.

19) Literatur über das Spongin:

L. PoJffeU, Ann. d. Chem. u. Pharm. Bd. 45. 1843. S. 192 198; J. H. Croockeivit, ibid., Bd. 47. 1843. S. 43—56; Schloßherger, ibid., Bd. 108. 1859. S. 64; Staedeler, ibid., Bd. 111. 1859. S. 16-21; Kruke^iberg, Vergl. phyfiol. Studien. I. Reihe. 5. Abth. S. 15 Anm. 1.

20) Literatur über das Conchiolin:

H. Koß, Ueber die Structur u. chem. Zuf. einiger Mufchelfchalen. Dissert. medic. Wirceb. Hildburghaufen. 1853 (bietet nichts als völlig unrichtige Ana- lyfen); Fremy, Ann. chim. et phys. 3. Sör. T. 43. 1855. p. 96—97; Schloß- herger, Ann. d. Chem. u. Pharm. Bd. 98. 1856. S. 9.9—109 u. Die Chemie der Gewebe. Leipzig u. Heidelberg. 1856. I. S. 243 247; Krukenberg, Vgl. phyfiol. Studien. L Reihe. 5. Abth. 1881. S. 16—24, H. Reihe I. Abth. 1882. S. 58—62 u. Ber. d. d. chem. Gef. Bd. 18. 1885. S. 989-993. Viele neuere Eefultate über das Conchiolin habe ich bislang nicht publicirt; eine aus- führlichere Arbeit wird aber demnächlt von mir in der «Zeitfchrift für Biologie» erfcheinen.

21) Literatm' über die Byffusfubftanz:

Lavini, Mem. d. r. Accad. d. sc. d. Torino 1835. T. 38. S. 111; Scharling, Ann. d. Chem. u. Pharm. Bd. 41. 1841. S. 48; B. Leuckart, Archiv f. Naturgefchichte.

73] Anmerkungen und J>iteraturnach\\eife. 257

1852. S. 25; Schloßberger, Ann. Chem. u. PJiarm., Bd. 98. 1856. S. 109—114 u. Chemie der Gewebe. 1856. S. 248—251; Krukenherg, Vgl. phyfiolog. Studien. II. Reihe. 1. Abth. 1882. S. 59—62.

2") Literatur über das Cor nein:

Valenciennes, Compt. rend. T. 41. 1855. p. 11; Frcmij, Ann. chim. et phys. 3. Ser. T. 43. 1855. p. 97; Krukenherg, Vgl. phyüol. Studien. I. Reihe. 5. Abtli.

1881. S. 2—16 u. Ber. d. d. chem. Gef. Bd. 17. 1884. S. 1843 1846.

2») G. V. Koch, Morphol. Jahrb. von Gegenbaui: Bd. 4. 1877. S. 269—278 u. Bd. IV. Suppl. 1877. S. 74—86.

2*) Literatur über das Fibroin und Sericin:

Miikler, Poggendorfs Ann. Bd. 37. S. 504, Bd. 39. S. 498 u. Bd. 40. S. 289; Hinterherger u. Waltenberger , Ber. d. AViener Acad. Bd. 11. 1853. S. 450; Staedeler, Ann. Chem. u. Pharm. Bd. 111. 1859. S. 12—28; A. Vogel jun., Chem. Centralbl. 1859. S. 527; Schloßberger, Ann. d. Chem. u. Pharm. Bd. HO. 1859. S. 245; E. Cramer, Unterf. d. Seide u. des thier. Schleims. Zürich 1863; Bolleg, Journ. f. prakt. Chem. Bd. 93. S. 347 u. Bd. 108. S. 364.

") Peligot, Compt. rend. T. 33. p. 490.

") Schloßberger, Chemie der Gewebe. 1856. I. S. 251.

") Literatur über die Hyalogene und Hyaline:

Sog. Hyalin der Echinococcusblafen: A. Lüche, Arch. f. ])ath. Anat. Bd. 19. 1860. S. 189 196; Hoppe-Segler, Handb. d. phyliol.- u. i)ath.-chem. Analyfe. 4. Aufl. Berlin. 1875. 8. 198; Krukenberg, Ueber die Hyaline. Würz- burg. 1883. S. 7. Ann. 3.

Hyalogene in der Holothurienhaut: C. Semper, Reifen im Archipel der Phihppinen. Theil 1. Bd. 1. Holothurien. Leipzig. 1868. S. 171-175. Krukenberg, Vgl. phyfiol. Studien. IL Reihe. 1. Abth. 1882. S. 35—48 uml Zeitfchr. f. Biologie. Bd. 20. 1884. S. 310.

Hyalogene in den Wohnröhren der Chätopoden: Krukenberg, Vgl. phyßol. Studien. L Reihe. 5. Abth. 1881. S. 28—30, II. Reihe. 1. Abth.

1882. S. 57—58 u. Ueber die Hyaline. Würzburg. 1883; O. Schmiedeberg, Mitth. a. d. zoolog. Station zu Neapel. Bd. 3. 1882. S. 373 392.

Achroodextrin aus Helix pomatia: Landwehr, Zeitfclir. f. pliyüol. Chem. Bd. 4. 1882. S. 74-77.

ChondroTtHäuro ans SiUigcthicrknorpcil: Vgl. meinen ausführlichen Auffatz in der Zeitfchr. f. Biologie. B.l. 20. 1884. S. 307—326.

Sog. Mucin, Met- u. Paralbumin: 0. Hammarßcn, Zeitfchr. f. phyüol. Chemie. Bd. 6. 1882. S. 194-226; Landuehr, ibid. S. 371— 383, Bd. «. 1881. S. 114—121 u. S. 122—128.

HyalinbilduMg in der Haut der Scliliingen: ,S'. de Luca, Compt. rend. T. 57. 1863. ],. 437—440; Krukenherg, Vgl. phyliol. Stiidicm. II. Hoilu-. 2. Abth. 1882. S. 92. L'eber die Hyaline. 1883. S. 18 u. 19.

258 Anmerkungen und Literaturnachweire. [74

Nach Cartier's ünterfuchungen (vgl. Semper, Die natüii. Exiftenzbedingungen der Thiere. Leipzig. 1880. Th. 1. S. 23 ff.) mrd der Häutungsproceß der Schlangen, ganz analog der Häutung bei dem Flußkrebfe nach M. Braun'» Angaben, durch eine im Innern der Epidermis fich bildende Lage von fehr feinen, ungleichmäßig vertheilten Härchen, welche durch ihre Starrheit und Stellung die alte, abzuwerfende Haut mechanifch abheben, eingeleitet. Es liegt indeß auf der Hand, daß diefe fog. Häutungshaare fich an der Häutung nur in zweiter Linie, erft wenn eine Erweichung der Verbindungsfchicht eingetreten ilt, bethätigen können, und daß der Bildung des fo leicht lös- lichen Hyalins bei dem Vorgange die Hauptrolle zufällt.

Meine ünterfuchungen des Chondrofins jenes, in kalter Natronlauge leicht löslichen Kückftandes, welchen Chondro sia reniformis nach Behand- lung mit verd. Salzfäure, Alkohol, Aether und andauernder Pepfineinwirkung hinterläßt, und der die Mülon'khe Reaction in fehr vollkommenem Grade zeigt find in extenso noch nicht publicirt.

28) Drechfel, a. a. 0., S. 587 u. 588.

29) Boppe-Seyler, Arch. f. d. gef. Phyfiologie. Bd. 14. 1877. S. 400; Ant. Schneider, Beitr. z. vgl. Anat. u. Entwicklungsgefchichte der Wirbelthiere. Berlin. 1879. S. 4; Krukenhercj, Zoolog. Anzeiger. 1881. S. 64—66; Hoppe-Setßer, ibid. S. 185—187; Kriikenberg , ibid. S. 263 264 u. Vgl. phyfiol. Studien. L Reihe. 5. Abth. 1881. S. 32—36.

^0) Literatm- über die Collagene und Glutine.

Leimgebende Stoffe bei Wirbellofen: Pasquier, Berzelius' Lehrbuch der Chemie. Bd. 4. Abth. 1. Dresden. 1831. S. 647; Valenciennes, Compt. rend. T. 19. 1844. p. 1146 1147; Hoppe- Seyler, Medic.-chem. ünterfuchungen. Heft 4. 1871. S. 586; Silger, Journ. f. prakt. Chem. Bd. 102. 1867. S. 418 424, Semper's Reifen etc., a. a. 0., S. 174—175 u. Arch. f. d. gef. Phyfiologie. Bd. 3. 1870. S. 166—171; Scliaefer, Ann. d. Chem. u. Pharm. Bd. 110. 1871. S- 330—383; Krukenberg, Vgl. phyfiol. Studien. I. Reihe. 5. Abth. S. 21—28 und n. Reihe. 1. Abth. S. 35—55. Vgl. auch in Betreff des Collagenvor- kommens bei Mollusken: J. Müller, Ann. d. Physik u. Chemie. Bd. 38. 1836. S. 318; J. C. Strahl, Müller's Archiv. 1848. S. 337—352; Schloßherger, Chemie der Gewebe. 1856. I. S. 13 14 und F. Forßer, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 14. 1877. S. 51—54.

Collagen und Glutin aus den Geweben von Vertebraten: Vgl. die bekannten chemifchen und chemifch-phyfiologifchen Handbücher, z. B. von Gmelin-Kraut, Schloßberger, Lehmann, Drechfel in Hennann's Handbuch, v. Goriip-Befanez und von Hoppe-Segler.

31) Collagen und Glutin verfchiedener Herkunft ergaben folgende procen- tifche Zufammenfetzung :

Anmerkungen und Literaturnachweife.

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18.47

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24.29

23.75

24.82

24.35

24.64

24.34

Die von Fremtj (Ann. de chim. et de phys. 3. Sör. T. 43. 1855. p. 59 u. (iO) in den Knochen gewilTer Waffervögel und den Gräten einiger Fifclie aufge- fundene Subftanz, welche fich vom Collagen durch ihre Reßllenz gegen kochendes "Waffer und gegen Säuren unterfcheidet, doch nach Fremy dem Collagen gleicli zufammengefetzt erfcheint, dürfte in den Fifchgräten wohl nichts anderes als Elaftoidin fein, welches fich fo fehr rein in den Hornfäden der Sclachier findet.

^'') V. Morochoicetz, \'erhandl. d. naturh.-medic. Ver. zu Heidelberg. 1877, Bd. 1. Heft 5.

'^) Krukenherg, Sitzungsb. d. Würzburger phylik.-medic. Gefellfch. 1884 und Zeitfchr. für Biologie. Bd. 20. 1884. S. 307—326.

3*) F. Hofmeißer, Zeitfchr. f. phyüol. Chemie. Bd. 2. 1878. S. 299-323.

35) Literatur über die Keratine: Ewald u. Kühne, a. a. ü. (Neurokeratin) ; Hammaräen u. V. LinclicaU, .lahresl). über d. Fortfchr. der Thierchemie. Bd. 11 über das Jahr 1881. S. 38—39 (Schalenhaut des Hühnereies); Krukenberg, Vgl. phyüol. Studien. II. Reihe. I. Abth. S. 62—70 u. 2. Abth. S. 89—92 (Selachier- eierfchalen); eine ausführlichere L'nterfuchung der Eierhüllen von Scyllium catulus werde ich demnächft in den Mitth. a. d. zoolog. Station zu Neapel mittheilen. Im Uebrigen vergl. die In^kannten cheniifdien u. pliyliolcjg.- chemifchen Handbücher, vor allem Schloßherger.

ä»; iJrechfel, a. a. O., S. 601.

") Vgl. den clalTifchen Abfchnitt über die Hornftoffi; in Knhne'H Lelirbucli der phyfiolog. Chemie. Leipzig. 1808. S. 424—426.

*"; Vgl, die Mittlieiiur)gen über das Schalenkeratin von Kaja quadri- macuiata {S. L. Schenk, Sitzungsb. d. Wiener Acad. Math.-nat. Cl. IM. 68. Abth. 1. 1874. S. 305) und von Scyllium catulus, welche ich demnilcldt a. u. O. venilfentlirhen werde; ferner vgl. mit einander di(! von Kühne (Lehrbiu-h etc. H. 652j. llammarüen (a. a. O.) und mir (Vgl. phyllol. Stu<lien. IL Heilie. 1. Abth. K. 66 70; gemachten Angalien über das N'erhalten <les ScrlialenlunitinH der Höhnereier.

260 Anmerkungen und Literaturnachweife. [76

•''9) Literatur über die Elaftine:

Echte Elaltine (mit einem KohlenllofFgehalte über 54 ''/'o): Mulder, Verf. einer allg. phyL Chemie. Bd. 2. S. 592; W. Müller, Zeitfchr. f. rat. Medic. 3. Eeihe. Bd. 10. Heft 2; Erlenmeyer u. Schaff er, Jom-n. f. prakt. Chem. Bd. 80. S. 357; Horhaczeioski , Zeitfchr. f. phyfiol. Chem. Bd. 6. 1882. S. 330. Die Schalenhaut des Kingelnattereies behandeln: Tli. Eimer, Tagebl. der 44. Verf. d. Naturf. u. Aerzte in Roftock. 1871. S. 55—57 u. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 8. 1872. S. 216—243; Hilger, Ber. d. d. chem. Gef. Bd. 6, 1873. S. 165 166; Krukenberg, Vgl. - phyfiol. Studien, IL Eeihe. 2. Abth. 1882. S. 89—92.

Elaftoidine (mit einem Kohlenlloffgehalte unter 50<'/o): Die Literatur über die fog. Hornfäden der Selachier ifl von v. la Valette St. George (Arch. f. mikr. Anat. Bd. 17. 1880. S, 187 193) zufammengeflellt ; cf. auch M. V. Davidoff, Morphol. Jahrb. Bd. 5. 1879. S. 458 Anm. 1. Ueber meine Unter fuchungen der Hornfäden von Mustelus werde ich demnächlt ausführlicher in den Mitth. a. d. zoologifchen Station zu Neapel berichten. *o) Ausführlichere Mittheilungen meiner Unterfuchungen über die Pennatu- Jidenachfen liegen noch nicht vor.

*^) H. VircJioiv, Beitr. z. vergl. Phyfiologie des Auges. Berlin. 1882. *2) Literatur über die Gallerte der Medufen:

B. Vircliow, Arch. f. path. Anat. Bd. 7. 1854. S. 558 562; M. Schnitze,

Müller'^ Archiv. 1856. S. 311 320; Kruhenberg, Vergl. phyfiol. Studien,

I. Eeihe. 2. Abth, 1880. S. 85 ff., IL Eeihe 1. Abth. 1882. S. 23 34 und

Zoolog. Anzeiger. 1880. S. 306; G. Möbius, ibid. 1880. S. 67 und 1882. S. 586.

*3) Cf. Krukenberg, Vgl. phyfiol. Studien. IL Eeihe. 1. Abth. S. 23—34.

") Hoppe-Seyler, Arch. f, d. gef. Phyfiol. Bd. 14. 1877. S. 400 und Phyfio-

logifche Chemie. Berlin. 1877. S. 93.

45) S. Stenberg, Arch. f. Anat. u. Phyfiol. 1881. Anat. Abth. S. 105—108.

*«) Krukenberg, Vergl. phyfiol. Studien. IL Eeihe. 1. Abth. S. 69 u. 70.

*'') Kühne, Lehrb. d. phyfiol. Chemie. 1868. S. 552 u. 553.

*^) Um vollltändig zu fein, darf ich nicht unerwähnt lalTen, daß die von

M. Scliiütze (Das Protoplasma der Rhizopoden und der Pflanzenzellen. Leipzig.

1863. S. 29—36) in den Pfeudopodien von Actinosphaerium entdeckten

ftarren Achfenfäden, welche die Scheinfüßchen ihrer Länge nach durchfetzend,

fich durch die ganze Eindenfubflianz erltrecken und endlich mit einer feinen

Spitze zwifchen den peripherifchen Vacuolen der Markfubftanz endigen, nach

Greef (Sitzungsb. d. niederrh. Gef. in Bonn. 1871. S. 5) aus organifcher Sub-

flanz beliehen. Nach K Brandt (Sitzungsb, d. Gef naturf. Freunde in Berlin.

15. Oct 1878 u. Monatsber. d. k. Ac. d. Wiff. in Berlin. 1881. S. 388 404)

können junge Stacheln mit einander verfchmelzen, auch in der Grundfubftanz

des Thieres vollkommen aufgelöJft werden und belleheu in der erllen Zeit, da

77] Anmerkungen und Literaturnachweife. 261

lie fich in 10 12o;oiger Kochfalzlöfung auflöfen, aus «reinem N'itellin», dem fich fpäter noch eine andere organifche Materie hinzugefeilt, über die jedoch Brandt nichts mittheilt. Dasfelbe Löslichkeitsverhältniß zeigt auch die von Haeckelals «Acanthin» bezeichnete organifche Subftanz der Acanthometriden- und Spongosphaera-Stacheln, deren Zerftörung beim Glühen und rafche Auf- löfung durch kauftifche Alkalien und conc. Mineralüiuren bereits von Haeckel, deren langfame Löslichkeit in reberosmium- und Efligräure von Hertwüj'H feft- geßellt war. Näheres wurde über das Acanthin von Brandt nicht ermittelt, und es bedarf fomit noch weiterer Unterfuchungen, bevor fich entfcheiden lalTen wii'd, ob dasfelbe thatfächlich ein Albuminkörper, fpeciell ein Globulin refp. ein Nucleoalbumin ift.

") Cf. C. K. Hoffmann, Niederl. Arch. f. Zool. Bd. 2. 1874 75. S. 2 und Krukenberg, Vgl. phyfiol. Studien. I. Reihe. 5. Abth. Ö. 31.

*o) Schmiedeberg, a. a. O., S. 387 u. 389..

Den Wohnröhren von Onuphis tubicola kommt nach Schmiedeherg's. Analyfen folgende Zufammenfetzung zu:

HjO 23.04

Onuphin 38.53

Albuminoid .... 3.84

P2O5 . 19.78

MgO 8.65

CaO 4.32

K2O 0.82

Na20 0.23

SiOj + Verluft . . . 0.79

100.00''/o

") Krukenherg, Ueber die Hyaline. Würzburg. 1883.

") A. Lücke, Arch. f. path. Anat. Bd. 19. 1860. S. 189 190.

*») Kühne, Lehrbuch etc. S. 390.

") H. Meckel, Mikrogeologie, herausgeg. von Billroth. Berlin. 1850.

") Siehe Tabello auf S. 262.

*•) Nach f'infr, in Salkoirski'H Laboratorium ausgeführten Unterfuchung {Seemann, Anh. f. path. Anat. Bd. 77. S. 299) nimmt nUmlich das Kulium- [»hoHiihat dor Nahrung das Chlor des Blutplasma in Bcfülilag und di(r dadurch (;ntiU:]\cn<\(; Mangel an Cliloridcn hat eine mangelhafte Bildung von Salzfiluro im Magen zur Folge und macht auf «liefe Weife indirect di(f LöCiing und Ii<;forption der Kalkfalze uniiKiglich.

") JJeiß, Zeitfchr. f. Biologi«;. IM. 12. 1870. S. 151-109.

'■") Hoppe-Segler, Phyfiologifche f.'hemic. 1877. S. lOJ.

262

Anmerkungen und Literaturnachweife.

[78

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Anmerkungen und Literaturnachweife.

263

°®) Wichtigere Literatur über die Zufammenfetzung der Knochenerde:

J. Berzelim, Lehr]), d. Chemie. Dresden. 183L Bd. 2. S. 622, Bd. 4. Abth. 1.

S. 444; Heintz, Ann. d. Phyfik u. Chemie. Bd. 77. S. 267; v. liecUinghaHfen,

Arch. f. path. Anat. Bd. 14. 1858. S. 466; Wildt, Diss. inaug. fac. philos.

Leipzig. 1872; Hoppe-Seyler, Phyfiologifche Chemie. 1877. S. 99 108; Aehy,

Journ. f. prakt. Chemie. 2. Reihe. Bd. 5. S. 308 u. Bd. 6. S. 169; ferner

Ber. d. d. ehem. Gefellfch. Bd. 7. S. 555, Bd. 9. S. 469 u. Bd. 10. S. 408.

ß") Die Analyfen des fog. Chondrogens und des fog. Chondrins ergaben

beiftehende Procentziffern :

Rippen- ! Rippen- knorpel vom j knorpel des !Menfch I Karpfen (Scherer) I fc. Bihra)

Cornea (Sclierer)

Knorpelleim (Muläer)

Kohlenftotr 50.9

WalTerftoff 1 6.9

Stickftoff 14.9

Sauerftoff + Schwefel 27.2

50.3

7.2

18.4

24.0

49.5

7.1

14.4

28.9

49.9

6.6

14.5

29.0

In 100 Theilen frifch er Knorpel eines Haies (Scymnus bo real is) fanden l'eterftn und Soxhlet (Journ. f. prakt. Chemie. 2. Reihe. Bd. 7. S. 179) 25,8o/o Trockenfubftanz und 68,89«/o Afche. Letztere beftand aus 94,24o/o NaCl, 0,79''/o Ka^O, 1,640/0 K/J, 0,400/o CaO, 0,05o;o MgO, 0,27o/o Fe^Os, l,03o/u PA und LSSo/oSOj. Die organifche Subftanz des Knorpels enthielt 15,4»/o Stickftoflf.

8>) Von den Panzern verfchiedener Krebfe finden lieh folgende, ältere Analyfen (cf. Schloßheryer, Chemie der Gewebe. 1856. I. S. 218 u. 219) vor:

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00.00 12.00 28.00

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46.73

02.80

6.00

28.60

68.50 14.68 16.50

19.50 17.66

62.84

6») Analyfen von den Polyp(;nltöckcn der Itindencoralion ((Jorgoninae) liegen nur wenige vor. Am Genaueften dürfte die von G. v. Koch (Morph. Jahrli. Bd. 4. 8. 118) mitgetheilte und von Schridde auHgcfOhrte Analyfo der Kalkgliedcr von IhIh X cji polilan a fein.

264

Anmerkungen und Literaturnachweife.

[80

Isis Neapo- litana

(Schridde)

Corallium rubrum

{Vogel, Ann.

de chimie. T. 89

p. 113)

{Witting, Ann. der

Chem. und Pharm.

Bd. I. S. 113)

C02

42.36

COsCa

85.5

83.25

CaO

49.57

COaMg

6.5

3.50

MgO

7.98

Fe203

1.0

4.25

SiOa

0.09

Gyps + ClNa

0.5

Organifche Ma- terie

unwägbar

Organifche Sub- flanz

WalTer

1.0

6.0

7.75 (incl. Sand etc.)

Der Procentgehalt an Afche ift bei den kalkreichen Achfen einiger Pennatu- liden nach Fremy (Ann. de chim. et de phys. 3. Ser. T. 43. 1855. p. 98) der Folgende:

Pennatula spinosa .... 40.0*>/o

P. grisea 31.2o/o

P. phosphorea 45.2''/o

(andere Form) 48.0*^/o

VoUftändigere Analyfen zweier Pennatulidenfpecies ergaben Fremy (ibid.) beiftehende Werthe:

I.

IL

Calciumphosphat

23.70

16.00

Calciumcarbonat

44.26

53.57

In Säuren unlösliche organifche Subftanzen

16.40

11.10

In Säuren lösliche organifche Subllanzen

15.64

19.33

8^) Baspail u. Prevoß, Bronn's Klaffen und Ordnungen des Thierreichs. Bd. 3. Abth. 1. 1862. S. 410.

6*) Siehe Tabelle auf S. 265.

65) Ygi_ KruTienberg , Unterf. a. d. phyüol. Inft. der Univ. Heidelberg, Bd. 2. 1878. S. 287—289.

66) Vgl. Naturforfcher von W. SUarek. IL Jahrg. 1869. S. 47; Induftrie- blätter. 10. Jahrg. 1873. S. 388, 399, 408 u. 416 fowie die bekannten neueren Handbücher der Chemie,

«') Siehe Tabelle auf S. 266.

68) Vgl. die abweichenden Anfchauungen von Fei. Müller, Zool. Anzeiger. 8, Jahrg. 1885. S. 70—75,

69) G. Schmidt, Zur vgL Phyüologie etc, S. 56. '0) B. Meckel, Wlüller's Archiv. 1846. S. 17.

81]

Anmerkungen und Literaturnachweife.

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0, ti2i

Krukenberg, Vergl.-phyflol. Vortrüge.

266

Anmerkungen und Literaturnachweire.

[82

") Beftimmungen des Kiefelfäuregelialtes der Federn von

V. Gorup-JBesane^

(Ann. d. Chem. u. Pharm. Bd. 66. S. 321).

A. Einfluß der Nahrung auf den Kiefelerdegehalt der Federn.

Nahrung

T h

Species

In 100 Thln. Subllanz

Afche

Kiefel- erde

In 100 Th.

Afche Kiefelerde

O

Haushahn

Truthahn

Saatkrähe

Taube

Gans

Rebhuhn

Mittel . .

Sturmmöve

Nachtrabe

Fifchreiher

Weißer Reiher .... Kropfgans ......

Albatros

Eisvogel

Mittel .• .

Schleiereule

Waldkauz

MäufebuHard

Rauhfüßiger Falke . .

Sperber

Nebelkrähe (mit Fleifch gefüttert) .... Mittel . .

7.43 6.79 4.83 2.37 3.83 3.79 4.84

3.71 1.69 1.95 0.59 1.47 2.47 1.98

50 25 38 25 38 65 40

^ s

CD 03

Qu

2 a tj fit

1.25

2.04 2.06 1.07 5.45 2.43 0.99 2.41

0.29 0.28 0.19 0.53 0.25 0.09 0.23

14

13

18

9

10 10 10.5

2.92 1.41 2.19 2.14

2.70

1.62 2.16

1.35 0.39 0.51 0.61

0.87

0.11 0.64

46

27 23

28 32

7 27

B. Einfluß des Alters auf den Kiefelerdegehalt der Federn.

T h i e r e

In 100 Thln. Subflanz

In 100 Th.

Afche Kiefelerde

Afche

Kiefel- erde

Picus viridis Altes Thier

» » Junges Thier

Corvus pica Altes Thier

» » Junges Thier

Columba dorn. Altes Thier

» » Junges Thier

2.19 1.65

3.78 2.30 2.37 0.86

0.62 0.32 1.51 0.74 0.59

28 19 40 32 25

83]

Anmerkungen und Literaturnachweife.

267

^1) Literatur über die Verkalkung der Molluskengehäufe : Beaumur, Hiftoire de l'acad. r. des scienc.Annee 1709. Paria nil.Memoires. p. 364 400 u. Annee 1716. Paris 1718. Mem. p. 303 311; Herissant, ibid. Annee lT66. Paris 1776. M6m. p. 508—540. Home, Philos. Traneact. 1806. p. 276; Comte de Bournon, Traite eomplet de la chaux carbo- natee et de laragonite. Vol. I. London. 1808. p. 310 338; H. de la BecJie, Eesearches ou theoretical geology. London. 1834. p. 75 ff. L. Ä. Necker, Ann. d. scienc. nat. 2. Ser. Zoologie. T. 11. 1839. p. 52—55; Bifchoff) Lehrb. d. cbeni. Geologie. Bd. 2. S. 1136; L. v.Buch, Abhandl. der Berliner Academie. Jahrg. 1828. (1831). S. 47; /. Noeggerath, Archiv f. Naturg. Bd. 15. 1849. I. S. 209 224; F. LeijdoH, Sitzb. d. math.-nat. Klaffe d. k. Acad. d. Wiff. zu Wien. Bd. 19. 1856. S. 10—32; G. Bofe, Abhandl. d. k. Acad. d. Wiff. in Berlin. Jahrg. 1858. (Berlin 1859.) S. 63—111.

'*) Keferßein, Bronn's Klaffen und Ordnungen des Thierreichs. Bd. 3. Abth. 2. 1866. S. 909.

") C. Schmidt, a. a. 0.

") Die ausgedehnteften Analyfen der Mineralbeltandtheile riffebauender Corallen und von Silliman ausgeführt, der diefelben in Dana's mnfangreichem Werke über die Zoophyten (Auszug im Americ. Journ, for scienc. sec. Ser. I. p. 189—199) bekannt machte. Derfelbe fand:

COjCa

Fluoride

und Phosphate

O 73

Porites favosa (Sandwichsinfeln)

95.84

2.05

2.11

P. limosa (aus Feejees)

94.41

0.90

4.68

P. cylindrica (dto.)

94.80

0.95

4.24

P. fragosa (dto.)

93.87

1.56

4.56

Madrepora palmata (Weftindien)

94.81

0.74

4.44

M. spirifera (Ceylon)

92.85

0.60

6.58

M. prolifera (Bermudasinfeln)

95.08

0.30

4.61

M. plantaginea (Ceylon)

94.88

0.71

4.40

Pocillopora damicornis (Saoloo)

94.65

0.55

4.79

P. elongata (Ceylon)

93.16

1.90

4.50

P. grandis (Feejees)

95.00

1.45

3.54

P. ligulata (Sandwichsinfeln)

93.84

0.55

5.60

P. caespitosa (dto.)

94.58

1.05

4.39

Mille pora tortuosa (Feejees)

94.22

1.20

4.57

Heliojiora coerulea (Oftindion)

95.54

1.00

8.45

Gemmipora brassica (Feejees)

92.75

1.50

5.75

Maeandrina phrygia (Ceylon)

93.56

0.91

6.54

AHtraea Orion (Feejees)

96.47

0.80

2.78

19»

268

Anmerkungen und Literaturnachweife.

[84

Als Phosphate und Fluoride find hier diejenigen Materien aufgeführt, welche aus der fauren Löfung durch KalkwalTer gefällt wurden. Bei einigen Arten, die Silliman in zahlreichen Exemplaren zur Verfügung hatte, konnte er diefe Fällungen näher unterfuchen. Sie beftanden aus:

"= 03 <o "

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O o3

-51

d P.

Madr. plant.

Pocill. Hg.

Maeandr. phryg.

Astrae a Orion

Kiefelfäure

22.00

12.25

13.50

10.32

23.74

5.35

11.0

30.01

Calciumoxyd

13.03

7.50

10.40

15.57

35.01

7.17

25.9

17.45

Magnefiumoxyd

7.66

4.20

1.63

38.49

1.25

0.49

0.8

24.57

Calciumfluorid

7.83

26.34

34.85

7.50

8.88

4.05

15.0

0.85

Magnefiumfluorid

12.48

26.62

19.06

2.62

20.44

4.25

23.2

4.31

Magnefimnphosphat

2.70

. 8.00

5.87

0.25

3.46

16.30

4.7

0.32

Albuminiumoxyd

16.00

14.84

14.69

25.25

7.12

35.00

19.4

22.49

Eifenoxyd

18.80

27.39

Die Afche des Skelets von Stylophora digitata befltzt nach Schridde (cf. G. V. Koch, Jenaifche Zeitfchr. Bd. 11. 1877. S. 376) folgende procentifche Zufammenfetzung :

CaO Fe

53,7

41.7

3.8

0.6

Mg 0.005

Rückfland .... 0.003 Verlult 0.012

100,00

75) HeJTel, Einfluß des organifohen Körpers auf den unorganifchen. Marburg. 1826.

76) Haidinger, Verhandl. d. böhm. GefeUfch. d. Wifl". Prag. 1841. S. 6 u. 7. ") Eine Analyfe der Schale des Echinus lividus durch Brunner

(0. Schmidt, Zoologie. 1854. S. 66) ergab:

COgCa 86.81

COaMg 0.84

SO^Ca 1.38

Andere Salze + Verlult .... 1.14 Organifche Stofl"e ....... 9.83

100.00 '8) Keferßein, a. a. 0. Bd. 3, Abth. 1. 1862. S. 411.

85]

Anmerkungen und Literaturnaclnveife.

269

''') EoHSsin, Journ. de pharm, et de chimie. T. 43. p. 102. *") Damour's Analyfen (Compt. rend. T. 31. p. 253 255) von NuUiporen, Milleporen und verwandten Formen ergaben folgende Prooentzahlen:

Mlllepora cervi- cornis (Canal)

Litho-

phyllum

(Mittelmeer)

Melobesia (Algier)

Amphiroa

tribulus (Antillen)

Halimeda

opuntia

(Rolhes

Meer)

Galax-

aura

fragilis

(Antillen)

COjCa

87.32

77.36

72.78

70.84

86.17

72.56

COjMg

8.51

11.32

12.32

16.99

0.56

0.86

XaaO

0.45

0.55

1.75

0.89

1.13

0.73

K.,0

0.34

0.27

0.65

0.39

0.54

1.02

FegOs

0.55

0.08

0.20

SO3

0.89

0.95

1.25

0.93

Spuren

Spuren

P2O,

0.23

0.32

0.38

0.27

Spuren

Spuren

CI,

Spuren

0.60

0.34

0.53

0.84

1.17

SO^Ca

0.20

0.55

1.80

(Jrgan. Subftanz

0.35

4.70

3.95

6.40

8.30

17.50

Feuchtigkeit

0.64

1.46

1.40

1.38

0.90

0.95

SiOj

2.20

Sand

0.63

1.36

4.28

Das Korallenmoos (Corallina officinalis) fand Boiicier (Anat. der Tange. 1843. 8. 8) folgendermaßen zufammengefetzt:

COgCa 61.6

COjMg 7.4

(POJaCaa 0.3

S04Ca3 1.9

2(ClNa) 1.9

Fe^Oa 0.2

Gallerte O.ß

Eiweiß 6.4

"') //. l'otonie, Das Skelet der Pflanzen. Samml. wiHVnfch. Vortrüge von R. Virdww und F. v. HoUzendorf. Heft 382. Berlin. 1882.

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V.

GErNDZÜUE

EIXER

YERGLEICHEXDEX THYSIOLOGIE

DER

CONTEACTILEN GEWEBE.

rAI'.I. WINTKK'H IJNIVER.SITÄTHBUC'HnANDLUN(i IN IIKIDKIJJEKG.

Kriilunlifnj, V(:rKl.-l'''>''''''- VortrÜK''.

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Ilkil'

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V.

GRÜNDZÜGE

EINER

VERGLEICHENDEN PHY80L0GIE

DEE

CONTEACTILEN GEWEffi.

lii

CARL WINTER" S UNTVERSIT

5<rj7, Vcrgl.-jiliyliol, Vmtr«'

J

Alle Rechte vorbehalten.

>

Grundztige einer yergleicliendeu Physiologie der contractilen Gewebe.

Kehl zweites thierifches Gewebe würde ich namhaft zu machen wilTen, welches bei einer nacli jeder Richtung hin zu- treffenden Definition eine fo vielfeitige und lohnende Vergleichung geftattet, wie das Muskelgewebe. Als das einzige faferig ftruirtv Gewebe, welches unter Nerveneinfluß ßeht und fich in der Rich- tung der Faferung durch innere Kräfte vorübergehend verkürzt, erfüllt das Muskelgewebe in der Thierreihe überall die nämliche Function, aber fein chemifcher \vie hiftiologifcher Bau und das Maaß feiner Leillungsfähigkeit bieten uns die denkbarften Verfchiedenheiten dar. Bald bauen fich die einzelneu Fafern aus einer großen Anzahl ungleichwerthiger Stücke, von ifotropen und anifotropen, mehr oder weniger dicken Querfcheiben auf, l)al<l machen fie in ihrer ganzen Länge einen vollkoiiinien einheitfichen Eindruck; bald finden wir fie überladen mit gewill'en, Icidit nnch- weisbaren ►Stoffwechfelproducten, bald werden die conftanteften Producte der Muskelthätigkeit aus dem Gewebe fo fchnell entfernt, daß es maningfacher Anftrengungen ])edurfte, diefeJben als Iblche überhaupt nur zu erkennen; bald ifi das ausgiebigfie Contractili- tätsvemiögen an die Integrität des Muskelgewebes fo eng grbun den, daß der ausgefchnittene Muskel feine i.liyliologifchcBcfiinimung kaum noch errathen läßt, und l);dd lelirt «ler phyfi(tl<»gifclH- Vcr fucl), daß trotz einer annäherndeji WaJjnnig des clieiiiifclien Ge- fiige.s nur in Folge ehier niciit leicht zu überfehendcn rnilngerung

plasma.

274 Grundzüge einer vergleichenden [4

der hifliologifchen Elemente das urfprünglich als Muskelzelle an- gelegte Gebilde auf Reize nicht mehr zuckt, fondern ftatt deffen elektrifche Schläge entfendet. Es liegt auf der Hand, daß bei einem derartigen Gewebe, deffen charakteriftifche Function fo gewaltigen quantitativen Schwankungen unterworfen ift, deffen chemifche Beftandtheile fo wechfelvolle find, und deffen hiftiologifcher Bau vom Unkenntlichen bis zum fein Differenzirten ßch fteigert, alle forfchenden Augen darauf gerichtet waren, den Beziehungen nach- zufpüren, welche zwifchen Function, chemifchem, phyßkalifchem und hiltiologifchem Verhalten in einer oder der anderen Weife nothwendig beftehen muffen, formverän^ Die Function des Muskelgewebes, wie es mit feinen Scheiden, Proto-^^ Nerven, Gefäßen und in der Art feiner Anordnung als Organ, als Muskel, uns entgegentritt, fachen wir in dem Vermögen, Verkür- zungen auszuführen und fo auseinander liegende Körperftellen einander zu nähern. Aber felbft dann, wenn wir die Contractionen unter Nerveneinfluß ftellen, bleibt, entgegen der Anfchauung von Hermann^), die Contractilität ^) kein Specificum des Muskels; denn es giebt auch eine große Reihe protoplasmatifcher Gebilde, fo z. B. die Chromatoblaften in der Haut der Pleuronectiden^), welche mit Nerven verbunden find. Soll ein Cönnex zwifchen Function, che- mifchem, phyiikalifchem und hiftiologifchem Verhalten aufgefucht werden, fo haben wir neben den Muskeln auch die Organe zu be- rückfichtigen, welche nervenlos, in ihrem feineren Gefüge gewöhn- lich nicht faferig angeordnet find und an denen deshalb auch die Contractionswellen in weniger fixirten Bahnen als an den Muskeln verlaufen. Wir fetzen den Muskeln fomit das innervirte und das fog. felbftcontractile , d. h. das wegen feiner Nervenlofigkeit nur direct zur Contraction zu bringende Protoplasma entgegen, und könnten als befondere Formen des felbftcontractilen . Protoplasmas auch noch die den Muskelfafern durch die ftructurell vorgefchrie- benen Contraction sbahnen fehr nahetretenden fog. « contractilen

i

6] Phyfiologie der oontractilen Gewebe. 275

Fafem», welche ßch bei Spongien und ^'orticellen finden, fowie die oontractilen Antlieile der Flimmerzcllen unterfcheiden. Der allgemeiufte Unterfchied in der Bewegung der Flimmern und der der Muskelfafern befteht nach Engelniann^) darin, daß die Form- veränderung im erften Falle nicht auf allen Punkten deslelben Querfchnittes gleichzeitig und gleich ftark, alfo nicht lyniinctrifch in Bezug auf jede durch die Längsaxe des Organes gelegte Ebene, fondern afymmetrifch ftattfindet: es erfolgt nicht eine geradlinige Verkürzung bezüglich Streckung, fondern eine Seitwärtskrümmung des Organs. Ob diefes Unterfcheidungsmerkmal ein dm-chfchlagen- des ift, fleht meines Erachtens aber felir dahm, und einen triftigen Grund für die Behauptung, daß die contractilen Theilchen der Flimmerzellen nicht automatifch reizbar und, hat uns Emjdmann noch nicht geliefert. Die Fortpflanzung des Reizes wird bei den Fümmerorganen in analoger Weife erfolgen wie bei den Blättern der Sinnpflanzen, alfo auf fporadifchen und partiellen Turgescenz- erfcheinungen in den Zellkörpern felbft beruhen. Wenn nun al)er Engelmann'^) äußert, die mit den Contractilitätserfcheinungcn ein- hergehenden Quellungen an den Flimmerorganen wie an den doppeltbrechenden Querfcheibcn der Muskelfafcrn auf eine einfache Wallerimbibitiun «unzweifelhaft leblofer Körper (z. B. getrockneter oder in abfolutem Alkohol erhärteter Bindegewebsfibrillen)» zurück- gefülirt zu halben, fo möchte ich von ihm doch auch die Frage gelöfl fehen, warum das Walfer die doi)peltljrechende contractile Subftanz fo rafch wieder verläßt und der Contraction eine Er- fchlaffung auf dem Fuße nac])folgen kann. So roh und plump, wie lieh Enfjdinann die Contractionen vorftcllt, verhalten (ich diefe vitalen Vorgänge jedenfalls nicht, und es geflatten dirfclbfn uui- anzunelimen, daß, wie es Theilc giebt, (he (z. B. <ii"' «Jallcitr der Medufen) nur folange lie lc})en, mit colodalcn W'aM.Tinallcn im prägniil bleiben, und andere (Frofcheileiter), die intni vitain j(<le mächtigere Wafleraufnahmc verweigern, gleich nach dem To(h' aber

276 ' Grundzüge einer vergleichenden [6

die melir als liundertfaclie AValTermenge auffaugen*^), auch in den contractilen Geweben folclie exifliren, bei denen die WalTerauf- nahme und die WalTerabgabe entfprechend den vitalen Reizzuflän- den wechfeln. Auch für die Behauptung Engehnann's ''), daß einige Flimmerzellen unter directem NerveneinfluITe liehen, fehlt jeder experimentelle Nachweis. Speciell für die Schwingplättchen von Beroe habe ich^) gezeigt, daß die Nervenreize nicht die auto- matifch immer thätigen Flimmern treffen und deren Bewegungen direct fiftiren, fondern dem Flimmerfchlage nur dadurch Einhalt gebieten, daß lie die Radialmuskeln zur Contraction bringen und daß erJft in Folge delfen die Schwingplättchen wie durch Sperr- leiften feftgeftellt und fo indirect unbeweghch gemacht werden.

Abgefehen von der Zuleitung der regulirenden Impulfe und der Anordnung ihrer contractilen Elemente, lind die aufgezählten fog. felbftcontractilen Protoplasmaformen nicht näher zu präcifiren und auseinanderzuhalten, ja es gelingt felbft nicht, contractiles und nicht contractiles Protoplasma durch irgend ein chemifches Merk- mal zu unterfcheiden, und es entfpricht daher dem gegenwärtigen Stande der WilTenfchaft , wenn wir diefelben einfach unter der Bezeichnung «formveränderliches Protoplasma» den Muskeln gegenüber ftellen. . -

Durch die in den fiebenziger Jahren viel Auffehen erregende Arbeit Klemenhergs über Hydra fehlen üch der Begriff des Mus- kels noch anderweitig zu verwifchen. Es verlohnt lieh gewiß der Mühe, auf die Kleinenherg' Mien Anfchauungen hier etwas näher einzugehen, da diefelben jetzt auch unter den fog. Specialphyfio- logen ihre Verehrer gefunden haben und in kaum einem neueren Lehrbuche der fog. menfchhchen Phyßologie mit Stillfchweigen übergangen lind; die Biologen willen zwar fchon feit einem halben Decennium, daß von dem viel bewunderten Gebäude der fog. Neuromuskeltheorie^) auch nicht zwei Steine aufeinander ge- blieben lind.

7J Phyfiologie der contractilen Gewebe. 277

KMnenhcrg ^nes nach, daß bei Hydra die ^Miiskellamelle aus Neuro-

miiskel-

Zellenforträtzen belteht, die mit den großen Zellkörpern des Ecto- th«>orie derms im üändigen Zufammenhauge bleiben. Reizverfuche, aller- dings fehr primitiver Art und bei welchen Täufchungen keines- wegs ausgefchloITen waren, zeigten ihm, daß die Fortfätze allein contractu find, tue dazu gehörigen Zellkörper dagegen üch bei den Bewegungen nur pafliv verhalten. Klcinenhery hält es für unbe- rechtigt, ein fo befchaffenes Gewebe morphologifch einem der be- kannten Gewebe anderer Thiere gleich zu fetzen oder ihm phyfio- logifch nur eine Function zuzuerkennen, vielmehr erblickt er in ihm den niedrigften Entwäcklungszuftand des ganzen «Nerven- muskelfyftems, in welchem eine anatomifche Sonderung der beiden Sylteme in der Weife, wie fie bei allen höheren Thieren vorkommt, noch nicht Itattgefunden hat ». Jede einzelne Zelle ift nach Kleinen- berg's Theorie die Trägerin einer doppelten Function, indem die Theile derfelben, die als lange Fortfätze in der Mitte der Körper- wandung verlaufen, contractu find und als Muskel functioniren, während der Zellköiper, von dem fie ausgehen und der in un- mittelbarer Berührung mit dem umgebenden Medium fteht, Reize leitet und durch Uebertragung derfelben auf die Fortfätze Con- tractionen an (liefen auslöft, d, h. als motorifcher Nerv wirkt. Eine fo Ijefchaffene Zelle wird daher als Neuromuskelzelle be- zeichnet.

(xeyenhuur und llucckd vcrlüchten diele Theorie Aveiter auszu- bilden, und fahen in den Neuromuskelzellcn «die erften Anfänge der in höher differenzirten Zuftänden in dem Zufammenhaug von (ianglicnzelle, Nerven- und Muskelfafer ausgefprochenen Einricli- tung.» «Wenn wir annehmen», äußerte (icgcnlxuir, «daß die bei Hydra nur als Fortfätze von Zellen erfcheinenden Fafeni allmählig einen Kern eriialten, indem das Theilungsproduct des Kernes der Zelle auf die Fafer gelangt, daß ferner di(! Kctddciinzclle iiirlit mehr fo unmittelbar, fondeni (hirch einen gdnnderten F(»rtfatz

278 Grundzüge einer vergleichenden [8

mit der fomit gleichfalls felbflftändiger gewordenen Fafer fich ver- bindet, fo ilt damit ein Uebergang zu jenem differenzirteren Zu- ftande gegeben; Nerven wie Muskeln erfcheinen von diefem Geßchts- punkte aus als die Producte der Sonderung einer und derfelben Gewebsfchicht des Ectoderms. Damit wird zugleich ein phyliolo- gifches Poftulat erfüllt; denn es ilt völlig undenkbar (?), daß Nerv oder Muskel in ihren Elementen einmal von einander gefondert beftanden, und daß der die Functionen beider beftimmende Zu- fammenhang das Ergebniß einer fpäteren Verbindung fei.»

Zwar ohne die Entftehung der von ihm beobachteten Theile aus einer Zelle nachzuweifen, fchrieb £d. van Beneden dem Neuro- muskelfyfteme bei Hydra ctinia eine höhere Ausbildung zu. Einer Stützlamelle liegen hier Muskeif afern auf, deren jede von einer dünnen Protoplasmalage mit Kern bedeckt ifl. Ein Protoplasma- faden, ein wahrer motorifcher Nerv, ftellt die Verbindung mit einer Ectodermzelle her, welche phyßologifch gleichzeitig die Stelle einer Sinnes- und Ganglienzelle vertritt. Die Neuromuskelzelle von Hydra foll lieh daher bei Hydra ctinia in eine neuroepitheliale Zelle, in eine Nervenfafer und eine Muskelzelle gefondert haben.

Eine noch weiter gehende Differenzirung des Neuromuskel- fyftems foUte nach Eimer bei Beroe und felbft bei allen Acephalen, wahrfcheinüch überhaupt bei den Cölenteraten vorliegen. Eimers Angaben zur Folge findet lieh bei den Rippenquallen unter einem einfcliichtigen Plattenepithel als äußerfte Lage einer muskelfreien Gallertf chicht, welche von dem die Muskelfafern enthaltenden Theile der Gallerte überall fcharf abgegrenzt ift, eine derbe, dünne homogene Membran. Das Epithel wird der Epidermis, die Mem- bran und die muskelfreie Gallertfchicht werden der Cutis der höheren Thiere verglichen und die beiden letzteren mit dem Namen der Nervea belegt, weil lie fich durch einen großen Reichthum an Nervenfafern und Ganglienzellen auszeichnen, welche durch com- plicirte Netze von PrimitivfibrUlen mit äußerft feinen, drei- und

0] Phyliologie der contractüen Gewebe. 27'J

N-ielecldgen ]\Iafclieu zufammenliängen. Die auf der Nervea be- lindlichen Epitlielzellen treten iiisgefammt mit feinften Primitiv- fibrillen in Verbindung, welche aus dichotomifch Fich theilenden Nervenfafern hervorgehen. Diefe können durch die Gallerte verfolgt und als die directe Fortfetzung von Muskelfafern erkannt werden, wobei das Neurilemm in das Sarcolemm und die Nervenfubüanz allmählig in die contractile Subftanz übergeht. Der Uebcrgang zwifchen nervöfen und contractilen Fafern, welche beide zufammen Nem-omuskelfafern genannt werden, gefchieht an der nnieren Grenze der Nervea, und eine weitere Eigenthümlichkeit des Nervengewebes der Beroiden belteht nach Eimer noch darin, daß lieh überall « vollftändigeUebergangsformen zwifchen den ausgebildeten Ganglien- zellen und den Varicolitäten der Nervenfafern vorfinden», fo (5aß die Nerven als «Ketten von Ganglienzellen oder Ganglienkernen» zu betrachten find und, da kein anderes befonders differenzirtes Centralorgan vorhanden fein foll, die Nervea das Centralneivcii- fyftem der Beroiden darftellt.

Huxlcy, der die in einem pafliven nutritiven ^^erhaltcn gege- bene Eigenthümüchkeit der Nerven nicht kennt, glaul^t, auch ohne felbft Hand an die Löfung der Frage gelegt zu haben, daß den Klemenbcrf/lchon Fafern der Neuromuskelzellen lediglich eine lei- tende Function zukomme, und daß das von Eimer für Beroe ge- fchildertc Verhalten darauf zurückzuführen fei, daß jene Fafern durcli Entwicklung eines mächtigen Mefoderms fich trennten und verlängerten. Als Grund für feine Auffalfung der Klriiienherffi'dwn Fafern als reine Leitungsbahnen vermag Huxlrn nur aiiziil'ülircii, daß diefelben als contractile Elemente allein die Verkürzung, niehl aber die mindeftens cbenfo kräftige Verlängerung des Tolviicii köq)ers erklären wüi'dcn.

Eine richtige hiftiologifche Deutung erfuhren di(! Klrimitln r;f feilen Befunde erft durch r;^^^s•, Urrfiriff und C/inn. Diefe Antonii verglichen <len plasmatifchen, nacli außen gewendeten Tlieil <ler

280 Grundzüge einer vergleichenden [10

log. Neuromuskelzelle dem Muskelkörperclien höherer Thiere (dem wandftändigen Kerne mit umgebendem Plasma der jungen Cteno- phorenmuskeln) und erfetzten zugleich, um die morphologlfch wichtige Lagerung der Muskelzellen im Ectoderm und auch im Entoderm anzudeuten, die Bezeichnung «Neuromuskelzelle» durch den Namen «Epithelmuskelzelle». Treffend vaachen Herüvig's darauf aufmerkfam, daß bei den Infuforien zwar, wo die größten hiftio- logifchen Sonderungen im Rahmen einer Zelle zu beobachten fmd, die morphologifche Einheit der fuuctionell verfchiedenen Theile niemals aufgegeben wird, daß aber bei den höheren Thieren die hiftiologifche Sonderung nicht in der Weife erfolgt, daß eine Zelle zwei Functionen befonders ausbildet und dann entfprechend den beiden diflferent gewordenen Theilen in zwei functionell vejfchiedene Zellenindividuen zerfällt, fondern daß es ftets fchon gefonderte, urfprünglich gleichartige Zellen und, die unter fleh die Arbeit theilen und fleh zu diefer oder jener Function befonders weiter entwickeln. «Die hiftiologifchen Sonderungsprocelfe beruhen nicht, wie die Neuromuskeltheorie annimmt, auf der Trennung und auf einem Selbftfländigwerden verfchieden differenzirter Zellentheüe, fondern auf der verfchiedenen Differenzirung getrennter und ur- fprünglich gleichartiger Zellen.»

Diefe theoretifchen Erwägungen fanden ihre Stütze darin, daß bei den Medufen, fpäter auch bei den Actinien die drei als wef ent- lich zu bezeichnenden Elemente des Nervenfyftems : die Sinnes-, Ganglien- und Muskelzelle (durch Nervenfibrillen unter einander verbunden) thatfächlich zur Beobachtung gelangten, und daß die an Medufen wie an Ctenophoren gewonnenen experimentellen Refultate ohne die Annahme von Hemmungscentren ganz unver- ftändlich bleiben mußten. Mit Hinweis auf letztere Erfahrungen bemerkte auch Chun, daß eine Neuromuskelzelle, die mit dem protoplasmatifchen, nach außen gewendeten Fortfatze die Contrac- tionen hemmenden Reize der contractilen Fafer zuleitet, ein Ab-

11] Phyfiologie der contractilen Gewebe. 281

lurdum iß. «Da gerade die Exiflenz von Hemmnngsnerven die- jenige eines ii-ritabeln Muskels vorausfetzt, fo werden wir zur Annahme gedrängt, daß erft fecundär das Nervenfyftem mit dem Muskel in Verbindung trat, daß feine motorifclien und hemmenden Quahtäten erlt erworben wurden, nachdem die Sinnesorgane aus dem gleich fam neutralen Bildungsmateriale des Gemeingefühls in ihren fpecififchen Energiecn ßch abgefpalten hatten und das Be- dürfniß entftand, die Perceptionen in zweckmäßiger Weife dem Gefammtorganismus zu Gute kommen zu lalTen. » Erft in der ver- gleichenden Nervenphyliologie werde ich ausführlicher auseinander zu fetzen haben, daß fich bei keinem Vertreter einer andern Claffe unter den Wirbellofen der Beweis für die Exiftenz von motorifclien Nervenendigungen, analog denen der quergeltreiften Muskeln von W'irbelthieren fo ficher führen läßt, als gerade bei den Medufen. Repräfentanten anderer Typen unter den Wirbellofen, welche mit den Wirbelthieren in der Einrichtung des ganzen Nervenmuskel- ajjparates eine größere functionelle Ueberemftimmung darbieten, lind nicht aufzufinden gewefen! Und im Grunde die gleichen Einrichtungen, welche fich betreffs der Ditferenzhung und der Anordnung der Nervenelemcnte durch einwurfsfreie A^erfuche für die Medufen ergeben haben, finden fich zweifellos auch Ijci den Anthozoen verwirklicht; denn die an verfchiedenen Actinienfpecies Ixiobachteten Vergiftungsbilder fi;immen in allen wefentlichen l'unkten gut mit denen der Medufen überein und nur eine zu gleichmäßige Vertheilung der Ganghen, Nerven mid Muskeln im übrigen Körpergewebe verbietet bei den Fleifchpoly[)en eine IcbaiT«' experimentelle Trennung der einzelnen nervöfen Tbcilcauszufiiliren. \''öllig negativ fielen dagegen die entfprechenden Verfuchsergebnifib bei den Si)oiigien aus; 1)ei diefen Thicren ließen uns fclbd dio feinitcn anatomifchen Mefier, als welche Claude lirnKU-d die Giften defiiiircn konnte, vollkommen im Stidie, und felbft bei Formen, wie Tethya, deren Oscula lidi beim Verlafien des WuM'rrs [u^nvi

■282 Grundznge einer vergleichenden [12

fchließen, gelang es mir nicht, die Elafticitäts- und Contractilitäts- wirkungen einzeln fichtbar und unterfcheidbar zu machen. Diefe Thatfachen beftimmen uns ebenfo wie die erwiefene Irritabilität eines jeden contractilen Gewebes, die oben erörterte Meinung Gegenbaur'& von einer unabänderlichen Verknüpfung von Nerv und Muskel als unzeitgemäß zu verwerfen und die Annahme F. E. Sclmlse's^^) von nervenlofen contractilen Fafern bei den Spongien wenigftens als höchft wahrfcheinlich zuzulalTen.

Unfere fpecielle Aufgabe fehen wir darin, an den contractilen Geweben die zwifchen den chemifchen, den phyfikalifchen, den hiftiologifchen und vitalen (d. h. den Contractilitäts-) Erfcheinungen beftehenden Wechfelbeziehungen klarzulegen. Der Löfung diefer Aufgabe flellen ßch gegenwärtig noch mannigfache Schwierigkeiten in den Weg; die umfangreiche, einfchlägige Literatur bietet uns nur wenig Verwerthbares und das Wenige von Unrath überwuchert. Würden wir zur Löfung unferer Aufgabe den naturgemäßen Weg einfchlagen, mit unferen Betrachtungen bei dem form veränderlichen Protoplasma beginnen und uns darauf erffc zu den differenzirteren Gebilden, den Muskeln wenden, dann würde unfer ganzes Unter- nehmen an dem dürftigen Materiale ficherlich fehr bald Schiff- bruch erleiden und vollkommen zu WalTer werden. Aber Dank den Arbeiten der letzten Jahre ift uns ein Einblick in den che- mifchen Bau und in die Leiftungsfähigkeit wenigftens bei einigen Muskelarten gewährt: Errungenfchaften find zu verzeichnen ge- wefen, welche als ein geficherter Beßtz der WiHenfchaft zu be- trachten find und auf welchem wir zuverfichtlich weiter bauen dürfen. Ein vergleichend phyliologifcher Zufammenhalt des an Thatfachen Erworbenen kann fich allein aus einer Aneinander- l-eihung der Thatfachen felbft ergeben, und fo wird unfere erfle Aufgabe nur darin zu fachen fein, die vergleichend phyfiologifch verwerthbaren Daten auf Grund der, wenn auch nur an wenigen Muskelarten klargelteUten Verhältniffe als folche zu erkennen und

13] Phyfiologie der contractilen Gewebe. 283

7A1 würdigen lernen; erft eine zweite Aufgabe wird für uns darin beftehen, das diu-ch Beobachtung Erworbene unter einheitliche Gefichtspunkte, unter Gefetze zu bringen. Diefen Prineipien gemäß betrachten wir zunächft die chemifchen, die phyfikalifchen und die hiltiologifchen Eigenfchaften der einzelnen Muskelarten, fchließen hieran eine vergleichende Betrachtung der Muskelphyliologie und tragen diefer fchließlich noch die wenigen vergleichend phyfiologifch verwerthbaren Thatfachen nach, welche an den formveränderhchen Protoplasmamaflen erfchloITen find.

An dem Aufbau des Muskelgewebes betheiligen fich von or- ganifchen Stoffen nachgewiefenermaßen folgende:

1. Eiweißfubftanzen (Myofin, Musculin, Kalialbuminat, Serum- albumin etc.).

2. Stickftofffreie Säuren (Fleifch- und Gährungsmilchfäure).

3. Enzyme (Pepfin, Diaftafe).

4. Kohlehydrate (Glykogen, Erythrodextrin , Fleifchzucker, Inofit, Scylht).

5. Fette.

6. Chromogene und Farbftoffe (Hämoglobin, Lipochrome, Uranidin der Infectenflugmuskeln).

7. Säureamide und Amidofäuren (Harnftoff, Harnfäure, Krea- tin, Kreatinin, Taurin, Glykocoll, Körper aus der Xanthin- gruppe [Xanthin, Carnin, Hypoxanthin], Inofinfäurc, Prot- faure)

und außerdem noch anorganifche Salze (fog. Archcnbenaiidthcilc), WafÜT inid Gafe (Sauerftoff, Kohlenlaure).

Unter Einhaltung gewifler Vorlichtsmaßregcln, voi- allen einer ^jJlli^i"' Temperatur von etwa 7" C. g(!wanii KHImr. aus blutfreien Frofch- muskeln eine deutlich alkalifclu^ Fhilligkeit: das Miiskeli>lusnia, welches ähnlich wie das Plasma d(;s Blutes bei ZiiiiiiHi(riii|Miatiii- gerann*'). Die Geriiiiiuiig des Muskeli)lasinas bciiilit niil' der l in-

284 Grundzüge einer vergleichenden [14

Wandlung einer myolinogenen Subftanz in Myofin und erfolgt in gleicher Weife beim Eintropfen eines mit 10 °/oiger Kochfalzlöfung bereiteten Fleifcbauszuges in deftillirtes Waller oder beim Sättigen desfelben mit feffcem Koclifalz. Während Kühne das Myolin dem Fibrin an die Seite ftellt, zählt es Hoppe-Seyler zu den Globulinen; feitdem jedoch, in Beftätigung früherer Angaben von Kühne, Kuegler und Klemptner nachgewiefen haben, daß die bei der Todtenftarre der Muskeln eintretende Myofingerinnung ein enzy- matifcher Vorgang ift, läßt fich IIop2Je-Seyler's AuffalTung nicht mehr aufrecht erhalten.

Das Myofin oder, richtiger gefagt, die myofinogene Subftanz fand fich bei allen daraufhin geprüften quergeftreiften Muskeln vor und muß als alleinige Urfache der fichtbaren Doppelbrechung derfelben angefprochen werden. JBrücke's sarcous Clements find demnach ein Beftandtheil des Muskelplasmas und mit dem Myofin identifch. Ebenfo bedingt das Myofin die fog. Wairerftarre, jene Summe von Veränderungen, welche eintreten, wenn das Muskel- gewebe mit deftilhrtem Wafier in unmittelbare Berührung gelangt, und in erfter Stelle auch die fpontane oder Zeitflarre, welcher fämmtliche muskulöfen Gebilde (die quergeftreiften wie die glatten, der Wirbelthiere wie der Wirbellofen) beim Abfterben unterworfen find. Das Myofin ift aber weder in feinem Vorkommen auf die contractilen Gewebe befchränkt, nochftimmt (wie die you. DanilewsJcy angegebenen ünterfchiede beim Sättigen der Myofine verfchie- dener Thiere mit Säuren und ihre differente Löslichkeit in Koch- falzlöfungen, die von 0. NafCe gefundene ungleiche Schwächung der Anifotropie bei Muskeln verfchiedener Thiere nach Behandlung mit verfchiedenen Neutralfalzen lehren) das Myofin aller Vorkomm- niHe in den Eigenfchaften vollkommen überein. So fand JBruns Myofin in der Cornea und bezeichnete als delTen Sitz die contrac- tilen Hornhautkörperchen, Sclnveigger-Seydel Hellte es durch Mace- ration mit 10*^/oiger Kochfalzlöfung aus der Cornea und den Sehnen

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15] Phyfiologie der contractilen Gewebe. 285

von Warm- wie Kaltblütern dar und hielt es füi- befchränkt auf die interfibrilläre Subflanz; llcnnllns fand eine Subllanz mit älni- lichen Reactionen in den Blutkörperchen. Doch fcheint die Todten- ftarre, welche auch cmige contractionslofe Zellen, fpcciell die der Leber, befällt, nach Kühne' s Angaben ^^^ eher auf Kalialbuminat als auf Myofin zu beruhen. Aus dem elektrifchen Organe von Torpedo war kein jNIyorm zu gewinnen.

In Hinficht auf die Verfchiedenartigkeit der myofinogenen Subßanz verfchiedenen Vorkommens macht NalTc auf die Tem- peraturdifferenzen bei der Wärmeftarre aufmerkfam, welche Kühne an Wirbelthiermuskeln beobachtet hat. Diefe Diiferenzen bewe- gen ßch zwifchen 45*^ und 50*' C. und find deshalb wohl fchwer- lich auf das erfl bei ca. bb^ C. gerinnende IMyofin, fondern nur auf das fogleich zu befprechendc IMusculin zu beziehen, delfen Coagulationspunkt zwifchen 40*^ und 49° C. fchwankt. Erinnere ich mich ferner meiner Vcrfuche, bei welchen Muskelfafern vom Kre]»s, Kaninchen, Lachs und Frofch mit reinftem Glycerin all- mählig erwärmt wurden und die Doppelbrechung der Species ent- fprechend zu fehr verfchiedenen Zeiten fchwand oder wenigftens ftark gefchwächt erfchien, fo muß mir felljft die von Isall'r zuge- lalfene MögUchkeit: «daß das Myofmeiweiß überall das gleiche und nur che mit ihm verbundenen anorganifchen Beflandtheile, die nach den Unterfuchungen von Lhinileirslij gerade im Myolin- molekül von Wiclitigkeit zu fein fclieinen, verfchicdeii lind-, zweifelhaft werden. Ehifaclie Beimengungen, bei J)ar/ielhmg der Löfungen vielleiclit ganz zufällig entitandenc Salzverbinchmgeii des Myolins, texturellc Verfchiedenheiten des Muskelgewebes kiiinicii meines P>ac]itens die an Muskeln vcrfcliiedener Thieri; beobachteten Differenzen betreffs der Sclivvächuiig d<i- Aiiilotropic diircb go- fättigte Neutralfalzlcifinigcii rcsj». des rcbcrgaiigcs der myolinogciien Materie aus den Ginveben in K()chfalzl<ifinig vollauf erklänn.

Durcli Ausziehen der Gewebe mit einer lO'Voigen Kodilulz

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286 Grundzüge einer vergleichenden [16

löfung und Fällen diefer Löfung durch deftillirtes WalTer wie durch Sättigen mit Kochfalz conltatirte ich die Anwefenheit des Myofms in den Muskeln von Homarus vulgaris, von Eledone mo- schata, in den Schheßmuskeln von Spond3dus gaederopus und Mytilus gallo-provincialis. Aus einigen Schwämmen (Chondrosia reniformis, Tethya Lyncureum, Suberites massa), aus den Hautmuskeln von Thyone fusus und den Schheßmuskeln von Pectunculus pilosus war nach dem ange- gebenen Verfahren kein Myolingerinnfel abzufcheiden. MeinJce und Bodewald führen als eiweißartigen Beftandtheii von Aethalium septicum neben Vitellm und Plaftin zwar auch das Myofin auf, meine negativen VerfuchsergebnilTe an den Spongien und der Um- ftand, daß die Todtenftarre beim neugeborenen Menfchen fchwach und kurz ifl, beim Embryo vor dem ßebenten Monate ganz fehlt [Melde], fcheinen indeß dafür zu fprechen, daß bei den auf niedrig- fter Stufe der Organifation flehenden Whbellofen das Myofin fehlt und hier vielleicht durch ein dem Vitelhn ähnhches Proteid ver- treten wird. Als einen lieberen Gewinn der Forfchung dürfen wir trotz alledem die bereits von Kühne'^^) hervorgehobene Thatfache betrachten, daß äußernden contractilen Subftanzen kerne natürhch vorkommende Eiweißlöfungen , die zwifchen 35*^ C. und 50" C. gerinnen, bekannt geworden find; auch die Coagulationsbeftim- mungen, welche ich an den lymphatifchen Flülfigkeiten zahlreicher Arthropoden, Mollusken- und Würmerfpecies ausführte^*), verän- derten an diefem Satze nichts.

Die Flüfligkeit, welche nach der Gerinnung des Myofins zu- rückbleibt, ift das Muskeiferum; fie reagirt anfangs neutral, wird aber fchnell fauer und enthält nach Kühne drei unterfcheidbare Eiweißkörper. Erftens das Musculin oder Muskelalbumin, welches unabhängig von der Reaction der Flüfligkeit, je nach der Thier- fpecies bei 45« C. (Frofch), bei 49 " C. (Kaninchen), bei 50« C. (Hund) oder bei 53° C. (Taube) gerinnt, ohne Beimifchung anderer

17] Phyüologie der contractilen Gewebe.

287

Eiweißkörper aus dem ;Muskelferum aber nur dann ei-halten wird, wenn man die bei der zunehmenden Erwärmung cntftehende Säure fortwährend neutralilirt. Zweitens fehlt in keinem Muskeiferum das KaUalbuminat, welches nach Entfernung des Musculins durch fchwaches Anfäuern mit Efligfäure erkannt werden kann. Der dritte Eiweißkörper endhch, welcher in dem angefäuerten Muskei- ferum nach vollftändiger Ausfällung des Kahalbuminates in fehr bedeutender ^Menge zurückbleibt, ilt das Serumeiweiß; dasfelbe coagulirt in faurer Löfung erll bei 70^ 75" C. und ift von dem Serumeiweiß des Blutes nicht zu unterfcheiden. Diefe Verhältnifle fcheinen in der Thicrreihe keine wefenthche Abweichungen zu erfahren; denn auch in den wälTrigen Auszügen fämmtlicher bis- lang unterfuchter Amorphozoen, aller contractilen Gewebe von Cölenteraten, Echinodermen, Arthropoden, Mollusken und Würmern, ja felbft in dem Auszuge des electrifchen Organes von Torpedo ftellte fich fowohl eine Gerinnung gegen 40 '^ C. resp. zu Anfang der vierziger Grade ein, welche auf einen dem Musculin oder (in folchen Fällen, wo diefelbe nach eingetretener pollmortalen Säuerung ausbleibt, wie z. B. beim Schließmuskel von Anodonta) auf einen dem Kalialbuminat der Wii'belthiere entfprechcndeu Ei- weißftoff zu fchließen geftattet, noch fehlte in fämmtUchen ange- fülirten Fällen die auf Serumalbumin zu beziehende Gerinnung in den fiebenziger Graden; worauf zwar die innnerliin geringen Temperaturfch wankungen beun Eintreten der erften Coagulation beruhen, welche bereits Kulme bei Untcrfucliung des formverän- derliclien Protoplasmas aufgefallen waren, wird fchwcr zu eruinMi fein. Sollten weitere Erfahrungen lehren, daß (He bei Befi)re(hnng des Myofins von uns angeführten Momente zur Erkläinng «Ich licobacljteten nicht ausreichen, fo würde nodi immer eher als an verfchiedene Verbindungen des Musculins mit Mincralbeflandtlicilcn an folche rnit dem Myofin zu denken fein; machte doeli fclion 1857 C7. Benann'') um die; Thatfache zu erklären, «laß Eier-

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288 Grundzüge einer vergleichenden [18

albumin oder Blutferum von clerfelben Thierart in die Venen ge- fpritzt, den Harn nur eiweißhaltig werden läßt, was bei Injection von Blut derfelben Thierart nicht eintritt, die Vorausfetzung, daß das Serumalbumin mit dem Fibrinogen im Blutplasma ver- bunden ift. ^^^der™^ Je nach dem Grade der Erwärmung und nach der dabei ein-

getretenen Säuerung ^'^) kann es lieh bei der Wärmeltarre des Muskels nur um coagulirtes Muscuhn und Myolin oder zugleich auch um unlöslich gewordenes Kalialbuminat und geronnenes Serumeiweiß handeln. Die fpontan eintretende Starre beruht da- gegen nur auf einer Myolingerinnung und auf einem (in Folge ein- tretender Säurebildung) Unlöslichwerden des Kalialbuminates ; wie Kühne zeigte, wird aber der todtenltarre Muskel durch Lockerung des Myoflngerinnfels (in Folge der im Muskel felbft fich entwickeln- den Milchfäure) fchon eher wieder weicher, als es zur löfenden Fäulniß kommt.

Frifche ruhende oder geruhte Muskeln zeigten bei allen Thieren eine alkalifche oder neutrale Reaction ; nur die ftändig functioniren- den Herzmuskeln und die anhaltend contrahirten Schheßmuskeln der Bivalven ließen' keine Prüfung der Reaction im Ruhezuftande zu. Bei den quergeftreiften Muskeln der Wirbel thiere und nach- gewiefenermaaßen auch bei den quergeftreiften Muskeln der Krebfe (Fredericq) und den glatten der Mollusken ('^erw/i^em, Voit) fchlägt aber die Reaction beim Eintritt der Todtenftarre wie nach ftärkerer Thätigkeit in eine faure um, und diefe Säuerung rührt, wie du Bois-Beymond nachwies, nicht ausfchließlich von faurem Kalium- phosphat, fondern von freier Säure her, welche zum Theil Milch- fäure ift, zum Theil durch diefe aus einem Gemifche von Salzen verfchiedener Säuren abgefpalten wurde. An den glatten M^irbel- thiermuskeln und den electrifchen Organen bleibt die Säuerung beim Abfterben wie nach anhaltender Thätigkeit gewöhnlich aus ^^), indem die frei werdende Säure vermuthlich durch die Alkali-

19] Phyüologie der coutractüeu Gewebe. ' 289

albumiiiate fofort gebunden oder auderweitis; in Befchla»- we- nonimen Anrd.

Sowohl die Gähmngs- wie die Fleifcbmileliräure ift in Muskehi nachgewiefen, die Herkunft diefer Säuren lilieb jedoch unklar. Einzelne Thatfachen (wie z. B. das Ausbleil)en der Säuerung an Muskeln gehungerter Thiere, der conftant beträchtiichere Säuregrad der glykogenreichen Rückenmuskeln gegenüber dem geringeren der Sclienkelmuskeln beim Kaninchen) fchiencn anzudeuten, daß die Milchfäm'e aus den Kohlehj^lraten des Muskels hervorgehe; Böhm führte indeß den Nachweis, daß Milchfäure lieh zu bilden vermag, ohne daß die Glykogenmenge des Muskels fich vermindert, und damit ifl beNnefen, daß das Glykogen nicht die Mutterfubllanz der Milchfäure ift. Böhm glaubt, daß die Milchfäure aus Eiweiß entfteht, und zur Stütze diefer Anfleht macht Na/Te^^) gewiß mit Recht geltend, daß bei der acuten Phosphorvergiftung das Auf- treten der Fleifchmilclifäure im Harne ebenfalls an einen mäch- tigen Eiweißzerfall geknüpft ift. So erklärt denn die Milchfäure- bildung nicht nur die Ausfcheidung des Kalialbuminates bei der Todtenftarre, die merkwürdigen Fälle ihres plötzhchen Eintretens (z. B. an Choleraleichen, an Gefallenen auf dem Schlaclitfelde und an melireren kleinen Seefifchen [Julis, Labrus etc.]) und die Löfung derfelben in ehiem fpäteren Stadium, fondern dei- Connex zwifchen Säuerung und Muskeleiweiß fclioint dadurcb noch ein weit innigerer zu fein, daß die Milclifäure aus dem l>i\vciß über- haujjt erft hcrvorgelit.

Niclit weniger durchflchtig, als gegenwärtig die Bclbciligung der «inzehien eiweißartigen Beftandtheile des Mu.skelgowebes bei der Bildung der Milclifäure \m uns iH, geliaUct lieb imrcr WifTen, wenn es gilt, jedem einzelnen Eiweißftolle des Muskels re.sp. der .Milchlaurebildung die richlige Stelle bei gewilfen i)aMiologifclien rroccrllen, welche die Muskelfafern ergn'ifeu. juizuweileii. (ierade ix-i Erkrankungen der Muskeln», fagt r'V//*//^//^/ ''•), «ilt es febr vcr-

290 Grundzüge einer vergleichenden [20

führerifch, an gewiJTe chemifche Veränderungen der contractilen Subllanz, vielleicht an beginnende Gerinnungen zu denken » ; aber felbfl bei der parenchymatöfen Muskeldegeneration iffc die Gerin- nung eines fonit flülligen normalen oder irgendwie modificirten Eiweißkörpers, und bei der wachligen Muskeldegeneration die un- geordnete Erftarrung von Muskelfafern , die aus irgend einem Grunde fchon während des Lebens abgeltorben waren, noch nicht über den Werth einer Hypothefe hinaus gelangt. Bei einer Er- klärung diefer Veränderungen muß es fogar noch zweifelhaft ge- lalTen werden, wieviel davon der Temperaturerhöhung als folcher, wieviel den jeweiligen Krankheitsurfachen zugefchrieben w^erden muß, und bei der ausgefprochenen Muskelfchwäche, der verringer- ten Leiftungsfähigkeit der Muskehi, welche fich bei jedem fchweren Fieber einteilen, fehlt auch noch jedwede Entfcheidung, wieviel davon auf ein abnormes Verhalten der centralen oder peripheren Innervation zu beziehen ilt.

Genügt es Ichon, das Elaltin und Collagen als Muskelbeftand- theüe einfach anzuführen und deren Betheihgung am Aufbau der contractüen Subftanz als fraglich hinzuftellen, fo können -wir die Eiweißkörper des "Muskelgewebes doch nicht verlafTen, ohne etwas ausführlicher des fog. Bündelgerüftes von Banüeiüshy'^^) gedacht zu haben, welches fowohl als künftliches Zerfetzungsproduct wie auch unter gewilfen Umfländen intra vitam Myolin liefern foll. Als Bündelgerüft bezeichnet Danileivshj den Muskeh'ückftand, welcher nach Extractibn von Myolin, anderen Eiweißftoffen, Salzen und Kohlehydraten durch Behandlung der Muskeln mit 8 15^/oiger Salmiaklöfung zurückbleibt. Das Bündelgerüft,. welches man lieh in einem feftweichen Zuffcande zu denken hat, befitzt alle morpho- logifchen Haupteigenthümüchkeiten der normalen Muskelbündel, läßt insbefondere auch die Querftreifung deutlich erkennen und ftellt alfo das Gerüffc oder Stroma des Muskels dar. Wurde unter den nöthigen Vorfichtsmaßregeln in dem Salmiakauszuge das

21] Phyfiologie der contractilen Gewebe. 291

Myofin (M) dem Gewichte nach beftimmt und ebenfo das Trocken- ge^icht des Bündelgcrüftcs (B), das freihch auch bei der forgfäl- tigften Präparation Bindegewebe, Gefäße und Nerven mitemfchUcßen muß, fo fand ßch das Verhältniß M : B bei verfchiedenen Thieren und bei verfcliiedenen Muskclgruppen desfelben Thieres fehr ver- fchieden. So kommen beim Frofch auf 1 M 0.81 B, bei der Taube (Bruftmuskel) dagegen 5 B. Faft ebenfo groß können die Diffe- renzen bei den Muskeln desfelben Thieres fein: die Sclienkehnuskeln der Tauben enthalten auf 1 M nm- 1.22 B, die Bruflmuskeln dagegen, wie bereits angegeben, migefähr 5 B. Aber nicht bei allen Thierarten find die Unterfchiede fo bedeutend, viel geringer find diefelben z. B. beim Kaninchen. Werden fowohl-die ver- fcliiedenen Thiere nach der freilich nur auf erfahrungsmäßigen Schätzungen Ijeruhenden Lebhaftigkeit ihrer Bewegungen als auch die einzelnen Muskeln derfelben Thierart nach ihrer genau gemef- fenen Contractionsgefchwiudigkeit gruppirt, fo ergiel)t iich im All- gemeinen ein Zufammenhang zwifchcn Bewegungsfchnelligkeit und Zufammenfetzung der Muskeln, welchen Danüeivsh/ daliin aus- di-ückt,-«daß, je fchneller die Contractionen und Erfchlaffungen der Muskeln ausgeführt werden, delto reicher die letzteren an Gerüft- fubftanzen im Verhältniß zum Myofin find.»

Ifl;, wie weit wir auch liinfichtlich der EiweißftofFc der Mus- keln unfere Blicke fchweifen heßen, die Ausbeute an verglei- chend-phyfiologifch verwerthbarem Material eine iiiiinei-hin nur fehr geringe, fo nehmen wir als P^rwerb doch die Uebcrzeugungen mit uns, daß 1. fämmtliche contractilen Gebilde durcli den Gehalt an Eiweißkörpern (Musculin )( Ip. Kalialbuniinat) diarak- terifirt find, welche bei einer Ib niedrigen Temiieratur wie kein einziger irgend eines andern thierifchen Gewebes gerinnen, daß 2. nicht weniger conftant fiel» daneben Serumeiweiß findet, «laß 8. bei anhaltender Contraction wie.- lieiin Abfterben <les Muskels ein Thoil des Eiweißes in Milchfäure übergeht, und <laß ( ii<lli<li

292 Grundzüge einer vergleichenden [22

4. die Muskeln aller Vertebraten, -sdelleicht fogar auch die der meiften höher organißrten Wirbellofen Myoßn enthalten. Enzyme. jj^ Zahlreichen extrainteftinalen Säften und Geweben hat Kühne

Pepün wie Diaftafe nachgewdefen^^), das Vorkommen von Tr}^ün^ welches unter die Haut lebender Thiere gebracht, die entfetzlichften Zerftörungen erzeugt, blieb dagegen bei Wirbelthieren ausfchließ- lieh auf Pankreas und Darminhalt befchränkt, und auch das an- fcheinende Auftreten desfelben in der Darmfchleimhaut (nach den Verfuchen an der T/m-y'fchen Fiftel) Heß ßch auf bloße A-^erun- reinigungen der Darmoberfläche mit Pankreasfaft zurückführen. Die Angaben von Hafner und Stolnikoiv, daß in normalen oder pathologifch veränderten Lungen Trypiin als präformirtes Product. vorkomme, lind durch die Unterfuchungen von Kühne und Efchericli als irrig widerlegt. Im Anfchluß an eine Arbeit von Filehne He- ferte Efcliericli den Nachweis, daß das im Auswm-f bei Lungen- gangrän, (wenn auch in viel geringerer Menge) im Cavernenfputum der Phthiüker und in fehr vorgefchrittenen Fällen von Bronchiek- talie auftretende tryptifche Enzym ein Fäulnißproduct, höchft, wahrfcheinlich ein Secretftoff gewilTer Bacterienformen ift; deren Entwicklung zugleich das normal vorhandene Lungenpeplin mehr oder weniger vernichtet. Daß der Muskel Pepün enthalte, lehrte fchon vor vielen Jahren BrücJce, und Fiotrowshj ftellte aus Fleifch zuerft ein zuckerbildendes Enzym dar. Ueber den Urfprung diefer Muskelenzyme äußerte fich Kulme neuerdings nicht wieder, Brücke^^) findet dagegen in dem Pepüngehalte des Muskels noch immer einen Beweis dafür, daß das Pepün vom Darmrohre aus reforbirt und durch das kreifende Blut den verfchiedenflen Organen des Körpers (Milz, Leber, Muskeln u. f. w.) zugeführt wird. Neuere Erfah- rungen und Ueberlegungen weifen aber ^delmehr darauf hin, daß die ^rwc^e'fchen Vorftellungen falfch find, und daß die in den extraintefti- nalen Organen anzutreffenden Enzyme nicht vom Darmtractus aus reforbirt, fondern in den Geweben an Ort und Stelle gebildet find.

23] Phyliologie der contractilen Ge-\vebe. 293

Xeben Pepfm findet fich in manchen Organen Diaftalc, und die gewiß fehr merkwürdige Erfcheinnug, daß nirgendwo außer- halb des Verdauuugstractus Trypün anzutreften ift, läßt fich daher nicht einfach mit dem Satze abthun, daß das Pepfin (wegen feiner Unverdaulichkeit für Trypiin) als kein Körper von reiner Eiweiß- natur dem TrN-pfin unvergleichbar fei. Müßte es doch in lu)luin Grade auffallen, wenn das Pepfin , welches durch niedere Orga- nismen, alib durch vitale Zellenthätigkeitcn, cbenfo rafch zerflört wird als Trypfin, ja fich von diefem noch in der für einen Trans- port durch das alkalifche Blut fehr unvorth eilhaften Weife dadurch unterfcheidet, daß es in alkahfchen Flüffigkeiten bei Körpertempe- ratur verhältnißmäßig leicht feine peptonifirende Wirkung ehibüßt, den reforbirenden Darmepithelbelag ungefährdet paffiren, durch das alkahfche Blut unzerfetzt in die Tiefen der Gewebe transportirt werden könnte, während das Trypfin den vitalen Eiufiüllen der Darmepithelien doch fehr bald erliegt!

Durch meme Unterfuchungen über die A^erbreitung der pep- tifchen Enzyme ^^), welche de Bary, Hänfen, Külz, Rodcivald u. A. nur beftätigen konnten, ifl; bewiefen, daß Pepfin auch in folchen Organen, ja bei folchen Organismen felbfi;ftändig gelnldet wird, in denen es durchaus functionslos bleiben muß; die gegen diefe Schlußfolgerung von Xaire^'^) erhobenen Einwände werden dadurcli entkräftet, daß Pepfin in Kohlenfäure gefättigten, an fich neutralen Flüffigkeiten niemals feine pe[)tonifirende Eigenfcliaft ei-langt, mid fernerhin noch kein Beobachter auch nur die Andeutung einer faui-en Pteaction bei Aethalium zu fehen vermocht l)at. Was in diefer Hhificht fürs Pepfin gilt, gilt in gleicher Art für die diallM- tifchen Enzyme gewilfer Vorkommnille uii<l n.ieli llimlni'^ \ \\W\- fudiungen") auch für ein, nielir gleichmäßig tryi-tileh und pei.tirdi wirkendes Enzym in den pflanzlieben Milchlaften; <ii«' lOn/.ynie },leiben an allen dielen Plätzen völlig functi(.nsl<.s. Daß Vav/xuw reforbirt, durcli die Gewebsfäfte transi.ortirt un.l rrl,liel.;iir|, in

I

294 Grundzüge einer vergleichenden [24

gewilTen Zellenterritorien deponirt werden, lind unerwiefene, aus der Luft gegriffene Annalinien, während die Auffaffung von der Autochthonie der Enzyme in den extrainteftinalen Organen einen feften Halt in jeder vergleichend-phyriologifchen Betrachtung findet. Glykogen. Claude Bernard^^) hat in der ihm eigenen geiftvoUen "Weife

wiederholt entwickelt, wie der Stapelplatz für das Glykogen im Laufe der Entwicklung mehrfach verlegt wird; wie bei den Aufter- larven das vergänghche Segel die Glykogenkammer darftellt, bei feinem Schwinden das Glykogen - , ganz analog den Pflanzen- blättern, aus welchen bei ihrem Hinwelken die Phosphate in den überwinternden Stammtheil zurückkehren, oder welche nach Sachs' wichtigen Unterfuchungen jede Nacht entamyliflrt werden, aus dem Segel zurückgezogen wird, und lieh dann die Glykogenreferve in der Leber wie in anderen Dauergeweben etablirt; wie beim Kaninchen die Glykogenefe in der Placenta, bei den Wiederkäuern im Amnion beginnt, fpäter dann das Muskelgewebe reichliche Mengen von Glykogen in fich auffpeichert und beim ausgewach- fenen Thiere die Leber den größten Glykogenvorrath beherbergt; me das Glykogen beim Hühnchen fchon in der Keimanlage (cica- tricula) im freien Zuftande und in Zellen eingefchloffen erkennbar ift, fich darauf, den Venen folgend, in der Area vasculosa anhäuft, am achten Tage ßch richtige Glykogenzotten an den Venae om- phalo-meseraicae bilden, fpäter das Glykogen in den Herzmuskeln, dann auch in den Epithelialgeweben erfcheint und fchheßhch fleh Verhältniffe herausbilden, welche denen der Säugethiere voll- kommen entfprechen. NachdrückHch wurde, von Gl. Bernard auch wiederholt hervorgehoben, daß das in den thierifchen Geweben anzutreffende Glykogen kein dem Organismus fremdes, kein von außen zugeführtes Product, fondern fein eigenes Fabrikat ift, und man darf unferen heutigen Erfahrungen nach gewiß noch weiter gehen und fagen, daß dasfelbe (analog den Enzymen) in allen glykogenführenden Geweben in situ entftanden ifl;; fpeciell füi- die

25] Phyfiologie der contractilen Gewebe. 295

Muskeln hat Külz-'') diefe Annahme durch Traubenzuckerinjectionen au entleberten Fröfchen wahrfchcinUch zu maclien gewußt.

Das Glykogen wurde fowohl in den quergeftreiften wde in den blaffen Muskeln bei Thieren aus allen Claffen nur für die Cölenteraten fehlen noch }>oritivo Angaben aufgefunden, und auch fein Vorkommen in Aethalium scpticum kennen wir durch Kiihne^^) feit lange. NalTe^^) betrachtet es als einen beftän- digen Muskelbeflandtheil , doch nicht als einen «wefentlichen Muskelltoff erfter Ordnung», deffen Menge im Allgemeinen im umgekehrten Verhältniffe zur Thätigkeit des Muskels fleht. «Der größere Glykogengehalt derjenigen Muskeln, welche durch Nerven- durchfchneidung, künftliche Behinderung, natürliche Bedingungen der Organifation in ihrer Function geftört find, anderfeits die Ver- minderung des Glykogengehaltes durch Tetanifirung und Inanition, bei welcher es parallel der Leiftungsfäliigkeit fcli windet, alle diefe Thatfachen fprechen entfchieden für die Naüx^^chQ Lehre.» Ein rafchcr vitaler Verljrauch des Glykogens wird befonders augen- fällig, wenn man Meeresthiere in dem Zuftande unterfucht, in welchem fie auf den Markt zu konnnen pflegen; bei diefen ver- moclite ich liöcliftens nur Spuren von Glykogen nachzuweifen und mußte deslialb auch die meift nur indirecten, jetzt als ganz un- geeignet erkannten Glykogenbeflimmungen IJitio'H an niclit lel)ens- frifcherem Materiale als unzuverläffige verwerfen'^"). Weitere un- richtige Angaben halben den (Jlykogengehalt der Muskeln von Tliieren aus anderen Clallcn l^edeutender und conftantcr erfchcincii laflen, als derfelbe tliatfäcl)lich ifl. So follte z. B. der eigenartige Gcfchmack des Hummer- und Kr(0)sfleifches ledigh<-h auf Glykogen beruhen, aber gerade; an lluiinnrniiuskcln l'ällt olinc JxToiidri-c Sclionung des Verfuchsthieres (Uv (ilykogenniicliwcis iiui' reiten pofitiv^') aus. Jedenfalls ifl das embryonale Muskelgewebe!, in ucl ehern durcli Cl. Ji'rniard's und JCü/mrs gcmcinfamc Arbeiten das Glykogen aufgefunden wurde, allemal weit reicher an (liefern Stoffe

296 Grundzüge einer vergleichenden [26

als das entwickelte, aus welchem es unter anormalen Bedingungen felbltverfländlicli auch viel leichter als aus den embryonalen Mus- keln verfchwindet. Hinüchtlich des Glykogens bieten die embryo- nalen und die ausgebildeten Muskeln aber nicht nur quantitative Unterfchiede dar, fondern auch in der Art der Ablagerung, welche uns einen Einblick in die phyfiologifche Bedeutung des Glykogens eröffnet, beltehen Differenzen.

Bei fötalen Muskelfafern der Katze iah Cl. JBernard die Glykogenkörnchen in dichter Anhäufung zwifchen den fehr regel- mäßig angeordneten Kernen liegen; in einem fpäteren Stadium, als die Fafern eine deutliche Querftreifung angenommen hatten und die Kerne weiter auseinander gerückt waren, zeigte fich von den Glykogenkörnern nichts mehr, fondern nur noch ge- löftes Glykogen, welches fchließlich ebenfalls verfchwand. In der fertigen Muskelfafer dagegen, und zwar in der protoplasmatifchen Markfubftanz eingebettet, traf ScJiwalhe^^) das Glykogen nm* bei Hirudo an, und NaITe glaubt, daß die fibrilläre Subftanz der quergeftreiften wie glatten Muskeln überhaupt kein Glykogen führt. Diefer Auffaffung entfprechen fowohl die Beobachtungen von J5'Ar- lich^^), welcher in Frofchmuskeln das Glykogen interfibrillär, in Form feiner, längs verlaufender Streifen abgelagert fand, als auch die Angaben von Barfurth^"^), denen gemäß in dem glykogen- reichen Fuße von Helix pomatia die Muskelfafern felber nur wenig Glykogen enthalten, dagegen die zwifchen den contractilen Fafern liegenden Bindegewebszellen (Plasmazellen und Bindefub- ftanzzellen BrocJcs). dasfelbe in ungeheurer Menge aufftapeln. «Es dürfte fomit», fchließt auch JEhrlich^'^) aus feinen Befunden, «wohl ein allgemeines Gefetz fein, daß in allen einer Bewegung fähigen Elementen das Glykogen oder analoge Keferveftoffe nicht in, fon- dern um das fpecififch Contractile gelagert ßnd.»

Ein ausgedehnteres vergleichend phyüologifches Intereffe ge- winnt der Glykogengehalt der Muskeln dadurch, daß derfelbe fich

27] Pliyfiologie der contractilen Ge-\vebe. 297

bei ungleich fuiictionirenden Muskeln eines Thieres quantitativ verfchieden geftaltet. Bei unferen weiteren Betrachtungen werden wir wiederholt darauf hingewielen werden, daß in vielen Fällen eine Beziehung zwifchen der durch Hämoglobin verurfachten Fär- bung des Muskels, feiner Function und Textur nicht zu verkennen ift; dem Folgenden in manchen Punkten vorgreifend, müflen wii' fchon an diefer Stelle einiger Eigenthümlichkeiten der fog. rothen und blaffen Muskeln ^'^') gedenken.

Die dm'ch ihre rothe Färbung fofort in die Augen fallenden Muskelgruppen, welche bei Knochenfifchen längs der Seitenlinien verlaufen, veranlaßten die Anatomen, diefelben ebenfo wie die ähnlich gelagerten rothen Muskeln der Rochen als Refte der Haut- muskulatm', gewiffermaßen als rudimentäre Organe zu betrachten. Auf Grund vieler fchöner Beobachtungen an der Rochen- und Ka- ninchenmuskulatur fchloß dagegen Banvier auf ein durchgängiges Abhängigkeitsverhältniß z\\'ifchen Hämoglobingehalt, Textur und Function bei den quergeflreiften Wirbelthiermuskeln, und trotzdem E. Meyer zeigte , daß auch bei diefen die Coincidenz in Textur imd Farbe keine durchgreifende ift, hat Ranvicr feine Auffaffung doch niclit wieder aufgegel)en. Kähne hatte dem Hämoglobin nur eine, vielleicht nicht un\nchtige Rolle bei den Oxydationsproceffen in der contractilen Subftaiiz zugeftanden; lianvier war jetzt der .Meinung, die beiden Arten der quergeftreiften Muskeln bei Säuge- thieren und Rochen möcliten eine von einander verfchiedene Be- ftimmung halben, die bladen mit ihrer plötzliclien Contraction wüi-den wohl vorzüglich Muskeln der Thätigkeit fein, die rothen mit ihrer langfameren und lieharrenden Contraction dienten da- gegen zur Erhaltung und Ilegulirung des Gleichgewichtes. Zu einer wefentlich anderen, aber niebt weniger als 20 Jahre vor ihm von Sr/doßheffjrr'^'') ('utwickelten Auffairung gelangh! A'. Mei/er. Uiefer Forfcber fand, daß z. B. beim Kaninclien di(! rotben nui.sc. ma.s.seter und Hexor digitorum comm. dem liilliologifchen Bau(*

298 Grundzüge einer vergleichenden [28

nach nicht, wie zu erwarten gewefen wäre, dem von Banvier als Prototyp der rothen Muskehi gewählten musc. semitendinosus, fondern dem weißen musc. adductor magnus entfprechen. Meyer folgerte nun, daß die Muskeln, welchen eine der normalen gleich intenflve Kraft abgeht, allmählig gewiffe Veränderungen erfahren, die fich zunächft in dem Verlufle der rothen Färbung kund geben ; die rothe Färbung finde fich überall da, wo eine bedeutendere Leiflung und demzufolge ein regerer Stoffwechfel ftattfinde, und die Differenzen zwifchen blaffen und rothen Muskeln feien eine durch den verfchiedenen Gebrauch entftandene und merkwürdiger Weife bei einzelnen Hausthieren erft vermöge der Züchtung und mangelnder Bewegung hervorgerufene Eigenthümlichkeit. Meyer's Anficht fchloffen fich u. A. Kraufe, LucliRnger , Grütsner an und NalFe^^) glaubte, die Frage nach den Beziehungen zwifchen Farbe, Contraction und Textur kurz mit dem Satze abthun zu können: «Das Studium der Bildung des Hämoglobins im Muskel, zu deffen wefentHchen Befi;andtheilen es natürlich nicht zu rechnen ift, bietet übrigens kein allzu großes phyfiologifches Intereffe, umfo weniger, als fich durch die Unterfuchung von E. Meyer herausgeftellt hat, daß Ranvier's Entdeckung keine allgemeine Bedeutung befitzt, nämlich daß weder diefelben anatomifchen Eigenfchaften (Lage der Muskelkerne, Form der Capillaren), noch diefelben phyfiologifchen (Schnelligkeit und Dauer der Contraction) allen gleichgefärbten Muskeln eines Thieres zukommen». Diefer abfprechende ürtheils- fpruch wird aber weder durch die Unterfuchungen Meyer's, noch durch die fpäteren von Grütsner, LucliRnger und Barfurth genügend geftützt und verliert jede Berechtigung, wenn die von Meyer ausgewählten, zu derartigen Verfuchen ungeeignetften Ob- jecte, die domefticirten Vögel, von der Betrachtung ausgefchloffen werden.

Meine Erörterung der Frage nach den phyfiologifchen Eigen- thümhchkeiten der rothen und blaffen Wirbelthiermuskeln ift wenig

29] Phyüologie der contractilen Gewebe. 299

bekannt geworden, und in Folge delTen find in den Darftellungen auch mehrere Factoren unberückriclitigt gelalTen, deren Kenntniß für einen Einblick in die Verhältniffe unumgänglich nüthig ift. Ilallcr und ich haben gezeigt, daß bei Luvarus imperialis rothe und blaife Muskeln von differentem anatomifchen Gefüge lieh an ein und diefelbe Sehne heften, die Wirkungen beider fomit nur als coorcünirte gedacht werden können, und daß eine phyüologifche Differenz zwifchen den beiden Muskelarten in diefem Falle ohne jeden Belang für die Leiftung, ohne Werth für den Organismus bleiben muß. Zugleich wies ich darauf liin, daß bei den Fifchen außer den am energifchften arbeitenden Muskeln nur noch die- jenigen Hämoglobin führen, welche am meiften der Peripherie ge- nähert find und in Folge deffen mit dem fchlechteften arteriellen Blute gefpeift werden, daß die Bedeutung des Muskolhämoglobins in vielen Fällen deshalb auch nur in den Circulations- und Re- fpirationsverhältnilTen der Muskeln zu fuchen ift. Trotz alledem habe ich mich doch ftets dagegen verwahrt, die z. B. Ijei Fifchen offenbar vorhandenen Beziehungen zwifchen Hämoglobingehalt, Contractionsdauer und Textur der Muskelfafern einfach als un- wichtig bei Seite zu fchieben. Kühne^^) fprach aus, daß die Con- tractions- (und die damit einhergehenden Textur-)verfchiedenheiten der blall'en und rothen Muskeln durch die Farbe allerdings nicht bedingt, dadurch a])cv wohl angedeutet feien, und diele FafTung rlürfte dem Thatbeftande am heften entfprechen.

Betrachten wir nun von dem Kü/me'khcn Gelichtspunkte aus die Arbeiten, welche uns über den differenten Glykogengehalt der rothen und blaffen Muskeln ein Urtheil zu fällen erlauben, fo er- giebt lieh, daß wahrfcheinlich überall da, wo die Färbungserfchei- nungen mit feineren Structurdifierenzen fich decken mit Aus- nahme der durch Zucht ftark beeinflußten Muskeln fcheint das ja überall der Fall zu fein und l^ei der Contraction den rothen ein größeres Lat<jnzftadium, dafür aber eine weit längere Contrac-

300

Grundzüge einer vergleichenden

[30

tionsdauer als den blaffen zukommt, die rotlien Muskeln auch glykogenreicher fmd als die blaffen. Die diesbezüglichen A'^erfuchs- ergebniffe werden aus beiftehender Tabelle erßchtlich; zu diefen

Rothe Muskeln Glykogen-

■(mit laugfamer Contraction) gehalt

Blaffe Muskeln (mit rafclier Contraction)

Beobacliter

Rückenmuskeln vom Kaninchen (ob roth?)

Adductores femoris von der Katze (ob roth ?)

Eückenmuskeln

vom Hund

Adductores femoris

vom Hund

Schenkelmuskeln

vom Huhn

Bruflmnskeln der

Fledermäufe

Kaninchenmuskeln

Pferdemuskeln Frofchmuskeln

> >

gleich

< <

>

> >

Adductores femoris, 0. NalTe, Arcli. f. d. gef.

Iliopsoas V. Kaninchen

Eückenmuskeln,

Quadriceps fem. von der

Katze (ob blaß?)

Bruftmuskeln vom

Huhn

Körpermuskeln

Kaninchenmuskeln

Pferdemuskeln Frofchixiuskeln

Phyüologie. Bd. 14.

1877. S. 482.

Luchßnger, ibid. Bd. 18.

1878. S. 472. Grotlie, V. Wittich in

Hermann's Handb.d.

Phyüologie. Bd. 5.

Th. 2. S. 367.

Grützner, Breslauer ärztliche Zeitfchrift. Nr. 24 vom 22. Dec. 1883.

ift nur zu bemerken, daß die abweichenden Relültate Luchfmger's •als am Huhne erhaltene, für unfere Auffaffung am wenigften von Belang fein können, und daß das derfelben ebenfalls widerfprechende Ergebniß von- Grothe einer Beftätigung bedürftig erfcheint.

Man hat diefe Ergebniffe gewöhnlich dahin zufammengefaßt, daß der Glykogengehalt der Muskeln üch umgekehrt proportional wie ihre Thätigkeit verhalte, und es dürfte diefe Faffung fchon deshalb annehmbarer als die obige erfcheineii, weil die Muskulatur nicht überall eine fo fcharfe Sonderung in rothe und blaffe, wie

31] Phyüologie der contractilen Gewebe. 301

Z.B. bei Luvai'us imperialis zuläßt, fondern bei einigen Thieren (z. B. beim Hunde nach Kiilnu\ bei der Taube nach E. Meyer) fich die gefammte Muskulatur als hämoglobinh altig erweift, in vielen Muskehi (z. B. bei Säugethieren nach Griitzner) die rothen und blalTen Fafern gemilcht find, in anderen (z. B. in den Muskel- kegeln von Pelamys sarda) eine Fafer theil weile roth, theilweife blaß ift und auch durch Hämoglobin nur fchwach tingirte (fog. halbrothe) ]\Iuskchi vorkommen, von denen wir zur Zeit noch gar nichts ■wiften. Dazu kommt noch, daß die Uebereinftimmungen im hiftiologirchen Baue, der Function und dem Glykogengehalte an fich eine weit umfangreichere vergleichend -phyfiologifche Be- handlung geftatten, als wenn zugleich noch auf die Färbung, welche außer an Wirbclthiermuskeln nur noch an einer fein- be- fchränkten Zahl von Evertcbratenmuskeln zum Ausdruck gelangt, Rückficht genommen Anrd. Leider hat Grüüner durch feine, mit allen Erfahrungen an den Wirbelthiermuskeln im fchiieidcnden Widerfpruch flehenden Behauptung, daß die den rothen Muskel- fafeni entfprechenden dicker feien als die, den blaffen fich in ihrer Function anfchließenden Fafern, die Frage nach der Ueberein- flimmung im Glykogengehalte, hiftiologifchen und functionellen \'erhalten der Muskeln vollkommen verwirrt. Allem Anfcheine nach decken fich die A^'erfchiedenheiten im Glykogengehalte, func- tionellen und hiftiologifchen Verhalten al^er ebenfo unvoUftändig als ContractionsmcKlus, Textur und Hämoglobinvorkommen. Warnt doch auch Na/Tf^^) davor, bei den Muskeln ohne Weiteres aus dem Glykogengehalte, «der von verfchiedenen, gar nicht mit ein- ander in Verbindung ftehenden Umftänden abhängen kann», auf die Zuckung.sgefc]iwiii(ligkeit zu fclilicßcn. l^ui zu allgcinciueren phyliologifclien Geficht.spuiiktcn in diefer Hinliclit zu gelangen, find bei je<ler v«'rgk'ichend(!n Betrachtung, einerlei ob wir vom Hämoglobin oder vom (Jlykogen ausgehen, von vornherein gciwiüe rylteniatifehe Abgrenzungen vorzunelimen; in wc-lciier Weife die-

rv

300

Grundzflgf einer vergleichenden

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tionsdauer als en blaflen zukommt, die rothen Muskeln aucli dykogenreichcrind als die blaflen. Die diesbezüglichen Verfuchs- ergebniire werd« aus beiftehender Tabelle erfichtlicli ; zu diefen

Rotlu- M> tmit laugfiimer

mit nirrher (^nUacUon) |

B*subachler

Rückt-ninusktln un Kaninchen (oh rdjV

Addiic-tnre.« fornorif*. Iliopsoaf* V. Kaninchen;

)

()..\<i/r>: Arcli. r.l.gef. l'hyüologie. Bd. 14. 1877. S. 482.

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Ilnhn

1878. S. 472.

Bruftmiih'i Fledenu h

KoqH'nnunkeln

firnthe, r. M'ittirh in Hrrwann'n Ilandh.d. rhyliologie. Bd. 5. Tii. 2. S. 307.

Kaninrheniiiiii|ln

Kanini-hemuuBkeln

(irützntr, Bn^slauer ärztliche Zeitfchrift. Nr. 24 vom 22. Dec.

1 SK'{

Pferden i^

I*fi'nh*muftkpln

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i''rr>frhniuiikeln

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ilt nui /u l.(i?rken, daß die ahweicliendcii Kefultat. als am Huli Verhaltene, für unfere AuffalFun^' '

31]

Phyüologie der contractilen Ge\vel)e

301

Kl**!'

z.B. beiLiivarus imperialis zuläßt, fondern bi einigen Tliieren (z. B. beim Hunde nach Kühne, bei der Taubenach E. 3Ieyer) fich die gefammte Muskulatur als hämoglobinliltig erweift, in vielen Muskeln (z. B. bei Säugethieren nacli Grkmr) die rothen und blaffen Fafern gemifclit find, in anderen (z. u in den Muskel- kegeln von Pelamys sarda) eine Fafer theilweii roth, theilweife blaß ilt und auch durch Hämoglobin nur fclnvch tingirte (fog. halbrothe) Muskeln vorkommen, von denen wir ar Zeit noch gar nichts wiffen. Dazu kommt noch, daß die Uelreinftimmungen im hiftiologifchen Baue, der Function und demrUvkogengehalte an lieh eine weit umfangreichere vergleichend -pyliologifche Be- handlung geftatten, als wenn zugleich noch af die Färbung, welche außer an Wirbelthiermuskeln nur noch n einer felir be- fchränkten Zahl von Evertebratenmuskeln zum Asdruck gelangt, Rückficht genommen wird. Leider hat GrütsnerdiXXYQh. feine, mit allen Erfahrungen an den Wirbelthiermuskeln n fchneidenden Widerfpruch flehenden Behauptung, daß die dei rothen Muskel- fafern entfprechenden dicker feien als die, den bljeii ßch in ihrer Function anfchließenden Fafern, die Frage iku der Ueberein- flimmung im Glykogengehalte, liiftiologifchen ud functionellen Verhalten der Muskeln vollkommen verwirrt. Jlem Anfcheine nach decken fich die Verfchiedenheiten im Glyk( flialte, func- tionellen und hiftiologifchen Verhalt^ ^ " als Contractionsmodus, Textur und doch auch Nalfe^^) davor, bei dem Glykogengehalte, «der yf

ander in Verbindung " ^ JT

die Zuckungsgef'' phyfiologifcl" find bei

302 Grundzüge einer vergleichenden [32

felben aber hier zu treffen ßnd, wird ficli erft ergeben, wenn wir am SchluITe unferer Betrachtungen die fubltantiellen, textureilen und funetionellen Eigenfchaften der Muskeln in ihrem ganzen Umfange werden kennen gelernt haben.

Legen wir uns nun die Frage vor, welche Bedeutung fpeciell dem Glykogen für die Muskelcontraction zukommt, fo muß darauf geantwortet werden: lediglich die eines Referveftoffes, eines Referveftoffes, der ebenfo gut in irgend einem andern Organe als im Muskel felbffc deponht fein könnte.

Die neueren Unterfucher (Boelim und Landivehr) unterfcheiden zwei Zuftände des Muskelglykogens : Erftens eine lösliche oder gelöfte, leichter angreifbare Form und zweitens einen fefteren Zu- ftand, wobei das Glykogen mit der Muskelfubftanz verbunden zu denken ift. Unfer gegenwärtiges Wilfen über die Hyalogene und deren Derivate legen den Gedanken nahe, daß es ßch im letzteren Falle um Uebergangsftufen von einem reinen Kohlehydrate zu den Eiweißftoffen handelt, und daß das Glykogen Jich nicht nur dhect oder indirect als Refpirationsftoff bei der Muskelaction betheiligt, fondern auch beim Aufbau der eigentlich contractilen Subftanz Verwendung findet. Was bislang über die Umwandlung des Glykogens experimentell ermittelt wurde, fpricht allerdings weder für, noch gegen eine folche Annahme. Die Thatfachen, daß an abgeftorbenen Muskeln beim Schwinden des Glykogens der Fleifch- zucker auftritt, daß in Muskeln auch Dextrin nachzuweifen ift, reden keineswegs der Annahme das Wort, daß das Glykogen bei der Muskelcontraction in Zucker umgefetzt wird; daß dasfelbe post mortem einer folchen Transformation unterhegt, bedarf feit Kenntniß des diaftatifchen Enzymes der Muskelfubftanz kaum eines befonderen Nachweifes, und felbft wenn Verfuche an lebenden Muskeln die Verzuckerung des Glykogens während, der Contraction wahrfcheinlich machen follten, fo würde immer erft noch der Einwand fortzuräumen fein, daß ausnehmend geringe EingriflFe im

83] Phyüologie der contractilen Gewebe. 303

Stande find, die \'italen albumiiiogenen Proceffe in faccharogene umzuändern, wie z. B. fehr unbedenklich erfcheinende jMittel zur Melliturie führen. Das InterelTe, welches der vergleichende Phy- liologe gegenwärtig an dem Muskelglykogen nimmt, kann noch kein anderes und größeres als bei den Muskelenzymen fein; es beruht lediglich auf der glykogenbildenden Kraft der Muskelfub- ftanz, und auch über diefe ift, ^^'ic wir fahen, noch keineswegs endgültig entfchieclen.

Der aus todtenftarren Muskeln dargeftellte Fleifchzucker'^M ift Fieifch-

ö I zuckev.

der alkoholifchen Gährung fähig, verändert beim Kochen mit ver- dünnter Schwefelfäurc fein Reductionsvermögen in merklicher Weife nicht und dürfte fich bei näherer Unterfuchung als mit Traubenzucker identifch erweifen; ebenfo wenig als diefem kommt dem aus Pferdemuskeln von Limpricht, aus Kaninchenmuskeln von Killinp abgefchiedenen Ervthrodextrin^^) eine vergleichend- J^'ythro- phyfiologifche Bedeutung zu. Wichtiger ift für uns der Inofit^^), welcher in den quergeftreiften Muskeln der Säugethiere, Vögel und ^'^o'^'- Reptihen ziemlich regelmäßig anzutreffen ift und auch der glatten Muskulatur bei diefen Tliierclairen nicht durchgängig mangelt. Sein Vorkommen wird ein weit conftanteres und allgemeineres fein, als noch vor Kurzem angenommen wurde. In den Muskeln von Cephalopoden (Eledone moschata), Arthropoden (Periplaneta Blatta Orientalis) und Geph}Teen (Sipunculus nudus) ift Inofit aufgefunden, nur bei Amphibien und Fifchen mißlangen alle Bemühungen, fein Vorkommen darzuthun. WeyV^*) l)erichtet zwar, daß im electrifchen Organe von Torpedo Inofit enthalten fei; ich liabe mich indeß von der Richtigkeit diefer Angabe nicht überzeugen können, und die Differenzen im Inofitgehalte, welclie zwifclien den (juergeftreiften Muskeln der Ichthyopfiden einerfeits, und denen der Sauropliden und Mammalia andererfeits beftelien, find als eine abgemachte Sache zu betrachten; verinuthlicb tritt in den Muskeln der P'ifche gleiclifam an Stelle des Inofits ein

KrukcnhcTfj, VerKl.-phyfiol. Vorlrüge. '■^-

Fette.

304 Grundzüge einer vergleichenden [34

anderer Zuckerftoff, nämlich der von Frerichs und Staedeler^^) aus einem Gemifche fehr verfchiedener Organe von Rochen und Haien erhaltene Scyllit. Verhältnißmäßig ^del Inoßt finden fich in dem Herzmuskel der Säuger und in den rothen Muskeln der Scliild- kröten (Testudo marginata) vor, wie denn überhaupt die Rep- tihenmuskeln an diefem Zucker die reichften zu fein fcheinen. Abgefehen von den ClalTenunterfchieden verfprechen die flark hämoglobinhaltigen Muskeln im Allgemeinen die ergiebigfle Inofit- ausbeute, und ^dr haben demnach bezüglich des Inofitvorkommens gerade das entgegengefetzte Refultat von dem zu conftatiren, welches die Unterfuchungen über das Glykogen zur Folge gehabt haben. Erwähnung verdient noch das Auftreten des Inofits im Pflanzen- reiche. Obfchon der fog. Phafeomannit weit anfehnlichere Kryftalle darfteilt als der aus thierifchen Geweben immer nur mikrokryftal- linifch erhaltene Inolit, fo haben die Unterfuchungen doch für beide Zucker die nämlichen phyfikalifchen und chemifchen Eigen- fchaften ergeben, und ihre Identität unterliegt wohl keinem Zweifel mehr'*^). Im Uebrigen und wir über die chemifchen Eigenfchaften des Inofits nur- erft fehr lückenhaft unterrichtet, und Gründe für die leichte Zerfetzlichkeit, welcher der Inofit felbft beim Aufbe- wahren im trocknen Zuftande unterliegt, und welche fich häufig an einer Rofafärbung bemerkbar macht, fowie ihn feines Reactions- vermögens auf die Scherer' [che Probe beraubt, find bislang nicht gefunden.

Mit unferem Wifien über den Fettgehalt der Muskeln ift es fehr mißlich beflellt. Die unter den einzelnen Organen des Thier- körpers beflehenden Wechfelbeziehungen, fei es, daß diefe fich in zeitweifen Schwankungen der Leiflungsfähigkeit oder in einer all- mählig anwachfenden und fich erhaltenden Functionsfteigerung eines Organs auf Koflen eines anderen äußern, treten nirgends in den fie begleitenden Subftanzveränderungen fchlagender hervor als an gewiffen Muskelgruppen. Die Beziehungen zwifchen dem Stoff-

35] Phyfiologie der contraetilen Ciewebe. 305

■\vechfel der Muskeln und dem der Gefchlechtsorgane fpringen be- foudcrs deutlich in die Augen. Nur bei denjenigen ungewöhnlichen Bewegungsformen, welche den fog. Kautfcliukleuten eigen find und nach H. Virchoiv"^^) in einem vollftändigen Ausfchlufie anta- gonifhfcher Muskel wü'kungen begründet liegen, fcheinen beim Menfchen die Gefchlechtsorgane in ihrer Entwicklung normwidrig gehemmt zu werden; degenerative Vorgänge bei Ausbildung der Gefchlechtsproducte vollziehen fich an den Muskeln aber nicht nur im exquilitelten Maße bei den Metamorphofen der Infecten und anderer Wirbellofen, fondern auch die Wirbelthiere bieten davon typifche Beifpiele dar. Am lehrreichlten find in diefer Hinficht die Unterfuchungen Miefchcr's'^'') am Lachfe.

Bekanntlich verfchmäht der Lachs während feines langen Verweilens im Rheine irgend welche Nahrung aufzunehmen und ent\nckelt dabei, vornehmlich auf Kofien feines großen Rumpf- muskels, Eierflöcke resp. Samendrüfen. Die Gewichtszunahme der Eierflöcke erfolgt befonders rafch von Auguft bis Mitte November. Miefcher berechnete den während diefer Zeit (vom 7. Augurt bis zum 11. November) eingetretenen Gewichtszuwachs der zuvor 280 g fchweren Eierftöcke auf 1G08 g und diefer Verbrauch war haupt- Tächlich gedeckt durch die Rumpfmuskeln, deren Gewicht in zwifchen von (]340 g (mit einem Eiweißgehalte von 10,7 ^'/o) iiuf 3630 gr (mit einem Eiweißgehalte von nur 13,2 "/o) gcfunken war. Von 100 Th. Rumpfmuskel waren fomit 43 Th. ganz verfchwunden, der Reft an Eiweiß um 21^/0 verfchleclitert und noch weit größer war der Schwund an Fett, während der Vcrlult an Phosi)horfäure ungefähr der Eiweißabnahme parallel ging. Andere Muskelgrup])en (wie die Schwanzmuskeln, der obere luid untere Längsmuskcl, die Muskulatur des Kiefers, des Zungenbeins, dei- Ihufi-, After- und Rückenflf)ffen ) waren dabei intact geblieben und es geht hieraus mit Eviflonz liervor, daß vor allen der Rumpfmuskel diis Bau- material für den Eierftock zu liefern liat. Diefer Anfchauung

Ü2*

306 Grundzüge einer vergleichenden [36

näherte lieh bereits Valenciennes^^), von dem die Beobachtung herrührt, daß beim Verblaffen der Rumpfmuskeln Fett und Farb- rtofF in den Laich übergehen.

Ich habe die von Miescher fo fein unterfuchten VerhältnilTe beim Lachs fchon deshalb etwas ausführlicher mitgetheilt, weil die außerordentliche Labilität des Muskelfettes bei diefem Fifche vielleicht auch zur Erklärung der bei Atrophie menfchlicher Mus- keln fo häufig eintretenden interftitiellen Fettanhäufung beizutragen geeignet ilt. Bei Hausthieren wie bei Menfchen fah man unthätige und gelähmte Muskeln fehr häufig verfetten und mit Hinweis auf diefe Befunde warf Cohnheim^^) die Frage auf, ob bei derartigen Krankheiten der reinen Atrophie der Muskelfafer nicht confliant ein Zuftand der Verfettung vorausgehe. «Das interftitielle Fett wäre dann dasjenige, welches urfprünglich aus einem Theil des Eiwxiß der Muskelfafern abgefpalten und, nachdem es mehr oder weniger lange in letzteren verweilt, fchließlich in die Zellen des intermuskulären Bindegewebes übergeführt worden war; letztere wären dann zu Fettzellen geworden, während die Muskelfafern, wegen mangelndem Wiedererfatz, atrophirt find.»

Um feine vielen fonderbaren, allen ficher geftellten Thatfachen geradezu ins Geficht fchlagenden Ideen in der Muskelchemie noch um eine neue zu vermehren, vertritt Hoppe- Seyler^^) eine der Cohnhemi' khen diametral entgegengefetzte Anficht und hält dafür, daß Fett wie glutingebende Subftanz dem interfibrillären Binde- gewebe und nicht der normalen Muskelfafer als folcher angehöre. In feinem denkwürdigen Auffatze über die contractilen Gewebe hat aber [chon Kühne ^'^) betont, daß es bei der hiftorifch geheilig- ten Leichtfertigkeit, welche die IIifi;iologie dem Fettgehalte der Muskeln jederzeit bewiefen hat, allerdings nicht Wunder nehmen konnte, «wenn gleich die erften Verfuche quantitativer Fettbellim- mung fog. fettig metamorph ofirter Muskeln (des Herzens), in denen das Mikroskop fcheinbar ungeheuren Fettreichthum dargethan, ge-

37] Phyßologie der contractilen Gewebe. 307

rade das entgegengefetzte Refultat, Verminderung des Fettes gegen- über den normalen Herzmuskeln ergeben haben » . Bei Behandlung mit abfolutem Alkohol und Aether wie durch Tinction mit Os- miumfäure überzeugte lieh Kühne, daß normale Muskeln Ilets Fett enthalten, daß aber (z. B. in den Frofchmuskeln) nicht Alles Fett ift, was man dafür angefehen hat. In glatten wie in quergeftreif- ten Muskeln ift das Fett um den Kernen, fowie in der Ernährungs- flüffigkeit um den Muskelfäulchen dm"ch Osmium fäure meift leicht zu erkennen, und beim Lachfe fand ich zu gewiflen Zeiten des Jahres die gefammte Muskelfafer ziemhch gleichmäßig mit Fett durchtränkt, fo daß bei diefem wie bei vielen anderen Fifchen auch die eigenthch contractile Subltanz fetthaltig fein muß. Ift, wie ich mit Cohnlichn glaube annehmen zu follen, nicht nur das intrafibrilläre, fondern mindeftens zum Theil auch das interfibrilläre Muskelfett ein Product der contractilen Subflanz, fo hat es felbft- verftändUch wenig Sinn, wenn man mit NairrJ^"^) darnach trachten wollte, zu beftimmen, wie\iel von dem Fette der eigentlich con- tractilen Subftanz, wieviel den intra- und den interfibrillären Zwifchenmaffen zukommt; um die Schwankungen zu erfahren, denen die phyfiologifche Verfettung der contractilen Subftanz unterworfen ift, dürften Beftimmungen des Fettgehaltes der Mus- keln nach möglichfter Entfernung anderer fettführenden Gewebe genügen, und von hervorragendem Werthe bleiben in diefer Hin- ficlit die Vcrfuchsrefultate •''■'), nach denen der Fettgehalt in man- chen Muskeln auf 1,07 ''/o (Extremitätenmuskeln des Hafen) oder felbft auf 0,76 "/o (Muskeln eines mageren Ochfun) linken kami.

Wie Hell der Fettgehalt für Muskeln von verfcliiedener Fär- bung oder von ungleicher Contractionsdauer ein und desfelbeu Thieres geftaltet, ift erft fehr mangelhaft unterfucht worden. Ich vermag nur anzugeben, daß im Schwanztlieile von Luvarus im- periali.s die rothen Muskeln lieh fettreiclier als die mcerblauen t-rwiefen •''*), und das näniliciie Verhältniß fchcint auch bei dem

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Lachfe vor der Laichzeit zu beflehen; in Gemeinfchaft mit Herrn Dr. H. Wagner ^^) ausgeführte Fettbeftimmungen an den Lachs- muskeln ergaben jedoch nicht immer einen größeren Fettgehalt für die rothe Muskulatur, fondern ließen es wahrfcheinlich werden, daß lieh das Verhältniß im Fettgehalte beider Muskelarten zu ge- wilfen Zeiten des Jahres ändert, fei es, daß der Fettgehalt in beiden proportional abnimmt, oder daß die eine Muskelart mehr an Fett verarmt als die andere.

Schließlich fei noch eines Refultates von MieMier gedacht, weil dasfelbe für die Richtigkeit eines durch Thatfachen fonfl wenig geftützten Satzes von Richet^^) fpricht, welcher befagt, daß die Muskeln, welche viel Fett enthalten, wenig Waffer führen und umgekehrt. Miefclier fand den Waüergehalt des großen Rumpf- muskels beim Lachs während und kurz vor der Laichzeit im No- vember durchfchnittlich zu 81,5 7«, dagegen vor Ausbildung der Gefchlechtsdrüfen zu 73,2 "/o.

Gewiß in den Muskeln vieler Thierarten werden Spuren jenes Chromogenes vorhanden fein, welches in den Fleifchauszügen nach Ausfällung der Phosphate bei dem Inolit bleibt und zur Bildung eines carminrothen, in warmem Waffer mit bräunüchgelber Farbe leicht löslichen Pigmentes führt. Zur Darfteilung diefes Farbftoffes ^\ deffen wäffrige Löfung ein dem Hydrobilirubin nahe verwandtes Spectralverhalten aufweift, bedm^fte es aber refpectabeler Fleifch- quanta, und derfelbe ift bislang auch nur aus Liehig'^chem. Fleifch- extracte abgefchieden worden. In weit reichlicherem Maaße treten in Muskeln fertig geftellte Farbffcoffe auf, die üch fchon bei einer oberflächlichen Betrachtung verrathen, und welche alsdann einen, wenn auch nur indirecten und keineswegs immer zutreffenden Schluß auf den Contractionsmodus und den hiffiologifchen Bau der Muskelfubftanz geftatten. Hämo- Die intenßve Röthung einiger Muskeln ^^) war bereits Luitjen

und Mulder bei Säugethieren wie bei Vögeln aufgefallen, und fie

39] Phyfiologie der contractilen Gewebe. 309

leiteten diefelbe von dem Inhalte der zahlreichen Muskelblutgefäße her. Daß der Farbfloff der Mu.skelfubftanz in gleichmäßiger Ver- theilung felbfl angehört, fanden Bicluit wie Magendie und mehrere deutfche Forfcher (Heule, Simon, v. Bibra, Köllilier, Schloßhenjer) hielten denfelben für Hämoglobin. Die Identität des Muskeh-othes mit dem Hämoglobin wurde aber erft von Kühne durch genaue fpectrofkopifche Prüfung dünner, vollkommen blutfrei erhaltener Muskeln (Zwerchfell) und ihrer wäflrigen Auszüge, fowie durch Darftellung von Häminkr3^rtallen zur Gewißheit erhoben. Die dem Kühne'khen Nachweife widerfprechenden Angaben, wie z. B. die von Brozeit und Hoppe- Seyler, welche behaupten, daß das rothe Fleifch im Leben weiß fei und erft durch künfllich gefetzte Blutungen lieh röthe, oder wie die Angabe von Pouchet, daß die rothe Farbe der Muskelfubftanz als folcher zukomme und nicht von einem Farbftoffe herrühre, wurden, infofern diefelben einer Richtigftellung überhaupt werth fmd, fchon von Kähne berichtigt.

Ein BHck auf die dem erften diefer Vorträge beigegebene Tabelle (S. 29—32) lehrt, daß hämoglobinhaltige Muskeln kein Alleinbefitz der Wirbelthiere find, fondern daß die Forfchung auch bei Würmern und Mollusken auf diefelben ftieß. Bei den Säuge- thieren fpeciell finden lieh fowohl glatte wie ({uergeffcreifte hämo- globinhaltige Muskelfafern vor, und der Differenzen, welche lieh hinlichtlich der rothen Fafern gerade hier zeigen und für uns von Werth lind, ift Ijcreits oben 8. 297 Erwähnung gethan. Bei einigen Thierarten (z. B. beim Ochfen) erlangen die rothen Muskeln eine intenfivere Färbung erft fehr allmählig '''''), fo daß die auf gewilfe Muskelgruppen befchränkte Röthung Ijei alten Thieren am meiften in die Augen fpringt. Derartige an der Färbung fogleicli zu er- kennende Altersunterfchiedc lind überall da Regel, wo das Pigment durch ein den lebenden Zellen innewohnendes IClectionsvermögen von außen her aufgenomnjen wiid, nicht, wo dasielhe in loeo ent-

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fleht und durch eme den Zellen eigene Retentionskraft diefen eine Zeit erhalten bleibt. Ich glaube deshalb auch, daß die rothen Muskeln ihr Hämoglobin während des Lebens aus der Blutbahn zugeführt erhalten, nicht, daß fie das Hämoglobin felbfl produ- ciren. Ampullenartige Erweiterungen der Blutgefäße, welche in rothen Muskeln gefehen werden, muffen eine Hämoglobinaufnahme aus dem Blute befonders begünftigen, und auch die Angabe von JSfalTe^^), «daß der rothe Farbfloff in den anfangs fafl farblofen Muskeln der Kälber in einer ganz beflimmten Periode beim Ueber- gang von Milchnahrung zu Grünfutter auftritt», erklärt üch meines Dafürhaltens ungezwungener durch eine in Folge des Nahrungs- wechfels eingetretene Veränderung im Stoffumfatze der rothen Blutköi'perchen , als durch eine in Folge des Grünfutters hervor- gerufene intramuskuläre Hämoglobinbildung; für letztere ließe fleh vielleicht mit mehr Recht das Auftreten von hämoglobinführenden Muskeln bei Gaflropoden (Paludina, Lymnaeus, Aplysia etc.) verwerthen, deren einziger hämolymphatifcher Farbfloff* das Hämo- cyanin ifl. Doch können bei den Wirbellofen die Verhältniffe immerhin wefenthch andere als bei den Wirbelthieren fein, und gerade für die Muskeln der Gaflropoden find die von Ray-Lanhe/ier herrührenden Angaben keineswegs jedem Zweifel enthoben. Der befte Kenner der feineren Gaflropodenanatomie, Graf JB. Haller^'^), hat erfl kürzlich darauf hingewiefen, daß der rothe Farbfloff in den Buccalmuskeln der Chitonen durch Alkohol extrahirbar ifl, auch nach einiger Zeit in einen grüngelben übergeht [Boll) und dem- nach doch wohl kein Hämoglobin fein kann, welches Puiy-Laiikeßer hier nachgewiefen haben wollte. Uebrigens hüllen die Beobach- tungen von Roebei; Gfcheidlen und Heidenhain, daß ein deutlicher Farbenunter fchied fchon bei einfeitiger Curarifirung wie Strychnin- vergiftung an correfpondirenden Muskeln wahrnehmbar wird, in- dem die durch das eine oder andere der beiden Alkaloide afficir- ten Muskeln ein gefättigteres Muskelroth als die der Giftwirkung

M Iso- chrome.

41] l'liyfiologie der contractilen Gewelje. 311

uuausgefetzt gebliebenen darbieten, die Frage nach der Herkunlt des Hämoglobins in ein neues Dunkel.

^lit den durch Hämoglobin gerötheten Muskeln find häufig andere confundirt, die ihr Roth einem von Frcnnj und Valencicnnes als aeide sahiionique bezeichneten Farbftotfe aus der Lipochrom- gi'uppe^-) verdanken. Diefer Rhodophanfarbftoif fand ficli nur in Fifchmuskeln , wo er bei einigen Ai"tcn (z. B. bei Luvarus im- perialis) fich mit dem Hämoglobin zufammen an der Färbung betheihgt, bei anderen Species dagegen die von Hämoglobin frei gelallenen Muskelgruppen tingirt und in hämoglobinh altigen Fafern dann voUftändig fehlt; wo letzteres Verhältniß obwaltet, entfprechen die rhodophanhaltigen Fifchmuskeln den blaffen der Säuger. Schhßhcrgcr belchreibt auch einen gelben Farbftoff aus dem Fleilche der Goldforelle; diefer gehört nach den bekannt gegebenen Reac- tionen ebenfalls den Lipochromen zu, wird jedoch kein Rhodophan, fondern ein Kör[)er aus der Chlorophanreihe fein. Die bald mein- ins Grüne, bald mehr ins Blaue fpielenden Färbungen der Mus- keln einiger Scomberiden (z. B. Scomber, Luvarus) und diefen verwandter Formen flehen indeß den Lipochromen fern und muffen nach meinen Erfahrungen über den grünen Bclone-Farb- ftoff"^) einem diffus vertheilten Pigmente zugefchrieben werden, zu deffen Extraction fich die üblichen Methoden als unzurei- chend enviefen. Die blauen Färbungen anderer Muskeln und die röthliche F'ärbuug der ifotropen Subftanz leidender Muskel- i'iik'Vii ( Kü/inc'J find Structurf arben ; erftere werden nach Fouchd'''^) durcli kleine, in Zellen (Idiocyftcn) eingefchloffene Köi'perchen verurfaclit.

Die durcli den rafclien Wecbfd ihicr Coutractioiicu \u\(\ (Unx-li •;<•''.'''• i''"'''-

lloll in iluii

ilire feine Faferung au.sgezeichneten gelben Flugnmskelii der In- 'k,'.|f,'"i,'.';.' lecU.'n cliaraf<tenfirt em von den Lipo(;lir()m('n ni leinen JMgeii- fcliaften ganz alnveicliender Farbftoll''''), wclehci' den ( 'raiiidiiieii zugezählt werden muß, iilniliclicn \'( rlaihungcn wie «las Aplyliuo-

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fulvin unterliegt und wie in den Muskeln, fo auch in der Infeeten- lymphe Itändig anzutreffen ilt.

Sämmtliche hier aufgezählten Farbendifferenzen der Muskeln können für uns erft dann eine größere Bedeutung gewinnen, wenn wir die Unterfchiede im hiftiologifchen Baue der Muskeln kennen gelernt haben.

Haben wir es als wahrfcheinlich hingeftellt, daß die rothen und blaffen Muskeln der Säugethiere nur mit einem verfchiedenen Electionsvermögen für das in der Blutbahn frei werdende Hämo- globin begabt und, hat üch auch weiterhin gezeigt, daß einige Muskelproducte (wie z. B. die Enzyme) in geringer Menge faft regelmäßig im Muskelgewebe zu finden und, fo giebt es anderer- feits Fälle, wo die bei der Muskelcontraction entftehenden Zer- fetzungsproducte das Muskelgewebe fo außerordentlich rapide wieder verlaffen, daß man über die Bildungsflätte derfelben lange in Zweifel bleiben konnte, oder auch folche, wo die nämlichen Stoffe üch in fo immenfem Grade im Muskelgewebe anhäufen, daß der Fleifchfaft eine concentrirte Löfung diefer Subftanzen darftellt. Das Elections- und Retentionsvermögen der lebenden Zellen variiren bei keinem anderen Organe in fo weiten Grenzen als bei den Muskeln und gerade dadurch wird die Muskelchemie fo lehrreich und hochintereffant. Hamftoff j)JQ breiten Schwankungen in der Retention sgröße für gewifTe

arn aure. g^^g-g ju^ßpjp^ ^m schlagendften der Harnftoffgehalt der Muskeln*^"), In jüngfter Zeit ift zwar mehrfach -dafür plaidirt, daß der Harn- floff bei den Säugern, die Harnfäure bei den Vögeln und Reptilien zum größten Theile aus Ammoniumverbindungen in der Leber hervorgehen. Die Verfuche, auf welche man fich berief, beweifen indeß nichts und wir haben deshalb als eine der Hauptbildungs- ftätten für beide Stoffe noch wie zuvor die Muskulatur anzu- fehen. Es find feltene Ausnahmen, wenn die Muskeln größere Mengen ihrer Zerfetzungsproducte bei lieh behalten; Regel ift, daß

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die Stoffe, fobald fie entftanden und, auch ausgefchieden werden. Otcsjmmil-oic und Ißoniin wollen bei künftlicher Durchblutung des Hundemuskels das ausflrömende Blut reicher an Harnlloff als das einllrömende gefunden haben und Picard berichtet, aus Hunde- wie Kaninchenmuskeln Harnftoff ifolirt zu haben. Diefe Angaben find jedoch mit äußerfter Vorücht aufzunehmen, und ich fteho nach meinen Verfuchen nicht an, wie einft Lieh ig zu behaupten, daß aus normalen Säugethiermuskeln Harnftoff nach den gegen- wärtig übhchen Methoden nicht abzufcheiden und darauf als iblcher nicht zu erkennen ift. Nur unter ganz abnormen Verhältniffen (nach Exftirpation der Nieren, nach Ureterenunterbindung, bei Cholera- kranken, die im Stadium des Choleratyphoid geftorben find) traf man in Hunde-, refp. in menfchlichen Muskeln Harnftoff' in ficher nachweisbarer und alsdann bisweilen auch in beträchthcher Quan- tität an. Bei Choleraleichen fand Voit in den Muskeln weit größere Mengen Harnftoff als im Blute und zieht daraus den Schluß, daß die Muskeln unmöglich einen höheren Gehalt an Harnftoff zeigen könnten als das Blut, wenn fie ihn nur durch Vermittelung des Blutes von anderen Organen herbezögen; hierin fehen auch wir den Beweis dafür, daß der Harnftoff in den Muskeln felbft entfteht.

Eiqe große Anzahl forgfam ausgewählter Repräfentanten der wichtigeren Familien aus allen Wirbelthierclaffen ift auf Harnftoff geprüft worden; mit Ausnahme der neun unterfuchten Vertreter einer einzigen Ordnung halxiii ficli für den Harnftott" aber ül)erall die nämlichen \x'rhältniire als bei den Säugcthieren offenbart: Harnftoff war in dem normalen Muskelgewebe nicht nachzuweifcn, und aiicli unter den Wirbellofen blieb fein V'oi-konnncn auf di(> Artliropoden befchränkt. Für die Harnfäure") war das Ilelültat ein völlig analoges; auch hier fanden fich nur bei W-rtretern einer Onhjung erlieblicherc Harnfäunnnengen hi den Muskeln vor. Wälirend nun aber fonlt in den Muskeln der WirlKjltliiere nicht

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eine Spur von Harnftoff aufzufinden war, ergab fich für fämmt- liche, der Prüfung unterworfenen Selachier (Rochen und Haie), daß der Fleifchfaft gleichfam eine concentrirte Harnftofflöfung vorftellt, und daß in gleicher Weife wie die Muskeln auch die übrigen Körperorgane mit Harnftofflöfung mächtig durchtränkt find.

Ein namhafter Zoologe äußerte mir gegenüber die Anficht, der fo ifolirt daftehende Harnftoffreichthum der Selachiergewebe möchte durch die Kleinheit der Nieren bedingt fein; die Excretions- organe feien den Anfprüchen, welche der Organismus an fie ftelle, nicht gewachfen und fo bleibe eine größere Harnftoffmenge in den Körpergeweben zurück. Ho])pe-Seyler^^) ficht den Grund ebenfalls in den Nieren ; er vermuthet, « daß die Kräfte, welche in den Nieren der übrigen Thiere thätig find und den Rücktritt des Harnftoffes aus dem Harn in das Blut verhindern, alfo einer osmotifchen Bewegung entgegenwirken», den Nieren der Rochen und Haie nur in geringem Grade oder gar nicht eigen find. Beide Hypo- thefen rechnen nicht genügend mit den feftgeftellten Thatfachen. Ich*^^) habe gezeigt, daß nicht nur aus der Dotterfackplacenta und 5 cm langen Embryonen von Mustelus laevis, fondern auch aus den Eidottern von Scyllium canicula und Myliobatis aquila mit Leichtigkeit größere Harnftoff quantitäten abzufcheiden find. Der Harnftoffreichthum ift alfo bereits in einem Entwick- lungsftadium vorhanden, in welchem die Gewebe durch eine Nieren fecretion von den Excretftoffen noch bei keinem Wirbelthiere entlaftet werden. Es muffen daher die Gewebe der Selachier ganz anders functioniren als die der übrigen Wü'belthiere, und da auch das Retentionsvermögen ihrer Muskeln für Harnftoff ein von dem tibfichen abweichendes ift, fo treffen wir felbft dann noch den coloffalen Harnftoffgehalt in ihnen an, wenn die Nieren fich Jahre lang in regelrechter Thätigkeit befunden haben.

In entfprechender Weife find nun auch die A-^erhältnifTe bei den Alligatoren und Crocodilen zu deuten, wo nicht Harnftofif,

I

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fondern {^xiQ bei den LampjTideu) Harnfäure die Muskeln oft malTeuhaft erfüllt. Das Harnfäurevorkommen in den Muskeln der Alligatoren -wm-de 1849 von Lichifj beobachtet und 1864 von Cariust nachentdeckt. Beide Forfcher bezeichneten den Harnfäurereichthuni der Muskehl als einen normalen und diefer Auffaffung fchloß fich Fagen/lechcr an, während Meißner derfelben Aviderfprechen zu muffen glaubte. In den letzteren Jahren habe ich wiederholt Gelegenheit genommen, Fleifch von Crocodilen wie von Alligatoren zu unterfuchen, und der Harnfäuregehalt desfelben war allemal ein fehr bedeutender, die Thiere z. Th. ohne längeres Kränkeln plötzhch geflorben, z. Th. auch bei beftem Wohlbefinden getödtet, fo daß heute kein Zweifel mehr an einem verhältnißmäßig großen Harnfäuregehalte der Muskeln felbft bei ganz normalen Crocodilen beftehen kann. Aehnliche Retentionseigenthümlichkeiten zeigen die Muskeln einiger anderen Thiere für Taurin, Glykocoll und Kreatinin.

Geringe Mengen von Taurin ^"^j fand Limpricht in Pferde- wie cT^koeoii' in Fifchfleifch; reicher daran find die Muskeln von Rana tem- poraria, und auch in den Muskeln von Gaftropoden und Ace- phalen gab fich feine Anwefenheit zu erkennen. Nirgendwo finden fich aber in den Muskeln folche Mafien von Taurin aufgeftapelt als bei den Cephalopoden. Hier wurde das Taurin von Fremy und Valenciennes Vjei Sepia officinalis entdeckt, fpäter von Fredericq SLUfi Octopus vulgaris, von mir aus Eledone moschata und (in Gemeinfchaft mit J. Steiner) aus Loligo vulgaris ifolirt; bei allen der Prüfung unterzogenen Cephalopoden fpecies glich der Fleifchfaft einer ccjncentrirten Taurinlöfung. In dem Schließmuskel von Pecten irradians traf ('hiUemhn''^) das Glykocoll (die zweite Amidofäure, welche wie das Taurin fonfi nur noch mit CholalTäuro gepaart als Gallenbe/landtbcil Ixi den Wirbelthieren auftritt) in (•iner annäbernd ebenfo bedeut(!rid(;n Menge an.

Keicldichere Quantitäten von Kreatinin ^^), welche iiuchweislich '<""•'"'"

316 Grundzüge einer vergleichenden [46

nicht erft bei der Darfteilung aus Kreatin entitanden fmd, fanden fich nur bei einigen Knochenfifchen (Luvarus, Thynnus, Pela- rays, Conger). Ausnehmend groß ift der Kreatiningehalt der meerblauen Rumpfmuskeln von Luvarus imperialis; aus dem alkoholifchen Auszuge von l^/g kg diefer Muskeln fchieden fich bei vorfichtigem Eindampfen auf dem WalTerbade nicht weniger als 5 g reinlte Kreatininkrj^Italle ab. Auch in den quergeftreiften Muskeln der Säuger und Vögel wird das Kreatinin ßcherlich nicht ganz fehlen, doch lalTen die Unterfuchungen noch Zweifel beliehen, wie viel von dem gefundenen Kreatinin in den Muskeln wirkhch als präformirtes vorhanden gewefen und wie viel erll bei Verarbei- tung des Fleifches aus Kreatin, dem conftanteften unter den kryftallifabelen ftickftoffhaltigen Extractivftoffen der Wirbelthier- muskeln entftanden war. Kreatin. Ausgenommen einen einzigen negativen Befund bei Lichia

amia, wo die Unterfuchung überdies mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte und das Refultat daher kein ganz zuverlälliges ift, hat fich das Kreatin ^^) in den quergeftreiften Muskeln bei fämmtlichen Wirbelthieren (und zwar fchon bei jungen Embryonen) gefunden, bei welchen man darnach gefucht hat. Das Kreatin ift nicht nur der conftantefte, fondern auch ein charakteriftifcher Beflandtheil der quergeftreiften Vertebratenmuskulatur ; es findet fich noch bei den Selachiern, Ganoiden, Cycloflomen, ja bei Am- phioxus lanceo latus vor, ift aber aus den Muskeln keines einzigen Wirbellofen zu erhalten gewefen. Ob Kreatin in den glatten Wirbelthiermuskeln vorkommt, fteht noch dahin; Lehmann giebt an, es darin gefunden zu haben, ich habe es dagegen bei allen in Unterfuchung genommenen glatten Muskeln vermißt.

Die Veränderungen, welche das Kreatin im Muskel durch- macht und fein eventueller Uebergang in Harnkreatinin find noch wenig durchfichtig. Durch Sarokm wifien wir, daß der Kreatin- gehalt fauer reagirender, zuvor todtenftarr gewordener Frofchmuskeln

47] Phyfiologie der contractilen Gewebe! 317

von dem alkalifcli reagirender nicht nennenswertli al)weicht, daß aber der Kreatiningehalt eines tetanifirten Frofchmuskels auf Koften feines Krcatins ums dreifache anwachfen kann. Beftimmungen des Kj-eatingehaltes von verfchiedenen Muskehi desfelben Thieres haben ebenfalls zu keinem abrclihcßendcn Refultatc geführt; nur für das Herz fcheint feftgeftellt, daß es krcatinärmer ift als die Extremitätenmuskulatur. Voit fchließt aus feinen, an frifchen Muskeln von Frofch, Fuchs, Rind, Hund, Pferd, Kaninchen und Menfch au.sgeführten quantitativen Beftimmungen, daß der (in den Verfuchsprotokollen zwifchen 0.2 0.3*^/o wechfelnde) Kreatingehalt bei den verfchiedenen Thierfpecies keine größeren Unterfchiede darbietet als l)ei Individuen der gleichen Species, und den näm- Hchen Eindruck gewann auch ich bei vielen, allerdings nicht quantitativ durchgeführten Analyfen von Fifchfleifch.

Daß zwifchen den Muskeln nahe verwandter Formen und zwifchen den verfchiedenen Muskelarten ein und desfelben Thieres oft hervorflechende chemifche Unterfchiede beftehen, daß ein Muskel Subftanzen enthält, die einem anderen fo gut wie vollftändig fehlen, hat ficherlich ein Gaftronom niemals bezweifelt. Des verfchieden- artigen Gefchmackes von dunklem und blallem Fleifche bei Ge- flügel ift von Literaten wiederholt gedacht, der verfchiedene Gefchmack des hellen und i-otlien Thunfifchfleifches ift unter den Bewohnern der Seeftädte am Mittelmeere allgemein bekannt. So klar wie am Rochen- und Haififchfleifche, dedcn widerwärtiger Gefchmack und Geruch auf Zerfotzungs[)roducten des darin fo reichlich vorhandenen Harnftofls berulit, treten bei der chemifchen Analyfe derartige Verfchiedenheitcn in der Zufammenfetzung fonft nidit liervor, und foll^It ]>ei Fleifchforten von fo eigenartigem Gefclimacke wie die der Kreljfe ift derfelbe nur mit Univclit dem <^dykogen zugefchrieben, feine wahre Uri'in-hv, noch unei-inittelt. «Der Inftinct des Gefchmackes ift», wie //////^//-»SV/zvo-/«^*) bemerkt, 'i(\(r Wifr(;nrch,'in. voi-au.sgeeilt. »

318 Grundzüge einer vergleichenden [48

Die Mehrzahl der Fleifchfloffe, welche fich dem Gefchmacke fo leicht verrathen, widerflehen bekanntüch dem Kochen und finden ficlT bei Verarbeitung des Fleifchauszuges nach dem Liebig'- fchen Verfahren '^^) in dem bafifchen Bleiacetatniederfchlage wieder, delTen Darltellung zur Abfcheidung des Inofits üblich geworden ift. Diefer Bleiniederfchlag läßt fich durch Auskochen mit Wafier in zwei Portionen zerlegen: in die Bleiverbindungen, welche in heißem Wafier löslich und in die, welche darin unlöslich find. Zu letzterer ClalTe gehört das Inofitblei, zu erfterer zählen die Stoffe, welche den typifchen Gefchmack mancher Fleifchforten zu bedingen fcheinen.

Durch Zerfetzung des in fiedendem Waffer löslichen Antheils der bafifchen Bleiacetatfällung mit Schwefelwafferftoff" find eine Reihe gut kryftallifirender Stoffe aus Fifch-, Frofch-, Alhgator- und Hummerfleifch erhalten worden''^), welche in verfchiedene, eben- falls gut kryfiiallifirende Salze übergeführt, jedoch nicht in der zu einer Elementaranalyfe erforderlichen Menge gewonnen werden konnten. Durch Beftimmung des Zerfetzungspunktes, fowie ihres Verhaltens gegen Fällungsmittel und beim Eindampfen mit con- centrnter Salpeterfäure heß fich nur wahrfcheinlich machen, daß die aus dem Fifch-, Frofch- und Alligatorfleifche auf diefem Wege erhaltenen Subflanzen Verbindungen darltellen, aus welchen Taurin künltfich abzufpalten und auf welche vielleicht auch das Taurin als Zerfetzungsproduct zurückzuführen ifi;, welches aus Frofch- wie Fifchfleifch wiederholt gewonnen wurde. Der in fiedendem Waffer lösliche Antheil des bafifchen Bleiacetatniederfchlages aus dem Fleifchauszuge vom Hummer liefert dagegen einen in feinen Eigen- fchaften wefentlich abweichenden organifchen Körper, deffen lange garbenartig gruppirten Kryftallnadeln beim Verdunften der Mutter- lauge unter Wafferverluft eine rapide moleculare Umlagerung er- fahren und dabei in Kryfi:alltäfelchen zerfpringen, die bei 270*^ C noch nicht vollfiiändig verkohlen. Kreatin, Taurin und Inofit

49] Phyfiologie der contractilen Gewebe. 319

fehlen in den Hummermuskeln, und fo ift jene die einzige orga- nifche Subftauz, welche in krvftalliürtem Zuftande aus denfelben abgefchieden wurde und welche auch wohl für den eigen thüm- lichen Gefchmack des Krebsfleifches verantworthch zu machen ift.

In dem Fieifche von Fröfchen wie Süßwalferfifchen ift von ,. ^^'f. //. Wa(/)icr und mir neben der fraglichen gepaarten Taurinverbin- ^"'i'""- düng auch der Körper aufgefunden, welcher von Weidel in Liehig' - fchem Fleifchextracte entdeckt und als Carnin^^) bezeichnet wurde. Das Carnin entwickelt beim Erhitzen über freier Flamme einen charakteriftifchen Bratengeruch und documentirt (bei Behandlung mit BromwalTer oder beim Erwärmen mit Salpeterfäure) durch den Uebergang in H^^poxanthin feine Zugehörigkeit zu den Xanthin- körpern. Die fruchtbaren Arbeiten der letzten Jahre beftimmen uns, bei der, fo wichtige Producte des thierifchcn Stoffwechfels umfalfenden Gruppe der Xanthinkörper etwas länger zu verweilen.

Die Xanthingruppe^^) zerfällt in drei Abtheüungen, als deren Repräfentanten das Hypoxantliin oder Sarkin (C5H4N4O), das Xan- tliin (C5H4N4O2) und die Harnfäure (C5H4N4O3) anzufehen lind. Dem Hy}>oxanthin reiht lieh an das Carnin (C^HgN^Oa) und das Adenin (C^H^Nr;), dem Xanthin das Theobromin (= Dimethyl- xantljin, C^H^N^O^), das Coffein oder Thein (= Trimethylxanlhin, CgHjoN^Og), das Guanidin (C-H^N^O), vielleicht noch zwei von (r. Salonion im menfchliclieii Jlani gefundene Kör[)er (das mit dem Theobromin ifomere Paraxanthin [C7HyN402 nach is. Fifclicr] und iloteroxanthin, welches wahrfcli ein lieh ein Methylxanthin ift) fo- wic (als ein weiteres Ifomere des Theobromins) das von J'J. Fischer künftlicli dargeftelltc Dioxvdimethylpurin, während die IlarnCäure nach diffcr Richtung hin flaute noch unvermittelt dafteht. Trotz- dem Hypoxanthin, Xanthin ^nd Harnfäure nur durch ein oder zwei Sauerftoffat^>me in der I'ormel von einander abweichen, licü fiel) d<'r zwifclicn ilincn bcfteliende nälicn; Znfannnenhang nicht «rmitteln. Die Angaben von Strecker, d;iü I lypoxanlliin (hn'cli

Krukf.nbcrg, Venfl.-iihydol. Vorlräge. -•'

320 Grundzttge einer vergleichenden [50

Behandlung mit Salpeterfäure in Xanthin, Harnfäure in alkalifcher Löfung durch fehr natriumarmes Natriumamalgam in Xanthin und Hypoxanthin umzuwandeln feien, haben den Nachunterfuchungen von BocMeder und HlaRivetz, von KoMl und E. Fifcher nicht Stand gehalten. Nur in weiter abliegenden Spaltungsproducten, im AUoxan, in der Parabanfäure resp. deren Methylderivaten und in den durch JE. Fifcher erfl jüngft bekannt gewordenen, aber noch nicht eingehender Itudirten Abkömmlingen des Methylpurins (CHg'CgN^Hg) lind Ausgangspunkte für alle drei Claffen fchon gegenwärtig gegeben. In die Hypoxanthin- und Xanthinreihe ifl durch die neueren Erfahrungen über die Nuclenie noch ein wei- terer Einblick eröffnet; denn wie Koßd zeigte, liefern die Nucleine bei längerem Kochen mit Waffer oder mit verdünnten Säuren fo- wohl Guanin und Xanthin, als auch Adenin und Hypoxanthin. Noch weit vollfländiger fmd die Wechfelbeziehungen zwifchen den einzelnen Gliedern ein und derfelben Abtheilung in der Xanthin- gruppe aufgeklärt w^orden. So gelang nicht nur die Ueberführung des Carnins in Hypoxanthin (Weidel), fondern auch das Adenin ifl durch Erwärmen feiner Löfung in verdünnter Schwefelfäure mit Kaliumnitrit zum Sieden in Hypoxanthin (KoITel) überzuführen gewefen. Das Guanin geht bei dem Behandeln mit falpetriger Salpeterfäure, Löfen des entftandenen Nitrokörpers in fiedender Ammoniakflüffigkeit und fchheßlicher Reduction der Verbindung durch Eifenvitriol in Xanthin über (StrecJcer), und diefes liefert beim Erhitzen feiner Bleiverbindung (CgHaN^^OgPb) mit Jodmethyl auf 100*' C. Theobromin (F. Fifcher), welches in der Silberverbin- dung (C7H7N402Ag + 3 aq) weiterhin zu Coffein (StrecJier) zu methy- hren ifl. Die Umwandlung des Guanins in Xanthin erfolgt nach F. Fifcher nahezu quantitativ, wenn man 10 gr. Guanin in 20 gr. conc. Schwefelfäure und 150 gr. Waffer kochend löfl und nach Abkühlung auf TO*' 80" C. allmählig eine wäffrige Löfung von 8 gr. käufhchem Natriumnitrit unter flarkem Umfchütteln zufetzt.

51] Phyfiologie der contractilen Gewebe. 321

Während für die Harnßlure die Murexidprobe, für das Guanin eine jener fehr ähnliche Farbenrcaction charakteriftifch ift, werden das Xanthin und feine unmittelbaren Derivate (Theobromin, Para- xanthin, Coffein) durch die fog. WeideVM^e Probe, welche auf der Bildung von Amalinfäure (d. i. Dimethyl-Alloxantin) zu beruhen fcheint, enger verbunden und dadurch fowohl von dem Hetero- xanthin, Guanin und Dioxydimeth ylpurin , wie von den Gliedern der H}i:>oxanthinreihe und der Harnfäure abgetrennt.

Für die Muskelchemie befitzen von den Xanthinkörpern außer der Hararäure und dem Carnin nur noch das Hypoxanthin und Xanthin Bedeutung. Hyi^oxanthin ift fowohl aus allen daraufhin unterfuchten Muskeln, als auch aus dem Plasmodium von Aetha- lium septicum^^) darzuftellen gewefen; doch find viele diefer Re- fultate belanglos geworden, feitdem wir wiffen, daß fich Nucleine in allen zelligen Gebilden finden und Kochen mit Wafier ausreicht, um aus ihnen Hypoxanthin abzufpalten ^"). Das Xanthin, von dem frifches Pferdefleifch nach Scherer 0,0026*^/0 enthalten foll, wird von diefem Forfcher auch als ein Beftandtheil des Fifchfleifches angeführt, doch ift es hierin weder von Älmm noch von mir auf- zufinden gewefen. Die Angaben über das Xanthinvorkommen in den Geweben der Wirbellofen (nach J. B. Ens bei Chrysomela aenea, nach Ph. Schreiner bei Melolontha, nach lieinJce und Ilodeiralfl in Aethalium septicum), wo überdies die Ablagerungs- ftätte desfelben nicht ennittelt wurde, Ijedürfen fehr der Bcftätigung, und auch für das Xanthin ift die für das Hypoxanthin hervorge- hobene Mögfichkeit, daß, wo es gefunden wird, erft bei der Ver- arbeitung des Fleifclies aus Nucleinen entfl^ndcn ift, nicht von der Hand zu weifen.

Aul" die von Liehif/ im Fleifchauszugc entdeckte zweibalifclie |.7^{',i;„;j; Jiiolinfäurc'*') (CiJi^N/J,,). zieren Vorkommen fpäter von (iregory und Meißner in IIühiiermusk(!ln, von Crrifr im Flcifche der Ente, «N-r Gans, der Taube, des Kanincliens und (k;r Katze, von ]/im-

322 Grundzüge einer vergleichenden [52

pricM neben einer anderen, ähnlich conJftituirten ftickfloff haltigen organifchen Säure im Fifchfleifche (bei Plötzen , Häringen und Knorpelfifchen) nachgewieXen wurde, ifl neuerdings nicht wieder geprüft worden. Nach Creite liefern die Muskeln des Huhnes 0,005—0,008 0/0, die der Ente 0,26 *>/o inofinfaures Barium, und nach Meißner ift die Menge der Inolinfäure im Hühnerfleifch bei Fütterung der Thiere mit Gerfle um das Zehnfache größer als bei Fleifchfütterung. Die aus Fifchmuskeln von LimpricM dargeftellte Protfäure^^) ift ein undefinirbares Etw^as geblieben; fie foll die Zu- fammenfetzung und Eigenfchaften eines Eiweißftoffes belitzen und fteht als ein künfthches Zerfetzungsproduct des fo veränderlichen Myoßns vielleicht den Hyalinen näher als der Inoßnfäure. Stoffen, welche in wenig fcharfer Umgrenzung die Gruppen der Lecithine und Nucleine ausmachen, begegnen wir in allen thie- rifchen Gewebstheilen, den Lecithinen hauptfächlich in den Nerven, und die Anwefenheit diefer Stoffe in den Muskeln erfcheint dem- nach felbflverftändlich, entzieht ßcli aber gerade wegen der allge- meinen Verbreitung derfelben jeder fpeciell vergleichend-phyßolo- gifchen Betrachtung des Muskelgewebes, ^nifche '^^ ^^ chemifchen Beftandtheile des Muskels durchgegangen

then'e. zu fciu, erübrigt nur noch die Betrachtung der anorganifchen Ver- bindungen, des Waßer-, Afche- und Gasgehaltes^^). Auf S. 308 wurde erwähnt, daß der Waffergehalt der Muskeln fich im Allge- meinen umgekehrt proportional als ihr Fettgehalt verhält, und diefer Satz beßtzt nicht nur für den vom Fettgewebe befreiten Muskel, fondern auch für die Muskelfafer als folche Gültigkeit. Weiterhin nimmt man als Regel an, daß der Waffergehalt der Muskeln junger Thiere etw^as höher ift als bei Erwachfenen, der- jenige tetanifirter Muskeln bedeutender als ausgeruhter, höher auch in den Muskeln gehungerter Thiere ift und bei Wirbelthieren fich niedriger ftellt als bei Wirbellofen. Ebenfalls ift das Imbibi- tionsvermögen abgeftorbener Muskeln von verfchiedenen Thieren

53] Phyfiologie der contractilen Gewebe. 323

oft ein fehl" ungleiches; bei Fifchen gewöhnlich beträchtlicher als bei Säugern und Vögeln. Unter Berückfichtigung des ungleichen Fettgehaltes der hämoglobinhaltigen und der hämoglobinfreien Muskeln bei ein und demfelben Thiere bietet der Waflergehalt derfelben weder nach den Unterfuchungen von lianlc am Kanin- chen, noch nach denen von H. Wagner am Lachs größere Ab- weichungen als von 1 2^io (zu Ungunften der fettreicheren hämo- globinhaltigen Muskeln) dar, und in Uebereinftimmung damit fand auch Gfcheidlen für die durch ihren größeren Hämoglobingehalt von intact gelalTenen leicht zu unterfcheidenden tetanifirten resp. vergifteten Kaninchenmuskeln (vergl. S. 310) keine anderen Werthe und Schwankungen im Waflergehalte, als folche fich bei corre- fpondirenden Muskeln fchon ohnehin ergaben. Die heutige Lite- ratui" Anll bei den Säugethicren nur das Herz vor den willkürlichen Muskeln durch einen größeren WalTergehalt ausgezeichnet wiffen. Bei Verfuchen, von einem anderen Geüchtspunkte aus unternom- men, find indeß noch immer pofitive Refultate in Bezug auf einen differenten AVairergehalt auch bei anderen verfchieden functioniren- den Muskeln eines Thieres zu erwarten. Muskeln geben nämlich unter gewiffen Umftänden leicht ihr Waffer ab und erfahren als- dann eine fehr vollkommene Entwäfferung fowohl vital (durch den Kommabacillus bei den Cholerakranken), als auch poftmortal (z. B. bei mehrftündigem Liegen in einer Koldenfäureatmofphäre [G. Li('hi()]); nach Falles und HchcffcrH Verfuchen an Hunden ver- lieren die Muskeln im Durltzuftande von allen Geweben das meifte WafllT, und es würde daher zu unterfuchen fein, ob bei diefer Wafrergabe nicht erheblichere Differenzen, den verfchiedenen Muskelarten entfprechend, beftohen. Haben doch auch die Verfuche Cho/fai'H an Tauben gezeigt, daß im Hungerzuftande das Herz einen 0(;wicl)tsverluft von etwa 45 "/o erfälirt, dit! J\'ct()ralmusk('ln r)3,l (feucht) resp. 55,0 "/o (trocken) und die übrigen Skchamuskch» nur ;55,6 resp. 35,9 "/o ihres normalen Gewichtes einhüßcn; ilt zu-

324 Grundzüge einer vergleichenden [54

gleich doch auch von Voit feflgeftellt, daß bei der Katze die wiR- kürhchen Muskeln im Hungerzuflande ca. 30 °/o an Gewicht ver- lieren, das Herz dagegen nur um 2,6 '^jo abnimmt.

Um eine Anfchauung von der quantitativen Zufammenfetzung der Muskeln zu geben, habe ich unter den Anmerkungen^^) zwei voUftändige Fleifchanalyfen mitgetheilt. Was den Gehalt der Mus- keln fpeciell an Mineralbeltandtheilen anbelangt, fo liegen nur für wenige Säugethiere ausführlichere Analyfen vor; diefe ergeben aber übereinftimmend, daß von den Salzen des Fleifches etwa 80^/0 in die Fleifchbrühe übergehen (ühevreul) und vor\\degend aus Kaliumphosphaten beflehen (Liehig). Sulfate fehlten in den unterfuchten Fleifchafchen vollftändig (Berselius, Liehig), auch Natrium war im Ochfenfleifche fo fchwach vertreten, daß es nur auf unvermeidhche Blut- und Lymphbeimengungen bezogen werden kann, und Weher'B genauen Analyfen des Pferdefleifches lalTen fchließen, daß das Dikaüumorthophosphat in diefem nicht allein das vorherrfchende, fondern auch das faft einzige anorganifche Salz ifl; bei der fpontanen Säuerung des Muskels durch Milchfäure wird dasfelbe zum Theil in das faure Salz umgewandelt. Aber fchon bei den Fifchen beflehen wefenthch andere Verhältnifle ; bei diefen herrfchen weit mehr als bei den Säugethieren die Erdphosphate in der Fleifchafche vor (v. Bihra, Schloßherger), und nach Fremy und Valenciennes^'") trifft man Kaliumphosphate reichlicher nur bei Thieren mit fehr entwickeltem Knochenbaue an; in den Muskeln der Arthropoden und Mollusken z. B. finden fich davon nur Spuren.

Von Gafen enthält der Säugethiermuskel, über den wdr auch in diefer Hinficht ziemhch ausfchheßhch unterrichtet find, Kohlen- fäure, wenig Stickfloff und gar keinen Sauerfloff. Die Bildung der Kohlenfäure, welche im Muskel verfchieden fefl gebunden ift, findet noch ohne Sauerflofi'zufuhr flatt, ifl im gebrühten Muskel felbfl nicht ganz erlofchen und fcheint demnach verfchiedene Quellen zu haben. Die producirte Kohlenfäuremenge fleigt beim

55] Phyfiologie der contiactilen Gewebe. 325

Erwärmen der Muskeln von Fifchen und Säugethieren in annähernd gleicher Weife bis 34° refp. 38** C. an und nimmt bei höherer Erwärmung allmählig wieder ab, bei Warmblütern langfamer als bei Fifchen (TicgnanJj^^).

Unfere Darftellung einer vergleichenden Muskelchemie würde^^"*^^^'^^^- unvollfländig fein, wenn wir nicht der merkwürdigen Verände- rungen gedacht hätten, welche die als Muskelgifte ^^) bezeichneten Stoffe, oft fchon in minimalften Dofen angewandt, in Muskeln vorübergehend hervorrufen. Die Toxicologie ift ein integrirender Theil der chemifchen Phyßologie; «unter dem Einfluffe der Gifte entftehen in einem Gewebe niemals neue Functionen, fondern nur einige der normal vorhandenen phyfiologifchen Gewebseigenfchaften werden durch die Gifte befonders deutlich für uns zur Wahrneh- mung gebracht» (Cl. BernardJ. So können durch die toxicolo- gifchen Erfahrungen nur unfere, auf irgend einem anderen Wege der experimentellen Forfchung erw^orbenen Ueberzeugungen in envünfchtem Maaße befeltigt oder neue Bahnen den chemifchen, phyliologifchen und hiftiologifchen Arbeiten eröffnet werden. Wie dürftig auch bis auf den heutigen Tag das Feld der vergleichenden Muskelchemie toxicologifch beftellt fein mag, werthvoll lind doch manche der bereits gewonnenen Ergebniffe. Die fcharfe Abgren- zung Zwilchen Muskeln und form veränderlichem Protoplasma findet eine wefentliche Stütze in der durch Jiinz entdeckten außerordent- lichen Empfindlichkeit faft aller nervenlofen Protoplasmen gegen neutrale Chininlöfuugen, in einer Empfindlichkeit, welche fich nur bei Turbellarien wiederfand, fonft aber an keiner Muskelfafer, fei es bei Wirbelthieren oder bei Wirbellofen zur Beobachtung gelangte. Der durch die Verbreitung des Kreatins veranlaßto Gegen fatz zwifcheii den quergeftreiften Muskeln der Wirbelthiere und den fämmtlichen Evertebratenmuskeln fi>iegelt lieh in den Wirkungen der Anälthetika wid«;r, w(!lch(; l)oi den Wirbelthieren ausnahmslos das Centralorgan, die Muskeln ungleich fpäter, oft gar niclil in crliclil-

326 Grundzüge einer vergleichenden ' [56

licher Weife ergreifen, während fie bei den Wirbellofen regelmäßig zuerft die Muskeln afficiren, . diefe in einen einfachen Lähmungs- oder Reizzufland (z. B. die Radiärfafern um den Pigmentkörpern bei Eledone mos ch ata) verfetzen oder durch gleichzeitig ein- tretende Starre brettartig hart werden lalTen (z. B. die Hautmuskeln von Hirudo officinalis); nur Unter fucher, welche centrale und periphere Lähmungen nicht auseinander zu halten und eine Muskel- lähmung nicht zu diagnofticiren verftehen, konnten letzteren Er- gebniflen widerfprechen. Auf einem indirecten Wege find auch die quergeftreiften und die glatten Muskeln bei den Wirbelthieren durch Gifte unterfcheidbar zu machen : das Curare lähmt ausfchließ- lich die Nervenendigungen in den quergeftreiften, das Atropin mehr oder minder rafch nur die Endapparate der in die glatten Muskeln eintretenden Nerven. Eine den Thierclaffen entfprechende Sonderung der Muskeln, wie folche z. B. der Taurinreichthum bei den Cephalopoden, der cololfale Harnftoffgehalt bei den Sela- chiern mit ßch bringt, läßt lieh auf Grund der bislang ftudirten Giftwirkungen allerdings nicht treffen; aber eine Verfchiedenartig- keit der chemifchen Beftandtheile des Muskelgewebes manifeflirt üch (fowohl bei naheftehenden Formen wie bei verfchieden func- tionirenden Fafern) bei Anwendung keiner anderen Mittel fo deutüch als gerade unter dem EinfluITe einiger Gifte; felbft die Gefchmacks- knofpen der menfchlichen Zunge vermögen diefe an Empfindlich- keit für gewille chemifche Unterfchiede nicht zu überbieten.

So mrken Coffein ( Schmiedeher g) und Veratrin (FrevoR) weit fchneller und heftiger auf die Skeletmuskeln von Rana tempo- raria als auf die von Rana esculenta, und bei Hirudo offi- cinalis fand ich nach 20-ftündigem Verweilen des Thieres in einer 1 *^/oigen Atropinfulfatlöfung die Hautmuskulatur vollkommen fteif und elektrifch unerregbar, während ein nahe verwandter Wurm, Aulastomum Gulo Moq. Tand., nach einem 24-Mndigen Aufenthalte in einer gleichen Löfung «nur unerheblich alterirt

57] Phyßologie der contractilen Gewebe. 327

war, ficli mit beiden Saugnäpfen munter feil faugte und iich fpontan fortbewegte» (C. Arnold).

In dem fpätern Verlauf einer chronifchen Bleivergiftung bildet fich (fowolil beim Älenfchen wie bei der Katze, dem Kaninchen und Fröfchen, nicht aber beim Hunde) eine Paralyfe aus; beim Menfchen erfcheint diefelbe am liäufigften an den oberen Extre- mitäten (feiten auch am Hälfe oder Rumpfe) und erftreckt fich gewöhnhch nicht auf alle Muskeln einer Extremität, fondern er- greift allemal zuerft die Extenforen. Die Beugemuskeln erlangen dadurch ein Uebergewicht und flectireu die Theile nach Innen. Im Widerfpruch mit diefen Erfahrungen läßt Grütsner die im Allgemeinen den blaffen entfp rechenden Muskeln (die Flexoren der Extremitäten, die Verengerer der Stimmritze bei den Säugern, die 'Scheerenoffner bei den Krebfen) welche zugleich auch leichter ermüden, fchon durch fchwächcre Reize erregt werden und fich fchneller zufammenziehen als die Extenforen , in erfter Linie durch die verfchiedenartigften Gifte gefchädigt und l)ei Nerven- durchfchneidung am früheften atrophifch werden. Es liegt außer- halb des Rahmens unferer zufammcnfalfenden Betrachtungen, einer folchen offenbar irrthümhchen A^erallgemeinerung ungleicher Gift- wirkungen bei verfchieden functionircnden Muskeln desfelben In- dividuums die richtigen Grenzen zu ftecken ; nur daß ein differentes Verhalten beider Muskelarten auch gegen Gifte l^eobachtet wurde, mußte liier erwähnt und einer genaueren Prüfung empfohlen wcrdi-n. Andere Muskolgifte (Kupferfalze, Veratrin, Digitalis, Apo- niorp])in, Phyfofligmin) hat man ebenfalls auf hiftiologifch, refp. functionell unterfchiedliche Muskeln bei Wirbelthieren wie bei Wirbellofen einwirken lallen, doch haben fämmtlichc derartigen Verfuche vergleiclicjid-phyfiologifclie Conf('<|uenz('n nocli uiclit zu ziehen erlaubt.

Die auf S. 277 rki/.zirt(; l'nitätslcbi-c (iciicnlxiitr^ viiiilicirt den Ganglien-, Sinnes- und .Muskelzcllcii die gleiche AMtimiiiiiing \\\\t\

328 Grundzüge einer vergleichenden [58

den gleichen niorphologifchen Werth. Diefer Hypothefe könnte die Wahrnehmung günftig erfcheinen, daß die Begriffe von Nerven- (d. h. Ganghen-) und Muskelgiften lieh in der Mehrzahl der Fälle infofern decken, als die Nervengifte gleich den fpecififchen Muskel- giften eine deletäre Wirkung auch auf die Muskelfafern ausüben und umgekehrt. Verlinnlicht man fich diefe VerhältnilTe an dem Schmiedeberg' ^chen Schema ^^), indem man ein ftumpfwinkliges, gleichfchenkliges Dreieck conflruirt und an dem linken fpitzen Winkel desfelben die ausgefprochenen Muskelgifte, an delTen rech- tem fpitzen Winkel dagegen die exquifiten Nervengifte ftellt, fo kommen die meiften fog. Muskel- oder Nervengifte auf verfchiedene Punkte der beiden gleichen Schenkel zu liehen: bald mehr nach rechts, bald mehr nach links, je nachdem lie vornehmlich auf Ganglienzellen oder auf Muskelfafern einwirken. Wie jedoch jöTw/me am Frofchfartorius gezeigt hat, reagü-t die quergeftreifte Muskel- fubftanz auf Löfungen chemifch reiner Stoffe (Ammoniak, viele Metallfalze), welche die Nervenfafern vollkommen ungereizt lauen, und umgekehrt (Kochfalz in niederen Concentrationen, Glycerin). Diefe wichtigen Erfahrungen find in jüngfter Zeit noch vervoll- ftändigt durch Grützner, welcher am Frofch und am Kaninchen nachwies, daß das fcheinbar verfchiedene Verhalten der motorifchen und fenfibelen Nerven gegen Kochfalzlöfung lediglich darauf be- ruht, daß durch diefes Reagenz die Entladung der Reize nicht in «Salven» (wie bei Anwendung von Natronlauge, wo auch an mo- torifchen Nerven bald eine faft gleichzeitige Contraction fämmt- licher Muskeln auftritt), fondern nach Art des «Pelotonfeuers» er- folgt, bei welchem die einzelnen GefchoITe zu verfchiedenen Zeiten, in den Centralorganen auch an verfchiedenen Punkten eintreffen und fo fich die einzelnen Reize nicht fummiren können.

Bei Erforfchung der phyfikalifchen und phyfiologifchen Diffe- renzpunkte hat man fich bisher an folgende Muskelarten gehalten:

59] Phyßologie der contractilen Gewebe. 329

A. Bei Wirbelthieren au die

1. quergeftreiften blafTen oder lediglich durch Lipoclu'ome gefärbteu Muskeln, welche anders ftruirt find und auch weniger Glykogen fülu-en foUen als die

2. quergeftreiften, durch Hämoglobin gerötheten Muskeln. Ausgenommen find diejenigen, welche den gleichen hiftiologifchen Bau Avie die blaffen befitzen. Unter diele Rubrik Avird auch der

3. Herzmuskel mit feinen eigenartigen Structurverhältniffen und feinem Inofitreichthum geftellt werden muffen;

4. glatten Muskeln.

B. Bei Wirbellofen an die durchgängig kreatinfreien

1. Schheßmuskeln der Bivalven, welchen lieh in ihrem abweichenden hiftiologifchen Baue nur noch wenige andere Evertebratenmuskeln anreihen;

2. Schwanzmuskeln und die Itructurell davon unterfchied- lichen

3. fcheerenfchließenden Muskeln bei den Krebfen;

4. gelben, durch einen Körper aus der Uranidingruppe gefärbten Flugnuiskeln der Infecten;

5. Schirmmuskulatur der Medufen, welche durch ilire In- nervationsverhältnifie und ihre Querftreifung den ([uer- geftreiften Vertebratenmuskeln am nächften tritt.

Trifft ein (felbft directer) Reiz den lebenden oder lebensfrifchen Muskel, fo vorgeht -eine bald längere , bald kürzere Zeit (Stadium l[\lu^lu der latenten Reizung), bevor der Muskel in den Zufland der Ver- kürzung (Zuckung) übergeht^^). Die Latenzperiode dauert länger bei Erregung durch fchwache als durch Harke Reize, l)ei ermüdeten länger als bei geruhten Mu.skeln und nimmt unter gewöhnlichen Bedingungen mit Zeigender Temperatur ab. Hiermit mag es theil- weife im Zufammenhange Itehen, wenn wir das Latenzdacüum bei WarmblüUirn (ca. 0,(XJ7 sec. nach JIriirhc uihI Mrwlrlslhhn) geringer

Coiitnic- tious- c'ilclu'i-

330 Grundzüge einer vergleichenden [60

als bei den Kaltblütern (bei Frofch und Krebs durchfchnittlicli 0,008 sec. [Richei], beim Hummer 0,015—0,02 sec. [Frederkq und Vandevelde] , bei der Schildkröte 0,02 sec. und beim Fußmuskel von Helix 0,15—0,3 sec. [Eichet]) finden; aber auch Unterfchiede anderer Art, welche mit der Thierfpecies zufammenhängen, treten in diefen Zahlen hervor und es beliehen folche in gleicher Weife für verfchiedene Muskeln desfelben Thieres. So fand z. B. Ranvier beim rothen musc. semitendinosus des Kaninchens (0,055 sec.) euie mehr als viermal längere Dauer der latenten Reizung als bei dem blaffen musc. adductor magnus (0,012 sec); am Scheeren- und Schwanzmuskel von Krebfen dauert das Latenzftadium nach Richct aber gleich lange. Die Muskelzuckung ift ebenfalls von zahlreichen Nebenumftänden abhängig, und die üe darfteilende Curve (Zuckungs- curve) kann fowohl in ilirem auffteigenden wie in ihrem abfteigen- den Theile erheblich variiren; gleich dem Latenzftadium wü'd auch der A'^erlauf der Zuckung durch Kälte, Ermüdung, Alter, unvoll- kommene Ernährung und durch die Einwii^kung gewiffer Gifte (z. B. des Veratrins, Antiarins und Digitalins) in die Länge ge- zogen, vor Allem ift derfelbe aber durch die Natur des Muskel- gewebes felbft bedingt.

Ganz allgemein gehalten, darf man fagen, daß es zwei Arten von Muskelfafern giebt: die Fafern mit rafcher Contraction und diejenigen mit langfamer Contraction. Aber eine ganze Stufenleiter liegt hier vor, welche nach Marey mit den (unter ßch fchon ge- waltige Verfchiedenheiten darbietenden) glatten Muskeln beginnt und, durch unzählige, vielfach combinirte Uebergangsgheder (rothe und blaffe quergeftreifte Muskeln, Herzmuskulatur, embryonale und ausgebildete Muskeln etc.), mit den erregbarften, blaffen quer- geftreiften Skeletmuskeln der Vögel und den gelben Flugmu.skeln der Infecten abfchließt. Am rapideften erfolgen die Zuckungen bei den quergeftreiften Flugmuskeln einiger Infecten ; _ wie große Differenzen aber auch hier bei verfchiedenen Thieren beftehen,

tJl] Phyßologie der contractileii Gewebe. 331

lehrt b^iftehende, den Werken 2Iareij's entlehnte Tabelle. 3Iarcij's Zahlen ftimmen für FHege und Hummel überrafchend gut zu denen, welche H. Landois (vgl. S. 336) aus der Tonhöhe des Flügel- fchlages berechnet hat, entfernen fich aber fehr weit von denen, zu welchen RoUcH (vgl. die Tabelle) für die ganz andersartig ge- bauten und weit langfamer functionirenden Beinmuskeln einiger Käfer gelangt ift»«).

Zahl der Zuckungen von gelben Infectenmuskeln nach Marcij

(pro Secunde): »

Stubenfliege 330

Hummel 240

Biene 190

Wefpe 110

Libelle 28

Kohlweißling 9.

Mittelzahlen für die Beinmuskeln der Käfer nach IlollcU:

Käfer

Stadium

der latenten

Reizung

Zucknnt

Auffteigcnder Curveutheil

AbfteiRender Curveutheil

Dytisfiis Hy<Irophilus Mf'lolon tha [ IIydJ^ Dyt, r z Mel.

«e - ^

> t Mf'i "^ llvcir.

0,017 0,047 0,075

2,84 4,53 1.50

0,112 0,350 0,527

3,18

4,71 1,50

0,055 0,108 0,1 KJ

1,97 2,10 1,07

0,057 0,242 0,411

4,27 7,24 1,G9

Unter den (luergcitreiften Skeletmuskeln der Wirbclthiere ift die Zuckungscurve Ik-I den wintcrfchlafenden Murmelthieren und Schildkröten am gcdchnterten, und lio verkürzt licli bei den

332 Grundzüge einer vergleichenden [62

Fröfchen, Säugethieren, Fifchen und Vögeln fortfchreitend mehr und mehr (Marey). Nach Heimholte dauert die Zuckung eines frifchen Frofchmuskels bis 0,2 sec, nach Marey's Curven diejenige eines unermüdeten Muskels am getödteten Kaninchen etwa 0,078 sec; weit länger ift der Zuckungsverlauf bei den Herzen der Säugethiere (0,3- 1,0 sec.) und den Schirmmuskeln der Medufen (Romanes). Ferner ift anzuführen, daß nach Soltmann lieh die Muskeln der Neugebornen in einer ähnlichen langfamen Weife als durch Ermüdung erfchöpfte bei Erwachfenen contrahiren. Die Contra ctionsdauer der blaffen Muskeln variirt fehr; gewöhnhch beträgt ße 3 5 sec. (Legros und Onimus), beim Uterus dehnte fie fich (während der Niederkunft) auf 106 sec. aus (Polaülon). Der Fußmuskel von Helix contrahirt fich noch weit langfamer, und der zeitliche Verlauf feiner einzelnen Zuckungsphafen ließe lieh nur ausdrücken, indem man fagen würde: das Latenzitadium währe eine halbe Secunde, das Anfteigen der Contraction dauere eine halbe Minute, und das Erfchlaffen nähme eine halbe Stunde in Anfpruch (Bicliet). In gleicher Art verlaufen die Erfcheinungen an den Schließmuskeln der Bivalven; bei Anodonta gebraucht derfelbe, um das Maximum der Contraction zu erreichen, nicht weniger als 10 Secunden (Fick). Bernßein fprach fchon feine Verwunderung darüber aus, daß der gereizte Schließmuskel von Anodonta fo langer Zeit bedarf, um wieder zu erfchlaffen, und erinnert daran, daß das Schalenöffnen bei den Mufcheln äußerft langfam, das Schließen aber immer noch verhältnißmäßig fchnell gefchieht.

Für uns bleibt das Wichtigfte, daß in der Schnelligkeit der Contraction quergeftreifter Muskeln von ein und demfelben Thiere bedeutende Differenzen obwalten. Mareij zeigte das zuerft an Frofchmuskeln, wo die Zuckungscurve des Hyogloffus fich viel gedehnter als die des Gaftrocnemius ausnimmt. Gleiche Verfchieden- heiten beobachtete Banvier an den rothen und blaffen Kaninchen-

63] Phyüologie der contractilen Gewebe. 333

muskeln. Kronoclrr und Stiding fanden die Banri er' [chen Beob- achtungen an dem rothen musc. soleus und dem blaflen musc. gastrocnemius medialis beftätigt; nach ihren Beftimmungen beträgt die Zuckungsdauer des blaffen frifchen Kaninchenmuskels nahezu ^/4 Secunde, die des rothen über \'2 Secunde, und das Zuckungs- maxinium wird vom erften nach etwa ^'25 Secunde, vom rothen nach \'io bis \'6 Secunde erreicht. Hinfichtlich der Krebsmuskeln hatte 3Iarey angegeben, daß die Contractionen von fehr ungleicher Dauer und; «bisweilen dauern die Bewegungen 20 30 Secunden, zu anderen Malen find fie faft fo kurz als die des Frofches». «Es thut Xoth», bemerkte Marey, «die Bedingungen zu ergründen, welche die Erfcheinungen an derfelben Thierart zu fo wechfelvollen werden laffen.» Diefer Aufforderung ift zuerft liicJiH nachgekom- men; er fand die Zuckungscurven der Schwanz- und Scheeren- muskulatur beim Flußkrebs fehr verfchieden, einerlei ol) diefelben auf normalem Wege felbftftändig entftanden oder durch einen elektrifchen Reiz künftUch ausgelöft worden waren. Bei den Schwanzmuskeln war die Contraction ausnehmend kurz und er- innerte in der Form fehr an die Zuckungscurve des Frofchgaftro- cnemius. Der Scheerenmuskel zeichnete dagegen eine weit ge- dehntere Curve auf, die von der des Schwanzmuskels allemal ver- fchieden war.

Vor wenigen Jahren hat Cash gezeigt, daß bei Schildkröten, Fröfchen und Kaninchen verfchiedene Muskeln niemals diefelbe myogi-aj)liifche Curve geben, fondern daß jeder Muskel feine eigene .Muskelcurve bcfitzt (f. umftehende Tabelle), an der er zu erkennen ift. Selbft durcli Belaftung war der Charakter des Contractions- moflus nicht zu verwifchen, und l>ozüglich dci- Zuckiingscm-vc des weißen Kaninchenmuskels (ni. gastrocnemius medialis j'Iielltc lieh als überrafchendes Refultat heraus, «daß niclit zu den kleinfien Belaltungen die größten Zuckungsweillic gehören, fondern daß die Laft von 100 gr höher geholfen wird als von 50 gr, welche

334

Grundzüge einer vergleichenden

[64

Mittlere Werthe der Contractionsdauer verfchiedener Skeletmuskeln von Rana es- c u 1 e n t a :

1. Muse, hyoglossus 0,205 0,3 sec.

2. » rectus abdominis . .0,17 sec. gastrocnemius .... 0,120 sec. semimembranosus und

gracilis 0,108 sec.

triceps femoris . . . 0,104 sec.

Zuckungsdauer verfchiede- ner Skeletmuskeln von T e s t u d o europaea: 1. Muse, pectoralis niaj. 1,8 sec.

Dauer einer Contraction des ifolirten Frofchherzventrikels :

bei C 6,0 sec.

» 30" C. 0,5 sec.

Bei mittlerer (Zimmer-)Temperatur dauert eine Syftole und eine Diaftole etwa 1—1,5 sec.

2.

» gluteus (alter) 1,6 sec.

3.

» palmaris . . .1,0 sec.

4.

» gracilis . . . .1,0 sec.

5.

» biceps brachii . 0,9 sec.

6.

» splenius capitis 0,9 sec.

7.

» triceps brachii 0,8 sec.

8.

» retrahens capitis

et colli . . . 0,75 sec.

9.

» extensordigit.c. 0,75 sec.

10.

» semimembrano-

sus et adductor 0,6 sec.

11-

» omohyoideus . 0,55 sec.

Der Herzpuls bei den

Schildkröten dauert etwa 2,5

bis

3,2 sec.

Contractionsdauer bei maximalen Zuckun- gen an den Skeletmuskeln des Kaninchens:

1. Muse, soleus (roth) etwa 1,0 sec.

2. » gastrocnemius medialis (weiß) 0,25 sec. Dauer des Herzpulfes beim Kaninchen

etwa 0,33 sec.

nur gleich Roch gefördert wird wie Gewichte von 300 gr. Erlt eine Lafl von 500 gr deprimirt merklich das Zuckungsmaximum. Diefes eigenthümliche Verhältniß, welches an Beobachtungen er- innert, die Ficli an Mufchelfchließmuskeln, Heidenhain (vgl. S. 346) an Frofchmuskeln gemacht hat, entfteht dadurch, daß bei einer gewiffen Dehnung Muskelbündel in Wirkfamkeit treten, welche bei minderem Gewichte fchlaff bleiben, und daß ein Theil der Laß,' welche vorher als Ueberlaftung wirkte, fomit zur Belaflung wird. Der dünne rothe musc. soleus wird fchon von geringer Ver- mehrung feiner Belaftung in feiner Contraction fehr gehindert.

Cash's Beobachtungen^^) dürften zum Theil darin ihre Erklä- rung finden, daß die meiften Muskeln Gemifche verfchiedenartiger Fafergattungen darftellen (Griäsner), von denen die einen den blaffen, die anderen den rothen Muskeln analog functioniren;

65] Phyßologie der contraotilen Gewebe. 335

erfteren entrprechen im Allgemeinen die Beuger (fowie die Öffner der Krebsfeheere und die Verengerer der Stimmritze), letzteren die Strecker {(ovrie die Schließer der Krebsfeheere und die Erwei- terer der Stimmritze). Wir haben (S. 327) bereits erfahren, daß die Beuger weit mehr den zerflörenden Einflüflen (der Gifte, der Paralyfe bei Ueberanftrengung [Fifcher und Lüche] oder nach Nervendurch- fchneidung) ausgefetzt und als die Strecker, und weitere Unter- fchiede beftehen zwifchen beiden Claflen auch noch darin, daß die Beuger (direct wie indirect) leichter erregbar ßnd und ßch fchneller zufammen ziehen als die resiftenteren Strecker, dafür aber auch fchneller als diefe ermüden. Der Erfte, w^elcher in diefe Verhält- nilfe einen Einblick gewann, war zweifellos Bitter. Diefer Forfcher hatte bereits eine phyfiologifche Verfchiedenheit einzelner Muskel- gruppen behauptet und eine geringere, bedingte, endliche Erreg- barkeit (die der Beuger) und eine beträchthchere, unbedingte, un- endhche (die der Strecker) angenommen. Seine Annahme bewies fjiäter Rollett, welcher zeigte, daß, wenn man den Hüftnerven eines Frofches mit verfchieden ftarken elektrifchen Strömen erregt, die Beuger wefentlich durch fch wache, die Strecker (Gaflrocncmius) dagegen durch ftarke Ströme gereizt werden. Fleifchl fah ähnliche Erfcheinungen an den Beinen von Hydrophilus, wo ein ein- maliger electrifcher Reiz in gewilTen Muskeln eine einzige Contrac- tion, in anderen Muskeln aber unter fehr großer Verzögerung zahlreiche Contractionen auslöfle, und Luchsingcr wie Eichet fanden ein ähnliches Verhalten an Muskeln der Krebsfeheere, indem Reizung mit fcliwachen Strömen die Scheeren öffnete, diejenigen mit ftarken dagegen fie fchloß. Für die Muskeln der Neugeborenen hatte fclioii frülier SolfiiKoni eine geringere directe wie indirecte Erregbarkeit conftatirt.

Folgt einem Reize ein zweiter, l)evor der contrahirte Muskel /••it zur P>fclila(fung finrlet, Ib fujijioiiiren einander die Zuckungen nacli den von llelmitoltz gefundenen Regeln und bilden einen um

Krukenberg, VtTgl.-iihynol. Vorlrtlge. 21

336 Grundzüge einer vergleichenden [66

SO vollkommeneren Tetanus, je größer die Frequenz der Erregung ift. Die zur Hervorrufung einer con flauten Zufammenziehung er- forderliche Reizfrequenz jiiuß bei Muskeln mit differenter Zuckungs- dauer nothwendig verfchieden ausfallen; folgende Zahlen geben einen ungefähren Begriff, väe viele Reize in der Secunde nöthig lind, um eine tetauifche Yerfchmelzung der Muskelzuckungen herbeizuführen.

Zahl der für das Zuftandekommen eines Tetanus erforderlichen Eeize (pro Secunde):

Fußmuskeln von Helix pomatia (Richet) 0,001 (incomplet)

0,03 (complet)

Schildkröte (Marey) 3

Flußkrebs, Scheerenmuskel im AVinter (Richet) 6

» » im Sommer » 20

» Schwanzmuskel , » 40

Hummer, musc. extensor prim. abdom. Mihi. Echv. (Fre- dericci u. VandevelcleJ zwifchen 10 u. 20

Frofph, Hyoglossus (Marey) 10

» , Gastrocnemius » 27

» , » ermüdet » 15

Neugeborener Warmblüter (SoltmannJ 16

Kaninchenmuskel, rother m. semitendinosus (EanvierJ etwa 55 » , blauer m. adductor magnus (RanvierJ über 357

» , rother m. soleus (Kronecker u. Stirling) . . 4 (incomplet)

10 (zieml. complet) » , blalTer m. gastrocn. med. » » » . . 20 30

Meerfchweinchen (Marey) 60

Vögel » 10

Menfchen, glatte Muskeln (Marey) 2

» , quergeftreifte Musk. (Marey) 40

Flügelmuskeln von Infecten (Landois; vgl. auch 3Iarey S. 331)

Stubenfliege über 352

Mooshummel (Bombus muscorum) über 220

Honigbiene über 440.

Die fehr auffallenden Unterfchiede in den Angaben bezüglich der Kanin- chenmuskeln beruhen, wie Kronecker und Stirling vermuthen, möglicherweife in gewiJTen Mängeln der Verfuche Banvier's. Indeffen find, wie L. Hermann^-) bemerkt, die entfprechenden Zahlen für Infectenmuskeln zu beachten.

67] Phyfiologie der contractilen Gewebe. 337

Der Ventrikel des Frofehlierzens in keinen wii-klichen Tetanus zu verfetzen (Kroneclcer), und ebenfo foll üch der Schirmmuskel der Medufen (Sarsia) verhalten (Romanes).

Den tabellarifch zufammengeftellten Befunden fei noch hinzu- gefügt, daß Ixolhtt lieh an den Beinmuskehi von Hydrophilus, Melolontha und Dytiscus ebenfalls überzeugen konnte, daß die Muskeln mit gedehnter Zuckungscurve fchon wenige Einzelzuck- ungen in der Secunde zu einem vollkommenen Tetanus zufammen- fetzen, während die rafch zuckenden Muskeln dies erft bei höherer Reizfrequenz thun ; auch die Form der vollkommenen Tetanuscurve erwies fich für beide Muskelarten als charakteriftifch verfchieden.

Nach den Unterfuchungen von Eichet beflehen zwifchen ver- fchiedenen Muskeln auch fehr bemerkenswerthe Differenzen in der Dauer des Tetanus. Bichct beobachtete, daß an den Schwanzmuskeln des Flußkrebfes, wenn ße in einen phyßologifchcn Tetanus ge- ratlien, fchon nach 50 Zuckungen der Contractionszuftand abnimmt; die Muskulatur erlahmt und ifl nach weniger als einer Minute nicht mehr reizbar. Ganz anders verhielt fich der Scheerenmuskel. Hatte diefer nicht fogleich das Maximum der Contraction erreicht, fo zog er fich Ijei gleich])leibcnder Reizftärke noch länger als eine Minute mehr und mehr zufammen; fein Tetanus blieb fi^^ändig im Anfteigen begriffen. ^Vie bei zeit weifer Unterbrechung der Strom- zufuhr leicht feftzuflellen ift, läßt fich an den Scheeremnuskeln der Tetanus durch elcctrifchc Reize (2 pro sec.) 10 bis 12 Minuten hindurcli unterhalten; nach fo langer Reizung erfchlafft aber der Muskel nicht wieder, fondern bleibt durch eintretende Starre im Contractionszuflande fixirt. «Es l)eft('ht hier», lagt Jlivhct, «ein interelfanter Caufalncxus zwifchen der Leift;ungsfähigkeit der Mus- keln und ihrer phyIi(jlogil'chen Beftiininung. Der Schwanz des Krebfcs bedarf keines andauernden Tetaiuis, denn feine Function befteht darin, rafch zufannnenzufchlagen und fich fcjfort wieder zu ftrecken; aber der vornehmlich zum Greifen dienende Schccrcn-

338 Grundzüge einer vergleichenden [68

muskel kann des Vermögens nicht entbehren, ohne Unterlaß längere Zeit tetanifirt zu bleiben. »^^)

Im Anfchluß an diefe Beobachtungen beJftimmte Eichet die Dauer des Tetanus an frei präparirten Muskeln verfchiedener Thiere und erhielt dabei folgende allgemeinen Werthe:

Erlöfchen des Tetanus: Schwanzmuskulatur des Flußkrebfes in 1 Minute. Frofchgaflrocnemius (im Sommer) . »12 Minuten.

Schildkrötenmuskel »40 »

Muskel vom Hund ...'...» 5 » Fußmuskel der Weinbergsfchnecke . » 1 Stunde. Scheerenmuskel des Flußkrebfes . » l^'2 Stunden.

Als keine vergleichend -phyfiologifche Ausblicke zur Zeit ge- während, übergehen wir die einzelnen Arten, welche von tetanifchen Contractionen unterfchieden ßnd, erwähnen im Vorübergehen, daß anhaltende Muskelcontracturen nach einmaliger Reizung {Schiffs idiomusculäre Zuckungen oder auch Myooedeme genannt) bei Wirbel- lofen (z. B. bei Medufen, am Mantel des Octopus von Freclericq, am Fußmuskel der Weinbergsfchnecke von Eichet fowie am Herzen derfelben von Biedermann beobachtet) etwas völlig Normales lind, bei den Säugethieren aber nur Abfterbephänomene zu fein fcheinen, und wenden uns fofort zu den Fortpflanzungserfcheinungen der Contractionen längs der Muskelfafer.

Höchft wahrfcheinhch befitzen die verfcliiedenen Muskeln des- felben Thieres eine ebenfo verfchiedene Leitungsgefch windigkeit als ihre Zuckungsdauer verfchieden ift; denn die unten (von L. Hermann) zufammengeffcellten Werthe lehren, « daß die Leitungs- gefchwindigkeit ähnhche Unterfchiede zeigt wie die Dauer des Zuckungsvorgangs. Im quergeftreiften Warmblütermuskel am größten, linkt lie beim Kaltblüter, und ift bei der Schildkröte kleiner als beim Frofch. Am Herzen ift lie bedeutend kleiner als an anderen

69]

Phvßologie der contractilen Gewebe.

339

quergeftreiften Muskeln, und bildet hier den Uebergang zu der fahr langfara leitenden glatten Muskulatur» (L. Herniami/^).

.1

1 Gefchwindigkeit, gemeflen.an der

Object

Beobachter

Contractions- welle

Erregungs- | negativen welle 1 Phnfe

^lenfchlioher Muskel

Hermann

im lebenden Körper |

10— 13 m.

Hunde- u. Kaninchen-

Bern/lein u. Steiner

muskel ausgofchnitten j

3,6 m.

2 6 m.

Frofchmuskel ausge-

Aehij, V. Bezold, En-

fchnitten um 1 1,2 in.

1 1,2 m.

gelmann, Place u. A.

»

j

3— .5 m.

Bernnein, Valentin, Hermann

3 m.

Bernßein

.Schildkrötenmuskel |

Aehy

ausgefchnitten ...

0,-57 m.

-

!

1,8 m. i

Hermann

Herzmuskel . . . . ;

> 0,1 m.

~ ~

Marclumd

» '

0,01— 0,03 m.

bis 0,049 m.

Engelmann

Ureter 0,025 m.

Engelmami

Medufenfchirm ... 0,-5 m.

i

Bomaties

Gleich allen übrigen lebenden Geweben befitzt auch der Allgemeine

Mnt;Wpl TrritaViilifät.

lind hpnnt

n'rirtft fl 1

p ihn dir

Jureg- ppf nrlor inrlirppt. l'^irkeil.

(durch "N'ermittlung von Nerven und Ganglien) treffenden Reize durch Contractionen. Diefes Vermögen erhält lieh nach dem Tode des Thieres oder nach Lostrennung aus dem natürlichen Verbände an verfcliiedenen Muskeln ungleich lange; gewöhnlich veiTchwindet es (in Folge der Begünfligung der die Gewebe deftruirenden che- mifchen Zerfetzungsprocelle) bei höherer Temperatur rafclier als bei niedriger. Wie die Verfuche von Anderfon'*^) am Kaiiinclicn- herzcn in Co (chlagender Weife gelehrt haben, ift bei Säugethier- muskeln die Erhaltung der IrritabiHtät wcfenthch an eine normaie Durchlüftung der Gewebe geknüpft, weit miichligcr noch erwcifl lieh dabei aber der chemifche und anatomifcho Bau der Mu.skeln

340 Grundzüge einer vergleichenden [70

felbft. Denn nur fo ift es erklärbar, daß die Skeletmuskeln der meiften Fifche (vielleicht mit alleiniger Ausnahme mehrerer Murae- niden, deren Muskeln bei 20 "^ C. noch 18 Stunden nach dem Tode reizbar gefunden wurden [RichetJ), obgleich diefe doch auch zu den Kaltblütern gehören, außerordentlich bald ihre Reizbarkeit einbüßen, daß bei den Wirbelthieren Theile des Herzmuskels (ultimum moriens Halleri) gewöhnlich länger irritabel bleiben als die Skeletmuskeln, und daß der Schwanzmuskel des Flußkrebfes felblt im Winter nicht länger als 2 Tage, im Sommer aber nur 2 oder 3 Stunden reizbar bleibt, während der Scheerenmuskel den Tod des Thieres im Sommer noch um 12 oder 15 Stunden, im Winter aber um 5 Tage überlebt (Richet).

Auch der Grad der Erregbarkeit kann für Muskeln verfchie- dener Thiere wie für verfchiedene Fafergattungen eines Indivi- duums (vgl. S. 335) ein fehr ungleicher fein. Bei Anwendung eines du -Bo«'s'fchen Schhttenapparates fah z. B. Richet an den Scheeren- muskeln des Krebfes Zuckungen eintreten, wenn die Inductions- rolle 11 cm von der Hauptrolle entfernt ftand; Frofchmuskeln zuckten fchon bei einem Abftande von 22 cm, der Fußmuskel von Helix aber erfl bei einem Abftande von 2 cm.

Vielen fundamentalen Eigenthümlichkeiten, welche fich bei electrifcher Erregung von Wirbelthiermuskeln herausgeftellt haben, ift man fowohl an den glatten Muskeln von Wirbelthieren, als auch an den quergeftreiften der Krebfe fpäter wieder begegnet. So beftätigten z. B. fämmtliche Erfahrungen den Satz, daß im Allgemeinen die Oeffnung eines Kettenftromes für irritable Gebilde einen fchwächeren Reiz darftellt als die Schließung. Nur die | durch ihre hiftiologifche Structur (vgl. S. 360) fchon an fich fo merkwürdigen graugelben, glafigen Schließmuskelfafern der Bivalven fchienen eine Ausnahme zu machen. Für den gelben Antheil am vorderften Abfchnitte des hintern Schließmuskels der Anodonta wies erfl Biedermann ^^) nach, daß die normwidrigen Abweichungen

71] Phyüologie der contractilen Gewebe. 341

(Contraction auslchließlicli bei Oeffuung eines genügend Harken Stromes, nicht bei Schließung desfelben; Unfähigkeit in Tetanus verfetzt zu werden), welche an diefen Muskelbündeln beobachtet waren, nur auf einem fchwer zu befeitigenden Tonus derfelben beruhen, und daß, wenn man ^nrkhch erfchlaffte Muskeln zu den Verfuchen verwendet, ausnahmslos auch eine Schließungscontraction erfolgt, während die Reaction bei der Oeffnung entweder ganz fehlt oder nur angedeutet erfcheint und lieh lediglich durch die Verzögerung der Wiedererfchlaffung des Muskels verräth.

Nimmt der Schließmuskel der Bivalven durch die Erfcheinung der Dauercontraction, welche fowohl bei Schließung wie bei Oeff- nung eines Stromes fich einftellt, immerhin eine Sonderftellung der quergeltreiften und glatten Muskulatur der Wü'belthiere gegen- über ein, ähnelt er auch letzteren durch die eigenthümliche Träg- heit der Reaction mehr als den erfteren, fo Itimmt derfelbe im Zuftande möglichfler Erfchlaffung hinlichtlich feines Verhaltens bei electrifcher Reizung doch in allen wefentlichen Punkten am heften mit den quergeftreiften Skeletmuskeln der Wirbelthiere überein. Ganz Avie bei einem monomeren quergeftreiften Muskel löft an ihm ein electrifcher Strom weder Schließungs- noch Oefif- nungserregung aus oder wü'kt wenigftens viel fchwächer erregend, fobald der Aus- refp. Eintritt desfelben durch eine Schicht abge- ftorbener contractiler Subftanz erfolgt, und ganz wie bei einem monomeren f^uergeftrciften Muskel geht auch hier die Erregung von dem Orte aus, wo der Strom aus der lebendigen Muskelfub- ftanz aus, bezielmngs weife in diefelbe eintritt. Während aber z. B. am Frofchfartorius bei normalen Erregungsverhältnilleu im AugenbHck der SchUeßung wie auch bei Oeffnung des Stromes (falls diefe als Reiz wirkt) eine Contractionswelle fich von der Kathode refp. Anode aus mit großer Gefcliwindigkeit (hu'ch die ganze Länge des Muskels fortpflanzt und zur Entftehung einer zu beiden Seiten der fixirten Mitte annähernd gleich ftarken Schließungs-

342 Grundzüge einer vergleichenden [72

oder Oeffnungszuckung führt, fehen wir (ähnlich dem Verhalten wenig erregbarer, erfchöpfter Sartoriuspräparate ) an dem Mufchel- muskel in der Regel nur eine mehr oder minder befchränkte, ört- hche Dauercontraction auftreten, ganz entfprechend der Schließungs- und Oeffnungsdauercontraction quergeffcreifter Muskeln. Aber auch . darin belteht noch ein Unterfchied zwifchen dem Schließmuskel und den monomeren Skeletmuskeln der Wirbelthiere, daß die nach einfeitiger Verletzung letzterer bewirkte Herabfetzung der Erreg- barkeit für Schließung atterminaler und Oeffnung abterminaler . Ströme bis zum völligen Abfterben des Muskels keine erhebliche Veränderung erkennen läßt, während bei dem Mufchelmuskel der anfangs höchft auffallende Unterfchied der Wirkungsweife beider Stromesrichtungen fich allmählig (gewöhnlich in 2 bis 3 Stunden) ausgleicht und fchheßlich unmerklich wird. Eiafficität. Von den Elaflicitätskräften^'^) ift für die vergleichende Muskel-

phyfiologie gegenwärtig nur die Zugelafticität belangreich; die Compreflibilität der Muskeln wurde noch nicht geprüft und auch die Unterfuchungen über Zugelafticität blieben ziemHch ausfchließ- lich auf ausgefchnittene Frofchmuskeln in der Faferrichtung be- fchränkt. Die eigenthümliche Schwächung des Exten fibilitäts Ver- mögens, welche der Herzmuskel der Wirbelthiere durch Digitalin erfährt, ftellt zwar den Elafticitätsbeftimmungen an verfchieden functionirenden Muskeln von differentem hiftiologifchen und che- mifchen Gefüge werthvoUe AuffchlüITe über die fpecififchen Unter- fchiede der einzelnen contractilen Fafergattungen in Ausficht. Uebrigens verändert fich aber der Dehnungscoefficient eines Mus- kels in Folge der fortwährenden chemifchen Veränderungen faJft jeden Augenbhck; derfelbe ift keineswegs eine fo conftant bleibende Größe, wie Banvier glaubte, und ganz befonders fchwierig an fol- chen Muskeln zu beftimmen, die durch ganglionäre EinflüITe noch lange nach dem Tode tonifch erregt bleiben und deshalb auch die fog. elaftifche Nachwirkung in exquifitem Maaße zeigen. So

r3]

Phvfiologie der contractilen Gewebe.

343

fand z. B. FicTi für den gefammten hinteren Schließmuskel von Anodonta folgende Abnahmen der elaftifchen Kräfte, bei welchen jedoch weder die Zufammenfetzung des Muskels aus zwei contrac- tilen Fafergattungen, noch der Nachlaß eines anfangs vorhandenen Tonus mitberückfichtigt wurde:

Be- ladung

Zeit

stand

des

Zeigers

Belaftung

Zeit

Stand

des Zeigers

Verfuchsreihe

I:

1," gr.

11h. 45,5' » 46,5' » 49'

4h. 7' ]). m. » 19'

32

IJ gr.

llh.l2'a.ni. » 17' » 19' » 23' » 27,5' » 31' » 33' » 37' » 40,5' » 43'

55,6 53,5 52,3 52,1 51,8 51,6 51,5 51,5 33,2 32,5

40,8 42,4 46,7

48,5

N'erfuchsreihe II (mit der vorigen nicht genau vergleichbar):

2.5 gr.

1,0 gr.

50,0 gr.

1,0 gr.

0' 1' 2' 3'

37 19,5 29,5 29,5

NB. Jeder Theilftrich der Skala entfpricht etwa \V, mm. Muskellänge, und in der erften Verfuchsreihe maß beim Stande des Zeigers bei 32 die längfte Muskelfafer 11 mm.

Die Scheerenmuskulatur der Krebfe weicht von den Skelet- muskeln der Wirljelthiere fehr bemerkenswerth darin ab, daß wäh- rend letztere bei Reizung aus dem Erfchlaffungszuftande unmittel- bar ins Zuckungsmaximum übergehen, an den Scheerenmuskeln durch variirend ftarke Ströme leicht fämmtliche Uebergänge in den Contractionen liervorgerufen werden können. Mit diefer, von mii- bereits 1877 gefundenen, von liichct^^) ausdrücklich hervorgehobenen Eigenthümhchkeit des Krebsfcheerenmuskels wird es jedenfalls auch in irgendwelcher Beziehung flehen, wenn die Zuckungscurven des Scheerenmuskels bei ungleicbcr Belaftung desfelben nicht nur iu ihrer Höhe, fondern aiub in ilncr Form fehr vcrfchiedenartig aus- fallen, während bei FnWchniuskcln '<die Form der Ciu'vc in weiten

344

Grundzüge einer vergleichenden

[74

Grenzen ganz unabhängig von der Spannung ift» (Fiele). Für die nicht tonifch erregten Skeletmuskeln des Menfchen und des Frofches beftätigten fafl alle fpäteren Unterfucher das von Wertheim for- mulirte und für die feuchten thierifchen Gewebe allgemein gültige Gefetz, demgemäß fich die Verlängerung nicht einfach proportional den Belaltungen verhält, fondern nach der Formel: y^ = ax^ -j- bx (wo y = Dehnung, x = Belaftung ift und a wie b Con- flanten bedeuten) erfolgt; diefe Gleichung ift die einer Hyperbel,, ihre Afymptote erffc würde dem Dehnungsgefetz unorganifcher Körper entfprechen.

Die Verfuche und zufammenfafTenden Arbeiten von Felix Plateau haben ergeben, daß die verkürzende Kraft der Muskeln

Abfolute Muskelkraft, in Grammen ausgedrückt und reducirt auf ein [Jctm. Mnskelquerfchnitt.

Wirbel thiermuskeln

ScMießmiiskeln von Bivalven (Plateau)

Scheerenrchließer von Krabben (Plateau) -

Menfßh: Wadenmuskeln (Koster)

y,000- 10,000 Fiißflrecker (Henke und

KnorsJ 5,900 ünterfchenkelbeuger

(HawjUon) 7,780 Armbeuger (id.) 6,670

» rechts (Henke uxiä Knorz) 8,991

» links (id.) 7,380

» Mittel (id.) 8,178

» rechts und links

(Koüer) 7,400.

Fr of ch : Muskel tetaniürt (Bofen- thal) 2800—3000 » zuckend (Hermann) 400.

Venus verrucosa 12,431 Pectunculus gly-

cimeris 10,152

Mytilus edulis 7,984 Ostrea hippopus 6,365 Tapes decussatus 6,106 Ostrea edulis 5,867

Pecten maximus 3,786 Tellina solidula 3,667 Donax anatinus 3,651 Cardium edule 2,856 Solen ensis 1,953

Mya arenaria 1,178

Mactra stulto-

rum 958

Anodonta cyg-

nea 702,6

Pecten opercu-

laris 530

Carduus maenas von

Roseoff (linke Scheere)

1,336,7 Carcinus maenas v. Olt-

ende (ead.) 1,182 Platycarc.pagurus(ead.)

1,026 Carc. maenas v. Oftende

(rechte Scheere) 961,6 Carc. maenas v. Eoscoff

(ead.) 858 Platycarc. pagurus(ead.)

688,9

75] Phyüologie der contractUen Gewebe. 345

bei verfchiedenen Thieren erhebliche Abweichungen darbietet, daß die abfohlte Muskelkraft*^^), welche uns bei einer verglcichend- phyliologifchen Betrachtung der contractilen Gewebe vorwiegend interefliren muß, bei den Brachiuren relativ fchwach, größer beim Frofche, noch bedeutender beim Menfchen ift, und daß die Schalen- fchlicßer der Bivalven wahrfcheinlich weil lie, was von Flateau leider nicht beachtet wurde, meift aus zwei ganz differenten Fafer- gattungen beltehen lieh fehr verfchiedenartig verhalten (vgl. beiftehende Copie der von Plateau verfaßten Ueberfichtstabelle).

Als «abfolute Muskelkraft» bezeichnete bekannthch -E'f^'<f»'f^Mi£kraft Wrhrr das Gewicht, welches an den Muskel gehängt genau aus- Hu'iVhöhe. reicht feine Verkürzung zu verhindern. Diefe äußerfte Grenze der Muskelenergie ift unabhängig von der Länge der contractilen Fafcrn, fie wächft dagegen proportional deren phyüologifchem Qucrfchnitt. Um die Beftimmungen vergleichbar werden zu laffen, mußten die- felben daher auf eine Querfchnittseinheit reducirt werden, und als folche wurde- bei den in der Tabelle mitgetheilten Refultaten ein (^uadratcentimeter angenommen.

Wird das von einem Muskel gehobene Gewicht («Belaftung») mit der Höhe, auf welche es gehoben wurde («Hubhöhe»), multi- j.Ucirt, fo erhält man die von dem Muskel «geleiftete Arbeit». Diefes Product wird durch mannigfache Umftände beeinflußt (Dicke, Länge, Ermüdung der Muskeln, Reizftärkc etc.), und es ift wenig Auslieht vorhanden, daß licli durch umfaflendere Beftinnnungen der geleifteten Muskelarbeit Kefultate von größerem vergleichend- pliyli<jlogifchen Interelle ergeben werden. Um ein Beifpiel dafür zu liefern, wie fehr die geleiftete Arbeit bei verfchiedenen liciz- ftärken fcliwankt und wie ähnlich liinwiederuni di(^ Zahlen hei den verfchiedenailigften Mu.skeln ausfallen können, lalle idi drei Tabellen folgen, von welchen lieh die erfte auf neuere Verfuelie von Itofmthal an Frofclimuskeln bezieht, die zweite und drille di(^ ße- flimmungen Rkhd'a an Muskeln zweier Flußkreblr /ulaniinenfaireii.

346

Grund Züge einer vergleichenden

[76

I. B,ofenthal'^ Verfiichsreihe am rrofclumuskel :

Gewicht .... Hubhöhe . . . Geleiflete Arbeit

10

20

40

60

80

100

120

150

24

26,5

24

20

17,25

26,5

19

21

240

530

960

1200

1380

2650

2280

1800

II. Richet's Verfuclisi*eihe am erften Krebsmuskel ;

180

9,5

1710

Gewicht

Abftand dei Inductionsrollen in Centimetern

Geleiftete Arbeit

2 gr.

10 »

20 »

50 »

100 »

150 »

6,8

14

16

16

16

16

16

18

60

80

80

80

80

80

18

76

116

136

140

140

140

0

40

135

165

175

185

200

0

0

20

110

140

130

180

0

0

0

0

15

75

90

16

80

140

170

190

90

III. MicJiet's, Yerfuchsreihe am zweiten Krebsmuskel:

Gewicht

Abfland der Inductionsrollen in Centimetern

10

Geleiftete Arbeit

2 gr.

10 »

20 »

50 »

100 »

150 »

0,4

0,8

4

9

19

19

19

19

19

19

0

5

15

38

95

95

95

95

95

95

0

0

28

76

120

190

190

190

190

190

0

0

45

195

295

475

475

475

475

475

0

0

0

60

240

310

360

420

430

430

0

0

0

0

0

255

240

360

360

390

19

95

190

475

?

365

Electrische Erregbar- keit,

Die von Fick zuerft am Schließmuskel von Anodonta, fpäter aber auch an tetanifirten Frofchmuskeln beobachtete Erfcheinung, daß größere Laften höher gehoben werden als kleinere, erklärt lieh nach Heidenhain aus einer durch die größere Kürze und Dicke des thätigen Muskels bedingten Elafticitätsabnahme (vgl. S. 334).

Wie vorauszufehen war, fanden Fredericq und Vandevelde du Bois' Gefetz des Muskelftromes auch für die Streckmuskeln des

77] Phyüologie der contractilen Gewebe. 347

Hummerabdomens beflätigt. Sie beobachteten die größte poßtive Spannung am Aequator, die größte negative in der Mitte des Muskelquerfchnitts ; bei Verbindung der beiden Querfchnitte oder zweier, vom Aequator gleich weit entfernter Stellen erhielten ße keinen Strom, wohl aber, wenn die Längsfeiten mit einem Punkte des Querfchnitts oder mit zwei vom Aequator ungleich entfernten Punkten verbunden wurden. Bei Prüfung des Ruheftromes am Schheßmuskel von Anodonta war Fiele (18G3) zu dem gleichen Refultate gelangt. Er fah, daß der natürliche und künitliche Längsfchnitt fich zum künftlichen Querfchnitt pofitiv verhielt, doch fehlen ihm die electromotorifche Wirkfamkeit des Mufchelmuskels ftets beträchthch kleiner als die Wirkfamkeit des Frofchrauskels. Biedermann lehrte, daß die electromotorifche Kraft des Schließ- muskels von Anodonta relativ rafch abnimmt, wennfchon nicht fo fchnell als die des Frofchherzens nach Engel inann, und findet für diefe Erfcheinung eine Erklärung darin, daß ebcnfo wie bei den glatten Muskelfafern der Wirbelthiere, der währeiid des Lebens beflehende leitende Verband an den freigelegten Stellen weit früher als bei den quergeftreiften Muskeln gelockert wird, wie denn auch der Schließmuskel durch feine im Allgemeinen geringere electromotorifche Wirkfamkeit fich dem Herzmuskel und der glatten Muskulatur der Wirbelthiere anfchließt.

Wir wiffen, daß der Muskelftrom während der Contraction fchwächer wird und daß man diefe Erfcheinung als «negative Sclnvankung des Muskelllromes» bezeichnet hat; auch diefe nega- tive Stromlcliwankung ifl, wie man wohl annehmen darf, mit jedem Contractionsvorgange unaljänderlich verknüi)ft, doch ihr Nacliweis niclit fckcn mit außerordentlichen Schwierigkeiten verbunden, und war desball) aucli FIrk am Schließmuskel von Anodonta nicht geglückt. Fick meinte fogar, "daß man lieh darauf gefaßt zu machen habe, in dem Muftrhehnuskel ein irritabeles Gebilde ken- nen /ii lernen, deflen Zufanunenziehung ohne Verminderung feiner

348 Grundzüge einer vergleichenden [78

electromotorifclien Wirkfamkeit verlaufe»; an dem musc. extern, prim. abdominis des Hummers haben aber Fredericq und Van- develde die negative Schwankung des Muskelftromes nachweifen können.

Schheßlich liegen noch einige bemerkenswerthe Refultate über den gelben Faferantheil des hinteren An odonta- Schließmuskels bezüglich feiner fecundär electromotorifclien Erfcheinungen nach anhaltender electrifcher Reizung von Biedermann vor. Die Be- obachtungen Hering's am quergeftreiften Muskel der Wirbelthiere hatten dargethan, daß die unter Umftänden äußerft ftarken electro- motorifchen Wirkungen, welche nach vorhergehender kürzerer oder längerer Durchftrömung beobachtet werden, in innigfter Beziehung zu den Erregungserfcheinungen flehen, und daß insbefondere die von d2i Bois-Beymond als «poßtiv» bezeichneten gleichgerichteten Nachftröme lediglich als der galvanifche Ausdruck der in der Um- gebung der Anode locahlirten Oeffnungsdauercontraction aufzu- faffen ßnd, ein Refultat, zu welchem gleichzeitig auch Hermann gelangte. Ein weiteres Ergebniß der Unterfuchungen Hering's war die Conftatirung der Thatfache, daß «eine innere Polarifation des Muskels, im Sinne du Bois-Beymond's» , nicht nachweisbar ifl, weder eine pofitive noch eine negative, indem « der wefentliche Sitz der durch den Reizflrom gefetzten Veränderungen nur diejenigen Stellen der contractilen Subftanz und, an welchen der Strom ein- oder austritt». Biedermann zeigte nun, daß hinfichtlich der ano- difchen Polarifation des (im erfchlafften Zuftande zu den Verfuchen verwendeten) Mufchelmuskels eine ziemhch weitgehende Ueberein- flimmung mit den entfprechenden Erfcheinungen am quergeftreif- ten Frofchmuskel befteht, daß üch dies bezüghch der durch Ver- änderungen der kathodifchen Stellen des Schließmuskels erzeugten fecundär-electromotorifchen Erfcheinungen aber wefenthch anders verhält. Diefelben find bei dem quergeftreiften Skeletmuskel ziem- hch einförmig und beftehen nsLch Hering im Wefentlichen immer

79] Phyfiologie der contractilen Gewebe. 340

Dur aus emfinnigen und zwar negativen, mehr oder minder flarken Xachftrömen. Zwar fall Hering < bisweilen an ganz frifchen Mus- keln nach der erften Reizung äußerft fchwachc Ausfchläge des Magneten im Sinne einer poritiven kathodifchen Polarifation», aber diefe Wirkungen waren immer fo geringfügig und traten gegen- über den anderen fo fehr in den Hintergrund, daß von einer ge- naueren Unterfuchung derfelben vorerft abgefehen wurde. Nach Biedermann find es gerade chefe pofitiv kathodifchen Nachftröme, welche an dem electrifch gereizten Mufchelmuskel unter Umftän- den fo deutlich hervortreten, daß man fie als eine der pofitiv ano- difchen Polarifation völlig gleichwerthige Erfcheinung aufzufaffen berechtigt ifi;, die das Interefie in um fo höherem Grade auf fich zieht, als etwas AehnHches, abgefehen von den erwähnten fchwachen Wirkungen am Frofchfartorius, bisher an Muskeln nicht beobachtet wurde.

Die chemifchen Eigenthümlichkeiten gewifl'er Muskeln laffen weit mehr die fyfiematifche Stellung der betreffenden Thierfpecies als die Natur der contractilen Fafergattung errathen; außer in den Pigmenten und dem diffcrenten Glykogengehalte find z. B. bei den rothen und blalfen quergefl;reiften Muskeln keine charakteriftifche chemifche Unterfchiede nachzuweifen gewefen, während die Ccpha- lopoden-, die Selachier- und die (iuergeflreiften Wirbelthiermuskeln durch eine chemifche Analyfe doch leicht erkannt werden können. Es reden diefe Erfahrungen gewiß fehr der Auffalfung das Wort, daß felbft der reiche Gehalt einiger Muskeln an den fog. flickftott- lialtigen Extractivftoffen mit dem Contractionsvorgange direct nicht in Beziehung fleht, fondern daß für einen derartigen Stoffverblcib in den Geweben nur cigenthümliche Retcntionsvciliiiltiiin'c veriiiit- wortlich zu rriafh<ii find. Dalici- kommt es denn ancli, wenn Mu-^kcln verfchi('d<'n('r Thicre, olino irgendwie^ ins (icwiclit fallende functiojiclle Verfchiedeidjeiten darzul)ieten, zu fdir abweichenden analytifchen Uefultaten führen, oder wenn die functionellen mul

350

Grundzfige einer vei^leichenden

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dncQonsroIlen Ton |

81] Phyliologie der contraetilen Gewebe. 351

textureilen Qualitäten der Muskeln in greifbareren chemifchen Unterfchieden keinen Ausdruck finden. Difterentes Leiflungsver- mögen und verfchiedenes hiltiologifches Gefüge decken ficli bei den contraetilen Geweben allemal weit belTer als eines derfelben mit den gröberen Abweichungen im chemifchen Baue.

Das wird fofort klar werden, wenn wir an der äand der vor- Ilehenden Tabelle, welche die in diefem Abfchnitto erörterten phylikalifchen und functionellen Ditferenzen zwifchen den ver- rchiedenailigen Muskeln ein und desfelben Thieres refumirt, die hiftiologifchen Eigenthümlichkeiten der einzelnen contraetilen Fafer- gattungen durchgegangen sein werden.

Es giebt in der Biologie kaum eine einzige Claflification, welche nicht ihre Ausnahmen zuzulallen hätte: Natura non facit saltus macht fich hier überall geltend! Wird man deshalb aber auf jede Eintheilung verzichten, wenn man fieht , daß eine folehc an diefem oder jenem Punkte die Objecte nicht genugfani um- greift, an diefer oder jener Stelle ein klein wenig über das abzu- grenzende Territorium hinausgeht? Ich glaube nicht. Jede noch fo unvollkommene Eintheilung hat in der Biologie ihren Nutzen gebracht, vorausgefetzt, daß üe von einem neuen Gefichtspunkte ausging, und man lieh betieißigte, die Ausnahmen von der Regel kennen und deuten zu lernen.

An linnigen Ueberlegungen und glücklichen Ideen hat es bei der Claflification des Muskelgewebes nie gefehlt, und der dadurch gewonnene weite Blick in das Wefen des Contraetilen wird fich jedenfalls noch erweitern und vertiefen, wenn <lie einzelnen Muskel- arten beflcr bekannt geworden lind als heute. Hier hat j('<ler Ein- theilungsverfuch reiche Früchte getragen, wennfchon keiner der- felben pedantifch durchzuführen war oder durchführbar bleiben wird. So unterfcheidet man feit lange zwifchen willkürlichen (ani- maiifchen) und unwillkürlichen (organifchen), zwifchen (|uergeftreif-

k'rukenbcnj, ViTgl-phyAol. VortruKe. 2'>

352 Grundzüge einer vergleichenden [82

ten und glatten, zwifchen athermofyftaltifchen und thermofyltal- tifchen Muskeln; keiner Eintheilung läßt lieh eine Berechtigung ganz abfprechen, keine derfelben kommt allen Anforderungen nach! Was nun fpeciell das anatomifche Verhalten betrifft, fo führ- ten die Unter fuchungen zur Aufrechthaltung folgender verfchiedener Gruppen von Muskelfafern :

A. Muskeln der Wübelthiere.

1. Quergeftreifte Muskeln.

a) Weiße oder durch Lipochrome geförbte Fafern mit fchnell erfolgender, aber auch rafch nachlaffender Verkürzung.

b) Durch Hämoglobin geröthete Fafern mit langfam ein- tretender und langfam fchwindender Verkürzung.

c) Veräftelte Fafern (Herz, Zunge etc.).

2. Glatte Muskeln.

B. Muskeln der Wirbellofen.

1. Quergeftreifte Muskulatur.

a) Feinere blaffe Fafern mit kürzerer Zuckungsdauer (z. B.

die Schwanzmuskeln der Krebfe). b)' Stärkere blaffe Fafern mit trägerer Contraction (z. B.

die Scheerenfchließmuskeln der Krebfe).

c) Veräftelte Fafern (z. B. bei Arthropoden und im Herzen von Gaftropoden).

d) Gelbe Flugmuskeln der Infecten.

2. Doppeltfchräggeftreifte Muskulatur.

3. Glatte Muskulatur.

rÄeMus- Nach den neueften Unterfuchungen von Bollett^^^) beffeht der wöhniichemvom Sarkolcmma umfchloffene Inhalt der quergeftreiften Muskel- fafer aus zwei Theilen: erftens aus dem hyalinen oder feinkörnigen, oft ffellenweife regelmäßig (zu den i^e^^ms'fchen Querfadennetzen und zu zarten Häuten, welche diefe in der Längsrichtung der Fafer miteinander verbinden) verdichteten Sarkoplasma, welches, wie der Name andeuten foU, dem Protoplasma nahe fleht und

83] Phyßologie der contractilen Gewebe. 353

einen außerordentlich hohen Grad von Plafticität befitzen muß; zweitens aber aus den, der Länge nach geghedeiten Fibrillen, welche gruppenweife zu ftrang-, band- oder röhrenförmigen Bün- deln (den fog. Muskeiräulchen, die iliren Eigenfchaften nach einer einheitlich verdickten Fibrille gleichen) verwachfen find.

Das Sarkoplasma füllt alle von den FibriUenbündeln freige- lalTenen Räume aus; es ftellt das Querbinderaittel für die Muskel- Täulchen vor und ift eljenfo in der Längsrichtung zwifchcn allen Muskelfäulchen continuirlich vorhanden. Von den Ijeobachteten Querftreifen erfcheinen die Querfcheiben (Q BoUetfs, disques epais Ficinvier's), Engelmann's Nebenfcheiben (N RoUetfs, Körnerfchichten FlögcVs, disques accessoires Ranvier's) und die Zwifchenfcheiben (Z BoUeffs, disques minces lianvier'}^) doppeltbrechend, mehr oder minder anifotrop ift auch die Mittelfcheibe Henfen'a (h liolktfs, Querhnie Kraufe's), während der von liollctt mit E bezeichnete Streifen zwifchen Z und N, fowie der mit J bezeichnete zwifchen N und Q, lianvier's bandes claires, fich als einfachbrechend ver- halten. Alle von Rollett mit gi-oßen Buchftaben Ijezeichnoten Querftreifen entfprechen einer fubftantiellen GHederung der die Muskelfafer zufammenfctzenden Fil)rillen, und fpeciell die Quer- ftreifen N müden als eigene, durch die Fibrillenghederung be- dingte, wenn aucli nur temporär in beftimmten Zuftänden des Muskels vorhandene Schicht anerkannt werden. Doch ift zu be- rückfichtigen , daß die unter der Bezeichnung «Scheiben» von J'Jiif/c/iiKtnn und befonders von lianvicr den ifotropen Scliicliten der Muskelfafeni entgegengeftellten anifotropen Lagen immer artcfacto Producte einer Zerlegung der Muskelfafer und nicht mori)hologifch präformirte B(;ftandtheile derfelberi find, während die Fibrillen oder Fibrillenbündel als präformirte Beftandtheile der (piergeftreiften Muskelfafer aufgefaßt wci-den mülfcn. Der Streifen li bclitzt in keinem Zuftande der Muskelfafer den Grad von Selbftftäiidigkeit, welcher anderen, mit großen Buchftuben l^ezeichneten (Querftreifen

25*

354 Grundzüge einer vergleichenden [84

temporär zukommt, wenn diefelben auch mit Rücklicht auf den Wechfel der verfchiedenen phyßologifchen Zuftände im Muskel vöUig vergänglich find. Der Streifen h [Retsius' Querfadennetz zweiter Ordnung) wird ebenfo wie Streifen E durch die farkoplas- matifche VerbindungsmalTe der Muskelfäulchen hervorgerufen und, wenn ich Rollett recht verftehe, dadurch indirect auch Z {BeUius' Querfadennetz erlter Ordnung) zum Ausdruck gebracht.

Obgleich fich EoUetfs Anüchten vorwiegend auf Beobachtungen an blaffen Coleopterenmuskeln gründen, fo kommt denfelben doch zweifellos eine allgemeinere Geltung zu. An den quergeltreiften Wirbelthiermuskeln z. B. überzeugt man lieh leicht von der In- conftanz der einzelnen Querflreifen, und auch an den verzweigten Muskelfafern des Gaftropodenherzens (Zeugobranchier und Tro- chiden) bemerkte Haller'^^% daß die « Querltreifung erft allmählig auftritt, indem lieh glänzende Kügelchen ausfcheiden, die dann, in den nebeneinander liegenden Fafern in gleicher Höhe hegend, die Querftreifung veranlalTen».

NalTe^^^) gelangte bei feinen Unterfuchungen über die quer- geltreiften Muskelfafern zu dem Ergebnifle, daß anatomifche Ueber- gänge zwifchen diefen und den glatten Fafern im Thierreiche nicht zu beftehen fcheinen, daß z. B. die von Simroth an dem retractor oculi der Pulmonaten gefehenen vermeintlichen Querltreifeu nur durch dicht aneinander liegende Contractionsknoten vorgetäufcht waren. Als wefenthche und conflante, anatomifch unterfcheidbare Theile betrachtet NalTe die Querfcheiben und (obwohl er die Mittel- fcheibe nur bei Vertebraten, Arthropoden und bei Sagitta zu Gelicht bekam) die Zweitheilung derfelben; ferner auch die An- wefenlieit der Zwifchenfcheiben. Die Nebenfcheiben fah er nur bei Vertebraten (mit Ausnahme des Amphioxus) und Arthro- poden. Von der anifotropen Subftanz der Querfcheiben, welche Myofm ilt, foU fich die Mittelfcheibe chemifch fehr verfchieden verhalten; denn diefe tritt noch in Fafern auf, deren Myolin durch

85] Phyßologie der contractilen Gewebe. 355

Säuren oder Salze ßark gequollen, ja in Krebsmuskeln felbft noch dann, -^enn nach Behandlung mit concentrii'ter Salzfäure jede fon- üige Aniibtropie völlig erlofchen ift.

Die hiftiologifchen Unterfuchungen an verfchieden functioni- renden quergeltreiften Äluskelfafern ein und derfelben Thierfpecies find nur in befchränktem ISIaaße entfcheidend ausgefallen. «Alle diejenigen Muskeln», fagt Giiifmcr^^^), «welche eine kurze Con- tractionsdauer haben, beliehen größtentheils aus \iel dünneren Muskelfafern als diejenigen, welche eine lange Contractionsdauer befitzen. Die Muskelbündel des Gaftrocnemius find in ihrer über- wiegenden Mehrheit viel dicker als die der Tibiahsgi'uppe, die Er- weiterer des Kehlkopfes haben \'iel dickere Bündel als die Ver- engerer, namentlich als diejenigen Fafern des musc. vocalis, die in unmittelbarer Nähe des inneren Randes des Stimmbandes liegen; am augenfäUigften aber ift der Unterfchied bei den Infektenmus- keln. Die fchnell fich contrahirenden Flügelmuskeln find geradezu zarte Fädchen gegenüber den langfam fich contrahkenden, ftrick- artigen Beinmu.skeln. Erftere haben aber auch, gewiffermaßen wie eine dünne Saite, mehrere hundert Male in derSecunde zu fchwingen und fich zufammenzuziehen, letztere außerordentlich viel feltener und langfamer.» Diefe Verhältniffe treffen jedoch, wie Grützner fchon gefühlt haben mag, nicht allemal zu; vergleichende Beftim- mungen an hämoglobinhaltigen und hämoglobinfreien Skcletmus- keln des Kaninchens und der Fifche (vgl. Tabelle auf S. 350) haben zu dem gerade entgegengefetzten Ergebniffe geführt, und auch die Anficht von Carl Sachs^^^) , defi'en Verfuche fich auf verfcliiedene Thierarten (Warm- und Kaltblüter) beziehen - , daß Bezielmngen zwifchen der abfoluten Mu.skelkraft, welche fclioii an ficli keine lichere Vergleiche geftattet, und der Hölie der MrrkcV- fchen Musk<'lclemente exiftiren, ift felir unwalirfcheiiilicli geworden, feitdem J'Jnf/flmann^"^) für die Muskeln verfejiiedcner In fecten formen nacl)wie.s, daß mit der Hohe der Muskelelemeute ihre phyliologifche

356

Grundzüge einer vergleichenden

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Verfchiedenheit, inslxtndere ihre Contractiousciin-en nicht in Be- ziehung gebraclit lon können. Hieraus geht bereits hervor, daß die textiirellen A'tchiedenheiten der Muskchi mit rafcher und langfamer Contraction >ei verfchiedenen Thierfonnen keineswegs entfprecliende find; <ltn wie die vorftehende Zufanimenllelluug lehrt, ift der AuslpriK-i von JN'a/Tr*"^), daß «bei derlVlben Thier- fpecies mit Abnahme er Höhe der Mnskelelemente die Contraction an Schnelhgkeit zuniunt», in feiner Verallgemeinerung ebenfo falfcli als der ubtn niipführte Satz Grützncrs. Es ill richtig, daß beim Kaninchen (Wv itlien und weißen Muskelfafern nicht nm- in der Faferdicke, in <.r Holie der Muskelelemente, in der Form, vielleicht auch in dt r khl der Kerae, fontleni fogar in der Blut- verforgung von einand« abweichen; aber einige der Unterfchiede gleichen fich Ichon Keden hiimoglobiu- und rhodophanhaltigen Skeletrau.skeln des Luttfes ziemlich aus. und bei den Scheeren- fchließern und den Al>ominalmuskeln der Krebfe fchlagen diefe A'^erhältnilTe theilweilr ns Gegentheil um. Ein durchgi-eifender hiAiologifcher UnterlchiJ ift bei Muskeln mit verfchiedencr Länge der Zuckungscurve ihm.- nicht gefunden und wird, wie die bekannt gewordenen Thatfacluiwu fchheßen erlauben, auch nicht erft noch zu entdecken fein.

Der Anficht von hlTc, daß den gelben Thoraxmuskeln der Insecten^"^) durch r;. liWuffrnrr «der Nimbus der Eigenartigkeit» geraubt fei, vermag id nicht beizuftimmen. Ich erinnere daran, daß diefe IMuskeln niat allein durch ihren rapiden fibrilläreu Zerfall (W. Krause), dreh ihre in 0,6^'oiger Koclifalzlüfung \rie in Waffer rafch zu (hiicfichtigen Kugeln körner (NaM) von allei anderen querg^ fondern daß das Lebinin ihnen aucl daß es felbft den forgfäigften Unterfg Henfcn, WelsJiiami^^jädL) im gün[ti| als momentan e^^^^R Contract

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89]

Phyfiologie der contractileöiewebe.

359

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nehmen. BoUeff bemerkt mit Recht, da die mit Tracheen reich

durchfetzten und deshalb von einigen brfchern auch für fettig

degenerirte Fafern gehaltenen Flugmuskei der Infecten «in ihrem

Baue von den anderen quergeftreiften .luskeln diefer Thiere fo

wefenthch verfchieden find, daß aus de Beobachtungen an den

einen nicht Schlüffe auf das Verhalten d( anderen gezogen werden

dürfen». Eingehendere Unterfuchungen isrden allerdings erft noch

zu zeigen haben, worin das Charakteriifche des feineren anato-

mifchen Gefüges diefer fo wunderbaren Muskeln, deren abfolute

Kraft feit den Verfuchen von Felix Plami'^'^^) meift zu hoch an-

gefchlagen wird, zu fuchen ift.

Eine weitere Modification der quereftreiften Muskelfubftanz veräfteite

'- Muskel-

bilden die verzweigten und oft netzartig vrbundenen Fäden, welche ^*^^'^-

die Herzmuskulatur von Wirbelthieren ie von AYü'bellofen (z. B. bei Arthropoden, bei Asteracanthiou/6^. Schwalbe] und nach Haller auch bei Mollusken) zufammenfczen. In der Zunge des Frofches waren fchon in den fünfzigerJahren derartige Muskel- fafern mit unter fpitzen Winkeln fich vederholenden Theilungen aufgefunden. Später entdeckte man fi' in dem gleichen Organe der Säugethiere und traf bei einigen dex4ben in den Lippen und Schnauzen die nämliche Varietät unfer»: Gewebes an; auch die Lymphherzen der Wirbelthiere zeigen eii; ähnliche Muskelflructur. lieber den feineren Bau der Zunga- und Lippenmuskulatur find wir viel mangelhafter unterrichtet als über die gut durch- forfchte Faferung des Herzfleifches. ie Herzmuskeln weichen von den gewöhnlichen Arten der quergereiften Muskulatur haupt- fächlich in folgenden Punkten ab: 1. naftomofiren ihre Haupt- fafern mit einander durch Zwifchenghedi-, 2. find ihre Fafern frei von Sarkolemm oder diefes ift wenigfteK fo dünn und zart, daß >es nicht in der Weife wie das der Skeltmuskehi hervortritt, und ftellen fie keine einheithche Fafern dr, fondern find aus einer [•oßen Zahl einfacher Zellen zufammenc fetzt, die durch Kittful^

358 Grundzüge einer vergleichenden [88

Verfchiedenheit, insbefondere ihre Contractioiiscurveii nicht in Be- ziehung gebracht werden können. Hieraus geht bereits hervor, daß die textürellen Verfchiedenheiten der Muskeln mit rafcher und langfamer Contraction bei verfchiedenen Thierformen keineswegs entfprechende lind; denn wie die vorgehende Zufammenltellung lehrt, ift der Ausfpruch von NalTe'^^^), daß «bei derfelben Thier- fpecies mit Abnahme der Höhe der Muskelelemente die Contraction an Schnelligkeit zunimmt», in feiner Verallgemeinerung ebenfo falfch als der oben angeführte Satz Grüt^ner's. Es ift richtig, daß beim Kaninchen die rothen und weißen Muskelfafern nicht nm' in der Faferdicke, in der Höhe der Muskelelemente, in der Form, vielleicht auch in der Zahl der Kerne, fondern fogar in der Blut- verf orgung von einander abweichen; aber einige der Unterfcliiede gleichen fleh fchon bei den hämoglobin- und rhodophanhaltigen Skeletmuskeln des Lachfes ziemlich aus, und bei den Scheeren- fchließern und den Abdominalmuskeln der Krebfe fchlagen diefe Verhältnifle theilweife ins Gegentheil um. Ein durchgreifender hiftiologifcher Unterfcliied ift bei Muskeln mit verfchiedener Länge der Zuckungscurve noch nicht gefunden und wird, wie die bekannt gewordenen Thatfachen zu fchließen erlauben, auch nicht erfl noch zu entdecken fein.

Der Anfleht von NaM, daß den gelben Thoraxmuskeln der mus en. jj^gg^^^g^-^io?^ durch G. R. Wagener «der Nimbus der Eigenartigkeit» geraubt fei, vermag ich nicht beizuftimmen. Ich erinnere daran, daß diefe Muskeln nicht allein durch ihren rapiden fibrillären Zerfall (W. Krause), durch ihre in 0,6°/oiger Kochfalzlöfung wie in Wafler rafch zu durchflchtigen Kugeln aufquellenden Zwifchen- körner (Nalfe) von allen anderen quergeftreiften Fafern abflechen, fondern daß das Leben in ihnen auch fo eminent rafch verflegt, daß es felbfl den forgfältigflen Unterfuchern (wie Koelliker, Kühne, Henfen, Weismann, Merkel) im günftigften Falle nicht gelang, mehr als momentan erlöfchende Contractionen an den Muskeln wahrzu-

Gelbe Infecten-

89] Phyfiologie der contractilen Gewebe. 359

nehmen. HoUdt bemerkt mit Recht, daß die mit Tracheen reich

durchfetzten und deshalb von einigen Forfchcrn auch für fettig

degenerirte Fafern gehaltenen Flugmuskeln der Infecten «in ihrem

Baue von den anderen quergeltreiften Muskeln diefer Thiere fo

wefenthch verfchieden find, daß aus den Beobachtungen an den

einen nicht SchlüfFe auf das Verhalten der anderen gezogen werden

dürfen». Eingehendere Unterfuchungen werden allerdings erft noch

zu zeigen haben, worin das Charakteriftifche des feineren anato-

mifchen Gefüges diefer fo wunderbaren Muskeln, deren abiblute

Kraft feit den Verfuchen von FRix Plateau^'^^) meift zu hoch an-

gefchlagen wird, zu fuchen ift.

Eine weitere Modification der quergeftreiften Muskelfubflanz verätieite

^ ° Muskel-

bilden die verzweigten und oft netzartig verbundenen Fäden, welche ^"■^^^■

die Herzmuskulatur von Wirbelthieren wie von AVii'bellofen (z. B.

bei Arthropoden, bei Asteracanthion [G. SchcaJbeJ und nach

Hall er auch ])ei Mollusken) zufammenfetzen. In der Zunge des

Frofches waren fchon in den fünfziger Jahren derartige Muskel-

fafern mit unter fpitzen Winkeln fich wiederholenden Theilungen

aufgefunden. Später entdeckte man fie in dem gleichen Organe

der Säugethiere und traf bei einigen derfelben in den Lippen und

Schnauzen die nämliche Varietät unferes Gewebes an; auch die

Lyraphlicrzen der Wirbelthiere zeigen eine ähnliche Muskelflructur.

Ueber den feineren Bau der Zungen- und Lippenmuskulatur

find wir viel mangelhafter unterrichtet als über die gut durcli-

forfclite Faferung des Herzfleifches. Die Herzmuskeln weichen

von den gewöhnlichen Arten der quergeftreiften Muskulatur liaupt-

rächlich in folgendiii Punkten ab: L anaftomoliren ihre Haupt-

fafcrn mit einandei- durch Zwifchenglieder, 2. lind ihre Fafern frei

von Sarkolemm oder diefes ift wenigftens fo dum» und zart, daß

e.H nicht in der Weife wie das der Skeletmuskeln licrvortritt, und

3. ftellcn fie kein»; cinlieitliche Fafern dar, fondi-rn lind ans einer

großen Zahl einfacher Zellen zufammengefetzt, die dmch Kiltfub-

360 Grundzüge einer vergleichenden [90

ftanz verbunden ßnd. Letzterer Umftand iffc infofern von Bedeu- tung, als Reize, welche eiüe Stelle des Herzens treffen, lieh auf fämmtliche Muskelfafern übertragen.

Abgefehen von drei oder vier Ausnahmefällen weichen die Herzmuskeln auch darin von den quergeftreiften Skeletmuskeln ab, daß fie zufammen mit der glatten Muskulatur die Gruppe der unwillkürlichen oder organifchen Muskeln ausmachen, während bekanntlich die übrigen quergeftreiften Muskeln als willkürliche oder animalifche charakterifirt zu fein fcheinen. Durch E. H. Weber kennt man aber eine weitere Ausnahme von letzterer Regel; Weher fand, daß, abweichend von allen übrigen Wirbelthieren, bei der Schleie (Tinea chrysitis) auch im Darme quergeftreifte Muskeln vorkommen, von denen es zwar nicht direct bewiefen, aber doch wohl fehr wahrfcheinlich ift, daß lie der Willkür nicht unterworfen ßnd. Nach diefen Befunden wird die Annahme kaum noch umgangen werden können, daß die verfchiedene Abhängig- keit der Muskeln vom centralen Nervenfyftem nicht in der Structur des Muskels, fondern ledighch in der Verbindung der hinzutretenden motorifchen Nerven mit den Cerebrofpinalapparaten begründet liegt. Wenn der Wille, fagt Piichef^^^), das Herz durch den Vagus- nerven nicht ftill zu flellen vermag, fo beruht das nicht darauf, daß die Beziehungen des Vagus zum Herzen andere find, als z. B. die des Phrenicus zum Zwerchfell, fondern der Grund liegt allein darin, daß der Vagus nicht wie der Phrenicus will- kürlich erregbar ift. ^ch?äg- 1869 beobachtete GuRav Schwalbe an den Interambulacral-

^Muskei^ muskeln von Ophiothrix fragilis, in den graugelben glaligen

fafem.

Schließmuskeln der Bivalven, wie auch au den Muskeln von Asteriscus, Arenicola, Lumbricus, in der MundmalTe von Helix u. f. w. eine äußerft zierliche Mufterung der contractilen Subftanz. Diefe wurde durch Linienfyfteme hervorgerufen, welche nicht etwa eine Quer- oder Längsftreifung darftellten, fondern

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91] Phyllologie der contractilen Gewebe. 361

fchräg, als ob zwei fich kreuzende Syfteme von Spiralfafern um den Miiskelcvlinder herumliefen, von einer Seite der Fafer zur andern hinüberzogen. Die Linienfyfteme erfchienen hell und die zu Schrägreihen gruppirten quadratifchen Felder zwifchen ihnen dunkel und ftark lichtbrechend. Schwalbe war der Anficht, daß bei diefen, von ihm als «doppeltfchräggeftreift»^'") bezeichneten Muskelfafern ebenfo wie bei der quergeftreiften Muskulatur der Wirbeltliiere Und Arthropoden der contractile Theil zwei Subftanzen enthalte, eine einfach- und eine doppeltbrechende, daß diefelben dort nur eine andere Anordnung zeigen als bei diefen Thieren; die dunklen Quadrate der doppeltfchräggeftreiften Muskeln würden unzweifelhaft der anifotropen Subftanz BrücJce's entfprechen, wäh- rend die hellen Linienfyfleme als aus einfachbrechender Subflanz gebildet anzufehen wären.

Derartige Structurverhältniffe waren fchon vor Schwalbe an Muskeln wiederholt gefchen, fo z. B. von Irinchcse bei Ophiura texturata, von Margo bei Octopus, von G. Wagener am Schließ- muskel von Lima, aber von keinem Beobachter richtig gedeutet und hinlänglich gewürdigt worden. Speciell für die Schlicßnniskeln der Bivalven zeigte Schwalbe, daß diefelben aus zwei verfchicden- artigen Muskelfafern beliehen können; entweder ausfchließlich aus doppeltfchräggeftreiften (wie z. B. der große hintere Schließmuskel von Solen vagina) oder daneben noch in mehr oder weniger fcharfer Begrenzung aus fibrillären Fafern (z. 1). bei Ostrea und Anomia). welche ein fchncnartiges Ausfehen bclitzen und zuvor als Imnd- oder fehnenartigcr Tlieil des SchHeßnuiskels den Kiiochen- bändern der Wirliclthiere verglichen waren; drittens giel)t es abei- aucli noch Schließmuskeln, welche (wie z. B. die Ixidcn von My- tilus edulis) lediglicli aus den fibrillären i'^ifcni beftehen.

Nach Schwalbe lind (!!<■ doppeltfchräggeftreiften Muskeln und die in nicht geringer Aii/.ald daneben vorkonnnendcn V:\\'i\-\\ von gf-ringf-rer Diel«- nnd ohn«; erkennbare Differenzirung in d<ii Inlcr-

362 Grundzüge einer vergleichenden [92

ambulacralbündeln von Ophiothrix fragilis nicht wefentlich ver- fchieden; an den dünnen Muskelfafern, fo meinte er, fei nur des- halb nichts von der Schrägftreifung zu erkennen, weil üe durch die Zufatzflüiligkeiten leichter verändert werden als die dickeren. Bezüglich der weißlichen fibrillären und der graugelben glaßgen, doppeltfchräggeftreiften Schließmuskeln der Bivalven ifl Schtvcdbe jedoch anderer Anficht. «Die fo bedeutende Verfchiedenheit des Baues der fibrillären und doppeltfchräggeflreiften Muskelfafern deutet hier auf eine verfchiedene Function hin. Vergleicht man nun auch den Act des Schalenfchließens bei der Außer und der Miesmufchel, fo fieht man, daß bei erffcerer derfelbe auf Einwir- kung äußerer Reize plötzlich und rafch gefchieht, bei Mytilus dagegen fehr langfam und allmählig, fo daß man bei offenltehen- den Schalen bequem die Schließmuskeln durchfchneiden kann, ohne daß dabei, wie es bei der Außer gefchieht, das MelTer ein- geklemmt wird.» «Ich möchte deshalb glauben», fagt ScJuvalbej «daß die doppeltfchräggeflreiften Fafern der Außer mehr für plötz- •lich und .energifch auszuführende Bewegungen eingerichtet find, während die fibrillären Fafern vielleicht den feßen Schluß beforgen, der hier nur durch andauernde . Contraction zu erzielen iß».

Die doppeltfchräggeßreiften Muskeln find fpäter nur noch von Engelmann zum Gegenßande der Unterfuchung gemacht. Diefer Forfcher will gefunden haben, daß bei Anodonta der gelbliche wie der weißliche Abfchnitt des hintern Schließmuskels einen ent- fchieden fibrillären Bau befitzt, daß die ifolirten Fibrillen (bei einer conßanten Dicke von 0,0004 0,0006 mm) doppeltbrechend und zwar pofitiv einaxig find, daß von einer Zufammenfetzung derfelben aus abwechfelnd ifotropen und anifotropen Stücken keine Spur zu finden iß; « die Fafern find optifch durchaus homogen und nur die interfibrilläre Subßanz, die fchwächer lichtbrechend iß, wirkt nicht merklich auf den polarifirten Lichtßrahl ein». Die Doppeltfchrägßreifung der Muskeln foll nur darauf beruhen, daß

93] Phyüologie der contraetilen Gewebe. 363

flark lichtbrechende homogene Fibrillen in entgegengefetzt gewun- denen, aber gleich fteilen Spiralünien um die Längsaxe der Fafern herumlaufen; denn die Streifen follen an den Kreuzungsftellen in verfchiedenem Niveau liegen und der Winkel (a genannt), unter dem die Streifen ßch fchneiden, mit zunehmender Verkürzung der Fafern wachfen. «Man muß», fagt Engelniann, «bei ftarker Ver- größerung (500 1000 mal) die Mikrometerfchraube Um ein fehr merkliches Stück di-ehen, um von der fcharfen Einftellung des einen Streifen zu der des andern überzugehen. Dies dürfte nicht der Fall fem, wenn die oben angeführte ScJuvalbe' (che Anficht von der Urfache der Schrägftreifung die richtige wäre.»

Jede doppeltfchräggeltreifte Fafer befteht nacli Engelmami demnach aus zwei Syltemen von Fibrillen, welche in zur Fafer- richtung parallelen concentrifchen Lagen, entgegengefetzt gewundene Schraubenlinien um die Faferaxe l)efchreiben und deren Verkür- zung nicht, wie nach morphologifcher Analogie wahrfcheinlich wäre, in der Richtung ihrer eigenen Längsaxe, fondern parallel der Längsaxe der Fafer, alfo der Zelle erfolgt. Hiermit foll nun auch im Einklänge flehen, daß die optifche Axe der Fibrillen nicht mit der Längsrichtung derfelben, fondern unter allen Umftänden mit der Längsaxe der Muskelfafern zufammcnfällt. Sclilicßlich äußert fich Engelmann noch dahin, daß die doppeltfchräggeftreiften Muskeln nur als eine Abart der glatten Muskeln zu betrachten find; der weißhche Theil des hinteren SchHcßmuskels der Fluß- ' mufchel ziehe fich auch nicht merklich langfamer zufammen als der gelbliche, mit dem die Gefchwindigkeit der Verkürzung bei Cardium und Mytilus ebenfalls von gleicher Ordnung fei. Engrl- maun denkt fich die Fibrillen der doppeltfchräggeftreiften Muskeln, wie die der glatten Muskelfafern und die sarcous eleinents der quergeftreiften Fibrillen aus kleinitcn falerförniigcMi, contraetilen Molecülc'omi)lcxen (log. Inotagmen) aufgebaut, deren Längsaxen fund damit auch die oi^tifchen Axen) lannntlieh der Längsaxe «1« r

364 Grundzüge einer vergleichenden [94

Zelle parallel orientirt find; eigenthümlich ift den Fibrillen der doppeltfchräggeftreiften Fafern hiernach wefentlich nur die treppen- förmige Anordnung der Inotagnien, auf welcher der Ppkahge Ver- lauf der Fibrillen beruht. In Uebereinftimmung mit mehreren ausgezeichneten Hilliologen fehe ich mich auf Grund eigener Unter- fuchungen und der experimentellen ErgebnilTe von Biedermann (vgl. S. 341) indeß veranlaßt, die Beweiskraft der lieh zum großen Theil jenfeits der Grenze des optifch Beftimmbaren bewegenden Beob-

^ achtungen von Engelmann anzuzweifeln, und muß mich dahin

ausfprechen, daß bei dem gegenwärtigen Stande unferes Wiflens die ScMvalbe' khe Anficht, dergemäß die Schrägftreifung nur auf der Anwefenheit zweier Subftanzen, nicht auf zwei lieh kreuzenden Syftemen von Sphalfafern beruht, die bei weitem wahrfcheinHchere, um nicht zu fagen, die allein richtige ift.

^kuiato^" ScJnvalhe ftellte die doppeltfchräggeftreiften und die querge- ftreiften Muskelfafern wegen ihrer Sonderung in einfach- und doppelt- brechende Subftanz als höher differenzirte Gebilde der glatten Muskulatur ^^^) mit ihren unregelmäßig gelagerten Digdiaklaften (Brüche) und den von Disdiaklaften ganz freien Muskeln (z. B. bei Stentor viridis nach Kühne) gegenüber. Die Anficht, daß die Querllreifung als durch Dififerenzirung von urfprünglich glatten Fibrillen in einfache und doppeltbrechende Abfchnitte entflianden zu denken ift, vertrat fpäter auch Engelmann, welcher einen be- fonderen Werth noch darauf legte, daß diefer Differenzirung zu- gleich eine Arbeitstheilung entfpricht, infofern nämlich die doppelt- brechende Subftanz allein contractu fei, die ifotrope Subftanz allein die Reize in der Fafer leite ^^^).

Ob diefe Hypothefen fich aufrecht erhalten lauen, kann erft die Gefchichte lehren; doch fcheinen mir die Unterfchiede, welche die glatten Muskelfafern bei ihrer Differenzirung in Mark- und Rindenfubftanz aufweifen, von vornherein zu verbieten, fie msge- fammt für gleichwerthig und als auf einer niederen Stufe der

95] Phyüologie der contraotilen Gewe])e. 365

EnUncklung flehen geblieben zu betrachten. Die markfreien Mu.'skeln der Bryozoen, der Ascidien, die markfreien fehnigen SehHeß- muskelfafern der Bivalven einerfeits, che durch die Anwefeuheit einer großen Menge den Kern umfchHeßender Markfubftanz und durch eine in Fibrillen zerfallende contractile Rindenfubftanz clia- rakterißrten Nematoden- und Hirudineenmuskeln andererfeits Hellen ficherhch fehr ungleiche Grade einer Differenzii'ung vor, welche einige andere glatte Muskelarten (wie z, B. die aus einer kern- reichen protoplasmatifchen Subftanz und einer inneren contractilen Fibrillenlage befleheuden Buccalmuskeln der Chitonen [Hallcr]) nur noch weit mannigfaltiger geftalten. Nach den Arbeiten von Wdfjencr und Emjehnann zu urtheilen, bleibt die MögHchkeit eines fibrillären Zerfalls das einzige, der gef^immten glatten Muskulatur zukommende Merkmal, wennfchon die Bedingungen für denfelben nicht überall die gleichen find und manche Verhältniffe die Locke- rung des Gewebes zu Fibrillen fehr erfchweren.

Bei Betrachtung der quergeltreiften Muskeln (vgl. S. 354) wurde bereits darauf hingewiefen, daß die glatten Muskeln ficli von den quergeftreiften durcligängig durch das Fehlen einer rich- tigen, durch sarcous Clements bedingten Querltreifung unterfcheiden foUen (NaWe), und auch das, was von der Abgrenzung der glatten als organifche Muskeln von den quergeftreiften als animaUfclien Fafern zu halten ift, wurde fchon früher (S. 360) gefagt. Jetzt er- übrigt es, noch zweier Eigenthümlichkeiten der glatten Muskulatur zu gedenken, die zu Unterfchcidungen in anderer Weife geführt haben. Die eine diefer beiden Eigenthümlichkeiten belteht darin, daß während bei den f[uergeftreiften Fafern die erregte Contrac- tion unter allen Umftänden in den Fafern, welche wirklicli gereizt lind, verbleibt, niemals auf benachlnirte übergreift, Itci den glatten Mu.skelfafern die an einer Stelle erregten ZufaninK-nziiliiingcn fich auch auf die l^enachl>arten fortpflanzen. Der (irun<l für dicfcH abweichende Verhalten kann nach den Angaben verfchiedenor

366 Grundzüge einer vergleichenden [96

Autoren (z. B. von Gegenbaur, Engelmann, Haller) aber allein darin liegen, daß die glatte Muskulatur während des Lebens gar nicht aus einzelnen muskulöfen Faferzellen l^efteht, fondern eine gleich- artige zufammenhängende MalTe bildet, welche erfl beim AbJfterben in einzelne fpindelförmige Zellen zerfällt.

Eine weitere Eigenthümlichkeit der glatten Muskulatur fchien noch in ihrer befonderen Erregbarkeit durch plötzhch eintretende Temperaturänderungen zu hegen; die quergeltreiften Muskeln lind für rafch einwirkende Kälte- oder Wärmegrade weit weniger em- pfindlich, und man bezeichnete fie daher als «athermofyftaltifche», während man ' die glatten Muskeln « thermofyftaltifche » nannte. Von jener Eigenthümlichkeit der glatten Muskelfafern kann man fich an den Muskeln der Haut, der Gefäße, des Darmes und des Magens bei den höheren Thieren leicht überzeugen, aber es fragt fich noch, ob wir darin eine Eigenthümlichkeit der glatten Muskel- fubftanz und nicht vielmehr Reflexerfcheinungen zu fehen haben. ^ncttcd^*^ Oft nicht weniger charakteriftifch als der Bau der contractilen

^°^*^° Subltanz als folcher ift die Endigungsweife der motorifchen Ner- ven ^^^). Das knappe beftimmte Wifien über diefe Nervenveräfte- lungen an verfchiedenartig functionhenden Muskeln geftattet zwar erft wenige vergleichend -phyfiologifche Ausblicke; aber das, was ficherer Befitz unferer Wifienfchaft geworden ift, läßt auf Unter- fchiede fchließen, welche mehr den ThierclalTen als den quantita- tiven Functionsdifferenzen entfprechen.

Wenn bei Verfolgung der vorausgegangenen Arbeiten anderer Autoren Sspüman und Luchßnger an höheren Thieren zu dem SchluITe gelangten, daß das Atropin als ein fpecififches Gift für die glatte Muskelzelle oder deren Nervenenden anzufeilen ift, fo glaube ich diefe Wirkung nur für eine mittelbare erklären und den Luchßnger' Mien Ausfpruch noch dahin ergänzen zu muffen, daß fich das Herz zum Atropin genau fo wie die glatte Musku- latur verhält ^^*).

97] Phyfiologie der contractilen Gewebe. 367

Die forgfam rtudirten Combinatious Vergiftungen an Herz und ' Irismuskulatur ^^^) weifen darauf liin, daß die Atropin Wirkung aus- feliließlich peripher gelegene ganglionäre Apparate ergreift und fich fo, da die quergeftreiften Muskeln vom gewöhnlichen Bau derfelben nicht unterworfen find, nur indirect zu einer typifchen für Herz und glatte Muskulatur geftaltet. Im Herzfleifche find die bei der Atropinvergiftung in Frage kommenden Ganglien feit lange bekannt, in der glatten Irismuskulatur aber noch nicht gefehen; letzterer Umftand feheint felbft Schiniedehcrg bellimmt zu haben, an dem obigen Satze nicht mehr in der Weife feilzuhalten, als es früher von ilim gefchehen ift. Ich bin indeß wie zuvor der Anficht, daß wenn das Atropin im Herzen nur die ganglionären Hemmungs- apparate lähmt, es auch auf die Iris nicht ganz anders wirken kann, und erwarte daher den Gangliennachweis in diefem Organe noch mimer von der Zukunft. Die Wirkungen des Muscarins, des Nicotins und der Muskelgifte fprechen nicht weniger fchlagend gegen die Annahme einer directen Atropinwirkung auf die Muskeln als gegen die einer directen Reizung des Muskelnerven durch das Gift. Immer bleibt aber zu berückfichtigen, daß hier Gebilde vor- liegen können, welche durch ihre Kleinheit und eine geringe moiphologifche Confohdirung von den vorfchriftsmäßigen Ganghen- zellen abftechen^^''). Wäre der Angriffspunkt des Nicotins nicht fo ficher ermittelt, als es thatfächlich der Fall zu fein fcheint, fo würde vielleicht felbft daran gedacht werden können, die für die glatten Muskeln verlangten {)eri[)her-nervöfen Apparate in den intranniskulären Nervenendigungen zu fuchen. Leider ift von diefen zur Zeit noch wenig bekannt. Bei glatten Muskeln lali man den Nerven nur an einem liügelartigen Vorfi»runge in die Fafcr eintreten und feinen imieren Tbeil, ohne Beziehung zu den Muskelkernen, in der llindenfubftanz der Muskelfafer verfcliwindcn. Auch bezüglidi der f|uergeftreifteii Muskelfafern find wir über di.- EiuHgungsweife der motorifchen Nerven durcli KiihncH Untcr-

KrHkf.nhf.ro, Vcrgl.-phynol. VorliüKe. -''

b

368

Grundzüge einer vergleichenden [98

ruchungen des Beffern nur bei den Wirbelthieren unterrichtet. Bilder von Mmer deuten zwar an, daß die Nervenendigungen in den quergeftreiften Muskeln der Medufen fich ebenfalls einem all- gemeinen Schema einreihen werden, aber gerade deren Nerven- endplatten waren es ja, welche fich bei clen toxicologifchen Ver- fuchen^^^) als ebenfo empfindhch gegen Cmm-e erwiefen als die der quergeltreiften Vertebratenmuskulatur. An quergeltreiften Evertebratenmuskeln hegen theilweife abfchließende Beobachtungen fonft nur noch für die Käferbeine von RoUett vor.

Rollett zeigte, daß an der Eintrittsllelle der Nerven ledighch durch Anhäufungen des Sarkoplasmas (vgl. S. 352) Auftreibungen des Sarkolemms, die fog. J)o?/6"re'fchen Nervenhügel, zu Stande kommen, welche fich auch in Folge einfacher Contractionswellen, ohne daß ein Nervenhügel an der betreffenden Stelle vorhanden ilt, an den Muskeln gewiffer Käfer (z. B. der meilteu Chrysome- hden) leicht zu bilden vermögen. Der zutretende Nerv breitet fich in der äußern Partie des Nervenhügels in dichotomifcher Ver- zweigung aus und feine fcheinbar feltere Verbindung mit den fog. Zwifchenfcheiben beruht nur darauf, daß diefe Schichten Aus- läufern entfprechen, welche das den Do?/ere'fchen Hügel im Innern bildende Sarkoplasma als Verbinclungsmaffe für die einzelnen MuskelfibriUen abgiebt.

Bei den Wirbelthieren ^i^) kleidet der an die Muskelfafer tre- tende (epilemmale oder präterminale) Nerv den gleichfam für ihn vom Sarkolemma frei gelaffenen Hof durch das doppeltfchichtige Telolemm (d. i. Endolemm + Epilemm mit den zwifchen beiden Blättern gelegenen, dem Epilemm zugehörigen Epilemmal- oder Außenkernen) aus -- indem er ferne obere Decke (Perineuralfcheide) als Epilemm, feine untere [Sdiimnn' iohQ Scheide) als Endolemm dem Sarkolemma entgegenfchickt, und beide Nervenfcheiden als- dann fich mit dem Sarkolemm durch eine Kittfubftanz (Borften- faum, Sublemmalkitt) verbinden , tritt bis auf den Axencyhndei

99] Phyßologie der contractilen Gewel)e. 369

mit feinem Axolemm, in welchem die fog. Endknofpen (d. f. nach Kiihue und Engelniann wahrfcheinlich die reftirenden Kerne der ehemaligen Bildungszellen des peripherifchen Anthcils der Nerven- fafer) lagern, rcducirt als hvpo- oder fublemmaler Nerv an die Muskelfubftanz unmittelbar heran, verzweigt fich zu dem Nerven- geweih (hypolemmale Nervenveräftelung im Allgemeinen, auch motorifche Nervenendplatte oder Arborifation genannt), begiebt lieh aber hier nur an die Sarkoglia (identifch mit liolJrffs Sarkoplasraa), die wirklich contractile Subllanz des ISIuskels (Rliabdoglia) nicht berührend. Eine derartige Verfchmelzung der Nervenhüllen mit dem Sarkolemm fcheint auch bei allen Muskeln der Wirbellofen, wo fich ein folches findet, vorzukommen; bei den quergeftreiften Wirbelthiermuskeln zeigen fich die Löthlinien zwifchen dem Telo- lemm und dem Sarkolemm aber erft jenfeits der Gewciliausläufer (End- oder Terminalfafern).

Das Geweih, wie es durch die Vergoldungsmethode fichtbar zu machen ift, befteht aus dem äußeren Stroma und dem inneren Axialbaume; wie die Frucht den Kern, fo umgiebt das gewöhnlich weit dickere Stroma feinen axialen Einfchluß. Der Axiallxunn Itellt das feit llnnuli'9< Zeiten in jeder Nervenfafer l)ekannte Fibrillen- bündel vor, während das Stroma dem quellenden Beftandtlicile des Axencylinders entfprechen dürfte. An den Goldpräparaten erfcheint jeder Aft des Axialbaumes wie ein dunkel ])urpurner Kern in dem rothen Fruchtflcifche, und in gleiclier Weife fcharf fetzt fich daran das Stroma von der dunkler gefärbten granulirlen Sul)ftanz der Plattenfohle ab, die entweder als breiler, körniger Sclileier die eigentliche Nervenendigung umgiebt oder bald einen compacten Kuchen darflcUciul, b.-ild in deficit eines von Inlcln gebildeten Rahmens, aucli als l)]alige Mafi'e, deren Lücken in der Regel die Sohlenkerne enthalten, auftritt. Die Sohlenfubfianz ftinimt mit dem MuskelbiMungsmateriale, der Sarkoglia, nberein, und wo, wie bei den Anqihibien keine belbndere Anhänlung der

370

I Grundzüge einer vergleichenden

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Alle bisieute bekannten h}T)olemmalen N( thiere lallen ils gemeinfames Princip eine unfj gabclung dei Geweihäfte erkennen. Obfchon (Testudo) .jie denkbare Geftalt der Gewei'' wurde, fo lalm fich doch zwdHauptformen den: Erftensdie geftreckt| knickten '< Stagengeweiliej fich bei k'i/,1per Species Endknofi)ou eitcrhin veij Nervengewrife der Eidcc] zu mehr ode minder lal (in den Nor-«ihügeln) zl gewcihe» heflcbnet wer Platteng('ivn< fand Kiil als bei den anphibien der Aofte; Iplattenar legen tliche Qdungen läßt üch köftlich zl eine Wicderblung i% Muskeln doBlindfclj fich durcli irkhche Formen de- 1>\i.i>li'n Amphibien

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101]

Phyfiologie der contractilen Gewebe.

371

zum Verwechfeln ähnlich. Nur eines fcheint die ypolemmalen Nerven der Vögel auszuzeichnen (obfchon es bei 'estudo ver- izelt vorkommt), nämlich daß manche Geweihe d». Muskelfafer e Strecke weit vollkommen umgreifen, ferner das ön Amphibien 1' häufigere Vorkommen von Geweihen, dem Hauptäfte, der Muskelfaferaxe, diefer circulär verlafen. ^rgebnilfen der chemifchen Unterfuchngen decken ;en über die hypolemmalen Nervereräftelungen Wirbelthiermuskeln keineswes. Den che- chkeiten nach (hoher Harnftol, Harnfäure- ^eitung des Inofits) gruppirtiich die quer- mlatur, den Familien enprechend, in mde Tabelle) verzeichneta Weife, bei ^itigung der Nervengeweih refultii-t da- laltene Reihenfolge.

II.

Stangen- geweihe

Uebergangs- formen

Platten- geweihe

Salarander Frofch

Vögel Blindfüleiche

Natter

Eidecbe u Schlancu Säugetiere

lefc^'*') bezeichnete du Boitllcymond die ,,i,f„'5,^'j,. der normalen Muskelcontretionen durch ^'^'^'°""'''''"- von der motorifchcn Endlatte aus die ffcn. W. Kraufe hatte gcneint, daß die ihrer concaven Form di Stromdichte

370 Grundzüge einer vergleichenden [100

Sarkoglia unter dem Geweihe zu Stande gekommen oder bei der Entwicklung des Muskels •'zurückgeblieben ift, findet lieh die Sohle nur als ferne Gliaftreifen in den rubnervöfen Muskelcanneluren angedeutet.

Alle bis heute bekannten hypolemmalen Nerven der Wirbel- thiere lallen als gemeinfames Princip eine unfymmetrifche Ab- gabelung der Geweihäfte erkennen. Obfchon bei Schildkröten (Testudo) jede denkbare Geftalt der Geweihbildung gefunden wurde, fo lalTen fich doch zwei Hauptformen derfelben unterfchei- den: Erftens die geftreckten, gradäftigen und bajonettartig ge- knickten «Stangengeweihe» des Frofches und Salamanders, welche lieh bei letzterer Species noch durch das vollftändige Fehlen der Endknofpen weiterhin vereinfachen, und zweitens die gekrümmten Nervengeweihe der Eidechfen, Schlangen und Säugethiere, welche zu mehr oder minder labyrinthifchen Platten auf kleinerem Räume (in den Nervenhügeln) zufammengedrängt hegen und als «Platten- geweihe» bezeichnet werden. Als fernere Eigenthümlichkeiten des Platten geältes fand Kühne 1. die gekerbten, viel unregelmäßiger als bei den Amphibien befchaffenen Ränder; 2. das Zurückranken der Aefte; 3. plattenartige Verbreiterungen derfelben, und 4. ge- legentliche Bildungen von Anaffcomofen. Faffc jedes Plattengeweih läßt fich künftlich zu einer Figur ausbreiten, deren Grundform eine Wiederholung der einfachften Geftalten der Platten in den Muskeln der Blindfchleiche oder der Natter ift, und diefe fchließen fich durch wirkliche Uebergänge den überfichtlichften geftreckten Forraen des hj^polemmalen Nervengeäftes der Schildkröten und Amphibien an.

Die bei den Vögeln trotz aller fehr augenfälligen Verfchieden- heit des Fleifches ziemlich übereinftimmend gefundenen Nerven- geweihe find von denen der Eidechfen, Schlangen und Säuger fo verfchieden als möghch, durch ihre geftreckte Form der Endigungs- weife bei den Amphibien, befonders den Salamandrinen aber oft

101]

Plivßologie der contractilen Gewebe.

371

zum A'erwechfeln ähnlich. Nur eines fcheint die hypoleminalen Nerven der Vögel auszuzeichnen (obfchon es bei Testudo ver- einzelt vorkommt), nämlich daß manche Geweihe die Muskelfafer eine Strecke weit vollkommen umgreifen, ferner das den Amphibien gegenüber häufigere "\^orkommen von Geweihen, deren Hauptälte, ftatt parallel der Muskelfaferaxe, diefer circulär verlaufen.

Mit den Ergebniffen der chemifchen Unterfuchungen decken fich die Erfahrungen über die hypolemmalen Nervenveräftelungen an den quergcflreiftcn "Wii'belthiermuskeln keineswegs. Den che- mifchen Eigenthümhchkeiten nach (hoher Harnftoff-, Harnfäure- refp. Taüringehalt, Verbreitung des Inoüts) gruppirt lieh die quer- geftreifte Vertebratenmuskulatur, den Familien entfprechend, in der unter I. (f. die folgende Tal)elle) verzeichneten Weife, bei ausfchließlicher Berückfichtigung der Nervengeweihe refultirt da- gegen die unter U. eingehaltene Reihenfolge.

Reich an:

II.

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Amphioxua C y c 1 o ft o lu e n G a n o i d e n T e 1 e o ft i e r Amphibien

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Schlangen

Vöjrel

Silugetbiere

Harnftoff

Tiiurin Harnräure

Stangen- geweihe

Uebergangs- formen

riatten- geweilie

/ Salamander J Frofch

Vögel

Blindfclileifhc

Natter

Eidechfen Schlangen Säugethiore

Als Entladung-sliypothefe"") bezeichnete (ht Ilois-ltn/mond die Annahme einer Auslöfung der normalen Mu.skelcontractioiHii ( electrifflic Schläge, welche von der motonfchen Endi)lutte aus die zug('li()nge Muskelfafer treffen. W. Kranfc Ijattc gemeint, daß die motonfclic Kndplatte wegen ihrer cctncjivcn Form die StrouMHchtc

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372 Grundzüge einer vergleichenden [102

ZU Gunfteii der innervirten Muskelfafer verftärken müITe, du JBois- Reymond war der Anficht, daß die negative Schwankung eines im hypolemmalen, ruhenden Nervenäftchen präexiftkenden Stromes den Reiz für die direct berührte contractile Subitanz abgeben könne. Um die Unwirkfamkeit des Reizvorganges für benachbarte Muskelfafern zu erklären, verlangte aber du Bois' Hypothefe eine leichte Umbiegung des äußerften hypolemmalen Nervenendes zur Muskelaxe, von der Kühne niemals Andeutungen zu Geficht be- kam. Kühne betonte vielmehr die unfymmetrifche Abgabelung und ungleiche Länge der Geweihltangen, welche durch die Bajo- nettknicke, refp. durch die beiden hypolemmalen Aefl;e zweier gegen einander rankenden Bögen nicht nur an den Stangen- geweihen der Amphibien, fondern auch an den Plattengeweihen nachgewiefen wurden. In diefer unfymmetrifchen Abgabelung und der dadurch bewü'kten ungleichen Länge der parallel zur Axe des Muskels gefi;ellten Geweihzinken ficht Kühne eine gefetzmäßige Einrichtung, welche fämmtliche, auf kürzeJftem Wege zu verbin- denden _ und nur dm'ch Muskeif ubftanz getrennten Punkte der Terminalfafern in allen Phafen der Wellen mit verfchiedener elec- trifcher Spannung verlieht, die fich ihrerfeits wieder quer durch die Muskehinde ausgleichen muß. Es ift klar, daß an zwei fenk- recht über einander liegenden Punkten der beiden ungleichen Gabelzinken die negative Stromfchwankung nicht gleichzeitig ein- treffen kann, fondern an dem entfprechenden Punkte der längeren Zinke um die Zeit verfpätet, welche fie zum Durchmefien der- jenigen Strecke bedarf, um welche die Wegslängen der beiden Gabel- äfi;e bis zu dem entfernter liegenden zweiten Punkte differiren. Da- durch wird der Punkt an dem längeren Gabelafte vorübergehend pofitiv, der an dem kürzeren negativ und die Muskeif ubftanz zwifchen den Zinken fomit electrifch erregt.

Die nichts Doppeltbrechendes enthaltende Gallert-, Zwifchen- oder Füllfubftanz vor der Nervenendplatte in dem' electrifchen

103] Phyüolügie der contractilen Gewebe. 373

Organe der Zitterfifche Hellt bekanntlich den Refl des embryonalen Muskels dar, Avährend in der fog. electrifchen Platte nur die Inner- vationsfeheibe der um die Contractilität gekommenen Muskeln zu fehen ift. Verglichen mit dem Muskel und die VerhältnilTe bei dem electrifchen Organe derart, wie wenn eine fehr kurze Muskel- fafer nicht am Umfenge, fondern am Sehnenanfatze und an Stelle eines Sehnenendes eine motorifche Nervenendigung von der Aus- dehnung ihres größeften Querfchnitts erhielte. Kühne glaubt, daß es nur an 'dem Innervationsvorgange und an der Anordnung der Muskeln liegt, wenn diefe dem electrifchen Organe einiger Fifche an äußerer Wirkfamkeit. fo erhebhch nachftehen, und daß, wenn wir «die motorifchen Nerven mit ihren Enden durch die Septa an die Stellen der Muskelanfätze, alfo an je ein Sehnenende der Muskelfafern führen könnten, die Schwankungswelle in allen Ele- menten des Muskels einfmnig verlaufen würde, womit die erfle Annäherung an den Ablauf der electrifchen Vorgänge im elec- trifchen Organe erzielt wäre».

Damit der Muskel zu einem electrifchen Organe wird, würde aber des weitern nötliig fein, daß die Innervation einer großen Anzahl von Muskelblättern eine geregelte und fucceflive wäre, denn eine Innervation, welche erft mittlere, dann kopfwärts und fchwanz- wärts gelegene Fleifchblätter träfe, müßte die Vortheile der Ein- feitigkeit des Ablaufs der electrifchen Vorgänge in den Elementen jedes Blattes ja nothwendig wieder vernichten. Ob die Natm- uns wirkliche i)hyfiologifche Uebergänge zwifchen Muskeln und elec- trifchen Organen in der kurzfaferigen Fifchmuskulatur und in den noch mäandrifch verwälzte Fleifchprismenfchichten einfchließenden pfeudoelectrifchen Organen erhalten hat und welchen Grades die- f(,*ll>en find, läßt fich gegenwärtig kaum beflimmen, fondern ift erft durch fpeciell auf dielen Punkt gericbtf.to Untei-fuchungen zur Entfcheidung zu bringen.

374 Grundzüge einer vergleichenden [104

Formver- u^-q (^gj^ Ganzen die Ueberfichtlichkeit zu wahren, mußten

•änderliches

Prisma, wir fowolil bei unferen einleitenden Bemerkungen wie auch fpäter bei der fpeciellen Betrachtung der Muskelfubftanz das Verhalten des formveränderlichen Protoplasmas^^*') mehrfach mitberückfich- tigen; es empfahl ßch nicht, diefe Auseinanderfetzungen ganz bis an den Schluß zu verfchieben. So erfuhren wir bereits, daß weder die Verbindung mit Nerven, noch eine faferige Structur, fondern nur beide Eigenfchaften zufammengenommen, dem Muskelgewebe als contractiles Gebilde eigenthümlich und, daß das form veränder- liche Protoplasma mit der Muskelfubftanz auch das Gerinnungs- vermögen bei verhältnißmäßig niedriger Temperatur als t}^ifches Merkmal theilt und wie diefe durch eine Anzahl gleicher Sub- flanzen (durch Veratrin, Nicotin und durch die fog. Anäfthetica) vergiftet wird. In der großen Empfindlichkeit des nackten Proto- plasmas für Chinin erkannten wir dagegen eine Abweichung von den Muskeln, einen Unterfchied zwar, der kein durchgreifender ifl, da z. B. die innervirten Chromatoblaften der höheren Thiere deletären Einflüffen diefes Alkaloides weit weniger unterliegen als die Waiiderzellen und die meiften Amöbenformen. Das Einzige, was uns noch nachzutragen übrig blieb, ift das Verhalten des formveränderhchen Protoplasmas gegen Reize und zwar vorzugs- weife gegen folche electrifcher Art.

Wo uns allein daran liegt, die unterfcheidenden Merkmale des Protoplasmas als contractilem Gebilde von dem Muskelgewebe aufzufuchen, kann uns unmöglich die Aufgabe obliegen, die fämmt- lichen Bewegungen, welche durch eine Wirkung äußerer Reize auf die protoplasmatifchen Antheile der lebenden Zellen auch die Wachsthums-, die Fortpflanzungs- und Ernährungserfcheinungen oft in fo hohem Maße beeinfluITen, in den Kreis unferer Betrach- tungen hineinzuziehen. Das Irritabilitätsvermögen, welches jedem lebenden Theile zukommt, ift bekanntlich auch etwas ganz anderes als das ContractiHtätsvermögen, und diefes andererfeits wohl zu

105] Phyfiologie der contractilen Gewebe. 375

unterfcheiden von den Bewegungserfcheiuungen, Avelclie durch einen Stofianwachs, durcli Anhäufung des lebenden Subftrates an be- ftimmten Plätzen, den fog. Wachsthunispunkten zu Staude kommen. Immerhin bleibt jedoch zu berückflchtigen, daß auf die membran- lofen, leicht beweghchen Protoplasmamaffen, Kräfte als wirkfam fich enveifen, welche ihre Macht bei den, in fcfto Bahnen gebannten Bewegungen der contractilen Subftanz des Muskelgewebes voll- ftändig eingebüßt haben. So werden viele Protoplasmen noch Itark beeinflußt von der Schwerkraft, vom Lichte, von einer un- gleichmäßigen Vertheilung der Feuchtigkeit in der Umgebung, und die als Geotropismus, Hehotropismus und Hydi^otropismus bezeich- neten Erfcheinungen find noch befonders merkwürdig dadurch, daß fie entweder auf einem pofitiven oder gewiffermaßen auf einem negativen EinflufTe der Kräfte beruhen, die Bewegungen der proto- plasmatifchen Maffe der Schwere, dem Lichte refp. der Feuchtig- keit zugerichtet oder denfelbeii abgewendet verlaufen.

Nicht fo diametral, fondern nur quantitativ verfchieden find die Abweichungen, welche an verfchiedenen Protoplasmen bei electrifclicr Reizung zur Beobachtung gelangen; aber die Größe der Reizbarkeit, gemefi'en durch den fchwächfl:en noch wirkfamen Reiz ift je nach der Art des Protoplasmas auch in diefem Falle eine ungleiche. Um nur ein diesbezügliches Beifpiel anzuführen, fei erwähnt, daß nach Enr/ehnann das Protoplasma von Süßwafier- amöben, Diatomeen, Vaüisnenazellen u. A. auf fehr viel fchwächere Inductionsltröme reagirt als das der weißen Blutkörperchen. Außer- dem ift; auch der Effect der electrifchen Reizung zu Anfang nicht überall dcrfelbe; durch ftärkere Ströme oder Ixi länger andau- ernder Reizung kommt es aber allgemein zn cincin Einziehen der Fortfätze, zu Verkürzungen und Verdickungen, die binnen einigen Secunden zur Kugelgeftalt führen könmai. Schließung eines beftändigen Stromes wirkt dabei allemal fiärker als Oelfnung desfelben; denn letztere erftjrdeii längere Schließungsdauer bezüg-

376 Grundzüge einer vergleichenden [106

lieh größere Stromdichte und ebenfo wächft mit Steilheit und Umfang der Schwankung innerhalb gewilTer Grenzen der Erfolg fehr merkbar. Inductionsfchläge und deshalb durchfchnittlichauch weit^wirkfamer als Schließungen conftanter Ströme.

Wir haben bereits früher (S. 373) erläutert, in welcher Weife ' man fich die Umwandlung eines urfprünglich als Muskel ange- legten Organes in ein rein electrifches vorzuftelleu hat, jetzt tritt an uns die Frage heran, welche Momente erforderlich lind, damit aus einer contractionsfähigen Protoplasmarnaffe ein Muskel hervor- gehe. SarJis'^^^) hat jüngft in feiner fmnreichen Art entwickelt, wie fich bei einem Myxom yceten ( D i d y m i u m f e r i n o c e u m ) meh- rere nackte Protoplasmakörper vereinigen, dann eine fefte, hutpilz- artige Form annehmen, fich mit einer Membran bekleiden und innere Theile röhrenartige Fafern der verfehl edenften Form, das fog. CapiUitium bilden, in welchem fich die Sporen entwickeln. Wäre das Myxomycetenplasmodium von Anfang an von einer Zellhaut umfchlollen gewefen, fo würden wir hier genau die näm- lichen Geftaltungsverhältniffe als bei den Wachsthumsvorgängen der Cöloblafi^en zu verzeichnen haben, und « denken wir uns ferner innerhalb eines Cöloblaften, etwa einer Caulerpa, Vaucheria, Bryopsis u. f. w. mit fortfchreitendem Wachsthum eine im Innern Itattfindende Zerklüftung der Protoplasmamafl'e durch quer und längs geftellte Scheidewände, fo bekommen wir eine gewöhnliche, aus Zellkammern beftehende Pflanze». Sehr ähnlich würden nun auch die Differenzirungen von Statten zu gehen haben, wenn fich aus den Plasmodien eine veritabele Muskelzelle entwickeln foUte. Auch hier müßten die einzelnen contractilen Elemente eine geord- nete Lagerung annehmen, zu einer organifch zufammenhängenden MalTe verfchmelzen, welche fich dann mit einer Membran zu um- geben, fchließlich aber noch mit einem Nerven in Verbindung zu treten hätte. Die Wahrung des organifchen Zufammenhanges unter den einzelnen Plasmodien würde demnach die einzige Schwie-

107] Phyüologie der contractilen Gewebe. 377

rigkeit fein, welche lieh der Herriehtung eines echten «künftlichen Muskels» entgegenftellt und welche vorausfichtlich auch immer unüberwindbar bleiben wird.

Eine Zeit, in der die fpecielle Behandlung der Galle, des Speichel-, Magendrüfen- und Pankreasfecretes einer allgemeineren Betrachtung der Verdauungserfchcinungen gewichen wäre, hat es in der Phyüologie nie gegeben. Stets war man beftrebt, die ein- zelnen Secrete als folche kennen zu lernen, hat kein Mittel un- verfucht gelaffen, den gemifchten Speichel in die Producte der einzelnen Drüfen zu zerlegen, und das Bild des Verdauungspro- celTes als Ganzes fetzt fich fchon feit undenklichen Zeiten aus den Befchreiljungen der Eigenfchaften der einzelnen Secrete zufammen, welche fuccefTive daran betheiligt lind.

Ganz anders fteht es in der Muskelphyliologie ! Der Contrac- tionsmodus, der hifliologifche und chemifche Bau bieten bei den, von uns unterfchiedenen Muskelgattungen ein nicht weniger mannig- faltiges Gepräge dar als die verfchiedenen Verdauungsdrüfen unter fich; aber noch immer giebt es nur eine einheitliche Muskelphy- fiologie, in welcher alle, doch in fo vielen Beziehungen ungleich- artigen Muskelgattungen im Grunde als ein und dasfelbe betrachtet werden. Mcift nur ein kurzer Nachtrag verräth uns in den neueften Handbüchern der Muskelphyfiologie, daß wir üIkt die glatte Muskulatur erft fehr dürftig unterrichtet lind und uniere dem Texte eingefügten Tabellen zeigen durch ihre mannigfachen Lücken wohl zur Gf'nüge an, wie fchlecht es mit einer wiirenfchaftlichen, mit einer vergleiclienden Phyüologie der contractilen Gewebe tlint- fäcblich noch beftcllt ifi.

Al)gefehen von allen uns liinlänglich bekannt gewordenen AusnahmefilUen liabe icli in iK-iHcbcndcni Sclicnia vei-lucht, die in ihrer Contraction, Structur oder in ihrcjii cheinifclicn B;nir nidir oder weniger von einander abweichenden Muskelarten nochmals

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109] Phyüologie der contractilen Gewebe. 379

ziifammenzuftellen. ]\Iit Hülfe diefer Zufammenfairung werden die übrigen Tabellen leichter zu überblicken fein und jene wird durch diefe auch vielfach vervollftändigt werden können

Erinnern wir uns, daß bereits 185G Schloßberger^-^) die Äluskel- phyfiologie als dasjenige Feld bezeichnete, auf welchem «vielleicht mehr als irgendwo die comparative Phj^fiologie die Deutung der gewebhchen Forfchungen an den Apparaten der höheren Thiere auf das '\;\Ti'kfamfte weiter bringen und vor Einfeitigkeit und Irr- thümern bewahren kann», daß aber trotzdem erft die Arbeiten der allerletzten Jahre uns in den Stand fetzten, die Darfteilung einer vergleichenden Phyfiologie der contractilen Gewebe in groben Umriffen durchzuführen, fo dürfte die Hoffnung kaum als unbe- rechtigt erfcheineu, daß fchon in kurzer Frilt fich auch diefer Zweig der vergleichenden Phyüologie von dem gegenwärtigen Standpunkte weit entfernt haben und der vergleichenden Phyßo- logie der Ortsbewegungen, der Verdauungsvorgänge und der ner- vöfen Apparate als ebenbürtig zur Seite flehen wird.

380 Anmerkungen und Literaturnachweife. [110

Anmerkungen und Literaturnachweife.

1) L.Hermann, Handbuch der Phyßologie. Bd. 1. Th. 1. Leipzig 1879. S. 81.

2) Um Verwechslungen des Contractilitätsvermögens mit anderen Kraft- äußerungen, welche am Muskelgewebe gleichfalls zm Beobachtung gelangen, zu vermeiden, feien einige hier in Betracht kommende Ausdrücke kurz erläutert.

Irritabilität ift die allen lebenden Gebilden ohne Ausnahme zukom- mende Reactionsfähigkeit auf Eeize (d. f. locale Veränderungen des Ge- webes [Virclioiv, Cellularpathologie. 4. Aufl. 1871. S. 199]), und zwar nicht nur auf diejenigen, welche den Geweben durch Neryen übermittelt werden (fog. Neuroerregbarkeit), fondern auch auf folche, welche die Gewebe direct trefl'en {Gl. Bernard, Le(;ons sur les phen. de la yie. T. I. Paris. 1878. p. 248).

Contractilität ift ein fpecieller Fall der Irritabilität; man ver- lieht darunter das den Muskeln, dem formverändeiiichen Protoplasma und außerdem noch einigen anderen lebenden Gebilden innewohnende Vermögen, lieh auf Reizeinfluß zu verkürzen.

Elafbieität ift die allen Körpern, lebenden wie todten, in mehr oder minder hohem Grade zukommende Eigenfchaft, fleh unter der Ein\Aarkung von Drück (Druckelafticität) oder Zug (Zugelaflicität) auszudehnen (Exten- fibilität) und beim NachlalTen der dehnenden Kräfte mehr oder weniger voUftändig in die urfprüngliche Ruhelage z urückzukehren (Retractilität). L. Hermann (Handbuch der Phyßologie. Bd. 1. Th. 1. 1879. S. 11) definirt «elallifche Kräfte» als diejenigen, av eiche ein Körper von beflimmter natür- licher Geflalt äußeren formverändernden Kräften entgegenfetzt, oder in Folge einer durch letztere bewirkten Geftaltsänderung als potentielle Energie ent- wickelt. — Einige Forfcher (z. B. Bicliet, Phyfiologie des muscl(Js. 1882. p. 181) betrachten Contractilität und Elaflicität im Grunde als ein und dasfelbe.

Excitabilität ift die Empfänglichkeit der Gewebe für äußere Ein- flüile ; fie ftellt, in Hiuficht auf die Irritabilität als dem Activen, die reciph-ende Seite der Reizeinwirkung vor.

Tonicität nennt man die Eigenthümlichkeit der contractu en Gewebe, unter den normalen, centralnervöfen Einflüfl"en fchwach contrahirt zu bleiben.

111] Aiimerkuiiiren und Literaturnachwoife. 381

III der normale Muskcltoniis durch eine directe oder indirecte Ueber- empfindlichkeit des Rückenmarkes pathologifch gefteigert, fo l'priclit man von Contracturen.

ä) Vgl. Krulenherr). Vgl.-phyßol. .Studien. 1. Reihe. 3. Abth. Heidelberg. 1880. S. 59 62 (Unterfchied von Chromatoblaften und Chromatophoren).

*) Tli. W. Engelmann, Hermann'a Handb. d. Phyßologie. Bd. 1. Th. 1. •S. 380.

*) Engelmann, a. a. O., S. 379.

6) Vgl. Krulcenhery, a. a. 0., 1. Reihe. 2. Abth. 1880. S. 78—100. ') Engelmann, a. a. 0., S. 395.

^) Krtikenherg, a. a. O., 1. Reihe. 3. Abtli. S. 1—22. ») "Wichtigere Literatur über die Neuromuskeltheorie: X Kkinenherg, Hydra. Leipzig. 1872. S. 10—27; E. Hädel, Anthropo- genie. 3. Aufl. Leipzig. 1877. S. 660; C. Gegenhaur, Grundriß der vgl. Ana- tomie. Leipzig. 1874. S. 39; Ed. van Beneden, De la distinction originelle du testicule et de l'ovaire. Bull, de l'acad. r. de Belgique. 2. Ser. T. 37. Bru- xelles. 3874. p. 24; Eimer, Zoolog. Studien auf Capri. I. Ueljer Beroe ova- tus. Leipzig. 1873. S. 78; Hitxleij, Grundzüge d. Anat. der wirbellofen Thiere. Deutfeh von ./. W. Spengel. Leipzig. 1878. S. 60—61 u. S. 115.; C. Claus, Studien über Polypen und Quallen der Adria. I. Acalephen. Discomedufen. Denkfchr. d. math.-naturw. ClalTe d. Wiener Acad. Bd. 38. 1877. S. 28 u. 29; 0. u. B. Hertuig, Das ^'ervenfyllem und die »Sinnef-organe der Medufen. Leipzig. 1878. S. 157—174; ir. Kühne, Unterf. a. d. phyßol. Init. d. Univ. Heidelberg. Bd. 3. 1879. S. 107 u. 144; C. Chun, Ctenophoren. Fauna und Flora des Golfes von Neapel. Leipzig. 1880. .S. 215—221; Krulenberg, a. a. O., 1. Reihe. 3. Abth. 1880. S. 124—146, * «

"j E. E. Schulze, Zeitfchr. f. \\\^. Zoologie. Bd. 30. S. 394, Bd. 32. .S. 136 u. 628, Bd. 33. S. 17.

") Wichtigere Literatur über die Eiweißltoffe der Muskeln: Kühne, Unterf. über das Protoplasma etc. Lei])zig. 18G4 u. Leiirbuch der phyfiolog. Chemie. Leipzig. 1866. S. 270; Hoppe-Setjler, Ilaudb. d. phyliol.- u. I.ath.-chemifchen Analyfe. 5. Aufl. Berlin. 1883. S. 266; E. Knglci; lieber die Starre des Säugethiermuskels. Inaug.-Dillert. Dor]>at 1883; J. Klemjdner, Ueber «1. Wirkung des deft. Waffers und des CoffeYns auf die Muskeln u. über die Crfache derMuHkelftarre. Dilfert. I)ori)at. 1883; O.NafTe, Zur Anat. n. PliyUni. <ler quergeftreiften Muskelfubltanz. Leij.zig. 1882. S. 22— 81; A. Dnnitnrslci/, Zeitfchr. f. phyliol. Chemie. Bd. 5. 188L .S. 158; Brum, Iloppe-Seglcr'H Medic- chfiii. Unterfuchungc-n. Berlin. 1867. Heft 2. S. 260; Sclncciijger-Scidcl, Arb. a. d. i.hynol. Anftalt zu L(;ii.zig. Bd. 4. 1870. S. 121; Krulmhrrg, Vgl.i.hy'i<>l- .Studien. 1. U«-iho. 2. Ahtli. 1880. H. 2 14 n. 2. Hcilic l.Ahth. 1882. H. 146 bis 147; llnintius, Anh. f. d. gef. Piiyli..logic. I'.d. 3. 1870. S. 414-424;

382 Anmerkungen und Literaturnachweife. [112

J. EeinJce u. EoäewaU, Bot. Zeitung. 38. Jahrg. 1880. Nr. 48 u. Unterf. a. d. bot. Labor, d. Univ. Göttingen. Heft 2. Berlin. 1881. S. 49; Melde, Handb. d. gerichtl. Medicin. Leipzig. 1819 ff. Bd. 2. S. 278 u. Bd. 3. S. 405.

12) Kühne, Lehrb. d. phyüol. Chemie. 1866. S. 68.

13) Kühne, Unterf. über das Protoplasma etc. 1864. S. 1.

") Krukenlercj, Vgl.-phyJiol. Studien. 2. Eeihe. 1. Abth. 1882. S. 87 138.

1=) Gl. Bernard, Le^ons sur les effets des substancea tosiques et medica- menteuses. Paris. 1857. p. 45.

Iß) Literatur über die Säuerung deir Muskeln:

J. Liebig, Chemifche Unterf. über das Fleifch, Heidelberg. 1847; E. du Bois-Beymond, Monatsber. d. Berliner Acad. 1859. S. 288; /. Bernßein, De animalium evertebratorum musculis nonnuUa. Dissert. Berolini. 1860; C. Voit, Zeitfehr. f. will. Zool. Bd. 10. 1860. S. 470—498; Fredericq u. Vandevelde, Bull, de l'ac. r. de Belgique. 2. Ser. T. 47. Bruxelles. 1879. p. 783; Valenciennes und Fremy, Ann. de chim. et phys. T. 19. 1822. p. 363 u. 8. Ser. T. 50. 1857. p. 171; 0. NafTe, Zur Anatomie etc., S. 84—94; B. Böhm, Arch. f. d. gef. Phyüol. Bd. 23. 1880. S. 44; Ch. Bichet, Phyfiologie des muscles et des nerfs. Paris. 1882. p. 355.

1') KrukenTjerg, Unterf. a. d. phyüol. Inft. d. Univ. Heidelberg. Bd. 3. Heft 3—4. 1880. S. 15. Anm. 5.

18) 0. NalTe, Zur Anat. etc., S. 94.

15) J. Cohnheim, Vorlefungen über allg. Pathologie, Bd. 2. 2. Aufl. Berlin. 1882. S.-565 u. 566.

20) A. Banileicslnj, Zeitfehr. f. phyüol. Chemie. Bd. 7. 1883. S. 124. Vgl. auch 0. NalTe, Biolog. Centralbl. Bd. 4. 1884. S. 726—731.

21) Literatur über die Muskelenzyme:

Kühne, Verbreitung einiger - Enzyme im Thierkörper. Sep.-Abdr. a. d. Verhandl. d. naturhift.-medic. Vereins zu Heidelberg. Bd. 2. Heft 1. 1876; Brücke, Sitzungsber. d. Wiener Acad. Math.-naturw. Clalfe. Bd. 43. Abth. 2. 1861. S. 601; Th. Efcherich, Deutfehes Archiv f. klin. Medicin. 1885. S. 196 bis 200; Piotrowsky, Kühne's Lehrb. d. phyüol. Chemie. 1866. S. 288.

22) Brücke, Vorlefungen über Phyüologie. 3. Aufl. Bd. I. Wien. 1881. S. 305 u. 306.

23) Krukenberg , Unterf. a. d. phyüol. Inft. d. Univ. Heidelberg. Bd. 2. Heft 3. 1878. S. 273—286 u. S. 338—377.

2^) 0. NaJTe, Zur Anatomie etc. S. 99.

25) A. Hänfen, Arbeiten a. d. bot. Infl. d. Univ. AVürzburg. Bd. 3, 1885. S. 278.

2®) Gl. Bernard, Le^ons sur les phenom. de la vie etc. T. H. Pai-is. 1879. p. 57 140. Vgl. auch Krukenberg, Vgl.-phyüol. Studien. 1. Eeihe. 2. Abth. 1880. S. 52—64.

113] Anmerkungen und Literatm-naohweife. 383

") E. Külz, Avch. f. d. gef. Phyfiologie. ßd. 24. 1881. S. 64—70.

") Kühne, Lehrbuch etc. S. 334.

") 0. NafTe, Zur Anatomie etc. S. 82—84.

30) Krukoiberg, Vgl.-phyfiol. Studien. 2. Reihe. 2. Abth. 1882! S. 59—62.

»0 Krttlenherg, ibid., 1. Reihe. 2. Abth. 1880. S. 58 u. 59.

Sä) G. Schu-albe, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 5. 1869. S. 220.

33) P. Ehrlich, Zeitlchr. f. klin. Medicin. Ed. 6. 1883. S. 33.

3*) p. Barfurth, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 25. 1885. S. 288—297.

35) P. Ehrlich, a. a. 0., S. 44.

36) Allgemeines über rothe und blaffe INIuskeln:

Geyenhaur, Grundriß d. vgl. Anat. Leipzig. 1874. S. 511; Ki'ihnc , Arch. f. path. Anat. Bd. 33. 1865. S. 79—94; Sanvier, Lal)oratoiro d'hiftologie. Tra- vaux de l'annöe 1874; E. Meijer, Arch. f. Anat. u. Phyüol. 1875. S. 217—232; Schloßhcrger, Die Chemie der (iewebe. II. Leipzig u. Heidelberg. 1856. S. 151 bis 153; W. Kraufe, AUg. u. mikrofk. Anat. Hannover. 1876. S. 80 u. 90; Lavocat u. Arloing, Revue d. scienc. medic. T. 8. 1876. p. 56 u. 57; JAichlimjcr, Arch. f. d. gef. Phyßol. Bd. 18. S. 472; Grützner, Breslauer ärztl. Zeitfchr.

1883. Nr. 18. 22. Sept., Nr. 24. 22. Dec. u. Recueil zoologique Suisse. T. L

1884. p. 665; D. Barfurth, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 25. 1885. S. 290 u. 291; Krul:enher(), Vgl.-phyfiol. Studien. 1. Reihe. 4. Al>th. 1881. S. 44—53.

3') Schloßhcrger, a. a. O., S. 151.

3») 0. NafTe, Hermann'n Handb. d. Piiyfiol. Bd. 1. Th. 1. 1879. S. 271.

39) Kühne, Unterf. a. d. phyfiol. Ind. d. Univ. Heidelberg. Bd. 3. Heft 1-2.. 1879. S. 57.

*«) (). NafTe, Biolog. Centralbl. YA. 4. 1884. S. 729.

*') Ueber den Fleifchzucker vgl. 0. NafTe, Heniiann'H Handl)U(ii. B.I. 1. Th. 1. 1879. S. 289.

") Limpricht, Ann. d. Chcm. u. Pbarm. lid. 133. 1865. S. 293; Kühne, Lehrbuch etc. S. 307.

") Vgl. Krukenberg, T^ntcrf. a. d. pliyfiol. inlt. d. Tniv. Heidelberg. Bd. 3. 1880. S. 197—220, Bd. 4. 1881. S. 33-63 u. V^gl. -phyüol. Studien. 2. Reihe. 1. Abth. 1882. S. 143-147; Th. \Ve>/l, Monatsb. d. k. Acad. d. Will", zu Berlin. 21. April 1881. S. 383.

♦*) Frerichü u. Staedeler, Journ. f. i)ract. Chem. Bd. 73. S. 48.

*'•') Vgl. Tanret u. ViUierx, Ann. de chim. et de phyHiipie. 5. Ser. T. 23. I'^HI. j). 389—397.

*'') 11. Virchm; Beitr. z. Keni)tiiil.i der licwcgnngen deH Mcnrcheii. Wdrz- t.iirg. 1883. S. 7 17.

*') F. Miefcher-JiüTch, Statiftifciu- u. l.iolog. i'xMtriig«' z. Kcmitnili vom

i.cben dcH PJifiiilafhfcH. 1880. Scparatabdr. a. il. Schweizer l.itcniliM rniiiinhiiig

z iritiTiiationalen KifchereiauMlteilung in ISerliii.

h'rukenherg, Vergl.-phyllol. Vorlrüye. '■'"

384 Anmerkungen und Literaturnachweile. [114

4«) Vgl. Kühne, Lehrbuch etc. S. 309.

«) Golmluim, Vorlef. über allg. Pathologie, Bd. 1. 2. Auü. 1882. S. 653.

50) Hoppe- Seyler, Phyiiologifche Chemie. BerHn. 1881. S. 637.

51) Kulme, Lehrbuch etc. S. 308 u. 309. 5'^) 0. Na/Te, Zur Anatomie etc. S. 82.

53) Vgl. J. König ü. B. Fanvich, Zeitfchr. f. Biologie. Bd. 12. 1876. S. 497 u. Peterfen, ebenda, Bd. 7. 1871. S. 166.

51) Krukenljerg, Vgl.-phyüol. Studien. 1. Reihe. 4. Abth. 1881. S. 46.

55) KrukenUrg u. H. Wagner, Zeitfchr. f. Biologie. Bd. 21. 1885. S. 39 u. 40. Ausgedehntere Verfuchsreihen über den Gehalt verfchieden functio- nirender Muskeln ein und desfelben Thieres an Fett, WalTer, Afchen- und feiten Beffcandtheilen follen demnächlt ausführlichere Mittheilung finden.

58) Bicliet, Phyfiologie des muscles et des nerfs. Paris. 1882. p. 301..

5^) Krulcenherg u. Wagner, a. a. 0., S. 35.

58) Literatur über das Muskelhämoglobin:

Vgl. Anm. 36; ferner: Henle, Allg. Anatomie des menfchl. Körpers. Leipzig. 1841. S. 587; Simon, Handb. d. angewandten'medic. Chemie. Bd. 2. Leipzig. 1842. S. 524; E. v. Bibra, Arch. f. phyüolog. Heilkunde. Bd. 4. 1845. S. 536; KölUker, Mikrofk. Anatomie. Bd. 2. Leipzig. 1850. S. 248; Broseit, Arch. f.d. gef. Phyfiol. Bd. 3. 1870. S. 361; Pouchet, Journ. de l'anat. et de la physiol. par Eohin. T. 12. 1876. p. 4; H. Eoeber, Arch. f. Anat. u. Phyfiol. 1869. S. 452; B. Giclieiälen, Arch. f. d. gef. Phyfiol. Bd. 7. 1873. S. 547 u. 548; Kulme, Unterf. a. d. phyfiol. Inlt. der Univ. Heidelberg. Bd. 2. 1878. S. 133— 136.

59) Eichet, a. a. O., p. 295.

60) 0. NafTe, Hermann's Handb. d. Phyfiol. Bd. 1. Th. 1. 1879. S. 271. •") B. Haller, Die Organifation der Chitonen der Adria. H. Arbeiten a.

d. zool. Init. der Univ. Wien. Bd. 5. Heft. 1. 1883. S. 33.

62) Ueber die lipochromatifchen Färbungen der Muskeln vgl.: Fremy u. Valenciennes, Compt. rend. T. 41. 1855. p. 738; Krukenberg u. Wag- ner, a. a. O., S. 37— 40i Schloßberger, Die Chemie der Gewebe. H. 1856. S. 152.

63) Krukenberg, Vgl.-phyfiol. Studien. 2. Reihe. 3. Abth. 1882. S. 139 143. Ohne meine Unter fuchungen über den grünen Belone-Farbfloff zu ken- nen, fchließt Eaphael Dubois (Compt. rend. de la soc. de biologie. Ser. 7. T. 5. 1883. p. 317 318) aus den Beobachtungen, daß das Pigment weder durch Kochen noch durch Fäulniß zei'ftört und von den Flülfigkeiten, welche viele organifche Subltanzen löfen, nicht gelöfl; wird, auf eine anorganifche Befchaff"enheit desfelben. Dazu bemerkt Maly (Jahresb. üb. d. Fortfchr. der Thierchemie. Bd. 13. Ueber das Jahr 1883. S. 317 Anm. 1), daß fich die grüne Wirbelfäule von Belone beim Glühen aber licht brennt.

61) G. Pouchet, Journ. de l'anat. et de la physiol. par Eobin. 1876. p. 1 bis 90 u. p. 113—165.

llö] Anmorknngon und Literatiirnachweifc. 385

«^) Nach eigenen Unterfuchungen an den gelben FliiginuRkeln von Melolontha vulgaris.

«6) Literatur über den Harnfloffgehalt der Muskeln: Owsjannikow u. Islomin, citirt von Naße {Heniuuin'n Handbucli der Phyfiol. Bd. 1. Th. 1. S. 275); T. Picard, Compt. rend. T. 87. p. 533; Demant, Zeitfchr. f. phyfiol. Chemie. Bd. 4. S. 419; /. Liehig, Ann. d. Chera. u. Pharm. Bd. 62. 1847. S. 257; C. Voit, Zeitfchr. f. Biol. Bd. 2. 1866. S. 225; Kruken- berg, Unterf. a. d. phyfiol. Inft. d. Univ. Heidelberg. Bd. 4. 1881. S. 33—63. ß') Literatur über den Harnfäuregehalt der Muskeln: /. Liehig, Jahresb. der Chemie für 1849. S. 531; Pagenliecher. Heidel- berger Jahrbücher der Literatur. Jahrg. 57. I. Hälfte. 1864. S. 347 351- Meißner. Zeitfchr. f. rationelle Medicin. Bd. 31. 1868. S. 156; Krukenherg, Vgl.-phyliol. .Studien. 2. Reihe. 2. Abth. 1882. S. 84; Krukenherg u. Wagner, a. a. 0., S. 36—37.

«8) Hoppe- Segler, Phyfiologifohe Chemie. 1881. S. 901. 69) Krukenherg, Vgl.-phyfiol. Studien. 2. Reihe. 1. Abth. 1882. S. 144—145. '0) Literatur über das Vorkommen des Taurins in Muskeln: H. Limpricht, Ann. d. Chem. u. Pharm. Bd. 127. 1863. S. 185—189 u. Bd. 133. 1865. S. 293—305; Krukenherg, Unterf. a. d. phyfiol. Init. d. Univ. Heidelberg. Bd. 4. 1881. S. 63; Fremy n. Valenciennes, Ann. de chiin. et de phys. 3. Ser. T. 50. 1857. p. 129 178; Staedeler u. Frerichs, Journ. f. pract. Chemie. Bd. 73. 1858. S. 51 Anra.; Fredericq, Bull, de l'acad. r. de Belgique 2. Ser. T.46. 1878. p. 765; Krukenberg, Vgl.-phyfiol. Studien. 2. Reihe. 1. Abth. 1882. S. 143 ; Krukenherg u. Wagner, a. a. 0. S. 30.

'») B. H. Chittenden, Ann. d. Chem. u. Pharm. Bd. 178. 1875. S. 266— 274. ") Vgl. Krukenherg, Unterf. a. d. phyfiol. Infl^. der Univ. Heidelberg. Bd. 4. 1881. S. 43 u. 44.

") Ueber Kreatin in Muskeln vgl. Krukenberg, Unterf. a. d. ]iliyfiol. Inft. der Univ. Heidelberg. Bd. 3. 1880. S. 197-220 u. Bd. 4. 1881. S. 33 bis 63; ferner: C. G. Lehmann, Zoochemie. Heidelberg. 1858. S. 478; Sarokin, Arch. f. path. Anat. Bd. 28. 1863. S. 544—551; C. Voit, Zeitfchr. f. Biologie. Bfi. 4. 1868. S. 77.

'*) Brillat-Sacarin, Phyfiologie des Ciefchniacks. Deutfeh von C. Vogt. 4. Aufl. Braunfchweig. 1878. S. 45.

"■) Vgl. Krukenberg, Grundriß der medic.-chem. .\nalyfe. Heidelberg. 1884. 61—64.

") Krukenherg u. Wagner, a. a. O., S. 29—33.

") Ueber Carnin handeln: JI. Weidcl, Ann. d. Chem. u. Pliarm. Bd.

I'8. 1871. S. 353 369; Krukenberg u. Wagner, SitzungHb. d. phyr-iiiedic.

'•lifcli. zu Würzburg. 1883. 8. 68-63 u. Zeitfclir. f. Biologie. J'.d. 21. 1885.

■-'0-28,

27«

386

Anmerkungen und Literaturnachweife.

[116

'8) isfeuere Arbeiten über die Xanthinkörper:

G. Salomon, Ber. d. d. ehem. Gefellfch. Bd. 16.' 1883. S. 195 (Para- xanthin); E. Fifcher, Ann. d. Chem. u. Pharm. Bd. 215. 1882. S. 253—320 (Xanthin u. Coffein) u. Ber. d. d. chem. Gefelirch. Bd. 17. 1884. S. 328—338 (Paraxanthin u. Methylpurin) ; Strecker, Ann. d. Chem. u. Pharm. Bd. 131. S. 121; Bochleder u. Hlaßtvetz, Journ. f. pract. Chem. Bd. 93. S. 96; KoJTel, Zeitfchr. f. phyfiol. Chemie. Bd. 5. S. 152, Bd. 6. S. 422, Bd. 7. ö. 7, Bd. 8. S. 404 u. Unterruchungen über die Nucleine u. ihre Spaltungsproducte. Straß- burg. 1881; ferner Verhandl. d. phyüol. Gefellfch. zu Berlin. 23. Jan. 1885 u. Ber. d. d. chem. Gef. zu Berlin. Bd. 18. 1885. S. 79—81 (Adenin); G. Salo- mon, Verhandl. d. phyüol. Gefellfch. zu Berlin. 10. Juli 1885 (Heteroxanthin) u. 28. Dec. 1883 (Guaninartiger Körper aus Schweineharn); Scherer, Ann. d. Chem. u. Pharm. Bd. 107. 1858. 8. 314; Ahnen, Vierteljahrsfchr. d. naturf. Gefellfch. in Zürich. Bd. 6; J. B. JEnz, Vierteljahrsfchr. f. pract. Chem. Bd. 4. S. 321; Ph. Schreiner, Ber. d. d. chem. Gefellfch. 1871. S. 763; Krtilcenderg u. Wagner, a. a. 0., S. 26—28 (Hypoxanthin u. Guanin); Beinke u. Bodeioald, Uhterf. a. d. bot. Laborat. d. Univ. Göttingen. Heft 2. Berlin. 1881. S. 47 u. 48. ^9) Krukenherg, Unterf. a. d. phyüol. Infi. d. Univ. Heidelberg. Bd. 8.

1880. S. 201.

^°) Vgl. außer den unter 78 angeführten Arbeiten KoITel's: G. Salomon,

Zeitfchr. f. phyfiol. Chemie. Bd. 2. 1878. S. 65; B. H. Chittenden, Unterf. a.

d. phyfiol. Infl. d. Univ. Heidelberg. Bd. 2. S. 424—433; H. Kraufe, Ueber

die Darßellung von Xanthinkörpern aus Eiweiß. Difl'ert. Berlin. 1878.

81) Ueber Inofinfäure handeln: J. Liebig, Ann. d. Chem. und Pharm. Bd. 62. 1847. S. 257; Gregory, ebenda. Bd. 64. 1847. S. 106; Meißner, Zeitfchr. f. rat. Medicin. Bd. 31. 1868. S. 144; Creite, ebenda. Bd. 36. 1869. S. 195.

82) Limpricht, Ann. d. Chem. u. Pharm. Bd. 127. 1863. S. 188.

83) Ueber die anorganifchen Beflandtheile (WalTer-, Afchen- und Gasgehalt) der Muskeln vgl. die chemifch-phyfiologifchen Handbücher; befon- ders die von- Schloßherger, NaJTe und Hoppe-Seyler.

')

Qu.antitative ZPleirdianalyreia.

Gefammtfleifch des Eindes nach Lehmann's Zufammenllellungen :

Walfer ...... 74,0-80,0

Felle Beflandtheile 26,0—20,0 In Wafl'er unlösliche geron- nene Eiweißkörper (Myofin), Sarkolemma, Kerne, Gefäße und elaflifche Fafern

Glutin 0,6 —1,9

15,4-17,7

Fleifch von Leuciscus rutilus nach Limpricht:

I.

H.

Wafi'er .......

77,89

78,18

Trockenfubftanz . .

22,11

21,82

Albumin

2,85

3,01

Kreatin

0,11

Protfäure

0,70

0,69

117]

Anmerkungen und LiteraturnacliAveife.

SS'i

Gefammtfleifeh des Rindes nach Le7iH)rt»»'s Zufammenftellungen:

Kalialbuminat, bei 45o C. \ gerinnender Eiweißkörper 2,2 —3,0 und Serumeiweiß )

Kreatin 0,07-0,14

Fett 1,0 —2,30

Milchfäure 1,5 —2,30

Phosphorfäure . . . 0,66—0,70

Kali 0,50—0,54

Natron 0,07—0,09

Chlomatrium .... 0,04—0,09

Kalk 0,02—0,03

Magneßa 0,04-0,05

Fleifch von Leuciscus rutilus nach Limpricht:

1

I.

II.

Milchräui-e

Taurin

Anorganifche Salze .

0,06 - 0,11 1,35 -

In WalTer löslich . . In WalTer unlöslich .

0,76 0,58

:

1000 Gewichtstheile enthalten nach G. Bmirjc (Zeitfchr. f. phyfiol. Chemie. Bd. 9. 1885. S. 60-62):

KjO

NagO . . . . CaO

Mgo . . . :

Fe^Oj ....

P2O5 . . .

Cl

Präformirte SO3

Gefammt-S . .

Fettfreies Rindflelfch

4,654 0,770 0,086 0,412 0,057 4,674 0,672

Fettreiches Riudfleifeh

4,160

0,811 0,072 0,381

4,580 0,709 0,010 2,211

»*) A. Valenciennes u. Fremy, Ann. de cliim. et de phys. 3. S^r. T. 50. 1857. p. 129—178.

"«) Jiefjnard, RechercheB expt'-r. Hur Ich variations pathologiques des com- buHtionH re-Hpiratoires. These inaug. i'ari«. 1878. p. 30 fl'. *') Ueber MuHkelgifte:

C. Hinz, Centralbl. f. d. med. Wiß'. 1867. S. 308, Arcb. f. mikr. Aiiat. IM. 3. S. 383, Exp. L'ntcrf. über daH Wcfen der Chininwirkung. Merlin. 1868, I»aH Chinin. Berlin. 1875, Arch. f. Anat. u. l'hyßol. IMiyßolug. Abth. 1885,

388 Anmerkungen und Literaturnachweife. [118

S. 146; Krukenberg, Vgl. phyfiolog. Studien. 1. Eeihe. 1. Abth. S. 1—36 u.

S. 77—159, 3. Abth. S. 1—65 u. S. 124—180, 2. Eeihe. 3. Abth. S. 116—123;

Sclimiede'berg , Arch. f. exp. Pharmakologie. Bd. 2. 1874. ö. 62; Prevost,

Gazette medic. de Paris. 1867. Nr. 5. 8. 10 u. 11; C. Arnold, Beitr. z. vgl.

Phyfiol. Inaug.-Diir. Bern. 1881; Grützner, Breslauer ärztl. Zeitfchr. 1883.

Nr. 18 u. 24; Kühne, Arch. f. Anat. u. Phyliolog. 1859. S. 213; Grützner,

Arch. f. d. gef. Phyüol. Bd. 17^ 1878. S. 250.

Auf Grund der Verfuche an Fröfchen und Säugethieren lauen ficli die durch chemifch reine Subllanzen hervorgerufenen Wirkungen auf die Muskeln folgendermaßen gruppiren:

A. Lähmende Wirkungen.

1. Der Muskel wird durch die Subftanzen todtenltarr gemacht und in Folge deJTen erfolgt Lähmung.

Coffein.

2. Es tritt vollkommene Erfchlaffung des Muskels (charakteriftifche «Ermüdungscurve») ein und dadurch wird der Eintritt der Todten- ftarre ebenfo unmöglich wie die phyflologifche Thätigkeit. Die Muskel- leiftung wird durch gewille Gaben aufgehoben, durch kleinere einfach abgefchwächt.

Kupfer, Antimon (bei großen Dofen), Helleborei'n, Kalium, Eubidium; Chloroform (bei Kaltblütern).

3. Die Contraction des Muskels ift die noi-male, aber derfelbe erfchlafft weit langfamer. Bei der Zuckung wird mehr Wärme entwickelt als normal, der Stoffumfatz ift demnach auch ein größerer. Die Con- tractilität erlöfcht verhältnißcQäßig früh, doch ift die Muskelleiftung gewöhnlich nur fehr wenig herabgefetzt.

Veratrin.

4. Wahrfcheinlich durch Behinderung der Starre wird der Muskel eigen- thümlich ßeif, blaß und bleibt halb contrahirt. Die Form der Er- müdungscurve ift fehr erheblich verändert und fo unregelmäßig ge- worden, daß die aufeinander folgenden Zuckungshöhen oft himmelweit von einander verfchieden und. Die Wirkung äußert fich an dem Herzen und den Skeletmuskeln, nicht aber an der glatten Muskulatur.

Blei; Cocain und Emetin (nur in großen Dofen).

B. Erhöhung der Erregbarkeit, aber nicht der Leiftungsfähigkeit und Contractilität.

Phyfoftigmin, Kampher.

C. Ohne daß zugleich die Erregbarkeit oder die abfolute Leiftungsfähigkeit des Muskels gelteigert zu fein braucht, zeigt üch die Leiftung desfelben unter

119] Anmerkungen und Literaturnachweife. 389

Uniftiinden erhöht (cf. KobeH, Arch, f. exp." Path. Bd, 15. S. 56 73 und Harnacl; ebenda. Bd. 19. S. 180).

Kreatin, Hypoxanthin, Cottein (bei fchwachen Gaben), Glj-kogen. D. Die Elafticitätsverhältnifle des (Herz-) Mu.skels verändern fich in eigen- artiger Weife, ohne daß zunächft die Contractilität beeinträchtigt und die abfolute Leiftungsfähigkeit erhöht oder vermindert wird. DigitaUn. K. Die ^Muskelfnbftanz bleibt durchaus intact («indifferente» INIittel).

Chlornatrium , Natriumtartrat, Zinnoxyduhiatriumtartrat, Alkohol (in kleinen und mittelgi-oßen Dofen). Vgl. hierzu: E. Haniack, Arch. f. exp. Path. Bd. 3. 1875. S. 44 GG (Emetica); Hnrnack u. E. Dietrich, ibid. Bd. 19. 1885. S. 153—184 (Rubid. u. Cäfium); Harnacl; ibid. Bd. 2. 1874. S. 254—306 (Apomorphin); Harnacl u. W. Hafemann, ibid. Bd. 17. 1883. S 145 188 (Atropin, Kupfer, Blei, Phyfo- ftigmin); Fick u. Boehm, Verhandl. d. phyflk.-medic. Gef. zu Würzburg. N. F. Bd. 3. 1872. S. 198 (Veratrin); Harnack, Arch. f. exp. Path. Bd. 9. 1878. S. 152—225 (Blei); H. Kohert, ibid. Bd. 15. 1881. S. 22-80 (Muskel- gifte im (Janzen); Harnack, ibid. Bd. 2. 1874. S. 307—333 (Atropin, Phyfo- ftlgmin); Harvack u. L. Witkowski, ibid. Bd. 5. 1876. S. 402—454 u. Harnack, ibid. Bd. 12. 1880. S. 334—340 (Phyfoftigmin u. Calabarin); Schmiedeberg, Beitr. z. Anat. u. Phyfiol. zu C. Ludirig'H Jul)il. 1874. 8. 222 (Digitalin). 8«j Cf. KrukcnJterg, Vgl.-phyfiol. Studien. 1. Reihe. 1. Abth. S. 142. *'') Literatur über die Contractionsverhältniffe der Muskeln: Ch. Richet, Archives de physiol. norm, et path. 2. Ser. T. 6. 1879, T. 7. 1880 u. Physiologie des muscles et des nerfs. Paris. 1882; Fredericq u. Vandecelde, Bull, de l'acad. r. de Belgique. 2. Sör. T. 47. 1879. p. 771—797; liamier, Archiv de physiol. norm, et path. 2. Ser. T. 1. 1874. ]). 5; Marc;/, Du mouvement dans les fonctions de la vie. Paris. 1868 u. Ann. des scienc. nat. Zoolog. 5 S(''r. T. 12. 1869. p. 58; //. Landois, Zeitfchr. f. wilT. Zool. Bd. 17. 1867. S. 133 u. 178; A. liollett, Zur Kenntniß des Zuckungsverlaufes quergoftreifter Muskeln. Sitzungsb. d. k. Acad. zu Wien. Bd. 89. 3. Abth. 1884. S. 346—353; Fontanes, Proc. r. Soc. T. 24. 1876. p. 143 u. T. 25. 1877. p. 464; E. TleiHchl, Centralbl. f. d. medic. AVilf. 1875. S. 469—470; A. Fick, P.fiträg(? z. vgl. Plivfiologie der -irritabelen Sulistanzen. Braunschweig. 1863; ./. liermlein, De animalium evertebr. musculis nonnulla. Dissert, Berolini. 1860; //. Kronecker u. W. Stirlinrj, Arch. f. Phyliologie. 1878. S. 1 18; /. I'h. Cafh, ebenda. 1880. Suppl. 8. 147—160; GriUzner, Breslauer ilrztl. Zeitfchr. -xS. Nr. 18 u. 24; Luchßnrjer, Arcli. f. .1. gef. Phyfiol. Bd. 28. 8. 60; A. Fick, -ndu. IM. 30. S. 596; Fredericq, Bull, de iacad. r. de B<-lgi<|M<'. T. 46.

390 Anmerkungen und Literaturnachweife. [120

1878. p. 765; W. Biedermann, Ueber das Herz von Helix pomatia. Sitzungsb. der Wiener Acad. Bd. 89. 3. Abth. 1884. S. 30.

so) Bollett (a. a. 0., S. 347 Anm. 1) bemerkt, daß ganz gleiche Muskeln wie in die Beine, iich auch in die Flügeldecken und die Flügel der Käfer infe- riren, hier den gelben Flügelmuskeln gegenüber nur fekr zurücktre^ten. Diefes Vorkommen von zweierlei Muskeln fteht in Beziehung zu zwei wefentlich ver- fchiedenen Actionen. Die eine derfelben ift die Entfaltung des Flugapparates, Stellung der Flügeldecken und Ausfpannung der Flügel. Diefe Action erfolgt ungefähr nach demfelben Modus wie die Bewegung der Beine. Die zweite Action ift das Fliegen felbft, von w'elchem wir durch die Unterfuchungen Marey's willen, daß es bei den Infecten durch eine oft bis zu außerordentlicher Höhe gefleigerte Frequenz der Flügelfchläge zu Stande kommt.

81) Ein Blick auf die von Bollett gefundenen Werthe (vgl. Tabelle auf S. 331) zeigt uns, daß von ihm an Käfermuskeln ähnliche VerhältnilTe angetroflen wurden als von Cafh bei Wirbelthieren. Bollett vergleicht den Zuckungsverlauf der Dytiscus-Muskeln dem der weißen, den Zuckungsverlauf der Hydro- phil us- und Maikäfermuskeln dem der rothen Kaninchenmuskeln.

92) L. Hermann, Handb. der Phyiiologie. Bd. 1. Th. 1. 1879. S. 43.

^•0 Bichet, Physiologie des muscles etc. p. 115.

8*) L. Hermann, a. a. 0., S. 56 u. 57.

ö») B. J. Anderfon, Unterf. a. d. phyfiolog. Infl. d. Univ. Heidelberg. Bd. 4. 1882. S. 277.

86) W. Biedermann, lieber die electrifche Erregung des Schließmuskels von Anodonta. Sitzungsber. d. k. Acad. d. Wiff. zu Wien. Bd. 91. 3. Abth. 1885. S. 29—96.

8') Ueber die Elafticitätserfcheinungen an den Muskeln vgl.: Boß- bach u. Anrep, Arch. f. d. gef. Phyliol. Bd. 21. S. 240—249; Fiel; Beiträge etc. a. a. p. u. Arch. f. d. ges. Phyiiologie, Bd. 4. S. 309; Wertheim, Ann. de chim. et de physique. 3. Ser. T. 21. 1847. p.. 385.

88) Bichet, Physiologie des muscles etc. p. 175 note.

89) Ueber abfolute Muskelkraft und Hubhöhe vgl.: Fei Plateau, Recherches sur la force absolue des muscles des invertebres. Bull, de l'acad. r. de Belgique. 3. Ser. T. 6. 1883 u. T. 7. 1884; dazu ein Referat von V. Graber, Biolog. Centralbl. Bd. 4. 1865. S. 691—697; Bofenthal, Arch. f. Phyßol. 1880. S. 187; Bichet, FhjSiologie des muscles etc. p. 195 201; Fi^c^-, Beiträge etc. a. a. 0., S. 53; Heidenhain, Mechanifche Leiftung, Wärme- entwicklung u. Stoffumfatz bei der Muskelthätigkeit. Leipzig. 1864. S. 114.

i°o) A. Bollett, Unterf. über den Bau der quergeftreiften Muskelfafern. Theil I. Denkfchr. d. math.-naturw. ClalTe der k. Acad. d. WilTenfch. zu Wien. Bd. 49. 1885. S. 81—132.

121] Anmerkungen nml Literaturnaclnveife. 391

»"') B. HnUer, rnterf. über marine Rhipidogloflen. I. Morpliol. Jahr])uoh. Bd. 9. 1883. S. CO.

102) Na/Te, Zur Anatomie u. Phyßologie der quergeftreiften Muskelfubftunz. Leipzig. 1882. S. 51—70.

103) Gridzner, Breslauer ärztl. Zeitfchr. 1883. Nr. 18. lo^^i C. Sachs, Aroh. f. Anat. u. Pliyfiol. 1872. S. 607.

i«5) Engelmann, Arch. f. d. gef. Phyfiol. Bd. 23. 1880. S. 071—590.

106) Xa/Te, a. a. O., S. 66.

10') Literatur über die gelben Flugmuskeln der Infecten:

Na/Te, a. a. 0., S. G u. 60; G. B. Wagener, Arch. f. Anat. u. Phyfiol. 1863. S. 231; Lei/dig, Lehrbuch d. Hiftiologie. Hamm. 1857. 8. 137 u. 142; Külliker, Mikrofk. Anat. Leipzig. 1850. Bd. 2. S. 263; Kühne, üeber die peripherifchen Endorgane der motorifchen Nerven. Leipzig. 1862. S. 32 Anm. 1; V. Hensen, Arb. a. d. phyfiol. Inft. zu Kiel. 1868. S. 8; A. Weismann, Zeitfchr. f. rat. :Medic. 3. Reihe. Bd. 15. S. 72; F. Merkel, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 8. S. 244; BoUett, a. a. O., S. 87.

108) jr^i Plateau, Sur la force musc. des Insectes. Bull, de l'acad. r. de Belgique. 2. Ser. T. 20. 1865 u. T. 22. 1866.

10^) Buhet, Physio]f)gie des muscles etc. p. 143.

110) Ueber doppeltfchräggeftreifte Muskeln vgl.: G. Schvalhe, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 5. 1869. S. 205—247; Enyelmann, Arch. f. d. gef. Phyfiol. Bd. 25. 1881. S. 551—564; B. Lljanin (Die Arten der Gattung Doliolum etc. Fauna u. Flora des Golfes von Neapel. Leipzig. 1884. H. 26, Taf. 1. Fig. 8 u. 9, Tafel 7. Fig. 3 u. Taf. 8. Fig. 7), der von doppeltfchräggeftreiften Muskeln nichts zu wiffen fcheiiit, l)efchreibt und zeichnet von Doliolum einfachfchräg- geftreifto Muskelfafern, die der glatten ^luskulatur zugezählt werden. Nimmt man dazu, daß die f])itzen Enden der meiften fpindelförmigen Muskelzellen häufig korkzicherartig gebunden find, fo erfcheint die Engelma)in'M\e Auf- faffung der doi^peltfchräggeftreiften Fibrillen keineswegs fchou von vornherein als unwahrfcheinlich.

1"; üeber die glatte iMuskulatur vgl.: G. Schvalhe, a. a. O.; Engel mann, a. a. (). u. Arch. f. d. gef. Phyfiologie. Bd. 11. 1875. S. 460 «".; B. Ilaller, I>ie Organifation der Chitonen der Adria. II. Theil. Arbeiten des Zoolog. Inftit. der Univ. AVien, Bd. 5. S. 29—35; G. B. Wagener, Arch. f. Anat. u. Phyfiol. I8G3. S. 211; ./. Bofenthal, Allg. Phyfiol. d. Muskeln u. Nerven. I^eipzig. 1877. H. 97; Bichet, Physiologie des muscles etc. p. 256.

"») Ueber die Bedenken, wchhrr licli diefer Annahme Engelmann'H ent- gegenftellen, vgl. Kühne, Unterf. u. d. phyfiol. Infi. d. Univ. Heidelberg. Bd. 3. 1H79. S. 49—50, und Ueber Nervenendigung in (U-n Muskchi. Verlmiidl. d. natnrh.nied. Ver.iiiH v.u Heidelberg. N. V. I'.d. :{. Heft 3. 1884. S. 238—242.

392 Anmerkungen und Literaturnach weife. [122

"3) Literatur über die motorifchen Nervenendigungen: An glatten Muskeln. J. Szirilman u. Luchßnger, Arch. f. d, gef. Phyßol. Bd. 26. 1881. S. 459 463; Sclimieäeberg, Grundriß der Arzneimittel- lehre. Leipzig. 1883. S. 56; W. Wolff, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 20. 1882. S. 361—372; B. Haller, Morphol. Jahrb. Bd. 9. S. 53.

An quergeflreiften Muskeln. Th. Eimer, Die Medufen. Tübingen. 1878. Taf. 3. Fig. 5 u. 12; Eollett, TTnterf. über d. Bau der quergeftr. Muskel- fafern. Th. L (a. a. 0.) S. 106—110; Kühne, Unterf. a. d. phyfiol. Inft. d. Univ. Heidelberg. Bd. 3. 1879. S. 1 148, lieber motorirche Nervenendigung. Sep.-Abdr. a. d. Verhandl. des naturh.-med. Vereins zu Heidelberg. N. F. Bd. 3. Heft 2. 1882, Weitere Beobachtungen über mot. Nervenendigung, Die mot. Nervenendigung und Ueber Nervenendigung in den Muskeln, ibid. Bd. 3. Heft 3. 1884, Die Verbindung der Nervenfcheiden mit dem Sarkolemm. Zeitfchr. f. Biologie. Bd. 19. S. 501—534.

"*) Der fo eigenartige Einfluß des Atropins auf die Blutegelmuskeln (Kruhenherg, Vgl.-phyfiol. Studien. 1. Reihe. 1. Abth. 1880. S. 90—92) kann unmöglich in einer Wirkung des Giftes auf die Ganglien, welche, mit den Muskelnerven verbunden, den Muskelfafern fo eng und zahlreich anliegen (vgl. B. Gfcheidlen, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 14. S, 321—332), begründet fein; die Unerregbarkeit der atropiniürten Muskeln lehrt vielmehr, daß es lieh in diefem Falle um eine echte Lähmung der contractilen Subflanz im Erfchlaffungs- zuftande liiindelt.

115) Vgl. Kruhenherg, Die eigenart. Methoden der chemifchen Phyüologie. Heidelberg. 1885. S. 10—15.

116) Vgl. die Beobachtungen von B. Haller (Beiträge z. Kenntniß der Nerven im Peritoneum von Doris tuberculata. Arb. a. d. Zoolog. Inft. d. Univ. Wien. Bd. 5. 1884. S. 253 270) über die den Nervenfafern eingeftreuten kleinften Ganglienzellen bei Doris.

11') KruJcenberg, Vgl.-phyfiol. Studien. 1. Reihe. 3. Abth. 1880. S. 124 bis 146.

Herr G. J. Bomanes (Jelly-Fish, Star- Fish and Sea-Urchins. London. 1885. p. 237) ftattet mir für die Beflätigung (?) feiner Verfuche und der Exactheit feiner Methoden Dank ab und bemerkt dazu, daß meinerfeits ein fundamentaler Irrthum vorliege, wenn ich zur Prüfung des, Contractilitätsvermögens der Mus- keln die elektrifchen Reize den mechanifchen gegenüber bevorzuge. Herr Bomanes fcheint noch immer nicht eingefehen zu haben, daß feine Curare- verfuche an Medufen in der Weife, wie er fie vor dem Erfcheinen meiner Ar- beiten veröffentlicht hatte, fchon deshalb vollkommen belanglos waren, weil fie über den Zufland der Muskeln nach der Vergiftung keinen Auffchluß er- theilten.; nicht auf die Nerven, fondern vor allem auf peripher gelegene Gang-

123] Anmerkungen und Literat inniuli weife. 393

lien galt es bei den Vei'fuchen Rücklicht zu nehmen, und von letzteren aus- gehende Reflexwirkungen heben fich nur dann als folche ab, wenn einfach mechanifche Reize wirkungslos bleiben, Inductionsftröme dagegen den Muskel noch zur Contraction veranlaflen. Indem ich zum Nachweife der durch Curare vergifteten Organtheile BernarcVs berühmte Methode welche Herr Bomaiie^ zwar nicht anfleht für feine eigene auszugeben in der, den Ü7/Her'fchen Er- fahrungen entfp rechenden , allein denkbaren und deshalb auch von Herrn Honuines befolgten ]\Iodification auf die IMedufen anwandte, ftellte ich zweifellos zuerfl feft, daß bei diefen Thieren die motorifchen Nervenendapparate durch das Curare in der gleichen Weife wie bei den Wirbelthieren gelälnut werden ; denn fo lange die Toxicologie an dem Axiome feilhalten wird, daß die Nerven- Ilränge als folche unvergiftbar lind, kann auch bei ilen Medufen der Angriffs- punkt für das Curare nur noch in den motorifchen Nervenendigungen gefucht werden. Die an den IMedufen von mir klargelegten N'erhältnilTe laflen es ganz irrelevant erfcheinen, ob die Nerven oder die JMuskeln von den elektrifchen Reizen in erfter Inftanz betroffen werden; aber Herr Eomcmes begreift es einmal nicht, weshalb hier elektrifche Reize (entgegen den mechanifchen) allein am Platze find; ihm fchweben nur Nerven vor und Reflexe, ausgehend von peripheren motorifchen Ganglien, liegen feinen Vorftellungen fo unendlich fern wie einftmals den Heroen des Mittelalters. Würde Herr Eomanes über die «gut bekannten Principien der Nerven- und Muskelphyßologie», mit denen er fo gern coquettirt, etwas beffer orientiii; fein, fo würde er in meinem Schema der Innervationsverhältniffe bei den Medufen auch ficherlich etwas anderes als reine Willkürlichkeiten erblicken. Der mir zugefchriel)ene fundamentale Irrthum liegt allein auf Herrn liomanes' Seite.

Beiläufig fei bemerkt, daß die von Ludiümjcr (Arch. f. d. gef. Pliyfiol. Bd. 28. 1882. S. 47) gewünfchte Modification des Curareverfuches an Medufen. tue darin befiehl, die entrandete Scliirmhälfte uncurarifirt zu lalfen, die lliilftc mit intactem Schirmrande dagegen durch Curare zu vergiften, von mir an verfchiedenen Species mit dem nämlichen entfcheidenden Refultate ausgeführt ift, weldies l>ei ^'ergiftung der enlrandeten Hälfte zu erzicilen war. Zuletzt führt<; ich <lerartige V'erfiiche 1882 an Aurelia aurita aus und es zeigten {'wh dabei, daß bei öfters wiederholtem Wechfel frifchen curarifiiten MeerwallcrH die unvergiftet gflafffjne Hälfte noch llundenlang fortfchlagcn kann, wenn an der vergifteten, mit erlialt«!nen Randköritern j(;de lelbllitndigii ('ontractiun er- lofchen ift. Demjenigen zwar, welcher die Innervationsverhältniffe l)ei <len Medufen kennt, wird das VerfucliHrefultat, wclciies uKÜnes Dafürhaltens zur Klarlegung der Vergiftungserfcheinimgen ausreichend war und auf delli-n Mit- theilung ich mich dcfshalb befchränken zu dürfen glaubte, beweiskräftiger er- fcheinen als das von Luchfinfjer verlangte. Daß >Vu: ff-nliblcn Nervf'ncndigiingffn

394 Anmerkungen und Literaturnachweife. [124

durch Curare nicht gelähmt werden, hatte bereits Bomanes feftgeltellt, aber auch darin befindet iich Bomanes im Irrthum, daß er glaubt, ich habe diefem Verfuche die Beweiskraft beflritten und ihm die Anwartfchaft auf denfelben flreitig gemacht.

Die fpäter ohne jede Literatur- und Sachkenntniß von B. Duhois (Coinpt. rend. de la soc. de biolog. 1883. p. 304 307) an Actinien und von E. Staßana (M6m. de la soc. de biolog. Paris. 1883. p. 59 66) an Medufen etc. ausgeführten Curarevergiftungen haben unfer Wiflen. nach keiner Eichtung hin bereichert.

"8) Die Darfteilung der InnervationsverhältnilTe bei den quergeftreiften Wirbelthiermuskeln bahrt ausfchließlich auf den Unterfuchungen von Kühne (f. unter Anm. 113); wo es zweckdienlich erfchien, lind delfen Arbeiten die tSätze faffc wörtlich entnommen.

"9) lieber die Entladungshypothefen vgl. W. Kraiife, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 13. S. 170—179; Kühne, Unterf. a. d. phyßol. Inft. d. Univ. Heidelberg. Bd. 3. 1879. S. 1 148; E. du Bois-Beymond, Dr. Carl Sachs' Unterfuchungen am Zitteraal. Leipzig. 1881. S. 222, 249 u. 417.

^20) Ueber das formveränderliche Protoplasma vgl. die zufammen- faflenden Arbeiten von Engehnann, Protoplasma und Flimmerbewegung. Hermann's Handb, der Phyiiologie Bd. 1. 1. Theil. 1879. S. 343—408 und J. Sachs, Vorlefungen über Pflanzenphyüologie. Leipzig. 1882. Vorlefung 31,. 34—40.

121) J. Sachs, a. a. 0., S. 101 u. 521.

122) J". E. Schloßherger, Chemie der Gewebe. Leipzig u. Heidelberg. 1856. Bd. 2. S. 265.

VI.

GRUNDZÜGE

EINER

VERGLEICHENDEN PHYSIOLOGIE

DER

NERVÖSEN APPARATE.

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^-

TARl. WINTER'H UNIVERSITÄTSBUCnilANDLUNG IN HEIDELBERG. KfMktnhtrg, Vergl.-iihylioJ. Vortrüge. **

Alle Rechte vorbehalten.

Gruiidzüge einer vergleiclienden Pliyfiologie der nervöfen Apparate.

Eine vergleichende Nervenphyfiologie ift nur dann möglich, wenn die di-ei Elemente des Nerven fyflemes (die Nervenzellen, die Nervenfafern und die Nervenendapparate) zufaramenbetrachtet werden ^). Die anatomifchen Verfchiedenheiten, welche die Nerven- fafern (markhaltige, RemaJc' (che und allein aus dem nackten Axen- cylinder beftehende Fafern) oder, richtiger gefagt, die Axencyhnder hinfichtlich ihrer Umkleidung aufweifen, find zwar denen der Muskelfibrilleu an die Seite geftellt worden^), geftatten aber nicht im Entfernteften jenen tiefen Einblick in die Functionsabweichungen, welchen uns der hiftiologifche Bau der Muskelfafern gewährt hat. Sehen wir ab von den CompHcationen der Nervenumfcheidung und den Abweichungen, welche durch einen wechfelnden Markgehalt bedingt werden, fo walten zwifchen den einzelnen Nervenfaler- gattungen (centrifugalleitende [motorifche, fecretorifche, hemmende, trophifche, electrifclie etc.], centripetalleitendc [Emptindungs- und Reflexnenen] und intercentrale Nerven), zwifchen den einzelnen Ganglienzellen (reflectorifche, automatifclic fconthuiirhcli oder rliyth- inifcli thätig; und Willenscentren) nur greifbarere phyfiolügifche Unterfchiede ob, welche bezüglich der Nervenfafern auch nur in der verfchiedenartigen Einrichtung der Endapi»arate begründet fein können; weder das Mikrofkop nocli die cliemilche Prüfung liefieii wcfentlichere Unterfcheidung.smerkmale erkennen, und auch l)ezüg- lich ilires Verhaltens gegen Reize, ihres Lcitniigsverniögens-'),

398 Grundzüge einer vergleichenden [4

ihrer electromotorifchen Eigenfchaften gleichen die fenlibelen Nerven den motorifchen in allen wef entlichen Puncten. Kurz gefagt, eine der vergleichenden Phyliologie der contractilen Gewebe nachgebildete vergleichende Phyßologie des Nervengewebes ift, wenigftens gegenwärtig, eine wiffenfchaftliche Unmöglichkeit; nur die Darftellung einer vergleichenden Phyliologie der Innervations- verhältnilTe läßt fich verfuchen ! chemifches Noch eiuc andere Ueberlegung entrückt das Nervengewebe

Verhalten

^^^ als folches einer vergleichend phyüologifchen Betrachtung. Die

chemifche ^ j. o -^ <^

Vorgänge, j^ortfchritte , welche die Verdauungslehre, unfere Kenntniß von den thierifchen GerüflfubJftanzen , den thierifchen Färbungen, den Refpirationsvorgängen etc. in den letzten Decennien zu verzeichnen hatten, hegen ziemlich ausfchheßhch , die Errungenfeh aften der Lehre von den contractilen Geweben vornehmlich auf chemifch- phyliologifchem Gebiete. Nicht fo ilt es bei dem Nervengewebe ! Was chemifch über diefes, und zwar ausfchließlich an Wirbel- thieren (meift am Säugergehkn) ermittelt wurde, läßt ßch in wenigen Sätzen zufammenfalTen und beßtzt nur ein geringes fpeciell phyüologifches, gefchweige ein größeres vergleichend phy- liologifches Interelfe, wennfchon es auch diefem ücherlich zugängig zu machen fein würde '^).

Nicht einmal die elementarften Fragen find in der Nerven- chemie zum Austrag gelangt; bezügHch der Reaction der Nerven- zellen bei den Wirbelthieren begegnen wir noch den widerfprechend- ften Angaben, weniger zwar für die markreiche weiße Subftanz, welche auch nach dem Abfterben ihre neutrale oder fchwach alka- lifche Reaction bewahrt, als vielmehr für die graue Nervenparzellen- malTe. Laßhigne hatte angegeben, daß die graue Subftanz des Gehirns alkahfch reagire, nach dem Tode aber rafch fäuere, wäh- rend Gfcheidlen und Edinger fie immer fauer fanden; Langendorff neigte fich meder der LalTaigne' ^cheu. Anficht zu und fah die Alkalescenz an der Großgehirnrinde bei Neugeborenen weit befier

5] Phyüologie der nervöfen Apparate. 399

ficli erlialten als an der walTerärmern von Erwachfenen. Alle diefe widerfprechenden Angaben fcheinen jetzt durch Tinctionsverfuche, welche Ehrlich an verfchiedenen Nervenfafern mit Methylenblau aus- führte, ilire Erklärung gefunden zu haben. Ehrliches Verfuche er- gaben, daß fowohl faure und alkahfche wie neutral reagu-ende Nervenfafern vorkommen, und dementfprechend auch im Gehirn je nach dem Orte und der Function eine \4eltönige Abflufung der ^Vlkalescenzgrade ftattfindet, die im Verein mit den Veränderungen der Sauerltofffättigung darüber entfcheidet, ob und welche Körper in beftimmten Territorien des Nervenfyftems aufgenommen werden können. Daß das Cerebrin (nach Geoghegan und Hopx)e-Seijler C57H109NO12) der weißen, die Gährungsmilchfäure und mehrere organifche Extractivftoffe (Kreatin, Inofit, Xanthin, Hypoxanthin) dagegen der grauen Nervenzellenmaffe allein oder faß ausfchließ- lich zukommen, daß der Waffergehalt der weißen SubJftanz geringer und dafür ilir Choleftearingehalt weit bedeutender als der der grauen Hirnfubftanz ift, dürfte nach Hoppe-Seyler jetzt ebenfalls ficher ent- fchieden fein %

Von allen Beflandtheilen der Nervenzellen kommt nur dem Cholin, dem Protagon (nach Gamgee und Blankenhorn CißoHaogNjPOag) und den Lecithinen wegen ihrer gut bekannten Derivate

/ CH2-OH CH2

(Cholin = I ; Neurin = ^ ;

^ CH2-N(CH3),OH CH-N(CH,)30H

CH2-N(CH3)3 CH(0H)2

Betain = ' ' -\-^'^({-\ Mufcarin = 1 ;

CO- O CH2-N(CH3)30H

CH2-N(CH3)3C1 Ikrlinerhlan'^ neue Bafe: 1

COH

eine größere chemifch-phyfiologifche Bedeutung zu, wenn fclion auch letzt<Te SU^ffe, gleich den im Gehirn ebenfalls aufgefundenen Nucleinen, einen außerordentlich weiten Verlneitungskreis l)e(itzcn und fo z. B. in dem Eidotter, welcher mit dem Gehirn eine auffallende

400 Grundzüge einer vergleichenden 6

Uebereinftimmung in der qualitativen, nicht jedoch in der quanti- tativen Zufammenfetzung darbietet, reichlich vertreten find. Das Protagon wie die Lecithine beanfpruchen deshalb uiifer InterelTe, weil jüngffc fowohl über ihre Beziehung zu dem giftigen, den Ptomainen zugezählten Neurin, wie auch zu dem einzigen bis- lang fynthetifch dargeltellten Alkaloide, dem Mufcarin*^), Licht verbreitet wurde. Ich habe mir nicht verfagen w^oUen, die zwifchen diefen Körpern beltehenden VerwandtrchaftsverhältnilTe fchematifch ^) zum Ausdruck zu bringen, was auf Seite 401 gefchehen ift. Viel- leicht werden fich demnächÄ für einen andern Hirnbeftandtheü, das Choleflearin (C26H44O + aq.), nicht weniger wichtige AuffchlüITe ergeben. Wir kennen fchon jetzt die genetifchen Beziehungen der Choleflearine zu den Lipochromen (vgl. S. 86 und 88) und wilTen, daß das Choleftearin mit Salzfäure und Eifenchlorid eine ähnliche Reaction als der Kampher und das Terpentinöl giebt, gleich den Gallenfäuren als Zerfetzungsprodukt Choleftearinfäure (CgllioOg) hefert und fich ähnlich den Cholalfäuren mit conc. Schwefelfäure färbt; den bisherigen Erfahrungen über das Choleftearin läßt fich aber nur entnehmen, daß dasfelbe ein einatomiger Alkohol ift.

Die chemifchen Beftandtheile der Nervenftränge weichen von denen der Nervenzellen im Wefentlichen nicht ab, und die chemifchen Wechfel, denen lie gleich diefen bei Ausübung ihrer Function unterworfen fein muffen, lind ebenfalls noch völlig dunkel oder controvers. Man nimmt an, daß der Nerv bei anhaltender Thätigkeit feine gewöhnlich alkalifche oder neutrale Reaction mit einer fauren vertaufcht (Funke), daß lieh bei feiner Erregung, be- dingt durch die ablaufenden chemifchen Proceffe, Wärme entwickelt (Schiff) und lieh dabei vielleicht auch das electrifche Leitungs- vermögen des Nerven ändert. Gleich der Hirnmaffe gewähren den Nerveniträngen ein zartes Neurokeratingerüft und eine collagene Materie die nöthige Feftigkeit wie Elafticität, und die Prädilection, fei es für einfach von außen aufgenommene oder für felbft gebildete

^]

Phyfiologie der nervören Apparate.

401

>'enriu

(C5H13NO. Trimethyh-inyl- ammoniumhvdroxvd ; fein- giftig)

r

Durch Be- handelu der wäflngeniLöfung des Trimeihyl- jodäthyl- ammonium- 1 Jodids

mit Silber-

Intermediäres Prodnct

Durch vorfichtige

oxj-d

Berlinerblau'^ neuelJafe

(CsHiXl^^O)

T

Durch Ver- feifen des Miifcarin-'äthers mit Barj't-jhydrat

Cholin

Durch Erwännen des Chlorids mit conc.

Mnfcariii

Oxydation ,^ ,,^ Salpeterf. u. Behandeln /%, ^t -<rr\ y.*-5^iö^^-'2- mit Silberoxid (k^^iäiNU

1

Betain

(CjHiiNOj. Trime- thyJglycin. Identifch mit L-ycin u. Oxy- neurin. Svnth. aus Chloreffigf." u. Tri- rnethylamLn wie aus •^Hycin u. Methyl- jodid)

Redncirend wirkende Snbftanz *^

Ti-imethylox- äthylammoniumhydroxyd. Identifch mit Sinkalin, Bilineurin u. Amanitin. Synth. : Durcli Vermifchen der wälTrigen Löfung _ von Trimethylamin mit Äthy- lenoxyd; wenig giftig)

Synthefe

des Mufcarin-

äthers : Durch Einw.

von Monochlor-

acetal auf Tiime-

thylamin)

Glyccrinpbosphor- fäure

.OH

C3H /qh oh

^0-PO/

\m

(.Synth.: Durch Einw

von Glycerin auf

Metaphosphor-

fäure)

*W;^ Lecithine

-Bfl

Sänren der fetten Reihe

(Pahnitin- fäure etc.)

Durch verbal l- nißm.gering- fiigigejChem. Ein- grlfte.

Prota^ron

402 Grundzüge einer vergleichenden [8

Pigmente, auf welche bei melireren Hirntheüen (locus niger Soemmeringii, substantia ferruginea ventriculi quarti, substantia nigra pedunculi etc.) fchon der Name liinweift, finden wir auch bei Nervenfafern wieder^).

Die geringe Gewichtsabnahme des Gehirns und Rückenmarks wie die der Nervenitränge im Hungerzuftande , die befchränkte Zahl der üe fpeiTenden Blutgefäße und die außerordenthche Weite der Capülarnetze deuten fchheßüch auch einen trägen StofPumfatz in allen nervöfen Elementen an ; diefer dürfte bei den Nervenfafern im Allgemeinen am geringften fein und deren verhältnißmäßig große Refiftenz gegen Gifte wie gegen Wärme erklärüch machen. Viele Forfcher huldigen fogar der Anficht, daß die zugehörige GangHenzelle das nutritive Organ des Nerven fei und diefer nur von jener aus ernährt werden könne, daß z. B. die Ernährung der fenfibelen Rückenmarksnerven durch die Nervenzellen in den Gangha intervertebraha, die der motorifchen Nerven von im Rückenmark felbfi gelegenen Zellen beforgt werde. Beweiskräftiger fcheinen uns indeß die Thatfachen zu fein, welche für eine lymphatifche Ernährung der Nerven von ihren Flanken, den Hanvier' [chen Schnürringen aus fprechen, und welche, fpeciell die motorifchen Nerven betrefi'end, für eine Reflitution der Lebens- eigenfchaften von den intramuskulären Nervenendapparaten aus in's Feld geführt find^). Zwifchen Nervenzelle und Nerventoang conftathen wir ebenfo wie z\\T.fchen Nervenfafer und Sinneszelle nur ein functionelles Abhängigkeitsverhältniß , welches zwifchen Nerv und Muskel allein befteht und durch die trophifche Wirkungs- weife gewifier Nerven hier nur fcheinbar verwifcht wn-d ; denn auch im letztern Falle handelt es fich unferes Erachtens nicht um eine Zufuhr von Ernährungsmaterial feitens der centrifugal- leitenden Nerven, fondern ledighch um Impulfe, welche in den Endorganen felbfi, ähnüch wie m den Secretionszellen, zu neuen Stofimetamorphofen Anlaß geben.

9] Phyfiologie der nervöfen Apparate. 403

Die von der Ganglienzelle aus dem Nen-en zufließende Erregung kann nicht mit einer electrifchen Spannungszu- oder -abnähme iden- tificirt werden: dafür fchreitet die Erregungswelle im Nerven viel zu langfam fort, die Zuckungshöhe am Muskel fteht mit der lu- t«nfität der zur Ner\'enreizung verwendeten Inductionsllröme in keinem proportionalen VerhältnilTe (Fich und Tiegel) und bei directer electrifcher Reizung des Muskels kommt es zu Contrac- turen, die man vom Nerven aus nie erhält. Trotzdem ift der Leitungsvorgang im Nerven mit einer electrifchen Spannmigs- ändening verknüpft und diefe «negative Schwankung des Nerven- Ilroms» zeigen die fenfibelen wie die motorifchen Nerven aller Thiere, mögen fie chemifch, mechanifch, thermifch oder phyfiolo- gifch gereizt werden. Für die Evertebratennerv^en beleuchten diefe Verhältniffe die Vei-fuche am Hummer von Fredericq und Vandevelcle ^°).

Mit den Schwankungen, welche der Nervenftrom während der Erregung erfährt, muffen nothwendig moleculare Veränderungen in der Nervenfafer einhergehen, mit deren Auftreten fich die lang- fame Ermüdung der Nerven im heften Einklänge befindet, und durch welche, wie wir fahen (vgl. S. 371 ff.), auch die phyfio- logifche Erregung der Nervenfafer zu erklären verfucht ift. Eine Anzahl von Forfchern betrachtet zwar, wie feiner Zeit Claude Bertiard "), die electrifchen Vorgänge als bei der Nervenerregung nebenher verlaufend und glauljt, daß es fich dabei um eine einfache Coincidenz handele, wie etwa an der fecernirenden SubmaxiUaris bei der Erweiterung der Blutgefäße und der Reizung des Chorda- nerven; aV)er die von 67. Bernard für feine Auffaflüng goUond gemachten Vergiftungsverfuclie find völlig irrelevant, denn weder das Antiarin noch das Digitalin können als eigentliche Nerven- fafergifte angefprochen werden.

An dem oben ausgefprochenen Satze von der phyfiol()gifch«ii '|',',',*','J^'|. fdentität") der müUjrifclien und fenfibelen Nerven vermögen die ieTtuu«.

404 Grundzüge einer vergleichenden [10

Beobachtungen, daß die fenfibelen Nerven thermifch leichter erregbar lind (Grützner), bei Contracturen, Spafmen, Chorea- anfällen und bei Hyperkineße leichter alteru't werden als die motorifchen (Eichet), nichts zu verändern ^^) ; denn die Urfachen diefes verfchiedenen Verhaltens liegen nicht in den Fafern, fondern in deren verfchiedenartigen Endorganen begründet. Die experi- mentelle Entfcheidung der Frage nach dem doppelßnnigen Leitungs- vermögen der Nervenfafern ift von du Bois-Reymond durch die Fortpflanzung der negativen Schwankung des Nervenffcroms an beiden Endquerfchnitten des Nerven in reinlter und unwiderleg- licher Form geliefert; directe Beweife für eine perverfe Leitung der Nervenfafern lind indeß nur wenige beigebracht und auch diefe erfreuen fich keineswegs einer allgemeinen Anerkennung.

Die Verfuche von PJiiUjjeaux und Vulpian, welche zu beweifen fchienen, daß nach Durchfchneidung des Nervus hypoglossus der gewöhnlich rein fenüble Nervus lingualis motorifch werde, find fpäter von Vulpian in anderer Weife gedeutet und Heidenliain hat das große Verdienft, endgültig feftgeftellt zu haben, daß es fich bei diefem Verfuche nicht um ein motorifch Werden des Lingualis handelt, fondern daß die nach der Hypoglollusdurchfchneidung beobachteten Bewegungen der Zunge auf einem indirecten Wege durch die Chorda ausgelöft werden. Seitdem der bekannte Ratten- fchwanzverfuch Faul Berfs durch ein Hineinwachfen fenfibeler Fafern ebenfalls feine Beweiskraft für die vorliegende Frage ein- gebüßt hat, würde ausfchheßhch noch dem fog. Zweizipfelverfuche am Frofchfartorius von Kühne und der Beobachtung von Bdbuehin, daß im electrifchen Organe des Zitterwelfes nach Zerftörung des von einem electrifchen Nerven verforgten Bezirkes auf Reize des Nerven normal von diefem nicht verforgte electrifche Loben auf centralem Wege erregt werden, ein Gewicht beizulegen fein. Hemm-jugs- Durch eine ganglionäre Verknüpfung fenfibeler und rein moto-

nerven.

rifcher Nervenbahnen glaubte man bis vor Kurzem fämmtliche

11] Phyfiologie der nervofen Apparate. 405

nervüfen 'N^orgänge im weiten Bereiche der Wirbellofen erklären zu können. Man war in Folge clelfen gezwungen, Annahmen zu machen, welche die verfchwommenen Ideen mancher moderner Hirnphyßologen von der Regeneration exftirpirter GangUenhaufen, von dem Zufammenwachfen durchtrennter Centralorgane und von der Uebernahme centralnervüfer Functionen durch Bindegewebszellen noch um ein Erkleckliches übertrafen; wir werden aber im Laufe unlerer Betraclitungen noch wiederholt Erfclieinungen begegnen, welche ohne die Mitwii'kung fog. hemmender Nervenfafern gar niclit zu verliehen find, wir werden Einrichtungen kennen lernen, welche unter den unmittelbaren Einfluß folcher Nerven geftellt find, und deren Kenntniß die Annahme von Hemmungscentren und Hemmungsfafern hier nicht (wie etwa das Hemmungscentrum Setfrhenow's im Wirbelthiergehirn) als einen überflüfiigen Ballafi;, fondern, da auf den Ablauf der nervofen Vorgänge einfach er- fchwerend wirkende Verknüpfungen der Reflexapparate mit anderen < ianghenzeUen keine Erklärung bieten, als abfolute Noth wendigkeit crfcheinen laffen.

Der Nachweis von Ganglien in folchen Organen, welche off'en-

bar dem EinfluIIe hemmender Fafern unterworfen find (wie z. B.

las Herz, der Darm und die Speicheldrüfen) , hat die Vorftelluug

im Gefolge gehabt, daß die hemmenden Nerven ^') auf periphere

Ganglien einwirken und im Reizzuflande den von letzteren aus-

j^c.'henden Erregungsreiz für motorifche Nerven unterdrücken. Nach

liefer Theorie müßte «das Ergeljniß einer gleichzeitigen Erregung

Ijeider Nervenclaffen die algebraifche Summe ihrer Einzelwirkungen

lein, fofern jede Clafie die Wirkung der andern unmittelbar be-

inträchtigt»; diefe Auffallüng hat fich jedoch nicht bewahrheitet!

So beobachtete M. v. Frctj au der Suljmaxillardrüfe des Hundes, 'laß der Verengungs - (Sympathicus) und der Erweiterungsuerv Chorda) der Gefäße keineswegs in dem Sinne unmittelbar g<'gen •inander wirken, daß der eine ffie durch den andern gefetzte Vcr-

406 Grundzüge einer vergleichenden [12

änderung verringert oder rückgängig macht, fondern daß \äelmehr der Sympathicus die durch die Chorda liervorgerufenen Ver- änderungen der Gefäßmuskulatur fortbeffcehen läßt und nur die Aeußerungen derfelben unterdrückt. Einen weitern werthvoUen Beitrag zur Löfung der Frage lieferte unter HeidenJiain's Leitung J. Paivlotv.

Diefer Forfcher unterfuchte bei Anodonta die Abhängigkeit der Schheßmuskeln von den einzelnen Hauptganglien und fand, wie fpäter noch ausfülirlicher zu referiren fein wird, daß die Muskeln unter doppeltem NerveneinfluITe flehen, daß zu ihnen zwei ClalTen von Nervenfafern treten, die einen motorifche, die anderen hem- mende, welche den verkürzten Zuftand der Muskeln aufheben und Erfchlaffung derfelben herbeiführen. Da nun im Innern diefer Muskeln Gangüenzellen nicht vorhanden und, muffen fowohl die motorifchen als die er fchlaff enden Fafern hier direct auf die Muskel- fafern einwirken. Diefe Thatfachen drängen aber ferner zu der Annahme, daß der fog. Erfchlaffungszuftand der Muskeln nicht bloß Aufhebung derjenigen inneren Veränderungen in der Muskel- fafer ifl, welche die Verkürzung bedingen, und daß der innere Vorgang der Verkürzung nicht ohne Weiteres diejenigen ^'"er- änderungen im Innern der Muskelfafern aufhebt, welche die Er- fchlaffung herftellen, fondern daß es «wohl befondere Theile im Innern der Muskelfafern find, auf welchen die Verkürzung, und befondere, auf welchen die Erfchlaffung beruht». Es empfiehlt fich nicht, auf die Hemmungsvorrichtungen fchon jetzt näher ein- zugehen, und wü' wenden uns deshalb den trophifchen Nerven zu, über welche hier gleich alles berichtet werden foU, was fich einer fpecieUen phyfiologifchen und pathologifchen Behandlung zu ent- ziehen pflegt, aber von hervorragendem Werthe für die vergleichende Phyfiologie ifl ^^). Trophirciie Die tropliifchcn Nerven bilden ein viel umftrittenes Capitel

Nerven.

der Nervenphyfiologie , doch, wie mir fcheint, betreffen die über

13j Phyßologie der nervöfen Apparate, 407

die Berechtigung ilirer Aufftellung Tehr auseinandergehenden Mei- nungsverfchiedenheiten wenigftens in mancher Beziehung mehr den Wortbegriff als die Thatfachen felbfl:. Indem man fich ge- wöhnte, bei Claffification der centrifugalleitenden Nerven die phyfikahfche Seite des Effectes der Nervenerregung an den End- organen mehr als die chemifche in's Auge zu falTen, gelangte man zur Aufltellung der motofifchen, der vafomotorifchen , der colora- torifchen, der electrifchen, der Licht erzeugenden Nerven u. f. w. ; nur wo die Producte der chemifchen Proceffe wie bei den Secreter- güffen fo offen zu Tage treten, wurden auch die chemifchen Vor- gänge berückfichtigt. Im Uebrigen war man ßch bei den Unter- icheidungen wenig bewußt, daß die Erregung jedes Organes durch Nerveneinfluß mit chemifchen Veränderungen unabänderHch ver- bunden ifl. Nichts erfchemt aber plauübler als die Annahme, daß nicht in allen Endorganen centrifugalleitender Nerven die durch Nervenreiz ausgelöften chemifchen Vorgänge von einer Con- traction, einer beträchthcheren Electricitäts- oder Lichtentwicklung begleitet zu fein oder fich gerade als Secretionen zu äußern brauchen. Der durch den Nervenreiz veränderte Stoffwechfel kann in dem Endorgane jedenfalls auch als folcher rein beftehen, und bei «ler Erregung eines Organes durch Nerveneinfluß find die chemi- fchen Verändennigen allemal das Primäre, die phyfikafifchen alle- mal das Secundäre und ficherlich kein unbedingt nothwendiges Attribut der erfleren. Proceffe diefer Art, welche fich unter Nerven- einfluß abfpielen, bei denen es aber weder zu ausgiebigeren Secre- lionen noch zu Muskelcontractionen u. dgl. m. , fondern lediglich zu Veränderungen des gewöhnlichen Ernährungszuftandes kommt, giebt es im lebenden Organismus vorausfichthch viele und die fie .luslöfenden Nervenfafern werden zweifelsohne die Bezeichnung trophifche» verdienen. Icli werde mich darauf befcbränken, liinen zvNX-i einfcbiägige, aljcr wie ich glaube, cclatmite Bcifpielo vorzuführen.

408 Grundzüge einer vergleichenden [14

Bei meinen vergleichend pliyfiologifchen Unterfuchungen über den Stoffumfatz lenkten vor allen die nach dem "\^erfiegen der Lebensvorgänge erfolgende coloITale Wafferabgabe (wie z. B. bei den Medufen) refp. Wafferaufnahme (fo z. B. bei dem Frofcheileijier) der Gewebe und der unter Umftänden fehr rapide eintretende hyaline Zerfall der die Zellen conftituirenden Eiweißftoffe meine Aufmerkfamkeit auf fich. Beide Erfcheinungsreihen lehren, daß die Stoffwechfelvorgänge in lebenden Organen oft wefentlich anders verlaufen als in abgeftorbenen , daß in erfteren Reize, trophifche Erregungen beliehen, welche die chemifchen Proceffe in ganz be- Itimmte Bahnen lenken, und daß beim Erlöfchen derfelben eine Lockerung des organifchen Zellen Verbandes refultirt, welche mit dem Ablauf der Lebensvorgänge unvereinbar bleibt.

Die hyaline Metamorphofe der Gewebe ifl als krankhaftes Phänomen beim Menfchen lange bekannt und wird, wie früher, unter der fehr unzeitgemäßen Bezeichnung der «fchleimigen refp. coUoiden Entartung» in der Pathologie fortgeführt. Ein vortheil- haftes Object, diefe Vorgänge zu ftudiren, machte erfl Semper aus- findig. Diefer Forfcher wies darauf hin, daß fich die Haut einiger Stichopusarten auf fenfibele Reize in kurzer Zeit verflüHigt, unter ungünftigen Lebensbedingungen Stichopus naso lieh durch heftige Bewegungen fogar felbffc aus feiner ausnehmend dicken Haut herausfchält, und. daß von dem ausgefchnittenen Hautflücke eines Colochirus quadrangularis nach km-zer Zeit nichts als parallele Fibrillenzüge, die ganz unverfehrten Muskeln der Füßchen und fehr fchöne, zufammenhängende Nervennetze übrig geblieben lind. Es erinnern diefe Erweichungen in hohem Grade an jene, bald in Vereiterung übergehende phlegmonöfe Entzündung, welche B. Koppe nach fubcutaner Injection felbft noch von 0.1 mgr. Di- gitoxin bei Hunden (von der Applicationsltelle aus) regelmäßig ein- treten fah. Ich habe den Auflöfungsproceß an der Holothurien- haut zuerft experimentell weiter verfolgt und die Uel^erzeugung

15] Phyfiologie der nervöfen Apparate. 409

gewonnen, daß derfelbe mit der tryptocollagenen Materie, welche ficli in der Haut der meülen Holothurienformen vorfindet, nicht in Beziehung zai fetzen ift, fondern vielmehr in einer Hyalinifation eiweißartiger Subftanzen begründet liegt, und daß diefe abnorme Zerfetzungsweife m der nämlichen Art durch nervöfe Erregungen ausgelöft wird als die SaccharificationsprocelTe nach Verletzung des Bodens des Äderten HQrnventrikels beim Kaninchen.

Nicht nur experimentell lalfen fich derartige fog. fclileimige Entartungen hervorrufen, nicht nur unter pathologifchen Verhält- nilfen treten diefelben klarer in die Erfcheinung, fondern bei den Reptilien kehren fie ganz regelmäßig wieder. Sie kennen bereits (vgl. S. 216 ff. u. S. 25<S) die Gründe, welche es diefen Thiercn ermögüchen, fich ihrer keratinöfen Hülle jährlich ein oder mehi-ere Male zu entledigen. Sie wiüen, daß es fich aucli in diefem Falle um Vorgänge handelt, welche in einem hyalinen Zerfalle eiweiß- artiger Hyalogene beliehen, und Sie werden gewiß mit mir die Anficlit theilen. daß diefelben ebenfo wie die intcrmittirenden Se- cretionen (z. B. der Milchdrüfen bei den Säugern, der Kropfdrüfen bei den Columbiden) und viele pcriodifche, durch einen Ernährungs- wechfel und ein verändertes Wachsthum der Zellen bedingte locale Umgeflaltungen des äußern Habitus (z. B. der Schuppenwarzen am Hochzeitskleide der Fifche, der Rückenkämme und der Zehen- franzen der männlichen Tritonen zur Begattungszeit) auf nervöfem AVege zu Stande kommen. Ganz ])efonders für die })ilateral fvm- metrifchen Functionen^"), als welche fich die Umbildungen letzterer Art zu äußern pflegen, erheben die Unterfuchungen von Bimj, ('harri)t, WeHphal u. A. die Annahme einer Mitbetlieiligung ceii- trifugalleitender Xervenbalmen über jeden Zweifel uikI (piccbeii fo indirect niclit weniger fchlagend gegen die von Si<ininnd Maifcr weitläufig ausgeführte Anfchauung, dergeinäß Centralapparat, pe- ripherer Nerv und inncrvirtes Organ lediglicli eine einzige Er- rcgungseinheit bilden und in ihrem Ernälu-ungszuflande ficb felion

410 Grundzüge einer vergleichenden [16

ohne Weiteres gegenfeitig beeinfluITen follen ^'^). Mayer' ^ Vorftellung vermag weder den periodifchen, gewöhnlich dem Gefetze der bila- teral Tymmetrifchen Functionen unterworfenen Ernährungswechfel an den Epidermoidalgebilden vieler Vögel und Amphibien ver- ftändlich zu machen, noch uns irgendeinen plaußbeln Grund für den poflmortalen WalTerwechfel und den hyalinen Zerfall der Ge- webe zu geben und Itößt auch bei den pathologifchen Veränderungen an den Muskeln (z. B. der Dyjftrophia muscularis), bei den dm'ch pfychifche Affecte plötzlich hervorgerufenen Ernährungsftörungen anderer Gewebe (z. B. den Haaren) auf widerfprechende Erfahrungen. Von hervorragender Bedeutung für das Verftändniß des hyahnen Zerfalls der Eiweißftoffe in der Reptilienhaut fcheinen mir neuere Unterfuchungen von Kühne zu fein, bei denen es gelang, das Ke- ratinmolecül durch Abfpaltung eines, vielleicht der Chondroitfäure verwandten Hyalins foweit zu vereinfachen, daß dasfelbe weder die Mülon'\^che Reaction noch beim Kochen mit verdünnter Schwefel- fäure als Zerfetzungsproduct Tyrofm gab. Functions- Obfcliou cincrfeits die Verfuche, beflimmte Functionen der

eigenthüm-

lichkeiten GanghenzcUe darzulegen, einer Jftrengen Kritik kaum Stand halten Ganglien, (jüpf^gj^ uud audrerfcits bei Wirbelthieren Gangüen exiltiren, für welche (wie z. B. für das Gangl. mesentericum inferius und für die in der Nähe der Nieren gelegenen Ganglien, welche der Nervus splanchnicus durchfetzt) jede Prüfung auf etwaige Functionen fruchtlos blieb ^^), fo erwächft doch aus der vielfeitigen Erfahrung, daß in allen Nerventheilen , an denen wir Wirkungen wahrnehmen, die wir nach den uns bekannten Eigenfchaften der Nervenröhren an fich nicht zu verftehen vermögen, viele Ganglienzellen gefunden werden, eine gewille Berechtigung zu dem SchlulTe, daß die ver- fchiedenartige Wirkungsweife ganghenhaltiger Nerventheile die Thätigkeit von Ganglienzellen darfteilt und die Lehre jener lieh mit der von den Ganglienzellen durchaus deckt. Die den Ganglienzellen zugetheilten Functionen haben fomit noch nicht

1

17] Phyiiologie der nervöfen Apjiarate. 411

allen Charakter des Hypothetifchen verloren, und es wird nützlich fein, fich dellen immer bewußt zu bleiben. Man würde fich aber doch zu fehr von der gegenwärtigen Zeitrichtung entfernen, wollte man die Ganglienzelle als nervöfes Centralorgan fallen und an ihre Stelle ein unbekanntes Etwas treten lalTen; aus diefem Grunde fehen -wir denn felbft die vorlichtigften Forfcher trotz allem Skepticismus die über die GangHen gang und gäbe gewordenen Anfchauungen in vollem Umfange acceptii*en.

Wir deuteten bereits in der Einleitung zu diefem Vortrage an, daß die von den Ganglien ausgehenden Impulfe dreifacher Art find, daß es fich um reflectorifche , um automatifche , welche ent- weder continuirhch oder rhythraifch verlaufen, und fchließlich auch um Willensimpulfe (um fpontane oder pfychifche Erregungen) handeln kann. Die Willensimpulfe, die feelifchen Thätigkeiten gehen bei den Wirbelthieren ausfchließlich von dem Gehirn aus, während bei diefen die meiften reflectorifch und tonifch automatifch wirkenden Centren im Rückenmark ihren Sitz haben. Automatifch wie reflectorifch thätige Ganglien find jedoch felbft bei den höheren Thieren nicht auf das Cerebrofpinalfyftem im Vorkommen befchränkt, fondem peripher gelegene Ganglienhaufen wirken in genau ent- ff>rechender Weife.

Sehen wir ab von den gewöhnhch fehr unregelmäßigen (z. B. an Spinnenbeinen) oder nur kurz andauernden (z. B. am Eidechfen- fchwanze) Zuckungen, welche von ihrem natürlichen Organverbando abgetrennte ganze Körperftücke zeigen, fo wüßte ich als ein fchla- gondes Bcifpiel für die rhythmifche Automatic peripher gelegener Ganglien außer den, in diefer Art innervirten Herzen der Wirbel- tliiere und Wirbellofer allein noch den floffenartig umgeftalteten Th«'il des Fußes von Carinariu mediterrant-a i=') namhaft zu niiifliMi. Ich liabo nachgewiofon, daß diefes Organ von dem, am Anfange der Flofrenbafis gelegenen Ganglion pedale aus jene Iin- pnlfe empfängt, welche es in den Stand fetzen, in einer Minute

Krnkathcrn, VtrKl-l'byflol. Vorlrilgc. -^

412 Grundzüge einer vergleichenden [18

30 36 Ruderbewegungen auszuführen, und daß diefe Bewegungen von denen des Herzens ganz unabhängig ßnd, obfchon fie nach Coi^a's Angabe mit diefen vollkommen ifochron verlaufen foUen. Weit weniger geßchert fclieint mir die von Broivn-Secguard und Vtdpian mitgetheilte Beobachtung, daß das mit dem Hirnrücken- marke außer Verbindung gefetzte Zwerchfell eines Säugethieres fortfährt, rh}i;hmifche Contractionen auszufüliren.

Auf Grund des Brondgeeß' i^cheii Verfuches (einfeitige Durch- fchneidung des Plexus ischiaclicus am decapitkten, aufgehängten Frofche) wird allgemein angenommen, daß der Tonus der Skelet- muskeln wie auch wohl der Tonus der Sphincteren dmxh äußere Reize vom Rückenmark aus unterhalten wird. Unferen Erfahrungen über die durch den Oculomotorius dem Sphincter pupillae ver- mittelten tonifchen Erregungen genügt aber die Annahme eines centralen Tonus nicht, fondern diefelben verlangen außerdem die Anwefenheit eines peripher gelegenen, tonifch wü^kenden Centrums (vgl. S. 367), und Vorrichtungen dierer Art müITen auch, wie uns die Erfolge einer combinirten Muscarin-, Atropin- und PhyfoJftigmin- vergiftung zu fchließen erlauben, an der Darmmuskulatur wirkfam fein. Es ift nicht unfere Aufgabe, zu unterfuchen, ob die Bei- behaltung automatifcher Ganglien eine vollkommen berechtigte, ob die Auslöfung der Impulfe nicht vielmehr auch bei ihnen eine rein reflectorifche ift; nach dem Brondgeeß' M-ien Verfuche, der für die Lehre vom Muskeltonus fo entfcheidend war, ift lie es jedenfalls nicht und ebenfo wenig nach einem andern Verfuche, der in kaum geringerem Maße die Aufmerkfamkeit der Forfcher auf fich zog. Ich meine den fog. GoW^chen. Quakverfuch ^*').

Schon Paton beobachtete, daß Fröfche, denen die Großhirn- hemifphären genommen waren, quaken, wemi man ihre Rücken- haut in der Interfcapularregion berührt. GoUs machte diefen Ver- fuch zum Gegenitand eines befondern Studiums und ftellte feft, daß für fein Zuftandekommen die Reizung der Rückenhaut zwifchen

19] Phyüologie der nervöfen Apparate. 413

den Vorderfüßen das Wefentlichfte ift ; vnid die Rückenhaut unter diefer Stelle durchfchnitten, fo gelingt das Experiment von tiefer gelegenen Regionen des Rückens aus nicht mehr, ebenfo wie es von den Extremitäten und von der Bauchfeite aus alsdann ver- fagt. Derartige reine Reflexcentren werden wir bei unferen fpäteren fpecielleren Betrachtungen mehrfach extracerebrofpinal gelagert finden ; es liegt deshalb kein Bedürfniß vor , Beifpiele für deren Exiftenz hier noch befonders anzuführen.

Unter unferen bejahrteren Zeitgenoflen hat außer Rudolf llr- cliow kein einziger Biologe den unfchätzbaren Werth und die Be- deutung einer vergleichenden Phyfiologie fo klar durchfchaut als Claude Bernard. . Den Uneingeweihten wird es aber nicht wenig überrafchen, wenn er aus dem Munde desfelben Mannes, der in feiner hochbedeutfamen Schrift ^^), mit welcher er feine erfolgreiche Thätigkeit für immer abfchloß, den Ausfpruch that: «L'etude des etres inferieurs est surtout utile ä la physiologie generale, parce- que chez eux la \'ie existe ä l'etat de nudite pour ainsi dire», wenige Jahre vorher ^^) die Worte vernimmt: «Dans l'etude, des diverses manifestations de la vie, nous commencerons par les phenomenes de mouvement et de sensibilite, en nous en adressant surtout aux organes des animaux eleves, (^ui presentent toutes les fonctions plus developpees et mieux isolees». Ich fage für den Uneingeweihten ; denn wer Cl. Bernard's unfterbliche Le^ons gründ- lich kennt, wird nicht einen Augenblick darüber im Zweifel fein, daß letzterer Satz nur auf die animalen Functionen Bezug hat, während das Citat aus den «Le^ons sur les phenomenes de la \i(ip Cl. Bernard' H Anficht über das Verhältniß der vergleichenden Phyfiologie zur fpeciellen im Allgemeinen, alfo nach Ausfchluß der Nerveij[)l)yliologie, zum Ausdruck bringt; hat lieh doch zu unlerer ganzen Genugthuung fell>ft bei den contractilen Geweben der Schwerpunkt der Unterfuchungen fo lehr in's Bereich der Wirbel-

411 Grundzflge einer veigleichienden [20

lofen Terrclioben, daß. um einen Ausdruck von Fu>neff zu ge- brauchen, der Fernerftehende leicht zu der Meinung gelangen könnte, man habe üch einer neuen Art von Scarabäencultus hin- o-egeben. Um aber den exeluliven Stand der Nervenphyfiologie auf- zudecken, dazu bedurfte es zu jener Zeit noch der Eiulieht eine? Claude Bernard! AiigemeiDe Nehmen wh mit Cl. Bernard die Einrichtungen der höchlt- des cerebro-oro-aniJirten Thiere zum Ausarangspunkte unlerer vergleichenden Ee- ^^w^bef-^ti-achtungen, fo IteUen üch uns keine geringen Schwierigkeiten in ^^^ den Weg. Vor allem was die Phyiiologie des Grehims anbelangt, irr die Mafle der Autoren gewaltig und die Zahl der Hypothefen eine unerfchöpfhche zu nennen. Die kritiiche Sichtung der Beobach- tungen ift Ibmit ein ebenfo unumgänghche? Erforderniß als die Walnung eines befümmten Standpunktes bei Deutung der experi- mentell geftmdenen Thatfachen. Ich glaube diefen Forderungen meinerfeits nicht belTer gerecht werden zu können, als wenn ich mich in den Cardinalfi-agen den Auseinanderfetzungen von Gdtz-^] unbedingt anfchließe. und es Ibll nun verfucht werden, ob fich m diefem Sinne dmx-h die bei den Wirbeltliieren aufgedeckten Ver- hältniHe die gewünfchte Grundlage für eine vergleichende Phyfio- logie der nervöfen Apparate thatfachhch gewinnen läßt. Beginnen vAy mit dem Centralnervenfyltem und zwar mit dem Gehirn!

Der vordere Abfchnitt der centralen Axe des Xervenfyftems legt üch bei den Cranioten entwicklungsgefchichthch in Cieüalt von fünf, moi-phologifch aber nicht ganz gleichwerthigen Hirnblafen an. welchen entfprechend auch an dem ausgebüdeten Gehirne fünf Abfchnitte zu unterfcheiden und: 1. das Yorderhim, 2. das Zwifchenhirn, 3. das jMittelhim, 4. das Hinterhim und 5. das Nachhim. Von diefen theüt das Hinterhirn keineswegs die Selb- üändigkeit der übrigen Himblafen, fondem fleUt nur den vorderften Theü des Daches vom Nachhirne dar. Bei den auf niedrigfter Entwicklungsftufe dauernd verweilenden Cranioten, den M^'xinoiden,

21] Phyfiologie der nervöfen A]>parate. 415

erfcheinen die einzelnen Gehirnabtheilungen hinter einander ge- lagert, gleiehfam wie Perlen an einer Schnur, Avährend bei den übrigen Claffen gewilTe Hirnabfchnitte präponderii-en und andere vollkommen überdecken. So verdeckt bei manchen Teleoftiern das mit dem Zwnfchenhim eng verbundene Mittelhirn die Medulla oblongata, bei den Vögeln überwölbt nicht nur das Vorderhirn das bei Batrachiern und Reptilien noch frei liegende Mittelhirn, fondern das Hinterhirn überdeckt auch das Nachhii-n, und bei den Primaten überlagert das "N^orderhirn fowohl das Zwilchen- und Mittelhirn als auch das Hinterhirn.

Schon aus diefen knappen Bemerkungen^*) wird erfichtlich fein, daß der relative Umfang und fomit auch das relative Ge- wicht der einzelnen Hirntheile in der Thierreihe großen Schwan- kungen unterhegt, welchen fich beim Menfchen noch individuelle hinzugefellen. Ifl es erlaubt, aus den anatomifchen Befunden Schlüffe auf die Leiftungsfähigkeit der einzelnen Organtheile zu ziehen, fo giebt die in der Säugethierreihe mit der Steigerung der Intelligenz einhergehende Volumszunahme der als große Hemifphären bezeichneten Theile des ^^orderhirns gewiß kein unwefenthches Argument für die Auffaffung ab, daß die Groß- hirnrinde das Organ der höheren geilligen Verrichtungen ift. Inwiefern fich diefer Schluß beim Experimente bewahrheitete, welche Functionen in ihrem Zuftandekommen an das Großhirn und welclie an andere Hirntheile gebunden find, foll nun das Folgende lehren.

Flourms glaubte auf Grund feiner Verfuche die Beluiu[)tuiig aufftelleu zu dürfen, daß das Großhirn in allen feinen Abfchnitten eine gleiche Bedeutung habe und ebenfowenig in Organe gefon- dertcr ^'^e^richtungen zu zerlegen fei als etwa die Lunge. Flourois dachte nicht daran, die Centren für einzelne Functionen in be- ftimmte Tlieile der Hirnrinde zu verlegen, wie vordem (Jall gethan hatte und wie e.s noch heute, zwar in einem ganz andern Sinne,

416 Grundzüge einer vergleichenden [22

als es den Gall'^chen Lehren entfpricht, mehrfach gefchieht. Die A^erfuche, welche Golt^ an Hunden ausgeführt hat, fprechen aber nicht wenig für die Flourenslche Anficht; es führten diefelben zu folgenden ErgebnilTen:

Die verhältnißmäßig fo geringen Störungen nach ausgedehnter und tiefer Vernichtung Einer Gehirnhälfte lallen ßch nur fo er- klären, daß wirklich eine Hälfte des Gehirns die fymmetrifche andere Hälfte bis zu einem gewilTen Grade vertreten kann. Der- artige einfeitige Verftümmelungen des Gehirns haben keine aus- fchließhchen Störungen an der gekreuzten Körperhälfte zur Folge, fondern machen es unzweifelhaft, daß. jede Hälfte des Großhhns durch felbftändige Bahnen mit allen Muskeln und allen empfind- lichen Theilen des ganzen Körpers zufammenhängt; zuzugeben ift nur, daß die Verbindung zwifchen jeder Halbkugel des Gehirns und der gekreuzten Körperhälfte inniger ift als die der gleich- linnigen Körperhälfte. Die Verftümmelung beider Hälften des Großhirns ifl fchon ein viel fchwererer Eingriff als eine gleich große Verletzung, die fich nur auf eine Hälfte befchränkt, und die Gegenüberftellung der Erfcheinungen, Avelche vorn refp. hinten an beiden Hemifphären verletzte Thiere darbieten, deutet an, daß die MalTe des Großhirns in allen ihren Abfchnitten nicht gleich- werthig ifl. So ift bei den Hunden mit ausgedehnter Verftümmelung des Hinterlappens die Intelligenz außerordenthch gefchwächt, fafl er- lofchen, und es flehen in diefer Beziehung folche Thiere tief unter den am Vorderlappen Operirten. Ebenfo bildet die Veränderung der Gemüthsart nach ausgedehnter Verflümmelung der hintern Hirn- hälfte den vollfländigen Gegenfatz zu der Aenderung des Charak- ters, welchen die vorn operirten Thiere erfahren; erflere fmd zu- traulich und harmlos, gehen langfam, ruhig und bedächtig umher und lind kaum dazu zu bringen, eine fchnellere Gangart einzu- fchlagen, letztere find leicht in Zorn zu verfetzen, von einer wunderbaren Aufgeregtheit und Lebhaftigkeit und zeigen die Nei-

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23] Phyüologie der nervöfen Apparate. 417

g:ung ftets iimheivAilaufen, Diefe, die vorn Operirten, neigen zur Rauf luft, jene erdulden Gewaltthätigkeiten, ohne Rache zu nehmen. Manche diefer Abweichungen (z. B. die befonders deuüich hervor- tretenden Störungen der Bewegung und Empfindung nach Ver- ftümmelung der Scheitellappen, die fchweren Sehftörungen und der höhere Grad von Blödfinnigkeit nach Verletzung der Hintcr- ftatt der Vorderlappen) werden zweifellos auf eine Mitverletzung der im Hirnftamme mitvcrlaufenden Nervenbahnen bezogen werden müITen, ^\ie jedoch die Veränderungen des Charakters nach \\^egnahme gewilfer Hirnlappen zu erklären find, wagt Goltz nicht zu entfcheiden, und gerade diefe Erfcheinungen dürften am meiften verlocken, die Centren für einzelne Fähigkeiten in der Hirnrinde als mehr oder Aveniger localifirt zu betrachten. Die allerdings nicht für alle Fälle als zutreffend erwiefenen An- gaben von Bouülaud und Broca, denen gemäß als das eigentliche Rindenfeld der Sprache der hintere Theil des Gyrus frontalis in- ferior sinister und die i?e«7'fche Infel der Hnken Seite anzufehen lind und ausgiebigere Verletzungen diefer Hirnpartieen zur Apliafie führen, die Erfahrungen von JacJcfon, welcher fand, daß gowiffe Formen von Lähmungen und Krämpfen, namentlich der Glied- maßen, befonders häufig nach Verletzungen des Scheitellappens in der Nähe der Bolando' ichen Furche vorkommen, fcheinen, wie ähn- liche klinifche Befunde mehr, der Flourens' khen Anficht von der Gleichwerthigkoit der Großhirnmaffe ebenfalls entgegen zu ftehon und werden der Lehre von der Localifation gewifi'er Centren in der Großhirnnnde gewiß noch viele Anhänger zu erhalten wiffon^'')- \''ertreter nahe verwandter Thierklafien zeichnen fiel) bisweilen nicht nur durch eine fehr ungleiche Refifi;enz gegen Gifte ^") aus, fondem derartigen Unterfchieden begegnete man auch vielfach bei den Bluttransfufionen (vgl. S. 47), ])ei den Stoffwechfelverfuclien*') und lernte auch bei (liefen den Verliältiiinen gel)ührende Rech- nung tragen, welche rein durch die Individualität bcdmgt find.

418 Grundzüge einer vergleichenden [24

Specififche und individuelle Eigenthümlichkeiten treten aber bei den Verrichtungen der Centralorgane ficlierlich noch weit mehr in die Erfcheinung als bei den Veränderungen, welche chemifch reine SubJftanzen bei ihrem Durchtritt durch den Organismus durchzu- machen haben. So äußern z. B. lang andauernde pfvchifche Er- regungen auf verfchiedene Menfchen oft eine ganz verfchiedenartige "Wirkung. «Wir fehen», bemerkt L. Landois^^), «daß Nervenein- flüfTe, welche längere Zeit deprimirend auf den Organismus ein- wu'ken, bei dem einen eine acute oder chronifche Krankheit, bei dem anderen vielleicht Alteration eines einzelnen Organs, beim dritten Ergrauen der Haare oder andere Zufälle erzeugen. Dasfelbe gilt von denjenigen abnormen NerveneinflüfTen, von denen der Körper unvorbereitet, plötzlich betroffen wnd. Der eine kommt mit dem bloßen Schreck davon, während der andere von der Kataleplie, von Krämpfen aller Art befallen wird und der dritte wieder plötzlich ergraut.» Vorzugsweife bei den Sprachftörungen iffc den individuellen Dispoütionen eine größere Bedeutung zuer- kannt^^), und fpecififche Unterfchiede fcheinen fich felbffc noch nach Exflirpation des ganzen Großhirns bei einander fo nahe- Itehenden Formen wie Taube und Huhn in der Ausführung der Bewegungen zu documentken^^). Trotz alledem geftaltet fich der Symptomencomplex nach Abtragung des gefammten Großhirns bei fämmtlichen Wirbelthieren im Wefentlichen ziemHch gleichförmig, und die Schilderung, welche Golt^ von dem Benehmen des Groß- hirns beraubter Tauben giebt, kann geradezu als Paradigma für alle Wirbelthiere dienen. «Die in diefer Weife operirten Thiere», fagt Golt^, «befitzen noch Sinnesempfindungen, Avilfen diefe aber nicht mehr zu ihrem Nutzen zu verwerthen ; fie find unfähig, durch Erfahrungen etwas zu lernen, haben kein Gedächtniß, und ebenfo vermiflen wir bei ihnen alle Aeußerungen, aus welchen wk auf Gemüthsbewegungen und Leidenfchaften fchließen könnten. Ferner beweift uns keine ihrer Bewegungen, daß fie noch das befitzen.

25] Phyüologie der nervöfen Apparate. 419

was wir bewußte Ueberlegung nenuen; lie bewegen ßch noch, aber fie handeln nicht und fcheincn nur noch lebendige Mafchinen ohne alle höheren Bewußtfeinsvorgäuge zu fein.»

Mit dem Ausfalle der Spontaneität fehen wir bei Ausfchaltung des gefammten Großlm-ns weder die vegetativen Functionen ge- fchädigt, noch regelmäßige und coordinirte Bewegungen unmöglich werden. Letztere kommen erft dann zum Ausfall, wenn beim Frofche die Lobi optici oder bei den höheren Wirbelthicren die Pons und das Kleinliii-n, welche wir als das Centrum für die zu- fammenhängenden Ortsbewegungen anzufehen haben, entfernt fmd. Erheblichere Bewegungsftörungen ftellen ficli auch nach Verletzung der Corpora striata ein ; diefe Theile dienen ebenfalls der Bewegung, doch brauchen nicht noth wendig alle Bewegungsreize, die vom Großhirn ausgehen, die Corpora striata zu paffiren. Ein Durch- kreuzungspunkt fämmtlicher motorifchen Nervenbahnen liegt da- gegen in den Linfeukernen, und was fchließüch noch die Fähigkeit des Sehens anbelangt, fo erlifcht diefelbe bei Fortnahme der Cor- pora quadrigemina refp. der C. bigemina volllländig, und wir fchließen daraus, daß diefe Theile jedenfalls Durchgaugspunktc für das Sehen find, wennfchon das Centrum für dasfelbe an einem andern Orte, wahrfcheinHch in der Medulla [Lussana] zu fuchen ift.

Wir können uns nicht verhehlen, daß l)ezügUch des Mittel- und Hinterhirnes noch viele Punkte fraglich find, und ein tieferes Eingehen auf diefelben würde fchon deshalb hier wenig erf[)rieß- lich fein. Neueren Unterfuchungen von Stmicr^^) zufolge ver- fcluvinden felljft die durch tiefere Verletzung des Kleinhirns ver- urfachten Unregelmäßigkeiten der Bewegung nacli einiger Zeit wieder vollftändig, und diefer Forfcher lieht deslialb aucli nicht das Kleinhirn, fondern das Mittelhirn als das Centrum für dii; coordinirten Bewegungen an.

Nacli Verletzungen des Kleinhirns, gewiller Abfchnitte des Mittelhirns, der Medulla oblongata, kurz nach Verletzungen aller

420 Grundzüge einer vergleichenden [26

Hirntheile, vorausgefetzt, daß diefelben einfeitig erfolgten, kommt es zu Zwangsbewegungen, welche als Reitbahn- (Manage-) und als Rollbewegungen unter fchieden lind. Erftere kommen beim Menfchen nur andeutungsweife vor, bei Thieren treten lie befonders nach Verletzungen des Großhirns und der Pedunculi cerebri auf. Die Rollbewegungen beliehen darin, daß das Thier auf die rechte Seite fällt und lieh dann um feine Längsaxe rotirend bewegt. Die Drehungen werden nach einiger Zeit gewöhnhch hnksfeitig, ftellen fich hauptfächlich nach Verletzung des Kleinhirns, aber auch nach Schädigung der Rons wie der MeduUa oblongata ein und kommen ebenfalls beim Menfchen vor. Ueber das Zuffcandekommen diefer Zwangsbewegungen iffc viel geftritten, und die Beobachtung ähn- Hcher Störungen nach beiderfeitiger Entfernung der horizontalen Bogengänge hat ihr Verftändniß wefentlich erfchwert. Letztere Erfcheinungen haben nun aber mit dem Hören an ßch nichts zu thun^^), fondern beruhen darauf, daß wir in den Bogengängen ein Organ beiitzen, welches uns von der Haltung unferes Kopfes Kunde . verfchafft und nach delTen Verletzung uns das Gleich- gewicht geftört erfcheint. Die nicht ablichthch, fondern wie aus Schiffs Verfuchen hervorgeht, nur mit Widerftreben von den Thieren ausgeführten Drehbewegungen, welche lieh nach einfeitiger Hirn- verletzung einftellen, haben vielleicht zum Theil (z. B, bei Ver- letzung des Thalamus opticus) ihren Grund in einfeitigen moto- rifchen Lähmungen (Schiff).

Die MeduUa oblongata reicht von der Decussatio pyramidum. bis zur Pons und begreift beim Frofche noch letztere in lieh. Sie fpielt fowohl als Leitungs- wie als Centralorgan eine hervorragende Rolle. Die vorderen Stränge der MeduUa dienen der Motalität, während die Durchfchneidung eines Seitenftranges eine Ueber- empfindlichkeit und eine Beeinträchtigung der Athmung an der entfprech enden Seite nach lieh zieht. Aus diefen Verfuchen fchloß fchon Bell, daß die Seitenftränge hauptfächlich der Athmung vor-

27] Phyfiologie der nervöfen Apparate. 421

flehen, daß die rechts verlaufenden Fafern für die rechte Seite der Athmung beftimmt feien, die Hnks verlaufenden dagegen die Athmung an der linken Körperfeite vermittelten. Doch fo einfach, wie Bdl glaubte, hegen die Dinge hier nicht; denn gerathen die Thiere wirklich in Lebensgefahr, fo athmen fie noch bei feitwärts eingefchnittener Medulla mit beiden Seiten, und voUftändig abgc- fchnitten können fomit die beider feitigen Bahnen in der Medulla nicht fein, fondern an der durchfchnittenen Hälfte und nur gewilTe Hinderniffe zu überwinden. Die vielfachen queren Commilfuren in der Medulla bedingen wahrfcheinhch ein fymmetrifches Zufam- menwirken der Organe, welches bei einigen Muskeln (z. B. den Orbiculares palpebrarum) fehr augenfälhg und, wie \\\y fahen, auch nach einfeitiger Verletzung irgend eines vorderen Hirnabfchnittes nur graduell herabgefetzt ift.

Die Medulla oblongata enthält die ßeflexcentren für den Schluck- und Brechact, für das Schreien und Saugen, für die Kaubewegungen, für den Schluß der Augenlider, für das Hüllen und Niefen etc. ; daneben finden fich ein rhythmifch automatifches (Athmungscentrum) und zwei continuirlich rhythmifche Centren, das eine für die Gefäße, das andere für das Herz. Alle diefe Centren können aber zugleich refiectorifch in Thätigkeit verfetzt werden und die Athembewegungen, wie bekannt, auch willkürlich befchleunigt und verlangfamt werden. Als der Sitz des Gefäß- centrums wü'd gewöhnhch eine umfchriebene, nicht nälier ange- gebene Stelle am Boden der Rautengrube bezeichnet; daß iiidcß die Functionen nicht fo fchematifch in den Centralorganen cinzu- fchränken find, leliren fchon die Erfaln^ungen über das Athmungs- centrum. Als folches betraclitete Floiirms eine punktförmige Stelle (nceud vital) in der Spitze des Calamus scriptorius; bei Flonrms Verfuchen erftickten die Thiere jedoch nur deshalb, weil durch den Stich die; gefammte Umgebung mitcrl'chüttert wiu'de. Leitete man nach der Operation kün[tliclie Ucfi'inition ein. fo begann das

422 ürundzüge einer vergleichenden [28

Thier nach einiger Zeit wieder zu athmen (Schiff, Broivn-Secquard), und Verfuche diefer Art haben weiterhin gelehrt, daß das Ath- mungscentrum weit m die Medulla hinab, bis in das Rückenmark hineinreicht (Bolcitanslcy).

Sämmthche über die Verriclitungen der Medulla oblongata von uns mitgetheilten experimentellen Ergebniffe fanden in Beob- achtungen an verftümmelten Neugeborenen ihre Beftätigung, wäh- rend Erfahrungen an Mißbildungen mit rudimentärem Kleinhirn allerdings am heften mit den Steiner' (chen Anflehten vereinbar fmd. Es liegt uns jetzt allein noch ob, einiger entwicklungsgefchichtlichen Zuftände zu gedenken, welche für eine richtige Deutung der Aus- fchaltungs- und Durchfchneidungsverfuche am Gehirn ebenfalls mit Vortheil zu verwenden find.

«Während die Hühner- und Laufvögel, ferner die meiflen Wad- und Schwimmvögel bereits bei ihrem Ausfchlüpfen ein voll- ftändiges Flaum- und Dunenkleid tragen und in der körperlichen Ausbildung fo weit vorgefchritten find, daß fie als Neftflüchter alsbald der Mutter auf da,s Land oder in das Waffer folgen und hier unter gefchickter Bewegung felbftändig Nahrung aufnehmen, verlaffen die guten Flieger und überhaupt diejenigen Vögel, welche vorzugsweife auf Bewegung und Aufenthalt in der Luft angewiefen find, wie die Gang- und Klettervögel, Tauben und Raubvögel, fehr frühzeitig ihre Eihüllen; nackt oder nur ftellenweife mit Flaum bedeckt, unfähig lieh frei zu bewegen und zu ernähren, bleiben ße als Nefthocker, gefüttert und gepflegt von den elterhchen Thieren, noch geraume Zeit im Neft, bis fie fafl ausgewachfen durch die Entwicklung der Schwingen zur Flugbewegung befähigt erfcheinen ^^). » Diefe auffallenden Unterfchiede beruhen nun vor- zugsweife darauf, daß bei den Neflhockern der Entwicklungszuftand der Coordinationscentren weit hinter dem der Neftflüchter zurück- geblieben ift, daß befonders das Mittel- und Hinterhmi bei jenen noch wenig ausgebildet fmd. Bei den neugeborenen Säugethieren

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'" Phyfiologie der nervöfen Apparate. 423

Itehen die Hirntheile auf einer noch primitiveren Stufe. Für (liefe ift durch den experimentellen Nachweis der Abwefenheit fammtlicher pfychomotorifchen Rindencentren fowie durch Ab- tragung der Großhirnhemifphären , wonach an den Bewegungs- äußerungen keinerlei Aenderung zu beobachten war, von Solt- mann^% wie ich glaube, dargethan, daß fämmtliche Actionen als unwillkürliche (refiectorifche , automatifche, inftinctive) aufgefaßt werden mülTen und fomit im Mangel des Willens, als des mäch- tigften reflexhemmenden Momentes, auch die erfte Urfache für die «erhöhte Reflexdispofition» der Neugeborenen anzunehmen ift.

Das Rückenmark, von den Alten als «crassissimus nervorum» betrachtet, verknüpft wie das Gehirn centripetal- mit centrifugal- leitenden Nervenbahnen und ftellt fomit ein felbftändiges Central- organ -wie diefes dar. Gleich dem Gehirn fetzt es ßch aus mark- haltigen Nervenfaferfträngen (weiße Subftanz) und zellenreicheren Theilen (graue Subftanz) zufammen und trägt in feiner hiftiologi- fchen Ghederung in ausgefprochenem Grade die beiden Kate- gorieen feiner Verrichtungen zur Schau : das Vermögen , nervöfe Erregungen zu leiten, und die Eigenfchaft, als automatifches und reflectorifches Centralorgan zu wii'ken. Die bei künftüchen Rei- zungen centralnervöfer Abfchnitte allein zuläffigen mechanifchen Reize haben bezüglich der directen Erregbarkeit der einzelnen Rückenmarkstheile das nämliche Ergebniß zur Folge gehabt als beim Großhirn: die graue Subftanz ift unerregbar, die weiße hin- gegen erregbar, wenn auch weniger ftark als die Nervenfafern.

Was Verlauf und Sonderung der motorifchen und fenfibelen Leitungsbahnen im Rückenmarke betrifft, fo curfiren darül)er die widerfprechendften Angaben; berückfichtigen wir die beweiskräf- tigen Verfuclisrefultate, fo ergiebt licli etwa Folgendes: Zwei, in verfcliicdener Ilölie des Rückenmarks ausgefüln-t(^ contralatcralo Durfchfchneidungen, bei welclien der Querfcbnitt ])eiderfeits ein wenig über die Sagittalebene hinausgeführt wurde, heben Em-

424 Grundzüge einer vergleichenden [30

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pfindung wie Bewegung an keiner der beiden Körperfeiten voll- kommen auf. Wir fcliließen hieraus, daß die fenlibele wie die motorifche Leitung in der ganzen Quere des Rückenmarkes ftatt hat, daß fich einzelne Leitungsbahnen von rechts nach hnks und von links nach rechts hinüberziehen. Für die Leitungsfähigkeit der centralen Zone des Rückenmarkes ift diefer Verfuch jedenfahs viel beweiskräftiger als die Fortnahme der Seitenftränge [Ludtvig's Verfuch), nach welcher (wegen der zahbeichen Nebenumltände) eine völlige Lähmung und Empfindungslofigkeit eintritt, und welche alfo genau das entgegengefetzte Refultat als der erftere Verfuch zur Folge hat, Bei gleichzeitiger Ausrottung der grauen Subftanz, der Vorder- und der Hinterftränge bleibt Empfindung wie Bewegung erhalten und daraus folgt, daß die M'eißen Seitenftränge motorifch wie fenfibel find. Bei ausfchließlicher Erhaltung der Vorderftränge zeigen üch die Bewegungen fehr beeinträchtigt, das Empfindungs- vermögen aber unverfehrt, während wenn die Hinterftränge allein erhalten geblieben fmd, Bewegung wie Empfindung vernichtet ift. Diefe Befunde berechtigen zu der Annahme, daß in den vorderen weißen Strängen motorifche wie fenfibele Bahnen verlaufen. In den Hinterflrängen fcheinen dagegen längere Leitungswege zu fehlen, und die heutige Anficht geht dahin, daß hier die Fafern zwei Punkte der grauen Subftanz in geringer Höhe mit einander ver- knüpfen ; vielleicht haben fich aber einige längere fenfibele Bahnen doch noch in den Hinterfträngen erhalten (Schiff).

Von den beiden Arten der automatifchen Centren find im Rückenmarke der Säugethiere nur die continuirlich wirkenden nachgewiefen ; als folche werden die Centren für den Tonus der Gefäße und für den Tonus der glatten wie quergeftreiften Muskeln angefehen^^). Für die Lymphherzen der Amphibien und Rep- tihen, für das Caudalherz des Aales giebt es im Rückenmarke auch rhythmifch automatifche . Centren, von denen fich das für die vorderen Lymphherzen beftimmte beim Frofche in der Höhe des

31] Phyfiologie der nervöfen Apparate. 425

zweiten Bruftwirbels, das für die hinteren in der Höhe des neunten Bruftwirbels befindet. Größer ift die Zahl der in's Rückenmark verlegten Reflexcentren, von welchen wii' nur die Centren für die Harn- und Gefchlechtswerkzeuge , für den hintern Abfchnitt des Darmtractus namhaft gemacht haben möchten. Die von diefen Organen ausgeübten Functionen verlaufen ebenfo wie der Geburts- act unabhängig von dem Gehirn und der Medulla oblongata, und vielleicht werden auch die meiften Drüfen (Nieren, Pankreas, Schweißdrüfen etc.) nur vom Rückenmarke aus inuervht.

Der Ausbreitung der Reflexe im Rückenmark erwach fen aus dem ausgedehnten Zellenverbande , in welchen die Reflexcentren hineingezogen find, gewöhnhch nicht unerhebliche Widerftände, welche nicht nur durch die den Reflexcentren vom Gehirne aus zugehenden willkürlichen Erregungen, fondern auch durch fenfibele periphere EinflüITe herabgefetzt oder gehemmt werden können. Sowohl durch beflimmte Gifte (Strychnin, Coffein) wie auch durch Erregungen, welche von fog. dynamogenen Elementen des Cerel^ro- fpinalfyftems den Reflexcentren zufließen, werden diefe Hindernilfe anderfeits al^er wieder fehr beeinträchtigt, die Reflexenergic dadurch vielleicht fogar direct gefleigert ; nach einem finnreichen Vergleiche von 67. Bernard unterliegt durch das Zufammenwirken diefer fo ganz entgegengefetzt wirkenden Factoren der Erregungszuftand eines jeden Reflexcentrums im Rückenmarke den gleichen weiten Inten- ßtätsfclnvankungen als ein Lichtcffect, welcher fich aus Lichtfi^rahlen verfchiedener Schwinguugsphafen zufammenfetzt. Unter den Säuge- tliieren ift die Reflexthätigkeit bei Jungen in der Regel größer als l)ei Erwachfenen; bei Vögeln ift aber gewöhnlich das Umgekelirte der Fall und beim Meerfchweinclicn läßt licli eine Differenz in diefem Sinne kaum nocli conftatiren. Nadi Jfrown-Srcf/imrd grui»- piren fich die einzelnen Wirbelthierklafien hinlichtHch ihrer Reflex encTgie folgen<lennaßen : 1. Vögel, 2. Ampliibien und Reptilien, ;-i. Säuger und 4. Fifche, von welchen a)>er niehnro Species {/.. B.

426 Grundzüge einer vergleichenden ' [32

Aal, Schleihe, Karpfen) auszunehmen find, da diefe ein geringeres Reflexvermögen als die Säuger befitzen (Fachet).

Für die Beziehungen der Rückenmarksreflexe zwifchen Reizung und darauf folgender Bewegung gelten im Allgemeinen die von Pflüger aufgeftellten Regeln, denen gemäß ein fenfibeler Reiz je nach feiner Stärke nur eine Bewegung dm^ch den zugehörigen motorifchen Nerven derfelben Seite auslöfl; (einfeitiger Reflex) oder gleichzeitig auch den motorifchen Nerven der andern Seite in Mit- leidenfchaft verfetzt (doppelfeitiger Reflex). Werden die angewandten Reize noch mehr verftärkt, fo bleibt es nicht bei einer transverfalen Irradiation, fondern die fenfibelen Reize pflanzen fich alsdann auch nach oben wie nach unten hin fort (longitudinale Irradiation) und wirken alsdann auf die motorifchen Nerven nach beiden Richtungen hin gleich gut ein (Cmjrade). Diefe Gefetzmäßigkeit erfcheint nur in folchen Fällen geftört, wo durch oft geübten "Willenseinfluß die normalen Widerflände in gewilfen Richtungen abgefchwächt und fo zu entfernteren Bezirken des Rückenmarkes gleichfam gangbarere Wege eröffnet find. Zu diefen Ausnahmefällen zählen z. B. die von LucliRnger an Tritonen, Eidechfen, Schildkröten etc. beobachteten fog. gekreuzten Reflexe , welche fich unter anderen darin offenbaren, daß auf Reizung eines Vorderbeines Bewegungen des diagonalen Hinterbeines erfolgen.

Ein von Magendie entdecktes und nur mit großem Unrechte ^^) nach Bell benanntes Gefetz befagt, daß die vorderen Wurzeln der Rückenmarksnerven motorifch und die hinteren fenfitiv find. Die Richtigkeit diefes Lehrfatzes tritt bei Fifchen, Batrachiern und Vögeln rein hervor, ymd bei den Säugethieren indeß durch die Sensibilite recurrente maskirt, welche darin ihre Erklärung findet, daß an der Vereinigungsfl^elle der hinteren und vorderen Rücken- marksnerven Fafern, welche erfteren entftammen, umbiegen und in der motorifchen Wurzel wieder rückwärts laufen (Gl. Bernard). Beide Wurzeln, mit denen alle Rückenmarksnerven entfpringen,

33] Phyßologie der nervöfen Apparate. 427

vereinigen fich, nachdem die hintere Wurzel zu dem Ganghon intervertebrale angefchwollen, alsbald zu einem gemein fchafthchen Nervenilamme, in welchem motorifche, fenübele und auch wohl hemmende trophifche und Tecretorifche Nervenfafern innig gemifcht vorhanden und. So es wenigftens bei den Säugethieren, den Vögeln, den Reptihen und Amphibien; bei Selachiern (Squalus, Torpedo, Raja) findet dagegen nach Armand Mormu^'') eine innige Vermifchung fenfibeler und motorifcher Fäden jenfeits des Spinalganghons nicht ftatt, fondern die beiden Nervengattungen find im Stamme nur an einander gelagert und laflen fich noch bis zu ihren Endigungen getrennt verfolgen.

Ilt es mir gelungen, aus dem reichen Beobachtungsmateriale, welches über die cerebrofpinalen Functionen der AVirbelthiere an- gehäuft wurde, das füi* uns Wefentliche auszuwählen und kritifch zu fichten, dann wird es keine gi'ößere Schwierigkeiten mehr haben, die Verfuchsergebnilfe an Wirbellofen mit jenen zu vergleichen und die Differenzpuncte, welche zwifchen beiden beftehen, fcharf herv-'ortreten zu lalTen. Daß fich in der Reihe der WirbeUofen das Bild weit bunter gefialtet als bei den Wirbelthieren , zeigt fchon em flüchtiger Blick auf die fo ungleichen Beziehungen, welche Vertreter verfchiedener ThierklalTen zwifchen den lebenswichtigften Organen und dem Centralnervenfyfteme (als Ganzem oder feinen Theilen) uns darbieten.

Aus den oben erörterten Verhältnilfen bei den Wirbelthieren Tr.mspinn- ergiebt fich für diefe ohne Weiteres eine große Abhänfrifrkeit dtT "'"^ ^^'^k«^-

o ir> ft neration.

vitalen Vorgänge von den Nervencentren , eine Al^hängigkcit, die zwar vielfach von dem höchft complicirten Baue der athmenden Ajjparate bedingt ül, aber in der ganzen Einrichtung des Organismus doch fo tief Wurzel gefaßt hat, daß auch die Integrität der kl('infi;cn und fehr unbedeutend erfcheinenden Körjx'rtlieilo an einen Zu- fammenhang mit functionell wie m(jrpliol(jgifcli inadä(juaten Ge- bilden unbedingt gebunden ift. Hierzu kommt nocli, daß bei den

Krukenberg, Vergl.-phyflol. Vortrüge. :w

428 Grundzüge einer vergleichenden [34

höher organilirten Formen die Bildungsfähigkeit der Organe bald erlifcht, und daß nach eingetretenem Organverluft fomit an eine Neugeflaltung nicht zu denken ift. Ausgenommen die Ganglien und Sinneszellen wohnt indeß den Geweben auch bei den Säuge- thieren noch ein ausgiebiges Regenerationsvermögen inne, welches dem der Wirbellofen in kaum einer Richtung nachfteht, da das- felbe auch bei diefen von dem Gefetze der Conflanz und Unver- änderlichkeit der einmal differenzü'ten Gewebe regiert wird. Betrachten wir nun, welche Verfchiedenheiten lieh in den beiden angegebenen Punkten: 1. in der Abhängigkeit der lebenswichtigen Functionen von den Centralorganen des Nervenfyllems und 2. in einer bleibenden Regenerationsfähigkeit der Organe zwifchen Ver- tretern der einzelnen Thierklallen ergeben haben.

Enge Wechfelbeziehungen zwifchen den allimihrenden Organen und den ernährenden Säften beeinflullen die Ernährungs- und Wachsthumsvorgänge felbft im Pflanzenreiche derart, daß eine gelungene Copulation oder ein erfolgreiches Pfropfen und Ocu- liren^^)- nur dann zu Stande kommt, wenn Wildling und Knofpe von Pflanzen verwandter Arten flammen. Es find immerhin fchon Seltenheiten, wenn es gelingt, einen Apfelfproß mit einem Birnen- reis zur organifchen Verfchmelzung oder Himbeeren auf wilden Rofen zur Reife zu bringen. Gewiß mit Recht halten fich die _ Botaniker auf Grund vielfältiger Erfahrungen für berechtigt, die Verwandtfchaft der den Oleaceen zugetheilten Species, trotz ihrer mannigfachen habituellen Unterfchiede, dadurch als bewiefen zu erachten, daß alle Arten diefer Familie auf einander zu pfropfen find. Pfropfverfuche, ausgeführt an verwandten Arten oder Varie- täten mit verfchieden gefärbten Blüthen oder Blättern (z. B. von Cytisus purpureus mit C. Laburnum, von weißen Moosrofen mit rothen Centifolien, von Abutilon Thomsoni mit feiner bunt- blättrigen Varietät, von verfchiedenen Kartoffelforten) haben dann weiterhin fowohl den Einfluß des Pfropfreifes auf die Unterlage

35] Phyfiologie der nervöfen Apparate. 429

als auch die . Beemfluffung des Edelreifes durch die ernährenden Säfte des Wildhngs dargethan.

Ganz ähnlichen Verhältnillen begegnen wir in der Thicrwelt! Wohl Nichts hat die eminente Empfindlichkeit der lebenden Organ- elemente des Thierleibes für eine Veränderung ihrer normalen Säftezufuhr fchlagender illuftrirt als die Transfufionsverfuche (vgl. S. 47), bei welchen fich herausftellte, daß bei Säugethieren die durch das Blut einer andern Species er fetzte Blutmenge gar keine bedeutende zu fein braucht, damit der Tod erfolgt ^^), und bei WafTerthieren, bei welchen die Structur der äußeren Hüllen den inneren Organen und Gewebsfäften noch keine genügende Beftän- digkeit dem äußeren Medium gegenüber gewährt, wirken Schwan- kungen in der chemifchen Zufammenfetzung des umfpülenden WafTers nicht w^eniger ftörend auf die Lebensverrichtungen ein als bei den warmblütigen Wirbelthieren die Veränderungen des Innern Mediums, des Blutes. Doch darf nicht überfehen werden, daß es dem Organismus gewöhnlich leicht gelingt, fich derartigen, l^ei einem plötzlichen Eintreten lebensgefährhch werdenden Schwan- kungen der Lebensbedingungen langfam anzupaflcn, und das Yoy- kommen vieler in ihrer Form äußcrft conftant Ijleibender Mcdufen- formen, z. B. Aurelia aurita, in salzarmen und salzreichen Meeren, die AnpalFung echter Parafiten an die Ernährungsfäfte ihrer Wirthe veranfchaulichen die Macht der allmäliligen Gewöhnung niclit weniger gut als die künftlichen Züchtungsverfuche in salzrciclicin und salzaiTDcm Waffer, welche z. B. Bmdant an Mollusken, Czaniy an Amöl>en, F. riufmu und Schmanknvitfrh (vgl. S. 10) an Arthroproden ausgeführt haben ^°). Bleiben die Erna) irungsverhält- niffe ungeändert, dann vermögen al)er felbft bei den Säugethieren einige aus ilirem natürlichen Organ verbände abgetrennte KörjxT- Iheilo weiter zu leben, ja zu prolifcrircn, und alle Tliatfafhcn diefer Art, welclio uns Auffchluß darülK;r ertheilen, in welclicr Weife ficli die Grenze diefer Productionsfäliigkeit l>ci vcrfchiodenen

430 Grundzüge einer vergleichenden [36

Thieren verfchiebt, beützen für uns natürlich die größefle Be- deutung; lehren diefelben doch, wie eng oder wie locker der Zu- fammenhang zwifchen den einzelnen Organen und dem Central- nervenfyfteme gefügt iffc. Die feit J. L. Beverdin's Erfolgen oft- mals geübten Transplantationen^^) ftellen zweifellos die einfachlte und zuverläfliglte Verfuchsanordnung dar, wenn es gilt, die ein- zelnen Organe und Gewebe des Thierkörpers auf ilire nutritive und functionelle Abhängigkeit vom Nervenfylteme zu prüfen. Diefe haben für die Wirbelthiere in der That auch gelehrt, daß bei Erhaltung der Zufuhr normaler Ernährungsfäfte nicht nur Perioft, Haut- und Schleimhautepithelftückchen eine Lostrennung und Verpflanzung an andere Plätze ohne Schädigung ihrer vitalen Eigenfchaften erleiden können, fondern daß auch größere abge- hauene Körperltücke (z. B. die Schwänze bei Katten, abgehauene Stücke von Ohr, Nafe und Fingern bei Menfchen) wieder zur regelrechten Verheilung zu bringen lind. Die Zahl diefer Verfuche ilt aber eine noch fehr befchränkte; es lind diefelben meines Wiflens- auf .niedere Thiere niemals ausgedehnt, und deßhalb ift mit den Refultaten gegenwärtig nur wenig zu machen.

Glücklicherweife erhalten die Transplantationen eine wefent- Hche Ergänzung durch Verfuche, welche die Erforfchung der Regenerations Vorgänge an verflümmelten Körpertheilen ^^) zum Ausgang nahmen und an Vertretern ziemlich aller Thierklaffen ausgeführt lind. Unfer Interefle ilt dabei weniger auf diejenigen anaplerotifchen Procefle gerichtet, bei welchen es lieh bei Erhaltung aller mchtigeren Nervencentren zu einer mehr oder minder voll- ffcändigen Wiedererfetzung verloren gegangener Extremitäten (Avie bei Fifchen, Amphibien und Krebfen), abgefchnittener Antennen (wie bei Infecten) oder Schwänze (wie bei den Eidechfen) handelt, fondern Avir faflen vor allen diejenigen Regenerationen in's Auge, welche noch nach tiefgreifender Verletzung centralnervöfer Organe von Statten gehen und felbft zu einer Regeneration diefer führen

37] PhyQologie der nervöfen Apparate. 431

können. Da fcheint nun dui*ch neuere Unterfuchungen von Carrüre u. A. für die Pulmonaten ficher er^nefen zu fein, daß diefe Thiere nach Verletzung ihres Schlundringes ausnahmslos zu Grunde gehen und eme Regeneration abgefchnittener Tentakeln (mit ihren Augen), Lippen und auch größerer Theile des Kopfes nur bei Erhaltung des Schlundringes möglich ift. Eine gründhche AusbelTerung des A^'erlurtcs nach tiefgreifender Schädigung der Nervencentren glückt erfl folchen Formen, deren Körper in der Anordnung der Nervencentren eine gleichmäßige Segmentirung auf- weift; fo z. B. mehreren Annehden (Lumbricus, Nais u. dgl. m.), welche Bonnet zu feinen Verfuchen benutzte. Bonnet fand, daß wenn er einen diefer Würmer halbirte, jede Hälfte weiter lebte und fleh zum ganzen Thiere ergänzte ; am Vorderftücke bildete ficli ein neues Hinterende, an dem Hinterende entwickelte lieh ein neuer Kopf. Ganz analoge Refultate erzielte Bonnet, wenn er emen diefer Würmer ftatt in zwei in vier, ja wenn er eine Nais in 1?4 Stücke zerlegte ; faft alle Fragmente lebten fort, ergänzten fich und ein jedes ghch fchließhch einem vollftändigen Thiere. Diefe Verfuche lind fpäter mehrfach wiederholt, zum Theil mit wdder- fprechendem Erfolge. So fand u. A. J. iVUdiJcem, daß fich bei Flußwalferformen der Gattung Tubifcx zwar der vordere Körper- abfchnitt durch Neubildung eines Schwanzftückes completirt, daß aber dem Hinterende die Fähigkeit, einen Kopf anzubilden, felilt ; ähnhche Verhältniffe walten bekanntlich auch bei den Ceftoden ol). Sowohl die vielfach bcftätigten Verfuclie Bomicfs an Lumbricus, wie aucli die an Borftenwürmern, namentlich Oligochäten (Myria- nida, Nais, Chaetogaster), chigehend ftudirten SproIIungs Vor- gänge lallen indeß fchließen, daß wcnigftens bei mehreren Anneliden- fpecies auch der Schlundring von Nervenknoten der hintcrliegenden Ganglienkettc aus wiedercrfetzt werden kann, und daß fomit l)ei diefen Wünnern die gleiclien Verhältniile lealilirt lind, wolclie für Turbellarieu, Aftcriden, Zooiihyten und Protozoen als Regel gelten.

432 i Grundzüge einer Vergleichenden ' [3S

Theilungsverfuche an Planarien wurden von Pallas, DraiM^-^ naud, Moquin-Tandon und von Buges angeltellt. Letzterer fall, wenn er bei mehreren Planarien den Körper, fei es in der Quer-, fei es in der Längsrichtung theilte, jedes Fragment lieh derart entwickeln, daß bald ein vollkommenes Individuum neu entftanden war. An Afteriden beobachteten bereits 1741 Bernard de JuIReu und Guettard, daß ein einziger abgelöfter Arm im Stande ift, die ganze Mittelfcheibe nebffc den vier übrigen Armen zu reproduciren ; Bu- jardin und Hupe beftätigten die Angaben, und Haeclcel erkannte in diefer Thatfache einen fchwer wiegenden Beweisgrund für die Auffalfung der Echinodermen als echte Stöcke gegliederter Würmer. Gleich vielen Anneliden zerftückeln lieh auch die Synapten, wenn üe unter UDgünftige Lebensbedingungen verfetzt werden; doch ift es ebenfo unwahrfcheinlich, daß fleh folche Fragmente zu voll- fländigen Thieren wieder ergänzen, als die Verficherung von Balyell, daß Holothurien ihre ausgeworfene Eingeweidemalle neu zu bilden vermögen.

Ausgedehntere Verfuchsreihen über die Theilbarkeit der Me« dufen flellten in neuerer Zeit HaecJcel und Eimer an. Bei mehreren Arten aus der Familie der Thaumantiaden konnte Haeckel den Medufenfchirm in mehr als hundert Stücke zertheilen und aus jedem Stück, fobald es nm' einen Theil des Schirmrandes enthielt, erwuchs in 2 4 Tagen eine vollftändige kleine. Medufe. Noch überrafchender war das Refultat, welches Haeckel bei anderen Hydromedufen erhielt. Hier konnte er den kugehgen, nicht diffe- renzirten Zellenhaufen (oder die wimpernde, kugelige Larve), welche aus der Eifurchung hervorgegangen war, in mehrere Stücke zer- fchneiden und aus jedem Stück entwickelte fleh eine felbftändige Larve. Eimer, der vorwiegend an Aurelia aurita experimentirte, gelangte dagegen zu der Anficht, daß «kein Medufenkrüppel, der fämmtlicher Contractionscentren beraubt ift, dauernd zu leben vermag, und daß eine Erholung der diefer Centren entbehrenden

39] Phyfiologie der nervöfen Apparate. 433

Thiere nur eine vorübergehcude Erfcheinung fein kann». Ueber- dies ül aber zui- Genüge bekannt, daß die Strobilaformen gewilTer Acalephen ßch fpontan in eine große Menge discoider Stücke fpalten, von denen jedes zu einer neuen Medufe auswächft, und auch bei Actinia lacerata fah Balycll kleine Fußffcücke fich zum ganzen Thiere ergänzen. Bei dem SüßwalTerpolypen Hydra ( Tremhley), bei Spongien (Laurent), bei mehreren Protozoen (z. B. bei Vorticelleu [Tremhleij], Difflugia enchoelis [A. Schneider], Urnula epistylidis [Claparede und Lachmann]) kennt man die Reproduetionsfähigkeit folcher minutiöfer Theilftücke Ichon feit einer geraumen Anzahl von Jahren.

Mit den ErgebnilTen der Transplantations- und Regenerations- verfuche, mit den Beobachtungen über die natürlichen Theilungs- vorgänge und Knofpenbildungen ill eine große Fülle anderweitiger Thatfachen in Einklang zu bringen, von welchen die wichtigeren jetzt befprochen werden foUen. Wir gehen dabei zweckmäßig von einer Eintiieilung der Nerven verhältnilTe aus, welche wir zugleich als ein Refultat unferer bisherigen Betrachtungen anfehen dürfen, und welche fowohl diefe wie auch die folgenden Auseinander- fetzungen überfichtlich zu gruppiren geftattet. Wü' unterfcheiden :

1. Die farkoplallifchen Formen, bei denen es weder zu einer Ausljüdung echter Muskelfubftanz , noch zu der Entwick- lung fel])fländiger nervöfer Leitungsbahnen und gut um- fchriebener nervöfer Centren im phyüologifchen Sinne gekommen ift.

2. Die Thiere mit differenzirtem Nerven- wie Muskelfyfteme, }>ei welchen die centralncrvöfen Organe noch dilleminirt, einander ziemlich gleichwerthig lind, und bei denen die Functionen eines Centralorganes deshalb aucli durch ein anderes melir oder weniger vollltändig übernonnnen werden können.

i>. Die Tliiere, bei denen alle wiclitigeren centralncrvöfen

434 Grunuröge einer vergleichenaen [4U

Verrichtimgen gebunden find an ftreng localifirte Ganglien- anhäufungen, deren Veiiuft unabänderlich den Tod des Thieres nach fich zieht. 4. Die Thiere mit entwickeltem Cerebrofpinalfyffceme. Unterfuchen wir, welche weiteren Momente für die Berech- tigung diefes Eintheilungsprincipes fprechen ! Die sarko- Bei allen der erften Gruppe, den Sarkoplalten, anheimfallenden

plaften.

Lebewefen verbindet lieh mit einer unbegrenzten Theilbarkeit und Reproductionsfähigkeit der Theilflücke nicht nur eine ausge- fprochene Monotonie im hiftiologifchen Baue, fondern auch eine auffallende Gleichartigkeit des Vergiftungsbüdes, wenn die lebenden Theile mit irgendeinem deletär mrkenden Stoffe in innigeren Connex gerathen. Von Subftanzen diefer Art, den fog. Protoplasmagiften, kennen wir bereits (vergl. S. 325) das Chinin, und diefem reihen ßch weiterhin die Anäfthetika, das Nicotin, das Veratrin und die Kalifalze an. Während alle fonftigen Stoffe, die nicht fogleich EiAveißgerinnung verurfachen, auf Protozoen wie Spongien ziemhch wirkungslos befunden T^nirden und, was für uns ja das Wichtigere ift, an diefen keine prononcirte ^^ergiftungsfymptome hervorrufen, tritt dm^ch jedes der genannten Protoplasmagifte bald eine Lähmung ein, der ein Opakwerden und ein Zerfall der farkoplaftifchen Maffe nachfolgt.

Claude JBernard verfiel in einen fchweren Irrthum, als er einfl behauptete*^), die Anäfthetika feien für die Fhmmerzellen deshalb nicht als Gifte zu bezeichnen, weil keine fchädliche Nachwn-kung hiaterbleibe, wenn die Zellen üch ihrer wieder entledigt hätten; fo verhalten üch jedoch alle Gewebe allen Giften gegenüber. Kein Gift (weder das Strychnin und Curare, noch die Anäfthetika) läßt beim Menfchen, bei Arthropoden oder Medufen eine Nach-\Adrkung beftehen, wenn es aus dem Organismus vollkommen wieder ent- fernt ift, und fpeciell den farkoplasmatifchen Giften gegenüber befteht kein qualitativer Unterfchied zTsafchen den einfachften

41J Phyfiologie der nervöfen Apparate. 435

Lebewefen und den höchft entwickelten ; es wirken diefe Stoffe jedenfalls auf Proceffe Itörend ein, mit deren unbehindertem Ver- lauf im Tliierreiche überall das Leben eng verknüpft ift.

Auf Grund unferer Vergiftungsverfuche *■*) zählen wir den Sarkoplalten auch die Turbellarien zu. Wir lind uns dabei aber wohl bewußt, daß ßch bei diefen eine Sonderung centralnervöfer Organe phvüologifch \'ielleicht nur deshalb fo unvollkommen manifeflirt, weil lieh ihre Leibesfubftanz zum größten Theil aus protoplasmatifchem Materiale aufbaut, in welches felbft die kern- haltig angelegten JNIuskelfafern beim ausgebildeten Thiere wieder zurückgefclilagen lind'^^).

Weit weniger Icharf begrenzt als die Sarkoplaften fmd unfere nie acerc-

Ijiofpinaleu

zweite und dritte Gruppe. Als Repräfentant der zweiten Gruppe J[|™^. müllen wir diejenigen Oligochäten anfehen, bei welchen (wie z. B. ^^xel-veu"^ bei Lumbricus) eine Regeneration des Kopfftückes am Hinter- Kewcbu. * ende beobachtet wurde oder bei welchen die SprolFungsvorgänge auf eine Gleichwerthigkeit der Ganglienknoten im Nervenftrang hin weifen, während für die dritte Gruppe die Pulmonaten das Paradigma abgeben würden. Es liegt jedoch auf der Hand, daß die zweite mit der dritten Gruppe verfchmelzen würde, wenn die Thiere, bei welchen fich functionell gleichwerthige Ganglien- anliäufungen in regelmäßigen Abftänden von einander differenzirt haben, als Thierftöcke aufgefoßt werden und die Zahl der einzelnen GangUenknoten auch als maßgebend für die Individuenzalil ange- fehen wird. In dicfer Weife lind die Verhältnille bei den Echino- derraen und Modufen thatlaclüich gedeutet worden, indeß liegt z. B. bei den Anneliden kein triftiger Grund für eine folche Auf- falfung vor, und zugleich fprechen auch viele morphologifche That- fachen dafür, dem Zuftande eines confolidirteren Centralnerven- fyftcms ein in foiiiei- Anlage melir dillüfes als Vorltufe gcgen- ülierzuft^'llen. Müden wir demnach an einer Trennung der zweiten von der dritten Gruppe auch unbedingt feftlialten, fo empfiehlt es

436 Grundzüge einer vergleichenden [42

lieh andrerfeits aber ebenfofehr bei einer fpeciellen Auseinander- fetzung von diefer Unterfcheidung Abftand zu nehmen; denn Uebergänge find, wie gefagt, hier zahheich vorhanden und nach Abtrennung der Sarkoplaften kommen die fämmtiichen Wirbellofen mit alleiniger Ausnahme der Cephalopoden unter eine diefer beiden Gruppen zu flehen. Es fcheint mir deßhalb rathfam, lediglich an der Hand der Syftematik die Einrichtungen der centralnervöfen Organe bei den Wirbellofen durchzugehen.

Bei Thierformen, welche nicht einmal über eine enzymatifch- fecretive Verdauung verfügen, deren Körpermaflfe nahezu aus 95 "/o , unter Umftänden vielleicht aus mehr als 97 °/o WafTer be- fteht, treffen wir eine Einrichtung des Nervenfyftems an, wie folche in ihrer phyliologifchen Uebereinftimmung mit den Verhältniffen bei den Wirbelthieren von keinem fonftigen Vertreter eines andern Typus unter den Wirbellofen auch nur annähernd erreicht wird. Trotz allen Separirtbleibens der einzelnen Ganghenhaufen weifen nämlich die Medufen ^^) bezügHch der Anordnung und dem innern chemifchen Gefüge ihres Nervenmuskelapparates die weitgehendfte Analogie mit den Wirbelthieren auf, eine Analogie, die üch felbft bei den Actinien^^) noch erhält, bei diefen aber deshalb weniger deuthch hervortritt, weil die Gangüen den Endorganen dicht anliegen und fo bei Abwefenheit längerer Leitungsbahnen der ganze Nervenmuskelapparat äußerlich mehr einen einheitlichen, ich möchte fagen, einen rein protoplasmatifchen Eindruck macht.

Es ift unzweifelhaft das ausfchließliche Verdienft von Eimer, experimentell feftgeftellt zu haben, daß bei den toponeuren Me- dufen (Acrafpeden Gegenhaur's) die rhythmifchen Contractionen angeregt werden von den « contractilen Zonen » , und daß bei Er- haltung einer einzigen derfelben fich das Thier noch wie ehi nor- males contrahirt. Jedes Theüftückchen, welches eine contractile Zone enthält, contrahirt lieh, während fämmtliche Stücke, die den Zufammenhang mit einer folchen eingebüßt haben, regungslos

43] Pliyüologie der nervöfen Apparate. 437

erfcheinen. Nach Verluft aller acht, bei normalen Thieren fyn- chronifch thätigen contractilen Zonen vermögen ücli die Medufen (Aurelia aiirita) nicht mehr zu contrahiren, und unbeweglich, ^\ie todt; fpäter zeigen fich aber wieder unregelmäßige, fchwache Contractionen, welche anfangs mehr localer Natur lind, und nach 3 4 Tagen regelmäßigen, rhythmifchen Bewegungen Platz zu machen pflegen.

Bei den cycloneureu Medufen (Crafpedoten Gegcnhaur's), z. B, bei Sarsia, flnd die Ganglien im Schirmrande nicht in fo her- vorragender Weife localiürt wie bei den Toponeuren ; bei jenen ift der ganze Schirmrand contractile Zone. «Abfchneiden des Schmn- randes hebt, und zwar ohne Ausnahme, die fo äußerll lebhaften Contractionen der Sarsia fofort auf. Der Schirmrand felbfl con- trahirt fich nun munter fort, während fich der randlofe Theil der Glocke nicht wieder erholt. Schneidet man drei von den vier, je einen Augenfleck tragenden verdickten Stellen, den fog. Ganglien, des Schirmrandes aus, fo contrahirt fich die Sarsia weiter. Hat man aber auch das letzte Ganglion ausgefchnitten , fo fällt fie regungslos zu Boden, um fich jedoch gewöhnlich, wenn auch nicht immer, fo zu erholen, daß fie fpäterhin wieder rhythmifche Contractionen ausführt, die allerdings wenig kräftig find.»

SchHeßhch führten Verfuche von Eimer zu einem bemerkens- werthen Refultate bezüghch des phyfiologifchen Zufammenhanges zwifchen den contractilen Zonen und der (luergeftreiften Umbrellar- muskulatur. Eimer's diesbezügliche Verfuchsreihen find mit gi-oßem Gefchicke von liomanes weiter ausgebildet, eröffneten diefem For- fdier aber keine neue Gefichtspunkte, fondern beftätigtcn ihm nur das Ergebniß von Eimer, demgemäß eine lehr fchmalc Ver- bindungsbrücko, gleichviel in welchem Tlieile des Schirmes, die pliyliologifche Vcrliitidung der eiiizehieu Bezirke des letztern auf- reclit erhalten kann.

Wie fchwer felbfl bei den Toponeuren der normale Verband

438 Grundzüge einer vergleichenden [44

der Leitungswege bei möglichfler Reduction der contraetilen Zonen gefchädigt fein kann, ohne daß die nervöfe Leitung eine Einbuße erfährt, lehrt am fchlagendften folgender, von Eomanes an Aurelia aurita ausgeführter Verfuch: «Sieben Randkörper wurden ausge- fchnitten, vom achten an wurde ein Schnitt fpiralig bis gegen das Centrum des Thieres hingeführt, fodaß der Körper desfelben in ein langes Band gefchnitten war, delTen eines Ende von dem letzten Randkörper, deflen anderes von dem Centraltheile der Scheibe ein- genommen wurde. Es zeigte lieh nun, daß die von dem Rand- körper angeregten Contractionswellen lieh durch die ganze Spirale bis zu deren Ende hin fortpflanzen konnten. Indeflen hatten Länge und Breite des Bandes einen großen Einfluß auf das Refultat und es zeigten fleh fehr große individuelle Verfchiedenheiten. Der äußerfte von Eomanes beobachtete Fall ununterbrochener Leitung war der, in welchem die Spirale zwei und eine halbe Windungen machte. Der die Spirale bildende Gewebsftreifen war dann ungefähr einen Zoll breit und nahezu' eine Elle lang. »

Wir verzichten auf eine Auseinanderfetzung der vielen fonder- baren Erklärungsverfuche , durch welche Eimer feine fchönen ex- perimentellen Befunde entftellt hat, wir fchweigen von JEimer's verfehlten Ideen bezüglich der will- und unwillkürlichen Bewe- gungen, von feinen «Erfatzconcentrationscentren» und feinen Neuro- muskelfafern, und unterfuchen jetzt, welche theoretifchen Schlüfle fich aus dem reichen Beobachtungsmateriale ableiten lallen.

Als ich 1878 verfuchte, mir ein Bild von der Anordnung des Nervenfyftems bei den Medufen zu machen, bemerkte ich bald, daß ein Punkt imr fehr oberflächlich unterfucht worden war, der für jede phyüologifche Erörterung von der allergrößeflen Wichtigkeit | fein mußte ; nämlich die Natur der Leitungsbahnen felblt. Wider Erwarten war ich fo glücklich, die empfindliche Lücke nach jeder Richtung hin auszumerzen, indem mir der Nachweis gelang, daß, bei allen von mir geprüften Medufen die contraetilen Zonen mit

45] Phyfiologie der nervöfen Apparate. 439

den Muskeln lediglich durch Nerven verbunden find, und daß diefe vöUig analog den motorifchen Endapparaten bei den Wirbelthieren in die Schirmmuskeln eintreten. Eine Klarlegung diefer Verhält- nifie war nur mitteilt combinirter Vergiftungsverfuche möglich gewefen, und der entfcheidende Beweis ergab fich dadurch, daß das Curare die Nervenendigungen in den quergeftreiften Medufen- muskeln ebenso lähmt (vgl. S. 392 Anm. 117) als die motorifchen Nervenendapparate in den willkürlichen Muskeln der Wirbelthiere, während es in jenem wie in diefem Falle die centralnervöfen Or- gane und die Muskeln gänzhch unbeeinflußt läßt. Nehmen w'ir zu diefer Thatfache die Refultate der JS'mer'fchen Verfuche hinzu» fo ergiebt fich für die Medufen Folgendes :

1. In dem Schirmrande finden fich eine bald größere, bald geringere Anzahl von phyfiologifch durchaus gleichwerthigen Nervencentren {Eimer's «contvactüe Zonen») vor, welche durch zahlreiche, \delfach mit einander verknüpfte Nervenfafern mit der Schirmmuskulatur im Zufammenhange liehen.

2. Nach Abtragung fammtlicher contractUen Zonen erlifcht die Bewegung kürzere oder längere Zeit vollfi;ändig, fetzt aber fpäter von Neuem ein. Daraus fchließen wir, daß die Muskelcontractionen nicht nur von den contractüen Zonen aus direct, fondern auch noch von anderen rhythmifch automatifchen Centren aus erregt werden, auf welche unter normalen Verhältniffen die contractilen Zonen einen hemmenden Einfluß ausüben. Diefe oder noch eine andere Art fecundärer Ganglien wx'rden auch durch fonfibclc Reize direct in Erregung verfetzt.

3. Die Verbindungsweife der Nerven mit den Muskclfafern des Schirmes ift vollkommen analog derjenigen, welche wir durtli Kühne'» Unterfuchungen bei den quergeftreiften Vertebratenmuskeln kennen.

Bei den Ctcnoplioren'") wunlen dio Jnncrvationsveriiältniiro mit großem Erfolge bei jenen Arten fiiulirt, bei welchen, wie z. B.

440 Grundzüge einer vergleichenden [46

bei Beroe, die automatifcli immer thätigen Schwingplättchen durch leiftenartige Sperrvorrichtungen von dem Tliiere nach Belieben zur Ruhe gebracht werden können. Bei jenen Formen hingegen, wo, wie z. B. bei Cliiaja, diefe Hemmungsvorrichtungen fehlen, und der Schlag der Schwingplättchen deshalb auch unter allen Um- ftänden, ja noch lange nach dem Tode des Thieres fortbeftehen bleibt, erwiefen ßch alle Bemühungen, über den Mechanismus der nervöfen Apparate Näheres in Erfahrung zu bringen, als aus- lichtslos.

Bei Beroe finden ßch an dem Afterpole die fog. Sinneskörper, von welchen acht Züge von Ectodermzellen als Nerven zu den Hippen ausftrahlen. Diefe Sinneskörper repräfentiren gewiffermaßen das Centralnervenfyßem der Beroe und arbeiten an allen oder wenigftens an beiden Rippen ein und desfelben Quadranten unter einander ebenfo fynchron wie die contractilen Zonen bei den Me- dufen, denen ße aber im Uebrigen keineswegs analog find. Schneidet man eine Beroe der Quere nach durch, fo Iteht die Schwing- plättchenbewegung an der des Afterpols verlufiiig gegangenen Hälfte eine geraume Zeit fl;ill, während fie fich an der aboralen Hälfte fehr bald mit früherer Lebhaftigkeit wieder einflellt^^). Reizt man bei Euplothamis an der oralen Hälfte, deren Schwingplättchen ftiUfl;ehen, eine der Rippen mechanifch, fo beginnen faß; momentan die Schwingplättchen aller acht Rippen energifch an zu fchlagen und rafch fchwimmt das Theilftück davon (Chun). 'Durchtrennt man an einer unverfehrten Beroe Eine der Rippen, fo verhalten ßch die beiden TheiUtücke der durchfchnittenen Rippe genau fo wie die oralen und aboralen Hälften vollkommen durch fchnittener Thiere, während die Flimmerbewegung an allen übrigen Rippen in normaler Weife fortbefteht.

Aus diefen Cardinalverfuchen ergeben ßch einige wefentliche Differenzpunkte zwifchen den nervöfen Einrichtungen der Medufen Und denen der Beroe; denn wie ich gezeigt habe, müfien die

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47] riiyüologie der nervüfen Apparate. 441

Beobachtungen an Beroe folgendermaßen gedeutet werden: Jene SpeiTVorrichtungen an den Rippen, welche fich über die Schwing- plättchenreilien hinüberlegen und fo deren automatifche Bewe- gungen fiftiren können, liehen durch Nerven mit Ganglien in Verbindung, von welchen den contractilen Elementen der Sperr- leiften belländig tonifche Erregungen zufließen, wodurch das Ein- fchlagen der Flimmern gewöhnlich verhindert wird. Diefe con- tinuirlich automatifch Anrkcnden Centren, welche in großer Zahl vorhanden und den Fhmmern fehr benachbart in den Rippen gelagert fein muffen, ffcehen mit den Sinneskörpern am Afterpole durch Nerven in directer Verbindung. Die fpontanen Impulfe, welche von den Sinneskörpern ausgehen, üben aber nur einen hemmenden Einfluß auf die automatifchen Rippencentrcn aus, inhibiren den von ihnen normal ausgehenden Tonus der Muskeln an den Sperr- vorrichtungen und Hellen in Folge deffen den Schlag der Schwing- plättcheu ftill. Daß fich von den Sinneskörpern aus zugleich cen- trifugal leitende Nerven unmittelbar an die Muskeln der Sperrleiften begeben, ift nach dem Beobachteten höchft unwahrfcheinlich, ficlier erwiefen indeß, daß eine Verknüpfung beider Organe durch centripetal verlaufende Falern ftatt hat ^*^).

Wie die Durchfchneidung Einer Ri{)pe an der unverfehrten Beroe lehrt, anaftomofiren die von den Sinneskörpern zu den automatifchen Rippencentrcn verlaufenden Nervenftränge bei Beroe nicht wie bei Aurelia; doch nach Chun's Verfuche an Euplo- thamis zu fchließen, befl;ehen hier -nicht weniger ausgedehnte Nervenverzweigungen, welche die automatifch tliätigen Centren verfcl)iedener Rippen mit einander verbinden. Schließlicli fei noch hervorgehoben, daß fämmtliche an Beroe geprüften Gifte (z. B. Strycbnin, Curare) in erfter Inftanz reizend auf die Sinneskörper einwirken und wegen des bald eintretenden Abfi(!r])ens der auto- matifchen Ripi)encentren ein ftändiges ErlöCchen des Plättchen- fchlages herbeiführen, während bei Cliiaja, wo (he Sperrvorricli-

442 Grundizüge einer vergleichenden [48

tungen fehlen, die Flimmern in der Stryelmin- wie in der Curare- löfung außerordentlich lange in Bewegung bleiben.

Die Nervenphyßologie der Echinodermen^^) ift von verfchie- denen Forfchern zum Gegenftande experimenteller Unterfuchungen gemacht worden ; wir verfügen über Beobachtungen an Crinoiden, an Echiniden, an Afteriden, und nur für die Holothurioiden liegen keine präeifere Angaben vor.

Den Hohlraum des dorfoventralen Kelchhöckers (Quinque- locularorgan) bei Comatula betrachtet William Carpenter nicht, wie Johannes Müller und Greeff thaten, als Blutgefäß, fondern als das eigentliche Centralorgan des Nervenfyftems, von dem motorifche Nerven zu den Armen abgehn und in den Pinnulae enden, Car- penter überzeugte ßch, daß die ventrale Kelchfläche und die ganze Eingeweidemafle aus dem Kelche entfernt werden kann, ohne daß die Coordination der Armbewegungen geftört wird, daß dagegen Durchfchneiden des Axenftranges die Muskelcontractionen an dem zugehörigen Arme zum Ausfall bringt. Auf die Ausfpreitzung der Arme hat die Nervendurchfchneidung keinen Einfluß, denn diefe ift keine Muskelwirkung, fondern gefchieht durch elaJftifche Liga- mente, welche dorfalwärts zwifchen den Segmenten ausgefpannt und. Carpenter vermuthet auch, die homogene plasmatifche Structur der Nerven möge in dem ausfchließlich flectorifchen Charakter der verforgten Muskeln begründet liegen, und hält die ventral verlaufenden Fafern H. Ludwig'^ für fenfibele Nerven, die ihr Centrum in dem oralen .Nervenringe flnden.

Ich habe an derfelben Form (Comatula rosacea) wie Car- penter experimentirt , bin aber zu einer von der feinigen fehr ab- weichenden Auffallung gelangt. Vor allen läßt ßch die Anwefen- heit eines motorifchen Nerven in dem Axenftrange der Comatula nicht in der einfachen Weife experimentell darthun, wie Carpenter beobachtet zu haben angiebt. Schneidet man nämlich der Coma- tula von einem Arme Stücke (ohne den zugehörigen Bafalanfatz)

J

49] Phyfiologie der nervöfen Apparate. 443

ab, fo behalten diefelben ihre Empfindlichkeit und ihr Bewegungs- vermögen noch Itundenlang bei, und daraus geht, wie ich glaube, mit E^^denz hervor, daß auch in den Armen Reflexcentren vor- handen find; hinfichthch der Fortleitung fenfibeler Erregungen zeigt Comatula ein ähnliches Verhalten als das von Ä. v. Heider^^) an Actinien beobachtete : Bei vorfichtigem Abfchneiden einer Pinnula reagu-t nur der zugehörige Ai-m, werden dagegen mehrere Pinnulae oder ein Stückchen der Armfpitze oder endhch an vcr- ftümmelten Exemplaren das zu äußerlt gelegene Bracliiale ent- fernt, fo antworten fämmtliche Arme durch Abwehrbewegungen. Meine Anficht geht demnach dahin, daß l^ei Comatula den Nerven überall ganglionäre Centren beigegeben find, und daß der Nervenring, mag derfelbe nun dorfal oder ventral hegen, nur als motorifches Coordinationscentrum von Bedeutung ifi;. Diefen Ver- hältniffen begegnen wir bei allen Echinodermen wieder.

Bei den Ecliiniden umgiebt den Mund ein Nervenring, welcher durcli eine Furche in zwei concentrifch angeordnete Bänder getheilt ift, von denen das innere Band ausfchließlich aus Fafern, das äußere aus epithelartig neben einander liegenden, fehr kleinen bi- polaren Ganglien beßeht und in die Ambulacralnerven ausläuft. Diefes ift nach Fredcricq das Centrainer venfy Item der Echiniden, und es fteht als folches der Coordination der Bewegungen vor, welche an allen Stücken fortfällt, deren zugehöriger Ambulacral- nerv durchfchnitten wurde. Durch Einkerben der Buccalmembran läßt fich der Nervenring am lebenden Thiere der Quere nach durch ft^echen, und diefe Operation hebt die Coordination an allen Körperfegmenten auf, welche durch den Nervenring nicht mehr unter einander in Verbindung flehen, wäln-end die Körperfegmente, welche ihre Ambulacralnerven von ein und demfelbcn Stücke des getheilten Nervenringes beziehen, nocli wie zuvor harraonifcb zu- fammenwirken.

Indem fich die Ambulacralnerven an der gelamnitcn inneren

Kruk<:nbcrg, VeTKl.-phyfloI. VortrüKC. ''^

444 Grundzüge einer vergleichenden [50

Schalenfläche reichhch veräJftehi, bilden lie den von Eivart ent- deckten «hineren Nerveuplexus», von dem weiterhin zahllofe Fäden ausgehen, welche die Kalktäfelchen der Schale feitHch pafliren, um fich mit dem, ebenfalls von Eivart aufgefundenen ganglienreichen Nervengeflechte an der äußeren Schalenoberfläche zu vereinigen. Frederkq kannte bereits die Thatfache, daß bei mechanifcher Reizung der oberen Schalenhaut die Stacheln, die Saug- und Greif- füßchen lieh fogleich der Reizltelle zukehren und die Haut vor dem Angrifie zu befchützen fuchen. Wie Bomanes nachwies, treten diefe Abwehrbewegungen auch dann noch ein, wenn der innere Nervenplexus durch Salzfäure weggeätzt ift ; ferner laflen fleh diefe Reflexe auch auf ganz beftimmte Bezhke dadurch befchränken, daß diefe durch Schnitte, welche nur die Schalenoberhaut zu dm^ch- dringen brauchen, von der Umgebung infelartig abgegrenzt werden. Die vielfältigen Bewegungen, mit welchen die Stacheln, die Saugfüßchen und die Pedicellarien der Echinidenfchale fchwache Reize beantworten, fcheinen durchgängig von den Ganghen des äußeren Nervenplexus ausgelöft zu werden ; mit dem inneren Nerven- geflechte ift gegenwärtig noch kein anderer Begriff zu verbinden als der einer Reizübertragung, welche fowohl von dem äußeren Plexus auf die Ganghen des oralen Nervenringes als auch umge- kelirt erfolgen kann.

Wü'd ein Echinus (Fredericq), ein Asterias (Vulpian)- oder eine Ophiuride (Bomanes), bei welchen der Nervenring zwifchen den Abzweigungen der Ambulacralnerven, alfo im Ganzen fünfmal durchfchnitten ift, in die Rückenlage verfetzt, fo vermag keines der Thiere die normale Körperftellung wieder zu gewinnen. Jedes Zufammenwirken der Ambulacralanhänge und der Skeletmuskeln an den Antimeren ift durch die Operation unmöglich geworden, und Reize, welche einen l^ehebigen Punkt der Peripherie oder der Mundfeheibe treöen, werden von den Säugfüßchenalleen an den fünf Ambulacralfeldern nicht mehr gleichfinnig beantwortet. Gleich

&1] Phyfiologie der nervöfeii Apparate. 445

nach der Separation der fünf Centren im Nervenringe kommt es an dem anf den Rücken gelegten Astropecten zu einem tulpen- artigen Zufammenlegen der Arme und bei den Ophiuriden Hellt ücli eine allgemeine Starre an den Armen ein; alle diefe Er- fcheinungen, welche die unmittelbaren Folgen des experimentellen Eingriffes lind, verfch winden indeß bald, und jeder Arm, jedes Autimer vollzieht dann feine Bewegungen auf eigene Rechnung, unl)ekümmert darum, was an den übrigen vor fich geht.

Werden in Folge emer Durchtrennung des Nervenringes an den bezeichneten Stellen oder der verforgenden Ambulacralnerven nur einzelne Antimere aus dem Gefammtverbande ausgefchaltet, fo refultiren Itets Verhältnilfe, welche nach dem Grundfatze, daß die Ver])indungsftränge des Nervenringes nur Erregungen leiten, welche die Bewegungen an den einzelnen Aml^ulacren zu coordinirten werden lalfen, mit vollkommener Sicherheit voraus zu beftimmen find. Wird bei einem regulären Seeigel ein Ambulacrum, bei einem Afheriden oder einer Ophiuride ein Arm mit der im BaA^l- ende befindlichen zugehörigen Ganglienanfchwellung des Nerven- ringes amputirt, fo benimmt fich das Theilftück wie ein unver- fehrtes ganzes Thier, indem es fich bei unbequemer Lage gleich jenem durch zweckmäßige Bewegungen der Stacheln und Füßclien die normale Körperhaltung wieder zu verfchaffen weiß. Aljer ver- fchiedcn, je nach der Species, fällt das Refultat aus, wenn man ein Antimer ohne das zugehörige Ringganghon abtrennt. Ein folches Stück von Asterias rubens (Vuljnan), von Astropecten auran- tiacus, A. pentacanthus, A. bispinosus und von Opliio- derma longicauda vermag aus der Rücken- in diu Bauchlage nicht zurückzukehren, während bei Asteracanthion glacialis Und wahrfcheinhcli auch bei vielen anderen Afteriden nidit iiui- der am Anfatzende al^genonmicne ganze Arm, fondern auch jedes beliebige Querftück desfcl}>en ficli dazu noch bcfäliigt crweifl. Durch fcl meidet man den Nerven eines amputirten Afieiaciintliion-

4.46 Grundzüge einer vergleichenden [52

armes mitten in feinem Verlaufe, fo ift die Coordination in den Bewegungen der Sangfüßchen zwifchen der proximalen und diftalen Hälfte des Armes geltört ; an letzterer können die Bewegungen der Saugfüßchen z. B. nach oben gerichtet oder ganz eingeftellt fein, während ße an dem proximalen Ende lebhaft darnach ffcreben, den gewonnenen Befeftigungspunkt an der Unterlage zu behauj)ten. Wir entnehmen diefem Verfuche, daß bei Asteracanthion ein Ambulacralnerv die gleiche Bedeutung für ein Zufammenarbeiten der einzelnen Armfegmente beßtzt als der Ringnerv für ein Zu- fammenwirken der fünf Arme. Wenn nun aber bei mehreren Aftropectenarten die Ergebniffe letzterer Verfuche wefentlich andere und als bei Asteracanthion, fo glaube ich das lediglich auf die geringere Länge der Saugfüßchen und auf die glatte Form des Armgerüftes, die dem ifolirten Arme oder den Ai'mftücken nicht die zu einer Umdrehung nöthige Fixation gewähren, ftatt auf einen grundverfchiedenen hifliologifchen Bau der Armnerven fchieben zu follen. Ich muß zwar daran erinnern, daß an den Armgliedern der Opliio derma fog. zweckmäßige Bewegungen nach Abtragung des Bafalganglious ebenfo ausbleiben als bei den genannten Aftro- pectenfpecies ; aber beide Erfcheinungen laffen keinen Vergleich zu, denn an den Ophiodermaarmen erlifcht jede Bewegung deshalb fo bald, weil die Armnerven außerordentlich ganglienarm lind und ihre Reflexcentren fehr rafch erlahmen, während ßch die Saug- füßchen bei Aftropecten durch perip'heren Ganglieneinfluß fowohl an den einzelnen Armfragmenten als auch an curarißrten Thieren noch lange Zeit kräftig bewegen. Wir müflen nur bedauern, daß bislang nicht verfucht worden ift, die Reflexcentren in den Armen der Afleriden durch Gifte verfchieden zu beeinflußen und dadurch die Innervationsdifferenzen zwifchen den Muskeln des Skelets und der Füßchen näher zu ermitteln, welche bei der Curarißrung in der Lähmung der erfteren und dem Intactbleiben der letzteren (J. Steiner) nur fehr oberflächlich hervortreten.

53] Phyüolopie der nervoreii Apparate. 447

Was über das Nervenfyftem der Würmer ^^) experimentell er- fchlofTeu wurde, deutet auf zwei verfchiedene A^erhältnille hin, welche fieh auf die der Afteroiden ungezwungen zurückführen lauen. Ein mit dem Ringgauglion in Verbindung gebliel)ener Ophiodermaarm wiederholt mit der geringen Lebensfähigkeit feiner peripheren Centren die Nervenanordnung bei der einen Abtheilung der Anneliden und der Afteracanthionarm mit der großen Selb- ftändigkeit feiner peripheren Ganglien die der andern Klaffe. Zu letzterer ^^'ürden die Würmer mit regenerationsfähigem Hinterftücke, Vorzugsweife Oligochäten gehören, während Ijci den Hirudineen den Schlundganglien ein weit größerer Einfluß auf alle Segmente eingeräumt werden muß ; nach KUinenhenj ^% welcher an der Larve von Lopadorhynchus mit dem Flimmerkranze auch den Nerven- ling fchwinden fah, und der dem entwickelten Wurme demnach fehlt, fcheint außerdem bei einigen Würmerlarven der Innervations- modus der Cölenteraten reahürt zu fein.

Nur an Hirudineen fmd weitere Thatfachen aufgedeckt, die hier einer Erwähnung werth find. Meine Vergiftungsverfucho'^^) führten zu dem llcfultate, daß bei Hirudo officinalis die Haut- muskulatur in analoger Weife innervirt wird wie die Schirmmuskehi der Medufen und die Skeletmuskeln der Vertebraten, indem in dem einen wie andern Falle die motorifchen Nervenendapparate durch Curare gelähmt werden. Andeutungen diefer Nervenendigungen fmd bei Hirudo fpäter von Armaucr Hanfen^^) gefchen. Gleich- zeitig wurde von mir jedoch ermittelt, daß bei diefem Wurme das Verhalten der Muskeln zu den centralnervöfen Organen dadurch ein ganz eigenthümhches wird, daß die Muskeln ib außerordentlich empfindlich gegen die Anäfthetika, befonders gegen Chloroform find, weit empfindlicher noch als die Ganglien des Schlundriiiges. Luchürifjcr und (hnlkheau glaul)en zwar, die LiicIiHwjer'Mxa Idee-") von einem überall im Tliierreiclie gültigen Gefetze, nach wekliem die ceutralnei-vüfen Organe durch eine größere Empfindlichkeit für

448 Grundzüge einer vergleichenden [54

die Anälthetika ausgezeichnet lind als die Muskeln, auch für Hirudo aufrecht halten zu können. Wer fich indeß die Mühe nimmt, aus den weitfchweifigen Mittheilungen diefer Autoren die wenigen Thatfachen auszulefen und kritifch zu ßchten, erkennt fogleich, daß diefe Herren nicht einmal die Fähigkeit erlangt haben, periphere Wirkungen von centralen zu unterfcheiden, und daß ihre Verfuche an meinen Schlüffen nicht das Mindelte verändern. Daß das fog. Ltichßnger' ^che Gefetz rein aus der Luft gegriffen und un- haltbar ift, werden wir auch fpäter bei den Cephalopoden erfahren, wo Chloroform allemal zuerlt die Chromatophorenmuskeln in Lähmung verfetzt.

Das reichhaltige Beobachtungsmaterial, welches für eine Nerven- 13hyßologie der Arthropoden ^^) beigefchafft wurde, w^ird am zweck' mäßigflen zu ßchten fein, wenn 1. die Verfuche Berückfichtigung finden, welche die Frage nach der Gültigkeit des fog. JBeU'Mien Gefetzes betreffen, 2. der Verfuche gedacht wird, welche die Klar- legung der Functionen einzelner Ganglienknoten und deren Ver- bindungsftränge verfolgen, und wenn fchließlich 3. die analogen Beziehungen aufgefucht w^erden, welche fich zwifchen dem Nerven- fyftem der Arthropoden und dem der Vertebraten experimentell ergeben haben. Bei diefen Erörterungen verfahren wh in der Art, daß wir zunächft die Cruftaceen und darauf die Infekten betrachten ; auch werden wir dabei noch einiger Befunde an niederen Wirbel- lofen zu gedenken haben, deren Erwähnung bis hierhm aufge- fchoben werden mußte.

Gegen 1833 veranlaßte Bell einen feiner Landsleute, H. New- port, das nach ihm benannte Gefetz auf feine Gültigkeit bei den Arthropoden zu prüfen. Neicxjort verfuchte feine Aufgabe anato- mifch zu löfeii; er fludirte die Structur des Nervenfyßems bei Astacus marinus und kam zu folgenden Ergebnilfen: Der Bauchftrang befteht jederfeits aus zwei über einander liegenden Längsfaferzügen, die durch keine Quercommiffur verbunden find;

55] Phyüologie der nervöfen Apparate. 449

der untere diefer beiden Stränge enthält gangliöle Anfchwellungen, der obere hingegen nicht, und von beiden entlpringen Nerven, die ebenfalls gelbudert verlaufen. Nach Neivport gehen aus dem oberen Nervenftrange die den vorderen Rückenmarkswurzeln der Wirbel- thiere analogen niotorifchen Nerven, aus dem unteren die fenfibelen hervor, und da Neicjwrt bei Arachniden (Scorpio europaeus), Myriapoden (Scolopendra morsitans) und Infekten (Carabus, Sphinx ligustri) die nämlichen Verhältnifle antraf, fo hielt er auch den Schluß für berechtigt, daß die Infektenflügel von gefonderten, rein motorifchen und rein fenfibelen Ganglien aus innervirt werden. Somit würden Ijei den Arthropoden die mo- torifchen und fenfibelen Wurzeln umgekehrt gelagert fein als bei den Wirbelthieren , was mit Geoff'roy St. Hilaire's Auffallüng der Arthropoden als auf dem Rücken laufender Thiere im guten Ein- \ernehmen Hand.

Graut, Joh. 3IüTler, Valentin wie Bkmchard beftätigten die An- gaben von Neicport, ohne daß fich jedoch irgend einer derfelben dazu verftand, die Frage experimentell in Angriff zu nehmen. Die erflen Verlüche ftellte Lonyct an Palinurus ({uadricornis an. Nach Lomjet entfpringen von den Ganglien odei- den intergan- glionären Cordons jederfeits drei Nerven wurzeln ; bei Reizung der obern Wurzel gaben fich keine Anzeichen von Schmerz zu erkennen, aber es erfolgten heftige locale Contractionen , während Reizung der beiden unteren Wurzeln nur fehr Ich wache Bewegungen der davon direct innei-virten Muskeln hervorrief, zugleich aber auch zu fehr fchwachen allgemeineren Bewegungen fülirto, die als Schmerzäußerungen gedeutet wurden. Lomjct legte diefen Ver- luchen keine größere Bedeutung bei ; er weift darauf hin, daß die Trennung feiner lieiden unteren Wurzeln durch eine Ganglion- uiifchwellung vorgetäufcht fein könne, und daß feine Vcrfuclic fomit nur die Befiätigung der Navporf khau anatomifchen Befunde ;ithielt<,'n.

450 Grundzüge einer vergleichenden [56

Viäpian war der erfte, welcher die Neicporf^Ghe Lehre auf j Grund feiner Unterfuchungen bekämpfte. Er hatte fich beim Fluß- 1 krebs überzeugt, daß von jedem Ganglion des Bauchftranges rechts wie links zwei Nerven entfpringen, welche vom Anfange an einfach 1 find und von denen keiner eine gangliöfe Anfchwellung belitzt, welche der hintern Wurzel eines Spinalnerven bei Wirbelthieren irgendwie vergleichbar wäre. Die Urfprungsftelle der beiden Nerven liegt im gleichen Niveau mit der der Verbindungsftränge ; der eine Nerv entfpringt etwas höher als der andere, aber beide lind moto- rifch und fenßbel zugleich. Für die Connective gilt dasfelbe, und auch für die obere und untere Seite der Ganglien vermochte Vulpian keinerlei Unterfchiede in dem motorifchen und fenfibelen Verhalten aufzufinden. Die eingehenden Unterfuchungen von Lemoine und Yung betätigten in allen Punkten die Angaben Vulpian'^.

Yung wies nach, daß die von Langet dem Intervertebralganglion der Wirbelthiere verglichene Anfchwellung des unteren Nerven keine Ganglien enthält und nm' eine inconftante Verdickung des Verbindungsftranges darfteilt. Yttng's zahheiche Experimente an den Abdominal-, Thoracal- und den beiden Schlundganghen, welche an ihrer Oberfeite allemal die nämlichen zelligen Elemente wie an ilirer Unterfeite führen, feine Verfuche an den Connectiven und den peripher verlaufenden Nerven machen uns gewiß, daß die den beiden Nervenurfprüngen an der Ganglienkette ebenfo wie die der obern und untern Ganglienfläche zugefchriebenen functionellen Unterfchiede rein illuforifche find.

Anders fteht die Sache bei den Infekten! Wn verdanken Faivre eine Fülle zuverlälTiger Unterfuchungen an Dytiscus mar- ginalis, nach welchen die VerhältnilTe folgende und: Beim Opticus und den Antennennerven blieb Faivre im Ungewilfen, ob erfterer nicht faft infenlibel und ob der innere fehr fenlibele Antennennerv nicht zugleich auch wie der äußere motorifch ifl; aber die Fuß- iierven erwiefen ßch ausnahmslos als gemifchter Natur und be-

67] Phyüologie der nervöfen Apparate. 451

kündeten an ilu-er oberen Fläche keinen höheren Grad von Moti- lität oder von Senfibilität als an der unteren; aus Verfuchen, welche an dem ^'erbindungsf^range zwifchen dem Unterfchlund- und dem Prothoracalganghon ausgeführt wurden, ergab lieh für die Ganglienconnective ein gleiches A^erhalten. Mit Ausnahme des oberen Schlundganglions, welches ähnlich der Großhirnrinde der Säugethiere nur an feiner unteren Seite fchwach fenfibel zu fein feheint, und den Ganghen, welche die Urfprungs- (Ganglion frontale) refp. die Ausgangsitätte (Ganglion stomachale) für das ftomatoga- ftrifche Nervenfyflem abgeben und mehr oder minder deutlich nur eine motorifche Function verrathen, fmd fämmtliche Ganglien des Bauchftranges (Uuterfchlund-, meta- und prothoracales Ganglion etc.) an ihrer miteren Fläche rein und in ausgefprochenem Maaße fen- fibel, an ilirer oberen ausfchheßlich motorifch, während die mitt- leren und inneren Partieen derfelben beide Eigenfchaften in lieh vereinigen; felbft bei dem Unterfchlundganglion, dem fenfibelften von allen, verHert üch die feniibele Zone allmähg nach oben zu, indem die motorifche dementfprechend langfam an wach ft. Am prothora- calen Ganglion gelang es Faivre, durch tiefes Abtragen der oberen Fläche, die Bewegungsfähigkeit der davon innervirten GHedmaßen aufzuheben, und ebenfo durch oberflächliches Abtragen der unteren Seite des Ganghons deren Senfibilität zu vernichten. Wurden an dem Ganglion nicht nur die Ober- und Unterfeite, fondern zu- gleich auch Seiten [tücke fortgenommen, fo war die Nervenlcitung zwifchen Kopf und Schwanz in keiner Weife unterbrochen, fondern nur die Gliedmaßen am Prothorax zeigten licli empfindungs- und ^ erregungslos. Entfernte Faivre die obere, beziehung.s weife die untere Fläche des Ganglions nur an der rechten oder nur an der linken Hälfte, fo trat lediglich an dem Beine der correlpon- direnden Seite eine Lähmung der Motilität, relp. ein Krlöfciien der Senfibilität auf; da die Muskeln aber oft noch auf einem andern Wege innervirt werden, Ib gelang es Ix-i (lidcn N'crfuciien l<i( liter,

452 Grundzüge einer vergleichenden [58

das Verfch winden der Empfindung als das des Contractions Ver- mögens zu beobachten.

Berückfichtigen wir die VerhältnilTe bei Batrachiern und Säuge- thieren, fernerhin die von Moreau entdeckte Thatfache, daß bei Fifchen die fenübelen und motorifchen Antheile der Rückenmarks- nerven noch bis zu der Nervenendigung getrennt verharren, und endlich auch den Umftand, daß bei den Infekten die Theilung der Functionen in den nervöfen Centren fchon zum Ausdruck ge- kommen ift, fo geben uns die AuffchlülTe Faivre's über den ein- heitlich functionellen Bau der Verbindungsftränge und der Fuß- nerven vielleicht einen leifen Fingerzeig, daß ßch die motorifchen und fenfibelen Eigenfchaften erft an den Ganglien, dann an den Nervenfafern differenzirten, und daß die Selbß-ändigkeit beider an den Nerven der höheren Vertebraten fchließlich wieder erlofchen ift.

Wir wenden uns jetzt dem zweiten Punkte unferer Erörterungen zu, der die Localifation der Functionen in anatomifch fcharf be- grenzten Gangliengebieten zum Gegenflande hat. Die Nerven- phyfiologie der Krebse ift in neuerer Zeit von Yung und Ward bearbeitet. Yimg hat mehrere Brachiuren wie Macruren in den Kreis feiner Unterfuchungen hineingezogen, und feine Arbeit ift hinfichtlich der Krebfe die voUftändigfte, die wir haben. Ward experimentirte ausfchließlich am Flußkrebs, und feine Angaben be- ziehen fich nur auf die Functionen der Schlundganglien, ftehen aber in vielfachem, wenn auch nur, wie ich vermuthe, in fchein- barem Widerfpruche mit den Yung'Mwn Befunden. Beide Au- toren find darüber einig, daß Durchkreuzungen von Nervenfafern in keinem einzigen Ganglion, auch nicht im Oberfchlundganglion vorkommen, daß bei einfeitiger Verletzung der Ganglien die Ver- lufte ausfchließlich die correfpondirende Seite betreffen, und es mag darnach auch berechtigt erfcheinen, wenn Yung auf weniger fchlagende Verfuche hin annimmt, daß in dem Oberfchlundgan- glion, welches mehrere Körperanhänge (Augenftiele, Antennen) inner-

59] Phyüologie der nervölen Apparate. 45S

\irt, jedes Organ fein eigenes motorifches und fenfibeles Centrum belitzt. Von den fechs Schwanz- und den fünf Thoracalganglien (excl. das Unterfehlundganglion) functiouirt jedes als einheitliches Reflexcentrmn für das zugehörige Segment und feine Reflex-snrkung fteigert lieh, wenn die Ganglienkette vorn durchfchnitten wird und dadurch die Willensimpulfe ausgefchaltet werden. Den hinteren Schwanzgaiiglien und befonders dem Analganglion liegt, wie Reizung des letzteren ergab, zugleich die Function ob, die Darmbewegungen auszulöfen und die Entleerung der Excremente zu beforgen. Das untere Schlundganglion verhält ßch nach Yting nicht anders als •lie Schwanz- und Thoracalganghen ; es verficht die Rolle eines Reflexcentrums für die Kaufüße und foll weder Spontaneität noch eine coordinatorifchc Bedeutung für die Bewegungen befitzen. Ward beobachtete indeß, daß nach Durchtrennung der beiden Schlundcommiffuren ein in die Rückenlage verfetzter Krebs fich zwar nicht zu erheben oder in die Normalftellung zurückzukehren vermag, daß aber die Kaufüße, die Scheeren und die drei erften Beinjtaare noch in gleichem Tempo, alternirend, nicht fynchron wie die Schwanzfüße, fich hin- und herbewegten ; diefe rhythmifchen Bewegungen verwandelten fich ohne bemerkbare Urfache oder auf fehr geringfügige Störungen in eigenthümlich freffende und putzende. Auf ähnliche Erfcheinungen an enthirnten Krebfen lenkte M. Foster bereits die Aufmerkfamkeit von Iluxlcy. Im Gegenfatzo zu Ymuf betrachtet Ward das Unterfchlundganghon nicht nur als ein den Tlioracal- und Abdominalganghen eljcubürtigcs Reflexcen- trum, fontlern auch als ein Centrum für die Coordiuation der Orts- und Freßbewegungen, fowie der rhythmifchen Schwingungen der Extremitäten; nach Ward fl;eht das obere Schlundganglion dorn Willen und der Erhaltung des Gleichgewichts vor und vermag in Folge delfen auch die Reflexe in den übrigen Ganglien den ['in- ftänrlen gemäß abzufchwächen oder in feltere Bahnen zu lenken. Ich fchlif'ße mich um fo mehr der IK«n/'fchen Anfcluiuung an,

454 Grundzüge einer vergleichenden [60

als auch Yung nach Durchfchneidmig des linken Schlundflranges geordnete Bewegungen an der operirten Seite fortbeftehen fah, den Effect einer beiderfeitigen Durchtrennung aber leider nicht abgewartet hat; es fcheint mir zweifellos, daß lieh bei Yung's Verfuchen die Unter- fchlundganglien nicht unverletzt erhielten und feine Ergebniffe nur deshalb nicht mit denen der übrigen Forfcher übereinflimmen.

Während noch 1857 Lepdig dem Gehirn der Wirbellofen ledig- lich die RoUe des primus inter pares zuerkannte, fo geht doch felblt bei den Infekten, wo die einzelnen Ganglien des Bauchffcranges die größte Unabhängigkeit von dem Oberfchlundganglion an den Tag legen, die Meinung aller Experimentatoren dahin, daß letzteres als der Sitz des Willens und der Direction der Bewegungen aufzufaffen ifb. Ich will nicht entscheiden, ob Faivre lieh im Rechte befindet, wenn er bei Dytiscus das metathoracale Ganglion für ein Cen- trum anfieht, welches nicht nur die Schwimmfüße und die unteren Flügel beherrfcht, fondern auch (indem die Abdominalganglien für die von ihnen ausgehenden Refpirationsnerven nur Durchgangs- Ilationen und) ganz aUein die Refpirationsbewegungen auszulöfen, zu coordinhen und zu unterhalten hat, oder ob vielmehr JBaudelot das Richtige getroffen, wenn er bei Libellen und Dytiscuslarven ein beftimmtes Refpirationscentrum in Abrede Itellt und üch fämmtliche Abdominalganglien mit gleicher Stärke an den Athembewegungen betheiligen läßt^^), foviel fteht außer Frage, daß die Coor- dinationscentren bei den Infekten weit diffufer vertheilt find als bei den Wirbelthieren und als auch bei den Krebfen. So richtet fich z. B. eine auf den Rücken gelegte kopflofe Biene fofort wieder auf (Döhnhoff), eine kopflofe Blatta orientalis fährt fort zu laufen und fich zu putzen (YerRn), und die Durchfchneidung des Bauchmarkes hat bei den Infekten meift nm- die Aufhebung eines Zufammen- gehens der vorderen und der hinteren Körperhälfte zur Folge ^^). In einer Vertheilung von Centren für eine lange Reihe zweck- mäßiger Bewegungen auf Gehirn und Bauchmark des Bruftltückes

61] Phyfiologie der nervöfen Apparate. 455

wie des Hinterleibes liegt immerhin ein auffallender Unterfchied zwifchen Infekten und höheren Wirbelthieren begründet; aber es fragt lieh gewiß noch fehr, ob derfelbe für eine Allgemeinbetrach- tung nicht nur von untergeordneter Bedeutung ift. Ich bin der Meinung, daß von einer Coordination der Bewegungen, wie bei .den Wii'belthieren , bei den Infekten überhaupt keine Rede fein kann, da bei diefen die Reflexe an fich fchon in fo hohem JSIaaße den Charakter des Coordinirten befitzen. Einerfeits lehren die Ge- lenkverbindungen, daß die ausführbare Zahl der Bewegungen an den Infektengliedmaßen nur eine fehr befchränkte ift, und anderer- feits die von LucliRnger ftudirten Erfcheinungen der gekreuzten Reflexe bei Abwefenheit fleh kreuzender Fafern in den Ganglien, daß eine Reflexbewegung eine beftimmte andere unabänderlich nach fich zieht, wodurch jede befondere Regulation diefer Bewegungen, die keine willkürüchc ift, überflüflig werden muß. Alle anderen Re- flexcentren, deren Einfluß fich nicht auf die Beinmuskeln miterftreckt, vrLQ z. B. das im Hinterleibe der Biene liegende für das Hervor- ftoßen des Stachels und das bei Dytiscus im Ganglion frontale befindliche für den Schluckakt, finden in ihrer Unabhängigkeit von den Schlundganglien vollkommene Analoga auch bei den Wirbel- thieren.

Wie bei den Säugethieren treten auch lici Arthropoden nach einfoitiger Verletzung der wichtigften Centren fog. Reitbahn- oder Rollbcwegungen (vgl. S. 420) auf. Derartige Zwangsbewegungen finfl bei Arthropoden lange bekannt. Yting beobachtete fic an Krebfen, bei denen ein Lobus des oberen Schlundganglions ausge- fchaltet oder zerftört war; diefe Thierc fchwankten ftets nach der verletzten Seite und drehten fich im inverfen Sinne, z. P>. Ixi Yov- letzung des linken Lobus von rechts nach links. Achnliche Er- fcheinungen beobachtete Yerfin bei Infekten nach Verletzung des untern Schluudganglions, und Faivro/'^) hat diefe Störungen bei Dytiscus fehr genau unterfucht. Nach einfeitigcr Verletzung des

456 Grundzüge einer vergleichenden [62

unteren Schlundganglions beobachtete er eine entgegengefetzt ver- laufende Rotation; war jedoch vor Ausführung diefer Operation das obere Schlundganglion entfernt, fo ftellten lieh in Folge eines activen Zurückgehens der Beine an der verletzten Seite Manege- bewegungen ein, welche nach Abtragung der Füße der entgegen- gefetzten Seite fortfielen, dagegen nach Abfchneiden der Füße an der verletzten Seite repulfiven und conftanten Rotationen Platz machten. Andauernde Manegebewegungen im inverfen Sinne traten regelmäßig auf, wenn ein Lobus des oberen Schlundganghons eine tiefere Verletzung erfahren hatte, und die Füße an der verletzten Seite amputirt worden waren; Faivre betrachtet diefe Bewegungs- Itörungen als charakteriflifch für eine einfeitige Verletzung des oberen Schlundganglions. Nach Exftnpation eines Lobus des oberen Schlundganglions ftellte fich eine attractive Rotation im inverfen Sinne ein, die ebenfalls beftehen büeb, wenn an der verletzten Seite die Füße abgetragen wurden ; wiederholte oberflächhche Reizungen des einen Lobus diefes Ganglions führten dagegen nur zu einer vorübergehenden gleichfinnigen Rotation. Faivre fagt nun: Weil nach tiefer Schädigung oder Abtragung eines Lobus des oberen Schlundganglions das Vermögen die Richtung zu wechfeln bei Infekten erlifcht, fo folgt, daß das obere Schlundganghon der Sitz des Directionsvermögens ifi. Der Einfluß des unverletzten Lobus äußert fich Itets an den Gehfüßen derfelben, niemals an denen der entgegengefetzten Seite, und jeder Lobus befitzt die Fähigkeit, die Direction der Gangbewegungen an der entfprechenden Hälfte für fich allein zu beforgen. So erfcheint im Falle der oberflächlichen Reizung eines Lobus die attractive Rotation an der gleichen Körper- feite, nach tiefer gehender Verletzung des Lobus und gleichzeitiger Abtragung der correfpondirenden Gliedmaßen dagegen im inverfen Sinne.

Solange grob anatomifche Befunde mit phyfiologifchen That- fachen vermengt wurden, blieb ein Vergleich des Bauchfiiranges

63] Phyliologie der nervöfen Apparate. 457

der Articiüatcu mit Theilen des Nervenfyftems höherer Thiere wiirenlchaftüch unausführbar, und wu- begegnen noch bis ins vorige Decenuium hinein den abweichendften Anflehten. Beil, Ackermann, Bichat ibwie die Naturphilofophen hatten das Nerven- fyllem der Evertebraten dem großen Sympathicus der Wirbelthiere verghchen. Von Scarpa, Blumcnhach, Cuvicr und Gull war die Idee einer Analogie z'O'ifchen diefen beiden Syftemen aber wieder ver- worfen worden ; fle deuteten die Ganglienkette der Arthropoden als dem Cerebrofpmalfyfleme der Wh'belthiere entfprechend. 3IecJcel, WaWter, Dughs und Leuret Hellten den nervöfen Apparat der Exertebraten nach Function und Struetm- dem Cerebrofpinal- apparate plus dem großen Sympathicus der Vertebraten an che Seite, während E. IL Weher die Ganglienknoten der Wirbellofen denjenigen Ganglien gleichfetzte, welche gewilfen Hirnrüeken- uerven der Wirbeltliiere (z. B. den hinteren Rückenmarkswm-zeln, dem Trigeminus) eigen lind; nach Treviramis repräfentiren die Ganglienanfchwellungen der Evertebraten aber nicht nur jene letzt- erwähnten Ganglien der AVirljelthiere , fondern außerdem auch noch das Kückenmark.

In der neueren Zeit betrachteten die meiften Phyiiologen (fo auch Viäpian und Langet) das Bauchmark der Articulaten als analog dem Rückenmarke der Wirbelthiere und verglichen, wie euill die Anatomen Neivport und v. Siehold, das obere Schlundganghon dem Großhirn, das untere Schlundganglion nebft den Schlund- commilfuren dem Kleinliirn und verlängerten Marke. In den auf- fallend Harken ganghöfen An Ich wellungen des Rückenmarks, welche bei Fifchen(Trigla, Ortliagoriscus) vorkommen, verniuthete man. Anklänge an die Ganghenkette der Wirbellofen gefunden zu liabeii; doch man vergaß dabei, daß jene Bildungen mir die Urfprungs- ftätten ftärkerer Nerven darftellcn und als folclie den Intumes- centien (Hals- und I^cndenanfchwellung) am Rückenmarke der Wirbelthiere entfpreclien , deren Schwund bei Veiküimncrung der

458 Grundzüge einer vergleichenden [64

Gliedmaßen (z. B. beider Anfchwellungen bei Schlangen, der In- tumescentia lumbalis bei Cetaceen und Chirotes) in der Wirbel- thierreihe gut zu verfolgen ift.

Gegenbaur ^'^) war der erfte, welcher die morphologifchen Ueber- einftimmungen von den phyliologifchen fcharf trennte und, indem er erJftere gegen einander kritifch abwog, zu folgendem SchluITe gelangte: «Wenn auch am Rückenmarke der Wirbelthiere eine Aehnlichkeit mit der Ganglienkette gegliederter Wirbellofer nicht zu verkennen ift, fo kann doch das Rückenmark von diefer keines- wegs abgeleitet werden ; vielmehr ift das centrale Nervenfyftem der Wirbelthiere als eine im hohen Maaße weiter entfaltete Ausbildung der oberen Schlundganglien wirbellofer Thiere anzufehen. Das wird durch die üebereinftimmung in der erften Anlage begründet, die in beiden Fällen aus einer Differenzirung des dem Ektoderm homologen äußeren Keimblattes erfolgt. Während aber die daraus entftehende MeduUarplatte bei den Wirbellofen lieh nicht in der ganzen Länge der Körperanlage ausdehnt, oder wenn auch an- fäDghch von folcher Länge, doch bald mit dem weiter wachfenden Körper nicht mehr gleichen Schritt hält, fo findet bei der Wirbel- thieranlage die Ausdehnung der MeduUarplatte in einer dem Längen- wachsthum der Anlage adäquaten Weife ftatt und bedingt damit für das daraus entftehende Centralnervenfyftem eine der Gefammt- länge des Körpers entfprechende Ausdehnung.»

Unfere Aufgabe befteht ausfchließlich darin, die analogen VerhältnilTe, unbekümmert um die Homologieen, ins Auge zu fallen, und da geftaltet fich das Refultat wef entlich anders als in der vergleichenden Anatomie. Rufen wir uns die aufgezählten Thatfachen ins Gedächtniß zurück, fo haben wir bei den Echino- dermen den Nervenring dem Coordinationscentrum des Wirbel- thiergehirnes , nach Steiner alfo dem Mittelhirn zu analogifiren, während die Ambulacralnerven bei der einen Speciesgruppe (z. B, bei Afteracanthion) functionell den Refiexcentren des Rücken-

65] Phyßologie der nervören Apparate. 459

marks, bei anderen Vertretern (z. B. bei Echinus) aber, wo die- felben mehr einfachen Nervenfträngen gleichen, den Rückenmarks- nerven au die Seite geflellt werden muffen. Für die Krebfe Ichloffen wir nns der Anffaüüng von Ward an und erachten dem- gemäß das obere Schlundganghon als analog dem Großhirn nebft <len angrenzenden Hirntheilen, das untere Schlundganghon als vergleichbar dem Mittelhirn, und das Bauchmark Hellen wir in Parallele mit dem Rückenmark. Diefe Verhältniffe verwifchten lieh bei den Infekten infofern, als bei dem oberen Schlundaanslion nur auf Spontaneität und auf ein Directionsvcrmögen für die Glied- maßenbewegungen zu fchließen war und die Coordinationscentren lieh über die ganze Ganglienkette vertheilt fanden.

Es giebt eine Anzahl von Pflanzenftoffen , welche an Wirbel- thieren eine excefliv gefheigerte Reflexreizbarkeit des Rückenmarks, der Medulla oblongata und des Gehirns hervorbringen, und in Folge deren es bei einer Vergiftung mit diefen Subftanzen durch höchft unbedeutende, oft gar nicht mehr nachweisbare Reize, welche das Auge, das Ohr und insbefondere die Taftwerkzeuge treffen, zu Reflexkrämpfen kommt. Nach dem am heften und am längften bekannten Repräfentanten diefer Gruppe bezeichnet man diefelbe als die des Strychnins. Die Strychninwirkung ifl an zalilreichon Vertretern aller Evertebratenklaffen ftudirt, und obfchon die Angaben der Autoren über den Erfolg derfelbcn fehr verfchiedenartig hiu- teten, fo wiff'en wir doch jetzt, daß ein echter Tetanus durcli das Strj'chnin an keinem einzigen Wirbellofen zu erzielen ift. Diefes Refultat ift den meiften Unterfucliern fein- unwalu-fclieinlicli vor- gekommen, und lic <;ntftellten deshalb ihre Bcol)achtungeii in einer Weife, die jeden rnkuiidigcn glauljeii niiidicii mußte, daß die Strychninvergiftuiig bei Wirbellofen ebenfo wie bei Wirlx'lthicren unau.sbleibHcli einen Tetaiuis im Gefolge habe. Dem Strychniu gegr-nüber erweifen lieh indeß fchon mehrere Wirbelthiere (z. B. Hühner und Meerfcliweinchen) als außerordentlich widcrftands-

Krukinhii'j, Vergl.-phy/iol. Vortrüge. M

4:60 Grundzüge einer vergleichenden [66

fällig, und ich begreife deshalb die Sucht nicht, an Wirbellofen partout einen Strychnintetanus conftatiren zu wollen, von dem hier einmal nirgends etwas zu fehen ift. An Echinodermen, Wür- mern, Krebfen und Mollusken beobachtet man bei einer Strychnin- vergiftung nur Lähmungserfcheinungen ; nur an Cephalopoden ^^), wo diefelben nachweislich auch periphere Urfachen haben, und an Medufen gelang es mir^*), mich von einem Ueberempfindlich- werden der Reflexcentren bei der Strychnin Vergiftung zu über- zeugen. Uns beffcimmen diefe Beobachtungen zu der Annahme, daß jener Hemmungsmechanismus, welcher am fpinalen Reflex- apparate der Wirbelthiere durch das Strychnin eine Ausfchaltung erfährt, aber fchon bei verfchiedenen Species derfelben fehr ungleich entwickelt ift, bei fämmtlichen Wirbellofen nicht in einem irgendwie entfprechenden Grade zur Ausbildung gelangt ift.

Die großartigften Difi'erenzen, welche Vertreter ein und des- felben T}^us in der Anlage ihrer nervöfen Apparate conftatiren laflen, treff'en wir bei den Mollusken ^^) an. Das kann wahrlich nicht Wunder nehmen, da bei diefen die nervöfen Centren in drei (Gehirn-, Fuß- und Eingeweideganglion der Lamellibranchiaten) refp. in vier (oberes Schlund-, Fuß-, Buccal- und Gaftroöfophageal- gangiion der Ctenophoren) paarweife oder felbft nur einfach ange- legten GanglienmalTen concentrirt und, welche ihrerfeits durch reine Nervenfaferftränge mit den verfchiedenartigften Organen in Ver- bindung treten. Das grundverfchiedene Verhalten einzelner Mol- luskenarten dem Curare ^^) gegenüber deutet das fchon an.

J. Steiner, welcher an unferen einheimifchen Landpulmonaten Curarevergiftungen zuerft erfolgreich ausführte, gelangte zu- dem leicht zu beftätigenden Refultate, daß eine Helix pomatia nach Injection von 2^2 mg Curare ihre felbftändigen Bewegungen momentan vollkommen einbüßt, während die Reflexthätigkeit die normale bieibt. Bei einigen Meerwalfergaftropoden (z. B. bei Ap- lyfia, Doris) fcheint die Wirkung ebenfalls wie bei unferer

67] Phyüologie der nervöfen A]>parate. 461

Helix eine centrale zu fein, aber diefelbe Hellt ßch lange nicht fo plötzlich ein und bei anderen Formen, befonders bei Lamelli- branchiaten (Anodonta, Lithodomus, Mytilus, Area), erhalten wir felbll bei Anwendung großer Dofen von Cm-are nur ein ebenfo unbeltimmtes VergiftungsbUd als bei den Krebfen. Bei Cephalo- podeu ift kaum eine andere Giftwh-kung fo unlicher in ihren Er- folgen als die des Curare. Hiermit flehen die Ergebnille der Vivifectionsverfuche in voUem Einklänge.

Als die zuverläffigfte Arbeit über die Nervenphyliologie der Pulmonaten ift noch immer die von Vulpian anzufehen, welche durch die widerfprechenden Angaben H. v. Jherhig's keine Ein- buße an Anerkennung erfahren hat. Nach Vidjnan kommt dem Gehirn- und dem untern Schlundganglion eine fehr ungleiche Be- deutung für das Leben der Helix zu. Die Operation ift in dem einen Falle durch Nebenumßände nicht mehr gefährdet als in dem andern, aber trotzdem überlebt die Schnecke die Exfthpation des untern SchlundgangUons gewöhnlich nicht länger als 24 Stunden, die des Gehirnganglions dagegen 4 5 Wochen. Eine Helix, welche des untern Schlundganglions l)eraubt ift, oder bei welcher diefe Ganglien auch nur in der Medianlinie durchfchnitten find, benimmt fich wie ein des Großhirns beraubtes AVirbelthier ; lie v/jllführt keine willkürliche Bewegungen und bleil)t tief in ihrem Gehäufe verborgen. Die electrifche Reizung übt ebenfalls an Ix'iden Ganglien eine fehr verfchiedene Wirkung aus; dcrm während eii] Reiz, der das Gehirnganglion trifft, nur fchwach l^cantwortet wird, löft Reizung des untem Schlundganglions kräftige und allgemeine Contractionen aus. I'^incn mächtigeren Einfluß auf die refpinito- lifchen Bewegungen fcheint keines der l)eiden Ganglien zu Itclllzcn; nacli Entfernung des Gehirns beftclien diefelbcn unverändeil fort, und nacli Exffii*]»ation des oberen und des unteren Schlundgan- glions vei'laufen diel'elben nur gefcbwiubl mid deshalb nnc li wcniL'« r nonnal.

462 Grundzüge einer vergleichenden [68

Ueber die Function der einzelnen Ganglien bei den Lamelli- branchiaten belehren uns gegenwärtig ganz allein die bereits S. 406 erwähnten Unterfuchungen von Faivloiv an den Schließ- muskeln großer Exemplare von Anodonta cygnea. Bei diefer Mufchelfpecies liegt jederfeits unter dem Mantel und dem vorderen Schließmuskel benachbart ein Ganglion, die beiden fog. vorderen Ganglien. Diefe befinden fich fowohl unter üch als auch mit dem hinteren, auf der Bauchfeite des hintern Schließmuskels gelegenen Ganglion in directer Nervenverbindung, und das hintere Ganghon ift demnach mit jedem der beiden vorderen Ganglien durch Nerven (fog. Verbindungsnerven) verbunden. Zu den Schließmuskeln gehen nun zwei KlalTen von Nervenfafern, die einen motorifche, welclie Verkürzung des Muskels veranlalTen, die anderen, wie man heute noch fagen würde, hemmende, welche den verkürzten Zuftand des Muskels aufheben und Erfchlaffung desfelben herbeiführen. Die motorifchen Nerven entfpringen für jeden der beiden Muskeln aus dem zunächft gelegenen Ganglion; die hemmenden oder erfchlaffen- den Fafern gehen insgefammt aus den vorderen Ganglien hervor; fie werden dem vorderen Schließmuskel durch die kurzen, ihm von den vorderen Ganglien zugefandten Nervenftämmchen, dem hinteren Schließmuskel durch die Verbindungsnerven zugeführt.

Das hintere Ganghon fungirt für den hintern Schließmuskel als motorifches Centrum, die vorderen Ganglien fpielen diefelbo Rolle gegenüber den vorderen Schließmuskeln. Die motorifchen Zellen der beiderfeitigen Ganglien können fowohl von peripherifchen Nervenfafern (des Mantels, der Kiemen) als durch gewilfe Fafern des Verbindungsnerven in Thätigkeit verfetzt werden. Die vorderen Ganglien und überdies im Stande, in beiden Schließmuskeln Er- fchlaffung herbeizuführen. Bemerkt fei noch, daß die Schließ- muskeln felbft nach ihrer Trennung von den zugehörigen Gan- ghen aus dem Zuftande des Tonus in den der Erfchlaffung über- gehen und aus diefem in den Zuftand des Tonus zurückkehren

69] Phyüologie der nervören Apparate. 463

können; aber beiderlei Veränderungen erfolgen an den ficli felbft überlalFenen Muskeln überaus langfam und erfordern Stunden.

Traten bei Infekten die fpecififchen Hirn Verrichtungen den coor- dinii'ten Reflexen gegenüber dermaßen in den Hintergrund, daß man in diefen Thieren reine Rückenmarkswefen vor lieh zu fehen glaubte, fo find hingegen bei den Mollusken die centralnervöfen Functionen derart localilirt, daß man nur Ich wanken kann, den einen oder anderen Gangliencomplex feiner ph^^iologifchen Dignität nach einem gewäffen Hirntheile der ^^ertebraten als ebenbürtig zu erachten oder denfelben in die Klall'e peripherer Centren zu ver- weifen. An ein Analogon des Rückenmarks kann weder bei Ga- ftropodcn noch bei Lamellibranchiaten irgendwie gedacht werden.

Die verdienllvollen Arbeiten von G. Colafanii lalfen die \^er- dus ccre-

1)iori>iual-

hältuilfe bei den Cei)halo])oden wefentüch anders er fehehien. Hier J'y'ti™, f^""

■•■ •■■ C'eipiiaio-

finden fich Nervenftränge, welche dem Rückenrnarke der Wirbel- '''"^™' thiere nicht nur funetioncll entfprechen, ibndern auch in ihrer hiftio- logifchen Anordnung ganz den Eindruck wie diefes machen.

Wie uns Vulpiun mittheilt, war fchon von Sharpey beobachtet worden, daß in den Armen von Octopus zwei innig verwachfene Nervenftämme verlaufen, von denen der eine in regelmäßigen Ab- Iländen GangHenanfch wellungen führt, während der andere der- felben entbehrt. Aus dem Ganglien enthaltenden Faferzuge ließ Sharpey die Nerven für die Saugnäpfe der Arme hervorgehen, während aus dem andern Strange die für die Muskeln beftimmten Fafern entfpringen follten. Ohne S/iarpri/s Arl)eit zu kennen. Hellten C/tcron, Oivsjannihoiv und Koivulevshj üljcr denfelben Gcgenftand Beo}>ac]jtungen an und gelangten zu derfell)en Auffallüiig wie jener. Erft Colafaiiti, welcher den Armnerven einer genaueren mikrofkopifchen Prüfung unterwarf, zeigte, daß die Vorflellung Shar/if'i/i^ und allei- übrigen Autoren von einem auf die Anfchwel- lungen befciiränkten N'orkoninien der Nervenzellen eine durchaus irrige ift, daß vielmelir der Nerv des CeplialMpndcniniiMs in r(in( r

464 Grundzüge einer vergleichenden [70

ganzen Länge, von der Baus bis zur Spitze des Armes, Ganglien- zellen enthält und zwar in einer durchaus beftimmten Anord- nung, die lieh auf jedem einzelnen Querfchnitte in identifcher Weife und mit gleicher Regelmäßigkeit reproducirt, wie das be- kannte fchräge Kreuz auf dem Querfchnitte des Rückenmarks der Wirbelthiere. Die Centralnerven der Arme haben mit peripherifchen Nervenfafern demnach nichts gemeinfam, he gehören den nervöfen Centralorganen zu und werden daher wohl zweckmäßig als die «nervöfe Axe» bezeichnet.

Betrachtet man das Querfchnittsbild eines folchen Armnerven, fo tritt fowohl in der bilateralen Symmetrie, zu welcher die von der in einer medianen Längsfurche der nervöfen Axe eingebetteten Arteria brachialis ausgehende Raphe VeranlalTung giebt, als auch in der Conitanz des Bildes auf allen möglichen Querfchnitten eine überrafchende Aehnlichkeit zwifchen diefer Bildung und dem Rücken- marke der Wirbelthiere hervor. Diefe Uebereinftünmung gewinnt noch an Bedeutung dadurch, daß ganz wie im Rückenmarke fo auch in der nervöfen Axe das identifche Bild bedingt wird durch eine beltimmte Abwechfelung und Configuration von zwei Sub- ftanzen, die ohne den geringflen Zwang als graue und weiße be- zeichnet werden können, da die erfte ganz wie die des Rücken- marks ausfchheßlich aus Ganglienzellen und molekularer MalTe, die zweite ebenfo ausfchließlich aus Nervenfafern befteht, die ganz ebenfo cjuer durchfchnitten erfcheinen wie die weißen Stränge des Rückenmarks.

Diefes ftets mederkehrende Querfchnittsbild der nervöfen Axe, welches zuerft, wenn auch ungenau, von Cheron befchrieben und abgebildet wurde, ift allerdings dem Querfchnitte des Rückenmarks einigermaßen unähnlich. Li der nervöfen Axe umgiebt nicht eine Schale weißer Subflanz den grauen Kern, fondern beide Sub- rtanzen erfcheinen auf dem Querfchnitt neben einander gelagert. Die weiße Subftanz befleht aus zwei fymmetrifchen Strängen von

71] Phyiiologie der nervöfen Apparate. 405

rundlichem Querfclmitt, welche den der Außeiifläclie des Armes zunächfl hegenden Theil der nervöfen Axe einnehmen. Die graue Subftanz liegt der Innenfeite des Armes näher; lie zerfällt in einen Ganghenzellen-haltigeu und in einen Ganglienzellen-freien Theil, welcher letztere in feinem mikrofkopifchen Ausfeilen die größte Aehnlichkeit mit der molekularen Außenfchicht der Kleinhirnrinde zeigt. Das Verhältniß diefer beiden Theile der grauen Subltanz ift ein durchaus conftantes, indem die Ganglienzellenfchicht die molekulare Maffe von außen in Hufeifenform umgiebt.

Die intereflanteften Uebereinftimmungen zwifchen der nervöfen Axe und dem Rückenmark ergeben fleh aber erft aus einer Be- trachtung der einzelnen Querfchnittsbilder ; denn hier zeigt fleh, daß in beiden Fällen die abändernden Factoren ganz die gleichen lind. Am Cephalopodenarme erklärt fleh die abwechfelnde Dicke des Nervenarmes unfchwer daraus, daß in den Einfchnürungen die graue Subftanz allein für die Muskulatur und Haut des Armes die Nervenwurzeln herzugeben hat, während io den Anfchwellungen nocli die fenßtiven und motorifchen Nerven für die Saugnäpfe hin- zukommen, und der allmähge Schwund der weißen Subftanz von der Balis bis zur S})itze des Armes hat offenbar nur darin feinen Grund, daß je weiter man gegen das Ende vordringt, der durch füe weiße Subftanz mit den höheren Nervencentren in Verbindung ftehende Körpertheil beftändig kleiner wird und ein beftändig ge- ringer werdendes Nervengebiet in der weißen Subftanz re})räfentirt zu werden braucht.

Giebt lieh in dielen, den anatomifchen Bau modificirenden Momenten eine vollkommene Analogie zwifchen der nervöfen Axe und dem Rückenmark zu erkennen, fo muß es andererfeits doch auffallen, daß die graue Sul)ftanz an der Spitze des Cei^ialo- podenaraies quantitativ ebenfo mächtig entwickelt ift als an der Bali», wälircnd die dünne Armfpitze viel weniger Nerven zu ihrei- Verforgung brauchen follte als die liarkv. Balis. IiidcHeii ilt es

466 Grundzüge einer vergleichenden [72

nicht fchwer, eine ausreichende Erklärung für diefen fcheinbaren Widerfpruch zu finden: offenbar hat die dünne Armfpitze eine ganz andere Function als die ftarke Bafis; fie ift vorzugsweife Taft- organ, während die mechanifchen Leiflungen des Armes ausfchließ- lieh in der muskelkräftigen Bafis ihren Sitz haben. Wenn daher auch die Spitze des Armes fehr viel weniger motorifche Nerven- fafern verbraucht, fo hat fie dafür defto mehr fenfitive nöthig, und es begreift fich leicht, daß der Ueberfchuß an letzteren den Aus- fall an erfteren vollkommen compenfiren kann. Off'enbar mit diefem Verhältniß hängt die charakteriftifche Verfchiedenheit der Arm- fpitze von denen der Bafis zufammen. Die zelligen Elemente der erfteren find faft durchweg äußerft klein, und ihr Enfemble hat fehr große Aehnfichkeit mit der Körnerfchicht des Kleinhirns oder der Retina. An der Bafis hingegen finden fich vorzugsweife große Ganglienzellen mit deutlichem Kern. Es fcheint alfo, als ob auch innerhalb des MoUuskentypus dasfelbe Verhältniß ftattfindet wie bei den Wirbelthieren , daß nämlich die fenfibelen Zellen ftets kleiner gebildet find wie die Urfprungszellen der centrifugalen Nervenfafern. Während die nervöfe Axe, als nervöfes Centralorgan betrachtet, mehrere höchft bemerkenswerthe anatomifche Uebereinflimmungen mit dem Rückenmarke zeigt, fehlen folche durchaus für die von ihr ausgehenden Nerven, für welche fich keinerlei derartige Be- ziehungen mit den Rückenmarksnerven nachweifen lafTen. Die peripherifchen Nerven entfpringen von der nervöfen Axe während ihres ganzen Verlaufes, reichlicher von den Anfchwellungen, aber auch von den Einfchnürungen. Ihre Urfprungsweife ift fehr in- conftant: das einzige conftante Factum ift, daß fie ftets aus dem molekularen Theile der grauen Subftanz hervorgehen und daher, um an die Oberfläche der nervöfen Axe zu gelangen, die Ganglien- zellenfchicht durchfetzen. Von einem Entfpringen mit gefonderten Wurzeln wie im Rückenmark ift niemals etwas zu fehen, wie über- haupt auf den Querfchnitten der nervöfen Axe nichts von einer

TS] riiyliolugie der nervöfeu Apparate. 467

Scheiduug oder Localiliriirig der motorifcheu und fenübeleii ana- tomilclieii Elemente uachzuweilen ift. Ja, es fclieint in Bezusf auf Anzahl und Modus der Nervenurfprünge nicht einmal auf ])eiden fonft bilateral fymmetrifchen Seiten der nervöfen Axe eine Ueber- einftimmung vorzuliegen.

Diefer hochorganiürten Natur der nervöfen Axe entfpricht in allen Punkten die phyhologifche Sell>Itändigkeit des Cephalo- podenarmes, welche allemal weit bedeutender ilt als an irgend einem abgetrennten Körpertheile des zählebigften Wirbeltbieres. Bei einigen Cephalopoden (Tremoctoi)us violaceus, Philonexis Carenae und Argonauta argo) vermag fogar ein abgelölter Arm als felbftändiger Begattungsapparat zu functioniren und wurde als folcher von Delle Chktjc, von Ciivier, ja felblt noch von KÖllih'r für ein volles Individuum, für einen Eingeweidewurm (Hecto- cotylus octopodis Cuvler) oder für einen voUftändigen männ- lichen Cephalopoden (Tremoetopus violaceus KöUiker) gQXialiQii. Ein folcher Arm ladet lieh mit den merkwürdigen Samenpatronen, löft üch von dem Thiere los und begiebt lieh dann felbfländig auf die Frei.

Bei electiifcher Reizung der nervöfen Axe erhielt Colafanii Be- wegungen des Armes, Action der Saugnäj)fe und Farben Verände- rung der Haut, doch war da es nicht gelang, die Reizung, wie es das Thier vermag, auf einzelne Fafern zu ])efchränken, und auch die von den weißen Strängen erlt nach Durchfetznng von grauer 8ui>ftanz und von Ganglienzellen beforgte Innervation der Muskeln des Armes, der Saugnäpfe oder der Haut den Verfuchen wenig günftig lieh erwies, kein conftantes Refultat zu erzielen. In der Thatfache, daß die Bewegungen des Haft- uiul Saugraunies un den SaugnäitfcheJi nach ihrer Lostrennung vom Arme; oder nach völliger Zerftöruiig der centralen Axe noch in der normalen Weife, weini aiicli mit felir vermiiidci-ter Energie von Statten geben, liebt Colufitnti keine Reflexaction, fondern den Ausdruck liir eine diiccte

468 Grundzüge einer vergleichenden [74

Erregbarkeit der Muskeln, wie folclie ebenfalls von Engelmann^'^) für den Ureter und von Cohnheim ''^) für die Arterienmuskulatur angenommen ift.

Weit fparfamer fließen die Thatfachen, wenn wir bei den Ce- phalopoden nach den Functionen der einzelnen Hirnabfchnitte fragen ; nur Verfuche von Klemenliewics geben uns hierüber einen etwas näheren Auffchluß.

Die NervenmalTe des Cephalopodengehirns befteht aus grauer und weißer Subßanz, von welchen erftere als die Rindenfubftanz aufgefaßt werden kann; diefe iffc entweder von großzelliger Be- fchaffenheit (Rinde des untern Halbringes, des Ganglion pedunculi, des untern Theiles des Gangl. cerebrale und die um dem Oefophagus liegende ringförmige Mafle von grauer Subftanz) und färbt lieh alsdann mit Pikrocarmin wie mit Blauholzextract nur fchwach, oder fie ift, ähnlich der Körnerfchicht des menfchlichen Kleinhirns, kleinzellig (graue Subftanz des Gangl. opticum und des oberen Knoten des oberen Schlundrings [«Calotte» oder Haube CMron's\) und nimmt in diefem Falle durch Pikrocarmin eine dunkelrothe, durch Blauholzextract eine dunkelblaue Färbung an. In der weißen Subftanz lind eine große Anzahl von Faferzügen vorhanden, welche in den mannigfachften Richtungen verlaufen und lieh durchkreuzen. So und z. B. durch die aus den Pedunculis ausJftrahlenden Fafern die Gangl. optica und möglicherweife auch die Gangl. pedunculi nicht nur unter lieh, fondern auch mit dem oberen und unteren Theile des Schlundrings in Verbindung, deren einzelne Knoten wieder durch Faferzüge zufammenhängen ; aus den letzteren, den Knoten des unteren Halbringes, gehen aber in großer Menge die Nervenftämme zu den verfchiedenen Körpertheilen ab.

Diefen anatomifchen VerhältnilTen entfprechen die Erfolge der phyßologifchen Verfuche. Die electrifche Reizung der kleinzelHgen grauen Subftanz, der Haube, ruft weder Bewegungen an den Körpermuskeln, noch eine Verdunklung der Haut hervor: Ver-

7n] Phyüologie der nervöfen Apparate. 469

änderuDgen, welche fofort erfolgen, wenn das Ganglion pedale, die hintere Partie des Ganglion cerebrale, oder wenn die unmittelbar unter dem GangHon cerebrale und dem Oefoi)hagus liegenden Theile des Schlundringes gereizt werden. Setzt man die Electroden auf das Ganglion opticum, auf einen Pedunculus oder je eine Electrode auf je einen Pedunculus, fo erfolgt wohl eine Extenfion der Chromatophoren und in Folge delTen eine Dunkelfärbung der Obei-fläche, aber keine Contraction der Haut- und der Körper- muskulatur. Werden die Reizungen an den Pedunculis oder den Ganglien des Opticus einfeitig ausgeführt, fo bleibt der Effect nur bei fchwachen Reizflärken auf die entfprechende Körperfeite be- fchränkt, auf ftärkere Reize reagiren (wegen der mannigfach fich durchkreuzenden Faferzüge) die Chromatophoren und die Muskeln beider Körperhälften. Ein hinter den Pedunculis und mit diefen parallel laufender Transverfalfchnitt durch den Schlundiing fcheidet das Thier in zwei getrennt innervirte Körperftücke, in ein vorderes mit Tentakeln, Kopf und Ti'ichter, und in ein hinteres, deffen Wir- kungsfphäre von einer Reizung der Pedunculi und der Ganglia optica unabhängig geworden ift. Aehnliches läßt ßch auch durch Anlegung eines analogen vorderen Querfchnittes für die vordere Köri)erhälfte oder mitteilt Durchtrennung der Bafis eines Fang- anues für einen folchen erreichen.

Alle Autoren (Bert, Klemenlieivicz , Fredericq) lind darin einig, daß das obere Schlundganglion der Cephalopoden dem Großhirn der Vertebraten entfprechend functionirt, während das untere Schlundganglion motorifclie Centren für die Athnunig und für die Chromatophorenmu.skeln , und Reflexcentren für die Be- wegungen verfchiedener Köq»eiTnuskeln enthält. Bert lagt von Sepia, Fredericfj von Octopus, daß fich der des oberen Schlund- ganglions berauljte Ceplialoj»odc wie eine des Großhirns beniubtc Taube benimmt; die Atbmung, die Circulation und die nK-iftfu übrigen Functionen vollziehen lieh wie normal, aber das Tbi<r

470 Grundzüge einer vergleichenden [76

verhält fich voUfländig pafTiv, es führt keine willkürhchen Be- wegungen aus und rührt fich, wenn es kein äußerer Anftoß zwingt, überhaupt nicht von der Stelle.

An der hinteren Fläche des unteren Schlundganglions ent- fpringen paarig je zwei größere Nervenftämme , der große Ein- geweidenerv und der Mantelnerv, von welchen lieh letzterer an das Ganglion stellare begiebt. An diefen Nerven ifl von P. Bert, Cheron und Freder kq experimentirt worden ; letztere beiden Forfcher haben aber die Angaben Berfs nur beflätigen und denfelben nur wenig Neues hinzufügen können. .Es ergab fich, daß beide Nerven- paare motorifch wie fenfibel und und in näherer Beziehung zu der Athmung liehen. Nach Fredericq Averden die Refpirations- bewegungen, welche bekanntlich Vorzugs weife in rhythmifchen Contractionen des Mantels beliehen, ausfchließlich auf refiecto- rifchem Wege ausgelöfl und zwar durch Erregungen, welche von den großen Eingeweidenerveu centripetal dem Unterfchlundganglion zugeführt und Jiier auf die Mantelnerven als motorifche übertragen werden. Nach Durchfchneidung der beiden A^isceralnerven flehen die Athembewegungen fofort Hill und nur energifche Erregungen anderer fenlibeler Nerven (der Haut, der Arme, des Kopfes u. f. w.) löfen alsdann noch kurz andauernde Refpnationen aus, wälirend jeder Reiz, welcher das centrale Ende eines der beiden durch- fchnittenen Visceralnerven trifft, durch eine Reihe rhythmifcher Refpirationsbewegungen beantwortet wird. Durchfchneidung der Mantelnerven vernichtet lediglich die refpiratorifchen Bewegungen der beiden Kiemenfäcke, von welchen ein jeder von dem Mantel- nerven der zugehörigen Seite verforgt wird, nicht aber che Con- tractionen des Trichters und feiner Seitenklappen. Ferner verfehen die Visceralnerven bei den Pulfationen der Herzen und der großen Gefäße die nämliche Rolle als der Vagus am Herzen der Wirbel- thiere, allein mit dem Unterfchiede, daß die Wirkung eines jeden Visceralnerven üch auf die gefammten Kreislaufsorgane erftreckt

77] Pliyüologie der nervofen Apparate. 471

und nicht nur die Contractionen an den Gefäßen der entfprechendeu Körperhälfte beeinflußt ; eine Durch fch neidung oder eine periphere Reizung beider Nerven hat natürhch eine energifchere Wirkung zur Folge, als wenn es fich dabei nur um einen der Nerven handelt. Entfprechend dem herangezogenen Vergleiche mit der Vaguswirkung auf das Wirbelthierherz führt die Durchfchneidung beider Einge- weidenerven eine fch wache Befchleunigung der Herzfchläge herbei, während eine electrifche Reizung der peripheren Nervenenden, je nach der Stärke, die arteriellen Avie die Kiemenlierzen langfamer fehlagen macht oder ganz zum Stillftande bringt. Sicher ill fchließlich noch, daß beim Abtragen des gefammten Schlundringes, bei Durchfchneidung der Mantelnerven oder bei Ausrottung der Sternalganghen, bei Operationen alfo, welche die Athembewegungen fofort ßftiren, die Herzfchläge keine Verlangfamung erfahren. Frc- derkq hat auch angegeben, daß mit der großen Hohlvene auf die Herzbewegungen befchleunigend wirkende Nervenfafern verlaufen, doch fcheint es fich l)ei feinen Verfuchen eher um eine directe Rei- zung der Gefäße als um eine nervöfe Leitung gehandelt zu haben.

Die Wirkungs weife der Mantel- und Visceralnerven bei den Cephalopoden , deren Befprechung von der der Leiftungen der Centralorgane nicht gut zu trennen war, führt uns unmittelbar zu dem dritten Theile unfcrer Aufgabe, zu dem Verfuche einer ver- gleichenden Phyfiologie der Innervationsverhältniffe der vegetativen A{)parate. Mit Ausficht auf Erfolg läßt fich eine vergleichende Betrachtung der nervöfcn Erregungen zur Zeit aber nur an zweien diefer Apparate unternehmen, an denen der Circulation und an denen des Farben wechfels.

Unferm V'orfatze getreu, daß die Innervationsverhältnifro bei den höheren Thieren uns als Richtfchnur l)ei den Wirlx'llofi'n zu dienen liaben, wenden wir uns vorerft nochmals den Wirbchhieren zu und unterfuchen, wie fich bei (liefen die Nervenverbindung der

472 Grundzüge einer vergleichenden [78

einzelnen Organe mit dem Centralnervenfyfteme geftaltet. Werden die Erfahrungen an den Wirbeltliieren uns auch verhältnißmäßig Weniges bieten, welches lieh fchon gegenwärtig im vergleichend phyüologifchem Sinne weiter verwerthen läßt, fo fchafFen wir uns damit doch einen feften Boden, auf dem erfprießlich weiter zu bauen ift, und auf dem fpeciell die Eigenthümlichkeiten der Athem- innervation bei Infekten wie Cephalopoden klarer hervortreten werden, als es bei einer einfachen Erörterung derfelben möglich war. Unterfuchen wir alfo zunächfl, wie die Refpirationserfch ei- nungen bei den Wirbelthieren vom Nervenfyfteme ausgelöft und regulirt werden. Inner- Die Innervation der Athembewegungen ift am genaueften beim

"Vationsver-

häitniiTe äcrj^a^jj;icl-^ej2 Unter fucht, und wir wiJTen fchon (S. 421), daß das

Vegetativen ' \ /'

äen'^wirbei-eigentliche Athemcentrum, doppelt und fymmetrifch angelegt, in der Medulla oblongata wurzelt, hier üch aber jedenfalls nicht auf eine fo punktförmige Stelle befchräukt, wie anfangs Flourens an- nahm, fondern bis in den Anfangstheil des Rückenmarks hinab- reicht. - Diefes Centrum ift ein automatifches oder autochthones (d. h. ein an Ort und Stehe und nicht durch Vermittlung einer nervöfen Leitungsbahn erregtes), welches feine normalen Erregungen von dem umfpülenden Blute aus in genau derfelben Weife wie das excitomotorifche Centrum des Herzens empfängt, und delTen Thätigkeit fich mit dem Sauerftoffgehalte des Blutes ändert. Die Erregungen diefes Centrums äußern lieh hauptfächlich in rhyth- mifchen Bewegungen, welche durch Vermittlung des Phrenicus am Zwerchfell ausgelöft werden ; gleichzeitig jedoch auch in abwech- felnden Zufammenziehungen und Erfchlaffungen der theils infpira- torifch wie das Zwerchfell, theils aber auch exfpiratorifch wirken- den Zwifchenrippennjuskeln. Der rhythmifche Charakter diefer Bewegungen ift uns in feinem Zuftandekommen ebenfo dunkel als der der Herzfchläge und die Einrichtung des automatifchen Athem- centrums nicht weniger complicirt als die des excitomotorifchen

79] Phyüologie der nervöfen Apparate. 473

Herzcentrums; zum Unterfchiede von diefem fleht erfleres aber unter dkecter Herrfcliaft zweier verfchiedener Nervenfafern , von denen die einen die Wirkung des Phrenicus fteigern, während die anderen diefelbe abfch wachen oder unterdrücken. Da es vornehm- hch im Vagusflamme verlaufende Leitungsbahnen fmd, welche diefes Ceutrum beeinfiußen, hat man dasfelbe auch als Vaguscen- trum l)ezeichnet.

Die Durchfchneidung eines Vagus führt keine Veränderung der Athemzüge herbei, dagegen vertiefen fich diefelben und nehmen zugleich an Zahl ab, wenn beide Vagi durchfchnitten lind; eine fchwache electrifche Reizung des centralen Endes eines oder l)eider Nerven führt alsdann eine Erhöhung der gefunkenen Athemzahl bis zur Norm, ftarke Reizung aber emen infpiratorifchen Stülftand herbei. Bofcnthal, welcher ermittelte, daß die in der Zeiteinheit geleiflete Arl)eit des Athmungsapparates nach der Vagidurchfchnei- dung unverändert bleibt, nimmt auf jene Erfahrungen hin an, daß die normale Athmung durch fländige Erregungen, welche dem Centrum auf der Bahn der A'^agi zufließen, regulirt wird, iiidem die autochthonen Reize des Centrums durch die fchwachen, aber oft erfolgenden Reizungen von Seiten der ^"agi zur Abgleichung gebracht werden. Mag es fich hiermit verhalten, wie es wolle, ficherlich verlaufen im Vagusflamme infpiratorifche wie exfpirato- rifclie Fafern, von welchen letztere gleichzeitig einen hemmenden Einfluß auf den Phrenicus ausüben und bei ausgedehnter, erflere dagegen bei collabu-ter Lunge in Thätigkeit treten. So erklärt fich die Selbflf teuer ung der Athnmng durch den Nervus vagus. Be- fclileunigend und infpiratorifch wie die eine Gattung der Vagus- fafem wirken auch der Opticus, der Acufticus (Chri/tüm/) und mehrere fenfibele Nerven auf die Athmung ein, wälirend z. B. der Trigeminus mit der andern Art der Vagusfafern die exf|»iriit(iiirche Wirkung tlieilt.

Bei erfchwerter Athmung oder Atlicnniolli, bt-i jenem Zu-

474 Grundzüge einer vergleichenden [80

flaiide, welchen die Kliniker als Dyspnoe bezeichnen, macht fich neben dem eigentlichen Athemcentrum noch die Gegenwart accef- forifcher Reflexcentren geltend, indem fleh nmi auch die Inter- coftalmuskeln, ja felblt die Bauchmuskeln in hervorragenderer Weife an der In- und Exfpiration mitbetheiligen. Außer bei der Dyspnoe giebt ßch die Anwefenheit der Hülfscentren, von welchen wir ein in- und ein exfpiratorifches unterfcheiden, befonders noch bei Reizung der Nervi laryngei superiores zu erkennen. Diefe Nerven befinden fich für gewöhnlich in keinem Erregungszuftande, und fo hat die Durchfchneidung eines oder beider Stränge nur lehr geringfügige oder auch wohl gar keine Aenderungen der Athembewegungen zur Folge ; reizt man aber einen vom Kehlkopf abgelöfl^en Laryngeus superior-Nerven an feinem centralen Ende mit electrifchen Inductionsftrömen , fo ficht man bei fch wacher Reizung Verlangfamung der Athembewegungen, bei flärkerer Rei- zung abfohlten Stillffcand fämmtlicher vom automatifchen Centrum innervlrten Refpirationsmuskeln zu Stande kommen, und fchließlich bei noch ftärkerer Reizung die accefibrifchen Exfpirationsmuskeln in Tetanus verfetzt, die accefibrifchen Infpirationsmuskeln dagegen gelähmt werden. Letztere Erfch einungen fpielen fich fomit an den accefibrifchen Reflexcentren ab, während erfi;ere auf Hemmungen der automatifchen Erregungen des Phrenicus zu beziehen find.

Manche Aehnlichkeit mit der Innervation des eigentlichen Athmungscentrums zeigt die nervöfe BeeinfluITung des excitomo- torifchen Centrums im Herzen. Auch auf diefes wirken zwei ver- fchieden functionirende Nervenfafern (hemmende und befchleu- nigende) ein, .welche aber, wie die Unabhängigkeit der Wirkungen beider Fafergattungen (Bowditch, Baxt) anzeigt, erfi: mittelbar in den Mechanismus des automatifchen Herzcentrums eingreifen, in- dem fie zwei mit diefem verbundene fecundäre Herzcentren (das Vagus- oder Hemmungscentrum und das acceleratorifche oder Be- fchleunigungscentrum) direct beeinflufi'en. Die Wirkungen der-

81] Phyfiologie der nervöfen Apparate. 475

Herzgifte, welche diefe Verhältnille Ichlagencl illuftrircD, lind von mir an einem andern Orte*^^) ausführlich behandelt; hier betrachten wir deshalb nur die Refultate der Durchfchneidungs- und Reiz- verfuche an den für die Herzbewegungen wichtigeren Nerven.

Unter Mitberückfichtigung der Beeinfluflung der Gefäße durch das Nervenfyllem gelangen wh zur Annahme von vier cerebrofpinalen Centren, eines Vagus- und eines acceleratorifchen Centrums, eines Deprelfor- und eines vafomotorifchen Centrums, von welchen die beiden erfteren ihren ausfchließlichen Sitz in der Medulla oblongata haben, während Repräfentanten der beiden letzteren auch noch im Rückemnarke anzutreffen ßnd. Der Einfluß der Vagusfafern auf's Herz ift ein inehrfacher; es hängt davon ab, was für Fafern und in welcher Richtung (ob central oder peripher) diefelben erregt werden. Den hauptfächlichften Einfluß auf das Herz äußert der Vagus ohne Frage durch die Hemmungsfafern, welche ihm vom Accessorius zugeführt werden, und welche fich nach Durchfchneidung beider Vagi auf Reizung des peripheren Stumpfes eines oder beider Nerven in einem diaflolischen Stillftande des Herzens zu erkeimen geben (E. U. WeherJ. Auf diefe im \"agusfl;amme verlaufenden Hemmungsnerven halben peripher erregbare Faferzüge, welche im Bauchfympathicus 61//>; Uoltz' khar Klopfverfuch), im Depreflbr (Ludwig und Cyon, Stelling und BoeverJ, ja im Halsvagus felbft (Auhcrt und liocvcrj wie in vielen anderen fenflbelen Nerv'cn (Ifchiadicus , Brachiahs, Rückenmarks- und Hautnerven [LocenJ) verlaufen, einen reflectorifch erregenden Einfluß, der aber felblt- verftändlich nur bei wenigftens einem unvcrfehrtcn Vagus in Ver- minderung der Pulsfrequenz und Ausfetzen des Herzfchlages zum Ausdruck kommen kann. Außer diefen central verlaufenden Nerven- bahnen wirken nach Hering i)eriphere Reizungen des Lungenvagus auf das Vaguscentrun i ii) der Medulla ein; wird diefer Nerv bei erhalt«;nen Vagi durch die au.sged(.'hntc o<ler mit Koldcnfäure ge- füllte Lunge in den Erregungszuflaiid verfetzt, Ib tritt indeß keine

h'rukcnlifrff, Vcrgl-p''yrt"l- Vortnl({e. •'•'^

476 Grundzüge einer vergleichenden [82

Verlangfamuiig der Herzfchläge, fondern weil die Hemm migsf afern dadurch vom Centrum aus mehr oder weniger in ihrer Function gefchwächt werden, eine bedeutende Befchleunigung der Herz- fchläge ein.

Neben den hemmenden und fenlibelen Fafern ziehen mit dem Halsftamme des Vagus vereint auch befchleunigende Fafern zum Herzen hin, deren Einfluß befonders dann deuthch wird, wenn die hemmende Wirkung durch eine Atropin- (Schiff) oder Nicotin- vergiftung (Truhart und Schmiedeberg) ausgefchaltet ift. Diefe Be- fchleunigungsfafern begeben fich vom Rückenmarke zum Gan- glion thoracicum primum, gehen erft von hier zum Ganghon cervi- cale inferius und zum Vagus über, und ihre Reizung auf den Zwifchenflirecken bringt eine Befchleunigung der Herzpulfationen mit fleh, welche, ohne durch eine Veränderung im Blutdruck ander- weitig complicirt zu fein, 30 70"/o betragen kann. Man bezeichnet diefe im Vagusflamme mitenthaltenen accelerirenden Fafern kurz als Nervus accelerans und fall eine reflectorifche Erregung derfelben nach Reizung des centralen Stumpfes des Halsfympathicus (Roever)^ welcher die bezuglichen Fafern wahrfcheinlich aus den Herznerven empfängt, wie auch nach Reizung fenflbeler Muskelnerven (ÄIp) erfolgen.

Wie fchon jetzt das reiche Beobachtungsmaterial zu fchheßen erlaubt, erfahren die vorgetragenen Verhältnifle bei verfchiedenen Wirbelthieren oft nicht unbeträchtliche Abänderungen, indem z. B. bei Durchfchneidung beider Vagi die Frequenzzunahme der Herz- fchläge bei Vögeln gewöhnlich weit länger anhält (Einbrodt, Eich- horR) als bei Säugethieren, und bei Fröfchen ganz ausbleiben kann, der Vagusftillfland bei Säugethieren die Dauer einer Minute nicht überfchreitet, bei Tropidonotus natrix aber fleh bisweilen über eine Stunde ausdehnt (A. JB. Meyer) und die Hemmungsfafern auf beide Vagi bei Emys lutaria fo ungleich vertheilt flnd (A. B. Meyer), wie fonft nirgendwo beobachtet wurde; doch wir können

83] Phyfiologie der nervöfen Apparate. 477

auf eiiie eingehendere Befprechung diefer Variationen um fo lieber verzichten, als der neuefte Compilator auf diefeni Gebiete der Phyfiologie, Auhcrt '% diefelben angelegentlichft berücklichtigt hat.

Was die Innervation der Gefäße betrifft, fo flehen diefelben ebenfo wie das Herz unter der Einwhkung zweier ganz entgegen- gef^tzt functionirenden Nerven, nämlich unter dem Einflulfe von verengenden (Vafomotoren, Prefforen oder VafoconJftrictoren) und von erweiternden Fafern (Vafodilatatoren, DeprelToren, Hemmungs- nerven). Noch ziemlich allgemein erklärt man fich diefe doppelte BeeinfluIIüng der Gefäße durch das Nervenfyftem in der Weife, daß man fich die Gefäßmuskeln nur in directer Verijindung mit den Vafoconflrictoren denkt und den erweiternden Einfluß der Dc- preflbren durch eine Reflexhemmung der gefäßerregenden Nerven, fei es in cerebrofpinalen oder in peripher gelegenen Ganglien, ge- fchehen läßt. Als Nerven letzterer Art (Prelfores), deren Durch- fchneidung eine Erw^eiterung der zugehörigen Gefäße zur Folge hat, während an durchfchnittenen Nerven Reizung des peripheren Endes die Gefäße noth wendig verengen muß, betrachtet man die Nervi fplanchnici für den großen Gefäßbezirk der Bauchhöhle (Mefenterialgefäße, Pfortader, Nierengefäße u. f. w.), die von dem Ganghon cerncale fupremum flammenden fymi)athifchen Fafern für die Submaxillar- und Ohrgefäße bei Hund und Kaninchen (67. Bernard u. A.) fowie die Nervi pudendi für die cavernöfen Gewebe der Uretlu-a (Lovm); viel weniger deutlich tritt dei- pref- forifche Charakter an den Gefäßnerven der Extremitäten (z. B. am Ifchiadicus) und der meiften Skcletmuskeln hervor, da in dielen Stämmen ftärkere gefäßerweiternde P^afern, wenn auch voji geringerer Mächtigkeit als die prefibrifchen, in gleichgeiichteter Err(;gbarkeit mitverlaufen.

Die genannten, rein gefäßverengenden Nerven können, wie gefagt, durch andere Faferflrängc reflcctorif(.'h gereizt, und diefes vermag auHfchließlich durch centripetal kitende Nerven (feiiMbelo

4 78 Grundziige einer vergleichenden [84

PrelTores) in cerebrofpinalen Centren zu gefchehen, me auch in ihrer Wirkung geliemmt werden. Diefe Hemmung kann üch voll- ziehen durch centripetal leitende Fafern in den cerebrofpinalen deprelTorifchen Centren oder durch centrifugal leitende Nerven in peripher gelegenen Ganghen, und eine weitere Complication er- wächft fernerhin noch daraus, daß in den beiden cerebrofpinalen Centren, in den deprelTorifchen und den vafomotorifchen Centren, zugleich Nervenbahnen münden, die Reize übertragen, durch welche Erregungen an den Hemmungsnerven ausgelöft werden. Eine hemmende deprellorifche Wirkung auf den vafomotorifchen Splanchnicus befitzen unter anderem Fafern, welche im Rücken- marke verlaufen und fich am durchfchnittenen Lendenmarke bei Reizung des centralen Endes manifeftken (Afp), fodann der beim Kaninchen, Hafen, Igel, Pferde und bei der Katze, nicht aber beim Hunde gefondert verlaufende Nervus depreffor (Cyon und Ludivig), welcher im Endocardium zu endigen und durch defien Ausdehnung gereizt zu werden fcheint. Vom Darme her gehen dem Deprefibr- centrum außerdem noch Splanchnicusfafern zu, welche die Wir- kung des Nervus deprelTor hemmen und demnach den centripetal leitenden Prelfores beizuzählen find. Zu einer directen vafocon- ftrictorifchen Wirkung auf reflectorifchem Wege kommt es bei einer Reizung anderer im Splanchnicus mitverlaufender centripetal leitender Fafern fowie auch wahrfcheinlich bei einer Erregung vieler fenfibelen Muskelnerven (Afp), während umgekehrt durch Reize, welche die fenfibelen Nerven der Zunge (Lingualis) treffen, die gefäßerweiternden Chordafafern an der Submaxillaris (Cl. Bernard), und durch folche, welche die Empfindungsnerven der Eichel erregen, die gefäßerweiternd wirkenden Nervi erigendi an der Urethra in Thätigkeit verfetzt werden (Eckhard). In den letzten beiden Fällen wird von cerebrofpinalen Centren aus auf Vafodilatatoren (Chorda tympani. Nervi erigendi) gewirkt, deren er- weiternder Einfluß auf die Gefäße, wie bereits angedeutet wurde,

I

85] Phyfiologie der nervöfen Apparate. 479

als eine Hemmung verengender Fafern in peripher gelegenen Cen- tren aufzufaffen ilt. Schließlich fei bemerkt, daß 6^0?/.^ auf Reizung fenfibeler Nerven auch einen erectionshemmenden Einfluß be- obachtete, welcher fich felbft bei Hunden mit querdurch fchnittencm Rückenmark erhalten zeigte und zu feiner Hervonufung keiner bis zur Schmerzempfindung gefleigertcr Reize bedurfte.

Die im ^'^orhergehenden mitgetheilten Innervationsverhältniffe des "SMrbelthierherzens , feine Beeinflulfung durch den Vagus als Hemmungsnerven einerfeits, durch die accelerirenden Fafern andrer- feits, beützen nur Gültigkeit für den völlig ausgebildeten Organis- mus; auf früher Ent\ncklungsflufe können die Dinge wefentlich anders liegen.

B. Werniclce beobachtete , daß am Herzen eines Hühner- Der Heiz-

fchlrt^ bei

embryo'^j vom \'ierten Bcbrütungstage nach Zufatz von 0.1 ebenen ^vil•l.cl- tiner auf 38'' C. erwärmten U.4'*;oigen Löfung von falzfaurem ^"^„^'^"11" Chinin fchon nach 1 ^'2 Minuten die Zalil der Pulfationen um die Hälfte fank und nach 5 Min. völliger Herzftillftand eintrat. In Verbindung mit den EcMard' (chen Beobachtungen, daß in dem pulßrenden embryonalen Vogelherzen keine Ganglien, ja überhaupt keine zellige Elemente vorkommen und nacli dem Anlegen einer Stumiius' lachen Atrioventricularligatur am Herzen 12tägiger Hühner- embryonen Ijei gewöhnlicher Temperatur zwar nur die Vorhöfe puUiren, ]>ei 37 40 "^ C. aljcr auch der Ventrikel rhythmifch weiterfchlägt, war es durch den WeriiicJce' i'chan Verfucli lehr wahr- fcheinlich geworden, daß das embryonale Vogelhcrz rein i)roto- pla.<matifche Bewegungen ^^) ausführt und feine Sclilagfolge weder von Mu.skclcontractionen lieiTührt, nocli von nervöfen Organen ausgelölt oder regulirt wird. Allein die den J'Jckhardlchcw Angaben von der Abwefenlieit der Ganglien im embryonalen Vogelherzen widevlpreclienden Befunde von Jlis geftutteten eine Iblche 8(;hluß- folgerung nicht zu ziehen, während jedoch andrerfeits combinirte MuHcaiin- und Atropin Vergiftungen mich ebenfalls lehrten, daß

480 Grundzüge einer vergleichenden [8Q

felbfl in fpäten Stadien der Bebrütnng von einem hemmenden

Vaguscentrum wie beim ent^\dckelten Huhne nichts nachzuweifen

ift. Meine Beobachtungen ßnd in neuefter Zeit durch Koherf^

fchätzenswerthe Arbeit noch daliin vervolllländigt, daß am Herzen

des bebrüteten Hühnerembryo durch Helleborein bereits am vierten

Tage ein charakteriftifcher , fyftoKfcher Stillftand bewirkt werden

kann, während Muscarin noch zwei Tage vor dem Ausfchlüpfen

felbft in großen Dofen faß ganz wirkungslos ift. Einen echten

Muscarinffcillftand des Herzens fah Kohert am Hühnerembryo über^

haupt nicht eintreten, und deuthche, durch Atropin aufliebbare

Pulsverlangfamung hat er nur in den letzten 24 Stunden der Be^

brütung nach Application großer Dofen direct auf das Herz gC'-

fehen; nach dem Ausfchlüpfen nahm aber die Hemmungsvorrich«

tung rafch an Erregbarkeit zu und war beim Hühnchen fchon am

fiebenten Tage von der beim ausgewachfenen Thiere kaum noch

zu unterfcheiden. Beim Sperling war dagegen noch in der zweiten

Woche nach dem Ausfchlüpfen die Muscarin Wirkung eine nicht

ganz vollkommene und nur durch große Dofen zu erzielen.

Nicht fo cjualitativ (fondern mehr quantitativ) verfchieden von dem Zuftande des erwachfenen Thieres wie am embryonalen Herzen der Vögel, wo, wie beim Hühnchen, auf den oberen Herzabfchnitt wie auf das ganze Herz Muscarin am zwölften Be- brütungstage ohne w^ahrnehmbare Einwirkung bleibt, Hellen fich die Verhältniffe bei den Säugethierföten und den Batrachier- embryonen. Aber auch bei jungen Katzen und Kaninchen kommt es einige Tage vor dem normalen Ablauf der Schwangerfchaft noch zu keinem richtigen Muscarinftillftande, fondern nur zu einer Ver- langfamung des Herzfchlags, und erft nach der Geburt nimmt das Hemmungscentrum allmälig feine volle Function auf, während Hand in Hand damit die Empfindlichkeit der Herzmaffe gegen Muskelgifte (Kupfer, Digitalis) entfchieden abnimmt. An Kaul- quappen, welche erft 20 mm lang und nicht über 14 Tage alt

87] Phyüologie der nervöfen Ai)paiate. 481

waren, ließ fich der ]\Iuscannftillfi;and prompt herbeiführen (Kohert). bei 50 bis 1)0 mm langen Larven von Alytes obstetricans Nerven- ftämme mit anhegenden Ganglienzellen im Vorhof wie im ^inus venosus demonftiiren (E. Zi&jlcr) und an Iblchen Thieren auch durch electrifche Reizung des verlängerten Markes, des Venenlinus und dm'ch den Stannms' ichew Schnittverfuch das Vorhandenfein eines vollkommen entAnckelten hemmenden Vaguscentrums nach- weifen. Aehnlich fielen die Verfuche an Salamanderembryonen (Jordnn) und an kaum 20 mm langen Exemplaren von Rhodeus amarus aus (Kohert) \ auch l)ei den letztgenannten Fifchchen fteUte fich em durch Atropin zu befeitigender Muscarinftillftand am Herzen fchnell und vollltändig ein. Wenn demnach und im Hinblick auf die Verfuchsergebnilfe am Herzen ausgewachfener Aale (A. B. Meyer), Karpfen (C. E. E. Hoffmann), Hechte (lind. Wagner, Kafem-Bech und J. Dogiel) u. f. av. ''^), bei welchen die VerhältnilTe die für Wirbelthiere allgemein zutreffenden und, dit einzelnen Entwicklungsftadien am Herzen der Teleoftier ontogene- tifch weit weniger als bei den Vögeln hervorzutreten fcheinen, Ib finrl doch andererfeits die phylogenetifchen Abweichungen, auf welche Kohert gerade bei den Fifchen ftieß, für uns von einer um fo größeren Bedeutung. Es zeigte fich nämlich fowohl bei Unter- fuchung von .S4 bis 98 mm langen Ammocoetes l)ranchialis wie aucli an ausgebildeten Petromyzon Planeri, daß ßcli bei den Cyclostfjmen weder beim Einfetzen in muscarinhaltigi's AValfer, nocli bei directer Ap[)lication einer l"/oigen Muscarinl(»fung aui* das freigelegte Herz am Herzfcldage irgend etwas ändci't. und (Ia(.< fomit hier eine merkwürdige Ausnalnne von doi- Regel zu coii- ftatiren ifi, der gemäß alle WirlM'lthierc auf >his('ariiiaiiplication mit Pulsverhiiigfanmng oder mit HerzftilKtand reagiicii. I)ii nun aber, wie ich^') gezeigt ])abe, die I'ctromyztjntcii lidi in «lein chemifdien Aufbau ilirer (Jrgaiic v<in dem allgemeinen N'crluiltiii der Wirbeithiere nicht »-ntfernen und auch in iblchen Punkten, w(»

482 Grundzüge einer vergleichenden . [88

(wie z. B. bei den Verclaiiungsvorgängen) zwifchen ihnen und den höheren Wirbelthieren auffälhgere Differenzen beliehen, diefelben keineswegs Eigenthümhchkeiten der Peiromyzonten lind, fondern ßch aucli bei einigen Teleoftiern wiederfinden, fo wird es, bevor eine pliyüologifche Würdigung jener Erfahrungen am Cj^cloftomen- lierzen möglich ift, unbedingt nötliig erfcheinen, auch noch die Ganoiden und Selachier in diefer Richtung zu unterfuchen'^^).

Trotz einer großen Anzahl von Abhandlungen find wir bei den Mollusken und Crufi;aceen über das negative Refultat, welches lieh bezüglich des Hemmungscentrums am Petromyzonherzen ergab, nicht fonderlich hinausgekommen ''^). Beobachtungen über die Herzinnervation bei Mollusken find von Vulpian, AI. Brandt, Deiv-Smith d' Folter, JDocjiel, Yung und Kobert mitgetheilt; von diefen beziehen fich die Ywj^/fchen Angaben auf Lamellibran- chiaten, die der übrigen Autoren zumeilt auf Gaftropoden. Dogiel war der erfte, welcher Ganglienzellen im Herzen von Mollusken gefehen haben wollte ; er gab ihr Vorkommen in den Herzvorhöfen bei P&cten, Aplyfia und anderen Species an, hielt diefelben aber für apolar. Yung glaubte ebenfalls, in der Herzwand des Mufchel- herzens nervöfe Elemente für den activen Contractionsvorgang pofluliren zu müfien, während dagegen Bew-Smith & FoRer die Contractionen am Herzen von Helix pomatia als protoplas- matifche auffaßten. Alles in allem wird über das Schneckenherz hinfichtlich der Ganglien noch nicht endgültig abgeurtheilt werden können; «nur foviel fteht feft, daß höchftens eine Sorte von Gan- ghen, nicht aber deren zwei darin vorhanden find» (Kohert).

Vulpian, von dem ebenfalls die Angabe herrührt "), daß am Herzen der Weinbergsfchnecke Reizung des unteren Schlundgan- ghons oft einen diaftolifchen Stillfland, Reizung des oberen Schlund- ganglions bisweilen eine Befchleunigung der Herzfchläge bewirkt, wollte beobachtet haben, daß das Helixherz ebenfo wie das der Wirbelthiere in einen, durch Atropin zu befeitigenden Muscarin-

89] Phyüologie der iiervöfen Ajjparate. 483

ftillftaiid verfetzt werdeu kann, und ich ftand auf Grund diefer Ausfage des fonft fo zuverläfligen Forfchers keinen Augenblick an, die Anwefenheit eines Hemmungscentrums im IVIolluskenh erzen dadurch für bewiefen zu erachten. Aufmerkfam geworden durch die Einfprache, welche Yang, Banfom und fpäter Kobert gegen die Richtigkeit des Vidpian'ich.Qn Verfuches erhoben, habe aber auch ich mich überzeugt, daß das Muscarin auf das Helixherz unwirkfam ift und fomit kein Grund mehr vorliegt, einen Hemmungsapparat (nach Art des Vaguscentrums bei den Wirbelthieren) in dem feil )en anzunehmen. Die Befchleunigungen , welche Yiimj an Mufcliel- herzen fuwohl nach Reizung der von den Kieraenganglien ab- gehenden Nervenfäden wie nach Nicotin- und Veratrinapplication zu fehen bekam, können fehr wohl in einer directen Beeinflulfung der Herzmuskulatur Ijegründet liegen und fcheinen mir keineswegs die ExiTlenz eines Hemnmngscentrums ohne Weiteres zu verbürgen. Das einzig Pofitive, was über das Molluskenherz (fpeciell an Helix }>omatia) lieber zu ermitteln gelang, bleiben hiernach der in tj'pifcher Form zum Ausdruck kommende fyftolifclie Herzllill- ftand, welcher durch die verfchiedenften Stoffe aus der Digitalis- gruppe, })efonders leicht aber durch Helleborein herbeizuführen ift, und die Heraljfetzung der Leillungsfähigkeit des normalen Herzens durch Kupfer, welche durch Phylbltigmin wieder geftei- gert wird (Kohcrt).

Daß (.'in dem Vaguscentram im Wirbelthierherzen phyfiologifch gleich wcrthiger HcnHiiungsa[)parat auch den Herzen der Krel^fe und Infekten mangelt, wirtl von allen Forfchern zugegeben, welche Muscarin und Atropin auf Artliropodenherzen fucceflive einwirken ließen. \'on Interene ift fernerliiu, daß auf diffe Uvv/.vu auch das Helleborein feine Wii'kung verfagt (Kru/.rnhrrf/. h'o/xr/). und für die Arthropoden hierdurch ehi Unterfcheidung.snierknial von den Mollusken, eine Uebereinftininiung mit den Würmern (Clej»- nine Tubifex, Nais proboscidea nach Kolirrl) angeltalint

484 Grundzüge einer vergleichenden [9Ü

wird. Was nun aber die Gegenwart eines, jedenfalls anders als bei den Wirbelthieren gearteten Hemmnngsapparates im Herzen der Cruftaceen und Infekten anbelangt, fo entfchied fich die Mehr- zahl der Unterfucher für die Annahme eines folchen. Einfchlägige Verfuche hatten fchon C. G. Carus, JE. H. und Ed. Weher wie auch Äl. Brandt angeltellt; Eckhard erzielte, indem er am Herzen eines Cancer pagurus fämmtliche vom Gehirn nach dem Schlünde und zu den Seiten desfelben ziehenden Nerven oder das Gehirn felblt electrifch reizte, einen Herzftillftand von zwei Minuten, und durch die Unterfuchungen von Lemoine, Dogiel, Yung und Fei. Flateau dürfte für die Cruftaceen wohl als endgültig feftgeftellt zu betrachten fein, daß der Herznerv (nerf cardiacque Lemoine q) ein accelerirender Nerv ift, deüen mechanifche, electrifche oder chemi- fche Erregung den Rhythmus der Herzbewegungen erheblich be- fchleunigt, nach dellen Durchfchneidung hingegen lieh die Zahl der Herzfchläge vermindert, während hemmende Fafern vorwiegend oder ausfchließlich im Bauchflrange verlaufen. Plateau betrachtet •letztere Nervenftränge als wahre Antagoniften des Befchleunigungs- nerven, obfchon er '^®), auf Yung's mündliches Urtheil geftützt, den von Berger, B. Bessö u. A. für das Krebsherz verfuchten Ganglien- nachweis nicht als einen bindenden anzuerkennen vermag. Ohne mich über den Werth der hifliologifchen Befunde von Ganglien- zellen in den Krebsherzen äußern zu wollen, muß auch ich mich für die Gegenwart eines Hemmungscentrums 'in diefen ausfprechen. Ich fand, was Flateau beftätigte, daß bei Astacus fluviatilis das Herz ungleich empfindlicher gegen Veratrin ift als die Skelet- muskulatur ; der durch Veratrin gefchaffene Herzftillftand ließ ßch aber durch Digitalis leicht und voUftändig wieder befeitigen, und da es licherlich fehr unwahrfcheinlich ift, daß diefer Effect der Digitalis in der Aufhebung eines durch das Veratrin bewirkten Reizzuftandes der Herzmuskelfafern begründet liegt, fo fehe ich darin ein weiteres Argument für die Exiftenz von Hemmungs-

Ol] Phyßologie der nervcife-n Apparate. 485

apparateii im Aftacusherzen. Icli werde jedoch wohl kaum des Näheren auszuführen hrauchen, daß diefe Hemmungs Vorrichtungen dem Vaguscentrum des Wirhelthierherzens nicht als « fubftantiell analog»''^) zu gelten haben, fondern ßch in diefer Beziehung von jenem fchon durch ihre "Widerftandsfähigkeit gegen Muscarin zur Genüge unterfcheiden. Nach den Ausfagen von AI. Brandt und Kohert liegen bei Infekten ähnliche Verhältnifle als bei den Krebfen vor, doch ift die Herzinnervation der Infekten viel weniger forg- fältig ftudirt worden als die der Krebfe.

Der Herzfchlag bei den Salpen ift von mir zum Gegenftande einer befonderen Unterfuchung gemacht. Jene merkwürdige Um- kehr in den Pulfationen fo lebhaft erinnernd an jenes al)- wechfelnde Wogen des lieh bald in diefer, bald in jener Richtung hin fortwälzenden Menfchenftromes auf dem Brf)adway von New- York, in der Ilue de Rivoli von Paris, welche zu gewilfen Tages- ftunden der gewaltigen, fich vorwärts drängenden VolksmalTe keinen freien Abzug mehr zu gewähren vermögen ift keine Eigenthüm- lichkeit des Salpen- und Aseidienherzens. Bereits 1805, alfo 17 Jahre vor van Ha/Tdfs Entdeckung der Umkehr des Blut- ftromes bei den Salpen, berichtete J. F. F. Braun über zwei große, vom Kopfe bis zum Schwänze beiderfeits gefchlängelt ver- laufende Gefäße bei Nephelis vulgaris, «in welchen fich das Blut fo bewegt, daß das eine angefüllt wird, während das andere lieh entleert». Erft 1S2H wurde von Joh. Müller das Phänomen bei demfelben Wurme wiederentdeckt, von K. II. Wrhrr für junge Blutegel beftätigt, und bei Serpulen und 8al)elleii ein ähnlicher Wechfel in den Pulfationen an dem einheitlichen Gefäß- ftammc fi"ir die Kiemenfäden von (iruhc (1H;}8) l)Cobacht('t; fpäter nahmen auch B. J. ran Bcncdcn und Winälfchmann (1841), Oscar Schmidt (18r)l) und (icf/ftihaur (1870) analoge Erfcli(>inungen' an den }iüm<)]ynij)liatifchen Räumen in d<'n Embryonen nackter Pnl- MK'naten (Limax) wahr*"'). Wir erfejjen lii<niu'< daß eine ah-

486 Grundzüge einer vergleichenden [92

weclifelnde Schlagfolge der automatifchen Herzthätigkeit lieh bei Würmern wie bei Molluskenembryonen wiederfindet, doch tritt die- felbe nirgends fo klar in die Erfcheinung und ladet nirgends fo fehr zm- Unterruchung ein als bei den äußerlt durchfichtigen und großen Salpenformen.

Die an dem Salpenherzen bald den Kiemen (ad^dsceral, «courant cardio-branchiaque» Laca^e - Duthiers) , bald der Aorta (abvisceral) zu gerichteten Pulfationen fchwanken in ihrer Zahl auch unter natürlichen VerhältnilTen ganz ungemein, und das von mir als Norm angenommene Verhältniß, wo 12 adviscerale Schläge 15 bis 20 Secunden und die darauf folgenden 3 bis 6 ab visceralen Schläge einfchließüch der' zwifchen beiden Schlagfolgen meift be- ftehenden Paufe ungefähr die gleiche Zeit in Anfpruch nehmen, ändert lieh fofort fehr erheblMi, wenn das Walfer der Umgebung feine natürliche Frifche und Befchaffenheit eingebüßt hat. Dann nehmen die einer Schlagreihe zugehörigen Pulfationen oft um's Vielfache an Zahl zu, die Schläge werden weniger kräftig, ohne daß aber ein Gefetz anzugeben wäre, nach dem fich beftimmen Heße, wann eine neue Umkehr erfolgen wird oder wie viele Con- tractionen bei den nächften Wechfeln den advisceralen und den abvisceralen Schlagreihen angehören werden. Noch mehr ge- fchwächt verlaufen die Pulfationen, wenn das Gefäßfyltem durch Verllümmelung des Thieres blutarm geworden ift, und zum Unter- fchiede von dem Krebsherzen, delTen hinterer Theil auch nach querer Halbhung des ifolirten Herzens fortfährt zu pulflren und erft dann zur Ruhe kommt, wenn diefer weiterliin in zwei fym- metrifche Hälften zerlegt wird, fchlägt das angeftochene und da- durch blutleer gewordene Salpenherz nicht mehr fort.

Es ift mir gelungen, einige Thatfachen aufzufinden, welche auf eine Auslöfung beider Schlagfolgen durch gangliöfe Apparate fchließen laffen, wennfchon meines Wilfens Ganglienzellen im Herzen der Salpen mikrofkopifch noch nicht nachgewiefen und,

93] Phyfiologie der nervöfen Apparate. 487

und deren Annahme zau' Erklärung der automatifchen Bewegungen des Herzens trotz der quergeltreiften Befchaffenheit der Herzmuskel- fafeni manches Bedenkhche hat. Muscarin wie Atropin erwiefen fich auf das Salpenherz als durchaus unwirkfam; durch ^"eratrin und Chinin waren nur incompenfirbare Herzlähmungen zu erzielen, und das Curare beßtzt allem Anfcheine nach eine lähmende AVir- kung auf die Muskelfafern als folche, an denen alsdann Kampher die letzten Spuren einer Erregbarkeit deutlicher hervortreten läßt. Es glückte mir, wie gefagt, zwei Subßanzen ausfindig zu machen, durch welche die Zahl der Pulsfchläge nach ein und derfelben Richtung einerfeits vermehrt und andererfeits vermindert werden kann; erlleres gelingt durch Helleborein, welches die ad\dsceralen auf Koften der abvisceralen Herzfchläge auf mehrere hundert, ja über taufend fteigert, letzteres durch Nicotin, welches nach zwei oder drei, oft aber fchon nach einer einzigen Pulfation die Schlag- folge zur Umkehr zwingt. Ein Vergleich des Mechanismus am Salpenherzen mit dem am Krebsherzen lehrt demnach wenigftens foviel, daß das Herz der Salpen, ganz abgefehen von der peiiodi- fchen Umkehr feiner Pulfationen, welche es auch dem Mollusken- herzen functionell fo unähnhch macht, normal anderen Impulfen feine Rhythmik verdankt als das der Cruftaceen.

Daß die Farben wechfelapparate^M ebenfo wie die Propulüons- nie inner

^ -^ ' vnlion de:

Organe für die inneren Emährungsfäfte eine Abgrenzung im phyfio- 1''«'^'^^» logifchen Sinne nothwendig machen, begründete San Giovanni durch die eigene Lagerung und Structur, durch die functionello Verkettung aller einem folchen Apparate zugehörenden Theilo und durch die Eigenartigkeit, mit welcher fich deren Zu fammen wirken äußert; ich*-^) wies ferner darauf hin, daß fich nirgendwo die Be- griffe einer functionellen und einer caufalcn Analogie fchärfti- prä- cifiren und deren Gmndverfchiedenheiten beffer dartlinii Im den als gerade an diefen Organnnlagen.

Je nachdem der jK-riphere Endtbcil <in('H Farben wechfclappa-

der

weclifel- 82\ apparnte.

488 Grundzüge einer vergieicheiiden [94

rates protoplasmatifcher Bewegungen fähig ift oder durch Muskeln in Thätigkeit verletzt wird, fprechen wir bekannthch von Chroma- toblaften oder von Chromatophoren, und wir wilfen bereits (vgl. S. 274), daß auch jene gleich diefen nervöfen EinflüITen unter- worfen und. Richtige Chromatophoren lind bei Mollusken die Regel, bei anderen Typen Ausnahmen. Die bei den Chroma- tophoren um die Pigmentkörper Itrahlenförmig gruppirten Muskel- flränge wiefen Kolliher und H. Müller wie Gegenhaur bei mehreren Species der Gattung Tiedemannia nach^''=), und die contractile Natur der fich an die Pigmentkörper in der Cephalopodenhaut inferirenden Fafern ift durch die Beobachtungen von Kölliker, Harleß, H. Müller, Boll und vielen Anderen jedem Zweifel enthoben; be- züglich der Chromatophorenmuskulatur der Cephalopoden werden zwar immer wieder von neuem Stimmen gegen eine folche Deutung laut, und diefe werden ficherlich auch nicht eher verftummen, als lieh die Ueberzeugung allgemein befeftigt haben wkd, daß am lebenden Gewebe die contractile Befchaffenheit der Radiärfafern an dem Wechfel von Zufammenziehung und Erfchlaffung der Fafern leicht zu conflatiren ift, während- die abgeftorbenen Muskel- fäden ihre functionelle Beftimmung kaum noch errathen lalTen.

Wenn ich mich nun zu einer Darftellung des Chromatophoren- fpieles bei den Cephalopoden wende, fo muß ich vorausfchicken, daß das Vorzutragende in vollem Umfange ausfchließlich auf Eledone moschata paßt. Bei Octopus, Loligo, Sepia und Sepiola fcheinen die Verhältniffe zwar fehr verwandte zu fein, aber bei diefen Arten gelingt es keineswegs, üch über die Anordnung der einzelnen Organtheile in der einfachen Weife wie bei Eledone Gewißheit zu verfchaffen; in Folge der von Yung ganz mit Un- recht behaupteten Identität der Apparate bei allen unterfuchten Cephalopoden lind die von mir mit aller Sorgfalt ermittelten That- fachen nur durch fchlechte Beobachtungen entftellt und verwirrt worden.

95] Phyfiologie der nervOren Apparate. 489

Daß das Clu-omatophoreufidol bei den Cephalopoden dem Willen des Thieres unterliegt, lehrt fcbon die einfache Beobachtung, daß fich bei pfycliifchen Erregungen die Eledone bräunt und daß andere Species (z. B. Sepiola Rondeletii nach Frcdcricq) fich der Unterlage und der Umgebung in ihrer Färbung anpalTen. Frcdericq glaubte annehmen zu füllen, daß das untere Schlundganglion das nervöfe Centrum für den Farbenwechfel fei, doch war bereits früher von Klemcnlieuicz gezeigt, daß Reizung des Ganglion opticum eben- falls den activen Zuftand an den Chromatophoren auslüft und coloratorifche Nervenftränge fowohl in den PeduncuHs wie auch in dem unteren Theile des oberen Schlundganglions verlaufen, an welchem Reizungen des Haubentheiles allerdings fich als wirkungs- los auf die Chromatophoren erweifen: Die centralen Erregungen werden durch die Pallealnerven, von denen ein jeder die zugeliörige Köq)erhälfte innervirt, auf die Chromatophoren des Mantels, durch die Trichternerven auf die des Trichters, durch die Brachialnerven auf die der Arme übertragen und Ijleiben felbllverftändlich ohne Einfluß auf die Pigmentköq)er, wenn die fie indirect verforgenden coloratorifchen Nerven durchfchnitten werden. Jeder Reizzultand des ners'öfen Centrums äußert lieh in einer Braunfärl)ung der Haut, während jede Lähmung ein Erblallen des Thieres nach fich zielit. Ein Lähmungszuftand an den Chromatophoren refultu-t aber nicht imr, wenn das untere Schlundganghon entfernt wird, oder wenn die zu den Chromatophoren tretenden Nerven durchfchnitten werden, fondern wir kennen im Chinin auch ein Mittel, welches ohne die mehr peripher gelegenen Theile des Farbenwechfela}»i»a- rates irgendwie zu bceiriflulfen, lähmend auf das coloratorifche Cen- truni im (iehirn einwirkt und deshall) nicht weniger lichei- eine Weißfärbung der Haut veranlaßt als die angeführten l)lutigen Operationen.

Kur/ bevor die Nerven lieh an die Radiärläfern begclH-n, treten lie in ganglionärc Gebilde ein, durcl) welche wir weit directer

490 Grundzüge einer vergleichenden [96

auf die Chromatophoren einwirken können als von den Schlund- ganglien aus. Diefe den Radiärfafern unmittelbar anliegenden Ganglien, welche als die Endigungen der coloratorifchen Nerven auf- zufalTen find, vermögen wir durch Nicotin zu erregen und fo eine Braunfärbung herbeizuführen, durch Strychnin zu lähmen und fo das Braun in ein reines Weiß zu verwandeln; äußerft verdünnter Nicotin- (1 : 100 000) oder Strychninlöfungen (1 : 40 000) benöthigt es, um an den lebenden Thieren oder an frifch abgetrennten Haut- ftücken diefe Erfolge in kürzefter Frift zu erzielen. Partieen der Haut, an welchen die peripheren GangHen durch StrjThnin voll- kommen gelähmt und dadurch fämmtliche nervöfe Einfl.üne zu den Chromatophoren abgeftellt find, vermögen mr abermals auf experimentellem Wege ein braunes Colorit zu verleihen und diefes alsdann wiederum zum Verblafien zu bringen. Es gelingt das, indem wir auf die Radiärfafern unmittelbar einwirken, diefelben er- regen durch Chloroform und fie nachträglich lähmen durch Kampher. Aber auch an den durch Kampherapplication weiß gewordenen Eledonen ruft eine electrifche Reizung der Haut eine ganz circum- fcripte, niemals jedoch eine ausgedehntere Bräunung wie bei in- tacter Nerven Verbindung hervor; diefer Befund belehrt uns fchließ- lich noch darüber, daß den Pigmentkörpern ^^) noch benachbarter als die peripheren Infertionen der Radiärfafern contractile Elemente (entweder die «protoplasmatifche Malfe» Klemenßewic^'s oder die «cellules bafilaires» Paul GirocTs) lagern, welche Kampher nicht lähmt, electrifche Ströme wie ffcarke Säuren aber zur Zufammen- ziehung bringen. So gelang es uns durch die Methode der com- binirten Vergiftung, ein wahrheitsgetreues Bild von der Anordnung der einzelnen Theile jenes fo wunderbaren Farbenwechfelapparates bei den Cephalopoden zu entwerfen und, was zu den größeften Seltenheiten gehört, an der Hand des Experimentes der hiftio- logifchen Forfchung voranzueilen.

Am Chamäleon führten die Sections- und combinirten Ver-

97] Phyüologie der nervöfen Apparate. 491

giftungsverfuche zu nicht weniger bindenden SehlüITen. Ohne m Abrede zu ßeUen, daß, wde Studiati und FaiimRecher^^) wollen, beim Chamäleon die einzelne Chromatophore auch als eine mit Pigment imprägnirte Muskelplatte aufgefaßt Averden kann, denken vär uns der größeren Einfachheit wegen ein folches Gebilde aus einem inneren, mit gefärbter Materie angefüllten Säckchen und aus einem diefes umgreifenden Muskelfphincter beftehend. Der active Zuftand der Chromatophore , welchem eine Contraction dos Öphincters entfpricht, documentü't fich demnach in einem Heller- werden, der paflive Zuftand der Chromatophore dagegen in einem Dunklerwerden der Haut, und es walten Ibmit beim Chamäleon gerade die umgekehrten Verhältniffe ob als bei den Cephalopoden. Das Centrum, von dem beim Chamäleon die Chi-omatophoren aus inuervirt werden, liegt im Rückenmarke; bei feiner Erregung, fei es electrifch, fei es durch Strychnin, Pikrotoxin u. dgl. m., tritt bei reinen Verfuchen allemal ein Hellerwerden der Haut ein, während die Zerftörung des Hals- und ßrufttheiles des Rücken- markes ein fofortiges Schwarzwerden der von diefen Bezkken ver- forgten Hautpartieen nach üch zieht. Diefes allem Anfcheinc nach automatifch wirkende Centrum im Rückenmarke fteht fernerhin mit zwei Hemmungscentren in Verbindung, die durch die meiften Gifte mehr oder minder ftark in Mitleidenfchaft gezogen werden und conft^nte Vergiftungsbilder kaum erzielen lallen. Der eine diefer beiden Hemmungsapparate befindet üch ebenfalls im Rücken- mark, und feine Wirkung äußert lieh befonders dann, wenn Licht- reize, welche die Haut treffen, durch centripetal verlaufende Haut- nerven ihm übermittelt werden. Diefes Hemnumgscentrum tritt jedoch nur dann in Wirkfamkeit, wenn keine ftärkcre Erregungen von dem eigenthch colcjratorifchen Centrum den Chromatopliorcii zufiießen, und fein EinHuß auf das automatifchc Centrum ift zweifcl- lo.s viel geringer als der des zweiten Hennnungsapparate.s, welcher n-inen Sitz im Gehirn und nicht, wie es nach />//'s Angaben

Krukenberg, Verj{l.-i>h>flol. Vortrügo •"

492 Grundzüge einer vergleichenden [98

fcheinen könnte, unterhalb der Medulla oblougata hat. Auf Reizung der Augenfliele Hellt fleh regelmäßig eine Schwärzung der Haut ein, während im Schlafe und in der Aethernarkofe die Cha- mäleonen den äußerften Grad von BlälTe annehmen. Trotzdem auch nicht näher eruirt wurde, wo im Gehirne jenes Hemmungs- centrum localifirt ift, fo geht aus diefen Thatfachen doch wenig- ftens foviel hervor, daß dasfelbe in Theilen des Gehirnes wurzelt, welche fowohl im Schlafe als in der Aethernarkofe außer Action gefetzt werden.

Die Effecte, welche beim Chamäleon durch unmittelbare Er- regungen des coloratorifchen Centrums auf die Chromatophoren aus- geübt werden, lalfen fleh, ganz abgefehen von den leitenden Nerven- faferfträngen an fleh, noch auf einem doppelten Wege befeitigen: erftens, indem auf die Nervenendigungen und zweitens, indem auf die Chromatophoren als folche eingewhkt wird. Das auf die Färbung der Chamäleonhaut am zuverläfligfl:en wirkende Gift ifl; das Curare ; diefes lähmt die Endapparate der coloratorifchen Nerven in den Chromatophorenfphincteren ebenfo fleher als die der motorifchen Nerven in den quergeftreiften Muskeln und führt fomit eine voll- ftändige Schwärzung der Haut herbei. Diefer Expanflonszuftand der Chromatophoren ift an frifch abgetrennten Hautftücken indeß nicht zu erzielen, erlifcht, wenn er am lebenden Thiere hervor- gerufen wurde, fowohl bei electrifcher Reizung der Haut wie auch beim Abfterben derfelben regelmäßig wieder und weift durch feine Unbeftändigkeit auf Veränderungen hin, welchen die Chromatophore als folche unterworfen und denen fchwer beizukommen ifl;. Nm* foviel ift gewiß, daß die Chromatophoren durch Chloroform me Morphin direct in einen andauernden Lähmungszuftand verfetzt werden und der electrifche Strom fle noch verhältnißmäßig lange nach dem Tode des Thieres zur Contraction bringt.

Die im Vorftehenden refumirten Ergebnifle meiner Unter- fuchungen und meine fchematifche Ausführung der Einrichtung

93J Phyßologie der nervöfen Apparate. 493

des Farbenwechfelapparates beim Chamäleon erklären fämmtliclie ' bislang darüber angeftellten Beobachtungen; wir kommen über die Schwierigkeiten hinweg, welche BrücJce gar nicht oder nur einer höchft gezwungenen Deutung zugängig zu machen wußte, und ge- rathen bei miferen Erklärungen nicht auf (o fundamentale Al)wege wie kurz zuvor noch Faul Bert, welcher die Pigmentkörper nach Art der nackten Protoplasmamalfen als felbltcontractil und unter doppeltem NerveneinfluITe (eines Diktator und eines Conflrictor) ßehend anfah.

Nachdem von r. Wittich gezeigt war, daß electrifche oder mechanifche Reizungen der Frofchhaut ein Hellcrwerden , eine Zufammenziehung der Pigmentkörper zur Folge haljcn, und der- felbe Zuftand refultirt, wenn die Thiere nur wenige Zeit intenliver belichtet (Rana esculenta) oder aus kalten Räumen in günlliger temperirte verfetzt werden (Hyla arborea), nachdem ferner J". Li/lrr bewiefen hatte, daß der directe Lichteinfluß auf die Pigmentkörper nur ein lehr geringer fein kann, und die auffälligeren Lichteffecte nur reflectorifch durch Vermittlung des Sehorgans und ner\»öfcr Leitungsbahnen auf die Pigmentzellen übertragen werden, erfulu- die Lehre von dem Farbenwechfel der.Am})liibien nochmals einen Rückfchlag, indem nämlich Golt^ darauf Iteftand, daß die mit der Farbenänderung einhergehende Umgeftaltung der Pigmentzellen niclit durcli einen umnittelbaren Nerv^eneinfluß Ijowirkt wei-de, fondern daß vielmehr die Nerven zunächll auf die Gefäße ein- wirken und die Pigmentzcllen erft fecundär wegen des Wechfels im Blutreichtlium der Haut ihre Geftalt verändern. Nach den politiven Refultaten aber, welche an abgetreimten HautRücken fowie an l)losgelegten Nerven bei den Reizverfuchen zu erlangen waren, nmß die (roltyi'cho Idee eVjcnfo wie die Annahme diefes Forfchers, daß nacli v<)lliger Zerftörung des (JeliiinriickenmarkeH die Durch fchneidung von Hautnerven noclj von einer Wirkinig auf die Pigmentzellen l^egleitet ilt, als eine verfehlte bezeichnet

31»

494 Gnmdzüge einer vergleichenden [100

werden; wenigftens denke ich mir die Einrichtung des Farben- wechfelapparates bei den Fröfchen von einer wefenthch anderen Form.

Von Henfche war angegeben worden, daß in der Frofchhaut, auch abgefehen von den Drüfen, Muskelfafern vorkämen, und es würde hiernach die Möghchkeit nicht auszufchheßen fein, daß der Farbenwechfel der Fröfche ebenfo wie derjenige der Cephalopoden und Chamäleonen durch ein abwechfehides Erfchlaffen und Zu- fammenzielien von contractilen Faferzellen zu Stande komme. Weder Leydig noch Stieda haben indeß Muskelfafern in der Frofch- haut auffinden können, und feitdem von 0. Ssczesny die Ver- bindung der Pigmentzellen mit Nerven endgültig nachgewiefen ift, kann überhaupt kein Zweifel mehr beftehen, daß es lieh in diefem Falle nicht um Chromatophoren , fondern um Chrom atoblaften handelt. Wie FoucJid^'^) zuerffc betonte, läßt fich bei Gebilden diefer Art nicht gut von einem activen und pafliven oder von einem Con- tractions- und Erfchlaffungszuftande reden, fondern wir lind dabei lediglich auf die Unterfcheidung eines arrondirten und eines ex- pandirten Zuftandes angewiefen; letzterer deckt lieh nur inföfern mit einem activen Zuftande, als er es ift, in welchen die Chroma- toblaften bei totalen Erregungen überzugehen pflegen.

Die Chromatoblaften in der Frofchhaut befinden fich mit dem Gehirne in einer phyfiologifch ununterbrochenen nervöfen Verbin- dung, und zwar ift es der Sympathicus, dem nach einigen Ver- fuchen von Axmann und v. Wittich hierbei eine wichtige Rolle zufällt. Das automatifche Centrum für den Farbenwechfel befindet fich höchft wahrfcheinlich im Thalamus opticus ; denn, wie bereits V. Wittich wußte, führt eine jede Reizung der MeduUa spinalis eine Entfärbung der gefammten Haut herbei, und J. Steiner verdanken wir die fchöne Thatfache, daß Wegnahme des Thalamus opticus die Haut immer dunkel macht, und die dunkele Farbe fich alsdann bis zum Tode ausnahmslos erhält. Um die Lichtwirkungen, welche

101] Phyüologie der nervo fen Apparate. 495

fich au den Chi'omatoblaften der Frofchhaut im umgekehrten Siune als an den Chromatophoren beim Chamäleon äußern, mitzuerklären, bedürfen wü- aber noch der Annahme acceirorifcher Ganglien, welche nothwendig in vorderen Hirntheilen gelegen fein muffen, und bei deren Erregung der gewöhnlich immerhin nur fchwache Chromatoblaftentonus bedeutend zu fteigern ift; außer mit diefen verflärkenden Apparaten mag das chromatoblaftifche Centrum im Thalamus opticus lieh .auch noch mit anderen Gehirnganglien in unmittelbarer nervöfer Verbindung befinden, w^elche in ihrem Er- regungszuftande hemmend auf dasfelbe einwirken, wenn fchon bei Unterhaltung eines imr fchwachen Tonus vom chromatoblaftifchen Centrum aus die fpontanen Farbenveräiidei'ungen die Annahme folcher Hemmungsvorrichtungen nicht gerade unabweisbar machen. Die Behauptung Uinimcrmann's jedoch, daß üch das Centrum für den Farbenwechfel durch die MeduUa oblongata und die ganze Länge des Rückenmarkes erftrecke, ift thatfächhch unrichtig und feine Anficht, daß es in der Haut felbft eigene gangliöfe Vor- richtungen für den Farbenwechfel gebe, ftützt gegenwärtig keine einzige Beobachtung, da alles, was einer derartigen Meinung Yov- fchub gewähren könnte, cbenfo einfach durch eine directe Ein- wirkung auf die Chromatoblaften verftändlich wird.

Ueber den Farbenwechfel der Fifche ift vielleicht das Meifte gefchrieben, doch, lediglich die Unterfuchungen von G. Fouchet, welche ich durchgängig beftätigt fand und nur in wenigen Punkten zu ergänzen vermochte, geben uns ein Bild von der Anordnung der einzelnen Theile diefes nach gewiller Seite hin ebenfo eigenthüm- lichen Apparates als der des Cliamäleons und der der Cephalopoden. Es ift als feftgeftellt zu eracliten, daß, wie l)ei den Fröfchen, fo auch bei den Fifclien die Pigmentküri>er Clu'omatoblaften lind, welche fich durch Nerven mit dem Gehirne in ununterl)roclienem Connex befinden. Ponchct hat wiclitige Erlahrungcn über diele nei-vöfe Verknüpfung nntgetheilt, denen gemäß der große Syrapa-

496 Crrundzlige einer vergleichenden [102

thikus als der coloratorifche Nerv anzufprechen ift. Die Pleuro- nectiden, welche vdr ausfchließlich in Betracht ziehen wollen, er- fcheinen wie die Fröfche nach klarem Sonnenfcheine allemal lichter gefärbt als nach einem längern Aufenthalte im Dunkeln; aber an ihnen ifl der Einfluß der Behchtung ein weit mehr in die Augen fpringender als an den Fröfchen, und diefer erlaubt auf T\'illkür' liehe Effecte an den Farbftoffzellen , welche nach Seneca's Be- richtet^) fchon den alten Römern geläufig waren, eigenthch nur aus den Abfterbe- und AnpalTungserfcheinungen zu fchheßen. Kein Nervengift iffc aufzufinden gewefen, durch welches den Pleuronec- tiden ein beflimmtes Colorit der Haut zu verleihen gelungen wäre, obgleich lieh auch bei ihnen die Ghromatoblaften empfindhcher als beim Frofch erweifen und nicht nur durch electrifche und mechanifche Reize, fondern auch durch Kampher an abgelöften Hautftücken zur Zufammenziehung zu bringen find. An der Ober- feite von Zeus faber und Solea platessa fah ich wiederholt die Mafchen des Siebes, auf welches die todten Fifche geworfen waren, fich als weiße Netze von den dunkelen Carres ebenfo deuthch ab- heben als bei Cephalopoden , die mit ihnen em gleiches Schickfal theilten. Alles in allem ift die Einrichtung des Farbenwechfel- apparates bei den Pleuronecticlen eine fehr ähnfiche wie die der Fröfche. Die Chromatoblaften Itehen durch den als coloratorifchen Nerv funghenden großen Sympathikus mit Gehirnganglien in directer Verbindung, und der von diefen aus an den Pigmentzellen unterhaltene fchwache Tonus kann verftärkt werden, fowolil durch lichtempfindüche fenfibele Hautnerven als auch von Centren aus, welche der Willkür des Thieres unterworfen find. Erftere find in- deß den letzteren an Einfluß bedeutend überlegen, und gerade hierin manifeftnt fich die Eigenartigkeit des Apparates bei den Pleuronectiden.

Die vielen, durchaus unfyftematifch betriebenen Arbeiten über den Farbenwechfel bei den Cruftaceen laJTen es zwar wahrfchein-

103J Phyüologie der nervölen Apparate. 497

lieh werden, daß bei dielen ein dem der Fifelie verwandter Mechanis- mus vorhegt, doch flelien den Angaben (für Nika edulis von Jour- dnln, für verfchiedene Arten der Gattung Jdothea von P. 3Iaijer\ welchen gemäß üch die Chromatoblaften am Lichte zufannnen- ballen und im Dunkeln ausdehnen, auch folche (z. B. für Pro- tella phasma von G. Hallrr) gegenüber, wo das Umgekehrte be- obachtet wurde. Fouchet und nach ihm Jourdain wie P. Mayer haben gezeigt, daß die bei melireren Krebfen fehr deutliche chro- matil'che Anpalfung an die Umgebung nach radicalei- Zerftörung beider Augen nicht mehr ilatttindet, und ebenlb ifl der Einfluß pfychifcher Affecte (des Schreckens), welche z. B. bei Squilla mantis ein ErblalTen des Thieres nach fich ziehen (H. Eilig), feftgeflellt, ohne daß aber mit Erfolg weiter nachgeforfcht wurde, .durch welche Ganglien und durch welche Nerven die Chromato- blalten ihre Erregungen zugeführt erhalten.

Werfen ^dr zum Schluß einen Rückblick auf das, was als ge- licherter Fond für eine vergleichende Nervenphyfiologie gewonnen wurde, fo muffen ^\'ir zu unferem Bedauern bekennen, daß es außerordentlich wenig ilt. Trotz der Fülle von Schriften, auf welche wir zu recurriren nöthig hatten, ift die Ausbeute an brauch- barem Materiale eine höchft minimale gebheben. Wir befitzen hi der Methode der Combinationsvergiftungen ein Hülfsmittel, durch welches viele Räthfel in der Nervenphyüologie zu löfen lind, und trotzdem befindet fich unfer Willen noch auf einer gar fo primi- tiven Stufe! Woher rührt das?

Diele Frage ift nicht fchwcr zu beantworten. Solange als das Groß der Nervenpliyliolc^gen nicht die Begabung hefitzt, über brauchbare und unbrauchbare Metho(l(;n abzuurtheilcn, iblange man verfchmäht, combinirt zu vergiften, und deshalb jeder Fort- fchritt in der vergleichenden Nervcjnphyfiologie lediglich von wenigen, vereinzelt daftehenden Forfchcm iildiiingt, wird diefer

498 Grundzüge einer vergleichenden Phj'fiologie der nervöfen Apparate. [104

Zweig unferer Disciplin nur langfam vom Flecke zu bringen fein. Die Betrachtung der Farbenwechfelapparate zeigt uns zur Genüge, was an Wirbellofen felbft in der Nervenphyliologie, wo nach JBer- narcVs klaflifchen Auseinanderfetzungen fich die Verhältnifle weit complicirter als an den Wirbelthieren geftalten, bei einer verftän- digen Inangriffnahme der Unterfuchungen noch alles aufzudecken ift. Die Methode aber, die wir als erprobte der Nachwelt über- geben, verliert durch ihre gegenwärtige A-^ernachlälligung an Be- deutung nichts; üe wird ungeahnte Auffchlülfe zu liefern ßch kräftig erweifen, fobald die Zeit gekommen fein wird, welche die Methode der combinirten Vergiftung als großen Gewinn zu ver- liehen ßch rühmen darf.

o-#<3o<^

105] Anmerkungeu und Literaturnaehwt'ife. 499

Anmerkungen und Literaturnachweife.

>) Was die Xeuroglia betriö't, fo rdieint diefelbe mit den Fortfätzen der Pia niater im Zufammenliange zu ftehen; aber ob dies nur ein Anlegen oder eine wirkliche organifohe Ver))indung ift, ob die Neuroglia bindegewebiger oder nervöfer Natur ift, blieb bislang unaufgeklärt. A. Götte (Entwicklungsg. d. Unke, Bombinator igneus. Leipzig. 1875) war vielleicht der erfte, welcher die Abftammung der Xeuroglia aus Xervenmaire beliaui)tete ; feiner auf l^nter- fuchungen an Batrachiein bahrten Anlicht ftimmte fpäter auch G. Friifch (Unterf. üb. d. feinern Bau des Fifchgehirns. Berlin. 1878) bezüglich der Knochentifche bei.

*) F. Hoppe-Setjler, Phyliologifche Chemie. Bd. 4. Berlin. 1881. K. 677. ') Als Fortpflanzungsgefchwindigkeit der Nervenerregunsr er- gab fich pro sec. :

Motorifche Nerven des Menfehen 33.9 m (Hehnholtz d- Baxt),

.Senfibele Nerven des Menfehen 30 40 m (verfchiedene Autoren),

Henlibele u. mot. Nerven des Menfehen 62 m (nach Schätzung von K.vtier),

N. facialis u. recurrens l^ei großen Säugethieren 05 75 m (Clunirean),

N. vagus der Säuger 8 m (Chauvemi),

Motorifche Nerven des Frofches 26.4 27.25 m (Hehnholtz),

Motorifche Nerven des Frofches 25 33 m (Jieni/teiii),

Ner\'en der Winterfchläfer bis auf 1 m linkend (Valentin),

Nerven vom Hummer 6 m (Frederiai und Vandcvclde),

Nervt?n vom Hummer ^im Sommer! 2(» m CFrcderic'i und VandcrchU'),

Senlibele JJückemnarkMlcitung beim Mctnlchen H m (K.mcrK

( 11 12 m Motorifche Kiicki-iiiiiarkHleitiuig beim IMenrcbcii \ ( l'J.rntr),

^ { 14- 15 m

Motorifciie HfickenniarkHleitunL' Ixim liiiinlc m f Frmirdis- Fninrk

<t Pitrex).

Zum Vergleiclie fCilm- ich noch an, dali die iiegativ<- S(liward<uiig «Ich

NervenftromcH, deren Latenzlladium ü.OOÜß 0.0007 sec. in Anfpruch nimmt,

500 Anmerkungen und Literaturnachweife. [106

pro sec. 28 m (Bernßein) , die Liehtwelle in der Pennatulidenaxe pro sec. 0.05 m (Panceri) und die Electricität in einem K^upferdrahte während der- felben Zeit ca. 30 Kilomeilen zurücklegt.

*) Wichtigere Literatur über die Nervenchemie:

Keaction. Ch. Bichet, Phyüologie des muscles et des nerfs. Paris. 1882. Ö. 540; Grcheidlen, Arch. f. d. gef. Phyüol. Bd. 8. 1874. S. 171; L. Edinger, Vorlefungen über den Bau der nervöfen Centralapparate. Leipzig. 1885 S. 19; 0. Langendorff, Die ehem. Reaction der grauen Subftanz. Sep.-Abdr. a. d. Neurologifchen Centralblatt. 1885. No, 24; P. Ehrlich, Deutfche medic, Wochenfchrift. 1886. Xo. 4.

Cholinderivate. Hoppe - Segler , Phyfiologifche Chemie. S. 79 82 u, S. 677 679; A. Gamgee, Text-book of the physiological Chemistry. Vol. 1. London. 1880. S. 425 442; 0. Schmiedeberg u. Harnacl:, Arch. f. exp. Path, u. Pharmak. Bd. 6. 1877. S. 101 112.

Choleftearin. Kruhenherg, Vgl. phyfiol. Studien. 1. Reihe. 2. Abth. 1880. S. 49 ff., Sitzungsber. d. Jenaifchsn Gefellfch. f. Medic. u. Naturw. 1885. S. 63; K. B. Hofmann, Lehrb. d. Zoochemie 2. Heft. Wien. 1877. S, 229; Th. Weyl, Archiv f. Phyüologie. 1886. S. 182; Hoppe-Segler, a. a. 0. S. 79—82. Für die Lecithine find drei verfchiedene Formeln (cf. Hoppe-Seyler, Pyfiolog. Chemie. Th. 1. Berlin. 1877. S. 79) aufgelleilt. Bezeichnen wir den Fettfäurereft (Radical der Stearin-, Palmitin- oder Oleinfäure) mit R, fo find diefelben folgende:

1. CoHs ( J^2 ^ f OH (Biakonoic),

^ ^"^ \ 0-N (CH3) 3-C2 H,OH

2. C3H5 Inl-Pn/OH (StrecTcer),

^^^ ^^\ O-C2 H4-N (CHg) 3OH

3. CH, j J;2 f OHN (CH3) 3 (Hoppe-Seijler).

l u ru I Q_^^ H4-OH

Das Myelin Firc7i.o?r's, von .7. /S'ac7is(Vorlef. überPflanzenphyfiologie. Leip- zig, 1882. S. 383) gewiß nicht ohne Glück in eine Kategorie mit Pringsheim's Hypochlorin geftellt, ficht Hoppe-Segler (Handb. d. phyfiol- u. path. -ehem. Analyfe. 5 Aufl. Berlin. 1883. S. 166) für gequollenes Lecithin an.

=) Die Analyfen des Rinderhirns von PetrowsJcg (Arch. f. d. gef. Phy- fiol. Bd. 7. 1873. S. 367) find in mancher Beziehung ein guter Wegweifer für eine fpätere Nervenchemie. Als Mittel von zwei Analyfen ergaben fich folgende Zahlen :

100 g der grauen S u b ft; a n z enthalten der av e i ß e n Subftanz enthalten

Waffer 81.604 Waffer 68.351

Fefle Beftandtheile . . 18.396 Fefte Beftandtheile . . 31.649.

107] Anmerkungen und Literaturn ach weife. 501

100 g trockene Subftanz enthalten

Albuminftoffe + Glutin 55.37 24.725

Lecithin 17.24 9.904

Choießearin 18.68 51.909

Cerebrin 0.53 9.547

In waflerfreiem Aether 1

, ,. , , .. 6"1 3.342

unlöshche .Subltanz J

Anorganifche Salze 1.45 0.572

«) Vgl. übrigens: V. Boehm, Arch. f. exp. Path. u. Pharmak. Ed. 19. 1885. S. 87 100.

') Außer den unter Anra. 4 angeführten Schriften vgl. hinfichtlich der auf .S. 401 gegebenen Tabelle: E. Harnacl; Arch. f. exp. Path. u. Pharmak. Bd. 4. 1875. S. 168—190; Berlinerhlau, Ber. d. d. ehem. Gef. Bd. 17. 1884. S. 1140; L. Brieger, Ueber Ptomaine. Berlin. 1885.

'') Der bei den Ganglien von Nemertinen und anderen Würmern fleh tindenden Hämoglobin fär1)ung haben wir fchon früher (S. 30 u. 31) gedacht, \'on Interefle, aber chemifch nicht näher unterfucht, ift die Ockei-färbung, welcher B. Haller (Denkfchr. d. niath.-nat. Klaffe d. k. Acad. d. Wiff. zu Wien. Bd. 45. 1882. S. 102) an falfchen Neuroraen bei Murex trunculus be- gegnete,

") l'eber die E r n ä h r u n g der Nerven vgl. : Kühne., Lehrb. d. phyflol. Chem. Leipzig. 1868. S. 351—354; L. Banvier, Trait<^' technique d'histologie. Paris.

1878. S. 777; Eichet, a. a. O. S. .547—549.

'") Fredericq u. Vanclevelde, Bull, de l'acad. r. de Belgique. 2 Ser. T. 47.

1879. S. 771 797 u. Arch. de zool. exp. et gön. T. 8. 1881. p. 513—520. ") Cl. Bernarä, Tissu« vivants. Paris. 1866. p. 210.

'-) L'eber die phyfiologifche Identität der motorifchen und fcnfibelen Nerven vgl.: L. Hermann, Handbuch der Phyflol. des Nerven- lyltcmH. Leipzig. 1879. S. 9—14; Bicliet, a. a. O. p. 619, 629 u. 652; J{. Hei- •laüiain, Arch. f. Phyflol. 1883. Supplement. S. 133 177.

'•) Ohne fonderlichen Erfolg lind chomifcho Unterfuchungcu an den

Nerven Wirbellofer von ('. Schmidt (Vau vergl. Phyflol. d. Wirbellolcn. 1845.

S. IBj, von Lecmite und L\ Fairre (Gompt. rend. T. 45. 1857. ]k 628 630^

wie von J'J. Ymuj (.\rch. di; zool. (!Xp. et gen. T. 7. 1878. p. 526 530) ausgc-

ilirt. In<l(in ich auf das über die chcmifchcn Nerv«'nr(!ize auf S. 328 (icfagb«

rwr-iO', fei noch einiger Angaben von A. Vidpian (Lec^onH etc. p. 81 u. 759;

dacht. IMefcr Lorfcher beobachtete, daß daH (Ijyccrin auf di(! nerv<>fcn Gc- Idi; d«'H MufikreblcH wie auf di<! «Ich KrofchcK als [tark<n- Iteiz wirkt, daß

.^^^^^^i^^ll der bei Ilelix vom untern Schliindganglion cntlpringendc; Nerv fowohl nicchanifch wie ejfctrifcli, alKT nicht duich (dyrcriii zu reizen ifl, um! dal.N

I

502 Anmerkungen und Literaturnachweife. [108

der Ifchiadicus einer Wanderratte (Surmulot) nur fchwach durch Glycerin erregt wird. Vulpian fchließt aus diefen Befunden, daß die Befchaffenheit der Nerven in verfchiedenen Thierklaffen Unterfchiede aufweifl, welche charakteriltifch genug lind und jfich mit den hifliologifchen Unterfchieden keineswegs decken. ^*) Ueber Hemmungsnerven vgl.: Heidenhain, a. a. O.; M. v. Frey, Arb. a. d. phyüol. Anftalt zu Leipzig. Jahrg. 11. 1877. S. 89; J. Pmvlow, Arch. f. d. gef. Phyfiol. Bd. 37. 1885. S. 6 31.

1^) Literatur über die trophifchen Nerven:

E. Brücke, Vorlefungen über Phyliol. Bd. 2. Wien. 1873. S. 23 24;

Sigmund Mayer, Specielle Nervenphyliol. in Hermann's Handb. d. Phyjjol.

Bd. 2. Th. 1. Leipzig. 1879. S. 201 216; Krulenherg, Vgl. phyüol. Studien.

1. Reihe. 2. Abth. 1880. S. 85 92, 2. Reihe. 1. Abth. 1882. S. 35 ff.;

C. Semper, Reifen im Archipel der Philippinen. Th. 1. Bd. 1. Holothurien.

Leipzig. 1868. S. 171 u. 172; B. Koppe, Arch. f. exp. Path. u. Pharmak.

Bd. 3. 1875. S. 278 u. 299.

16) Vgl. Krulenherg, Vgl. phyüol. Studien. 1. Reihe. 3. Abth. 1880. S. 31 Anm. 1.

1') Die noch ganz räthfelhaften Folgebeziehungen früherer zu fpäteren Vorgängen in den Pflanzen, auf welche befonders DecandoUe (PflanzeniDhyü- logie. 1833-. S. 18 ff.) die Aufmerkfamkeit lenkte, laffen vielleicht vermuthen, daß auch im Thierkörper zahlreiche Proceffe lediglich durch den Verband aflimilirender Zellen eine auffallendere und in Folge gewiffer Eigenthümlich- keiten des Protoplasmas auch eine regelmäßig wiederkehrende Beeinfluffung erleiden, welche nur mit Unrecht auf nervöfe Erregungen bezogen werden. Bekanntlich fahren unfere Obltbäume, in die gemäßigten Gegenden der füd- lichen Halbkugel verfetzt, noch einige Jahre hindurch fort, genau um die Zeit zu blühen, die unferm Frühling entfpricht und das Umgekehrte findet Itatt, wenn man gewiffe Bäume der füdlichen Hemifphäre nach Europa bringt. In ähnlicher Weife findet fowohl bei den Laubblättern wie auch bei den meteo- rifch beweglichen, für Lichtfchwankungen empfindlichen Blüthen eine Nach- wirkung derart Itatt, daß fich in conltanter Finfterniß die durch den früheren Wechfel von Tag und Nacht veranlaßte Tagesperiode der Bewegung noch einige Zeit fortfetzt (J. Sachs, Lehrb. d. Botanik. 4. Aufl. Leipzig. 1874. S. 847 u. 849). Der Eintritt des Hungergefühls genau zu der Stunde, in welcher man fich zu fpeifen gewöhnt hat, die leife Steigerung der Pulsfrequenz an Fallen tagen genau um die Zeit, in der man das Mahl einzunehmen pflegte (Lichtenfels und Fröhlich, Denkfchr. der Wiener Acad. Bd. 3 ; F. Goltz, Tagebl. d. Naturforfcherverf. zu Baden-Baden. 1879. S. 131), der ausgeprägte Rhythmus der Fieberanfälle, der Krämpfe und der Blutungen (cf. UJile- Wagner, Handb. d. allg. Päthol. 7. Aufl. Leipzig. 1876. S. 23) erinnern zu fein- an die erwähnten

109] Anmerkungen und Literaturnachweife. 503

periodifchen Krfcheinungcn in der Pflanzenwelt, als daß lie oiine Weiteres auf Nerveneintluß bezogen werden könnten. Gebe ich nun aber aucli zu, daß be- fonders Vorgänge wie die erwähnten, leicht und immer wieder die Exiftenz trophifcher Nerven, wenn nicht gar die Anwefenheit wandernder Mikrococcen- colonieen vortäufchen werden, fo halte ich doch an der Annahme, daß folche Nerven thatfächlich vorkommen können, aus den im Texte angeführten Gründen unbedingt feft und verweife zugleich auf die in Anm. 15 citirte Au.seinanderfetzung Brücke's.

•®) \%\. C.Eckhard \i\ Hermnnn'a Handb. d. Phj-iiol. Bd. 2. Th. 2. Leipzig. 1879. S. 15 21. In den automatifch thätigen Herzen von Wirbelthier- ombryonen fowie in dem Herzen von Helix pomatia (ef, J?. Kohert^ Arch. f. exp. Path. u. Pharmak. Bd. 20. 1885. S. 92 115) haben wir dagegen Or- gane, welche lieh ohne die Anwefenheit von Ganglienzellen rhythmifch zu contrahiren vermögen.

'^) Ueber die })endelartigen Bewegungen des Fußes von Carinaria mediterranea vgl.: Kritkenlerfj, Vgl. phyfiol. Studien. 1. Eeihe. 3. Abth. 8. 177 180; Ä. Coßa, Ann. d. scienc. nat. T. 16. 1829. p. 107 109; A. Vul- pian, Lecjon.s sur la i>hyIiol. gen. et comp, du Systeme nerveux. Pai'is. 18üCi. p. 7G2.

■^'') Vgl. C. Eckhard, a. a. (). S. 117 u. 118.

■^') Cl. Bernard, Legons sur les phenom. de la vie etc. T. 1. 1878. p. 151.

2-) Cl. Bernard, Tissus vivants. Paris. 1866, p. 123 u. 173.

2') Dem Folgenden liegen mehrfach Notizen zu Grunde, welche ich vor mehreren Jahren in den Vorlefungen meines verehrten Lehrers niedorfchrieb. Von F. Goltz H neueren Schriften feien genannt: Ueljer die moderne Plneno- logie. IX'Utfche Knndfchau. Jahrg. 12. 1885. S. 263—283 u. S. 361—375 fowie fein Bericht ülter Verfuche an Hunden in dem Tagebl. d. 58. Verf. d. Naturf. n. Aerzte in Straßburg. 1885. S. 414 u. 415.

^*) Des Näheren vgl. Sigm. Exner in Hermann'» Handb. d. Phyliol. J'.d. 2. Tb. 2. Leipzig. 1879. S. 193 ff.

-'») Vgl. ,S'. Ej-ncr, a. a. 0. S. 308—350.

■^"y Bezüglich eines Beifpielcs für das fehr untcrfcbiedliche Verhalten nahe- (fehender Species gegen (iifte verweife ich auf das über Kana temiioraria und K. CHculenta (iefagte (H. 320). Die Skeletmuskeln beider Fröfche ver- halten fich auch bei einer reinen Bleivergiftung fehr ungleich refiftent {E. Har- nack, Arch. f. exi». l'ath. u. Pharmak. Bd. 9. 1879. S. 166 u. 172) und, ob- fclion gegen Apotiiorphin kein ('ntf-rfchied zu conflatiren war (E. Harnack, ibid. n<\. 2. 1874, S. 299), fr» glaubt «loch Harnack (\Wv\. iJd. 9. S. I<i6), daß üffcH verfchiodene Vt^rhalten <ler beiden Frofcharton gegenüber der Finwirknng '>n MuHkelgiften ein ganz diirchgehen<leH und charukteriflifcheH (ei. Daß lieh

504 Anmerkungen und Literaturnacliweire. [110

die Differenz auch auf den Herzmuskel erftreckt, lehren z. B. folgende Ver- fuche von Koppe (ibid. Bd. 3. S. 27.5 u. 276): Schon bei Anwendung von Vio mgr Digitoxin erzielte diefer Forfcher bei E a n a t e m p o r a r i a einen fyfto- lifchen Herzftilljftand, während es dazu bei Rana esculenta 1—1^/2 mgr bedurfte, und ebenfo führten bei erfterer Frofchart fchon \.'4 Vs mgr Digi- talin refp. Digital ein, bei letzterer hingegen erft 1— 11/2 mgr diefer Subllanzen einen fyftolifchen Herzftillftand herbei.

2') Nicht nur bei den Durchblutungsverfuchen , welche unter Anderem lehrten, daß beim Hunde die Nieren und vielleicht noch die Schweißdrüfen als die ausfchließlichen Bildungsllätten der Hippurfäure (aus Benzoefäure und Glykocoll) fungiren (Sdimieäeherg u. BungeJ, beim Kaninchen dagegen auch die Muskeln und die Leber Hippurfäure aus Benzoefäure und Glykocoll zu l^ilden vermögen fW. SalomonJ fondern auch bei Fütterungsverfuchen ergaben üch gravirendere Unterfchiede in den Stoffwechfelvorgängen. Wir fehen hier natür- lich ganz ab von den bemerkenswerthen Verfchiedenheiten , wie folche z. B. in der Umwandlung der Benzoefäure zwifchen Hühnern, von denen diefelbe als Ornithurfäure, und den Säugern, wo fie als Hippurfäure ausgefchieden wird, beltehen, und berühren allein die Differenzen im Stoffumfatze, welche ver- fchiedene Säugethierfpecies darbieten. Diesbezügliche Beifpiele hat kürzlich J. Munk (Verhandl. d. phyliol. Gef. zu Berlin. 1880 81. No. 17. S. 69-74) gefammelt, und es fcheint hiernach viel davon abzuhängen, ob das betreffende Verfuchsthier ein Pflanzen- oder ein Fleifchfreffer ifl. So fetzt beim Hunde eine Steigerung (Ä. ÄuerbachJ, beim Pferde eine Herabfetzung der Alkalescenz des Blutes die Oxydation des Phenols herab; beim Kaninchen wird von dem in den Magen eingeführten Taurin der größte Theil gefpalten und in unter- fchweflige Säure und Schwefelfäure umgewandelt, während beim Menfchen ein großer Theil, beim Hunde ein kleiner Theil zu Taurocarbaminfäure wird; anor- ganifche Säuren binden bei Herbivoren fixe Alkalien, Kali, Natron CSalJcotcslci), bei Carnivoren Ammoniak (Waltlier) u. f. w. Am Menfchen machten fich in- dividuelle Schwankungen bei Zufuhr von Sarkofin (cf. E. Brechsei in JSermann's Handb. d. Phyüologie. Ed. 5. Th. 2. 1883. S 520) geltend; diefes erfcheint bei tlem einen Individuum faft in ganzer Menge unverändert im Harne wieder, während es bei einem anderen wenigftens zum Theil in Methylhydantoin, be- ziehungsweife in Methylhydantoinfäure umgewandelt wird. Der Cyllinurie liegen wahrfcheinlich ebenfalls gewiffe Familiendispoütionen zu Grunde und wie E .SalkoivsTci hervorhebt, finden fich der _BfH(jHy?rtrÄ;'fche Körper (OgHgNjOg) fowie die Urocaninfäure (C12H12N4O4 + 4 aq.) von Joffe auch nicht im Harne eines jeden Hundes vor.

28) L. Landois, Arch. f. path. Anat. Bd. 35. 1866. S. 575-599.

29) Vgl. L. Exner, a. a. 0. S. 342—350.

111] Anmerkungen und Literaturnaclnveife. 505

ä") Vgl. J. Steiner, Grundriß der riijliol. des INIenfclien. 2 Aufl. Leipzig. 1883. S. 405.

31) /. Steiner, a. a. O. S. 407.

3-) Wir verdanken ('. Cliun (Ctenoplioren. Fauna u. Flora des Golfes von Neapel. Leipzig. 1880. .S. 174) die merkwürdige Thatfache, daß das Central- nervenfyftem bei feinem erllen Aufti-eten unter den Medufen in (jeltalt eines Gehörorgans die Regulation der Ortsbewegung übernimmt. Gewiß mit Recht erinnert Chini an die Uebereinftimmung, welche lieh hierin zwifchen der Beroe und den halbcircelförmigen Caniüen höherer Thiere (nach Flourens l'nterfuchungen) ausfpricht.

83) C Clans, Grundzüge d. Zoologie. 3. Auti. Marburg u. Lei])zig 1876. >. 1055.

3*) 0. Soltmami, Jahrb. f. Kinderheilkunde. N. F. Bd. 9. .S. lOG, Centralbl. f. d. med. Will. 1875. No. 14 u. Ueber einige phyüol. Eigen thümlichk. der ]\Ius- kein u. Nerven des Neugeborenen. Habilitationsfchrift. Breslau. 1877.

3=) Ob es fich hierljei jedoch um eine wirkliche Aulomatie und nicht viel- melir um einen reinen Retlexact handelt, ift durch neuere Unterfuchungen fehr fraglich geworden.

36) Vgl. Eichet, a. a. O. S. 541.

3') Armand Moreau, Compt. rend. de la soc. de Ijiologie, 2 Ser. T. 5. 1858. p. 97, 3 .S«:'r. T. 1. 1850. p. 107 u. T. 2. 18ü0. p. 159.

3*) Ueber Pfropfhybride im Pflanzenreiche vgl. V. Henlcn, Phyfiologie d. Zeugung in Hermann'n Handl). d. Phyfio]. Bd. ß. Tb. 2. 1881. S. 150; W. New hert, Tagebl. d. Naturforfcherverf. zu Baden-Baden. 1879. S. 215.

3'''j Aber auch bei den Transfufionen (vgl. L. Landois, Die Transfulion des Blutes. Leijizig. 1875 u. Beiträge z. Transfufion des Blutes. Leipzig. 1878) fällt der Gattungscharakter fler Verfuchsthiere fchwer in's Gewicht. Kaninchen})lut einem Hunde injicirt winl in der neuen Blutbahn fchnell zerftfirt und ebenlb rafcli zerfällt dem menfchlichen Organismus infundirtes Lammblut, während die Transfulion bei Hund und Fuchs wie Ijei Pferd und Efel keine das Ix'ben bedrohend«; Folgen mit lieh bringt.

**•; Beudant, Ann. de cliimie. T. 2. 1810. j). 52; Czerny, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 5. 18f59. S, 158; F. Tlatcau, Möm. de l'acad. r. de Belgi«|ue. T. 36. 1870 u. Bull d. lacad r. de Belgicjue. T. 34. 1872. No. 9 u. 10. Vgl. auch: C Setnpcr, Die natürj. K.xiUenzbedingungen der Thiere. Th. I. Leipzig. 1880. H. 173 217,

*') Ueber l'f ro p f vc r Tu c h e an Thieicn (vi>n J'. llert, J'ai/et eb;.) und über di«' Wiederanbeiiung ganz oder faft ganz vom Körper g(;tr(!nnter Theile Vgl. II. Milne Edwards, l.,e(;onH sur la y)liyiioIogie etc. T. 8. Paiis. 1863. p. 274 277; Uhk-Waijiu:r, a. a, O. «. 485 H", S. 505 u. Ü30.

506 Anmerkungen und Uteraturnachweife. [112

*'^) Wichtigere Literatur über Regeneration sverfuche:

Wirbelthiere: H. Müller^ Verband], d. phyßk.-medic. Gefellfch. zu Würz- burg. Bd. 2. 1852. 8. 66; Vulpian, Compt. rend. de la soc. de biologie. 2 S6r. T. 5. 1858. p. 81 u. T. 6. 1859. p. 7; Philippeaux, Compt. rend. de l'acad. 1866 u. 1867, 1873 1876; Ä. Gatte, Amtl. Ber. d. Naturforfcherverl. in München. 1877. S. 172; 0. Frai/Te, Tagebl. d. Naturforfcherverf. zu Baden- Baden. 1879. S. 223 225; Flefch, ibid. S. 225.

Mollusken. Spallanzani, Prodrome di un'opera sopra le reproduzioni animali. 1768. p. 60; Bonnet, Journ. de physique. T. 10. 1777. p. 169; Diujes, Traite de physiol. comp. T. 3. 1839. p. 190; Moquin-Tandon, Hist. nat. des Mollusques terr. et fluv. de France, p. 274; J. Carriere, Tagebl. d. Natur- forfcherverf. zu Baden-Baden. 1879. S. 225 226.

Würmer. Reaitnmr, M6m. pour servir ä l'hist. des insectes. 1742. T. 6. Pröface. p. 64; Bonnet, Traite d'insectologie etc. 1745. T. 2; Buges, Ann. d. scienc. nat. T. 15. 1828. p. 167 u. 316; J, cVüdilcem, Mem. couronnee de l'acad. de Belgique. T. 26.

Echinodermen. Beaumur, a.a.O. Pröface. p. 61; Dujardin und Hupe, Hist. nat. des zoophytes öchinodermes. 1862. p. 20; JE. Haeckel, Zeitfchr. f. wiir. Zool. Bd. 30. Suppl. 1878. S. 424 445; Balyell, British associat. for the adY. of science. 1840. Trans, p. 139. Glasgow.

Coelenteraten. Tremhleij , Abh. z. Gefch. einer Polypenart. Deutfeh von Goeze. Quedlinburg. 1775: Disqitemare, Philos. Transact. 1773. p. 371; Balyell, Rare and remarkable animals of Scotland. 1848. T. 2. p. 230; E. Haeckel, Biol. Studien. Heft 1. 1870. S. 22; Tli. Eimer, Die Medufen. Tü- bingen. 1878. S. 48 51. Laurent, Voyage de la Bonite. Zoophytologie. p. 133.

Protozoen. Tremtley, Philos. Transact. 1744. T. 44. p. 627; Schneider, Arch. f. Anat. u. Phyfiol. 1854. S. 204; Claparede u. Lachmann, Etüde sur les Infußoires et les Rhizopodes. S^^ie Partie, p. 209.

Vgl. ferner: H Milne Edwards, a. a. 0. T. 8. 1863. p. 299 311.

«) Gl. Bernard, Tissus vivants. 1866. p. 149.

^*) Kriikenberg, Vgl. phyfiol. Studien. 1. Reihe. 1. Abth. 1880. S. 8.

■*5) A. Schneider, ünterf. über Platbelminthen. Gießen. 1873; Arn. Lang, Die Polycladen. Fauna und Flora des Golfes von Neapel. 11 Monögr. Leipzig. 1884. S. 80 u. 81; Jfao Jijima, Zeitfchr. f. will. Zool. Bd. 40. 1884. S. 381.

*fi) Ueber die Innervationsverhältnilfe bei den Scheibenquallen vgl.: Th. Eimer, Verhandl. d. phyfik.-medic. Gef. zu Würzburg. N. F. Bd. 6. 1874, Amtl. Bericht d. Naturforfcherverf. zu München. 1877. S. 182 186, Die Me- dufen. Tübingen. 1878; G. J. Bomanes, Philos. Transact. Vol. 166. 1876. p. 269 313, Vol. 167. 1877. p. 659 752 u. 1880. p. 161 202; Kriilcenherg, Vgl.-phyüol. Studien. 1. Reihe. 3. Abth. 1881. S. 124 146.

113] Anmerkungen und LiteraturnachAveife. 507

") Krulcenherg, ibid. S. 144; 0. u. B. Hertwig, Sitzungsb. d. Jenaifchen Gef. f. Medicin u. Naturwill'. Sitzung vom 4 Juli 1879 und Die Actinien. Jena. 1879. ") Ueber Ctenophoren vgl.: Th. Eimer, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 17. 1880. S. 213 240; Krulenherg, a. a. O. S. 1 22; C. Chun, Die Ctenophoren etc. Fauna und Flora des Golfes von Neapel. Leipzig. 1880 und Biolog. Cen- tralbl. Bd. 2. 1882. S. 5 16.

*5) Die Effecte, welche die Durchfchneidungen an Medufen und Cteno- phoren nach fich ziehen, erinnern an diejenigen, welche beim Anlegen der Stannim^ icixen Ligatur am Frofchherzen (cf. Auhert, Innervation der Kreis- laufsorgane in J?enHrt>m's Handbuch der Phyfiologie. Bd. 4. Th. 1. 1880. S. 364) beobachtet werden. Bei den Scheiben- und Rippenquallen treten unmittelbar nach der Durch fchneidung die Erfch einungen einer Reizung auf und erft vei*- hältnißmäßig fpät machen diefe dem durch den Ausfall der Centren gefchaffenen Lähmungszuftande Platz.

sö) Ich laffe es hier dahin geflellt, inwiefern das Vorgetragene den neueren Anfchauungen über die Hemmungsnerven (S. 405) gemäß einer Modification bedürftig erfcheinen muß.

") Literatur zur Nervenphyfiologie der Echinodermen: Comatula. W.B. Carpenter, Proc. of the r. soc. Vol. 24. No. 166. 1876. p. 226-227 u. No. 169. p. 451 455; Kriikenberg, a.a.O. 2 Reihe. 1 Abth. 1881. S. 81 u. 82.

Echiniden. Frederiajj Compt. rend. T. 83. 1876. p. 860 862 u. p. 908 bis 910; G. J. Eomanes u. J. C. Eivart, Proc. of the r. soc. Vol. 32. No. 212. 1881. p. 5 11 u. Philos. Transact. 1881. Part. 3 p. 829 885; Romanes, Jelly-fish, Star fish and sea-urchins. London. 1885. p. 276 293 u. p. 301 323.

Afteroiden. Fr. Tiedemann, MeclceVfi Archiv f. Phyßol. Bd. 1. 1815. S. 161 175; A. Vulpian, Compt. rend. de la soc. de la biologie. 3 S6r. T. 3. Annee 1861. Paris. 1862. p. 189 196; Krukenherg, a. a. O. S. 76 82; Eo- manes, a. a. O. p. 267 276 u. p. 294 301; J. Steiner, Arch. f. Phyfiologie von du Jiois Hegmond. 1875. S, 145.

''^) A. r. Heider, Cerianthus mombranaceus. Sep.-Abdr. a. d. 79 Bd. d. Sitzb. d. k, k. Akad. d. Will", zu Wien. 1 Alttli. 1879. S. 45.

*') Aeltere Arbeiten über die Nervenphyfiologie der Würmer: (!h. Tionnet, OotivroH d'hist. nat. et de i)hilosophio. T. 1. NeufchAtel. 1779. )>. 117-258; Thomax, ÄKmi. jtour sorvir a lliist. nat. dos Sangsues. 1806. p. 87; A. MoquinJ'andon, Monogra|)liie des Ilirudin^es. Paris. 1846. j). 74; Loclchart- Clndr, Ann, of nat. liist. 1857. p. 250; Qnatrcfagcs, TliKtoirn nat. des An- ncIt-H. T. ]. 1866. p. 87.

'•*) N. Kleinenherg, Ann, and niagaz. of n:it. liist. 6 Her. \'ol. 9. No. J'.». 1882. p. C7 u. ArcliivcH itali(!nn<'H de biologie. T. I. 1882. p. 63-77, Krukenlnrg, Vorgl.-i>liynol. Vorlrttgo. ülj

508 Anmerkungen und Literaturnachweife. [114

55) Krtilcenherg, a. a. 0. 1 Eeihe. 1 Abth. 1880. S. 82—116; Ä. Guilleheau u. B. LucMncjer, Arch. f. d. gef. Phyfiol. Bd. 28. 1882. S. 1—60; Krukenherg, a. a. 0. 2 Eeihe. 3 Abth. 1882. S. 116 122.

se) J. Armauer Hänfen, Arch. de physiol. norra. et patholog. 3 Ser. 13 An- nee. 1881. p. 739—741.

57) B. Liiclißnger, Zur allg. Phyfiol. der h'ritabelen Subltanzen. Bonn. 1879.

58) ünterfuchungen , welche nur die Frage nach der Gültigkeit des JSen'fchen Lehrfatzes betreffen: (r. iVe^cj^ort, Philos. Transactious. 1834. p. 407 u. 408; Grant, Lancet. 1834. Juli; J. Müller, Handb. d. Phyfiol. des Menfchen. Bd. 1. 4 Aufl. Coblenz. 1844. S. 579; Valentin, De functionibus nervorum cerebrahum et nervi sympathici. ßerne. 1839. p. 7 ff. ; F. A. Longet, Traite de physiol. T. 2. P. 2. Paris. 1850. p. 14; A. Vn^yian, Le^one etc. p. 143 u. 144.

Speciellere Ünterfuchungen über die Nervenphyfiologie der Arthropoden :

Cruftaceen. H. Müne Edwards, Hist. nat. des Cruftaces. Paris. 1849. T. 1. p. 149; Longet, L c. T. 2. P. 2. p. 11 15; Vulpian, I. c. ; Owsjannikow, Möm. de l'acad. imp. de. St. Petersbourg. 6. Ser. T. 7. 1863. No. 10; Lemoine, Ann. d. scienc. nat. 5. Ser. T. 9. 1868. p. 204; E. Yiing, Compt. rend. T. 88. 1878. p. 347 349 u. Arch. d. zool. exp. et g6i. T. 7. 1878. p. 459 526; T. H. Huxley, Der Krebs. Leipzig. 1881. S. 92 95; J. Ward, Journ. of physiol. Vol. 2. 1879 80. p. 214 227.

Infekten. J. B. Bengger, Phyfiol. Unterf. üb. d. thier. Haushaltung d. Infekten. Tübingen. 1817. S. 40 43; C. A. Walckenaer, Mein, pour servir ä l'hist. des abeilles solitaires. Paris. 1817. p. 39; G. B. Treviraniis, Das organifche Leben, neu dargeflellt. Bremen. 1831. Bd. 2. Abth. 1. S. 192; H. Bimneißer, Handb. d. Entomologie. Bd. 1. Berhn. 1832. S. 516 526; Badliam, The ,question concerning the sensibility, iritelligence and instinctive actions of insects. Paris. 1837; Dnjardin, Ann. d. scienc. nat. 3 Sör. T. 14. 1850. p. 196; A. Yerßn, Bull, de la soc. vaudoise d. scienc. nat. T. 5. 1856 57. No. 39. p. 119 u. No. 41. p. 185, Compt. rend. T. 44. 1857. p. 912 915; E. Faivre, Compt. rend. T. 44. 1857. p. 721 722, Ann. d. scienc. nat. 4. Ser. T. 8. 1857. p. 245-274, Compt. rend. T. 45. 1857. p. 2 5, Ann. d. scienc. nat. 4. Ser. T. 9. 1858. p. 23 51, T. 13. 1860. p. 321—336, T. 17. 1862. p. 329-361, 5. S6r. T. 1. 1864. p. 89-104, Compt. rend. T. 51. 1860. p. 530-533, T. 56. 1863. p. 472—475, T. 80. 1875. p. 739-741, p. 1149—1153 u. p. 1332—1335; Baudelot, Compt. rend. T. 58. 1864. p. 1161 1164, Ann. d. scienc. nat. 5. Ser. T. 2. 1864. p. 45—48; Doenhoff, Arch. f. Anat. u. Phy- fiol. 1875. S. 47; E. FleiMl, Centralbl. f. d. medic. Wifl". 1875. S. 469 470; B. Luchßnger, Arch. f. d. ges. Phyfioi. Bd. 23. 1880. S. 308 312; Fei Plateau,

115]

Anmerkungen und Literaturnachweife.

509

Bull, de 1 'acad. r. de Belgique. 3 Ser. T. 3. 1882. No. 6 u. Recherches expör.

sur le.s mouveinents respiratoii-es des insectes. Bruxelles. 1884.

;Mit der Frage nach der Homologie refp. der Analogie des Bauch- Ilranges der Articulaten mit dem Cerebrofpinal- refp. dem fympathifchen Nervenfyfteme der Wirbelthiere befchäftigten fich: Leydig, Lehrb. d. Hiflio- logie. Hamm. 1857. S. 186; Rcil, Archiv von Heil u. Autenrietli. Bd. 7. S. 190; Äckermann, De nervosi systematis primordiis commentatio. Heidelbergae. 1813; Bichat, Anatomie generale. Paris. 1812. T. 1. p. 243; Scarpa, Annot. anatom. Lib. 1. De nervorum gangliis anat. Pavia. 1784. p. 38; Blumenbach, Ilandb. d. vgl. Anat. Göttingen. 1805. S. 315; Cuvier, LeQons d'anat. comp. T. 2. Paris. 1808. p. 299 ff. u. M^m. pour servir ä l'hist. et ä l'anat. des mollu.sques. Paris. 1817; Gall, Anat. et physiol. du syst, nerveux. T. 1. Paris. 1810. p. 109; MecM, Ilandb. d. menfchl. Anat. Bd. 1. Halle. 1815. 8. 341 u. MeckeVs Archiv. Bd. 1. 1815. S. 11; Waltlier, Phyüologie. Bd. 2. § 563; Buges, Physiologie comp. T. 1. Montpellier. 1838. p. 79 u. 81; Leuret, Anat. comp, du syst, nerv., considere dans ses rajiports avec l'intelligence. T. 1. Paris. 1839. p. 46 ; E. H. Weber, Anat. comp, nervi- sympathici. Lipsiae. 1817. p. 95; Serres, Anat. comp, du cerveau. Paris. 1827. T. 1. p. 254, 400 u. 508, T. 2. p. 45; Treciranus , Journ. compl. des scienc. medic. T. 18. p. 250; Vulpian, Lecjons etc. p. 780 ff.; Langet, a. a. (>. T. 2. p. 650.

5») Die hinflchtlich der Kofpiration der Infekten in Betracht kommenden neurophyiiologifchen Ergel.milTe der Sektionsverfuche hat Fei. Plateau (Recher- ches cxpör. sur Ics mouvements respiiat. des insectes. Bruxelles. 1884. p. 215) in folgender Tabelle zufammengefaßt :

Beobachter

Species

Ausgeführtu Oj)eratiüii

auf die Refitimtiou.s- beweguiigen

Faivre

Barlotc

Dytiscus

Gryilus

Libellula

lUuehfehneidung der Cdu-

nective zwifchen protlio-

racaiein und unterem

.Srlihmdjjanglion

Enthauptung

/•'. J'lfiteau i Hydro|»hiluH

Zcrrflörung der obenin Schlundganglien

Sofortige .Schwächung

I Schwächung und ) Verlangfamung.

Tiefenabnahme der

AthemzCigc iiml fchwaclie Verlang famung dr'rfelben.

510

Anmerkunsfen und Literaturnachweife.

[116

Beobachter

Species

Ausgefülirte Operation

Wirkung

auf die Refpirations-

bewegungen

Dytiscus

Enthauptung .

Abnahme an Tiefe, Befchleunigung

F. Plateau

Zerftörung der oberen Schlundganglien

»

Carabus

Enthauptung

Schwaches Placher-

werden der Athem-

züge

»

Oryctes

Nach 15 Min. Ab- nahme an Tiefe

»

»

Durchtrennung des Bauch-

Itranges zwifchen mefo-

und metathoracalem

Ganglion

Schwächung

» -

Geotrupes

[ Enthauptung

Augenblickliche Be- fchleunigung

»

Libellula

Leichte Verlang- famung

»

A 6 s c h n a

Durch Ich neidung des

Bauchllranges an der

Baus des Abdomens

Tiefenabnahme der Athemzüge u. leichte

Stethophyma

»

»

»

Zerltörung der metathora- calen Ganglien

»

Stenobothrus

Durchtrennung des Bauch-

ftranges an der Baus

des Abdomens

Verlangfamung

Langendorff

Melolontha

\ Enthauptung

»

Libellula

60) Sehr lehrreich und, worauf fchon Vulpian (Le^ons etc. p. 793) hin- wies, in vollem Einklänge mit den Anfchauungen Faivre's über die refpira- torifcbe Bedeutung des' Ganglion metathoracicum find die Beobachtungen, welche

117] Anmerkungen und Literaturnachweife. 511

L. Diifour (Ann. d. seienc. nat. 2. Ser, T. 15) und Fahre (il)id. 4. Ser. T. -i. p. 120) au Spliex, Cerceris und an anderen Spliecinen angeftellt haben. Um ihren Larven die Nalirung zu fichern, bohren diefe Grabwefpenarten erbeuteten Grillen, Fliegen oder Kornwürmern ihi-en Stachel in den Bauchftrang und vernichten delTen Funktionen auf eine fehr einfache Weife dadurch, daß fie einen ätzenden Stoflf über das zerftörte Gewebe hinüberfließen laflen. Die fo operirten Infekten, welche meiftens folchen Arten angehören, bei denen die Ganglien fehr genähert liegen, führen alsdann gleichfam ein latentes Leben, und fowohl Fahre wie Vulpian ift es an P'liegen, Grillen u. f. w. gelungen, dm-ch Verletzung des Bauch ftrauges und Einbringen von Ammoniak auch künll- lich diefen lethargifchen Zuftand herbeizuführen. Führte man die Operation mit einer rein gehaltenen Nadel aus, fo erzielte man diefell)e Wirkung, und das zeigt wohl klar, daß das Wefentliche die traumatifche Verletzung des Bauchllranges und keine Intoxication iA.

«>) E. Faivre, Compt. rend. T. 80. 1875. p. 1149- 1153.

ß-) C. Gcffeiihaur, Grundriß der vergl. Anatomie. Leipzig. 1874. S. 522.

«ä) Ziemlich alle Forfclier (Bert, Colafanti, Yung, nicht aber Klemen- fieicicz), welche Cephalopoden mit Strychnin vergifteten, haben die Behauptung aufgeftellt, daß fich an diefen Thieren ein echter Strj'chnintetanus entwickele. Mir fcheint es fehr fraglich, ob man berechtigt ifl;, die an den Ilrychnifirten Cej)halopoden auftretenden Zuckungen als tetanifclic Krämpfe zu bezeichnen, zumal eine, durdi das Strychnin herbeigeführte ülKjrnormale Einpfindliclikeit bei diefen Thieren nicht nachgewiefen ift. Bemerkens werth ift die außer- ordentliche Empfänglichkeit aller Cephalopoden für Strychnin (Bert, Knikeii- l^ergj; in einer Strychninnitratlöfung von 1:40.000 beginnen an Eledone die typifchcn Symptome der Vergiftung fofort.

") Kriikenhcrf/, a. a. O. 1. Keihe. 3, Abth. S. 133- 135.

V. IfenfaiH wenig bekannte Beobaciitung einer gefteigerten Schallempfin- dung bei ftrychnilirtcn Krel>fen weift zwar auch bei diefen Thieren auf ein Ueberempfindlichwerden durch das Stryclmin hin. Ilenfen (Zeitfchr. f. will". Zool. Bd. 13. 1803. S. 395; fagt : «W(;nn man i'alaemon antennarius in mit Strychnin verletztes Salzwall'er auf mehrere Stunden iiineinl)ringt, läßt (ich der Nachweis ilirer Ihirkraft noch belfer füliren. Dann erzeugen felbft leife T<»ne im Ilaufe, am Tifclu; oder (jlafe Reflexe, und man kann das Thier durch wiederholte Töne in entfprechend häufigen Sprüngen im (ilafe umher- treiben. iJabei ift bemerkenswerth , (ial.< von (U;r äiil.<crn .Antennen ein li(!llex nicht leicht kommt. Wenn das 'lliicr, Ichon flarU vergiftet, matt auf der HeiUi liegt, kann man es mit d(!r I'inrette an der äußern .Anlcrnne in die IhVho ziehen, dan (ilas lurben und das Walfer Aihütttiln, es rührt ficth nicht; fetzt man das Glas ni(;der und erregt damit oder fon/twie eiimn Ton, fo nfißt es

512 Anmerkungen und Literaturnachweire. [118

fich mit einem mächtigen Schlage los, um machtlos zu Boden ßnken und dort in tonifchen Krämpfen lieh zu biegen. Die Thiere werden, nachdem fie einzig noch athmend, aber faft bewegungslos auf dem Boden des Glafes liegen, lieh allmälig beleben, wenn man ße in reines WalTer fetzt. Dann ifb es intereflant, üe zu beobachten, wenn ße wieder anfangen zu fchwimmen. Sie ftreifen un- gefchickt im Glafe umher; man achtet darauf, wenn ße nirgends die Wan- dungen berühren und erzeugt einen Ton; augenblicklich wirft ein Sprung ße auf den Boden des Gefäßes, wo ße ruhig auf der Seite liegen bleiben. Richtet man ße auf, fo hat das keinen Reflex zur Folge, fondern fie fangen von Neuem an zu fchwimmen und das Spiel kann wiederholt Averden. üebrigens Hellt ßch felbft während der Strychninvergiftung eine gewifle Abfl;umpfuug gegen den Ton ein, die erlt nach einiger Ruhe wieder verfchwindet.»

Jenen durch Muskelcontracturen bewirkten Zerflückelungsact , welchem viele Anneliden, Synapten und in befchränkterem Grade auch Krebfe und Saurier (Anguis, Lacerta) bei äußeren Infulten ausgefetzt find, habe ich (Vgl.-phyßol. Studien. 1 Reihe. 1 Abth. 1880. S. 128 u. 129) als eine dem Opifthotonus der Wirbelthiere vergleichbare Krampfform aufgefaßt. Später hat L. Fredericq (Arch. de zool. exper. et g^n. 2. Ser. T. 1. 1883. p. 413 426), ohne meine Verfuche und Angaben, mit welchen die feinigen vollkommen übereihflimmen, irgendwie zu kennen, diefen Selbftzerllückelungsvorgang («Autotomie» Fre- dericq'B) an Blindfchleiche und Krebfen ausführlicher befchrieben und die Frage infofern gefördert, als er nachwies, daß die Contracturen bei Krebfen ßch auch nach Zerflörung des Schlundringes erhalten und von den Bauchganglien unterhalten werden. Eine folche Selbß;amputation der Gliedmaßen, welche, wie gefagt, auf tetanifche Erregungen fchließen ließe, habe ich nun aber bei einer Strychninvergiftung auch an dazu fehr disponirten Krebsarten niemals auftreten fehen, während diefelbe bei einer Vergiftung mit Nicotin an geeig- neten Krebsformen (z. B. bei Porcellana longicornis) ebenfo wie an Synapta digitata eine ganz regelmäßige Erfch einung (cf. Kriikenberg, a. a. O. S. 120 u. 121).

65) Literatur über die Nervenphyßologie der Mollusken: Lamellibranchiaten. /. Pawloiv, Arch. f. d. gef. Phyßologie. Bd. 37. 1885. S. 6 31.

Gaftropoden. Viüpian, Legons etc. p. 759 765; H. v, Ihering, Göt- tinger Nachrichten. 1876. No. 13. 28 JuH.

Cephalopoden. P. Bert, Compt. rend. T. 65. 1867. p. 300 303; /. Cheron, ibid. T. 66. 1868. p. 1163 1167 u. Recherches pour servir ä l'hist. du syst, nerveux des Cephalopodes dibranchiaux. These. Paris. 1866; Owjannilww u. Kowalevsky, Mem. de l'acad. imp. d. scienc. de St. Peters- bourg. 7. Ser. T. 11. 1867; G. Golafanti, Arch. f. Anat. u. Phyßol. 1876.

119] Anmerkungen und Literaturnach weife. 513

S. 480 500; li. Kiemen neu-ic:, Sitzb. d. k. k. Akad. d, WifT. in Wien. Bd. 78. Abth. 3. 1878. Juni-Heft; L. Fredericq, Arch. de zool. exp^r. et gh\. T. 7. 1878. p. 535 583.

«6) lieber die Curarewirkung an Mollusken vgl.: Vtilpian, a. a. 0. p. 7G2; J. Bernüein, De animalium evertebratoruni musculis nonnulla. Diss. inaug. Berolini. 1862. p. 30; P. Bert, a. a. 0. p. 303; J. Steiner, Das amerikanifche Pfeilgift Curare. Leipzig. 1877. S. 56 59; Kkmenficivicz, a. a. O.; Colafanti, Contribuzione alla conosceuza della azione fisiologica del curaro. Roma. 1878. p. 6. note 1; Krul:enherg, Vgl.-phyfiol. Studien. 1 Reihe. 1 Abth. 1880. S. 17, 118 u. 119; E. Yurnj, Mitth. a. d. zool. Station zu Neapel. Bd. 3. 1881. 8. 106 110 u. Arch. de zoolog. exper. et gön. T. 9. 1881. p. 431; J. Ri- chard, Recherch. phj'siol. sur le coeur des gasteropodes pnlmon6s. Extrait de la Re\'ue d'Auvergne. 1886.

6') Engelmann, Arch. f. d. gef. Phyßol. Bd. 2. 1869. S. 243. 88) /. Cohnheim, Neue Unterfuchungen über die Entzündung. 1873. S. 25. «») Krukenherg, Die eigenartigen Methoden der ehem. Phyfi,ologie. Heidel- bei-g. 1885.

^0) H. Auhert, Die Innervation der Kreislaufsorgane. Hermann's Handli. d. Phyfiol. Bd. 4. Th. 1. Leipzig. 1880. S. 341 - 460.

") lieber den Herz fch lag der Embryonen vgl.: Prcroß u. Lehcrt, Ann. d. scienc. nat. Zoologie. 3. Sc^'r. T. 2. 1844. p. 232 238; C. Edcharä, Zeitfchr. f. rat. Med. 3 Reihe. Bd. 29. 1867. S. 57; W. His, Unterf. ül)er d. erfte Anlage des Wirbelthierleibes. Leipzig. 1868. S. 100, 101 u. 151; R. Wer- nicke, Beitr. z. Phyfiol. d. embryonalen Herzens. Inaug.-Difr. Jena. 1876 u. Zur Phyßologie des embiyonalen Herzens. Jena. 1876; Seth N. Jordan, Arch. f. exp, Path. u. Pharmak. Bd. 8. 1878. S. 17; Krukenberg, Vgl.-phyfiol. Studien. 1 Reihe. 3 Abth. 1880. S. 153 Anm. 3' u. diefe Vorträge. S. 17; W. Prei/er, Specielle Phyfiologie des Embryo. Leipzig. 1885. S. 21—66; R. Kobcrt (u. E. Ziegler) Arch. f. exp. Path. u. Pharmak. Bd. 20. 1885. S. 104-115.

^*j Nach den Angaben «ler mcilten .Autoren ifi; die Spitze des Frofch- herzens ganglienfrei und ohne nervöfc V^erbindung mit den oberhall) gelegenen Herztheilen. Mnskelreize ('/.. 15. J'hyfoftigmin, Teinj)eraturerhöhungen und Product<;, die in dem Muskel ftibft entftehen) verfetzen aber auch <li(' ab- getrennU-, ganglienfn-ic Frofchherzfpitze in rhythmifche Bewegungen, und diefe Erfahnmgen, fiber welche Auhert (a. a. O. 8. 369) wie Kohert (a. a. O. S. 95) ausfnhrlieher berichten, (Kirften uns hinlilnglich belehren, daß fogar noch bei dem Frofche rhythmif<;he Jb-rzcontractioncii unabhilngig von gang- lionärcn Element4?n vor fich zu gehen verm<)gen.

"J Die älteren Beobachtungen über den lOiiiliuli des Vagus auf ilas Herz von Fifelien find von A. li. Megrr (Das Hfiinnungsnervenfyflem de{< IIcrzeuH. Berlin. 1869. H. 26 29; zufammengeftellt wonlen.

514 Anmerkungen und Literaturnach weife. [120

f*) Kriikeiiberg , Unterf. a. d. phyüol. Inflitute d. Univerütät Heidelberg.

Bd. 1. Heft. 4. 1878. S. 327 340 (vgl. hierzu: L. Edincjer, Bericht über d.

Senkenberg' [che naturf. Gefellfch. 1884. S. 74) u. Bd. 4. Heft 1. 1881. S. 37 flf. ") Für das Störherz liegt eine ältere Angabe von H. Stammis (Das

peripherifche Nervenfyftem der Fifche. Eoftock. 1849. S. 84) vor, welche be-

fagt, daß auf electrifche Reizung der Medulla oblongata und der Wurzeln des

Vagus Herzitillfland eintritt.

■^ß) Wichtigere Literatur über die H e r z i n n e r v a t i o n bei den Wirbel-

lofen :

G a Jft r o p o d e n u. L a m e 1 1 i b r a n c h i a t e n. Vulpian, Lepons etc. p. 762 ; A. Brandt, Bull, de l'acad. imp. des scienc. de St. Petersbourg. T. 10. 1866. p. 552 561; M. Foüer, Arch. f. d. gef. Phyfiol. Bd. 5. 1872. S. 191 195; J. Bogiel, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 14. 1877. S. 59 65 u. S. 478, Proto- colle der Sectionsützungen der 5. Verf. ruIT. Naturforfcher und Aerzte zu Warfchau. 1876, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 15. 1878. S. 95 97; M. Foüer u. A. G. Beio -Smith, Proc. of the r. soc. 1875. p. 318 343 u. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 14. 1877. S. 317 321; Vulpian, Compt. rend. T. 88. 1879. p. 1293 1297; KriikenUrg, Vgl. -phyfiol. Studien. 1 Eeihe. 3 Abth. 1880. S. 172; E. Yung, Compt. rend. T. 93. 1881. p. 562 564 u. Arch. de zool. exper.'et gen. T. 9. 1881. p. 421 432; W. Biedermann, Sitzb. d. math.- naturw. Klaffe d. k. k. Akad. d. Wiff. zu Wien. Bd. 89. Heft 1 2. 1884. S. 19; B. Banfom, Journ. of physiol. T. 5. 1884. p. 261; B. KoUH, Arch. f. exp. Path. u. Pharmak. Bd. 20. 1885. S. 102 u. 103. Cephal opoden. Cf. unter Anm. 65.

Gruft aceen. G. G. Carus, Von den äußern Lebensbedingungen der weiß- u. kaltblütigen Thiere. Leipzig. 1824. S. 72 85; Ed. Weber, Muskel- bewegung. B. Wagner's Handwörterbuch der Phyfiologie. Bd. 3. Abth. 2. 1846. S. 40; E. H. Weber, Arch. f. Anat. u. Phyfiol. 1846. S. 504 u. 505; A. Brandt, a. a. O. T. 8. 1865. p. 416 430; Vidpian, Legons etc. p. 795; C. EcMard, Beitr. z. Anat. u. Phyfiol. Bd. 4. Heft 1. Gießen. 1867. S. 33 48; A. B. Meyer, Das Hemmungsnervenfyllem des Herzens. Berlin. 1869, S. 22 25 ; J. 31. Bogiel, Compt, rend. T. 82. 1876; p. 1117 1120 u. p. 1160 1161, Arch. de phj^siol. norm, et pathol. 2 Ser. T. 6. 1877. p. 400 408; Fei. Plateau, Bull, de l'acad. r. de Belgique. 2 Ser. T. 46. 1878, Archives de biologie. Vol. 1. 1880. p. 595 - 695 ; E. Berger, Sitzb. d. k. k. Akad. d. Wiff. zu Wien. Bd. 74. 1876, 1 Abth. Oct.-Heft; B. Beszö, Zool. Anzeiger. Bd. 1. 1878. S. 126; E. Yung, Arch. de zool. exper. et g^n. T. 7. 1878. p. 519 526; Krulenberg, Vgl.- phyfiol. Studien. 1 Eeihe. 3 Abth. 1880. S. 167 ff.; Kobert, a. a. O. S. 104. Infekten. A. Brandt, a. a. 0. T. 10. 1866. p. 552 --561. F. Graher, Sitzb. d.'k. k. Akad. d. Wiü: zu Wien. Bd. 65. 1872. 1 Abth. ]\Iärz-Heft, Arch.

121] Aninorkiingen und Literaturnachweife. 515

f. mikr. Anat. Bd. 9. 1873. S. 129 196, Die Infekten. München. 1877. S. 337 flf.; E. Faivre, Compt. rend. T. 80. 1875. p. 1333 u. 1334; Kohert, a. a. O. S. 104.

Salpen. Kühl u. van Haßelt, Algemaene Kon.st- en Letterbode. 1822. T. 1. S. 115 u. 116 (überfetzt in Ann. d. scienc. nat. Zool. 2 Ser. T. 3. 1824. p. 78 81 u. Bull, des scienc. nat. de Feni/Tac. T. 2. p. 212); Krukenberg, Vgl.-phyfiol, Studien. 1 Reihe. 3 Abth. 1880. S, 151 176 (mit Citaten der wichtigeren äheren Literatur).

") A. Vidpian, Lei^'ons sur la physiol. gen. et comp, du Systeme nerveux. Paris. 1866. p. 761 u. 762.

") Fei Plateau, Archives de biologie Vol. 1. 1880 p. 642. ") Cf. Krukenberg, Vgl.-phyfiol. Studien. 2 Reihe. 1 Abth. 1882. S. 16 u. 17. ^0) L'eber die Umkehr der Herzbewegung bei Würmern und den Embryo- nen nackter Pulmonaten vergl.: J. F. P. Braun, Syllemat. Befchreibung einiger Egelarten. Berlin 1805. S. 40; Joli. Müller, MeckeVs Ai-ch. f. Anat. u. Phyflol. 1828. S. 22 29; E. H. Weber, ibid. S. 399 u. 400; A. E. Grube, Zur Anat. u. Phyflol. der Kiemenwürmer. Königsberg. 1838. S. 29. P. J. van Beneden u. Windifchmann, Arch. f. Anat. u. Phyfiol. 1841. S. 176 195; Ose. Schmidt, ibid. 1851. S. 278 290; C. Gegenbaur, Grundzüge der vgl. Anat. Leipzig. 1870. S. 544.

*') Bezüglich der älteren Schriften über den Farbenw-echfel vgl. außer den Literaturverzeichniffen in den unten angeführten neueren Abhandlungen die zu- fammenfairenrlen Auffätze von E. Brücke (Unterf. über d. Farbenwechfel d. afrik. Chamäleons. Aus dem 4. Bd. d. Denkfchr. d. math.-nat. Klaffe d. k. k. Akad. d. Wiff. zu AV'ien. 1852), H. Milne-Edicards (Le<;:ons sur la physiol. et l'anat. comp, etc. T. 10. Paris. 1874), G. Seidlüz (Beiträge zur Descendenz-Theorie. Leipzig. 1876. S. 1 —36), C. Sempcr (Die nat. Exiftonzbedingungen d. Thiere. Th. 1 u. 2. F-f'ipzig. 1880) u. H. A. Pagenttechcr (Allgemeine Zoologie. Th. 4. Berlin. 1881). Im Texte befonders erwähnte Schriften über die Farben wechfel- a [> p a r a t e :

Ceph alo pod en. liud. K lernen fieicicz, Beitr. z. Kenntniß (Ujs Farben- wechfel« der Cephalopoden. Aus d. 78 Bd. d. Sitzb. d. k. k. Akad. <l. Wiff. zu Wien. 3 A>>th. 1878. Juni-IIeft; L. Fredcricq, Bull, de l'acad. r. de Bel- gique. 2 S<-r. T. 46. 1878. p. 752 761; Krukenberg, Vgl.-phyfiol. Studien. 1 Reihe. 1 Abth. 1880. S. 1 37; E. Yung, Mitth. a, d. zoolog. Station zu Neapel. Bd. 3. 1881. S. 97 120; Krnkenberg, a. a. O. 2 Reihe. 1 A]»th. I8S2. S. 183 u. 3 Abth. 1882. S. 118; P. Girod, Arch. de zool. cxikt. et gön. 2 Sc-r. T. 1. 1883. p. 225 266.

Chamäleon. P. Jierl, Compt. rend. T. 81. 1876. p. 938 941; Kru- kenhfni. V-I. i-livdol. Studien. 1 Reihe. 3 Abth. 1880. S. if3 65.

516 Anmerkungen und Literaturnachweire. [122

Batrachier. H. v. Wittich, 3IilUer'B Archiv. 1854. S. 41 59 u. S. 257—264; J. Lißer, Philos. Transact. Vol. 148. 1859. S. 627 643; F. Goltz, Tagebl. der 44. Verf. d. Naturf. u. Aerzte in Roftock. 1871. S. 147 u. 148; Henfche, Zeitfchr. f. wiff. Zool. Bd. 7. 1856. S. 281 ff.; F. Leydici, Lehrb. d. Hiftiologie. Hamm. 1857. S. 82; L. Stieda, Arch. f. Anat. u. Phy- ßol. 1865. S. 59; 0. Sscsesny , Beiträge z. Kenntniß der Textur der Frofch- haut. Inaug.-DilTert. Dorpat. 1867; J. Steiner, Unterfucliungen über d. Phy- ßologie des Frofchhirns. Braunfchweig. 1885. S. 29; G. Axmann, Beitr. z. mikr. Anat. u. Phyfiol. des Ganglien-Nervenryltems etc. Berlin. 1853. S. 74 ff.; E. H. Bimmermann, lieber d. Einfluß d. Nerven auf die Pigmentzellen des Frofches. DilTert. Straßburg. 1878. ~ Vgl. auch: F. Leijdig, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 12. 1876. S. 119 241 u. S. Ehrmann, Ueber Nervenendigungen in d. Pigmentzellen d. Frofchhaut. Aus d. 84 Bd. d. k. k. Akad. d. WiH'. zu Wien. 1881. 3 Abth. Juni -Heft.

Fifche: G. Pouchet, Journ. de l'anat. et de la physiol. T. 8. 1872. p. 71 74, p. 401 407 u. T. 10. 1874. p. 558 560; Krukenherg, VgL- phyüol. Studien. 1 Reihe. 3 Abth. 1880. S. 59 62 u. 2 Pteihe. 1 Abth. 1882. S. 183.

Krebfe. S. Jourdain, Compt. rend. T. 87. 1878. p. 302 303; P. Mayer, Mitth. a. d. zool. Station zu Neapel. Bd. 1. 1879. S. 521 522; G. Haller, Zeitfchr. f. wiff. Zool. Bd. 33. 1879. S. 391; G. Pouchet, Journ. de l'anat. et de la physiol. T. 8. 1872. p. 401 407; H. Eifiy citirt von Schmidtlein, Mitth. a. d. zool. Station zu Neapel. Bd. 1. 1879. S. 513.

82) San Giovanni, Ann. d. scienc. nat. T. 16. 1829. p. 313 u. 314.

83) Cf. Krulcenherg, Vgl.-phyfiol. Studien. 2 Reihe. 1 Abth. 1882. S. 11 ff.

8*) Ä. KölKker u. H. Müller, Zeitfchr. f. wiff. Zool. Bd. 4. S. 332; C. Gegenhaur, Unterfuchungen über Pteropoden u. Heteropoden. Leipzig. 1855. S. 56 59.

85) Die Pigmentkörper der Chromatophoren bei den Cephalopoden muffen nach den Beobachtungen von Klemenßeivicz und Girod als kernhaltige Zellen aufgefaßt werden, die in ihrer bedeutenden Elaflicität den Epithelien der Säugerharnblafe an die Seite zu Hellen und. Die auf Brücke's Anregung von J. Paneth (üeber das Epithel der Harnblafe. Aus dem 74. Bd. der Sitzb. d. k. k. Akad. d. Wiff. zu Wien. 3 Abth. 1876. Juli-Heft) und unter C. Lud- wig'B Leitung von B. London (Arch. f. Anat. u. Phyüol. 1881. Phyfiol. Abth. S. 317 330) unterfuchten ftructurellen Veränderungen der Harnblafenepi- thelien bei gefüllter und entleerter Blafe geben uns zugleich ein vortreff- liches Bild von dem Farbenwechfel der Chromatophoren und find außerdem phyffologifch noch deshalb fo hoch intereffant, weil den meiften Epithelien

123] Anmerkungen und Literatuinaclnveife. 617

ein (lerartigoH lilafticitätsvermögen auch nicht im Entfernteften innewohnt, fondein (wie z. ß. das Kapfelepithel um dem Nierenglomerulus oder wie das Lungenepithel nach Küttner) einmal geftreckt, bis zur Unkenntlichkeit flächen- artig gedehnt verharren.

^) C. Studiati, ]\Iiscell. di osserv. zootom. I. Sulla causa dei cangiamenti di colore nella pelle del Chamaeleo africanus. Mem. acad. sr. Torino. •2 Ser. T. 15. 1853. p. 89 93; H. A. Pagenllecher, a. a. O. S. 760.

").^- l'oiichet, Compt. rend. T. 72. 1871. p. 868; cf. aucli Kriücenberg, Vgl.-phyßol. Studien, 1 Keihe. 3 Abth. 1880. S. 57.

**) Seneca'a Naturbetrachtungen. 3 Buch. Römifche Profaiker in neuen Ueberfetzungen herausgegeben von Tafel, Oßander u. Scincab. Stuttgart. 1830. Bd. 54. S. 1173 1176.

In Carl Winter's UniverfitätsTjucliliandlüiig in Heidelberg find vom gleichen Verfaffer ferner erfchienen:

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UHr* Wir erlauben uns, auf diefen interelfanten Vortrag befonders aufmerkfam zu machen.

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mediciiiif eh - chemifclien Analy f e

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Würzburg gehaltenen medicinifch-chemifchen Curfe.

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