Google

Uber dieses Buch

Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.

Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun Öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei eine Erin- nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.

Nutzungsrichtlinien

Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.

Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:

+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.

+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen unter Umständen helfen.

+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.

+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.

Über Google Buchsuche

Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen.

Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|http: //books.google.comldurchsuchen.

a

2 ig | 2 8

C

m `

$ H u

| B32 | Sa | ` A | 77 444 e: is * D * KS eg : - 7 * 7 ? E ) , Bi bn 9 Ge ` Le i D r + à peA "Fi * g A ~ 7 Vi A x a Za a ri Ka 2, ` Ae: Le a y 25 . 7 * D > 8 r d H L k a $ R a <j Je P wë, A 8 e : NM u * 3 ` u E A AA- ~ a = -d A 4, a= ` yr u - * RK K J 3 D 3 p 4; a FT v f u m. 8 P nod E a p M We s G - Z * 2 £ Fa = d Gi e ei E x % * “ie D O D Za d e Kai d * 1 e d D . ~ * u > s a »- 4 $ 8 5 7 M u > * * = ~~ Ni Wi 2 * `

u 4 | - + D - i t E AS N . t f Le La * 1 z |

ER TA 4

y , =

d D T

>> M AA >. wi? 1 ` + a 4 e è d * == _ W ~ ` * * % . 4 wy > . * ‘I e ` ur * ~ y > $ ` + ty a j Kit A i ons J t 8 a . . ` \ -

BERKELEY

LIBRARY

U''YERSITY OF CALIFORNIA

*

„ern,, . =—— EL TE EE rn am

2 i

/

dc

Digitized by Google

Tabu mg len Vereins

Sandafut 1937. Sen der Sof. SHomaun’fiien Puhörnkerei.

LQAN STACK

beso! B46 45 vi 70

Dorworf.

Im 107. Jahre ſeines Beſtehens übergibt der Hiſtoriſche Verein ſeinen Mitgliedern zum 70. Mal einen Band ſeiner Verhandlungen. Konnten auch unter Bedachtnahme auf die wirtſchaftlichen Verhält- niſſe die Wünſche und Abſichten für ſeine weitere Ausgeſtaltung nicht alle verwirklicht werden, ſo iſt es immerhin gelungen, außer dem 2. Teil der Arbeit „Der Bauernaufſtand vom Jahre 1705 im bayeriſchen Unterland“ noch Verzeichniſſe der Neuzugänge der Bücherei und der Sammlungen aufzunehmen. Auch eine kurze Be⸗ ſprechung des in letzter Zeit erſchienenen niederbayeriſchen Schrift⸗ tums konnte untergebracht werden. Über die im Verein herrſchende rege Tätigkeit hat der geſchäftsführende Vorſitzer berichtet.

In der Jahreshauptverſammlung am 14. Januar 1937 wurde ich einſtimmig wieder zum 1. Vorſitzer des Vereins gewählt. Ich habe die mich ehrende Wahl angenommen und die bisher dem Beirat angehörenden Herren wieder als meine Mitarbeiter beſtimmt.

Es iſt mir eine angenehme Pflicht, allen denjenigen Stellen und Perſönlichkeiten, welche die Beſtrebungen des Vereins fördern halfen, den beſten Dank zum Ausdruck zu bringen. Dieſer Dank ge⸗ bührt in erſter Linie der Stadtverwaltung, welche den Belangen des Vereins die weiteſtgehende Anteilnahme und finanzielle Unter- ſtützung zu teil werden ließ; er gilt der Verwaltung der ſtaatlichen Schlöſſer, Gärten und Seen, welche dem Verein bei den verſchie⸗ denſten Anläſſen größtes Entgegenkommen bewieſen hat. Unſer Dank ſei auch ausgeſprochen dem Kreistag von Niederbayern für die Zuwendung von 100 AM, allen Spendern, welche durch Shen: kungen die Sammlungen des Muſeums bereichert haben, ſowie der örtlichen Preſſe für die aufmerkſame Berichterſtattung über die Ver⸗ anſtaltungen des Vereins. Ganz beſonderer Dank aber ſei gezollt den Herren des Beirats, die durch ihre ſelbſtloſe und mühevolle

102

Mitarbeit jo weſentlich mit zur Erfüllung der dem Verein geitellten Aufgaben beigetragen haben.

Im Verlaufe des Berichtsjahres hat der Verein vier Mitglieder durch Tod verloren. Es ſind dies die Herren:

Profeſſor Dr. Franz Trautmann, der für ſein verdienſtvolles Wirken auf dem Gebiet der Kunſt⸗ und Kulturgeſchichte mit der Ehrenmitgliedſchaft des Vereins ausgezeichnet war;

Regierungsdirektor a. D. Karl v. Liel, der lange Jahre dem Ausſchuß angehörte;

Antiquar Max Kummer; er hat durch zahlreiche Schenkungen ſeine Anhänglichkeit an den Verein zum Ausdruck gebracht;

Pfarrer Sebaſtian Huber, der als Verfaſſer der Geſchichte der Pfarrei Neuhauſen bei Landshut ſich einen geachteten Namen unter den Heimatſchriftſtellern Niederbayerns erworben hat.

Ihnen allen wird der Verein ein treues Andenken bewahren.

Mit Befriedigung kann der Verein auf die im letzten Jahre ge⸗ leiſtete Arbeit zurückblicken. Als ſchönſte Anerkennung dafür wird er es empfinden, wenn die alten Mitglieder ihm die Treue be⸗ wahren und wenn ſie ihre Anteilnahme dadurch zum Ausdruck bringen, daß ſie dem Verein neue Freunde gewinnen.

Heil Hitler! | Vielweib, Oberbürgermeiſter, 1. Vorſitzer.

der Bauernaufſtand vom Jahre 1705 im bayeriſchen Unterland

2. Teil

Guitav Baumann | Oberſtlentnant a. d.

5. Der Bruch des Waffenſtillſtandes und die kriegeriſchen Ereigniſſe im Dezember 1705.

Im Gegenſatz zu der hinhaltenden und nicht ganz aufrichtigen Politik des Adminiſtrators haben die Bauernführer und mit ihnen die untere. Station in Braunau niemals einen Zweifel gelaſſen, daß es ihnen mit der Fortſetzung des Krieges und mit der Ver⸗ treibung der Fremdherrſchaft heiliger Ernſt fei. Ihre Taten ließen auch nicht lange auf ſich warten.

Die offenkundige Begünſtigung, welche die Regierung bisher den auf Frieden gerichteten Beſtrebungen hatte zu teil werden laſſen, war von den Machthabern in Braunau mit wachſendem Argwohn beobachtet worden; und ſie entſchloſſen ſich, dieſer ihnen ſo uner⸗ wünſchten Tätigkeit ein für allemal ein Ende zu bereiten. Ohne das Ergebnis der Beſprechungen in Anzing abzuwarten, erſchien am Morgen des 12. Dezember der Oberkommandant Hoffmann in Be⸗ gleitung Meindls und des ehemaligen kurbayeriſchen Oberſtwacht⸗ meiſters Lechner in Burghauſen, berief die Gemein zuſammen und legte den Bauern den Standpunkt der Landesdefenſion klar: Durch Annahme des Waffenſtillſtands drohe das ganze Befreiungswerk zu ſcheitern. Der Regierung dürfe man nicht im geringſten trauen; ſie trage auf zwei Schultern und arbeite nur darauf hin, aus Liebe⸗ dienerei für die Adminiſtration der Aufſtandsbewegung das Waſſer abzugraben. Auch die Landſchaftsverordnung ſei ganz kaiſerlich ge⸗ ſinnt und denke nicht daran, dem gemeinen Bauersmann zu helfen. Nur durch Selbſthilfe könnten das Land und die Untertanen vor dem vollſtändigen Ruin bewahrt werden. Man müſſe daher den Waffenſtillſtand ſofort brechen, de Wendt aus dem Lande treiben und das Rebellionsfeuer durch das ganze Land anblaſen. Obwohl die Bürger und Bauern wenige Tage vorher ihren Friedenswillen bekundet hatten, fiel es Hoffmann nicht ſchwer, die Wankelmütigen wieder auf ſeine Seite zu ziehen, und als er ſich der Zuſtimmung der Gemein verſichert hatte, ſchlug er vor, den verdächtigen Priel⸗ mayr als Kommandanten abzuſetzen und dafür Lechner zu wählen. Auch damit war die Gemein einverſtanden. Noch aber gab ſich Hoff⸗ mann nicht zufrieden. Er ließ durch Lechner an die Regierung die unerhörte Zumutung ſtellen, ihre Pflicht auf den Kurfürſten zu er⸗ neuern und dieſe Verpflichtung auch auf die Landesdefenſion abzu⸗ legen. Die Räte waren ſich über die gefährlichen Folgen dieſes An⸗ ſinnens nicht im unklaren und verſuchten, ſich demſelben mit allen möglichen Einwänden zu widerſetzen. Da aber der Gang vor der

in MM:

Regierungskanzlei gedrängt voll betrunkener Bauern ſtand, die ihre Gemehre geſpannt hatten und jeden Widerſpenſtigen ſofort tot zu ſchlagen drohten, fügten ſich Vizedom, Kanzler und Räte angeſichts der „ſchwierigen und erhitzten Menge“ ins unvermeidliche; ſie er⸗ neuerten ihre Pflicht gegen den Kurfürſten und ſchwuren, „ſich von der Landesdefenſion auf erforderlichen Fall gebrauchen zu laſſen in dem, was der Regierungsfunktion obliegt“. Trotz aller Bedrängnis war es ihnen gelungen, in die Eidesformel dieſes Hintertürchen einzuſchwärzen, durch das man „bei gefährlichen Konjunkturen“, deren baldiger Eintritt unſchwer vorauszuſehen war, entſchlüpfen konnte. Aber die Tatſache war nicht mehr aus der Welt zu ſchaffen, daß die Regierung mit der Erneuerung der Pflicht auf den Kur⸗ fürſten und dem Verſprechen, ſich der Landesdefenſion zur Verfü⸗ gung zu ſtellen, ihren dem Kaiſer geſchworenen Treueid gebrochen und ſich ganz in die Gewalt der Aufſtändiſchen begeben hatte. Bürgermeiſter und Rat in Burghauſen hatten mit Beſorgnis von dem Treiben Hoffmanns gehört und ihm durch Prielmayr ſogar „eine Realverehrung“ von 1000 fl. anbieten laſſen, wenn er ſeine Hetzreden einſtelle und die widerſpenſtigen Braunauer zum Halten des Waffenſtillſtands bewege. Amſonſt! Hoffmann, der böſe (Get der Bauern, verſchloß ſich allem Zureden. Wie zerfahren ſchon um dieſe Zeit die Zuſtände waren, läßt ſich daraus erkennen, daß der neue Kommandant Lechner bereits nach zwei Tagen ſich wieder aus der Stadt entfernte. Er hatte genug geſehen.

Im Vollzug der Anzinger Abmachungen hatte ſich de Wendt am 14. Dezember von Badhöring nach Altötting zurückgezogen. Schon am nächſten Tage war es zwiſchen den beiderſeitigen Vorpoſten wiederholt zu kleinen, von den Bauern geſuchten Zuſammenſtößen gekommen. De Wendt hatte durch Parlamentäre auf die beſtehende Waffenruhe hinweiſen laſſen, aber von den Bauern die Antwort erhalten: „Wir ſind nicht Untertanen des Kaiſers und wollen nicht aus dem Land gehen“. Erſt auf eine Beſchwerde de Wendts bei der Regierung in Burghauſen trat Ruhe ein.

Ein eigenartiger Zufall wollte es, daß an jenem Abend, an dem in Anzing die Grundlage für eine friedliche Verſtändigung geſchaf⸗ fen worden war, ein neues Rebellionsfeuer im Lande an der Donau emporloderte. Ein Kelheimer Bürger, der Metzgermeiſter Mathias Kraus, pflanzte dort die Fahne der Empörung auf. Schon einige Wochen vorher hatte Kraus in Kelheim einen kleinen Wirbel an⸗ gezettelt. Nach reichlichem Biergenuß waren am ſpäten Nachmittag des 15. November etwa 30 einheimiſche junge Burſchen unter Schießen, Trommeln und Johlen durch die Straßen gezogen und hatten allerlei Unfug verübt. Aus dem gewaltſam geöffneten Schergenhaus be⸗ freiten ſie zwei Gefangene. Dann wurde der Gerichtsſchreiber grün

5

und blau geſchlagen und zum Schluß der in Kelheim auf Werbung ſtehende Hauptmann Werner vollſtändig ausgeplündert. Dem Zu⸗ reden der Beamten, beſonders des Pflegers Wolf Frh. von Leoprech⸗ ting gelang es am andern Tag, die Unruhſtifter wieder zur Ver⸗ nunft zu bringen. Die Rädelsführer Kraus, die Söhne des Metzgers Pixl und der Gaſtwirt Ponritzer, machten ſich aus dem Staube, „weil die Bürgerſchaft gegen die Böſewichte ganz mißhellig und aufrührig geworden war“. Dieſer Mißerfolg entmutigte aber den tatenluſtigen Kraus nicht. Ende November begab er ſich in das Hauptquartier der Aufſtändiſchen nach Simbach und redete dort große Töne: „Im Re⸗ vier Kelheim ſind auch Leute, die mitgehen möchten und wohl auf⸗ zubringen wären“. Was konnte den Führern erwünſchter ſein, als ſolche Poſt! Am 30. November ſtellten ſie Kraus ein Patent aus, laut welchem er „die Mannſchaft allarmieren und zuſammenziehen und die in Bayern ſtehenden feindlichen Truppen austreiben ſolle“. Kraus machte ſich ſofort ans Werk. |

Am 4. Dezember kam er mit einigen bewaffneten Leuten in den Markt Pfaffenberg, zeigte dem Kammerer ſein Patent und begehrte die Herausgabe von Gewehren und das Aufgebot der Schützen. Da beides abgelehnt wurde, ſchickte er ſeine Genoſſen in die Umgebung und ließ von Hof zu Hof Aufgebotszettel verteilen. Nachdem ſich im Lauf der nächſten Tage an die zweihundert Bauernburſchen und einige abgedankte Soldaten ihm angeſchloſſen hatten, hielt ſich Kraus für ſtark genug, einen Handſtreich auf Kelheim zu wagen. Auf Schleichpfaden näherte er ſich in der dunklen Herbſtnacht des 12. De⸗ zember der Stadt und überſchritt die unbewachte Donaubrücke. Un⸗ bemerkt zog der Haufen zum Donautor. Es war verſchloſſen. Doch der ortskundige Kraus wußte Rat, Er durchwatete mit ſeinen Leuten den am Südrand der Stadt fließenden knietiefen Altmühlarm und gelangte um 3 Uhr morgens durch ein nicht verſperrtes Gartentür⸗ lein in das Weiße Bräuhaus. Hier ließ er ſeine Leute ſich trocknen und „einen Trunk tun“ und gab ſeinen Kriegsplan bekannt. Eine Stunde ſpäter verteilten ſich die Aufſtändiſchen in kleinen Gruppen in der Stadt und überwältigten die ſchlaftrunkenen Wachen und Poſten ohne jede Gegenwehr. Obwohl der Kommandant Hauptmann v. Gillani durch die Straßen lief und ſeine Leute zum Widerſtand aufmunterte, ließ ſich von ſeiner Mannſchaft niemand blicken. Die geſamte Beſatzung, eine nur 70 Mann ſtarke Kompagnie des Regi⸗ ments Tattenbach, wurde gefangen geſetzt, Hauptmann v. Gillani ausgeplündert. Der kühne Handſtreich, gut vorbereitet und ſchneidig durchgeführt, war glänzend gelungen.

Als am andern Morgen die Bürger ſich den Schlaf aus den Augen rieben, ſahen ſie die nächtliche Beſcherung. Dem am Vormittag zu⸗ ſammenberufenen Rat ſtellte ih Kraus als kͤurfürſtlich bayeriſcher

zee if. see

Oberitleutnant und Kommandant vor, zeigte ihm das Patent der Landesdefenſion und forderte, daß man ihm allen Vorſchub geben ſolle. Er fand wenig Entgegenkommen. Die Ratsmitglieder meinten, daß auf den liederlichen Zettel nichts zu halten ſei, und daß die Sache nichts Gutes, ſondern nur Übel und Unheil bringen werde. Aber trotz dieſer Warnung ließen fic) die ängſtlichen Bürger von Kraus einſchüchtern und beſchloſſen, den Wachdienſt zuſammen „mit der landſchützenden Mannſchaft“ zu verſehen. Als Kraus ſich der Mitwirkung der Bürgerſchaft verſichert hatte, ſchwoll ihm der Kamm. Der Pfleger Frh. v. Leoprechting wurde abgeſetzt und feſtgenommen; in ſeinem Größenwahn ließ es ſich Kraus beifallen, die Kleider des Pflegers anzulegen und damit in der Stadt herumzuſpazieren. Das Geſpött der Bürger hat ihn nicht bekümmert. Krauſens nächſte Sorge galt, wie ſich dies bei einem Oberſtleutnant der Landesdefenſion von ſelbſt verſteht, der Beſchaffung von Geld. Zur Löhnung für „die allhier als Landesdefenſores ſtehenden Truppen“ mußte das Bräu⸗ amt 1000 fl. vorſchießen; Geiſtlichkeit und Klöſter wurden „nach Proportion beſchwert“, die Kaſſen des Pflegamts und der Stadt ge⸗ bührend erleichtert. Freigebig gewährte Kraus ſeiner Mannſchaft eine tägliche Löhnung von 10 kr. Noch am 13. Dezember erließ er Patente an die nahe gelegenen Städte Abensberg und Neuſtadt und verlangte die Geſtellung der wehrhaften Leute und die Einlieferung der Feuerwaffen. Da die dortigen Beamten vor der Teilnahme am Aufſtand warnten, verhielten ſich die Abensberger und Neuſtädter vollſtändig ruhig. Weitere Mandate ſchickte Kraus in die Hallertau. In einem an den Rat von Mainburg gerichteten Schreiben ver⸗ langte er, „daß man dieſes ſo importante Werk mit Darſetzung von Gut und Blut für das Vaterland befördere“ und drohte nach be⸗ kanntem Muſter, die Strafe mit Feuer und Schwert würde nicht unterbleiben, „wenn die Geſtellung der Mannſchaft mit einigem Vorbehalt geſchehe“. Die Hallertauer Bauern waren aber bezüglich der Wichtigkeit des Werkes anderer Meinung; fie rührten ſich nicht und meinten, mit dem Vollzug der Drohung werde es noch gute Weile haben. Größeren Zulauf erhielt Kraus aus den nächſt Kel⸗ heim gelegenen Ortſchaften und aus der Gegend von Langquaid. ſodaß ſein Haufen nach wenigen Tagen gegen 1500 Mann zählte.

Die Sache hatte ſich bis jetzt ganz gut angelaſſen, aber mit der Einnahme von Kelheim war noch wenig erreicht. Man mußte ſich darüber klar werden, was nun zu geſchehen habe. Die einen machten den Vorſchlag, nach Cham zu marſchieren; man kam davon ab, weil der an der Landesgrenze gelegene Platz für den weiteren Verlauf des Aufſtandes keine Bedeutung beſaß. Andere wollten nach Vils⸗ hofen ziehen; da aber die Bauern dieſe Stadt ſchon ſeit vierzehn Tagen beſetzt hielten, wurde der Plan wieder verworfen. Eine dritte

5

Meinung ging dahin, man ſolle auf Riedenburg oder Neuſtadt los⸗ marſchieren. Dieſer Angriffskoller erfuhr aber bald eine gewaltige Dämpfung, als das Einrücken kaiſerlicher Truppen in dieſen Orten bekannt wurde. Je mehr Vorſchläge zur Beratung kamen, deſto weniger konnte ſich Kraus zu einem Entſchluß aufraffen. Der ganze Schwung, mit dem der Zug nach Kelheim begonnen hatte, war nach wenigen Tagen erſchöpft. Ja, Kraus mußte dem Drängen der Bürgerſchaft, die mit den in der Stadt zuſammengeſtrömten un⸗ nützen Eſſern ſtark beſchwert war, nachgeben und den größten Teil ſeiner Leute bis auf 200 Mann wieder in ihre Heimat entlaſſen. Damit war der Verzicht auf die Weiterführung des Unternehmens ausgeſprochen und Kraus erwartete in Untätigkeit die Gegenmaß⸗ nahmen der Adminiſtration, die er bald zu verſpüren bekam.

Durch Zufall war die Nachricht von dem Anſchlag auf Kelheim ſchon am 13. Dezember abends in München bekannt geworden und unverzüglich hatte der Adminiſtrator an den Grafen Bagni in Ingolſtadt den Befehl ergehen laſſen, Kelheim ohne Zeitverluſt wieder zurückzuerobern. Bereits am 15. Dezember marſchierte der zur Leitung des Unternehmens beſtimmte Oberſt v. Truchſeß mit 300 Mann des fränkiſchen Kreisregiments von Ingolſtadt ab und erreichte noch an dieſem Tage Neuſtadt. Eine willkommene Ver⸗ ſtärkung brachte ihm das vom Markgrafen von Ansbach „erhandelte“ Grenadierbataillon. Es war am 9. Dezember in kaiſerlichen Sold übergetreten und wurde vom Grafen Bagni von Eichſtätt aus nach Riedenburg in Marſch geſetzt.

Am 16. Dezember erſchien Truchſeß vor Kelheim und forderte die Stadt zur Übergabe auf. Das Antwortſchreiben des Kommandanten Kraus iſt ein merkwürdiges Gemiſch von ſpöttiſchem Hohn und kind⸗ licher Harmloſigkeit. Kraus erſtattet zunächſt ſeinen ſchuldig gehor⸗ ſamen Dank für das geſtellte Verlangen, daß jene, welche die Stadt überfallen haben, ſogleich ausgeliefert werden. Man kann aber, ſo heißt es weiter, dem geſtellten Begehren, ſo gerne man es auch von ſeite der Bürgerſchaft und ſonderlich aller Beamten tun würde, nicht willfahren, weil der Kommandant durchaus nicht abziehen will, und weil die Bürgerſchaft nicht in ſolchem Stande iſt, ihn und ſeine ſtarke Mannſchaft dazu zu zwingen. Kraus verſichert aber, daß er nichts Feindſeliges zu unternehmen gedenkt; er verlangt nur, „den hieſigen Ort, der von der Landesdefenſion erhaltenen Anſchaffung gemäß, zu behaupten“. Als bald darauf auch der Anmarſch von Truppen im Altmühltal bekannt wurde, verließ eine beträchtliche Zahl von Landesverteidigern die Stadt; ſie waren nicht geſonnen, „die Extremität abzuwarten“. Kraus hielt es nun für angebracht, andere Saiten aufzuziehen und ſchlug dem Oberſt v. Truchſeß eine Waffenruhe vor. Er ſei bereit, die Feindſeligkeiten einzuſtellen, die

E

gefangenen Soldaten der Bürgerſchaft zu übergeben und am 20. De- zember die Stadt zu verlaſſen. Sollte dieſer Vorſchlag nicht ange⸗ nommen werden, ſo erwarte er den Angriff. Da von der Gewährung freien Abzugs keine Rede ſein konnte, beſchloß Oberſt v. Truchſeß, das Städtchen mit ſtürmender Hand zu nehmen. Am 18. Dezember nachmittags ließ er durch eine Franziskanerabordnung Kraus und die Bürgerſchaft nochmals zur gütlichen Unterwerfung auffordern und fügte die Verſicherung bei, daß keinem ein Leid widerfahre, wenn die Stadt wieder zum Gehorſam gegen den Kaiſer zurückkehre. So ſehr auch die Beamten und Bürger, „denen es gar nicht wohl bei der Sache war“, auf Übergabe der Stadt drängten, Kraus und ſein Anhang blieben halsſtarrig und die Franziskaner mußten un⸗ verrichteter Dinge wieder abziehen. Truchſeß hatte inzwiſchen ſeine Truppen auf der Nord⸗ und Weſtſeite der Stadt zum Sturm bereit geſtellt. Die Dunkelheit war bereits hereingebrochen, als die Franken unter lautem Geſchrei die Tore einhieben und ſich in den Gaſſen aus⸗ breiteten. Sie fanden weder von den Bürgern, noch von den Landes⸗ verteidigern den geringſten Widerſtand. Bei dem auf den Straßen herrſchenden Gedränge und der allgemeinen Verwirrung wurde eine große Zahl von Bauern ohne Gnade niedergemacht. Einem kleinen Teil gelang es, ſich auf Kähnen zu flüchten; andere wurden in die Altmühl getrieben und ertranken; der Reſt flüchtete in die Freyung der Pfarrkirche. In kaum einer Stunde war die Stadt im Beſitz der Kaiſerlichen, denen der Sturm nur einen Verwundeten gekoſtet hatte. Auch eine Plünderung wurde den Bürgern nicht erſpart, bei der ſich beſonders die Ansbachiſchen Grenadiere hervortaten. Die eifrigen Nachforſchungen nach den Führern, welche im Laufe der Nacht erfolglos geblieben waren, ließ Oberſt v. Truchſeß am nächſten Morgen fortſetzen. Dabei beobachtete der Hauptmann Koffler, wie ein Mann, der ſich vorher ſcheu nach allen Seiten umgeſehen hatte, in größter Eile durch ein Fenſter in ein Kellergewölbe hineinkroch. Der argwöhniſch gewordene Offizier ging ihm nach, fand ihn hinter einem großen Bierfaß unter einer Strohſchütt verborgen und trieb ihn mit ſeinem Pallaſch heraus. Auf Befragen gab der Mann an, er ſei ein armer Tagwerker und fürchte ſich vor den Soldaten. Wenn er ein gutes Gewiſſen habe, meinte Koffler, brauche er ſich nicht zu fürchten, da werde ihm nichts geſchehen. Während die beiden noch miteinander ſprachen, kam der Feldwebel von der Kompagnie des Hauptmanns Gillani hinzu und rief erſtaunt aus: „Das iſt ja der Kraus!“ Kraus konnte es nicht leugnen und wurde ſofort in ſichere Verwahrung gebracht. Das Schickſal hatte ihm einen böſen Streich geſpielt!

Als die Eroberung Kelheims in München bekannt geworden war, glaubte die Adminiſtration nunmehr mit den ſchärfſten Mitteln ein⸗

as SOF Se

ſchreiten zu müſſen und ſchon am 20. Dezember ließ Graf Löwen⸗ ſtein folgendes Urteil ergehen: Der Haupträdelsführer Kraus ſoll enthauptet und gevierteilt, ſein Haus niedergeriſſen und dem Erd⸗ boden gleichgemacht, auf dem Grund ein Galgen errichtet werden. Von denjenigen, welche an dem Überfall auf die Stadt teilgenom⸗ men haben, miijjen je 15, von den Bürgern, die ſich zu den Auf⸗ ſtändiſchen geſellt haben, je 10 um ihr Leben würfeln. Der mit der niederſten Nummer ſoll im Angeſicht der andern mit dem Strang hingerichtet werden. Die Überlebenden werden, wenn tauglich, zum Kriegsdienſt ausgehoben, wenn untauglich, unter Einziehung ihres Hab und Guts des Landes verwieſen.

So erfreut man im Hauptquartier in Braunau über die Ein⸗ nahme von Kelheim geweſen war, ſo bitter wurde die Nachricht von der Wiedereroberung durch die Kaiſerlichen empfunden und zwar um ſo mehr, als gleichzeitig auch ein anderes Unternehmen ein un⸗ rühmliches Ende gefunden hatte.

In der Abſicht, den im Iſartal gänzlich erloſchenen Aufſtand neu zu beleben, hatte man in Braunau einen Vorſtoß nach Norden an⸗ geordnet und mit deſſen Durchführung den Arzt und Landmeſſer Kaſpar Dörfl von Vilshofen und den ehemaligen Stadtſchreiber von Diterhofen Karl Männinger betraut. Sie erreichten mit ihrem über 2000 Mann ſtarken Haufen, dem auch 6 Geſchütze beigegeben waren, am 15. Dezember Landau a. J. Die ſchwache Beſatzung, etwa 40 Barthels⸗Küraſſiere, ging nach Verluſt von 11 Gefangenen nach Dingolfing zurück. Auf die Meldung von dieſem Wirbel zog Oberſt Barthels am 16. Dezember fünf in der Nähe liegende Kom- pagnien ſeines Regiments in Dingolfing zuſammen. Dieſe Truppen⸗ bewegungen riefen in der ganzen Gegend größte Beſtürzung hervor und einige geſchickt verbreitete Schreckensnachrichten brachten den Kampfesmut der Landesverteidiger vollends zum Erlöſchen. Ebenſo ſchnell wie er erſchienen war, verlief ſich der ganze Schwarm. Män⸗ niger und Dörfl wollten ebenfalls das Weite ſuchen, wurden aber von den Landauer Bürgern vom Pferde geriſſen, feſtgenommen und dem Oberſtleutnant de Straka übergeben, der am 17. Dezember ohne Schwertſtreich in Landau einzog und mit den Rädelsführern kurzen Prozeß machte. Die bisherigen Verſuche, die Aufſtands⸗ bewegung weiter zu tragen, waren jämmerlich zuſammengebrochen. Alle dem Bauernheer anhaftenden Mißſtände und Schwächen waren dabei mit unheimlicher Deutlichkeit zu Tage getreten. Beſonders das Auseinanderlaufen von 2000 Bauern, welche auf die bloße Nachricht vom Anmarſch der Kaiſerlichen Reißaus genommen und nicht das geringſte verſucht hatten, das Feld zu behaupten, verur⸗ ſachte im Hauptquartier der Landesdefenſion hellen Zorn. Jehle entſandte Offiziere, welche die, „heimlich vom Corpo Weggegange⸗

10

nen“ wieder jammeln jollten. Shr Bemiihen war frudtlos. Die

Bauern hatten eingeſehen, „daß dieſer Handel fein gut tue“; froh, der Sache ledig zu ſein, erklärten ſie, ſich nicht mehr dazu herzu⸗ geben, auch wenn man ſie nötigen würde.

In Braunau erwartete man in dieſen Tagen voll Ungeduld Nach⸗ richten aus dem Oberland. Es wurde erwähnt, daß der Kriegs⸗ kommiſſär Fuchs ſich anfangs Dezember von Braunau nach Tölz begeben hatte. Über ſeine dortige Tätigkeit und über die einer Er⸗ hebung günſtige Stimmung hat er jedenfalls nach Braunau be⸗ richtet. Wenn man annimmt, daß dieſe wichtige Botſchaft etwa um die Mitte Dezember dort eingetroffen iſt, dann wird nicht nur das ſelbſtbewußte Auftreten Plinganſers am 16. Dezember in Burg- hauſen erklärlich, ſondern es hellen ſich auch die Gründe auf, welche den plötzlichen Aufbruch des Bauernheeres am 17. Dezember ver⸗ anlaßt haben. Dieſe mutmaßlichen Zuſammenhänge zwiſchen Ober⸗ und Unterland hat zum erſtenmale v. Wallmenich einer Betrachtung unterzogen. Seine Annahmen und Folgerungen ſind ſo ſchlüſſig, daß man ſie bis zu dem kaum mehr zu erwartenden Beibringen von Gegenbeweiſen als der Wahrheit am nächſten liegend bezeichnen muß. Der Mitwirkung des Oberlands ee holte Plinganſer zu einem großen Schlage aus.

Am Morgen des 16. Dezember erſchien er im Auftrag der Landes⸗ defenſionsführer überraſchend in Burghauſen und begab ſich ſofort zur Regierung, wo er die eben zu einer Sitzung verſammelten Räte antraf. Ohne weitere Förmlichkeiten begann er in herriſchem Tone zu ſprechen: Die ſämtlichen Herren Oberoffiziere und auch das Landesdefenſions⸗Kriegskommiſſariat haben zu den Verhandlungen in Anzing niemals ihre Zuſtimmung gegeben, vielmehr denſelben jederzeit aufs ſchärfſte widerſprochen. Sie verlangen daher jetzt, daß die Regierung ſich in den von der Burghauſer Gemein unbefugt abgeſchloſſenen Vertrag nicht einmenge, ſondern der Gemein die Nichtigkeit des Vertrages vorſtelle und auch begründe. Die Landes⸗ defenſion hat nunmehr 20 000 Mann aufgebracht und ſchon erheb⸗ liche Vorteile gegen die Kaiſerlichen errungen. Je länger wir zögern, dieſe Erfolge auszunützen, deſto mehr erkaltet der Eifer unſerer Leute. Die uns jetzt durch den Vertrag aufgezwungene Tatenloſig⸗ keit wird es dem Feind möglich machen, immer mehr Truppen ins Land zu ziehen und dann, wenn er die Übermacht erlangt hat, den Aufſtand um ſo kräftiger niederzuſchlagen. Noch iſt es Zeit, dem vorzubeugen. Die Regierung, die ſich eidlich verpflichtet hat, alles zur Landesdefenſion Nötige vorzukehren, wird daher unverzüglich die Maßnahmen hiezu treffen. Als ſolche erkennen wir: Der Adel des Rentamts ſoll noch im Laufe des Dezember 500 Dragoner mit Pferden und Ausrüſtung ſtellen. Alle Offiziere und Soldaten,

DE, GG

welche ehemals in furbayerijden oder franzöſiſchen Dienſten ge- ſtanden waren, müſſen ſich binnen 8 Tagen beim Korps Hoffmann in Braunau einfinden. Die Weltgeiſtlichkeit ſoll mit Geld und Ge⸗ treide, jeder Hof mit einer Kriegsanlage von 4 fl. und mit einer Rauhfutterlieferung beſteuert werden. Die Maut⸗ und Bräuämter haben von nun an ihre Gefälle an das Kriegszahlamt einzuliefern. Das Weißbier ſoll ohne Aufſchlag verkauft, die Getreideſteuer nicht mehr erhoben werden. Endlich verlangen wir, daß, wie die Regie⸗ rung, ſo auch der Adel und die Beamten der Landesdefenſion den Treueid leiſten.

Plinganſer muß von allen guten Geiſtern verlaſſen geweſen ſein, als er dieſes Anſinnen an die Regierung ſtellte; konnte er doch unmöglich annehmen, daß die Regierung, die bisher eifrig eine friedliche Beendigung des Aufſtands angeſtrebt hatte, jetzt ihre Hand zur Fortführung des von ihr als ausſichtslos betrachteten Unternehmens bieten würde. Zudem hatten ſich in den letzten Tagen die Anzeichen gemehrt, daß der Waffenſtillſtand von Anzing der Sache der Landesdefenſion nicht gerade förderlich geweſen war. Die neuerlichen Rufe der Führer nach Kämpfern, Geld und Verpflegung waren ziemlich ungehört verhallt und ihre Drohungen begannen allmählich wirkungslos zu werden. Von einem großen Teil der Bevölkerung wurde die eigenſinnige und verbohrte Haltung der Landesdefenſionsführer nicht mehr verſtanden, während die auf Frieden gerichtete Politik der Regierung bei allen Einſichtigen An⸗ erkennung und Zuſtimmung fand. Die immer beſtimmter lautenden Nachrichten von dem baldigen Eingreifen der Reichstruppen hatten ein übriges getan, um die Zweifel am Gelingen des Aufſtands und die Sehnſucht nach Frieden zu verſtärken. Der Regierung war dieſer Stimmungswechſel wohl bekannt und im Vertrauen darauf nahmen die Räte Plinganſers Forderungen ſehr kühl auf. Sie antworteten gemeſſen, man habe in Anzing nur über jene Punkte verhandelt, welche von der Bauernſchaft ſelbſt gutgeheißen worden ſeien. Die Burghauſer Gemein habe den Waffenſtillſtand angenommen; daran ſei nichts mehr zu ändern. Wenn jetzt verlangt werde, den Vertrag als nichtig zu erklären, ſo könne dies nur mit Einwilligung der Bauernſchaft geſchehen; dieſe ſei aber entſchloſſen, während der Dauer des Vertrages nichts gegen den Feind zu unternehmen. Nach⸗ dem Oberſt de Wendt ſich ſchon nach Altötting zurückgezogen habe, ſei kaiſerlicherſeits mit der Durchführung der Vereinbarungen be⸗ reits begonnen. Und dabei müſſe es bleiben. Alle anderen Anträge wurden von den Räten mit Stillſchweigen übergangen. Plinganſer, ob dieſer Abſage wohl verärgert, aber keineswegs geſonnen, ſeine Pläne aufzugeben, legte ſogleich ein zweites Eiſen ins Feuer. Er ließ durch Meindl die Gemein zuſammenrufen und zog aus dem

wi YO: see

altbayeriſchen Kernſpruch: Mander, ſeid's gſcheid, habt's a Schneid, halt's zſamm! die Nutzanwendung auf die augenblickliche Lage. Mit der ihm eigenen Beredſamkeit ſprach er auf die Bauern ein: Gerade jetzt iſt Einigkeit der Bauernſchaft und Zuſammenwirken mit uns Braunauern notwendig. Wenn die Landesverteidiger ein⸗ mütig zuſammenſtehen, dann iſt an einem guten Ende nicht zu zweifeln. Wenn das Band der Eintracht aber zerriſſen wird, dann iſt es um des Landes Wohlſtand getan. Der Feind wird neue Trup⸗ pen heranziehen und mit Übermacht einen Teil nach dem andern über den Haufen werfen. Damit das nicht geſchehe, müſſen wir die Kaiſerlichen ſofort angreifen. Die Braunauer rücken morgen gegen de Wendt vor. Wollt ihr zurückbleiben? Wollt ihr die Ehre, das liebe Vaterland von ſeinen Bedrückern befreit zu haben, den Braunauern allein überlaſſen? Der Schwung ſeiner Rede machte auf die An⸗ weſenden tiefen Eindruck. Von allen Seiten ſchallte es durchein⸗ ander: Plinganſer hat Recht! Wir müſſen mit den Braunauern Au: ſammengehen und die Kaiſerlichen mit Waffengewalt vertreiben! Den noch Schwankenden und Unſchlüſſigen ſetzten dann die Freunde Plinganſers mit hitzigen Reden derart zu, daß auch ſie ihre Be⸗ denken aufgaben und ſich zum Mitgehen entſchloſſen. Und als am Abend des 16. Dezember die Dunkelheit in die engen Winkel des Städtchens einfiel, da widerhallten die Straßen von dem Wirbel der Sturmtrommeln und dem Rufe: Zu den Waffen! Um 7 Uhr abends ſtand ein Streithaufen von mehr als 3000 Mann mit 5 Ge⸗ ſchützen, Proviant⸗ und Gerätewagen unter Meindls Führung ver⸗ ſammelt und marſchierte bei ſtrömendem Regen in guter Ordnung zur Vereinigung mit dem bereits nach Marktl vorgerückten Korps Hoffmann ab. Plinganſer war die Einigung der Burghauſer und Braunauer Gemein gelungen; ſein draufgängeriſcher Geiſt hatte alle Schwachmütigen und Zweifler in ſeinen Bann gezogen. Noch am Abend dieſes ereignisreichen Tages richtete Plinganſer eine Denkſchrift an die Regierung und an die Burghauſer Gemein, worin es heißt: Die Landesdefenſion erkennt den Anzinger Vertrag nicht an und wird ſich nicht daran halten. Denn die Regierung von Burg⸗ hauſen war zu deſſen Abſchluß ohne Beiziehung und Anhörung der Häupter der Landesdefenſion nicht ermächtigt. Sie hat der Landes⸗ defenſion den Eid der Treue geſchworen, hat ſich damit unter deren Befehle geſtellt und durfte ohne deren Genehmigung überhaupt nicht verhandeln. Aber auch die Burghauſer Gemein hatte keine Berechtigung, ſich mit dem Feind in Unterhandlungen einzulaſſen, denn ſie war nur zu dem Zwecke eingeſetzt, die Verteidigung der Feſtung vorzubereiten. Der Vertrag iſt daher null und nichtig und die Landesdefenſion wird keine Schuld und keine Verantwortung für die Folgen treffen. Wir werden ohne Verweilen auf den in

DN CG E

Otting ſtehenden Feind losgehen und den Krieg mit allem Eifer fortſetzen. Tags darauf begab ſich Plinganſer zur Regierung, um die Antwort auf ſeine Denkſchrift zu hören. Sie war kurz, aber be⸗ deutungsvoll. „Es wird eine Verſammlung nach Braunau einbe⸗ rufen, welche über das Landesdefenſionsweſen weiter beraten wird. Plinganſer ſoll ſich dorthin verfügen und das weitere abwarten!“

Mit der ſo unerwartet eingetretenen Sinnesänderung der Burg⸗ hauſer Gemein war der Anzinger Vertrag gegenſtandslos geworden. Der Wiederbeginn der Feindſeligkeiten bezeichnet den großen Wende⸗ punkt in der Aufſtandsbewegung des Unterlands und es mag hier der Ort ſein, mit der Darſtellung der Ereigniſſe innezuhalten und eine zuſammenfaſſende Schilderung der Lage zu geben, wie ſie ſich bis zum 18. Dezember geſtaltet hatte.

Noch ſtand Graf Löwenſtein ganz unter dem Eindruck der Ein⸗ nahme von Kelheim und des Vorſtoßes im unteren Iſartal. Be⸗ ſonders das letztere Unternehmen, welches nach dem Abſchluß des Anzinger Vertrages ins Werk geſetzt worden war, hatte den Grafen arg verſtimmt. Mußte er doch darin mit Recht eine grobe Ver⸗ höhnung ſeiner friedlichen Abſichten erblicken. Allerdings waren die Häupter der Landesdefenſion durch den Vertrag von Anzing nicht gebunden; durch ihre ſcharfe Abſage, ſich an den Verhandlungen zu beteiligen, hatten ſie ſich vollkommene Handlungsfreiheit bewahrt. Doch es will faſt ſcheinen, als ob in Anzing darüber keine rechte Klarheit geherrſcht habe, und als ob dort die Abſonderung der Braunauer Gemein, vielleicht mit Abſicht, verſchleiert worden wäre. Graf Löwenſtein war jedenfalls der Überzeugung, daß durch den Waffenſtillſtand das ganze Rentamt Burghauſen betroffen werde. Um ſo größer war ſeine Enttäuſchung, als er am frühen Morgen des 18. Dezember durch einen Eilboten de Wendts die Nachricht von dem tags vorher begonnenen Vormarſch des Bauernheeres gegen Mühldorf erfuhr. Er erkannte, daß nun keine Hoffnung mehr auf gütliche Beilegung des Streites beſtehe und war mehr denn je ent⸗ ſchloſſen, den Aufſtand mit Gewalt niederzuwerfen. Aber dieſem Willen ſtand die Unzulänglichkeit der ihm zu Gebote ſtehenden militäriſchen Kräfte entgegen. Mit den ſchwachen Truppen de Wendts, der fidh jetzt der Übermacht des vordringenden Bauernheeres zu er- wehren hatte, konnte die Lage nicht gehalten werden. Auf eine wirkſame Anterſtützung durch die im Lande befindlichen, aber noch unausgebildeten Rekruten war nicht zu zählen. Und mit dem Ein⸗ treffen der Hilfstruppen, die von den benachbarten Reichsſtänden erbeten und auch zugeſagt worden waren, hatte es noch „ein weites Ausſehen“. Der Herzog von Württemberg hielt ſeine Truppen zur Deckung der Schwarzwaldpäſſe für notwendig und wollte von dort Kräfte erſt dann wegziehen laſſen, wenn andere ſchwäbiſche Kreis⸗

os 14

truppen zur Ablöſung eingetroffen wären. Der Kurfürſt von der Pfalz hatte wohl Marſchbefehl an zwei Regimenter erlaſſen; die⸗ ſelben ſtanden aber bei Mannheim und es mußten Wochen ver⸗ gehen, bis ſie nach Bayern kamen. Graf Löwenſtein hatte zudem gegen die Verwendung von Reichstruppen ſchwere Bedenken; er befürchtete, daß ihre Hilfe vom Kaiſer zu teuer bezahlt werden müßte, und daß die von ihnen geforderten Leiſtungen zur vollſtän⸗ digen Entkräftung des Landes führen würden. Da der am 11. De⸗ zember in München eingetroffene General v. Kriechbaum 1000 alte Fußknechte, die ſich eben in Tirol „von ihrer Unbäßlichkeit erholt hatten“, vorſorglich bei Scharnitz und Kufſtein bereit geſtellt hatte, glaubte Graf Löwenſtein mit ihnen auszureichen und erbat vom Prinzen Eugen, der ſich die Verfügung über dieſe Truppen aus⸗ drücklich vorbehalten hatte, deren ſofortige Inmarſchſetzung nach Bayern. Für alle Fälle ſicherte er ſich aber auch noch die Unter⸗ ſtützung der Reichstruppen und drängte den Markgrafen Ludwig von Baden, dieſelben „eilfertig“ nach Bayern zu entſenden. Als Graf Löwenſtein dieſe Erwägungen anſtellte, waren ihm die Wieder⸗ eroberung Kelheims und die Auflöſung der Kampfgruppe im unte⸗ ren Iſartal noch nicht bekannt. War dadurch auch eine fühlbare Entſpannung im Unterland eingetreten, ſo hatte doch die Geſamt⸗ lage eine weſentliche Verſchärfung erfahren. Denn am 18. Dezember war das „Manifeſt der kurbayeriſchen Landesdefenſion Oberlands“ erſchienen, das eine offene Kriegserklärung an die Adminiſtration darſtellte. Die Kundgebung enthielt zunächſt eine Reihe unmög⸗ licher Forderungen, wie Abzug der kaiſerlichen Truppen aus Bayern, Rückgabe von Stadt und Rentamt München an das Kurhaus, Er⸗ jtattung der weggeführten Sachen und allen Schadens, der durch die Beſetzung des Landes entſtanden war. Dann folgte die unge⸗ ſchminkte Aufforderung an die Adminiſtration, das Land zu ver⸗ laſſen; ſie war in die drolligen Worte gekleidet: „Sollten ſich die eingedrungenen fremden Regierungsgäſte nicht dorthin begeben, wo ſie hergekommen ſind, ſo ſollen ſie im Fall eines unverhofften Widerſtandes mit Gewalt abgetrieben werden, wobei ſie ſich der Gefahr des äußerſten Ruins und blutigen Maſſakres ausſetzen wür⸗ den“. Bezeichnenderweiſe war beigefügt, daß die geheiligte Perſon des Kaiſers und das heilige römiſche Reich von den geplanten Maß⸗ nahmen nicht berührt werden, und daß man ſich in alles das, was zwiſchen dem Kurhaus Bayern und dem Erzhaus Ojterretd „priva⸗ tim obſchwebet“, nicht einmiſchen wolle. Damit war auch der Auf⸗ ſtand im Rentamt München verkündet! Der Vormarſch des Bauern⸗ heeres im Unterland und die auf den Tag damit zuſammenfallende Ausgabe des Manifeſtes der Oberlandsdefenſion ſind unumſtößliche Beweiſe für die einheitliche Leitung der Aufſtandsbewegung.

= Hi as

Der Eindruck des Manifeſtes in München war niederſchmetternd. Für die Adminiſtration beſtand nun alle Veranlaſſung, „nach ſo vielen aufgeſtoßenen Fatalitäten“ die Lage im trübſten Licht zu ſehen, und Graf Löwenſtein hat auch in ſeinem Bericht an die Reichskanzlei in Wien mit der Schilderung der bei der Adminiſtra⸗ tion herrſchenden Stimmung nicht hinter dem Berge gehalten. Faſt aller Machtmittel entblößt, mußte er ſich zunächſt damit begnügen, den über das Land brauſenden Sturmwind mit einer papierenen Drohung zu beſchwören. In ſeinem Mandat vom 19. Dezember macht er „dem aufrühreriſchen Bauernvolk“ den Vorwurf, den von ihm ſelbſt erbetenen Waffenſtillſtand in leichtfertiger Weiſe gebrochen zu haben und bedroht alle, welche nicht ſofort nach Haufe zurüd- kehren, mit Galgen und Schwert, Vertreibung ihrer Weiber und Kinder und mit der Einziehung ihrer Habe. Die Häupter und Rädelsführer werden als vogelfrei erklärt und auf ihre Einliefe⸗ rung, tot oder lebendig, eine Belohnung geſetzt. Alle aber, welche ſich dem rebelliſchen Haufen entziehen, ſollten ſich des Pardons und der kaiſerlichen Gnade erfreuen. Das Mandat konnte natürlich in den vom Aufſtand betroffenen Gerichten, für welche es hauptſächlich beſtimmt war, nicht bekannt gemacht werden; es blieb daher ohne jede Wirkung. Der ins Rollen gekommene Stein wäre auch nicht mehr aufzuhalten geweſen.

Aber auch die Regierung in Burghauſen lag nicht auf Roſen ge⸗ bettet. Bis zum Vertrage von Anzing hatte ihr weiches und unent⸗ ſchloſſenes Verhalten das nicht grundloſe Mißtrauen der Admini⸗ ſtration erregt. Angeſichts ihrer Bemühungen um das Zuſtande⸗ kommen des Kongreſſes war dann das beiderſeitige Verhältnis wieder etwas leidlicher geworden; aber der Stimmungsumſchlag der Burghauſer Gemein am 16. Dezember und die Wiedereröffnung der Feindſeligkeiten hatten den Argwohn der Adminiſtration aufs neue geweckt. Lag doch die Vermutung nahe, daß die Regierung. ſei es in gänzlicher Verkennung der Verhältniſſe, ſei es durch nicht genügende Einwirkung auf die Häupter des Aufſtands, den Bruch der Waffenruhe mitverſchuldet, ja daß ſie vielleicht gar ein falſches Spiel betrieben habe. Der Verdacht war unbegründet; denn die Regierung durfte mit Recht behaupten, alles in ihren Kräften Gelegene zur Beruhigung der erregten Volksſtimmung getan zu haben. Trotzdem regte ſich bei den Herren Räten in der Erinnerung an ihren dem Kurfürſten und der Landesdefenſion geleiſteten Eid das ſchlechte Gewiſſen und das Gefühl der Unbehaglichkeit bedrückte ſie um ſo ſchwerer, als die Zuſtände in Burghauſen eine Wendung nahmen, welche zu den größten Beſorgniſſen Anlaß bot. Hatte ſchon das Auftreten Hoffmanns Schlimmes ahnen laſſen, ſo war nun durch die Reden Plinganſers jede Hoffnung auf einen friedlichen

18 ex

Ausgleich geſchwunden. Die Burghauſer Gemein war wieder voll: ſtändig in Plinganſers Hörigkeit geraten und die Kriegstreiber und Scharfmacher hatten wieder Oberwaſſer bekommen. Unfähig, den Ernſt der Stunde zu erkennen und alle Kräfte zum Gelingen des Befreiungswerkes zuſammenzufaſſen, ließen die Führer der Gemein ihrem Haß gegen jede Obrigkeit die Zügel ſchießen und legten durch unerfüllbare Forderungen, kleinliche Einwände und fortge⸗ ſetzte Drohungen die Tätigkeit der Behörden vollſtändig lahm. Doch nicht genug damit! Viele hatten überhaupt das Wohl des Ganzen aus dem Auge verloren und waren nur noch darauf bedacht, ihre Macht zur perſönlichen Bereicherung auszunützen. Unter dem Titel „Vorſchuß zur Landesdefenſion“ wurden Beamten und wohlhaben⸗ den Bürgern beträchtliche Summen abgenommen und von den Führern eingeſteckt. Der Prokurator Sallinger hat ſich dabei beſon⸗ ders hervorgetan. Auch der Erlös für die aus dem Salzburgiſchen kommenden Wein⸗ und Salzfrachten, deren Beſchlagnahme und Ver⸗ kauf angeblich von der Regierung angeordnet war, verſchwand in ihren weiten Taſchen. Tag und Nacht ſaßen ſie im Wirtshaus, ließen den Vorſchuß der Landesdefenſion durch ihre Gurgel rinnen und „ergötzten ſich an den feinſten Delikateſſen an Speiſe und Trank“. Stimmen, die zur Beſonnenheit rieten, wurden niedergeſchrien, mißliebige Außerungen über die Gemein und ihre Führer mit roher Gewalt unterdrückt. Allgemeine Zuchtloſigkeit war eingeriſſen und kündigte wie ein Wetterleuchten den bevorſtehenden Zuſammen⸗ bruch an. f |

Prielmayr war es, der den Weg aus diejer Wirrnis weiſen jollte. Er hatte erkannt, daß das vollſtändig unterhöhlte Anſehen der Re⸗ gierung nicht mehr ausreiche, um in dem allgemeinen Durcheinan⸗ der Ordnung zu ſchaffen und warf nun den Gedanken auf, durch Einberufung einer Ständeverſammlung, bei der außer den drei gefreiten Ständen auch die Bauernſchaft vertreten ſein ſollte, eine breitere Grundlage für das Landesdefenſionswerk zu ſchaffen. War erſt einmal die Verſammlung zuſtande gekommen, dann hoffte er durch ſein Anſehen und ſeine Beredſamkeit ein leichtes zu haben, die Abgeordneten von der Ausſichtsloſigkeit des Aufſtands zu über⸗ zeugen, ſie aus der Abhängigkeit der Landesdefenſionsführer zu löſen und nach Ausſchaltung derſelben den Frieden mit der Admi⸗ niſtration herbeizuführen. Sollte aber dieſer Plan mißglücken, dann war wenigſtens die Verantwortung, mit der die Regierung ſchon mehr als genug belaſtet war, auf die Allgemeinheit abgeſtoßen. Eine ſtraffe Führung der Landesdefenſion hat Prielmayr von einem Kongreß weder erhofft noch erwartet; im Gegenteil, er ſah richtig voraus, daß eine vielköpfige Verſammlung, in der die widerſtrei⸗ tendſten Meinungen vertreten waren, eine erhebliche Schwächung

ee ao 2

des ganzen Landesdefenſionsweſens bedeute. Der Plan fand bei den Regierungsmitgliedern Verſtändnis und Zuſtimmung. Es blieb nur noch die Frage, wer die Ausführung desſelben übernehmen ſolle. Auch hiefür fand Prielmayr eine raſche Löſung. Am Nach⸗ mittag des 18. Dezember ſprach der zufällig in Burghauſen anwe⸗ ſende Jehle bei Prielmayr vor, und dieſer ſetzte ihn von dem Vor⸗ haben in Kenntnis. Jehle, der ſich durch die Vertraulichkeit des Herrn Regierungskaſtners nicht wenig geſchmeichelt fühlen mochte, war ſogleich dafür gewonnen, und als Prielmayr gar davon ſprach, daß Jehle ſich ein Verdienſt um das Vaterland erwerben könnte, wenn er die Ausſchreibung zu einer Verſammlung beſorge, erklärte ſich der harmloſe, aber doch ehrgeizige Mann ohne weiteres Be⸗ ſinnen dazu bereit. Nachdem Prielmayr noch die Einzelheiten be⸗ züglich der Auswahl der Teilnehmer, Zeitpunkt der Verſammlung und Form der Einladung beſprochen hatte, reiſte Jehle ſofort nach Braunau zurück und ließ noch am ſelben Abend die „Citierung zum Kongreß in Braunau“ ergehen. Das Schreiben lautete: Sonders vielgeehrter Herr!

Nachdem das Corps des Oberſten de Wendt aus dem Rentamt Burghauſen völlig vertrieben worden iſt, wurde auf morgen ein großer Kriegsrat über einige gewiſſe Umſtände beſchloſſen. Es wurde beſtimmt, daß aus jedem Gericht dieſes Rentamts ein Be⸗ güterter vom Adel, ein Pfarrer, ein Bürger und ein Bauers⸗ mann erſcheinen und dieſem Kriegsrat anwohnen joll; es werden auch einige Heren Räte von der Regierung e erſcheinen.

Braunau den 18. Dezember 1705.

Johann Aloyſius Jehle, Obriſter und Kommandant zu Braunau.

Die Erſcheinung iſt bei hoher Strafe auf den 21. au feſt⸗ geſetzt.

So lagen zu Beginn der zweiten Dezemberhälfte die Dinge im Lande, als am Morgen des 17. Dezember ein ſtattliches Bauern⸗ heer in einer Stärke von etwa 12 000 Mann aus ſeiner Verſamm⸗ lung bei Marktl den Vormarſch zum entſcheidenden Waffengang mit den Kaiſerlichen antrat. Eine amtliche Anzeige an de Wendt über Kündigung des Waffenſtillſtandes iſt nicht erfolgt. Von dem taktiſchen und moraliſchen Wert dieſer Streitmacht wurde ſchon ge⸗ ſprochen. Über ihre Gliederung fehlen Nachrichten. Kaum die Hälfte des Fußvolks war mit Feuergewehren verſehen. Die Munitions⸗ ausſtattung war vermutlich ganz ungenügend. Einige Dragoner⸗ kompagnien und Geſchütze erhöhten die dürftige Kampfkraft. Das Heer wurde von dem Oberkommandierenden Oberſt Hoffmann ſelbſt geführt. Als Unterführer werden Hartmann, Brunner, Heumann und Grempelbeck genannt. Vollſtändig befangen von der Vorſtel⸗

»

18

lung, den Feldzug in den Formen des Kleinkriegs zu führen, plante Hoffmann zunächſt einen Überfall gegen den in Alt⸗ und Neuötting ſtehenden de Wendt. Der große Sttinger Forſt, der eine gedeckte Annäherung erlaubte, und der trübe Wintertag ſollten das Unter- nehmen begünſtigen. Langſam wälzte ſich die Marſchſäule auf der Straße über Hohenwarth gegen Altötting vorwärts. Da bot ſich beim Erreichen des Waldſaumes ein unerwarteter Anblick. De Wendt, dem frühzeitig Meldungen über den Anmarſch des Bauernheeres zugegangen waren, hatte ſeine Truppen hart öſtlich Altötting in Schlachtordnung bereit geſtellt. Nachdem ſomit die beabſichtigte Überraſchung vereitelt war, zog Hoffmann die Artillerie vor, die zwiſchen 1 und 2 Uhr nachmittags vom Waldrand aus mit 8 Ge⸗ ſchützen zu feuern begann. Das Feuer blieb wirkungslos. Da Hoff- mann einen Angriff gegen die Kaiſerlichen über das freie Feld nicht wagte, entſandte er eine Abteilung, die den rechten Flügel de Wendts umgehen ſollte. Der kriegserfahrene de Wendt erkannte darin die Abſicht, ihn von Mühldorf abzuſchneiden und trat gegen 5 Uhr abends unter dem Schutz der bereits eingebrochenen Dämme⸗ rung den Rückzug an. Als ſich ſeine Vorhut dem Dorfe Teiſing näherte, erhielt fie von dorther Feuer; einer kleinen Bauernſchar war es gelungen, den Ort noch vor den Kaiſerlichen zu erreichen. De Wendts Vorhut griff ſogleich und ſo kräftig an, daß die Bauern nach ganz kurzem Gefecht den Ort verließen und den Weg nach Mühldorf frei gaben. Weiterhin unbeläſtigt, ſetzte de Wendt ſeinen Marſch dorthin fort, überſchritt bei völliger Dunkelheit die ſtark be⸗ ſchädigte Innbrücke und bezog ſpät abends ein Lager bei Altmühl⸗ dorf. Die Bauern rückten nach dem Abzug de Wendts mit klingen⸗ dem Spiel in Alt⸗ und Neuötting ein und plünderten in ihrer Siegesfreude die Wohnungen des Pflegskommiſſärs und Propſtei⸗ verwalters vollſtändig aus. Mit Betrübnis mußten die Sttinger Bürger erfahren, daß die von den Landesverteidigern erhobenen Forderungen an Verpflegung, Quartier und Bargeld nicht beſchei⸗ dener waren, als jene der kaiſerlichen Soldateska. Neuötting allein hatte in dieſen Tagen einen Schaden von 8740 fl. zu beklagen.

Da das Bauernheer am 18. Dezember Raſttag hielt, de Wendt alſo nicht gedrängt wurde, blieb auch er im Lager bei Altmühldorf ſtehen.

Am 19. Dezember ſetzte Hoffmann den Vormarſch gegen Mühldorf fort. Eine ſchon ſeit einigen Tagen am nördlichen Innufer geſtan⸗ dene Abteilung nahm ihren Weg über Erharding, die Maſſe rückte ſüdlich des Inn an Mühldorf vorbei auf Kraiburg vor. De Wendt, der dieſe Bewegung von dem hochgelegenen Altmühldorf aus beob⸗ achtete, beſorgte eine iberfliigelung von Kraiburg her und mar: ſchierte um Mittag aus ſeinem Lager gegen Ampfing ab. Den

Oberſtwachtmeiſter Bauer entjandte er mit 200 Mann zu Fuß und 150 Reitern nach Kraiburg mit dem Auftrag, dort den Bauern den Flußübergang möglichſt lange zu verwehren. Bauer verfiderte ſich noch am Abend der Innbrücke und ließ ſie durch Verhaue ſperren. De Wendt ſelbſt bezog ein Lager, deſſen Örtlichkeit nicht überliefert iſt; vermutlich iſt es in der Nähe des Dorfes Heldenſtein geweſen. Die Landesdefenſionsarmee erreichte an dieſem Tage Kraiburg; wegen der früh eingebrochenen Dunkelheit wurde der Angriff auf den nächſten Tag verſchoben.

Am Morgen des 20. Dezember eröffneten die Bauern mit 4 Ge⸗ ſchützen das Feuer gegen die an der Innbrücke ſtehenden Kaiſer⸗ lichen und zwangen ſie nach mehrſtündiger Kanonade zum Abzug. Bauer führte ſeine Infanterie nach dem hochgelegenen Dorf Pürten zurück und nahm am Südrand des Ortes und im Friedhof erneut Stellung. Seine Reiter hatte er am Morgen zur Sperrung der Inn⸗ brücke nach Gars entſendet. Die Bauern begnügten ſich mit der Frei⸗ machung des Übergangs und ſtanden von einem Angriff auf die ſtarke Stellung bei Pürten ab. Hoffmann hatte aus der Zähigkeit des Widerſtandes auf die Anweſenheit ſtärkerer Kräfte geſchloſſen und beabſichtigte nun, durch eine überholende Verfolgung den Rück⸗ zug der Kaiſerlichen ohne Kampf zu erzwingen. Zu dieſem Zweck ließ er an dieſem Tage noch eine ſtarke Vorhut bis Gars vorgehen. In einem ſchwungvollen Heeresbericht gab er bekannt: „Wir haben anheint den zu Kraiburg geſtandenen Oberſt de Wendt jo weit hinauf getrieben, daß wir dermalen die gänzliche Hoffnung haben, ihn allernächſtens völlig aus dem Vaterland zu entfernen.“ Die Nachricht erweckte im Unterland laute Freude und die Führer in Burghauſen feierten ſie mit einem Lob⸗ und Dankamt, bei dem unter Pauken⸗ und Trompetenbegleitung das „Te deum laudamus“ geſungen und die Stücke auf der Feſtung gelöſt wurden. Mittags hielten dann die wackeren Heimatkrieger „unter ſich ſelbſt“ ein Feſt⸗ mahl beim Schattenkirchnerbräu und ließen beim Geſundtrinken faſt den ganzen Nachmittag aus den Feuerrohren ſchießen. Da de Wendt entſchloſſen war, nur einer ſtarken Übermacht zu weichen, die ihm nördlich des Inn gegenüber ſtehende Kampfgruppe aber ſich nicht rührte, blieb auch er am 20. Dezember im Lager bei Heldenſtein ſtehen.

Im Verfolg der Abſichten Hoffmanns wäre es notwendig geweſen, das Bauernheer am 21. Dezember über Gars auf Haag vorzuführen. Stattdeſſen ordnete Hoffmann aber wieder einen Raſttag an; wahr⸗ ſcheinlich hat ihn die ſchlechte Verfaſſung ſeiner Truppen dazu veran⸗ laßt. Damit war der taktiſche Vorſprung preisgegeben. Am Morgen . Bieles Tages erhielt de Wendt eine Meldung Bauers über die Vor⸗ gänge bei Kraiburg und über das Erſcheinen der Bauern bei Gars.

2%

20

Er erkannte, daß es nun höchſte Zeit ſei, ſich vom Feinde loszulöſen und marſchierte am Vormittag von Heldenſtein nach Haag ab. Bauer ließ er Befehl zugehen, ſich ebenfalls dorthin zu wenden. Grundloſe Wege, anhaltendes Schneegeſtöber und Beläſtigungen durch den nachfolgenden Feind erſchwerten und verlangſamten den Marſch; wiederholt hatten kleine Reiterabteilungen der Bauern zum Angriff gegen die Nachhut angelegt; jie kamen aber nirgends zum Einhauen, ſondern wurden jedesmal durch Feuer abgewieſen. Völlig erſchöpft erreichten die Kaiſerlichen ſpät abends Haag. Hier vereinigte ſich Oberſtwachtmeiſter Bauer wieder mit de Wendt; auch er hatte ſeinen Rückzug glücklich bewerkſtelligen können und nur 10 Leute verloren. In Haag wurde de Wendt vom General v. Kriechbaum erwartet, der ihm vom Grafen Löwenſtein entgegen geſchickt worden war. De Wendt übergab ihm ſofort den Oberbefehl und reiſte nach München ab. Auch der Rückzug de Wendts aus dem Unterland muß als eine ausgezeichnete taktiſche Leiſtung gewertet werden. Trotz aller Widrigkeiten was es ihm geglückt, ſich ohne Kampf und mit Erhaltung ſeiner ſchwachen Kräfte immer rechtzeitig dem Feinde zu entziehen und der ihm drohenden Gefahr der Einkreiſung zu ent- gehen. | | |

Erſt am 22. Dezember jegten die Aufſtändiſchen den Vormarſch fort. Ihre Vorhut war gegen Mittag von Gars auf Haag ange⸗ treten und näherte ſich dieſem Ort in den erſten Nachmittagsſtunden. Der dort noch im Lager ſtehende Kriechbaum wollte einen Zuſam⸗ menſtoß vermeiden und marſchierte ohne Gefechtsberührung mit den Bauern nach Anzing ab, wo die Kaiſerlichen gegen Mitternacht ein⸗ trafen. Die Vorhut der Bauern ſtellte in Haag ihren Marſch ein, traf aber keine Anſtalten, den Verbleib des abgezogenen Feindes feſtzuſtellen. Als der Oberkommandant Hoffmann am Abend nach Gars gelangte, konnte er ſich der Tatſache nicht verſchließen, daß ſich im Laufe des Tages die Lage erheblich zu ungunſten des Bauern⸗ heeres geändert habe. Die Fühlung mit dem Gegner war verloren gegangen; damit war der Plan, ihn von München abzuſchneiden, mißlungen. Wenig erfreulich war auch die Meldung, daß ein kaiſer⸗ liches Korps von Landshut her ſich München nähere; man mußte alſo damit rechnen, noch vor dem Erreichen der Hauptſtadt einen neuen Gegner von unbekannter Stärke zu treffen. Dagegen waren die ſehnlich erwarteten Botſchaften aus der Hauptſtadt und von den Oberländern ausgeblieben. Hoffmann wurde nachdenklich. Obwohl nach der Verabredung die aus dem Ober⸗ und Anterland anrücken⸗ den Kampfgruppen ſich am Weihnachtstag vor München vereinigen ſollten, wagte er es nicht mehr, ſeinen Marſch auf dem nächſten Wege über Hohenlinden dorthin fortzuſetzen, ſondern entſchloß ſich, zunächſt die Verbindung mit den Oberländern zu ſuchen und zu

dieſem Zwecke gegen Süden auszubiegen. Die bei Schäftlarn ver⸗ muteten Oberländer ließ er vor einem voreiligen Angriff auf München warnen.

Am 23. Dezember taſtete ſich das Bauernheer vorſichtig in zwei Gruppen von Haag gegen Ebersberg und von Gars nach Edling vor. Mehrere tauſend Mann, die in den Gerichten Erding, Schwa⸗ ben und Ebersberg in den letzten Tagen aufgeboten worden waren, verſtärkten die Reihen der Landesverteidiger. Aber leider begannen ſich auch die ohnehin nur ſchwachen Bande von Zucht und Ordnung in bedenklicher Weiſe zu lockern. Es darf nicht verſchwiegen werden, daß die Bauern auf ihrem Vormarſch von Braunau her wie in Feindesland gehauſt und „durch ungemeine exzeſſive Konſumption, Plünderung und Gelderpreſſung“ das Anſehen der Landesdefenſion aufs ſchwerſte geſchädigt haben. Kriechbaum ließ ſeine Truppen an dieſem Tage in Anzing ruhen; er blieb hinter dem ſchützenden Schleier des Ebersberger Forſtes unbeläſtigt.

Am 24. Dezember wurde die Hauptmacht der Aufſtändiſchen bei Ebersberg verſammelt. Das Hauptquartier kam nach Steinhöring; die Vorhut erreicht am Abend Zorneding. Es war nicht geglückt, eine Verbindung mit den Oberländern herzuſtellen, die ſich an dieſem Tage von Schäftlarn her über Baierbrunn der Hauptſtadt näherten. Da die Meldung von ihrem Anmarſch bereits nachmit⸗ tags nach München gelangt war, ließ Graf Löwenſtein an General v. Kriechbaum die dringende Aufforderung ergehen, ſofort nach München abzumarſchieren. Kriechbaum erhielt dieſen Befehl um 10 Uhr abends und rückte eine Stunde ſpäter bei ſchneidender Kälte von Anzing ab.

Am Weihnachtstag traf er bei Tagesgrauen auf dem Gaſteigberg ein und ſtieß dort auf die Oberländer, die trotz der Warnungen Hoffmanns am Heiligen Abend „mit aller Präzipitanz“ bis München vorgedrungen waren und ſich vor den Wällen der Stadt zwiſchen dem Iſar⸗ und Angertor feſtgeſetzt hatten. Kriechbaum ſchritt unver⸗ züglich zum Angriff, der mit dem Gemetzel bei Sendling ein ſchreck⸗ liches Ende fand. Da auch in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember keine Meldungen aus München und von den Oberländern einliefen, hielt Hoffmann einen Marſch ins ungewiſſe für zu gewagt und ordnete Gefechtsbereitſchaft an. Zur Klärung der Lage ſcheint er nichts unternommen zu haben. In Spannung und quälender Un⸗ ruhe vergingen die Stunden des Weihnachtstages. Da traf am Abend die Kunde von der Vernichtung der Oberländer bei Send: ling ein. Kurz vor Erreichung des Ziels hatte das Schickſal ein grauſames Nein geſprochen. Der weitere Vormarſch gegen München war, wollte man nicht auch das Aufgebot des Unterlandes einer ſicheren Niederlage ausſetzen, zwecklos geworden.

E ee

Am nächſten Morgen trat das Bauernheer den Rückzug gegen den Inn an; am Abend gelangte der Haupttrupp, etwa 4000 Mann mit 4 Geſchützen, nach Haag. Schon an dieſem Tage traten Zer⸗ ſetzungserſcheinungen in bedenklichem Maße auf. Vom Oberſt bis zum Spießler herrſchte eine unbeſchreibliche Aufregung und Ber- wirrung; die letzten Reſte von Kriegszucht verfielen, die Verbände löſten ſich; Hoffnungsloſigkeit und Verzweiflung hatten ſich aller Gemüter bemächtigt.

Tags darauf ſetzten die Bauernhaufen ihren Rückmarſch gegen Gars fort und überſchritten bei Kraiburg den Inn. Nach dem Ab⸗ brechen der Innbrücke wagte man zum erſten Male wieder Atem zu ſchöpfen. Doch wie jah das Heer aus, das mit jo großen Hoff- nungen gegen München gezogen war! Furchtbar hatten ſich in zwei Tagen ſeine Reihen gelichtet. Alle, die ſich aus den Gerichten weſt⸗ lich des Inns bei den Fahnen der Landesdefenſion eingefunden hatten, waren bis auf den letzten Mann wieder nach Hauſe ge⸗ gangen. Aber auch Tauſende aus dem Unterland hatten ſich „ohne Urlaub heimlicher Weiſe durchpraktiziert“. Nachdem in Kraiburg eine notdürftige Neugliederung vorgenommen war, marſchierten am 28. Dezember etwa 3000 Mann unter Hoffmann nach Schnaitſee ab. Der Reſt, kampfunfähige Trümmer, zog, ſchwache Nachhuten an den abgetragenen Innbrücken von Kraiburg, Mühldorf und Neuötting belaſſend, nach Braunau ab, überall Entmutigung und Nieder⸗ geſchlagenheit verbreitend.

6. Der Kongreß von Braunau.

Während des Zuges gegen München hatten ſich auch in Braunau wichtige Begebenheiten abgeſpielt. Am 21. Dezember war dort der Kongreß zuſammengetreten. Dieſe Verſammlung, von den Zeit⸗ genoſſen „Parlament“, von den Bauern ſpöttiſch „Brunngreß“ ge⸗ nannt, hat dem Aufſtand im Anterland ein ganz beſonderes Ge⸗ präge gegeben. War es doch das erſte Mal in der deutſchen Ge⸗ ſchichte, daß der politiſch entrechtete Bauernſtand zur Beratung über die Geſchicke des Landes beigezogen wurde. Darin barg ſich der ver⸗ heißungsvolle Keim zu einer politiſchen Entwicklung, der ſich freilich bei der noch allgemeinen ſtaats bürgerlichen Unreife nicht hat ent⸗ falten können.

Als die Regierung in Burghauſen am 19. Dezember die Ein⸗ ladung zum Kongreß erhielt, da war es ganz natürlich, daß ſie Prielmayr als ihren Vertreter beſtimmte. Er beſaß nicht nur das Vertrauen ſeiner Amtsgenoſſen, ſondern auch der Burghauſer Ge⸗ mein, die ſeine Anweſenheit in Braunau dringend wünſchte. Priel⸗ mayr ſollte dort „alle Uneinigkeit begleichen, eine beſſere Ordnung einführen und die beſtehende Verwirrung durch ſeine Geſchicklichkeit

in einen richtigen Stand verjegen“. Das war aber nur möglich, wenn der gefährliche Plinganſer, der den Räten ſo ſchwer im Magen lag, unſchädlich gemacht wurde. Er war als der Hauptſtörenfried be⸗ kannt, und ihn matt zu ſetzen, mußte Prielmayrs erſte Aufgabe ſein.

Am 21. Dezember begannen die Beratungen, zu denen ſich über 100 Abgeordnete aus dem ganzen Rentamt eingefunden hatten. Als Vertreter des Adels waren erſchienen der Pfleger von Mauerkirchen Joſeph Franz Graf v. Aham, der Landrichter Johann Marian v. Leyden von Schärding, und Franz Freiherr v. Paumgarten, Pfleger in Neumarkt. Prielmayr und der Rentmeiſter von Wid- mann waren von der Regierung abgeordnet. Auch die Städte und Märkte hatten durch Entſendung zahlreicher Vertreter ihre Teil⸗ nahme zu erkennen gegeben. Die Geiſtlichkeit hielt ſich fern. Die meiſten Abgeordneten waren Bauern. In deren Namen eröffnete der Kupferſchmied Andrä Thanner von Braunau die Verſammlung mit ſchlichten Worten: „Alle Bauern ſetzen auf die zum Kongreß erwählten das Vertrauen, daß ſie ſich des lieben Vaterlandes an⸗ nehmen“. Dann gab Prielmayr eine Darſtellung der politiſchen Lage. Die Bauernſchaft, ſo ſprach er, hat ſich mit vollem Recht gegen die Ausſchreitungen der kaiſerlichen Truppen empört; aber der Bruch der in Anzing verabredeten Waffenruhe war ein Fehler, denn er hat uns in den Krieg gegen den Kaiſer hineingetrieben und man muß ſich jetzt darüber klar werden, was mit dem Krieg eigentlich bezweckt werden ſoll. Wirr ſchallten die Stimmen der Bauern durch⸗ einander: Wir wollen keine Steuern mehr zahlen! Die Kaiſerlichen müſſen aus dem Lande vertrieben werden! Friede und Ordnung ſoll wieder im Lande ſein! Prielmayr fuhr fort: Wenn nun einmal der Krieg beſchloſſene Sache iſt, dann muß man auch die Mittel überlegen, wie man ihn bei der allgemeinen Entkräftung des Bauernſtandes führen kann. Zunächſt aber iſt es notwendig, daß die Leitung verſtändigen Leuten anvertraut wird, am beſten ſolchen vom Adel, die eine größere Erfahrung haben, das Landesdefenſions⸗ weſen beſſer einrichten und dem ganzen Werk durch ihre Perjon ein größeres Anſehen verleihen können. Den jetzigen Häuptern kann ſich die Bauernſchaft nicht mehr länger anvertrauen; es ſind dies alles Leute von geringem Anjehen; fie werden die erſten fein, welche ſich unſichtbar machen, wenn die Sache übel ausgeht. Schweigend würgten Plinganſer und ſeine Freunde die Hiebe hinunter. Auch die Verſammlung war den Ausführungen Prielmayrs mit Ruhe und Aufmerkſamkeit gefolgt und als aus ihrer Mitte heraus die anweſenden adeligen Herren als Leiter des Landesdefenſionswerks vorgeſchlagen wurden, war alles einverſtanden. Als dieſe hörten, zu welcher Ehre ſie auserſehen ſeien, wurde ihnen die Sache unge⸗ mütlich und ſie verſuchten, ſich mit verſchiedenen Ausflüchten dieſer

se Of u

Aufgabe zu entledigen. Aber die bäuerlichen Abgeordneten waren mit einer Antwort ſchnell bei der Hand: „Wir müſſen auch mittun und wenn die Herren nicht wollen, könne man es ſie ſchon lehren“. Da ein Mißverſtehen dieſes zarten Winks die eben bekräftigte Einigkeit gefährdet hätte, erklärten ſich die Herrn bereit, aber nur unter der Bedingung, daß ihnen von der Regierung ein ausdrück⸗ licher Befehl erteilt werde. „Dafür werde ſchon geſorgt werden“, meinten die Bauern. Als Landesdefenſionsgeneral verlangten ſie dann den ehemaligen kurbayeriſchen Oberſt Ludwig Baron d' Ocfort, der bei ihnen große Stücke galt. Da Prielmayr Wert darauf legte, Plinganſer und Hoffmann bei der Stange zu halten, ſchlug er vor, daß Plinganſer als Sekretär beim Kongreß weiterhin tätig ſein und Hoffmann die Führung des gegen München marſchierenden Bauern⸗ heeres beibehalten ſolle. Der Antrag wurde einſtimmig angenom⸗ men. Damit waren die beiden Männer, die bisher die ganze Auf⸗ ſtandsbewegung beherrſcht hatten, aus ihrer Führerrolle verdrängt und hatten die adeligen Herren die Leitung des Kongreſſes und da⸗ mit des geſamten Landesdefenſionswerkes übernommen. Plinganſer hat ſich dem Entſcheid, der ihn ſo jäh der Macht beraubte, ohne Widerrede gefügt. Doch der Sieg Prielmayrs war zu leicht, als daß er ſich deſſen lange hätte freuen können. Auf allgemeines Verlangen übernahm Frh. v. Paumgarten dann den Vorſitz der Verſammlung und es entſpann ſich nun eine lebhafte Ausſprache über das, was man eigentlich mit dem Kongreß vorhabe. Anträge und Meinungen gingen dabei „wie in einer Judenſchule“ durcheinander. Schließlich einigte man ſich in der Erklärung, daß man nichts anderes verlange, „als daß die im Rentamt Burghauſen entſtandene Unruhe beigelegt, die guten alten Geſetze und Landesgewohnheiten wieder geachtet, Gehorſam und Sicherheit gehalten und auch die ſonſt üblichen Herr⸗ ſchaftsſchuldigkeiten abgeſtattet werden“. Da zur Abwendung der vom Kaiſer gemachten Auflagen und zum Schutz des Landes gegen feindliche Einfälle „eine weitere Veranſtaltung“ notwendig ſei, ging die Meinung dahin, daß im Rentamt „ein beſtändiger Soldat auf⸗ geſtellt“, das heißt eine Wehrmacht von etlichen Tauſend Mann unterhalten werde. Hier erhob ſich aber kräftiger Widerſpruch. Die Kaſſen ſeien leer, hieß es; man könne aus dem gänzlich ruinierten Rentamt nichts mehr herausziehen und an eine Beiſteuer der an⸗ deren Rentämter ſei nicht zu denken. Auch müſſe man mit dem bal⸗ digen Eintreffen der von allen Seiten im Anmarſch gemeldeten kaiſerlichen Hilfstruppen rechnen. Raſch erfaßte Plinganſer dieſe gefährliche Wendung und da er mit gutem Grunde hinter den Reden der Miesmacher Einflüſſe der adeligen Abgeordneten und der Regierung vermutete, legte er mit ſchwungvollem Eifer los: Wir haben bisher die Mittel für das Landesdefenſionswerk auch

ohne die Regierung hereinbekommen. Wenn die gegenwärtige Ver⸗ ſammlung wirklich und ernſtlich die Leitung der Landesdefenſion übernehmen will, dann wird es ihr nicht ſchwer fallen, auch die nötigen Gelder aufzubringen. Dazu brauchen wir aber die Regie⸗ rung nicht, die bisher überall nur hemmend gewirkt hat. Mit Un⸗ geſtüm forderte er einen Beſchluß, daß die Regierung dem Kongreß untergeordnet werde, und daß man mit allem Eifer die Belagerung Münchens ins Werk ſetze. Ohne Säumen nahm Prielmayr den Kampf mit ſeinem Widerſacher auf. „Man hat ihm noch nicht das Wort erteilt“, herrſchte er Plinganſer an, und „in welchem Auftrag er eigentlich ſolche Anträge ſtelle“. Plinganſer antwortete ſchlag⸗ fertig und ſelbſtbewußt: Alle bisherigen Erfolge ſind durch meine Tätigkeit allein erzielt worden; wenn aber jetzt der Adel glaubt, es beſſer zu machen, ſo bin ich der letzte, der eiferſüchtig zur Seite ſteht, wenn es ſich um das Wohl des Kurfürſten und des Vater⸗ landes handelt. Es war das erſtemal, daß in einer Beratung der Bauern der Kurfürſt genannt wurde! Prielmayr ſprang ſofort dar⸗ auf ein: Nachdem die Perſon des Kurfürſten hereingezogen worden ſei, müſſe man erſt wiſſen, ob dieſem das Unternehmen der Landes⸗ defenſion überhaupt recht ſei. Um ſeine Abſichten zu erfahren ſollten die Bauern eine Abordnung nach Brüſſel ſchicken. Dieſer allzu plumpe Verſuch, die Entſcheidung auf die lange Bank zu ſchieben, erweckte den heftigen Arger Plinganſers und mit Recht entgegnete er: Der Kurfürſt kann doch nichts dagegen haben, wenn er durch unſere Hilfe ſein Land wieder zurück erhält. Auch wird es ihm ſicher⸗ lich nicht mißfallen, wenn wir auf unſere eigene Rettung bedacht find. Und niemals können wir es verantworten, wenn wir zulaſſen, daß unſere Söhne den angeſtammten Landesherrn bekriegen helfen. Scharf platzten die Geiſter in der nun folgenden Ausſprache auf⸗ einander; aber ſchließlich behielt die Kriegspartei die Oberhand und ſetzte die Annahme folgender Beſchlüſſe durch: Die Regierung ſoll zu einer Erklärung aufgefordert werden, ob ſie, wie vormals unter dem Kurfürſten, jo auch unter den jetzigen Umſtänden dem Reni- amt pflichtgemäß vorſtehen wolle, und ob ſie ſich dies vor Gott und dem Vaterland zu verantworten getraue. Wenn, wie man hofft, die Regierung ſich dazu bereit erklärt, dann ſoll ſie die beim Kongreß anweſenden Vertreter des Adels mit der Leitung der Landesdefen⸗ ſion, aber in Abhängigkeit von der Regierung beauftragen, die anderen Rentämter zur Beihilfe bei der Landesdefenſion anhalten, und die vormals in kurfürſtlichen Dienſten geſtandenen Offiziere zur ſofortigen Dienſtleiſtung beim Bauernheer nach Braunau ein⸗ berufen. Dieſer „Eventualabrede“ genannte Beſchluß wurde noch am gleichen Tage der Regierung übermittelt. Prielmayr ſchrieb dem Vizedom über ſeine Eindrücke und knüpfte daran die ahnungsvollen

-— 2

Worte: „Bei der Konſultation und Reſolution find verſchiedene Hitzigkeiten wider die Regierung hervorgebrochen, die mehr zum üblen als zum Guten ausſchlagen dürften“.

Am 22. Dezember ſetzte der Kongreß ſeine Beratungen aus. Plinganſer nützte die Zeit, um die Bauernabgeordneten gegen die Friedensbeſtrebungen ſcharf zu machen und auch Prielmayr wird es nicht unterlaſſen haben, Unſchlüſſige und Zweifler in ſeinem Sinne zu beeinfluſſen. Die Regierung beriet an dieſem Tage über die in Braunau geſtellten Anträge und beeilte ſich, den Forderungen des Kongreſſes nachzukommen. Sie erklärte ſich willig und geneigt, der gewählten Abordnung in allem an die Hand zu gehen, ſoviel ihr immer möglich ſei und es ihre Stellung mit ſich bringe. Mit ein⸗ ſchränkenden Redensarten waren ja die hohen Herren immer frei⸗ gebig geweſen. Paumgarten, Leyden und Aham erhielten den Auf⸗ trag, ſich dem Landesdefenſionsweſen zur Verfügung zu ſtellen; an d' Ocfort erging das Erſuchen, die Stelle eines kommandierenden Generals zu übernehmen und ſich ſofort in Braunau einzufinden, wohin auch die im Rentamt wohnenden ehemaligen Offiziere unter Androhung der Landesverweiſung einberufen wurden. Nur einen Punkt der Eventualabrede lehnte die Regierung ab: Da die ande⸗ ren Rentämter nicht untergeben, die Kaiſerlichen aber noch im Beſitz der Gewalt ſeien, könne dem Verlangen, die übrigen Regierungen zur Mithilfe aufzurufen, nicht entſprochen werden. Die Abhängigkeit der Landesdefenſion von der Regierung, wie ſie in der Eventual⸗ abrede beſchloſſen war, wurde mit keinem Wort erwähnt.

Am 23. und 24. Dezember wurden die Beratungen in Braunau fortgeſetzt. Mit Befriedigung vernahm der Kongreß die Bereit⸗ willigkeit der Regierung zur Mitarbeit am Landesdefenſionswerk. Als Ausdruck des Dankes beteuerte er ihr den untertänigſten Reſpekt des ganzen Rentamts und gelobte, allen ihren Befehlen Gehorſam zu erweiſen. Das waren aber leere Worte! Denn durch die Aus⸗ führung der Beſchlüſſe der Eventualabrede hatte ſich die Regierung ja bereits als dem Kongreß untergeordnet bekannt und die Leitung des Aufſtands ſtillſchweigend an den Kongreß abgetreten. Im Vor⸗ dergrund der nun folgenden Ausſprache ſtanden die Rüſtungen und die hiefür aufzubringenden Mittel. Und es iſt wirklich erſtaunlich, welche Leiſtungen der Kongreß der kleinen, gänzlich verarmten Provinz aufzuerlegen wagte. Von jedem Hof des Rentamts, man zählte deren gegen 4300, ſollte ein tauglicher lediger Mann mit Bewaffnung und Ausrüſtung geſtellt und aus dieſen Leuten vier Regimenter, jedes zu 1000 Mann, gebildet werden. Leyden, Priel⸗ mayr und Jehle wurden zu Oberſten ernannt und mit der Errich⸗ tung dieſer Regimenter betraut, welche die Namen Leibregiment, Kurprinz und Prinz Philipp erhielten, „wohl in der Meinung, daß

as OF we,

fie für die ſtreiten würden, deren Namen He führten“. Adel und Geiſtlichkeit jollten ein Dragonerregiment aufrichten. Kriegsſteuern, monatlich 4 fl. von jedem Hof, und Naturalabgaben, von jedem Hof ein Schaff Korn, ein Schaff Haber, 20 Bund Stroh und 4 Zentner Heu, wurden beſtimmt. Je bedenkenloſer die Bauern dieſe Forde⸗ rungen bewilligten, deſto größer wurden die Sorgen, welche die adeligen Herren bedrückten. Sie waren gekommen, um zum Frieden zu reden und mußten nun hören, wie der Kongreß unter dem unge⸗ brochenen Einfluß Plinganſers leichten Herzens ſich zur Fortſetzung des Krieges entſchloß, der nach ihrer Aberzeugung das Land ins Elend ſtürzen mußte. Paumgarten brachte den Mut auf, der Ver⸗ ſammlung nochmals das Gefährliche des Vorhabens darzulegen. Man dürfe es nicht auf das Außerſte ankommen laſſen, ſondern ſolle durch Vermittlung des Erzbiſchofs von Salzburg eine friedliche Bei⸗ legung des Aufſtands anſtreben und eine Denkſchrift an den Reichs⸗ fonvent nach Regensburg abgehen laſſen, damit auch die Fürſten und Stände des Reichs ſich des Landes annehmen. Doch es half alles nichts. Die Mehrheit des Kongreſſes war friedlichen Erwägungen nicht mehr zugänglich und die geſtellten Rüſtungsanträge wurden ohne langes Beſinnen angenommen. Beifall fand jedoch der Ge⸗ danke einer Beſchwerdeſchrift an den Reichskonvent, mit deren Ab⸗ faſſung die Regierung beauftragt wurde. Die Beſchlüſſe über die Rüſtungen fanden keineswegs überall freudige Zuſtimmung. Viele Bauern ſchüttelten bedenklich die Köpfe, als ihnen mit Mannſchafts⸗ ſtellung und Steuern Verpflichtungen auferlegt wurden, welche ſie in dieſer Höhe noch nie getragen und die ſie gerade durch ihre Be⸗ teiligung am Aufſtand abzuwälzen verſucht hatten. Auch Plinganſer muß zugeben, daß das eine und andere Gericht nicht recht daran gewollt hat, den Unterhaltsbeitrag für die Regimenter zu entrichten. Der Regierungskanzler v. Stromer in Landshut meinte, wenn die Leute dem Kaiſer nur ein Drittel von dem hätten geben ſollen, was Jie ſich ſelbſt auferlegt haben, jo wäre dies unmöglich geweſen. Und als ſich Bauern bei Prielmayr unwillig über die unerſchwinglichen Abgaben ausließen, gab er ihnen patzig zur Antwort: „Wenn ihr nichts geben könnt oder wollt, dann müßt ihr eben das Kriegführen bleiben laſſen“. Da zahlreiche Beamte unter den Drohungen der Bauern ihre Amtsſitze verlaſſen hatten, die Durchführung der Riiftungen ohne deren Mitarbeit aber unmöglich geweſen wäre, erbat der Kongreß von der Regierung die Zurückberufung der Be⸗ amten auf ihre Dienſtſtellen und ihre Verpflichtung auf die Landes⸗ defenſion. Ihnen allen wurde Sicherheit der Amtsführung ver⸗ ſprochen, aber auch ſtrenge Beſtrafung bei Bedrückung der Unter- tanen angedroht. Sämtliche Verabredungen wurden als „Einhel⸗ liger Schluß des Landſchutzkongreſſes“ ſchriftlich niedergelegt und

28

die Regierung zu ſofortiger Bekanntgabe desſelben an die unter⸗ ſtellten Gerichte aufgefordert.

Am 24. Dezember ſtellte ſich Obert d Ocfort dem Kongreß als kommandierender General vor. Er trug große blaue Beulen im Geſicht; ein Zufall hatte es gewollt, daß zwei Tage vorher „eine Raubersrott heylloſer Pauernpurſch“ das Schlößchen Schedling bei Troſtberg, den Wohnſitz d'Ocforts, heimgeſucht und dort nach be- kannter Art gehauſt hatte. Der alte Oberſt, ſeine Frau und ſeine Töchter waren mit Schlägen „mörderiſch traktiert“, Waffen und Wertgegenſtände mitgenommen, Einrichtung und Hausrat finnlos zerſchlagen worden. Es läßt ſich denken, mit welchen Gefühlen d'Ocfort tags darauf feine Ernennung zum Landesdefenfionsgeneral aufnahm. Zur Vermeidung von weiteren Unzuträglichkeiten hielt er es jedoch für angebracht, dem Rufe Folge zu leiſten. Mit dem Eintritt d'Ocforts in die „Regierung der nationalen Verteidigung“ hatte der Kampfgedanke alles andere eher als eine Stärkung er⸗ fahren. Seine erſte Amtshandlung war, daß er im Kongreß das Abmahnungspatent der Adminiſtration vom 19. Dezember zur Ver⸗ leſung brachte. Prielmayr beantragte deffen ſofortige Bekanntgabe an die Gerichte; denn es wäre unverantwortlich, es den Leuten vor⸗ zuenthalten. Die „Herren“ ſtimmten natürlich zu, aber die Gemein, die darüber eine getrennte Beratung pflog, widerſprach heftig. Hier in Braunau, hieß es, jet man bayeriſch und habe es nicht nötig, ein kaiſerliches Patent auszuſchreiben, wodurch die Leute nur klein⸗ mütig gemacht würden. Plinganſer war zwar die Genugtuung zuteil geworden, daß der Kongreß ſich für die Fortführung des Krieges entſchieden hatte. Aber die Widerſtände, die während der Ausſprache über die Rüſtungen zutage getreten waren, ließen ſeinen Argwohn gegen die adeligen Herren nicht zur Ruhe kommen. Und als er gar aus dem Antrag Prielmayrs erſehen mußte, daß die Friedenspartei nach wie vor ihre Fäden weiterſpinne, machte ſich ſein Zorn in einer Denkſchrift Luft, die er am 24. Dezember an die adeligen Kongreß: mitglieder richtete. Er ſagt darin: Wir zweifeln zwar nicht, daß der löbliche Adel ſowohl gegen den Kurfürſten, wie auch gegen das all⸗ gemeine Wohl getreue Gedanken führt und die äußerſten Kräfte anwenden will, um mit dem Feind einen ſicheren Frieden ein⸗ zugehen. Aber zu unſerem Leidweſen haben wir doch verſpüren müſſen, daß man die Patrioten durch allerlei Einwände von dem Landesdefenſionsweſen abſpenſtig machen und ihren Eifer durch alle möglichen Schwierigkeiten erkalten laffen will. Wenn es daher den Herren Räten und Kavalieren ernſtlich darum zu tun iſt, den Kon⸗ greß fortzuſetzen, dann ſollen ſie ſich angelegen ſein laſſen, zum Wohl des Kurfürſten und des Vaterlandes nützliche Vorſchläge zu machen und die Mittel zu ihrer Durchführung ſchleunig bereitzuſtellen. Dieſe

29

Worte bildeten eine nur notdürftig verkleidete Kampfanſage an die adeligen Herren und zeigten deutlich, vom welchem Machtbewußtſein Plinganſer beſeelt war. Paumgarten erwiderte auf dieſen Anhieb recht matt: „Auch wir denken nur daran, uns dem Kurfürſten als getreue Vaſallen zu erweiſen und wollen nach Kräften dazu bei⸗ tragen, dem bedrängten Vaterland zu helfen“. Damit war die Tagesordnung erſchöpft und am Nachmittag des 24. Dezember begab ſich der Kongreß in die Weihnachtsferien, „nicht ohne große Be⸗ ſtürzung der Wohlgeſinnten“, ſchreibt Plinganſer.

Sofort nach ſeiner Rückkehr nach Burghauſen berichtete Priel- mayr der Regierung über den Verlauf der Tagung, die mit einer vollſtändigen Niederlage der Friedenspartei geendet hatte. Das Schlimmſte aber war, daß die Regierung, anſtatt wie gehofft, den Kongreß zu beherrſchen, vollſtändig in deſſen Schlepptau geraten war. Zum drittenmale, und diesmal endgiltig, hatte Plinganſer das Friedenswerk zerſtört. Sorgenvoll ſaßen die Herren Räte am Weihnachtsabend um den ſpärlich erleuchteten Ratstiſch und be⸗ ſchloſſen, der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe, die unver⸗ zügliche Bekanntgabe des Einhelligen Schluſſes an die Gerichte.

Empfindlicher aber wurde der Weihnachtsfrieden geſtört, als im Laufe des 26. Dezember in Burghauſen die ſichere Nachricht von der Niederlage der Oberländer einlief und bald darauf auch be⸗ kannt wurde, daß ſich das Bauernheer in voller Auflöſung auf dem Rückzug gegen den Inn befinde. Zudem erfuhr man, daß auch der zweite, kurz vor Weihnachten ins Werk geſetzte Vorſtoß an die untere Iſar geſcheitert ſei. 2000 Bauern unter Führung des ehemaligen kurbayeriſchen Leutnants Simon Beck und des Hofmarkverwalters Auguſtin Walter von Oberndorf waren am Morgen des erſten Weihnachtsfeiertages mit dem üblichen Wirbel in Landau a. J. eingedrungen. Aber ſchon auf die bloße Meldung, daß eine Kom⸗ pagnie Barthels⸗Küraſſiere von Dingolfing her im Anmarſch fei. hatte der Haufen die Stadt wieder verlaſſen und ſich vollſtändig aufgelöſt. Die Beſtürzung über dieſe Nachrichten war ungeheuer. Die einzige Möglichkeit, aus der immer ſchwieriger werdenden Lage herauszukommen, bot das Schreiben der Landſchaftsverordnung des Oberlands an die Gemein des Rentamts Burghauſen, das in München am 25. Dezember ausgefertigt, am 26. Dezember in Burg⸗ hauſen übergeben wurde. „Wir haben“, ſo heißt es dort, „mit Ver⸗ wunderung erſehen, daß die Gemein unſere bisherigen Mahnungen keiner Erinnerung gewürdigt und den Waffenſtillſtand nicht ange⸗ nommen hat. Auch ihre Beſchwerden hat ſie trotz der Verabredung nicht überreicht. Ja jie hegt immer noch die Hoffnung, durch die Gewalt der Waffen ihr Ziel zu erreichen. Das iſt aber der ſchnur⸗ gerade Weg zur gänzlichen Verheerung und zum Untergang der in

30

Aufſtand geratenen Mannſchaft und des ganzen Landes. Denn der Kaiſer wird das Land mit Krieg überziehen und die in ſtarker Zahl ins Land kommenden Truppen werden den ganzen Winter nicht mehr aus dem Lande gehen, ſondern es auf alle Weiſe beſchweren, wenn nicht die in Waffen ſtehende Gemein ſich dem Kaiſer unterwirft und die Abhilfe ihrer Beſchwerden auf gütlichem Wege zu erreichen verſucht. Dies wird ihr um ſo leichter fallen, als ſichere Nachrichten eingelaufen ſind, daß der Kurfürſt an dem Aufruhr das größte Miß⸗ fallen hat“. „Sollte“, ſo ſchließt das Schreiben, „unſere treu patrio⸗ tiſche Meinung ohne Frucht vergehen, ſo müßten wir dem verderb⸗ lichen Lauf der Sache zuſehen und alles dem lieben Gott befehlen, mit dem einzigen Troſt, daß wir nichts verſäumt haben, an das kommende Unheil zu erinnern“. Die Abmahnung der Landſchaft war ein eindrucksvolles Warnungszeichen vor dem Sturm. Was von den Häuptern des Aufſtandes, die trotz aller bisherigen Mißerfolge hartnäckig an ihren Plänen feſthielten, nicht erwartet werden konnte, das mußte jetzt die Regierung tun. Ihr erwuchs die Pflicht, ihr ganzes Anſehen in die Waagſchale zu werfen, um das nun drohende Verhängnis abzuwenden. Nachdem es ſich als unmöglich erwieſen hatte, die Führer der Landesdefenſion von der Nutzloſigkeit eines weiteren Kampfes zu überzeugen und ſie zum Nachgeben zu bewegen, mußte ſich die Regierung jetzt von den Bauern losſagen und han⸗ delnd in die Ereigniſſe eingreifen. Durch ſofortige Außerkrafterklä⸗ rung des Einhelligen Schluſſes, rückſichtsloſes Beiſeiteſchieben des Kongreſſes und Aufnahme von Verhandlungen mit der Adminiſtra⸗ tion wäre allein noch die Möglichkeit gegeben geweſen, den Auf⸗ ſtand ohne Blutvergießen zu beenden. Es iſt nichts geſchehen! Während in Braunau die Entſcheidung über Krieg und Frieden fiel, hatte auch die Adminiſtration bange Stunden zu beſtehen ge⸗ habt. Die immer bedrohlicher lautenden Meldungen über den An⸗ marſch der Oberländer und des Bauernheeres aus dem Unterland hatten in München eine recht unbehagliche Stimmung aufkommen laſſen. Doch obwohl Graf Löwenſtein ſtündlich gewärtig ſein mußte, „von dieſem loſen Gefindel umringt und eingeſperrt zu werden“, behielt er ſeine vornehme Ruhe: „Wir ſind entſchloſſen, hier unſeren äußerſten Effekt zu tun“, ſchreibt er am 24. Dezember an den Kaifer. Mehr aber als die Bedrohung Münchens, das ſich mit ſeiner ſtarken Beſatzung immerhin einige Zeit halten konnte, hat ihn die Geſamt⸗ lage bedrückt. Ein paar Tauſend Bauern hatten ſich gegen den Kaiſer erhoben und waren daran, durch Wegnahme der Landes⸗ hauptſtadt dem kaiſerlichen Anſehen einen ſchweren Schlag zu ver⸗ ſetzen. Der Kaiſer, außerſtande, mit eigenen Kräften die Aufrührer zum Gehorſam zu bringen und Ruhe und Ordnung wieder herzu⸗ ſtellen. war gezwungen, bei den kleinen Reichsfürſten um Hilfe zu

23 Gp =

betteln und unter demiitigenden Bedingungen einige Regimenter „einzuhandeln“, um die rebelliſchen Bauern zu Paaren zu treiben. Fürwahr, ein trauriges Bild von der Machtloſigkeit des heiligen römiſchen Reiches deutſcher Nation und von dem inhaltsloſen Schein, in dem ſich der Träger ſeiner Krone wiegte. In ſeiner Not nahm Graf Löwenſtein ſeine Zuflucht zur Geiſtlichkeit; durch die Land⸗ ſchaftsverordnung ließ er die Biſchöfe von Freiſing, Regensburg, Salzburg und Paſſau um ihre Einwirkung auf ihre Diözeſanen bitten. Die Seelſorger ſollten den Pfarrkindern zuſprechen, „ſich des Aufruhrs zu enthalten und ſich der kaiſerlichen Gnade bequemen“. Die Biſchöfe haben auch alle ihren Landklerus beauftragt, das Volk von den offenen Kanzeln und im Beichtſtuhl „von ſolchen Tätlich⸗ keiten abzumahnen und zu friedſamen Gedanken zu bringen“. Wie mag Graf Löwenſtein aufgeatmet haben, als am Weihnachtsmorgen Kriechbaums Kanonen vor dem Iſartor donnerten und bald darauf Nachrichten einliefen, daß auch das aus dem Unterland heran⸗ ziehende Bauernheer ſich zur Flucht gewendet habe. Wider alles Erwarten ſchnell war er wieder Herr der Lage geworden; und er war entſchloſſen, ſie auszunützen.

Noch ehe er die entſcheidenden Schritte hiezu unternahm, hatte ſich am 29. Dezember der Kongreß in Braunau zu neuem Tun ver⸗ ſammelt. Es war damit zu rechnen, daß die Niederlage der Ober⸗ länder ſich bald auf das Unterland auswirken werde, und daß das Auftreten kaiſerlicher Truppen im Rentamt Burghauſen nicht mehr lange auf ſich warten laſſe. Was wäre alſo näher gelegen, als den einmal ausgeſprochenen Willen zum Kämpfen durch Beſchleunigung der Rüſtungen in die Tat umzuſetzen. Stattdeſſen vertrödelte der

Kongreß die koſtbare Zeit mit Beratungen über die Denkſchrift an

den Reichskonvent in Regensburg. Es hat faſt den Anſchein, als ob die „Herren“ dabei nicht ganz unbeteiligt geweſen wären. Bei der großen Bedeutung, welche der Denkſchrift ſpäter beigelegt wurde, verdient ihr Entſtehen eine kurze Betrachtung. Im Einhelligen Schluß war die Denkſchrift von den Bauern ausdrücklich gefordert worden. Mit ihrem Entwurf hatte die Regierung den Sekretär Johann Georg Hagen beauftragt und ihm empfohlen, das Schrift⸗ ſtück maßvoll „in submissis terminis“ abzufaſſen. Unter Anführung vieler Einzelheiten gab Hagen eine nüchterne, auf allgemein be⸗ kannten Tatſachen beruhende Darſtellung der Leiden und Bedräng⸗ niſſe, welche die Untertanen zum Aufſtand getrieben hatten. Aber ſchon bei der Prüfung des Entwurfs durch die Regierung veränderte ſich die Tonart. Mehrere Räte hielten mit der Begründung, die Bauern wollten dies ſo haben, auch noch andere Punkte für er⸗ wähnenswert und Hagen mußte die in ziemlich ſpitzigen Worten gehaltenen Zuſätze in ſeinen Entwurf mit aufnehmen; als aber

32 e

gar die Denkſchrift dem Kongreß zur Beratung vorlag, da wurde unter dem Druck der Bauern Inhalt und Form immer noch gröber. „Könnt's nit arg genug ſchreiben“! war ihr allgemeines Verlangen. Die Herren ſahen mit Unbehagen, daß die Denkſchrift, die als diplo⸗ matiſches Aktenſtück Verwendung finden ſollte, immer mehr an Schärfe zunahm; aber ihre Einwände wurden mit den üblichen Drohungen erwidert und ſo entſtand aus dem urſprünglich durch⸗ aus gemäßigten Bericht Hagens ſchließlich eine wuchtige Anklage, in der dem Kaiſer Rechtsverletzung und Vertragsbruch vorgeworfen und das Recht der Selbſthilfe in Anſpruch genommen wurde. „Alle dieſe Drangſale“, heißt es zum Schluß, „haben endlich unſere Ge⸗ duld überwunden und unſere ſonſt zum Frieden und Gehorſam ge⸗ arteten Gemüter angetrieben, daß wir uns jetzt der natürlichen Defenſive bedienen, um die von der kaiſerlichen Miliz uns zugefügten Leiden von unſerem Halſe abzuwälzen“. Unterzeichnet war die Denkſchrift von der „geſambten conföderierten Gemein der Landten Ober⸗ und Underbayern“. Das Einverſtändnis der drei anderen Rentämter hatte man ohne weiteres vorausgeſetzt. Mittlerweile hatte auch das Abmahnungsſchreiben der Landſchafsverordnung vom 25. Dezember ſeinen Weg zum Kongreß gefunden. Die Eindringlich⸗ keit ſeiner Worte wäre wohl geeignet geweſen, abkühlend auf die erregten Gemüter zu wirken und eine gründliche Abkehr von den undurchführbar gewordenen Plänen zu bewirken. Die Führer haben mit einer ſolchen Möglichkeit auch gerechnet und deshalb bewußt die Bekanntgabe des Schreibens an den Kongreß unterlaſſen.

Mit Sehnſucht hatte die Landſchaftsverordnung eine Antwort auf ihr Schreiben erwartet. Als eine ſolche bis zum Neujahrstage noch nicht eingelaufen war, ließ fie am 2. Januar eine zweite Abmah⸗ nung folgen. Da man in München den Verdacht hegte, daß die Ver⸗ breitung des erſten Schreibens mit Abſicht verzögert oder gar ver⸗ hindert worden ſei, wurde die zweite Mahnung durch Druck verviel⸗ fältigt und durch Vertrauensmänner, fahrende Kaufleute und wahr⸗ ſcheinlich auch durch die Geiſtlichkeit auf dem flachen Lande ver⸗ breitet. Die „landſchaftliche Erinnerung“ vom 2. Januar wiederholt in volkstümlicher Sprache die Punkte des erſten Abmahnungs⸗ ſchreibens; ſie weiſt wirkungsvoll auf die Blutopfer von Kelheim, Sendling und Vilshofen hin und lehnt jede Verantwortung für das kommende Unheil ab, „wenn die Antertanen nicht von weiteren böſen Anmutungen und Unternehmungen billig abſtehen“. Das Volk, das bisher alles nur durch die Brille der Landesdefenſions⸗ führer geſehen hatte, hörte nun zum erſtenmale Worte, die ſich mit jeiner eigenen Dent- und Sinnesart deckten. Die landſchaftliche Er- innerung fand einen fruchtbaren Boden und tat der ohnehin nur noch geringen Luſt zu weiteren kriegeriſchen Abenteuern gewaltigen

33

Abbruch. Noch eindringlicher aber ſprachen die as im Unter: land vorgefallenen Begebenheiten.

Als am Abend des 30. Dezember nach zweitätiger Beratung ende lid) eine Einigung über den Wortlaut der Denkſchrift an den Reichs⸗ fonvent erzielt worden war, verbreitete ſich in Braunau die Kunde, die Kaiſerlichen hätten Vilshofen erſtürmt. Das Gewitter, das ſich über dem Unterland zuſammenzog, war dort zur erſten Entladung gekommen. Vilshofen war, wie erwähnt, am 27. November von den Bauern beſetzt worden. Der Kommandant Inzinger hatte nicht nur dem Rat und der Bürgerſchaft manchen Gulden „Beiſteuer zur Landesdefenſion“ aus der Taſche gezogen, ſondern auch in der Um- gebung Mittel für den Unterhalt ſeiner Leute flüſſig zu machen verſtanden. So hatte am 14. Dezember ein anſehnlicher Bauern⸗ haufen in Schönberg im Bayeriſchen Wald vom Bräuhausverwalter „auf Befehl der hohen Generalität“ die Herausgabe der Bräuhaus⸗ kaſſe gefordert. „Man hat“, meldete der Verwalter an die Regie⸗ rung, „die Leib⸗ und Lebensgefahr nicht auf ſich laden wollen, ſon⸗ dern hat das Vorhandene dem kommandierenden Leutnant unver⸗ züglich ausgehändigt“. In Vilshofen war die Stimmung den Bauern nicht günſtig; wiederholt hatte der Rat bei der Regierung in Lands⸗ hut eine Beſatzung erbeten, „um von den loſen Schelmen befreit zu werden“. Da der Platz als Donauübergang von Bedeutung war und alle Anzeichen darauf hindeuteten, daß von dort aus die Er⸗ hebung in den Bayeriſchen Wald übergreife, empfand es Graf Bagni ſehr unangenehm, die Stadt im Beſitz der Bauern zu wiſſen und erteilte anfangs Dezember dem Obert d' Arnan den Auftrag. in Straubing eine Heeresabteilung zu ſammeln und Vilshofen zu entſetzen. D'Arnan hielt die eben aus Böhmen angekommenen Re- kruten der Regimenter Guido Starhemberg und Kriechbaum, zu⸗ ſammen etwa 1200 Mann, in Straubing an und zog aus der Ober⸗ pfalz Kavallerie heran. Als nach dem Falle von Kelheim auch das Ansbachiſche Grenadierbataillon zu ihm geſtoßen war, und der am Weihnachtstag in Landau entſtandene Wirbel die Gegend in neue Unruhe verſetzt hatte, glaubte d'Arnan die Zeit für gekommen, um in dem Winkel an der unteren Iſar Ruhe zu ſtiften und Vilshofen wegzunehmen. Am 26. Dezember ſchickte er, um den Feind zu täuſchen. ſeine Reiterei gegen Dingolfing vor; das Fußvolk, 900 Rekruten und die Ansbachiſchen Grenadiere nebſt einigen Geſchützen, wurde am Abend auf Donaukähnen von Straubing nach Deggendorf ver⸗ bracht. Am andern Morgen trat d' Arnan auf dem linken Donau- ufer den Vormarſch gegen Vilshofen an. Um 9 Uhr abends erreichte er das Schloß Hilgartsberg, in dem eine ſchwache Beſatzung vom Regiment Starhemberg Jag. Der Kommandant berichtete ihm: Im Lande nördlich der Donau werden die Untertanen immer ſchwieriger.

3

1

An Weihnachten find von Vilshofen an die 500 Mann über die Donau in den Bayeriſchen Wald abmarſchiert; augenblicklich ſtehen in Vilshofen nicht viel mehr als 400 Mann. Die Verteidigungs⸗ anlagen der Stadt ſind nicht ſtark, aber in gutem Zuſtand. Die eigentliche Stadt iſt mit einer Mauer umgeben; auf der Weſt⸗ und Südſeite derſelben iſt ein trockener ſeichter Graben vorgelagert. Die an der Straße nach Regensburg gelegene Vorſtadt iſt durch einen niedrigen Wall mit einer Palliſadenwand geſichert. D' Arnan ent- ſchloß ſich zu einem nächtlichen Überfall. Auf raſch beigetriebenen Plätten wurde die Infanterie über die Donau geſetzt, rückte dann zum Friedhofkirchlein St. Barbara vor und ſtellte ſich hier zum Angriff bereit. Aus dem nahe gelegenen Kapuzinerkloſter ſchickte d' Arnan zwei Patres in die Stadt und ließ den Kommandanten zur Übergabe auffordern. Als die Unterhändler längere Zeit nicht zu⸗ rückkehrten, befahl d'Arnan feinen Grenadieren, Sturm zu laufen. Kaum angetreten, erhielten ſie Gewehrfeuer von den hinter den Palliſaden gut gedeckten Bauern. Die Grenadiere ſetzten ihnen aber mit Handgranaten derart zu, daß die Bauern ſehr bald den Kampf aufgaben und Hals über Kopf durch das obere Tor in die Stadt flüchteten. Den meiſten gelang es, über die Vilsbrücke zu entkommen, wo ſie durch Abwerfen einiger Balken die Verfolgung zum Halten brachten. Inzwiſchen war eine Abordnung der Bürgerſchaft am Stadttor erſchienen. Der Bürgermeiſter Dunzinger übergab d' Arnan die Schlüſſel der Stadt, verſicherte, daß die Bürgerſchaft immer gut kaiſerlich geweſen ſei und bat um Schonung für die durch die letzten Kriegsläufte ſchwer mitgenommene Stadt. D' Arnan ſicherte fie zu, konnte aber nicht verhindern, daß die Ansbachiſchen Grenadiere in der Vorſtadt plünderten. Raſch hatte ſich die Nachricht von dem Fall der Stadt in der Umgebung verbreitet und ſchon am Vormittag des 30. Dezember marſchierten auf den von Ortenburg und Aidenbach heranführenden Straßen ſtärkere Bauernhaufen, es ſollen bei 3000 Mann geweſen ſein, auf Vilshofen vor, um die Kaiſerlichen wieder aus der Stadt zu vertreiben. D' Arnan rückte ihnen ſofort entgegen. Die Bauern nahmen aber den Angriff nicht an, ſondern zogen eilends wieder ab. Ein größerer Trupp warf ſich in ein bei dem Dorfe Liſſing gelegenes Wäldchen, das alsbald von den verfolgen⸗ den Reitern umſtellt wurde. Einzelne, die noch zu entfliehen ver⸗ ſuchten, wurden niedergehauen; die bald darauf eintreffende In⸗ fanterie nahm mit einigen Geſchützen das Wäldchen unter mörde⸗ riſches Feuer und richtete ein gräßliches Blutbald an, dem 300 Bauern zum Opfer fielen. Die Reiter hatten inzwiſchen die Ver⸗ folgung bis Aldersbach fortgeſetzt und noch viele Gefangene ein⸗ gebracht. Alle Dörfer in der Amgebung wurden ausgeplündert und niedergebrannt; die Bewohner ließen Haus und Hof im Stich und

Bt `G 12

flüchteten ſtundenweit in die Wälder, überallhin Angſt und Schrecken 1 Abermals hatte der Aufſtand einen ſchweren Schlag er⸗ en.

Nach der Einnahme Vilshofens gedachte d'Arnan gegen den Inn vorzurücken und ſchon am 30. Dezember forderte er die Stadt Schär⸗ ding auf, ſich in des Kaiſers Gnade und Schutz zu begeben, „widrigen⸗ falls er armata manu ſie zur Devotion und Gehorſam bringen werde. Als ein Kavalier verſpricht er einen raiſonnablen Akkord, erwartet aber eine kategoriſche Antwort, entweder ja oder nein“! Doch d' Arnans Siegeszug wurde plötzlich unterbrochen. Auf die Nach⸗ richten von der Einnahme der Stadt Cham am 31. Dezember durch den Pfarrer Miller und von dem neuen Aufflackern des Aufſtands im Nabtal hatte Graf Bagni d' Arnan in die Oberpfalz zurückge⸗ rufen, wohin auch die beiden kurpfälziſchen Regimenter, die um dieſe Zeit in der Markgrafſchaft Ansbach eingetroffen waren, be⸗ ordert wurden. D' Arnan beließ die Ansbachiſchen Grenadiere und 500 Rekruten in Vilshofen und marſchierte am 5. Januar mit dem Reſt ſeiner Truppen nach Regensburg ab.

Die Eroberung Vilshofens hatte in Braunau wie ein kalter Waſſerſtrahl gewirkt. In nächſter Nähe hatte ſich plötzlich eine Ge⸗ fahr aufgetan, deren Größe von den Führern der Landesdefenſion wohl erkannt und deren Bekämpfung von ihnen unverzüglich be⸗ ſchloſſen wurde. Denn trotz der ſchlimmen Nachrichten der letzten Tage hatte die kriegeriſche Stimmung des Kongreſſes keine Schmä⸗ lerung erfahren. Schon am 1. Januar erhielt die bei Ering am Inn ſtehende Kampfgruppe den Befehl, „dem Feind bei Vilshofen ent⸗ gegen zu gehen und ihn aus dem Lande zu ſchlagen“. Der Führer dieſes Haufens rief ſogleich „alles, was zum Gewehrtragen tauglich iſt, auf, ſich ohne Verluſt einiger Minuten, wohlbewehrt und mit Proviant auf vier Tage verſehen, zuſammenzuziehen“. Großſpurig war das Patent unterzeichnet von Ludwig Werkſtedter, „Kurfürſt⸗ licher Durchlaucht und Landsdefenſion beſtellter Obriſtleutnant und dermalen hochgnädig abgeordneter Kommandant der Armee zu Vils⸗ hofen“. In richtiger Einſchätzung der Notwendigkeit, gegen d'Arnan alle Kräfte einzuſetzen, forderte der Kongreß auch die Führer der neuen Regimenter auf, die gegen Vilshofen aufgebotene Kampf⸗ gruppe zu verſtärken. Jedoch dem Aufruf folgte eine bittere Ent⸗ täuſchung. Die adeligen Herren waren von Anfang an überzeugt geweſen, daß eine Erneuerung des Heeres, das ſich nach der Send⸗ linger Schlacht faſt vollſtändig aufgelöſt hatte, nicht mehr möglich ſei. Sie hatten ſich daher die Werbetätigkeit recht wenig angelegen ſein laſſen. Die Regimenter Leydens und Jehles ſteckten noch in den erſten Anfängen. In beſſerer Verfaſſung befand ſich das Regiment Prielmayrs „Prinz Philipp“, das bereits am 4. Januar auf einen

3*

36

Stand von 8 Kompagnien gebracht war. Da aber Bewaffnung und Ausrüſtung noch unvollſtändig waren, konnte man an deſſen Ver⸗ wendung vor dem Feinde vorerſt nicht denken. Das Dragoner⸗ regiment, mit deſſen Aufſtellung Oberſt d'Ocfort beauftragt worden war, zählte zwar 400 Mann; davon waren aber kaum 50 Mann beritten. Als der Kongreß den mangelhaften Stand der Rüſtungen erfuhr, wurde die Beſchleunigung derſelben mit allen Mitteln be⸗ trieben. Scharfe Befehle ergingen an die Oberſten, ihre Regimenter möglichſt bald kriegsfertig zu machen; die Regierung wurde ange⸗ halten, den Adel zur Stellung von Reitpferden zu veranlaſſen, die Schützen aus den ſüdlichen Teilen des Rentamts in Burghauſen zuſammenzuziehen und durch Ausſchreiben von Steuern, Ablieferung der Aufſchlagsgefälle an die Landesdefenſion und Aufnahme von Anlehen die leere Kriegskaſſe zu füllen. Dabei war es hauptſächlich auf die im Rentamt anſäſſigen Adeligen abgeſehen. Eine allzu große Bereitwilligkeit, die Sache der Landesdefenſion zu unterſtützen, haben aber dieſe Herren, wie es ſcheint, nicht gezeigt. So ſollte z. B. der General v. Weickhel um ein Anlehen von 30 000 fl. angegangen werden. Als er von der Sache Wind bekam, erbat er ſich umgehend einen Reiſepaß nach Reichenhall, „da er wegen ſeines ſchadhaften Fußes zu Dr. Köſtler zum Gebrauch der Kurmittel verreiſen wie". Doch es war nicht nur die mangelnde Kriegsbereitſchaft des Bauern⸗ heeres allein, welche den Entſatz Vilshofens verzögerte. Der Kon⸗ greß ſtieß auch auf den offenen Widerſtand der Regimentsführer, die ſich mit aller Beſtimmtheit weigerten, nach Vilshofen zu mar⸗ ſchieren. Prielmayr gab auf zweimalige Aufforderung überhaupt keine Antwort und d'Ocfort erklärte, er habe Soldaten, aber nicht Bauern zu kommandieren gelernt. Als ihm hierauf die Bauern⸗ führer vorſtellten, daß das nun wieder auf 30 000 Mann gebrachte Bauernheer es wohl mit den 2000 Kaiſerlichen d' Arnans aufnehmen könne, erwiderte er, er würde ſich lieber von den Bauern ſelber maſſakrieren laſſen, als mit ihnen gegen einen regulierten Feind ins Feld ziehen. Es läßt ſich denken, daß ſolche Worte nicht geeignet waren, das Vertrauen der Bauern auf die adeligen Herren zu ſtärken und man darf, wie Plinganſer berichtet, wohl glauben, daß die Bauern in ihrer Wut die Abſicht hatten, die Kongreßmitglieder „erbährmlich zu maſſakrieren“. Plinganſer vermochte aber doch, ſie eines beſſeren zu bereden. Es kam dazu, daß auch die Taſchnerbauern dem Aufruhr Werkſtedters nur langſam folgten, ſodaß erſt das Ein⸗ treffen der Verſtärkungen aus dem Innviertel abgewartet werden mußte. Zweifellos hat das Abmahnungsſchreiben der Landſchaft vom 2. Januar viele vom Mitgehen abgehalten. Mehr denn je wäre angeſichts der aufs höchſte geſtiegenen Bedrängnis eine kraftvolle Führung notwendig geweſen. Hatten bei der erſten Tagung des

37

Kongreſſes die Bauern ſich der Leitung Paumgartens wenigſtens einigermaßen gefügt, ſo wurde jetzt der Einfluß der Adeligen und der gemäßigten Elemente vollſtändig zurückgedrängt; die von Tag zu Tag ſich mehrenden Schwierigkeiten und die Unmöglichkeit, ſie zu meiſtern, erzeugten im Kongreß eine begreifliche Unruhe, die ſich zunächſt in maſſenhaften Vorſchlägen Luft machte; jeder fühlte ſich berufen, mit ſeiner Weisheit zum allgemeinen Wohl beizuſteuern; endloſes Geſchwätz über die unbedeutendſten Dinge war die Folge; unüberlegte und ſinnloſe Anträge wurden zum Beſchluß erhoben, um ſofort wieder umgeſtoßen zu werden. Und jo konnte es nicht ausbleiben, daß die Meinungsverſchiedenheiten ſich bald zur offen⸗ kundigen Uneinigkeit ſteigerten. Alle Mahnungen zur Vernunft be- antwortete die vollſtändig unter die Botmäßigkeit Plinganſers ge⸗ ratene Mehrheit des Kongreſſes mit Widerſpruch und unflätigen Drohungen, ſodaß es den Herren ganz unmöglich wurde, ſich durch⸗ zuſetzen ; fie beteiligten ſich an den Beratungen nur noch zum Schein von einer Leitung war keine Rede meht; „die Sache ging in aller Konfuſion durcheinander“. Doch mehr und mehr trieben die Ereig⸗ niſſe zu raſchen Entſcheidungen.

Schon am 2. Januar hatte der Rat von Schärding dem Kongreß das Schreiben d'Arnans vom 30. Dezember überſandt und um Ver⸗ haltungsmaßregeln gebeten. In ſeiner Ratloſigkeit gab es der Kon⸗ greß an die Regierung weiter, die ſich, eingedenk ihrer Verpflich⸗ tung, die Sache der Landesdefenſion „nur in dem zu unterſtützen, was der Regierungsfunktion obliegt“, mit der bezeichnenden Aus⸗ rede aus der heiklen Lage zog: „Dieſer Punkt iſt von einer ſolchen Eigenſchaft, daß er simpliciter von den militäriſchen Affairen depen⸗ diert; die Dexterität der Braunauer wird hoffentlich in dieſer Sache Rat zu ſchaffen willen; man läßt es alſo dahingeſtellt ſein“. Jedes Wort ein ſchneidender Hohn! Die Antwort des Kongreſſes an die Schärdinger, welche die ganze innere Zerriſſenheit der Landes⸗ defenſion offenbart, war ebenſo kurz wie nichtsſagend: „Weil wir notgedrungen die Waffen haben ergreifen müſſen, ſind wir gänzlich entſchloſſen, Gut und Blut bis auf den letzten Mann daranzuſetzen, bis wir von dem unerträglichen Joch befreit ſind. Die Landesdefen⸗ ſion iſt jedoch nicht dagegen, wenn die Schärdinger ihre Beſchwerden dem kaiſerlichen General vorbringen“. Mit dieſem Entſcheid, der durch die gleichzeitige Betonung des Kampfwillens und die Crlaub= nis, in Unterhandlungen einzutreten, einen vollkommenen Wider⸗ ſpruch in ſich barg, mochten ſich die Schärdinger abfinden. Prielmayr witterte in dieſer Unentſchloſſenheit den langerſehnten Stimmungs⸗ umſchlag und ſchöpfte neue Hoffnung. Er verlas vor dem Kongreß das Mandat der Adminiſtration vom 28. Dezember, das allen, die ſich von den Rädelsführern zur Auflehnung hatten bereden laſſen,

GE

Gnade und Strafloſigkeit zuſicherte, wenn fie fid nach Haufe be- geben und ihrer Wirtſchaft nachgehen. Wie immer verſtand es Priel⸗ mayr, die Bedeutung dieſer Kundgebung, die den Aufſtändiſchen noch im letzten Augenblick eine goldene Brücke baute, eindringlich darzuſtellen und es hätte bei der im Kongreß allmählich ſich bemerk⸗ bar machenden Neigung zum Nachgeben wenig gefehlt, daß er mit ſeinem Vorſchlag, auseinander zu gehen und damit den Aufſtand ſang⸗ und klanglos zu beenden, durchgedrungen wäre. Aber ſeine Gegner wußten dies zu verhindern. Plinganſer verdächtigte ihn, mit den Kaiſerlichen zuſammenzuſpielen und die Sache des Vater⸗ landes zu verraten; darüber erregten ſich die Bauern ſo ſehr, daß Leyden nur mit Mühe einen gegen Prielmayr gerichteten tätlichen Angriff zu verhindern vermochte. Stolz und Starrſinn behielten die Oberhand und wieſen die Gnade des Kaiſers zurück.

Doch bald ſollte der von Plinganſer unentwegt hochgehaltene Gedanke des bewaffneten Widerſtands eine noch ſchwerere Be⸗ laſtungsprobe zu beſtehen haben. Am 5. Januar nachmittags lief beim Kongreß die wichtige von der Regierung übermittelte Mel⸗ dung ein, daß tags vorher mehrere Tauſend Mann unter Führung des kaiſerlichen Generals v. Kriechbaum in Neumarkt a. Rott ein⸗ gerückt ſeien. Die Regierung hatte die kurze Bemerkung beigefügt: „Wir wollen es dahingeſtellt ſein laſſen, welche Anſtalten der Kon⸗ greß zu verfügen belieben will“. Die ſofort einberufene Kongreß⸗ ſitzung verlief kurz und kleinlaut. Niemand konnte ſich der Erkennt⸗ nis verſchließen, daß Schlimmes bevorſtehe und auch diejenigen. welche bisher jeden Gedanken an Frieden und Unterhandlungen abgelehnt hatten, wurden jetzt beſinnlich. Ohne Widerrede wurden die Anträge Prielmayrs angenommen, „den Ruheſtand zu ſuchen und den Landesfrieden zu erwerben, und hiezu die Vermittlung des Erzbiſchofs von Salzburg zu erbitten“. Der in Braunau immer noch gefangen gehaltene General Graf Tattenbach wurde angegangen, dieſe Beſchlüſſe dem General v. Kriechbaum mitzuteilen und ihn zu bitten, ſich bis zum Wirkſamwerden der Vermittlung aller Feind⸗ ſeligkeiten zu enthalten; das gleiche wurde für die Landesdefenſion verſprochen. Auch die Bittſchrift an den Erzbiſchof fand allgemeine Billigung. Graf Tattenbach übergab noch am Abend dieſes Tages Plinganſer den für Kriechbaum beſtimmten Brief zur Beförderung. Anſtatt nun beſchlußgemäß die Schreiben an Kriechbaum und den Erzbiſchof abzuſenden, hielt Plinganſer dieſelben eigenmächtig zu⸗ rück und begann, bei ſeinen Freunden aufs neue zu ſchüren: „Es könne dem Kongreß ganz gleichgültig ſein, was ein kaiſerlicher General dem anderen ſchreibe; der Wunſch nach Frieden beſtehe wohl bei den Herren, nicht aber bei den Bauern. Gerade jetzt dürfe ſich die Bauernſchaft nicht ſchwach zeigen, ſondern müſſe auf ihren

ch "DEN

alten Forderungen beſtehen bleiben“. Mit größter Verwunderung erfuhr Prielmayr am andern Tag, daß die Briefe noch nicht ab⸗ gegangen ſeien. Und als er, über dieſe Verzögerung erzürnt, „heftig ſakramentierte“, wies ihm Plinganſer höhniſch einen Kongreßbe⸗ ſchluß vor, wonach man mit der Abſendung der Briefe noch einige Tage zuwarten ſolle. Das Verhalten des Kongreſſes, der zum Nach⸗ geben entſchloſſen war, gleichzeitig aber duldete, daß die zur Herbei⸗ führung des Friedens notwendigen Maßnahmen hintertrieben wur⸗ den, ſchiene unfaßlich, würde man ſich nicht den großen perſönlichen Einfluß vergegenwärtigen, den Plinganſer und Meindl auf ihre Leute ausgeübt haben. Auch diesmal war es den beiden wieder ge⸗ lungen, den Kongreß, dem doch ſicherlich auch vernünftige und be⸗ ſonnene Männer angehörten, umzuſtimmen, obwohl der mit Rieſen⸗ ſchritten nahende Zuſammenbruch vor aller Augen ſtehen mußte. Aber nicht zufrieden, die letzte Möglichkeit, zum Frieden zu kommen, vernichtet zu haben, ſetzte es Plinganſer noch durch, daß der Kongreß am 6. Januar ein Generalaufgebot beſchloß, durch das die geſamte waffenfähige Mannſchaft des Rentamts zu den Waffen gerufen wurde. Die Regierung gab das Aufgebot mit Mandat vom 7. Januar den Gerichten bekannt. Es war das letzte Röcheln eines Sterbenden.

7. Der Zuſammenbruch. |

Unheimlich mehrten fic jetzt die Anzeichen des nahen Endes. Aus den Gerichten des Gebirges trafen Meldungen ein, daß man dort einen Einfall der Tiroler befürchte und infolgedeſſen der Auf⸗ forderung zur Mannſchaftsgeſtellung nicht nachkommen könne. All⸗ gemeines Aufſehen erregte es ferner, daß der beliebte, bisher immer in vorderſter Linie geſtandene Kaſtner v. Prielmayr ſeine Stelle als Oberſt niederlegte. Mit Ekel und Verbitterung und ſatt des Kampfes gegen menſchliche Bosheit und Unvernunft zog er ſich jetzt von dem Unternehmen zurück, das er in ehrlichem Bemühen zum beſſeren zu führen verſucht hatte. Auch der Kongreß empfand Priel⸗ mayrs Rücktritt höchſt peinlich. Er verweigerte ſeine Genehmigung und legte ihm nahe, „die obhabende Oberſtencharge auch inskünftig mit möglichſtem Eifer zu vertreten“. Prielmayr ließ ſich aber nicht mehr umſtimmen. Einen ganz ſchweren Stoß aber erhielt das Auf⸗ ſtandsunternehmen durch die am 4. Januar ergangene dritte Ab⸗ mahnung der Landſchaft. Hatte ſchon das Schreiben vom 2. Januar im Volke einen gründlichen Wechſel der Stimmung hervorgerufen, ſo war das neue Patent im Verein mit den in den letzten Tagen vorgefallenen Ereigniſſen erſt recht geeignet, die Sehnſucht nach Frieden laut werden zu laſſen. Das Ausſchreiben war gegen die Führer des Aufſtands gerichtet und ungemein wirkungsvoll abge⸗ faßt. Es heißt darin: „Es iſt uns ſchmerzlich zu Gemüt gegangen,

4; >

daß die Untertanen ſich durch Aufwiegler haben verblenden laſſen, ihnen entweder aus Furcht vor Drohungen oder auch aus freiem Willen Gehorſam geleiſtet haben, in große Haufen zuſammenge⸗ laufen ſind und die Sorge für Weib und Kind, Haus und Hof an den Nagel gehängt haben. Dieſe Anführer und Aufhetzer haben ſich aber bei allen Gelegenheiten zur Flucht umgeſehen und die Anter⸗ tanen im Stich gelaſſen. Ihre Abſicht geht nur dahin, im trüben Waſſer zu fiſchen und ihre Säckel zu ſpicken. Vor dieſen Leuten, die ſich ganz unverdient Landesdefenſionierer betiteln, die aber in Wirk⸗ lichkeit Landesruinierer, falſche Propheten und Volksverführer ſind, können die Untertanen nicht genugſam gewarnt werden. Niemand ſoll ihren Reden Gehör ſchenken, ſondern in Frieden und Ruhe bleiben und das Vertrauen auf die Landſchaft bewahren, die nie⸗ mals aufhören wird, den Schaden von den Untertanen möglichſt abzuhalten“. Dieſe Bloßſtellung öffnete nun auch die Augen derer, die immer noch nicht an die Unfähigkeit und den Eigennutz der Führer hatten glauben wollen. Raſch ſchmolz der Reſt des Ver⸗ trauens dahin, das man ihnen bisher noch entgegengebracht hatte. Das Verlangen nach einem baldigen Ende aller Trübſal wurde all⸗ gemein und äußerte ſich in dem faſt vollſtändigen Mißlingen des Generalaufgebots. An vielen Plätzen blieb es gänzlich unbeachtet, von den meiſten Orten fand ſich kaum der zehnte Teil der Stellungs⸗ pflichtigen ein.

Es war eine ſchwüle Stimmung, die über dem Anterland lagerte, als in den erſten Januartagen General v. Kriechbaum an den Grenzen des Rentamts Burghauſen pochte, um das angedrohte Strafgericht zu vollziehen. Durch die Niederlage von Sendling waren die Machtverhältniſſe in Bayern von Grund aus umgeſtaltet worden. Hoffmanns Bauernheer war in alle Winde zerſtreut und die ſchweren Verluſte der Oberländer hatten in den betroffenen Gegenden eine ſolch tiefe und allgemeine Entmutigung hervorge⸗ rufen, daß eine ernſtliche Gefährdung der kaiſerlichen Herrſchaft in abſehbarer Zeit nicht mehr zu befürchten war. Graf Löwenſtein hielt daher den Zeitpunkt für gekommen, nun auch das Rebellions⸗ feuer im Rentamt Burghauſen auszutreten, ohne das Eintreffen der württembergiſchen Truppen abzuwarten, welche in den letzten Tagen des Jahres die Gegend von Alm erreicht hatten. Er erteilte dem Generalfeldwachtmeiſter Georg Friedrich v. Kriechbaum den Befehl, ins Unterland zu marſchieren, ſich mit dem in Vilshofen ſtehenden Oberſt d'Arnan zu vereinigen und dann gegen das Haupt- verſchwörerneſt Braunau einen entſcheidenden Schlag zu führen. Eine zweite Heeresabteilung unter dem Oberſt v. Hochberg, deren Kern die 1000 Fußknechte aus Tirol bildeten, ſollte von Waſſerburg her ins Aufſtandsgebiet eindringen.

= 41 =

Die Streitmacht Kriechbaums war wenig größer, als jene, welche einige Wochen vorher Oberſt de Wendt ins Feld geführt hatte. Nur 900 Mann Infanterie, ausgeſuchte Leute verſchiedener Regimenter, und 800 Reiter, davon 520 Küraſſiere und 280 Huſaren, ſowie vier kleine Kanonen hatte der Landeskommandant zur Verfügung ſtellen können. Aber das den kaiſerlichen Truppen innewohnende Gefühl der taktiſchen Überlegenheit, die Geringſchätzung, mit der fie auf die Bauern herabſahen, die ſich vor München ſo ſchlecht geſchlagen hatten, und der Arger, durch den Aufſtand in den behaglichen Winter⸗ quartieren geſtört worden zu ſein, wog die geringe Zahl reichlich auf und drängte Führer und Mann, an den Feind zu kommen und ihm die Luſt zu weiteren Unternehmungen gründlich zu vergällen. Auf beſonderen Wunſch der Landſchaftsverordnung ſchloß ſich auch Frh. v. Gemmel wieder dem Stabe Kriechbaums an. Dieſer verließ am 1. Januar mit ſeinen Truppen München und erreichte über Schwa⸗ ben, Dorfen, Neumarkt am 6. Januar Eggenfelden; er hatte auf ſeinem Marſche nicht den geringſten Widerſtand erfahren und das Land in vollſter Ruhe angetroffen; die Abmahnungspatente der Landſchaft hatten bereits ihre Wirkung getan. Die in Eggenfelden eingegangenen Nachrichten beſagten, daß am 5. Januar mehrere Tauſend Bauern in Griesbach eingerückt ſeien. Es war das Bauern⸗ heer, das ſich auf den Aufruf Werkſtedters bei Ering am Inn ge⸗ ſammelt hatte und an dieſem Tag an die 7000 Mann ſtark unter dem Befehl des Oberſten Hoffmann den Vormarſch gegen Vilshofen angetreten hatte.

Als Kriechbaum am Morgen des 7. Januar erfuhr, daß auch in Braunau ſich eine Kampfgruppe zum Marſch gegen Vilshofen rüſte, marſchierte er ſofort nach Pfarrkirchen ab, um den im Marſch auf Vilshofen vermuteten Bauernhaufen noch vor dem Eintreffen dieſer Verſtärkungen zur Schlacht zu zwingen. Bei ſeiner Ankunft in Pfarrkirchen wurde Kriechbaum gemeldet, daß die Hauptmacht der Bauern bei Aidenbach ſtehe, er ſetzte unverzüglich den Marſch dort: hin fort und erreichte bei Dunkelheit den Weiler Dummeldorf, wo ſeine Truppen die kalte Winternacht verbrachten.

Am 8. Januar noch vor Tagesgrauen brach Kriechbaum gegen Haidenburg auf. Hier erhielt er von ſeinen Huſaren die Meldung, daß fie in und bei Aidenbach auf ſtarken Feind geſtoßen feien; auch erfuhr er, daß Oberſt d'Arnan vor zwei Tagen in die Oberpfalz abgerückt ſei, in Vilshofen aber eine ſtarke Beſatzung zurückgelaſſen habe. Dem Kommandanten Oberſtleutnant v. Marſchall ſandte Kriechbaum den Befehl, ſofort auf Aidenbach vorzumarſchieren, um den dort ſtehenden Bauern in den Rücken zu kommen. Da bei der Nähe des Feindes ein Zuſammenſtoß unmittelbar bevorſtand, ließ Kriechbaum ſeine Truppen mit Front gegen Aidenbach aufmar⸗

42

ſchieren, in der Mitte die Infanterie, in den Zwiſchenräumen der Kompagnien die Geſchütze und eng angelehnt auf den beiden Flügeln die Reiter. Nach dem Aufmarſch wurde die Bewegung gegen Aiden⸗ bach fortgeſetzt. Als die Kaiſerlichen den Schöfbacher Wald durch⸗ ſchritten hatten, erblickten ſie im Schein der roten Morgenſonne auf den ſchneebedeckten Hängen jenſeits des Tales ſtarke zu Klumpen geballte Bauernhaufen. Nach kurzem Halt am Waldrand, während dem im Angeſicht des Feindes die Ordnung wieder hergeſtellt wurde, traten die Kaiſerlichen wieder an, ſtiegen in das Tal des Eggl⸗ hamer Baches hinab und überſchritten den vereiſten Bachlauf. Die am Weſtrand von Aidenbach und in den Dörfern Karling und Heft eingeniſteten Bauerngruppen waren kurz vorher auf die Höhen öſt⸗ lich von Aidenbach zurückgegangen. Feſtgeſchloſſen folgten Kriech⸗ baums Schlachthaufen über die gefrorenen Sturzäcker. Sie hatten ſich den Bauern bis auf 200 Schritt genähert, als, es war um die elfte Vormittagsſtunde, die aufs höchſte geſteigerte Spannung ſich in einer dramatiſchen Wendung löſte: „Gleichſam in einem Augen⸗ blick, ohne Verlierung des geringſten Feuers“ machten die Bauern auf der ganzen Linie kehrt und wandten ſich beſinnungslos zur Flucht. Kaum waren ihre weiter rückwärts haltenden Offiziere dies gewahr geworden, als ſie ſich auf ihre Pferde warfen und zuſammen mit den wenigen beim Bauernheer befindlichen Reitern davon⸗ jagten, an ihrer Spitze der Oberkommandant Hoffmann, der, ebenſo⸗ wenig wie ſeine Unterführer, nicht den geringſten Verſuch unter⸗ nahm, die Flüchtigen zum Stehen zu bringen. Während die In⸗ fanterie im Vorgehen blieb, ſtürzten ſich von den Flügeln her die Reiter auf die Bauern, die ſchon bei dieſem erſten Zuſammenprall ſchwere Verluſte erlitten. Der weitere Verlauf des Gefechts, in dem der am Wege nach Aunkirchen ſtehende rechte Flügel der Bauern gegen Süden abgedrängt wurde, ſpielte ſich dann in der Weiſe ab, daß die Küraſſiere und Huſaren wie Schäferhunde die Fliehenden zu Haufen zuſammentrieben und ſie zum Halten brachten, bis die In⸗ fanterie heran war, die dann den ungewandten und nur zum ges ringſten Teil mit Gewehren bewaffneten Bauern mit dem Kolben den Reſt gab. Von einem eigentlichen Kampf kann nicht geſprochen werden; es war ein Gemetzel, in dem die Kaiſerlichen alles, was ihnen vor die Klinge kam, erbarmungslos niederhieben. Das Gefecht hat ohne Unterbredung bis gegen 4 Uhr nachmittags gedauert. Vereinzelt, am Kleeberg, in Neſchendobl, beſonders aber in Martins⸗ tödling, wo ſich die Bauern im Pfarrhof und im Wirtshaus feſt⸗ geſetzt hatten, ſcheint ein ſtärkerer Widerſtand geleiſtet worden zu ſein, der aber durch Anzünden der Gebäude raſch gebrochen wurde. Alles, was zu entfliehen verſuchte, wurde niedergemacht; wer zurück⸗ blieb, verbrannte bei lebendigem Leibe. Die Verluſte der Bauern

43

waren entſetzlich. Am Abend des Schlachttages lagen an 4000 Tote auf der ſich über eine Stunde weit erſtreckenden Walſtatt. Es iſt alſo mehr als die Hälfte der Landesverteidiger gefallen. Die Beute der Sieger beſtand aus 4 Geſchützen, aus denen nicht ein Schuß ab⸗ gegeben worden war, einem Munitions: und einem Schanzzeug⸗ wagen; das war alles, was die Bauern mit ſich führten. Die Tat⸗ ſache, daß nur ganz wenige Gefangene, unter ihnen der vormalige bayeriſche Hauptmann Weber, gemacht wurden, läßt darauf ſchließen, daß die Truppen Befehl hatten, keinen Pardon zu geben. Der vom Adminiſtrator geäußerte Wunſch, „daß die Rebellanten einen recht⸗ ſchaffenen Streich bekommen, und daß der Kehraus auf einmal er⸗ folge“, war ſchrecklich in Erfüllung gegangen. Die Truppen Kriech⸗ baums verloren in dem faſt fünfſtündigen Treffen nur 8 Mann, der ſprechendſte Beweis für die Art des Kampfes, in dem die mit dem Munde ſo tapferen Taſchnerbauern widerſtandslos unter den Streichen der Kaiſerlichen dahinſanken. Erſt gegen Abend erſchien Oberſtleutnant v. Marſchall mit ſeinen Grenadieren auf dem Schlacht⸗ feld; er fand die Blutarbeit ſchon getan und kehrte am andern Tag wieder nach Vilshofen zurück. Die Flüchtigen zerſtreuten ſich unter dem Schutz der bald einfallenden Dämmerung nach allen Richtungen. Ein Teil war gegen Griesbach abgezogen und ſtieß hier ſpät abends auf die von Jehle und Meindl herangeführten Verſtärkungen; ſie waren am Morgen von Braunau entſendet worden, vermochten aber das Schickſal des Tages nicht mehr zu wenden und marſchierten noch in der Nacht wieder nach Braunau zurück. Die Nachricht von der Schlacht verbreitete ſich wie ein Lauffeuer im Lande und rief über⸗ all lähmendes Entſetzen hervor. Und als in den nächſten Tagen viele von den gegen Vilshofen Gezogenen nicht mehr in der Heimat er⸗ ſchienen, „da war in den Gerichten Griesbach und Reichenberg, in denen über 3600 Mann abgängig waren, das Lamentieren der Weiber und Kinder nicht zu beſchreiben“. Mit der Niederlage bei Aidenbach war das Ende des Aufſtands auch im Unterland end⸗ gültig beſiegelt. |

Gemmel, der Augenzeuge der Schlacht geweſen war, hielt es nun⸗ mehr an der Zeit, mit ſeiner Vermittlung einzuſetzen. Am 11. Ja⸗ nuar erließ er aus dem Kloſter Aldersbach ein Patent an das Rent⸗ amt Burghauſen und an die Stadt Schärding: „Die löbliche Land⸗ ſchaft in Bayern hat ſchon wiederholt die in Waffen ſtehende Gemein des Rentamts Burghauſen zur Ruhe ermahnt. Die Landſchaft hat mich nun abermals beauftragt, die Bürger⸗ und Bauernſchaft wohl⸗ meinend zu erinnern, ſie möchte die Niederlagen von Waſſerburg, München und Aidenbach, wo ſo viel tauſend Landeskinder zu grund gegangen und erbärmlich maſſakriert worden ſind, zu Herzen nehmen. Sie ſollen die anrückende Gewalt nicht erwarten, ſondern ſich dem

= AE. oe

General v. Kriehbaum unterwerfen, die Waffen niederlegen und die Verzeihung und Gnade des Kaiſers erbitten. Er wird ihnen da- zu getreulich beiſtehen. Sollte aber die zum beſten des liebwerteſten Vaterlandes abzielende Abmahnung wider Erwarten nicht ver⸗ fangen, und ſollten ſie die offen ſtehende kaiſerliche Gnade außer acht laſſen, ſo müßten ſie ſich wegen des hereinbrechenden Elends ſelber anklagen; er und die löbliche Landſchaft wollten dann gegen Gott und die liebe Welt entſchuldigt ſein“.

Schärfer klangen die Worte Kriechbaums. Er hatte am 9. und 10. Januar ſeine ermüdeten Truppen in Aidenbach raſten laſſen und war am 12. Januar in Paſſau eingerückt. Von hier aus gab er am 13. Januar folgendes Patent bekannt: „Ich tue jedermann zu wiſſen, daß ich mit einem ſtarken corpo regulierter Miliz hier an⸗ gelangt bin. Ich habe den Befehl des Kaiſers erhalten, das wider alles Recht und Vernunft aufgeſtandene Rentamt Burghauſen zu überziehen und mit Feuer und Schwert zu verheeren. Ich werde zunächſt gegen Schärding marſchieren und den Befehl dergeſtalt vollziehen, daß kein Stein auf dem andern bleibt; niemand, weder Weib noch Kind, foll verſchont werden, wenn nicht die aufgeſtan⸗ denen Inwohner innerhalb 24 Stunden die Waffen niederlegen, ſich nach Haus begeben und ſich dem Kaiſer unterwerfen. Wenn dies aber geſchieht, verſpreche ich allen Untertanen kaiſerliche Gnade, Schutz und Pardon“.

Den Schärdingern ſtand das Unheil am nächſten. Der Komman⸗ dant Zwiegler gab ſich zwar den Anſchein eines tapferen Kriegs⸗ manns und wollte die Stadt verteidigen. Als würdiger Bauern⸗ führer hatte er ſich ſelbſt vom Feldwebel zum Oberſt befördert und ſich während ſeiner Kommandoführung „in Zivil⸗ und Kameral⸗ ſachen eingemengt“, das heißt, bei jeder Gelegenheit ſeine Taſchen gefüllt. Sein Anſehen in Schärding war daher gering und vorſichts⸗ halber meldete er an die Landesdefenſion, daß er ſich im Fall der Not auf die Bürger und Bauernburſchen nicht verlaſſen könne. Hatte ſchon der nichtsſagende Beſcheid des Kongreſſes vom 4. Januar wenig ermunternd auf die Bürger gewirkt, jo war durch die Ab- mahnungsſchreiben der Landſchaft ihr Eifer für die Sache der Landes⸗ defenſion noch mehr abgeflaut. Und als gar am 13. Januar das Kriechbaumſche Patent bekannt geworden war, verweigerten die Bürger dem Kommandanten rundweg ihre Mithilfe bei der Ber: teidigung des Platzes. Im Laufe des Tages ſtahl ſich dann ein Bäuerlein nach dem andern zum Rieder Tor hinaus und Zwiegler ſah nun ein, daß er auf einem verlorenen Poſten ſtehe. Noch am Abend zog er mit dem Reſt der Beſatzung, etwa 1000 Mann, über die Innbrücke nach Braunau ab. Am nächſten Morgen eilten Ab⸗ geordnete der Bürgerſchaft zu Kriechbaum nach Paſſau, um ihm die

45

Unterwerfung der Stadt anzubieten. Gie begegneten ihm auf dem Wege dorthin bet Zwicklöd und entledigten ſich ihres Auftrags. Der kaiſerliche General ſicherte ihnen Gnade und Verzeihung zu und rückte am Nachmittag in Schärding ein. Noch am Abend forderte er die Stadt Braunau zur Unterwerfung auf.

Dort war im Schoße des Kongreſſes noch immer keine Entſchei⸗ dung gefallen. Am 9. Januar früh morgens waren die Scharen Jehles und Meindls in jämmerlichem Zuſtand wieder in Braunau eingerückt und hatten über das Blutbad von Aidenbach berichtet. Aller bemächtigte ſich jetzt tiefſte Entmutigung; ſelbſt der ſo red⸗ ſelige Kongreß verſtummte angeſichts der niederſchmetternden Bot⸗ ſchaft. Aber ſchon tags darauf fand er ſeine Sprache wieder. Wohl konnte er ſich dem ungeſtümen Drängen, mit dem die Abgeordneten der Städte und Märkte die ſofortige Einleitung von Verhandlungen forderten, nicht mehr widerſetzen und ordnete die Ausführung der bereits am 5. Januar gefaßten Beſchlüſſe an. Aber für die Sinnes⸗ art des Kongreſſes iſt es bezeichnend, daß der Auftrag für die nach Salzburg beſtimmte Abordnung nur dahin lautete, die Vermittlung des Erzbiſchofs zu erbitten und einen Waffenſtillſtand zu erwirken. Von einer Unterwerfung war keine Rede., ja am gleichen Tage hat der Kongreß noch eingehend über die Aufbringung des vom Adel zu ſtellenden Dragonerregiments und über ein großes Anlehen be⸗ raten. Man verſchloß ſich mit Gewalt der rauhen Wirklichkeit. Am 11. Januar reiſte endlich die Abordnung, zu der Paumgarten, der Prälat von Ranshofen und der Bürgermeiſter Dürrnhart von Braunau beſtimmt wurden, nach Salzburg ab. Prielmayr, der Bürgermeiſter Harter und der Bauer Naglſtätter ſchloſſen ſich ihr in Burghauſen an. In unheimlicher Stille ſchlichen die nächſten Tage dahin. Da wurde am Abend des 14. Januar bekannt, daß kaiſerliche Truppen bereits in Schärding eingerückt ſeien und noch in ſpäter Nachtſtunde überbrachte ein Poſtreiter das Patent Kriechbaums, die Aufforderung zur Übergabe und die Antwort auf Tattenbachs Brief, in der Kriechbaum jede Art von Verhandlung auf das Beſtimmteſte ablehnte. on

Der Morgen des 15. Januar jah Kongreß und Bürgerſchaft in hellſter Aufregung. Die Bürger, durch die Drohungen Kriechbaums vollſtändig eingeſchüchtert, waren zur Unterwerfung bereit, die Wort⸗ führer des Kongreſſes aber zum Widerſtand entſchloſſen. Aber alle Bemühungen d Ocſorts, fie von der Ausſichtsloſigkeit weiterer Gegen- wehr zu überzeugen, ſcheiterten an ihrem Starrſinn. D'Ocfort ver- ſicherte ſich nun ſchnell im geheimen des Einverſtändniſſes der Bür⸗ gerſchaft und ſetzte mit kühnem Wagemut alles auf eine Karte. Er ſtellte den Bauernführern vor, daß man, wenn man den Kampf auf⸗ nehmen wolle, am beiten den Kaiſerlichen entgegenrüde, weil da⸗

a AG we

durch die Stadt beſſer verteidigt und die eigene Übermacht wirk⸗ ſamer zur Geltung käme. Der Vorſchlag leuchtete den Bauernführern ein und am Mittag des 15. Januar zog d'Ocfort mit der an 4000 Mann ſtarken Beſatzung aus und beſetzte die zwiſchen Braunau und der Mattig gelegenen Höhen und die über dieſen Bach führenden Übergänge. Unter dem Vorwand, gegen Schärding zu erkunden, ent⸗ fernte er ſich dann vom Bauernheer, kehrte eilends in die Stadt zu⸗ rück und traf hier die mit den Bürgern vorher ſchon verabredeten Maßnahmen. Die Zugbrücken wurden aufgezogen, die Tore ge⸗ ſchloſſen, die Wälle mit ſtarken von den Bürgern geſtellten Wachen beſetzt und die Geſchütze feuerbereit gemacht. D'Ocforts Anordnun⸗ gen waren kaum vollzogen, als gegen Abend die frierenden und hungrigen Bauern wieder vor den Toren erſchienen und Einlaß begehrten. Er wurde ihnen verweigert und zu ſpät erkannten ſie, daß ſie das Opfer einer Liſt geworden ſeien. Verbittert gaben ſie jetzt ihre Sache verloren; die meiſten ſuchten auf Umwegen ihre Heimat auf, froh, wenigſtens das nackte Leben gerettet zu haben. Kleinere Gruppen führten noch einige Wochen lang im Weilhart und im Kobernauſer Wald ein Freibeuterleben, bis ſie von den kaiſerlichen Reitern aufgeſtöbert und auseinandergetrieben wurden. Während dieſer Vorgänge im Süden der Stadt hatte ſich im Laufe des Tages ein anſehnlicher Bauernhaufen auch am nördlichen Inn⸗ ufer bei Simbach angeſammelt. Es waren Flüchtlinge von Aiden⸗ bach, die von Zwiegler geführten Reſte der Beſatzung von Schärding und neu eingetroffene Verſtärkungen aus dem Alztal. In der Ab⸗ ſicht, ſich mit den in Braunau ſtehenden Landesverteidigern zu ver⸗ einigen, verlangten ſie die Offnung des Innbrucktores und waren höchlich überraſcht, als ſie mit barſchen Worten zum Verlaſſen des Feſtungsbereichs aufgefordert wurden, widrigenfalls ſie „ein feind⸗ liches Traktament“ zu gewärtigen hätten. In Unkenntnis von den Ereigniſſen in der Stadt, von einem Angriff der auf Neuötting vorrückenden Kaiſerlichen bedroht und ohne Befehle der Landes⸗ defenſion ſich ſelbſt überlaſſen, war der Entſchluß der Führer zum Auseinandergehen bald gefaßt. Noch in den Abendſtunden verlief ſich der ganze Haufen.

Indeſſen hatten die Bürger ihr Schickſal ſelbſt in die Hand genom⸗ men. Bürgermeiſter und Rat richteten am Nachmittag ein Schreiben an Gemmel: „Wir wiederholen unſere Bitte um Generalamneſtie und um Schutz vor den wütenden Soldaten. Wenn die kaiſerlichen Truppen anrüden, wird ſich die Bürgerſchaft nicht im geringſten widerſetzen, ſondern ſie als Beſatzung einlaſſen. Man hat bereits die Veranſtaltung getroffen, daß das Bauernvolk den Platz geräumt hat, und daß die, welche ſich noch haufenweiſe außerhalb der Feſtung befinden, nicht mehr hereingelaſſen werden“. Dieſes Abrücken der

rn AT A

Bürgerſchaft brachte endlich auch die Häupter der Landesdefenſion zur Beſinnung und zum Einlenken. Am ſpäten Abend dieſes ereig⸗ nisreiden Tages baten fie Kriechbaum um fünf Tage Aufſchub, um die eingeleitete Vermittlung des Erzbiſchofs von Salzburg wirkſam werden zu laſſen. Kriechbaums ſcharfe Abſage traf bereits am 16. Januar früh in Braunau ein: „Ich gebe nicht eine Stunde Auf⸗ ſchub. Wenn ich vor die Stadt komme und mir nicht die Schlüſſel der Stadt entgegen getragen werden, wird die Stadt zu einem Stein⸗ haufen gemacht und das Kind im Mutterleib nicht geſchont werden“. Gegenüber einer ſolchen Sprache ſchwiegen nun auch die größten Schreier, und die Ruhe des Kirchhofs breitete ſich dort aus, wo wochenlang das Klirren der Waffen ſich mit kriegeriſchen Reden gemiſcht hatte. Mit Bangen ſah man dem Eintreffen Kriechbaums entgegen. Am 17. Januar mittags erſchien er mit ſeinen Truppen vor dem Rieder Tor, wo ihm der Rat feierlich die Schlüſſel der Stadt überreichte und die Bewohner der Gnade des Kaiſers empfahl. Kriechbaum ſicherte ſie zu. Braunau, der Sitz der Landesdefenſion, war wieder kaiſerlich geworden.

Näher und näher zog fi nun das Gewitter um Burghauſen au: ſammen. Auch hier war der Schlag von Aidenbach der Bürgerſchaft und der Bauerngemein gewaltig in die Glieder gefahren, am meiſten wohl den Herren Räten der Regierung. Laut hämmerte in ihren Buſen das ſchlechte Gewiſſen und die Angſt vor dem, was nun werden ſollte. Am 14. Januar erhielt die Regierung Kenntnis von den jüngſten Patenten Kriechbaums und Gemmels. Sie beeilte ſich nicht nur, dieſelben den Gerichten bekannt zu machen, „fiat die ſchleunigſte Expedition“ hatte der Vizedom eigenhändig auf dem Entwurf vermerkt, ſondern ſie veranlaßte auch den Magiſtrat, eine Verſammlung der Bürger und Bauern einzuberufen, bei der die Regierungsräte von Imhof und Leitner die beiden Kundgebungen verlaſen und die Lage in den ſchwärzeſten Farben malten. Aber ſie erzielten damit bei der Gemein keinen beſonderen Eindruck und von einer Nachgiebigkeit war nichts zu ſpüren; man wiffe ja noch gar nicht, hieß es, ob die Schärdinger und Braunauer ſich zu wehren gedächten; man werde ſich darnach erkundigen und dann weitere Entſchlüſſe faſſen. Während die Verſammlung noch darüber beriet, traf die Nachricht ein, daß ſich ſeit zwei Tagen kaiſerliche Truppen bei Waſſerburg verſammeln. Niemand konnte zweifeln, daß dieſe neue Bedrohung der Stadt Burghauſen gelte, und es fiel Leitner nicht ſchwer, jetzt eine gründliche Sinnesänderung herbeizuführen. Die Gemein entſchloß ſich zur Unterwerfung und bat die Regierung, dies der Adminiſtration mitzuteilen und den bereits am 5. Dezember von de Wendt verſprochenen Generalpardon zu erbitten. Im Gegen⸗ ſatz jedoch zu der Abſicht, ſich zu unterwerfen, hielt es die Gemein

48

für notwendig, einen Kommandanten für Burghauſen zu ernennen und begehrte hiezu den Regierungsrat Grafen v. Tauffkirchen. Dieſer lehnte aber das gefährliche Amt mit aller Entſchiedenheit ab. Wher die Bauern beſtanden auf ihrer Forderung und drohten, wie immer, bei fernerer Weigerung mit Totſchlag und Plünderung. Da legte ſich die Regierung ins Mittel und drang in Tauffkirchen, ſich dem Verlangen der Gemein zu fügen. Sie wird ihm wohl vertraulich geſagt haben, daß ſeine Tätigkeit als Kommandant nur von kurzer Dauer ſein werde, da allen Anzeichen nach eine kampfloſe Übergabe in den nächſten Tagen unvermeidlich ſei. Tauffkirchen erklärte ſich dann bereit und legte den Eid auf die Landesdefenſion ab. Tags darauf verdüſterte ſich die Lage noch mehr. Schon am frühen Morgen marſchierten 300 Bauern durch Burghauſen nach Braunau und be⸗ richteten, daß ſie geſtern abend ihre Stellung an der Kraiburger Innbrücke vor den von Waſſerburg anrückenden Kaiſerlichen hätten räumen müſſen. Die Bekanntgabe zweier Briefe des Adminiſtrations⸗ ſekretärs v. Unertl an den Rentmeiſter v. Widmann brachte neue Beſorgniſſe. Sie enthielten die Mitteilung von den Anmarſch würt⸗ tembergiſcher Truppen und den dringenden Rat, fiH ſofort zu unter- werfen, wenn man noch auf Gnade und Generalpardon hoffen wolle. Und als gar noch die Nachricht von der Übergabe Schärdings ſich verbreitete, da trat den Bürgern und Bauern der ganze Ernſt der Lage vor Augen. Angſt und Kleinmut fraßen an ihren Herzen und trieben ſie zu dem Beſchluß, die Friedensverhandlungen nunmehr mit allen Mitteln zu beſchleunigen. Schreiben der Regierung und der Gemein ergingen an die Adminiſtration, an Gemmel und an die Landſchaft mit der nochmaligen Erklärung der Unterwerfung und der Bitte um Generalpardon. Die wirkſamſte Hilfe aber er⸗ wartete man vom Erzbiſchof von Salzburg und die geſamte Gemein richtete an ihn eine de⸗ und wehmütige Bittſchrift, in der die nieder⸗ geſchlagene Stimmung ſich recht deutlich widerſpiegelt. „Wir ſind nunmehr willig und bereit, allſogleich die Waffen niederzulegen und Tür und Tor zu öffnen. Wir wollen in unverbrüchlicher Treue in der kaiſerlichen Devotion verharren und nach Kräften alles leijten, was den Untertanen zuſteht. Auch bitten wir, der Erzbiſchof möge durch ſeine Vermittlung beim Kaiſer Verzeihung und Vergeſſung des Geſchehenen und einen Generalpardon erwirken“ Seltſame Töne aus dem Munde derer, die wochenlang mit den Kriegstreibern durch dick und dünn gegangen waren und noch vor wenigen Stunden jede gütliche Übereinkunft verſchmäht hatten.

Als am 16. Januar noch keine Antwort von der Adminiſtration eingelaufen war, wurde die Auffaſſung wieder zuverſichtlicher und unter dem Einfluß des immer noch weiter ſchürenden Sallinger ver⸗ maß ſich die Gemein ſogar, in einer Denkſchrift an die Regierung,

49

ihre Unterwerfung an Bedingungen zu knüpfen, die geradezu heraus» fordernd wirken mußten. Die Gemein wiederholte zwar ihre Bereit⸗ willigkeit, die Waffen niederzulegen und ſich dem Kaiſer zu unter⸗ werfen; ſie forderte den Generalpardon aber auch für Fahnenflüch⸗ tige, Befreiung der Bürger⸗ und Bauernſöhne vom Kriegsdienſt und Erleichterung der Steuern und Kriegsauflagen. Um über dieſe Punkte verhandeln zu können, ſollte die Regierung bei der Admi⸗ niſtration einen Waffenſtillſtand, ſowie die Beſtimmung eines Ortes erwirken, wo man „zur Ausmachung der Sachen“ zuſammentreten könne. Es waren die Gedankengänge aus der Zeit des Kongreſſes von Anzing. Die Regierung übermittelte dieſes Schreiben noch am gleichen Tage ohne Zuſatz an die Adminiſtration; fie wußte, daß es jetzt nichts mehr „auszumachen“ gab. Bald ſtiegen neue Nöte auf. Unter den Mannſchaften des in der Stadt liegenden Regiments „Prinz Philipp“ war Uneinigkeit entſtanden. Viele erkannten, daß die Lage in Burghauſen gefährlich werde und wollten nach Hauſe gehen. Doch es gab auch ſolche, die nichts zu verlieren hatten; fie konnten ſich mit dem Gedanken, daß das bisher auf Koſten der Bürger geführte ſchöne Leben nun ein Ende haben ſolle, durchaus nicht befreunden und waren, wenigſtens mit dem Munde, bereit, Widerſtand zu leiſten. Wohl bemühte ſich die Bürgerſchaft, durch Zureden und Austeilung von Liebesgaben die Aufwiegler zu be⸗ ſänftigen; aber die hitzigen Burſchen wurden dadurch nur noch widerſpenſtiger und drohten ſogar mit Plünderung der Stadt. Da griff Tauffkirchen ein. Am Abend des 16. Januar ließ er das Regi⸗ ment auf dem Stadtplatz zum Appell antreten und ſprach zu den Soldaten: „Leute! Der Feind rückt von allen Seiten auf Burg⸗ hauſen an und wir müſſen uns jetzt wehren. Es ſind aber viele unter euch, die nur gezwungen mitgegangen find; andere müſſen befürchten, daß ihnen Haus und Hof in Rauch aufgeht, weil ſie die Heimat verlaſſen haben. Wer heimgehen will, ſoll ſich melden, denn in der Stadt muß man wiſſen, auf wieviele Leute man bei der Ver⸗ teidigung ſicher rechnen kann“. Tauffkirchens Worte wurden von der Mannſchaft beifällig aufgenommen. Aber auch Widerſpruch und Murren ging durch die Reihen und man hörte ſagen, wer weggehe, ſolle auf der Stelle erſchoſſen werden. Ja, ein Korporal ging auf Tauffkirchen zu und ſchmähte ihn in frechem Ton, weil er ſich nicht wehren wolle. Da brüllte ihn Tauffkirchen an: „Kerl, ich will dich lehren, wie man einem Kommandanten begegnet“, und ſchlug dem Korporal mit ſeinem Stock über den Kopf, daß ihm Hören und Sehen verging. Laut jammernd lief dieſer wieder zum Haufen Au: rück und ſchrie: „Alles iſt verkauft und verraten; der Kommandant iſt auch ein Schelm und will ſich nicht wehren“. Der Vorgang hatte auf die Maſſe den ſtärkſten Eindruck gemacht und ihr gezeigt, daß , 4

50

jetzt ein anderer Wind wehe. Und da die Aufforderung Tauff⸗ kirchens zum Auseinandergehen der Abſicht der Mehrheit entgegen kam, löſte ſich die Spannung ſehr bald; die Mannſchaften legten die Gewehre nieder, nahmen Sold und Kommißbrot in Empfang und zogen noch am Abend truppweiſe ihrer Heimat zu. Das Regiment „Prinz Philipp“ hatte zu beſtehen aufgehört. Wie von einem Alp befreit, atmete die Bürgerſchaft auf, als gleichzeitig mit den Sol- daten auch die Wortführer der Bauerngemein, die neun Wochen lang der Regierung und den Bürgern ihre rohe Herrſchaft hatten ſpüren laſſen, die Stadt verließen. Voll Sorge und Ungewißheit verbrachten die Bürger den nächſten Tag. Am 18. Januar früh über⸗ gab ein reitender Bote der Wache an der Salzadyhrüde die Auf: forderung Kriechbaums, „ſich nach dem Beiſpiel von Schärding und Braunau dem Kaiſer zu Füßen zu werfen; wenn die Stadt ſich nicht bis 12 Uhr mittags erklärt habe, würde eine kaiſerliche Gnade nicht mehr ſtattfinden, ſondern die Stadt und alles, was darinnen iſt, Mann, Weib und Kinder, mit Feuer und Schwert verheert werden“. Wenige Stunden ſpäter traf auch die Antwort der Adminiſtration auf die Anträge vom 16. Januar ein: „Es iſt jetzt nicht an der Zeit, mit den aufgeſtandenen Burſchen zu unterhandeln und ihnen einen Waffenſtillſtand zu gewähren. Zur Erlangung der kaiſerlichen Gnade iſt kein anderer Weg mehr, als daß man die feſten Plätze abtrete und die Waffen niederlege. Die Regierung und die auf⸗ geſtandenen Burſchen ſollen ſich deshalb an General v. Kriechbaum wenden“. Das waren deutliche Worte! Bürger und Bauernſchaft ſahen nun keinen Ausweg mehr und beſtürmten den Vizedom, ſich mit einer Abordnung zu Kriechbaum nach Braunau zu begeben und ihm die Unterwerfung der Stadt anzubieten. Es geſchah. Der Sieger von Aidenbach überhäufte die Burghauſer mit den ſchwerſten Vor⸗ würfen, aber er nahm die Unterwerfung an und gewährte den erbetenen Pardon. Mittlerweile hatte ſich das Schickſal der Stadt er⸗ füllt. Gegen Mittag war die von Neuötting her anrückende Heeres⸗ abteilung des Oberſten Hochberg vor dem oberen Tor erſchienen und um 1 Uhr nachmittags ohne Schwertſtreich in die Stadt ein⸗ gerückt. Die letzte Hochburg des Aufſtands war gefallen. Am 19. Januar ließ Kriechbaum durch die Regierung folgendes Patent bekanntgeben: „Allen, die ſich der landesverderblichen Re⸗ bellion ſogleich entziehen und nach Hauſe gehen, wird die kaiſer⸗ liche Gnade zugeſprochen. Wer ſich noch beim rebelliſchen Haufen befindet und ſich auf dieſe Mahnung hin nicht nach Hauſe begibt, ſoll ohne weitere Gnade mit Feuer und Schwert verheert werden. Bürger: und Bauernſöhne, Knechte und ledige Handwerksburſchen ſollen künftighin nicht mehr zu Kriegsdienſten gezwungen werden“.

= Gi =

Inzwiſchen hatte aud die Vermittlung des Erzbiſchofs von Salz⸗ burg ihre Früchte getragen. Der von ihm nach Wien entſandte Ge⸗ heime Rat Dreer hatte eine am 27. Januar ergangene Verordnung des Kaiſers erwirkt, in welcher die Adminiſtration angewieſen wurde, „dem gemeinen Landvolk, das die Waffen bereits nieder⸗ gelegt und ſich nach Hauſe begeben hat, die Verzeihung alles Ver⸗ gangenen ohne Vorbehalt einiger Beſtrafung kundzumachen und alle Feindſeligkeit einzuſtellen“. Nicht aber konnte ſich der Kaiſer dazu verſtehen, den Pardon auch auf „die Häupter des Aufitandes, die Mitglieder der Burghauſer Regierung, den Frh. v. Leyden und andere Bürger, die ſich zu Direktoren der Landesdefenſion hatten gebrauchen laſſen“, auszudehnen. Ihnen wurde zwar die verwirkte Lebensſtrafe nachgeſehen, nicht aber eine Unterſuchung ihres wäh- rend des Aufſtands bezeigten Tun und Handelns. Nachdem bereits durch das Patent Kriechbaums vom 19. Januar der Generalpardon für das Rentamt Burghauſen verkündet worden war, erging unter dem 5. Februar ein gedrucktes Mandat der Adminiſtration, das allen Bürgern und Bauern und auch den abgedankten bayeriſchen Soldaten, nicht aber den Haupträdelsführern die Verzeihung „ihres ſo boshaften Unternehmens“ zuſicherte und die Hoffnung ausſprach, „daß nun jeder ſich ohne Scheu nach Haus begebe, ſich dort ruhig aufhalten und ſeiner Wirtſchaft abwarten möge“.

Damit hatte der Aufſtand ſein Ende gefunden. Das mit ſo großen Hoffnungen begonnene Unternehmen war kläglich und ruhmlos zu⸗ ſammengebrochen.

III. Folgen des Aufftandes.

Ein ſchweres Aufatmen durchzog die Bruſt des Grafen Löwen⸗ ſtein. Mit vieler Mühe war es endlich gelungen, des Aufſtands Herr zu werden und das kaiſerliche Anſehen im Lande wieder auf⸗ zurichten. Im Volk freilich ſchwelte ein ſchlecht verborgener Groll über die Mißgunſt des Schickſals weiter und am 28. Januar 1706 mußte der Adminiſtrator dem Kaiſer melden: „Die Splitter der im Herzen ſteckenden Deſperation ſind noch nicht völlig herausgezogen und die Wunden des jüngſthin vorgeſchwebten Exempels noch nicht geheilt“. Dem kaiſerlichen Willen gemäß fand eine Beſtrafung des zur Teilnahme am Aufſtand verführten Landvolks nicht ſtatt. Scharf aber griff die Adminiſtration gegen die Führer ein, ſie ſollten der ganzen Strenge des Geſetzes verfallen. Die getroffenen Maßnahmen gewähren nicht nur bemerkenswerte Einblicke in die Rechtspflege

4*

52

der damaligen Zeit; ſie erzählen auch von den Lebensſchickſalen jener Männer, die beim Aufſtand als Führer hervorgetreten ſind und verdienen daher, eingehender geſchildert zu werden.

Mit beſonders ſchwerer Schuld beladen ſchien die Regierung in Burghauſen. Galt es doch in München als ausgemacht, daß ihre Räte ſich der Aufſtandsbewegung nicht nur unter dem Druck der Bauern, ſondern freiwillig und mit innerer Anteilnahme ergeben hatten, und daß hauptſächlich die Mitwirkung der Regierung dem Aufſtand ſolche Kraft und Ausdauer verliehen habe. Die Darſtel⸗ lung der Ereigniſſe hat ergeben, daß dieſe Auffaſſung nicht der Wirklichkeit entſpricht. Aber vom Standpunkt der Adminiſtration aus war ſie verſtändlich. Von allen Fehlern und Unterlaſſungen mußte in dem Bruch des dem Kaiſer geleiſteten Treueides das ſchwerſte Vergehen erblickt werden, und man kann es dem Grafen Löwenſtein nicht verdenken, wenn er jede weitere Zuſammenarbeit mit dem des Hochverrats ſchuldigen Räten ablehnte. „Die Räte in Burghauſen ſind alle miteinander nichts wert und man kann keinen bei der Ratsſtelle laſſen“ hat er einmal geäußert. Bereits am 8. Februar erging ein Erlaß der Adminiſtration: „Obwohl die Regierungsmitglieder wider die Perſon des Kaiſers auf vielerlei Weiſe höchſt ſtrafbar gehandelt und dadurch verwirkt haben, daß ſie mit einem förmlichen Kriminalprozeß verfolgt und beſtraft wer⸗ den, wird dieſer Prozeß in Gnaden erlaſſen, jedoch folgende einſt⸗ weilige Ahndung verfügt: Sämtliche Regierungsmitglieder, abge⸗ ſehen die Räte Oxle und Megerle, werden ihrer Stellen entſetzt“. Die Räte konnten darüber wohl nicht im Zweifel ſein, daß ſie für ihr Tun und Laſſen während des Aufſtands zur Rechenſchaft ge⸗ zogen würden. Aber auf dieſe ſcharfe Maßregelung waren ſie doch nicht gefaßt. Als ſie ſich von dem erſten Schreck erholt hatten, ließen ſie eine Rechtfertigungsſchrift an die Adminiſtration ergehen, in der He beteuerten: „Die Regierung ift während der abgelaufenen Un- ruhen in ihren Entſchlüſſen nicht frei geweſen; ſie war vielmehr in ſtändige Leib⸗ und Lebensgefahr verſetzt. Denn nachdem die ver⸗ wilderte Bauernſchaft geſehen hatte, daß wir ihre widerſinnigen Forderungen zu umgehen verſuchten, haben ſie es auf offenbare Gewalt ankommen laſſen. Das haben mehrere Räte, beſonders aber der Kaſtner v. Prielmayr wiederholt erfahren müſſen. Die hitzigen Bauern haben ſie mit Streichen und Rippenſtößen traktiert und ihnen die Piſtolen auf die Bruſt geſetzt. Immer mußten wir hören, daß man die Regierungsräte totſchlagen ſoll. Die Verpflichtung auf die Landesdefenſion haben wir eingeſchränkt durch die Worte: „Was der Regierungsfunktion anhängig iſt“. Wir haben darin keine Ver⸗ letzung des dem Kaiſer geleiſteten Treueids erblickt und wir bitten, daß wir von der kaiſerlichen Gnade nicht ausgeſchloſſen werden“.

we, J e

Die Adminiſtration würdigte den Erguß keiner Antwort, jondern beauftragte unter dem 10. Februar 1706 den Hofrat Ferdinand Joſeph Herwart Graf v. Hohenburg, die Regierung von Burghauſen zu übernehmen.

Das Verhalten der Burghauſer Regierung während des Auf⸗ ſtandswinters kann unter keinen Umſtänden entſchuldigt werden. An ihrer ehrlichen Abſicht, eine friedliche Beendigung des Auf⸗ ſtands herbeizuführen, darf man freilich nicht zweifeln. Auch die Schwierigkeiten, die ihr durch den Druck der Bauern erwuchſen, ſollen nicht verkannt werden. Aber die Räte waren ja an der Ent⸗ wicklung der Dinge ſelbſt ſchuld. Ein kräftiges Nein, geſprochen zu einer Zeit, in welcher der Machtdünkel der Bauern noch nicht ſo hoch ins Kraut geſchoſſen war, hätte ſich als das beſte Vorbeugungs⸗ mittel gegen die mit Gewißheit zu erwartenden Widerwärtigkeiten erwieſen. Gerade durch die ſchwächliche Nachgiebigkeit gegenüber den Forderungen der Bauern wurde aber deren Begehrlichkeit immer noch mehr geſteigert, bis ſchließlich die Verpflichtung der Regierung auf die Landesdefenſion dem ganzen die Krone auf⸗ ſetzte. Aber auch die Klugheit und Menſchenkenntnis der Räte er⸗ ſcheint in wenig günſtigem Licht. Schon Ende November hätte das Ungeſtüm, mit dem die Bauern ihre Forderungen bei der Regierung vorbrachten, zu denken geben ſollen. Noch deutlicher ließ die Weige⸗ rung der Braunauer Führer, ſich an den Verhandlungen in Anzing zu beteiligen und die Ablehnung der dort getroffenen Abmachungen die Unmöglichkeit erkennen, auf die Bauern mäßigend einzuwirken oder gar ihre Entſchlüſſe entſcheidend zu beeinfluſſen. Auch wäre es wirklich nicht ſchwer geweſen, die Abſicht Plinganſers zu durch⸗ ſchauen, der die Regierung mit der Verantwortung für die Weiter⸗ führung des Aufſtands belaſten wollte. Dieſes Ränkeſpiel mußte durchkreuzt werden, auch gegenüber den ärgſten Drohungen der Bauern. Bei der ſprichwörtlichen Gutmütigkeit des Volkscharakters darf man wohl mit Sicherheit annehmen, daß es auch in den Augen⸗ blicken der höchſten Erregung nicht zum äußerſten gekommen wäre. Die ſpäter dann immer mehr ſich zuſpitzende Lage wies klar darauf hin, von den Bauern abzurücken und die Beilegung des Streites durch Zuſammenarbeit mit der Adminiſtration zu verſuchen. Die Regierung hat aber immer nur mit den Bauern verhandelt und es gefliſſentlich unterlaſſen, die Verbindung mit der Adminiſtration aufzunehmen. Ein unſeliges Geſchick hat den Männern, die durch ihre Stellung und ihre Bildung berufen geweſen wären, zu handeln, Mut, Selbſtvertrauen und Verantwortungsfreudigkeit verſagt. Sie haben ſich bis zuletzt von den Ereigniſſen treiben laſſen und ſie tragen zum großen Teil mit die Schuld an dem unglücklichen Ende.

Der Amtsentſetzung der Regierungsmitglieder folgte am 11. Fe⸗

a BA,

bruar die Dienſtenthebung Leydens. Da er als Landrichter von Schärding kaiſerlicher Beamter war, konnte ihm das Los feiner Burghauſer Amtsgenoſſen nicht erſpart bleiben.

Als erſter ſühnte Mathias Kraus von Kelheim das Verbrechen, das er ſich gegen die geheiligte Majeſtät des Kaiſers hatte zu Schulden kommen laſſen. Das gegen ihn gefällte Urteil wurde ſchon erwähnt. Am 17. März 1706 rollte vor dem Altmühltor in Kelheim ſein Kopf in den Sand. Sein Körper wurde gevierteilt und ſtück⸗ weiſe vor den Stadttoren an Ketten aufgehängt. Auf der Richt⸗ ſtätte ließen ſeine Gegner eine Tafel mit der Inſchrift anbringen:

Ich wählt' anſtatt des Beils mir den Kommandoſtab,

Und gab das Schlachten auf als oberſter Rebelle.

Jedoch der Henker trat ſogleich an meine Stelle

Und legt' ein Meiſterſtück im Schlachten ab. Die Zerſtörung ſeines Hauſes iſt unterblieben. Draufgängertum und Mißmut über die Zeitläufte haben Kraus zur Teilnahme am Auf⸗ ſtand verleitet. Größenwahn und Leichtſinn ließen ihn die Schwie⸗ rigkeiten eines Unternehmens verkennen, das auch bei beſſerer Vor⸗ bereitung und Führung niemals Ausſicht auf dauernden Erfolg gehabt hätte. Kraus hat für fein Tun ſchwer büßen müſſen. Sein Ende erweckt alle menſchliche Teilnahme, aber nach Recht und Geſetz hatte er als Rädelsführer ſein Leben verwirkt. Das gegen die übrigen Kelheimer „Übeltäter“ erlaſſene Urteil wurde nicht voll: ſtreckt. Das Gnadengeſuch der Landſchaft vom 23. Dezember 1705 hatte beim Kaiſer Gehör gefunden. Bezeichnend für die Denkweiſe der Zeit iſt folgendes Vorkommnis. Krauſens Witwe führte nach dem Tode ihres Mannes das Geſchäft fort. Weil nun der Ehemann der Zunftgenoſſin „auf dem Schinderkarren zum Galgen geführt und durch den Scharfrichter malefiziſch hingerichtet wurde“, hielt das Handwerk der Metzger ſeine Berufsehre für verletzt und ver⸗ langte vom Rat, es ſolle der Klara Kraus verboten werden, Fleiſch auszuſchlagen und zu verkaufen. Der Rat hatte aber mit „der armen Tröpfin“ ein Einſehen und genehmigte der Klara Kraus auch weiterhin das Mebgern.

Anfangs Mai 1706 wurde dann in Burghauſen eine eigene „In⸗ quiſitionskommiſſion“ unter dem Vorſitz des Grafen v. Seeau ein⸗ geſetzt, die am 26. Mai ihres Amtes zu walten begann. Sie ver⸗ legte den Schwerpunkt der Unterſuchung darauf, die Gründe, Ab- ſichten und treibenden Kräfte des Aufſtands kennen zu lernen. Die übereinſtimmenden Ausſagen der in großer Zahl verhafteten Per⸗ ſönlichkeiten gingen dahin, daß der eigentliche Anlaß zum Aufſtand die Zwangsaushebung geweſen iſt. Sie ließen aber auch erkennen, „daß der Aufſtand anfangs nur ein bloßes, unüberlegtes Bauern⸗ werk war, und daß erſt nach den Anfangserfolgen andere Gedanken

Cat GER. ee

aufſtiegen, die dahin gerichtet waren, dem Kaiſer Ziel und Maß in der Verwaltung des Landes vorzuſchreiben oder gar das Land der kaiſerlichen Herrſchaft wieder zu entziehen und die Regierung durch die Kongreßdeputierten, zwar nicht für ſich, ſondern für den zum Regenten zu wählenden Kurprinzen ausüben zu laſſen“. Es zeigte ſich ferner, daß die „anderen Gedanken“ erſt mit dem Zuſammen⸗ tritt des Kongreſſes in den Vordergrund getreten waren. Die Be⸗ deutung des Kongreſſes für die Weiterführung des Aufſtands lag alſo offen zutage. Da, wenigſtens nach außen hin, die Leitung des⸗ ſelben in den Händen der adeligen Abgeordneten und der Regie- rung lag, mußten enge Beziehungen zwiſchen den Urhebern des Kongreſſes und der Regierung vermutet werden. Es war bekannt, daß Jehle in ſeinem Einladungsſchreiben ausdrücklich das Erſcheinen von Regierungsmitgliedern beim Kongreß in Ausſicht geſtellt hatte; dies war ihm alſo offenbar von amtlicher Seite vorher zugeſagt worden; denn von ſich ſelbſt aus hätte Jehle dieſe Ankündigung wohl kaum in das Ausſchreiben aufnehmen können. Zudem hatte Plinganſer bereits am 17. Dezember nachmittags, alſo zu einer Zeit, wo von einem Kongreß noch niemals die Rede geweſen war, von der Regierung einen diesbezüglichen Hinweis erhalten. Dieſe Zuſammenhänge aufzuhellen, ließ ſich die Kommiſſion beſonders angelegen ſein, und die Verhöre brachten auch volle Klarheit. Der zuerſt vernommene Jehle, der die Ausſchreibungen zum Kongreß hatte ergehen laſſen, behauptete, daß er den Auftrag hiezu von Prielmayr erhalten habe. Im Widerſpruch damit ſagte Prielmayr bei ſeiner erſten Vernehmung aus, er wiſſe überhaupt nicht, wer zum Kongreß eingeladen habe. Dann änderte er ſeine Angabe da⸗ hin, er ſei durch einen Befehl der Regierung dazu veranlaßt worden, mit Jehle wegen einer Zuſammenkunft zu ſprechen. Darauf wurde ihm entgegengehalten, ſeine Beſprechung mit Jehle habe ja ſchon viel früher ſtattgefunden. Prielmayr wollte ſich aber deſſen nicht erinnern. Nun wurde ihm Jehle gegenübergeſtellt, der unter Er⸗ wähnung aller begleitenden Umſtände darauf beſtehen blieb, er ſei von Prielmayr ausdrücklich gebeten worden, von Mattighofen, Mauerkirchen und Schärding Leute nach Braunau zu beordern. Durch dieſe Ausſagen Jehles zur nochmaligen Gewiſſenserforſchung angeregt, hat Prielmayr ſchließlich doch die Möglichkeit zugegeben, „er habe dem Jehle aufgetragen, er ſolle die Leute eventualiter zuſammenrufen“. Deler verunglückte Verſuch, durch Vorſchützen von Unwiſſenheit und Mangel an Erinnerungsvermögen die Urheber⸗ ſchaft des Kongreſſes in Abrede zu ſtellen und die Verantwortung auf Jehle abzuwälzen, trübt nicht nur das ſonſt ſympathiſche Cha⸗ rakterbild Prielmayrs, ſondern hat auch die von der Unterſuchungs⸗ kommiſſion längſt gehegten Vermutungen beſtätigt. War ſomit be⸗

56

wieſen, daß der Kongreß von Braunau auf Betreiben der Regie⸗ rung von Burghauſen zuſammenberufen wurde, ſo lag für die Anterſuchungskommiſſion die Folgerung nahe, daß auch die Regie- rung das Ziel zu verwirklichen wünſchte, das den Führern des Auf⸗ ſtands von Anfang an vorgeſchwebt hatte, die Befreiung des Landes von der Fremdherrſchaft. Und das war Hochverrat.

Eine große Bedeutung hat die Unterſuchungskommiſſion auch der Frage über das Zuſtandekommen der Beſchwerdeſchrift an den Reichskonvent in Regensburg beigemeſſen. Die Adminiſtration hatte die Schrift arg in übel genommen, nicht nur wegen der ſchweren Beleidigungen, die darin gegen die Perſon des Kaiſers ausge⸗ ſprochen waren, ſondern auch deshalb, weil die Denkſchrift die in Bayern herrſchenden Zuſtände aller Welt bekannt gemacht und die Beweggründe für den Aufſtand aufgedeckt hatte. Die Unterſuchung ergab, daß der urſprüngliche Sinn und Worlaut der vom Sekretär Hagen entworfenen Schrift nicht nur unter dem Druck der Bauern, ſondern ſchon vorher durch die Regierungsmitglieder eine weſent⸗ liche Verſchärfung erfahren hatte; der gegen die Räte erhobene Vorwurf, durch ihre Zuſätze eine Animoſität gegen den Kaiſer be⸗ wieſen zu haben, war daher nur zu berechtigt. Als die Räte merkten, daß ihnen aus dieſer Sache ein beſonders dicker Strick gedreht werde, verſuchten ſie, den harmloſen Hagen für die Denkſchrift verantwort⸗ lich zu machen. Dieſer ſetzte ſich aber kräftig zur Wehr und legte in einer durchaus ſchlüſſig abgefaßten Verteidigungsſchrift den wahren Sachverhalt klar. „Die Schuld, welche die Regierungsräte ſelbſt im Buſen tragen, ſoll jetzt hinumgeſpielt werden, als ob ich das Waſſer trüb gemacht hätte, da doch die Regierung oben am Fluß, ich aber am unterſten Ende ſtehe“, ſchreibt er in ſeiner mit vielen köſtlichen Redewendungen geſpickten Schrift. |

Anfang Auguſt 1706 ſchloß die Unterſuchungskommiſſion in Burg⸗ hauſen ihre Tätigkeit ab und am 9. Auguſt berichtete die Admini⸗ ſtration über das Ergebnis derſelben und über die von der Kom⸗ miſſion beantragten Strafen an den Kaiſer. Beſonders hart be⸗ kamen die beim Kongreß hervorgetretenen Männer die Schwere ihres Vergehens zu fühlen. Die Beſtrafung des nach Anſicht der Kommiſſion ſtark belaſteten Vizedoms wurde dem Kaiſer anheim gegeben. Für Scherer, Widmann, Prielmayr und Leyden wurde die Entſetzung vom Amt als verdiente Strafe angeſehen. Die beiden letzteren, ſowie Paumgarten, ſollten zudem auf zwei Jahre in ein Gefängnis außer Landes verſetzt werden. Für d' Ocfort waren 3 bis 4 Wochen Stadtarreſt und dann Entlaſſung mit einem Verweis beantragt. Als weniger beſchwert wurde Aham betrachtet. Die Kommiſſion ſchlug vor, ihm „zum Schrecken“ ſeine Pflege zu nehmen, aber auf ſeine Bitte gleich wieder zu geben. Tauffkirchen ſollte in

f--]. a aa ee rem bp

u WRT. we

Anerkennung ſeines unerſchrockenen Auftretens gegen die Bauern wieder in ſein Amt eingeſetzt werden, aber zwei Jahre ohne Be⸗ ſoldung dienen. Hart war der Strafantrag gegen den Sekretär Hagen: Amtsentſetzung und Landesverweiſung. Glimpflich dagegen kam Sallinger weg. Auch er mußte die Strafe der Amtsentſetzung über ſich ergehen laſſen. „Da aber bei ſolchen Schwätzern allzeit mehr unterläuft, als fih gebührt“, wurde er oon der zugedachten Gefängnisſtrafe befreit. Plinganſer wurde eine Freiheitsſtrafe von 6 Jahren zuerkannt. Für die ehemaligen kurbayeriſchen Offiziere Jehle, Inzinger und Hartmann hielt die Kommiſſion die Strafe der Landesverweiſung als angemeſſen; Weber und Brunner endlich ſollten auf drei Jahre zur Schanzarbeit nach Raab in Ungarn ver- ſchickt werden.

Als nach Jahresfriſt eine Beſtätigung des Urteils noch nicht er⸗ folgt war, brachte die Adminiſtration in einem Bericht an den Kaiſer vom 5. Auguſt 1707 den Abſchluß des Gerichtsverfahrens in Erinnerung. Veranlaßt war dieſe Mahnung weniger durch rechtliche Bedenken über die Verzögerung der Urteilsfallung oder aus Mit⸗ gefühl für die zum Teil in ſtrenger Haft gehaltenen Perſönlichkeiten, als vielmehr durch eine recht nüchterne Erwägung. Die während des Aufſtandswinters an ihrem Vermögen zu Schaden gekommenen kaiſerlichen Offiziere hatten nämlich mit großer Dringlichkeit Scha⸗ denerſatzanſprüche in einer Höhe von 60 000 fl. geltend gemacht, die von der Adminiſtration nicht befriedigt werden konnten. Der Ge⸗ danke, wenigſtens einen Teil der verhängten Freiheitsſtrafen in Geldſtrafen umzuwandeln und damit die Forderungen der Offiziere zu decken, lag nahe. Die Adminiſtration ſchlug daher dem Kaifer vor, Paumgarten mit 10 000 fl., Widmann mit 4000 fl., Leyden und Prielmayr mit je 2000 fl. Geldſtrafe zu belegen. Auch hielt ſie es für angebracht, die Städte Burghauſen, Braunau und Schärding, „in denen ſich bei dem Rebellionsunweſen weder der bürgerliche Magiſtrat noch die Bürgerſchaft ihrer Schuldigkeit und ihren Pflich⸗ ten gemäß bezeigt haben“, mit einer doppelten Standſteuer heran⸗ zuziehen. Wieder verging ein Jahr. Der Kaiſer ſchwieg. Da drängte die Adminiſtration am 23. Dezember 1707 zum zweitenmale, das Urteil bekannt zu geben.

Endlich am 23. Mai 1708 erfolgte die Verkündigung desſelben. Es lautete in ſeinen wichtigſten Punkten: Die erſten Urheber des Aufſtands, Grosſchopf, die Kagerlſöhne und der Pfeiferjackl werden, da ihr Aufenthalt nicht feſtgeſtellt werden kann, für vogelfrei er⸗ klärt und auf ewig aus dem ganzen römiſchen Reich verwieſen. Die bisher vom Amt enthobene Regierung von Burghauſen wir »in corpore kaſſiert“. Ausgenommen werden die Räte Megerle und Orle. Dem Vizedom Frh. v. Weichs, dem Kanzler v. Scherer, dem

Gen, BR. as

Kaſtner v. Prielmayr, dem Landrichter v. Leyden und dem Pfleger Grafen v. Paumgarten wird der peinliche Prozeß in Gnaden nach⸗ geſehen; ſie ſind aber unter Verluſt ihrer Amter bis auf weiteren kaiſerlichen Befehl in Feſtungshaft zu verbringen und zwar Weichs nach Kufſtein, Scherer nach Rattenberg, Prielmayr nach Ingolſtadt und Leyden nach Ehrenberg, wo ſie ſich aus eigenen Mitteln zu unterhalten haben. Die auch von Paumgarten verdiente Gefäng⸗ nisſtrafe wird unter Auferlegung einer Geldſtrafe von 10 000 fl. in Hausarreſt umgewandelt. Außer Paumgarten hatte nur noch Leyden eine Geldſtrafe von 2000 fl. zu erlegen. Widmann und Tauffkirchen werden zwar ebenfalls von ihren Amtern entfernt, follen jedoch bei der Neubeſetzung der Regierung berückſichtigt, ins- beſonders aber Tauffkirchen mit der erſten freien Ratsſtelle be⸗ gnadet werden. Die über Sallinger und Hagen ergangenen Urteile wurden vom Kaiſer beſtätigt, ebenſo die Strafe Plinganſers „Ver⸗ dammung auf 6 Jahre ad carceres“. Aham und d' Ocfort ſollten aller Strafe frei ſein; auch die Bauernoffiziere wurden freigeſpro⸗ chen. Endlich hat der Kaiſer auch dem Antrag der Adminiſtration wegen Beſtrafung der Städte zugeſtimmt. Burghauſen mußte 750 fL. Braunau 1376 fl. und Schärding 960 fl. bezahlen. Es muß eine ſchwere Stunde geweſen ſein, als am 19. Juni 1708 Weichs, Scherer, Prielmayr, Leyden und Paumgarten vor den Grafen Löwenſtein geführt wurden und aus feinem Munde das Urteil vernahmen. Er wird ihnen mit ernſten Worten den Treubruch gegen den Kaiſer und die Mitſchuld an dem Tod und dem Elend ſo vieler Tauſender vorgehalten haben. Noch am gleichen Tage wurden ſie unter mili⸗ täriſcher Bedeckung an ihre Beſtimmungsorte gebracht.

Der weltlichen Gerechtigkeit war damit Genüge getan. Bald her⸗ nach ſetzte eine Flut von Begnadigungsgeſuchen ein, denen der Kaiſer in faſt allen Fällen ſtattgab. Schon am 16. September 1708 wurde die Landesverweiſung Hagens zurückgenommen. Da Graf Löwenſtein deſſen Wiederverwendung in einem Dienſt befürwortete, „bei dem er ſeinen Unterhalt findet“, iſt zu vermuten, daß Hagen, der unter allen Verurteilten wohl der unſchuldigſte war, bald wie⸗ der eine Anſtellung gefunden hat. Wenige Tage ſpäter genehmigte der Kaiſer die Haftentlaſſung des Vizedoms; es wurde ihm jedoch auferlegt, „ſich in der Stille auf ſeinem Gut aufzuhalten und ſeine geſchwächte Geſundheit zu pflegen“. An Weihnachten 1708 öffneten ſich auch für Scherer, Prielmayr und Paumgarten die Tore des Gefängniſſes; ſie erhielten zwar die lang entbehrte Freiheit wieder, nicht aber die Wiedereinſetzung in ihren Dienſt. In dieſem Punkte war der Kaiſer unerbittlich geblieben; erſt die Rückkehr des Kur⸗ fürſten brachte ihnen ihre Amter und Würden wieder. Des Kaiſers beſondere Ungnade traf den Landrichter v. Leyden; obwohl ſich

59

Oberſt de Wendt für ihn eingeſetzt hatte, wurde feine Haft nicht abgekürzt, er ſchmachtete noch im Jahre 1714 im Gefängnis in Ro- e und kehrte ert 1715 als gebrochener Mann in die Heimat zurück. |

Aber noch einem wurde die Verzeihung des Kaiſers zuteil, Plin⸗ ganſer! Nach der Übergabe Braunaus hatte er ſich zuerſt einige Wochen im Franziskanerkloſter in Eggenfelden verborgen gehalten und dann nach Teiſendorf im Salzburgiſchen begeben. Als die Ruhe im Lande eingekehrt war, wagte er im Mai eine Wallfahrt nach Altötting. Hier erreichte ihn ſein Schickſal. Der Propſteiverwalter Franz Niklas Stadler erkannte ihn, ließ ihn feſtnehmen und nach Burghauſen bringen, von wo Plinganſer nach einem erſten Verhör nach München überführt und im Falkenturm verwahrt wurde. Bei ſeiner Verhaftung hatte er geäußert, er fürchte nicht, daß ihm am Leben etwas geſchehe; „wenn es nicht anders gehe, wolle er viele Große in das Spiel bringen“. Am 1. Juli 1706 richtete Plinganſer eine Rechtfertigungsſchrift an den Kaiſer, in welcher er mit um⸗ fangreicher Begründung um Gnade und Verzeihung und um Ent⸗ laſſung aus der Haft bittet. Daß Plinganſer beteuert, er habe ſich nur unter dem Druck der Bauern der Aufſtandsbewegung ange⸗ ſchloſſen, iſt begreiflich. Auch mag ihm zugute gehalten werden, wenn er behauptet, er habe als Kriegskommiſſär nur die Befehle des Oberkommandierenden Hoffmann ausgeführt und ſei bei der Landesdefenſion „nur in geringer Vermögenheit geſtanden“. Pein⸗ licher mutet es an, wenn er die Urheberſchaft am Aufſtand ab⸗ leugnet und ſie auf den Pfeiferjackl, die Gebrüder Grosſchopf und die Kagerlſöhne abſchiebt; da dieſe alle landesflüchtig waren, hatte er freilich von ihnen keine Widerrede zu befürchten. Ein ſtarkes Stück aber iſt es, wenn Plinganſer ſein Unglück beſeufzt, unter den rebelliſchen Haufen gekommen zu ſein und wenn er verſichert, er habe ſich immer bemüht von den Bauern wieder loszukommen. Wenn es ihm wirklich darum zu tun geweſen wäre, hätte er Gelegenheit dazu genug gehabt; hat er doch wiederholt „Dienſtreiſen“ unter⸗ nommen, die freilich nicht immer durch die Beſchaffung von Geld und Lebensmitteln für die Landesdefenſion veranlaßt waren, ſon⸗ dern auch durch ſeine Sehnſucht nach der Kathi, einem molligen Bürgerstöchterlein in Pfarrkirchen, „die ihn ſchon früher mehr als genug getröſtet hatte“, und deren liebreichen Zuſpruch er auch in den rauhen Kriegszeiten nicht miſſen wollte. Den Gipfel der Un⸗ verforenheit jedoch erklimmt Plinganſer, wenn er in der Denkſchrift glauben machen will, „er habe jederzeit getrachtet, das Rebellions⸗ weſen zu dämpfen und das kaiſerliche Intereſſe zu erhalten, und er habe bei jeder Gelegenheit den bayeriſchen Revoltanten das Wider⸗ ſpiel geſpielt, ihnen ihren Vorteil benommen und ſelbigen dem

a GO. os

Kaiſer in die Hand gegeben“. Das Schriftſtück ſtrotzt alſo von frechen Lügen und bewußten Entſtellungen und es wirkt geradezu wider⸗ lich, wenn Plinganſer dem allerhöchſten Gott unſterblichen Dank erſtattet, „weil er des Kaiſers allergerechtſamſte Waffen unüber⸗ windlich angeführt habe“. Zum Schluß erniedrigt ſich Plinganſer dann noch zu einer hündiſchen Schmeichelei: „Das beglückte Bayern gratuliert E. K. Majeſtät zu ſolch' glorreich erfochtenem Sieg und frohlockt über die unaufhörlich bewieſene kaiſerliche Milde und Güte“. Mit welcher Verachtung mag Graf Löwenſtein bieles Ge- ſchreibſel geleſen haben! Von einer Freilaſſung war natürlich keine Rede. Die Adminiſtration wußte genau, welch gefährlicher Kumpan ihr ins Garn gegangen war. Plinganſer blieb in Haft und ver⸗ nahm im Juni 1708 ſeine Verurteilung zu 6 Jahren Gefängnis. Und nun begibt ſich etwas Merkwürdiges! Am 19. Auguſt 1710 erhält Plinganſer von der Adminiſtration die Bewilligung, daß er ſich nach Ableiſtung des Treueides „ruhiglich in Bayern auf⸗ halten möge“. Er muß ſomit kurze Zeit vorher aus dem Gefängnis entlaſſen worden ſein. Ihm, dem Urheber und Leiter des Aufſtands, wurde alſo ein beträchtlicher Teil ſeiner Strafe geſchenkt. Man geht kaum in der Annahme fehl, daß ſich ſehr hohe und einflußreiche Perſönlichkeiten, die ſelbſt belaſtet waren und aus der Mitwiſſer⸗ ſchaft Plinganſers Unannehmlichkeiten befürchteten, mit Erfolg für ihn verwendet haben. Da ſich Plinganſer in ſeiner Denkſchrift an den Kaiſer als einer jener Bauernoffiziere bezeichnet, die ſeinerzeit in Braunau den tätlichen Angriff auf den Grafen Tattenbach ab- gewehrt haben, iſt wahrſcheinlich auch dieſer als Fürſprecher für Plinganſer eingetreten. Im Jahre 1713 wird Plinganſer als Ver⸗ walter der Hofmark Mengkofen bei Dingolfing genannt und von hier aus richtete er anfangs Mai 1715 an den Kurfürſten Max Emanuel, der kurz vorher nach 11jähriger Abweſenheit wieder nach München zurückgekehrt war, eine Denkſchrift, in der er ſich nach aus⸗ führlicher Schilderung der Begebenheiten des Aufſtands „der Huld und Gnade des Kurfürſten empfiehlt“.

Dieſe Denkſchrift iſt zuſammen mit der Rechtfertigungsſchrift an den Kaiſer eine der wichtigſten Quellen für die Geſchichte des Auf⸗ ſtands geworden. Es iſt begreiflich, daß Plinganſer darin ſeine Verdienſte um Fürſt, Land und Volk ins hellſte Licht ſtellt. Stolz bekennt Plinganſer, daß er, nachdem er ſich einmal, wenn auch unter Zwang, den Bauern angeſchloſſen hatte, ihrer Sache mit beſtem Wiſſen gedient hat, und daß er es geweſen iſt, der das ganze Landesdefenſionswerk geleitet hat. Mit Nachdruck hebt er hervor, daß neben „der Konſervierung der innerlichen Landskräfften“ auch die Sorge um die Wohlfahrt des Kurfürſten und ſeiner Familie die Haupttriebfeder ſeines Handelns war. Das ſtimmt nun nicht!

a pi se

Wäre dies der Fall geweſen, jo hätte Plinganſer ſicherlich bei der Werbung für den Aufſtand auch die Gefühle der Treue und An⸗ hänglichkeit an das angeſtammte Fürſtenhaus wachgerufen. Aber kein Schriftſtück der Landesdefenſion enthält auch nur den leiſeſten Hinweis auf den Kurfürſten; erh bei den Kongreßverhandlungen in Braunau hat ihn Plinganſer einmal und auch da nur flüchtig erwähnt. Es muß ferner auffallen, daß Plinganſer niemals den geringſten Verſuch gemacht hat, eine Verbindung mit dem Sur: fürſten aufzunehmen und deſſen Meinung über den Aufſtand zu er⸗ fahren. Abgeſehen von dieſer durch den Zweck der Denkſchrift be⸗ dingten Hervorhebung der Liebe und Verehrung für den Kurfürſten iſt aber die Schrift im Gegenſatz zur Rechtfertigungsſchrift an den Kaiſer durchaus ſachlich gehalten und die Wahrheit der Darſtellung wird nicht nur durch die kritiſche Prüfung der inneren Juſammen⸗ hänge, ſondern auch durch den umfangreichen Schriftwechſel der Adminiſtration, die Verhörsniederſchriften und andere Urkunden erhärtet. Max Emanuel hat die Verdienſte Plinganſers auch aner⸗ kannt und belohnt, denn ſchon im Jahre 1716 erfolgte deſſen An⸗ ſtellung als Hofgerichtsadvokat in München. 1723 berief ihn der Abt des Reichsſtifts St. Ulrich und Afra in Augsburg als erſten Rat und Stiftsfanzler; als ſolcher tit Plinganſer dann bis zu feinem am 7. Mai 1738 erfolgten Tod tätig geweſen.

Die Geſchichte des Aufſtands läßt klar erſehen, daß Plinganſer nicht nur der Urheber des ganzen Unternehmens, ſondern auch die Seele und die treibende Kraft der Bewegung geweſen iſt. Die ſtaunenswerte Rührigkeit, mit der er das Werk der Befreiung ſeines Vaterlandes betrieb, hob ihn von Anfang an aus dem Kreiſe der übrigen Führer heraus und zwang ſie zur Anerkennung ſeiner Führerperſönlichkeit. Ein ſcharfer, juriſtiſch geſchulter Verſtand und eine ſchlagfertige Beredſamkeit verbanden ſich in ihm mit einem ſtarken, einzig auf das Endziel gerichteten Willen und machte ihn zum berufenen Anwalt ſeiner bedrückten Landsleute. Aber dieſe Vorzüge wurden von düſteren Schatten verdunkelt. Plinganſers Charakter war durch keinerlei Lebenserfahrung und Selbſtzucht ge⸗ ſtählt, fein Starrſinn, gepaart mit einem außergewöhnlichen Ein⸗ ſchlag von Größenwahn und Ehrgeiz, benahm ihm die Fähigkeit, die Grenzen des Möglichen und ſeines eigenen Könnens zu be⸗ meſſen. Beſonders bemerkenswert iſt, daß es Plinganſer an jeg⸗ lichem Verantwortlichkeitsgefühl und an perſönlichem Mut gefehlt hat. Wagte er es ja nicht einmal, den von ihm entzündeten Auf⸗ ſtand mit ſeinem Namen zu decken; als Kriegskommiſſär hat er ſich hinter dem Oberſt Hoffmann verſteckt und bei allen kriegeriſchen Unternehmungen iſt er zu Hauſe geblieben. Die ſittliche Pflicht, für das von ihm begonnene Befreiungswerk auch ſein Leben einzu⸗

= 02) u

teten, kam ihm nicht zum Bewußtſein. Plinganſer ijt eben nur ein Held des Mauls und der Feder geweſen! Auf ihm laſtet nicht der Vorwurf, den Anſtoß zum Aufſtand gegen die Fremdherrſchaft ge- geben zu haben, ſondern die ſchwere Anklage, auf der Durchführung des Unternehmens auch dann noch beharrt zu haben, als jede Aus⸗ ſicht auf ein Gelingen desſelben geſchwunden war und die furcht⸗ bare Schuld, Tauſende umſonſt in den Tod getrieben zu haben. Die Rechtfertigungsſchrift an den Kaiſer rundet ſein Charakterbild im ungünſtigſten Sinne ab. Einige Geſchichtsſchreiber haben dieſes Machwerk damit zu entſchuldigen verſucht, daß Plinganſer es ange⸗ ſichts der ihm drohenden Folter geſchrieben hat. Aber ganz abge⸗ ſehen davon, daß er ja ſelbſt derartige Folgen gar nicht befürchtete, durfte ein Mann von Ehre ſich niemals zu einem ſolch würdeloſen Schritt, zu einer ſolch jämmerlichen Ableugnung ſeines Lebens⸗ werkes erniedrigen. Es muß offen ausgeſprochen werden, daß es charakterliche Minderwertigkeit geweſen iſt, welche Plinganſer die Feder geführt hat. Durch dieſe Schrift hat er ſich jedes Anſpruchs auf Heldentum beraubt und ſich ſelbſt vor der Geſchichte gerichtet.

Es erübrigt, noch kurz der Geſchicke Meindis und Hoffmanns zu gedenken. Meindl hatte ſich nach dem Falle Braunaus noch einige Wochen im Kobernauſer Wald herumgetrieben und war dann „als Kraxenträger“ nach Oſterreich gegangen; ſeitdem blieb er verſchollen. Bald darauf legte ſein Vater der Adminiſtration die Bitte um Be⸗ gnadigung ſeines Sohnes vor, die zwar unbeantwortet blieb, aber zu nochmaligen Erhebungen über die Tätigkeit Meindls während des Aufſtandswinters führte. Dieſelben hatten anſcheinend ein gün⸗ ſtiges Ergebnis; denn am 21. Juli 1707 teilte die Adminiſtration dem Landgericht Mauerkirchen mit, es möge dem Meindl oder deſſen Verwandten unter der Hand beigebracht werden, daß er begnadigt werde, wenn er darum nachſuche. Meindl ließ aber nichts von ſich hören; es wäre möglich, daß ihn die Nachricht in der Fremde nicht erreicht hat; vielleicht hielt ihn auch ſein ſchlechtes Gewiſſen ab, den ehemaligen Waffengefährten unter die Augen zu kommen; ſollte er es aber unter feiner Würde gehalten haben, Gnade von denen zu erbitten, die er vorher aus ehrlicher Überzeugung und mit ſeinem ganzen Haß bekämpft hatte, ſo würde das ſeinem Charakter alle Ehre machen. Jahre vergingen, aus denen über das Schickſal Meindls nichts bekannt iſt. Die Rückkehr des Kurfürſten Max Emanuel nach Bayern hat endlich dann auch ſein Lebensſchifflein in eine geord⸗ nete Bahn gebracht. Am 22. Auguſt 1715 wurde ihm der Forſt⸗ und Beimautsdienſt in Stelzen im Landgericht Ried übertragen. Im Jahre 1741 verſah Meindl noch ſeinen Dienſt als Förſter im Wild⸗ meiſteramt Mauerkirchen. Dann verliert ſich ſeine Spur. Am 9. März 1767 ſtarb in Salzburg im Alter von 87 Jahren ein Johann Georg

E

Meindl, hochfürſtlich Salzburgiſcher Karabinierkorporal und Leut⸗ nant. Es könnte der ehemalige „Student“ von Altheim geweſen ſein; das Alter würde ſtimmen.

Übler hat das Geſchick dem Bauernoberſt Johann Hoffmann mit- geſpielt. Nach der Auflöſung des Bauernheeres zog er mit einem Hauſierer durch Salzburg nach Italien und ließ ſich dort bei einem kaiſerlichen Regiment unter ſeinem wahren Namen anwerben. Als der gegen ihn erlaſſene Steckbrief bekannt geworden war, wurde er Ende Dezember 1706 verhaftet und nach Braunau verbracht, wo nach kurzem Prozeß ſein Kopf unter dem Beile des Henkers fiel. Durch ſeine Roheit und Unwiſſenheit hat er ſich bei den Zeitgenoſſen mit allgemeiner Verachtung, durch ſein feiges und ſchimpfliches Ver⸗ halten bei Aidenbach bei der Nachwelt mit ewiger Schande bedeckt.

Wenn man die ergangenen Urteile und die ſpäter erfolgten Strafnachläſſe ohne Voreingenommenheit würdigt, wird man ſich der Auffaſſung nicht verſchließen können, daß der Kaiſer große Nach⸗ ſicht und Milde hat walten laſſen. Eine fühlbare „Ahndung“ iſt nur wenigen Führern und den beſonders belaſteten Mitgliedern der Regierung von Burghauſen zuteil geworden. Freilich verbargen ſich hinter dieſer Großmut ernſte politiſche Erwägungen. Die ſchweren und endloſen Bedrückungen hatten in Bayern eine Erbitterung er⸗ zeugt, die das Ende des Aufſtands noch lange überdauerte. Noch im Sommer 1706 hörte man von Zuſammenrottungen der Bauern im Innviertel, ſodaß die Befürchtung neuer Unruhen bei der Bemeſſung der Strafen ſicherlich von Einfluß geweſen iſt. Und der Kaiſer hat gut daran getan, die erregte Stimmung im Lande nicht durch über⸗ mäßige Strenge aufs neue zu reizen. Bayern war zwar durch Waffen⸗ gewalt unterworfen, aber durchaus nicht für die Sache des Kaiſers gewonnen. Man hatte in Wien das drückende Bewußtſein, ein Land im Rücken zu haben, das in grollender Zurückhaltung den weiteren Verlauf der Geſchehniſſe abwartete, um vielleicht im geeigneten Augenblick nochmals zu den Waffen zu greifen.

Graf Löwenſtein war entſchloſſen, dieſer Möglichkeit unter allen Umſtänden vorzubeugen und nahm ohne Säumen die Politik der Befriedung wieder auf, die durch den Aufſtand ſo jäh unterbrochen worden war. Es galt vor allem, im Lande geordnete Zuſtände zu ſchaffen und das zerſtörte Wirtſchaftsleben wieder in Gang zu bringen. Die Ausſichten für ein baldiges Gelingen dieſer Pläne waren freilich nichts weniger als günſtig. Schon im Sommer 1705 waren die Steuereingänge immer ſpärlicher geworden, ſeit dem Herbſt hatten ſie ganz aufgehört. Die wenigſten Gerichte vermochten noch Naturallieferungen aufzubringen. Die öffentlichen Kaſſen waren leer und auch aus dem Verkehr war das Geld faſt ganz verſchwun⸗ den. Übel jah es in den Gebieten aus, die vom Aufſtand heim-

64

geſucht worden waren. Neuerdings waren Hunderte von Höfen in Flammen aufgegangen, die Beſitzer entweder gefallen, verdorben, oder geflüchtet. Bei der Felderbeſtellung im Frühjahr machte ſich Mangel an Saatgetreide und Zugtieren fühlbar. Handel und Wan⸗ del lagen darnieder, jeglicher Verkehr ſtockte. Die vor dem Aufſtand noch einigermaßen wohlhabenden Städte waren vollſtändig aus⸗ geblutet. So berechnete z. B. die Stadt Vilshofen ihren durch die Bauern und Oberſt d' Arnan entſtandenen Schaden auf 26—30 000 fl., der Kämmerer von Kelheim ſchätzte die in den Dezembertagen an⸗ gelaufenen Unfojten auf mehr als 10 000 fl. Und der Bürgerſchaft von Neuötting haben allein die vier Tage, in denen im November die Truppen de Wendts im Quartier lagen, 12 200 fl. Koſten ver⸗ urſacht. Zu dieſen Verluſten an Geld und Sachwerten geſellten ſich ſittliche Schäden. Gartendes Geſindel, das ſich zu größeren Räuber⸗ banden vereinigte, durchzog das flache Land und nahm den auf Einöden und Weilern ſitzenden Bauern den letzten Heller weg. So⸗ gar die religiöſen Grundſätze waren ins Wanken geraten, ja die Verzweiflung war ſo weit geſtiegen, daß viele Leute „den leidigen Satan um Hilfe anriefen und zu ihm ihre Zuflucht nahmen“. Die allgemeine Niedergeſchlagenheit wurde noch mehr geſteigert, als am 10. Mai 1706 die Achterklärung des Kurfürſten Max Emanuel öffentlich verkündet wurde. Das niederdrückende Bewußtſein, daß ſo viele Drangſale und Leiden umſonſt erduldet, Ströme von Blut vergebens gefloſſen waren, laſtete ſchwer auf den Gemütern.

Graf Löwenſteins erſtes Trachten war darauf gerichtet, die Kriegs⸗ völker aus dem Reich, die dem Land „den letzten Herzſtoß gegeben“, aber mit Ausnahme der Ansbacher Grenadiere zur Niederwerfung des Aufſtands nichts beigetragen hatten, wieder aus dem Land zu

bringen. Es gelang, aber mit vieler Mühe. Scharf griff der Admini⸗

ſtrator auch zu, um den Ausſchreitungen der Truppen ein Ende zu machen. Auf Grund der ihm vom Kaiſer erteilten Vollmacht ernannte er am 13. März die Hofkammerräte v. Gemmel und v. Wachtern zu Oberkriegskommiſſären und beauftragte ſie, durch genaue Regelung der Märſche und Quartiere die in Bayern ſtehende Miliz in ge⸗ ziemender Ordnung zu erhalten, über alle Ausſchreitungen genaue Unterſuchungen anzuſtellen und die Schuldigen ohne Anſehen der Perſon der Beſtrafung zuzuführen. Die beiden Räte ſcheinen ihre Aufgabe mit großer Tatkraft durchgeführt zu haben; denn nur ihrem ſcharfen Auftreten iſt es zuzuſchreiben, daß trotz des allge⸗ meinen Notſtands den Reichsvölkern, die im Frühjahr 1706 durch Bayern nach Italien zogen, eine geregelte Verpflegung gereicht werden konnte. Auch den Ausſchreitungen der Truppen haben ſie nach Möglichkeit Einhalt getan; ganz aufgehört haben die Klagen darüber freilich nicht. Nach hartem Kampf mit dem Hofkriegsrat

63 <=

erreichte Graf Löwenſtein für Bayern eine Reihe von wichtigen Zugeſtändniſſen. Die Kriegsſteuern für das Jahr 1706 wurden auf 1 400 000 fl. ermäßigt, im Winter 1706/07 ſollte Bayern nur drei Regimenter in die Winterquartiere aufnehmen; auch die ſo hart empfundene Getreideſteuer wurde aufgehoben. Eine weſentliche Er⸗ leichterung für das Landvolk ergab ſich aus der Beſtimmung, daß den einquartierten Soldaten nur noch die Hausmannskoſt und täg⸗ lich ein Groſchen gereicht werden ſollte. Auch der ärgſte Stein des Anſtoßes, die Zwangsaushebung, wurde aus dem Wege geſchafft. Nachdem Prinz Eugen ſchon im Oktober 1705 darauf verzichtet hatte, verfügte der Kaiſer am 16. Februar 1706 die Wiedereinführung der Werbung und machte den Werbeoffizieren „die ungezwungene Auf⸗ bringung der Rekruten“ zur Pflicht.

Zu den verſtändnisvollen Beſtrebungen der Adminiſtration ge⸗ ſellte ſich der lebensbejahende Sinn des bajuwariſchen Stammes, der auch durch die ſchweren Wunden, welche der Aufſtand Land und Volk geſchlagen hatte, nur eine vorübergehende Einbuße erlitten hatte. Mit ererbtem Fleiß und gewohnter Zähigkeit packten die alt⸗ bayeriſchen Bauernfäuſte wieder an, entriſſen dem fruchtbaren Boden der Heimat neue Ernten und legten ſo den Grund zu neuem be⸗ ſcheidenem Wohlſtand. Daß die Schäden der letzten Kriegsjahre ver⸗ hältnismäßig bald behoben waren, dafür zeugt das Wort Unertls: „Die Untertanen ſind in den letzten Jahren der kaiſerlichen Be⸗ ſetzung mit Steuern und Auflagen ſo leidlich gehalten worden, daß fie ſich eher erholt, als gelitten haben“. Und mag man auch dieſes Urteil Unertls durch ſeine Stellung als kaiſerlicher Beamter beein⸗ flußt betrachten, ſo wird es doch durch die Tatſache bekräftigt, daß noch während der öĩſterreichiſchen Herrſchaft und bald nach dem Ende derſelben eine Reihe prächtiger und koſtſpieliger Kirchen⸗ und Kloſterbauten aufgeführt wurden, deren Errichtung in einem wirt⸗ ſchaftlich erſchöpften Lande wohl kaum möglich geweſen wäre. War es doch zum großen Teil bayeriſches Bauerngeld, mit dem die Prä⸗ laten ihre Stifte zu neuem Glanz erſtehen ließen. Und von dem Lebenszuſchnitt in den Gegenden, die vom Aufſtand unberührt ge⸗ blieben waren, berichtet der Gerichtsſchreiber Chriſtoph Pader in Pfatter am 24. Juli 1706 an das Rentamt Straubing. Er ſchreibt: Die Bauernſöhne und Knechte bezeigen eine ſolche Hoffart und Leichtfertigkeit, daß jedermann ſich darüber bei ſo bedrängten Zeiten verwundern muß. Sie tragen Juchtenſtiefel auf veroneſiſche Form, die Bänder ihrer Hüte ſind mit Gold und Silber durchwirkt und ihre Hoſen von ſchwarz gefärbten Bockhäuten können nicht weit genug ſein. Noch ärger treiben es die Bauerntöchter und Mägde. Mit einem Kamiſol von Leinwand find fie nicht mehr zufrieden; es muß von Atlas, Taffet oder Brokat ſein. Die Brüſtl ſind von der

5

fe “GG. se

ſchönſten Kammerleinwand gefertigt, die Schuhe auf Rahmen ab⸗ genäht, die Abſätze mit Zinnober hochrot angeſtrichen und die Bruſt⸗ flecke mit ſilbernen Borten und Ketten verziert. Dieſe Prunkſucht kommt von den hohen Löhnen, die bei einem Knecht 20—25, bei einer Magd 10—15 fl. neben den kleinen Rechten betragen. Die Not der Bauern kann alſo doch nicht überall ſo groß geweſen ſein, wie ſie geſchildert wird.

Allmählich verblich im Volke nicht nur die Erinnerung an das erlittene Ungemach, ſondern es erloſch auch das Andenken an jene, welche ihre Teilnahme am Aufſtand mit dem Leben bezahlt hatten. Als dann während des öſterreichiſchen Erbfolgekrieges Bayern aufs neue unter den Bedrückungen der kaiſerlichen Heere zu leiden ge⸗ habt hatte, hielt man es in Wien für notwendig, das Vergangene der Vergeſſenheit preiszugeben, um die Feindſchaft der beiden Völker nicht aufs neue anzufachen. Die kaiſerliche Regierung bot alles auf, um zu verhindern, daß durch Erzählungen und Schauſpiele die üblen Erinnerungen aus den Tagen der öſterreichiſchen Herrſchaft in Bayern fortgepflanzt werden. In dieſer Abſicht wurde ſogar nach dem bayeriſchen Erbfolgekrieg 1778 ein Staatsvertrag mit dem Kurfürſten Karl Theodor abgeſchloſſen. Hundert Jahre waren ſeit den Tagen von Sendling und Aidenbach verfloſſen, als Johann Chrijtoph Frh. v. Aretin durch feine Schrift: „Die Sſterreicher in Bayern zu Anfang des 18. Jahrhunderts“ das Gedächtnis an den Aufſtand wieder erweckte und die Begebenheiten des Aufſtands⸗ winters den Lebenden wieder nahe brachte. Die ſpäteren Geſchlechter haben dann das Andenken an die Gefallenen liebevoll gepflegt und ihnen auf den Gefilden von Aidenbach würdige Denkmäler geſetzt. Auf ihnen könnten ebenſo gut die Worte ſtehen, die König Ludwig J. den im ruſſiſchen Feldzug von 1812 Gebliebenen auf dem Obelisk in München gewidmet hat:

„Auch ſie ſtarben für des Vaterlandes Befreiung“.

IV. Würdigung.

So, wie wir Nachfahren von heute das Entſtehen und den Ver⸗ lauf des Aufſtands zu überſehen vermögen, liegt es klar zu Tage, daß das Unternehmen von Anfang an den Keim des Mißlingens in ſich trug, und daß die Schwierigkeiten, die ſich ihm entgegen⸗ türmten, unüberwindlich geweſen find. Die Würdigung eines ge⸗ ſchichtlichen Ereigniſſes erheiſcht aber ein Eingehen in die Zeit⸗ umſtände, unter denen es ſich abſpielte und ein Einfühlen in die

HI =

Gedankengänge der führenden Männer. Und zum Verſtändnis ihres Handelns ijt es notwendig, zu erforſchen, wie fie die Lage betrachtet haben, welche Grundlagen ſie für die Durchführung ihrer Pläne gegeben glaubten, und in welchem Einklang ihre ſeeliſchen Kräfte mit ihren Taten ſtanden.

Daß die Befreiung des Landes von der Fremdherrſchaft das ganze Denken der Führer der Landesdefenſion erfüllt hat, das haben ſie durch ihr Tun bewieſen. Ebenſo ſicher iſt, daß Plinganſer und ſeine Genoſſen ernſtlich und nach beſtem gewillt waren, ihre Pläne zu verwirklichen, und daß ſie von dem Gelingen ihres Werkes überzeugt geweſen find. Angeſichts der allenthalben herrſchenden Erbitterung rechneten ſie mit einer allgemeinen Volkserhebung; ſie erwarteten einen leichten und raſchen Sieg über die im Lande ſtehenden kaiſer⸗ lichen Truppen und hofften auf eine Unterſtützung durch das mit dem Kurfürſten verbündete Frankreich. Alle dieſe Hoffnungen haben ſich aber ſehr bald als trügeriſch erwieſen. Es iſt nicht gelungen, das ganze Land zum Aufſtand zu bringen, nur zwei weit von⸗ einander entfernte Gaue haben ſich daran beteiligt. Die große Mehr⸗ heit des Volkes wollte von einem Aufſtand nichts willen; in ange- borener Gleichgültigkeit zog ſie es vor, untätig den Dingen ihren

Lauf zu laſſen. Die unbeſtreitbare Tatſache, daß ſowohl im Ober⸗

wie im Unterland die meiſten Landesverteidiger nur unter ſchweren Drohungen zur Teilnahme gezwungen werden konnten, beweiſt das eindringlicher als alles andere. Es war die erſte große Enttäuſchung für die Führer, als das Volk in ſeiner Opferbereitſchaft und in ſeiner Hingabe an die Sache der Befreiung verſagte. Sie hatten das Beharrungsvermögen der Bauernbevölkerung und das in der All⸗ gemeinheit vorhandene Bedürfnis nach Ruhe und Ordnung gründ⸗ lich unterſchätzt. Auch der Glaube an einen raſchen Sieg über die Kaiſerlichen wurde zu Schanden. Die empfindlichen Schläge, welche die ſchwachen, aber feſtgefügten und kriegserfahrenen Truppen de Wendts dem ſchlecht bewaffneten Aufgebot der Landesverteidiger verſetzt hatten, waren nicht dazu angetan, die Zuverſicht auf einen guten Ausgang zu beleben. Und der Gedanke an eine Hilfe der Franzoſen, der von vornherein ein Luftgebilde geweſen war, hatte nach der Schlacht von Höchſtädt jede Bedeutung verloren. Bald trübten ſich die Ausſichten auf einen Erfolg des Unternehmens noch mehr. Es wollte nicht glücken, größere Geldſummen aufzutreiben und der ſchon Ende November auftretenden Verpflegungsſchwierig⸗ keiten Herr zu werden. Es iſt undenkbar, daß dieſe bittere Wirklich⸗ keit von den Führern unbeachtet geblieben iſt, und daß ſich ihnen nicht die Frage aufdrängte, ob ſich die Landesdefenſion auf die Dauer zu behaupten vermöge. Aber die müheloſe Eroberung der Innfeſtungen und die verſprochene Mitwirkung der Oberländer ließ 5*

Sai: EE, e

dieje trüben Whnungen und alle Zweifel am endgültigen Erfolg verſtummen, den die Führer mit heißem Herzen erſehnten.

Von größter Bedeutung für das Gelingen des Aufſtands mußte die Führerfrage werden. Das öffentliche Leben des Landes ſtand ganz unter dem Einfluß des Adels, der Geiſtlichkeit und der Städte. Ihre Stellungnahme war daher von größter Wichtigkeit.

Der Adel war durchaus kaiſerlich geſinnt. Die vielen, meiſt im Genuß einer Pflege befindlichen adeligen Herren waren nach der Ablegung des Treueides alle im Beſitz ihres Amtes und damit auch im Genuß ihrer Einkünfte geblieben. Und da die Adminiſtration, abgeſehen von einigen Sonderauflagen, auch das Vorrecht weit⸗ gehender Steuererleichterung nicht angetaſtet hatte, beſtand für den Adel um ſo weniger Veranlaſſung, eine Anderung dieſer Verhält⸗ niſſe herbeizuwünſchen, als die Plünderung zahlreicher Herrenſitze die ſozialen Hintergründe des Aufſtands nur zu deutlich gezeigt hatte.

Die Geiſtlichkeit hat in allen ihren Gliedern dem Aufſtand be⸗ wußt entgegen gearbeitet. Die Biſchöfe waren als Reichsfürſten Verbündete des Kaiſers und erklärten ſich ſchon aus dieſem Grunde gegen die Bewegung. Die Auflehnung gegen die „von Gott gewollte Obrigkeit“ mußte aber auch vom kirchlichen Standpunkt aus ver⸗ worfen werden und wurde infolgedeſſen auch mit kirchlichen Mitteln bekämpft. Der Biſchof von Freiſing hat ſeinen Klerus angewieſen, „ihres Orts alles dazu beizutragen, was zur Austilgung dieſes Unweſens und höchſt ſchädlichen Komplotts gedeihlich ift“. Die Geiſt⸗ lichkeit, welcher die mit der Aufſtandsbewegung eng verbundene ſoziale Gärung ebenfalls nicht verborgen geblieben war, handelte genau nach den von den biſchöflichen Oberhirten ergangenen Wei⸗ ſungen. Die Prälaten der ſtändiſchen Klöſter hielten es, jahrhun⸗ dertelangem Herkommen gemäß, mit dem Kaiſer und verurteilten die treuloſe Politik des Kurfürſten aufs ſchärfſte. „Die Herrenklöſter haben gegen Max Emanuel nichts als Übel gewünſcht, haben über ſein Unheil jubiliert und ihm noch Argeres vergönnt“, ſchreibt im Auguſt 1707 ein unbekannter Briefſchreiber. Die Prälaten ver⸗ mieden daher vorſichtig alles, was irgendwie als Begünſtigung der Aufſtändiſchen hätte gedeutet werden können. Die Leiſtungen der im Aufſtandsgebiet gelegenen Stifte ſind keineswegs freiwillig, ſondern unter dem Druck der Bauern erfolgt. Im Gegenſatz zur Weltgeiſtlichkeit und zu den ſtändiſchen Klöſtern ſind die mit dem Volk engverbundenen Franziskaner und Kapuziner mit ihrer Ge⸗ ſinnung auf Seite der Bauern geſtanden. „Die Franziskanerklöſter haben bisher vor anderen ihre üblen Neigungen verſchiedentlich an den Tag gegeben“, berichtet Graf Löwenſtein am 2. Auguſt 1707 nach Wien. Es darf in dieſem Zuſammenhang nicht verſchwiegen

a O ae

werden, daß viele Mitglieder der privilegierten Stände der Admi⸗ niſtration gegenüber eine aufdringliche Willfährigkeit und eine würdeloſe Anterwürfigkeit bezeigt haben, und daß beſonders bei vielen Herren des Adels das Gefühl der Dankbarkeit gegen den Kurfürſten, deſſen Gnade ſie Stellung und Vermögen verdankten, gänzlich in Vergeſſenheit geraten war. Der Kaiſer hat die von Adel und Geiſtlichkeit bewieſene Treue auch gewürdigt und ihnen in einem Erlaß vom 23. Februar 1706 das größte Lob für ihr Ver⸗ halten während des Aufſtands ausgeſprochen.

Aber auch der dritte gefreite Stand war den Bauern keineswegs freundlich geſinnt. Die Kaufleute und Handwerker in den Städten und Märkten waren von altersher gewohnt, beim Austauſch der landwirtſchaftlichen Erzeugniſſe auf Koſten der Bauern gut zu ver⸗ dienen. Der Aufſtand, der Handel und Verkehr faſt gänzlich ſtill⸗ legte und die Kaufkraft der Bauern vernichtete, brachte den Städtern empfindliche Einbußen und fand daher bei ihnen heftige Mißbilli⸗ gung. Es kam dazu, daß die Aufbäumung der Bauern gegen die Staatsgewalt, die ſo heftig an den Grundſäulen der Stände rüttelte, die lebhafteſten Beſorgniſſe erweckte und die Kluft, die den gering geſchätzten und verachteten Bauernſtand ohnehin ſchon von den herrſchenden Klaſſen ſchied, noch mehr erweiterte. Tatſächlich haben die Bürger nur dort, wo ihnen unter dem Druck der Landesvertei⸗ diger keine andere Wahl blieb, gemeinſame Sache mit den Bauern gemacht.

In einer ſchwierigen Lage befand ſich die Vertretung der drei Stände, die dauernd verſammelte Landſchaftsverordnung. Ihre Mit⸗ glieder, in der Mehrzahl Angehörige des Adels, hielten natürlich zum Kaiſer und ließen keine Gelegenheit vorübergehen, um die Bauern zum Nachgeben zu bringen. Das war ſchon beim Kongreß von An⸗ zing offenkundig geworden, wo der Landſchaftskanzler v. Wämpl ſogar durch Drohungen die Bauern einzuſchüchtern verſucht und dadurch deren nur allzu berechtigtes Mißtrauen erweckt hatte. Als die Landſchaftsverordnung dann ſich ihres in Anzing begangenen Fehlers bewußt geworden war, änderte ſie ihre Taktik. Sie hielt es nun für geraten, in ihren Abmahnungspatenten die Fürſorge für das Wohl der Untertanen in den Vordergrund treten zu laſſen. Dafür war ſie allerdings auch ſchon früher eingetreten; denn in zahlreichen Denkſchriften an die Adminiſtration hat ſie auf die im Lande herrſchenden Mißſtände hingewieſen und um Erleichterung der Quartierlaſten, Steuernachläſſe und Abſtellung der Ausſchrei⸗ tungen gebeten. Aber man merkt dieſen Beſchwerden an, daß kein rechter Ernſt dahinter ſteckt. Die Landſchaftsverordnung, der doch die Vertretung des Landes oblag, mußte natürlich von Zeit zu Zeit ſich bemerkbar machen, und ſie hat ſo nach beiden Seiten den Schein

70

ihrer Mittlerſtellung gewahrt. Bei der ganzen Lage konnte ſie übrigens einen Erfolg ihrer Beſchwerden gar nicht erwarten. Zu⸗ dem hätte die Adminiſtration jede ernſtliche Einmiſchung in ihre Politik zurückgewieſen und hätte nicht gezögert, die ja nur der leichteren Steuereintreibung wegen beibehaltene Landſchaftsverord⸗ nung aufzulöſen, wenn dieſe in ſcharfen Gegenſatz zu ihr getreten wäre.

Eine kurze Erwähnung verdient auch die Haltung der im Dienſt verbliebenen alten bayeriſchen Beamten. Sie waren alle ausnahms⸗ los der Aufforderung, dem Kaiſer den Eid der Treue zu leiſten, nachgekommen. Daß ſie dieſe Verpflichtung nicht als Formſache be⸗ trachteten, ſondern dem neuen Herrn auch innerlich ſich verbunden fühlten, hat der Verlauf des Aufſtands gezeigt. Von ganz wenigen Ausnahmen abgeſehen, ſind die Beamten in der kaiſerlichen Pflicht verblieben und haben der Aufſtandsbewegung bewußt ihre Förde⸗ rung verſagt. Wo ſie ſich den Landesverteidigern anſchloſſen, geſchah es unter dem Zwang der Bauern oder unter dem Einfluß von Per⸗ ſönlichkeiten, welche den Beamten die Beteiligung als eine patrio⸗ tiſche Pflicht oder als einen Wunſch des Kurfürſten darzuſtellen wußten.

Aber mit noch einer Gruppe von Perſönlichkeiten war zu rechnen, der beim Aufſtand eine führende Rolle zufallen konnte. Es waren dies die zahlreichen zerſtreut im Lande wohnenden ehemaligen Offi⸗ ziere des kurbayeriſchen Heeres. Verbittert und wirtſchaftlich met in ärmlichen Verhältniſſen lebend, wäre zu erwarten geweſen, daß ſie ſich dem Aufſtand zur Verfügung ſtellen. Das iſt nicht geſchehen! Bei Beginn des Aufſtands fanden ſich nur wenige Offiziere bei den Landesverteidigern ein. Auch das Patent Plinganſers vom 23. No⸗ vember 1705, das die Offiziere zur Geſtellung aufforderte, iſt ohne jede Wirkung geblieben. Erſt als das ſcharfe Ausſchreiben der Re⸗ gierung vom 22. Dezember ergangen war, das den Offizieren im Falle der Weigerung mit Landesverweiſung drohte, hat ſich anfangs Januar eine kleine Zahl zum Eintritt in die Landesdefenſions⸗ armee entſchloſſen. Der gut unterrichtete Graf Löwenſtein meldete am 3. Januar 1706 an den Kaiſer, daß ſich bisher nur wenige von den in Bayern lebenden Ober⸗ und Unteroffizieren und nur ſolche von minderer Kondition dem tobenden Unweſen zugeſellt haben. Und am 12. Januar berichtet er nach Wien: „Kein einziger recht⸗ ſchaffener Offizier hat ſich in dieſe Raſerei eingemengt; wäre dies geſchehen, ſtünden wir gewiß nicht mehr in München“. Dieſe Mei⸗ nung macht den ehemaligen kurbayeriſchen Offizieren alle Ehre. Ihre Zurückhaltung iſt unſchwer zu erklären; ſie dachten gering⸗ ſchätzig über das Unternehmen der Bauern, auch waren ſie infolge ihrer beſſeren Einblicke in die politiſchen und militäriſchen Verhält⸗

z= i ee

nijje von der Ausſichtsloſigkeit des Aufſtands überzeugt. Ausſchlag⸗ gebend aber iſt geweſen, daß keine Willensmeinung des Kurfürſten bekannt war, welche ihnen die Beteiligung nahe legte.

Nachdem ſo die durch Bildung, Beſitz und geſellſchaftliche Stellung berufenen Führer des Volkes ſich vom Aufſtandsunternehmen fern⸗ hielten, ergab es ſich ganz von ſelbſt, daß Männer aus den unteren Schichten ſich an die Spitze ſtellten und die Bewegung mit ihrem Geiſte erfüllten. Es waren dies meiſt Leute, die durch ihren Beruf als Wirte, Metzger, Viehhändler viel im Lande herumkamen, einen großen Bekanntenkreis beſaßen und dort für den Aufſtand werben konnten. Erſt [pater gewannen die Bauern den Haupteinfluß. Daß es nicht gerade die geiſtige und charakterliche Ausleſe war, welche in dieſer Schickſalsſtunde die Führung an ſich riß, wurde ſchon aus⸗ geführt. Es gibt zu denken, daß keiner dieſer Führer im Kampf ſein Leben verlor oder Wunden davon getragen hat. Nicht imſtande, die Zeitverhältniſſe richtig zu beurteilen, aber doch von dem Ehrgeiz aufgeſtachelt, eine Rolle zu ſpielen, ſtanden fie den politiſchen, militäriſchen und wirtſchaftlichen Schwierigkeiten, welche die immer mehr ausgreifende Entwicklung des Aufſtands mit ſich brachte, bald ratlos gegenüber. Der am 29. November an Prielmayr ergangene Hilferuf wirft ein grelles Licht auf die Verwirrung, welche in der Leitung eingeriſſen war.

Denn ſchon um dieſe Zeit waren Fehler und Unterlaſſungen be⸗ gangen worden, die nicht mehr gut gemacht werden konnten. Ver⸗ fehlt war es zunächſt geweſen, den Aufſtand im Spätherbſt zu ent⸗ feſſeln. Das Einrücken zahlreicher Truppen in die Winterquartiere ſtand unmittelbar bevor und die Anſammlung kaiſerlicher Streit⸗ kräfte mußte die Ausſichten für ein Gelingen des Aufſtandsunter⸗ nehmens erheblich herabmindern. Es wäre daher beſſer geweſen, zu warten, bis die Truppen im Frühjahr das Land wieder verlaſſen hätten und während des Winters den Aufſtand gründlicher vorzu⸗ bereiten. Allerdings beſtanden auch Gründe für das Losſchlagen im Herbſt. Man hoffte, die ſchwachen Beſatzungstruppen bald unſchäd⸗ lich zu machen und glaubte die augenblicklich herrſchende Erbitte⸗ rung über die Zwangsrekrutierung für die Erhebung ausnützen zu müſſen. Ein ſchweres Verſäumnis beſtand ferner darin, daß die Führer es nicht gewagt haben, im November mit den Kaiſerlichen im freien Feld anzubinden; trotz der Minderwertigkeit des Bauern⸗ heeres wäre angeſichts ſeiner erdrückenden Überzahl ein wenn auch nur vorübergehender Achtungserfolg doch wohl zu erzielen geweſen. Jedenfalls hätte man den Verſuch dazu machen müſſen; eine de Wendt beigebrachte Schlappe hätte ſicherlich mehr „zur Entzündung des Rebellionsfeuers“ beigetragen, als das wochenlange Stilliegen vor Braunau. Bitter hat es fih gerächt, daß trotz der Rührigkeit

Plinganſers die Rüſtungen nicht von allem Anfang an mit dem Nachdruck betrieben worden ſind, welchen der Ernſt der Lage er⸗ forderte. Die entgegenſtehenden Hinderniſſe waren freilich ſchwer genug, die Saumſeligkeit bei ihrer Überwindung aber mindeſtens ebenſo groß. Die Folge davon war, daß der Zug gegen München mit einem Heer unternommen wurde, das ſeiner Aufgabe in keiner Beziehung gewachſen war.

Zu den ſchon begangenen Fehlern geſellten ſich bald neue. Eine wichtige Vorausſetzung für das Gelingen des Unternehmens gegen die Landeshauptſtadt war das Zuſammenwirken der Ober⸗ und Anterländer. Daß es beabſichtigt war, dafür ſpricht das gleichzeitige Eintreffen der beiden Heeresgruppen vor München. Aber in der Stunde der Entſcheidung unterblieb jede gegenſeitige Verſtändigung und ſo kam es, daß die Oberländer allein gegen München vorſtießen, Hoffmann aber am 24. Dezember untätig bei Ebersberg ſtehen blieb. Die Unfähigkeit der Heeresleitung wurde noch überboten durch die Fehler der Bauernführer in Braunau, welche in ihrer Einſichts⸗ loſigkeit die Leitung des Kongreſſes und damit des ganzen Auf⸗ ſtandsunternehmens dem Adel und der Regierung übertrugen. Die bisherigen Ereigniſſe hatten doch deutlich genug gezeigt, daß die Räte die ungeeignetſten Führer der Bauernſache waren, und daß von ihnen eine Förderung der Aufſtandsbewegung nicht erwartet werden konnte. Die Regierung und die adeligen Herren erſtrebten den Ausgleich mit dem Kaiſer, die Bauern verlangten die Fort⸗ ſetzung des Kampfes; eine Überbrückung dieſer Gegenſätze war un⸗ denkbar. Der Einfluß der Regierung wurde allerdings bald aus⸗ geſchaltet; aber ihr geheimer Widerſtand wirkte dennoch fort und bildete gegen die Treibereien Plinganſers ein ſo ſtarkes Gegen⸗ gewicht, daß viele Beſchlüſſe des Kongreſſes und gerade die wich⸗ tigſten, welche die Rüſtungen betrafen, entweder gar nicht oder nur ſtark verwäſſert zur Ausführung gelangten. Sind die bis Weih⸗ nachten begangenen Irrtümer und Fehler menſchlich begreiflich und entſchuldbar, ſo muß an die Entſchlüſſe, welche von den Führern in den erſten Januartagen gefaßt wurden, ein anderer Maßſtab angelegt werden. Der um dieſe Zeit eingetretene Umſchwung der Lage, den jedermann aus dem Volke erkannte, mußte auch den Führern zum Bewußtſein kommen. Wenn ſie nach der Niederlage von Sendling, nach dem Verluſt Vilshofens und angeſichts des An⸗ marſches neuer kailerlicher Heeresabteilungen noch auf eine günſtige Waffenentſcheidung hofften, ſo beweiſt dies nicht nur ihre politiſche und militäriſche Unfähigkeit, ſondern brandmarkt jie zu gewiſſen⸗ loſen Glücksrittern, die nicht den Mut aufbrachten, ihre Fehler ein⸗ zugeſtehen und die Partie verloren zu geben. Noch wäre um die Jahreswende das Schlimmſte zu verhüten geweſen. Anſtatt aber

DE, EEE

die Landesverteidiger zum Auseinandergehen aufzufordern und daz mit den Aufſtand von ſelbſt gum Erlöſchen zu bringen, haben die Führer in unſeliger Verblendung und krankhaftem Starrſinn an dem Gedanken, den Kampf fortzuſetzen, feſtgehalten, bis er auf den Höhen von Aidenbach im Blute vieler Tauſender erſtickte.

Der politiſche Gegenſpieler des Aufſtands iſt Graf Löwenſtein geweſen. Da ſein Wirken als kaiſerlicher Statthalter vielfach ab⸗ fällige Beurteilung erfahren hat, ſei dasſelbe mit wenigen Worten gewürdigt. Es mag für den Kaiſer Leopold nicht ganz leicht geweſen ſein, einen Mann zu finden, der die Gewähr bot, die ſchwierigen Verhältniſſe in Bayern zu ordnen und dort mit Ruhe und feſter Hand die Belange des Kaiſers zu ſichern. Die auf den Grafen Löwen⸗ ſtein gefallene Wahl hätte keine beſſere ſein können. Graf Löwen⸗ ſtein vereinte ſtaatsmänniſche Klugheit und Weitblick mit Welt- und Lebenserfahrung und hatte ſich bisher in allen ſeinen Dienſt⸗ ſtellungen wohl bewährt. Und er hat auch das Vertrauen ſeines Kaiſers voll gerechtfertigt. Die Richtſchnur feines Handelns bildete die vom Prinzen Eugen entworfene und vom Kaiſer genehmigte Dienſtanweiſung, die eine möglichſte Schonung Bayerns vorſah. Da man ſich, wie bereits erwähnt, in Wien mit dem Gedanken trug, Bayern beim Friedensſchluß mit den kaiſerlichen Erblanden zu ver⸗ einigen, ſollte Bayern möglichſt geſchont werden, ſoweit die For⸗ derungen des Krieges dies irgendwie zuließen. Dieſe Abſicht deckte ſich mit dem eigenen menſchlichen Empfinden des Grafen Löwen⸗ ſtein, der es freilich nicht abwenden konnte, daß Bayern in den erſten Jahren der Beſetzung alle Leiden eines eroberten Landes auszukoſten hatte. Um ſo eifriger machte ſich Graf Löwenſtein daran, das Land wieder wirtſchaftlich zu kräftigen, und wenn Bayern ſich von den Kriegsſchäden in verhältnismäßig kurzer Zeit erholt hat, jo darf dies zum guten Teil der zielbewußten Tätigkeit des Statt⸗ halters zugeſchrieben werden. Einige Geſchichtsſchreiber haben dem Adminiſtrator vorgeworfen, er ſei gegen die Führer des Aufſtands mit übergroßer Strenge verfahren. Sein Verhalten war aber durch das Mandat des Kaiſers vom 27. Januar 1706 beſtimmt. Wenn dasſelbe den Anſtiftern und Führern zwar die verdiente Lebens⸗ ſtrafe nachſah, aber gegen den einen und andern „eine gelindere Ahndung“ vorbehielt, ſo war das vom kaiſerlichen Standpunkt aus nicht nur verſtändlich, ſondern auch politiſch notwendig. Hielt doch in einigen Gegenden die Gärung im Volke an, und nur durch ſtrenge Strafen, die als abſchreckendes Beiſpiel wirken ſollten, konnte einer Erneuerung des Aufſtandes vorgebeugt werden. Auch die Wahrung des kaiſerlichen Anſehens verlangte ein kräftiges Einſchreiten, „da⸗ mit nicht“, wie Graf Löwenſtein am 29. Januar 1706 an den Kaiſer ſchreibt, „die Gemüter auf den Gedanken verfallen, als täte man

= TA

jie etwa noch fürchten und ihren Frevel ungeſtraft dahingehen laſſen“. Des Eindrucks freilich kann man ſich nicht erwehren, daß bei der Abrechnung die „Herren“ mit anderem Maße gemeſſen wur⸗ den, wie die kleinen Leute aus dem Volk. Graf Löwenſtein hatte ſchon frühzeitig erkannt, daß der Aufſtand einmal mit Waffen⸗ gewalt unterdrückt werden müſſe und er hat auch die daraus für das Land entſtehenden Folgen vorausgeſehen. In ſeinem Pflichtbewußt⸗ ſein hat er nichts unterlaſſen, um dem Volk dieſe Prüfung zu er⸗ ſparen und man darf wohl als gewiß annehmen, daß die wieder⸗ holten Abmahnungspatente der Landſchaftsverordnung auf ſeine Anregung hin ausgegeben worden ſind. Wenn man den Admini⸗ ſtrator auch für die Ausſchreitungen der Truppen verantwortlich machen will, ſo geſchieht dies durchaus zu Unrecht. Sie fallen nicht ihm zur Laſt, ſondern der Habgier der kaiſerlichen Generale und dem rohen und unmenſchlichen Geiſt, der die Kriegführung der da⸗ maligen Zeit beherrſcht hat. Zuſammenfaſſend darf geſagt werden, daß Graf Löwenſtein fein Amt mit Wohlwollen und Gewiſſenhaftig⸗ keit verſehen hat, und daß Bayern unter ihm im ganzen beſſer ver⸗ waltet worden iſt als unter ſeinem eigenen Landesherrn.

Bald nachdem Aretin die erwähnte Schrift herausgegeben hatte, begann die romantiſche Geſchichtsſchreibung dem Aufſtand ihre Auf⸗ merkſamkeit zuzuwenden. Sie umrankte ihn mit einem üppigen Ge⸗ ſtrüpp von Legenden und Erzählungen, welche allmählich die ge⸗ ſchichtliche Wahrheit entſtellten, ja ganz zu verdunkeln drohten. Die führenden Männer wurden mit dem Kranz der Anſterblichkeit ge- ſchmückt, die Bauern als Vorbilder bayeriſcher Tapferkeit gepriejen; die Schuld am unglücklichen Ausgang des Aufſtands wurde auf Verräter abgewälzt und die ganze Bewegung mit dem Loſungs⸗ wort: „Lieber bayriſch ſterben, als in des Kaiſers Unfug verderben“ verklärt. Die Forſchungen der neueren Zeit haben die Unrichtigkeit dieſer Auffaſſungen dargetan. Der Wille zu einer großen Tat iſt bei den Führern wohl vorhanden geweſen, aber ihre geiſtigen und ſittlichen Kräfte haben nicht genügt, um ihren Plänen zum Erfolg zu verhelfen, und der ihnen zugeſprochene Ruhm verblaßt bei nüch⸗ terner Wertung ihrer Taten. Die Darſtellung der Ereigniſſe hat ferner erwieſen, daß ſich die Bauern nichtsweniger als tapfer be⸗ nommen haben. In dumpfer Verzweiflung haben ſie ſich überall abſchlachten laſſen, ohne auch nur den Verſuch zur Gegenwehr zu wagen. Die geringen Verluſte der Kaiſerlichen bei den zahlreichen Zuſammenſtößen, beſonders aber bei Aidenbach, ſprechen eine deut⸗ liche Sprache.

In menſchlicher Schwäche und Eitelkeit liegt es begründet, eigene Fehler und Unvermögenheit zu entſchuldigen und zu bemänteln und Mißerfolge im Leben anderen aufzubürden. Im Leben der Völker

un WR es

ijt es nicht anders. Beſonders Niederlagen auf dem Schlachtfeld werden oft nicht dem Mangel eigener Tüchtigkeit, ſondern dem Ver⸗ rat zugeſchrieben. Auch den Zuſammenbruch der Aufſtandsbewegung hat man einem Verräter in die Schuhe geſchoben. Plinganſer be⸗ richtet, daß der Gerichtsſchreiber Johann Paul Wallner von Reichen⸗ berg die Heeresabteilung Kriechbaums auf dem kürzeſten Wege nach Aidenbach geführt und das Bauernlager ausgekundſchaftet haben ſoll. Einen Beweis für ſeine Behauptung bringt er nicht; er weiß nur, „daß die gemeine Rede darüber ging“. Nun liegt ein Bericht Wallners an die Regierung vom 21. Dezember 1705 vor, in dem er ſchreibt: „Heute wurde ich von den Bauern unmenſchlich traktiert und habe mich in der Nacht auf die Flucht begeben, ohne Wiſſen, wohin mich die göttliche Vorſichtigkeit führen werde“. Da er ſeines Lebens nicht mehr ſicher war, wird er, vielleicht in der Freyung eines Kloſters verborgen, die Wiederkehr ruhigerer Zeiten abge⸗ wartet haben, er war alſo gar nicht in Pfarrkirchen, als Kriech⸗ baum am 7. Januar dort einrückte. Erſt am 26. Januar 1706 hat Wallner die Weiſung der Regierung erhalten, ſich wieder zu ſeinem Amt zu begeben. Die gegen ihn erhobene Anſchuldigung iſt alſo grundlos. Kriechbaum war übrigens durch ſeine Huſaren über die Bewegungen des Bauernheeres genau unterrichtet und brauchte keinen Führer, um den Weg nach Aidenbach zu finden.

über den berühmt gewordenen Kampfruf berichtet zum erſten⸗ male ein kaiſerlicher Offizier in einem Brief vom 15. Januar 1706. Darnach hatten die Rebellen auf ihren Fahnen die Inſchrift ange⸗ bracht: „Wir wollen lieber bayeriſch ſterben, als in des Kaiſers Unfug verderben“. Aretin hat dieſen Brief in ſeiner Schrift ver⸗ öffentlicht und ſeitdem iſt der Spruch in alle Darſtellungen des Aufſtands übergegangen und als Ausdruck der im Volke herrſchen⸗ den Stimmung betrachtet worden. Plinganſer, der Hauptzeuge des Aufſtands, erwähnt ihn in ſeiner Denkſchrift nicht; er hätte das ſicher getan, wenn er ihn gekannt hätte. Auch in den Akten findet ſich keine Spur dafür, daß der Spruch bekannt oder gar verbreitet geweſen wäre. Als Fahneninſchrift hat er wegen ſeiner Länge kaum gedient; die aus der damaligen Zeit überlieferten Fahneninſchriften ſind kurz. Auf einem Feldzeichen Max Emanuels ſtehen z. B. die Worte: „coronari aut rumpi“! (König ſein oder zerſchmettert wer⸗ den); auf einem anderen: „nec sanguine satior“! (ſelbſt Blut ſtillt meinen Durſt nicht). Den Oberkändern wurden bei Sendling vier mit dem bayeriſchen Wappen geſchmückte Fahnen abgenommen. Eine von ihnen zeigte auch das Bild der Mutter Gottes und dar⸗ unter die Worte: „Zu dir hoffen wür“. Auf der andern Seite war zu leſen: „Kurbayeriſche Oberlandesdefenſion“. Die Bauern im Unterland führten überhaupt keine Fahnen; wenigſtens iſt nichts

davon überliefert. Der Kampfſpruch ijt aljo wohl geſchichtlich be⸗ glaubigt; dagegen erſcheint es ſehr fraglich, ob er wirklich und all⸗ gemein im Gebrauch war, und ob er die zündende Wirkung auf die breite Maſſe ausgelöſt hat, die ihm zugeſchrieben wird. Der Zwang, mit dem die Bauern „zum Mitgehen“ genötigt wurden, würde da⸗ gegen ſprechen.

Faſt alle Geſchichtsſchreiber haben die beim Aufſtand ſo ſtark mit⸗ ſchwingende Unzufriedenheit mit den ſozialen Verhältniſſen ver⸗ ſchwiegen und als einen der Hauptgründe der Aufſtandsbewegung die Geſinnung der Treue zu dem angeſtammten Fürſtenhaus be⸗ zeichnet. Auch dieſe Auffaſſung trifft nicht zu. Wohl hatten die Siege des Kurfürſten Max Emanuel bei Wien, Mohacz und Belgrad dem Volke geſchmeichelt. Aber dieſe Erinnerungen waren längſt ver⸗ blichen. Durch ſeinen jahrelangen Aufenthalt im Ausland, durch feine ſinnloſe Verſchwendung und feinen unſittlichen Lebenswandel hatte ſich Max Emanuel die Zuneigung und das Vertrauen des Volkes vollſtändig verſcherzt, ja durch die offen und wiederholt ge⸗ äußerte Abneigung gegen ſein Stammland ſich geradzu verhaßt ge⸗ macht. Schon im März 1701 hatte der geheime Rat in München den Kurfürſten gebeten, nach Bayern zurückzukehren, weil das Land die für die Brüſſeler Hofhaltung benötigten Summen nicht mehr auf⸗ zubringen vermöge. Nur durch ſeine Rückkehr könne der Kurfürſt „die ſchon ziemlich gewichene Liebe wieder hereinbringen, an deren Stelle einmal der Fluch von den ſchwierigen Gemütern ein Unheil nach ſich ziehen dürfte“. Wenn ſchon gegen den Kurfürſten perſön⸗ lich eine ſolche Sprache geführt wurde, dann muß die Erbitterung gegen den Landesherrn ſchon damals groß und weit verbreitet ge⸗ weſen ſein. Und dieſe Stimmung war in den letzten Jahren nicht beſſer geworden. Der Adminiſtrator, dem man eine genaue Kennt: nis der Verhältniſſe in Bayern wohl zutrauen kann, hat in ſeinen vielen Meldungen und Denkſchriften die Anhänglichkeit des Volkes gegen Max Emanuel nie erwähnt; beſonders aber muß auffallen, daß er in den Berichten über die Gründe und Urſachen des Auf⸗ ſtands die Perſon des Kurfürſten mit vollkommenem Schweigen übergeht. So ſchreibt er am 16. November 1705 an den Kaiſer: „Die Bauern find durch die Erzwingung der Rekruten, die Exzeſſe der Miliz und die übermäßigen Kontributionen zum Aufruhr veran⸗ laßt worden“. Und in einem Lagebericht an den Prinzen Eugen vom 3. Dezember 1705 werden dieſelben Urjaden angeführt. Auch in dem Bericht der Regierung von Burghauſen an die Admini⸗ ſtration vom 15. Januar 1706 heißt es ausdrücklich: „Durch nichts anderes als durch die Drangſale und Preſſuren und unbeſchreib— lichen Exzeſſe ſind die bis aufs Blut ausgemergelten Untertanen zu dieſer Extremität veranlaßt worden“. Und wie das Volk wirklich

we 77 e

dachte, das meldete Graf Tattenbad am 2. Juni 1706 an die Admi⸗ niſtration: „Die Bauern haben ſich des Kurfürſten entſchlagen; ſie ſagen: Was Kurfürſt? Er hat uns verlaſſen und wir wollen ihn verlaſſen!“

Nun hat Graf Löwenſtein am 9. Auguſt 1706 nach Abſchluß der Unterſuchung in Burghauſen an den Kaiſer berichtet, „daß dieſer Bauernaufſtand von der ungemeinen Liebe des Landvolks vor ihre geweſte Herrſchaft und daneben imprimierten großen Haß und Aver⸗ ſion jetziger Landsinhabung den Urſprung genommen hat“. Dieſe Anderung in der Auffaſſung über die Gründe des Aufſtands er⸗ ſcheint um ſo verwunderlicher, als gerade die Ausſagen der Gefan⸗ genen in Burghauſen, die allen Ständen angehörten, keinerlei An⸗ haltspunkte für einen dynaſtiſchen Einſchlag der Erhebung gegeben hatten. Es müſſen alſo andere Erwägungen geweſen ſein, welche den Grafen Löwenſtein veranlaßten, die Gefühle der Anhänglichkeit für das Herrſcherhaus in den Vordergrund zu rücken. Sie ſind leicht zu erkennen. Die Beſchwerdeſchrift des Kongreſſes von Braunau an den Reichskonvent hatte die rohe Vergewaltigung Bayerns ſchonungslos aufgedeckt und die Maßnahmen der Adminiſtration waren überall aufs ſchärfſte verurteilt worden. Und als nach der Achterklärung des Kurfürſten gar damit gerechnet werden mußte, daß der Kaiſer Bayern ſeinen Erbſtaaten einverleibe, da erregten ſolche Pläne im ganzen Reich lebhafte Beunruhigung. Die Reichs⸗ ſtände befürchteten mit dieſer Machterweiterung üble Folgen für ihre eigene Unabhängigkeit, deren Einſchränkung ſie ſich mit allen Mitteln zu widerſetzen gedachten. Dem Kaiſer, der mitten im Ent⸗ ſcheidungskampf gegen Frankreich ſtand, und der dazu die Hilfe der Reichsſtände dringend benötigte, mußten alle im Inneren des Reiches auftretenden Schwierigkeiten höchſt unerwünſcht ſein, und es lag nahe, die Bedeutung der in Bayern beſtehenden Mißſtände, für welche die Adminiſtration verantwortlich gemacht wurde, mög⸗ lichſt abzuſchwächen und andere Urſachen für den Aufſtand hervor⸗ zuheben. Wenn Graf Löwenſtein die Liebe des Landvolks für den Kurfürſten als die Haupttriebfeder für den Aufſtand bezeichnet hat, ſo widerſpricht dies nicht nur ſeiner früheren Beurteilung, ſondern auch der einwandfrei erwieſenen Wirklichkeit. Hat doch der ganze Verlauf der Aufſtandsbewegung gezeigt, daß Rückſichten auf den Kurfürſten, wenigſtens im Unterland, nicht im Spiele waren.

Es iſt die Frage viel erörtert worden, ob der Kurfürſt von dem Aufſtand gewußt hat und, wenn ja, ob er ihn gebilligt und unter⸗ ſtützt hat. Die Antwort gibt zunächſt Max Emanuel ſelbſt in zwei Briefen an ſeine Gemahlin. Am 1. Januar 1706 ſchreibt er: „Der Bauernaufſtand in Bayern gewinnt, ſo viel ſich aus den Zeitungen und neueſten Nachrichten erſehen läßt, denn andere Kunde habe ich

geg A 2

nicht, täglich an Bedeutung“. Und am 15. Januar: „Ich kann Ihnen aufrichtig erklären, daß ich niemals etwas von der Erhebung wußte, noch in irgend einer Verbindung damit ſtand; ich kenne nicht ein⸗ mal die Häupter des Aufſtands und wer das Ganze angeſtiftet hat. Von ihrer Seite iſt auch nichts an mich gekommen und alles, was ich davon weiß, weiß ich nur aus holländiſchen Zeitungen und aus einigen zufälligen Briefen, die an jemand von meinem Hofe ge⸗ ſchrieben worden ſind. Ich habe dieſen Handel immer als einen unſicheren betrachtet“. Die Wahrheit dieſer Verſicherung wird noch durch andere Beweiſe erhärtet. Auch die Adminiſtration war davon überzeugt, daß der Kurfürſt am Aufſtand unbeteiligt geweſen iſt. „Man hat es“, berichtet ſie am 14. Januar 1706 an den Prinzen Eugen, „bisher ſattſam abgenommen, daß der Kurfürſt dieſe Re⸗ bellion nicht zu hegen oder zu unterſtützen geſucht hat, weil die ab⸗ gedankten Offiziere ſich nicht darein mengen wollen“. Dieſem Schluß kommt eine ganz beſondere Beweiskraft zu. Denn die ehemaligen kurbayeriſchen Offiziere hätten ſich ohne Zweifel der Landesdefen⸗ ſion zur Verfügung geſtellt, wenn ihnen bekannt geweſen wäre, daß der Kurfürſt die Erhebung begünſtige. Als einige Offiziere ſich bei Oberſt d'Ocfort nach dem Stand der Dinge erkundigten und ihn fragten, ob ſie Dienſt bei den Bauern nehmen ſollten, riet er ihnen ab, „weil kein Befehl des Kurfürſten da ſei, und weil ſie von den Bauern wenig Ehre und ſchlechten Dank zu gewärtigen hätten“. Auch Plinganſer äußert in ſeiner Denkſchrift an den Kurfürſten Zweifel, ob dieſer mit dem Unternehmen einverſtanden war. Die wichtige Tatſache, daß Plinganſer mit dem Kurfürſten keine Ver⸗ bindung aufgenommen hat, wurde ſchon erwähnt. Es kann alſo wohl mit Beſtimmtheit angenommen werden, daß eine Einmiſchung des Kurfürſten in den Aufſtand nicht ſtattgefunden hat.

Die Frage über die fittlide Berechtigung des Aufſtands liegt außerhalb jeder Erörterung. Streben nach Freiheit, Widerſtand gegen eine aufgezwungene Fremdherrſchaft, Abwehr gegen Miß⸗ handlungen durch die Staatsgewalt und Auflehnung gegen unge⸗ ſunde ſoziale Verhältniſſe ſind ſittliche in den Tiefen der Menſchen⸗ ſeele ruhende Triebkräfte, die zum Kampf herausfordern, ſolange Menſchen und Völker ihre Ehre und ihre Freiheit höher ſchätzen als ein würdeloſes Leben in Schande und Knechtſchaft. And dieſe Gründe ſind es auch geweſen, welche den Bauernaufſtand vom Jahre 1705 im bayeriſchen Unterland entfacht haben. Das Urteil der Geſchichte hat den Aufſtand ebenſo als ſittlich berechtigt aner⸗ kannte wie den Freiheitskampf der Spanier gegen Napoleon und die Erhebung der Tiroler im Jahre 1809. Das Schickſal hat gegen die Bauern entſchieden. Nach menſchlicher Vorausſicht wäre ein Er⸗ folg auch ohne die ſtarken Schatten, die auf dem Unternehmen lagen,

79

nicht zu erwarten geweſen. Die Teilnahmslofigfeit der breiten Maſſe lähmte die von den Führern entfalteten Schwingen, der tief im Stammescharakter wurzelnde Mangel an Unternehmungsgeiſt und Selbſttätigkeit und die Uneinigkeit unter den Bauern ſelbſt waren ſchlechte Bundesgenoſſen in einem Kampf, der mit einem geradezu kindlichen Vertrauen auf die gerechte Sache allein nicht durchge⸗ fochten werden konnte. Auch fehlte dem Volke nicht nur jede poli⸗ tiſche Erkenntnis und Geſchloſſenheit, ſondern auch der unerſchütter⸗ liche Wille zur Erreichung des Endziels, Mängel, die ſchwerer zu werten find, als das Fehlen einer klaren Führung und einer feſten Organiſation.

Über der Erhebung des Unterlands aber leuchtet der helle Schein der Tat. Und diefe Tat ift es, die den Arhebern des Aufſtands die Anteilnahme der ſpäteren Geſchlechter ſichert.

80 Verzeichnis der benützten Quellen.

Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen, 7. Band.

Europäiſche Fama, 1. und 2. Band.

Theatrum Europaeym, 17. Band.

Vehſe, Geſchichte der deutſchen Höfe, 23. Band.

Riezler, Sigmund, Geſchichte Baierns, 7. und 8. Band.

Schäffler, Dr. Auguſt, Die oberbayeriſche Landeserhebung im Jahre 1705.

Heigel, Karl Theodor, Quellen und Abhandlungen zur neueren Geſchichte Bayerns.

Lamprecht, Joh. Ev., Hiſtoriſch⸗topographiſche und ſtatiſtiſche Beſchreibung der k. k. Landesfürſtl. Gränzſtadt Schärding a. Inn.

Das Bayerland. Illuſtrierte Halbmonatsſchrift für Bayerns Land und Volk.

Buchner, Andreas, Bayeriſche Geſchichte, 9. Band.

Verhandlungen des Hiſtoriſchen Vereins für Niederbayern Band 8, 9, 20, 22, 24, 25 und 41.

Oberbayeriſches Archiv, Band 17.

Sepp, Joh. Nep., Der bayeriſche Bauernkrieg mit den Schlachten von Sendling und Aidenbach.

Wallmenich, Karl v., Der Oberländer Aufſtand 1705 und die Sendlinger Schlacht.

Meindl, Konrad, Geſchichte der Stadt Braunau.

Meichelböck, Historia Frisingensis.

Eberl, J. W., Geſchichte der Stadt Dingolfing.

Altbayeriſche Monatsſchrift, Jahrgang 1, 1899.

Maier, Markus, Denkwürdige Kriegsereigniſſe im k. b. Land⸗ gericht Eggenfelden.

Hormayr, Taſchenbuch für vaterländiſche Geſchichte, 6. Jahrgang

Scharrer, Franz, Chronik der Stadt Vilshofen.

Abhandlungen der K. B. Akademie der Wiſſenſchaften, 26. und 29. Band.

Pamler, Joſeph, Die Schlacht bei Aidenbach.

Geschäftsbericht für das Bereiusjahe 1936.

Die Fortführung alter durch Jahrzehnte hindurch gepflegter Auf⸗ gaben und die Inangriffnahme neuer dem Geiſt der Zeit entſpre⸗ chender Ziele brachte im abgelaufenen Vereinsjahr eine reiche Fülle von Arbeit, über welche der geſchäftsführende Vorſitzer in der Jahres⸗ hauptverſammlung am 14. Januar 1937 Bericht erſtattet hat.

Die erſte Sorge galt der Vereinszeitſchrift. Da im Jahre 1935 kein Band der „Verhandlungen“ erſchienen war, ergab ſich die Not⸗ wendigkeit, dieſe Lücke zu ſchließen und im Jahre 1936 zwei Bände herauszugeben. Der Verein war ſich wohl bewußt, daß die Ein⸗ zahlung zweier Jahresbeiträge in einem Jahr eine unerfreuliche Belaſtung für die Mitglieder mit ſich bringt. Er hoffte aber, daß ſie in ihrer dem Verein immer bewieſenen Treue nicht wankend werden und er hat ſich in dieſer Zuverſicht nicht getäuſcht. Die durch Tod, Wegzug oder Austritt erfolgte Einbuße an Migliedern hat den gewöhnlichen Durchſchnitt nur um weniges überſchritten und es iſt gelungen, durch eine Werbung in der Stadt Landshut dieſe Ver⸗ luſte ſo ziemlich wieder auszugleichen. Richt aber konnte der Aus⸗ tritt einer beträchtlichen Zahl von Landgemeinden wettgemacht werden, die im Hinblick auf ihre wirtſchaftliche Lage glaubten, den Beitrag für den Verein nicht mehr tragen zu können. Der Verein hat das Ausſcheiden dieſer Mitglieder mit beſonderem Bedauern zur Kenntnis nehmen müſſen.

Eine bedeutungsvolle Aufgabe erwuchs dem Verein aus 5 der Be⸗ treuung des Stadt⸗ und Kreismuſeums. Nicht nur das Beſtreben, der Stadt Landshut, die in dem Stadt⸗ und Kreismuſeum einen ſo wertvollen kulturellen Mittelpunkt geſchaffen hat, eine Dankes⸗ Fſchuld abzutragen, ſondern noch mehr die Erkenntnis der Verpflich⸗ tung, die Schätze des Muſeums der Allgemeinheit bekannt zu machen, brachte es mit ſich, das Muſeum durch Führungen den weiteſten Kreiſen zu erſchließen. Die Mitglieder des Ausſchuſſes haben ſich gerne in den Dienſt dieſer Sache geſtellt. Im Frühjahr 1936 wurden 21, im Herbſt 11 Führungen durch die Sammlungen veranſtaltet. Die Anteilnahme, anfangs erfreulich ſtark, flaute im Laufe der Zeit ab; immerhin konnten in den insgeſamt 32 Führungen 1095 Be⸗ ſucher, alſo im Durchſchnitt 34 Perſonen geführt werden. Angeſichts der Tatſache, daß nach Übereinſtimmung der Fachleute die Stadt Landshut das ſchönſte Provinzmuſeum Süddeutſchlands beſitzt, mag

6

82

dieſe Zahl freilich gering erſcheinen. Nicht verſchwiegen werden ſoll, daß der Beſuch des Muſeums durch Schulen weit hinter den gehegten Erwartungen zurückgeblieben iſt. Die Führungen erfolgten jeweils nur durch eine oder zwei Abteilungen; es lag dabei die Abſicht zu Grunde, die Beſucher eingehender mit dem Zweck und Sinn und dem künſtleriſchen Wert einzelner Gegenſtände vertraut zu machen und damit die Bedeutung des alten Kulturguts auch für unſere Zeit hervorzuheben. Die Aufmerkſamkeit, mit der die Beſucher die Füh⸗ rungsvorträge entgegennahmen, und die laute Anerkennung, welche die vortragenden Herren gefunden haben, läßt darauf ſchließen, daß das Ziel erreicht wurde, und daß der Verein mit der Art der Füh⸗ rungen auf dem richtigen Wege iſt; die nun bewährte Bahn ſoll auch weiterhin beſchritten werden.

Der herkömmliche Ausflug des Vereins führte am 28. Juni 1936 37 Teilnehmer im Kraftwagen in die Ferne. Die Fahrt galt haupt⸗ ſächlich einer Beſichtigung der weit verſtreuten Kunſtwerke unſeres rühmlich bekannten einheimiſchen Bildhauers Chriſtian Jorhan. Sie berührte Maria Talheim, Altenerding, Hörgersdorf, Iſen, St. Wolfgang, Schwindegg und Buchbach. Überall bot ſich durch Führung und Betrachtung eine Fülle köſtlicher Genüſſe für Geiſt und Gemüt. Die Wanderfahrt iſt ein Feſttag im beſten Sinne des Wortes ge⸗ weſen.

Im Oktober 1936 beginnend trat der Verein mit ſeinen monat⸗ lichen Wintervorträgen vor die Offentlichkeit. Gegenüber der bis⸗ herigen Gepflogenheit, den Gegenſtand der Vorträge den Vortragen⸗ den zu überlaſſen, wurde der Verſuch unternommen, ſämtliche Ver⸗ anſtaltungen zu einem Ganzen zuſammenzufaſſen. Als leitender Gedanke war ausgegeben das Zeitalter des Rokoko. Es behandelten in dieſem Rahmen

am 15. 10. 36 Studienrat Dr. Rudolf Bauer den Geiſt des Rokoko;

am 12. 11. 36 Studienprofeſſer Geiger die Politik des Rokokozeit⸗

alters;

am 17.12.36 Oberbaurat Simon die Baukunſt des Rokokozeit⸗

alters mit Lichtbildern; f am 21. 1. 37 Studienprofeſſor Renner die Malerei im 18. Jahr⸗ hundert mit Lichtbildern;

am 25. 2. 37 Profeſſor Dr. Lill, Direktor des Landesamts für

Denkmalspflege in München, die Aufgaben der Plaſtik im Rokokozeitalter mit Lichtbildern;

am 18. 3. 37 Studienrat Dr. Hornung die Dichtung in der Um:

welt des Rokoko.

Die Vorträge waren gut beſucht; merkwürdigerweiſe ſind dabei die Mitglieder gegenüber den Nichtmitgliedern immer erheblich in der Minderzahl geweſen. Durch Vorführung von Lichtbildern und

Darbietungen zeitgenöſſiſcher Muſik haben die Vorträge eine will- kommene Ausſchmückung und Ergänzung erfahren. Den Herren Rednern und allen, welche durch ihre muſikaliſche Mitwirkung ſo viel zur Verſchönerung der Vortragsabende beitrugen, ſei hier noch⸗ mals aufs beſte gedankt.

Die mehrfach ſich bietenden Gelegenheiten, das Augenmerk wei⸗ terer Kreiſe auf den Verein zu lenken, wurden immer ausgenützt. Zur Deutſchen Städteausſtellung in Berlin ſtellte der Verein das Sandtnermodell der Stadt Landshut zur Verfügung. Die Aus⸗ ſtellung: „Das Pferd in der Kunſt“ in München wurde mit dem Modell der Hufſchmiede beſchickt. Zur Ausgeſtaltung der keramiſchen Ausſtellung in Paſſau ſteuerte der Verein 40 Stück Keramiken bei und bei der Löffelausſtellung des märkiſchen Muſeums in Berlin war er mit einem Löffel aus dem Jahre 1659 vertreten.

Die Bücherei hatte ſich im Berichtsjahre ſteigenden Zuſpruchs zu erfreuen und konnte durch Beſchaffung einer Reihe von wertvollen Neuerſcheinungen bereichert werden. Ein von Herrn Inſpektor a. D. Otto Rothenfelder erſtelltes handſchriftliches Regiſter, welches die Verhandlungsbände 27 mit 60 umfaßt, wird ſich als ein willkom⸗ menes Hilfsmittel bei der Benützung der Vereinszeitſchrift erweiſen. Der Zeitſchriftenſaal, der die Veröffentlichungen der 115 gelehrten Körperſchaften und Geſchichtsvereine enthält, mit denen der Verein im Tauſchverkehr ſteht, wurde vollſtändig neu geordnet.

Der Schriftverkehr hat durch die Beantwortung der an den Verein gerichteten Anfragen eine erhebliche Erweiterung erfahren.

Die Vereinsangelegenheiten wurden vom Ausſchuß in 14 Beſpre⸗ chungen eingehend beraten; bei allen Ausſprachen trat die verſtänd⸗ nisvolle Zuſammenarbeit zum Wohl des Vereins hervor.

Baumann.

6*

ze- BA

Neuzugänge in der Bücherei.

Der Hiſtoriſche Verein hat es ſchon ſeit langem als dringend wünſchenswert erkannt, ſeinen Mitgliedern Kenntnis von den Neu⸗ zugängen in der Vereinsbücherei zu geben. So lange dieſe nur von wenigen Leſern benützt wurde, trat dieſe Notwendigkeit weniger hervor. Nun hat ſich aber ſeit zwei Jahren die Zahl der Bücherei⸗ benützer ganz erheblich gemehrt und der Mangel eines Bücherver⸗ zeichniſſes macht ſich, beſonders für die auswärtigen Mitglieder immer mehr fühlbar.

Leider geſtattet die wirtſchaftliche Lage des Vereins noch nicht den Neudruck des zum letzten Male 1917 gedruckten und jetzt voll⸗ ſtändig veralteten Bücherverzeichniſſes. Um aber den Anregungen unſerer Mitglieder nachzukommen, wenigſtens die letzten Neu⸗ erwerbungen zu erfahren, wurden dieſe in nachſtehendem Verzeich⸗ nis zuſammengeſtellt. Es konnten darin natürlich nicht alle ſeit 1917 zugegangenen Werke aufgenommen werden. Beſondere Berückſichti⸗ gung hat das heimat⸗ und volkskundliche Schrifttum Niederbayerns gefunden. Alles, was für die Bücherei erworben wurde, iſt auf⸗ geführt. Auch die kunſt⸗ und kulturgeſchichtlichen Werke ſind faſt alle verzeichnet.

Der Bücherwart hofft, durch die Bekanntgabe der wichtigſten Neu⸗ erwerbungen dazu beizutragen, den Leſerkreis immer mehr zu er⸗ weitern und wäre ſehr erfreut, wenn die Vereinsmitglieder die ſchöne Bücherei recht fleißig benützen würden.

Baumann.

Aich, Geſchichte des Dekanats Mainburg, 1935. Nr. 2668.

Arco, Graf von, Aus fünf Jahren Feſtungshaft, 1925. Nr. 3287.

Aretin von, Das bayeriſche Problem, 1924. Nr. 898.

Bachmann, Die Verbreitung der flawiſchen Siedelungen in Nord- bayern, 1925. Nr. 888.

Bayern, Die, im großen Kriege, 1923. Nr. 3236.

Behaghel, Geſchichte der deutſchen Sprache, 1916. Nr. 3149.

Berling, Altes Zinn, 1920. Nr. 2670.

Bezzel, Studien zur Geſchichte Bayerns in den Befreiungskriegen, 1926. Nr. 3501.

Birkner, Ur⸗ und Vorzeit Bayerns, 1936. Nr. 3348.

Blöchl, Von alten Steinkreuzen, 1936. Nr. 1313.

85

Böhm, von, Ludwig II., König von Bayern. Sein Leben und ſeine Zeit, 1924. Nr. 404. |

Bramm, Hans Leinberger, ſeine Werkſtatt und Schule, 1928. Nr. 394.

Brennfleck, Das k. b. 16. Inf. Regt. im Weltkrieg, 1931. Nr. 3342.

Brunner, Bayerns Poſtwertzeichen, 1924. Nr. 3240.

Buchner, Hinterglasmalerei in der Böhmerwaldlandſchaft und in

| Südbayern, 1936. Nr. 2672.

Burnhauſer, Hengersberger Heimatbüchlein, 1924. Nr. 2713.

Chamberla in, Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts, 1909. Nr. 1470.

Cramon v., Unjer öſterreichiſch⸗ungariſcher Bundesgenoſſe im Weltkriege, 1920. Nr. 2257.

Czernin, Im Weltkrieg, 1919. Nr. 2874.

Döberl, Entwicklungsgeſchichte Bayerns, 1916. Nr. 3913.

Dreſſely, Grabſchriften, Sprüche auf Marterſäulen und Bild⸗ ſtöcken, Hausinſchriften uſw., 1898. Nr. 3202.

Eberl, Die bayeriſchen Ortsnamen als Grundlagen der Siede⸗ lungsgeſchichte, 1925. Nr. 3915.

Elſter, Miniſter Frh. vom Stein. Sein Leben und ſeine Schriften. Nr. 1667.

Emmer, Geſchichte der Pfarrei Tondorf, 1933. Nr. 3503.

Erlmeier, Chronik von Frontenhauſen, 1925. Nr. 1224.

Erich und Beitel, Wörterbuch der deutſchen Volkskunde, 1936. Nr. 2750.

Fehn, Das Siedlungsbild des niederbayeriſchen Tertiärhügel⸗ landes zwiſchen Iſar und Inn, 1935. Nr. 2484.

Fink, Die Benediktinerabtei Metten und ihre Beziehungen zur Kunſt, 1921. Nr. 2862.

Fink, Die Mettener Stiftskirche, ihre Geſchichte und ihre Kunſt. Nr. 3188.

Feulner, Das Reſidenzmuſeum in München, 1922. Nr. 3337.

Frauenholz v., Das k. b. 2. Küraſſier⸗ und Schwere Reiter⸗ Regiment, 1921. Nr. 3177.

Frey, Sſterreichiſche Kunſttopographie. Bezirk Schärding, 1927. Nr. 3077.

Funk, Von der Aufklärung zur Romantik, 1925. Nr. 3900.

Geb 5 ardt, Handbuch der deutſchen Geſchichte, 1923. Nr. 3243.

Glaiſe⸗Horſtenau, Die Kataſtrophe. Die Zertrümmerung Oſterreich⸗Ungarns und das Werden der Nachfolgeſtaaten, 1928. Nr. 2928.

Grolmann v., Hans Leinberger, ein neuentdeckter Großmeiſter altdeutſcher Plaſtik, 1928. Nr. 2346.

= ge ee

a ee bei Paſſau und fein engliſcher Garten, 1921.

r. 225

Guby, SS niederbayeriſchen Donauklöſter Niederaltaich, Oſter⸗ hofen und Metten. Nr. 2242.

Guby, Die niederbayeriſchen Donauklöſter. Oberaltaich. Die Straubinger Klöſter, 1921. Nr. 2931.

Guglia, Die Geburts- Sterbe⸗ und Grabſtätten der römiſch⸗ deutſchen Kaiſer und Könige, 1914. Nr. 2173.

Hauttmann, Geſchichte der kirchlichen Baukunſt in Bayern, Schwaben und Franken, 1550—1780, 1933. Nr. 3239.

Heilbronner, Studien über Johann Michael Fiſcher, 1933. Nr. 3029.

Helbok, Siedelungsgeſchichte und Volkskunde, 1928. Nr. 3668.

Herrmann, Die Bauplaſtik der St. Martinskirche in Landshut, 1933. Nr. 3504.

Hitler, Mein Kampf. Nr. 3690.

Hofmann v., Das bayeriſche Land und feine Geſchichte, 1936. Nr. 3623

Hoffmann, Kloſter Weltenburg und jeine Aſamkirche, 1931. Nr. 6.

. Die Deutſchen in Rußland 1812. 1924. Nr. 997.

Hornung, Feſtſchrift zur Jahrhundertfeier der Oberrealſchule Landshut, 1933. Nr. 3518.

Holſt e, Die Neuordnung des Stadt- und Kreismuſeums Landshut, 1936. Nr. 2362.

Huber, Das niederbayeriſche Bauernhaus, 1936. Nr. 1578.

Huber, Geſchichte der Pfarrei Neuhauſen bei Landshut, 1933. Nr. 582.

Huber, Geſchichte der Wallfahrt auf dem Gartlberg bei Pfarr⸗ kirchen, 1935. Nr. 3255.

Hülle, Grundzüge der Beſiedelung Bayerns rechts des Rheins in vorrömiſcher Zeit, 1933. Nr. 3492.

Hupp, Deutſche Ortswappen. Nr. 2482.

Karlinger, Kunſtdenkmäler Bayerns, 1923. Nr. 3230.

Karlinger, Bayeriſche Kunſtgeſchichte, 1928. Nr. 2590.

Kanzler, Bayerns Kampf gegen den Bolſchewismus, 1931. Nr. 3273.

Keim, Heimatkundliche Geſchichte von Straubing, 1918. Nr. 2550.

Kempf, Die bayeriſche Heimat. Bildtafeln für Heimatkunde und Heimatkunſt, 1927. Nr. 3811.

Ketterer, Neukirchen bei Hl. Blut einſt und jetzt, 1927. Nr. 2014.

Krick, Die ehemaligen ſtabilen Klöſter des Bistums Paſſau, 1923. Nr. 3898.

87

Krick, Chronologiſche Reihenfolgen der Seelſorgevorſtände und Benefiziaten des Bistums Paſſau, 1911. Nr. 3096. Kriß, Volkskundliches aus altbayeriſchen Gnadenſtätten, 1930. Nr. 3453. K rik, Volkskundliches aus Mirakelbüchern von Maria Ed, Traun: walchen, Kößlarn und Halbmeile, 1931. Nr. 3040. Kriechbaum, Kirchliche Bauten in Braunau und Umgebung, 1935. Nr. 1138. Kriechbaum, Das Bauernhaus in Oberöſterreich, 1933. Nr. 3003. Kriechbaum, Hüben und Drüben. Landſchaft und Städte an Inn und Salzach, 1934. Nr. 3181. Kunſtdenkmale von Bayern Oberbayern Nr. 3571. 3 Bände. Niederbayern Nr. 958. 25 Bände. Krauß, Die Urſachen unſerer Niederlage, 1920. Nr. 2261. Kreitmaier, Die Weihnachtskrippe, 1919. Nr. 3075. Lampert, Niederbayern. Nr. 3904. Leitgeb, Schöpfungen der Gebrüder Zürn, 1932. Nr. 2147. Leporini, Der Kupferſtichſammler, 1924. Nr. 2699. Linnebach, Deutſche Heeresgeſchichte, 1935. Nr. 2706. Luckenbach, Kunſt und Geſchichte, 1923. Nr. 2113. | Ludendorff, Meine Kriegserinnerungen, 1919. Nr. 2854. L udwig II, Unbekanntes von 1932. Nr. 767. Lütz o w, Der Nordſeekrieg. Doggerbank— Skagerrak, 1931. Nr. 3256. Männer, Bayern vor und in der franzöſiſchen Revolution, 1927. Nr. 1149. Mailer, Die Wahlbewegungen im Jahre 1848 in Bayern, 1931. Nr. 2636. Maurer, Die Ortsnamen des Hochſtifts Paſſau, 1912. Nr. 3155. Merkt, Heimatpflege in der Stadt, 1932. Nr. 3469. Mitterwieſer, Die Reſidenzen von Landshut, 1927. Nr. 1624. Mitterwieſer, Alte Hochgräber in Bayern. Nr. 3824. Mitterwieſer, Geſchichte der Fronleichnamsprozeſſion in Bayern, 1930. Nr. 2143. Montgelas, Denkwürdigkeiten, 1887. Nr. 3411. d Muggenthaler, Die Beſiedelung des VBöhmerwaldes, 1929. Nr. 1652. = M ii & e I, e 1921. Nr. 2174. | Niederaltaich, Führer durch die Kirche, 1925. Nr. 3293. Niederbayern, Sammelbände: I. Frühgeſchichte | | II. Römiſche Ausgrabungen Nr. 3360. III. Ortsgeſchichte |

88

Oſterrieder, Beiträge zur Geſchichte der Stadt Abensberg und des Bezirkes Nr. 2244.

Oſterrieder, Es war. Aufzeichnungen über die Zeit von 1870 bis 1900 in und um Abensberg, 1936. Nr. 3821.

Poll, Edmund Jörgs Kampf für eine chriſtliche und großdeutſche Volks⸗ und Staatsordnung, 1936. Nr. 2310.

Prandſtätter, Durch Waldkirchens alte Zeit, 1925. Nr. 2908.

Primbs, Zwiejel einſt und jetzt, 1927. Nr. 2412.

Raumer v., Der Ritter von Lang und ſeine Memoiren, 1923. Nr. 3887.

Reindl, Das Wolnzachtal in der Geſchichte, 1914. Nr. 3189.

Reindl, Hallertauer Skizzen, 1926. Nr. 3911. |

Reindl, Geſchichte des Hopfenbaus in der Hallertau, 1928. Nr. 1409.

Reindl, Aus Aiglsbachs Vergangenheit, 1934. Nr. 1488.

Reindl, Bad Gögging. Geſchichte und Führer, 1936. Nr. 1780.

Reindl, Geiſelhöring. Geſchichte des Marktes und der Pfarrei einſchließlich Greißings, 1936. Nr. 2303.

Rieger, Geſchichte der Stadt Kelheim, 1929. Nr. 2312.

Riemer, Hundert Jahre Prieſterſeminar und Prieſtererziehung in Paſſau, 1928. Nr. 1022.

Riehl, Die Naturgeſchichte des Volkes als Grundlage einer deut⸗ ſchen Sozialpolitik, 1855. Nr. 319.

Rupprecht, Kronprinz von Bayern. Mein Kriegstagebuch, 1928. Nr. 2266.

Rummel v., König und Kabinettschef. Aus den Tagen Ludwigs I, Nr. 2487.

Schäfler, Beiträge zur Pflege von Heimat und Volkstum. Schellenberg, Kirchberg a. Inn, Julbach. Nr. 2765.

Schiffmann, Die oberöſterreichiſchen Ortsnamen. Nr. 2923.

Schierghofer, Umrittsbrauch und Roßſegen, 1921. Nr. 3551.

Schlecht, Wiſſenſchaftliche Feſtgabe zum 1200jährigen Jubiläum des Hl. Korbinian, 1924. Nr. 3233.

Schmid, Heimatbuch über die Pfarrei Rattiszell, 1925. Nr. 2256.

Schmid, Illuſtrierte Geſchichte der Stadt Paſſau, 1927. Nr. 2114.

ä . Pötzmes. Eine Haus⸗ und Ortsgeſchichte, 1925.

un ae NND EHEN und Hofmark Leibersdorf, 1928. Nr. 1014.

Schlieben, Das Schwein in der Kulturgeſchichte. Nr. 1010.

Schopf, Die Rodungsfiedelung des Bayeriſchen Waldes in Nieder⸗ bayern, 1928. Nr. 2407.

Schröfl, Und dennoch! Die Nibelungenfrage gelöſt, 1931. Nr. 1570.

89

Schwarz, Abensberg, Altabensberger Bilder für jung und alt, 1927. Nr. 2268. Seefried, Die Wallfahrt auf den Bogenberg, 1929. Nr. 1136. Seligen t > al, Ziſterzienſerabtei Seligenthal in Landshut, 1932. Nr. 2793 Spindler, Joſeph Anton Sambuga und die Jugendentwicklung König Ludwig I., 1927. Nr. 1439.

Spirkner, Wie entſtand Maria Hilf? 1934. Nr. 3544. Stegemann, Geſchichte des Krieges. Nr. 311. Steinhauſen, Geſchichte der deutſchen Kultur, 1929. Nr. 3352. Stengel, Geſchichte der Lehrerbildungsanſtalt Straubing, 1824

bis 1924. 1925. Nr. 2930. Streibl, Zur Geſchichte der niederbayeriſchen Fiſcherei. Nr. 2109. Sturm, Die Gründung der Stadt Oſterhofen, 1928. Nr. 2919. Sturm, Die Anfänge des Hauſes Preyſing, 1931. Nr. 2696. Uniformen der alten Armee. Nr. 3419. | Wagner, Die Römer in Bayern, 1924. Nr. 3235. Wagner, Die Säkulariſation der Klöſter im Gebiete der heutigen

Stadt Paſſau, 1935. Nr. 306. Wallmenich v., Der Oberländer Aufſtand 1705 und die Send⸗

linger Schlacht, 1906. Nr. 1611. Weigert, Untergang der Dorfkultur, 1930. Nr. 968. Wolf, Geſchichte des Gymnaſiums Landshut, 1921. Nr. 3179. Woolley, Ur und die Sintflut. Sieben Jahre Ausgrabungen in

Chaldäa, 1930. Nr. 280. Pork v. Wartenburg, Weltgeſchichte in Umriſſen, 1922.

Nr. 3069. Zethne A Orts⸗ und Heimatgeſchichte von Vilsheim, 1931.

Nr. 3 Zorn, ir Unterſuchung der St. Martinskirche in Landshut,

1933. Nr. 1845.

Neuzugänge zu den Sammlungen.

Nach früherer Gepflogenheit geben wir in Zukunft alle Neu: erwerbungen, die durch Ankauf und Geſchenke an das Muſeum kommen, den Mitgliedern bekannt. Seit Neuaufſtellung der Samm⸗ lungen fielen bis 1. Januar 1937 folgende Gegenſtände an:

1971

1972 1973 1974 1975 1976 1977

1978 1979 1980 1981 1982

1983 1984 1985 1986 1987 1988

1989

I, Kulturgeſchichtliche Sammlungen:

Kupferſtichplatte des Handwerkerbriefs der Hutmacher in

Landshut, bez. Paul goßler Sculp. Abensberg.

Reiterpiſtole 18. Ih.

Blashorn aus Ton, Kröninger Arbeit.

Infanteriegewehr Mod. 69, „Werder“, ebenſo 2007.

Hellebarde aus Griesſtätt am Inn, 16. Ih.

Dolch, 15. Ih.

Photo des Joh. Anton Schmidtmüller, Arzt, geb. 28. XI. 1776,

ord. Profeſſor an der Univerſität Landshut, nach einem Ge⸗

mälde.

2 Peſtfahnen aus der Nikolakirche in Landshut.

3 Spielfiguren aus Bein, Chineſe, Dame u. Kind.

Flöſſerbeil, 19. Ih.

10 milit. Orden u. 4 Abzeichen

15 Uniform⸗ u. Ausrüſtungsſtücke, |

ebenjo 2002, 2003 19. u. 20. Ih.

3 Stüd Säbel u. Seitengewehre |

verſchiedene Patronen

Lanzenſpitze aus Eiſen, gef. bei Zeholfing, B. A. Landau.

Puppenküche mit 130 Einrichtungsſtücken von 1728.

Roſenkranz aus Bein u. Silberfiligran, 19. Ih.

Tafelbild, Oel auf Holz, 1,13 1,04 m, Ende 15. JH., Chriftus

von links vor Pilatus geführt, umgeben von 8 Knechten,

links Türöffnung.

Tafelbild, doppelſeitig, Oel auf Holz,

a) Verkündigung an Hirten, alter Hirt mit Schafen in freier Landſchaft, rechts oben hinter Felſen, vor einem Hügel liegend eine Stadt, von lichten Bäumen überſchnitten;

b) Heilige Familie im Stall, Joſef links, Maria mit gefalte⸗ ten Händen blickt zum Kind, dieſes ruht auf einem Mantel⸗ zipfel, den 3 Engelchen halten. Durch Mittelöffnung ſind die Tiere ſichtbar, durch linke Tür 2 Bauern. Ueber einem

sa GE

Streifen Landſchaft auf plaſtiſch EEN Goldhimmel | 3 Engel. Ende 15. Ih., 1,50X1,13

1990 Pfeifenkopf aus Porzellan von 1825, Gras, Korps Suevia.

1991 Standfigur Chriſtus aus Holz, Mitte 16. Ih. bez. L 1550 L. aus dem Kunſthandel Frankfurt a. M. Höhe 1,00 m.

1992 Gewehr Mod. 71/84, ebenſo 2004, 2005, 2006.

1993 Gewehr Mod. 58, „Podewils“.

1994 2 Meſſingleuchter, 19. Ih.

1995 EC aus Eiſen, mittelalterl., gef. am Gſchlößlberg bei

| Itdorf

1996 Meſſingkerzenleuchter mit 4fach verſtellbarer Tülle, 19. Ih.

1997 Schlüſſel aus Eiſen, Ring flach geſchmiedet, kreisrund mit | 7 Löchern, mittelalterl.

1998 Bronze- Medaille von Max Pfeiffer. Av. Portrait Hans Schemm. Rev. Hoheitszeichen mit 3 Wappen. 90 mm.

2000 Roſenkranz aus ſchwarzen Holzperlen mit 5 Wundmalen aus Bein, 19. Ih.

2001 2 Wachsfiguren, 21 em hoch, 18. Ih., aus der Landshuter Gegend, wahrſcheinlich Arbeiten von Jorhan. Zwei Büker- heilige, Magdalena und ein bärtiger alter Mann mit einem Stein in der rechten Hand.

2008 2 Lichtbilder von Gebäuden der niederbayeriſchen Handels⸗ und Induſtrie⸗Ausſtellung in Landshut 1903.

II. Bor: und frühgeſchichtliche Sammlung.

Jüngere Steinzeit:

Spitze eines Feuerſteinmeſſers des Altheimer Typus. Viel Feuer⸗ ſteinrohmaterial und Abſchläge aus gebändertem, grauem Feuer⸗ ſtein. Grobe Scherben aus ſtark gemagertem, grauem Ton, dar⸗ unter ein Randſtück eines ſehr großen Gefäßes und einige ſtich⸗ bandverzierte Scherben. Aufſammlungen auf dem Rehlinger Feld öſtl. Holzen, Gde. Altheim, B. A. Landshut. RO. 23.19, Nr. 820a, 823, 816 u. 818a.

Viele bandkeramiſche Scherben, dabei eine große Knuppe, viele grobe Ware von großen Gefäßen. Verſchindene Silices aus ge⸗ bändertem, grauem Feuerſtein. Aufſammlungen auf der Wein- leite ſüdweſtl. Holzen, Gde. Altheim, B. A. Landshut. NO. 23.19, Nr. 856.

Feuerſteinmaterial aus gebändertem, grauem Feuerſtein, darunter ein ſchmales 4,5 em langes Meſſerchen und Rohmaterial in Form von bis 2,2 em dicken Platten. Viele unverzierte Scherben grober Ware, Wandſtücke von ſtichbandverzierten Gefäßen. Aus zerſtörten

92

Wohngruben im Binshamer Feld bei Binsham, Ede. Tiefen⸗ bach, B. A. Landshut, RO. 18.19, Nr. 1046.

Vorderes Bruchſtück eines trapezförmigen Steinbeils mit ſymmetr. zugeſchliffener, ganz ſchwach grundeter Schneide aus Grünſtein, noch 8 em lang, Schneide 4,8 em. Zufallsfund auf der Tanzloh bei Frauenberg, Gde. Frauenberg, NO. 21.22, Nr. 163.

3 Feuerſteinmeſſer aus grau gebändertem Material. Verſchiedene grobe Scherben aus ſtark gemagertem grauem Ton, ein kleines ſtichbandverziertes und ein großes fein geglättetes Randſtück aus rotem Ton, ſowie Hüttenlehm. Aus 3 bei einem Kelleraushub zerſtörten Wohngruben in Altdorf, Gde. Altdorf, B. A. Lands: hut, NO. 21.17, Nr. 156 ½.

Bronzezeit:

Ein dickwandiges Stück aus grauem Ton von einer Umbruchſtelle mit ſenkrecht geſtelltem 1 cm langen und 1 cm voneinander ent- fernten Strichen am Umbruch verziert. Streufund von der Wein⸗ leite bei Holzen, Gde. Altheim, B. A. Landshut, NO. 23.19, Nr. 856.

Ein mit geſtochenen hängenden Dreiecken verziertes fein geglättetes Wandſtück eines aus rotem Ton gefert. Gefäßes. Streufund vom Rehlinger Feld bei Holzen, Gde. Altheim, B. A. Landshut, NO. 23.19, Nr. 820a.

Hallſtattzeit:

Grobe Scherben, einige mit Tupfenleiſten, viele unverzierte Wan⸗ dungsſtücke von großen Gefäßen, darunter ein kreisrundes Boden⸗ ſtück, Durchmeſſer 16,5 cm. Zum Teil angebrannte Tierknochen von Rind und Ziege (die Beſtimmung der Knochen erfolgte vom tieranatom. Inſtitut der Univerſität München, gez. Stoß). Höhen⸗ weg nach Schönbrunn Abrutſchſtelle bei Landshut, NO. —, Nr. 2536.

F. J. Weinzierl.

on

ao nN Q

Beſprechung der orksgeſchichllichen Literatur. Ortsgeſchichtliche Literatur.

M. Bernarda Wagner, Die Säkulariſation der Klöfter im

Gebiet der heutigen Stadt Paſſau 1802—1836, Münchner Diſſer⸗ tation, Paſſau 1935, 222 S.

Joſef Reindl, Geiſelhöring, Geſchichte des Marktes und der Pfarrei leinſchließlich Greißings), Kallmünz 1936, 382 S.

Karl Schaefler, Die Kirche zum hl. Bartholmäus und Georg

in Julbach am Inn, Selbſtverlag des Verfaſſers, 1934, 24 S.

Karl Schaefler, Der Schellenberg im Spiegel der Heimat-

geſchichte, ebda, 1931, 35 S.

. Karl Schaefler, Anſere Volksſchulen, Geſchichte der Schule

von Kirchberg a. J. und Schulgeſchichtliches über die Nachbar⸗ orte, ebda, 1931, 179 S.

; Karl Schaefler, Das ehemalige Landgericht Julbach in

ſeinen Burgen, Schlöſſern und Edelſitzen, ebda, 1932, 132 S.

. Simon Huber, Altdorf, Das niederbayeriſche Bauernhaus,

Thomann, Landshut, 20 ©.

Joſef Reindl, Bad Gögging, Geſchichte und Führer, Verlag

Gemeinde Bad Gögging, 1936, 35 S. Joje Reindl, Aus Aiglbachs Vergangenheit, Verlag Wein- mayer, Mainburg, 1934, 94 S.

Joſef Huber, Geſchichte der Wallfahrt zur ſchmerzhaften

Mutter Gottes auf dem Gartlberg bei Pfarrkirchen, Verlag Kambliſche Buchhandlung, Pfarrkirchen, 1935, 47 S.

, Sebaltian Huber, Geſchichte der Pfarrei Neuhauſen bei

Landshut, Selbſtverlag des Verf., 1933, 467 S.

Franz Xaver Aich, Geſchichte des Dekanats Mainburg, Verlag C. Weinmayer, Mainburg, 1935.

Hanns Zethner, Stoffe zur Ortsgeſchichte und Heimatge⸗ ſchichte von Vilsheim Allerlei Aberglauben. (Manuſkript.)

Zur Beſprechung ſteht eine ganze Reihe ortsgeſchichtlicher Lite⸗

ratur, die nicht bloß dem örtlichen Intereſſe dienen ſoll, ſondern darüber hinaus vor allem den Heimatgedanken pflegen und fördern und damit zugleich die Beſchäftigung mit der Geſchichte und Sinn und Liebe zur Vergangenheit unſeres Volkes vertiefen will. Dazu tritt bei einer Reihe von Arbeiten vor allem die Volkskunde, das Schöpfen aus heimiſcher Sitte und Brauchtum und gerade hier iſt

esp SQA: we

ja die Kette, an der die Gegenwart mit der Vergangenheit ver- bunden iſt, in vielen Gliedern weit zurück bis in die älteſte Zeit zu verfolgen. In mehr oder weniger anſpruchsvollem äußeren Gewande, teilweiſe in ſehr beträchtlichem Umfang erſcheinen dieſe Arbeiten und zeugen ſo nicht nur von der Liebe zur Heimat einzelner, ſondern auch von dem Opfergeiſt, mit dem einzelne Verfaſſer ihre Arbeiten ſelbſt verlegen und ſo den Druck ermöglichen, oder von der ſelbſt⸗ loſen Unterſtützung kleiner örtlicher Druckereien und Verlage, die auf dieſe Weiſe den Heimatgedanken mit tragen helfen.

1. Die Münchner Diſſertation von M. Bernarda Wagner ſtellt einen örtlichen Ausſchnitt der großen Säkulariſationsbewegung in Bayern dar, die Säkulariſation der Klöſter im Gebiet der heutigen Stadt Paſſau. An Hand der einſchlägigen Akten wird die Aufhebung der Paſſauer Klöſter eingehend geſchildert; wertvoll iſt vor allem der geſchichtliche Überblick über Entſtehung und Entwicklung der einzelnen Klöſter, ſodaß die Arbeit faſt als eine Zuſammenſtellung von Monographien dieſer Klöſter mit dem Hauptgewicht allerdings auf der Säkulariſationszeit bezeichnet werden kann. Der große ge⸗ ſchichtliche Zuſammenhang der ganzen Zeit tritt nur in der knappen, einfachen Einführung heraus. Gute und reichliche Bebilderung.

2. Eine mit ungeheurem Fleiß zuſammengeſtellte Arbeit iſt das umfangreiche Werk von Joſef Reindl über die Geſchichte des Marktes und der Pfarrei Geiſelhöring. Es gibt wohl kein Gebiet, das in dem Band nicht mit in die kleinſten Einzelheiten gehender Gründlichkeit behandelt iſt. Reiche Bebilderung und ein Schlagwortverzeichnis er⸗ leichtern die Benützung. Hervorzuheben ijt vor allem auch die fultur- kundliche Seite, von der man vielleicht, ein Vergleich zu der Aus⸗ führlichkeit anderer Abſchnitte, noch mehr erwarten möchte.

3—6. Die Arbeiten Karl Schaeflers zeigen, was durch die Arbeits⸗ freude und den Opferſinn eines einzelnen mit entgegenkommender Unterſtützung der heimiſchen Druckerei im Intereſſe des Zieles: Dienſt an der Heimat und am Volkstum geleiſtet werden kann. Der engere Raum um Julbach am Inn mit ſeiner Kirche, den Burgen, Schlöſſern und Edelſitzen, dem Schellenberg und den Schulen und ihrer Geſchichte wird hier lebendig; beſonders intereſſant der Gang durch die Jahrhunderte, in dem die Burgen: Schlöſſer und Edelſitze der Gegend, jetzt teilweiſe verſchwunden, zu neuem Leben erwachen. Der Rahmen iſt teilweiſe ſehr weit und umfaſſend geſteckt, Boden⸗ kunde, Volkskunde, Kulturkunde mit in den Kreis der Betrachtung gezogen. b

7. Der im Hiſtoriſchen Verein von Niederbayern mit großem Bei⸗ fall aufgenommene Vortrag von H. Pfarrer Simon Huber, Altdorf, über das niederbayeriſche Bauernhaus liegt in einem bebilderten Sonderabdruck vor. Man folgt dem Verfaſſer gern auf dieſem Gang

95

durch Niederbayern, der neben der verſchiedenen Geſtaltung des bäuerlichen Wohnhauſes vor allem auch volkskundlich ſehr wert⸗ vollen Stoff liefert.

8. Der kleine Führer durch Bad Gögging und ſeine Geſchichte von Joſef Reindl faßt in kurzen Zügen die Bedeutung dieſes bereits auf die Römerzeit zurückgehenden Bades zuſammen.

9. Pfarrer Joſef Reindl, Sallach, zeichnet in einer Jubiläums⸗ gabe Aiglbachs Vergangenheit (Kirchenweſen, Schulen, Grundherr⸗ ſchaften, Gemeinde). Bemerkenswert ſind die ortsgeſchichtlichen und kunſtgeſchichtlichen Angaben, ſowie Kulturkundliches namentlich aus dem Schulweſen.

10. In der Geſchichte der Wallfahrt zur Schmerzhaften Mutter Gottes auf dem Gartlberg bei Pfarrkirchen von Joſef Huber finden wir reiches kulturgeſchichtliches Material zur Wallfahrtsbewegung auch zur hl. Theodora in der Stadtpfarrkirche Pfarrkirchen, vor allem aber kunſtgeſchichtliche intereſſante Angaben, belegt aus den Gartlberger Kirchenrechnungen ab 1659, die dieſen bemerkenswerten Bau von Dominikus Chriſtof Zuccali, von Carl Anton Carlone in der hl. Grabkapelle, in den Mittelpunkt rücken.

11. Die Geſchichte der Pfarrei Neuhauſen bei Landshut von Sebaſtian Huber ſtellt denſelben Verſuch ortsgeſchichtlichen Dar⸗ ſtellung, wie wir ihn in der Geſchichte Geiſelhörings kennengelernt haben, auf einem noch engeren örtlichen Rahmen mit derſelben Ausführlichkeit und bis in die kleinſten erreichbaren und der Dar⸗ ſtellung werten ortsgeſchichtlichen Einzelheiten dar. Auch hier er⸗ leichtert ein ausführliches Orts⸗ und Sachwörterverzeichnis die Be⸗ nützung des ebenfalls gut bebilderten Bandes. Das Einbeziehen der Häuſer⸗ und Familiengeſchichte, ſowie der Flurnamen macht das Werk auch nach dieſer Seite hin wertvoll.

12. Die Geſchichte des Dekanats Mainburg von Geiſtl. Rat Xaver Aich iſt vor allem in dem Aufzeigen der geſchichtlichen Entwicklung wertvoll, bringt dabei aber vor allem auch kulturgeſchichtliche Aus⸗ blicke, ſo z. B. über die Auswirkung der Reformationszeit in dieſem engeren örtlichen Rahmen, die Peſtzeit und ähnliches.

13. Die im Manuſkript vorliegenden Stoffe zur Orts- und Heimatgeſchichte von Vilsheim und allerlei Aberglauben von Hanns Zethner, Vilsheim, ſind gerade in dem letzteren kulturgeſchichtlichen Abſchnitt intereſſant. Reiches Material zur Geſchichte des Kleinen Vilstals, ſeiner Orte, Kirchen und Seelſorge wird geboten.

Dr. Hornung.

Digitized by Google

` Digitized by Google

u = d a e SN ` D ei R es A À , e > . à * É 4 £ Lar f IT Tt, A -A CN $ * fré 4 > h D e ` * A ~ x E ` 1 ** S A | + 4 i A

2 ke ` ` i KL: L

b 4 A g 3 ` 7 * ` * a Ë a d DI 3 + 70 * e = + + D * A d v ` e 7 fi _ 4 ` D ` ` DH + ` * > ae x ` ` ei R f'e J Pr s y Zur ` 8 x Pr db » d * ki e a nn f bai ei & a H . R * ` > Zei > b ? r . EI ` > * dh, j d s 4 * E 4 “A e Ar * H * ; A x ~ * D a va S X * = * $ D \ A d * * Re 3 N a al y k ` KN * e ha y > E d ` Sak Fj i A Da T 4 E - 7 A * * L u ` N > i 4 Pe v ` ` $ d 7 u K b ` Le sf * > ` rd * D > © * X ) 3 + * T D 8 * . ` r - ` d ` t (e r A.