TR Me D. En RE CA Pr LÉ ET. À rer EEE: OR de Le 2 M re Ar a 0e {Fa cas 5 ; v+ te FAO "ape eme ac Bi : ae SAN Ye Mr pe ’ BR: gb Fe. ET > nr du RE un = ’ 2 er - ap ach À F7 en A De =? En v De “re Bereit Es 3 > +7 Er, SA: > gays Pr et AR ee me CS TR RE REIT Le . Cr RT At et nz SR RER ner Ms en LR). ZEUS dé brie. "" 2 erg Rire” + il »] z Me Beer) 4 re EEE DE Xe à SRE “ RS PEN AR" A , sé ep? 1 PS HERE N. er = nn Br 75% ETS 1 Sr Le nu g 240 PES r VERHANDLUNGEN AATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT | VIERTER BAND, Mit zwei Tafeln Abbildungen und dreissig Tabelien. — m LER TI BASEL, SCHWEIGHAUSERISCHE VERLAGS-BUCHHANDLUNG. 1867, INHALT. vun Chemie. Prof. C. F. Scnexsrix: Nach welchem Verhältniss verbindet sich bei der langsamen Oxidation, welche unter der Mitwirkung des Wassers statt- findet, der Sauerstoff mit der oxidirbaren Materie und dem Wasser? 3. Ueber das Verhalten des Sauerstoffes zum Thallium. 16. Ueber das Ver- halten des Sauerstoffes zum Blei. 27. Weber das Verhalten des Sauer- stoffes zum Nickel. 36. Ueber das Verhalten des Sauerstoffes zum Kobalt, 41. Ueber das Verhalten des Sauerstoffes zum Wismuth. 43. Ueber einige neue höchst empfindliche Reagentien auf das Wasserstofisuperoxid. 44. Einige Angaben über den Wasserstofischwefel. 45. Ueber ein neues höchst empfindliches Reagens auf das Wasserstoffsuperoxid und die sal- petrichtsauren Salze. 51. Ein Beitrag zur genauern Kenntniss des mensch- lichen Harnes. 53. Ueber die Bildung einer fluorescirenden Materie beim Faulen des menschlichen Harnes. 70. Ueber das Vorkommen des Wasser- stoffsuperoxides im menschlichen Körper. 72. Ueber die nächste Ursache der alkalischen Gährung des. Menschenharnes. 132. Ueber das Verhalten des Ozons und Wasserstoffsuperoxides zum Cyanin. 189. Ueber das Ver- halten des gewöhnlichen Sauerstoffes zum Cyanin. 204. Ueber das Ver- halten des Chiors zum Gyanin. 212. Ueber das Verhalten der schweflichten Säure zum Cyanin. 215. Ueber das Cyanin als empfindlichstes Reagens auf Säuren und alkalische Basen. 218, Weber einige das Cyanin betref- fenden optischen und capillaren Erscheinungen. 224. Einige nähere An- gaben über das Photocyanin. 230. Ueber das Photoeryihrin 236. Ueber den Einfluss des Wassers auf die chemische Wirksamkeit des Ozons 242, Ueber die Einwirkung des Platins, Rutheniums, Rhodiums und Iridiums auf das Chlorwasser, die wässrigen Lösungen der Hypochlorite, das Wasserstoffsuperoxid und den ozonisirten Sauerstoff. 286, I. Ueber den wahrscheinlichen Zusammenhang des Vermögens gewisser thierischer Ab- sonderungsstoffe, bestimmte Krankheitserscheinungen im Organismus zu verursachen, mit ihrer Fähigkeit, das Wasserstofisuperoxid in Sauerstoff und Wasser umzusetzen. 401. II. Einige Angaben über die Blutkörperchen. 410. Ill. Beitrag zur nähern Kenntniss des Wasserstoffsuperoxides. 416. IV.. Ueber die Einwirkung des Platins, Rutheniums, Rhodiums und Iri- diums auf das Chlorwasser, die wässrigen Lösungen der Hypochlorite, 415433 Re PR das Wasserstoffsuperoxid und den ozonisirten Sauerstoff, 429. V. Ueber die beı der langsamen Oxidation organischer Materien stattfindende Bil- dung des Wasserstoffsuperoxides. 441. VI. Ueber das Auftreten thätigen Sauerstoffes bei der langsamen Oxidation verdampfbarer organischer Ma- terien. 468, VII. Geber das Verhalten der flüssigen Kohlenwasserstoffe und Feite zum wasserfreien Sauerstoff. 472. VIII. Nachträgliche Angaben über den -Gehalt des Bernsteins und einiger anderer Harze. 481. Ueber die durch die fiüssigen Kohlenwasserstoffe und andern kohlen- wasserstoffreichen Materien bewirkte Beschleunigung der Oxidation des wasserfreien Weingeisies und der damit verknüpften Bildung von Was- serstofisuperoxid. 591. X. Weber das Verhalten der Blausäure zu den Blutkörperchen und. den übrigen organischen das Wasserstoffsuperoxid katalysirenden Materien. 767. Il. Veber die Anwesenheit des Ozons in der atmosphärischen Luft. 774. ii. Ueber die Vebertragbarkeit des vom Terpentinöl und andern ähnlichen organischen Materien aus der Luft auf- genommenen Sauerstofies auf das Wasser. 788. IV. Ueber die Anwesen- heit beweglich-thätigen Sauerstoffes in organischen Materien. 799. Y. Ei- nige Angaben über das Guajakharz, 810. VI. Ueber das Brasilin und dessen Fluorescenz. 814. Dr. Friepnıcnh GorPezsraver: Beitrag zur Prüfung der Kuhmilch. 497. Ueber die chemische Beschaffenheit von Basel’s Grund-, Bach-, Fluss- und Queilwasser, mit besonderer Berücksichtigung der sanitarischen Frage (als erster Theil). 640. ij. Beobachtung der äusseren Eigenschaften, des Ge- ruchs, des Geschmacks und der Farbe. 650. II. Trübung. 655. IH. Re- action auf Schwefelwassersiofigas und dessen Verbindungen. 659. IV. Re- ‚action auf Ammoniak und dessen Verbindungen. 664. V. Reaction auf salpetrige Säure und auf Salpetersäure. 670. VI. Reaction mit Silber- nitratlösung und mit Goldchloridlösung auf organische leicht oxydirbare Substanzen. 678. VII. Titration mit Kalipermanganatlösung. 680, VIII. Bestimmung des Gehaites eines Liters Wasser an festen Bestandtheilen. 688. IX. Bestimmung der Menge der beim Glühen des Rücksiandes eines Liters Wasser sich verflüchtigenden Stoffe. 703. X. Bestimmung der Ge- sammi-Menge der organischen Stoffe, der salpeirigen Säure und Salpeter- säure. 707. XI, Bestimmung der Quellsäure und Quellsalzsäure, der harzartigen und Extractivstoffe. 721. XII. Ueber die Temperatur der ver- schiedenen Trinkwasser Basels. 722. Résumé 725. Ueber feuerfesten Thon aus der Umgebung von Basel, #752. Ueber eine neue fluorescirende Subsianz aus dem Kubaholze. 736. I. Darstellung aus der grünen Dampf- druckfarbe. 737. Il. Darstellung aus dem gelben Kubaholzihonerdelack. 733. III. Darstellung aus dem Kubaholze. 740. Dr. WERNER Scuwin: Chemische Untersuchungen: Zur Muriumtheorie. 600. Polarisation des Sauerstoffs durch Wärme. 605. Ueber direkte Oxydation des Stickstoffs. 606. se Prof. En, HAGEeNBacu: Üeber die Fluorescenz des mit Bleisuperoxyd be- handelten Brasilins. 819. Physik. Prof, En. HacewBacn: Mittheilung über einen Blitzschlag vom 10. Mai 1863. 81, Ueber das Meteor vom 11. Juni 1867. 757. Herr Dr. Fr. Burckuanpr : Die Kontrastfarben im Nachbilde. 263. Meteorologie. Herr Rathsherr PETER Biraran: Meteoroiogische Uebersicht des Jahres 1862. 84. Meteorologische Uebersicht des Jahres 1865. 86. Mittel aus den meteorologischen Beobachtungen in Basel in den 35 Jahren 1829 bis 1863. 87. Monatliche Mitteltemperatur in Basel. 88. -Höchster und niedrigster Thermometerstand R. in Basel. 89. Barometerstand in Basel. 80. Unterschied des mittlern Barometerstandes über den mittlern Stand von 3 Uhr Nachmittags. 91. Witterung. 92. Äelieste gedruckte Nachricht über den Meteorsteinfall von Ensisheim am 7. November 1492, 93. Geologie. Herr Rathsherr Prrer Meran: Ueber die Stellung des Terrain a Chailles in der Schichtenfoige der Juraformation. 94. Ueber die Pflan- zenabdrücke in dem Vebergangsgebirge von Badenweiler, Grossherzogthum Baden. 254. Geologische und palsoniologische Notizen. 551. Weber die paläoniologische Bestimmung der Formationen. 745. Herr Prof. Ars. Müzter: Ueber die krystallinischen Gesieine der Umge- bungen des Maderanerthales. 35%. Weitere Beobachtungen über die kry- stallinischen Gesteine des Maderaner-, Etzli- und Fellithales. 559. Ueber die Eisensteinlager am Fuss der Windgelle. 762. Zoologie. Herr Rathsherr Perse Mertan: Verbreitung der Dreissena poly- morpha. 94. Prof. Aus. mürcır: Ueber das Vorkommen von Saurierresten im bunten Sandstein von Riehen bei Basel. 96. Mineralogie. Prof. Ars. Mürrxr: Ueber einige neuen Erwerbungen der Mi- neraliensanmiung des Museums. 97. Anatomie. Prof. His: Ueber Lymphgefässe in den nervösen Centralorganen. 122. Lymphgefässe der Retina. 256. Palæontoiogie. Prof. L. Rüörtınever : Neue Beiträge zur Kenntniss des Torf- schweins. 139. Beiträge zu einer paleontologischen Geschichte der Wie- derkauer, zunächst an Linne's Genus Bos. 299. Entwickelungsgeschichte. Prof. Wırzrın His: Ueber die erste Anlage des Wirbelthierleines. 484. Folgen der Bebrütung. 489. Ueber die erste An- lage des Wirbelthierleibes. (Fortsetzung.) 617. Herr Rathsherr Perser Merıax: Ueber den Bestand der naturwissenschaft- lichen und mathematischen Abtheilung der öffentlichen Universitätsbib- liothek. 608. Geschenke an das naturwissenschaftliche Museum in den Jahren 1863 bis 1866. 821. Verzeichniss der Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft in Basel. 854. VERHANDLUNGEN - NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT BASIEHI.. VIERTER THEIL. ERSTES HEFT. BASEL. SCHWEIGHAUSERISCHE VERLAGS=BUCHHANDLUNG. 1354. BRUNNER NL? IN EI | | BE EEE CHEMIE. Mittheilungen von C. F. Schönbein vom Juli 1863 bis zum September 1864. "Weitere Beiträge zur nähern Kenntniss des Sauerstoffes. I. Nach welchem Verhältniss verbindet sich hei der lang- samen Oxidation, welche unter der Mitwirkung des Wassers stattündet, der Sauerstoff mit der oxidir- baren Materie und dem Wasser? Wie man leicht einsieht, hat die experimentelle Beant- wortung dieser Frage eine nicht ganz kleine Bedeutung für die Theorie aller langsamen Oxidationen, welche so viele 'unorganiscken und organischen Materien unter der Mitwir- kung des Wassers durch den freien gewöhnlichen Sauer- stoff schon bei gewöhnlicher Temperatur erleiden und wo- bei meinen frühern Versuchen gemäss immer auch das Wasser oxidirt, d. h. Wasserstoffsuperoxid gebildet wird. _ Die Thatsache, dass die Ozonide und Antozonide unter geeigneten Umständen nach einfachen Aequivalentverhält- nissen sich gegenseitig desoxidiren, d. h. hierbei gleiche 4* % Mengen von & und © erforderlich sind, damit dieselben zu freiwerdendem O sich ausgleichen, z.B. HO + ©, MnO + ©) und SO;, um in HO, MnOSO, und 20 sich um- zusetzen, liess mich schon längst vermuthen, dass bei dem- jenigen Vorgange, welchen ich mit dem Worte „chemische Polarisation des Sauerstoffes“ bezeichne und von dem ich annehme, dass er bei der langsamen Oxidation des Phos- phors, vieler Metalle, der Pyrogallussäure und anderer or- ganischen Materien stattfinde, der neutrale Sauerstoff (0) zu gleichen Theilen in (D und © übergeführt werde, und ©) mit HO zu Wasserstoffsuperoxid und ©) mit dem Phos- phor, den Metallen u. s. w. zu Phosphorsäure, Oxiden u. s. w. sich verbinde. Aus der Richtigkeit dieser Annahme würde folgen, dass z. B. beim Schütteln SO,-haltigen Wassers mit Blei- amalgam und Sauerstoff auf ein Aequivalent Bleisulfates, beziehungsweise Bleioxides, auch ein Aequivalent Wasser- stoffsuperoxides sich bilden müsste. Nichts scheint nun leichter zu sein, als die Ermittelung der Mengen Bleioxides und Wasserstoffsuperoxides, welche unter den erwähnten Umständen gleichzeitig nebeneinander gebildet werden; denn wendet man eine bestimmte Menge Wassers mit einem bekannten Gehalte von Schwefelsäure an, so lässt sich mit- telst einer titrirten Kalilösung die Menge der zum gebil- deten Bleioxide getretenen Schwefelsäure, somit die Menge des Oxides selbst bestimmen, und eben so leicht kann auch der Betrag des in dem geschüttelten sauren Wasser vor- handenen Wasserstoffsuperoxides mit Hülfe einer titrirten Kalipermanganatlösung (KO, Mn, 0,9), = 5H0 &) gefunden werden. Andererseits ist jedoch auch die leichte Zersetzbar- keit von HO, und namentlich die Thatsache wohl bekannt, dass dieses Superoxid durch viele Metalle, unter welchen das Blei selbst zu nennen ist, zerlegt wird, wesshalb ein b) Theil desselben während des Schüttelns des Bleiamalgames mit dem gesäuerten Wasser und Sauerstoffgas wieder zer- stört werden muss, so dass es also eine chemische Un- möglichkeit ist, selbst unter den günstigsten Umständen auf ein Aequivalent Bleisulfates ein volles Aequivalent Wasser- stoffsuperoxides zu erhalten. Einen sehr merklichen Einfluss auf die Menge des wie- der zerstörten HO, übt selbstverständlich die Dauer des Schüttelns, das Verbältniss des hierbei angewendeten SO,- haltigen Wassers zu demjenigen des Bleiamalgames, ganz besonders aber das Verhältniss des Bleies zum Quecksilber im angewendeten Amalgam aus, wie auch der Grad der Säuerung des Wassers und die Temperatur nicht ohne eini- sen Einfluss sind. Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass je länger die Dauer des Schüttelns, je grösser die Menge des Amalgames -im Verhältniss zu derjenigen des gesäuer- ten Wassers und je reicher das Amalgam an Blei, alles Uebrige sonst gleich, um so kleiner fällt im Verhältniss zum gebildeten Bleisulfat die Menge von Wasserstoffsuper- oxid aus, welche sich im gesäuerten Wasser noch vorfin- det. Unter sonst gleichen Umständen erhält man daher bei kürzerm Schütteln verhältnissmässig mehr HO,, als diess bei längerm Schütteln der Fall ist, immer aber wird auf ein Aequivalent gebildeten Bleisulfates ‚weniger als ein Aequivalent Wasserstoffsuperoxides zum Vorschein kommen. Da mir unter all den langsamen Oxidationen, bei wel- chen die Bildung von HO, sich nachweisen lässt, für die experimentelle Beantwortung der oben gestellten Frage diejenige am Geeignetsten erschien, welche das mit Queck- silber verquiekte Blei beim Schütteln mit SO,-haltigem Wasser und reinem oder atmosphärischem Sauerstoff er- leidet, so habe ich bis jetzt auch nur mit diesem Metalle Versuche angestellt, deren Ergebnisse mir ausser Zweifel zu stellen scheinen, dass der bei der langsamen Oxidation 6 des Bleies thätige Sauerstoff sich halbire, d. h. hievon eben so viel von dem Metall als vom Wasser aufgenommen werde. Bevor ich im Einzelnen diese Ergebnisse mittheile, wird es am Orte sein, die Anstellungsweise meiner Ver- suche näher anzugeben. Das bei denselben gebrauchte Amalgam enthieit auf 200 Theile Quecksilbers einen Theil Bleies, welches Verhältniss ich nach zahlreichen Versuchen als dasjenige gefunden habe, bei dem man rücksichtlich des erhaltenen HO, das günstigste Ergebniss erhält; denn wen- det man Amalgame an, die merklich reicher an Blei sind, so fallen in erwähnter Hinsicht die Ergebnisse um so un- günstiger aus, je mehr darin das genannte Metall vorwal- tet. Ein Amalgam z. B. mit 5°/, Bleigehalt gibt im Ver- hältniss zum gleichzeitig gebildeten Bleisulfat nicht viel mehr als die Hälfte HO, von derjenigen Menge, weiche man unter sonst völlig gleichen Umständen mit einem nur 0,5°/ haltigen Amalgam erhält. ; Das zu meinen Versuchen dienende Wasser enthielt 1/06 SO;, HO, von welchem auf 200 Gramme des erwähn- ten Amalgames je auf einmal 100 Gramme angewendet und beide Flüssigkeiten in einer zwei Liter grossen Flasche mit reinem Sauerstoffgas zusammen geschüttelt wurden. Nach- dem auf diese Weise nacheinander 300 Gramme des be- sagten Wassers gleichlang mit dem Amalgam und Sauer- stoff behandelt und durch Filtration von dem gebildeten Bleisulfate getrennt waren, dienten 100 Gramme dieser Flüs- sigkeit zur Bestimmung der noch darin enthaltenen freien Schwefelsäure, was mittelst Sättigung durch eine verdünnte Kalilösung geschah, welche so titrirt war, dass ein Gramm derselben ein Milligramm des ersten Schwefelsäurehydrates neutralisirt. Da 100 Gramme des sauren Wassers ursprüng- lich 200 Milligramm SO,, HO enthalten, also zu ihrer Sät- tigung 200 Gramme der titrirten Kalilösung erheischen, bei dem Schütteln der Flüssigkeit mit dem Amalgam und Sauer- 7 stoff aber ein Theil der Säure mit dem unter diesen Um- ständen sich bildenden Bleioxide zu einem unlöslichen Salze zusammenfritt, so werden 100 Gramme des geschüt- telten sauren Wassers zur Sättigung nicht mehr 200 Gramme der besagten Kalilösung erfordern und wird aus dem übrig bleibenden Reste derselben die Menge der beim Versuche gebundenen Schwefelsäure, somit auch diejenige des gebil- deten Bleisulfates oder die Menge des vom Blei aufgenom- menen Sauerstoffes sich ergeben. Wären also z. B. zur Sättigung des geschüttelten sauren Wassers nur noch 151 Gramme der titrirten Kalilösung erforderlich, so entsprä- chen die übrig bleibenden 49 Gramme eben so vielen Mil- ligrammen S0,,H0O, welche sich mit Bleioxid verbunden und woraus folgte, dass während des Schüttelns 103,7 Mil- ligramme Bleies mit 8 Milligr. Sauerstoffes sich vereiniget hätten. Andere 100 Gramme des gleichen mit dem Amal- game geschüttelten Wassers wurden zur Bestimmung der Menge des darin vorhandenen Wasserstoffsuperoxides ver- wendet, also zur Ermittelung der Menge des Sauerstoffes, welche während der Oxidation des Bleies mit dem Wasser in chemische Verbindung getreten, zu welchem Behufe ich mich einer Kalipermanganatlösung bediente, die so titrirt war, dass ein Gramm derselben ein Milligramm © enthielt, d. h. durch ein Milligr. (D entfärbt wurde oder, was das Gleiche ist, dass 8 Gramme der entfärbten Permanganat- lösung 17 Milligr. Wasserstoffsuperoxides entsprachen, in welchen 8 Milligr. &) enthalten sind.*) Würden nun in einem Versuche durch 100 Gramme des mit Bleiamalgam *) Ist chemisch reines Kalipermanganat zur Hand, so erhält man eine solche titrirte Flüssigkeit am Einfachsten durch Auflösen von 1,582 Grammen dieses Salzes (0,400 Gr. (=) enthaltend) in 398,418 Grammen Wassers, in welcher Weise ich mir meine Probeflüssigkeit bereitete. 8 geschüttelten sauren Wassers 8 Gramme der besagten Per- manganatlösung vollständig entfärbt, so ergäbe sich hieraus, dass in diesem Wasser 17 Milligr. HO, oder 8 Milligr. & enthalten gewesen wären, folglich gleich viel Sauerstoff mit dem Blei und Wasser sich vereiniget hätte. Beifügen will ich noch, dass dem besagten Wasser, bevor ich es mittelst der Permanganatlösung auf seinen HO, - Gehalt prüfte, noch einige Tropfen Schwefelsäure beigefügt wur- den, weil dadurch die Reduction der Uebermangansäure zu Oxidul rasch und vollständigst bewerkstelliget wird. Kaum wird es noch der Bemerkung bedürfen, dass die bei meinen Versuchen gebrauchten Probeflüssigkeiten mit möglichst grosser Genauigkeit titrirt waren und auch die Sättigung des geschüttelten sauren Wassers durch Kalilö- sung mit äusserster Sorgfalt ausgeführt wurde. Erst nach- dem eine Viertelstunde lang gelbes Curcuma- und blaues Lakmuspapier in der Flüssigkeit unverändert gelegen hat- ten, wurde dieselbe als neutralisirt betrachtet. Es ist schon oben bemerkt, dass das Verhältniss der Menge des gebildeten Bleisulfates zu derjenigen des Was- . serstoffsuperoxides unter sonst gleichen Umständen ver- schieden ausfalle, je nachdem das SO,-haltige Wasser kür- zere oder längere Zeit mit Bleiamalgam und Sauerstoff zu- sammen geschüttelt werde und zwar so, dass dieses Ver- hältniss zu Gunsten des Bleisalzes mit der Dauer des Schüt- telns wachse. Will man daher im Verhältniss zum gleich- zeitig gebildeten Sulfate möglichst viel Wasserstoffsuper- oxid erhalten, so darf das Schütteln nicht länger dauern, als bis so viel PbO, SO; und HO, gebildet ist, damit die ‚Mengen dieser Verbindungen mit den vorhin erwähnten Mitteln noch genau sich bestimmen lassen. | Als Mittel aus einer grossen Anzahl von Versuchen, bei welchen das Schüttein 10 Sekunden lang dauerte, er- gab sich, dass die Menge des vom Blei aufgenommenen 9 Sauerstoffes zu derjenigen mit dem Wasser verbundenen wie 100 : 95 sich verhielt, ja in einzelnen Fällen stellte sich das Verhältniss wie 100 : 98 Ob bei diesen Ver- suchen reiner oder atmosphärischer Sauerstoff angewendet wurde, übte auf das erwähnte Verhältniss keinen merkli- chen Einfluss aus, wobei es sich jedoch von selbst ver- steht, dass, Alles Uebrige sonst gleich, mit reinem Sauer- stoff mehr Bleisulfat und Wasserstoffsuperoxid erhalten wird, als mit atmosphärischer Luft, wie diess aus nach- stehenden Angaben erhellen wird. Versuche, bei welchen das Schütteln 20 Sekunden lang dauerte, gaben im Mittel das Verhältniss von 100 : 80, bei 30 Sekunden langem Schüt- teln dasjenige von 100 : 69, und bei 100 Sekunden dauern- dem Schütteln das Verhältniss von 100 : 54. . Einige der Daten, aus welchen diese Verhältnisse berechnet wurden, sind Folgende. Bei der ersten Versuchsreihe und Anwen- dung atmosphärischen Sauerstoffes erforderten 100 Gramme des geschüttelten sauren Wassers (ursprünglich 200 Milli- sramm SO;, HO enthaltend) 191 Gramme der titrirten Ka- lilösung zur Sättigung, woraus erhellt, dass während des Schüttelns 9 Milligr. Schwefelsäurehydrates verschwanden, d. h. an das unter diesen Umständen gebildete Bleioxid ge- treten waren, welche Säuremenge 1,46 Milligr. Sauerstoffes voraussetzt, die sich mit dem Blei verbunden; denn 49 (SO,, H0):8 (0) = 9 (S0:, HO) : 1,46 (O0). 100 Gramme des gleichen Wassers vermochten 1,39 Gr. der titrirten Kalipermanganatlösung zu entfärben, 1,39 Milligr. Sauer- stoffes entsprechend, welche mit Wasser zu HO, verbunden waren. Es verhielt sich somit die Menge des mit dem Blei zusammen getretenen Sauerstoffes zu derjenigen des glei- chen Elementes, welche mit dem Wasser vergeselischaftet war, wie 146 : 139 oder wie 100: 95. Wurde anstatt atmosphärischer Luft reines Sauerstoff- gas angewendet, Alles Uebrige sonst gleich, so erforderten 10 100 Gramme des sauren geschüttelten Wassers nur 169 Gr. der titrirten Kalilösung zur Sättigung, woraus abzunehmen, dass besagte 100 Gramme Wassers 31 Milligr. SO,, HO ver- loren hatten, welche 5 Milligrammen Sauerstoffes entspre- chen, die sich mit dem Blei zu Oxid verbunden. 100 Gr. des gieichen Wassers vermochten 4,76 Gramme der titrir- ten Permanganatlösung zu entfärben, woraus erhellt, dass 4,76 Milligr. Sauerstoffes zum Wasser getreten waren und somit die Menge des bei diesen Versuchen mit dem Blei verbundenen Sauerstoffes zu derjenigen, welche sich mit Wasser vereinigte, wie 50 : 47 oder wie 100 : 94 sich ver- hielt, und ich will nicht unerwähnt lassen, dass bei meh- rern dieser Versuche ein Verhältniss von 100:97—98 sich ergab. Schüttelt man mit Bleiamalgam und reinem oder atmos- phärischem Sauerstoff das gesäuerte Wasser so lang zu- sammen, bis dasselbe das blaue Lakmuspapier nur noch schwach zu röthen vermag, so wird in dieser Flüssigkeit zwar eine sehr merkliche Menge von HO, enthalgen, selbst- verständlich aber im Verhältnisse zu derjenigen des gleich- zeitig gebildeten Bleisulfates eine kleine sein, und wird mit dem Schütteln bis zum Verschwinden aller freien Schwe- felsäure fortgefahren, so finden sich in dem Wasser kaum noch nachweisbare Spuren von Wasserstoiffsuperoxid vor: so schnell wird dasselbe durch das Bleiamalgam zerstört, wenn es nicht mehr unter dem schützenden Einflusse freier Schwefelsäure steht. Und beifügen will ich hier noch die Bemerkung, dass in dem Augenblicke, wo die letzte Spur freier Säure verschwindet, das bis dahin milchig gebliebene Aussehen des Wassers plötzlich in ein aschgraues über- geht. Wenn nun aus obigen Thatsachen erhellt, dass bei 10 Sekunden langem Schütteln die vom Blei und Wasser gleichzeitig aufgenommenen Sauerstoffmengen durchschnitt- lich wie 100 : 95 sich verhalten, ja nicht selten ein Ver- 11 | hältniss von 100 : 97 erzielt wird, diese Mengen somit nicht weit von der Gleichheit sich entfernen, und wenn es fer- ner Thatsache ist, dass dieses Verhältniss für das Wasser- stoffsuperoxid um so ungünstiger ausfällt, je länger das Schütteln gedauert, so glaube ich hieraus schliessen zu dür- fen, dass im Augenblicke der Oxidation der an ihr bethei- ligte Sauerstoff genau sich halbire, d. h. die eine Hälfte desselben mit dem Blei zu Oxid, die andere Hälfte mit dem Wasser zu Superoxid sich verbinde, so dass auf ein Aequi- valent der einen Verbindung auch ein Aeuuivalent der an- dern gebildet würde.*) Bei der leichten Zersetzbarkeit des Wasserstoffsuperoxides kann es aber nicht anders sein, als dass ein Theil desselben bei fortgeseiztem Schütteln wieder zerstört werde und zwar hievon verhältnissmässig um so mehr, je reicher das gesäuerte Wasser an HO, wird und je reicher das Amalgam an Blei ist. Desshalb ist es, wie schon bemerkt, eine chemische Unmöglichkeit, auf ein Aequivalent Bieisulfates ein volles Aeguivalent Wasser- stoffsuperoxides zu erhalten, wie günstig sonst auch die Umstände sein mögen, unter welchen diese Verbindungen gebildet werden. Wäre es möglich, die kleine Menge Schwe- felsäure genau zu bestimmen, welche in der ersten Sekunde des Schüttelns gebunden wird, und ebenso diejenige des gleichzeitig gebildeten Wasserstofsuperoxides, so würde sich ohne Zweifel eine so vollkommene Aequivalenz bei- der Verbindungen herausstellen, als eine solche auf dem Wege des Versuches nur immer ermittelt werden kann. Darf aber angenommen werden, dass bei der beschriebenen *) In einer der nachstehenden Mittheilungen: „Ueber das Ver- halten des Sauerstoffes zum Blei“, werde ich zu zeigen suchen, dass vor der Bildung des Bleisulfates oder Bleioxides noch ein anderer chemischer Vorgang stattfinde, dessen Besprechung jedoch hier noch nicht am Orte wäre. at Oxidation des Bleies der Sauerstoff zwischen dem Metall und Wasser sich gleich theile, so sind wir wohl zu der Vermuthung berechtiget, dass eine solche Halbirung des Sauerstoffes auch bei allen übrigen langsamen Oxidationen Platz greife, deren Stattfinden von der Anwesenheit des Wassers bedingt ist, und dass es immer nur Nebenumstände seien, auf der leichten Zersetzbarkeit des Wasserstoffsuper- oxides beruhend, wesshalb eine solche Halbirung nicht statt zu finden scheint. Wenn wir z. B. im Blute, wo doch sicherlich Oxidationen der erwähnten Art vor sich gehen, kein Wasserstoffsuperoxid nachzuweisen vermögen, so folgt hieraus noch nicht, dass keines dort gebildet werde; denn wir wissen jetzt, dass die Blutkörperchen in einem ausge- zeichneten Grade das Vermögen besitzen, schon fertig ge- hildetes HO, zu zerstören, welche Wirkung sie selbstver- ständlich auch auf das während der Respiration erzeugte Wasserstoffsuperoxid hervorbringen müssten. | Welchen Einfluss Nebenumstände auf das in Rede ste- hende Verhältniss ausüben, mag man aus folgenden Anga- ben ersehen. Wie oben erwähnt, verhielt sich bei 30 Se- kunden langem Schütteln des SO,-haltigen Wassers mit Bleiamalgam u. s. w. der mit dem Blei verbundene Sauer- stoff zu demjenigen, welcher an Wasser gebunden ange- troffen wurde, wie 100 : 69. Fügte man nun dem gesäuer- ten Wasser vor dem Schütteln mit dem Amalgam u. s. w. einiges Kohlenpulver zu, alles Uebrige sonst gleich, so er- gab sich ein Verhältniss von 100: 29, obwohl in beiden Fällen die Mengen der verschwundenen Schwefelsäure merk- lich gleich waren. Bei Anwendung einer noch grössern Menge von Kohle, alles Uebrige wieder gleich, enthielt das geschüttelte und abfiltrirte Wasser gar kein Wasserstoff- superoxid mehr. Es kann wohl keinem Zweifel unterworfen sein, dass bei Gegenwart von Kohle ebenso wie bei Abwe- senheit derseiben HO, gebildet wurde; da aber bekanntlich 13 jene Materie diese Verbindung in Wasser und gewöhnlichen Sauerstoff umsetzt, so muss die Kohle eine solche zer- setzende Wirkung auch auf das unter den letzterwähnten Umständen gebildete Wasserstoffsuperoxid hervorbringen, und insofern das Platin noch kräftiger als die Koble zer- legend auf HO, einwirkt, versteht es sich von selbst, dass die Anwesenheit einer verhältnissmässig sehr kleinen Menge Platinmohres in dem SO, - haltigen Wasser das Auftreten von HO, gänzlich verhindern würde. Ein Beispiel ähnlicher Art ist Folgendes. Bekanntlich bilden sich nach meinen Versuchen beim Schütteln einer alkalisirten Lösung von Pyrogallussäure mit Sauerstoffgas oder atmosphärischer Luft merkliche Mengen von Wasser- stoffsuperoxid. Löst man z. B. nur 25 Milligramme der ge- nannten Säure in 50 Grammen Wassers auf, denen etwa ein Gramm mässig starker Kalilösung zugefügt wird, und schüttelt man das Gemisch eine Minute lang mit atmosphä- rischem Sauerstoff zusammen, so wird dasselbe, nachdem es mit verdünnter Schwefelsäure übersäuert und dann mit einem gleichen Raumtheile Aethers nebst einigen Tropfen verdünnter Chromsäurelösung zusammen geschüttelt worden, diesen Aether merklich stark lasarblau färben, welche Reaction die Anwesenheit einer schon merklichen Menge von HO, anzeigt. Dieselbe Menge von Pyrogallussäure in 50 Grammen kalihaltigen Wassers gelöst, welches vorher durch entfasertes Blut stark geröthet worden, liefert bei sonst gleicher Behandlung eine Flüssigkeit, in welcher sich mittelst des Aethers und der Chromsäure kein HO, mehr nachweisen lässt, obwohl nicht im Mindesten daran zu zweifeln ist, dass auch unter diesen Umständen die Pyro- gallussäure gerade so rasch wie ohne die Blutkörperchen durch den atmosphärischen Sauerstoff oxidirt und dabei HO, gebildet werde. Wie man aber leicht einsieht, kann bei diesem Vorgang aus dem gleichen Grunde kein Wasser- 1% stoffsuperoxid auftreten, wesshalb diese Verbindung beim Schütteln des SO,-haltigen Wassers mit Bleiamalgam und Kohle oder Platinmohr nicht zum Vorschein kommt, und da nach meinen Beobachtungen das in dem entfaserten Blut enthaltene Eiweiss nicht katalysirend auf HO; einwirkt, so sind es die Blutkörperchen, welche das unter den erwähn- ten Umständen entstehende Wasserstoffsuperoxid nach Mass- gabe seiner Bildung auch wieder zerstören. Unlängst ist von mir gezeigt worden, dass durch die ganze Pflanzen- und Thierwelt Materien verbreitet seien, welchen gleich dem Platin, der Kohle und den Blutkörper- chen das Vermögen zukommt, das Wasserstoffsuperoxid zu zerlegen. Wenn nun organische Substanzen bei Gegenwart derartiger Materien in Berührung mit atmosphärischem Sauer- stoff und Wasser die langsame Oxidation erleiden und un- ter diesen Umständen auch HO, gebildet wird, so begreift sich leicht, dass dieses Superoxid je nach Umständen so- fort entweder gänzlich oder doch theilweise wieder zer- stört werden muss, gerade so, wie diess mit dem Wasser- stoffsuperoxide geschieht, welches beim Schütteln SO,-hal- tigen Wassers mit Bleiamalgam und Sauerstoff bei Anwe- senheit von Kohle oder der Blut- und kalihaltigen Pyro- gallussäurelösung mit atmesphärischer Luft gebildet wird. Scheint nun auch bei der Respiration des Blutes, der Ver- wesung vieler organischer Materien und den in feuchter Luft langsam stattfindenden Oxidationen unorganischer Sub- stanzen kein Wasserstoffsuperoxid erzeugt zu werden, so kommt diess nicht davon her, dass bei den erwähnten Vor- gängen überhaupt kein Solches entstehe, sondern hat nach meinem Dafürhalten seinen Grund in Nebenumständen ähn- lich denen, welche vorhin bezeichnet wurden. Nach diesen Erörterungen wird es kaum noch der Be- merkung bedürfen, dass ich die oben besprochenen That- sachen zu Gunsten der von mir wiederholt geäusserten A 15 Ansicht zu deuten geneigt bin, gemäss welcher der Sauer- stoff in zwei einander entgegengesetzt thätigen Zuständen und in einem Neutralen zu bestehen vermag und diese Zu- stände in einander sich überführen lassen, obwohl ich im- mer noch nicht wage, irgend welche Vermuthung über den nächsten Grund dieser Zustände und ihrer Veränderung auszusprechen. Worauf dieselben aber auch immer beruhen mögen, so viel scheint mir doch jetzt schon gewiss zu sein, dass sie bei allen scheinbar durch den gewöhnlichen Sauer- stoff bewerkstelligten Oxidationen und namentlich bei den- jenigen eine massgebende Rolle spielen, welche so viele Materien unorganischer und organischer Art in Berührung mit atmosphärischer Luft und Wasser schon bei gewöhn- licher Temperatur erleiden, wie uns hievon die Verwesung organischer Materien und die Respiration der Thiere die grossartigsten Beispiele liefern, gegen welche alle übrigen auf der Erde stattfindenden Oxidationsvorgänge als klein und unbedeutend erscheinen. Ehe man die verschiedenen Zustände des Sauerstoffes kannte, musste man annehmen, dass dieser elementare Kör- per, so wie er in der Atmosphäre vorhanden ist, auf die oxidirbaren Materien sich werfe, ohne vorher selbst irgend welche Veränderung erleiden zu müssen. Die in neuerer und neuester Zeit ermittelten Thatsachen scheinen mir aber zu der Annahme zu berechtigen, dass dieser Sauerstoff als solcher keine Oxidationswirkungen hervorzubringen ver- möge, und bevor er diess zu thun befähiget ist, erst die- jenige Veränderung erleiden müsse, in Folge deren er in zwei einander entgegengesetzt thätige Hälften sich spaltet, oder wie ich mich ausdrücke, chemisch polarisirt wird. Beziehen wir nun diese Annahme zunächst auf die Er- scheinungen der Verwesung und thierischen Respiration, So lässt sie uns als nächste Ursache dieser weitgreifenden chemischen Vorgänge eben die Spaltung oder Polarisation 16 des atmosphärischen Sauerstoffes erscheinen, eingeleitet einerseits durch das vorhandene Wasser, andererseits durch das oxidirbare Material unorganischer und organiseher Sub- stanzen, zwischen welchen Materien im Augenblicke der eintretenden Oxidation der polarisirte Sauerstoff sich theilt, in gleicher Weise, wie diess obigen Angaben gemäss. beim Zusammenwirken von Bleiamalgam, SO,-haltigem Wasser und atmosphärischen Sauerstoffes, oder, um noch ein ein- facheres Beispiel zu wählen, bei der langsamen Verbren- nung des Phosphors geschieht. HI. Ueber das Verhalten des Sauerstoffes zum Thallium. Das Thallium, obwohl erst seit Kurzem aufgefunden und spärlichst in der Natur angetroffen, ist von den Ent- deckern desselben und einigen andern Chemikern doch schon ziemlich genau erforscht und es lässt uns Das, was wir bereits von ihm wissen, dasselbe als eines der merkwür- digsten Metalle erscheinen. Gewisse Eigenschaften, welche das Thallium einerseits mit dem Blei, andererseits mit den alkalischen Metallen gemein hat, liessen mich vermuthen, dass auch sein Ver- halten zum Sauerstoff manches Eigenthümliche zeigen dürfte und desshalb wünschen, einige Oxidationsverhältnisse die- ses Metalles durch eigene Versuche kennen zu lernen. — Herr Kuhlmann aus Lille hat mich durch die Uebersendung einigen Thalliums in den Stand gesetzt, die gewünschten Untersuchungen auszuführen und ich benützte diesen An- lass, demselben für seine so verbindliche Freigebigkeit mei- nen besten Dank Öffentlich zu bezeugen. Die Ergebnisse 17 meiner Versuche, welche den Gegenstand dieser Mittheilung ausmachen, sind so ausgefallen, dass sie wohl von Seite der Chemiker einige Beachtung verdienen dürften, insofern sie uns mit Thatsachen bekannt machen, welche, wie ich glaube, nicht ohne allgemeineres theoretisches Interesse und desshalb auch geeignet sind, manche andere schon bekannte den Sauerstoff betreffende Vorgänge für uns verständlicher zu machen, als sie es bisher gewesen. Wie bei sewöhnlicher Temperatur der wasserfreie, neutrale Sauerstoff kein Metall zu oxidiren vermag, so auch nicht das Thallium, welches, wie lange man es unter den erwähnten Umständen in gewöhnlichem Sauerstoff verweilen lässt, des Gänzlichen unverändert bleibt. Anders verhält sich der ozonisirte Sauerstoff’ (©) gegen das Metall, wel- ches er rasch zu braunem Oxide (T10,) oxidirt, wie daraus erhellt, dass ein glänzendes Thalliumstäbchen, in stark ozonisirte Luft eingeführt, unverweilt mit einer tiefbraunen Hülle sich überzieht. Fährt man mit einem Thalliumstück drückend über weisses Papier hin, so dass daran einiges Metall haftend bleibt, so bräunt sich die beschriebene Stelle in ozonisirter Luft beinahe augenblicklich, aus welchen An- gaben erhellt, dass dem Ozon gegenüber das Thallium als höchst oxidirbares Metall sich verhält. Ich darf hier je- doch nicht unbemerkt lassen, dass selbst der ozonisirte Sauerstoff, falls er vollkommen;wasserfrei ist, kaum merk- lich oxidirend auf das Thallium einwirkt, wie ich diess früher auch schon vom Silber und Blei gezeigt habe und noch Weiteres über den Einfluss des Wassers auf die che- mische Wirksamkeit des Ozons in einer eigenen spätern Abhandlung mittheilen werde. Eben so leicht wie mit dem Thallium selbst verbindet sich der ozonisirte Sauerstoff mit TIO zu dem braunen Oxide (TIO,), wie daraus hervorgeht, dass beim Durchlei- ten eines Stromes stark ozonisirter Luft durch eine wäss- 2 18 rige Lösung des Thalliumoxidules letztere sofort stark sich bräunt in Folge der Bildung und Ausscheidung von TIO,, und kaum ist nöthig noch zu bemerken, dass unter diesen Umständen. das Ozon gänzlich verschwindet. Die einfachste Art der Anstellung dieses Versuches besteht darin, Streifen weissen Filtrirpapieres, mit gelöstem Thalliumoxidul ge- tränkt, in eine Ozonatmosphäre einzuführen, in welcher dieselben augenblicklich auf das Deutlichste gebräunt wer- den, wesshalb auch mit TIO behaftetes Papier als sehr empfindliches Reagens auf Ozon und die Lösung dieses Oxidules als sogenannte sympathetische Dinte dienen kann. Gleich dem freien, wird auch das an Kohlensäure gebun- dene Thalliumoxidul durch den ozonisirten Sauerstoff zu T10, oxidirt, obwohl merklich langsamer als die reine Basis, wie man diess aus dem Umstande abnehmen kann, dass sich ein mit der Lösung des Carbonates getränkter Papier- streifen in einer Ozonatmosphäre nur sehr langsam bräunt. Auf das an kräftigere Säuren gebundene Thalliumoxidul scheint das Ozon nicht oxidirend einzuwirken. Auch der gebundene ozonisirte Sauerstoff, wie er z. B. in der Ueber- mangansäure enthalten ist, vermag sowohl das Thallium als TIO zu TIO, zu oxidiren, woher es kommt, dass die wässrige Lösung dieser Säure oder ihrer Salze durch das Metall und sein Oxidul entfärbt wird unter Bildung von MnO, und TIO;. Da schon kleine Mengen hesagter Säure oder ihrer Salze verhältnissmässig sehr grosse Quantitäten Wassers noch merklich stark röthen, so werden solche verdünnte Lösungen auch durch äusserst kleine Mengen Thalliumoxidules augenblicklich unter bräunlicher Trübung entfärbt, und kaum ist nöthig beizufügen, dass seiner Un- löslichkeit halber das Metall langsamer als das Oxidul diese Wirkung hervorbringe. Wie die Uebermangansäure oxi- diren auch die gelösten Hypochlorite das Metall und Oxidul zu T10:, mit dem Unterschiede jedoch, dass sie etwas lang- 19 samer wirken, als diess die erwähnte Säure thut. Wenn erwähntermassen der freie ozonisirte Sauerstoff nur das an Kohlensäure, nicht aber das an stärkere Säuren, z. B. SO,, sebundene TIO zu TIO, oxidirt, vermögen dagegen aus allen Thalliumoxidulsalzen die Permanganate das braune Thallium- oxid zu fällen, dem natürlich immer das durch die Reduc- tion der Uebermangansäure entstandene MnO, beigemengt ist. Die Superoxide des Thalliums (T10;) und Wasserstoffes reduciren sich gegenseitig unter Entwickelung gewöhnlichen Sauerstoffgases, welche Thatsache zeigt, dass das Erstere ein Ozonid*) ist; ich darf jedoch nicht unerwähnt lassen, dass hierbei ausser TIO auch noch in geringer Menge ein Oxid zum Vorschein kommt, welches in Wasser unlöslich ist, gelb aussieht, gegen HO, für sich allein gleichgültig sich verhält und den angesäuerten Jodkaliumkleister augen- blicklich tief bläut, welche Wirkung das basische Oxid nicht hervorbringt und die deutlichst zeigt, dass das frag- liche Oxid mehr Sauerstoff enthält, als TI0. Wie dasselbe zusammengesetzt ist, habe ich wegen der Kleinheit des mir zu Gebot stehenden Materiales noch nicht ermitteln kön- nen, möglicherweise könnte es TL, Cl; entsprechen, also TI, O0, sein. Am einfachsten lässt sich dieses Verhalten von TIO, zu HO, in folgender Weise zeigen. Man lässt einen mit Thalliumoxidullösung getränkten Streifen weissen Filtrirpapieres erst in einer Ozonatmosphäre sich stark bräunen und übergiesst ihn dann mit Wasserstoffsuperoxid, durch welches er unter noch sichtlicher Gasentwickelung ziemlich rasch gebleicht wird. Führt man das so beschaf- *) Bekanntlich vermag auch das in mancher andern Beziehung dem Thallium ähnliche Kalium mit 3 Aeq. Sauerstoffes zu einem Su- peroxyd sich zu verbinden, welches jedoch durch seinen antozonidi- schen Karakter stark von TlOs abweicht, was auf eine grosse zwi- schen beiden Metallen bestehende Verschiedenheit hinzudeuten scheint. 2% 20 fene und mit Wasser ausgewaschene Papier in angesäuer- ten Jodkaliumkleister ein, so färbt sich dasselbe sofort blau in Folge der kleinen Menge des noch in ihm enthaltenen gelben Thalliumoxides, von dem vorhin die Rede gewesen. Ein ganz eigenthümliches Interesse bietet das Verhal- ten des Thalliums zum Wasserstoffsuperoxide dar, wie aus nachstehenden Angaben erhellen wird. Ein Stückchen des Metalles von glänzender Oberfläche in HO, eingeführt, be- hält auf einige Augenblicke sein metallisches Aussehen bei, wie es anfänglich auch nicht im Mindesten zersetzend auf das Superoxid einwirkt; bald bedeckt sich jedoch das Me- tall mit einer tiefbraunen Hülle und ist letztere bemerklich geworden, so treten an ihr Gasbläschen auf, welche bei der geringsten Bewegung sich losreissen und braune Flocken in die Höhe führen, wodurch die Gasentwickelung durch die ganze Flüssigkeit verbreitet wird. Das entbundene Gas, die braune Hülle und die aufsteigenden Flocken sind nichts an- ders als gewöhnlicher Sauerstoff und Thalliumoxid, durch welches letztere allein und nicht durch das Metall selbst die Zersetzung des Wasserstoffsuperoxides bewerkstelliget wird. Da mit dieser Zerlegung auch diejenige des entstandenen TIO, Hand in Hand geht, d. h. dieses Oxid bei Anwesen- heit einer hinreichenden Menge von HO; dem grössten Theile nach zu TIO reducirt wird, so löst sich letzteres in dem vorhandenen Wasser auf, ihm desshalb die Eigen- schaft ertheilend, das Curcumapapier zu bräunen, aus ge- löstem Jodkalium gelbes Jodthallium zu fällen u. s. w. Versteht sich von selbst, dass auch unter diesen Umstän- den in kleiner Menge das schon erwähnte unlösliche gelbe Oxid entsteht, welches den angesäuerten Jodkaliumkleister zu bläuen vermag. Was das gelöste Thalliumoxidul betrifft, so lässt es sich mit Wasserstoffsuperoxid vermischen, ohne dass das braune Oxid entstünde oder Sauerstoffgas entbunden würde. Ich bewahre eine solche Mischung schon mehrere Wochen 21 lang auf und finde, dass dieselbe immer noch auf T10 und HO, reagirt. Es ist desshalb aller Grund zu der Annahme vorhanden, dass das metallische Thallium vom Wasserstoff- superoxid unmittelbar zu TIO, oxidirt und das unter die- sen Umständen zum Vorschein kommende TIO auf mittel- barem Wege, d. h. erst dadurch gebildet werde, dass die Superoxide des Thalliums und Wasserstoffes gegenseitig sich reduciren; denn da TiO erwähntermassen gegen HO; sich gleichgültig verhält, so kann das im Wasserstoffsuper- oxid aus metallischem Thallium entstehende TIO, nicht durch die Bildung von TIO hindurch gegangen, d.h. auf eine se- kundäre Weise entstanden, sondern muss auf einmal ge- bildet worden sein. Da das Thallium wie auch dessen Oxidul vom ezoni- sirten Sauerstoff rasch zu TIO, oxidirt wird, das zweite. Sauerstoffaequivalent des Wasserstoffsuperoxides dagegen vollkommen unthätig gegen TIO sich verhält, so ersieht man hieraus, dass besagter Sauerstoff nicht in demjenigen Zustande sich befindet, in weichem er sein muss, damit er mit TIO zu TIO, sich zu verbinden vermöge. Nach meiner Annahme ist HO, = H9 + und TI0, ='T10 + 29), und da erfahrungsgemäss das Thallium und dessen Oxidul nur durch ©) zu TIO, oxidirt werden kann, so muss ich annehmen, dass dem Metalle, nicht aber auch seinem Oxi- dul, das Vermögen zukomme, das &) des Wasserstoffsuper- oxides in ©) umzukehren und eben dadurch seine eigene Oxidation zu TIO, einzuleiten. Auf eine Anzahl ähnlicher Thatsachen mich stützend, habe ich schon früher darzuthun versucht, dass unter dem Berührungseinflusse gewisser Ma- terien die eine Sauerstoffmodification in eine andere und namentlich das &) des Wasserstoffsuperoxides in (©) über- geführt werden könne, wesshalb ich, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die betreffenden Abhandlungen verwei- sen will. 22 Wird ein Amalgam, welches 0,5%, Thalliums enthält, mit SO,-haltigem Wasser und gewöhnlichem Sauerstoffgas nur wenige Minuten lang zusammen geschüttelt, so erweist sich die saure Flüssigkeit schon so HO,-haltig, dass die- selbe mit dem gleichen Raumtheile Aethers und einigen Tropfen verdünnter Chromsäurelösung geschüttelt, den Ae- ther deutlichst lasurblau färbt, welche Reaction das Vor- handensein einer schon merklichen Menge Wasserstoffsuper- oxides anzeigt, die unter den erwähnten Umständen gebil- det worden. Selbstverständlich entsteht aber auch zugleich schwefelsaures Thalliumoxidul, welches sich in dem vor- handenen Wasser löst, wie diess der gelbe Niederschlag von Jodthallium beweist, welcher beim Zufügen gelösten Jodkaliums erhalten wird. Hieraus erhellt, dass der ge- wöhnliche Sauerstoff zum Thallium gerade so wie zum Blei sich verhält, wie es auch höchst wahrscheinlich ist, dass unter den erwähnten Umständen auf ein Aequivalent Thal- liumsulfates ein Aeq. Wasserstoffsuperoxides auftrete, also auch in diesem Falle der oxidirende Sauerstoff zwischen dem Metall und Wasser sich gleich theile. Beim Schütteln des erwähnten Amalgames mit reinem Wasser und gewöhnlichem Sauerstoffgas wird kein Was- serstoffsuperoxid, sondern nur Thalliumoxidul erhalten, wel- ches in dem vorhandenen Wasser sich lösst; lässt man dagegen das Amalgam, mit einer sehr dünnen Schichte Wassers bedeckt, längere Zeit mit O ruhig zusammen ste- hen, so bildet sich zwar auch TlO, es treten jedoch auch - braune glänzende Schüppchen auf, welche in Wasser un- löslich sind, durch HO, unter Entbindung von Sauerstoffgas zu löslichem Oxidul und dem oben erwähnten gelben Oxid reducirt werden, den angesäuerten Jodkaliumkleister auf das Tiefste bläuen und in jeder weitern Beziehung wie T1O; sich verhalten. Da der gewöhnliche Sauerstoff gleichgültig gegen das gelöste Thalliumoxidul sich verhält, d. h. un- 23 fähig ist, dasselbe zu TIO, zu oxidiren, so kann auch das Thalliumoxid, welches bei der Einwirkung des wasserhal- tigen O auf das Thallium allmählig sich bildet, nicht so entstehen, dass das Metall erst zu TIO und dieses durch weitere Sauerstoflaufnahme zu TI0, oxidirt würde. Wie ich glaube, lassen sich alle die erwähnten, durch den gewöhnlichen Sauerstoff auf das Thallium hervorge- brachten Oxidationswirkungen kaum anders als durch fol- gende Annahmen erklären. Kommt Thallium und Wasser in Berührung mit neutralem Sauerstoff zu stehen, so wer- den auf ein Aequivalent Metalles und drei Aeq. HO sechs Aegq.O zu 3@) und 3© chemisch polarisirt, welche erste- ren mit Wasser zu 3H0,, die letzteren mit Tl zu TIO, sich : verbinden. Bei der oben erwähnten Gegensätzlichkeit die- ser Oxide wirken sie aber unmittelbar nach ihrer Bildung gegenseitig desoxidirend auf einander ein, und da zur Re- duction des T10, zu TIO zwei Aeq. Wasserstoffsuperoxides erforderlich sind, so bleibt von den drei Aeg. gebildeten HO; noch eines übrig und es müssen somit auf fünf Aeq. des in dieser Weise oxidirten Metalles eben so viele Aeq. HO, übrig bleiben. Da nun obigen Angaben gemäss beim Zusammentreffen des Thalliums mit Wasserstoffsuperoxid rasch TI0, sich bildet, so wird noch ein sechstes Aeq. die- ses Metalles durch drei Aeq. HO, zu braunem Oxid oxidirt, letzteres jedoch sofort wieder durch die noch übrigen zwei Aeg. Wasserstoffsuperoxides zu TIO reducirt werden, so dass kein HO, übrig bleiben kann und es das Aussehen haben muss, als ob unter den erwähnten Umständen nichts Anderes geschehen wäre, als dass gleiche Aeq. von Metall und Sauerstoff sich unmittelbar zu Thalliumoxidul mit ein- ander verbunden hätten. Diesen Annahmen gemäss würden somit durch fünf Aeg. .Thalliums und fünfzehn Aeg. Wassers dreissig Aeg. neutralen Sauerstoffes in Anspruch genommen, obgleich von 24 dieser Sauerstoffmenge schliesslich nur sechs Aeq. mit dem Metall vereiniget blieben, während die 2% übrigen in Mit- leidenschaft. gezogenen Sauerstoffæquivalente abwechselnd als © und & gebunden und im O-Zustande wieder in Freiheit gesetzt werden. Es werden indessen diese Vorgänge nur dann völlig so stattfinden können, wie eben beschrieben worden, wenn das amalgamirte Thallium mit reinem Wasser und O ge- schüttelt wird, weil das unter solchen Umständen sich bil- dende Thalliumoxid unmittelbar nach seiner Entstehung mit der zu seiner Reduction nöthigen Menge von Wasserstoff- superoxid in Wechselwirkung gebracht wird. Lässt man dagegen das besagte Amalgam mit Wasser und neutralem Sauerstoff ruhig mit einander in Berührung stehen, so sind, wie man leicht einsieht, diese Umstände so, dass kleine Mengen des ursprünglich gebildeten Thalliumoxides der re- ducirenden Einwirkung des gleichzeitig entstandenen Was- serstofisuperoxides entgehen können. Wird das Amalgam mit SO,-haltigem Wasser und O geschüttelt, so finden natürlich auch unter diesen Umstän- den die gleichen Vorgänge statt, wie in den beiden andern Fällen, mit dem Unterschiede jedoch, dass das hierbei se- kundär entstandene Thalliumoxidul mit der vorhandenen Schwefelsäure ein Sulfat bildet und überdiess noch Was- serstoffsuperoxid zum Vorschein kommt. Es werden nem- lich auch in dem vorliegenden Falle auf ein Aequivalent Metalles und drei Aequivalent Wassers sechs Aeq. neutra- Jen Sauerstoffes in 3) und 3©) übergeführt, d. h. 3H0, und TIO, gebildet und zur Reduction des letztern 2H0, verbraucht, während das übrig bleibende dritte Aeg. Was- serstoffsuperoxides (wenigstens ein Theil desselben) aus demselben Grunde der Zersetzung entgeht, wesshalb ein Gleiches beim Schütteln SO, -haltigen Wassers mit Blei- amalgam und Sauerstoff geschieht. 25 Solche Vorstellungen über den Hergang der Sache mögen manchem Chemiker auf den ersten Blick sonderbar und künstlich genug vorkommen gegenüber den Ansichten, welche man bisher über derartige Oxidationsvorgänge hatte und gemäss welchen man z. B. die Bildung des Thallium- oxidules in wasserhaltigem Sauerstoff als eine ganz ein- fache und ursprüngliche Verbindung dieses Elementes mit dem Metalle betrachtet. Meinem Dafürhalten nach liegt aber bereits mehr als nur eine Thatsache vor, welehe zu dem Schlusse berechtiget, dass das Endergebniss der Ein- wirkung des Sauerstoffes auf eine oxidirbare Materie nicht der einzige chemische Vorgang sei, welcher zwischen bei- den Körpern stattgefunden, sondern dass ihm noch ander- weitige stoffliche Veränderungen vorausgegangen und die Bildung der zuletzt erhaltenen Sauerstoffverbindung, um bildlich zu reden, nur der Abschluss eines aus mehreren Acten bestehenden chemischen Dramas sei, welche Acte bisher nur desshalb unbeachtet geblieben sind, weil die- selben in der Regel so rasch aufeinander folgen, dass sie der Zeit nach in einen Einzigen zusammen zu fallen schei- nen. Wie man sehen wird, bespricht die nachstehende Mittheilung: „Ueber das Verhalten des Sauerstoffes zum Blei“, eine Reihe von Thatsachen, denen völlig ähnlich, von welchen so eben die Rede gewesen, wesshalb ich auch nicht umhin kann, sie in gleicher Weise zu deuten. Die Annahme, dass jede chemische Verbindung oder Trennung zweier oder mehrerer Stoffe mit- oder von einander in Wirklichkeit ein „Processus“ und nicht ein blosses urplötz- liches Aneinanderlagern oder Auseinanderreissen ihrer klein- sten Theilchen sei, sondern die an diesen Vorgängen be- theiligten Urstoffe selbst gewisse Zustandsveränderungen erleiden, bevor ihre Verbindung oder Trennung vollendet ist, hat mich namentlich bei meinen Untersuchungen über die Oxidations- und Desoxidationsvorgänge geleitet und 26 ich kann es nicht bereuen, dabei von einer solchen unge- wöhnlichen Voraussetzung ausgegangen zu sein, weil ich ihr die Ermittelung von Thatsachen verdanke, welche ich ohne sie nicht gefunden hätte und denen wohl auch nicht alle theoretische Bedeutung abgesprochen werden dürfte. Ich gedenke daher auch fernerhin meine chemischen For- schungen von diesem Standpunkt aus fortzusetzen nicht ohne die Hoffnung, noch den einen und andern Fund zu thun zur Vermehrung des thatsächlichen Materiales der Wissenschaft sowohl, als auch zur Erweiterung unserer dermalen noch so schwachen Einsicht in den Zusammenhang der chemischen Erscheinungen, insbesondere derer, welche sich auf den Zentralkörper der Chemie beziehen. Nachtrag zur voranstehenden Mittheilung. Leitet man Chlorgas in eine wässrige Lösung von Thal- liumoxidul ein, so bildet sich sofort braunes Thalliumoxid, in Folge dessen die Flüssigkeit stark getrübt wird; bei weiterer Einführung von Chlor verschwindet jedoch das Oxid wieder und wird die Lösung vollkommen klar und farbelos, woher es auch kommt, dass mit gelöstem TIO ge- tränkte Papierstreifen in einer Chloratmosphäre sich erst bräunen und dann wieder weiss werden. Da aus der wie- der farblos gewordenen Lösung die Alkalien Thalliumoxid niederschlagen, so steht zu vermuthen, dass unter den er- wähnten Umständen 3 TIO und 2Cl zunächst in 2TICl und TI0, sich umsetzen und bei weiterer Einwirkung von Chlor diese beiden Thalliumverbindungen in Thalliumchlorid über- geführt werden. Aehnlich dem Chlor wirkt auch das Brom auf die Thalliumoxidullösung ein. Die Lösungen der Thalliumoxidsalze, z. B. des Sulfa- tes, wie auch diejenigen des Chlorides und Bromides, bläuen selbst in höchst verdünntem Zustande den Jodkaliumkleister 27 auf das Tiefste, scheiden also Jod aus dem Jodkalium aus, ohne Zweifel so, dass z. B. TIO,, 3S0, und 3KJ in TIJ + 3K0, SO, + 2J oder TICL und 3KJ in TIJ + 3KCI + 29 sich umsetzen. Erwähnenswerth ist noch, dass das Thal- liumoxid SO, rasch zu Schwefelsäure oxidirt, wie diess schon aus der Thatsache abzunehmen ist, dass 110-haltige Papierstreifen, durch Ozon gebräunt, in SO,-Gas beinahe augenblicklich weiss werden. III. Ueber das Verhalten des Sauerstoffes zum Blei, Bekanntlich verbindet sich nach meinen Versuchen der ozonisirte Sauerstoff mit dem Blei unmittelbar zum braunen Superoxid, obwohl merklich langsamer als mit dem Thal- lium, und zwar thut er diess in seinem gebundenen wie im freien Zustande, wie er z. B. in den Permanganaten und Hypochloriten enthalten ist, in welchen Q-haltigen gelös- ten Salzen polirtes Blei allmählig gerade so mit einer Hülle von PbO, sich überzieht, wie diess mit dem gleichen Me- tall in einer Ozonatmosphäre geschieht. Aehnlich dem Blei wird auch dessen basisches Oxid durch freien ozonisirten Sauerstoff nach und nach zu PbO, oxidirt, welche Oxidation selbst ein Theil der Basis des Bleiessigs erleidet, wie ich diess schon vor Jahren gezeigt habe. Eine solche Wirkung bringt auch der in den Per- manganaten und Hypochloriten gebundene ozonisirte Sauer- stoff auf freies und gebundenes Bleioxid hervor, wesshalb die Lösungen der erstern Salze beim Schütteln mit Blei- oxidhydrat oder beim Vermischen derselben mit gelöstem neutralem oder basisch essigsaurem Bleioxid entfärbt werden. 23 Was das Verhalten des Bleies zum Wasserstoffsuper- oxid betrifft, so wird angenommen, dass dieses Metall in schwachem Grade das Vermögen besitze, HO, zu katalisi- ren, ohne dabei selbst oxidirt zu werden. Meine über die- sen Gegenstand angestellten Versuche haben Folgendes gezeigt. Polirtes Bleiblech mit HO, in Berührung gesetzt, wirkt anfänglich nicht in merklicher Weise auf das Super- oxid ein, nach kurzer Zeit sieht man jedoch die Oberfläche des Metalles sich schwach bräunen und dann mit Gasbläs- chen sich bedecken. Nach längerm Zusammenstehen des Bleies mit HO, hört die Zersetzung des letztern gänzlich auf und ist nun die Oberfläche des Metalles mit einer dün- nen gelblichen Oxidhülle überzogen, welche, obwohl gleich- gültig gegen HO, sich verhaltend, doch noch den ange- säuerten Jodkaliumkleister zu bläuen vermag. Da bekannt- lich das basische Oxid diese Wirkung nicht hervorbringt, so muss das fragliche Oxid mehr Sauerstoff als PbO ent- halten, welehe Thatsache es wahrscheinlich macht, dass wie dem Thallium, so auch dem Blei das Vermögen zu- komme, das (© des Wasserstoffsuperoxides erst in ©) um- zukehren, um sich mit diesem zu Bleisuperoxid zu verbin- den, welches dann ähnlich dem TIO, durch weiteres HO, unter Entbindung gewöhnlichen Sauerstoffes zu dem vorhin erwähnten, den angesäuerten Jodkaliumkleister bläuenden Oxide reducirt wird. Hieraus würde somit folgen, dass das Blei als solches das Wasserstoffsuperoxid nicht zu katali- siren vermöchte, sondern dass diese Zersetzung durch das ozonidische Bleisuperoxid bewerkstelliget würde, welches anfänglich das Metall mit HO, erzeugt. Ich will bei die- sem Anlasse nicht unbemerkt lassen, dass nach meinen Er- fahrungen die Annahme irrig ist, gemäss welcher Pb0O; durch HO, vollständig zu PbO redueirt würde, was nur unter der Mitwirkung einer Säure geschieht, welche mit dem Bleioxid ein lösliches Salz bildet; denn wirkt HO, für 29 sich allein auf PbO, ein, so erhält man immer ein Oxid, weiches den angesäuerten Jodkaliumkleister augenblicklich noch auf das Tiefste bläut, wie lange man auch die ge- nannten Superoxide auf einander wirken lassen mag. Wenn obigen Angaben gemäss das Thalliumoxidul un- verändert neben HO, bestehen kann, so verhält sich in dieser Beziehung das entsprechende Bleioxid wesentlich anders. Wird nemlich das Hydrat desselben mit HO, über- gossen, so färbt es sich bald bräunlich in Folge gebildeten Bleisuperoxides, und augenblicklich entsteht PbO,, wenn man in das Gemisch einer Bleisalzlösung und Wasserstofr- superoxid gelöstes Kali tröpfelt, wie aus der sofort ein- tretenden Bräunung der Flüssigkeit erhellt. Ebenso wan- delt nach meinen frühern Versuchen HO, einen Theil der Basis des Bleiessigs augenblicklich in Bleisuperoxid um, und in allen diesen Fällen fängt, falls ein Ueberschuss von HO, vorhanden ist, das gebildete PbO, sofort an, zersetzend auf das Wasserstoffsuperoxid einzuwirken, wobei selbst- verständlich beide Superoxide einen Theil ihres Sauerstoffes verlieren, ohne dass aber PbO, wieder gänzlich zu PbO reducirt würde, wie daraus erhellt, dass das entstandene und gegen HO, vollkommen gleichgültig sich verhaltende Bleioxid immer noch die Eigenschaft besitzt, den ange- säuerten Jodkaliumkleister zu bläuen, was beweist, dass es mehr Sauerstoff als PbO enthalte. Kaum wird es nö- thig sein, noch ausdrücklich zu bemerken, dass alle Blei- salze, die unlöslichen nicht ausgenommen, augenblicklich sich bräunen, wenn sie erst mit HO, und dann mit Kali- lösung übergossen werden, ein Verhalten, an welchem sich schon sehr kleine Mengen eines Bleisalzes erkennen lassen. Thenard gibt an, dass auch das wasserfreie Bleioxid (Massicot) das Wasserstoffsuperoxid zerlege, war aber der irrigen Ansicht, dass hierbei PbO unverändert bleibe. Nach meinen Beobachtungen wirkt allerdings dieses Oxid anfangs 30 ziemlich lebhaft zersetzend auf HO, ein, es hört jedoch diese Wirksamkeit nach einiger Zeit gänzlich auf, wie viel unzersetztes HO, auch noch vorhanden sein mag, welche Unthätigkeit beweist, dass die Oberfläche des Massicots eine Veränderung erlitten habe. Legt man ein so verän- dertes und vorher mit Wasser abgespültes Stück Bleioxid in angesäuerten Jodkaliumkleister, so färbt sich dieser tief- blau, woraus erhellt, dass unter den erwähnten Umständen ein Oxid gebildet wird, welches bei Mitwirkung einer Säure Sauerstoff an das Kalium des Jodsalzes abgeben und dess- halb Jod ausscheiden kann. Ich ziehe desshalb aus diesen Thatsachen den Schluss, dass auch das wasserfreie PbO durch HO, erst zu PbO, oxidirt werde und dieses Super- oxid es sei, welches das Wasserstoffsuperoxid zersetzt, dass also das wasserfreie Bleioxid gleich seinem Hydrate _ zu HO, sich verhalte. Was das Verhalten des gewöhnlichen Sauerstoffes zum Blei bei Anwesenheit von Wasser betrifft (trockener ist vollkommen gleichgültig gegen das Metall), so werden nachstehende Angaben zeigen, dass dasselbe bis jetzt nicht ganz richtig aufgefasst worden ist. Bekanntlich wird an- genommen, dass bei Abwesenheit von Kohlensäure unter den erwähnten Umständen reines Bieioxidhydrat gebildet werde; da ich aber aus mehr als einem Grunde an der Richtigkeit einer solchen Annahme zweifeln musste, so sah ich mich veranlasst, über diesen Gegenstand eine Reihe von Versuchen anzustellen, deren Ergebnisse meine Zwei- fel vollkommen rechtfertigten, und bemerkt sei hier noch, dass das zu diesen Versuchen dienende Blei aus einer Bleizuckerlösung durch Zink abgeschieden und vor dem Gebrauche mit destillirtem Wasser sorgfältigst ausgewa- schen wurde. Wird in diesem Zustande das Metall mit reinem Sauerstoffgas und Wasser in einer verschlossenen Flasche so lange zusammen geschüttelt, bis die Flüssigkeit 31 milchig geworden, was schon nach wenigen Minuten der Fall ist, so vermag dieselbe den mit SO, angesäuerten Jod- kaliumkleister in kurzer Zeit zu bläuen, welche Reaction um so augenfälliger und rascher auftritt, je länger die be- sagten Materien zusammen geschüttelt worden, und ich darf nicht unterlassen, hier noch ausdrücklich zu bemerken, dass nur im Anfange des Schüttelns das hierbei gebildete Oxid rein weiss erscheint, bei längerm Schütteln aber merklich stark gelb wird, in welchem Zustand es den angesäuerten Jodkaliumkleister augenblicklich auf das Tiefste bläut. Da diese Färbung von dem reinen basischen Oxide nicht her- vorgebracht wird, so kann auch die fragliche Materie nicht reines Bleioxidhydrat sein, sondern muss mehr Sauerstoff als PbO enthalten, und wie man hieraus ersieht, verhält sich dieses Oxid gleich demjenigen, welches bei der Ein- wirkung einer hinreichenden Menge Wasserstoffsuperoxides . auf das basische Oxid, oder auf einen Theil der im Blei- essig vorhandenen Basis, oder beim Zusammenstehen des metallischen Bleies mit HO, entsteht, welche sämmitlicher Oxide man wohl als PbO mit kleinen Mengen Bleisuper- oxides verbunden betrachten darf. Es fragt sich nun, wie bei der gleichzeitigen Einwir- kung des gewöhnlichen Sauerstoffes und Wassers auf me- tallisches Blei das fragliche PhO,-haltige Oxid sich bilde. Auf den ersten Blick möchte man zu der Annahme geneigt sein, dass zuerst Bleioxidhydrat entstehe und dann ein klei- ner "Theil desselben durch weitere Sauerstoffaufnahme zu PbO, oxidirt werde. Dass die Sache nicht so sich ver- halte, geht schon aus der einfachen Thatsache hervor, dass: das Bleioxidhydrat, wie es z. B. aus einer Bleizuckerlösung mittelst Kali u. s. w. erhalten wird, weder sich gelb färbt, noch die Eigenschaft erlangt, den angesäuerten Jodkalium- kleister zu bläuen, wie lange man auch das feuchte Hydrat mit gewöhnlichem Sauerstoff zusammen stehen lassen mag- 32 Nachdem ich bei einem Versuch in zwei Litergrossen Flaschen einen ganzen Monat lang in dem einen Gefässe kleine Mengen Bleioxidhydrates, in dem andern fein zer- theiltes Blei in Berührung mit Sauerstoffgas und Wasser hatte stehen lassen, unter jeweiligem Schütteln, fand ich das Hydrat noch völlig weiss und unfähig, den angesäuer- ten Jodkaliumkleister zu bläuen, wogegen das während dieser Zeit aus dem metallischen Blei gebildete Oxid ziem- lich stark gelb gefärbt war und mit Essigsäure behandelt, wenn auch eine verhälinissmässig sehr kleine, doch noch merkliche Menge PbO, zurückliess, wobei es sich von selbst versteht, dass das gelbe Bleioxid den angesäuerten Jodka- liumkleister augenblicklich auf das Stärkste bläuete. Ich muss jedoch bemerken, dass nur der dunkle Sauerstoff völ- lig gleichgültig gegen das Bleioxidhydrat sich verhält, der besonnete dagegen dasselbe schon im Laufe einiger Tage deutlich gelb färbt, in welchem Zustande das Oxid selbst- verständlich auch die Eigenschaft besitzt, den angesäuerten Jodkaliumkleister sofort auf das Tiefste zu bläuen, u. s. w. Es ist diess eine der vielen Thatsachen, welche zeigen, dass das Licht chemisch bethätigend auf den gewöhnlichen Sauerstoff einwirkt, d.h. ihm eine ozonartige Wirksamkeit verleiht. Kaum ist nothwendig noch ausdrücklich zu be- merken, dass bei der Einwirkung des wasserhaltigen Sauer- stoffes auf metallisches Blei auch in gänzlicher Dunkelheit ein PhO,-haltiges Oxid entstehe, wovon ich mich durch zahlreiche Versuche zur Genüge überzeugt habe. — Wollen .wir von der Bildungsweise dieses Oxides eine richtige Vor- stellung gewinnen, so müssen nach meinem Dafürhalten folgende Thatsachen in Betracht gezogen werden: 1) dass das Blei und dessen basisches Oxid nur durch den ozoni- sirten Sauerstoff zu PbO, oxidirt werden; 2} dass obigen Angaben gemäss das &) des Wasserstoffsuperoxides unter dem Berührungseinflusse des Bleies und seines basischen 33 Oxides in ©) übergeführt und desshalb das Eine und das Andere erst zu PbO, oxidirt, dieses Superoxid jedoch in Folge der Einwirkung weitern Wasserstoflsuperoxides zu PbO,-haltigem Oxide reducirt werde ; 3) dass blosses Was- ser, mit reinem oder amalgamirtem Blei und Sauerstofigas geschüttelt, keine nachweisbare Menge von HO, enthalte und 4) dass beim Schütteln SO,-haltigen Wassers mit Blei- amalgam und Sauerstoffgas merkliche Mengen von Wasser- stoffsuperoxid auftreten, welche frühern Angaben zufolge dem gleichzeitig gebildeten Bleisulfat, d. h. Bleioxid, als zquivalent betrachtet werden dürfen. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass die in allen diesen Fällen erfolgende Oxidation des Bleies auf die gleiche Weise statt finde und dabei Wasserstoffsuperoxid gebildet werde, wesshalb sich fragen lässt, wie es komme, dass in dem einen Falle HO, auftrete und im andern nicht. Wie ich glaube, verhält sich die Sache folgendermassen. Bei der gleichzeitigen Einwirkung des Bleies und Wassers auf den neutralen Sauerstoff wird, wie diess bei Anwen- dung des Thalliums geschieht, O zu & und I polarisirt, und wie das isolirte ©) (Ozon) mit dem Blei unmittelbar zu PbO, sich verbindet, so wird auch das unter diesen Umständen auftretende ©) mit dem Metalle zu ozonidischem Bleisuperoxid und das complementäre & (Antozon) mit Wasser zu antozonidischem Wasserstoffsuperoxid zusam- mentreten. Und da die Bildung von PbO, zwei Aequivalente © erfordert, so muss man annehmen, dass unter den er- wähnten Umständen vier Aeq. neutralen Sauerstolles zu zwei Aeq. ©) und zwei Aeg. &) polarisirt, und daher auf ein Aeg. PbO, zwei Aeq. HO, gebildet werden. Weil nun aber PbO, ais Ozonid neben dem antozonidischen HO, nicht zu bestehen vermag, so wird ersteres durch ein Aeq. des letz- tern bis auf wenige Spuren zu PbO reducirt und bleibt desshalb nahezu ein Aeg. HO, übrig. Auf drei Aeq. Bleies, 3 34 in angegebener Weise oxidirt, bleiben somit drei Aeq. HO, übrig; da aber erwähntermassen das metallische Blei das Vermögen besitzt, das &) des HO, in ©) umzukehren, um mit demselben zu PbO, sich zu verbinden, so oxidirt sich noch ein viertes Aea. Bleies durch zwei Aeq. HO, erst zu PbO,, welches durch das dritte noch vorhandene HO, wie- der (dem grössten Theile nach) zu PbO reducirt wird, wesshalb unter diesen Umständen auch keine merkliche Menge von Wasserstoffsuperoxid zum Vorschein kommen kann. Die Spuren von PbO,, welche sich in den auf diese Weise gebildeten vier Aeq. Bleioxides noch vorfinden, sind es nun eben, welche mir nicht blos darauf hinzudeuten, sondern genügend zu beweisen scheinen, dass das fragliche Oxid auf eine sekundäre Weise, d. h. aus dem ursprüng- lich entstandenen Bleisuperoxid unter dem reducirenden Einflusse des gleichzeitig gebildeten Wasserstoffsuperoxides hervorgegangen sei. Selbstverständlich finden die gleichen Vorgänge auch bei Anwendung SO;-haltigen Wassers und amalgamirten Bleies statt, mit dem grossen Unterschiede jedoch, dass unter diesen Umständen auf ein Aeq. gebildeten Bleioxides auch ein Aeq. Wasserstoffsuperoxides auftritt, wie diess in einer voranstehenden Mittheilung angegeben ist. Wenn nun nach meiner Annahme auf ein Aeq. Bleies und zwei Aeq. Wassers vier Aeq. neutralen Sauerstoffes sich chemisch polarisiren, so werden die in Folge hievon auftretenden zwei Aeq. (©) ebenfalls erst mit Pb zu PbO, sich verbin- den, welches Superoxid jedoch durch ein Aeq. HO, zu PbO reducirt wird, mit der vorhandenen Schwefelsäure ein Sulfat bildend. Was das übrig bleibende zweite Aeq. HO, be- trifft, so wird dasselbe gegen die zersetzende Einwirkung des noch vorhandenen metallischen Bleies theils durch das mit ihm vergesellschaftete Quecksilber, theils durch die 39 noch vorhandene freie Schwefelsäure bis auf einen gewis- sen Grad geschützt, wie ein solcher schützender Einfluss aus der Thatsache erhellt, dass HO,- und SO, -haltiges Wasser mit Bleiamalgam längere Zeit zusammen geschüt- telt werden muss, bis alles Wasserstoffsuperoxid verschwun- den ist, unter welchen Umständen ebenfalls Bleisulfat sich bildet. Wurden z. B. 150 Gramme SO;-haltigen Wassers, denen nur 12 Milligramme HO, beigemischt waren, unter völligem Ausschlusse der atmosphärischen Luft, mit 200 Grammen Bleiamalgames, das 5°/, Pb enthielt, eine halbe Stunde lang zusammen geschüttelt, so fanden sich doch noch 7 Milligramme HO, in dem so behandelten Wasser vor und es musste dasselbe mehrere Tage mit dem Amalgam in Berührung bleiben, bevor die letzte noch nachweisbare Spur von Wasserstoffsuperoxid verschwunden war, während bei Abwesenheit von Schwefelsäure diese kleine Menge von HO, rasch zersetzt wurde. Die Annahme, dass selbst bei Anwesenheit von SO; das Blei erst zu PbO, oxidirt werde, d.h. die Biläung die- ses Superoxides derjenigen des Sulfates beziehungsweise Bleioxides vorausgehe, erhält nach meinem Ermessen ihre Bestätigung durch die Thatsache, dass auch in dem unter diesen Umständen gebildeten Bleisulfate noch Spuren von PbO, sich vorfinden, wie daraus hervorgeht, dass besagtes Bleisalz den angesäuerten Jodkaliumkleister zwar nur all- mählig, aber doch noch merklich stark zu bläuen vermag, was selbstverständlich das reine Sulfat nicht zu thun im Stande’ ist. Auch will ich hier nicht unerwähnt lassen, dass metallisches Blei, in SO; - und HO, - haltiges Wasser selest und von der atmosphärischer Luft völlig abgeschlos- sen, nach und nach mit einer Hülle von Bleisulfat sich überzieht, welche ebenfalls noch den angesäuerten Jodka- liumkleister bläut, eine Wirkung, die nur von Spuren noch vorhandenen Bleisuperoxides herrühren kann. Diese That- 3 56 sache scheint mir zu beweisen, dass selbst bei Gegenwart freier Schwefelsäure das Blei auch durch das Wasserstoff- superoxid erst zu PbO, oxidirt und dann durch weiteres HO, zu PbO reducirt werde, um mit SO, zu Sulfat sich zu verbinden, welches seiner Unlöslichkeit halber kleine Men- gen von PbO, einzuhüllen und desshalb vor der reduciren- den Einwirkung des noch vorhandenen Wasserstoffsuper- oxides zu schützen vermag. | Vergleicht man das Verhalten des Sauerstofles zum Thallium mit demjenigen zum lei, so kann man nicht um- hin, zwischen beiden Metallen eine grosse Aehnlichkeit zu bemerken und ich hoffe bald zeigen zu können, dass jenes Element auch noch zu einer Reihe anderer Metalle in ganz ähnlichen Beziehungen stehe. EV. Ueber das Verhalten des Sauerstoffes zum Nickel. Der freie ozonisirte Sauerstoff wirkt zwar langsam oxidirend auf das metallische Nickel ein, bildet jedoch mit demselben unmittelbar Nickelsuperoxid, wie daraus erhellt, dass ein Stück dieses Metalles in stark ozonisirter Luft aufgehangen, allmählig mit einem schwarzen Ueberzug sich bedeckt, welcher mit HCl übergossen, unter Bildung von Chlornickel, Chlor entbindet, den angesäuerten Jodkalium- kleister augenblicklich auf das Tiefste bläut, mit Wasser- stoffsuperoxid eine lebhafte Sauerstoffgasentwickelung ver- ursacht, indem es aus Schwarz sofort in Lichtsrün über- geht und mit SO,, ebenfalls unter rascher Entfärbung, in Nickelsulfat übergeht. , In gleicher Weise verhält sich auch der in den Hy- pochloriten gebundene ozonisirte Sauerstoff zum- Nickel, . 37 welches in der wässrigen Lösung eines solchen Salzes rasch mit einer schwarzen Hülle von Superoxid sich überzieht. Wie das Metall selbst, wird auch dessen basisches Oxid durch den freien ozonisirten Sauerstoff in Ni 0, überge- führt, wie schen daraus abzunehmen, dass feuchtes Nickel- oxidulhydrat auf einen Streifen weissen Papieres aufge- tragen, in stark ozonisirter Luft rasch schwarz wird, in welchem Zustand es alle Reactionen des Superoxides her- vorbringt. Dass die gelösten Hypochlorite das Nickeloxi- dulhydrat zu Ni, 0, oxidiren, ist eine längst bekannte That- sache. Schon Thenard beobachtete, dass das Wasserstofisu- peroxid vom Nickel langsam zerlegt werde und nahm an, dass hierbei das Metall keine Oxidation erleide, worin er sich jedoch täuschte, wie diess nachstehende Angaben zei- gen werden. Beim Einführen glänzender Nickelstücke (ich wendete bei meinen Versuchen Würfel von 4’ Seite mit polirten Flächen an} in Wasserstoffsuperoxid kommen nach einigen Minuten Sauerstofibläschen an der Oberfläche des Metalles zum Vorschein, welche jedoch nur spärlich auf- treten und nach längerer Zeit gänzlich aufhören zu er- scheinen, auch wenn noch unzersetztes HO, vorhanden ist. Die Beschaffenheit der Oberfläche der gegen dieses Super- oxid unthätig gewordenen Nickelwürfel scheint zwar kaum verändert zu sein, welcher Umstand wohl Thenard zu der erwähnten Annahme veranlasst hat; nichts desto weniger sind aber dieselben mit einer äusserst dünnen Hülle eines Oxides überzogen, welches den angesäuerten Jodkalium- kleister noch deutlichst zu bläuen vermag; dun legt man die besagten Würfel in den erwähnten Kleister, so färben sie sich sofort blau, was beweist, dass das fragliche Oxid mehr Sauerstoff als das Nickeloxidul enthält. Dass das Wasserstoffsuperoxid auch vom Niekeloxidul- hydrat zersetzt werde, ist ebenfalls schon von Thenard 38 bemerkt worden und ebenso die Thatsache, dass letzteres hierbei sich lichter grün färbe, wesshalb der französische Chemiker vermuthete, dass besagtes Hydrat unter diesen Umständen eine chemische Veränderung erleide, d. h. eini- gen Sauerstoff aufnehme. Die Ergebnisse meiner darüber angestellten Versuche lassen die Vermuthung Thenard's als begründet erscheinen; denn behandelt man das apfelgrüne Hydrat hinreichend lange mit HO,, so wird dasselbe nicht nur sofort viel blasser, als es ursprünglich gewesen, son- dern büsst auch des Gänzlichen sein Vermögen ein, zer- setzend auf das Wasserstoffsuperoxid einzuwirken, obwohl es noch den angesäuerten Jodkaliumkleister auf das Tiefste zu bläuen vermag, welche Reaction das reine Oxidul selbst- verständlich nicht hervorbringen kann. Das fragliche Oxid enthält demnach mehr Sauerstoff, als das Nickeloxidul. Wird feuchtes Nickelsuperoxid, wie es z. B. bei der Einwirkung gelöster Hypochlorite oder ozonisirter Luft auf das metallische Nickel sich bildet, mit Wasserstoffsuper- oxid übergossen, so tritt in Folge der gegenseitigen Zer- setzung beider Superoxide eine stürmische Entbindung von Sauerstoffgas ein und wird bei Anwesenheit einer hinrei- chenden Menge von HO, das schwarze Ni, 0, beinahe au- genblicklich zu einem lichtgrünen Oxide reducirt, welches gegen HO, völlig gleichgültig sich verhält, aber auch noch den angesäuerten Jodkaliumkleister augenblicklich auf das Tiefste zu bläuen vermag, was beweist, dass es sauerstoff- reicher als das Nickeloxidul ist und höchst wahrscheinlich - macht, dass das fragliche Oxid das gleiche sei, welches bei der Einwirkung des Wasserstoffsuperoxides auf das. Nickeloxidulhydrat gebildet wird, das Eine durch Verlust, das Andere durch Aufnahme von Sauerstofl. Vom Nickel wird angenommen, dass es bei gewöhn- licher Temperatur und gewöhnlichem Sauerstoff nicht ein- mal bei Anwesenheit von Wasser oxidirt werde, eine An- 39 nahme, die ich für unbegründet halten muss. Bringt man Nickelwürfel von rein metallischer Oberfläche in gleich- zeitige Berührung mit Wasser und Sauerstoflgas oder at- mosphärischer Luft, so überziehen sie sich sehr langsam mit einer äusserst dünnen grünlichen Hülle, und übergiesst man so beschaffene Würfel mit etwas angesäuertem Jod- kaliumkleister, so färbt sich deren Oberfläche sofort blau, woraus erhellt, dass das Metall von einem Oxid umhüllt ist, welches sich gerade so verhält, wie die Oxide, welche bei der Einwirkung des Wasserstoffsuperoxides auf Ni O und Ni, O, entstehen. Aus dieser Thatsache erhellt somit, dass entgegen der allgemeinen Annahme das Nickel unter den erwähnten Umständen oxidirt wird, wenn diess auch sehr langsam geschieht. Rascher erfolgt die Bildung eines solchen Oxides bei Anwendung SO;-haltigen, anstatt reinen Wassers, wie aus der Thatsache zu ersehen ist, dass dünner und schwach durch SO, angesäuerter Jodkaliumkleister mit Nickelwür- feln und atmosphärischer Luft in Berührung gesetzt, in kurzer Zeit sich auf das Augenfälligste bläut; denn es lässt sich diese Reaction kaum anders als durch die Annahme erklären, dass unter den erwähnten Umständen ein Oxid gebildet werde, welches bei Anwesenheit einer Säure an das Kalium des Jodsalzes Sauerstoff abgibt und desshalb Jod in Freiheit setzt. Beifügen will ich noch, dass auch das feuchte Nickeloxidulhydrat, wenn mit gewöhnlichem Sauerstoff oder atmosphärischer Luft in Berührung gesetzt, bald die Eigenschaft erlangt, den angesäuerten Jodkalium- kleister zu bläuen, was zu beweisen scheint, dass unter diesen Umständen kleine Mengen von Ni, O, gebildet werden. Aus allen diesen Thatsachen geht hervor, dass das Verhalten des Sauerstoffes zum Nickel demjenigen zum Blei sehr ähnlich ist, wesshalb ich auch geneigt sein muss, die am erstern Metalle stattfindenden Oxidationsvorgänge eben 40 so wie diejenigen zu deuten, welche sich auf das Blei be- ziehen. Ich nehme daher an, dass beim Zusammentreffen des Nickels oder seines basischen Oxides mit Wasserstoff- superoxid das © dieser Verbindung in ©) übergeführt werde und desshalb beide Substanzen zu Ni, O, sich oxidiren. Da letzteres ein Ozonid ist, so wirkt es unmittelbar nach sei- ner Bildung auf das noch vorhandene antozonidische HO, zersetzend ein, wobei es selbst Sauerstoff verliert, ohne jedoch gänzlich zu Oxidul redueirt zu werden, wie ein ähn- liches Verhalten auch das Bleisuperoxid gegen HO, zeigt. Bei der gleichzeitigen Einwirkung des Metalles und Wassers auf neutralen Sauerstoff findet Polarisation dieses Elementes statt, in Folge deren die Superoxide des Nickels und Wasserstoffes gebildet werden, welche aber in der vorhin erwähnten Weise gegenseitig sich wieder «esoxi- diren. Bei diesem Anlasse darf ich nicht unterlassen an die schon früher von mir ermittelte Thatsache zu erinnern, dass beim Schütteln von Nickelamalgam und Wasser mit gewöhnlichem Sauerstoffgas noch nachweisbare Mengen von Wasserstoffsuperoxid erhalten werden, was die unter den erwähnten Umständen erfolgende Polarisation des Sauer- stoffes und somit auch die Oxidation des Nickels ausser Zweifel stellt. Kaum wird es noch der ausdrücklichen Bemerkung be- dürfen, dass ich weder dem Nickel noch seinem Oxidul als solchen die Fähigkeit zuschreibe, das Wasserstoffsuperoxid zu katalysiren; sie bringen diese Wirkung nur mittelbar - hervor, insofern sie mit HO, das ozonidische Nickelsuper- oxid erzeugen, welches allein die in Rede stehende Zer- legung bewerkstelliget. 41 YV. Ueber das Verhalten des Sauerstoffes zum Kobalt. ich will diese Mittheilung gleich mit der aligemeinen Angabe beginnen, dass der Sauerstoff zum Kobalt wie zum Nickel sich verhält. Freier ozonisirter Sauerstoff oxidirt das Metall unmittelbar zu Superoxid, was jedoch ebenfalls langsam geschieht. Ungleich rascher erfolgt diese Oxida- tion durch das in den Hypochloriten gebundene ©), wie daraus erheilt, dass ein in die wässrige Lösung eines sol- chen Salzes gelegtes Stück Kobaltes in kurzer Zeit mit einer schwarzen Hülle sich überzieht, welche nichts ande- res als Co0, ist. Wie das metallische Kobalt, wird auch dessen Oxidulhydrat durch den freien ozonisirten Sauerstoff zu Superoxid oxidirt, durch Oxid-Oxidu! hindurch gehend, wie daraus zu ersehen ist, dass das rosenrothe Hydrat erst gebräunt, dann schwarz wird, und längst bekannt ist, dass die gelösten Hypochlorite das gleiche Oxidul rasch in Su- peroxid überführen. Das Wasserstofisuperoxid wird durch das Kobalt um ein Merkliches lebhafter zersetzt, als durch das Nickel, und Thenard hielt dafür, dass jenes Metall hierbei nicht oxidirt werde, was ich ebenfalls in Abrede stellen muss; denn lest man ein glänzendes Stück Kobaltes in HO,, so wird dasselbe nach einiger Zeit matt erscheinen und mit einer bräunlichen Hülle umgeben sein, welche gegen HO, gleich- gültig sich verhält und den angesäuerten Jodkaliumkleister augenblicklich auf das Tiefste zu bläuen vermag. Feuchtes Kobaltsuperoxid, wie es bei der Einwirkung der gelösten Hypochlorite auf metallisches Kobalt erhalten wird, mit einer gehörigen Menge Wasserstoffsuperoxides übergossen, reducirt sich rasch zu einem braunen Oxide, welches ohne Wirkung auf HO, ist, aber ebenfalls den an- 42 gesäuerten Jodkaliumkleister sofort auf das Stärkste bläut. Auch das rothe Kobaltoxidulhydrat zerlegt das Wasser- stoffsuperoxid unter ziemlich lebhafter Entbindung von Sauerstoffgas, wobei es sehr rasch in ein gelbbraunes Oxid übergeführt wird, welches HO, unzersetzt lässt und den angesäuerten Jodkaliumkleister auf das Tiefste zu bläuen vermag. : Wie vom Nickel wird auch vom Kobalt behauptet, dass es bei gewöhnlicher Temperatur vom gewöhnlichen Sauer- stoff auch bei Anwesenheit von Wasser nicht im Mindesten oxidirt werde, welche Annahme ebenfalls irrig ist, wie daraus erhellt, dass das Metall, längere Zeit mit neutralem Sauerstoff und Wasser in Berührung gestanden, in ange- säuertem Jodkaliumkleister sich tief bläut, welche Reaction beweist, dass das Kobalt von einem Oxid umhüllt ist, das unter Mitwirkung einer Säure Jod aus dem Jodkalium ab- zuscheiden vermag. Feuchtes Kobaltoxidulhydrat, mit ge- wöhnlichem Sauerstoff in Berührung gesetzt, erlangt sehr rasch das Vermögen, den angesäuerten Jodkaliumkleister zu bläuen, und bekannt ist, dass unter den erwähnten Um- ständen die rothe Farbe des Hydrates allmählig in eine gelbbraune übergeht. Es lässt sich wohl kaum daran zwei- feln, dass trotz ihrer so verschiedenen Bildungsweise alle die erwähnten bräunlichen Oxide nichts anderes sind, als Verbindungen von CoO und Co; O;. Dass ich mir die in voranstehender Mittheilung be- sprochenen Oxidations- und Desoxidationsvorgänge eben so . erkläre, wie diejenigen, welche sich auf das Blei, Nickel und Thailium beziehen, brauche ich kaum ausdrücklich zu bemerken, wesshalb auch jede weitere Erörterung dieses Gegenstandes überflüssig wäre; daran muss ich aber noch erinnern, dass auch beim Schütteln des Kobaltamalgames mit Wasser und gewöhnlichem Sauerstoff Wasserstoffsuper- oxid gebildet, also O chemisch polarisirt wird. 43 VI, Ueber das Verhalten des Sauerstoffes zum Wismuth. Wie zum Blei, Nickel u. s. w., so verhält sich der Sauerstoff auch zu dem Wismuth, mit dem Unterschied je- doch, dass er dasselbe ungleich langsamer als die vorhin erwähnten Metalle oxidirt. Blankes Wismuth muss längere Zeit der Einwirkung des freien ozonisirten Sauerstoffes aus- gesetzt sein, bevor dessen Oberfläche deutlich gebräunt (durch BiO;) erscheint, und beinahe eben so langsam wir- ken die Lösungen der Hypochlorite auf das Metall ein, un- ter welchen Umständen jedoch das Wismuthoxidhydrat etwas rascher oxidirt wird. Wie schon Thenard beobachtet hat, wird das Wasser- stoffsuperoxid vom Metall nur äusserst langsam unter Sauer- stoffentbindung zerlegt, wobei es sich mit einer sehr dün- nen bräunlichen Hülle bedeckt, welche gegen HO, wirkungs- los ist und aus einem Oxide besteht, das den angesäuerten Jodkaliumkleister noch deutlich zu bläuen vermag. Auch wird HO, durch das Wismuthhydrat zersetzt unter merk- licher Entbindung von Sauerstoffgas und Bildung eines gelb- lichen Oxides, welches keine zersetzende Wirkung auf HO, hervorbringt, jedoch den angesäuerten Jodkaliumkleister ebenfalls bläut. Das Wismuthsuperoxid (Wismuthsäure) wirkt anfäng- lich ziemlich lebhaft zersetzend auf das Wasserstoffsuper- oxid ein, verliert aber nach und nach diese Wirksamkeit und lässt ein Oxid zurück, welches, wie das vorige, den angesäuerten Jodkaliumkleister tief und rasch bläut. Alie diese gegen HO, unthätigen, mehr oder minder gefärbten Oxide können als Verbindungen von BiO, mit BiO; be- trachtet werden. Es ist wohl kaum daran zu zweifeln dass das Wismuth in Berührung mit Wasser und gewöhn- 44 lichem Sauerstoff sehr langsam oxidirt und hierbei eben- falls ein Oxid gebildet werde, gleichgültig gegen HO, und fähig, den angesäuerten Kleister zu bläuen. vn Ueber einige neue höchst empfindliche Reagentien auf das Wasserstoffsuperoxid. Schon vor Jahren zeigte ich, dass zu den empfindlich- sten Reagentien auf das Wasserstoffsuperoxid die gelösten Eisenoxidulsalze und der Bleiessig in Verbindung mit dem Jodkaliumkleister gehören, welcher bei Anwesenheit klei- ner Mengen dieser Salze durch Wasser, das nur ein Mil- liontel HO, enthält, noeh auf das Deutlichste gebläut wird. Seither habe ich gefunden, dass die Hydrate der basischen Oxide des Nickels, Kobaltes, Wismuths und Bleies, nach- dem sie einige Augenblicke mit solchem HO,-haltigen Was- ser in Berührung gestanden, das Vermögen zeigen, den angesäuerten Jodkaliumkleister noch augenfälligst zu blänen. Wie aus den voranstehenden Mittheilungen erhellt, liegt der Grund dieser Reaction in der Eigenschaft der vorhin genannten Oxide, das (D des Wasserstoffsuperoxides in © umzukehren, um mit diesem © Verbindungen zu bilden, welche unter der Mitwirkung einer Säure Sauerstoff an das Metall des Jodsalzes abgeben und dadurch Jed frei machen. Um in bequemster Weise mit Hülfe der erwähnten Reagentien kleine Mengen HO, im Wasser nachzuweisen, - verfahre ich so, dass ich einen oder zwei Tropfen der Lö- sung eines Nickei-, Kobalt-, Wismuth- oder Bleisalzes in die auf HO, zu prüfende Flüssigkeit einführe, dann zur Fällung der Salzbasis einige Tropfen Kalilösung zufüge, hierauf einigen verdünnten Jodkaliumkleister beimische und endlich Essigsäure oder verdünnte Schwefelsäure zusetze, unter welchen Umständen sofort eine augenfällige Bläuung 45 des Gemisches eintritt, wenn in demselben auch nur Spu- ren von Wasserstoffsuperoxid vorhanden sind. Schüttelt man z. B. 190 Gramme destillirten Wassers mit 200 Gram- men amalgamirter Zinkspähne nur einige Sekunden lang mit Sauerstoffgas oder atmosphärischer Luft lebhaft zu- sammen, so werden die genannten Reagentien in dem ab- filtrirten Wasser das unter diesen Umständen in so kleiner Menge gebildete Wasserstoffsuperoxid doch noch auf das Deutlichste durck die eintretende Bläuung anzeigen. Einige Angaben über den Wasserstoffschwefel, Schon Thenard machte darauf aufmerksam, dass manche derjenigen Materien, welche das Wasserstoffsuperoxid zer- setzen, auch den Wasserstofischwefel zu zerlegen vermö- gen, wie 7..B. das Platin, die Kohle, die Superoxide des Mangans, Bleies u. s. w. Ich habe unlängst ebenfalls Ver- suche mit der besagten Schwefelverbindung angestellt in der Absicht, die Umstände genauer zu ermitteln, unter wel- chen dieselbe eine Zersetzung erleidet, und zu diesem Be- hufe ein Verfahren beobachtet, von dem ich glaube, dass es zweckmässiger gewesen sei und zu sicherern Ergebnis- sen geführt habe, als der von dem französischen Chemiker eingeschlagene Weg. Nach meinen frühern Versuchen kommt dem Wasser- stoffschwefel das Vermögen zu, die Indigotinctur zu ent- bläuen, welche Wirkung aber weder auf einer Reduction noch Zerstörung des Farbstoffes, sondern auf dem beruht, was ich Verhüllung des Indigos nennen möchte. Die durch den Wasserstofischwefel entfärbte Indigolösung bläut sich nemlich wieder von selbst, auch wenn sie von der Luft vollständigst abgeschlossen ist, und zw:r um so rascher, je höher die Temperatur des Gemisches. ‘Der Grund dieser 46 freiwilligen Bläuung liegt einfach darin, dass der Wasser- stoffschwefel von selbst in S und HS zerfällt, auch wenn -er mit der Indigoblauschwefelsäure vergesellschaftet ist. Nach Massgabe dieser spontanen Zersetzung tritt daher auch die ursprünglich blaue Färbung der Indigolösung wieder auf, aus welchem Verhalten abzunehmen ist, dass jede Sub- stanz, welche die entfärbte Indigotinetur, augenblicklich zu bläuen vermag, auch die Fähigkeit besitzt, den Wasser- stoffschwefel rasch zu zersetzen. Derartige Vesuche lassen sich am bequemsten auf fol- sende Weise anstellen. In Wasser, durch Indigotinctur bis zur Undurchsichtigkeit tief gebläut und mit einiger Salz- säure versetzt, tröpfelt man unter Umrühren die Lösung eines mehrfach geschwefelten alkalischen Metalles ein, bis das Gemisch entbläut erscheint. Dasselbe filtrirt, liefert eine vollkommen klare und farblose Flüssigkeit, welche je- doch bald anfängt sich zu trüben in Folge der Zersetzung des Wasserstoffschwefels, und hat man bei der Darstellung dieser Flüssigkeit nicht mehr Schwefelleberlösung ange- wendet, als eben zur vollständigen Entbläuung der Indigo- tinetur nöthig war, so hält auch die Bläuung der Flüssig- keit mit ihrer Trübung, welche selbstverständlich von aus- geschiedenem Schwefel herrührt, gleichen Schritt. Ist aber in der entfärbten Indigolösung ein Ueberschuss von Was- serstoffschwefel vorhanden, so trübt sich anfänglich die Flüssigkeit, ohne zugleich blau zu werden, und tritt selbst- verständlich deren Bläuung um so später ein, je grösser “jener Ueberschuss gewesen. Nach diesen Angaben dürfte es kaum noch der aus- drücklichen Bemerkung bedürfen, dass es zweckdienlich sei, zur Anstellung der im Nachstehenden beschriebenen Versuche einer Flüssigkeit sich zu bedienen, die entweder nur einen sehr kleinen, oder noch besser sar keinen Ueber- schuss von Wasserstoffschwefel enthält. 47 Das Ozon und diejenigen Sauerstoffverbindungen, welche ich Ozonide nenne, z. B. die Superoxide des Mangans, Bleies u. s. w., die Uebermangan-, Chrom -, unterchlorichte und salpetrichte Säure und deren Salze, wie auch das Ei- senoxid oder dessen Lösungen in Säuren, bläuen die Ver- suchsflüssigkeit augenblicklich, falls sie nicht im Ueber- schuss angewendet werden. Eben so verhalten sich Chlor, Brom und Jod. Sehr stark verdünntes Wasserstoffsuperoxid wirkt nur sehr langsam bläuend auf unsere Flüssigkeit ein, fügt man aber einem solchen Gemisch nur wenige Tropfen verdünn- ter Eisenvitriollüsung zu, so erfolgt unverweilt die augen- fälligste Bläuung. Platinmohr bläut die Versuchsflüssigkeit augenblicklich, verliert jedoch seine Wirksamkeit, nachdem er einmal diese Reaction hervorgebracht hat; durch Behandlung mit Kali- lösung oder Salpetersäure in der Wärme erhält das Metall jedoch wieder sein ursprüngliches Vermögen. Wie das Platin verhält sich auch das Iridium, Palladium, Rhodium, Osmium und Ruthenium. Fein gepulverte Holzkohle verursacht sofort die Bläu- ung der Versuchsflüssigkeit, ohne, wie das Platin, ihre Wirksamkeit zu verlieren. Gelöste Phosphor- und Arsen- säure, selbst im verdünnten Zustande, bläuen die entfärbte Indigotinctur stark und rasch, während die gleich verdünnte Salpeter- oder Schwefelsäure (frei von NO,) nur sehr schwach bläuend einwirken und die Salzsäure gar nicht, wie diess übrigens schon die Bereitungsweise der Ver- suchsflüssigkeit zeigt, in welcher ein Ueberschuss von HCl vorhanden ist. Thenard gibt an, dass auch die Kieselsäure den Wasserstofischwefel zerlege ; nach meinen Versuchen bläut jedoch dieselbe nur dann die Versuchsflüssigkeit, wenn jene noch Spuren von Eisenoxid enthält; ist die Säure hievon gänzlich frei, so verhält sie sich völlig wirkungs- 48 los. Die Lösungen sämmtlicher alkalischer Oxide rufen die blaue Färbung der Versuchsflüssigkeit augenblicklich her- vor und ebenso die Lösungen einer Anzahl von Metallsal- Zen, z. B. des Kupfer-, Mangan-, Nickelsulfates u. s. w. Was die spontane Bläuung der entfärbten Indigolösung betrifft, so beruht sie erwähntermassen auf der freiwilli- gen Zersetzung des Wasserstoffschwefels, welche diese Verbindung gerade so leicht in ihrem (an Indigoblauschwe- felsäure) gebundenen, als im freien Zustande erleidet. Während der gewöhnliche Sauerstoff so gut als gleichgül- tig gegen die Versuchsflüssigkeit sich verhält, wirkt dage- gen wie der freie, so auch der gebundene ozonisirte Sauer- stoff rasch und kräftigst auf dieselbe ein, wie diess aus ihrer augenblicklichen Bläuung erhellt, welche das Ozon und die Ozonide verursachen, falls sie nicht im Ueberschuss angewendet werden, in welchem Falle der Indigo wieder zerstört wird. Die durch die genannten Materien bewerk- stelligte Zersetzung des Wasserstofischwefels, d. h. Bläuung der Versuchsflüssigkeit, beruht ohne Zweifel auf einer oxi- direnden Wirkung, welche sie auf den einen oder andern Bestandtheil der Schwefelverbindung hervorbringen, wo- durch diese zerstört und die Indigoblauschwefelsäure mit ihren ursprünglichen optischen Eigenschaften in Freiheit gesetzt wird. Dass in gleicher Weise auch das Chlor, Brom, Jod und das gelöste Eisenoxid wirken, ist mehr als nur wahrscheinlich. Was die rasche Bläuung der Ver- suchsflüssigkeit durch Wasserstoffsuperoxid unter Mitwir- kung eines gelösten Eisenoxidulsalzes betrifft, so beruht sie auf der schon längst von mir ermittelten Thatsache, dass HO, bei Anwesenheit eines solchen Salzes gleich dem Ozon oder einem Ozonide wirkt, wie schon die einfache That- sache beweist, dass höchst verdünntes HO,, welches für sich allein den Jodkaliumkleister nicht mehr zu bläuen vermag, diess augenblicklich thut, wenn einem solchen Ge- 49 meng nur wenige Tropfen verdünnter Eisenvitriollösung zugefügt werden. Die Wirksamkeit der Piatinmetalle leite ich aus ihrem Vermögen ab, den mit ihnen in Berührung stehenden ge- wöhnlichen Sauerstoff zur chemischen Thätigkeit anzure- gen oder zu ozonisiren, und in dem vorliegenden Falle zu bestimmen, mit dem H des Wasserstoäschwefels zu Was- ser sich zu verbinden. In frühern Mittheilungen habe ich gezeigt, dass Platinschwamm mit HS in Berührung gebracht augenblicklich sein Vermögen einbüsse, das Knallgas zu entzünden, und ist nachgewiesen worden, dass dieser Ver- lust auf der Oxidation des Wasserstoffes von HS berubhe, in Folge deren Schwefel frei wird, welcher das Metall umhüllt Ein gleicher Vorgang findet nun höchst wahr- scheinlich auch bei der Berührung der Platinmetalle mit unserer Versuchsflüssigkeit statt, bei welcher der an ihnen haftende und zur chemischen Thätigkeit angeregte Sauer- stoff dem Wasserstoffschwefel H entzieht und in Folge hievon Schwefel ausgeschieden wird, welcher, um die Me- talle eine Hülle bildend, deren ozonisirende Wirkung auf O aufheben muss. Durch Behandlung mit Kalilösung u. s. w. wird der um sie gelagerte Schwefel entfernt und ihnen dadurch auch ihre ursprüngliche Wirksamkeit wieder ge- geben. Auf welche Weise die Phosphor- und Arsensäure die rasche Bläuung der entfärbten Indigolösung bewerkstelli- gen, weiss ich nicht anzugeben und es lässt sich hierüber einstweilen nicht viel mehr sagen, als dass sie den ver- hülienden Einfluss aufheben, welchen der Wasserstoff- schwefel auf die blaue Färbung der Indigolösung ausübt; “ denn eine plötzliche Zersetzung der genannten Schwefel- verbindung kann wohl desshalb nicht stattfinden, weil die blau gewordene Flüssigkeit anfänglich noch klar, d. h. noch kein Schwefel ausgeschieden ist. Die in Rede stehende 4 50 rasche Bläuung beruht demnach nicht auf einer Zersetzung des Wasserstoffschwefels und könnte möglicher Weise da- von herrühren, dass die Phosphorsäure u. s. w. eine vor- übergehende Verbindung mit dem Wasserstofischwefel ein- gienge und dadurch den Einfluss des letztern auf die In- digotinetur aufhöbe oder schwächte *). Die alkalischen Oxide bläuen die Versuchsflüssigkeit einfach desshalb, weil sie mit dem Wasserstoffschwefel in Wasser und Schwefelmetalle sich umsetzen. Auf welche Weise aber die Kohle wirkt, wüsste ich nicht zu sagen; so viel ist gewiss, dass unter ihrem Einflusse der Wasser- stoffschwefel in S und HS zerfällt. Die oben angeführten Thatsachen scheinen mir nun zu der Annahme zu berechtigen, dass, wenn nicht in allen, doch in den meisten der erwähnten Fällen die Zerlegung des Wasserstoffschwefels durch gewöhnliche chemische Wirksamkeiten bewerkstelliget werde und die zwischen *) Dass es chemische Verbindungen solcher Art gebe, dafür, glaube ich, liegen zahlreiche Beweise vor, und ich selbst habe un- längst mehr als eine Thatsache mitgetheilt, welche zu Gunsten dieser Annahme spricht. So z. B. verhüllen nach meinen Versuchen (siehe im letzten Hefte der Verhandlungen der naturf. Gesellschaft von Basel meinen Aufsatz: „Weitere Beiträge zur nähern Kenntniss des Jodes us. w.“) die Lösungen der Quecksilberoxidsalze die Färbung und den Geruch des wässrigen Jodes, Bromes und Chlores, wie sie auch Ersteres verhindern, den Stärkekleister zu bläuen, während die Ha- loidsalze des Chlores, Bromes und Jodes, wie auch die Wasserstofi- säuren derselben, diese Verhüllung wieder wegräumen. Die verdünnte Indigotinetur wird durch die gleichen Metallsalze grün gefärbt und mittelst der genannten Haloidsalze und Säuren wieder gebläut. Sulche Veränderungen deuten auf die Bildung und Wiederzersetzung chemi- scher Verbindungen hin, welche uns dermalen noch gänzlich unbe- kannt sind und eben desshalb die Aufmerksamkeit der Chemiker ver- dienen. 51 den Zersetzungserscheinnngen des Wasserstoffsuperoxides und Wasserstofischwefels bestehende Aehnlichkeit eine nur scheinbare sei. Ueber ein neues höchst empfindliches Reagens auf das Wasserstoffsuperoxid und die salpetrichtsauren Salze. Vor einiger Zeit habe ich gezeist, dass unter Mitwir- kung eines Eisenoxidulsalzes der unangesäuerte Jodkalium- kleister ein so empfindliches Reagens auf HO, sei, dass dadurch noch verschwindend kleine Mengen dieses Super- oxides mit Sicherheit sich erkennen lassen. Ein anderes Reagens auf HO,, welches dem erwähnten an Empfindlich- keit wo nicht völlig gleich, doch sehr nahe kommt, und in manchen Fällen angewendet werden kann, wo gewisser Umstände halber der Jodkaliumkleister nicht einmal zu ge- brauchen wäre, ist die durch Wasserstoffschwefel entfärbte Indigotinctur, von der in der voranstehenden Mittheilung die Rede gewesen. Hat man zur Bereifung dieses Reagens nicht mehr ge- löste Schwefelleber angewendet, ais genau zur völligen Entbläuung der Indigotinctur erforderlich ist, so wird diese farblose Flüssigkeit durch Wasser, welches nur Spuren von HO, enthält, noch deutlich und augenblicklich gebläut wer- den, so bald man dem Gemisch einige Tropfen verdünnter Eisenvitriollösung zufügt, wobei jedoch zu bemerken ist, dass die unter diesen Umständen anfänglich eingetretene Bläuung wieder verschwindet, falls das Wasser mehr HO, enthält, als zur Zersetzung des in der entfärbten Indigolö- sung enthaltenen Wasserstoffschwefels nöthig ist, und zwar um so rascher, je grösser jener Ueberschuss an Wasser- stoffsuperoxid sein sollte. Wie empfindlich unser Reagens auf HO, sei, mögen nachstehende Angaben zeigen. 92 Bekanntlich entstehen nach meinen Versuchen beim Schütteln einer Anzahl leicht oxidirbarer Metalle mit Was- ser und gewöhnlichem reinen oder atmosphärischen Sauer- stoff nachweisbare Mengen Wasserstoffsuperoxides, unter welchen das Zink sich ganz besonders auszeichnet. Schüt- telt man 50 Gramme amalgamirter Zinkspähne mit etwa ihrem doppelten Gewichte destillirten Wassers in einem etwas geräumigen und lufthaltigen Gefässe nur wenige Se- ‚kunden lebhaft zusammen, so wird das Wasser schon so viel HO, enthalten, um den nicht angesäuerten Jodkalium- kleister beim Zufügen einiger Tropfen verdünnter Eisen- vitriollösung deutlichst und augenblicklich zu bläuen; das gleiche Wasser vermag aber auch die durch Wasserstoff- schwefel entfärbte Indigotinetur unter Mitwirkung der ge- nannten Eisensalzlösung rasch und noch augenfälligst blau zu färben. Aus diesen Angaben ersieht man, dass zur Er- mittelung kleinster Mengen von HO, die besagte Indigolô- sung eben so gut als der Jodkaliumkleister dienen kann, und wie in einer der nachstehenden Mittheilungen gezeigt werden wird, lassen sich durch dieses Reagens eben so kleine Mengen Wasserstoffsuperoxides in Flüssigkeiten nach- weisen, die Substanzen enthalten, welche die Bläuung des Jodkaliumkleisters verhindern, wesshalb in solchen Fällen derselbe nicht als Reagens zu gebrauchen ist. Das empfindlichste mir ‚bekannte Reagens auf die Ni- trite ist der mit verdünnter Schwefelsäure versetzte Jod- kaliumkleister, welchen schon äusserst kleine Mengen ir- gend eines jener Salze auf das Tiefste zu bläuen vermö- gen. Von gleicher Empfindlichkeit für die Nitrite ist die durch Wasserstoffschwefel (ohne Ueberschuss) entfärbte Indigotinetur, welche beim Vermischen mit Wasser, wel- ches verschwindend kleine Mengen eines salpetrichtsauren Salzes enthält, noch deutlichst und augenblicklich gebläut wird. Da es bisweilen geschieht, dass einer schwach ni- | 53 trithaltigen Flüssigkeit noch anderweitige Materien beige- mengt sind, welche die Bläuung des angesäuerten Jodka- liumkleisters verhindern, nicht aber diejenige der entfärb- ten Indigotinctur, so ist in einem solchen Falle die Anwe- senheit sehr kleiner Mengen eines salpetrichtsauren Salzes nur durch das letzterwähnte Reagens zu erkennen, wie aus den Angaben einer spätern Mittheilung erhellen wird. Ein Beitrag zur genauern Kenntniss des menschlichen Harnes, Wie noch Nichts vollkommen gekannt ist, so auch nicht der vieluntersuchte Harn, an dem ich unlängst bei Gele- genheit meiner Untersuchungen über die Verbreitung ka- talytisch wirksamer Materien in thierischen Flüssigkeiten eine Reihe von Thatsachen ermittelte, welche mir neu und der Beachtung sowohl der Chemiker als Physiologen nicht ganz unwerth zu sein scheinen. Herr Pettenkofer hat zuerst die Beobachtung gemacht, dass frischer Harn in einem auffallenden Grade das Ver- mögen besitze, die wässrige Jodstärke zu entbläuen, ohne dass meines Wissens der ausgezeichnete Münchner Ge- lehrte die Ursache dieser Wirkung näher angegeben hätte. Meine über den gleichen Gegenstand angestellten Unter- suchungen haben zu folgenden Ergebnissen geführt. Ein Raumtheil frisch gelassenen, noch deutlich sauer reagirenden und stark honiggelb gefärbten Harnes mit vier Raumtheilen stark rothbraunen Jodwassers versetzt, lieferte ein Gemisch, das nach wenigen Minuten den Stärkekleister nicht im Mindesten mehr zu bläuen vermochte und nur noch schwach gelblich gefärbt war; demselben konnten jedoch im Laufe einiger Tage noch weitere 10 Raumtheile der be- 9% sagten Jodlösung zugefügt werden, ohne dass das Gemisch den Kleister gebläut hätte und kaum ist nöthig, ausdrück- lich zu bemerken, dass unter Mitwirkung der Wärme diese Jodbindung und die damit verbundene Entfärbung des Har- nes ungleich rascher als bei gewöhnlicher Temperatur er- folgte. Nicht unerwähnt darf aber die Thatsache bleiben, dass ein z. B. aus vier Raumtheilen Jodwassers und einem Raumtheil Harnes bestehendes Gemisch, welches für sich allein den Kleister nicht mehr "»läut, diess bei Zusatz von verdünnter Schwefelsäure noch augenfälligst thut, auf welche Reaction ich weiter unten wieder zurückkommen werde. Mittelsi Thierkohle völlig entfärbter Harn vermag zwar auch noch Jod zu binden, aber merklich weniger als der nicht entfärbte, und bei einem Versuche fand ich, dass die Menge des durch entfärbten Harn gebundenen Jodes nur zwei Drittel von derjenigen betrug, welche der gleiche aber nicht entfärbte Harn zu binden vermochte, wobei es kaum nöthig ist zu bemerken, dass durch Chlor oder Brom die- ses gebundene Jod wieder frei werde. Selbstverständlich wird die besagte Jodbindung durch oxidirbare im Harn enthaltene Materien bewerkstelliget, und aus der Thatsache, dass der Farbstoff dieser Flüssigkeit durch das Jod zer- stört wird und der entfärbte Harn weniger Jod als der gefärbte bindet, geht hervor, dass das Harnpigment eine der oxidirbaren Materien sei, welche an dieser Jodbinduug Theil nehmen. Da das Jodwasser oder die wässrige Jod- stärke durch die Harnsäure und deren Salze entfärbt wird, und bekannt ist, dass auf diese Substanzen bei Anwesen- heit von Wasser die Salzbildner zersetzend einwirken und die besagte Säure, wie auch einige ihrer alkalischen Salze nie fehiende Bestandtheile des Harnes ausmachen, so ist nicht daran zu zweifeln, dass das Vermögen dieser Flüs- sigkeit, Jod zu binden, also das Jodwasser oder die Jod- stärke zu entfärben, hauptsächlich auf ihrem Gehalt an 99 Harnsäure und deren Salze beruhe. Was die letztern, na- mentlich das saure harnsaure Kali, Natron und Ammoniak betrifft, so wirken sie nach meinen Beobachtungen noch rascher, als die reine Harnsäure, entfärbend auf das Jod- wasser u. Ss. w. ein, wobei noch zu bemerken ist, dass die hierdurch erhaltene und den Kleister nicht mehr bläuende Flüssigkeit beim Zufügen verdünnter Schwefelsäure den- selben augenblicklich und noch merklich stark bläut, welche Reaction nach meinem Dafürhalten von kleinen Mengen eines unter diesen Umständen gebildeten jodsauren Salzes (Kali-, Natronjodates u. s. w.) herrührt. Während nem- lich ein Theil Jodes auf die Harnsäure einwirkt, setzt sich ein anderer Theil dieses Salzbildners mit der alkalischen Basis des harnsauren Salzes in Jodmetall und Jodat um, und fügt man dem gelösten Gemisch verdünnte Schwefel- säure zu, so wird die hierdurch frei gewordene Jodsäure mit der vorhandenen Jodwasserstoffsäure in Jod und Was- ser sich umsetzen. Da nun der Harn ausser freier Harn- säure auch noch alkalische harnsaure Salze enthält, so er- klärt sich hieraus die oben erwähnte Thatsache, dass ein Gemisch frischen Harnes und Jodwassers, welches für sich allein den Kleister nicht mehr biäut, diess bei Zusatz ver- dünnter Schwefelsäure thut. Nach diesen Angaben versteht es sich nun von selbst, dass wie der Harn so auch die harnsäurehaltigen Sedi- mente dieser Flüssigkeit auf das Jodwasser oder die wäss- rige Jodstärke entiärbend einwirken, und kaum wird noch die Angabe nôthig sein, dass der Harnstoff auf die beiden Letztern ohne alle Wirkung ist. — Noch verdient hier die Thatsache der Erwähnung, dass die Anwesenheit kleiner Mengen einer kräftigen Säure die Wirksamkeit des Jodes gegenüber den oxidirbaren Harnbestandtheilen merklich stark abschwächt, wie daraus erhellt, dass mit Schwefel- oder Salzsäure versetzter Harn das in Wasser gelöste Jod un- 56 gleich langsamer bindet, als diess der gleiche aber unan- gesäuerte Harn thut. 100 Gramme frischen Harnes, denen nur fünf Tropfen Vitriolöles zugefügt worden, mit der glei- chen Menge Jodwassers versetzt, liefert ein Gemisch, das bei gewöhnlicher Temperatur 15—20 Minuten stehen muss, bevor es aufhört den Stärkekleister zu bläuen, wogegen die gleiche Menge des nnangesäuerten Harnes 400 Gramme Jodwassers beinahe augenblicklich der Fähigkeit beraubt, den Kleister zu färben. Ohne Zweifel hängt dieses Ver- halten mit der von mir unlängst veröffentlichten Thatsache zusammen, dass schwefel- oder salzsäurehaltiges Jodwas- ser die Indigotinctur höchst langsam zerstöre, die säure- freie Jodlösung dagegen die abgestumpfte Indigotinetur ziemlich rasch. entbläue. Bekanntlich zerstört das Ozon alle organischen Farb- stoffe, wie dasselbe auch nach den Versuchen von Gorup oxidirend auf die Harnsäure einwirkt, wesshalb es nicht auffallen kann, dass der Harn Ozon aufnimmt und dadurch sowohl entfärbt, als noch anderweitig verändert wird. Hat man Harn hinreichend lang mit Ozon behandelt, d. h. so lange, bis er letzteres nicht mehr merklich zerstört, so hat derselbe auch das Vermögen verloren, die wässrige Jod- stärke zu entbläuen, und schüttelt man solchen Harn mit amalgamirten Zinkspähnen einige Zeit zusammen, oder lässt man Metall und Flüssigkeit mehrere Tage mit einander in Berührung stehen, so wird der abfiltrirte Harn den ange- säuerten Jodkaliumkleister bis zur Undurchsichtigkeit tief - bläuen. Solcher Harn, der selbstverständlich vollkommen farblos ist, mit ein wenig Pyrogallussäure versetzt, bräunt sich bei Zusatz verdünnter Schwefelsäure sofort auf das Augenfälligste, und hängt man in einem verschlossenen Ge- fässe über diesem Gemisch einen feuchten Streifen Jodka- liumstärkepapieres oder ein durch Indizolösung mässig stark gefärbtes Papierstück auf, so wird Jener bald tief gebläut 97 und Letzteres nach einiger Zeit vollkommen gebleicht er- scheinen. Diese Reactionen rühren von einem Nitritgehalte des Harnes her und beruhen zunächst auf NO,, welches sich nach meinen Erfahrungen bei Anwesenheit von Brenz- gallussäure und SO, selbst aus äusserst verdünnten Lösun- gen salpetrichtsaurer Salze entbindet, mit dem in der at- mosphärischen Luft des Gefässes vorhandenen O Untersal- petersäure bildend, von welcher bekanntlich schon kleinste Mengen das feuchte Jodkaliumstärkepapier zu bläuen und durch Indigolösung gefärbtes Papier zu bleichen vermögen (man sehe in Fresenius’ Zeitschrift meine Angaben über die empfindlichsten Reagentien auf die Nitrite). Kaum werde ich zu sagen brauchen, dass der in Rede stehende Harn auch die durch Wasserstoffschwefel entfärbte Indigo- tinctur augenblicklich zu bläuen vermöge, so dass also über die Nitrithaltigkeit desselben kein Schatten von Zweifel walten kann. Es fragt sich nun, wie dieses salpetrichtsaure Salz entsanden sei. Nimmt man an, dass in dem frischen Harn kleine Mengen eines Nitrates enthalten seien, so ist es leicht, über die Bildung des fraglichen Nitrites sich Rechen- schaft zu geben. Bekanntlich haben meine Versuche dar- gethan, dass das Zink, mit gelösten Nitraten in Berührung gesetzt, diese Salze zu Nitriten reducire; ist nun meiner Annahme gemäss ein salpetersaures Salz im Harne vor- handen, so muss dasselbe durch das Metall ebenfalls in Nitrit verwandelt werden. Woher aber das Nitrat im fri- schen Harne? Nach meinen Untersuchungen enthält alles Quell-, Fluss-, Seewasser u. s. w., wie auch viele als Speise dienenden Pflanzen: Kohl, Spinat, Salat u. s. w., kleine Mengen salpetersaurer Salze, welcher Umstand die aus- nahmslose Nitrathaltigkeit des Harnes leicht begreiflich macht. Ob aber alles in dieser Flüssigkeit vorkommende Nitrat von Speise und Trank herrühre, dürfte schwer zu 38 entscheiden sein, da möglicher -, wenn auch sehr unwahr- scheinlicher Weise ein Theil dieses Salzes innerhalb des Organismus sich gebildet haben könnte. Bekanntermaassen erleidet der bei gewöhnlicher Tem- peratur sich selbst überlassene Harn mannigfaltige Verän- derungen, deren Inbegriff man die Harngährung zu nennen pflegt und von welchen stofflichen Wandelungen ich allen Grund habe anzunehmen, dass sie bei weitem noch nicht alle gekannt, geschweige verstanden seien. Meine über diesen so interessanten Gegenstand gemackten Beobachtun- gen und angestellten Versuche haben zur Krmittelung fol- sender Thatsachen geführt. Vier bis sechs Tage lang bei 6—10° sich selbst über- lassener Harn, gleichgültig ob offen an der Luft stehend oder von ihr abgeschlossen, zeigt die Eigenschaft, den mit SO, angesäuerten Jodkaliumkleister augenfälligst zu bläuen. Nach acht- bis zwölftägigem weiterm Stehen bringt er diese Reaciion in noch viel stärkerm Grade hervor, um jedoch dieses Vermögen nach und nach wieder gänzlich zu verlieren. Bei etwas höherer Temperatur, z. B. bei 16 bis 20°, finden diese Veränderungen ungleich rascher statt, so dass bisweilen schon nach acht - bis zwölfstündigem Ste- hen der Harn den angesäuerten Jodkaliumkleister zu bläuen vermag, bei welchem Anlass ich nicht unbemerkt lassen will, dass Harn, von dem gleichen Individuum zu verschie- denen Zeiten gelassen, unter sonst völlig gleichen Umstän- den verschieden lang stehen muss, bevor er die besagte Reaction bervorzubringen vermag. Ich habe 7. B. den Fall beobachtet, dass Harn, um 10 Uhr Vormittags gelassen, schen nach i2 Stunden den Jodkaliumkleister deutlichst bläute, während zwei Stunden später von der gleichen Person gelassener Harn drei volle Tage stehen musste, ehe er diese Wirkung zu verursachen vermochte, obgleich beide 29 Harnportionen neben einander in dem gleichen Zimmer standen. Ist der Harn in dasjenige Stadium seiner freiwilligen Zersetzung getreten, in welchem er den angesäuerten Jod- kaliumkleister am Tiefsten bläut, so vermag er auch, wenn mit ein wenig Pyrogallus- und verdünnter Schwefelsäure vermischt, einen (in einem Gefäss) über ihm aufgehangenen feuchten Streifen Jodkaliumpapieres rasch auf das Tiefste za bläuen, wie auch ein mit Indigotinctur mässig stark ge- färbtes Papierstück in nicht gar langer Zeit vollständigst zu bleichen. Dass solcher Harn auch die durch Wasser- stoffschwefel entfärbte Indigolösung sofort zu bläuen ver- mag, bedarf wohl kaum der ausdrücklichen Erwähnung. Selbstverständlich rühren diese Reactionen ebenfalls wie- der von einem Gehalte des Harnes an Nitrit her, von wel- chem Salze obigen Angaben gemäss anzunehmen ist, dass es aus einem schon im frischen Harne vorhandenen Nitrate entstanden sei. Meine frühern Versuche haben dargethan, dass alle in Wasser gelösten salpetersauren Salze, diejenigen mit alka- lischen Basen nicht ausgenommen, nicht nur durch Was- serstoff, Zink, Kadmium u. s. w., sondern auch durch sehr verschiedenartige organische Substanzen: Stärke, Eiweiss, Leim u. s. w., allmählig erst zu Nitriten reducirt und diese Salze (am leichtesten und vollständigsten das salpetricht- saure Ammoniak) bei noch längerer Einwirkung der ge- nannten reducirenden Materien des Gänzlichen zerstört werden. Man könnte desshalb geneigt sein zu vermuthen, dass die schon im frischen Harne enthaltenen reducirenden Substanzen, z. B. die Harnsäure und deren Salze, auf das in dieser Flüssigkeit vorhandene Nitrat in der Weise ein- wirkten, dass sie es erst in Nitrit verwandelten, später aber auch noch der Säure dieses Salzes den Sauerstoff entzôgen. Wie man sieht, würde durch eine solche An- 60 nahme die Thatsache erklärlich, dass der sich selbst über- lassene Harn erst die Fähigkeit erlangt, den angesäuerten Jodkaliumkleister oder die durch Wasserstoffschwefel ent- färbte Indigotinctur zu bläuen, später aber diese Eigen- schaft wieder verliert. Zu Gunsten einer solchen Erklä- rung liesse sich auch noch die Thatsache anführen, dass gelöstes Ammoniaknitrat u. s. w., mit Harnsäure oder deren Salze einige Zeit in Berührung gesetzt, nitrithaltig wird. Es liegen jedoch einige Thatsachen vor, welche der Vermuthung Raum geben, dass der Hergang der Sache nicht ganz so einfach sei und zu der besprochenen Nitritbildung andere als die erwähnten Umstände das Wesentlichste bei- tragen. Bevor ich aber diese thatsächlichen Gründe näher angebe, muss ich noch bemerken, dass der Harn, nachdem er schon so nitrithaltig geworden ist, um den angesäuerten Jodkaliumkleister augenblicklich auf das Tiefste bläuen zu können, doch noch in einem ausgezeichneten Grade das Vermögen besitzt, das Jodwasser oder die Jodstärke zu entfärben, Eigenschaften, welche sich gegenseitig auszu- schliessen scheinen, die aber beweisen, dass in einem sol- chen Harn neben einer oxidirenden Materie (Nitrit) auch noch reducirende oder jodbindende Substanzen enthalten seien. Dieser scheinbare Widerspruch löst sich einfach durch die oben erwähnte Thatsache auf, dass die Gegen- wart einer kräftigen Säure die Einwirkung des Jodes auf die Harnsäure oder deren Salze stark hemmt, wesshalb in dem vorliegenden Falle das Jod schneller ausgeschieden, als durch die Harnsäure und die harnsauren Salze des Urins wieder gebunden wird, welcher Umstand, wie man leicht einsieht, die Bläuung des Stärkekleisters möglich macht. Meinen Beobachtungen gemäss, und ich darf wohl sa- gen, über diesen Gegenstand Hunderte gemacht zu haben, zeigt der Harn, so lange er noch völlig klar ist, niemals die Nitritreactioner; fängt er aber an, sich deutlich zu 61 trüben, so hat er auch das Vermögen erlangt, den ange- säuerten Jodkaliumkleister oder die durch Wasserstofi- schwefel entfärbte Indigotinctur zu bläuen, und ich will hier nicht unbemerkt lassen, dass der Harn schon auf letz- teres Reagens deutlich bläuend einwirkt, wenn er das erstere noch ungefärbt lässt, wovon der Grund darin liegt, dass obigen Angaben gemäss auch selbst bei Anwesenheit von Schwefelsäure die im Harn enthaltene Harnsäure und deren Salze doch immer noch, wenn auch langsam, bindend auf freies Jod einwirken. Tritt nun der Fall ein, dass nur sehr geringe Mengen Nitrites im Harne vorhanden sind, so werden unter der Mitwirkung von SO, u. s. w. auch nur entsprechend kleine Mengen Jodes aus dem Jodkalium des Kleisters entbunden werden, welche im Augenblick ihres Freiwerdens sofort wieder in den gebundenen Zustand tre- ten und desshalb den Kleister nicht bläuen können. Was die durch den Wasserstoffschwefel entfärbte Indigolösung betrifft, so bläut sie sich ganz leicht, ob neben einem Ni- trit auch noch Harnsäure u. s. w. vorhanden ist oder nicht, wesshalb sie in gegebenen Fällen ein noch viel empfind- licheres Reagens ist, als selbst der Jodkaliumkleister. Bald nachdem die Trübung des Harnes und die ihr auf dem Fusse folgende Nitritbildung eingetreten ist, kommen, falls die Flüssigkeit an der offenen Luft steht, auf deren Oberfläche kleine Pünktchen zum Vorschein, welche all- mählig zu kreisrunden, grünlich aussehenden Scheiben an- wachsend, nach einigen Wochen den Urin völlig bedecken. Bringt man solche nitritlose Harnpilze zu frisch gelassenem Harne, so wird derselbe viel früher die Nitritreaction zei- gen, als diess Portionen des gleichen Harnes thun, welche man für sich allein unter sonst gleichen Umständen sich selbst. überlässt. Mittelst der durch Wasserstoffschwefel entfärbten Indigotinctur fand ich, dass frischer Harn, nach- dem er kaum eine Stunde lang mit Harnpilz in Berührung 62 gestanden hatte, bereits deutliche Spuren eines Nitrites enthielt, während derselbe Harn erst nach mehrtägigem Stehen den argesäuerten Jodkaliumkleister zu bläuen ver- mochte. Unter dem Einflusse besagter Pilze wird auch das im Harn entstandene Nitrit ziemlich rasch zerstört, wie aus folgender Angabe erhellt. Wird verhältnissmässig wenig frischer Harn mit viel Pilzmaterie bei 16 — 20° in Berührung gesetzt, so zeigt derselbe schon nach 36 bis 48 Stunden die Nitritreaction nicht mehr, während der sich selbst überlassene Harn ungleich längere Zeit stehen muss, bis er völlig nitritlos geworden ist. Was die schleimige Materie betrifft, durch welche die freiwillige Trübung so- wohl des abgeschlossenen als offen an der Luft stehenden Harnes verursacht wird, so erweist sie sich unter dem Mi- eroscop der Hauptmasse nach als eine organisirte Materie, d. h. als fadiger Pilz, häufig gemengt mit Pilzsporen und einigen Krystallen. Wie den auf der Oberfläche des Har- nes sich bildenden Pilzen, kommt auch der besagten orga- nisirten Materie in einem sehr merklichen Grade das Ver- mögen zu, das Wasserstoffsuperoxid nach Art des Platins zu katalysiren, und eben so finde ich, dass sie, dem fri- schen Harne beigemengt, die Bildung von Nitrit ebenfalls namhaft beschleuniget. Da meinen frühern Versuchen ge- mäss die erwähnte katalytische Wirksamkeit allen den uns bekannten Fermenten zukommt, so kann man sagen, dass die in und auf dem Harne entstehenden Pilze hefenartige Substanzen seien. Man kann nun fragen, wie diese Organismen die Er- zeugung und Zerstörung eines Nitrites im Harne zu bewerk- stelligen vermögen. Es könnte diess auf zweierlei Art ge- schehen: entweder in Folge des Vorganges der Bildung besagter Organismen selbst, oder aber durch eine reduci- rende Wirkung, welche das stoffliche Material der schon gebildeten Pilze auf das im Harn enthaltene Nitrat her- 63 vorbrächte. Da gegenwärtig viel die Red&,ist von chemi- schen Wirkungen, deren nächste Ursache man: in Bildungs- vergängen thierischer oder pflanzlicher Organismen sucht, und namentlich manche Gährungserscheinungen von einer solchen Ursache abgeleitet werden, so kann ich nicht um- hin, bei diesem Anlasse die Bemerkung zu machen, dass mir die Richtigkeit dieser Annahme noch höchst zweifel- haft erscheint, wenn auch nicht in Abrede zu stellen sein dürfte, dass mit manchen Zersetzungsvorgängen der er- wähnten Art immer auch die Bildung gewisser Organismen zusammen gehe. Hieraus aber zu schliessen, dass die eine Erscheinung auch die unmittelbare Ursache der andern sei, möchte doch eine allzu gewagte Folgerung sein; denn gar wohl lässt sich die Möglichkeit denken, dass die einem Organisationsvorgange zugeschriebenen Wirkungen von der chemischen Beschaffenheit des stofflichen Materiales thie- rischer oder pflanzlicher Gebilde hervorgebracht würden und des Gänzlichen unabhängig wären von den physiolo- gischen Vorgängen, welche bei der Bildung solcher Orga- nismen stattfinden. Auf den ersten Anblick möchte man vielleicht zu der Annahme geneigt sein, dass auch die Bildung der besagten Harnpilze als soiche es sei, welche die Erzeugung und Zer- störung des Nitrites im Harne zur unmittelbaren Folge habe und dieselben somit die Wirkung eines organischen Bil- dungsvorganges wären. Es liegen jedoch Thatsachen vor, die der Ansicht günstig sind, gemäss welcher die fragliche Nitritbildung und Zerstörung mit physiologischen Vorgängen unmittelbar nichts zu thun hätten, d. h. als gewöhnliche chemische Wirkungen zu betrachten wären. Lässt man nemlich verhältnissmässig kleine Mengen einer verdünnten Lösung chemisch reinen Ammoniaknitrates mit Harnpilzen nur etwa fünf oder sechs Stunden lang bei gewöhnlicher Temperatur zusammen stehen, so wird die Flüssigkeit bereits 64 in deutlichster Weise die Nitritreactionen zeigen: Bläuung der durch Wasserstoffschwefel entfärbten Indigotinctur oder des angesäuerten Jodkaliurakleisters, und ich will beifügen, dass unter den gleichen Umständen auch die übrigen ge- lösten Nitrate mit alkalischer Basis, z. B. Kalisalpeter, ni- trithaltig werden. Es kann wohl kein Zweifel darüber walten, dass in dem vorliegenden Falle das salpetrichtsaure Salz aus dem vorhandenen Nitrate dadurch entstehe, dass einem Aequivalente desselben zwei Aeq. Sauerstoffes ent- zogen werden, was nur durch die oxidirbare Materie des Harnpilzes u. s. w. bewerkstelliget werden kann. Auch ist offenbar, dass unter den erwähnten Umständen nicht nur nicht von einer Pilzbildung die Rede sein kann, sondern Pilzmaterie nothwendig zerstört werden muss. Wie schon erwähnt, vermögen nach meinen frühern Versuchen sehr verschiedene organische Materien mehr oder minder rasch auf die Nitrate reducirend einzuwirken, wesshalb es nicht auffallen kann, dass auch der Substanz der Harnpilze u. s. w. dieses Vermögen zukommt; warum dieselbe aber gegen- über den Nitraten: kräftiger reducirend einwirkt, als diess viele andere und namentlich die im frischen Harn enthal- tenen organischen Materien thun, wüsste ich eben so wenig zu sagen, als es mir möglich ist anzugeben, wesshalb das Zink sich leichter oxidirt, als das Gold. Da ich annehme, dass im frischen Harn ein Nitrat ent- halten sei, so muss ich auch geneigt sein, dem reduciren- den Vermögen der besagten Pilzmaterie die Umwandelung ‚dieses Salzes in Nitrit und die Zerstörung des letztern vorzugsweise zuzuschreiben, an welchen Wirkungen jedoch auch noch andere im frischen Harn schon vorhandene or- ganische Materien, wie z. B. die harnsauren Salze, einigen Theil haben könnten, eine Möglichkeit, die aus der bereits erwähnten Thatsache erhellt, dass gelöstes Ammoniaknitrat, “re Rn 65 nachdem es einige Zeit mit harnsaurem Ammoniak zusam- mengestanden, als nitrithaltig sich erweist. Ob aber alles im Harne zum Vorschein kommende Ni- trit aus dem ursprünglich in dieser Flüssigkeit enthaltenen Nitrate hervorgehe, ist eine Frage, welche ich weder im bejahenden, noch verneinenden Sinne zu beantworten wage; denn so lange wir die zahlreichen und allem Anschein nach höchst verwickelten Vorgänge, die bei der sogenannten Harngährung stattfinden, noch so unvollkommen kennen, als es dermalen der Fall ist, lässt sich darüber nichts mit Si- cherheit sagen und daher auch die Möglichkeit denken, dass im Harne noch auf eine weitere als die von mir angenom- mene Weise Nitrit gebildet werde, was ich jedoch nicht für sehr wahrscheinlich halte. Ehe ich z:r Besprechung anderer den Harn betreffen- den Gegenstände übergehe, muss noch einiger Thatsachen Erwähnung geschehen, welche auf die spontane Nitritbil- dung dieser Flüssigkeit Bezug haben und nicht ohne theo- retische Bedeutung sein dürften. Meine oft und immer mit dem gleichen Erfolge wiederholten Versuche haben darge- than, dass in frisch gelassenem Harn, den man nur wenige Minuten hatte aufsieden lassen, die spontane Nitritbildung ungleich später eintritt, als im Harne, der nicht erhitzt worden. Wenn z. B. vom gleichen Harn eine Portion ohne vorausgegangene Erhitzung schon nach zwölfstündigem Stehen in einem erwärmten Zimmer die Nitritreactionen auf das Deutlichste zeigte, vermochte unter sonst gleichen Umständen eine andere vorher bis zum Sieden erhitzte Por- tion erst nach fünf oder sechs Tagen den Jodkaliumkleister zu bläuen u. s. w. Erwähnenswerth dürfte hierbei noch der Umstand sein, dass durch eine solche kurze Erhitzung die gelbe Färbung des Harnes etwas tiefer wird, als sie es ursprünglich war, was beweist, dass irgend ein Harnbe- standtheil eine chemische Veränderung in der Siedhitze 5 66 erleide. Einen ähnlichen Einfluss übt das Wasserstoffsu- peroxid auf den Harn aus, dessen freiwillige Trübung und Nitritbildung schon durch verhältnissmässig kleine Mengen beigemischten HO; namhaft verlangsamt wird, wie aus der Thatsache erhellt, dass Harn, dem nur 1°/, Wasserstoffsu- peroxides beigefügt worden, volle zehn Tage in der Zim- merwärme stehen musste, bevor er anfieng, sich zu trüben und die Nitritreactionen zu zeigen, während eine Portion des gleichen Harnes ohne HO, schon nach 15 Stunden trüb und nitrithaltig wurde. Ich will hier noch beifügen, dass auch die Trübung des HO,-haltig gemachten Harnes von einer pilzartigen Materie herrührt, wie die Untersuchung derselben unter dem Microscop gezeigt hat, woraus erhellt, dass wie bei dem gewöhnlichen, so auch dem mit Wasser- stoffsuperoxid vermischten Harne die Pilzbildung mit der- jenigen eines Nitrites in engem Zusammenhange stehe, d.h. die Umstände, welche auf die Entwickelung der Organismen im Harne hemmend einwirken, auch die Erzeugung des er- wähnten Salzes in der gleichen Flüssigkeit verlangsamen. Auf welche Weise das Wasserstoffsuperoxid oder die Er- hitzung des Harnes die Pilzbildung verzögere, weiss ich für jetzt noch nicht zu sagen; doch kann ich jetzt schon bemerken, dass der Harn und das genannte Superoxid in einer merkwürdigen Beziehung zu einander stehen, wie eine nachstehende Mittheilung diess umständlich zeigen wird. Noch habe ich einige den Harn betreffende Thatsachen zu besprechen, welche mir der Beachtung des Chemikers “nicht ganz unwerth zu sein scheinen und sich auf das Ver- halten dieser Flüssigkeit gegen amalgamirte Zinkspähne und den atmosphärischen Sauerstoff beziehen. Bekanntlich entsteht beim Schütteln der besagten Me- tallspähne mit reinem Wasser und atmosphärischer Luft rasch und in noch nachweisbaren Mengen Wasserstoffsu- peroxid unter gleichzeitiger Bildung von Zinkoxid. Da ich 67 nun annehme, dass unter diesen Umständen O in Qund © gleichsam sich spalte, ersteres mit dem Wasser zu HO + ©) sich verbinde, und ©) das Zink oxidire, so musste ich es für möglich halten, dass dieses ©) zwischen dem Metall und den etwa gleichzeitig vorhandenen oxidirbaren Mate- rien sich theilen, d. h. die letztern zugleich mit dem Zink oxidirt werden, in ähnlicher Weise, wie diess geschieht, wenn man durch fndigotinctur gefärbtes Wasser mit fein zertheiliem oder geschmolzenem Phosphor und atmosphä- rischer Luft zusammen schüttelt, unter welchen Umständen durch das hierbei auftretende Ozon nicht nur der Phos- phor, sondern auch das gelöste Indigoblau zu Isatin oxi- dirt, also entbläut wird, unter gleichzeitiger Bildung von Wasserstoffsuperoxid. Ich hielt es daher für möglich, dass beim Schütteln der genannten Metallspähne mit atmosphä- rischem Sauerstoff und Harn Oxidationswirkungen auf den einen oder andern organischen Bestandtheil dieser Flüssig- keit hervorgebracht und dadurch in ihr chemische Verän- derungen veranlasst werden. Frischer honiggelber Harn mit etwa dem doppelten Gewicht amalgamirter Zirkspähne und atmosphärischer Luft zusammen geschüttelt, entfärbte sich nach und nach, und hatte man diese Operation längere Zeit fortgesetzt, so ver- mochte der vom gebildeten Zinkoxid abfiltrirte Harn nicht mehr so viel Jodwasser zu entfärben, als diess der gleiche Harn in seinem natürlichen Zustande thut. Bei einem Ver- suche betrug die Menge des Jodes, welche durch den mit Zinkspähnen geschüttelten Harn gebunden wurde, nur noch zwei Drittel von derjenigen Quantität, die der gleiche aber unveränderte Harn zum Verschwinden brachte, woraus er- hellt, dass unter den erwähnten Umständen ein Theil der in der thierischen Flüssigkeit enthaltenen jodbindenden Sub- stanzen durch Oxidation zerstört wurde. Ob durch eine derartige und hinreichend lang fortgesetzte Behandlung des 5* 68 Harnes ausser dem Harnpigment auch noch die übrigen in dieser Flüssigkeit vorhandenen oxidirbaren Substanzen zer- stört werden können, habe ich noch nicht ermittelt, eben so wenig als die chemische Natur der aus ihrer Oxidation hervorgehenden Erzeugnisse; eine Maierie tritt jedoch un- ter den erwähnten Umständen auf, über welche ich eisige nähern Angaben machen kann. Beim Schüttein frischen, so gut als geruchlosen und etwas sauer reagirenden Harnes mit amalgamirten Zinkspähnen und atmosphärischer Luft kommt sofort ein eigenthümlicher für mich unangenehmer Geruch zum Vorschein, an denjenigen crinnernd, welchen man nicht selten in schwachem Grade am frischen norma- len Harne wahrnimmt. Merklich stärker tritt der besagte Geruch auf, wenn der Harn vor dem Schütteln mit dem Metalle durch SO, etwas angesäuert wird. Diese riechende Materie besitzt folgende Eigenschaften: 1° Sie wird durch Ozon, die Lösungen der Permanganate und Hypochlorite, wie auch durch die in Wasser zer- theilten Superoxide des Mangans, Bleies u. s. w. au- genblicklich zerstört. Ebenso durch Chlor, Brom und Jod, welche selbstverständlich gebunden werden, wie diess z. B. daraus erhellt, dass der durch Jod ge- färbte Stärkekleister, wenn der Einwirkung der rie- chenden Materie ausgesetzt, mehr oder minder rasch entbläut wird, je nachdem eine sulche Atmosphäre reicher oder ärmer an dem besagten Riechstof ist. Eine Anzahl farbloser Metallsalze wird durch die rie- chende Materie gefärbt, so oder anders, je nach der Basis des Salzes und der Dauer der Einwirkung des Riechstoffes. Zu den empfindlichsten Reagentien die- ser Art gehört das salpetersaure Silberoxid, welches im festen und gelösten Zustande erst gebräunt und dann geschwärzt wird. Ein mit verdünnter Silberlö- sung auf Papier geschriebener Buchstabe zeigt diese o 2 69 Farbenveränderung ziemlich rasch, und eben so die mit Bleisalzlösungen hervorgebrachte Schrift. Die Kadmium- und Antimonoxidsalze werden durch die riechende Materie: die erstern rein gelb, die letztern braunroth gefärbt, welche Reactionen am bequemsten erhalten werden auf Papierstreifen, beschrieben mit den Lösungen der genannten Salze. Damit dieselben jedoch recht augenfällig auftreten, ist nöthig, dass die riechende Materie möglichst reichlich in einem Gefäss entwickelt worden sei, was, wie weiter unten ange- seben ist, leicht bewerkstelliget werden kann. 3° Alle gelösten Alkalien bringen die riechende Materie augenblicklich zum Verschwinden, was jedoch nicht auf deren Zerstörung, sondern Bindung beruhet, wie daraus hervorgeht, dass beim Uebersäuren dieser Al- kalien sie wieder zum Vorschein kommt. Damit hängt auch die Thatsache zusammen, dass der durch KO, NaO u. s. w. alkalisch gemachte Harn mit amalgamir- ten Zinkspähnen und Luft geschüttelt, den fraglichen Geruch nicht einmal spurweise entwickelt; wird aber so behandelter Harn angesäuert, so tritt die riechende Materie sofort auf, wie diess der ihr eigenthümliche Geruch und die erwähnten empfindlichen Reagenspa- piere zeigen. Aus den voranstehenden Angaben ersieht man, dass die in Rede stehende Materie eine flüchtige, leicht oxidir- bare, mit Alkalien verbindbare, somit säureartige Substanz sei und sich gegen die erwähnten Metallsalze wie Schwe- felwasserstoff verhalte, wesshalb es wohl auch keinem Zweifel unterworfen sein kann, dass die riechende Materie eine schwefelhaltige Verbindung sei. Durch rasches Eindampfen verliert der Harn seine Fä- higkeit nicht, unter den erwähnten Umständen die riechende Materie zu erzeugen; er entbindet sie im Gegentheil um so 70 reichlicher, je stärker derselbe auf diese Weise conzentrirt worden. Harn auf den zehnten Theil seines ursprünglichen Raumes eingedampft und mit SO, angesäuert, entwickelt beim Schütteln mit amalgirten Zinkspähnen u. s. w. so viel der riechenden Materie, dass selbst mit Brechweinstein - oder einer Kadmiumsalzlösung getränkte Papierstreifen ziem- lich rasch dadurch gefärbt werden. Welcher Harnbestandtheil zur Bildung der besproche- nen Materie beitrage, weiss ich nicht zu sagen ; jedenfalls haben die im Harn enthaltenen Sulfate nichts damit zu thun, wie sich daraus abnehmen lässt, dass derselbe, auch wenn völlig von den besagten Salzen mittelst Chlorbariums befreit, wie gewöhnlicher Harn sich verhält. Weitere Un- tersuchungen werden sowohl über die Zusammensetzung als den Ursprung der fraglichen Schwefelverbindung Auf- schluss geben ; anderweitiger Arbeiten halber, die alie meine freie Zeit in Anspruch nehmen, ist es mir aber nicht mög- lich, den Gegenstand weiter zu verfolgen, wesshalb ich wünschen möchte, dass ihn ein anderer Chemiker aufnähme, der damit freilich keine sehr leichte Untersuchung über- nehmen würde. Schliesslich sei noch bemerkt, dass von einigen Be- standtheilen des Harnes, deren in dieser Abhandlung noch keine Erwähnung geschehen, in den zwei folgenden Ab- schnitten die Rede sein wird. Ueber die Bildung einer fluorescirenden Materie beim Faulen des menschlichen Harnes. . Lässt man Harn offen an der Luft so lange stehen, bis er wieder nitritlos geworden (siehe oben) ist und sich “1 eine dicke Pilzschichte auf seiner Oberfläche gebildet hat, wozu je nach der obwaltenden Temperatur kürzere oder längere Zeit, jedenfalls Wochen erforderlich sind, so wird die abfiltrirte, alkalisch reagirende Flüssigkeit eine merk- lich starke Fluorescenz von smaragdgrünem Lichte zeigen, ohne dass zur Wahrnehmung desselben die Anwendung irgend eines künstlichen Mittels, einer Linse u. s. w., er- forderlich wäre. Da meine Aufmerksamkeit noch nicht lange auf diese Thatsache gerichtet ist, so vermag ich auch Jetzt noch nicht zu sagen, ob jeder Harn durch Fäulniss fluorescirend wird, und eben so wenig kann ich Etwas über die chemische Natur der Materie angeben, welcher diese optische Eigenschaft zukommt. Was den erstern Punkt betrifft, so habe ich schon mehrere Male einen solchen Harn erhalten, wobei ich nicht unbemerkt lassen will, dass die Stärke der Fluorescenz des einen Harnes diejenige des andern um ein Merkliches übertraf, obwohl in beiden Fäl- len die Färbung des Lichtes die gleiche war. Geringe Mengen der stärkern unorganischen und orga- nischen Säuren, Schwefelsäure u. s. w., Weinsäure u. s. w., einem solchen Harne beigemischt, heben dessen Fluorescenz sofort auf, welche jedoch durch Alkalien wieder hervor- gerufen wird; woraus erhellt, dass die fluorescirende Harn- materie gerade so wie das Aesculin sich verhält und somit gleich diesem einen Gegensatz zu dem Chininsulfate bildet, dessen Fluorescenz bekannilich durch die gleichen Säuren noch gesteigert wird, von welchen jedoch die Wasserstoff- säuren des Chlores, Bromes und Jodes eine Ausnahme ma- chen, welche das Vermögen des gelösten Chininsalzes zu fluoreseiren beinahe bis zur Vernichtung abschwächen. Es wäre wohl der Mühe eines Chemikers werth, die beim Faulen des Harnes sich bildende fluorescirende Materie wo möglich rein darzustellen und deren Zusammensetzung zu 12 ermitteln, wobei es sich herausstellen dürfte, dass sie eine dem Aesculin ähnliche Basis sei*). Ueber das Vorkommen des Wasserstoffsuperoxides im menschlichen Körper. Von der Annahme ausgehend, dass die durch den at- mosphärischen Sauerstoff im lebenden Thierkôrper verur- sachten Oxidationswirkungen eben so zu Stande kommen, wie diejenigen, welche unter Beihülfe des Wassers der gleiche Sauerstoff ausserhalb des Organismus bei gewöhn- licher Temperatur hervorbringt, habe ich, wie diess in meiner Abhandlung „Ueber das Verhalten des Blutes zum Sauerstoff“ unlängst erwähnt worden, schon lange mich bemüht, Ozon und Wasserstoffsuperoxid im menschlichen Körper aufzufinden, ohne dass mir diess bis jetzt gelungen wäre. Es sind aber auch in der erwähnten Arbeit die Gründe angegeben, wesshalb im Blute weder © noch HO, als solche bestehen können, selbst wenn sie darin wirk- lich auftreten sollten. Da es eine Anzahl sonst leicht oxidirbarer Substanzen gibt, neben welchen das Wasserstofisuperoxid längere Zeit unzersetzt zu bestehen vermag, wie uns hievon die Brenz- gallussäure ein auffallendes Beispiel liefert, so hoffte ich in solchen thierischen Flüssigkeiten, deren sämmtliche or- ganischen Bestandtheile gegen HO, so gut als völlig gleich- - gültig sich verhalten, das besagte Superoxid aufzufinden. *) Mir vorbehaltend, später wieder auf diesen Gegenstand zurück- zukommen, will ich vorläufig bemerken, dass schon der frische Harn schwach fluoreseirt und eine verdünnte Eiweisslösung durch längeres Stehen an der Luft diese optische Eigenschaft in ziemlich hohem Grade erlangt. 73 Würde nemlich diese Sauerstoffverbindung auch nur in sehr geringen Mengen irgendwo im Thierkörper angetroffen wer- den, so lieferte nach meinem Dafürhalten eine solche That- sache den Beweis, dass meiner Annahme gemäss die durch den atmosphärischen Sauerstoff im lebenden Organismus hervorgebrachten Oxidationswirkungen genau so wie die- jenigen ausserhalb des Körpers stattfinden, d. h. dass Jenen wie Diesen diejenige Zustandsveränderung, die chemische Polarisation, des neutralen Sauerstoffes vorausgienge. Es würde mit andern Worten aus einem solchen Vorkommen des Wasserstoffsuperoxides geschlossen werden dürfen, dass die im Organismus stattfindenden Oxidationsvorgänge an die gleichen Bedingungen geknüpft seien, unter welchen die Oxidation so vieler unorganischer und organischer Materien und namentlich die als typisch zu betrachtende langsame Verbrennung des Phosphors in wasserhaltiger Luft zu Stande kommt, bei welcher letztern bekanntlich neben dem Ozon immer auch das ihm complementäre (D im Wasserstoffsu- peroxid auftritt. Wenn nun nach meinen frühern Versu- chen das Blut Materien enthält, neben welchen weder das Ozon, noch auch HO, bestehen kann, so ist diess anders mit dem menschlichen Harne, dessen hauptsächlichsten or- sanischen Bestandtheile: der Harnstoff und die Harnsäure oder deren Salze, gegen HO, gleichgültig sich verhalten, wie ich mich hievon durch Versuche zur Genüge überzeugt habe. Gelangten daher von irgend woher in den Harn auch nur kleine Mengen von Wasserstoffsuperoxid, so würde diese Verbindung nicht wie im Blute (durch die Blutkör- perchen) sofort zerstört, sondern neben den organischen Harnbestandtheilen fortbestehen und somit auch durch die geeigneten Mittel nachgewiesen werden können. Eines der allerempfindlichsten Reagentien auf HO, ist sicherlich der Jodkaliumkleister in Verbindung mit einem gelösten Eisenoxidulsalze, wodurch sich noch ein Milliontel 7% Superoxides in reinem Wasser mit Sicherheit erkennen lässt; wie man aber leicht einsieht, kann es trotz dieser so grossen Empfindlichkeit doch nicht dazu dienen, die An- wesenheit von HO, auch im Harne nachzuweisen, falls in dieser Flüssigkeit nur sehr kleine Mengen Superoxides vor- kommen sollten. Es würde die kleine durch HO, ausge- schiedene Menge Jedes durch die gleichzeitig im Harne vorhandene Harnsäure, deren Salze und den Farbstoff so- fort wieder gebunden, und daher der Kleister nicht gebläut werden können. Man kann sogar dem frischen Harn noch merkliche Mengen Wasserstoffsuperoxides beifügen, ohne dass ein solches mit Jodkaliumkleister vermengtes Gemisch beim Zufügen verdünnter Eisenvitriollösung im Mindesten sich bläute, wobei es jedoch von selbst sich versteht, dass die Bläuung eintritt, falls dem Harn eine hinreichende Menge HO, beigemischt worden. Vor einiger Zeit habe ich ausser dem Jodkaliumklei- ster noch einige andere höchst empfindliche Reagentien auf HO, kennen gelehrt, welche theils auf reducirenden, theils auf oxidirenden Wirkungen dieses Superoxides beruhen, wobei intensive Farben entweder auftreten oder verschwin- den. Ein Reagens letzterer Art ist die Indigolösung, auf welche stark verdünntes Wasserstoffsuperoxid höchst lang- sam entbläuend einwirkt, diess aber unter Mitwirkung kleinster Mengen einer Eisenoxidulsalzlösung ziemlich rasch thut. Enthält Wasser nur ein Hunderttausendtel HO, und wird diese Flüssigkeit durch Indigotinctur deutlichst ge- ‘ bläut, so erscheint noch nach Stunden die Färbung des Gemisches unverändert; fügt man ihm aber nur wenige Tropfen verdünnter Eisenvitriollösung zu, so entbläut es sich in kurzer Zeit vollständigst und auf diese Weise lässt sich im Wasser noch ein Halbmilliontel Wasserstoffsuperoxides entdecken. Wie schon in einer voranstehenden Mittheilung ange- 73 geben worden, ist die durch Wasserstoffschwefel entbläute Indigotinctur in Verbindung mit einer Bisenoxidulsalzlösung ein anderes höchst empfindliches Reagens auf HO, und es sind eben die beiden letztbezeichneten Mittel, welche bei meinen Untersuchungen des Harnes auf einen etwaigen Ge- halt an Wasserstoffsuperoxid angewendet wurden, nachdem ich mich vorher durch zahlreiche Versuche vergewissert hatte, dass mit den besagten Reagentien selbst äusserst geringe, dem Harne absichtlich beigemischte Mengen von HO, noch deutlichst sich nachweisen liessen und somit er- wiesen war, dass die im Harne vorhandenen oxidirbaren organischen Bestandtheile keinen hemmenden Einfluss auf diese so charakteristischen Reactionen des Wasserstofisu- peroxides ausüben. Tröpfelt man zu etwa 200 Grammen frisch gelassenen Harnes so viel Indigolösung, dass das Gemisch eine deut- lich grüne Färbung zeigt, und theilt man nun dasselbe in zwei gleiche Hälften, zu einer derselben 15 — 20 Tropfen verdünnter Eisenvitriollösung fügend, so wird diese Harn- portion bald heller grün oder bräunlich gelb erscheinen, welche Farbenveränderung selbstverständlich von einer theilweisen oder gänzlichen Zerstörung der beigefügten In- digotinctur herrührt, während dagegen die eisensalzfreie Hälfte noch ihre anfängliche grüne Färbung zeigt. Lässt man in 20 — 30 Gramme frischen Harnes 8— 12 Tropfen durch Wasserstoffschwefel genau entfärbte Indigo- tinctur fallen, so wird das Gemisch anfänglich sich nicht bläuen, diess aber beim Zufügen einiger Tropfen Eisenvi- triollösung sofort thun. Aus voranstehenden Angaben ersieht man, dass diese beiden Reactionen des Harnes: die Zerstörung der Indigo- tinctur und die Bläuung der gleichen durch Wasserstof- schwefel entfärbten Farbstofflüsung, unter Mitwirkung eines Eisenoxidulsalzes bewerkstelliget, Oxidationswirkungen sind, 76 welche das Wasserstoffsuperoxid kennzeichnen und meines Wissens keiner andern Materie zukommen, wesshalb ich auch geneigt sein muss anzunehmen, dass im Harne, wenn auch nur äusserst kleine, doch noch nachweisbare Mengen dieses Superoxides enthalten seien. Um jedoch über die Richtigkeit dieser Annahme keinen Zweifel übrig zu lassen, habe ich mich bemüht, noch weitere thatsächlichen Gründe dafür aufzufinden, und wie ich glaube, sind nachstehende Angaben als solche zu betrachten. Bekanntlich wird HO, durch SO, sofort zu Wasser redueirt und wenn nun die vorhin erwähnten Reactionen des Harnes von kleinen in ihm enthaltenen Mengen Was- serstoffsuperoxides herrühren, so wird derselbe, mit ent- sprechend kleinen Quantitäten SO, vermischt, diese Wir- kungen nicht mehr hervorbringen können, was in der That auch der Fall ist. Zu einem gleichen Behufe habe ich mir eine Flüssig- keit künstlich bereitet, welche die besagten Harnreactionen auf das Genaueste nachahmt und in der nur äusserst ge- ringe Mengen Wasserstofisuperoxides enthalten sind. Hat man reinstes Wasser auch nur wenige Sekunden lang mit amalgamirten Zinkspähnen und atmosphärischer Luft zu- sammen geschüttelt, so enthält dasselbe schon so viel HO,, um entweder den Jodkaliumkleister oder die durch Was- serstoffschwefel entfärbte Indigotinctur beim Zufügen eini- ger Tropfen Eisenvitriollösung augenblicklich auf das Deut- lichste bläuen zu können. Ebenso wird ein in der erwähn- ten Weise erhaltenes HO,-haltiges nnd durch Indigolösung noch deutlich gebläutes Wasser unter Mitwirkung der Ei- senvitriollösung in kurzer Zeit entfärbt. Vermengt man so oder auf irgend eine andere Weise bereitetes höchst verdünntes Wasserstoffsuperoxid mit einer hinreichend grossen Menge gelösten sauren harnsauren Kalïs oder Natrons; so ist das Gemisch nicht mehr fähig, unter 77 Mitwirkung eines Eisenoxidulsalzes den Jodkaliumkleister zu bläuen (der Anwesenheit des harnsauren Salzes halber), wohl aber zeigt dasselbe das Vermögen, wässrige Jodstärke zu entbläuen oder Jodwasser zu entfärben. Das gleiche Gemisch vermag jedoch unter Beihülfe der Eisenvitriollö- sung sowohl das gelöste Indigoblau zu entfärben, als auch die durch den Wasserstoffschwefel entfärbte Indigotinctur zu bläuen, und kaum wird es der Bemerkung bedürfen, dass die schweflichte Säure dem Gemisch die Fähigkeit entzieht, die besagten Reactionen zu verursachen. Diese vollkom- mene Uebereinstimmung der Wirkungsweise des Harnes mit derjenigen des künstlichen Gemisches beruht nach meinem Dafürhalten auf der gleichen Ursache, und da es keinem Zweifel unterworfen sein kann, dass es das Wasserstofl- superoxid des besagten Gemisches sei, durch welches die beiden Arten von Indigotinctur, die eine entbläut, die an- dere gebläut wird, so lässt sich kaum daran zweifeln, dass auch der frische Harn die gleichen Reactionen vermöge seines HO,-Gehaltes hervorbringe. Der Umstand, dass dieser Gehalt nur ein sehr kleiner ist, benimmt, wie mir scheint, der Thatsache Nichts von ihrer theoretischen Bedeutung; denn offenbar handelt es sich hier viel mehr um das „Was“ als um das „Wieviel“, weil das Vorkommen des Wasserstofisuperoxides im Thier- kôrper allein schon den thatsächlichen Beweis liefern würde, dass den im Organismus stattfindenden und scheinbar durch den neutralen atmosphärischen Sauerstoff bewerkstelligten Oxidationen Zustandsveränderungen dieses Körpers voraus- gehen, vollkommen gleich denen, welche wir in so vielen andern Fällen langsamer Oxidation unorganischer und or- ganischer Materien an dem gleichen Stoffe Platz greifen sehen. Es darf daher, wie ich glaube, das erwähnte Vor- kommen des Wasserstoffsuperoxides als eine Thatsache be- trachtet werden, welche für die Theorie der thierischen 78 Respiration nicht ohne Bedeutung ist und die ich desshalb auch der besondern Aufmerksamkeit der Physiologen em- pfehlen möchte. In der voranstehenden Mittheilung über den Harn ist der Thatsache erwähnt, dass HO,, frisch gelassenem Harne beigemischt, die Trübung und die immer damit beginnende Nitritbildung dieser Flüssigkeit verlangsame, und ich will nachträglich noch beifügen, dass nach meinen Versuchen diese Veränderungen des Harnes um so später eintreten, je mehr ihn Wasserstoffsuperoxid zugesetzt worden. Eben so wurde in der besagten Mittheilung bemerkt, dass Harn, von der gleichen Person zu verschiedenen Zeiten gelassen, unter sonst gleichen Umständen, verschieden lange Zeiten erfordere, damit er sich trübe und nitrithaltig werde. Da nun meinen Beobachtungen zufolge der zu verschiedenen Zeiten gelassene Harn die oben erwähnten das Wasser- stoffsuperoxid kennzeichnenden Reactionen nicht immer gleich stark hervorbringt, so darf man hieraus wohl schlies- sen, dass auch der Gehalt dieser Flüssigkeit an HO, bald grösser, bald kleiner sei. Auf welche Weise nun aber auch besagtes Superoxid die Trübung und Nitritbildung des Har- nes verzögern mag, so erklärt sich, wie mir scheint, aus einem solchen Einflusse ziemlich einfach die Thatsache, dass der zu verschiedenen Zeiten abgesonderte Harn, unter sonst gleichen Umständen, verschieden lange Zeiten zu seiner Trübung und spontanen Nitritbildung braucht, der an HO, reichere eine längere, der daran ärmere eine kürzere Zeit. ‘Meine Untersuchungen haben ferner dargethan, dass das dem Harn absichtlich beigefügte HO, allmählig sich ver- mindert und völlig verschwunden ist, sobald die Flüssig- keit anfängt sich zu trüben und nitrithaltig zu werden, welches Verhalten auch der natürliche Harn zeigt. Aus den voranstehenden Angaben erhellt nun, dass die hauptsächlichsten bis jetzt ermittelten Veränderungen, 79 welche der Harn während seiner sogenannten Gährung er- leidet, die folgenden sind: 1° Verschwinden seines Gehaltes an Wasserstoffsuper- oxid, was ohne Zweifel die Oxidation irgend eines Harnbestandtheiles zur Folge hat. 2° Das Auftreten organisirter pilzartiger Materien, welche sofort reducirend auf das im Harn enthaltene Nitrat einwirken, dasselbe erst in Nitrit verwandelnd und - dann auch dieses Salz durch Desoxidation völlig zer- störend, wodurch selbstverständlich auch die reduci- rende Pilzmaterie eine chemische Veränderung erlei- den muss. © 3° Umsetzung des Harnstoffes in kohlensaures Ammoniak unter Mitwirkung des Wassers und Bildung einer fluo- rescirenden Materie. Ich zweifle jedoch keinen Augenblick daran, dass wäh- rend der Harngährung auch noch andere chemischen Vor- gänge stattfinden, von welchen wir bis jetzt nichts wissen. Zum Schlusse dieser Mittheilung noch eine kurze Bemer- kung, die ich nicht unterdrücken möchte. Man wird es vielleicht für eine Uebertreibung halten, wenn ich vom Harne behaupte, dass in ihm eine ganze chemische Welt eingeschlossen sei. Unorganische und organische Materien sind darin in der mannigfaltigsten Wechselwirkung begrif- fen; es finden darin Bildungen wie Zerstörungen organi- scher Wesen statt und spielen überhaupt in dieser wun- derbaren Flüssigkeit chemische, physikalische und physio- logische Thätigkeiten auf das Mannigfaltigste durcheinander, so dass nach meinem Dafürhalten es kaum eine andere thierische Flüssigkeit geben dürfte, welche einen so rei- chen Stoff zur Forschung darböte, wie diess der mensch- liche Harn thut. 80 Schon seit geraumer Zeit mit diesem Gegenstand bei- nahe täglich beschäftiget, dürfte ich wohl berechtiget sein, dessen Bedeutung auf’s Neue hervorzuheben und der An- sicht Ausdruck zu geben, dass wir von einer erschöpfen- den Kenntniss des Harnes und seiner freiwilligen Verän- derungen noch weit entfernt seien. PHYSIR. Mittheilune über einen Blitzschlag vom 10. Mai 1863, Von Prof. En. HAGENBACH. Am 10. Mai 1863 schlug der Blitz in den grösseren Thurm des Münsters zu Basel, wobei sich einige Wirkun- gen zeigten, die Erwähnung verdienen. Die eingetretenen Zerstörungen liessen schliessen, dass der Blitz etwa fünf Fuss oberhalb der kleinen Uhrglocke in die Pyramide des Thurmes schlug und von da der an- gebrachten Leitung folgte, welche etwas oberhalb der Glocke begann und in Form eines dicken Drahtes bis zu einer senkrecht nach unten führenden eisernen Blechröhre (Känel) gieng, welche das Regenwasser einer Galerie nach unten führen und zugleich den Dienst der Blitzleitung thun sollte; am untern Ende war dieser Känel mit dem Boden leitend verbunden durch einen dicken Draht, dessen Ende sich in einer nur kleinen Entfernung von einer eisernen Wasserleitung befand. Abgesehen von den Wirkungen, die man häufig bei Blitzschlägen beobachten kann, wie Zertrümmerung der Steine, Zerreissen der Drahtleitung, starker Ozongeruch u. S. W., sind noch zwei besonders hervorzuheben. 6 82 Die Blechröhre wurde auf ganz merkwürdige Weise zerrissen. Sie bestand nämlich, wie diess gewöhnlich der Fall ist, aus einer Anzahl Röhrenstücke, von denen je ein höheres in das nächstfolgende tiefere hineingesteckt und damit verlöthet war. In Folge des Blitzschlages wurden nun an allen diesen zusammengelötheten Stellen die Stücke auseinander gerissen und zugleich das obere hineingehende Stück nach der Mitte zu ähnlich zusammengedrückt, wie wenn man etwa mit den Fingern gewaltsam die Ränder einer Papierrolle zusammenpresst, während die äussere Röhre vielfach aufgeschlitzt und nach aussen gebogen war. Es war gerade so, als wie wenn von der Löthstelle aus eine ganz bedeutende abstossende Kraft nach innen und aussen gewirkt hätte. Es ist möglich, dass sie zum Theil dem verflüchtigten Lothe zugeschrieben werden kann. Eine zweite merkwürdige Erscheinung, die schon frü- her einmal im Jahre 1849 in Basel auf ähnliche Weise sich gezeigt hatte, war die Zertrümmerung der Wasserleitung, in deren Nähe die Leitung endete. Es wurden nämlich theils in der Hauptleitung, theils in Nebenleitungen eine grosse Anzahl Röhrenstücke zerstört, indem bei einigen die weitern übergreifenden Enden abgesprengt, bei andern grössere Stücke herausgeschlagen wurden. Da die Leitung aus einzelnen Theilen bestand, die durch Pech aneinander gefügt sind, so darf sie in ihrer Gesammtheit nicht als Leiter betrachtet werden, und die zerstörenden Wirkungen mussten sich auf zwei Arten äussern : erstens beim Ueber- - springen des Funkens da, wo die Leitung unterbrochen ist, woher das Absprengen der übergreifenden Enden herrüh- ren mag, und was sich auch bei einer zwischen Messing und Eisen eingeschalteten Bleiplatte zeigte, die wie ein Kartenblatt durchbohrt wurde; und zweitens als ein Stoss von innen nach aussen, wie wenn eine Leidnerflasche durch eine mit Oel gefüllte Glasröhre entladen wird, was das 83 Heraussprengen der Stücke aus den eisernen Röhren, das Aufschlitzen nach aussen einer Bleiröhre und das Heraus- stossen der Einsätze aus Messingblech, welche das Flies- sen des Wassers in die Seitenleitungen regulieren, zur Folge hatte. — 6* METEOROLOGIE. Meteorologische Uebersicht des Jahres 1862, Von Hrn. Rathsherr Peter Merıan. © (Den 11. Mai 1864.) Die Mitteltemperaturen der Monate, aus dem Mittel der höchsten und niedrigsten Thermometerständen der einzel- nen Tage berechnet, sind folgende: Januar DER: Februar Zu "März 6,7 April 93,6 Mai 12,0% Juni 13 , 4 Juli 15 , 2 August 14,3 September 12/26 October 9,6 November 3.9 December 1,4 Jahresmittel + 8°,5 KR. Die Vergleichung mit der Bd. II, S. 338 der Vichande lungen mitgetheilten 30jährigen Uebersicht ergibt also für 1862 eine hohe Jahrestemperatur, das Mittel der 30 Jahre um 0°,9 übersteigend. 85 Die fünf ersten Monate sind verhältnissmässig warm. Besonders zeichnet sich der März aus, welcher um 3°,0 das allgemeine Mittel übersteigt, und nur vom März 1836, wel- cher eine Mittelwärme von 7°,3 gezeigt hat, übertroffen wird. Auch der April steht in seiner Mittelwärme nur gegen den April 1530 mit 9°,9 Mitteltemperatur zurück. Juni bleibt um 0°,6 hinter dem allgemeinen Mittel. Juli und August stehen demselben ziemlich nahe. September und besonders October stehen höher; ebenso November und December. Der höchste Thermometerstand den 27. Juli und 2. Au- gust mit + 25°,6 und der tiefste den 20. Jan. mit — 11,0, bieten nichts Ausserordentliches dar. Die Anzahl der Regentage betrug 129, der Schneetage 21, mit Abrechnung von 5 Tagen, an welchen Regen und Schnee zusammen gefallen sind, also 145 Tage atmosphä- rischer Niederschläge, mehr als die allgemeine mittlere Zahl. Fast ganz bedeckte Tage waren 140. Gefrorner Regen wurde beobachtet an 1 Tage; Riesel an 1; Hagel an 3 und Gewitter an 17 Tagen. Ein Nordlicht wurde am 1%. December Abends wahrgenommen. Der mittlere Stand des Rheins am Pegel der Rhein- brücke war 5’,10 Schweizermass. Der höchste Stand den 1. Februar 12/5; der niedrigste den 7. Januar 2,0. Der mittlere Barometerstand um 1 Uhr Nachmittags, auf 0° und den frühern Standpunkt reduzirt, betrug 37.3", 48 Pariser Mass. Der mittlere Barometerstand um 9 Morgens war 0‘,38 höher, als derjenige um 3 Uhr Nachmittags. Der höchste Barometerstand trat ein den 16. und den 25. De- cember, beide Mal um 9 Uhr Nachmittags mit 27'.10°,03; der niedrigste den 3. März um 9'/, Uhr Nachmittags mit 26°.6‘,99; beides sehr mässige Extreme. 86 Meteorologische Uebersicht des Jahres 1363. (Von Demselben.) Mitteltemperaturen der einzelnen Monate: Januar Hr ER. Februar 2,1 März 4,7 April | Mai 11.8 Juni 13,4 Juli 14,8 August 16,3 September 41,2% October 96 November 4,6 December Be Jahresmittel + 8°%,6 RR. Also wiederum ein warmes Jahr. Der Januar erzeigt sich verhältnissmässig sehr warm. Februar, März, April und Mai stehen über der gewöhnlichen Mittelwärme dieser Monate; Juni und Juli etwas darunter. August ist hinge- gen wieder warm. Der September steht etwas unter dem Mittel; October, November und December hingegen ziem- lich beträchtlich darüber. Höchster Thermometerstand den 15. August 27°,0; nie- drigster den 16. Februar bloss — 4°,2, also ein sehr milder Winter. In der ganzen Reihe der Beobachtungen vom Jahre 1829 an ist das das höchste thermometrische Minimum. Anzahl der Regentage 117, der Schneetage 9, mit Ab- zug von % Tagen, an welchen sowohl Regen als Schnee gefallen sind, also 122 Tage mit atmosphärischen Nieder- schlägen. Tage mit Riesel 1, mit Gewitter 11. Fast ganz bedeckte Tage 101, eine ungewöhnlich kleine Zahl. 87 Mittlerer Rheinstand am Pegel 5’,37. Höchster Stand 12/3 den 12. Juni; tiefster 2,5 den 5. März. Mittlerer reduzirter Barometerstand um 1 Uhr Nach- mittags 27.420, ein ungewöhnlich hoher Mittelstand. Höchster Barometerstand den 16. Januar um 7 Uhr Mor- gens 27/.10/60; tiefster den 15. März um 1 Uhr Nach- mittags 26'.7',37. Mittel aus den meteorologischen Beobachtungen in Basel in den 35 Jahren 1829 — 1863, (Von Demselben.) Da diese Beobachtungen vom December 1863 nach einem etwas veränderten System, im Einklang mit den An- ordnungen der meteorologischen Commission der allgemei- nen schweizerischen naturforschenden Gesellschaft ange- stellt, und auch durch dieselbe publizirt werden sollen, so stelle ich die Uebersicht der letzten 35 Jahre in den nach- stehenden Tabellen zusammen, im Anschluss an die in Bd. II, S. 337 der Verhandlungen mitgetheilten Mittel. 88 at po + Her get rt SH r'er + tet + Fo — uorque ce UOA [ON 8198 Het v'LcT O0‘O68 I'OIT L'EIS T'OSC T'esr O28C T'O98 zer Tr OFI— 69 — 6681 g'Lec g'8t+ G'eot L'erc 9'oce g'err S'ror L'OIP ofoge Sg'ace HIT 8‘9g+ 091 — 89 — 6281 uoA OUWNG OR ON en NES ei Glen 0 OP 20 OT Set HITS ds TH FO PH So Get er cor a, oi u = 20 re” Bor et 07 + sung tan re 906 vEr com For Eee dr Bo 2e ec £98T > Fee © DO OT CD 200 STCIS LM 00e, 10°. ECO IST Be 200.07 © 85 fie 0 0 C0 PT 2 OIPIE DONPNO 0e 0 De ee 1981 OÙ Sr Ge - 81 OUI CT Sera ont ae ee er 0981 get Gt — set get vai oo rt It L'or get got 1e + 00 6G8T SUB ‘00 “AON MO des: "any np mung “Tepp [dv zen “gay usp ‘Y SI9IWOWIIUJIIISITOY SOP UaFunyyoegoagg UP IPN *JOSUŒ UT ne Ddwoarpppın Aypıpeuon ‘I 89 IX, Höchster und niedrigster Thermometerstand R. in Basel, Höchster Stand. 1859 + 27,6 1869 240,6 1861 270,5 1862 250,6 1863 270,0 Summe 1320,3 Mittel + 26°5 Summe v. 1829-58 77129 .1829-63 900,2 Mittel von 39 Jahren + 25°,8 d. 9. August. d. 26. Juni. d. 16. August, d. 27. Juli u. 2. Aug. d. 15. August. Niedrigster Stand. — 140,1 d. 18. Decbr. 922 d. 11. März. 122.1 d. @ Jan. 11°,0 d. 20. Jan. 40,2 d. 16. Febr. 50°,6 et 3560,6 407°,2 90 “IN I uoA uodıualarp ne E9—cFgI uoA ‘UN GI UOA uodungyowgoag 91p JUE yoıs UOUOIZ0Q FF—GZ8I UOA OPUBISIONLN uoqorauel o1q "TEST SIYyPMog "XI S9P III ‘ACL IP OUAIS SWHLIOTAILISIO JOSHEX SOp TedA} sapworwg wop JU Sunwwrgsuroaogof) IP yoıyyoısumg "Dunysowup 20,19 ‘98 08°,,0F',L% 9e ‘ne ‘ UIIUES CE ‘A PIN | 6e CIC 9'yrLIE 6er ° E9—6CS8I ST yn6Lr SE yhTe CEO" BE-GEBT ‘A UNS £9°,,,9 ‘98 69°, 07 28 I Elan YVn8E LE ns 18,181 D à à à à ouune CAIRN GED 2e ne ‘98 JEnuvf 9} 'P 09,01 ,,28 one er ee ZI EP 66,9 „96 ‘204 CR 0 '9F 'P E0',,07',2L% Sen ee Er rl LIEN GE P ind ‘79e ‘AU © 'P 69/01 ,,L8 Kine bee MOST 14994 "6 ‘P 20,6 ‘#98 ‘Jenuep's ‘P 62,6 ‘yLe 680 be cr URI PO ‘18 'P 0%%,,,9 ‘98 ‚1enuef ‘OF °P 0%°,,0 '„8% Den eg ‘PUUJS A948ILIP9IN "puBIS 199sy9oH ‘UN day) I un PYIM ‘LIUUL ‘SJOSSOUUIOU Sop Jyundjmy wop Joqn seng ‘weg 29 Yaıznpaa ‘Y 00 JUNE uolurg pun [[0Z JS uf ‘I9SUS UI PUVISIIJOUOICE I 91 IV, Unterschied des mittlern Barometerstandes über den mittlern Stand v. 3 Uhr Nachmittags. Vergl. die Anmerkung auf Tab. III. 9 Uhr Vorm. 1 Uhr. 9 Uhr Nachm. 1859 0,43 0,12 0,29 1860 0,35 0,09 0,30 1861 0,39 0,10 0,26 1862 0,38 0,12 1863 0,44 0,12 Summe 1,99 0,55 0,85 Mittel . 0,40 0,11 0,28 Summe v. 1829-58 11,52 4,35 8,60 1829-61 9,45 1829-63 13,51 4,90 Mittel v. 35 Jahren 0,39 0,14 33% 0,29 92 WP & “a cal 91 ER ec FSI 0% sch 798 19 DD. Be HO SOS 62% £I OTL£ 008 6% 20; = "*6) 891 00, 1268 L Gyr er < & r L LÉ zer L YLG 79 er 6 € 98 cor 8ç9 — 107 FE — F = |) 6 LE } OY1 LI £ I r G rc 6217 < YO TI & & — 8 LT 44: = ser er < & € YT 68 97 ÿ TOY El % € = (4 6} ser “IOJUOIT "OR, POP ‘JOPIMON "pr ‘IOSONT "uadaoy ‘OOUYIQ ‘OOUUIQ -uodoyl -PION -94 ZUUS IS8 1 Lu JOUIOIF9N) ‘N U9S0Y : PUIS U9)91J08UI0 uaydpom ue ‘oser TOP [yezuy SUNLIIIIIM ‘A U9IUEL ce ‘A [OP EI 6681 BG 6687 A Puuns * TONI owung &98l 8981 “1981 0981 “6681 93 Aelteste gedruckte Nachricht über den Meteorsteinfall von Ensisheim am 7, November 1492, (Von Demselben.) Kürzlich ist in Poggendorfis Annalen, Bd. CXXI, S. 133, eine angeblich älteste gedruckte Nachricht über den Ensis- heimer Meteorsteinfali bekannt gemacht worden, welche jedoch augenscheinlich einer noch ältern, einem lateinischen Gedicht, mit beigefügter deutscher Uebersetzung, von Seba- stian Brant, entnommen ist, welches auf unserer Bibliothek sich findet, und hier vorgelegt wird. Sebastian Brant, der berühmte Verfasser des Narrenschiffs, war 1492 Decan der juristischen Facultät in Basel, und hat in dem erwähnten offenen Blatte das merkwürdige Ereigniss zur Öffentlichen Kenntniss gebracht. In dem beigefügten Aufruf an den König Maximilian, welcher zur Zeit mit einem Heere im Elsass stand, wird der Steinfall als ein speziell die Fran- zosen bedrohendes Himmelszeichen ausgelegt. Das Gedicht von Seb. Brant ist abgeäruckt in Poggen- dorffs Annalen, Bd. CXXII, S. 182. GEOLOGIE. Ueber die Stellung des Terrain a Chailles in der Schich- tenfolse der Juraformation. Von Herrn Rathsherr PETER Merıan. (Den 11. Mai 1864.) Der Vortrag ist abgedruckt in Leonhard und Geinitz Jahrbuch, 1864, S. 520. ZOOLOGEE. — | Verbreitung der Dreissena polymorpha, (Von Demselben.) (Den 11. Mai 1864.) Im Jahr 1858 (Verhandlungen II, S. 343) habe ich der Gesellschaft mitgetheilt, dass die merkwürdige Süsswasser- muschel, Dreissena polymorpha, sich im Laufe des gegen- wärtigen Jahrhunderts allmählig von Polen und den Um- gebungen von Berlin über England, Holland, den Rhein 95 aufwärts bis in den Kanal bei Mülhausen sich verbreitet hat, und dass wir sie wohl bald als Schweizerbürger wer- den begrüssen können. Im Laufe dieses Frühlings ist sie 'nun wirklich, unmittelbar an unserer Grenze, von Herrn Franz Seul in zahlreichen Exemplaren im Kanale von Hüningen gefunden worden. Eine kleine Flussschnecke, die Neritina fluviatilis, welche ebenfalls in der Schweiz noch nicht ist beobachtet worden, aber in der Ill bei Strassburg schon in Menge vorkömmt, ist ebenfalls im Kanal von Hü- ningen gefunden worden, bis jetzt freilich nur in einem einzigen Exemplar. *) Paludina vivipara, eine in den mitt- lern Rheingegenden sehr verbreitete schöne Süsswasser- schnecke, deren Vorkommen bei Mülhausen in der erwähn- ten Notiz namhaft gemacht worden ist, hat sich bis jetzt bei Hüningen noch nicht gezeigt. Es ist aber zu erwarten, dass sie sich allmählig auch bis dahin verbreiten wird. *) Späterhin hat sich diese Schnecke ebenfalls in grosser An- zahl vorgefunden. 96 Ueber das Vorkommen von Saurierresten im bunten Sandstein von Riehen bei Basel, Von Prof. Aus. MÜLLER. (Sitzung vom 24. Februar 1863.) In den im bunten Sandstein bei Riehen angelegten Steinbrüchen des Herrn Architekten Fried. Frey von hier wurden in den letzten Monaten mehrere trefflich erhaltene grosse Schildabdrücke eines riesigen Labyrinthodonten, mit strahlig ästigem Relief, und ausserdem in jüngster Zeit der fast vollständige Abdruck eines ganzen Skelettes, mit Kopf und Extremitäten, eines kleinern Salamander ähnlichen Sau- riers von 40 Centimeter Länge gefunden und dem Museum von Herrn Frey als Geschenk übergeben. Da ich über diese werthvollen und seltenen Fundstücke bereits im Jahrbuch für Mineralogie, Jahrgang 1864, S. 333, eine ausführlichere Mittheilung gemacht habe, und Herr Prof. L. Rütimeyer dieselben s. Z. näher zu untersuchen und zu beschreiben gedenkt, so mag diese kurze Notiz hier genügen.*) Gerne erwähne ich bei diesem Anlass, dass gleichfalls in jüngster Zeit das Museum aus den zum Bau der neuen schönen St. Elisabethenkirche verwendeten Quadern des bunten Sandsteines von Phalsburg (Vogesen) durch Herrn Stadtrath Daniel Burckhardt-Forcart prachtvolle Strünke von Calamites arenaceus und Caulopteris Voltzii u. A. als Geschenk erhalten hat. *) Seitdem hat Herr Frey weitere Schildstücke, mit gebogener Fläche, aus seinen Steinbrüchen erhalten. Sämmtliche Saurierreste fanden sich in einem festen violetten Sandstein, aus einer der obersten Bänke dieser mächtigen Sandsteinformation. MINERALOGER. _—_ I Ueber einige neuen Erwerbungen der Mineraliensamm- lung des Museums. Von Prof. Aus. MÜLLER. (Sitzung vom 25. November 1863.) In den letzten Jahren sind, ausser zahlreichen kleinern, theils durch Schenkung, theils durch Kauf erworbenen Ac- quisitionen, der mineralogischen Abtheilung des Museums zwei ansehnliche Mineraliensammlungen zugekommen, die eine am Ende des vorigen Jahres (1862) durch Legat von Herrn Friedrich Heusler sel., die andere am Anfang dieses Jahres (1863), durch Geschenk von Fräulein Emilie Linder, welche letztere bereits zu wiederholten Malen unsere ôf- fentlichen Kunstsammlungen durch höchst werthvolle Schen- kungen bereichert hat. Ich habe mich im Laufe’ dieses Jahres mit der Reini- gung, Bestimmung und Aufstellung der bessern Stücke die- ser beiden Sammlungen beschäftigt und glaube, dass einige nähere Angaben über die werthvollern Stücke in unsern Verhandlungen wohl eine Stelle finden dürfen. | Wie in allen Dingen, so werden auch in einer Natu- raliensammlung die Eigenthümlichkeiten ihres Gründers und ‚Besitzers, sowie der Charakter und Bildungsstand seiner Zeit sich wiederspiegeln. 7 98 Die Sammlung unseres Museums besteht, einem Strome vergleichbar, aus einem Zusammenfluss älterer und neuerer durch Geschenk oder Legat erhaltener Sammlungen, von denen jede, sowohl in der Wahl ihrer Stücke, als in der Art der Bestimmung, den Bildungsstand der Zeit bezeich- net, in welcher sie entstanden ist. Wir können jetzt noch leicht die Spuren der einzelnen Entwickelungsstadien un- serer Wissenschaft darin verfolgen. Die einzelnen Samm- lungen, die nun seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts dem Museum einverleibt worden sind, könnte man demnach in folgende Perioden eintheilen: 1. Die Periode der Curiositäten oder die Zopfperiode, worin vorzugsweise, was rar, seltsam und in die Augen fallend war, gesammelt wurde, wie glänzende und bunt- farbige Erze und Krystalle, Dendriten und Stalaktiten, ver- steinerte Vogelnester, die jetzt noch, weit mehr als die werthvollsten Stücke, die Bewundrung aller Laien, nament- lich der Frauen, erregen, Naturspiele; geschliffene Mar- more, Puddingsteine, Porphyre und andere schönfarbige Felsarten, insbesondere aber geschliffene Achate; wesshalb man auch diese Periode die „geschliffene Steinperiode“ nennen könnte. In diese Periode gehören die Sammlung des Hrn. Prof. d’Annone und die des Stadtrathpräsidenten Hrn. Hier. Bernoulli, welche beide den wahren Stock und Kern unserer Öffentlichen Mineraliensammlung bilden. Hie- her gehört auch, zum Theil wenigstens, die sonst in man- cher Beziehung werthvolle Linder’sche Sammlung, welche von Herrn Schaffner Dienast herrührt. 2. Die Hauy’sche Periode oder die Periode der schö- nen Krystalle, welche in der vorliegenden Heusler schen Sammlung, sowohl nach Auswahl, als nach Bestimmung der Stücke, ihren treuesten Vertreter findet. Hieher gehören ferner eine Anzahl der schon vor Jahren von Hrn. Raths- herrn Peter Merian dem Museum geschenkten Mineralien, 99 die nicht unbedeutende Sammlung des Hrn. Prof. Chr. Ber- noulii; ferner die vor ungefähr 10 Jahren dem Museum als Geschenk zugekommenen schätzbaren Sammlungen der Frau Wittwe Sarasin-Heusler, des Herrn Debary-Sarasin und des in Highland (Vereingt. St.) wohnenden Herrn Dr. Ry- hiner, welche Personen, meines Wissens, alle, Herr Prof. Bernoulli ausgenommen, noch am Leben sind. Wir müssen bekennen, dass in dieser Periode die mineralogische Wis- senschaft und mit ihr auch ihre Jünger und Liebhaber grosse Fortschritte gemacht haben, und dass jetzt noch die genauere Erforschung der verschiedenen Krystallformen zu den Zierden des mineralogischen Studiums gehört. Wenn ich der Werner’schen Schule nicht besonders sedenke, so liegt der Grund darin, dass sie in unsern Sammlungen keine hervorragenden Vertreter aufzuweisen hat. Höchstens könnte man die Sammlung des Herrn Dr. Ryhiner dahin zählen. Der französische Einfluss war, durch das Auftreten Hauy’s, bei uns vorwiegend. 3. Die chemische Periode, als deren Representant Ber- zelius zu betrachten ist. Die wesentlich auf dem chemi- schen System von Berzelius beruhende Eintheilung der Mi- neralien von meinem verehrten Freund, Herrn Prof. R. Blum in Heidelberg, habe ich bei der Aufstellung der Sammlung in dem neuen, jetzigen, Museum vor 15 Jahren zu Grunde gelegt. Wenn auch diese Eintheilung von wissenschaft- lichem Standpunkt vielleicht sich nicht rechtfertigen lässt und eine Anzahl natürlicher Gruppen zerreisst, so bietet sie doch, namentlich in der metallischen Abtheilung, worin jeweilen die wichtigsten Erze eines und desselben Metal- les zusammengestellt sind, einen so lehrreichen und be- quemen Ueberblick, dass ich auch jetzt noch mich nicht veranlasst fände, von dieser Eintheilung abzugehen. Zu- dem, jedes neuere System hat wieder seine bedenklichen 7% 100 Mängel und noch keines hat allgemeine Anerkennung ge- funden. 4. Die Bischof’sche Periode oder die Periode der Me- tamorphosen, welche in die Gegenwart reicht und die ich nach ihrem hervorragendsten Representanten, Prof. Gustav Bischof in Bonn, dem berühmten Verfasser des gegenwär- tig in zweiter Auflage erscheinenden „Lehrbuches der che- mischen Geologie“, benenne. Es ist diess die jüngste Pe- riode, in welcher nicht nur die schönen und bestimmbaren Krystalle gesammelt werden, sondern alle, welche in ihren äussern Merkmalen oder nach ihrem chemischen Verhalten Anhaltspunkte zur Erkennung des Entstehens und Verge- hens, des Wachsthums und der Umwandlung der Minera- lien geben. Dieser neuen Richtung der Mineralogie habe ich bei der Vermehrung unserer Öffentlichen Sammiung in den letzten zwölf Jahren besonders Rechnung getragen, weil sie uns den Schlüssel zu den wichtigsten Fragea der Geologie in die Hand giebt und bereits eine Anzahl wich- tiger Ergebnisse geliefert hat. Mineralogie und Geologie müssen immer mehr Hand in Hand sehen, wenn beide si- chere Fortschritte machen sollen. Es versteht sich jedoch, dass bei der Vermehrung einer Öffentlichen Sammlung die frühern, nicht minder berechtigten Richtungen fortdauernde - ‚Berücksichtigung finden müssen. A. Die Heusler’sche Sammlung. Durch die legatweise dem Museum zugefallene Mine- raliensammlung des in hohem Alter verstorbenen Rentier, Herrn Friedr. Heusler von hier, welche aus nahezu 3000 Nummern besteht, hat unser Museum einen beträchtlichen Zuwachs erfahren, jedoch nicht in demselben Maasse an Qualität, wie an Quantität gewonnen. Wir hätten Mühe, aus diesen 3000 Nummern auch nur 30 Stücke ersten Ran- 101 ges herauszufinden, welche würdig wären, gute Sammlun- gen zu zieren. Die Mehrzahl erhebt sich nicht über die Mittelmässigkeit. Während in der herrlichen Sammlung meines verehrten Freundes, Herrn D. F. Wiser, mittelmäs- sige Stücke zu den Ausnahmen gehören, bilden sie in jener die Regel. Nichts desto weniger wurden durch die Heusler’schen Stücke zahlreiche fühlbare Lücken unserer öffentlichen Sammlung in erfreulicher Weise ausgefüllt und zahlreiche geringere Stücke konnten durch bessere ersetzt werden, so dass das Museum immerhin noch einen ansehnlichen Gewinn aus dem von dieser Seite erfolgten Zuwachs ge- zogen hat. Fast alle bekanntern Species und Varietäten fanden sich, wenn auch nicht in brillanten Stücken, doch genügend vertreten. Eine Mineraliensammlung nimmt mehr qualitativ zu durch den Ersatz besserer Stücke, als durch das Hinzu- kommen neuer Arten und Varietäten eder neuer Vorkomm- nisse. Es liegt auch weniger daran, alle die seltenen, oft sehr unscheinbaren und unwichtigen neuen Arten zu er- werben, als vielmehr die bekannten und wohl charakteri- sirten Arten in guten, deutlichen Exemplaren zu besitzen. Namentlich fühlt man bei dem Unterricht das Bedürfniss, schöne, demonstrative Exemplare vorzeigen zu können. Von den Heusler’schen Mineralien habe ich ungefähr zwei Drittheile zur Aufstellung im mineralogischen Saale unter Glas würdig erachtet. Davon wurde in die bisher bestehende systematische Sammlung so viel eingereiht, als Platz fand, das übrige wurde in zwei neuen hohen Glas- kästen, deren einer für die nichtmetallische, der andere für die metallische Abtheilung dient, in ähnlicher Reihenfolge aufgestellt. Geringere doublette Stücke, deren Zahl ziem- lich beträchtlich, wurden geschenkweise an Schulen und junge Dilettanten abgetreten. 102 Die bekanntesten und verbreitetsten Mineralien finden sich in der Heusler’schen Sammlung, von bekannten. oder benachbarten Fundorten, natürlich in stattlichen Exempla- ren vor. In nachfolgender Aufzählung gedenke ich nur eine kleine Zahl solcher Stücke hervorzuheben, die durch Schönheit oder Grösse ausgezeichnet sind, oder solchen Arten angehören, die in kleinern Sammlungen seltener an- zutreffen sind. Hie und da sollen die auf den Etiquetten verzeichneten Fundorte, wenn solche bemerkenswerth er- scheinen, angegeben werden, obgleich die Richtigkeit ein- zelner Angaben bezweifelt werden kann. Wo kein Fund- ort beigesetzt ist, sind die bekannten, in den Sammlungen und Lehrbüchern verzeichneten Fundorte verstanden. Das Ganze soll dazu dienen, den Mitgliedern unserer Gesell- schaft und den Besuchern unserer naturwissenschaftlichen Anstalten ein Bild von dem Stand der Heusler schen Samm- lung und von der unserm Museum hiedurch gewordenen Bereicherung zu geben. Bei der Aufzählung folge ich der Blum'schen Eintheilung, nach welcher die ganze mineralo- gische Sammlung des Museums aufgestellt ist. Eine An- zahl Stücke, die seltenere Krystallcombinationen oder an- dere bemerkenswerthe Eigenthümlichkeiten darbieten, sol- len in einer spätern Arbeit beschrieben werden. Diessmal gedenke ich nur das sofort in die Augen fallende hervor- zuheben. I. Nichtmetallische Abtheilung*), mit Inbegriff der leichten Metalle. 1. Schwefel, von Bex, Toskana, Vesuv. Schöne Krystalle, von Girgenti und Conil (bei Cadix). 2. Gediegen Tellur, von Facebay in Siebenbürgen. #) Die Gruppen des Tellurs, Arsens und Antimons gehörten eher in die Abtheilung der eigentlichen Metalle. Die angegebenen Maasse sind Pariserzoll. | 12. 13. 14. . Cölestinspath, Kryst. von Herrengrund, Girgenti u. a. 0. 16. 103 Gediegen Arsen, gewöhnliches Vorkommen. Dessgleichen, als feine Pünktchen in durchsichtige Kalkspathkrystalle eingestreut, von Andreasberg. Realgar, in schönen Kryst., von Nagy-Ag und Felsö- banya. Auripigment. Gediegen Antimon. Senarmontit, kryst. und dicht, von Sansa bei Con- stantine. Antimonglanz, gewöhnliches Vorkommen. Antimonblende, von Bräunsdorf, gut. Diamant, zwei kleine, etwas undeutliche, Hexakisok- taeder aus Brasilien. Anthrazit vom Oberalpstock, Kt. Uri. Ganz ähnlich demjenigen, den ich diesen Sommer (1864) am mitt- lern nordwestlichen Abhang des Bristenstockes in Thonschiefer eingelagert angetroffen habe. Steinsalz von Wielitzka, hübsche Kryst. Dessgleichen mit Luftbläschen und beweglichen Was- sertropfen, von Dieuze in Lothringen. Dessgleichen in faserigen Platten zwischen Salzthon, von Sulz am Neckar. Barytspath, in schönen Kryst., von Schriesheim, Mün- sterthal bei Freiburg, Badenweiler, Iberg am Harz, Schemnitz, Freiberg, aus der Auvergne u. a. Orten. Witherit von Alsionmoor u. a. ©. Dessgleichen in wasserhellen prachtvollen Krystallen (PMala?e!i nach Levy und Dufrenoy) in Ammoni- tenkammern aus dem untern Lias des Schönthals bei Liestal. Flussspath, wie sich von diesem bekannten Mineral erwarten lässt, in mannigfachen, schön ausgebildeten und lebhaft gefärbten Krystallformen. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. So unter Anderm: Grüner Fl. (Pb! und a! b! nach Dufrénoy), aus dem Kt. Unterwalden. Röthlicher FL, in verschied. Formen, aus dem Mün- sterthal bei Freiburg i/B., so unter andern schöne Exemplare des durch die Flächen eines Hexakisok- taeder sechsfach enteckten Würfels, an mehreren Stücken mit zurücktretenden Würfelflächen. Rother F1, Würfel, von Badenweiler. Blauer fluorescirender Fl. (P bx), von Durham. Hellvioletter FI, von Cumberland. Dessgleichen FL von verschiedenen andern Orten. Anhydritspath von Hall in Tyrol und von Bex. Gypsspath in schônen Krystallen, meist Zwillingen, von Muttenz (Kt. Basel), Bex, Kandern, Bonn, Nord- hausen u. a. 0. Apatit, wasserhelle flächenreiche Kryst., von Santa Maria und Sella am Gotthardt. Dessgleichen stengl., von Oberbergen am Kaiserstuhl. Dessgleichen Kryst., von Arendal, Schlackenwald und andern Orten. Spargelstein in Talk aus dem Zillerthal. Pharmakolith von Bieber in Hessen. Kalkspath in mannigfachen, des nähern bestimmten Formen und Combinationen, worunter sehr schöne von Andreasberg, Münsterthal i./B., Waldshut, Auggen, Basler Jura, Dauphine, Insel Ferröe, Tharand und zahlreichen andern Orten. Die verschiedenen Varie- täten und Aggregatformen des kohlensauren Kalkes fehlen natürlich nicht. Arragonit, Krystalle von Kosel in Böhmen, Framont in Lothringen, vom Kaiserstuhl, aus der Auvergne und andern Orten. Barytocalcit, Kryst. von Cumberland. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 105 Brucit, grossblättrig, von Hoboken. Magnesit, Rhomboeder, aus dem Zillerthal. Dichter M., schneeweiss, vom Kaiserstuhl. . Borazit, Kryst., ven Lüneburg. . Polyhalit, von Dieuze in Lothringen. . Boronatrocaleit, von Peru. . Bitterspath, mehrere prachtvolle Exemplare, primi- tives Rhomboeder (worunter Krystalle von 1 Zoll) mit Mesetinspath, Quarzdrusen, Magneteisen etc., von Tra- versella, Piemont. Dessgleichen von ebendaselbst, Rhomboeder mit schwa- cher Abstumpfung der Randkanten durch das zweite Prisma (P d! Dufr.), dessen Flächen durch eine, wahr- scheinlich eisenocherhaltige, bräunliche Substanz wie angemalt erscheinen, während die Rhomboederflächen frei bleiben; ein prachtvolles Stück. Braunspath, Rhomboeder, von Badenweiler u. a. ©. Dessgleichen von Schemnitz, als matter dunkelbrauner Ueberzug über Kalkspath-Skalenoeder; merkwürdig. Mesetinspath, flache linsenförmige Rhomboeder, mit Bitterspath, Quarz etc., von Traversella. Dolomit, vom Binnathal, vom Lukmanier u. a. ©. Korund, rother und violetter, in Dolomit, von Campo- longo im Kt. Tessin. Diaspor, farblose Kryst., in weissem Thonsilicat ein- gewachsen, von Schemnitz. Dessgleichen, braun, blättrig, von Katharinenburg. Kryolith aus Grönland. Wawellit, von den bekannten Fundorten. Lazulith auf Quarz, von Salzburg. Dessgleichen, schöne Kryst. in Itakolumit, von Lin- coln-County, Verein. Staaten. Spinell, in den bekannten Varietäten. Rother Spinell, einfache Okt. u. Zwillinge, v. Ceylon. 106 39. 40. 41. 42. 43. 45. 46. 48. Chrysoberyll, gelbgrüne tafelformige Zwillinge, mit Granat etc. von Haddam (Connecticut). Kupferuranit (Chalcolith), Kryst. von Johanngeorgen- stadt und aus Cornwallis. Bergkrystall und Rauchtopas vom St. Gotthardt und a. O., in guten Kryst. von den gewöhnlichen Com- binationen. Dessgleichen in lang gestreckten, klaren Säulen, mit einer vorherrschenden Pyramidenfläche, aus der Dau- phinee. Dessgleichen in kurzen, wasserklaren Krystallen, in den Spalten von verkieselten Mergelknollen, gleich- falls aus der Dauphinee. Amethyst, in prachtvoll violetten Drusen auf Achat, angeblich aus Sachsen. Die Färbung möchte, wie auch bei den rothen, blauen und violetten Flussspathkry- stallen, von Anilinfarben herrühren. Vor dem Löth- rohr verschwindet die Farbe unter schöner Phosphor- escenz (beim Flussspath) augenblicklich, ohne wie- derzukehren. Dessgleichen von Oberstein, bräunlich. Gemeiner Quarz, in Pseudomorphosen nach Barytspath. Chalzedon, in ausgezeichneten Pseudomorphosen nach Würfeln, wahrscheinlich von Flussspath. Die Kryst. sehen wie ursprünglich aus. Die übrigen Varietäten des Quarzgeschlechtes, wie Feuerstein, Hornstein, Jaspis, Kieselschiefer und na- mentiich die Achate, sind gut vertreten: Opal, in den gewöhnlichen Varietäten. Feueropal aus Zimapan in Mexiko. Holzopal, sehr schön, aus Ungarn. . Hyalith, auf zersetztem Basalt, von Walsch. Dessgleichen auf Dolerit, von Sasbach u. a. O. Perlsinter, schön, von Santa Fiora u. a. O. 31. 32. 53. 54. 56. 57. 107 Datolith, Kryst., von mehrern Fundorten. . Apophyllit, schöne Suite, fast von allen bekannten Fundorten, namentlich von den Faröer Inseln, von Island und andern vulkanischen Inseln des nordwest- lichen Europa. U Analzim, Stilbit, Heulandit, Chabasit, Mesotyp und Thomsonit, dessgleichen; sämmtliche gut vertreten, wie es sich von den schön krystallisirten Mineralien der Zeolithgruppe erwarten lässt. Natürlich fehlen auch die übrigen Zeolithe nicht. Prehnit, farblose Kryst. (PMg!, Dufr.), von Oisans, Dauphinee. Dessgleichen, grüne, volikommen kugelige Aggregate mit Chlerit, aus dem Fassathal. Andalusit, schöne Krystalle, aus Lisens, zum Theil in Glimmer umgewandelt. Dessgleichen, grosser Krystall (PM e!e*, Dufr.). Dessgleichen von Freye (Böhmen) u. a. 0. Disthen in Paragonitschiefer, sehr schöne Exemplare, aus dem Kit. Tessin. Adular, einfache Krystalie und Zwillinge in verschie- denen Combinationen, vom St. Gotthardt. Dessgleichen mit gekrümmten Flächen und mit Chlo- ritüberzug, aus dem Maderanerthal. Gemeiner’ Feldspath (Orthoklas), von verschiedenen Fundorten: Ural, Schweden, Fichtelgebirg u. a. ©. Dessgleichen in einem ausgezeichneten rothen Quarz- porphyr von Baveno, von welchem Fundorte unsere Sammlung eine Anzahl ausgezeichneter Zwillinge und Vierlinge desselben Minerales besitzt. Albit, in den bekannten Zwillingskrystallen von Bourg d’Oisans (Dauphinee). Periklin, vom St. Gotthardt, den zersetzien Ankerit verdrängend. . 108 58. 64. 71. Oligoklas, sehr gute grünlich-weisse Krystalle, mit Epidot, von Arendal. Dessgleichen, weiss, mit ausgezeichneter Zwillings- streifung, grosses Stück von Ytterby (Schweden). Triphan von Utön und von Massachusets. Labradorit aus Grônland, geschliffen. Anorthit vom Monte Somma am Vesuv. Leuzit, von den bekannten Fundorten. Sodalith vom Vesuv. Hauyn vom Vesuv und von Niedermendig. Lasurstein aus Persien (Tibet ?). Dessgleichen auf Kalkstein, von Coquimbo. Ittnerit mit Titaneisen, von Oberbergen am Kaiserstuhl. Obsidian, Bimstein, Perlstein, Sphærulith und Pech- stein, von den bekannten Fundorten. Wernerit mit seinen Varietäten, dessgleichen. Axinit von Thum und von Oisans. Dessgleichen vom St. Gotthardt, mit Chlorit und einem aufsitzenden farblosen Apatitkrystall (PM b!). Turmalin, schöne schwarze Krystalle v. St. Gotthardt. Dessgleichen von Grönland, Sibirien, Bodenmais. Grüner Turm. in Dolomit, von Campo-longo. Farbloser Turm., mit blauen und rothen Querstreifen und schwarzer Decke (Kryst.), von Elba. Granat, ziemlich gut vertreten, in den bekannten Va- rietäten. Dessgleichen, braunroth (b!a?i, Dufr.), in Granatoedern mit dreifacher Abstumpfung sämmtlicher Kanten durch das gewöhnliche Leuzitoeder und ein Hexakisoktaeder, vom Lohlen im Magisthal. Dessgleichen in den prachtvollen hyazinthrothen Kry- stallen (Kaneelstein) der Combination b!a?, Dufr., mit Diopsid und hellgrünem Chlorit (Chl. hexagonal), von der Mussa-Alp in Piemont. 72. 84. 85. 86. 87. 88. 89. 109 Staurolith, schôn, in Paragonitschiefer, mit Cyanit, aus dem Kt. Tessin. Diverse Stücke. Dessgleichen aus der Bretagne. Idokras, von den bekanntern Fundorten, in ziemlich guten Krystallen. Epidot, Krystalle, von Bourg d’Oisans (Dauphinee). Dessgleichen von Arendal und vom St. Gotthardt. Kaliglimmer (Phengit), von mehrern Fundorten. . Lithionglimmer (Lithionit), Kryst., vom Erzgebirge. Lepidolit von Rozena in Mähren. . Talkglimmer (Biotit), vom Vesuv. Natronglimmer (Paragonit), vom Kt. Tessin. . Kalkglimmer (Margarit), vom Pfitschthal. . Pinit, Krystalle, aus der Auvergne u. a. 0. Dessgleichen, halb in Glimmer umgewandelt, v. Frei- burg i./B. Gigantolith von Tammela in Finnland. . Chlorophyllit, gross, von New-Hampshire. . Chlorit und Ripidolith aus den Schweizer- und Ty- roler-Alpen. Wurmförmiger Chlorit auf Adular, Bergkrystall und andere Mineralien, vom Kt. Uri. - Pennin von Zermatt. Pyrophyllit, schön, von Beresowsk am Ural. Talk und Topfstein aus den Alpen. Speckstein in Pseudomorphosen nach Bitterspath, von Göpfersgrün in Baiern. Gute Pseudomorphosen nach Bergkrystall; von dem- selben Fundort besass das Museum bereits. Serpentin, von verschiedenen Fundorten. Edler Serpentin in Pseudomorphosen nach Chrysolith, von Snarum in Norwegen. Schillerspath. Bergholz, von Schneeberg in Tyrol. 110 90. Die 92, 93. 94. 95. 96. 97. 98. 99. 106. 107. 108. Wollaslonit, stenglichte Massen. Akmit, von Eger in Norwegen. Diopsid, von der Mussa-Alpe in Piemont. Stenglichter Diopsid aus dem Zillerthal. Malakolith vom Vesuv. Jeffersonit, grosser Krystall von New-Jersey. Gemeiner Augit, Krystalle, vom Kaiserstuhl, Fassa- thal, Arendal u. a. ©. Diallag, Bronzit, Hypersthen, Smaragdit. Grammatit und Strahlstein, vom St. Gotthardt und an- dern Orten, reichlich. Gemeine Hornblende, vom St. Gotthardt, Vesuv u. 2.0. Amianth, weiss, sehr schöne lange Fasern, von Kor- sika. Asbest vom St. Gotthardt u. a. ©. Dessgleichen als Umwandlungs - Pseudomorphose aus Augit oder Malakolith, von Traversella. Byssolith, vom Steinthal, Kt. Uri, schön. . Babingtonit, von Arendal in Norwegen. Chrysolith und Olivin, von den bekannten Fundorten. Hyalosiderit, Krystalle in Dolerit, vom Kaiserstuhl. . Chondrodit, von Ersby in Finnland u. a. O. Cordierit, Krystalle, von Bodenmais in Baiern. Topas, gute Krystalle, vom Schneckenstein. Dessgleichen aus Brasilien und vom Ural. . Smaragd, ‚schöne Krystalle (hexagonale Säulen mit abgestumpften Ecken und Randkanten), von Santa Fe di Bogota in Celumbien. Dessgleichen, Kryst. in Glimmerschiefer, vom Heu- bachthal in Salzburg. Mehrere Stücke. Beryll von Nertschinsk in Sibirien u. a. ©. Zirkon aus Zirkonsyenit von Frederikswärn u. a. O. Polykrasilithe: Eudialyt, Orthit, Cerit, Gadolinit u. À. in keinen deutlichen Krystallen. 111 II. Abtheilung der schweren Metalle. . Anatas von Tavetsch u. a. 0. 2. Rutil von Caveradi (Tavetsch), vom St. Gotthardt, 20 21. Simplon, Montblanc, von Limoges, Arendal u. a. O, Brookit vom Maderanerthal und von Tremadoe. Perowskit von Vogtsburg am Kaiserstuhl. Titanit von vielen Fundorten, besonders aus dem Kt, Uri. Reiche Suite. Tantal- und niobsaure Verbindungen: Pyrochlor, Ae- schynit, Polymignit, Yttrotantalit. Scheelit, in guten Exemplaren, vom Erzgebirge. Molybdänglanz. Die Oxyde des Mangans: Pyrolusit, Polianit, Haus- mannit, Braunit, Manganit und Psilomelan, meist gut vertreten. . Manganspath, schön, von Nagy-Ag und Freiberg. Kieselmangan (Rhodonit), derbe Massen. Gediegen Wismuth, Wismuthglanz und Tellurwismuth. . Zinkblende, reiche Suite von Krystallen, von Pzibram, Rodna, Kapnik, Schemnitz, Badenweiler, Münsterthal i./B., Cumberland u. a. O. Zinkspath von Altenberg, Chessy u. a. 0. . Willemit von Altenberg. Kieselzink von Altenberg, Scharley, Hofsgrund, Todt- nau, Saska u. a. 0. Zinnerz vom Erzgebirge und aus Cornwall. . Bleiglanz, reiche Suite von verschiedenen Fundorten. Dessgleichen, prachtvolle Krystalle (a!b!Pa'/,, Dufr.), auf Quarzdruse, von Neudorf am Harz. Blättererz aus Siebenbürgen in mehrern Stücken. Selenblei von Tilkerode. Die Verbindungen von Schwefelblei mit Schwefelan- 112 22. 23. 24. 39. timon: Zinkenit, Plagionit, Boulangerit und Geokronit, von den bekannten Fundorten. Bleivitriol (Anglesit), von Anglesea. Dessgleichen, vier schöne Stücke (Kryst.), von Ba- denweiler. Pyromorphit von Bleistadt, Clausthal, Pennsylvanien. Dessgleichen, Var. Grünbleierz, von Hofsgrund i./B. Dessgleichen, s. g. arseniksaures Bleioxyd (obgleich der Arsengehalt sehr gering sein soll), von Baden- weiler. Cerussit (Weissbleierz), in zahlreichen schönen Com- binationen, besonders von Badenweiler. . Phosgenit, Leadhillit und Lanarkit. Wulfenit (Gelbbleierz), von Schwarzenbach, Bleiberg und Badenweiler. Krokoit (Rothbleierz), vom Ural, mehrere Exempl. Meteoreisen, in kleinen Bruchstücken, von Bitburg, Sibirien und Mexico. . Meteorstein, dessgleichen, von Ensisheim im Elsass. Magneteisen, Kryst. und derb, von den bekannten Fundorten. Eisenglanz, gute Kryst., v. Elba, Caveradi, Brozzo etc. Basanomelan (Eisenrose), von der Sella (St. Gotthardt). Eisenglanz und Rotheisenstein in Pseudomorphosen nach Kalkspath, von Sundwig. . Nadeleisenerz und Lepidokrokit (gut). Faseriger und dichter Brauneisenstein, von verschie- denen Fundorten, besonders aus den Vogesen. 'Brauneisenstein in schönen Pseudomorphosen nach Bisenkies, Strahlkies und Spatheisenstein. Kisenkies, Kryst., von zahlreichen Fundorten. Dessgleichen, schöne Combinationen, mit Eisenglanz, von der Insel Elba. 36. 37. 38. 39. 40. . 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 90. 31. 92. 53. 54. 55. 113 Strahlkies, in stattlichen Zwillingen, von Efringen (Grh. Baden), Almerode, Johanngeorgenstadt, Freiberg, Joachimsthal, Schlaggenwald, Lipnitz. Eisenvitriol von Gersbach bei Schopfheim. Vivianit von Bodenmais und St. Agnes. Kraurit (Grüneisenstein), Skorodit, Pittizit, Pharma- kosiderit, Beraunit, Delvauxit. Lölingit (Arsenikeisen), in guten Exemp., in Serpentin eingewachsen, von Reichenstein in Schlesien. Arsenopyrit (Arsenikkies), in schönen Kryst., von Freiberg u. a. 0. Dessgleichen, Kryst., in Talkschiefer, vom Calanda. Siderit (Spatheisenstein), Rhomboeder mit aufsitzen- dem Eisenkies, von Lobenstein u. a. 0. Dessgleichen, Rhomboeder auf Quarzdruse, mit Blei- slanz, Prachtexemplar, von Neudorf am Harz. Hisingerit, Pinguit, Chloroph&it und andere Eisensili- kate — Grünerde. Lievrit, gute Kryst., von der Insel Elba. Iimenit, in edlem Serpentin, von Arendal. Crichtonit von Qisans und vom St. Gotthardt. Chromeisen von Baltimore und aus Sibirien. Franklinit, gut, von Sterling in Massachusets. Triplit, Heterosit, Triphylin, gewohntes Vorkommen. Columbit, Tantalit, Wolframit, dessgleichen. Speiskobalt, Kobaltkies, Glanzkobalt, dessgleichen. Kobaltblüthe von Riechelsdorf in Hessen. Schwefelnickel und Rotharseniknickel. Gediegen Kupfer, Kryst., vom Ural, von Cornwallis, Rheinbreitenbach u. a. ©. Dessgleichen, hübsche Krystallgruppen (dendritisch), von Corocoro in Peru. Rothkupfererz (Cuprit), in guten Kryst., von Chessy, Cornwallis, Sibirien, Chile. 8 114 56. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. A 72. 73. 74. Atacamit, in mebrern Varietäten, aus Bolivia. Kupferindig auf Kupferkies, von Badenweiler. Kupferglanz, Krystalle, von St. Just und Redruth in Cornwallis, Bristol in Connecticut u. a. ©. Fast sämmtliche Phosphate und Arseniate des a in den bekannten Vorkommnissen. Malachit, schöne Exemp!., von den bekannten Orten. Dessgleiches, faserig, von der Insel Cuba. Dessgleichen, von Terruel in Arragonien. Kupferlasur, reiche Suite der verschiedensten Combi- nationen, hauptsächlich von Chessy bei Lyon, wo Herr Heusler zur Zeit der schönen Anbrüche längere Zeit sich aufhielt. Dessgleichen, in den mannigfaltigsten Uebergängen zu Malachit, ebenfalls von Chessy. Einige dieser Exem- plare durch Schönheit ausgezeichnet. Dioptas, Kryst., aus der Kirgisensteppe. Wismuthkupfererz von Wittichen. Linarit und Caledonit, von Leadhills. Bournonit, von Neudorf, Schemnitz u. a. ©. Vauquelinit von Beresowsk. Buntkupfererz, Kryst., von Redruth {Cornwallis). Dessgleichen, von verschiedenen Fundorten. Kupferkies, Kryst., ansehnliche Suite. Fahlerz, Kryst., von mehreren Fundorten. Dessgleichen, sehr schön, von Neudorf am Harz. Zinnober, körnig und erdig, vom un .Idria und Moschellandsbereg. Gediegen Silber, meist lockenförmig, von Wittichen, Kongsberg, Freiberg, Altai u. a. O. Gute Kryst. fehlen. Chlorsilber von Peru. Silberglanz von Freiberg (hier gute a Kongs- berg, Wolfach u. a. O. Antimonsilber von Andreasberg und Wittichen. 115 75. Melanglanz, Kryst., von Freiberg, Bräunsdorf, Schem- nitz und Woliach. 76. Eugenglanz von Freiberg, zwei Exemplare. 77. Rothgiltigerz, Kryst., hübsche Suite verschiedenarti- ser Combinationen, besonders von Andreasberg am Harz. | 78. Amalgam, von Stahiberg und Moschellandsbere. 79. Gediegen Gold aus Ungarn, Siebenbürgen, Sibirien. Dessgleichen, schön, vom Calanda in Bündten. 80. Gediegen Platin (in Körnern ), aus Brasilien, Peru und Russland. II. Abtheilung der fossilen organischen Verbindungen. In dieser letzten, kaum mehr zum Mineralreich gehö- renden Abtheilung finden sich fast alle bekannten Vor- kommnisse leidlich vertreten, als: Honigstein, Bernstein, Retinit, Fossiler Copal, Ozoke- rit, Elaterit, Asphalt, Scheererit, Braun- und Stein- kohlen. B. Die Linder’sche Sammlung. Es wäre unrecht, den Bericht über die dem Museum durch Legat zugefailene Mineraliensammiung des Herrn Friedr. Heusler sel. zu schliessen, ohne auch noch einer zweiten ansehnlichen Sammlung zu gedenken, die wenige Monate später, das heisst im Anfange des Jahres 1863, dem Museum geschenkweise zugefallen ist. Ich meine die bisher im Besitze von Fräulein Emilie Linder von hier ge- standene Mineraliensammlung des Herrn Schaffner Dienast sel, welche wir, durch die gefällige Vermittlung ihres _ Neffen, des Herrn Dr. Th. Kündig-von Speyr, der bereits vielfach bewährten Liberalität dieser verehrten Dame ver- danken. Es war uns gestattet, aus dieser nicht unbedeu- 8* 116 tenden Sammlung, weiche auch hübsche Conchylien und Versteinerungen (insbesondere Fische) enthielt, das Beste für das Museum auszuwählen. Wenn auch die Mineraliensammlung von Fräulein Lin- der der Heusler’schen an Umfang nicht gleich kam, so konnten doch über 300 gute, für das Museum erwünschte Stücke daraus ausgesucht werden, worunter ungefähr 120 Stücke gross Format, d. h. von 5—8 Pariserzoll Höhe und entsprechender Breite, die dem mineralogischen Saale zu nicht geringer Zierde gereichen. Ich glaube, dass die Aufzählung der bessern oder merkwürdigern Stücke hier nicht minder gerechtfertigt ist, als bei der Heusler’schen Sammlung, damit die verehrlichen Mitglieder unserer Gesellschaft gleichfalls eine Vorstellung von dem Zuwachs erhalten, weicher der mineralogische Saal von dieser Seite erfahren hat. Ohne mich für diese kurze Aufzählung an eine systematische Rangordnung zu halten, werde ich das Verwandte möglichst zusammen- stellen. Leider fehlen auch hier oft die Fundorte oder sind die Angaben zweifelhaft. Die Stücke von grossem Format, d. h. 5—8 Zoll, die in dieser Sammlung reichlich vertreten waren, sollen den Anfang machen. I. Stücke von grossem Format. 1. Dendriten von, grosser Schönheit, auf dünnen Kalk- platten, in zahlreichen Exemplaren. 2. Kalkspath, spitze Scalenoeder (d? Dufr.), mit Ueber- zug von kleinen Quarzkrystallen und einseitigem An- flug von dunkelbraunen Braunspath-Rhomboedern. Die frei gebliebenen Hälften der Kalkspathkrystalle schauen alle nach derselben Richtung. 3. Kalkspath (e”/, b! Dufr.), eisenhaltig, gelbbraun, zu Sammelindividuen gruppirt, auf grossen grünlichen Flussspathwürfeln, von Todtnau. QU 10. 11. 12. 13. 16. 117 Kalkspath (e’/, b! Dufr.), schöne Druse, wasserhelle Krystalle, angeblich von Raitz in Mähren (?). Kalksinter, traubige Gruppen, verschiedene grosse Stücke. Gypsspath, einzelne Kryst. (Mg!i Dufr.), Zwillinge, 7 Zoll lang, 2 Zoll breit. Mehrere Stücke. Flussspath, blassbräunlich, ein Würfel von 3!1/, Zoll Kantenlänge, mit aufsitzendem, hahnenkammförmigem Barytspath, wahrscheinlich vom Münsterthal i./B. Flussspath, hellblau mit Ueberzug von rostgelb ge- färbten Quarzkrystallen, von Todtnau, Flussspath, hellgrüne Würfel, von Todtnau. Flussspath, rothes und grünes, grobkôrniges Aggregat, von Badenweiler. | Dessgleichen, rosarothe Würfel von ebendaher. Quarz, feindrusig, farblos, mehrere ausgezeichnete Pseudomorphosen nach Barytspathtafeln, von Baden- weiler. Quarz, als drusiger Ueberzug mit Pyromorphit, auf hahnenkammförmigem Barytspath (gross). Quarz, als feindrusiger Ueberzug über Chalzedon, in hohlen Pseudomorphosen nach Flussspathwürfeln von 1/, Zoll Kantenlänge. Amethyst, als Auskleidung grosser hohler Achatgeo- den, von Oberstein. Schöne Stücke. Auf einer Ame- thystdruse sitzt ein grosser, etwas zerfressener Kalk- spathkrystall. . Bergkrystall, wasserhelle, farblose Säulen, zu gros- sen Drusen gruppirt, von Oisans (Dauphinée), in mehrern sehr ansehnlichen Stücken. Bergkrystall, wasserhell, ein Individuum (5 Zoll lang, 3 Zoll dick), an beiden Enden ausgebildet, gewöhn- liche Form (e?PeV, Dufr.). Bergkrystall, farblos, durch das starke Vorherrschen 118 34. 39. 36. Mare 38. 39. 49. von einer Fläche des sechsseitigen Prismas (oder durch das Anreihen mehrerer Individuen in dieser Richtung) tafelförmig, 5 Zoll breit und hoch. Rauchtopas, von 1 Fuss Höhe und darüber, mit zwei Zoll langen Krystallen, vom St. Gotthardt. Rosenquarz, grosses Stück, angeschliffen. . Versteinertes Holz (Holzstein), mehrere Stücke, wo- von eines vorzüglich erhalten. . Grammatit in weissem Dolomit, Kt. Tessin. Hornblende in Talkglimmerschiefer, grosses Stück. Ausserdem eine Anzahl grosser angeschliffener Stücke und Platten von krystallinischen Felsarten der Alpen und des Schwarzwaldes, worunter ausgezeichnete Granite und rothe Quarzporphyre. Dessgleichen an- geschliffene Breccien, Puddingsteine, Kalksintergebilde und dergleichen mehr. Epidot mit Bergkrystall aus der Dauphinee. Grünbleierz von Hofsgrund i./B., gut. Grünbleierz von Badenweiler u. a. O. Weissbleierz, verschiedene grosse Stücke, mit guten Krystallen, namentlich von Badenweiler. Darunter auch Exemplare, welche die Entstehung aus dem be- reits zersetzten Bleiglanz deutlich erkennen lassen. Ein Stück von Geroldseck. Arseniksaures Blei, so genanntes (nach Sandberger von ganz unbedeutendem Gehalt an Arsensäure, an deren Stelle also grösstentheils Phosphorsäure tritt), in orangegelben, grossen, traubigen Aggregaten, von Badenweiler. Ich erhielt s. Z. deutlichen Arsenrauch vor dem Löthrohr. Eisenkies, schön dendritisch, auf Mergelschiefer, von Münsterappel. Brauneisenstein, faseriger, in grosstraubigen, sehr glänzenden Aggregaten. Bin Prachistück. 41. eo Nm = 119 Kobaltblüthe, grosses, schönes Stück, von der Grube Neuglück bei Wittichen. | Kupferlasur, zum Theil in Maiachit umgewandelt, traubig- sialakütisch, aus Ungarn. Mehrere Stücke derselben Art. Kupferglanz, derb, mit Malachit und Brauneisenstein. Kupferkies, grosse derbe Stücke, von Dillenburg im Nassauischen. . Kupferkies, Krystalle, auf Quarzärusen. . Kupferkies mit Kupferindig (ais Ueberzug) und Blei- glanz, von Badenweiler. . Fahlerz mit Rothgiltigerz, von Markirch. Gediegen Quecksilber, in zahlreichen Tröpfchen, in unreinem, erdigem Zinnober, sehr grosses, reiches Stück, wahrscheinlich von Moschellandsberg. Gediegen Gold, in ziemlich grossen blatt- oder blech- förmigen Stücken, auf Kieselschiefer und Breccie, aus Ungarn, ein reiches Stück. II. Stücke von kleinerm Format. Gypsspath, Druse von einfachen Krystall. (Mig!i’“, Dufr., die i Flächen vorherrschend) auf dichtem Gyps, von Herten (Grossh. Baden). Gypsspath, Zwillinge (Mg!i), aus Ungarn. Eisenblüthe, zierlich feinästige Gruppen, in mehrern Exemplaren, von Hüttenberg. Kalkspath, Kryst., von Badenweiler. . Dessgleichen von Andreasberg. Kalkplatten mit Dendriten, zahlreich. Braunspath, Kryst., von Sulzburg. Flussspath, Würfel, von Badenweiler. Barytspath, mehrere hahnenkammförmige Gruppen, von Badenweiler. 120 10. 11. Quarz in Pseudomorphosen nach Flussspath, Würfel von 2 Zoll Kantenlänge. Bergkrystall, Primitivrhomboeder P von 2 Zell Kan- tenlänge, mit ganz zurücktretenden Gegenrhomboeder- flächen eY, und Prismaflächen e?. Im Innern Streifen von Chlorit. Ein seltenes Stück, wahrscheinlich aus dem Kanton Uri. Geschliffene Jaspisse und Achate, zahlreich, von den bekannten Fundorten. Geschliffene krystallinische Felsarten. Labradorstein, schöne geschliffene Stücke, in mehre- ren Exemplaren, von Ingermannland. . Labradorstein, geschliffen, aus Grönland. . Wurmförmiger Chlorit (Helminth ) auf Adular, vom St. Gotthardt. Turmalin, schwarze Kryst., vom St. Gotthardt. Olivin in grobkörnigen Aggregaten (mit Augit und Glimmer) und in zahlreichen losen Körnern, v. Vesuv. Leuzit, einzelne Krystalle, vom Vesuv. Vom Vesuv fand sich auch eine Sammlung von Felsarten in klei- nem Format vor. Granat, in Chlorit übergehend, Krystall von 2 Zoll Durchmesser, vom Kt. "Tessin. Speerkies in Zwillingen, vom Harz. Grünbleierz, von Groppach. . Weissbleierz, Kryst., zahlreiche Exempl., von Baden- weiler. . Malachit mit Kupferlasur, von Badenweiler. Gediegen Kupfer, dendritisch kryst., in Kupferschiefer, von Mannsfeid. . Kupfervitriol, kryst., von Chessy bei Lyon. . Kupferglimmer mit Phosphorochalzit in Quarz, von Rheinbreitenbach am Rhein. Gediegen Kupfer, von ebendaher. u 121 29. Speiskobalt, stalaktitisch, aus Hessen. 30. Eisenglanz, in dünnblättrigen Krystallgruppen, welche an bessern Stücken die pseudomorphe Gestalt einer spitzen tetragonalen Pyramide darstellen, vom Vesuv. (Vergleiche die Beobachtungen Volgers ) 31. Eisenkies in Pentagondodekaedern und andern com- plizirtern Formen, von Dillenburg. 32. Zinkblende, von Lauterthal im Harz. 33. Ausserdem noch die meisten bekannten Erze. In der Linder’schen Sammlung waren besonders die Mineralien und Erze von der Grube Hausbaden bei Baden- weiler, die bekanntlich seit Jahren verlassen ist, schön und zahlreich vertreten. Es hat diess um so grössern Werth, als diese hübschen Vorkommnisse jetzt schwer mehr zu bekommen sind. Merkwürdiger Weise fehlte aber das schwefeisaure Blei (Bleivitriol), während das kohlensaure Blei (Weissbleierz) in stattlichen Exempl. vertreten war. Unter den, dem Museum in den letzten Jahren zuge- kommenen Geschenken verdient auch eine schöne Suite von Manganerzen aus Thüringen (Braunit, Manganit, Hausman- nit, Pyrolusit, Psilomelan) Erwähnung, die wir Herrn Dr. Hellmann in Gotha verdanken. ANATOMIE. Ueber Lymphgefässe in den nervösen Centralorganen. Von Herrn Prof. Hıs. Betrachtet man einen Querschnitt des Rückenmarks, so erkennt man an demselben folgendes: Zwei halbeylin- drische Seitenhälften hängen in der Mittellinie durch einen schmalen Verbindungsstreif, die sog. Commissur, zusammen. inmitten dieser liegt ein feiner, von Epithel ausgekleideter Kanal, der Centraikanal. Die zwei Seitenhälften sind vorn aurch eine Spalte geschieden, in weiche eine Fortsetzung der innersten Hülle des Marks, der Pia mater, sich ein- schiebt; hinter der Commissur findet sich zwar gleichfalls eine Fortsetzung der Pia mater zwischen beiden Seiten- hälften eingeschoben, allein die Spaite ist nicht ausgebildet. In jeder Markhälfte wird der innere Raum von grauer Sub- stanz eingenommen, welche im Groben die Form eines Halbmonds besitzt und an der man die vordere Abtheilung als Vorderhorn, die hintere als Hinterhorn bezeichnet. Aus der Spitze des Vorderhorns treten die vordern, aus der des Hinterhorns die hintern Nervenwurzeln zur Oberfläche des Marks. Rings um die graue Substanz herum liegt die weisse, welche beinahe durchweg aus longitudital verlaufenden Nervenfasern besteht. Theils von der grauen Substanz aus, theils von der Oberfläche des Markes her sieht man strah- = 123 lenförmige Fortsätze in die weisse Substanz eintreten, wel- che zum grösseren Theil Gefässe zu kleinern, auch Nerven- fasern bergen. Die Nervenzellen des Marks liegen alle in der grauen Substanz und zwar die grössten, mächtigsten derselben in der Spitze und im Seitentheil der Vorder- hörner. Soweit erlaube ich mir zur Orientirung Bekanntes zu rekapituliren. An jedem Querschniite nun freien auch ge- wisse Spaltbildungen auf, welche zwar schen vielfach ge- sehen und selbst abgebildet worden sind, welche man in- dess wohl stets für Kunstprodukte angesehen und desshalb nicht besonders beachtet hat. Die Spalten laufen in der weissen Substanz meist strahlig, obwohl sie auch häufig sich verzweigen und anastomosiren; in der grauen Substanz sind sie dichter gedrängt und weniger regelmässig gela- gert. Dagegen, dass diese Spalten Kunstprodukte seien, spricht mancherlei; sie sind steis scharf begränzt und von einer verdichteten Substanzschichte eingefasst, sie verlau- fen stets in derselben gesetzmässigen Weise und fehlen auch dann nicht, wenn der Schnitt mit aller erdenkbaren Sorgfalt geführt ist. Sie erinnern zunächst auf das leb- hafteste an ähnliche Spaltensysteme der Darmschleimhaut, von welchen ich der Gesellschaft früher einmal sprach und welche nichts anderes sind, als Lymphräume. Ich ver- suchte nun durch einen Einstich in das Mark jene Spalt- räume zu injiciren, und gleich die ersten Versuche gaben ein völlig befriedigendes Resultat. Ich erhielt Anfüllung eines zierlichen Netzes, das in der grauen Substanz aus- nehmend dicht ist, während es in der weissen zwar min- der dicht, dafür aber von grössern verzweigten Röhren gebildet wird. Hinsichtlich dieses injicirten Netzes stellte sich nun bald heraus, dass die Kanäle, aus denen es be- steht, allenthalben Blutgefässe umgeben. Auch jene eben besprochenen Spalten lassen je in ihrem Innern Gefässe 124 erkennen, bald längs verlaufende, bald quer durchschnittene. Umgekehrt zeigte die genauere Beobachtung, dass jedes stärkere, ja selbst jedes feinere Blutgefäss die eigentliche Marksubstanz nicht unmittelbar berührt, sondern durch einen hellen Saum von ihr getrennt bleibt. Wir können sonach die fraglichen injicirten Räume als perivaskuläre Räume bezeichnen. Pas Verhältniss der perivaskulären Räume zu den Gefässen lässt sich schon an nicht injicirten Organen erkennen, noch besser aber an solehen mit doppelter In- jeetion und an Präparaten, die mit Höllensteinlösung inji- cirt waren. Die Blutgefässe haben ihre eigene bindege- webige Adventitia, diese aber steht mit der Wandung des umgebenden Kanales nicht in der geringsten Verbindung. Wohin führen nun die Kanäle? Injieirt man das frische Rückenmark durch einen Einstich, so tritt die ein- gespritzte Masse einestheils am Querschnitt, anderntheils an der Oberfläche des Organes bald zum Vorschein. Der Austritt am Querschnitt erfolgt um die Stellen herum, an welchen grössere Blutgefässstämme durchschnitten sind, so besonders in der Umgebung der beiden Längsgefässe jeder- seits vom Centralkanal. Der Austritt an der Oberfläche des Marks erfolgt unter der Pia mater und in der vor- dern Längsspalte an einzelnen Punkten oder feinen Spal- ten; einmal unter der Pia angelangt, breitet sich aber die Masse rasch nach auf- und abwärts und nach den Seiten hin aus. An Gehirndurchschnitten zeigen sich, ähnlich wie an den Rückenmarksdurchsehnitten, alle Gefässe von einem hellen Saum umgeben. Um querdurchschnittene Gefässe bildet der Saum eiren Ring, längs verlaufende Gefässe wer- den seitlich von demselben begleitet, so indess, dass die Gefässe häufig geschlängelt verlaufen, während der begrän- zende Saum gestreckt ist. Auch am Gehirn ist der das Gefäss umgebende Raum scharf von der Hirnsubstanz ab- 125 gesetzt und letztere steht mit der Adventitia des Blutge- fässes in keiner Verbindung. Häufig sieht man daher auch an dünnen Schnitten das Blutgefäss aus seiner Höhle her- ausgefallen und letztere präsentirt sich sonach als einfaches Loch im Gewebe. Dass die fraglichen Erscheinungen nicht etwa nur von der Erhärtung des Gehirns durch Alkohol oder Chromsäure herrühre, das geht daraus hervor, dass man dieselben Bilder wie vom erhärteten, auch vom fri- schen Gehirn erhält. In dem letztern kann man, theils mit der Loupe, theils von blossem Auge, schon die Kanäle in der Umgebung der Blutgefässe wahrnehmen. Die Demon- stration der perivaskulären Kanäle des Gehirns gelingt nun auch auf dem Wege der Injection. Im ganzen Bereich des Gehirns, besonders aber in den grauen Abschnitten, dringt auf dem Wege der Einstichsinjection die Masse in ver- zweigte Röhren ein, welche um die Blutgefässe herum lie- gen; die Weite dieser Röhren steigt und fällt mit der Weite der eingeschlossenen Blutgefässe, in der Regel ist ihr Durchmesser etwa dreimal so gross, als der Durch- messer des Gefässes. Die weitesten perivaskulären Röh- ren finden sich im Corpus striatum und unter der taenia semicircularis. Es fragt sich nun, sind die perivaskulären Kanäle wirk- lich zum Lymphsystem gehörig? Ihre Vertheilung, ihr Mangel an einer selbstständig isolirbaren Wand spricht im Ganzen dafür, ja selbst ihr Verhalten zu den Blutgefässen erinnert an das analoge Verhalten von Lymphgefässen zu Blutgefässen in andern Organen. Immerhin wird es für ihre Natur nur entscheidend sein, wenn ihr Zusammenhang mit constatirten Lymphgefässen nachgewiesen wird. Als solche kennen wir die von Fohmann und von Fr. Arnold injicirten Lymphgefässe der Pia mater cerebri, welche in dieser Membran ausnehmend dichte Netze bilden. Diesel- ben sind leicht zu injiciren, wenn man dicht bei einem der e 126 Blutsefässe der Pia einsticht; löst man die injicirten Mem- bran ab und betrachtet jene bei schwacher Vergrösse- rung, so erkennt man, dass sie überall in ihrem Innern ‘Blutgefässe bergen. Diese Lymphgefässe der Pia mater lassen sich nun wirklich von den perivaskulären Kanälen des Gehirns aus injieiren. Spritzt man nämlich Masse durch einen Einstich in die Hirnrinde, so tritt die Masse an ein- zelnen Punkten zur Oberfläche, breitet sich hier in vielfach confluirenden Strömen erst unter der Pia mater aus, dann aber tritt sie in die Kanäle der Pia selbst ein und sehrei- tet in diesen vorwärts, Als Verbindungsglied zwischen den perivaskulären Kanälen des Gehirns und den Lymphkanä- len der Pia mater erscheint sonach ein weites Lacunen- system, das zwischen der Pia mater und der Gehirnober- fläche liegt. Senkrechte Schnitte durch das Gehirn und seine Häute lassen diesen Zusammenhang der verschiedenen Flüssigkeit führenden Räume direct erkennen, sowie er aus der Injection erschliessbar ist. Beim Gehirn ebenso, wie beim Rückenmark, hängt die Pia mater nicht anders als durch die austretenden Blutgefässe mit dem unterliegenden Organ zusammen. Während für das Gehirn ausführende Lymphgefässe demonstrirbar sind, scheinen sie für das Rückenmark zu fehlen, denn so wenig als einem meiner Vorgänger ist es mir gelungen, solche zu injiciren. Die Flüssigkeit der pe- rivaskulären Kanäle des Rückenmarks hat daher nur einen indirecten Abfluss entweder unter der Pia durch und längs der grössern Längsgefässe nach dem Gehirn, oder durch. die Pia hindurch nach dem Liquor cerebrospinalis. Physiologisch bietet die besprochene Einrichtung der perivaskulären Kanäle mancherlei Interesse, einmal ist klar, dass die fraglichen Kanäle in erster Linie die Reservoirs für das ernährende Bluttranssudat sind, welches im Gehirn und Rückenmark nicht wie in andern Organen des Körpers 127 in einem quellungsfähigen Bindegewebe leichte Aufnahme findet. Sodann aber werden sie dadurch wichtig, dass sie, ähnlich der Cerebrospinalflüssigkeit selbst, die mechanische Einwirkung der Blutbewegung auf die nervösen Central- theile mindern oder aufheben und eine direete Abhängig- keit zwischen sämmtlichen in Schädel und Rückenmarks- höhle vorhandenen Flüssigkeiten herstellen. Embryologisch ist es von besonderm Belang, dass das aus dem obersten Keimblatt hervorgehende centrale Nervensystem in Wirk- lichkeit nirgends mit Blutgefässen in Continuität steht, son- dern diese ein ganz selbstständiges, mit der, dem mittlern Keimblatt angehörigen Pia mater verbundenes System bilden. Aehnliche Einrichtungen, wie im Gehirn, scheinen auch in der Netzhaut des Auges sich zu finden. in der Sitzung vom 17. Juni 2863 und vom 16. Merz 1864 berichtet Prof. His über seine in Verbindung mit Prof. Rütimeyer vorgenommenen Untersuchungen schweize- rischer Schädelformen. Das Material, das den Unter- suchungen zu Grunde lag, stammt theils aus alten Gräbern und Pfahlbauten, theils aus modernen Grabstätten und Bein- häusern. Von Sammlungen älterer Schädel sind vor Allem wichtig diejenige des Herrn Troyon in Lausanne, meist aus altburgundischen Gräbern stammend, diejenige des Solo- thurner Museum aus Gräbern des V. Jahrhunderts am Hoch- berg und bei Grenchen, und die kleine Sammlung von Pfahl- bautenschädein des Herrn Oberst Schwab in Biel. Einzelne werthvolle Stücke finden sich auch im Besitz der Herren Desor und Zschokke, sowie in den Museen von Bern und Zürich. Die naturhistorische Sendung der untersuchten alten und modernen Schädel ergab vier Haupttypen, von welchen drei dolichocephal, einer brachycephal ist. Diese vier Ty- 128 pen wurden als Sion-Typus, Hochberg-Typus, Belair-Typus und Disentis-Typus unterschieden. Der Sionschädelist lang, breit, mit mächtigem, kug- lig gerundetem Hinterhaupt, schwach hervortretenden Pa- rietalhöckern und gerundetem Scheitel (ohne Sagittalkrista). Die Augbraunenbogen sind stark entwickelt, die Nasenwur- zel tief eingesetzt, die Augenhöhlen niedrig, die Jochbo- gen breit. Der Hohbergschädei ist sehr lang und schmal, das Hinterhaupt lang, pyramidal zugespitzt; die Scheitel- höcker sind verstrichen, die Sagittalkrista stark entwickelt, die Schädelhöhe ist meist grösser als die Breite; das Ge- sieht ist lang und schmal, über der Nasenwurzel bilden die zusammenfliessenden Augbraunenbogen einen starken mitilern Wulst, die Augenhöhlenöffnungen sind hoch. Der Belairschädel ist nur mässig dolichocephal, besitzt gleichfalls einen winklig abgesetzten Hinterkopf, niedrige Stirn, breiten, flachen Scheitel, ohne Crista sagit- talis. Das Gesicht ist breit, die Augbraunenbogen fehlen, der Nasenrücken bildet mit der Stirnfläche nur einen ge- ringen Winkel. Der Disentisschädel ist kurz und breit, beinahe eubisch, sein Hinterhaupt fäilt fast senkrecht ab, die Schei- telhöcker sind stark entwickelt, die Sagittalerista nur mäs- sig, die Augbraunenbogen sind schwach, die Nasenwurzel wenig eingezogen. Die Mittelmaasse der vier Schädelformen sind fol- gende: Absolute Maasse. Länge. Höhe. Gr. Breite. Hinter- haupt-Länge. Sion-Typus. . 187.7 140.6 144.8 86.5 Hohberg-Typus 192.0 140.7 135.8 92.5 Belair-Typus 181.8 131.4 134.2 = Disentis-Typus 170.9 139.6 147.6 75.7 129 Verhältniss-Zahlen. H.: L. Br H.3 Br. Hhl.: L. Sion-Typus. . . 749 77.2 97.1 46.1 Hohberg-Typus . 73.3 70.7 103.6 48.2 Belair-Typus - . 72.3 13.8 97.9 — Disentis-Typus . 81.8 86.5 94.6 44H Von diesen vier Formen reicht die Sionform unzwei- felhaft schon in die vorrömische Zeit hinauf; nicht nur ge- hören ihm fast alle bekannt gewordenen Schädel aus alt- helvetischen Gräbern an, sondern auch die wenigen un- zweifelhaft alten PfahlBautenschädel, die man bis dahin gefunden hat. * Weiterhin hat sich aber die Sionform durch alle nach- folgenden Zeiten bis auf unsere erhalten; in der West- und Mittelschweiz spielt sie heute eine mehr untergeord- nete Rolle; etwas reichlicher dagegen findet sie sich in der Ostschweiz und besonders in gewissen Theilen des Cant. Graubündten. Es scheint diese Form die alt-helve- tische und zugleich auch die alt-rhätische*) zu sein. Die Hohbergform tritt mit Sicherheit erst in den rö- mischen und nachrömischen Gräbern auf, in erstern in ver- hältnissmässig bedeutender Reichlichkeit; sie stimmt so viel bekannt völlig mit der alt-römischen Form überein und scheint sonach erst durch die Römer importirt. Die Belairform, bis jetzt nur in wenigen Vertretern bekannt, hat sich in der Schweiz nur in alt-burgundischen Grabstätten gefunden und scheint sonach burgundischen Ursprung zu haben. Wie weit die Disentisform historisch hinaufreicht, ist schwer zu sagen; einige wenige Funde lassen vermuthen, auch sie haben schon in vorrömischen Zeiten sich gefun- *) Ueber die Bedeutung der Sionform als alt-rhätische vergl. die Verhandl. der schweiz. naturf. Gesellschaft in Zürich, 1864. 9 130 den und man könnte darum im Anschluss an manche neuern Theorien behaupten, sie sei die Form der vorceltischen Ureinwohner des Landes; indess sind die Funde vorrömi- scher Disentisschädel noch zu vereinzelnt und unsicher, um solch weitgehende Schlüsse zu begründen. Gegenwärtig ist die Disentisform von allen Schädelformen der Schweiz bei Weitem die verbreitetste, besonders in der Mittel- und Westschweiz umfasst sie über ?/; der Bevölkerung. Diese Form findet sich aber auch sehr verbreitet im südlichen Deutschland, und da bekanntlich die Bevölkerung der West- und Mittelschweiz zum grossen Theil von den im V. Jahr- hundert in’s Land eingefallenen Alemannen abstammt, so ist anzunehmen, dass auch die so grosse Verbreitung der Disentisform in der Schweiz erst von dieser Periode an sich datirt. Die Annahme von Retzius und von v. Bær, dass die kurzköpfige Disentisform die ursprünglich rhätische Form . sei, lässt sich nach den von Prof. His in Bündten selbst vorgenommenen Untersuchungen nicht begründen; in Grau- bündten nämlich kommt diese Form sparsamer vor, als in der westlichen Schweiz; an einzelnen Orten tritt sie un- sefähr zu gleichen Theilen mit der Sionform auf, an an- dern dagegen tritt sie hinter dieser stark zurück; da wo sie reichlicher auftritt, lässt sich auch historisch deutsche Einwanderung nachweisen, während für die Einwanderung des Sionelementes wenig sich vorbringen lässt. Es scheint sonach auch in Graubündten die Sionform von der ältern, “ die Disentisform von der nachträglich eingewanderten Be- völkerung herzurühren. Mischformen kommen zwischen den typischen Formen genugsam vor, in der Regel lassen sich dieselben bei eini- ger Uebung leicht auf ihre constituirenden Formen reduci- ren; am reichlichsten natürlich finden sich die Sion-Disen- tis-Mischlinge und Hohberg-Disentis-Mischlinge, seltener 131 die übrigen Bastardformen. Indess ist bemerkenswerth, dass in der Regel diese Mischformen auch in den moder- nen Beinhäusern hinter den reinen Formen zurücktreten. Es muss also den typischen Formen eine Zähigkeit inne wohnen, die deren Charakter trotz aller Vermischung im- mer wieder zur Geltung bringt. 9 CHEMIE. Ueber die nächste Ursache der alkalischen Gährung des Menschenharnes. Von €. F. ScHÖNBEIn. Meines Wissens wird angenommen, dass es der Bla- senschleim sei, welcher den im Urin enthaltenen Harnstoff zur Wasseraufnahme bestimme und dadurch die alkalische Gährung jener Flüssigkeit verursache. Da aber nach mei- nen eigenen und den Erfahrungen anderer Chemiker der normale Harn bei gewöhnlicher Temperatur oft wochenlang stehen muss, bevor er seine Sauerheit verliert. und alkalisch wird, so liess mich dieser Umstand vermuthen, dass der besagte Schleim als solcher die ihm zugeschriebene Wir- kung entweder gar nicht oder dech nur in einem sehr schwachen Grade hervorzubringen vermöge und es daher eine andere, in dem Harn allmählig sich bildende Materie sei, welche bei der alkalischen Gährung des Urins die Hauptrolle spiele. In meiner letzten Mittheilung über den menschlichen Harn ist gezeigt worden, dass derselbe noch unter Beibe- haltung seiner Sauerheit nach längerem Stehen nitrithaltig werde und die Bildung des salpetrichtsauren Salzes die Folge einer reducirenden Wirkung sei, welche die im Harn entstehenden Pilze auf das in ihm schon ursprünglich ent- haltene Nitrat hervorbringen, und da der Harn erst dann 133 alkalisch wird, nachdem in ihm die besagten Organismen reichlich gehildet sind, so musste ich es für wahrschein- lich halten, dass die Letztern es seien, welche auch die alkalische Gährung des Harnes einleiten. Und die über diesen Gegenstand von mir angestellten Untersuchungen ha- ben zu Ergebnissen geführt, weiche an der Richtigkeit die- ser Vermuthung kaum zweifeln lassen, wie diess die nach- stehenden Angaben zeigen werden. Der Bodensatz eines alten und stark alkalisch gewor- denen Harnes, dem grössern Theile nach aus Pilzmaterie bestehend, wurde so lange mit Wasser ausgewaschen und geschlemmt, bis er nicht nur von seinen löslichen Salzen, sondern auch von den übrigen in ihm noch vorhandenen festen Materien (Harnsäure, deren Salzen u. s. w.) so gut als völlig befreit war und unter dem Mikroscop ein Hauf- werk fadenförmiger Pilze darstellte. Selbstverständlich reagirte diese organisirte Substanz weder sauer noch al- kalisch, wie sie auch nicht den geringsten Geruch zeigte. Wurden die so behandelten Pilze mit verhältnissmäs- sig kleinen Mengen frisch gelassenen und deutlichst sauer reagirenden Harnes übergossen, so kam schon nach weni- gen Minuten der bekannte urinose Geruch des gefaulten Urines zum Vorschein und führte man von Minute zu Mi- nute einen Streifen blauen Lakmuspapieres in die so be- umständete Flüssigkeit ein, so sah man deren Sauerheit rasch sich vermindern und nach kurzer Zeit nicht nur gänzlich verschwinden, sondern den Harn alkalisch reagi- ren, während der urinose Geruch immer stärker sich ent- wickelte. Versteht sich von selbst, dass die beschriebenen Veränderungen um so früher bemerklich werden, je kleiner die Menge des Harnes im Verhältniss zu derjenigen des bei dem Versuch angewendeten Pilzstoffes ist. Bedeckt man Letztern in einem kleinen Fläschchen nur mit so viel frischem Harn, als eben nöthig ist, um denselben stark an- 134 zunetzen, so wird ein in dem Versuchsgefäss aufgehangener Streifen schwach gerötheten Lakmus- oder gelben Curcu- mapapieres schon nach 20 — 25 Minuten der Erstere ge- bläut, der Letztere gebräunt erscheinen in Folge des unter diesen Umständen in dem Harne gebildeten und aus ihm verdampfteu kohlensauren Ammoniakes. Rascher noch werden diese Reactionen erhalten, wenn man auf einem flachen Uhrschälchen die Pilzmaterie mit Harn annetzt und darüber ein gleiches Schälchen legt, an dessen Innenseite ein feuchtes Stück schwach gerötheten Lakmus- oder gelben Curcumapapieres haftet, unter wel- chen Umständen ich diese Reagenspapiere schon nach 6 bis 8 Minuten sich bläuen oder bräunen sah. Ein solches Ver- halten der Pilzmaterie zum frischen Harn liess vermuthen, dass dieselbe auch den reinen in Wasser gelösten Harn- stoff schon bei gewöhnlicher Temperatur in kohlensaures Ammoniak überführen werde, was in Wirklichkeit auch geschieht. Wird auf einem Uhrschälchen die Pilzmaterie mit der besagten Harnstofflösung angenetzt und bedeckt man sofort dasselbe mit einem andern Sehälchen, in welchem die vor- hin genannten Reagenspapiere liegen, so wird schon nach wenigen Minuten das Eine sich zu bläuen, das Andere zu bräunen anfangen, und stellt man den gleichen Versuch in einem kleinen verschlossenen Fläschchen an, so ist das- selbe schon nach einer Viertelstunde mit einem deutlichen Ammoniakgeruch erfüllt, der aber durchaus nichts Urinoses ‘ an sich hat. Die allereinfachste Art, von der fermentarti- gen Wirksamkeit der Harnpilze sich zu überzeugen, be- steht darin, dass man hievon eine kleine Menge auf ein mit wässriger Harnstofflösung getränktes Stück gelben Cur- cuma- oder gerötheten Lakmuspapieres bringt, unter wel- chen Umständen schon nach Verlauf weniger Sekunden Er- steres einen deutlich braunen, Letzteres einen blauen Fieck 135 CA da zeigt, wo die Pilzmaterie aufgelegen hatte, aus welcher Thatsache erhellt, dass die Umsetzung des wässrigen Harn- stoffes in kohlensaures Ammoniak in dem Augenblicke be- ginnt, wo die Pilzmaterie mit dem Caramid und Wasser in Berührung tritt. Selbstverständlich verhalten sich in glei- cher Weise auch die mit frischem Harn getränkten Rea- genspapiere zu den Harnpilzen, mit dem Unterschiede je- doch, dass in diesem Falle : die alkalische Reaction nicht so rasch wie in dem Vorigen eintritt. Die Thatsache, dass unter sonst gleichen Umständen der frische normale Harn die ammoniakalische Reaction später zeigt, als diess die reine Harnstofllösung thut, er- klärt sich einfach aus der ursprünglichen Sauerheit der erstgenannten Flüssigkeit. In beiden Fällen entsteht sicher- lich beim Zusammentreffen des Harnstoffes mit der Pilz- materie sofort auch kohlensaures Ammoniak, welches Salz im Harn aber erst dann auftreten kann, wenn die Säure dieser Flüssigkeit durch das entstandene Ammoniak voll- ständig gesättiget ist. Aus den angeführten Thatsachen ergibt sich nun, dass die Materie der Harnpilze in einem hohen Grade das Ver- mögen besitzt, schon bei gewöhnlicher Temperatur den Harnstoff zu bestimmen, mit Wasser rasch in kohlensaures Ammoniak sich umzusetzen, wesshalb wir auch die besagte Materie, dem Harnstoffe gegenüber, als eines der wirksam- sten Fermente betrachten und annehmen dürfen, dass eben sie es sei, welche die alkalische Gährung des Harnes ein- leite. In welcher Weise die Pilze den Harnstoff und das Wasser zu dieser chemischen Thätigkeit anregen, weiss ich eben so wenig anzugeben, als ich zu sagen vermag, wesshalb überhaupt die Fermente Gährungen veranlassen oder warum durch die blosse Gegenwart des Aldehydes das Cyan bestimmt wird, mit Wasser zu Oxamid zusam- men zu treten. 136 Wobhlbekannt ist, dass gefaulter Harn zu frischem ge- fügt die alkalische Gährung des Letztern beschleunige und die unrein gehaltenen Nachttöpfe die gleiche Wirkung her- vorbringen, welche Thatsache ihre Erklärung in der An- nahme findet, dass in beiden Fällen auch wieder die Pilz- materie die erwähnte Veränderung des Harnes verursacht. Schon vor einiger Zeit habe ich auf die merkwürdige Thatsache aufmerksam gemacht, dass allen bis jetzt bekannt sewordenen Fermenten das Vermögen zukomme, das Was- serstofisuperexid in Sauerstoff und Wasser zu zerlegen, und ich will hier nicht unerwähnt lassen, dass auch die Materie der Harnpilze keine Ausnahme von der Regel macht, indem dadurch HO, ziemlich lebhaft katalysirt wird. Ebenso ist früher von mir die allgemeine Thatsache her- vorgehoben worden, dass Jedes der bekannten Fermente, durch irgend ein Mittel einmal seines gährungserregenden Vermögens beraubt, auch nicht mehr die Fähigkeit besitze, das Wasserstoffsuperoxid zu zerlegen. So verhält es sich nun auch mit der besagten Pilzmaterie, welche mit kochen- dem Wasser nur wenige Augenblicke in Berührung gelas- sen, hierdurch wie ihre Fähigkeit, den Harnstoff in koh- lensaures Ammoniak überzuführen, so auch das Vermögen verliert, HO, zu katalysiren, welche Thatsachen es in einem hohem Grade wahrscheinlich machen, dass den beiden er- wähnten Wirkungsweisen der Fermente die gleiche Ur- sache unterliege, eine Ansicht, "welche ich schon früher ausgesprochen habe und von der ich glaube, dass sie der Beachtung des wissenschaftlichen Chemikers nicht ganz un- werth sei, wie dunkei uns auch dermalen noch der causale Zusammenhang zwischen den beiden erwähnten Wirksam- keiten erscheinen muss. Schliesslich will ich noch einige Bemerkungen über den urinosen Geruch machen, welcher bei der alkalischen Gährung des Harnes zum Vorschein kommt und dessen Ur- ve 137 sache, wie ich glaube, noch nicht vôllig erkannt ist. Dass derselbe nicht blos von kohlensaurem Ammoniak herrühre, geht schon daraus hervor, dass der Geruch dieses Salzes im Zustande der Reinheit nicht vollkommen demjenigen des gefaulten Harnes gleicht, und dieselbe Folgerung lässt sich aus dem Umstande ziehen, dass ammoniakalisch geworde- ner Harn, auch nachdem er mit einer Säure z. B. SO, ge- sättiget werden, immer noch einen eigenthümlichen Geruch zeigt, verschieden von demjenigen des gleichen Harnes, weicher nicht neutralisirt worden. Es kann desshalb kein Zweifel darüber walten, dass der urinose Geruch des ge- faulten Harnes ein gemischter sei, theils von Ammoniak, theils von einer andern (vielleicht mehreren) flüchtigen Materie herrührend, die, wie das kohlensaure Ammoniak selbst, das Zersetzungserzeugniss irgend einer schon im frischen Harn enthaltenen Substanz ist und gleichzeitig mit dem Harnstoff zerlegt wird. Ich halte es für wahrschein- lich, dass die fragliche Materie eine schwefelhaltige Ver- bindung sei und zwar desshalb, weil Papierstreifen mit einer Blei- oder Silbersalzlösung getränkt und in einer Flasche aufgehangen, worin stark alkalisch gewordener Harn u. s. w. neutralisirt worden, sich bald deutlich bräu- nen. Vergleicht man nun mit Bezug auf Geruch und che- misches Verhalten die in Rede stehende Materie mit der- jenigen, welche beim Schütteln des frischen Harnes mit amalgamirten Zinkspähnen zum Vorschein kommt (man sehe meine Abhandlung: „Ein Beitrag zur nähern Kenntniss des menschlichen Harnes“), so kann man kaum umbin, beide für die gleiche Substanz zu halten und desshalb zu ver- muthen, dass die übel riechende Materie aus der Zersetzung eines schwefelhaltigen organischen Harnbestandtheiles her- vorgehe, auf dessen Vorhandensein früher schon Städeler u. À, m., in neuerer Zeit auch Pettenkofer und Voit auf- merksam gemacht haben, ohne dass es aber diesen Che- 138 mikern bis jetzt gelungen zu sein scheint, die chemische Zusammensetzung der fraglichen Substanz .genau zu be- stimmen. Ob nun dieser schwefelhaltige Harnbestandtheil eben- falls durch eine fermentartige Einwirkung der Harnpilze zerlegt werde, d. h. ähnlich dem Harnstoff eine Art von Gährung erleide, oder ob das in Folge der Zersetzung des letztgenannten Körpers auftretende kohlensaure Ammoniak im Entstehungsmomente auf den besagten Bestandtheil ein- wirke, oder auf welche andere Weise die übelriechende Materie in dem gleichen Augenblick entstehe, wo der wässrig gelöste Harnstoff des Urins in kohlensaures Am- moniak umgesetzt wird, darüber lässt sich dermalen noch Nichts sagen und kann diese Dunkeiheit des Gegenstandes nur durch weitergehende Untersuchungen aufgehellt werden. PALÆONTOLOGIE. Neue Beiträge zur Kenntniss des Torfschweins. Von Prof. L. RÜTIMEYER. Seit meinen ersten Angaben über die Anwesenheit von zwei unter sich wesentlich verschiedenen Formen des Schweines in den ältesten Pfahibauten der Schweiz (1860, Untersuchung der Thierreste aus den Pfahlbauten) und seit der zoologischen Darstellung der neuen, unter dem Namen des Torfschweins aufgestellten Form (1861, Fauna der Pfahlbauten) ist die Frage über die Quellen der europäi- schen Raçen des Schweins vielfach besprochen worden. Vorerst mehrten sich in und ausserhalb der Schweiz die Zeugnisse für das Dasein des Torfschweins in so reichli- chem Maass, dass jetzt wohl alle die anfänglich geäusser- ten Zweifel an seiner Verschiedenheit vom Wildschwein als verschwunden zu betrachten sind. Ich selbst hatte durch vielfältige Zusendungen von Knochensammlungen nicht minder reichliche Gelegenheit, meine frühern Angaben zu bestätigen und zu vervollständigen, so dass ich jetzt im Falle wäre, weit werthvollere Belegstücke für dieselben aufzuführen, als diess noch in den Tafeln zur Fauna der Pfahlbauten möglich war. Das Interesse, welches die Thierwelt dieser alten Pe- riode gefunden hat, mag es daher rechtfertigen, wenn ich diese neuen Materialien hier wenigstens bespreche, obschon 140 ich der gegenwärtigen Mittheilung keine Abbildungen bei- fügen kann. Den wichtigsten Beitrag erhielt indess dieser Gegen- stand durch die Veröffentlichung der „Vorstudien zur Ge- schichte und Zucht der Hausthiere, zunächst am Schweine- schädel”, von Hermann von Nathusius (Berlin 186%), unbe- dingt die sorgfältigste, vollständigste und auch in Bezug auf Darstellung glänzendste osteologische Monographie, die bisher irgend einem Hausthiere zu Theil geworden ist. Niemand war auch mehr berufen, den heutigen Stand un- seres Wissens über Geschichte und Zucht von Hausthieren darzulegen, als der Verfasser der genannten Schrift, der „aus Neigung Zoolog, nach Beruf Thierzüchter“, sowohl an objectivem Material als an Litteratur und eigner Erfah- rung in diesem Gebiet wohl über die reichsten Hülfsmittel verfügt, die gegenwärtig irgend einem Einzelnen zu Gebote stehen. Obschon es nicht in meinem Plane liegen kann, über diese durch treffliche Methode so sehr als durch Voll- ständigkeit ausgezeichnete Arbeit, welche jedem Zoologen die wesentlichsten Dienste leisten wird, einen Bericht zu geben oder ein Urtheil zu fällen, so mag es doch am Platze sein, auf die wichtigsten Resultate derselben hier aufmerk- sam zu machen und meine seitherigen Erfahrungen auf dem behandelten Gebiet beizufügen, um so mehr, da ich mich im Stande sehe, einige der wesentlichen Lücken, welche die sehr fragmentaren Ueberreste des Torfschweines in der Kenntniss dieses Thiers auch Nathusius gelassen haben, theilweise auszufüllen. Der einleitende Abschnitt über Entwicklung und Wachs- thum des Schweineschädels bietet schon eine Menge der werthvollsten Resultate, welche vollkommen neu sind, und Gesichtspunkte, welche bei jeden künftigen ähnlichen Ar- beiten nicht vernachlässigt werden dürfen. Die Untersu- 141 chung des Zeitpunkts, in welchem am Skelet nicht nur etwa die Merkmale der Racen, sondern geradezu diejeni- sen der Species und des Genus auftreten, kann die frucht- barsten Folgen haben, und es ist kaum zu zweifeln, dass ähnliche Wirkungen, wie Nathusius für die Schädelform gewisser Schweineragen aus ihrer Trächtigkeitsdauer ab- leiten konnte, sich auch unter wilden Thieren werden auf- finden lassen; ja es frägt sich, ob nicht gerade solche Ver- hältnisse, zur Norm gewordene Frühreife oder Spätreife der Jungen, in vielen Fällen die Quelle sein könnten von gewissen Schlägen und Racen, die auch unter wilden Thie- ren sehon hier und da bemerkt worden sind. Wie wichtig die specielle und schrittweise Verfol- gung des Wachsthums jedes einzelnen Knochens oder ge- wisser Partieen des Schädels, wie sie Nathusius am Schwein durchführt, für die Beurtheilung der schliesslichen Schä- delform sein müsse, scheint so einleuchtend, dass wir uns Angesichts der Früchte dieser Untersuchung, welche im Verlauf der Nathusius’schen Schrift so reichlich zu Tag treten, verwundern müssen, dass dies in Wahrheit die erste methodische Arbeit über Schädelbildung ist, welche sich auf eine bestimmte Species beschränkt. Möchten nur bald fernere ähnliche Arbeiten nachfolgen; denn dass dieselbe Arbeit, wenn auch nicht für jede Species, so doch für Speciesgruppen von gemeinsamem Gepräge wiederholt wer- den muss, leuchtet eben so gut ein, als dass sich auch hieraus für Motivirung mancher Species- oder Genus-Merk- male, die schon hier und da als arrets oder als exces de développement beurtheilt wurden, die werthvollsten An- haltspunkte werden gewinnen lassen. Auch die von Nathusius angewendete Art der Messung des Schweineschädels kann Niemand bereitwilliger aner- kennen aïs ich, den die unglückliche Sitte der Pfahlbauern, ihre Schlachtthiere so gründlich auszunützen, nöthigte, alle 142 diejenigen Messungen aufzusuchen, welche sich auf die grösste Zahl der erhaltenen Schädelfragmente anwenden liessen. Eine einzige Messung, die Nathusius vorschlägt, scheint mir mit Recht anfechtbar zu sein; es ist dies die Position 18 seiner Tabelle, d. h. die Messung der Quer- achse des Gesichts an seiner engsten Stelle, die sehr un- bequem scheint, weil kein Cirkel von dieser Stelle weg- genommen werden kann, ohne vor der Ablesung geöffnet zu werden; auch die Position 20 scheint etwas unsicher wegen der in eine oft lange Spitze sich verjüngenden Stelle, in welcher das Stirnbein in Berührung mit dem Oberkiefer tritt. Die physiologische Motivirung der Schädelmodificatio- nen durch die Wirkung der Zähmung oder vielmehr der veränderten Ernährung, welche sehr einlässlich und, was besonders werthvoll ist, auch durch directes Experiment bestätigt, was ich in pag. 179 und 188 der Fauna der Pfahlbauten nur anzudeuten wagte, wird nicht minder als schon die oben bezeichneten Gesichtspunkte auf mancherlei analoge Veränderungen des als narmal betrachteten Typus ein Licht werfen, die sich sowohl an zahmen als an wil- den Thieren bemerken lassen. Sie dient in kohem Maasse dazu, die Formen des Skeletes nicht mehr, wie so häufig geschah, als fertige und starre Gebilde, etwa wie Crystaße, erscheinen zu lassen, sondern als etwas Bewegliches, Wer- dendes und in steter Beziehung zu den umgebenden Ver- hältnissen Stehendes, kurz als etwas Organisches oder ‚Lebendes. Wird auch durch diese Betrachtungsweise die Arbeit des systematischen Zoologen bedeutend schwieriger, und öffnen sich einer solchen physiologischen Beurtheilung selbst mancherlei Gefahren von Abwegen, so kann dabei unser Urtheil über die Gestaltung der beobachteten For- men nur gewinnen. 143 Hier ist der Platz zu gestehen, dass ich auch mit der Taxirung der Geschlechtsunterschiede am Schweineschädel, wie sie Nathusius gibt, vollkommen einverstanden bin, und namentlich meine Angabe, dass die Stärke der Basalwarze an der Aussenfläche der Molaren einen Anhaltspunkt zur Unterscheidung des Geschlechts biete, schon seit einiger Zeit als irrthümlich erkannt habe. Auch in Bezug auf die Ausdehnung (Höhe und Länge) der Intermaxilla gebe ich gern zu, dass sie als procentischer Theil der Schädellänge ihren Werth für sexuelle Unterscheidung verliert, wenn auch die absoluten Maasse derselben an männlichen Thie- ren stets unzweideutige srössere Beträge liefern als beim weiblichen. Von besonderem Interesse sind auch die Erfahrungen von Nathusius über den Einfluss der Ernährung auf den Bau der Zähne und die Stärke ihres Emailüberzuges. Wenn man sie auf das Torfschwein in seiner wohl ausgeprägten Form anwendet, so würden sie ebensowohl auf wilden oder halbwilden Zustand, als auf günstige Ernährung schliessen lassen. Zum ersten Mal finden wir nun in der Schrift von Nathusius eine einlässliche Darstellung des sogenannten Siamschweines, welches trotz seines seit Jahrhunderten geübten Einflusses auf die europäischen Hausthiere doch so lange apokryph geblieben ist; und es ist kein kleiner Gewinn, dass neben den vielen theilweise schon früher beobachteten Merkmalen dieses Thieres, die sich zum grös- sern Theile als blosse Wirkung der Züchtung herausstel- len, doch auch solche aufgefunden werden konnten, welche mit voller Sicherheit als ausserhalb der Culturwirkung stehend und demnach als Eigenthümlichkeiten der Species gelten können, wie die Form des Thränenbeins und die Stellung der Zahnreihen. Diese sorgfältige Abwägung aller Einflüsse von Zucht 144 und Ernährung konnte auch allein zu dem so wichtigen Resultate führen, dass alle bis jetzt bekannten Hausschweine zu der Race des Wildschweins oder des indischen Schwei- nes gehören oder Mischformen zwischen diesen beiden bilden, ein Ergebniss, das weiterhin so formulirt werden kann, dass von allen bisher bekannt gewordenen altwelt- lichen wilden Species des Schweias nur zwei als Stamm- formen der zahmen Racen zu betrachten seien, einmal das europäische Wildschwein, und zweitens die noch unbe- kannte Stammform des indischen Haussch weines. Wie ich es in einer frühern Arbeit schon mit Be- stimmtheit ausgesprochen, fallen somit auch nach den An- sichten von Nathusius die Africa eigenthümlich zukommen- den Arten von wilden Schweinen bei dieser Frage ausser allen Betracht, und es handelt sich zur Vervollständigung unserer Kenntniss über die Quellen dieses Hausthiers na- mentlich noch darum, einmal die localen Raçen des euro- päischen Wildschweines genauer kennen zu lernen, beson- ders aber die Stammform des sogenannten Siamschweines mit Bestimmtheit aufzufinden. Dass Nathusius bei der Ue- bersicht über die von den Autoren aufgeführten zahlrei- chen Arten von wilden Schweinen des Ostrands von Asien nicht zu so weiten Reductionen gegangen ist, wie ich in meiner frühern Arbeit, wo mir nur die sehr ungenügenden Abbildungen in Schinz’ Monographie zu Gebote standen, sehe ich, seitdem ich die in Leiden aufgestellten Schädel jener Wildschweine untersuchen konnte, als vollkommen ‚gerechtfertigt an; ob nun das Bindeschwein der Südseein- .seln, wozu wohl mit allem Recht die aus Timor und Japan aufgeführten wilden Formen gefügt werden, wirklich als Stammrest des Siamschweins zu betrachten sei, würde wohl ein Besuch von Nathusius in Leiden am besten entscheiden können. Dass Sus barbatus von Borneo ausser Betracht fällt, leidet wohl von vornhin keinen Zweifel; und für Sus ver- 145 rucosus kann ich dies mit Hülfe einer Anzahi von Schä- deln, die in neuerer Zeit in meinen Besitz gekommen sind, mit eben so grosser Bestimmtheit versichern, wie Nathu- sius. Einige Bemerkungen hierüber werden unten folgen. Nicht weniger wichtig als der Nachweis jener zwei nun ferner zu verfolgenden Stammragen selbst ist aber der Beleg, dass noch sehr kleine Theile indischen Blutes sich im Schädel und Gebiss gekreuzter Thiere unverkennbar ausprägen, und mit einer weit grössern Zähigkeit ihre Spu- ren hinterlassen, als irgend welche der äussern bisher zur Racenzeichnung für wichtig erachteien Merkmale, wie Grösse, Körperform, Farbe, Haarkleid, Form der Ohren. Wer erinnert sich nicht bei dieser neuen Bestätigung von Grundsätzen, auf weichen ja auch ähnliche Untersuchungen an andern Hausthieren, sowie die ganze neuere anatomische Anthropologie ausschliesslich fussen, an die Urtheile Cu- viers hierüber, die so lange von derartigen Arbeiten zu- rückschreckien. (En général les formes des os varient peu; leurs connections, leurs artieulations, la forme des grandes dents molaires ne varient jamais. Discours sur les révo- lutions du globe.) Und doch widerspricht dieses Urtheil den heutigen Ergebnissen keineswegs; auch jetzt erscheint eben das Skelet als dasjenige Organ, welches einmal er- haltene Formen am zähesten bewahrt, so sehr, dass selbst bei Kreuzungen zwei zusammenwirkende Factoren nicht eine dritte neue Form erzeugen, sondern neben einander fortexistiren; man möchte sagen, es sei die Kreuzung in ihrem Erfolg auf das Skelet einer mechanischen, nicht einer chemischen Mengung zu vergleichen. Und dass es nun heutzutage möglich wird, diese beiden Factoren in dem Mischproduct wieder herauszulesen, dürfen wir am Ende so hoch nicht anschlagen; auf manchem Gebiete der be- schreibenden Naturgeschichte hat die Beobachtung seit Cu- vier's Zeiten an Schärfe noch mehr gewonnen, als in der 10 146 Osteologie. Um so mehr dürfen wir uns freuen, diese Vor- aussetzungen aller neueren Schädelstudien auf immer brei- terer Basis bestätigt zu sehen. Allein auch diese neue Anwendung der Kenntniss der organischen Form, gewis- sermaassen als wirksames Reagens selbst auf complicirte und durch lange Zeiträume hindurch fort und fort modifi- cirte Combinationen, beweist wieder, wie irrig es ist, selbst in den starrsten, dem unorganischen Zustand am nächsten stehenden Theilen des Körpers die Form als etwas unbe- wegliches, ich, möchte sagen brüchiges zu betrachten, wie dies die Osteologie lange gethan hat. Die Arbeiten von Nathusius belegen von Neuem, dass hier Zähigkeit die Schmiegsamkeit nicht ausschliesst. Die Früchte dieser Methode der Schädeluntersuchung sind denn auch bei Nathusius reichlich ausgefallen. Nicht nur gelang es, aus dem Wirrwarr von Formen des heuti- gen zahmen Schweins die schon genannten Grenzformen herauszufinden, sondern auch den Mischproducten ihre Stelle anzuweisen. Abgesehen von den meisten englischen und norddeutschen Culturraçer, welche, historisch, zwar in sehr verschiedenen Graden, aber doch durchweg auf das chi- nesische Schwein als den einen Factor zurückweisen, er- giebt es sich, dass auch die seit dem classischen Alter- thum bis auf den heutigen Tag an den Küsten des Mittel- meeres gehaltene Form des zahmen Schweins eine Misch- form ist, erzeugt aus der chinesischen und der in Europa einheimischen; „es ist unzweifelhaft‘, sagt Nathusins, „dass dieses romanische Schwein bei uns jetzt ganz identisch hergestellt wird durch Kreuzung des gemeinen, dem Wild- schwein ähnlichen Hausschweins mit dem ächten indi- schen Hausschwein, oder auch mit den englischen Formen, welche durch wiederholte Kreuzung englischer Landschläge mit dem indischen entstanden sind.“ Der Name romanisches Schwein gewinnt denn auch 147 für diese Form eine neue und unerwartete Bedeutung, da Nathusius nachweist, dass dieser seibe Schlag mit den noch heute erzeugbaren Zügen bereits von den alten Rö- mern erzogen wurde. Zu der Statuette von Portici, welche Nathusius abbildet, lassen sich übrigens noch eine Anzahl von Pendants aufführen. Obschon ich in der Beurtheilung der äussern Form dieser Thiere mir kein Ürtheil zuge- stehe, so scheinen doch die in Paestum gefundenen und auf griechische Zeit zurückgeführten Terracotten des Haus- schweins, welche Panofka abbildet (Terracotten des kön. Museums in Berlin, 1842, Taf. LVII—LX), mit der aus Por- tici erhaltenen Form identisch zu sein; das Alter dieser Kreuzung scheint hiedurch vielleicht zunächst auch auf die hellenische Zeit zurückgeführt zu werden. Allein das gleiche romanische Schwein findet sich nicht nur au den althistorischen Küsten des Mittelmeeres, son- dern auch diesseits der Alpen in den Bergthälern der Schweiz; Nathusius bestätigt des Vollkommensten meine Vermuthung, dass das von mir beschriebene Bündnerschwein ebenfalls in Beziehung zu dem indischen Hausschwein stehe, ja er nennt das sogenannte englische Halbblutschwein der Landwirthe geradezu identisch mit dem romanischen und dem Bündnerschwein. Eine noch nähere Beziehung besteht nach Nathusius zwischen dem indischen Hausschwein und dem das südöst- liche Eurepa bewohnenden krausen oder Ungarschwein, dem Nathusius sogar alle Verwandtschaft mit den euro- päischen Species abspricht, da es in allen wesentlichen osteologischen Merkmalen dem indischen Hausthier ähn- lieh sei. Wir gelangen hiemit an das Torfschwein, das ich sei- ner Zeit in nahe Beziehung zu dem ungarischen, und in noch nähere zu demjenigen von Graubünden oder dem ro- manischen Schwein gestellt, und in welchem ich ebenfalls | 10* 148 einen Antheil indischen Blutes vermuthet hatte, bevor die- ser letztere Factor in den zwei verglichenen Formen mit der Evidenz erwiesen war, die wir den ausgedehnten Un- tersuchungen von Nathusius verdanken. In Bezug auf dieses Thier erinnere ich hier nur kurz an die Schlussfolgerungen, zu welchen mich die Untersu- chung seiner zwar sehr zahlreichen, aber sehr fragmentaren Ueberreste geführt hatten. Ich glaubte annehmen zu dür- fen, dass dasselbe im Steinalter in der Schweiz als wildes Thier gelebt habe, dass es aber als solches in dieser Ge- send schon vor der historischen Periode erloschen und dafür in den zahmen Zustand übergegangen sei, in welchem es während der ganzen Folgezeit und bis auf die Gegen- wart sich erhalten hat, ‘während ein dem Wildschwein ähnliches Hausschwein, zwar sporadisch in älteren Pfahl- bauten auftretend, doch wesentlich erst in den späten Bau- ten der westlichen Schweiz auftrat. (Untersuchung der Thierreste pag. 34 u. f, pag. 65. Fauna der Pfahlbauten pag. 51 u. f, 120 u. £., 163.) Ein an Grösse hinter dem Torfschwein noch zurück- bleibender sehr kleiner Schlag von Hausthieren, der sich in Morges, bei Neuveville, allein auch in Ablagerungen aus historischer Zeit vorfand (Engewald, Chavannes), liess mich ferner, obschon ich ihn nicht vom Torfschwein trennte, doch eine neue Einwirkung von aussen vermuthen. Für Stammformen dieser von dem heutigen Wild- schwein so verschiedenen kleinen Thiere sah ich mich des - ferneren um einmal nach dem chinesischen Hausschwein, andrerseits nach den fossilen Arten, welche mit dem Torf- schwein in mehreren wesentlichen Merkmalen, geringe Aus- bildung der Eckzähne und Vorwiegen des molaren Theils _ des Gebisses über den præmolaren, mehr Uebereinstimmung zu bieten schienen, als die bisher bekannten lebenden wil- den Schweine. (Untersuch. pag. 64. Fauna pag. 54. 177.) 149 Zum heutigen Bündnerschwein, als einem durch Cultur mo- dificirten Typus, schien sich mir das Torfschwein, das mit ersterem gewisse Züge des Siamschweines theilt, wie eine Form mit dem Gepräge eines wilden Thieres zu verhalten. (Ebendas. pag. 189.) In alle diese Vermuthungen haben die Untersuchungen von Nathusius ein helles Licht geworfen, indem sie einmal das Bündnerschwein mit dem romanischen identificirten und somit zur Frage aufforderten, inwiefern die typischen Merk- male des chinesischen Schweines, Kürze des Thränenbeins und Divergenz der Zahnreihen, sich auch beim Torfschwein wieder fänden. Rücksichtlich des wilden Zustands dessel- ben fand sich Nathusius aus dem bisherigen Material zu keinem bestimmten Schluss berechtigt; doch weist er auf die schwachen Grenzen zwischen zahmen und wilden For- men des Schweines hin und theilt darüber eine Anzahl von höchst interessanten Notizen mit, deren Gewicht in der That nicht genug beachtet werden kann. Bevor ich, namentlich in Rücksicht auf die erste Frage, nach den Beziehungen des Torfschweins zu dem Siam- schwein die mir dermalen verfügbaren neuen Materialien bespreche, mag nur kurz ein Ueberrest des ersteren er- wähnt werden, der jene Lücke in der Darstellung des Torf- schweins ausfüllt, welche theilweise zum Zweifel an sei- ner Racen-Eigenthümlichkeit führen konnte. Es ist dies der erste einigermassen vollständige Unterkiefer eines er- wachsenen männlichen Thieres; er stammt aus dem Pfahl- bau von Zug und wurde mir von Herrn Prof. Mühlberg daselbst in verdankenswerther Weise überlassen. Seine Dimensionen sind folgende: Länge der Backzahnreihe (ohne P.4) . . Mm. 105 BauNderkaren Molaven „7a, . art 4608 DUO ER ha ah eh A LG NE N | D en Ra BE ROLE EN EEE ERER Es 150 Länge der drei hintern Præmolaren . . . Mm. 37 Distanz zwischen P. 3 und Incis. 3 . . - EN, Die volle Länge des hinten verletzten Kiefers in der Höhe des Alveolarrandes kann nicht über 240 Millim. be- tragen haben; die Symphysenlänge beträgt 70 Millim., die Höhe des horizontalen Astes 38 Millim. unter Mol. 3, 40 am vordern Ende der Zahnreihe. (P. 4 fehlt spurlos.) An diesem kleinen Unterkiefer, dessen Maasse und gan- zes Gepräge ihn mit volilkommener Zuversicht dem Torf- schwein in seiner ausgeprägtesten Form zuweisen, sind nun glücklicherweise die beiden Eckzähne unverletzt erhalten ; in Alveolen von nicht mehr als 16 Millim. Durchmesser, also nicht grösser als bei manchem unzweifelhaft weiblichen Kiefer des Torfschweins, und halb so gross als beim männ- lichen Wildschwein, stecken Hauer, welche nach hinten bis unter Mol. 2 reichen und vorn um 55 Millim. (an der grossen Curvatur) über die Alveolenöffnung vorragen; sie haben dabei durchaus die Stellung und den Durchschnitt der Wilüschweinzähne und im Verhältniss zu der sehr ge- ringen Grösse des Kiefers eine so bedeutende Länge als bei dem Wildschwein. Nichts desto weniger beträgt die quere Distanz der äussern Alveolarränder der Eckzähne nur %6 Millim., d. h. weniger als der mittlere Betrag an weiblichen Kiefern. Wenn irgend ein charakterischer Ue- berrest des Torfschweins ihm auch, wenigstens an einzel- nen Individuen, das Gepräge eines wilden Thieres verlei- hen konnte, so ist es dieser kleine und doch so mächtig. bewaffnete Kiefer. Wichtiger indess ist uns die Auskunft, die uns eine Anzahl nahezu vollständiger Schädel des Torfschweines bietet, an welchen sich die von Nathusius aufgesteliten Criterien des chinesischen Schweines untersuchen lassen. Ausser einem nur im Hinterkopf erhaltenen, vor Mol. 3 abgebrochener, erwachsenen Schädeichen aus Roben- r | 151 hausen, das mir schon bei meinen frühern Arbeiten vor- gelegen hatte, sind es folgende Stücke: 1) Ein so viel als vollständiger Schädel von Wauwyl, der mir von dem unermüdlichen Erferscher dieses Pfahl- baues, Herrn Oberst Suter in Zofingen, auf die freund- schaftlichste Weise überlassen wurde. Er ist zwar in der Mitte entzwei gespalten, ganz nach der Methode der heuti- gen Schlächter; allein auch mit eben so grosser Kunst, so dass er mit Leichtigkeit zusammengesetzt werden konnte und die Form des Gaumens, wie auch die Stellung der Zahnreihen mit Sicherheit beurtheilen lässt. Leider fehlen indess die Nasenbeine; das Gebiss ist vollständig erhalten. Der Schädel gehörte einem alten weiblichen Thier an. 2) Ein im hintern Theil ebenfalls vollständiger, im Gesichtstheil dagegen nur auf der einen Seite erhaltener Schädel aus Olmütz, den ich ebenfalls dem Torfschwein zuschreibe. Altes weibliches Thier. Es ist dieser Schä- del, nebst mehrern Unterkiefern, die sich ebenfalls voll- kommen wie diejenigen des Torfschweins verhalten, von Herrn Jeitteles beim Cadettenhaus in Olmütz ausgegraben worden. 3) Ein fast ganz unverletzter Schädel eines weiblichen Thieres, in Olmütz bei der Domprobstei in 4 — 5’ Tiefe aufgefunden, in einer braunen moderigen Schichte, weiche neben den Knochenresten verschiedener Thiere einen mit Biau-Eisenerde überzogenen Helm enthielt, den die Alter- thumsforscher des kaiserl. Antiken-Cabinets in Wien dem XIV. Jahrhundert zuschreiben. Herr Fr. v. Hochstetter hatte die Güte, mir ihn auf Veranlassung des Herrn Jeit- teles zuzusenden. 4) Zwei nur im Schnauzentheil wesentlich verletzte Schädel, welche neben dem alten Schloss von Mährisch- Schönberg beim Graben eines Eiskellers 4 Klafter tief im Lehm ausgegraben wurden; ebenfalls von alten weiblichen 152 Thieren herrührend. Mit ihnen fand sich ein fast vollstän- diger Schädel eines Bärs von ungewöhnlicher Grösse, den ich trotz mancher Aehnlichkeit mit der Physiognomie von Ursus priscus Goldf., doch dem Ursus Arctos zuschreiben muss. Auch diese Knochenreste verdanke ich Herrn Jeit- teles, dem ich für die Zusendung der zahlreichen Funde aus den von ihm in sehr verschiedenen Theilen der Stadt Olmütz vorgenommenen Ausgrabungen zu grossem Dank verpflichtet bin. *) *) Es mag hier der Ort sein, in Bezug auf das Ergebniss der Untersuchung dieser Knochenreste, über welche in verschiedenen öf- fentlichen Blättern Oestreichs referirt worden ist (,‚Oesterreichische Zeitung‘, 8. Juli 1864; ‚Presse‘, Wien, 19. Juli und 2. Aug. 1864), folgende kurze Angaben zu machen: Die mir in verschiedenen Sen- dungen zugekommenen Knochen aus Olmütz, an sehr verschiedenen Stellen der Stadt ausgegraben, rühren aus sehr verschiedenen Alters- perioden her, die grössere Zahl aus historischer, einige sogar -aus sicher sehr junger Zeit; allein ausser diesen fanden sich auch solche, die wohl ohne Zweifel in die Periode mancher unserer Pfahlbauten hinaufragen, wie auch mancherlei Geräthschaften besagen, welche mit solchen unserer Seeansiedlungen übereinstimmen. Sie gehören in der grossen Mehrzahl Hausthieren an; Ausnahmen bilden nur Edelhirsch und Wildschwein. Unter den Resten von anscheinend zahmen Thie- ren liess sich ausser dem Torfschwein das gewöhnliche Wildschwein- ähnliche Hausschwein, allein auch das heutige ungarische Schwein erkennen. Eine kurze Besprechung verdient der Bärenschädel vom Schloss Schönberg. Seine Länge beträgt, vom Foramen magn. an gerechnet ‚334 Millim., von der Crista occipitalis an 385, die Jochbreite 243, die volle Stirnbreite 121. Er übertrifft daher an Grösse alle von Cuvier gemessenen Schädel des europäischen braunen Bärs (Oss. foss. IV. 337), nicht nur an Länge, sondern vornehmlich in der Breite der Jochbogen. Dieser letztere Umstand unterscheidet ihn auch von dem immer noch in einem einzigen Exemplar untersuchten Ursus priscus Goldf. Doch bildet Blainville einen Schädel des polnischen Bärs ab, der mit dem Schönberger gerade in dieser Beziehung sehr gut über- 153 Besprechen wir vorerst die offenbar unzweideutigern Schädel des Torfschweins aus den schweizerischen Pfahl- bauten, so unterscheiden sie sich in einem wichtigen Punkte von einander. Während der Schädel von Robenhausen ein vollkom- men gerades Stirnprofil zeigt, ohne alle Einsenkung an der Nasenwurzel, und demzufelge ein stark nach hinten ge- strecktes Oceiput, hat der Schädel von Wauwyl ein stei- leres Hinterhaupt, breitere Stirn und merkliche Einknickung an der Nasenwurzel. Während der erste somit die Phy- siognomie eines wilden Thieres an sich trägt, erscheint der zweite offenbar als Culturform. Dies verräth sich auch in der Form der Augenhöhle, welche an dem Schädel von Robenhausen, ähnlich wie beim Wildsehwein, klein ist und schief nach oben und hinten verschoben, so dass der ver- tikale Durchmesser den horizontalen merklich übertrifft, während an dem Wauwylerschädel die Augenhöhlen grös- ser sind und ziemlich regelmässig runden Umfang zeigen. Bei dem Schädel von Robenhausen liegt ferner der Hinter- rand von Mol. 3 weit vor dem vordern Rand der Augen- einstimmt. Im Gebiss unterscheidet sich weder der letztere, noch Ur- sus priscus wesentlich vom braunen Bär, denn die kleinen Modifica- tionen des hintersten Præmolarzahns (P.1) scheinen doch keine Spe- ciesunterschiede begründen zu können. Was den Schönbergerschädel von der gewöhnlichen Form des braunen Bärs unterscheidet, ist na- mentlich die kurze, fast ganz glatte und nach hinten durch zwei fast rechtwinklig zusammentretende Schläfenleisten begränzte Stirnfläche; allein auch dieser Charakter findet sich wieder in der eben citirten Abbildung von Blainville, so dass ich nach sorgfältiger Vergleichung meiner Materialien mit den Abbildungen von Cuvier, Goldfuss und Blainville mich nicht im Stand sehe, weder Ursus priscus, noch den von Schönberg von Ursus Arctos zu trennen. Von den so charak- teristischen Eigenthümlichkeiten des Höhlenbärs hat der Schädel von Schönberg nichts. 154 ; höhle, bei dem Schäde! aus Wauwyl direct darunter. Bei gleicher Stirnlänge {von Nasenwurzel bis Scheitelkante 150 Millim) beträgt die grösste Stirnbreite bei dem erstern 92, bei dem zweiten 99, die grösste Jochhreite beim erstern 118, beim zweiten 131 Millim. Das Thränenbein ist im Verhäliniss zur Höhe etwas gestreckter bei dem ersten, etwas kürzer bei dem zweiten Schädel. Mol. 3, an dem Robenhauser Schädel allein noch erhalten, ist identisch in Grösse und Form bei beiden. Kurz, es verhalten sich beide Schädel zu einander vollkommen wie eine wilde, oder doch dem wilden Zustand nicht sehr ferne (Robenhausen), zu einer Uulturform, allein offenbar mit gemeinsamem Grund- typus. An dem vollständigern der beiden Schädel, der nun freilich gerade der modificirten Form angehört, lassen sich nun, neben den bereits angeführten, folgende Beobachtun- gen machen: Stellen wir den Schädel neben denjenigen des heuti- gen Wiidschweins, so unterscheidet er sich davon für das Auge durch etwas steilere und breitere Stirn, steileres Hinterhaupt, stärker abgesetzies und daher im Verhältniss zum Schädel schmäleres Gesicht, grössere Augenhöhlen, die namentlich regelr.ässig runden Umfang haben, und aurch kürzern Incisivtheil. Anstatt der gleichmässig gestreckten Kegelform des ganzen Kopfes am Wildschwein ist bei dem Torfschwein das nicht weniger schlanke Gesicht schärfer von dem Gehirnschädel abgesetzt, ähnlich wie bei dem ‚Schädel des ungarischen Schweines, bei welchem in- dess der Contrast in den Breitendimensionen noch grösser ist, obwohl dessen Gesicht merklich breiter und stumpfer ist, als beim Torfschwein. | Die horizontale Achse des Schädeis, von dem vordern Rand des For. magn. bis zu der Schnauzenspitze, verhält sich zu der Profillinie, von der Occipitalkante zum selben 155 Punkt = 268 : 310 oder nahezu 100 : 116; die horizontale untere Schädellänge zur horizontalen Profilachse = 268 : 280 oder 100 : 1094. Beim Wildschwein beträgt dies Verhält- niss im Mittel 100 : 107. Da diese steilere Neigung der Stirn indess, wie schon gesagt, bei dem Torfschwein merklichen Schwankungen un- terworfen ist, so versuchte ich dasselbe Verhältniss zu messen an dem gestrecktern Schädel von Robenhausen, an welchem jedoch der Gesichtstheil fehli. Ersatzpunkte schien mir hier der Umstand zu bieten, dass der vordere Rand von Mel. 3 bei dem erwachsenen Wildschwein so- wohl als beim Torfschwein regelmässig vertical unter der hintern Grenze des Nasenbeins liegt. Die Distanz von dem vordern Rand des For. magn. bis an den Vorderranä von Mol. 3 (mitten in der Gaumenfläche gemessen) verhält sich zu der Distanz vom Gccipitalkamm zur Nasennath bei dem Schädel von Wauwyl = 117 : 148 oder 100: 126, von Ro- | benhausen —= 113 : 150 oder 109 : 133, vom Wildschwein (Mittel an 3 männlichen Schädeln) — 145 : 185 oder 100 zu 127; woraus hervorgeht, dass, wie der Anblick des Schädels von Robenhausen sofort lehrt, auch beim Torf- schwein dieselbe, ja noch stärkere Streckung des Hinter- haupts nach hinten vorkömmt, als beim Wildsehwein. In ähnlichem Maasse schwanken die Stirn-Contouren des Torfschweins innerhalb derjenigen des Wildschweins: Stirnbreite zu Stirnlänge von Wauwyl — 99: 148 oder 100 zu 149, von Robenhausen = 93 : 150 oder 109 : 161, vom Wildschwein (Mittel an 3 weiblichen Schädeln bei Nathu- sius) = 101 : 164 oder 100 : 162. Die Stirnlänge ist durch die Querlinie zwischen den Orbitalfortsätzen des Stirnbeins bei dem Schädel von Wauwyl in eine etwas längere hin- tere und kürzere vordere Hälfte getheilt, ähnlich wie in der Regel beim männlichen Wildschwein; allein auch, aus ganz andern Gründen, bei der Mehrzahl der Culturformen. 156 An dem Schädel von Robenhausen ist die vordere Stirn- hälfte etwas grösser als die hintere, so wie bei dem weib- lichen Wildschwein. Die grösste Kopfbreite (am hintern Ende der Jochbo- gen) verhält sich zu der horizontalen Längenachse des Schädels von Wauwyl = 133 : 268 oder 100 : 201, vom weiblichen Wildschwein = 135 : 329 oder 100 : 243. An dem Schädel von Robenhausen ist dieses Verhältniss nicht messbar. Bei dem Schädel von Wauwyl treffen diese Zah- len vollkommen zusammen mit der Mittelzahl aus den von Nathusius gemessenen weiblichen Schädeln des krausen Schweines, und nahezu mit derjenigen aus den weiblichen Schädeln von Holstein und Meklenburg (100 : 203), sowie mit dem weiblichen Schädel von Disentis (100 : 196), wäh- rend das englische und indische Schwein eine weit stär- kere, das wilde und das ihm ähnliche gemeine Hausschwein eine weit schwächere Breitenzunahme nach hinten zeigen. Allein diese auffallende Breitenzunahme erfolgt an dem Wauwylerschädel ohne alle Auswärtswendung des Joch- bogens, sondern nur durch stärkeres Divergiren derselben nach hinten. Die schlanke, feine Ausspitzung des Gesichts beim Torfschwein wird durch folgende Zahien belegt: Weibliches Wauwyl. Wildschwein. Grösste Distanz der Jochbogen 133 135 Distanz der Alveolarränder an P. 3 51 - 46 an Incis. 3 41 38 29 3) 2 Obschon also bei Wauwyl die Breitenabnahme von hinten nach vorn geringere Gradationen macht, als beim Wildschwein, so erfolgt sie dort auf geringerer Länge (268) als beim Wildschwein (314). Nichts desto weniger bleibt bei Annahme gleicher Schädellängen der Winkel ein etwas grösserer beim Torf- 157 schwein als beim Wildschwein, indem die procentische Abnahme der Breiten beim Torfschwein erfolgt = 100 zu 39 : 30, beim Wildschwein = 100 : 33 : 28. Als ein wesentlicher Charakter des Torfschweins wurde früher geltend gemacht die Kürze der Ossa incisiva. So sebr nun die Bemerkung von Nathusius, nach welcher die- ser Charakter in den verschiedenen heutigen Schweineracen keinen festen Anhaltspunkt bietet, es nahe legt, dass die seiner Zeit von mir so durchgehends gering gefundenen absoluten Maasse der Zwischenkiefer bei Rücksicht auf die geringere Grösse des ganzen Schädels am Torfschwein ihr. Gewicht verlieren dürften, so ist doch an dem Wauwyler- schädel die Längenachse der Incisivpartie des Gaumens etwas kürzer, als an allen von Nathusius gemessenen Wild- schweinschädeln ; sie beträgt beim erstern 19 Procent der Schädellänge, 20—22 am Wildschwein; ja neben den Brei- tenmaassen, welche für das Torfschwein constant grösser ausfallen, als für das Wildschwein, ist dieses Längenmaass am Torfschwein sogar das einzige, das durchweg unter dem des Wildschweines zurückbleibt. Grössere Breitenverhältnisse in allen Theilen des Schä- dels und kürzere. Incisiva sind also typische Merkmale des Wauwylerschädels im Verhältniss zum Wildschwein. Wie verhält sich das Torfschwein in Bezug auf die von Nathusius so charakteristisch gefundenen Raçenmerk- male, wie Thränenbein, Richtung der Zahnreihen und deren Stellung zur Orbita ? Für das Thränenbein gebe ich in Rücksicht auf seine Wichtigkeit in Folgendem vorerst die directen Messungen an folgenden Schädeln und Schädelfragmenten, die ich dem Torfschwein zuschreibe: 158 Höhe. Länge Länge unten. oben. A. B. C. 1. Robenhausen 20 08 40 2. id. 21 28 ? 3. Wauwyl 22 26 43 A id. Jung 1871.49 36 5. Neuveville 1904029 51 6. Olmütz, Cadettenh. 22 26 51 4 id. Domprobstei 18 25 38 8 id. ohne Angabe 18 22 39 9. Schönberg a. 19 25 47 10, id. b. 20 27 49 Durchschnitt an 5 Schädeln aus schwei- zerischen Pfahlbauten in Durchschnitt an 5 Schädeln aus Mähren Reduction auf À — 1. 1 ee > B. 1.50 1.33 1.19 1.05 1.52 1.49 1.39 1.22 1.31 1.35 1.31 1.29 C. 2.16 2.30 Zur Vergleichung dieses Ergebnisses mit den Verhält- nissen an andern Schweineragen gebe ich in Folgendem die Mittelwerthe aus allen Schädeln, die mir zur Verfügung standen, sammt denjenigen, worüber Nathusius Angaben mittheilt : Wildschwein von Robenhausen (1 Messung) Recentes Wildschwein (11 Messungen) Gemeines Hausschwein (1 Mess.) Torfschwein aus Mähren (5 Mess.) Torfschwein der schweiz. Pfahlbauten (5 M.) Ungarisches Schwein (4 Mess.) Bündner Schwein (% Mess.) Berkshire (1 Mess.) Indisches Hausschwein (1 Mess.) 15 1.66 1.79 1.54 1.29 1.31 1.19 1.10 1.20 0.55 & 2.86 2.82 2.63 2.30 2.16 2.15 2.03 1.60 1.16 Das Resultat zeigt vorerst, dass die untere Länge des Thränenbeins etwas schwankender ist, als die obere; im Uebrigen spricht es in überraschender Weise zu Gunsten der Angaben von Nathusius. Offenbar finden sich in der 159 Form des Thränenbeins zwei Extreme, im Siamschwein und im europäischen Wildschwein. Beim ersten beträgt die Höhe des Thränenbeins das doppelte der Länge des untern, und ungefähr eben so viel als die Länge des obern Ran- des. Bei unserm Wildschwein ist das Taränenbein unten zweimal, oben dreimal so lang, als es im Orbitalrand hoch ist. Alle übrigen Formen bilden eine Stufenfolge zwischen diesen zwei Extremen im Sinne der obigen Reihe. Doch ist diese Gradation nicht gleichmässig, sondern es finden sich darin Sprünge, indem die drei ersten Formen eine Gruppe bilden, dann die vier folgenden und endlich die zwei letzten. Das Torfschwein würde hienach als ein Ver- wandter des romanischen (Bündrner) und des Ungarschweins erscheinen, als ob es ein Kreuzungsproduct wäre zwischen indischem und europäischem Schwein, allein mit reicherem Antheil von letzterem, als seine beiden genannten Ver- wandten. Ueber die Richtung der Zahnreihen des Oberkiefers am Torfschwein geben mir nur Aufschluss derjenige ven Wauwyl und die fünf Schädel aus Mähren. Während beim Wildschwein die Distanz zwischen Prem. 3 immer kleiner ist, als zwischen Mol. 3 (in der Mitte der Zahnkronen gemessen), findet das umgekehrte Verhältniss, allein in weit rascherer Steigung, statt bei dem indischen Hausschwein und seinen Kreuzungsproducten. “ An dem Torfschweinschädel von Wauwyl, obschon derselbe durch seine individuell grosse Schädelbreite eher ein Resultat in umgekehrter Richtung erwarten liess, ver- hält sich die Sache vollkommen, wie beim Wildschwein; die Distanz zwischen den Mitten der vordern Haupthöcker von Mol. 3 beträgt 50 Millim., zwischen den Gipfeln von Præmol. 3 45 Millim An den Schädeln von Olmütz finde ich 49 und 43 Millim. bei dem einen, 50 und 40 bei dem andern, an den Schönbergerschädeln 49 und 45. Ueberall 160 ist also die Distanz im hintern Theil der Zahnreihe grös- ser als im vordern. In dieser Beziehung scheint also das Torfschwein durchaus in dem Gebiet des Wildschweins zu liegen, ohne Annäherung an das indische. Diese bei dem indischen Schwein so bedeutenden Dif- ferenzen der Gaumenbreite beruhen indessen theilweise nur in der raschern Abnahme der Zahnbreiten von hinten nach vorn, die wir bei der Culturform treffen, denn bei dem Ungarschwein, wo der knöcherne Gaumen sich nach vorn sehr auffallend verbreitert, ist doch die Distanz zwischen den Gipfeln von Præmol. 3 nur wenig grösser als die- jenige zwischen den Höckern des Vorjochs von Mol. 3. Ebenso beim Bündnerschwein. Dagegen ist beim Torf- schwein die Breite des Gaumens im Verhältniss zur Schä- dellänge durchweg grösser als beim Wildschwein und ver- hält sich ungefähr wie beim Ungarschwein; auch theilt es mit dem letztern die eigenthümliche Flachheit des Gau- mens, in Folge welcher sogar zwischen den Eckzähnen alle Concavität verloren geht, fast als ob die Alveolarrän- der nach aussen gestülpt wären; wie denn auch die Zahn- reihen zuvorderst wirklich oft etwas nach aussen gebogen sind. Diese eigenthümliche Abflachung des Gaumens finde ich auch beim Torfschwein, während sich beim Wildschwein stets eine mehr oder weniger tiefe Rinne zwischen den vollkommen geradlinigen, aber vorstehenden Alveolarrän- dern bildet. Der Hinterrand von Mol. 3 steht bei allen Schädeln des Torfschweins unter oder selbst etwas vor dem vordern Rand der Augenhöhle, wie beim Wildschwein. Im Gebiss des Wauwylerschädels, wie der andern, die hier in Rede stehen, finde ich alle Charaktere wieder, welche ich früher beim Torfschwein namhaft machte, so dass es hier keiner neuen Beschreibung bedarf. Von der schon oben erwähnten raschen Abnahme der Zahnbreiten 161 nach vorn, welche nach Nathusius den Pr&molartheil der Zahnreihe beim indischen Schwein und seinen Descendenten charakterisirt, ist hier nichts zu sehen; auch in dieser Be- ziehung theilt das Torfschwein den Charakter des Wild- schweins. Nichts desto weniger stellt sich aus obiger Untersu- chung heraus, dass das Torfschwein innerhalb der Pfahl- bauten, ja innerhalb des Steinalters (Robenhausen und Wauwyl) ähnliche Modificationen der Schädelform, wenn auch in geringern Grenzen, erlitt, wie wir sie beim Uebergang des Wildschweins in seine Culturformen wahrnahmen. Auf diese Wahrnehmung stützte sich auch mein Schluss, dass wir eine wilde und eine zahme Form auch für das erstere anzuerkennen hätten. Ich gebe indess das Gewicht der Winke von Nathusius, wie gering die Grenzen seien zwi- schen einem wirklich wilden und einem schlecht gehalte- nen Thier, das in Verhältnissen lebt, die vom wilden Zu- stand nicht fern liegen, gerne zu und stelle die Entschei- dung über diese Frage auch noch einstweilen dahin. Um hierüber, sowie über die Beziehungen des Torf- schweins zu andern als der in Europa wilden Form des Schweines ferneres Licht zu verbreiten, war es nöthig, die Vergleichung des erstern auch noch durchzuführen auf die heutigen Culturformen. Die Arbeiten von Nathusius geben hier Anhaltspunkte, die ich früher durchaus entbehrte. Die Resultate dieser Vergleichung ergeben sich am besten durch Beifügung der Messungen am Torfschwein zu den so reiche Belehrung bietenden Messungstabellen von Nathusius. Um indess diese nicht ganz zu wiederholen, _ gebe ich hier nur die Mittelwerthe seiner zweiten Tabelle, welche die absoluten Dimensionen auf eine gemeinsame Einheit = 100 Millim. für die Längenachse des Kopfes reducirt. Hiebei habe ich überdiess nur die weiblichen Schädel berücksichtigt, um nicht durch Einschluss der 11 162 männlichen die Confrontirung mit den in Untersuchung ste- henden weiblichen Torfschweinschädeln zu stören; beim Ungarschwein sind die Messungen an zwei im hiesigen Museum befindlichen weiblichen Schädeln des krausen Schweins (von Szegedin) mit eingeschlossen; beim Bünd- nersehwein ist ein weiblicher Schädel von Brigels, beim gemeinen Hausschwein ein dem Wildschwein sehr ähnlicher weiblicher Schädel aus der Schweiz mitgemessen. Doch bemerke ich, dass der Ausschluss männlicher Schädel auf diesen Mittelwerth nur geringen Einfluss zeigte. Stellte ich nämlich die an bloss weiblichen Schädeln ge- wonnenen Werthe zusammen mit den aus beiden Geschlech- tern erzielten, so fand ich kleine Unterschiede in folgen- den Beziehungen : bei der gemischten Liste etwas längeres Oceiput und längern Gaumen in toto, meist auch grössere Breitendimensionen, besonders im Incisivtheil, ferner etwas grössere Länge der Schädelbasis, dagegen kürzere Nasen- beine und kürzern Incisivtheil des Gaumens: also einen kräftigern Schädel mit stumpferer Schnauze, oder die Merk- male, welche so ziemlich bei allen Säugethieren die männ- liche Physiognomie von der weiblichen unterscheiden. Vom Torfschwein konnte ich bei dieser Methode leider nur die zwei Schädel messen, deren Vollständigkeit das Grund- maass der Schädellänge zuliess, und auch an diesen konn- ten einige Messungen nur approximativ gemacht werden; die betreffenden Zahlen sind in Parenthesen eingeschlos-. sen. Doch habe ich allen Grund zu glauben, dass durch . Berücksichtigung der übrigen Schädel das Ergebniss nicht modificirt, sondern bestätigt worden wäre. Die Zahl der in jeder vertikalen Colonne berücksichtigten Schädel ist oben bei deren Titel angemerkt. SE 0% 98 wa re | Cr re ey 96 206 56, | 86 ‘240187141090 STE cr or sr Wr gr SEE ‘OF | GE rar DT "WT Wr SF Ir ‘OF | Se |'6 ‘W&IX uoyasımz ‘PI 8 D 58 I 6 01 6-72 GE "HE “O6: O1 6 01 “01 26 ng ‘€ “ICO ‘UOSIMZ 9aIquaunen L L 2 6 Be ee 6 (Dee) 8 8 8 L L I |'9J91QU9SEN 97SSUr10n) cr Yr ER LT HI ST bio I IE HE DE SE E56 ‘(pue.ie]09A]V WI) OJTO.IQALETJIXEULIOJU] OF 8 : 6 YY 11 7707 6 GE % OF CF CF OF cr 01 6 87 |(HqiIO8IJUI 404 104). ‘J1{SJ49IS02 9ISTULIAH CE 5 08 Eh ne ee I VE VE 06 66, An ek voaquug 97550.) er S% 6% e9 eh | eg 29 6% 19 6% 6% Cry) Ov TE | I ‘0)I91{490f 9955019) re 0% 87 ST 0% 61 61 Où | SE 6r 08 6 08 6 6 6 A| à T94JAISIU] 08 89 89 IG 6% ES OS EG 08 CG ES 6% 6% CS IS OS IG | er jsuouneg P TOUMETON 87 GG 8 08 08 er 6 60 | 6€ 8E Of Of 06 Se St 6€ 6€ | OF ‘uownes SI4 PI 97 sr GT LÉ SE OP UE Sr) 917 61.81.2087 21.95 97 97 87276 “IUU9S -Su}d4 SIq "useur ‘104 L& ge eig ce vg a a ce seo Se 260 CC Fc) S > 919JUTH ce ce ce 00 ce Ge 00 Ce. pc 81 ce Cu: To Jo Ve Ce Co “OJJILUUIS 910P.10 A 09 89 ve |6y ce ze se og | eg Ly 80 2e og RO) (Le) se 09 | 9 l'Suroquosen sep osue] COTE CEE EEE | #6 66 SOI LOF OFF) T0r 88 ‘126 Cor 66 (&Fr) (GO!) 20F OFF % ‘ue ozjıdsuasen JP uoA *osuejjyoid LOT EEE Tor | 06 88 Tor 86 SOI) 0017 18 98 26 88 %0r 66 86 £O0F & (azneuyos pun wweyje;1dı99Q UOUISIMZ 9SU9V 9/0) -U0ZLIOyU ) 9SUPIIHOIq 00T 00T 007 | 00T O00F 007 007 007) 007 007 007 007 007 007 007 007 008 F (razneuyos s1q ‘USEU ‘}) 28UPI[PPEUIS Fe en US A = Ca A Had H S HE Bau: Ion = a 6, À = aus 50. à AG -[9peyas Joyal] 5 w. a © 26 |RaEnaAS we me we [NO 7 NE E & BI LEE eo ko 8 E © 6 + © “ : a sea SEE LES" on 5 de ÉD E53 35 2120) -glom Osseeimanum BE Zee erg < < <| 45 SEE EB. ER 38 es 45 4185 2 ; = = = SEE BR CE © 2 D AR ol Dee un Ze 1 T Burst RE so DIN - ONE MIARE OR 164 Die Resultate dieser Zusammenstellung scheinen mir alle Aufmerksamkeit zu verdienen, indem sie bestimmt for- mulirbare Resultate zu bieten scheint. Durchgehen wir die verschiedenen Colonnen, so zeigt sich am gemeinen Hausschwein, verglichen mit dem Wild- schwein, vornehmlich geringere Ausdehnung der Profillän- gen nebst allgemeiner Zunahme der Breitenausdehnungen. Eine besondere und gemeinsame Rubrik bildet offenbar das indische Hausschwein mit seinen englischen Culturfor- men. Ihre Merkmale bestehen ebenfalls in einer, freilich hier bedeutend weitergehenden Verkürzung des Schädel- Profils, hervorgebracht theils durch steilere Richtung des Occiput, theils aber auch durch Verkürzung der Schnauze (Intermaxilla, Nasenbein und vordere Hälfte der Stirn ; die hintere Stirnhälfte gewinnt dagegen durch die Aufrichtung des Hinterhaupts an Länge) — nebst sehr erheblicher Zu- nahme aller Breitendimensionen, sowie der Divergenz der Zahnreihen und der Oceipitalhöhe. Die Schläge von Holstein, Meklenburg, Disentis und Ungarn bilden eine dritte Rubrik von überraschender Ein- heit in allen einzelnen Charakteren. Auch hier finden wir Verkürzung der Profillänge, doch in geringerem Maasse als bei der vorigen Gruppe, und ohne erhebliche Erhöhung des Occiput, sondern hervorgebracht durch gleichmässige Ver- kürzung in beiden Stirnhälften und im Nasentheil des Schädels. Die Aufrichtung des Profils scheint sich hier abzuspiegeln in der Streckung der Schädelachse, als ob diese dem Zug des Occiput nach auf- und vorwärts nach- gegeben hätte. Die Breitendimensionen halten sich in der Mitte zwischen denjenigen der europäischen und der auf indischem Einfluss beruhenden Schläge. Es bildet somit diese Gruppe eine wahre Mittelstufe zwischen diesen zwei ebengenannten. Das Torfschwein steht zwischen der ersten Gruppe 165 und der letzten, d. h. es vereinigt die Breitenverhältnisse der letzten mit dem langgezogenen Gehirnschädel und nach den frühern Ergebnissen mit den parallelen Zahnreihen der ersten; es erscheint wie eine wilde Form des ro- manischen und des krausen Schweins. Man erinnert sich, dass das Thränenbein zu demselben Resultate führte. Diess Alles tritt entgegen in den fünf Colonnen, die obiger Ta- belle noch angehängt sind; sie enthalten einen Mittelwerth aus den vorigen; obschon ich durchaus nicht der Ansicht bin, dass solche immer weiter gehende Reductionen immer schärfere Resultate liefern, vielmehr solche Mittelwerthe mir ohne die Kenntniss der Einzelmessung, welche ja al- lein die Kritik jener gestattet, nicht gerade viel Werth zu bieten scheinen, wenn sie nicht auf sehr breiter Basis fus- sen, so konnte ich mich doch nicht enthalten, schliesslich noch obige Zusammenstellung zu machen, zu welcher das vorhergehende Tableau doch wirklich aufforderte. Die fast ganz regelmässige Abnahme der Längendimensionen und Zunahme der Breitenverhältnisse in der hier getroffenen Ordnung war zu überraschend, um nicht in dieser Weise noch besonders dargestellt zu werden. Die Resultate dieser Besprechung lassen sich somit wie mir scheint in Folgendem zusammenfassen: Unter allen europäischen Formen des Schweines finden sich zwei Extreme, einerseits das europäische Wildschwein, anderseits die dem indischen Hausschwein identischen eng- lischen Culturformen. Dort maximale Ausbildung des Oc- ciput nach hinten, gerades Schädeiprofil, geringste Ausdeh- nung nach der Breite, vollkommen paralleie oder eher nach hinten divergirende Backzahnreihen, niedriges und gestreck- tes Thränenbein; hier steil aufgerichteter sehr breiter Schädel mit nach vorn rasch breiter werdendem Gaumen und kurzem hohem Thränenbein. Einige dieser Merkmale scheinen im indischen Wildschwein angedeutet zu sein, wo 166 die Nasenbeine etwas kürzer, die Stirn im hintern Theile merklich länger, die Jochbreite und die Occipitalhôhe et- was bedeutender sind als beim europäischen Wildschwein. Doch sind diese Beträge offenbar viei zu schwach, um an eine Herleitung des indischen Hausschweins vom indischen Wildschwein, so lange man dasselbe nicht reichlicher kennt, denken zu dürfen. Die Effecte der Cultur scheinen bei den Descendenten des europäischen Wildschweins zu bestehen, in grösserer Aufrichtung des Occiput, daher geringerer Länge des Schä- delprofils und Verlängerung der Schädelachse. Dabei gleich- zeitig Verkürzung der Nasenlänge und Zunahme aller Brei- tendimensionen. Thränenbein und Stellung der Zahnreihen werden nach Nathusius durch blosse Cultur nicht affieirt- Unter den Culturformen bilden das romanische und Bündnerschwein, das krause oder ungarische Schwein, nebst mehreren andern Schlägen, wie diejenigen von Holstein und Meklenburg, eine gemeinsame Gruppe, welche alle Wirkun- gen der Cultur an sich trägt, allein gleichzeitig eine Ein- mischung fremden Blutes, d. h. vom indischen Hausschwein, unzweifelhaft lässt. Die Verkürzung des Gesichts, durch Aufsteigen des Occiput und Verkürzung von Nasen- und Stirnlänge wenigstens in deren vordern Theil, sowie die Zu- nahme der Breitenverhältnisse erreicht hier noch grös- sere Grade als bei dem gewöhnlichen europäischen Haus- schwein und combinirt sich mit den charakterischen Merk- malen des indischen Schweins, kurzem Thränenbein und Divergenz der Zahnreihen. Das Torfschwein schliesst sich ohne Zweifel an diese letzte Gruppe an. Nur besitzt es durchweg eine längere Stirn und ein gestreckteres Hinterhaupt, das oft in nichts sich von demjenigen des Wildschweins unterscheidet, und damit steht im Einklang eine kürzere Schädelachse. In den Breitendimensionen findet man Schädel, welche sich wie 167 beim krausen Schwein verhalten, andere wie beim Wild- schwein. Auch im Thränenbein hält es die Mitte zwischen Wildschwein und Ungar- oder romanischem Schwein. Im Gebiss dagegen bleibt es dem Wildschwein getreu. Das Torfschwein verbindet also Merkmale der durch Kreuzung mit indischem Blut entstandenen Form des romani- schen und des krausen Schweins mit solchen des unver- änderten Wildschweins und endlich mit solchen, die ihm eigenthümlich sind. Mit dem Wildschwein theilt es die Form des Occiput, die Länge der Stirn, den Parallelismus der Zahnreihen, die Stellung von M. 3 vor dem Orbital- rand. Ihm eigenthümlich ist die geringe absolute Grösse, der grosse und rundliche Umfang der Augenhöhlen, die Kürze des Incisivtheils des Gesichts, die schwache Aus- bildung der Eckzähne und namentlich auch des Knochen- kamms an der Alveole des obern Eckzahns, die Niedrigkeit des Unterkiefers, die Kürze seiner Symphyse und endlich die früher bemerkten Eigenthümlichkeiten des Gebisses. Wenn dempach auch in mancherlei Beziehung, und ‚namentlich nach den bedeutungsvollen Winken von Na- thusius das Torfschwein sich zu dem romanischen und Un- garschwein ziemlich ähnlich zu verhalten scheint, wie das europäische Wildschwein zu seiner Culturform, d. h. also das Torfschwein eine im Anfang des Cultureffectes stehende Form des Ungarschweins oder des romanischen Schweins zu sein scheint, so streiten dagegen die eben erwähnten besondern Eigenthümlichkeiten des Torfschweins, welche sich weder bei der einen, noch der andern der supponir- ten Stammformen vorfinden. Angesichts dieser Verhältnisse scheint mir zwar eine Beziehung des Torfschweins zu dem indischen, wie ich sie schon früher vermuthet hatte, durch die reichen Belehrun- gen, die wir seither über letzteres Thier erhalten haben, ausser Zweifel zu stehen; die von Nathusius nachgewie- 168 sene Identität des Bündnerschweins mit dem sogenannten romanischen der Mittelmeerküsten hat ein grosses und wie ich durchaus überzeugt bin, vollkommen richtiges Licht auf die Frage geworfen ; ich gene noch weiter, indem ich das Torfschwein in dasselbe nahe Verwandtschaftsverhältniss stelle zu dem Ungarschwein, das Nathusius mit dem indi- schen Hausschwein geradezu zu identificiren geneigt ist. Ja, dieser für Europa fremde, asiatische Factor am Torf- schwein scheint mir selbst sicherer belegt zu sein, als eine Mitwirkung von Seite des gewöhnlichen europäischen Wild- schweins; denn einmal ist ein guter Theil der Merkmale, welche diesem letztern zugeschrieben werden könnten, über- haupt Attribut von Thieren, die im wilden oder von die- sem nicht sehr entfernten Zustand leben, und andrerseits erschweren es gerade die vor Kurzem aufgeführten beson- dern Eigenthümlichkeiten des Torfschweins sehr, seinen zweiten Factor in dem grossen und stark bewaffneten ge- wöhnlichen europäischen Wildschwein zu suchen. Wenn aus dem Product auf die Quellen zurückgeschlossen werden kann, so sollte man neben der indischen eher an eine kleine und schwach bewaffnete Form des Wildschweins denken, sei es nun, dass eine solche etwa noch in den wenig un- tersuchten Gegenden von Ost-Europa und West-Asien exi- stiren sollte (vergl. Nathusius pag. 152) oder dass wir uns dafür gar nach fossilen Formen umzusehen hätten (siehe Fauna der Pfahlbauten pag. 54). Jedenfalls muss aber Angesichts dieser Sachlage und namentlich mit Rücksicht auf den nach den jetzigen Hülfs- mitteln kaum zu bezweifelnden indischen Factor im Torf- schwein, die Frage, ob dasselbe je als eigentlich wildes Thier in der Schweiz gelebt habe, offen gelassen werden. Ferneres Licht über die Abstammung dieses Thieres kann vielleicht dereinst hergeholt werden aus seiner geo- graphischen Verbreitung. Die manigfaltigen Zusendungen 169 von Knochen aus verschiedenen, der historischen oder der vorhistorischen Periode angehörigen Ablagerungen setzen mich in den Stand, dermalen hierüber folgende Angaben zu machen. Schon die frühern Mittheilungen wiesen nach, dass das Torfschwein in der Schweiz von den ältesten menschliehen Niederlassungen an ohne Unterbrechung bis in die histo- rische Periode verfolgt werden kann, in welcher es all- mählig in die heute hier vertretenen Formen überging, doch so, dass es in den Thälern der östlichen und centralen Al- pen seine ursprünglichen Eigenthümlichkeiten treuer be- wahrt hat als in den ebneren Gegenden unseres Landes. Zu den frühern Fundorten, welche bereits aile Ausiedlun- gen in den Seen umfassten, kann ich auch nur wenig neue beifügen, die indess kein neues Licht auf die Frage wer- fen, nemlich die celtischen Ansiedlungen am Ebersberg bei Zürich*) und am Mont-Terrible bei Porrentruy;**) beide _ Standorte zeigen nur, dass das Thier, wie zu erwarten war, nicht nur in den Wasserdörfern, sondern auch in den Fest- landansiedlungen gehalten worden ist. Ebenso fand es sich in Knochenablagerungen in Höhlen am Saleve und bei Neu- chätel unter Umständen, welche eine Bewohnung dieser Lo- calitäten bis auf das Bronze-Alter zurückzuführen scheinen. Ausserhalb der Schweiz wurde bereits Mähren (Ol- mütz, Schönberg) als ein Land bezeichnet, in welchem das Torfschwein, ähnlich wie in der Schweiz, von vorhistori- scher Periode an bis in so späte Zeit hinab verfolgt wer- den kann, dass mar kaum zweifeln kann, dass es nicht, wenn auch wohl ebenfalls modificirt, bei sorgfältigem Nach- suchen noch heute aufgefunden werden möchte. Allein auch im Norden von Europa haben die an dem *) Mittheil. der antiquar. Gesellschaft in Zürich, VO, 4. XIV, 6. *#) Quiquerez, Monuments de l’ancien Evêché de Bâle. 1862. p. 243. 170 Strande der Nordsee liegenden Pfahlbauten von Gägelow bei Wismar in Aeklenburg, deren Entdeckung wir Hrn. Ar- chivrath Lisch in Schwerin verdanken, unter gleichen Ver- hältnissen wie in der Schweiz so ziemlich dieselbe Thier- welt auffinden lassen, mit Einschluss von Schweineresten, die ich vom Torfschwein nicht unterscheiden kann.*) Eben so wenig fehlt das Torfschwein in den ähnlichen Ablagerungen Ober-Italiens, an der südlichsten bisherigen Grenze eigentlicher Pfahlbauten. Herrn Prof. Strobel in Parma, der dieselben einlässlich untersucht hat, verdanke ich die Zusendung des Knocheninhalts der Ansiedlungen von Castione, Castellazzo und Casaroldo bei Parma. Sie enthielten neben den für die schweizerischen Pfahlbauten *) Jahrbücher des Vereins für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde XXIX, 1864, pag. 125. Zu den hier besprochenen Thieren, Rind, Pferd, Ziege, kann ich, ausser dem oben genannten Torfschwein, nun noch folgende beifügen: Wildschwein, Haushund (eine Race von grosser Aehnlichkeit mit dem Hund des schweize- rischen Steinalters, allein durchschnittlich um etwa ein Zehntel grös- ser ; allein dabei eine zweite Form mit auffallend verkürztem Hinter- kopf, die an den Pudel und ähnliche Culturformen erinnert). Ferner Edelhirsch und Reh. Das Elenthier ist von Herrn Lisch am eben angeführten Ort, pag. 120, aufgeführt. Ein vierhörniges Schaf, über welches wir von H. v. Nathusius weitere Auskunft erwarten; der Esel, der Biber, die wilde Ente, der Hecht. In einer neusten Sen- dung, die sich, wie schon die frühern, durch den reichen Inhalt an Pferderesten von dem Knocheninhalt der schweizerischen Pfahlbauten ‚sehr unterschied, fand sich endlich ein Nagelglied eines Seehundes, vermuthlich von Phoca vitulina, allein aus verschiedenen Gründen spä- terer Einschleppung verdächtig, und mehrere Knöchelchen der schwar- zen Ratte (Mus rattus), die gerade umgekehrt dadurch, dass sie theil- weise verkohlt sind, einen Stempel der Aechtheit als Pfahlbauinhalt an sich zu tragen scheinen, der bei dem allgemein angenommenen späten Import dieses Thiers nach Europa alle Aufmerksamkeit ver- dient. Auch Menschenknochen fehlen nicht in diesem Pfahlbau. 171 charakteristischen Racen des Rindes und des Haushundes auch ein sehr kleines, ohne Zweifel zahmes Schwein, das von dem kleinen Schlag von Neuveville (Fauna der Pfahl- bauten, pag. 167) und andern noch spätern Ablagerungen der Westschweiz sich nur durch geringere Kräftigkeit und auffälligeres Gepräge der Zähmung unterscheidet. Ausser diesen Thieren war auch Schaf und Ziege vertreten. Herr Strobel fügt dazu das Pferd und den Esel, sowie das Haus- huhn, und von wilden Thieren den Hirsch, das Reh, das Wildschwein, den Bär und die Wassermaus, sowie die wilde Ente.*) Einen fernern Fundort von Resten des Torfschweins bieten einige Knochenhöhlen Süd-Frankreichs, welche von Herrn Dr. Garrigou untersucht worden sind.**) Dieselbe Form scheint auch auf den brittischen Inseln nicht gefehlt zu haben; wenn wir die von Wilde gegebene Zeichnung eines in Irland aus Flusskies ausgegrabenen Schädels als richtig betrachten dürfen. ***) In dem mir zugesendeten Knocheninhalt der Höhlen von Bédeilhac und Niaux bei Tarascon (Ariège) fanden sich Ueberreste vom Rind (voll- kommen entsprechend der im Steinalter der Schweiz, na- mentlich inRobenhausen vertretenen Primignius-Race), Schaf, Ziege, Edelhirsch, Haushund (etwas grösser als derjenige unserer einheimischen Pfahlbauten), Wildschwein; allein überdies mehrere sehr charakteristische Schädelstücke von einem kleinen Schwein, von sehr kräftigem, Wildschwein- artigem Gepräge, die indess in ihren Dimensionen und na- 4& *) Pigorini und Strobel, le terremare dell’ Emilia, Torini 1862. — Mittheilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich, XIV. 6. Keller, Pfahlbauten, fünfter Bericht, 1863. *#) Lettre à Mr. le Professeur N. Joly, Toulouse 1862. Comptes rendus de l'Académie des Sciences, 16. Novbr. 1863, 3.-Oct. 1864. *#*) Ancient Animals of Ireland, Dublin 1860, fig. 12. 172 mentlich auch im Gebiss mit dem 'Torfschwein aus Roben- hausen, Wangen etc. vollkommen übereinstimmen. Auch diese Höhlen scheinen nach den steinernen Geräthschaften, die sie enthalten, schon in sehr früher Periode bewohnt gewesen zu sein, obschon sie keine erloschenen Thierarten enthalten, wie die ihnen benachbarten von Bouichetta. Dieser letztere Umstand ist nicht ohne Gewicht. Lies- sen auch die Pfahlbauten der Schweiz und des Auslandes, in welchen noch keine einzige heutzutage völlig erloschene Thierspecies aufgefunden worden ist, nicht erwarten, das Torfschwein hier in so fremdartiger Gesellschaft zu finden, so schien ein soiches Zusammentreffen nirgends näher zu liegen, als in den Höhlen von Süd-Frankreich, in welchen die Spuren alter menschlicher Bevölkerung an so vielen Orten gleichzeitig mit reichlichen Ueberresten erloschener Species zusammen liegen. Und doch ist noch keine ein- zige Stelle bekannt geworden, wo das Torfschwein mit dem Höhlenbär, mit Nashorn, Elephant, oder auch nur mit dem Rennthier zusammenliegend gefunden worden wäre; ja die Höhle von Bédeilhac, mit so charakteristischen Ueberresten von Geräthen und von Hausthieren der Steinperiode, ist nur einige Minuten entfernt von der über ihr liegenden Höhle von Bouicheta, in welcher Knochen vom Höhlenbär, der Hyäne, einer Löwenart, des Nashorns mit Steingeräthen ähnlicher Art, wie dort, begraben sind, und doch scheinen hier die Hausthiere der erstern Localität zu fehlen, eben so sehr als in den ähnlichen Inhalt bergenden Höhlen von -Aurignac, Massat etc. Wenn nicht der ununterbrochene Fortgang neuer und oft sehr unerwarteter Funde auf diesem Gebiet jeglichen Abschluss solcher Fragen mehr als je verböte, so müsste man demnach mit einem Theil der Fauna unserer Pfahl- bauten, und namentlich mit ihren Hausthieren auch das Torfschwein von der Periode des Höhlenbärs und seiner 173 Zeitgenossen, ja auch selbst von der Periode des Aufent- halts des Rennthiers in Süd-Frankreich ausschliessen ; der Urochs (Bos primigenius) wäre somit der einzige als wil- des Thier ausgestorbene und auch der älteste Zeitgenosse des Torfschweins, und da er schen in Localitäten von un- zweifelhaft höherem Alter als alle Ablagerungen mit Torf- schwein vorkommt, so würde nach jetziger Sachlage das Auftreten des letztern in die spätere Zeit der Existenz des wilden Urochsen, oder auch in die Periode des Auerochsen (Bison europæus) fallen. In der Schweiz folgt diese Pe- riode ohne Zweifel der Epoche der grössten Ausdehnung ihrer Gletscher nach. Doch wiederhole ich, dass wohl in keiner Periode der Geologie derartige Schlüsse, die sich auf Zeitalter beziehen, von denen wir erst Kenntniss er- halten haben, unsicherer waren als heute. Immerhin ist schon jetzt die Anwesenheit des Menschen in schon so früher Zeit constatirt, dass für die Zähmung und selbst für Kreuzung wilder Schweinearten alle mögliche Frist offen gelassen ist. Nichts desto weniger gewinnt hiebei der Nachweis eines, wenn auch nur theilweisen indischen Ursprungs des Torfschweins ein erneutes Interesse, in sofern als eine sehr frühe Verbindung Europa’s mit dem östlichen Asien hie- durch einen neuen Beleg erhält, eine Verbindung, die übri- gens auf dem Gebiet unserer speciellen Frage nicht nur einmal, sondern wohl wiederholt und vielleicht auf ver- schiedener Strasse zu Stande gekommen ist. Ueberblicken wir nämlich nochmals den nunmehr be- kannten Schauplatz, wo wir Torfschweine, oder wenigstens Schweine antreffen, die davon nicht zu unterscheiden sind, und für welche also ein ähnlicher Ursprung wahrscheinlich ist, so sind es vornehmlich drei Stellen: 1. Das Gebiet der Pfahlbauten, und zwar nicht nur in der Schweiz, sondern in dem ganzen durch neuere Erfah- 174 rungen sehr erweiterten Gebiet, wo diese eigenthümliche Form menschlicher Ansiedlungen, oder eine parallele Cul- turstufe angetroffen wird, von der Nordsee bis ans adria- tische Meer, und von Baiern bis nach Süd-Frankreich; denn . wir dürfen wohl ganz unbedenklich alle die Punkte mit zu dem Gebiet dieses Thieres rechnen, wo wir dasselbe nicht im unmittelbaren Bereich jener Fischerdörfer, sondern im Besitz von Höhlen- oder Landbewohnern überhaupt finden, wie die Ansiedlungen am Ebersberg und die Höhlen des schweizerischen Jura und Süd-Frankreichs. — Dass auch die brittischen Inseln in das Gebiet dieses kleinen Schwei- nes gehören werden, ist aus sehr vielen Gründen wahr- scheinlich und scheint aus den Andeutungen Wildes über Irland (a. a. ©.) direct hervorzugehen. Mit allem Recht dürfen wir daher in diesem Sinne das Torfschwein das keltische Schwein nennen, ohne in diesen Namen irgend eine nähere Bedeutung legen zu wollen, als ihm bisher ge- geben worden ist. 2. Ein zweites Gebiet des Torfschweins scheint der Boden des elassischen Alterthums zu bilden, und zwar nach den oben gemachten Andeutungen nicht nur Italien, son- dern auch Griechenland; auf diesem Boden, der sich nach den Angaben von Nathusius überhaupt längs der ganzen europäischen Küste des Mittelmeeres ausdehnt, gebührt dem Thier sein alter Name romanisches Schwein. 3. Ein drittes Gebiet ist durch die Arbeiten des Hrn. Jeitteles im östlichen Theil von Europa aufgedeckt worden, zunächst zwar nur noch in ältern Ablagerungen Mährens. Allein die sehr grosse Verwandtschaft dieses alten Haus- thieres mit dem heutigen krausen Schwein macht es zum mindesten höchst wahrscheinlich, dass wir auch das un- garische Schwein als einen Zweig jenes indo-europäischen Hausthierstammes zu betrachten haben. In wiefern nun diese drei Gebiete ihre Hausthiere 175 selbstständig erworben, oder einander übertragen und aus- getauscht haben mögen, solches zu entscheiden sollte eben letztes Resultat derartiger Untersuchungen dereinst sein können, von welchem wir aber noch fern sind; vor der Hand öffnen die mitgetheilten Thatsachen nur einer Anzahi von Conjecturen Thür und Thor, welche auf ganz andern Gebieten schon oft erhoben worden sind; es wiederholt sich auch hier die Frage, ob wohl das keltische Schwein, das wir nunmehr auf dem eignen Boden Italiens kennen, sich hier unmittelbar in das romanische fortgesetzt habe, oder ob Nicht vielleicht auch Griechenland als eine zweite, vielleicht nicht viel jüngere Bezugsquelle oder vielmehr Bezugsstrasse zu betrachten sei; wobei sich denn auch für das Hausthier der rhätischen Alpen dieselbe Alterna- tive eröffnet, wie für seinen Besitzer, einmal zu erschei- nen als südlichster in die Gebirgsthäler zurückgedrängter Vorposten eines nördlich von den Alpen lebenden grössern Stammes, und wieder als nördlichster über die Alpen hin- übergeworfener Ast einer ursprünglich südlichen Bevölke- rung. Ohne im mindesten hier eine fernere Lanze in die- sen alten Streit tragen zu wollen, wili ich indess nur bei- läufig bemerken, dass für das Hausthier hier der Thatbe- stand mit weitaus grösserer Wahrscheinlichkeit für die erstere Annahme zu sprechen scheint, als für die zweite. Eben so unsicher bleiben einstweilen die Beziehungen des östlichen Stammes, den ich wohl den ungarischen nen- nen darf, zu dem keltischen und zu dem romanischen, wel- cher letztere namentlich in den von ihm erhaltenen Por- traits eine Familienähnlichkeit mit dem ungarischen nicht verkennen lässt. Dürften wir unbedingt das heutige unga- rische Schwein mit dem alten mährischen identificiren, wozu ich nach den Ergebnissen obiger Tabelle nicht ungeneigt bin, so würden wir jedenfalls den Eindruck gewinnen, als ob dieser Zweig aus der alten Heimath reichlichere oder 176 häufigere Auffrischung erhalten hätte, als die beiden an- dern. Auch möchte ich vermuthen, dass vielleicht die weitere Verfolgung dieses ôstlichsten Zweiges am ehesten zur Entdeckung des wie mir scheint noch unbekannten Fac- tors führen könnte, welcher nebst dem entlegenen ostasia- tischen Factor diese im ganzen Alterthum so reichlich ver- breitete Mischform erzeugte. Bleibt somit auch auf diesem Gebiet antiquarischen Thierstudiums eine so grosse Menge von Fragen offen, welche nur durch die Jugend dieser Art der Forschung entschul- digt werden kann, so möchten doch auch diese’ geringen Erfolge von neuem aufmuntern zur sorgfältigen Sammlung der so lange Zeit bei Seite geworfenen Materialien sol- cher Untersuchungen. Anhane. Ueber Sus verrucosus Müller und Schlegel. | + Da die vorliegende Arbeit durchweg nur darauf aus- ging, zu den ausgezeichneten und bahnbrechenden Arbeiten von Nathusius Beiträge zu liefern, so wird es mir deren verehrter Verfasser, dem ja diese Beiträge zunächst ge- widmet sind, auch am ehesten gestatten, auch zu dem Anhang seiner Schrift, welcher eine der vielen ostasia- ‚tischen Formen wilder Schweine zur nähern Kenntniss bringt, meinerseits einige Beiträge zu liefern. Ich bin dazu in Stand gesetzt durch die Erwerbung von drei Schädeln, männlichen und weiblichen Geschlechts, des javanischen Sus verrucosus Müller und Schlegel. Die Profillinie des Gesichtes ist auch an diesen Schä- deln geradlinig, wie beim Wildschwein; nur an dem einen 4197 der zwei männlichen Köpfe*) ist eine schwache Einknickung an der Nasenwurzel bemerkbar, wie sie gelegentlich auch beim Wildschwein sich vorfindet; durchweg fällt aber die Scheitelgegend in sanfter, Wölbung nach der Occipitalkante abwärts, so dass die höchste Stelle des Schädels merklich weiter nach vorn liegt, als bei dem europäischen Wild- schwein. Der Schädel bildet einen höhern Kegel als bei dem letztern, und die Occipitalfläche ist noch mehr nach hinten geneigt als bei diesem. Die Schläfengrube ist sehr scharfkantig und rechtwinklig von der Stirnfläche abge- grenzt, so dass letztere selbst mit einem vorstehenden Rand jene überragt; auch bildet die Schläfe nicht eine con- vexe Fläche, wie beim europäischen Thier, sondern sie ist mehr oder weniger tief ausgehöhlt. Der Jochfortsatz des Stirnbeins steht nicht nach aussen, sondern ist stark nach unten gebogen. Die Augenhöhlen sind eigenthümlich klein und von rundem Umfang. Der Jochbogen ist sehr ver- schieden von unserm Wildschwein, wenig steil und wenig hoch, dafür aber namentlich an seiner vordern Wurzel sehr dick und stark angeschwollen, mit convexer Aussenfläche, im Schläfentheil dagegen concav ausgehöhlt und sehr we- nig nach oben gerichtet. Er ist dabei so nach aussen ge- dreht, dass sein unterer Rand vom Schädel mehr absteht, als der obere, während bei dem europäischen Wildschwein die Aussenfläche vertikal steht; sein unterer Rand bildet einen einfachen, schwach convexen Bogen. In Folge der flachen Schläfengrube und der weit abstehenden und wenig *) An diesem Kopf, dem grössten und ältesten unter den drei mir vorliegenden, fehlt linkseits der obere Eckzahn gänzlich, eine kleine oberflächliche Grube zeigt nur, dass hier im Zahnfleisch ein kleines hinfälliges Zähnchen gesteckt haben mochte. Nichts desto weniger ist der Knochenkamm über der Alveole hier gleich stark ent- wickelt, wie rechterseits, wo ein wohl ausgebildeter Eckzahn ist. 12 178 von der horizontalen Richtung abweichenden Jochbogen ist die vom Jochfortsatz des Schläfenbeins gebildete hin- tere Wand der Schläfengrube wenig geneigt, kurz und breit, während sie bei unserm Wildschwein steil, lang und schmal ist. Die ganze Seitenfläche des Gesichts ist auffallend con- cav und rinnenartig ausgehôhlt. Schon die Augengegend steht weniger vor als bei dem europäischen Wildschwein, weil der Stirn- und Jochrand der Augenhöhle nach innen gewendet sind, allein auch der Thränenbeinrand derselben ist stark concav, und von da an bildet die ganze seitliche Gesichtsfläche eine sehr tiefe vom Stirn- und Nasenrand überdachte Aushöhlung, welche selbst nicht in der Gegend des Caninkammes unterbrochen ist. Das Thränenbein ist kurz, sein unterer Rand gleich lang, wie seine Höhe, und auch der obere Rand wenig län- ger als der untere. Das Mittel aus den mir vorliegenden Schädeln ergab Höhe — 1, Länge des untern Randes 1.13, des obern Randes 1.84; ein Verhältniss, das von demjeni- gen am europäischen Wildschwein vollkommen verschieden ist. Dabei erstreckt es sich nach unten bis auf den Joch- bogen, während bei dem gemeinen Wildschwein seine un- tere Nath hoch über dem Jochbogen bleibt. In diesem höchst charakteristischen Verhalten des Thränenbeins liegt ein neuer Beleg für den Werth, den dieses von Nathusius zuerst verwendete Merkmal bei diesem Thiergeschlecht für Unterscheidung der verschiedenen Formen bietet. Dabei . ist das Thränenbein tief ausgehöhlt, mit starker Knochen- warze am obern Rand. Der vordere Augenhöhlenrand ist nach dem Jochbogen hin sehr verdickt und rollenartig aus- geschweift, so dass er beinahe eine Rinne bildet, welche aus der Augenhöhle nach der Wangenfläche führt; und das Thränenbein bildet in seinem untern Theil, wo es stark nach rückwärts geneigt ist, den Boden dieser Rinne und 179 unterscheidet sich dadurch höchst auffallend von demjeni- gen des europäischen Wildschweins, wo es annähernd ver- tikal in der Gesichtsfläche und vom Jochbogen entfernt bleibt. In seiner obern vordern Ecke sendet es überdiess bei beiden Arten eine verschieden lange Spitze in den Zwischenraum zwischen Stirnbein und Oberkiefer. Der Knochenkamm der Eckzahn-Alveole verhält sich wie bei dem europäischen Wildschwein; bei alten Schä- deln wird sein freier. Rand sehr dick und wulstig. Die Zwischenkiefer sind an ihrem vordern Rand kürzer und steiler abgeschnitten, als bei letzterem, wo sie zipfelartig sich nach vorn verlängern; nach hinten bilden sie eine ein- fache, geradrandige Spitze; ihre Seitenfläche steht ziemlich vertikal und ist nur gegen den Alveolarrand hin nach aussen geneigt. In der Oberflächenansicht bildet der Schädel des ja- vanischen Schweines eine regelmässigere Kegelform, als bei dem europäischen; die Stirnfläche stellt einen sehr ge- streckten, in der Orbitalgegend nur wenig erweiterten Rhombus mit äusserst offenen Seitenwinkeln dar, die Pa- rietalfläche ist relativ breiter als bei dem letztern“) und die Occipitalfläche legt sich an diese mit sehr breitem, querem und beidseits weit vorstehendem Rand an. Die ganze Schädeloberfläche ist nach der Quere sanft und gleich- *) Um so mehr muss ihr vollständiges Verschwinden an dem von Schlegel abgebildeten Schädel (Tab. 32, Fig. 1) auffallen, der überdiess durch sehr verschiedene Umrisse im Allgemeinen, durch die ziemlich vertikale Stellung seiner Jochbogen, durch den sehr eigenthümlichen Verlauf der Stirn-Nasen-Nath, durch Fehlen der Sei- tenränder der Pr&molaren etc. etc. mannigfach von dem in Fig. 3 u. 4 abgebildeten, sowie von den vor mir liegenden Schädeln von Sus verrucosus abweicht und die Vermuthung weckt, als ob hier vielmehr ein männlicher Schädel von Sus barbatus abgebildet sei. 12* 180 förmig gewölbt und geht im Gesichtstheil mit rundlichen Kanten in die Seitenflächen über; auch die Wölbung der Nasenfläche hält gleichförmig an bis vorn, wobei die Breite der Nasenbeine nach vorn stetig und rasch abnimmt; diese bilden auch den Rand gegen die Wangenfläche, und nicht die Kieferknochen, wie beim europäischen Schwein. Von oben gesehen sind daher bei dem javanischen Thier die Kieferbeine in der Oberfläche gar nicht, die Zwischenkiefer kaum sichtbar. Die von Schlegel gegebene Abbildung Fig. 3, Tab. 32 *) stellt alle diese Verhältnisse der obern Ansicht sehr gut dar, mit Ausnahme der eigenthümlichen Verjüngung der Nasenbeine. Weniger charakteristisch sind dagegen die Seitenansichten, welche namentlich über das höchst eigenthümliche Verhalten des Thränenbeins keinen Aufschluss geben. Von den unter sich durchweg sehr ähn- lichen Schädeln unsers Museums weicht die Schlegel’sche Zeichnung Fig. 2 hauptsächlich im Jochbogen ab; sehr gut stellt dagegen Fig. 4 diese Gegend dar; dafür aber stei- gen hier Schläfe und überhaupt der ganze Hinterkopf viel steiler in die Höhe, als selbst bei meinem weiblichen Schädel. Die Occipitalfläche ist weniger ausgehôblt, als bei dem europäischen Wildschwein, und ihre Seitenränder ragen nach hinten nicht so flügelartig vor. Der Oceipitaltheil des Schläfenbeins ist auffallend niedriger als bei letzterm und in Folge davon steht das Unterkiefergelenk merklich höher. Bei Sus scrofa liegt diese Gelenkfläche nemlich so ziemlich .in der Höhe der Hirnbasis, bei Sus verrucosus weit höher; überdiess sind hier die Gelenkflächen mehr in die Quere ausgedehnt und nach innen durch einen stark vorragenden Rand vom mastoiden Theil des Schläfenbeins begrenzt. *) Verhandel. over de natuurlyke geschiedenis der Nederlandsche Overzeesche bezittingen. 181 Auch die Unteransicht des Schädels von Sus verruco- sus bildet ein weit schmäleres Dreieck als bei Sus scrofa; die Gaumenfläche ist ferner von der Schädelbasis weniger entfernt als bei diesem. Die Bullae osseae sind ungewöhn- lich stark ausgebildet und erreichen die Höhe der Flügel- fortsätze der Gaumenöffnung, während sie bei Sus scrofa weit über denselben zurückbleiben. Die hintere Gaumen- öffnung ist mehr nach hinten gerückt und gleichzeitig nie- driger und schmäler als bei Sus scrofa; in ihrem Dach fin- den sich in der Fläche des Keilbeins unmittelbar neben der Spitze des Vomer tiefe Gruben, welche ich bei den europäischen Schädeln nicht kenne. Auch die hintere Oeffnung des Infraorbitalkanals ist bedeutend enger als bei letztern. Der hintere Rand des Gaumens ist in seiner Mitte deut- licher und tiefer ausgeschnitten als bei unserm Wildschwein, und vor ihm, zwischen den hintersten Backzähnen, finden sich zwei kleine Höcker neben der Gaumennath, welche ich beim Wildschwein ebenfalls noch nicht gesehen habe. Der Unterkiefer besitzt einen breiten und steil auf- steigenden Ast mit sehr breitem Kronfortsatz und walzen- förmigem Gelenkfortsatz, welcher mehr von aussen nach innen geneigt ist als bei Sus scrofa. Der “horizontale Ast nimmt nach vorn an Höhe stetig ab, seine Symphyse ist sehr nach vorn geneigt; im Symphysenwinkel befindet sich ein starker Muskelhöcker. Auch in Bezug auf das Gebiss kann ich zu den An- saben von Nathusius, die ich vollkommen bestätige, noch folgendes beifügen. Die hintern Backzähne zeigen eine so breite Basis ih- rer Krone, dass sich dieselbe nach der Kaufläche hin merk- lich verjüngt. Der vordere und der hintere Ansatz ist an diesen Zähnen stärker ausgebildet als bei Sus scrofa, wo- durch die Zähne namentlich an ihrem vordern Umfang we- 182 sentlich breiter erscheinen; der hintere Ansatz ist dagegen nicht in die Quere gedehnt, sondern eher in die Länge, wodurch die Zähne nach hinten schmäler und spitziger erscheinen als beim europäischen Wildschwein. An M. 3 ist dieser hintere Ansatz nach dem selben Plan gebaut, wie bei unserm Wildschwein, aber unregelmässiger; er besteht aus drei nach innen zusammen neigenden Mittel- warzen: an ihre Aussenseite lehnt sich sodann ein Kranz von 3—4 kleinern Warzen, an die Innenseite ein unregel- mässiger niedriger Hügel. Bei dem europäischen Wild- schwein sind die Nebengebilde der Aussen- wie der In- nenseite undeutlicher und unregelmässiger ausgebildet. Auch bei Sus verrucosus finden sich Basalwarzen in der Mitte der äussern und der innern Seite der Backzähne gelegentlich aber unregelmässig ein. Meistens aber findet man zwischen den zwei Haupthügeln der Aussenseite eine tiefe Bucht, gebildet durch eine Anzahl von tief einge- knickten Schmelzfalten der Krone, innen dagegen eine mit der Krone innig verbundene Basalwarze. Der Bau der Krone selbst folgt demselben Typus, wie bei Sus scrofa; allein die zwei Hügel des hintern Quer- Joches sind offenbar einander mehr genähert, als diejeni- sen des Vorjoches, wodurch der Zahn durchweg nach hin- ten merklich schmäler wird als bei unserm Wildschwein, um so mehr, als auch der vordere Zahnansatz in die Quere, der hintere in die Länge sich ausdehnt. Die Vorderbackzähne sind seitlich comprimirter als bei Sus scrofa und daher die Gaumenfläche nach vorn relativ breiter ; ihre Structur ist übrigens ähnlich, allein mit einem für das javanische Schwein sehr bezeichnenden Merkmal: ihre Aussenfläche ist nemlich weniger gewölbt als bei dem europäischen Schwein und überdiess von zwei sehr deut- lich vorspringenden Seitenrändern eingerahmt, welche eine Analogie bilden zu den starken vordern und hintern An- — 183 sätzen an den Molaren; nur am vordersten Zahn, P. 4, fehlen diese Ränder fast ganz. Fig. 4, Tab. 32 in den Schlegelschen Abbildungen stellt dieses Merkmal gut dar. In den Eckzähnen des Oberkiefers finde ich keinen merklichen Unterschied von denjenigen des europäischen Wildschweins; sie mögen vielleicht etwas platter, d. h. weniger cylindrisch sein als bei diesem. Die obern Schneidezähne sind vor Allem dichter ge- drängt als bei Sus scrofa, so dass die Alveolen sich be- rühren, während sie bei letzterer Art weit auseinander liegen. Ferner sind alle Schneidezähne merklich grösser als bei unserm Wildschwein, und namentlich ist Inc. 1 in eigenthümlicher Weise nach innen und abwärts, selbst fast nach rückwärts gekrümmt, in einer Weise, wie wir diess bei Sus scrofa nicht sehen. Die Backzähne des Unterkiefers sind nicht in demsel- ben Grade massiv, wie am Oberkiefer, dafür aber nicht vertikal eingesetzt, sondern so, dass die Kronen sich merk- lich nach innen neigen. Am stärksten zeigt sich diess am letzten Backzahn, der überdiess in seinem hintern Theil etwas nach aussen zurückgeknickt ist, namentlich an jün- sern Thieren, wo dieser Zahn dem vertikalen Unterkiefer- ast noch sehr nahe steht. Auch hier wiederholt sich übri- gens die nach vorn breite, nach hinten spitze Form der Oberkieferzähne, wenigstens an M. 3 und 2, welcher letz- tere Zahn beim europäischen Wildschwein durchweg hin- ten breiter ist als vorn. Auch hier finden sich statt der Basalwarzen am Aussenrand Einknickungen der Schmelz- wand. Der Talon von M. 3 besteht zunächst aus einem dritten Hügelpaar, und dann noch aus einer nach aussen schiefen Reihe von 2—3 Mittelhügeln, an die sich auf der Innenseite ein Kranz von niedrigen Warzen anschliesst, die an der Aussenseite fehlen. 184 Die Vorderbackzähne zeigen wieder die so charakte- ristischen Seitenränder, wie am Oberkiefer. Sehr eigenthümlich ist die Gestalt der untern Eck- zähne. Während bei dem europäischen Wildschwein an dem dreiseitigen Prisma, das dieser Zahn bildet, die nach innen gekehrte Seite weitaus die breiteste ist, dann die hintere, während die äussere nur etwa halb so breit ist, als die letzte, so sind am Eckzahn von Sus verrucosus Innen- und Aussenseite gleich breit, die Hinterseite dage- gen am schmalsten. Diess prägt sich natürlich auch im Umriss der Alveole dieses Zahnes ab, welche überdiess bei Sus verrucosus weniger aus der Richtung des Kiefer- randes vortritt als bei Sus scrofa. Die untern Schneidezähne sind bei Sus verrucosus we- niger nach vorn zusammen geneigt als bei Sus scrofa, und besitzen daher auch einen wesentlich breitern vordern Kau- rand. Inc. 3 ist dabei merklich grösser und breiter als bei dem europäischen Wildschwein. Langgestreckte Kegelform des Kopfes, schmale nach der Occipitalkante allmählig abfallende Stirn, gleichförmige quere Wölbung der Schädeloberfläche auf ihrer ganzen Ausdehnung, tiefe Concavität der Seitenflächen des Schä- dels und kurze hohe Gestalt des Thränenbeins, das bis auf den Jochbogen hinabreicht, eigenthümliche vorn breite, nach hinten sich verjüngende Gestalt der Molaren, compresse Gestalt der von vorragenden Seitenrändern eingefassten Pr&molaren, ganz eigenthümliche Gestalt des untern Eck- ‘ zahns und endlich dichte Stellung und bedeutende Grösse der Schneidezähne sind demnach die Merkmale, welche Sus verrucosus von Sus scrofa sehr gut unterscheiden lassen, und auch gleichzeitig jeden Antheil dieser javanischen Art an der Erzeugung irgend welcher heute bekannten Cultur- form des Schweines gänzlich ausschliessen. Zur Vervollständigung dieser Angaber sind die auf 185 eine Schädellänge von 100 Millim. reducirten Messungen an den vor mir liegenden zwei männlichen und an einem weiblichen Schädel der besprochenen Species dem obigen Tableau angehängt worden, und zur Abschätzung dieser Werthe habe ich schliesslich in einer letzten Colonne die Mittelwerthe aus 8 Schädeln des männlichen europäischen Wildschweines beigefüst (5 von Nathusius, 3 aus Basel), woraus einmal die Unterschiede zwischen der europäischen und der javanischen Art, allein auch die Geschlechtsunter- schiede bei beiden Arten, sofern sie durch diese Messun- gen ausdrückbar sind, hervorgehen. Die Mittelmaasse männlicher Schädel belegen einige der oben gemachten Angaben in deutlichster Weise. Ausser grösserer Höhe des Schädels (N. 28 der Tabelle) zeigt sich beim javanischen Schwein eine grössere Länge des Profils (N. 2), in Folge- von Verlängerung der hintern Stirnhälfte, während die vordere bei beiden Arten gleich, und die Nase bei der javanischen Art selbst kürzer ist. Ferner ragt der Gaumen bei letzterer Art etwas weiter nach hinten (N. 10, 12), während umgekehrt die Schnauze etwas kürzer ist (13). Die regelmässigere Kegelform des Schädels der javanischen Art drückt sich dadurch aus, dass der Schädel im Joch- theil und im Intermaxillartheil etwas breiter ist als bei der europäischen Art (N. 14, 19), während er zwischen diesen Punkten hinter ihr an Breite zurückbleibt. Dieselben Ergebnisse liefert die Vergleichung: der Co- lonnen für die weiblichen Schädel beider Arten. Nur zeigt sich hier eine etwas andere Ausbildung des Hinterkopfes. Trotz längerm Hinterhaupt (N. 8) ragt dasselbe nach hin- ten weniger vor als bei dem europäischen Schwein (N. 2), allein dafür wird die Schädeloberfläche gewissermaassen nach vorn gedrückt und dadurch die Schädelbasis verlän- gert. Es zeigt sich diess in der grossen Profillänge N. 4, trotz geringer Ausdehnung der Nasenbeine (6), sowie in 13 186 der Ausdehnung der Schädelachse (N. 9). Es erfolgt also hier beim weiblichen Geschlecht bereits physiologisch jene Verschiebung der Hirncapsel, oder vielmehr der Knochen- masse des Occiput nach vorn (um eine imaginäre fixe Axe, welche etwa im vordern Keilbein liegen müsste), welche von Nathusius in so einleuchtender Weise als Haupterfolg der Cultur nachgewiesen worden ist; demgemäss ist denn auch die vordere Stirnhälfte (N. 7) die einzige Grösse, welche nicht nur bei den Geschlechtern je einer Species, sondern sogar bei beiden Geschlechtern und beiden Spe- cies constant bleibt. Beim europäischen Wildschwein erscheinen diese Ge- schlechtsunterschiede, sofern sie sich in den gegebenen Messungen abspiegeln, etwas weniger auffällig als bei dem javanischen. Sie beruhen hier besonders in allgemeiner Abnahme der Breitendimensionen beim weiblichen Thier (der freilich einzelne weibliche Schädel von Java übertraf an relativer Breitenausdehnung alle die drei männlichen), während die Verkürzung des Occiput (N. 2, 4, 8) geringer ausfällt als bei dem javanischen Schwein, und die Verlän- gerung der Schädelbasis sich höchstens noch in Position 10 bemerklich zu machen scheint. Constante Grössen bei bei- den Geschlechtern sind hier nur vordere Stirnlänge, Na- senlänge und Gaumenlänge, obschon letzterer beim weib- lichen Geschlecht etwas anders zusammengesetzt zu sein scheint, als beim männlichen, d. h. einen kürzern Incisiv - und einen längern Molartheil zu enthalten scheint als bei dem letztern. VERHANDLUNGEN DER NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT BABSEHI.. VIERTER THEIL. ZWEITES HEFT. BASEL. SCHWEIGHAUSERISCHE VERLAGS-BUCHHANDLUNG. 1865. CHEMIE. Mittheilungen von C. F. Schünbein vom September 1864 bis zum August 1865. E, Ueber das Verhalten des Ozons und Wasserstoffsuper- oxides zum Cyanin. Ver einigen Jahren wurde in der Farbenfabrike des Herrn Müller von Basel ein prachtvo!l blauer Farbstoff zum Behufe der Seidenfärberei im Grossen dargestellt, weicher unter dem Namen „Cyanin“ in Handel gelangte, seiner ge- ringen Haltbarkeit wegen jeäcon bald ausser Gebrauch kam. Man erhielt denselben aus einer Verbindung des Leucolins (C'8 H7 N) oder Lepidins (C?° H° N) oder auch beider Basen mit Jodamyl durch Behandlung mit kaustischer Na- tronlauge und die Herren Dr. Nadler und Merz in Zürich, welche das reine (krystallisirte) Müller’sche Blau einer Analyse unterwarfen, gaben ihm die empirische Formel 055 HP? N? J. Charakteristisch für den Farbstoff ist seine ausseror- dentliche Empfindlichkeit für die Säuren, durch welche dessen geistige Lösung augenblicklich entfärbt, durch Al- 14* 190 kalien aber wieder gebläuet wird, auf welches Verhalten ich weiter unten zurückkommen werde. on Auf den Wunsch des Herrn Dr. Martius stellte ich unlängst mit diesem Chemiker einige Versuche über die Einwirkung des Ozons auf das Cyanin an, aus welchen her- vorgieng, dass Letzteres rascher als irgend ein anderer bekannter Farbstoff durch das genannte oxidirende Agens gebleicht werde, wie daraus abzunehmen war, dass Streifen weissen Filtrirpapieres mittelst einer alkoholischen Lösung des Cyanins merklich stark gebläuet, schon vollkommen farblos erschienen, nachdem sie nur wenige Sekunden lang der Einwirkung einer mässig starken Ozonatmosphäre aus- gesetzt gewesen waren, während z.B. durch Indigo- oder Lakmustinktur eben so tief gefärbtes Papier unter den gleichen Umständen zu seiner vollständigen Entbläuung eine viel längere Zeit erforderte. Dass der durch electrische Entladungen ozonisirte Sauer- stoff gleich dem bei der langsamen Verbrennung des Phos- phors auftretenden Ozon auf das Cyanin einwirken werde, liess sich zwar mit Sicherheit voräussehen; doch habe ich mich mittelst einer kräftig wirkenden Rhumkorffschen Vor- richtung durch den Augenschein von der Gleichheit dieser Einwirkung überzeugen wollen. Wurde ein mit Cyanin- lösung gebliäueter und mit Wasser benetzter (um die Ent- zündung zu verhüten) Papiersireifen seiner Breite nach langsam zwischen den Entladungsspitzen des Inductions- apparates durchgeschoben, so entstand eine weisse Linie .da, wo die überschlagenden Funken das gefärbte Papier getroffen hatten. Diese vorläufigen Ergebnisse veranlassten mich, weitere Versuche über den gleichen Gegenstand anzustellen, welche zur Ermittlung von Thatsachen geführt haben, die nach meinem Dafürhalten ein allgemeines wissenschaftliches In- teresse besitzen und überdiess demjenigen Chemiker, der 191 das Müller’sche Blau einer genauern Untersuchung zu unter- werfen beabsichtigen sollte) in mehr als einer Hinsicht als Anhaltspunkte dienen können. Die grosse Lückenhaftigkeit der nachstehenden Arbeit kann Niemand stärker fühlen, als ihr Urheber selbst; ich darf aber und will auch dieselbe mit dem Umstand ent- schuldigen, dass zur Anstellung so vieler Versuche mir nur wenige Gramme des merkwürdigen Farbstoffes zu Gebot standen, so dass ich glaube, diese so winzige Menge haus- hälterisch genug und nicht ohne allen Nutzen für die Wis- senschaft verwendet zu haben. Anstatt der gefärbten Pani:rstreifen wendeteich Wasser an, welches 5%, conzentrirter alkoholischer Cyaninlösung enthielt und desshalb auf das Tiefste gebläuet war. Diese Flüssigkeit, welche ich der Kürze halber in der Folge mit dem Namen „Cyaninwasser“ bezeichnen will, brauchte ich, um sie vollkommen zu entblauen, nur wenige Sekunden lang mit ozonisirtem Sauerstoff zu schütteln, falls nämlich die Menge des angewendeten Cyaninwassers nicht zu gross und das Ozon reichlich genug vorhanden war. Wurde mit Letzterem die Flüssigkeit nicht länger behandelt, als diess ihre Entbläuung erheischte, so erschien sie schwach bräun- lich gefärbt, um jedoch vollkommen klar und farblos durch das Filtrum zu gehen. Man würde sich nun stark irren, wollte man aus dieser Farblosigkeit schliessen, dass in der Flüssigkeit kein Cyanin mehr enthalten sei, wie diess die nachstehenden Angaben zeigen werden. Ein glänzendes Thalliumstäbchen mit dem frisch ge- bleichten Cyaninwasser in Berührung gebracht, verursacht eine noch merklich starke Bläuung der Flüssigkeit; die gleiche Wirkung bringen einige Tropfen schweflichter Säure hervor, aber nur vorübergehend, indem die Färbung eben sa schnell wieder verschwindet, als sie zum Vorschein ge- kommen; auch die wässerige Lösung der arsenichten Säure 192 bläuet das gebleichte Wasser, welche Färbung nur von kurzer Dauer ist; eben so bläuen vorübergehend die Schwe- felwasserstoff-, Cyanwassersteff- und Pyrogallussäure, wäh- rend Ferrocyankalium, Jodwasser»toff und Jodkalium eine beständige Bläuung verursachen. Auch der Weingeist, Holz- geist‘, das Aldehyd, Bittermandelöl, Glycerin, Aceton und noch manche Andere flüssige Materien organischer Art bläuen das gebleichte Wasser, falls sie ihm in gehöriger Menge beigemischt werden, wie diess ebenfalls die Alkalien thun. Ich bemerke noch, dass in allen Fällen, wo die hervorge- rufene Bläuung eine andauernde ist, dieselbe durch Säuren, z.B. durch verdünnte SO; augenblicklich wieder aufge- hoben wird, mit Ausnahme derjenigen, welche das Jod- wasserstoff und Jsdkalium verursacht. Durch welches Mittel aber auch das gebleichte Cyauinwasser wieder gebläuet werden mag, so färbt sich-dasselbe nicht mehr so tief, als es vor seiner Behandlung mit Ozun gewesen und ich darf . hier die weitere Thatsache nicht unerwähnt lassen, dass die durch eine der genannten reducirenden Substanzen, z. 5. durch HS hervorgerufene Bläuung beim Zufügen eines gelösten Alkalis noch tiefer gefärbt wird. Diese Bläuungsfähigkeit ist jedoch keine andauernde Eigenschaft des gehbleichten Wassers: sie verschwindet langsam in vollkommener Dunkelheit, rascher im Zer- streueten — und am Schnellsten im unmittelbaren Sonnen- lichte, wobei noch zu bemerken ist, dass die durch die oxidirbaren Materien HS, SO, As O, u.s. w. bewerkstel- ligte Bläuung in eben demselben Grade schwächer wird, in welchem die Stärke dieser durch .“lkalien hervorge- rufenen Färbung abnimmt, so dass wenn Jene aufhören, die Flüssigkeit zu bläuen, auch das Kali, Ammoniak u. s. w. eine solche Färbung nicht mehr verursachen. Wird das bläuungsunfähig gewordene gebleichte Cya- ninwasser der Einwirkung des unmittelbaren Sonnenlichtes 193 ausgesetzt, so fängt es bald an, sich abermals zu bläuen, um schon nach einer halbstündigen Besonnung tief gefärbt zu erscheinen, gleichgültig ob die Flüssigkeit mit der Luft in Berührung gestanden oder nicht und ich will noch bei- fügen, dass die Anwesenheit kleiner Mengen freier Säuren oder Alkalien diese Lichtwirkung verhindert. Der unter diesen Umständen auftretende Farbstoff ist im Wasser nicht gelöst, sondern nur äusserst fein mecha- nisch zertheilt, wesshalb derselbe von einem doppelten Filtrum vollständig zurück gehalten wird und die Flüssig- keit nur licht kirschroth gefärbt, aber vollkommen klar abläuft, welche Färbung durch Säuren aufgehoben und durch Alkalien wieder hervorgerufen wird. Hat man das Son- nenlicht hinreichend lange auf das gebleichte Wasser ein- wirken lassen, so scheidet sich aus ihm kein weiterer Farb- stoff aus, was daran bemerkt wird, dass die filtrirte Flüs- sigkeit bei fortgesetzter Besonnung ihre kirschrothe Fär- bung nicht mehr veränderte Kaum dürfte noch die Be- merkung nöthig sein, dass die freiwillige Bläuung des durch Ozon gebleichten Cyaninwassers auch im zerstreueten — obwohl viel langsamer als im unmittelbaren Sonnenlichte stattfindet, in der Dunkelheit aber durchaus nicht erfolgt, wie lange man auch unter diesen Umständen die Flüssig- keit sich selbst überlassen mag. Was den besagten auf dem Filtrum zurückbleibenden Farbstoif betrifft, so löst sich derselbe ähnlich dem Cyanin in Weingeist mit tief und rein blauer Farbe auf, unter- scheidet sich aber von Letzterm schon wesentlich dadurch, dass seine alkoholische Lösung durch Säure nicht entbläuet wird. Weiter unten werden wir in einem eigenen Ab- - schnitte noch einige weitere Eigenschaften dieses durch Licht erzeugten Farbstoffes kennen lernen und es sei hier nur noch so viel über ihn bemerkt, dass er, wenn im Wasser zertheilt und der weitern Einwirkung des Sonnen- 194 lichtes ausgesetzt, auch bei Ausschluss des Sauerstoffes sich in einen andern Farbstoff umwandelt, welcher im Wasser mit kirschrother Farbe sich löst, durch Säuren entfärbt und durch Alkalien wieder geröthet wird. Behandelt man das Cyaninwasser länger als zu seiner Entbläuung nöthig ist mit ozonisirtem Sauerstoff, so ver- schwindet schnell die anfänglich eintretende bräunliche 'Trübung wieder und zeigt die völlig farblos und klar ge- wordene Flüssigkeit nicht mehr die Eigenschaft, durch reducirende und alkalische Substanzen sich bläuen zu lassen, wohl aber noch die Fähigkeit, unter dem Einflusse des Lichtes sich noch ziemlich tief blau zu färben und den vorhin besprochenen Farbstoff zu erzeugen. Die erwähnten Ergebnisse lassen sich babe auch mit cyaninhaltigen Papierstreifen erhalten; denn lässt man dieselben in ozonisirter Luft nicht länger verweilen, als eben zu ihrer Entbläuung nôthig ist, so zeigen sie noch ein bräunliches Aussehen und führt man sie in diesem Zu- stande in Ammoniak-, HS- oder SO;-Gas ein, so bläuen sich dieselben sofort noch deutlichst, um jedoch in letzterm Gas ihre Färbung rasch wieder zu verlieren. Auch wird so gebleichtes Papier da gebläuet, wo man es mit einem Thalliumstäbchen stark berührt oder mit einem Tropfen Bittermandelöl benetzt, und kaum brauche ich beizufügen, dass das fragliche Papier dieses Bläuungsvermögen im Licht schneller als in der Dunkelheit verliere und auch dadurch einbüsse, dass man es länger in der Ozonatmosphäre ver- weilen lässt, als diess seine Entbläuung erfordert. Immer besitzt aber ein solcher Streifen noch die Eigenschaft, im unmittelbaren Sonnenlichte rasch, im zerstreueten langsamer sich zu bläuen. Schliesslich ist noch zu bemerken, dass das mit Ozon behandelte Cyaninwasser, wenn mit SO; schwach angesäuert, den Jodkaliumkleister tief bläuet, mit Pyrogallussäure sieh bräunt und die ungesäuerte Flüssig- 195 keit durch einige Tropfen Kali- und Sublimatlösung weiss- lich getrübt wird, welche Reactionen auf das Vorhanden- sein kleiner Mengen salpetrichtsauren Ammoniakes hindeuten. Gegen mein Erwarten liess sich in dem gebleichten Cyanin- wasser kein Jod nachweisen. Es fragt sich nun, wie es komme, dass das Cyaninwasser durch die anfängliche Ein- wirkung des Ozons entbläuet und doch noch unzerstörten Farbstoff enthalten könne. Obwohl eine völlig genügende Beantwortung dieser Frage dermalen noch nicht möglich ist, so will ich doch auf einige Puncte aufmerksam machen, welche zum richtigen Verständniss dieser räthselhaft er- scheinenden Thatsache führen dürften. Nach meinen frü- hern Versuchen sind das Thallium, die schweflichte-, arse- nichte-, Schwefelwasserstoff-, Cyanwasserstoff-, Jodwasser- stoff-, Pyrogallussäure, das Jodkalium, Ferroeyankalium u.s. w. Materien, welche nicht nur den freien, — sondern auch gebundenen ozonisirten Sauerstoff gierigst aufnehmen, um sich zu TLO;, SO;, As O; u. s. w. zu oxidiren. Da es nun wieder die gleichen Materien sind, welche das durch Ozon frisch gebieichte Cyaninwasser zu bläuen vermögen, so kann man kaum anders als annehmen, dass in dieser Flüssigkeit ein aus Cyanin und Ozon bestehende farblose Verbindung enthalten sei, wieder zersetzbar durch die ozongierigen Materien, welche, indem sie sich mit dem ozonisirten Sauerstoff der fraglichen Verbindung vereinigen, den gebundenen Farbstoff unverändert in Freiheit setzen. Die weitere Thatsache, dass die durch die ozongie- rigen Substanzen hervorgerufene Bläuung in einer Anzahl von Fällen wieder verschwindet, beruhet ohne Zweifel auf der Eigenschaft des Cyanins, durch freie Säuren entbläuet zu werden; wenn daher die durch SO,;,, As O3 u. s. w. an- fänglich verursachte Färbung wieder verschwindet, so ist eine solche Wirkung der unter diesen Umständen gebildeten Schwefelsäure, Arsensäure u. s. w. zuzuschreiben. 196 Bass auch die Alkalien das frisch gebleichte Cyanin- wasser wieder zu bläuen vermögen, muss zu der Ver- muthung fñhren, dass bei der anfänglichen Einwirkung des Ozons auf den Farbstoff irgend eine Säure erzeugt werde, welche unmittelbar nach ihrer Bildung mit einem Theile des verhandenen Uyanins zu einer farblosen Verbindung zusammen trete. Die Thatsache, dass das durch Ozon frisch gebleichte Cyaninwasser bei Anwendung ozongieriger und alkalischer Substazzen sich merklich tiefer bläuet, als diess geschiehet, wenn nur die Einen und nicht auch die Andern der Flüssigkeit zugefügt werden, scheint mir ausser Zweifel zu stellen, dass in dem gebleichten Wasser zwei ver- schiedene farblose Cyaninverbindungen enthalten seien, von welchen die Eine nur durch ozongierige, die Andere nur durch Alkalische Materien zerlegt und daraus der Farbstoff abgeschieden werden kann. Da aber auch selbst bei An- wendung beider Arten von Bläuungsmitteln das gebleichte Wasser nicht mehr die Tiefe seiner ursprünglichen Fär- bung erlangt, so wird hieraus wahrscheinlich, dass durch das Ozon gleich anfänglich ein Theil des Cyanins zerstört und in Folge hievon eine Säure gebildet werde, welche einen andern Theil des vorhandenen Farbstoffes entbläuet. Es ist übrigens nicht unmöglich, für mich sogar wahr- scheinlich, dass im ersten Augenblicke des Zusammentref- fens des Cyanins mit dem Ozon nur das Cyaninozonid ge- bildet werde, dass aber das Ozon eines Theiles dieser Ver- bindung sofort auf die Eiemente eines Theiles des mit ihm (dem Ozon) vergesellschafteten Farbstoffes wirklich oxi- dirend und daher zerstörend einwirke unter Bildung einer sauren Substanz, welche mit dem unverändert gebliebenen Theile des Pigmentes die farblose und allein durch Alka- lien zersetzbare Verbindung eingeht. Nach dieser Ansicht würde somit das ozonhaltige Cyanin, welches wir in dem frisch gebleichten Wasser antreffen, nur noch ein Rest des 197 anfänglich gebildeten Cyaninozonides sein und liesse sich auch begreifen, wesshalb die besagte Flüssigkeit selbst bei Anwendung reducirender und alkalischer Substanzen nicht mehr so tief gebläuet wird, als sie es vor ihrer Behand- lung mit Ozon gewesen. Die Annahme, dass thätiger Sauerstoff als solcher mit einer so leicht oxidirbaren Materie wie das Cyanin ist, vergesellschaftet sein könne, muss auffallend genug er- scheinen; wir kennen indessen bereits einige derartigen Verbindungen, wie z. B. das sogenannte ozonisirte Terpen- tinöl, in welchem der thätige Sauerstoff als Antozon vor- handen ist, wie auch das gebläuete Guajak als eine Ver- bindung des Harzes mit Ozon als soichem angesehen wer- den muss. Und zwar berechtiget zu dieser Annahme die Thatsache, dass die so gebundenen Sauerstofimodificationen sich wieder abtrennen und auf andere Materien übertragen lassen. So gibt z. B. das ozonisirte Terpentinöl den mit ihm vergesellschafteten antozonigen Sauerstoff bereitwil- ligst an SO, ab, um dieselbe zu Schwefelsäure zu oxidiren oder an die Basis der gelösten Eisenoxidulsalze, um sie in Eisenoxid zu verwandeln. Was das blaue ozonhaltige Guajakharz betrifft, so wird es.nach meinen Versuchen schon im festem Zustand und noch leichter, wenn in Wein- geist gelöst, durch Schwefelwasserstoff -u. s. w. augen- blicklich entbläuet, welche Entfärbung auf einer Ozon- entziehung beruht; die geistige Lösung des ozonisirten Guajaks entfärbt sich aber auch freiwillig langsam in der Dunkelheit, etwas rascher im zerstreuten und am schnell- sten im unmittelbaren Sonnenlichte. Diese spontane Ent- bläuung beruht ebenfalls auf einer Ozonentziehung, d.h. wirklich oxidirenden Wirkung, welche das mit dem Guajak verbundene Ozon langsamer oder rascher, je nach der Stärke der Beleuchtung auf die oxidirbaren Bestandtheile des Harzes hervorbringt, um Letzteres so zu verändern, 198 dass es mit weiterm Ozon keine blaue Verbindung mehr einzugehen vermag. Das von mir vermuthete Cyauinozonid wäre somit vergleichbar dem ozonisirten Guajak, zwischen welchen jedoch der bemerkenswerthe Gegensatz bestünde, dass in dem einen Fall durch die Vergesellschaftung des Ozons mit einer blauen Waterie eine farblose Verbindung entstünde, während im andern Falle das gleiche Ozon mit einer farblosen Substanz eine blaue Verbindung erzeugte, was, wie man leicht einsieht, zur nothwendigen Folge haben müsste, dass die eine Verbindung durch Ozonent- ziehung gebläuet, die Andere entbläuet würde. Die oben erwähnte Thatsache, dass die beiden in dem durch Ozon frisch gebleichten Cyaninwasser enthaltenen farblosen Cyaninverbindungen mit einander verschwinden und zwar um so rascher, je stärker die Flüssigkeit beleuch- tet ist, gibt der Vermuthung Raum, dass sie selbst ver- ändernd auf einander einwirken, um eine neue farblose Materie zu erzeugen, welche in der Dunkelheit unveränder- lich ist, unter dem Einflusse des Lichts aber in einen blauen vom Cyanin verschiedenen Farbstoff sich umsetzt, der seinerseits wieder bei fortdauernder Lichteinwirkung in ein rothes Pigment übergeführt wird. | Da mich Herr Martius hoffen lies, er werde dem- nächst die Einwirkung des Ozons auf das Müller’sche Blau zum Gegenstand einer einlässlichen Untersuchung machen, so dürfen wir erwarten, dass er uns über den nächsten Grund der erwähnten so ungewöhnlichen Erscheinungen, wie überhaupt über die mannigfaltigen Vorgänge, welche bei der Wechselwirkung dieser beiden Materien stattfinden, bald ins Klare setzen werde, eine Arbeit aber, die, wie ich fürchte, eine eben so umfangsreiche als schwierige sein dürfte. Wenn voranstehenden Angaben gemäss das freie Cyanin sehr rasch durch das Ozon zerstört wird, so ist diess kei- 199 neswegs mit dem an kräftige Säuren gebundenen Farbstoff der Fall, dessen vollständige Zerstörung in diesem Zu- stande verhältnissmässig ziemlich langsam erfolgt, wie dar- aus abzunehmen ist, dass ein erst durch Cyaniniôsung ge- bläueter und durch Eintauchen in verdünnte Schwefelsäure wieder entfärbter Papierstreifen einige Stunden lang der Einwirkung einer Ozonatmosphäre ausgesetzt werden muss, damit er sich durch Alkalien nicht mehr bläue, während erwähntermassen ein blos gelläueter Uyaninstreifen unter den gleichen Umständen in viel kürzerer Zeit so vollstän- dig ausgebleicht ist, dass er sich durch die erwähnten Mittel nicht mehr bläuen lässt. Trotz der Anwesenheit einer Säure wirkt aber das Ozon doch auf einen Theil des Cyanins unverweilt ein, wie man diess aus nachstehenden Angaben ersehen kann. Wird ein farbloses Gemisch von zwei Raumtheilen Wassers, durch ein Tausendtei SO, angesäuert, und einem Raumtheil conzentrirter alkoholischer Cyaninlösung mit stark ozoni- sirter Luft zusammen geschüttelt, so trübt sich dasselbe sehr stark in Folge der Ausscheidung einer braunen, dem Kermes ähnlichen Materie, welche durch Filtration von der übrigen Flüssigkeit sich trennen und mit Wasser aus- waschen lässt. Auf diese Weise von anhaftenden Beimen- gungen befreit, besitzt der braune Körper die Eigenschaft, durch alle die oben erwähnten reducirenden und alkalischen Substanzen gebläuet zu werden, welche Färbung durch Säuren augenblicklich wieder zum Verschwinden gebracht wird, was sehr wahrscheinlich macht, dass der bläuende Farbstoff Cyanin sei. Diese Bläuungsfähigkeit der braunen Materie ist jedoch ebenfalls nicht andauernd, sondern ver- schwindet rasch im unmittelbaren Sonnenlicht, weniger schnell im zerstreuten und noch langsamer in der Dunkel- heit. Im Wasser vertheilt und mit Ozon behandelt ver- schwindet sie sofort und die hierbei erhaltene farblose 200 Flüssigkeit wird weder durch reducirende noch alkalische Substanzen gebläuet. Die gleiche braune Materie löst sich leicht in wässerigem HS oder SO; mit Farblosigkeit auf eine Flüssigkeit liefernd, welche durch Alkalien gebläuet wird, um durch Säuren wieder entfärbt zu werden. Alle diese Reactionen lassen vermnuthen, dass der braune Körper eine Verbindung von 6zon- und säurehaltigem Cyanin sei oder dieselbe doch enthalte. Was die von ihm abfiltrirte Flüssigkeit betrifft, so wird auch sie durch Alkalien noch auf das Tiefste ge- - bläuet und muss dieselbe längere Zeit mit Ozon behandelt werden, damit sie diese Eigenschaft verliere. Aehnlich dem freien — wirkt auch der gebundene ozonisirte Sauerstoff, wie er z. B. in dem Bieisuperoxid enthalten ist, bleichend auf das Cyaninwasser ein und da in dieser Hinsicht das Verhalten des genannten Superoxides ein eigenthümliches Interesse gewährt, so dürften einige nähere Angaben darüber hier wohl am Orte sein. Ein beinahe bis zur Undurchsichtigkeit gebläueies Gemisch von hundert Grammen Wassers und fünf Grammen conzentrirter- Cyaninlösung mit einem Gramm Bleisuperoxides bei ge- wöhnlicher Temperatur lebhaft zusammen geschüttelt. wird schon in wenigen Minuten und bei Anwendung einer etwas grösseren Menge von PbO, beinahe augenblicklich des gänzlichen entbläuet sein, so dass die durch das Filtrum gehende Flüssigkeit vollkommen farblos erscheint. Üeber- zieht man die innere Wandung eines Filtrums mit einer . pur dünnen Hülle in Wasser zertheilten Bleisuperoxides, so läuft das aufgegossene Cyaninwasser ohne weiteres Schütteln sofort farblos ab, wesshalb man auf diese Weise grosse Mengen der gefärbten Flüssigkeit bequem entbläuen kann. Alle die oben erwähnten redueirenden und alkalischen Materien, welche das durch Ozon frisch gebleichte Cyanin- 201 ) wasser wieder bläuen, bringen die gleiche Wirkung auch auf das durch Bleisuperoxid entfärbte Wasser hervor und zwar ebenfalls wieder so, dass die durch die reducirenden Substanzen bewirkte Bläuung beim Zufügen von Alkalien noch um ein Merkliches tiefer wird. Aber auch diese Bläuungsfähigkeit ist von keiner Dauer: sie verschwindet langsam in der Dunkelheit, raseber im zerstreuten und am schnellsten im unmittelbaren Sonnenlichte, mit welcher Veränderung eine gelbliche Trükung der Fiüssigkeit Hand in Hand geht, die daher in der Sonne sofort, weniger schnell im zerstreuten Licht und am Jargsamsten in der Dunkelheit eintritt, welche Trübung jedoch wieder ver- schwindet und zwar um so schneller, je stärker die Flüs- sigkeit beleuchtet ist. Lässt man das wieder klar und farblos gewordene Wasser noch länger der Einwirkung des unmittelbaren Sonnenlichtes ausgesetzt, so fängt es bald an, sich wieder zu bläuen in Folge der Ausscheidung eines Farbstoffes, welcher nicht durch ein doppeltes Fil- trum geht, in Weingeist löslich ist, nicht durch Säuren entbläuet wird, kurz so sich verhält, wie das unter der Mitwirkung des Lichtes in dem durch Ozon gebleichten Cyaninwasser entstehende blaue Pigment, aus welchen That- sachen erhellt, dass das Bleisuperoxid gleich dem Ozon auf das Cyanin einwirkt. Ganz anders als PbO, oder die Ozonide überhaupt verhalten sich diejenigen Oxide, welche ich Antozonide nenne, Z. B. die Superoxide des Wasserstoffes, Bariums, Strontiums, Kaliums und Natriums, die bekanntlich auf die Ozonide: Bleisuperexid, Uebermangansäure u, s. w. redu- eirend einwirken, in dem jene selbst einen Theil ihres Sauerstoffgehaltes (ihr &) verlieren. Besagte Antozonide bringen nemlich keine merkliche Wirkung auf das Cyanin hervor, wie schon daraus erhellt, dass das Wasserstofi- superoxid die Färbung des Cyaninwassers unverändert lässt. 20? ‘ Es ist von mir zu seiner Zeit gezeigt worden, dass das zweite Sauerstoffaequivalent des genannten Superoxides unter der Mitwirkung gelöster Eisenoxidulsalze die oxi- dirende Wirksamkeit des freien Ozons oder der Ozonide erlange, woher es kommt, dass Wasser, welches nur Spuren von HO, enthält und auf den Jodkaliumkleister nicht mehr einwirkt, Letztern beim Zufügen einiger Tropfen verdünnter Eisehvitriollösung augenblicklich noch auf das Tiefste bläuet und ein solches HO,-haltige und mittelst Indigtinctur noch deutlichst gebläuete Wasser bei Zusatz kleiner Mengen der genannten Eisen;salzlösung ziemlich rasch entfärbt wird, wesshalb auch der Jodkaliumkleister und die Indigolösung in Verbindung mit einem Eisenoxidulsalz so überaus em- pfindliche Reagentien auf das Wasserstoffsuperoxid sind. Diese Thatsachen liessen mich vermuthen, dass unter Mitwirkung eines solchen Salzes HO, gleich dem Ozon oder ileisuperoxid auf das Cyanin einwirken werde und die Ergebnisse meiner darüber angesteliten Versuche haben dis Richtigkeit dieser Vermuthung ausser Zweifel gestellt. HO,-haltiges und durch Cyauinlôsung tief gebläuetes Wasser entfärbt sich beim Zufügen einiger Tropfen verdünnter Kisenvitriollösung augenblicklich, welche farblose Flüssig- keit in jeder Beziehung wie das durch Ozon oder Blei- superoxid frisch gebleichte Cyaninwasser sich verhält: sie wird durch szongierige und alkalische Substanzen wieder gebläuet, verliert diese Eigenschaft rasch im Sonnenlichte, um darin später sich wieder zu bläuen u. s. w. Durch dieses Verhalten des Wasserstoffsuperoxides einerseits und die ausserordentliche Färbekraft des Cyanins andererseits wird dieser Farbstoff zum empfindlichsten Reagens auf HO,, welches wir bis jetzt kennen gelernt haben. Was die Stärke des Färbvermôgens des Cyanins betrifft, so zeigt nach meinen Versuchen ein Liter Was- sers, welches nur ein Zehnmilliontel unseres Farbstoffes 203 enthält, einen noch so merklich starken Stich ins Violette, dass das Verschwinden dieser Färbung vom Auge deut- lichst wahrgenommen wird. Vermischt man durch Cyanin- lösung noch merklich tief gebläuetes Wasser mit einigen Tropfen verdünnter Eisenvitriollösung, so verschwindet die Färbung vollkommen und ziemlich rasch, wenn in ihm auch nur winzigste Spuren von HO, enthalten waren und kaum brauche ich ausdrücklich zu bemerken, dass die besagte Eisensalzlösung für sich allein keine entbläuende Wirkung auf das Cyaninwasser hervorbringt, was nur dann geschieht, wenn dieselbe noch freie Säure erthält und sollten diess auch nur Spuren sein, weleher Umstand daher wohl zu be- achten ist, wenn. das Cyanin ais Reagens auf HO, dienen soll. Mittelst Titrirens bereitete ich mir ein Wasser, wel- ches nur ein Viermilliontel Wasserstoflsuperoxides enthielt und wurde diese Flüssigkeit für das Auge noch deutlichst gebläuet, so verschwand beim Zufügen einiger Tropfen verdünnter Eisenvitriollösung die Färbung wenn nicht augen- blicklich doch noch ziemlich rasch und vollständig. Und, nm noch an einem andern Beispiele die ausserordentliche Empfindlichkeit unseres Reagens auf HO, zu zeigen, sei bemerkt, dass reinstes Wasser nur wenige Augenblicke mit amalgamirten Zinkspähnen und atmosphärischer Luft zusammen geschüttelt, schon so viel Wasserstoffsuperoxid enthält, um mit Hülfe des Cyanins und der Eisenvitriol- lösung nachgewiesen werden zu können. Dass aber Was- ser, welches in der angegebenen Weise auf so geringe Mengen von HO, geprüft werden soll, auch nicht die klein- sten Spuren irgend einer freien Säure, nicht einmal von Kohlensäure enthalten darf, versteht sich von selbst, weil dieselben für sich allein schon einiges Cyanin entbläuen würden, wie diess die weiter unten folgenden Angaben deutlich genug zeigen werden. 15 204 IL, Ueber das Verhalten des gewöhnlichen Sauerstoffes zum Cyanin. Wie bereits erwähnt worden, kam in der Färberei das Cyanin bald ausser Gebrauch, weil die damit gefärbte Seide ungewöhnlich rasch erblasste und natürlich mehr aus wissenschaftlichen als technischen Gründen musste es mich interessiren, die nächste Ursache dieses schnellen Erblei- chens genauer kennen zu lernen, worüber meine Versuche Folgendes gezeigt haben. Werden zwei mittelst der gleichen Cyaninlösung tief gebläuete Papierstreifen, deren einer vorher über Vitriolöl getrocknet, der andere dagegen stark mit Wasser benetzt worden, gleichzeitig der Einwirkung des unmittelbaren Sonnenlichtes ausgesetzt und zwar so dass der erstere Streifen in einer mit vollkommen trocke- nem — der andere in einer mit wasserhaltigem Sauerstoff- gas gefüllten Flasche sich befindet, so wird bei kräftiger Besonnung der benetzte Streifen schon im Laufe von 40 bis 50 Minuten ausgebleicht werden, während in diesem Zeitraum die Färbung des trockenen Streifens im wasser- freien Gase nicht um ein Merkliches sich vermindert und Tage erfordert werden, damit unter diesen Umständen die Färbung des Papiers gänzlich verschwinde. Gleich stark gebläuete und mit Wasser benetzte Cyaninstreifen, in einer sauerstoffhaltigen Flasche aufgehangen, deren Boden mit Wasser bedeckt ist und die an einem vollkommen dunkeln Orte sich befindet, zeigen nach wochenlangem Stehen noch keine merkliche Verminderung der Stärke ihrer Färbung, aus welchen Thatsachen erhellt, dass beim Erbleichen der mit Cyanin gefärbten Zeuge ausser dem atmosphärischen Sauerstoff auch das Wasser und Licht eine einflussreiche 205 Rolle spielen. Selbsiverständlich verhält sich das durch Cyaninlösung gefärbte Wasser wie die feuchten mit der gleichen Flüssigkeit gebläueten Papierstreifen; es lassen sich jedoch am erstern Vorgänge und Erscheinungen wahr- nehmen, welche man am Papier nicht beobachten kann, wie diess die nachstehenden Angaben sofort zeigen werden. Ein Gemisch von hundert Grammen Wassers und fünf Grammen conzentrirter Cyaninlösung in einer zweiliter- grossen sauerstoffhaltigen Flasche unter kräftiger Beson- nung lebhaft zusammen geschüttelt, wird schon nach drei bis vier Minuten vollkommen gebleicht sein und trotz eines noch vorhandenen schwachen Stiches ins Bläuliche völlig farblos durch das Filtrum gehen. Die so gebleichte Flüs- sigkeit bläuet sich mit den reducirenden Materien: HS, SO,, As O3 u. s. w. nicht mehr, wie auch die Alkalien diese Wirkung nur in einem äusserst schwachen Grade hervor- bringen; unter dem Einflusse des unmittelbaren Sonnen- lichtes färbt sie sich aber ziemlich rasch blau, welche Färbung von einem Pigmente herrührt, das nicht durch das Filtrum geht, in Weingeist sich löst, durch Säuren nicht entbläuet wird u. s. w., aus welchen Angaben hervorgeht, dass das durch besonneten Sauerstoff gebleichte Cyanin- wasser im Lichte gerade so sich verhält, wie die gleiche durch Ozon oder Bleisuperoxid entbläuete Flüssigkeit, nach- dem sie die Fähigkeit verloren hat, durch reducirende Substanzen u. s. w. gebläuet zu werden. Nach meinen frühern Versuchen bilden sich bei der langsamen Oxidation vieler unorganischen und organischen Materien in wasserhaltigem gewöhnlichen Sauerstoff nach- weisbare Mengen Wasserstoffsuperoxides, und auch bei der Einwirkung des beleuchteten Sauerstoffes auf das Cyanin- wasser findet die Bildung dieses Antozonides statt. Schüt- telt man ein Gemisch von hundert Grammen Wassers und fünf Grammen conzentrirter Cyaninlösung im Sonnenlichte 157 206 mit reinem oder atmosphärischem Sauerstoff so lange, aber nicht länger, zusammen, bis die Flüssigkeit farblos durch das Filtrum geht, so zeigt dieselbe folgende Reactionen. Etwa 30—40 Gramme des gebleichten Wassers erst mit einem Tropfen Bleiessigs und dann mit ein wenig Jodka- liumkleister vermischt, färben sich beim Zufügen von Es- sigsäure noch deutlich blau; die gleiche Flüssigkeit mit- telst Indigotinctur noch merklich gebläuet, entfärbt sich bei Zusatz einiger Tropfen verdünnter Eisenvitriollösung ziemlich rasch und natürlich besitzt das gebleichte Wasser auch das Vermögen, unter Mitwirkung der genannten Eisen- salzlösung noch einige Cyaninlôsung zu entbläuen. Diese und noch andere das Wasserstoffsuperoxid kennzeichnenden Reactionen , welche das durch beleuchteten Sauerstoff ge- hleichte Cyaninwasser hervorbringt, lassen daher keinen Zweifel darüber walten, dass es HO, enthalte, das sich während der Bleichung der farbstoffhaltigen Flüssigkeit bilden muss. Wie nun obigen Angaben zu Folge die kräftigern Säuren das Cyanin gegen die Einwirkung des Ozons noch merklich schützen, so thun sie diess auch und zwar in einer noch kräftigern Weise gegen diejenige des beleuch- teten Sauerstoffes, wie schon daraus hervorgeht, dass Pa- pierstreifen, erst durch Cyaninlösung gebläuet und dann mittelst verdünnter Schwefelsäure wieder entfärbt, viele Stunden lang der Einwirkung des feuchten und besonneten ‘ Sauerstoffes ausgesetzt werden müssen, damit sie durch Alkalien sich nicht mehr bläuen lassen. Eben so kann man durch Schwefelsäure entbläuetes Cyaninwasser lange im Sonnenlichte mit Sauerstoffgas zusammen schütteln, ohne dass es merklich von seinem Vermögen einbüsste, durch Kalilösung u. s. w. gebläuet zu werden, «wobei noch die negative Thatsache bemerkenswerth ist, dass in so behan- 207 deltem säurehaltigen Cyaninwasser kein HO, sich nach- weisen lässt. * Eine entgegengesetzte Wirkung bringen die Alkalien auf das Cyanin hervor, welche die Zerstörung des Farb- stoffes durch beleuchteten Sauerstoff in auffallender Weise beschleunigen, wie diess der einfache Versuch zeigt, dass ein durch Cyaninlösung tief gebläueter Papierstreifen, den man durch verdünnte Kalilösung gezogen, in kräftig beson- neter Luft schon nach wenigen Minuten so vollkommen ausgebleicht ist, dass er sich durch kein Mittel mehr bläuen lässt, während erwähntermaassen ein gleich gefärbter aber kalifreier Streifen unter sonst völlig gleichen Umständen gegen %, Stunden Zeit zu seiner vollständigen Bleichung erfordert. Noch muss bemerkt werden, dass ein in voll- kommener Dunkelheit gehaltener alkalisirter und feuchter Cyaninstreifen seine blaue Färbung nicht im Mindesten verändert. Fassen wir die voranstehenden Angaben kurz zusam- men, so zeigen sie: 1) dass der beleuchtete wasserfreie Sauerstof! das Cyanin nur langsam zerstôre; 2) dass auch bei Anwesenheit von Wasser der dunkle Sauerstoff ohne merkliche Wirkung auf den Farbstoff sei; 3) dass wasser- haltiger und beleuchteter Sauerstoff das Cyanin rasch ent- bläue; 4) dass das unter diesen Umständen gebleichte Cyaninwasser eine farblose Materie gelöst enthalte, aus welcher sich unter der Mitwirkung des Lichtes erst ein blauer vom Cyanin verschiedener Farbstoff und aus diesem bei fortdauernder Lichteinwirkung ein rothes Pigment her- vorgehe; 5) dass bei der Einwirkung des beleuchteten Sauerstoffes auf das cyaninhaltige Wasser noch eine nach- weisbare Menge von Wasserstoffsuperoxid entstehe; 6) dass die Säuren das Cyanin gegen die zerstörende Einwirkung des beleuchteten Sauerstoffes merklich stark schützen, aber auch die Bildung des Wasserstoffsuperoxides verhindern 208 und 7) dass die Alkalien die Zerstörung des Cyanins im beleuchteten Sauerstoff namhaft beschleunigen. Diese Thatsachen scheinen mir auf folgende Weise gedeutet werden zu können. Die Raschheit, mit welcher obigen Angaben gemäss das Cyanin sowohl durch freies als gebundenes Ozon auch bei völliger Abwesenheit des Lichtes entbläuet wird, zeigt die grosse Neigung des Farb- stoffes, ozonisirten Sauerstoff aufzunehmen, während das gleiche Pigment gegen den gewöhnlichen Sauerstoff wie auch gegen das Antozon des Wasserstoffsuperoxides gleich- gültig sich verhält. Tritt nun einerseits das ozongierige Cyanin, andererseits das antozongierige Wasser mit dem neutralen Sauerstoff in Berührung unter der gleichzeitigen Mitwirkung des Lichtes, so erfolgt, was unter den gleichen Umständen (die Nothwendigkeit der Beleuchtung ausge- nommen) auch bei der langsamen Verbrennung des Phos- phors in wasserhaltigem atmosphärischen Sauerstoff ge- schieht: es findet die chemische Polarisation oder Spaltung des neutralen Sauerstoffes in Ozon und Antozon statt, von denen Ersteres auf das Cyanin sich wirft, während das Antozon mit Wasser zu HO, sich vereinigt, wie diess in so vielen (wahrscheinlich in allen) Fällen langsamer Oxi- dation und namentlich auch bei derjenigen des Phosphors geschieht. Dieser Betrachtungsweise gemäss würde es nicht der gewöhnliche Sauerstoff sein, welcher als solcher im Son- nenlichte das Cyaninwasser entbläuete, sondern es käme dem unter diesen Umständen auftretenden Ozon diese Bleich- wirkung zu, so dass also nach meinem Dafürhalten die gleichen Vorgänge stattfinden, ob das Cyanin der Einwir- kung des freien oder gebundenen Ozons oder derjenigen des beleuchteten Sauerstoffes ausgesetzt werde. Wenn nun ungleich dem mittelst Ozons oder Bieisuperoxides frisch gebleichten Cyaninwasser der gleichen und durch beleuch- 209 teten Sauerstoff entfärbten Flüssigkeit die Eigenschaft ab- geht, sich mit reducirenden und alkalischen Substanzen zu bläuen, so rührt dies, wre ich glaube, einfach von der Verschiedenheit der Umstände her, unter welchen diese Bleichvorgänge stattfinden. Das Ozon und Bleisuperoxid entfärben das Cyaninwasser in der Dunkelheit oder bei schwächster Beleuchtung beinahe augenblicklich, unter welchen Umständen die gebleichte Flüssigkeit ihre Eigen- schaft durch HS, SO, u.s. w., wie auch durch die Alka- lien gebläuet zu werden, einige Zeit beibehält, während diese Eigenschaft im Sonnenlichte rasch verschwindet. Man sieht daher leicht ein, dass die bei der Einwirkung des besonneten Sauerstoffes auf das Cyaninwasser sich bildenden ozon- und säurehaltigen farblosen Cyaninverbin- dungen in der gebleichten Flüssigkeit nicht desshalb fehlen, weil sie nicht gebildet werden, sondern weil dieselben un- mittelbar nach ihrer Entstehung unter dem Einflusse des Lichtes in diejenige farblose Materie sich umsetzen, aus welcher bei fortdauernder Beleuchtung der wiederholt erwähnte neue blaue Farbstoff hervorgeht. Was den Schutz betrifft, welchen die Säuren dem Cyanin gegen die zer- störende Einwirkung des beleuchteten Sauerstoffes ge- währen, so beruht derselbe nach meinem Ermessen auf der chemischen Gebundenheit des Farbstoffes; denn ist das Cyanin z.B. mit Schwefelsäure vergesellschaftet, so muss dadurch sein Bestreben, mit Ozon sich zu verbinden, wo nicht ganz aufgehoben, doch sehr bedeutend geschwächt werden und es kann daher der so gebundene Farbstoff nicht mehr wie der freie polarisirend oder ozonisirend auf den neutralen Sauerstoff einwirken, eben so wenig als diess z.B. die an Salzsäure gebundenen Camphenöle zu thun vermögen, welche im freien Zustande den beleuch- teten Sauerstoff doch so leicht ozonisiren, wie uns hievon das Terpentinöl ein lehrreiches Beispiel liefert. Wir dür- 210 2 fen uns desshalb nicht verwundern, dass auch das an eine Säure gebundene ozongierige Cyanin gleichgültig gegen den beleuchteten Sauerstoff sich verhält und unter diesen Um- ständen auch kein Wasserstoffsuperoxid zum Vorschein kommt. Dass die Alkalien eine entgegengesetzte Wirkung hervorbringen, d.h. die Zerstörung des Cyanins im be- leuchteten Sauerstoff in so auffallender Weise beschleunigen, dürfte auf demselben Grunde beruhen, wesshalb nicht we- nige organische Materien, unter welchen bekanntlich die Pyrogallussäure sich ganz besonders auszeichnet, bei An- wesenheit von Wasser und Alkalien so begierig Sauerstoff aufnehmen und zerstört werden. Der nächste Grund, wess- wegen die Alkalien die Oxidation der genannten Substanz so sehr begünstigen, liegt wohl in der grossen Neigung dieser kräftigen Basen, sich mit Säuren zu verbinies, wel- chen Charakter die aus der Oxidation der Pyrogallussäure hervorgehenden Huminsubstanzen an sich tragen. Meine frühern Versuche haben nun gezeigt, dass auch unter diesen Umständen merkliche Mengen von Wasser- stoffsuperoxid gebildet werden, welcher Umstand für mich immer als Beweis gilt, dass der Bildung dieses Antozo- nides die chemische Polarisation des neutralen Sauerstoffes vorausgegangen sei. Ich halte desshalb dafür, dass der polarisirende Einfluss, welcher unter der Mitwirkung des Sonnenlichtes das Cyanin und Wasser schon für sich allein auf den neutralen Sauerstoff ausüben, durch die Anwesen- heit der säuregierigen Alkalien noeh wesentlich gesteigert ‘werde und eben diess der nächste Grund sei, wesshalb dieselben die Zerstörung, d. h. Oxidation des Farbstoffes im Sonnenlichte so sehr beschleunigen. Dass der neutrale Sauerstoff! unter der gleichzeitigen Mitwirkung des Wassers und Lichtes auf manche unor- ganischen und organischen Materien Oxidationswirkungen 211 hervorbringe, gleich denen, welche der ozonisirte Sauer- stoff schon in der Dunkelheit zu verursachen vermag, ist zweifellose Thatsache und da der in Rede stehende Fall hievon eines der lehrreichsten, weil anschaulichsten Bei- spiele liefert, so scheint er mir auch ganz besonders ge- eignet zu sein, bei der Behandlung der chemischen Grund- sätze des Bleichens als Vorlesungsversuch zu dienen. Und um augenfälligst auch die beschleunigende Bleichwirkung zu zeigen, welche unter der Mithülfe des Wassers und Lichtes die Alkalien auf manche organischen Farbstoffe und so namentlich auch auf die rohe Leinwand hervor- bringen, wüsste ich kein geeigneteres Mittel anzugeben, als einen durch Cyaninlösung gebläueten und mit verdünnter Kalilösung benetzten Papierstreifen, welcher erwähnter- massen in der besonneten atmosphärischen Luft schon im Laufe weniger Minuten sich vollständigst ausbleicht, wäh- rend derselbe unter sonst gleichen Umständen in völliger Dunkelheit seine Färbung nicht verändert und kalifreies obwohl benetztes Cyaninpapier auch im Sonnenlicht eine ungleich längere Zeit zu seiner Bleichung erfordert. Wie diess kaum zu bezweifeln ist, werden aber unter den er- wähnten Umständen nicht blos organische Farbstoffe, son- dern auch farblose Materien des Pflanzen- und Thierreiches mehr oder weniger rasch durch Oxidation zerstört, wess- halb zu vermuthen steht, dass z. B. bei der auf der Ober- fläche der Erde stattfindenden Verwesung organischer Sub- stanzen ausser dem atmosphärischen Sauerstoff und Wasser auch das Licht eine Rolle spiele und somit, alles Uebrige sonst gleich, die langsame Verbrennung mancher Pflanzen- und Thierstoffe um so rascher erfolge, je stärker die at- mosphärische Luft, mit welcher sie in Berührung stehen, von der Sonne beleuchtet ist, was nach meinem Dafürhal- ten ausser der höhern "Temperatur eine der Ursachen ist, wesshalb in den Tropenländern die Pflanzen- und Thier- 212 leichen rascher verwesen, als diess in südlichern oder nörd- lichern Gegenden geschieht. HIT, Ueber das Verhalten des Chlors zum Cyanin. Wie in so vielen Fällen das Chlor die chemische Wirk- samkeit des freien oder gebundenen Ozons nachahmt und mit Letzterm namentlich ein ausgezeichnetes Bleichver- mögen gemein hat, so zeigt sich auch zwischen dem Ver- halten dieser beiden Materien zum Cyanin die grösste Aehn- lichkeit, wie man aus nachstehenden Angaben abnehmen kann. Durch Cyaninlüsung tief gebläuete Papierstreifen werden selbst in einer schwachen Chloratmosphäre rasch gebleicht und nach Analogie mit andern organischen Farb- stoffen sollte man vermuthen, dass diese Entfärbung die Folge einer gänzlichen Zerstörung des Cyanins sei. Dem ist aber keineswegs so, wie schon daraus erhellt, dass die frisch durch Chlor gebleichten Streifen beim Einführen in Ammoniak-, HS- oder SO:-Gas sofort und zwar noch merk- lich stark sich bläuen (im letzten Gase nur vorübergehend), um durch Säuren augenblicklich wieder entfärbt zu werden, was beweist, dass das gebleichte Papier noch unzerstörtes Cyanin enthält. In einer dunkel gehaltenen Chloratmos- phäre können die Cyaninstreifen stundenlang verweilen, ohne dass sie die Fähigkeit verlieren durch Ammoniakgas sich noch merklich bläuen zu lassen. Setzt man das cyanin- haltige Papier der Einwirkung des Chlores nicht länger aus, als eben zu seiner völligen Entbläuung nöthig ist, so färbt es sich im Sonnenlichte ziemlich rasch wieder blau, obwohl nicht mehr so tief, als dasselbe vor seiner Be- handlung mit Chlor gewesen. Diese und noch andere Wir- 213 kungen, welche der Salzbildner auf das Cyanin hervor- bringt, lassen sich jedoch besser erkennen, wenn man anstatt des gefärbten Papiers durch Cyaninlösung tief ge- bläuetes Wasser anwendet. Tröpfelt man in diese Flüs- sigkeit so lange salzsäurefreies Chlorwasser, bis sie völlig farblos und klar geworden, so bläuet sich dieselbe augen- blicklich wieder durch alle die oben erwähnten ozongie- rigen Materien: Thallium, HS, SO,, As 0; u. s. w., wie auch die Alkalien diese Wirkung hervorbringen und zwar ebenfalls wieder so, dass die erst, durch die redueirenden Materien hervorgerufene Bläuung beim Zufügen von ge- löstem Kali u. s. w. merklich tiefer wird. Aber auch diese Bläuungsfähigkeit des gebleichten Wassers verschwindet wieder am langsamsten in der Dunkelheit, rascher im zer- streueten, am schnellsten im unmittelbaren Sonnenlicht und ist wie bei dem durch Bleisuperoxid entbläueten Cyanin- wasser diese Veränderung der Flüssigkeit mit einer gelb- lichen Trübung verknüpft, welche je nach der Stärke der Beleuchtung rascher oder langsamer wieder verschwindet. Hat aber das gebleichte Wasser auch aufgehört, durch die _ erwähnten Mittel gebläuet zu werden, so besitzt es immer noch die Eigenschaft, unter dem Einflusse des Sonnen- lichtes sich zu bläuen, welche Färhung von dem gleichen Farbstoff herrührt, der sieh unter denselben Umständen in dem durch Ozon, beleuchteten Sauerstoff und Bleisuperoxid gebleichten Cyaninwasser bildet. Wie die Säuren das Cyanin gegen die zerstörende Einwirkung des Ozons noch merklich schützen, so auch gegen diejenige des Chlores und zwar noch kräftiger, wie aus der Thatsache hervorgeht, dass zwei mit Cyaninlösung gefärbte Papierstreifen, deren einer vorher durch verdünnte Schwefelsäure entbläuet worden, der Einwirkung der glei- chen Chloratmosphäre ausgesetzt, ungleich lange Zeiten darin verweilen müssen, damit der in ihnen enthaltene 21% Farbstoff völlig zerstört werde und zwar der angesäuerte Streifen die längere Zeit, wobei es sich von selbst ver- steht, dass die vollständige Zerstörung des Cyanius daran erkannt wird, dass die Streifen im Ammoniakgas sich nicht mehr bläuen. Tröpfelt man in tiefgebläuetes und durch verdünnte Schwefelsäure entfärbtes Cyaninwasser wässriges Chlor ein, so entsteht ein kermesbrauner Niederschlag, wel- cher durch Zufügen weitern Chlorwassers heller wird, um rasch gänzlich zu verschwinden und hat man von Letzterm der Flüssigkeit nicht mehr zugesetzt, als zur Füllung des braunen Körpers nöthig ist, so läuft sie farblos durch das Filtrum, um sich mit Alkalien noch auf das tiefste zu bläuen, welche Färbung durch Säuren wieder aufgehoben wird zum Beweise, dass darin noch unzerstörtes Cyanin vorhanden ist. Was den auf dem Filter zurückgebliebenen braunen Körper betrifft, so verhält er sich wie die gleich sefärbte Substanz, welche durch Ozon aus dem mittelst Schwefelsäure entbläueten Cyaninwasser gefüllt wird. Wie man aus diesen Angaben ersieht, gleicht in sei- nem Verhalten das durch Chlor gebleichte Cyaninwasser dem durch Ozon oder Bleisuperoxid entfärbten so voll- kommen, dass man kaum umhin kann anzunehmen, das Chlor bringe bei seiner Einwirkung auf das wässrige Cyanin die gleichen farblosen durch ozongierige und alkalische Substanzen zersetzbaren Cyaninverbindungen hervor, welche das Ozon oder Bleisuperoxid mit dem Cyaninwasser er- zeugt. Bei meiner Ansicht über die Natur des Chlores kann es mir nicht auffallen, dass dasselbe gleich dem Ozon oder Bleisuperoxid wie auf so manche andere Materie so auch auf das wässrige Cyanin einwirke. Chlor ist für mich 0z0- _nisirte Salzsäure (Muriumsuperoxid) wie PbO, ozonisirtes Bleioxid und wie Letzteres beim Zusammentreffen mit dem Cyanin ozonisirten Sauerstoff an den Farbstoff abtritt, so 215 auch das Chlor, welches durch den Verlust seines Ozons zu Salzsäure reducirt wird, die ihrerseits einen Theil des vorhandenen Cyanins zu entbläuen vermag. Von der Ein- fachheit des Chlores ausgehend, muss man annehmen, dass bei seiner Einwirkung auf den Farbstoff Wasser zersetzt werde und der aus dieser innigen Verbindung kommende Sauerstoff im ozonisirten Zustande sich befinde, welche Annahme ich aus einer Reihe thatsächlicher Gründe für höchst unwahrscheinlich halten muss. Schliesslich sei noch bemerkt, dass auch das Brom ähnlich dem Chlor zum Cyanin sich verhalte, z. B. die mit diesem Farbstoffe gebläueten Streifen rasch bleiche, welche Entfärbung ebenfalls nicht auf einer gänzlichen Zerstörung des Cyanins beruht, da solche Streifen durch Schwefelwasser- stoff oder Ammoniakgas wieder gebläuet werden und zwar auch so, dass die durch HS u. s. w. hervorgerufene Fär- bung durch Ammoniakeinwirkung tiefer wird. Eben so werden die Cyaninstreifen durch die Dämpfe der Unter- salpetersäuren rasch gebleicht, um in Ammoniakgas sich wieder zu bläuen, welehe Färbung beim Einführen in Schwefelwasserstnffgas sich augenfälligst verstärkt, wess- halb man wohl vermuthen darf, dass Mutatis mutandis die Untersalpetersäure wie das Ozon, Bleisuperoxid, Chlor und Brom auf das Cyanin einwirke, welche Gleichheit des Ver- haltens für mich nichts Ueberraschendes haben kann, da nach meiner Ansicht alle diese Materien Ozon enthalten. IV. L Ueber das Verhalten der schweflichten Säure zum Cyanin.. Wohl kekannt ist die kräftige Bleichwirkung, welche diese Säure auf viele organischen Pigmente und namentlich 216 auf die rothen und blauen Blüthenfarbstoffe hervorbringt, wie auch die Thatsache, dass dieselben hierbei nicht zer- stört, sondern dadurch gebleicht werden, dass sie mit SO; farblose Verbindungen eingehen, woher es kommt, dass ‘ die gebleichten Blumen sich wieder färben, so bald man durch geeignete Mittel die darin gebundeue schweflichte Säure entweder austreibt (durch verdünntere stärkere Säu- ren) oder zu SO; oxidirt (durch Ozon, ozonisirtes Terpen- tinöl, besonneten Sauerstoff, Chlor u. s. w.), oder endlich zersetzt (durch Schwefelwasserstoff), wie diess von mir schon vor Jahren gezeigt worden ist. Da obigen Angaben gemäss alle löslichen Säuren das Cyanin entbläuen, ohne es zu zerstören, so darf man sich nicht wundern, dass auch der schweflichten Säure dieses Entfärbungsvermögen zukommt; sie zeigt indessen unserm Farbstoffe gegenüber einige Eigenthümlichkeiten des Ver- haltens, welche um so eher bekannt zu sein verdienen, als sie die allgemein auf die erwähnten Pflanzenpigmente be- zügliche Wirksamkeit der genannten Säure auf das An- schaulichste vor Augen führen. Ein mittelst conzentrirter Cyaninlösung tief gebläueter und nicht völlig trockener Papierstreifen wird beim Einführen in SO,-Gas rasch und auf das Vollständigste gebleicht; bringt man aber das weissgewordene Papier wieder in die freie Luft, so bläuet es sich sofort auf das Tiefste, um in das genannte Gas zurückgebracht eben so schnell sich wieder zu bleichen, so dass man denselben Streifen im Laufe einer Minute eine Anzahl von Malen weiss und blau sehen kann. Die Ursache dieser freiwilligen Bläuung des gebleichten Papiers liegt einfach in der Lockerheit der farblosen Ver- bindung, welche die schweflichte Säure mit dem Cyanin eingeht und die so lose ist, dass die Säure schon bei ge- wöhnlicher Temperatur vom Farbstoffe sich losreisst und in die umgebende Luft sich verflüchtiget, ähnlich der Koh- 217 lensäure und dem Ammoniak, welche feuchtes Lakmus- und Curcumapapier zwar röthen und bräunen, aber das trocken gewordene ‚Papier, beziehungsweise den Farbstoff wieder verlassen, so dass die Papiere von selbst ihre ursprüng- liche Färbung wieder annehmen. Anders verhält sich die Sache, wenn man das Cyanin- papier auch nur kurze Zeit der Einwirkung eines feuchten von der Sonne beschienenen Gemenges von SO;- und O- Gas aussetzt, unter weichen Umständen der Cyaninstreifen zwar auch rasch gebleicht wird, aber bald die Fähigkeit verliert, in der freien Luft von selbst sich wieder zu bläuen, welche Färbung jedoch augenblicklich durch Am- moniak u. s. w. zum Vorschein gebracht wird, damit sie in dem besonneten Gasgemenge abermals verschwinde, um nur durch Alkalien wieder hervorgerufen werden zu kön- nen u.s.f. Das zerstreuete Licht wirkt zwar wie der unmittelbare Sonnenschein, indessen viel langsamer, wäh- rend in vollkommener Dunkelheit das Cyaninpapier Tage lang in dem besagten Gasgemenge verweilen kann, ohne die Fähigkeit zu verlieren, in freier Luft sich wieder rasch zu bläuen. Der Grund, wesshalb das dunkle Gasgemeng anders als das beleuchtete sich verhält, ist in dem Einflusse zu suchen, welchen bei Gegenwart von Wasser das Licht auf die chemische Thätigkeit des gewöhnlichen Sauerstoffes ausübt. Wenn nemlich der dunkle wasserhaltige Sauerstoff entweder gar nicht oder doch nur höchst langsam oxidirend auf SO, einwirkt, thut diess der beleuchtete verhältniss- mässig rasch, wesshalb in dem besonneten Gasgemenge bald so viel Schwefelsäure sich bildet, um mit dem im Papier vorhandenen Cyanin ebenfalls eine farblose Ver- bindung einzugehen, aus welcher begreiflicherweise der Farbstoff nur durch Ammoniak oder andere Alkalien wieder in Freiheit gesetzt werden kann. 218 Wie man aus den voranstehenden Angaben ersieht, eignet sich das Cyanin wie kein anderes Pflanzenpigment zu Vorlesungsversuchen, durch welche sowohl die ge- wöhnliche Bleichwirkung der schweflichten Säure auf or- ganische Farbstoffe, als auch der Einfluss des Lichtes auf die chemische Wirksamkeit des gewöhnlichen Sauerstoffes in anschaulicher Weise gezeigt werden soll. à LA Ueber das Cyanin als empfindlichstes Reagens auf Säuren und alkalische Basen. Es ist gleich zu Anfang dieser Mittheilungen bemerkt worden, dass die grosse Empfindlichkeit des Cyanins für die löslichen Säuren, durch welche seine alkoholische Lö- sung augenblicklich entbläuet wire, eine charakteristische Eigenschaft dieses Farbstoffes sei. Da nun nicht nur die kräftigern, sondern selbst die schwächsten Säuren wie z. B. die Kohlen-, Boron-, arsenichte-, Gallus-, Benzoë- säure u.s. w. das durch Cyaninlösung gebläuete Wasser zu entfärben vermögen und erwähntermassen der Farbstoff ein ganz ausserordentliches Färbungsvermögen besitzt, so lassen sich auch mit dessen Hülfe noch so winzige im Wasser vorhandene Spuren freier Säuren entdecken, dass ‚dieselben durch kein anderes chemisches Mittel mehr nach- ‚gewiesen werden könnten. Ausgekochtes destillirtes Wasser durch Cyaninlösung noch deutlich gebläuet und von der Luft vollständig abge- ‚schlossen, verändert seine Färbung nicht, bläst man aber durch eine Röhre nur wenig Lungenluft in die gebläuete Flüssigkeit ein, so entfärbt sie sich, wenn auch nicht augen- blicklich, doch ziemlich rasch in Folge der kleinen Menge 219 eingeführter Kohlensäure, und ich füge bei, dass durch längeres Einblasen ausgeathmeter Luft oder Einführen reiner Kohlensäure schon merklich tief gebläuetes Cyaninwasser sich völlig entfärben lässt, um selbstverständlich durch Alkalien wieder gebläuet zu werden. Alles Wasser, wel- ches mit der (kohlensäurehaltigen) atmosphärischen Luft auch nur kurze Zeit in Berührung gekommen ist, besitzt daher die Eigenschaft, noch einige Cyaninlösung zu ent- bläuen und natürlich hievon mehr oder weniger und rascher oder langsamer, je nach der grössern oder kleinern Menge der vorhandenen Kohlensäure. Man muss desshalb selbst das ganz frisch destillirte Wasser einige Zeit aufsieden lassen, wenn es nicht mehr entbläuend auf zugefügte Cya- ninlösung einwirken soll, weil schon während der Destil- lation das Wasser aus der von Aussen zutretenden Luft kleine Mengen von Kohlensäure aufnimmt. Aus diesen Angaben folgt von selbst, dass Wasser durch einen Kohlensäuregehalt, welcher weder durch Kalk- noch Barytwasser sich mehr nachweisen liesse, doch noch merklich entbläuend auf die ihm beigemischte Cyaninlösung einzuwirken vermag, und beifügen will ich noch, dass Wasser, welches nur ein Miliontel freier Schwefelsäure enthält, eine Menge von Cyaninlösung entfärbt, durch welche ein gleicher Raumtheil säurefreien Wassers noch deutlichst gebläuet würde. Da umgekehrt die Alkalien das durch Säuren entfärbte Cyaninwasser wieder bläuen, so lässt sich diese Flüssig- keit auch als höchst empfindliches Reagens auf die freien alkalischen Basen benützen. Werden zu einem halben Liter Wassers, das nur ein Milliontel kaustisches Kali enthält, einige Tropfen einer farblosen an Schwefelsäure möglichst armen und an Cyanin reichen Flüssigkeit (siehe weiter unten) gefügt, so färbt sich das Wasser in kurzer Zeit noch deutiichst violett und in gleicher Weise lassen sich 16 220 natürlich auch noch äusserst kleine Mengen der übrigen freien’ alkalischen Basen erkennen. Dass das Thallium- oxidul gegen das durch Säuren entfärbte Cyaninwasser wie die Alkalien sich verhält, bedarf kaum der ausdrücklichen Angabe und eben so versteht es sich von selbst, dass Wassef so arm an diesem basischen Oxide, dass letzteres weder durch Jodkalium noch irgend ein anderes chemisches Mittel angezeigt wird, doch beim Zufügen einiger Tropfen der farblosen Cyaninlösung noch ziemlich stark sich bläuet. Die Löslichkeit des Bleioxides in Wasser ist bekannt- lich so schwach, dass sie früher vielfach bezweifelt wurde, aber selbst Wasser so arm an dieser Basis, dass sie weder durch Schwefelwasserstoff noch irgend ein anderes Reagens sich nachweisen lässt, wird durch die farblose Cyanin- lösung noch ziemlich stark gebläuet, wie man sich hievon leicht an solchem Wasser überzeugen kann, welches man bei abgeschlossener Luft einige Zeit mit gepulvertem Mas- sicot hat zusammen stehen lassen. Eben so wird das mit Bittererde geschüttelte und abfiltrirte Wasser durch säure- haltige Cyaninlösung noch deutlichst gebläuet. Noch muss ich einiger das destillirte Wasser betref- fender Thatsachen erwähnen, von denen ich glaube, dass sie allgemein gekannt zu sein verdienen. Weiter oben schon ist bemerkt, dass das in einer gewöhnlichen Blase frisch destillirte Wasser noch in einem merklichen Grade Cyaninlösung zu entbläuen vermöge (100 Gramme Wassers, etwa zwei Tropfen conzentrirter alkoholischer Farbstoff- lösung), um sich beim Zufügen gelöster Alkalien wieder zu bläuen und eben so ist erwähnt worden, dass das gleiche Wasser durch Aufkochen dieses Entfärbungsvermögen wie- der verliere. Auffallend ist nun die weitere Thatsache, dass das ausgekochte und in luftdicht verschlossenen Ge- fässen wieder abgekühlte destillirte Wasser die Eigenschaft besitzt, sich beim Vermischen mit einigen Tropfen der 221 säurehaltigen Cyaninlösung zwar schwach aber noch deut- lichst sich zu bläuen, was auf das Vorhandensein schwacher Spuren einer alkalischen Substanz in solchem Wasser hin- deutet, wie schon daraus zu schliessen, dass kleinste Men- gen freier Kohlensäure hinreichen, dieses Bläuungsvermögen wieder zu vernichten. Da nun mit demselben Wasser, wie oft man es auch in einer Blase destilliren mag, immer die gleichen Ergebnisse erhalten werden, d. h. das frische De- stillat einige Cyaninlösung zu entbläuen und wenn aufge- kocht die säurehaltige farblose Farbstofllösung zu bläuen vermag, so kann man kaum umhin, an Ammoniak als Ur- sache des erwähnten Bläuungsvermögens zu denken. Aller- dings vermag das ausgekochte Wasser mit Kali- und Sub- limatlösung sich nicht mehr weisslich zu trüben, an welcher Reaction doch noch so äusserst kleine Mengen Ammoniaks im Wasser sich erkennen lassen; destillirt man aber einige Liter solchen Wassers, mit einer kleinen Menge Schwefel- säure versetzt in einer Retorte, bis auf etwa 40 Gramme ab, so trübt sich dieser Rest bei Anwendung des vorhin erwähnten Reagens, wenn auch schwach doch noch deut- lich, was zu Gunsten der Annahme sprechen dürfte, dass das aufsekochte destillirte Wasser sein Bläuungsvermögen Spuren vorhandenen Ammoniaks verdanke. Die Richtigkeit dieser Vermuthung scheint mir aber auch noch aus folgenden Thatsachen hervor zu gehen. Lässt man durch destillirtes Wasser, dem ein Zweitausendtel Salmiakgeistes beigemischt worden und welches desshalb durch die farblose Cyaninlôsung noch stark gebläuet wird, einen Strom von Kohlensäure gehen, so tritt bald ein Zeit- punkt ein, wo die Flüssigkeit weder durch die farblose Cyaninlösung gebläuet wird, noch die blaue Lösung des Farbstoffes zu entfärben vermag, wo also die entgegenge- setzten Wirkungen von Alkali und Säure einander genau aufheben. Führt man nun noch weitere Kohlensäure in 16* 222 das ammoniakhaltige Wasser ein, so erlangt es bald in einem noch merklichen Grade das Vermögen, einige Cyanin- lösungen zu entbläuen und lässt man solches Wasser nur kurze Zeit aufsieden und in einem verschlossenen Gefäss abkühlen, so hat es die Eigenschaft wieder erlangt, durch die farblose Cyaninlösung noch merklich gebläuet zu wer- den, welche Eigenschaft durch abermaliges Einführen klei- ner Mengen von Kohlensäure selbstverständlich wieder verschwindet. Dass durch eine solche kurze Erhitzung des Wassers nicht alles Ammoniak aus ihm verjagt wird, zeigt die noch merklich starke milchige Trübung, welche durch einige Tropfen Kali- und Sublimatlösung in der Flüssigkeit ver- ursacht wird und es ist bemerkenswerth, dass das frag- liche Wasser einige Zeit im Sieden erhalten werden muss, damit es die erwähnte Ammoniakreaction nicht mehr her- vorbringe. Lässt sich aber auch kein Ammoniak mehr in der Flüssigkeit nachweisen, so wird sie von der farblosen Cyaninlösung doch noch merklich gebläuet und zwar etwas stärker als das reine aufgekochte destillirte Wasser; wie lange man aber auch jenes Wasser aufsieden lassen mag, immer wird es durch die farblose Cyaninlösung noch eben so sichtlich gebläuet, als das aufgekochte destillirte Wasser. Die beschriebenen Veränderungen der Wirkungsweise des mit Ammoniak versetzten Wassers hängen offenbar mit seinem bald grössern bald’ kleinern Kohlensäuregehalt zu- sammen. Beim Einleiten dieser Säuren in die besagte Flüs- _ sigkeit entsteht doppelt kohlensaures Ammoniumoxid und bald wird auch ein Ueberschuss von Säure in dem Wasser vorhanden sein, so dass die Gesammtmenge dieser Kohlen- säure hinreicht, nicht nur den Farbstoff, welcher durch das in der Flüssigkeit enthaltene Ammoniumoxid aus der schwe- felsauren Cyaninlösung abgeschieden wird, entfärbt zu halten, sondern auch noch einige säurefreie Farbstofflösung 223 zu entbläuen. Beim Erhitzen solchen Wassers geht der grössere Theil der vorhandenen Kohlensäure nebst einigem Ammoniak weg und es vermag nun die Flüssigkeit durch den ihr verbliebenen Ammoniakgehalt aus der schwefel- sauren Cyaninlösung mehr Farbstoff frei zu machen, als die Kohlensäure zu entbläuen vermag, welche durch SO, aus den noch vorhandenen Spuren von Ammoniumcarbonat ent- bunden wird, woher es kommt, dass sich solches Wasser mit der farblosen Cyaninlösung noch sichtlich bläuet. Unterwirft man destillirtes und mit einiger Schwefel- säure versetztes Wasser in einer gewöhnlichen Blase einer abermaligen Destillation, so zeigt die übergehende Flüssig- keit nicht nur kein Bläuungsvermögen, sondern vermag im Gegentheil wie das gewöhnliche frisch destillirte Wasser noch einige Cyaninlösung zu entbläuen; hat man aber jenes Wasser nur kurz aufsieden und in einem verschlossenen Gefäss sich abkühlen lassen, so besitzt es wieder die Eigen- schaft, sich mit der farblosen Cyaninlösung deutlich zu bläuen, aus welchen Thatsachen man schliessen möchte, . dass das Wasser während seiner Destillation, wie durch Kohlensäure so auch durch Spuren von Ammoniak verun- reiniget werde und es daher schwierig, wo nicht unmög- lich sein dürfte, vollkommen chemisch reines Wasser mit- telst der gewöhnlichen Destillation zu gewinnen. Schliesslich noch einige Worte über die beiden Cyanin- lösungen, welche mir bei den oben erwähnten Versuchen gedient haben. Die blaue Flüssigkeit wurde erhalten durch Auflösen eines Theiles krystallisirten Cyanins in hundert Theilen Weingeistes, was eine bis zur Undurchsichtigkeit tief gefärbte Lösung bildet. Die farblose Flüssigkeit be- stand aus einem Gemisch von einem Raumtheil der alko- holischen Farbstoffiösung und zwei Raumtheilen Wassers, welches ein Tausendtel Schwefelsäure enthielt. 224 VL Ueber einige das Cyanin betreffenden optischen und capillaren Erscheinungen. Mittelst Cyaninlösung gebläuetes und durch irgend eine Säure wieder entfärbtes Wasser besitzt die merkwürdige Eigenschaft, bei seiner Erhitzung sich zu bläuen, um beim Abkühlen wieder farblos zu werden. Damit jedoch dieser Farbenwechsel möglichst augenfällig sei, muss zu dem säure- haltigen Wasser eben so viel Cyaninlösung gefügt werden, als sich hievon entbläuen lässt. Nach meinen Erfahrungen eignen sich zu diesen Versuchen am besten die schwächern Säuren, z.B. die Kohien- und Gallussäure, aber auch sehr gut die Butter- und Baldriansäure. Bläst man in merklich stark gebläuetes Cyaninwasser so lange Lungenluft ein, bis es völlig entfärbt ist, so bläuet sich die Flüssigkeit beim Erhitzen deutlichst, um jedoch beim Abkühlen wieder farblos zu werden und lässt man solches Wasser nur kurze Zeit aufsieden, so bleibt es auch nach eingetretener ‚Er- kältung blau, weil unter diesen Umständen ein Theil der entfärbenden Kohlensäure verjagt worden. Fügt man ein oder zwei Tropfen Butter- oder Baldriansäure zu fünfzig Grammen Wassers und giesst man zu dieser angesäuerten Flüssigkeit so lange Cyaninlösung, als diese noch vollstän- dig entbläuet wird, so nimmt das farblose Gemisch noch vor seinem Siedpunkt eine tieflasurblaue Färbung an, welche ‘bei gehöriger Abkühlung wieder verschwindet, um bei wiederholter Erwärmung sich abermals zu bläuen. Solches cyaninhaltige und durch Kohlen-, Gallus-, Butter- oder Baldriansäure entfärbte Wasser in ein aus Schnee und starker Salzsäure gemachtes Kältegemisch gestellt, erstarrt bald zu einem farblosen Eise, welches bei weiter gehender 225 Erkältung anfängt sich zu färben und bei 25—30° unter Null lasurblau erscheint. Lässt man dasselbe in freier Luft allmählig sich wieder erwärmen, so wird es zusehends heller, um bei einigen Graden unter Null seine Färbung gänzlich zu verlieren und natürlich liefert das Eis beim Schmelzen ebenfalls eine farblose Flüssigkeit, welche in der Hitze sich wieder lasurblau färbt, wobei ich noch be- merken will, dass die Anwesenheit von Kochsalz, Jod- oder Bromkalium die Bildung von blauem Eise verhindert. Wendet man anstatt der erwähnten schwächern die stär- kern Säuren, z. B. SO; zur Entfärbung des Cyaninwassers an, so bläuet sich dasselbe beim Erhitzen nur schwach, wie es auch kein blaues Eis zu bilden vermag. n Woher es komme, dass das durch Buttersäure u. s. w. entbläuete Cyaninwasser nur innerhalb bestimmter Tempe- ratursgrenzen farblos erscheint, ist schwer zu sagen. Was die Bläuung durch Erwärmung betrifft, so möchte man ge- neigt sein zu vermuthen, es liege die nächste Ursache hie- von darin, dass die farblose Verbindung des Cyanins mit der Säure bei erhöhter Temperatur mehr oder weniger vollständig zerlegt, d. h. die letztere vom Farbstoff ge- trennt werde, welcher Vermuthung auch noch die That- sache Raum zu geben scheint, dass der fragliche Farben- wechsel um so stärker ausfällt, je schwächer die Säure ist, welche man zur Entbläuung des Cyaninwassers an- wendet, alles Uebrige sonst gleich. Man könnte daher das durch schwächere Säuren entbläuete Cyaninwasser mit der wässrigen Jodstärke vergleichen , welche nahe beim Sied- punkte des Wassers sich entfärbt, weil unter diesen Um- ständen die lockere chemische Verbindung der Stärke mit dem Jod aufgehoben wird, um bei erfolgender Abkühlung sich wieder zu bilden, wesshalb auch die ursprüngliche blaue Färbung wieder zum Vorschein kommt. Dass aber das durch schwächere Säuren, entfärbte Cyaninwasser auch 226 durch starke Abkühlung gebläuet wird, scheint mir eine schwieriger deutbare Thatsache zu sein; denn es lässt sich doch wohl kaum annehmen, dass durch Erkältung eben so wie durch Erwärmung die Innigkeit der Verbindung zwi- schen Farbstoff und Säuren vermindert werde und es lässt sich diess um so schwieriger begreifen, als das bei dem Gefrierpunkte der besagten Flüssigkeit anfänglich sich bil- dende Eis noch farblos ist und erst bei weiter gehender Abkühlung sich bläuet und zwar um so tiefer, je niedriger die Temperatur wird. Da sowohl zur chemischen Verbin- dung als Trennung verschiedenartiger Stoffe ein gewisser Grad von Beweglichkeit ihrer Massentheïlchen erforderlich ist, so kann man sich nicht recht vorstellen, wie in dem starren Eise der Farbstoff von der Säure sich abtrennen oder umgekehrt, wie in einem solchen Eise bei einer noch nicht zum Schmelzen desselben gehenden Temperaturser- höhung die in der Käite getrennten Bestandtheile sich wie- der vereinigen sollen. *) Da es auch für einfach geltende Körper gibt, deren Färbung mit der Temperatur sich verändert (wie diess z.B. der Schwefel und das Brom in so auffallender Weise thun, welche bei steigender Erwärmung dunkler, beim Ab- kühlen immer heller werden, so dass meinen frühern Ver- suchen gemäss bei 50° unter Null der Schwefel völlig farb- *) Die grosse Neigung des Cyanins zur Krystallisation ist viel- leicht für eine künftige Erklärung des fraglichen so sonder- baren Farbenwechsels ein zu beachtender Umstand. Nach meinen Beobachtungen setzen sich aus der am Schlusse der voranstehenden Mittheilungen erwähnten SO,-haltigen Cyanin- lösung nach und nach mikroscopische Kryställchen des Farb- stoffes ab, was zeigt, dass derselbe wohl in Folge seiner starken Neigung zur Krystallisation selbst von der mit ihm vergesellschafteten Schwefelsäure sich abzutrennen vermag. 227 los und das Brom ein schwach bräunliches Eis ist, das sicherlich bei einer noch niedrigern Temperatur ebenfalls farblos wäre), so kann in diesen Fällen von einer vorüber- gehenden Zersetzung als der Ursache des Farbenwechsels natürlich nicht die Rede sein. Eben so sind viele zusam- mengesetzte Materien bekannt, deren Färbung mit der Tem- peratur wechselt und von denen wir gewiss wissen, dass sie hierbei keine Zersetzung erleiden, wie uns hiefür die Untersalpetersäure, das Quecksilberoxid und noch viele andere Sauerstoff- und Schwefelverbindungen die augen- fälligsten Beispiele liefern. Die genannte Säure stellt bei 50° unter Null ein farbloses Eis und das Quecksilberoxid ein blassgelbes Pulver dar, welches bei noch niedrigerer Temperatur ohne Zweifel weiss wäre. Es könnte daher möglicher Weise die durch Erwärmung und Abkühlung verursachte Bläuung des durch schwächere Säuren ent- färbten Cyaninwassers von eigentlichen Zersetzungsvor- gängen unabhängig sein und auf einer uns noch völlig un- bekannten Ursache beruhen. Trotz der sonst so grossen Fortschritte, welche in neuerer Zeit die Optik auf mehrern ihrer Gebiete gemacht hat, sind leider bis jetzt keine Lichterscheinungen noch so wenig begriffen, als die sogenannten Absorptionsfarben. Warum das Silber weiss, das Gold gelb und das Kupfer roth sei, warum der Schwefel bei niedriger Temperatur farblos, bei höherer gelb oder dunkelroth aussehe, warum farblose Elemente tief gefärbte Verbindungen und gefärbte Stoffe farblose Materien bilden können, darüber wie noch über manche andern verwandten Erscheinungen wissen wir dermalen noch so viel als Nichts. Es sind Thatsachen, über welche wir eben dieser Unwissenheit halber uns nur verwundern können und doch liegt sicherlich das Ver- ständniss dieser Lichterscheinungen noch innerhalb des Bereiches möglichen Wissens. Und wer sichet es nicht 228 ein, dass ein solches Verständniss für die theoretische Chemie ganz insbesondere wünschenswerth und von der grössten Wichtigkeit wäre; denn so viel wissen wir denn doch schon, dass zwischen Licht und Stoff mannigfaltigste Wechselwirkungen statt finden, welche einmal auch nur ihrer nächsten Ursache nach begriffen, nicht fehlen können, unsere Einsicht in das Wesen der Materie namhaft zu er- weitern und namentlich auch die feinsten chemischen Vor- gänge uns zu enthüllen, welche im Innern der Stoffe Platz greifen. Was eigentlich schon früher hätte erwähnt werden sollen, will ich noch nachträglich bemerken, dass nemlich die durch Säuren entfärbte Cyaninlösung wie durch Alka- lien so auch durch eine Anzahl organischer flüssiger Sub- stanzen wieder gebläuet wird, z. B. durch Weingeist, Holz- geist, Amylalkohol, Aldehyd, Bittermandelöl, Aceton, kurz durch alle Flüssigkeiten, welche das Cyanin mit blauer Farbe aufzulösen vermögen. Lässt man einen oder zwei Tropfen der durch irgend eine Säure entfärbten Farbstoff- lösung in einige Gramme Weingeistes, Holzgeistes, Ace- tons u. s. w. fallen, so färbt sich das Gemisch blau und zwar um so tiefer, je reicher die besagte Lösung an Cyanin und je ärmer an Säure ist und unter sonst gleichen Um- ständen verursacht diejenige Cyaninlösung die stärkere Bläuung, welche die schwächere Säure enthält. Worauf diese bläuende Wirkung der Alkohole u. s. w. beruhet, vermag ich nicht zu sagen, vielleicht darauf, dass dieselben eine Art von Verbindung mit den Säuren eingehen und ‚dadurch die entbläuende Einwirkung der letztern auf das Cyanin schwächen. Vor einigen Jahren ist von mir auf die Thatsache auf- merksam gemacht worden, dass verschiedenartige im glei- chen Wasser gelöste Materien mit verschiedener Geschwin- digkeit durch capillares Papier wandern und dadurch Tren- 229 nungen der mit einander vermischten Körper bewerkstel- liget werden. In dieser Beziehung bietet die durch Schwe- fel-, Phosphor-, Salpeter- und Salzsäure entbläuete Cyanin- lösung einige erwähnenswerthe Erscheinungen dar und ich will hier bemerken, dass die im Nachstehenden beschrie- benen Versuche mit einem Gemisch angestellt wurden aus einem Raumtheil conzentrirter Cyaninlösung und zwei Raum- theilen Wassers bestehend, welches ein Tausendtei Schwe- felsäure enthielt. Hängt man über dieses farblose Gemisch einen Streifen Filtrirpapiers in der Weise auf, dass sein unteres Ende in die Flüssigkeit taucht, so wird man bald an dem über die Farbstofflôsung ragenden Theile des Strei- fens drei capillar benetzte Zonen bemerken, von denen die oberste farblos erscheint und keine Spur von Farbstoff oder Säure, sondern nur weingeisthaltiges Wasser enthält, die mittlere tiefblau, welche Färbung von freiem Cyanin her- rührt, und die unterste Zone ebenfalls farblos, welche aber cyaninhaltig ist, wie daran zu sehen, dass sie mit irgend einer alkalischen Lösung bedupft, tief gebläuet wird. Nach einem halbstündigen Hängen ist der Streifen ungefähr einen Zoll hoch capillar benezt und sind die erwähnten Zonen an Höhe nahezu gleich. Dieser Versuch lässt sich noch auf die einfachere Art anstellen, dass man auf ein waag- recht liegendes Stück Filtrirpapiers einen Tropfen der farb- losen Cyaninlösung fallen lässt, welcher sich rasch aus- breitend schon nach wenigen Sekunden drei conzentrische Ringe bildet, von welchen der innere und äussere farblos sind, der mittlere dagegen tief gebläuet erscheint. Diese Thatsachen zeigen, dass durch die Capillarität des Papiers nicht nur eine Trennung des weingeisthaltigen Wassers von den darin gelösten Substanzen, sondern eine solche auch wenigstens theilweise von Säure und Farbstoff bewerkstelliget wird. Mit dieser Capillaritätswirkung hängt die Eigenschaft unserer farblosen Versuchsflüssigkeit zu- 230 sammen, blaue Schriftzüge zu liefern, wenn man mit der- selben weisses Papier beschreibt, und zwar wird, wie sich diess übrigens von selbst versteht, eine solche Schrift um so rascher sich bläuen, je grösser die Capillarität des be- schriebenen Papiers ist. Auf Glas oder Porzellan bleibt die Schrift farblos. VIL. Einige nähere Angaben über das Photocyanin. Es ist in einer voranstehenden Mittheilung bemerkt, * dass der blaue Farbstoff, welcher unter dem Einflusse des Sonnenlichtes in dem durch Ozon, Bleisuperoxid, beleuch- teten Sauerstoff und Chlor gebleichten Cyaninwasser ge- bildet wird, von dem Müller’schen Blau schon dadurch sich unterscheide, dass seine alkoholische Lösung durch Säuren nicht entbläuet werde. So weit die Kleinheit des wir zu Gebot stehenden Materiales es gestattete, habe ich damit eine Reihe von Versuchen in der Absicht angestellt, noch weitere Eigenschaften des fraglichen Farbstoffes kennen zu lernen, welche Arbeit zu bemerkenswerthen Ergebnissen geführt hat, bei deren Angabe ich der Kürze und seiner Abkunft wie merkwürdigen Entstehungsweise halber das fragliche Pigment „Photocyanin“ nennen will, dem Chemiker, welcher später die Zusammensetzung dieses Farbstoffes ermitteln wird, es überlassend, den Namen beizuhalten oder abzuändern. Kann es sich doch vorerst nur um die Fest- stellung des Photocyanins als einer eigenthümlichen Ver- bindung handeln. Ungleich dem Cyanin wird sein Abkömm- ling durch Ozon verhältnissmässig nur langsam gebleicht, wie daraus zu ersehen, dass mit alkoholischer Photocya- ninlösung gebläuete Papierstreifen in einer Ozonatmosphäre, 231 die schon in wenigen Sekunden viel tiefer gefärbte Cyanin- streifen bleicht, 25—30 Minuten verweilen müssen, bis sie völlig weiss geworden und ich will gleich beifügen, dass so gebleichtes Papier durch kein Mittel wieder gebläuet werden kann, was die völlige Zerstörung des Farbstoffes beurkundet. Man würde sich jedoch stark irren, wollte man aus diesem langsamen Bleichen auf eine grössere Be- ständigkeit des Photocyanins schliessen, welches nach meinen Beobachtungen im Lichte sogar noch rascher als das Cyanin selbst sich ausbleicht, wesshalb von seiner An- wendung in der Färberei wohl keine Rede sein kann, trotz der Schönheit und reinen Bläue des Farbstoffes. Der Grund dieser Zerstörbarkeit liegt ohne Zweifel in der grossen Leichtigkeit, mit der das Photocyanin unter dem Einflusse des Sonnenlichtes auch bei Abwesenheit von Sauerstoff in anderartige Materien sich umsetzt, unter welchen sich er- wähntermaassen ein Farbstoff befindet, der mit kirschrother Farbe im Wasser sich löst und durch Säuren entfärbt wird. Wie man aus nachstehenden Angaben ersehen wird, ist das Verhalten des Photocyanins zum Chlor ein höchst merkwürdiges und meines Wissens bis jetzt einzig in seiner Art. Tröpfelt man zu der geistigen Lösung des Farbstoffes nicht mehr Chlorwasser, als eben zu ihrer vollständigen Entbläuung nöthig ist, so zeigt sie nur noch einen schwa- chen Stich ins Violette, lässt sich aber sofort wieder bläuen durch alle die chemischen Mittel, welche diese Wirkung auch auf das durch Ozon, Bleisuperoxid und Chlor frisch gebleichte Cyaninwasser hervorbringen. Fügt man der durch Chlor entbläueten Photocyaninlösung wässrigen Schwefel- wasserstoff, schweflichte Säure, Pyrogallussäure, Jodkalium u. Ss. w. zu, So bläuet sich die Flüssigkeit augenblicklich, ohne dass diese Färbung durch Säuren wieder aufgehoben würde. Auch die Alkalien färben die gebleichte Farbstof- lösung durch violett hindurch gehend wieder blau. Eben 232 so bläuen alle von mir untersuchten metallischen Elemente die entfärbte Flüssigkeit mehr oder minder rasch, je nach der Natur und dem Grade der Zertheilung des angewen- deten Metalles. Uebergiesst man ein reines Thalliumstäb- chen mit der gebleichten Lösung, so fängt sie sofort an erst violett und bald sich blau zu färben; eben so wirken fein zertheiltes Zink, Kadmium, Zinn, Blei, Kupfer und Mismuth, wie auch die edlen Metalle: Quecksilber, Silber, Gold, Platin, Iridium und Palladium, unter welchen durch Wirksamkeit vor allen der ?latinmohr sich ausgezeichnet, der die gebleichte Flüssigkeit augenblicklich bläuet und ich füge noch bei, dass ihm in dieser Beziehung das gelöste Zinnchlorür gleichkommt. Kaum ist nöthig hier noch aus- drücklich zu bemerken, dass durch Photocyaninlösung erst sebläuete und dann in einer Chloratmosphäre gebleichte Papierstreifen beim Einführen in HS- oder SO,-Gas sich augenblicklich wieder bläuen. Die mittelst Chlorwassers entfärbte Farbstofllösung bläuet sich aber auch ohne Anwendung eines chemischen Mittels langsam in vollkommener Dunkelheit, ziemlich rasch in starkem zerstreueten — und sehr schnell in dem un- mittelbaren Sonnenlichte. Fügt man zu tiefblauer Photo- cyaninlösung nicht mehr Chlorwasser, als eben zu ihrer vollständigen Entfärbung erforderlich ist, so wird diese Flüssigkeit beinahe in demselben Augenblicke, wo das un- mittelbare Sonnenlicht auf sie fällt, anfangen sich sichtlich zu färben, um schon nach 20—25 Sekunden tief gebläuet zu erscheinen, so dass es kaum eine andere Substanz geben dürfte, welche diesen Grad von Empfindlichkeit gegen das Licht zeigt. Eine gleiche Bläuung ebenfalls durch Violett hindurchgehend tritt auch ohne alle Mitwirkung des Lichtes ein, wenn die gebleichte Photocyaninlösung bis zu ihrem Siedpunkt erhitzt wird. Wodurch aber auch immer diese Flüssigkeit wieder gebläuet werden mag, so wird sie durch 233 Chlor wieder entfärbt, damit sie sich bei Anwendung der vorhin erwähnten Mittel abermals bläue, was in hohem Grade wahrscheinlich, wo nicht gewiss macht, dass die unter so verschiedenen Umständen auftretende Bläuung von einer Ausscheidung unveränderten Photocyanins herrühre. Alle die in dieser Mittheilung angeführten Thatsachen scheinen mir zu der Annahme zu berechtigen, dass die anfänglich durch das Chlor bewirkte Entbläuung des Photo- cyanins auf der Bildung einer farblosen Verbindung beider Materien mit einander beruhe, in welcher der Salzbildner noch in einem beweglichen Zustande sich befindet, d. h. auf andere chlorgierige Substanzen übertragbar ist. Da nun sämmtliche Materien, welche die gebleichte Farbstofflösung zu bläuen vermögen, auch die Fähigkeit mit einander thei- len, mehr oder minder begierig Chlor aufzunehmen, so er- kläre ich mir die durch sie bewerkstelligte Färbung durch die Annahme , dass dieselben der farblosen Photocyanin- verbindung Chlor entziehen und dadurch den gebundenen Farbstoff unverändert wieder frei zu machen. Was die durch das Sonnenlicht bewirkte Wiederbläuung der gebleichten Flüssigkeit betrifft, so liegt nach meinem Dafürhalten der Grund hievon in dem bekannten Einflusse, welchen das Licht auf das freie Chlor und Wasser ausübt und der darin besteht, beide Materien zur Umsetzung in Salzsäure und Sauerstoff zu bestimmen. Da nun die durch chlorgierige Substanzen verursachte Bläuung zu dem Schlusse führen muss, dass das Chlor in der farblosen Photocyanin- verbindung noch als solches, d.h. in einem übertragbaren Zustand enthalten sei, so darf man wohl annehmen, dass so beumständetes und unter den erregenden Einfluss des Lichtes gestelltes Chlor wie das freie zum Wasser sich verhalten, d.h. mit letzterm ebenfalls in Salzsäure und Sauerstoff sich umsetzen könne, durch welchen Vorgang selbstverständlicher Weise das Photocyanin in Freiheit ge- 234 setzt werden müsste. Dass aber der unter diesen Umstän- ‘ den frei werdende Sauerstoff (stamme derselbe nach meiner Ansicht von der oxidirten Salzsäure oder nach der herr- schenden Lehre vom Wasser her) auf einen Theil des vor- handenen Farbstoffes oxidirend und desshalb zerstörend einwirke, ist schon an und für sich wahrscheinlich, zu welcher Vermuthung aber noch insbesondere die Thatsache berechtiget, dass die durch Chlor erst gebleichte und durch das Sonnenlicht wieder gebläuete Photocyaninlösung nicht mehr ganz die Tiefe ihrer ursprünglichen Färbung zeigt und bei der gleichen Lösung, die mehrere Male hinter ein- ander durch Chlorwasser entbläuet und durch das Sonnen- licht wieder gebläuet worden, die folgende Färbung immer um ein Merkliches schwächer ausfällt, als die unmittelbar vorangegangene, so dass durch ein fünf- bis sechsmaliges Bleichen und Wiederbläuen die Flüssigkeit so verändert wird, dass sie kein Photocyanin mehr enthält, d. h. durch Licht oder irgend ein anderes der erwähnten Mittel sich nicht mehr bläuen lässt, in welchem Zustande sie eine schwach kirschrothe Färbung zeigt. Die durch Erhitzung der frisch gebleichten Photocyaninlösung wieder hervor- gerufene Bläuung erkläre ich mir durch die Annahme, dass auch unter diesen Umständen das bewegliche mit dem Farb- stoffe verbundene Chlor bestimmt werde, mit Wasser in Salzsäure und Sauerstoff sich umzusetzen, welcher letztere ebenfalls oxidirend auf einen Theil des vorhandenen Farb- stoffes einwirken dürfte. Wie sich diess zum Voraus er- warten liess, verhält sich ähnlich dem Chlor auch das Brom zum Photocyanin, wie schon daraus erhellt, dass die mit der geistigen Farbstofflösung gebläueten Papierstreifen selbst in einer schwachen Bromatmosphäre sich rasch bleichen, um in HS- oder SO,-Gas eingeführt, wieder so- fort gebläuet zu werden und eben so wird die durch schwaches Bromwasser entfärbte Photocyaninlösung vom 239 Thallium, Jodkalium, Zinnchlorür u. s. w. wieder gebläuet, auch durch Jodwasser lässt sich die Farbstofflösung ent- bläuen und durch SO, wieder färben, welche Thatsachen es wahrscheinlich machen, dass das Brom und Jod mit dem Photocyanin Verbindungen einzugehen vermögen, ähn- lich denen, welche das Chlor mit dem Farbstoff hervor- bringt. Schliesslich noch einige nähere Angaben über die von mir befolgte Methode der Darstellung des Photocyanins, welches mir zur Anstellung der eben beschriebenen Ver- suchen diente. Ein Gemisch von hundert Theilen Wassers und zehn Theilen conzentrirter alkoholischer Cyaninlôsang (1% Farbstoff enthaltend) wurde mit drei bis vier Theilen Bleisuperoxides bei gewöhnlicher Temperatur so lange zu- sammen geschüttelt, bis die Flüssigkeit vollkommen ent- bläuet war, was schon im Laufe weniger Sekunäen erfolgte. Die abfiltrirte völlig farblose und klare Flüssigkeit wurde der Einwirkung des unmittelbaren Sonnenlichtes ausgesetzt, unter welchen Umständen erwähntermassen sie sofort an- fieng, sich gelblich zu trüben, um bei fortdauernder Licht- _ einwirkung wieder klar zu werden und sich dann zu bläuen. Hatte die Färbung der Flüssigkeit eine merklich starke Tiefe erlangt (was bei kräftiger Besonnung schon nach 25—30 Minuten der Fall ist), so wurde sie auf ein dop- peltes Filtrum gebracht, um das ausgeschiedene Photocyanin zurück zu halten. Das klare licht kirschroth gefärbte Fil- 'trat liess man abermals bis zur tiefen Färbung besonnen, welche von weiter ausgeschiedenem Farbstoff herrührte, den man wieder durch Filtration von der übrigen Flüssig- keit trennte. Wurden diese Operationen fünf oder sechs- mal wiederholt, so schied sich bei weiterer Besonnting kein Photocyanin mehr aus der Flüssigkeit ab und zeigte sie nun eine zwar nicht tiefe, aber doch noch merklich kirschrothe Färbung, welche durch Säuren aufgehoben, 17 236 durch Alkalien wieder hergestellt wurde. Das wiederholte Besonnen und Filtriren hatte zum Zweck, das gebildete Photocyanin möglichst dem um- oder zersetzenden Ein- flusse des Sonnenlichtes zu entziehen, darch welchen Kunst- srif man eine grössere Menge des Farbstoffes gewinnt, als erhalten würde, wenn man das durch Bleisuperoxid gebleichte Cyaninwasser ununterbrochen der Einwirkung des Sonnenlichtes so lange ausgesetzt sein liesse, bis aus der Flüssigkeit kein Photocyanin mehr ausgeschieden würde. Zum Schlusse muss ich noch der bemerkenswerthen That- sache erwähnen, dass die Anwesenheit kleiner Mengen freier Säuren oder Alkalien wie in dem durch Ozon, so auch in dem durch Bleisuperoxid beleuchteten Sauerstoff oder Chlor gebleichten Cyaninwasser die Bildung des Pho- tocyanins verhindert. VIH. Ueber das Photoerythrin, In der voranstehenden Mittheilung ist bereits erwähnt, dass mit Photocyanin gebläuete Papierstreifen in ozoni- sirter Luft gebleicht werden, jedoch viel langsamer, als durch Cyanin gleich tief gefärbtes Papier. Soweit es die Klein-. heit des mir zu Gebot stehenden Materials zuliess , stellte ich noch weitere Versuche über das Verhalten des Photo- ‚ cyanins zum Ozon an und zwar mit Wasser, welches durch die alkoholische Lösung des Farbstoffes tief gebläuet war. Dieses Photocyaninwasser, mit ozonisirter Luft geschüttelt, entfärbt sich vollständig, obwohl ebenfalls langsamer als gleich tief gefärbtes Cyaninwasser, welche gebleichte Flüs- sigkeit in der Dunkelheit volikommen farblos bleibt. Der Einwirkung des unmittelbaren Sonnenlichtes ausgesetzt, 237 fängt sie jedoch bald an sich zu rôthen, um schon nach einer halbstündigen Besonnung prachtvoll columbinroth zu erscheinen, welche Färbung auch bei völligem Abschlusse des Sauerstoffes erfolgt. Da die so geröthete Flüssigkeit klar ist und unverändert durch ein doppeltes Filirum geht, so muss der unter den erwähnten Umständen gebildete Farbstoff in Wasser gelöst sein und seiner Entstehungs- weise und Farbe wegen will ich ihm einstweilen den Namen „Photoerythrin“ beilegen, der später in einen pas- sendern umgewandelt werden mag. Die Alkalien scheinen die Färbung der wässrigen Pho- toerythrinlösung nicht im Mindesten zu verändern, wäh- rend dieselbe durch verdünnte Schwefel- oder Salzsäure merklich abgeschwächt und ins Violette schattirt wird. Ganz besonders b>merkenswerth ist das Verhalten des Photoerythrins zum ozonisirten Sauerstoff, durch welchen es beinahe eben so schnell als das Cyanin entfärbt wird, wie daraus erhellt, dass eine tiefrothe Lösung des Farb- stoffes, nur wenige Augenblicke mit stark ozonisirter Luft zusammen geschüttelt, vollkommen farblos erscheint, um in der Dunkelheit auch so zu bleiben. Wird aber die ge- bleichte Flüssigkeit der Einwirkung des unmittelbaren Son- nenlichtes ausgesetzt, so fängt sie bald an sich zu röthen, ohne jedoch auch bei längerer Besonnung die Tiefe der Färbung wieder zu erlangen, welche die Photoerythrin- lösung vor ihrer Behandlung mit Ozon zeigte, welcher Umstand schon auf eine theilweise Zerstörung des Farb- stoffes hindeutet. Hat im Sonnenlichte die Flüssigkeit das Maximum ihrer columbinrothen Färbung erreicht und wird sie nun aufs Neue mit ozonisirter Luft geschütteit, so bleicht sie sich sofort wieder, um unter der Einwirkung des Lichtes mit abermals verminderter Stärke sich zu röthen und nachdem fünf oder sechs Male hintereinander ein sol- ches Bleichen und Färben wiederholt worden, ist die Flüs- 10° 238 sigkeit keiner weiteren Röthung mehr fähig, was als Be- weis der völligen Zerstörung des Photoerythrins gelten kann. Was die farblose Verbindung sei, welche bei der Be- handlung des Photocyaninwassers mit Ozon gebildet wird und aus der unter der Mitwirkung des Sonnenlichtes das Photoerythrin hervorgeht, lässt sich dermalen noch eben so wenig sagen, als wir etwas Sicheres über die chemische Natur der gleichfalls farblosen Verbindung anzugeben wis- sen, weiche bei der Einwirkung des Ozons auf die Photo- erythrinlösung entsteht. Hinsichtlich der letztern Verbin- dung bin ich geneigt zu vermuthen, dass sie anfänglich aus unverändertem Farbstoff und Ozon (beweglichem Sauerstoff) bestehe, und letzteres, in der Dunkelheit ruhend, durch das Licht bestimmt werde, auf einen Theil des vorhandenen Photoerythrins oxidirend, d.h. zerstörend einzuwirken und dadurch einen andern Theil des Farbstoffes in Freiheit zu setzen. „Wie man leicht einsieht, müsste ein solcher Vor- gang die Röthung der Flüssigkeit und zwar, mit der ur- sprünglichen Färbung verglichen, eine verminderte zur un- mitteibaren Folge haben. Es liesse sich die fragliche farb- lose Erythrinverbindung vergleichen mit dem blauen in Weingeist gelösten ozonisirten Guajak, welches unter dem Einflusse des unmittelbarerf Sonnenlichtes ziemlich rasch desshalb sich entfärbt, weil unter diesen Umständen das in der Verbindung enthaltene Ozon angeregt wird, auf einen Theil des mit ihm vergesellschafteten Harzes oxidirend, d. h. zerstörend einzuwirken, wodurch der unverändert ge- bliebene und seines (bläuenden) Ozons beraubte Theil des Guajaks wieder farblos wird. Durch wiederholtes Bläuen (ozonisiren) und Bleichen der gleichen Harzlösung verliert daher dieselbe die Fähigkeit, sich durch die Ozonide: Biei- superoxid u.s. w. bläuen zu lassen, gerade so, wie die Photoerythrinlösung bei gleicher Behandlung der Röthung ! 239 im Sonnenlicht unfähig wird. Nach meinem Dafürhalten wird also in dem einen Falle der chemische Bestand des Harzes, im andern Falle derjenige des Photoerythrins durch die oxidirenden Wirkungen verändert, welche der mit diesen Materien vergesellschaftete und noch bewegliche Sauerstoff unter dem anregenden Einflusse des Sonnen- lichtes auf die Bestandtheile des Harzes und Farbstoffes hervorbringt. Ich darf jedoch nicht unerwähnt lassen, dass es mir nicht gelungen ist, die durch Ozon oder Bleisuper- oxid gebleichie Photoerythrinlösung mittelst ozongieriger Materien, z.B. HS, SO, u. s. w. zu röthen, welche Färbung nur durch das Licht wieder hervorgerufen werden kann. Was die farblose Verbindung betrifft, welche bei der Einwirkung des Ozons auf das Photocyaninwasser entsteht und aus der unter dem Einflusse des Sonnenlichtes das Photoerythrin hervorgeht, so möchte ich vermuthen, dass auch sie noch beweglichen Sarerstef! enthalte, welcher nur der Anregung des Lichtes bedarf, um auf die mit ihm vergesellschaftete organische Materie oxidirende Wirkun- sen hervor zu bringen, in deren Folge das Photoerythrin entstünde. Früher schon ist bemerkt worden, dass das im Wasser vertheilte und der Binwirkung des Sonnenlichtes ausgesetzte Photocyanin auch bei Ausschluss von Sauer- stof in einem in Wasser löslichen Farbstoff übergeführt werde, über dessen Verhalten zum Ozon ich ebenfalls ei- nige Versuche angestellt habe, deren Ergebnisse noch kurz angegeben werden sollen. !st die wässrige Lösung des fraglichen Farbstofñtes etwas conzentrirt, so erscheint sie braunroth, wenn stark verdünnt schmutzig kirschroth, welche Färbung durch Säuren augenblicklich in eine gelbe umge- wandelt wird, um dadurch Alkalien wieder in die rothe sich überführen zu lassen. Schüttelt man die Farbstoffllösung mit Ozon zusammen, so färbt sie sich ebenfalls und bei- nahe augenblicklich bräunlich gelb, ohne aber durch Al- 240 kalien wieder ihre ursprüngliche rothe Färbung zu erlangen oder sich seibst überlassen, in der Dunkelheit sich zu ver- ändern. Setzt man aber diese Flüssigkeit der Einwirkung des unmittelbaren Sonnenlichtes aus, so trübt sich dieselbe anfänglich ein wenig ohne Farbenveränderung, um bei fort- dauernder Besonnung bald klar und farblos zu werden und dann eine prachtvoli tief kirschrothe Färbung anzunehmen, welche durch Säuren aufgehoben und durch Alkalien wieder hergestellt wird. Schütteln dieser rothen Flüssigkeit mit Ozon bewirkt sofort Entfärbung derselben, was jedoch nicht auf einer Zerstörung des Farbstoffes beruht, wie daraus erhelli, dass die gebleichte Flüssigkeit unter dem Einflusse des unmittelbaren Sonnenlichtes sich wieder rein kirsch- roth färbt, obwohl nicht mehr so stark, als sie ver ihrer Behandlung mit Ozon gewesen. fie so geröthete Fiüssig- keit lässt sich dürch ozonisirten Sauerstoff enifärben, um nur durch Sonnenlicht sich wieder röthen zu lassen, welche zweite Färbung abermals schwächer als die erste ausfällt und wiederholt man dieses Bleichen und Färben mehrere Male hinter einander, so. hat die Flüssigkeit die Bigen- schaft verloren, durch irgend ein Mittel sich röthen zu lassen. Für jetzt muss selbstverständlich noch unentschieden bleiben, ob der unter Lichteinfluss aus dem Photocyanin gebildete braunrothe Farbstoff dem rein kirschrothen Pig- mente gleich sei. Wegen des gleichen Verhaltens beider Farbstoffe zu den Säuren möcht man ihre Einerleiheit vermuthen; denn der Umstand, dass der Eine durch seine rein kirschrothe Färbung vom Andern sich sehr augenfällig unter=cheidet, könnte möglicher Weise darauf beruhen, dass die Färbung des letztern von einer beigemengten braunen Materie herrührt, welche durch das Ozon zerstört würde. Aus diesen Ängaben erhellt, dass der in Rede stehende kirschrothe Farbstoff ganz ähnlich dem Photoerythrin zum 241 Ozon sich verhält, wesshalb ich auch geneigt sein muss, die Entfärbung des Erstern durch Ozon und die Wieder- röthung des gebleichten Farbstoffes durch das Sonnenlicht eben so zu deuten, wie die Veränderungen, welche das Photoerythrin unter den gleichen Umständen erleidet. Natürlich lässt sich über die chemischen Beziehungen, in welchen das Cyanin, Photocyanin, Photoerythrin und der zuletzt besprochene ebenfalls nur unter der Mitwir- kung des Lichtes sich bildende kirschrothe Farbstoff zu einander stehen, so lange nichts Näheres angeben, als die Zusammensetzung dieser Materien unbekamni bleibt, wess- halb sehr zu wünschen ist, dass diese freilich keineswegs ganz leichte Aufgabe von einem ihr gewachsenen Chemiker bala gelöst werde. Wie lückenhaft aber auch die voran- stehenden Angaben über die genannten Farbstoffe noch sind, so viel, denke ich, erhellt doch schon aus ihnen, dass wir es mit einer Gruppe von Körpern zu thun haben, die in einem hohen Grade die Aufmerksamkeit der Chemiker verdienen. Die ungewöhnliche Entstehungsweise des Pho- tocyanins und die Fähigkeit dieser sonst so leicht zerstör- baren Materie mit dem so kräftig wirksamen Chlor eine farblose Verbindung einzugehen, aus welcher der Farbstoff unverändert sich wieder abscheiden lässt, sind Thatsachen, welche, von allem Uebrigen abgesehen, allein schon die wissenschaftliche Neugierde des chemischen Forschers reitzen und ihn zu weitern Untersuchungen so merkwürdig eigenthümlicher Verhältnisse anspornen müssen. 242 EX, Ueber den Einfiuss des Wassers auf die chemische Wirksamkeit des Ozons. Wohl bekannt ist, dass sowohl die chemische Ver- bindung mancher einfachen Stoffe unter einander als bis- weilen auch die gegenseitige Zerlegung zusammengesetzter Körper durch die Gegenwart des Wassers eingeleitet wird, ohne dass diese Materie irgend welchen stofflichen Theil an solchen Vorgängen zu nehmen scheint, wie hievon die langsame Oxidation so vieler unorganischen und organischen Substanzen in feuchtem Sauerstoff und die Umsetzung der schweflichten- und Schwefelwasserstoffsäure in Schwefel und Wasser augenfällige Beispiele liefern. Meine frühern Versuche haben dargethan, dass in einer grossen Anzahl von Fällen solcher langsamen Oxidationen Wasserstoffsuperoxid gebildet wird und neben dieser Ver- bindung zuweilen auch freier ozonisirter Sauerstoff auftritt, wie diess z. B. bei der langsamen Verbrennung des Phos- phors in feuchter atmosphärischer Luft geschieht. Da ich schon öfters meine Ansicht über diesen Vorgang ausge- sprochen habe, so kann hier die Bemerkung genügen, dass meiner Annahme gemäss das Vorbild aller solcher Oxi- dationen die langsame Verbrennung des Phosphors ist, bei welcher der neutrale Sauerstoff in Ozon und Antozon sich spaltet, letzteres mit Wasser zu Superoxid sich verbindend, ersteres die Oxidation des Phosphors bewerkstelligend. Die Ergebnisse meiner neuern Untersuchungen berech- tigen jedoch zu der Annahme, dass bei den in feuchtem Sauerstoffsas erfolgenden langsamen Oxidationen das Wasser noch eine weitere als die angedeutete Rolle spiele; denn wenn dasselbe nur dadurch derartige Oxidationsvorgänge 243 einleitete, dass es seiner grossen Neigung halber mit dem Antozon unmittelbar zu Wasserstoffsuperoxid sich zu ver- binden, die chemische Polarisation des neutralen Sauer- ‚stoffes bewerkstelligen hälfe, so müsste auch das trockene Ozon schon bei gewöhnlicher Temperatur alle die Materien oxidiren, welche in dem feuchten gewöhnlichen Sauerstoff die langsame Oxidation erleiden. Dass dem aber nicht so sei, werden die nachstehenden Angaben zeigen, bei deren Darlegung ich um so umständlicher sein werde, als durch | dieselben eine allgemeine Thatsache festgestellt werden soll. Meinen frühern Mittheilungen gemäss oxidirt sich so- wohl das Thallium als auch das Oxidul dieses Metalles im ozonisirten Sauerstoff rasch zum braunen Oxide, wesshalb ein mit der wässrigen Lösung von TLO getränkter Papier- streifen als äusserst empfindliches Reagens auf Ozon dienen kann, durch welches das Papier sofort gebräunt wird. Hat man in einer Flasche auf die bekannte Weise atmosphä- rischen Sauerstoff so stark ozonisirt, dass ein mit Thallium- oxidullösung benetzter und in diese Luft eingeführter Pa- pierstreifen schon im Laufe weniger Minuten tief gebräunt wird oder ein glänzendes Thalliumstäbchen mit einer braunen Hülle sich überzieht, so wird die gleiche ozonhaltige Luft, nachdem sie nur kurze Zeit mit reinem Vitriolöl in Be- rührung gestanden, also getrocknet worden ist, vollkommen gleichgültig gegen das Metall sich verhalten, wie daraus abzunehmen ist, dass dasselbe seinen Glanz unvermindert beibehält, wie lange man es auch in der besagten Ozon- atmosphäre verweilen lässt. Ich habe ein Stück Thallium wochenlang unter solchen Umständen aufbewahrt, ohne dass die Oberfläche des Metalles im mindesten verändert wor- den wäre und eben so konnte ein mit gelöstem Thallium- oxidul getränukter und über Vitriolöl getrockneter Papier- streifen für unbestimmte Zeit der Einwirkung der stärksten _wasserfreien Ozonatmosphäre ausgesetzt werden, ohne sich 24% im geringsten zu bräunen, weiche Unveränderlichkeit be- weist, dass auch das trockene Thalliumoxidul unter den erwähnten Umständen nicht einmal spurweise oxidirt wird. Bekanntlich oxidirt sich das metallische Blei, dessen Oxid und ein Theil der Basis des Bleiessigs im feuchten Ozon. zu Bleisuperoxid, während jene Substanzen im Trockenen des gänzlichen unverändert blieben. Dass das Silber vom feuchten Ozon zu Superoxid exidirt wird, ist von mir schon vor Jahren gezeigt worden und meine spätern Versuche haben dargethan, da:s das gleiche Metall im trockenen Ozon durchaus unangegriffen bleibt, wie daraus erhellt, dass ein polirtes Blech von chemisch reinem Silber wochen- lang der Einwirkung der stärksten Ozonatmosphäre ausge- setzt sein kann, ohne dass dessen Metaligianz im gerings!en vermindert würde oder das Ozon verschwände. Arsen wird vom feuchten Ozon rasch oxidirt, woher es kommt, dass in letzterm die um Glasröhren gelegten Arsenfllecken schnell verschwinden und saure Stellen von As O, zurückla»sen, was im trockenen Ozon nicht geschieht, wie lange dasselbe auch mit den besagten Flecken in Be- rührung stehen mag. Mit andern als den genannten Me- tallen, welche sich im feuchten Ozon oxidiren, habe ich noch keine Versuche angestellt, es ist jedoch kaum daran zu zweifeln, dass keines derselben im trockenen Ozen die Oxidation erleiden werde. Eine nicht geringe Zahl von Schwefelmetallen oxidiren sich im feuchten Ozon rasch zu Sulfaten, wie z. B. das Schwefelblei, wesshalb die damit gebräunten Papierstreifen in einer solchen Ozonatmosphäre ziemlich rasch gebleicht werden. Besagte über Vitriolöl vollständig getrocknete Papierstreifen bleiben im wasserfreien Ozon braun, wie lange sie auch damit in Berührung stehen mögen. Dass die Mehrzahl der Jodmetalle derch das feuchte Ozon unter Jodausscheidung augenblicklich zersetzt wird, ist längst 245 bekannt; beruhet doch hierauf eines der empfindlichsten Ozonreagentien, nemlich das Jodkaliumstärkepapier, welches durch das Ozon sofort gebräunt oder gebläuct wird, je nachdem das Papier trocken oder angefeuchtet ist. Was- serfreies Ozon bringt auf das ebenfalls vollkommen trockene Reagenspapier nicht die geringste Wirkung hervor, welche Thatsache allein schon beweist, dass wasserfreies Jodka- liam und Ozon chemisch gleichgültig zu einander sich ver- halten. Setzt man das gepulverte und vollkommen ent- wässerte Salz mit gleich beschaffenem Ozon in Berührung, so bleibt das Jodkalium völlig weiss. Ich habe solches Salz Tage lang in einer starken über Vitriolöl getrockneten Ozonatmosphäre verweilen lassen, ohne dass dasselbe auch nur im mindesten gebräunt oder das Ozon verschwunden wäre. Meinen frühern Versuchen gemäss wird selbst das feste gelbe Blutlaugensalz durch feuchtes Ozon rasch in das rothe Cyanid unter Bildung von Kali und Ausscheidung von Wasser übergeführt, während trockenes Ozon auf das wasser/reie Cyanür nicht die gerinzste Wirkung hervor- bringt. Feuchtes Ozon oxidirt die Basis der Manganoxidul- salze ziemlich r2-ch zu Superoxid unter Ausscheidung ihrer Säuren, wovon selbst das Suifat keine Ausnahme macht, woher es kommt, dass Payierstreifen, mit der Lösung des letzigenannten Salzes getränkt, in einer, Özonatmosphäre sich schnell bräunen. Solche Streifen, über Yitriolöl ge- trocknet, bleiben in wasserfreiem Ozon weiss, wie lange man auch zwischen beiden die Berührung andauern lässt. Bei Anwesenheit von Wasser verbindet sich das Ozon augenblicklich mit SO, zu Schwefelsäure, wesshalb die beiden erstern Substanzen s:fort verschwinden, wenn sie im rechten Verhältniss zusammen gebracht worden. Trocke- nes Ozon und SO,-Gas vereinigen sich nicht mit einander und bilden ein Gemeng, welches nach seinen beiden Be- standtheilen riecht. Feuchtes Ozon zerstört augenblicklich 246 das Schwefelwasserstoffgas, während beide Substanzen im vollkommen wasserfreien Zustande nicht im mindesten auf einander einwirken. Während feuchtes Ozon sämmtliche organischen Farbstoffe mit grosser Kräftigkeit zerstört, wirkt es im wasserfreien Zustande nicht im geringsten auf dieselben ein, falls auch sie vollkommen trocken sind, wie schon daraus zu ersehen ist, dass die Färbung eines mit- telst Indigotinctur gebläueten oder durch Fuchsinlösung gerötheten und über Vitriolöl vollkommen getrockneten Papierstreifens nicht gebleicht wird, wie lange man ihn auch der Einwirkung der stärksten und ebenfalls wasser- freien Gzonatmosphäre ausgesetzt sein lässt. Die Gerb- sallus-, Gallus- und Pyrogallussäure werden selbst im fe«ten Zustande vom feuchten Ozon rasch erst zu braunen Humin- substanzen oxidiré und bei längerer Einwirkung desselben vollständigst zerstört, wesshalb Papierstreifen, mit den wässrigen Lösungen der genannten Säuren getränkt, in ozonisirter Luft erst gebräunt und dann gebleicht werden, während wasserfreies Ozon auf die gleichen und ebenfalls trockenen Säuren nicht die geringste oxidirende Wirkung hervorbringt. Selbst das feste Guajakharz wird vom feuch- ten Ozon gebläuet, welche Färbung auf einer lockern Ver- bindung beruht, welche beide Materien mit einander ein- gehen. Tränkt man daher Streifen von Filtrirpapier mit der geistigen l.ösung des Harzes und lässt dieselben nahe zu trocken werden, so biäuen sie sich im feuchten Ozon ziemlich rasch, während das gleiche harzhaltige und über Vitriolöl getrocknete Papier im wasserfreien Ozen völlig farblos bleibt. Bekanntlich bringt auch der in einer Anzahl sehr ver- schiedenartiger Substanzen enthaltene Sauerstoff oxidirende Wirkungen hervor, vollkommen gleich denen, welche der freie ozonisirte Sanerstof verursacht, wie z.B. ein "Theil des in den Superoxiden des Bleies, Mangans, Nickels, der 247 Uebermangansäure u. s. w. gebundenen Sauerstofles diess thut, wesshalb ich derartige Sauerstoffverbindungen „Ozo- nide“ nenne. Diese Gruppe von Oxiden besitzt z. B. das Vermögen SO, sofort zu Schwefelsäure zu oxidiren und da hierbei zugleich Sulfate gebildet werden, so bewirkt SO; eine rasche Farbenveränderung der besagten Ozonide. Wer- den z. B. mit PbO;, Mn O:, TLO; behaftete feuchte Papier- streifen*) der Einwirkung gasförmiger schweflichter Säure ansgesetzt, so bleichen sie sich sehr rasch aus in Folge der unter diesen Umständen gebildeten farblosen Sulfate. Feuchte durch Kalibichromat gelb gefärbte Papierstreifen werden in dem gleichen Gase grün und Glasstreifen, auf welchen man gelôstes Kalipermanganat hat vertrocknen lassen und die desshalb roth gefärbt sind, verlieren im feuchten SO,;-Gas rasch diese Färbung. Alle die genannten Ozonide verhalten sich jedoch im wasserfreien Zustande gegen das trockene schweflichtsaure Gas eben so gleich- gültig als das freie trockene Ozon. Sir Wie wohl bekannt, wird das feuchte Schwefelwasser- stoffgas durch eine Anzahl sauerstoffhaltiger Verbindungen augenblicklich zerstört, durch welche Wirksamkeit die Per- manganate sich ganz besonders auszeichnen. Aber selbst diese so kräftig oxidirende Salze, falls sie völlig wasser- frei sind, bleiben im trockenen Schwefelwasserstofigas des gänzlichen unverändert, unter welchen Umständen natürlich auch HS nicht zerstört wird. Ich habe Tage lang in sol- chem Gas Glasstreifen verweilen lassen, auf welchen ich Kalipermanganatlösung über Vitriolöl habe vertrocknen *) Solche Streifen verschafft man sich leicht dadurch, dass man Filtrirpapier mit der Lösung des basisch essigsauren Bleioxides, eines Manganoxidulsalzes und des Thalliumoxidules getränkt, so lange der Einwirkung einer kräftigen Ozonatmosphäre aussetzt, bis es deutlichst gebräunt ist. 248 jassen und die stark roth gefärbt waren, ohne dass deren Färbung im mindesten verändert oder das Schwefelwasser- stoffgas zerstört worden wäre. Aus den voranstehenden Angaben geht zur Genüge hervor, dass die Anwesenheit von Wasser eine unerläss- liche Bedingung für die chemische Wirksamkeit sowohl des gebundenen als freien ozonisirten Sauerstoßes ist und wird wahrscheinlich, dass es nur wenige Materien gebe, welche durch das Ozon ohne Beisein des Wassers sich zu oxidiren vermögen. Es fragt sich nun, wie denn das Was- ser den ozonisirten Sauerstoff zur Oxidation der oben er- wähnten Materie bestimme. Wäre derselbe im Wasser merklich löslich, so könnte man vermuthen, dass letzteres die Oxidation desshalb einleite, weil es das Ozen, durch Lösung flüssig machend, in eine innigere Berührung mit den oxidirbaren Materien bringe. Nach meinen Versuchen löst sich aber der ozonisirte Sauerstoff im Wasser so gut als gar nicht auf und doch verschwindet beinahe augen- blicklich der stärkste Ozongehalt selbst grösserer Gefässe, wenn man denselben mit einer verhältnissmässig nur klei- nen Menge der Lösung ozongieriger Substanzen, z. B. des Thalliumoxidules, Jodkalisms, Ferrocyankaliums, der Pyro- gallussäure, der Indigotinetur u. s. w. schüttelt. Wie mir scheinen will, lässt sich kaum annehmen, dass alles unter den erwähnten Umständen so rasch verschwundene Ozon erst in Wasser aufgelöst worden sei, bevor es die ge- nannten Substanzen oxidirt habe. Jch wage es daher vor- erst noch nicht, über den in Rede stehenden Einfluss des "Wassers irgend welche Ansicht zu äussern, es für räthlich haltend, mit einer Erklärung zuzuwarten, bis weitere That- sachen eine solche von selbst an die Hand geben. Bei diesem Anlasse kann ich jedoch nicht umhin, einige Be- merkungen über gewisse oxidirende Wirkungen zu machen, welche das Chlor und Brom ebenfalls nur unter Beisein 249 des Wassers auf eine Anzahl von Materien hervor zu bringen vermögen. Bekannt ist z. B. dass vollk«mmen treckene orsanische Farbstoffe vom wasserfreien Chlor oder Brom nicht zerstört werden, während diess bei Gegen- wart des Wassers in raschester Weise geschiehet, welche Thatsache die heutige Theorie durch die Ännahme erklärt, dass unter diesen Umständen das Wasser zerlegt und dessen Sauerstoff von den oxidirbaren Farbstoffen, der Wasserstoff vom Chlor u. s. w. aufgenommen werde. Da obigen An- gaben zufolge der wasserfreie ozonisirte Sauerstoff eben so wenig als das gleich beschaffene Chlor oder Brom das geringste Bleich- oder oxitirende Vermögen gegen die trockenen organischen Farbstoffe äussert, ein solehes aber augenblicklich durch zugefügtes Wasser .erlangt, so kann selbstverständlich in einem solchen Falle von einer Zer- setzung dieser Verbindung als der Ursache der eintretenden Bleichwirkung nicht entfernt die Rede sein, werauf auch immer die Mitwirkung des Wassers beruhen mag, und muss desshalb letzteres hierbei eine andere Rolle als diejenige spielen, welche man ihm beim Bleichen der organi:chen Pigmente durch Chlor und Brom beimisst. Es ist nicht unmöglich, für mich sogar wahrscheinlich, dass das Wasser aus dem gleichen Grunde auch d:s Chlor und Brom wirk- sam macht, wesshalb jenes das freie und gebundene Ozon zur chemischen Thätigkeit bestimmt, ohne dass hierbei das Wasser irgend welche Zersetzung zu erleiden hätie. Da ich zu den wenigen Chemikern gehöre , die immer noch der Ansicht huldigen, dass das Chlor oxidirte Salz- säure sei und ozonisirten Sauerstoff enthalte, so finde ich es ganz regelrecht, dass ihre chemische Wirksamkeit an die gleiche Bedingung geknüpft sei, welche erfüllt sein muss, wenn auch andere Ozonide, wie z. B. das Bleisuper- oxid, Uebermangansäure u. s. w., über deren Sauerstoffge- halt kein Zweifel waltet, oxidirende Wirkungen hervor- 250 bringen solien, und mit den ältern Chemikern die Chlor- wasserstoffsäure für Muriumsäurehydrat haltend, muss ich natürlich auch annehmen, dass die grosse Neigung von HO mit der trockenen Muriumsäure sich zu verbinden, die oxi- direnden Wirkungen, welche das Chlor bei Anwesenheit des Wassers auf so viel oxidirbare Materien hervorbringt, wesentlich bedinge, insofern dadurch die Ueberführung des ozonisirten Sauerstoffes der oxidirten Salzsäure auf oxidir- bare Materien erleichtert werden muss. Wie schon erwähnt worden, vereiniget sich bei Gegen- wart von Wasser das Guajakharz mit ozonisirtem Sauer- stoff als solchem zu einer blauen in Weingeist löslichen Verbindung, während trockenes Ozon und Harz vollkom- men gleichgültig zu einander sich verhalten. Wie das Ozon verhält sich nun auch das Chlor und Brom gegen das Guajak, welches nur dann gebläuet wird, wenn es ent- weder selbst oder das Chlor u. s. w. wasserhaltig ist. Auch in diesem Falie muss die heutige Theorie annehmen, dass das Wasser zersetzt werde und dessen Sauerstoff es sei, welcher mit dem Harze die blaue Verbindung eingehe, während man den Wasserstoff mit dem Chlor u. s. w. zu- sammen treten lässt. Dass das Wasser eine der innigsten chemischen Ver- bindungen sei, weiche wir kennen, wird von allen Che- mikern angenommen und doch lässt die heutige Theorie dasselbe häufigst zerseizt werden. Es ist bekannt, dass Chlor und Wasser bei gewöhnlicher Temperatur und in der Dunkelheit gleichgültig sich gegen einander verhalten, ‘unter der Mitwirkung des Lichtes aber in gewöhnlichen Sauerstoff und Salzsäure sich umsetzen, welcher Vorgang bekanntlich durch die Annahme erklärt wird, dass unter diesen Umständen das Wasser zerlegt werde. Um: aber eine solche Zersetzung auch ohne die Mitwirkung des Lichtes hbewerkstelligt werden zu lassen, nimmt man leicht 251 oxidirbare Materien zu Hülfe, welche auf den Sauerstoff des Wassers ebenso stark anziehend einwirken sollen, wie das Chlor auf den Wasserstoff dieser Verkindung. Denkt man sich HO zwischen Phosphor oder SO, und Chlor ge- stellt und werden unter diesen Umständen Phosphor- oder Schwefelsäure und Salzsäure gebildet, so kann man sich die Annahme noch gefallen lassen, dass hierbei eine Was- serzersetzung stattfinde in Betracht der grossen Oxirbar- keit des Phosphors u. s. w. Wie aber. das Guajak die Stelle des letztern soll vertreten können, ist für mich wenigstens schwer zu begreifen, “a die blaue Verbindung des Harzes mit ozonisirtem Sauerstoff, welche bei der Ein- wirkung des feuchten Chlores auf das Guajak entsteht, eine kaum innigere sein dürfte, ais diejenige, welche die was- serhaltige Stärke mit dem Jod eingeht, wie sich daraus abnehmen lässt, dass der besagte Sauerstoff dem Harze leicht wieder entzogen und auf andere exidirbsre Materien übergetragen werden kann, z. B. auf SO. Nimmt man aber auch an, durch die gleichzeitige Ein- wirkung des Chlors und Guajakes auf das Wasser werde diese Verbindung zersetzt und deren Sauerstoff frei, so fragt es sich, ob es wahrscheinlich sei, dass letzterer in demjenigen Zustande sich befinde, in welchem er durchaus sein muss, damit er mit dem Harze die blaue Verbindung eingehen kann. Nach meinen Erfahrungen ist es nur der ozonisirte Sauerstoff, welcher sich mit dem Harze zu ver- einigen vermag und es müsste daher der aus dem Wasser stammende Sauerstoff in diesem Zustande sich befinden, weil das Guajak durch wasserhaltiges Chlor gebläuet wird. Wenn die nach Aussen wirkende chemische Energie des an eine Materie gebundenen Sauerstoffes gelähmt er- scheint, so ist es diejenige des im Wasser enthaltenen O, welche Verbindung bei gewöhnlicher Temperatur mit den meisten oxidirbaren Substanzen in Berührung treten kann, 18 252 ohne auf dieselben die mindest oxidirende Wirkung hervor- zubringen, wesshalb ich es für höchst unwahrscheinlich halten muss, dass der Sauerstoff, den man auf chemischem Wege aus HO frei werden lässt, im ozonisirten Zustande sich befinde und desshalb mit dem Guajak sich verbinden könne. Ganz anders das Verhalten einer Reihe oxidirter Materien, z.B. der Oxide der edlen Metalle, vieler Superoxide und einiger Metallsäuren, der Untersalpetersäure u. s. w., deren ganzer oder theilweiser Sauerstoffgehalt bereitwilligst mit dem Guajak zusammentritt, wie diess die Bläuung der geistigen Lösung dieses Harzes, welche durch die erwähnten Sauer- stoffverbindungen verursacht wird, in so augenfälliger Weise zeigt. Auch ist das oxidirende Vermögen der gleichen Sauerstoffverbindungen gegenüber einer grossen Anzahl un- organischer und organischer Materien eine wohl bekannte Thatsache. Wenn heutigen Tages sich kaum mehr in Abrede stel- len lässt, dass sowohl der gebundene als freie Sauerstoff in verschiedenen Zuständen zu bestehen vermöge und die chemische Wirksamkeit desselben wesentlich von diesen Zuständen bedingt sei, so muss bei der Deutung der Oxi- dationsvorgänge auf diese Zustände Bedacht genommen werden und darf man nicht nur so von Sauerstoff über- haupt reden, und ihn, wenn er zur Erklärung einer Oxi- dationswirkung nothwendig ist, von irgend einer beliebigen sauerstoffhaltigen Verbindung beziehen. Durch die Annahme der ältern Chemiker, dass das Chlor u. s. w. sauerstoffhaltige Materien seien und durch die weitere Annahme, dass ein Theil ihres Sauerstoffes in dem gleichen Zustande sich befinde, in welchem wir ihn theilweise in der Untersalpetersäure , den Superoxiden des Bleies, Mangans u. s. w. antreffen, lassen sich nach meinem Dafürhalten die durch jene für einfach gehaltene Körper verursachten Oxidationswirkungen ungezwungener 253 erklären, als durch die Davy’sche Hypothese, welche auf die Zuständlichkeit des Sauerstoffes keine Rücksicht nimmt und sich desshalb genöthiget sieht, die innigsten Sauer- stoffverbindungen: Wasser, Kali u. s. w. zersetzt werden zu lassen, um über eine grosse Zahl von Oxidationsvor- gängen Rechenschaft geben zu können. 18* GEOLOGIE. — Ueber die Pflanzenabdrücke in dem Uebergangsgebirge von Badenweiler, Grossherzogthum Baden, Von Hrn. Rathshr. Peter Merıan. : = (Den 5. Juli 1865.) Die älteste Vegetation, deren Ueberreste sich in den Gebirgsarten unserer Umgebungen erhalten haben, ist die- jenige des sogenannten Uebergangsgebirges der Vogesen und des Schwarzwaldes. Es gehört dasseibe bekanntlich der untern Äbtheilung der Steinkohlenformation an. Die Pflanzen aus den Vogesen sind in dem schönen Werke von Köchlin und Schimper (Terrain de Transition des Vosges. 1862) beschrieben und abgebildet worden. Ungeachtet die Formation am Eingange und im Verlaufe des St. Amariner Thals in vielen Steinbrüchen aufgeschlossen ist, so ist die “ Anzahl der aufgefundenen Pflanzenformen doch eine sehr mässige; die Vegetation der damaligen Zeit scheint folglich keine reiche gewesen zu sein. In dem gedachten Werke werden bloss 14 Pflanzenarten aufgezählt. Das Uebergangsgebirge der Vogesen setzt auf das rechte Rheinufer nach dem südlichen Schwarzwalde hinüber, und 255 durchzieht das Gebirge von Westen nach Osten von Ba- denweiler bis Lenzkirch. Die Felsart hat mit derjenigen der Vogesen die grösste Uebereinstimmung, so dass man Handstücke von beiden Seiten des Rheins kaum von einan- der zu unterscheiden vermag. In unserer öffentlichen Samm- lung besitzen wir von der Badischen Seite Pflanzenabdrücke nur von einem einzigen Fundorte, dem Burgberge bei Ba- denweiler. Die Gebirgsart ist daselbst ziemlich zerklüftet, durch keinen Steinbruch aufgeschlossen, zur Gewinnung schöner Exemplare daher nicht eben günstis Es ist ein grüalicher, etwas bröcklicher Schiefer, in welchem ich nach- stehende Arten zu bestimmen vermochte: 1. Calamites Transitionis, Geppert, welcher, wie Schim- per wohl richtig vermuthet, mit Cal. radiatus, Brongn. übereinstimmend ist. 2. Cyclopteris Collombiana, Schimp. Wurzelfasern von Stigmaria ficoides, Brongn. 4. Eine Frucht, welche mit Rhabdocarpus concheformis Le Gœpp. übereinstimmt, oder demselben wenigstens sehr nahe steht und in den Vogesen noch nicht auf- gefunden ist. Stämme grösserer Pflanzen, wie solche im St. Amariner Thal vorgekommen, sind am Burgberge nicht gefunden. Wäre das Schwarzwälder Uebergangsgebirge besser aufgeschlossen, so würden sich wohl eine grössere Anzahl von Arten auffinden lassen. Früher sind verschiedene Ver- sucharbeiten auf Anthrazit in dieser Formation betrieben worden, bei welchen Pflanzenabdrücke vorgekommen sind. Solcher erwähnt z.B. Beyer in seinen Beiträgen zur Berg- baukunde, Dresd. 179%, S. 60. Es ist mir jedoch nicht mög- lich gewesen, in Sammlungen etwas davon noch aufzufinden. ANATOMIE. Lymphgefässe der Retina. Von Hrn. Prof. Hıs. (Sitzung vom 5. Juli 1865.) In einem Vortrag im verflossenen Winter wurden die Lymphapparate vom Hirn und Rückenmark besprochen und damals bereits angedeutet, dass in der Retina ähnliche Ein- richtungen sich finden mögen, wie im Gehirn, d. h. dass wohl auch in ihr perivaskuläre Kanäle vorhanden sind, die zum Lymphsystem gehören. Abgesehen von der allgemeinen Uebereinstimmung, die sonst zwischen Retina und Gehirn in Bau und Entwickelung vorhanden ist, waren noch einige besondere Gründe vor- handen, die zu der genannten Annahme drängten; ein- mal nämlich kann man an senkrechten Durchschnitten er- härteter Netzhäute zuweilen einen Hof um die, vom Schnitt getroffenen Gefässe herum wahrnehmen, ganz ähnlich dem- jenigen um die Gehirngefässe; sodann aber erinnerte ich mich, schon vor längerer Zeit, vor nahezu zehn Jahren, bei einer meiner ersten Injectionen ein Bild von Kanälen in der Retina gesehen zu haben, das ich damals zwar nicht 257 verstand, dessen Natur als Lymphnetz mir aber später nach den Ergebnissen am Gehirn nicht mehr zweifelhaft sein konnte. — Ich habe nun in den letzien paar Monaten die Frage nach dem Lymphgefässgehalte der Netzhaut ge- nauer verfolgt und will mir erlauben, die wesentlichen Re- sultate der Untersuchung mitzutheilen. Zunächst aber muss ich als Einleitung an Bekanntes anknüpfen und eine mög- lichst; gedrängte Uebersicht des Retinabaues geben. Die Retina lässt trotz ihrer Dünnheit eine Trennung in acht Schichten zu, die auf senkrechten Durchschnitten leicht durch ihr verschiedenes Aussehen von einander unterscheid- bar sind. Von Aussen nach Innen gezählt folgen sich nämlich: die Stäbchen- und Zapfenschicht, die äussere Körnerschicht, die Zwischenkörnerschicht, die innere Körnerschicht, die moleculäre oder granuläre Schicht, die Schicht der Nervenzellen, die Schicht der Nervenfasern und endlich die Membrana limitans. Die Stäbchenschicht besteht aus kleinen, pallisadenför- mig neben einander gestellten Prismen, zwischen welchen in gewissen Abständen kleine, flaschenförmig gestaltete Gebilde, die sogenannten Zapfen, eingeschoben sind. Aeus- sere und innere Körnerschicht zeigen in ihrem Habitus viel Aehnliches, sie zeichnen sich beide durch den Gehalt von kleinen, rundlichen, kernhaltigen Körpern aus. Die Zwi- schenkörnerschicht und die moleculäre Schicht zeigen ein feinkörniges, leicht radiär gestreiftes Ansehen; in der Ner- venzellen- u:d Nerveufasernschicht erkennt man die Ge- bilde, denen die beiden Schichten ihren Namen verdanken, und die Membrana limitans endlich erscheint als eine zwar dünne, aber derbe elastische Membran. 258 Die histologische Deutung der einzelnen Theile hat mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen, und wenn auch ‘durch die ausgezeichneten Arbeiten von H. Müller, Kölliker, Max Schultze u. A. Vieles in dieser Hinsicht geleistet wor- den ist, so bleiben doch immer noch mancherlei Zweifel zu lösen und manche Unklarheiten zu beseitigen. Als die bei- den histologischen Bestandtheile der verschiedenen Schich- ten haben wir die indifferente Gerüstsubstanz und die ei- gentlich nervösen Bestandtheile zu unterscheiden. Nach verschiedenen neueren Arbeiten stellt sich das Verhältniss etwa folgendermaassen: das Gerüst‘ wird zunächst gebildet durch stärkere, von H. Müller entdeckte, radiär geordnete Stützfasern, die besonders in den innersten Lagen mächtig erscheinen, und unmittelbar unter der Limitans sich ver- breitern und zu einer zusammenhängenden gefensterten Haut verschmelzen; feine Fortsetzungen derselben reichen bis unter die Stäbchenschicht und verschmelzen hier gleich- falls zu einer dünnen durchbrochenen Haut, die man als M. limitans externa bezeichnet hat. In den verschiedenen Schichten, vor allem aber in der moleculären Schicht und in der Zwischenkörnerschicht hängen die Radiärfasern mit einer feinkörnigen Masse zusammen, die nach den Unter- suchungen von Max Schultze nichts anderes zu sein scheint, als ein sehr feines Netzwerk verzweister Fäden (Zellaus- läufer?). In der innern Körnerschicht stehen ausserdem die Stützfasern mit polygonalen kernhaltigen Körpern in Verbindung, denen die Bedeutung von Bindegewebskörpern zugeschrieben wird. In das eben geschilderte Gerüste sind nun die nervö-. ‘sen Bestandtheile eingebettet, die Nervenfasern und Ner- venzeilen, sowie deren Verbisaungsglieder mit den Stäb- chen und Zapfen. Die Nervenfasern breiten sich von der Eintrittsstelle des N, opticus aus strahlig nach allen Seiten hin aus, besonders reichlich treten sie nach aussen gegen 259 die Gegend des directen Sehens. Ihre Schichte wird zu- nehmend dünner gegen die Peripherie hin, ein Verhältaiss, das sich leicht aus dem Verhalten der Fasern zur übrigen Netzhaut erklärt. Dieselben treten nämlich, soweit wir wis- sen, sämmtlieh mit den nach aussen von ihnen liegenden Nervenzellen in Verbindung; von diesen kann man feine Ausläufer verfolgen, die durch die moleeuläre Schicht in die innere Körnerlage eintreten und hier mit einem Theil der Körner sich verbinden; als weitere Fortsetzung gehen von diesen feinen Fäden mit dem Charakter von Nerven- fasern in die äusserste Körnerlage, verbinden sich mit den äussern Körnern und durch deren Vermittlung mit den Stäb- chen und Zapfen. Der Lichteindruck findet zuerst am Stäb- chen oder Zapfen statt, von da wird er durch die Ver- bindungsglieder zu den Nervenzellen und Nervenfasern und durch diese zum Gehirn fortgeleitet. Was nun die Blutgefässe der Retina betrifft, so ist ihr sröberes Verhalten bekannt genug, um so besser, als die Augenärzte mittelst des Augenspiegels selbst am lebenden Menschen Gelegenheit haben, dasselbe zu beobachten. Die die Retina versorgende Arterie nämlich, die A. centralis retinæ und die das Blut zurückführende Vene verlaufen beide schon vom Grund der Augenhöhle an inmitten des Sehnervenstammes und treten, nachdem sie ihn reichlich mit Zweigen versorgt, mit den Nervenfasern in die Retina ein. Beide Gefässe zerfallen gleich bei ihrem Eintritte in eine Anzahl von (4-5) Hauptstämwmen, dis nach innen und aus- sen sich wendend, im Allgemeinen je Arterie und Vene zusammen verlaufen und nun gegen die Peripherie hin in zunehmend feinere Zweige sich auflösen. Die gesammte gröbere Verzweigung liegt in der Faserschicht der Re- tina, die gröbern Stämme treiben sich sogar wallartig gegen die Glaskörperfläche vor; indess beschränken sich die Ge- fässe nicht auf diese Schicht, sondern, wie H. Müller ganz 260 richtig angegeben hat, so dringen Capillargefässe bis zur äussern Gränze der innern Körnerschicht vor, niemals aber gehen sie-über diese hinaus in die äussere Körner- oder sar in die Stäbchenschicht hinein. Das genauere Verhalten der Gefässe zu den Schichten lässt sich am besten an senk- rechten Schnitten injicirter Netzhäute verfolgen, an wel- chen man den rechtwinkligen Abgang der in die äussere Schicht vordringenden Stämmchen, sowie die flache Anord- nung der Capillarmaschen in der Nervenzellenschicht. und an den beiden Gränzen der innern Körnerschicht sehr gut übersieht. Weit schwieriger als die Verfolgung der Blutgefässe ist die Entscheidung der Frage, ob die Netzhaut auch Lymphgefässe enthält? A priori kann man zwar geneigt sein, die Frage zu bejahen, insofern als man Grund hat, allen blutgefässhaltenden Theilen auch Lymphgefässe zu- zuschreiben, aber wie soll man in einer so feinen Membran jene Gefässe sichtbar machen? An den gewöhnlichen Weg, durch Einstich die vermutheten Kanäle zu füllen, darf man nicht denken, denn auch die feinsten Kanülen dringen fast eben so rasch durch die Membran hindurch, als man sie einsticht, und die nachgespritzte Masse dient bloss dazu, die Haut blasig von der Unterlage abzuheben. Zum Glück jedoch hat die Natur uns noch einen Weg offen gelassen, auf weichem wir gefärbte Massen in die Lymphgefässe der Netzhaut eintreiben können; es ist dies der Weg durch die Blutgefässe. Treibt man Massen unter einem grössern Druck | in die Blutgefässe des Auges ein, so gelingt es in einzel- nen Fällen, die Gefässe der Retina zum bersten zu brin- gen, und nun füllt sich ein äusserst elegantes Röhrensy- stem, das auf den ersten Blick vom System der Blutgefässe unterscheidbar ist. Die einzelnen Röhren nämlich, welche dies System bilden, sind viel weiter als die Blutgefässe, die Maschen der feineren Kanäle sind ausnehmend dicht, 261 ‘und da, wo sie gehörig erfüllt sind, bilden sie eine Lage mit nur sehr kleinen Maschenräumen, dabei sind die sämmt- lichen Trennungs- und Vereinigungswinkel mehr gerundet, als die der Blutgefässe, wodurch jenes System gegenüber dem letztern mehr etwas massiges erhält. Die fraglichen Kanäle liegen theils in der äussern Körnerschicht, in der ja auch die Blutcapillen ihre reichste Entwickelung finden, theils aber verlaufen sie in den in- nern Retinaschichten, gelangen in ihnen zur Eintrittsstelle des N. opticus und senden in diesen ihre Sammelstämme. Eine Stelle, an welcher übrigens die Lymphkanäle so weit sind, dass sie fast ohne jegliche Präparation wahrgenom- men werden, ist der vorderste Rand der Retina, dicht an der Ora serrata. Das eben geschilderte Kanalsystem verhält sich nun zu dem System der Blutgefässe genau so, wie das der Hirnlymphgefässe zu den Hirnblutgefässen, d. h. es umgiebt allenthalben jenes in Form von Mantelröhren, und hieraus erklärt sich auch die Möglichkeit, auf dem Weg der Ge- fässsprengung jenes System zu füllen. Für die feineren Gefässe lässt sich dies in der Regel an gewöhnlichen In- jeetionspräparaten leicht erkennen, man sieht oft genug den feinen Capillenfaden inmitten eines breitern Kanals verlaufen. Ich habe auch versucht die Sache dadurch augenfällig zu machen, dass ich erst eine blaue fasse in die Blutgefässe bei mässigem Druck eintrieb und nachher eine rothe Masse kräftig nachspritzte. Dabei gelingt es an einzelnen Stellen die blaue Masse durch Zerreissung der Gefässe in die äus- seren Räume zu treiben, während die rothe im Biutgefäss- rohr bleibt, und man hat dann das Bild eines blauen Man- tels um einen mittlern rothen Faden. Was nun die grössern Gefässe der Retina betrifft, so sind dieselben nachweislich von perivaskulären Röhren al- lenthalben umgeben; es gelingt schon an nicht injieirten 262 oder unvollständig injicirten Netzhäuten dies zu demonstri- ren, am evidentesten aber an Silberpräparaten (durch Ein- tauchen in schwache Lösung erhalten). An solchen Sil- berpräparaten überzeugt man sich auch leicht vom Vor- handensein eines äussern Epithels. Für die Arterien ist mir bis jetzt das Vorhandensein vollständiger perivaseulärer Kanäle zweifelhaft. Die Arterien sind nämlich je von einer sehr dicken bindegewebigen Adventitia umhüllt, und es scheint nun, dass die Lymphwege, statt das Gefäss voll- ständig zu umgeben, nur streifenweise dasselbe begleiten. Die Abflusskanäle für die perivasculären Röhren der Retina sind mir noch nicht so bekannt als wünschenswerth. An der sog. Lamina cribrusa müssen sie jedenfalls sehr eng sein, denn Flachschnitte durch den Opticus an der angege- benen Stelle zeigen ein äusserst dichtes Gewebe; dagegen zeigt der äussere Theil des N. opticus wieder ein reiches Netz von Lymphgefässen, die indess hier nicht mehr peri- vasculär verlaufen, sondern mehr oder weniger unabhängig von den Blutgefässen; besonders reichlich sind sie in der innern Opticusscheide, in der sie auch leicht injieirt wer- den können. Für jetzt glaube ich diese im Opticus befind- lichen Lymphkanäle als die Abzugswege der Retinalymphe ansehen zu müssen. PHYSIR. er Die Kontrastfarben im Nachbilde, Von Dr. Fr. BurckHarDr. Wenn auf die Netzhaut Lichtstrahlen einer bestimmten Art, z. B. rothe, einige Zeit einwirken, so wird sie für diese Farbe mehr oder weniger unempfindlich in Folge der Ermüdung durch den Lichtreiz; fällt nachher anderes, z. B. weisses Licht in das Auge, so empfindet die Netzhaut nur diejenigen Lichtstrahlen, durch welche sie vorher nicht ge- reizt worden ist. Die gemeinsame Einwirkung sämmtlicher nicht rothen Strahlen des weissen Lichtes bringt die Em- pfindung von Grün hervor. Wird nur eine grössere oder kleinere Fläche der Netzhaut von dem farbigen Lichte ge- reizt, so ermüdet nur diese Fläche, während die übrige Fläche der Netzhaut ihre volle Empfänglichkeit für den be- treffenden Lichtreiz behält. Wird nach der Einwirkung des Reizes das Auge nach einer weissen Fläche gerichtet oder auch geschlossen und vor allem einfallenden Lichte geschützt, so sieht die betreffende Fläche der Retina die- selbe Figur in komplementärer Färbung. Dieses Pild heisst das Nachbild. 264 Richtet sich das Auge, in welchem ein Theil der Netz- haut von rothem Lichte gereizt worden, nach einer violet- ten Fläche, so erscheint ein blaues Nachbild auf violettem Grunde; weil die gereizte Netzhautfläche für die rothen Strahlen unempfindlich geworden, so empfindet sie nur noch die blauen des violetten Grundes; der übrige Theil der Netzhaut aber, welcher vorher nicht durch rothes Licht gereizt worden, hat seine volle Empfänglichkeit für die violetten Strahien behalten; daher befindet sich das blaue Nachbild auf violettem Grunde. Es leuchtet hienach ein, dass die vorhergehende Rei- zung der Netzhaut durch eine Farbe auf die nachfolgende Empfänglichkeit für die Reizung durch eine andere Farbe von Einfluss sein muss, und da gerade die Empfänglichkeit für die beiden Reizen gemeinsamen Komponenten vermin- dert wird, so muss der Unterschied zwischen beiden Far- ben grösser werden. Alle Erscheinungen des nachfolgen- den Kontrastes lassen sich wohl auf dieses Prinzip zurück- führen. Wenn nun aber zwei neben einander liegende Flächen der Netzhaut von verschiedenem Lichte gereizt werden bei vollkommen stille stehendem Augapfel, so üben die beiden Farben auf einander eine Einwirkung aus, welche der oben beschriebenen der Richtung nach, wenigstens in weitaus den meisten Fällen, entsprechend, dem Grade nach aber von ihr verschieden ist. Ob dieser Erscheinung eine Verände- rung der Empfänglichkeit jeder Netzhautstelle durch den Reiz, welcher auf die benachbarte Stelle einwirkt, zu Grunde liegt, wie alle frühern Forscher angenommen haben, oder ob die veränderte Wahrnehmung die Folge einer unrichti- gen Beurtheilung der beiden Farben ist, wie in neuester Zeit Helmholtz mit aller ihm eigenen Klarheit wahrschein- lich zu machen gesucht hat, ist zur Stunde noch eine of- fene Frage, welche dazu auffordert, diese Erscheinung sorg- 265 fältig und allseitig zu beobachten. Die Einwirkung einer Farbenfläche auf die benachbarte bei vollkommen ruhen- dem Auge bezeichnet man mit dem Namen gleichzeitiger Kontrast. Alle folgenden Versuche gehören dieser Kategorie an. Ich beschränke mich vor der Hand auf die Aufzählung der zum grössern Theil neuen Versuche. Sie beziehen sich alle auf den gleichzeitigen Kontrast im Nachbilde, d. h. es wird untersucht, nicht welcher Kontrast im direct gesehe- nen Bilde auftritt, sondern welche Einwirkung sich im Nachbilde geltend macht. Die Beobachtungen mit Hilfe des Nachbildes haben vor direkten Beobachtungen den gemeinsamen Vorzug, dass sich ein scharfes, gegen die Umgebung deutlich abgegrenztes Nachbild nur dann vollkommen entwickelt, wenn sich wäh- rend der Fixierung der Farbenfläche das Auge vollkommen ruhig verhalten hat. Jede Beobachtung, bei weicher das Nachbild nicht scharf begrenzt ist, muss verworfen werden. Nun steht aber diesem Vorzug ein wesentlicher Nachtheil entgegen, welcher in der Ermüdung des Auges nach wie- derholten Versuchen besteht. Diesem wird dadurch am einfachsten begegnet, dass man die Beobachtungen der Zeit nach nicht zu sehr häuft, sondern möglichst vertaeilt. Es sind mir aus diesem Gebiete nur zwei beiläufig an- geführte Beobachtungen bekannt, welche, so viel ich weiss, bis jetzt noch nicht weiter verfolgt worden sind. Die erste rührt von Fechner her: Schaut man einen subjektiven und objektiven farbigen Schatten, welche sich neben einander auf einer weissen Tafel befinden und zum Gleichgewicht gebracht sind, an- haltend an, bis sie dem Auge gewissermassen mit einem Schleier überzogen erscheinen, und verrückt man dann das Auge, so dass es auf die gemeinschaftliche Umgebung fällt, so gibt jeder Schatten ein Nachbild von der reziproken 266 Farbe. Das Farbenglas muss nicht zu dunkel sein, damit der Versuch gelinge. Hat man die komplementären Schat- ten durch zwei komplementär gefärbte Gläser erzeugt, so kann man dasselbe Phänomen damit erhalten. Der hier an- geführte Versuch ist insofern interessant, als er zeigt, dass die subjektive Farbe nicht minder als die objektive fähig ist, ein komplementäres Nachbild zu geben. Da in diesem Versuche die Farben nicht sehr intensiv sein können, so bedarf es wohl schen besonders empfind- licher Augen, um überhaupt ein deutliches Nachbild zu er- halten. Die Methode möchte sich daher wohl nicht beson- ders eignen, um Aufschlüsse über die Farbenbeziehungen im Nachbilde zu erhalten. Kine zweite Beobachtung finde ich bei Helmholtz: Hat man ein weisses Papierschnitzelchen auf rothem Grunde fixiert, und wirft dann das Nachbild auf Weiss, so ist das Nachbild des rothen Grundes blaugrün, das des kleinen weissen Feldes roth, durch Kontrast zu jenem Grün. Diese Beobachtung enthält den einfachsten Fall der im Folgenden vorkommenden Beobachtungen und kann somit als Ausgangspunkt angesehen werden. Ich werde mich der nun gewöhnlichen Bezeichnungsweise möglichst anschlies- sen, ohne dass in dieser eine theoretische Ansicht soll ein- geschlossen sein, da ich nicht für zweckmässig halte, wenn jeder Beobachter für dieselben Dinge seine eigenen Be- zeichnungsweisen einführt, selbst wenn ihm diese oder jene passender erscheinen sollte. Nur eine kleine Abweichung sei gestattet. Die Farbe, deren Einwirkung auf eine benachbarte Stelle des Gesichtsfeldes untersucht wird, heisse die indu- zierende ; die Farbe, welche durch deren Einwirkung her- vorgebracht wird, heisse die induzierte. Die Fläche, deren Farbenveränderung untersucht wird, die (erst) reagierende ; die Farbe, welche die reagierende durch die Einwirkung 267 der induzierenden annimmt, heisse die ersi resultierende; die Fläche, auf welche das Nachbild geworfen wird, heisse der Grund (zweit reagierende), die Farbe, welche das Nach- bild durch Projektion auf den Grund annimmt, die zweit resultierende. Ist über den Grund nichts Besonderes be- merkt, so ist er farblos. Als induzierende Fläche dient mir zunächst ein farbi- ges Quadrat von etwa 3 Zoll Seite; auf der Mitte bringe ich ein kleines weisses Quadrat an von 0,5 Zoil Seite. Be- hufs genauer Fixierung ist die Mitte mit einem Nadelstiche versehen. Dieser wird einige Sekunden, je nach der indu- zierenden Fläche bald länger, bald weniger lang, genau fixiert, dann wird zwischen Quadrat und Auge eine weisse Fläche eingeschoben. Bei dieser Anordnung ist die Kon- trastfarbe im direkt gesehenen Bilde in allen Fällen nur unbedeutend, in den meisten kaum wahrnehmbar, im Nach- bilde aber tritt dieselbe sehr schön und deutlich auf, was auch für eine induzierende Fläche mag gewählt worden sein, und zwar ist die im Nachbilde resultierende Farbe des reagierenden Feldes immer gleich der Farbe der ursprünglich induzierenden Fläche. Wählt man z. B. ein gelbes Quadrat, so besteht das Nachbild aus einem blauen, welches ein kleines gelbes Quadrat einschliesst. Die Farben des Nachbildes schwä- chen sich nach und nach. Es ist mir bei mehreren Versu- chen aufgefallen, dass das kleine Quadrat seine resultie- rende Farbe noch zeigte, nachdem die Farbe des grössern Quadrats schon erloschen schien. Dasselbe Resultat erhält man, wenn das kleinere Quadrat grau oder schwarz ist, nur mit dem Unterschiede, dass das Nachbild des weissen Quadrates dunkel auf hel- lem Grunde, das des schwarzen aber hell auf dunkelm Grunde erscheint. Man weiss, dass der Kontrast auf einer weissen oder 19 268 schwarzen Fläche aufhört oder wenigstens in allen Fällen namhaft geschwächt wird, wenn die induzierende und die reagierende Fläche deutlich etwa durch einen dunkeln oder hellen Strich von einander getrennt sind. Aber selbst noch unter diesen Umständen zeigt sie sich im Nachbilde, aller- dings ebenfalls geschwächt. | Ebenso wird die Kontrasterscheinung im direkten Bilde aufgehoben oder bedeutend vermindert, wenn die induzie- rende Fläche die reagierende nicht vollkommen umgibt. Im Nachbilde aber erscheint der Kontrast noch deutlich, wenn man z.B. einen grauen Streifen zwischen zwei grüne legt und fixiert. Das Nachbild besteht aus drei Streifen, welche roth, grün, roth gefärbt sind. Endlich tritt der Kontrast vollkommen zurück, wenn das Auge induzierende und reagierende Fläche deutlich kör- perlich unterscheidet, also namentlich in verschiedene Ent- fernungen verlest. Wird ein grauer Würfel auf eine far- bige Fläche gestellt, so wird er keine Kontrastfarbe zeigen. Um ihn im Nachbilde zu beobachten, stelle ich den Würfel auf eine Ecke, damit er sich durch die verschiedene Schat- tierung recht deutlich vom Grunde abhebe. Das Nachbild des Würfels ist deutlich mit der induzierenden Farbe ge- färbt. ' | Zwei induzierende Farben bringen auf dasselbe rea- sierende Weiss, Grau oder Schwarz verschiedene Wirkung hervor, je nach der Anordnung der betreffenden Flächen. Legt man zwei Farbenquadrate dicht neben einander und quer über die Trennungslinie einen weissen Streifen, z. B. doppelt so lang als breit, und fixiert den Mittelpunkt desselben genau, so erscheint in der Regel der weisse Strei- fen weiss und die induzierte Farbe wird nicht wahrgenom- men; ist selbst im Anfang eine leichte Färbung zu erken- nen, SO schwindet sie gewöhnlich mit dauernder Fixation; im Nachbilde aber erscheint der Streifen nach den beiden 269 Seiten hin deutlich in zwei verschiedenen Farben, nämlich den beiden induzierenden, am deutlichsten dann, wenn man den Streifen nach der Trennungslinie der induzierenden Flä- chen durch einen dünnen Strich in zwei gleiche Flächen getheilt hat. Wählt man z. B. als induzierende Farben Orange und Grün, so erscheint das Nachbild in folgender Anordnung: Neben einander sind ein blaues und ein rothes Quadrat, nach der Seite des blauen ist der Streifen gelb,,nach der Seite des rothen aber grün gefärbt. Sollte beim direkten Versuch schen eine Spur von Kontrast wahrnehmbar ge- wesen sein, so ist er ungleich kräftiger, zwingender im Nachbilde. Haben wir in diesem Versuche die Kontrastwirkung auf die beiden Theile des Streifens vertheilt, so können wir auch durch eine andere Anordnung die beiden Wirkungen vereinigen, so dass die resultierende Farbe die Folge zweier Induktionen ist. Man legt dicht neben einander drei Streifen in folgen- der Ordnung: Blau, Grau, Roth; im direkten Versuche wird man hiebei kaum eine Induk- tion auf Grau wahrnehmen, im Nachbilde aber färbt sich der mittlere Streifen violett, die beiden äussern sind natür- lich gelb und grün. | . Ist in diesem Versuche der graue Streifen nur je auf einer Seite von der induzierenden Farbe berührt, so wird das reagierende Feld im folgenden je auf zwei Seiten vom induzierenden berührt und die Wirkung verstärkt. Ein Quadrat sei durch die Diagonalen in vier recht- winklige Dreiecke getheilt, auf die Mitte legt man ein klei- neres ungetheiltes Quadrat, so besteht die ganze Fläche aus einem kleinen Quadrate und vier dasselbe einschliessenden Trapezen. Sind nun je zwei einander gegenüberstehende 19* 270 Trapeze von Einer Farbe, die beiden andern aber von einer andern, und das mittlere kleine Quadrat z.B. grau, so wir- ken zwei Induktionen ein; im direkten Versuche wird kaum ein Beobachter eine Kontrastfarbe erkennen, im Nachbilde aber tritt sie auf, und zwar gleichmässig über die ganze rea- gierende Fläche. Sie besteht jedesmal aus den beiden Kom- ponenten, welche im zweit vorhergehenden Versuche ge- trennt erhalten worden sind. Die beiden induzierenden Farben seien roth und blau, das kleine Quadrat grau; das Nachbild besteht aus zwei srünen und zwei gelben Trapezen, welche ein violettes Quadrat einschliessen. Jedes Trapezpaar für sich allein würde eine verschiedene Farbe induziert haben, das erste roth, das zweite blau, wie der Versuch ebenfalls heraus- stellt; beide kombinieren sich zu violett. Oder: Direktes Bild. Nachbild. Gelb. Blauroth. Roth, Grau, Roth. Grün, Orange, Grün. Gelb. Blauroth. Das induzierende Gelb induziert Blauroth, Das induzierende Roth induziert Grün, Summe der Induktionen Blau. Nachbild Orange. Sind die Trapeze blau und gelb, so erscheint mir die Resultante grau; die Mischung der beiden Farben mittelst der Farbenscheibe geben ein schmutziges von Grau nicht weit entferntes Gelb. Ein gleiches Resultat erhält man, ‘wenn Roth und Grün die induzierenden Farben sind. In diesen Versuchen ist die Kontrastwirkung deutlich, doch nur bei kleinem reagierendem Felde, ist das Feld grösser, so wird sie zweifelhafter. Ich habe versucht, auch bei dieser Lage der induzierenden Farben durch Theilung des reagierenden Feldes die induzierte Farbe zu theilen. 271 Das graue Quadrat wurde nämlich mit seinen beiden Dia- gonalen durchschnitten, und also in vier gleichschenklige rechtwinklige Dreiecke zerlegt, von denen jedes einer in- duzierenden Fläche anlag, von der andern reagierenden Fläche aber getrennt war. Trotz dieser Theilung erscheint das ganze reagierende Feld im Nachbilde als ein Quadrat von derselben Farbe, wie wenn keine Theilung vorgenom- men worden wäre, nur ist es durch zwei weisse Diagona- len in vier Dreiecke zerlegt. Um die Theilung des reagierenden Feldes noch auffal- lender zu machen, wurden zwei einander gegenüberstehende Dreiecke schwarz überzogen, während die beiden andern grau blieben. Richte ich nun das innere Quadrat so, dass die beiden dunkeln Dreiecke an die beiden hellern, z. B. rothen Trapeze stossen, so erscheinen im Nachbilde nur die beiden den hellern Dreiecken entsprechenden dunkeln deut- lich gefärbt, die den dunkeln entsprechenden hellen Drei- ecke aber erscheinen ganz oder nahe ungefärbt. Richte ich aber das innere Quadrat so, dass die beiden dunkeln Dreiecke an die beiden dunklern, z. B. blauen, Trapeze stossen, so erscheinen mir auch die beiden hellern Drei- ecke des Nachbiides gefärbt, immer in der aus beiden In- duktionen zusammengesetzten Resultierenden. Ich kann und will indessen den beiden letzten Beob- achtungen noch keinen hohen Grad von Sicherheit zu- schreiben. Wenden wir uns nun zu den Erscheinungen, welche sich zeigen, wenn nicht ein farbloses, weisses, graues oder schwarzes reagierendes Feld, sondern ein gefärbtes ange- wendet wird. In einem farbigen Quadrate befindet sich ein kleines anders gefärbtes, und wird in gleicher Weise, wie oben das weisse, fixiert und dann in Bezug auf das Nachbild untersucht. Man kann nun allgemein aufstellen, dass das 272 Nachbild besteht aus dem zum induzierenden Felde komple- mentär gefärbten grössern Quadrate und einem kleinern Qua- drate, dessen Farbe resultiert aus der Mischung der zu rea- gierenden komplementären und der induzierenden Farbe. Ist z. B. die induzierende Farbe roth, die reagierende aber rothgelb, so besteht das Nachbild aus einem grünen grossen und einem violetten kleinen Quadrate. Das Nach- bild von roth ist grün, das von rothgelb aber blau, die in- duzierte Farbe roth und also die resultierende violett. Ich habe bei keiner Farbenzusammenstellung eine Ausnahme sefunden. Auch bei dieser Anordnung habe ich auf dem reagierenden Felde im direkten Versuche keine bedeutende Kontrasterscheinung wahrnehmen können. Wenn man alle die Anordnungen wiederholt, welche geeignet sind, im direkten Versuche die Kontrastwirkung aufzuheben oder zu schwächen, so beobachtet man immer noch im Nachbilde deutliche Kontrastwirkungen. Ich zähle diese Versuche nicht mehr auf. | Ganz entsprechend verhält sich das Resultat, wenn über die Trennungslinie zweier Farbenquadrate ein Quer- streifen einer andern Farbe gelegt wird. Ich führe als Bei- spiel folgende Zusammenstellung an: Die beiden induzierenden Flächen seien blau und roth- orange, der Querstreifen gelb; das Nachbild erscheint gelb und blau mit blau und violettem Querstreifen. Das Nach- bild der induzierenden Flächen bedarf keiner Erklärung; das Nachbild des reagierenden Streifens ist blau (vielleicht etwas violett) ; auf der einen Seite wird blau, auf der an- dern roth induziert, daher sind seine beiden Theile blau und violett. Ein feiner Strich längs der Trennungslinie der beiden induzierenden Flächen theilt im Nachbilde die bei- den Theile des Streifens deutlich ab. Während verschiedene Beobachter schon im direkten Versuche eine deutliche Kontrastwirkung wahrnehmen, habe 273 ich immer oder beinahe immer bei sorgfältig angestelltem Versuche den Querstreifen einfarbig gesehen; jedenfalls schien sich die Kontrastwirkung mit der Dauer scharfer Fixation auch dann zu mindern, wenn anfangs eine solche eintrat. Unverkennbar ist aber die Kontrastwirkung im Nach- bilde bedeutend stärker als im direkten Versuche. Ich will nun einen Versuch beschreiben, welcher mir schlagender noch als die bisherigen das letztgenannte Fak- tum beweist. Ich bemalte eine Fläche intensiv karminroth und trug ausserdem auf einem weissen Papier verschiedene Töne derselben Farbe auf von dem schwächsten, kaum wahr- nehmbaren, bis zur Tiefe der farbigen Fläche selbst; aus jedem schnitt ich ein kleines Quadrat und gieng = dieser Anordnung von folgenden Annahmen aus: Ein hellrothes Quadrat gibt, wenn es für sich allein auf weissem Grunde betrachtet wird, ein grünes Nachbild, mit einer leicht rothen Kontrastfarbe auf der nächsten Umge- bung; eine dunkelrothe Fläche induziert auf irgend einer, sie unterbrechenden reagierenden Fläche eine rothe Fär- bung; ist nun die unterbrechende Fläche selbst roth ge- färbt, so mischt sich die grüne Farbe des Nachbildes mit der rothen induzierten und es resultiert grau, vorausgesetzt, dass die relativen Intensitäten die richtigen sind. Es ist wahrscheinlich, dass der Farbenton der reagierenden Flä- che nicht gerade leicht wird zu treffen sein. Nun legte ich ein mattrothes Quadrat auf die induzie- rende Fläche. Das Nachbild erschien nicht viel anders, als wenn ein weisses oder ein hellgraues Quadrat angewandt worden wäre. Darauf nahm ich immer intensiver gefärbte kleine Quadrate; allein ich konnte keine Nüance finden, welche nicht immer noch etwas Gelb im Nachbilde gezeigt hätte. Eine genauere Vergleichung der verschiedenen Far- 21% bentöne führte mich auf den Grund des Misslingens, sowie auf ein Mittel zur Abhilfe. Leichte und intensive Töne des Karmins sind nicht blos dem Grade nach, d. h. in dem Verhältniss von Roth zu Weiss verschieden, sondern auch in Bezug auf das Ver- hältniss von Blau und Roth, oder Blau, Gelb und Roth, so zwar, dass in leichtern Tönen das Blau, in stärkern Gelb und Roth vorherrschen. Man kann sich davon mittelst ei- ner rotierenden Scheibe überzeugen. Schwächt man das Roth einer Karminfläche mit Weiss ab, so erhält man im- mer gelblichere Nüancen, als diejenigen sind, welche man durch Auftragen des verdünnten Karmins erzeugt. Will man diese mit der rotierenden Scheibe erhalten, so muss Blau beigemischt werden. Will man aber die Farbentöne der rotierenden weiss und rothen Scheibe mit dem Pinsel er- halten, so muss gelb beigemischt werden. Ich bereitete also auch eine Stufenfolge von solchen Nüancen und begann den Versuch von Neuem. Ein reagie- rendes Quadrat von ziemlich intensiver Färbung gab nun ein vollständiges Grau. Um die Farbe des reagierenden Feldes noch etwas genauer anzugeben, will ich anführen, dass auf einen Sektor von 290 ° Seite ein Sektor von 70° Weiss genau diese Farbe hervorbringt. Während im direkten Versuche nur eine Kontrastwir- kung von Hell und Dunkel, aber keine Spur von Farben- kontrast wahrnehmbar ist, ist im Nachbilde die induzierte Farbe stark genug, um ein intensives Grün, welches die reagierende Farbe für sich allein als Nachbild zeigt, voll- ständig aufzuheben. Beiläufig sei bemerkt, dass der qualitative Unterschied zwischen hellen und dunkeln Karmintönen namentlich sol- chen Augen auffallend erscheint, welche nur eine be- schränkte Empfindung für die rothen Strahlen haben. Ich bin auf diesen Unterschied vor Jahren zuerst durch einen Farben- 275 verständigen Daltonisten aufmerksam gemacht und durch meine jetzigen Versuche an jene Beobachtung erinnert wor- den. Derselbe erklärte mir nämlich, dass die blassen Kar- mintöne an der ablaufenden Fläche einer Farbenschale ihm in ähnlicher Weise verschieden vorkommen von der inten- siven Farbe der Mitte, als wenn neben einander blau und gelb lägen. Vier Quadrate, von welchen zwei gleich gefärbt, zwei aber verschieden gefärbt sind, werden folgendermassen neben einander gelegt: Grün, Gelb, Gelb, Orange, und zwar so, dass sich die Quadrate möglichst vollständig berühren; auf jedes der beiden gelben Quadrate wirken vollständig die gleichen Induktionen ein; es ist daher we- der im direkten Versuche noch im Nachbilde von einer verschiedenen Färbung der gelben Quadrate etwas wahr- nehmbar; die beiden gelben Quadrate sind blau. Wenn man aber die obern und untern Quadrate durch einen schwar- zen oder weissen Streifen trennt, so sind die Induktionen auf die gelben Flächen verschieden. Ist nun auch im.di- rekten Versuche nicht viel von einer Modifikation der Farbe zu erkennen, so erscheint sie doch ‘deutlich im Nachbilde; die Wirkung des grünen Quadrates auf das darunter lie- gende gelbe wird geschwächt und ebenso die des orange- nen Quadrates auf das darüber liegende gelbe, während die Wirkung je der daneben liegenden ungeschwächt bleibt; das neben Orange liegende Gelb gibt ein violettes, das andre ein blaues Nachbild. Es ist bekannt, dass die Erregungen der einen Netz- haut in vielen Fällen für die der andern Netzhaut eintreten können und gleiche Empfindungen und Wahrnehmungen ver- anlassen, als ob beide Erregungen auf eine und dieselbe Netzhaut eingewirkt hätten. Ob nun die induzierende Farbe 276 im einen Auge eine Wirkung auf die reagierende im an- dern hervorbringt, habe ich mit Hilfe des Stereoskopes un- tersucht. Ich reihe an einander für das linke Auge: für das rechte Auge: Gelb Weiss, Weiss Gelb; Weiss Blau, Orange Weiss, trenne die beiden weissen Streifen des linken Auges und Blau und Orange des rechten Auges durch einen schwar- zen Strich und bezeichne die Mitte desselben deutlich. Die beiden mittleren schwarzen Striche sind in einer solchen Entfernung, dass sie sich in einem gewöhnlichen Stereo- skope beim ersten Blicke decken. Damit die Deckung des ganzen Bildes eine möglichst sichere und dauernde sei, sind je die vier Streifen für jedes Auge mit einem schwarzen Rande umgeben. Nun kombiniere ich die beiden Bilder und erhalte neben einander Gelb Blau, Orange Gelb, ohne namhafte Kontrastwirkung; Blau und Orange sind deut- lich abgetrennt. Ich bemerke, dass das Fixieren nicht in jedem Versuche gelingt, so dass der Versuch wiederholt werden muss. Der Versuch kann als gelungen angesehen werden, wenn das Nachbild recht scharf ist, die farbigen Flächen getrennt und umgeben sind von einem scharfen weis- sen Striche. Ebenso muss ich anführen, dass im direkten Versuche keine gleichmässig gefärbte Fläche entsteht wegen des andauernden, nicht zu vermeidenden Wettstreites bei- (der Augen. Trotz diesem Wettstreite bleibt beim gelun- genen Versuche die Wirkung nicht aus. Man erhält neben einander Blau Gelb, Blaugrün Violett. In diesem Versuche sind die beiden induzierenden Flä- chen im einen Auge, die beiden reagierenden im andern; 277 durch Verschränkung kann man je eine induzierende und je eine reagierende in ein Auge bringen, doch so, dass der induzierenden Farbe des rechten Auges die reagierende des linken und umgekehrt entspricht. Die Farben werden fol- gendermassen angeordnet: für das linke Auge: für das rechte Auge: Gelb Weiss, Orange Weiss; Weiss Blau, Weiss Gelb, wobei wiederum die Mitten durch einen schwarzen Strich getrennt und die Felder von einem schwarzen Striche um- geben sind. Auch hier ist die Wirkung dieselbe, wie wenn die Farben zugleich auf verschiedene Stellen Eines Auges gewirkt hätten. Störend ist bei diesen Versuchen der Wettstreit bei- der Sehfelder; etwas vermeiden kann man ihn, wenn man statt Weiss Grau anwendet; allein aufgehoben wird er nicht. Indessen bietet auch noch diese Störung einiges Interesse, indem bisweilen eine Farbe nur die kürzeste Zeit wahrge- nommen wird und dennoch ein Nachbild hervorruft. Alle Nachbilder in diesen Versuchen sind desshalb relativ schwach, weil sich jeder Farbeneindruck eines Auges mit dem Grau oder Weiss des andern vermischt. Auch sind die indu- zierten Farben zur der Art und nicht der Stärke nach den in andern Versuchen erhaltenen entsprechend. Haben wir bisher die Wirkung je einer induzierenden Farbe auf eine reagierende untersucht, so haben wir nun die Wirkung zweier induzierenden Farben auf eine rea- gierende zu untersuchen. Als zweckmässigste Anordnung empfiehlt sich das in vier Trapeze und ein kleines Quadrat eingetheilte Quadrat. Wenn bei den obigen Versuchen ein graues Quadrat als reagierendes Feld angewandt wurde, so war das Nachbild desselben auch grau und wurde durch die Induktion zweier Farben so influenziert, dass es in der 278 Mischfarbe der beiden induzierenden erschien. Ist aber das reagierende Feld: selbst farbig, so vereinigt sich die Mischung der beiden induzierten Farben mit dem Nachbilde der reagierenden. Je nach der Intensität der beiden indu- zierten Farben und des Nachbildes wird sich nun die Re- sultante anders gestalten. Ich beginne mit einem einfachen Falle. Sind die beiden induzierenden Farben Gelb und Blau, die reagierende aber Roth, so heben sich die beiden In- duktionen auf, und das Nachbild von Roth, also Grün, kommt allein zur Geltung. Der Erfolg bleibt sich für jedes rea- gierende Feld gleich. Ebenso, wenn die beiden induzierenden Farben Grün und Roth sind, heben sich die beiden Induktionen auf und das Nachbild behält dieselbe Farbe, als ob keine Induktion stattgefunden hätte. Durch das vollkommene Gleichbleiben der Nachbildsfarbe mit oder ohne Induktion wurde ich auf die Vermuthung geführt, dass die beiden induzierenden Farben sehr nahe komplementär sein müssten; diese Ver- muthung wurde durch einen Versuch mit drehenden Schei- ben durchaus bestätigt, indem durch Mischung von 120 ° Grün und 240° Roth ein sehr reines Grau entstand. Wählt man aber als induzierende Farben irgend zwei andere, welche nicht komplementär sind, so ist die Resul- tante immer die Summe der drei Farben, nämlich des Nach- bildes und der beiden induzierten Farben. Je nachdem sich die Intensitäten des Nachbildes und der induzierten Farben verhalten, erhält man eine Mischung, in welcher diese oder jene vorherrschen. Den Einfluss der einzelnen Komponen- ten kann man nur dadurch deutlich erkennen, dass man in nicht zu fernen Zeiträumen die Versuche durch Weglassen und Hinzufügen der einzelnen Farbenfelder modifiziert. 279 Es seien die erste induzierende Farbe — Dunkelroth, zweite induzierende Farbe — Hellgelb, die reagierende Farbe — Rosa, so ist das Nachbild (ohne Induktion) = Gelbgrün, die Summe der Induktionen — Gelbroth, die Resultante Gelb, natürlich eingeschlossen von Grün und Violett. Oder: erste induzierende Farbe — Dunkelblau, zweite induzierende Farbe — Rosa, die reagierende — Grün, so ist das Nachbild (ohne Induktion) = Roth, die Summe der Induktionen — Blauviolett. die Resultante Purpur, eingeschlossen von Gelb und Grün. Es bleibt uns fernerhin zu untersuchen, wie sich die Resultanten herausstellen, wenn man das Nachbild nicht auf eine farblose, sondern wieder auf eine gefärbte Fläche projiciert. Eine gefärbte Fläche reflektiert immer vorherr- schend Farben einer bestimmten Art, daneben aber in ge- ringerem Grade auch die übrigen Farben und Weiss; es ist diess bei den resultierenden Farben wohl zu beachten, indem man sich sonst über manche Erscheinungen nicht Re- chenschaft geben könnte. Wenn man negative Nachbilder von farbigen Objekten auf farbigem Grund betrachtet, so schwinden aus dem far- bigen Grunde immer hauptsächlich die Bestandtheile, wel- che in der primär angeschauten Farbe überwiegen. So lässt ein srünes Objekt auf gelbem Grunde ein rothgelbes Nach- bild, auf blauem Grunde ein violettes. Denkt man sich das 280 Gelb aus Roth und Grün, das Blau aus Grün und Violett zusammengesetzt, dann das Grün in beiden durch Einfluss der Ermüdung vermindert, so ergibt sich der Erfolg, dass das Nachbild im Gelb sich dem Roth, im Blau dem Violett nähern wird. Ueberhaupt liegt die Farbe des Nachbildes immer zwischen der des Grundes und der Komplementär- farbe des Objektes und kann, so weit es nur den Farben- ton, nicht die Helligkeit betrifft, als eine Mischung von bei- den angesehen werden. (Helmh. Phys. Opt. pag. 367.) Einfach und lehrreich ist folgender bekannte Versuch: Eine drehbare Scheibe ist je zur Hälfte mit einer Farbe bemalt. Ein Punkt des Trennungsdurchmessers wird einige Zeit fixiert, dann die Scheibe rasch gedreht. Nun nimmt das Auge an jeder Stelle die Farbe im Nachbilde wahr, welche es im direkten Bilde an der entgegengesetzten Seite wahrgenommen hatte. Z. B. die beiden Farben seien links Blau und rechts Roth, ihre Mischung Violett. Die Stelle des Auges, welche mit Blau ermüdet worden, nimmt aus der Mischung vorzugsweise Roth, und die Stelle, welche mit Roth ermüdet worden, Blau wahr. Würde man aber das Nachbild auf eine weisse Fläche projicieren, so erhielte man Grün und Gelb. Noch etwas zusammengesetzter ist die Farbe des Nach- bildes, wenn ausser der ersten Erregung durch die ur- sprüngliche Farbe, und der zweiten Erregung durch die Farbe des Grundes noch ein Einfluss durch irgend eine die ursprüngliche Farbe induzierende andre Farbe ausgeübt wird. Wenn man im vorhergehenden Falle die Resultante, der Farbe, aber nicht der Helligkeit nach, als Zusammen- setzung der Nachbildsfarbe und der Grundfarbe ansehen kann, so mischt sich in unserm Versuche noch die indu- zierende Farbe hinein. Man kann sich das Resultat etwa auf folgende Art zusammenstellen: 281 1) Induzierendes Feld Orange. Reagierendes Feld Weiss. Induzierte Farbe Blau. Nachbild derselben auf Weiss Orange = Gelb + Roth. Grundfarbe Rosa = Blau 4 Roth. Resultante Roth. 2) Induzierendes Feld Blau. Reagierendes Feld Grün. Induzierte Farbe Gelb. Erste Resultante Geibgrün. Nachbild auf Weiss bläulich Roth = Blau + Roth. (mit vorherrschend Roth) Grundfarbe Rosa — Blau + Roth. Resultante Purpur. Ich habe eine grosse Anzahl von Farbenzusammenstel- lungen in dieser Weise untersucht und ausnahmslos ein Re- sultat erhalten, welches sich nach obenstehendem Schema, welches übrigens durchaus keine Erklärung enthält, ent- wickeln lässt. Ja es lässt sich dasselbe sogar noch auf zwei induzierende Farben übertragen, obgleich die Kombi- nationen der Farben etwas zweifelhafter werden. Ich führe ein Beispiel an: Ein grünes Quadrat ist eingeschlossen von zwei blauen und zwei dunkelrothen Trapezen; das Nachbild wird auf eine Rosafläche projiziert, so erscheint das Nachbild des srünen Quadrates Violett mit vorherrschendem Roth. Erste induzierende Farbe Blau. Zweite induzierende Farbe Dunkelroth. Summe Dunkelviolett. Reagierendes Feld Grün. Induzierte Farbe Hellgelb. Erste Resultante Hellgelblichgrün. Nachbild auf Weiss Dunkelbläulichroth. Grundfarbe Rosa Bläulichroth. Purpur. 282 Die verschiedene Einwirkung des Grundes auf die Resultante mag aus folgender Zusammenstellung ersehen werden: Direkt. Nachbild auf Dunkelblau. Rosa. Hellgelb. 1. Induz. Violett. Grünlich. Orange. Gelb. 2. Induz. Grün. Violett. Roth. Orange. Reagierende Orange. Blau. Blauviolett. Grün. Man kann aber die erstinduzierenden Felder so ord- nen, dass jedes sein erstreagierendes Feld einschliesst und jedes reagierende Feld also nur eine Induktion erfährt. Man theilt eine Kreisscheibe in sechs gleiche Sektoren, weiche so bemalt sind, dass sich Blau, Grau, Blau, Orange, Grau, Orange folgen, so ist klar, dass je ein grauer Sektor nur von den beiden benachbarten entweder orangenen oder blauen Sektoren influenziert wird. Man fixiert nun einige Zeit den Mittelpunkt oder einen benachbarten Punkt des Trennungsdurchmessers der beiden Farben Orange und Blau, und dreht dann die Scheibe rasch um. Der Grund oder die Fe zweitreagierende Farbe ist Rosa, denn es mischen sich … Orange und Blau zu diesem Farbentone, das Nachbild des von Orange eingeschlossenen grauen Sektors erscheint Roth; das Nachbild des von Blau eingeschlossenen Sektors aber Violett. Es induziert nämlich Orange auf dem Grau Blau, des- ‘sen Nachbild Orange sich mit Rosa zu Roth zusammensetzt; ebenso induziert Blau auf Grau Orange, dessen Nachbild sich mit Rosa zu Violett zusammensetzt. Bei diesem Ver- suche bemerke ich, dass die auf seitliche Theile der Netz- haut fallenden Parthieen der grauen Sektoren schon im di- _rekten Bilde, wenn auch schwach, komplementär zum in- duzierenden Grunde gefärbt erscheinen. Ersetzt man die grauen Sektoren durch gelbe, so er- 283 hält man eine Reihe von Kontrastwirkungen, welche nicht ganz einfach aus einander zu legen sind. Dem direkten Bilde bei ruhender Scheibe: Blau, Gelb, Blau, Orange, Gelb, Orange entspricht auf der gedrehten Scheibe ein Nachbild: Orange, Blauviolett, Orange, Blaugrün, Roth, Blaugrün. Betrachten wir zunächst die Wirkungen auf die gel- ben Sektoren: Blau induziert auf Gelb Orange, das Nachbild ist Blau. Orange induziert auf Gelb Grün, weil das Roth haupt- sächlich zur Wirkung kommt, das Nachbild ist Purpur. Beide Farben werden auf eine Fläche projiciert, wel- che aus der Mischung von Blau, Gelb und Orange besteht man kann die entstehende Nüance als weissliches Orange bezeichnen; die Farbe ist wenig intensiv. Biau auf Weisslichorange gibt Blauviolett, Purpur auf Weisslichorange gibt Roth. Es ändern sich natürlich auch die Farbentöne der an- dern Sektoren entsprechend der Veränderung, welche die Mischfarbe erlitten hat; indem sich nämlich Gelb beimischt, wird aus der im vorhergehenden Versuche erhaltenen blauen eine blaugrüne, aus der orangenen eine gelblich nüancierte Resultante entstehen. Und hiemit ist die ganze Farbenfolge der Haupisache nach abgeleitet. Resultate. Als hauptsächlichste Resultate vorliegender Untersu- ehung ergeben sich folgende: 1. Der gleichzeitige Kontrast tritt nicht blos beim di- rekten Sehen farbiger Flächen, sondern auch im Nachbilde auf. 2. Der gleichzeitige Kontrast im Nachbilde ist immer 20 284 A. stärker, als im direkt gesehenen Bilde; er tritt im Nachbilde mit grosser Bestimmtheit auf, wenn er im direkten Bilde entweder ganz fehlt, oder auf jede Weise geschwächt worden ist. Bei einem induzierenden und einem farblosen reagie- renden Felde zeigt das Nachbild des reagierenden auf farblosem Grunde immer die Farbe des induzie- renden. (NB. Nur der Art, nicht der Helligkeit nach, wie auch im Folgenden.) Bei zwei induzierenden und einem farblosen reagie- renden Felde zeigt das Nachbild des reagierenden auf farblosem Grunde: a) entweder je nach den beiden Seiten hin eine ver- schiedene Farbe, und zwar jedesmal die abge- schwächte Farbe des induzierenden Feldes; b) oder über die ganze Fläche dieselbe Farbe, näm- lich die Mischung der beiden induzierenden Farben. Bei einem induzierenden und einem farbigen reagie- renden Felde zeigt das Nachbild des reagierenden auf farblosem Grunde eine Farbe, welche besteht: a) aus der Farbe des Nachbildes des reagierenden Feldes (ohne Induktion); b) aus der induzierenden Farbe. Bei zwei induzierenden und einem farbigen reagie- renden Felde zeigt das Nachbild des reagierenden Feldes auf farblosem Grunde: a) entweder zwei getrennte Farben, von denen jede besteht: a. aus der Nachbildsfarbe des reagierenden Fel- des (ohne Induktion), 8. aus der angrenzenden induzierenden Farbe b) oder nur eine gleichmässig verbreitete Farbe, be- stehend aus der Mischung von drei Farben, näm- lich: 7 [3 285 co. der Nachbildsfarbe des reagierenden Feldes (ohne Induktion), 8. der Mischung beider induzierenden Farben. Ein farbiger Grund als zweitreagierende Farbe mo- difiziert die Resultante in der Art, dass sich seine Farbe der auf farblosem Grunde wahrgenommenen beimischt und bald verstärkend, bald aufhebend ein- wirkt. 20 * CHEMIE. Ueber die Einwirkung des Platins, Rutheniums, Rho- diums und Iridiums auf das Chlorwasser, die wäss- rigen Lösungen der Hypochlorite, das Wasserstoff- superoxid und den ozonisirten Sauerstoff. Von C. F. ScH&nBEin. in einer meiner neuesten Mittheilungen ist die Angabe enthalten, dass die alkoholische Photocyaninlösung, mit nicht mehr als der nöthigen Menge Chlorwassers entfärbt, wie durch das Sonnenlicht, so auch durch den Platinmohr sofort wieder gebläut werde. Da diese Färbung auf einer Abtrennung des Chlores vom Photocyanin beruht, so könnte sie möglicher Weise dadurch bewirkt werden, dass das Metall mit dem Chlore sich verbände, wie diess das Thal- lium, Zink, Zinnchlorür und andere chlorgierigen Materien thun, welche meinen frühern Angaben gemäss die durch Chlorwasser gebleichte Photocyaninlösung ebenfalls wieder zu bläuen vermögen. Es könnte die besagte Bläuung aber auch davon herrühren, dass das Platin ähnlich dem Lichte wirkte, d. h. das mit dem Photocyanin vergesellschaftete 2387 Chlor bestimmte, mit dem Wasser in Salzsäure und Sauer- stoff sich umzusetzen. Da bekanntlich das wässrige Chlor nur äusserst lang- sam mit dem Platin sich verbindet, dieses Metall im fein zertheilten Zustand aber beinahe augenblicklich die durch Chlorwasser entfärbte Photocyaninlösung wieder zu bläuen vermag, falls darin kein überschüssiges Chlor enthalten ist, so vermuthete ich, dass das Platin diese rasche Bläuung auf die letztere Weise, d. h. durch die Umsetzung des Chlores und Wassers in Salzsäure und Sauerstoil bewerk- stellige, und wie die nachstehenden Angaben zeigen wer- den, hat sich diese Vermuthung als vollkommen gegründet erwiesen. Beim Einführen von Platinmohr in starkes Chlorwas- ser entwickeln sich sofort aus dieser Flüssigkeit zahlreiche Luftbläschen, welche, in geeigneter Weise aufgefangen, als gewöhnliches Sauerstoffgas sich erweisen, wobei es sich von selbst versteht, dass diese Gasentbindung um so leb- hafter ausfällt, je reicher das Wasser an Chlor und je grösser die Menge des damit in Berührung gesetzten Pla- tinmohres ist. Bei einem mit achtzig Grammen Chlorwassers und fünf Grammen Platinmohres angestellten Versuch erhielt ich im Laufe von zwölf Stunden fünfzehn Cubiccentimeter Sauer- stoffgases, und ich füge dieser Angabe noch bei, dass auch der frisch bereitete Platinschwamm eine noch merkliche Entkindung dieses Gases aus dem Chlerwasser bewirkt, die jedoch viel schwächer als diejenige ist, welche unter sonst gleichen Umständen der Platinmohr verursacht. Bei weitem kräftiger als dieses Metall wirkt das schwammförmige Ruthenium umsetzend auf das Chlorwas- ser ein, wie aus folgenden Angaben zu ersehen ist. Führte ich in ein mit stärkstem Chlorwasser gefülltes und in der gleichen Flüssigkeit umgestürztes Probegläschen einige 285 kleine Stückchen sehr porosen Rutheniumschwammes ein, welche zusammen nur 0,15 Gramm wogen, so erfolgte um dieselben augenblicklich eine so lebhafte Gasentwickelung, dass die Schwammstückchen durch die an ihnen sich ent- bindenden Luftbläschen in die Höhe gehoben wurden und schon nach zehn Minuten volle fünf Cubiccentimeter Sauer- stoffgases entwickelt waren, wobei kaum zu bemerken nö- thig sein dürfte, dass diese Gasentbindung anfänglich am lebhaftesten sich zeigte und mit der Abnahme des in der Versuchsflüssigkeit vorhandenen freien Chlores schwächer wurde. Unter häufiger Erneuerung des Chlorwassers liess ich die gleichen Schwammstückchen vierzehn Tage hindurch auf diese Flüssigkeit einwirken, ohne eine Abnahme der Lebhaftigkeit der Sauerstoffgasentwickelung bemerken zu können, woraus wohl geschlossen werden dürfte, dass die Wirksamkeit des Rutheniums gegenüber dem Chlorwasser nicht vermindert werde, wie lange man auch beide Sub- stanzen mit einander in Berührung sein lässt. Kaum wird es der ausdrücklichen Bemerkung bedürfen, dass das mit dem Rutheniumschwamm in Berührung stehende Chlorwas- ser um so saurer wird, je länger die Einwirkung des Me- talles auf die genannte Flüssigkeit andauert, und ebenso versteht es sich von selbst, dass die unter diesen Umstän- den gebildete Säure nichts anderes als Salzsäure ist, in welcher kaum eine Spur von Ruthenium enthalten sein dürfte. Aus diesem Umstande darf daher wohl geschlossen werden, dass das genannte Metall während seiner Einwir- kung auf das Chlorwasser unverändert bleibe und die un- ter dem Berührungseinflusse des Rutheniums bewerkstel- liste Umsetzung des Chlores und Wassers in Salzsäure und Sauerstoff eine rein katalytische Erscheinung sei. Nicht unerwähnt darf bleiben, dass die katalytische Wirksamkeit des Metalles in völliger Dunkelheit eben so 289 + kräftig als im zerstreuten Lichte sich erweist, wie ich dar- aus schliessen konnte, dass in einem vollkommen dunkeln Keller der Rutheniumschwamm aus dem Chlorwasser merk- lich dieselbe Menge Sauerstoflgases entband, welche unter sonst gleichen Umständen das Metall im zerstreuten Licht entwickelte. Diese Thatsache zeigt somit, dass das Ruthe- nium unabhängig vom Lichte die Umsetzung des Chlores und Wassers in Salzsäure und Sauerstoff zu bewerkstelli- gen vermag, d. h. wie das Licht selbst wirkt, mit dem grossen Unterschiede jedoch, dass die Wirksamkeit des Metalles diejenige des Lichtes bei weitem übertrifit, wess- halb man in dieser Hinsicht das Ruthenium verdichtetes Licht nennen könnte. Aus den voranstehenden Angaben lässt sich leicht ab- nehmen, dass mit Hülfe des genannten Metalles aus Chlor und Wasser auch grössere Mengen von Sauerstoffgas sich darstellen liessen und zu diesem Behufe nichts anderes nöthig wäre, als auf eine gehörig grosse Menge des von Wasser umgebenen Rutheniumschwammes Chlor zu leiten, unter welchen Umständen dieser Körper mit Wasser sofort in Salzsäure und Sauerstoffgas sich umsetzen würde, an welche Darstellungsweise dieses Gases im Grossen bei der grossen Seltenheit des Metalles sich freilich nicht denken lässt. Glücklicher Weise reichen aber obigen Angaben ge- mäss schon kleine Mengen Rutheniumschwammes hin; um dessen in theoretischer Hinsicht so merkwürdige Einwir- kung auf das Chlorwasser in Vorlesungen augenfälligst zei- gen zu können. Was das Verhalten des Rhodiums zum Chlorwasser betrifft, so entbindet das Metall aus dieser Flüssigkeit eben- falls Sauerstoffgas, und zwar mit ungleich grösserer Leb- haftigkeit, als diess das Platin thut, .wie daraus erhellt, dass unter sonst gleichen Umständen das Rhodium aus dem Chlorwasser eine Menge von Sauerstofigas entbindet, viel 290 grösser als diejenige, welche durch das Platin entwickelt wird. Und da das bei meinen Versuchen angewendete Rho- dium ein gröbliches Metallpulver darstellte, während das Platin dabei als Mohr gebraucht wurde, so darf wohl an- genommen werden, dass das erstere Metall noch um Vieles wirksamer sich erwiesen hätte, wenn es eben so fein als das Platin zertheilt gewesen wäre. Auch das pulverförmige Iridium scheint das Chlorwas- ser in Salzsäure und Sauerstoff umzusetzen, wie ich aus den Gasbläschen zu schliessen geneigt bin, welche sich an diesem von wässrigem Chlor umgebenen Metall entwickeln. Da mir aber nur eine sehr kleine Menge von Iridium zu Gebot stand und die dadurch verursachte Gasentbindung eine äusserst schwache war, so habe ich nicht genug Gas erhalten, um über die Natur desselben entscheidende Ver- suche anstellen zu können, während die Menge des unter dem Berührungseinflusse des Rutheniums, Rhodiums und Platins aus dem Chlorwasser entbundenen Gases mehr als hinreichte, um darin glimmende Holzspähne zu entflammen u. s. w., so dass kein Zweifel darüber walten konnte, dass das erhaltene Gas Sauerstoff gewesen sei. Es soll bei diesem Anlasse nicht unerwähnt bleiben, dass ich den bei meinen Versuchen angewendeten Platin- mohr der Güte des Herrn Deville, das Rhodium und Iri- dium derjenigen meines Freundes Wöhler verdanke, und der Rutheniumschwamm mir von dem für die Wissenschaft zu früh verstorbenen Entdeeker dieses Metalles, Herrn Claus, eigenhändig zugestellt wurde. | Bei der Gleichheit der Wirkung, welche das Licht und die erwähnten Metalle auf das Chlorwasser hervorbringen, liess sich vermuthen, dass diese Agentien auch in gleicher Weise zum wässrigen Brom und Jod sich verhalten wür- den. Bekanntlich wirkt selbst das kräftigste unmittelbare Sonnenlicht nur sehr langsam umsetzend auf das Brom- 291 und Jodwasser ein, wie schon daraus erhellt, dass diese Flüssigkeiten in verschlossenen Gefässen wochenlang der Einwirkung des unmittelbaren Sonnenlichtes ausgesetzt wer- den können, ohne dass dadurch ihre Färbung merklich ver- mindert würde, während das stärkste Chlorwasser unter den gleichen Umständen so rasch in Salzsäure und Sauer- stoffgas umgesetzt wird, dass letzteres in noch sichtlicher Weise sich entbindet. Meine Versuche haben gezeigt, dass das Ruthenium, Rhodium, Platin und fridium nur höchst langsam wenn überhaupt umsetzend auf das Brom- und Jod- wasser einwirken, woraus erhellt, dass auch in dieser Be- ziehung die besagten Metalle ähnlich dem Lichte sich ver- halten. Schon lange ist bekannt, dass unter dem Einflusse des unmittelbaren Sonnenlichtes aus den wässrigen Lösungen der unterchlorichtsauren Salze merkliche Mengen Sauer- stoffgases entbunden werden, was selbstverständlich auf einer unter diesen Umständen ziemlich rasch erfolgenden Umsetzung dieser Salze in Chlormetalle, Chlorate und Sauer- stoff beruht. Diese chemische Lichtwirkung liess mich ver- muthen, dass auch die erwähnten Metalle eine solche Um- setzung zu bewerkstelligen vermöchten, und die Ergebnisse meiner Versuche haben die Richtigkeit dieser Vermuthung ausser Zweifel gestellt. Schwammförmiges Ruthenium in eine etwas conzentrirte Lösung irgend eines alkalischen unterchlorichtsauren Salzes, z. B. des Kalkhypochlorites, eingeführt, verursacht auch in vollkommenster Dunkelheit eine sehr lebhafte Gasentwickelung, welche von gewöhn- lichem sich entbindenden Sauerstoffe herrührt, wie ich mich hievon durch zahlreiche Versuche zur Genüge überzeugt habe. Aehnlich dem Ruthenium, aber mit geringerer Lebhaf- tigkeit, wirken das Rhodium, der Platinmohr und das Iri- dium auf die gelösten Hypochlorite ein, und so weit meine 292 über diesen Gegenstand bis jetzt angestellten Versuche ge- hen, glaube ich daraus schliessen zu dürfen, dass die ge- nannten Metalle in dem gleichen Grade die gelösten unter- chlorichtsauren Salze zerlegen, in welchem sie das Chlor- wasser in Salzsäure und Sauerstoffgas umsetzen. Jedenfalls zeichnet sich in dieser Beziehung das Ruthenium durch die grösste Wirksamkeit aus, während das Iridium die besagte Umsetzung am langsamsten bewerkstelligt. Wie räthselhaft nun dermalen auch noch der umsetzende Einfluss uns erscheinen muss, welchen die erwähnten Me- talle sowohl auf das Chlorwasser als auch auf die gelös- ten Hypochlorite ausüben, so erinnert diese Thatsache doch unwillkührlich an die andere zersetzende Wirkung, welche die gleichen metallischen Körper auf das Wasserstoffsuper- oxid hervorbringen und kann man kaum umhin zu vermu- then, dass zwischen allen diesen zersetzenden Wirksam- keiten, worauf dieselben auch immer beruhen mögen, irgend ein Zusammenhang bestehe, d. h. dass alle diese Zersetzun- gen oder Umsetzungen eine gemeinschaftliche Ursache haben. Eine weitere Aehnlichkeit der Wirkungsweise der ge- nannten Metalle besteht darin, dass sie den gewöhnlichen Sauerstoff bestimmen, mit dem Wasserstoff sich chemisch zu verbinden unter Umständen, unter welchen diese Ele- mente für sich allein gleichgültig gegen einander sich ver- halten, wie auch wohl bekannt ist, dass unter dem Berüh- rungseinflusse des Platins, Rutheniums *) u. s. w. der ge- *) Bei dieser Gelegenheit will ich bemerken, dass ich vor einigen Jahren in Gegenwart des Herrn Claus eine Reihe von Versu- chen mit dem von diesem Chemiker dargestellten Ruthenium anstellte, aus welchen hervorgieng, dass dasselbe in einem aus- gezeichneten Grade alle die Eigenschaften besitzt, welche das Platin kennzeichnen mit Bezug auf sein Verhalten zum Sauer- stoff: es katalysirt mit grosser Lebhaftigkeit das Wasserstoft- superoxid. bestimmt den gewöhnlichen Sauerstoff mit dem in 293 wöhnliche Sauerstoff eine Reihe noch anderer Oxidations- wirkungen verursacht, welche er für sich allein nicht her- vorzubringen vermag. Aus allen diesen Thatsachen erhellt, dass die besagten Metalle in ganz eigenthümlichen Bezie- hungen zum Sauerstoffe stehen und unter ihrem Einflusse gewisse Sauerstoffverbindungen entweder gebildet oder zer- setzt werden. So unerklärlich aber auch bei dem jetzigen Stande der Wissenschaft alle diese Thatsachen und namentlich die Zer- setzungswirkungen für uns sein müssen, welche die er- wähnten Metalle auf das Chiorwasser, die Hypochloritlö- sungen und das Wasserstoffsuperoxid hervorbringen, so will ich dach jetzt schon es wagen, eine Vermuthung über die nächste Ursache dieser so räthselhaften Erscheinungen zu äussern, was ich sicherlich zu thun unterlassen würde, lä- gen mir nicht einige Thatsachen vor, von denen ich glaube, dass sie den Schlüssel zur Lösung des Räthsels enthalten. Bevor ich jedoch diese Thatsachen näher angebe, dürfte es angemessen sein, noch nachstehende Bemerkungen zu machen. __ Dass der Sauerstoff sowohl in seinem gebundenen als freien Zustande in mehreren allotropen Modifcationen zu bestehen vermöge und die letztern durch verschiedenartige Mittel in einander sich überführen lassen, halte ich für eine Thatsache, welche die Ergebnisse meiner vieljährigen über diesen Gegenstand angestellten Untersuchungen ausser Zweifel gesteilt haben, wie auch darüber kein Zweifel mehr walten kann, dass das chemische Verhalten des Sauer- Weingeist gelösten Guajak die gleiche blaue Verbindung zu bilden, welche der ozonisirte Sauerstoff für sich allein hervor- bringt u. s. w., so dass in diesen Beziehungen das Ruthenium als eines der wirksamsten Platinmetalle betrachtet werden darf. 294 stoffes zu den übrigen Elementen durch die allotropen Zu- stände bedingt wird, in welchen er sich befindet. | Werde der gewöhnliche Sauerstoff electrisirt oder im feuchten Zustande der Einwirkung des Phosphors u. s. w. ausgesetzt, so erlangt er unter diesen Umständen Eigen- schaften, die ihm vor einer solchen Behandlung nicht zu- sekommen und vermag er nun namentlich Oxidationswir- kungen hervorzubringen, welche der gleiche Körper in seinem gewöhnlichen Zustande für sich allein nicht verur- sachen kann. Worauf diese Zustandsveränderung beruhe, darüber wage ich dermalen noch nicht irgend welche Ver- muthung auszusprechen; Thatsache ist aber, dass der durch irgend ein Mittel zur chemischen Thätigkeit angeregte Sauer- stoff unter sehr verschiedenartigen Umständen wieder in seinen gewöhnlichen Zustand der Unthätigkeit zurückgeführt werden kann. Zu den Mitteln, welche den activirten Sauer- stoff seiner chemischen Wirksamkeit berauben oder deso- zonisiren, gehört in erster Linie die Wärme, wie daraus erhellt, dass der auf irgend eine Weise ozonisirte Sauer- stoff, gemäss meinen eigenen Versuchen und denen der Herren de la Rive und Marignac bei einer Temperatur von etwa 150 ° mit seinem eigenthümlichen Geruch auch sein oxidirendes Vermögen einbüsst. Ausser der Wärme gibt es aber auch eine ziemlich grosse Anzahl gewichtiger Agen- tien der verschiedensten Art, welche den ozonisirten Sauer- stoff schon bei gewöhnlicher Temperatur in den Zustand chemischer Unthätigkeit und Geruchlosigkeit zurückzufüh- ren vermögen, ohne dadurch stofflich verändert zu werden. und zu dieser Klasse von Körpern gehören namentlich das Ruthenium, Rhodium, Platin und fridium. Wird in eine halblitergrosse Flasche, welche so reich an ozonisirtem Sauerstoff ist, dass darin ein feuchter Strei- fen jodkaliumhaltigen Stärkepapieres augenblicklich schwarz- blau sich färbt, ein 0,5 Gramm Platinmohres eingeführt, so 295 braucht man das Metallpulver nur wenige Sekunden lang mit dem luftigen Inhalt des Gefässes zu schütteln, um den- selben seiner Fähigkeit zu berauben, das erwähnte Rea- genspapier zu bläuen, welches nun vollkommen weiss bleibt, wie lange man es auch in der Flasche verweilen lässt, und kaum brauche ich zu bemerken, dass unter den erwähnten Umständen auch der so charakteristische Ozongeruch voll- ständig verschwindet. Um durch das Platin das Ozon zu zerstören, ist aber nicht einmal das Schütteln nöthig; denn nachdem die ozonhaltige Luft der Flasche ruhig nur we- nige Minuten mit dem Metallpulver in Berührung gestan- den, vermag sie ebenfalls nicht mehr das Reagenspapier zu hläuen u. s. w. Der gleiche Versuch lässt sich auch so anstellen, dass man stark ozonisirte Luft durch eine kleine Röhre über Platinmohr leitet, unter welchen Umständen der ozonisirte Sauerstoff ebenso zerstört wird, als ob er durch eine enge leere aber stark erhitzte Glasröhre gegangen wäre. Falls nämlich die ozonhaltige Luft nicht zu schnell über den Platinmohr getrieben wird, tritt dieselbe völlig geruchlos aus der Röhre, wie sie auch nicht mehr das Reagenspapier zu bläuen oder irgend eine andere Oxidationswirkung des Ozons hervorzubringen vermag. Da nach meinen frühern Versuchen das Platin vom ozonisirten Sauerstoff nicht im geringsten oxidirt wird, wie lange und unter welchen Umständen man auch beide Mate- rien mit einander in Berührung stehen lassen mag, so kann das Verschwinden des Ozons in den eben erwähnten Ver- suchen nicht durch die Annahme erklärt werden, dass das- selbe mit dem Metalle sich verbunden habe und bleibt, wie mir scheint, nur die andere Annahme übrig, dass unter dem Berührungseinflusse des Platins der ozonisirte Sauerstoff in den Zustand chemischer Unthätigkeit übergeführt werde, 296 wie auf ihn auch die Wärme diese desozonisirende Wir- kung hervorbringt. Aehnlich dem Platinmohr wirken auch das Ruthenium, Rhodium und Iridium zerstörend auf den ozonisirten Sauer- stoff ein, und da aller Grund zu der Annahme vorhanden ist, dass diese drei Metalle eben so wenig als das Platin hierbei oxidirt werden, so darf man wohl auch ihnen das Vermögen beimessen, den ozonisirten in gewöhnlichen Sauer- stoff zu verwandeln, worauf auch immer eine solche Zu-. standsveränderung beruhen mag. Diese desozonisirende Wirksamkeit des Platins u. s. w. muss auffallend genug erscheinen, wenn man die Thatsache in Betracht zieht, dass unter dem Berührungseinflusse der gleichen Metalle der gewöhnliche Sauerstoff befähiget wird, eine Reihe von Oxidationen zu bewerkstelligen, denen gleich, welche das Ozon für sich allein zu Stande zu bringen ver- mag. Da aber auch andere Agentien scheinbar einander entgegengesetzte Wirksamkeiten gegenüber dem Sauerstoff zeigen, wie z. B. das Licht, die Wärme und die Electri- cität, welche dieses Element sowohl zur chemischen Ver- bindung mit andern Substanzen anregen, als auch zum Ge- gentheil, d. h. zur Abtrennung von einer mit ihm chemisch verbundenen Materie bestimmen können, so brauchen wir uns nicht so sehr darüber zu verwundern, wenn auch die erwähnten Metalle scheinbar einander entgegengesetzte Wir- kungen auf den Sauerstoff hervorbringen. Die Thatsache, dass die Hypochlorite gleich dem Ozon äusserst kräftig oxidirende Agentien sind, berechtiget nach meinem Dafürhalten zu der Annahme, dass der Sauerstoff dieser Salze im ozonisirten Zustande sich befinde, wie auch der gleiche Schluss aus der weitern Thatsache sich ziehen lässt, dass nach meinen Versuchen die Hypochlorite und das Wasserstoffsuperoxid in Chlormetalle, Wasser und ge- 297 wöhnlichen Sauerstoff, wie das Ozon und HO: in Wasser und ebenfalls gewöhnlichen Sauerstoff sich umsetzen. Wenn nun obigen Angaben gemäss das Platin, Ruthe- nium u. s. w. den freien ozonisirten in gewöhnlichen Sauer- stoff überführen, so können diese Metalle wohl das Ver- mögen “besitzen, eine solche Zustandsveränderung auch im sebundenen Ozon zu bewerkstelligen, und leicht sieht man ein, dass in diesem Falle das umgewandelte Element nicht mehr in seiner Verbindung verharren könnte, sondern als sewöhnlicher Sauerstoff gasförmig ausgeschieden werden müsste. Es kann wohl auch kein Zweifel darüber walten, dass die Hälfte des im Wasserstofisuperoxid enthaltenen Sauer- stoffes in einem ungewöhnlichen, d. h. thätigen Zustande sich befindet, wie diess das Verhalten des Superoxides zu einer Anzahl oxidirbarer Materien auf das augenfälligste zeigt. Wird nun dieser mit Wasser verbundene thätige Sauerstoff durch irgend ein Mittel in unthätigen, d. h. ge- wöhnlichen übergeführt, so sind dadurch auch die Bezie- hungen dieses Körpers zum Wasser geändert und kann derselbe nun nicht mehr fortfahren, mit dem gleichen Was- ser dasjenige zu bilden, was wir Wasserstoffsuperoxid nen- nen: er muss aus seiner Verbindung sich abtrennen und gasförmig ausgeschieden werden. Wie die Wärme vermö- gen nun auch die genannten Metalle diese Zustandsverän- derung des mit dem Wasser vergesellschafteten thätigen Sauerstoffes zu bewerkstelligen, wesshalb sie gleich der Wärme die Zersetzung des Wasserstoffsuperoxides verur- sachen, ohne hierbei irgendwie stofflich verändert zu werden. Was nun endlich die Umsetzung des Chlorwassers in Salzsäure und gewöhnliches Sauerstoffgas betrifft, welche durch das Ruthenium, Platin u. s. w. bewerkstelliget wird, so muss die Davy’sche Hypothese annehmen, dass die ge- nannten Metalle das von ihr für einfach gehaltene Chlor 298 bestimmen, mit dem Wasserstoff des Wassers zu Hydro- chlorsäure sich zu verbinden, und dass der gleichzeitig auf- tretende Sauerstoff aus dem Wasser stamme. > Betrachtet man dagegen mit Berthollet das Chlor als eine innige Verbindung der Muriumsäure mit Sauerstoff und wird ferner angenommen, dass dieser Sauerstoff im ozoni- sirten Zustande sich befinde, so erklärt sich die durch das Ruthenium u. s. w. bewirkte Umsetzung des Chlorwassers gerade so, wie diejenige der Hypochlorite oder des Was- serstoffsuperoxides, nämlich durch die Annahme, dass unter dem Berührungseinflusse des Rutheniums u. s. w. der 020- nisirte Sauerstoff der oxidirten Muriumsäure in gewöhnli- chen Sauerstoff übergeführt und diese Zustandsveränderung wesentlich noch begünstiget werde durch die grosse Nei- gung des vorhandenen Wassers, mit der Muriumsäure ein Hydrat (die Chlorwasserstoffsäure Davy’s) zu bilden. ; Welche dieser Ansichten für mich die wahrscheinli- chere sei, ist unnöthig zu sagen, da ich mich hierüber an- derwärts zur Genüge ausgesprochen habe; nur das sei schliesslich noch bemerkt, dass nach den Ergebnissen mei- ner neuern und neuesten Versuche sowohl der freie als gebundene ozonisirte Sauerstoff bei vollständiger Abwesen- heit des Wassers eben so wenig oxidirende Wirkungen auf irgend eine Materie hervorzubringen vermag, als das Chlor selbst, wie schon aus der einfachen Thatsache sich abneh- men lässt, dass vollkommen trockenes Ozon und Chlor die gleich beschaffenen Pflanzenfarbstoffe durchaus nicht zu bleichen vermögen; über welchen Gegenstand in ıneiner | Abhandlung „Ueber den Einfluss des Wassers auf die che- mische Wirksamkeit des Ozons“ die nähern Angaben ent- halten sind. PAL/’EONTOLOGIE. Beiträge zu einer palæontologischen Geschichte der Wiederkauer, zunächst an Linne’s Genus Bos, Von Prof. L. RÜTIMEYER. Eingehendes Quellenstudium wird, wie auf so manchem wissenschaftlichen Gebiet, so auch auf demjenigen der Na- turkunde je länger je mehr den Fachleuten überlassen, und Alle, weiche auf diesen Titel wenigstens privatim nicht Anspruch machen, begehren die Resultate mühsamerer Un- tersuchung in möglichst concreter Form mitgetheilt zu er- halten. Abgesehen davon, dass hiedurch bei dem Leser nur Neugierde befriedigt, nicht aber das Wissen vermehrt wird, hat dies Verfahren noch grössern Nachtheil für den Arbeiter, der die sogenannte „Kritik“ sofort an seinen Re- sultaten sich vergreifen sieht, während er ein Recht zu haben glaubt, ihr nur die Methode unterworfen zu sehen, zu deren Beurtheilung aber ein biosses Kenntnissnehmen von den Ergebnissen noch lange kein Recht giebt. Eine derartige Verwahrung glaubte ich voraussenden zu sollen, wenn ich hier, mit Rücksicht auf jenes Ablehnen zu grosser Anforderungen an den Leser, in kurzer Zusam- 21 300 menstellung gie Früchte einer Arbeit mittheile, welche zwar zur Publication vollkommen bereit liegt, allein einerseits ihres grossen Umfangs halber noch einige Zeit bedürfen wird bis zur schliesslichen Erscheinung (in den Denkschrif- ten der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft), an- dererseits durch die sehr detaillirte Natur ihres Inhaltes auf den üblen Empfang von Quellenlitteratur einiges Anrecht zu haben hofft. Die nächste Veranlassung zu dieser Arbeit waren zwei frühere, die mich von verschiedener Seite her in gleichem Grade auf das Studium der Geschichte der Wiederkauer und zwar insbesondere der Rinder hinwiesen. Vorerst hatte sich mir seit dem Beginn meiner Untersuchungen über die Hausthiere der vorhistorischen Bewohner der Schweiz !) das Bedürfniss aufgedrängt, die in Bezug auf die gezähm- ten Formen des Rindes erzielten Resultate zu controlliren durch die Vergleichung mit den Formveränderungen der wilden Rinder; schon dies führte aber nicht nur zu einer Revision der Litteratur über diese Wiederkauergruppe, son- dern zu einer osteologischen Monographie derselben, da seit den Arbeiten von Cuvier und Sunevall, den vollständigsten, die vorlagen, die Materialien in den verschiedenen Museen eine sehr beträchtliche Zunahme erfahren hatten, welche manche Angaben der bisherigen Litteratur wesentlich er- weitern oder theilweise auch verändern liess. Allein auch eine noch so vollständige osteologische Darstellung heutiger Wildrinder hätte für die Bedürfnisse - jetziger Wissenschaft höchst einseitige Resultate erzielt, wenn nicht die fossilen Vertreter dieser Gruppe mit in den Kreis der Untersuchung gezogen worden wären. Die Auf- gabe des Zoologen ist heute umfangreicher, als sie es selbst 2) Untersuchung der Thierreste aus den Pfahlbauten der Schweiz 1860; Fauna der Pfahlbauten in der Schweiz 1861. 301 noch zur Zeit Cuviers war. Allmählig hat auch hier die Ueber- zeugung Raum gewonnen, zu der man auf dem Gebiete der unorganischen Körper früher gelangt ist, dass nichts Vor- handenes von ungefähr oder plötzlich in die Erscheinung tritt, sondern dass alles seine Geschichte hat; so gut wie die physikalische Geographie erst ihre richtige Bedeutung gewann, seitdem sie als die jüngste Tochter der Geologie anerkannt wurde, so gut darf, bei Zunahme der palæcnto- logischen Kenntnisse, die Zoologie versuchen, Natur-“e- schichie im vollen Sinn des Wortes zu sein und den Fäden nachzuspüren, welche heutige mit frühern Generationen von Geschöpfen verbinden. Mögen auch einer solchen historischen Zoologie vie- lerlei Klippen und Gefahren drohen, so ist sie dringende Aufgabe des Naturforschers geworden; ja es wird ein Ge- biet der Zoologie nach dem andern nicht eher für neuere Wissenschaft noch Früchte bieten, bevor es im Lichte die- ser Anschauung von neuem untersucht und bevor die heu- tigen Geschöpfe in das natürliche Verhältniss zu ihren Vor- gängern gestellt sein werden. Diese Aufgabe wird wohl am besten durch monogra- phische Bearbeitung einzelner Gruppen gelöst werden. Auf dem Gebiete der höchst organisirten Geschöpfe, der Säuge- thiere, mögen solche historische Versuche zwar auf der einen Seite manchen grössern Schwierigkeiten ausgesetzt scheinen, als etwa innerhalb niedrigerer Organismen, wie z. B. der Mollusken, der Crustaceen, der Korallen u. dgl. ‘Allein andrerseits bietet vielleicht wiederum gerade hier die wohl ausgeprägte Form des Skeletes und des Gebisses, der einzigen Theile, die sich gleichzeitig an fossilen und lebenden Formen verfolgen lassen, festere physiologische Anhaltspunkte als die Ueberreste wirbelloser Thiere, de- ren Formen weit schwerer von den sie bedingenden Le- 21* 302 bensverhältnissen abgeleitet werden können, als bei den der heutigen Controllirung weit zugänglicheren Säugethieren. Eine solche historische Monographie versuchte ich be- reits früher, freilich nur durch Untersuchung des Gebisses, für die Hufthiere im Allgemeinen anzubahnen !); und auch von dieser Seite trieb der Reiz der Entdeckung vielfaltiger directer Verbindungsfäden zwischen heutigen und fossilen Formen innerhalb der Säugethiere unwillkührlich zur wei- tern Untersuchung. Das Resultat dieser beidseitigen Antriebe ist der hier angezeigte über fossile und lebende Formen gleichzeitig ausgedehnte Versuch einer palæontologischen Geschichte der Rinder, dessen wichtigste Ergebnisse ich hier vorläufig mittheile. | Ich nenne diese Arbeit trotz ihres Umfangs, der gerade zu diesen vorläufigen Mittheilungen führte, einen Versuch und wünsche dies, bevor ich zur Mittheilung selbst schreite, zu motiviren durch die Aeusserung einer Betrachtung, wel- che zwar nicht nur auf die hier zu besprechende Arbeit Anwendung findet, allein welche sich mir doch während deren Verlauf recht lebhaft aufdrängte. Vergleichen wir, wozu nicht nur Interesse, sondern auch Dankbarkeit auffordert, auf irgend einem Gebiete der Naturforschung jetzige Arbeiten mit frühern, so wird jedem unbefangenen Arbeiter klar werden, dass auch die natur- historische Litteratur, so gut wie die Natur selbst, ihre Geschichte hat, und dass die spätern Arbeiten zumeist auf . frühern ruhen, so sehr auch neben diesem blossen Aus- bauen hier allerdings weit häufiger als in der Natur selbst freie, wahrhaft neue Schöpfung mit ins Spiel kommen mag. Lege ich so den Massstab der Vergleichung an die Resul- 1) Beiträge zur Kenntniss der fossilen Pferde und zu einer ver- gleichenden Odontographie der Hufthiere im Allgemeinen. 1863. 303 tate, die ich hier mittheilen will, und an diejenigen der einzigen gleich umfassenden Vorarbeit, die vorlag, der Osteologie der Wiederkauer in den Ossemens fossiles von Cuvier, se muss ich mir gestehen, dass nur der reichere und vollständigere Inhalt der jetzigen Sammlungen einen Fortschritt gestattete, wenn ich, wie ich hoffe, einen sol- chen mir vindiciren darf. Allein die gleiche Billigkeit, die ich für mich beanspruche, muss mich veranlassen, auch meine Arbeit im Vergleich zu spätern, die über noch rei- cheres Material sich erstrecken werden, als bloss proviso- risch und lückenhaft zu betrachten. Indem ich aber meinen Titel auf Förderung der Auf- gabe auf seinen durch die Zeitverhältnisse bedingten Werth willig beschränke, lässt sich doch, wie mir scheint, schon jetzt die Richtung erkennen, in welcher dieser lang- same Fortschritt unserer Kenntnisse geschieht, und ein vielleicht noch transitorisches Ziel, dem er einstweilen auf Boden der jetzigen Hülfsmittel zustrebt. Dieses aber besteht, so viel ich urtheilen kann, nicht in der Befestigung der bisherigen Schulansicht über die Bedeutung der organischen Form, des materiellen Objectes der Zoologie, sondern in der gründlichen Beseitigung der- selben. Nachdem die analytische Richtung Linne’s und Cu- vier’s ihre Schuldigkeit gethan und ihre Dienste geleistet, scheint doch die Zeit angebrochen zu sein, wo es gestatiet ist, das vorläufig so sorgfältig gesichtete und rubrieirte Ma- terial auch nach einem andern Gesichtspunkte zu beurthei- len. Jene sorgfältigen Vorarbeiten haben den Ueberbiick erleichtert, allein Kategorien anderen Ranges drängen sich immer mehr von selbst auf, welche Linné offenbar sehr ferne lagen, allein welche auch Cuvier wenigstens in sei- nen Publicationen abwies, so sehr sie bald hier, bald da sich ihm aufgedrängt zu haben scheinen; — Kategorien na- türlichster Art, nach den zwei einzig möglichen Richtungen, 304 7 Raum und Zeit, allein vollkommen unabhängig von den Schranken, in welche, wie in die Maschen eines Netzes, die analytische Systematik die Thierwelt festgebannt hatte. Einige Worte mögen dies für das Gebiet der Säugethiere näher erörtern. Dem Zoologen. sobald er seinen Blick über den Be- reich heutiger Geschöpfe auf die fossilen ausdehnt, bleibt ein kleiner Theil des thierischen Körpers zur Beurtheilung offen; nur Skelet und Gebiss; giücklicher Weise zwar ge- rade diejenigen Theile, an welchen die organische Form am schärfsten ausgeprägt ist, so scharf, dass man sich so ziem- lich gewöhnt hat, sie als wirklich starr und permanent zu betrachten. Nichts desto weniger hat sich mir im Verlauf meiner osteologischen Arbeiten, namentlich während der durch Jahre fortgesetzten Manipulirung der grossen Kno- chenmassen aus den Pfahlbauten kein Eindruck lebhafter aufgedrängt als der, dass auch diese scheinbar formfesten und grossentheils aus unorganischen Stoffen aufgebauten Theile des Thieres, das einzige Object der Palæontologie, in kei- nem Moment des Lebens als starr und unorganisch betrach- tet werden dürfen. Auch diese Formen haben ihre Ge- schichte und verändern sich wnablässig, schneller in der Jugend und während des Wachsthums, langsamer und unmerklicher nach Abschluss des letztern oder vielleicht schon nach dem Eintritt der Geschiechtsreife, welche wohi bereits die Metamorphose verlangsamen mag. Zu jeder Zeit des Lebens ist also die Form des Knochens oder die _Structur einer Zahnoberfläche eine andere, allein zu jeder Zeit ist sie auch herzuleiten von frühern Zuständen und bildet den Boden und Ausgangspunkt für spätere; die blosse augenblickliche Form, wie sie das Auge auffasst, belehrt uns also jeweilen nur über eine kurze Zeitspanne aus der Geschichte des Thieres, und bevor wir dessen Merkmale im vollen Umfang kennen, ist es, wenigstens beim Säuge- 305 thier, unerlässlich, mindestens zwei geschlechtlich verschie- dene ‘Thiere von ihrer Jugend bis ins Alter untersucht zu haben. Wie wenig entsprechen aber unsere Arbeiten die- ser ganz primitiven Forderung! Wie unvollständig sind meistens unsere Sammlungen in dieser Rücksicht selbst für lebende Thiere! Und wie viel ärmlicher sind erst unsere Kenntnisse über die fossilen Thiere! Man muss bekennen, dass eine grosse Anzahl nicht nur älterer osteologischer Arbeiten an lebenden und die meisten palæontologischen Arbeiten Knochen und Gebiss nicht als organische Pro- dukte, sondern als Urystalle, als formenstarre Gebilde be- urtheilten, und dass wir somit unsere Ürtheile zumeist nur auf eine momentane Phase des Thieres gegründet haben. Allein auch diese bescheidene Forderung, doch die zwei Individuen, welche nöthigenfalls die sogenannte Spe- cies constituiren könnten, nicht nur in Einem Lebensmoment zu kennen, würde in den meisten Fällen nur zu einem ge- ringen Theil die billigsten Ansprüche der Zoologie erfül- len, so lange nicht das räumliche Moment dieses Formen- wechsels, allerdings in letzter Linie nur ein Derivat des zeitlichen Momentes, mit ins Auge gefasst wird. Vermöch- ten auch, unter Säugethieren, zwei Individuen als Stamm- eltern wirklich eine sogenannte Species, ich will lieber sagen eine Familie zu constitwiren, so repräsentiren sie die- selbe nur noch und nur theilweise, sobald die Anzahl der Individuen sich mehrt, und um so partieller, je mehr diese Zahl zunimmt und sich über einen grössern Raum zerstreut. Wie ganz anders wird zum Beispiel die Beschreibung des Büffels auch nur in einer einzigen Altersstufe ausfallen, je nachdem wir sie, wie {uvier noch thun musste, auf wenige Schädel von demselben oder nahezu demselben Heimaths- orte gründen, oder aber, wie es jetzt doch schon möglich ist, auf vielleicht 50 oder 100 Schädel aus verschiedenen Punkten seines Verbreitungsgebietes. Belege zur Nachwei- 306 sung der unerwartet grossen Tragweite so verschiedenen Verfahrens fehlen mir keineswegs. Alle diese billigen Forderurgen konnten aber bisher nur sehr unvollständig erfüllt werden, und der unausbleib- liche Erfolg davon bestand darin, dass jede Schädelform oder Knochengestalt, jedes Zahngepräge als vollgültiger Stempel für ein ganzes Thier, ja für eine ganze sogenannte Species taxirt und somit eine weit grössere Anzahl von Gestalten der nemlichen Theile übersehen wurde, welche mit in die Geschichte des gleichen Thieres fallen konn- ten, vielleicht auch solche, welche gerade die wichtigsten Schlüsse über Beziehung zu andern Formenreihen hätten bieten können. Wollen wir billig sein, so müssen wir Alle, auch die wir selbst gelegentlich neue Thierspecies auf Boden eines einzelnen Zahnstückes in die Litteratur einführten, beken- nen, dass dies — sei der Ausdruck noch so hart — Ein- tags- und Localspecies bleiben, so lange wir nur Einen Moment aus der Geschichte eines einzigen Individuums un- serer Beschreibung zu Grunde legten. Und sollte gar se unvollständige Kenntniss uns berechtigen, über Aehnlich- keiten und: Verwandtschaften, über formelle oder histori- sche Beziehungen zu andern Thiergruppen gleich endgültig abzusprechen? Nur die gesammte Geschichte des Skelets und des Gebisses kann uns über den Formeninhalt des In- dividuums belehren; und überall, wo wir dieser Aufgabe nicht entsprechen konnten, werden auch unsere Schlüsse nur provisorische Geltung haben, wenn auch zuzugeben ist, ‘dass in vielen Fällen, bei benachbarten Organismen, Er- fahrungen an einer gut bekannten Formenreihe mancherlei Schlüsse auf unvollständiger bekannte andere gestatten und so Lücken direeter Beobachtung durch Analogie auszufül- len erlauben können. Allein dieselbe Betrachtungsweise führt uns mit logi- 307 scher Consequenz noch einen guten Schritt weiter. Ueber- sehen wir die ganze niemals völlig ruhende Metamorphose eines Individuums, so drängt sich die Frage auf, ob denn dieser Formenwechsel mit dem Tod des Individuums wirk- lich sein Ende erreicht, d. h. ob er in der zweiten Gene- ration sich innerhalb derselben Grenzen bewegt und so auch in fernern Producten nicht aus dem anfänglichen Kreis hinaus kömmt? Hiegegen sträubt sich nicht nur Angesichts des man- nigfachen Formenwechsels Eines Individuums unsere Lo- gik, sondern auch die Erfahrung spricht direct dagegen. Einerseits beginnt ja dis neue Entwicklungsbahn nie- mals an demselben Punkt, wie die durch den Tod jetzt ah- geschlossene, sondern höchstens an einem ähnlichen Punkt. Und wie verschieden sind, wenn wir uns nur in unserer eigenen Familie umsehen, die auf verschiedenen Punkten des Lebens der Eltern erzeugten neuen Generationen; wie mannigfaltig die äussern Einflüsse, welche diese neu ange- bahnten Entwicklungslinien noch nachträglich bald so bald anders modifieiren. Identität successiver Generatienen ist also absolut unmöglich und grosse Aehnlichkeit sehr un- wahrscheinlich. Nathusius hat zuerst auf ein ganzes wei- tes Gebiet von Einflüssen aufmerksam gemacht, welches in- nerhalb eines relativ engen Rahmens im Stande ist, die einzelnen Producte einer Familie („Species“) zunächst an Hausthieren intensiv zu modificiren. Es sind dies die durch Haltung, Nahrung, Arbeit, Clima bedingten Modificationen sowohl der geschlechtlichen Frühreife und Spätreife der Eltern, als der schnellern und langsamern Entwicklung der Frucht (Trächtigkeitsdauer), wodurch an Schafen, Pferden, ‚Schweinen sehr erhebliche Modificationen der Entwicklungs- bahn erzielt werden, !) theils durch Vererbung, theils durch 7) Zoolog. Garten III, 104. V, 236 und vor allem in den Vorstu- dien zur Geschichte der Hausthiere 95—109. 308 Erwerbung, Modificationen, die sich auf aile Theile des Körpers, Ernährungsorgane, Muskulatur, Hautdecken, Ske- let, Gebiss erstrecken. Und alles, was Nathusius mit gründ- lichen Belegen an Hausthieren nachweist, findet doch un- bestreitbar — wenn auch auf grössern Raum- und Zeit- strecken — Anwendbarkeit auch auf wilde Thiere, und führt zu dem auf organischem Gebiet zwar aller Einsicht nach a priori postulirbaren, allein dennoch bisheriger Schulan- sicht vollkommen entgegengesetzten Satz, dass unter Thie- ren Gleiches niemals Gleiches erzeugt. Allein auch die Erfahrung spricht selbst an wilden Thieren des directesten gegen die Starrheit der organischen Form. Es ist geradezu unmöglich, zwei vollkommen glei- che Knochen oder Zähne von durch Abstammung mögli- cherweise von einander abhängigen Thieren zu finden. Ver- glich ich in den ausgedehnten Knochensammlungen, wel- che mir die Pfahlbauten lieferten, 20, 30 gleichnamige und gleich grosse, auch anscheinend gleich alte Knochen, z. B. vom Hirsch, vom Reh, vom Wildschwein, so waren auch die sonst am meisten ausgesprochenes Gepräge tragenden Gelenkköpfe oder Gelenkflächen niemals unter sich ganz gleich, und ebenso variren die Gebisse. Allerdings innerhalb so enger Grenzen, dass es selten schwer fiel, das Genus oder die Species, dem diese Theile angehörten, zu erken- nen und mit ähnlichen Theilen heutiger Thiere zu paralle- lisiren. Nichts desto weniger ergaben sich dabei allerlei kleine Modificationen, welche den aus den Pfahlbauten ent- nommenen Objecten eigenthümlich schienen, wie namentlich ‘im Gebiss der wilden Fleischfresser markirteres, schärferes Gepräge, feinere Spitzen, schärfere Kanten; und auch in den Skelettheilen drängten sich solche Wahrnehmungen auf, die nur aus Mangel an gleich reichlichem Material für heutige Thiere nicht so weit geführt werden konnten, als es wünsch- bar war. (S. Fauna der Pfahlbauten Pg. 20—23.) 309 Es geht daraus zum mindesten hervor, dass alles, was an organischen Geschöpfen als charakteristische Form gilt, nur von relativem Werth ist und innerhalb gewisser Gren- zen schwankt; allein es fragt sich, ob dieser Grenzkreis ein geschlossener ist, oder ob er nicht derartiger Erwei- terung fähig ist, dass sich innerhalb seines Umfanges klei- nere Gruppen von jenem compacten Gefüge bilden können, welches wir mit dem bisherigen Ausdruck Species zu be- zeichnen pflegten, oder, um ein üblicheres Bild zu gebrau- chen, ob nicht von einem Punkte aus verschiedene Formen- linien sich abzweigen können, deren schliessliche Ergebnisse so weit von einander abstehen, dass nur eine Rückkehr zu dem gemeinsamen Ausgangspunkt ihre Stammverwandtschaft ans Licht bringt. Für die huftragenden Säugethiere glaube ich dies des bestimmten bejahen zu können. Es liesse sich dabei erwarten, dass in der Regel be- stimmte Formengruppen um so mehr als solche Knoten- punkte sich heraussteliten, als sie einer frühern historischen Periode angehörten, und in der That ist schon mehrfach auf solche .Collectivtypen" unter Fossilien hingewiesen worden. Man könnte daraus den Schluss ableiten, dass diese Spaltung älterer Formen in verschiedene spätere durch eine Art mechanischer Theilung vor sich ginge, und dass somit die successiven Existenzbedingungen die Elasticität der Familienmetamorphose stets verringert, ihren Formen- reichthum stets geschmälert hätten. Allein ein solcher aligemeiner Schluss wäre so unrich- tig, als wenn wir aus der Nothwendigkeit der Vertheilung des Erbthums des Vaters schliessen wollten, dass seine Nachkommen immer ärmer werden müssten; er würde die Arbeit der letztern ausser Betracht lassen. Auch entspre- chen die Thatsachen einer solchen Anschauung nicht; we- nigstens führen mich meine Erfahrungen zu der Ansicht, 310 dass neben heutigen Formengruppen, welche allerdings als terminale Blüthen eines gemeinsamen Stammes erscheinen, wieder andere, der Gegenwart ebenfalls noch angehörige Arten aufzuweisen sind, welche offenbar wieder Stoff zu reichlicher neuer Verzweigung enthalten. So finden sich auf einer und derselben Wurzel stabile oder conservative Linien, auf welchen äusserst wenig Modificationen während langer Zeiträume erkennbar sind, ferner Linien, die zur terminalen Zerspaltung und Ausgipflung neigen, mit Schluss- formen, über welche hinaus eine fernere Entwicklung nicht leicht denkbar ist; endiich progressive Linien, gewisser- massen fruchtbare Knotenpunkte, aus welchen von neuem ein Reichthum manchfaltiger Sprossen erwartet werden kann. Ich möchte diesen verschiedenen Categorien den Namen stabiler, terminaler und fertiler Typen geben. Al- lein neben allen diesen progressiven Formen giebt es of- fenbar auch regressive, welche gewissermassen durch eine Art retrograder Metamorphose nicht neuen Inhalt bieten, sondern als Rückkehr zu früheren Etappen zu taxiren sind; sie machen den Eindruck, auch terminal zu sein, d. h. die Fähigkeit neuen Auflebens verloren zu haben. Es braucht nach diesen Aeusserungen, wofür die Be- lege beizubringen ein Hauptaugenmerk der hier angezeigten Arbeit sein wird, nicht besonders betont zu werden, dass mir die bisher so allgemein stillschweigend angenommene Ansicht, als o% die sngenannten Species heutiger Zoologie Thierfamilien wären, welche, wenn auch noch so ausge- dehnt und zahlreich durch ähnliche Individuen nach Raum und Zeit vertreten, dennoch solche Formverwandtschaft ihrer Vertreter böten, dass sie verdienten, unter speciellem Namen jeweilen auf einen besondern, den Produkten ähnlichen ÜUr- sprung zurückgeführt zu werden, je länger je mehr unhalt- bar erscheint. Dass es Gruppen giebt, welche für eine beschränkte Zeit und in begrenztem Raum eine solche 311 Colleetivbezeichnung verdienen, wird damit nicht im min- desten in Abrede gestellt; vielmehr wird es immer eine der wichtigsten Aufgaben der Zoologie bleiben, solche Collec- tionen wohl zu untersuchen und zu charakterisiren; allein dass ganze Reihen heutiger „Species“ unter sich und mit fossilen in collateraler oder directer Blutsverwandtschaft stehen müssen, hat sich mir gerade durch die Untersuchung der Wiederkauer wieder so nachdrücklich aufgedrängt, dass ich gestehe, den Ausdruck der Species im bisherigen Sinne des Wortes selbst für Säugethiere nicht mehr anwendbar zu finden; es ist dies ein Begriff von durchaus relativem Werth, und der Nachweis von Uebergängen einer solchen Collection in die andere kann nicht nur selbst an Säuge- thieren schon jetzt mancherorts geleistet werden, sondern solche Belege werden sich namentlich in gleichem Maasse häufen, als unsere bisher ausserordentlich ärmlichen Samm- lungen sich vervollständigen werden. Gelänge es uns heute schon, sämmtliche in den Museen aufgehobenen Schädel des indischen Büffels, die sich sicherlich in Europa auf keine 200 belaufen, an Einem Ort zu vereinigen, so würde die osteologische Beschreibung dieses Thieres sehr verschieden von den bisherigen Schilderungen- ausfallen und diese so- genannte Species eine Breite gewinnen, welche von dem Bild, das wir gewohnt sind, uns von ihr zu entwerfen, sehr abweichen würde. Allerdings würde auch eine so grosse Collection vielleicht keinen einzigen Schädel enthalten, wel- cher es zweifelhaft lassen könnte, ob er von einem Thier des asiatischen oder von der in Africa ursprünglich ein- heimischen Familie der Büffel stammt. Allein da wir wis- sen, dass Büffel wenigstens in Asien seit der Miocenzeit lebten und in jüngern Perioden auch in Europa nicht fehl- ten, vermögen dann die zwei oder drei wohl erhaltenen Schädel, die wir überhaupt von fossilen Büfleln besitzen, den Schluss zu rechtfertigen, dass niemals eine Form exi- 312 stirt habe, von welcher beide Familien, die asiatische und die africanische, abstammen? Wir dürfen wohl darauf zählen, dass unsere Nachfolger, wenn sie ihre weit voll- ständigern Sammlungen prüfen werden, über unsere jetzigen Schlüsse betreffend die Formgrenze der Spezies ähnlich ur- theilen werden, wie wir über unsere Vorgänger, welche so gewissenhaft eine Menge von Larvenformen als eben- bürtig in die Reihen erwachsener Crustaceen, Moliusken, Radiaten, welche aus jenen entstanden sind, aufnahmen. Sie werden die Treue der Arbeit anerkennen, aber sich sagen, dass dies Eintagsarbeiten waren. Ein Vorwurf kann uns daraus nicht gemacht werden, so viele Eintagsspecies na- mentlich unter den Fossilien gemacht zu haben, allein ein Vorwurf würde uns treffen, wenn wir nicht alle uns zu- gänglichen Hülfsmittel benutzten, um die offenbar sehr lückenhaften Kenntnisse, die wir über diese Species haben, zu vervollständigen. Lernen wir vorerst nur das Indivi- duum als ein lebendes Wesen beurtheilen, das seine Jugend hat und wächst und altert, so wird uns dies geneigter ma- chen, auch auf Jugend, Wachsthum und Alter von Fami- lien, denn einen andern Namen wage ich den Collectionen ähnlicher Individuen nicht zu geben, aufmerksam zu sein und die Begriffe von Species und Genus auf den engen Werth zurückzuführen, der ihnen in der Natur zukömmt. Ohne diese Begriffe, welche für die mechanische Sy- stematik immerhin ihren Nutzen behalten werden, zu ver- bannen, wird es doch nur nützen können, wenn wir sie un- bedingt dem allein natürlichen Begriff der Familie unter- "stellen und uns an die freilich nicht kleine Arbeit wagen, die zahlreichen Species und Genera unserer zoologischen und palæontologischen Cataloge in Familien zu vereinigen, d. h. in Gruppen, die den Stempel der Blutsverwandischaft an sich tragen, abgesehen vom Wohnort und der Epoche, in welchen sie uns bekannt geworden sind. 313 Worin liegt aber dieser Stempel der Blutsverwandt- schaft? Offenbar in dem gemeinsamen Eigenthum aller in- dividuen der Familie. Dieses aufzusuchen wird daher der Wes sein zur Erkennung der letztern. Von dem Besitz- thum des Individuums, das im Allgemeinen aus Stoff, Form und dem unbekannten lebendigen Agens, Kraft, sei es phy- sischer oder psychischer Art, besteht, ist das letzte leider bei dem Thier unserer Beurtheilung fast ganz entzogen; der Stoff ist, was oft vergessen wurde, fast ausschliessli- cher Besitz des Individuums, da nur der kleine Antheil Erbthum genannt werden kann, den es den Eltern und vor- nehmlich der Mutter verdankt; allein auch von der Form sehört offenbar ein Antheil dem Individuum, ein anderer aber der Familie. Zur Ausscheidung beider Theile wird sich unser schwaches Auge an Theile mit möglichster Aus- prägung der Form halten müssen. Und allerdings hat bis jetzt fast kein Körpertheil bessere Dienste geleistet, als das Skelet und das Gebiss, von ersterem vornehmlich der Schädel. Die allgemeinste Anwendnng für natürliche Gruppirung fossiler und lebender Säugethiere bietet unter allen Um- ständen das Gebiss, nicht nur in Folge seiner directen Abhängigkeit von der Ernährungsart, und in weiterer Linie von allen möglichen Lebensbedingungen, sondern, wenig- stens bei Diphyodonten, auch in Folge seiner noch so we- nig beachteten directen Uebertragung — als Milchgebiss — von ältern auf jüngere Individuen. | Ohne auf diesen Gegenstand, den ich, wie das Gebiss der Wiederkauer im Allgemeinen, einlässlich schon in mei- nen Beiträgen zur Kenntniss der fossilen Pferde (1863) _ besprochen habe, hier speciell zurückzukommen, wiederbole ich nur, dass auch meine seitherigen Untersuchungen mir die Ueberzeugung bestärkten, dass das Milchgebiss, wenn auch nicht gerade das unmittelbarste, so doch das formell 314 am sichersten zu beurtheilende Besitzthum ist, das direet von einer Generation auf die andere vererbt wird. Ueberall, wo wir uns hinwenden, bildet das Milchge- = biss gewissermassen das gemeinsame Budget für das defi- nitive Gebiss, und zeigt uns ein Gepräge, das dann von letzterem zu speciellen Zwecken verwerthet und modulirt wird; die hintern Milchzähne bieten jeweilen ein Vorbild für die Molarzähne, die vordern Milchzähne für die Pr&- molaren. Die Umprägung ist dabei eine sehr unerhebliche bei Ungulata imparidigitata, eine weitgehende bei Paridigi- tata, wo schliesslich — weniger bei Wiederkauern, deut- lich bei Non Ruminantia — ein ganz amphivores Gebiss erzielt wird, zusammengesetzt aus herbivoren Molaren und carnivoren Præmolaren. Allein nicht nur deutet uns das Milchgebiss den Ent- wurf an, nach dem dann die auf bestimmtere und beschränk- tere Ernährungsart angewiesenen definitiven Zähne auch typischer umgeprägt werden, sondern es ist unverkennbar, dass das Milchgebiss seinen Typus nicht durch Neubildung, sondern durch Erbthum erhält; denn durchweg bildet es eine Erinnerung an Stammformen. Das Milchgebiss erscheint so als Erbthum der Voreltern, als Familieneigenthum im vollen Sinne des Wortes, das definitive Gebiss als Erwerb und Ergebniss der speciellen Ernährungsbedingungen, und somit als Besitzthum kleinerer Kreise, wie etwa des Genus oder der Species. Schon a priori lassen sich manche Gründe für eine solche Anschauung geltend machen. Wäre doch ohne dies das so sehr häufige (bald normale, bald gelegentliche) Da- sein der Milchzähne, die niemals zur Function gelangen, ein physioiogisches Räthsel und die Art seines Gepräges ein Zufall. Warum übertragen denn nicht in solchen Fällen, wo Milchzähne ausfallen, bevor sie arbeiteten, die Eltern gleich ihr definitives Gebiss an die zweite Generation? 318 "Warum überhaupt das Milchgebiss, das die Eltern selbst in den meisten Fällen zur Zeit der Zeugung nicht mehr besitzen? Weist dies nicht so gut wie die andere Schädel- form des Jungen, die niemals durch physiologische Gründe erklärbar sein wird, auf ein weites Zurückgreifen, in der Eibildung, nach einem unveräusserlichen und einer unbe- grenzten Wiederholung fähigen alten Besitzthum, das mit ausserordenilicher Beharrlichkeit continuirlich von Genera- tion an Generation nach Art der Parthenogenese sich ver- erbt und gleichsam den organischen Faden bildet, um wel- chen herum sich dann der Erwerb jedes Individuums, so- bald es selbstständig geworden ist, gruppirt, und zwar, wie eben gezeigt wurde, wirklich in unabhängiger Weise, das heisst niemals mit vollständiger Wiederholung der Form der Eltern ? Allein auch empirische Belege sprechen für diese An- schauung. {ch habe in der oben erwähnten Schrift schon eine Anzahl von Fällen beschrieben, wo wirklich das Miich- gebiss die Form älterer Stammformen wiederholt, und ich zweifle nicht, dass sich zu diesen Beispielen bei weiterer Untersuchung noch fernere finden lassen. Die mir gegen- wärtig bekannten sind folgende (vergl. fossile Pferde pag. 36—39, 57, 71, 7477, 95, 101, 126): Dichodon, Anoplo- therium, Dichobune vererben ihr Milchgebiss an das heu- tige Genus Tragulus und Hyemoschus. Das definitive Ge- biss der Paleocheriden erscheint wieder im Milchgebiss 4 } Dass das Milchgebiss nicht einziger Familienbesitz ist, wird Niemand bezweifeln, allein bis jetzt würde es schwer fallen, ein zweites Beispiel von so greifbarer Selbstständigkeit aufzu- weisen; höchstens etwa das primitive Haarkleid; wie denn Zähne und Haare, neben formlosen Knochenbildungen, auch die häu- figsten Ingredienzen von jenen parthenogenetischen Bildungen sind, die man bei den Säugethieren mit dem Namen Ovarial- eysten zu bezeichnen pflegt. , 22 316 von Dicotyles. Das Milchgebiss von Equus Caballus steht dem Gebiss von Equus fossilis näher, als sein Ersatzgebiss, und wiederum bildet das Milchgebiss von Equus fossilis ei- nen Nachklang an das Gebiss von Hipparion, und dieses selbst greift in seinem Milchgebiss zurück auf Anchitherium. Einen ähnlichen Fall machte schon früher Leidy leider ohne speciellen Nachweis bekannt, indem sein Genus Merychippus in der Jugend mit dem Gebiss von Anchitherium, im er- wachsenen Zustand mit Equus übereinstimmen soll. Auch ist kein Zweifel, dass sich solche Erinnerungen bis in die Palwotherien und Paloplotherien zurückführen lassen, und ein ähnliches Verhältniss besteht bekanntlich zwischen Mastodon und Elephas. Eine Formulirung eines Gesetzes wäre bei so isolirten Erfahrungen, die überdies schon jetzt mancherlei Schatti- rungen zu bieten scheinen, sehr verfrüht und unklug. Im- merhin geht schon aus diesen nur durch glückliche Zufälle vermehrbaren Thatsachen hervor, dass uns die Merkmale des Milchgebisses wohl durchweg richtiger Wegweiser sein werden zur. Verfolgung der gegenseitigen Beziehungen von Säugethiergruppen, oder zur zoologischen Synthese, wäh- rend das definitive Gebiss stets eine der stärksten Stützen der Speeiestrennung oder der Analyse bieten wird. Das Milchgebiss ist der conservative, das definitive Gebiss der progressive Antheil des individuellen Zahnsystemes; jenes ist srösserntheils Erbtheil, dieses grösserntheils Erwerb. Das Studium der Schädelform, vielleicht selbst anderer Theile, wird ähnliche Unterscheidungen ererbter und erwor- bener Merkmale dereinst sicher auch am Skelet durchfüh- ren lassen, wovon später. Verwenden wir nunmehr die Merkmale des Gebisses, um den Wiederkauern ihre richtige Steilung unter den übri- gen Hufthieren anzuweisen, so ergeben sich auch schon aus der mehrerwähnten frühern Arbeit mehrere leitende Sätze- - 317 4. Dass die Ungulata imparidigitata das voliständigste Gebiss besitzen, indem bei ihnen alle Zähne des ganzen Lebens annähernd gleich reichen und überdies den nach unsern Kenninissen überhaupt möglichen Gehalt an einzel- nen Theilen des Hufthierzahnes haben, d. h. sein Budget erschöpfen. Es sind daher Milchzähne ziemlich gleich bei- den Gruppen definitiver Zähne, was sich allgemein aus- drücken lässt durch die Kormel: D — P — M. So viel das Gebiss urtheilen lässt, drücken also hier die ererbten Merkmale ihren Stempel auch dem unabhängigen Theil des Individuums auf. Unter allen Hufthieren ist somit diese Gruppe die conservativste, die stabilste. 2. Bei allen anderen Hufthieren zeigen nur die Mola- ren den vollen Zahngehalt; und bei Ruminantia auch die Milchzäbne, wenigstens die hintern derselben (D=M); während die Premolaren nur reducirten Molaren gleichen (P D; D >P). Bei Omnivoren nebst Tragulus ist ebenfalls D und PM. Allein auch abgesehen von diesen allgemeinen Sätzen von einstweilen mehr theoretischem Werth lassen sich aus der speciellen Verfolgung des Zahnbaues eine Menge prac- tischer Schlüsse über das Verhältniss der einzelnen Fami- lien unter sich ableiten, welche ich auch schon an dem erwähnten Ort Pg. 86 in ein Tableau zu formuliren suchte, an dem ich seit zwei Jahren noch keine wesentliche Ver- änderung vorzunehmen mich veranlasst finde, und das ich daher hier wenigstens zum Theil wiederhole, für die Be- lege dorthin, sowie auf die hier eingeleitete Specialarbeit über Wiederkauer verweisend. In vertikaler Reihenfolge sind hier diejenigen heutigen Familien von Wiederkauern mit den unmittelbar benachbarten andrer Hufthiere geord- net, welche nach ihrem Zahnbau mehr oder weniger unter- scheidbare Gruppen bilden; und ihnen voraus gehen jewei- len diejenigen Genera, welche sich ebenfalls nach dem Zahnbau als Mutter- oder Stammformen der heutigen aus- weisen. Es ist begreiflich, dass hier nur einzelne Genera genannt werden konnten, da nur von wenigen fossilen For- men das Gebiss so vollsiändig bekannt ist, um seine Be- ziehungen zu demjenigen heutiger Thiere ausreichend beur- theilen zu können. Auch die vertikale Anordnuug der heu- tigen Familien ist nur der Einfachheit haiber adoptirt worden, obwohl ich weit davon entfernt bin, zu glauben, dass alle gleich weit gediehene Derivate ihrer Stammformen 319 seien und daher in historischer Reihenfolge Eine Colonne zu bilden verdienten. Equina, Oreodon Camelina. Anoplotherium Chalicotherium Cavicernia, Bramatkerium Giraffina. Sivatherium Dichobune Paiæomeryx. Cervina. Xivhodon Amphätrag ulus Moschina. : Dorcatherium Cainotherium Dichodon Je ue Tragulina, Oplotheriuin Pæœbrotherium Agriocherus : ji Anthracotherium Dicotylina, Wie man sieht, unterscheidet sich diese dem Zahnbau entnommene Gruppirung von der bisher mit andern Hülfs- mitteln etwa versuchten hauptsächlich darin, dass die horn- losen Wiederkauer in zwei Grenzgruppen zerfallen, von welchen die eine nach den Imparidigitata, die andere zu den Omnivora überführt. Dass Dichobune nicht letzte Stamm- form sein könne, sondern dass hinter ihr noch eine ganze Menge primitiverer stehen, wurde einlässlicher a. a. O. be- rührt. Allein auch innerhalb der Cavicornia an sich führt die- selbe Methode noch zu weitern Resultaten. Es ergiebt sich, dass im Allgemeinen das Gebiss der Antilopen eine Art von Mutterlauge bildet für die übrigen Hohlhörner. Sie zerfallen nämlich in zwei Gruppen: 1. Antilopen mit dem Gebiss vom Gepräge der Ovina und Caprina: Hieher gehören alle Gazellen (Saiga, Antilope, Gazella, Cervicapra), alle Springbôcke (Cephalophus, 320 Oreotragus, Tragulus), alle Ziegen-Antilopen (Sirep- siceros, Capricornis, Rupicapra, Antilocapre). 2. Antilopen mit dem Gebiss vom Gepräge der Bovina: a. Ohne accessorische Säulen: Caioblepas, Bubalis, Alcelaphus z. Theil, Oreas, im Allgemeinen Gray’s Wüsten-Antilopen. b. Mit accessorischen Säulen: Damalis, Adenoia, Ko- bus, Aegoceros, Oryx, Addax, Tragocamelus, also ungefähr Gray’s Hirsch-Antilopen. Die übrigen Hohlhörner lassen sich nach dem Zahnbau nur in zwei Gruppen, die eben genannten Tochtergruppen der Antilopen bringen, in die Ovina und die Bovina; und unter letztern lassen sich ferner, immer an der Hand des- selben Hülfsmittels, drei Gruppen unterscheiden, Büffel, Bi- sonten und Rinder (Bubalina, Bisontina, Bovina sensu str.), welche letztern dann wieder zerfallen könnten in Bibovina und Taurina. Ein zweites wichtiges Criterium für alle hier angedeu- teten zoologischen und palæontologischen Zwecke bietet der Bau des Schädeis. ich habe in der hier einzuleitenden Arbeit die cranio- logische Untersuchung absichtlich vollkommen unabhängig vom Gebiss durchgeführt, es dem Erfolg überlassend, cb die Ergebnisse zusammenstimmen würden. Immerhin war dieser Theil der Arbeit deshalb schwieriger, weil nicht nur der erwachsene Schädel nicht einen Ersatz, sondern nur eine Umprägung des fötalen darstellt, sondern noch mehr _ deshalb, weil wahrhaft verschiedene Verhältnisse der Schä- delstructur innerhalb der gesammien Gruppe der Wieder- kauer überhaupt gar nicht vorkommen, sondern alle die zahlreichen und für das Auge so auffälligen Schädelgestal- tungen nur auf relativer Ausdehnung einzelner Knochen in- nerhalb derselben Verbindungsgesetze beruhen; verschiede- ner Schädelbau kommt also nicht vor, nur manchfaltige 321 Schädelphysiognomien. Allein auch hier, wie im Gebiss, lässt sich nichts desto weniger nachweisen, dass der Fötal- Schädel irgend eines Wiederkauers im Allgemeinen eine Art gemeinsames Budget oder eine Mutterlauge darstellt, aus welcher mit dem Wachsthum auf einzelnen Bahnen schliesslich auffaliend verschiedene Altersformen heraus- erystallisiren. !) | Von dieser Grundform, deren Hauptmerkmal in dem relativen Antheil besteht, welchen Frentale, Parietale und Occipitale an der Bildung der Gehirnkapsei nehmen, enifer- nen sich im Allgemeinen am wenigsten die Antilopen und die Schafe, mehr die Büffel, noch mehr die Bisonten, am meisten die Rinder. Auch in dieser Beziehung müssten so- mit die Rinder als ein spätes, ja selbst als das späteste Produkt der Metamorphose gelten, wenn überhaupt, was durchaus nicht a priori angenommen werden muss, organi- sche Geschichte mit der palæontologischen Geschichte pa- rallel laufen oder vielmehr congruent sein sollte; allein auch hier erweist sich bei Hinzuziehung der relativ noch sehr wenig zahlreichen fossilen Formes, dass auf einzelnen Linien die Metamorphose sehr rasch, auf andern sehr lang- sam vor sich ging, so dass wir in frühen Epochen, wie noch in der Gegenwart, neben jugendlich gebliebenen For- men auch terminale oder Altersformen antreffen. Immerhin lassen sich auch an der Hand der Physiognomie des Schä- dels Stammlinien verfolgen, welche oft mit wunderbarer Consequenz von heutigen auf sehr alte, einer sehr entlege- D) Ob dereinst der Primordialschädel ähnlich dem Milchgebiss als Familienerbthum sich herausstellen möchte, aus welchem und um welches sich der individuelle Erwerb aufbaut, ist eine Frage, welche mir der Untersuchung sehr werth scheint, zu deren Beantwortung aber nicht nur die jetzigen Kenntnisse nicht hin- reichen, sondern überhaupt die fossilen Thiere leider niemals Anhaltspunkte bieten werden. 323 nen Zeit angehörige Forınen hinführen. Und auch hier kann man sich nicht dem Eindruck verschliessen, dass neben dem stationären oder conservaliven Moment der Vererbung der Form auch das progressive oder metabolische der Erwerbung eine grosse Rolle spielt. Einheit des physiologischen Vor- gangs der Entwicklung, direkte und virtuell unbegrenzte Continuitäf der Individuen bis in entlegene geologischr Epo- chen, ununterbrochene Abhängigkeit aller organischen Thä- tigkeit von äussern Bedingungen des Lebens scheinen auch hier die wesentlichen Momente zu sein, welche dem unab- lässig fortdauernden Walten organischer Kraft innerhalb eines bestimmten Planes doch solchen Formenreichthum verlieh. Auch in Bezug auf den Schädelbau bilden die Kameele einerseits, die Tragulus-Arten andrerseits offenbar Grenz- forınen, welche sich dort an die Pferde, hier an Dicotyles anschliessen, und zwischen welchen alle übrigen Wieder- kauer inne liegen.) Und auch hier erweisen sich, ob- wohl die fossilen Wiederkauer nur sehr unvollständig mit in den Kreis solcher Untersuchung gezogen werden können, manche derselben, wie z. B. Oreodon, Anoplotherium ete. als Collectivwurzeln, mit welchen indes manche lebende For- men und gerade Camelus und Tragulus so nahe verwandt sind, dass man sie aueh in dieser Rücksicht lebende Fos- silien nennen möchte. Unter dem übrigen Heer von Wiederkauern biden dann zunächst die Hohlhörner und die Geweihträger, letztere mit !) Eine Berechtigung, die Camelina und die Tragulina in Eine Gruppe zu vereinigen, könnte höchstens daraus abgeleitet wer— den, dass sie beide noch wenigstens ein, vielleicht selbst zwei gemeinsame Merkmale besitzen, welche beide als altes, ja sehr altes gemeinsames Erbthum der Wiederkauerfamilie überhaupt zu beurtheilen sind, die Anwesenheit von Caninen und die Ab- wesenheit von Hörnern. 323 Einschluss von Giraffa und Moschus, berechtigte osteologi- sche Abtheilungen. Unter den Hohlhörnern lässt die Schädelbildung noch mehr als das Zahnsystem die Antilopen als einen Grundstock erkennen, von welchem als einer sehr breiten und mit den Geweihträgern auf einzelnen Punkten fast continuirlichen Basis (Dieranoceros) einzelne Zweige sich bis zu den ex- tremen Formen fortbilden, welche die Ochsen, in geringerem Maasse auch die Schafe zeigen. Der Antilopenschädel bleibt dem Bau des fötalen Wie- derkauerschädels mit wohl ausgebildetem und horizontal verlaufendem Parietaltheil am treusten, der Rinderschädel entfernt sich davon am weitesten. Noch besser wird diese Gradation markirt durch die relative Ausdehnung des Stirn- beins, das von dem Antilopen- bis zu dem Ochsensehädel in longitudinaler und horizontaler Richtung immer mehr über die benachbarten Knochen das Uebergewicht gewinnt, und sie von der Schädeloberfläche verdrängt und schliesslich selbst überdacht. Taurus, Bibos und Ammotragus können als die nach jetzigen Kenntnissen von dem gemeinsamen Jugendtypus am meisten abgewichenen Formen gelten, hauptsächlich zu Gun- sten der Ausbildung der frontalen Knochenauswüchse zu Waffen und entsprechender Umbildung des ganzen Gcciput, sowie in der vertikalen Ausdehnung des Gesichtes zur Auf- nahme ausgedehnter Backzähne. Das nachstehende Tableau, das aus angedeuteten Grün- den weit lückenhafter ausfallen muss, als das auf das Ge- biss gegründete, sucht die craniologischen Beziehungen der Wiederkauer darzustellen. Freilich konnte darin sowohl der relative Werth der horizontalen als der vertikalen Di- stanzen zwischen den einzelnen Gruppen nicht angedeutet werden, und ebenso konnte namentlich dem ungeheuren Gebiet der Antilopen offenbar viel zu wenig Raum in bei- 324 derlei Richtung angewiesen, noch weniger dasselbe in klei- nere Gruppen aufgelöst oder die Brücken angedeutet wer- den, welche zu benachbarten Gruppen überführen. Mazama, Dicranoceros. Portax seien nur genannt als solche Brücken, die zu den Ziegen, Hirschen, Giraffen hinzuweisen schei- nen, während wiederum andere Formen, wie Catoblepas, Oreas, Alcelaphus, Saiga terminale selbstständige Zweige der Antilopen zu bilden scheinen. ‚Camelina | Bibos Bubalus Bison Bos rium a Dichobune | vina Giraffina Cervina Cervulus. ei on \Tragulina Moschina. Die Uebereinstimmung dieses, wesentlich nur auf heu- tige Geschöpfe ausdehnbaren Ergebnisses mit dem durch Vergleichung des Zahnsystemes gewonnenen ist so gross, als die Verschiedenheit des Materiales und des Gesichts- punktes es wünschen liess; da sich, sobald wir in dem auf Seite 319 mitgetheilten Tableau auf die nur künstliche ein- reihige Anordnung heutiger Gruppen verzichten, ganz gut die hiesige von dieser Rücksicht befreite und nur die or- ganische Metamorphose berücksichtigende Anordnung nach Schädelmerkmalen dort interpoliren lässt. Wenden wir uns endlich, nach der Fixirung des Ortes, den die Bovina in einer natürlichen Anordaung der Wie- derkauer etwa einzunehmen hätten, zu ihrer speziellen Un- tersuchung, so kann ich folgende Merkmale namhaft machen, die zwar auch nur relativen oder gradativen Werth be- 325 sitzen, allein doch dazu dienen können, Repräsentanten der Bovina als solche zu charakterisiren: Ausbildung meist seitwärts gerichteter Hornzapfen am hintern Rand des Stirnbeins. Groesse Ausdehnung des Stirnbeins, in longitudinaler und trausversaler Richtung, wodurch schliesslich diese Kno- chen die hintere Kante der Schädeloberfläche bilden oder gar mit in die Occipitalfläche hinabsteigen wie die Parie- talia, sowie sie endlich seitlich die Schläfengruben über- wölben. | Vertikale in die Quere gerichtete Hinterhauptsfläche, gebildet durch Oceiput, Parietalia und theilweise die Fron- talia, mit tiefem seitiichem Einschnitt durch die hintere Oefinung der Schläfengrube. | Augenhöhle in Folge der seitiichen Ausdehnung der Stirn nicht wesentlich aus dem seitlichen Umriss des Schä- dels vortretend. Backzähne massiv, in vertikaler Richtung stark ver- längert, säulenförmig, mit eylindrischen Dentinpfeilern, mei- stens oben und unten mit accessorischen Säulen. Gesichts- schädel in entsprechender Weise in der Höhe ausgedehnt. Schneidezähne mit breiter, schaufelförmiger Krone, un- ter sich gleichartig. Die gradative Ausdehnung dieser Merkmale wird auch die Stellung der einzelnen Formen innerhalb dieses Rah- mens bezeichnen, eine Gradation, welche im Allgemeinen sowohl mit der individuellen Entwicklung als — freilich nur in allgemeinen Umrissen — mit der genereilen oder im weitern Sinn historischen (geologischen) Metamorphose der ganzen Familie zusammenfällt. Nur kurz gedenke ich vor Besprechung der einzelnen Formen, die ich in diesen Rahmen der Bovina einreihe, einiger benachbarter Formen, über deren Stellung bei den Bovina Diseussionen geführt wurden. 326 In der Litteratur trifft man auf solche Discussionen be- züglich der Genera Oreas, Oryx, Portax, Anoa, Catoblepas, Ovibos. Zweifellaft erscheinen mir nur die beiden letztern, während Anoa unbedingt innerhalb der Bubalina steht, die übrigen innerhalb der Antilopina, - Catoblepas, von Thunberg, Forster, H. Smith, Sundevall zu den Bovina gezählt, hat unzweifelhaft sehr viele Aehn- lichkeit mit dem afrikanischen Bubalus brachyceros. Seine Incisiven entsprechen denjenigen der Bovina, allein seine Backzähne stehen den Ovina weit näher als ersteren. Der Schädelbau erscheint als ein Collectivtypus zwischen zwei heutzutage trennbaren Formen, den Büffeln und den Anti- lopen, oder vielleicht richtiger als eine bis zum Grad der Bubalina modificirte Antilopenform. Jugendliche Schädel und die Untersuchung des Milchgebisses könnten wohl ent- scheiden, welche Merkmale ältern Rechtes sind. Allein schon der Umstand, dass die Schädel- und Gebissform der Bovina überhaupt als terminal zu beurtheilen sind, spricht sehr zu Gunsten älterer und direkterer Erbschaftsbeziehun- gen des Gnu zu den Antilopen. Es scheint daher diese Form, statt ein durch Divergenz entstandener Typus, wohl eher ein Ergebniss der Convergenz des Antilopentypus zu demjenigen der Rinder zu sein, allein auf weit rascherem Weg und somit ohne sc reichliche Verwischung der müt- terlichen Form, wie bei den letztern. Immerhin wird eine unbarmherzige Systematik sich in der Lage befinden, abzu- wägen, ob sie das angestammte Erbthum, das nach den Antilopen zurückweist, oder den Erwerb, der zu den Büf- “feln führt, höher taxiren wolle. Ovibos ist vornehmlich von H. Smith nebst Catoblepas den Rindern eingereiht worden. Es giebt kaum eine Spe- cies, an welcher sich so lebhaft erwies, wie excessive ge- schlechtliche Charaktere — hier die Ausbildung der Hör- ner — zu Irrthümern in Beurtheilung der Species führen 327 können. Während alte männliche Schädel allerdings büffel- ähnlich aussehen, zeigen weibliche oder junge männliche alle Merkmale des Schafschädels, eine vollkommen horizon- tale Parietalzone, eine offen zu Tage liegende, vom Stirn- bein nicht überdachte Schläfe, schon früh sehr vorragende Augenhöhlen, deutliche 'Thränengruben. Allein noch mehr unterscheidet sich das übrige Skelet von demjenigen irgend eines Rindes, in der Bildung des Occipitalgelenkes, in den vollkommen offenen Nervenöffnungen der Rumpfwirbel, in der Abtrennung des Radius von der Ulna, in der Form der Nagelphalangen, ja in dem Typus jeder Gelenkfläche des ganzen Skeletes. In der That kann ich keinen Unterschied von dem Skelet der Ovina namhaft machen, als dass die Schädeloberfiäche nicht, wie bei den Schafen, im Stirntheiïl geknickt ist, und dass die Hornform eine andere ist. Erin- nern diese beiden Merkmale nun auch an Büffel, vornehm- lich an Bubalus brachyceros, so ist unverkennbar, dass auch hier diese ÄAehnlichkeit eine secundäre, ich möchte sagen’ zufällige ist, und offenbar eine weit jüngere, als die Analogie mit dem Schaf. Dies zeigt auch die Untersuchung der fossilen Formen von Ovibos, welche sich dem Schafe in gleichem Maasse nähern, als sie ältern Perioden angehören. Schon die als Bos canaliculatus ohne Noth von Ovibos abgetrennten fossi- len Schädel, welche übrigens, so gut wie die heutigen, nach Geschlecht und Alter sehr erheblich variren, stehen dem Schafe noch näher, und noch mehr das Leidysche Genus Bootherium, welches in auffallender Weise die Jugendform des heutigen Ovibos repräsentirt, im weiblichen Geschlecht als Bootherium bombifrons, im männlichen als Bootherium ca- vifrons. Ghne die Berechtigung zur Abtrennung von Bootherium von Ovibos zu palæontologischen Zwecken zu bestreiten, scheint mir somit Bootherium eine ledigliche,. wenn auch 328 für die Diluvialperiode relativ constante Jugendform von Ovibos darzustellen, welche ganz allmählig durch den so- senannten Bos canaliculatus in den heutigen Ovibos über- sing und jeweilen durch starken Unterschied der beiden Geschiechter charakterisirt war, indem immer bei dem männlichen Thier die Hörner in mächtige Exostosen an- schwellen, welche die Mittellinie des Schädels erreichen können, während das weibliche Thier weit schwächere Hör- ner an den Seitenrändern einer sehr breiten und nicht cal- losen Stirn trug, wie dies noch heute der Fall ist. Nur im Verlauf der Zeit finden wir eine allmählige Abplattung der Stirn und Verkürzung der Parietalzone, wodurch der Schä- del sich schrittweise von dem Typus des Schafschädels demjenigen afrikanischer Büffel einigermassen näherte. Al- lein auch hierin erweist sich die Aehnlichkeit mit dem Schaf als eine ererbte, diejenige mit dem Büffel als eine erworbene und mehr zufällige. Indem ich also Ovibos') unbedingt mit den Schafen vereinigen würde, trotz der Aehnlichkeit männlicher alter Schädel mit der Physiognomie des Büffels, würde ich auch alle die bis jetzt bekannt gewordenen Modificationen dieses Typus unter denselben Genusnamen bringen, und zwar in folgender sowohl morphologischer als historischer Reihen- folge: ((S' Bootherium cavifrons.) Ovibos priscus fossilis moschatus. ($ Bootherium (Bos canaliculatus. bombifrons.) — Pallasii.) 1) Wie ich vermuthungsweise beisetzen will, nebst dem mir wenig bekannten Budorcas. 329 BUBALINA. Sie eröffnen in einer vergleichend-anatomischen Be- schreibung der Bovina die Reihe mit so grossem Recht, dass es wohl verantwortet werden könnte, wenn man sie als besondere Gruppe, ebenbürtig den übrigen Bovina und den Antilopen, zwischen diese beiden einschieben würde. Allerdings nehmen hier Occipitale und Parietale noch so srossen Antheil an der Bildung der Schädelkapsel, dass der von ihnen gebildete Theil derselben — hinter dem Horn- ansatz — immer beträchtlich ergiebiger ausfällt, als bei übrigen Bovina, und so bedeutend als bei manchen Anti- lopen. Stark abgeplattete oder kantige und nach hinten gerichtete Hörner und ein eigenthümliches plieidentes Ge- präge des Gebisses geben ihnen überdies eine eigenthüm- liche Physiognomie, welche sie leicht ven beiden genann- ten Gruppen unterscheiden lässt. Auch in Rücksicht auf historische und geographische Ausdehnung verdienen die Büffel unter allen Rindern vor- angestellt zu werden, indem sie von der Miocenzeit an bis auf die Gegenwart nie auslöschten und mindestens heute über die gesammte alte Welt in einheimischen Formen verbrei- tet sind. Doch vertheilen sich die heutigen Büffel sofort in zwei leicht unterscheidbare Gruppen, von welchen die eine, nur Asien angehörig,"kantige, oben und unten abgeplattete Hörner trägt und überdies durch eine unter Wiederkauern vollkommen ausnahmsweise Ausdehnung der Choanenöfinung und des Vomer nach hinten, weit über die hintere Gaumen- srenze hinaus charakterisirt ist, während die afrikanischen Büffel Hörner von gewölbter Oberfläche und anderer Rich- tung und eine normal gebildete Choanenôfinung tragen. Gleichzeitig ist bei ihnen im Vergleich zu den asiatischen Formen der Parietalschädel schon so sehr verkürzt, dass 330 sie sich offenbar als ein späteres, von der Mutterform ent- fernteres Produkt ausweisen, als die Arten Äsiens. Wenn je eine Säugethierspeeies im Verhältniss zu ei- ner ganzen Gruppe den Namen einer Stammform verdiente, so ist dies in Bezug auf die Büffel der Fall mit der älte- sten bisher bekannt gewordenen und in der That auch in Asien einheimischen Form, welche Falconer aus den mio- cenen Ablagerungen der sivalischen Hügel Indiens nach Eu- ropa gebracht hat. Leider ist meines Wissens niemals eine Notiz über dieses höchst interessante Fossil, wovon Gyps- abgüsse in mehrere Museen sich verbreitet, haben, veröf- fentlicht worden. Auch in dem Catalog der Sivalischen Fossilien im Besitz der asiatischen Gesellschaft von Ben- galen suche ich vergebens nach einer Beschreibung dieses Schädels. Allein brieflich bezeichnete mir Dr. Falconer denselben als Hemibos triquetricornis, und als Zeitgenos- sen des Sivatherium, Merycopotamus und aller der bekannten „Sivalischen“ Hufthiere (Mastodon, Hippopotamus, Rhinoceros, Equus, Camelus, Camelopardelis etc.). Ueber die Zugehörigkeit dieses Thieres zu den asiati- schen Büffeln kann nicht der mindeste Zweifel walten; da es alle ihre wesentlichen Merkmale trägt, und nur durch maximale Ausdehnung der Parietalregion (also Beibehal- tung der jugendlichen Form) und stärkere Bewafinung von den heutigen Büffeln Asiens abweicht, also durch die Merk- male, welche durchweg fossile Wiederkauer von lebenden zu unterscheiden pflegen. Einer genauern Beschreibung dieser Stammform kann ich hier um so eher entbehren, als noch heute auf dem asiatischen Archipel ein Repräsentant dieses Typus lebt, der bei erheblich geringerer Grösse und schwächerer Bewaff- nung die Physiognomie von Hemibos bis in die Details der Gefäss- und Nervenöffnungen wiederholt. Es ist dies die bisher nur von Turner als eine Form des Büffels erkannte 331 Anoa oder Antilope depressicornis von Celebes, welche mit den Antilopen weder in äusseren noch inneren Charak- teren irgend etwas Gemeinsames hat, als den Bau der hin- tern Backzähne; denn die grosse Ausdehnung des Parieto- oceipitalschädels ist nicht nur Besitzthum erwachsener An- tilopen, sondern auch jugendliches Besitzthum von Bovina; allein während dasselbe bei den heutigen Bovina bald ver- drängt wird durch die grosse Ausdehnung des Stirnbeins, so hat es sich nicht nur bei der continentalen und mioce- nen, sondern unerwarteter Weise selbst bei der eben ge- nannten heutigen insular-asiatischen Büffelform in gleich unverkümmertem Grade erhalten, wie bei den meisten An- tilopen; ein Beispiel von Persistenz der Charakteren, wie mir unter Säugethieren kein zweites bekannt ist. Wenn je ein heutiges Säugethier den Namen eines lebenden Fossils verdient, so ist es neben den kleinen Moschusthieren, Tra- gulus, die auffallender Weise dieselbe Inselgruppe Südasiens bewohnen, das Genus Anoa, das auch viel richtiger trique- tricornis genannt würde, als depressicornis. Wäre neue No- menclatur mein Zweck, so würde ich keinen bessern Vor- schlag machen können, als die Namen Hemibos und Anoa fallen zu lassen und diese beiden langscheitligen Büffel zu nennen Probubalus sivalensis und celebensis, trotzdem es sehr schwer wäre, beide von einander zu unterscheiden, wenn sie, von selber Grösse, sei es fossil, sei es lebend, mit einander angetroffen würden. Dass noch ein dritter solcher Probubalus existirt, er- fuhr ich ebenfalls durch briefliche Mittheilung von Dr. Fal- coner, der eine zweite sivalische Species Amphibos acuti- cornis genannt hat, die mir nach der kurzen Notiz vom Verfasser ebenfalls hieher zu gehören scheint. Allein neben diesen Jugendformen erscheinen auch schon sehr früh solche mit rinderartig verkürztem Hinter- haupt. Die älteste von diesem jugendlichen Gepräge ent- 23 332 kleidete Form ist schon im pliocenen Terrain bekannt, als Bubalus palæindicus (Bos palæindicus Falconer. Catal. Mus. Asiat. Soc. Bengal. Calcutta 1859, pag. 224) von Nerbudda, der von dem sogenannten Arni — das heisst der stark ge- hörnten Varietät des heutigen continental-asiatischen Büf- fels bereits nur sehr wenig abweicht, nämlich durch noch stärkere Hörner, welche von der fast platten Stirn in ho- rizontaler Lage und seitwärts ausgehen. Immerhin ist selbst dieser Unterschied des pliocenen und des heutigen asiatischen Büffels kaum grösser als der- jenige, welchen etwa verschiedene Individuen des letztern zeigen; und doch hat es noch Niemand gewagt, die so sehr verschiedenen Varietäten desselben (hornlose, Arni-, Sunda- büffel etc.), die keineswegs etwa eine gute Species im Sinn der bisherigen Zoologie bilden, in verschiedene Species zu zerspalten; allein um so lehrreicher ist es, in einer und derselben natürlichen Familie — und eine solche bilden doch wohl alle heutigen indischen Büffel — noch jetzt lo- cale und individuelle Metamorphosen von grösserer Trag- weite zusammenzufinden, als bei dem vorhin so genannten, durch ausserordentlich ausgedehnte Zeitalter fortgesetzten Probubalus. In der That weicht die auf den Sundainseln vorkommende Büffelrace, der Karbau, von den in Europa importirten, ja selbst von dem indischen Arni weit stärker ab, als die heutige sogenannte Celebesantilope von dem miocenen Hemibos triquetricornis. Der Karbau oder die javanische Form ist der Jugendform am treusten geblieben, der italienische Büffel geht in der Regel rasch darüber hinaus. Auch das Skelet der Bubalina weicht in mancherlei Punkten so erheblich von demjenigen der übrigen Bovina ab, dass es möglich war, aus einzelnen Skeletstücken ita- lienischer Knochenhöhlen auf die Anwesenheit eines Büf- fels in der Diluvialzeit Europas zu schliessen, dessen Be- 333 ziehungen zu den übrigen Büffeln indes kis zur Auffindung von Schädelstücken unerörtert bleiben müssen. Nichts desto- weniger halte ich es gestattet, diesen Büffel, den ich in einer mir von Prof. B. Gastaldi zugesendeten Knochenbreccie der Insel Pianosa im toskanischen Archipel auffand, Buba- lus antiquus zu nennen. Er würde in mancherlei Bezie- hung eine Parallele zu dem fossilen Pferde Amerikas bieten. Die afrikanischen Büffel sind durch die normale Bildung der Choanenöffnung, durch die eigenthümliche Form und Richtung der Hörner, die bei dem alten Männchen an der Basis so stark anschwellen können, wie bei Ovibos, und durch den weit kürzern Gesichtsschädel im Allgemeinen leicht von den indischen zu unterscheiden. Trotz der weit- gehenden, nicht nur geschlechtlichen, sondern überhaupt individuellen Modificationen dieser Familie, halte ich dennoch die Auseinanderhaltung zweier, geographisch zwar nach neuern Nachrichten nicht mehr getrennten Formen, der kurz- und platthôrnigen, Bubalus brachyceros (Zamouse), und der langhôrnigen, Bubalus caffer, für zoologische Zwecke für genügend gerechtfertigt, indem auch die zwar sehr spär- lichen weiblichen Schädel beider Formen, die ich unter- suchen konnte, noch ganz gut von einander unterscheid- bar schienen. Ob dereinst indes nicht Verbindungsglieder in dem weiten Raum von Mittelafrika zum Vorschein kom- men möchten, bleibt freilich dahingestellt. Jedenfalls ist Bubalus caffer die spätere odere extremere der zwei For- men; er muss gewissermassen durch das Stadium von Bu- balus brachyceros durchgehen, und dieser letztere hat selbst gewisse Züge von Anoa, die durch etwaige Funde fossiler afrikanischer Büffel leicht zu directen Brücken zwischen den zwei sicher frühzeitig getrennten heutigen Familien der Büffel führen dürften. Bezeichnen wir wieder mit Namen, die lediglich dem hiesigen Zwecke dienen sollen, die verschiedenen Abthei- 22 334 lungen von Büffein, wobei die alte Autorität von Aldro- vandi und Blumenbach den barbarischen Klang des Wor- tes Buffelus decken mag, so würden sich die bisher bekannt gewordenen Formen von Bubalina in folgender Weise zu- sammenstellen lassen, wobei die vertikale letzte Colonne die heutigen Modificationen so anordnet, dass die extrem- sten Formen, der italische und der caffrische Büffel, von der in die Mitte gestellten gemeinsamen Grundform am fernsten liegen. Miocen. Pliocen. Diluvium. Gegenwart. Varietas i a al itali Buffelus palæindicus. (antiquus) indicus! arm sondaica. Probubalus sivalensis celebensis (Hemibos Fale.) (Anoa Q.G.) Aculicornis CAmphib. Falc.) Bubalus brachyceros- caffer. Die drei Unterabtheilungen könnten etwa in folgender Weise charakterisirt werden: Probubalus: Occiput vorgezogen. Hörner dreieckig, nach hinten gerichtet. Choanen und Vomer nach hinten verlängert. Heimath Asien. Buffelus: Occiput kurz. Hörner platt, dreieckig, seitlich gerichtet. Choanen und Vomer wie vorhin. Heimath Asien. Bubalus: Occiput vorgezogen bis kurz. Hörner halb- cylindrisch. Choanen und Vomer normal. Heimath Afrika. 335 BISONTINA. Die Wisente gehen als Familie auf der rares der den Rindern zukömmlichen Schädelmetamorphose einen guten Schritt weiter, als die Büffel, allein sie bleiben in der Mitte zwischen diesen und den Taurina stehen. Erwachsene Bisonschädel verhalten sich in der relativen Ausdehnung der einzelnen Schädelknochen sehr ähnlich, wie die Schä- del junger Kälber unseres zahmen Rindes; die Analogie lässt sich bis in sehr weit gehende Details durchführen. Das Scheitelbein liest bereits grossentheils im Bereich der Hinterhauptsfiäche, der Occipitalkamm verläuft so ziem- lich mitten durch das Parietale, während er bei allen Büf- feln hinter den Parietalia liegt. Während bei Hemibos und Anoa die Squama oceipitis nur noch mit einem Zipfel auf die durch das Scheitelbein gebildete Schädeloberfläche hin- übergriff, verhält sich hier das Parietale gerade wie dort das Occipitale; um so viel ist das Hinterhaupt des Bison also verkürzt. Occiput und Stirne sind ungewöhnlich breit, allein das Gesicht vor den Augenhöhlen plötzlich und stark verjüngt. Auch das Skelet hat manche eigenthümliche Züge. Man hat bekanntlich nur zwei Arten von lebenden Bi- sonten unterschieden, welche heute auf die nördliche Hälfte beider Welten eingeschränkt sind, allein so viel wir bis jetzt wissen, von der alten Welt auch nur die westlichern Regionen bewohnen; und auch die fossilen Ueberreste las- sen einstweilen nicht auf einen sehr viel ausgedehntern frühern Wohnort der Familie schliessen. Erst die in neuerer Zeit hauptsächlich durch die zoo- logischen Gärten geförderte genauere Kenntniss der leben- den Thiere hat die Ansicht von einer durchgreifenden Ver- schiedenheit des Bison americanus von dem europæœus wesentlich befestigt. Das Skelet bietet indessen ausser einer im Allgemeinen allerdings sehr merklichen Verschie- 336 denheit der ganzen Statur höchstens folgende leichter greif- bare Merkmale: Der amerikanische Bison hat kürzere Hörner auf brei- terer Stirn und weniger vorragende Augenhöhlen, während bei dem länger gehörnten europäischen Auerochs der ganze Schädel gestreckter ist, und vor den stark vorragenden Augenhöhlen sich sehr erheblich verjüngt. Auch die Choa- nenôffnung verhält sich bei beiden Bisonten verschieden. Vergleicht man auch hier nicht nur erwachsene, und zumal nicht nur männliche Schädel, sondern auch weibliche, die ja durchweg den gemeinsamen "Typus weit unmaskirter an sich tragen als männliche, wie auch die Stadien, wel- che der Schädel durchläuft, um zu seinem Ziel zu gelan- sen, so wird sehr evident, dass der amerikanische Bison in allen Stücken eine stehen gebliebene Jugendform des europäischen Wisents repräsentirt, und dass junge Schädel des europäischen Thieres von alten Amerikanern nur schwer unterschieden werden können. Wenn eine Form von. der andern abstammen sollte, so müsste somit ohne Zweifel die amerikanische die historisch ältere sein, und nicht die eu- ropäische, wie A. Wagner annahm. Die fossilen Formen verbreiten hierüber ein sehr lehr- reiches Licht. Als solche sind aufgeführt worden der von Sibirien bis Süd-Europa verbreitete Bison priscus, und die nord-amerikanischen Bison latifrons und antiquus Leidy. Ueber Bos priscus hat sich Cuvier nur sehr zurückhal- tend ausgesprochen, indem er sagt, dass er dem lebenden . Auerochsen sehr nahe siehe, ohne beizufügen, welcher der beiden Formen desselben. Zu einem bestimmteren Urtheil konnte mich nur der Vergleich einer grossen Zahl von Schädeln von sehr ver- schiedenen Fundorten (von den Ufern der Wolga bis an diejenigen des Po) führen. Es ergaben sich vorerst unter 337 denselben zwei von der geographischen Verbreitung durch- aus unabhängige Gruppen von verschiedener Physiogno- mie, eine kurzhörnige mit stärker vorragenden Augenhöhlen, und eine lang- und schlankhörnige mit weniger vorragen- den Augenhöhlen. Beide Gruppen scheinen mir auch in Amerika sich zu wiederholen, indem Bison antiquus der ersten, Bison latifrons der zweiten Rubrik angehört. So gruppirt erwiesen sich aber des Ferneren keine Unterschiede zwischen den alt- und neuweltlichen Individuen jeder Gruppe, weiche eine Trennung in zwei geographisch ge- trennte Species rechtfertigen konnten, so dass ich annehmen muss, dass Bison priscus in beiden Welttheilen in zwei Formen verbreitet sei. Allein auch diese zwei Rubriken tragen keine andern eigenthümlichen Merkmale an sich als diejenigen, welche nicht nur durch die ganze Abtheilung der Bovina, sondern unter Hohlhörnern überhaupt die beiden Geschlechter von einander unterscheiden; ja diese Merkmale sind selbst bei den zwei Rubriken des fossilen Bison weit weniger aus- gesprochen, als etwa bei Ovibos, Catoblepas und den afri- kanischen Büffeln. Bei Uebersicht des ganzen Materials war es mir daher unmöglich, mehr als Eine Species in männlichen und weiblichen Individuen vertreten anzu- erkennen. Noch mehr Sorgfalt erforderte die Confrontirung dieses über Amerika und Europa verbreiteten Bison priscus mit den zwei geographisch getrennten heutigen Vertretern der Familie, indem die fossile Form eine merkwürdige Mischung der Merkmale beider lebenden zeigt. Vorerst stellte sich dabei heraus, dass Bison priscus nach Alter und Geschlecht srössere Variationen zeigt als americanus und europæus, so dass einzelne Schädel des erstern mehr mit americanus, andere mehr mit europæus übereinstimmten. Im Allgemeinen darf man daher Bison priscus eine Collectivform der beiden 338 heutigen Auerochsen nennen. Nichtsdestoweniger erwiesen sich gewisse ursprüngliche Beziehungen als mehr zu Bison americanus hinweisend. Jedenfalls stimmen die Schädel des Bison priscus mit americanus um so mehr überein, als sie jüngern Altersstadien oder dem weiblichen Geschlecht angehören: erst in höherem Alter, vornehmlich des männ- lichen Geschlechts, wird priscus endlich dem europæus ähnlich. Bison priscus geht gewissermassen durch das Stadium von Bison americanus, bevor er die Form von Bison europæus erreicht. Der amerikanische Auerochs kann somit als eine sta- tionär gebliebene Form des Bison priscus bezeichnet wer- den, über welche Bison europæus rascher hinausgeht. Allein alle drei weisen in unverkennbarer Weise auf ge- meinsamen Ursprung, und Bison americanus manifestirt sich unter ihnen als die organisch- oder morphologisch-älteste Form. Dies sollte, obschon allerdings nicht mit dringender Nothwendigkeit, vermuthen lassen, dass der amerikanische Auerochs auch historisch der älteste Vertreter der Familie sei, und dass er somit den Bison latifrons und antiquus, oder den Bison priscus in Amerika überlebt habe, wäh- rend in Europa eine bleibendere Umprägung des Bison priscus in Bison europæus vor sich ging. Die bisher gesammelten Thatsachen scheinen einer solchen Annahme zu widersprechen, allein abgesehen da- von, dass wir über die fossilen Bisonten Amerika’s noch sehr wenig wissen, ist die Bemerkung Leidy’s nicht ohne Interesse, dass Ueberreste des Bison americanus, an Grösse von antiquus nicht verschieden, mit diesem und mit Masta- donten in Bigbone-Lick vorkommen. Es ist daher nicht unmöglich, dass auch Bison americanus doch sschliesslich seinen Stammbaum über denjenigen von americanus hinauf- sehiebt. 339 Immerhin zeigt sich dabei, dass die gesammte Gruppe der Bisonten während der langen Zeit ihrer Existenz von keinerlei erheblichen Schicksalen, welche auf ihre Ge- stalt wesentlichen Einfluss übten, betroffen werden ist; denn zwischen einem Schädel von Bison priscus aus den diluvialen Anschwemmungen der Wolga und den so zahl- reichen Ueberresten des in Robenhausen von Menschenhand erlegten europäischen Auerochsen bestanden jedenfalls weit seringere Unterschiede, als zwischen Ovibos priscus (B00- therium) und Ovibos moschatus oder selbst zwischen den heutigen Büffeln Java’s und Italiens, immerhin aber weit erheblichere als zwischen dem miocenen Hemibos trique- tricornis und der heutigen Anoa von Celebes. Der Begriff stabiler oder progressiver Formen, dessen früher gedacht wurde, wird durch Vergleichung solcher Formenreihen gut erläutert. Die verschiedenen bis jetzt bekannt gewordenen For- men von Bison gruppiren sich daher nach morphologischem Gesichtspunkt nach der Reihe Bison americanus, priscus, europœus, nach den bisherigen geologischen Data dagegen in folgen- der Weise: d' antiquus Bison priscus | | B, americanus, $ latifrons B, europæus, wobei zu erwarten steht, ob fernere Nachrichten über die frühere Vertretung dem Bison priscus seinen Rang als Stammvater der übrigen, der ihm in organischer Beziehung nur in beschränktem Maasse zukommt, wahren werden. 340 BOVINA (Sensu strictiori.) Die immerhin noch erhebliche Anzahl von Wieder- kauern, welche, nach Abzug der Büffel und Bisonten, unter dem Namen der Rinder im engern Sinn, vereinigt werden können, weicht von dem primitiven Bau des Wiederkauer- schädels insofern noch in höherem Maasse ab als jene beiden Abtheilungen, als bei ihr der parietale Theil des Schädels fast ganz in die Occipitalfläche übergeht, und die an der hintern Grenze des Stirnbeins gewöhnliche Knickung der Profillinie somit auch an die hintere Grenze der gan- zen Schädeloberfläche fällt; der Ansatz der Hörner wird dadurch an die Grenze von Stirn- und Hinterhauptsfläche verlegt; die typische Form der Hörner ist dabei die cylin- drische, und da sie im Allgemeinen an Stärke hinter der- jenigen bei der vorigen Gruppe zurückbleiben, so erfolgt ihr Ansatz in der Regel weit aussen an der seitlichen Grenze des Stirnbeins. Nach unserer jetzigen Kenntniss sind diese flachstir- nigen und rundhörnigen Rinder ausschliessiich auf Asien und Europa beschränkt. Weder Amerika noch Afrika haben ihnen eigenthümlich angehörige, sei es lebende oder fossile Vertreter dieser Gruppe bisher dargeboten. Wie die Büffel, doch nicht mit gleicher Schärfe, und mehr nur der Be- quemlichkeit als der Dringlichkeit willen, kann man auch diese Gruppe der Rinder in zwei Abtheilungen bringen, von welchen die eine vornehmlich in Asien zu Hause ist (das Hodgsonische Genus Bibos) und durch grössere Annäherung -an die Grundform (nicht nur etwa an Bison, wie es Hodgson in das Wort Bibos zu legen suchte) sich als die morpho- logisch ältere ausweist; man könnte sie Bibovina nennen; während die andere, welche in morphologischem Sinn den letzten und spätesten Abschluss der Rinder überhaupt bil- det, bisher in Europa reichlichere Vertretung zeigte; sie 341 kann passend die Abtheilung der Taurina genannt werden. Doch fehlen Repräsentanten jeder dieser zwei Rubriken im Gebiet der andern keineswegs. BIBOVINA. Nach der reichlichen heutigen Vertretung dieser Gruppe in Asien sollte man glauben, hier ihre eigentliche Heimath zu finden. Nichtsdestoweniger ist diejenige Ferm, welche ohne Zweifel mehr als irgend eine andere bisher bekannt gewordene den Titel einer ächten Wurzeiform, zunächst allerdings für die Bibovina, allein in weiterer Linie für die ganze Gruppe der Bovina im obigen Sinn, d. h. aller flach- stirnigen und rundhörnigen Rinder verdient, in Europa zu Hause, und zwar in dem Püocenen Terrain von Italien. Es ist dieses in vielfacher Beziehung interessante fos- sile Rind schon seit längerer Zeit bekannt, und schon von Nesti sonderbarer Weise Bos bombifrons benannt, später von Falconer als Amphibos etruscus, endlich von E. Sismonda als Bos sienometopon bezeichnet worden. Auch Cuvier hatte nach der brieflichen Mittheilung Falconer's einen un- vollständigen Schädei gesehen, und es ist nicht wenig lehrreich; zu wissen, dass dieser Meister der Anatomie denselben einem Hirsch zugeschrieben hat ; so sehr schliesst sich allerdings diese merkwürdige Schädelform an die Grundform des Wiederkauers an, dass nur die Hörner, welche an dem Pariser Exemplar fehlten, sie als Rind zu erkennen gestatten. Gerade in diesem Irrthum Cuvier's liegt die richtige Deutung dieser merkwürdigen Schädel- form verborgen. Die reichsten Vorräthe davon finden sich im Arno- thale und von daher im Museum von Florenz, das 342 mir durch die Güte von Herrn Prof. Ig. Cocchi Originalien davon zur Verfügung stellte. Ein sehr schönes Schädel- stück, das E. Sismonda zur Aufstellung seiner Species ge- dient, und wovon ich ihm einen Abguss nebst allen schon | vorbereiteten Materialien zu einer Beschreibung verdanke, stammt aus Dusino bei Ast, aus einem Terrain, das gleich- zeitig Mastodon arvernensis, Elephas meridionalis, Rhinoceros etruscus enthielt. Da der Nestische Name sehr unpassend ist, so glaube ich von den zwei übrigen den ältern und einfacheren, Bos etruseus adoptiren zu sollen. Zur Charakterisirung dieser Species muss hier einst- weilen die Andeutung genügen, dass dieselbe im Verhältniss zu der hier besprochenen Abtheilung der Rinder durchaus denselben Rang einnimmt, wie Hemibos triquetricornis unter den Büffeln. Auch hier ist nemlich, an einem sonst ächten Bovinenschädel nicht nur die ganze Parietalregion, sondern selbst ein Theil der Squama oceipitis in horinzontaler Richtung hinter dem Ansatz der Hörner ausgedehnt, und diese selbst entspringen auf langen Stielen nahe der Mit- tellinie des Schädels. Noch im erwachsenen Alter ist also hier eine Schädelform permanent, welche unser zahmes Rind bereits als Fœtus nicht mehr besitzt. Allein ein anderes Rind, das noch der Gegenwart an- gehört und iene selbe Provinz bewohnt, die schon mehr- mals als Heimath lebender Fossilien bezeichnet wurde, zeigt diesen primitiven Schädelbau nicht nur in der Jugend, sondern selbst, wenn auch in geringerem Grade, im erwach- senen Alter des weiblichen Geschlechts, während allerdings das alte männliche Thier dann weit darüber hinausgeht; es ist dies der Banting, Bos sondaicus Müller und Schlegel, der nicht nur die Inseln Java, Borneo und Lombock be- wohnt, sondern nach der Nachricht Blytks selbst durch Malacca bis Pegu hinaufsteigt, — wohl unter allen Wieder- kauern diejenige Spezies, welche zur Beurtheilung der 343 Morphologie des Schädels die reichsten Belehrungen bietet. Wenn irgendwo die strenge anatomische Beobachtung eines noch heute vor unsern Augen lebenden Säugethiers die . Veberzeugung tief einprägen muss, dass Mittelformen zwi- schen verschiedenen, sei es lebenden, sei es fossilen Species existiren, so geschieht dies am Banting, wo wir vom jungen weiblichen Thier bis zum erwachsenen männ- lichen, ja selbst an Einem Individuum in dem kurzen Zeit- raum weniger Jahre alle Modificationen des Schädels sich Schritt für Schritt verwirklichen sehen, welche die Familie der Büffel von dem miocenen Hemibos bis zum heutigen Bubalus caffer, oder die Familie der Rinder von dem plio- cenen Bos etruscus bis zum heutigen Taurus in langer Reihenfolge geologischer Perioden durchgemacht hat. Würden wir die verschiedenen Alters- und Geschlechis- stufen des Banting an verschiedenen Wohnorten lebend oder in verschiedenen geologischen Terrains fossil antreïfen, so würde jeder Anatom sich nach den bisherigen Principien der zoologischen Systematik berechtigt glauben, daraus verschiedene Species zu bilden. Und sollte noch in der Zukunft eine solche Zerstreuung der Individuen dieses Thier in verschiedene Lebensverhältnisse führen, in wel- chen die ererbten Formen gewissermassen erstarren oder durch Erwerb neuer Eigenschaften sich weiter modifieiren kônnten, so müssten wir den Bos sondaieus als eine Mut- terlauge für eine ganze Menge künftiger neuer Formen, als einen fruchtbaren Knotenpunkt für einen ganzen Büschel neuer Zweige ansehen. Wir stehen hier noch heute an einer Quelle schöpferischer Formenfülle, wir wir sie alten Prototypen gewisser gestaltenreicher Genera, wie etwa vieler Antilopen oder mancher Nager zuzuschreiben geneigt sind; wir dürfen den Banting gewissermassen unsern Nach- folgern als eine Quelle künftiger Species signalisiren, allein 344 nichtsdestoweniger gehört auch er in die Rubrik der „le- benden Fossilien“. 1) Die Jugendform des Banting hebt in der That an mit dem Typus des pliocenen Bos etruscus, allein schon jetzt sind männliche und weibliche Schädel erheblich verschie- den; der männliche ist durchweg kürzer und breiter, seine Hörner kürzer gestielt und auch in ihrer ganzen Ausdeh- nung verkürzt. Der erwachsene weibliche Schädel weicht von der Jugendform nur ab durch stärkere Reduction sei- nes Parietaltheils; allein viel weiter geht der männliche Schädel, wo die Parietalzone, die in der Jugeud horizontal lag, schliesslich vollkommen ins Occiput aufgeht und der Schädel überdies nach hinten ausserordentlich an Breite und Höhe zunimmt, die Hörner platt werden und ihre an- fängliche Richtung nach hinten in eine seitliche umändern, Modificationen, welche kein anderes Rind, ja wohl kein anderer Wiederkauer als vielleicht Ovibos und Catoblepas, vielleicht auch Bubalus caffer durchgeht, und welche be- reits Schlegel in trefflichen Abbildungen grösstentheils dar- gestellt hat. (Natuurl. Gesch. d. Nederl. overzee’sche Be- zitt.) Obschon der Banting oder eine ihm ähnliche Form bis jetzt nicht fossil gefunden worden ist, so besitzt doch der Continent von Indien bereits eine solche in weit engern Schranken sich bewegende Zweigform oder vielleicht sogar eine morphologisch bereits relativ erstarrte (so weit dies 1) Ich kann nicht umhin, auf eine vortreffliche Parallele hiezu in einer ganz andern Thierklasse hinzuweisen, die Garneelen unter den Crustaceen, welche nach den schönen Beobachtungen von F. Müller (Für Darwin pg. 81) in der regelmässigen stufen- weisen Entwicklung durch die chronologischen Etappen von Nauplius, Zo&a, Mysis ebenfalls noch die „Urgeschichte der Art“ wiederholen. 349 an Organismen überhaupt möglich ist) Schlussform dersel- ben Entwicklungsreihe in dem Gaur, Bos Gaurus, des in- dischen Continents. Es ist in dieser kurzen Mittheilung nicht der Ort, die sehr ausgedehnte und in Bezug auf Synonymik sehr ver- wikelte und bis ins 17. Jahrhundert zurückreichende Lit- teratur über die wilden Ochsen Continental-Asiens zu besprechen; ich verspare dies auf die hier angekündigte Hauptarbeit. Ich erinnere nur, dass die indischen Quellen fast durchweg zwei Formen wilder Ochsen des Continents erwähnen, welche Hodgson am einlässlichsten unterschieden hat als Bibos cavifrons, Gauri-Gau (Bos Gaurus Evans) und als Bibos Gaveus oder Gayal, von welchen der erste nur im Norden Indiens zu Hause und nie in den zahmen Zustand übergegangen sein soll, während der Gayal theil- weise zahm den Westrand Hinterindiens bewohnen soll. Nach neuern Nachrichten, hauptsächlich von Blyth, sollten indess beide Formen durch beide Indien, ja bis Indochina verbreitet sein, und — was nicht ohne grosses Interesse ist, in Bengalen selbst mit einer dritten, nemlich dem Banting zusammen treffen. Die Untersuchung dieser continental-asiatischen Ochsen hat mir grosse Sehwierigkeiten gemacht, da sie, zumal in weiblichen und jungen Schädeln, in den mir zugänglichen Museen sehr spärlich vertreten sind; immerhin ward mir klar, dass beide sich innerhalb weit engerer Formengrenzen bewegen als der Banting, und gewissermassen das perma- nent gewordene Altersstadium desselben, ich möchte sagen eine ephemere späte Phase desselben darstellen. Sie ver- halten sich also zum Banting ähnlich wie etwa Bison europzus zu Bison americanus. Die Schlussfolge, zu der ich vorbehältlich reichlicherer Materialien gekommen bin, seht indess dahin, dass der Gaur und der Gayal nicht von einander abgetrennt werden können, indem unter dem letzten 346 Namen theils weibliche Thiere des erstern, theils zahme und seibst durch Kreuzung mit andern Rindern modifieirte Varietäten jenes beschrieben zu sein scheinen. Schwächere Ausbildung der Frontalsinus und davon abhängige Modifi- cation der Stirn und des Occiput scheint mir allein die Form des Gayal von derjenigen des Gaur zu unterscheiden. Als Bezeichnung des ganzen Typus schien mir der zuerst auf unmissverständliche Mittheilungen gegründete, von Evans gegebene Name Bos Gaurus der passendste. Der Formenreichthum des Banting führt indess noch zu einer andern, schon heute in noch höherem Maasse als beim Gaur stabil gewordenen und daher in ähnlichem Sinn — wäre der Banting schon geologisch alt — ephemer zu nennenden Form, für deren Einschränkung in einen engern Kreis die höchst eigenthümliche Lebensweise vielleicht einen nähern Schlüssel bieten könnte; es ist dies Bos srunniens, der Yak der centralen Gebirgsplateau’s von Asien, der indess nach neuern Nachrichten noch heute am südlichen Abhang des Himalaya mit dem Gaur und dem Banting zusammentrefien soll. Trotz, oder wohl eher in Folge der bisher überaus spärlichen anatomischen Beobachtungen über den Yak (ich kenne keine andere als von Cuvier und Hodgson) ist kein anderes Rind in seinen Beziehungen zu den übrigen so verschieden beurtheilt worden, wie dieses, das allerdings durch seine ganz eigenthümliche Statur und Bekleidung eine seltsame Erscheinung ist. Pallas und Sundevall zählten ihn zu den Büfleln, Hodgson und H. Smith zu den Bisonten, Cuvier vermutkete in’ ihm eine Zwischenform zwischen Bison und Taurus, Gray brachte ihn zu Ovibos und Bu- dorcas. Entkleiden wir aber sein Skelet des höchst eigenthüm- lichen Gewandes, so wird vorerst offenbar, dass wir den Yak sowohl von den Büffeln als von den Bisonten aus- 347 schliessen und unter die eigentlichen Boyina einreihen müs- sen, troizdem dass das Gebiss durch den fasi gänzlichen Mangel der accessorischen Säulen demjenigen der Schafe und vieler Antilopen ähnlich ist. Allein ich glaube Grund zu haben, diese accessorischen Säulen überhaupt als ein sehr accessorisches, zwar offenbar aus alter Zeit ererbtes, allein doch in hohem Maasse von Erwerb durch spezielle Nah- rungsverhältnisse abhängiges Gebilde betrachten zu dürfen, und Spuren davon fehlen übrigens beim Yak niemals gänzlich. Der Schädel aber scheint mir ebenso nach dem weib- lichen Banting zurückzuführen, wie derjenige des Gaur zu der Form des männlichen Sunda-Ochsen. Das auflallendste in seiner Physiognomie ist das sehr lange Gesicht und die kurze breite Stirn, das kurze breite Hinterhaupt und die Hornrichtung nach aussen und oben. Die Form des Occiput könnte zu einer Vergleichung mit Bison führen, allein sie ist eine zufällige uder besser secundäre, denn wir finden in Folge der seitlichen Ausdehnung der Stirn einen viel tiefern Schläfeneinschnitt ais beim Bison, und eine weit primitivere Structurähnlichkeit zeigt der weibliche Banting. Auch die Bildung des Gesichtsschädels, die übrigens nur im Intermaxillartheil excessiv genannt werden kann, ist an- gedeutet beim weiblichen Gaur und Banting Die Hörner verhalten sich in der Jugend wie beim weiblichen Banting, im Alter dann allerdings wie beim Rind, vornehmlich bei dessen Frontosus-Race. Die Beziehungen zum Bison und zu Taurus erscheinen mir durchweg als secundäre, zufällige, diejenigen zum Banting dagegen als reelle und so prèmilive, dass mir im Yak eine sehr frühe Abgliederung von der Jugendform des Banting vorzuliegen scheint, eine Ansicht, zu welcher seine ganz ausnahmsweisen Lebensverhältnisse vielleicht manches physiologische Motiv beitragen könnten, und zu welcher die Vergleichung einer grösseren Anzahl \ 24 348 von Schädeln aus verschiedenen Punkten seines ausge- dehnten jetzigen Wohnorts wie ich vermuthe manchen Beleg fügen möchten. Hoffen wir, dass die so reichliche jetzige Verbreitung dieses Thiers in den zoologischen Gärten die anatomischen Museen bald mit reichlicherem Material versehen möchte, als es seltsamer Weise bisher der Fall war. Wohl noch direktere Beziehung als zwischen dem Banting und seinen bisher besprochenen zwei noch im wilden Zustand bekannten Descendenten des Continentes von Asien, besteht zwischen jener selben Stamm- und Wurzelform und dem wohl seit sehr alter Zeit als Haus- thier über den grössten Theil der alten Welt verbreiteten Buckelochsen, Bos indicus, Auf so alten und tiefgreifenden Einfluss von aussen würde schon ohne die historischen Berichte früher Zäh- mung, und ohne seine Dienstbarkeit bei vielen sehr pri- mitiv gebliebenen Volksstämmen Asiens und Africas die ausserordentliche Variation des Zebu in Grösse, Statur, Farbe etc. schliessen lassen, die schon in sehr früher Zeit weit höhere Grade erreicht hat, als es heutzutage für irgend ein anderes gezähmtes Rind der Fall ist, Aus dieser Mannigfaltigkeit der Form erklärt sich auch leicht ihre von verschiedenen Autoren vorgenommene Zer- spaltung in mehrere Species (Bos Pusio, Dante, Zebu etc.), sowie der noch häufigere Zweifel, ob überhaupt hier ein so gemeinschaftlicher Bau vorliege, dass man alle diese Modificationen auf Eine sogenannte Species zurückführen dürfte. Sundevall war der erste, der entgegen Cuvier für diese leztere Ansicht auftrat; ebenso später Gray, Blyth, ‚welcher letztere sogar die Heimath des Zebu in Africa und nicht in Asien zu suchen geneigt ist. Ich selbst fand schon in der Fauna der Pfahlbauten Veranlassung, zu er- klären, dass wenn je eine Form zahmen Rindviehes An- 349 spruch habe auf Abtrennung als besondere Species, es dieses Hausthier sei. Nichtsdestoweniger möchte ich heute diese Anschauung dahin modificiren, dass wenn irgend eine Form von Rind- vieh verdient, von dem europäischen Hausthier abgetrennt zu werden, es diese ist; doch darf nicht vergessen werden, dass sie häufig Spuren fremder Beimischung zeigt, wie denn auch genug bekannt ist, dass Kreuzung des Zebu mit an- dern Rinderarten in reichlichem Maasse stattfindet. Wie für jedes Hausthier ist auch hier übrigens ein sehr ausge- dehntes Material erste Bedingung zu Bildung von Schlüssen, die auf Haitbarkeit Anspruch machen dürfen. Leider kann ich indess nicht gestehen, ein solches Material zu überblicken, indem von den circa 20 Schädeln, die ich untersuchte, sämmtliche aus einem relativ kleinen Bezirk von Asien stammten, während ich aus dem kolos- salen Verbreitungsgebiet africanischer Zebu’s keinen ein- zigen Schädel vor mir: hatte. Allein schon unter den asiatischen Buckelochsen finden sich auf den ersten Blick sehr erhebliche Modificationen der Schädelbildung, und wie mir schien, auch des Skelets; Modificationen, die mich in den Stand setzten, wenigstens zwei Gruppen zu erkennen, eine solche von kleinen schlan- ken hirschähnlichen Thieren mit schlankem in die Länge gestrecktem Kopf, longitudinal vertiefter Stirn, kurzem Na- senbein, grossen weit geöffneten Augenhöhlen und schlanken cylindrischen, nach hinten gerichteten Hörnern, und eine zweite von grösserer, oft wahrhaft riesiger und plumperer Statur und fast pferdähnlichem Schädel mit gewölbter breiter Stirn, in der Längsrichtung gewölbter Nase und mit mehr oder weniger abgeplatteten und seitlich nach unten gerich- teten Hörnern. Die erstere Gruppe hat mindestens im weiblichen Ge- schlecht eine Menge unverkennbarer und tiefgreifender 24* 330 Structurähnlichkeiten mit dem weiblichen Banting; alle Schädel, die ich von ihr vor Augen hatte, stammten von Java. Allein ich bin bei der immer noch sehr erheblichen Verschiedenheit der männlichen Schädel dieses Zebu und des Banting einstweilen durchaus nicht geneigt, in dem Sunda’schen Zebu einen blosen gezähmten Banting zu sehen, sondern möchte die Speciesbezeichnung Bos indieus durchaus noch aufrecht halten. So selbst für die zweite Form, deren zur vorliegende Repräsentanten alle aus Indien stammten, und in welcher mir eine durch Kreuzung erzielte, vielleicht sehr alte Einwirkung von Seite des indischen Büffels (viel- leicht auch des europäischen Ochsen und des Yaks?) nur schwer abweisbar scheint. Schon diese Andeutungen mögen genügen, um zu zeigen, dass zur Beurtheilung solcher Fragen grosse Behutsamkeit nöthig ist und nur aus dem Ueberblick eines dermaien nirgends vorhandenen Materials von alten und jungen, männ- lichen und weiblichen Köpfen mit sorgfältiger Controlle über Geschichte und Herkunft der Thiere Sehlüsse erwartet werden dürfen, die zu einigem Zutrauen berechtigen. TAURIN A. Die Europa sowohl einst im ursprünglichen als heute noch im zahmen Zustand fast ausschliesslich zukommenden und erst von hier aus über einen guten Theil der Erde, _ mindestens in westlicher Richtung verbreiteten Rinder können füglich unter dem hier obenangestellten Namen zu- sammengefasst werden. Obschon eine alte Gewohnheit dazu geführt hat, diese Gruppe stillschweigend gewis- sermassen als typische Vertreter der Rinder zu betrachten, so ergiebt sich doch aus einer Vergieichung dieser neuen 391 Schädelform, dass uns in ihr, weit entfernt, dass sie ein Anrecht hätte, als Prototyp su gelten, vielmehr gerade eine höchst excessive Modification des Rindes entgegentritt, so excessiv, dass ein Ueberschreiten derselben fast unmöglich, und dieser Typus als vollkommen ferminal erscheinen muss. Das wesentliche dieser neuen Form besteht in der so excessiven Ausdehnung der Stirn, dass der gesammte Pa- rietaltheil des Schädels vollkommen im Occiput aufgeht, so dass nicht nur in vielen Fällen das Occiput, sondern auch, in seitlicher Richtung die Schläfe weitläufig vom Stirn- bein überdacht wird. Dies seht so weit, dass wahrhaftig in der ganzen Classe der Säugethiere für eine so völlige Unterdrückung der Parietalzone durch Stirn und Oceiput kein zweites Beispiel zu finden ist, als bei den Walthieren, deren Schädelbildung Niemand den Charackter des Excesses in dieser und anderer Beziehungen absprechen wird. Allein an beiden Orten, b-i den Delphinen und den europäischen Rindern wird ein» so ausnahmsweise Schädel- bildung auch nicht mit Einem Schritt erreicht; nur. ent- fernt sich das Rind sehr früh, an den ersten Tagen nach seiner Geburt von der auch hier zu Grunde gelegten Stamm- form und durchläuft in rascher Reihenfolge innerhalb von ein Paar Jahren die ganze Reihenfolge der Bildungen, auf welchen die Antilopen, die Schafe, die Ziegen, die Büffel, die Bisorten stehen bleiben. In Organbhistorischem Sinn muss demnach die Schädel- bildung von Bos Taurus. als die lefzte und späteste Phase betrachtet werden, welche der Wiederkauer überhaupt er- reicht hat. Nichts destoweniger ist diese Form schon in historisch früher Zeit erreicht worden, indem wir sie nicht nur bereits in der Diluvial-Periode Europas reichlich ver- treten finden, sondern sogar in weit älterer Zeit in Indien, jener bis heut so fruchtbar geblieben:n Mutterstätte für die Bovina. 352 Der älteste bisher zur Kenntniss gekommene Repräsen- tant der Taurina ist Bos namadicus Falconer (Catal Mus. Asiat. Soc. of Bengal pag. 22% sq.) aus den pliocenen Ter- rains von Nerbudda. Ob er keine heutigen Descendenten in Asien zurückgelassen hat, ist dermaien noch nicht zu beurtheilen; während seine im Diluvium bisher zuerst auf- getretene Parallelform in Europa, Bos primigenius, der Stammvater geworden ist von der grössten Anzahl zahmer Rindvieh-Racen in allen den grosses und zerstreuten Ge- genden der Erde, die ven europäischen Volksstämmen be- wohnt sind. Auch eine zweite, ebenfalls dem Diluvium Zuropa’s (Knochenhöhlen der Mittelrneerküste) angehörige, allein bisber nur im Gebiss zur Untersuehung gekommene Form fossiler Taurina muss einstweilen als selbständiger Vertre- ter dieser Gruppe aufgeführt werden, Bos intermedius M. de Serres. Allein nicht nur künstliche Racen — wenn überhaupt dieser Ausdruck gestattet ist — die durch ihre erworbene Permanenz wenigstens ein Anrecht auf besondere Bezeich- nung haben, sind neben der primitiven Form, die nicht etwa erloschen ist, sondern sich als Primigenius-Race auf einem grossen Gebiet von Europa in unveränderter Gestalt erhalten hat (am meisten in dem Wildvieh von Chillingham- Park), entstanden, sondern wir finden schon in denselben Terrains, die den fossilen Bos primigenius enthalten, so ausgesprochene Modificationen dieser Grundform, dass wir sie wohl als natürliche Ragen bezeichnen dürfen. Dahin zähle ich die vom fossilen Zustand bis in frühe Perioden der menschlichen Geschichte verfolgbare Tfochoceros-Race, welche mir der unmittelbare Vorläufer der in der Gegen- wart so reichlich verbreiteten Frontosus-Raçe zu sein scheint. Ob die dritte der heutzutage in Europa verbreiteten Rinder-Raçen, die ich als Brachyceros-Race bezeichnet 353 habe, von derselben Primigenius-Quelle, oder von einer selbstständigen Stammform abzuleiten sei, kann hier, wo einlässliche Besprechung nicht gestattet ist, nicht erörtert werden. immerhin scheint dieser Race eine grössere Selbstständigkeit als der Frontosusform zuzukommen, da sie wenigstens in menschlichem Besitz übera!l früher als jene auftritt, gleichzeitig mit der Primigenius-Race, allein von dieser, die den Tiefländern Europas angehört, meistens geographisch getrenni und auf die Gebirge be- schränkt. | Indem ich hier, wie schon für Bos indicus, auf die Darlegung der Prüfung der unter Mitwirkung des Menschen erzielten Modificationen wilder Typen von Rindern ver- zichte, begnüge ich mich mit dieser kurzen und vorläufigen Mittheilung der Resultate, zu welchen mich bezüglich die- ser schwierigen Frage die zu ihrer Aufhellung unternom- mene Untersuchung der heutigen und der ausgestorbenen Formen wilder Rinder geführt hat. Auch hier resümire ich indess die Aufzählung der mir bekannt gewordenen eigentlichen Bovina in folgenden zwei nach früher erör- terten Principien entworfenen Tableaux, von welchen das erste die morphologischen, das zweite die historischen Be- ziehungen der verschiedenen Formen darzustellen be- stimmt ist. 394 Morphologische Reihe. B. grunniens. B. indicus. B.etruscus. B.sondaicus. B. Gaurus. mit Faveus. B. namadicus. BE rence s (Var. trochoceros.Var. frontosus. PIRE — . brachyceros. — intermedius. Palzeontologische Reihe. Pliocen. Diluvium. Gegenwart. ; Wild. Zahm. B. grunniens. re (Var. Pusio. B. indicus . | — Dante. B. etruscus. NEE B. sondaicus. B. Gaurus. B. Gavæus. B. intermedius. Var. brachyceros. B. namadicus. — primigenius. . - . . B. primigenius. Var. trochoceros. Var. frontosus. GEOLOGIE. Ueber die krystallinischen Gesteine der Umgebungen des Maderanerthales, Von Arsr. MÜLLER. (Sitzung vom 15. November 1865.) Unter den krystallinischen Üentralmassivs, die in dem Bereiche unserer Schweizeralsen liegen, nimmt das Massiv des Finsteraarhorns, das sich von dem Torrenthorn im Westen bis zum Tödi im Osten erstreckt, sicher den ersten Rang ein. Die bekanntesten Gipfel des Berner Oberlandes und des Kantons Uri gehören diesem Massive an, so die Jungfrau, der Mönch, das Finsteraarhorn, die Schreckhörner, der Galenstock, der Bristenstock, der Oberalpstock, der Düssistock und noch viele andere. Die ausgezeichnet fächerförmige Structur der Gneisss und Schiefer dieses Massivs, mit steiiem Südfall auf der Nordseite und Nord- fall auf der Südseite, wurde schon von ältern Forschern erkannt und beschrieben. Unter den neuern erwähne ich vor allen der sorgfältigen Arbeiten der Herren Lusser und Lardy, die in dem ersten Bande der schweizerischen Denk- schrifien (Abth. 1. 1829 u. Abth. 2. 1833) niedergelegt 356 sind und sich über die Gesteine der ganzer St. Gotthardt- route verbreiten. Ferner verdient hier, ausser verschiede- nen kleinern Mittheilungen der Herren Prof. A. Escher vor der Linth und Bernh. Studer, die grössere Arbeit des Herrn Prof. G. vom Rath „Geognostisch-mineralogische Beobachtungen im Quellengebiete des Rheins“, 18621), die auch werthvoila Notizen über unser Gebiet bringt, beson- dere Berücksichtigung. Die Längsrichtung des Finsteraarhornmassivs folgt der allgemeinen west-östlichen Richtung des Streichens der fächerförmig gestellten Schichten. Unter den Spaltenthä- lern, welche in dieses Massiv mehr oder minder recht- winklig einschneides, ist das Thal der Reuss, von Altdorf bis Andermatt, welchem die St. Gotthardtstrasse folgt, das grösste. Hier wurde wohl die fächerförmige Structur des krystallinischen Gebirges am frühesten bemerkt. Von dieser Hauptspalte zweigen sich rechts und links verschiedene Seitenthäler ab, Längsspaltenthäler, die im Lauf der Zeiten durch Erosion erweitert und vertieft wor- den sind. Pas Maderanerthal, das östlich von Amstäg sich in einer Länge von etwa drei Stunden bis zum Hüfi- gletscher erstreckt, ist eines dieser Seitentkäler, das in die Längsrichtung unseres grossen Schichtenfächers einge- schnitten ist. Wegen seiner malerischen Umgebungen wurde es in den letzten Jahren, besonders in diesem Jahr, seit der Errichtung des neuen Gasthofes „zum schweizeri- schen Alpenclub“, von Touristes und namentlich von Bas- iern vielfach besucht. Auch ich machte voriges Jahr einige Excursionen in das Maderanerthal und in die Umgebungen des Bristen- stockes, in das Etz!li- und Fellithal, beobachtete die 1) Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft, Band 14, Seite 369. 357 Lagerung der daselbst auftretenden krystallinischen Ge- steine und »ammelte eine Anzahl Handstücke, um sie zu Hause einer genauern miseralogischen Untersuchung zu unterwerfen. Noch bedürfen diese Excursiouen einer viel- fältigen Wiederholung und Erweiterung, um zu einer ge- nauern Kenntniss unseres Gehietes zu gelangen. Fs sollen desshalb hier blos einige vorläufige Ergebnisse der erst begonnenen Untersuchungen mitgetheilt werden, die ich in den nächsten Semmern, wenn die Umstände es erlauben, fortzusetzen gedenke. Unser Exceursionsgebiet gehört der Nordseite des öst- lichen Endes des Finsteraarhornmassivs, also dem nord- östlichen Ende dieses riesigen Schichtenfächers an, wo die Schichten überall mehr oder minder steil südsüdöstlich einfaller, in der Regel um so steiler, je weiter wir nach Süden vorrücken. Während z. B. auf der Nordseite des Maderanerthales die Schichten 50° südlich einfallen, be- trägt die Neigung der Schichten im mittlern Etziithal, also eine Stunde weiter südlich hereits 65—70° und am süd- lichen Ende des Etzlithales, wo es in das Kreuzihal um- biegt, 75° südliches Fallen Das Etzlithal und das Fellithal, welche zu beiden Seiten des Bristenstockes, und parallel mit dem Hauptthal der Reuss in nordsüdlicher Richtung ziehend, gleichfalls als ächte Spaltenthäler, die Schichten quer durchschneiden, lassen den regelmässigen fächerför- misen Schichtenbau und den vielfältig wiederholten Wechsel krystallinischer Schiefer, gneiss- und granitartiger Gesteine an zahlreichen Stellen schön zu Tage treten, wogegen das M.deranerthal, als Längsspalte dem Streichen der Schichten ziemlich genau folgend, diesen mannigfaltigen Wechsel nicht so deatlich erkennen lässt. Die Gesteine der drei genannten Thäler zeigen, wie sich auf einem so beschränkten Gebiet erwarten lässt, viel- fältige Uebereinstimmung. In allen drei herrschen die 358 schieferigen und gneissartigen deutlich ge- schichteten Gesteine !) vor, wie Th:nschiefer, Talk- schiefer, Topfsteinschiefer, Hornblendeschiefer, Quarzit- oder Felsitschiefer, gneissähnliche Quarzite, die alle unter sich die mannigfaltigsten Uebergänge zeigen, während eigentliche Granite und Syenite nur untergeordnet auftreten. Ebenso finden sich ausgezeichnete Glimmerschiefer nicht häufig. Doch zeigt jedes der drei Thäler, schon bei einem flüchtigen Besuch, wieder seine Bigenthümlichkeiten in der Vertheilung der Gesteine, «o dass es gerechtfertigt erschei-' nen wird, jedem derselben einen besondern Abschnitt zu wiedmen. Wir beginnen demnach mit dem M:deranerthal. À, Das Maderanerthal. Ueber einen steilen, etwa 700 Fuss hehen, Absturz, gelangen wir von Arastäg nach Bristen, in den Eingang des Maderanerthales, und von da fortwährend, aber mässig ansteigend, zu einer zweiten, minder steilen und minder hohen Thalstufe, dem sogenannten Lungenstutz (Langen- stutz), nach welcher der Thalweg sich ziemlich eben bis zum Hintergrunde fertzieht. Die Thalwände sind ziemlich steil, insbesöndere die rechte oder nördliche Seite, die aber in einiger Höhe in zwei Staffeln abgestsft ist, auf welchen sich die Hütten und Waiden von Goizern und Bernhards- matt befinden, und die einen reizenden Fernblick ins Hoch- gebirg derbieten. | Ueber der obersten Staffel der Nordseite erheben sich 1) Diese schiefrigen Gesteine bilden die’ Hauptmasse des Bristen- stockes, der Weitenalp, des Oberalpstockes, dessen Gipfel aber theilweise aus Granit besteht, und des Düssistockes, von dessen Gipfel ein dunkelgrünes serpentinähnliches Gestein mit Eisen- kieswürfeln von Herrn Meyer-Bischoff mir übergeben wurde. 359 die steilen, mächtigen Kaikwände des grossen Rucken, der srossen und kleinen Windgelle, welche vorherrschend dem grauen dichten Hechgebirgska'k (Oxfordkalk mit Belemnites hastatus) angehören, und die etwas ältern und weniger mächtigen eisenoolithischen dunkelroihbraunen Zwischen- bildungen einschliessen. Letztere entsprechen nach ihren Versteinerungen dem Etage callovien und besonders dem Etage bajocien d’Orb. (mit Amwæonites Humphriesianus und erebratula perovalis etc.) “fit deutlich vorherrschendem Nordfail, der namentlich an der Getthardtstrasse zwischen Altdorf und Amstäg gut zu beobachten ist, lagern diese zmächtigen, der mittiern Juraformation angehörenden Kaikgebirge, mit übergreifen- der Schichtenstellung, über die mehr oder minder steil südlich einschiessenden krystallinischen Schiefer, welche dem Centralmzssiv des Finsteraarhorns angehören. Wir können das Kalkgebirg längs der garzen Noréfianke des Finsteraarhornmassivs verfolgen, vom T'ödi bis zur hohen Aitels, durch das Berner Oberland hindurch, we durch’ die empordrängenden krystallinischen Massen nicht nur, wie im Kanton Uri und Unterwalden, die Kalkschichten zer- rissen und zu grosser Höhe aufgerichtet, sondern wie am Silberhorn oder Mettenberg C-förmig gegen Norden zurück- gebogen worden sind. Auch die steilen Kalkwände der beiden Windgellen, obgleich nun über «en krystallinischen Schiefern gelagert, zeigen mehrfache Biegungen und Knickun- gen, wesshalb denn auch die an der Basis gelagerten ältern eisenoolithischen Zwischenbildungen wieder in mittlerer Höhe, ja, nahe dem Gipfel’der Windgelle, dem Hochge- birgskalk eingelagert erscheinen. Ebenso zeigen sich hier jene merkwürdigen stockförmigen Einlagerungen von rothem Feldsteinporphyr im Hochgebirgskalk der grossen Wind- gelle, mit Uebergängen in Gneiss und Kalkschiefer, die bereits von Dr. Lusser in seiner oben erwähnten Arbeit 360 geschildert worden sind. Zahlreiche Blöcke dieses rethen _ Porphyres liegen bei Oberkäsern und Golzern herum, und einzelne sind bis an den Kerstelenbach hinuntergelangt, wo wir auch noch Blöcke und Bruchstücke des grauen dichten Hochgebirgskalkes und der dunkein Eisenoolithe (mit zahl- reichen „kleinen Octaedern von Magneteisen), sowie von schwarzem dichtem Magneteisenstein finden. Auf der südlichen Thalseite und ihren Höhen fehlt das Kalkgebirge ganz, wenigstens wird es nirgends sichtbar. Denn die grössten Höhen, wie der Oberalpstock, bestehen aus Granit, wovon ich ein vom Gipfel herrührendes statt- liches Stück, das sich nun in unserm Museum befindet, Herrn Kaplan Furger in Bristen verdanke, der es selbst vom Gipfel abgebrochen hat. Die Fortsetzung des durch die empordrängenden krystallinischen Gesteine aufgespreng- ten Kalk- und Schiefergebirges auf der Südseite müssen wir wohl erst in der Gegend von Dissentis suchen. Doch sollten sich wohl auf dem mächtigen krystallinischen Ge- birge zwischen Maderanerthal und Vorderrheinthal einzelne Fetzen erhalten haben, und werden vielleicht noch gefunden werden, so gut als sich in der westlichen Fortsetzung des krystallinischen Gebirges, z. B. im obern Meyenthal (siehe Lusser), solche augenscheinlich versprengte Kalkmassen vorfinden. E Wir lassen vorläufig die jurassischen Kalksteine und Schiefer der Nordseite des Maderanerthales, die noch einer genauern Untersuchung bedürfen, bei Seite und wenden uns den eigentlichen krystallinischen Gesteinen zu, Pie vorherrschend aus weissen, grauen oder grünlichen Thon-, Talk- und Glimmerschiefern, in vielfältigem Wechsel und in zahllosen Uebergängen bestehen, so dass es unmöglich wäre, jeder dieser Gesteinsvarietäten einen besondern Namen zu geben. Eigentliche deutliche Glim- merschiefer, mit wohlausgebildeten Glimmerblättchen, sind 361 hier selten. Auch die meisten grauen Schiefer, die man sewöhnlich als Thonschiefer oder Urthonschiefer zu be- zeichnen pflegt, zeigen vie! öfter Uebergänge zu deutlichen Talkschiefern als zu eigentlichen Glimmerschiefern. Zahl- reiche äusserst feine und feinfaserigschuppige, weisse oder srünliche, stark perlmutterglänzende Talkflitterchen legen sich in den Zwischenlagen an oder treten zu grössern zusammenhängenden Ueberzügen zusammen, und vermitteln so den Uebergang zu einem ächten Talkschiefer. Das fein- schuppige, feinfaserige oder feinfaltige wellige Aussehen des Talkes, verbunden mit dem lebhaften Perlmutter- oder Seidenglanz, lässt in den meisten Fällen den Talk von dem in glatten, ebenen und glänzenden Blättchen ausgeschiede- nen Glimmer unterscheiden. Häufig mengen sich den fein- schuppigen Talkschiefern des Maderanerthales einzelne deutliche Glimmerblättehen, meist von brauner oder dun- kelgrüner Farbe bei, die man dann sofort von den Talk- schüppchen unterscheiden kann. Der schuppige Talk geht oft mit blassgrünlichgrauer durchscheinender Farbe ins Dichte und Splittrige über. Manches, was wie Talk aus- sieht, möchte aber, nach vurläufigen Untersuchungen mit dem Löthrohr eher Thon- als Talksilikat, oder eine talk- ähnliche Glimmerart sein. Zahlreiche Löthrohrproben haben mir ergeben, dass die talkartigen Gemengtheile fast aller dieser Taik- und Thonschiefer, an Spitzen mehr oder min- der leicht abrundbar oder eigentlich schmelzbar sind, bald zu graulichem oder gelblichweissem Email, gewöhnlich aber zu farblosem blasigen Glase, das, auch bei schwerer Schmelzbarkeit, von Kobaltsolution häufig blau gefärkt wird und hiemit die Anwesenheit der Thonerde mit ziemlicher Sicherheit vermuthen lässt. (Der eigent- liche blätterige Talk zeigt diese Reaction nicht, lässt sich aber gleichfalls in feinen Spitzen zu einem matten bräun- lichen Email v. d. L. abrunden). Die Untersuchung 362 auf nassem Wege hat diese Vermuthung bestätigt. Schein- bare Talkschiefer haben neben Eisenoxyd und viel Thon- erde nur sehr wenig Talk- und Kalkerde ergeben. Die Thon- und Talkschiefer lassen gewöhnlich auf dem Querbruche zwischen den zusammenhängenden Talk- und Glimmersiraten dünne Zwischenschichten von feinkörnigen, lebhaft glasglänzendem, durchscheinen- dem Quarz erkennen, der aus deutlich unterscheidbaren einzelnen runden Körnern zasammengesetzs ist. Hie und da schwellen diese dünnen Schichten körnigen Quarzes zu dickern Parihien oder zu iörmlichen Knoten an, wobei der Taikgiimmer sich allen Anschweliungen und Verdün- nungen des körnigen Quarzes enge ausschmiegt. UÜeber- gänge zwischen dei: Talk und dem körnigen Quarz, die auf eine Umwandlung des letztern in den erstern deuteten, konnte ich nirgends deutlich beobachten. Im Gegentheil setzt an den meisten Handstücken der Glimmer oder Talk scharf an dem Quarz ab. Jedoch ist kein Grund vorhan- den, warum sich nicht auch Schiefer mit Uebergängen zwischen körnigem Quarz und Talk finden sollten, da solche Umwandiungen ven Quarz in Talk anderwärts vielfach beobachtet worden sind. Pie Quarzitsiraten treten nicht selten auch auf dem Querbruche mancher Talk- und Thon- schiefer se spärlich auf und werden so dünn, dass sie kaum bemerkbar sind oder ganz zu fehlen scheinen. im Allgemeinen herrschen in diesen Schiefern Talk und Glim- mer vor. Der körnige Quarz fällt nicht so ins Auge, wo er nicht zu stärkern Knoten anschwillt. Ebenso enigehen uns gewöhnlich die mikreskopisch kleinen Feidspath- krystälichen, die sich hie und da, erst vereinzelt, dann in grösserer Zahl im körnigen Quarz einstellen, und mit einer scharfen Loupe an ihren glatten glänzenden Spalt- llächen leicht erkennbar sind. Erst, wo sie zu grösseren Krystallen anwachsen, die dann einzeln in die schiefrige 363 Talkmasse eingewachsen erscheinen, fallen sie ins Auge und geben dem Gestein ein grobfaseriges oder knotiges Aussehen, so dass es einem s. g. Augengneiss ähnlich wird. Felsitschiefer möchte ich eine zweite Gruppe schie- frig-krystallinischer Gesteino des Maderanerthales, von vor- herrschend weisslicher und grünlich-weisser Farbe, nennen, die sich sehr den obenbeschriebenen Talkschiefern annähern und wohl von vielen Mineralogen mit denselben verwech- selt oder absichtlich vereinigt worden sind. Die Gesteine sind auch mehr oder minder dünanschiefrig. Das vorherr- schende Mineral ist aber nicht der Talk oder Glimmer, sondern eino gewöhnlich graulichweisss oder schneeweisse sehr feinkörnige oder meist dichte, bisweilen etwas durch- scheinende Masse von stark splittrigem Bruch, die man für sehr feinkörnigen oder dichten Quarzit, etwa dem gewöhn- lichen Hornstein entsprechend, halten könnte. In der That war ich lange geneigt diese Schiefer als Quarzittalk- schiefer zu bezeichnen, obgleich die Vermuthung, nach Analogie mit andern Vorkommnissen, nahe lag, dass dieser feinkörnig? oder dichte Quarzit wohl ein inniges Gemenge von Quarz mit einem feldspartigen Mineral sein möchte. Das Verhalten vor dem Löthrohr hat diese Vermuthung bestätigt. Manche dieser s. g. Quarzitschiefer sind vor dem Löthrohr in kleinen Splitiern mehr oder minder leicht zu einem klaren, farblosen oder etwas blasiger Glase schmelzbar, andere freilich nur spurweise oder gar nicht, wo entweder der Quarz zu stark vorherrscht — als reiner Quarzitschiefer — oder bereits eine Umwandlung in eine taikartige Substanz begonnen hat, wie das häufig der Fall ist. !) Die Umwandlung der noch harten dichten Quar- ’) Die meisten dieser Felsit- und Quarzitschiefer verrathen durch die gelbe Färbung der Löthrohrflamme einen kleinen Natronge- halt, den wir wohl auf Rechnung eines feldspathigen Gemeng- theiles setzen dürfen. 25 364 zit- oder Felsitsubstanz in eine viel weichere grünliche, gleichfalls etwas durchscheinende und von splittrigem Bruche lässt sich an vielen dieser weisslichen Schiefer beobachten. An die weiche grünliche oder grauliche Substanz legen sich allenthalben feine perlmutterglänzende Talkschüppchen an, die, wo sie überhand nehmen, den Uebergang zu einem ge- wöhnlichen Talkschiefer vermitteln. Im Querbruche herrscht aber in der Regel die dichte Felsitmasse stark vor, die die- sen Schiefern eine grössere Härte und Festigkeit verleiht. Der grünliche Talk erscheint nur in dünnen Ueberzügen auf den Schieferungsklüften, die parallei der Schichtung das Gestein durchziehen. Einzelne dieser Schiefervarietäten, in welchen der Talk und Glimmer ganz fehlen, und die nur aus einer blos grünlichgrauen e{was durchscheinenden dich- ten Masse mit grobsplittrigem Bruche bestehen, möchte man Saussurit- oder Nephritschiefer nennen. Geschlif- fen und polirt möchten solche Stücke von dem gewöhn- lichen Nephrit der Pfahlbauten, dem man wohl mit Unrecht einen orientalischen Ursprung zuschreibt, kaum zu unter- scheiden sein. Unter dem Namen Nephrit sind Gesteine von sehr verschiedener chemischer Zusammensetzung ver- einigt worden. Man vergleiche die neueste Arbeit von Damour (Comptes rendus 21. u. 28. Aug. 1865) über die verschiedenen Varietäten, welche diesen Namen tragen. Wo die Felsitschiefer Spuren der Verwitterung zeigen werden sie weiss und die dichte oder sehr feinkörnige Felsitsubstanz wird matt, schneeweiss und undurchsichtig. Der sonst so leicht erkennbare feinkörnige glasige Quarz scheint in diesen Schiefern in der Regel zu fehlen. Knotige Felsitschiefer, von gleicher Beschaffen- heit und ganz ähnlichem Aussehen, wie die soeben beschrie- benen, entstehen, wenn sich einzelne grössere Quarzkörner in der dichten schieferigen Masse einstellen. Gewöhnlich haben sie einen Durchmesser von einem Millimeter und 365 sind ringsum abgerundet. Der Querbruch ist ausgezeichnet muschelig und stark glasglänzend. Die Körner sind durch- scheinend und von blassgrauer oder bräunlicher Farbe, also wahrer Glasquarz (Quarz hyalin).!) Diese weissen knotigen Schiefer sind im untern Maderanerthal, namentlich in den Umgebungen des Bristenstockes stark verbreitet. Chloritschiefer scheinen im Maderanerthal selten vorzukommen, wohl aber sehr ähnlich aussehende lauch - oder seladongrüne feinkörnige Talkglimmerschiefer, die im Kolben erhitzt, nur wenig Wasser abgeben. Gneisse oder vielmehr gneissähnliche, weisse oder hellgraue Quarzite mit Talk- oder Glimmerblättchen und weissen Orthoklaskrystaillen treten in verschiedenen Theilen des Maderanerthales zu Tage, in grösserer Verbrei- tung auf der Südseite, namentlich in den Umgebungen des Staldenbaches. Wir begegnen diesen hellen Quarzit- sneissen wieder im obern Etzlithal, wo wir ihnen eine nähere Aufmerksamkeit schenken wollen. Chloritgneisse, d.h. gneissartige, mehr oder minder schieferige oder flaserige, grob- bis feinkörnige Gesteine, mit blassgrünem Talk und dunkelgrünem feinkörnigem oder schuppigem Chlorit oder Glimmer finden sich in ein- zelnen Biöcken zahlreich durch das ganze Thal zerstreut und werden in grösserer Verbreitung, mit mannigfaltigen Uebergängen auf der nördlichen Seite des untern Madera- nerthales, in den Umgebungen von Frenschenberg und Bri- sten anstehend gefunden. An einem und demselben Blocke wechsein schiefrige mit grobkörnigen oder gneissartigen Parthien und zahlreiche Adern oder Nester von weissem Quarz, Albit oder Feldspath durchschwärmen nach allen 1) Ohne Zweifel waren sie bereits ursprünglich in den noch unveränderten Schiefern in derselben Anordnung vorhanden. 25* 366 Richtungen das Gestein, dessen Schichten oder Flasern selbst schon, wie gewunden, erscheinen. 4 Eigentliche, wohl ausgebildete, Gneisse, wie sie im Schwarzwald und Erzgebirg auftreten, mit Feldspath, Quarz und Glimmer in regelmässig flaserigem Gefüge, habe ich in meinem ganzen Excursionsgebiet, also auch im Maderaner- thal nirgend gefunden. Auch wahre Granite scheinen im Maderanerthal selbst, wenn wir von den höhern Umgebungen des Ober- alpstockes absehen, aus den wenigen vereinzelten Blöcken zu schliessen, nur sparsam und untergeordnet aufzutreten. Derselbe Mangel macht sich an dem nördlichen und östli- chen Abhang des Bristenstockes fühlbar. Auffallend ist, dass in allen diesen Gesteinen so selten deutliche Oligoklaskrystalle oder triklinische, an der feinen Zwillingsstreifung erkennbare Feldspathe, bemerkt werden. Syenite und Diorite dagegen {reten zu beiden Seiten des Maderanerthales in ansehnlicher Verbreitung auf. Sie mögen der Hornblendezone angehören, die B. Studer schon in seiner Geologie der Schweiz und dann in verschiedenen einzelnen Arbeiten in der ganzen Erstreckung des Ficster- aarhornmassivs, vom Lötschthal über das Finsteraarhorn bis in den Hintergrund des Maderanerthales verfolgt hat. Bald sind es ausgezeichnete Syenite, von mittlerm Kern mit deutlichen glänzenden weissen Orthoklaskrystallen, bald ähnliche oder feinerkörnige Diorite mit einem mattern weissen Feldspath, der Albit oder Oligoklas sein könnte, ' obgleich die charakteristische Zwiilingsstreifung nirgends deutlich sichtbar wird. Bald erscheinen Hornblende und Feldspath gleichmässig und ungefähr zu gleichen Theilen gemengt, bald aber erscheint die Hornblende feinerkörnig in rundliche Nester oder ïängliche vielfach gewundene, schmälere oder breitere Zonen concentrirt, zwischen wel- 367 chen dann ähnliche Felder weissen körnigen Feldpathes laufen. Diese dunkelgrünen Hornblendestreifen in dem schneeweissen körnigen Feldpathgestein geben den grossen, zahlreich am Kerstelenbach, in der untern Hälfte des Tha- les herumliegenden Blöcken, ein eigenthümliches, beim ersten Blick in die Augen fallendes Aussehen. Man wird diese Hornblendenester als locale Ausscheidungen oder Con- centrationen von Amphibolsubstanz betrachten müssen. Ein- gemengte fremde Gesteinsfragmente, die eine Umwandlung zu Hornblendesubstanz erlitten hätten, würden ohne Zweifel einen andern Anblick darbieten. in den gewöhnlichen syenitischen Varietäten werden hie und da körnige Quarz- parthien neben dem Feldspath sichtbar. Kleine braune Titanitkrystalle sind hin und wieder eingewachsen. Hornblendeschiefer und Strahlsteinschiefer erstere dunkelgrün, letztere hellgrün, beide feinkörnig, mit stark verherrschendem Amphibol, kommen gleichfalls hin und wieder in dickschieforigen Blöcken oder Platten vor. Dem Strahlsteinschiefer mengt sieh allenthalben weisser sehr feinfaseriger glänzender Talk bei, der die Zwischen- räume ausfüllt. Dagegen zeigt der dunkeigrüne eigentliche Hornblendeschiefer oder das ähnliche mehr massig auftre- tende Hornblendegestein zahlreiche sehr kleine farblose oder weissliche, Körner eingemengt, die eher wie Quarz, als wie Feldspath aussehen, und auch unter der Loupe keine deutlichen Spaltflächen darbieten. Ausserdem mengt sich ‚diesen dunkelgrünen Hornblendegesteinen, und auch den eigentlichen Syeniten, häufig dunkelgrüner Glimmer bei, der sich so eng an die gleichfarbige Hornblende anschmiegt und nicht selten so stark überhand nimmt, dass man nur mit Mühe Glimmer von Hornblende unterscheiden und letz- tere unter der grünen Glimmerhülle. auffinden kann. Tref- fend hat daher schon Lusser in seiner oben erwähnten Ar- beit diesen Glimmer Hornblendeglimmer genannt. Die 368 Art und Weise des Zusammenvorkommens beider Minera- lien lässt mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen, dass das eine durch Umwandlung aus dem andern, und zwar der !immer aus der Hornblende entstanden sei. Der Glimmer in den verschiedenen Varietäten, erscheint , be- kanntlich als Umwandlungsprodukt einer grossen Anzahl von Mineralien, deren Form noch in deutlich erkennbaren Psendomorphosen erhalten blieb, und gewiss noch öfter nachzuweisen wäre, wenn nicht die Tendenz der meisten Glimmarten sich in grössern Plättchen auszubilden, und selbstständige Krystallgruppen darzustellen, in vielen Fällen die Form des ursprünglic'ien Minerales bis zur Unkennt- lichkeit vermischt hätte. Eigentliche Psendomorphosen von Glimmer nach Hornblende habe ich zwar im Maderanerthal und seinen Umgebungen noch nirgends aufgefunden. Es sind aber solche aus andern Gegenden bereits bekannt, und Blum führt in dem neuesten Nachtrag!) zu seinem trefili- chen Werke über die Pseudomorphosen des Mineralreiches mehrere neue Beispiele auf. Auch habe ich schon vor etwa 10 Jahren, an einer Reihe von Pseudomorphosen aus dem Fassathal die Umwandlung des der Hornblende che- misch so nahe stehenden Augites (Var. Fassait) in Glimmer (Var. Brandisit) beobachtet und in diesen Verhandlungen beschrieben. In gleicher Weise scheint auch der Chlorit, der keine kleine Rolle im Mineralreich spielt, in unserm Excursions- gebiet grösstentheils aus der Zersetzung und Umwand- lung der Hornblende hervorgegangen zu sein.?) Man- 5} Nachtrag III. S. 96. Ferner Nachtrag II. S. 31. 2) Vergleiche Blum Pseudom. S. 167, und Nachtr. II. S. 167. Bei Frenschenberg erscheint der feinkörnige Chlorit in Quarz- adern stengligt abgesondert, ohne Zweifel eine pseudomorphe Bildung. 369 cher grüne Glimmer wird mit Chlorit verwechselt. Wo wir keinen oder nur einen geringen Wassergehalt bei der Erhitzung im Kolben finden, wie das in diesen grünen Ge- steinen nicht selten der Fall ist, haben wir es mit keinem Chlorit zu thun. Auch die Unterscheidung zwischen grü- nem schuppigem Talk und Chlorit, we beide nur als feine Einmengungen in einem Gestein auftreten, ist oft ohne jene Feuerprobe kaum möglich, und wird um so mehr erschwert, als ohne Zweifel in unsern krystallinischen Gebirgen Um- wandlungen des einen Minerales in das andere, wahrschein- lich des Talkes in den Chlorit, nicht selten Platz greifen. Hornblendegneiss nenne ich ein grobflaseriges kno- tiges talkreiches schiefriges Gestein von schmutzig bräun- licher Farbe mit körnigem Quarz, grössern Orthoklaskry- stalien und zahlreicher kleinern Hornblendekrystallen, das sich am Ausgang des Etzlithales in das Maderanerthal auf der östlichen Thalseite in schieferigen Blöcken vorfindet. Der Talk, bereits in etwas zersetztem Zustande, herrscht vor. Die Hornblende ist noch ziemlich frisch. Es sind das räthselhafte Gesteine von metamorphischem Ursprung. Die Mineralien des Maderane:thales und der angren- zenden Thäler, wie Bergkrystall, Adular, Albit u. a. finden sich in den Spalten und Klüfien der verschiedenen schie- ferigen, und besonders der quarzit- und gneissartigen, Ge- steine in schönen Krystallen ausgeschieden. Jedoch die reichsten Fundstätten mannigfaltiger und wohl ausgebildeter krystallischer Mineralien scheinen, meinen Erfahrungen zu- folge, an das Auftreten der Diorite und Syenite gebun- den zu sein, aus deren theilweiser Zersetzung und Aus- langung jene Mineralien in den Spalten des Gesteines aus wässerigen Lösungen wieder krystallinisch ausgeschie- den wurden. Demnach wären die Albit- und Adularkry- stalle das Auslaugungsprodukt des feldspathigen Gemeng- theiles, die so zahlreich auftretenden Chloritwürmehen (der 370 s. g. Helminth) und die Amianthnadeln das Auslangungs- produkt des amphibolen Gemengtheiles der Syenite und Diorite oder anderer Hornblendegesteine.!) Inse weit eine wirkliche Zersetzung dieser Gesteine durch kohlen- säurehaltige Gewässer stattfand, wurde die hiedurch ausgeschiedene?Kieselsäure des Feldspathes und der Horn- blende in der Form von Bergkrystallen, die kohlensaure Kalkerde in diejenigen von Kalkspathkrystallen in den Klüften abgelagert, die Talkerde theilweise zur Chloritbil- dung, die Alkalien zur Glimmerbildung verwendet. Aehn- liche Zersetzungsprocesse fanden auch in den Schiefern Gneissen und Graniten statt. Es ist klar, dass der Umwandlungsprocess, welchen die krystallinischen Gesteine durchgemacht haben und noch fortwährend durchmachen: die Wegführung einzelner Be- standtheile, die Umbildung schon vorhandener und das Hin- zutreten neuer, auf denselben Vorgängen beruht, welche die Ausscheidung der verschiedenen Mineralien in krystalli- schem Zustand in den Klüften veranlasst haben. Das an- liegende Gestein zeigt auch häufig alle Merkmale einer stark fortgeschrittenen Zusetzung und wenn sich auch die Kry- stalle bisweilen an noch ziemlich frischem Gestein abgelagert haben, so werden wir in nicht gar weiter Entfernung zer- setzte Massen finden, welche den Stoff zu den Ablagerungen in den Klüften des unzersetzten Gesteines geliefert haben. 1) Die in den Klüften abgesetzten Krystalldrusen bilden in den Spalten des umgebenden Gesteins selbsständige Ablage- rungen und nicht etwa die unmittelbare Fortsetzung der gleichartigen Mineralien des Nebengesteines, die hier, iu den Klüften zur freien Ausbildung ihrer Krystallformen gelangt wären. Letzteres mag auch vorkommen, jedoch in unserm Gebiet nur ausnahmsweise. Die Krystalldrusen setzen in der Regel scharf am Nebengestein ab. 371 Die Mineralien des Maderanerthales sind schon seit Jahren den Sammlern wegen ihrer Schönheit und Man- nigfaltigkeit bekannt. Insbesondere ist es der Bergkrystall, der sich durch seine Reinheit und Klarheit auszeichnet. Es genügt hier, die bekanntesten bloss zu nennen. Ausführ- lichere Beschreibungen haben schon die Herren Lusser und Lardy, und später, bei wiederholten Anlässen, die Herren Studer, Wiser, Volger, G. vom Rath und Andere gegeben.'; Neben dem Bergkrystall treten Adular, Chlorit und Amianth am häufigsten auf. Albit ist schon seltener. Noch seltener Brookit, Anatas, Titanit, Epidot; ferner Stilbit, Laumontit und Chabasit, welche drei im Etzlithale vorkommen. Der Bergkrystall erscheint in mannigfaltigen Formen u:d Com- binationen, bald farblos, bald als Rauchtepas. Die schiefen hemiedrischen Abstumpfangsflächen, die zu trigonalen und hexagonalen Trapezedern führen, fehlen selten. Merkwürdig sind die oft mehrmals in einander geschachtelten, und nur durch einen feinen Chloritüberzug sichtbaren Einschlüsse von Bergkrystall in Bergkrystall, ebenso die Einschlüsse von haarfeinem Amianth in demselben, welche auf das über- zeugendste einer wässerigen Bildung dieser Mineralien das Wort reden, wenn es noch irgend eines Beweises bedürfte. Auch die dünnen, basisch ausgebildeten, Kalkspathtafeln, welche die Bergkrystalle oft quer durchschneiden, liefern sprechende Belege für unsere Ansicht, die übrigens wenige ernstliche Gegner mehr finden wird. Selbst die Bildung der Rutile, Brookite und Anatase aus dampfförmigen Ver- bindungen (mit Finor) ist nech nicht über allen Zweifel 1) Unter den Mineralogen war ich einer der ersten, oder der erste, welcher vor etwa 10—12 Jahren die genannten Mine- ralien an ihren ursprünglichen Lagerstätten im anstehenden Gestein, im Maderanerthal, und zwar oberhalb Griesern, in an- sehnlicher Höhe, beobachtet und gesammelt hat. 372 erhaben, wenn gleich sie auf einem solchen trockenen Wege künstlich dargestellt worden sind. Manche Drusen von Bergkrystall, Adular, Albit und Kalkspath sind von Chloritwürmehen (Helminth) dicht überstreut. Auf einer solchen in meinen Besitz gelangten Druse finden sich in un- mittelbarer Nähe Kryställchen von Brookit und von Anatas aufgeflogen, ja an einer Stelie sitzen die Anataskrystalle direct auf den Brookittafeln auf, ein Vorkommen, das schon vor mehrern Jahren mein werther Freund, Herrn Dr.D.F. Wiser, in Zürich, der Besitzer der reichhaltigsten Samm- lung alpinischer Mineralien, beschrieben hat. Erze, ausser Magneteisenstein und Eisenoolith, und ausser Eisenkies, das in kleinen Krystallen häufig in den krystallinischen Schiefern eingewachsen vorkommt, scheinen in unserm Gebiete nirgends in bemerkenswerther Menge aufzutreten. Es wird das Vorkommen von Kupferkies an- gegeben, das ich aber nirgends zu sehen bekam, wohl aber Bleiglanz in ziemlich ansehnlichen grobspäthigen Einla- gerungen in einem weisslichen Thon- oder Talkschiefer, der auf der Breitlauene am nördlichen Abhang des Eristen- stockes, eine kleine Stunde ob Bristen, bricht. Ein noch mit der Kuppel aus dem Boden ragender alter Schmelzofen im untern Maderanerthal, am Kerstelenbach, zeigt, dass das Eisenerz in frühern Zeiten hier verschmolzen wurde. Steinkohlen fehlen zwar auch nicht ganz, sind aber nirgends in bauwürdiger Menge in unserm Revier aufge- funden worden. Etwa zwei kleine Stunden oberhalb Bri- sten, am mittlern nordöstlichen Abhang des Bristenstockes, ‘tritt ein schwaches Anthrazitlager zu Tage, eingelagert in weissen und grauen Thon- oder Talkschiefern, die ein ab- normes Einfallen von bloss etwa 25° gegen Südost zeigen und wahrscheinlich einem grössern losgelösten und abge- rutschten Gebirgsstück angehören. Der Anthrazit ist unrein, körnig, mit glänzenden Rutschflächen. Es ist diess dasselbe 373 Lager, von welchem in den Schweizerzeitungen vor einigen Jahren viel Aufhebens gemacht worden war. Jetzt ist es grösstentheils werschüttet. Die das Lager zunächst umge- benden Schiefer sind dunkelgrau bis schwarz, reich an Kohle, gleich darauf folgen hellgraue glänzende faltige Thonschiefer, die in weiss und grau gefleckte und bald in ganz weisse glänzende Schiefer übergehen. Spuren von Pflanzenresten konnte ich nirgends finden, so dass sich über das Alter dieser Kohlenschichten vorläufig nichts bestimmen lässt. Wir dürfen wohl aber einen Repräsentanten der Steinkohlenfermation darin vermuthen und zwar, wenn wir die mächtigen Schieferumgebungen mit ihren Hornblende- gesteinen in Betracht ziehen, eher die untere Abtheilung welche der Pflanzengrauwacke entspricht und andernorts den devonischen Schiefern zunächst liegt. Die Hauptmasse unserer oben beschriebenen krystallinischen Schiefer mit den devorischen des mittlern Europas zu parallelisiren, möchte trotz der oft auffallenden mineralogischen Ueber- einstimmung und, trotz der Verwandtschaft zwischen unsern Hornblendgesteinen und den devenischen Grünsteinen in Frankreich und Deutschland, gewagt sein, so lange deut- liche Versteinerungen in unsern Alpen uns zur Bestimmung noch fehlen. Wenn aber auch, wie nicht unwahrscheinlich, die ursprüngliche Ablagerung dieser Schiefer in der devonischen oder ältern carbonischen Periode erfolgte, so ist die krystallinische Umwandlung jedenfalis viel spätern Datums und möchte sich bis in die mittlere Ter- tiärzeit fortgesetzt haben, insofern die Hebung der Kalk- alpen als eine Wirkung der krystallinischen Umbildung und Aufblähung jener ältern Eruptiv- und Sedimentgesteine zu betrachten ist. Im mittlern Etzlithal, wo man von dem Etzliboden ge- gen den Rossboden ansteigt, findet man gleichfalls schwarze kohlenreiche Schiefer, die wahrscheinlich die Nähe eines 374 Anthrazitlagers verrathen oder wenigstens als Aeguivalent eines solchen betrachtet werden können. Auch an der Reuss, etwa eine halbe Stunde oberhalb Amstäg, in der tiefen Kluft, soll ein Anthrazitlager zu Tage treten. Ob diese verschiedenen Stellen einer und derselben Formation oder demselben Schichtencomplex entsprechen, wage ich noch nicht zu unterscheiden. Ungefähr folgen sie derselben Zone. Schwarze und graue Schiefer verdanken wohl in der Regel ihre Färbung kobligen oder bituminôsen Stoffen und mancher Schiefer, den man der grauen Karbe nach für Thonschiefer hält, möchte ein grau oder schwarz ge- färbter Talkschiefer sein.!) Andrerseits aber ist das tal- kig-schuppige Aussehen und die geringere Härte nicht im- mer ein untrügliches Zeichen für einen Talkschiefer, oder überhaupt für ein Talksilieat. Gewisse Thonsilicate wie Pyrophyllit und Pholerit, zeigen ein dem Taik sehr ähn- liches Aussehen, unterscheiden sich aber von diesem durch ihr Verhalten vor dem Löthrohr und ihren Wassergehalt. ?) Eben so schwierig ist oft die Unterscheidung zwischen dichtem Feldspath oder Felsit und dichtem Quarz. Eine nähere Prüfung dieser so häufig in unserm Gebiet in Frage kommenden Felsbestandtheile behalte ich mir für diesen Winter vor. Die vielfachen durch chemische Umwandlung veranlassten Uebergänge des einen Minerales in das andere, ï} Alle diese grauen Thon- und Talkschiefer werden vor dem Löthrohr weiss und schmelzen an Spitzen zu einem farblo- sen, oft blasigem Glase. Manche geben auch, im Kolben er- hitzt, etwas Wasser ab. 2) Wir nennen desshalb vorläufig Talkschüppchen und Talk- schiefer was äusserlich wie Talk aussieht, wovon aber gar Vieles bei genauerer chemischer Untersuchung, wie ich bereits an mehreren Proben erkannt habe, sich als ein talkfreies oder talkarmes Thonsilicat erweisen wird. Genauere Analysen dieser Gesteine wären sehr wünschenswerth. 375 wie des Feisites in talk- oder serpentinähnliche Substan- zen, werden freilich auch diese Prüfung erschweren. Che- mische Analysen sind noch sehr wenige von diesen Ge- steinen vorhanden. Die Neigung der Schichten beträgt sowohl im un- tern, als im obern Maderanerthal, bei Bristen und in der Nähe des Hüfigletschers, auf der rechten Thalseite 50° SSO. Steigen wir aber von dem neuen Hôtel im Balmen- wald, am Ende des Hüfigletschers vorbei, aufwärts, gegen . die Bernhardsmatt, so sehen wir oben die weissen dünnen Talkthonschiefer, da wo sie unter den Kalkbänken des grossen Ruchen bei der Alp Gnoferfirn hervorireten, auf ansehnlicher Erstreckung, so weit überhaupt der Schichten- fall sichtbar ist, mit bloss etwa 25° SSO. einfallen. Es muss demnach hier eine«-Umbiegung der Schichten nach Oben siattfinden, so dass also hier die sonsi regelmässige geradstrahlige Fächerstellung eine Ausnahme erlitte. Auch G. vom Rath macht in der oben erwähnten schönen Arbeit über das Quellengebiet des Rheins auf solche Umbiegungen aufmerksam. Vielleicht dürfen wir diese Umbiegung mit der Last der darauf gelagerten mächtigen Kaikmassen des Ruchi und der Windgelle in Verbindung bringen. Jeden- falls fäilt in unserm Gebiet allenthalben die Fächerstel- lung mit der wirklichen Schichtung zusammen und ist nicht mit regelmässiger Zerklüftung (clivage, an- geblich eine Wirkung des Seitendruckes) zu verwechseln, welche die Richtung der Schichten in mehr oder minder starken Winkeln durchschneidet, Im Gegentheil, wo wir stellenweise eine etwas regelmässige Zerklüftung wahrneh- men, wie an den Granitstöcken des Fellithales, so folgen die Kluftflächen nicht der Richtung der Fächerschichten, sondern nehmen eine dagegen nahezu vertikale Stellung ein. Es ist demnach kein Grund vorhanden, warum nicht die, den wirklichen Schichten, und nicht den Spaltungsklüften 376 entsprechenden Abtheiluugen unseres Fächers lokale Um- biegungen erleiden sollten, wie wir sie andernorts in den Alpen so ausgezeichnet wahrnehmen. Die Kalkmassen des Ruchen und der beiden Windgellen erscheinen zwar in abweichender übergreifender Lagerung den mehr oder minder steil südlich fallenden Schichten der krystallinischen Gesteine aufgesetzt. Ich möchte jedoch nicht daraus schliessen, dass erstere wirklich auf die be- reits früher steil gestellten krystallinischen Schiefer, über die Schichtenköpfe übergreifend, abgelagert worden seien. Eine gleichzeitige gewaltsame Aufrichtung sowohl der ältern krystallinischen, als der jüngern früher concor- dant gelagerten, juranischen Formationen, und eine damit begleitete Ueberschiebung der letztern über erstere, als Folge des Seitendruckes der emporsteigenden krystalli- nischen Centralmassen, dürfte um so eher anzunehmen sein als wir die fernern Wirkungen dieses Seitendruckes an den vielfach gebogenen Kalkschichten zu beiden Seiten des Urnersees wahrnehmen und ähnliche gewaltsame Störungen im Schichtenbau des Kalkgebirges auf der ganzen Nord- flanke des Finsteraahornmassivs, am grossartigsten im Ber- ner Oberland, verfolgen können. Auch A. Favre spricht sich in der Erklärung seiner geognostischen Karte von Sa- voien dahin aus, dass sämmtliche krystallinischen und sedi- mentären Schichten am Montblanc einer und derselben Er- hebung ihre jetzige Stellung verdanken. Das hindert nicht, dass die Hebung eine lange Zeit gedauert haben mag und nur ruckweise schneller fortgeschritten ist. Die Beziehungen der Horublendegesteine zu den kry- stallinischen Schiefern des Maderanerthales vermochte ich noch nicht zu ermitteln, indem ich bisher keine genügend aufgeschlossene Stellen des Gebirges gefunden habe. Es bleibt das spätern Excurssionen vorbehalten. 377 B. Das Etzlithal. Das Etzlithal ist ein Seitenthal des Maderanerthales und zweigt sich unweit oberhalb Bristen gegen Süden von jenem ab, indem es, im Gegensatz zu jenem, die Schichten des grossen Fächers in nord-südlicher Richtung quer durchschneidet. Die regelmässige Fächerstellung des Ge- birges wird hiedurch deutlich erkennbar. Im untern Etzli- thal, bei Herrelimi, fallen die Schichten ca. 60 °, im mittiern, am Rossbodenfall, 70°, und im obersten Theile 75° Süd- Süd-Ost ein. Wie aus dem Reussthal, von Amstäg nach Bristen, so führt eine ziemlich hohe und steile Stufe aus dem Ma- deranerthal in das Etzlithal, !) und weiter oben folgen noch zwei ansehnliche Staffeln, wovon die eine auf den Ross- boden, die andere (der Gulmenstutz) in den Hintergrund des Thales führt, aus dem man ostwärts, über einen dritten „Stutz“ in das Kreuzthal und zum Kreuzlipass gelangt. Der Etzlibach bildet über diese Staffeln hinunter hübsche Wasserfälle, am ansehnlichsten ist der unterste, der ins Maderanerthal stürzt. Wir finden im Etzlithal nahezu dieselben Gesteine, wie im Maderanerthal, wesshalb eine nochmalige Beschreibung unterbleiben kann. Es genügt, auf das Abweichende auf- merksam zu machen. Natürlich tritt uns der vielfältige Ge- _*#) Die so häufig in den Alpen wiederkehrenden steilen Abstürze beim Eingang vom Hauptthal in eines der Nebenthäler, wie im Reussthal und wiederum im Maderanerthal, sind wohl nicht blos einer ursprünglich tiefern Spaltung des Hauptthals, son- dern namentlich auch der stärkern Erosion durch die Glet- scher und die Gewässer zu zuschreiben, die im Hauptthal zu- sammenströmen. 378 ve steinswechsel hier noch deutlicher entgegen. im untern Etzlithal herrschen, wie im Maderanerthal mehr die weissen, grauen und grünen Schiefer, im obern, oberhalb des Etzli- bodens mehr die gröber geschichteten Quarzite und Gneisse vor, und gehen allmählig in feldspathreiche gra- nitartige Gesteine über, jedoch unter steter Wechsel- lagerung mit dünnschiefrigen Gesteinen, mit Thon-, Talk-, Chlorit- und Glimmerschiefern, welche scharf ge- gen die gneiss- und granitartigen Gesieine abge- grenzt sind. An einem und demselben Block oder selbst an demselben Handstück können wir einen granitartigen Gneiss oder Quarzit scharf an einem Talk- oder Glimmer- schiefer absetzen sehen, ohne dass an den Berührungssteilen ein allmäliger Uebergang von dem einen Gestein in das an- dere stattfände. Ebenso kommen wenig veränderte dichte Thenschiefer noch in der Nähe stark krystallinischer Schie- fer oder gneissartiger Gesteine vor. Man findet noch im Etzlithal in einzelnen Stücken rothbraune eisenschüssige Sandsteine mit eingemengten Flasern von grauem Thon- schiefer, welche den rheinischen Grauwackeschiefern zum Verwechseln ähnlich sehen und kleine Hohleindrücke, wie von Encrinitengliedern, darbieten. 1) Die Vermuthung liegt daher nahe, dsss diese fast unveränderten, wie auch die metamorphosirten, Schiefer und Sandsteine grösstentheils zur Devonformation gehören möchten, wie ich schon oben anfübrte. Wir haben hier denselben Wechsel von: dünnen ‘; Auch in den krystallinischen Schiefern zeigen sich hie und da ‚kleine Hohlräume, die vielleicht von organischen Resten, in der Regel aber von zerstörten Eisenkiesparthien, herrühren mö- gen. Der Schwefel des Eisenkieses ist ohne Zweifel organi- schen Ursprungs, ebenso die graue Färbung des Talkes und Glimmers der Talk- und Thonschiefer, so wie der Quarzitgneisse, in denen hie und da selbst der Orthoklas grau gefärbt erscheint. 379 schiefrigen Schichten mit dickern Bänken, wie wir ihn in den devonischen Ablagerungen der deutschen Rheingegenden und in den jurassischen Formationen unseres Juragebirges allenthalben vor uns sehen. Der Habitus des ganzen Schichtencomplexes ist noch derselbe geblieben, wie er im frühern, unveränderten Zustande war, nur die einzelnen Mineralbestandtheile dieser Gesteine haben eine chemische Umwandlung, durch Ausscheidung, Zutritt oder Austausch von Stoffen erlitten, ganz in derselben Weise, wie diess, nur genauer nachweisbar, an den einzelnen Kry- stallen bei ihrer Umwandlung zu Pseudomorphosen satt- gefunden hat. Wir dürfen annehmen, dass dieselben Um- wandlungsprocesse, welche hier einzelne Krystallc ergriffen, dort ganze Felsmassen, die ja nur Aggegrate von Krystallen sind, in gleicher Weise, mit Bebehaltung ihres ursprüng- lichen Habitus, metamorphosirt haben. Der bestimmte Schichtenwechsel unserer jetzigen krystallinischen Gesteine erscheint hiemit als eine wahre Pseudomorphose nach dem frühern rein sedimentären Schichtencomplex, der bei der chemischen Umwandlung seinen Habitus unverändert beibehalten hat. Im Allgemeinen können wir demnach sagen, dass ur- sprünglich dünnschiefrige Ablagerungen bei ihrer krystal- linischen Umwandlung schiefrig geblieben sind, und ebenso dickere Bänke mehr massigen Gesteines diesen Habitus gleichfalls beibehalten haben, und dass wir jetzt noch zwi- schen beiderlei Gesteinen ebenso scharfe Grenzen finden, wie in den unveränderten sedimentären Schichten. Die jetzt noch vielverbreitete Vorstellung von der fächerförmigen Structur unserer krystallinischen Central- massivs mit zwei Seitenflanken von rein sedimentären Schiefern, die ganz allmählig nach dem Centrum zu in Thonschiefer, Glimmerschiefer,. Gneiss und zuletzt in einen rein granitischen Centralkern übergehen, entsprechend den 26 380 bekannten Montblancprofilen, muss also wenigstens für den hier in Frage stehenden Theil des Finsteraarhornmassivs und wohl für diese ganze Centralmasse modificirt wer- den. Die schon von Lusser und Lardy veröffentlichten Profile zeigen einen mehrfachen Wechsel granitischer und schiefriger Gesteine und entsprechen viel besser dem wirklichen Sachverhalt. Dennoch lässt sich nicht läugnen, dass im Alison je mehr wir, von Norden nach Süden fortschreitend, uns dem Centrum des grossen Fächers nähern, die gneiss- und granitartigen Gesteine, freilich mit mehrfachen Unter- brechungen durch schiefrige, überhand nehmen und die Schiefer zurücktreten. Es zeigt sich diess schön, wenn wir aus der Schieferregion des untersten Etzlithales mitten durch die grobgeschichteten mächtig auftretenden, gneiss- artigen Quarzite, zum Rossboden aufsteigen und uns dem Kreuzthal nähern, wo die Quarzite in förmliche Gneisse und Granite übergehen. Hier sind die Uebergänge von Quarzit in Granit ganz allmählige und lassen sich an der- selben Gruppe gleichartiger Blöcke, die offenbar demselben Stock angehörten, oder gar an einem und demselben Block wahrnehmeu. Erst haben wir schneeweisse feinkörnige reine Quarzite, dann kommen wir zu solchen, die hie und da ein Talk- oder Glimmerschüppchen oder ein glänzendes weisses Orthoklaskryställchen aufnehmen. Weiter oben im Thal nehmen Talk und Glimmer, dieser weisslich, jener sraulich oder bräunlich, mehr zu und stellen sich parallel, . wodurch das Gestein bereits ein gneissartiges Ansehen ge- winnt. Noch weiter oben im Kreuzthal selbst und beim Kreuz, auf der Passhöhe und im ersten Hinabsteigen gegen das Strimthal, nimmt der Glimmer an Grösse und Menge der Blättchen zu, ebenso werden die Orthoklaskrystalle grösser und zahlreicher, das Gestein wird ganz granitartig, wobei nicht selten der Orthoklas gegenüber den andern 381 Bestandtheilen überwiegt. Der Talk scheint hier ganz oder grôsstentheils durch den Glimmer ersetzt, während er in den Gneissquarziten des obern Etzlithales, vom Rossboden an, grossentheils durch den reichlich auftretenden fein- schuppig-faserigen glänzenden grauer, oder bräunlichen Talk vertreten ist. Es unterliegt keinem Zweifel, dass alle diese Varietäten des Gneisses und Granites aus einem und demselben Quarzit hervorgegangen sind, der seinerseits selbst nur ein etwas veränderter Quarz- sandsiein ist. in der That ist auch das gemeinsame Band, das alle diese Gesteine verbindet, der feinkörnige glasglän- zende, weisse oder weisslichgraue durchscheinende Quarz, der sich als charakteristischer Gemeng- theil überall einstellt, in den Quarziten und Gneissquar- ziten die Hauptmasse bildet, aber auch in den am meisten granitisch umgewandelten Varietäten noch immer deutlich zu erkennen ist. Es ist diess derselbe feinkörnige glän- zende Quarzit, den wir in dünnen Straten oder Flasern, | oder in knofigen Anschwellungen allenthalben in den krystal- linischen Schiefern des Maderaner- und Etzlithaies verfol- gen können. Wo also, wie hier im obern Etzlithal und Kreuzthal, der graue, nichtkörnige, sondern glasartige Quarz der gewöhnlichen Granite und Gneisse, durch diesen fein- körnigen weissen ersetzt ist, was sich ausser: den Massivs des Finsteraarhorns und des St. Gotthards auch in andern alpinischen Centralmassen finden möchte, dürfen wir durch Umwandlung aus Sandsteinen und Quar- ziten entstandene granitische Gesteine darin vermuthen. Der körnige Quarz war bereits, als Hauptmasse des Quarzites vorhanden, Orthoklas, Glimmer und Talk wur- den durch Infiltration aus entsprechenden Lösungen in das poröse Gestein eingeführt und krystallinisch darin ausge- 26* 382 schieden, wie wir ähnliche durch infiltration z. B. eisen- oder manganhaltiger Lösungen entstandene Einmengungen auch in unsern sedimentären Gebirgen finden. Man könnte vermuthen, dass die Glimmer- und Talkblättchen aus der Umwandlung eines thonigen oder talkerdehaltigen Cementes der ehemaligen Sandsieine hervorgegangen seien, was aber, der mikroskopischen Untersuchung zufolge, nicht wahr- scheinlich ist. Neben Glimmer, Talk und Orthoklas, wurde wohl auch Kieselerde in gelöstem Zustande durch Infl- tration eingeführt und dann neben dem schon vorhande- nen feinkörnigen Quarz in grösseren glasartigen Par- thien ausgeschieden, wie wir solche hin und wieder in diesen Gesteinen antreffen. Dieser graue durchscheinende Quarz gleicht dann demjenigen der gewöhnlichen Granite. Es wäre wünschenswerth, wenn wir in dem Auftreten eines solchen charakteristischen Gemengtheiles, wie der feinkörnige (Quarz, ein zuverlässiges Merkmal fänden, um metamorphische, aus sedimentären Gesteinen her- vorgegangene Granite oder Gneisse, von eruptiven oder s. g. primären, überhaupt zu unterscheiden. Weitere Er- fahrungen werden lehren, ob diesem Merkmal wirklich allgemeinere Geltung zukommt. Mein Zweck war bloss, die Aufmerksamkeit anderer Beobachter, denen ein grösseres Forschungsgebiet zur Verfügung steht, auf diesen Punkt zu richten. Wirklich primäre, d. h. unveränderte, Granite oder Gneisse giebt es wohl gar keine mehr. Hingegen sollte über den eruptiven oder sedimentären Ursprung ge- wisser Granite ins Klare zu kemmen sein. Grobkörnige Sandsteine oder Conglomerate, die eine granitische Umwandlung erlitten hätten, habe ich noch nir- gends in ıneinem Excursionsgebiete angetrofen. Wenn solche vorkommen, so werden sie nur sehr untergeordnet auftreten. Die Structur der schieferigen Gesteine ist zwar durch 1 383 den chemischen Metamorphismus nie gänzlich umgewandelt worden, ie der Weise, dass aus einem Schiefer ein eigent- - licher Gneiss oder Granit durch fortgeschrittene Umwand- lung hervorgegangen wäre. Kieinere Veränderungen der Structur haben jedoch öfter stattgefunden, in der Weise, dass durch das Anwachsen von Quarzit- oder Felsitknoten oder von Orthoklaskörnern, die erst aus eingedrungenen Lösungen sich krystallinisch ausgeschieden oder um irgend einen schon vorhandenen Kern angelagert hatten, das ur- sprünglich glattschiefrige Gestein ein grobflaseriges kno- tiges Aussehen erhält, wobei die Talk- und Glimmerflasern sich wellig um die Knoten oder Krystalle herumbiegen und dem Gestein das Ansehen eines Augengneisses ver- leihen. Diese knotigen, grobflaserigen Talk- oder Glimmer- schiefer mit gneissartigem Aussehen treten im Maderaner- und Etzlithal in grosser Verbreitung auf, lassen sich aber leicht von Quarzitgneissen oder wirklichen Gneissen un- terscheiden, indem die Talk- und Glimmerblätichen zu- sammenhängende Schichten bilden. Statt der feinen Zwischenstraten von körnigem Quarz, oder neben den- selben, finden wir nicht selten die schon oben erwähnten dünnen Streifen oder Knoten von dichtem splittrigem Quarz oder von Felsit, die so häufig in ein ähnliches dichtes splittriges, talkartiges Mineral übergehen. Ueberdiess fin- den wir sowohl in diesen knotigen Talk- und Glimmer- schiefern, als in den glatten krystailinischen Schiefern einzelne grössere runde Quarzkörner, von grauer Farbe und muscheligem stark glasglänzenden Bruch, zahl- reich eingestreut, dieselben, die wir in ganz gleicher Weise schon in den wenig umgewandelten Thon- und Anthrazit- schiefern antreffen. Ohne Zweifel haben diese schon ur- sprünglich eingelagerten Quarzkörner bei der allgemeinen chemisch-krystallinischen Umwandlung ihres sedimentären 384 Muttergesteins so viel wie keine Veränderung erlitten; sie sind geblieben, wo und wie sie waren, die dünnen blatt- ähnlichen Schichten setzen an ihnen ah, während die Or- thoklas- und Felsitknoten, die erst später durch krystalli- nische Ausscheidung eingedrungen und angewachsen sind, die angrenzenden Talk- und Glimmerlamellen nach oben und unten zurückbogen und dadurch eine wellige Structur auf dem Querbruch darbieten. Wir können also auch in diesen krystallinischen Schiefern, wie in den grobge- schichteten Quarziten und Gneissen, zweierlei Quarze unterscheiden, einen ältern feinkörnigen, oder in einzelnen grössern Körnern abgelsgerten, und einen jüngern dichten oder glaäsigen, der auf nassem Wege mit Felsitsubstanz später eingedrungen ist. Weitere Umwandiungen des körnigen Quarzes, z.B. zu Talk, konnte ich nicht bemerken. Die Talk- und Glimmerstraten setzen sewöhnlich scharf an dem körnigen Quarz ab. Eigentliche Gneisse und Granite scheinen auch im Etzlithal, nach den einzelnen Blöcken zu schliessen, nur vereinzelt und untergeordnet aufzutreten. Neben weis- sem Orthoklas, grauem glasigem Quarz und blassgrünem feinschurpigen Talk findet sich gewöhnlich aueh dunkel- grüner oder schwarzer feinkörnig-blättriger Glim- mer, der dem Talk anliegt, ziemlich spärlich eingestrent. Diese Gesteine mögen zum Theil von den benachbarten Höhen des Oberalpstockes und der Weitenalp stammen. Neben den gewöhnlichen Talkschiefern finden sich auch im mittlern Etzlithal, so im Sellenen-Tobel am Fuss des Oberalpstockes und am obern Ende des Stzlibodens, wo man gegen den Rossboden ansteigt, Einlagerungen von eigentlichen Topfsteinen, grünlich- oder bräunlich-grau, die zu sehr daxwerhaften Siubenöfen verwendet werden. Andere sind grün, lauch- bis dunkelgrün, dicht, mit splitt- rigem Bruche und sehen gewissen Serpentin- oder 389 Antigoritschiefern täuschend ähnlich. im Kolben erhitzt gab jedoch einer dieser serpentinähnlichen Schiefer nur wenig Wasser, während der Serpentin 13°/, enthält. Auch schmolz das Mineral an Spitzen ziemlich leicht zu dunkelm Glase, während der Serpentin ganz unschmelzbar ist. Auf das äussere mineralogische Aussehen darf man nicht zu viel Werth legen, wie wir schon oben an grünen Schiefern gesehen haben, die man leicht für Chloritschiefer gehalten hätte. Ueber die Umwandlung der noch unveränderten Thon- und Mergelschiefer zu Taik- und Glimmerschiefern wage ich keine weitere Vermuthung, so lange wir das ursprüngliche Gestein nicht näher kennen. Nur soviel sei bemerkt, dass Talk- und Glimmerschüppchen bald verein- zeit, balë in zusammenhängenden Veberzügen sich nicht blos in der Richtung der eigentlichen Schichten, sondern nach den verschiedensten Richtungen, wo irgend eine feine Kluft bestand, angesiedelt haben, ganz in der Weise, wie wir diess auch an den Quarziigneissen sehen. Alie Klüfte sind mit einer Talkhaut überzogen, die wohl nur auf nas- sem Wege, aus Lösungen, sich abgesetzt hat. Die Hauptmasse der Talk- und Glimmerstraten kann jedoch nur durch Umwandlung der frühern, vorherrschend thonigen, Straten unter Zuiritt neuer Substanzen, namentlich der Alkalion und der Talkerde, auf nassem Wege hervorge- sangen sein. Dasselbe gilt natürlich auch von den aus Sandsteinen und Kalksteinen hervorgegangenen Quarziten, gneissartigen oder granitartigen Gesteinen, die nur auf nassem Wege, durch Abführung bisheriger Bestandtheile und Hinzutreten neuer, nach chemischer Anziehung, ihre allmählige Umwandlung zu den jetzigen krystallinischen Gesteinen erlitten haben. — Eine krystallinische Umwand- lung früherer rein sedimentärer Gesteine durch blosse Erwärmung, ohne Zutritt neuer Stoffe, lässt sich nur 386 in seltenen Fällen annehmen, nur in denen, wo das ur- sprüngliche sedimentäre und das umgewandelte krystalli- nische Gestein wirklich dieselbe chemische Zusammensetzung zeigen; aber selbst die Umwandlung des dichten Kalksteins in körnigen Marmor auf heissem trocknem Wege ist noch nicht völlig bewiesen. Dass die Talkerde, sowie die Alkalien, Kali und Natron, bald an Kohlensäure, bald an Kieselerde gebun- den und in den diese Gesteine durchdringenden Gewässern gelöst, bei diesen Umwandlungen eine grosse Rolle spielten, kann nicht bezweifelt werden !), Der nähere Verlauf dieses Umwandlungprocesses wird sich an der Hand der Analyse und mit Vergleichung der Pseudomor- phosen allmählig aufklären. Das Eisen wirkte alienthalben, wenn auch mehr untergeordnet, mit. Die Alkalien lieferten den Stoff zur Feldspath- und Glimmerbildung, die gelöste Talkerde veranlasste die Umwandlungen in Ta!k, Topfstein, Serpentiu und Chlorit ?} Die durch die Gewässer in Cir- culation gesezten Stoffe sind selbst wieder aus der Zer- setzung anderer krystallinischen Gesteine, sedimentärer und eruptiver hervorgegangen, die ihrerseits selbst früher 1) Auch Thonerde ist ohne Zweifel in diesen alkalischen Ge- wässern mit in Lösung getreten, und hat sich bei der Neu- bildung der Talke, Glimmer und Feldspathe betheiligt. 7) Wir dürfen wohl annehmen, dass hie und da Feldspath qua Feldspath, Hornblende qua Hornblende aus den in Zersetzung befindlichen Graniten und Syeniten aufgelöst und andernorts in Klüften wieder abgesetzt wurden. In der Regel aber mochten bei der Zersetzung jener Felsarten nicht ihre Mine- ralien selbst, sondern deren nähere Bestandtheile, die Alkalien, die Thon-, Talk- und Kalkerde, so wie die Kie- selerde und das Eisenoxydul in Lösung gegangen sein und sich erst hier begegnet und zu neuen Combinationen verbunden haben. 387 eine Umwandlung erlitten haben. Doch dürfen wir zu- nächst an die Gneisse, Granite, Syenite, Diorite und ähn- liche Gesteine von wahrscheinlich eruptivem Ursprung denken, deren Zersetzung das Hauptmaterial zur Umwand- unserer krystallinischen Schiefer geliefert hat. -- Das sang- und stockförmige Auftreten der Granite im Fellithal und der Hornblendegesteine im Etzli- und Maderanerthal scheint für diese Ansicht eines eruptiven Ursprungs zu sprechen. Allenthalben sind sie gangförmig zwischen die steil aufgerichteten Schiefer in der Richtung der Schichten eingedrungen und haben in dem Maasse, als sie selbst der Zersetzung unterlagen, durch den Austritt der einzelnen Bestandtheile, namentlich der bereits genannten, der Alka- lien, der Thon-, Talk- und Kalkerde, des Eisen- und Manganoxyduls und der Kieselerde, die Umwandiung der benachbarten geschichteten und steil aufgerichteten Ge- steine bewirkt. Ein grosser Theil der Thonerde bleibt dann an Kieselerde und Wasser gebunden, im Zustande eines Kaolins, als Caput mortuum in jenen zersetzten Gestei- nen zurück, wenn sie nicht mechanisch durch die Gewässer fortgespült wird. Auch von diesen Zersetzungen finden wir im Maderaner- und Etzlithal zahlreiche Beispiele. Hornblendegesteine, namentlich Syenite und Dio- rite, aber auch Hornblende- und Strahlsteinschiefer treten sowohl im untern, als im obern Etzlithal, und noch im Kreuztha! inmitten der granitischen Gesteine an verschie- denen Stellen zu Tage. Sie sind schon oben, beim Ma- deranerthal, beschrieben worden. Ich erinnere hier nur an die gleichfalls erwähnten seltsamen, graulichen oder bräunlichen Talkschiefer, mit eingewachsenen dunkelgrünen Hornblendekryställchen, des untern Etzlithales, “ie wohl derselben Zone angehören. Wir sehen auch hier, dass der in den Klüften ausgeschiedene Amianth und wurm- förmige Chlorit augenscheinlich aus der Avflösung der Horn- 388 blende hervorgegangen ist. Der oberste Hintergrund des Etzlithales biegt nach Osten in das Kreuzthal, nach Westen in das wilde Thai der Spiellaui um, wo sich auf den von Chlorit reich überstreuten Adulardrusen die schönsten Ti- tanitzwillinge angesiedelt haben. Grüne körnige Schiefer im obern Eizlithal und Kreuzthai, die man für Chlorit- schiefer halten könnte, scheinen bei mikroskspischer Un- tersuchung, aus kleinen hellgrünen Strahlsteinsäulchen zu- sammengesetzt zu sein, zwischen denen farblose Körner oder undeutliche Krystalle eingestreut liegen, die eher dem. Quarz, als einem Orthoklas gleichen, indem keine deutli- chen Spaltflächen sichthar sind. Könnte jedoch auch Albit, oder Oligoklas sein. In den gewöhnlichen gneissartigen Schiefern ist neben dem Orthoklas Oligsklas selten mit Sicherheit zu erkennen. C. Das Fellithal. Wie das Etzlithal, so bildet auch das Fellithal, das sich etwa eine Stunde oberhalb Amstäg vom Reussthal abzweigt, eine in noräsüdlicher Richtung laufende Quer- spalte, wodurch die fächerförmige Schichtensteliung unseres krystallinischen Massives gleichfalls schön zu Tage trittt: Wir finden hier denselben Wechsel von krystallinischen Schiefern, Quarziien und Gneissen, wie im Etzlithai. Während aber der Granit im Etzlithal nur sparsam und untergeordnet in einzelnen Blöcken auftritt, und granit- ‘artige Gesteine erst im obersten Etzlithal und Kreuzthal in grössern Massen überhand nehmen, finden wir ansehn- liche Stöcke eines wahren grobkörnigen Granites schon im untern und mitilern Fellithal zwischen die krystallinischen Schiefer in mehrmaligem Wechsel eingelagert. Die Blöcke treffen wir schon 389 zahireich beim ersten Aufsteigen über die hohe und steile Stufe, die auch hier vom Hauptthal in das Seitenthal führt. Sowie wir auf der ersten Staffel, bei den Fellihäusern, angelangt sind, sehen wir den Granit zur Rechten in grossen Felsmassen anstehen. An der Staffel selbst tritt ein dünn- schiefriger grauer dichter Quarzit mit splittrigem Bruche zu Tage, der mit 72° südsüdôstlich einfällt, also entsprechend dem Einfallen der in der gleichen Zone, in östlicher Fortsetzung, liegenden Schiefer des Etzlithales. Weiter eben im Fellithal finden wir ein Einfallen der Schiefer und Gmeisse von 75° südsüdöstlich Im untern Thale begegnen wir zahlreichen Blöcken weisser fein- körniger Quarzite, von dickschiefriger Absonderung, denen sich oft Talk- oder Glimmerschüpzchen, sowie weisse Orthoklaskôrnchen beigesellen und se den Uebergang zu Quarzitgneissen vermitteln. Die feinkörnigen und dichten Quarzite sind nur spurweise an feinen Spitzen vor dem Löthro&r anschmelzbar, und scheinen demnach, ausser der Quarzsubstanz, wenig andere Bestandtheile zu enthalten. Doch verrathen sie noch immer einen Katrongehalt durch die gelbe Färbung der Lôthrohrflamme. Sie können dem- nach nicht als Felsitschiefer betracktet werden, wie andere ähnlich aussehende Gesteine des Etzli- und Fellithales, die an Spitzen leichter zu einem farblosen blasigen Glase schmelzbar sind. Die sogenannten Talk- und Thonschiefer zeigen in den dünnen kieseligen oder felsitischen Zwischen- straten in der Regel eine ebenso schwere Schmelzbarkeit, wie die Quarzite. Die steckförmig in den Schiefern auftretenden Gra- nite des Fellithales sind grobkörnig und qualiäiziren sich als wahre Granite, wie wir sie im s. g. Ürgebirge anderer Länder, in Frankreich, Deutschland und England kennen. Der Orthoklas ist weiss, bisweilen in ziemlich deutlich begrenzten grösseren Krystallen porphyrartig ausgeschieden. 390 5 Der Quarz ist nicht feinkörnig, wie in den unzweifelhaft aus Quarziten durch Metamorphismus hervorgegasgenen Graniten des Btzli- und Kreuzthales, sondern glasig, sraulich mit starkglänzendem muscheligem Bruch, durch- scheinend und in unregelmässig abgegränzten Parthien den übrigen Bestandtheilen dess Granites gleichförmig beige- mengt. Der sonst so leicht erkennbare feinkörnige Quarz fehlt. Zwischen dem glasigen Quarz und dem Orthoklas schieben sich allenthalben vielfach gebogene Flasern von dichtem hellgrünem Talk ein, hie und da durch an- liegende weisse mikro«kopische Talkschüppchen mit Perl- mutterglanz schimmernd, und überall von dem gleichfalls anliegenden dunkelgrünen oder fast schwarzen fein- körnigen oder feinschuppigen Glimmer begleitet, dessen zarte dünne Flittern an Masse gegenüber den andern Be- . standtheilen sehr zurückstehen. Dieser dunkelgrüne fein- schuppige Glimmer ist sehr charakteristisch für die Gra- nite und Gneisse unseres Gebietes. Hie und da sind Quarz und Orthoklas mit dünnen Häutchen einer lauchgrünen Sub- stanz überzogen, der:n Farbe ganz an Epidot erinnert. In den Granitstöcken des Kellithales fehlt, so weit wenigstens meine Beobachtungen reichen, die steile, südlich fallende, Schichtenstellung der Schiefer und Quarzite, da- gegen zeigen sie eine sehr regelmässige, mit Schichtung leicht zu verwechselnd» Zerklüftung, die sich aber fast rechtwinklig zu den Schiefern stellt, so dass die Gra- nitbänke statt steil südlich, sanft nördlich einfallen und hiedurch schon von Weitem von jenen zu unterschei- den sind. Dass überali in unserm Excursionsgebiet, oder speciell im Fellithal, die eigentlichen Granite diese von der Fächerstellung so stark abweichende fast horizontale Zerklüftung zeigen, wage ich noch nicht zu behaupten, ehe ich meine E:cursionen weiter ausgedehnt habe. Sie scheint jedoch hier die Regel zu sein, obschon sich natürlich 391 hin und wieder auch andere mehr vertikale Kluftrichtungen darbieten, wie das bei einem so ausgezeichnet massigen Gestein, das in hausgrossen Blöcken herumliegt, ganz be- greiflich ist ?). Die eruptive Natur dieser stockförmig mitten im Gneiss- und Schiefergebiet auftretenden, abnorm zerklüf- teten, massigen Granite scheint mir kaum mehr zwei- felhaft, so sehr ich auch bis dahin, den neuern Ansichten folgend, geneigt war, sämmtlichen Gneissen und Graniten unserer alpinen Centralmassen ebenso gut, wie den krystal- linischen Schiefern, einen metamorphischen Ursprung aus sedimentären Gesteinen zuzuschreiben Gneiss und Granit sind der herrschenden Ansicht nach nur die Endglieder dieser langsamen krystallinischen Umbildung bis zum gänzlichen Verwischen der Merkmale ihres sedimen- tären Ursprunges. Wir dürfen wohl jetzt noch diese letztere Ansicht für viele Gneisse und Granite unserer Alpen, und wohl auch anderer krystallinischer Gebirge festhalten. Sie ist auf zu viel sorgfältige Beobachtungen gegründet, und passt auch für die granitähnlichen Gesteine des Kreuz- und Etzlithales. Das hindert aber keineswegs die Annahme, oder vorläufig die Vermuthung, dass nicht alle Gneisse und Granite einen sedimentären Ursprung haben, dass es auch Gneisse oder wenigstens Granite gebe, die aus der Tiefe in mehr oder minder flüssiger oder breitartiger Form, wie die vulkanischen Massen, emporgedrungen sind und die geschichteten Gesteine durchbrochen haben, wobei wir !) Vergeblich suchen wir die östliche Fortsetzung der Granit- stöcke des Fellithales im Etzlithal, an der Ostseite des Bristen- stockes, wo sie vermuthlich in grösserer Tiefe geblieben sind, wogegen die Schiefer hier fortsetzen. | 392 die Frage, ob feurig oder ob wässerig, oder beides zu- gleich, vorläufg unentschieden lassen ?). ; Die Annahme von dem eruptivem Ursprung ge- wisser Granite ist also, wenn wir auch den für Meta- morphismus sprecherden Ercheinungen gebührend Rech- nung tragen, keineswegs ausgeschlossen, vielmehr wird diese Vermuthung durch unsere Beobachtungen im Fellithal in nicht geringem Maasse bestärkt und es würden sich leicht, sowchl aus unsern Alpen, als auch aus andern Ge- birgen eine Anzahi unbesirittener Beobachtungen zusam- menstellen lassen, welche unsere Annahme bestätigten. Die Thatsachen sind zu bekannt, als dass ich nöthig hätte, aus der reichen geologischen Literatur; auch nur beispiels- weise, einige Belegstücke anzuführen. Was ich im Fellithal beobachtet, ist nur eine winzige Thatsache mehr, zu der grossen Zahi der bereits bekannten, hinzugefügt. Es gibt demnach Granite, und wohl auch Gneisse, zweierlei Ursprungs, sedimentären und erupti- ven, und beide Arten sind erst durch chemisch-krystal- linische Umwandlung, also durch den Metamorphismus, im langen Laufe der Zeiten zu den Gesteinen geworden, wie wir sie heutzutage vor uns sehen. Denn auch die eruptiven Granite können durch Umbildung aus Gesteinen ") Die jüngst veröffentlichten Untersuchungen von H. Tresca über das Verhalten fester durch kleine Oeffnungen unter star- kem Drucke gepresster Substanzen, die sich fast wie Flüssig- keiten verhalten, zeigen, dass wir auch für die Eruption gra- nitischer Gesteine nichts weniger als einen dünnflüssigen, ja nicht einmal einen breiartigen Zustand anzunehmen brauchen (siehe Comptes rendus. 1865). Die Untersuchungen von Sorby, Zirkel, Tschermak, . Laspeyres u. A. haben übrigens in den Quarzen und Feldspathen mancher Porphyre und Granite s. g. Wasserporen, mikroskopische Hohlräume mit Flüssigkeit, nach- “ gewiesen. 393 von ganz verschiedener Beschaffenheit hervorgegangen sein und wohl keiner wird mehr das Aussehen haben, das er bei seiner ersten Erstarrung trug. Ein Beispiel dieser nachträglichen Umbildung haben wir an den Cordieritgra- niten, deren Glimmer erst aus der Zersetzung des Cordie- rites hervorgegangen ist, wie wir an den zahlreichen Uebergangsstufen und Pseudomorphosen überzeugend nach- weisen können. Einen weitern Beweis für die eruptive Natur der srobkörnigen Granite des Fellithales finden wir in seinen Beziehungen zum benachbarten schiefrigen Gneiss. Der Gneiss wurde beim Durchbruch des Granites zerstückt und zahlreiche scharfeckige, grössere und kleinere Bruchstüche des Gneisses erscheinen nun mit schar- fer Begrenzung in dem massigen Granit einge- backen, wobei der Granit alle zwischen den Gneiss- brocken gelassenen Zwischenräume ausfüllt. Tch habe zwei hausgrosse Granitblöcke, welche solche eckigen Gneiss- bruchstücke. einschliessen, an Ort und Stelle bei „Hütten“ im mittlern . Fellithal abgezeichnet, und würde hier die Zeichnung wiedergeben, wenn nicht solche Beispiele schon vielfach bekannt gemacht wären. Der eingebackene Gneiss ist ein durch ziemlich viel Talk und durch dunkelgrünen feinkörnigen Glimmer schmutzig grün aussehender schiefriger Talkgneiss, dessen dunklere Farbe von dem hellern Granit schon von weitem absticht. Der Quarz. ist körnig oder dicht und geht in srünlichen Talk über. Der Orthoklas erscheint in kleinen schmutzig weissen Krystallen an manchen Stellen porphyr- ‚artig ausgeschieden, jedoch herrscht das schiefrig-flaserige Gefüge vor. Derselbe Gneiss tritt selbstständig, sowohl hier, bei den Granitblöcken, als an andern Stellen des Fellithales, in grössern Blöcken auf und ein ganz ähnlicher Gneiss findet: sich gleichfalls im Etzlithal und am Bristen- 39% stock !). Ebenso sind andere grosse Granitblöcke, die bei Hütten im Fellithal an der beschriebenen Stelle herum- liegen, völlig frei von solchen Gneisseinmengungen. In diesen. eckigen, scharf abgegrenzten Gneissbrocken bloss Ausscheidungen der Granitmasse erblicken zu wollen, heisst der Natur Zwang anthun. Das ist nicht der Ein- druck, den der Anblick dieser merkwürdigen Granitblöcke auf uns macht, obgleich allerlei Ausscheidungen in Granit vorkommen mögen, die mit eingebackenen Bruchstücken verwechselt werden können. Aus den Vogesen kam mir neulich in der schönen Sammlung des verstorhenen Herrn Jos. Kôchlin-Schlumberger in Mülhausen ein Handstück von röthlichem Granit zu Gesicht, das mit schwarzem Glimmerschiefer, ohne Zweifel ursprünglich als Einschluss, zusammengewachsen war, also ein ähnliches, nur noch auffallenderes Vorkommen, wie im Fellithal?). Es wird sich überhaupt herausstellen, dass die krystallinischen Gesteine der Alpen keine Vorkommnisse darbieten, die nicht auch in andern Gebirgen beobachtet werden, und dass die Pro- cesse des Metamorphismus, hier wie dort, üherall diesel- ben sind. Wenn einerseits die Hebung und Zerreissung der Kalkalpen durch das Hervordrängen der krystallinischen Massen der Centralalpen bedingt wurde, so verdankten diese letztern ihre Hebung dem Aufsteigen der alten Erup- tivgesteine, der Granite und Syenite, sowie der chemischen Umwandlung der aufgerichteten ältern sedimentären Ge- ») Ein ausgezeichnet grobkörnigen Talkgneiss finden wir in der Nähe von ähnlichem grobkörnigen Granit im obern Fellithal. ”) Solche Vorkommnisse deuten mit Bestimmtheit auf eine brei- artige Beschaffenheit des die fremden scharfeckigen Gesteins- fragmente einhüllenden Eruptivgesteins. Dieses sowohl, wie jene haben dann später weitere Umwandlungen erlitten. 395 steine. Die Hebung der Alpen erscheint daher im Grossen und Ganzen als eine Wirkung der Krystallisation. Wie das gefrierende Wasser jetzt noch die Felsspalten auseinander treibt, so wurden durch die Krystallbildung der auf nassem Wege in die Spalten und Schichten der sedimentären Gesteine eingeführten gelösten Mineralsub- stanzen, die Gesteinsmassen aufgeschwollen und auseinander getrieben und hiemit fortgesetzt und vollendet, was die eruptiven Gesteine begonnen hatten. Auch die Syenite und Diorite unseres Gebietes machen mir nach ihrem ganzen Auftreten durchaus den Eindruck von eruptiven Gesteinen Sie möchten den Grünsteinen in deutschen devonischen Schiefern entsprechen. Nähmen wir an, dass auch die Syenite und Diorite, ebenso wie die Granite, ohne Ausnahme, aus sedimentären Gesteinen durch chemische Umwandlung hervorgegangen seien, so könnte man fragen: Woher stammt denn das Material, wel- ches die ungeheure Menge von Talk, Glimmer, Feldspath und Hornblende für diese granitischen Gesteine geliefert hat und das in unsern gewöhnlichen sedimentären Mergel- schiefern, Sand- und Kalksteinen noch nicht vorhanden war? Geben wir auch zu, dass bereits früher durch Um- wandlung entstandene krystallinische Gesteine durch ihre Zersetzung und Auslaugung den Stoff zur chemischen Um- wandlung jüngerer sedimentärer Gesteine geliefert haben, so können wir fragen, woher jene die zu ihrer Metamor- phose nöthigen Stofe entnommen haben. Die Frage würde also nur um einen Schritt zurück gestellt, dem andere ähnliche Schritte folgen würden. Wir würden also zuletzt auf unbekannte, in unbekanten Tiefen liegende, Massen zu- rückgeführt, auf ein X, dessen Lösung in weite Ferne ge- rückt ist. Schwerlich ist auf diesem Wege der Frage des Metamorphismus besser beizukommen. Nehmen wir hin- gegen den eruptiven Ursprung gewisser Granite, 27 396 Syenite und Diorite, oder ähnlicher Gesteine an, die in gang- oder stockförmigen Massen die geschichteten Gesteine durch- setzen, wie wir das in unserm krystallinischen Schiefer- gebiet allenthalben sehen, so erklärt sich die chemische Umwandinng der umliegenden sedimentären Schichten ganz einfach durch die seitliche Infiltration von Lösungen der zur Taik-, Glimmer-, Feldspath- und Hornblendebildung nöthigen Stoffe, die sich bereits in den granitischen Erup- tivmassen vorfinden und durch deren Zersetzung frei wer- den. Es findet ein Wandern der Stoffe von einer Schicht zur andern, und zwar auf nassem Wege statt. Hier wird ein Granit zersetzt, und dort wird aus seinem gelösten Material, durch Zufuhr und Austausch von Stoffen, wie bei der Umbildung der Pseudomorshosen, ein Mergelschiefer, ein Sand- oder Kalkstein von rein sedimentärem Ursprung in ein gneiss- oder granitähnliches Gestein übergeführt. Zu Gneiss zerfallene Granite oder Syenite köunen selbst wieder durch Zufuhr frischen Stoffes in regenerirte um- gewandelt werden, die schwer von frischen, ursprünglichen, zu unterscheiden sind. Ist es gestattet aus wenigen, auf einem sehr be- schränkten Gebist angestellten Wahrnehmungen vorläufig einige Schlüsse zu ziehen, so möchten wir sie in foi- genden Sätzen zusammen fassen: 1. Es giebt Granite oder granitartige Gesteine sowohl eruptiven, als sedimentären Ursprungs. Die einen, wie die andern haben Umwandlungen erlitten, am meisten die se- dimentären. 2. Im Kreuz- und Etzlithal sehen wir granitische Ge- steine von sedimentärem Ursprung, die mit den wirklichen Schiefern in regelmässiger fächerförmiger Schichtung wech- sellagern und durch feinkörnigen Quarz charakterisirt sind. Sie zeigen alle Uebergänge von reinen Quarziten in Gneisse und Granite. 397 3. Im Fellithal treten stockförmig grobkörnige Granite auf, von wahrscheinlich eruptivem Ursprung, die eine den fächerförmigen Schichten gegenüber abnorme, fast horizon- tale Zerklüftung zeigen und durch grauen durchscheinenden Glasquarz charakterisirt sind. 4. Die Syenite, Diorite und andern Hornblendegesteine sind gleichfalls eruptiven Ursprungs, die Hornblende füh- renden gneissartigen Talkschiefer ausgenommen. 5. Die in Klüften abgelagerten krystallisirten Mine- ralien gehen aus der Zersetzung des Nebengesteines, ins- besondere der Syenite und Diorite, auf nassem Wege, hervor. 6. Im Maderaner-, Kreuz- und Eitzlithal und am Bristenstock herrschen die krystallinischen Schiefer stark vor und zeigen alle Stufen der Umwandlung, doch so, dass die Art der ursprünglichen Schichtung erhalten bleibt und jetzt noch, wie im ursprünglich sedimentären Zustand, dünne Schiefer und dickere Bänke vielfach mit einander wechsellagern. Aus Schiefern gehen wieder Schiefer her- vor, aus massigen Bänken massige Gesteine. 7. Die Umwandlung der ursprünglich sedimentären Ablagerungen zu krystallinischen Gesteinen, zu Schiefern, Gneissen u. s. w., kann, wie die Ausscheidung der einzelnen krystallisirten Mineralien in den Klüften, nur auf nassem Wege erfolgt sein. 8. Die Hebung der Alpen rührt nicht bloss von dem Empordringen eruptiver Massen, sondern grossentheils von der langsamen krystallinischen Umwandlung der sedimen- tären und eruptiven Gesteine her. VERHANDLUNGEN NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT IN BASEL. VIERTER THEIL. DRITTES HEFT. BASEL. SCHWEIGHAUSERISCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG. 1866. NE DER CHEMIE. =—— [2 Mittheilungen von C. F. Schönbein Vom Juli 1865 bis Juli 1866. I. Ueber den wahrscheinlichen Zusammenhang des Ver- mögens gewisser thierischer Absonderungsstoffe, be- stimmte Krankheitserscheinungen im Organismus zu verursachen, mit ihrer Fähigkeit, das Wasser- stoffsuperoxid in Sauerstoff und Wasser umzusetzen. Vor einigen Jahren habe ich auf die merkwürdige Thatsache aufmerksam gemacht, dass alle organische Ma- terien, welche Gährungen zu bewirken, vermögen, auch die ähigkeit besitzen, nach Art des Platins das Wasserstoit- superoxid in Wasser und gewöhnlichen Sauerstoff zu zer- legen und es ist von mir gleichzeitig gezeigt worden, dass durch das ganze Pflanzen- und Thierreich Substanzen al- buminöser Art verbreitet seien, welche Ähnlich den Fer- menten das Wassersuperoyid katalysiren. Auch habe ich die allgemeine Thatsache festgestellt, dass mit dem Gäh- rungserresenden Vermögen der Fermente gleichzeitig ihre 1% + 402 / Fähigkeit verloren gehe, HO, zu zerlegen und hieraus den Schluss gezogen, dass die Gährungsursache, von welcher Art sie auch sein möge, die Gleiche sei, durch welche die Katalyse des Superoxides bewerkstelligt werde. An dieses Verhalten der Fermente wurde die Vermuthung geknüpft, dass viele der gewöhnlichen und ungewöhnlichen Stefis- wandelungen, welche im lebenden Organismus stattfinden, ihrer nächsten Ursache nach vergleichbar seien der Um- setzung des Traubenzuckers in Weingeist und Kohlensäure durch die gewöhnliche Hefe oder derjenigen des Amyg- dalins in Zucker, Blausäure und Bittermandelöl durch das Emulsin, der Zusammensetzung des Traubenzuckers aus Stärke und Wasser durch die Diastase u. s. w. Es für wahrscheinlich haltend, dass manche krankheitserzeugende thierischen Absonderungsstoffe fermentartige Materien seien und die durch sie im Organismus verursachten stofflichen Veränderungen zu der Klasse der Gährungserscheinungen gehören, habe ich unlängst mit einigen derartigen Ausscheid- lingen Versuche angestellt, deren Ergebnisse für die Phy- siologen und Aerzte einiges interesse haben dürften. Da vor einigen Monaten die natürlichen Blattern in unserer Stadt herrschten und desshalb viele Personen mit Kuhpockengift geimpft wurden, so benützte ich die Ge- legenheit, mit dieser Materie die angedeuteten Untersuchun- gen zu beginnen und da erwähntermaassen das Vermögen HO; zu zerlegen, allen Fermenten gemeinsam ist, so suchte ich zunächst zu ermitteln, ob dem Kuhpockengift diese ka- talytische Wirksamkeit zukomme. Wurden einige Tropfen des durchsichtigen Impfstoffes in einige Gramme verdünnten Wasserstoflsuperoxides ein- geführt, so traten bald zahlreiche Bläschen an der thieri- scaen Flüssigkeit auf und erfolgte nach kurzer Zeit eine ziemlich lebhafte Entwickelung von Sauerstoffgas. Bekannt- lich verlieren die Fermente ihr gährungserregendes Ver- 403 mögen und somit auch gegenüber dem Wasserstoffsuperoxid ihre katalytische Wirksamkeit bei einer Temperatur, die den Siedpunkt des Wassers noch nicht erreicht, und meine versuche haben gezeigt, dass unter diesen Umständen auch das Kuhpockengift seine Fähigkeit HO, zu zerlegen, des Gänzlichen einbüsse. Wurde diese in Capillarröhrchen ein- geschlossene Materie nur für wenige Augenblicke in sie- dendes Wasser getaucht, so brachte sie nachher nicht die geringste Wirkung mehr auf HO, hervor, verhielt sich die- selbe also wie die Fermente. Hängt nun die katalytische Wirksamkeit des Pocken- giftes irgendwie mit seiner Fähigkeit zusammen, im gesun- den Organismus spezifisch physiologische Wirkungen her- sorzubringen, d. h. die künstlichen Blattern zu erzeugen, so wird dasselbe, einmal seines katalytischen Vermögens durch irgend ein Mittel beraubt, auch nicht mehr physiologisch wirksam sein können. Wenn ich recht unterrichtet bin, weiss man schon längst, dass durch Erkitzung das Kuhpockengift die Fähig- keit verliert im menschlichen Körper die Pusteln zu erzeugen, es lag mir aber daran, die Richtigkeit der Thatsache durch treue Versuche festgestellt zu sehen und die Herren Prs- fessor Sacin und Dr. Bernoulli waren so gefällig, auf meinen Wunsch im hiesigen Krankenhaus vergleichende Versuche anzustellen, deren Ergebnisse keinen Zweifel darüber walten liessen, dass der Impfstoff, welcher das Wasserstoffsuper- oxid nicht mehr zu katalysiren vermochte, auch seine spe- cifisch physiologische Wirksamkeit verloren hatte Fünf erwachsene Personen wurden an dem einen Arme mit Pockengift geimpft, welches das Wasserstoffsuperoxid leb- haft zerleste, am andern Arme mit der gleichen Materie, deren katalytische Wirksamkeit aber vorher durch kurzes Erhitzen in siedendem Wasser aufgehoben worden war, und wie zu vermuthen stand, so kam es auch: an allen 404% fünf Personen erwies sich das unveränderte Pockengift physiologisch wirksam, während auf den mit dem vorher erhitzten Stoffe geimpften Armen keine Pusteln sich bil- deten. Da bekanntlich die natürlichen Blattern in hohem Grade ansteckend sind, so lag die Vermuthung nahe, dass darin ebenfalls eine fermentartige Msterie enthalten und daher mit dem Vermögen begabt sei, das Wasserstoffsuperoxid zu katalysiren und die Ergebnisse der im hiesigen Spital auf meine Veranlassung hin von Herrn Dr. Bernoulli angestell- ten Versuche haben die Richtigkeit dieser Vermuthung ausser Zweifel gestellt. Dass die bei des syphilitischen Krankheiten auftreten- den Absonderungsstofe von kräfügster physiologischer Wirksamkeit sind und in den gesunden Körper eingeführt darin eine Reihe aussergewöhnlicher stofflicher Umsetzungen veranlassen, ist seit Jahrhunderten leider eine nur allzu bekannte Thatsache. Vermuthend, dass die besagten Krank- heiten, vom chemischen Gesichtspunkte aus betrachtet, eben- falls Gährungserscheinungen seien und durch spezifische Fermente verursacht werden, stellte ich Versuche mit den beiden von der heutigen Medizin angenommenen syphili- tischen Ansteckungssteffen an: nämlich mit dem Tripper- und Chankergifte, welche mir durch die Gefälligkeit meines Collegen, des Oberarztes der chirurgischen Abtheilung des hiesigen Krankenhauses, Herrn Prof. Socin, zur Verfügung gestellt wurden. Das eine Gift war das eiterige Secret einer mit Tripper behafteten Harnröhre, das Andere fri- scher Chankersiter. Beide Absonderungsstoffe zersetzten das Wasserstoffsuperoxid mit stürmischer Heftigkeit, so dass mir bis jetzt noch keine pflanzliche oder thierische Materie vorgekommen ist, deren katalytische Wirksamkeit derjenigen der beiden erwähnten Gifte gleich käme, seibst # 405 die der Blutkörperchen nicht ausgenommen, welche in dieser Beziehung doch so sehr sich auszeichnen. Wie aber diese den Fermenten zukommende Wirksam- keit durch Erhitzung rasch aufgehoben wird, so auch die- jenige der syphilitischen Gifte, welche, nachdem sie nur kurze Zeit der Einwirkung des siedenden Wassers ausge- setzt worden, völlig gleichgültig gegen das Wasserstoff- superoxid sich verhielten. Es wäre wünschenswerth ge- wesen, durch Versuche zu ermitteln, ob die fraglichen ihrer katalytischen Wirksamkeit beraubten Gifte auch das Ver- mögen verloren hätten, syphilitische Krankheitserscheinun- gen im gesunden Körper hervorzurufen; begreiflicherweise liessen sich dieselben aber nicht so leicht anstellen, wie diejenigen mit dem Pockengifte. Aus Gründen der Analogie lässt sich jedoch vermuthen, dass sie physiologisch ebenso unwirksam sich verhalten, wie der Kuhpockenimpfstoff, dem man sein Vermögen entzogen, das Wasserstoffsuperoxid zu katalysiren, und wäre dem so, so dürften wir wohl an- nehmen, dass die syphilitischen Gifte zu der Klasse der spezifischen Fermente gehören und somit auch, dass die dadurch im Organismus hervorgerufenen primitiven Krank- heiten in chemischer Hinsicht wenigstens ächt Gährungs- erscheinungen seien. Die bis jetzt vorliegenden Thatsachen machen es nach meinem Dafürhalten sehr wahrscheinlich, dass allen thieri- schen Ausscheidlingen, welche mit dem Vermögen begabt sind, spezifisch-physiologische Wirkungen d. h. eigenthüm- liche Krankheiten zu verursachen, auch dem Wasserstoff- superoxide gegenüber eine katalytische Wirksamkeit zu- komme, wesshalb es mir wünschenswerth erscheint, dass in grössern Krankenhäusern über diesen nicht unwichtigen Gegenstand vergleichende Versuche angestellt werden, welche sich um so eher ausführen lassen, als hierzu weiter Nichts nöthig ist als einiges verdünnte Wasserstoffsuper- 406 oxid, welches man sich leicht aus einem chemischen La- boratorium verschaffen oder selbst darstellen kann. Da schon so viele Fälle von stofflichen Um-, Zusam- men- oder Zersetzungen organischer Materien bekannt sind, welche ausserhalb des Organismus durch Fermente verur- sacht werden können, so ist viel Grund für die Vermuthung vorhanden, dass auch innerhalb des Pflanzen- und Thier- körpers ähnliche Vorgänge normaler und abnormer Art stattfinden und namentlich eine Anzahl menschlicher Krank- heiten wirkliche Gährungserscheinungen seien. Trotz meines völligen Laienthumes in physiologischen und pathologischen Dingen, glaube ich dech vom chemischen Standpunkte aus annehmen zu dürfen, dass es für Physiologie und Therapie von grosser Wichtigkeit sei, die nächste Ursache jeder Krankheit und namentlich Solcher kennen zu lernen, welche auf einer aussergewöhnlichen Blutveränderung beruhen, sei diese eine allgemeine oder nurörtliche. Allerdings wüssten wir noch nicht sehr viel, wenn auch festgestellt wäre, welche Krankheiten als Gährungserscheinungen anzusehen seien, und durch welches spezifische Ferment eine Jede derartiger Krankheiten verursacht würde; denn so lange das ganze Gebiet der Gährungserscheinungen uns noch un- verständlich ist, müssen uns auch die Gährungskrankheiten noch eben so räthselhaft bleiben als z. B. die Umsetzung des Traubenzuckers in Weingeist und Kohlensäure durch die Hefe, Da wir aber nur Schritt für Schritt zum Ver- ständniss der Naturerscheinungen gelangen und hiezu vor Allem eine volle Kenniniss der thatsächlichen Bedingungen nöthig ist, unter welchen Jene eintreten, so wäre immerhin schon etwas gewonnen, wenn einmal mit Sicherheit ermit- telt wäre, welche Krankheiten Gährungserscheinungen seien und durch welche spezifische Fermente sie eingeleitet wer- den; denn von selbst springt die Bedeutung in die Augen, welche eine solche Kenntniss für die rationelle Therapie 407 haben müsste. Die nächste Ursache einer Krankheit be- seitigen, heisst sie heilen und so lange uns Jene unbekannt ist, tappen wir im Dunkein. Seit man weiss, dass die nächste Ursache der Krätze eine Milbe ist, so tödtet man durch dieses oder jenes hiezu geeignete Mittel das krank- machende Thierchen und ist die Heilung des Uebels sicher. Bestünde nun zwischen der katalytischen (gegenüber von HO,) und physiologischen Wirksamkeit eines thierischen Ansteckungsstoffes z. B. des syphilitischen Giftes der von mir vermuthete Zusammenhang, so müsste durch jedes Mit- tel, welches die erstere Wirksamkeit aufhöbe, auch die Andere zerstört werden, woraus weiter felgte, dass ein solches Mittel rechtzeitig angewendet die durch den An- steckungsstoff erzeugte Krankheit heilen würde. Versteht sich von selbst. dass die chemische Zersetzung eines sel- chen fermentartigen Giftes die Aufhebung seiner beiden Wirksamkeiten zur Folge haben müsste und in der That heilt man auch einige der Krankheiten, welche ich für Gährungserscheinungen zu halten geneigt bin, durch Mittel, welche eine solehe Zerstörung bewerkstelligen z. B. durch Brennen, Höllenstein, Mereurialien u. s. w. Was die katalytische Wirksamkeit mancher organischen Materien betrifft, so lässt sie sich auch durch Mittel auf- heben, welche in chemischer Hinsicht keine zersetzende Wirkung auf Jene hervorzubringen scheinen, wie z. B. nach meinen Versuchen alle keimungsfähigen Pflanzensaamen, welche das Wasserstofisuperoxid nach Art des Platins zerlegen, dieser Fähigkeit dadurch beraubt und zugleich auch keimungsunfähig werden, dass man dieselben einige Zeit der Einwirkung des Schwefelwasserstoffes aussetzt. Ehenso verlieren die Schaalen roher Kartoffeln und noch andere Pflanzengebilde ihr Vermögen HO, zu katalysiren, nachdem sie nur kurze Zeit in wässerigem HS gelegen, woraus jedoch nicht folgt, dass die katalytische Wirksam- 408 keit aller organischen Materie durch den Schwefelwasser- stoff aufgehoben werde. So z. B. habe ich nicht finden können, dass die oben erwähnten syphilitischen Gifte durch Behandlung mit HS unwirksam gegen das Wasserstoffsuper- oxid werden, obwohl mir die wenigen darüber angestellten Versuche zu zeigen scheinen, dass das katalytische Ver- mögen jener Substanzen dadurch merklich stark geschwächt werde. Es ist kaum daran zu zweifeln, dass es ausser HS noch andere Mittel gebe, welche, ohne eine eigentliche che- mische Zersetzung der Fermente zu bewerkstelligen, die ka- talytische Wirksamkeit der Letztern aufzuheben vermögen und fände sich ein solches z. B.für die syphilitischen Gifte, so würde dadurch wahrscheinlich auch deren physiologische Wirksamkeit, will sagen ihre Ansteckungsfähigkeit zerstört werden. Leicht sieht man aber ein, dass die chemische Natur einer Materie, die ein organisches Gift zerstören, somit als Heilmittel dienen und in den Organismus einge- führt werden soli, nicht gleichgültig ist und bei seiner Anwendung wesentlich darauf Bedacht genommen werden muss, welche sonstige Wirkungen ein solches Mittel her- vorbringe, dann würde dasselbe auch die Materia peccans zerstören; aber anderweitige Uebeistände herbeiführen, so könnte selbstverständlich von ihm kein Gebrauch gemacht werden. Es wäre daher wohl der Mühe werth, dass mit An- steckungsstoffen, z. B. mit den syphilitischen Giften Ver- suche zunächst in der Absicht angestellt würden, zu er- mitteln, durch welche chemischen Agentien die angedeuteten Materien ihres Vermögens beraubt werden, das Wasser- stoffsuperoxyd in Wasser und Sauerstoff umzusetzen. Da es wahrscheinlich ist, dass diese katalytische Wirksamkeit durch verschiedenartige chemischen Mittel aufgehoben wird, so dürfte unter ihnen doch das Eine mehr als die Andern für die Einführung in den Organismus und somit 409 zur Anstellung von Heilversuchen sich eignen. Eine solche Untersuchung könnte daher wohl zur Auffindung dieser oder jener Materie führen, von welcher bis jetzt noch kein Ge- brauch als Heilmittel z. B. der Syphilis gemacht worden. Bei der Dunkelheit, in welche noch so viele pathologi- schen Vorgänge gehüllt sind, muss meines Bedünkens jeder neue auf Thatsachen gestützte Gesichtspunkt, den man jenen Vorgängen abgewinnt, wünschenswerth erscheinen schon desshalb, weil ein solcher zu neuen Untersuchungen An- lass gibt. Und wie auf allen Gebieten der Forschung es ge- schieht, dass unter der Leitung selbst irriger Voraussetz- ungen nicht selten werthvollste Wahr&eiten gefunden werden, so steht auch zu hoffen, dass diess der Fall sein werde, wenn berufene Hände in der angedeuteten Richtung expe- rimentelle Forschungen über die durch thierische Abson- derungsstoffe verursachten Krankheitserscheinungen unter- nehmen würden. Um noch einmal auf die thierischen Secrete zurückzu- kommen, weiche mit dem Vermögen begabt sind, im ge- sunden Körper die gleiche Krankheit zu erzeugen, in Folge deren sie gebildet worden und die ich für Fermente halte, so denke ich, dass dieser Annahme die Thatsache nicht widerspreche, gemäss welcher gewisse organische Verbin- dungen nur durch bestimmte Fermente in eine bestimmte Gährung versetzt werden, wie z. B. der Traubenzucker durch die Hefe in die Weingährung. Es dürfte wohl keinem Zweifel unterliegen, dass die normaien albuminosen Blutbe- standtheile, namentlich das Eiweiss und der Biutfaserstof es seien, auf welche die damit in Berührung gesetzten thierischen Fermente stofflich verändernd einwirken und bekannt ist, dass je nach der spezifischen Natur des in den Organismus eingeführten Fermentes, wie z. B. des Kuh- pockengiftes dadurch eigenthümliche Veränderungen des Blutes verursacht werden, wesentlich verschieden von den- 410 jenigen, welche ein anderes Ferment verursacht z. B. das syphilitische Gift. Es sind mit andern Worten die Gährungs- erzeugnisse, welche aus der Umsetzung der gleichen organi- schen Materie (dem Eiweiss u. s. w.) hervorgehen, verschie- der, je nachdem durch dieses oder jenes Ferment eine ört- liche oder allgemeine Blutveränderung eingeleitet wird. Dass die gleichen organischen Verbindungen durch ungleiche Fermente verschiedenartig verändert werden können, zeigt z. B. der Traubenzucker, welcher durch die gewöhnliche Hefe in Weingeist und Kohlensäure, durch alten Käs u. s. w. in Milchsäure umgesetzt wird, und Fälle dieser Art gibt es noch mehrere. Schliesslich muss ich noch die Fachmänner um Nach- sicht bitten, dass ich gewagt habe, mich auf ein mir völlig fremdes Erscheinungsgebiet zu stellen und darüber Ansichten zu äussern, welche im Munde eines Laien etwas vermessen klingen dürften. Da jedoch der lebendige Organismus eine Werkstätte ist, in welcher ohne Unterlass mannigfaltigste Stofiswandelungen stattfinden und mit diesen physiologische Vorgänge, also auch Krankheitserseheinungen innigst ver- knüpft sind, so mag dem Chemiker doch gestattet sein, auch von seinem Standpunkt aus pathologische Gegenstände einer gewissen Art in den Bereich seiner Untersuchungen zu ziehen. IX, Einige Angaben über die Blutkörperchen. Bekanntlich besitzt auch das vollkommen entfaserte Blut in einem ausgezeichneten Grade das Vermögen, nach Art des Platins das Wasserstoffsuperoxid zu katalysiren 411 and ist von mir zu seiner Zeit gezeigt worden, dass das- selbe diese Eigenschaft den in ihm’ enthaltenen Blutkör- perchen verdanke. Auch habe ich schon vor Jahren die Thatsache ermittelt, dass das gleiche Blut durch Eintrocknen sein katalytisches Vermögen nicht einbüsse und die wäss- rige Lösung desselben gleich dem frischen faserlosen Blute die HO;-haltige Guajaktinctur zu bläuen vermöge. Bei meinen neulichen Untersuchungen über das Cyanin habe ich Gelegenheit gehabt, zwischen der Lösung des bei mässiger Temperatur getrockneten entfaserten Blutes und dem frischen einen Wirkungsunterschied chemischer Art wahrzunehmen, den ich um so eher erwähnen möchte, als er vielleicht eine physiologische Bedeutung hat. Nach meinen Versuchen verhält sich das Wasserstoff- superoxid gleichgültig gegen das Cyaninwasser (Wasser durch die alkoholische Lösung des Cyanins gebläuet), wie schon daraus erhellt, dass die Färbung dieser Flüssigkeit durch HO: nicht verändert wird, während der freie — oder (z. B. in PbO>) gebundene ozonisirte Sauerstoff dieselbe beinahe augenblicklich zum Verschwinden bringt. Fügt man aber zu dem HO;-haltigen noch deutlichst gefärbten Cya- ninwasser eine verhältnissmässig nur sehr kleine Menge der Lösung getrockneten faserlosen Blutes, so entbläuet sich dasselbe zwar nicht augenblicklich, doch aber ziem- lich bald, ohne dass die blaue Farbe der Flüssigkeit durch irgend ein Mittel sich wieder herstellen liesse, was mir zu beweisen scheint, dass unter den erwähnten Umständen das Cyanin zerstört werde. Da diese Entfärbung des Cyaninwassers nur bei An- wesenheit von HO: eintritt und letzteres hierbei verschwin- det, so liegt die Vermuthung nahe, dass die Zerstörung des genannten Farbstoffes durch das zweite Sauerstoffäqui- valent des Wasserstoffsuperoxides bewerkstelliget werde und die Blutkörperchen des eingetrockneten Blutes es seien, 412 unter deren Einfluss der besagte Sauerstoff zur Oxidation d. h. Zerstörung des Cyanins bestimmt wird. Das frische entfaserte Blut, ob für sich allein oder mit Wasser verdünnt dem HO:-haltigen Cyaninwasser bei- gefügt, wirkt zwar auch entbläuend auf diese Flüssigkeit ein, aber ungleich langsamer, als dies die Lösung des ge- trockneten Blutes thut, wie daraus zu ersehen ist, dass von zwei gleichen Portionen desselben HO,-haltigen Cyanin- wassers diejenige, welche mit der Lösung des getrockneten Blutes vermischt worden, schon längst entbläuet ist, wäh- rend die mit frischem entfasertem Blute versetzte Portion noch wenig verändert erscheint. Auf welchem Grunde der bezeichnete Wirkungsunterschied beruhet, weiss ich nicht zu sagen; jedenfalls beweist derselbe, dass beim Eintrock- nen die Blutkörperchen eine Veränderung erleiden mit Be- zug auf den Einfluss, welchen sie auf die chemische Thätigkeit des zweiten Sauerstoffäquivalentes von HO: gegenüber dem Cyanin ausüben. Diese Blutkörperchen wirken auf den besagten Sauerstoff kräftiger chemisch be- thätigend ein, als dies diejenigen des frischen Blutes thun. Die beschriebenen Versuche wurden mit entfasertem Ochsenblut angestellt und so oft mit gleichem Erfolge wie- derholt, dass über den erwähnten Wirkungsunterschied beider Blutarten für mich kein Zweifel walten konnte. Es scheint mir nun wünschenswerth zu sein, dass auch mit dem Blute anderer Thiere und namentlich mit dem venösen und arteriellen des gesunden Menschen ähnliche Versuche angestellt werden. Da es möglich ist, dass die Blutkör- perchen in gewissen krankhaften Zuständen des Organismus anders als im gesunden sich verhalten, so möchte ich den Physiologen anrathen, sich des HO;-haltigen Cyaninwassers zu bedienen, um mit Hülfe dieses Mittels vielleicht als Thatsache festzustellen, dass die chemisch-physiologische Wirksamkeit der Blutkörperchen mit gewissen Zuständen 413 des Organismus sich verändere. Sollte es sich z. B. zeigen, dass frisches venöses oder arterielles Blut in bestimmten Krankheitsfällen eben so rasch als die Lösung des einge- trockneten normalen Blutes entbläuend auf das HO.-haltige Cyaninwasser einwirkte, so würde diese Thatsache nicht nur eine krankhafte Beschaffenheit der Blutkörperchen be- urkunden, sondern auch zeigen, dass dieselben auf den (in HO: enthaltenen) Sauerstoff chemisch kräftiger als die ge- sunden einwirkten, was möglicherweise auf die Respiration einen verändernden Einfluss ausüben könnte. Man braucht aber kein Arzt oder Physiologe zu sein, um einzusehen, dass eine ungewöhnliche Veränderung des Blutes, von welcher Art sie auch sein und durch welche Ursache dieselbe herbeigeführt werden möge, eine Störung im Organismus verursachen müsse und wenn wir dermalen die physiologischen Verrichtungen der Blutkörperchen auch noch nicht vollständig kennen, so wissen wir von ihnen doch schon so viel, dass sie bei der Respiration eine maass- gebende Rolle spielen. Sollte nun der normale Bestand der Blutkörperchen durch irgend welche Ursache verändert werden, so müsste wohl auch die Respiration eine Verän- derung erleiden, d. h. eine Erkrankung des Organismus ein- treten, die so oder anders wäre, je nach der Art der von den Blutkörperchen erlittenen Veränderung. Wenn mir als einem völligen Laien auch kein Urtheil über physiologische Dinge zusteht, so kann ich doch nicht umhin der Ansicht zu sein, dass es eine der wichtigsten Aufgaben physiologischer Forschung sei, die chemische Wirksamkeit der Blutkörperchen sowohl als auch der so thätigen Gewebe im Allgemeinen, ganz besonders aber die- jenige, welche sich auf den Sauerstoff bezieht, möglichst erschöpfend zu ermitteln; denn ich müsste mich stark irren, wenn eine derartige Kenntniss das Verständniss wichtig- ster physiologischer Erscheinungen und namentlich derje- 414 nigen der Respiration nicht namhaft erweiterte. Von dieser Ansicht geleitet habe auch ich, so weit der Gegenstand in das Bereich des Chemikers fällt zu wiederholten Malen mit den Blutkörperchen und einigen Geweben mich beschäf- tiget, von welchen Letztern ich gezeigt habe, dass sie gleich den Blutkörperchen das Wasserstoffsuperoxid lebhaft kata- lysiren; und wenn es mir von meinem rein chemischen Standpunkt aus auch nicht gelingen konnte, die bezeichnete physiologische Aufgabe zu lösen, so haben, wie ich glaube, die Ergebnisse meiner dessfallsigen Bemühungen uns doch . mit einigen Thatsachen bekannt gemacht, welche dazu bei- tragen dürften, uns der Lösung des grossen Räthsels der Respiration näher zu führen. Man darf es sich indessen nicht verhehlen, dass Unter- suchungen der angedeuteten Art äusserst schwierig sind und zwar hauptsächlich desshalb, weil nach meinem Dafür- halten durchaus ganz neue Forschungswege aufgefunden werden müssen, bevor wir hoffen dürfen, zu dem gesteckten Ziel zu gelangen. Diese Nothwendigkeit scheint mir schon aus der negativen Thatsache hervorzugehen, dass die Bah- nen auf welchen wir bereits Jahrzehnte lang wandeln, uns dem Ziele noch nicht viel näher gebracht haben, ais ihm schon Lavoisier gestanden, trotz unsäglich viel verwen- deter Arbeit und Mühe. Oder sollte aus dem geringen Erfolg so zahlreicher Bemühungen nicht zu schliessen sein, dass der Gegenstand bis jetzt nech nicht an der rechten Seite gefasst worden sei und der Hauptschlüssel zur Lö- sung des Räthsels uns immer noch fehle ? So lange die fundamentalen Thatsachen einer Erfah- rungswissenschaft noch unbekannt sind, müht man sich vergeblich ab, die von ihnen bedingten Erscheinungen er- klären zu wollen; ist doch die Erklärung einer secundären Thatsache nichts anderes als die Zurückführung derselben auf eine primitive. So z. 5. ist erst nach der Entdeckung 415 des Eleciromagnetismus durch Oerste dt und der Magneto- Electricität durch Faraday der Zusammenhang eingesehen worden, welcher zwischen den vorher schon längst be- kannten electrischen und magnetischen Erscheinungen be- steht. Ich fürchte fast, dass die auf die Respiration bezüg- liche fundamentale Thatsache noch zu entdecken und dieser Mangel die Hauptursache der Langsamkeit des Fortschrittes der Physiologie auf diesem Gebiete sei. Die Entdeckung fundamentaler Thatsachen wird aber in der Regel nur von divinatorischen oder intuitiven Köpfen gemacht, deren es zu allen Zeiten nur wenige gibt, wesshalb man sich auch nicht verwundern darf, dass wahres Wissen im Ganzen so langsam sich erweitert. Zum Schlusse will ich für diejenigen, welche geneigt sein sollten, die oben angedeuteten Versuche anzustellen noch bemerken, dass 100 Gramme destillirten Wassers, erst mit eben so viel amalgamirten Zinkspähnen und atmosphä- rischer Luft etwa zwei Minuten lang zusammengeschüttelt und dann filtrirt, schon so viel Wasserstoffsuperoxid ent- halten, um die besagte Wirkung der Lösung des eingetrock- neten Blutes wahrnehmen zu können. Wird dieses H0,- haltige Wasser durch etwa zwanzig Tropfen concentrirter Cyaninlösung gebläuet und dann mit 5—6 Tropfen der Blut- lösung vermischt, so wird die blaue Färbung der Flüssig- keit schon nach wenigen Minuten verschwunden sein, wäh- rend das gleiche cyanin- nnd HO,-haltige und mit frischem Blute versetzte Wasser eine viel längere Zeit zu seiner Entfärbung bedarf, 416 In. Beitrag zur nähern Kenntniss des Wasserstoff- superoxides. Dem Entdecker dieser merkwürdigen Sauerstoffverbin- dung ist es nicht entgangen, dass dieselbe um so langsamer freiwillig sich zersetzte, je stärker sie mit Wasser verdünnt ist; meines Wissens wird jedoch allgemein angenommen, dass wie wasserhaltig HO, auch immer sein möge, es doch die Siedhitze nicht aushalten könne, ohne sofort in HO und O zu zerfallen. Da Thenard die so äusserst empfindlichen Reagentien auf das Wasserstoffsuperoxid, welche uns heuti- gen Tages zu Gebot stehen, noch nicht kannte, so war es diesem Chemiker auch nicht möglich, den Grad des schützen- den Einflusses zu bestimmen, welchen das Wasser auf HO, ausübt. Bei dem theoretischen Interesse, welches sich an das in Rede stehende Superoxid knüpft, schien es mir aber wünschenswerth zu sein, besagten Einfluss etwas genäuer, als bisher geschehen, zu ermitteln und die von mir über diesen Gegenstand angestellten Versuche haben zu Ergeb- nissen geführt, welche auffallend und unerwartet genug sind und die ich desshalb der Veröffentlichung für werth erachte. Meinen frühern Mittheilungen gemäss gehört die wässrige Lösung des Kalipermanganates nicht nur zu den empfind- lichsten Reagentien auf das Wasserstoffsuperoxid, sondern gewährt uns auch das bequemste Mittel, das im Wasser enthaltene HO, auf das Genaueste quantitativ zu bestimmen, welche analytische Anwendbarkeit auf der Thatsache be- | ruht, dass unter geeigneten Umständen ein Aequivalent des in Wasser gelösten Salzes durch fünf Aequ. Wasserstoff- superoxides entfärbt d. h. die im Permanganat enthaltene Säure zu Manganoxidul reducirt wird. — Da in dem überman- gan-sauren Kali ziemlich genau 25°/, ozonisirten d. h. desje- nigen thätigen Sauerstoffes (©) enthalten sind, welcher mit 417 dem zweiten Sauerstoffäquivalent (@) des Wasserstoffsuper- oxides zu neutralem Sauerstoff (0) sich auszugleichen vermag gemäss der Gleichung Mn,0,©); + 5H0@—2Mn0 + 5H0 +- 100, so sind in 400 Milligrammen des Permanganates- 100 Milligr. ©) enthalten. Wird nun die genannte Salzmenge in 99,6 Gr. Wassers gelöst, so enthält jedes Gramm dieser noch tief gefärbten Flüssigkeit 1 Milligr. ©) und entsprechen somit jede 8 Gramme der Lösung, welche durch HO,-hal- tiges Wasser entfärbt werden, eben so vielen Milligr. D oder 17 Milligr. Wasserstoffsuperoxides, in diesem Wasser enthalten. Würden also 100 Gr. solchen Wassers z. B. 2% Gr. der titrirten Permanganatlösung zu entfärben ver- mögen, so wären darin 317 Milligr. oder '/issco HO ent- halten, !ch will jedoch nicht unbemerkt lassen, dass die Uebermangansäure durch das Wasserstoffsuperoxid nur dann vollständig zu Oxidul reducirt wird, wenn das auf HO; zu prüfende Wasser mittelst SO,, NO, u. s. w. gehörig ausge- säuert ist, unter welchen Umständen Mangan- nebst Kali- sulfat u. s. w. sich bildet, welche Salze farblos in dem vorhandenen Wasser gelöst werden. Zunächst theile ich die Ergebnisse einiger Versuche mit, welche mit stark verdünntem Wasserstoffsuperoxid in der Absicht angestellt wurden, das Verhalten desselben in der Siedhitze kennen zu lernen. 1) 100 Gr. HO,-haltigen Wassers, welche nur 1 Gr. der titrirten Permanganatlösung zu entfärben vermochten, in 14 Minuten auf 10 Gr. eingedampft, entfärbten davon noch 0,7 Gr. 2) 100 Gr. HO,-haltigen Wassers, welche Gr. 10 Per- manganatlösung entfärbten, in 12 Minuten ebenfalls auf den zehnten Theil eingedampft, vermochten noch 6,75 Gr. der Salzlösung zu entfärben 3) 100 Gr. HO,-haltigen Wassers, welche 50 Gr. der titrirten Lösung entfärbten, in 13 Minuten auf 10 Gr. ein- 29 * 413 gedampft, entfärbten noch 23 Gr. des gelösten Perman- ganates. 4) 100 Gr. HO,-haltigen Wassers, welche 145 Gr. Permanganatlösung zu entfärben vermochten, in 12 Minuten auf 10 Gr. eingedampft, entfärbten noch 60 Gr. der Salz- lösung. 5) 50 Gr. HO,-haltigen Wassers, welche 200 Gr. der titrirten Flüssigkeit entfärbten, in wenig Minuten bei heftig- stem Sieden auf 2,5 Gr. eingedampft, vermochten noch 47 Gr. der Salzlösung zu entfärben. Aus den Ergebnissen dieser Versuche erhellt zunächst, dass stark verdünntes Wasserstofisuperoxid die Siedhitze auszuhalten vermag, ohne sofort gänzlich zerlegt zu werden und dann zeigen sie auch, dass dasselbe unter diesen Um- ständen noch merklich sich conzentriren lässt. Das bei meinen Versuchen dienende, an HO, reichste Wasser, war das unter $ 5 erwähnte, von welchem 1 Gr. 4 Gr. Per- manganatlösung entfärbte, während 1 Gr. des eingedampften Wassers 19 Gr. der gleichen Lösung zu entfärben ver- mochte, woraus erhellt, dass Letzteres 4 °/, mal reicher an HO, war, als eine gleiche Menge des uneingedampfien Was- sers. Zu den gleichen Folgerungen führen auch die Er- gebnisse der übrigen Versuche und vergleicht man die unter $$ 1—5 enthaltenen Angaben unter einander, so geht daraus hervor, dass die verschiedenen HO;-haltigen Flüs- sigkeiten unter sonst gleichen Umständen um so weniger an HO, einbüssten, je reicher sie an Wasser waren. Bei welchem Verdünnungsgrade das Wasserstofsuperoxid auf- - hört, in der Siedhitze sich conzentriren zu lassen, habe ich noch nicht ermittelt; es ist jedoch kaum daran zu zweifeln, dass es einen soichez gebe. Es fragt sich nun, was aus dem bei den erwähnten Versuchen verschwundenen HO, geworden — ob es durch die Wärme zerlegt oder auch ein Theil desselben unzersetzt 419 verdampft worden sei. Zur Beantwortung dieser Frage wurde folgender Versuch angestellt. Von 50 Gr. HO,- haltigen Wassers, welche 40 Gr. Permanganatlösung zu ent- färben vermochten, destillirte ich in einer verhältnissmässig grossen Retorte 30 Gr. ab, ohne die Flüssigkeit ganz bis zum Sieden zu erhitzen und es fand sich, dass das ange- säuerte Destillat ein halbes Gramm der titrirten Salzlösung entfärbte, woraus erhellt, dass in jener Flüssigkeit noch ein volles Milligramm HO, enthalten war, welches unter den obwaltenden Umständen nicht anders als im dampfförmigen Zustande aus der Retorte in die Vorlage gelangt sein konnte. Kaum ist nothwendig, noch ausdrücklich zu be- merken, dass auch das bei voiler Siedhitze erhaltene De- stillat noch HO,-haltig ist, also unter der Mitwirkung ver- dünnter Eisenvitriollösung den Jodkaliumkleister noch tief zu bläuen vermag u. s. w., wesshalb angenemmen werden darf, dass ein kleiner Theil des Wasserstoffsuperoxides, welches bei offenem Abdampfen des HO,-haltigen Wassers in der Siedhitze verschwindet, als solches dampfförmig in die Luft gehe und weiter unten sollen Mittel angegeben werden, mit deren Hülfe die HO,-Haltiskeit des weggehen- den Dampfes leicht sich erkennen lässt. Noch ist zu erwähnen, dass die beschriebene Conzen- tration des verdünnten Wasserstoffsuperoxiiies in Porzellan- schaalen bewerkstelliget wurde und ebwohl für gewiss gelten konnte, dass in gegebenen Fällen das Material des Abdampf- gefässes einen zersetzenden Einfluss auf das vorhandene HO, ausüben werde, so wollte ich mich hievon doch auch noch durch Versuche überzeugen. Zu diesem Behufe wurden 100 Gr. HO;-haltigen Wassers, welche 10 Gr. Perman- ganat:ôsung zu entfärben vermocht hätten, in einer Platin- schaale bis auf 30 Gr. eingedampft und “eis entfernt, dass dieser Rückstand an HO, relativ reicher als die uneinge- dampfte Flüssigkeit gewesen wäre, enthielt derselbe davon 420 auch keine Spur mehr, wie daraus hervorgieng, dass er weder die geringste Permanganatlösung zu entfärben, noch mit Beihülfe verdünnter Eisenvitriollösung den Jodkalium- kleister zu bläuen vermochte. Uebereinstimmende Ergeb- nisse wurden mit Silberschaalen erhalten, welche Thatsachen somit keinen Zweifel darüber walten liessen, dass diese Metallgefässe einen zersetzenden Einfluss auf HO, ausgeübt hatten. Dass das verdünnte Wasserstoffsuperoxid selbst in der Siedhitze sich conzentriren lässt, beruht selbstverständlich auf dem gleichen Grunde, wesshalb dasselbe bei gewöhn- licher Temperatur mit Hülfe der Luftpumpe und conzen- trirter Schwefelsäure beinahe gänzlich entwässert werden kann: es ist die Spannung des HO,-Dampfes eine geringere als diejenige des Wassers d. h. unter sonst gleichen Um- ständen verdampft Letzteres rascher, als diess das Wasser- stoffsuperuxid thut, welche Thatsache übrigens dem Ent- decker dieser Verbindung recht wohl bekannt war. Da meinen Versuchen gemäss auch die Cellulose zu den vielen organischen Materien gehört, gegen welche HO, sich gleich- gültig verhält, so musste ich vermuthen, dass ungeleimtes Papier oder reine Leinwand, mit verdünntem Wasserstoft- superoxid getränkt auch nach dem Austrocknen noch einiges HO: zurückhalten werde und die Ergebnisse meiner Ver- suche haben die Richtigkeit dieser Versuche ausser Zwei- fel gestellt, wie diess aus den nachstehenden Angaben erheilen wird. Tauchte ich Streifen weissen Filtrirpapiers in Wasser, welches ein halbes Prozent HO, enthielt und liess man die- selben bei gewöhnlicher Temperatur trocknen, so zeigten sie in diesem Zustande noch folgende Reaktionen. 1) Mit Bleiessig benetzt färbten sie sich sofort braun- gelb. 421 2) In ein Gemisch verdünnter Ferridcyankalium- und Eisenoxidsalzlösung eingetaucht färbten sie sich rasch blau. 3) Ebenso bläuten sie sich beim Eintauchen in ver- dünnten und mit einiger Eisenvitriollösung versetzten Jod- kaliumkleister augenblicklich auf das Tiefste. 4) Auch färbten sie sich deutlichst blau beim Eintau- chen in verdünnte SO,-haltige Chromsäurelösung. 5) Ebenso, wenn auch nicht augenblicklich bläueten sich die Streifen beim Eintauchen in frisch bereitete und mit Blutkörperchen versetzte Guajactinktur. 6) Mit Indigotinktur erst gebläut und dann in ver- dünnte Eisenvitriollösung getaucht, wurden sie rasch ent- färbt. 7) Ebenso verhielten sich die mit alkoholischer Cyanin- lösung gebläueten Streifen beim Eintauchen in die obenge- nannte Salzlösung. Wie man sieht, gehören alle diese Reak- tionen dem Wasserstoffsuperoxid an, welches meinen frühern Versuchen gemäss aus dem Bleiessig Bleisuperoxid, aus einem Gemisch von Ferridcyankalium- und Eisenoxidsalz- lösung Berlinerblau fällt, die SO,-haltige Chromsäurelösung für sich allein —, den Jodkaliumkleister unter der Mitwirkung verdünnter Eisenvitriollösung —, die frische Guajaktinktur mit Beihülfe der Blutkörperchen bläut und die Indigotinktur wie auch die Cyaninlösung unter Beisein verdünnter Eisen- vitriollösung sofort entbläut. Natürlich liessen sich die er- wähnten Reaktionen auch mit dem wässrigen Auszuge der besagten Papierstreifen hervorbringen, wesshalb es keinem Zweifel unterliegen kann, dass dieselben auch im trockenen Zustande noch merkliche Mengen von Wasserstoffsuperoxid zurückhielten. Bewahrt man nach dem Trocknen das HO;-haltige Pa- pier in dicht verschlossenen Flaschen auf, so bringt es noch nach Wochen die vorhin erwähnten Reaktionen hervor, wäh- rend dasselbe in freier Luft gelassen siemlich bald sein HO; 422 verliert und zwar bei höherer Temperatur rascher als bei niederer und alles Uebrige sonst gleich in freiströmender Luft schneller als in stagnirender. Die Hauptursache dieses Verlustes ist ohne Zweifel in der Verdampfung des Wasser- stoffsuperoxides zu suchen, wie daraus erhellt, dass ein Streifen feuchten Jodkaliumstärkepapieres neben einem trockenen HO;-haltigen Streifen in einer verschlossenen Flasche aufgehangen, im Laufe einiger Stunden deutlichst sich bläuet, welche Färbung in diesem Falle nur durch kleine Mengen HO,-Dampfes, ver dem HO,-haltigen Papier herrührend, verursacht werden kann. Noch muss ich einer hieher gehörigen Thatsache er- wähnen, die einige Beachtung verdienen dürfte. Liess man zwei mit dem gleichen RO,-haltigen Wasser getränkte Pa- pierstreifen erst lufttrocken werden und hing man nun einen derselben in einer verschlossenen lufthaltigen Flasche auf, deren Boden mit Vitriolöl bedeckt war, so zeigte derselbe nach vier Wochen die HO,-Reaktionen noch in so augen- fälliger Weise, dass er, z. B. mit Bleiessig benetzt, beinahe ebenso stark, als anfänglich sich bräunte, während der andere in einer bloss lufthaltigen aber ebenfalls verschlossenen Flasche aufbewahrte Streifen die besagte Reaktion nicht mehr hervorbrachte, obwohl in ihm mit Hilfe der empfind- licheren Reagentien noch schwache Spuren von HO, sich nachweisen liessen. Aus diesen Angaben scheint zu er- hellen, dass, alles Uebrige sonst gleich, das an dem Papier haftende Wasserstoffsuperoxid in wasserfreier Luft lang- samer als in der feuchten verschwindet. Meine Versuche haben des Fernern gezeigt, dass HO.- haltige Papierstreifen, in einer mit stark ozonisirter Luft erfüllten Flasche aufgehangen, nach wenigen Stunden nicht mehr auf HO: reagirte, während die Enden solcher Strei- fen, welche man in die freie Luft ragen liess, noch deut- lichst die HO,-Reaktionen hervorbrachten. Da meiren frü- 423 heren Erfahrungen zufoige HO, durch das Ozon zerstört, d. h. zu Wasser reduzirt wird, so lässt sich aus dieser ” Thatsache das Verschwinden des Wasserstoffsuperoxides in dem erwähnten Versuche leicht erklären. In Folge der unaufhörlich in der Atmosphäre stattfin- denden elektrischen Entladungen muss in derselben auch fortwährend gewöhnlicher Sauerstoff in Ozon übergeführt werden, dessen Anwesenheit bekanntlich dargethan wird durch die Bläuung des Jodkaliumstärkepapiers, welches man einige Zeit der Einwirkung frei strömender Luft aussetzt. Da nun das atmosphärische, eïenso wie das künstlich er- zeugte Ozon reducirend auf das Wasserstoffsuperoxid ein- wirken muss, so bin ich geneigt anzunehmen, dass ein klei- ner Theil des in den besagten Papierstreifen enthaltenen HO, durch den Ozongehalt der Atmosphäre zerstört werde. ich gehe nun zur Angabe der Mittel über, durch welche der bei niedern und höhern Temperaturen sich bilderde HO,-Dampf sicher und leicht erkannt werden kann. Hängt man einen vorher über Vitriolöl vollständig ausgetrockneten Streifen Filtrirpapiers in einer Flasche auf, deren Boden mit Wasser bedeckt ist, welches nur ‘6 HO, oder noch weniger enthält, so wird derselbe schon nach einem ein- stündigen Verweilen in dem Gefässe mit so viel HO: be- laden sein, dass er, mit verdünntem, einige Tropfen ver- dünnter Eisenvitriollösung enthaltenden Jodkaliumkleister übergossen, sich deutlichst bläuet und auch die sonstigen das Wasserstoffsuperoxid kennzeichnenden Wirkungen her- vorbringt. Alles Uebrige sonst gleich, beladet sich das Pa- pier um so rascher und reichlicher mit HO», je höher die Temperatur und je cencentrirter d:s angewendete Superoxid ist, wobei ich nicht unbemerkt lassen will, dass selbst bei 0° das Papier nach einigen Stunden als HO.-haïtig sich er- weist. Erhitzt man in einem Kolben verdünntes HO: nahezu bis zum Sieden, so braucht ein Papierstreifen kaum eine 424 Minute lang in dem Gefässe zu verweilen, um schon in au- genfälligster Weise die HO,-Reaktionen hervorbringen zu _ können. Die unter diesen Umständen erfolgende Beladung des Papiers mit Wasserstoffsuperoxid ist natürlich nur durch die Annahıe erklärlich, dass dasselbe bei niedriger wie hö- herer Temperatur als solches sich verflüchtige und sein Dampf vom Papier in ähnlicher Weise wie derjenige des Wassers verschluckt werde. Das einfachste Mittel, den bei verschiedenen Wärmegraden gebildeten HO,-Dampf nachzu- weisen, bietet uns das Jodkaliumstärkepapier dar. Bekannt- lich scheidet aus dem Jodkalium auch das Wasserstoffsuper- oxid schon für sich allein Jod aus, aber um so langsamer, je stärker es mit Wasser verdünnt und je niedriger dessen Temperatur ist. In ähnlicher Weise erhält sich auch der HO,-Dampf. Hängt man bei gewöhnlicher Temperatur feuchtes Jodkaliumstärkepapier in verschlossenen Flaschen auf, deren Boden mit verdünntem Wasserstoffsuperoxid be- deckt ist, so wird sich jenes bläuen langsamer oder rascher, je nach dem Grade der Temperatur und der Concentration der Versuchsflüssigkeit. Wie empfindlich das besagte Reagenspapier gegen den HO,-Dampf sei, mag daraus ab- genommen werden, dass ein Streifen desselben augenblick- lich sich bläuet, wenn eingeführt in einen halblitergrossen Kolben, in welchem sich nur ein einziger Tropfen Wassers befindet, ein halbes Prozent HO: enthaltend und der bis auf 100° erhitzt worden. Es ist von mir zu seiner Zeit gezeigt worden, dass die Guajactinktur vom Wasserstoffsuperoxid für sich allein nicht, wohl aber bei Anwesenheit von Blutkörperchen ge- bläuet werde. Auf diesem Verhalten beruhet nun ein an- deres Reagens auf den HO,-Dampf, welches an Empfindlich- keit dem Jodkaliumstärkepapier wo nicht ganz gleich doch sehr nahe kommt. Tränkt man erst Papierstreifen mit frisch bereiteter Guajactisktur und werden dieselben nach dem 425 Trocknen in wässrige Blutkörperchen getaucht, so wird die damit benetzte Stelle rasch sich bläuen beim Einführen in einen Kolben, in welchen man auch nur einen Tropfen des erwähnten verdünnten Wasserstoffsuperoxides hatte fallen lassen und den man gehörig erhitzt. Auch kann man Papierstreifen entweder mit Indigo- tinktur oder Cyaninlösung merklich stark gefärbt zur Nach- weisung des bei höheren Temperaturen gebildeten HO;- Dampfes benützen. Wird das so gebläute Papier erst in eine verdünnte Eisenvitriollösung getaucht und dann in das HO;-haltige und erhitzte Gefäss eingeführt, so entfärbt es sich unter diesen Umständen ziemlich rasch. Da das Wasser leichter als das Wasserstoffsuperoxid verdampft, so stand zu erwarten, dass mit verdünntem HO; getränkte Papierstreifen, in verschlossenen Flaschen über Vitriolöl aufgehangen, früher HO- als HO;- frei sein wür- den, was in der That auch der Fall ist. Nachdem solche Streifen einige Tage unter diesen Umständen sich befunden hatten und klapperdürr geworden waren, reagirten sie doch noch immer »tark auf HO,, wie diess übrigens schon weiter oben angegeben worden, aus welcher Thatsache wohl ge- schlossen werden dürfte, dass das Wasserstoffsuperoxid auch im völlig wasserfreien Zustand längere Zeit unzer- setzt am Papier haften könne und beide Substanzen einan- der stärker anziehen als Papier und Wasser. Ja man könnte geneigt sein zu vermuthen, dass die Cellulose das in hygroscopischer Weise an ihr haftende Wasserstoffsu- peroxid bis auf einen gewissen Grad vor Zersetzung schütze. Schliesslich noch einige, Angaben über die Bildung des Wasserstoffsuperoxides aus Wasser und gewöhnlichem Sau- erstoff bei einer höheren als der gewöhnlichen Temperatur. Schon die Thatsache, dass wasserhaltiges HO, bis 100° er- hitzt werden kann, ohne sich sofort gäuzlich zu zersetzen, lässt es als möglich erscheinen, dass dasselbe unter geeig- 426 neten Umständen auch bei dieser Temperatur sich bilde, welcher Vermuthung aber auch noch die Thatsache Raum giebt, dass bei der langsamen Verbrennung des Aethers, welche bei etwa 140° angefacht wird, merkliche Mengen von Wasserstoffsuperoxid sich erzeugen. Auch haben meine früheren Versuche gezeigt, dass beim Eintragen des Ba- riumsuperoxides in siedendes schwefel-, salpeter- oder salz- säurehaltiges Wasser zwar Sauerstoffgas entwickelt wird, aber in der rückständigen Flüssigkeit sich merkliche Men- sen von HO: nachweisen lassen. Bekanntlich enthält Wasser von gewöhnlicher Tempe- ratur, nur wenige Minuten lang mit gewöhrlichem Sauer- stoffgas oder atmosphärischer Luft und amalgamirten Zink- spähnen zusammengeschüttelt, schon nachweisbare Mengen von HO; und meine neuen Versuche haben gezeigt, dass bei Anwendung siedend heissen Wassers diese Flüssigkeit unter den erwähnten Umständen ebenfalls HO;,-haltig werde, wie daraus erhellt, dass dieselbe nach kurzem Schütteln und nach erfolgter Abkühlung den Jodkaliumkleister unter der Mitwirkung veréünnter Eisenvitriollösung sofort bläuet. Jn noch reichlicherem Maasse erzeugt sich HO: beim Schütteln siedend heissen SO;-haltigen Wassers mit Blei- amalgam (arm an Pb; und Sauerstoffgas u. s. w., so dass man bald eine Flüssigkeit erhält, welche durch Chromsäure- lösung allein schon deutlich gebläuet wird. Schüttelt man solches Wasser nur eine Minute lang (etwa 100 Gr. mit ebensoviel Bleiamalgam von einem halben Prozent Pb) und atmosphärischer Luft zusammen, so wird das. wieder er- kaltete Wasser mit dem gleichen Volumen Aethers und ei- nigen Tropfen verdünnter Chromsäurelösung zusammenge- schüttelt, dem Aether eine ziemlich tief lasurblaue Färbung ertheilen, welche Reaktion schon auf merkliche Mengen Wasserstoffsuperoxides hinweist. Dass unter diesen Um- ständen entsprechend grosse Quantitäten Bleisulfates gebildet 427 werden, bedarf nach meinen früheren Mitiheilungen kaum noch der ausdrücklichen Bemerkung: Die angeführten Thatsachen stellten somit die Bildung des Wasserstoffsuperoxides bei dem Siedpunkte des Was- sers ausser Zweifel und geben, wie ich glaube, auch der Vermuthung Raum, dass HO, in vielen andern als den er- wähnten Fällen sich bilden werde, wo nach den bisherigen Vorstellungen über die Zersetzbarkeit dieses Superoxides dessen Erzeugung eine chemische Unmöglichkeit zu sein scheint. Es ist eine wohl bekannte Thatsache, dass die lang- same Oxidation von Materien, welche unter der Mitwirkung. des Wassers durch den gewöhnlichen Sauerstoff bewerk- stelliget wird, bei höherer Temperatur rascher als bei nie- drigerer erfolgt, wie uns hievon die langsame Verbrennung des Phosphors in atmosphärischer Luft ein sehr augenfäl- liges Beispiel liefert und meine eigenen Versuche haben des Weiteren dargethan, dass bei solchen Oxidationen in der Regel auch Wasserstoffsuperoxid zum Vorschein kommt, dessen Menge der Raschheit der stattfindenden Oxidation entspricht. Da Letztere nach meiner Betrachtungsweise auf der chemischen Polarisation des anwesenden neutralen Sauerstoffes beruhet und dieselbe wesentlich bedingt ist durch die grosse Neigung des vorhandenen Wassers, mit © zu Wasserstoffsuperoxid sich zu verbinden, so bin ich geneigt, auch der Wärme einen begünstigenden Einfluss auf das Auseinandergehen des neutralen Sauerstoffes in seine beiden einander entgegengesetzt thätigen Modifikatio- nen beizumessen, wenn ich auch nicht anzugeben vermag, worauf dieser Einfluss sowohl als auch die Gegensätzlich- keit besagter Sauerstoffzustände beruhet. Ich muss es dess- halb für wahrscheinlich halten, dass bei der Berührung einer oxidirbaren Materie (z. B. des Zinkes mit HO u. O) selbst bei Temperaturen, welche noch weit über den Sied- 428 punkt des Wassers hinaus gehen, wobei aber die Oxida- tion nur auf Kosten des vorhandenen freien Sauerstoffes bewerkstelliget wird, immer noch die Bildung von Wasser- stoffsuperoxid stattfinde, obwohl Letzteres unter derartigen Umständen wo nicht völlig doch dem grössten Theile nach sofort wieder in Wasser und gewöhnlichen Sauerstoff zer- fallen müsste, wesshalb es auch schwierig sein dürfte, selbst mit Hilfe der empfindlichsten Reagentien die etwa noch übrig gebliebenen Spuren des Superoxides zu entdecken. Die voranstehenden NMittheilungen dürften, wie ich glaube, die Ueberzeugung geben, dass die Oxidationsvor- gänge immer noch nicht so vollständig als wünschenswerth sekannt und verstanden seien und auf diesem für die Che- mie so wichtigen Erscheinungsgebiete dem Forscher noch eine reiche Erndte von Entdeckungen in Aussicht stehe. Und bei der grossen Bedeutung, welche die Beziehungen des Sauerstoffes zu den übrigen Materien einfacher und zusam- mengesetzter Art haben, versteht es sich von selbst, dass von einer genügenden Theorie der Oxidation keine Rede sein kann, so lange uns noch fundamentale darauf bezüg- liche Thatsachen unbekannt sind, wesshalb im Interesse der Wissenschaft recht sehr zu wünschen ist, dass die Aufmerk- samkeit der Chemiker mehr, als bisher geschehen, diesem so wichtigen Gegenstande sich zuwenden möchte. 429 IV. Ueber die Einwirkung des Platins, Rutheniums, Rho- diums und Iridiums auf das Chlorwasser, die wäss- risen Lösungen der Hypochlorite, das Wasserstoff- superoxid und den ozonisirten Sauerstoff. In einer meiner letzten Mittheilungen ist die An- gabe enthalten, dass die alkoholische Photocyaninlö- sung, mit nicht mehr als der nöthigen Menge Chlorwas- sers entfärbt, wie durch das Sonnenlicht, so auch durch den Platinmohr sofort wieder gebläuet werde. Da diese Wiederfärbung auf einer Abtrennung des Chlores vom Photocyanin beruhet, so könnte sie möglicher Weise da- durch bewirkt werden, dass das fein zertheilte Platin mit dem Chlor sich verbände, wie diess das Thallium, Zink, Zinnchlorür und andere chlorgierigen Materien thun, welche meinen frühern Angaben zufolge die durch Chlorwasser gebleichte Photocyaninlösung wieder zu bläuen vermögen. Es könnte die besagte Bläuung aber auch davon herrühren, dass das Platin ähnlich dem Lichte wirkt, d. h. das mit dem Photocyanin vergesellschaftete Chlor bestimmte, mit dem vorhandenen Wasser in Salzsäure und Sauerstoff sich umzusetzen. Da bekanntlich das wässrige Chlor nur äusserst lang- sam mit dem Platin sich verbindet, der Platinmohr aber augenblicklich die durch Chlorwasser entfärbte Photocya- ninlösung zu bläuen vermag, falls darin kein überschüssiges Chlor vorhanden ist, so musste ich vermuthen, dass das Platin diese rasche Bläuung auf die letztere Weise, d. h, durch die Umsetzung des Chlores und Wassers in Salz- säure und Sauerstoff bewerkstellige und wie die nachste- 430 henden Angaben zeigen werden, hat sich auch diese Ver- muthung als vollkommen begründet erwiesen. Beim Ein- führen von Platinmohr in starkes Chlorwasser entwickeln sich sofort aus dieser Flüssigkeit zahlreiche Luftbläschen, : welche in geeigneter Weise aufgefangen, als gewöhnliches Sauerstoffgas sich erweisen, wobei es sich von selbst ver- steht, dass diese Gasentbindung um so lebhafter ausfällt, je reicher das Wasser an Chlor und je grösser die Menge des damit in Berührung geseizten Platinmohres ist.. Bei einem mit achtzig Gr. Chlorwassers und fünf Gr. Platin- mohres angestellten Versuch erhielt ich im Laufe von zwölf Stunden 15 Cubikcentimeter Sauerstoffgases, weicher An- gabe ich noch beifügen will, dass auch der frisch berei- tete Platinschwamm eine noch merkliche Entbindung dieses Gases aus dem Chlorwasser bewirkt, obwohl eine viel schwächere als diejenige ist, welche unter sonst gleichen Umständen der Platinmohr verursacht. Bei weitem kräftiger als das Platin wirkt das schwamm- förmige Ruthenium umsetzend auf das Chlorwasser ein, wie aus folgenden Angaben zu ersehen ist. Führte ich in ein mit stärkstem Chlorwasser gefülltes und in der gleichen Flüssigkeit umgestürztes Probegläschen einige kleine Stück- chen sehr porösen Rutheniumschwammes ein, welche zusam- men nur 0,15 Gr. wogen, so erfolgte um dieselben augen- blicklich eine so lebhafte Gasentwickelung, dass die Schwammstückchen dadurch in die Höhe gshoben wurden und schon nach zehn Kinuten volie fünf Cubikcentimeter Sauerstoffgases entwickelt waren, wobei kaum zu bemerken ‘nôthig sein dürfte, dass diese Gasentwicklung anfänglich am lebhaftesten sich zeigte und mit der Abnahme des in der Versuchsflüssigkeit vorhandenen freien Chlores schwä- cher wurde. Unter häufiger Erneuerung des Chlorwassers liess ich die gleichen Schwammstückchen vierzehn Tage hindurch auf 431 diese Flüssigkeit einwirken, ohne eine Abnahme der Leb- haftigkeit der Sauerstoffentwickelung bemerken zu können, woraus wohl geschlossen werden dürfte, dass die Wirk- samkeit des Rutheniums gegenüber dem Chlorwasser nicht vermindert werde, wie lange man auch beide Substanzen miteinander in Berührung sein liesse. Kaum werde ich zu sagen brauchen, dass das mit dem Rutheniumschwamm in Berührung stehende Chlorwasser um so saurer wird, je länger die Einwirkung des Metalles auf die genannte Flüs- sigkeit andauert und ebenso versteht sich von selbst, dass die unter diesen Umständen gebildete Säure nichts anderes als Salzsäure ist, in welcher kaum eine Spur von Ruthe- nium enthalten sein dürfte. Aus letzterem Umstande darf daher geschlossen werden, dass das genannte Metall wäh- rend seiner Einwirkung auf das Chlorwasser unverändert bleibe und die unter dem Berührungseinfiusse des Ruthe- niums bewerkstelligte Umsetzung des Chlores und Wassers in Salzsäure und Sauerstoff eine rein katalytische sei. Nicht unerwähnt darf bleiben, dass diese umsetzende Wirksam- keit des Metalles in völliger Dunkelheit ebenso kräftig als im zerstreuten Lichte sich erweist, wie ich diess daraus schliessen konnte, dass in einem vollkommen dunklen Keller der Rutheniumschwamm aus dem Chlorwasser dieselbe Menge Sauerstoffgases entband, welche unter sonst gleichen Umständen das Metall in zerstreutem Lichte entwickelte. Diese Thatsache zeigt somit, dass das Ruthenium völlig unabhängig vom Lichte die Umsetzung des Chlores und Wassers in Salzsäure und Sauerstoff zu bewerkstelligen vermag, d. h. wie das Licht selbst wirkt, mit dem grossen Unterschiede jedoch, dass die Wirksamkeit des Metalles diejenige des Lichtes bei weitem übertrifft, wesshalb man in dieser Hinsicht das Ruthenium wirklich verdichtetes Licht nennen könnte, wie diess mein Freund Wöhler ge- than, als ich ihm den beschriebenen Versuch machte. Aus 30 1432 den voranstehenden Angaben lässt sich leicht abnehmen, dass mit Hilfe des genannten Metalles aus Chlor und Wasser auch grössere Mengen von Sauerstoffgas sich gewinnen liessen und zu diesem Behufe nichts anderes nöthig wäre, als auf eine gehörig grosse Menge des von Wasser umge- benen Rutheniumschwammes Chlor zu leiten, unter welchen Umständen dieser Körper mit Wasser sofort in Salzsäure und Sauerstoffgas sich umsetzen würde, an welche Dar- stellungsweise aus nahe liegenden Gründen sich freilich nicht denken lässt. Glücklicher Weise reichen aber nach obigen Angaben schon kleine Mengen Rutheniumschwammes hin, um dessen in theoretischer Hinsicht so merkwürdige Einwirkung auf das Chlorwasser in Vorlesungen augenfäl- ligst zeigen zu können. Was das Verhalten des Rhodiums zum Chlorwasser betrifft, so entbindet das Metall aus dieser Flüssigkeit eben- falls Sauerstoffgas und zwar mit ungleich grösserer Lebhaf- tigkeit, als diess das Platin thut, wie daraus erhellt, dass unter sonst gleichen Umständen das Rhodium ungleich mehr O entbindet als jenes Metall. Und da das bei meinen Ver- suchen angewendete Rhodium ein gröbliches Pulver dar- stellte, während das Platin als Mohr gebraucht wurde, so darf wohl angenommen werden, dass das erstere Metall noch um Vieles wirksamer sich erwiesen hätte, wenn es ebenso fein zertheilt als das Platin gewesen wäre. Auch das pulverförmige Iridium scheint das Chlorwasser in Salzsäure und Sauerstoff umzusetzen, wie ich aus den _Gasbläschen zu schliessen geneigt bin, welche sich an dem vom chlorhaltigen Wasser umgebenen Metall entwickeln. Da mir aber nur eine sehr kleine Menge von fridium zu Gebot stand und die dadurch verursachte Gasentbindung eine äusserst schwache war, so habe ich nicht genug Gas erhalten, um über die Natur desselben entscheidende Ver- suche anstellen zu können, während die Menge des unter 433 dem Berührungseinflusse des Rutheniums, Rhodiums und Platins aus dem Chlorwasser entbundenen Gases mehr als hinreichte, um darin glühende Holzspähne zu entflammen u. Ss. w., so dass kein Zweifel darüber walten konnte, dass das erhaltene Gas Sauerstoff gewesen sei. Es soll bei diesem Anlass nicht unerwähnt bleiben, dass ich den bei meinen Versuchen angewendeten Platin- mohr der Güte des Herrn Deville, das Rhodium und fri- dium derjenigen meines Freundes Wöhler verdanke und der Rutheniumschwamm mir von dem für die Wissenschaft zu früh verstorbenen Entdecker dieses Metalles Herrn Claus eigenhändig zugestellt wurde. Bei der Gleichheit der Wir- kung, welche das Licht und die erwähnten Metalle anf das Chlorwasser hervorbringen, liess sich vermuthen, dass diese Agentien auch in gleicher Weise zum wässerigen Brom und Jod sich verhalten würden. Bekanntlich wirkt selbst das kräftigste Sonnenlicht nur sehr langsam umsetzend auf das Brom- und Jodwasser ein wie schon daraus zu ersehen ist, dass diese Flüssigkeiten in verschlossenen Gefässen wochen- lang der Einwirkung des unmittelbaren Sonnenlichtes aus- gesetzt werden können, ohne dass dadurch ïihre Färbung merklich verändert oder sichtlich Sauerstoffgas entwickelt würde, während das stärkste Chlorwasser unter den gleichen Umständen so rasch in Salzsäure und Sauerstoffgas umge- setzt wird, dass Letzteres in sehr merklicher Weise sich entbindet. Meine Versuche haben gezeigt, dass das Ruthe- nium, Rhodium, Platin und Iridium nur höchst langsam wenn überhaupt auf das Brem- und Jodwasser einwirken, woraus erhellt, dass auch in dieser negativen Beziehung die besagten Metalle ähnlich dem Lichte sich verhalten. Schon lange ist bekannt, dass unter dem Einflusse des unmittelbaren Sonnenlichtes aus den wässrigen Lösungen der unterchlorichtsauren Salze merkliche Mengen Sauer- stoffigases entbunden werden, was selbstverständlich auf 30 * 434 einer unter diesen Umständen ziemlich rasch erfolgenden Umsetzung dieser Salze in Chlormetaile, Chlorate und Sauer- stoffgas beruhet. Diese chemische Lichtwirkung liess mich vermuthen, dass auch die erwähnten Metalle eine solche Umsetzung zu bewerkstelligen vermöchten und die Ergeb- nisse meiner Versuche haben die Richtigkeit dieser Ver- muthung ausser Zweifel gestellt. Schwammförmiges Ruthe- nium in eine etwas conzentrirte Lösung irgend eines alkali- sci en unterchlorichtsauren Salzes z. B. des Kalkhypochlorites eingeführt, verursacht auch in vollkommenster Dunkeiheit eine sehr lebhafte Gasentwickelung, welche vom gewöhn- lichen Sauerstoffe herrührt, wie ich mich hievon durch zahlreiche Versuche überzeugt habe. Aehnlich dem Ruthenium, aber mit geringerer Lebhaf- tigkeit wirken das Rhodium, der Platinmohr und das Îri- dium auf die gelösten Hypochlorite ein und so weit meine über diesen Gegenstand angestellten Versuche gehen, glaube ich daraus schliessen zu dürfen, dass die genannten Metalle in dem gleichen Grade die unterchlorichtsauren Salze zer- legen, in weichem sie das Chlorwasser in Salzsäure und Sauerstoff umsetzen. Jedenfalls zeichnet sich in dieser Be- ziehung das Ruthenium durch die grösste Wirksamkeit aus, während das fridium am schwächsten wirkt. Wie räthselhaft dermalen nun auch noch der umsetzende Einfluss erscheinen muss, welchen die erwähnten Metalle auf das Chlorwasser und die gelösten Hypochlorite ausüben, so erinnert uns diese Thatsache doch unwillkürlich an eine andere Zersetzungswirkung, welche die gleichen metallischen Körper auf das Wasserstoffsuperoxid hervorbringen und kann man kaum umhin zu vermuthen, dass zwischen allen diesen zersetzenden Wirksamkeiten, worauf dieselben auch immer beruhen mögen, doch irgend ein Zusammenhang be- stehe, d. h. dass alle die erwähnten Um- und Zersetzungen eine gemeinschaftliche Ursache haben. 435 Eine weitere erwähnenswerthe Aehnlichkeit der Wirk- samkeit der genannien Metalle besteht auch darin, dass sie den gewöhnlichen Sauerstoff bestimmen, mit dem Wasser- stoff chemisch sich zu verbinden unter Umständen, unter welchen dies» Elemente für sich allein vollkommen gleich- giltig zu einander sich verhalten, wie auch wohl bekannt ist, dass unter dem Berührungseinflusse des Platins, Ruthe- niums!) u. s. w. der gewöhnliche Sauerstoff eine Reihe noch anderer Oxidationswirkungen verursacht, welche er für sich allein nicht hervorzubringen vermöchte. Aus allen diesen Thatsachen erhellt, dass die besagten Metalle in ganz eigenthümlichen Beziehungen zum Sauerstoff stehen und unter ihrem Einflusse gewisse Sauerstoffverbindungen ent- weder gebildet oder zersetzt werden So unerklärlich nun auch bei dem jetzigen Stande der Wissenschaft alle diese Thatsachen und namentlich die Zersetzungswirkungen für uns sein müssen, welche die erwähnten Metalle auf das Chlorwasser, die Hypochleritlösungen und das Wasserstoff- superoxid hervorbrirgen, so will ich doch jetzt schon wagen, eine Vermuthung über die nächste Ursache dieser so räthselhaften Erscheinungen za äussern, was ich sicher- lich zu thun unterlassen würde, lägen mir nicht einige That-. 1) Ich benütze diese Gelegenheit zu der Bemerkung, dass ich vor einigen Jahren in Gegenwart des Herrn Claus eine Reihe von Versuchen mit dem von diesem Chemiker dargestellten Ruthenium anstellte, aus welchen hervorgieng, dass dasselbe in einem ausge- zeichneten Grade alle die Eigenschaften besitzt, welche das Platin hinsichtlich seines Verhaltens zum Sauerstoff so merkwürdig machen: es katalysirt mit grosser Lebhaftigkeit das Wasserstoffsuperoxid, be- stimmt den gewöhnlichen Sauerstoff mit dem in Weingeist gelösten Guajak die gleiche blaue Verbindung zu bilden, welche der ozoni- sirte Sauerstoff für sich allein hervorzubringen vermag u. s. w., SO dass in diesen Beziehungen das Ruthenium als eines der wirksamsten Platinmetalle betrachtet werden darf. 436 sachen vor, von desen ich glauben möchte, dass sie den Schlüssel zur Lösung des Räthsels enthalten. Bevor ich jedoch diese Thatsachen näher bezeichne, dürfte es ange- messen sein, noch einige zweckdieniiche Bemerkungen zu machen. Dass der Sauerstoff sowohl in seinem freien als che- misch sebundenen Zustand in mehreren allotropen Modifi- cationen zu bestehen vermöge und die Letztern durch ver- schiedenartige Mittel ineinander sich überführen lassen, halte ich für eine Thatsache, welche die Ergebnisse meiner vieljährigen über diesen Gegenstand an:esteliten Unter- suchungen ausser Zweifel gestellt haben, wie auch daran nicht gezweifelt werden kann, dass das chemische Verhalten des Sauerstoffes zu andern Materien durch die allotropen Zustände bestimmt wird, in welchem er sich befindet. Werde der gewöhnliche Sauerstoff elekirisirt oder im feuchten Zu- stande der Einwirkung des Phosphors u. s. w. ausgesetzt, so erlangt er unter diesen Umständen Eigenschaften, die ihm vorher nicht zugekommen und vermag derselbe nun namentlich Oxidationswirkungen hervorzubringen, weiche der gieiche Körper in seinem gewöhnlichen Zustande für sich allein nicht verur-achen kann. Worauf diese merkwürdige ZAustandsveränderung beruhe, darüber wage ich noch immer nicht irgendwelche Vermuthung auszusprechen; Thatsache ist aber, dass der durch irgend ein Mittel zur chemischen Thäfigkeit angeregte Sauerstoff unter sehr verschiedenar- tigen Umständen wieder in seinen gewöhnlichen Zustand der Unthätigkeit zurückgeführé werden kann. Zu den Mittela, welche den aktivirten Sauerstoff seiner chemischen Wirk- samkeit berauben vder desozenisiren gehört in erster Linie die Wärme, wie daraus erhellt, dass der auf irgend eine Weise ozenisirte Sauerstoff bei einer Temperatur von etwa 150° mit seinem eigentkümlichen Geruch auch sein oxidiren- des Vermôgen einbüsst. Ausser der Wärme gibt es aber 437 auch eine ziemlich grosse Anzahl gewichtiger Agentien der verschiedensten Art, welche den ozonisirten Sauerstoff schon bei gewöhnlicher Temperatur in den Zustand der chemi- schen Unthätigkeit und Geruchlosigkeit zurückzuführen ver- mögen, ohne dass sie dadurch irgendwie stofflich verändert würden und zu dieser Kiasse von Körpern gehören nament- lich das Ruthenium, Rhedium, Platin und {ridium. Wird in eine halblitergrusse Flasche, welche so reich an ozoni- sirtem Sauerstoff ist, dass darin ein feuchter Streifen Jod- kaliumstärkepapiers augenblicklich schwarzblau sich färbt, ein halbes Gramm Platinmohres eingeführt, so braucht man das Metallpulver nur wenige Sekunden lang mit dem luf- tigen Inhalt des Gefässes zu schütteln, um denselben seiner Fähigkeit zu berauben, das erwähnte Reagenspapier zu bläuen, welches nun vollkommen weiss bleibt, wie lange man es auch in der Flasche verweilen lässt und kaum brauche ich zu bemerken, dass unter den erwähnten Um- ständen auch der so charakteristische Gzongeruch ver- schwindet. Um durch das Platin das Ozon zu zerstören, ist aber nicht einmal das Schütteln nöthig; dena nachdem die ozonhaltige Luft der Flasche ruhig zur wenige Minuten mit dem Metallpulver in Berührung gestanden, vermag sie ebenfalls nicht mehr das Reagenspapier zu bläuen und ist dieselbe geruchlos geworden. Der gleiche Versuch lässt sich auch so anstellen, dass inan ozonhaltige Luft durch eine etwas enge Röhre über Platinmohr leitet, unter wel- chen Umständen der ozonisirte Sauerstoff ebenso verschwin- det, als ob er durch eine eng: und geñürig erhitzte aber leere Röhre gegangen wäre. ba nach meinen früheren Versuchen das Platin vom ozonisirten Sauerstoff nicht im geringsten oxidirt wird, wie lange und unter welchen Umständen man auch beide Ma- terien miteinander in Berührung stehen lassen mag, so kann das Verschwinden des Ozons in den oben erwähnten 438 Versuchen nicht durch die Annahme erklärt werden, dass dasselbe mit dem Metalle sich verbunden hate, und bleibt, wie mir scheint, nur die andere Annahme übrig, dass unter dem Berührungseinflusse des Platins der ozonisirte Sauer- stoff in gewöhnlichen übergeführt werde.-. Aehnlich dem Platinmohr wirken auch das Ruthenium, Rhodium und Iri- dium zerstörend auf den ozenisirten Sauerstoff ein und da aller Grund zu der Annahme vorhanden ist, das: diese drei Metalle ebensowenig als das Platin hierbei oxidirt werden, so darf man wohl auch ihnen das Vermögen beimessen, den ozonisirten in gewöhnlichen Sauerstoff umzuwandeln, auf welche Weise diess auch geschehen möge. Diese desszonisirende Wirksamkeit des Platins, Ruthe- niums u. s. w. muss auffallend genug erscheinen, wenn man damit die Thatsache zusammenhält, dass unter dem Berüh- rungseinflusse der gleichen Metalle der gewöhnliche Sauerstoff befähiget wird,eine Reihe von Oxidationen zu bewerkstelligen, denen gleich, welche das Ozon für sich allein zu Stande bringt. Ich vermag zwar diesen scheinbaren Widerspruch nicht zu lösen, da aber auch andere Agentien scheinbar einander entgegengesetzte Wirksamkeiten gegenüber dem Sauerstoff zeigen, wie z. B. das Licht, die Wärme und die Electri- cität, welche dieses Element wie zur chemischen Verbin- dung mit andern Substanzen anregen, so auch zum Gegen- theil d. h. zur Abtrennung von einer mit ihm chemisch verbundenen Materie bestimmen können, so brauchen wir uns nicht so sehr darüber zu verwundern, wenn auch die erwähnten Metalle scheinbar einarder entgegengesetzte Wirkungen auf den Sauerstoff hervorbringen. Die Thatsache, dass die Hypochlorite gleich dem Ozon äusserst kräftig oxidirende Agentien sind, berechtiget nach meinem Pafürhalten zu der Annahme, dass diese Salze 020- nisirten Sauerstoff enthalten oder Ozonide seien, wie ich auch den gleichen Schluss aus der weiteren Thatsache ziehe, 439 dass nach meinen Versuchen die Hypochlorite und Wasser- stoffsuperoxid in Chlormetalle, Wasser und gewöhnlichen Sauerstoff sich umsetzen wie das freie Ozen und HO, in Wasser und ebenfalls gewöhnlichen Sauerstoff. Wenn nun obigen Angaben gemäss das Platin, Ruthe- nium u. s. w. den freien ozonisirten in gewöhnlichen Sauer- stoff überführen, so können diese Metalle wohl das Ver- mögen besitzen, eine solche Zustandsveränderung auch noch im gebundenen Ozon zu bewerkstelligen und leicht sieht man ein, dass in diesem Falle das umgewandelte Element nicht mehr in seiner bisherigen Verbindung verharren könnte, sondern als gewöhnlicher Sauerstoff gasförmig aus- geschieden werden müsste. 3 | Auch darüber kann kein Zweifel walten, dass die Hälfte des im Wasserstoffsuperoxid enthaltenen Sauerstoffes in einem ungewöhnlichen d. h. thätigen Zustande sich be- findet. Wird nun dieser an Wasser gebundene thätige Sauerstoff auf irgend eine Weise in gewöhnlichen überge- führt, so sind dadurch auch die Beziehungen dieses Kör- pers zum Wasser geändert und kann derselbe nun nicht mehr fortfahren, mit dem gleichen Wasser dasjenige zu bilden, was wir Wasserstoffsuperoxid nennen und muss sich daher gasförmig ausscheiden. Wie die Wärme vermögen nun auch die genannten Metalle diese Zustandsveränderung des mit dem Wasser vergesellschafteten thätigen Sauer- stoffes zu bewerkstelligen, wesshalb sie gleich der Wärme die Zersetzung des Wasserstoffsuperoxides verursachen» ohne hiebei irgendwie stofflich verändert zu werden. Was nun endlich die Umsetzung des Chlorwassers in Salzsäure und gewöhnliches Sauerstoffgas betrifft, welche durch das Ruthenium u. s. w. bewerkstelliget wird, so muss die Davy’sche Hypothese annehmen, dass die genannten Metalle das von ihr für einfach gehaltene Chlor bestimmen, mit dem Wasserstoff des Wassers zu Chlorwasserstoffsäure AAO sich zu verbinden und der gleichzeitig entbundene Sauer- stoff zus dem Wasser stamme. Betrachtet man dagegen mit Berthollet das Chlor als eine innige Verbindung der Muriumsäure mit Sauerstoff und wird ferner angenommen, dass dieser Sauerstoff im ozonisirten Zustande sich befindet. so erklärt sich die durch das Ruthenium uw. s. w. bewirkte Umsetzung des Chlorwassers gerade so wie diejenige der Hypochlorite oder des Wasserstoffsuperoxides, nämlich durch die Annahme, dass unter dem Berührungseinfluss des genanuten Metalles der ozonisirte Sauerstoff der oxi- dirten Muriumsäure in gewöhnlichen Sauerstoff übergeführt und diese Zustandsveränderung wesentlich noch begünstiget werde durch die grosse Neigung des vorhandenen Wassers, mit der Muriumssäure ein Hydrat (die Chlorwasserstoffsäure Davy’s) zu bilden. Welche dieser Ansichten für mich die wahrscheinliche sei, ist nicht nöthig zu sagen, da ich mich anderwärts schon zur Genüge darüber ausgesprochen habe; nur das sei schliess- lich noch bemerkt, dass nach den Ergebnissen meiner neuern Untersuchungen sowohl der freie als gebundene ozonisirte Sauerstoff bei vollständiger Abwesenheit des Wassers eben- so wenig oxidiresde Wirkungen auf irgend eine Materie hervorzubringen vermag, als das Chlor selbst, wie schon aus der einfachen Thatsache sich abnehmen lässt, dass voll- kommen trockenes Ozon oder Chlor die gleichbeschaffenen Pllanzenfarbstoffe durchaus nicht zu bleichen vermag, über welchen Gegenstand in meiner Abhandlung „Ueber den Ein- fiuss des Wassers auf die chemische Wirksamkeit des Ozons“ die nähern Angaben enthalten sind. | 441 V. Ueber die bei der langsamen Oxidation organischer Materien stattfindende Bildung des Wasserstoffsuper- oxides. Es gibt der chemischen Erscheinungen nicht Wenige, welche im Allgemeinen zwar schon längst, doch aber nicht so genau gekannt sind, als sie es sein könnten und im in- teresse der Wissenschaft auch sein sollten, Letzteres schon desshalb, weii deren vollständigere Kenntniss möglicher- weise eine allgemeine theoretische Bedeutung haben, d.h. unsere Kinsicht in den Zusammenhang scheinbar von einan- der unabhängiger Thatsachen wesentlich erweitern könnte. Seit ich mich mit Chemie beschäftige, sind es daher vorzugsweise Erscheinungen der bezeichneten Art gewesen, denen ich meine Aufmerksamkeit zuwendete und wie ich zu giauben geneigi bin , habeu die darauf bezüglich-u Unter- suchungen zu Ergebnissen geführt, welche nicht ohne allen wissenschaftlicher Werth sind. Die meisten meine: dess- falsigen Arbeiten bezogen sich auf die Oxidativn unorgani- scher und organischer Materien, welche schon bei gewöhnli- cher Temperatur durch sen freien Sauerstof bewerkstelliget wird und wovon uns die langsame Verbrennung des Phos- phors das merkwürdigste Beispiel liefert, wesshalb ich auch mit diesem Gegenstande meine Sauerstoffuntersuchun- gen begonnen. Als Eines der in theoretischer Hinsicht wichtigern Er- gebnisse, zu welcher die auf dem bezeichneten Gebiet an- gestellten Forschungen mich geführt haben, betrachte ich die Ermittelung der Thatsache, dass bei der langsamen Oxidation vieler Substanzen, welche der gewöhnliche Sauer- stof unter der Mitwirkung des Wassers bewerkstelliget, Wassersieffsuperoxid erzeugt wird. Thesretische und that- 442 sächliche Gründe liessen mich vermuthen, dass es auch Fälle langsamer Oxidation gebe, wo die Anwesenheit des Wassers keine unerlässliche Bedingung sei und wie man aus den nachstehenden Angaben ersehen wird, scheint über die Richtigkeit dieser Vermuthung kein Zweifel walten zu können. Aether Aus meinen bisherigen Beobachtungen glaube ich schliessen zu dürfen, dass in völliger Dunkelheit und bei gewöhnlicher Temperatur der reine Aether nnd ge- wöhnliche Sauerstoff so gut als gleichgültig zu einander sich verhalten, während wohl bekannt ist, dass unter dem Einflusse des Lichtes beide Materien in noch merklicher, obwohl etwas langsamer Weise chemisch aufeinander einwirken. Dass der mit atmosphärischer Luft in Be- rührung stehende Aether alimälig sich verändere und sauer werde, ist schon von Gay-Lussac und Andern beob- achtet worden, ohne dass jedoch der französische oder ein anderer ('hemiker den Gegenstand näher untersucht hätte. Ich selbst fand schen vor Jahren, dass bei längerm Ein- wirken des atmosphärischen Sauerstoffes auf den Aether merkliche Mengen von HO, gebildet werden, welche auf- fallende Thatsache bis dahin unbekannt geblieben war, und die durch die weitere von mir gemachte Beubachtung, wenn auch nicht erklärt, doch begreiflicher wurde, dass nämlich der Aether HO, reichlich in sich aufzunehmen und damit zusammen zu bestehen vermöge, ohne auf das Superoxid merklich reducirend einzuwirken. Da mein durch längeres Zusammenstehen mit atmosphärischem Sauerstoff HO,-haltig ‘gewordener Aether möglicherweise noch kleine Mengen Wassers enthalten haben konnte, so wendete ich bei meinen neuesten Versuchen einen Aether an, von dem ich anneh- men durfte, dass er wasserfrei und auch in anderweitigér Beziehung chemisch rein gewesen sei. 443 Hundert Gramme dieses Aethers wurden in einer mit reinem Sauerstoffgas gefüllten weissen und etwa zwei- litergrossen Glasflasche der Einwirkung des Sonzenlichtes ausgesetzt und nachdem die Flüssigkeit bei jeweiligem Schütteln etwa 14 Tage, welche ser sonnenarm waren, unter diesen Umständen sich befunden hatten, liessen sich darin mittelst Jodkaliumstärkepapiers ') schon merkliche Spuren HO, nachweisen und kaum ist nöthig beizufügen, dass die Reaktionen des Aethers auf das Superoxid um so stärker ausfielen, je länger derselbe in Berührung mit dem Sauerstoffgas gestanden. Hatte dieses Gas fünf Monate hindurch (von Mitte Novembers bis zur Mitte Aprils, wäh- rend welcher Zeit der Himmel häufiger bedeckt als klar war) auf den Aether eingewirkt, so färbte sich derselbe beim Zusammenschütteln mit einigen Tropfen SO.-haltiger verdünnter Chromsäurelösung tief lasurblau, welche Reak- tion die Anwesenheit schon merklicher Mengen von HO; beurkundete, insofern auf dieses Superoxid die Chromsäure keineswegs das empfindlichste Reagens ist, obwohl sie als eines der allersichersten und karakteristischsten bezeichnet werden darf. Dass der gleiche Aether auch die ander- weitigen HO,-Reaktionen in augenfälligster Weise hervor- brachte, z. B. das Jodkaliumstärkepapier rasch tiefbraun 1) Ich will hier die von mir schon früher gemachte Angabe in Erinnerung bringen, dass die HO2-haltigkeit des Aethers am bequem- sten mit Hülfe des Jodkaliumstärkepapiers sich ermitteln lässt und zwar so, dass man Letzteres mit der auf HO: zu prüfenden Flüssig- keit benetzt. Bleibt nach der Verdunstung des Aethers das Reagens- papier vollkommen weiss, so darf man denselben als HO2-frei be- trachten, enthält er aber auch nur Spuren des genannten Superoxides, so wird die benetzte Stelle des Papiers bald sichtlich bräunlich-gelb, dann mit Wasser befeuchtet deutlich violett und bei grösserm HOz2- gehalt des Aethers tief-braun gefärbt erscheinen, um beim Benetzen mit Wasser schwarzblau zu werden. 444 und beim nachherigen Benetzen mit Wasser schwarzblau färbte, bedarf kaum der ausdrücklichen Bemerkung. Bei kräftigem Sonnenschein und häufigem Schütteln des Aethers selbst mit blosser Luft lässt sich indessen ungleich rascher so viel HO, erzeugen, dass dasselbe nicht nur durch das empfindlichere Jodkaliumstärkepapier, sondern selbst durch die Chromsäure nachgewiesen werden kann. Wurden im Juni um die Mittagszeit bei klarstem Sonnen- schein 100 Gramme reinsten Aethers mit dem Luftgehalt einer zweilitergrossen Flasche eine halbe Stunde lang ununter- brochen und lebhaft zusammengeschüttelt, so vermochte die Flüssigkeit das erwähnte Reagenspapier schon deutlichst zu bräunen und liess man unter häufigem Schütteln die kräftig besonnete Luft einen ganzen Tag lang auf den be- sagten Aether einwirken, so konnte das vorhandene Was- serstoffsuperoxid sogar durch SO;-haltige Chromsäurelösung nachgewiesen werden. Der gleiche Aether, drei Tage hin- durch der Einwirkung stark beleuchter Luft ausgesetzt, war schon so stark mit HO, beladen, dass er sich mit der oben genannten Säurelösung eben so tief lasurblau färbte, ais es der Aether that, weicher, unter sonst gleichen Umständen, aber bei viel schwächerer Beleuchtung fünf Monate lang mit reinem Sauerstoffgas in Berührung gestanden hatte. Nicht unerwähnt darf hier bleiben, dass mit der Zunahme des Wasserstoffsuperoxides im Aether auch die Sauerheit dieser Flüssigkeit wachse, so dass der Aether, welcher durch die Chromsäure tief gebläuet wird, auch das Lak- muspapier stark röthet. Da vor dem Beginne des erst beschriebenen Versuches der dabei verwendete Aether weder eine Spur von HO;, noch irgend welche Säure enthielt, so musste das dabei zum Vorschein gekommene Superoxid, wie auch die saure Materie erst in Folge der Einwirkung des beleuchteten Sauerstoffes auf das Aethyloxid entstanden sein, was nur ALS durch die Annahme erklärlich ist, dass der besagte Sauer- stoff auf einen Theil des Aethers oxidirend eingewirkt habe. Da die aufeinander wirkenden Substanzen ursprünglich kein Wasser enthielten, so konnte HO, allein dadurch gebildet worden sein, dass der besonnete Sauerstoff mit Wasserstoff des Aethers sich verband, sei es, um unmittelbar HO: zu er- zeugen, sei es, dass eine Wasserbiidung derjenigen des Superoxides vorausgegangen. Ueber die chemische Natur der gleichzeitig mit HO: gebildeten sauren Materie habe ich keine weitern Untersuchungen angestellt, ich möchte jedoch vermuthen, dass sie ein Gemisch von Ameisen- und Essigsäure gewesen sei. Wie mir scheint, lässt sich die bei gewöhnlicher Temperatur durch beleuchteten Sauerstoff bewerkstelligte Oxidation des Aethers mit der langsamen Verbrennung der nämlichen Flüssigkeit vergleichen, welche bei etwa 140° auch ohne die Mitwirkung des Lichtes an- gefacht wird, und wobei nach meinen frühern Versuchen ebenfalls merkliche Mengen von HO, und Ameisensäure ent- stehen. Amylalkohol. Zunächst sei bemerkt, dass dieser Alkohol mit dem Aether folgende Eigenschaften gemein hat: er nimmt, mit wässrigem HO, zusammengeschüttelt, merkliche Mengen des Superoxides auf, ohne auf dasselbe reducirend einzuwirken; der HO,-haltige Alkohol tritt um- gekehrt HO: an damit geschütteltes Wasser ab und zwar so, dass er durch wiederholtes Waschen mit dieser Flüs- sigkeit beinahe vollständig von dem Superoxid befreit wer- den kann; der HO;-haltige Alkohol wird durch SO;-haltige Chromsäurelösung lasurblan gefärbt und endlich vermag der reine Alkohol das mittelst der erwähnten Säurelösung gebläuete HO,-haltige Wasser beim Schütteln zu entfärben, um selbst lasurblau zu werden. Ein halbes Pfund reinen Amylalkohols, nachdem er im zerstreueten Licht etwa zwei Jahre lang mit atmosphäri- 446 scher Luft unter jeweiigem Wechsel derselben in Berüh- rung gestanden hatte, zeigt in einem ausgezeichneten Grad alle die Eigenschaften, welche dem HO, -haltigen Alkohol zukommen; er wurde durch SO;-haltige Chromsäurelösung tief lasurblau gefärbt und mit dem gleichen Volumen Was- sers nur eine Minute lang lebhaft zusammengeschüttelt, trat er an dasselbe so viel HO, ab, dass es unter Beihülfe der besagten Säurelösung ein gleiches Volumen damit geschüt- telten Aethers tief lasurblau zu färben wie auch die übrigen HO;-Reaktionen in augenfälligster Weise hervorzubringen z. B. mit Platinmohr, Bleisuperoxid u. s. w. in Berührung gesetzt, eine merkliche Entwickelung von Sauerstoifgas zu verärsachen vermochte. Unter dem Einflusse des unmittelbaren Sonnenlichtes findet die HO,-Bildung ebenfalls ungleich rascher als im zerstreueten Lichte statt. 100 Gramme reinsten Amylal- kohols, nachdem sie in einer lufthaltigen zweilitergrossen Flasche unter häufigem Schütteln eine Woche lang der Einwirkung einer äusserst kräftigen Junisonne ausgesetzt gewesen waren, enthielten schon so viel HO,, dass die Flüssigkeit mit Chromsäurelösung ziemlich tief lasurblau sich färbte, wobei es sich von selbst versteht, dass der Alkohol um so reicher an Wasserstoffsuperoxid wurde, je länger er in Berührung mit beleuchteter Luft gestanden, so dass er nach einer mehrwöchentlichen kräftigen Beson- nung die HO;-Reaktionen in augenfälligster Weise hervor- brachte. Und was oben vom Aether angegeben wurde: lässt sich auch vom Amylalkohol sagen: je reicher an HO;’ um so stärker seine saure Reaktion, die wohl von Baldrian- säure herrühren dürfte. Methylalkohol. Was vom Aether und Fuselöl, gilt auch von diesem Alkohol, dass er nämlich auf das mit ihm vermischte Wasserstoffsuperoxid nicht reducirend ein- wirkt und ein solches Gemisch durch SO;-haltige Chrom- 447 säurelösung wie HO,-haltiger Aether oder Amylalkohol lasurblau gefärbt wird. Bevor ich das Verhalten des in Rede stehenden Alkohols zum beleuchteten Sauerstoff an- gebe, dürfte es am Orte sein nuch einige weitere von mir angewendete Mittel zu bezeichnen, durch welche nament- lich in alkoholischen Flüssigkeiten, im Aether u. s. w. selbst winzigste Mengen von HO, rasch und sicher sich nachweisen lassen. Das eine und zwar das empfindlichste dieser Mittel ist der Bleiessig, bekanntlich mit HO, Bleisuperoxid erzeu- gend, welches, selbst wenn nur in geringer Menge vorhanden, schon für sich allein den Jodkaliumkleister zu bläuen ver- mag, diess aber unter Mithülfe der Essigsäure auch thut, falls nur Spuren von PbO, sich vorfinden. Fügt man zu einem Gramm der auf HO: zu prüfenden Flüssigkeit erst einen oder zwei Tropfen Bieiessigs und dann einigen Jodkalium- kleister, so wird zugefügte Essigsäure das Gemisch noch stark bläuen, wenn auch nur winzige Mengen von HO, in der untersuchten Flüssigkeit enthalten waren. Ein anderes zwar etwas minder doch aber noch höchst empfindliches Reagens auf HO: ist die frisch bereitete Guajaktinctur (etwa 1°/, Harz enthaltend) unter Mitwirkung von Blutkör- perchen, durch weiche meinen frühern Mittheilungen gemäss die farblose HO,-haltige Harziösung gebläuet wird. Lässt man in ein Gemisch von etwa einem Gramm der auf HO, zu prüfenden alhoholischen Flüssigkeit und einem halben Gramm der erwähnten Guajaktincter einige Tropfen durch Blutkörperchen stark gerötheten Wassers (wozu auch eine wässrige Lösung getrockneten Blutes dienen kann) fallen, so wird sich dasselbe bläuen, rascher oder langsamer und mehr oder weniger tief, je nach dem grössern oder klei- nern HO,-gehalt des untersuchten Alkohols u. s. w. Hundert Gramme des reinsten Methylalkohols in einer lufthaltigen zweilitergrossen Flasche unter häufigem Schüt- teln einige Stunden lang der Einwirkung einer kräftigen 31 448 Junisonne ausgesetzt, vermochten bei Anwendung der er- wähnten Reagentien sowohl den Jodkaliumkleister als auch die Guajaktinctur in schon merklicher Weise zu, bläuen, nach einigen Tagen auch das damit benetzte Jodkalium- stärkepapier deutlichst zu bräunen und nach vierwöchent- licher Besonnung mit SO,-haltiger Chromsäurelösung tief lasurblau sich zu färben, welche Reaktionen ausser Zweifel stellen, dass gleich dem Aether und Fuselöl auch der Me- thylalkohol die Bildung von Wasserstoffsuperoxid zu be- wirken vermag, bei welchem Anlass ich nicht unbemerkt lassen will, dass der so beschaffene Alkohol das Lakmus- papier merklich stark röthet, welche Reaktion wahrschein- lich von Ameisensäure herrührt. Aethylalkohol. Dieser Alkohol kann gleichfalls mit Wasserstoffsuperoxid zusammen bestehen, ohne auf dasselbe zersetzend einzuwirken, wie auch ein solches Ge- misch durch SO,-haltige Chromsäurelösung lasurblau gefärbt wird. Meines Wissens nimmt man an, dass der Sauerstoff bei gewöhnlicher Temperatur nicht auf den Weingeist ein- wirke, was bei Abwesenheit von Licht in der That auch der Fall ist. Anders verhält sich der besonnete Sauerstoff, wie aus nachstehenden Angaben erhellen wird. Hundert Gramme absoluten und von Amylalkohol voll- kommen freien Weingeistes in einer lufthaltigen zweilitergros- sen Flasche unter häufigem Schütteln mehrere Tage der Ein- wirkung des unmittelbaren Sonnenlichtes ausgesetzt, vermoch- ten unter den vorhin angegebenen Umständen sowohl den Jod- kaliumkleister als auch die Guajaktinctur schon deutlichst zu bläuen und nach vierwöchentlicher Besonnung mit der SO,- haltigen Chromsäurelösung, wenn auch nicht tief, doch noch augenfällig lasurblau sich zu färben, welche HO;-Reaktion dadurch noch deutlicher gemacht werden konnte, dass man den Alkohol erst mit dem gleichen Volumen reinen Aethers versetzte und letztern mittelst der nöthigen Menge Wassers 449 aus dem Gemisch abschied, welcher dann merklich stärker gebläuet erschien, als der Weingeist für sich allein, ein Kunstgriff, der sich auch beim Methylalkohol anwenden lässt. Natürlich nimmt mit der Dauer der Einwirkung der besonneten Luft auf den Alkohol auch die Menge von HO, zu, so dass man nach längerer Zeit eine Flüssigkeit erhält, welche durch die besagte Chremsäurelösung tief gebläuet wird und auch die sonstigen HO,-Reaktisnen in augenfälligster Weise hervorbringt. So weit meine Erfahrungen über diesen Gegenstand gehen, muss ich jedoch annehmen, dass unter den drei genannten Alkoholen der Weingeist die Bildung von Wasserstoffsuperoxid bei weitem am langsamsten verur- sache. Mit andern den &ruppen der Aether und Alkoholen angehörigen Flüssigkeiten habe ich bis jetzt noch keine Ver- suche angestellt, es ist indessen nicht unwahrscheinlich, dass sie ähnlich dem gewöhnlichen Aether, dem Weingeist u. s. w. sich verhalten werden. Aceton. Auch mit dieser organischen Materie ver- mag der beleuchtete Sauerstoff? HO, nebst einer sauren Substanz zu erzeugen, wie daraus abzunehmen ist, dass zwanzig Gramme Acetons, nachdem sie in einer lufthaltigen halblitergrossen Flasche, unter jeweiligem Schütteln eine Woche lang der Einwirkung des unmittelbaren Sonnen- lichtes ausgesetzt gewesen waren, so viel HO, enthielten, um ein gleiches Volumen damit geschüttelten Aethers mit- telst Chromsäurelösung deutlichst bläuen zu können. Damit jedoch diese Reaktion recht augenfällig wurde, war nöthig dem Gemisch so viel Wasser beizufügen, dass der vor- handene Aether von der übrigen Flüssigkeit sich abscheiden konnte. Selbstverständlich wurden durch solches Aceton auch die andern HO,-Reaktionen in deutlichster Weise hervorgebracht. | Terpentinöl. Von dieser Flüssigkeit ist schon längst bekannt , dass sie unter Bildung von Harzen, Kohlen- und 31* 450 Ameisensäure ziemlich rasch Sauerstoffgas verschlucke und meine eigenen Untersuchungen haben zu seiner Zeit gezeigt, dass hierbei auch noch eine Verbindung des Sauerstoffes mit Terpentinöl entstehe, aus der er wieder auf andere oxidirbare Materien z. B. auf SO,, die Basis der gelösten Eisenoxidulsalze u. s. w. augenblicklich sich übertragen lässt, und die ich aus schon früher angegebenen Gründen als ein organisches Antozonid, d. h. als eine dem Wasserstoffsuper- oxid (HO + &) analoge Verbindung betrachte. Man hätte nun vermuthen können, dass unter dem Ein- flusse des Lichtes der reine oder atmosphärische Sauerstoff mit dem Camphenöl ebenfalls HO, zu erzeugen vermöchte, ohne wie beim Aether u. s. w. der gleichzeitigen Mitwir- kung des Wassers zu bedürfen, welche Ansicht ich anfäng- lich auch hegte, von der ich aber zurückkommen musste, weil eine genauere Untersuchung mich überzeugte, dass bei Abwesenheit des Wassers ausser den Harzen u. s. w. nur die antozon-haltige Verbindung und keine nachweisbare Menge von Wasserstoffsuperoxid gebildet werde und in dem Versuche, dessen Ergebniss mich zu der irrigen Meinung führte, etwas atmosphärisches Wasser mitgewirkt hatte. Dieser Versuch war nämlich folgender: Hundert Gramme des reinsten Terpentinöles wurden in einer lufthaltigen litergrossen Flasche unter jeweiligem Schütteln und Luft- wechsel fünf Monate lang der Einwirkung des Lichtes aus- gesetzt. Nach Verfluss einiger Wochen war das Camphenöl schon so &-haltig geworden, dass es mit Hülfe verdünnter Eisenvitriollösung eine verhältnissmässig beträchtliche Menge _ Wasser sofort zu entfärben vermochte, das durch Indigo- tinctur ziemlich tief gebläuet worden, über welche Prüfungs- weise weiter unten Näheres angegeben werdensoll. Während das Terpentinöl anfänglich auch beim Schüttein klar blieb, zeigte es sich nach einiger Zeit so verändert, dass es nach dem Schütteln milchig aussah und hatte es sich wieder geklärt, 451 so fand sich am Boden der Flasche eine farblose Flüssig- keit abgesondert, welche nach fünfmonatlicher Einwirkung der Luft auf das Camphenöl gegen sechs Gramme betrug und vom Terpentinöle getrennt folgende Reaktionen hervor- brachte: | 4. Sie wurde durch verdünnte Chromsäurelösung auf das Tiefste gebläuet, welche starke Färbung sie selbst dem dreifachen Volumen des damit geschüttelten Aethers er- theilte. 2. Mit Platinmohr, Bleisuperoxid u. s. w. in Berührung gesetzt oder mit angesäuerter Kalipermanganatlösung ver- mischt, - verursachte sie eine lebhafte Entwickelung von Sauerstoffgas unter Entfärbung des genannten Salzes. 3. Durch Indigolösung stark gebläuet, entfärbte sie sich beim Zufügen verdünnter Eisenvitriollösung augen- blicklich. 4. Ans einem Gemisch von Ferrideyarkalium- und Ei- senoxidsalzlösung fällte sie reichlich Berlinerblau unter Entbindung von Sauerstpffgas. 5. Aus Bleiessig schlug sie Bleisuperoxid nieder. 6. Erst mit ein paar Tropfen Bleiessigs und dana mit einigem Jodkaliumkleister vermischt, bläuete sie letztern ziemlich stark und beim Zufügen von Essigsäure auf das Allertiefste. ) 1} Bekanntlich wird unter der Mitwirkung der Eisenvitriol- lösung der Jodkaliumkleister durch äusserst verdünntes Wasserstoff- superoxid augenblicklich noch tief gebläuet, welche Reaktion die oben in Rede stehende Flüssigkeit zwar auch aber nur für einen Augenblick hervorbrachte, indem die anfänglich eintretende Bläuung sofort wieder verschwand, woraus erhellt, dass die besagte Flüssigkeit eine das im ersten Augenblick ausgeschiedene Jod unverweilt wieder bindende Materie enthält, deren chemische Natur ich nicht weiter untersucht habe; bemerkenswerth ist aber, dass das Gemisch durch kurzes Schüt- teln mit atmosphärischer Luft wieder gebläuet wird und zwar dauernd. 452 7. Unter der Mitwirkung von Blutkörperchen bläuete sie die Guajaktinctur bis zur Undurchsichtigkeit tief. Diese Reaktionen lassen keinen Zweifel darüber walten, dass die fragliche Flüssigkeit merkliche Mengen von Wasser- stoffsuperoxid enthielt und mittelst einer titrirten Kaliper- manganatlösung fand ich, dass darin ein volles Prozent HO, enthalten war. Zu bemerken ist noch, dass die gleiche Flüssigkeit das Lakmuspapier stark röthet, von welcher Reaktion ich Grund zu der Annahme habe, dass sie haupt- sächlich von Ameisensärre herrühre. Es dürfte vielleicht auffallend erscheinen, dass das im Laufe von fünf Monaten erzeugte Wasserstoffsuperoxid während eines so langen Zeitrsumes unzersetzt sich erhalten konnte; es wird jedoch diese Thatsache hauptsächlich durch den Umstand erklär- lich, dass gleichzeitig mit HO, auch Säuren entstehen, welche bekamntlich das Superoxid ziemlich kräftig vor Zer- setzung :chützen, wozu ausser der kältern Jahreszeit, wäh- rend welcher der Versuch im Gange war, noch kommt, dass dasselbe nach meinen neuern Versuchen überhaupt eine grössere Beständigkeit zeigt, als man sie bisher sich gedacht bat. Was nun den Ursprung des in Rede stehenden HO, betrifit, so ist man zu der Annahme berechtiget, dass es aus atmosphärischem Wasser und Sauerstoff entstanden sei und das Terpentinöl nur mittelbar zur Bildung dieses Su- peroxides beigetragen habe, welchen Schluss ich zunächst aus der Thatsache ziehe, dass in 100 Grammen reinsten Terpentinöles, nachdem sie in einer zwsilitergrossen Flasche unter jeweiligem Schütteln zwei Monate hindurch mit trocke- ner atmosphärischer Luft in Serührung gestanden hatten, nicht die geringsie Spur von HG, sich nachweisen liess, obwohl das Oel ziemlich reich an & und Harz geworden war. Nachstehende Angaben lassen, wie ich glaube, keinen 453 Zweifel über den Ursprung des in Rede stehenden Wasser- stoffsuperoxides übrig. Es ist längst bekannt, dass unter den gewöhnlichen Temperaturverhältnissen viele unorganischen und organischen Materien durch den gewöhnlichen Sauerstoff nur bei An- wesenheit von Wasser oxidirt werden und ich habe zu seiner Zeit gezeigt, dass in zahlreichen Oxidationsfällen dieser Art Wasserstoffsuperoxid sich erzeuge, welche That- sache der Vermuthung Raum geben musste, dass grössere dem Terpentinöl beigegebene Mengen Wassers sowohl die Oxidation des Camphens selbst, als auch die Bildung von Wasserstoffsuperoxid beschleunigen würden, eine Vermu- thung, deren Richtigkeit die Ergebnisse meiner Versuche ausser Zweifel gestellt haben. Bevor ich dieselben jedoch näher beschreibe, dürften noch einige Angaben über das bei meinen Versuchen angewendete Terpentinöl am Orte sein. In einer meiner ältern Mittheilungen ist bereits ange- geben, dass auch nur kürzere Zeit mit atmosphärischer Luft in Berührung gestandenes Terpentinöl als (+)-haltig sich erweise und dasselbe völlig sauerstofffrei nur dadureh er- halten werde, dass man es gehörig lang mit Eisenvitriol- lösung schütlle und nach erfolgter Abklärung der Destil- lation unterwerfe. Unter diesen Umständen nimmt nämlich die Basis des Eiseusalzes den im Oel vorhandenen über- tragbaren Sauerstoff (@) auf unter Bildung von Oxidsalzen, durch welche die besagte Lösung bräunlich gefärbt wird; wesshalb Terpentinöl völlig frei von &) beim Schütteln mit Eisenvitriollösung die Letztere nicht mehr verändern darf; denn enthält dasselbe auch nur geringe Mengen ‘übertrag- baren Sauerstoffes, so wird die Eisenlösung schon sichtlich gebräunt. Noch viel empfnilicher als die Vitriollösyng ist die indigotinctur, welche unter der Mitwirkung eines gelösten 454 Eisenoxidulsalzes durch &-haltiges Terpentinöl rasch ent- färbt wird. Schüttelt man in einem Probegläschen etwa 10 Gramme éurch Indigotinctur noch deutlichst gebläueten Wassers erst mit einigen Tropfen Terpentinöles zusammen und tritt beim Zufügen einiger Tropfen Eisenvitriollösung und wiederholtem Schütteln keine Entbläuung des Gemi- sches ein, se darf man das Oel als sauerstofffrei betrachten An Empfindlichkeit nahezu gleich ist die frisch bereitete Guajaktinctur, welche durch &)-haltiges Terpentinöl ebenso wie durch HO, ‘unter Beihülfe von Blutkörperchen gebläuet wird. Fügt man zu einigen Grammen der besagten Harz- lösung ein paar Tropfen Tergentinôles und eben so viel durch Blutkörperchen stark geröthetes Wasser, so darf keine Bläuung der Tinctur eintreten, wenn das zugefügte Oel als völlig frei von &) betrachtet werden soll. Wurden in einer litergrossen Flasche 100 Gramme solchen Terpen- tinöles und 50 Gramme Wassers mit asmosphärischer Luft in Berührung gebracht und unter jeweiligem ®chütteln der Einwirkung des unmittelbaren Sonnenlichtes ausgesetzt, so vermochte das Wasser, nachdem es nur eine Woche lang unter diesen Umständen sich befunden, die HO,-Reaktionen in augenfälligster Weise hervorzubringen z. B. beim Zu- fügen verdünnter Chromsäurelösung auf das Tiefste sich zu bläuen, oder den damit zu gleichen Raumtheilen geschüttelten Aether -die gleichtiefe Färbung zu geben, mit Platinmohr, Bleisuperoxid u. s. w. in Berührung gesetzt in merk!icher Menge Sauerstoffgas zu entbinden, aus Bleiessig Bleisuper- oxid zu fällen u. s. w., welche Reaktionen zeigen, dass das besagte Wasser schon ziemlich reich an HO, war. Beizu- fügen ist noch, dass unter Mitwirkung verdünnter Eisen- vitriollösung der Jodkaliumkleister ebenfalls nur für einen Augenblick gebläuet wird, durch kurzes Schütteln mit Luft aber diese Färbung dauernd wieder erlangt und kaum brauche ich zu bemerken, dass das Wasser um so reicher 455 an HO, wurde, je länger man dasselbe mit dem Terpentinöl und der beleuchteten Luft in Berührung stehen liess, wie auch die Sauerheit der Flüssigkeit mit ihrem HO;-Gehalte zunahm. Voranstehende Angaben zeigen auf das Augenschein- lichste, dass bei Anwesenheit merklicher Mengen von Wasser unter dem Einflusse des Terpentinöles der besonnete atmos- phärische Sauerstoff bestimmt wird, mit HO ziemlich rasch und reichlich Wasserstoffsuperoxid zu erzeugen und nach Festsellung dieser Thatsache lag die Vermuthung nahe ge- nug, dass unter den gleichen Umständen auch noch andere organischen Materien die Bildung von HO, verursachen würden, was in der That auch der Fall ist ich wählte zur Anstellung dessfallsiger Versuche zu- nächst sauerstofffreie ätherische Oele, welche der Gruppe der sogenannten Camphene angehören: das Wachholéäer- (Oleum Juniperi), Zitronen-, Copaiv- und Campheröl (Olenm Lauri Camphoræ) und fand, dass sie wie das Terpentinöl sich verhielten d. h. mit beleuchteter atmosphärischer Luft una Wasser in Berührung gesetzt, die Bildung von Wasser- stoffsuperoxid und zwar bald in einer solchen Menge ver- ursachten, dass dasselbe mit Hülfe des Aethers und der Chromsäurelösung sich nachweisen liess. Unter den von mir bis jetzt untersuchten Camphenen zeichnet sich vor allen übrigen durch Wirksamkeit ganz besonders das Wachhol- deröl aus, wesshalb dasselbe auch vorzugsweise sich dazu eignet, die so merkwürdige Bildung von Wasserstoffsuper- oxid zu zeigen, welche unter der Mitwirkung des Wassers bei der langsamen Oxidation organischer Materien statt- findet. Schüttelte ich in kräftigem Sonnenschein zehn Sramme des genannten Oeles und dreissig Gramme Wassers mit dem Luftgehalt einer halblitergrossen Flasche zwanzig Mi- nuten lang lebhaft zusammen, so enthielt Letzteres schon 456 so viel HO; um ein gleiches Volumen Aethers mit Beihülfe SO,;-haltiger Chromsäurelösung deutlichst lasurblau färben zu können, wobei es sich von selbst versteht, dass das Wasser um so reicher an HO, wurde, je länger es unter den erwähnten Umständen sich befand, so dass schon im Laufe einer Woche eine Flüssigkeit erhalten werden konnte, welche die HO,-Reaktionen in augenfälligster Weise her- vorbrachte z. B. mit angesäuerter Kalipermanganat- oder der Lösung irgend eines unterchlorichtsauren Salzes ') eine lebhafte Entwickelung gewöhnlichen Sauerstoflgases ver- anlasste. Das Wachholderöl zeichnet sich aber auch noch da- durch vor den andern Camphenen aus, dass es selbst in völliger Dunkelheit, mit Wasser und atmosphärischer Luft in Berührung gesetzt, die Bildung von Wasserstoffsuperoxid verursacht, obwohl, alles Uebrige sonst gleich, merklich langsamer, als dieselbe unter dem Einflusse des Sonnen- lichtes stattfindet. Mit dieser verhältnissmässig rasch erfolgenden Bildung des Wasserstoffsuperoxides hängt natürlich auch die That- sache zusammen, dass das Wachholderöl den beleuchteten Sauerstoff rasch zu verschlucken vermag. Wurde in ein 1) Da nach meinen frühern Beobachtungen das Wasserstofi- superoxid und die Hypochlorite in Wasser und Chlormetalle unter Entwickelung gewöhnlichen Sauerstoffgases sich umsetzen, so wendet man am besten die Lösung eines unterchlorichten Salzes an, wenn es . sich darum handelt, die HÖ,-Haltigkeit des Wassers an der Sauer- stoffgasentbindung zu erkennen, durch welches Mittel schon äusserst kleine Mengen des fraglichen Superoxides sich entdecken lassen. Meinen Versuchen gemäss färbt nur l/40000 HO2 enthaltendes Wasser ein glei- ches Volumen damit geschütteiten Aethers bei Anwesenheit einiger Tropfen SO:-haltiger Chromsäurelösung eben noch wahrnehmbar blau und ein solches Wasser mit einigen Tropfen Hypochloritlösung ver- mischt, zeigt auch noch deutlich die Entwickelung von Gasbläschen. 457 weites Probegläschen von 25 cc. Inhalt ein Gramm des ge- nannten Oeles und so viel Wasser gebracht, dass beide Fiüssigkeiten 10 cc. einnahmen und stürizte man die Röhre in ein mit Wasser gefülltes Becherglas so um, dass der Spiegel des Oeles mit demjenigen des äussern Wassers in einer Ebene lag, so war unter dem Einflusse des Lichtes ‚das Volumen der über dem Camphen stehenden Luft in 2% Stunden von 15 — auf 12 cc. vermindert, und somit aller im Probegläschen vorhandene Sauerstoff verschwunden, wesshalb vielleicht das Wachholderöl als eudiometrisches Mittei sich anwenden liesse. | Was die Wirksamkeit der übrigen von mir untersuchten Camphenöle betrifit, so steht sie derjenigen des Terpentis- öles nach, welches in dieser Beziehung doch schon ziemlich weit vom Wachholderöl sich entfernt. So weit bis jetzt meine Versuche gehen, zeigen sie, dass das Vermögen der Camphene, bei Gegenwart von Wasser und Sauerstoff die Bildung von HO, zu verursachen, dem Grade ihrer Oxidir- barkeit entspricht, welcher trotz der Gleichheit der Zu- sammensetzung dieser Oele ein sehr verschiedener ist. So z. B. oxidirt sich nach meinen Beobachtungen das Terpen- tinöl ungleich rascher als das Zitronenöl und das ersige- nannte Camphenöl ist es auch, welches unter sonst gleichen Umständen eine viel grössere Menge von HO, erzeugt, als diess das Zitronenöl thut. — Ganz ähnlich den Camphenen verhalten sich eine Anzahl anders zusammengesetzter flüs- siger Kohlenwasserstoffe z. B. das gewöhnliche Steinöl, das amerikanische Petroieum, die bei der trockenen Destillation der Steinkohle, des Holzes u. s. w. entstehenden brenziige Oele und namentlich auch das Benzol, welche Substanzen bei Anwesenheit von Wasser der Einwirkung der beleuch- teten Luft ausgesetzt, ziemlich rasch die Bildung von HO: bewirken und ich will nicht unterlassen, hier zu bemerken 458 dass in dieser Hinsicht das Steinöl und Petroleum beson- ders wirksam sich verhalten. | Hundert Gramme Wassers mit fünfundzwanzig Gram- men farblosen Steinöles unter öfterm Schütteln fünf Tage lang der Einwirkung besonneter atmosphärischer Luft aus- gesetzt, vermochten ein gleiches Volumen reinen Aethers mit Beihülfe SO,-haltiger Chromsäurelösung schon ziemlich tief lasurblau zu färben, wie ich auch mit den andern ge- nannten Kohlenwasserstoffen HO;-haltiges Wasser erhielt, welche diese so karakteristische Reaktion in augenfäl- ligster Weise hervorbrachte. Da bekanntlich auch die meisten sauerstoffhaltigen ätherischen Oele unter Bildung von Harzen, Säuren u. s. w. Sauerstoff aus der Luft aufnehmen, so liess sich vermuthen, dass hinsichtlich ihrer Fähigkeit die Bildung von HO, zu veranlassen, sie den Camphenen u. s. w. gleichen werden und die Ergebnisse meiner Versuche haben die Richtigkeit dieser Vermuthung ausser Zweifel gestellt. Fünfzig Gramme Wassers mit zehn Grammen Zimmtöles und beleuchteter atmosphärischer Luft unter jeweiligem Schütteln eine Woche. lang in Berührung gesetzt, zeigten die HO,-Reaktionen in augenfälliger Weise: deutlichste Bläuung des Aethers unter Beihülfe SO,-haltiger Ühromsäurelösung, merkliche Gasent- wickelung durch Hypochloritlösung u. s. w. und ähnlich ver- hielten sich das Pfeffermünz-, Lavendel-, Kümmelöl u. a. m. Von fetten Körpern habe ich bis jetzt nur die Oelsäure untersucht, welche bekanntlich ziemlich rasch Sauerstoff aus der Luft aufnimmt und desshalb vermuthen liess, dass auch sis bei Anwesenheit von Wasser die Erzeugung ven HO: verursachen werde, was in der That der Fall ist, obwohl diese Bildung etwas langsam von statten gehet. Nach- dem fünfzig Gramme Wassers mit ebensoviel Oelsäure in einer litergrossen Flasche unter häufigem Schütteln einige Wochen !ang der Einwirkung beleuchteter Luft ausgesetzt 459 gewesen, vermochte dasselbe den Aether, wenn auch nicht tief doch noch deutlichst zu bläuen und daher auch die übrigen HO,-Reaktionen augenfälligst hervorzubringen z. B. wenn erst mit einigen Tropfen Bleiessigs versetzt, den Jodkaliumkleister bei Zusatz von Essigsäure schwarzblau zu färben, mit einigen Tropfen Hypochloritlösung vermischt, eine sichtliche Gasentwickelung zu veranlassen u. S. w. Ich darf die Beschreibung der Ergebnisse meiner Versuche nicht schliessen, ohne noch der allgemeinen Thatsache zu erwähnen, dass das HO;-haltige Wasser, welches bei der langsamen Oxidation der oben erwähnten so verschieden- artigen Materien erhalten wurde, ohne irgend eine Aus- nahme das Lakmuspapier mehr oder weniger stark röthet, was da zeigt, dass dabei die Bildung des Wasserstofisuper- oxides mit der Erzeugung von Säuren !) immer zusammenfällt und somit auch in dieser Hivsicht die langsame Verbren- nung des Phosphors als Vorbild der langsamen Oxidation aller organischen Substanzen betrachtet werden darf. Bei der theoretischen Wichtigkeit des Gegenstandes kann ich nicht umhin, an die im Voranstehenden mitgetheilten Thatsachen noch einige aligemeine Betrachtungen zu knüpfen über die bei gewöhnlicher Temperatur duich den atmos- phärischen Sauerstoff bewerkstelligten Oxidationen, welche man wohl als die umfangreichsten und wichtigsten chemi- schen Vorgänge bezeichnen darf, insofern auf denselben tiefgreifende und für den Haushalt der Erde bedeutungs- vollste Erscheinungen beruhen, wie z. B. die Respiration der Thiere, die Verwesung organischer Materien, wie auch mannigfaltigste Veränderungen unorganischer Stoffe. Da die !) In vielen Fällen dürfte die saure Reaktion von Ameisensäure herrühren und beim Steinöl habe ich mich überzeugt‘ dass es die ge- nannte Säure sei. 460 = Natur zur Erreichung ihrer vielartigen Zwecke immer der einfachsten Mittel sich bedient und Tausende scheinbar von einander gänzlich verschiedener Wirkungen nach einem Gesetze hervorbringt, so lässt sich auch zum Voraus ver- muthen, dass die unter den gewöhnlichen Temperatur- verhältnissen in der atmosphärischen Luft Platz greifenden Oxidationen auf die gleiche Weise zu Stande kommen, ob dieselben auf usorganische oder organische Materien sich beziehen. Wenn es, scheinbar wenigstens, auch Ausnabmsfälle gibt, so darf erfahrungsgemäss es doch als allgemeine Regel gelten, dass der reine oder atmosphärische Sauerstoff für sich allein und ohne die gleichzeitige Mitwirkung des Was- sers, oder anderer die Rolle des Wassers vertretender Materien !) wozu in manchen Fällen auch noch diejenige des Lichtes kommt, weder einfache noch zusammengesetzte Stoffe bei gewöhnlicher Temperatur zu oxidiren vermag- ks sind jedoch im Laufe der letzten dreissig Jahre von mir eine Reihe von Thatsachen ermittelt worden, die, wie mich dünkt, keinen Zweifel mehr darüber walten lassen, dass unter dem Einflusse gewisser physikalischen und che- mischen Agentien der gewöhnliche Sauerstoff so verändert. wird, dass er schon bei gewöhnlicher Temperatur die Oxi- dation vieler Materien in raschester Weise zu bewerkstel- ligen vermag, gegen welche derselbe in seinem natürlichen Zustande völlig gleichgültig sich verhält. Und aus der weitern Thatsache, dass eine Anzahl sauerstoffhaltiger Kör- per oxidirende Wirkungen hervorbringen, gleich denen, “ welche der durch irgend ein Agens thätig gemachte freie Sauerstoff verursacht, glaubte ich den Schluss ziehen zu i) In Bezug auf derartige Materien verweise ich auf die nach- stehende Mittheilung. 3 461 dürfen, dass in dem besagten Körper dieses Element trotz seiner chemischen Gebundenheit noch im thätigen Zustande sich befinde. Da meine Versuche des Fernern gezeigt 1) dass der freie thätige Sauerstoff {das Ozon) auf gewisse andere Sauerstoffverbindungen desoxidirend einwirke, wie z. B. auf das Wasserstoffsuperoxid, welches unter Verschwinden des Ozons und Auftreten gewöhnlichen Sauerstoffes zu Wasser reduzirt wird und 2) dass auch die beiden bezeich- neten Oxidgruppen gegenseitig sich desoxidiren unter Ent- bindung gewöhnlichen Sauerstoifgases, genau zur Hälfte aus der einen Oxidart, zur Hälfte aus der andern stammend, so schienen mir diese und noch einige andere hieher gehörigen Thatsachen zu der Folgerung zu berechtigen, dass es ausser dem gewôhulichen Sauerstoff noch zwei weitere einander entgegengesetzt thätige Modifikationen dieses Körpers gebe, welche ich Ozon und Antozon und deren Verbindungen mit andern Materien Ozonide, und Antozonide nannte. Nicht sehr lange nach Entdeckung der fhatsache, dass bei der Electrolyse des Wassers an der positiven Electrode neben gewöhnlichem Sauerstoff auch Ozon auftrete und freies O durch Eleetrisiren ozonisirt werde, fand ich, dass bei der langsamen Verbrennung des Phosphors merkliche Mengen thätigen Sauerstoffes zum Vorschein kommen, welche Thatsache anfänglich stark bezweifelt, ja von Einigen ge- radezu in Abrede gestelit wurde. Allerdings stand die An- gabe, dass neben dem leicht oxidirbaren Phosphor ein äusserst kräftig oxidirendes Agens auftrete, mit den dama- ligen Vorstellungen der Chemiker in so üblem Einklange, dass die über das Dasein des Ozons geäusserten Zweifel mir keineswegs unerwartet waren, obwohl man von der Richtigkeit meiner Angabe durch eine genaue Wiederholung der von mir beschriebenen Versuche leicht sich hätte über- zeugen können. Ein solches Schicksal haben aber bis jetzt 462 alle neuentdeckten und von der Gewöhnlichkeit stark ab- weichenden Thatsachen gehabt und es wird diess wohl auch fernerhin der Fall sein, schon desshalb, weil in der moralischen Welt das Gesetz der Trägheit eben so gut als in der physikalischen seine Geltung hat. in Betracht der allgemeinen Thatsache, dass der ge- wöhnliche Sauerstoff für sich allein bei gewöhnlicher Tem- peratur keine oxidirende Wirksamkeit zeigt und von der Voraussetzung ausgehend, dass wie das Ozon und Antozon zu neutralem Sauerstoff sich auszugleichen vermögen, so umgekehrt auch der Letztere unter geeigneten Umständen in seine beiden chemischen Gegensätze (@) und ©) aus- einander gehen könne, musste ich es für wahrscheinlich halten, dass der langsamen Oxidation so vieler Materien, welche der neutrale Sauerstoff unter der Mitwirkung des Wassers schon bei gewöhnlicher Temperatur als solcher zu bewerkstelligen scheint, dessen chemische Polarisation (wie ich der Kürze halber diesen Entzweiungsvorgang zu bezeichnen pflege) vorausgehe und das hierbei auftretende Ozon in der Regel mit der vorhandenen oxidirbaren Ma- terie sich verbinde, während das complementäre Antozon mit dem Wasser zu Wasserstoffsuperoxid zusammentrete. Die bezeichneten Thatsachen und Vermuthungen waren es auch, welche mich veranlassten zu untersuchen, ob bei der langsamen Verbrennung des Phosphors, welche ich damals schon als das Vorbild aller langsamen, unter der Mitwirkung des Wassers in der atmosphärischen Luft stattfindenden Oxi- dationen betrachtete, nicht ausser dem Ozon auch noch Was- 'serstoffsuperoxid zum Vorschein komme, dessen Bildung Platz greifen musste, wenn nach meiner Vermuthung bei der besagten Verbrennung der neutrale Sauerstoff in seine beiden thätigen Modifikationen sich spaltete. Wie aus meinen frühern Mittheilungen bekannt ist, bilden sich unter den erwähnten Umständen in der That 463 auch merkliche Mengen von HO, und nach Feststellung dieser Thatsache konnte es für mich kaum mehr zweifelhaft sein, dass auch noch in andern Fällen langsamer Oxidation das gleiche Superoxid erzeugt werde. Mit Hülfe der von mir aufgefundenen für HO: ebenso empfindlichen als sichern Reagentien wurde es mir leicht darzuthun, dass bei der langsamen Oxidation einer Anzahl von Metallen z. B. des Zinkes, Cadmiums, Bleies u. s. w. Wasserstoffsuperoxid gebildet werde und bei derjenigen des letztgenannten Me- talles vermochte ich noch die weitere und in theoretischer Hinsicht nicht unwichtige Thatsache zu ermitteln, dass der dabei verbrauchte Sauerstoff zur Hälfte an das Blei, zur Hälfte an das Wasser trete, um HO, zu erzeugen. Meine spätern Versuche stellten heraus, dass auch bei der langsamen Oxidation einiger organischer Materien z.B. der in Wasser gelösten Gerbsäuren, Gallussäure, Pyro- gallussäure und des Hämatoxylins HO: sich erzeuge und zwar rasch und ziemlich reichlich (namentlich mit Pyro- gallussäure) bei Anwesenheit alkalischer Substanzen. Eben so fand ich, dass beim Zusammentreffen gewöhnlichen Sauer- stoffes mit dem an Alkalien gebundenen Indigoweiss (der Küppe der Färber) merkliche Mengen Wasserstoffsuperoxi- des entstehen, welche Bildungsweise in mehr als einer Hinsicht zu den Merkwürdigsien gehört. | Wie aus obigen Angaben zu ersehen ist, haben die Ergebnisse meiner neuesten Untersuchungen die Zahl der organischen Materien, bei deren langsamer, durch den at- mosphärischen Sauerstoff hewerkstelligter Oxidation HO, erzeugı wird, noch bedeutend vermehrt, so dass wir heute schon Dutzende unorganischer und organischer Stoffe kennen, deren langsame Oxidation die Bildung des Wasserstoff- superoxides zur Folge hat. Wenn nun aber so ganz verschiedenartige oxidirbare Materien wie der Phosphor, das Zink, die Gerbsäuren, das 32 s 46% Indigoweiss, der Aether, der Methyl-, Aethyl- und Amyl- alkohol, die Camphene, die flüssigen Kohlenwasserstoffe, überhaupt, die sauerstoffhaltigen ätherischen Oele, die Oel- säure u. s. w. bei ihrer langsamen Oxidation die Erzeugung von NO, verursachen, so lässt sich kaum daran zweifeln, nicht nur, dass noch viele andere bei gewöhnlicher Tem- peratur sich oxidirende Substanzen ein solches Verhalten _ zeigen werden, sondern dass auch bei jeder langsamen Oxidation, für deren Stattfinden die Anwesenheit von Was- ser eine unerlässliche Bedingung ist, Wasserstoffsuperoxid gebildet werde. Hängt aber meiner Annahme gemäss die Bildung des unter diesen Umständen auftretenden Superoxides mit der chemischen Polarisation des neutralen Sauerstoffes zusam- men, so würde hieraus folgen, dass dieser Sauerstoff als solcher zu jeglichem Oxidationswerk unfähig sei und ein solches erst dann zu vollbringen vermöge, nachdem er in seine beiden thätigen Modifikationen auseinander gegangen, welche Spaltung durch zwei gleichzeitig wirkenden chemi- schen Ursachen bestimmt wird: durch das Bestreben der oxidirbaren Materie mit dem Ozon und durch die Neigung des Wassers mit dem Antozen zu HO, sich zu verbinden- Nach den voranstehenden Auseinandersetzungen ist kaum nöthig noch ausdrücklich zu bemerken, dass nach meinem Dafürhalten die Oxidationsvorgänge, welche in Folge des Athmens im thierischen Organismus stattfinden, wie auch diejenigen, auf welchen die Verwesung organischer Mate- rien beruhet, nicht durch den neutralen atmosphärischen Sauerstoff verursacht werden, sondern den besagten Vor- gängen ebenfalls die chemische Polarisation dieses Grund- stoffes vorausgehe, welche Ansicht ich übrigens schon längst ausgesprochen habe und die ich nur desshalb jetzt wieder erwähne, weil die in der voranstehenden Mittheilung ge- 465 machten Angaben mir weitere thatsächliche Gründe für die Richtigkeit meiner Annahme zu liefern scheinen. Um auch noch einige Worte über diejenigen Oxida- tionen zu sagen, welche bei höhern Temperaturen ohne Beisein des Wassers oder die Mitwirkung irgend einer andern Materie scheinbar durch den neutralen Sauerstoff als solchen bewerkstelliget werden, wie uns hievon die rasche Verbrennung so vieler Körper ein Beispiel liefert, so halte ich es für wahrscheinlich, dass auch unter diesen Umständen der wirklichen Oxidation der Materien die che- mische Polarisation des neutralen Sauerstoffes vorausgehe und in der Regel das Ozon es sei, durch welches das Oxi- dationswerk vollbracht werde. Der Umstand, dass hierbei, bis jetzt wenigstens, weder die eine noch die andere thätige Modifikation des Sauerstoffes wahrgenommen worden, be- weist, wie mir scheint, nichts gegen die Richtigkeit meiner Vermuthung, denn wir wissen, dass das freie Ozon und Antozon schon bei einer Temperatur von 150° wieder in neutralen Sauerstoff übergeführt werden. Wenn also z.B. bei der Erhitzung des Phosphors auch das mit diesem Körper in Berührung stehende O in © und © sich spaltete und letzteres allein zur Bildung der Phosphorsäure bei- trüge, so könnte das rückständige complemestäre @ die obwaltende Temperatur nicht aushalten, d. h. es müsste dasselbe in O sich umwandeln, um unter dem zweifachen Einflusse noch unverbrannten Phosphors und der Wärme abermals chemisch polarisirt zu werden, so dass ein gege- beres Volumen neutralen Sauerstoffgases bei Anwesenheit einer gehörigen Menge von Phosphor gerade so vollständig verschwinden müsste, als ob das besagte Gas schon anfäng- lich ezonisirter Sauerstoff gewesen wäre. In dieser Beziehung lässt sich die langsame Verbren- nung des Phosphors mit seiner raschen vergleichen; denn es ist eine schon längst bekannte Thatsache, dass der 32* 466 atmosphärische Sauerstoff, gleichzeitig mit Wasser und einer gehörigen Menge Phosphors in einem verschlossenen Ge- fäss in Berührung gesetzt, unter Bildung von Phosphorsäure vollständig verschwindet, so dass es scheint, als ob wie bei der raschen, so auch bei der langsamen Verbrennung des Phosphors der gewöhnliche Sauerstoff als solcher von der oxidirbaren Materie aufgenommen werde. Dass dem aber nicht so sei und unter diesen Umständen (gleichsam als Zwischenstadium des in Rede stehenden Oxidationsvor- ganges) freies Ozon und Wasserstoffsuperoxid, zum Vor- schein kommen, haben meine Versuche ausser Zweifel gestellt, aus welcher Thatsache ich den Schluss ziehe, dass die langsame Verbrennung des Phosphors eine Felge der chemischen Polarisation des neutralen Sauerstoffes sei und jene durch das Ozon allein bewerkstelliget werde. Dass das in dem verschlossenen Gefäss während der besagten Verbrennung frei auftretende Ozon mit dem Phosphor sich verbindet und desshalb wieder verschwindet, versteht sich von selbst, es fragt sich aber, was aus dem Sauerstoff werde, welcher zur Bildung des Wasserstoffsuperoxides verwendet wird. Dass Letzteres längere Zeit mit Phesphor unzer- setzt in Berührung stehen könne, habe ich schon vor Jahren gezeigt, aber auch beobachtet, dass es doch allmälig ver- schwinde unter Bildung von Phosphorsäure, so dass es den Anschein hat, als ob das Wasserstoffsuperoxid doch, wenn auch langsam, auf den Phosphor oxidirend einzuwirken ver- möge. Dem ist aber in Wirklichkeit nicht so, und verhält sich die Sache in folgender Weise. Aus einer uns noch “ völlig unbekannten Ursache zerfällt HO, schon bei gewöhn- licher Temperatur von selbst nach und nach in Wasser und neutralen Sauerstoff, welche spontane Zersetzung natürlich auch bei Anwesenheit des Phosphors stattfindet. Kemmt nun das aus HO; stammende O mit P und HO in Berührung, so wird es wie jeder andere gewöhnliche Sauerstoff che- 46% misch polarisirt und wirkt das in Folge hievon auftretende Ozon oxidirend auf den Phosphor ein, während das com- plementäre Antozon mit dem vorhandenen Wasser HO, er-, zeugt, das allmälig ebenfalls wieder in HO und O zerfällt und wie man leicht einsiehet, geht die spontane Zersetzung und Wiederbildung von HO, wie auch die Oxidation des Phosphors so lange fort, bis alles Superoxid verschwunden ist. Im Wesentlichen finden bei der langsamen Verbren- nung des Phosphors die eben beschriebenen Vorgänge statt erst Sraltung des neutralen Sauerstoffes in Ozon und Ant- ozon, hierauf erfolgende Oxidation des Phosphors durch © und Verbindung des & mit HO zu Wasserstoffsuperoxid, allmälige Zersetzung des Letztern in O und EO, welche durch das vorhandene freie (©) noch beschleuniget wird, abermalige Polarisation diess O u. s w., so dass also auch bei der langsamen wie bei der raschen Verbrennung des Phosphors aller vorhandene Sauerstoff zur Bildung von Phosphorsäure verwendet wird. Zu Gunsten der Vermuthung, dass unter dem Einfluss oxidirbarer Materien und der Wärme auch der: wasserfreie neutrale Sauerstoff in seine zwei thätigen Modifikationen auseisander gehe und je nach der Natur des vorhandenen oxidirbaren Körpers dessen Oxidation entweder durch © oder © hewerkstelliget werde, dürften vielleicht die im Nachstehenden bezeichneten Thatsachen sprechen. Das Bariumoxid, bei gewöhnlicher Temperatur voll- kommen gleichgültig gegen den neutralen Sauerstoff, nimmt bekanntlich im erhitzten Zustand ziemlich sierig noch ein Aequivalent des Gases auf und wird dadurch in ein Super- oxid verwandelt, welches sich wie ein Antozonid verhält und dem ich desshalb die Formel Ba 0 + & gebe. Auch wissen wir, dass unter den gleichen Umstänten das Kali und Natron, noch leichter aher die Metalle dieser Oxide in antozenidische Sugeroxide übergeführt werden. Ebenso be- a 468 kannt ist, dass einige Oxide der schwerern Metalle beim Erhitzen in gewöhnlichem Sauerstoff sich höher oxidiren und der hierbei aufgenommene Sauerstoff im ©-Zustande sich befindet, wie uns hievon das Bleioxid ein Beispiel liefert, welches unter den erwähnten Umständen in Mennige d. h. in eine Verbindung von Bleisuperoxid (PbO + ©) mit Bleioxid sich verwandelt. Noch andere Oxide oder deren Metalle sind so, dass sie mit alkalischen Substanzen in ge- wöhnlichem Sauerstoff gehörig erhitzt, zu Säuren sich oxi- diren, welche Ozonide sind, in welchem Falle z. B. das Mangan und dessen Oxide sich befinden. Wie dem Allem aber auch sein möge, so viel ist ge- wiss, dass die Hypothese der chemischen Polarisirbarkeit und dreier allotropen Zustände des Sauerstoffes meine neuern und neuesten Untersuchungen über die Oxidation geleitet hat und ich ihr allein die Ermittelung von That- sachen verdanke, welche, wie man dieselben auch deuten möge, für die theoretische Chemie ihre Bedeutung haben. Schon ihrer Fruchtbarkeit allein halber werde ich daher meine Ansichten so lange festhalten, bis ihre Unrichtigkeit durch Thatsachen (nicht durch Formeln) dargethan sein wird, was bis jetzt noch nicht geschehen ist. VI. Ueber das Auftreten thätigen Sauerstoffes bei der lang- samen Oxidation verdampfbarer organischer Materien. Da nach meinem Dafürhalten die Ergebnisse meiner ältern und neuern Untersuchungen es so gut als gewiss machen, dass die langsame Verbrennung des Phosphors das Vorbild aller in der atmosphärischen Luft bei gewöhn- licher Temperatur stattfindenden Oxidationen sei, so finde 469 ich es angemessen, auf diese typische Erscheinung zurück- zukommen und einiger weitern Thatsachen zu erwähnen, von denen ich glaube, dass sie zu Gunsten meiner Ansicht sprechen. Es ist von mir zu seiner Zeit gezeigt worden, dass bei der besagten Verbrennung neben freiem ozonisirtem Sauerstoff gleichzeitig auch Wasserstoffsuperoxid zum Vor- schein komme, gerade so, wie diess bei der Electrolyse des Wassers geschiehet, und dass in beiden Fällen alle die Umstände, welche das Auftreten von ©) verhindern, auch dasjenige von HO&) hemmen, welches Zusammengehen eine Consequenz meiner Polarisationshypothese ist. Es gibt indessen viele Fälle langsamer Oxidation, wo zwar Wasserstuffsuperoxid gebildet wird, aber kein freies Ozon zum Vorschein kommt, wie diess z. B. bei der Oxi- dation vieler Metalle: des Zinkes, Bleies u. s. w., der Gal- lus- und Pyrogalilussäure, des an Kali gebundenen Indigo- weiss u. s. w. der Fall ist und als Regel kann gelten, dass bei der langsamen Oxidation aller derjenigen Materien, welche während dieses Vorganges in festem oder flüssigem Zustande sich befinden, kein Ozon sondern nur Wasserstoff- superoxid zum Vorschein kommt. Anders verhält sich die Sache bei der langsamen Oxi- dation solcher Substanzen, welche schon bei gewöhnlicher Temperatur mehr oder weniger leicht verdampfbar sind, wobei nach meinen Beobachtungen immer thätiger Sauer- stoff auftritt. _ Dass der Phosphor, wenn auch in einem schwachen Grade schon bei gewöhnlicher Temperatur verdampft, ist bekannt und ich habe in einer meiner früheren Arbeiten über die langsame Verbrennung des genannten Körpers gezeigt, dass bei diesem Vorgang um so reichlicher Ozon und Wasserstoffsuperoxid zum Vorschein kommen, je gün- stiger die Umstände der Verdampfung des Phosphors sind. 470 f Alles übrige sonst gleich, verdunstet derselbe rascher bei höherer als bei niederer Temperatur, in verdünnter Luft ebenfalls rascher als in dichterer und diese die Verdam- pfung fördernden Umstände sind es auch, welche das Auf- treten des Ozons und die Bildung des Wasserstoffsuperoxides begünstigen, wie umgekehrt Abkühlung und Verdichtung des Sauerstoffes oder der atmosphärischen Luft die beiden Vorgänge hemmen. Diese und noch einige andere Thatsachen liessen mich daher vermuthen, dass der dampfförmige und nicht der feste Phosphor es sei, durch welchen die Ozonisation des Sauerstoffes eingeleitet werde; denn wie mir scheint ist gerade die Dampfförmigkeit die erforderliche physikalische Bedingung, damit ein Theil des auftretenden gasförmigen Ozons in das umgebende Luftmedium sich zerstreuen könne, ohne sofort vom Phosphor aufgenommen zu werden, dessen Dampf als solcher durch die überstehende Luft nicht sich zu verbreiten vermag, weil de selbe nach Maassgabe seiner Bildung durch einen Theil des auftretenden Ozons in der Nähe des festen Phosphors sofort oxidirt wird. Dass auch bei der langsamen Verbrennung des Aether- dampfes neben Wasserstoffsuperoxid aktiver Sauerstoff zum Vorschein komme, haben meine früheren Versuche darge- than und nachstehende Angaben werden zeigen, dass ein : Gleiches geschehe bei der langsamen Oxidation aller Ma- terien, welche schon bei gewöhnlicher Temperatur mehr oder weniger rasch verdampfen und die Bildung von Was- serstoffsuperoxid veranlassen. Bekanntlich ist das Jodkaliumstärkepapier eines der empfindlichsten Reagentien auf den thätigen Sauerstoff, we- niger, aber doch noch sehr empfindlich sind durch Indigo- tinctur gebläuete feuchte Papierstreifen, welche durch das Ozon gebleicht werden. Es können desshalb die genannten Reagenspapiere dazu dienen, das Vorhandensein schou sehr 471 kleiner Ozonmengen nachzuweisen. Hängt man in klei- nen lufthaltigen Flaschen, deren Boden mit den früher erwähnten Camphenölen oder flüssigen Kehlenwasserstoffen bedeckt ist, welche bei ihrer langsamen Oxidation Wasser- stoffsuperoxid oder ein organisches Antozonid erzeugen (man sehe die nächstfolgende Mittheilung) feuchte Streifen von Jodkaliumstärke- oder Indigopapier auf, so werden Erstere gebläuet, Letztere gebleicht werden, rascher oder langsamer, je nach den obwaltenden Umständen, wobei als Regel gelten kann, dass alles Uebrige sonst gleich, die ge- nannte Färbung und Entfärbung um so rascher erfolgt, je schneller die im Gefässe befindliche oxidirbare Flüssigkeit Wasserstoffsuperoxid zu erzeugen vermag. Versteht sich von selbst, dass die Wärme einen sehr merklichen Einfluss ausübt und zwar so, dass das Auftreten des thätigen Sauer- stoffes um so rascher und reichlicher erfolgt, je höher in- nerhalb gewisser Grenzen die Temperatur ist. In sehr vielen Fällen wird die Oxidation des mit den genannten Flüssigkeiten in Berührung stehenden atmosphärischen Sauerstoffes auch durch das Sonnenlicht begünstiget in der Weise, dass dieselbe unter sonst gleichen Umständen in der Dunkelheit entweder gar nicht oder nur äusserst lang- sem, im zerstreueten Lichte merklich rascher und im un- mittelbaren Sonnenlicht am schnellsten stattfindet, wie diess aus der langsamen od*r raschen Bläuung oder Bleichung der erwähnten Reagenspapiere erkannt wird. 472 VII Ueber das Verhalten der flüssigen Kohlenwasserstoffe und Fette zum wasserfreien Sauerstoff. Es ist von mir am Terpentinöle zuerst nachgewiesen worden, dass unter dem Einflusse des Lichtes dieses Cam- phen mit dem Sauerstoff eine Verbindung eingeht, in wel- cher derselbe im &-Zustande sich befindet und aus der er daher wieder auf andere Materien sich übertragen lässt. Die Ergebnisse meiner neuesten Untersuchungen zeigen nun, dass nicht nur die sämmtlichen Camphene wie überhaupt alle flüssigen Kohlenwasserstoffe, sondern auch die feiten Oele in gleicher Weise sich verhalten. Bevor ich jedoch in nä- here Angaben über diese nicht unwichtige weil allgemeine Thatsache eintrete, erachte ich es für angemessen, das Ver- fahren anzugeben, durch welches die @-Haltigkeit der genannten Materien eben se bequem als sicher sich nach- weisen lässt. Ungleich dem gebundenen ©) verhält sich das mit irgend einer Substanz vergesellschaftete & gleichgültig gegen das in Weingeist gelöste Guajak, wesshalb im Ge- sensatze zu den Ozoniden die Antozonide für sich allein dieses Harz nicht za bläuen vermögen, während dagegen das gleiche gebundene & unter dem Berührungseinflusse der Blutkörperchen ozonartig zu wirken, also die Guajak- tinctur zu bläuen vermag. Wie schon aus frühern Mitthei- lungen abzunehmen ist, macht das erwähnte Verhalten es "möglich, selbst äusserst kleine Mengen Antozons in den obengenannten Flüssigkeiten nachzuweisen und obwohl es noch andere sehr empfindliche Reagentien auf &) gibt, so muss ich doch nach meinen vielfältigen Erfahrungen die Guajakiôsung in Verbindung mit Blutkörperchen vor allen übrigen Prüfungsmitteln zu dem besagten Zweck empfehlen. 473 Das Verfahren ist einfach so: zu etwa einem Gramme frisch bereiteter Guajaktinctur fügt man einige Tropfen der auf &) zu prüfenden Flüssigkeit nebst einigen Tropfen durch frische oder alte (getrocknetes Blut) Blutkôrperchen stark gerötheten oder gebräunten Wassers. =chüttelt man nun in einem Probegläschen diese Flüssigkeiten zusammen, So wird, je nach dem Mehr- oder Mindergehalt der unter- suchten Substanz an (H, rascher oder langsamer eine stär- kere oder schwächere Bläuung des Gemisches eintreten, wobei es erwähntermassen völlig gleichgültig ist, ob das vorhandene & an Wasser oder irgend eine organische Materie z. B. an Terpentinöl, Stein-, Lein- oder Olivenöl u. s. w. gebunden ist. i Setzt man in lufihaltigen Flaschen die flüssigen Koh- lenwasserstofie oder fetten Oele (trocknende und nicht trock- nende) ohne Wasser der Einwirkung des Sonnenlichtes aus, so beladen sie sich alle, die Einen rascher, die An- dern langsamer mit Sauerstoff in der Weise, dass derselbe unter der Mitwirkung der Blutkörperchen auf das in Wein- geist gelöste Guajak sich überführen lässt, wodurch diese Tinctur schon stark gebläuet wird, wenn in der geprüften Flüssigkeit auch nur winzige Mengen von &) enthalten sind. Wurden die von mir der Einwirkung der beleuchteten Luft ausgesetzien und selbstverständlich von & volikom- men freien Kohlenwasserstoffe, fetten Oele u s. w. häufig geschüttelt, so vermochten die Meisten derselben die Gua- jaktinetur schon nach einer halben Stunde deutlichst, nach einigen Stunden in augenfälligster Weise und nach wenigen Tagen auf das Allertiefste zu bläuen, wie es sich von selbst verstehet, dass dieseiben Materien in entsprechender Weise auch die sonstigen &)-Reaktionen hervorzubringen, z B. unter Beisein von Eisenvitriollösung die Indigotinetur zu entbläuen vermochten. 474 Natürlich findet diese Sauerstoffaufnahme auch im zer- streueten — obwohl merklich langsamer als im unmittel- baren Sonnenlichte statt, woher es kommt, dass die Cam- phene sowohl als auch die übrigen flüssigen Kohlenwasser- stoffe und fetten Oele, welche einige Zeit mit atmosphärischer Luft in Berührung gestanden, die besagte (D-Reaktion mehr oder weniger stark zeigen. Im Besitze einer mehr als fünfzig Jahre alten Chemicalien:sammlung habe ich darin in lufthaltigen Flaschen aufbewahrte flüssige Fette z. B. Olivenöl gefunden, welche Alle als @&)-haltig sich erwiesen, was natürlich auch mit solchen flüssigen Fetten u. s. w. der Fall ist, welche noch nicht so lange mit atmosphäri- scher Luft in Berührung gestanden. Kaum dürfte es nothwendig sein, ausdrücklich zu be- merken, sass wicht die ga:ze Menge des unter den erwähn- ten Umständen von den besagten Flüssigkeiten aufgenom- menen Sauerstoöffes im übertragbaren oder &)-Zustande sich befindet. Es bringt nämlich ein Theil dieses Sauerstoffes auch wirkliche Oxidationswirkungen hervor, d. h. dient zur Bildung von Säuren, Harzen u. s. w., wie diess z. B. bei den fetten Oe'en schon daraus erhellt, dass sie unter den erwähnten Umständen dick und zäh werden, wie such die Fähigkeit e:langen, das Lakmuspapier zu röthen, welche saure Beschaffenheit ebenfalis die Kohlenwasserstoffe an- nehmen. Xs lässt sich dessha!b sagen, dass die Beladung der in Rede stehenden erganischen Materien mit ( Rand in Hand gehe mit einer theilweisen wirklichen Oxidation der- selben gerade :o, wie bei der durch wasserhaltigen Sauer- stoff bewerksteliigten lang-amen Verbrennung des Phosshers und vieler Metalle die Bildung von Wasserstoffsuperoxid (HO + &) mit derjenigen von phosphoriger Säure oder Oxiden zusammen fällt Da den voranstehenden Angaben gemäss die flüssigen Kohlenwasserstoffe und Fette mit dem Wasser äie Fähigkeit theilen, antozonidische Verbindungen 475 mit &) zu erzeugen, so gibt diese allgemeine Thatsache der Vermuthung Raum, dass dem gewöhnlichen Sauerstoffe gegenüber die besagten organischen Flüssigkeiten eine zwei- fache chemische Rolle spielen. Wird z. B. Phosphor oder Zink mit Wasser und neutralem Sauerstoff in Berührung gesetzt, so spaltet sich Letzterer nach meiner Annahme in Œ und ©), einerseits in Folg> der grossen Neigung des Wassers, mit (D zu antozonidischem Wasserstoffsuperoxid sich zu verbinden, anderseits der starken chemischen Af- finität halber, welche der Phosphor oder das Zink gegen ©) zeigt, um damit eine Säure oder ein Oxid zu bilden. Kommt ein flüssiger Koblenwasserstoff, ein fettes Oel u. s. w. mit beleuchtetem O in Berührung, so gehet Letzteres nach meinem Dafürhalten ebenfalls in seine beiden einander ent- gegengesetzt thätigen Modificationen auseinander, einmal weil die genannten Materien gleich dem Wasser ein starkes Bestreben haben, mit ® als solchem sich zu verbinden und dann weil erfahrungsgemäss die gleichen Materien gie- rigst ©) aufnehmen, um damit Säuren u. s. w., d. h. Ver- bindungen zu bilden, in welchen der Sauerstoff nicht mehr im beweglichen Zustande sich befindet. Nach meinem Da- fürhalten spielt daher eine Materie der erwähnten Art gegenüber dem neutralen Sauerstoff gleichzeitig sowohl die Rolle des Wassers als auch diejenige des Phosphors, Zinkes u. s. w., durch welche gedoppeite Wirksamkeit erst die chemische Polarisation von O bewerkstelliget wird und in deren Folge dann die weitern vorhin erwähnten chemischen Vorgänge stattfinden. Nach dieser Betrachtungsweise würde somit di» lang- same Oxidation aller Materien auf die gleiche Weise er- folgen d. h. wäre die unerlässliche Bedingung für das Platzgreifen dieses chemischen Vorganges das Vorausgehen der Spaltung des neutralen Sauerstoffes in seine beiden gegensätzlich thätigen Modifikationen, zu welcher Entzwei- 476 ung in vielen Fällen auch noch die Mitwirkung des Lichtes erforderlich ist. Was die fetten Oele betrifft, so haben meine Versuche dargethan, dass sie in Berührung mit gewöhnlichem Sauer- stoffe zwar Alle antozonidische Verbindungen zu bilden vermögen, es aber davon nur Wenige gebe, welche bei Anwesenheit von Wasser auch HO, erzeugen können, zu welchen letztern Materien der Leberthran und das Cro- tonöl gehören, obwohl auch diese Flüssigkeiten eine ver- hältnissmässig nur spärliche Bildung des genannten Super- oxides veranlassen, doch immer aber noch eine solche, dass sie mittelst SO,-haltiger Chromsäurelösung und des Aethers sich nachweisen lässt | Wenn frühern Angaben gemäss die flüssigen Kohlen- wasserstoffe insgesammt das mit ihnen in Berührung ge- setzte Wasser und O bestimmen zu HO, zusammen zu treten, so beladen sie sich doch auch selbst mit &, woraus er- hellt, dass Letzteres bei Gegenwart von Wasser zwischen dieser Flüssigkeit und dem Kohlenwassersioff sich theilt in der Weise, dass gleichzeitig zwei antozonidische Ver- bindungen entstehen: ein Unorganisches und ein Organi- sches. Sauerstofffreies Terpentinöl z. B., im Lichte mit Wasser und atmosphärischer Luft geschüttelt, wird erwähn- termaassen bald &)-haltig, während in dem bei diesem Versuch angewendeten Wasser gleichzeitig auch HO, auf- tritt, wie man mit Hülfe der von mir anderwärts angege- benen Reagentien hievon leicht sich überzeugen kann. Da das mit einem flüssiges Kohlenwasserstoff oder ‘Fette vergesellschaftete & möglicher Weise auf Wasser sich übertragen liesse und hierdurch Wasserstoffsuperoxid gebildet werden könnte, so schüitelte ich, um zu sehen, ob diess wirklich der Fall sei, in völliger Dunkelheit eine Anzahl soicher mit &) reichlichst beladener Flüssigkeiten (z. B. @-haltiges Terpentinöl) mit Wasser zusammen, ohne Pr dass aber unter diesen Umständen Wasserstoffsuperoxid erzeugt worden wäre, woraus sich abnehmen lässt, dass &) an die besagten organischen Materien inniger als an das Wasser gebunden ist. Ich will indessen hier nicht unbemerkt lassen, dass das mit einem organischen Antozonid z. B. mit demjenigen des Terpentinöles geschüttelte Wasser unter der Mitwirkung von Blutkörperchen die Guajaktinctur noch stark zu bläuen vermag, welche Reaktion zwar auch dem Wasserstoffsuper- oxide zukommt, in dem vorliegenden Falle aber von kleinen Mengen des in Wasser gelösten organischen Antozonides herrührt, wie daraus zu schliessen ist, dass solches Wasser mit SO,-haltiger Chromsäurelösung weder sich selbst noch den damit geschüttelten Aether im Mindesten zu bläuen vermag, in welch negativer Weise alle von mir bis jetzt untersuchten organischen Antozonide sich verhalten. Aus den über diesen Gegenstand von mir bisher ge- machten Angaben gehet hervor, dass hinsichtlich ihres Verhaltens zum gewöhnlichen Sauerstoff es zwei Haupt- gruppen organischer Materien gibt. Die Eine dieser Grup- pen ist dadurch karakterisirt, dass die ihr zugehörigen Substanzen ohne Mithülfe des Wassers mit dem (beleuch- teten) Sauerstoff HO: erzeugen, wie diess der gewöhnliche Aether, die Alkohole des Methyls, Aethyls und Amyls nebst dem Aceton thun. Die andere Gruppe bestehet aus Materien, welche unter den gleichen Umständen kein Was- serstoffsuperoxid, wohl aber organische Antozonide zu bilden vermögen, welche Gruppe jedoch selbst wieder in zwei Abtheilungen zerfällt, von denen die Eine dadurch gekenn- zeichnet ist, dass sie bei Gegenwart von Wasser die Bil- dung von HO, veranlasst, während die der andern Abthei- lung angehörigen Materien diess nicht zu thun vermögen. Zu der ersten Abtheilung der zweiten Gruppe sind zunächst alle die flüssigen Kohlenwasserstoffe verschie- 478 denster Zusammensetzung wie auch manche sauerstoffhal- tigen »therischen Oele zu zählen, während die zweite Abtheilung aus den fetten Oelen sich zusammensetzt, von welchen nach meinen bisherigen Erfahrungen nur die Oel- säure, der Leberthran und das Crotonöl eine Ausnahme machen, indem sie wie bereits erwähnt eine spärliche Bildung von Wasserstoffsuperoxid zu verursachen vermögen. Es für möglich haltend, dass auch noch anderartige an Kohlen- und Wasserstoff reiche organische Materien wie z. B. die Harze unter geeigneten Umständen mit &) sich beladen, setzte ich die alkoholischen Lösungen mehrerer solcher Substanzen der Einwirkung des beleuchteten Sauer- stoffes aus und fand, dass diese Vermuthung gegründet war. In dieser Hinsicht zeichnet sich ganz besonders die Lösung des gewöhnlichen Geigenharzes aus, welche schon nach meñrstündiger Beleuchtung und wiederholtem Schütteln mit atmosphärischer Luft als so @&-haltig sich erwies, dass sie unter Mitwirkung der Blutkörperchen die Guajaktinctur auf das Tiefste zu bläuen vermochte, welche Reaktion die gleiche Harzlösung vor der beschriebenen Behandlung selbst- verständlich nicht hervorbrachte. Auch die alkoholische Lösung des gewöhnlichen Kampfers verhielt sich in ähn- licher Weise, obwohl sie unter sonst gleichen Umständen langsamer als die Colophoniumlösung mit &) sich belud. Man könnte vielleicht glauben, dass die erwähnte Reaktion von HO, herrühre, welches der als Lösungsmittel dienende Weingeist mit dem beleuchteten Sauerstoff zu erzeugen vermag; da jedoch früheren Angaben gemäss diese HO,- "Bildung auch bei stärkster Beleuchtung und häufigstem Schütteln nur äusserst langsam erfolgt, während die be- sonnete Harzlösung erwähntermaassen ziemlich rasch &- haltig wird, so kann in dem vorliegenden Falle die Bläuung der Guajaktinktur nicht wohl von Wasserstoffsuperoxid verursacht, sondern muss dem & zugeschrieben werden, 479 welches unter den erwähnten Umständen mit dem Harze sich vergesellschaftet, zu welcher Annahme auch noch die Thatsache berechtiget, dass in einer Harzlösung, welche die Guajaktinctur sofort auf das Tiefste zu bläuen vermag, mittelst Chromsäure kein Wasserstoffsuperoxid sich nach- weisen lässt. Kaum dürfte daran zu zweifeln sein, dass weitere Untersuchungen zu dem Ergebniss führen werden, dass auch der Beladung der gelösten Harze mit &) eine theilweise wirkliche Oxidation dieser Materien zur Seite gehe, bewerkstelliget durch ©), ohne welches bekasntlich @ nie auftritt. Die Thatsache, dass der im (-Zustande befindliche Sauerstoff selbst mit sonst äusserst leicht oxidirbaren Ma- verien zusammen bestehen kann, ohne auf dieselben oxidi- rend einzuwirken in Verbindung mit der weitern Thatsache, dass wohl die meisten Pflanzenharze abgeleiteten Ursprunges d. h. aus der Oxidation ætherischer Oele hervorgegangen sind, liess mich vermuthen, dass derartige Harze, fails sie nicht vorher erhitzt worden, von ihrer Entstehung her noch nachweisbare Spuren von dabei aufgetretenem &) enthalten dürften und wie aus nachstehenden Angaben erhellen wird, verhält sich in der That die Sache auch so. Um mir hier- über Gewissheit zu verschaffen, prüfte ich zunächst altes in einer lufthaltigen Flasche syrupdick gewordenes Ter- pentinöl, und fand, dass dessen alkoholische Lösung unter der Mitwirkung von Blutkörperchen die Guajaktinctur tief bläuete. ’n gleicher Weise wurden verschiedene Terpen- tinarten untersucht, welche im Faufe von fünfzig Jahren beinahe fest geworden waren, wobei sich ergab, dass auch diese Materien &) enthielten, sowie auch Tannenharz, wel- ches noch keine Schmelzung erlitten hatte. Unter den weitern von mir untersuchten Pflanzenharzen zeichneten sich durch ihren @-Gehalt der Mastix und Sandarac aus, deren alkoholische Lösungen noch eine ziemlich tiefe Bläu- 33 480 ung der Blutkörperchen-haltigen Guajaktinktur veranlassten und ich will hier nicht unbemerkt lassen, dass diese Reak- tion nicht nur von den frischen, sondern auch von solchen Harzen hervorgebracht wurde, welche wenigstens schon ein ‚halbes Jahrhundert alt waren, was augenfälligst be- weist, dass &) als solches für unbestimmte Zeit neben den genannten harzigen Materien bestehen kann. Es scheint mir desshalb nicht unmöglich zu sein, dass selbst in fos- silen Harzen, welche ohne Zweifel ähnlich den heutigen gebildet worden sind, noch nachweisbare Spuren von & sich vorfinden. Die Thatsache, dass Sauerstoff, der in mehrfacher Be- ziehung sich als thätiger erweist, mit oxidirbaren organi- schen Materien längste Zeiträume hindurch in inniger Be- rührung stehen kann, ohne auf dieselben im Mindesten einen oxidirenden Einfluss auszuüben, während umgekehrt die- jenige Sauerstoffmodifikation, welche ich mit dem Nameu „Ozon“ belegt habe, kräftigst-oxidirend auf die gleichen Substanzen einwirkt, ich sage, diese Thatsache scheint mir einen der schlagendsten Beweise für die Richtigkeit der Annahme zu liefern, dass jener Sauerstoff in einem eigen- thümlichen Zustande sich befinde, denn wäre dieses Ele- ment nicht verschiedener Modifikationen fähig, wodurch seine Beziehungen zu den oxidirbaren Materien verändert würden, so sehe ich wenigstens nicht ein, wesshalb der- selbe gegenüber den gleichen Materien bald chemisch wirk- sam, bald völlig unthätig sich verhalten sollte. Schliesslich kann ich nicht umhin, noch eine Bemer- kung über den bekannten tiefblauen Wölsendorfer Fluss- spath beizubringen, von welchem meine frühern Unter- suchungen gezeigt haben, dass in ihm noch merkliche Mengen ungebundenen Sauerstoffes eingeschlossen sind, wel- cher ozonartig riecht, und mit Wasser unmittelbar zu HO; zusammenzutreten vermag, welche letztere Eigenschaft dem 481 Ozon nicht zukommt. Es ist jener Sauerstoff diejenige Modification dieses Elementes, welche ich Antozen nenne und mit &) bezeichne. In der über diesen Gegenstand zu seiner Zeit von mir veröffentlichten Arbeit wurde bereits die Vermuthung ausgesprochen, dass dieses & in Folge der Oxidation einer organischen Materie aus O entstanden und mit dem gleichzeitig gebildeten blauen Farbstoff in das besagte Material eingeführt worden sei. Wie mir scheint sprechen auch die in der voranstehenden Mittheilung ent- haltenen Angaben zu Gunsten der erwähnten Ansicht; denn darin gleichen Terpentin, Mastix, Sandarac u. s. w. dem Wölsendörfer Flussspathe, dass alle diese Substanzen %) enthalten und nur dadurch von einander sich unterscheiden, dass die harzigen Materien mit dem Antozon chemisch verbunden sind, während Letzteres in dem besagten Fluss- spathe frei sich vorfindet. VIS. Nachträgliche Angaben über den &-Gehalt des Bern- steins und einiger anderer Harze. Es ist in der voranstehenden Mittheilung gezeigt wor- den, dass im Mastix und Sandarac noch nachweisbare Mengen Antozons d. h. solchen beweglichen Sauerstoffes vorhanden seien, welcher unter Beihülfe der Blutkörperchen auf das in Weingeist gelöste Guajak sich übertrageu lässt, und es wurde an diese Thatsache die Vermuthung geknüpft, dass auch noch andere und selbst fossile Harze in Folge 33* 482 ihrer Bildungsweise &)-haltig sein dürften. Wie die nach- stehenden Angaben zeigen werden, haben die Ergebnisse der Versuche, welche ich seither mit den verschiedenen Coyalarten (der ostindischen, afrikanischen und brasiliani- schen‘, dem Dammaraharze und Bernstein angestellt, die erwähnte Vermuthung bestätiget. Das von mir angewendete Verfahren, die genannten Materien auf &) zu prüfen, war Folgendes: es wurde in einem Probegläschen ein Gramm des möglichst fein gepul- verten Harzes mit etwa fünf Grammen wasserfreien Wein- geistes, der 1°/, Guajak enthielt, einige Minuten lang zu- sammengeschüttelt und dann einige Tropfen Blutkörperchen- haltigen Wassers zugefügt, wobei es sich zeigte, dass alle die genannten Harze in kurzer Zeit die augenfälligste Bläuung des gelösten Guajaks verursachten. Da das Tannen- (Resina alba) und Dammaraharz in Weingeist sich leicht lösen, während darin die Copale und der Bernstein nur aufquellen, so tritt bei dem Ersiern die blaue Färbung etwas rascher ein, als diess bei dem Letz- tern geschieht. Was den Bernstein betrifit, so fand ich, dass die voil- kommen durchsichtigen Stücke dieses fossilen Harzes die besagte (-Reaktion ungleich stärker hervorbringen, als diess die trüben und schmutzigen Stücke thun, obwohl die Bläuuug etwas schwächer als diejenige ist, welche durch die Harze der Jetztwelt verursacht wird; indessen gilt auch von den Letztern, dass die klaren Stücke reicher an ®& sind als die trüben. Beifügen will ich noch, dass unter allen von mir untersuchten Harzen die Resina alba die Guajaktinctur am raschesten und tiefsten zu bläuen vermag und ihr in dieser Beziehung das Dammaraharz am Nächsten steht. Da wir mit Bestimmtheit wissen, dass das Tannenharz aus dem Terpentinöl dadurch entstohet, dass auf Letzteres 483 der atmosphärische Sauerstoff oxidirend einwirkt und bei allen ähnlichen Oxidationen &) auftritt, so darf man aus der (D-Haltigkeit eines Harzes auch auf dessen abgeleiteten Ursprung schliessen und annehmen, dass es wie das Tan- nenharz entstanden sei. Man darf daher, wie ich glaube, aus der &-Haltigkeit des Bernsteins mit ziemlich grosser Sicherheit den Schluss ziehen, dass dieses fossile Harz seine Entstehung ebenfalls der langsamen durch den atmos- phärischen Sauerstoff bewerkstelligten Oxidation eines äthe- rischen Oeles verdanke. Da die Bildung des Bernsteines schon wer weiss vor wie vielen hunderttausend eder Millionen Jahren stattge- funden, so könnte man die &)-Haltigkeit dieses jedenfalls uralten Harzes eine chemisch paläontologische Thatsache nennen, welche übrigens in Betracht der chemischen Gleich- sültigkeit dieser Sauerstoffmodification gegen sonst sehr oxidirbare Materien für uns jetzt eben so wenig auffallend sein kann, als die Unversehrtheit zartester Insekten, welche wir in dem gleichen Harze eingeschlossen antreffen. ENTWICKELUNGSGESCHICHTE. Ueber die erste Anlage des Wirbelthierleibes von Prof. WILHELM HIS. Die Lehre von den Keimblättern in der Gestalt, die sie durch Remaks Untersuchungen gewonnen hat, bietet das Eigenthümliche, das sie hinsichtlich der Genesis der Gewebe ein allgemeines Gesetz zwar durchschimmern lässt, ohne jedoch in allen Einzeluheiten demselben zu genügen. Das allgemeine Gesetz scheint sich nämlich so zu formu- liren, dsss während das Nervensystem, die Epithelien und die Drüsen aus dem obersten oder dem untersten Keimblatt hervorgehn, das mittlere Keimblatt alle Gewebe der Binde- substanzgruppe, inclusive Blut, Gefässwände und Muskeln liefert. Als Widersprüche gegen dieses Gesetz ergeben sich in Remaks Angaben hauptsächlich die über die Entstehung der Sexualdrüsen und der peripherischen Ganglien aus dem mittlern Keimblatt, sowie der Gefässgehalt von Cen- trainervensystem und Chorioidea. In einer Gelegenheitsschrift habe ich gesucht einige dieser Widersprüche soweit sie nicht schon durch frühere Beobachter eliminirt waren, zu beseitigen. Während ich 485 für den Gefässursprung des Centralnervensystems und für die Bildung der Sexualdrüsen mein Ziel glaubte erreicht zu haben, bin ich nicht im Stande gewesen einen einheit- lichen Plan in der Anlage des Nervensystems nachzuweisen Diese empfindliche Lücke hat mich veranlasst meine, der äusseren Umstände halber im vorigen Jahr abgebro- chenen Untersuchungen mit neuen Hülfsmitteln aufzunehmen, und ich bin diesen Sommer zu Thatsachen geführt worden, die, wie ich glaube, sehr einfache Beziehungen zwischen der natürlichen Verwandtschaft der Gewebe und ihrer Ent- wickelung herstellen, Es zeigt sich nämlich, dass der Schwerpunkt der Frage anderswo liegt als in der Keimblattlehre,, dass die Keimblätter selbst, erst secundäre Gebilde sind, und dass insbesondere das sogenannte mittlere Keimblatt zu keiner Periode ein einheitliches Ganzes bildet. Soweit meine Untersuchungen am bebrüteten Hühnerei reichen, so sind von Anbeginn an zwei, ihrem Wesen und ihrer Lage nach getrennte Keimanlagen gegeben; aus der einen dieser Anlagen bilden sich alle die Theile, welche zum Nervensystem in näherer oder entfernterer Beziehung stehen, das Centralnervensystem, die peripherischen Nerven, die Oberhautgebilde, die Drüsen, sowie die quergestreiften und glatten Muskein. Die andere Anlage liefert das Blut und die Gewebe der Bindesubstanz. Jener Keim stellt sich im Vogelei dar als die, bis jetzt allein berücksichtigte Keimscheibe, dieser dagegen entspricht dem sogenannten weissen Dotier der neuern Autoren. Ich bezeiche jenen Keim als Hauptkeim Archiblast, oder mit Rücksicht auf seine hauptsächliche physiologische Bedeutung als Neuroblast, diesen dagegen als Nebenkeim Parablast oder nach der wichtigsten physiologischen Leistung als Hx&zmoblast. 486 Der Archiblast geht aus der eigentlichen Eizelle hervor, welche nach der Befruchtung den Furchungsvorgang durch- macht; der Parablast aber ist eine adventitielle Bildung, wahrscheinlich den Granulosazellen des Sängethiereies ent- sprechend, und seine Elemente sind im befruchteten Ei die- selben wie im unbefruchteten oder im Eierstocksei- Er ist daher als ein Material anzusehen, das rein mütterliche Beigabe ist, und das nur indirect durch die Vorgänge im Archiblasten zu selbstständigen Vegetationsvorgängen an- geregt wird. Zum Verständniss der ersten Entwicklungsvorgänge ist ein Eingehen nöthig auf den Bau des unbebrüteten Eies. Wir unterscheiden am unbebrüteten, befruchteten Bi- dotter drei Bestandtheile: die Keimscheibe, den weissen Dotter und den gelben Dotter. Letzterer bildet die überwiegende Masse der von der ‚Dotterhaut umgebenen Kugel; der weisse Dotter bildet eine dünne Schicht, welche die gelbe Kugel äusserlich umgibt, und welche an einer Stelle, nämlich unterhalb der gleich zu beschreibenden Keimscheibe einen längeren Fortsatz gegen das Centrum des Eies absendet, der hier kuglig anschwillt.e. Wegen der geringen Consistenz des weissen Dotters erscheint der erwähnte Fortsatz (besonders am ge- kochten Ei) als Kanal im dichteren gelben Dotter und sein verdicktes Ende als centrale Höhle. Die Keimscheibe ist ‘eine dünne Platte von etwa 3'/, MM. Durchmesser, welche im horizontal liegenden Ei an der höchsten Stelle des Ei- dotters dicht unter der Dotterhaut befindlich ist. Sie findet sich an der Stelle, wo im unbefruchteten Ei die eigentliche Eizelle, das Keimbläschen nebst umgebenden Bildungsdotter sich befunden hatte. Nach der Befruchtung erfährt das 48% primitive Bi die Furchung und wandelt sich in die Keim- scheibe um, unter welcher eine mit Flüssigkeit erfüllte Höhle, dieKeimhöhle entsteht; letztere trennt den mittlern Theil der Keimscheibe von der unterliegenden weissen Dotterlage, dem Boden der Keimhöhle. Der peri- pherische Theil der Keimscheibe ruht auf der weissen Dotterrinde nsch unmittelbar auf; ich bezeichne die vom peripherischen Theil der Keimscheibe bedeckte Substanz als Keimwall. — Wird die Keimscheibe vom übrigen Ei abgelöst und sorgfältig gereinigt, so zeigt sie eine innere durchsichtigere und eine äussere weissliche Zone. Er- stere entspricht dem Abschnitte der Keimscheibe, welcher über der Dotterhöhle lag, letztere verdankt ihre Beschaf- fenheit der anhaftenden weissen Substanz des Keimwalls. In der Area opaka, deren innerer Theil wegen grösserer Dicke der unterliegenden weissen Schicht etwas undurch- sichtiger ist, als der äussere, treten häufig schon vor der Befruchtung runde, durchsichtige und scharf geschnittene Flecken von c. Yo‘ Durchmesser auf; es sind diess, ähn- lich der Keimhöhle selbst, mit Flüssigkeit gefüllte Lücken im weissen Dotter, welche bald dieht unter der Keimscheibe liegen, bald von dieser durch eine dünne Substanzlage ge- trennt bleiben; auch im Gewebe am Boden der Keimhöhle treten ähnliche Lücken auf. Jene sind die Verläufer der Halonen; da wo sie nicht schon vor der Bebrütung vor- handen sind, da treten sie in den ersten Stunden nach der- selben auf und sind zu der Zeit von Pander beschrieben, späterhin aber wenig mehr beachtet worden. Die mikroskopischen Elemente des gelben PDotters sind die bekannten grossen kernlosen Körper, die von feinen Körnern dicht erfüllt sind. Isolirt nehmen sie Kugelgestalt an, während sie in ihrer natürlichen Anordnung im Ei durch gegenseitige Abplattung trapezoide Gestaltung be- sitzen. An der Bildung des Embryo und seiner Hüllen 488 nehmen sie nur indirecten Antheil, indem sie ihm den nöthigen Nahrungsvorrath aufgespeichert halten. Der weisse Dotter besteht aus Elementen, die gleich- falls in situ gegenseitig sich aneinander abplatten, während sie isolirt Kugelgestait besitzen. Es sind Körper von sehr verschiedener Grösse, von ?/ıooo bis Vs Durchmesser, ohne körnigen Inhalt, dagegen mit Kugeln in ihrem Innern, welche ziemlich stark lichtbrechend sind. Schon Schwaun und nach ihm Reichert hatten diese Elemente für Zellen und die eingeschlossenen Kugeln für | Kerne erklärt. Remak dagegen und Kölliker, die überhaupt dem weissen Dotter wenig Beachtung geschenkt haben, sind geneigt die fraglichen Inhaltskugein für Fetttropfen anzusehen. Dass sie diess nicht sind ergibt sich aus ihrer Unlöslichkeit in Aether und Chloroform. Auch kommt ihr Lichtbrechungsvermögen demjenigen wirklicher Fett- tropfen doch nicht bei. Ferner enthalten sie constant in ihrem Innern eine gewisse Zahl von Körnern, die schon bei Wasserzusatz, jedenfalls aber dann sichtbar werden, wenn man sie in eiwas stark lichtbrechenden Medien unter- sucht. Diess, sowie die ganze weitere Entwickelung zeigt, dass Schwann in seinem Rechte war, und dass die frag- lichen dunkeln Kugeln Kerne mit eingeschlossenen Kern- körpern sind. Das starke Lichtbrechungsvermögen hängt wohl mit einem geringen Wasserreichthum derselben zusammen. Die kleinern Zellformen des weissen Dotters finden sich in der nächsten Umgebung der Keimhöhle, sie sind ein- oder zweikernig. In den peripherischen Theilen der Dotterrinde finden sich vorwiegend grössere vielker- nige Formen. Die Keimscheibe besteht aus Elementen, die von denen des weissen Dotters völlig sich unterscheiden. Es sind Körper, denen wir beim gegenwärtigen Stand der Zellen- lehre den Namen von Zeilen kaum mehr vorenthalten können. 459 Membranlos zwar, zeigen sie je einen centralen hellen Fleck, dessen Gränzen durch die undurchsichtige Ueber- lagerung etwas verwischt erscheinen. Charakteristisch für die Zellkörper sind zahlreiche stark lichtbrechende Kör- per von 1/s—!/o00 Durchmesser, welche in Aether und Chloroform gleichfalls unlöslich sich erweisen. Es sind diess dieselben Körner, welche schon im unbefruchteten Ei die Hauptmasse des Bildungsdoiters ausgemacht hatten. Die Anordnung der Zellen in der Keimscheibe ist fol- gende: Eine dicht gedrängte Lage kleinerer Formen von 3/1000 — Yıo00 Durchmesser bildet eine zusammenhängende Schicht, die wir bereits als obere Keimhaut bezeichnen können. Eine zweite der Fläche nach zusammenhängende Keimhaut existirt zu dieser Zeit noch nicht, dagegen gehen von der untern Fläche der obern Keimhaut Stränge und zapfenförmige Fortsätze aus, welche zum Theil isolirt, zum Theil netzförmig unter einander verbunden sind. Diese Anhängsel bestehen aus etwas grössern Zellen von ®/ıooo bis 15/000. Durchmesser die in einfachen, seltener in mehrfachen Reihen, beisammen liegen. Oft heben sie sich brückenartig von der untern Fläche der obern Keimhaut ab, und vm- schliessen Lücken, die nach abwärts frei mit der Keimhöhle communiciren. Es finden sich die Fortsätze sowohl im cen- tralen, als im peripherischen Theil der Keimscheibe, bis- weilen zeigt sich schon im unbebrüteten Bi, dass sie im Cen- trum der Keimscheibe in dichterer Menge sich entwickeln. ö 4 Folgen der Bebrütun£, Die Natur dieser fittheilung bringt es mit sich, dass ich eine detaillirte Extwicklungsgeschichte des Hühner- 19% Embryos auch nur für die erste Zeit seiner Existenz nicht geben kann. Ich muss mich daranf beschränken, in kurzen Zügen die Anlage der embryonalen Fundamentalorgane zu schildern. Veränderungen im Bereich der Area pellucida. Die ersten Folgen der Bebrütung zeigen sich in einem Wachsthum jener subgerminalen Fortsätze, welche eben geschildert wurden. Indem ihre gegenseitigen Verbindungen zunehmen, kommt es zur Bildung einer zisammenhängenden Schichte, dem untern Keimblatt, welches mit dem obern Blatt noch durch vieifache, theils dickere, theils feinere Fortsätze zusammenhängt. Es ist somit das untere Blatt vom Anbeginn an als eine Produktion des obern anzusehen, und zwar als die erste Produktion desselben, im Gegensatz zu mehreren nachfolgenden secundären Produktionen. Zum Theil sind die Verbindungen, welche von Anbe- ginn an zwischen dem oberen und unteren Blatt bestehen, vorübergehender Natur; indem das obere Blatt stellenweise vom untern sich abhebt, gehen sie zu Grunde, während sie an andern Stellen eine Zeit lang fortbestehen können. Je- denfalls sind diese ersten Brücken nachdem sie ihre Rolle bei der Bildung des untern Blattes gespielt haben von unterzeordneter Bedeutung und fällt ihnen keine Hauptrolle mehr zu. Von um so grösserer Bedeutung erscheint eine andere Verbindung zwischen oberem und unterem Keimblatt, welche secundär sich ausbildet, und die zur Entstehung der axialen Fundamentalorgan ein innigster Beziehung steht. Es ist bekannt, dass einige Stunden nach der Bebrütung eine Verdickung des centralen Theils der Keimscheibe sich bemerkbar macht, später tritt in einer zur Eiaxe quer- gelegten Richtung ein undurchsichtiger Streif, der Baer’sche Primitivstreif auf, und noch etwas später sieht man zwei nach vorn bogenförmig in einander umbiegende dunkle 491 Bänder (die Baer'schen Rückplatten.) Remak bringt diese Bilder in Beziehung zu der, von ihm so genannten Axen- platte d. h. zu einer Verwachsung vom obern und mitt- leren Keimblatt, nach vorhergegangener Verdickung beider. Das mittlere Keimblatt selbst aber lässt er einfach durch histologische Differenzirung vom untern sich scheiden. Meine Beobachtungen stimmen nun mit Remaks Angaben nicht ganz überein, sondern schliessen sich mehr denjenigen von Baer's an. Soweit ich die Sache verfolgen kann, so scheidet sich nämlich nicht einfach vom unteren Blatt ein mittleres, das weiterhin secundäre Theilungen erfährt, sondern an der Axenplatte, für die ich den von Remak gewählten Namen beibehalten will, sind dreierlei Produktionen zu unter- scheiden, die untereinander zwar in Verbindung treten, durch ihre erste Entstehung aber ebensowohl wie durch ihre, spätern Schicksale von einander differiren: 1) nämlich kommt es im mittlern Bereich des Fruchthofes zur Ablösung einer Schicht vom obern, 2) einer desgleichen vom untern Keim- blatt und 3) zur Bildung eines axialen Verbindungsstranges zwischen oberem und unterem Keimblatit. Ich will jene erst- erwähnten Bildungen, die grossentheils den v. Baer'schen Fleischplatten entsprechen, als obere und untere Nebenplatte, letztere als Axenstrang bezeichnen. Obere und untere Nebenplatte charakterisiren sich schon bei schwacher Vergrösserung bald durch eine vertikaie Streifung. Die erstere hängt in einiger Entfernung seitlich von der Axe mit dem obern Keimblatt zusammen, ähnliche obwohl weniger constante Verbindungen mit dem untern Keimblatt zeigt auch die untere Nebenplatte. Von dena, Axenstrang aus treten seitlich Fortsätze zwischen die Ne- benplatten ein, welche diese eine Strecke weit unter ein- ander verkitten. Aus den geschilderten Anlagen bilden sich nun die Primitivorgane des Embryo: Medullarrohr Chorda dorsalis, Urwirbel, Kopf- und Seitenplatten. Nas Medullarrohr entsteht in der bekannten Weise indem der mittlere Theil des obern Keimblattes sich ver- dickt und zu einer Röhre zusammenrolli, über welcher der peripherische Theil des obern Keimblattes, das soge- nannte Hornblatt sich schliesst. Die Chorda scheidet sich aus dem centralen Theil des Axenstranges und zwar bleibt sie oft noch eine Zeitlang mit der untern Fläche des Me- dullarrohres in inniger Verbindung. Beobachtet man die Scheidung am hinteren Leibesende von Embryonen etwas vorgerückterer Stadien, so überzeugt man sich, dass hier das Medullarrohr in seinem untern Theil unmittelbar aus dem Material des sehr dicken Axenstrangs sich scheidet. Bei der Bildung der Urwirbel betheiligen sich die beiden sestreiften Nebenplatten und ihre ungestreifte Zwischenmasse. „ Diese liefert den Kern des Urwirbels, während jene die radiär gestreifte Rinde desselben geben. Eine weitere Fortsetzung jener Lateralfortsätze scheint das Material zum Urnierengang zu liefern, während der äussere Theil der Nebenplatten zu dem wird, was Remak als Seitenplatten bezeichnet hat. Diese spalten sich also nicht aus einer einfachen Lage, sondern sind von Anfang an schon geschieden und gehen im Gegentheil nachträgliche Verbindungen ein. Manche Verbindungen legen noch geraume Zeit Zeugniss von den nahen Beziehungen der verwandten Theile ab; so treten strahlige feine Fort- sätze von den Urwirbeln einestheils zum Hornblatt, andern- theils zu der Chorda, ebenso schieben sich Verlängerungen des Hornblattes zwischen Medullarrohr und Urwirbel, sowie zwischen diese selbst ein. Die verschiedenen Scheidungen fallen mit der Ab- schnürung des Kopfendes des Embryo zusammen, nach deren Einleitung bekanntlich auch die erste Anlage des Herzens und der grossen Gefässstämme auftritt. Die erste Andeu- tung des Ortes an den die Aortae descendentes zu liegen kommen, zeigt sich in Lücken ausserhalb der Urwirbel- 493 anlage, welche Anfangs einer scharfen Umgränzung durchaus entbehren. Im Bereich des Kopfes sind solche Lücken ebenfalls sichtbar. Die Kopfplatten nämlich, von der Gränze zwischen Gehirn und Vorderdarm, also der Fortsetzung der Axialanlage ausgehend, , füllen tange richt den ganzen Zwi- schenraum zwischen Hornbiatt und Gehirn ans, sondern senden nach den Seiten und nach oben hir nur conische Fortsätze ab, welche weite Lücken frei lassen, die unge- fähr die Lage der späteren Aorfenbogen vorzeichnen. Auch das Herz selbst bildet sich als ein, Anfangs wenig scharf umschriebener Raum. Bevor es auftritt sieht man die vordere Wand des Vorderdarmes scheibenförmig sich ver- dicken, bald bildete sich in der verdickten Stelle eine quere Spalte, deren vordere Wand sich ausbuchtet. Erst später schnürt sich das Herz vom Vorderdarm vollständiger ab und bleibt noch durch eine Art von Gekröse mit dem- selben in Verbindung. Dieses ist aus zwei Platten zusam- mengesetzt und nach oben führt es noch zu zwei Zweig- spalten dem Rest der frühern einfachen Querspalte. Die ganze bisherige Herzwand geht, wie man leicht einsehen kann, aus der vordersten, umgebogenen Fortsetzung der Axialanlage hervor; sie zeigt zu der Zeit, ähnlich dem Medullarrohr und ähnlich der Urwirbelrinde eine radiäre Streifung und sie liefert das Material für die Muskulatur (und die nervösen?), Bestandtheile des Herzens. Das Material zur endocordialen Auskleidung, sowie das zur Bildung aller innern Gefässauskleidungen stammt überhaupt gar nicht aus dem Archiblasten, dessen Schicksale wir bis jetzt verfolgt haben, sondern aus dem weissen Dotter oder dem Para- blast. Um die Schicksale dieses Letzteren zu verfolgen, müssen wir zur Betrachtung der Area opaca uns wenden. — In derselben Weise, wie in der Area pellucida, sendet auch hier das obere Keimblatt Fortsätze nach abwärts, die unter- 49% einander sich verbinden; »ie durchwachsen sehr rasch die unterliegende Schicht von weissem Dotter, und indem sie meist fadenfôrmig sich ausziehn, bilden sie ein Gerüst in dessen Maschen die Elemente des weissen Dotters einge- schlossen liegen. Wir wollen diess combinirte Gewebe als Keimwallgewebe bezeichnen. Zwischen dem Keim- wallgewebe und dem obern Keimblatt bilden sich von Flüssigkeit erfüllte Lücken, die bald ringförmig zusam- wenfliessen, und in diesem Uebergangsstadium die als Ha- lonen bezeichnete Bildung darstellen; weiter h-bt sich das obere Keimblatt im inneren Bereich der früheren Area opaca vollständig vom Keimwail ab und bleibt mit diesem nur noch durch dünne Fäden verbunden. Wir können diesen abgelösten Theil des Keimwalls als den innern, den nicht abgeiôsten als den äusseren bezeichnen. Jener entspricht dem Gefäss- dieser dem Dotterhof. "m innern Keimwallgewebe tritt ein zweites tieferes System von Lücken auf, welches bei seinem allmählig er- folgenden Zusammenfiusse eine dü:ne obere Gewebsschichte von der unten liegenden dickern Lage scheidet.. Jene Schichte, die sowohl nach oben, als nach abwärts faden- förmige Fortsätze abgibt, bezeichne ich aus Gründen, die bald klar werden sollen, als blutbildende oder hämo- gene Membran. Nach aussen endet sie am Rand des äussern Keimwalls, nach innen schliesst sie sich ohne scharfe Gränze an die untere Nebenplatte an; sie besteht aus netz- förmig verbundenen achiblastischen Zellen, welche stel- lenweise Nester von weissen Dotterzeilen einschliessen. Die - kleinsten dieser Nester liegen am inneren, die grösseren am äusseren Rand des Gefässhofes. Von diesen Zellennestern ausgehend, findet nun Gefäss- und Blutbildung statt. Es wachsen nämlich zunächst spin- delförmige Zellen in «die unteriiegenden Lückenräume ein und kleiden diese als zusammenhängende Endothelschichte 495 aus; von da rücken sie in den durchsichtigen Fruchthof vor, wo sie den Zwischenräumen zwischen der untern Neben- platte und dem untern Keimblatt folgen; schliesslich ge- langen sie, immer mehr dem Centrum zuwachsend in die vor- gebildeten Herz- und in die Aortenräume, in denen sie zu einem Schlauch sich zusammenordnen, der der vorge- bildeten Wand ganz lose anliegt, ohne mit ihr sich zu verbinden. Von diesen primitiven Gefässwänden aus gehn dann im folgenden Verlauf der Entwick elung sämmtliche wei- teren Gefässanlagen, zunächst die der Ärteriae intervertebra- les, noch weiter das Material zu Bindegewebs-, Knorpel- und sonstigen Bindesubstanzanlagen hervor, se dass wir gene- tisch genommen alle Bindesubstanzen als Gefässadventitien bezeichnen können. Während so die Gefässbildung von der Peripherie nach dem Centrum fortschreitet, beginnen die Zeilen, welche in den Nestern des Gefässhofes zurückbleiben, sich zu röthen sie stellen in diesem Siadium die schon von den älteren Embryologen geschilderten, von Remak mit Unrecht ge- leugneten Blutinseln dar. Von der Fläche gesehen 'sind es rundliche oder auch verzweigie Massen. Sie hängen An- fangs völlig abgeschlossen in die obern Abschnitie der be- betreffenden Gefässräume hinein, zu einer Zeit, wo diese schon ihre vollständige Endothelauskleidung erhalten haben und wo das Herz seine ersten Contractionen ausführt. Suc- cessive lösen sich aber weiterhin die Zellen von diesen Nestern ab und gelangen in die, zuvor mit farbloser Flüs- sigkeit gefüllten Gefässräume hinein. Mit diesem Nachweis vun der Verwendung der Para- blastzellen zur Blut- und Gefässbildung ist zunächst die Aufgabe erfüllt, das !neinandergreifen der beiden Keime bei der Anlage der primordialen Organe zu zeigen. Es würde nun übrig bleiben die histologischen Ver- hältnisse der betreffenden Bildungen zu betrachten, indess 3% 496 beschränke ich mich vorerst darauf, das eine fundamen- tale Verhältniss hervorzuheben, dass bei den Gebilden des Archiblasten verzweigte vom Kern ausgehende Fäden als allgemeine Erscheinung auftreten. Sie finden sieh im Medullarrohr, im Hornblatt, in den Anlagen vom Gehör- organ und im Keimwallgewebe. | Ich muss es vorläufig unentschieden lassen, ob die Fäden von der Substanz des Kernes selbst ausgehen, oder ob sie einer dünnen, an denselben dicht sich anlegenden Protoplasmalage angehören. Soviel ist sicher, dass die Fäden benachbarter Zellen unter einander in Verbindung treten können. Berücksichtigt man nun, dass die neueren Beob- achtungen über Nervenzellen den Zusammenhang der Axen- cylinder mit Kernen als unbezweifelbare Thatsache erge- ben; ferner, dass nach Pflügers Beobachtungen Nervenfäden in Drüsenzellen und in diesen wahrscheinlich in ein zusam- menhängendes Kernfadennetz einmünden, so gelangt man zu Gesichtspunkten höchst überraschender Art, die für die Spezialforschung nicht anders als äusserst ergiebig sich erweisen können. Milch einer einzelnen mit dürrem Futter genährten Kuh während 18 Tagen untersucht. Rahm- Grade am die Grade am dito ; po Verhältniss Lactodensimeter Ba Lactodensimeter Blader || „ERbiResnktmeter A Ace pro- “ : schenmenge Ar Dauze zent- vor dem Pe nach dem Dee iR » zur $ Bemerkungen. halt Abrahmen be Abrahmen rs Ba rats Extracmenge Ben 3 peratur ; peratur.| Extract | Asche | wie 1 zu: Ir Morgenmilch || 14 | 33,8 bei 15,6° C 33,9 37,2 bei 18,1°C 37,8 159,326 | 8,030 9 . ai Horg wc 29, e1 19, er Que = En MES Sie 19,8 f butée : A 1m |32 „2 33,8 | 39,5 „ 175 40 | 147,020 | 8,378 175 ee Bla, D Tas Nase 225 35,8 | 38,5 „ 17,5 39 le. = gekalbt am 26. Mai. 4 41. Juni » 076 | 35 » 22,9 37 379 » 17,5 38 145,333 8,088 17,9 Quantität der Milch durchschnittlich vier 5 une » 11,5 | 33 ;, 23,6 38,5 | 38,6 „ 175 39,1 196,599 | 7,705 20,1 Maas in einem Tage. Bla A 10 313 „ 193 39,4 _ .—. | 137,820 | 7,850 175 7 De 5 Dal aD ets 36,lenı 30,225 16,9 36,6 || 140,843 | 7,371 191 8 er 5, — | 33,8 „ 19,1 33,8 = — || 139,515 | 7,600 18,3 9 me Ai; 4 13 | DO oil 20 4023 ail y 33,5 164,450 7020 93.4 10 er ah 10 34,5 „ 21 33 34, 17,5 34,5 134 720 7,540 17,8 F1) RES es 10 || s12 „ 19,1 82,2 |3 „175 33,5 || 126,144 | 7,400 17 19 1008 5 8 SR Ne) 34,1 |406 „ 16 40,8 || 150,680 | 7,104 21 Bl 3 10. 131,4 „ 17,5 316 |3 „16 33,2 || 106,974 | 7,270 147 14 ICE > Br Us 31,0, 16:5 31,582 7, 16 32,2 || 128,645 | 7,120 18 15 14 „ nn 14 DL TO A 32 Barmer mio 33, 126,256 | 7,162 17,6 16 15, 5 7 I LE N Barden RL dlG 34,7 || 128,154 | 7,530 17 PARC D aa 12902, Aal 29,6 | 30,5 „ 16 30,6 || 122,500 | 6,880 17,8 18 17. » p 11,2 | SU M) 32 DO 1 34 114,094 | 7,252 45,7 106,874 u. 6,880 u. Grenzen . 164,450 Untersuchung im Beinwyl, Canton Solothurn. || 3 ; 0 AL (Rahm- Grade am dito Grade am ano re u E DEA + bei der F bei der || Cubikcentimeter der N pro- Lactodensimeter Normal Lactodensimeter Noris Milch Aschenmenge EB a = Ë zent- vor dem nach dem DC zur COURS CN ehalt A Pra ben ns Ab loen tem- gaben Gramme | Extractmenge F " = peratur 5 peratur.| Extract | Asche wie 1 zu: a nn) 1863. | vonKuhl | 7. August a | ne 28 bei 33,9% 0. = — Ausgezeichnetes Weidefutter. „ 9; à Morgenmilch | 1° Ye v. Kuhl| 7 , |Adendmileh | 9 = = 4 9, hs Morgenmilch 11 — =: v. Kuh OI| 5. 5 Morgenmilch 199,140 — ” 8. 5 Abendmilch ER = v. Kuh IV| 8. n Morgenmilch _ == ch 8 oh Abendmilch || — _ » 16. en Morgenmilch} 8 | — v. Kuh V | 14. 5 Abendmilch || 13 179,140 — v. Kuh VI | 14, 5 Abendmilch || 14 = = v.Kuh VIL| 46. cf Morgenmileh 13 — = v.9 Kühen | 46, j Môrgenmiüch| 13 | — Se v.10 Kühen| 48, CE) Morgenmilch, 13 148,860 _ v.Kuh VIII] 18, a Morgenmileh| 17 — = v.KuhIX| 18 : Morgenmileh| 1212 = = v.KuhX | 21. ñ Morgenmilch — v.Kuh XI | 91, À Morgenmilch| 16 — — lv. Kuh XII] 21, 5 Morgenmilch | 16,5 | 1 | Grenzen . 18 u. 19 28,1 u. 29,8 u, | Proz 33,8 M, 4 Tab. En k Milchuntersuchungen auf dem Gute „Beuggenweide“ bei Bubendorf. ı 1866 25, Juli Abendmileh Rahm- pro- zent- | gebalt.! Grade am Lactodensimeter vor dem Abrahmen. dito bei der Normal- tem- peratur. Ho) 9 C5 Co C2 O2 > Co PVS0svsh C SIT) Grade am Lactodensimeter nach dem Abrahmen. | dito bei der Normal- tem- peratur. coco ss cn cn cu cn Extract 1000 | v Cubikcentimeter Milch gaben Gramme Asche Verhältniss der Aschenmenge zur Extractmenge wie | zu: Grenzen . . . ou. = 1222,893 114,337u.|6 96. Juli | Adendmilen | Grenzen . . © 1 Dante, DI 1 28, Juli |Morgenmilch Grenzen . IE EC 28. Juli Abendmilch ” El LL ” ” LE Gesammtmilch der acht Kühe) { Grenzen . Bemerkungen. Vorzügliches Wiesefutter, reinliche Pflege der Thiere. Grössere s Vieh, Berner- und Freiburger- Kreuzung. Alter der Kühe: Nr. siebenjährig, zwölfjährig, neunjährig, sechsjährig, Jährig sechsjährig co -1 © OUR O2 © mi vierjährig. Milchuntersuchungen auf dem Gute „Beuggenweide“ bei Bubendorf. dito dito 1000 Verhältniss Rahm- Grade am en Grade am bei der || Cubikcentimeter der Normal- Normal- Milch Aschenmenge vi zur zent- vor dem en nach dem ame gaben Gramme | Extractmenge Abrahmen. peratur.|| Extract | Asche | wie 1 zu: pro- || Lactodensimeter Lactodensimeter gehalt. Abrahmen. peratur. 1866 29, Juli Morgenmilch|| 12 31 bei 16%C, | 31, Halbabgerahmte Milch: 10 26,5 2° Bares 33, » » AA ; | Gesammtmilch der acht Kühe 25} E { EPIEMRS Gemisch der ganzen Milch vom 29, Juli und der abgerahmten vom 28,, beide 3 2 en i : Gesammtmilch der acht Kühe: 32 bei Abendmilch || 10 274/a 1 29,8 3 A 16°C., beider Normaltemperatur 32,2 | 3) 2 26 29,5 SEL AI i Gemisch der ganzen Milch von Kuh Nr. 3 D | 278 55 30,2 29,9 15 ee vom 29. Juli und der abgerahmten on 8 75 31,8 2 Et Milch, dito von Nr. 3 v Juli: Gesammimilch der acht Kühe a || 26 É 95 GE 12 3: 31 bei 16 C, bei der Nan | ratur 31,2. Grenzen . . .. 30. Juli Morgenmilch » ») 31. Juli : „ ” Gesammtmilch der acht Kühe, Grenzen . 6,797 7,297 166,501 et 172163 | 2713 192,344 | SUIS 126,044 | 25 2 WW 2 0 W NN © So œ FOUCO » ohne O0 10 (2 [res @esammtmilch der acht Kühe 19,43u. 52,63 Grenzen 126,044u-| 3,163 u REDEN PS EE Ara,163 |7,207 5. August | Abendmilch ? h 30 ||: j 56,265 | 806 Tab. 4. Milchuntersuchungen auf dem Gute „Grosstannen“ bei Zyfen. Rahm-| Grade am dito aan dito | 1000 Verhäültniss | Dre Tantodenktmgier bei der ar bei der |, Cubikcentimeter N der - 3 _| Lactodensimeter | | ; Aschenmenge % Data zent- vor dem en nach dem | ; de à zur Bemerkungen. z EU gaben Gramme | Extractmenge ehalt. | 6 | & N Abrahmen peratur. Abrahmen. peratur,| Extract | Asche | wie 1 zu: 1866 | | : 6. gen EN 96 bei 30° C. | 295 | 139369 | 6,70 99.9 NEUE 3 5 = 97 = EN) 30,6 | 149.959 | 8.021 187 ‚Kuh Nr. 1 5jäbrig im Februar gekalbt. 20 April 4 À & 4h , 30,6 97,9 95409 | 3,567 967 | y» » 2 6jährig Ende Dezbr, „ 30 März 5 5 e 26e » 294 29,8 Dr ee 4 MST ijäbrig Ende Mai 5 2 Mai 6 3 n | 29,7 97.677 |. 3,526 390 In » 4 Sjährig im Mai » L 7 » ” 291/2 30 33,3 169,363 | 3,330 50.8 ler 1e 0 6jährig im Mai $ 8 Juli) 8 5 " ds 30 23,3 Has) i | » » 65jährigim Mi » We 9 Ë 5 97h » 31,9 31,7 » » TOjäbrigim Herbst 60 , Gesammtmilch B 26 3 30,1 » » 8 4jährig im Juni » 15 Juli » » 9 5jäbrig vor 8 Tagen „ | 1 | 7. August | Adendmilch | 16 26 bei 31 29/7 33,5 bei 17!/.° C. 164,114 3 92,8 3 4 5 TER ARE RUE 125,837 5 17,7 ; 20 BR: 23,6 3% Un | 144,45 9: | 5 } s : ñ ? 2 || 40 94 5 98 5 : . en 3 | re 3 2 Er | Primaqualität Milchfutter, Berggras mit E x “U, IH Yan Od,: | "k 7 d a - 5 f 2 | 11 9512 ? 90,7 : > 47% 23 193 641 | 6791 985 | Naturklee, etwas Esparsette und et 6 | 42 25 23,6 à 17% 33 195 394 7173 175 | was Luzerneklee, mit viel Wägerich ms » à | 09 aa 995 - n q = er || Gl an | und Schafgarben. 1 » » 20 a, 29,0 == — || 170,066 | 5,589 30,4 | 8 e hs 7 Alla „ 33 28,7 à „ah | = — — | 9 2) en 11 29 37,5 35 : 5 “ea 39,5 || 176,308 | 8,080 21,8 | Leichtes Bergvieh, mittlerer Schlag, mager. Gesammimilch E 12 25% 4,044 29,6 „ 17 33,5 Grenzen . 5 r ler. re... 32,1 u.) 95,402u |3,322 u. 17,5 u 39,5 198,641 8,081 50,8 +. ; cie : 1010 sert Lea Grade en dito Chad ou dito ne 4 VONT niss bei der bei der || Cubikcentimeter er pro- } Lactodensimeter | Lactodensimeter | 1| ; Aschenmenge Nr. Datum. || [Normal Normal- Milch Se \ zent-|) vor dem t nach dem t | RANCE 2 | || ADral eme AN em- || gaben Gramme |Extractmenge | ea Abrahmen. peratur. brahmen. peratur. Da || Asyl wie 1 zu: | | | 1866 | 1 . August | Abendmilch || 8 | 5 12 | er LE 57 3 » M 16% | Î » » 122/2 | | | Kuh Nr 5 » _» » » » „ Milchuntersuchungen auf dem Gute „Bäckenweide“ bei Zyfen. un Bemerkungen. . 1 vierjährig zwei Mal gekalbt, 2 zehnjährig 3 sechsjährig vier „, hrig vier ;, hrig vier „ 6 vierjährig zwei „ ae —— Tab. 6 a. Milchuntersuchungen auf dem Gute „Rechteberg“ Gemeinde Seewen Canton Solothurn. Ib en RIRE “HAL oT ASS Dee — 0H El date stk) a a ro | 1000 Verhältniss | | | i bei der ; bei der | Cubikcentimeter der | pro- | Lactodensimeter |, Lactodensimeter | Milch Aschenmenge | Nr. Datum. | Normal- Normal-| Tilc Zur | Bemerkungen. zent- | vor dem nach dem | S | | tem- Me tem- | gaben gramme] Extractmenge | gehalt Abrahmen. peratur, brahmen. peratur.| Extract | Asche wie l zu: ||| | tall Nr. 1. | + ae Alter der Kühe: | Nr. 1| 2. August |Morgenmilch || 27,5 bei 33,10 C.| © Am 28, Juli Abends hatte die Gesammtmilch der drei 73 9 N En 95 35 Kühe bei 31° ©. 26,1! am Laktodensimeter gezogen, „ ) „ “ also 29,8 bei der Normaltemperatur. » 4 | > | ; 6 22 22 | 2 { 5) 5 | » Gesammtmilch 10% 37 bei 15,6 C:| 37,1 cp) | » 1 | 2. August | Abendmilch | » 2 » ” | 2 j » » | | ” = ” 3) | 2 5 ss fn | 3 6 ” ” | 27 7 DER » | 3 Gesammtmileh| . . . 10% 39/2 „ 16,9 39,9 || » Proz | » 1 | 3. August |Morgenmilch 2 7 a 3 2 » » POP a 00 5 3 ng a Ha „ 37,5 | 5» 22 dreijährig, 4 5 5 26 „535 » 23 sechsjährig. 5 261/2 35 6 5 Ë SO ER 7 : RE 5 | 26 ,„ 35 Gesammtmilch| . . . 12% Pa 31:9 36 7 layer | 29,8 u, | TV A) Ve at een Tee ar MEERE Be a - 32.9 + |39,9 —zz zz a zz een 7 . Tab. 6, b. Milchuntersuchungen auf dem Gute ..Rechteberg Gemeinde Seëwen (U. Fortsetzung) Canton Solothurn. N | N dito dito 1000 a oz | |Rahm-| Grade am ; Grade am \ “+ i Verhältniss | | | F0: | Teodeanimater bei der nein |’bei der.) Cubikcentimeter FRE ll | Nr. Datum, rene | den Normal- ande |Normal- | Milch a Be | Bemerkungen. | | tem- ä | tem- aben Gramme rs | | | Aprahmens | & Extractmenge Iperalt | brahmen | peratur. Abrahmen. peratur | Extract | Asche | wie 1 zu: | I ne Stall Nr. 2. 1866 | 8 28. Juli Abendmilch 24 1340 0. | 2 9 » » ; ; ose ER 10 ” » 5 x x < Le, 11 » » | ! ‚3 | 28 12 »» » | 26,5 „ 81,9 30,4 13 DIE » Sy RDS | 29, Gesammtmich| . . . - | UE 30. 8 29, Juli |Morgenmich Bf » 32 | 97,5 | 9 » » 24/2 5 29,4 | 10 » » AT]: 32,: | 11 5 » | 30,4 | \ 12 » ” a G 92, | 13 » » 2 30, | 14 » » [926 ch 30,8 15 ce 3 | o5h ? 30; Gesammimich| , . . . ja || 281% 96,9 31, 33 bei {7 33,9 8 29. Juli Abendmilch | 26 99 30, 9 5 2 27; 10 » » 26 à 11 » » | 930,6 & | 12 » » [nu j 51, 13 » » 26/2 5 ol, 14 a 5 DB à ie 30, | 15 5 < 39, 30,4 | Gesammtmilch| , . . . 3 I 313 30,: 34 hr 34,7 1 / — [0000| Grenzen ü » LE 4 L a 7 8 | Milchuntersuchungen auf dem Gute Canton Solothurn. Tab. 6 e. -Rechteberg* Gemeinde Seewen | : f | 4000 Dee | en! en dito Grade am dito || N Verhältniss | o Lactodensimeter Bauer Lactodensimet bei ‚den /Qublkcentimster A der | pro- nsii al odensimeter a : schenmenge || Nr. Datum Mars RACE ie HER Le : Avr en | Bemerkungen. || + Ri aben gramme| Extractmenge | [gehalt Abrahmen. peratur, Abrahmen. peratur| Be Masche ie re Stall Nr. 2 | 8 | 30. Juli 1866 | Morgenmilch 261/2 bei 30,60 C | 30,1 | 9 à 5 26'/a ;, 36 31,8 | 10 » » 23 » 33,1 27,2 | | 1 5 = Aa pn 8 31 | 12 » » 27 » 35 32,1 | 13 » » 27% » 31,3 31,4 | 14 En - 24a „ 35,6 29,4 15 » » 23 » 36 28,1 | Gesammtmilch . . . 12 29 >32 33,5 | 34 bei 16,6 34,3 | 8 | 30, Juli 1866 | Adendmilch 262/82 5,3402 30,2 | 9 D) co 251/a ;, 35,6 30,6 10 = 24h „ 35,6 29,4 | 11 » » 26/2 » 33,1 30,9 | 12 ne . 272 „ 319 31,7 | 13 » » 26//s » 36 31,8 | 14 » » 25/2 » 939 30,3 | | 15 » » 25 » 36 30,1 | | Gesammtmilch a 121/: || 2612 „ 31,8 30,6 | 34 10,9 34,4 31. Juli 1866 | Abendmilch | Gesammtmilch D 13 2170, 101,2 sam lad „ 15,8 39,6 || 1. Aug. 1866 Fe La à 12 | Gesammtmilch 21/21 „ 35,6 #9 np HO 36,2 | Grenzen 27.2 u 33,5 u. | 33.5 36,2 || | | 6. Aug. 1866 oem | 135,401 | 7,207 | 18,78 | . Canton Solothurn. qe, Tab, 6, q. Milchuntersuchungen auf dem Gute „BRechteberg“ Gemeinde Seëwen Rahm-|| Grade am dito Grade am fig 2 1000 Verhältniss Taken bei der ae bei der | Cubikcentimeter der | |. “ pro- son Normal-| “ Normal Milch 2 schenmenge || Bemerkungen È CPE zent- vor dem nach dem | ZUR || À | one à ur, gaben Gramme | Extractmenge gehalt. Abrahmen, peratur. Abrahmen. peratur || Extract | Asche lang — Stall Nr. 8. | 16 | 31. Juli 1866 | Morgenmilch | 26 bei 36,0 C. ae 17 E | 27 31, 18 er ë | | 25% 30,3 19 = | 24 28,5 | 20 X & | | 253 30,3 on 2 2 | [26 31,3 22 ; D 1126 3 5 ) 95 298 | I“ 2 D | 56 Ahr . | Gesammtmilch 12 | 26” 30 36 bei 15,6 36,1 16 | 31. Juli 1866 | Adendmilch | | ya » 29,7 17 k; he | 27% 32,7 18 5 à | 264 „ 36 31,8 19 » ”„ | 2 29 20 » „ I 2 | 21 » » | 12 29 | 19 7 » » | | 23 5 5 | | Gesammtmilch | 13% | 39,2 16 | 1. Aug. 1866 Morgenmilch) | 28 17 ; , | | 28 | 18 % ñ | | 27 | 19 : 5, | | 24 | 20 Fe 5 | | 20% | 21 » » 23 | 29 À ? || 26 | 23 :; FA | 26 | Gesammtmilch : | 12! 11 28 37,4 | Il | || 2. Aug. 1866 Morgenmilch | | | | Gesammtmilch 4 | 11971 84400 | "32,4 | 37 41870 0 | 37,9 | | | | = || 49 | | 2. Aug. 1866 | Adendmilch | 13 Gesammtmilch te 31,4 35 ; 1742 35,5 16 | 1. Aug. 1866 | Adendmilch 31,8 | 17 ; » 31,8 18 R Sl 331 19 > » 28,1 20 > 53 32,3 | | | 21 a n 29,9 | | 22 en y 31,5 | 2 5 » | 29,9 Gesammtmilch | 302 [35 „16 36,2 | R a [ Grenzen 28,1 u 36,1 u. | 33,5 39,2 | 2 à | 6. Aug.1866 — | - | | - — [assoc |zı27 | 189 | = = L- — Milchen ganzer Stallungen. Grade am Lactodensimeter nach dem Abrahmen bei der Normaltemperatur. 1000 Cubikcentimeter Milch gaben Gramme Extract 135,401 134,964 } | | Asche Grade am Anzahl Lactodensimeter or dem Nr. Ort. Anzahl der Kühe, der none Beobachtungen, bei der Normaltemperatur, 0 Il I: Bäckenweide 6 eine j N a 3 IL. Grosstanne 9 zwei | 9 301 1 30 2 29,1 III Beuggenweide 8 fünf 3 29,5 i 4 29,7 5 29,5 : 30,7 IV. Beinwyl 9 zwei | à 29/7 1 32,7 Y. Rechteberg 7 (Stall Nr. I) drei | 2 31,4 3 25,9 1 2 3 VI. dito 6 (Stall Nr. IT) acht z 6 7 — 5 1 30,6 2 31,4 3 32 VII, dito 8 (Stall Nr. II) sieben ( 4 De 5 ‚+ | 6 30,2 7 — 24,9 Grenzen . 335 n 1 2 3 4 5 6 7 8 g 0 1 10. Mai 1866 » Miüichuntersuchungen in der Käserei zu Höllstein angestellt dureh die Kommission der Käsegesellschaft. Grade am Lactodensimeter vor dem Abrahmen. dito bei der Normal-) tem- peratur, (In der Käserei beim Abliefern der Milch untersu 33 bei 18° C. 34 32 25 32 32 32 36 33 36 34 cht.) Grade am Lactodensimeter nach dem Abrahmen. dito bei der Normal- tem- peratur. 1000 Cubikcentimeter Milch gaben Gramme Extract | Asche Verhältniss der Aschenmenge zur Extractmenge wie 1 zu: Am 11. Mai in den Ställen untersucht, Grade am Lactodensimeter vor dem Abrahmen. 34 bei 14°C. dito bei der Normaltemperatur, Selbst angestellte Tab. 8 b. Milchuntersuchungen in der Käserei zu Höllstein. | | : R 4190 rhin Rahm- Grade am in Grade am dito | 4 Verhältniss | 5 bei der bei der | Cubikcentimeter der pro- Lactodensimeter Lactodensimeter h Aschenmenge Nr. Datum. Normal- Normal- Milch zent- vor dem nach dem ! zur | A Ware tem- gaben Gramme | Extractmenge | gehalt. zantnen. peratur. Abrahmen. | peratur.|| Extract | Asche | wie 1 zu: ii I u : | Igor 1 | 1. Aug. 1866 | Abendmilch || MD: 28,9 | 144,006 | 2,223 64,76 2 ” ” || | 2: x | 95 J ” ” | || er | 6 ; = | | 2 | 149,824 | 6,998 21,40 7 » » | | 26 | 8 » » || | 2 | z 9 3 35 | | 2 | 140,220 | 4,295 32,64 10 5 ” lee 30 || 139,573 | 6,981 19,99 | 11 ; » | Im? i || | 12 » » | ln 2 30, | 2 14 In || 25 23, | | 143.758 | 7,048 20,39 16 se 5 | | : £ 30, | | 137,103 | 7,135 19,21 | 18 a # | LOS à Al 29,4 | | | 19 5 3 | 2 7 2071 28,5 T | || 90 3 5 | I, Bin, A 28,5 + | | | 22 5 = | | 2 Ati) 29,2 | | 126,749 | 6,691 18,94 | 36 x n | N 28,6 + | | | 27 é hs | {el OU 29,7 | | 30 > =" | 2 DO) 30 | | 33 5 p | 2 n 2) 28,9 T | | | | 27,7 u |426,749u 12,222 u.|.o 0, , euer Grenzen 30,7 149,828 | 7,135 18,94 u. 64,76 Bemerkungen. Milch von 3 Kühen. Li] ” ” ” ” » ” „ bl » » » 3 „ » 3 » „ 2 „ „ LL] » ” ” LL] LL] „ LE ” ” » ” 19 C2 19 O! 1 C0 CO On He O2 10 0 1) O9 ON D no a 13 20. 21, 10 | 22. 13 | 23. 16 | 24. 19 | 26. | | dito à dito 1000 Verhältniss ee ‚Rah m- Grade em a: { Grade am beifder|| Gubileentimeter der | en u pro- Lactodensimeter |; actodensimeter À Aschenmenge | ‚ Cem Bemerkungen. ren Normal- SER Normal-|| Milch Er | qu zent- vor de tem- tem- || gaben Gramme Extractmenge | He gehalt. Abrahmen. peratur|* Abrahmen. peratur | mere Rache | Emwisiiing | Sana 7] TT —_—_—_— zusammengekaufte Milch _— — 6% || 29 bei 15° 29 Himber 12,9 30,6 || 107,727 6,830 45,7 Ein 24 80 Kühe || 7 fh, 4) 60111320, 43 31,6 || 153,880 | 7,080 21,7 die FH 50 8 A nu 30,1 |322 „ 13° 31,8 || 121,616 | 7,384 16,4 DA aus einem Stalle 7 5 912 | 28,1 „ 16,5 28,4 30,2 5. 49,6 29,9 || 118,380 | 7,120 16,6 ot en PR 7 2007216, 28,4 | 30,5. „ 13,8 30,3 || 102,420 | 6,480 15,8 3b es 150, 6 PORC] 29,9 | 31,2 ;, 14 31 119,140 | 6,460 18,4 3a Milchhandlung 10 B008,,,.17,0 31,5 | 33% „ 13,5 32,7 || 112,008 | 6,848 16,3 1 5 6 290, 175 30 |314 „ 13,5 30,8 || 108,200 | 7,240 149 38 in 5 Sie, 4h) 30,6 | 33,2! „ 13,2 31,8 || 105,700 | 7,200 14,7 3a aus einem Stalle 27e; 7 A0 257 2 30,4 | 327 2. „. 15,5 32,1 || 114,480 | 6,590 17,3 3a br Ge 62/2280; 15,0 30,1 a2 We, 14 31,8 || 100,420 | 7,200 13,9 38 » 5 » 6 31,8 „ 16,8 32,17] 33,3% , 145 33,2 | 416,120 | — Li { » HF 9 29 7, 148 296 IB.» 158 33 — _ — 1 zusammengekaufte _— — 6 26,1 „ 174 26,5 | 2920, 14,5 29,1 99,870 | 6,220 16 3b ı vom selben Milchmanne wie Nr. 14 6 Pe, ADP 28,6 | 30,3: „ 14,5 30,4 2 = = 3b aber aus eincr dritten Brente) \ zusammengekaufte — — 5 33 Amen) 33,5 ty» 2 aus einem Stalle 120 IE Die T0 BR — 86,568 | 4,932 17,5 4 » 10 51/2 || 29 17,5 29,5 28,56, 17 29,8 — = = a » 6255111092 \l31E STE 31204, 142 33,8 _ = _ 1 zusammengekaufte ‘ — — CHENE, 3 32,51.» 13,2 32,1 — == = 3a aus einem Stalle hi 5, 7 31 » 15%a 31,19192,2€ , 13,8 32,1 — — — 3a zusammengekaufte _— — 9 BABES, 25,2 | 28 » 13,8 27,8 112,310 | 6,164 18,2 4 5 19227; 9 DOTE 27,3 | 30,29» 13,2 29,8 || 109,190 | 6,540 16,6 3b & 200 6 Pe 1 28,4 | 30 =, 13,2 29,6 || 402,967 | 6,819 45 3b 407; 6 20 1674 29,4 | 30°’ „ 16 30,1 || 105,690 | 6,980 45,1 3a » 35 8 29 „ 17 29,4 | 29% „ 16 29,9 || 106,484 | 7,224 14,7 3a Mn BEI 6 PT 16 27,2 128° „ 16 28,1 99,492 | 6,500 15,3 4 aus einem Stalle |) 20 LI DAME NS = _ — — — 4 » AD, 8 De, Gest 28,4 | 3047 „ 145 29,9 _ _ — 3b zusammengekaufte — — 6 Dr CEA 27,4 | 2851 „ 14% 28,4 _ - _ 4 Tab, 11 a. Mil 5 3 [ = De > 1 dorf. Rahm-| G dito Nr. [9% pro- en I bei der Stade, am gite FA Verhältnis . Datum. ” ge à FN Lactodensimeter bei der|| Cubikcentimeter der 5 gehalt hu 2 .. tem- | nach dem Normal- Milch Aschenmenge i rahmen. } tem- zur B u ANIETER | Extract | Asche | wie 1 zu: ; . Juli 18 Abendmilch 7 ; 940 in 2 D 5 ; 5a 5) Bey. ©. 30,9 - 3 à 2 Ba > En 30,9 t I 3 » » | 26,5 39 : Tee 6 » » 97 % Be ; » 1 Kuh. 2 „ » | 96 2 39.9 | » 4 Küben élu» » 11 | 973; 292 a | D Et 10 » » D Nora 5 30° 83,2 bei 13,8 33,1 > ühen m » » 10 | 6,1 = 394 422» 14 32 ER 2 12 5 & Do... 30) 33,5 » 14 33,3 || , Le, à 261 » 30 | RAR 15 ; 4 14 A» 28,8 | » à x | 16 2 | 29,30, 27,4 "ap | 1 Kuh. m à) 9 | 26,1 5: 299 3 Ja N) 14 35,3 | » 9 Ki 14 15 2 4 25,9 3) 28,8 3 3 ne || FE : 1278 0 2 = | a, ler 3 „ 10 | 375 2 285 | a al» | a; 3 3 ha A "hell | 25-10 ir | en 2 . | IS ” Le] & 26 À 4 | 26,7 1132 5 2 4 ei 5 is | aan » 28,5 » 1 Kuh. 0 N 5 RS » JL 08 » 2 Kühen 0} u 28 Je, ol 5 20,8 » 31,8 » 8 5 Pr 96,6 » 26,6 „ 27 DR ONE 2 Grenz | | a IMS zen 28.5 u 32 u | 3) à 5 | A — 32,3 PS nal 3 - 35,3 | 4 aa Morgenmilch 28 bei 27,900.) 31,1 | 6 5 ® 272 „26,4 29,8 À 5 2 274 n 29 29,7 ° 10 à ” 27,2 „» 288 30,5 | 14 2 » 25,525, 28,8 28,5 + | | 19 5 241, 33 09 3 L „ oc we Jr 3| >» 2 [320 175 | 326 3] - mue 20 | 100 | 29,2 » 30 28,5 h Grenzen - 28,5 u | | | 61 62 63 12 00 ot Juli | Nr. Datum. | Bemerkungen. aus einem Stalle zusammengekaufte Milch „ LL „ aus einem Stalle zusammengekaufte Milch ” » aus einem Stalle » zusammengekaufte Milch aus einem Stalle „ zusammengekaufte Milch aus einem Stalle » .| zusammengekaufte Milch aus einem Stalle NED AAA ee] > 1 ZU ER LE zent- Rahm- pro= || gehalt. dito | Grade am - À Grade am dito j 100 5 bei der L à bei der || Cubikcentimeter Lactodensimeter Lactodensimeter | 1 Normal- Normal- Milch vor dem nach dem 1! tem- | tem- gaben Gramme Abrahmen. peratur.| Abrahmen. peratur.| Extract | Asche 24 | 96.220 | 5,730 25.9 | 98,864 | 5,904 28 113,180 | 6,760 29 111,940 | 5,740 29,3 99,474 | 5,700 29,9 N 103,506 | 6.620 30 || 111,810 | 6,260 28,4 || 94,880 | 4876 = 94,850 | 5,590 Sr 117,926 | 7,126 30,3 _ — 30,7 || 117,400 | 6550 30,9 || 410,788 | —- 29 101,068 | — 33,1 || 123,240 | 6,680 30 108,440 = 30,6 || 108,800 | — 30,1 — = 29,2 || 110,264 | 4,104 30,1 = — u 20 Tab, fc. mn Verhältniss || Classification der || nach dem | Aschenmenge | im | zur | Texte | Extractmenge \angegebenen wie 1 zu: | Schema. here SSSc , || SD Aa 30,0 32/2 „ 14/2 | 32,4 || 130.122 | 7,102 18,3 1 46| 6. » zusammengekaufte Milch —1— 81/2 EHEN 7.17 | LOS 1120030816 31,7 2 28: 16,9 3 à 47 „ » NAS Dee 10807. d6r/a SO 09,730 15,5 3 b 48 » aus einem Stalle 11 9 AUS Aa 3050] 33 ie 33,2 || 126,516 | 6,584 19,2 | 491 % » 5 1, 7 DE » 19 211 | U » 14/2 29,9 || 106,860 | 6,526 10,8 PE 50 % zusammengekaufte Milch | 26h15, 19% 29 30% „ 14 30,3 | 110,184 | 6,68: 16,4 ous dl 8 » » — — 8 28 » 19 29,4 32 nl) 32 | N GX ie e 52 | 8: — — 8 De 5 19 27,9 — » — — || 114,400 6,82 6, 5 53 h aus einem Stalle DT ET 50,9 32 Fear 32 || 148,600 | 7,286 16,2 3-2 54 » » LS OT SN 10721020 — » — — | 118,162 ; 19,7 3° 551110; » ns ol | 244 M2 » 15 A| 15,2 4 56 » » Be 61/2 233, SO MT ET 25 | Si 2 14,6 2 57 » „ > pi || 6/4 a ») 1614 272 =, Mm ” = | 8,258 6,040 17,9 3 58,11. „ » AUS QI | Bil le 282 | 3042 » date | 30,4 || : — 3» 59 » 5 : SET Se ie 989 | 30 » lis | 299 | 108,380 5 650 19,1 3 60 5 zusammengekaufte Milch CR Be Alf » 151» 9%: 5 | 92,144 | 5,804 19,8 4 | | \ 1 = = — . Tab. Ile nf. Untersuchung von in Basel verkauften Milchen. Im | Rata drain dito te dito 1000 Verhältniss || Classification! bei der i bei der || Cubikcentimeter der nach dem pro- || Lactodensimeter Nora Lactodensimeter Ne Milch Aschenmenge im Datum. Bemerkungen. Era vor dem en nach dem Ne Ehen Orkan ee Texte € = xtractmenge | angegebe gehalt Abrahmen. Teri, Abrahmen. | a Nenn | nen EE EE GER IEEE SN RC RC EEE 2 2 = - 1 COS 0 121 | 29. August | zusammengekaufte Milch Æ 8% | © i 481) bei En 122 : aus einem Stalle 11Kühe | 9 185/4 dal; 15 311/a = — — 3a 123| 7. Sept. zusammengekaufte Milch _— — 6 17 29,4 |, 155 29,4 _ = — 3b 124 Gi aus einem Stalle — — 9 16,5 30 an 30 113,080 | 7,280 15,5 3b 125 5) » = = 11 17 31 „152 31 — — — 3b 126 » » I 6 17 29881 ,,, 152 29,8 103,232 | 6,700 15,4 3a 127 » » = 7 16,5 31/40, 17% 31,9 || 129,060 | 7,660 16,8 3 a 128 Ur zusammengekaufte Milch _— — 12 16 — » — _ 98,92 6,720 147 3b 129 » » = = 9,5 16 3020; 415 30 93,860 | 6,840 A377. 3b 130 ÿ aus einem Stalle _— — 7/4 16 30 » 191 30 102,980 | 6,620 15,5 3b 131 » 7 — — 1l!a 16,2 31840 17a 32,3 — — — 1 132 5 zusammengekaufte Milch — — 11 16,5 32 nal 32,4 — — — { 133192; aus einem Stalle _— — 8 1914 » — 2 134 en zusammengekaufte Milch — — 61% 19/4 — » — _ — — — | 2 135 » aus einem Stalle _— — 7/à 191% =) — | 2 136 » » — — 7 195/ = » — | 2 137 » » en 20 — » — — — — ee | 2 138 „ zusammengekaufte Milch =" — 19h 5 | 6) | 139 = aus einem Stalle Dur D1/2 19'/a = » | 3b 140 » » AD; | 7a 19°/a = 2 = = = = || 4 141 » » U 14 19°/ » — — — .- — | 4 142 » zusammengekaufte Milch _ — 6 191 = UE = — — — | an 155] 6. Sept. 1866 == 20,5 Sam ld DB | = = | 3b 156 » 12 20,6 = Er = = = = ji ni 158 „ — 21,9 35% » 144 35,4 | — — — 1 160 » 12 21 — Un — = — — — 161 ” 8 20,6 27 » 14 26,8 || — = — 4 163 » 3 20,9 » | 164 » 8 20,9 =» — = — — 3 b 165 » 9 20,9 » | = 166| 4 October \ 11 90 HUE 33,6 | 96,115 | 6,835 14 1 167 ” | 7 20 29 M5 Ara 29,4 _ — — 3b 168 » 7 20 32 „ 17% | 325 || 112,024 | 7,180 15,6 2 169 » des Morgens mit der Centralbahn ange-/ 8 21 300 „ Aa 30,4 _ 3b 170 » langt 9 20,6 32a » 17Ya | 33 u — — 1 171 » 12/1 21 — 1 — 113,776 | 6,480 17,5 1 172 » ( 6 21 3112 » 18 32,1 — — — 38 x I 8 21 3141» 17a 31,7 || 109,924 | 5,740 19,1 38 des Abends mit der Centralbahn angelangt 6/2 20,6 321/al „ 17h 33 118,152 | 6,892 17,1 2 | || 20 Tab. 11 d. Untersuchung von in Basel verkauften Milchen. | 7 | i i | 1000 Altni ificati Rome Grade an dito Cane an) dito | a Verla en L £ bei der Lantodens; bei der | Cubikcentimeter er | nach dem en Ses pro- | actodensimeter EE actodensimeter Normal Milch Aschenmenge im er zent- vor dem 1 nach dem Lo RTE D N ae = = Srar Extractmenge || angegebenen ; + | ÉD ‚zelnen: peratur Aptahmen, eratur.| Extrac As wie 1 zu: || Schema. je P | Extract che N er aus einem Stalle 27 Kühe || 7% 39° bei 1414 31,8 == — = BER » 10 6 gl „01a 29,4 2 = ca 3b 26. 5 =. 2 ) 110,340 | 6,660 165 3 b „ 7% „ 2 — 5 = Ie ? — m = » — || EE BI In M5 30 125,608 | 5,960 21 4 » = 7 a — 91,000 | 5,320 47,1 5 » | ® an = 108,340 | 6,120 17,7 4 » ZU | eu — || 160,660 | 5,604 28,6 6 zusammengekaufte Milch un 31% = nn a 92,960 | 6,140 154 4 aus einem Stalle TOR 9 > = = = = 3b zusammengekaufte Milch CS M JM = Se = 3b 5) a) SR | = Mn 4 aus einem Stalle TRS Til 31 „ 4514 34,3 3a zusammengekaufte Milch — 9, 5 31 LD st LS Le es : b | 291}, 15 292 — — = 3b ” ) If 5 2 x aus einem Stalle — » 8 3 5 1514 3 3b zusammengekaufte Milch — y 81/2 3012 ,,1 45 30/2 — — — 3b aus einem Stalle 10, ya = Ne se 3a ” 3 32 937 „ — = Pe - 3 a zusammengekaufte Milch — 91/2 48240, 45% 311/4 — er — : D aus einem Stalle — ;; il = nn — Ë — 6 en De = — em = 6 3 3) 5 zusammengekaufte Milch — , 9 5 3b aus einem Stalle AD 9 2 Si | = = ES = 4 7 0) 12/4 = hu — — — — 3a zusammengekaufte Milch En 91/2 = » — — == er = 3b aus einem Stalle bee} 7 = Pe — = = en 3a » die, 81/4 — 5 — _ — — — 3 a 7 1 D Ta _ „7 — — _ — , 3 b 19 20 4. October \ | \ { Untersuchung von in Basel verkauften Milchen. Rahm- Grade am dito P bei der pro- || Lactodensimeter Bemerkungen. Normal- zent- vor dem jee gehalt Abrahmen. peratur. zusammengekaufte Milch _— — 8% || 2814 bei 181/: 28,8 aus einem Stalle 11Kühe 9 29 AR 29,9 zusammengekaufte Milch — — 6 ET; 26,7 aus einem Stalle — — 9 £ 1645 23.8 » CAR = 11 » 17 5 in —a— 6 tl » — ag 7 ch JA) zusammengekaufte Milch — — 12 gels „ u — 9,5 mn aus einem Stalle — — Ta nl en — — 11Ya al P2 zusammengekaufte Milch — — 11 1 10) aus einem Stalle _ — 8 LOL zusammengekaufte Milch = — 614 PO LONC aus einem Stalle — — 74 » 19% 5 RE — 7 » 19% » = = T/a » 20 zusammengekaufte Milch — 7 „ 49% 2 aus einem Stalle Des 51a FAO a 7 5 45 , Th „19% | 25 5 lee: » 194 | 2 zusammengekaufte Milch — — 6 » 19! 26, _ 5 90,5 27, | 12 » 20,6 31,3 I — » 21,9 32,1 12 „ 21 27,8 8 » 20,6 22,6 3 » 20,9 28,4 8 » 20,9 27,5 9 5 20,9 30,1 11 » 20 31,2 7 „20 Pal 7 » 20 31,2 des Morgens mit der Centralbahn ange-/ 6] „ 21 27,9 langt \ © » 20,6 30,5 | 12% OS 29.4 N 6 » 21 30,4 | 8 » 21 28,9 des Abends mit der Centralbahn angelangt | 6'/ » 20,6 31,3 Grade am Lactodensimeter nach dem Abrahmen. dito bei der Normal- tem- peratur. 1000 Cubikcentimeter Milch gaben Gramme Extract | Asche Verhältniss der nach dem Aschenmenge im zur Texte Extractmenge angegebenen wie 1 zu: Schema, u 0 2 "Te ( Classification! 3b 31/2 311/a — _ == A 29,4 29,4 _ _ — 3b 30 30 113,080 | 7,280 15,5 3b 31 31 — — — 3b 29,8 29,8 | 103,232 | 6,700 15,4 3a 31a 31,9 || 129,060 | 7,66 16,8 3a = = 0 14,7 3b 30 3 0 13,7 3b 30 30 || 102,980 15,5 SAT 3134 32,3 = _ — 1 32 32,4 = = = n ” 2 » | — — 2 ” | 2 | 9 en = = | 2 zn, | 2 » 3b ASE — = = = 4 Que = | = == — 4 2 ÇA == PE: — = 3b n 19 DER | _ — | 3 „ — — | — = — 1 » 144 SAN | = = 1 » — Pie Art 268 | — — _ 4 »” | = lys | — 3 b „ CHENE) 33,6 | 96,115 | 6,835 14 1 29 5 17% 29,4 = — = 3b 32 „ 17% 32,5 || 112,024 | 7,180 15,6 2 30 5 Ada 30,4 = = = 3b 32a » 171 33 — _ — 1 al — 113,776 | 6,480 17,5 1 DER ul 32,1 — = — aha 314 » 417% | 31,7 | 109,924 | 5,740 494 | 38 32% „ A7 | 33 Bu 6,892 m | 2 August 1866 lerischen Sec und quar e an die | Bödeker, uck, Feser ade, Marc faff, Quev ogel, Wie gen Haupt en: Die M iedenen, st e nach de effhatsache CHEMIE. Beitrag zur Prüfung der Kuhmilch. An der Versammlung schweizerischer Naturforscher in Neuchätel den 23. August 1866 im Auszuge mitgetheilt, und in der Sitzung der Baslerischen Section den 19. September vorgetragen von Dr. FRIEDRICH GOPPELSREDER. Die chemische Litteratur birgt unter ihren Schätzen eine ansehnliche Zahl interessanter Arbeiten über die qua- litative und quantitative Zusammensetzung der Milch; ich erinnere an die Arbeiten von Baumhauer, Becquerel, Ber- zelius, Bödeker, Brunner, Chevallier, Commaille, Donné, Eisenstuck, Feser, Gorup, Haidlen, Henry, Herberger, Hoyer- ‚mann, Lade, Marchand, Millon, Monier, Alex. und Chr. Müller, dl Otto, Pfaff, Quevenne, Schwartz, Simon, Struckmann, Ver- nois, Vogel, Wicke, Wittstein, Zenneck und anderen. Die bisherigen Hauptresultate sind, in Kürze beschrieben, die folgenden: Die Milch ist in der Regel weiss, von süsslichem Geschmacke und eigenthümlichem Geruche beim Erwärmen, ihr spezifisches Gewicht schwankt bedeutend, nicht nur bei verschiedenen, sondern auch bei ein und denselben Indivi- duen, je nach den physiologisch-pathologischen Zuständen. Diese Thatsache ist von grosser Wichtigkeit für denjenigen, 34* 498 welcher sich viel mit der Untersuchung der Milch zu be- schäftigen hat. Wegen der in der Miichflüssigkeit suspen- dirten Butierkügelchen ist die Milch weiss und undurch- sichtig. Die sogenannte abgerahmte, an Butterkügelehen sehr arm gewordene Milch hat mehr die Consistenz des Wassers, eine bläuliche Nüance, und ein höheres speziä- sches Gewicht als die ganze Milch. Gegen die gewöhn- lichen Pflanzenpigmente Curcuma, blaues und rothes Lacmus verhält sich die Kuhmilch nach den bisherigen Beobach- tungen neutral oder schwach sauer, selten alkalisch. Die von mir bis jetzt geprüften Milchen reagirten meistens neutral, selten schwach säuerlich, nie alkalisch; ich pflege die gut bereiteten Reagenspapiere während etwa fünf Mi- nuten in der in einem wohlverschlossenen Fläscheken be- findlichen Milch liegen zu lassen. Bei einer Fortsetzung der Arbeit werde ich nicht ermangeln mit etwas schärferen Mitteln die Untersuchung vorzunehmen. Die in meiner der schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft in Luzern den 24. September 1562 mitgetheilten Notiz über den Farb- stoff! der Malvenblumen (flores malvae arboreae) als neues Reagens (siehe Verhandlungen derselben 1862 Seite 109 bis 119) erwähnten Reaktion des rothen Malvenpapieres auf Milch fand ich in allen seither untersuchten Milchen wieder. Näheres werde ich seiner Zeit mittheilen. Die im Handel vorkommende Milch zeigt alkalische Reaktion, wenn sie mit Soda versetzt worden war. So er- hielt ich im August 1861 von der Polizeibehörde eine Milch zur Untersuchung, welche noch nach 36 Stunden trotz der warmen Witterung alkalisch reagierte, das heisst Curcuma- papier sofort bräunte. Diese Milch war von gelblicher Farbe und bereits aufgekocht worden. Die chemische Untersuchung constatierte mit Leichtigkeit einen Zusatz von Soda. Da mir die gelbliche Farbe auffel, so suchte ich durch einige Versuche zu ermitteln, wie sich mit Soda versetzte Milch 499 [4 beim Erwärmen verhält, wobei ich aber ausdrücklich be- merke, dass ich diese Versuche nur mit einer einzigen Milch angestellt habe. Mit %,, Prozent Soda versetzt, wurde die Milch beim Erhitzen zum Kochen hellgelb und veränderte sich nicht in der Consistenz. Bei #/0 °/, Soda entstund beim Erhitzen keine Verän- derung, hei. ®/,,°/, starke gelbe, bei 2!/,°/, braungelbe, und bei 30/, starke braungelbe Färbung, nebst Bildung eines braun- gelben Gerinsels. In Paris pflegt man Natron-Bicarbonat als „eonservateur du lait“ anzuwenden. Man löst 95 Gewichts- theile dieses Salzes in 905 Gewichtstheilen Wasser auf und setzt von dieser alkalischen Flüssigkeit je einen Deciliter zu 20 Liter Milch; namentlich in der heissen Jahreszeit, wo die Milch so rasch in Säuerung übergeht, leistet dieses Mittel gute Dienste. Das Eintreten der Säuerung wird sehr verzögert; die kleine Menge Natrenbicarbonat (man könnte auch bloss Natroncarbonat oder Soda nehmen) nützt nur, sehadet nicht. In England dürfen die Milchhändier eine bestimmte Menge Soda der "ilch zusetzen, jedoch nicht mehr. Zei uns hat sich, meines Wissens, die Sanitätsbehörde über diesen Punkt noch nicht ausgesprochen. Ich halte dafür, dass überall den Milchhändlern strenge verboten werden sollte solche Zusätze zu machen, weil das Publikum dabei Gefahr läuft mehr als halbabgerahmte, das heisst mehr ais 12 Stunden gestandene Milch zu erhalten. Die Conservation der Milch sollte dem Publikum überlassen sein; diesem wird es gewiss sehr erwünscht sein, wenn der Milchproduzent durch die Umstände (heisses Wetter, Gewitterluit u. s. w.) gezwungen wird die Milch sobald als möglich auf den Markt zu bringen. Was die chemische Zusammensetzung der Milch anbe- trifft, so sind bis jetzt folgende Bestandtheile aufgefunden und der Menge nach bestimmt worden: Feite, Wasser, 500 Käsestof, Biweiss, Lactoproteïn, Milchzucker, Mineralsalze und Gase; letztere sollen bloss Kohlensäure, Stickstoff und Luft sein. Wir finden somit in der Milch der Kuh, wie überhaupt der Pflanzenfresser, die vier Hauptgruppen von Nahrungsmitteln vertreten. Die eiweissartigen Stoffe sind vertreten im Käsestoff, Kiweiss und Lactoproteïn, die Fette in der Butter, die Fetthildner im Milchzucker; und hinsicht- lich der Salze sind lauter solche darin entualten, welche in den Geweben und thierischen Flüssigkeiten vorkominen. Nach Pfaff und Schwartz enthält die Asche der Kuhmilch phosphorsauren Kalk, phosphorsaure Magnesia, phosphor- saures Eisenoxyd, phosphorsaures Natron, Chlorkalium und Natron, welches in der Milch mit Milchsäure verbunden gewesen war. Haidlen gibt an: Chlor, Phosphorsäure, Koh- iensäure, etwas Schwefelsäure, Kali, Natron, Kalk, Magne- sia, Eisenoxyd; er hält dafür, dass die Schwefelsäure, welche man in der Asche vorändet, nicht schon in der Milch ent- halten sei, sondern sich erst während des Verdampfens der Milch und Einäscherens des Extractes aus dem Schwefel des Käsestoffes durch Oxydation bilde Er fand in den Molken der mit Essigsäure coagulirten Milch keine Schwe- felsäure vor. In der Molke der wenigen bis jetzt von mir direct auf Schwefelsauresalze geprüften Milchen konnte ich stets Schwefelsäure nachweisen; ich werde nicht versäumen diesem Punkte meine Aufmerksamkeit zuzuwenden. Von den meisten der bis jetzt untersuchten Milchen habe ich die Asche aufbewahrt und werde ich seiner Zeit das Re- sultat der einlässlichen quantitativen Analyse mittheilen. 3is jetzt fand ich in den untersuchten Aschen die oben aufgezählten von Haidlen und anderen Analytikern gefun- denen Bestandtheile. Ausser den oben erwähnten normalen Bestandtheilen hat man bis dahin in der Milch noch eine grosse Reihe 901 anderer Stoffe hie und da vorgefunden, wie zum Beispiel Milchsäure, Harnstoff, Biutfarbstoff, Gallenbestandtheile etc. Schleim, Blutfaserstoff, Blutkörperchen, Eiterkörperchen, Infusorien, niedere Pflanzen etc. Diese und andere, gelös- ten oder suspendirten, annermalen Bestandtheile können unter Umständen G=genstand der Untersuchung werden und verdienen desshaib alle Beachtung von Seite des Experten, Die den kranken Thieren gegebenen Arzneistoffe, welche in die Milch übergehen, wie z. B. Jodkalium, freies Jod, Zink-, Quecksilber-, Blei-, Arsenikverbindungen sind ohne Schwierigkeit darin nachzuweisen. Die Entdeckung der Riech-, Fitter- und Farbstoffe aus den Pflanzen verursacht mehr Mühe. Bailleul hat interessante Beobachtungen über die soge- nannte blase Milch gemacht (Compt. rend. T. 17, p. 1138). Er find diese %eränderung in den „Ärrondissements du Havre et d’Yvetot.“ Die blaue Farbe zeigt sich zuerst nur an isolirten Flecken, welche Bailleul als Schimmel erkannte. Das unter den Bestandtheilen der Milch aufgezählte Lactoprotein, eine eiweissartige Substanz, wurde erst vor wenigen Jahren durch die Herren E. Millon und A. €om- mailie entdeckt (Comptes rendus T. 59, pag. 301. 1863). Sie verdünnen die Milch mit vier Volumen Wasser, welchem etwas Essigsäure zugesetzt worden ist; in der vom Caseïn- Coagulum abfltrirten Flüssigkeit scheiden sie durch Erhitzen das Eiweiss aus und im Filtrate von diesem erhalten sie durch das bekannte Millon’'sche Reagens auf Eiweissstoffe, durch salpeiersaures Quecksilberoxyd, einen weisslichen durch Erhitzen roth werdenden Niederschlag von der Zu- sammensetzung: (CHSINSO'8 Hg0O+HgO, NO). Zur Dar- stellung des Lactoproteins benützen sie einen ähnlichen durch eine Lösung von schwefelsaurem Quecksilberoxyd 302 entstehenden Niederschlag. In einem Liter Kunmilch fanden sie 2,9—3,5 Gramme Lactoprotein. Die von den Herren E. Millon und A. Tommaille an- sewandte Methode zur Bestimmung der einzelnen Bestand- theile der Milch kann ich als eine schnell zum Ziele füh- rende und genaue Methode sehr empfehlen. Das Nähere findet man in den Comptes rendus T. 59, pag. 396. Interessant ist die Beobachtung dieser beiden Herren, dass die Milch an Schwefelkohlenstof eine aromatische Substanz, nicht aber Butter, abgibt. Nach dem Verdunsten des Schwefelkohlenstoffes bleibt ein salbenartiger Rückstand, welcher den Geruch der Nahrung besitzt, welche das Thier erhalten hatte. Gewiss dürfte in Fällen, wo über unange- . nehmen Geschmack oder Geruch der Milch geklagt wird, diese Untersuchungsweise besonderes Interesse bieten. Bei allen bisherigen ausführlichen Milchuntersuchungen haben sich grosse Schwankungen in der Zusammensetzung der Milch einer Thierart je nach den pathologisch-physio- logischen Verhältnissen herausgestellt: Es ist leicht be- greiflich, dass Nahrung, Race, Alter, Constitution, Zeit der Milchabnahme, Geschlechtsleben, Quantität der Milch, Jah- reszeit, Aufenthalt im Freien oder im Ställe, Verwendung als Zugthiere, Krankheiten, und andere Umstände ven Ein- fluss auf die Quantität der einzelnen Bestandtheile der Milch sein müssen. Obgleich schon in den verschiedensten Ge- genden eine grosse Zahl von Untersuchungen gemacht wur- de, so ist sie doch nicht genügend gross, um die Hände in den Schooss legen zu dürfen. Namentlich sind die Versuche während zu kurzer Zeit angestellt worden, wobei den physiologisch-pathologischen Verhältnissen nur stückweise Rechnung getragen wurde. 303 Nach diesen Vorbemerkungen gehe ich zu meiner eigent- lichen Aufgabe über. Wiederum stelle ich die Frage auf, auf welche schon Mancher so oder anders geantwortet hat: „Wie kann die Milch als Handelswaare geprüft werden ?* Die Fälschungen, welche vorzukommen pflegen, sind: A. Bei als ganze, unabgerahmte, verkaufter Milch. 1) Vermischen mit Wasser, 2) Vermischen mit Wasser nach vorherigem Abrahmen. 3) Vermischen mit abgerahmter Milch. #) Geringeres oder stärkeres Abrahmen B. Bei als halbabgerahmte verkaufter Milch. 1) Vermischen mit Wasser. 2) Mehr als halbes Abrahmen. 3) Mehr als halbes Abrahmen und Vermischen mit Wasser. Letztere drei Fälle kommen bei uns vor. Man liest auch von Zusätzen, wie z. B. Zucker, Gummi, Schleim, Stärke, Dextrin, Caramel, Mehl, Reis, Eiweiss, Eigelb, Leim, Süssholzsaft, Hanfmilch, Gehirnsubstanz, Kreide, Wasser, Seifenwasser etc. Es ist richtig, dass alle diese Mittel die abgerahmte oder mit Wasser ver- mischte Milch undurchsichtiger machen, auch die Dichtig- keit der mit Wasser vermischten Milch wieder erhöhen, doch kommen solche Fälschungen weniger häufig in der Milch selbst als in den Büchern ver. Stoffe wie diese, welche durch einfache chemische Reactionen, ja sogar durch mechanische Mittel, oder durch das Mikroscop sich nach- weisen lassen, oft auch schon der Zunge oder der Nase sich kund geben, die kann der Milchfälscher nicht brauchen. Hier in Basel kam mir noch kein Fali dieser Art vor. Weser aber in München erwähnt in seiner Schrift: „Der Werth der bestehenden Milchproben für die Milchpolizei”, München 1866, dass ihm Fälschungen mit Seifenwasser vor- gekommen seien. Ich erinnere mich auch wohl der Milch, ‚30% weiche mir täglich während meines Studienaufenthaltes in Berlin von meinem Hausphilister servirt wurde. Ohne eine chemische Analyse angestellt zu haben, hatte ich doch die moralische Veberzeugung, dass etwas zu Hülfe gezogen wurde, um einer wässerigen und abgerahmten Milch mehr Consistenz zu verleihen. Heinrich Rose pilegte in dem seinen Zuhörern unver- gesslichen, ausgezeichneten, Collegio über analytische Che- mie bei Anlass der Nachweisung des Arseniks bei Vergif- tungen den “atz aufzustellen: „je raffinirter die Verbrecher werden, desto raffinirter müssen auch die Chemiker werden.“ — Uebersetzen wir Verbrecher mit Milchfälscher. — Die Che- miker sind wirklich raflinirt genug, um die meisten der obigen Zusätze ohne Schwierigkeit zu entdecken, und da nun die Milchfälscher ebenfalls raffinirter geworden sind, so haben sie alle die Zusätze seit längerer Zeit schon bei Seite gelassen, welche sich der Chemie zu leicht ergeben. Und dennoch wenden sie als Fälschungsmittel einen Stoff an, von dem der ÜUneingeweinte denken sollte, der sei am leichtesten herauszufinden; ich meine das Wasser. Durchgehen wir alle die bis jetzt vorgeschlagenen Prü- fungsmethoden für Milch, so erkennen wir zweierlei, näm- lich chemische und physikalische. Die chemischen Metho- den gehen entweder so weit, dass jeder Bestandtheil ein- zeln auf's genaueste bestimmt wird, wie z. B. bei der Me- thode von Millon und Commaille, oder es wird nur dieser oder jener Bestandtheil, sei er Zucker oder Butter, oder _Käsestoif oder Wasser bestimmt. Für die Wissenschaft hat nur eine ausführliche Untersuchung Werth. In der Praxis, in der Milchpolizei kann aber diese darum keine Anwen- dung finden, weil sie zu viele Zeit in Anspruch nimmt. Eine ausführliche Untersuchung, selbst nach der practischen Methode von Millon und Commaille, dauert doch mindestens einige Tage. Natürlich nehmen die Bestimmungen bloss 305 einzelner Bestandiheile weniger Zeit in Anspruch; und dess- halb nur mögen sie empfohlen worden sein. Es wurde anempfohlen aus der Buttermenge auf die Qualität der Milch zu schliessen. An Methoden der Buiter- bestimmung fehlt es nieht. Prof. Brunner empfahl (Ber- ner Mittheilungen 1857 No. 491) eine sehr practische schneil ausführbare Methode, welche hernach etwas verbessert wor- den ist. Sie besteht darin: in einem mit Bimsteinsiücken angefüllten Liebig’schen Trockenrohre von weiterer Dimen- sion als das gewöhnliche eine genau bekannte Menge Kilch, über den Bimsteinstücken vertheilt, im Wasserbade mitteist eines trockenen Luftstromes einzutrocknen, aus dem@Gewichts- verluste die Extraetmenge zu berechnen, den Rückstand mit Aether auszuziehen und aus dem zweiten Gewichtsverluste die Buttermenge zu berechnen. Alexander Müller spricht (Journ. für pract. Chemie Bd. 82 pag. 13) die Ansicht aus, dass der Auszug des Fet- tes bequemer durch Anwendung eines Gemisches von 3 Vo- lumen Aether und 1 Volum Alcohol absolutus zu bewerk- stelligen sei, welche Angabe durch Versuche von Eisen- stuck (Journ. f. pr. Chem. Bd. 86 pag. 388) bestätiget wor- den ist. Die Fettlösung wird verdampft und der Kutter- rückstand gewogen- @. Hoyermann {Archiv der Pharmacie 116 pag. 127) bringt die Milch zum Sieden, kühlt sie ab bis auf 12° Reau- mür und schüttelt sie bis sich zusammenhängende Klümp- chen von Butter abgeschieden haben, welche er auf einem Trichter von Gaze sammelt, mit kaltem Wasser ausspühlt und wägt. So einfach auch diese Butterbestimmung ist, so kann ich doch die Ansicht von Hoyermann, dass jeder Po- lizeiliener dieselbe ausführen könne, nicht theilen, indem ich glaube, dass ein solcher weder die nöthige Vorsicht noch die nöthige Zeit besitzt. Und abgesehen hiervon eig-: net sich die Bestimmung der Buttermenge auch sonst nicht 506 wohl zur Beurtheilung der Güte ser Milch. Nach Witt- stein ist freilich alle als ganze verkaufte Milch abgerahmt oder mit Wasser vermengt, welche weniger als 5°/, Rahm liefert, und, da nach ihm etwa 40°/, Butter im Rahme ent- halten sind, nur 2°/, Butter enthält. Doch ist die Butter nach anderen Autoren der der Menge nach am meisten wech- seinde Bestandtheil der Milch. In seinen in den Annalen d'hygiène 1856 p. 369 mitgetheilten Versuchen zeigt Cheval- lier die grossen Sprünge in der Buttermenge. Einzelana- lysen führen sicherlich oft zu falschen Schlüssen, manniofal- tige physiologische und pathologische Verhältnisse des milchen- den Thieres beeinflussen nicht nur die Bfenge der Butter, son- dern auch jedes Bestandiheiles der Milch. Vernois und Becquerel (Arnales d'hygiène 1857 pag. 278) schlagen vor: die Menge des Zuckers zu bestimmen, als desienigen Bestandtheiles, der am wenigsten varire und am leichtesten zu bestimmen sei; Chevallier geht mit ihnen einig; während aber die beiden Herren das Polarimeter be- nützen, zieht Chevallier die Titration des Zuckers vor (sur le commerce du lait etc. Annales d'hygiène 1856 p. 359). Reveil (chem. Centralblatt 1855 p. 695) bestimmt den Milch- zucker nach Barreswils Methode. | Am besten geschieht wohl die Zuckerbestimmung maass- analytisch nach v. Fehling, wornach man Milch durch et- was Essigsäure zum Serinnen bringt, dann vom gemesse- nen Filtrate so lange zur zum Sieden erhitzter genau ti- trirter Kupferlösung aus einer Bürette giesst bis alles Kupfer- oxyd zu Kupferoxydul reducirt ist; als Indicator, dass al- les Kupfer gefällt ist, wendet man am besten Blutiaugen- salz an. L. Lade (Schweiz. Zeitschrift für Pharmacie, und Po- Iytechn. Centralblatt 1852 2. Abth.) bestimmt den Käsestoft- gehalt mittelst einer titrirten Lösung von salpetersaurem 507 Quecksilber; E. Munier {Compt. rend. T. XLVI. p. 256) mit- telst einer titrirten Chamäleonlösung. Man mag nun den einen oder andern Bestandtheil bestim- men, immer bedenke man, dass die richterliche Behörde alle möglichen Einflüsse berücksichtigen und erst dann zu sirafen berechtiget ist, wenn die äusserste Grenze des jemais beobach- teten Mischungsverhältnisses überschritten ist. €. H. v. Baumhauer in seiner Arbeit, siehe Journal für pract. Chemie Bd. 8% S. 145, legt Werth in die Gesammt- bestimmung der festen Stoffe der Milch, des Extractes; man mag hieraus allerdings in sehr frappanten Fällen auf Abrabmusg oder Wasserzusatz etc. schliessen und darauf gestützt ein richtiges Urtheil geben können, namentlich wenn man noch den Rahmgehalt bestimmt, doch immer nur bei Milch ganzer Stallungen. Chevallier („Moyens de recon- naître si ie lait est ou nen étendu d'eau,“ Annales d’hy- giène publique et de médecine légale 1855 y. 314) legt grossen Werth auf die Totalbestimmung des festen Rück- standes. Ich habe, wie Sie aus den Tabellen ersehen, eine grös- sere Zahl von Milchen auf die Menge der festen Stoffe (des Extractes) und der Mineralsalze (der Asche) untersucht, wobei ich zur Ueberzeugung gelangt bin, dass weder auf die Extract- noch auf die Aschenmenge ein Urtheil gegrün- det werden darf. Es giebt Miichen mit 1% Prozenten ab- sichtlich zugesetztem Wasser, welche ganz ebenso viel Ex- tract und Asche wie reine Milch geben. Aus folgender Zu- sammenstellung der auf den Extract- und Aschengehalt geprüften Milchen ist das ebengesagte ersichtlich. 308 E. Im Auftrage der Sanitätsbehörde untersuchte Milchen (halbabgerahmte.) A. Nach Quevenne und Chr. Müller als unverfälscht bezeichnete Milchen. Grade amLaetodensimeter} 1000 Cc. Milch Verhältniss "Tabellen. | 7°" d.Abrahmen | gaben gramme [among Normaltemperatur.| Extract. | Asche. Bau ER 4 Tabelle 11. a, 29 107,727 | 6,830 15,7 2 “ 30,1 153,880 | 7,080 21,7 3 “ 30,1 121,616 | 7,384 16,4 6 fs 29,9 119,140 | 6,460 18,4 7 31,5 112,008 | 6,848 16,3 8 1 30 108,209 | 7,240 14,9. 9 x 30,6 105,700 | 7,200 14,7 10 À 30,4 114,480 | 6,590 17,3 11 . 30,1 100,420 | 7,200 13,9 19 N 33,1 6120| 3 25 à 29,4 105,690 | 6,980 15,1 26 hs 29,4 106,484 | 7,224 14,7 32 Tabelle 11. 6. 29,9 125,440 | 7,510 16,7 33 4, 30,3 111,540 | 7,005 15,9 35 nt 29,4 122,630 | 6,880 17,8 38 » 29,4 118,656 | 7,280 16,3 39 js 30,4 116,220 | 7,326 15,8 4 a 29,7 119,300 | 7,380 16,1 \ 22 » 913 123,746 | 7,634 16,2 2 „ 29,4 131,552 | 6,836 19,2 45 » 30,5 130,122 | 7,102 18,3 46 » 29,4 199752404232 16,9 48 » 30,5 126,516 | 6,584 19,2 50 ï | 29 110,184 | 6,682 16,4 51 bs 29,4 113,910 | 6,900 16,5 309 53 Tabelle 11. 2. 30,9 118,600 | 7,286 16,2 54 N 32 118,162 | 7,520 15,7 69 Tabelle 11. c. 29,5 94,850 | 5,590 16,9 75 is 31,7 123,240 | 6,680 18,4 76 à 29,8 108,440 | — a 427 Tabelle 11. e. 32,3 129,060 | 7,660 16,8 166 Tabelle 11. f. 31,2 96,115 | 6,835 14 168 ÿ 31,2 112,024 | 7,180 15,6 171 h 29,4 113,776 | 6,480 17,5 173 à 28,9 | 109,924 | 5,740 19,1 174 5 31,3 118,152 | 6,892 17,1 A 289 u. | 94,850 u.15,590u. 13,9 u. 32,3 153,880 | 7,660 21,7 4 Tabelle 11, a. 5 14 17 22 23 24 27 22 32 Tabelle 11. 0: DD ND 8 m m O0 DD OO tr nn N = N D D © © D N DB DD « @ D HI NH NS 1 D 1 IH & © HR >= > à à | 118,580 | 7,120 102,420 | 6,480 99,870 | 6,220 86,568 | 4,932 112,310 | 6,164 109,190 | 6,540 102,967 | 6,819 99,492 | 6,500 123,760 | 6,440 94,160 | 6,286 98,116 | 6,468 101,840 | 5,960 111,660 | 6,516 111,070 | 6,540 109,730 | 7,060 106,860 | 6,526 114,400 | 6,820 96,120 | 6,420 85,266 | 5,814 108,288 | 6,040 B. Mit zehn und mehr Prozenten Wasser versetzte Milchen. 16,6 15,8 16 17,8 18,2 16,6 15 15,3 197 15 AO 17 aba 1% 15,3 16,3 16,7 15,2 14,6 AE 59 Tabelle 11. b. 28,2 108,380 | 5,650 | 19,1 60 , 24,3 92,144 |5,804| 15,8 61 Tabelle 11. c. 25,2 96,220 | 5,730 467 62. >: 201 98,864 | 5,904 16,7 63 5 25,3 113,180 | 6,760 16,7 64 . 27,1 111,940 | 5,740 19,5 65 5 27,4 99,474 | 5,700 17,4 Do ds 28,2 103,506 | 6,620 15,6 67 ; 28,5 111,810 ee 17,8 68 . 232 i 94,880 | 4876 19,4 70 : 28,9 | 117,926 . 126 16,5 79 ï 28,4 117,400 | 6,550 17,9 73 ; 28,6 110,88, — 74 { 2270 101,068 — 77 e 27,6 108,800 | — Ne 79 5 25,6 110,264 | 4,104 26,8 93 Tabelle 1 28,3 110,340 | 6,660 16,5 95 R 23,3 125,608 | 5,960 DIE 96 À 219 1 91,000 | 5,320 ri 97 & 29,4 108,340 | 6,120 1 08 5 18,2 160,660 | 5,604 | 28,6 09 23,8 92,960 | 6,140 | 151 - 124 In 28,8 113,080 | 7,280 15,5 126 5 28,9 103,232 | 6,700 15,4 128 » 26,7 98,920 | 6,720 14,7 129 ; 28,3 93,960 | 6,840 13,7 130 Tabelle 11. e. | 28,5. 102,980 | 6,620 15,9 Grenzen: 18,2 u. 185,266 u.4,104u. 43,10, 28,9 160,660 mn... | 7 l'OS 28,6 511 Von den 36 Milchen unter A* gaben 34 mehr als 100 gramme Extract pro Liter, bloss zwei gaben weniger; die geringsie Extractmenge war 94.350 gr., wovon 46 gr. auf die Butterfette und 5.59 gr. auf die Salze fallen; es bieiben sonach in diesem Falle nur 45.26 gr. für Zucker, Käsestofi, Eiweiss und Lactoprotein. 8 Milchen hinterliessen pro Liter 150— 110 gr. Extract. 15 e)) 2 7 » 110—120 1 )) to) ne] 7 n „ 120 —130 2 7 2 1 + 3 0} 130—140 39 5 Von den 3% Milchen, bei welchen ich die Asche be- stimmt habe, hinterliessen nur zwei weniger als 6 gramme Asche, das Minimum war 5.590 gramme. 1% Milchen hin- terliessen pro Liter 6 —7, 15 mehr als 7 gramme Asche; das Maximum war 7.660 gramme. Das Verhältniss der Aschenmenge zur Extractmenge schwankte von 13.9 bis 21.7. Von den 47 Milchen unter B gaben 31 mehr als 160 gr. Extract pro Liter, und zwar: 14 zwischen 100 und 110, 17 mehr als 116 gramme; iö hinterliessen unter 100 gr. Extract. Das Minimum war 85.266, das Maximum 160.660 gr. Nur 4 hinterliessen mehr als 7 gramme Asche, 26 zwischen 6 und 7 gr., i# darunter; das Siinimum war 4104 gr. Das Verhältniss der Aschenmenge zur Extract- menge schwankte von 13.7 bis 28.6. *) Die Ueberschrift der Tabelle A sollte sen: „4A. Nach Quevenne als unverfülscht bezeichnete Milchen, welche unabgerahmt am Lactodensimeter mindestens 29 Grade bei der Nor- maliemperatur zogen.“ „Nach Chr. Müller, welcher ein Hauptge- wicht auf das spezifische Gewicht der abgerahmten Milch legt, sind nur die Michen Nr. %, 12, 32, 33, 42, 45, 48, “à, 166, 168, ATH und 7A als reine Milchen zu betrachten, die übrigen sind, weil sie in abgerahmtem Zustande weniger als 32.5 Grade bei der Normaltemperatur zogen, als mit bis zehn Prozenten Wasser versetzt zu betrachten.“ 35 512 IX. Bei Milchen, wo ich selbst beim Melken zugegen war, fand ich beispielsweise folgend: Resultaie : IE ES © © ee Ei = Se: ae cs a Zr =. = u») 5 € eu: 3 © se" | so © © sun u | TO SES oz 8 o = + SAR 1 EL * -È ©. tn & > [@) | ct 52 a2 A = ee ae © = =) j = EB © om © B A EB © ee EN 11 =) œ 2 Al À S fe} 7 En mm em Mg = = > 3 3 = 2 2 3 a 4 = © D: re) (SE) on [80 C9 _ 19 C9 o 12 zoom ES oe gi EME ACT IN EE Sec ee 2 D oo m SAFE 5 8 3% 2, e3053 3 ie} = — = > = | a > 12 = _ Fe — — = de) (de) 2 — (de) LS & © SAS gs co ©! o& CA m OD go © ir oo be je me f m. = Œ D an À a ua © 1 a CS) nm æ © S Se. 200 a 0 à Sn EE MN EE — > TI 77, 9,5 D m & C2 SI RS co = > 53 © =. w Ca CHUTES ' w ©. © 2 325 © æm tv SIIRES> i SIEB Se _ & © C2 & & > nn - Si > u E25 or = Or = ne) > © = ee | NOTE SER |2S538s Care Bellen Se) Re, nassen (DE) se a =. = = un = RS un Was die Extractbestimmung anbetrifft, so stimme ich mit denjenigen Autoren überein, welche dieselbe mit aller So einfach möglichen Sorgfalt ausgeführt wissen wollen. auch eine Extractbestimmung zu sein scheint, so ist sie dennoch bekannterweise mit einem fatalen Umstande ver- knüpft. Die Milch bedeckt sich beim Abdampfen mit einer zähen Haut von mit fett durchzogenem Käsestoffe; wern 513 man nicht fortwährend bemüht ist dieselbe mit einem Spatel zu zertheilen, so ist der Rückstand erst nach längerer Zeit vollständig trocken, so dass sich das Extract etwas verändert und Schliesslich eine braune Färbung, namentlich an den Rändern, hat. Bei kleinen Milchmengen, 15—25 cc, erhält man durch blssses Eindampfen der Milch in einer Platin- schaale auf dem Wasserbade bei fleissigem Zertheilen der sich bildenden Haut mit Hülfe eines Platinspatels und nach- heriges Trocknen im Trockenschranke bei 100° ©. zwar nieht mit wissenschaftlicher Schärfe übereinstimmende, wohl aber für die Milchpolizei brauchbare Resultate. Von derselben Milch wurden je 100 Cubikcentimeter in zwei gewogenen Platinschaalen auf dem Wasserbade ein- gedampft und das Extract solange im Trockenschranke bei 100° C. getrocknet bis das Gewicht constant blieb. Zwischen der ersten und letzten Wägung vergiengen acht Stunden. Die eine Platinschaale fasste 10% ce, die andere nur 30 cc. Milch, so dass hier die Milch nur nach und nach einge- gossen werden konnte, und das Eindampfen mehr Zeit in Anspruch nahm. Die beiden Extractmengen betrugen, auf 1 Liter Milch berechnet: Schaale I 117.285 gramme, 65) IT 116.323 s5 Die Aschenmengen betrugen: Schaale I 6.333 gramme, » II 6.292 ” Die Differenz von 0.041 grammen rührt wohl daher, dass die bei der Verbrennung des Extractes sich ausschei- dende Kohle nur sehr schwer verbrennt und man deshalb genôthiget ist ziemlich lebhaft zu glühen, wobei aber mehr oder weniger Chloralkalien, je nach dem Wärmegrade, sich verflüchtigen, was ungleiche Resultate verursacht. Es 357 514 kann auch die glühende Kohle mehr oder weniger Sch weiel- saure Salze zu Schwefelmetallen reducieren. Ein Mittel um die Kohle rasck und vollständig zu ver- brennen ist das, dass man in der Glühhitze auf diejenigen Stellen, wo sich schwerverbrennliche Kohle befindet, ein Messerspitzchen voll chemisch reinem Salpeiersaurem Ammo- niak wirft. Bekannilich zerfällt dieses durch die Wärme in Stickoxydul und Wasser, das Stickoxydui aber giebt seinen Sauerstoff an die glühende Koüie ab, welche darin vollsiänaig verbrennt. Auf solche Weise erhielt ich stets eine weisse Asche. ich bemerke jedoch ausdrücklich, dass ich so wenig als möglich von diesem Körper anwende. Schmilzt man gar eine grössere Menge desseiben mit der Asche zusammen, so finden Wechseiwirkungen zwischen dem Saipetersauren Ammoniak und den Salzen der Asche statt, welche das Resultat vollständig ungenau machen wovon ich mich durch besondere Versuche überzeugt habe Wendet man aber nur so wenig des Salpetersauren Am- moniaks an, als eben nöthig ist, um die Kohlenreste zu verbrennen, so erhält man dadurch keinen Fehler, voraus- gesetzt dass das Oxydationsmittel chemisch rein ist. Ich halte dafür, dass dasselbe in der Analyse hie und da An- wendung bei Glühoperationen finden dürfte. Während dem Glühen der Asche pflege ich mit einem Spatel von Zeit zu Zeit umzurühren, damit alle Schichten mit der Luft in Berührung kommen. Alle Extract- und Aschenbestimmungen führe ich nur in Platingefässen aus. Absolut genaue Resultate erhält man sicherlich bei sol- chen Aschenbestiminungen nicht, weil, wie schon angedeutet siels mehr oder weniger Chlornatrium und Chlorkalium eni- weicht; Chlormagnesium in Magnesia verwandelt wird etc. Um dem oben erwähnten Uebelstande beim Verdampfen der Milch zu begegnen, hat C. H. v. Baumhauer eine vor- zügliche Methode beschrieben, siehe Journal für pract, 515 Chemie, Bd. 8% pag. 157. Man lässt glühenden und vor- her gereinigten weissen Sand von einiger Höhe auf einen Stein fallen, damit die bloss verkohlten organischen Stoffe vollständig verbrennen. Mit diesem Sande füllt man ein frei, ohne Glastrichter aufgehangenes Papierfilter an, wel- ches man nach dem Trocknen bei 110° Celsius wägt. Hie- rauf benetzt man den Sand mit 10 Cubikcentimetern Milch, welche von den obersten Schichten eingesogen werden. Während fünf Stunden kann die Milch vollständig eintrock- nen, da die ganze Oberfläche des Papieres der Luft aus- gesetzt ist. Haidlen empfiehlt der Milch ein Fünftel ihres Gewichtes bei 100° €. getrockneten Gypses zuzusetzen (bei zu hoher Temperatur getrocknet verwandelt er sich in Anhydrit und nimmt aus der Milch Crystallwasser auf) und damit einzu- trocknen. Wirke empfahl schwefeleauren Baryt. Ich kann diese Znsätze desshalb nicht empfehlen, weil man doch gewöhnlich mit der Extract- auch eine Aschen- bestimmung verknüpft; nun werden aber sowohl der schwe- felsaure Kalk als auch der schwefelsaure Baryt beim Glühen mit den kohlenreichen organischen Stoffen zu Schwefel- mefallen reducirt, woderch ein Gewichtsverlust entsteht, welcher die Aschenmenge geringer erscheinen lässs als sie wirklich ist. Am besten ist sicher der gereinigte weisse Sand, noch besser farhloses Quarzpulver. Zur Reinigung des Sandes wird derselbe mit Salzsäure ausgekocht, siehe Otto, Liebig’s Annalen, April 1857, pag. 60. Als letztes Wort über die chemischen Methoden der Gütebestimmung der Milch erwähne ich noch, dass man versucht hat die Wassermenge direct zu messen. So ent- stand der Hydrolactometer von Zenneck, welcher die Milch in einem Cylinder abmisst, mit einigen Tropfen verdünnter Salzsäure versetzt, erwärmt, und die Molke in einen zweiten 516 Cylinder filtrirt, w» eine Marke die äusserste Grenze der normalen Molkenauantität anzeigt; ein Mehrbetrag deutet auf fälschlich zugesetztes Wasser. Eine andere Methode, welche Niemand der eben er- wähnten vorziehen wird, besteht darin, das Lösungsvermögen der Milch für Kochsalz zu bestimmen. Aus der Menge des für Sättigung einer bestimmten Menge Milch nöthigen Koch- salzes wird das Wasser berechnet; ein Theil gelösten Koch- salzes entspricht 2,3 Theilen Wasser in der Milch. Die Operation geschieht im sogenannten Hailymeter, in einem in Grade eingetheilter Glascylinder von 8° Länge, oben von 1”, unten von !/, Weite, jeder Grad ungelöstes Koch- salz entspricht einem Gran Kochsalz. Was nun die physikalischen Methoden zur Prüfung der Milch anbelangt, welche alle auf der Anwendung von Mess- instrumenten zur Ermittelung eines bestimmten physikali- schen Charakters der Milch beruhen, so sind sie dreifacher Art. Die eine will das Verhalten zum polarisirten Lichte, die zweite die Undurchsichtigkeit, die dritte das spezifische Gewicht zu Hülfe ziehen. Das Verhalten zum polarisirten Lichte wird mit Hülfe des Polarisationsapparates in der vom Käsestoffe und Eiweisse befreiten Milch, also in der Molke, bestimmf. Aus dem Grade das Licht zu polarisiren ergibt sich der Gehalt an Milchzucker. Abgesehen davon, dass das Saccharometer ein kost- spieliges Instrument ist, so ist ja, wie ich bereits erinnert habe, der Zuckergehalt selbst bei normaler Milch ein schwan- kender. Bei der optischen Butterprobe, welche die Buttermenge bestimmt, wird der Undurchsichtigkeitsgrad der Milch ge- messen, welcher von der Menge, gleichzeitig aber auch von der Grösse der Butterkügelchen abhängt. Donné war der Erste, weicher diese Eigenschaft derseiben benützte; A. Vogel 517 änderte das Donne’sche Verfahren ab, Feser verbesserte den Vogel’schen Apparat. (Siehe Feser: Werth der Milch- proben). | Donné reichte seine Abhandlung der Pariser Academie ein und wir finden einen Bericht der zur Prüfung aufge- stellten Commission in den Comptes rendus T. 17, pag. 585. Nas Donne’sche Lactoscope in seiner ursprünglichen Form besteht aus zwei in einander verschiebbaren, an beiden Enden mit Glasplatten geschlossenen Röhren. Zwischen beide bring: man die zu untersuchende Milch, wornach man die bewegliche Röhre soweit in die ‘andere hineinschiebt bis die Milchschicht zwischen beiden Gläsern eine solche Dicke hat, dass man die vor dem einen Glase aufgestellte Kerzenfiarime eben noch sieht. Je geringer in diesem Mo- mente die Entfernung der beiden Gläser, je dünner sonach die Milchschicht ist, desto mehr Butterkügelchen enthält die Milch. Die zwei Cylinder laufen auf einen feinen Schraubengange in einander, so dass die Eintheilung auf dem Umfange der beweglichen Röhre sehr kleine Distanzen zu schätzen erlaubt. Der Umfang ist in 50 Theile getheilt. Die Kerze wird ein Meter vom Auge entfernt aufgestellt. ‘ch selbst habe mit diesem Instrumente noch zu wenige Versuche angestellt um selbst ein Urtheil darüber fälen zu können, das Urtheil anderer lautet günstig. Feser macht jedoch darauf aufmerksam, dass stets in einem dunklen Zimmer gearbeitet werden müsse, um übereinstimmende Resultate mit ein und derselben Milch zu erhalten, was ich bestätigen kann. Ich verweise auf Fesers sehr interessante oben erwähnte Schrift, worin auch &ie Abänderungen Vogels und Feser's beschrieben sind. ') 1 Auch hier zeigte sich an verschiedenen Tagen, bei verschie- denen Tagesstunden, je nach der Helle, bei ein und derselben Milch die grösste Verschiedenheit in der Zahl der Cubikcentimeter, welche 518 Prof. Charles Kopp in Neuchâtel, welchen ich um seine Ansicht über den Werth dieses Instrumentes, welches er bei seinen vielen Milchuntersuchungen im Auftrage der neuenburgischen Polizeibehörde anwendet, ansprach, ant- wortete mir in seinem Briefe vom 15. September 1866 so: „Le Lactoscepe est un bon instrument, qui sans donner des mesures tres-precises (désavantage qui tient au lait lui- même plutôt qu'aux instruments) donne des indications précieuses Les simples fraudes (écrémage ou eau ajontée) sont constatées par le lactodensimètre ; mais la double fraude qui n'est plus constatée par le lactodensimètre le sera par le lactoscope. »D’ailleurs la quantité de crême indiquée par le cré- mometre n’est pas toujours cxacte, la crême se condensant plus ou moins. La densité du petit lait est plus sûre, mais souvent les laits se coagnlent déjà après 12 heures, et alors on est sans donnée. Le lactoscope est alors indispensable.“ Kopp fand mit seinem Lactoscope welches er mir zur Einsicht schickte, und das ich in der Sitzung vorgelegt habe, hei welchem der Umfang der beweglichen Röhre in 50 Theile getheilt ist und jeder Grad !/;og MM. Entfernung entspricht, folgende Verhältnisse: ungefähr der 30te Grad entspricht einer guten Milch, der 40—35te entspricht 5 °/, Rahm, » 35—30te = 5—10°% „ „ 30—25te A 10—15% » Folgende kleine Tafel zeigt die Resultate einiger Ver- suche von Prof. Kopp: man anwenden muss um nach Vogel und Feser dasselbe Quantum Wasser undurchsichtig zu machen. Es zeigt sich aber Uebereinstim- mung für jede Milch bei der Nacht. 519 Rahmprozente | f Grade am am Crêmometer nach 24 Stunden | l m © Lactoscope I. Abgerahmte und mit Was- ser vermischte Milch 4 A2 ; EL, theilweise abgerahmte ! 7 35 pou Milch. 7 | 35 IV. | 9 | 28 V. I, 3 | 50 WI. gute Milch & 9 | 23 WII. künstliche Milch aus Wasser und Rahm. 1 | 125 Zu den Milchen % und 5 schreibt Prof. Kopp: „ce sont deux laits qui ont été apportés à Neuchâtel par un laitier, et arrangés par lui avec un lactodensimètre, le laitier vou- lait voir si la police se laisserait induire en erreur. Les agents de police à l'inspection de ces laits virent bien la. différence des qualités de ces deux laits malgré les indi- cations idendiques du lactodensimetre, qui vu la différence des températures indiquait le même degré pour les deux laits. On vint réclamer mon concours. Le lactoscope me permit de juger à l'instant.* Ich versäume nicht Herrn Konp meinen besten Dank für die eben erwähnte Mittheilung auszusprechen. Unsere in Basel auf den Markt gebrachten Milchen würden, auch ungefähr den Grad 35 zeigen, wenn sie nicht verfälscht sind. Das Donne’sche Instrument stammt aus dem Jahre 1843 , und heute noch sprechen sich eine Reihe von Experimen- tatoren ähnlich wie Prof. Kopp aus. Allerdings zeigt das Lactoscope nicht an, ob die Menge der Butterkügelchen durch Abrahmen oder durch Wasserzusatz verringert wor- 520 den ist. Eine sehr fettreiche und mit Wasser verdünnte Milch verhält sich hier nicht anders als eine theilweise abgerahmte und nicht mit Wasser versetzte Milch. Wenn eine Milch sehr reich an Fett war, so übersieht die Don- nésche Methode nach deren Verdünnung mit Wasser nicht unbedeutende Mengen dieses corpus delictt Wenn aber auch die Fälschung in solchen Fällen, wo die Milch an und für sich sehr gut war, durchschlüpfen mag, so unterscheidet doch wenigstens das Instrument das wirklich Schlechte vom @uten, So weit sind wir auf diesem Gebiete der Nahrungs- mittelpolizei überhzupt noch nicht gekommen, dass wir feinere Nüancen der Fälschung zu entdecken vermögen; ich kenne wenigstens kein Mittel 4, ja selbst 6 Prozente ab- sichtlich zugesetztes Wasser mit Sicherheit nachzuweisen, wenn nicht vergleichende Versuche mit der verfälschten und mit der vor unseren Augen gemolkenen Miich ange- stellt werden können. Das instrument behält. so lange seinen praktischen Werth für die Milchpolizei bei, bis ein Mittel aufgefunden sein wird, um die Undurchsichtigkeit der Milch zu erhöhen, ohne deren Geschmack und Geruch zu verändern oder das sonst leicht erkannt werden kann, en Umstand, welcher mir wenigstens keine Pesorgniss für baldige Unbrauchbar- keit des Lactoscopes einflösst. LL Ich komme nun zur Prüfung der Milch mittel-t des spezifischen Gewichtes und der Rahmmenge. Schon seit läng*rer Zeit hat man in den Käsereien so- genannte Milchwaagen verschiedener Construction, daneben sogenannte Rahmmesser angewandt. Auch bei der Polizei der verschiedensten Staaten finden sich solche Instrumente eingebürgert. 521 Am meisten Eingang hat Sie von Mechanikus Dörffel in Berlin construirte Milchwaage gefunden, ein Aräometer, dessen Scala 2° lang ist, dessen Nullpunkt die Stellung in Wasser von 12!/, Grad Reaumur angiebt, und dessen oberster Punkt 29 für gute unabgerahmte Milch gilt. Zwischen 0 und 20 sind 20 gleich grosse Grade Halbabgerahmte Milch, wie wir in Basel zu geniessen bekommen, zeigt nach Dörffel 17 Grade bei 121/, Grad Reaumür. Die Dörffel’sche Milch- waage ist ein in Deutschland ziemlich allgemein und auch bei uns eingeführtes Instrument, welches für die praktische Milchpolizei auch heute noch zu empfehlen ist, handelt es sich doch leider meist um gröbere Fälschungen, um Zusätze von zehn und mehr Prozenten Wasser und um starkes Ab- rahmen Um die Nachweisung dieser groben Fälschungen handelt es sich bei der Polizei, um die weitere Untersuchung mittelst feinerer Mittel beim wissenschaftlichen Experten, der in zweifelhaften Fällen zu Rathe gezogen wird. Ein anderes Instrument, welches direkt die spezifischeu Gewichte bei der jeweiligen Temperatur der Milch angibt ist der Lactodensimeter von Quevenn», weicher nun sozu- sagen in ganz Frankreich, in dessen grösseren Städten. namentlich aber auch in Paris von der Polizeibehörde zur Untersuchung der Milch angewandt wird. Dr. Chr. Müller in Bern, dem wir viel für die praktische Untersuchung der Milch verdanken, hat es einer einlässlichen Prüfung unter- worfen, welche zur Folge hatte, dass er dasselbe in seiner bekannten Schrift: „Anleitung zur Prüfung der Kuhmilch“ lebhaft empfehlen konnte, so dass wir jetzt fast in jeder Käserei der Schweiz dieses Instrument antreffen. Quevenne hatte den Lactodensimeter anno 1842 in einer Schrift: „Instruction pour l'usage du lactodensimètre suivie d'une notice sur le lait“ beschrieben. Es ist eine Senkwage aus Glas mit einer Scala von Papier. Auf der rechten Seite der Scala stehen die Worte: „nicht abge- 322 rahmt“, auf der linken das Wort „abgerahmt“. Die Zah- len der Scala bedeuten die spezifischen Gewichte bei der Temperatur der Milch, bei welcher man das Jnstrument eingetaucht hat. Bei der Prüfung unabgerahmter Milch liest man die Zahlen auf der rechten Seite der Scala ab; nach Quevenne und Müller ist eine Milch als unverfälscht zu betrachten wenn das Instrument nicht tiefer als bis 29 und nicht weniger als bis 33 der Scala rechts einsinkt. Bei abgerahmter Milch hat man es mit einer schwerer sewordenen Flüssigkeit zu thun, so dass das Instrument in reiner abgerahmter Milch nach Quevenne und Müller bis innerhalb den Grenzen 33 und 37 der Scala links ein- sinkt. Die Zahlen bedeuten direct die spezifischen Gewichte- 29 bedeutet das spezifische Gewicht 1.029, 37 bedeutet 1.037 etc Diese spezifischen Gewichte muss man natür- lich auf die Normaltemperatur von 15° Celsius oder 13:/,° Reaumür berechnen um Vergleichungen der einzelnen Mil- chen anstellen zu können, wesshalb denn auch jedem im Handel vorkommenden gekauften Instrumente eine Correc- tionstabelle nebst Gebrauchsanweisung beigegeben wird. Die Pichtigkeit der Milch findet man auf solche Art allerdings nicht mit wissenschaftlicher Schärfe, denn zu- erst müsste durch Erwärmen auf dem Wasserbade die beim Melken aufgenommene Luft ausgetrieben werden, was für die Praxis zu umständlich ist. Uebrigens ist die Diffe- renz eine sehr geringe, und beträgt nur einen halben Grad der Scala. Seit mehreren Jahren hatte ich in meiner ‘amtlichen Stellung vielfache Gelegenheit den practischen Werth dieses ‘Instrumentes zu prüfen. Dabei bin ich zur Ueberzeugung gelangt, dass durch diese Bestimmungsweise des spezifi- schen Gewichtes mit Berücksichtigung der Temperatur der Milch, in zweifelhaften Fällen verbunden mit der Rahm- 923 bestimmung Resultate erhalien werden, welche vollständig genügen, um den Experten dem Richter gegenüber zu einem sicheren Urtheil zu leiten. Ich hebe aber ausdrücklich den Werth der Rahmbestimmung für gewisse Fälle hervor. Wenn die Milch sehr butterreich ist, so siad ziemlich starke Zu- sätze von Wasser nicht enideckbar, weder mit dem Lacto- densimeter noch mit irgend einem Aräometer. Wenn die Milch sehr reich an Käsestoff oder Zucker war und dess- halb ein ziemlich hohes spezifisches Gewicht hatie, so sind kleinere Wasserzusätze auch nicht entdeckbar; es sinkt dann im Gegentheil das möglicherweise auffallend hohe spezifische Gewicht in die normalen Grenzen hinein. Hat ein Milchhändler die Milch durch Abrahmen schwerer ge- machi, so kann er sie durch Zusatz von Wasser wieder auf das ursprüngliche normaie spezifische Gewicht bringen. Eine Milchfälchung vermag sonach eine andere zu mas- quiren, so dass das Aräometer keine von beiden entdeckt. in solchen Fällen muss man eine zweite Operation vor- nehmen, welche ebenso einfach wie die erste ist, nämlich die Rahmbestimmung, wozu Chevallier das sogenannte Crè- momeier vorgeschlagen hat. Das Crêmometer ist eine cylindrische am einen Ende ofiene Röhre, welche eine Milchschicht von der ‘’imension fasst, welche sich nach langer Erfahrung ais die vortheil- hafteste für das schnelle Abrahmen herausgestellt hat. In diesem Cylinder stellt man die Milch während vierund- zwanzig Stunden auf, und liest alsdann die Rahmschicht ab. Absolute Genauigkeit hat diese Methode der Rahmbe- stimmung nicht, da aus mit Wasser verdünnter Milch der Ralım lockerer und folglich in höherer Schichte, auch schnel- ler als aus normaler Milch sich abscheidet. Ich habe diese von anderen ausgesprochene Thatsache schon öfters za beobachten Gelegenheit gehabt. Ferner steigen in der Ruhe die grös- seren Milchkügelchen zuerst an die Oberfläche, weil sie 52% im Verhältnisse zur Masse eine geringere Oberfläche dar- bieten und daher weniger durch Adhæsion in der Milch- flüssigkeit zurückgehalten werden. Kleine Milchkügelchen sind noch nach vielen Tagen im Serum suspendirt. Für den Theoretiker, für wissenschaftliche Zwecke, bleibt nur eine einzige Methode empfehlenswerth, die ausführliche chemische Analyse. die directe Bestimmung aller einzelnen Be- standtheile. In der Hand des Praktikers leistet aber das Lacto- densimeter in Verbindung mit dem Crémomeler vorzügliche Dienste. | Das Lactodensimeter allein klagt aber da mit Gewiss- heit an, wo nur Abrahmen satigefunden hat; von 1034 auf- wärts ist die Milch abgerahmt. Dieser Satz gilt aber nur dann, wenn die Milch von mehreren Kühen herstammt; bei der Milch einzelner Kühe hat man schon das spezifi- sche Gewicht 1.041 beobachtet. Das spezifische Gewicht steigt natürlicherweise sobald das Milchquantum fällt, wenn das Thier dem Trockenstehen nahe kommt. Alle Kühe eines Stalles sind aber nie dem Trockenstehen nahe, das wiederspräche einer rationellen Wirthschaftsweise Die Erfahrung, dass für die Milch ganzer Stallungen eine scharf abgeschnittene Grenze des spezifischen Ge- wiehtes existiert, wurde zuerst von Bouchardaf und Que- venne gemacht und hernach durch diejenigen bestätiget, welche sich viel mit Milchuntersuchungen beschäftiget haben. So z B. fand Herr Dr. Chr. Müller in Bern, welchem eine langjährige Erfahrung zur Seite steht, dass Mil h von 1.035 spezifischem Gewichte theilweise abgerahmte Milch ist. Es wurde von verschiedener Seite hevorgehoben, dass das spezifische Gewicht, auf welches sich diese Probe- weise stützt, eine wechselnde Grösse sei, dass man daraus also keinen Schluss ziehen könne. Niemand wird das bestreiten wenn vun der Milch einzelner Kühe die Rede ist. Simon (med. Chemie) giebt ein spezifisches Gewicht 325 an von 1.630—1.035, Quevenne von 1,0288—1.0364, Schä- rer von 1.026—:.032; Vernois uni, Becquerel fanden in 14 Fällen die Grenzen 1.026—1.035; in 30 anderen Fällen fanden ebendieselben 1.516—1 041, welche letztere Angabe so wenig mit den Erfahrungen anderer übereinstimmt, dass wir es hier mit einem sehr selten vorkommenden Falle zu thun haben mögen. Quevenne, welcher sehr gewissenhafte Beobachtungen gemacht hat und immer selbst beim Melken zugegen war, beobachtete während der Zeit von 1843 bis 1854 in 103 Fällen ein spezifisches Gewicht von un bis 1.0364. Er fand: nur in einem Falle : 0288. in 6 Fällen 1.029—3.030. in 5 Fällen über 1.035. in 91 Fällen 1.030--1.035. Bouchardat Instruction pour l'essai et l'analyse du lait, Paris 1856) erhielt gleiche Resultate während mehr- jähriger Thätigkeit. Müller in Bern sagt in seiner Schrift (Anleitung zur Prüfung der Kuhmileh, Bern 1857), das: seine Versuche die Bouchardatschen und Quevenn'schen Angaben bestätigen. Die Resultate meiner mit der Milch einzelner Kühe, welche ich selbst melken sah, angestellten Versuche sind folgenis: Tab. 1. Milch einer einzelnen mit dürrem Futter ge- nährten Kuh, während 18 Tagen untersucht. Grenzen des spezifischen Gewichtes 1.0296—1.037, Die Grade am Lactodensimeter bei der Normaltemze- ratur waren: einmal zwischen 29 und 3%, dreizehnmal zwischen 30 und 34, viermal über 35. 526 Tab. 2 Milchen von 12 Kühen in Beinwyl, 17 Proben. Grenzea des speztflschen Gewichtes 1.0281--1.0338. Grade am Lactodensimeter: sechsmal zwischen 29 und 30, elfmal zwischen 30 und 34. Tab. 3 a und 3 b. Milchen von 8 Kühen auf Beuggen- weide, 47 Proben. Grenzen des spezifischen Gewichtes 1.0274— 1.0324. Grade am Lactodensimeter : siebenmal unter 29, fünfzehnmal zwischen 29 und 30, fünfundzwanzigmal zwischen 30 und 34. Tab. 4. Milchen von 9 Kühen auf Grosstannen, 18 Proben. ; Grenzen des spezifischen Gewichtes 1.0279—1.035. Graie am Lactodensimeter: sechsmial unter 29, sechsmal zwischen 29 und 30, fünfmal zwischen 30 und 34, einmal über 34. Tab. 5. Milcheu von 6 Kühen auf Bäckenweide, 6 Probeu. Grenzen des spezifischen Gewichtes 1.0285—1.051. Grade am Lactodensimeter: einmal unter 29, zweimal zwischen 29 und 30, dreimal zwischen 30 und 31. 327 Tab. 6 a, 6 b, 6 e und 6 d. Miichen von 33 Kühen auf Rechteberg, 31 Proben. Grenzen des speziflschen Gewichtes 1.0272—-1.0333. Grade am Lactoäensimeter: siebenmal unter 29, vierzehnmal zwischen 29 und 30, siebzigmal zwischen 30 und 34. In 197 Fällen zog also die Milch einzelner Kühe: 21 Male unier 29 Grade, 44 ,„ zwischen 29 und 30 Grade, 127 ,„ zwischen 30 und 34 Grade, 5 „ über 5 Grade; das höchste spezifische Gewicht war 1.037, das niederste 1.0272. Oben erwähnte Grenzen des spezifischen Gewichtes können also auch nach meinen Resultaten nicht für die Milch einzelner Kühe gelten. Was nun üie Milch ganzer Stallungen anbetrifft, so finden sich die Resultate meiner Untersuchung von Milchen, welche ich selbst melken sah, auf Tabelle 7. Ich fand die Grenzen 28.9 und 33.5. ich stimme daher der schon 1842 ausgesprochenen Meinung Quevennes bei: „kann auch die Milch einzelner Kühe ein geringeres spezifisches Gewicht als 1.029 haben, so wird die Milch von mehreren Kühen ge- mengt nie unter dieses Gewicht fallen; die Milch als Handels- waare muss mindestens 1.029 (1.0288) spezifisches Gewicht haben und die polizeilich festzustellenden Grenzen für reine Milch liegen zwischen 1.029 und 1.033 (an dessen Stelle ich aber 1.034 setze.)‘ Ich gehe aber nicht so weit wie jBou- chardat, welcher sogar rieth die Milchen, welche 1.030 zögen, zu cenfsziren, als oberste Grenze jedoch auch 1.03% setzte. €. H. v. Baumhauer sagt in seinem Aufsatze, \ 36 # 523 siehe Jorrnal f. pract. Chemie Band 84, 1861, S. 145: „Die Bestimmung des spezifischen Gewichts der Milch kann allein wenig lehren, da die Milch eine Auflösung von Stof- fen ist, die zum Theil schwerer als Wasser sind, worin die Rahmkügelchen von geringerem spezifischem Gewichte als Wasser suspendirt sind, so dass eine enfrahmte und mit Wasser verdünnte Milch dasselbe spezifische Gewicht haben kann wie eine an Rahm reiche und rieht mit Was- ser verfälschte Milch“. Ich stimme mit Baumhaner überein, dass in einem sol- chen Falle das Aräometer ohne Crêémometer nichts lehrt. Dieser Fall kommt namentlich an den Orten vor, wo durch- weg ganze “Milch auf den Markt kommen soll, wie es bei uns in der Schweiz manchenorts der Fall ist. Für solche Orte ist das Lactoscop Donné’s sehr anzuempfehlen; es entscheidet sehr schnell. Baumhauer sagt ferner, dass der Ausdehnungscæffi- cient der Milch unbekannt sei, dass desshalb auf die Tem- peraturcorrectionstabellen wenig Werth zu legen sei; das Verhältniss zwischen den aufgelösten Stoffen sei sehr ver- schieden; man müsse stets, bei derselben Temperatur un- tersuchen. Ich halte dafür, dass die von Quevenne und Müller vorgeschlagenen Correctionen für die Praxis ge- nügend genaue Resultate liefern, handelt es sich doch wie schon erwähnt gewöhnlich um gröbere Fälschungen. Am besten ist es allerdinge, man untersuche womöglich bei der Temperatur von 12'/;° R. oder 15° ©. Ich gestehe, dass ich durch meine Erfahrungen zur Ueberzeugung gelangt bin, es könne eine Milch des Han- dels, welche 29 zieht schon mit 4—6 und mehr Wasser verfälscht sein, doch fehlen uns in einem solchen Falle die genügenden Beweisgründe und sind wir genöthiget die Rahmbestimmung vorzunehmen. Besser ist es unstreitig unter 100 Fällen der Fälschung zehn passiren zu lassen, « 529 als ein einziges Mal den Unschuidigen der Strafe zu über- liefern. Der gerichtliche Experte hat &ie Pflicht sein Ur- theil auf der Goldwaage zu wägen. Kann nun der Richter auf den Ausspruch des Experten welcher, sich auf die Erfahrungen einer Reihe von Experi- mentatoren stützend, die Grenzen 29 und 3% für das spe- ziische Gewicht der normalen unabgerahmten Milch an- nimmt, mit gutem Vertrauen sein richterliches Urtheil grün- den? Liesse sich nicht vielleicht irgend ein Umstand her- vorholen um am Beweisgrunde des Experten zu rütteln? Ich glaube nicht, kann doch eine Verminderung des spezi- fischen Gewichtes, z. B. auf 1.025, nur von zwei Ursachen herkommen, entweder vom Zusatze des leichtern Wassers oder irgend eines anderen leichteren Körpers. Was die letztere Möglichkeit anbeiriffi, so giebt es wohl ausser Rahm keine zweite Substanz, deren Zusatz denkbar wäre, der Rahm selbst ist aber theuer, unü überdiess hat Bou- chardat gefunden, dass, als er Milch mit der Hälfte des in ihr enthaltenen Rahmes vermischte, ihr spezifisches Gewicht nurauf 1.0295 sank. Man könnte das Bedenken tragen, es möchten die Milchverkäufer kein Wasser mehr zusetzen, weil sie ertappt werden, das heisst weil eine strengere Untersuchung ihrer Fabrikate stattfindet, sie möchten aber wohl begin- nen Mischungen mit anderen Stoffen zu machen, wobei sie selbst ein Aräometer zu Hülfe zögen, so dass die Milch den Forderungen dieses jedenfalles gerügen würde. Solche Künsteleien wollen wir getrost erwarten. Man hat schon seit längerer Zeit an alle möglichen Zusatzmittel gedacht und Dr. Pappenheim hat nachgewiesen, dass alle Zusatz- mittel, welche versucht werden könnten, bis auf eine Lösung von Milchzucker, schon durch Geruch, Geschmack oder Farbe sich verrathen. Auch er hält die aräometrischen Milchproben für ein gutes praktisches Mittel um die Milch- 36* 9 30 verdünnungen nachzuweisen (siehe Archiv der deutschen Medicinalgesetzgebung etc., 1857, S. 46.) Wie steht es mit dem spezifischen Gewichte der reinen abgerahmten sogenannten blauen Milch, finden wir für solche auch bestimmte Grenzen des spezifischen Gewichtes, um darauf Schlüsse gründen zu können? Nach Müller fällt das spezifische Gewicht reiner blauer Milch zwischen 1,0325 und 1,0365. | Bei meinen Untersuchungen haben sich in den Fällen, wo ich selbst melken sah, die folgenden Resultate heraus- gestellt. Siehe Tabelle !, 16 Proben. Grenzen: 30,6—40, 8 Grade am Lactodensimeter bei der Normaltemperatur. Zwei Mal unter 32,5, Sechs Mal über 36,5, davon zwei Mal 40 und mehr. Acht Mal zwischen 32,5 und 36,5. Siehe Tabelle 2, 18 Proben. Grenzen: 29,8 und 41, 4, Drei Mal unter 32,5, Drei Mal über 36,5, davon Zwölf Mal zwischen 32,5 und 36,5. Siehe Tabelle 3 a und b, 39 Proben Grenzen 31,8 und 37, Fünf Mal unter 32,5. Zwei Mal über 36,5. Zweiunddreissig Mal zwischen 32,5 und 36,5. 531 Siehe Tabelle 4, S Proben. Grenzen 32,1 und 39,5. Ein Mal unter 32,5. Ein Mal über 38,5. Sechs Mal zwischen 32,5 und 36,5. Siehe Tabelle 5, 6 Proben. Grenzen 32,2 und 33,6. Ein Mal unter 32,5. Fünf Mal zwischen 32,5 und 36,5. In den 87 Fällen waren die Grenzen des spezifischen Gewichtes reiner abgerahmter Milch — 1,0298 und 1,0414, die Grade am Lactodensimeter bei der Normaltemperatur, nämlich 29,8 und 41,4. Für die abgerahmte Milch ganzer Stallungen, wo ich selbst melken sah (siehe Tab. 7), fand ich die engeren Grenzen 32,2 und 39,9. Meine bisherigen Versuche ergaben mir also Resultate welche mit denjenigen von Dr. Müller mit Bezug auf die Minimalgrenze übereinstimmen. ich bemerke, dass ich alle Milchen im Keller des Laboratoriums während 24 Stunden stehen liess, dann den Rahm abhob, das Lactodensimeter einsenkte und den abgelesenen Grad nach Müllers Cor- rectionstabelle auf die Normaltemperatur berechnet habe. Herr Sanitäts-Commissär Fischer stellte auf meinen Wunsch hin Proben mit der abgerahmten Milch von sechs Kühen seines Stalles an, wohei sich folgende Resultate er- geben haben: À AT dt Te 4 à i 8 Gl 16 Fr LS 14 &L dt 0% | JAI VW 4 [67 En REC) Ge dd &/ MT dl Am e’ce ; ’ ı6l » N 06 116 4 ar ; IT ‘ D el 7/61 99€ D 08T 104 0746 9'GE | "OOBUMIOZIIOT Jp 104 WOUUCIAY 199090 U9/DUOJT & 404 1910490 WIDUOT GI 404 1990400 UI/DUO7 GI 40% 1990700 U9)DUOJY € 40% 191000 Uo/DUOJY 1 408 1990400 WoY204 LE +00 *1hJU10dt97[UUTIO N "U9SUNYIOWIE wop you d99WISUHP | x | —OJOUTT WU 9PELd 532 “OH AOUjozwD OUI * U9ZU949 . ‘} HA. TI A 2 ‘GT AX x del KKX [77 ‘II EX Joqueados ‘OT E 9981 | | “IN Un | wungeq, UOA TOIIN 539 | Grade am Lacto- | en | densimeter nach dem | Du | I Äbrahmen bei der ee | Normaltemperatur. a | | 10. S ptember | 35,6 =: 19950 per 130 ,.C, | 12. 5 | SO) 2ER 2 | 13. en 34,9 vers, ELA SENS 14. 2 34,3 12249 12 5 | 15. 34,4 Er 19 et Mb Auch in diesen Fällen fällt das spezifische Gewicht nicht unser die Minimalgrenze von Dr. Müller. in allen Fällen, wo immer es mir möglich war und wo ich selbst melken sah, habe ich die Rahmmenge be- stimmt, und folgende Resultate erhalten. In 83 Fällen gab + die Milch einzelner Kühe 5 bis 20 Volumyrozente Rahm, und zwar: Ein einziges Mal nur 5 Volumprozente Ein Mal 7° 5 Zwei Mal 7 » Sechs Mal , 8 » Vier Mal 9 ü Fünfundzwanzig Mal 10 n Zwei Mal 101/, N Sieben Mal 1 ÿ 93% Ein Mal 11!/, Volumprozente Sechs Mal 12 À Zwei Mal 12 L Zehn Mal 13 B Vier Mal 14 2) Zwei Mal 141), - Ein Mal 15 2 Drei Mal 16 ñ Zwei Mal 161/, ; Ein Mal 17 “ Ein Ma! 1812 Ein Mal 19 5 Ein Mal 20 ; 16,9 Prozent der Milchen gaben weniger als 10, 12 2 mehr als 1#'/,, und 59 D zwischen 10 und 1%!/; Volumprozente Rahm. In 22 Fällen, wo’ich den Rahmgehalt der Gesammt- milch ganzer Stallungen untersuchte, und wo ich selbst melken sah, fand ich als Grenzen 10 und 131, Volum- prozente, wie Sie aus Tabelle 7 ersehen mögen. Sehr erwünscht war mir di» Gelegenheit die Milch zu unterstchen, wie sie aus den Baternhôfen in einige Käse- ' reien des Kantons Baselland geliefert wird und auch Ein- sicht zu erlangen in die Erfahrungen, welche sich die dor- tigen Käser und di Commissionen der Käsegesellschaften über das Lactodensimeter erworben haben. I. Auf Tabelle 8 a finden sich die Resultate einiger durch die Commission der Käsegesellschaft in Höllstein gemachten Beobachtungen verzeichnet. Die Milch von 26 Milchlieferanten zog am Lactoden-i- meter auf die Normaltemperatur herechnet, mindestens 530 30,6; nur ein einziger Milchlieferant brachte Milch in die Käserei, welche weniger, und zwar nur 26,5 Grade zog. Als die Commission sich in den Stall des letzteren begeben hatte um selbst zu melken, und die Milch an Ort und Stelle zu untersuchen, zog diese 33,8° bei der Nor- maltemperatur. Nach Quevenne’s und Müller’s Angabe ent- spricht die Zahl 26,5 einer Fülschung mit mindestens 10 Prozent Wasser. Die Probe im Stalle bewies richtig, dass eine Fälschung stattgefunden hatte; der Milchlieferant er- litt auch ruhig die Bestrafung. Drei an ebendemselben Tage in die Käserei abgelieferte Milchen zogen 36,7 und 35,7; als die Untersuchung in den drei Ställen vorgenommen wurde, zogen die betreffenden Milchen, siehe Nr. 8, 10 und 22 auf Tabelle 8 a nur 33,8, 35,7 und 34,3; Nr. 8 und 22 waren also, ehe sie in die Käserei geliefert wurden, theilweise abgerahmt worden, wodurch sie schwerer gemacht wurden. Lasse ich diese 4 erwähnten Fälle bei Seite, so zog die Milch von 23 ganzen Stallungen mindestens 30,6, höch- stens 34,7. Meine eigenen in ebenderselben Käserei gemachten Beobachtungen (siche Tabelle 8 b) entdeckten nicht weniger als 9 verdächtige Fälle. Leider ist mir nicht zur Kenntniss gekommen was die auf mein Anrather in den betreffenden Ställen vorge- nommene Untersechung ergeben hatte. Was die Milch des Lieferanten “r. 2 anbetrifft, so hatte ich nach blossem Ver- suche mit dem T,actodensimeter gar keinen Zweifel, dass hier Wasser zugesetzt worden war. Was aber die Milchen 3, 8, 9, 14, 19, 20, 26 und 33 anbetrifft, so müsste zuerst eine Bestimmung der Rahm- menge und des spezifischen Gewichtes nach dem brah- men vorgenommen werden. 936 Sehr butterreiche Milchen zeigen hie und da ein ge- ringeres spezifisches Gewicht, namentlich wenn sie bloss von 2 oder 3 Kühen hersiammen, wie es hier meist der Fall war. Den Commissionen der Käsegesellschaften kann ich nicht genug anempfehlen die Controlluniersuchung in den Ställen vor- zunehmen. Gerade in Fällen wie die eben erwähnten leistet auch das Donnesche Lactoscop gute Dienste. Das Extract betrug in 7 Fällen 126,749 — 149,824 sramme pro Liter, die Asche 2,223 bis 7,135, das Ver- hältniss der Aschen- zur Extractmenge war im Minimo 1 zu 18, 94, im Maximo 1 zu 6%, 76. ii. Meine auf Tabelle 9 verzeichneten in der Käserei Zyfen gemachten Beobachtungen sind kurz zusammengestellt foigende : Von 30 Milchen ganzer Stallungen zogen am Lacto- densimeter 21 innerhalb der normalen Grenzen; das nie- derste spezifische Gewicht war 1,0291, das höchste 1,032. 5 Milchen zogen mehr als 28, aber weniger als 29, mussten demnach als verdächtig erscheinen; als sie jedoch abgerahmt wieder untersucht wurden, fiel nun das spezi- fische Gewicht innerhalb der Grenzen für reine abgerahmte blaue Milch. Milch Nr. 7? zog unabgerahmt nur 27,6 Grade, was nach Qu:venne una Müller einer Fälschung mit 10%, Wasser entspricht, abgerahmt nur 29,9, was nach Chr. Müller eben- fails 10 °/, Wasser entspricht. Für Milch Nr. 32 gilt eben- dasselbe Hieraus ersehen wir die Wichtigkeit der Unter- suchung der blauen Milch auf das spezifische Gewicht, wie Chr. Müller vorgeschlagen hat. Als die Milch Nr. 32 durch die Commission der Käsegesellschaft im Stalle untersucht wurde, zog sie unabgerahmt 30,4, abgerahmt 32,8 Grade, so dass die Fälschung der in die Käserei gelieferten Parthie deutlich erwiesen war. 937 ill. Von 36 Milchen, welche ich in der Käserei zu Bubendorf, siehe Tabelle 10, untersucht habe, besasseu 33 ein spezifisches Gewicht das in die normalen Grenzen fiel; drei hingegen zogen nur 28,5; es fehlt hier leider sowohl der Versuch mit dem Crêémometer als auch der mit dem Lactodensimeter in der abgerahmien Milch. Es wäre von hohem Interesse für Theorie und Praxis, wenn sowohl die Tit. Commissionen der Räsegesellschaften als auch die Herren Käser, denen ja die beste Gelegenheit geboten ist, eine möglichst grosse Zahl von Untersuchungen der Milch ganzer Stallungen vornehmen würden. Dabei ist es jedoch vor Allem nothwendig, dass der Üntersuchende selbst beim Melken zugegen ist, um die vollständige Ge- wissheit zu besitzen, dass die untersuchte Milch wirklich reine und frische Milch ist. Zur Veröffentlichung grösserer Versuchsreihen würde sich, meiner Meinung nach, die schweizerische landwirthschaftliche Zeitschrift ganz beson- ders eignen. Möchte diese Anregung Ankl:ng bei recht vielen finden! Folgende Operationen wären von ganz besonderem interesse: 1) Prüfung der frischen Milch mit den Reagenspapieren und zwar: a) mit blauem Lacmuspapier, b) mit rothem Lacmuspapier, c} mit Curcumapapier. Alls drei müssen so bereitet sein, dass sie eine möglichst grosse Empfndlichkeit besitzen. Sie können in jeder Apotheke erhalten werden. 2) Prüfung der frischen Milch mit dem factodensi- meter und Beobachtung der Temperatur. (Angabe ob Celsius- oder Reaumurgrade.) 3) Aufstellen der frischen Milch im Cr&mometer, wäh- rend 24 Stunden, dann Ablesen der Rahmprozente. 538 %) Prüfung der abgerahmten Milch mit blauem Lacmus- papier, (ob dieses sich röthet). 5) Prüfung der abgerahmten Milch mit dem Lactodensi- meter und Beobachtung der Temperatur. Ich erlaube mir schliesslich auf diejenige Milch auf- merksam zu machen, welche wir hier in Basel zu geniessen bekommen, indem ich durch meine amtliche Stellung sehr oft in den Fall komme, Milchuntersuchungen vorzunehmen und darüber dem Tit. Marktamte Bericht zu erstatten. Namentlich im letzten Jähre habe ich eine grössere Ver- suchsreihe angestellt. Ich benütze diesen Anlass um Herrn Polizeiwachtmeister Aerni meinen aufrichtigen Dank und meine Anerkennung auszusprechen für den Eifer und die exemplarische Pünktlichkeit, mit welcher derselbe den nicht minder wichtigen polizeilichen Theil der Arbeit besorgt hat. Derselbe erhob die Milch sowohl an den Thoren als auch in den Milchhandlungen der Stadt, und prüfte alle Milchen, und zwar den inhalt jeden Milchgefässes, auf die Grade an der Polizeiwaage und auf die Temperatur. Was den Werth dieses Instrumentes anbetrifft, so ist darüber dasselbe wie beim Lactodensimeter zu sagen. Die Resul- tate meiner Untersuchung der Basier Handelsmilch finden sich auf den Tabellen 11 (a bis f) verzeichnet. Die auf unseren Markt gebrachte Milch ist von sehr verschiedener Qualität. Die, welche von in der Nähe der Stadt befindlichen Stal- lungen kömmt, soll, wenn unverfälseht, nicht vollständig halb- abgerahmt sein, son:dern mehr als die Hälfte der durchsehnitt- lich in der ganzen Gesammtmilch mehrerer Kühe enthaltenen 939 Rahmmenge besitzen. Da bei uns wie anderswo keine Abend- milch in die Stadt geführt wird, so wird dieselbe bis zum anderen Morgen früh im Milchkeller aufgestellt; dann wird sie abgerahmt und mit der frischen Morgenmilch vermengt Da die Abendmilch nur etwa 10—12 Stunden aufgestellt war, so muss ein Taeil der Butter darin zurückgebiieben sein. Ist der Milchverkäufer redlich, so ist eine auf solche Weise hergestellte sogenannte halbabgerahmte Milch immer- hin noch ganz gute Milch, wie man sie in den meisten Städten trinkt. Es-kommt jedoch hie und da, namentlich in den käl- teren Jahreszeiten, wo ein Sauerwerden weniger zu be- fürchten ist, vor, dass die Morgenmilch von heute bis Morgen früh aufgestellt und alsdann, mit der heutigen auch bis Morgen früh äufgesteliten Abendmilch vermischt, in die Stadt geführt wird. Eine solche Milch enthält natürlich nur noch eine sehr geringe Menge Butter, etwa 3 Prozente, vielleicht noch weniger. Der Verkäufer solcher Milch sollte nicht minder besiraft werden als jener, welcher sogenannte halbabgerahmte mit Wasser gemischt hat. Wohl geschieht auch am ehesten in solchen Fällen ein Zusatz von Soda, um die während der längeren Zeit des Aufstellens sich bildende Säure wieder abzustumpfen. Die aus grosser Entfernung per Achse in die Stadt geführte Milch ist sehr oft beinahe ganz abgerahmte Milch. Wenn nämlich die Abendmilch von heule bis um 2—3 Uhr des Nachts, wo der Küher die Fahrt in die Stadt antritt, aufgestellt wird, so scheidet sich in den 8 bis 9 Stunden ein grosser Theil des Rahmes aus; wenn dann diese stark abgerahmte äbendmilch mit der Morgenmilch, ebenfalls von heute, welche in den 20 bis 21 Stunden beinahe allen Rahm verloren hat, vermischt wird, so resultirt eine an Butter sehr arme Milch. Und diese wird in die Stadt geführt?!! 519 u Von besserer Qualität sollte die Milch ebenso entfernter Stallungen sein, welche aber aus der Mischung der theil- weise abgerahmten Abendmilch von heute und der Früh- milch von Morgen hervorgeht und per Eisenbahn wenige Stunden nachher in die Stadt gelangen kann. Meist aber werden die Abendmilch von heute bis Morgen Nachmittag und die Frühmilch von morgen bis zu eben derselben Zeit aufgestellt, um dann mit einander, gemischt als ziemlich abgerahmte Waare den Milchhandlungen Basels per Dampf zugeführt zu werden. Abgesehen davon, dass das Abrahmen überall im In- teresse der Milchproducenten geschieht, findet sich eben überall das nöthige Wasser zur sogenannten „Taufe der Milch“.*) Es ist wirklich unerhört, in welchem Grade die Milch- fälschung bei uns stattfindet; man muss sich glücklich schätzen eine, wenn auch butterarme, so doch nicht ge- wässerte Milch zu erhalten. Wie mir versichert worden ist lassen bereits eine Reihe von Haushaltungen ihren Be- darf an Milch von der Landschaft per Eisenbahn zuschicken; die dazu nôthige Blechkapsel wird täglich retour gesandt. Ein nachahmenswerthes Beispiel, um so mehr als diese Art des Kaufs nicht theurer zu stehen kömmt, bezahlt man doch bei uns für ganze unabgerahmte Milch 30 bis 40, ja sogar 45 Centimes pro Maass. Die sogenannte halbabge- rahmte Milch galt noch anno 1864 18 Cts., im Jahre 1865 | #) In früheren Zeiten geschah es (vielleicht auch jetzt noch), dass man nach dem Melken unter Ausrufen der drei heiligen Namen etwas Wasser in die Milch spritzte, weil man den Aberglauben hatte, dass dadurch die Kühe vor Krankheit bewahrt würden. — Daher die Be- zeichnung: ,,Taufe der Milch“. — Bei den paar Tropfen Wasser blieb es aber nicht; heutzutage setzt man lieber grössere Wassermassen zu. Möchte wohl diese Unsitte, wie manche andere, dem Aberglauben ihr Entstehen verdanken?? — Unmöglich wäre es nicht. — 541 schon 20 bis 25 Cts. Diejenigen Fälle, wo nur 20 Cts. verlangt werden, sind selten und dürfte gerade da die Taufe am meisten angewandt werden, frägt doch eine arme Haus- mutter nicht darnach, ob Wasser in der Milch ist, sondern begnügt sich stillschweigend mit dem schlechten Getränke weil es wohlfeil ist. Je höher aber die Preise sind, welche die Milchhändler fordern, um so strenger sollte das Publikum in seinen Forderun- gen sein, und um so härter sollte die Behörde bestrafen. Wenn auch die erste Ursache des so häufigen Betruges die Gewissenlosigkeit der Fälscher ist, so liegt doch eine zweite in dem zu gelinden Bestrafen! Was macht einem Fälscher eine mehrmalige Strafe mit Geld? er schlägt diese Strafe bald wieder heraus, durch den Zusatz von Wasser. Anderorts werden die Namen veröffentlicht, wir wollen hoffen, dass es hier in Zukunft auch geschehen wird. Ein Milchverkäufer, welcher 40 Maasse Milch in die Stadt führt und unterwegs eine solche Wässerung vornimmt, dass sich nun auf je 9 Theile Milch ein Theil Wasser vor- findet, nimmt, wenn wir 25 Centimes Verkaufspreis pro Maass annehmen, täglich einen Franken und zwölf f'entimes mehr ein für das Wasser, welches er einem Brunnen ent- nommen oder das ihm eine Freundeshand zuzustellen ge- wusst hat. Im Jahre macht diese Mehreinnahme durch Betrug vierhundert und acht Franken und achtzig Centimes aus. Bei zwanzig Prozent zugesetztem Wasser wäre die Mehrein- nahme Fr. 817, 60 Cent. Chemie und Physik streben beständig nach Mitteln zur Entdeckung der Fälschungen der Nahrungsmittel. Sie haben sich angestrengt dem Publikum ein Irstrument in die Hand zu geben um die Fälschung der Milch zu entdecken. In jedem Hause findet sich eine Waage um Fleisch, Mehl u. Ss. w. nachzuwägen; möchte sich doch auch in jedem Hause eine Milchwaage vorfinden. 942 Ich habe mit ganz besouderer Vorliebe diesen Gegen- stand vor unsere Gesellschaft gebracht An uns ist es den !.aien über den Nährwerth der Milch aufzuklären, ihm aus- einanderzüsetzen, das durch alle die Fälschungen, nament- lich auch durch “ie Wässerung ein Theil der Nährkraft ihr geraubt wird. Für den Armen, welcher sich aus Kar- toffeln, Milch und Cichorie ernährt, für den hat das aller- dings mehr #edeutunz als für den besser Bemittelten, wel- chem daneben noch eine Reihe anderer *ährmittel zu Gebote stehen. Und, wenn der alte Schlendrian aufgehört hat, bei dem man im "tillen darüber klagt: „die Milch sei wässerig, sauer und anderes mehr“, ohne sich dite Mühe zu nehmen, es mit der einfachen filchwaage nachzuweisen, dann wird die Sanitätspolizei in ihren Bemühungen mehr Erfelg haben. . Das wollen wir hoffen!’ Ich habe aus der längeren Reihe von Untersuchungen während der Jahre 1865 und 1866 149 ausgewählt, und es lassen sich dieselben in sechs Klassen eintheilen. 1) Gute butterreiche Milch. 2) Unverfälschte sogenannte halbabgerahmte 3) mit bis zehn Prozenten Wasser verfälschte, und zwar: Grade am Lactodensimeter bei der Nurmal- 4) temperatur vor dem Abrahmen 29—53. nach dem Abrahmen unter 32,5. Grade am Lactodensimeter bei der Normal- temperatur vor dem Abrahmen unter 29 nach dem Abrahmen unter 32,5. %) mit bis 29 Prozenten Wasser verfälschte 5) mit bis 30 6) mit bis 40 b) ” 29 2) 27 2) 2) 04 3 In der letzten Colonne der Tabellen 11 (a bis f) finden sich die Klassen angegeber, in welche die einzelnen Mil- chen unterzubringen sind. Es gehören davon zu Klasse 1 : 18 Numeros 29 7) 2 : 9 2 3 n 3.21%: 08 MN 39 29 3 b a 98 2) 3? 39 À : 23 ” 2? 2 d : 1 ” ” ”) 6 : 2 29 Ich stelle nun die Milchen der einzelnen Klassen zu- sammen: 1. Gute butterreiche Milch. I I | II. | I. ug 2 | Lactodensimeter | Lactodensimeter & Rahm- vor dem Abrahmen nach dem Abrahmen = prozentgehalt bei der | bei der | Normaltemperatur. | Normaltemperatur. 7 0 | 31,9 | 13 9 29,6 | 19 10°/a 31,2 | 32 el 29,9 39 107/2 30,3 | 42 e | LS | 45 S 30,5 | 48 9 29,5 | 83 .\ 111/2 | 30,9 03 9 | 30,6 | 131 11 1/2 29,5 | 113 Ah 11 | 31,2 | Ih, 8 | 30,9 156 | 12 31,3 | 158 == | 32 1 | 166 A4 31,2 | 170 9 30,5 DATA) 1272 | 29,4 37 94 Die Minimalgrenze für die Grade am Lactodensimeter bei der Normaltemperatur nach dem Abrahmen ist 32,3; stimmt also mit der von Pr. Chr. Müller für blaue Milch vorgeschlagenen überein. Die Buttermenge ist eine befriedigende, und nur in 5 Fällen etwas geringer els die, welche ich bei meinen Ver- suchen, ınit anerkannt reiner Milch ganzer Stallungen, siehe Tabelle 7, gefunden habe. Wenn ich auch die Veberzeugung habe, dass in diesen 5 Fällen eine, wenn auch geringe, Ah- rahmung stattgefunden hatte, so muss ich doch als Experte, welcher mit scharfen Beweisen den Richter von der Rich- tigkeit seines Urtheiles zu überzeugen hat, diese Milchen als ganze bezeichnen. Anders verhält es sich mit der Klasse Nr. 2 | 2, Unverfälschte sogenannte halbabgerahmte Mileh. Nr. I IX. IH. Nr, I. D. IT. 12 6 Sa 39,2 130.7, 30 _ 16 5) 33,9 = VS Ha 31,7 — 79 7 DL 331 LOS ar 31,2 32,9 134 6/2 30,9 15.2 51 EN Diese Milchen sind alle zum mindesten halbabgerahmt. Während sie unabgerahmt vielleicht nur 29 gezogen hätten, ziehen sie jetzt 31 und sogar 33; abgerahmt zogen die 4 untersuchten mindestens 32,5, also innerhalb der Grenze Chr. Müller’s für blaue Milch. 174 6’ 31,3 33 249 de 2 Neo EX. IE Ne I IE. III. TO 30,4 Sr ne 29,7 31,8 a “OT 394} Aa )8 29,4 31,8 an 7 31,1 32,1 AGAIN SUIS NN 29 14 31,7 ad da u7 30,4 324.508 4 29 30,3 SENS 29,4 2 DZ 32 — Beh. 309 32 107 28,9 a ee. 30,4 Ba alas 29,8 30 eG 99 30,6 Su NS 2001204 30,1 2 PME 30,1 M6 | 820 27002 28,9 nn Bee 30,1 Sal AUT 30,2 31,8 Bm 6 29,9 31 103 7772 1029,5 31,3 32:6 30 30,8 | 408 9a 29 a Se 30,6 sa iss. 2a 22948 u di 600501 318 | AN NZ 30,6 _ #3 lan 995 age 199 9 29,9 31% 25 6 29,4 SOA IMAG AOC 28,9 29,8 DEN 61e 004 2907 SD E39 35 8 2394 SA AO 07 29 ee ae 29,4 SD MAIN 8 28.9 307 Unter diesen 38 Milchen befinden sich einige, welche, wenn man die scharfe Minimalgrenze von 32,5 Graden für laue Milch annimmt, allerdings hierher gehören, welche aber der gerichtliche Experte zu seiner moralischen Befriedi- gung in die Klasse 2 stellen wird, es sind die zuerst auf- sezählten 7 Numeros 10 bis 172, deren rahmfreie Milch- flüssigkeit mindestens 32 zog, sonach ein spezifisches Ge- wicht besass, welches zwar nicht innerhalb der von Müller angenommenen Minimalgrenze, aber doch sehr nahe an derselben liegt. Die übrigen Milchen müssen nothwendig als nach dem theilweisen Abrahmen mit Wasser vermischt betrachtet werden; durch Wasserzusatz ist ihr durch theil- weises Abrahmen erhöhtes spezifisches Gewicht wieder vermindert worden. 37* 546 Da wo eine Milch nach dem Abrahmen weniger als 30 Grade bei der Normaltemperatur zieht darf der Experte herzhaft das Zeugniss unterschreiben: „es ist die Milch ab- gerahmt und dann mit Wasser versetzt worden.“ Bei Milchen, welche wie die nun folgenden unter 3 b sich verhalten, braucht man sich nicht lange zu besinnen. Nr. 49 74 de) Serge n° == wm” © © © I I Id EP “1 D m os N AI = r Se 10° S1/a IX. 28,4 28,4 26,5 28,6 27,3 28,4 28,4 27,4 2 202 28,2 28.2 28,7 DA 27,9 202 28,2 28,2 UN. 27,4 * 28,2 28,5 28 28,4 28,6 26,6 27,6 27,4 28,6 IM. 29,9 30,3 29,1 30,4 29,8 29,6 29,9 20 29,6 2 30 30,3 30,1 29,3 Nr. 16 81/2 IT LH => oo «© aa oaN I D Hi I. 27,4 27,9 26,4 28,2 28,3 27,4 28,3 28,3 21,9 UN 28 28,4 28,7 28,6 26,7 26,7 26,3 28,8 26,7 28,8 28,6 26,7 28,3 28,9 Ben! 26,9 27,6 27,1 27,5 IM. 29,9 29,6 30,4 31 547 Diese Milchen ziehen am Lactodensimeter bei der Normal- temperatur vor dem Abrahmen weniger als 29 und enthalten demnach nach Quevenne 10 Prozente absichtlich zugesetztes Wasser. Um ja nicht missverstanden zu werden, wiederhole ich hier, dass es sich um Milch ganzer Stallungen handelt. Es ist für den Experten sehr wichtig zu wissen, wel- ches Quantum Milch der betreffende Händler auf den Markt brachte. Stammt die Milch nur von einer einzigen Kuh oder von zwei (vielleicht auch von drei) Kühen her, so könnte dieselbe in Folge pathologisch-physiologischer Zu- stände der Thiere bei der Probe gleich wie verfälschte Milch sich verhalten. Der Experte hat in seinem Gutachten hierauf aufmerksam zu machen. Das einzige Mittel aber, um zu erfahren, ob die Milch einer einzelnen Kuh oder zweier Kühe rein oder mit Wasser verfälscht war, ist das, dass man eine zweite Untersuchung im Staile selbst vor- nimmt. Wenn wir die Reihe der Milchen unter 3 b durch- mustern, so fällt uns bei manchen derseiben ihr ansehn- licher Rahmgehalt auf, wie z. B. bei Nr. 4, 23, 58, 65, 73, 77. 78, 88, 100, 101, 110, 113, 116, 124, 125, 128, 129, wo wir 9 und mehr Prozente Rahm am Cr&mometer ablesen, wäh- rend das Urtheil des Lactodensimeters vor und nach dem Abrahmen aufs schlagendste 10 Prozente Wasser anzeigt. Es sind dieses Beispiele dafür, dass das Crémometer in solchen Fällen, wo man es mit gewässerter Milch zu thun hat, werth- los ist. Der Rahm scheidet sich so locker aus, dass er noch sinmal so viel Raum einnimmt als eine gleiche Menge desselben bei einer guten Milch einnehmen würde. Man hat also hier nur einen Anhaltspunkt nämlich die Grade des Lactodensimeters, und zwar stimm* hier das Urtheil des _-Lactodensimeters nach mit dem vor dem Abrahmen überein. Ein einziges Mal, bei Nr. 155, weichen die beiden Urtheile von einander ab; das Instrument zeigt hier vor dem Abrahmen 548 1/0. nach demselben %,, Wasser an. in einem solchen Falle thut wohl der Experte am besten die niederste Zahl an- zunehmen, wenn er auch moralisch überzeugt sein sollte, dass die Grade der Scala links ein der, Wahrheit am näch- sten liegendes Urtheil angeben. Bei diesem Änlasse möchte ich diejenigen, welche Milchuntersuchungen vorzunehmen im Falle sind, bitten, diejenigen Fälle, wo der Lactodensimeter nach dem Ab- rahmen mehr Wasser als vor demselben, und umgekehrt, anzeigte, mitzutheilen. Was nun die Milchen der Klasse Nr. 4 anbetrifit, näm- lich: \ Se ur, EL. I. Nr NE EE, IM. a 94,8 2 Ba ie DD RE 22 0 95,2 DS 0 25,2 28,4 00 6 27,2 28,1 | 79 8 25,6 29,2 DA) 25,4 ne | SB 3517 29,1 SONG 97,4 98,4 95 8h 25,3 ER Sul ep 96,4 98,2 | 97 8 95,4 KE 56) 9 24,4 ANR on ik ee si 56 8% 23,3 95 | 102 8% 95,2 a Bo 24,3 La 114 9 25,6 ce Ei. 25,9 EI lo De 25,8 2 62 25,7 05,9 | 141 44 25,2 | 16 8 29,6 26,8 so enthalten dieselben 20 Prozente absichtlich zugesetztes Wasser. Bei Nr. 22, 55, 62, 63, 68, 79, 86 lautet das Ur- theil des Lactodensimeters sowohl vor als nach dem Ab- ‘rahmen auf 20 Prozente Wasser. Bei Nr. 27, 30 und 31 lautet das Uriheil Quevennes vor dem Abrahmen auf Yo das Urtheil Müllers nach dem Abrahmen auf %4,; ich halte dafür, dass auch hier der Experte die kleinere Zahl wählen. soll, ebenso bei Nr. 56. Nr. 161 steht vereinzelt da. Die übrigen Milchen sind während dem Abrahmen sauer ge- 549 worden, so dass der Rahm nieht abgelesen werden konnte, was leider namentlich bei mit Wasser verdünnten Milchen sehr oft, selbst bei aller Vorsicht, zu geschehen pflegt- Auch hier bemerken wir Milchen mit 9 und mehr Pro- zent Rahm, welcher aber viel lockerer als der aus reeller Milch ausgeschiedene aussah. Nr. 96, Klasse 5, enthält 30 Prozent Wasser. Hätte hier nur eine Fälschung,mit Wasser stattgefunden, so müsste diese Milch vor dem Woasserzusatze 10 Prozente Rahm enthalten haben, die 7 Prozente lockeren Rahmes deuten aber darauf hin, dass hier vor der Wässerung ein Abrah- men stattgefunden hatte. In Betreff der beiden Milchen Nr. 98 und 112 von Klasse 6, so enthielten dieselben nicht weniger als 40 Prozente Wasser. Herr fr. Chr. Müller in Bern hat als der erste auf die Wichtigkeit des spezifischen Gewichtes der abgerahmten Milch für die Milchpolizei aufmerksam gemacht. Die von ihm aufgestellte Minimalgrenze für unverfälschte Milch des Handels fand ich bei allen meinen Versuchen, wie Sie aus obigen Resultaten ersehen, hestätiget. Ich möchte aber dem gerichtlichen Experten statt 32,5 die Grenze 32 vorschlagen. Die Milch, welche in abgerahmtem Zustande weniger als 32 zieht, ist unstreitig mit Wasser vermischt worden. Erst durch Feststellung einer Minimalgrenze für abge- rahmte Handelsmilch hat Quevenne’s Instrument unbestreit- baren Werth für die Praxis erlangt. Allerdings erhält man das Resultat erst nach 2% Stunden, doch ist es dann noch frühe genug zu bestrafen. Schliesslich erwähne ich noch einer Beobachtung, welche mir Beachtung zu verdienen scheint Die in meiner - Haushaltung verwendete Milch besass während: mehreren Tagen einen sonderbaren eckelerregenden Geschmack und beim Aufkochen einen üblen Geruch, so dass meine Kinder 550 nichts mehr davon geniessen wollten. Auch mir widerstund dieselbe. Als ich 100 Cubikcentimeter derselben auf dem Wasserbade verdampfte, entwickelte sich daraus ein starker Geruch nach Urin, so dass das Laboratorium auffallend hier- nach roch. Da meine Nachforschungen ergaben, dass die Milch nicht verunreiniget worden war, so kann ich mir erwähnte Eigenschaft nur durch einen krankhaften Zu- stand des Thieres oder durch das Futter erklären. Ich werde nicht versäumen die erste Gelegenheit zu benützen, um der Sache näher nachzuspüren; vorläufig muss ich mich damit begnügen darauf aufmerksam gemacht zu haben. u ———— Scala des Lactodensimeters. Abgerahmte blaue Milch. Milch des Handels. ' Nach Chr. Müller. Nach Quevenne. Grade 16,2 bis 19,5 entsprechen 60°/o Wasser. Grade 14 bis 17 entsprechen 60°/o Wasser. hl, SAlsjoisn, elle, Ds ee MN u DO a ee EN Alle „u 82/0, Da 080 ar RARES en... on, ee Ei GEOLOGIE. —____ Geologische und palæontologische Notizen. Von Hrn. Rathshr. Prrer Merran. (Den 20. Juni 1866.) 1. Erratische Blöcke, mehrentheils von kleinen Dimensionen, finden sich im Kanton Basel bekanntlich nur bis an der Nordseite des zweiten südlichen Grates der Jurakette, mehr im Norden gegen Base! zu, werden keine mehr angetroffen. Bei den durch die Wasserversorgung in diesem Früh- jahr veranlassten Nachgrabungen ist indess in den Geröll- ablagerungen am rechten Rheinufer vor dem Hause zur Rheinlust (oberer Rheinweg Nr. 96) in Kleinbasel ein Block von sehr beträchtlicher Grösse angetroffen worden, der nur zum Theil entblösst worden ist. Derselbe besteht aus einem schwärzlichen splittrigen Kalkstein, in welchem Hr. Lehrer Friedr. Becker sehr deutliche Toxaster und Bruchstücke von Belemniten aufgefunden hat. Das Gestein ist offenbar alpinischer Neocemien, wie er z. B. hinter Interlaken, am Ufer des Brienzer See’s, ansteht, ausser- dem aber, in, ganz ähnlicher Beschaffenheit längs der Al- penkette an vielen Orten vorkömmt. Der Block ist dem- nach von den Alpen hergebracht worden. 552 Mehr abwärts liegt hinter der Kiÿbeck, zwischen Basel und Kleinhüningen, ein eckiger Block von etwa 3 Fuss Länge und 3 Fuss Breite im Rheinbette, unfern vom rech- ten Ufer, zu welchem man bei niedrigem Wasserstande trocke- nen Fusses gelangen kann, und der uns schon seit längerer Zeit bekannt ist. Er besteht aus einem schwarzen, von Kalkspathadern durchzogenen Kalkstein von muschligem Bruch, übereinstimmend mit dem sogenannten Hochgebirgs- kalkstein. Da indess keine Versteinerungen in demselben bemerkt sind, konnte dessen eigentlicher Ursprung noch unsicher erscheinen. Der oben erwähnte Block von alpini- schem Neccomien lässt aber wohl keinem Zweifel Raum, dass auch dieser schwarze Kalkstein aus den Alpen her- rührt. 2. Ein ansehnliches Stammstück von verkieseltem Palmenholz ist neulich in dem Diluvialgerölle der Neu- sätze unfern St. Jacob bei Basel von Hrn. Appellationsrath N. Halter gefunden und den Sammlungen des Museums übergeben worden. Verkieseltes Palmenholz kommt zu- weilen unter den Geröllen unserer Umgebung vor, und stammt wahrscheinlich aus den tertiären Süsswassergebil- . den unserer Umgegend. Kieselige Einlagerungen sind in unserem Süsswasserkalke nicht selten enthalten; sie zeig- ten aber bis jetzt als versteinerte Einschlüsse bloss Helices und Süsswasserschnecken. Blätter, sowohl einer Fieder- palme als einer Fächerzaime, sind in dem tertiären Blätter- sandstein he! Dornach-Bruck vorgekommen, es ist aber . bis j:izt noch nicht gelungen verkieseltes Palmenholz im anstehenden Gesteine anzutreffen. 3. Im Thale des Birsigs im Südwesten von Basel, bis zu dessen Einfluss in den Rhein, in der Stadt Basel selbst, finden sich hie und da Schichten eines feinen blauen Thonmergels entblösst, welche Meeresversteinerungen ent- ‚halten, und der tongrischen Stufe des Tertiärgebirges 593 angehören. Die Versteinerunsen sind indess auf einzelne Bänke beschränkt, der grösste Theil dieser Mergel ist ver- steinerungsleer. Eine solche Bank war in frühern Jahren in den gegenwärtig nicht mehr bearbeiteten Mergelgruben von Bottmingen entblösst, und hat eine Anzahl schöner Versteinerungen geliefert. Ostrea crispata Goldf. ist die am häufigsten vorkommendg Leitmuschel Zine ähnliche Bank muss näher bei Basel bei Binningen verkommen, da unsere Sammlung Exemplare dieser Ostrea mit Angabe des Fundortes Binningen enthält. in neuerer Zeit ist es jedoch nicht gelungen diese Fundstätte wieder aufzufinden. Bei den neulich stattsefundenen Grabungen eines Kellers am Holee bei Einningen, in den erwähnten Mergeln, ist ein sehr wohl erhaltexer Haifischzahn (Lamna cuspidata Ag.) gefunden worden. Das Vorkommen scheint sparsam zu sein, da fernere Nachsuchungen nichts mehr ergeben haben. Haifischzähne sind bei Bottmingen keine ang-trofen worden, sie kommen jedoch in den tongrischen Schichten am Rande des Jura, die sich daselbst gewöhnlich als ein kalkiges Konglomerat darstellen, wie z. B. bei Lörrach, Dornach u. s. f. häufig vor. %. Schon vor mehreren- Jahren hat Hr. Prof. Alb. Müller in den Schiefern des Uebergangsgebirges der Vogesen von Bühl bei Gebweiler sehr deutlich aus- seprägte Abdrücke von Crinoideenstielen aufgefunden. fe Pflanzenabdrücke, welche‘ das Uebergangsgebirge der Vogesen und des Schwarzwaldes enthält, weisen der gros- sen Masse desselben in dem untern Steinkohlengebirge seine Stelle an. Tihierische Versteinerungen werden aber seiten angetroffen. Die von Hrn. Jourdan entdeckte Fund- stätte von Plancher les Mines hat deren eine ansehnliche Zahl geliefert, welche auch Köchlin {Terr. de Transition des Vosges 8. 248) aufzählt. Sonst ist mir nur noch ein Crinoideen-Abäruck von Oberweiler bei Badenweiler be- 554 kannt (s. Merian, Schwarzwald S. 108). Crinoideen von Bühl, die wahrscheinlich derselben Formation angehören, wären also ein drittes Vorkommen dieser Art. (Den 19. Sept. 1866.) 5. Es ist aber, was früher nicht bekannt war, nun- mehr auch das Vorkommen der devonischen Forma- tion in den Vogesen unzweifelhaft nachgewiesen. Die Entdeckung wurde von Hrn. Chevillard, Oberlieutenant in dem in Hüningen und Befort stationirten französischen Kürassierregiment, einem eifrigen Petrefaktensammler, ge- macht. Die von demselben aufgefundenen Versteinerungen kommen als blosse, zum Theil scharf ausgeprägte, meist aber verzerrte Abdrücke, in einem feinen grünlichen Thon- schiefer bei Chagey, westlich von Befort vor. Thirria in seinem Werke über die haute Saöne S. 353 spricht schon von diesem Fundorte. Er führt undeutliche Ab- drücke von Strophomena und Stiele ven Crinoideen an, die er jedoch nicht näher zu bestimmen vermochte. Noch weniger glücklich war Köchlin, welcher S.3 seines Werkes einen Durchschnitt von der Gegend gibt. Unter den von Hrn. Chevillard gesammelten Versteinerungen ist die deut- lichste und am meisten bezeichnende Phacops cryptophtalmus. Emmr. in einer Anzahl von Exemplaren. Dann glaubte ich ferner, obgleich nicht mit völliger Sicherheit bestimmen zu können Spirifer macropterus, Goldf. Spirifer calcaratus, Sow. Rhynchonella inaurita, Sandb. Nrthis opercularis, Murch. Chonetes sarcinulata, Schloth. Pterinea lineata. Goldf. 599 Pecten densistria. Sandb. Pleurophorus sp. Crinoideenstiele. Es sind das sämmtlich Arten, welche in der, devoni- schen Formation der Rheinlande vorkommen. Wahrscheinlich dürfte sich in der Folge die devoni- sche Abtheilung auch an andern Stellen des Uebergangs- gebirges der Vogesen nachweisen lassen. Längst bekannt sind die Corallen von Rothau bei Framont, die jedoch, meines Wissens, noch nicht näher bestimmt worden sind. 6. Von Hrn. Wilh. Tsehientschy sind neulich im Lias der Rütihardt bei Basel eine Anzahl von Fischab- drücken aufgefunden und unserem Museum übergeben wor- den. Sie scheinen dem Leptolepis Bronni, Ag. anzu- gehören. Bisher waren sie im Lias unserer Umgebungen noch nicht bekannt. 7. Ein anderer interessanter Fund ist von Hrn. Dr. Christoph Burckhardt gemacht worden, nämlich die Cardita crenata, Goldf. in dem Keuper der Neuen Welt ‚bei Basel. Eine Anzahl Abdrücke dieser Muschel liegen in einer Platte eines gelblichen harten dolomitischen Mergels, welcher nicht fern von der obern Grenze der bei gedachtem Fundorte so schön entwickelten Lettenkohle ansteht, und dieselbe bedeckt. Cardita crenata, die be- kannte Leitmuschel der Schichten von St. Cassian, war längere Zeit ausser dem Gebiete der Alpen nicht bekannt, bis Hr. Gümbel sie in dem Keuper der Umgegend von Baireuth angetroffen hat. S. Jahrb. der geologischen Reichs- anstalt 1859. S. 22. Die Lagerungsverhältnisse unserer Muschel scheinen mit denjenigen von Baireuth ziemlich genau übereinzustimmen. 8. Von dem Petrefaktensammler Gottl. Tschan in Merligen am Thuner See sind eine Anzahl von Versteine- rungen eingesandt worden, welche das Vorkommen eines 396 sehr schön entwickelten Diceratenkalks in der Stock- hornkette beurkunden Sie rühren her von der Simmen- flah auf der linken Seite des Ausganges des Simmenthales gegen Wimmis. Wie das auch zuweilen bei dem Diceraten- kalk, dem weissen Corrallenkalk der Jurakette, beobachtet wird sind die Conchylien schon vor der Versteinerung in abgerollten Zustande eingeschlossen werden. Es erschwert dieser Umstand deren genauere Bestimmung. Dagegen kom- men, unter den Bivalven namentlich sehr grosse Exemplare vor, ven denen einige das Schloss deutlich entblösst zeigen. Unter den vielen, wegen des schlechten Erhaltungszustan- des nicht bestimmbaren Stücken konnte ich folgende Arten unterscheiden: Diceras Escheri. Loriol Foss. du Mont Saleve tab. D. fig. 1—4. Die Exemplare, welche häufig vorkommen, stimmen mit Figur und Beschreibung von Loriol sehr gut überein, nur besitzen sie nicht dieselbe Grösse, sondern bloss etwa diejenige der Tafel, welche die Art um die Hälfte ver- kleinert darstelle. Das Schloss der beiden Valven ist deutlich entblösst. Pachyrisma. as Schloss, von den beiden Schalen bloss gelegt, stimmt sehr gut überein mit demjenigen von P. grande, Morris et Lycet, wie dasselbe in den Mollusca from the Great Oolite t. 8. f£ 1—5 abgebildet ist. Der Schnabel der Muschel ist aber weniger gebogen als bei der englischen Art, so dass wohl eine verschiedene Spe- . cies daraus zu bilden ist. Die allgemeine Gestalt der Muschel stimmt besser überein mit Cardita ingens, Bu- vignier Meuse. 18. tab. 15, f. 1—3 aus dem Diceratenkalk von St. Mihiel. Das Schloss, wie es Buvignier abbildet, stimmt aber weniger gut. Da jedoch die Abbildung von Buvignier einem offenbar jüngeren Exemplar entnommen ist als die unsrigen, so wäre es möglich, dass bei zu- 5514 nehmender Dicke der Schale die Gestalt des Schlosses sich etwas änderte. Bestätigt sich diese Vermuthung so wäre unsere Art Pachyrisma ingens zu benennen. Cardium corallinum. Leym. (€. alatum Delue) in srossen Exemplaren zum Theil mit deutlich sichtbarem Schloss. | Pileolus sublævis, Buv. Beträchtlich grösser als die Abbildung von Buvignier. | Nerinea Moreana, d’Orb. N. speciosa, Voltz. N. sequana, . N. Calypso, d’Orb. nach Buvignier übereinstimmend mit N. nodosa. Voltz. N. contorta. Buv. GEOLOGIE. Weitere Beobachtungen über die krystal- linischen Gesteine des Maderaner-, Etzli- und Fellithales. Von Ausr. MÜLLER. In dem vorhergehenden Hefte habe ich versucht, eine Beschreibung der krystailinischen Gesteine des Maderaner-, Etzli- und Fellithales im Kanton {ri zu geben. Obgleich in diesem Sommer die Witterung zu grössern Excursionen wenig günstig war, so hatte ich doch Gelegenheit, diese Thäler wiederum zu durchwandern und meine frühern Beobachtungen zu verificiren und zu vervollständigen. Wir haben gesehen, dass in den genannten Thälern, welche in das Centralmassiv des Finsteraarhorns einschnei- den, die krystallinischen Schiefer, Thon-, Talk-, Chlorit- und Glimmerschiefer, ferner Felsit- und Quarzit- schiefer*), sowie gneissartige Gesteine vorherrschen, Granite *) Felsitschiefer nenne ich solche, welche eine dem dichten Quarz und Felsit ähnliche dichte feinsplittrige , meist grauliche, Grundmasse von grosser Härte und schwerer Schmelzbarkeit besitzen, wogegen die Quarzitschiefer, meist weiss, von ausgezeichnet kör- 33 569 jedoch nur im Feilithale in grössern Massen auftreten. Die Schiefer und Gneisse zeigen sämmtlich, entsprechend der Fächersiellang des Massivs, dem sie angehören, ein steiles Südfallen (oder genauer SSO), das von der Nordgrenze bis gegen die Südsrenze immer steiler wird und von 50 bis nahezu 90° wächst. Ein Umschl:gen in die nördliche Fall- richtung konnte ich, mit wenigen lokalen Ausnahmen, nir- gends auf grössere Erstreckung beobachten. Im Maderaner- und Etzlithal wurden diese Schiefer in zahlreichen Zonen von Dioriten, Syeniten und anderen Hornblendegesteinen durchsetzt, welehe in der Richtung des Fächers streichen und gegen den Südrand des Massivs an Häufigkeit abnehmen. !m Fellithal sind sie kaum bemerkbar, dagegen um so häufiger chloritische Ge- steine: Schiefer, @neisse und Granite, die wahrscheinlich aus der Umwandlung von Hornblendegesteinen hervorge- sangen sind. Ob nun das chloritische Mineral, das die Stelle des Slimmers vertritt, ein wirklicher Chlorit oder ein dunkelgrüner feinschuppiger Glimmer sei, lässt sich nicht auf den ersten Blick erkennen. Beides kommt vor. Die schiefer- und gneissartigen Gesteine zeigen augen- scheinlich denselben Habitus, denselben Wechsel von dünnen Schichten und stärkern Bänken, wie die sedimentären Ge- steine, aus deren Umwandlung sie hervorgegangen sind. Dünne Schiefer setzen scharf an grobgeschichteten Bänken ab. Ebenso finden wir einen vielfältigen, scheinbar regel- losen, Wechsel von wenig veränderten mit stark meta- niger Textur, aus deutlich unterscheidbaren glänzenden Quarzkörnern bestehen, Jene sind wahrscheinlich aus Kalk- und Mergelschiefern, diese aus Sandsteinen hervorgegangen. Die Felsitmasse zeigt überall grosse Neigung zur Umwandlung in ein weiches, grünliches, gleich- falls dichtes und feinsplittriges Mineral mit perlmutterglänzenden Schüppchen, wodurch ein talkähnliches Aussehen entsteht. 551 morphisirten Schichten, so z. B. von Felsit- und Quarzit- schiefern, die kaum eine beginnende krystallinische Um- wandlung verrathen, neben gneiss- und glimmerschiefer- hnlichen Straten, wenn auch im Allgemeinen gegen Süden, d. h. gegen das Centram des Fächers, die krystal- linische Umbildung der früher sedimentären Gesteine zu- ninmt. Aus dünnschiefrigen Sedimentärschichten gehen, selbst dar ch den fortgeschrittensten Metamorphismus, immer wieder dünngeschichte krvstallinische Schiefer und nie massige, granitähnliche Gesteine hervor. Letztere entstehen aus massig- oder grobgeschichteten Bänken, hauptsächlich aus den Quarziten, die in dieser Weise auftreten. Schiefer können durch Anschwellung von Quarz und Feldspathsub- stanz höchstens Knatig, nie aber granitartig werden. Die aus der Umwandlung der Quarzite, durch Einfüh- rung von Glimmer und Feldspathsubstanz auf nassem Wege, hervorgegangenen gneiss- und granitartigen Gesteine ver- rathen ihren sedimentären Ursprung aus Sandsteinen fast immer noch durch die eingemengien Flasern ven feinkör- nigem Quarz, der den ehemaligem Quarziten angehörte und selten, durch das Eindringen von jüngerm glasigem, durch Infiltration abgeschiedenem Quarz, ganz urkenntiich gemacht wird. Der in Gängen und Stöcken zwischen den Schiefern auftretende Granit des Fellithales, dem wir einen eruptiven Ursprung zuschreiben müssen, bietet diesen ausgezeichnet körnigen Quarz nicht dar und erscheint, im Gegensatz zu der steilen, südfallenden Fächerstellung der Schieferschich- ten, sehr regelmässig, fast horizontal zerklüftet (mit schwa- chem Nordfall), während jene aus Quarziten hervorgegange- nen gneiss- und granitartigen Gesteine, mit feinkörnigem Quarz, den steilen Schichtenfall der Schiefer theilen. Ueber- diess enthält jener, in Stöcken auftretende, eruptive Granit, scharfeckige und scharf abgegrenzte Bruchstücke des nächst 38* 562 anstehenden dunkelern Talkgneisses eingestreut, wovon ich wieder neue schöne Vorkommnisse im Fellithale gefunden habe. | Auch im Reussthal an der St. Gotthardt-Route z. B. zwischen Andermatt und Wasen erkennt man ächten, muth- masslich eruptiven Granit, schon von Weitem an dem mas- | sigen Auftreten, mit vorherrschend horizontaler Zerklüftung, gegenüber dem steilen fast senkrechten Südfall der gneiss- artigen metamorphischen Gesteine sedimentären Ursprunges*) Ob den angeführten Unterscheidungsmerkmalen zwischen Graniten oder granitähnlichen Gesteinen eruptiven und sol- chen sedimentären Ursprunges, wie sie sich im Reuss- und Fellithal darbieten, allgemeine Geltung beigelegt werden kann, darüber müssen weitere Beobachtungen entscheiden. In beiden Thälern erscheinen hie und da die obern Gehänge vertikal, die untern mehr horizontal oder irregulär zerklüftet, als ob der Granit nicht ganz heraufgedrungen wäre. Ebenso finden wir an manchen Stellen auf der linken Thalseite ein anderes Gestein, als gerade gegenüber auf der rechten Seite. Das Studium der Lagerungsverhältnisse, der Beschaffen- heit und der Umwandlungsvorgänge der krystallinischen Gesteine unserer Centralalpen ist noch nicht so weit ge- diehen, dass die Mittheilung weiterer Beobachtungen oder die Berichtigung früherer nicht erwünscht sein sollte. So mag es auch gestattet sein, im Anschluss an die im letzten Hefte gegebenen Mittheilungen und an die Arbeiten meiner Vorgänger einige weitere Notitzen beizufügen, die ich auf #) Zwischen Göschenen und Wasen, ebenso im unteren Gö- schenenthal, sah ich Granitblöcke, welche Stücke eines andern Gra- nites oder Gneisses eingeschlossen enthielten und Gneissblöcke, mit fremdartigen, bald runden, bald scharfeckigen Einschlüssen. 363 . den diessjährigen Excursionen in den genannten Thälern gesammelt habe. 1. Vorkommen von Talkschiefern und Topfsteinen im Maderaner- und Etzlithal. Steigt man aus dem Maderanerthal ins Etzlithal hinauf, so stösst man nach einer kleinen Stunde zur Linken auf einen engen wilden Tobel, aus dem ein malerischer Wasser- all in zierlichem Bogen in das grössere Thal stürzt. Es ist diess der Seelenetobel, wie ihn die Leute dort nennen, am Südfuss des hohen Seelengrates, eines nördlichen, gegen Westen ziehenden, Ausläufers des Oberalpstockes, der das Maderanerthal von jenem tiefen und engen Tobel abtrennt. Wie immer, so muss man auch hier aus dem Haupithal in das Seitenthal steil ansteigen, dann geht es ebener fort zum Hintergrund der Schlucht, wo wir, in geringer Höhe über dem Bach, auf der linken Thalseite, auf mehrere, zum Theil noch in Betrieb stehende Anbrüche von grauen schuppigkörnigen Topfsteinschiefern stossen, die mit überein- stimmendem Südfall zwischen graue, glatte und knotige Thonschiefer eingelagert sind. Ganz in der Nähe treten auch, gleichfalls zwischen Thon- und Felsitschiefern ein- gelagert, ausgezeichnete hellgrüne, in dünnen Stücken durch- scheinende, feinschuppige bis dichte, Talkschiefer zu Tage, die augenscheinlich aus der chemischen Umwandlung der benachbarten Thon- und Felsitschiefer hervorgegangen sind. Alle diese Gesteine zeigen den in unserer Schieferzone vorherrschenden Südfall. Die Talkschiefer sind dünnschiefrig, bald frei von Einschlüssen, bald mit länglichen, feinen, schwarzen Knöt- chen besät, welche vom Magnet angezogen werden,. also Magneteisen sind. Deutliche Oktaeder von Magneteisen habe ich in diesen grünen Schiefern nirgends gefunden, so 964 häufig sie sonst auftiet:n. Dagegen finden wir sewöhnlich schöne messinggelbe Würfel von Eisenkies, oder Fyri- toeder mit untergeordneten Würfel- und Oktaederflächen, (© 02.0.0) eingewachsen, dieselben Formen, die a sich auch in den anliegenden Fel- sitea finden und ohne Zweifel bei der Umwandlung der letzern zu Talkschiefern sich intact erhalten haben. Ihiese Felsitschiefer erscheinen in verschiedenen Stufen der Um- wandlung, vom dünnen Talkhäutchen, das sie Schieferungs- flächen überzieht bis zum vollendeten Taikschiefer, der, frei von Thon- und Kalkerde, aus fast reinem Talk besteht. Die Topfstainschiefer sind fein- bis grobschuppig, oder körnigschuppig, ziemlich glänzend und zeigen gleich- fal!s das fettige *nfühlen des Ta!kes. Sie brechen in 3—4 Zoll dicken Piatten. Die Farbe ist vorherrschend grau jedoch steilweise verdrängt durch grünes dünne Streifen oder Flecken, die wie Talk aussehen. "Taik und Topfstein sind offenbar nahe verwandt und gehen in einander über. Zahlreiche dünne weisse oder grün und weisse Adern von Bitterspath durchziehen das graue Gestein, das selbst an manchen Stellen etwas mit Säuren braust. Dieselben Eisen- kieskrystalle, Würfel und Pyritoeder, denen wir in dem Talkschiefer begegnen, finden sich auch hier zahlreich ein- gemengt. Vor dem Löthrohr wird das graue Gestein selbst in der Rothglühhitze nur wenig verändert. Im Kolben gibt es bald ziemlich viel, bald nur wenig Wasser ab. *) *) In feinen Spitzen lässt sich der Topfstein vor dem Löthrohr; unter lebhaftem Aufwalle, zu bräunlichem oder graulichem, oft streifi- gem, Email schmelzen, Andere Proben desselben Gesteines zeigen kein Aufwallen und sind selbst an Spitzen nur schwer anschmelzhbar. Man sieht deutlich, dass man ein ungleich gemengtes Gestein, in ver- schiedenen Stadien der Umwandlung, vor sich hat. 565 Der Topfstein (Ofenstein, Giltstein, Lavezstein, Pierre ollaire) wird nicht nur in dieser Gegend, sondern in vielen andern 'Thälern unserer Alpen, insbesondere in den Kantonen Uri, Graubünden und Wailis, wegen seiner Feuer- festigkeit und leichten Bearbeitbarkeit viel zu Töpfen aller Art und zu Stubenôfen verwendet, deren mancher, wie «ie nebst zierliches Sculpturen ausgehaueren Jahreszahlen be- weisen, ein Alter von mehreren Jahrhunderten hat. Wegen des Wassergehaltes müssen diese Oefen am Anfang lang- samer angeheizt werden. Einmai erwärmt, halten sis die Wärme lange. Ie etwas unscheinbare grauliche oder bräunliche Farbe und div langsame Erwärmung wird der Einführung dieses sonst so dauerhaften und seuipturfähigen Ofenmaterials in unseren städtischen Wohnungen wohl noch lange hemmend im Wege stehen. Jedoch wären Versuchs nieht ohne Aus- sicht auf Eriolg. Der vorläufigen qualitativen Untersuchung zufolge ent- hält unser Topfstein nebst etwas Thonerde und Eisenoxyd vie: Talkerde. ie Entstehung durch Umwandlung aus den umgebenden grauen Thonschiefern von ähnlichem Gefüge erscheint nach den vorgeiundenen Zwischenstufen nicht mehr zweifelhaft. Wasser- und Thonerdegehalt deuten auf Beimengung eines chioritischen Minerales. Die weissen Bitterspathadern sind erst durch spätere infiltration ent- standen. Ferner befinden sich in unmittelbarer Nähe dieser heil- grünen Thonschiefer, und ohne Zweifel in ähnlicher Weise wie diese zwischen die vorherrschenden Thon- und Felsit- schiefer eingelagert, schön dunkelgrüne, in Kanten durch- scheinende, und auf den Schieferungsflächen lebhaft glän- zende, Serpentinschiefer, bald grob, bald dünnschiefrig und dann gewissen Aniigoritschiefern ähnlich. Ohne Zweifel sind sie gleichfalls aus der Umwandlung der umliegenden 566 Schiefer hervorgegangen. Warum hier Serpentinschiefer, dort Talkschiefer aus dieser Umwandlung entstanden, bleibt noch näher zu ermitteln. Wohl werden sich auch hier Mittelstufen zwischen Beiden finden, die dann auch in ihrem Wassergehalt schwanken. Manche Stücke sehen, abgesehen von der dunkelgrünen Farbe, in der That wie Talkschiefer aus.*) Beiläufig bemerkt, sieht man auch Serpentinblöcke auf der !inken Seite des untern Maderanerthales, unweit des Hauptweges, zwischen Langen- und Etziithal. Hornblendegesteine, Syenits und Diorite, grob- und feinkörnige, erscheinen im Seelene-Tobel im unmittel- baren “ontact mit den Talk- nnd Topfsteinschiefern. An einem grobkörnigen Syenit, dessen weisser zersetzter Feld- spath aber keine deutliche Spaltbarkeit mehr zeigt, ist die Hornblende grossentheils in dunkelgrünen bereits etwas zersetzten Chlorit oder Glimmer, umgewandelt, so dass das Gestein einem Granit ganz ähnlich sieht, nur fehlt der Quarz. Auch die feinkörnigen Hornblendegesteine zeigen stellweise diese Umwandlung. Die Vermuthung liegt nahe, dass die in Zersetzung befindlicheu Hornblendegesteine den Talkgehalt zur Umwandlung der Felsit- und Thonschiefer in Talk-, Serpentin- und Topfsteinschiefer geliefert haben. *) Im Kolben geben diese dunkelgrünen glänzenden Schiefer ziemlich viel Wasser und nähern sich somit dem Serpentin. Dagegen -sind sie vor dem Löthrohr in feinern Spitzen nicht gar schwer an- schmelzbar zu einem hellgelblichgrünen Email, während der wahre Serpentin unter denselben Umständen vollkommen un- schmelzb ar ist und der hellgrüne ächte Talkschiefer desselben Fundortes an Spitzen zu schwarzem Email sich abrundet, was, entgegen der Erwartung, auf einen grösseren Eisengehalt als beim dunkelgrünen Schiefer, schliessen lässt. Der hellgrüne Talk giebt im Kolben kein Wasser ab. 567 Im Langenthal (Lunkenthal), einem Seitenthale des Maderanerthales, treten an leicht zugänglicher Stelle Ein- lagerungen von ganz ähnlichen ächten hellgrünen Taik- schiefern, wie im Seelenen Tubel, zwischen den grauen Thon- und Felsitschiefern auf. e Ebenso finden wir solche Einlagerungen im mittlern Etzlithal, am Abhang des Bristenstocks, beim Ansteigen nach dem s. g. Rossboden. Es sollen dort in der Nähe gleichfalls Tepfsteine gebrochen werden. Wahrscheinlich sind das nicht die einzigen Vorkomm - nisse von ächten Talk- und Topfsteinen in unserm Schiefer- gebiete. | 2. Verkommen von Anthrazitschiefern im Maderaner- und Etzlithal. Anthrazitschiefer, schwarz, glänzené, dünn- bis dicht- schiefrig, oft abfärbend, liegen in zahlreichen Blöcken im obern Etzlithal, auf der linken Thalseite, beim Ansteigen vom Rossboden nach dem Gulmenstutz herum. Das an- stehende Lager, das erst an den obern Gehängen zum Vor- schein kommen muss, konnte ich nicht auffinden. Trümmer von ähnlichen schwarzen Schiefern trifft man auch im Langenthal, am linken Abhang des Maderanerthales an, die vielleicht der Fortsetzung des bekannten Anthrazit- lagers am nordöstlichen Absturz des Bristenstockes ange- hören. Die Anthrazitschiefer des obern Eitzlithales scheinen hingegen einer zweiten selbstständigen Zone zu entsprechen, wenn anders nicht eine vollständige, U-förmige, Umbie- gung des ganzen Schichtencomplexes stattgefunden hat. 368 3. Auftreten der Hornblendesesteine am nördlichen Abhang des Maderanerthales. Wie an der, dem Norden zugekehrten, linken, südlichen Thalseite des Maderanerthales, so treten auch an der rechten, nördlichen Thalseite, zwischen den Ost-West streichenden, 40—50° SSO einfallenden krystallinischen, grauen, grünen und weissen Schiefers, in gleichem Streichen, mehrere Zonen von Hornbiendegesteinen, namentlich von Syeniten und Dioriten, auf, die sich vom Eingang des Thales, von Frenschenberg und Waldiberg, oberhalb Amstäg, ostwärts bis zum Hüfigletscher und noch weiter verfolgen lassen. Hieher gehören auch die in zahlreichen mächtigen Blöcken in und am Kerstelenbach herumliegenden Diorite und Syenite, mit den eigenthümlich gewundenen, grün und weiss abwechselnden Zonen oder Streifen von Hornblende und Feldspath, die auch dem Nicht-‘#ineralogen einen auf- fallenden Anblick darbieten. Grossentheils sind es ächte Diorite. Blôcke dieser Hornblendegesteine, zum Theil ganz aus- gezeichnete fein- oder grobkörnige Syenite, lassen sich beim Ansteigen vem Kerstelenbach über Golzern nach Oberkäsern allenthalben bis nahe der Cuntactlinie, wo die Ueberlage- rung des Kalkgebirges beginnt, sehen.”) Selten jedoch hat man Gelegenüeit, den unmittelbaren Contact zwischen dem Syenit und den Schiefern am anstehenden Feisen zu be- obachten. Eine solche Sielle bietet sich unweit den unter- sten Hütten von Golzern, beim Ansteigen von Bristen, dar. Ein sehr mächtiger Syenitgang durchsetzt hier die grünen *) Daneben trifft man auch auf Blöcke weisser glimmerarmer Granite, die an Granulite erinnern, und die man nirgends in der Nähe anstehend findet, wohl erratischer Herkunft. 369 und grauen Schiefer, ohne jedoch irgend welche erheblichen Umwandlungen in seiner Nähe zu veranlassen. !m Gegen- theil zeigt eher die Hornblende die gewöhnlichen Ueber- gänge in ein weiches, blättriges, chlorit- oder glimmer- ähnliches, grünes Mineral Es gelang mir von den Contact- stellen Handstücke zu schlagen, mit grünem Schiefer auf der einen, Syenit auf der andern Seite. Nicht überali sind die Grenzen scharf. 4. Umwandlung der Hornblendegesteine in Granite und Chloritsesteine. Wie schon bei den oben erwähnten Vorkommnissen bemerkt wurde, zeigt die Börnblende der Syenite und Dio- rite fast überall die Tendenz zur Umwandlung in Chiorit und dunkelgrünen Glimmer, so dass oft, in diesen innig gemengten Uebergangsstufen, es schwierig zu enischeiden ist, was noch Hornbiende und was bereits Glimmer geworden. Pie geringere Härte beim Riézen mit einer Messerspitze und der auftretende Perimuttergianz verrathen noch am leichtesten die begonnene Umwandlung. Manche dieser grobkôrsigen Diorite und Syenite sehen nach der Umwandlung ihres amphibolen Sestandtheiles wie Granite aus, nur fehlt der Quarz oder ist sparsamer ver- treten, als in den gewöhnlichen Graniten. !n den letztern sehen wir gewöhnlich neben einem hellgrüpen dicaten fein- splittrigen Mineral, das wegen seiner Weichheit und seinem matten schuppigen Perlmatterglanz gewöhnlich für Talk ausgegeben wird, wahrscheinlich aber ein aus Qligoklos umgewandeltes, weiches, wasserhaltiges Thonsilitat*) ist, *) Es giebt, im Kolben erhitzt, ziemlich viel Wasser ab, und schmilzt vor dem Löthrohr an Spitzen unter Aufwallen zu graulichem Email, ist also jedenfalls kein ächter Talk. Eine genauere Analyse ist wirklich in Arbeit, 570 kleine sehr feinschuppige Parthien eines schwarzgrünen, fast schwarzen, Chlorites oder Glimmers, die nicht selten noch die Umrisse der Hornblerdesäulchen der Syenite ver- rathen und in diesem Fall als wahre Pseudomorphosen zu betrachten sind. Manchmal sind freilich diese Umrisse ver- wischt und nicht mehr erkennbar, ohne dass desshalb die Umwandlung aus Horrbiende weniger wahrscheinlich wird. Die frischen Syenite enthalten allerdings in der Regel wenig oder keinen Quarz. Bei der Umwandlung der Hornblende zu Chlorit und Talkglimmer werden aber 10 bis 20 Prozent Kieselerde ausgeschieden, die in Form von Glasquarz sich dem Gestein beimengen können, abgesehen davon, dass so gut, wie in andern durch Umwandlung entstandenen granit- artigen Gesteinen noch Quarzsubstanz durch Infiltration von aussen hinzugetreten sein kann. Uebrigens sind quarzfüh- rende unzersetzte Syenite keineswegs selten. Die vielfältigen Uebergänge zwischen Syeniten und Graniten, durch granitische Gesteine, welche neben Ortho- klas und Oligoklas gleichzeitig Hornblende, Glimmer und Quarz enthalten, wie wir solche nicht bloss in den Alpen, sondern auch in den Vogesen und im Schwarzwald an- treffen, sprechen gleichfalls für die Umwandlung des einen Gesteines in das andere und zwar des Syenites oder Dio- rites in Granit oder granitartige Gesteine. Der von Blum in seinem trefflichen Werke aufgeführten Pseudomorphosen von Chlorit und Glimmer nach Hornblende habe ich schon in meiner vorhergehenden Arbeit gedacht. Dagegen sind . mir keine Pseudomorphosen von Hornblende, oder überhaupt einer Amphibolvarietät, nach Chlorit oder Glimmer bekannt. Wäre die Hornblende der Syenite in wohlbegrenzten Kry- stailen ausgebildet, so würden wir ihre Form noch viel - häufiger in den aus ihrer Umwandlung entstandenen Glim- meraggregaten erkennen. 71 a In Berücksichtigung der vielfältigen Uebergangsgesteine zwischen Syeniten und Graniten, die wir in unsern krystal- linischen Centralalpen finden, ist die Vermuthung nicht zu gewagt, dass, wenn nicht alle, doch manche dieser gang- förmig oder massig auftretenden Granite, denen wir einen eruptiven Ursprung zuschreiben, aus der Umwandlung von Syeniten oder Bioriten hervorgegangen sind. Syenite oder Diorite sind mit den Grünsteinen und Grün- steinporphyren, welche in Deutschland, Frankreich und an- dern Ländern die silurischen un@ devonischen Schiefer durchbrochen haben, so nahe verwandt, dass wir allen diesen Gesteinen einen ähnlichen Ursprung zuschreiben dürfen, also auch den erstern eine eruptive Entstehung, wenn wir, im Einverständniss mit der Mehrzahl der heu- tigen Geologen, auch den Grünsteinen im Allgemeinen, nach ihrem ganzen Auftreten und nach Analogie mit den Basalten und Melaphyren, einen eruptiven Ursprung zuerkennen. Ausserdem finden wir in unserm Schiefergebiet mehr oder minder feinkörnige granitische Gesteine, weiche aus einem Gemenge eines weisslichen matten wenig spaltbarea oder dichten Feldspathes mit dunkelgrünem oder schwarzen Glimmer bestehen und wahrscheinlich aus Dioriten ent- standen sind. Blöcke solcher festeine finden sich im obern Maderaner- und Etzlithal. Einige rähern sich durch ihre Zusammensetzung, wenn der Gtimmer stark vorwiegt, der Minette, obgleich ich den charakteristischen Habitus der Vogesen-Minette in unserm Schiefergebiet noch nirgends getroffen habe. Gneissäbnliche und schiefrige Chloritgesteine finden sich nicht selten in unserm Schiefergebiet. Ihre Entstehung aus entsprechenden Hornbiendegesteinen wird um so wahr- scheinlicher, wenn sie die, namentlich für den Syenit und den Syenitgneiss so charakteristischen, braunen reciangu- 572 lären Titanitkrystalle eingewachsen enthalten, wie das in unserm Gebiet häufig der Fall ist. m obern Maderanertkal, in der Nähe des Hüfigletschers, nördliche Thalseite, sind gneiss- und granitariige Horn- biende- und Chloritgesteine sehr verbreitet. Neben Ortho- klas ist beigemengter Oligoklas an der feinen Zwillings- streifung hie und da zu erkennen. im Fellithal scheinen die Hornblendegesteine selten aufzufreten, um so häufiger aber chloritische Gesteine (Granite und Gneisse mit schwarzgrünem feinschuppigem Chlorit oder Glimmer und chloritische Schiefer), welche grossentheils aus der Umwandlung von Hornblende führen- den Gesteinen von dem entsprechenden Habitus hervorge- gangen sein dürften. Pie schiefrigen Hornblendegesteine sind ohne Zweifel sedimentären Ursprung*, dureh che- mische Umwandlung entstanden von Schiefern, deren frü- here Beschaffenheit sich allerdings nicht mehr nachweisen lässt. 5. Contact zwischen Kalk und Gneiss am Fusse der Windgeile. Schon vor einer Reihe von Jahren wurden Contact- stellen zwischen Kalk und Gmeiss im Berner Oberland, in den Umgebungen der Jungfrau, des Wetterhorns, Schreck- horns und Stellihorns von den Herren B. Studer und A. scher von der Linth bei wiederholten Anlässen beschrieben ‚und in jüngster Zeit von dem kühnen Bergsteiger, Herrn Dr. E. von Fellenberg, äbnliche Vorkommnisse, an schwer zu- sänglichen Stellen, gleichfalls aus der Nähe der Jungfrau, bekannt gemacht, und Belegstücke mitgenommen. Lange war es mir nicht geglückt, geeignete Stellen dieser gleichen Contactlinie im Maderanerthale aufzufinden, bis es mir diesen Sommer gelang, oberhalb der Alp Oberkäsern, am 973 Fuss der Windgelle in der bereits von Dr. Lusser beschrie- benen Gegend, eine sehr schön entblösste Stelle zu finden, wo unmittelbar der graue dichte jurrassische Kalkstein mit den Gneissen und Schiefern des krystallisischen Centralge- birges zusammenstösst, so dass ich Handstücke abschlagen konnte, welche beide Gebirgsformationen, Kalk und Gneiss an einem und demselben Stück, enthielten. Die beiderlei Gesteine scheinen bald wie an einander geleimt mit scharfer Grenze, bald mehr unregelmässig zackig in eineinander ver- keilt, so dass glatte Schieferlamellen an den Contactsteilen in den Kalkstein hineinlaufen und umgekehrt scharfe Bröck- chen des dichten Kalksteins in dem Gneiss oder Schiefer eingebacken erscheinen. Wenige Zolle von der Contact- linie sind beiderlei Gesteine völlig frei ven fremdartigen Einmengungen des Nachbargesteines. Wie das an vielen andern Orten beobachtet worden, z. B. bei den angeführten Stellen im Berner Oberland, so zeigt auch am Fuss der Windgelle der graue Kalkstein im Contact mit den Gneissen und krystallinischen Schiefern i cht die mindeste Veränderung. Von einer Umwandlung zu weissem körnigen Kalk (Marmor) sieht man keine Spur. Er enthält, wegen mangelhafter Erhaltung nicht genauer zu bestimmende, Belemniten, Ammoniten, namentlich zahl- reiche Encrinitenglieder und andere kleine Versieinerungen, ausserdem schliesst er mandel- und knollenförmige, seltsam aussehende Einlagerungen von braunem schaligem Thon- eisenstein ein, die weiter unten näher beschrieben werden sollen. Die krystailinischen Gesteine in der Nähe der Contact- linie sind ziemlich mannigfaltig: Thon- und Glimmerschiefer, selbliche Talkgneisse, ja weisse granitartige Gesteine. Die Schiefer sind theilweise so weich und bröcklig, dass es schwer hält, an der Contactstelle Kalksteine mit dem anhän- senden Schiefer abzuschlagen, ohne dass letzterer abhrôckelt. 574 Aus der Gegend von Altdorf hat Dr. Lusser schon vor mehr als dreissig Jahren solche Contactstücke gesammelt. 6. Umbiegung der Gneiss- und Kalkschichten am | Fuss der Windgelle. Die Schiefer und Gneisse des krystailinischen Gebirges zeigen bei Oberkäsern, am Fusse der kleinen Windgelle, nächst der Contactlinie ein Finfallen von ungefähr 45° Süd (genauer SSO) und weiter ostwärts, bei Alpnove, oberhalb des Eindes des Hüfigletschers, ein Südfallen von bloss etwa 39°, während unten in der Nähe der Thalsohle des Ma- deranerthales die Schiefer und Gneisse ein südliches Ein- fallen von 50—55° und mehr darbieten. Es hat mithin in der Nähe der Contactlinie eine Umbiegung der sonst steil südfallenden Schichten in einen weniger steilen Schichten- fall staitgefunden. Die ideale geradstrahlige Fächer- structur hat also hier eine Ausnahme erlitten, ein Be- weis mehr, dass wir es in dieser Fächerstellung mit wir k- lichen, abwechselnd dünn- und dickschiefrigen Schich- ten, wie im ursprünglich sedimentären Gebirg, und nicht mit s. g. Schieferung oder Zerklüftung (clivage) zu thun haben. Eine regelmässige Umbiegung der Absonderungs- klüfte ist meines Wissens in unserm krystallinischen Central- gebiet noch nirgenis beobachtet werden.*) Anderseits sehen wir die unmittelbar über die kry- stallinischen Schiefern gelagerten jurassischen Kalksteine der beiden Windgellen nahezu unter demselben Winkel, also anscheinend concordant gegen Südost oder Südsüdost *) Ausserdem scheint im Maderanerthal auch von Westen nach Osten, in der Nähe des Hüfigletschers, die steile Schichtung des krystallinischen Schiefergebirges, das sich weiter ostwärts ganz unter dem Kalkgebirg verbirgt, abzunehmen. 573 einfallen und können wir dieses südöstliche Einfallen der mächtigen Kalkwände noch weiter ostwärts, längs dem Hüfigletscher, verfolgen. Dagegen fällt die ganze Kalkkette der beiden Wind- gellen und Ruchen auf der Nordflanke entschieden gegen Norden ein, dem Schächenthal zu. Es hat also hier in der Nähe der Contactlinie eine noch viel stärkere Um- biegung der Schichten des Kalkgebirges, von Nord nach Süd staitgefunden, abgesehen von kleinern, noch stär- kern, lukalen Biegungen und Knickungen, wie wir sie an den Abstürzen der beiden Windgellen schon von Weitem wahrnehmen. Die Kalkkette der beiden Windgellen und Ruchen zeigt also einen deutlichen Gewölbebau und sind hiemit die bisher publicirten Profile, welche diese südliche Umbiegung der Kalkschichten nicht darstellen, zu ver- bessern. an Einerseits biegen sich also die südfalienden krystal- linischen Schiefer nach Norden zurück und die nordfallenden Kalkschichten nach Süden herüber, Erscheinungen, die wohl mit der Zerreissung und Aufrichtung des Kalkgebirges im, Zusammenhang stehen. Wo die Gneisse und Schiefer des krystailinischen Ge- birges mächtiger empordrängten, wie im Berner Oberland, wurden die Kalkschichten in entgegengesetztem Sinne nach Norden zurück- und C-förmig umgebogen. 3. Die Eisensteine des jurassischen Kalkgebirges am Fuss der Windgelle. Ueber den Gneissen und Schiefern des krystallinischen Gebirges lagern, wie wir oben gesehen haben, bei Ober- käsern, am Fuss der kleinen Windgelle, unmittelbar die grauen, dichten Kalksteine der mittlern Juraformation, welche verschiedene, selten genauer bestimmbare, Ver- 39 376 steinerungen einschliessen. Nur so viel ist sicher, dass ich darunter nirgends Formen getroffen habe, die mit Ammo- nites Humphriesianus und mit Belemnites giganteus, die sonst für den untern Eisenoolith (Etage bajocien d’Orb, Br. Jura d Quenst) so bezeichnend sind, verglichen werden könnten. Die Belemniten nähern sich mehr dem Bel. cana- liaculatus oder Bel. semihastatus. Von den untersten, unmittelbar auf dem krystallinischen Gebirge ruhenden, Kalkbänken, sind an der oben erwähnten Stelle bei Oberkäsern etwa 10—15 Fuss entblösst. Durch die zahlreich eingelagerten, meist mandelförmigen, stell- weise aber auch nuss- bis faustgrossen, concentrisch scha- ligen, Thoneisensteine gewinnen sie ein ganz eigen- thümliches Ansehen, namentlich, wenn diese in Folge der Erosion des dichten Kalksteines herausgewittert sind, wo dann die ursprünglich schwärzliche Farbe der Nieren ins Rostbraune übergeht. Diese Thoneisensteine gleichen nach Form, Grösse und Lagerung ausnehmend den für die Murchisonæschichten (Br. J. 8.) so bezeichnenden Thoneisennieren unseres Basler Jura und dürften vorläufig damit parallelisirt werden, wenn auch das bezeichnendste Petrefact, Am. Murchisonæ, bei Oberkäsern sich nirgends blicken liess. Schutt und Rasen decken, bei weiterm Ansteigen, die darüber liegenden Kalksteinbänke, auf eine Strecke von vielleicht einigen 100 Fuss bis zu den 30—40 Fuss mäch- tigen Anbrüchen der untern Eisensteingrube, die noch schön entblösst sind, obgleich ihr Betrieb seit 100 Jahren eingestellt ist. Das Eisenerz wurde in Schweins- häuten im Winter ins Thal hinuntergerutscht und in dem jetzt noeh aus dem Schutt mit der Kuppel hervorragenden Hochofen, am Kerstelenbach, verschmolzen. Stücke von Gusseisen findet man jetzt noch bei Bristen am steilen Ab- sturz ob Amstäg. 377 Der Eisenstein dieser untern Grube ist ein wahrer Eisenoolith, ähnlich, und wohl auch entsprechend, dem untern Eisenrogenstein (Etage Bajocien d’Orb) unseres Jura- sebirges. Die Farbe ist vorherrschend eine dunkelkirsch- rothe oder dunkel röthlich-graue. in einer dichien, grauen, braunen oder rothen Grundmasse, von stark eisenhaltigem Kalkstein, sind mehr oder weniger dicht neben einander, 1—2 Millimeter grosse, meist länglichrunde, schaalige Kör- ner von "honeisenstein eingebettet. Das ganze Gestein giebt, mit der Stahlspitze geritzt, einen kirschrothen Strich, Beweis, dass Rotheisenstein vorherrscht. Die schwärzlich- rothe Grandmasse braust allenthalben mit Säuren, es ist also noch viel Kalk vorhanden. Ausserdem erscheinen aber "zahlreiche scharfausgebildete und sehr glänzende Oktaeder von Magneteisen eingestreut, die mit blossem Auge gerade noch als solche erkennbar sind und unter der Loupe sich sehr schön und scharf präsentiren. Die oolithischen Körn- chen sind oft hohl und bestehen nun, unter der Loupe be- trachtet, aus einer dünnen löcherigen Hülle von glänzendem grauem Thonschiefer, die ihrerseits wieder mit kleinen Magneteisenoktaedern bestreut ist. Augenscheinlich hat hier eine chemische Umwandlung der äussern thonigen Hülle mit Wegführung des inneren Kernes stattgefunden. Der- selbe glänzende, feinschuppige, graue oder grünlichgraue Thonschiefer bildet auch dünne, augenscheinlich gleichfalls metamorphische, Zwischenschichten, zwischen den Eisen- steinbänken, mit Einlagerungen von gelbem grobspäthigem eisenhaltigem Kalkspath (Ankerit). Wir können diesen dunkelkirschrothen Eisenrogenstein längs dem Fuss des Kalkgebirges, von Oberkäsern, auf eine grosse Strecke ostwärts weiter verfolgen, oberhalb der Bernhardsmatt vorbei, noch bis zum Hütigletscher und weiter ostwärts, wobei mannigfaltige, bald rothe, bald braune oder graue Modificationen, mit deutlicher oder undeutlicher Oolith- 39* 578 structur, die sogar ins schiefrige übergeht, auftreten. So findet man in der Nähe des Hüfigletschers ausgezeichnete Eisenoolithe mit dichter dunkelrother oder schwärzlicher Grundmasse und dunkelgrünen schaaligen Körnern, die ganz an Ühamoisit erinnern und wohl auch damit ze- sammenznstellen sind. Diese Chamoisit-Oolithe ent- halten noch keine Magneteisenoktaeder und scheinen das relativ ursprüngliche Gestein darzustellen, aus deren Umwandlung die dankelrothen, an Magneteisen reichen, Eisen- oolithe hervorgegangen sind. Eibendaselbst fand ich such Trümmer von schiefrigen Varietäten, röthlichgrau, stark glänzend, gewissen Thon- schiefern oder Eisenglimmerschiefern ähnlich, stark eisen- schüssig, mit zahllosen mikroscopisch kleinen Oktaedern von Magneteisen und vielen in weissen Kalkspath umge- wandelten und kirschroth umsäumten Encrinitengliedern. Auch die mandel- und nierenförmigen braunen Thon- eisensteine in den dem Gneiss nächst anliegenden grauen Kalksteinen, namentlich die grossen, innen mit dicätem Kalkstein ausgefüllten Eisennieren, zeigen nicht selten die Umwandlung in Rotheisenstein, mit Ausscheidung von zahl- reichen Magneteisenoktaedern, die sich auf den braunen oder schwärzlichen Thoneisensteinen noch nicht vorfinden. Die rothen Eisenoolithe der untern Eisensteingrube, oberhalb Oberkäsern, lagern demnach über den grauen Kalksteinen, deren unterste, dem krystallinischen Gebirg zunächst aufgelagerte Bänke die oben beschriebenen schaa- ‘ligen Thoneisennieren enthalten. Demnach könnte man jene Eisenoolithe, ihrer Lagerung nach, verläufig mit unserm untern Eisenrogenstein (Etage bajocien d'Orb, Br. Jura ö Quenst) zusammenstellen, obschon es mir, bei dem kurzen, durch Regen und Gewitter unterbrochenen Besuch, nicht möglich war, einige der für diese Etage charakterischen Petrefacten aufzufinden. 519 Steigt man von diesem untern Eisensteinlager über das sogenannte „Aelp!i*, dessen auch Lusser gedenkt, weiter bergan, so sieht man einige hundert Fuss über der aus srossen Porphyr- und Kalksteinblöcken bestehenden End- moräne oder Schutthalde, hart am untern Rande des kleinen Gletschers, die obere Eisensteingrube, die ich nicht mehr erreichen konnte, die aber, nach den unten aufgefundenen Bruchstücken zu urtheilen, aus einem ähnlichen Eisenrogen- stein, wie die untere, besteht. Ob dieses obere Bisensteinlager etwa dem obern Eisen- rogenstein (Etage callovien d’Orb, Br. Jura [. Quenst) ent- spricht, oder, was wahrscheinlicher, Jurch Umbiegung «der untern Flöize hier oben Stellung genommen hat, müssen weitere Untersuchungen entscheiden. Letztere Ansicht leuchtet um so mehr ein, als noch an den sbern Abstürzen und nahe dem Ginfel der kleinen Windgelle, wie die mir von meinen Freunden, Mitgliedern des schweizerischen Almenclubs, vor zwei Jahren mitgebrachten Handstücke be- weisen, solche Eisenoslithe auftreten, die wohl nur durch mehrfache Zusammenbiegung derselben Schichten in diese eisenthümliche Lage gebracht worden sind. Vergleiche da- mit auch die von Dr. Lusser gegebene Zeichnung. In den Alpen finden wir so viel Auss-rordentliches an gesogenen, geknickten und verworfenen “chichten, dass die obige An- nahme von mehrfach wiederholter Knickung wohl gerecht- fertigt erscheint. 5 Die Porphyrstücke am Fuss der Windeelle,. Ueber dem Aeipli, in ansehnlicher Höhe über der Alp Oberkäsern, in dem kleinen Hochthal zwischen den beiden Windgellestöcken, dehnen sich Moränen oder Schutthaiden grosser Steinblöcke aus, die aus grauen Kaïksteinen, gros- sentheils aber aus grünen, weissen und rothen Feldstein- 580 porphyren bestehen und jenen räthselhaft zwischen den Kalkstöcken der beiden Windgellen eingekeilten Porphyr- stöcken entstammen, die schon Dr. Lusser vor circa 30 Jahren näher beschrieben und die mit Kecht, als Ano- malien, grosses Aufsehen erregt haben. Die Grundmasse dieser Porphyre besteht aus einem dichten feinsplittrigen Feldstein oder Feisit, in welchem Körner oder undeutliche Krystalle von grauem Glasquarz und, bisweilen ziemlich gut ausgebildete, bald röthlich- weisse, bald fleischrothe, 2—4 Millimeter lange O:thoklaskryställ- chen eingewachsen sind. Die Orthoklaskrystalle sind häufig noch frisch, nicht selten aber, namentlich die weissliehen in den rothen, augenscheinlich nicht mehr frischen, Por- phyrvarietäten, im innern mehr oder weniger ausgehölt oder zerfressen und mit einer eisenrothen ochrigen Sub- stanz besetzt, während das äussere dieser Krystalle noch ziemlich frisch erscheint. Auch schmutzig grüniiche Par- thies eines weichen chloritähnlichen Minerales, das augen- scheinlich ebenfalls das Zersetzungsprodukt eines andern frühern (etwa Hernblende?) ist, mengen sich diesen rothen Porphyren bei. Schon an Handstücken zeigen sich nicht selten mehrere Farben, blassroth und blassgrün, die grös- sere Flecken oder Streifen bilden und in einander über- gehen. Auf der Aussenseite sind die Blöcke oft ganz ab- gebleicht, so dass sie fast weiss erscheinen. Innen kom- men aber die rothen und grünen Farben zum Vorschein. Welche dieser beiden die ursprüngliche ist, möchte ich ‚nicht entscheiden, doch eher die grüne, die einem Eisen- silikat entspricht, das durch Verwitterung und Oxydation in rothes Eisenoxyd umgewandelt würde. Andrerseits fin- den w.r auf den röthlichen Porphyren, in Kluftfiächen, dünne Üeberzüge einer grünlichen, weichen, talkigen oder thonigen Substanz, die jüngerer Entstehung ist, derselben grünlichen Substanz, der wir so häufigin den krystallinischen 581 Schiefern begegnen. !n den grünen Porghyren sind die Orthoklaskryställchen, die oft nicht mehr als 1 Millimeter Länge haben, lebhaft fleischroth gefärbt. Ihre Krystall- form lässt sich nicht wohl bestimmen. Die dichte felsitische Grundmasse schmilzt vor dem Löthrohr an Spitzen zu farblosem klarem bisweilen etwas blasigem Glase. Ganz so verhält sich auch die dichte graue oder weissliche feinsplittrige Grundmasse mancher Felsitschiefer aus unserm Untersuchungsgebiet, wess- halb ich um so lieber diesen kurzen Namen für dieselben beibehalte. Gerne hätte ich die Lagerungsverhältnisse dieser räth- selhaft mitten im Kalkgebirge eingekeilten Porphyrstöcke näher untersucht, wenn nicht wiederholte Besteigungsver- suche durch die ungünstige Witterung wieder vereitelt worden wären. Es bleibt diese Untersuchung spätern Ex- cursionen vorbehalten. Es war mir jedoch möglich die drei Porphyrstöcke, die sich schon aus der Ferne durch ihr besonderes Aussehen in Form, Farbe und Zerklüftung neben den grössern Kalkstöcken bemerkbar machen, in ziemlicher Nähe, nämlich von der Moräne unterhalb der obern Eisensteingrube, abzuzeichnen. Die beiden kleinern Stöcke befinden sich zwischen der kleinen und grossen Windgelle und haben eine röthliche Farbe, der dritte be- deutend grössere Porphyrstock tritt am östlichen Fuss der Windgelle in der Nähe des grossen Ruchen zu Tage und erscheint fast weiss. Wahrscheinlich ist die Farbe des Letziern, innen, bei frischem Änbruch gleichfalls blassroth oder blassgrün, und nur aussen abgebleicht. Der kleine Porphyrstock westlich von der grossen Windgelle scheint sich, soweit ich mit dem Fernrohr erkennen konnte, in die Kalkmasse der letztern einzukeilen. Im Uebrigen verweise ich auf die Beschreibungen der Herren Lusser, Studer und 582 Escher v. d. Linth. Siehe Studer Geologie der Schweiz und den ersten Band der schweiz. Denkschriften. Obgleich ich den Beschreibungen dieser sorgfältigen Beobachter wenig Neues beizufügen weiss, so kann ich doch nicht umhin die von Freund Escher ausgesprochene Vermuthung zu bestätigen, wonach diese Porphyre meta- morphischen Urssrunges und wahrscheinlich aus der Umwandlung der Kalksteine selbst hervorgegangen sind. Zn unserm krystallinischen Schiefergebiet kommen srünlichgraue Felsitschiefer, mit eingestreuten Quarzkörnern und kleinen ÖOrthoklaskrystallen vor, die in Handstücker kaum von jenen Porpkyren zu unterscheiden und wahr- scheinlich aus thonigen Kalkschiefern entstanden sind. Jedenfalls ist der eruptive Ursprung der Windgelleporphyre sehr zweifelhaft. 9, Vorkommen von Grauwackesandstein im untern Maderanerthal. Beim Ansteigen von Bristen, am untern Ende des Ma- deranerthales, gegen die Hütten von Frenschenberg und Waldiberg oder über Golzern gegen Oberkäsern trifft mar hie und da auf Blöcke eines grauen, durch Verwittrung aussen rostbraunen, Kalksandsteines, mit Einlagerungen von srauem feinfaltigem Thonschiefer, welcher den rheinischen Grauwackesandsteinen (Spiriferensandstein) zum Verwech- seln ähnlich sieht. Deutliche Versteinerungen fehlen leider, dagegen finden sich zahlreiche Hohlabdrücke von Eneri- nitengliedern und andern kleinen erganischen Resten, die nicht näher bestimmbar sind. In dem noch unzersetzter grauen Innern einer dieser Steine fand ich beim Zerschlagen im Querbruch eine Figur aus weissem Kalkspath mit durkeln wellig gebogenen Kämmerwänden von Eisenkies, die sehr an einen kleinen Goniatiten erinnert. Von Spiriferen je- 583 doch keine Spur. Es wäre sehr wünschenswerth besser erhaltene fossile Reste in diesen, der rheinischen Grauwacke so sehr ähnlichen eisenschüssigen Kalksandsteinen zu finden, die aueh noch durch die zahlreichen Hohlabdrücke kleiner Encrinitenglieder ihre Verwandschaft mit jenen andeuten. Sollten in der Folge bessere Fundstücke meine Vermuthung bestätigen, so wären hiemit die ersten deutlichen Spuren devonischer Schichten in unsern Alpen aufgefunden. Auf der linken Thalseite, beim Eingang ins Etzlithal, finden sich Blöcke desselben Gesteines mit den angeführten Hohlabdrücken. 10, Der Schichtenfächer des Etzlithales. Siehe Tafel I. Im Anschluss an die im vorigen Hefte gegebene Be- schreibung der krystallinischen Schiefer des Maderaner- und Etzlithales, füge ich einen kleinen Durchschnitt bei, der bei der Windgelle beginnt, das Maderanerthal, Seelenthal und Kreuztha!, längs der Ostseite des Btzlithales, durch- schneidet und in der Nähe von Sedrun ensigt. | Es sollen hiedurch die Lagerungsverhältnisse im All- gemeinen veranschaulicht werden, insbesondere folgende Punkte: a. Die Auflagerung des Kalkgebirges über das kry- stallinische Schiefergebirg am Südfuss der Windgelle, mit Umbiegung der Kalk- und Schieferschichten. b. Die Fächerstellung des krystailinischen Schiefer- gebirges der Centralalpen (Massiv des Finsterarhorns) mit 50° Südfall (genauer SSO) im Maderanerthal und allmählig steiler werdend bis zu 75—80° Südfall in der Nähe des Kreuzlipasses und der Spiellaui. e. Die Einlagerung einiger, der in diesem Gebiet auf- tretenden Taik- und Topfsteinschiefer, sowie der Anthra- zitschiefer zwischen den Thon- und Felsitschiefern. 584 Die Einkeilungen der Hornblendegesteine, Syenite und Diorite sind in diesem Durchschnitt so zahlreich, dass sie nicht einzeln angegeben werden konnten. Granite sind nur in einzelnen Blöcken, nirgends aber in grösseren Massen anstehend zu sehen.*) In der Nähe des Kreuzlipasses werden die Quarzite durch Zunnahme von eingedrungener Feldspathsubstanz und von Glimmer, mehr und mehr granitartig. 11. Der Schichtenfächer des Fellithales. Siehe Tafel I. Ebenfalls im Anschluss an die im vorigen Hefte ge- gebene Beschreibung der Gesteine des Fellithales, folgt hier der längs der Ostseite hinziehende Durchschnitt, der un- weit der Fellibrücke (im Reussthal an der St. Gotthardts- route) beginnt, über die Passhöhe, den Felligrat, setzt und am Oberalpsee endigt. Es sollen hierin namentlich folgende Punkte veran- schaulicht werden: a. Der steile Südfall der Gneiss- und Schieferschichten, der von 60° unweit der Fellibrücke bis gegen 90° auf der Passhöhe (am Felligrat) ansteigt, dann wieder mit fort- gesetztem Südfall abnimmt (bis zu 65—70°) und nirgends in das Gegentheil, d. h. in Nordfallen umschlägt, wie es nach dem Ideal einer regelmässigen symetrischen Fächer- stellung sein sollte. *) Dasselbe isolirte Auftreten des Granites in einzelnen über das Schiefergebirge zerstreuten Blöcken finden wir im Maderanerthal. Diese Blöcke, ohne Zweifel erratischen Ursprungs, mögen aus ziem- lich entfernten Höhen im Hintergrunde der Theiler stammen. Man kann deshalb, selbst in der Granitzone, aus solchen noch so grossen Blöcken nie mit Sicherheit auf das wirklich in der Nähe anstehende Gestein schliessen. 985 Ebenso bietet das Âtzlithal, auch in seiner südlichen Hälfte nirgends nordfallende Schichten dar. Beschränkte Ausnahmen, die lokalen Senkungen zuzu- schreiben sind, wo einige Schichten bald senkrecht stehen, bald steil nördlich einfallen, trift man zur Rechten der neuen Strasse, die vom Oberalpsee in zahlreichen Schlangen- windungen nach Andermatt hinunter steigt. Durch den Strassenbau selbst wurden diese Schiefer an einigen Stellen schön entblösst. Beim Absteigen von Andermatt durchs Urnerloch gegen die Teufelsbrücke zeigen die Schichten der Gneisse wieder ein sehr steiles, auf 85—87° ansteigendes Südfallen, das mit dieser Steilheit noch bis Göschenen und weiter anhält, gegen Wasen aber allmählig auf 75—80° zurücksinkt. Auf der Passhöhe des Fellithales bilden ausgezeichnete körnige Quarzite, schiefrig, auf den Schichtengsflächen mit zierlichen manganhaltigen Brauneisendendriten belegt, fast senkrecht einfallend, das vorherrschende Gestein. Dann folgen gegen Süd, abwärts, ähnliche Quarzite, weiche durch Aufnahme von Feldspath und Glimmer gneissartig werden. Ebenso verdienen die beim Absteigen von der Pass- höhe nach dem Oberalpsee so häufig auftretenden dunkel- grünen schuppigkörnigen Chloritschiefer, mit hellen gelb- grünen dünnen Epidotadern und einzeln eingestreuten Epidot- körnchen Erwähnung. Sie setzen scharf an weissen wenig ge- schichteten Gneissquarziten ab. Auch hier fallen die durch Gletscher sanft abgerundeten Felsformen, Roches mouton- nees, der Thalsohle auf. b. Das Auftreten mehrerer Stöcke massigen Granites von wahrscheinlich eruptivem Ursprung, der zwischen den steil aufgerichteten Schiefern durchgedrungen ist, und im Gegensatz zu ihrer fast senkrechten Schichterstellung vor- 536 wiegend eine fast horizonthale Zerklüftung, mit schwachem Nordfail, zeigt. im obern Fellithal wird diese horizontale Zerklüftung so regelmässig, dass man wohlgebildete sedimentäre Bänke vor sich zu haben glaubt, die merkwürdiger Weise, zwar mit verherrscherder Neigung nach Norden, von beiden Seiten sanft gegen die Thalschle einzufallen scheinen. An einigen Stellen, in der Nähe des Contactes zwi- schen den Schiefern und Gneissen, lässt sich, wenigtens von Weitem, die Grenze zwischen beiden nicht scharf erkennen, wahrscheinlich weil der Granit gleichzeitig auch irreguläre vertikale Zerklüftung zeigt. €. Das Aufhôren der Granitstöcke in der Nähe der Passhöhe und das gänzliche Fehlen derselben auf der Ost- seite des Passes, beim Hinabsteigen nach dem Oberalpsee, wo zugleich auch die Schiefer, meistens glänzende, graue und grüne, Thonschiefer mit groben Quarzstraten, eine weniger steile Stellung annehmen. Man wird bemerken, dass die Profile dieser beiden, mit einander parallel laufenden und nur durch die Kette des Bristenstockes getrennten, Querthäler von einander merklich verschieden sind, und namentlich die im Etzli- thal fast ganz fehlenden oder in der Tiefe gebliebenen Granite im Fellithal reich entwickelt sind, wogegen dem letztern die Hornblendegesteine za fehlen scheinen. 12. Analyse einiger Schiefer des Etzlithales. Unser Staatschemiker, Herr Dr. Goppelsröder dahier, hatte die Güte die Analyse einiger krystallinischer Schiefer aus den Umgebungen des Eizlithales, die ich ıhm zu die- sem’ Behufe ausgesucht hatte, zu übernehmen, wobei jedoch um die Arbeit abzukürzen, der gesammte Bisengehalt, der ohne Zweifel theilweise ais Oxydul vorhanden war, als 981 Oxyd angegeben und die Alkalien nicht besonders bestimmt wurden. A. Graulich weisser, stellweise braunlicher, lebhaft perlmutterglänzender, etwas knotiger, Thonschiefer, mit ein- zelnen augenförmigen Knötchen von graulich weissem dich- tem Quarz oder Feisit. Die blätrige Thonschiefermasse geht vom Dichten ins feinschuppige über und gewinnt hie- durch ein talkähnliches Ansehen. Die Oberfläche der sehiefrigen Ablösungen erscheint unregelmässig, wellig und knotig gebogen. Von glatten glänzenden Glimmerblättchen keine Spur. Das Stück stammt vom nordöstlichen Absturz des Bristenstockes (mittlere Höhe) beim Eingang vom Maderaner- ins Eitzlithal. Aehnliche weisse oder graue, bald glatte, bald knotige, perlmutterglänzende Thonschiefer, die in ihrem äussern Aussehen Talkschiefern gleichen und wohl oft dafür gehalten worden sind, bilden die Hauptmasse des Bristenstockes und sind auch im Maderanerthal stark verbreitet. Das Ergebniss der Analyse, auf 100 Theile berechnet, war: 2,16 Glühverlust (Wasser). . 67,86 Kieselerde. 7,65 Eisenoxyd. 9,75 Thonerde. 3,41 Kalkerde. 3,08 Talkerde. 6,09 Rest (Alkalien etc.) | Es stimmt das mit der aus verschiedenen Analysen sich ergebenden durchschnittlichen Zusammensetzung der Thonschiefer, nur ist der Thonerdegehalt etwas niedrig Jedenfalls haben wir keiner Talkschiefer ver uns, worasf schon die grössere Härte der schuppigen Lamellen hin- weist. B. Grünlichweisser, ziemlich dünnschiefriger, nicht 588 knotiger, perlmutterglänzender, talkähnlicher Thonschiefer, ziemlich homogen, mit wenigen dichten Quarzflasern, vom Etzlithal. 4,0% Glühverlust (Wasser). 39,85 Kieselerde. 19,74 Eisenoxyd. 24,79 Thonerde. 13,08 Kalkerde. 0,62 Talkerde. Auffallend ist die geringe Menge Kieselerde und der srosse Gehalt an Kalkerde. Es wäre das eine für einen gewöhnlichen Thonschiefer ganz abnorme Zusammensetzung. Aber auch von einem Talkschiefer kann, bei dem minimen Talkerdegehalt, keine Rede sein. Die Analyse würde noch am ehesten auf einen dem Talkglimmer analog zusammen- gesetzten Kalkglimmer passen, in welchem der grösste Theil der Talkerde durch Kalkerde und Eisenoxydul ver- treten ist. Der Schiefer sieht einem hellgrünen Talkschie- fer äusserst ähnlich. Die Härte der dünnblättrigen dichten, nach aussen feinschuppigen, talkähnlichen Substanz ist je- doch merklich grösser. Vielleicht sind die weissen perl- mutterglänzenden Schüppchen anders zusammengesetzt, als das grüne dünnblättrige Mineral, das wenig Aehnlichkeit mit einem ächten Glimmer zeigt. C. Grüner schuppig-körniger Schiefer, ähnlich einem Chloritschiefer, mit kleinen weissen Körnchen oder Pünkt- . chen einer felsitährlichen oder quarzigen Substanz gemengt, vom Kreuzthal, im Hintergrunde des Etzlithales, in welchem diese Schiefer gleichfalls sehr verbreitet sind. Ebenso häufig sind sie im obern Fellithal. 415,89 Glühverlust (Wasser). 54,07 Kieselerde. 12,009 Eisenoxyd. 589 7,25 Kalkerde. 4,91 Talkerde. 5,88 Rest. Unter letztem auch die Thonerde, deren Bestimmung verunglückt ist. Nehmen wir, wie wahrscheinlich, den grössten Theil des Restes als Thonerde an und weisen wir die Hauptmasse der Kieselerde dem weissen quarzigen oder felsitischen Gemengtheil des Schiefers zu, so würden die einem Chlorit oder Ripidolith ungefähr entsprechenden Bestandtheile zurückbleiben, wobei uns bloss der starke Kalkgehalt in Verlegenheit setzt, der den Chloriten sonst fehlt. Trotzdem spricht das Aussehen des graulich grünen feinschuppigen Minerales, auch unter der Loupe betrachtet, ganz für Chlorit und damit würde auch der hohe Wasser- gehalt dieser Schiefer stimmen. Ich glaube also, dass wir diese grünen oder graulich grünen, glänzenden, schuppigkörnigen Schiefer, die im Felli- | und namentlich im Etzlithal an zahlreichen Stellen wieder- kehren, trotz ihrem räthselhaften Kalkgehalt, Chlorit- schiefer nennen dürfen, um so mehr als der wirkliche Chlorit, als Umwandlungsprodukt der Hornblendegesteine, eine in diesen Thälern so verbreitete Substanz ist. Sämmt- liche drei Schieferproben wurden auch auf Phosphorsäure geprüft. Das Resultat war ein verneinendes. Obige Analysen bestätigen meine schon früher durch eisene qualitative Untersuchungen verstärkte Vermuthung, dass die meisten dieser hellgrünen, weissen, bräunlichen und grauen perlmutterglänzenden Schiefer, welche wie Talkschiefer aussehen, keine Talkschiefer, sondern eher Thonschiefer sind, wenn wir diesen etwas vagen und veralteten Namen, für die so sehr varirenden thon- erdereichen Silikate unseres krystallinischen Schiefergebietes beibehalten wollen. Weitere Analysen wären sehr wün- schenswerth. Schichtenstellung des Finsteraarhorn Massivs im K.Uri. S= Schiefer und Gneiss. Gr- Granit. T- Talk und Topfstein A- Anthrasitschiefer | J- Jurakalle. JEk £ a D Durchschnitt längs dem Etzlithal. Weitenalpstock KT. Windgelle a! | Kreuzthal Gegen - Maderanerthal Sedrun \ Seelentobel Oper en Seeleck Gulmen Durchsehnitt längs dem Fellithal. Fe Uinenstock Federstock Berglistock Klüserstock Portlialp \ a Fellihauser | Lith. E. Hindermann, E CHEMIE. Ueber die durch die flüssigen Kohlenwasserstoffe und andern kohlenwasserstofireichen Materien bewirkte Beschleunigung ‘der Oxidation des wasserfreien Weingeistes und der damit verknüpften Bildung von Wasserstofisuperoxid, Von Prof. C. F, SCHÖNBEIN. In einer früheren Mittheilung wurde angegeben, dass ähnlich dem Aether, Methyl- und Amylalkohol auch der wasserfreie Weingeist mit beleuchtetem Sauerstoilgas Wasserstoffsuperoxid erzeuge, jedoch ungleich langsamer, als diess die drei erstgenannten Flüssigkeiten thun. In der- selben Abhandlung ist die weitere Angabe enthaiten, dass unter den gleichen Umständen alle flüssigen Kohlenwasser- stoffe in der Weise Sauerstoff aufnehmen, dass ein Theil des verschluckten Gases sxidirende Wirkungen hervorbringe, ein anderer Theil aber im beweglichen Zustande verbleibe, d. h. aus den erwähnten Flüssigkeiten auf andere Substan- zen z. B. unter der Mitwirkung der Blutkörperchen auf das im Weingeist gelöste Guajak oder ohne irgend eine Ver- mittelung auf SO, u. s. w. sich übertragen lasse, wobei noch bemerkt wurde, dass ohne die Anwesenheit von Wasser die gleichen Kohlenwasserstoffe kein Wasserstoffsuperoxid zu erzeugen vermöchten. Mehrere Gründe liessen mich vermuthen, dass die An- wesenheit besagter Kohlenwasserstoffe im wasserfreien 40 592 Weingeiste, die Oxidation dieses Alkohols und damit auch die Bildung von Wasserstoffsuperoxid beschleunigen werde, was in der That der Fall ist, wie aus den nachstehenden Angaben erhellen wird. Wurde ein Gemisch von 75 Grammen wasserfreien Weingeistes und 25 Grammen reinsten Terpentinöles in einer zweilitergrossen lufthaltigen Flasche unter häufigem Schütteln der Einwirkung kräftigen Sonnenlichtes ausge- setzt, so konnte man darin mittelst Chromsäurelösung schon nach wenigen Tagen deutlichst HO, nachweisen und liess man die besonnete Luft eine Woche larg auf den camphen- haltigen Weingeist einwirken, so erwies sich derselbe so stark HO,-haltig, dass er durch die besagte Säurelösung tieflasurblau gefärbt wurde. Schied man mittelst Wassers das Terpentinöl aus dem Gemische ab, so enthielt das Camphen zwar noch eine merkliche Menge übertragbaren Sauerstoffes, wie ich mich hievon mit Hülfe der von mir früher angegebenen Reagentien leicht überzeugen konnte, aber keine Spur von Wasserstoffsuperoxid, welches mit dem Weingeist zum Wasser gieng. Da unter sonst glei- chen Umständen der reine Weingeist Monate lang mit be- leuchteter Luft in Berührung stehen muss, damit er durch Chromsäurelösung eben so tief gebläuet werde, als der camphenhaltige Alkohol, welcher nur wenige Tage bindurch der Einwirkung der besonneten Luft ausgesetzt gewesen, so erhellt hieraus, dass die. Anwesenheit des Terpentinöles im wasserfreien Weingeiste die Bildung des Wasserstofr- “superoxides in auffallendster Weise beschleunige. Da das genannte Oel ohne die Gegenwart von Wasser kein HO, zu erzeugen vermag, so darf man wohl annehmen, dass das im camphenhaltigen Alkohol auftretende Superoxid vom Weingeist und von atmosphärischem Sauerstoff abstamme, wesshalb es sich nun fragt, in welcher Weise das Terpen- 593 tinöl die Oxidation des Weingeistes, beziehungsweise die HO,-Bildung beschleunige. Die Thatsache, dass ein Theil des vom Terpentinöl auf- senommenen Sauerstoifes in einem übertragbaren Zustande sich befindet, möchte zunächst vermuthen lassen, dass die in Frage stehende Beschleunigung der HO,-Bildung auf dem Abtreten solchen beweglichen Sauerstoffes an den Wein- geist beruhe, d. h. darauf, dass das Camphen den von ihm der Luft entnommenen Sauerstoff theilweise dem beige- mischten Alkohol eben so überlasse, wie das Stikoxid den von ihm der Atmosphäre entzogenen Sauerstoff an die schweflichte Säure abgibt, um sie zu SO, zu oxidiren, Wäre diese Vermuthung gegründet, se müsste O-haltiges Terpentinöl für sich allein mit dem Weingeiste Wasser- stoffsuperoxid erzeugen, was in der That auch geschiehet, obwohl diese HO,-Bildung in sehr langsamer Weise erfolgt. wie man daraus abnehmen kann, dass in einem Gemisch aus drei Theilen wasserfreien Weingeistes und einem Theile Terpentinöles bestehend, welches volle 5°/, übertragbaren Sauerstoffes enthielt und daher mit wässriger schweflichter Säure vermischt in Folge der unter diesen Umständen statt- findenden Bildung von SO, sich ziemlich siark erhitzie erst nach mehreren Wochen mitielst Chromsäurelüsung ‚Spuren von Wasserstofisuperoxid erkennen liess. Da nach obigen Angaben ein gleiches aus wasserfreiem Weingeist und vollkommen sauerstofffreiem Terpentinöl bestehendes Gemisch, nachdem es nur eine Woche lang mit stark be- leuchteter Luft in Berührung gestanden hatte, schon so reich an HO, sich erwies, dass es durch gelöste Chrom- säure tief gebläuet wurde, so darf man aus diesen beiden Thatsachen wohl schliessen, dass das Terpentinöl noch auf eine andere Weise als durch die Abtretung seines beweg- lichen Sauerstoffes an den Weingeist die fragliche Bildung des Wasserstoffsuperoxides beschleunige und zwar muss 40* 594 man, wie mir scheint annehmen, dass gerade diese andere Wirkungsweise die Hauptursache der in Rede stehenden Beschleunigung sei. Wie schon anderwärts von mir angegeben worden, nimmt das Terpentinöl den besonneten Sauerstoff ziemlich rasch in der Weise auf, dass ein Theil des Letztern zur Bildung von Harzen, Ameisensäure u. s. w. verwendet wird, während ein anderer Theil des verschluckten Gases mit unzersetztem Oamphen zu einer dem Wasserstoffsuperoxid analogen Verbindung zusammentritt, welche Vorgänge nach meiner Betrachtungweise auf dem durch das Terpentinöl und Sonnenlicht bewirkten Auseinandergehen des neutra- len Sauerstoffes in & und ©) beruhen. Da nun erfahrungsgemäss das genannte Camphen un- gleich rascher als der Weingeist den beleuchteten Sauer- stoff aufnimmt, so muss ich meiner Hypothese gemäss annehmen, dass das Terpentinöl auch ungleich stärker polarisirend auf den neutralen Sauerstoff einwirke, als diess der Weingeist thut und eben hierin der nächste Grund liege, wesshalb das besagte Camphen die Oxidation des mit ihm vermischten Alkoholes, und somit auch die hievon abhän- gige HO,-Bildung beschleunige. Ich denke mir nämlich die Sache so: der durch das Terpentinöl polarisirte Sauerstoff d. h. das aus dem atmosphärischen O hervorgehende © und ©), welche beide man Selbstverständlich im Augenblicke ihres Auftretens als noch chemisch ungebunden sich zu denken hat, theilt sich zwischen dem vorhandenen Camphen und Weingeiste, wodurch einerseits Harze, Säuren u. S. w., anderseits &-haltige Verbindungen erzeugt werden und zwar was die Letztern betrifft, auf Seite des Terpentinöles ein Camphenantozonid, auf derjenigen des Weingeistes das Wasserstoffsuperoxid. Dass der durch einen oxidirbaren Körper chemisch erregte Sauerstoff zwischen der errezenden Materie und 595 einer ihr beigegebenen Substanz sich theilen könne, zeigt das durch den Phosphor hervorgerufene Ozon. Schüttelt man in einer verschlessenen Flasche atmosphärische Luft mit warmem Wasser und geschmolzenem Phosphor zu- sammen, so wird alles unter diesen Umständen auftretende Ozon sofort zur Oxidation des vorhandenen Phosphors ver- wendet, fügt man aber dem Wasser indigolôsung zu, so nimmt auch der Farbstoff ozonisirten Sauerstoff auf, wo- durch er zu isatin oxidirt d. h. entbläuet wird, welche Wirkung bekanntlich der gewöhnliche Sauerstoff nicht her- verzubringen vermag. Ebenso theilt sich meinen neulichen Angaben gemäss das bei der Behandlung des Terpentinöles mit Wasser und sewöhnlichem Sauerstoff auftretende (D zwischen Oel und Wasser so, dass in Folge hievon wie ein {amphenantozonid so auch Wasserstoffsuperoxid gebildet wird, welche letz- tere Verbindung weder der neutrale Sauerstoff noch das Ozon mit dem Wasser zu erzeugen vermag. Obwohl ich über den Gegenstand noch keine Versuche angestellt habe, so ist es für mich doch sehr wahrschein- lich, dass weingeisthaltiges Terpentinöl unter sonst gleichen Umständen weniger Sauerstoff aufnimmt, als diess das reine Oel thun würde, mit andern Worten, dass die Oxidation des Weingeistes auf Kosten derjenigen des Terpentinöles beschleuniget werde, wie sicherlich in dem vorhin erwähnten Falle die Oxidation des !ndigos diejenige des Phosphors beeinträchtigen muss. Da ausser dem Terpentinöl auch die übrigen Camphene und sonstigen flüssigen Kohlenwasserstoffe ungleich rascher als der wasserfreie Weingeist den beleuchteten Sauerstoff aufnehmen, so lag die Vermuthung nahe, dass-sie ähnlich dem Terpentinöl die Oxidation des Weingeistes und daher auch die damit verknüpfte HO.-Bildurg zu beschleunigen vermögen, welche Wirkung sie in der That auch hervor- : 596 bringen. Ein Gemisch von vierzig Grammen wasserfreien Weingeistes und zehn Grammen Petroleums in einer luft- haltigen halblitergrossen Flasche unter häufgem Schütteln der Einwirkung des Sonnenlichtes ausgesetzt, zeigt sich schon nach wenigen Tagen so HO,-haltig, dass es durch Chromsäurelôsung deutlichst gebläuet wurde und liess man auf den petroleumhaltigen Weingeist die beleuchtete Luft eine Woche lang einwirken, so färbte er sich mit der ge- nannten Säure tief iasurblau. 2eim Vermischen desselben mit Wasser gieng ebenfalls alles vorhandene 46, nebst dem &lkchol an jene Flüssigkeit über, während das abge- schiedene Petroleum noch &) enthielt, wie daraus erhell:e, dass die Flüssigkeit durch Chromsäure nicht im Mindesten gebläuet wurde, wohl aber mit Hü!fe der Blutkörperchen die Guajaktinctur tiefblau zu färben vermochte. Ganz ähn- liche Ergebnisse wurden mit wachholderölhaltigem Weingeist erhalten. Mit andern als den genannten flüssigen Kohlen- wasserstoffen habe ich noch keine Versuche angestellt, es lässt sich jedoch kaum daran zweifeln, dass bezüglich der besprochenen Wirksamkeit sie alle dem Terpentinöl und Petroleum gleichen werden, wie die oben erwähnten That- sachen es überhaupt wahrscheinlich machen, dass noch viele andere kohlenwasserstoffreiche Materien die Oxidation des Weingeistes und die dadurch bedingte HO,-Bildung beschleunigen werden. Von einigen Harzen und dem gewöhnlichen Kampfer habe ich mich bereits durch Versuche überzeugt, dass sie . in augenfälligster Weise diese Wi:kung hervorbringen, wie diess die nachstehenden Angaben zeigen werden. Eine Lösung von zwei Grammen Resina alba in zwanzig Gram- men wasserfreien Weingeistes in einer lufthaltigen halb- litergrossen Flasche unter häufigem Schütteln eine Woche lang der Einwirkung des Sonnenlichtes ausgesetzt, erwies sich so HO,-haltig, dass sie durch Chromsäurelösung ziemlich 997 tief lasurblau gefärbt wurde, und in ganz ähnlicher Weise verhielt sich eine gleich beumständete Lösung des MWastix und Kampfers, obwohl letzterer etwas schwächer wirkt als die genannten Harze, welche Thatsachen eine frühere Angabe über das Verhalten der in Weingeist gelösten har- zigen Materien zum atmosphärischen Sauerstoff zu vervoll- ständigen und zu berichtigen geeignet sind. Der Einfluss, welchen das Terpentinöl, Petroleum u. s. w. auf das Verhalten des wasserfreien Weingeistes zum Sauer- stoff ausüben, lässt vermuthen, dass es noch viele andere als die erwähnten Fälle gebe, wo die Anwesenheit einer sauerstoffgierigen Materie auf die Oxidation einer andern damit in Berührung stehenden Substanz beschleunigend ein- wirkt und es bedarf wohl kaum der ausdrücklichen Be- merkung, dass die Ermittelung derartiger Thatsachen für die Theorie der Oxidation von Bedeutung sein müssten. Ueber- haupt dürften die in meinen letzten Mittheilungen gemachten Angaben den thatsächlichen Beweis liefern, dass wir noch ziemlich weit davon entfernt sind, den wichtigsten und häufigsten aller chemischen Vorgänge: die langsame durch den atmosphärischen Sauerstoff bewerkstelligte Oxidation organischer Materien vollständig zu kennen. Ich wenigstens bin der Ansicht, dass auf diesem Gebiete chemischer For- schusg noch Vieles gefunden werden muss, ehe wir im Stande sein werden, eine genügende Theorie der Oxidation zu begründen, wozu selbstverständlich vor Allem eine voll- ständige Kenntniss aller der Umstände erforderlich ist, welche auf diesen Vorgang einen mittel- oder unmittelbaren Bezug haben. Bis jetzt scheint jedoch der wissenschaft- liche Werth derartiger Untersuchungen noch nicht so hoch angeschlagen zu werden, als der Gegenstand es nach meinem Dafürhalten verdiente, und dass sich hoffen liesse, es werde dieses Feld der Forschung sobald von Vielen betreten werden. Die dermaligen Bestrebungen sind mehr auf mög- 598 lichste Vereinfältigung neuer Verbindungen und deren Ein- reihung in das typische Fachwerk als auf die Erweiterung des Verständnisses allgemeiner, einfacher und längst be- kannter Thatsachen gerichtet, wesshalb man sich auch nicht wundern darf, wenn Erscheinungen, welche ausserhalb des Gesichtskreises der heutigen Chemiker liegen, wenig oder gar nicht beachtet werden, obwohl sicherlich die Zeit kommen wird, wo dieselben Gegenstand allgemeiner Auf- merksamkeit sein und zum Weiterbau der Wissenschaft ihre Verwendung finden werden. Ich kann nickt umhin, schliesslich noch auf einen von Liebig schon längst ausgesprochenen Satz hinzuweisen, welchem gemäss ein im Zustande der Thätigkeit begriffener Körper eine Wirkung hervorbringt, die darin besteht, dass dieser zweite Körper sich verhält als ob er ein Theil oder Bestandtheil des Erstern wäre, falls der zweite Körper Verbindungen einzugehen oder Umsetzungen zu erleiden vermag, ähnlich denen des ersten Körpers. | Eine Reihe der von mir in älterer und neuerer Zeit ermittelten, die langsame Oxidation unorganischer und or- ganischer Materien betreffenden Thatsachen sind so, dass sie im Einklange mit dem Liebig’schen Satze stehen. Wie meine Versuche gezeigt haben, vermag z. B. das Terpentinöl für sich allein Sauerstoff aufzunehmen, um damit einerseits Harze u. s. w., anderseits aber auch eine Verbindung zu bilden, welche in wesentlichen Beziehungen dem Wasser- stoffsuperoxid analog, d. h. in welcher das Wasser durch das Terpentinöl vertreten ist. Setzt man das reine Ter- pentinôl in Berührung mit Wasser der Einwirkung des Sauerstoffes aus, so finden unter diesen Umständen zwar immer noch die vorhin bezeichneten Vorgänge statt, es nimmt aber überdiess auch das Wasser noch Sauerstoff auf, um Wasserstoffsuperoxid zu bilden, aus welchen That- sachen erhellt, dass das dem Oele beigegebene Wasser 599 . dem Sauerstoffe gegenüber gerade so sich verhält, als ob es ein Theil des Camphens selbst wäre. Und Fälle ganz ähnlicher Art habe ich in neuester Zeit eine ziemlich grosse Anzahl aufgefunden. In die gleiche Cathegorie von Thatsachen fallen auch die in der voranstehenden Mittheilung gemachten Angaben über die Beschleunigung der Oxidation des wasserfreien Wein- geistes und der hievon abhängigen HO;-Bildung, welche durch die Anwesenheit des Terpentinöles, Petroleums, Ma- stix u. Ss. w. bewerkstelliget wird. Die Ansichten, welche mich bei meinen Untersuchungen über die langsame Oxidation der Körper und zur Ermitte- lung der angedeuteten Thatsachen geleitet haben, nämlich die Annahme der chemischen Polarisirbarkeit oder Spalt- barkeit des gewöhnlichen Sauerstoffes durch gewichtige Agentien, stehen zwar zu dem erwähnten Liebig’schen Satze in keiner unmittelbaren Beziehung, welcher Umstand jedoch nach meinem Dafürhalten weder zu Ungunsten meiner Hy- pothese gedeutet werden noch die Richtigkeit des besagten Satzes in Frage stellen kann, falls man den Sinn des Aus- druckes „ein in Thätigkeit begriffener Körper“ nicht in zu enge Grenzen einschliesst. Chemische Untersuchungen . Dr. WERNER SCHMID, Zur Muriumtheorie, Da die Theorie von der Zusammengesetztheit der Halo- gene immer noch Anhänger zählt, indem sowohl die :Ana- logie der Haloïdsalze mit den Sauerstoff haltigen dazu Anlass giebt, als auch neuerdings von Herrn Prof. Schön- bein ausserordentlich wichtige und höchst consequente ex- perimentelle, endlich spectralanalytische Daten sind beige- bracht worden, die kaum einer Ablehnnng der Muriumtheorie Raum lassen, so dürfte es wohl nicht zu rügen sein, wenn nochmals alle möglichen Fälle, auf welche Chlor (resp- _ Chloride) reduzierbar sein könnte, kritisch gesichtet und durch den Versuch ergründet würden. Bedarf nun auch nach meiner Ansicht die Theorie keiner weitern Vertheidigung, so mag es doch nicht unpassend Sein, zı bemerkea, dass sie keineswegs mit der typischen Anschauung in Conflikt kommt, wenn man also schreibt 601 Cl) _ MuO?) Chior = CI) — Mu0?) Typus Wasserstoff L our nn 0? » Wasser, Chlorwasserstoff — ce — = 0°? „ 2 wie jede einbasische Säure, mit einem substituirbaren H, so dass z B.: Kaliumhydrat + Chlorwasserstoff = Chlorkalium + Wasser 2 - en. à ee 0 1 N a nor me no Bei diesem Anlass mag daran erinnert werden, dass man früher freies Chlor = MuO° annahm (wie z. B. noch in Otto’s neuester Auflage), dass aber ausser andern Ver- hältnissen schon die angensınmene Analogie mit Fluor da- gegen spricht, indem dessen Radikal (das Fluorogen) als- dann das Atomgewicht (19—3.8) = —5 hätte (Kopp). Die Erfahrung — und es erklärt sich diese gewiss grossentheils aus der Wahrscheinlichkeit, dass Muß®, —MuO präformiert enthält, so dass diess Saizsäureanhydrid mehr Aussicht verspräche, — hatnun bekanntlich gezeigt, dass phy- sikalische „Agentien“ keine Isolierung möglich machen, sowie dass chemische nicht zu reducieren vermögen, i. e. entweder gar nicht einwirken oder sich geradezu mit der Atomgruppe MuO? vereinigen. Aehnlich verhält es sich aber auch mit den Bestre- burgen, Murium aus den Chloriden abzuscheiden, obwohl diese (Ro) Murium und Sauerstoff nicht so erg gebunden enthalten wie das Chlor; einen Körper, der O entzieht, nicht geradezu MuO”, kennen wir nicht. Wohl dürften wir diese Annahme festhalten, die Bildung von Murium oder eines Muriummetalls; aber sie erscheint bloss eine vorüber- gehende z. B.: 602 Chlormetall+ Wasserstoff-= |Muriummetall-+ Wasser=| (1){ Mu) H) Mo Mu) mr“ BOTH, Dee en Chlorwasserstoff + | mo Mi R+H Es der Beduction eines Chlormetalls durch W asserstofl.) Es wäre denkbar, dass Chlorwasserstoff und Wasser- stoff sich zersetzen, also nicht bloss in der Art wie (H durch Metall vertreten); Na) me) + Ro — Ame) Fa (Process zwischen Metall und Salzsäure), (a auch (Na resp. H vertritt Mu): "a Out my ee Der Process mit Chlorwasserstoff und Wasserstoff enthält sonach eine Môglichkeit; da Chlor und Wasserstoff sich ebenfails zu Chlorwasserstoff verbinden, so könste man direkt diese beiden Stoffe zur Wechselwirkung bringen, was aus mehreren Gründen nicht sehr angenehm ist. Es sei hier erinnert, dass Chlorwasserstoff sich bei keiner Temperatur zersetzt, auch nicht in Berührung mit glühender Kohle, dass er aber mit Sauerstoff unter diesen Bedingungen Wasser und Chlor gibt; es war diess beim Experiment zu berücksichtigen. Zur Untersuchung dieser Frage, in welcher mir Herr Hofrath Fresenius die freundlichste Unterstützung gewährte “schien es mir zweckmässig, die Gase erst mittelst eines Apparates, der sie rein und beliebig regulierbar lieferte, durch ein glühendes Porzellanrohr zu treiben, um dahinter die Bildung von Wasser zu beobachten. Der ganze Apparat ist in nebenstehendem Schema an- gegeben; die Gase waren, wie sie in f eintraten, absolut rein. 603 Taf IL Fig. L [a Rotorte mit reinem Kochsalz und reiner Schwefel- säure, b, d, e Trockenröhren mit SO°, À constantes Wasser- stoffapparat, ö Schwefelsäure, k HgCl (HS), ! Kali, m, n SO?, o glühendes Kupfer, p, q, r Natronkalk, SO, s Apparat zur Prüfung des Wasserstoffs, g Sicherheitsrohr, U Porzellan- röhre mit Porzellanstücken und Ofen, » Reaction auf Wasser, v' ebenso für HO?, t, w, y Chlorcalcium, S Schraubenquetsch- hähne, z Gaswanne (wie 9), im innern Gefässe Quecksilber, im äussern Wasser, f Mischgefäss. — Der Chlorwasserstoff war völlig rein, denn er wurde ganz absorbiert.] Die Ausführung des Versuchs könnte leicht zu Täuschun- gen Anlass geben; das Rohr U enthielt Porzeilanstücke mit theilweise rauhen Flächen; an diesen bleibt selbst in Glüh- hitze Luft adhärieren; sowie nun aber das Gasgemenge durchgeht, condensiert sich in » Wasser. Wird dagegen — und diess ist das Resuitat meines Versuches — erst bloss Wasserstoff bei Weissglut durchgeleitet, so geht aller Sauerstoff des Luftrückstandes als Wasser weg, und bei weiterem Zuleiten von Ühlorwasserstoff erhält man bei keiner Temperatur und bei keinem Mischungsverhältnisse auch nur den leisesten Hauch von Wasser, noch Gewichts- vermehrung des vorgelegten Chlorcalciums; Wasserstoff- hyperoxid — vielleicht denkbar — zeigte Wasser (2!), durch welche das geglühte Gasgemenge geleitet war, nicht. Da es vielleicht Chemiker gibt, welche eine Zusammen- gesetztheit des Chlors, aber ohne Sauerstoff aunehmen, so darf wohl der Umstand Erwähnung finden, dass das Rohr nach dem Glühen rein, die Porzellanscherben an den rauhen Flächen gelb von (untersuchtem) Eisenchlorid waren. Ich habe in der Folge auch das Verhalten von Jod zu Wasserstoff in Gemeinschaft mit dem Engländer John Wommersley näher erforscht und bemerke, dass die An- gaben der Autoren differieren, indem die Einen jede Ein- 604 wirkung läugnen, die Andern sie für äusserst gering anneh- men; in jedem Falle durfte ich also das „Element“ Jod verwenden, da ja leicht überschüssiger Wasserstoff zu be- schaffen war. Das Jod wurde durch Sublimation seines Gemenges mit Jodkalium gereinigt und in eine Doppelkugel- röhre gebracht, welche in obgenanntem Apparate direkt zwischen U und r eingeschaltet war, so dass also (g bis f wegfiel und) der Wasserstoff über das Jod wegstrich. Als nun nach dem Anheizen des Ofens der Wasserstoff . eine Zeit lang durchgegangen war und das Jod leicht er- wärmt wurde, trat eine sehr starke Entwicklung von Jod- wasserstoffgas ein (welches untersucht wurde); bei höherer Erhitzung des Jods, wie also dessen Dampf in bedeutenderer Menge mit Wasserstoff zusammentrat, rannen braunrothe Tropfen in ein vorgeschlagenes U-Rohr und sammelten sich in demselben zur Flüssigkeit. In diesem Versuch war das Gas nach aussen durch Chlorcalcium abgesperrt und unter sewöhnlichem Druck; die Flüssigkeit ist nicht eine Lösung von Jod in Jodwasserstofflösung — unrichtig wohl Wasser- stoffhyperjodid genannt, — sondern eine Verbindung von Jod mit wasserfreiem gasformigem Jedwasserstoff — das wirkliche Wasserstoffhyperjodid. Das von Wasser unabsorbierbare Gas war immer reiner Wasserstoff ; die Porzellanröhre enthielt wieder keine neue Substanz; sie blieb vollkommen blank. Ich dachte, diese Untersuchungen, obwohl sie ein nega- tives Resultat ergaben, einerseits weil diess vollkommen genau ist, anderseits um einer Wiederholung vorzubeugen, in die Oeffentlichkeit bringen zu dürfen; nach meiner An- sicht bleiben — die Gleichungen (1) und (3) in Combination mit dem Versuch, deuten eine Wasserzersetzung an — für experimentelle Arbeiten nach die Chloride anderer Nicht- 605 metalle übrig, und obwohl unsre Versuche wahrscheinlich daran scheitern, dass wir das richtige physikalische Agens zur Herbeiführung einer Zersetzung noch nicht kennen oder noch nicht gehörig angewandt haben, so bleibt doch noch eine Hoffnung. Zum Schluss sei erlaubt, auf das Unpassende hinzuweisen, in allen Halogenen Murium anzunehmen, indem diese Körper, gerade weil von gleicher Constitution, ein Chloro-, Bromo- und Jodogen von sehr verschiedenem Atomgewicht enthalten. (April 66). Polarisation des Sauerstoffs durch Wärme. Taf. I, His. IL Es ist eine Frage von der äussersten Wichtigkeit, ob Sauerstoff durch blosse Wärme kann polarisiert werden; denn es fällt mit der Bejahung derselben die Erklärung der Allotropisierung durch die sich oxidierenden Körper selbst weg. Ich habe zu dem Ende den Devilie’schen Dissocia- tionsapparat angewendet und mit den in der Figur ersicht- lichen Röhren und Kolben für Reinigung des dem Gaso- meter entströmenden Sauerstoffs und für Ermittlung des aus dem Dissociationsrohr tretenden verbunden. Zu dem Ver- such wurde die Messingröhre, da sie sich mit Oxydul be- kleidete, vergoldet: Obwohl das Wasser während der Operation sich kaum erwärmte, war das Gold schwach an- sesriffen, brännlich-matt geworden. Ozon trat nie auf; das in (1) vorgeschlagene Wasser reagierte dagegen schwach, aber gegen die empfindlichen Reagentien vollkommen deut- lich auf Wasserstoffsuperoxyd. (Mai 66). - 606 Ueber direkte Oxydation des Stickstoffs. Die Oxyde des Stickstoffs wurden bisher nur aus dem Pentoxyd dargestellt, und obwohl natürlich die Natur auch dieses erst musste aus den Elementen gebildet haben, so gab es keine Muthmassung, noch gar eine Erklärung, bis Schönbein die Bildung von Untersalpetersäure und von sal- petrigsaurem Ammon studiert hatte. Wenn nun der Stickstoff — ein in seiner Freiheit äusserst wenig bekanntes „Agens® — das Wasser zu zer- setzen vermag, um NH‘O NO? za bilden, oder wenn es eine Temperatur gibt, bei welcher N sich irgendwie mit O direkt verbindet (es mag vurderhand gleichgültig sein, ob mit O der Luft oder des Wassers), so ist einmal klar, dass der Stickstoff oder der Sauerstoff in irgend einer Weise zur Verbindungsfähigkeit muss aktiviert werden, und da- wir den Sauerstoff in vielen Verbindungen bereits im aktiven Zustand haben, so werden muthmasslich diese bei einer ihrer Zersetzung naken Temperatur den Sauerstoff auf den Stickstoff werfen; es ist vorauszusetzen, dass diess nur von Oxyden gilt, die denselben Sauerstoff enthalten wie NO°;u..s. f. Ich habe etliche Oxyde, deren Bereitung eine ausser- ordentliche Sorgfalt verlangt, in dieser Hinsicht untersucht und durchweg bestätigende Resultate erhalten, in Folge der Methoden und zu geringer Mengen aber von quantitativen . Bestimmungen, welche u. A. auch allein NO? und NO? genau unterscheiden lassen, absehen müssen. In Betreff der Versuche hat sich ergeben, dass es noth- wendig ist, falls man, was doch das Angenehmste, den Stickstoff aus AmONO? entwickelt, diesen vorräthig aus einem Gasometer zu leiten, indem bei etwas starker Ent- wicklung aus dem genannten Salz sowohl Ammon als 697 salpetrige Säure beide zugleich in freiem Zustand den Ap- parat passieren, die letztere sogar durch alle Absorptions- gefässe des unten abgebildeten Apparates durchgeht. Die ersten Versuche — mit AgO, Ph0?, HgO, K0’CrO>; Ba0? — beabsichtigten die Ausschliessung jedes Verdampf- ungsprocesses, was durch beiderseitige Absperrung.mit reiner concentrierter Schwefelsäure und vollkommenes Trocknen der Reagentien leicht zu bewerkstelligen ist. Taf. IL Fig. IH. [a Gasometer mit N, 5 Kali (Ozon, CO?, CI, NO? ete.), c KJ auf Porzellanstücken (© u. dergl.), d Kali (J vom Vorigen), e Cu?Cl in Ammon (0, Oxyde des N), f Jodkali- . stärke als Indicator, 9 SO? vollkommen rein, h Substanz im geeigneten Bade, à Thermometer, k, 1, m, n, Absorptions- gefäss und Schutzröhren gegen o, den Aspirator.] Viel bedeutender als die Kinwirkung in genannten Ver- suchen, ist die eines gelösten Oxydes auf durchströmenden Stickstoff, und zwar so stark, dass eine anderweitige Er- klärung nicht statthaft erscheint. Am schönsten erhält man die Oxydation, wenn man das Gas durch eine concenirierte, mit Schwefelsäure versetzte Lösung von Kalipermanganat leitet, in welcher nach Reduktion des Ueberschusses, die NO? leicht nachweisbar ist. (Juni 66). ——e 922. — 41 (Den 7. Nov. 1866) Herr Rathsherr PETER MERIAN. Ueber den Bestand der naturwissenschaftlichen und mathematischen Abtheilung der öffentlichen Uni- versitätsbibliothek Es ist wohl sehr zweckmässig von Zeit zu Zeit auf den Zustand und den Wachsthum unserer Öffentlichen Sammlungen einen allgemeinern Blick zu werfen, als die regelmässig an die h. Behörden eingegebenen Jahresberichie in der Regel darbieten. Die wesentlichen Veränderungen in der Verwaltung der öffentlichen Bibliothek, welche das zu Anfang dieses Jahrs vom Grossen Rath erlissene neue Universitätsgesetz an- ordnet, und welche mit Beginn des nächstfolgenden ins Leben treten werden, geben die nächste Veranlassung einige ‚nähere Mittheilungen zu machen über diejenige Abtheilung der Bibliothek, weiche unsere Gesellschaft zunächst angeht, und an deren Vermehrung sie sowohl als Gesellschaft, als durch einzelne Beiträge ihrer Mitglieder, bisher sehr we- sentlichen Antheil genommen. Die Zählung der Bände zu Ende September dieses Jahrs ergibt nachstehendes Resultat; 609 Bändezahl Allgemeine Naturgeschichte und Zoologie 491% Mineralogie und geographische Naturgeschichte 4481 Botanik und L.andwirthschaft 602 Physik, Chemie und Gewerbskunde 6073 Gesellschaftsschriften 1920 Astronomie 1791 Mathematik 1323 Rändezahl im Ganzen 20%07 mean Der Nicht mitgezählt sind die Lieferungen einzelner noch nicht vollendeter und folglich. noch nicht gebundener und aufgestellter Werke, sowie eine Anzahl noch nicht zusam- meng-bundener Brochüren. Nie botanischen Schriften sind eigentlich nicht hier, sondern in der gesonderten in der Amtswohnung der bo- tanischen Anstalt befindlichen Bibliothek aufgestelit, deren Grundlage das Vermächtniss des im Jahr 1800 verstorbenen Professors Werner De Lachenal bildet. Was bei uns vorhanden ist, besteht fast ansschliesslich aus zufälligen Geschenken, vornehmlich Jandwirthschaftlicher Schriften. Ebenso ist die Gewerbskunde nur auf untergeordnete Weise berücksichtigf, zunächst für den mehr theoretischen an Physik und Chemie sich anschliessenden Theil. Unter der Rubrik Geseilschaftsschriften sind nur die- jenigen allgemeinern Inhalts begriffen. Gesellschaftsschriften von vorzugsweise naturhistorischem Inhalt sind bei den betreffenden Abtheilungen der Naturseschichte unterge- bracht. Ueber den allmähligen Wachsthum unserer Bibliothek geben nach«tehende Angaben nähere A: skunft. Nach der im Jahr {821 erfo'gten Gründung des natur- wissenschaftlichen Museums wurden im Jahr 1822 die auf allgemeine Nafurgeschichte, Zoologie und Mineralogie he- züglichen Bücher, etwa 1400 Bände von der allgemeinen 41 * 610 Bibliothek ausgesondert, und, indem sie als integrirender Bestandtheil derselben verblieben, in dem damaligen Locale der naturhistorischen Sammlungen aufgestellt. Zu derselben Zeit wurde, um die vorhandenen Kräfte möglichst zu ver- binden, durch Verkommniss mit der Naturforschenden Ge- sellschaft die Verfügung getroffen, dass die Gesellschaft auch ihre Bibliothek, unter Vorbehalt des Eigenthumsrechtes, mit der allgemeinen vereinigte. Durch diese Verbindung, und durch die Geschenke, welche dieser Abtheilung in beson- ders reichlichem Maasse zuflossen, wuchs deren Bärdezahl bis Ende 184%, wo sie im neuerbauten Museumsgebäude wieder mit der aligemeinen Bibliothek gemeinsam aufge- stellt wurde, auf mehr als 5600 an. Gegenwärtig beträgt sie, wie wir gesehen haben, 10,000. Die derselben sich anschliessende Abtheilung der Physik, Astrongmie und Mathematik verdankt ihre hauptsächliche Ausdehnung dem Vermächtnisse des im Jahre 1829 verstorbenen Professors und Bibliothekars Daniel Huber. Die zu verschiedenen Zeiten vorgenommene Zählung der Bände der im neuen Local aufgestellten Bibliothek lieferte nachstehendes Er- gebniss : 611 -JIURf 27 U9j2J0[ aop ojner un ‘yorjayel uopurg 00% 8499 UOA vwyeunz out osje [O7 U E OLE 9ER 0969 15663 20808 GEVE JCYST WERE LVGLE LULGE VAL Le Etel Le 966} 36 69 6237 = 777 NDEWON EN ch} c9 I6%r 96. a 10 50% rer: 7° 2elubuonsNV &GL 6%8 OCT 123, [728° 8.60 0707 882 ‘© U2)JHIU2SS/EUISII88959) : Zr! css 5209 19€ ELLES ” 6YS LLIG(IS'UUÇ) SèEy "© Spungsquom -99 pun oi) ‘HISAUd cu) eG 09 wie 085 a gez Garusisyy tu) "yasqyırapuryn yluejog 1Cy LOY FS%Y E88 207 kEZ 162€ 090€ ‘ SUaTyasodungen ‘UdvA18008 ‘n 91S0[UIAUT ALTE 6%% 216% „GE BEyY Gel I10:% €ÿ2e ‘ ‘ 9180]007 pun ‘HISOFANIEN OUDWOS[V TG/GF8T Nas oUUEUNZ "Sy owyeunz 9987 des ‘MUEUNZ GOST Iunp "OUMUUUNZ GGST UCL GFSI uf 612 Werfen wir einen Blick auf die Geschichte unserer Universitätsbiblicthek im Allgemeinen, von welcher in der Festschrift zur Einweihung des neuen Museums am 26. Nov. 1849 eine Uebersicht gegeben worden ist, so dürfen wir unsern Naturforschern, seit den ältesten Zeiten bis auf unsere Gegenwart, das Zeugniss geben, dass sie sich be- sonders für ihre Vermehrung bethätigt haben. Die Mehr- zahl der bedeutenderen Ve: mächtnisse zur Vermehrung der Bibliothek rühren von Naturforschern her. So bereits das- jenige von Professtr Jakob Hagenbach vom Jahr 1649 von 336 Bänden naturhisterischer und medizinischer Bücher, für jene Zeit eine sehr beträchtliche Anzahl; ferner das- jenige der schönen hotanischen Bibliothek von Professor Werner De Lachenal vom Jahr 1320, deren wir hier erwähnen müssen, wenn sie auch in unserer obigen Auf- zählung nicht begriffen ist; enélich die von Professer Daniel Huber im Jahre 1329 vermachte reichhaltige phy- sikalische, mathematische und astronomische Bibliothek. Wir dürfen anch der Beihülfe unserer Gesellschaft erwäh- nen, welche seit dem im “ahr 1821 abgeschlossenen Ver- kemmniss, die Geldbeiträge ihrer Mitglieder und die durch Austausch ihrer Verhandlungen erworbenen Gesellschafts- schriften zur Vermehrung der Öffentlichen Bibliothek be- stimmt. Die fernern einzelnen Geschenke von mehr oder minderer Bedeutung, deren Reihe bereits im 16. Jahrhun- dert mit den 30 Bänden mathematischen und geographischen Inhalts des Mathematikers Vitus Ardisäus beginnt, und .die auf sehr erfreuliche Weise bis auf unsere Zeit fort- sedauer:, können wir hier nicht näher aufzählen, sie haben aber in sehr erheblichem Maasse zur Ausstattung unserer Bibliothek beigetragen. Wir dürfen in einer Zeit, wo unsere Mitbürger durch eine so merkwürdige allgemeine Betheiligung an der akademischen Gesellschaft ihr Bestreben 613 beurkundet haben an den wissesschaftlichen Austalien des Staates werkthätig mitzuwirken, die gegründete Hoffnung hegen, dass auch in der Zukunft deren freiwillige Mithülfe auch diesem Zweige der ôffent'iches Sammlungen nisht fehlen wird. ER U A N [es] Berichtigung, Auf Pagina 595 beliebe man die Zeile 14 von oben folgender- maassen zu lesen: „Körper eine Wirkung auf einen andern hervorbringt, die darin besteht, dass‘ asel B Lith. £ Kindermann done ie à es + ti B ; f + » = r ine ' + I ’ 2 £ VERHANDLUNGEN DER NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT BASEL. VIERTER THEIL. VIERTES HEFT. BASEL. SCHWEIGHAUSERISCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG. 1&67. ENTWICKLUNGSGESCHICHTE. Ueber die erste Anlage des Wirbelthierleibes.*) + (Fortsetzung.) Von Prof. WILHELM His. „Nach welchen Gesetzen die ursprüng- lich wenig verschiedenen morphologischen Elemente sich in die Mannigfaltigkeit der Or- gane umwandeln, ist eine wohl noch kaum ins Auge gefasste, aber doch für eine wahre, ein- dringende Erkenntniss des organischen Baues ganz unabweisbare Aufgabe, denn es muss einst erforscht werden, welche allgemeinen Verhältnisse alle Einzelnheiten bestimmter Thierformen erzeugen.“ v. Baer Entw. Il, 85. Das Gesetz des Wachsthums und seine Folgen. ich habe in einem frühern Vortrag versucht zu zei- gen, wie bei der ersten Anlage des Wirbelthierkörpers zwei getrennte Keime sich betheiligen. Die beiden Keime schei- den sich streng, nach ihrer Abstammung nicht minder, als nach ihrer weitern Verwendung. er Eine, den ich den Hauptkeim nannte, und der von der primitiven Eizelle ab- stammt, liefert das Material zum centralen und peripheri- *) Mitgetheilt der naturforschenden Gesellschaft in Basel den 13. Februar 1867. 42% 618 schen Nervensystem, zu den Muskeln, den Drüsen und den Oberhautgebilden. Der zweite oder Nebenkeim, von dem ich nachwies, dass er als eine rein mütterliche Mitgift anzu- sehen ist, liefert das Elut, die innere Gefässauskleidung, sowie das Bindegewebe und seine zahlreichen Verwandten Knorpel, Knochen u. s. w. Wie die aus dem Hauptkeim hervorgehenden Gewebe durch das ganze spätere Leben hindurch dem Proletariate der Bindesubstanzen gegenüber eine mehr aristokratische Stellung einnehmen, so übernimmt der Hauptkeim auch schon von Anbeginn an die Oberlei- tung bei der Körperbildung. Seine Produkte sind es, die zunächst die Ausführung des allgemeinen Körperplanes über- nehmen und secundär erst wachsen von der Peripherie her, in der früher geschilderten Weise die Produkte des Ne- berkeims in die Lückenräume hinein, welehe in dem vom Hauptkeim errichteten Gebäude sind ausgespart geblieben. Mein Wunsch geht nun dahin, heute Einiges über die beim ersten Körperaufbau wirksamen Kräfte mitzutheilen, zu zeigen, nach welchen Grundsätzen wir uns zunächst die Abschnürung des Embryonalkörpers von der Keimhaut, die Anlage und Gliederung seiner ersten Organe zu erklären haben. Ich muss von vornherein um Entschuldigung bit- ten, wenn ich zur Erklärung vor Vorgängen, die von jeher zu den mysteriosesten im ganzen &ebiete der Physiologie serechnet worden sind, ziemlich grob mechanische. Prin- cipe herbeiziehe. Wir müssen eben die Natur. nehmen, wie sie ist, und können uns schliesslich nur freuen, wenn - wir sehen, wie sie auch bei Erreichung der allerhöchsten Leistungen mit den allereinfachsien Hülfsmitteln auskommt. Der Hauptkeim bildet beim Hühnerei, von dem ich zunächst bei meinen Studien ausgegangen bin, eine kreis- runde Scheibe, die im Centrum nur unerheblich dicker ist, als an der Peripherie. Diese Scheibe wächst nun nach der Bebrütung durch Vermehrung der Zellen, aus denen sie 619 besteht, und zwar schreitet das Wachsthum nach der Fläche sowohl, als nach der Tiefe hin fort; die Platte ge- winnt an Umfang und wird dicker. Sehr leicht lässt sich aber an senkrechten Durchschnitten erkennen, dass das Wachsthum nicht nach allen Richtungen mit gleicher In- tensität fortschreitet; die Dicke der Platte wird bald an verschiedenen Punkten eine verschiedene Für eine an- nähernde Beurtheilung mag es erlaubt sein, die Dicke der Keimscheibe als Maasstab des Wachsthums anzusehen. Schnitte, die in der Richtung der künftigen Körperaxe ge- führt sind, ergeben einen Punkt maximaler Dicke, von dem aus nach vorn die Dicke rasch, nach hinten aber sehr all- mählig abnimmt.) Ebenso zeigen Querschnitte einen Punkt maximaler Entwicklung, von dem aus nach den beiden Sei- ten hin die Dicke allmählig abfällt. Wir haben also eine Platte, die an einer bestimmten Stelle ihre grösste Dicke hat, von der Stelle aus nimmt nach verschiedenen Rich- tangen die Dicke ungleich ab, am raschesten nach vorn, langsamer nach den Seiten, am allmähligsten nach hinten. Wir wollen den Punkt maximaler Dicke als Mittelpunkt des Wachsthums bezeichnen; er fällt, soweit ich sehe, ziemlich genau in das Centrum der Keimscheibe. Nehmen wir den Punkt als Anfangspunkt eines Coordinatensystems, legen in der Längsrichtung des künftigen Körpers die Y-Axe (-£ vorn), in der Querrichtung die X-Axe er rechts) und senkrecht zu deren beiderseitigen Ebene die Z-Axe (+ *) Diese und die folgende Schilderung bezieht sich wesentlich auf das obere Blatt, das von Anbeginn an weit über das untere prä- valirt und wegen seines compaktern Gefüges auch eine weit sicherere Beurtheilung erlaubt. Bevor die Bildungen des Neberkeimes dem Cen- trum sich genähert haben, tritt übrigens auch im untern Blatt die Dicke- abnahme vom Centrum nach der Peripherie hin sehr entschieden zu Tage. Möglicher Weise existirt ein mit Bezug auf die Längsaxe sym- metrisches Doppelmaximum, 620 oben), so können wir dem obigen gemäss sagen, es sei das Wachsthum der Keimscheibe eine Function von Ort und Zeit, die räumlich nur ein Maximum besitzt, diemit Bezug auf ihre = x symetrisch ist und die nach + y am raschesten, nach —y am langsamsten abnimmt. (In mathematischer Ausdrucksweise haben wir also Wachsthum = W = F (x, y, z, t), oder wenn wir die Plattendicke als Ausgangspunkt annehmen: z=!&,y th), als Eigenschaften der Funktion ergeben sich die folgenden f (x, IE t) << f (z, a t) Is M =É(—x, y, t) (0 f (+ y,t) + £ (— 57, ?. Es ist selbstverständlich, dass das Wachsthum auch noch von der Temperatur und von der chemischen Zu- sammensetzung des umgebenden Mediums sich abhängig erweist, d. h. wir haben W = F (x, y, z, t, 4, 4), wo + und y Temperatur und chemische Zusammensetzung des umgebenden Mediums bedeuten mögen, die selbst wieder von t abhängige Funktionen sind; aber wir kön- nen für unsere Betrachtung, die sich zunächst auf die ersten Zeiten der Entwicklung bezieht, die beiden Func- tionen 4, und y als constante annehmen, und somit bleibt unsere ersı einfachere Darstellung vollständig gerecht- fertigt. Wichtiger ist eine andere Complication, die durch die bald eintretende Faltung der Scheibe eintritt; von dem Moment der Faltung an werden wir nicht mehr jenes einfache Verhältniss behalten, dass z ein einziges Maximum besitzt. Die Einfachheit des Grund- gesetzes lässt sich indess dadurch wieder herstellen, dass wir statt der XY Ebene die obere Fläche der gekrümm- ten Platte in das Coordinatensystem einführen, die Lage eines gegebenen Punktes wird alsdann durch die Länge zweier Bogen (x, y) gemessen, die in dem Punkt unier “ 621 rechtem Winkel sich schneiden, und die in zwei zur XZ und YZ Ebene parallelen Ebenen liegen. Für irgend einen gegebenen Schnitt haben wir die Länge der obern Biegungscurve vom Anfangspunkt bis zum gegebenen zu bestimmen und die Dicke der Platte senkrecht zu jener Curve zu nehmen. | Eine Bestimmung der Function f in früheren Ent- wicklungsperioden halte ich nicht für unmöglich. Mit Hülfe von guten Durchschnitten, die mit der Camera lu- cida gezeichnet sind, würden sich partielle Differential- gleichungen aufstellen lassen, die möglicher Weise in- tegrirbar wären. | Ich habe keinen Grund anzunehmen, dass die oben erörterten Grundeigenschaften des Wachsthumsgesetzes, wie sie in den allerersten Zeiten so prägnant auftreten, später- hin sich ändern, und ich halte es für eine der nächsten Aufgaben, den speziellen Nachweis zu liefern, dass alle jene scheinbar partiellen Wucherungen, wie sie z. B. der Linsenbildung, der Drüsenbildung u. s. w. zu Grunde lie- gen, dem allgemeinen Gesetz sich einreihen, wonach die Wachsthumsfunction nur ein räumliches Maximum hat von welchen aus sie stätig abnimmt. Unregelmässigkeiten werden in dem Ablauf des Gesetzes bedingt werden, einestheils da- durch, dass mit der Entwicklung der Blutgefässe der Ein- fluss des Mediums (y) nicht mehr darf vernachlässigt wer- den und dass ferner Wachthumswiderstände eintreten, die zur völligen Verkümmerung einzelner Theile führen, wie dies z. B. für die €horäa der Fall ist. Nachdem wir über einige Verhältnisse des Wachs- thums der ursprünglich gegebenen Keimscheibe uns orien- tirt haben, wollen wir den Versuch machen, daraus die Gliederung abzuleiten, welche bald in der Scheibe eintritt, und die zur Scheidung der Blätter, zur Erhebung und Ab- schnürung des Embryo und zur Sonderung seiner Organe führt. Wir halten aus einander die Sonderung nach der 622 Tiefe und die nach der Fläche, und wir wollen zuerst von letzterer reden. Eine ebene elastische Platte, die aus irgend einer Ur- sache sich ausdehnt, wird nur so lange im Stande sein ihre ebene Form beizubehalten, als sie in allen ihren Punk- ten genau in gleichem Maasse wächst. Diess ist nun bei der Keimscheibe nicht der Fall. Wie oben gezeigt wurde, so ist bei ihr das Wachsthum beträchtlicher für die centra- len Punkte als für die peripherischen, somit wird nothwendig die Peripherieder Platte als Dehnungswiderstand auf das Cen- trum wirken, die Platte muss Falten werfen. — Die Anordnung der Falten wird sich abhängig erweisen von dem Gesetze der Elasticitätsvertheilung in der Platte und von demjenigen ihres Wachsthums. Allgemeines lässt sich wohl kaum darüber aussagen. Die Elasticität der Keimscheibe ist bei der ungleichen Dicke, die diese hald erreicht, unstreitig ungleich vertheilt, im dickeren Centrum wohl grösser als an der verdünnten Peripherie. Im Ganzen mag sie vielleicht am ehesten der- jenigen von etwas weichem oder von befeuchtetem Papier verglichen werden. Es zeigt sich nämlich, dass bei den auftretenden Faltungen die Falten im Allgemeinen regel- mässige Krümmungen annehmen, sowie dass eine Reihe kleinerer Falten weiterhin zu einer grössern sich vereini- gen können, was beides nur durch Annahme eines gewis- sen Grades von Elasticität erklärbar ist. Dass aber ander- ‚seits die Gränzen der Elasticität bald erreicht sind, das ergiebt sich daraus, dass an einzelnen Stellen der Keim- scheibe Knickungen eintreten, die, statt sich wieder aus- zugleichen, immer schärfer sich ausprägen, so die Knickun- gen an den Rändern der Medullarplatte, an denen der Am- ‚nionplatten und andere mehr. An diesen geknickten Stellen kann dann späterhin wirkliche Continuitätstrennung eintre- 623 ten, wie wir solche in der Abschnürung des Medullarrohres, der Linse und andere Theile beobachten. Der einfachste Fall einer an der Ausdehnung gehemm- ten Platte ist wohl der, wobei diz Hemmung blos in einer Richtung stattfindet. In dem Fall legt sich die Platte in eine einzige oder in mehrere parallele Falten, deren Längs- richtung senkrecht zur Richtung der Hemmung steht. Etwas minder einfach ist der Fall einer nach allen Richtungen senau gleich grossen Hemmung. Hier wird sich wohl ent- weder eine einzige regelmässig blasenförmige Erhebung der Platte mit radiär gefalteten Rändern ergeben, oder aber es werden sich concentrische Ringfalten bilden. Bei der wachsenden Keimscheibe ist den oben ent- wickelten Wachsthumsgesetzen zu Folge der Ausdehnungs- widerstand so vertheilt, dass er nach verschiedenen Rich- tungen in verschiedenem Maasse sich entwickelt, am min- desten nach vorn, mehr nach den beiden Seiten und am meisten nach hinten. Ferner ist die Summe der Wider- stände in querer Richtung grösser, als die Summe der Wi- derstärde in der Richtung von vorn nach hinten. Die ersten Faltungen, die an der Keimscheibe eintre- ten, sind ziemlich unregelmässig, indess vorwaltend con- centrisch mit der Keimscheibe selbst verlaufend. Bald stellt sich indess als Grundform ein langgestreckter in der Mitte gefurchter Schild heraus, um den eine Reihenfolge sleichläufiger Falten wallförmig sich herum bilden*); die *) Es gelinst auf experimentalem Weg obige Grundform an- nähernd herzustellen. Die correcteste Methode, die ich indess nicht erprobt habe, wäre wohl folgende: eine ringsumher festgeklemmte dünne Metallplatte wäre durch eine Anzahl von Flammen zu erwär- men und zur Dehnung zu bringen, und zwar müssten die Flammen so vertheilt sein, dass die Erwärmung der Platte nach dem obigen für das Wachsthum festgesetzten Gesetz sich vertheilte. Minder cor- rect, aber immerhin ganz belehrend, sind Versuche mit befeuchtetem Fliesspapier, die in verschiedener Weise sich modifieiren lassen. 624 einzelnen Abschnitte dieser Falten können aus Gründen, die wir gleich entwickeln werden, an verschiedenen Stellen ihres Umfanges ungleich sich ausbilden, aber im Ganzen lässt sich doch dieselbe Reihenfolge in querer Richtung wie in der Richtung von vorn nach hinten aufstellen. Wenn wir unter Annahme einiger provisorischer neuer Namen Berg- und Thalfalten gesondert aufzählen und von jenen Falten absehen, die nur vorübergehend auftreten, um spä- ter wieder sich auszugleichen, so haben wir folgende Succession : Querrichtung. Längsrichtung vorn. hinten. 1: Ben (Thalfalte) Stammbeuge. 2, Medullarnath (Bergfalte) Kopfbeuge. Sakralbeuge. 8. Paramedullarrinne (Thalfalte) Gesichtsrinne. Dammrinne. 4. Hornblattnath (Bergfalte) Herzfalte. Allantoisfalte. 5. Nabelrinne (Thalfalte) Nabelrinne. Nabelrinne. 6. Amnionfalte (Bergfalte) Amnionfalte. Amnionfalte. Bei Zusammenstellung der sich entsprechenden Bil- dungen tritt sofort das, aus dem obigen völlig erklärbare Verhältniss entgegen, dass in querer Richtung die Falten- gliederung früher beginnt und weiter voranschreitet, als in longitudinaler Richtung. Statt der doppelten Längsfalte der Primitivrinne und des Medullarrohres treffen wir in transversaler Richtung eine sehr seichte Einbiegung des 625 sanzen Stammes, die ich oben als Stammbeuge bezeichnet habe und der gegenüber schon frühzeitig Kopf- und Schwanz- ende der centralen Platte gehoben erscheinen. Während wir ferner nicht weniger als drei obere Longitudinalnäthe treffen, nämlich die Medullarnath, die Nath des Horn- blattes und die Nath des Amnion, so haben wir in trans- versaler Richtung blos eine obere Nath, diejenige des Am- nion. Nach unten aber haben wir in longitudinaler wie in transversaler Richtung je einen Schluss, den des Nabels. Bemerkenswerth ist, dass es gerade die innern Faltungen sind, die in transversaler Richtung zurückbleiben, während die äussern Falten hier mächtiger sich entwickeln, als in longitudinaler Richtung. So schlägt sich die Herzfalte mit der Halsplatte in einer Weise unter den Kopftheil des Embryo, wie dies für die entsprechenden Seitenplatten nicht entfernt der Fali ist, ebenso haben die vordern und hintern Abschnitte der Amnionfalte einen grössern Weg zu durchlaufen, als die seitlichen, und der vordere Ab- schnitt tritt diesen Weg auch früher an, als die seitlichen. Der Grund von diesem Verhalten liegt, wie mir scheint, in Folgendem: die Verbiegungen der Keimscheibe müssen um so mehr Widerstand finden, je dicker die Platte ist und je mehr sie bereits in der Richtung des Druckes Rin- nenform angenommen hat. Da nun der centrale Theil der Scheibe mehr und mehr sich verdickt, so wird der früher sich geitend machende Transversaldruck im Siande sein, im Centrum weit bedeutendere Verbiegungen und Knickun- gen herbeizuführen, als der später auftretende Longitudi- naldruck, und die von ihm erzeugten Longitudinalfalten müssen als bedeutende Widerstände für die Bildung trans- versaler Falten in Betracht kommen. Die Wirkung des Longitudinaldruckes wird daher vorzugsweise nur auf die dünneren peripherischen Abschnitte der Keimscheibe sich: erstrecken und diese unter oder über die festere Meduliar- 626 platte hinwegschieben. Es eilt daher die Herzfalte der ihr entsprechenden Hornblattnath weit voran. Hinsichtlich der Amnionfalte ist zu bemerken, dass sie gerade an die Stelle fällt, wo die Dickencurve der Keimscheibe einen Wende- punkt besitzt. Dieser tritt wegen des raschern Abfalls der Curve nach vorn früher ein, als nach den Seiten, und so rückt die Amnionfalte vorn auch näher an das Medullar- rohr heran, als an den Seiten. Das Auftreten der centralen Longitudinalfalten erfolgt nicht immer in derselben Reihenfolge, bald eilt die Pri- mitivrinne den Paramedullarrinnen voraus, bald ist es um- sekehrt. Meist treten auch ganze Reihen von temporären Falten auf, die mit zunehmendem Wachsthum zusammen- fliessen und in die bleibenden übergehen. Auch in trans- versaler Richtung können solche temporäre Faltungen auf- treten. Aus dem bisher Erörterten geht hervor, dass der Wi- derstand, den das Wachsthum der Keimscheibe in trans- versaler Richtung findet, das Motiv abgiebt für die Glie- derung der Primitivrinne, des Medullarrohres, des neben letzterem liegenden Paramedullarstranges, der, soweit ich bis jetzt erkennen kann, das Material zu den spinalen Ganglien liefert, ferner der Leibeswand und des den Leib umhüllenden Amnion. Die erste Gliederung und die frü- heste Erhebung und Schliessung dieser Theile erfolgt in den Zonen des maximalen Wachsthums, der hintersten Kopf- und vordersten Halszone (Zone der X-Axe), und schreitet von da nach vorn und nach rückwärts allmählig vor. In longitudinaler Richtung sind es zunächst, die anfänglich vor einander liegenden Anlagen von Herz und Hirn, deren Scheidung als eine Function des Längenwachsthums der Keimscheibe muss angesehen werden, ebenso die Scheidung vom Beckentheil des Rumpfes und der Allantoisfalte. Weiterhin aber sind eine Anzahl weiterer Gliederun- 627 gen, vorweg die Gliederung der Urwirbel, auf dieselbe Rechnung zu setzen. Die erste Gliederung der Urwirbel er- folgt zu den Zeiten, da die Ränder des Meduliarrohres sich erheben und stellenweise zu schliessen beginnen. Bei ih- rem ersten Auftreten haben die Urwirbel die Gestalt von schmalen unregelmässig begränzten Bändern und ihr innerer Rand liegt unter dem noch unvollständig geschlossenen Me- dullarrohr. Sagittalschnitte ergeben, dass die ersten Ur- wirbel in der Stammbeuge entstehen, und dass in ihrem Bereich die obere concave Seite der Keimscheibe in quere Furche gelegt ist. Auch später, nachdem die Urwirbel be- reits unter dem Medullarrohr hervorgetreten sind und die- ses sich beinahe völlig geschlossen hat, zeigen sich eines- theils zackige Ausbiegungen des Medullarrohres, die seit- lich, anderntheils scharfe Falten des Hornbiattes, die von oben her zwischen die Urwirbel eindringen. Ich ka:n den Prozess der Wirbelgliederung noch nicht ganz genau schil- ‘dern, da mir noch einige Einzelnheiten daran dunkel ge- blieben sind, so viel aber jedenfalls scheint mir sicher, dass der Gliederungsvorgang auf eine Transversalfaltung zurück- führt, deren Folgen vorübergehend auch an den an die Ur- wirbel angränzenden Theilen nachweisbar sind. Das Mo- tiv dieser Transversalfaltung ist ausserordentlich einfach und lässt sich am besten veranschaulichen durch ein brei- tes Band, dessen einer Rand an einen concaven Bogen be- festigt wird; der freie Rand wird zusammengedrängt und erfährt eine Kräuselung; die Zahl der Ausbiegungen bei gegebener Bandlänge ist von der Krümmung des Bogens und von der Breite des Bandes abhängig. Es ist nämlich klar, dass ein Punkt des freien Randes sich nicht um mehr als die Bandbreite von dem zunächstliegenden Punkt des befestisten Randes entfernen kann. Die Seitenränder des Medcllarrohres, bevor dieses zum Schluss gelangt ist, kön- nen als vertikal stehende Bänder angesehen werden, deren 628 oberer Rand bei eintretender Biegung des ganzen Rohres nothwendig sich kräuseln muss; ebenso können wir aber eine ähnliche Betrachtung auch auf die übrigen in der Nähe des Medullarrohres liegenden Tbeile übertragen; denn es ist die Transversalbiegung der ganzen längsgefalteten Platte nur möglich unter der Voraussetzung, dass gewisse Theile der Platte zusammengedrängt werden, während andere eine Zerrung erfahren. Dasselbe Prinzip, das der Gliederung der Urwirbel zu Grunde liegt, macht sich späterhin auch geltend bei der Gliederung der Schlundbogen, welche an der untern Seite des vorderen Leibesendes zu der Zeit sich entwickeln, da der Kopf vorne übergebogen zu werden beginnt, und somit nach unten hin eine Concavität sich bildet. Ebenso scheint auch die im Gehirn selbst eintretende Gliederung auf dieses Princip der Kerbenbildung bei der Biegung einer bereits gebildeten Röhre bezogen werden zu müssen. Eine andere eigenthümliche Folge der Trans sung zeigte sich am hintern Leibesende. Hier tritt nämlich zur Zeit der beginnenden Wirbelbildung eine spindelför- mige Verbreiterung der Meäullarrinne ein und im breitesten - Theil fehit die Primitivrinne ganz, es zeigt sich an ihrer Stelle eine knotige Auftreibung, während vorn sowohl als hinten die Rinne besteht. Diess Verhältniss erklärt sich leicht aus der Erkenntriss, dass die fragliche Stelle zu- sammenfällt mit der stärksten convexen Umbiegung des hintern Leibesendes, der Sakralbeuge. Biegen wir eine .entzwei geschnittene Gummiröhre so, dass ihre offene Seite einen convexen Bogen bildet, so weichen gegen die Um- biegungsstelle hin die Ränder mehr und mehr auseinander, während der Boden der Rinne sich hebt, es streben die auf demselben Querschnitte gelegenen Theile möglichst in eine Ebene zu gelangen, weil unter diesen Verhältnissen die Spannung am gleichmässigsten sich vertheilt. Ist das 629 gebogene Rohr fast ganz oder ganz geschlossen, so wird der obigen Bedingung dadurch Genüge geleistet, dass das Rohr sich abplattet, eine Folge, die wir an dem Gehirn- abschnitt des Medullarrohres eintreten sehen und die u. A. auch auf die besondere Gestaltung der primitiven Augen- blasen von Einfluss ist. Im Bereich des Gehirns, das be- kanntlich späterhin, nach dem Schluss des Amnion, sehr mächtige Umbiegungen erfährt, führt übrigens der Zug, den die obere Wand auszuhalten hat, zu noch weiteren Folgen, Es treten nämlich geradezu Auseinanderzerrungen auf, wie wir soleh eine Auseinanderzerrung vor Allem an der Decke des stark gebogenen Nachhirns und dann wiederum an der- jenigen des Zwischenhirns auftreten sehen. Ich verlasse nun die Längs- und Quergliederung der Keimscheibe, obwohl noch ungemein viel darüber zu sagen wäre und gehe über zur Betrachtung der Tiefengliederung. Hier haben wir in erster Linie die früher erörterte Spaltung der zwei Keimblätter (die sog. primäre Gliederung v. Ber's). Es wurde in früherem Vortrag gezeigt, in wel- cher Weise von den subgerminalen Fortsätzen der Keim- scheibe die Bildung einer, Anfangs durchbrochenen später- hin zusammenhängenden Zellenlage ausgeht, welche der unteren Fläche des obern Keimblattes sich anlegt. Der Character dieses untern Blattes differirt Anfangs völlig von dem des obern. In dem obern Blatte sind die in mehr- facher Schichtung vorhandenen Zellen dicht zusammenge- drängt, das Blatt selbst ist an seiner innern und äussern. Oberfläche abgeplattet und scharf abgegränzt. Offenbar macht sich hier ausser dem Druck in den Richtungen der Ebene noch der Druck senkrecht darauf geltend, welcher eine Folge der Spannung der Dotterhaut ist. Mit fortge- setztem Wachsthum macht sich der Einfluss der Druckver- hältnisse auf Grösse und Form der Zellen des obern Keim- blattes immer mehr geltend, die Zeilen nehmen in dem am 630 meisten gedrückten Centrum der Scheibe mehr und mehr gestreckte Form an und stellen sich senkrecht zur Ober- fläche. Es entsteht dadurch eine grosse Aehnlichkeit mit einer Lage von Cylinderepithel, indess ist zu bemerken, dass die Schichtung eine mehrfache bleibt, und dass die Zellen keilförmig in einander gefügt sind. An der Peripherie des obern Blattes kommt der Flächendruck kaum mehr in Be- tracht, hier tritt die Wirkung des radialen Druckes in den Vordergrund, die einzelnen Zeilen erscheinen abgeplattet, die Scheibe nimmt mehr und mehr den Charakter eines Plattenepithels an. | f An den Zellen der subgerminalen Fortsätze und weiter- hin von denjenigen des untern Blattes ist Anfangs wenig von Druckwirkungen zu bemerken. Rings von der Flüssig- keit der Keimhöhle umgeben, sind sie, wenigstens in den früheren Zeiten ihres Bestehens keiner äussern Beschränkung des Wachsthums unterworfen. Für die Zellen des obern Blattes tritt ein ähnlicher Wegfall der Wachsthumsbe- schränkung im Verlauf der weitern Entwickelung an den Stellen ein, wo das Blatt eingeknickt wird. An solchen Stellen verlieren die aus dem Knickungswinkel hervorspros- senden Zellen ihren streifigen Character und bieten sofort, ihrer mehr abgerundeten Form wegen, ein völlig anderes Aussehen dar, als ihre früheren nächsten Nachbarn. Diess beobachtet man z. B. an der Knickungsstelle der Primi- tivrinne, an derjenigen der Paramedullarinnen und an der Verbindungsstelle der Amnionfalten. | Für das untere Keimblatt erhält sich das lockere Ge- füge während der ersten Zeit des Bestehens; später mit zunehmendem Flächenwachsthum nehmen die Zellen der tiefsten Lage den abgeplatteten die darüber liegenden den streifigen Character an. Die Trennung des untern Keimblattes vom obern ist ganz unzweifelhaft eine Function des Flächenwachsthums. 631 Gerade so, wie zwei lose verklebte Papierblätter sich von einander trennen, wenn wir sie durch seitliche Compression biegen, so weicht auch unteres und oberes Keimblatt aus- einander mit dem ersten Beginn der Faltenbildung. Nur in einem Theil der Längsaxe ist die Verbindung der beiden. Blätter eine zu innige, um die Trennung zu erlauben und zudem knickt sich hier das obere Blatt bald gegen das untere in scharfem Winkel ein und vermehrt damit die Berührung. #ür manche Querschnitte der Keimscheibe aus der Periode der ersten Blätterscheidung zeigt sich die auf- fallendste Aehnlichkeit mit dem Blätterwurf eines aufge- sehlagenen Buches. Mie beiden auseinanderweichenden Blätter unterhalten stellenweise noch ihre Verbindung durch dünne in die Länge gezogene Zellenfäden, aber später reis- sen auch diese durch und jedes Rlatt ist nun seinem eige- nen Schicksal überlassen. Wenn wir bedenken, dass mit der Scheidung der bei- den Keimblätter die fundamentale Scheidung der Organe des animalen und der “es vegetativen Lebens sich voll- zieht, so müssen wir staunen, in welch’ einfacher Weise die Natar hier vorangeht und wie sicher dabei aile jene Zu- fälligkeiten vermieden sind, deren Einmischung zu erwarten | man sieh versucht glauben möchte. Da die Blättertrennung eine Function des durch das Flächenwachsthum bedingten Druckes ist, so wird sie auch nicht im ganzen Bereich der Keimscheibe gleichzeitig sich volizieken. Sie schreitet im Allgemeinen vom Centrum nach der Peripherie ver und zeigt sich im Gebiete von Kopf- und Herzaniage vollendet, zu einer Zeit, wo in den hintern Leibesabschnitten noch kaum die Bildung einer zusammen- hängenden Zellenlage unierhaib des obern Keimblattes be- gonnen hat. # Eine ähnliche Scheidung, wie für die ursprüngliche Keimscheibe wiederholt sich später für jedes der beiden 43 632 Blätter. Diese zweite Scheidung führt zur Bildung der obern und untern Nebenplatte. Jene, vom innern Abschnitt des obern Keimblattes sich ablösend, wird zur querge- streiften Muskulatur des animalen Lebens, diese, die vom untern Blatt sich scheidet, wird zur glatten Muskulatur der vegetativen Organe. Vom allerhöchsten Interesse erscheint bei den Glie- derungen, sowohl bei denen nach der Tiefe, als bei denen nach der Fläche die Beziehung des Abgliederungstermines zu der physiologischen Bedeutung der Zellenlagen. Centra- les Nervensystem, Epithelien nebst Drüsen und Muskeln sind die drei Generationen, die sich zeitlich und räumlich suc- cediren und zwar haben wir das Verhältniss, dass von den sich entsprechenden Theilen im untern und obern Keim- blatt diese eine höhere Entwickelung erreichen und vor Allem in weit nähere Beziehung zum Centralnervensystem sich stellen als jene. Lassen wir zunächst Epithel und Drüsen ausser Betracht, deren Stellung einer besondern Discus- sion bedarf, so ist leicht zu erkennen, dass das Central- nervensystem die Zonen der allerhöchsten Wachsthums- intensität einnimmt, während die Muskela erst in zweiter Linie kommen. Von vorn nach hinten haben wir die Suc- cession: Herz, Hirn, Rückenmark mit Muskeln und endlich am hintern Ende das Centralnervensystem mehr und mehr neben den Muskeln zurücktretend. In querer Richtung von der Seite her vordringend, haben wir auch wiederum die Muskel aussen, das Nervensystem innen, und ebenso beim “ Aufsteigen aus der Tiefe die Muskeln unten, das Nerven- system oben.*) Diess Verhältniss eröffnet uns Gesichtspunkte der aller- merkwürdigsten Art. Es ist nämlich erstens klar, dass * Eine hieher bezügliche Bemerkung findet sich schon bei dem in allen Dingen sc ausserordentlich tief blickenden von Bær Bd. II. p. 94 d. Entw. 633 wenn die Entwickelung des Centralnervensystems an den Gipfel der Wachsthumsfunction geknüpft ist, das Sy- stem um so höhere Ausbildung erreichen wird, je höher jener Gipfel von W ansteigt. !n der Hinsicht also muss die Function W des Menschen nothwendig weit über der aller andern Wirbelthiere stehn. Zweitens wird aber die relative Entwickelung des Ner- ven- und Muskelsystems bedingt sein, durch die Steilheit des Abfalls der Function. Je steiler der Abfall um so höher muss die Präponderanz des Nervensystems über das Muskelsystem ausfallen, und umgekehrt je seichter der Ab- fall, um so mehr Entwickelungsraum wird den Bildungen zweiter Ordnung, den Muskeln übrig bleiben. Dass dem also sein muss, lässt sich nicht nur eiwa erschliessen, sondern die Beobachtung selbst giebt dazu den Beleg. Nach vorn haben wir, wie früher gezeigt wurde steilen Abfall der Wachsthumsfunetion W und hier haben wir auch den höchst entwickelten Theil des Nervensystems das Hirn, vor welchem als schwacher Repräsentant der Muskulatur nur das Herz folgt. Ganz anders am Aumpftheil, wo seit- lich die Wachsthumsfunction laugsam abfällt und demge- mäss um das Medullarrohr bedeutende Muskelmassen sich herumgruppiren. Dem Erörterien gemäss werden wir erwarten dürfen, dass in dem Wirbelthierreich der Mensch die höchste, zu- gleich aber auch eine der am steilsten abfallenden Wachs- thumsfunctionen besitze, während bei den niedrigen Wirbel- thierklassen der Abfall der Function mehr und mehr ein seichter werden wird, Die Körpergrösse wird natürlich durch die Wachsthumssumme (das Integral der Function W) bestimmt, und die natürliche Lebensdauer, welche mit einem Sinken aller ferneren Neubildung zusammenfällt, wird bestimmt durch den Zeitpunkt da W einen gewissen Grenz- werth erreicht. Damit die Wachsthumsfunction einen 13 * 634 kohen Gipfel erreiche, ist natürlich nethwendig, dass die Wachsthumssumme nicht allzuklein sei, wodurch verständ- Jjich wird, wesshalb die vollkommene Ausbildung der höch- sten Abschnitte des Nervensystems auch an eine gewisse Körpergrösse geknüpft ist. Ä Für eine jede Spezies wird die Wachsthumsfunction gewisse ganz bestimmte Eigenschaften haben, weiche bei benachbarten Spezies nur wenig, bei entfernteren dagegen mehr variren können. Wir haben aber bekanntlich inner- halb derselben Spezies, ja innerhalb derselben Race noch Verschiedenheiten, die wir als constitutionelie bezeichnen. Dass auch diesen eine Verschiedenheit der ursprünglich gegebenen Wachsthumsfanction zu Srunie liegen kann, ist leicht verständlich. Nehmen wir z. B. der Einfachheit halber an, es sei die Wachsthumssumme für zwei !ndivi- duen dieselben, bei dem einen aber sei höheres Maximum und somit steilerer Abfa!i der Funetion gegeben, sc mess nothwendig diess Individuum, mit dem andern verglichen entwickelteres Centralnervensystem und mehr zurücktretende Muskulatur erhalten, es wird vielleicht geistig begabt, aber schwächlich, dieses aber minder begabten Geistes und kräftig - ausfallen. Ich gebe diese Andeutungen nur um zu zeigen, weich’ vielfältiger Verwerthung unser so einfaches Wachs- thumsgesetz fähig ist. Ich enthalte mich hier absichtlich einer Erörterung der muthmasslichen Gründe für die histo- logische Scheidung der einzelnen Zellengrunpen des Haupt- keimes, ich habe zwar darüber Vermuthungen, aber ihre Mittheilung wäre noch eine allzuvorzeitige. Ich kann indess unseren Gegenstand nicht verlassen, ohne wenigstens kurz die theoretische Vorstellung über das Wesen der Zeugung und über die Verhältnisse der Erblichkeit zu berühren, die sich aus unsern hiskerigen Betrachtungen ergeben. Nachdem ich im Obigen den Nachweis geführt "habe, 635 dass die gesammte Bildung der Körperanlagen sich auf ein verhältnissmässig einfaches Grundgesetz des Wachsthums zurückführen lässt, gestalten sich auch die Anforderungen an eine Theorie der Zeugung sehr viel einfacher als diess bis dahin der Fall war. Die Multiplieität von Eigenschaften, die wir von einer Generation auf die folgende übergehen sehen, verlangen nicht mehr eine Multiplieität von verschie- denartigen in Ei und Samen aufgespeicherten Kräften, son- dern sie ist auf einige wenige Grundbedingungen zurück- zuführen. Die primitive Eizelle theilt die Eigenschaften aller Zeilen, dass sie durch äussere Reize kann zur Theilurg ge- bracht werden. Bezeichnen wir diese Eigenschaft: nach der in der Physiologie hergebrachten Weise als Reizbarkeit (formative Reizbarkeit Virchows), so scheint es, dass we- nigstens für die reife Eizelle die Reizbarkeit eine spezifische ist, d. h. dass jene nur einer sanz bestimmten Categorie von Reizen zugänglich ist und zwar den Reizungen durch den Samen. Diess kann bedingt sein durch den Schutz der Eihülle, oder dureh irgend andere besondere Organisations- verhältnisse, deren Diskussion wir hier übergehen können. Die gesammte Masse der Eizelle braucht nun aber nicht in ihrem ganzen Umfange denselben Grad der Reizbarkeit zu besitzen. Schon die Lagerung im Eierstock und das Vorhandensein einer Mikropyie kann zur Folge haben, dass die Reizbarkeit an verschiedenen Stellen der Eizelle eine verschiedeze ist, ebenso werden Zeit, Temperatur und che- mische Zusammensetzung des umgebenden Mediums auf die Reizbarkeit der Eizeile Einfluss ausüben. Bezeichnen wir die Reizbarkeit mit E, so ist also in der Eizelle E = o (x, y, Z, t, , 4) oder wenn wir wieder + und x als constant annehmen E=o (x, y, z, t). 'n den Eigenschaften dieser, allerdings nicht direct zu- gänglichen Function ist, wie mir scheint der ganze Erb- lichkeitseinfluss Seitens der Mutter zu suchen. 636 Damit nun das Ei sich entwickle, muss es in Contact mit dem Samen kommen und zwar haben bekanntlich die Erfahrungen der Neuzeit gezeigt, dass ein wirkliches Ein- dringen von Spermatozoen in das Innere des Bies stattfindet. Wie gross die Zahl der Spermatozoen ist, die in ein Ei eindringen können, das wissen wir nicht direct, indess ist es nicht unwahrscheinlich, dass ein einziges genügt, und dass der geschehene Eintritt eines einzigen den fernern Eintritt anderer verhindert. Soviel ist schon aus ältern Versuchen ven Prevost und Dumas über künstliche Befruch- tung bekannt, dass bei Fröschen stark gewässerter Same im Verhältniss von 3—4 Spermatozoen auf ein Ei sich noch wirksam erweist; dass unter diesen Umständen jeder Faden schliesslich an seinen Ort gelangt sei, ist zum Mindesten sehr unwahrscheinlich. Gehen wir zunächst von der einfachsten Hypothese aus, dass in der That nur ein Spermatozoe in das Ei ein- dringe und vermöge der Mikropyleneinrichtung hier eine ganz bestimmte Stellung zum Ei einnehme, so ist wiederum klar, dass die Einwirkung des Fadees auf das Ei nicht an allen Punkten dieselbe sein wird, sie wird vielmehr wie- derum eine Function vom Ort, ebenso aber auch eine Function von Zeit und von Temperatur und Zusammensetzung des Mediums sein, oder bezeichnen wir die Erregung mit S so haben wir —= vv (x, y, z, t, 9, y) oder bei constanten 3 und x sun zZ welche Function den Erblichkeitseinfluss des Vaters aus- drückt. Die eintretende Entwickelung selbst aber, die wir oben mit W bezeichnet haben, ist eine Function der Erreg- barkeit des Eies und der Erregung des Samens W — ® (p, w) oder — F (x, y, z, t) wie oben. 637 Die Function E können wir so wenig als die Function S direet studiren, indess sind wir berechtigt anzunehmen, dass sie mit der Wachsthumsfunction viele Eigenschaften gemein haben, dass sie mit Bezug auf x symmetrisch sei, dass sie einziges Maximum besitze, und dass sie nach — y langsamer als nach + y abfalle. Diess vorausgesetzt ge- langen wir aber, wie man sieht zu der seit Leuwenhoek zu wiederholten Malen aufgestellten, wegen unpassender Form aber immer wieder beseitigten Vorstellung, wonach die Form des Samenfadens bestimmend wirkt auf die Form des werdenden Körpers. In der That haben wir nach dieser Vorstellung nur anzunehmen, dass die Stellen grösserer Mas- senentwickelung im Samenfaden auch die Ausgangspunkte grösserer Reizentwickelung sind, so ergiebt sich dann weiter ganz ungezwungen, dass die Lage des Samenfaden- kopfes im Ei die Lage des späteren Kopfabschnittes, die Richtung des Schwanzendes die des späteren Rückenmarkes vorzeichret. In welcher Weise von dem Samenfaden ein Reiz ausstrahlt, ist zur Zeit kaum zu sagen, er kann me- chanisch sein, er kann sich auf electromotorische Eigen- schaften des Fadens zurückführen, er kann enülich in der Entwicklung chemischer Umsetzungsprodukte beruhen, die vom Orte ihrer Entstehung allmählig in die Umgebung dif- fundiren. Letztere Vorstellung hat wie mir scheint am meisten für sich und stimmt auch am ehesten mit den An- saben, wonach der Samenfaden bald nach seinem Eintritt ins Ei zerfällt. Ein Punkt ist nun bei Samen und Ei wohl ins Auge zu fassen, es ist diess die andauernde Reproduction ihrer Eigenschaften. Das Material, aus dem die primitive Eizelle sich aufbaute, bildet schon nach kürzester Zeit einen un- verhältnissmässig kleinen Bruchtheil des heranwachsenden Körpers und doch sehen wir diesen die Eigenschaften der Mutter annehmen. Diess ist nur denkbar unter der Voraus- 638 setzung, dass die Reizbarkeit der fertwährend neu entste- henden Zellen nach einem ganz bestimmten Gesetz durch die Eigenschaften der ursprünglichen Eizelle bestimmt wird. Aehnlich verhält sichs mit dem Samen. Der in das Ei eingedrungene Samenfaden zerfällt bald und doch sehen wir seinen erregenden Einfluss bis in späteste Zeiten an- dauern und der eintretenden Entwickelung ganz bestimmte Richtung geben. Auch hier müssen wir der einmal ent- standenen Erregung eine R eproductionsfähigkeit zuschreiben, deren Richtung durch die erste Erregung vorgezeichnet ist. Wir können uns z. B. vorstellen, dass die neu gebildeten Zellen Umsetzungspredukte liefern, die wiederum in einer bestimmten Weise reizend auf sie selbst und auf ihre Nach- barn einwirken. Mag den letzten Auseinandersetzungen noch mancherlei Hypothetisches anhaften, so führen sie doch zu einem, wie mir scheint, sichern Erwerb, zu dem Nachweis nämlich, dass bei Erklärusg der Erblichkeitsverhältnisse die Annahme qualitativ verschiedenartiger Uebertragungen völlig ent- behrlich ist, und dass wir mit quantitativen Vorstellungen völlig ausreichen, Das was gegeben sein muss, das ist für den Samen das Gesetz, nach welchem der Reiz nach Ort und Zeit quantitativ sich ausbreitet und für das Bi das Gesetz nach dem die Erregbar- keit örtlich und zeitlich sich vertheilt. Die Combination beider Gesetze bestimmt die Ei- senschaften des erzeugten Individuums. Für eine jede Familie hat das Gesetz der Reizausbrei- tung und der Erregbarkeitsvertheilung seine bestimmte Form. Zeigt das Kind eine bestimmte Eigenthümlichkeit, die der Vater besass, eine bestimmte Sarbe der Haare, der Augen, oder eine Warze an gegebener Stelle, so dürfen wir nicht den Schluss ziehe», das Kind besitze die Eigenschaft weil sie der Vater besass, sondern es besitzt sie, weil das Bil- 639 dungsgesetz für Vater und Kind übereinstimmend war. Es kann auch bekanntlich eine Eigenschaft ein Glied der Ge- neration überspringen, um erst im zweitfolgenden wieder zu erscheinen, was eben auch nur durch die Vorstellung eines der gesammten Familienbildung zu Grunde liegenden Gesetzes verständlich ist. Das letzte Geheimniss der Zeugungslehre, an dem wir eben zunächst auch müssen stehen bleiben, liegt, wie man sieht, in der Entstehung dieses Gesetzes und in der Frage nach seiner allmähligen Umwandelbarkeit. CHEMIE. Ueber die chemische Beschaffenheit von Basel’s Grund-, Bach-, Fluss- und Quellwasser, mit besonderer Be- rücksichtigung der sanitarischen Frage (als erster Theil). Der naturforschenden Gesellschaft in Basel bei Anlass der Feier ihres fünfzigjährigen Bestehens gewidmet von Dr. Frieprich GOPPELSRŒDER. Indem ich die vorliegende Arbeit der Oeffentlichkeïit übergebe, weiss ich selbst am besten, dass ich den Gegen- stand nichts weniger als erschöpft, und dass ich die mir gestellte Aufgabe bis jetzt nur zum kleineren Theile erfüllt habe. !ch glaubte aber dem Wunsche eines Manchen zu entsprechen, wenn ich vorläufig wenigstens die bisher ge- wonnenen Resultate mittheile.*) Wohl hatte ich schon vor einigen Jahren an der Unter- suchung unserer Wasserquellen begonnen, doch gab den Hauptanstoss zu derselben, namentlich zur Untersuchung Bereits im Frühjahre 1866 habe ich ein Resume meiner Arbeit der medizinischen Gesellschaft in hier und im Sommer der physika- lisch-chemischen Section der schweizerischen Naturforscherversamm- lung in Neuchätel, sowie Anfangs des jetzigen Jahres unserer Ge- sellschaft in Basel vorgelegt. 641 auf Verunreinigungen, die im vorletzten Winter mit beson- derer Heftigkeit wiederauftretende Typhusepidemie. Unsere huhe Sanitätsbehörde, welche zu jeder Zeit den Beweis geleistet hat wie sehr ihr das sanitarische Wohl unserer Bevölkerung am Herzen liegt, und welche stets bemüht war die sanitarischen Zustände unserer Stadt zu verbes- sern, versäumte nicht umfassende geologische und chemische Untersuchungen über die Boden- und Grundwasser-Ver- hältnisse ausführen zu lassen, welche letzteren die Auf- gabe des ständigen Experten dieser hohen Behörde, des öffentlichen Chemikers, bildeten. Schon am 10. April 1866 habe ich die Resultate meiner Arbeit der hohen Sanitäts- behörde einzureichen die Ehre gehabt. Ehe ich meine Mittheilungen beginne, habe ich die angenehme Pflicht zu erfüllen, dreien meiner früheren Prak- tikanten, welche bei dieser Arbeit mit rühmlichem Fleisse und mit grosser Exactheit unter meinen Augen mitgewirkt haben, nämlich dem Herrn Bussmann von Liestal, jetzigem Chemiker am eidgenössischen Militärlaboratorium in Thun, dem Herrn Eduard Hoffmann und dem Berrn August Schetty, Privatassistent in meinem Laboratorium, meinen öffentlichen Dank für die geleistete Hülfe auszudrücken. Mögen Sie aus diesen vielfachen Untersuchungen dieselbe Belehrung davon getragen haben, welche mir selbst zu Theil geworden ist. “Wie die Ueberschrift sagt, so habe ich dieses Mal besonders das für die Hygieine Wichtige ins Auge gefasst und die Lösung der folgenden Fragen mir zur Aufgabe ge- stellt: „Welches ist die chemische Beschaffenheit der ver- schiedenartigen Trinkwasser der Stadt Basel? Ist dieselbe bei allen solcher Art, dass sie den an ein Trinkwasser ge- stellten Anforderungen vollständig genügt, oder sind in der oder jener unserer rinkwasserquellen solche Stoffe ent- halten, deren Gegenwart einem Wasser das Prædicat „sani- tarisch nachtheilig“ oder „ungesund“ zuzieht? Und, wenn 942 letzteres der Fall ist, welches sind denn die abnormalen, verdächtigen oder wirklich ungesunden Bestandtheile? Wie haben wir ferner ihre Anwesenheit im Wasser zu erklä- ren? Von welchen Infeciionsheerden stammen sie her?“ Ehe ich in solche Betrachtungen eintrete, lege ich vor allem ein Rekenntniss ab, dem gewiss ein jeder Sachkenner bei- pflichten wird, dass es nämlich bei solchen Fragen sehr oft recht schwer hält, ja meist unmöglich ist, eine befrie- digende Antwort zu geben. Ich erinnere daran, wie wenige Kenntnisse wir über die Qualität derjenigen organischen Stoffe besitzen, welche bei der Fäulniss und Verwesung auftreten und daher auch in den durch Fäulniss- und Ver- wesungsheerde beeinflussten Wassern vorzukommen pflegen, und wie schwierig, ja meist wie unmöglich bei der Analyse eines Wassers ihre Abscheidung in unverändertem und rei- nem Zustande, und daher auch die genauere Bestimmung ihrer Quantität ist. Seibst die Gesammtmenge der in einem solchen Wasser enthaltenen organischen Stoffe können wir nicht mit erwünschter Genauigkeit bestimmen, noch viel weniger sind wir im Stande die Einzelmengen der ver- schiedenen sicherlich mit höchst verschiedenartigen che- mischen und physiologischen Eigenschaften begabten Stoffe anzugeben. Die bei Fäulnissprocessen sich bildenden Pro- ducte sind von unzählbarer Menge und höchst veränderlicher , bis jetzt nur mangelhaft studierter Natur; und wenn ander- seits beim Verwesungsprozesse mit Sicherheit Kohlensäure, Wasser, Salpetersäure, Phosphorsäure als Endproducte zu nennen sind, so treten doch ausser diesen noch eine Reihe von Zwischenproducten auf, deren chemische Natur und desshalb auch deren physiologiseh-chemischer Character meist noch in tiefstes Dunkel gehüllt ist. fit solchen Stoffen haben wir es bei Wassern zu thun, welche durch Erdschichten laufen , die durch städtische Infectionsheerde verunreiniget sind. Hieraus lässt sich ersehen, wie gering 643 die wirklichen Anforderungen sind, welche man bei sol- chen hygieinischen Fragen an den chemischen Experten stellen darf. Bezüglich der geologischen Beschaffenheit des Bodens und der damit zusammenhängenden Wasserverhältnisse ver- weise ich auf die Arbeit von Herrn Professor Albrecht Müller : „über das Grundwasser und die Bodenverhältnisse der Stadt Basel“, Festschrift der naturforschenden Gesell- schaft in Basel 1867, sowie auf dessen früher veröffentlichte geognostische Skizze des Kant. Basel und auf die schon ver 45 Jahren erschienene geologische Beschreibung des Kantons Basel von Herrn Rathsherrn Peter Merian. Nur einige we- nige Erläuterungen, welche mir zum bessern Verständnisse des bier Mitzutheilenden wünschenswerth erscheinen, um so mehr als wir es hier mit Aufgaben zu thun haben, de- ren Lösung nur der vereinten Anstrengung des Geologen und Chemikers möglich sein wird, mögen vorausgeschickt werden. Bei diesem Anlasse spreche ich Herrn Professor Albrecht Müller, sowie Herrn Stadtrath R. Merian-Burck- hardt, Präsident des löbl. Brunn- und Bauamis, für die gütigst gemachten Mittheilungen meinen besten Dank aus. Unsere Häuser steken auf den mächtigen Geröllabla- gerungen der Diluvialperiode und unter diesen ruht der blau- graue sandige kalkhaltige Thon oder Mergel der mittleren Abtheilung der Tertiärformation, der sogenannte blaue Lett, auf welcher wasserüichten Unterlage sich die das lockere Gerölle durchdringenden Tagwasser als Grundwasser an- sammeln. !n den tiefsten Stadttheilen, namentlich zu bei- den Seiten des Birsigs und auch im St. Albanthale, tritt der Letten unter den Geröllschichten zu Tage und fliesst das Grundwasser in den sogenannten Lochbrunnen hervor. Das auf solche Weise im St. Albanthale zu Tage iretende Wasser aus etwa 10 einzelnen Quellen wird in ein Reser- voir in der St. Albanvorstadt gepumpt, von wo aus es 15 644 öffentliche Brunnen speist. Ebenso kommt das Wasser des Steinenwerks aus einer Lochguelle am Birsige nahe beim St. Margarethenstege ; es befindet sich zwar auf Tabelle V bei den von den Umgebungen Basels in die Stadt geleite- ten Quellwassern unter Nr. 5 aufgezählt, wohin es auch in Folge seiner Lage ausserhalb der Stadt gehört, doch hätte ich dasselbe mit noch, mehr Recht auf Tabelle I an die Spitze der hier verzeichneten Lochquellwasser setzen können. Wenn wir seine chemische Beschafferheit mit derjenigen der in der Stadt entspringenden Lochquellen des Birsigthales vergleichen, so fällt uns sein bedeutend nie- derer Gehalt an Mineralstoffen und auch an organischen Verunreinigungen auf, wie wir weiter unten näher erfah- ren werden, ein schlagender Beweis für die starke Ver- unreinigung des auf demselben Plateau niederströmenden Tagwassers durch die städtischen Infectionsheerde während seiner Filtration durch das Gerölle bis zur dichten Unter- lage aus blauem Letten. In den höher gelegenen Stadt- theilen zu beiden Seiten des Birsigthales muss das Grund- wasser durch 40 bis 60 Fuss tiefe Brunnschächte mitteist eines Pumpwerkes an die Oberfläche befördert werden, und speist hier die zahireichen Sode. Das Grundwasser erfährt einen nicht unbedeutenden Zufluss von Seiten der Birs, des Birsigs, der Wiese und ihren Seiterkanälen oder Teichen, sowie auch von den da- mit zusammenhängenden Wassergräben, deren Böden und Seitenwände nichts weniger als wasserdicht sind. Es darf -weh!l angenommen werden, dass in Kleinbasel die Wiese das meiste Wasser den Sedbrunnen liefert, deren Wasser- spiegel fast überall in der Nähe der Kleinbaslerteiche iSei- tenkanäle der Wiese) einen höheren Stand einnimmt. Die Birs und der Birsig aber in Grossbasel haben so tiefe Fluss- beiten, dass nur seitliche Infiltrationen stattfinden können, wodurch nur die tiefsten Gerölllager beeinflusst werden. 645 Dass letzteres der Fall ist, ersehen wir daraus, dass vor nun schon 6 Jahren von der alten Gasfabrike vor dem Stei- nenthore aus eine Infection der Sodbrunnen der Steinenvor- statt stattfand, wovon ich weiter unten mehr reden werde. Auch vom Rümelinbach oder hinteren Bach oder Steinen- bach (einem Seitenkanale des Birsigs) aus fliesst Wasser zum Grundwasser , so dass eine Reihe von Sod- und Loch- brunnen vor dem Steinenthore und in der Steinenvorstadt theilweise davon gespiesen werden. Wie wir weiter un- ten sehen werden, gewinnt das Wasser durch diesen Zu- fluss, indem sich sowohl die Menge der. festen Stoffe (dar- unter hauptsächlich kohlensaurer Kaïk) als auch die Menge der Verunreinigungen vermindert. Das Rheinwasser beein- flusst ebenfalls das Sodwasser, hauptsächlich Kleinbasels, indem es namentlich bei hohem Rheinstande und niedrigem Stande des Grundwassers infiltrirt. In Grossbasel findet diese Infiltration von Rheinwasser nur in der St. Johann- vorstadt und in deren Umgebungen statt, weil sonst über- all die Brunnböden hoch genug über dem mittleren Rhein- stande sind, so dass hier im Gegentheile ein regelmässiger Abfluss des Grundwassers nach dem Rheinbette (und dem Birsigbette) stattfindet. Es ist leicht ersichtlich, dass alle diese genannten Infiltrationen einen wesentlichen Einfluss auf die chemische Beschaffenheit unseres Grundwassers aus- üben, und dass daher weder beim Grundwasser Grossba- sels noch bei dem Kleinbasels von einem gleichartigen Ge- halte an den verschiedenartigen Bestandtheilen die Rede sein kann. Selbst; Sode in dem gleichen Quartiere, an der- selben Strasse, ja in Nachbarhäusern, können Wasser mit ganz verschiedenem Gehalte an festen Stoffen in Folge der angedeuteten Infiltrationen enthalten. Auch auf die Menge und die Qualität der Verunreinigungen müssen diese Zu- flüsse einen wesentlichen Einfluss ausüben. In Kleinbasel z. B. werden die Verunreinigungen des Grundwassers, wenn 646 der Rheinstand niedrig ist, mit diesem dem Rheine zu- fliessen, wenn aber das Rheinwasser bei hohem Stande landeinwärts dringt, so werden sie mit dem Grundwasser zurückgestaut. Je nach dem Rheinstande werden sich also hier und in der St. Johannvorstadt ganz besondere Zu- stände, respective Gehalte des Sodwassers an festen Stof- fen und an Verunreinigungen zeigen; überhaupt sind noth- wendig allie durch Fluss-, Bach- oder Teichwasser beein- flussten Sode unserer Stadt periodischen Schwankungen im Gehalte unterworfen, worüber ich nicht versäumen werde nähere Studien zu machen. Einen nicht zu unterschätzenden Zufluss erleidet das Grundwasser von jenen in den Hügeln zu beiden Seiten des Rheinihales verborgenen Quellen, von welchen aus ihm das Wasser durch die Geröllmassen zufliesst. {ch erinnere an die Hügel südlich von Basel, ob den Gundeldingen, ob dem Holee u. s. w., weiche aus tertiärem Letten und Sand- stein, bedeckt mit diluvialem Gerölle, Löss und Lehm be- stehen, ferners an den Tüllingerberg nördlich von der Stadt, welcher aus tertiärem Letten, mit Schichten von weissem Süsswasserkalk bedeckt, besteht, an den Dinkel- berg (St. Crischonaberg), dessen Basis Letten ist, welcher mit Muschelkalk bedeckt ist. Wäre das Kleinbasler Grund- wasser nicht durch diese kalkhaltigen Wasser beeinflusst, so würde es einen weit geringeren Gehalt an Mineralstof- fen besitzen. Das Wasser derjenigen Sode, welche vor- züglich durch Wiesewasser gespeist werden, unterscheidet sich im Gehalte an Mineralstoffen wesentlich vor dem, das wir als ein Gemisch des weichen Wiesowassers und des harten Quellwassers zu betrachten haben. Da die Mi- schungsverhältnisse je nach der Lage des Sodes, je nach dem Quartiere und der Strasse, sehr verschieden sein kön- nen, so treffen wir auch mehr oder weniger harte Sod- wasser in Kleinbasel an. 647 Doch ausser der Speisung des Grundwassers durch Quell-, Fluss- und Bachwasser spielen auch dessen Strö- mungsverhältnisse eine wesentliche Rolle bei der Frage über die Qualität und Quantität der in ihm enthaltenen na- mentlich verunreinigenden Bestandtheile, wesshalb ich nicht unterlasse auf die verdienstvolle Arbeit des Herrn Geome- ter Falkner über das Niveau des Grundwassers und auf die von Herrn Professor Albrecht Müller daraus gezogenen Schlüsse zu verweisen. im Aligemeinen folzt das Niveau des Grundwassers der Oberfläche des blauen Lettens, und fällt von den vum Rheine entfernten höheren Stadttheilen in sanften Curven dem Rheinbette, im Grossbasel auch theilweise dem Bir- sige zu. Natürlich kann die Bewegung des Grundwassers von den höheren “Stadttheilen aus unter der Stadt hindurch und namentlich die horizontale Fortbewegung, in Folge der engen Zwischenräume im Sand und Gerölle nur sehr lang- sam von Statten gehen, wesshalb das Grundwasser Zeit genug hat von den im Gerölle enthaltenen und von irgend einem Infecetisnsheerde dahinein gelangten Stoffen organi- scher und mineralischer Natur, fester oder gasförmiger Form, in sich aufzunehmen. fm Allgemeinen ist in Kleinbasei die Wassermenge in den Brunnen viel grösser als in Grossbasel, was auch zum Theil Ursache des im Allgemeinen minderen Gehaltes der Kleinbasler Sodwasser an festen Stoffen und in Sonderheit an organischen Stoffen in Folge grösserer Verdünnung sein mag. In Folge der, durch den Birsig und den Rhein in die mit Geröllen bedeckte Rheinebene gegrabenen, Rinnen haben wir auf der Grossbaslerseite zu beiden Seiten des Birsigthales A die Hochfläche gegen den Centralbahnhof zu, auf der Tabelle III mit „Höhe rechts vom Birsige“ bezeichnet, und B die Hoch- fläche gegen die Schützenmatte zu, ebenfalls auf Tabelle Ill, mit „Hühe links vom Birsige“ bezeichnet. Zwischen beiden 44 648 liegt das Birsigthal; die in diesem zu Tage tretenden Loch- quellen finden sich auf Tabelle I, das in ihm heraufge- pumpte Grundwasser auf Tabelle II verzeichnet. Auf Ta- belle III finden sich auch Sode der unteren Terrasse des linken Rheinufers eingereiht, welche sich vom St. Johann- Schwibbogen durch die St. Johannvorstadt längs dem Rheine fortsetzt, und ferners Sode der oberen Terrasse (Spahlen- vorstadt, Missionsstrasse) von 95 Fuss Höhe über dem Rheinpegel. Auf der Tabelle V habe ich die Resultate der Analyse derjenigen Wasser zusammengestellt, welche aus Quellen ausserhalb der Stadt, in verschiedenen Entfernungen von derselben entstammen. Von den Tertiärhügelreihen südlich von Basel, ob Gundeldingen, St. Margarethen, wurde schon vor Jahrhunderten St. Margarethen- oder Münsterwerkwas- ser in die Stadt geleitet. Weiter hinten zwischen Binningen und Bottmingen, westlich vom Bruderholze, aus derselben Hügelreihe entspringt das im Jahre 1863 gefasste Bottmin- gerwasser. Auf der anderen Seite des Birsigthales zeigen sich in den Tertiärhügeln beim Holee, Neubad und weiter gegen Allschwyl zu, die 25 Quellen des Spahlenwerks. Wir besitzen ferners nördlich von Basel, in den Umgebun- gen des Dorfes Riehen, an den untern Gehängen des Cri- schonaberges, die ebenso schätzbaren Riehenquellen, welche über den untern thonigen Schichten des Muschelkalkes her- vortreten, zu welchen sich die erst 1864 gefasste neue Quelle gegen Inzlingen zugesellt hat. Von ganz besonderer “Wichtigkeit sind aber für unsere Stadt die von Angenstein und Grellingen, erstere von der Stadt, letztere von einer Gesellschaft, hergeleiteten Quellwasser, welche aus dem Korallenkalke des weissen Jura entspringen, indem durch die Spalten der mächtigen zerklüfteten Kalkfelsen die atmos- phärischen Gewässer bis zur Oberfläche der Lettformation an der Basis des Korallenkalkes dringen. Wer sich einen 649 Begriff von der hier zu Gebote stehenden Wassermasse und dem enormen Drucke machen will, der betrachte den armesdicken 120 bis 160 Fuss hohen Wasserstrahl, welcher aus der Fontaine auf dem Aeschenplatze in die Höhe springt, und ferners den enormen Erguss von 100 bis 800 Hälblingen bei den Angensteiner- und 500 bis 6000 Hälblingen bei den Grellingerquellen (je nach der trockenen oder nassen Jah- reszeit), ein Ertrag, welcher den der sämmtlichen übrigen städtischen Wasserwerke mehr als dreimal übersteigt. Die Angensteinerquellen liegen im Schlossgute Angenstein, an der rechten Thalwand des Birsthales, im Gebiete der zum Kanton Bern gehörenden Gemeinde Tuggingen, wo die 10 Quellen, welche in ziemlicher Höhe über der Thalsohle meist auf Wiesen zu Tage treten, bisher unbenützt der Birs zugeflossen waren. Die Grellingerquellen entspringen auch auf der rechten Thalseite des Birsthales, die ergiebigern im sogenannten Pelzmühlethale, welches sich etwa 10 Mi- nuten unterhalb Grellingen vou der Birs in der Richtung gegen Seewen hinaufzieht, im Gebiete der Solothurnischen Gemeinde Seewen; die Hauptquelle entspringt im Bette des Seewenerbaches, und war nur sichtbar, wenn der Bach dort trocken lag; andere reichhaltige Quellen hingegen treten seitwärts , kleinere an der linken Thalwand des Pelzmühle- thales, am Fusse mächtiger Felswände zu Tage, während die sogenannten Neuthalquellen, in einem anderen kleinen Seitenthale im Gebiete der Gemeinde Grellingen hervorquil- lend, früher die Wasserräder der Papierfabrike Grellingen zu treiben hatten. Nun aber fliessen schon seit einem Jahre alle diese Quellen vereint nach unserer Stadt. Die Gesell- schaft für Wasserversorgung der Stadt Basel, welche be- reits ihren zweiten Geschäftsbericht gedruckt und darin ein Bild der erfreulichen Entwicklung ihres schönen Unterneh- mens niedergelegt hat, sowie die hohen städtischen Be- hörden haben sich um unsere Stadt hoch verdient gemacht, 650 indem sie dem bei deren fortwährender Vergrösserung schon seit längeren Jahren bemerkbar gewordenen Wasser- mangel auf gründliche Weise abgehoïfen haben. Den ver- schiedenartigsten Bedürfnissen ist nun vollständig Genüge geleistet, indem wir nicht nur über eine hinreichend grosse Wassermasse gebieten, welche in Folge des hohen Druckes bis in die obersten Stockwerke der Häuser geleitet und mit Hülfe der durch die ganze Stadt vertheilten Hydranten zum Feuerlöschen, Spritzen der Strassen etc. angewandt werden kann, sondern auch über guies reines Trinkwasser, wie die weiter unten aufgezählten Resultate der chemischen Analyse es beweisen. Nach diesen einleitenden Betrachtungen wende ich mich zur Aufzählung der Zesultate, welche sich mir bei Aus- führung verschiedenartiger analytischer Operationen mit den verschiedenen Wasserquellen ergeben haben. Den er- haltenen Resultaten und den daraus abgeleiteten Betrachtun- gen stelle ich stets die Untersuchungsmethode voraus. 1. Beobachtung der äusseren Eigenschaften, des Ge- ruchs, des Geschmacks und der Farbe. Zur Beobachtung des Geruches wurde etwa "% bis 1 Liter des Wassers, wenn es nicht schon deutlich bei der gewöhnlichen Temperatur roch, gelinde erwärmt. Die Farbe wird am besten in dicker Schichte, zum Beispiel in einem Glascylinder, beobachtet. Nur in wenigen Fällen fand ich solche anffällige äus- sere Merkmale: Geschmack, Geruch oder Farbe, oder alle drei. !ch verweise zuf Tabelle IX. Die hier aufgezählten sieben Sodwasser van drei verschiedenen Quartieren un- serer Stadt zeigten geibliche bis braungelbe Farbe, wider- lichen Geruch und Geschmack. Der Geruch von Kr. b 1 erinnerte an den der Abtrittjauche; besonders auffallend 651 war der von € 1 und © 3, welchen ich am besten mit dem des Phosphorwasserstofigases glaube vergleichen zu kön- nen. Sodwasser a war so stark verunreiniget, dass es beim Umschütteln schäumte. Nr. b 1 und b 2, Nr. e 1, e 3 und c 4 waren trübe; die Trübung bestund im wesent- lichen aus Eisenoxyd und etwas organischer Substanz. Alle sieben Wasser trübten sich beim Erwärmen durch Aus- scheidung von Eisenoxyd, welchem aber nur wenig orga- nische Substanz beigemengt war; das von diesem beim Kochen entstandenen Niederschlage abfiltrirte Wasser war alsdann farblos. Während alle anderen bis jetzt untersuchten Sodwas- ser Basels in uneingedampfter Form höchstens spuren weise auf Eisen reagirten, mit Galläpfelaufguss (Gerbestoff , beim längeren Stehen und beim Zutritt der Luft entweder gar keine oder höchstens eine schwache violette Färbung, und auch mit Rlutlaugensalz höchstens eine leise Färbung nach An- säuern gaben, so reagirten die eben erwähnten sieben stark infizirten, sowie einige wenige auf den Tabellen I bis VII zerstreuten Wasser mehr oder minder stark auf Eisen. Nr. a, Nr. b 1 und Nr. b 2 gaben nach Ansäuern mit etwas Salzsäure einen starken blauen Niederschlag mit gelbem Blutlaugensalz, und einen noch stärkeren mit rothem, was somit auf einen ungewöhnlichen Gehalt an Eisenoxyd und auch an Eisenoxydul hindeutet. Das vom Satze abfiltrirte Wasser Nr. © 1 reagirte nicht auf Eisen; es hatte sich alles Eisen durch das Stehen des Wassers an der Luft in Form von Eisenoxyd ausgeschieden. Nr. C 2 und # reagir- ten spurenweise auf Eisenoxydul, nachdem sie von dem aus Eisenoxyd bestehenden Satze abfitrirt worden waren. Nr. © 3 reagirte spurenweise auf Bisenoxyd und ziemlich stark auf Eisenoxydul. Der auffallende Gehalt an Eisen dieser kleinen Anzahl Sodwasser bei dem nur minimen Eisengehalte unseres Grund- 652 wassers dürfte von verschiedenen Ursachen abzuleiten sein, von welchen ich bloss einige andeuten will. Die Fæces enthalten bekanntlich Eisen; 100 Theile Asche menschlicher Excremente enthielten zum Beispiel nach Porter 222, nach Fleitmann 2"Y,, Theile Eisenoxyd. (Der Harn enthält nur Spuren von Eisen). Aus einer undichten Abtrittgrube oder Dohle wird sonach neben den organischen Stoffen auch Eisen in den umliegenden Boden und, wenn die Umstände (geologische Formation u. s. w.) günstig sind, in das Grund- wasser gelangen. Wenn, was hier geschah, während eini- ger Zeit fleissig mit Eisenvitriol desinficirt wird, so wird eine noch grössere Menge von Eisen die undichte Abtritt- grube verlassen und in den Boden sich verbreiten. Auch die Küchenwasser, in welchen von eisernen Kochgeschirren beim Reinigen abgeschabte Eisentheile niemals fehlen, die durch die mannigfachen, namentlich sauern Zersetzungspro- dukte der im Küchenwasser enthaltenen Abfälle von Spei- sen bald in Lösung übergeführt werden, dürften von den Cisternen oder Versieggruben aus nur allzuoft einen Weg in die Sodschachte finden und zur Vermehrung des Kisen- gehaltes des Wassers etwas beitragen. Es werden auch die von Dohlen, Agden, Abtrittgruben, Ställen etc. aus in den Boden versiegenden organischen Stoffe das in den Ge- röllen reichlich verbreitete Eisenoxyd zu Oxydul reduciren; dieses wird sich mit bei der Verwesung und Fäulniss der organischen Stoffe gebildeter Kohlensäure zu Carbonat ver- einigen, welches sich im kohlensäurehaltigen Grundwasser löst und in die Sode gelangt. Kommt das Wasser hernach mit der Luft in Berührung, so oxydirt sich das Eisenoxydul wieder zu Sesquioxyd, das Wasser nimmt in Folge Bildung eines basisch kohlensauren Eisenoxydsalzes eine gelbe Fär- bung an, trübt sich nach und nach immer mehr und setzt schliesslich alles Eisen als Gxyd ab. Hiermit will ich jedoch nicht so verstanden sein, als 653 ob ich glaubte, dass die gelbe Färbung nur von Eisen- oxyd herrühre; es können ja auch organische Stoffe oder beide deren Ursache sein. Das im Boden befindliche Eisen- oxyd möchte wohl auch direct durch Einfluss organischer Fäulnissstoffe als solches, oder in Form von Verbindungen im Grundwasser gelöst werden. Beim Kochen des Wassers werden die organischen Stoffe zum Theile mit dem sich niederschlagenden Eisenoxyde niedergerissen, so dass ich im Niederschlage der Wasser a, b, ce 3 und c 4 haupt- sächlich Eisenoxyd und etwas organische Substanz, in dem- jenigen der Wasser C 1 und 2 viel organische Stoffe und wenig Eisenoxyd nachzuweisen vermocht habe.*) Was aber beim Stehen eines Eisenoxydulcarbonat haltigen Wassers an der Luft geschieht, das wind auch geschehen, wenn das- selbe einen längeren Weg durch Kiesboden zurückzulegen hat; hier findet es genug Sauerstoff vor, damit sein Eisen- oxydul sich höher oxydire und sein Eisen wird sich in Form vom Oxyd aus dem Wasser im Kiese ablagern. Die Entfernung des Sodes vom Infectionsheerde und die Natur des zwischen beiden befindlichen Terrains spielen eine nicht zu läugnende Rolle. Aus dem nach dem Fassen in einer wohlverschlossenen Flasche aufbewahrten Wasser a seizte sich nach und nach ein starker schwarzer Niederschlag ab, welcher sich als Schwefelsisen erwies, dessen Bildung auf die Weise er- klärt werden kann, dass die im Wasser enthaltenen leicht oxydirbaren organischen Stoffe den vorhandenen Gyps zu Schwefelcalciam reducirten und dieses sich mit dem vor- handenen Eisencarbonate zu Kalkcarbonat und Schwefel- *) Der beim Kochen verunreinigter Sodwasser sich bildende Kesselstein hat hie und da eine bräunlich gelbe bis braune Farbe durch Beimischung von Eisenoxyd oder organischen era oder vön einem Gemische beider, 65% eisen umsetzte. Es möchte sich wohl auch der bei der Fäulniss schwefelhaltiger thierischer Stoffe gebildete Schwe- felwasserstoff direct mit dem in Lösung befindlichen Eisen- oxydul zu Schwefeleisen und Wasser umsetzen. Der Pro- zess geht natürlich nur in verschlossezen Flaschen vor sich, da sich‘ das Schwefeleisen beim Stehen des Wassers an der Luft zu Eisensulfat oxydiren und wieder in Lösung übergehen würde. Ein Absatz von Schwefeleisen deutet somit auf leicht veränderliche faulige organische Stoffe, Gyps oder andere Sulfate, und Eisengehalt; oder auf in Fäulniss begriffene schwefelhaltige organische Stoffe und Eisengehalt, In den auf Tabellen I bis VII verzeichneten Sodwassern setzte sich selbst nach Monaten kein Schwe- feleisen ab. Gleichzeitig mit der Bildung von Schwefel- eisen tritt meist auch freies Schwefelwasserstoffgas auf, welches an seinem characteristischen Geruche zu erken- nen ist. Oft wo uns die chemische Analyse vollständig im Stiche lässt, reagirt noch das Gerüchsorgan. Ich habe Gelegen- heit an einem Sodwasser an der Binningerstrasse (Nr. 19), siehe Tabelle IF, von Zeit zu Zeit den Geruch nach Leucht- gas wahrzunehmen, während es mir nicht möglich war, die Gegenwart dieses Gases auf chemischem Wege zu consta- tiren. Dennoch war der Gasgeruch oft so auffallend, dass Kühe und Pferde dieses Wasser nicht saufen wollten. Wir haben es hier noch immer mit derselben Infection zu thun, welche vor nun sechs Jahren von dem Gasometer der alten . Gasfabrike aus stattgefunden und eine Reihe von Sodwas- sern des Birsigthales in der Steinenvorstadt dergestalt verunreiniget und mit Geruch und Geschmack nach Gas be- laden hat, dass dieselben während längerer Zeit ungeniess- bar waren. Je nach der Witterung (Trockenheit oder Re- genzeit) zeigt sich der Geruch am erwähnten Sodwasser, welches ich periodisch beobachte und auf den Gehalt an 655 festen Sioffen und organischen Verunreinigurgen untersuche, in stärkerem oder geringerem Maasse, verschwindet zeit- weise auch ganz. Unstreitig ist der Gerüllboden noch jetzt mit theerartigen Stoffen durchzogen, welche ziemlich zähe am Gerölle anhaften, und daher vom Grundwasserstrome nicht oder nur sehr wenig fortgeschwemmt werden, son- dern zwischen dem Gerölle oder auf dem blauen Letten anhaftend bleiben; wohl aber werden die in ihnen absor- birten Gasreste nach und nach vom Grundwasser gelöst. Dass die am nächsten gelegenen Sode mehr beeinflusst wer- den als die weiter entfernten in der Steinenvorstadt, möchte seinen Grund in der allmähligen Oxydation dieser Sase durch die im lockeren Gerölle enthaltene Luft haben, wess- halb der Gehait des Grundwassers an Gasen um so mehr abnimmt, je grösser die Entfernung des Sodes vom Infec- tionsheerde ist. Natürlich hängt es auch von der grösseren oder geringeren Ansammlung dieser theerigen Rückstände im Boden ab, ob die Sode hier mehr dort weniger verun- reiniget werden. Auch Capillaritätserscheinungen dürften eine nicht unwichtige Rolle spielen. Dass sich stets eine, wenn auch geringe Menge der theeriger Stoffe im-Grund- wasser lösen wird, darf herzhaft angenommen werden, wenn es auch im Verhältniss zur Wassermenge nur Spuren sind. Wie alle organischen Stoffe, so werden auch diese eine allmälige Zersetzung erleiden und da wo Luft Zutritt hat und sie nicht vom Grundwasser bedeckt sind, allmälig der Verwesung anheimfallen; doch möchten Jahrhunderte vergehen, bis mit diesen Infectionsmassen vollständig auf- geräumt sein wird, IH, Trübung, Trübes Wasser wurde stets filtrirt und nur filtrirtes Wasser zur Untzrsuchung verwendet. Der auf dem Filter 656 bleibende Satz wurde einer chemisch-mikroscopischen Un- tersuchung unterworfen, wodurch aber bloss der allgemeine Character ermittelt werden sollte, und wobei sich die ver- schiedenartigsten Formtheile dem Auge darboten, wovon ich namentlich Holzfasern, Cuticulafetzen von Pflanzen, In- fusorien, Pilzfäden und zahlreiche graulich-gelbliche bis bräunlich-gelbe Flocken erwähne, welche letztere ich im Satze einer grossen Zahl von Sodwassern vorgefunden habe. Es sind mir Wasser vorgekommen, welche erst nach mehr- stündiger Ruhe, ja oft erst nach 12 und mehr Stunden die fein suspendirten Theilchen in Form grösserer lockerer Flocken fallen lassen. In manchen Wassern bestund der Satz zum grossen Theile aus Eisenrost, das vom Pump- werke herrühren wird. Lehrreicher als die chemisch-mikroscopische Unter- | suchung der im Wasser suspendirten Theile ist diejenige des Brunnenschlammes, wie sie L. Radlkofer in München vorgenommen hat, wie sie aber leider für Basel noch voll- kommen fehlt. Radikofer hat bei seiner Untersuchung des Schlammes von vier Brunnen eine Masse von organischen Formtheilen nachgewiesen, die zum Theile fremdartige, nur zufällig von aussen herbeigeführte Beimengungen genannt werden müs- sen, zum Theile aus der unmittelbaren Umgebung des Brun- nens stammen, zum Theile auch als wesentliche organische Beimengungen von im Wasser des Brunnens lebenden Or- ganismen zu betrachten sind. Sicher beeinflusst die Be- schaffenheit des Schlammes auf dem Grunde eines Brunnens den Gehalt des darüber stehenden Wassers an organischen und unorganischen Substanzen, somit die Güte des Trink- wassers. Es ist einleuchtend, dass der in jedem Sodschachte nach und nach sich ansammelnde Schlamm von Zeit zu Zeit entfernt werden muss, und dass Sodschächte, welche seit 20 bis 166 Jahren nicht mehr gereiniget wurden, deren 657 Schlamm sich von Generation zu Generation forterbt, und welche in freundnachbarlicher Beziehung zu einer undich- ten Abtrittgrube stehen, nach und nach ein Wasser liefern, das nichts weniger als rein und sanitarisch zuträglich ge- nannt werden kann. Solche Fälle kommen hier vor, wo man hie und da eine Lobrede auf eine „besonders vorzüg- liche“ Abtrittgrube hören kann, weil der Eigenthümer sie gar nie zu leeren brauche, indem ihr Inhalt sich von seibst nach unten, nach rechts oder links ergiesst. im Kleinbasel zum Beispiel kamen Sode vor, welche im Dezember 1865 2 bis 4 Zoll hoch Schlamm enthielten. Sobald ein Wasser trübe ist, befindet es sich in einem sehr verdächtigen Zustande, denn die Trübung kann Dinge enthalten, welche spezifisch schädlich wirken. Rührt die Trübung bloss von Eisenrost her, nun so fehlt etwas am Pumpwerke und der Fehler ist dadurch zu verbessern, dass die einzelnen Theile desselben auseinandergenommen und gereiniget werden. Besteht sie aber aus todten oder leben- den organischen Theilen, so ist eine gründliche Reinigung des Brunnschachtes nöthig, welche dadurch geschehen kann, dass man den Schlamm und das Wasser tüchtig unterein- ander rührt und dann mit einem Locomobil wenn möglich die ganze Menge des im Schachte vorhandenen Wassers auspumpt, was am besten bei niederem Stande des Grund- wassers möglich sein wird. Hierauf lässt man das Wasser sich wieder ansammeln, rührt wieder den Rest von Schlamm und das Wasser durcheinander und pumpt nochmals aus. Die Reinigung aber, wie sie gewöhnlich vorgenommen wird, geschieht leider nur zu oft auf ungenügende und oberfläch- liche Weise. | Mag nun die Frage: „ob nur die fauligen, vom Wasser nicht mehr gedeckten, aber angefeuchteten organischen Stoffe „im Boden, nach Herrn Prof. von Pettenkofers Annahme, „oder ob auch der unmittelbare Genuss des mit unreinen 658 „Stoffen beladenen Grundwassers, nach den Ansichten An- „derer, die Entstehung und Verbreitung von Tyzhus und „Cholera veranlasse“, so oder anders beantwortet werden, so wird doch gewiss Jedermann ein klares Brunnwasser einem trüben mit Schlammtheilen erfüllten, lebende und todte organische Stoffe enthaltenden Wasser vorziehen. Ueberdiess müssen wir, da die Frage, wie sich das im Bo- den entwickelnde Gift, zu dessen Annahme wir nach den sorgfältigen Beobachtungen einer Reihe von Forschern be- rechtigt sind, verbreite und den Menschen inficiren könne, noch lange nicht gelöst ist, um so vorsichtiger sein, und alles vermeiden, was nur im geringsten dem natürlichen Reinlichkeitsinstincte widerspricht. Ueberdiess sind wir ja jetzt im Besitze des vorzüglichen Grellingerwassers, das mit verhältnissmässig geringen Kosten in jedes Haus gelei- tet werden kann. Ansser den lebenden microscopischen Organismen des Brunnschiammes, über deren Schädlichkeit oder Unschäd- lichkeit wir blosse Vermuthungen auszusprechen vermögen, sind unstreitig auch die todten, in Fäulniss begriffenen or- ganischen Stoffe zu befürchten, denn aus diesen bilden sich beim Zerfalle, der dem Tode sofort folgt, eine Masse neuer organischer Producte, welche sich im Wasser lösen und demselben, wenn sie in grösserer Menge sich bilden, einen übeln Geschmack und Geruch zu ertheilen vermögen, und ihm das Gepräge eines eigentlich fauligen Wassers geben. Durch den im Grundwasser, in der Bodenluft und in dem im Gerölle verbreiteten Eisenoxyd (und Manganoxyd) enthaltenen Sauerstoff erleiden sie wohl zum Theile eine günstige Veränderung durch Oxydation, doch kann die ver- hältnissmässig nur geringe Sauerstoffmenge eine grössere Masse solcher organischen Stoffe nicht bewältigen. Nur ein einziges Mal zeigte das Wasser eines Lochbrun- nens eine schwache Trübung, nämlich in den letzten Zeiten 659 das des Marktplatzbrunnens, während bei den Sodwassern der srossen und kleinen Stadt nur allzu oft Trübungen vorka- men. Unter den von auswärts in die Stadt geleiteten Quell- wassern kam namentlich beim Bottmingerwerk hie und da Trübung durch erdige Theile vor. Ferners war das Wasser des Steinenwerks schon zu wiederholten Malen stark trübe durch rothbraune Fetzen, welche aus dem Abflusscanale einer naheliegenden Papier- fabrike durch seitliche Infiltrationen in die Quelle gelangt waren und dem Wasser eine schleimige Consistenz gaben. Während Trübungen durch erdige Theile sich bald auf dem Boden der Flaschen absetzen, sind solche organische Verunreinigungen höchst widerlicher Art und machen das Wasser ungeniessbar. Sonst aber zeichnen sich unsere von auswärts in die Stadt geleiteten Quellwasser durch Klarheit vor einer grossen Zahl von Sodwassern aus. III, Reaction auf Schwefelwasserstofigas und dessen Verbindungen. Hierzu wurde ‘, bis ! Liter Wasser in einem Kölb- chen, worauf ein Pfropf sass, durch welchen eine fein aus- gezogene Röhre gesteckt war, welche dicht unter dem Korke mündete, und über deren Spitze ein mit einer essigsauren Bleioxydauflösung getränktes Papier ausgespannt war, zuerst allein und dann nach Ansäuerung mit etwas Salzsäure er- wärmt. Wenn freies Schwefelwasserstoffgas vorhanden ist, so wird es durch blosses Erwärmen ausgetrieben und der Bleistreif wird gebräunt, sind aber Schwefelwasserstofigas- verbindungen da, so zeigt sich erst beim Erwärmen des angesäuerten Wassers die Bräunung des Bleistreifs. Sind beide, freier und gebundener Schwefelwasserstoff, vorhan- den, so wird, wenn das Wasser so lange für sich allein 660 erwärmt wurde, als noch Bräuaung des Streifs sich zeigte, hernach beim Erwärmen mit Salzsäure eine neue Bräunung verursacht: *) Man kann das Gas auch in eine alkalisch gemachte Bleiacetatlösung leiten, welche die geringste Spur von Schwefelwasserstoff durch eine geringere oder stärkere Färbung anzeigt. Ich hatte mir früher vorgestellt, dass wohl in einer grösseren Anzahl von durch städtische Infectionsheerde beeinflussten Sodwassern Schwefelwasserstoff oder dessen Verbindungen vorhanden seien, wurde aber durch die Re- sultate meiner Untersuchungen anders belehrt. Es zeigte sich nämlich dieses Product der Fäulniss schwefelhaltiger organischer Stoffe oder der Zersetzung schwefelsaurer Salze durch organische Stoffe nur in einzelnen wenigen Sodwas- sern, so zum Beispiel im Sodwasser Nr. 11 der Tabelle II A, welches stark nach faulen Eiern roch und an der Luft eine Trübung von Schwefel zeigte, im Uebrigen aber nicht sehr stark verunreiniget war, obgleich dieser Sod eine Reihe von möglichen Infectionsheerden und zwar drei Abtrittgruben, zwei Cisternen und einen Jauchebehälter, theils zu nächsten Nachbaren hatte. Es war mir sehr auffallend, dass dieses Wasser kei- nen stärkeren Gehalt an organischen Fäulnissstoffen zeigte, nicht stärker auf Nitrite reagirte, und nicht gefärbt war. Von den stark durch Fäulnissstoffe verunreinigten Was- sern der Tabelle IX reagirten nur zwei auf freies Schwe- felwasserstoffgas, nämlich Nr. a schwach und b 2 ziemlich stark, ein einziges Nr. a reagirte etwas auf gebundenes. *) Schon die leiseste Färbung des Bleistreifs ist zu beachten ; die Reaction ist jedenfalls höchst empfindlich, und der Schwefelwas- serstoff dürfte kaum mit einem andern Gase in vorliegendem Falle zu verwechseln sein, 661 Ein Wasser braucht also durchaus nicht Schwefelwas- serstoff zu enthalten, um „durch thierische Fäulnissstoffe verunreiniget“ genannt werden zu müssen. Der Schwefel- wasserstoff ist ja ein, sowohl durch wechselseitige Zer- zetzung mit anderen Körpern, als auch durch Oxydation sehr leicht zerstörbarer Körper. Das Wasser der Tabelle IX b 1 mag desshalb keinen Schwefelwasserstoff enthalten, weil derselbe durch einen anderen Körper, das Eisenoxyd, zerstört, das heisst weil dessen Wasserstoff oxydirt und der Schwefel theils als solcher, theils als Schwefeleisen ausge- schieden wurde. | Befindet sich ein Sod in unmittelbarer Nähe einer Dohle, einer Abtrittgrube oder einer Cisterne, dann ist mehr Grund vorhanden, dass das Wasser Schwefelwasserstoff enthalte, als wenn die Entfernung des Sodes von dem Infections- heerde eine grössere ist. Im ersteren Falle ist die Zeit der Wanderung der flüssigen organischen Stoffe durch den Boden bis zum Grundwasser zu kurz, als dass der Schwe- felwasserstoff total zerstört werden könnte, im letzteren Falle aber dauert die Einwirkung des atmosphärischen Sauer- stoffes im Kiesgerölle, sowie diejenige der Sauerstoff ab- gebenden Oxyde, lange genug, um auch die letzte Spur von Schwefelwasserstoff zu tilgen. Dass in der zahlreichen Klasse von Gypshaltigen durch urganische Stoffe verunreinigten Sodwassern, namentlich der grossen Stadt, kein Schwefelwasserstoff vorkommt, scheint ein Beweis dafür zu sein, dass die darin enthaltenen orga- nischen Körper zu wenig thätiger chemischer Natur sind, um den Gyps zu Schwefelcalcium reduciren zu können, welches seinerseits erst durch das Kohlensäure haltige Wasser in kohlensauren Kalk und Schwefelwasserstoffgas verwandelt wird. Die Ursache aber der geringeren Thätigkeit der or- ganischen Stoffe, welche aus unserem städtischen Terrain in das Grundwasser gelangen, möchte zum Theil wohl da- 662 rin liegen, dass bei dem meist lockern Kiesboden, worauf unsere Stadt steht, eine genügende Menge Luft vorhanden ist, um die infitrirten organischen Stoffe, ehe sie in das Grundwasser gelangen, in Verwesung überzuführen, wobei weniger thätige Producte wie bei der Fäulniss auftreten, indem sich solche von immer grösserem Kohlenstoff- und geringerem Wasserstoffgehalte bilden. Was vom Sauer- stoffe der Bodenluft gilt, das gilt auch von dem 3ten Atome Sauerstoff des Eisensesquioxydes, weiches in unserem Ge- rölle nie fehlt. Wenn namentlich jene tiefen Gruben, die höchst selten oder nie geleert worden sind, nicht vollständig ausgeroltet werden, so wird sich der Boden immer mehr und mehr mit thierischen Abfällen schwängern und der Sauerstoff der Bodenluft wird nicht mehr im Stande sein, die enorme Masse von Unrath zu bewältigen; es wird der Boden zu einem wahren Heerde der „Fäulniss“ werden und die Fäulnissproducte werden massenhaft in die Sode gelangen und das Wasser verpesten; und dann wird dieses neben anderen Fäulnissproducten auch Schwefel- wasserstoflgas und dessen Verbindungen enthalten. Was jetzt meist nur durch chemische Analyse ermittelt werden kann, „dass nämlich eine Verunreinigung durch organische Stoffe stattgefunden hat“, das wird sich dann schon der Nase und dem Gaumen durch eckelerregenden Geruch und Geschmack kundgeben. Die Abwesenheit von Schwefel- wasserstoff in unseren Sodwassern ist ein Trost für uns, indem die Infection des Bodens und des Grundwassers ich möchte sagen erst im Stadium der ,Verwesung“ der organi- schen Infectionsstoffe steht; hüten wir uns aber davor, dass nicht das zweite Stadium eintrete, nämlich dasjenige der Fäulniss, wo dann, falls auch keine neue Verunreinigung mehr stattfände, die nachfolgenden Generationen diese Ver- pestung des Wassers so lange ruhig ertragen -müssten, bis die ganze Masse des Unrathes im Boden durch die lang- 663 same Ausschwemmung durch das Grundwasser und durch die langsame Einwirkung des Sauerstoffes vertilgt sein würde. Sorgen wir lieber jetzt schon dafür, dass dieser Fall nie eintreten kann, sdogtiren wir das von Herrn Prof. Max v. Peltenkofer vorgeschlagene Fässersystem (siehe dessen Gutachten an die hohe Behörde von Basel „über die Kanalisirung der Stadt Basel”) und entfernen wir aus den Häusern so oft wie nur möglich diese gefährlichen Abgänge; sorgen wir aber anderseits auch für Belehrung unserer Landieute über den Werth des Düngers, welchen sie leider noch so wenig kennen, dass sie den Dünger meist nur gegen Belohnung abführen wollen. So lange aber nech die Abtrittgruben existiren, hat jeder Hausbesitzer die heilige Pilicht über den Zustand seiner Grube zu wachen, denn er ist es nicht nur sich, son- dern auch seinen Nachbaren und den in grösserer Entfer- nung wohnenden schuldig. Der eigene Sod kann oft, wenn er auch unmittelbar neben der Grube sich hefindet, ganz reines Wasser liefern, während das Sodwasser eines Nach- barhauses, ja ferne gelegener Häuser verunreiniget wird. Es kommt eben auf die iocale Beschaffenheit des Bodens, die Neigung der Schichten und das Gefälle des Grundwas- sers an. Natürlich wird von einer einzelnen Abtrittgrube eine verhältnissmässig geringe Verunreinigung bewirkt; wenn aber alle Hausbesitzer gleich nachlässig sind, so treten grosse Mengen von Faeces, Urin, Küchenwasser u. s. w. aus all den Gruben in den Boden und in dasselbe Grundwasser ein. Nehmen wir durchschnittlich für einen Menschen täglich nur drei Pfunde feste und flüssige Excremente an, so wird uns klar sein, welche enerme Menges dieses Unrathes die Bevölkerung Basels jährlich dem Boden überliefert, wo Ver- wesung oder gar Fäulniss eine Unmasse neuer Producte entstehen macht. Auch Capillarerscheinungen wirken mit, so dass auch m 43 664 aus diesem Grunde die zu grosse Nähe des Sodes und der Gruben jetziger Construction entschieden zu verwerfen ist. Das Grundwasser gewisser Quartiere, Strassen oder Häuser ist eben ein Gemeingut aller der hier Wohnenden, über dessen Erhaltung in reinem Zustande zu wachen sich die hohe Sanitäts- und Baubehörde zur Aufgabe gestellt hat. Erst wenn wir das Grundwasser als ein öffentliches Gut aufzufassen beginnen, wenn wir uns die allgemeine Gefahr stets vor Augen halten, welche durch dessen Verunreinigung noth- wendigerweise eintrelen muss, dann haben wir den ersten Schritt zur Vermeidung einer ferneren Infection desselben gethan. Was unsere Vorfahren durch Unkenntniss verdorben haben, das müs- sen und wollen wir wieder lanasam gut zu machen suchen. Die Wissenschaft hat uns über die Exwisienz eines grossen Uebels belehrt, machen wir ihre Erfahrungen zu einem Segen für die kommenden Generationen. IV, Reaction auf Ammoniak und dessen Verbindungen. Ein höchst feines Reagens ist das von J. Nessler, eine kalihaltige Auflösung von Kalium-Quecksilberjodid, weiches, wenn ein Wasser auch nur äusserst geringe Mengen Am- moniak oder Ammonsalz enthält, eine gelbe Färbung ver- ursacht, herrührend von der Ausscheidung von Jodqueck- eilberammonium {N Hg J, 2 HO). Ich füllte einen Cylinder mit dem Wasser an und fügte etwa 30 Tropfen des Rea- gens hinzu, wobei bei allen untersuchten Wassern höch- stens eine schwache Färbung sichtbar wurde. Zur deutli- cheren Wahrnehmung der Färbung des Niederschlages stellte ich daneben einen zweiten gleich grossen Cylinder mit dem Wasser allein gefüllt auf. Ausserdem wandte ich zur Nach- weisung der äusserst geringen Ammonmengen, welche in na- türlichen Wassern vorzukommen pflegen, die Quecksilber- chloridlösung an, von welcher einige Tropfen zu einem Was- 665 ‚ser gesetzt, welches eine Spur freies oder kohlensaures Ammon enthält, mindestens eine weisse Opalisirung verur- sachen, namentlich nach Zusatz einiger Tropfen einer Lö- sung von kohlensaurem Kali oder von kohlensaurem Natron, wodurch auch in Wasser, welches nur eine Spur eines neutral reagirenden Ammonsalzes enthält, Opalisirung ein- tritt. Es gaben mit Quecksilberchloridlösung nach Zusatz von kohlensaurem Kali folgende Reactionen: Wasser des Lochbrunnens am Gerberberg, 6. Nov. 1866: weisse Opalisirung. Wasser des Lochbrunnens beim Stadthause, 6. Nov. 1866: sehr schwache weisse Opalisirung. Wasser der Goldquelle am Birsig (Steinenvorstadt), 5. Juni und 7. Dezember 1866: weisser Niederschlag. Wasser des Sodes Nr. 56 Freienstrasse, 7. Dezember 1866 : weisser Niederschlag. Wasser des neuen öffentlichen Sodes an der Theaterstrasse, 6. November 1866: keine Reaction. Wasser des öffentlichen Sodes in der Steinenthorstrasse, 7. Dezember 1866: weisser Niederschlag. Wasser des Sodes von Nr. 19 Binningerstrasse, 26. Juli 1866: keine Reaction. Wasser des Sodes von Nr. 12 Gerbergasse, 28. Mai 1866: weisser Niederschlag. Wasser des Sodes von Nr. 34 am Blumenrain, 6. Sept. 1866: weisser Niederschlag. 45” 666 Wasser des öffentlichen Sodes in der St. Johannvorstadt, . 7. Dezember 1866: spurenweise Opalisirung. Wasser des öffentlichen Sodes „Wilhelm Tell“ (Aeschen- vorstadt), 7. Dezember 1866: spurenweise Opalisirung. Wasser des öffentlichen Sodes bei der Schmiede in der Aeschenvorstadt, 13. Dezember 1865: spurenweise Opalisirung. Wasser des Sodes Nr. 5 Clarastrasse, 29. November 1866: weisse Trübung. Wasser des ôffentlichen Sodes an der oberen Rebgasse, 15. Dezember 1865: keine Reaction. Wasser des öffentlichen Sodes an der Utengasse, 15. De- _ zember 1866: ; keine Reaction. Wasser der Quellen von Grellingen und Angenstein, ver- einiget, 6. November 1866: sehr schwache Opalisirung. Wasser des St. Margarethenwerks, 7. April 1866 und 28. Nov. 1865: keine Reaction. À Wasser der Quellen von Bottmingen, Juli 1866: keine Reaction. Wasser der Riehenquellen, 23. Dezember 1865: keine Reaction. Wasser des Spahlenwerks, 6. Dezember 1865: keine Reaction. + 667 Wasser des Rheines, Mitte des Stromes (obere Fähre), 3. Februar 1866: keine Reaction. Wasser der Wiese, 6. November 1866: keine Reaction. In den stark inficirten, auf Tabelle IX verzeichneten Sodwassern, entstunden folgende Reactionen: Wasser des Sodes von Nr.11 Centralbahnplatz, 14. März 1866 sehr starker Niederschlag von schwarzer Farbe, Quecksilberchlorid - Quecksilber- amid enthaltend, zum grössten Theile aber aus Schwefelquecksilber bestehend. Wasser des Sodes von Nr. 33 Rheingasse, 14. März 1866: starke weisse Trübung. Wasser des Sodes von Nr. 23 Rheingasse, 14. März 1866: starke weisse Trübung. In 15 Fällen gab sonach das Grundwasser: 4 Male keine Reaction auf Ammonverbindungen, 3 +: eine spurenweise Reaction, 2 „ eine sehr schwache Reaction, 6 „ eine stärkere, aber immerhin noch schwache Reaction. Das von auswärts in die Stadt geleitete Quellwasser reagirte in sechs Fällen: > Male gar nicht, i ; spurenweise. Rhein- und Wiesewasser reagirten gar nicht auf Am- monverbindungen, während die stark infizirten zum Ge- nusse ganz untauglichen drei Sodwasser aus Tabelle IX sehr deutliche Reactionen zeigten, und gleichzeitig das eine derselben auf Schwefelwasserstoff reagirte. 668 Die Zahl der Untersuchungen scheint mir noch eine zu geringe zu sein, um irgend welche endgültigen Schlüsse daraus ziehen zu dürfen. Auch wird wohl ein und dasselbe Wasser mit den beiden erwähnten Reagentien zu verschie- denen Zeiten verschieden starke Reactionen geben. Es ist anzunehmen, dass ein Wasser, welches sonst nicht durch stickstofhaltige organische Stoffe verunreiniget wird, nach und nach die ihm von Natur her eigenen geringen Mengen Ammoniak durch den Einfluss des im Wasser gelösten Sauerstoffes immer mehr und mehr verlieren wird, indem sich aus dem Wasserstoffe Wasser und aus dem Stickstoffe durch die salpetrige Säure hindurch endlich Salpetersäure bildet. Auch der Sauerstoff der Bodenluft und der schon mehrmals erwähnten Oxyde spielt eine Rolle. Wenn aber das Grundwasser durch irgend welche städtische Infections- heerde beeinflusst wird, so enthält es eine, wenn auch nur geringe, so doch nachweisbare Menge von Ammeniak, wel- ches sich durch Zersetzung der stickstoffhaltigen organi- schen Substanzen gebildet hat. Läuft dann ein selches ver- unreinigtes Wasser auf einem kurzen Wege in einen Sod- schacht, so werden wir auch dort das Ammoniak nachzu- weisen vermögen; hat es jedoch eine längere Strecke Weges durch lockeren Geröllboden zurückzulegen, so oxydirt sich das Ammoniak, an dessen Stelle wir dann eine entsprechende Menge von salpetriger Säure oder gar von Salpetersäure antreffen. Grossen Werth wird Niemand, vom sanitarischen Stand- punkte ausgehend, auf solche geringe Mengen oder gar nur Spuren von Ammoniak legen, obgleich sie geolegisch-che- misches interesse bieten, als Ueberreste eines der Zwischen- glieder der Nitratbildung aus organischen Stoffen. Von grös- serer Wichtigkeit scheint mir, in sanitarischer Beziehung, das Resultat einer weniger scharfen Methode der Nachwei- sung freien und gebundenen Ammoniaks zu sein, ich meine 669 die Prüfung mit Hülfe des rothen Lacmus- oder des gelben Curcumapapieres. Zu diesem Zwecke erhitzte ich etwa Y, bis {2 Liter des betreffenden Wassers in einem Kölbchen mit aufgesetztem Korke und durchgesteckter fein ausge- zogener Röhre zuerst für sich allein und hielt dicht über die Ceffnung der Röhre einen angefeuchteten rothen Lacmus- oder Curcumasireif; bei Anwesenheit einer für Trinkwasser unnormalen Menge von freiem Ammoniak färbt sich der erstere blau, der letztere bräunlich bis braun. Ich stellte mit alien auf den Tabellen angeführten Wassern diese Prü- fung an, erhielt aber nur in einem einzigen Falle, bei dem auf Tabelle IX verzeichneten stark infizirten Sodwasser c 3 eine, und zwar starke Reaction. Alsdaun erwärmte ich eine zweite Portion desselben Wassers mit etwas Aetzkalilösung und prüfte wieder mit dem Papiere. Hierbei erhielt ich folgende Reactionen: Keine mit dem Wasser der Lochbrunnen, eine spuren- weise Reaction mit dem durch eine Dohle beeinflussten Sod- wasser von Nr. 12 Gerbergasse, siehe Tabelle II Nr. 10; eine geringe mit dem “odwasser siehe Tabelle Il Nr. 14, dessen Beeinflussung durch thierische Infectionsheerde eben- falls erwiesen ist, wesshalb es gar nicht mehr benützt wird, eine ziemlich starke Reaction mit dem Sodwasser von Nr. 31 Utengasse, siehe Tabelle IV Nr. 16 a, dessen Verunreini- gung durch eine Dohle sicher ermittel6”wurde und welches eine sehr deutliche geibe Färbung besass. Weder in den auswärtigen Quell-, noch in den Bach- und Fiusswassern konnte ich auf diese Weise Ammoniak oder dessen Verbindungen entdecken; wohl aber zeigten die stark infizirten Sodwasser der Tabelle IX eine geringe bis ziemlich starke Reaction. Hieraus und aus den übrigen Ergebnissen meiner Ar- beit leite ich die Sätze ab: 670 1) Alle bisher untersuchten Wasser Basels, welche auf die beschriebene Weise auf Ammoniak reagir- ten, waren in mehr oder minder starkem Grade durch organische Stoffe städtischer Infectionsheerde verunreiniget. 2) Aber nicht alle Wasser,- welche durch solche städtische Infectionsheerde beeinflusst und durch organische Stoffe verunreiniget sind, enthalten eine genügende Menge Ammoniak, um dasselbe auf die beschriebene Weise entdecken zu können. Jedes Wasser, welches so auf Ammoniak reagirt, ist für mich mit Bezug auf Reinheit höchst verdächtig; doch erlaube ich mir nicht aus diesem Verhalten allein ein Ur- theil zu fällen, sondern werde nur um so eher zu noch anderen Reactionen (auf organische Stoffe etc.) veranlasst. V, Reaction auf salpetrige Säure und auf Salpetersäure. Zur Prüfung auf diese beiden Stoffe wendete ich Scheen- bein’s vortreffliche Methode mit Jodkaliumstärkekleister und reiner verdünnter Schwefelsäure an. Es wurden in zwei Cylinder von gleichen Dimensionen zwei genau abgemessene gleich grosse Portionen (100 bis 200 Cubikcentimeter) des zu untersuchenden Wassers gefüllt, nachdem die eine der- selben während 5 Minuten nach Schenbein’s Vorschrift mit Zinkamalgam zur Reduction der Nitrate zu Nitriten ge- ‚schüttelt worden war. Hierauf wurden zu beiden Portionen dieselben Mengen von Stärkekleister, Jodkaliumlösung und verdünnter Schwefelsäure gefügt und umgeschüttelt, worauf in beiden Cylindern zu gleicher Zeit sofort, nach 10 Minu- ten und nach 25 Minuten die Färbung der Flüssigkeiten beobachtet wurde. Die Reagentien waren vorher sorgfältig auf ihre Reinheit geprüft worden. Aus der Differenz der 671 Intensität der Färbungen in beiden Portionen schloss ich auf die Anwesenheit von Salpetersäure neben salpetriger Säure. | War in beiden Cylindern die Färbung so stark, dass dem Auge kein Unterschied in derselben bemerkbar wurde, so verdünnte ich beide mit einer gleich grossen Menge Wassers in dem Maasse bis die Nüance helle genug war, um einen Unterschied wahrnehmen zu können. — Länger als 5 Minuten darf das Zinkamalgam nicht mit einer auf Nitrat zu prüfenden Flüssigkeit geschüttelt werden, da sonst eine weitere Reduction der Nitrite stattfindet. — Wie aus den näheren Angaben auf der Tabelle VIil erhellt, ist die Vorsicht sehr am Platze die Beobachtung über 10 Minuten und noch mehr auszudehnen, da ja namentlich in verdünn- ten Lösungen die Körper nur allmälig auf einander ein- wirken und die Reactionen sich nicht immer sofort, wenig- stens nicht mit der entsprechenden Intensität, einstellen. Die Jodstärkereaction in Sonderheit wird (siehe meine Notiz in diesen Verhandlungen 1862, Seite 437 —A44: „über eine die Jodstärkereaction maskirende (verlangsamende) Eigen- schaft gewisser unorganischer Substanzer“) durch die An- wesenheit gewisser Stoffe bedeutend verzögert. Seitdem Schenbein in allem Regen- und Schneewasser salpetrigsaures Ammoniak nachgewiesen und die Allgegen- wart dieses Körpers, der Nitrite überhaupt, in der gesamm- ten Natur ermittelt hat, sind wir daran gewöhnt in jedem Wasser sowohl salpetrige Säure als auch Salpetersäure, natürlich an verschiedene Basen gebunden, anzutreffen. Doch schien es mir erwünscht eine grössere Zahl der verschieden- artissten Wasser auf Nitrite und Nitrate zu prüfen und die Frage zu lösen, ob sich die verschiedenen Trinkwasser un- serer Stadt von einander mit Bezug auf die Menge dieser beiden Körper unterscheiden. In den Colonnen Xli und XIIL der Tabellen I bis und mit VIl, sowie in den Co- 672 lonnen XIX und XX der Tabelle IX findet sich die Stärke der Nitritreaction mit Jodkaliumstärkekleister und Schwe- felsäure und diejenige der Nitrit- plus Nitratreaction mit ebendenselben Reagentien, aber nach Reduction der Nitrate zu Nitriten mit Zinkamalgam, angegeben. Wo die Nitrit- und die vereinigten Nitrit- und Nitrat- reactionen gleich stark sind, da kann man nur Nitrite als vorhanden annehmen; da jedoch diese Schätzung nicht An- spruch auf sehr grosse Schärfe machen kann, so können Spuren von Nitrat übersehen werden. Da wo keine Reac- tion auf Nitrite entsteht, aber eine geringere oder grössere Bläuung in der mit Zinkamalgam geschüttelten Wasser- probe sich zeigt, da fehlen die Nitrite, wohl aber sind Nitrate vorhanden. Erhält man nach und vor der Reduction Reactionen, so lässt sich dadurch ungefähr das Verhältniss der Menge von Nitriten zur Menge von Nitraten abschätzen, dass man die dunkler gefärbte Portion, deren Färbung den Nitriten- plus Nitraten entspricht, so weit mit Wasser ver- dünnt bis die Stärke der Bläuung derjenigen der Nitritreac- tion gleichkommt. Aus der zur Herabstimmung der Farb- intensität nöthigen Wassermenge lässt sich approximativ der Mehrbetrag der Färbung und hieraus das Verhältniss von Nitrit zu Nitrat berechnen. Angenommen, man habe zum Beispiel, um die der Nitrit- plus Nitratreaction entsprechende undurchsichtige Bläuung auf die schwache bläuliche Färbung, welche nur Nitrit entspricht, herabzu- drücken, die mit Zinkamalgam behandelt gewesene Portion auf ihr dreifaches Volum mit Wasser verdünnen müssen, so geht hieraus hervor, dass die Farbintensität der Ni- tritreaction zu der der Nitrit- plus Nitratreaction sich wie 1 zu 3 verhält, und folglich auf je zwei Theile Salpeter- säure nur ein Theil salpetrige Säure im Wasser enthal- ten ist. Die näheren Angaben über die zu drei verschiedenen 673 Zeiten beobachteten Reactionen finden sich auf Tabelle VIII a und b verzeichnet. Wir ersehen daraus, dass der Ge- halt der verschiedenen Wasser an Nitriten und Nitraten ein sehr verschiedener ist. Die Lochbrunnwasser reagirten in 22 Fällen 13 Male gar nicht bis höchstens schwach, in 9 Fällen ziemlich bis sehr stark auf Nitrite, die Sodwasser Grossbasels sehr ver- schieden, die eine Hälfte gar nicht bis höchstens schwach, die andere Hälfte ziemlich stark bis sehr stark, ebenso die Sode Kleinbasels; die auswärtigen Quellwasser reagirten meist nur spurenweise, zur Seltenheit, stärker, die Sode zweier umliegenden Ortschaften unterschiedlich, die Fluss- wasser meist nur schwach, die stark infizirten Sodwasser verschieden. Hinsichtlich der vereinigten Nitrit- und Nitratreaction reagirten die Lochbrunnwasser ohne Unterschied ziemlich stark bis sehr stark, die Sode Grossbasels nur in vier einzelnen Fällen schwach, sonst immer (in 60 Fällen) ziem- lich stark bis sehr stark, die Sode Kleinbasels immer min- destens ziemlich stark, meist sehr stark, dito die Quell- wasser von auswärts, die Sode zweier umliegenden Ort- schaften nur einmal schwach, sonst fast immer stark, die Flusswasser nur in einem Falle sehr schwach, sonst bis sehr stark, die stark infizirtenSodwasser schwach bis sehr stark. Nirgends fehlen die Nitrate, ja selbst in ausgezeichne- ten Queilwassern erhalten wir zum Theile starke Reactio- nen. Die Nitrite sind oft in minimer, oft gar nicht, oft in srösserer Menge vorhanden, je nach der Herkunft des Wassers. Unmöglich können allgemeine Sätze über den Gehalt eines Wassers an Nitriten und Nitraten aufgestelit werden; das aber hat sich mir bei meinen Untersuchungen ergeben, dass reine Quellwasser höchstens eine schwache Reaction 674 auf Nitrite geben, meist nur eine spurenweise oder gar keine. In den zwei Fällen, wo eine stärkere Reaction er- halten wurde, haben wir es entweder mit einer noch un- gefassten Quelle (Kr. 4, 1 a siehe Tabelle V) oder mit dem durch eine städtische Leitung und möglicherweise von irgendwoher etwas verunreinigten Wasser (Nr. 6 b 3 siehe Tabelle V) zu thun. Die schon im Regenwasser enthalten gewesene Menge von salpetriger Säure und diejenige, welche das hernach dureh den Boden rieselnde Wasser aus diesem aufnimmt, wird nach und nach durch den im Wasser gelöst enthal- tenen Sauerstoff und namentlich beim Durchrieseln durch das Gerölle durch den Sauerstoff der Bodenluft (und durch den Sauerstoff des Eisensesquioxydes) zu Salpetersäure oxy- dirt, wesshalb wir in solchen bei ihrem Laufe durch den Boden nicht infizirten Wassern wohl Salpetersäure, aber keine oder nur in spärlicher Menge salpetrige Säure, gleichsam nur der Verwesung entgangene Reste antreffen. Wenn aber anderseits Grundwasser durch mit organi- schen Stoffen imprägnirten Boden fliesst, so werden diese die im Wasser gelösten Nitrate zu Nitriten, theilweise noch weiter reduciren, und wir treffen dann in solchen verunrei- nigten Vassern eine mehr oder weniger starke Menge von Nitriten und oft gar keine Nitrate an. So erhielt ich mit dem stark durch organische Fäulnissstoffe verunreinigten Wasser Nr. a der Tabelle IX nur eine schwache Reaction auf Nitrate und eine ebenso schwache auf Nitrite, ein Zei- chen, dass hier die sicher vorhanden gewesene Salpeter- säure zum grössten Theile nicht nur zu salpetriger Säure, sondern noch weiter desoxydirt worden ist. Es mögen unter Umständen recht complicirte Vorgänge im Boden während dem Laufe des Bodenwassers stattfinden, Oxydationen und Desoxydationen mit einander abwechseln, je nach der Beschaffenheit der Schichten, durch welche das 675 Wasser läuft. Ein mit Fäulnissstoffen in Berührung ge- kommenes Grundwasser wird, gleich darauf in Sodschachten heraufgepumpt, ein schlechtes Trinkwasser sein; auf seinem spätern Laufe kann es aber, wenn es durch reine Erd- schichten rieselt und mit einer genügenden Menge Boden- luft in Berührung kommt, hierdurch so gereiniget werden, dass die darin enthaltenen Fäuinissstoffe nach und nach der Verwesung anheimfallen; und wenn auch die organischen Stoffe nicht ganz verschwinden, so bilden sich doch aus den übelriechenden, übelschmeckenden und sogar gefärbten Fäul- nissprodueten farblose, nicht riechende und nicht schmeckende Zwischenproducte des Verwesungsprozesses; dasselbe Grund- wasser wird somit an entfernten Stellen Trinkwasser ven genügender Reinheit zum Genusse liefern. Während die ersten Sode ein stark nitrithaltiges Wasser mit nur wenig Nitraten enthalten, so wird aus den mit auf solche Weise gereinigtem Grundwasser gespiesenen Soden ein Wasser ge- pumpt, das wenig oder gar keine Nitrite enthält, wohl aber stark auf Nitrate reagirt. Immer beweist ein Gehalt an Nitraten und Nitriten. welcher grösser als der in von städtischen Fäulniss- und Verwesungsheerden unabhängigen Quellen auf dem Lande ist, dass eine Verunreinigung durch lokale Einflüsse statt- gefunden hat, sei es nun durch Abtritte oder Dohlen, durch Cisternen oder Ställe, durch Gewerbe oder durch sonstige Ursachen, welche aufzuzählen überflüssig ist. Sicher ist der srösste Theil der mit unseren Lochbrunnqueilen und Soden der grossen und kleinen Stadt zu Tage geförderten Nitrate das Product der Verwesung des Stickstoffs der mensch- lichen und thierischen Abfälle, sowie des bei der Fäulniss gebildeten Ammoniaks. Die Menge des in Form von sal- petriger Säure (Nitriten) und Salpetersäure (Nitraten) all- jährlich durch das Grundwasser dem Rheine zugeführten Stickstoffs muss eine sehr beträchtliche sein, deren Be- 676 rechnung bis dahin wenigstens unmöglich ist. Die Herren Prof. Pagenstecher sel. und Apotheker Dr. Müller in Bern ha- ben schon vor längerer Zeit auf die beträchtlichen Mengen von Nitraten hingewiesen, welche im Grundwasser Berns all- jährlich der Aare zufliessen und die Herkunft auch aus den städtischen Infectionsheerden abgeleitet. Was die beträchtliche Menge von Nitriten in einer Reihe von unseren Sodwassern anbetrifft, so haben wir es also hier entweder mit der noch nicht eomplet beendeten Verwesung des Stickstoffs oder des Ammoniaks oder mit der Desoxydation der Nitrate durch organische Stoffe zu thun. Immer aber erregt die Anwesenheit einer über Spu- ren hinausgehenden Menge Nitrits den Verdacht in mir, dass das Wasser in erheblichem Maasse durch organische Stoffe verunreiniget ist, und wenn nicht immer, so wird doch meist diese Vermuthung bestätigt. Die Anwesenheit von Nitrit ist für mich das Zeichen der chemischen Thätigkeit, respective der Beweglichkeit der Atome der im Wasser enthaltenen organischen Stoffe Die Nitrite sind stets als Zwischenstufe eines, sei es pro-, sei es regressiven chemi- schen Umwandlungsprozesses zu betrachten. Ich will nicht über das Gebiet der Chemie heraustre- ten und Ansichten aufstellen, die allein dem kundigen Phy- siologen und Pathologen zustehen. !ch möchte aber die Frage wenigstens berühren: welchen Einfluss üben die Ni- trile und welchen die Nitrate im menschlichen Körper aus? Sind wohl die Nitrate in der geringen Menge, wie sie im Wasser genossen werden, und bei solcher Verdünnung von nachtheiligem Einflusse auf die Gesundheit? ich glaube bis Beweise dafür vorliegen nein, denn sie gehören jedem Wasser, auch dem besten Trinkwasser als normaler Be- standtheil an. Ob von den Nitriten das gleiche gelten darf? 3 677 Wenn auch die im Körper vorgehenden Prozesse nicht immer ganz so vor sich gehen, wie wir es nach unseren auf Versuche in Retorten und Kolben gestützten Theorieen uns vorstellen möchten, so dürfen wir doch wohl anneh- men, dass die Nitrite im Körper sich ebenso leicht wie ausserhalb desselben verändern. Und abgesehen von ihrem eigenen Verhalten hängt mit ihrer Anwesenheit im Wasser organische Verunreinigung zusammen, über deren chemische Natur und desshalb auch über deren chemisch-physiologi- sches Verhalten wir überaus wenig, ja fast gar nichts wissen; ein Wasser, welches grössere Mengen Nitrit ent- hält, sollte desshalb, vom sanitarischen Standpuncte aus be- trachtet, verworfen werden. Zum Nachweise der Nitrite und Nitrate in den Was- sern gibt es wohl keine bessere, schneller und sicherer zum Ziele führende Methode als die besprochene und ange- wandte von Schönbein, wodurch mit leichter Mühe auch das relative Mengenverhältniss beider approximativ ermit- telt werden kann. Auch im Rückstande eines Wassers kann die Salpetersäure durch die bekannten verschiedenen Re- actionen entdeckt werden. Aber nur die Schönbein’sche Methode gestattet die beiden ®äuren, die salpetrige Säure und die Salpetersäure, neben einander zu entdecken, und, strenge genommen, sind alle diejenigen Methoden zu ver- werfen, wo ein Verdampfen des Wassers, respective eine Concentration desselben nöthig ist, weil während des Ver- dampfens Veränderungen vor sich gehen, welche entwe- der die eine oder die andere der beiden Säuren ganz oder zum Theile verschwinden machen. Die salpetrige Säure hat beim Eindampfen Gelegenheit ganz oder zum Theile sich in Salpetersäure zu verwandeln, umgekehrt kann die Salpetersäure dnrch organische Stoffe ie nach deren Natur zum Theil oder ganz zu salpetriger Säure und diese noch weiter redueirt werden, wesshalb derjenigen Methode der 678 entschiedene Vorzug einzuräumen ist, welche gestattet auf das frische Wasser direct zu prüfen, ehe irgend welche Veränderungen Platz gegriffen haben. In Betreff der quantitativen Bestimmung der Salpeter- säure versuchte ich namentlich die in der #4. Auflage von Fresenius’s Anleitung zur quantitativen chemischen Analyse Seite 589 empfohlene Methode. Für solche Wasser, welche nur Nitrate enthalten, ist die Methode zu empfehlen, für sulche aber, worin neben NO° noch NO? enthalten ist, lässt sich dieselbe nicht anwenden, da dann zwei Processe ne- ben einander gleichzeitig stattfinden, nach den Gleichungen: I, 6 FeC! + Ka0, NO’ + ACH = 4 HO + KaCI + 31 (Fe CL} ESNOZ II. 2 FeCl + KaO, NO° + 2 CIH =2 HO + Ka0l + Fe?CE + NO? so dass eine Berechnung, nach Titration des noch als Oxy- dul vorhandenen Eisens mit Chamäleonlösung unmöglich ist, Man kann wohl berechnen wieviel in einem Liter Wasser disponibler Sauerstoff in der darin vorhandenen Gesammtmenge von Nitrit plus Nitrat enthalten ist, diese Sauerstoffmengen der verschiedenen Wasser unter sich ver- gleichen, und dann’ nach Berücksichtigung der Farbin- tensität bei der Nitrit und bei der vereinisten Nitrit- und Nitratreaction approximativ auf die Menge der salpetrigen Säure und der Salpetersäure schliessen, doch genügte mir diess nicht um die nicht gerade sehr nothwendige und doch sehr viel Zeit in Anspruch nehmende Bestimmung mit den einzelnen Wassern vorzunehmen. IV. Reaction mit Silbernitratlösung und mit Goldchlo- ridiüsung auf organische leicht oxydirbare Substanzen. Wie bekannt werden die Silbersalze in ihrer Lösung durch eine grosse Reihe organischer Substanzen zerlegt, 679 das heisst es wird dem Silberoxyde durch die leicht oxy- dirbaren Elemente derselben, durch den Kohlenstoff und Wasserstoff, der Sauerstoff in der Kochhitze entzogen, so dass metallisches Silber ausgeschieden wird. Desshalb steht die Silbernitratlösung schon längere Zeit zur Prü- fung der Wasser auf organische Bestandtheile im Gebrauche. Schon Spuren organischer Substanz werden angezeigt, in- dem sich das Wasser röthlich färbt. Bei meinen Versuchen wandte ich 100 bis 200 Cubikcentimeter des Wassers an, versetzte mit Silbersitratiôsung und beobachtete zuerst in der Kälte, in welcher sich weisses Chlorsilber ausscheidet, wenn Chlormetalle vorbanden sind; dann erst wurde zur Kochhitze erwärmt, wobei sich, wenn organische Stoffe vor- handen waren, metallisches Silber ausschied, das an der Fär- bung des “iederschlages oder am Beschlage der weissen Por- cellanschale erkannt wurde. In einer zweiten Poriion des. Wassers wurie mit dem ebenfalls gebräichlichen und noch empfiadlicheren Reagens auf organische und andere leicht re- ducirbare Stoffe, mit dem Goldchlerid, auch in der Kochhitze reagirt; es zeigt sich bei Anwesenheit einer grösseren Menge organischer Substanzen sowohl ein Niederschlag von me- tallischem Golde, als auch ein Beschlag an der weissen Schaale, bei nur Spuren braune bis violetblaue Färbung. Die verschiedenen Wasser gaben mit Silberlösung fol- gende Reactionen in der Kälte: I. die Lochbrunnwasser starke weisse Trü- | bung, Il. die Sode Gressbasels meistens starke weisse Trübung, - i bestehend IT. die Sode K'einbasels schwächere weisse | a Hs [ Chlorsilber IV. die auswärtigen Quellwasser starke weisse Trübung, V. die Flusswasser meistensschwache weisse ! Trübung, | 46 680 VI. die stark infizirten Sodwasser N° 2 und 3 weisse Trü- bung von Chlorsilber, N° 1 aber schwarzer Nieder- schlag, der aus Schwefelsilber mit etwas Chlorsilber bestund. alsdann in der Kochhitze: I. meist grauliche Färbung des in der Kälte erhaltenen Niederschlages, nur ein Mal bei Wasser aus einem Reservoir bräunliche, IE. dito, HI. grauliche bis schwarze Färbung des Chlorsilbernieder- schlages. IV. Der Chlorsilberniederschlag blieb weiss; nur in zwei Fällen , wo eine Verunreinigung des Wassers durch die Wasserleitung stattgefunden haben mochte, zeigte sich grauliche Färbung das eine, grauviolete das an- dere Mal. | V. Es zeigte sich stets Reduction; aber von sehr ver- schiedener Stärke. VI. Bei N° 2 zeigte sich schmutzig grauviolete, bei N° 3 rothviolete Färbung des Chlorsilberniederschlages; bei Nr. 1 war die Reaction wegen des in der Kälte aus- geschiedenen Schwefelsilbers nicht zu erkennen. Ueberall wo die Silberlösung reducirt wurde geschah es auch mit der Goldlösung, und zeigte sich ein geringe- rer oder grösserer Beschlag bis Niederschlag, Auch hier machten die Quellwasser von auswärts eine Ausnahme, in- dem sie selbst in der Kochhitze nicht reagirten; nur in den zwei bereits angedeuteten Fällen, wo Verunreinigung durch die Leitung stattgefunden haben mochte, zeigte sich eine höchst geringe Ausscheidung von metallischem Golde. VIL. Titration mit Kalipermanganatlösung. Die leichte Reducirbarkeit der Uebermangansauren Salze selbst in wässriger Lösung, namentlich nach Ansäuern 681 derselben mit etwas Schwefelsäure, und daher die Anwen- dung des Kalipermanganates zur Titration leicht oxydir- barer Substanzen ist bekannt. In den Wassern Basels kommen zweierlei leicht oxydirbare Stoffe, nämlich orga- nische und salpetrige Säure vor, während die Menge des Eisenoxyduls zu geringe ist, um in Betracht zu fallen, ausser bei stark infizirten Wassern wie die auf Tabelle IX ver- zeichneten , worin eine grössere Menge Eisenoxydul vor- kommen kann. Bei der Titration verfuhr ich so, das '/, bis !/, Liter des Wassers nach Ansäuerung mit etwas verdünnter che- misch reiner Schwefelsäure so lange in der Kochhitze mit der durch Normaloxalsäurelösung auf ihren Titre gestell- ten Kalipermanganatlösung aus einer in 0 Cubikcentime- ter getheilten Bürette versetzt wurde, bis das Wasser eine leise rothe Färbung annahm, welche selbst nach mehrmi- nutenlangem Kochen nicht verschwinden durfte. Der Ver- brauch an Permanganatlösung einer grösseren Reihe hiesi- ger Wasser findet sich in nachfolgender Zusammenstellung auf einen Liter Wasser berechnet; zugleich finden sich daneben die entsprechenden Bruchtheile eines Grammes verbrauchten festen Permanganates angegeben. Die in den verschiedenerlei Wassern enthaltenen or- ganischen Stoffe mögen höchst verschiedener Natur und desshalb von höchst verschiedener chemischer Thätigkeit sein; die einen werden leicht, die anderen schwer oxy- dirbar sein, so dass aus der Menge verbrauchter Per- manganatlösung, wenn auch keine salpetrige Säure und kein Eisenoxydul in Betracht fallen sollten, durchaus nicht im- mer auf die relativen Mengen der in den Wassern ent- haltenen organischen Stoffe geschlossen werden kann. Die für einen Liter Wasser nöthige Menge Kalipermanganat- lösung giebt also nur ein ungefähres relatives Bild der in den verschiedenen Wassern enthaltenen Mengen leicht 46 * 682 oxydirbarer organischer u:d mineralischer Stoffe, von welchen letzteren in unseren Baslerwassern meist nur Spu- ren von Eisenoxydul, oft aber sebr verschiedene Mengen von salpetriger Säure enthalten sind. Um einen möglichen Einfluss der salpetrigen Säure anzuzeigen, steht neben der Zahl des verbrauchten Kalipermanganates die Nitritreaction angedeutet. | Es ist vorgeschlagen worden das Wasser nach An- säuerung mit verdünnter Schwefelsäure auch in der Käite mit der Chamäleonlösung zu titriren und die hierbei ver- brauchte Menge von der Gesammimenge abzuziehen. Die in der Kälte nöthige Menge sollte der salpetrigen Säure und die Differenz der in der Kälte und in der Kochhitze nöthigen Mengen den organischen Stoffen entsprechen. Doch sind wir über die Natur der organischen Stoffe in den Was- sern noch so wenig im Klaren, dass wir keinen Beweis dafür haben, dass nicht schon in der Kälte auch einige leichter oxydirbaren organischen Stoffe oxydirt werden. Es ist ferner empfohlen worden das zu titrirende Wasser vorher bis auf etwa 2/, einzekochen, um durch den fast nie fehlenden kohlensauren Kalk die etwa vorhandenen Ammonverbindungen zu zersetzen, doch gehen während des Eindampfens höchst wahrscheinlich Veränderungen der or- ganischen Stoffe vor sich, welche deren Bedarf an Per- manganatlösung sehr verändern, respective schwächen und es wird der Fehler ein noch grösserer als der durch Nicht- beachtung der Ammonisksalze enistehende, die meist doch nur in höchst geringer,Menge vorhanden sind. Die Permanga- natlösung enthielt in 1000 Cubikcentimetern 2,7703 gramme Kalipermanganat: KaO, Mn’O”. 683 Bedarf eines Literskochenden Wassers Pr Tabelle Name des Wassers Angabe an Kalipermanganat. Numeros. | Datum des Schôpfens. | "\Nitritreaction Gramme Kaliper- manganat. und und der . jeentime- ter der Lösung. I. II. | ET. EV. dito 6.Nov.1866! 2 0,0055 | sehr starke dito 3,2 | 0,0088 ue Brunnen beim Seufzen 5.Juni1866 | 1,6 | 0,0044 starke 2,4 | 0,0066 | schwache 9 0,0055 | sehr starke LE dito 6.Nov.1866 3 b Wolfsbrunnen 5.Juni 1866 4b Lochbrunnen in der Sat- telgasse 5. Juni1866 5 a Kornmarktbrunnen 28. Nov.1865 b dito 29, März 1867 Ib | Lochbrunnen am Rhein, St. Alban 5. Juni 1866 6 HIb Be Münster- platzbrunnen, mit etwas Margarethenwerkwasser vermischt 5.Juni1866 Ve Goldquelle am Birsige VA DRE 1866 tb dito 5. Juni 1866 PIE II. Sode Grossbasels. 1 Freienstrasse Nr, 56 9 0,0055 starke | 0,0055 | spurenweise 0,8 | 0,0022 sehr schwache 2,4 | 0,0066 starke 2,4 | 0,0066 |sehr geringe 4,2 | 0,0033 starke 7. Dezbr. 1866 16 b Neuer öffentl. Sod, Thea- terstrasse 5. Juni1866 18 b Oeffentlicher Sod, Steinen- thorstrasse 5. ut 1866 18 e - dito 7. Dezbr, 1866 4,8 | 0,0132 starke 5,6 | 0,0155 | spurenweise 16 0,0440 — I. I Lochbrunnen. d Gerberbrunnen, 5.Juni 1866 | 1,6 0,0044 | spurenweise e 1 b : 4 !0,0110 — am: (a I. XI. | 24 c Binningerstrasse Nr. 19 | 26. Juli1866 | 3 Le 0055 starke 20 nl Nr | 3. Dezbr. 1866 | 4,4 | 0,0122 keine 10 Gerbergasse D I. 12 | TEA 28. Mai 1866 6 | 0,0165 sehr Starke | N,0110 starke HS Aeschenvorstadt Nr. 59 6. Novbr. 1866 Aeschenvorstadt, öffentli- cher Sod „Wilhelm Tell 7. Dezbr. 1866 Heumattstrasse Nr. 9 6. Novbr. 1866 [ep] | 0,0165 starke | 0,0077 starke w © 39 Oeffentlicher Sod, St.Elisa- 2,5 | 0,0077 starke ZT. B, bethen, 7. Dezbr. 1866 12 Kohlenberg Nr, 23 14. Juni 1866 Blumenrain Nr. 34 6. Sept. 1866 Oeffentlicher Sod, St. Jo- hann, vor dem neuen Baue 7. Dezbr. 1866 1lI. Sode Kleinbasels. Waisenhaus 22. Juni 1866 Utengasse Nr. 31 30. April 1866 31 Riehenteichweg 10. Juli 1866 dito Nr. 18 dito Nr. 24/26 Riehenteichweg Nr. 28 3,2 | 0,0088 starke 14 2 0.0055 starke 26 | 0,009 | = ziemlich 1,6 | 0,0044 starke 20,6 | 0,0970 | sehr starke A [ep] >) oO Fk {db} HN 33 Clarastrasse Nr. 5 29. Novbr. 1866 | 12,4 | 0,0543 starke 34 Rappoltshof Nr. 3 15. Dezbr. 1866 | 2 0,0055 | spurenweise 36 Hammerstrasse sehr 15. Dezbr, 1866 | 2,8 0.0077 schwache EL. Rappoltshof Nr. 8 dito neuer Sod März 1867 Oeffntl Sod, obere Rebgasse Oeffentl, Sod, Utengasse Oeffentl. Sod, obere Rhein- gasse IV. Queliwasser von der Umgebung Basels. Quellen von Grellingen und Angenstein, vereiniget 6. Novbr. 1866 Margarethenwerkwasser Bottmingerquellen im Juni 1866 Spalenwerkwasser, üffent- licher Brunnen vor der Schmiede, Spalenvorstdt. 6. Dezbr. 1865 Margarethenwerkwasser, öffentlicher Brunnen, bei der alten Gasfabrike 28. Novbr. 1865 V. Flusswasser. Rheinwasser,amUferKlein- basels unterhalb d. Stadt beim Schindgraben ge- schöpft 3. Febr. 1866 Rheinwasser,amUferKlein- basels, oberhalb der Stadt bei der Fähre geschöpft 3. Febr. 1866 Rheinwasser, a. Ufer Gross- basels, bei der untern Fähre geschöpft 3. Febr. 1866 Rheinwasser, a. Ufer Gross- basels, b. d. ob. Fähre geschöpft 3.Febr. 1865 10,8 0,0931 0,0220 0,0110 0,0077 0,0066 0,0044 0,0069 0,0110 0,0055 0,0055 0,0299 0,0099 0,0122 0,0110 s. schwache spurenweise spurenweise schwache sehr schwache spurenweise schwache keine sehr schwache spurenweise schwache schwache sehr schwache I. | II. | ENT. | IV. | W. sehr 3,2 | 0,0088 | schwache Mitte des Stromes 3. Febr. 1866 214 Rheinwasser, untere Fähre Mitte des Stromes | sehr 3. Febr. 1866 | 2,4 | 0,0066 | „schwache — Birswasser bei St, Jakob 6. Nov. 1866 | 2,4 | 0,(066 | spurenweise 4 1b Rheinwasser, obere Fähre, — dito am 29,März 1867 ; 0,0132 pe — Schützenmattenweiher 6. Novbr, 1866 | 13,2 | 0,0365 en — Rümelinbachwasser 2,0 | 0,0055 un — Wiesewasser, bei der Wie- sebrücke geschöpft 6. Novbr. 1866 | 8,4 | 0,0233 _ — dito am29. März 1867 | 2,8 | 0,0077 — VI. Stark infizirte Sod- | wasser der Tabelle IX. a Centralbahnplatz Nr. 11 sehr 14. März 1866 | 280 | 0,7757 | schwache ci Rheingasse Nr. 33 14. März 1866 | 390 | cie Rheingasse Nr. 23 | 14. März 18661 44 1,0804 | schwache 0,1219 | spurenweise Als Nr. a und e 1, nachdem dieselben mehrere Monate lang in wohlverschlossenen Flaschen aufbewahrt worden waren, wieder untersucht wurden, brauchte ein Liter von Nr. a nur 192 ce und von Nr.:c 1 nur 138 cc der Per- manganatlösung, was hiermit auf eine bedeutende Vermin- derung der Menge leicht oxydirbarer Stoffe hinweist, die sich auf Kosten theils des vorhandenen Eiseroxydes, theils der anwesenden Nitrite und Nitrate soweit oxydirt hatten, als es überhaupt in wässriger Lösung in der Kälte mög- lich war. 657 Es brauchten nach obigen Angaben zur Oxydation der leicht oxydirbaren Bestandtheile eines Liters: I. die Lechbrunnen 0,8 bis 3,2 Cubikcentimeter der an- gewandten auf ihren Gehalt geprüften Kalipermanga- natlösung, entsprechend 0,0022 — 0,0088 Grammen festen Salzes, IF. die Sode Grossbasels 2 bis 16 cc, entsprechend 0,0055 bis 0,0440 Grammen, Ill. die Sode Kleinbasels 1,6 bis 33,6 cc, entsprechend 0,0044 bis 0,0931 Grammen, IV. die Quellwasser von der Umgebung Basels 1,6 bis % cc, entsprechend 0,0043 bis 0,0110 Grammen, V. die Flusswasser 2,4 bis 10,8 cc, entsprechend 0,6066 bis 0,0299 Grammen, VI. die stark infizirten Sodwasser 44 bis 399 ce, entspre- chend 0,1219 bis 1,0804 Grammen. Stellen wir, damit die relative Menge verbrauchter Permanganatlösung wirklich nur der relativen Menge or- ganischer Verunreinigungen entspricht, diejenigen Wasser zusammen, welche frei von Nitriten sind oder nur Spuren derselben enthalten, so ergiebt sich folgendes Resultat: 1 Liter der Lochbrunnwasser erforderte 0,8 bis 2,4 CCen- timeter Kalipermanganatlösung, 1 L. der Sodwasser Grossbasels 4,4 bis 5,6 CC. 1 L. der Sodwasser Kleinbasels 2 bis 33,6 1 L. der Quellwasser 1,6 bis 4,4 Beim Rheinwasser fäl!t in sechs Fällen die Menge der verbrauchten Cubikcentimeter Permanganatlösung innerhalb die Grenzen für gutes Quellwasser und nur einmal über die Maximalgrenze. Natürlich wird die Menge und Quali- tät der organischen Stoffe sehr variiren, je nach der Stel'e wo das Rheinwasser geschöpft wurde, je nachdem es in der Nähe eines Zuflusses mit diesen oder jenen Verunrei- nigungen, oder ob es aus der Mitte des Stromes geschöpft 6883 wurde; ferners wird der Wasserstand des Rheines, die Jahreszeit, u. s. w. von Einfluss sein. Immerhin sind die unter V angegebenen Resultate insofern interessant, als sie beweisen, dass das durch Basel fliessende Rheinwasser an manchen Stellen keine ungewöhnlich grosse Menge fauli- ger leicht oxydirbarer organischer Substanz gelöst enthält. VIT 6 beweist aber wie an gewissen Stellen der Gehalt an solchen Verunreinigungen wachsen und dann dem eines stagnirenden sumpfartigen fauligen Wassers mit schwachem Abflusse (siehe das des Schützenmattenweihers) gleichkom- men kann. Die bei den Titrationen mit Kalipermanganatiôsung er- haltenen Resultate fasse ich in den Satz zusammen: es ent- halten nur wenige der hiesigen Sodwasser eine ausserge- wöhnliche Menge solcher Stoffe (Fäulnissstoffe), welche durch Kalipermanganatlösung in der Kochhitze oxydirt werden. Der mi. Silber- und Goldlösung herausgestellte Unter- schied zwischen dem Grundwasser unter unserem städti- schen Terrain und demjenigen ausserhalb der Stadt hat sich hier nicht herausgestellt, so dass auf die in unserem städ- tischen Grundwasser enthaltenen Stoffe das Silbernitrat und Goldchlorid einen grösseren Einfluss als das Kaliper- manganat auszuüben scheint. | VIII, Bestimmung des Gehaltes eines Liters Wasser an festen Bestandtheilen. Dazu wurde !/, bis Ys Liter des Wassers in einer vorher ausgeglühten und dann gewogenen Platinschaale zur Trockne verdampft, der Rückstand so oft abwechselnd bei 100° Celsius getrocknet und dann gewogen, bis das Ge- wicht zweier Wägungen übereinstimmte, was gewöhnlich bei den zwei ersten Wägungen der Fall war. Der bei 639 100° Celsius getrocknete Rückstand, welcher auf 1 Liter Wasser berechnet wurde, und welcher in der Colonne I der Tabellen I bis und mif VII, sowie in der Colonne VFIl der Tabelle IX verzeichnet ist, entspricht der Menge aller festen sowohl mineralischen als auch organischen Bestand- theile. Unter den ersteren sind als die hauptsächlichsten aufzuzählen: Kohlensäure, Schwefelsäure, Chlor, Kiesel- säure, Eisenoxyd, Thonerde, Kalk, Magnesia, Natron, Kali. In einer Fortsetzung dieser Arbeit werde ich einläss- lich von den mineralischen Bestandtheilen unserer Wasser und auch von den nur in Spuren darin vorkommenden re- den; hier aber berühre ich diesen Gegenstand nur mit we- nigen Worten. Es enthielt ein Liter Wasser die folgenden Mengen an Mineralstoffen, welche nach Freseniuss Anleitung zur Analyse natürlicher Gewässer siehe „Quantitative chemische Analyse IV. Auflage 1859“ bestimmt wurden: Beispiele für den Gehalt an Kalk in einem Liter: Grundwasser im Grossbasei. 1 Lochbrunnen am Gerberberg 8. Juni 1861 0,2060 Gr. rate dito beim Stadthause 20. Nov. 1865 0,2045 , 3. Freienstrasse Nr. 56 1860 0,2470 ; 4. Spalenberg Nr. 2 1865 0,1773 » 5. Steinenthorstrasse „Brauerei Merian“ 8. Dez. 1865 0,2256 ,, 6. Steinenvorstadt ,, Lohger- berei“ 0,1500 ,, 7. Rümelinbachweg Nr. 12 Okt. 1861 0,:054 „ 8. Binningerstrasse Nr. 3 5. Juni 1866 0,2234 „ 9. Binningerstrasse Nr. 19 “Jan. 1863 0,2024 „ 10. Sodalte Gasfabrik ( Versuch- _schacht) 0,1825 ,, 11. Sod Centralbahnhof 0,1322 , 690 12. St. Jakobstrasse Nr. 3 10. Nov. 1865 0,2406 Gr. 13. Aeschenvorstaät Nr. 55 Feb. 1861 0,2350 „ 1%. Nauenstrasse Nr. 1 Feb. 1865 0,1848 „ ET nn Grundwasser in Kleinbasel; 1. Sod R. Geigy’sche Fabrike sesenüber dem bad. Bahnhofe 5. Sept. 186% 0,0550 „, 2. Riehenstrasse Nr. 17 1864 0,0466 „, 3. Riehenstrasse Nr. 8 1864 0,0585 ,, 4. Riehenstrasse Nr. 21 0,0500 „, 5. Riehenteichweg Nr. 26 0,0818 „ 6. Sperrstrasse Nr. 55 & 57 11. Okt. 1865 0,0936 ,, 7. Städtisches Pumpwerkwas- ser vor dem Riehenthore 0,0555 , 8. Hammerstrasse Nr. 100 1. Sept. 1864 0,1589 „ N LR CS Auswärtige Quellwasser: 1. Vereinigte Riehenquellwas. 23. Dez. 1865 0,1543 ,, 2. Spalenwerkwasser, grosse Hauptbrunnstube vor dem Walde Sommer 1866 0,1475 ,„, 3. Margarethenwerkwasser 0,1533 ,„ 4. Angensteinerwasser | (4 Quellen) 0,1070 bis 0,1378 „ 5. Grellingerwasser a) Pelzmühlequelle 7. Juli 1865 0,1262 „, b} Kaltbrunnquelle 7. Juli 1865 0,1738 „ 6. Bottmingerwasser "D 18600 Bin Liter des Grundwassers der Grossen Stadt ent- hielt sonach in 1% Fällen, und an verschiedensten Stellen heraufgepumpt 0,105 bis 0,247 Gr. Kalk, das der Kleinen 691 Stadt in 8 Fällen 0,046 bis 0,159 Gr., ein Liter der von auswärts in die Stadt geleiteten Quellwasser 0,107 bis 0,174 Gr. Das Sodwasser der Grossen Stadt enthält durch- schnittlicb am meisten Kalk von allen hiesigen zu Ökono- mischen Zwecken verwandten Wassern; es liefert desshalb auch am meisten Kesselstein. Nr. 6 mit nur 0,150 Gr. und Nr. 7 mit nur 0,105 Gr. Kalk im Liter sind unzweifelhaft durch den Rümelinbach beeinflusst; Nr. 10 ist ein Sod- wasser, das mittelst einer Dampfmaschine in grosser Masse heraufsepum;t wird. Lassen wir diese drei exceptionelle Fälle bei Seite, so ist die Minimalgrenze für den Kalkge- halt des Grundwassers der Grossen Stadt 0,177 Gr., wäh- rend bei den auswärtigen Quellwassern selbst die Maxi- malgrenze nie diese Grösse erreicht hat. Die relative Härte der verschiedenen Wasser, von wel- cher die Masse des Kesselsteins, das Verhalten gegen Hül- senfrüchte und der Seifenaufwand beim Waschen abhängt zeigt sich in auffallender Weise in den folgenden Resulta- ten. Es wurde nämlich genau bestimmt, wie viel von ein und derselben genau titrirten Seifenlösung, wie solche zur Bestimmung der Härte der Wasser angewandt zu werden pflegt, zu einer bestimmten Menge (!/, Liter) der verschie- denen Wasser gesetzt werden muss bis nach kräftigem Schütteln ein dichter zarter Schaum entsteht, der fünf Mi- nuten lang stehen bleibt. Es wurde die verbrauchte Menge Seifenlösung auf 1 Liter Wasser berechnet. Die in Co- lonne II stehenden Zahlen geben den Verbrauch an Seife in den verschiedenen Wassern an, wenn der beim Wiese- wasser — 1 gesetzt ist. des | Name des Wassers, Data des Schöpfens. 4 Liter Wasser brauchte bis zum Eintreten Schaumes folgende An- zahl Cubikcentimeter der Seifenlösung. ES ET LS Verbrauch an Seife, der beim Wiesewasser gesetzt. Grundwasser im Grossbasel. Lochbrunnen am Gerberberg 6, Nov. 1866 Lochbrunnen beim Stadthause 6. Nov, 1866 Reservoir, St. Albanwerk, 6. Nov. 1866 Goldauelle Steinenvorstadt, 7, Dez. 1866 Sod Freienstrasse Nr. 56, 7. Dez. 1866 öffentlicher Sod Theaterstrasse, 5. Juni 1866 öffentlicher Sod Steinenthorstrasse, 5. Juni 1866 öffentlicher Sod St, Johannvorstadt, 7. Dez 1866 öffentlicher Sod St. Elisabethen, 7. Dez. 1866 öffentlicher Sod „Wilhelm Tell“ Aeschenvor- stadt, 7. Dez. 1866 Heumattstrasse Nr. 9, 6. Nov. 1866 Grundwasser im Kleinbasel. _ Sod Rappoltshof Nr. 3, 15. Dez. 1866 Sod Hammerstrasse, 15. Dez. 1866 öffentlicher Sod obere Rebgasse, 15. Dez. 1866 öffentlicher Sod Utengasse, 15. Dez. 1866 öffentlicher Sod obere Rheingasse, 15. Dez, 1866 Auswärtige Quellwasser. Grellingerwasser, 7. Juli 1865 Spalenwerkwasser, 6. Dez. 1865 Margarethenwerkwasser, 28. Nov. 1865 Flusswasser, Rheinwasser, Grossbasler Ufer, obere Fähre, 6. Nov. 1866 Birswasser, bei St. Jakob geschöpft, 29. März 1867 Wiesewasser, bei der Wiesebrücke geschöpft, 29, März 1867 693 Unsere Hausfrauen, sowie die Färber und Waschan- stalten brauchen somit am wenigsten Seife, wenn sie sich des Wiesewassers, mehr als anderthalb mal mehr wenn sie sich des Rheinwassers, und mehr als zweimal mehr wenn sie sich des Birswassers bedienen. Bei den Sodwassern Kleinbasels braucht es mindestens so viel Seife wie beim Wiesewasser, meist aber etwa so viel wie beim Rhein- wasser. Die Lochbrunnwasser und Sodwasser Grossbasels verzehren 3 mal bis 4!/, mal soviel Seife wie das Wiese- wasser und eine Reihe von Soden Kleinbasels, während die auswärtigen Quellwasser nur etwa 2'/, mal soviel zur Fällung ihres Kalkes nöthig haben. Am härtesten sind demnach die Lochbrunnwasser und Sodwasser Grossbasels, am weichsten die Sodwasser Kleinbasels, und die Fluss- wasser, namentlich das Wiesewasser, eine mittlere Härte besitzen die Quellwasser, welche von auswärts in die Stadt geleitet werden. Hiermit soll nicht gesagt sein, dass nicht hie und da Ausnahmen in der Härte der Sodwasser Grossbasels vorkommen, so dass dieselbe der Härte der auswärtigen Quellwasser gleichkommen, oder sogar geringer sein kann, doch drücken obige Angaben die mittleren Verhältnisse aus. Ohne näher in die Betrachtung der einzelnen Mineral- bestandtheile, worüber ich seiner Zeit einlässlichere Mit- theilungen zu machen im Falle sein werde, einzutreten, wünsche ich nun Ihre Aufmerksamkeit auf die Gesammt- menge fester Stoffe hinzulenken. Bei den vielen hierüber gemachten Bestimmungen, welche auf den Tabellen in Co- lonne I stehen, haben sich folgende Resultate ergeben: A. Grundwasser Grossbasels. (Tabelle 1.) . I. Lochbrunnen. In 18 Fällen schwankte der Gehalt eines Liters Was- sers von 0,652 bis 1,542 Gramme. Selbst bei ein und der- 694 selben Quelle war er zu verschiedenen Zeiten verschieden gross, wie aus folgenden Beispielen hervorgeht: 1. Der Gehalt des Gerberbrunnwassers schwankte zu 5 verschieienen Zeiten von 0,450 bis 1,492 Gramme im Liter; während 1 Liter dieses Wassers anno 1861 am 8. Juni nur 0,750 Gr. feste Stoffe enthielt, so war der Gehalt am 20. Nov. 1865 1,292 Gr.; im Jahre 1866 stieg derselbe vom Januar bis zum Juni von 1,250 bis 1,286 und sank vom Juni bis zum November von 1,286 bis 1,354 wiederum herab. | 2. Der Gehalt des Wassers des Lochbrunnens beim Stadt- hause schwankte vom November 1865 bis 1866 inner- halb den Grenzen 9,725 bis 0,939; er stieg vom No- vember 1865 bis Juni 1866 von 0,725 bis 0,9% und sank dann wieder bis zum November 1866 auf 0,83 herab ; auch innerhalb der genannten Zeiten hat mög- licherweise Zunahme und Abnahme abwechselnd statt- gefunden. Ebensolche Schwankungen zeigten sich, wie die Ta- belle I näher lehrt, beim Wasser des Wolfbrunnens, beim Lochbrunnen in der Sattelgasse, auf dem Marktplatze und am Rheinquai in der St. Alban. Von besonderem Interesse sind die Bestimmungen, we’che mit den zu derselben Zeit am selben Tage geschöpf- ten Wassern ausgeführt wurden. Dabei haben sich grosse Unterschiede in der Menge gelöster Stoffe kei den ver- schiedenen Lochgue!len ergeben. Es enthielt zum Beispiele ‚in einem Liter in Grammen: | das Wasser: am 20. Nov. 1865 am 5. Juni 1866 am b. Nov. 1866 des Gesberbrannens (Tab. I 1) 1,292 Gr. 1,286 Gr. ‘1,254 Gr. des Lechbrunnens beim Stadthause (2) 0,725: 0,939 „ 0,828 „ 695 das Wasser: am 20.Nov.1865 am 5. Juni 1866 am 6. Nov. 1866 des Lochbrunnens in der Sattelgasse (4) 1,137 Gr. 41,542 Gr. — Gr. des Lochbrunnens Petersberg (3) — , 0,842 , — , desKornmarktbrunnens 1,128 „ — y none des Lochbrunnens am am St. Alban Rhein- quai (6) 0,864 , 0,890 , 0,652 Der Gehalt schwankte sonach an ein und demseiben Tage an den verschiedenen Stellen der grossen Stadt am 20. Nov. 1865 von 0,72 bis 1,29, am 5. Juni 1866 von 0,8% bis 1,54, am 6. Nov. 1866 von 0,65 bis 1,25. Vom 5. Juni bis 6. Nov. 1866 nahm der Gehalt beim Gerberbrunnen um 2/0 °/, beim Stadthausbrunnen um 11°/,, °/, bei der St. Albanlochquelle um 26°/,, °/, ab. Beim Wasser des St. Albanwerks zeigte sich ein Un- terschied, ob dasselbe an der Queile am Rheinquai oder nach dem Hinaufpumpen in das Reservoir geschöpft wurde. Während am 20. Nov. 1865 das Wasser an der Quelle im Liter 0,564 Gr. feste Stoffe enthielt, war der Gehalt des an ekendemselben Tage zur gleichen Zeit, aber aus dem Reservoir geschöpften, Wassers 0,89. Der Ueberschuss musste in der Leitung oder erst im Reservoir hineingekom- men sein; nähere Mittheilungen über die Ursache behalte ich mir vor. Es ist ohnehin interessant die Beschaffenheit der verschiedenen Wasser an ihren Quelien mit der nach ihrem Laufe durch Leitungen zu vergleichen. II. Sode im Birsigthale. (Tabelle H.) Der Gehalt eines Liters an festen Bestandtheilen schwankte hier in 37 Fällen von 0,307 bis 1,160 Gr. Wenn von den Sodwassern Nr. 22a und b und Nr. 23 abgesehen . wird, welche wohl eher als nicht durch den Rümelinbach, 47 696 der in der Nähe fliesst, beeinflusst werden, so geht die Minimalgrenze nur bis zu 0,43% Gr. Auch hier zeigten sich Schwankungen bei einem und demselben Sode, je nach der Zeit wo das Wasser ge- schöpft wurde, zum Beispiele: beim Sode Nr. 56 Freienstrasse von 1,061 bis 1,160 Gramme, wo vom 10. Nov. bis 28. Nov. 1865 der Gehalt von 1,105 bis 1,160 stieg; beim öffentlichen Sode an der Thea- terstrasse Nr. 16 a—c von 0,688 bis 0,808 Gr., wo der Ge- halt vom Nov. 1865 bis Nov. 1866 constant fiel; beim ôf- fentlichen Sode an der Steinenthorstrasse Nr. 18a bis c von 0,519 bis 0,781, dessen niederster Stand vom Dez. 1865 bis Dez. 1866 am 7. Dezember und dessen höchster im Juni 1866 war; beim Sode Nr. 19 Binningerstrasse Nr. 24 a bis e von 0,532 bis 0,768 Gr.; beim Sode Nr. 3 Binningerstrasse Nr. 27 a—b von 0,655 bis 0,961 Gr. Folgende Beispiele zeigen den Gehalt verschiedener aber an demselben Tage geschöpften Sodwasser in 1 Liter in Grammen: am 20—28. Nov. 1865 Nov. bis Dez. 1866 Sod Freienstrasse Nr. 56 (Ta- belle IE 1) 1,160 Gr. 1,061 Gr. öffentlicher Sod Theatergasse (16) 0,808 , 0,688 , öffentlicher Sod Steinenthor- strasse (18) 0,7817, 0554956 Auch hier nahm der Gehalt bei allen drei Wassern vom Nov. 1865 bis 1866 ab, bei Nr. i um 8!/, °/,, bei Nr. 16 - um 14%/, °/, und bei Nr. 18 um 331), %- III. Sode auf den beiden Höhen des Birsigthales. (Tabelle III.) Der Gehalt eines Liters dieser Wasser an festen Stof- fen schwankte in 52 Fällen von 0,436 bis 1,171 Gr. 697 Zu verschiedenen Zeiten zeigte sich auch verschiedener Gehalt. Stellen wir die Lochquellen, die Sode im Birsigthale mit Ausschluss der drei vom Rümelinbach beeinflussten und diejenigen auf den beiden Höhen nebeneinander, so ergibt sich folgendes Bild: Unter 100 Fällen enthielten in 1 Liter feste Stoffe ge- löst: die Lochquellen die Sodwasser im die Sodwasser der Birsigthale Höhen. 1 und mehr Gr, 44,4 Male 29,4 Male 5,8 Male 8/6 bis 1 pe CS 3,0, 211 » lo 5.107 5 35,3 » 38,4 » OA tale on > 206 „ 34,6 » Bei den Lochauellen war der niederste Gehalt °/,, Gr., bei den Soden im Birsigthale und auf den Höhen “/,,; die Fälle, wo der Gehalt nur * bis °. Gr. betrug, kamen bei den Soden auf den Höhen weit häufiger als bei denen im Birsigthale vor, während diese im Vergleiche zu den Soden auf den Höhen in sehr vielen Fällen 1 und mehr Gramme fester Stoffe im Liter enthielten, obgleich viel we- niger oft als die Lochquellen. In demselben Maasse Loch- brunnwasser sind durchschnittlich mehr feste Stoffe als im Sodwasser des Birsigthales und in diesem mehr als im Sod- ‘ wasser der Höhen enthalten; und zwar enthalten 190 Liter der verschiedenen Grundwasser Grossbasels durchschnittlich: Lochquellwasser 100,4 Gr. feste Stoffe, Sodwasser im Birsigthale 84 nen D Sodwasser der Höhen 68,3 » h » Die Farbe, welche ich am Rückstande von 6 Litern. Wassers in einer Porzellanschaale beobachtete, war bei den Lochquellwassern mit wenig Ausnahmen fast ganz weiss, nur an einzelnen Stellen gelblich ; bei den Soden im Bir- HT” 695 sigthale waren die Rückstände oft ganz weiss, oft gelblich bis gelb, zur Seltenheit, wie z. B. bei Nr. 27 a, bräunlich. B. Grundwasser Kleinbasels. (Tabelle IV.) Hier zeigte sich in 41 Fällen ein Gehalt an festen Stoffen von 0,121 bis 1,333 Grammen im Liter, und zwar in 4,9 °/, der Fälle 1 und mehr Gr. in 4,9 Vo 3) D #/10 bis 1 39 in 7,3 "0 „ 39 5/10 59 ho 32 in 19,5 ur Tr 53 ie » 210 „ in VO TT A ane La DE 0 ES in 26,8 D = ar an 5) ao „ in 26,3 ON 3 59 ap PR) =/an 39 Etwas mehr als die Hälfte der Sode Kleinbasels zeigte also einen Gehalt an festen Stoffen von !/,, bis °/ı, Grammen im Liter, etwa der '/, Theil einen solchen von {4 bis 5/1 Gr., in nur wenigen Fällen mehr als °, bis 1 Gr. Der durchschnittliche Gehalt von 100 Litern stellt sich hier nur auf 39,5 Gramme feste Stoffe. Die grosse Verschie- denheit im Gehalte rührt namentlich her von den schon oben angedeuteten verschiedenartigen Beeinflussungen durch den Rhein, die Wiese, die kalkhaltigen Queilen von den Hügeln und den Gewerbeteich ; je nachdem der eine oder der an- dere Zufluss vorwiegt, wird der Gehalt ein geringerer oder grösserer sein. Natürlich spielen auch hier die verschie- denen Infectionsheerde eine Rolle Wenn auch einzelne Sode im Kleinbasel vorkommen, die bezüglich der Menge gelöster fester Stoffe mit dem Grundwasser Grossbasels con- curriren können, so enthält doch im Allgemeinen das Klein- basler Grundwasser weniger feste Stoffe wie das im Gross- basel gelöst. Dass auch hier im Gehalte ein und desselben Sodwassers je nach der Zeit des Schöpfens Schwankungen vorkommen, zeigt sich aus folgendem Beispiele: das Was- ser des Sodes im Waisenhause enthielt in einem Liter: 699 30. Oct. 1865: 0,724 Gr., 28. Nov. 1865: 0,872. Gr., 22. Juni 1866: 0,760 Gr. Die am Rückstande von 6 Litern beobachtete Färbung war oft weiss, oft, je nach der Natur der verunreinigen- den organischen Stoffe, gelblich bis braun. Bei Abwesen- heit von Eisenoxyd kann wohl aus der Färbung des Rück- standes auf die Anwesenheit organischer Stoffe geschlos- sen werden, doch kann ein Wasser solche Stoffe enthal- ten und dennoch einen weissen Rückstand hinterlassen; es hängt das eben von der Natur der organischen Stoffe ab. Eisenoxyd kann leicht durch die bekannten Reagentien in dem salzsauren Auszuge des Rückstandes nachgewiesen werden. C. Von auswärts in die Stadt geleitetes Quellwasser. (Tabelle V.) Der Gehalt eines Liters an festen Bestandtheilen war: 1. beiden Quellen von Angenstein: 0,231 bis 0,269 Gr., 2. bei den Quellen von Grellingen: 0,256 bis 0,428 Gr. (wobei indessen die neu angekauften Quellen nicht inbe- sriffen sind.), 3. bei den Quellen von Bottmingen (vereint in der Käppeligrabenbrunnstube) 0,368 bis 0,382 Gr., ‘4. bei den Quellen von St. Margarethen: 0,320 bis 0,392 Gr.; bei dem nach Leitung in die Stadt untersuchten Wasser sämmtlicher vereinigten Quellen: 0,356 bis 0,384 Gr., 5. beim Steinenwerk: 0,383 Gr., 6. beiden Quellen des Spalenwerkes 0,316 bis 0,364 Gr. bei dem nach Leitung in die Stadt untersuchten Wasser der sämmtlichen vereinigten Quellen: 0,351 bis 0,394 Gr., 7. bei den Quellen von Riehen: 0,399 bis 0,441 Gr., nach dem Einleiten sämmtlicher Quellen in die Stadt an dem öffentlichen Brunnen an der Riehenstrasse 0,425 Gr. Der geringste Gehalt kam somit beim Grellinger- und 700 Angensteinerwasser vor, obgleich über den Kalkgehalt des letzteren sehr vieles gefabelt worden war. Freilich hatte es in der Nähe seines Ausflusses in die Birs ziemlich viel Tuff angesetzt, oben aber, wo die Quellen zum Vorschein kommen, und wo sie auch gefasst worden sind, zeigte sich keine Tuffablagerung. Die Bottminger-, St. Margarethen- und Spalenwerkquellen stimmten im Gehalte ziemlich un- tereinander überein; das Riehenwasser enthielt am meisten feste Stoffe ven allen aus den nahen Hügeln in die Stadt geleiteten Quellwassern. Jedenfalls übertreffen alle diese Quellwasser im nie- deren Gehalte an Mineralstoffen das im Grossbasel zu Tage tretende Grundwasser bis auf einzelne Ausnahmen. Umge- kehrt enthalten die meisten Sodwasser der kleinen Stadt we- niger feste Stoffe als diese Quellwasser mit Ausnahme einiger Grellinger- und der Angensteinerquellen, die sich durch einen niedern Gehalt an festen Stoffen besonders auszeichnen. Der durchschnittliche Gehalt an festen Stoffen in 100 Litern Wasser stellt sich: beim Wasser der bis jetzt untersuchten Quellen von Grellingen und Angenstein | auf 27,3 Gr.*) dito von Bottmingen 3 BE dito von St. Margarethen saß, dito des Steinenwerks BEN 1. en dito des Spalenwerks sa ue dito des Riehenwerks aka Die Quellwasser sind also nach dem absteigenden Ge- *) Welche Zahl nicht als der durchschnittliche Gehalt von 100 Litern der nach Basel geleiteten Gesammtmasse des Angensteiner- und Grellingerwassers zu betrachten ist. Ich behalte mir vor hierüber periodische Untersuchungen anzustellen, über deren Resultate ich auch snäter berichten werde, 701 haite an festen Stoffen so zu ordnen: Riehen-, Steinen-, Bottmingen-, St. Margarethen-, Spalen- und Angenstein- Grellingerwerk. Die Rückstände aller dieser Wasser wa- ren weiss mit Ausnahme der einiger noch nicht gefasst ge- wesenen Quellen. Es möchte an diesem Orte wohl jene sei- ner Zeit vielfach ausgesprochene Ansicht Erwähnung finden, als ob die Quellen des Pelzmühlethales dasselbe Wasser wie der weiter oben versiegende und dann wieder zum Vorscheine kommende Seewenerbach wären. Wohl fliesst der Bach bei niederem Wasserstande nicht durch den schon im letzten Jahrhundert angelegten Tunnel ab, sondern ver- liert sich oberhalb desselben an einigen Stellen des Bach- bettes, wesshalb die Idee sehr nahe lag, dass der Seewe- nerbach mit den im Bachbette und nahe dabei gelegenen Pelzmühlequellen im Zusammenhange stehe. Nachdem sich die beiden geologischen Experten, der verstorbene Herr A. Gressly und Herr Prof. Albr. Müller, ersterer gegen, letzterer für die Wahrscheinlichkeit des Zusammenhanges zwischen Seewenerbach und Pelzmühlequellen ausgespro- chen hatten, wurde von der hohen Stadtbehörde auch eine chemische Expertise angeordnet. Am 8. October 1863 wur- den 21 Centner Kochsalz oberhalb der Hauptauelle in das Wasser des kleinen Baches, der an dieser Stelle cisternen- artig sein Wasser verliert, geschüttet, und hierauf unter- suchte ich an der Quelle während 5 Stunden in Zwischen- | räumen von 5 bis 10 Minuten das Wasser der Pelzmühle- quelle, in welchem ich aber nur die höchst geringe Chlorreac- tion, die sonst schon diesem Wasser eigen ist, erhielt. Die Analysedes Wassers des Seewenerbaches, welchesich zu der- selben Zeit wie das Wasser der Quelle geschöpft hatte, ergab in 1 Liter einen Gehalt an festen Bestandtheilen von 0,352 Grammen, während die Pelzmühlequellen einen solchen von 0,256 bis 0,296 Grammen zeigten. Ohne hierdurch die Frage als erlediget zu betrachten, geht doch aus der gan- 702 zen chemische Beschaffenheit dieser Quellwasser hervor, dass, wenn auch wirklich Sewenerbachwasser in die Quel- len flösse, doch eine so vollständige Filtration durch die Erde stattfindet, dass es als reines gutes Trinkwasser zu betrachten ist. D. Grundwasser m der Umgebung Basels. (Tabelle VE.) Der Gehalt an festen Stoffen in einem Liter der Sod- wasser Kleinhüningens stimmte mit dem Gehalte der grös- seren Zahl der Sodwasser der kleinen Stadt überein. In Birsfelden schwankte er von 0,30% bis 0,820, wenn näm- lich von Nr. 2, wo unstreitig starke Infection des Bodens und dadurch des Sodwassers durch eine nahe Abtrittgrube stattgefunden und von Nr. 9, wo die Jauche einen Weg in den Sod gefunden hatte, abgesehen wird. In 100 Li- tern sind durchschnittlich 40,3 Gramme feste Stoffe ent- halten. Die Rückstände waren weiss, gelblich bis bräun- lichgelb. E. Fluss- und Bachwasser. (Tabelle Vil.) I. Rheinwasser. Abgesehen von Nr. 6, welches am Schindgraben an einer Stelle, wo unstreitig sehr starke Verdünnung durch Wiesewasser stattfindet, geschöpft wurde, war sein Gehalt 0,179 bis 0,242 Gr., je nach der Stelle und der Zeit, wo es geschöpft wurde. II. Beim Birswasser war er, ebenfalls je nach der Zeit und der Stelle 0,205 bis 0,23% Gr. Zuweilen besitzt das Birswasser eine hochrothe Färbung, welche vom Erzwa- schen in der Gegend von Delsperg und von suspendirtem Eisenoxyde herrührt. Durch Filtration lässt sich das Was- ser vollständig klären; im Filtrate ist dann keine Spur von Eisen nachweisbar. IL Beim Birsigwasser 0,273 bis 0,298 Gr. 103 IV: Beim Rümelinbachwasser ®,319 Gr. (nur einmal untersucht). V. Beim Gewerbeteich im Kleinbasel (Kanal der Wiese 0,126 Gr. (nur einmal untersucht). VI. Beim Wiesewasser 0,052 bis 0,072 Gr. Am wenigsten feste Stoffe enthält das Wiesewasser, am meisten das Rümelinbachwasser; zwischen beiden stehen geordnet nach ihrem zunehmenden mittleren Gehalte an fe- sten Bestandtheilen: Wasser des Kleinbasler Gewerbetei- ches, des Rheines, der Birs und des Birsigs. Der durch- schnittliche Gehalt an festen Stoffen in 109 Litern ist: beim Wiesewasser 6/0 Gr. „ Kleinbasler Gewerbeteich 13°/, ,, „ Rheinwasser 13, ,, „ Birswasser 22 5 „ Birsigwasser Sr 55 » Rümelinbach SA Das Wiesewasser ist mehr als dreimal ärmer an festen Bestandtheilen wie das Rhein- und Birswasser; diese stehen im Gehalte nicht weit aus einander; der Kleinbasler Ge- werbeteich führt ein Wasser mit mehr als zweimal se viel festen Stoffen wie das Wiesewasser, obschon er ein Ka- nal der Wiese ist. Die Rückstände waren weiss bis bräun- lichgelb. IX. Bestimmung der Menge der beim Glühen des Rück- standes eines Liters Wasser sich verflüchtigenden Stofie. Der im vorigen Kapitel besprochene Rückstand eines Liters Wasser wurde schwach geglüht und dann wieder sewogen. Während des Glühens wurde auf jede Verän- derung genau Obacht gegeben. Durch Subtraction der Menge des Glührückstandes eines Liters Wasser (siehe 70% Colonne il der Tabellen E bis VII) von dem bei 100° Cel- sius getrockneten Rückstande (siehe Colonne I) ergab sich der Glühverlust des Rückstandes eines Liters Wasser (siehe Colonne il} Unter diesem versteht man hie und da die Menge der in einem Liter Wasser enthaltenen or- ganischen Verunreinigungen. Der beim Glühen entstehende Gewichtverlust entspricht aber nicht nur den in der Glüh- hitze verbrannten organischen Stoffen; denn es gehen auch eins Reihe anderer Prozesse vor sich. Jedes Wasser ent- hält mehr oder weniger salpetersaure Salze, welche in der Glühhitze zerlegt werden, und namentlich bei Gegenwart organischer Stofe, deren Kohlenstoff und Wasserstoff durch den Sauerstoff der Salpetersäure und salpetrigen Säure oxydirt werden. Die gebildete Kohlensäure verbin- det sich mit den Basen zu Carbonaten, und indem sich die Nitrate und Nitrite in Carbonate verwandeln, tritt eine merkliche Gewichtsvermisderung ein, indem die Aequiva- lentgewichte der beiden Stickstoffsäuren 54 und 38, das der Kohlensäure nur 22 ist. Etwa vorhandenes Chlormag- nesium verwandelt sich ganz oder zum Theil in Magnesia oder Magnesiacarbonat, so dass auch dadurch eine Gewichts- abnahme stattfindet; dito beim Chlorcalcium. Geht die Tem- peratur nicht höher als bis zur Rothgluth, so wird sich der kohlensaure Kalk nur spurenweise in Aetzkalk ver- wandeln; es hält aber schwer die mässige Temperatur inne- zuhalten, namentlich weun schwer verbrennliche organische Stoffe mit viel Kohlenstoff vorhanden sind. In diesem Falie befeuchte ich nach dem Erkalten den nur noch mi- neralischen Inhalt der Schaale mit einer Lösung von koh- lensaurem Ammon, verdampfe bei gelinder Wärme zur Trockne, trockne den Rückstand bei 180° Celsius und wäge; während des Eindampfens hat sich der etwa entstandene Aetzkalk durch die Kohlensäure des Ammoncarbonates wie- der in Carbonat verwandelt, während Ammoniak entweicht; 705 zugleich nelimen die aus Chlorcalcium und Chlormagnesium entstandenen Basen Kalk und Magnesia Kohlensäure auf. Wenn aber ein Wasser Sulfate enthält, so kann ferner ein Theil derselben bei Anwesenheit organischer Stoffe durch diese in der Glühhitze zu Schwefelmetallen reducirt wer- den. Mehr oder weniger Gyps verwandelt sich in Schwe- felcalcium, wovon allerdings bei anhaltendem Glühen an der Luft ein. Theil wieder zu Gyps oxydirt wird. Auf grosse Genauigkeit macht diese Methode jedenfalls keinen An- spruch, immerhin hat sie bei Anwendung möglichst niede- rer Temperatur und des Ammoncarbonats einen practischen Werth, namentlich bei Vergleichung verschiedener Wasser ein und derselben Gegend, die alie auf ein und dieselbe Weise behandelt werden. Der Glühverlusi des Rückstandes eines Liters der Loch- brunnwasser betrug in 17 Fällen 0,034 bis 0,493 Gramme, und zwar entspricht ein grösserer Glühverlust nicht immer auch einem grösseren Gehalte an festen Stoffen. Beim Glühen zeigte sich theilsgar keine Farbenerscheinung, theils geringere oder stärkere vorübergehende Bräunung bis Schwärzung, hie und da auch schwer verbrennliche kohlenähnliche Partikel- chen, welche sich nur sehr schwer verbrenzen liessen. Der Glühverlust des Rückstandes eines Liters der Scdwasser im Birsigthale betrug in 30 Fällen 0,042 bis 0,528 Gr. ; dabei wurden dieselben Beobachtungen wie beim Loch- quellwasser gemacht. Der Glühverlust beim Sodwasser auf den beiden Höhen des Birsigthales betrug in 44 Fällen 0,064 bis 0,592 Gr. Auch bei diesen zeigte sich sehr ver- schieden starke Färbung beim Glühen, manchmal gar keine, manchmal aber sogar schwer verbrennliche kohlenartige Reste organischer Substanzen. Bei den Sodwassern im Kleinbasel beitrug der Glühverlust in 40 Fällen 0,018 bis 0,542 Gr.; bei den auswärtigen Quellwassern 706 a) an den Quellen selbst gefasst, in 10 Fällen: 0,03 bis 0,14 Gr., b) am Ausfluss der Leitung in der Stadt geschöpft, in 10 Fällen: 0,03 bis 0,13 Gr.; so dass also von einer Verunreinigung in der Leitung nicht die Rede sein kann. Beim Glühen des Rückstandes der an den Quellen geschöpf- ten Wasser zeigte sich keine Färbung bis höchstens schwache Bräunung; bei dem in die Stadt geleiteten Wasser der- selben Quellen ebenfalls nur schwache Bräunung. Bei den Soden Kleinhüningens, Birsfeldens und der Schweizerhalle war der Glühverlust in 13 Fällen: 0,038 bis 0,143 Gr., es zeigte sich schwache Bräunung bis Schwärzung und Ausscheidung kohlenartiger Reste. Am meisten Glühverlust zeigte sich demnach beim Grundwas- ser Grossbasels, vor allem beim Lochbrunnenwasser, we- niger beim Grundwasser Kleinbasels, am wenigsten bei den auswärtigen Quellwassern. Der durchschnittliche Glühver- lust für je 100 Liter der verschiedenen Wasser stellte sich wie folgt heraus: Lochbrunnwasser 23,6 Gr. Sodwasser im Birsigthale 18,708 Sodwasser der Höhen 18,575 Sodwasser Kleinbasels 1 auswärtige Quellwasser Be Beim Rheinwasser betrug der Glühverlust 0,047 bis 0,073 Gr., es zeigte sich meist starke Schwärzung; beim Birswasser zeigte sich ebenfalls sehr starke Schwärzung . ‘dito beim Wiesewasser, sowie beim Kleinbasler Gewerbe- teich und beim Rümelinbachwasser. Beim Birsigwasser zeigte sich dunkelbraune bis schwarze Färbung, der Glüh- verlust schwankte von 0,037 bis 0,11 Gr. Es stellt sich die Menge des Glühverlustes für die verschiedenen Bach- und Flusswasser und für je 100 Liter derselben so: Rümelinbachwasser 1%. Gr. Kleinbasier Gewerbeteich DS Birsigwasser 6,4 ; Rheinwasser 6; Birswasser 4,3 ., Wiesewasser 22; Beim Glühen der Rückstände der stark infizirten auf Tabelle IX verzeichneten Sodwasser zeigten sich sehr auf- fallende Erscheinungen und sehr starker Glühverlust, wie denn auch diese Sodwasser aussergewöhnlich starke Rück- stände hinterliessen, deren Färbung schon ein Beweis für die starke Verunreinigung ist. Der Rückstand von Nr. a z. B. schwärzte sich beim Glühen stark, der von Nr. b 1 entwickelte Dämpfe und die organischen Substanzen brann- ten mit russender Flamme; nach dem Glühen war der Rück- stand rostfarben. Im Allgemeinen dürfte wohl der Satz aufgesteilt wer- den, dass in allen Fällen, wo der Rückstand eines Liters Wasser beim Glühen mehr als 0,15 Gr. von seinem Ge- wichte verliert, Verunreinigung angenommen werden kann. 0,1% Gr. ist das Maximum von Glühverlust, welches ich bis dahin bei den auswärtigen Ouellwassern beobachtet habe). X. Bestimmung der Gesammt-Menge der organischen Stoffe, der salpetrigen Säure und Salpetersäure. Wenn ich in folgendem eine Methode beschreibe, welche ich bei der Untersuchung der hiesigen Wasser angewandt habe, so geschieht es namentlich desshalb, weil durch Mit- theilung noch unvollkommener Methoden der Eifer Ande- rer angespornt wird etwas besseres zu Stande zu bringen ;- auch haben sich bei deren Anwendung einige nicht unin- teressante Resultate herausgestellt. A. Es wurden 6 Liter Wasser auf schwachen: Feuer 708 zuerst concentrirt; dann wurde der Rest von etwa °/, Li- ter auf dem Wasserbade bis zur Trockne verdunstet. Die Farbe des Rückstandes wurde genau beobachtet und dar- über schon unter VII berichtet. Beim Stehen des Rück- standes zeigte sich bei manchen Wassern ein baldiges Feuchtwerden und dann Zerfliessen in Folge Gegenwart ge- wisser Salze, wie Kalknitrat und Chlorcaleium, namentlich beim Grundwasser Grossbasels. Dass hei allen Bestim- mungen das Eindampfen in einem von Staube geschützten Raume geschah, versteht sich von selbst. B. Der Rückstand von 6 Litern wurde zuerst mit che- misch reinem absolutem Alcohol in der Wärme des Was- serbades so lange extrahiert als noch etwas gelöst wurde, was gewöhnlich in 2 bis 3 Malen geschehen war. Der al- coholische Auszug wurde filtrirt und der Rückstand mit Al- cohol vollständig ausgewaschen. Der alcoholische Auszug war in den meisten Fällen, wo das Wasser eine unge- wöhnliche Menge organischer Substanzen enthielt, gelblich und hinterliess beim Eindampfen auf dem Wässerbade einen selblichen bis braunen "Rückstand. Doch hängt die Inten- sität der Färbung dieses Rückstandes durchaus nicht allein von der Quantität der organischen Stoffe ab, sendern na- mentlich von deren Qualität. Immerhin dürfte ein weisser Rückstand des alcoholischen Auszugs als ein Zeichen von Reinheit des Wassers anzusehen sein, während Färbung desselben auf Verunreinigungen deutet, Der Rückstand des alcoholischen Auszuges wurde so oft bei 100° ©, getrocknet und gewogen bis die Gewichte über- einstimmten, was gewöhnlich schon beim zweiten Male der Fall war. Es betrug derselbe, welchen ich der Kürze hal- ber alcoholischen Rückstand nennen will, nach Berechnung auf 1 Liter Wasser, das heisst Division der in Tabellen I bis VII in Coionne IV und in der Tabelle IX in Colonne XI stehenden Zahlen mit 6: 709 beim Lochbrunnwasser in 11 Fällen: 0,136 bis 0,439 Gr. beim Sodwasser des Birsigthales in 23 Fällen: 0,019 bis 0,417 Gr., beim Sodwasser auf den Höhen in 40 Fällen: 0,012 bis 0,454 Gr., beim Sodwasser Kleinbasels in 35 Fällen : 0,008 bis 0,293 Gr, beim Quellwasser von auswärts in 12 Fällen: 0,005 bis 0,051 Gr. beim Sodwasser umliegender Ortschaften in 13 Fällen: 0,013 bis 0,466 Gr., bei den stark infizirten Sodwassern Nr. € 1, 2, 3, % 0,139 bis 0,592 Gr., beim Bach- und Flusswasser in 7 Fällen: 0,006 bis 0,041 Gr. 100 Liter der verschiedenen Wasser enthielten durch- schnittlich folgende Mengen von in Alcohol löslichen Be- standtheilen Bach- und Flusswasser 1,8 Gr, Quellwasser 22% Sode Kleinbasels US Sode der Höhen Grossbasels 1718... Sode im Birsigthale 20,6 ,, Lochquellen 300, Diese Zahlen sprechen für sich selbst, Die Analyse des alcoholischen Rückstandes hat fol- sende Mineralstoffe darin nachgewiesen: Chlor, Salpeter- säure (salpetrige Säure), Kalk, Magnesia, Kali und Natron, In Betreff der Quantitätsverhältnisse dieser Stoffe fand ich beispielsweise folgende Resultate: der Chlorgehalt eines Liters Wasser betrug: der Lochquellen : 0,039 Gr., Mittel von 2 Bestimg der Sode im Birsigthale: 0,052 :, N u h der Sode der Höhen: 0,025 , Bi are der Quellwasser : 0,00% ,, 5 USE Fe der Kleinbaslersode 6,021 „ Ar se) : Dass das von städtischen Infectionsheerden beeinflusste 710 Grundwasser einen grösseren Gehalt an Chlormetallen zeigt, wundert uns nicht, da ja der Harn und die Excremente Chormetalle enthalten. Nach Hegar beträgt der mittlere Gehalt der Harnmenge an Chlor in 24 Stunden 10,4 Gr. welche Menge natürlich nur als Durchschnitt anzusehen ist; hauptsächlich Chlornatrium und Chlorkalium finden sich vor. Wie schon freiherr von Liebig ermittelt hat, sind in den festen Excrementen nur wenige lösliche Salze enthal- ten, dabei nur 1'/, bis 41, °/, Chloralkalien, Wenn aber fortwährend von Abtrittgruben, Dohlen, Ställen u. s. w. aus eine Inältration des flüssigen Inhaltes oder der durch Wasser ausgelaugten löslichen Bestandtheile der Excre- mente stattfindet, so kann der Chlorgehalt des Grundwas- sers um eine merkliche Menge zunehmen, Bei der Verunreinigung des Grundwassers durch städ- tische Infectionsheerde denken wir zwar stets in erster Linie an organische Stoffe, weil wir für diese einen ange- borenen Eckel haben, indessen stammen aus ebendenselben Quellen eine Reihe mineralischer in Wasser löslicher Salze, welche keinen besondern Geschmack und Geruch und auch keine Farbe besitzen, und über deren Gegenwart wir uns desshalb auch nicht grämen. Es kann uns ja schliesslich auch gleich sein, woher sie stammen; ein Atom Schwefel- säure oder, Chlor oder Natrium hat stets, wir mögen sie auf irgend welche Weise künstlich bereitet haben, oder die Natur mag sie uns auf irgend welchem Wege geliefert ha- ben, dieselben Eigenschaften und denselben physiologisch- chemischen Werth. Neben einem Gottesäcker konnte schon ‘ öfters eine Vermehrung der Mineralbestandtheile im Grund- wasser nachgewiesen werden, ohne dass Jemand durch den Genuss des Wassers es gemerkt hätte. Vor den End- producien der Verwesung eckelt uns nicht, so wenig als vor dem Sauerstoffe, den vor uns eine unzählbare Menge anderer Individuen in ihrem Leibe gehabt und in Form vor 711 Kohlensäure zum Theile wieder ausgeathmet hatten, als Tri- but für die Pflanzen, die den Kohlenstoff der Kohlensäure assimiliren, den Sauerstoff aber der Thierwelt in reiner Form zurückliefern. Der Mensch, von der körperlichen Seite genommen, ist ein integrirender Bestandtheil dieser Erde und lebt mit als handelnder Theil im ewigen Kreis- laufe der Materie, der Geist aber hebe sich über kleinliche Begriffe dieser Welt empor und erkenne die Grösse der Schöpfung gerade in der Thatsache, dass keine neue Ma- terie entsteht, dass aber die alte in fortwährendem Wech- sel der Form immer jung und rein fortlebt. Zur Bestimmung der Menge der verschiedenen Mineral- stoffe im Alcoholischen Rückstande wurden stets 12 Liter des Wassers zuerst auf freiem Feuer, dann auf dem Was- serbade verdunstet; der Rückstand wurde mit absolutem Alcohol ausgezogen, der alcoholische Auszug im Wasser- bade verdunstet, der Rückstand bei 100° Celsius getrocknet und gewogen, wodurch die bereits beschriebene Bestim- mung in 6 Litern Wasser controlirt wurde. Der Rückstand wurde mit kochendem Wasser ausgezogen und das Filtrat auf '% Liter verdünnt. In 100 CC wurde nach Ansäuern mit etwas Salzsäure mit Chlorbarium auf Schwefelsäure reagirt, worauf in keinem der- untersuchten Wasser eine Reaction entstund. In weiteren 100 CC wurde nach An- säuern mit Salpetersäure das Chlor durch Silbernitratiôsung gefällt und als Chlorsilber gewogen. In 275 CO wurde zuerst der Kalk mit oxalsaurem Ammoniak gefällt und der oxal- saure Kalk durch Weissgluth in Aetzkalk verwandelt. Bei grösseren Niederschlägen erhalte ich dieselben eine halbe Stunde lang in der Weissgluth und wäge dann, wornach, wenn wieder 10 bis 15 Minuten lang geglüht wird, die zweite Wägung mit der ersten übereinstimmt. Ich kann diese Meıhode der Fällung des Kalkes als oxalsaurer Kalk und Zersetzen dieses in der Weissgluth zu Aetzkalk nicht 48 712 genug anempfehlen. Im Laboratorium des Herrn Professor Heinrich Rose’s selig wurde der Kalk stets in dieser Form bestimmt und seitdem ich dort diese Methode kennen ge- lernt und bei eigenen Arbeiten zu prüfen Gelegenheit ge- habt habe, habe ich den Kalk nie anders bestimmt und stets vollständig genaue übereinstimmende Resultate erhal- ten. — Die Magnesia wurde im Filtrate nach Verjagung der Ammoniaksalze von den Alkalien mit Hülfe von Queck- silberoxyd getrennt; die Alkalien wurden zusammen als Chloralkalien gewogen, das Kali als Kaliumplatinchlorid gewogen und das Natron indirect bestimmt. Die Magnesia wurde nach ihrer Abtrennung in verdünnter Salzsäure ge- löst, als phosphorsaure Ammoniakmagnesia gefällt und als pyrophosphorsaure Magnesia gewogen. — Mit Schwefel- ammonium entstund niemals eine Fällung. — Wenn in der folgenden Tabelle die Menge der Salpetersäure nicht ange- geben ist, so rührt es daher, weil mir bis dahin die Zeit mangelte die zur Bestimmung derselben vorgeschlagenen und hier anwendbaren Methoden zu prüfen, was aber ge- schehen soll; die zu erhaltenden Resultate werde ich seiner Zeit mittheilen. 6850°0 96800 0FC0‘0 6907‘ 66480 8GEc ‘0 "SObnzsny OTOsı[odoote sap pop) Un LEJEUNE LME) 8015189 ob {4 | 80700 02000 98800 Tone 9800°0 IE00°0 el YT00‘0 v700°0 &900‘0 FTO0‘0 c700°0 62800 GEEN‘O 78200 PISaubeN 72100°0 9700°0 9900°0 4E70°0 17700 C6TO‘0 86900 62F0‘0 82200 1010) QUT0Y QUI9Y OUI9Y Sure QU19X OUI9Y OUI9H aUT9Y amastarsuug ‘q aunuep |9987 ‘Q aunuwp (9987 ‘G genug 19987 | sopwwaou ‘uosıpg wmz sosney ‘67 ‘dwoz0 |CHBT ‘Y Tem 9987 suspdarog sop viog :JMONIPOSSNE UOUBIS ur em UOTOUFPURISONTEIOUN UU SION] SOUI9 SOPUVJSHONT Sop SOdnzsny UOUPSIIOUONTE S0p Yeyod od IOSSBAA SOU -191 SOJUUIOU ‘OIUEJUIOUN 19P ug JOPTOUIQ "ur UOA 9pneq —9d9IW0U0900 VW F ‘IN UOPIOJSAIT I9SSUAA SOUTOI SOJUUU IOu °geIg NZ O8NCUSJITAA wop JOJUIY POS °g ‘IN UOPIOJSITE JOS888AA SOUTOI | -SUMIAN SOP POS ‘T ‘IN UOPIOISIIT (TOUS9 AA -UIL8T ‘OMAA NUIT) OSSEIJSIOUOVZUOIL) IOP UE Pog QIZyuT ONTIgBJSEH 978 ypanp) & 9SSUIJSIOQUIUUIT POQ ST ‘IN 9SSUG988I9 AA Top UT pOQ SI0qIOQUOL) WE UOUUNTAUIONT a 2 ISNEeUIPeIS wg UAuUUNIQUOOrT stossen Sep KUNUTITaZOA N 714 C. Der alcoholische Rückstand wurde zuerst schwä- cher, dann stärker bis zum Glühen erhitzt, wobei folgende Erscheinungen beobachtet wurden, welche in den Colonnen VIT und IX der Tabellen I bis VII und in Colonne XV und XVI der Tabelle IX näher beschrieben sind: 1) Starke Entwicklung von gelben Dämpfen (Untersal- petersäure) ohne Bräunung; oder 2) Schwächere oder stärkere Entwicklung von gelben Dämpfen bei gleichzeitiger Bräunung bis Schwär- zung; oder 8) Bräunung bis Schwärzung des Rückstandes ohne Ent- wicklung gelber Dämpfe; oder %) Einzelne schwerverbrennliche kohlenartige Partikel- chen nebst Bräunung bis Schwärzung; 5) Neben obigen Erscheinungen weisse brennbare Dämpfe. Es zeigten die verschiedenen Wasser folgende Reac- tionen, und unter i00 Fällen in folgender Anzahl: 118 egeio < 00 [04 0 ti cz fs F0 SE oem 0 ofen Y 1% *IO8SUMITONT) ‘OPOQ-IOISCQUIOTNT ‘UOUOFI 19P 9pog 'arıyaisırg "uouunaqydor] SOUT9NT GG} 6 66 sel YG [21 . 0} SIN 09 um 9pog a) 2.99 O[PN © 66 : osIoMU9inds nu 10p0 ‘Jduvq 104108 Zunzyara JU ouyo ‘EUNZILMUOS sıq Sunungag :9]yo/M JÔTA ayas sıq Fıuam "Dunzienyog sıq Sununeag ojyunp Aopo wo oJdWe( 104108 SUNTHOTMIUT oyoemyog :O[UOM SIUDM Sununesg; OUIOBMUIS JOHO OUIOY ‘oydwegg 194108 SUN[HOIMIUT 94181S :SUNUNLIT 9Y10)S pun UOUH92IOUJUOIUOMH [OIA yaıuaız sıq SEM) ‘oinesi19)0des19}UQ UOA ojdweg 404198 SUNIHOIMIUT 9%18JS 716 In allen vier vorgekommenen Fällen gaben die stark infizirten Sodwasser der Tabelle !X die Reaction Nr. 4. Die Lochbrunnwasser enthalten so viele Nitrate, dass beim Glühen des alcoholischen Rückstandes eine starke Ent- wicklung von Untersalpetersäuredämpfen stattfindet, welche noch grösser sein würde, wenn nicht eine grosse Menge organischer Stoffe vorhanden wäre, welche einen Theil der Salpetersäure vollständig reduciren. In einem Drittheile der Fälle zeigte sich starke Bräunung, welche von Zer- setzung der organischen Snbstanzen herrührt, wobei sich immer kohlenstoffreichere Producte bilden, aus welchen sich sogar höchst kohlenreiche Theilchen oder einzelne Kohlentheilchen ausscheiden, die nur schwierig verbrennen und zu ihrer Oxydation ein längeres Glühen an der Luft bedürfen. !n zwei Drittheilen der Fälle trat neben der Entwicklung von Untersalpetersäure nur eine schwache oder sar keine Bräunung auf, und es zeigten sich auch nur we- nige kohlenartige Theilchen; in diesen Fällen war die Menge der Nitrate so gross, dass ihr Sauerstoff allein schon aus- reichte die organischen Stoffe zu oxydiren. Natürlich kommt es auf die Qualität der organischen Stoffe an, ob sie leich- ter oder schwieriger verbrennen. Um die Entwickelung der gelben Untersalpetersäure, sowie die leiseste Bräunung wahrzunehmen, nehme ich alle diese Glühprozesse in Ber- liner Porzellanschälchen vor, worin also auch das Ein- dampfen stattfindet. Um die letzten Theilchen schwer ver- brennlicher Kohle zu verbrennen, wende ich das in meinem Beitrage zur Prüfung der Kuhmilch (siehe diese Verhand- | lungen IV. Theil, Iil. Heft 1866) angegebene Mittel, näm- lich ein Messerspitzchen voll chemisch reinen Ammoniak- nitrates an, von welchem ich aber auch hier nur die durch- aus nöthige Menge anwende. Beim Grundwasser Grossbasels zeigte sich dieselbe starke Entwickelung gelber Untersalpetersäuredämpfe und 717 in mehr als der Hälfte der Fälle trotzdem starke Bräunung, sowie Kohle, so dass also hier in einer noch grösseren Anzahl von Fällen schwieriger verbrennbare organische Stoffe vorhanden sind. Während beim Grundwasser Gross- basels nur wenige Fälle vorkamen, wo nur eine schwache oder gar keine Entwicklung von Untersalpetersäuredämpfen stattfand, daneben aber Bräunung bis Schwärzung oder gar kohlenartige Reste sich,zeigten, so bemerkte ich umgekehrt diese Erscheinung in sehr vielen Fällen beim Grundwasser Kleinbasels und namentlich beim auswärtigen Quellwasser. Beim stark infizirten Sodwasser beobachtete ich höchstens Spuren von Untersalpetersäure, aber starke Schwärzung. Dasselbe gilt vom Bach- und Flusswasser; bloss beim Wiesewasser zeigte sich nur eine geringe Bräunung. Als ein Vorzug mag es gelten, wenn der Rückstand eine möglichst geringe Bräunung zeigt, obschon, wenn sechs Liter Wasser in Arbeit genommen werden, auch aus einer Schwärzung des Rückstandes nicht ohne weiteres auf eine ungewöhnlich grosse Meuge organischer Stoffe geschlossen werden darf. Die Menge des Glühverlustes betrug, wie in Colonne VI der Tabellen ! bis VIT und in Colonne XIII der Tabelle IX verzeichnet steht, bei 6 Litern: 0,471 bis 0,826 Gramme beim Wasser der Lochbrunnen, 0,020 „ 1,156 x » Sodwasser des Birsigthales, 00952, 128% ; „ Sodwasser der Höhen, 0,004 „9,687 # „ Sodwasser Kleinbasels, 0,020 „ 0,150 = » Quellwasser von auswärts, 0,022 „ 0,202 & » Bach- und Flusswasser, 0,205: 1.431 n » stark infizirten Sodwasser. Der höchste Glühverlust kam sonach ausser bei den einzelnen vier stark infizirten Sodwassern beim Grundwasser Grossbasels, der geringste beim Quellwasser vor. 718 Es ergeben sich für 100 Liter der verschiedenen Was- ser durchschnittlich folgende Glühverluste: 10.8 Gramme beim Wasser der Lochbrunnen, 8.8 N n n der Scde des Birsigthales, 8.5 ÿ » 2 der Sode der Höhen, 3.4 5 „ > der Sode der Umgebung. 2.6 5 : Wasser der Sode Kleinbasels, 1.1 li » Bach- und Fiusswasser, 1:1 5 » auswärtigen Quellwasser. Die gelben Dämpfe rühren her von der Zersetzung der Salpetersäure in Sauerstoff und Untersalpetersäure, oder in Sauerstoff und Stickoxyd, das an der Luft sich in Untersaipetersäure verwandelt; letzteres gilt auch von der Zersetzung der salpetrigen Säure. Der Glühverlust rührt also in erster Linie her von der Zersetzung der Salpeter- säure und der salpetrigen Säure, sowie von der Verbren- nung der organischen Stoffe. Genau ist aber allerdings diese Bestimmung dieser Körper nicht, da auch hier die oben be- sprochene Veränderung des Chlorcalciums und Chlormagne- siums in Betracht kommt. Doch fehlen hier die Sulfate. Jedenfalls steht die Menge des Glühverlustes in einem Ver- hältnisse zur Verunreisigung des Wassers. Von beson- derem Interesse ist die Beobachtung der Erscheinungen beim Glühen. D, Der nach Extraction mit absolutem Alcohol ge- bliebene Rückstand wurde mit kochendem Wasser so oft ausgezogen, als sich noch etwas darin löste. Der wässerige ‘ Auszug, welcher sowohl Mineralsalze als auch den Rest der organischen Stoffe enthielt, wurde filtrirt und das Fil- trat eingedampft; der Rückstand wurde bei 100° C. getrock- net, gewogen, geglüht und wieder gewogen. Der Glühver- Just entspricht annähernd einer in Alcohol unlöslichen Klasse von organischen Substanzen und findet sich in Colonne VEE 719 der Tabellen I bis VIE und in Colonne XIV der Tabelle IX. Durch besondere Versuche habe ich mich davon überzeugt, dass durch den kochenden Alcohol alle Nitrate, welche vorhanden sein können, gelöst werden, und dass in dem nach Behandlung mit Alcohol gebliebenen Rückstande keine Spur salpetersaurer oder salpetrigsaurer Salze nachweis- bar ist. Der wässerige Auszug war je nach der Reinheit des Wassers farblos, gelb bis braungelb ; in allen Fällen, wo das Wasser einen unnormalen Gehalt an organischen Stof- fen besass, war er gefärbt. Der Rückstand selbst war sel- ten rein weiss, meist zeigte er stellenweise oder ganz gelb- liche, ja sogar braungelbe bis braune Farbe, je nach der Reinheit des Wassers. Beim Glühen nahm ich nie gelbe Dämpfe wahr, wohl aber zeigten sich immer leise bräun- liche Färbung bis starke Schwärzung, hie und da schwer- verbrennliche kohlenreiche Theilchen, zu deren vollständi- ser Verbrennung Ammoniaknitrat angewandt wurde. Wenn auch diese Bestimmung organischer Substanzen keinen Anspruch auf absolute Genauigkeit machen kann, so ergeben sich doch bei Vergleichung der Glühverluste inte- ressante Unterschiede zwischen den verschiedenen Wassern. 100 Liter der verschiedenen Wasser gaben nämlich durch- schnittlich folgende Glühverluste: beim Wasser der Lochbrunnen 1. 9 Gramme . 5 der Sode im Birsigthale 2 5 A 3 der Sode der Höhen 2.2 5 5 Br der Sode Kleinbasels 1.8 5 „ auswärtigen Quellwasser 1 | » Bach- und Flusswasser 0. 9 a „ Wasser der Sode der Umgebung i. 2 ir Beim Grundwasser zeigte sich also zweimal so viel Glühverlust wie beim auswärtigen Queliwasser. « 720 E. Der in kochendem Wasser unlösliche Rückstand wurde stets auf organische Stoffe geprüft, indem derselbe zuerst schwach, dann bis zum Glühen erwärmt wurde, wo- bei sich aber niemals die jenen entsprechende vorüber- sehende Bräunung zeigte. F. Durch Addition der Zahlen der Colonne VI und VIT der Tabellen I bis VIT, respective der beiden Glühverluste des alcoholischen und wässerigen Auszuges des Rückstan- des von 6 Litern Wasser und Division der Summe durch 6 erhielt ich die in Colonne X stehende Zahl, welche dem approximativen Grade von Verunreinigung eines Liters Was- ser durch organische Stoffe nebst Salpetersäure und salpe- triger Säure entspricht. Es zeigte sich auch hier ein be- deutender Unterschied zwischen dem Quellwasser und dem Grundwasser, namentlich dem Grossbasels, welches 4%, Mal so viel organische Substanzen als das Quellwasser enthält. Das Grundwasser Kleinbasels enthieit im Durch- schnitte 2!/, Mal weniger als dasjenige Grossbasels, das Bach- und Flusswasser noch weniger, obschon hier zwi- schen den einzelnen Bächen und Flüssen Unterschiede be- stehen, sowie auch die Stelle. wo das Wasser geschöpft wird, in Betracht kommt. im Durchschnitte beträgt die Ge- sammtmenge von organischen Substanzen, salpetriger Säure und Salpetersäure in 400 Litern: Lochbrunnen ! 2700 0117118 VGr-e Sode des Birsigthales . . . 11.1 7. Sode der Höhen des Birsigthales 10. 7 5 Soie Klernbasels 2 07 1er er .093 5 Quellwasser von auswärts . 2.1 u, Bach- und Flusswasser . . 2 Pr G. Vergleichen wir die Summe der Glühverluste des alcoholischen und wässerizen Auszuges des Rückstandes eines Liters Wasser mit dem Glühverluste des blossen 721 Rückstandes, so bemerken wir keine Uebereinstimmung. Letztere Zahl ist grösser als erstere, bis in wenigen Fäl- len, wo das umgekehrte der Fall ist oder wo beide Zahlen übereinstimmen. Die Differenz beider Zahlen ist oft sehr gross, wie die Colonne Xi der Tabellen I bis VII und die Colonne XVII der Tabelle IX beweist. Die Menge von Verunreinigung stellte sich nach der von mir angewandten Methode meist geringer ais nach der gewöhnlichen Me- thode heraus, und möchte wohi der Wirklichkeit näher stehen. XI. Bestimmung der Queilsäure und Quellsatzsäure, der harzartigen- und Extractivstoife, Ich führte noch die in Fresenius’s quantitativ-chemi- scher Analyse, 4te Auflage, Seite 589 und 590 Nr 10 und 11 angegebene Methude mit den am 7. Juli 1865 geschöpften Kaltbrunn- und Pelzmühlequellwassern von Grellingen aus. Zur Entdeckung und Bestimmung der sogenannten Quell- säure und Quellsatzsäure dampfte ich 6 Liter Wasser ein, und verfuhr alsdann genau nach der von Fresenius ange- gebenen Methode; ich erhielt aber weder einen "ieder- schlag von quellsatzsaurem noch von quellsaurem Kupfer- oxyde. Zur Entdeckung und Bestimmung von anderweitigen nicht flüchtigen organischen Materien wurden ebenfalls 6 Liter Wasser angewandt. Diese wurden abgedampft, die trockne Salzmasse wurde alsdann zerrieben und mit 96pro- zentisem Alcohol wiederholt erwärmt; das alcoholische Filtrat wurde abgedampft; es hinterliess einen bräunlich- gelben harzähnlichen Rückstand, dessen Lösung in Alcohol durch Wasser weiss getrübt wurde. Der bei 100° Celsius getrockrete Rückstand wog 0,148 Gram:se, macht pro Liter Wasser 0,0246 Gramme. Der nach Behandlung mit Alcohol 722 gebliehene Rückstand wurde mit Wasser ausgekocht, und der wässerige Auszug mit kohlensaurem Natron zur Trockne verdampft; der Rückstand wurde mit Wasser gekocht, fil- trirt, die Lösung verdampft und der Rückstand bei 140° Cel- sius so lange getrocknet bis sich keine Gewichtsvermin- derung mehr zeigte. Dann wurde er gelinde geglüht bis die eintretende Schwärzung wieder verschwunden war. Der Gewichtunterschied zwischen dem getrockneten und dem geglühten Rückstande betrug 0,040 Gramme, pro Liter 0,0066 Gramme, was der Menge der sogenannten Extractivstoffe ent- spricht. Die Gesammimenge der harzartigen und der Extrac- tivstoffe beträgt demnach 0,0312 Gramme pro Liter. Ebendieselben Operationen wurden mit dem Wasser der Pelzmühlequelle vorgenommen. Aber auch hier war im Rückstande von 6 Litern keine Spur von Quellsäure und Quellsatzsäure zu entdecken. Der alcoholische Rückstand war auch hier bräunlichgelb harzähnlich und seine alcoho- lische Lösung gab mit Wasser weisse Trübung. Der bei 100° €. getrocknete Rückstand wog 0,109 Gramme, nach dem Glühen 0,031 Gr., enthielt also 0,078 Gr. organische Substanzen, pro Liter 0,013 Gr. Die Menge der Extractiv- stoffe betrug pro Liter 0,011 Gr. Die Gesammtmenge der harzartigen und der Extractivstoffe war demnach 0,024 Gr. Der mit Alcohol und Wasser erschöpfte Rückstand zeigte bei beiden Wassern beim Glühen nur spurenweise bräunliche, von Eisenoxyd herrührende bleibende Färbung. Ich werde auch die übrigen Quellwasser und das Grund- wasser unserer Stadt derselben Untersuchung unterwerfen. XEI, Ueber die Temperatur der verschiedenen Trink- wasser Basels. Meine im Jahre 1861 von Anfang Juli bis Ende No- vember an einigen hiesigen Brunnen vorgenommenen Tem- 723 peraturbeobachtungen haben folgende Schwankungen in der % Temperatur ergeben: Lochbrunnen am Gerberberg . . 10.3 bis 11. 8° Celsius 5 bemn*Staathause MAD GENS ASC ı,, ns in der Sattelgasse ..79.8,12:80° , Meizionslatzbennnen in... sie ae ARE), Lochbrunnen am Biömlein (existirt Recht imehr AUS MANN Jones SA LL A Im Jahre 1866 bewegten sich die mit den Brunn- messungen von Herrn Falkner gleichzeitig notirten Thermometerstände beim Grundwasser Grossbasels nur zwischen 10 und 11° Celsius. Sod im Antonierhof . . . . . . 15. 6 bis 22. 6° Celsius Oeffentlicher Sod in der Utergasse 10 rt I Laufender Brunnen zu St. Martin . 8.2 „ 17.8 dito auf dem Münster- pDlatzer oe 89,67 ge dito EckeSt.Alban und St.-Albangraben : 13287, 47-607; dito Spahlenvorstadt vor derSchmiede 13 ., 14#.9° , Die Temperatursestimmungen geschahen des Morgens zwischen 6 und 7 Uhr. Da ich die Beobachtungen im Gross- basel selbst besorgte, so war es mir nicht möglich an einer srösseren Zahl von Brunnen dieseiben auszuführen. Auch verhinderte mich überhäufte Arbeit dieselben ferner fort- zusetzen. Es wäre jedoch von Interesse, wenu sie regel- mässig und in ausgedehnterem Maasse ausgeführt würden, wozu vielleicht einige junge Kräfte bereit wären. Das zu den Bestimmungen angewandte Thermometer hatte Herr Rathsherr Professor Peter Merian mit seinem Normalthermometer zu vergleichen die Güte gehabt, wofür ich diesem Herrn nochmals schriftlich meinen herzlichsten Dank ausspreche. 12% Die Quellen des Spahlenwerks hatten im Sommer 1861 eine Temperatur von 8.2 bis 8. 5° Celsius bei 15. 8° Cel- sius Lufttemperatur; die St. Margarethen-Quellen am 25. April 1866 eine solche von 9. 7° C., die Bottminger-Quelle an demselben Tage eine solche von 9. 5° €. Die Beobachtungen über die Temperatur der Quellen von Grellingen, weiche die verehrliche Gesellschaft für Wasserversorgung durch ihre Angestellten im Jahre 1566 hatte ausführen lassen, ergaben folgende Resultate, die ich dem II. Geschäftsbericht des Verwaltungsrathes dieser Ge- sellschaft entnehme: Bei den Quellen, Aeschenplatz. (nach Einleiten in die Stadt) Februar 8. 1— 8.7° C. März 6. 2— 87°. April Ma PS HAT RAS Mai 8.7 10m Juni 8.7—10° „ 13.1°C. Juli 10 —i2.5° ,„ 132 29 August 10 912730), ITA September 410 12:5, 13:00 October 0 A205 LS RARE November LOST OUR 11m Dezember 8.7—10° ,„ See Ganz besonders ist hervorzuheben, dass in den ver- flossenen Wintermonaten das Grellingerwasser 3 Grade wär- mer war als das Wasser der übrigen städtischen Brunnen. Am 7. Juli 1865, Nachmittags 3 Uhr, zeigte nach mei- ner eigenen Bestimmung die Kaltbrunnquelle 10° Celsius, die Pelzmühlequelle 11!/,’, die vereizigten sowie die ein- zelnen Angensteinerquellen auch 10° Celsius. Nach den Temperaturbestimmungen des Herrn Stadtratk R. Merian, welcher mir deren Resultate mitzutheilen die Güte 725 hatte, variirte die Temperatur der verschiedenen Quellen in Angenstein am 14. October 1862 von 10. 6 bis 11. 9 ° Celsius; bei verschiedenen späteren Messungen wurde die Tempe- ratur stets zwischen 10 und 11° Celsius gefunden. Nach den Beobachtungen ebendesselben Herrn war die Temperatur der Pelzmühlequellen bei Grellingen (vor vol- lendeter Fassung): Hauptquelle Seitenquellen im Bachbette: (sogen. Felsenquellen): 21. April 1862 48 ©. 85/, bis 10° ©. 28. Juni 5 E00. 109, aa AUPUSL |. Ian 10. (Lufttemperatur 23°/,° ©.) 8. October 1862 12,07. A 26. April 1863 402,» Ferner war die Temperatur der Bottmirgerquellen, welche theils im Sammler in Bottmingen, wo die verschiedenen Quellen vereiniget sind und die Leitung in die Stadt an- fängt, theils bei der circa 8000° vom Sammler entfernten Einmündung der Bottminger-Leitung in die Hauptleitung des Münsterwerkes unterhalb St. Margarethen bestimmt wurde: 8. 1° bis 12!/,° Celsius. Résumé, 1) Nur wenige Sodwasser unserer Stadt waren in solchem Grade verunreiniget, dass sie einen auffallenden Geschmack oder Geruch, oder eine Färbung zeigten, und nur in solchen eslatanten Fällen waren kleine Mengen der beiden Fäulnissgase Schwefelwasserstoff und Ammoniak, oder deren Verbindungen, nachweisbar. | Wohl aber waren sehr viele Sodwasser trübe durch organische Stoffe, was sowohl auf starke Infiltrationen in 726 den Boden und in das Grundwasser, als auch auf ungenü- gende Reinigung der Sodschachte hindeutet, 2) Wenn auch eine grosse Menge der Sodwasser und die Lochquellwasser keine äusseren Merkmale der Verun- reinigung an sich tragen und auch nicht auf die unter Nr. 4 erwähnten beiden Fäulnissproducte reagiren, so lässtsich doch in einer grossen Anzahl derselben eine aussergewöhnliche Menge organischer Substanzen durch die chemische Ana- Iyse nachweisen. 3) Während die von den nahen Hügelreihen und von Angenstein und Grellingen in die Stadt geleiteten reinen Queilwasser höchstens eine sehr geringe Menge von salpe- triger Säure enthalten, so ist im Grundwasser unter unse- rem städtischen Terrain in sehr zahlreichen Fällen eine grössere Menge dieses Stoffes enthalten, dessen Gegenwart in naıem Zusammenhange zu den organischen Stoffen steht. ie Salpetersäure fehlt in keinem Quellwasser, doch erieidet sie während des Laufes des Grundwassers durch das infizirte Gerôlle eine Reduction durch die leichter oxy- dirbaren organischen Stoffe, oder ihre Menge wird beim Zu- sammentreffen der im Wasser enthaltenen stickstoffhaltigen organischen S:iofle oder Kitrite mit einer genügenden Menge von freiem Sauerstoffe oder dessen Trägern vermehrt, so dass sich Unterschiede im Gehalte des Grundwassers ausser- halb der Stadt und unter dem städtischen Terrain zeigen. 4) Die blosse quantitative Bestimmung der organischen Bestandtheile eines Trinkwassers giebt noch keinen genü- genden Maassstab für die Beurtheilung seines hygieinischen Werthes, da ja die Menge der Verunreinigungen geringe, die Schädlichkeit derselben aber sehr gross sein kann und nmgekehrt. Wohl aber möchte in den meisten Fällen das mehr mit organischen Stoffen verunreinigte Wasser als das gefährlichere zu betrachten sein. 727 Bis wir im Stande sein werden mit feineren Mitteln als mit denjenigen, welche wir jetzt besitzen, auf die Na- tur der organischen Stoffe in einem Wasser zu prüfen, müssen wir uns mit der approximativen Bestimmung ihrer Menge begnügen, wodurch wir allerdings nur das Maass, nicht aber den specifischen hygieinischen Charakter der Verunreinigung erfahren. 5) Um über die Verunreinigung eines Wassers mit we- nigen Mitteln und in kurzer Zeit Aufschluss zu erlangen, empfehle ich die folgenden Operationen: I. Die Bestimmung der festen Bestandtheile und der sogenannten Verunreinigungen, worunter wir in erster Linie organische Stoffe und salpetrige Säure zu ver- stenen haben, 11. die Nitrit- und die vereinigte Nitrit- und Nitrat- reaction nach Schönbein, HT die Titration mit Kalipermanganatlösung, IV. die Reactionen mit Silber- und Goldiösung, V. die Reactionen auf Schwefelwasserstoff und Ammo- niak (frei und gebunden). Dadurch erlangen wir einerseits Aufschluss über das Maass der Verunreinigung, anderseits über den Grad der Veränderlichkeit der organischen Stoffe, womit wohl deren physiologischer Charakter auf's engste verknüpft ist. 6) Mit der Vermehrung des Gehaltes des Grundwas- sers an organischen Stoffen findet gleichzeitig auch eine Vermehrung des Gehaltes an löslichen Mineralstoffen statt, wesshalb das Grundwasser unter dem städtischen Terrain von dem ausserhalb der Stadt zu Tage tretenden nicht nur durch einen grösseren Gehalt an Verunreinigungen, sondern überhaupt an festen Stoffen unterschieden ist. Durch weiter ausgedehnte Bestimmungen wird die That- sache festgestellt werden, dass das Grundwasser im Allge- 49 728 meinen eine grössere Menge Kohlensäure als die auswär- tigen Quellwasser enthält, was auch eine Vermehrung des Gehaltes an kohlensaurem Kalke zur Folge haben kann Die Kohlensäure wird bei der Verwesung der organischen Stoffe gebildet. 7) Nach den Resultaten der mit verschiedenen Was- sern ausgeführten Operationen sind die Quellwasser unserer nahen Hügel, sowie die Quellwasser von Greliingen und Angenstein, als das beste Trinkwasser unserer Stadt zu bezeichnen, während das Grundwasser, wenige Fälle aus- genommen, eine aussergewöhnliche Menge von organischen Stoffen und der damit zusammenhängenden salpetrigen Säure (oder Salpetersäure) enthält, deren Vorhandensein nur durch fortwährende Infiltrationen von Dohlen, undichten Abtritt- und Jauchegruben, und von dergleichen städtischen Infec- tionsheerden aus in den Boden und durch die Verbreitung der in Wasser löslichen Stoffe der Fäulniss- und Verwe- sungsheerde bis in das Grundwasser erklärt werden kann. 8) Der Gehalt des Grundwassers an Mineralsalzen und organischen Stoffen ist um so grösser, je tiefer der Stand des Grundwassers ist. In trockenen Jahren, wie z. B. 1865, nimmt die Menge des Grundwassers ab, sein Gehalt aber an fremdartigen Stoffen zu. Es sind desshalb perio- dische Untersuchungen über den Stand und den Gehalt des . Grundwassers von grossem Interesse, und die vereinte Ar- beit des Geologen und Chemikers, das heisst ein Zusam- menwirken nach geordnetem Plane, ist von Nothwendigkeit um zu einem sicheren Ziele zu gelangen. 9) Ueber den physiologischen Charakter der verun- reinigten Wasser wissen wir noch nichts Bestimmtes. Die in einem solchen Wasser fein suspendirten niederen Orga- nismen, Keime von Pflanzen und Thieren, welche durch die feinsten Filter hindurchwandern, sind wir bis dahin noch 729 nicht zu sammeln im Stande gewesen. Ja nicht einmal die Qualität der in ihren Leichnamen enthaltenen Stoffe kennen wir; denn während des Abdampfens auf dem Wasserbade, welches wir zur Concentration anzuwenden pflegen, möchte sich der grösste Theil derselben verändern, so dass wir im Residuum zum Theile nur Derivate, nicht aber die im Wasser enthalten gewesenen Stoffe vor uns haben. Das einzige Mittel, um wenigstens die todte Materie unverändert in grösserer Menge und Concentration zu erhalten, wäre wohl das Abdampfen bei gewöhnlicher Temperatur im luft- leeren Rsume. Einstweilen sind diejenigen Methoden vorzugsweise an- zuwenden, wobei das frische Wasser direct geprüft werden kann, ehe von einer Veränderung der in ihm enthaltenen Stoffe die Rede sein kann. 10) Wenn auch die Natur der in den Wassern ent- haltenen organischen Stoffe noch in tiefes Dunkel gehüllt ist, so ist uns doch wenigstens gelungen die Anwesenheit solcher Stoffe und die fortwährende Zunahme der Verun- reirigung im städtischen Grundwasser nachzuweisen. Es ist dieses eine nicht zu widerlegende Thatsache. Was wir in geringer Tiefe beim Aufgraben von Dohlen mit den Augen wahrnehmen können, das haben wir nun auch für grössere Tiefen durch die Analyse des Grundwassers ermittelt und den Beweis geleistet, dass der städtische Boden bis auf das Grundwasser hinunter durch Dohlen, Abtrittgruben und andere Heerde der Fäulniss und Verwesung organischer Stofe infizirt ist. In der Nähe unserer Dohlen ist die Erde braun bis schwarz, ein handgreifliches Zeichen der Infiltra- tion des Bohleninhaltes in den Boden. Würden wir an sol- chen Stellen tiefer graben, so würde mit zunehmender Tiefe der Infectionsgrad ein geringerer und die Färbung des Gerölles eine immer normalere werden, weil die or- 49 * 7350 ganischen Stoffe bei ihrem Laufe durch das lockere, gleich- sam in einem Luftmeere schwimmende, Gerölle der Verwe- sung immer mehr und mehr anheimfallen. Heute ist es glücklicherweise noch so. Später aber wird es anders sein, wenn der infection des Bodens nicht mit aller Macht Einhalt gethan wird. (Ich habe meine Ideeen über diesen Punkt mitgetheilt.) Wenn auch jetzt noch keine Gefahr mit dem Genusse des Grundwassers verknüpft sein sollte, sn wird sie doch immer grösser und grösser wer- den, je länger und in je stärkerem Maasse die Infection stattgefunden haben wird. 11) Um die Natur der im Grundwasser enthaltenen Infectionsstoffe besser ergründen zu können, ist die Unter- suchung der infizirten Erde das einfachste und directeste Mittel. Haben wir an der Erde selbst die mannigfachen Zwischenproducte der Fäulniss und Verwesung, ihr Ver- halten zu anderen Stoffen des genauesten untersucht und auch möglichst feine Reagentien auf dieselben kennen ge- lernt, so wird es uns vielleicht auch möglich werden ihre Gegenwart im Wasser zu constatiren. Durch genaues Stu- dium der Veränderungen, namentlich derjenigen, welche sie durch den gleichzeitigen Einfluss des Wassers und der Luft erleiden, werden wir zur Kenntniss derjenigen Stoffe ge- leitet, welche erst auftreten, wenn die flüssig gewordenen Infectionsstoffe zwischen dem Gerôlle hindurchgewandert sind. Nach den Herren Prof. von Pettenkofer und L. Buhl steht der Typhus im Verhältnisse zur jeweiligen Bewegung des Grundwassers, woraus Herr Prof. von Pettenkofer die Hypothese abgeleitet hat, dass sich die specifische Ursache des Typhus im Boden befinde, mit dem Sinken des Grund- wassers blosgelegt und mit dem Steigen desselben wieder überdeckt werde. Jeder denkt unwillkürlich an die zahl- 431 losen organischen Gebilde, welche sich im verunreinigten Boden unter unseren Häusern und Strassen befinden, und welche durch Sinken des Grundwassers blossgelegt werden und dann allmählig sich zersetzen, an die daraus entstehen- den gasförmigen oder an Wasserdünste gebundenen Zer- setzungsproduete, welche durch die überliegenden porösen Erdschichten aufsteigen und in unsere Wohnungen treten, um vielleicht zn einer Reihe von Krankheiten den Anstoss zu geben. Wenn wir uns als erste Aufgabe die Untersu- chung des Grundwassers gestellt haben, so bleibt uns als zweite Aufgabe den Boden und die Bodenluft zu unter- suchen, welehe durch die städtischen Infectionsheerde und durch die Bewegungen des Grundwassers periodischen Ver- unreinigungen unterworfen sind. Vereinte Arbeit wird auch hier manches bis jetzt nicht Geahntes zu Tage fördern. In welchem Maasse Infectionsstoffe in unserem lockeren Gerölle sich verbreiten und das Grundwasser auf srosse Strecken hin verunreinigen können, das haben wir leider in Basel vor einigen Jahren erfahren müssen, wo von Ani- linfabriken aus durch deren arsenikhaltige Abgänge eine Verunreinigung des Bodens bis auf das Grundwasser hinab stattgefunden hatte und eine Reihe von selbst mehrere hun- dert Schritte entfernten Sodbrunnen durch Arsenik vergiftet wurden. Da das Arsenik leicht nachweisbar ist, während wir bei der Infection durch organische Fäulniss- uud Verwe- sungsstoffe aus Abtritten, Dohien und dergleichen in wei- terer Entfernung vom Infectionsheerde sewohl im Boden als auch im Grundwasser ganz andere Stoffe wie die im Infectionsheerde selbst enthaltenen, in Folge deren Zer- setzungen, antreffen, und über deren Abstammung leider nur 732 zu oft im Unklaren bleiben, so vermag gerade diese Arsen- infection ganz besonderen Aufschluss über die Tragweite und den Verlauf einer Infection des Bodens und des Grund- wassers zu geben. Ich habe nun bereits seit Mai 1864, wo die ersten Vergiftungserscheinungen durch Genuss eines Sodwassers beobachtet wurden, im Auftrage der hohen Sa- nitätsbehörde diese Infection sorgfältig zu studiren Gelegen- heit gehabt und sie bis auf den heutigen Tag verfolgt, so dass die nun vorhandenen Beobachtungen zu zahlreich sind, um sie ‚noch in diesem Hefte unserer Gesellschaft an obige Arbeit, wohin sie eigentlich gehörten, anreihen zu dürfen. Ich übergebe desshalb diese ergänzende Arbeit über Arsen- infection in einer besonderen Schrift der Oeffentlichkeit, worauf ich zu verweisen mir erlaube. Ueber feuerfesten Thon aus der Umgebung von Basel. Von Dr. FRrIEDRICH GOPPELSRŒDER. Vor ungefähr einem Jahre hat Herr Architekt B. Lau- fer, Besitzer der Ziegelhütte bei Gundoldingen, die Fabri- kation feuerfester Backsteine bei uns eingeführt. Der Thon, woraus dieselben verfertiget werden, findet sich bei Hof- stetten und Witterschwiler, in deren Gemarkungen je eine Grube aufgeworfen ist. Die Thonschichte beginnt 2 bis 4 tief unter der Erdoberfläche, der Abraum besteht in circa 1 Fuss tiefem Humusboden und dann aus Grien. Die oberste Thonschicht ist ziemlich fettig, roth und brennt sich roth; ihre Mächtigkeit beträgt 1!/, Fuss. Die nächste untere Schicht ist gelblich weiss und brennt sich nicht dunkler; 733 die folgenden Schichten sind je tiefer desto weisser. Die ganze Mächtigkeit des feuerfesten Thonlagers ist noch nicht ermittelt. Bereits haben die aus diesem Thone gefertigten feuer- festen Backsteine eine Menge von Abnehmern gefunden, die Consumenten sprechen sich sehr zufrieden über dieses neue Fabrikat aus. Es dürfte desshalb nicht uninterressant sein das Resultat der Untersuchung mitzutheilen, welche ich mit diesem Thone vorgenommen habe. Physikalische Eigenschaften. Die Farbe von Nr. 1 und 2 war hellgelblich grau bis selb, stellenweise weiss, mit Adern von der Farbe des Eisenrostes; die von Nr. 3 war graulichweiss bis gelb mit denselben Adern. Alle drei Proben hafteten stark an der Zunge, zer- fielen in Wasser unter Bläschenentwicklung und gaben da- mit angefeuchtet eine bindende plastische gelbe Masse. Beim Reiben im Achatmörser knirschten Nr, 1 und 2 ziemlich stark, Nr. 3 etwas weniger. Kr. 1 und 2 braus- ten mit Salzsäure übergossen nur schwach an einigen Stel- len, Nr. 3 etwas. Beim Erhitzen mit verdünnter Salzsäure löste sich aus allen drei, am meisten aus Nr. 3 eine ziem- liche Menge Eisenoxyd auf und färbte sich die Salzsäure stark gelb, während sich nur wenig Kalk löste. Sie enthielten keinen Schwefelkies. Beim Glühen schwärzten sie sich vorübergehend nur sehr schwach, enthielten also nur wenig organische Sub- stanz. Nach dem Glühen sahen Nr. 1 und 2 röthlich, Nr. 3 ziegelroth aus. Chemische Analyse. In den Durchschnittsproben der drei bei 190° Celsius getrockneten Thonmuster fand ich, in Gewichtsprocenten : Nr.1 Nr.2 Nr. 3 Kieselerde 76,919 0/, - 78,911.0/ 53,425 % Thonerde 11,358 „ 1 11125: Aral Eisenoxyd 3,03% ,„ 3,031... 00 Kalkerde 1,793 1,991 2,430 Magnesia 0,481. », 0.272 ,, 0530 „ Wasser und organisches 4117 „, 6,590; ,::119,;920%; Kali 1,1133 ‚sad 33B 2,248 | 0,620. 6724 5 Natron Der Glühverlust betrug bei Nr. 1: 3,998 Gewichtsprozent „.223,2,909 =: PR NT OL > Alle drei Thonproben enthielien neben chemisch ge- bundener Kieselerde noch Sand; beide sind in obigen Zah- len für Kieselerde inbegriffen. Bekanntlich bestehen die feuerfesten Thone im Wesent- lichen aus Kieselerde und Thonerde, von deren Mengen- verhältnissen die Feuerfestigkeit abhängt. Durch einen Gehalt an Kalk, Eisenoxyd, Magnesia, Kali und Natron wird dieselbe vermindert; von diesen leicht schmelzbaren oder verschlackbaren Substanzen enthielten Nr. 1 und 2 eise un- bedeutende Menge, Nr. 1 7,60 °%/, Nr. 2 7,32 9/5; Nr. 3 enthielt weit mehr Eisenoxyd, Kalkerde und Magnesia, aber ungefähr gleich viel Alkalien, zusammen 13*93 °/,. Da die besten Sorten feuerfester Thone eine grosse Menge Kieselerde halten, so zeichnen sich Nr. 1 und 2 besonders vortheil- haft aus. Während aber Nr. 1 und 2 eine geringe Menge ‘Thonerde enthalten, so gehört Thon Nr. 3 zu den ziemlich thonerdehaltigen. Dem schädlichen Einflusse des grösseren Eisenoxydgehaltes wirkt der starke Quarzgehalt entgegen Bei Nr. 3, welches weniger Kieselerde enthält, kann solche künstlich zugefügt werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass je reiner der hierzu benützte grobkörnige Sand ist, 735 um so strengflüssiger die Waare wird. Durch eine länger andauernde Verwitterung und durch ,Faulen kann der Eisengehalt, wenn nachher geschlämmt wird, ebenfalls ver- mindert werden. Aus den Analysen der drei Proben ergiebt sich, dass hier, wie es auch anderwärts der Fall ist, Thonsorten von abweichender chemischer Zusammensetzung und also von verschiedenen Eigenschaften nahe bei einander vorkommen. Durch Misehung derselben in verschiedenen Verhältnissen werden Artikel für verschiedene Zwecke geliefert werden können. Zur Vergleichung dieses einheimischen feuerfesten Tho- nes mit auswärtigen renommirten Thonen wähle ich die von Herrn Joseph Cowen, siehe Dingler’s Poiytechnisches Journal Jahrgang 1864 Seite 281 mitgetheilten Analysen von 7 Thonsorten aus Lagerstätten, die zu einer mehrere engl. Meilen westlich von Newcastle gelegenen Fabrike feuerfester Backsteine gehören. Wir finder dort folgende Grenzen des Prozentgehaltes an verschiedenen Bestand- theilen: Kieselerde 47,55 bis 83,29°/,, Thonerde 8,10 bis 31,35°/,, Eisenoxyd 4,06 bis 9,13°/,, Kalkerde 1,3% bis 1,76°/,, Mag- nesia 0,71 bis 2,99 °/,, Wasser und organische Substanz 3,64 bis 12,29°),. Möglich ist, dass Analysen von Thonproben anderer Stellen und Tiefen des Lagers bei Hofstetten ncch gün- stigere Resultate herausstellen werden. Jedenfalls spre- chen sowohl die bisherigen Resultate der chemischen Ana- Iyse, als auch die Versuche im Grossen über die Streng- flüssigkeit und das Bindevermögen sehr zu Gunsten dieses einheimischen Materiales, und begrüsst gewiss Jeder mit Freude diese neue baslerische Industrie. IL ER INS ESS IS Ts 736 Ueber eine neue fiuorescirende Substanz aus dem Kubaholze. Von Dr. FriEbriCH GOPPELSREDER. Der physik.-chem. Section der schweiz. Naturforscherversammlung in Neuchâtel im Sommer 1866 als Notiz mitgetheilt. Bei der Untersuchung einer seit mehreren Jahren in meiner Farbstoffsammlung aufbewahrten grünen Dampf- druckfarbe für Wolle, wie sie in der Druckerei der Her- ren Köchlin und Baumgartner in Lörrach gemischt und an- gewandt wird, und welche aus einer Mischung von Huba- holzthonerdelack mit Indigocarmin, Alaun, Oxalsäure und Se- negalgummi nebst der nöthigen Menge Wassers bestund, hatte ich Gelegenheit eine prachtvolle Fluorescenzerscheinung wahrzunehmen und ist es mir gelungen eine Substanz zu gewinnen, welche zu den am schönsten fluorescirenden der bis jetzt bekannt gewordenen gehört, ja welche dieselben an Intensität wahrscheinlich übertrifft. ich habe bereits Gelegenheit gefunden in Gemeinschaft mit den Herren Hofrath Prof. Müller in Freiburg i. B. und Prof. Eduard Hagenbach hier Versuche mit der Geissler- schen Röhre und im Sonnenspectrum anzustellen, wo sich überall prachtvolle grüne Fluorescenz gezeigt hat. Die bei- den Herren, weichen ich bereits im vorigen Jahre eine ge- nügende Menge des Materials zur Verfüguag gestellt habe, sind bereit noch weitere Versuche über das optische Ver- halten dieser Substanz anzustellen, und verweise ich dess- halb zum voraus auf deren spätere Mittheilungen. Ich glaube den Herren Physikern einen Dienst zu er- wei-en, wenn ich vorläufig die Mittel an die Hand gebe, wie man zu dieser lehrreichen fluorescirenden Substanz ge- \ 737 langen kann, welche sich nicht nur zu brilianten Vorle- sungsversuchen, sondern auch zum theoretischen Studium der Fluorescenzerscheinungen ganz besonders eignen dürfte. 1. Darstellung aus der grünen Dampfdruckfarbe. Die erste Beobachtung machte ich anno 1864, wo ich die Analyse der obenerwähnten grünen Dampfdruckfarbe vor- nahm. Als diese mit absolutem Alcohole auf dem Wasserbade digerirtund der alcoholische Auszug abfiltrirt wurde, zeigte das Filtrat im auffallenden Lichte prachtvoli dunkelgrün eintensive Fluorescenz und im durchscheinenden Lichte dunkeigranat- rothe Färbung. Ebenso verhielt sich der zweite hellere Aus- zug; überall wo die Wand des Becherglases von einem Tröpfehen der Flüssigkeit benetzt war, fluorescirte sie pracht- voll grün. Bei Verdünnung des concentrirten Auszuges mit absolutem Alcohole verlor er seine granatrothe Farbe im durchscheinenden Lichte und wurde schliesslich grün, wess- halb der dritte verdünnte alcoholische Auszug im durch- scheinenden Lichte grün aussah. Beim Stehenlassen des alcoholischen Auszugs schied sich nach einiger Zeit Indigocarmin aus, vollkommen aber nur beim Schütteln desselben mit Aether. Die vom Indigocarmine abfiltrirts Flüssigkeit zeigte die ursprüng- liche prachtvolle grüne Flvorescenz, war aber im durch- scheinenden Lichte hellgrün und nicht mehr granat- roth wie vorher. Bei nochmaligem Schütteln mit Aether schied sich kein blauer Farbstoff mehr aus; dessen Ent- fernung war daran zu erkennen, dass auf einem während mehreren Stunden und bloss einige Linien tief in die Lö- sung getauchten Papierstreife keine blaue Schicht entstund während ein zweiter Streif, welcher in die ursprüngliche nicht mit Aether geschüttelte, alcoholische Flüssigkeit ein- getaucht war, nachher eine deutliche blaue Schicht unter 738 der obersten farblosen Schicht zeigte. (Siehe in diesen Verhandlungen Jahrgang 1861 Ill. Theil 2tes Heft Seite 268 meine Notiz „über ein Verfahren Farbstoffe in ihren Gemischen zu erkennen.“) Nach Verdampfen der aetherisch-alcoholischen Flüs- siskeit auf dem Wasserbade hinterblieb ein olivengrüner Rückstand. Dieser löste s ch in absolutem Alcohole, in Aether, in Methyl- und Amylalcohel mit intensiver dunkel- srüner Fiuorescenz, während Terpentinöl und Schwefel- kohlenstoff beim Schütteln damit sich nur schwachgelblich ohne Fluorescenz färbten; beim Schütteln des Rückstan- des mit kaltem destillirtem Wasser färbte sich dieses gelb mit Fluorescenz; das nach dieser Behandlung unlöslich ge- bliebene löste sich in kaltem Alcohol braungelb mit Fluo- rescenz. Beim Auskochen ebendesselben Rückstandes mit destillirtem Wasser färbte sich dieses gelb und nahm grüne Fluorescenz an. Wurde die grüne Druckfarbe mit destillirtem Wasser angekocht und der wässerige Auszug filtrirt, so schied sich beim Schütteln des Filtrates mit Aerher blauer Indigofarb- stoff aus, während die Lösung schön grün fluoreseirte und nach dem Verdampfen einen olivengrünen bis dunkelbrau- nen Rückstand hinterliess, welcher sich in absolutem Al- cohol mit granstrother Farbe im durchscheinenden, mit prächtig grüner Fluorescenz im reflectirten Lichte löste. EE, Darstellung aus dem eelben Kubaholzthonerdelack 1} Der Lack löste sich zum grössten Theile in ver- dünnter kochender Salzsäure mit goldgelber Farbe und mit grüner Fluorescenz auf. Nach dem Erkalten schied sich ein gelber Körper aus, welcher sich auf Zusatz von Alko- hol wieder, und zwar mit Fluorescenz, löste. Das in der kochenden verdünnten Salzsäure ungelöste war gelb und 739 löste sich in mit wenig Salzsäure versetztem Alkohol mit prächtiger Fluorescenz auf. | 2) Mit destillirtem Wasser ausgekocht, löste sich nur sehr wenig auf; der bräunlichgelbe Auszug fluorescirte nicht. zeigte jedoch nach Zusatz einiger Tropfen Salzsäure schwache Fluorescenz. Der filtrirte Auszug hinterliess einen bräun- lichen Rückstand, welcher mit Alcohol so lange auf dem Wasserbade digerirt wurde als sich noch etwas löste; das alcoholische Filtrat war gelbbraun und fluoreseirte schön grün. 3) Das in Wasser unlösliche färbte Alcohol goldgelb mit spurenweiser Fluorescenz; der alcoholische Auszug wurde durch einige Tropfen Salzsäure grün fluorescirend und heller gelblich; die Fluorescenz verschwand aber wie- der auf Zusatz von Ammoniak, und es trat wieder leb- haft goidgelbe Färbung ein. 4) Das in Alcohol unlösliche gab mit Alcohol und et- was Salzsäure digerirt eine prächtig grüne fluorescirende, im durchscheinenden Lichte dunkelgranatrothe Lösung, welche durch destiilirtes Wasser bedeutend verdünnt wer- den kann und dennoch prachtvoll fluoreseirt, während die Farbe im durchscheinenden Lichte hellgoldgelb wird. 5) Der Kubalack löste sich in wässeriger Lösung von Aetznatron dnnkelgranatroth und mit grüner Fluorescenz, welche aber weder in Schönheit noch in Intensität mit dem oben erwähnten prachtvollen Grün verglichen werden kann. Nach Neutralisation mit Salzsäure entstund ein bräunlich- gelber Niederschlag, dessen Filtrat gelb und stark grün fluorescirend war; dieser Niederschlag löste sich in Al- cohol unter Zusatz von Salzsäure zur gelbbraunen pracht- voll fluorescirenden Flüssigkeit auf. Wie Aetznatronlösung verhielt sich Ammoniakflüssigkeit. IEE. Darstellung aus dem Kubaholze. Das Kubaholz ist die beste Sorte Gelbholz des Fär- bermaulbeerbaumes, morus tinetoria. Das zu meinen Ver- suchen angewandte war fein geraspeltes aus der Farbholz- mühle und Extractfabrike des Herrn R. Geigy in Kleinba- sel. Es wurde mit destillirtem Wasser so lange ausge- kocht als sich noch etwas darin löste; die filtrirten Aus- züge wurden auf dem Wasserbade zur Trockne verdunstet. Der hierbei bleibende Rückstand, das feste Extract, zeigte folgendes Verhalten: 1) Das rothbraune Pulver wurde mit kochendem Al- cohol digerirt; der filtrirte Auszug war im durchscheinen- den Lichte dunkelgranatroth, im reflectirten dunkelgrün fluorescirend. Diese Fiuorescenz war jedoch nicht so schön wie die am Auszuge der Druckfarbe und des Kubaholz- lacks beobachtete; sie verschwand durch Zusatz von Salz- säure und kam nach sorgfältiger Neutralisation der Säure wieder zum Vorscheine. Nachdem das Extract nochmals mit kochendem Alco- hole erschöpft war, welcher sich weit heller und weit we- niger fluorescirend färbte, wurde der ungelöst gebliebene Rückstand mit Alcohol und etwas Salzsäure digerirt, wo- durch er schon in der Kälte, schneller in der Wärme fast ganz aufgelöst wurde. Diese stark saure Flüssigkeit fluo- rescirte nur spurenweise bei gelbbrauner Farbe im durch- scheinenden Lichte; die Fluorescenz erschien aber nach Neutralisation mit Ammoniak. Der mit noch mehr Alcohol versetzte stark verdünnte gelbbraune und nur spurenweise fluorescirende Auszug er- hielt durch Alaunlösung prachtvolle grüne Fiuorescenz wie die am Uranglase beobachtete (besser nach Filtration des sich ausscheidenden Alaunes wahrzunehmen), während seine Farbe im durchscheinenden Lichte unverändert blieb. Die 741 durch Alaun wach gerufene Fiuorescenz wurde durch Zu- satz von Salzsäure nicht aufgehoben; wohl aber durch Na- tron- oder Kalilösung, welche bis zur Wiederauflösung des entstandenen Thonerdehydrates zugesetzt wurden. Wie Alaun wirkten auch salzsaure, essigsaure und schwefelsaure Thonerde. 2) Beim Schütteln des Extractpulvers mit Aether ent- stund ebenfalls ein im reflectirten Lichte grün fluoresci- render Auszug, welcher durch genannte Thonerdesalze eine prachtvolle grüne Fluorescerz annahm. 3) Beim Schütteln des Extractes mit Amylalcohol ent- stund eine wenn verdünnt braungelbe, wenn concentrirt schön dunkelgranatrothe Flüssigkeit, welche ebenfalls fluo- rescirte und sich wie folgt verhielt; a) durch Salzsäure verschwand die Fluorescenz, und kam wieder nach Neutralisation mit Ammoniak; b) durch Zusatz von Alaunlösung wurde sie prachtvoll grün fluorescirend, ähnlich dem Uranglase; diese Fluorescenz wurde durch Zusatz von Salzsäure schwä- cher, durch einen grossen Ueberschuss verschwand sie total, kam aber wieder durch sorgfältige Neutrali- sation mit Ammoniak; durch einen Veberschuss von Natron- oder Kalilösung und von Ammoniak wurde sie aufgehoben, während die Flüssigkeit im durchschei- nenden Lichte gelbbraune Farbe annahm; durch nach- herige sorgfältige Neutralisation der alkalischen Basen mit Salzsäure kam die Fluorescenz wieder. Wie die Lösung in Amylalcohol verhielt sich auch diejenige des Extractes in Methylalcohol. Wenn man die Methyl- oder Amylalcohollösung mit Alcohol bedeutend verdünnt, so dass sie hellgelb wird und nur noch spurenweise fluorescirt, so erscheint auf Zusatz der erwähnten Thonerdesalze lebhafte schöne grüne Fluo- rescenz, Man braucht bloss von dem durch Alaunlösung 742 entstehenden Alaunniederschlage abzufiltriren, um eine präch- tig grün fluorescirende Lösung zu Versuchen zu besitzen. Selbst beim Hineinwerfen von fester salzsaurer Thonerde in die Extraetlösung nimmt diese die Fluorescenz an. 4) Der wässerige Auszug des Extractes fluorescirte nicht, nahm aber auf Zusatz von Alaunlösung schöne grüne Fluorescenz an, während er im durchscheinenden Lichte heller, respect. goldgelb, wurde. Gleichzeitiger Zusatz von Alcohol erhöht die Intensität und Schönheit der Fluores- cenz. Im Kubaholze finden sich hauptsächlich zwei Stoffe, welche von ganz besonderem Interesse sind, die Morin- gerbsäure oder das Maclurin, wie sie Hlasiwetz und Pfaund- ler genannt haben, und das Morin. Ich musste natürlich meine Aufmerksamkeit auf diese beiden Körper lenken und stellte sie nach der in Ch. Gerhardt's Lehrbuche der or- ganischen Chemie beschriebenen Methode dar. Schon in Gerhardt findet sich angegeben, dass die concentrirte äthe- rische Lösung der Moringerbsäure im durchfallenden Lichte gelbbraun, im auffallenden grünlich sei. Von prachtvoller Fluorescenz wie die hier beschriebene ist aber dort keine Rede. Ich habe nun die nach Gerhardts Vorschrift dar- gestellte Moringerbsäure mehrmals aus ihrer wässerigen Lösung umcristallisirt Schon ihre Lösung in Methyl- alcohol fand ich grün fluorescirend ; die Fluorescenz wird prachtvoil durch Zusatz von Alaunlösung ; durch Silbernitrat- ‘ lösung und einige Tropfen Ammoniak wurde die Lösung beim Kochen dunkler und sehr stark graubräunlich fluorescirend, selbst bei starker Verdünnung. Die alcoholischen und äthe- rischen Lösungen des Morin fluorescirten nicht, wohl aber zeigte sich in dessen alcoholischer Lösung durch Silber- nitratlösung Reduction und in der vom Silber abfiltrirten 743 Flüssigkeit grauolivengrünliche Fluorescenz, welche selbst nach Monaten nicht verschwani. Erst nach Beendigung der mit der Druckfarbe , dem Kubaholzlacke und dem Kubahulze angestellten Versuche kamen mir die sehr interessanten und ausführlichen Auf- sätze von H. Hlasiwetz und L. Pfaundler (siehe Journal für practische Chemie Band 9% und 94) über das Morin und das Maclurin zu Gesichte, worauf ich wiederum diese bei- den Körper, dieses Mal strenge nach dieser beiden Her- ren Methode darzustellen begonnen habe, um mit den da- bei zu gewinnenden ganz reinen Substanzen Versuche an- zustellen. In dem in Band 94 stehenden Aufsatze der beiden genannten Experimentatoren findet sich eine Beobachtung . erwähnt, weiche sich zwar weder auf das Morin noch auf das Maclurin bezieht, wohl aber hier Erwähnung verdient. Die beiden Herren sagen nämlich dort vom Isomorin, das sie aus Morin dargestellt haben: „Characteristisch für diese rothen Krystalle ist ein höchst intensiver Dichroismus, den ihre alcoholische Lösung zeigt, wenn man sie mit etwas Alaunlösung versetzt. Besonders in grosser Verdünnung erscheint die Fiüssigkeit dann mit der gelben Farbe und dem grünen Reflexe des Uranglases.“ | Beim mechanischen Mischen der näheren Bestandtheile der grünen Druckfarbe, sowie bei der Darstellung des Ku- baholzthonerdelackes, und bei der Darstellung des Kuba- holzextractes möchte sich wohl schwerlich Isomorin bilden, wesshalb die von mir beobachtete Fluorescenz diesem Kör- per nicht zugeschrieben werden kann, um so mehr als schon die Auszüge des Kubaholzes schwache Fluorescenz zeigen und auf Zusatz von Thonerdesalzen prachtvolle grüne dem Uranglase ähniiche Fluorescenz annehmen. Weun man fein geraspeltes Kubaholz in der Kälte mit Aethyl- oder Methyl- oder Amylalcohol oder mit Aether schüttelt, so 50 444 zeigen die gelb gefärbten Auszüge schwache grüne Fluo- rescenz ; setzt man hierauf essigsaure oder salzsaure oder schwefelsaure Thonerde oder Alaunlösung zu, so erscheint sofort die oben besprochene prachtvolle grüne Fluorescenz. Ich begnüge mich für dieses Mal damit ein Mittel an die Hand gegeben zu haben, um sich in wenigen Minuten eine stark fluorescirende Flüssigkeit verschaffen zu können. Nähere Mittheilungen über die Fluorescenz der chemisch rei- nen eigentlich wirksamen Substanz werde ich in kurzer Zeit mitzutheilen im Stande sein. Bis dahin haben mich andere Arbeiten an der weiteren Ausführung der vorliegenden ver- hindert. Ich schliesse mit der Bemerkung, dass nach Versu- chen, welche Herr Hofrath Prof. Müller in Freiburg i. B. angestellt hat . wenn man das Spectrum durch die in einem Glastroge enthaltene Flüssigkeit auffängt, die Frauenhofer’- schen Linien von F bis gegen N hin mit einer Schärfe sich zeigen, wie bei keiner andern Flüssigkeit, namentlich auch viel schärfer als beim Uranglas«, was wohl vorzugsweise daher rühren mag, dass die ganze Fluorescenzwirkung auf die äusserste Oberfläche concentrirt ist, so dass sie nir- gends auch nur '/, Millimeter tief in die Flüssigkeit ein- dringt. (Sitzung der basler. Naturforschenden Gesellschaft am 19. Juni 1867.) GEOLOGIE. Ueber die paläontologische Bestimmung der Formationen, Von Prof. PETER MERIAN. (Den 19. Dezember 1866.) Wenn man an einem gegebenen Punkte in die Erd- rinde sich vertieft, so nimmt man bekanntlich die Erschei- nung wahr, dass die eingeschlossenen Versteinerungen, oder, mit andern Worten, die organischen Wesen, welche zu irgend einer geologischen Zeit die Erde belebt haben, um so mehr von den Geschöpfen der Jetztzeit abweichen, je älter sie sind. Arten und Gattungen verschwinden allmäh- lig, und andere organische Wesen nehmen deren Stelle ein, so dass, wie das geologische Niveau sich ändert, eine Reihe verschiedenartiger organischer Schöpfungen auf einander folgt. Es hat das zur Unterscheidung verschiedenartiger über einander folgender, sogenannter geologischer Forma- tionen Veranlassung gegeben, die mehr oder minder scharf von einander gesondert erscheinen. Begeben wir uns an einen andern, von dem ersten geo- graphisch etwas entfernten Punkt der Erde, so nehmen wir eine übereinstimmende Erscheinung wahr. Die jetzt an der Oberfläche lebenden Wesen gehören zwar theilweise an- 50* 746 dern Arten und Gattungen an, auch in den tiefern Schich- ten treten theilweise verschiedene Geschöpfe auf, von jenen des entsprechenden geologischen Niveau des ersten Punk- tes, doch ein gewisser allgemeiner Charakter hebt sich hervor, so dass dieselben Reihenfolge der geologischen Formationen sich dennoch erkennen lässt. Ja, wenn wir zu einem geographisch ganz entfernten Punkte der Erd- ‘oberfläche gelangen, wo die lebenden Wesen der Oberfläche gänzlich verschieden von denjenigen des ersten Punktes sind, so bietet sich dieselbe Erscheinung dar. Die in tie- ferm geologischen Niveau auftretenden organischen Ge- schöpfe sind zwar auch ganz oder theilweise verschieden von den in entsprechendem Niveau an den erstern Punkten beobachteten, sie tragen aber dennoch ein mit denselben übereinstimmendes Gepräge, se dass die verschiedenen mit einander übereinstimmenden geologischen Horizonte sich dennoch erkennen lassen, wenn auch der stratigraphische Zusammenhang derselben sich nicht mehr durch unmittel- bare Beobachtung sollte verfolgen lassen. Es hat das Ver- anlassung gegeben, den verschiedenen geologischen Forma- tionen nicht bloss eine mehr oder minder lokale Geltung zuzuschreiben, sondern deren Abtheilungen als für die ganze Erde gültig anzuerkennen, welche durch eine gewisse über- einstimmende Beschaffenheit der in ihnen eingeschlossenen Ueberreste der organischen Wesen sich ausdrückt. So er- kennen wir, um nur ein Beispiel unter vielen anzuführen, Kreide, Jura, Trias, Steinkohlenformation und devonische und silurische Schichten, die wir in Europa unterscheiden, wiederum in Nord-Amerika. Die lebende Schöpfung zeigt bekanntlich eine grosse Verschiedenheit, je nach der verschiedenen geographischen Lage. Man hat behauptet, dass diese Verschiedenheit der Geschöpfe in gleichzeitigen geologischen Bildungen in der Reihe der Formationen erst mit dem Tertiärgebirge hervor- 747 trete, und dass in frühern geologischen Epochen eine weit grôssere Gleichmässigkeit der organischen Wesen über die ganze Erde geherrscht habe. Diese einmal aufgestellte Be- hauptung, welche man mit gewissen geologischen Theorien in Verbindung zu bringen versucht hat, wird in den Lehr- büchern immer und immer wiederholt, doch rechtfcrtigt sie sich bei näherer Betrachtung auf keine Weise. Um zunächst unter dem Tertiärgebirge mit der Kreide anzufangen, so zeigt die Kreide des südlichen Frank:eichs und der Um- gebungen des Mittelmeers, mit der grossen Zahl für sie so bezeichnenden Rudisten, von der Kreide des nördlichen Frank- reichs und Englands in ihren eingeschlossenen Versteine- rungen, eine wenigstens eben so grosse Verschiedenheit, als jetzt zwischen der organischen Bevölkerung des Mittel- meeres und der Nordsee bestehen mag. Ebenso weichen die organischen Ueberreste der Kreide an der Ostküste von Nord-Amerika von denjenigen der Kreide der Nordseege- genden wenigstens eben so weit von einander ab, als die gegenwärtig an der amerikanischen und europäischen Küste des atlantischen Ozeans lebenden Seethiere. Man hat sich verleiten lassen eine Gleichmässigkeit zu erkennen, weil uns eben in den Geschöpfen der Kreideperiode ein gewis- ser allgemeiner, gemeinsamer Charakter, abweichend von demjenigen der Schöpfung der Tertiärformation und der gegenwärtigen Zeit entgegentritt; bei näherer Untersuchung zeigen sich aber zwischen den einzelnen Wesen eben so grosse Verschiedenheiten, wie in der Jetztzeit. Der obere Jura zeigt inner kurzen geographischen Entfernungen in den genauer untersuchten europäischen Ländern so grosse Verschiedenheiten, dass er sich zu ähnlichen Vergleichun- gen weniger eignet, da in dieser Erdperiode sehr verschieden- artige Zustände schon in den europäischen Meeren müssen bestanden haben. Der sogenannte Bajocien und der Lias von Deutschland, von dem nördlichen Frankreich und von 748 England zeigt hingegen eine auffallende Gleichförmigkeit, welche auf ein. gemeinsames Meer, aus welchem diese Bil- dungen sich abgelagert haben, hinweisen. Vebersteigt man aber die Alpen, so tritt in der Lombardei und in !talien der Lias mit einer so veränderten Beschaffenheit uns ent- gegen, die offenbar der Verschiederheit in der jetzigen or- ganischen Welt des Mitteimeeres uud der Nordsee an fie Seite gestellt werden kann. Wir können diese Vergleichungen noch in ältern geo- logischen Epochen verfolgen, wo nach der Ansicht mancher Geologen die Gleichmässigkeit eine immer grössers werden sollte. Die Verschiedenheit der Fauna der obern "Trias in den östlichen Alpen und im westlichen Europa ist allge- mein bekannt, welcher Ursache man auch diese Verschie- denheit zuzuschreiben geneigt sein möge. Vorzüzlich pflegt man die Steinkonlenformation als “eispiei der auffallenden Gleichmässigkeit der Geschöpfe der damaligen Zeit an den verschiedenartigsten Punkten der Erde anzuführen. Es er- geben sich hier allerdings auffallende Uebereinstimmurgen, welche auf eine sehr verschiedenartige Vertheilung. von Land und Meer von der jetzigen hindeuten, doch ist auch hier bei näherer Betrachtung die Gleichförmigkeit lange nicht so gross als man öfter @nzunehmen zeneigt ist. Man hat sich auch hier durch den allgemeinsn eigenthümlichen Charakter der Steinkohlenpfianzen verleiten lassen, eine Uebereinstimmung der Arten anzunehmen, wo öfter bloss eine Analogie stattfindet. fsöppert hat unter den Steinkoh- lenpflanzen des Aitai, deren genaue ge«logisehe Stellung ‚allerdings noch einigem Zweifel unterliegen mag, keine einzige Art der europäischen fossilen Pflanzen aufzufinden vermocht. In den noch ältern paläozoischen Formationen tritt dieselbe Erscheinung hervor. Die devonischen und si- lurischen Ablagerungen von Nerd-Amerika zeigen allerdings eine grosse Analogie mit den entsprechenden europäischen, 749 doch hat man bei näherer Kenntniss der Fauna manche Ar- ten als verschieden erkannt, die man früher auf den ersten Anblick zu identifiziren geneigt war. Hat man ja auch bei der ersten Bekanntwerdung der lebenden nordamerikanischen Geschöpfe Uebereinstimmungen mit europäischen zu erken- nen geglaubt, die sich später nur als Aehnlichkeiten aus- gewiesen haben. Hingegen tritt schon in diesen frühen geologischen Zeiten die auffallende Thatsache hervor, dass Barrande unter den zahlreichen Arten der silurischen Fauna von Böhmen, deren Kenntniss wir ihm verdanken, keine einzige Art auffinden konnte, welche sich in dem Silurge- birge von Norwegen, England oder Nord-Amerika wieder findet. Auch hier also wieder Ueberstimmung des ailgemei- nen Charakters, aber keine Uebereinstimmung der Arten, in zum Theil geographisch nahe gelegenen Gegenden. Die Annahme der allgemeinen Gültigkeit der haupt- sächlichsten der Zeit nach auf einander folgenden geologi- schen Abtheilungen, oder der sogenannten Formationen, findet eine hauptsächliche Stütze darin, dass sich dieselbe bei dem Fortschreiten unseres geologischen Wissens immer schärfer und bestimmter herausgestellt hat. Es hat sich vielfach nachweisen lassen, dass die Stellung von Bil- dungen in der geologischen Altersfolge, die man denselben anfänglich bloss aus paläontologischen Gründen angewiesen hatte, die richtige war, als später eine Nachweisung des stratigraphischen Zusammenhangs mit bereits bekannten Bildungen möglich wurde. Formationen in entfernten Ge- genden, deren Bestimmung bloss durch die eingeschlossenen Versteinerungen geschehen war, nehmen dieselbe gegen- seitige stratigraphische Stellung ein, wie die entsprechen- den in den geologisch genauer bekannter Ländern. Anschei- nende Ausnahmen von der allgemeinen Regel, wie man sie z. B. früher in den Alpen anzunehmen geneigt war, haben sich bei fortschreitender Untersuchung als unbegründet er- 750 zeigt, und die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass andere angebliche Ausnahmen, welche man hin und wieder nach- zuweisen versucht, auf ähnliche Weise schwinden werden. Man hat jedoch, meist aus theoretischen Gründen, Ein- wendungen gegen die Zulässigkeit der paläontologischen Bestimmung der Formationen erhoben. Eine solche steht im Zusammenhang mit der Annahme eines frühern viel wär- mern Zustandes der Erde. Wenn nach dieser Annahme die Erde früher in einem feuerflüssigen Zustande sich befunden, und allmählig erst sich abgekühlt hat, sc konnte sie erst bei einem forfgeschrittenen Grade der Abkühlung die Wohn- stätte organischer We-en werden. Da die Abkühlung an den Polen am grössten sein musste, so müssten die Polar- gegenden zuerst bevölkert worden sein und später erst all- mählig die übrigen Gegenden der Erde. Wenn man nun an- nimmt, dass es hauptsächlich die Temperatur ist, weiche die Beschaffenheit der organischen \Vesen bedingt, so könnte z. B. in der gemässigten Zone eine silurische Fauna zur Entwicklung gekommen sein, während in den Polargegenden durch die bereits weiter fortgeschrittene Abkühlung, die früher bestandene silurische Fauna sich bereits in eine de- vonische umgewandelt hatte, so dass also das Silurgebirge der gemässigten Zone, mit dem devonischen Gebirge und nicht mit dem silnrischen des Nordens gleichzeitig bestanden hätte, und so fort in den spätern geologischen Zeiten. Das Kocän- gebirge der südlichen Breiten könnte beispielsweise im Alter dem Miocängebirge der nördlichern Gegenden entsprechen. Es lässt sich allerdings nicht läugnen, dass in unsern geologischen Bildungen, wenigstens in denjenigen, deren or- ganische Geschöpfe genau genug bekannt sind, um eine ge- nauere Vergleichung mit den jetzt lebenden zuzulassen, eine Analogie hervortritt mit den wärmern Zonen, die in unsern Gegenden auf eine höhere frühere Temperatur schliessen lässt, und zwar in höherm Grade, je weiter die geologischen 751 Zeiträume zurückgehen. So scheint sich herauszustellen, dass in der Schweiz und in Mitteleuropa zur Miocänzeit eine Temperatur geherrscht hat, die ungefähr der gegen- wärtigen in der Mittelmeerzone entspricht, zur Eocänzeit eine solche der jetzigen heissen Zone. Es beruhen aber diese Zusammenstellungen bloss auf gewissen Analogien und keineswegs auf vollständiger Uebereinstimmung der orga- nischen Formen Die Flora und Fauna unserer Miocänzeit hat allerdings eine gewisse Aehnlichkeit mit denjenigen der jetzigen MittelmeerZone, ist aber keineswegs damit identisch‘ Eben so wenig ist das der Fall mit den (reschöpfen unserer Eocänzeit, wenn wir sie mit denjenigen der jetzigen heissen Zone zusammenhalten. Offenbar müssen also bei der all- mähligen Umgestaltung der geologischen Faunen und Floren, aus er der Veränderung der Temperatur, noch andere Fak- toren mitwirken, die ihnen jeweilen einen von ihrem Alter abhängigen eigenthümlichen Charakter ertheilen. Wenn wir in der Fauna der Jetztzeit die Gegenwart des Menschen als das bezeichnende Merkmal erkennen, so tritt uns in der unmittelbar vorhergehenden Periode, in der sogenannten Diluvialzeit, als ein solches die auffallende Grösse einer Anzahl von Säugethierformen entgegen. Wir brauchen hier nieht darauf einzutreten, inwiefern diese frühere Fauna mehr oder minder scharf von der jetzigen getrennt ist, oder nur allmählig in dieselbe übergeht, das bezeichnete Merk- mal stellt sich aber, soweit unsere Kenntnisse reichen, über die ganze Erde dar. So finden wir diese auffallend grossen Diluvial-Säugethiere in Europa, in Sibirien, in Indien, in Nord- und Süd-Amerika, ja selbst in dem durch die Be- schaffenheit seiner jetzt lebenden Fauna sonst so eigen- thümlichen Neu-Holland. Die untergegangenen Arten der Riesenvögel von Neu-Seeland sind mit dieser Erscheinung im Einklang. Wir haben also hier einen allgemeinen Cha- rakter der Fauna, der Diluvialzeit, der ganz unabhängig ist 752 von der verschiedenen Temperatur der verschiedenen Erd- zonen und der sonst so verschiedenartigen Beschaffenheit ihrer Thierwelt. Auf ähnliche Weise können, wenn wir zu ältern For- mationen uns wenden, die Ammoniten und Belemniten der Kreide und des Jura, die Sigillarien der Steinkohlenflora, die Trilobiten der devonischen und silurischen Gebilde, als charakteristische Merkmale der entsprechenden geologischen Epochen angesehen werden, die vielleicht nur in entfern- terer Abhängigkeit stehen, von den Temperaturen, die gleich- zeitig in den verschiedenen Zonen der Erde geherrscht ha- ben mögen. Eine fernere Einwendung gegen die Allgemeingültigkeit der paläontologisch bestimmten Formationen hat man von der geographischen Wanderung der Faunen und Floren her- zuleiten versucht. Die Fauna und Flora eines gegebenen Meeres oder Landes sucht sich über die angrenzenden Erd- theile auszubreiten. Diese Verbreitung wird begünstigt und veranlasst durch Veränderung der Temperatur, und durch eine veränderte Vertheilung von Festland und Meer, welche durch erfolgende Hebungen und Senkungen des Erdbodens entstehen. Sie erfordert aber jedenfails %eit, und eine sehr lange Zeit, wenn die Gegenden, nach welchen die Ausbrei- tung stattfindet, von dem ursprünglichen Vaterlande der wandernden Arten sehr entfernt liegen. Gewisse Geschöpfe könnten daher an einem gegebenen Punkte der Erde einer _ gegebenen geologischen Formation eigenthümlich sein und zur Bezeichnung ihres geologischen Charakters dienen, die . nach einer Wanderung, die vielleicht erst im Verfolg einer langen geologischen Epoche zu Stande gekommen ist, erst an einem entfernten Punkte auftreten und nunmehr zur Cha- rakterisirung der dortigen geologischen Gebilde beitragen. Die Uebereinstimmung gegebener Thiere und Pflanzen an zwei geographisch entlegenen Punkten würde daher in die- 753 sem Falle nicht auf eine Gleichzeitigkeit der Ablagerung der Gebilde, denen sie angehören, hindeuten, sondern gegen- theils auf eine Ungleichzeitigkeit der Bildungen. Als er- läuterndes Beispiel liesse sich anführen, dass wenn die Tri- gonien unserer Jura- und Kreide-Formationen auf eine Wan- derung nach unsern Antipoden sich begeben haben, und nun- mehr seit der "ertiärzeit bei uns verschwunden sind, da- gegen in den Tertiärschichten und der lebenden Fauna von Australien auftreten, ihr Yorkommen in den beiden entle- genen (regenden auf geologisch sehr verschiedene Gebilde hinweist. Man müsste dabei freilich annehmen, dass wie die Geschöpfe, welche in einer gegebenen Gegend einheimisch bleiben in der Folge der geologischen Zeiten eine immer weiter gehende Umgestaltung erleiden, auch j#ne Trigonien bei ihrer langen Wanderung umgestaltet worden sind, denn die australischen Trigonien gehören ganz verschiedenen Arten an, von denjenigen unserer Kreide und unseres Jura. Es ist wohl durch hinreichende Beobachtungen nach- gewiesene Thatsache, da:s Wanderungen der angedeuteten Art von einzelnen Arten, von einer Gemeinschaft von Ar- ten, Ja von ganzen Faunen uni Floren stattfinden. Die Ge- sammtbeschaffenheit der organischen Geschöpfe einer ge- gebenen Bildung muss durch solche Einwanderungen ver- ändert werden, ob aber der paläontologische Charakter einer gegebenen Formation dadurch auf eine Weise verändert werden kann, dass dieselbe einer Formation aus einer an- dern geologischen Formation ähnlich wird, muss haupt-äch- lich von der verhäitnissmässigen Schnelligkeit abhängen, mit welcher die Aenderungen der Arten durch Einwanderung oder durch die allmählige Umwandlung der Faunen und Floren an einem gegebenen Punkte im Verlaufe der geolo- gischen Zeiträume erfolgt. Sollten die Umwandlungen der letztern Art ungleich grössere Zeiträume erfordern, als die geographischen, wenn auch sehr lange Zeiträume erhei- 73% schenden Einwanderungen, so können die letztern nur einen untergeordneten Einfluss auf den eigenthümlichen organischen Charakter einer gegebenen geologischen Zeit ausüben. Wenn vollends dieser Charakter eines bestimmten geologischen ' Zeitraums nicht bloss ein lokaler, sondern ein für die ganze Erde gültiger ist, so müsste derselbe sich auch den wan- dernden Arten, während der langen Zeit ihrer geographi- schen Ortsveränderung sich auf mehr oder minder deutliche Weise einprägen. Es ist klar, dass nur die Fortschritte sorgfältiger geologischer Forschungen über solche Fragen eine Entscheidurg herbeizuführen im Stande sind, und dass vergleichende Untersuchungen über die verhältnissmässigen Fortschritte der geographischen Wanderungen der Arten und der mit der Zeit eintretenden Umänderungen der Faunen und Floren zu den schwierigern gehören. Wir müssen daher erst von einer kommenden Zeit erwarten, darüber auf ge- nügende Weise belehrt zu werden. Einen Beitrag zur Lösung der Frage geben indess die sründlichen Untersuchungen von Professor Suess über die österreichischen Tertiärbildungen an die Hand (Sitzungsbe- richte der Wiener Akademie. LIV Juliheft 1866). Ueber die bekannte, so genau durchforschte und beschriebene Wiener Tertiärbildung legt sich ein neues marinisches Gebilde, von Suess als sarmalische Stufe bezeichnet. Dasselbe erreicht bei Wien sein westliches Ende und erstreckt sich mit ver- hältnissmässig geringer Breite in westöstlicher Richtung durch Ungarn, die Donauländer, das südliche Russland, das Kaspische Meer bis zum aralischen See in die Steppenre- . gion Vorder-Asiens. So weit ist die Erstreckung durch zu- sammenhängende Beobachtungen nachgewiesen, höchst wahr- scheinlich steht es aber noch weiter gegen Osten mit dem nördlichen asiatisch®n Meere im Zusammenhang. Die orga- nischen Wesen, welche diese sarmatische Stufe in der Ge- gend von Wien umschliesst, gehören drei Gruppen an: einer 755 Land- und Süsswasserfauna, übereinstimmend mit derjenigen des unmittelbar unterliegenden Tertiärgebirges: einem sehr verarmten Ueberreste der frühern reichen Meeresfauna, und einer neuen aus östlichen Gegenden eingedrungenen Meeres- fauna. Gegen Osten verlieren sich die beiden ersten Be- standtheile und der dritte, die eigenthümliche sarmatische Fauna, herrscht allein. Es ist diese Fauna im Gegensatz zu der frühern marinischen eine ärmliche, und sie trägt offen- bar einen nordischen Charakter. Die sarmatische Stufe wird längs ihrer Erstreckung bedeckt von Süsswasserbildungen, welche in Griechenland sich wiederum bedeckt zeigen von Meeresablagerungen mit mittelmeerischem Gepräge. Dem Aiter nach mag sie unge- fähr übereinstimmen mit Oeningen, jedenfalls ist sie älter als der Dinotheriensand. Die eigenthümlichen sarmatischen Conchylien gehören sämmtlch erloschenen Arten an. Bekanntlich trägt dieältere reiche marinische Tertiärfauna von Wien bereits einen mittelmeerischen Charakter. So be- schreibt Hörnes aus Steinabrunn, Nikolsburg und Kien- berg zusammen 395 Arten mariner Gasteropoden, unter denen 81, also 201% Procent lebender mittelmeerischer Arten sind, und aus dem Tegel von Möllersdorf, Baden und Vöslau 254 Arten, unter welchen sich 58 oder 23 Procent noch leben- der Arten befinden. Durch eingetretene Senkungen im süd- lichen Russland wurde die Abtrennung der jetzigen Donau- länder von dem frühern Mittelmeer bewerkstelligt, und die Gewässer des nördlichen Asiens breiteten sich über das Gebiet des Aral bis über Wien hinaus. Eine neue Meeres- Fauna folgte diesen Gewässern und ersetzte die völlig ver- schiedene frühere. Als jedoch durch spätere Veränderungen der Zutritt des nordischen Meeres wieder abgeschlossen worden, und die sarmatische Fauna verschwand, hatte sich in den jüngern Tertiärschichten von Griechenland und Italien, wo der Zusammenhang mit dem damaligen Mittelmeer nicht 756 gestört war, die Fauna mit ihrem mittelmeerischen Gepräge stetig fortgebildet, bis zu der gegenwärtigen Zeit. Hier ist also im Gebiete des Mittelmeeres langsam aber unaufhalt- sam eine allmählige Veränderung der Fauna von der ältern Miocänzeit bis zur Gegenwart fortgeschritten, während in der Zwischenzeit, und zwar in einem verhältnissmässig un- gleich kürzern Zeitraum, als diese Umänderungen vor sich gegangen sind, die Einwanderung einer neuen Fauna aus dem fernen Norden, und späterhin wieder deren gänzliches Aussterben stattgefunden hat. Allerdings liegt hier ein noch weites Feld zur Bear- beitung vor. Was wir unter dem paläontologischen Charak- ter einer gegebenen geologischen Zeit zu verstehen haben, ist ein noch sehr unbestimmter Begriff, der nicht zu läug- nende Einfluss von einer veränderten Vertheilung von Land und Meer, von Temperaturveränderungen, von geographischen Wanderungen auf die Beschaffenheit der organischen Wesen eines gegebenen Punktes der Erde, muss genauer nachge- wiesen werden. Doch will es scheinen, dass die Einwen- dungen gegen die bisher als gültig angenommene paläonto- "logische Bestimmung der geologischen Formationen durch die bisherigen Beobachtungen sich nicht rechtfertigen lassen. —— en — PHYSIR. Ueber das Meteor vom Il. Juni 1867. Von Prof. En. HaGEenBacH. Durch Mittheilungen, die mir von verschiedenen Seiten über das Meteor vom 11. Juni gemacht wurden und die ich hiermit bestens verdanke, bin ich in den Stand gesetzt über die wesentlichen Punkte dieser Naturerscheinung einiges zusammenzustellen ; wobei ich es versuche, aus den verschiedenen Berichten das hervorzuheben, was in Folge von übereinstimmenden Aussagen mehrerer Beobachter am meisten Wahrscheinlichkeit für sich hat. Die Zeit, zu welcher die Erscheinung beobachtet wurde, war der 11. Juni 1867, Abends 8 Uhr 25 Minuten Basler Zeit. Die Richtung, nach welcher das Meteor bei seinem höchsten Stande gesehen wurde, war von Nord 45° nach West und 12:/,° über dem Horizont. Die Angabe des Azi- mutes beruht auf einer Mittheilung, die genau die Stelle des Beobachters und einen davon hinlänglich weit entfern- 198 ten Thurm angibt, neben welchem das Meteor zu sehen war, so dass mit Hülfe des Stadtplanes die Richtung mit ziemlicher Genauigkeit erhalten werden konnte. Der Höhen- winkel wurde nachträglich gemessen, indem dabei auf einen Punkt visiert wurde, den ein zuverlässiger Beobachter aus der Erinnerung angab; ich glaube kaum, dass der Fehler viel mehr als einen Grad betragen kann. Die Erscheinung selbst bestand in einer Feuerkugel, die sich raketenähnlich schnell erhob, in dem höchsten Punkte einen Augenblick zu bleiben schien und dann mit langsamer, aber beschleunigter Bewegung sich wieder dem Horizonte näherte. Nach dem Verschwinden des Meteors blieb ein feuriger Streifen zurück, der nach und nach wol- kenähnlich weiss wurde; dieser zeigte anfänglich eine schraubenförmige Gestalt und gieng nach und nach in ver- schiedene Formen über, die von den meisten Beobachtern mit Buchstaben oder Namenszügen verglichen wurden; etwa ähnlich * Die genauen Umrisse schwanden immer mehr, so dass gegen das Ende die Erscheinung einer ge- wöhnlichen Wolke ziemlich ähnlich sah; erst nach Ver- lauf einer vollen Stunde waren die letzten Spuren ver- schwunden, nachdem eine Verrückung von etwa 3° nach Westen zu stattgefunden hatte. — Die Erscheinung muss über eine bedeutende Strecke hin sichtbar gewesen sein, mir liegen ausser den hiesigen Beobachtungen solche vor aus mehreren Gegenden der Schweiz (Genf, Freiburg, Bern, Zürich, Kant. Aargau), aus Baden-Baden und einigen Orten - Frankreichs, hauptsächlich aus Paris, Suchen wir nun aus dem Gemeldeten einige Schlüsse zu ziehen. Die Thatsache, dass von Basel aus gesehen, das Me- teor senkrecht in die Höhe stieg und dann in derselben 159 Richtung wieder fiel, lässt uns annehmen, dass die Bahn, in welcher es sich bewegte, mit der Richtung zusammen- fiel, nach welcher es von uns aus gesehen wurde, Wir schliessen also daraus, dass die Bahn, welche die Feuer- kugel in unserer Erdatmosphäre beschrieb, in der Richtung von Nordwest nach Südost gegangen sei. Es stimmt diess auch mit Angaben aus Freiburg in der Schweiz, nach wel- chen die scheinbare Bahn nicht mehr als eine senkrechte, sondern als eine nach Norden hin abfallende Linie be- zeichnet wird. Auch die Angabe über eine Beobachtung desselben Meteors in Paris #}, nach welcher es sich von N 3° O nach N 34° O bewegte, stimmt mit dieser An- nahme voilkommen. Das anfänglich schnelle Steigen und das nachherige langsame Fallen des Meteors ist natürlich nur die scheinbare Bewegung desselben; das Steigen ent- spricht der Zunahme des Höhenwinkels in Folge der grös- seren Annäherung, das scheinbare Verbleiben an dem höchsten Punkte fand so lange statt, als der Höhenwinkel in Folge der Annäherung um gleich viel zunahm, als er in Folge des Sinkens in der Atmosphäre abnahm; so wie der Einfluss des Sinkens überwog, musste auch scheinbar eine Bewegung nach unten eintreten. Da die weisse Meteor- wolke sich hauptsächlich an der höchsten Stelle zeigte, so kann man annehmen, dass da eine Explosion stattgefunden habe. — Die Orte der Erde, bei welchen die Erscheinung durch das Zenith gehen musste, d. h. über welche die Feuer- kugel hinfuhr, müssen sich aus den Richtungen bestimmen lassen, nach welchen von verschiedenen Orten aus die Er- scheinung gesehen wurde. Die schon erwähnten Richtungs- bevbachtungen von Basel und Paris, so wie die Angabe, dass das Meteor von Baden-Baden nach Westen und von Genf *) Comptes rendus de l’Académie des sciences du 24. Juin 1867. Sl 760 über der Döle gesehen wurde, lassen darauf schliessen, dass die Projection der Bahn der Feuerkugel etwa von 0° 5° östlich von Paris und 51° nördliche Breite (Gegend von Dünkirchen) bis 1° 25° östlich von Paris und 50° 10° nördliche Breite (Gegend zwischen Cambrai und Avesnes) gegangen sei. Genaue Angaben über Beobachtungen aus diesen Gegenden selbst könnten darüber sicherere Auf- schlüsse geben. Die Entferaung von Basel war somit im Mittel etwa 470 Kilometer. Berechnen wir aus dieser Ent- fernung und dem Höhenwinkel von 12!/,° mit Berücksich- tigung der Krümmung der Erde die Höhe, so erhalten wir den bedeutenden Werth von 131 Kilometer. Der Höhen- winkel von 22° 30‘, den der Pariser Beobachter angiebt, führt zu der etwas geringern Höhe von 103 Kilometern. — Ein besonderes Interesse bot der Umstand dar, dass die Spuren, welche das Meteor auf seiner Bahn zurückliess, noch eine volle Stunde lang beobachtet werden konnten; es wurde diese Beobachtung dadurch begünstigt, dass die Erscheinung am Abend stattfand und dadurch die in so be- deutender Höhe nach Westen zu liegende Meteorwolke noch lange von der Sonne beschienen war, während es unten schon anfieng finster zu werden. — Woraus die Sub- stanz dieser Meteorwolke bestanden, lässt sich mit Sicher- heit nicht bestimmen, der Umstand jedoch, dass in einigen Meteorsteinen, wie z. B. in dem zu Orgueil im südlichen Frankreich am 14. Mai 1864 gefallenen, ziemlich bedeutende Mengen von Salmiak, Kochsalz und ähnlichen Suhstanzen gefunden wurden, lässt vermuthen, dass solche Steffe, - durch die hohe Temperatur verdampft und -.dann wieder verdichtet, in der Atmosphäre schwebend erhalten wurden; auch ist es möglich, dass Wasser im festen Zustande da- bei eine Rolle spielte, doch müsste die Temperatur ausser- ordentlich niedrig sein, damit nicht die Spannkraft des Wasserdampfes dem ausserordentlich geringen Atmosphä- 761 rendruck einer so bedeutenden Höhe gleichkommt. Der Umstand, dass die Meteorwolke während einer Stunde ihre Lage nur um sehr weniges änderte, ist der deutlichste Beweis dafür, dass dieselbe in der mit der Erde rotieren- den Atmosphäre suspendiert: war. — 82 —— Ueber die Eisensteinlager am Fuss der Windgelle. Von Prof. Acer. MÜLLER. à In dem vorigen (dritten) Hefte dieser Verhasdlungen hatte ich weitere Beobachtungen über die krystallinischen Gesteine des Maderaner-, Etzli- und Fellithales mitgetheilt, darunter auch in einem besondern Abschnitt über die Eisen- steinlager des mitteljurassischen Kalkgebirges am Fuss der Windgelle im Maderanerthal, die in unmittelbarem Contaet über dem alten krystallinischen Schiefergebirg lagern. Es wurde dabei auch bemerkt, dass graue und grünlichgraue glänzende Thonschiefer Zwischenschichten zwischen diesen Eisensteinbänken und Kalksteinlagern bilden. Seitdem hatte ich Gelegenheit, diese Gesteine wieder- holt näher anzusehen, und fand dabei, dass auf den zwi- schen jenen Schiefern eingelagerten bräunlichen Ankerit- streifen, die schon eine starke Erosion durch die Atmos- sphärilien verrathen, tafelförmige Zwillinge von Albitkry- stallen aufsitzen, in Gesellschaft mit schmalen Streifen von 763 krystallinischem Quarz, der aber keine deutlichen Krystall- formen zeigt. Augenscheinlich waren beide Mineralien erst durch theilweise Verwittrung des eisenhaltigen Kalkspathes oder Ankerites aus dessen Masse herausgetreten. Ich glaube, dass solche, noch keineswegs häufig con- statirte Fälle, wie das Aufreten eines wahren Feldspathes, hier also des Albites, in verhältnissmässig jungen, im Gan- zen noch wenig veränderten Schichten, wozu diese Kalk- steine des mittlern (braunen) Jura mit ihren Eisenoolithen sehören, verdienen bemerkt zu werden. Jeder neue Fund wird die noch viel verbreitete Ansicht, als ob wahre Feld- spathe nur in den alten metamorphischen Gesteinen des sogen. Grundgebirges und der palæozoischen Ablagerungen vorkämen, mehr und mehr erschüttern. Es darf hiebei an das längst bekannte Vorkommen von Glimmerschiefer mit Granaten und Belemniten, von unzweifelhaft jurassischem Ursprung, an der Nufenen und andern Orten in den Alpen und an die Feidspathe führenden Kalksteine, an der Con- tactlinie zwischen Gneiss und Kalk, wie sie an verschie- denen Stellen unserer Alpen vorkommen, erinnert werden. Der dunkelgrüne glänzende feinschuppige Schiefer, wel- cher die Ankeritparthieen eiuschliesst und seinerseits schmale Zwischenschichten zwischen den mächtigen oolithi- schen Eisensteinlagern bildet, erwies sich bei näherer Un- tersuchung als ein wahrer Chlorifschiefer, mit kleinen glän- zenden Magneteisenoktaedern, also ein ganz ähnliches Vor- kommen, wie der Chloritschiefer des Pfitschthales in Tyrol, nur dass in letzterm die Krystalle des Magneteisens viel grösser sind. Da hier die Umwandlung des Magneteisen führenden Chloritschiefers aus einem grauen eisenschüssigen Mergel- schiefer, der sonst die Zwischenschichten der jurassischen Kalkstein- und Oolithlager bildet, nicht wohl bezweifelt 764 werden kann — wir haben die Umwandlung in den ver- schiedensten Stadien vor uns —, so ist wohl eine ähnliche Entstehung auch anderwärtiger Chloritschiefer zu vermu- then, deren Alter, als sedimentäres Gestein, uns noch, bei weniger deutlichen Lagerungsverhältnissen, unbekannt ist. Wir hätten also an der Windgelle Chloritschiefer jurassi- schen Ursprungs, während die, von mir in den beiden vor- hergehenden Ahhandlungen beschriebenen, dem krystallini- Schiefergebirg der benachbarten Thäler angehörigen Chlo- ritschiefer, wie schon oben bemerkt, ohne Zweifel viel ältern Ursprunges sind, und ihre Ablagerung wahrschein- lich der palæozoischen Periode angehört. Es wird noch viel Schwierigkeiten darbieten, die me- tamorphischen Schiefer der ältern von denjenigen der jün- sern Sedimentärperioden zu unterscheiden, namentlich, wo keine charakteristischen Versteinerungen vorhanden sind und wo auch die Lagerungsverhältnisse keine Anhalts- punkte darbieten. Se viel aber dürfen wir annehmen, dass die chemisch-krystallinische Umwandlung dieser ursprüng- lich sedimentären Gesteine oft erst lange Zeit nach ihrer ursprünglichen Ablagerung, oder in stärkerm Masse erst nach ihrer Hebung begonnen hat und dass bis zu ihrer Vollendung in den uns gegenwärtig vorliegenden Zustand lange Zeiträume verflessen sind. Wenn ich das Material zur chemischen Umwandlung der krystallinischen Schiefer aus der Zerselzung der ältern granitischen Eruptivgesteine,. wie Granit, Syenit, Diorit u. s. w. herleitete, welche die Schiefer durchbrachen, und deren ausgelaugte Bestandtheile -in den Schiefern entweder direct in ihrer Masse oder als Krystalle in ihren Klüften abgelagert wurden oder weitere Umsetzungen veranlassten, so schrieb ich jene Zersetzung nicht, wie von einer Seite aus Missverständniss vermuthet wurde, der noch immer fortdauernden Verwittrung von aussen durch die Atmosphärilien zu, sondern den aus der Tiefe 765 aufsteigenden, mit Kohlensäure und verschiedenen Mineral- stoffen beladenen, bald kalten, bald warmen Gewässern. Die äussere Verwitterung, wie sie jetzt noch vor sich geht, macht sich mehr nur durch Auslaugung und Verfall des gehobenen und zerklüfteten Gesteines und nicht durch chemische Neu- bildungen bemerkbar. Wir müssen Zersetzung nicht mit Verwitterung verwechseln. Die Zirsetzung der ältern, be- reits krystallinischen Gesteine, seien sie nun eruptiven oder sedimentären Ursprungs, und die Umwandlung der sedimen- tären sind allerdiugs viel neueren Datums, als ihre ur- sprüngliche Ablagerung. Die krystallinische Umwandlung der Schiefer und die Ausscheidung der einzelnen krystal- lisirten Mineralien in den Klüften ist gewiss gleichzeitig und aus demselben Material erfolgt, das aus der Zersetzung älterer krystallinischer Gesteine hervorgieng. Diese Um- wandlung, grossentheils die Ursache selbst der Hebung des. Gebirges, wie ich schon früher zeigte, war ohne Zweifel in den meisten Fällen schon vollendet, ehe die weitere Zersetzurg, durch Verwitterung, ihr Werk begann. Eine vorläufige Analyse des heilgrünen talkähnlichen Mineraies der grobkörnigen Protogyngneisse des Fellithales, durch Hrn. Dr. Goppelsröder, hat neben 15,8°/, Thonerde, 2,2 Eisenoxyd und 2,2 Kalkerde nur 1,%°/, Talkerde er- seben, ist also jedenfalls kein Talk, und stimmt viel besser mit der Zusammensetzung mancher talkähnlichen Thon- schiefer des Maderaner- und Etzlithales. Hr. Dr. Goppels- röder wird demnächst eine zweite Analyse mit mehr Ma- terial vornehmen. | > =—< 59 — ka Th VE EVE oe 14 CHEMIE. Mittheilungen von C. F. Schœnbein. 2. Ueber das Verhalten der Blausäure zu den Blut- körperchen und den übrigen organischen das Wasser- stoffsuperoxyd katalysirenden Materien. Schon vor Jahren wurde von mir gezeigt, dass die Blutkörperchen in einem ausgezeichneten Grade die Fähig- keit besitzen, nach Art des Platins das Wasserstoffsuper- oxyd in Wasser und gewöhnlichen Sauerstoff umzusetzen und da kaum daran zu zweifeln ist, dass dieses Zersetzungs- vermögen mit der physiologischen Wirksamkeit der gleichen Körperchen eng zusammenhängt, so stand zu vermuthen, dass, was das Eine vermindere, auch das Andere schwäche. Einige diesen Gegenstand betreffenden und von mir schon vor einiger Zeit ermittelten Thatsachen scheinen mir von . der Art zu sein, dass sie wohl von Seite der Physiologen und Aerzte einige Aufmerksamkeit verdienen und desshalb der Veröffentlichung werth sein dürften. 52 7683 Das zu meinen Versuchen dienende Material war fri- sches entfasertes Ochsenblut mit zwei Raumtheilen reinen Wassers verdünnt, von weichem Gemisch ich kaum zu sa- gen brauche, dass es das Wasserstoffsuperoxyd mit stür- mischer Lebhaftigkeit katalysirte. Wenige Tropfen wässe- riger Blausäure zu fünfzig Grammen der Versuchsflüssigkeit gefügt, reichten jedoch schon hin, die katalytische Wirk- samkeit der Biutkörperchen so sehr zu schwächen, dass dieselben bei ihrer Vermischung mit HO, eine kaum noch merkliche Entbindung von Sauerstoifgas zu bewirken ver- mochten und ebenso wurde blausäurehaltiges Wasserstoff- superoxyd durch die Versuchsflüssigkeit nur spärlichst zer- legt. Sehr bemerkenswerth ist die weitere Thatsache, dass das verdünnte blausäurehaltige Blut durch HO, rasch bis zur Undurchsichtigkeit gebräunt wird, was auf eine tief gehende Veränderung hindeuiet, welche die Blutkörperchen unter diesen Umständen erleiden. Die Blausäure für sich allein scheint jedoch auf diese Körperchen weder chemisch noch anderweitig einzuwirken, wie schen der Umstand ver- muthen lässt, dass die Färbung der Versuchsflüssigkeit un- verändert bleibt (bei mehr Blausäure sich höher röthet), welche Vermuthung aber durch die Thatsache zur Gewiss- heit erhoben wird, dass solches Blut im Spectrum die zwei so charakteristischen Absorptionsstreifen der Blutkörper- chen zeigt, wie auch seine frühere katalytische Wirksam- keit wieder äussert, nachdem mar aus ihm die Blausäure hat verdampfen lassen. ich habe gefunden, dass die blau- säurehaltige Versuchsflüssigkeit, welche man mehrere Stun- den iang in einem flachen Gefässe und an einem mässig erwärmten Ort offen an der Luft hatte stehen lassen, das Wasserstoffsuperoxyd wieder lebhaft zu zerlegen vermochte ohne durch Letzteres im Mindesten gebräunt zu werden, während die gleiche in einer luftdicht verschlossenen Flasche Tage lang gehaltene Flüssigkeit HO, immer nur schwach 769 katalysirte und durch das Superoxyd stark gebräunt wurde. Seit Thenard weiss man, dass der Blutfaserstoff nebst einigen thierischen Geweben das Wasserstoffsuperoxyd zer- lest, und meine Versuche haben dargethan {man sehe in den Berichten unserer Gesellschaft meine Abhandlung „über die katalytische Wirksamkeit organischer Mate- rien“ u. Ss: w.), dass die ganze Pflanzen- und Thierwelt mit Substanzen erfüllt ist, denen das gleiche Vermögen zu- kommt, in weicher Einsicht die Samen und frischen Wur- zeln aller Pilanzen wie auch sämmtliche von mir unter- suchten Pilze u.s. w. besonders sich auszeichnen. Ebenso lehrt die Erfahrung, dass alle #ermente und namentlich die gewöhnliche Hefe das Wasserstoffsuperoxyd ziemlich leb- haf: katalysiren. Aus meinen Versuchen geht nun als allgemeine That- sache hervor, dass schon kleine Mengen von Blausäure das katalytische Vermögen aller dieser organischen Materien zwar nicht zerstören, aber doch eben so namhaft schwä- chen, als dasjenige der Blutkörperchen. Wird z. B. die frische Wurzel des Leontodon taraxacum, die Schale einer rohen Kartoffel u. s. w., welche Substanzen HO, lebhaft zerlegen, nur kurze Zeit mit wässeriger Elausäure oder deren Dampf in Berührung gesetzt, se sieht man anfänglich an diesen mit HO, übergossenen Materien kaum ein Bläs- chen aufsteigen. Dass das katalytische Vermögen der orgasischen Sub- stanzen noch mit anderweitigen Eigenschaften derselben, namentlich aber mit ihrer physiologischen Wirksamkeit zusammenhänge, habe ich schon in der verhin erwähnten Arbeit darzuthun versucht. Nach meinen Erfahrungen ver- lieren alle organischen Materien beim Erhitzen mit Wasser auf 100°, ja noch vorher ihre Fähigkeit, das Wasserstof- superoxyd zu zerlegen, von welcher Regel auch die Bier- 52 * 770 hefe keine Ausnahme macht. Da bekanntlich dieses Fer- ment unter den erwähnten Umständen das Vermögen ein- büsst, den Traubenzucker in Weingeist und Kohlensäure umzusetzen, so darf man wehl schliessen, dass die beiden Zersetzungswirkungen der Hefe von der gleichen Ursache hervorgebracht werden und daher die Aufhebung des einen Vermögens auch diejenige des anderen nach sich ziehe. Wenn nun erwähntermaassen auch durch die Blausäure die katalysirende Wirksamkeit der Hefe gegenüber dem Wasserstofi-uperoxyd geschwächt wird, so müsste die Ge- genwart dieser Säure auch das gährungserregende Vermö- sen des gleichen Fermentes vermindern. in wie weit dies der Fall ist, werden die nachstehenden Angaben zeigen. Eine wässerige Zuckerlösung mit der erforderlichen Menge wirksamer Hefe und so viel Blausäure versetzt, dass die Flüssigkeit deutlichst nach Bittermandeln riecht, gährt in einer luftdicht verschlossenen Flasche selbst unter den günstigsten Temperaturverhältnissen so langsam, dass sie noch nach Monaten süss schmeckt, während die Gäh- rung einer völlig gleich beumständeten, aber blausäure- freien Zuckerlösung in wenigen Tagen vollendet ist. Etwas anders verhält sich die Sache, wenn man die erstere Flüs- sigkeit in einem offenen Gefässe bei geeigneter Temperatur sich selbst überlässt, unter welchen Umständen die Gäh- rung zwar etwas später als gewöhnlich eintritt, aber doch nach und nach vollständig erfolgt, was offenbar mit der allmähligen Verflüchtisung der Blausäure zusammenhängt. Meine früheren Versuche haben gezeigt, dass Pflanzen- “samen, auf irgend eine Weise ihrer Fähigkeit beraubt, das Wasserstoffsuperoxyd zu katalysiren, auch physiologisch unwirksam, d. h. keimungsunfähig sind, aus welcher That- sache die innige Verknüpfung der katalytischen mit der physiologischen Wirksamkeit dieser Samen sich abnehmen lässt. Es war daher zu vermuthen, dass die Blausäure 1 einen hemmenden Einfluss auf die Keimung der Pflanzen- samen ausüben werde, was in der That auch der Fall ist. Zwei Portionen Kressesamens wurden eine halbe Stunde lang eingeweicht, die eine in stark verdünnter Blausäure, die andere in reinem Wasser und dann gleichzeitig gesäet. Schon nach 24 Stunden zeigte die letztere Portion die be- gonnene Keimung auf das Deutlichste, im Laufe einer Woche zu zolllangen Pflänzchen sich entwickelnd, während der mit blausäurehaltisem Wasser behandelte und unter sonst völlig gleichen Umständen gehaltene Samen noch anschei- nend völlig todt in der Erde lag. Erst am zehnien Tage bemerkte man an einigen wenigen Samenkörnern Spuren von Keimung, ohne dass sie jedoch zu Pflänzchen sich aus- gebildet hätten. Äehnliche Versuche wurden mit einigen anderen Samenarten angestellt, die zu gleichen Ergebnissen führten. Wena nun den voranstehenden Angaben gemäss die durch Blausäure bewirkte Sch wächung des katalytischen Vermögens organischer Materien mit der Hemmung anderer und namentlich physiologischer Wirksamkeiten derselben Hand in Hand geht, so ist es höchst wahrscheinlich, dass die gleiche Säure wie die katalytische so auch die phy- siologische Thätigkeit der Blutkörperchen schwächen oder lähmen werde. Spielen dieselben nach der so begründet erscheinenden Annahme der Physiologen eine maassgebende Rolle bei der Respiration und sind sie es, durch welche vorzugsweise die Oxydationswirkungen des eingeathmeten Sauerstoffes im Organismus eingeleitet werden, so müssten Materien, mit dem Vermögen begabt, dem Wasserstoff- Superoxyd gegenüber die katalytische Wirksamkeit der Blutkörperchea namhaft zu schwächen oder gänzlich auf- zuheben, im gleichen Grade auch die Respiration beein- trächtigen oder völlig hemmen, falls derartige Stoffe in den Körper eingeführt würden. Von der Blausäure weiss man, dass davon schon sehr kleine Mengen grosse Thiere 772 schnell zu tödten vermögen und dass sie unmittelbar in das Blut eingeführt am raschesten wirkt. Da nun nicht daran zu zweifeln ist. dass diese Säure auf die Blutkör- perchen innerhalb des Körpers eben so wie auf diejenigen ausserhalb desselben einwirken werde, so darf man mit einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit anzehmen: die Blausäure tödte desshalb so rasch, weil sie mit der kata- lytischen zugleich auch die physiologische Wirksamkeit der Blutkörperchen und somit auch die Respiration stark hemme, ohne desshalb dieselben irgendwie stofflich zu verändern. Ein durch Blausäure vergiftete: Thier würde demnach an Erstickung sterben. Schliesslich muss ich noch einmal auf die vorhin er- wähnte Thatsache zurückkommen, dass blausäurehaltiges Blut durch Woasserstofisuperoxyd tief gebräunt wird, wel- ches Verhalten, wie man sofort sehen wird, es möglich macht, in jener Flüssigkeit noch verschwindend kleine Mengen von Cyanwasserstoffsäure nachzuweisen. 50 Gramme entfaserten Ochsenhlutes mit 45% Grammen Wassers und fünf Milligrammen Elausäure (auf die wasser- freie bezogen) versetzt, liefern ein Femisch, welches durch Wasserstoffsuperoxyd noch tief gebräunt wird, obgleich darin nur ein Hunderttausendtel Blausäure enthalten ist. Ja es kann das Gemisch noch mit der siebenfachen Menge Wassers verdünnt werde:, so dass es nur noch Y/sooooo Cy H enthält, um beim Zufügen von HO, sich immer noch deut- lichst zu bräunen. Man kann desshalb die Blutkörperchen in Verbindung mit Wasserstoffsuperoxyd ') als das em- pfindlichste Reagens auf Rlausäure bezeichnen. Ich darf jedoch nicht unbemerkt lassen, @ass es, um 1) Bei Anwendung dieser Mittel konnte ich in gewöhnlichem Kirschwasser noch augenfälligst Blausäure nachweisen, die darin durch kein anderes Reagens mehr zu erkennen war. 143 die besagte Reaction zu erhalten, keineswegs gleichgiltig ist, in welcher Aufeinanderfolge man Blausäure und HO, zu der Blutflüssigkeit füst; denn wird das Superoxyd in einiger Menge zuerst beigemischt, so verursacht die Blau- säure nicht die geringste Bräunung und wird das Wasser- stoffsuperoxyd eben so lebhaft katalysirt, als wenn keine Blausäure in dem Blute vorhanden wäre, welche Thatsache merkwürdig genug, für mich dermalen aber noch völlig unerklärlich ist. Da es mich interessiren musste, auch das Absorptions- spectrum der durch Blausäure und Wasserstoffsuperoxyd gebräunten Rlutflüssigkeit kennen zu lernen, ersuchte ich meinen Collegen, Herrn Professor Hagenbach, dem zu diesem Behufe ein vortreffliches Werkzeug zu Gebote steht, hierüber die geeigneten Versuche anzustellen, deren Aus- führung zu folgenden Ergebnissen geführt hat. Blausäure oder Wasserstoffsuperoxyd, Jedes für sich allein, verur- sacht keine Veränderung im Absorptionsspectrum: die bei- den für die Blutkörperchen so charakteristischen, zwischen E und D liegenden Streifen treten in beiden Fällen auf das Deutlichste auf, wie sich auch dieselbe Unveränderlich- keit zeigt, wenn zuerst Wasserstoffsuperoxyd und dann Blausäure der Blutflüssigkeit zugesetzt wird. Anders ver- hält sich die Sache, wenn die Zumischung jener Substanzen in umgekehrter Ordnung erfolgt, wobei es sich zeigt, dass in ebex dem Maasse, als unter diesen Umständen die rothe Färbung der Versuchsflüssigkeit in die braune übergeht, die beiden Absorptionsstreifen der Biutkörperchen im Spec- trum verschwinden, ohne dass dafür ein neuer Streifen auftrâte. Es erstreckt sich nämlich in dem vorliegenden Falle die Absorption ziemlich gleichmässig über das Spec- tralfeld, das Roth ausgenommen, welches bei einiger Con- centration der Blufflüssigkeit allein noch durch dieselbe dringt. 274 Das durch Blausäure und HO, gebräunte wässerige Blut gleicht zwar bis zum Yerwechseln demjenigen, dessen Bräunung durch Schwefelsäure u. s. w. bewirkt wird, aber schen auf den ersten Blick nimmt man bei der Spectral- untersuchung zwischen beiden Flüssigkeiten den Unterschied wahr, dass die Letztere einen deutlichen Absorptionsstreifen im Roth zeigt, welcher dem durch Blausäure und Wasser- stofisuperoxyd gebräunten Blute des Gänzlichen fehlt. 22. Ueber die Anwesenheit des Ozons in der atmosphärischen Luft. Die Frage, ob die atmosphärische Luft ausser dem ge- wöhnlichen — auch noch ozenisirten Sauerstoff aïs regel- mässigen Bestandtheil enthalte, muss nach meinem &rmessen nicht nur den Chemiker, sondern auch den Physiologen und Arzt interessiren, wesshalb es wohl am Platze sein dürfte, den Gegenstand etwas einlässiich zu besprechen, hauptsäch- lich desshalb, weil es immer noch nicht an Solchen fehlt, welche die Anwesenheit des Ozons in der Atmosphäre ent- weder siark bezweifeln oder geradezu in Äbrede steilen. ich sollte denken, es werde heutigen Tages wohl Nie- manden mehr geben, der an der Thatsache zweifelte, dass der gewöhnliche Sauerstoff durch verschiedene #littel, na- mentlich durch Bleetrisiren eine wesentliche Veränderung seiner Eigensthaften erleide, so dass er z. B. aus einem geruchlosen — ein eigenthümlich riechendes Gas werde, eingeathmei die Schleimhäute entzünde und überdies ein oxydirendes Vermögen erlange, das er in seinem gewöhn- lichen Zustande nicht besitzt, z. B. schon in der Kälte Jod 775 aus dem Jodkalium abzuscheiden, welche Wirksamkeit dem gewöhnlichen Sauerstoff bekanntlich nicht zukommt. Es ist ferner eine längst bekannte und jetzt wohl von Niemanden mehr bezweifeite Thatsache, dass in der Atmos- phäre unablässig bald stärkere bald schwächere elektrische Entladungen stattfinden und da dieselben im gewöhnlichen Sauerstoff nicht Platz greifen können, ohne dass erfahrungs- gemäss ein Theil desselben die erwähnie Veränderung er- litte, so kann man nicht umhin auch anzunehmen, dass in der O-haltigen Luft fortwährend bald mehr bald weniger thätiger Sauerstoff d. h. Ozon auftrete, gerade so, wie das- selbe beim Ausströmen der Electricität aus den Spitzen einer Elektrisirmaschine in die umgebende Luft zum Vor- schein kommt, wovon schon der sogeaannte elektrische Ge- ruch genügendes Zeugniss giebt. Diese Thatsachen waren es auch, welche mich schon vor vielen Jahren zu dem Schlusse führten, dass das Ozon ein regelmässiger Bestandtheil der Atmosphäre sein und desshalb auch in derselben mancher Oxydationsvorgang Platz greifen müsse, welcher unter sonst gleichen Umstän- den im gewöhnlichen Sauerstoff nicht stattfindet. Bei der ausserordentlichen Empfindlichkeit des mit Jodkalium und Stärkekleister behafteten Papieres gegen den ozonisirten Sauerstoff musste bei der Richtigkeit meines Schlusses das- selbe sich bräunen oder im feuchten Zustande sich bläuen, sollte auch nur eine sehr geringe Menge Ozons in der Luft sich befinden, letztere aber hinreichend lang auf das Reagens- papier einwirken Piese Färbung trat in der That auch ein und erfolgte in freier Luft fortwährend, wie dies Bun- dertfältige in allen Welttheilen und auf den verschiedensten Meeren angestellte Beobachtungen ausser Zweiiel gestelit haben. Da jedoch das gleiche Reagenspapier nicht nur durch das Ozon, sondern auch noch durch andere luftige Agentien 4 77 z. B. durch die Dämpfe der Untersalpetersäure, des Chlores und Bromes gebräunt oder gebläuet wird, so wäre es aller- dings mög'ich, dass die Ursache der besagten Färbung in etwas Anderm als in atmesphärischem Ozon läge und eben diese Möglichkeit ist auch der vorgeschützte Grund, wesshalb manche Chemiker das Vorhandensein des Ozons in der atmosphärischen ‚Luft bezweifeln oder leugnen, ohne dass dieselben jedoch bis jetzt mit Bestimmtheit anzugeben ver- mocht hätten, durch welches Agens Jod aus dem Jodkafium in freier Luft abgeschieden würde, an weicher Thatsache doch Niemand mehr zweifeln kann. Es ist indessen von der Untersalpetersäure (bisweilen auch von der Salpetersäure) als der möglichen ja wahr- scheinlichsten Ursache der Färbung des Jodkaliumstärke- papieres schon oft die Rede gewesen und in der That wis- sen wir, dass beim Durchschlagen elektrischer Funken durch atmosphärische Luft ausser dem Ozon auch noch die ge- nannte Säure zum Vorschein kommt, was schen die unter diesen Umständen auftretenden rothbraunen Dämpfe zeigen, falls der Versuch auf die geeignete Weise angestellt wird. In Folge der in der Atmosphäre stattfindenden elektrischen Entladungen entsteht daher sicherlich auch fortwährend einige Untersalpetersäure und wie klein im Verhältniss zur Grösse des Lufimeeres die Menge der auf diesem Wege sebildeten Säure immerhin sein mag, so könnte dieselbe trotz ihrer Winzigkeit doch auf das der Luft hinreichend lang ausgesetzte Reagenspapier noch eben so gut, als das gleichzeitig und ebenfalls nur spärlich entstehende Ozon eine sichtliche Wirkung hervorbringen. Da nach meinen Versuchen nur äusserst kleine Mengen von NO, dem Wasser beigefügt zu werden brauchen, damit Letzteres schon für sich allein den Jodkaliumstärkekleister merklich stark bläue (verdünnte chemisch-reine Salpetersäure thut dies nicht), so sollte man glauben, dass namentlich das aus einem hef- ER, tigen Gewitter fallende Wasser eine solche Reaction her- vorbrächte und dadurch die Anwesenheit freier Untersal- petersäure in der atmosphärischen Luft anzeigte. Es hat vielleicht kein Chemiker das Regen- und insbesondere das Gewitter wasser häufiger untersucht, als ich es gethan, aber nie ist mir noch ein derartiges \Vasser vorgekommen, das für sich allein auch nur in einem schwachen Grade den besagten Kleister geblänet oder das Lakmuspapier geröthet hätte, obwohl ich häufig beobachtete, dass atmosphärisches Wasser unter Mithülfe verdünnter Schwefelsäure diese Bläuung in noch merklicher Weise verursachte. Da in sol- chem neutralen Wasser auch immer noch Spuren von Am- moniak sich nachweisen liessen, so durfte man schliessen, dass darin kleine Mengen salgpetrigsauren Ammoniakes ent- halten gewesen seien. Liebig und andere Chemiker ha- ben im Regenwasser salnetersaures Ammoniak aufgefunden und unschwer lässt sich auch das Vorkommen der beiden genannten Salze in atmosphärischem Wasser erklären. In Folge der Fäulniss stickstoffhaltiger organischer Materien wird auf der Oberfläche der Erde fortwährend kohlensaures Ammoniak gebildet, welches seiner Flüchtig- keit halber zu einem grossen Theil in die atmoalzbasis. Was nun die Einwirkung der Untsrsalpetersäure auf das TiO-haltige Papier betrifft, so lässt sie dasselbe voll- kommen weiss, wie lange man es auch mit ihren Dämpfen in Berührung stehen lässt, was sich eigentlich von selbst ‚versteht, da NO; mit TIG in salpetrigt- und saipetersaures Thalliumoxydul sich umsetzt. Wäre also auch noch so viel Uniersaipetersäure in der Atmosphäre vorhanden, so würde darin doch das besagte Reagenspapier nicht ge- bräunt d. h. kein Thalliumoxyd gebildet werden. Während TIO-haltige Papierstreifen in verschlossenen 779 mit reinem oder atmosphärischem Sauerstoffgas gefüllten Flaschen weiss bleiben, wie lange sie auch darin verweilen mögen, gerade so, wie unter den gleichen Umständen auch das Jodkaliumstärkepapier sich nicht bräunt oder bläuet, so haben zahlreiche und zu verschiedenen Zeiten von mir angestellte Versuche gezeigt, dass das mit Thaïliumoxydul hehaftete Papier der Einwirkung freiströmender Luft aus- sesetzt, alles Uebrige sonst gleich, bald rascher bald lang- samer sich bräunt und vergleichende Versuche haben des Ferneren dargethan, dass die besagte Bräunung gleichen Schritt halte mit der Färbung des gleichzeitig der Ein- wirkung der freien Luft ausgesetzten Jodkaliumstärkepapiers, wobei ich jedoch nicht unbemerkt lassen darf, dass die Färbung des letztgenannten Reagenspapieres viel früher als diejenige des Thalliumpapieres bemerklich wird, was natürlich seinen Grund in der überaus grossen Tiefe der Färbung der Jodstärke hat. Ist die atmosphärische Luft so beschaffen, dass das ihr ausgesetzte jodkaliumhaltige Stärkepapier schon nach wenigen Stunden beim Befeuchten mit Wasser tiefblau erscheint, so werden TIG-haltige der gleichen Luft ausgesetzte Papierstreifen erst nach 18- bis 24stündiger Lufteinwirkung deutlich gebräunt sein, über welchen Gegenstand ich weiter unten noch einige nähere Angaben zu machen gedenke. Wenn es nun keinem Zweifel unterliegen kann, dass die Bläuung des Jodkaliumstärkepapieres von Jod herrührt, welches durch irgend ein in der Luft vorhandenes chemi- sches Agens aus dem Jodkalium in Freiheit gesetzt wird, so fragt es sich, woher die Bräunung des Thalliumpapieres komme. Möglicher Weise könnte diese Färbung von klei- nen Mengen Schwefelthalliums veranlasst werden, durch zufällig in der Luft vorhandenen Schwefelwasserstoff er- zeugt; dass dies jedoch nicht die bräunende Substanz des Papieres sein könne, geht schon aus dem Umstande hervor, 780 dass das Jodkaliumstärkepapier in der gleichen Luft sich bläuet, durch welche das Thalliumpapier gebräunt wird, was selbstverständlich bei Anwesenheit von Schwefel- wasserstoff nicht geschehen könnte. Ueberdies haben ver- gleichende Versuche gezeigt, dass mit einer Bieisalzlösung getränkte Papierstreifen da vollkommen weiss bleiben, wo das T10O-haltige Papier sich bräunt. Von Schwefelthallium als der Ursache der besagten Färbung kann daher schon der angeführten Gründe halber nicht die Rede sein; es liegen aber auch noch Thatsachen positiver Art vor, welche nicht an TIS denken lassen und aus denen überdiess mit Sicherheit die chemische Natur der bräunenden Materie erkannt wird. ich habe zu seiner Zeit gezeigt, dass das braune Thal- liumoxyd die Guajaktinktur sofort bläue und unter Entbin- dung von Sauerstoflgas durch Wasserstoffsuperoxyd zu Oxydul reducirt d. b. entfärbt werde, wesshalb auch durch T10; gebräunte Papierstreifen in HO; unter Gasentbindung ziemlich rasch sich ausbleichen. Eben so ist von mir an- gegeben worden, dass unter der Mitwirkung verdünnter Schwefelsäure u. s. w. der Jodkalismkleister durch das Thalliumoxyd sofort tief gebläuet werde Wie sich nun die durch ozonisirten Sauersioff gebräunten TIO-haltigen Papierstreifen, welche ihre Färbung unstreitig dem Thal- liumoxyd verdanken, sich verhalten, so genau auch die gleichen Streifen, welche durch die frei strömende atmosphä- rische Luft gebräunt worden: sie färben sich beim Benetzen mit frischer Guajaktinktur sofort blau, werden unter sicht- . licher Gasentwickelurg durch das Wasserstoffsuperoxyd ziemlich rasch gebieicht und bläuen unverweilt den ange- _ säuerten Jodkaliumkleister, welches Gesammtverhalten nach meinem Ermessen keinen Zweifel darüber walten lässt, dass die durch die Luft bewirkte Bräunung von Thallium- oxyd herrübre. Da nun der gewöhnliche Sauerstoff das 181 Thalliumoxydul nicht in Oxyd überzuführen vermag, so muss irgend ein anderes, oxydirendes Agens in der At- mosphäre vorhanden sein, durch welches diese Wirkung hervorgebracht wird und da erwähntermaassen die beiden Vorgänge: Ausscheidung von Jod aus dem Jodkslium und Ueberführung des Thzlliumoxyduls in das braune Oxyd miteinander Hand in Hand gehen, so ist mehr als nur wahr- scheinlich, dass die beiden erwähnten Wirkungen auch durch die gleiche Ursache hervorgebracht werden, In Betracht nun, dass die Untersalpetersäure das Thal- liumoxydul nicht in das Oxyd zu verwandeln vermag, so wird auch die Bläuung des Jodkaliumstärkepapiers d. h. die Jodausscheidung nicht durch die genannte Säure be- wirkt werden, wesshalb als mögliche Ursache cer fraglichen Wirkungen nur noch cas Chlor und das Brom übrig blei- ben, welche Substanzen bekanntlich das Jodkaliumstärke- papier zu bläuen und das T10-haltige zu bräunen vermögen. Abgesehen davon, dass sich nicht einsehen lässt, wie freies Chlor oder Brom, welche Körper auf der Erde nie- mals anders als im gebundenen Zustand angetroffen werden, in die atmosphärische Luft gelangen sollte, so liegt meines Wissens auch keine einzige Thatsache vor, die nur entfernt auf die Anwesenheit der genannten Materien in der At- mosphäre hindeutete, wesshalb auch noch Niemand im Ernst eine solche Yermuthung ausgesprochen haben dürfte. Es wird daher auch kaum einen Chemiker geben, der &ie in der freien Luft erfolgende Färbung der besprochenen Reagenspapiere als Beweis dafür geltend zu machen suchte, dass freies Chlor oder Brom einen regelmässigen Bestand- theil der Atmosphäre bilde. Wüsste man auch noch Nichts von der Zustandsver- änderung, welche der gewöhnliche Sauerstoff durch elek- trische Entladungen erleidet, wäre überhaupt das Ozon noch eine völlig unbekannte Sache, so würde man doch 782 die durch die Luft auf das Jodkalium und Thalliumoxydul hervorgebrachten Oxydationswirkungen viel eher einem noch unbekannten der Atmosphäre bheigemengten sauer- stoffhaltigen Agens als freiem Chlor oder Brom zuzuschreiben geneigt sein. In dieser Unwissenheit befinden wir uns aber heute nicht mehr, da wohl bekannt ist, dass die chemische Wirk- samkeit des gewöhnlichen Sauerstoffs, ohne dass demselben etwas Stoffliches gegeben oder entzogen zu werden brauchte, durch Blektrisiren und andere Mittel so gesteigert werden kann, dass er schon in der Kälte nicht nur das Jedkalium unter Ausscheidung von Jod zerlegen und das Thallium- oxydul in Oxyd überzuführen, sondern auch noch viele andere Oxydationswirkungen hervorzubringen vermag, welche der gewöhnliche Sauerstoff als solcher nicht verursachen kann. Dieser so oder anders thätig gewordene Sauerstoff ist nun eben Das, was ich seines Geruches halber Ozon ge- nannt habe und wer nun nicht in Abrede stellt, dass der gewöhnliche Sauerstoff unter elektrischem Einfluss ozonisirt werde und wer ferner zugiebt, dass in der 9-haltigen At- mosphäre fortwährend elektrische Entladungen stattfinden, der sollte, wie ich meine, auch zugestehen müssen, dass in dieser Atmosphäre ohne Unterlass Ozon auftrete, selbst- verständlich mit allen Eigenschaften begabt, welche dem künstlich erzeugten Ozon zukommen, folglich auch mit dem Vermögen, Jod aus dem Jodkalium abzuscheiden und das Thalliumoxydul in Oxyd zu verwandeln. Unter solchen thatsächlichen Umständen hiesse es nach meinem Dafürhaïten Nächstliegendes aus weitester Ferne herholen, wollte man die erwähnten Oxydationserscheinun- gen von der Anwesenheit freien Chlores oder Bromes in der atmosphärischen Luft herleiten. Wer freilich zu- reichende Gründe zu haben glaubt, die Existenz des Ozons 183 und Alles was damit zusammenhängi, in Abrede zu stellen, der mag immerhin die genannten Salzbildner frei in der Atmosphäre sich befinden lassen und Unwabrscheinlichstes für das Wahrscheinlichste halten. Was mich betrifft, so betrachte ich das beständige Vorhandensein kleiner Mengen ozonisirten Sauerstoffes in der Luft nicht nur als eine aus theoretischen Gründen mit Nothwendigkeit folgende — sondern auch als eine solche Thatsache, weiche durch Versuche eben so sicher ermittelt ist, als z. B. der Kohlensäure- und Wassergehalt der Atmo- sphäre. Wenn aber das Ozon ein regelmässiger Bestandtheil dieser Äimosphäre ist, sc muss dasselbe auch seines emi- nent oxydirenden Yermögens halber zunächst auf alle von der Oberfläche der Erde aus in die Luft tretenden gas- oder dampfförmigen Substanzen oxydirbarer Art chemisch verändernd einwirken. Bekannt ist nun, dass währen der Fäuiniss organischer namentlich stickstoffhaltiger Materien übe'riechense Stoffe in die Luft gehen, deren chemische Natur wir zwar noch wenig kennen, von denen wir aber doch wissen, dass sie durch kräftig oxytirende Agentien: Permarganate, Hypochlorite u. s. w. sefort zerstört wer- den. ach meinen Versuchen kommt in einem hohen Grade diese Wirksamkeit auch dem künstlich erzeugten Ozon zu, wesshalb ich dem Atmosphärischen schon längst die Rolle beimesse, die erwähnten miasmatischen Materien in der Luft zu zerstör:n. In wie weit die gasförmigen Erzeugnisse der Fäulniss organischer Sub-tanzen sachtheilig auf die Gesundheit ein- wirken, darüb: r wissen wir mit Sicherheit noch sehr wenig zu sagen, ais gewiss darf aber jedenfal's gelten, dass die reine Luft zum Athmen besser tauge, als eine mit den be- sagten Miasmen beladene Atmosphäre, wesshalb man wohl 53 734 annehmen darf, dass das atmosphärische Ozon schon in die- ser Beziehung zur Reinhaltung der Luft diene. Möglicher Weise könnten aber auch durch das gleiche Ozon kleine in der Atmosphäre schweberde Organismen ihres oxydirbaren Materiales halber zerstört werden, was um seo leichter geschehen dürfte, als nach meinen Ver- suchen schon verhältnissmässig grosse Thiere wie z. B. Mäuse durch winzige Mengen eingeathmeten Ozons getödtet werden. Da in neuerer Zeit die Ansicht Raum zu gewin- nen scheint, dass die Ursache mancher Krankheiten in klei- nen Organismen zu suchen sei und die Letzteren auch durch das Vehikel der eingeathmeten Luft in den Körper einge- führt werden könnten, so würde unter Voraussetzung der Richtigkeit. dieser Vermuthung es sicherlich nicht ganz gleichgültig sein, ob die Atmosphäre bald ärmer bald rei- cher an Ozon wäre, weil im letzeren Falle es sich denken liesse, dass die irgendwie in die Luft geführten krank- machenden Organismen eher als im erstern Falle getödtet werden’könnten !). Es dürfte daher das atmosphärische Ozon auch in dieser Hinsicht die Aufmerksamkeit der Physiologen und Aerzte verdienen. Eben so liegt es nicht ausserhalb des Bereiches der 1) Einer meiner frühern Zuhörer Herr Schaer aus Bern theilte mir unlängst die für mich nicht uninteressante Notiz mit, dass nach seinen Beobachtungen die Infusorien selbst dnrch sehr stark verdünnte wässrige Lösungen ozonidischer Substanzen, z. B. der übermangan- und unterchlorigtsauren Salze augenblicklich getödtet würden und . zwar, wie der Beobachter dieser Thatsache wohl mit Recht vermu- thet, in Folge der oxydirenden Einwirkung des in den genannten Verbindungen enthaltenen thätigen Sauerstoffes auf das albuminöse, Material dieser Thierchen. Ich selbst habe über die erwähnte Wir- kungsweise der besagten Ozonide noch keine Versuche angestellt” eben so wenig als über das Verhalten des freien Ozons zu den ge nannten Organismen, obwohl sie verdienten die Einen wiederholt, die Andern ausgeführt zu werden. 785 Wahrscheinlichkeit, dass das atmosphärische Ozon auf den thierischen — namentlich mensehlichen Organismus gewisse physiologische Wirkungen unmittelbar hervorbrächte, falls dasselbe verhältnissmässig reichlich in der Luft vorhanden wäre; denn wenn erfahrungsgemäss durch das Einathmen an und für sich sehr kleiner Mengen künstlich erzeugten Ozons die Schleimhäute gereizt und entzündet werden, so könnte auch die längere Zeit eingeathmete ozonreiche Luft die gleiche Wirkung hervorbringen, welche Vermuthung ich schon vor Jahren ausgesprochen habe. Noch liessen sich andere als die erwähnten Beziehun- gen des atmosphärischen Ozons zum thierischen Organis- mus denken, über welche Möglichkeiten ich mich als Laie jedoch nicht weiter äussern will, es den Männern vom Fach überlassend, diese muthmasslichen Verhältnisse als wirklich bestehende zu ermitteln; denn bei der Abfassung der voran- stehenden Abhandlung war es mir hauptsächlich darem zu thun, durch die Darlegung einfacher thatsächlicher Gründe die Aerzte und Physiologen zu überzeugen, dass es wirk- lich ein atmosphärisches Ozon gebe und die darüber ge- äusserten Zweifel völlig unbegründet seien. Um schiiesslich noch einmal! auf die verschiedenen Grade der Empfindlichkeit beider bhbesprocherer Reagenspapiere gegen das Ozon zurückzukommen, bemerke ich zunächst, dass in dieser Beziehung das mit Jodkalium und Stärke- kleister behaftete Papier das Thalliumoxydulhaltige hei Weitem übertrifft und desshalb das Erstere dem Letztern unbedingt vorzuziehen ist, wenn noch sehr kleine Mengen Ozones nachgewiesen werden sollen. Nach meinen frühern Versuchen zeigt atmosphärische Luft, etwa ein Halbmilliontel ozenisirten Sauerstoffs ent- haltend, eben noch einen wahrnehmbaren Geruch und wer- ‘ den in dieselbe eingeführte feuchte Streifen Jodkaliums- stärkepapieres im Laufe einiger Minuten deutlichst gebläuet, 486 während in der gleichen Luft TiO-haitiges Papier viel län- ger verweilen muss, um noch wahrnehmbar gebräunt zu werden. Da die atmosphärische Luft, auch wenn’ sie das ihr ausgesetzte jodkaliumhaltige Stärkepapier schon ia we- nigen Stunden zu bläuen vermag, für die Nase noch völlig geruchlos ist, so kann selbstverständlich dieselbe nicht ein- mal ein Halbmilliontel Ozons enthalten, woraus folgt, dass das Thalliampapier dieser Luft viel länger ausgesetzt sein muss, bis es anfängt bräunlich zu.erscheinen, als das erst genannte Reagenspapier, bis es sichtlich gebläuet ist. Meinen Beobachtungen gemäss zeigt sich bisweilen und namentlich bei starken Schneefällen die atmosphärische Luft so ozonreich, dass das ihr nur eine halbe Stunde; ausge- setzte Jodkaliumpapier beim Befeuchten mit Wasser schon tief blau erscheint. Einen solchen Schneefall (ander wärts von Blitz und Donner begleitet) und ozonreiche Atmosphäre hatten wir am 6. Januar dieses Jahres in Basel, an wel- chem Tage die der Einwirkung der freien Luft ausgesetzten Thalliumpapierstreifen nach sechs Stunden zwar eine noch sehr schwache, doch aber schon deutliche Bräunung zeig- ten und beim Benetzen mit Gusjaktinktur ziemlich stark sich bläueten, zum Beweis, dass sie Thalliumuxyd enthiel- ten. Es ist dies die rascheste Bräunung des besagten Rea- genspapieres, welche ich bis jetzt noch beobachtet habe, denn unter den gewöhnlichern meteorologischen Umständen -muss das Papier 4 Stunden und sehr häufig nach viel länger der freien Luft ausgesetzt bleiben, bevor an ibm eine Bräunung sich wahrnehmen lässt 9). ich will jedoch 1) Seit obiges geschrieben, hat sich der 23. Mai d. J. als ein noch viel ozonreicherer Tag gezeigt, an welchem das der freien Luft aus- gesetzte Thalliumpapier schon nach zwei Stunden deutlichst gebräunt und gleichzeitig ausgesetztes feuchtes Jodkaliumstärkepapier tief schwarzblau gefärbt erschien. 787 nicht unerwähnt lassen, dass das der Luft ausgesetzte Thalliimpapier für das Auge noch völlig weiss erscheinen und doch schon so viel Thalliumoxyd enthalten kann, um s:ch beim Benetzen mit Guajakfinktur deutlichst zu bläuen, wesshalb’ hei Anweniung dieses Mittels die Einwirkung des atmosphärischen Ozons auf das “Thallinmpapier noch vor dessen sichtlicher Bräunung sich erkennen lässt. Aus den voranstehenden Anzaben- erhellt, dass die Empfindlichkeit des letztgenannten Reagenspapieres ungleich geringer !) als diejenige des Jodkaliumpapieres ist, wess- halb das Letztere als ozonoskopisches Mittel auch entschie- den den Vorzug vor dem Thalliumpapier verdient, nament- lieh wenn es sich darum handelt, die Anwesenheit des Ozons in der atmosphärischen Luft darzuthun und zwar darf dasselbe zu diesem Zwecke um so eher angewendet werden, als man der oben angeführten Gründe halber mit voller Sicherheit annehmen kann, dass die in der freien Luft stattfindende Bläuung des fraglichen Reagenspapieres mit Untersalpetersäure u. s. w. nichts zu thun habe und allein durch atmosphärisches Ozon verursacht werde. Aus mehr als einem Grunde wäre es sicherlich äusserst wünschenswerth ein Mittel zu besitzen, mit Hülfe dessen die Menge des jeweiligen Ozongehaltes der atmo*phärischen Luft sicher und bequem bestimmt werden könnte; aber eine solche Forderung lässt sich leichter steilen als erfül- len, wovon der Grund ganz einfach in den äÄussert geringen < Mengen Ozons liegt, welche selbst in der reichlichst däfnit 1) Es dürfte hier noch die Bemerkung am Platze sein, dass das TIO-haltige Papier gegen atmosphärisches Ozon merklich empfind- licher sein würde, wenn die Kohlensäure der Luft das im Papier ent- haltene Thalliumoxydul nicht in Carbonat verwandelte, welches er- wähntermaassen durch das Ozon langsamer als die freie Basis zu TIOs; oxydirt wird. 785 geschwängerten Atmosphäre sick voränden und die wohl seiten ein Milliontel derselben betragen dürften. Sellie späterhin ein solches analytisches Verfahren aufgefunden werden, so wird es kaum ein anderes als ein volumetrisches sein können, zu welchem 'vo® Allem eine ozongierige Ma- terie erforderlich ist, die durch ihre Oxydation entweder ge- oder entfärbt wird. Bis wir eine solche Methode be- sitzen, werden wir uns daher wohl mit dem Jodkalium- stärkepapier als Ozonoskop begnügen müssen, das uns wenigstens im Allgemeinen ven dem jeweiligen Mehr- oder Mindergehalt der Atmosphäre an Ozon Kunde zu geben vermag. XKX. Ueber die Uebertragbarkeit des vom Terpentinöl und andern ähnlichen organischen Materien aus der Luft aufgenommenen Nauerstoies auf das Wasser. Aus schon früher von mir angegebenen Gründen nehme ich an, dass der in dem sogenannten 6zonisirten Terpen- tinöl enthaltene und auf andere Materien noch übertragbare Sauerstoff in dem gleicien Zustande sich befinde, in wel- chem dieser Körper zur Hälfte im Wasserstoßsuperoxyd vorhanden ist d. h. als &) und dass somit das besagte Oel eine dem HO, vergleichbare Sauerstoflverbindung sei. Unlängst ist von mir gezeigt worden, dass nicht nur die sämmtlichen Camphene und sonstigen flüssigen Kohlen- wasserstoffe, sondern auch manche O-haltigen ätherischen und fetten Oele Sauersiol in der Weise aufnehmen, dass ein Theil desselben noch im beweglichen oder abtr-nubaren Zustande sich befinde. Wie ich glaube, dürfte es als ein 189 weiterer Beweis für die Richtigkeit meiner Annabme gel- ten, wenn der im Terpentinül u. s. w. enthaltene Sauerstoff unter Bildung von HO, auf das Wasser sich überführen liesse und wie die nacëstehenden Angaben zeigen werden, lässt sich eine solche Cebertragung auch leicht bewerk- stelligen. in einer meiner letzten Mittheilungen ist zwar bemerkt, dass weder das Terpentinöl noch irgend ein anderer flüs- siger Kohienwasser-toff, auch wenn noch so reichlich mit beweglichem Sauerstoff beladen, den Letztern an reines Wasser abzugeben vermöge, wie daraus erhellt, dass beim Schütteln solcher @-haltigen Flüssigkeiten mit blossem Wasser kein Wasserstoffsuperoxyd gebildet wird. Bei Anwendung eines kleinen Kunstgriffes lässt sich jedoch diese Cebertragung rasch erzielen, dadurch nemlich, dass man anstatt des reinen Wassers Gesäuertes, am Besten Solches anwendet, welches etwa 2°, Schwefel- oder Sal- petersäure enthält. Schüttelt man Terpentinöl von 2—3°/, &-Gehalt mit seinem zwei- oder dreifachen Raumtheile gesäuerten Was- sers nur wenige inuten lang lebhaft zusammen, so wird ein Raumtheil dieser vom Oele getrennten Flüssigkeit mit Hülfe einiger Tropfen verdünuter Chromsäure einen Raum- theil âethers beim Sehütteln tief lasurblau färben. Da diese Reaction aliein schon die HO,-Haltigkeit des gesäu- erten Wassers ausser Zweifel stellt, so ist die Angabe beinzhe überflüssig, dass dasselbe unter ziemlich lebhafter Entbindung von Sauerstofgas die Lösungen der Perman- ganate sofort entfärbe, mit den Superoxyéen des Mangans und Bleies Suifate oder Nitrate und mit ÜrO; schwefel- oder salpetersaures Chromexyd bilde. Der Grund, wesshalb die stärkern Säuren das Wasser befähigen, dem Terpentinöl a. s. w. beweglichen Sauerstoff zu entziehen, scheint mir in ihrer grossen Neigung zu lie- 799 gen, mit”HO, ziemlich innize Verbindungen einzugehen; jedenfalls hat mich dieses Verhalten bewogen, das &)-haltige Terpentinöl mit gesäuertem Wasser zu behandeln, es für möglich haltend, dadurch den mit den Camphen vergesell- schafteten Sauerstoff zur chemischen Verbindung mit Wasser bestimmen zu können. Nach meinen Versuchen erhält man auch bei Anwendung essig- oder ameisensäurehaltigen Wassers HO,, obwohl diese Säuren ungleich schwächer als die Schwefel- oder Salpetersäuren wirken und hiemit hängt unstreitig die Thatsache zusammen, dass (+)-reiches Terpentinöl längere Zeit auch mit ungesäuertem Wasser geschüttelt, zwar sehr kleine aber mittelst Chro nsäure und Aethers doch noch nachweisbare Mengen Wasserstoffsuper- oxydes erzeugt. Während nemlich das genannte Camphen mit Sauerstoff sich beladet, wird neben harzigen Materien bekanntlich auch einige Ameisensäure gebildet, wesshalb Œ-reiches Terpentinöl ziemlich stark sauer reagirt Und dass dieser Säuregehalt des Camphens es sei, unter dessen Einfluss ein Theil des vorhandenen beweglichen Sauer- stoffes an das Wasser tritt, geht daraus hervor, dass die HO,-Bildang nicht mehr erfolgt, wenn die Säure des Ter- pentinöles an ein Alkali gebunden wird, während das neu- tralisirte Oe! mit gesäuertem Wasser ge-chüttelt sofort wieder Wasserstoffsuperoxyd erzeugt. Gleich dem ®&- haltigen Terpentinöle verhalten sich das Weachhelderöl, Petroleum, Benzol, Lavendelöl u. s. w., nachdem diese Flüs- sigkeiten längere Zeit mit beleuchteter Luft in Berührung gestanden, wobei ich jedoch bemerken muss, dass das Pe- ‘troleum und Benzo! im Vergleich zum Terpentin-, Wach- holäer- und Lavendelöl nur spärlich mit Sauerstoff sich beladen, wesshalb sie auch mit gesäuertem Wasser ent- sprechend kleine Mengen von HÜ, erzeugen. Da nach meinen Erfahrungen auch die übrigen Koh- lenwasserstoffe in Berührung mit atmosphärischer Luft etwas +91 @-haltig werden, so ist wohl kaum daran zu zweifeln, dass sie in diesem Zustande mit gesäuertem Wasser ge- ° schüttelt, eberfalls einiges HO, bilden werden. Es ist be- merkenswerth, dass selbst bei sehr geringem &-(iehalt das Terpentinöi doch schon: so viel HO, erzeugt, um mit Hülfe des Aethers und der Chromsäure sich nachweisen zu lissen, was nicht auffallen kann, wenn man bedenkt, dass Wasser, welches nur ‘/,6059 HO: enthält, ein ihm glei- ches Volumen Aethers noch deutlich zu bläuen vermag. Schüttelt man Terpentinöl, das nur ein Tausendtel beweg- lichen Sauersieffes enthält, mit dem gleichen Raumtheile sesäuerten Wassers einige Minuten lang lebhaft zusammen, so wird ein Volumen des letztern einen Raumtheil Aethers noch augenfälligst zu bläuen vermögen. Es lässt sich dess- halb gesäuertes Wasser in. Verbindung mit Aether und Chromsäyre als Reagens auf den im Terpentinöl u. s. w. enthaltenen beweglichen Sauerstoff benützen, zu welchem Behufe man einige Volumina der zu prüfenden Flüssigkeit mit einem Raumtheile gesäuerten Wassers nur kurz zu sehütteln und Letzteres mit Aether und !'hremsäure zu- sammen zu hringen hat. Sind in dem Camphen u. s. w. aueh nur winzige Mengen übertragbaren Sauerstoffes vor- handen gewesen, so wird der Aether schon merklich ge- bläuet erscheines, wobei ich jedoch bemerken will, dass als Reagens auf (D die frische Quajaktinktur in Verbindung mit Blutkörperchen an Empfindlichkeit das gesäuerte Was- ser u. s. w. doch noch weit übertrifft. Aus dem Ges2gten ist abzunehmen, dass reines Terpentinöl nicht Jange mit atmospärischer Luft in Berührung zu stehen braucht, damit dessen &)-Haltigkeit in der angegebenen Weise sich er- mitteln lasse; ja ich finde, dass schon das meiste im Handel vorkommende Oel so @-haltig ist, um mit gesäuertem Wasser nachweisbare Mengen von Wasserstoffsuperosyé erzeugen zu können. Da auch die fetten Oele einen Theil des von ihnen aus der Luft aufgenommenen Sauerstofes noch im über- tragbaren Zustand enthalten, so sollte man vermuthen, dass derselbe ebenfalls auf gesäuertes Wasser sich überführen liesse; die Ergebnisse meiner Versuche haben jedoch diese Vermuthung nicht bestätiget, wenigstens ist es mir bis jetzt noch nicht gelungen, durch Behandlung (+)-haltiger flüssi- ger Fette mit gesäuertem Wasser auch nur Spuren von HG, zu erhalten. Die von mir untersuchten Substanzen waren das Mandei-, Mohn-, Oliven- und Leinöl, welche ich durch längere Berührung mit beleuchteter Luft so Œ-haltis werden liess, dass sie mit Beihülfe von Blut- körperchen die Guajaktinktur auf das Tiefste zu bläuen vermochten. Mit der Unfähigkeit der @-haltigen fetten Oele Sauer- stoff an gesäuertes Wasser abzutreten, scheint auch, das Unvermögen derselben zusammen zu hängen, wenn mit Wasser der Einwirkung des atmosphärischen Sauerstöfes ausgesetzt, die Biliung vom Wassersioffsuperoxyd einzu- leiten. in dieser Beziehung verhalten sich die flüssigen Kohlenwasserstoffe auf eine den feiten Oelen genau ent- gegengeseizie Weise; denn wie jene den mit ihnen ver- geselischafteten Sauerstoff an gesäuertes Wasser abtreten, so bestimmen sie auch den mit ihnen in Berührung stehen- den Sauerstoff, mit Wasser zu AO, sich zu verbinden. Steht einerseits Terpentinöl oder sonst ein flüssiger Kohlenwasserstoff und Wasser, andererseits ein fettes Oel und ebenfalls Wasser mit Luft in Berührung, so wird zwar ‘in beiden Fällen das Auseinandergehen des neutralen at- mosphärischen Sauerstoffes in & und ©) erfolgen, aber während im ersten Falle das auftretende & zwischen Ter- pentinöl und Wasser sich theilt, findet im zweiten Falle eine solche Theilung nicht statt d. h. nimmt das Wasser kein &) auf, weiche Verschiedenheit des Verhaltens wohl auf nichts Anderes sich zurückführen lassen dürfte, als auf eine Verschiedenheit der Stärke, mit welcher einerseits die fetten Oele, ansererseits das Terpentinöl und Wasser das auftretende &) anziehen. Ist die Affinität der Fett: zu © merklich grösser als diejenige des Camphens und des Was- sers, so begreift sich, dass die Erstern mit O und Wasser kein HO, erzeugen und die gleichen &-haltigen fetten Oele nicht einmal an gesäuertes Wasser ihren beweglichen Sauer- stoff abtreten können. | Wenn nun nach obigen Angaben (D-haltiges Terpen- tinöl u. s. w. an gesäuertes Wasser beweglichen Sauerstoff | abgibt, so sollte man vermuthen, dass durch längeres Be- handein mit der gehörigen Menge solchen Wassers dem Camphen sein ganzer $)-Gehalt entzogen werden könnte, was aber merkwürdiger Weise nicht der Fall ist, wie aus nachstehenden Angaben erhellen wird. Zum bessern Ver- ständnisse derselben will! ich jedoch vorerst an das Ver- fahren erinnern, welches ich schon seit Jahren zur Bestim- mung der Menge des im Terpentinöl u. s. w. enthaltenen beweglichen Sauerstoffes anwende und auf der Fähigkeit des Letztern beruket, die Indigolösung zu enthläuen, d.h. deren Farbstoff zu Isatin zu vxidiren. fst die Indigolösung so titrirt (mittelst Kalichlorates und Sulzsäure), dass zehn Gramme derselben durch ein Mfligramm thätigen Sauer- stofes entbläuet werden, bei welcher Verdünnung sie immer noch bis zur Undurchsichtigkeit tief gefärbt ist, so wird ein Gramm Terpentinöles, weiches z B. 106 Gramme dieser Tivetur zu entbläuen vermag, zehn Milligramm oder 1% beweglichen Sauerstoffes enthalten. Da das besaste Oel in der Indigotinetur unlöslich und auch leichter als die Letztere ist, so müssen schon aus diesem Grunde beide Flüssigkeiten längere Zeit lebhaft zusammen geschüttelt werden, damit die vollständige Entbläuung der !ndigolösung erfolge. Hiezu kommt aber noch, dass unabhängig von 49% ihren Löslichkei’sverhältn:ssen die Antezonide überhaupt ungleich langsamer als die Ozonide oxidirend auf den In- digo einwirken, wie wir diess z. B. an HO+@) und Pb0+Q) sehen, von welchen Superoxiden das Erstere trotz seiner Mischbarkeit mit der Indigotinetur Letztere nur langsam entbläuet, während das darin unlösliche Bleisuperoxid beim Schütteln diese Wirkung rasch hervortringt. Wurde (D-haltiges Terpentinöl, von welchem ein Gramm 250 Gramme der titrirten Indigolösung zu entbläuen ver- mochte, se lange mit gesäuertem Wasser geschüttelt, bis eine frische Portion des Letztern mit dem gleichen Vo- Jumen dieses Oeles längers Zeit geschüttelt, den Aether mittelst Chromsäurelösung. nicht mehr färbte, so bläuete das so behandelte Camphen mit Hülfe der Blutkörperchen doch immer noch die Guajaktinctur auf das Tiefste, wie auch ein Gramm des gleichen Oeles noch 12% Gramme der titrirten Indigolösung zu entfärben vermochte , woraus er- heilt, dass das Camphen noch eben so viel beweglichen Sauerstoff eathieit, als es davon an das gesäuerte Wasser abgegeben hatte. Dass diese mit gesäuertem Wasser nicht verbindbare Sauerstoffhälfte noch im beweglichen Zustande sich befinde, geht schon aus der erwähnten Entfärbung der Indigotinetur und der Bläuung der Guajaklösung hervor; es lässt sich aber der gleiche Sauerstoff auch noch auf die schweflichte Säure, die Eisenoxidulsalze, auf einen Theil der Basis des Bleiessigs und noch andere oxidirbaren Ma- terien übertragen. Anderes (4-haltiges Terpentinöl, von welchem ein Gramm 160 Gramme Indigolösung zu entfärben vermochte, ebenfalls so lange mit gesäuertem Wasser be- handelt, bis es mit Letzterm kein HO, mehr erzeugte, ent- bläuete noch die S0-fache Menge Indigotinctur, und hiemit völlig übereinstimmende Ergebnisse lieferte jedes von mir his jetzt untersuchte und an der Luft @-haltig gewordene Terpentinôl, d. h. es konnte ihm mittelst gesäuerten Was- 795 sers nur die Hälfte seines beweglichen Sauerstofles ent- zogen werden. Das verschiedenartige Yerhaltes der beiden im Ter- pentinöl enthaltenen Antheile beweglichen Sauerstoffes gegen sesäuertes “Wasser weist auf eine Verschiedenheit ihrer Verbindungszustände hin, zeigt mit andern Worten, dass die eine Sauerstoffhälfte inniger als die andere chemisch gebunden sei. Da das Terpeniinöl keine gleichartige Ma- terie, soudern ein Gemisch zweier isomerer Camphene ist und es kaum einem Zweifel unterliegen kann, «ass jedem derselben die Fähigkeit zukomme, mit beweglichem Sauer- stoff sich zu beladen, so ist möglich, dass Letzterer an das Eine dieser Oele minder stark als an das Ändere gebunden säuertes Wasser abtritt, während nach Art der flüssigen Fette das andere Oel diess nicht thut Es lässt sich aber auch als möglich denken, dass jedes der Camphene zwei ist, so dass das eine Camphen seinen +)-gehalt an ge- einander gieiche Sauerstoffmengen aufnähme, von denen tie Eine stärker als die Andere gebunden wäre. Wie man leicht einsiehei, würde aus der ersten An- nahme folgen, dass die beiden Camphene in gleichen Zeiten auch mit gleichen Mengen beweglichen Sauerstoffes sich belüden, während die andere Annahme eine solche Gleich- heit der Sauerstoffaufnahme nicht verlangt. Wäre erstere Ansicht die richtige und bestände ein Zusammenhang zwi- schen der Fähigkeit eines {amphens, sein &) an gesäuertes Wasser abzutreten und seinem Vermögen, den Sauerstoff zu bestimmen mit Wasser zu HO, sich zu verbinden, so trüge auch nur dasjenige Camphen des Terpentinöles, mit welchem der auf das gesäuerte Wasser überiragbare Sauer- stoff verbunden ist, zu der besagten HO,bildung bei, wäh- rend das andere Camphen wie die fetten Oele sich ver- hieïte. Der zweiten Annahme gemäss würden dagegen die 796 beiden Camphene die Erzeugung ven Wasserstoffsuperoxid verursachen. Zur Beantwortung der vorliegenden Frage dürfte viel- leicht als Anhaltspunkt die Thatsache dienen, dass der @- sehalt von Terpentinöl, welches in Berührung mit Wasser längere Zeit der Einwirkung des beleuchteten atmesphä- rischen Sanerstoffes ausgesetzt worden, nicht mehr zur Hälfte auf gesäuertes Wasser übertragbar ist, wie aus fol- sender Angabe erhellt. Auf 50 Gramme reinen Terpentin- öles, mit eben so viel Wasser in Berührung gesetzt, liess ich unter häufigem Schütteln so. lange beleuchteten atmos- phärischen Sauerstoff einwirken, bis ein Gramm des Oeles die hundertfache Menge der titrirten Indigslösung zu ent- bläner vermochte. Wurde nun das (+)-haltige Terpentinöl so lange mit gesäuertem Wasser geschüttelt, bis sich damit kein Wasserstoffsuperoxid mehr erzeugte, so entfärbte ein Gramm des Camphens noch volle 89 Gramme der titrirten indigotinctur, woraus hervorgeht, dass anstatt der Hälfte nur ein Fünftel seines beweglichen Sauerstoffes auf gesäu- ertes Wasser sich übertragen liess. Kaum ist nöthig, aus- drücklich zu bemerken, dass das bei diesem Versuche die- nende Wasser merkliche Mengen Wasserstoffsuperoxides enthielt, welche Thatsache einsehen lässt, wesshalb in dem Terpentinöle weniger ais die Hälfte auf saures Wasser übertragbaren Sauerstoffes sich vorfand: das fehlende & war zum Wasser getreten, um damit HO, zu bilden. Dass mit gesäuertem Wasser unter häufigem Schütteln der Ein- wirkung der Luft ausgesetztes Terpentinöl nieht mit Sauer- “stoff sich beladet, welcher auf gesäuertes Wasser sich überführen liesse, bedarf eben so wenig ausdrücklicher Erwähnung als die Thatsache, dass unter sonst gleichen Umständen das mit reinem oder gesäuertem Wasser und der Luft in Berührung stehende Oel weniger beweglichen Sauerstoff aufnimmt, als diess das wasserlose Oel thut. 197 Wie zu erwarten stand, verhalten sich auch andere Camphene ähnlich dem Terpentinöle, wie z. B. das Wach- holderöl, welches meinen früheren Angaben gemäss das Wasser so leicht zur Sauerstoffaufnahme, d.h. zur HO,- bildung bestimmt. Wurde dieses Camphen, von welchem ein Gramm das Hundertfache der titrirten Indigolösung ent- bläuete, so lange mit gesäuertem Wasser geschüttelt, bis sich damit kein HO, mehr erzeugte, so vermechte ein Gramm desselben noch 51 Gramme der Tinctur zu entfär- ben, woraus erhelit, dass auch in diesem Falle nur die Hälfte des im Wachholderöl enthaltenen beweglichen Sauer- stoffes auf gesäuertes Wasser “übergeführt werden konnte. Lavendelül, von dem ein Gewichtstheil 135 Theile Indigo- lösung zu entfärben vermochte, entbläuete nach gehöriger Behandlung mit gesäuertem Wasser noch 90 Theile, woraus abzunehmen ist, dass von dem in diesem ätherischen Oel enthaltenen beweglichen Sauerstoff nur ein Drittel auf ge- säuertes Wasser sich übertragen lässt Da es mir wahrscheinlich war, dass gleich dem Wasser auch das Terpentinöl in einem bestimmten ‚Verhältnisse mit beweglichem Sauerstoff (©) sich verbinde, so suchte ich die grösste Menge kennen zu lernen, in weicher derselbe mit dem Camphen sich zu vergesellschaften vermag und wiederholte Versuche haben zu dem Ergebnisse geführt, dass die Beladung des Oeles mit solchem Sauerstoff nicht höher als bis zu 5,1 — 5,2°/, getrieben werden kann. Da während dieser Sauerstoffaufnahme als hauptsächlichstes Oxidationserzeugniss Harz sich bildet und hievon das unter- suchte Oel ein Zwanzigstel enthielt, so ergab sich hieraus, dass annäherungsweise 90 Theile des nicht verharzten Cam- phens mit fünf Theilen beweglichen Sauerstoffes verbunden waren. Nimmt man nun an, dass ein Aequivalent (136) Terpentinöles als solches mit einem Aequivalent Sauerstoffes zusammentrete, so wären in 106 Theilen dieser Verbindung 93 5,5°/, — ia 95 Theilen also 5,2°/, beweglichen Sauerstoffes enthalten, was der durch den Versuch gefundenen Menge sehr nahe kommt. B:i gewöhnlicher Temperatur vermin- dert sich der (4)-gehalt besagter Verbindung nur langsam, wie aus der Thatsache abzunehmen ist, dass Terpentinöl mit 5 /, &-Gehalt und ausgeschlossen von der Berührung mit ztmosphärischer Luft nach sechsmonatlichem Stehen noch 3,2°/, beweglichen Sauerstoffes enthielt. Ungleich rascher findet diese Verminderung bei erhöheter Tempe- ratur statt, wie aus den nachstehenden Angaben erhellen wird. Liess man Terpentinöl von 5,1°/, @&)-gehalt eine Stunde lang in siedendem Wasser verweilen, so enthielt es noch 2,6°/, —, nach dreistündiger Erhitzung 1,74 — und nach #1/,stündizer nur noch 1,3°/, übertragba: en Sauer- stoffes, welche Abnahmen es wahrscheinlich machen, dass bei hinreichend lang fortgesetzter Erbitzung des Oeles dessen (&-gehalt gänzlich verschwinden würde. — Da er- wähntermaassen der im Terpentinöl enthaltene bewegliche Sauerstoff nur zur Hälfte auf gesäuertes Wasser übertrag- bar ist, so war zu ermitteln, ob die bei der Erhitzung des Camz;hens erfolgende Abnahme beider Sauerstoflantheile gleichmässig oder anders erfolge und der Versuch hat ge- zeigt, dass Er»teres der Fall sei, wie daraus efhel:f, dass das Terpentinöl, dessen ursprünglicher &)-gehalt durch ein- stündige Erhitzung von 5,1°/, auf 2,u°/, herabgesurken war, noch 1,35°/, b: weglichen Sauerstoffes enthie!t, nachdem es gehörig ange mit gesäuertem Wasser geschüttelt worden, bei welchem Anlass ich nicht unbemerkt lassen will, dass in allen den oben erwähnten Fällen der $)-gehalt des Ter- ventinöles mit Hülfe der titrirten !ndigolösung bestimmt wurde. Was sus dem bei der Erhitzung des &-haltigen Cam- phens verschwindenden Sauerstoff wird, weiss ich der- malen noch nicht zu :agen; so viel aber ist sicher, dass 799 er weder im freien Zustande noch als Kohlensäure ent- bunden wird, was vermuthen lässt, dass er bei höherer Temperatur mit dem Terpentinöl Harz bilde und diess lang- samer auch bei gewöhnlicher Temperatur thue. Nach mei- nen Versuchen lässt sich aus wässrigem bis zum Sieden erhizten Wasserstoffsuperoxid noch ein kleiner Theil des Letztern unzersetzt überdestilliren und .in ähnlicher Weise verhält sich auch das &-haltige Terpentinöl. Bei heftigem Sieden destillirte ich drei Fünftel eines Oeles über, wel- ches einen @-gehalt ven 3,5°/, hatte und fänd, dass das Destillat noch 0,5°/, beweglichen Sauerstoffes enthielt, wäh- rend kein solcher mehr in dem Rückstande selbst mit Guajaktinktur und Blutkörperchen nachgewiesen werden konnte’, aus welchen Angaben erhellt, dass ein Theil des Œ-haltigen Oeles eine Temperatur von 160° auszuhalten vermochte, ohne seinen beweglichen Sauerstoff zu verlieren. LV. Ueber die Anwesenheit beweglich-thätigen Sauerstoffes in organischen Materien. Bekanntlich gibt es viele unorganische Verbindungen, deren ganzer oder theilweiser Sauerstofigehalt auf andere oxidirbaren Materien leicht sich übertragen lässt, wie z.B. die Oxide der edlen Metalle, die sogenannten Superoxide, die Salpeter-, Chrom-, Uebermangansäure u. s. w. Orga- nische Substanzen scheinen ihrer oxidirbaren Natur halber keinen thätigen Sauerstoff enthalten und desshalb auch keine oxidirenden Agentien sein zu können; meine Untersuchungen über das Terpentinöl und andere Camphene haben jedoch 54 800 gezeigt, dass diese aus so eminent oxidirbaren Elementen zusammengesetzten Materien eine verhältnissmässig grosse Merge (das Terpentinöl volle 5°/,) Sauerstoffes in der Weise aufnehmen können, dass derselbe auf gewisse Körper, z. B. die schweflichte Säure, das Wasser u. s. w. schon bei ge- wöhnlicher Temperatur leicht sich überführen lässt und in demjenigen Zustande sich befindet, in welchem der Sauer- stoff zur Hälfte in den Superoxideun des Wasserstoffes und Bariums enthalten ist, wesshalb ich auch die ‚genannten sauerstoffhaltigen Camphene als Antozonide bezeichnet habe. Es gibt jedoch auch organische Materien, welche Oxi- dationswirkungen hervorbringen, die mir nur ‘durch die Annahme erklärbar zu sein scheinen, dass sie zwar eben- falls beweglich-thätigen Sauerstoff enthalter, aber vonder Art, wie er in den Oxiden der edlen Metalle, dem Blei- superoxide, der Uebermangansäure u. s. w. sich vorfindet, d. h. als Ozon, wesshalb solche organische Substanzen für mich Ozonide sind. Und ubwohl ich schon in früheren Mittheilungen auf das Vorkommen des ozonisirten Sauer- stoffes in organischen Materien aufmerksam gemzcht habe, so dürfte es duch angemessen sein, diesen theoretisch in- teressanten Gegenstand hier etwas einlässlicher zu behan- deln. 1, Ueber die Ozonhaltigkeit des blauen Guajakharzes. Das Guajak unterscheidet sich bekannt- lich von allen übrigen Harzen dadurch, dass es sowohl durch den freien ozonisirten Sauerstoff als auch durch die Ozonide sofert gebläuet wird, während es gegen den ge- - wöhnlichen Sauerstoff oder die Antozonide, z. B. gegen Wasserstoffsuperoxid, D-haltiges Terpentinöl u.s w. gleich- gültig sich verhält. Die Entstehungsweise des blauen Gua- jaks und die Thatsache, dass es durch manche ozongierigen Materien sich wieder entfärben lässt, hat mich schon vor Jahren veranlasst, dasselbe als ein orsanisches Ozonid zu 801 betrachten, welche Ansicht in den nachstehenden Ayealen ihre volle Bestätigung finden dürite \ ist in dem blauen Guajak du als solches enthalten und Letzteres in ähnlicher. Weise ax das Harz gebunden, wie das Jod, an die feuchte Stärke, so muss dieses ©) durch ozongierige Substanzen dem Guajak eben so entzogen und dadurch die Bläuung desselben aufgehoben werden können, wie das Jod aus der Stärke durch jodgierige Materien unter Entbläuung der Jodstärke sich entfernen lässt.*®) Zu den ozongierigsten Substanzen gehören die Pyrogallussäure, das: Hämatoxylin, Brasilin, Anilin und annähernd auch die Gallus- und Gerbgallussäure, ‚wie. schon daraus sich ab- nehmen lässt, dass die mit den Lösungen der genannten Materien behafteten Papierstreifen in ezenisirtem Sauerstoff sofort ‚sieh tief färben, um bei gehörig langer Einwirkung des. Ozons wieder vollständig sich auszubleichen, was auf einer. gänzlichen Verbrennung der Pyrogallussäure u. s. w. beruhet. Eben so haben meine Versuche gezeigt, dass das Bittermandelöl durch das Ozon rasch zu Benzoesäure oxi- dirt wird und auf alle die erwähnten organischen Sub- stanzen auch die sämmtlichen Ozonide kräftisst oxidirend einwirken, während das Wasserstoffsuperoxid, @-haltige Terpentinöl u. s. w. sich unthätig verhalten. Tief gebläuete Guajaktinetur mit Pyrogallussäure, Hä- matoxylin oder irgend einer der vorhin genannten ozon- gierigen Materien zusammengehracht, wird sofort entbläuet, *) Die zu meinen Versuchen dienende Guajaklösung enthielt auf 100 Theile wasserfreien Weingeistes einen Theil Harzes. Die- selbe nur wenige Sekunden lang mit einem Hundertel Bleisuperoxides geschüttelt und dann filtrirt, liefert eine bis zur Undurchsichtigkeit tief gebläuete Flüssigkeit, welche selbstverständlich nichts Anderes ist, als eine Lösung des ozonisirten Guajaks, vergleichbar der wässrigen blauen Jodstärke, 54 * 802 wovon jedoch das Bittermandelöl insofern eine Ausnahme macht, als dasselbe merklich langsamer wirkt. Von den Eisenoxidulsalzlösungen, dem Schwefelwasserstof und der arsenichten Säure ist bekannt, dass sie bereitwilligst freies oder gebundenes Ozon aufnehmen, und sie vermögen eben- fails die blaue Guajaktinktur zu entbläuen, die Erstern bei- nahe augenblicklich, die Letztere etwas langsam. Auch fein zertheiltes Zink, Kadmium, Blei, Eisen, Nickel und Kupfer mit blauer Guajaktinktur geschüttelt, welche nur ein Hundertel conzentrirter Essigsäure enthält, entfärben beim Schütteln die Harzlösung ziemlich rasch. Vom Wasserstoff- superoxid wissen wir, dass es den unorganischen Ozoniden: dem Bleisuperoxid, der Uebermangansäure u. s. w. Sauer- stoff zu entziehen vermag und wenn nun HO, auch nicht sehr rasch entbläuend auf die Harziösung einwirkt, so ver- mag es dieselbe doch noch zu entfärben, wie daraus er- hellt, dass unter sonst gleichen Umständen von zwei Por- tionen der gleichen blauen Tinktur die HO,-haltige schon völlig entfärbt ist, während die andere noch tiefblau er- scheint. | Alle die erwähnten Reactionen erklären sich genügend durch die Annahme, dass die blaue Harzlösung beweglichen und zwar ozonisirten Sauerstoff enthalte und derselbe ihr durch die genannten ozongierigen Substanzen entzogen werde, was selbstverständlich die Entbläuung der Tinktur zur Folge haben muss. Bekanntlich entfärbt sich die gleiche Harzlösung auch ohne die Mitwirkung ozosgieriger Materien, langsam in der ‘ Dunkelheit, etwas rascher im zerstreueten — und am Schnellsten im unmittelbaren Sonnenlicht, und eben so haben meine Versuche gezeigt, dass durch wiederholte Bläuung und spontane Entbläuung die Guajaktinktur die Fähigkeit verliert, durch das Ozen oder die Ozonide sich weiter bläuen zu lassen zum Beweise, dass in Folge dieser Vor- 803 gänge der chemische Bestand des Harzes verändert wird- Ohne Zweifel geschieht diess dadurch, dass der anfänglich mit dem Guajak vergesellschaftete beweglich-thätige Sauer- stoff nach und nach wirklich oxidirend auf die Bestand- theile des Harzes einwirkt, welcher Oxidationsvorgang durch das Licht noch namhaft beschleuniget wird. Bemerkenswerth ist das Vermögen der Alkalien und des Thalliumoxiduls die blaue Guajaktinktur sofort zu ent- färben, weiche Wirkung nach meinem Dafürhalten darauf beruhet, dass diese starken Basen den mit dem Harze ver- gesellschafteten beweglichen Sauerstoff bestimmen, rasch oxidirend auf das Gusjak einzuwirken, was ich daraus schliesse, dass die mitielst Alkalien entbläuete Tinktur durch Neutralisiren mit Essigsäure nicht wieder gebläuet wird. Aber auch die kräftigern Mineralsäuren, selbst wenn stark mit Wasser verdünnt, verursachen beinahe augenblickliche Entfärbung der blauen Harzlösung, ohne dass deren Bläu- ung durch die Neutralisation der Säuren wieder zum Vor- schein käme. 2. Ueber den beweglich-thätigen Sauerstoff des Chinons. Eine der merkwürdigsten organischen Ma- terien ist das Chinon und zwar hauptsächlich desshalb, weil seine wässrige Lösung eine Reihe chemischer Wir- kungen hervorbringt, welche durch das Ozon, die Ozonide, das Chlor und das Brom verursacht werden und von denen am bemerkenswerthesten die Folgenden sind: Bläuung der Guajaktinktur”), des mittelst Ferrocyankalium- und Eisen- vitriollösung erhalteren weissen Niederschlages, des freien und an Alkalien gebundenen indigoweiss, der durch Was- *), Herr Schaer aus Bern, einer meiner früheren Zuhörer, hat diese Reaction des Chinons zuerst beobachtet, welche in Verbindung mit einigen andern Thatsachen ihn vermuthen liess, dass dasselbe ein organisches Ozonid sein dürfte. 830% serstofischwefel {HS,) entfärbten Indigotinktur (ein für die Nachweisung des in irgend einer Materie enthalienen be-= weglichen Sauerstoffes höchst empändliches und daher em- pfehlenswerthes Reagens) und des angesäuerten Jodkalium- kleisters; rothgelbe Färbung ‘der farblosen wässrigen Lö- sung des Brasilins mit starker gelber Filuorescenz (man sehe eine andere Mittheilung über das Brasilin), Röthung der farblosen wässrigen Lösung des Hämatoxylins, anfäng- liche Röthung und dann tiefe Bräunung des Anilins) Bräu- nung der wässrigen Pyrogallus-, Gallus- und Gerbgallus- säureniôsung, Ueberführung der Ferrocyan- in Ferrideyan- wasserstofisäure, wozu noch die schon bekannte Zersetzung der Jodwasserstoffsäure und Oxidation der schweflichten zu Schwefelsäure kommt. Fein zertheiltes Zink, Kadmium, Blei, Eisen und Kupfer mit wässriger Chinonlösing emise Zeit geschüttelt, berauben dieselbe der Fähigkeit, die Gua- jak-Tinktur und den angesäuerten Jodkaliumkleister "zu bläuen oder irgend eine der oben erwähnten Reactionen hervor zu bringen. Je nachdem man von der ältern oder neuern Ansicht über die Natur. des Chlors ausgeht, wird man entweder die sämmtlichen durch die wässrige Chinonlösung verursachten Reactionen als Oxidationswirkungen ansehen oder äber nur einen Theil derseiben, während andere Re:ctionen auf eine durch das Chinon bewerkstelligte Wasserstoffentziehung zurückgeführt werden müssen, wie z. B. die Bläuung des Indigoweiss, die Zersetzung des Jodwasserstoffes u. s. w. ‘Die Bläuung der Guajaktinktur, Bräunung der Pyrogallus- säurelösung, Oxidation von 59, zu SO, u. s. w. muss jede Theorie als Sauerstoffwirkungen ansehen, wobei es sich von selbst versteht, dass diejenigen, welche die heutige Chlortheorie per analogiam auch zur Erklärung der durch das Chinon hervorgebrachten Oxidationswirkungen anwen- 805 den, den hiezu nôthigen Sauerstof vom Wasser beziehen müssen. Da. ich bekanntlich den Davy’schen Lehren nicht hul- dige und der Ansicht bin, dass das Chlor übertragbaren und zwar ozonisirten Sauerstoff enthalte, so: muss ich auch die durch. das Chinon hervorgebrachten Wirkungen anders deuten, als diess die heutige Theorie thut.. Für mich ist diese Materie eine Verbindung, in welcher die Hälfte ihres Sauersiofies im beweglich-thätigen Zustande. sich befindet und, wenn. bei Gegenwart von Wasser das Chinon z. B. die schweflichte Säure. zu Schwefelsäure oxidirt unter Bildung von Hydrochinen, so geschieht diess nach meiner Ansicht gemäss der ‚Gleichung: C2 H? 0? ©? + 2 SO2 + 2 HO —, (C2, H# 02 + 2 H0) + 2 SO,. Nach dieser Betrach- tungsweise gleichen das gelbe Chinon und das farblose Hydrochinon (C2? H* 0? + 2 © und €!? HB: OC? + 2 HO) dem Indigoblau und Indigoweiss, welche ich als C! H° NO +, © und C5 H5 NO + HO betrachte. In Ueberein- stinmung mit diesen Annahmen schreibe ich daher alle die oben erwähnten durch das wässrige Chinon hervorgebrach- ten Wirkungen dem in dieser Verbindung enthaltenen thä- tigen Sauerstoff (©) zu und lasse ich das Wasser in kei- nem Falle zersetzt werden. Noch gibt es einige andere Thatsachen, weiche zu Gunsten der Annahme sprechen, dass in dem Chinon be- weglicher Sauerstoff enthalten sei, zu welchem insbeson- dere die Folgende zu zählen ist. Wird die von der Luft vollkommen abgeschlossene wässrige Chinonlösung der Ein- wirkung des unmittelbaren Sonnenlichtes ausgesetzt, so fängt die anfänglich lichtgelbe Flüssigkeit bald an, (in Folge der eintretenden Bildung von Huminsubstanzen) sich zu bräu- nen, welche Färbung bei fortgesetzter Besonnung immer tiefer wird. Mit dieser Farbenveränderung geht auch der Verlust des oxidirenden Vermögens der Chinonlösung Hand 806 in Hand, so dass dieselbe nach hinreichend langer Beleuch- tung weder die Guajaktinktur mehr zu bläuen noch irgend : eine andere der oben erwähnten Reaktionen hervorzubrin- gen vermag, während die in völliger Dunkelheit gehaltene und von der Luft völlig abgeschlossene Flüssigkeit die er- wähnte Veränderung nur sehr langsam erleidet. Es ist wohl kaum daran zu zweifeln, dass diese Zersetzung des Chinons durch den in ihm enthaltenen beweglichen Sauer- stoff bewerkstelligt werde, welcher unter dem erregenden Einflusse des Lichtes noch rascher als in der Dunkelheit auf die oxidirbaren Bestandtheile der mit ihm verbundenen organischen Materie einwirkt, in Folge dessen huminartige Substanzen entstehen: : Eine ‘weitere hieher gehörige Thatsache ist die, dass auch bei vollkommene: Ausschlusse des atmosphärischen Sauerstoffes die frische wässrige Chinonlösung unter Ver- lust ihres oxidirenden Vermögens sich augenblicklich tief bräunt, wenn manin dieselbe Kali, Natron u. s. w. einführt, welche Wirksamkeit der Alkalien wahrscheinlich darauf beruhet, dass sie ihrer grossen Neigung halber mit Humin- substanzen sich zu verbinden, den beweglichen Sauerstoff des Chinons bestimmen, auf dessen Elemente rasch oxidi- rend einzuwirken. | Kaum ist daran zu zweifeln, dass auch alle chlorhal- tigen Substitutionsproducte des Chinons vie letzteres selbst sich verhalten werden, was das Perehlorchinen wenigstens betrifft, so bringt es nach meinen Versuchen alle die oben erwähnten Oxidationswirkungen hervor. 3) Ueber die Verbindbarkeit des Cyanins mit Ozon Vor einigen Jahren suchte ich darzuthun (man sehe die Verhandlungen der Baslerischen naturforschenden Gesell- schaft Bd. IV, Seite 189), dass das Cyanin unter Entbläuung mit dem Ozon als solchem sich vergesellschaften lässt und aus dieser Verbindung durch eine Reihe ozongieriger Substan- 807 zen: Pyrogallussäure u. s. w. wieder abgeschieden werden könne. Auf diese Arbeit verweisend, will ich nur noch beifügen, dass ausser den dort erwähnten Materien auch das Hämatoxylin, Brasilin und Anilin den thätigen Sauer- stoff dem Cyaninozonid sofort zu entziehen und daher die farblose wässrige Lösung dieser Verbindung augenblicklich zu bläuen vermögen. Auch ist am gleichen Orte gezeigt, dass die Lösung des @haltigen Cyanins bald die Fähigkeit von 'selbst verliere, durch die genannten Substanzen sich bläuen zu lassen und zwar ebenfalls wieder rascher im Licht als in der Dunkelheit, eine farblose Flüssigkeit lie- fernd, welche im Dunkeln des gänzlichen unverändert bleibt, im Sonnenlicht aber, auch bei vollkommenem Ausschlusse des atmosphärischen Sauerstoffes, ziemlich raseh sich bläuet in Folge der Erzeugung eines blauen Farbstoffes, den ich vorläufig seiner Entstehungsweise halber Photocyanin ge- nannt. Ich habe schon damals die Vermsthung geäussert, dass auch die Photocyanin erzeugende Substanz beweglichen Sauerstoff enthalte und dieser es sei, welcher unter dem Einflusse des Lichtes zur oxidirenden Thätigkeit angeregt und dadurch die Bildung des Photocyanins bewirkt werde. Meine seitherigen Versuche haben gezeigt, dass schon kleine Mengen von Pyrogallus-, Gallus- uud Gerbgallussäure der besagten farblosen Flüssigkeit das Vermögen entziehen, im Lichte Photocyanin zu erzeugen und da dieselbe unter die- sen Umständen gerade so gebräunt wird wie die wässrigen Lösungen der genannten Säuren durch das Ozon oder die Ozonide, so dürfte man hieraus wohl schliessen, dass die Pyrogallussäure u. s. w. den in der Photocyanin erzeugen- den Materie enthaltenen beweglichen Sauerstoff aufnehme. Beizufügen ist noch, dass das Hämatoxylin, Brasilin und Anilin in ähnlicher Weise wirken wie auch die durch Was- serstoffschwefel entfärbte Indigotinetur durch die in Rede stehende Flüssigkeit gebläuet wird. 808 - Die in ‘der Dunkelheit und bei gewöhnlicher Tempera- tur farblos bleibende Lösung der Photocyanin erzeugenden Materie färbt sich in der Siedhitze anfänglich violet, später blau und geht dann farblos durch ein doppsltes Filtrum, auf. welchem das ausgeschiedene und in: Weingeist mit gleicher Karbs- sich lösende Pigment zurückbleibt, vom Photocyanin jedoch schon dadurch sich unterscheidend, dass es durch die Säure entfärbt wird. Die durchgelaufene farblose Flüssigkeit bleibt ungebläuet wie lange 'man'sie auch der Einwirkung des Lichtes aussetzen mag, wie sie auch nicht mehr durch Pyrogallussäure gebräunt wird oder die durch ES, eutfärbte Indigotinetur zu bläuen "vermag u. s. w. Aehnlich der Wärme wirken die Alkalien, welche die fragliche Flüssigkeit anfänglich violett und bei längerer Einwirkung grün färben. So verändert geht sie ebenfalls farblos durch ein doppeltes Filtrum (einen grünen im Wein- geist löslichen Farbstoff zurücklassend) und ist unfähig ge- worden, im Licht Photocyanin zu erzeugen oder die oben erwähnten Reactionen hervorzubringen. 4. Ueber die Verbindbarkeit des ôlbildenden Gases mit Ozon. Vor vielen Jahren schon habe ich ge- zeigt, dass beide Materien bei gewöhnlicher Temperatur sofort zu einer Verbindung zusammentreten, welche in Wasser ge- löst eine Reihe von Oxidationswirkungen hervorzubringen z, B. für sich allein Jod aus dem Jodkalium unter gleichzeiti- ger Bildung von Aethylenjodür auszuscheiden, desshalb den Jodkaliumkleister zu bläuen, die schweflichte — in Schwefel- säure zu verwandeln, den aus Ferrocyankalium — und Eisenvitriollösung erhaltenen weissen Niederschlag wie auch die durch HS, entfärbte Indigolösung zu bläuen vermag. Diese oxidirende Wirksamkeit besagter Lösung verschwin- det jedoch wieder von selbst und zwar rascher im Sonnen- licht als in der Dunkelheit unter Bildung von Ameisensäure und einer beissend riechenden und schmeckenden Materie von 809 noch unbekannter Zusammensetzung. Alle diese Thatsachen scheinen mir zu der Annahme zu berechtigen, dass das Ozon als solches mit dem Aethylen sich vergesellschafte, diese Verbindung aber unmittelbar nach ihrer Bildung an- fange in Ameisensäure u. s. w. sich umzusetzen. Nach mei- nen Versuchen entstehet bei der langsamen Verbrennung des Aethers ausser Aldehyd, Essigsäure, Ameisensäure und der beissenden Materie noch Wasserstoffsuperoxyd und Aethylenozonid, woher es kommt, dass das mit den frischen Erzeugnissen der erwähnten Verbrennung beladene Wasser mit Jodkalium Aethylenjodür zu erzeugen und den Jod- kaliumkleister auf das Tiefste zu bläuen vermag, welche Eigenschaft das Wasser aber wieder: verliert, langsam in der Dunkelheit, rascher im Lichte. Die im voranstehenden beschriebenen Thatsachen ma- chen es wahrscheinlich, dass es noch andere organische Verbindungen gebe, welche ähnlich dem blauen Guajak, Chinen u. s. w. sich verhalten und als organische Ozonide betrachtet werden dürfen. Da alle die bis jetzt bekannt gewordenen Materien dieser Art die Eigenschaft besitzen, unter dem Einflusse des Lichtes ziemlich rasch eine Um- setzung zu erleiden, welche in den meisten Fälien von einer augenfällig optischen Veränderung (Färbung oder Entfär- bung) begleitet ist, so dürfte wohl von den meisten orga- nischen Substanzen, welche unter völligem Ausschlusse des atmosphärischen Sauerstufles der Einwirkung des Lichtes ausgesetzt, derartige Farbenwandelungen erleiden, vermuthet werden, dass sie beweglichen Sauerstoff enthalten. Selbst- verständlich ‚würde aber eine solche Thatsache nur als erster Anhaltspunkt für weitere Versuche dienen, durch welche die Vermuthung entweder zur Gewissheit erhoben oder deren Irrigkeit dargethan würde. Um schliesslich noch ein Wort über die Wahrschein- lichkeit der Annahme zu sagen, dass organische Materien 310 ozonisirten Sauerstoff als solchen enthalten können, erinnere ich an die Thatsache, dass auch das so eminent active Chlor als solches mit manchen organischen Substanzen in Ver- bindung zu treten vermag ohne denselben den mit ihm sonst so leicht verbindbaren Wasserstoff zu entziehen, und un- längst habe ich gezeigt, dass dasselbe Chlor mit dem äusserst leicht zersetzbaren Photocyanin sich so verbinden könne, dass jenes durch chlorgierige Materien (Sn Cl u. s. w.) wieder entzogen und der Farbstoff dadurch in Freiheit gesetzt wird. Wenn nun das mit so starken Affnitäten begabte Chlor (sei dasselbe ein einfacher oder sauerstofl- haltiger Körper) derartige Verbindungen eingehen kann, so sehe ich nicht ein, warum diess nicht auch der ozonisirte Sauerstoff zu thun vermöchte. V. Einige Angaben über das Guajakharz. Ich habe in frühern Mittheilungen die alkoholische Lö- sung dieses Harzes als ein sehr empfindliches Reagens auf freies und gebundenes Ozon und in Verbindung mit Blut- körperchen auch auf den in organischen Materien: Terpen- tinöl, flüssigen Fetten, Harzen u. s. w. als Antozon enthal- tenen beweglichen Sauerstoff mit der Bemerkung empfohlen, dass zu diesem Behufe immer nur die frisch bereitete Tinc- tur anzuwenden sei, wenn dieselbe den möglichst hohen Grad von Empêndlichkeit und Zuverlässigkeit besitzen soll. Der Grund hievon ist ein mehrfacher. Die Haupt- ursache, weiche das in Weingeist gelöste Guajak unfähig zu machen vermag, mit dem ozonisirten Sauerstoff eine blaue Verbindung hervorzubringen (auf welcher Eigenschaft 811 die Anwendbarkeit dieser Lösung als Reagens beruhet) ist das Licht, wie diess die nachstehenden Angaben ausser Zweifel stellen werden. Setzt man bei vollkommenem Aus- schlusse der atmosphärischen Luft frisch bereitete Guajak- tinctur, welche ein Hundertel Harz enthält und durch die Ozonide: Bleisuperoxid, Permanganatlösung u s. w. augen- blicklich bis zur Undurchsichtigkeit tief gebläuet wird, nur wenige Stundenlang der Einwirkung des unmittelbaren und möglichst kräftigen Sonnenlichtes aus, so verliert sie unter diesen Umständen vellständig und unwiederbringlich die Eigenschaft, durch das Ozon, die Ozonide oder durch @-haltige Flüssigkeiten (HO,, Terpentinöl u. s. w.) unter Beisein von Blutkörperchen gebläuet zu werden. Worauf diese auffallende Veränderung des Guajaks beruhei: Ob auf einer isomeren Modification des Harzes oder etwas An- derem, muss ich für jetzt noch unentschieden lassen; nur so viel sei bemerkt, dass die anfänglich beinahe farblose Lösung (mit durchsichtigem und schwach gefärbtem Harze bereitet) unter dem Einflusse des Sonnenlichtes um ein weniges gelblicher sich färbt. An der besagten Verände- rung hat die Wärme keinen Theil, wie daraus erhellt, dass jene nicht statt findet, wenn die Guajaktinctur in Flaschen, die mit schwarzem Papier umklebt sind, beliebig lange der Einwirkung des stärksten Sonnenlichtes ausgesetzt wird, wesshalb kaum nöthig ist, ausdrücklich zu bemerken, dass die in der Dunkelheit und in luftfreien Gefässen Monate lang aufbewahrte Harzlösung durch die Ozonide u. s. noch eben so tief als die frisch bereitete Tinctur sich bläuet. Eine andere Ursache, welche die Reactionsangaben einer ältern Tinctur trüglich machen kann, ist das Vermö- gen dieser Harzlösung, selbst in schwachem zerstreuten Lichte atmosphärischen Sauerstoff aufzunehmen, wodurch sie allmählig die Eigenschaft erlangt, beim Zufügen von 812 Blutkörperchen sich zu bläuen wie auch den Jodkalium- kleister unter der Mitwirkung verdünnter Eisenvitriollösung ebenfalls blau zu färben, welche Reactionen auf das Vor- handensein kleiner Mengen von Wasserstoffsuperoxid hin- 'weisen.: Nach meinen Versuchen begünstiget bekanntlich die Anwesenheit von Camphenen, Harzen u. s. w. im Wein- geiste, der mit atmosphärischer Luft in Berührung 'steht, die Bildung von HO,, welche Wirksamkeit auch dem Gua- jak zukommt. Setzt man unter häufigem Schütteln frisch bereitete Guajaktinetur von nur 1°/, Harzgehalt bei Gegen- wart atmosphärischer Luft der Einwirkung ' des unmittel- baren Sonnenlichtes aus, so bringt sie schon nachwenigen Tagen alle Reactionen des genannten Superoxides hervor {selbst die so karakteristische, mit Hülfe der Chromsäure den Aether lasurblau zu färben) ohne jedoch durch" Blut- körperchen sich bläuen zu lassen, was sie aber beim Zu= fügen frisch bereiteter Harzlösung thut. Dass die erstere Tinctur für sich allein durch Biutkörperchen nichtmehr gebläuet wird, rührt von der Wirkung des Sonnenlichtes her, welches erwähntermaassen die Bläuungsfähigkeit des gelösten Harzes ziemlich rasch aufhebt, während das so veränderte Guajak gleich den übrigen Harzen unter der Mitwirkung des Lichtes immer noch den vorhandenen Sauer- stoff anzuregen vermag, mit Weingeist Wasserstoffsuper- oxyd zu erzeugen. Wirkt der Sauerstoff bei schwachem zerstreueten Licht auf die Guajaklösung ein, so haben sich unter diesen Umständen schon nachweisbare Mengen des Superoxides gebildet, ehe noch die Bläuungsfähigkeit der Tinctur durch besagtes Licht völlig zerstört ist, welehe sich daher auch noch durch Blutkörperchen bläuen lässt. Wenn nun den voranstehenden Angaben gemäss unmit- telbares Sonnenlicht das Verhalten des in Weingeist ge- lösten Guajaks verhältnissmässig rasch verändert, so ist wohl für gewiss anzunehmen, dass auch zerstreuetes Licht, wenn s13 auch langsamer, doch die gleiche Wirkung hervorbringe, wesshalb man jedenfalls am Sichersten gehet, frisch berei- tete Guajaktineter anzuwenden, wenn dieselbe als möglichst empfindliches und zuverlässiges Reagens auf thätigen Sauer- stoff dienen soll. Die Thatsache, dass eine organische Ma- terie im gelösten Zustand durch das blosse Licht nicht un- wesentlich verändert wird, lässt vermuthen, dass auch noch andere vegetabilischen Substanzen unter ähnlichen Umstän- den, entweder isomer oder anderweitig umgewandelt wer- den und.:dass wir von solchen durch das Licht bewirkten Veränderungen noch so wesig wissen, mag hauptsächlich daran liegen, dass uns die Mittel fehlen, mit deren Hülfe derartige Stoffswandelungen ermittelt werden könnten. So: gross ‚auch schon die Zahl der bekannten That- sachen ist, welche die chemische Wirksamkeit des Lichtes darthun, so muss man doch zugeben, dass die theoretische Photochemie immer noch in einem embryonischen Zustande sich befindet, der um so bedauerlicher ist, als die unzäh- ligen in dem lebenden Organismus der Pflanzen stattfinden- den Stoffswandelungen so lange ein unauflösliches Räthsel bleiben müssen bis durch die Entdeckung fundamenfaler pho- tochemischer Thatsachen die chemische Thätigkeit des Lichtes uns zum bessern Verständniss gebracht sein wird. Für jetzt ist uns wenig mehr bekannt als die materiellen Bedingungen, an welche das Wachsthum der Pflanzen d.h. die Bildung vegetabilischer Materien geknüpft ist; wie aber durch die lebendige Zelle aus Kohlensäure, Wasser, einigen Stickstoffverbindungen und mineralischen Substanzen ein Heer verschiedenartigster Stoff gebildet werden, davon wis- sen wir noch nichts und nur so viel ist sicher, dass das Agens des Lichtes dabei eine noch tiefer gehende Rolle spielt als selbst die Wärme. Es bietet daher der Chemis- mus der Pflanzenwelt ein Forschungsgebiet dar, auf welchem 814 sicherlich noch die grössten Entdeckungen in Aussicht ste- hen, die einmal gemacht, nicht fehlen können, auch auf viele noch dunkele Erscheinungen der unorganischen Chemie ein erhellendes Licht zu werfen. VI. Ueber das Brasilin und dessen Fluorescenz, Für den Handel wird seit einiger Zeit Brasilin in der hiesigen Geigy’schen Farbenfabrike dargestellt, dem sie die empirische Formel C* H?® O0 gibt, und durch die Güte des Herrn Geigy in Besitz dieses Chromagens gesetzt, habe ich damit gelegentlich einige Versuche angestellt, deren Ergebnisse für den Chemiker und Physiker von einigem Interesse sein dürften. - > Zunächst sei bemerkt, dass das Geigy’sche frisch be- reitete reine Brasilin honiggelbe Krystalle darstellt, welche ein schwefelgelbes Pulver liefern und in vollkommener Dunkelheit auch diese Färbung behalten, nicht aber im Lichte, für welches das Brasilin äusserst empfindlich ist. Legt man einen rein gelben Krystall in kräftiges Sonnen- licht, so erscheint er schon nach wenigen Minuten deutlich morgenroth, welche Färbung mit der Dauer der Besonnung immer tiefer wird und ist das feingepulverte Chromagen über Papier ausgebreitet, so färbt es sich in der Sonne beinahe augenblicklich gelbroth. Auch das zerstreuete Licht bringt diese Wirkung hervor, langsamer zwar, doch aber noch immer ziemlich rasch, woher es kommt, dass die in Gläsern aufbewahrten Brasilinkrystalle an den Wandungen sich röthen, während sie im Innern gelb bleiben. Dieser = . 815 so überaus grossen Empfindlichkeit gegen das Licht halber muss daher das Chromozen in völlig dunkeln Gefässen' auf- bewahrt werden, wenn es unverändert bleiben soll. Kaum ist nôthig zu bemerken, dass die mit Brasilinlösungen ge- tränkten Papierstreifen im Lichte den gleichen Farben- wechsel zeigen. Worauf letzterer beruhe, ob auf einer durch den beleuchteten Sauerstoff bewirkten Oxidation oder einer isomeren Modifikation des Brasilins, wage ich noch nicht zu sagen und nur das sei bemerkt, dass die dem Sonnenlicht ausgesetzten Krystalle nicht nur auf der Ober- fläche, sondern durch und durch sich röthen, welche Ver- änderung sie auch unter Wasser, Aether, Benzoe u. s. w. erleiden. Das noch gelbe Brasilin löst sich etwas spärlich in Wasser auf, eine deutlichst süss schmeckende Flüssigkeit liefernd, die so gut als farblos ist, durch Säuren nicht ver- ändert, durch Alkalien tief geröthet wird, welche Färbung bei Zusatz von Säuren sofort in Gelb übergeht. In Wein- geist und Aether löst sich das Brasilin etwas reichlicher als in Wasser und zwar mit lichtgelber Farbe, wobei zu bemerken ist, dass die letztere Lösung auch bei Gegenwart von Sauerstoff durch Ammoniakgas nicht geröthet wird, diess jedoch bei Zusatz von Wasser sofort thut, ohne dass aber der obenaufschwimmende Aether gefärbt würde. Die wässrige farblose Brasilinlösung färbt sich an der Luft bald röthlich, später gelbroth werdend, mit welcher Farbenveränderung die Flüssigkeit die Eigenschaft erlangt, mit goldgelbem Licht zu fluoresciren, welche Erscheinung um so stärker auftritt, je tiefer die Lösung sich färbt. An der frischen noch farblosen Flüssigkeit bemerkt man noch keine Flu:rescenz, führt man aber mittelst einer Linse einen Lichtkegel in die Lösung ein, so lassen sich dech Spuren dieser Erscheinung w:hrnehmen: es ist indessen wahr- scheinlich, dass dem völlig reinen Brasilin keine Fluores- 95 816 , cenz zukomme und dieselbe von kleinen Mengen einer ihm beigemengten Materie herrühre, ‘entstanden in Folge der Einwirkung des atmosphärischen Sauerstoffes auf das Bra- silin. Mit Hülfe der Ozonide lässt sich die Fluorescenz augenblicklich im stärksten Grade hervorrufen, am bequem- sten so, dass man hundert Theile der farblosen Brasilin- lösung mit einem Theile fein gepulverten Mangansuperoxides einige Augenblicke schüttelt und dann filtrir. Wie der Braunstein und die übrigen Ozonide wirkt auch das Chinon auf die wässrige Brasilinlösung ein, während das Wasser- stoffsuperoxid für sich allein gleichgültig gegen das Chromo- gen sich verhält, jedoch bei Anwesenheit von Platin die Wirksamkeit eines Ozonides zeigt. Zu erwähnen ist noch, dass die farblose Brasilinlösung durch die Ozonide nicht nur augenblicklich fiuvrescirend, sondern auch tief roth gefärbt wird. Durch welche Mittel aber auch die Fluorescenz der besagten Lösung hervorgerufen worden sein mag, so ist sie nicht beständig und vermindert sich so, dass nach ei- nigen Wochen auch die von der Luft vollkommen abge- schlossene Flüssigkeit nur noch schwach fluoreseirt. Säuren heben die Fluorescenz augenblicklich auf, ohne dass die- selbe duïch Neutralisation wieder zum Vorschein käme. Vorläufige mit Herrn Prof. Hagenbach angestellte Versuche haben dargethan, dass die in Rede stehende Fluorescenz durch alle sichtbaren Theile des Sonnenspectrums, das Roth inbegriffen, hervorgerufen wird, selbstverständlich aber mit verschiedener Stärke, worüber späterhin mein College genauere Mittheilungen machen wird. Die aiko- holische und ätherische Brasilinlösung zeigt anfänglich keine Fluorescenz, erlangt jedoch diese Eigenschaft in augen- fälliger Weise und zwar ebenfalls mit gelbem Lichte. Ueber die chemische Natur der fluoreseirenden Materien lässt sich dermalen noch nichts sagen; da dieselbe aber 817 immer bei der Einwirkung oxidirender Agentien zum Vor- schein kommt, so steht zu vermuthen, dass sie das Er- zeugniss einer Oxidation des Brasilins, jedoch von umsetz- barer Natur sei, wie aus dem allmähligen Verschwinden der Fluorescenz zu schliessen sein dürfte. 55 ave Fe MSI RE Lis ps hie if Kr ; if \ # 7 : ME CHEMIE. Ueber die Fluorescenz des mit Bleisuperoxyd behan- deiten Brasilins, Von Prof. ED. HAGENBACH. Die schöne schwef:lgelbe Fluorescenz, welche Herr Professor Schönhein an dem mit Bleisuperoxyd behandelten Brasilin entdeckte, veranlasste mich, mit dieser Substanz einige Untersuchungen anzusteilen. Indem die Lösung, in eine Geissler sche Röhre gebracht, nur sehr wenig fluores- cierte, so schloss ich daraus, dass die sehr brechbaren Strahlen des Spectrums bei dieser Substanz nicht in be- vorzugtem Maasse die Fiuorescenz hervorrufen. Diess be- stätigte sich auch bei der Untersuchung der Fluorescenz im Sonnenspectrum. Die verschiedenen Strahlen des Spec- trums wurden auf die Substanz geworfen, und das Fluores- cenzlicht wurde dann mit Hülfe eines Prisma’s analysiert. Hierbei zeigte es sich, dass alle Theile des sichtbaren Spectrums und in geringem Grade auch noch die zunächst dem Violet liegenden uitravioletten Strahlen die Fluores- cenz hervorrufen, besonders stark die grünen Strahlen.®) Das Spectrum des Fluorescenzlichtes ist continuierlich; es *) Etwa bei E ist das Maximum der Wirkung. 56 820 erstreckt sich vom Roth bis Grün, wenn die auflallenden Strahlen grün oder brechbarer als die grüsen sind; sind jedoch die auffallenden Strahlen gelb, so besteht das Fluo- rescenzlicht nur aus gelb und roth, und wenn die auffal- lenden Strahlen roth sind , so ist das Spectrum des Fiuo- rescenzlichtes auch nur auf diese Farbe beschränkt. Es bestätigt sich also auch hier der von Stokes ausgesprochene Satz, dass die Strahlen des Fluorescenzlichtes niemals brech- barer sind, als die des Lichtes, welches die Fluorescenz erregt. f — ——_ msn > — Geschenke an das naturwissenschaftliche Museum in den Jahren 1863 bis 1866 1. Geldbeiträge. Von I. Gemeinnützigen Gesellschaft, Jahres- beitras tur: 1863627. CHAN AE BE 2300: Von I. Museums-Verein, desgl. . . . . . , 850. Von demselben für Anschaffung einer Luft- TITTEN Bu 87, Aus E. E. Trauerhause . . . DES OU Von Z. Z. für das physikalische Kabinek‘. 107100. Von Hrn. Rathsh. P. Merian zur Verwendung fur) die Bibliothek" 1.77 ANSE EE 0977000, Fr. 3283. Von I. Gemeinnützigen Gesellschaft, Jahres- beitrag für 1864 . . URN DREI SEIFL 2300). Von IL. Museums-Verein, desgl. . . . » . » 850. Transport . Fr. 1150. 56 * 822 Transport Von Hrn. Prof. Ed. Hagenbach für das physik. Kabinet, Ertrag einer öffentlichen Vor- lesung . Von Hrn. Prof. K. Stores für das N sik. Kabinet : Von Frau D rotenberce Dites en Von Hrn. Rathsh. P. Merian für die Bibliothek Von L Gemeinnützigen Gesellschaft, Jahres- beitrag für 1865 . Fr. 300. Von l. Museums-Verein, desgl. F4 I RS Von demselben für Anschaffung eines Mys- | triosaurus a hg TEEN I TRE Von demselben orders Beitrag für das physik. Kabinet . A 003000. Von Hrn. Prof. Ed. Hagenbach von einer Ay sikalischen Expertise » 800. Von Hrn. Dr. Fritz Burckhardt ” 26. Von Hrn. Rathsh. P. Merian für die Bibliothek » Er Fr. 5626. 05 Von I. Gemeinnützigen Gesellschaft, Jahres- beitrag für 1866 .), 2 0....2.8 Ji ee 12 Von l. Museums-Verein, Jahresbeitrag für die naturhistor. Sammlungen für 1866 . 2:0. Von demselben, Jahresbeitrag für das physik. Kabinet.. roue Va ee Von demselben, desgl. für da ae La- boratorium : . . : an » 400. Transport . Fr. 1800. . Fr. 1150. 5 770. ” 300. » 200. 3 1000. Fr. 3420. 05 05 823 Transport . Fr. 1800. — Von |. akademischen Gesellschaft, Beiträge für die naturhistor. Sammlungen . . . . , 137. — Von ders. für das physik. Kahinet . . . . , 460. 40 Von ders. für das chemische Laboratorium . , 126. 49 Von Hrn. Rathsh. P. Merian für die Bibliothek „ 1000. — Fr. 3523. 80 2. Für die zoologische Sammlung. Von Hrn. L. Coulon in Neuchatel: Penelope adspersa. Tschudi aus Peru. Von Hrn. S. Gysin, Missionar in Silo, Süd-Afrika: Asinus Quagga. Von Hrn. Adolf Vischer in Shangai: 2 grosse chinesische Bockkäfer (Ratocera). Conchylien von Shangai. Vogelnest von der Insei Elephanta bei Bombay. Von Hrn. Dr. Christoph Burckhardt: Fringi!la cannabina. Athene Noctua. Hypudaeus glareolus. Hypudaeus amphibius. Arvicola arvalis. Salamandra atra. Laur. Triton cristatus. Laur. Triton punctatus. Latr. Triton alpestris. Laur. Triton spec. Crocidura araneus Zu. ©. Grus carunculata vom Cap. Von Hrn. Dr. Ludw. Imhof: Vespertilio murinus. 824 Amphibien und Vögel aus @'eylon. Sorex vulgaris. d. Von Hrn. Prapärator &. Schneider: Pavo cristatus. J' aus Pondichery. Picus melanochloros. Wagl. Z aus Südamerika. Centrurus erythrops. Vieill. 4 aus Bahia. Fringilla spinus. L. d‘. aus der Schweiz. F. eitri ella. L. Z. aus der Schweiz. Von Hrn. Emil Forcart- Belger: Seestern und Conchylien. Von Hrn. Franz Seul: Dreissena polymorpha und Neritina fluviatilis aus dem Kanal bei Hüninges. Von Frau Wittwe Hasier: 33 Stück ausgestopfte Vögel. Von Hrn. J. Maurice-Gysin: Eine Koralle. Von Ërn. Bernh. Riggenbach, Stud.: Carinaria mediterranea von Nea;el. Von &rn. F. VonderMühli-Vischer: Ein Rehbock. Von Hrn. Dr. Gust. Bernoulli in Guatemala: Prinodon Wilberti. Müll. Cervus mexicanus. Cuv. jung. Mustela spec. Ateles spec. Didelphis cancrivora. Myrmecophaga tamandua. Fier von Stix-perlata. Säge eines Sägefisches. Alligator punctulalus. Gray. Dasypus n. sp. d‘ und ©. Sciurus. Land- und Meeresconchylien, sämmtlich aus Guatemala. 823 Von Hrn. Bossart, Photograph: Ostrea virginica. Lam. von Baltimore. Von Hrn. Oberst Emil Frey in Aarau: 700 Exempi. schweiz. Hymenopteren. Exotische Schmetterlinge. Von Hrn. Bischoff-Ehinger: Eine Sammlung europäischer Orthopteren. Von Hrn. Altbürgermeister J. J. Burckhardt: Bin Hornussen-Nest. Von Fräulein Elise Gerlach: Grosse Python-Haut aus Afrika. Von Hrn. Stecklin: Astropecten aurantiacus. und Roche aus dem Mitielmeer. Von Hrn. Albert Burckhardt, Med. Dr.: Ardea Nycticorax. Ardea comata. Strix acasica. Merops ap'aster. Gallina chleropus. Gallinula porzana. Von Hrn. Oberst Wilh. Geigy: Alcedo ispida. 4 von Basel. Von Hrn. Mech:nikus Gettl. Linder: Luscinia philomela. 4 von Basel. Von Hr». Prof. Ludw. Rütimeyer: Nectarinea splendida. Estrelda und verschiedene Vôgel aus West-Afrika. Helix Quimperiana. Fer Von Hrn. Dr. Friedr. Müller: Boa imperator und Crotalus horridus aus Guatemala. Von Hrn. Friedr. Vest: Schädel eines Hippopotamus. 826 Haut eines Leopsrden. Hörner von Antilipe Melampus vom Fluss Casemance an der Westküste von Afrika und | eine Sammlung von Kleidungsstücken, Waffen und Ge- räthschaften der umliegenden Negerstämme. Von Hrn. Friedr. Weber-Bischof: Mumie eines jungen Nil-Krokodils Von Hrn. Eduard Stæhelin: Westindische Insekten. Von Hrn. Conzertmeister Bargheer: Verschiedene Conchylien. 3. Für die Mineralien- und Petrefacten- Sammlung. Von Hrn. Friedr. Becker, Lehrer an der Gewerheschule: Eine Sammlung von Versteinerungen aus der Umgebung von Basel und andern Gegenden. Von Hrn. Prof. Friedr. Miescher: Versteinerungen aus der Umgegend von Lauenen, Kt. Bern. Von Hrn. Prof. Aug. Socin: Bruchstück eines Stosszahnes von Elephas primigenius von Grellingen. Von Hrn. Nationalrath K. Ringier in Lenzburg: Eine Anzahl versteinerter Knochen und anderer Petre- facten aus dem Muschelsandstein der Gegend von Lenzburg. . Von Hrn. Dr. Christoph Burckhardt: Armknochen des Gressiyosaurus aus dem Keuper von Niederschönthal. Schlüsselbein aus dem Muschelkalk von Warmbach. Fucoiden u. s. f. aus dem Flysch des Prättigau und verschiedene andere Versteinerungen. 827 Von Hrn Rathsherrn Leonh. Fininger: Gebirgsarten vom Finsteraarhorn urd vom Scherhorn zus den Urner Alpen. Von Hrn. Zeichnungslehrer L. Kelterborn: Gebirgsarten vom Gipfel des Uri-Rothstecks. Von dem Museum in Eausanne: Knochen von Ursus spelaeus aus der Höhle von Mialet in der Provence. Von Hrn. Pr. Theod. Zschokke in Aarau: Abguss van (lypeaster ægyntiacus. Wright und Cono- clypus Osiris. Des. aus Aegypten. Von Hrn. Christoph Socin- Werthemann: Grosses Exemplor von Ammonites poly gyratus von VW allenburg. Von Hrn. Prof. Alb. Müller: Eine Anzahl Versteinerungen aus der Gegend von Basel. Sammlung von Gebirgsarten aus dem Maderaner Thal und Umgegend. Pflanzenabdrücke aus dem Üebergangsgebirge der Vogesen. Von Hr:. Rathsh. Peter Merian: Verschiedene Mineralien und Versteinerungen. Von Ern. Prof. Arn. Escher von der Linth in Zürich: Versteinerungen, Gypsdruse und Schnecken aus Al- gerien. Von Hrn. Architekt Frey: Vollständiges Skelett eines neuen Sauriers aus dem bunten Sandstein von Riehen. < Schilder von Labyrinthodon von ebendaher. Grosser Ammonit von Laufen. Von Hrn. Prof. Schenk in Würzburg: Pilanzenabdrücke aus dem fränkischen Keuper .und Bonebed. 825 Von Hrn. Sr. W. G. A. Biedermann in Winterthur: Testudo Escheri. Piet. Schildstück. Mastodon angustidens, Zahn und Ficus tiliefolia. A. Braun aus der Molasse von Velt- heim bei Winterthur. Von Hrn. Schmidt-Lutringshausen : Oel-Portrait von Kathsubstitut Dan, Pruckner, Ver- fasser der Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel. Von Hrn. Dr. Herm. Christ: Versteinerungen von Hou+lgate bei Dives, Caivados. Fo:aminiferen in Kreide-Feuerstein von Nordernei. Von Hrn. Architekt Wartner: Pflanzenversteinerungen aus dem bunten Sandstein vou Pfalzburg. Von Hrn. Dr. L. Imhof: Palæoniscus Freienslebeni aus Thüringen. Von Hrn. Schalch, Goldarbeiter: Versteinerungen aus dem Muschelkonglomerat von Thengen. Von Hrn. Franz Seul: Saurierwirbel aus dem Keuper von Niederschönthal. ossilien aus dem Torf von Wauwyl. Von Hrn. Inspektor Burckhardt-Burckhardt: Gebirgsarten aus den Alpen. Von Hrn. Rathshr. J. 3. Imhof: Versteinerungen aus dem Wellenkalk der Bittersalz- quellen von Grenzach. Von Hrn. Stadtschreiver Hans Burckhardt, J. U. D. Ammonit ven Engistein, Kt. Solothurn. Von Hrn. G. Stehlin-Dobler: Anzahi von Knochenüberresten des Gresslyosaurus aus dem Keuper von Niederschönthal. Von Hin. G. Burckhardt-Alioth: Pllanzenversteinerungen aus der Boghead-Kohle. 829 Von den Zuhörern ven Hrn. Prof. Alb. Müller: Dapedius cœlatus. Quenst. von Holzmaden in Württem- berg. Von Hrn. Prof. Andr. Heussier-Ryhiner: Lepidotus gigas. Ag. von Holzmadei. Von Hrn. Prof. L. Rütimeyer: Zahn von Hyotherium Meisneri. Mey. von Tour de la Moliere und 2 Zähne von Anchitherium aurelianum Ow. aus dem Bohnerz von Württemberg. Versteinerungen aus dem Neocomien von Sissingen. Kt. Uri. Von Hrn. Dr. Wybert: Goldstufe aus Kalifornien. Von Hrn. Rathshr. Halter-Fæsch: Grosses Stück fossiles Palmenholz, gefunden in den Neusätzen bei Basel. Von Hrn. br. Alfr. Frey: Zähne von Hyo»otamus und Bruchstück einer Schild- krôte aus Wuschelsandsiein von Baden im Aargau. Von Hrn. Ed. Hoffmann: Gebirg-arten ven verschiedenen Gipfeln des #agne- Thaïis. Von Hrn. Wilh. Tschienischy: Fischabdrücke im Lias der Rütihard bei Basel. Von Hrn. Stud. Breiting: Zähne und Knochen aus dem Bonebed von Niederschön- thal. Von Hrn. R. Kaufmann-Neukirch: Tropfsteme und Mondmilch aus der Burghöhle im Simmenthal. Von Hrn. Dr. Friedr. Müller: Gebirgsarten aus der Umgegend von Tarasp. 830 Von Hrn. Bertholet, Lekrer am Gymnasium: Versteinerungen aus dem Neocomien von Sissingen, Von Hrn. Gillieron, Lehrer: Ammonites Humphriesianus ven Broc, Kt. Freiburg. Von Hrn. Conzertmeister Bargheer: Verschiedene Versteinerungen und Mineralien. Von Hrn. Ed. P:gnard, Professeur à l’école normale de Porrentruy : Schenkelknochen und Wirbel des Megalosaurus von Moutiers, Kt. Bern. Von Hrn. Oberlieut. Chevillard in Hüningen: Devonische Versteinerungen aus der Umgegend von Befort. Von Herrn br. Greppin; Verschiedene Versteinerungen. %. Für die physikalische und chemische Sammlung. | Von Hrn. Hofrath Wöhler in Göttingen: Chemische Stoffe, Yagnesinm u A. Von Hrn. Rossart, Photograph: Ein Stück chemisch reines Silber. Von Hrn. Appellationsrath R. Geigy-Merian: Krystal'isirtes Cyanin und andere chemische Stoffe. Von Hrn. H. Sainte Claire Devilie in Paris: 2 Kil«gr. Baryum-Superoxid. Von Hrn. Scheurer-Kestner in Thann: Verschiedene chemische Stoffe: Kalipermanganat, Trau- bensäure u. s. f. Von Hrn. Peter Hagentach: Thermometer von 1755 von J. J. Bavier nach DuCrest. Von Hrn. Mechasikus G. Linder: Altes Thermometer nach Dufrest. 831 Von Hrn. Rathshr Eman. Burckhardt-Fürstenberger: Stanhope’sche Loupe. Von Hrn. G. Kiefer-Bär: Ein Puiverisateur. Von Hrn. Telegraphencontroleur Heer: Daniel’sche Batterie mit kleinen Zellen. Photographie einer Blitzplatte. Von Hrn. Dr. Fritz Burckhardt: Nivellirinstrument mit Compass. Thermometer nach DuCrest. Altes Weingeistthermometer nach Reaum. Apparate für subjective Farben. Ven Hrn. F. Becker, Lehrer an der fewerbeschuie: L«garithmenstab und Maassstab. Von Hrn. Prof. Ed. Hagenbach: Zwei Nicol'sche Prismen von Hartnack in Paris. Ein feines Thermometer in !/,; Grad getheilt von Fastre in Paris. Eine mikroscopische Photographie und Eine Anzahl physikalischer Gegenstände. 5. Für die naturwissenschaftliche Bibliothek. Von der geologischen Commission der schweiz. naturforsch. Gesellschaft: Beiträge zur geolog. Karte der Schweiz. 1—2 Lief. 1863—64. 4° mit Atlas-Fol. Von dem Verein für Naturkunde des Herzogth. Nassau: Jahrbücher XVII— XVII. 1861 63. Von der Société industrielle in Mülhausen: Bulletin XXXII—XXXV. 1862 —65. Von der naturkundigen Vereinigung in Bat:via: Tijdschrift XXIV—XXIX. 1. 1862—65. Von der deutschen geologischen Gesellschaft in Berlin: Zeitschrift XIV— XVI. 1862—65. { 832 Yon der Royal Society in London: Proceedines. XII—XV. N°. 80-86. 18623 —66. Von der Chemical Society in London: Journal. XV. 10 —12. XIX. 1—9. 1862 —66. Von der zoologis-hen Geseilschaft in Frankfurt a. M. Der zoologische Garten. LE N°. 7—12. IV—-VL VI. Nr. 1—6. 1862 —66. Von dem istituto Lombardo in Mailand: Atti LI 9—20. 1862. 63. 4°. Memorie. IX. 1863. 4°. Atti della distribuizone dei Premj. 1863. Rendiconti. !. 31. 1864— 65. Annario 1864. 8°. Von der Universität Christiania: Schübeler, die Culturpflanzen Norwegens. 1862. 4°. M. Sars, Lophogaster typicus. 1852. 4°. Hiortdahl og ;rgens, Geologiska Undersögelser i Bergens Omegn. 1862. 4°. | Beck, Graptolitherne. 1851. 4°. M. Sars, Om Siphonodentalium vitreum. 1861. 4°. — Geologiske og zooiogiske Jagttagelser. 1863.4°. G. CO. Sars Om en zoslogisk Reise. 1863. 8°. u. 1864. Siebke, entomologiske Reise. 1863. Aarsberetning for. 1861. 1862. Halvhundredaars-Fest. 1861. Irgens og Hiordahl, Om de geologiske Forhold af Bergenhus Amt. 1864. 4°. Blytt, Botanisk Reise. 1864. Kierulf, Veiviser i Christiania Omegn. 1865. 4°. M. Sars, Om de i Norge forkommend fossile Dyrele- veninger fra Quartærperioden. 1865. 4°. G. 0. Sars, Norges Ferskvands Krebs dyr. I. 1865. 4°. Von dem zoologisch-mineralog. Verein in Regensburg: Correspondenzblatt. XVI—XIX. 1862 — 65. Abhandlungen. IX. 1864. 833 Von der Royal Society etc. in Dublin: Dublin quarter!y Journal of scienc. 11I—Vf. 3. 1863 bis 1865. Von der physik. medicinischen Gesellschaft in Würzburg: Naturwissenschaftliche Zeitschrift IL 2—4 bis VI. 2 1862 —£6. Von der Senckenbergischen naturf. Gesel'schaft in Frark- furt a. M. Abhandlungen. IV. 2—%. V. 1. 2. 1863—64. 4°. Von der Royal Institution in London: Notices of the Proceedings. IH. 1. 2.—1V. 6. 1862—65. Von dem natarhistor. Verein der xreussischen Rheinlande: Verhandlungen. XIX. — XXI. 1852 —65. Von der Société des Sciences nat. de Luxembourg: Société des Se. nat. V—Viil. 1862 —65. Von der Société d'Agriculture ete. de Lyon: Annales 3. Ser. iV.— VIT 1860—63. Von der Académie des Sciences de Lyon: Mémoires. Classe des Sciences. 1861—63. = Classe des Letires 1860—63. Bulletin. 1865. Von der K. Gesellschaft der Wissenschaften in Gôttingen: Nachrichten. 1862—65. Von der naturfor. Gesellschaft in Bern: Mittheilungen. No. 497—602. 1862 — 66. Von der zaturf Gesellschaft zu Görlitz: Abhandlungen. XI. sammt Karte. XII. 1862—65. Von dem naturhist. Verein Lotos in Prag: Lotos. VIIE.—X!V. 1858— 1862. Von der K. Akademie der Wissenschaften zu Amsterdam: Verhandelingen. VIIL—X. 1862—64. 4°. Verslagen en Mededeelingen. 1862 — 66. — — Afdeeling Letterkunde. IX. 1865. Jarbek for 1861—65. 834 Processen Verbaal. 1865 —66. Catalogus van der Bekerij Îl. 1. 1866. Von der fociet: italiana di Scienze naturali in Mailand: Atti. IV.—IX. 1. 1863 — 66. Von der Société imp. des Naturalistes de Moscou: Bulletin. XXXV.—XXXIX. 1. 1862—66. Von dem Yerein für Naturkunde in Pressburg: Correspondenzblatt. I. II. 1862. 63. Von dem geogucst. montanist. Verein für Steiermark: 12. Bericht 1863. Zollikofer, geolog. Verhältnisse von Unter-Steiermark. 1862. 40. Zollikofer und t’obanz, Höhenbestimmungen in Steier- mark. 186%. 4° nebst Karte. Stur, die neogenen Abiagerungen im Gebiete der Mürz. 1864. 4°. Von der K. Akademie der Wissenschaften in Wien: Sitzungsberichte der mathem. naturwissensch. Classe. XLV.— Li. 1862—65. Register v. B. 43—50. Almanach. 1863 —63. Von dem naturhistor. Landesmuseum in Kareten: Jahrbuch. i862—65. Von der k. geologischen Reichsanstalt in Wien: Jahrbuch. Xil.—XVlI. 2. 1861—66. 4°. Generalregister der ersten 10 Bände. 1863. 4°. Hörnes, die fossilen Mollusken des Tertiärbeckens von Wien. fi. 5. 6. 1864. 4°. Von der Linnean Society in London: Transactions XXIII.—XXV, 2. 1861—65. 4°. Journal of the Proceedings. Zoology. V!.—IX. 1861 bis 1866. Botany VI—IX, Adress. 1862. 835 Von dem physikalischen Verein in Frankfurt a. M.: Jahresbericht für 1861—62 bis 186%—65. Böttiger uni Oppel, Beglückwünschungschrift zur Jubel- feier der Senckenbergischen Stiftung. 1863. Von dem naturhister. medizin. Verein in Heidelberg: Verhanilungen. Il. 1. 5. IV. 1. 2. 1863—66. Von der zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien: Verhandlungen. XI.—XV. 1862—65. Register zı Bd. V.—X. 1862. Von der naturhistor. Gesellschaft zu Hannover: 12.—14. Jahresbericht. 1863 —65. 4°. Von der K. Akademie der Wissenschaften zu Berlin: Monatsberichte aus den Jahren 1862 —65. Von der K. Akademie der Wissenschaften zu München: Sitzungsberichte. 1862. !l. bis 1866. 1. / Seidel, Resultate vhotometr. Messungen. 1862. 4°. A. Wagner, foss. Fische aus den lithograph. Schiefern. IL 1863. 4°. Martius, Denkrede auf Andr. Wagner. 1862. 4°. Liebig, !'rancis Baco von Verulam. 1863. Döllinger, König Maximilian Il. 1864. Buhl, über die Stellung der patholog. Anatomie. 1863. 4°. Liebig, Induction und Deduction. 1865. Nägeli, Begriff der naturhistor. Art. 1865. Von der physikalisch-ökonom. Gesellschaft zu Königsberg: Schriften. Hi. IV, 1863. 64. 4°. Von dem österreichischen Alpenverein in Wien: Mittheilungen. I. IL. 1863. 64. 8°. Verhandlungen I. 1864. Jahrbuch. ]. Il. 1865. 66. Von der Accademia dei Georgofili in Florenz: Atti. Nuova Serie L.—XII. 1. 1854—65. 57 836 Von dem Bureau der geologischen Untersuchung von Schweden: Sveriges Geologiska Undersökning. L—XVII. 1862 bis 1865 mit Karten. Von dem Verein für Naturkunde zu Cassel: 13. und 14. Bericht. 1860 —6#. Von der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz: Neues Lausitzisches Magazin. XL. 2. bis XLIL 1863 bis 1865. Von dem naturwissenschaftl. Verein in Hamburg: Abhandlungen. IV. 3. 1862. 4°. Von den Herren Geschäftsführern: Amtlicher Bericht über die 37. Versammlung deutscher Naturforscher in Karlsbad 1862, von Leschner und von Hochberger. 4°. — 38. in Stettin 1863 von Dohrn und Behm. 4°. — 39, in Giessen 1864 von Wernher und Leuckart. 4. Von der naturforschenden Gesellschaft Graubündens: Jahresbericht. VIIL.—X. 1863-—66. Von der Zoological Society in London: Proceedings 1861—1865. List of the vertebrated animals in the Gardens. 1862. 8°. Report of the Council 1866. | Von der Smifhsonian Institution in Washington: Report for 1861—64. Smithsonian Contributions. XIII. XIV. 1864—65. 4°. Binney, Bibliography of North American Conchology. 1. 1863. 8°. | Results of Metereological observations. II. 1. 1864.4 ° Von der U. S. Coast Survey : Report for 1859—62. Von dem U. S. Patent Office: Report for 1861. Agriculture. 837 Von der Ohio Staats -Ackerbauhörde: 16. bis 19. Jahresbericht für 1862-65. Von der Akademie der Wissenschaften in St. Louis: Transactions U. 1. 2. 1863—68. Von dem Lyceum of Natural history in NewYork: Annals. VIL 13—16. VIEIL 1. 1862. Von dem Museum of comparative Zoology in Cambridge: Report 1862 —653. Bulletin. 1864. 65. Illustrated Catalogue. Nr. 1 und 2. 1865. Von dem naturwissenschaftlichen Verein für Sachsen und Thüringen in Halle: Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften. XX.—XXIV. 1862—65. Von dem Oberhessischen Verein für Natur- und Heilkunde: 10. und t1. Bericht. 1863—65. Heyer und Rossmann, Phænerogamen Flora der Pro- vinz Oberhessen. 18609 —63. Von dem naturhistor. Verein in Augsburg: 16.—18. Bericht. 1863—65. Von der Société d’emulation du Dep. des Vosges: Annales. YIIT.—XII. 2. 1863—66. Von der Société d'histoire naturelle de Colmar: Bulletin 1.—V. 1860—65. Von der Natural Society in Dublin: Proceedings. I. 3. HL IV. 1. 2. 1859—65. Von dem Ferdinandeum in Innsbruck: Zeitschrift III. Folge 11. Heft. 1863. 30. Bericht. 1864. Von der Société Vaudoise des Sciences naturelles: Bulletin. VIL—IX. No. 55. 1863—66. Von der K. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften: Abhandlungen. VI. VII 1854. 66. 4% Berichte XIL.—XVI. 1863—65. 57”. 838 Von der Schlesischen Gesellschaft für vaterländ. Cultur: 40r—43r Jahresbericht und Abhandlungen 1863—66. Von der Société des Sciences naturelles von Neuchatel: Bulletin VI. VII. 2. 1863—66. Von dem Offenbacher Verein für Naturkunde: Ar— Tr Bericht. 1863—66. Denkschrift an die Senckenbergische Stiftung. 1863. 4°. Von der K. Akademie der Wissenschaften in St. Peters- burg: | Mémoires. 7. Ser. IV. —X. 1. 2. 1862-66. 4°. Bulletin. IV —IX. 1862—66. 4°. Das 50jäbrige Doctor-Jubileum von Ernst von Ber. 1865. 4°. Von dem Mannheimer Verein für Naturkunde: 29r—32r Jahresbericht. 1863 —66. Von der naturforsch. Gesellschaft in Emden: A8r—51ir Jahresbericht. 1863 —65. Kleine Schriften. X. XI. 1863. 4°. Festschrift am 29. Dez. 1864. 4°. Von der naturforsch. Gesellschaft zu Freiburg i. Br.: Berichte. LIL 1—4. 1863—65. Von der K. Schwedischen Akademie der Wissenschaften: Oeversigt. XIX. — XXI 1863—65. Meteorologiska Jakttagelser. HI.—V. 1861—63. #°. Loven, Om Oestersjön. 1864. Von der naturforsch. Gesellschaft in Danzig: Schriften. Neue Folge I. 1. 2. 1863—65. Von dem Württembergischen naturwissensch. Verein: Jahreshefte XIX.—XXIL 1. 1863—66. Von dem naturforschenden Verein in Brünn: Verhandlungen. L—III, 1863—65. Von der Academie des Sciences de Dijon: Mémoires 2e Ser. X. XI. 1863. 64. 839 Von der Société d'Agriculture de la Côte d'or: Journal. X XIV. 1862. 8°. Von der Ungarischen Akademie der Wissenschaften: Magyar Akademiai Ertesitö. IL IL 1. 2. 1861. 62. 8°. Mathematikai Közlemenyek. Il. 1863. 8° und 3 Abhandlungen von Szabo, Margo u. Nendtwick. 4° Von dem Institut national Geneveis: Mémoires. 1.—X. 1854—66. 4°. Bulletin .—XIV. 1833—66., Von der Société de Physique de Genève: Mémoires. XVII XVII. 1863— 66. 4°. Von der Société imp. des Sciences nat. de Cherbourg: Mémoires. IX. X. 1863. 64. Von der naturforsch. Gesellschaft in Zürich: Vierteljahrsschrift VIT. VIIE 1862. 63. Von der geographischen Gesellschaft in Wien: Mittheilungen Vi.—IX. 1862—65. 4°. Von der naturwissensch. Gesellschaft in St. Gallen: Bericht. 1863. 64. Von der Boston Society of Natural history: Journal. VII. 1857—62. Proceedings IX. X. 1862 —66. Rerort. 1865. Von der naturforsch. Gesellschaft in Nürnberg: Abhandlungen. ill. 1. i®64. Von der Gesellschaft Pollichia: XIX. —XX1. Jahresbericht. 1861—63. Von dem naturwissensch. Verein des Harzes: Berichte für 1861 und 62 4°. Von der Basler Section des Schweizer Alpenclubs: Jahrbuch des Schweizer Alpenelubs. 1.—II. 1864—66. Von der Academy of Natural Sciences of Philadelphia: Proceedings. 1852 —65. 840 Von dem Hofmineraliencabinet in Wien: Schrauf, Katalog der Bibliothek. 1864. 8°. Eine Anzahl mineralogischer Schriften im Austausch gegen Doubletten. Von der Société Jurassienne d’Emulation: Actes. 14e Session. 1864. 8°. Von dem naturwissensch. Verein in Carlsruhe: Verhandlungen 1. {. 2. 1864—66. 4°. Denkschriit zum Schutze gegen Verderbniss des Bodens, 1866. Von dem Werner Verein in Brünn: Statuten. 1854. 4°. ir—13r Jahresbericht 1852— 6%. 4°. Koristka, Hypsometrie von Mähren. 1863. 4°. Von dem naturwissensch. Verein für Steiermark: Mittheilungen. I.—ilIl. 1863—65. Von der naturforsch. Gesellschaft in Bamberg: 6r und Tr Bericht. 1861—64. Von der Wetterauischen Geseilschaft für Naturkunde: Jahresbericht. 1861—63. Von der allgemeinen schweizerischen naturforsch. Gesell- schaft: Topographischer Atlas der Schweiz. Bl. XII. Von der Scciété d’emulation du Dep. du Doubs: Mémoires. 3e Ser. VIL 1864. Von der Philomathie in Neisse: Denkschrift. 1863. 14r Bericht. 1865. .Von dem Consiglio di Perfezionamento di Palermo: Giornale I. 11. 1. 1864. 4°. Von der Schweiz. entomologischen Gesellschaft: - Mittheilungen. I. il. 1. 2. 1862—66. Von der Universität Upsala: Aarskrift. 1864. 65. 841 Elowson, Theorie för Lifräntor. 1865. Lilljeborg, Bidrag til Kännedomen om Tanaidernas. 1864. 4°. Nova Acta. Ser. 3. IV. 2. V. 2. 1863—65. 4°. Von der Port!and Society of Natural history: Journal I. No. 1. 1864. Proceedings. I. 1862. Von der Académie royale de Belgique: Bulletins. 2e Ser. XIX. 1865. Annuaire. 1865. Von der Universität Lund: Acta för 1864. 4°. Von dem naturhistorischen Verein in Zweibrücken: 2r Jahresbericht. 1865. Laubmann, Bodenkarte der Umgebung von Zwei- brücken. 1866. Von dem naturwissensch. Verein in Bremen: ir Jahresbericht. 1866. Abhandlungen I. 1. 1866. Von dem Verein der Aerzte in Steiermark: 2r Jahresbericht. 1866. Von der K. mineralogischen Gesellschaft in St. Petersburg: Verhandlungen. Jahrgang 1863. | Von der K. Universität in St. Petersburg: Jahresbericht 1864/65. . Von der K. Sächsischen Bergakademie zu Freiberg: Festschrift. 1866. 4°. Von der Académie de Montpellier: Memoires de la Section des Sciences. YI. 1. 1864. 4°. — de Medecine. IV. 1. 2. 1863. 64. Von der Gesellschaft Isis in Dresden: Sitzungsberichte. 1866. 1—9. Von der Société d’histoire naturelle de Strasbourg: Mémoires. VI. 1. 1866. 4°. 842 Von der Chicago Academy of Sciences: Proceedings. 1866. Von der litterary and philosophical Society of Manchester: Memoirs. 3e Ser. Il. 1865. Proceedings. IL. IV. 186%. 65. Von Hrn. Appellationsrath J. R. Burckhardt: Von Segesser, Witterungsprognostik. 1817. Lyell, Antiquity of Man. 1863. Morinus Romanus de re Metallica. 156%. 4°. Tschudi, das Ungeziefer. 1865. Mémoires de la Soc. d’&mulation du Doubs. 3e Ser. Vi. VII. 1562. 64. Blainville, Theorie de la Creation. 1856 und eine Anzahl kleiner Schriften meist über Bäder und die Schweiz. den Erben von Frau Ch. Burckhardt-Bernoulli: Seba Rerum nat. thesaurus. 1.—IV. 1734—65. fol. Esper, Pflanzenthiere. I.—Ill. und Fortsetzung. 1791 bis 1797. 4°. Plancus, de Conchis minus notis. 1760. 4° Swammerdam, historia Insectorum. 1685. 4°. Leonhard, topegraph. Mineralogie. 1.—IL1. 18095—9. Emmerling, Mineralogie. 1. 1799—1802. Rajus, Synopsis Avium et Piscium. 1713. Zinken, ökonom. Lexicon. I. IH. 17-0. Pluche, Spectacle de la Nature, 1.— VIE 1735—50. Bradley, Verhandeling van den Werken der Natuure. 174%. Bayle, Dissertationes physicæ et medicæ. 1678. 12°. Socin, Anfangsgründe der Elektrieität. 1777. Vieth, Naturlehre. 1823. Hoffmann, Anleitung zur Chemie. 1779. Struve, Essais relat. a la Chymie. 1772. Martin, Tables. 1817. 843 Dictionnaire de Chymie p. Macquer. I. IE. 1768. Dissertation sur les chemins de Lorraine. 1727. 4°. Laneisius, dissertatio. 1715. 4°. Pozier, Observations sur la Physique. Introd. I. If. und 1L—XLI. 1773—92. 4°. Schinz, Beschreibung der Nester und Bier. L—VI. 1819. 4°. Gesner, de Annonæ conservandæ methodis. 1761. %°. Von Hrn. G. Ritier von Frauenfeld: Eine Avzahl von Separatabärücken aus den Verhand- lungen der zoolog. botan. Gesellschaft in Wien. Von Hrn. Prof. C. F. Schenbein: Leconte essai sur les eaux de Luxueil. 1860. P. J. Maier, Varia über Java. 1846—62. Trabalhos, do Observatorio meteorologico do Infante Don Luis. 1852. 6%. fol. Liebig, die Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur. 1.17.4863: | Rivot, analyt. Mineralchemie. 1. 1. 2. H. 1. 1363—66. Wagner, Chemie. 1858. 5°. j Grandeau et Laugel, Revue des Sciences. 1863. Darwin, Entstehung der Arten, dargestellt von Rolle. 1863. Atti della sesta Riunione degli Scienziati !taliani Mi- lano. 1845. 4°. Oetinger, die Metaphysik in Connexion mit der Chemie. Johnston, Agricultural Chemistry. 1845. Süskind, Naturlehre. 1812. Whewell, on the Plurality of Worlds. 1854. Schützenberger, sur les substitutions des éléments électronégatifs aux métaux. 1863. Schmidt, über das Ozon im Blute. 1862. Beckel, de lOzvne comme élément météorologique. 1862. 844 Nickles, sur les relations d’Isomorphisme des métaux du groupe de l’Azote. 1862. Hodgkin, the means of promoting Health. 1841. Nittinger, die Impfzeit. 1859. Report of the 32d Meeting of the British Association for 1862. Schönbein, die nächste Phase der Entwicklung der Chemie. 1860. Thury, sur la production des sexes. Notice sur les Mi- croscopes. Glaciéres naturelles. 1861—63. Schiff, Combinazioni poliacide. 1563. Scoutetten, Électricité du sang. 1864. Wöhler, Verbindungen des Siliciums. 1863. #°. A. Mitscherlich, Beiträge. 1862. Abhandlungen der mathem. physik. Classe der K. bayerischen Akademie. VIIL 2. 3. IX. 3. 1858 bis 1863. 4° Graham, Liquid diffusion 1861. 4. Despretz, Physique. 1827. — Éléments de Chimie. I. 1829. Muncke, Naturlehre. 18%2. Eisenlohr, Physik. 1852. Lippold, Naturlehre. 1817. Pouillet, Physique I. 1. 2. 1827. Löwig, Chemie der organischen Verbindungen. I. I. 1845 und 1846. — Grundriss der organischen Chemie. 1852. Schrötter, Chemie. I. II. 1845—9. Schulze-Montanus, Reagentien 1330. Scoutetten, de l'Électricité comme cause de l’action des eaux minérales. 1864. Bolley, Handbuch der chemisch- technisches Unter- suchungen. 1853. Pettenkofer, Zeitschrift für Biologie. I. 1865. 845 Tyndall on Radiation. 1865. Cook, Registration of Ozone in the Bombay Fresi- dency for 1863—64. fol. Transactions ofthe Royal Society of Edinburgh. XXIV. 1. 1865. 4°. Proceedings No. 65. 1865. Berlin, nouveaux opuscules de Physique. 1865. 40. Lavoisier, Oeuvres. 1.—lIIl. 1862—65. 4°. Meissner und Shepard, über die Enstehung der Hippur- säure. 1866. Scoutetten, Actions électriques des eaux minérales. 1866 und eine Anzahl kleiner meist chemischer Schriften. Yon Hrn. Prof. Albr. Müller: Descioizeaux, Obvervations sur l’action de la chaleur sur quêques propriétés optiques. 1862. 8°. — sur la forme cristalline de la Téphrite. 1862. 8°. Te SUT les formes crist. du Castor et du Pétalite. 1863. 4°. — sur l’'Amblygonite. 1863. %°. Gerwig, Abflussverhältnisse des Bodensees und Be- leuchtung von Hartmann. 1862. 8°. Gœppert, über Liaspflanzen im Kaukasus. Ueber die Tertiärflora der Polargegenden. Ueber die Stein- koble zu Maliowka. 1861. Cimino, Giornale delle Alpe Apennini. 1. 1. 2. 1864. J. Müller, Kosmische Physik. 1856. Desor, Gebirgsbau der Alpen. 1865. Damour, Composition des haches en pierre. 1865. 4°. 1866. Albr. Müller, Alpenpanorama v. Hôhenschwand. 1865. Ueber die Wiesenbergkette. 1862. Ueber neue Erwerbungen von Mineralien im Museum. 1863. Ueber die krystallin. Gesteine des Made- ranerthals und weitere Beobachtungen. 1866. 846 Albr. Müller, Catalog der Schweiz. Baumaterialien- Ausstellung 1866, und eine Anzahl kleiner Schriften. Von Hrn. Boucher de Perthes in Abbéville: Sur la machoire humaine d’Abbeville 1863. 4°. Antiquités celtiques et antediluviennes. Il. 1857. Sur les Silex tailles de la Somme. 1861. 4°. Von Hrn. Prof. L. Rütimeyer: Rütimeyer, Beiträge zur Kenntniss des fossilen Pferdes, 1863. 8°. Gewitterschaden ven 1834, 22 Schriften. Schriften über Bergfälle und Flusscorrectionen in der Schweiz. Rütimeyer, die Bevölkerung der Alpen. 186%. 8°. Villanova, sobre la Provincia die Castêllan. 1859. 4°. Beschreibung derer Grossen Heuschrecken. 1748. 4° Rütimeyer, neue Beiträge zur Kenntniss des Torf- schweins. 1863. Kübler und Zwingli, microscopische Bilder. I. 1864. 4. Rütimeyer, Beiträge zu einer paläontologischen Ge- schichte der Wiederkäuer. 1-65. Archiac, Leçons sur la faune quarternaire- 1865. Rütimeyer, Versuch einer natürlichen Geschichte des Rindes. !. 1866. Galton, Vacation Tourist. 1862. Rütimeyer, über Art und Race des zahmen europäi- schen Rindes. 1866. — Litteratur zur Kenntniss der Alpen, 1866. Von Hrn. Prof. Wilh. His: Ecker, Icones physiologicæ. Ate Lief. 1859. fol. Von Hrn. Lucas David: Neuer Schauplatz der Natur. 1.—X. 1775—81. Von den Herren Herausgebern: Silliman and Dana, American Journal of Science. 2d Ser. XXXIV.— KLE 1862—66. 847 Von Hrn. Prof. P. Strobel: P. Strobel, Ricerche uelle Terremare del Parmigiano. 1863. Pigorini e Strobel, die Terramara-Lager der Emilia, I. 1863. 4°. Strobel, Avanzi preromani nelle Terremare dell’ Emilia. 1. 1863. 4°. Von Hrn. Prof. F. J. Pictet in Genf: 47 Session de la Société he!vet. des Sc. nat. a Samaden. 1863. 8°. Théobald, Note sur la Géologie de la haute Engadine. 1863. 8°. Von Herrn Prof. Rud. Merian: Astronomische Nachrichten. XXVIL—LIV. mit Ergän- zungsheft und Register. 1848—6i. 4°. - Berliner astronomisches Jahrbuch für 1850—1860. Connaissance des Temps pour 1851—62 av. Additions. “ Studer und Escher, geolog. Karte der Schweiz. 1863. Von Hrn. Prof. C. E. E. Hoffmann: C. E. E. Hoffmann, Aufnahme des Quecksilbers und der Fette in den Kreislauf. 1854. — endosmotische Aequivalent des Glaubersalzes. 1858. 4°. — endosm. Aequivalent mehrerer chemischen Ver- bindungen. 4°. — Nervus vagus bei Fischen. 1869. 4°. Emmrich, Vegetationsverhältnisse v. Meiningen. 1851. 4°. Gessnerus redivivus. 1669. fol. Carlsbad und Umgebung. 1862. Herbarium Blakwellianum. 1.—V. 1750—60. fol. Aem. Macer, de herbarum virtutibus. 1527. Strabo, hortulus. 1527. Von Hrn. Bürgermeister €. F. Burckhardt: Devincenzi, on the cultivation of Cotton in Italy. 1862. 848 Von der h. Regierung: Beiträge zur Statistik der innern Verwaltung des Grossh. Baden. XV. 1863. 4°. Geelog. Beschreibung der Umgebungen der Rench- bäder. 1863. 4°. Dietz, die Gewerbe im Grossh. Baden. 1863. Schweiz. meteorolog. Beobachtungen. 1. u. El. Jahrg. 186%. 65. 4°. Naville, sur l’epizootie de la race bovine en Angleterre. 1866. : Von 1. Museums-Verein: Blainville Ostéographie. 26e Livr. 1864. 4° und fol. Von |. Lesegesellschaft: Bibliothéque universelle. Sciences et Arts. I—LX. 1816—35. — Agriculture. L.—XIV. 1816—29. — Nouvelle Serie. .—LX. 1836 —45. — Archives de l’Electricite. I.—V. 1841—45. — ke Serie. I—XXXVIL 1846—57. —. Archives des Sciences physiques et naturelles. MH l'Institut. 9—28e année. 1841—60. 4°. Bulletin de la Société industrielle de Mulhouse. 1.—XXIX. 1828—58, Transactions of the Society for the encouragement of Arts. L—XXXV. 1783—1817. Mechanics Magazine. 1.—XV. 1823—31. Drechsler, Naturhistor. Zeitung. Neue Folge. I—lIl. 1855 —57. LeVerrier, Bulletin international de l'Observatoire. 1856. fol. Von Hrn. Prof. Wilh. Vischer-Bilfinger: Bezout, Cours de Mathématique. I.—IV. 1800—1803. 19 Pujoulx, Leçons de Physique. 1805. Klein, Festigkeit kreisförmig gebogener Körper. 1865. Von Hrn. Dr. Christoph Burkhardt: Meyer, geognost. Uebersicht der helvetischen Gebirgs- formationen. 1805. Hales, Hæmastatique. 1744. 4° Brisson, Règne animal. 1756. 4°. Harsdörffer, Mathematische Erquickstunden. 1651. 4°. Oekonomie-Wochenblatt- 1.—IX. 1790—98. 4°. Von Hrn. Stadtrath Rud. Mer;an-Burckhardt: Prony, Leçons de Mécanique analytique I. EI. 1810 bis 1815. 4°. Dulong et Petit, Recherches sur les mesures des Tem- peratures. 1818. 4°. Von Hrn. Prof. Joh. Schnell: Isaak Newton. 1865. Von Hrn. Dr. Carl Stehlin: Killias, die Heilquellen von Tarasp-Schuls. 1865. 4°. Von den Erben von Hrn. Andr. Laroche: Nelkenbrecher, Taschenbuch. 1805. Von der Familie Vrolik in Amsterdam: Dusseau, Musée Vrolik. 1865. Von der Ritterschaft Esthlands: ‚ Karl Ernst v. Baer, Nachrichten v. seinem Leben. 1865. Von Hrn. Dr. Alb. Burckhardt: Corti, de systemate vasorum Psammosauri grisei. 1847. 4°. Von Hrn. Dr. Fritz Burckhardt: Adam Ryse, Rechnung. 15#4. Illuminirbuch. Cramer, Accoumodationsvermögen der Augen. 1855. Coccius, Augenspiegel. 1853. Classen, Schlussverfahren des Sehactes. 1863. Hasner, Untersuchung des Augengrundes. 1855. Helmholz, Augenspiegel. 1851. 850 Krause, Brechungsindices des Auges. 1855. Meissner, Physiologie des Sehorganes. 1854. — Bewegungen des Auges. 1855, F. Burkhardt, über die Bestimmung des Vegetations- punktes. 1858. — Ueber Contrastfarben, 1862 u. 1865. — Die Empfindlichkeit des Augenpaares für Dop- pelbilder. 1861. Saggi di Esperieze fatte nell’ Accademia del Cimento 1841. Von dem Schweiz. Polytechnikum: Verzeichniss der Bibliothek. 1866. Von Hrn. Prof. Peter Merian: Eine Anzahl vornehmlich mineralogischer Schriften. Von der Herren Verfassern: H. Kinkelin, die schiefe axonometrische Projection. 1863. Chr. Aeby, neue Methode zur Bestimmung der Schädel- formen. 1862. 4°. JUL RR, G. Meissner, Untersuchungen üb. den Sauerstoff. 1863. G. Wiedemann, Lehre vom Galvanismus. IL 2. 1863. H. M. Brunner, Bedenken gegen die Lagerung von Leichenäckern. 1863. J. R. v. Fellenberg, Analysen antiker Bronzen. 6e —9e Forts. 1863 — 69. H. Abich, sur la Géologie du Daghestan. 1862. A". J. D. Graham, Report on Mason and Dixons Line. 1862. Schattenmann, Mémoire sur la culture de la Vigne. 1863. R. Blanchet, sur la maladie des Plantes. 1863. W. His und L. Rütimeyer, Crania helvetica. 1864. 4°. Moriz Roth, Untersuchungen über die Drüsensubstanz der Niere. 1864. T. H. Barker, On Maiaria and Miasmata. 1863. F. Sandberger, zur Erläuterung der geolog. Karte der Umgebung von Carlsruhe. 1864. 4°. 851 €. Mesch, Tabelle der Schichten des Aargau. 1864. Ch. Mayer, Tableau synchronistique des Terrains Ju- rassiques. 156%. €. Neumann, Theorie der Elektricitäts- und Wärme- vertheilung in einem Ringe. 1864. C. Bruch, Untersuchungen über die Entwicklung der Gewebe bei warmblütigen Thieren. I. 1863. 4°. J. Dean, the gray substance of the Medulla oblongata. 1864. 4° mit Photographieen. F. Kuhlmann, Force crystallogénique. 1—3. 1864. 1°. Kräglinger, Verzeichniss der Land- und Süsswasser- conchylien des Grossh. Baden. 186%. 4 H. Schlagintweit, über den Einfluss der Feuchtigkeit auf die Insolution. 186%. Th. Zschokke, Witterungsbeobachtungen in Aarau im Jahr 1864. J. B. Ullensperger, Memoria sobre la influenza del cultivo del Arroz. 1864. 4°. | E. Stitzenberger, Conspectus gen. Opegraphæ. 1864. F. F. Runge, der Bildungstrieb der Stoffe. 1855. fol. — -— Hauswirthschaftliche Briefe. I. 1866. A. Favre, Precis d’une histoire du terrain houiller des Alpes. 1865. | À. d’Epine et E. Favre, Observations géolog. sur quel- ques parties des Alpes. 1865. A. zen über die Meteoriten. 1863. == Ueber die Zusammensetzung des Apophyliit. 1863. . — — Ueber die Zusammensetzung des Stauro- lith. 1863. G. de Mortillet, Revue scientifique italienne. I. 1863. = _- les Mystifies de l’Academie des Scien- ces. 1865. Mandy, le Naturalisme. 1865. 95 852 Descloizeaux, sur l’emploi du Microscope polarisant. 1864. Carbonate de Magnésie et de fer dans le Météorite “d’Orgueil. 1864. — Origine de la Karstenite de Modane. 1864. v. Planta-Reichenau, Heilquellen von Alveneu. 1865. G. Theobald, Bormio und seine Bäder. 1865. J. F. C. Zöllner, Photometrische Untersuchungen. 1865. L. Lavizzari, Nouveaux phénomènes des corps cristal- lises. 1865. 4°. « W. A. Goster, Petrifications remarquables des Alpes suisses. 1863. 4°. — Echinodermes. 1865. 4°. v. Martius, Vorträge über die Florenreiche. 1865. Eichler, über den Blüthenbau der Fumariaceen. 1865. A. Scheurer-Kestner, Sammlung seiner chemischen Ab- handlungen. 1858 —65. Seguin aine, Mémoire sur les causes de la chaleur. 1865 D. Stur, silurische Petrefacte am Erzberg. 1865. 4°. R. Temple, über die Polnische Nation in der ôster- reichischen Monarchie. 1863. — — die deutschen Colonien in Galazien. 1860. — — das Mineralbad Krynica. 1864. — — über Giftpflanzen. 1866. — -—- über die Tropfsteinhôhlen in Demenova. — — über die Sodaseen in Ungarn. — — die Huculen. 1866. | À Blasquez, Memoria sobre el Maguey Mexicano. 1865. _ Paul Reinsch, über den Bau von Utricularia vulgaris. 1866. 4°. — — Der Naturselbstdruck. 1865. us — Morphologische Fragmente. 1865. L. Imhoff, die schweiz. Arten der Gattung Andrena. 1866. 833 E. Plantamour et A. Hirsch, Determination telegraphique de la difference de longitude entre les observa- toires de Genève et de Neuchätel. 1864. 4°. E. Plantamour, Expériences avec le Pendule à rever- sion. 1866. 4°. E. Oefele, die Unendlichkeit des animalischen Lebens. 1866. C. VonderMühll, leges quibus Lucis undæ reflexæ et refractæ pareant. 1866. 4°. James D. Dana, Classification of Mammals. 1863. = = On Cephalisation. 1—4. 1863—66. nn ee A word on the origin of Life. 1866. C. M. Wetherill, Experiments with Ammonium Amal- gam. 1865. Si = On the crystallisation of Sulphur. 1865. TS Se On the erystalline nature of Glass. 1866. = — the modern theory of Chemical Types. J. G. Fischer, Anatom. Abhandlungen über die Peren- nibranchiaten. 1864. 4°. / Verzeichniss der Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft in Basel vn. dann 18 0976 Ehrenmitglieder. Herr Nic. Fuss, Prof. der Mathem. in Petersburg (1843). . John Will. Herchel, Baronet in Slough (1839). H. F. Kuhlmann in Lille (1865). „ Ed. Rüpell, , Med. Dr., von Basel (1851). „ Max Pettenkofer, Prof. in München (1860). , I. Sainte-Claire-Deville, Akademiker in Paris (1865) „ €. H. Schallenmann in Buxwiller (1851). »„ Charles Wheatstone, Prof. in London (1839). Correspondirende Mitglieder. Herr Chr. Aebi, Prof. in Bern (1858). „ L. Agassiz, Prof. in Cambridge, Ver. St. (1836.) » M, Bider, Med. Dr. in Langenbruck (1839). » Rob. Blum, Prof. in Heidelberg (1864.) , P. À. Bolley, Prof. in Zürich (1861). „ Charles Bovet in Fleurier, Ct. Neuchatel (1840). 855 Herr Alex. Braun, Prof. in Berlin (1836). Ad. Brongniart, Prof. am Jardin des Plantes in Paris (1836). Karl Bruch, Prof. (1850). C. H. Buff, Prof. in Giessen (1830). Ed. Cornaz, Med. Dr. in Neuchatel (1856). Louis Coulon, Dir. des Museums in Neuchätel (1856). James D. Dana, Prof. in Newhaven (1860). | A. Daubree, Prof. am Jardin des Plantes in Paris (1861). Aug. de la Rive, Prof. in ‚Genf (1856). Adolphe Delessert in Paris (1839). A. Des Cloizeaux, Prof. in Paris (1864). Ed. Desor, Prof. in Neuchätel (1856). Dettwyler, Med. Dr. in Hellertown, Ver. St. (1836). L. Dufour, Prof. in Lausanne (1867). % Alex. Ecker, Prof. in Freiburg i. B. (1844). Aug. Wilh. Eichler, Dr. in München (1866).} W. Eisenlohr, Geheimrath in Carlsruhe (1867). A. Escher v. d. Linth, Prof. in Zürich (1867.) Carl Euler in Bom Valle, Brasilien (1865). J. @. Fischer, Dr. in Hamburg (1852). Georg Ritter von Frauenfeld, in Wien (1865). F. Frey-Herose, Alt-Bundesrath, in Bern (1835). Alphonse Gacogne in Lyon (1854). J. P. Gassiot, Esq. in London (1839). Thom. Graham, Münzmeister in London (1836). W. R. Growe in London (1839). C. F. Gurlt, Prof in Berlin (1838). Rud. Häusler, Med. Dr. in Lenzburg (1851). James Hall, Staatsgeolog in New-York (1860). 0. Heer, Prof. in Zürich (1867). James Pusc. Joule in Manchester (1860). Carles A. Joy, Prof. in New-York (1865). E. Im Thurm, Med. Dr. in Schaffhausen (1837). 856 Herr Kerner, Ph. Dr. in Frankfurt a. M. (1858). J. Kettiger, Seminardirector in Wettingen (1837). Adolf Krayer in Shangai (1864). F. Lang, Prof. in Solothurn (1867). C, J. Löwig, Prof. in Breslau (1838). C. F. Ph. v. Martius, Prof. in München (1838). J. J. Matt, Med. Dr. in Bubendorf (1839). J. B. Melson, Dr. in Birmingham (1839). Jul. Rob. Mayer, Ph. Dr. in Heilbronn (1858). Philipp Meyer, Militär-Apotheker in Batavia (1841). Hugo Mohl, Prof. in Tübingen (1836). K. Fr. Mohr, Prof. in Coblenz (1839). Mowatt, Med. Dr. in England (1830). E. Mulsant, Bibliothekar der Stadt Lyon (1851). Alexis Perrey, Prof. in Dijon (1842). Theod. Plieninger, Prof. in Stuttgart (1838). Paul Reinseh, Lehrer in Hochburg bei Emmendingen (1862). J. Reper, Prof. in Rostock (1826). F. F. Runge, Dr. in Berlin (1865). Friedr. Ryhiner, Med. Dr. in Nordamerika .1830). Dan. Schenkel, Prof. in Heidelberg (1839). A. Scheurer-Kestner, Chemiker in Thann (1866). W. P. Schimper, Prof. in Strassburg (1861). H. Schlegel, Dr., Director etc. in Leiden (1842). A. Schrötter, Prof. in Wien (1853). von Seckendorff (1838). J. R. Schuttleworth, Esg. in Bern (1836). C. Th. von Siebold, Prof. in München (1846). J. Siegfried, Quätor der schweiz. naturf. Gesellschaft, in Zürich (1867). Herm. Stannius, Prof. in Rostock (1846). Bernh. Studer, Prof. in Bern (1835): Ad. Tschudy, Dr., von Glarus (1839). 857 Herr G. Wiedemann, Prof. in Carlsruhe (1854). Ben. Wölfflin, Alt-Consul in Basei (1840). R. Wolf, Prof. in Zürich (1867). Heinr. Wydler, Med. Dr. in Bern (1830). Zimmer, Fabrikant in Frankfurt a. M. (1858). Ordentliche Mitglieder. Herr Sigmund Alioth, Med. Dr. (1844). F. Becker, Lehrer an der Gewerbeschule (1853). Joh. Bernoulli, zur goldenen Münz (1856). J. J. Bernoulli-Werthemann, Ph. Dr. (1826), Leonh. Bernoulli-Bär, Stadirath (1840). Wilh. Bernoulli, Med. Dr. (1862). A. Bischoff-Ehinger (1841). Ed. Bischoff (1855). H. Bischoff-Respinger, Stadtrathspräsident (1838). M. Bölger-Hindermann (1839). F. A. Bossard, Photograph (1864). F. Brenner, Med. Dr. u. Prof. (1830). Carl Bulacher, Ph. Dr. (1852). Aug. Burckhardt, Med. Dr. (1834). Chr. Burckhardt, Med. Dr., App.-Rath (1834). Dan. Burckhardt-Forcart (1849). Dan. Burckhardt-Thurneisen (1863). Elias Burckhardt, J. U. D., Stadtrath (1862). Fried. Burckhardt, Ph. Dr. (1853). Gottl. Burckhardt-Alioth (1863). Hier. Burckhardt-Iselin (1838). J, J. Burckhardt, J. U. D., Alt-Bürgermeister (1838). Carl Leon Burckhardt (1849). Ludw. Burckhardt-Forcart (1858). Karl Felix Burckhardt, J. U. D., Bürgermstr. (1867). 858 Herr Ludw. Burckhardt-Schönauer (1847). „ Mart. Burckhardt, Med. Dr. (1847). „ Rud. Burckhardt-Burckhardt, Med. Dr. (1839). „ Rud. Burckhardt, J. U. D., App.-Rath (1862). „ Wilh. Burckhardt-Forcart (1840). „ Herm. Christ, J. U. D. (1857). „ De Goumois-Lichtenhan (1857). » G. Dollfuss, Ingenieur (1861). „ E. J. Doswald (1862). „ Dan. Ecklin, Med. Dr. (1856). „ R. Forcart-v. Gentschik (1858). » FE. Geiger, Ph. Dr, Apotheker (1862). … J. Gerber-lieller (1866). „ V. Gillieron, Lehrer (1866). » €. F. Göttisheim, Ph. Dr., Regierungs-Sekretär (1863). „ F. Goppelsröder, Ph. Dr. (1859). » J. B. Greppin, Med. Dr. (1867). „ Conr. Grüninger, Lehrer (1863). » H. Gruner-His, Ingenieur (1860). „ €. Herm. Haagen, Med. Dr. (1861). „ Ad. Hägler, Med. Dr. (1863) + Mich. Hämmerlin (1840). '» Ed. Hagenbach, Prof, (1855). » Ed. Hagenbach, Med. Dr. (1867). „ Fried. Hagenbach, Stadtrath (1829). » Conr. Heer, Telegraphist (1867). „ Andr. Heusler-Ryhiner, J. U. D., Prof. (1830). „ Wilh. His, Prof. (1854). » Ed. Hoffmann, Chemiker (1864). » K. E. E. Hoffmann, Prof. (1863). » Th. Hoffmann-Merian (1863). » J. Hoppe, Prof. (1852). » Aug. Jenny, Lehrer (1862). » L. Imhoff, Med. Dr. (1826). Herr H. Iselin, Med. Dr. (1833). 192 J. Iselin-Burckhardt (1817). Herm. Kinkelin, Prof. (1860). S. G. Koller, Ingenieur (1861). Alfr. Kümmerlin, Apotheker (1862). Theod. Kündig, Ph. Dr. (1861). Carl Liebermeister, Prof. (1865). Alb. Lotz, Med. Dr. (1867). Lotz-Holzach, Oberstlieut. (1867). Rud. Maas, Med. Dr. (1856). C. Friedr. Meissner, Prof. (1828). Markus Meissner, Apotheker (1863). Heinr. Merian-Vonder Mühll (1843.) P. Merian, Prof. (1819). Rud. Merian, Prof. (1824). Rud. Merian-Burckhardt, Siadtrath (1847). Rud. Merian-Iselin, Rathsherr (1844). J. J. Mieg, Prof. (1819). J. J. Mieg, Apotheker (1864). F. Miescher, Prof. (1837). Albr. Müller, Prof. (1846). F. Müller, Med. Dr. (1856). J. J. Müller-Pack (1862). Chr. Münch, Alt-Pfarrer (1835). Wilh. Münch, Med. Dr. (1853). L. Oswald-Hoffmann (1839). Em. Passavant-Bachofen (1841). Em. Raillard, Med. Dr. (1830). G. H. K. Rauch, Apotheker (1855). K. Respinger (1843). Riggenbach-Stehlin (1867). D. P. Rittmann, Zahnarzt (1864). A. Rosenburger, Med. Dr. (1864). E. Rothenbach, Lehrer (1863). B. Rumpf, Med. Dr. (1855). 54 859 860 Herr L. Rütimeyer, Prof. (1855). „ Gerold Rütimeyer, Lehrer (1867). + F. Schaffner, Ingenieur (1864). „ H. Schiess, Med. Dr., Prof. (1864.) „ Joh. Schmidhauser, Lehrer (1867). „ Werner Schmidt, Ph. Dr. (1865). „ Ferd. Schneider, Apotheker (1865). „ C. F. Schönbein, Prof. (1828). „ S. Schwendener, Prof. (1867). „ Aug. Socin, Prof. (1864). » Alfr. Stehelin, Med. Dr. (1864). Aug. Siehelin-Brunner (1837). „ Ben. Stæhelin-Bischoff (1836). „ Chr. Stehelin, Prof. (1830). „ Emil Stehelin, Med. Dr. (1841). „ J. J. Stehelin, Prof. (1830. „ Georg Stehlin (1856). » J. J. Stehlin, Bürgermeister (1838). _ K. Stejfensen, Prof. (1864). … K. Streckeisen, Prof. (1837). „ J. Sulger-Heusler (1840). „ Rud. Sulger (1842). „ E. Thurneysen-Paravicini (1840). „ Carl Vischer, Rathsherr (1843). „ Wiülh. Vischer, Prof. (1838). „ Hier. Vest, S. M. C. (1864). » KE. VonderMühll-Merian, App.-Rath (1856). » J. J. Uebelin, Bauschreiber (1835). » Chr. Weiss, S. M. C. (1843). » Andr. Werthemann (1834). + L. De Weite, Med. Dr. (1838). » J. Wimmer (1846). - » ÆE. Wybert, Med. Dr. (1838). » Ed. Zahn-Rognon (1864). vor RR ORAIDOR WE EEE Li) gi Sode im Birsigthale. = 20 ge Freienstrasse Nr. 56 „zum SAR Re (mit braun Diiae): dito à He. PR, dito Te se OO ER dito . Streitgasse Nr. 12 . . ; Weissegasse -zum Paradies“ Weissegasse Nr. 26 2 Weissegasse Nr. 4 Weissegasse Nr. 12 Gerbergasse Nr. 41 Gerberberg Nr. 75 Gerberberg Nr. 59 Gerbergasse Nr. 2. 14: tiefer Sod ; in 5‘ Entfernung liegt e eine e Dohle, welche die Abfälle diverser Häuser in sich aufnimmt. Das Wasser hatte gelbe Ei Freienstrasse „Eckenstein’sche Brauerei“ NS Freienstrasse „ehemalige Markt-Apotheke“ Spalenberg Nr. 2 . 5 leer Spalenberg „Brauerei Gessler“ Vordere Steinen Nr. 1 . . ; Neuer öffentlicher Sod an der Theaterstrasse B dito dito 5 Sod im Hofe der alten Blömleincaserne , Steinenthorstrasse, öffentlicher Sod neben dem laufenden Brunnen dito MR: : dito Steinenthorstrasse „Brauerei Merian“ Vordere Steinen Nr. 57 Vordere Steinen Nr. 67 5 Vordere Steinen „Lohgerberei* dito Rümelinbachweg Nr. Papierfabrike) . : Binningerstrasse Nr. 19 dito dito 12 vor dem Steinenthor (Thurneisen’sche Petersberg Nr. 1 Badeanstalt Sod im Hofe der alten Gasfabrike, Versuchschacht den föRtentlichen Bad- und Waschanstalt an der N'a de a Binningerstrasse Nr. 3 à MORE : % 1860 1865 1865 1866 1365 1865 1366 1866 1566 1366 1866 1866 1566 | 1861 1565 1865 | 1:61 1865 1865 1866 1566 1865 1865 | 1866 1866 | 1866 1862 | 1866 Novbr. 10 Novbr. 28 Dezbr. 7 Novbr. 20 Dezbr. 13 Januar 15 dito dito dito dito dito Mai 28 Novbr. Dezbr. 13 Sept. 11 | Dezbr. 13 Novbr. 20 Juni D Novbr. 6 | Dezbr. 6 Novbr. 28 Juni 5 Dezbr, | Dezbr. 8 | Dezbr. 3 Dezbr. 13 | Novbr. 20 | October Januar Novbr. 10 Juli 26 0,6380 0,4420 weiss, stellw. glb 0,6300 1,1610 0,6640 starke Reaction auf organische Substanzen und Ammon 0,8664 | 0,3080 0,7720 0,6880 | 0,746 t 0,7812 0,9320 | 0,5195 | weiss | | 0,7662 0,5860 0,4340 | 0,3879 0,3600 | 0,3070 | 0,5320 0,5700 0,7630 weiss Il 0,7240 | 0,4840 0,6556 bräunlich 0,8266 0,9968 0,7970 | 0,6860 1,1684 1,0154 0,9612 1,1284 0,7912 0,5708 0,5520 0,3610 starke | Bräunung | 0,8020 0,393) 0,7060 0,5420 0,6840 0,5550 0,6544 0,4812 0,6200 0,4765 | 0,5258 0,4640 03 3920 0,2520 0,3740 | 0,6400 IV. | 1,5130 1.7066 es Do TT 5 1, 5019 Priv 1 be ee [=] Q2 C2 HE = 0 © > 1 =] 0,0860 | 0,8880 0,0510 snst,weiss 2,4821 schwache 0,3590 0,2710 0,1604 | 1,3291 0,2660 1,0703 0,0850 — 0,1300 | schwache 0,0920 | 1,2260 0,3000 | 1,0130 0,3120 — 0,0480 keine Bräunung| 0,2404 0,1220 0,0420 schwach braun schwache 0,5025 0,1080 0,1960 0,1280 schwache Bräunung 0,5966 gelb 0,5634 | stellw. glb| 0,6828 | | 0.9230 | 0,8031 1,1020 0,6307 0,8320 1,2830 1,0164 0,8068 0,5650 0,4130 1,3262 Bräunung 0,7103 h = Bräunung 0,6935 0,4825 0,3232 0,4165 Bräunung 0,2372 | 0,0970 0,8509 | 1,4080 | 0/7776 | 0,7099 0,6046 0,6510 | di 10970 0,7639 0,8947 0,4336 0,3799 0,3230 | 0,1504 1,1559 | 0,6188 0,2927 0,0200 0,6544 0,2469 0,4494 0,6525 |° 0,1311 0,1250 0,2078 | 0,1742 0,1194 0,1137 0,1521 0,0809 0,1135 0,0966 0,0972 … 0,0676 0,0948 0,0071 0,0859 0,1377 0,1272 starke Schwärzung; der Rückstand des wässr. Auszugs gelb 0,2082 0,0760 0,3063 0,0402 0,0780 shr.strke.Bräunung der Rückstand des wässr.Auszugs gelb) 0,1039 sehr starke Schwärzung viel sehr viel sehr viel sehr viel sehr viel sehr vie! sehr viel viel viel keine sehr viel zieml. viel viel viel wenig sehr viel wenig é viel sehr viel sehr viel geringe Bräunung ziemlich viel organ. Reste | ziemlich Kohle | wenig Kohle | ziemlich viel Kohle etwas Kohle | etwas Kohle | etwas Kohle sehr viel Kohle schwarzbraun wenig Kohle ıak, unangenehmer Geschmack, nicht mehr im Gebrauche, ziemlich viel Kohle ziemlich viel Kohle keine Bräunung schwache Bräunung keine Bräunung sehr viel Kohle Schwärzung viel Kohle ziemlich viel Kohle der Rückstand des wässrigen Auszuges war braungelb, der wässrige Auszug selbst war gelb 0,2039 0,1189 0,0499 0,1030 0,1623 0,0803 01191 0,0585 0,0544 0,0816 0,1220 0,0554 0,1385 0,0416 0,3368 0,0062 0,0016 0,0035 0,0409 0,0078 0,0618 0,0161 0,0397 0,1551 0,0415 0,2161 0,0110 0,1377 0,0373 0,1213 0,0165 0,0536 0,1144 0,0060 keine Reaction starke Reaction ' spurenweise Reaction ziemlich starke Reaction ziemlich starke Reaction starke Reaction sehr starke Reaction sehr starke Reaction starke Reaction sehr starke Reaction sehr starke Reaction spurenweise Reaction spurenweise Reaction keine Reaction keine Reaction starke Reaction starke Reaction spurenweise Reaction spurenweise Reaction spurenweise Reaction keine Reaction ziemlich starke Reaction sehr schwache, beinahe nur spurenweise Reaction starke Reaction keine Reaction starke Reaction starke Reaction sehr starke Reaction ziemlich starke Reaction sehr starke Reaction sehr starke Reaction sehr starke Re IL sehr starke rel sehr starke Reaction sehr starke Reaction shr strke.Reaction,nochetwas stärker als die Nitritreaction] sehr starke Reaction sehr starke Reaction sehr starke Reaction ziemlich starke Reaction ziemlich starke Reaction sehr starke Reaction starke Reaction, noch stärker als die Nitritreaction starke Reaction starke Reaction sehr starke Reaction sehr starke Reaction sehr starke Reaction ziemlich starke Reaction sehr starke Reaction > — sehr starke Reaction sehr starke Reaction Lochbrunnen. ‘ Zu | | > | | x Tabelle I. r 5 3 { Annühernde Bestimmnng | Gehalt eines Liters ; der = Beobachtungen $ re | An festen organischen Substanzen, der Salpetersäure beim ulm Angabe über die Stärke und der salpetrigen Säure Mi Heketanc der Zahlen der ü 4 Bestandtheilen BE llama VE Glühen des Rückstandes : Differenz or: | 8 - Bone ausgedrückt. = : _ “ti on Nitrit- und Nitrat-Reactionen halischer Aussug | 2 alcoholisch A . " i j 4 f Data ana een | ae 8 schen Auszuges Colonnen In. Tl der welche direct in den Wassern AT L getrocknet. Rück- | < LÉ FE auf Name der Quelle. des ae: Standes von 6 | ER ein Lit Zaren ee = F £ à Ei Lit. Wasser. à [24 & > A La Nüheres siehe Tabelle VIII a und b. - 1 8 à Pole ® 3 = es der Be D Schöpfens. DE | # ë DE % e ia n 3 Bräunung Ta bone RE TREE 5 À A 2 5 5 © À Sd SSEISe DEISEHNE | ER ; | 2 a2| & 8 [ä82:3| 3 là En oder oder Colonnen Nitritreaetion Vereiaiete 38 B = 23333 NE 3 ÀË i | Nitrit. & Nit t 2 à cl = ö = ls | to) 2 (6) F El Behwärzung organischer Gesammtverunrei- af | & NITra reaction | j 2 8 | +3 8 |8:2| #5 8 & ch nigung in 4 Liter | HE U | mit denselben 7 | = e ©: £ £ ste etc. rin . en . à à | ® SE 3 SE | = E este ete NÉ He Jodkalium, Stärkekleister | Reagentien, nach Reduction t is | sgedr H N ’ A | | SET | | und Schwefelsäure. ‚der Nitrate zu Nitriten. =: | = I. I 7 | 7 T - n x = = | . III, IV, Y, | VI, VIE, VIII. IX, X, XI. XIE, XIET, 1a Lochbrunnen am Gerberberg (Gerberbrunnen) . . . . » 1861 | Juni 8 | 0,7505 = — = | 1b dito 1865 A PRE | S ra 4) “ = = = keine Reaction ziemlich starke Reacti DEN 4 TUE CLEN QE À 65 | Novbr. 20 | 1,2920 | 1,0400 | 0,25 9 4130 | 7 Je 0.0873 + : e 5 E arke Reaction 8 \ 1,04 | 0,2500 | 2,4130 | 1,5870 | 0,8260 0,0873 sebr viel | keine Bräunung 041522 0,0978 sehr schwache Reaction sehr starke Reaction 1e dito RO PRES ae n = Be % es | ? ziemlich viel schwerver- « | A 5. € 1866 | Januar 15 | 1,2504 | 1,0580 0,1924 2,6375 0,8141 0,1094 sehr viel | brennl.Kohle ausgeschied, 0,1539 0,0385 — | | ; i ee à 1866 | Juni 5 | 1,2860 | 0,9080 | = er ah — = — — tarke Rencti Re | e dito ee PT RE 1866 | Novbr. 6 | 1,2640 | 0,9750 | 0,2790 | schwache Braunung) = = N mo 1, SR RIESE ED ADR | | | k = _ _ sehr starke Reaction | um ein geringes stärker als | 2a Lochbrunnen beim Stadthause (Brunnen beim Seufzen) . . . 1865 | Novbr. 20 | 0,7256 | 0,4660 | 956 | 1,3240 | 0,6910 | 0,6330 0.1240 Hop unge | diegNitrit-Reaction | 2b dito eo ar ES ES 1868 uni 5 | 0,9390 | 04460 | 049301 — | — | — = ns Su Ds dites I: “be Se 2e dito Pa = es Bat Id a = TE > = = = starke Reaction | seh ke F ’ | in No US er Ann CC 1866 | Novbr. 6 | 0,8285 ! 0,6515 | 0,1770 1,7096 | 1,16 5480 Ë i 066 | feharke Reaction 0 ,1770 | 1,7096 | 1,1616 | 0,5480 0,1130 sehr v ñ 56 à i | 3 Lochb sehr starke Er gelbbraun| É | : shr. strk.Schwärz N | ae DA Nes É a FE SERRE | a ochbrunnen am Petersberg (Wolfsbrunnen) . 1865 SE an Fee : | P Be Ziemlich viel schwerver- | Be Zn 5 | Dezbr. 23 | 0,5004 | 0,7660 | 0,0: 6491 | 1,0760 | 0,573 | ri 5 2 N 27 | | | 766 ‚0344 | 1,6491 | 1,0760 | 0,5731 0,0877 viel BEN as und 0,1101 0,0757 spurenweise Reaction sehr starke Reaction | 3 b stark Au 4 Lochb d nn BE DT Ze Ben 1866 | Juni 5 | 0,8420 | 0,4990 | EPS. (re 3 > : At | | a runnen in der Sattelgasse . . . 4 1865 | Novbr. 2 an Re = FF Ta sebr starke Reaction sehr starke Reaction 2 NS ur ES r. 20 | 1,1368 0,8672 | 2,3195 | 1,6710 | 0,6485 |. 0,083 s i kei ñ 219 77 i i É b a dito N, RN 1868| Juni eo) ro ci | 1,67 | 0,6485 ,0331 ie | keine Bräunung 0,1219 0,1477 spurenweise Reaction | ziemlich starke Reaction | E R art Bufa demEM NEID LBIzE (Koramarkhrunnn) 1865 | Novbr. 28 | 1,1280 | 0,9320 | u 45 | 1,6075 | 0,7470 | 0,1004 sehr viel \zieml.vielorg.Reste(Kohle)] 0,1410 0,0550 Se N ROHAN EE NReRtIon | 5 b ito Proc L en se 5 4 SE ER, e este ) r ‚ya spurenweise Reacti star i | 2 1867| März 29 | 1,0020. | 0,8283 | 0,1737 | 2,0868 1,3460 | 0,7408 | 0,2413 sehr viel | schwache Brü 0,1637 Dane a ei ‘ose | he j UE 15 b ; CHSSSTAUNUNE, „1b: = starke Reaction | starke Reaction | nette schwach starke Bräunung | | I ; 6Ia Lochb: z Schwärzg| bräunlich| Rückstand des wässrigen Auszuges weiss und gell | | ; : hbrunnen am St. Alban-Rheinquai . . . . . . . . 1865| Novbr. 20 ! 0,8640 | 0,6240 | 0,2400 | 1,: 0.7380 | 0,5890 re Be En Le und gelb A Be | | 6Ib dito DFE re cs AD r 1 1866 | Juni 5 | 0,5900 | 0,6080 | 0,2820 “à 12 SS ıne’ Bräunung 0,1134 0,1266 spurenweise Reaction sehr starke Reaction | 6I a Dasselbe Wasser, hinaufgepumpt in das Pevois in Be St. A- | rn u: N u = == = 7 sehräzchyiacheaiinackinu starke Reaction | banvorstadt | | = 0 AT GONE APS SOURCE NE 1865 | Novbr. 20 00 | 0,6760 | 0,2140 971 | 0617 p704 | à à | N 9 r | Dra bio 2: gg © Corp gr 1866!) Novbr. 6 0, 5036 | Er DE | Fun | ie a a a u. 10,0390 spurenweise Reaction 4 starke Reaction 2 | 0,5035 | 0,14 ,8178 | 0,3464 | 0,4714 ‚119: er pr De semi : nn I . | gelblich | schw Bräunung,|braunglb | |shr.strk. Schwärzg. 1 + ziemlich starke Reaction sehr starke Renction —— gr FT cts ET à ” t 4 v F à F À “ Sode der Höhen rechts und links vom Birsige. zieml. viel Kohlentheile sehr starke Schwärzung keine Bräung. keine Kohle sehr starke Schwärzung ziemlich Kohle und ziem- lich starke Bräunung wnig.Kohle schwch.Bräug zieml. Bräung. viel Kohle keine Bräung. u.keineKohl sehr starke Schwärzung = | ” | 3 | I. IT. IM. IV, Ve VI, VII | VIII | | A. Hôhe rechts vom Birsig. | | | 1 Schlösschen Gundoldingen, 19° in stinkender Geruch und trübe | 1869 | Juli 7 | 0,3666 | 0,2746 | 0,5920 | beim Abdampfen Pferdestallgeruch — Satz von niedern Pflanzen und Thieren, 2 Bruderholzstrasse Nr. 7/9 . . che RER ns Novbr.15 | 0,6200 | 0,3528 | 0,2672 | 0,5651 | 0,2290 | 0,3361 0,0571 _ — 3 Broderhölsstrasse Nr. 6. . 20, ur ae à. À $ 1865 | Novbr. 15 | 0,4700 | 0,3740 | 0,0960 | 0,4695 | 0,1895 | 0,2800 | 0,0577 —_ —_ 4 Schnurrenweg Nr. 1 & . . - | 1865 | Novbr.15 | 0,4600 | 0,3520 | 0,1080 | 0,4300 | 0,1832 | 0,2468 0,0552 = — 5 Schnurrenweg Sod des Häusercomplexes Nr, 15, 47, A9 1865 | Novbr. 15 0,5052 | 0,3120 | 0,1932 | 0,5080 | 0,2670 | 0,2410 0,0702 — _ 6 Schnurrenweg Sod des IERRBPRRUBRIBZER Nr. 25, 27, 293 1865 | Novbr. 15 | 0,5208 | 0,3948 | 0,1260 | 0,6470 | 0,2995 | 0,3475 0,0396 — — 7 Nauenstrasse Nr. ?0 . os AD ENS : 1865 | Novbr. 10 | 0,4778 | NT | 0,5083 | 0,4700 | 0,2048 | 0,2652 0,0374 keine _ 8 Nauenstrasse Nr. 1 RS IC, 1869 | Februar 0,5558 | 0,4163 | 0,1995 UN — — — — = 9 Sod der Centralbahn (Centraibahnhot) a RL, 1865 — 0,4790 | —. |: — = es — — — = 10 a Auschengraill SAGE EUR Des KLIDSALAR 2 1865 | Octbr. 31 | 0,8682 | 0,4550 | 0,4132 | 1,6893 | 0,9585 | 0,7308 0,2130 viel 10 b dito 1865 | Dezbr. 4 | 0,3405 | 0,7088 | 0,1320 | 1,3325 | 0,816) | 0,5660 0,0:92 viel 11 St. Margarethenstrasse Nr. 13, stark schwefelwasserstoffhaltig, starker | | | Geruch wie Schwefelwasser 7 1865 | Novbr. 18 | 0,436) | 0,3614 | 0,0746 | 0,0734 | 0,0212 | 0,0522 0,1280 — — 12 a St. Elisabethen, öffentlicher Sod vor Mes Badaratale "des Herrn = | | ll Meyer-Ritter . Er Fe + «+ : - . 0. | 1865 | Novbr. 15 | 0,6416 | 0,4216 | 0,2200 | 0,7790 | 0,3458 | 0,4332 0,0472 = = 12 b dite dito 1866 | Dezbr. 7 | 0,6910 | 0,4000 | 0,2910 | 0,3540 | 0,4116 | 0,4524 0,1908 wenig weiss | schwache Bräunung gelb | starke Schwärzung 13 Aeschengraben Nr. 13, Sod Nr. 1 4 1865 | Octbr. 31 | 0,6560 | 0,4056 | 0,2504 | 0,8637 | 0,3960 | 0,4677 0,5940 viel a 14 Aeschengraben Nr. 13, Sod Nr. 2, Hranrer Satz mit "Holzfasern“ 1865 | Octbr. 31 | 0,5619 | 0,3143 0,2476 | 0,6570 | 0,2520 | 0,4050 0,2023 wenig — 45 Aeschengraben Nr. 5 . . 5 1866 | Januar 23 | 0,6044 | 0,4768 | 0,1276 | 1,0200 | 0,4857 | 0,5343 0,1102 sehr viel | wenig Kohle 16 St. Jacobsstrasse Nr. 3, „Brauerei Thomas, 46, Tiefe : 1865 | Novbr. 10 | 0,5616 0,5720 0,2896 | 2,1926 | 1,0462 | 1,1464 0,1780 sehr viel oO 17 St. Jacobsstrasse Nr. 31. . . ee > 1861 | Aug. 19 | 0,4950 — — = - _ = 25 — 18 Aeschengraben, Schiffgarten, „Epplischer Hoft . 1865 | Dezbr. 13 | 1,1712 | 1,0412 | 0,1300 | 2,7273 | 1,7083 | 10190 0,1226 sehr viel | ziemlich Kohle 19 Aeschenvorstadt, öffentlicher Sod vor der Hirschenschmiede 1865 | Dezbr. 13 | 0,8672 | 0,7360 | 0,1312 | 0,5785 | 0,8677 | 0,7108 0,1256 viel 20 Aeschenvorstadt „Brauerei Glock“ Is 1865 | Dezbr. 13 | 0,7104 | 0,5944 | 0,1160 | 1,3120 | 0,7491 | 0,5629 0,1077 sehr viel | etwas Kohle 21a Aeschenvorstadt Nr. 55 „zum Hirzenhörnli@ . 1861 | Februar 0,7650 | 2 = | = = > = — 21 b dito dito 1865 | Dezbr. 18 | 0,7600 | 0,1632 | 1,1417 | 0,6440 | 0,4977 0,0747 vie etwas Kohle 21 c dito dito 1866 | Novbr. 6 | 0,7055 | Q | 0,1760 0,3414 0,2406 | 0,1008 0,0234 wenig schweh.gIb schwache Brä b | starke Bräunung 3 22 a Aeschenvorstadt öffentlicher Sod „Wilhelm Tell? . 1865 | Dezbr. 18 | 0,7358 | 0,6308 “0,1080 13713 0,7320 | 0,6393 ,1199 viel wenig Kohle 22 b dito dito : 1566 | Dezbr. 7 | 0,6660 | 0,5605 | 0,1055 = =- — = ; a N = 1865 | Dasbr. 16 me sehr schwache Bräunung | 1.046 0,1433 h jel 23 t. Albangraben o : 869 | Dezbr. 18 | 0,8728 | 0,7580 | 0,1148 | 1,5800 | 1,0468 0,143: sehr vie 24 St. Alban Nr. 30, ere brauner Satz o 1865 | Novbr. 3 | 0,7873 | 0,6235 | 0,1638 1,8144 1,0644 | 0, 0,2325 viel ziemliche Bräunung 25 St. Albanthorgraben Nr.4. Q 1866 | Januar 13 | 0,9494 | 0,5848 | 0,0646 | 1,1350 | 0,7240 0, 4150 0,1387 wenig . starke Bräunung 26 St. Albanthorgraben Nr. 52 1865 | Dezbr. 20 | 0,6082 | 0,5040 | 0,1032 | 0,8194 | 0,3214 | 0,4980 0,1285 zieml. viel a Gellertstrasse Nr. 6 EEE ET Te ns | norte 18 | 0,5039 | 0,3846 | 0,11x4 | 0,337. | 0,1130 0,224) 0,0217 >= _ 28 RDS WPENP EDR RE eee ee) so 1865 | Octbr. 27 | 0,5140 | 0,3640 | 0,1500 | 0,7576 | 0,348 | 0,4096 0,2070 vie | == 29 Neusätze Nr. 4. . 1861 | Juni 26 | 0,5410 — — at ie — _ == 30 Mönchensteinerstrasse "Nr. il am "Weinzoll, Abtritt neben dem Sode 1866 | Febr. 21 | 0,4956 | 0,3840 | 0,1116 | 1,0572 | 0,5214 | 0,5358 0,1644 viel rergli de organ, Stellen | x 3 Aeschengraben Nr. 32 1869 | Dezbr. 27 | 0,6226 | 0.4608 | 0,161 cn 0 8014 | 0,3172 | 0,4842 0,0872 sehr viel | ziemlich Kohle 32 Langegasse Nr. 17 1866 | Juli 0,6025 | 0,4385 | 0,1640 | 0,7822 | 0,3366 | 0,3956 0,2256 viel ziemlich Kohle | veiss schwch.Bräung. Il starke Schwärzun e 33 Heumattsrasse Nr. 9. . . . . « 1866 | Novbr. 6 0,7870 0,6495 | 0,1375 18672 | 1,0407 | 0,8265 ‚0898 “| sehr viel schwache Bräunung schwache Bräunung| gelb braun Der Rückstand des Wassers schwach gelb, B. Höhe links vom Birsig. Steinengraben Nr. 13. ug _ — 1,0380 | 0,8430 | 0,1950 | spurenweise Bräunung — = — 2- Schützengraben Nr. 13 . . 1865 | Octbr. 14 | 0,5044 | 0,3384 | 0,1660 |. 0,7900 |.0,2860 | 0,5040 0,0595 sehr viel — 3 Leimenstrasse Nr. 41, mit braungelbem Rostsatze‘ 1864 | Sommer 0,8541 = u 1,1970 | 0,6480 | 0,5490 0,0400 =; = 4 St. Petersgraben Nr. 37, R : 1865 | Octbr. 27 | 0,7660 | 0,4588 | 0,3072 | 1,8580 | 1,2580 | 0, Fo 0,3312 sehr viel — 5 Spalenthorweg Nr. 34 . . 1865 | Novbr. 21 | 0,4875 | 0,3390 | 0,1485 | 0,6513 | 0,2974 | 0,3539 0,0546 viel ; Bräunung 6 Davidstrasse Nr, 15 (Droschkenanstalt) 1865 | Dezbr. 19 | 0,8510 | 0,7080 | 0,1430 | 1,8399 | 1,2667 | 0,5732 0,0927 sehr viel 7 Hintere Spitalstrasse Nr. 40, Tabakfabrike 1865 | Novbr. 11 | 0,3240 | 0,6460 | 0,1780 | 2,2500 0! ‚9660 | 1,2840 | 0,1546 viel 8 Steinenringweg Nr. 21, trübe durch Eisenrost, ‘das Altrirte klare | | Wasser reagirte etwas auf Eisen 0 — _ 0,4514 ri A — — — — = 7 9 Elsässerstrasse Nr.5 „Brauerei AWengen“, Satz v. Pähnzentiberresten 1862 | Juni 19 | 0,5560 | 0,4176 | 0,1384 Ischwarze Färbung beim Glühen des Rückstandes = — 10 St. Johannvorstadt Nr. 6, normales Wasser . 3 1862 | Octbr. 3 | 0825) nur schwache Bräunung beim Glühen => TA 11 Todtentanz Nr. 10. . . ds Ms Een ce 1863 | Juli 13 | 1,0940 | nur schwache Bräunung beim Glühen = De 7a 12 Kohlenberg Nr. 23 (farblos und klar) . = 2 +. 22 en 1866 | Juni 14 | 0,6210 | 0,4265 | 0.1945 | 1,0316 | 0,6080 | 0,4236 0,0588 viel viel Kohle weiss | Rückstnd schwarzbrauner schmutzig Rückstand,beimEr- q : braungelb hitzen sehr starke 13 Mittlere Strasse Nr. 11, trübe durch rothbraunes Gerinnsel, filtrirt Schwärzung farblos, geruch- und geschmacklos en . . . | 1866 | Juni 21 | 0,7415 | 0,4900 | 0,2515 | 1,4662 | 0,8522 | 0,6140 0,1984 sehr viel | viel Kohle sehr schwache gelber Rückstand gelb, Bräunung Rückstnd beim Glühen sehr 3 7 ; 3 starke Schwärzung 14 St. Johann, öffentlicher Sod 1866 | Dez. 7 | 0,6140 | 0,3540 | 0,2600 | 0,6384 | 0,1836 | 0,4548 0,1224 wenig schwache | schwach gelber Rückstand Bräunung| braun | beimErhitzen starke Schwärzung Holzfasern, Rost etc. 0,0655 0,0562 0,0503 0,0519 0,0300 0,0800 0,1072 0.1769 0,1013 0,1074 0,2207 0,1902 0,1394 0,1117 0,0954 0.0215 0,1265 0,1127 0,1637 0,0920 0,1044 0,0409 0 1027 0,1167 0,0952 0,1035 0,1527 0,0956 0,0981 0,1550 0,0680 0,1110 0,2397 0,0304 = 7 0,2017 0,0400 0,0577 0,1413 0,0615 0,2501 0,2559 0,0245 0,0446 0,1400 0,1838 0,0735 0,1463 0,0202 0,0689 0,0602 0,0082 0,0043 0,0678 0,1545 0,0185 0,0021 0,0001 0,0274 0,0002 0,0775 0,0473 0,0051 0,0666 0,0605 0,0152 0,0704 0,1522 0,0305 0,0320 0,0617 0,1141 0,1161 0,1638 ziemlich starke Reaction spurenweise Reaetion schwache Reaction ziemlich starke Reaction spurenweise Reaction sehr schwache Reaction starke Reaction spurenweise Reaction ziemlich starke Reaction starke Reaction sehr schwache Reaction spurenweise Reaction sehr starke Reaction ziemliche Reaction ziemlich starke Reaction ziemlich starke Reaction ziemlich starke Reaction ziemlich starke Reaction starke Reaction ziemlich starke Reaction schwache Reaction keine Reaction ziemlich starke Reaction spurenweise Reaction sehr schwache Reaction keine Reaction starke Reaction starke Reaction keine Reaction starke Reaction ziemliche Reaction sehr starke Reaction ziemliche Reaction ziemliche Reaction schwache Reaction starke Reaction sehr schwache Reaction starke Reaction Re u Tabelle II. 1; XIII, sehr starke Reaction | sehr schwache Reaction sehr starke Reaction ziemlich starke Reaction schwache Reaction ziemlich starke Reaction starke Reaction sehr schwache Reaction sehr starke Reaction sehr starke Reaction starke Reaction starke Reaction sehr starke Reaction starke Reaction sehr starke Reaction sehr starke Reaction sehr starke Reaction sehr starke Reaction sehr starke Reaction sehr starke Reaction sehr starke Reaction starke Reaction sehr starke Reaction sehr starke Reaction ziemlich starke Reaction | ue. | ziemlich starke Reaction | sehr starke Reaction sehr starke Reaction starke Reaction sehr starke Reaction starke Reaction sehr starke Reaction? | sehr starke Reaction sehr starke Reaction starke Reaction starke Reaction starke Reaction starke Reaction == Tr ; “ * 3 H Tabelle IV. r } = s À SS II. | TIL. IV. 2 $ 1 Sperrstrasse Nr. 55 à 57. In Nr. 57 war am 7. Oct. der neunte. | | | Typhusfall; in Nr. 55 kamen auch manche Fälle vor . . . . | 1865 | Octbr. 11 0,2380 | 0,2080 | 0,0300 | 0,3201 0,0520 viel — 0,0388 ' 0,0088 Br = i 2 Baslerhof . . er. ee . « 0. | 1865 | Octbr. 11 | 0,5580 | 0,3640 | 0,1940 | 0,6830 0,0405 wenig — 0,0404 ' 0,1536 — = 1 3 St, Theodor-Schulhaus pr . . . . . | 4865 | Octbr. 27 | 0,4840 | 0,3520 | 0,1320 | 0,6348 0,3816 keine | dunkelbraune Färbung 0,0731 L 0,0590 — ES ; 4 Clara- und nn mersrae Heka Nr, 15 und 171. . . . . . . | 1865 | Octbr. 27 | 0,1210 | 0,0650 | 0,0560 | 0,0910 | 0,092! 0,0134 keine | starke Schwärzung 0,0086 L 00474 É- ee + 5a 2. „el 1865| Octbr. 30 |0,7240 | 0,4116 | 0,3124] 1,1190)| 0,6465 0,7114 viel | = 0,1973 Pr 01151 = = ë b He er CO TS 65 | INoÿbr: 2811108720) | 06800 | 0/1900/| 1,0385 | 0,6725 Rn sehr viel | keine Bräunung 0,0871 | 0,1030 keine Reaction starke Reaction c ito PA MNT ENT RUE ET. NI1866!| Juni, 22 d 7600 | 0,5870 | 0,1730 | 1,7604 | 1,0732 0,1496 viel sebr viel Kohle 0,1394 | 0,0336 iemli i i OS IE Ma eckwärze! ‚1394 N ‚0336 ziemlich starke Reaction sehr starke Reaction 6 BE uklngenttel ROSE or cher it el 10651 Octbr. "31407 1512 | 0,1120 | 0,0392 | 0,1646 | 0,0623 0,1331 sehr wenig, braunschwarz 0,0392 | (®) — == 7 iehenstrasse Nr. 57 . . . . | 1865 | Octbr. 31 | 0,2595 | 0,1654 | 0,0941 | 0,1329 | 0,1074 | 0,0920 Fürbun, ),0196 0,0745 — = 8 Anstalt auf „Schoren“ von Herrn. Richter-Linder, oberer Sod . » 1865 | Novbr. 11 | 0,1540 | 0,1160 | 0,0380. | 0,1392 | 0,0905 | 0,1914 Ei Sa Bräunung on 100 | 0.0020 keine Reaction ‚starke Reaction 9 dito unterer Sod , . | 1865 | Novbr. 11 | 0,1892 | 0,1260 | 0,0630 | 0,0540 | 0,0428 0,0088 keine ziemliche Bräunung 0,0016 | 0,0614 spurenweise Reaction starke Reaction « 10 Hammerstrasse Nr.1. . er ID en er Novbr. 13 | 0,1928 | 0,1248 | 0,0680 | 0,0502 | 0,0463 0,0220 keine ziemliche Bräunung 0,0043 | 0,0637 spurenweise Reaction starke Reaction = 11 Utengasse Nr. 21 Tabakfabrike = | Dezbr. 6 | 0,1835 | v 1390 | 0,0445 | 0,1784 | 0,1456 0,0177 sehr wenig| sehr starke Schwärzung 0,0084 | 0,0361 spurenweise Reaction | sehr starke Reaction r HAE Eu ne RE à AE er. DONNER DU Dezbr. 13 | 0,5000 | 0,4040 | 0,0960 | 0,5285 | 0,3849 | 0, 1136 0,0584 viel 0,0337 | 0,0623 starke Reaction | sehr starke Reaction ammerstrasse Nr ï io à MEL CE ND 8 5 153 | 0,322 22 1 b Färbung beim Glühen des Rückstand — — 14 Unterer Rheinweg Nr. 37 Hüfsspital CRT RME A, UE a De 48 Das | peer ne 0,2619 | 0,1520 10.1099. the 0.0459 LE nicht Sal FETES Kohle 0,0259 | 0,0081 sehr starke Reackon sehr starke Reaetion 1 ee Dry Nr. A Ben ala Ei . Ri à D CNE 1865 Dezbr. 2 0,1925 | 0,1332 | 0,0593 0,6358 | pes „9,2043 | 0,0748 a nicht viel | starke Schwärzung 0,0465 0,0128 schwache Reaction | starke Reaction } a 4 , reagirte ziemlic = & au MONA rn 1865 | Dezbr. 23 | 0,8400 | 0,5600 | 0,2800 starke schwarzbraune Färbung, beinahe Verkohlung beim Glühen des Rückstandes pn — schwache Reaction | etwas stärker als auf Nitrit 16 b dito verunreiniget durch eine Dohle, sehr deutliche | | | BelbeNE ATEN NN SE ee ME] April 30 — — = 0,9669 | 0,6372 | 0,3297 0,2974 sehr viel | viel Kohle 0,1045 — sehr starke Reaction sehr starke Reaction braunglb \shr.strk. Schwärzg. | W k | 17 ere aNr GO. ren lo 1200 1r60 | — - | Balsl ‚412 } = Ri ! 3 I a == 1 = u | = . Rennes » ,Kinderspital“ . EN ee + + + 41 1866) Febr. 3 0,2970 | 0,1930 | 0,1040 0,3047 9,1677 | Es) 0,0660 wenig | ziemlich viel Kohle 0,0340 0,0700 sehr schwache Reaction | sehr starke Reaction gweg Denen. en. 01 4866| Febr. 3 |.0,2240)| 0,1532 |"0,0708 | 0,1488 | 0,0983 | 0,0505 0,0457 Spur | ziemlich starke Bräunung! 0,0160 | 0,0548 ziemlich starke Reaction | sehr starke Reaction | brennbare Dämpfe und starke schmutzige Färbung, Schwärzung, | : rd | j x br | brenzlicher Geruch 1 | 20 a Dheinpasse NN 127. ME. CU. 1: . 6 cl 86h Dezbr. 23 2,3960 | 0,3000 0,0980 0,6960 | 0,5880 | 0,1080 DD, keine | — 0,0300 - 0,0660 starke Reaction sehr starke Reaction raun shr.starke sehr starke | | Schwärzg Schwä | | 20 b Rise 27, Ce unnormaler Geschmack und beim Er- | (EEE Mens | | itzen Geruch... O0, 0.0 | 1866| März 12 | 07712 0,5388 | 0,2324 | 1,6408 | 1,1682 | 0,4726 | 0,1640 iel | tark ä 06 0,1963 Er ; a i a an Re 46:0 | Aa, D 07712 | 0,5388 02324 er | a Ne a ya | ganz star ale chwärzung on N 0,1285 sehr starke Reaction | sehr starke Reaction 22 GO DEENE Dahn bei der Rheinbriicke, het ls Rates desmenen F Anfangs | CE | ziemlich viel Kohle nicht dr ] = | & 93 EN ed ou dusch Brdthoile . Waschtanse a 1866 Br 0,5160 | 0,4064 | 0,1096 | 0,7212 | 0,6205 | 0,1007 0,0645 etwas | : us rad Me 0,0275 0,0320 sehr starke Reaction | sehr starke Reaction 2 h nfangs | | | zieml Kohle und starke | 5x par Sa. Faure trübe durch Erdtheile . , . A 1866 März 3960 | 0,3560 | 0,0600 0,4683 | 0,3446 | 0,1237 | 0,0438 ziemlich Bräunung | 0,0279 L 0,0321 Hehrintarke Reaction! PER Pa Le Re an ton 24 Que pre r. 18, durch ARE Ke März 1 333: | 0,7912 | 0,5420 starker rostfarbener Glührückstand, beim Glühen starke brennbare stinkende Dämpfe — sehr starke Reaction sehr starke Reaction 58 Mattweg 10 KL 9. = . ns B a | REN DREE 0,4400 | 0,3295 | 0,1105 0,0623 zieml. viel | ziemlich viel Kohle 0,0288 0,0267 ziemlich starke Reaction | ziemlich starke Reaction 2 D,1456 | 0,0920 | 0,0516 = == = = = | = — ’ — schwache Reaction | sehr starke Reaction |sehr geringe Bräun | 27 Clarastrasse Nr. 10 . = — 0.400 LA ie = = = = | : i 28 Clarastrasse Nr. 14, gelblich, trübe, starker Geruch und Geschmack, | 0,4000 |'0,3564 | 0,0436 = | . = = schwache Reaction | sehr starke Reaction zu Hacken! ERA starker blauer Niederschlag, noch | | v : SIArKerer mir O DOME RS EE LL te els ee — — 1,0136 | 0,6832 | 0,3304 beim Glühen des Rückstandes stinkender Rauch, sehr starke Schwärzung, rostfarbener Glührückstand. — kei i s eti se ee a 39. das any to Fuer Eh — | — 0,4000 | beim Glühen des Rückstandes schwarzbraune Färbung 22 | Li Ri . = keine REA | sehr starke Kant i i Nr. 28 bis 32. a Ren 365 | Mai 31 0,2570 | 0,1796 | 0,0774 | 0,4380 | 0,2100 | 0,2280 | 0,0582 viel | Verglimmen 0,0476 0,0297 s i | ‚ke Reactic 31 MONTS ES ee ne 1866 | |Juli 10 0,2830) 0,2340 | 0,0490 (ie 0,0120 | 0,0422 — keine | Bahr vallske Schwärzung I 5 ei ne ReRaog | SERRES a A | elb Ep RARES Nr: 62 „zum Zedernhof“, an; Ris Biens ohne Ende 7 pu x | . - esonderen FAT et ain 304 SE - 11E1866 April -01456 | 0,1212 0,0244 _0,0805 0,0505 | 0,0300 ie: 0,9460 Spur ziemlich viel Kohle 0,0125 0,0119 keine Reaction starke Reactin _ 69 DRASS DER 1866 | Novbr. 29 | 0,1995 | 0,0990 | 0,1005 | 0,3402 | 0,2898 | 0,05 0,0192 | kei ä 0,08 i 1 D) 0,08 ‚1005 | 0,3402 | 0,2898 | 0,050 0,0192 | der 5 81 BE i | sehr stark i Beim Erwärmen des Wassers” zeigte sich ein "sehr übler Geruch, das | gelbbraun| ae rothbraun > | BR nn | SO PES ee CALME VERS SRE Wesen (sen EE Wasser wurde gelb und es bildete sich ein schmutzig gelber Satz ‚Schwärzg | \starke Schwärzung | | 34 Rappoltshof Nr. 3 . . Baer ar = QE N | 4 voa] oc A {| und übler Geruch } | 4 PP x Ve ee 566 Derbr 40 0,1590 | 0,1410 | 0,0180 | 0,0864 | 0,0528 | 0,0336 | 0,0104 À keine | sehr starke Schwärzung 0,0073 0,0107 spurenweise Reaction starke Reaction gelblich | 5 starke braun | | shr. strk.Schwärzg. | | 35 Rappoltshof Nr. 8 . . ne ae … Bräunung En | | | schwer verbrennl. | PP .. DE er 18661 Derpr:15 0,1370 1,0.1080 0,1908 | 9,0918 | 0,0990 oe Ar keine starke Schwärzung 0,0285 0,0795 sehr schwache Reaction | sehr starke Reaction | s ‚strke. | | shr. .Schwäürzg. | | 36 Or 4 . ere Schw ärzgl | er _ | schwer verbrennl. | "onen « «+ + - » | 1866 | Dezbr. 15 | 0,1350 | 0,0820 | 0,0530.| 0,0840 | 0,0336 | 0,0504 0,0624 keine sehr starke Schwärzung 0,0188 0,0342 sehr schwache Reaction sehr starke Reaction weiss, | ie braun | shr.strk. Schwärzg. 37 Obere Rebgasse öffentlicher Sod . Ani nee on Schwärzg Pl) ee _ | schwer verbrennl. de B ISASTEE 0 CRC CR 0-0] 1666 | Dezbr. 15 ya AD | 0,1720 QUES ie | 0,2982 | 0,1560 ORERE sehr wenig| sehr starke Schwärzung 0,0409 0,0341 spurenweise Reaction | sehr starke Reaction veis e B | sehr 38 Utengasse öffentlicher S de 0 366 | r Orr ala à | FRE ERA | g: od en nl d80h| Dazbr. 15 0,2750 | 0,1810 | 0,0940 | 0,1644 | 0,0936 | 0,0708 0,0492 keine | sehr starke Schwärzung 0,0200 0,0740 schwache Reaction | sehr starke Reaction | h gelblich son wacke "braun shr.strk. Schwärzg, | | 39 Obere Rheingasse öffentlicher Sod . ap | con |agdunung à | 1% c 0 "een. . | 1866 | Dezbr. 15 | 0,3410 | 0,2770 | 0,0640 | 0,3612 | 0,2532 | 0,1080 0,0888 sehr wenig| starke Schwärzung 0,0328 0,0312 sehr schwache, beinahespu- | sehr starke Reaction | k gelblich | \schwache| gelblich sehr ' renweise Reaction | | Bräunun À œ| | | ag starke Schwärzung Es “ #5 | Quellwasser von den Umgebungen Basels in die Stadt geleitet. bee TV; LI im —— VIE. VILLE IX, | X, | XL ä XII, XIII, I Fi | on Angenstein. | Quellen MDI EME a 2 Ikeine Reaction sehr starke Reaction 1a Aus Auftrag des Besitzers untersucht . . . . . . . . . . . | 1861 | August schwache Bräunung| — _ = En = = = Quelle (III spurenweise Reaction sehr starke Reaction 1b Wasser der Quelle Nr. 1 rn M Re Jebtiar ae — = _ _ = _ —_ IV ziemlich starke Reaction | sehr starke Reaction 2 « 3 862 ito | ito — — _ —_ — = == 2 = DL WENN RB =... [1862| dito 5 dito = = = = = = = = = = ” a ee Aus Auftrag des …. … |H1862 dito 0,2690 dito — = — ex = — = ca = » » » n D flübl, Brunn- und Bauamtes$ : - - | 1862| dito 0,2643 dito _ — — 2 z = Es ee a = 5, à 5 LE) untersucht 171862 dito 0,2315 dito _ — _ = — — — — 22 a 4 ” Rn re 4 = « dito 0,2505 dito = er — = — == = == > = A RS le: dito 0,2590 dito = = = = a = Re = = = n en 9 =. . | 1862 dito 0,2400 dito e = EN = = | = Quellen von Grellingen. | . 2 a Wasser der Quelle Nr. 1 Aus Auftrag des mw. : = = = = = — = = = | = = en = Fa n 7. » 5 61öbl. Brunn- und Bauamtes : = = Zi et = E = 5 ER 2 » a) N 4 untersucht = = re er =, | RE ne = 23 = FR ar zZ n ” n n ee 1! € + < — — 2b Am Brunnen vor dem Aeschenthore geschöpft. . . . . . . . | 1866 | Novbr. 6 0,2840 | - _ _ _ _ _ _ u = = Quelle von Bottmingen. EEE 3a RS MSP DE à UT ee A ee LÉTBG GE = 0,3680 | ziemlich starke Bräunung >= = — _ = m 3b à ARR ren - CORONR RS 186 = 0,3820 | 0,3220 | 0,0600 | 0,1247 | 0,0607 | 0,0640 0,0510 etwas ziemliche Schwärzung 0,0191 0,0410 |'keine Reaction ziemlich starke Reaction Eu ziemliche Bräunung Quellen bei St, Margarethen. 4a Grosse Hauptbrunnstube Nr, 1 . . . 2 2 22000 ch =! | _ = = — = = = — = Brunnstube Nr. 2 . . 5 5 es el. 0,0652 >= = — = — — dito ala Hinten dem Pfarrhause HR CEE | 0,0800 | leise Bräunung = = — = = — — dito 130 | 0,0648 | 0,3066 | 0,1561 | 0,1505 0,0259 zieml. viel| wenig Kohle 0,0294 0,0354 _ _ 4b1 Binningerstrasse, öffentlicher Brunnen bei der alten Gasfabrike, 2 | gib. Farbe) starke Bräunung | gespeist mit Margarethenwerkwasser . . 4 1865 > | 0,3560 | 0,3116 | 0,0444 | 0,1429 | 0,0624 | 0,0805 0,0350 Spur geringe Bräunung etwas 0,0197 0,0247 spurenweise Reaction starke Reaction 4b 2 Barfüsserplatz, öffentlicher Brunnen, gespeist mit Margarethenwerk- Kohle x wasser . . E | Fitef) 0,3840 | 0,3343 | 0,0492 | 0,1427 | 0,0707 | 0,0720 0,0589 sehr wenig| geringe Bräunung etwas 0,0218 0,0274 spurenweise Reaction starke Reaction 4b3 Anlage, rechts vor Mes St. "Elisabethen, Öfentlicher! Brunnen,‘ ge- De . Kohle speist mit Margarethenwerkwasser . . | 1866 0,3768 0,1308 | 0,1380 | 0,0666 | 0,0714 0,0767 Spur wenig Kohle 0,0247 0,1061 schwache Reaction sehr starke Reaction 4b4 Vereinigle Wasser des St. Margarethen- und Bottmingerwerkes, 3 geringe Bräunung öffentlicher Brunnen auf dem Centralbahnplatze . . . .. . | 1865 0,3760 | 0,: | 0,0480 | 0,1250 | 0,0684 | 0,0566 0.0470 Spur wenig Kohle geringe 0,0172 0.0308 schwache Reaction | sehr starke Reaction Quellen des Steinenwerks. : Brbunun - 5 Nahe bei St. Margarethen, am Birsige . . 2 2.2... | 1865 | Novbr.13 | 0,3880 | 0,2440 | 0,1440 | 0,1451 | 0,0720 | 0,0731 | 0,0550 sehr wenig) schwache Bräunung 0,0213 0,1227 keine Reaction ziemlich starke Reaction Quellen des bi nos | | 6a Grosse Hauptbrunustube vor dem Waldea . . ... 0... | 1860 | Sommer | 0,3384 | 0,2830 | 0,0554 | = — — — == — schwch.brauneFärb | dito De en : - à 1866 | dito 0,2798 | 0,0478 | 0,1074 | 0,0521 | 0,0653 0,0612 keine sehr starke Schwärzung 0,0194 0,0234 keine Reaction ziemlich starke Reaction " N fastunmerkl.Bräung.| braun ' shr. strk.Schwärzg.! | der Rückstand von 6 Litern war weiss, der alcohol, Auszug dieses Rückstandes war schwach gelb, der wässrige Auszug farblos, deren Rückstand schwach gelb 2te Brunnstube, gegen Allschwyl gelegen Peer SONT 1866 | dito 0, 3160 schwch.brauneFärb| — = — | = = = — = — = 3te Brunnstube, oben am Neubad . . 1366 | dito 0,3117 | 0,0525 | keine Bräunung _ — _ — = o _ _ 6bAA | Oeffentlicher Brunnen vor der Schmiede in der Spalenvorstadt, ge- | speist mit Spalenwerkwasser . . . . CEE RE 1861 | Mai 29 = me — — — | — _ _ = _ — — 6b1B dito dito 1865 | Dezbr. 6 0,3148 | 0,0364 | 0,1208 | 0,0555 | 0,0645 | 0,0740 Spur viel Kohle 0,0231 0,0133 sehr schwache Reaction starke Reaction 6b10 dito dito 1866 | Novbr. 6 | 0,3610 | 0,0350 | — = = "| _ _ - — = =: 6b2 Oeffentlicher Brunnen auf dem Holbeinplatze, BenDaln mit EB | | werkwasser . . . E 1865 | Novbr. 28 | 0,3600 | 0,3200 | 0,0400 | 0,1440 | 0,0657 | 0,0733 0,0348 wenig ziemlich Kohle einige 0,0188 0,0212 spurenweise Reaction starke Reaction 6b3 Oeffentlicher Brunnen in der St. Johannvorstadt, vor “dem neuen | Bräunung Baue, gespeist mit Spalenwerkwasser . . "2 20. . | 1865 | Novbr.28 | 0,3520 | 0,3028 | 0.0492 | 0,1110 0,0575 0,0625 keine einige Bräunung 0,0200 0,0292 spurenweise Reaction starke Reaction Quellen oberhalh Riehen. | 7a Neu angekaufte Quelle Nr. 1. 802) Rabr-220110:3990)| — - — | — — = _ — — = — = dito CR ee ee 1862) ehr 201110 4410) — — — | — — _ = — = = => = dito 3% a ERGO RE ebr 00 | ORHHON — = == — = = - _ — = = 7b Bächlein in deren Nähe fliessend . - 1862 | Febr. 22 | 0,4080 = = = [ae — en = _ — _ _ _ 706 Vereinigte Riehenquellen (laufender Brunnen "jenseits ‘des Ueber- gangs der badischen Bahn an der Riehenstrasse) ee 1865 | Dezbr. 23 | 0,4252 | 0,3860 | 0,0392 | 0,0304 | 0,0104 | 0,0200 0,1519 Spur starke Bräunung 0,0236 0,0106 — = w os 4a 4b _Sodwasser in der Umgebung von Basel. A. Sode Kleinhüningens. Gasthaus zu Dreikönigen . . . 2»... Haus von Bäcker Brandenberg . . . , . . . . . . Haus von Kaufmann J. Weber . . B. Sode Birsfeldens und der Schweizerhalle. Wirthshaus zum Ochsen, neuer 30‘ tiefer Sod, mit normalem Wasser, in diesem Hause viele Typhuskranke Meier’sches Haus, rechter Hand, trübe von erdigen Theilen . Sod hinter dem Wirthshause „zum Stab“, rechter Hand, 100 Schritte von der Birs, Abtritt weit weg, Brfnnschacht 40! tief, normales Wasser, jedes Jahr Typhus Oeconomiegebäude von Schneider an der Rheinfähre, 30‘ tiefer Sod dito dito Oeconomiegebäude von Schneider „im Hofe“, 42’ tiefer Sod nahe am Rhein Haus von Schreiner Bornhauser, rechter Hand Vogelsches Haus, rechter Hand, am Ende des Dorfes, 23‘ tiefer Sod Schullan „ 7 „nn Oeconomiegebäude von Hrn. „Sutter-Sutter* auf Schweizerhalle, mit Blutlaugensalz stark auf Eisen reagirend . . . . * { 1866 1866 1866 1866 1866 1866 1866 1866 1866 1866 1866 1866 1866 März März Januar Januar Januar März Januar 5 Februar 10) D Januar 15 Januar 15 Januar 15 Januar 15 9 L u. II. IV, 0,2292 | 0,1880 | 0,0412 | 0,2013 0,1924 | 0,1540 | 0,0384 | 0,0772 höchst geringe Bräunung 0,2088 | 0,1532 | 0,0556 | 0,3 | | | | | ER 0,3046 | 0,2380 | 0,0666 | 0,1437 0,8208 | 0,7080 | 0,1126 | 2,8000 | 0,3944 | 03356 | 0,0588 | 0,5136 0,3716 | 0,2604 | 0,1112 0,3598 | 0,2277 | 0,1321 0,4560 | 0,3320 | 0,1240 | 0,5551 0,4428 | 0,3750 | 0,0678 0,5050 | 0.3886 | 0,1164 | 0,5191 0,3650 | 0,2220 | 0,1428 | 0,4849 0,6504 | 0,5236 | 0,1268 | 0,9036 Tabelle VI, V. VI. VII. IX. | X | XI XIII, : fl | ziemlich ! | starke Bräunung t | 0,1296 | 0,0717 0,0100 etwas | ziemlich Bräunung ziem- 0,0136 | 0,0276 sehr starke Reaction sehr starke Reaction Schwärzung | lich Kohle 0,0548 | 0,0224 0,0153 sehr wenig| Starke Schwärzung etwas 0,0063 | 0,0321 sehr starke Reaction | sehr starke Reaction | | Rauch : 0,2538 | 0,0658 0,0564 etwas | ziemlich viel Kohle 0,0203 © 0.0353 schwache Reaction schwache Reaction | | | | E | : | | | 0,0570 | 0,0867 0,0696 wenig ziemlich Bräunung 0,0260 | 0,9406 sehr schwache Reaction sehr starke Reaction 2,2420 | 0,5580 0,1087 sehr viel | ziemlich Bräunung 0,1111 & 0,0016 starke Reaction sehr starke Reaction | | 0,3175 | 0,1961 0,0645 viel starke Bräunung 0,0219 © 0,0369 schwache Reaction | sehr starke Reaction 0,1572 | 0,1662 | 0,0736 wenig | sehr starke Bräunung È 0,0713 = | - 0,1578 | 0,0946 | 0,0601 zieml, viel | viel Kohle starke Bräung. 0,0258 k 0,1063 ziemlich starke Reaction | sehr starke Reaction | I : | ars Bee wenig Kohle ziemlich | 0,2259 | 0,3292 | 0,0901 ziemlich starke Bräunung 0,0699 0,0541 sehr schwache Reaction | sehr starke Reaction 0,6313 | 0,1575 | 0,0355 wenig starke Bräunung 0,0321 0,0357 sehr schwache Reaction | starke Reaction 0,2019 | 0,3172 0,0510 sehr viel | wenig Kohle sehr starke 0,0614 0,0550 starke Reaction | sehr starke Reaction Bräunung | 0,2799 | 0,2050 0,0790 ziemlich wenig Kohle 0,0474 5 0,0954 sehr starke Reaction | sehr starke Reaction LA 0,4581 | 0,4455 0,2630 wenig ziemlich viel Kohle 0,1181 0,0037 sehr starke Reaction | sehr starke Reaction | u ” € 4 Bach- und Flusswasser. | Tabelle VII. Pr VIT, VIEL, I. Rheinwasser. | 1a In der Mitte des Rheins, auf dem Schiffe der obern Fähre GE Al- el | banvorstadt) geschöpft . . . . dis ds CR 1862 | Mai OSB RE — — = = a 4 Fr % 1 1b an dito . . ne ner | 1986| Febr. 3 | 0,1868 | 01348 | 0,0990 | 0,0100 | 0.0180| 0020| 00210 | Brur etarke Schwärsung 0,0077 en 2a In der Mitte des Rheines auf dem Schiffe der untern ü 5 ei k | j der St. Johannvorstadt geschôpft . . . . FTP 1866 | Febr. 3 | 0,2280 | 0,1620 0,0860 0,0500 | 0,0281 | 0,0219 | 0,0232 Spur starke Schwärzung 0,0075 0,0585 sehr schwache Reaction ziemliche Reaction | shr.gerng Bräunung 2b dite dito . 1866 | Novbr, 6 = = = — A = — — | — _ _ starke Reactio i 3a Am Ufer Grossbasels in der St. Albanvorstadt, oberhalb der "Stadt Anfangs | ion sehr starke Reaction geschüpft . . . . n RE. ic 1862 | März 0,2045| — | — = — || = a = = = à > Le 3b dito dio 0 l'860 April 70) 02180 — — — | - = = = = Æ = De 3c dito dito 486) Novbr. 16110,24207)°01690'1 0,07301| ° — | — = = = = = = = = shr. schw | 1e 2 Bräunung | | 4 Am Ufer Kleinbasels, bei der Führe, oberhalb der Stadt geschöpft | 1862 | Mai 0,1802 = = _ = = — = = — — schwache Reaction sehr starke Reaction ba Am Ufer Grossbasels, beim ,Seidenhofe“ in der St, Johannvorstadt, | en 2 unterhalb der Stadt geschöpft . . . . . . . . . . . . 1862 a pul { 0,2050 he — | _ — _ — — — starke Reaction sehr starke Reaction 5 b RE de Berne Ke OR CR TS 1866 | Febr. 3 | 0,2244 | 0,1556 | 0,0688 | 0,0611 | 0,0305 | 0,0306 0,0477 Spur | starke Schwärzung 0,0130 0,0558 sehr schwache Reaction sehr starke Reaction j m Ufer Kleinbasels, beim Schindgraben, unterhal er Stadt ge- | | schöpft . . d 1862 | Mai ı 0,0880 | - = a, Fl — = — — _ — schwache Reaction sehr starke Reaction ti Bei der Schweizerhalle, hinter dem Sutter’schen Occonomiegebäude pin nn : ; RE DA à | ROcUHb eee eee. 0e de ae u Re | 71866 | März 9 | 0,1930 | 0,1456 | 0,0474 — = — = — = — — sebr starke Reaction sebr starke Reaction Il. Birswasser, | Anfangs 1a Bei der Süge vor dem St. Albanthore gerahinpit ee |186211"März — | — _ _ _ 2 — — 1b dito I ARE 1862 | April 7 | = = = 2 Bei der Mühle im St. Albanthale "geschöpft. Mn 1862 | April 7 | = = 3 Bei der Hirzlimühle im St. Albanthale geschöpft, trübe von à röthlich | | gelben, fein suspendirten eisenhaltigen Erdtheilen. . 1862 | Juni 3] 0,2190 | — = — — en = = Pa 4 Bei St. Jacob, beim sogenannten Bee gesenupft, trübe durch erdige | | | MROUE EE Le el ete x En 5 ae A 1867 | März 29 | 0,2346 | 0,1913 | 0,0433 | 0,0806 | 0,0157 | 0,0649 0,0313 keine sehr starke Schwärzung ‚0273 spurenweise Reaction starke Reaction | | shr.starke] braun sehr starke 2 Er |Schwärzg Schwärzun III. Wasser der Wiese. | | | É a Bei der Wiesebrlicke penses A ee | 1881 Jul 5 — == | — — — — ziemlich starke Reaction starke Reaction b dito 50 re CRE: : - |I10p7 1 IMärs 229 0,0300 | 0,0223 | 0,1768 | 0,1312 | 0,0456 0,0199 — | geringe Bräunung 0,0109 0,0114 ziemlich starke Reaction | starke Reaction | ge Iblich starke | | | sehr | £ n weiss Schwärzg | starke Schwärzung IV. Wasser des Gewerbeteiches im Kleinbasel. | | | - | eee = a Bei der Clarakirche geschôpft . . . . . . . . nn . . . 1865 | Novbr. 21 | 0,1365 | 0,0430 | 0,0935 | 0,2481 | 0,0460 | 0,2030 | 0,2164 keine starke Schwärzung 0,0697 0,0238 keine Reaction starke Reaction | | \ | V. Wasser des Birsig. | - a Beim Stege, unter dem Eisenbahnviaduct geschöpft . . . . . . 1863 | März 0,2980 | 0,2514 | 0,0466 — — — _ keine Reaction starke Reaction di.braun- | | schwarz b dito N ne Ne de es Ode ES à 1864 | Sommer 0,2730 | 0,2354 | 0,0376 — — | — — | |dk-braun- ; rn schwarz e dito ao en do men a 0 Eros al oeil 04820] NorDso m IN e = = | \shr. strke | . 4 | Schwärzg VI. Wasser des Rümelinbach. | | | a Bei der Haasenburg geschöpft. . . » = = . . . . . . . . |4866 | März 26 | 0,3193 | 0,1880 | 0,1313 | 0,1232 | 0,0498 | 0,0734 0,0245 keine sehr starke Schwärzung 0,0163 0,1150 sehr schwache Reaction |shr.strke. shr.strk. Schwärzg \Schwärzg Anhang: Wasser des Schützenmattenwelhers . . . . . . | 1866 | Novbr. 6 | 0,1540 | 0,0870 | 0,0670 | 0,0516 | 0,0372 | 0,0144 starker weisser Rauchu. | 0,0120 0,0550 | bräunlich |shr.starkelgelbbraun sehr starke Schwärzung 5 gelb Schwärzg u. weiss. Rauch len har Farm ER ES n |röihlicher Schein, Baba aaa Mieoleuaur helle liche Phrbang | Meat Ken 9 |'schwacher blanar Behata| sehmazk blau" 2, | lekkan lac al RN “a as A, (ehe acwach Bus | dau Ran ue ai let Kane Roaetion elieh Hella à ET keine Nrasllon A dunkelblau ern a Bug bi | dunkelblau. er à keine Keacion > Sei Mection fat andurebaichug Ken Reno Line entlon PE TI keine Reaction schwach. blau dunkelblau. Tebhan blau Keen keine Rescion keine Reaction biaulFarb du = schwach blau lebhafl blau dunkelblau ne NE keins Reaction TORE ek che, = hellblänlich schwache Eluong | ziemlich lebhaft läunag | lebhaft biau undurchstehtig bia = Binulicher Schein baugrau emlich dunkelblau | sehr dunkeibfiu | undrebrichig lebhaft blau undar = undar 1 donkelblau ost undarehnichi Bron d bo schwscher blauor Scheln| ziemlich saublau Mast undurchalclitig ehr dunkelblau" > ee LE dunkelblau undurchrichlig = dunkelblau in cv =. keine Rosction pchwacher violeis Schein] schwacher blauer Schein | ziemlich stark blau, Marl fast undurchiehilg blau | A: Sept keine Reaellon ion keins Reaction ziemlich starke Bäuung Sen ct Deabr. 4 | schwacher LAul. Sehela Hlauung stark bias. dunkelblau undspehulchtig bi lo A _ kelno Reaction hellblau schwach blau Jebhaft blau Sean = 1 Fa 2 ‚Novbr.2) | bläulicher Schein hellblau. mark ‚ziemlich Jobhaft blau. dunkelblau. "N 1 &04 Im Hôfe der Dlömlelncasern 16 Desbr, 6 | keine Reaction keine Rasetlon schwacher blauer Schein | ganz schwach biau Schwsch'blan || NTE x le 55 = © | keine Reaction keine Rescllon Séhwaher Der Schein | Schwache Mau Parbung | febkat Nr dunkelblau 17 TE Br 22 — | schwach hian lebhaft blau dunkelblau lebhaft blau Underehiebtg = 18 a | Steinenthorstrasse, D 5 00 2. >| 1885 | Noyhr. 28 | kein Reaction kein Renellon schwache roUL Farbuog | hellblan = alle | | 19 Blalnenthora ART © © | 1865 | Daatr. 8 | kelan Reaction schwacher blauer Schein | schwacher blauer Schein | schwach blau mark ban sche stark blau | 20 | Steinensorstadt 202820 2 2 2] 1460 | Desbr 3 | schwacher blauer Schein _ Ziemlieh lebhaft bla | Auokelhlau dunkelschwaratlau undorebsichiig blao 1 Blelneayoratadt NEe GTV - sun + + ee AIR" Hal Schein blick Sehich | nur achr bell bläulich = bikulicher Schein zlomlich Tebkant blau. = Sie | Binningernirasse Sr. 19. 2222200228] 1806| sul 26 | keine Rraction schwach blau ‚lonkelblau VAR bat Auokelhlas ln | 26 | Venuehiehacht alte Gasfabrike; Dinningerstranse- OM. = > | 1866 | Desbr. 3 | keine Rescuan keine Reaction keine Resetion 1ebhaft blau. underhslchtig pass Sode der Höhen rechts und links vom Bisige al. I): | | rechts vom Biraig- 2 |'aruderotestrame Nr. 79 DE bläulicber Schein ziemlich blau | hellblau Aunkel,beln.undurchs.bla = 3 Hruderholstrase Nr. 0 = 2. keine Reaction biäulicher Schein. | biäullcher. Schein Hello Bißunng bei! | hellblau AO | EGriremes NT af Spur von ul. Schein, | baihelbuleh Im hellbläulieh unkelblan beinahe undurelslcht.blau 5 Sehourrenweg Nr, 19, 17 und “ bilbläul. Schein b, dckSch,| lebhaft blau lebhaft blau binulfchor Schein | ziemlich stark blau lebhaft blau 6 | Schnarrenweg Nr. 23, 27 und 2 - keine Neaction | Keine Reaction bla viol.Scheinb.dek:Seh)| heilbfäntich hellblau hellblau | On | Aeschengraben Nr. à ge wioletlicher Schein violette Fürbung starke Blkuung = = 0 Tr Bi starke Bläuung schr ntarko Bläuong | schr starke Mläuung | ziemlich starke Biäuung | sehr sarke Diäuung | schr starke Bihuung Eu Margaretbenstranse Nr. 13 Li: keine Reacllon keine Reaction Binulich biänlich Bali heltblat SL Eilssbeihen, Affenuicher Sod vor der dans te: hellblau | zleml.stark blau, so bleibd, = ehhaf. blau undorehafchtig blau | ut 5 Eu schwach blau lebhaft blau lebhaft blau iehban lunkeinlau undurehaiehüig Neschengraben. Nr. 1}, Sod Nr c Se sieletlicher Schein violette Färbung, blöbend) = starke Bläuung = = Arschengraben Nr. 1 Sod Nr. 2 » : keine Reaction ‚ger. Ru, viole, Färbung, = biknlieh vlolstlich. Sehein) starke Iluung Atachengraben Nr. 5. 5 5: raullch La ziemlich dunkelblau | nat dunkelblau dunkelblau undörchsichtig blau SL Jcobmrasse Ned. > - - : 5 ‚zchr belle Tauuag iehhafyn Mäuung = heile Wäuliche Farbai £ | dunkle Miinung = Acschengraben, Schlfgartes, = schwacher blauer Schein | schwache Bläuung alemlich lebhaft blau | undorehsichtig blau = ichenvormadt, Onüicher Sad vor der iirschenschmie ae schrachmeh Later chen] schwache Dlkuung eh starke Havana dunkel, lues Medaraleig blau | undurchsichug blau rats „Bra “ Ar 34 wa us ihuus} 2liemlieh Ve au 'unidure = | = PEN AE cn Pas (nvachee Dauer Ecbela| schwach blu iehlan blau Aunbriblau unkelian lanterne dan an schwach blau Iebban. binu dunkelblau 1ehhaf bau undürehalchtlg | x Aeschenvomindi Affenllicher Soi, Wilhelm Tell“ . = schwacher Mauer Schein sc au ziemlich Tea Mau. | dunkaian fat undaresichip au | unducsichug Mau DER TR Schwache Iiläuung nkelblan à u wodurehsichtig blau | > SL Albangraben Nr 2 Be er Sd schwach blau lebhaft blau undurchslchtig blau. = | St Alban Nr. 30 R keine Resctlan blänliche Färbung | Marks Dläuung = LS NEE ë hellblan lebhaft blau dunksiblaunchware fast undurchsichtig ban \orgrahen Nr 172 ir eine-Hesotion — | blauer Schein hlaner Schein, etwas mehr CONTE STUNT ANT = Dalerotrase Nr : 1805 | Kovır. 5 | Ba Schein D diek, Sch! biäuicher Schein hell £ hello Bläuung, slemnlich lebhaft blau Neuatse Nr. 4 1861 | Juni 26 | keine Reaction eins Renellon keine Reaction Reaction” + = Amsebengrabin) Ne 3 3865 | Deabr. 27 | schwach blau iebhaft blau ehr lebhaft blau odurcbalehiig blau Langegasse Nr. 17 - 1866 | ya keine Hearilon keine Resction keine Reaction schwache Huang dunkelblau Heumatterame Nr. 1. 1866 | Nayhr. 6 | schwach blau | ébbare blau dunkelblau lebhaft blau undurchstehig. M. Mone lake vom Birsig. N 5 £ > 2 1 Steinengraben Nr. 11 -S ah — — | ziemliche Blaunng - . = starke Blu ja “ 2 I an Ne 1 ER RE ë 1864| Sommer | keias Reaction | semi sarke Hauung | uodurchsichig blau | serbe Indurchsicbulg 5 bare Nr 31 a er 1805 | Novbr 21 | bellrothlich biänlich k = [rem tebha Drau ban | ch starke Biäoung 6 | Daviditruss Nr 15 + er = = 2 - = = | 1865.) Deabr, 19 | schwacher bläu). Schein | Tebhafte Binuung eh lakelliau | uadarehatchtig blau Dr | 12 Rene 0 a à 22: 2 2 2 2 2] 866 anal 1 | Kain Roseuon | schwach dau dunkelblau [star btau uskelblau ndurchstchug. lleru” Strasse Nr. Fi PIERRE me : : «| 1866| ant 21 | keine Resetion | keine Reaction blu schwach blau dunkelblau 24 — 14. | St Johann, Öffentlicher Son 5 à 20 2 2%] 1866 | Desbr 7 | keine Renetlon | schwach lan [bats M EAN blau ündarebslchtig undurehsichug Sode im Kleinbasel (s. Tab. IV). | . | Fr « u | 5b | Walsenbaun . see, à 22 . , . [1865 | Novbr.28 | keine Reaction koine Reaction lauchn. /ı SU keineRteactlon| hellblau = sch. Stnd. dnkl Bläung. mn alla rc 23 | schwacher blauer Schein | schwach blau lebhaft blau lebhaft blau | anderehsichtig = ä Anstalt auf ,Sehorent yon Herrn Riehier-Lioder, oberer Sod . . Novbr 11 | keine Naactan keine ‚Reaction keine Reaction beilhlhuliche Färbung | blaus Färbung stark blau “ di - - - “unterer Sod Novbr 11 | keine Reseuon |'htaotieher Schela = keine Reaction schwache heile Riäuung | stark blau 10 | Hammersteanse Nr. 1 à Per Novbr. 11 | keine Reacı biäulicher Schein. nech n.4St-hellbläulich | biäulicher Schein Hlemiiel. Jebhaf blau | dunkelblau IL | Tiengame Nr. 21 Tabakfabrike : . Desbr, 6 | keine Neastion schwacher blaver Schein | schwacher blauer Scheln | stark bat dunkelblau schr Junkelblau 12 | Hanmerstrame Ne a on Deabr. 13 | schwacher blauer Schoin | Jevhane Mäuung lebhañ. blau undurehslchtig blau _ - h Unterer Rhelawog Nr. #7 Hülfsspital ı BER Dezbr. 18 | hellblau | dunkelblau undurehsichtig blau dunkelblau undurehsichtig blau = 16 | Untere Rheingaso Nr. D - - Bene schwach bian Schwach bias‘ cb blau Junkelblau = In die Stadt geleitete Auellwasser (s. Tab. V). 1a | Qeal, Quelimamer des Behlougnies Angela)» + 111861 | Aupası = - keine Reaction | undorchsiehig blau a mus 5 Bu ueun = leise Bikaung = - ndorchsichug blau n [de : alla » : : . . ao |'aurut = — Jebhañe Dltuung = undurchsichtig blau 8 | Grllégervaser, Dronsen vor dem Aciebenihore: > » © : : 2] 1866 | Norbr. à mache Farbung Jebañ blau nnkelblan dunkelblau untsrchaichlig ottmingerquelle < Ale ina Reaelon blänliche Färbung _ Binalieber Schein sure lagune u. |mnnstobe am Dinie, Siaenwerk enden allen Dante | 1995| Narr 11 | kei acuon keine Reseulon kelon Reaction keine Iteacilon visleiches Schein ziemlich stark blau Binningaratrasse, Offenilieber Iirannen, bei der alten Gantabrike, | Margareihenworkwasser 8 1805 | Nast. 23 | keine Acaction Kelno Reacilon neh\sacher blauor Schein | schwacher blauer Schein | schwach lau zlomlich atark blau 113 | narfüserplau, ofeatlicher Branoen, Bargeribenwerkäer "jan | 1308 avr: 2% | keine Resetion Keine Reason Schwacher violet, Schein | schwach‘ blau dunkelblan dunkelblau VA | Anlage rechts vor der Bt. Ellaabeihen, GfleoUleher Bruaaen, Mar- garelbenwerkwanser keine Heaellon Fan oran stark iin |lannkitien undarehstchlig = B4A | Oemenlicher Brunnen vor der Schmiede in der Spalenvoruil, ee : RE Spalenwerkwasser - eine Iwactlon schwacher blauer Schein | schwache Blävung achr schwach blau stark hlau stark blau hic di dis schwacher Schein lebhaft blau lebhaft blau. Iethaf blau unkelblau at undorehalebilg 43 | Oufeouicher Hrsngen sut dem Hoteiplaar, Spalenwerkvamer , keins Renetion schwacher blaut, Schein | sehyracher blaul. Schein | schwach blau star blau donkelblan 13 'oereauieher Yrannen in der Bt. Johannorstsdt, vor dm neuen Haüe, Spalenwerkwasser - heine Reaction violelicber Schein Yioletröthlicher Bchelo | rötlich bella dunkelblau | Sodwasser in der Umgebung von Basel (s. Tab. VD), A, Bode Klelahüniogene | 1 Gasthaus su Dreikdelgen + - + - + : + = - +] 1886 |3Marz A| ua dunkelblau schwarsblan ziemlich dunkelblsu | undarchslchig blau | undurchsichiig blau 2 | Haus von Backar Hrandenberg en 5 1406 | Möra 1 | matt lila ondurehsiehtig blau 2 alemlich Auekelblsu | undurchsichlg blau = 3 [sos von Kaufmann J. Weber : : css [Me 1 [Apr von grauleb | heit elsvas alter sehr. hellblau | hellkiau alas alter U. ode Birafeldena und der Sch weizerhalle, | 1 Winhahsos zum Ochsen N keine Resellon chwacher blaner Seheln | Helihlau hellblau | sobr Icbhaft blau | duokelschwarskiau 2 | Meiernchen Haus, . : RS CNE | dunkelblau dunkelblau Iehhaft blau ‚duokelbl | ganz noılurchslchuig blau 7 Sod hinlar dem Wirthshause „rum Stab® 23 schwach violet schwach blau lebhaft blau dunkelblau, undurchaicht,| Undurchsichtig blan Ab | Oeconomisgebände von Schneider an der Rheinfahre : ziemlich mtark blau | ziemlich stark blau | schr lehbanı blao ndurchalchg blau | undnrehslchu blau à | Oesnomiegebäude von Schneider „im Hofe® . . . . » + » schwacher bai Schr hellblau. hellblau SEAT elemlich lebhaft blau | schr Johharl dunkelblau & | 1raus'von Schreiner Boruhanser, rechter Hand, : . . > + Schwacher bla blauer Sehela schwach blau ganz schwach hau Taha Haut | dunalblau 2 [ogiches an rechter Hand, am Ede des Dora ! 2 2 2 >| 1806 | Janaar | ämaher ur chen | ltnan lan dunkelblau schwach blau dunkelbl Undurehsichug b H re ar ane | 10 | ara [keine Teac. | schwach vol Hobhafl dunkelblau Sacha dunkelblau TrdurehatchLg HU \omiegehäude von Hrn. „Suler-Sulter“ auf Schweizerhälle | 1504 unkelblau, nach einigen = Undurchsichtig blau = = 1 | Oeconomiogehunl ira. „Su Ta ni le Bach- und Flusswasser (s. Tab. VII). I REIN. | 1 | anne des Rbelas auf dem Bebe der obern Fähre, Bt. Allanvor- | un, | ur, schwache Färbung. Jebhaf blau labhan. blau undurchslchlig - m Bad GROBER à à ee ee ee X 1868| Febr 9 | heile heligraullch belblau dunkelblau fast undurchaichulg à er Fähre, Bu Jobannror- 2 | Me des bein ma dem Schife der tern Fabre a | ae in Fe I“ sait, geachöp à - > FR Novbr, 6 | schwach blau ébhaf blau. lil > 4 Ufer Klelnbasels bei der Fähre, nu Bud got LES eu wehwscher Schein schwacher Schein selwache Bläuong dunkelblau undurchsichtig. ‘s | Ufer Grosahasels beim Seldenhofe, St Johannvoriadt, D cache Schein ee re TE er Tree 7 Be 5 Ufer Kleinbasels beim Schladgı unterhalb der Stadt geschöpft sOiwacher Schein | Baus Färbung blaoë Färbung Tobhan, blau. undurebnichtig 7 ei der Sehwelserhalle, binter d, Sotierseben Deconomingeblude gesch. | — dunkelblau (Re ndurebalebig blau ündurebslehtig bias | unilurehslchuig blau Bıns, | 1 Birscanalwanser, bel der Sige vor dem EL Alhanthore geschüpft | 1865 | Novbr. 6 | keine Reaction Laine Reaction schwache Teaction schwache blaue Färbung | lebhaft blau Teich. Kovbr. 21 Rasétlon ne Rance Reset = stark blau 1 Kleinhasler Gemerbeteich bel der Clarakirche geschäpft « . | 1865 | Novbr.21 | keine Rasetio keine Reaction ' keine Resetloo heltblänlich Mark wirsr. 6 schwacher Scheln sache Tilsu lbs dunkelblau b | Wiesewasser, bei der Wiesebrücke geschöpfk Novbr. 6 | schwacher Schel schwache Blpaung Jebhan blau schwache Hiñoung lebhan blan BInS10 | = e ia AN ai ‚Jusknlblau 9 |iBeim age unter dem Ebentnimvisdact Ge + + - > = m | sin Hess Ber | GRR 2 OREREs laser Bebein | sah mache Basenp Rümelinbech 3 an I à = Jebhaf bi rchaiehtl fast sodurehaehtig 1826 | Novur. 6 | schwacher Sehnin | dunkelblau Haas Wasmer de ScbBisenmattwaiters : + = - 2 7 s Beispiele stark infizi | | eispiele stark infizirter Sode. des Si né N de: 7" u. E = z z a — — — a — — e_ Ber. _ sa u ee =. e piece ne dx " : lus 6 Ri N Gehalt eines Liters Quantität CE nt Beobachtung Summa enction 8 - eaction der F beim der 4 R Reaction Reac Nach Ansäuerung Verhalten eu Verunreini; nessengen Ausıuc] x 2 Differenz 4 SEUULEREUUBEU \ Glühen des Rückstandes | Zahlen ë Data Verhalten mit festen Bestandtheilen | inöLitern bestimmt en à von der | auf beim Jodkali AGE s 1e ut Alcohol. Auszug Bebualluag 9! L des Col . | x olkaliumstärkekleister und Schwefelsäure bestimmt durch Eindampfen des bei bticbrne alcohı olonnEen] Zahlen R Fr ; , Sa 6 gel CI coholischen Auszuges. salon | Lage des Sodes. Äussere Herkmnle, DS TRES Itecknlen Pückstuelee| Ruékatändes Meet | Lee a EE — Ze von 2 gelbes | rothes von | Sont anis, | = Ve aut | Schöpfens. | | DE atuelichonsWanses B nach Schütteln des Wassers » | rm: | on | Schwofel- |dessen Ver-| Ammo- \dessenVer-| Bintlangensnlz. Stehen |. mit Zinkamalgam | Dar Unter- Arten) | | 5 ehe T 100°Celslus| geglühter | Glüh- Rückstand zuerst Ses aaa Senn L wd till ; bind = bei 400° /Celrius p dé wasserstofl, bindungen. | niak, | bindungen, an der Luft nes nach nach An nach | nach [getrockneter | Rückstand.| verluat Beiroehme. denn] zur | OrBanlscherReste ote. | Wassors | 19 Minuten. | 25 Minuten | 3 | 10 Minuten, | 25 Minuten. Rückstand | graltit berechnet, ji a 2 en IE I |l = 1 : | | = ee | I. IV, e VL. | VEN, | . AY, XV. | AVE VIE, XVI, | | 1 (| [ T ] | | | | | 5 | | | | | L a » ner | à a. > | D a | » | | lbs | Contraibahnplaw Nr. 11 1806 Müre 14 | gelbe Farbe, übler Ge- | schwache | otwas stär-| keine geringe | stark.binuer | ser starker | stark. Geruch nach | rothbrauner No- © schwach vi- | schwach vi=|.schwacher | schwach | schwach. 2,0800. | 14730 | 0,0870 _ _ = = | = = = ” rudemd sehr Nbler Karo ala auf Niederschlag) blauer Nie- | Jauche;rothbraun.| ckiger Satz, aus olet let | blänlicher | blau | plan Kane [ein GIahen | Gotehmack. Bolm Um- freies derschlog | NockigeAusschei-| Eisenoxyd und | Schein | | [Bisenroituna|| starke | | I" - schüttela stark. Schaum | ges dung vonviel Ei-| organ. Substan- | organischen | Schwärzung | | senoxyd u.ctwas| zen bestehend | | | Substanzen “| organ. Substanz | | | | | | | > Damelbe wurde im November 1866 wieder untersucht, nachdem cs in der sugestöpnellen Flasche gestanden hatte ; nach der Filtralon war es grau, beim Durchleiten von Chlorgas wurde es gelb und es entstund ein Nieder- | | | | | | | schlag, der aus Elsenonyd bestund. | | | | | | | | ] o E | | | i LI | Giarastrasso Nr. 18 . 1806 Müre 1 | graulich gelbe Farbe, o o keine ziewl, starke] stark.blauer | schr starker| starker Geruch dito {0} © | © || — |dunkelblan | — 1,3330 | 07910 | 0,5420 | rostfarben, beim Erhitzen Rauch und Flamme = = = | Geruch nach Jauche, Niederschlag) blauer Nie-| nach Jauche | | RENE En | 1 al übler Geschmack, trübe | derschlag | starker Nieder- | | | | Étienros and] | | | schlag von Eisen- | | organischen | | oxyd u. etwas or- | Substanzen | | rer # ganlscherSubstanx | | | | | | | | | | b2 larairasso N; . 866 hi = rollliche Far | 30 R H g au ru 1866 Mare 14 | schmotzig golblicho Far- | zieml.starko O O oO stark.blauer | noch stär- dito dito bellblau undurch- | undurch- || dunkelblau undurchsichtig 1,0136 | 0,0832 0,3304 | beim Erhitzen des Rückstandes stinkender Rauch, schr starke Schwärzung, rostfarboner Glührlickstand | bo, starkor Goruch £ ! 2 [4 | Li or Geruch und Niéderschlag| kerer blauer] | sichtig | sichug || | braungeib von) | | jeschmack, trübe | Niederschlag] | | | 5 [Eisenrost und | | ©1 | Rhoingasse Nr. 39 RG zolbliche Farbe, D! | . | | | org Substanz] | | gesso Nr. 1866 März 14 | golblicho Farbe, Phos- O Oo Oo oO keine Reaet | kolne Ronet] stinkendor Geruch, | Satz ausetwasEi= | heilblaulila | dunkellila | dunkellila || dunkelblau | undurchsichtig blau 1,2104 | 0,9104 | 0,3000 | 3,0518 | 2, 0,0645 keine |shratarkeSchwärzung,) 0,1993 0,1007 | phorwassarstoffgeruch heilmaisgolboAus-, senoxyd undor- | Am 19. Dezember wieder | | braun v. org.| beim Gtähen|eibhraun | Ihr. sieh. Schwärsg stechende übelrie- | und nbler Goschmack, scheidung, worin | Banisch,Substanz | unersuch, nachdem das War- | Substanzen starke | chende Dämpfe | daréb Elsonrost trübe | wenig Eisenoxyd AAC TELE | | Schwärzung | | und vielorg. Stoffe keine schwach | schwach | schwach | dunkelblau [fast undureh-| | e ; blau blau sichti | | © 2 | Rleingasso Nr. 26 a ec raste, rage Dre || ig | ra 14 sulbifche Farbe; garlüge B: 0) o {0} O grünoFärbg dito dito zieml.stark | dunkelblau | undurch- || dunkelblau undurchsichtig 0,1736 0,3632 0,1101 [0,9996 | 0,6156 | 0,3810 0,066) Spur | schwacho,Beäonu 0,0700 Trübung durch Elsonrost p schwac E L ng durch Elsonro | lila | sichtig etwas bräun- | sehr. starko | belgeih | em, Schwärzun:| er “pui 7 wi | | die geilı ichwärzun | 1 Li Krhitzon) CR N Ft Mn hraungelbe Farbe, Phos= r | | 3 | | | a Rhoingasse Nr, 23 , [1366 Müre 14, DL b UNE 3 [o) o starke oO spurenwelse) zleml. lcb- | starkerstinkender | starker Satz, von ©. foiwasheiun-aiasgeun-| C) graulich | graulich 1,1036 2,2236 | 2,0186 |.0,2050, — Me ER rend netlon | Taf Viau:| "Geruch, niarker | Eisenoxyd uni | lich lich | F von schmutetg! Erhitzen|bräunlich | | Ihr. such. Sehwärzg üblor Geschmack, braun | grüne Niederschlagvon | organ. Substanz | raunerFarbe starke | | gelber Satz, Altrat gelb bung Eisenoxyd und | | || | Lamothe | Schwärsung | | etwas organisch. | | Salze und | en | Eisonrost | | | © 4 | Rhelngaso Nr. 2 1860 März 14 | gelbliche F1 geringe E ubatanz | | | | | Tenboag durch Se [e] Le] © O oO ‚gtüneFärbg. dito dito zieml,stark | undurch- | undurch- || dunkelblau undurchalchtig blau. 0,4450 0,3200 0,1250. | 0,8 366 | 0,5906 | 0,2460 0,0685 keine sehr starke Sohwärzg, 0,0730 ront blau sichtig blau | aichtig blau [ bräuni | sehr starke | braun tarke Schpärzong | | | Schwärzung | | } | | él Krisen | : _ == — = — = = 3 En = le i Î j » sobr schwache Reaction Angabe über die Stärke der Nitrit- welche direct in den Wüssern erhalten wurden. | und Nitrat-Renctionen | Vereinigte | Nitrit- & Nitratreaction mit denselben Reagenkien, nach Reduction der Nitrate zu Nitriten. Jodkallum, Stärkeklelster und Schwefolskure, | XX, schwache Reaction keine Reaction starke Reaction schwache Reaction acht #tarke Reaction » schwache Reaction schwache Reaction schr Marke Renctlon a 3 Reactior selr star) die pe sehr Starke Reaction achr atarke Renction & 2 Tabelle IX. mean Festsehrilt herausgegeben von der Naturforschenden Gesellschaft m Basel - zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens PSG Basel, Buchdruckerei von C. Schultze. 1867. Inhalt Seite I. Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft in Basel während der ersten fünfzig Jahre ihres Bestehens. Von Peter Merian - à 1 II. Ueber die Aufgabe der Naturgeschichte. Von Pro- fessor L. Rütimeyer . ; er II. Ueber das Grundwasser und die Bodenverhältnisse der Stadt Basel. (Mit einer lithogr. Tafel.) Von Professor Albr. Müller : h 2 R : R SON Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft in Basel während der ersten fünfzig Jahre ihres Bestehens. von Peter Merian. r er AE ALES se = PE b > A e - Lis 2 j gi l 7 4 { & 4 2 - 2 = £ #., . 2 . Du ” R Les © . A . FA FR LS rs * x * de LE 4 - ei - 4 “ & { 2 x Hl = Itslyeliszan obdod sera men al Bernd gel Biiaht tes sah FE 2. Wa a — x ZE F 4 Ca Le ne m | x = - ; ' E43 a x Rn = u = 2 nn, h R + " À à % va + Dot 4 + Er " or ” = ‘ ce ee ” # A I 217 we, As Einleitung zur Geschichte der naturforschenden Gesellschaft in Basel liefern wir einige Angaben über die ältere in der Mitte des vorigen Jahrhunderts gegründete physisch-medicinischeGesellschaft, als deren Fort- setzung sie zu betrachten ist. Wir theilen zu dem Ende nachstehenden Entwurf einer (xeschichte dieser Gesellschaft mit, wie derselbe zu Anfang des Jahrs 1816 nach den vor- handenen Documenten und nach mündlichen Nachrichten von Prof. DANIEL HUBER verfasst worden ist, mit einigen wenigen Ergänzungen nach dem Protokoll der medicinischen Facultät. Im Jahr 1751 hatte JOH. RUD. IMHOF älter, Buch- drucker und Buchhändler allhier, dem damaligen Decano Facult. med. Dr. J. RUD. ZWINGER, den Antrag gethan: Es würde sowohl zur Aufnahme der Universität, als auch besonders zur Zierde der medicinischen Facultät gereichen, wenn man, wie anderer Orten auch geschehe, diejenigen curiösen Observationes durch öffentlichen Druck bekannt machte, welche jedem geflissenen Lehrer der Heilkunde oder ausübenden Arzte, oder auch einem andern in Wis- senschaften erfahrenen Mann, von Zeit zu Zeit vorkommen würden, und deren Bekanntmachung manchmal Gewissens- sache sei. Man könnte die Beobachtungen unter dem Titel: >Acta helvetica physico - mathematico - botanico - medica « erscheinen lassen, deren Verlag er und die Seinigen zu übernehmen sich erklärten. À Dieser Vorschlag ward, wie er es auch verdiente, mit Freuden angenommen. Es scheint, dass er zuerst an die medicinische Facultät im engern Sinne, oder das Collegium medicum ergangen war, welches aus den Professoribus . medicinæ besteht, damals aber in der Person des berühm- ten DANIEL BERNOULLI einen ausserordentlichen Beisitzer hatte. Wahrscheinlich aber hat das Collegium medicum die übrigen hiesigen Aerzte, welche sich in die medicinische Facultät hatten aufnehmen lassen, bald zur Theilnahme aufgefordert, und auch andere ihrer Mitbürger und be- nachbarte auswärtige Freunde mit in ihr Interesse gezo- gen. Genug, im nämlichen Jahre erschien der erste Band der Acta, dessen Vorrede von J. RUD. ZWINGER als Prodecanus unterschrieben war. Noch vor Ende 1753 waren mit dem Siegel der Facul- tät verwahrte Einladungsschreiben an sehr viele schwei- zerische Aerzte und Naturforscher ergangen, um sie zu Mitarbeitern aufzumuntern. Im Jahr 1755 waren daher schon mehrere auch nichtmedicinische Mitarbeiter, und des zweiten Bandes Ausgabe erschien unter DANIEL BERNOULLIS Namen, der damals Decanus der Facultät war. Die Gesellschaft hatte nun noch mehr Bestand erhal- ten, und Dr. JOH. HEINR. RESPINGER ward zu einem Se- kretär derselben angenommen. Mit demselben hatte 1757 der Verleger für die zunächst folgenden vier Bände einen Contract geschlossen, wahrscheinlich ungefähr gleichlau- tend mit einem ähnlichen Vertrage, der 1767 für den siebenten bis zwölften Band errichtet ward und in welchem der Verleger dem Sekretär für die Mühe der Redaction, der Correctur und der Correspondenz ein Gratiale zusagt und die Unkosten der letztern zu übernehmen verspricht. Eine andere Obliegenheit des Verlegers scheint gewesen zu sein, den Mitgliedern der Facultät sowohl, als den 5 Gliedern der Gesellschaft, welche Abhandlungen eingelie- fert hatten, Exemplare der Acta zukommen zu lassen. Der dritte Band, so stark als die beiden ersten zu- sammen, erschien 1758, vom Sekretär herausgegeben. Der vierte Band. erschien 1760, ward vom Sekretär den Mit- gliedern dedicirt und enthielt zuerst eine Liste der Mit- glieder, welche dann in einigen Bänden fortgesetzt ward. Nachdem nun noch zwei Bände, 1762 und 1767, erschie- nen, hielt der Verleger im letztern Jahr, aus Anlass der Aufnahme seines Sohnes JOH. CHRISTOPH in die Handlungs- Gemeinschaft, bei der Facultät für sich, seinen Sohn und dessen Erben um ein Diplom als eigentlicher Verleger der Acta an; welches auch mit dem Beding, dass sie bei der beliebten Ordnung bleiben und nichts ohne Vorwissen der Facultät drucken wollen, bewilligt und ausgefertigt ward. Es scheint daher, dass der Absatz der Acta nicht unbe- trächtlich gewesen, welches noch dadurch bestätigt wird, dass schon 1769 der Verleger sich wieder an die Facultät wandte, deren sämmtliche Beisitzer er zu einer splendiden Mahlzeit eingeladen hatte, mit der angelegentlichen Bitte, es möchte die Herausgabe der Acta so viel wie möglich befördert und wenigstens alle zwei Jahre ein Band zur Herausgabe geliefert werden. Diesem Wunsche ward aber nicht sehr eifrig entspro- chen. Der siebente Band erschien zwar 1772; der achte, aber sehr schwache Band, erst 1777, begleitet mit einem höflichen und dringenden Ansuchen des Sekretärs an die Sodales und andere Viros illustres, dass sie doch Beiträge liefern möchten. Es müssen aber diese Beiträge nicht sehr zahlreich eingetroffen sein, welches, verbunden mit den kränklichen Umständen und endlich erfolgten Tode des Sekretärs, und der Aufhebung der Imhof’schen Buch- druckerei und Buchhandlung, die Erscheinung des neuen Bandes bis in das zehnte Jahr verzögerte. Auch waren ee die Brüder JOH. RUDOLF und FRIEDRICH ZWINGER nicht mehr am Leben, und DANIEL BERNOULLI sehr alt, und diese drei Männer hatten die Anstalt bei ihrem Entstehen am meisten zu befördern sich bemüht. Unterdessen ward Hr. Dr. DANIEL BERNOULLI der jüngere, Neffe von jenem berühmten, von der Facultät zum Sekretär der Gesellschaft ernannt, und die SCHWEIG- HAUSER’sche Buchhandlung erbot sich, den Verlag zu übernehmen. Man gab sich viele Mühe, Beiträge zu er- halten, besonders zeigte sich des neuen Sekretärs Bruder, JOHANNES BERNOULLI, königl. Astronom in Berlin, nicht ohne Erfolg thätig. Zu Ende des Jahrs 1787 kam endlich der neunte Band der Acta zu Stande, der auch, haupt- sächlich in Hinsicht auf die neue Verlagshandlung, den Titel des ersten Bandes der Nova Acta erhielt und mit einer neuen Liste der Mitglieder versehen war. Dieser Band enthielt auch eine Abhandlung des damals noch jungen DANIEL HUBER über den veränderlichen Stern Algol, im Sternbilde des Perseus. Nachher liefen noch einige Abhandlungen, für in die Acta gerückt zu werden, ein; da aber inner den nächsten Jahren nicht genug Stoff zu einem zehnten Bande vorhan- den war, so wurden mehrere derselben von ihren Verfas- sern, zum grossen Verdrusse des Sekretärs, wieder zurück- begehrt. Aus dem Ursprunge und dem Fortgange dieser So- cietas phyico-medica erhellt, was auch mit mündlichen Nachrichten übereinstimmt, dass dieselbe nicht eine ge- lehrte Gesellschaft war, welche ordentliche Zusammen- künfte hatte, in denen physische und medicinische Gegen- stände discutirt wurden, sondern es war eine Verbindung zur Herausgabe einer Sammlung von Abhandlungen über physikalische, medieinische und mathematische Materien. Es scheint auch daher nicht, dass jemals die Gesellschaft m. besondere schriftlich entworfene Verfassung oder Gesetze erhalten habe. Was etwa schriftlich mochte verfasst wor- den sein, betraf ihr Verhältniss zum Verleger der Acta. Da der erste Antrag an die medicinische Facultät ge- schah, so gab es sich von selbst, dass bei dieser immer Direction und Präsidium blieb. Diese Facultät bestimmte die DPruckwürdigkeit der eingelieferten Abhandlungen und von ihr hieng hauptsächlich die Annahme der Mitglieder ab. Die Angelegenheiten der Gesellschaft wurden gewöhn- lich in den Sitzungen der sämmtlichen Beisitzer der Fa- cultät behandelt. Die Diplome wurden auch unter dem Siegel der Facultät und der Unterschrift des Decanus der- selben und des Sekretärs ausgefertigt.*) *) Der Wortlaut der gedruckten Diplome ist folgender: Ad Summi Numinis Gloriam Veritatis investigationem Scientiarum incrementum ac Studiorum splendorem COLLEGIL PHYSICO -MEDICI - BASILEENSIS SODALES conventu nuper peracto ob insionia et luculenter probata eruditionis merita Virum eruditionis ac meritorum gloria conspicuum Dn omnium suffragio in Societatem suam physico- mathematico -anatomico -botanico-medicam Helveticam cooptarunt in cujus rei fidem hasce publicas literas Sigillo Facultatis medicae Basileensis munitas Sodali adeo cunctis probato atque caro in numerum suum adseripto cum voto omnigenae prosperitatis transmittunt. 8 So viel aus Hubers Nachrichten. In den Verzeich- nissen sind die Basler Mitglieder und die auswärtigen be- sonders aufgenommen. Unter den erstern sind auch die damals in ziemlicher Zahl im Ausland angestellten Basler Gelehrten aufgeführt, wie z. B. LEONHARD EULER, der Director J. BERNH. MERIAN in Berlin u. A. Unter den auswärtigen sind zunächst schweizerische Naturforscher vertreten, weniger zahlreich die Ausländer. Wir treffen darunter. die Namen von ALBR. VON HALLER, LAMBERT, JOH. GESSNER, ZIMMERMANN, LAVOISIER, ROZIER, JACQUIN, ALLIONI in Turin, SANDIFORT in Leiden, MURRAY in Upsala u.s.w. . Die Gesellschaft, der erste nicht ohne Erfolg unter- _ nommene Versuch, die schweizerischen Naturforscher durch ein gemeinsames Band zu vereinigen, zeugt von einem er- freulichen wissenschaftlichen Leben, welches noch in der Mitte des vorigen Jahrhunderts in unserer Vaterstadt ge- herrscht hat. Es ist hier nicht der Ort, in die Ursachen näher einzugehen, warum dieses Leben allmählig erstarb. Die isolirte Stellung, welche der Universität in unsern damaligen Staatseinrichtungen angewiesen war, und der allmählig alles Aufstreben lähmende Einfluss der auch bei Besetzung der akademischen Stellen eingeführten Loos- ordnung, stehen wohl oben an. Unmittelbar nach der im October des Jahres 1815 er- folgten Gründung der allgemeinen schweizerischen Gesell- schaft für die gesammten Naturwissenschaften wandte sich einer der Gründer, Hr. Pfarrer WYTTENBACH in Bern, an den ihm befreundeten DANIEL HUBER, Professor der Mathematik an der Universität und Bibliothekar, mit der Aufforderung, die Freunde der Naturwissenschaft in Basel zu einer Cantonal-Gesellschaft zu vereinigen. Prof. Huber fasste die Idee mit vieler Vorliebe auf und suchte vorerst die alte physisch-medicinische Gesellschaft, von deren Mit- gliedern ihr letzter Sekretär, Med. Dr. DANIEL BERNOULLI, Stiftsschaffner, Prof. DANIEL WOLLEB , Med. Dr., und Med. Dr. J. RUD. BUXTORF noch am Leben waren, wieder aufzufrischen. Nach genommener hücksprache mit den Mitgliedern der medicinischen Facultät und nach eingezo- genen Erkundigungen bei schweizerischen Freunden, ent- 'warf er im Februar 1816 einfache Grundzüge zu einer Ver- fassung der zu erneuernden Gesellschaft, nach welchen dieselbe, wie früherhin, unter nächster Leitung der Facultät und unter dem Präsidium ihres jeweiligen Decans stehen sollte. Der Vorschlag wurde zwar mit Wohlgefallen auf- genommen, die damaligen drei ordentlichen Professoren der Facultät, vielbeschäftigte praktische Aerzte, förderten jedoch dessen Ausführung wenig. Als daher Prof. Huber von der im October 1816 in Bern abgehaltenen Versammlung der schweizerischen Gesellschaft, welcher er mit lebhafter Be- friedigung beigewohnt hatte, zurückkam, sah er sich ver- anlasst, einen andern Weg einzuschlagen. Er berief die ‘ihm bekannten Freunde der Naturwissenschaften zu einer vorläufigen Besprechung auf den 19. Dec. 1816, und bald darauf, den 8. Januar 1817, erfolgte die Gonstituirung der Gesellschaft unter seinem Vorsitze, im Beisein der Herren Dr. Christoph Bernoulli, welcher den Vorschlag mit besonderer Lebhaftigkeit begrüsst hatte, | Stadtrath Hieron. Bernoulli, Med. Dr. J. Rud. Buxtorf, Med. Dr. J. Ludw. Falkner, Friedr. Heussler , A. Isaak Iselin, Rathsh. Germ. LaRoche. ' Luk. Linder, Med. Dr. J. A. Roschet, Prof. Daniel Wolleb, Med. Dr. DE Es wurde nachstehende Vorläufige Verfassung der naturforschenden Gesellschaft zu Basel angenommen: 1. Die Gesellschaft setzt sich zum Zwecke: Erstlich, die Erweiterung und Ausbreitung menschlicher Kenntnisse in siämmtlichen Zweigen der Naturwissenschaften, mit be- sonderer Hinsicht auf die Naturgeschichte des Vaterlandes und der Umgegend; sodann die Anwendung dieser Kennt- nisse auf das praktische Leben überhaupt sowohl, als auch ganz besonders auf den Nutzen des Vaterlandes. 2. Obgleich sie zu Erreichung dieses Zweckes theo- retische Untersuchungen keineswegs ausschliesst, so wird sie doch auf dem sichern Wege der Erfahrung, durch sorg- fältige und richtige Beobachtungen und Versuche die Kenntniss der Natur zu befördern sich bestreben. 3. Vorläufig verpflichtet die Gesellschaft keines ihrer Mitglieder zu eigentlichen Arbeiten, Untersuchungen, ge- lehrten Ausarbeitungen u.s.w., sondern sie beschränkt sich auf freundschaftliche Zusammenkünfte, in welchen sie durch gegenseitige Belehrung und Mittheilung der Er- reichung ihres Zweckes vorzuarbeiten gedenkt und dieselbe auch einigermassen zu erhalten hofit. 4. Diese Zusammenkünfte sollen zweimal des Monats, in den Abendstunden, und zwar auf näher zu bestimmende Tage, gehalten werden. Ist eine allgemeine förmliche Be- rathung über einen Gegenstand nöthig oder wünschens- werth, so wird es den Mitgliedern, wenigstens einen Tag vorher, angezeigt werden. 5. Die vorfallenden nöthigen Berathungen zu leiten, erwählt sich die Gesellschaft einen Präsidenten und zu- gleich einen Vice-Präsidenten, der die Stelle von jenem im Falle von Krankheit oder andern Abhaltungen vertreten könnte. 11 6. Ein ferners zu erwählender Sekretär ist zugleich auch der Cassirer derselben. Er verzeichnet sodann auch in ein Protokoll, was in jeder Versammlung besonders merkwürdig vorgebracht werden möchte, besorgt die Cor- respondenz und führt genaue Registratur über die der Gesellschaft zugehörigen Schriften. 7. Der Präsident, Vice-Präsident und Sekretär werden durch das geheime absolute Mehr ernannt. Sie bilden zu- sammen ein vorbereitendes Committee zur Leitung der Geschäfte. Bei künftig zunehmender Anzahl der Mitglieder und Vervielfältigung der Geschäfte können sodann den- selben noch zwei oder vier Mitglieder zugegeben werden. 8. Neue Mitglieder werden, auf den Vorschlag eines Mitgliedes, durch das geheime Mehr angenommen. Alle Bürger oder Einwohner des Cantons können aufgenommen werden. 9. Ein Cantonsbürger oder Einwohner, der nicht in die Gesellschaft aufgenommen ist, kann jedoch von einem Mitgliede zweimal in die Versammlung gebracht werden. Ebenso kann auch ein fremder Liebhaber der Naturwissen- schaften, welcher sich kürzer als drei Monate im Canton aufhält, von einem Mitgliede introducirt werden, insofern derselbe als ein kenntnissreicher und diskreter Mann be- kannt ist.*) 10. Zu Bestreitung der Ausgaben entrichtet jedes Mit- glied jährlich acht Franken. Ueber Ausgabe und Einnahme wird vom Sekretär jährlich Einmal Rechnung abgelegt. 11. Diese Verfassung ist für Ein Jahr festgesetzt. Nach Verfluss desselben soll sie wieder revidirt und in allge- meiner Versammlung darüber beschlossen werden. So beschlossen in der Versammlung vom 8. Jenner 1817. *) Artikel, welcher bei der Berathung dem von Prof. Huber abgefassten Entwurfe beigefügt worden ist, 12 Den Beitritt zu dieser Gesellschaft und die Genehmi- gung der obigen Verfassungsartikel bezeugen om durch eigenhändige Unterschrift: In . Daniel Huber, Prof. Math. . Hier. Bernoulli, Stadtrath. . Dan. Bernoulli, Med. Dr., Stiftsschaffner. . Dr. Chr. Bernoulli. . J. Rud. Burckhardt, Med. Dr. u. Prof. . Friedr. Heussler. Wilh. Haas, Vater. . Joh. Balthas. Götz, Vater. . Prof. Dan. Wolleb, Med. Dr. . J. J. Stückelberger , Med. Dr. u. Prof. . J. Rud. Stückelberger, Med. Dr. . J. Rud. Buxtorf, Med. Dr. . K. Fr. Hagenbach, Med. Dr. u. Prof. . J. L. Falkner, Med. Dr. . Germ. LaRoche, d. R. . Martin Wenk, Sohn. . A. Isaak Iselin. . J. A. Roschet, Med. Dr. . Ludw. Mieg, Med. Dr. . Luk. Linder. . J. Conr. Dienast, Stiftsschaffner. 2. Carl Harscher. einer den 22. Januar 1817 abgehaltenen Versamm- lung, zu welcher die beigetretenen Mitglieder eingeladen worden waren, wurden erwählt: zum Präsidenten: Prof. D. HUBER, zum Vice-Präsidenten: Prof. D. WOLLEB, zum Sekretär: Dr. CHR. BERNOULLI. In demselben Jahre traten. bald nachher als Mitglieder noch bei 23. Carl Sarasin-Heussler. 24. Rector J. R. Hanhart. Von diesen sämmtlichen Gründern der Gesellschaft ist gegenwärtig nur noch Hr. A. J. ISELIN am Leben. Von der Art und Weise, wie die damalige wissen- schaftliche Stellung Basels und die Errichtung der Gesell- schaft im weitern schweizerischen Vaterlande angesehen worden, mag als Beispiel die bezügliche Stelle dienen aus der am 16. Oct. 1817 vom Präsidenten USTERI gehaltenen Eröffnungsrede bei der Versammlung der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft in Zürich, welcher auch Prof. Huber beigewohnt hat: > Wenn in Basel ein Zeitraum eingetreten sein mochte, wo der, durch Wissenschaft und Kunstfleiss mehr noch als durch Glück und Zufall veranlasste und begründete Wohlstand eine Erschlaffung herbeiführte, bei der bald eben jener Wohlstand hinwieder hätte gefährdet werden müssen, zumal derselbe, wie ungefähr alle geistigen und materiellen Güter, durch die Mittel, wodurch er erlangt worden ist und zu Stande kam, auch allein nur mag ge- währleistet und erhalten werden; wenn, sage ich, ein Zu- stand wissenschaftlicher Erschlaffung in dem durch so viele grosse Erinnerungen der Geschichte vaterländischer Kultur glänzenden Basel eingetreten sein sollte, so hat derselbe auch bereits schon neuem Vorschreiten Platz gemacht. Die hohe Schule wird in verjüngter Gestalt und in er- neuertem Aufblühen, dem eigenthümlichen Verdienst der Gegenwart zur Seite, auch den Ruhm ihrer Vorzeit gar viel sicherer bewahren, als eine ängstliche Huth alter- thümlicher, durch der Zeit unhaltbares Walten morsch gewordene Formen dieses zu thun vermöchte; und an die Stelle des durch seine Denkschriften berühmten Vereins schweizerischer Naturforscher, der einst von Basel aus {4 sich, ebenso wie jetzt, über die gesammte Schweiz auszu- dehnen wünschte, ist neuerlichst durch die Thätigkeit unseres Mitglieds, des Hrn. Prof. Huber, eine Cantonal- gesellschaft getreten, über deren erste Beschäftigungen wir von ihrem anwesenden Stifter selbst die nähern Berichte erwarten dürfen.« Ueber die wissenschaftliche Thätigkeit der Gesellschaft war damals freilich noch wenig zu berichten, denn in der ersten Zeit scheinen, im Sinne der Bestimmungen von 83 der Statuten, bloss freundschaftliche Zusammenkünfte statt- gefunden zu haben, ohne Vorlage bestimmter Arbeiten einzelner Mitglieder. Erst von 1819 an, bei der Versamm- lung der schweizerischen Gesellschaft in St. Gallen, konnten Jahresberichte an die allgemeine Gesellschaft eingegeben werden. Das vom Grossen Rath den 17. Juni 1818 ange- nommene Gesetz über die Organisation der Universität und die in Folge desselben allmählig erfolgende neue Be-. setzung der naturwissenschaftlichen und medicinischen Lehr- stellen, musste der Natur der Sache nach fördernd auf die Vermehrung der wissenschaftlichen Kräfte im Schoosse der Gesellschaft zurückwirken. Zu Anfang des Jahrs 1821 wurde auf den Antrag der akademischen Regenz die Er- richtung eines naturwissenschaftlichen Museums von dem Erziehungsrathe beschlossen und vom Kleinen Rath ein besonderes Gebäude, der Falkensteiner Hof, einge- räumt zur Aufnahme des physikalischen Kabinets, eines neu zu errichtenden chemischen Laboratoriums, der mi- neralogischen und zoologischen Sammlungen der. natur- historischen Abtheilung der öffentlichen Universitätsbiblio- thek und der zum Unterricht der naturwissenschaftlichen Fächer dienenden Hörsäle für Universität und Pädagogium. Ein regelmässiger jährlicher Staatsbeitrag wurde der neuen Anstalt zugewiesen. Der botanische Garten, schon 15 40 Jahre früher durch Professor WERNER DE LACHENALS Stiftungen ausgestattet, blieb als besondere Anstalt be- stehen: Bei der im Juli 1821 in Basel abgehaltenen Versamm- lung der schweizerischen Naturforscher war Prof. HUBER zu deren Präsident, Prof. CHR. BERNOULLI zum Sekretär gewählt worden. In der Eröffnungsrede konnte der Prä- sident mit einiger Befriedigung auf diese neue Schöpfung hinweisen. Bereits am 25. Mai desselben Jahres wandte sich die naturforschende Gesellschaft an die akademische Regenz mit dem Ansuchen einer mit dem naturwissenschaftlichen Museum einzuleitenden nähern Verbindung, und legte zu dem Ende nachstehenden Vorschlag zur Genehmigung vor: 1. Die Versammlungen der Gesellschaft würden im Lokal des Museums gehalten. 2. Ausser den bestimmten Tagen, an welchen die im Museum aufzustellende naturhistorische Bibliothek dem Publikum wird geöffnet werden, würde den Mitgliedern der Gesellschaft auch zu den Versammlungszeiten die Biblio- thek offen stehen, und sie würden auch an diesen Tagen sich vom bestellten Bibliothekar dieser Bibliothek Bücher zum Entlehnen können einschreiben lassen. 3. Zu den Versammlungszeiten würden auch die ver- schiedenen Sammlungssäle den Mitgliedern geöffnet sein. 4. Die jährlichen Beiträge der Mitglieder (gegenwärtig Fr.8) würden wie bisher auf Vorschlag der Mitglieder der Gesellschaft, und nach Entscheidung ihrer Gesammtheit, auf naturhistorische, chemische und technologische Bücher verwendet, zum Theil auch auf Anschaffung von Natura- lien oder physischen und chemischen Apparats. 5. Von allem diesem Angeschafften würde sich die Gesellschaft das Eigenthumsrecht vorbehalten. Die Bücher würden mit einem besondern Stempel, die Naturalien und ae Instrumente mit einer Aufschrift bezeichnet. Alles würde in ein eigenes Inventar eingeschrieben. 6. Diese naturhistorischen Bücher aber, sowie auch die angeschafften Naturalien und Apparate würden sowohl den systematischen Aufstellungen der naturhistorischen Bibliothek, der Naturaliensammlung und des physisch- chemischen Kabinets des Museums, als auch dem betreffen- den Catalog einverleibt werden. Die physisch-chemischen Bücher würden besonders aufgestellt. 7. Der Gebrauch dieser der Gesellschaft gehörigen Bücher bei der Oeffnung der naturhistorischen Bibliothek würde jedermann frei gestattet werden, nur das Ausleihen derselben möchte die Gesellschaft auf ihre Glieder be- schränkt wissen. 8. Sollte etwa wider Vermuthen der Fall eintreten, dass die Gesellschaft sich auflösen würde, so würden alle Bücher, Naturalien und Instrumente, welche dieselbe an- geschafft hatte, dem Museum zum gänzlichen Eigenthum anheimfallen. 9. Von Zeit zu Zeit sollte ein Bericht über den Zu- stand des Museums und den Fortgang desselben, mit Er- wähnung der erhaltenen Geschenke u. s. w. bekannt gemacht werden. Dieser Bericht könnte mit der von der Gesell- schaft ebenfalls herauszugebenden kurzen Geschichte ver- bunden werden, welche die bemerklichsten Verhandlungen derselben enthalten würde. ai Der Vorschlag, von der Regenz den höhern Behörden empfehlend vorgelegt, wurde von dem Erziehungsrathe durch Beschluss vom 8. Aug. 1821 genehmigt. Die Uebereinkunft besteht gegenwärtig noch in Kraft. Die in $7 vorbehaltene Beschränkung des Ausleihens der Bücher an Nichtmitglieder wurde schon bei der ersten Berathung in Mitte der Gesellschaft als engherzig ange- fochten. Sie kam bald ausser Uebung und wurde durch 17 einen spätern Beschluss der Gesellschaft vom 3. Sept.1834 förmlich aufgehoben. Die Beihülfe, welche die Gesellschaft bei ihrem da- maligen Bestande von 24 Mitgliedern den öffentlichen Samm- lungen gewähren konnte, war eine sehr bescheidene. Doch wirkte das gegebene Beispiel, durch Privatkräfte die Institutionen des Staates zu unterstützen, anregend. Man- nigfaltige Geschenke von Privaten erfolgten und verschie- dene Vereine, welche ähnliche Zwecke sich zum Ziele setzten, gediehen später auf höchst löbliche Weise. Die Gesellschaft überzeugte sich bald, dass sie ihre mässigen Mittel nicht unzweckmässig zersplittern sollte, sah ab von Anschaffung von Naturalien und Apparaten, und beschränkte sich auf Vermehrung der Bibliothek. Dass aber bei einer Jahre hindurch festgehaltenen Beharrung eines bewussten Planes Erfreuliches geleistet werden kann, zeigt die theil- weise durch ihre Mitwirkung zu Stande gebrachte Vermeh- rung der naturwissenschaftlichen Abtheilung der ôffent- lichen Bibliothek. Bei der Gründung des Museums betrug, abgesehen von der in der botanischen Anstalt aufgestellten botanischen Bibliothek, die Bändezahl der naturhistorischen Fächer 1400. Nach der S. 608 unserer Verhandlungen mitgetheilten Uebersicht war dieselbe Ende September 1866 auf 10000, und mit Inbegriff der physikalischen und ma- thematischen Fächer auf 20407 angewachsen. Es wider- lest das auf thatsächliche Weise die damals laut gewor- denen Ausstellungen Einzelner, man trage sich mit zu sanguinischen Hoffnungen. Den 11. October 1821 wurde die Führung eines Pro- tokolls beschlossen, die eigentlich schon in $ 6 der Sta- tuten angeordnet war. In den beiden ersten Jahren des Bestandes der Gesellschaft wäre freilich wenig zu proto- kolliren gewesen. Später unterblieb es aus andern Grün- den. Doch schon im November 1822 hörte das Protokoll 2 wieder auf. Im December 1826 wurde an die Stelle von Professor Chr. Bernoulli, welcher um seine Entlassung nach- ‘suchte, Hr. Dr. Lupw. IMHOFF zum Sekretär gewählt. Seither, vornehmlich aber nach der im Jahr 1830 erfolgten Erneuerung der Statuten, ist das Protokoll mit grosser Regelmässigkeit fortgeführt worden. Nach dem erfolgten Absterben von Prof. W olleb wurde den 3. Juli 1822 Professor PETER MERIAN zum Viceprä- sidenten der Gesellschaft ernannt. Fin zu Anfang des Jahrs 1823 von der Gesellschaft an den Stadtrath gerich- tetes Ansuchen um einen jährlichen Beitrag zur Besoldung eines bei dem naturwissenschaftlichen Museum anzustel- lenden Gehülfen hatte keinen Erfolge. In das Jahr 1824 fällt die erste Anlage des ande: mischen Museums durch Professor JUNG. Durch die Bemühungen des Stifters sowohl, welcher die Anstalt mit besonderer Vorliebe pflegte, als seiner Mitarbeiter und Nachfolger , ist dieselbe in den folgenden Jahren für mensch- liche, eraleichferide und pathologische Anatomie zu einer _ sehr ansehnlichen Sammlung erwachsen. Die Zahl der Gesellschaftsmitglieder vermehrte sich allmählie. Ein Verzeichniss vom August 1827 weist der- selben 36 auf. Den 3. Dec, 1829 starb der bisherige Präsident und Gründer der Gesellschaft, Professor DANIEL HUBER. Bei der das Jahr hindurch immerfort sich mehrenden Abnahme seiner Kräfte hatte er. die Folgen einer ausbrechenden, einen immer ernstern Charakter annehmenden Gelbsucht sich nicht verhehlt, und mit grosser Besonnenheit seine Ange- _ legenheiten in Ordnung gebracht. Geboren den 23. Juni 1763 wurde er im Jahr 1791 zum Professor der Mathematik an unserer Universität und 1802 zum Bibliothekar der. öffent- lichen Bibliothek gewählt, welche beiden Aemter er bis _an sein Lebensende bekleidet hat. Als Mitglied der Uni- 19 versitätscommission und später des im Jahr 1818 errich- teten Erziehungsrathes hatte er an der Reorganisation un- serer höhern Uniyersitätsänstalten werkthätigen Antheil genommen. Wir erlauben uns als Brass an den Stifter un- serer Gesellschaft Einiges mitzutheilen, was in einem in den Verhandlungen der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft zu St.Gallen von 1830 abgedruckten Nekrolog über ihn gesagt 1st. Anhänglichkeit an das Alte und Bestehende war Allen dings ein hervorstechender Zug in seinem Charakter. Eine gewisse ängstliche Umständlichkeit, die mit seiner etwas schwächlichen ‚Constitution im Zusammenhange stehen mochte, hinderte ihn gar nicht, mit Festigkeit auf dem zu beharren, was er für Pflicht hielt, ungeachtet er den Vorstellungen der Freunde, die sein Vertrauen genossen, gerne nachgab. Jedem aufstrebenden Talente in seinen Umgebungen widmete er sein besonderes Wohlwollen und half mit Rath und That, wo es ihm möglich war, und nichts gewährte ihm innigere Freude, als wenn einer seiner jüngern Mitbürger, von dem er sich etwas Namhaftes ver- sprechen durfte, eine wissenschaftliche Laufbahn wählte, die mit seiner eigenen in irgend eine Berührung kam. In seinen Amtsgeschäften bewies er eine gewissenhafte Vorsorge für das ihm Anvertraute, die Manchen zu weit gehend scheinen mochte. Feind alles Flüchtigen und nur für den Augenblick Berechneten, bezeigte er überall, wo er mitzusprechen und mitzuwirken hatte, eine Vorliebe für tüchtige Leistungen, für eine gründliche Sorge für die Zu- kunft, und scheute daher keineswegs die nöthigen Opfer. Dieser gediegene Sinn, die Uneigennützigkeit und Bereit- williskeit zur Mithülfe, die er bei allen Gelegenheiten an den Tag legte, seine innige Anhänglichkeit an das Vater- land ‘und an alle vaterländischen Einrichtungen mussten N ihm Alle zu Freunden machen, die, wie die Mitglieder unserer Gesellschaft, nähern Umgang mit ihm pflegten, wenn sie auch über mancherlei Dinge abweichende An- sichten hegen mochten. Er hatte sich eine im mathematischen , astronomischen und physikalischen Fache sehr vorzügliche Bibliothek ge- sammelt, wozu die von seinem Vater herstammende Samm- lung die Grundlage bildete, welche er sich angelegen sein liess, nach Kräften zu unterhalten und zu vermehren. Kinderlos, wie er war, und in einer, wenn auch nicht slänzenden, doch sehr sorgenfreien ökonomischen Lage, fand er sich dazu in Stand gesetzt. Mit der grössten Liberalität war seine Bibliothek einem Jeden geöffnet, welcher sie zu benutzen wünschte. Er hat dieselbe, nebst den physikalischen und astronomischen Instrumenten, die er besass, den öffentlichen Anstalten seiner Vaterstadt vermacht, dem Freistaate Basel, dessen Angehöriger zu sein er sich zeitlebens höchst glücklich geschätzt habe, wie er in seinem den 12. November 1829 verfassten Testa- mente sich ausdrückt. Noch lange wird sie als eines der schätzbarsten literarischen Hülfsmittel, auch den kommen- den Geschlechtern ein Denkmal seines gediegenen wissen- schaftlichen Sinnes und seiner Liebe für die vaterländischen Anstalten darbieten. In derselben Nacht wie Professor Huber, den 4. De- cember in der Frühe, starb ein anderes Mitglied der Gesellschaft, der durch seine wohlwollende Gesinnung allgemein geachtete Stadtrathspräsident HIERONYMUS BER- NOULLI, im Alter von 84, Jahren. Er betheiligte sich zwar nicht an ihren Arbeiten durch eigene Vorträge; die eifrige Theilnahme, welche er der Gesellschaft, wie andern gemeinnützigen Anstalten der Vaterstadt, bezeugte, der Eifer, womit der hochbetagte Greis in Sitzungen und Vor- 21 lesungen sich seine Bemerkungen aufzeichnete, musste das Herz der Jüngern erfreuen. Dem von ihm hinterlassenen Wunsche gemäss schenkten seine Erben die von seinem Vater gebildete und von ihm vermehrte reichhaltige Natu- raliensammlung dem öffentlichen Museum. Es gewann dasselbe dadurch eine ansehnlichere Gestalt, namentlich in Bezug auf die Wirbelthiere, die bis dahin nur sehr mangelhaft vertreten waren. Das lebhaftere Interesse, welches dadurch im allgemeinen Publikum für die Anstalt rege wurde, wirkte vortheilhaft auch auf unsere Gesell- schaft zurück. Die Gesellschaft fand sich in ihrem Bestande durch die Vermehrung der thätigen Mitglieder wesentlich gekräf- tiget. Bisher hatte man sich nicht veranlasst gefunden, von dem $ {{ der ursprünglichen Verfassung, welcher eine Revision ausdrücklich vorbehalten hatte, Gebrauch zu machen. Bei dem erfolgten Tode des bisherigen Prä- sidenten fand man aber angemessen, zu einer Erneuerung der Statuten zu schreiten. Eine engere Commission, be- stehend aus den Herren Prof. RÖPER, Dr. IMHOFF, Dr. SCHÖNBEIN und Prof. JUNG wurde den 16. Dec. 1829 niedergesetzt, um einen neuen Entwurf zu bearbeiten, welcher auch in der nächsten Sitzung vorgelegt wurde. Einzelne Mitglieder, selbst in der Mitte der Commission, welche dafür hielten, die freiwilligen Leistungen der thä- tigen Mitglieder seien das Wesentliche, zeigten sich der Aufnahme von gar viel förmlichen Bestimmungen abgeneigt. Nach eingehender Berathung, die ein kleines Vorspiel dar- bot von den Verfassungsräthen, welche bald nachher bei der politischen Umgestaltung unseres schweizerischen Vater- landes eine so wichtige Rolle spielen sollten, wurde mit wenigen Aenderungen der Entwurf angenommen und die neuen Statuten wurden in der Sitzung vom 28. April 1830 RR gedruckt unter die Mitglieder vertheilt. Sie lauten folgender- maassen: | Statuten der Basler naturforschenden Gesellschaft. I. Zwecke der Gesellschaft. $ 1. Die Zwecke der Gesellschaft sind: Förderung der Naturwissenschaften im Allgemeinen und der natur- wissenschaftlichen Kenntniss des Cantons und seiner Um- segend, Vervollkommnung der öffentlichen naturwissen- schaftlichen Sammlungen, sowie Verbreitung des Sinnes für Naturkunde unter den Mitbürgern. II. Verfassung der Gesellschaft. A. Mitglieder. 8.2. Die naturforschende Gesellschaft besteht aus ordentlichen, freien, correspondirenden und Ehrenmit- gliedern. a. Ordentliche Mitglieder. $ 3. Um ordentliches Mitglied der Gesellschaft sein zu können sind nothwendige Bedingungen: Aufenthalt in der Stadt oder ihrer nächsten Umgegend, jährlicher Bei- trag von acht Schweizerfranken,, Bereitwilligkeit die Aemter der Gesellschaft zu übernehmen, im Laufe eines Jahres wenigstens einen Vortrag zu halten, und auf Verlangen der Gesellschaft eine schriftliche Uebersicht des innerhalb Jahresfrist im Bereiche derjenigen Wissenschaft, zu der sich das Mitglied bekennt, Geschehenen zu geben. b. Freie Mitglieder. 8: A, Um freies Mitglied der Gesellschaft sein zu können sind nothwendige Bedingungen: Aufenthalt in der Stadt oder ihrer nächsten Umgegend, jährlicher Beitrag von acht Schweizerfranken, und Interesse für die Zwecke der Gesellschaft. 23 c. Correspondirende Mitglieder. $ 5. Um correspondirendes Mitglied der Gesellschaft sein zu können sind nothwendige Bedingungen: wissen- schaftlicher Betrieb eines bestimmten Zweiges der Natur- kunde und Einsendung wenigstens einer wissenschaftlichen Arbeit innerhalb zweier Jahre. d. Ehrenmitglieder. $6. Nur durch bedeutende wissenschaftliche Lei- stungen ‘ausgezeichnete, oder durch ansehnliche Geschenke um die öffentlichen naturwissenschaftlichen Sammlungen oder Bibliothek verdiente Männer, können zu Ehrenmit- gliedern ernannt werden. B. Beamte. $ 7. Die Gesellschaft wird geleitet durch einen Prä- sidenten, einen Vice-Präsidenten, einen Sekretär und einen Vice-Sekretär. $ 8. Sämmtliche Beamte werden durch die ordent- lichen und freien Mitglieder aus der Mitte der ordent- lichen auf zwei Jahre gewählt. ‘Nach Verlauf dieser Zeit müssen sie abtreten, können aber nach zwei Jahren wieder gewählt werden. j a. Der Präsident. .89. Dieser beruft die Mitglieder vermittelst gedruckter Einladungskarten (auf denen die Gegenstände der Vorträge nebst den Namen ihrer Verfasser anzugeben sind) zu den gewöhnlichen und ausserordentlichen Sitzungen, eröffnet diese, theilt der Gesellschaft die Correspondenz mit und leitet die Discussion über die vorgetragenen Gegenstände. Ferner liegen ihm ob, die Correspondenz sowie die Sorge : für die Ausführung der von der Gesellschaft gefassten Be- schlüsse, und hat er an den öffentlichen Sitzungen der Gesellschaft einen Bericht abzulegen über die Leistungen der Gesellschaft, den Zuwachs oder die Abnahme ihrer Mitglieder und den Zuwachs der öffentlichen naturwissen- ai schaftlichen Sammlungen. Endlich hat er dafür Sorge zu tragen, dass die Vorträge in ununterbrochener Reihe auf einander folgen. b. Der Vice-Präsident $ 10. Dieser tritt jedesmal in die Funktionen des wirklichen Präsidenten -ein, wenn letzterer entweder durch eigenen Vortrag oder andere Abhaltungen an der Aus- übung seines Amtes verhindert wird. c. Der Sekretär. $ 11. Dem Sekretär liegt ob, über die Verhandlun- sen der Gesellschaft in ihren gewöhnlichen und öffent- lichen Sitzungen Protokoll zu führen, die Jahresberichte für die allgemeine schweizerische naturforschende Gesell- schaft abzufassen, die Oeconomica der Gesellschaft zu be- sorgen und jährlich über dieselben Rechenschaft abzulegen. d. Der Vice-Sekretär. 8 12. Dieser tritt jedesmal in die Funktionen des wirklichen Sekretärs ein, wenn letzterer entweder durch eigenen Vortrag oder andere Abhaltungen an der Aus- übung seines Amtes verhindert wird. C. Aufnahme in die Gesellschaft. $ 13. Wer es wünscht, in die naturforschende Ge- sellschaft aufgenommen zu werden, hat seinen Wunsch entweder dem Präsidenten oder irgend einem andern Mit- eliede der Gesellschaft vorzutragen. Durch das vorschla- sende Mitglied wird die Gesellschaft in einer gewöhnlichen Sitzung mit dem Wunsche des Candidaten bekannt ge- macht, und bemerkt, auf welche Weise er an der Gesell- schaft Theil zu nehmen wünscht. Darauf wird durch seheimes Abstimmen über die Aufnahme oder Abweisung des Candidaten entschieden. S 14. Hat sich die Majorität für die Aufnahme des Candidaten erklärt, so wird ihm dieselbe durch Einhän- digung eines Diplomes angekündigt. Ze. D. Vorschläge, Beschlüsse und Wahlen. $ 15. Jedes Mitglied hat das Recht, Vorschläge ver- schiedener Art zu machen. $ 16. Die in einer Sitzung gemachten Vorschläge zu neuen Gesetzen und Abänderungen der alten können erst in der nächstfolgenden Sitzung berathen und beschlossen werden, und ist auf den Einladungskarten anzugeben, wenn Abänderungen gegenwärtiger Statuten berathen werden sollen. $ 17. Damit ein Beschluss gültig sei, muss die Mehr- zahl für denselben stimmen und wenigstens die Hälfte der ordentlichen Mitglieder anwesend sein. $ 18. Stehen bei Beschlüssen die Stimmen ein, so giebt der Präsident den Ausschlag. $ 19. Bei Wahlen muss der Candidat eine absolute Majorität haben. $ 20. Alle Wahlen und Vota, welche Personen be- treffen, geschehen durch geheimes Abstimmen. Andere Beschlüsse können durch Handaufheben entschieden werden. E. Versammlungen. a. Gewöhnliche Versammlungen. $ 21. Die naturforschende Gesellschaft wird sich vom 1. October bis zum letzten April alle 14 Tage, Mittwochs um 6 Uhr Abends, und während der übrigen Zeit wenig- stens alle erste Mittwoche jedes Monats, zur gleichen Stunde, versammeln. $ 22. Die Versammlungen werden durch den Präsi- denten eröffnet. Darauf hat der Sekretär das Protokoll über die vorhergehende Versammlung vorzulesen und wird der Präsident zu Bemerkungen über dasselbe auffordern. Alsdann macht derselbe die Gesellschaft mit der etwaigen Correspondenz, Vorschlägen und andern sie angehenden Gegenständen bekannt. Ist dieses geschehen, so wird er die vortragenden Mitglieder zur Mittheilung ihrer Arbeiten 26 auffordern und Umfrage über dieselben halten. Vor Auf- hebung der Sitzung soll jedesmal vom Präsidenten ange- fragt werden, ob irgend ein Mitglied Vorschläge zu machen habe. Fa b. Oeftentliche Versammlungen. $ 23. Die Gesellschaft vereinigt sich alle zwei Jahre einmal öffentlich, um dem Publikum von ihren Leistun- gen Rechenschaft abzulegen und demselben eine gedrängte Uebersicht des im Allgemeinen in den Naturwissenschaften Geschehenen zu geben. $ 24. Diese öffentliche Versammlung wird der Prä- sident eröffnen mit einem Berichte über die Leistungen, den Zustand der Gesellschaft, den Zustand der öffent- lichen naturwissenschaftlichen Sammlungen und die Fort- schritte der Naturwissenschaften im Allgemeinen. Auf die Rede des Präsidenten werden folgen:. gedrungene Berichte über den Zustand und die Fortschritte der Chemie und. Physik, Geognosie, Zoologie und Zootomie, Physiologie und. physische Geographie, abgefasst und vorgetragen von den diese Wissenschaften in der Gesellschaft repräsenti- renden Mitgliedern. Auch andere passende Vorträge aus dem Gebiete der Naturwissenschaften können nach Gut- -finden der Gesellschaft bei dieser Gelegenheit gehalten werden. Hierauf hat der Sekretär die Aufzählung der Geschenke und ihrer Geber, sowie der durch die Gesell- schaft angeschafften Gegenstände zu verlesen, und endlich beschliesst der Präsident die Sitzung mit einer Anrede an die Gesellschaft und das Publikum. $ 25. Auch über die Fortschritte und den gegenwär- tigen Zustand der Botanik, Astronomie, Pathologie und ‘übrigen medicinischen Fächer, sowie der Pharmacie, Phar- makologie, Anthropologie u. s. w. sollen von Zeit zu Zeit, in einer genauer zu bestimmenden Reihenfolge, von den ON diese Fächer betreibenden Mitgliedern der Gesellschaft öffentlich Berichte abgelest werden. $ 26. Die der Gesellschaft oder den durch sie zu fördernden Sammlungen gemachten Geschenke sollen, so viel es angeht, in dem Lokal, in welchem die öffentlichen Sitzungen gehalten werden, während derselben aufge- stellt sein. $ 27. Alle zwei Jahre wird ein neues Verzeichniss der Mitglieder gedruckt und ausgetheilt. Diesem Verzeich- nisse soll eine Anzeige der, der Gesellschaft und den öffent- lichen naturwissenschaftlichen Sammlungen im Lauf der verflossenen zwei Jahre gemachten Geschenke beigedruckt werden. $ 28. Gegenwärtige Statuten sollen nebst den Namen der Mitglieder, aus denen die Gesellschaft gegenwärtig be- steht, gedruckt und den Mitgliedern eingehändigt werden. Basel, den 28. April 1830. Das beigefüste Verzeichniss weist eine Anzahl von 45 ordentlichen und freien Mitgliedern auf. Bereits früher schon waren ernannt worden die Herren Professor JUNG zum Präsidenten, Prof. RÖPER zum Vice- Präsidenten, Dr. IMHOFF, der die Verrichtungen bereits seit 1826 versehen hatte, zum Sekretär, und Prof. MEISNER zum Vice-Sekretär, welche nunmehr für die nächstfolgende zweijährige Periode ins. Amt traten. Die periodische Neuwahl des Präsidenten, welche im Gegensatz zu der frühern die neue Verfassung anordnet, ist unstreitig die wichtigste und zweckmässigste Aenderung. Das Hauptgeschäft des Vorstehers jeweilen für die in der Versammlung zu haltenden Vorträge Vorsorge zu treffen, ist nicht immer ein leichtes, und eine Erfrischung durch neuere, mit verschiedenen Kreisen der Mitglieder in nä- herer Berührung stehende Persönlichkeiten ist wohlthätig 28 und hat sich auch durch die Erfahrung bewährt. Weniger ist das in Hinsicht auf den Sekretär der Fall. Die Gesell- schaft fand sich auch späterhin, durch Beschluss vom 6. Februar 1850, veranlasst, die Bestimmung eines noth- wendigen Wechsels desselben aufzuheben, und seither ist Herr Dr. ALBRECHT MÜLLER immerfort bei den Neu- wahlen in dem von ihm sorgsam verwalteten Amte bestä- tigt worden. Der Unterschied von ordentlichen, zu jährlichen Vor- trägen verpflichteten Mitgliedern, und freien, konnte nicht strenge durchgeführt werden. Man musste es, ohne förm- liche Nöthigung, dem guten Willen eines Jeglichen über- lassen, an den Arbeiten mehr oder minder thätigen Antheil zu nehmen. Ebensowenig kamen die in $22 u.fi. angeordneten öffentlichen Sitzungen und die mit denselben zu verbin- denden Berichterstattungen über die Fortschritte der ein- zelnen Zweige der Wissenschaft bis jetzt jemals zu Stande, so wohlgemeint die Vorschläge auch gewesen sein mochten. Die Präsidenten in den beiden nächstfolgenden zweijäh- rigen Perioden, die eifrigsten Verfechter der Aufnahme der betreffenden Bestimmungen in die neuen Statuten, brachten sie selbst nicht zur Ausführung. Wir fielen freilich damals in die Zeit unserer politischen Wirren, welche für Ab- haltung öffentlicher Festlichkeiten solcher Art wenig ge- eignet war. Im Jahr 1835 wurde der Beschluss gefasst zur Heraus- gabe gedruckter Berichte über die Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft mit Beifügung der Ver- zeichnisse der an das naturwissenschaftliche Museum ein- gegangenen Geschenke. Der erste gedruckte Bericht, die Verhandlungen vom August 1834 bis Juli 1835 enthaltend, kamen im October des Jahrs zur Vertheilung an die Mit- = 29 —: glieder und an in- und ausländische Freunde und Gesell- schaften. Das beigefügte Verzeichniss erzeigt 44 ordent- liche und freie Mitglieder, 1 Ehrenmitglied und 5 corres- pondirende Mitglieder. Es wurden diese Berichte später bis zum zehnten Hefte fortgesetzt und von 1854 an, in etwas erweiterter Form, unter dem Titel von Verhand- lungen herausgegeben. Es haben diese Berichte zur Kräftigung der Gesellschaft nicht unwesentlich beigetragen. Ihre Arbeiten wurden auch auswärts bekannt, und die allmählig in immer vermehrtem Maasse zugekommenen Gegensendungen von Gesellschaften und einzelnen Gelehrten haben zu einer sehr schätzbaren Vermehrung der Biblio- thek beigetragen. In dasselbe Jahr 1835 fällt auch das nach erfolgter Trennung des Cantons erlassene neue Gesetz über Ein- richtung des Pädagogiums und der Universität, und die Gründung der freiwilligen akademischen Gesellschaft. Den 12. bis 14. September 1838 versammelte sich die allgemeine schweizerische naturforschende Ge- sellschaft zum zweiten Mal in Basel. Der Zeitpunkt der Versammlung war in Uebereinstimmung mit den übrigen Cantonalgesellschaften auf diese Tage verlegt worden in Rücksicht auf die Versammlung der deutschen Natur- forscher und Aerzte, die unmittelbar nachher in Freiburg im Breisgau stattfand. Unmittelbar vorher hatte sich die französische geologische Gesellschaft auf Schweizerboden in Pruntrut vereinigt. Präsident der schweizerischen Ge- sellschaft war Rathsherr PETER MERIAN, Vice-Präsident Professor JUNG, Sekretäre Professor MIESCHER und Dr. AUGUST BURCKHARDT. Ein vergleichender Blick auf die publicirten Verhandlungen zeigt am besten, wie seit 1821 die allgemeine schweizerische Gesellschaft sowohl als _30 unsere Cantonalgesellschaft an Umfang und an innerm Gehalt gewonnen hatten. Wir erwähnen, als mit den von der Gesellschaft ver- folsten Zwecken in enger Verbindung stehend, der Ver- legung des botanischen Gartens. In Folge der Er- bauung des neuen Spitals hatte sich die Erweiterung von dessen Lokalitäten durch das Areal des anstossenden da- maligen . botanischen Gartens wünschbar gezeigt. Ein zwischen der Erziehungsbehörde und dem Stadtrathe ver- einbarter Vertrag erhielt den 7. August 1838 die Geneh- mwigung des Grossen Raths. Der Umzug in die neue Anstalt fand im Sommer 1840 statt und die neuen Einrichtungen wurden in den Jahren 1841 und 1842 vollendet. An die Erbauung eines neuen Gewächshauses hatte eine veranstal- tete Subscription einen wesentlichen Beitrag geliefert. Im Winter 1839 auf 1840 gieng von der Gesellschaft ein erster Versuch aus zu Erweiterung ihrer Thätigkeit, über weitere Kreise als diejenigen ihrer eigentlichen Mit- glieder. Durch die in der Verfassung beabsichtigten, aber “ nicht zu Stande gekommenen öffentlichen Sitzungen hatte man Aehnliches, aber auf weniger genügende Weise, zu er- zielen gesucht. Die Abhaltung wissenschaftlicher Vorlesungen für ein allgemeines Publikum war bei uns eine schon längst eingebürgerte löbliche Sitte. Manche derselben hatten lebhaften Anklang gefunden. Namentlich war das auch der Fall mit denjenigen, welche auf Veranlassung der neu errichteten akademischen Gesellschaft gehalten wurden und deren Zutritt sie durch ihre Beihülfe erleichtert hatte. Die Zuhôrerschaft blieb indess gewöhnlich auf einen mäs- sigen Kreis unserer Einwohnerschaft beschränkt. Einige Mitglieder der Gesellschaft kamen nunmehr auf den Ge- danken, an einzelnen Abenden Vorträge über einzelne interessante wissenschaftliche Gegenstände zu halten, mit 31 freiem Zutritt für Jedermann. Was damals schon an ein- zelnen Orten in ähnlichem Sinne versucht sein mochte, lag ihnen nicht als Beispiel vor, sie suchten einem in ihrer nächsten Umgebung rege gewordenen Bedürfnisse entgegen- zukommen. Namens der naturforschenden Gesellschaft wurden solche Vorträge angekündigt. Der Versuch hatte den erfreulichsten Erfolg. Die historische Gesellschaft folgte unmittelbar dem gegebenen Beispiele. Es ermunterte das zur Fortsetzung in den nächstfolgenden Jahren. Neue Kräfte schlossen sich den Bestrebungen an und es mehrten sich die öftentlichen Vorträge dieser Art von Jahr zu Jahr, bis auf die neueste Zeit, mit immer steigender Theilnahme des Publikums. Daneben hatten die mehr zusammen- hängenden Vorlesungen für weitere Kreise ihren ungestörten Fortgang. Wohl hat die in diesem Sinne entwickelte Thä- tigkeit wesentlich dazu beigetragen, das Interesse für unsere höhern wissenschaftlichen Anstalten in Mitte unserer Be- völkerung zu heben. Bei Anlass des Jubiläums unserer Universität von 1760 hatte IsAAK ISELIN den Wunsch zur Sprache gebracht, es möchte der Hochschule eine bürgerliche Akademie sich anschliessen. Viele verwiesen damals den Vorschlag in das Gebiet wohlgemeinter menschen- freundlicher Träumereien. Heute würde Iselin denselben vielleicht auf vollkommenere Weise zur Ausführung gebracht sehen, als er sich selbst vorgestellt haben mochte. - Aehnliche Vorträge sind übrigens auch an andern Orten unseres Vaterlandes und des Auslandes Sitte ge- worden. Es war ein Bedürfniss der Zeit, welches sich geltend gemacht hat. Wir ‘dürfen uns freuen, dasselbe frühzeitig erkannt zu haben und mit dem Beispiele zu dessen Befriedigung vorangegangen zu sein. Ungefähr zu derselben Zeit schritt man an die Verwirklichung eines schon längst gehegten Planes zur 32 Errichtung eines neuen Gebäudes für eine würdige und zweckmässige Aufstellung der öffentlichen akademischen Sammlungen. Ein Privatverein, gebildet aus Mitgliedern des Kunstvereins, der naturforschenden (sesellschaft und der Bibliotheks-Commission, erliess im December 1841 einen Aufruf an das Publikum, um durch freiwillige Beiträge den Staats-Behörden die Ausführung des Unternehmens zu erleichtern. Als Mitglieder des Vereins waren von der naturforschenden Gesellschaft bezeichnet worden: Raths- herr PETER MERIAN, Rathsherr ALBR. BURCKHARDT, Stadtrath BISCHOFF-RESPINGER und Professor SCHÖN- BEIN. Der Aufruf fand den erfreulichsten Anklang. Von 458 Theilnehmern wurde die Summe von Fr. 70,460 a. W. unterzeichnet. Ausserdem betheiligte sich der Stadtrath mit einem Beitrag von Fr. 16000 an dem Unternehmen. Der Verein wandte sich nunmehr an die Regierung und den 23. März 1843 fasste der Grosse Rath den Beschluss, an die Stelle des ehemaligen obern Collegiums und der Augustinerkirche das neue Museum zu errichten. Der Bau, die Räume enthaltend für Aufnahme der Sammlungen und Anstalten des naturwissenschaftlichen Museums, der Kunstsammlung und der zugehörigen Hörsäle, wurden nach den Plänen und unter der einsichtsvollen Leitung von Architect MELCHIOR BERRI bis zum Jahr 1849 zu Ende geführt, und am 26. November desselben Jahres durch eine veranstaltete Festlichkeit förmlich eingeweiht, als ein anschauliches Denkmal der Vorsorge der Behörden und der Bürgerschaft Basels für die Interessen der Wissen- schaft und Kunst. Bereits am 13. December 1848 konnte die naturforschende Gesellschaft ihre erste Sitzung in dem neuen Gebäude abhalten. | Bei Anlass der Museumsfeier kam die Gründung des Museumsvereins zur Sprache, bestimmt durch Privat- beiträge auf regelmässige Weise die öffentlichen Samm- lungen zu unterstützen. Derselbe konstituirte sich den . 11. Februar 1850 mit ungefähr 250 Mitgliedern. In den Jahren 1842 und 1843 betheiligte sich die naturforschende Gesellschaft, zu Gunsten der naturhisto- rischen Sammlungen, mit mehr oder minder günstigem Erfolge, an der Ausrüstung einzelner Reisender in fremde Welttheile. Späterhin hat sie die Vorsorge solcher Art den Verwaltungsbehörden der Sammlungen überlassen. Im Jahr 1852 fielen der botanischen Anstalt, durch Schenkung der Hinterlassenen, die Sammlungen des ver- storbenen frühern Professors CARL FRIEDR. HAGENBACH zu. Mit der Anstalt trat die im Jahr 1856 entstandene Gartenbaugesellschaft in nähere Verbindung. Die allgemeine schweizerische naturforschende Gesellschaft hatte den 25., 26. und 27. August 1856 - ihre dritte Zusammenkunft in Basel. Präsident war zum zweiten Male Rathsherr PETER MERIAN, Vice-Präsident Professor SCHÖNBEIN, Sekretär Dr. ALBR. MÜLLER. Die Fortschritte unserer wissenschaftlichen Anstalten seit den beiden ersten Versammlungen von 1858 und 1821 waren. augenfällig. Ebenso durfte bei dem im Se tend 1860 unter all- gemeiner Betheïligung der Bürgerschaft und im Beisein zahlreicher fremder Gäste gefeierten 400jährigen J u läum der Universität die Vergleichung der wissenschaft- lichen Zustände Basels mit denjenigen des dritten Jubi- läums von 1760 eine erfreuliche. genannt werden. Die naturforschende Gesellschaft betheiliste sich als solche an der Feier und widmete der Universität ein besonderes Heft ihrer Verhandlungen. In der in ihrem Auftrage ver- fassten Widmung sprach Professor SCHÖNBEIN die Ueber- zeugung aus, dass die Universität in der That die Mutter ist, welche unserer Gesellschaft das Leben gab, und dass von deren Gründung an bis auf die Gegenwart zwischen 3 34 beiden Genossenschaften die innigste Wechselwirkung statt gefunden hat. Bei diesem festlichen Anlasse wurden Beiträge zusam- mengelegt zur Gründung einer Sternwarte, die bis jetzt ihre Verwendung noch nicht gefunden haben. Nach einem zu Ende des verflossenen Jahres gefassten Beschlusse der Theilnehmer sollen sie eine etwas veränderte Bestimmung erhalten. Mit Beihülfe der akademischen Gesellschaft wurde die Errichtung eines neuen physikalisch-chemi- schen Instituts beschlossen. 1863 wurde der Schweizer Alpenclub gegründet. Der sehr thätigen baslerischen Sektion desselben gehören eine Anzahl von Mitgliedern unserer Gesellschaft an. Den 12. Juni 1864 starb Professor CARL GUSTAV JUNG, seit 1825 Mitglied und für die Jahre 1830—1832 Präsident der Gesellschaft. Geboren in Mannheim den 7. Sept. 1795, wurde er 1822 zum Professor der Anatomie an unserer Universität gewählt. Später im Jahr 1855 übernahm er den Lehrstuhl der praktischen Medicin. Sehr bald nach seiner Hieherkunft hat er sich durch seine gediegenen Leistungen als anziehender Lehrer und angesehener prak- tischer Arzt bei uns eingebürgert. Er gründete das ana- tomische Museum und pfleste dasselbe mit unverdrossenem Eifer. Durch seine anregende Thätigkeit wirkte er wesent- lich mit bei der Erbauung und Einrichtung unseres neuen Bürgerspitals. Verschiedene Druckschriften und die Ver- handlungen unserer sowohl als der allgemeinen schweize- rischen naturforschenden Gesellschaft zeugen von seiner wissenschaftlichen Wirksamkeit in dem Gebiete der Ana- tomie und der praktischen Arzneikunde. Seine liebens- würdige, geistreiche und gemüthliche Persönlichkeit ist uns Allen noch in frischem Angedenken. Zum Schlusse erwähnen wir das neue Universitäts- gesetz vom 30. Januar 1866. Es vermehrt dasselbe den 35 Kreis der Lehrkräfte und nimmt in sehr beträchtlichem Maasse vermehrte Leistungen des Staates in Anspruch. Die nach reifiicher Berathung einstimmig erfolgte Annahme des Gesetzes durch eine Versammlung, in deren Mitte oft sehr verschiedenartige Ansichten sich geltend machen, bildet unstreitig eines der ruhmvollsten Blätter in der Geschichte unseres kleinen Freistaates. Unmittelbar nach Erlass des Gesetzes erweiterte sich auch die akademische Gesellschaft, bestimmt durch Privatkräfte die höhern, durch den Staat begründeten Lehranstalten zu unterstützen. Ihre Mitgliederzahl vermehrte sich bis über 600, aus den verschiedenartigsten Kreisen unsrer Bürger und Einwohner. Wohl darf unsere Geselischaft die Ueberzeugung hegen, durch ihre Wirksamkeit während der Zeit ihres Bestehens das Ihrige zu dieser gehobenen allgemeinen Stimmung beigetragen zu haben. Es ist in neuerer Zeit fast Mode geworden, über die zunehmende materialistische Richtung der Zeit Klagen zu erheben. Eine Vergleichung der heu- tigen Zustände mit denjenigen vor einem halben Jahr- hundert, als unsere Gesellschaft gestiftet worden, oder noch mehr mit den Zeiten der Mediation oder der Hel- vetik, rechtfertist diese Klagen auf keine Weise. Wir haben uns in den vorliegenden Blättern haupt- sächlich auf die Darstellung der äussern Erlebnisse unserer Gesellschaft beschränkt. Der eigentliche Halt eines Ver- eines, wie der unsrige, besteht aber in den Leistungen seiner Mitglieder für die Fortschritte der Wissenschaft. Erst in zweiter Linie schliesst sich daran die Wirksamkeit nach aussen. Wir hätten bei einer Würdigung der wissen- schaftlichen Verdienste vorzugsweise von unsern noch leben- den Mitgliedern sprechen müssen. Eine solche bleibt aber geziemender Weise besser den kommenden Zeiten über- lassen. 36 Was die nähere und fernere Zukunft unserm Vater- lande, unsern wissenschaftlichen Anstalten und im Beson- dern unserer Gesellschaft bringen wird, steht in Gottes Hand. Hoffen wir, dass unsere Nachfolger, indem sie die freundschaftlichen Verhältnisse wahren, die bisher unserm Vereine das gemüthliche Gepräge gegeben haben, welches seine Wirksamkeit wesentlich unterstützt hat, von immer erweiterten Fortschritten werden Kunde geben können. Verzeichniss der Mitglieder der naturforschenden Gesellschaft in Basel | | im Jahr 1867. Ordentliche Mitglieder. 1. Herr Sigmund Alioth, Med. Dr. (1844). 2. - F. Becker, Lehrer an der Gewerbschule (1853). - Joh. Bernoulli, zur goldnen Münz (1856). - J.J. Bernoulli-Werthemann, Ph. Dr. (1826). - Leonh. Bernoulli-Bär, Stadtrath (1840). - Wilh. Bernoulli, Med. Dr. (1862). A. Bischoff-Ehinger (1841). - Ed. Bischoff (1855). - H. Bischoff-Respinger, Stadtrathspräsident (1838). (0. - M. Bölger-Hindermann (1839). 11. - F. A. Bossard, Photograph (1864). 12.-: - F. Brenner, Med. Dr. u. Prof. (1830). 13% - Carlbulache Eh, Dr... (1852). 14. - Aug. Burckhardt, Med. Dr. (1834). 15. - Chr. Burckhardt, Med. Dr., App.-Rath (1834). 16. - Dan. Burckhardt-Forcart (1849). 17. - Dan. Burckhardt-Thurneysen (1863). 18. - Elias Burckhardt, J. U. D., Stadtrath (1862). 19. - Friedr. Burckhardt, Ph. Dr. (1853). 20. - Gottl. Burckhardt-Alioth (1863). 21. - Hier. Burckhardt-Iselin (1838). 22. - J.J. Burckhardt, J.U.D., Alt-Bürgermeister css) 23. - Carl Leon Burckhardt (1849), 24. - Ludw. Burckhardt-Forcart (1858). a SIT Ü 33 25. HerrLudw. Burckhardt-Schönauer (1847). 26. 27. 28. 2 30. 31. 32. 99. 34. 39. 36. 31. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. a0. SL. = A 52: Dos 54. 39. 56. DI 98. Mart. Burckhardt, Med. Dr. (1847). Rud. Burckhardt-Burckhardt, Med. Dr. (1839). Rud. Burckhardt, J. U. D., App.-Rath (1862). Wilh. Burckhardt-Forcart (1840). Herm Christ, ) U. (1897: De Goumois-Liechtenhan (1857). G. Dollfuss, Ingenieur (1861). K. J. Doswald (1862). Dan. Ecklin, Med. Dr. (1856). R. Forcart-v. Gentschik (1853). F. Geiger, Ph. Dr., Apotheker (1862). J. Gerber-Keller (1866). V, Gillieron, Lehrer (1866). C. F. Göttisheim, Regierungs-Sekretär (1863). F. Goppelsröder, Ph. Dr. (1859). J. B. Greppin, Med. Dr. (1867). Conr. Grüninger, Lehrer (1863). H. Gruner-His, Ingenieur (1860). C. Herm. Haagen, Med. Dr. (1861). Ad. Hägler, Med. Dr. (1863). Mich. Hämmerlin (1840). Ed. Hagenbach, Prof. (1855). Friedr. Hagenbach, Alt-Stadtrath (1829). Conr. Heer, Telegraphist (1867). Andr. Heusler-Ryhiner, J. U. D., Prof. (1830). Wilh. His, Prof. (1854). Ed. Hoffmann, Chemiker (1864). K.E.E. Hoffmann, Prof. (1863). Th. Hoffmann-Merian (1863). J. Hoppe, Prof. (1852). Aug. Jenny, Lehrer (1862). L. Imhoff, Med. Dr. (1826). H. Iselin, Med. Dr. (1833). 59. Herr J. Iselin-Burckhardt (1817). 60. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. 71. (2 13. 14 ts: 76. “ie 18. 29. 80. Herm. Kinkelin, Prof. (1860). S. G. Koller, Ingenieur (1861). Alfr. Kümmerlin, Apotheker (1862). Theod. Kündig, Ph. Dr. (1861). Carl Liebermeister, Prof. (1865). Rud. Maas, Med. Dr. (1856). C. Friedr. Meissner, Prof. (1828). _ Markus Meissner, Apotheker (1863). Heinr. Merian-VonderMühll (1843). P. Merian, Prof. (1819). Rud. Merian, Prof. (1824). Rud. Merian-Burckhardt, Stadtrath (1847). Rud. Merian-Iselin, Rathsherr (1844). J. J. Mieg, Prof. (1819). J. J. Mies, Apotheker (1864). F. Miescher, Prof. (1837). Albr. Müller, Prof. (1846). F. Müller, Med. Dr. (1856). J. J. Müller-Pack (1862). Chr. Münch, Alt-Pfarrer (1835). Wilh. Münch, Med. Dr. (1853). L. Oswald-Hoffmann (1839). Em. Passavant-Bachofen (1841). Em. Raillard, Med. Dr. (1830). G. H. K. Rauch, Apotheker (1855). K. Respinger (1843). D. P. Rittmann, Zahnarzt (1864). A. Rosenburger, Med. Dr. (1864). E. Rothenbach, Lehrer (1863). B. Rumpf, Med. Dr. (1855). L. Rütimeyer, Prof. (1855). F. Schaffner, Ingenieur (1864). H. Schiess, Med. Dr. (1864). 93.Herr Werner Schmidt, Ph. Dr. (1865). 94. - Ferd. Schneider, Apotheker. (1865). .95. - C.F. Schônbein, Prof. (1828). 96. - Aug. Socin, Prof. (1864). 97. - Alfr. Stæhelin, Med. Dr. (1864). 98. - Aug. Stæhelin-Brunner (1837). _ 99...- Ben. Stæhelin-Bischoff (1836). 100. - Chr. Stæhelin, Prof. (1830). 101. - Emil Stæhelin, Med. Dr. (1841). 102. - 9. J:Stehelin Prof (1830) 103. - Georg Stehlin (1856). 104. - J.J. Stehlin, Bürgermeistor (1838). 105. - K. Steffensen, Prof. (1864). 106. - K. Streckeisen, Prof. (1837). 00 OT Suloer- Ba (1840). 108. - Rud. Sulger (1842). 109. - E. Thurneysen-Paravicini (1840). 110. - Carl Vischer, Rathsherr (1843). 119. 2- Win Viseher.Prot! (18383): 112. - Hier. Vest, S.M. C. (1864). 113. - K. VonderMühll-Merian, App.-Rath (1856). 114. - J.J. Uebelin, Bauschreiber (1835). 115. "- Chr. Weiss, S.M. 0,1843). 116. - Andr. Werthemann (1834). 117. - L. DeWette, Med. Dr. (1338). 118. - J. Wimmer (1846). ur 119. = E. Wybert, Med. Dr. (1838): 120. - Ed. Zahn-Rognon (1864). Ehrenmitglieder. . Herr Nic. Fuss, Prof. der Mathem. in Petersburg (1843). - - John Will Herschel, Baronet in Slough (1839). _ “ - -H. F. Kuhlmann in Lille (1865). Ed. Rüppell, Med. Dr., von Basel (1851). > ww 41 5.Herr Max Pettenkofer, Prof. in München (1860). 6. - H.Sainte Claire Deville, Akademiker in Paris (1865). 7. - C.H. Schattenmann in Buxwiller (1851). 8 - Charles Wheatstone, Prof. in London (1839). Correspondirende Mitglieder. 1. Herr Chr. Aebi, Prof. in Bern (1858). 2. - L. Agassiz, Prof. in Cambridge, Ver. St. (1836). 3 - M.Bider, Med. Dr. in Langenbruck (1839). 4. - Rob. Blum, Prof. in Heidelberg (1864). 5. - P. A. Bolley, Prof in Zürich (1861)... 6. - Charles Bovet in Fleurier, Ct. Neuchatel (1840). 4. - Alex. Braun. Prof. in Berlin (1836). 8. - Ad. Brongniart, Prof. am Jardin des Plantes in ' Paris (1836). | DM KarllBrück‘Prot. (1850): 10. - Karl Brunner, Prof. in Bern (1835). 11. - C.H. Buff, Prof. in Giessen (1830). 12. - Ed. Cornaz, Med. Dr. in Neuchatel (1856). 13. - Louis Coulon, Dir. des Museums in Neuchatel (1856). 14 - James D. Dana, Prof. in Newhaven (1860). 15. - A. Daubrée, Prof. am Jardin des Plantes in Paris (1861). 16. - Aug. dela Rive, Prof. in Genf (1836). 17. - Adolphe Delessert in Paris (1839). 18. - A. Des Cloizeaux, Prof. in Paris (1864). 19. - Ed. Desor, Prof. in Neuchatel (1856). 20. - Dettwyler, Med. Dr.in Hellertown, Ver.St. (1836): 21. - L. Dufour, Prof. in Lausanne (1867). . | 22. - Alex. Ecker, Prof. in Freiburg i. Br. (1844). 23. - Aug. Wilh. Eichler, Dr. in München (1866). 24. - W. Eisenlohr, Prof. in Carlsruhe (1867). 23. - A. Escher v. d. Linth, Prof. in Zürich (1867). 26. - Carl Euler in Bom Valle, Brasilien (1865). 42 27. Herr Mich. Faraday, Prof. in London (1836). 28. 2) 30. 31. 32. 39. 34. 39. 30. 37. - J. G. Fischer, Dr. in Hamburg (1852). Georg Ritter von Frauenfeld, in Wien (1865). F. Frey-Herosé, Alt-Bundesrath, in Bern (1835). K. Frikart, Rector in Zofingen (1867). Alphonse Gacogne in Lyon (1854). J. P. Gassiot, Esq. ın London (1839). Thom. Graham, Münzmeister in London (1836). W. R. Grove in London (1839). C. F. Gurlt, Prof. in Berlin (1833). Rud. Häusler, Med. Dr. in Lenzburg (1851). James Hall, Staatsgeolog in New-York (1860). O. Heer, Prof. in Zürich (1867). James Pusc. Joule in Manchester (1860). Charles A. Joy, Prof. in New-York (1865). E. Im Thurn, Med. Dr. in Schaffhausen (1837). Kerner, Ph. Dr. in Frankfurt a. M. (1858). J. Kettiger, Seminardirector in Wettingen (1837). Adolf Krayer in Shangai (1864). F. Lang, Prof. in Solothurn (1867). C. J. Löwig, Prof. in Breslau (1838). C. F. Ph. v. Martius, Prof. in München (183). J. J. Matt, Med. Dr. in Bubendorf (1839). J. B. Melson, Dr. in Birmingham (1839). Jul. Rob. Mayer, Ph. Dr. in Heilbronn (1853). Philipp Meyer, Militär-Apotheker in Batavia (1841). Hugo Mohl, Prof. in Tübingen (1836). K. Fr. Mohr, Prof. in Coblenz (1839). Mowatt, Med. Dr. in England (1830). E. Mulsant, Bibliothekar der Stadt Lyon (1851). Alexis Perrey, Prof. in Dijon (1842). Theod. Plieninger, Prof. in Stuttgart (1838). Paul Reinsch, Lehrer in Hochburg bei Emmen- dingen (1862). 43 60.Herr J. Roeper, Prof. in Rostock (1826). 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. ER) un I SQ u er Te) F. F. Runge, Dr. in Berlin (1865). Friedr. Ryhiner, Med. Dr. in Nordamerika (1830). Dan. Schenkel, Prof. in Heidelberg (1839). A. Scheurer-Kestner, Chemiker in Thann (1866). W.P. Schimper, Prof. in Strassburg (1861). H. Schlegel, Dr., Director etc. in Leiden (1842). A. Schrötter, Prof. in Wien (1853). von Seckendorff (1833). J. R. Shuttleworth, Esq. in Bern (1836). C. Th. von Siebold, Prof. in München (1846). J. Siegfried, Quästor der schweiz. naturf. Gesell- schaft in Zürich (1867). Herm. Stannius, Prof. in Rostock (1846). Bernh. Studer, Prof. in Bern (1835). Ad. Tschudy, Dr., von Glarus (1839). G. Wiedemann, Prof. m Carlsruhe (1854). Ben. Wölftlin, Alt-Consul in Basel (1840). R. Wolf, Prof. in Zürich (1867). Heinr. Wydler, Med. Dr. in Bern (1830). Zimmer, Fabrikant in Frankfurt a.M. (1858). 44 IT. Mitgliederzahl der naturforschenden Gesellschaft in Basel. — | Correspon- | Mere | EN | ne | 1817 2% | — | — 1827 DO NEC RATES 1830 45 — | — |, 1835 44 1 5 |. 1836 48 4 23 1838 57 4 31 1840 98 6. 56 150 ES RRRC 66 SAN EMA NON 67 1847 96 8 69 1849 | 9 8 70 TS ESS 9 70 1852 | 98 10 A 1854 107 8 18 1860 : || 107 7 0 | 4863 | 119 7 2 | 1867 | 120 fi 19 HAL. Beamte. der naturforschenden Gesellschaft in Basel. 1817 1822 1826 1830—32 1832-34 183436 183638 1838—40 1840—42 1842 —44 1844—46 1846—48 1848 - 50 185052 1852 —54 185456 185658 1858 — 60 1860 — 62 186264 186466 1866—68 Präsident: “ Prof. Daniel Huber. > » Prof. Carl Gust. Jung. Prof. J. Rôper. Prof. P. Merian. Prof. C. F. Meisner. Prof. C. F. Schönbein. Prof. F. Miescher. Rathsh. P. Merian. Prof. C. F. Schönbein. Rathsh. P. Merian. Prof. C. F. Schönbein. Rathsh. P. Merian. Prof. C. F. Schönbein. Rathsh. P. Merian. Prof. ©. F. Schönbein. Prof. GeorgWiedemann. Prof. L. Rütimeyer. Prof. W. His. Prof. L. Rütimeyer. Dr. Friedr. Burckhardt. Vice-Präsident: . Prof. Daniel Wolleb. Prof. Peter Merian. Prof. Joh. Röper. Prof. C. F. Meisner. Prof. ©. G. June. Prof. C. F. Schönbein. Prof. Friedr. Miescher. Prof. C. F. Schönbein. Prof. Friedr. Fischer. Dr. L. Imhoft. Prof. C. F. Schôünbein. Prof. Alex. Ecker. Prof. C. F. Schönbein. Prot. F. Miescher. Prof. Carl Bruch. Prof. Ludw. Rütimeyer. Prof. C. F. Schônbein. Prof. G. Wiedemann. Prof. L. Rütimeyer. Prof. W. His. | Prof. Ed. Hagenbach. 46 Sekretär: Vice-Sekretär: 1817 Prof. Chr. Bernoulli. 1826 Dr. Ludw. Imhoff. 1830—32 Dr. L. Imhoff. Prof. Carl Friedr. Meisner. 1832-34 Dr. J. J. Bernoulli, Dr.Christian Friedr. Schönbein. 1834—36 Prof. ©. F. Meisner. Dr. Friedr. Ryhiner. 1835 » Dr. Aug. Burckhardt. 1836—38 Dr.Aug. Burckhardt. Dr. Friedr. Brenner. 1838—40 Dr.CarlStreckeisen. Dr. Chr. Burckhardt. 1840—42 Dr.Chr. Burckhardt. Dr. Ludw. De Wette. 1842—44 Dr. L. Imhoft. Dr. Heinr. Iselin. 1844—46 Dr. H. Iselin. Cand. Carl Rud. Preiswerk. 1846—48 Dr. Alfred Frey, Dr. Achilles Burckhardt. 1848—50 Dr. Albr. Müller. Rud. Merian, Sohn. 1850—52 > Dr. Alfr. Frey. 1852—54 > > 1854—56 > Dr. Karl Bulacher. 1856 — 58 > Prof. Wilh. His. 1858 —60 > Dr. Eduard Hagenbach. 1860—62 > Dr. Herm. Christ. 1862—64 > Dr. Friedr. Goppelsröder. 1864—-66 » Dr. Friedr. Burckhardt. 1866—68 > Dr. F. Goppelsröder. 47 IV. Drucksehriften der naturforsch. Gesellschaft in Basel. Statuten. 1830. Bericht über die Verhandlungen: ]: I: IT. IV. Ve VI. MIE. NE IX. X. Verhandlungen vom Aug. 1834 bis Juli vom Aug. 1835 bis Juli vom Aug. 1836 bis Juli vom Aug. 1838 bis Juli vom Aug. 1840 bis Juli vom Aug. 1842 bis Juli vom Aug. 1844 bis Juli vom Aug. 1848 bis Juni vom Aug. 1848 bis Juni vom Aug. 1850 bis Juni 1835. 1836. 1838. 1840. 1842. 1844. 1846. 1848. 1850. 1852. mit Register über die 10 Hefte. IL Theil. 1860. IT. Theil. 1863. IV. Theil. I. Theil. 1857. 1. HPREWNEe EUNrERSRN Heft 1835. 1836. 1838. 1840. 1843. 1844. 1847. 1849. 1851. 1852. 1854. 1855. 1856. 185%. 1859. 1859. 1859. 1860. 1861. 1861. 1862. 1863. 1864. 1866. 1366. Der Universität bei ihrem Jubiläum gewidmet. Die Naturforschende Gesellschaft in Basel (von Prof. Schön- bein) 1858. Sämmtlich in 8°. 48 V. Verzeichniss der gelehrten Vereine, mit denen die naturforsch. Gesellschaft in Basel D IDG à © NN = SC in Schriftaustausch steht. . Geological Society . . Chemical Society . Linnean Society . Zoological Society . . Royal Society . Royal Institution . British Museum . Royal Society. pe . Natural History Society . Literary & philos. Society . Academie des Sciences . Société géologique de France . Société Linnéenne . x . Doc. d’Hist. nat. et d’Agriculture . Académie des Sciences, Belles Lettres net Net . Société Industrielle . Société d'histoire naturelle . Société des Sciences naturelles . Académie des Sciences . . Société d’Emulation des Voges London. > $ > Edinburgh. Dublin. Manchester. Paris. 5; Lyon. aD Mulhouse. Colmar. Strassbourg. Dijon. Epinal. 49 . Soc. d’Emulation du Dep. du Doubs . Société des Sciences naturelles . Académie des Sciences et Lettres . Naturwissenschaftl. Verein Naturwissenschaftl. Verein . Naturhistor.-medic. Verein . Verein für Naturkunde . Senckenbergisches Institut . Zoologische Gesellschaft . Physikalischer Verein . Verein für Naturkunde . . Verein für Naturkunde . . Academie der Wissenschaften 34. . Physikalisch-medicinische Gesellsch. . Naturhistor. Gesellschaft . Naturhistor. Verein | . Naturforschender Verein . Naturhist. Verein . Pollichia, ein naturwiss. Verein der Zoologisch-mineralog. Verein . bair. Pfalz . Academie der ee 42. . Geologische Reichsanstalt . Zoologisch-botanischer Verein . Oesterreich. Alpenverein . Hofmineraliencabinet . Stift Kremsmünster . Montanistischer Verein . Naturwiss. Verein für Steiermark . . Naturhistorisches Geographische Gesellschaft Landesmuseum von Kärnthen . . Ferdinandeum 2. Naturforsch. Verein Besancon. Chérbourg. Montpellier. Freiburg. 1. B. Carlsruhe. Heidelberg. Mannheim. Frankfurt a. M. Frankfurt a. M. > Offenbach. Stuttgart. München. Regensburg. Würzburg. Nürnberg. Augsburg. Bambere. Zweibrücken. Dürkheim. Wien. Oberösterreich. Gratz. » Klagenfurt. Innsbruck. Brünn. 4 93. 94. I. 6. One 98. 39. 60. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. 1. AR. 13. 14. 15. 76. 1. 18. 79: 80. 81. 82. 83. 84. 50 Werner-Verein Natuforsch. Verein > io Verein für Naturkunde . Magyar Tudomanyos Academia Academie der Wissenschaften Physikalische Gesellschaft Deutsche geologische Gesellschaft . Physikalisch ökon. Gesellschaft Naturwiss. Verein Naturhist. Verein der preuss. Rheinl Schles. Verein für vaterländ. Cultur Philomathie Verein für Naturkunde für Sachsen und Thüringen Naturforschende Gericht Lausitzische Ges. d. Wissenschaften Naturwiss. Gesellschaft >» [Isis « Sachs. Academie d. Wissenschaften Academie der Wissenschaften Naturforsch. Gesellschaft Naturforschende Gesellschaft Naturwiss. Verein des Harzes Verein für Naturkunde Verein für Naturkunde . ; Oberhess. Ges. für Natur- und Heil- kunde Verein für Natahkımde in Nassan Wetterauische Ges. f. Naturkunde Verein für Naturkunde Naturwiss. Verein Academie des Sciences . Societe des Sciences nat. Academie der Wissenschaften Istituto tecnico Brünn. Prag. Pressburg. Pesth. Berlin. Königsberg. Danzig. Bonn. Breslau. Neisse. Halle. Görlitz. Dresden. Leipzig. Göttingen. Hannover. Emden. Blankenburg. Cassel. Fulda. Giessen. Wiesbaden. Hanau. Hamburg. Bremen. Brüssel. Luxembourg. Amsterdam. Palermo. 85. 86. 87. 88. 89. 90. 9f. 522 93. 94. 95. 96. 97. 98. 99. 100. 101. 102. 103. 104. 105. 106. 107. 108. 109. 110. kit. 112. 113. o1 Academia Gioenia di Scienze naturali Academia dei Georgofili Reale Istituto Lombardo Società Italiana di Scienze natur. Academie der Wissenschaften Commission zur geol. Untersuchung Schwedens Universität Kön. Universität Academie der We cites Kais. russ. mineralog. Gesellschaft. Bibliothèque imperiale publique . Société imp. des Naturalistes Smithsonian Institution. Society of Natural History . Museum of Comparative Zoology American Assoc. for the advan- cement of Science . Academy of Natural Sense Lyceum of Natural History Academy of Sciences Academy of Sciences Society of Natural History . Ackerbaubehörde von Ohio Chicago Academy of Sciences Sociedad de Naturalistas Neo- Granadinos Bataviash Genootschap von Fe sten etc. : Naturkund. Verena in Nee landsch Indie Naturforschende Gesellechatt Societe Jurassienne d’Emulation . Schweizer.entomologische Gesellsch. Catania. Florenz. Mailand. » Stockholm. Lund. Christiania. St. Petersburg. Moskau. Washington. Boston. Cambridge. Newhaven. Philadelphia. New -York. New-Orleans. St. Louis. Portland, Maine. Columbus. Chicago. Bogota. Batavia. » Bern. Pruntrut. Schaffhausen. 2 114. Société de Physique . . Genf. 415. Institut national Genevois . ; > 116. Société des Sciences naturelles . Lausanne. ‘117. Naturforsch. Gesellschaft . 2 Solothurn. 118. Naturforsch. Gesellschaft . Zürich. 119. Société des Sciences naturelles . Neuchätel. 120. Naturforschende Gesellschaft ; Aarau. 121. Naturforschende Gesellschaft Chur. 122. Naturforschende Gesellschaft St. Gallen. 123. Schweiz. naturforsch. Gesellschaft, Bibliothek . ’ Bern. u ——— Ueber die Aufgabe der Naturgeschichte. Von Professor L. Rütimeyer. In rn ne TE & vo 24 Bei den Rückblicken, welche an den Jahresfesten der Universität”) oder bei sonstigen academischen Feier- lichkeiten auf grössere Zweige oder auf besondere Lei- stungen der Wissenschaft geworfen werden, ist die Natur- wissenschaft, auch wenn sie nicht direct vertreten war, doch selten ganz unberücksichtigt geblieben. Bald waren es Worte der Ermunterung, bald der Besorgniss, welche an sie gerichtet wurden, und ihr zeigten, dass Niemand ihre Arbeit übersah. Und äusserte sich das Interesse auch etwa selbst in der Form von offenem Tadel, so konnte sie auch desshalb sich nicht ernstlich beklagen, denn wenn sie auf ihre eigene Geschichte zurücksah, so musste sie sich sagen, dass sie der aufmerksamen Kritik ihrer Nach- barinnen einen guten Theil der Sicherheit der Methode verdankt, welche zu den bisherigen Erfolgen führte. Wenn der heutige Anlass mir ein Recht giebt, auf die Leistungen der Naturgeschichte einen kurzen Blick zu werfen, so ist es daher keineswegs eine Vertheidigung der Naturwissenschaft, welche beabsichtigt ist; denn eine An- klage wurde von dieser Stelle aus niemals laut, und das *) Der hier mitgetheilte Vortrag wurde bei der Jahresfeier der Universität Basel im November 1865 gehalten, kurz nach dem Rücktritt von Herrn Rathsherrn Peter Merian von dem Amte eines Kanzlers der Universität, das er während 18 Jahren bekleidet hatte. Diess zur Erklärung der wenigen Stellen von localer Be- ziehung. Weitere Veränderungen an dem Vortrag vorzunehmen, schien unnöthig. -wissenschaftliche Gebiet, das zu vertreten mich Pflicht und Interesse veranlassen, bildet unter den Zweigen der Naturforschung nur den jüngsten und den schwächsten Spross. Ein kurzer Blick auf die Gebiete derselben kann diess sogleich zeigen. m Vorerst hat sich doch die Mathematik, welche man häufig als Krone und als Waffe der Naturforschung be- - trachtete, im billigen Bewusstsein, Trägerin von unmittel- barer Wahrheit zu sein, vielmehr schon seit langem zu dem Range einer Richterin der Naturwissenschaften im engern Sinn erhoben. Allein auch von diesen letzten, welche sich nicht im Bereich von absoluter Wahrheit, sondern in der Welt der Wirklichkeit bewegen und den Stoff als solchen zu unter- suchen eingestehen, ist es einem guten Theil gelungen, sich den Namen von Wissenschaften, d. h. von Trägerinnen des Wahren doch in‘einem reichen Sinn des Wortes zu ver- schaffen. Solchen Erfolges durfte sich seit langem vornehm- lich die Physik rühmen; auch die Chemie, seitdem sie, wie jene, ihre Erfahrungen jeweilen dem Urtheil der Mathematik unterwarf. Doch zeigt schon die Geschichte dieser beiden Wissenschaften, dass die von ihnen gebotene Wahrheit nicht mehr voraussetzungslos, sondern schon an mancherlei Bedingungen geknüpft ist. Beide arbeiten mit dem Mittel des Versuchs, d.h. durch Fragen an die Natur. Allein wenn auch noch Niemand je bezweifelt hat, dass diese, die Natur, unter allen Umständen durchaus auf- richtig antwortet, so konnte die Wahrheit häufig doch verborgen bleiben, theils weil schon die Frage auf irrigen Voraussetzungen ruhte, oder weil die Antwort misver- standen wurde, oder endlich weil man auf diese noch nachträglich falsche Schlüsse baute. Nichtsdestoweniger ist nicht zu läugnen, dass gerade diese Methode jeweilen einen um so höhern Grad von Annäheruug an Wahrheit 57 bietet, je vollständiger das Experiment die Prüfung durch Mathematik möglich macht. Die Lehre von den Erscheinungen und den Wirkungen der Materie in lebenden Körpern — denn den Namen > organisch « können wir doch selbst todten Körpern nicht versagen — ist weit jünger und hat mit ungleich schwie- rigern und unbekanntern Voraussetzungen zu kämpfen, als Physik und Chemie; doch hat auch sie in gleichem Maasse - das Anrecht auf den Titel einer Wissenschaft im engern Sinn des Wortes sich erworben, als es ihr gelang, sich des Experimentes und der Mathematik in ähnlicher Weise zu bedienen, wie jene. Im Stoffe sind ja die Körper, auf welche sie sich bezieht, von den Gegenständen der Physik nicht verschieden; noch weniger kann in ihrer Form das Vorrecht liegen, welches sie zu 'Trägern des Lebens machte; nur individuelle Ausbildung und Fortpflanzung sind die zwei sichtbaren Factoren, durch welche hier allerdings eine neue Kategorie von Erscheinungen sich vor uns ent- faltet, die wir Leben, da wo wir die Basis, auf der sie wurzeln, noch erkennen, und Geist nennen, wo sich das Leben von der Materie frei gemacht. Dieses selbst, das Leben, wird zwar die Physiologie niemals erkennen können, aber mchtsdestoweniger ist die Physiologie, schon desshalb, weil sie uns die Aeusserungen des Lebens auseinanderlegt, von allen Wissenschaften, welche sich der Erkennung der Schöpfung widmen, jene, welche zunächst an das Gebiet des Studiums des Unvergänglichen streift. . Neben allen diesen Theilen der Naturwissenschaft ist die Naturgeschichte, wie man den Zweig benannt hat, den ich auch heute zu vertreten mir vorgenommen, der geringste. Offenbar darf die Naturgeschichte weder Anspruch machen, sich im Gebiet abstracter Wahrheit zu ergehen, noch darf sie sich rühmen, der Natur die Gesetze ihrer Arbeit oder die Richtung. ihrer Wege abzulauschen; ihr Object ist 98 nicht das Werden, sondern, wenigstens zunächst, das Ge- wordene; ihr Arbeitsfeld scheint daher nur der Raum zu sein, und nicht die Zeit. Ihre Methode besteht daher auch nicht im Versuch, d.h. in der Anbahnung und Ueber- wachung des Werdens, sondern lediglich in der Erfahrung und der Beobachtung und Controllirung des Gewordenen. Ihr Werkzeug ist daher auch zunächst das Auge, ein Or- gan, dessen Aussagen, wie jene aller unserer körperlichen Sinne, noch den mannigfachsten Deutungen unsers Urtheils unterliegen können, und was noch mehr ist, sich jeweilen nur auf den Augenblick ihrer Thätigkeit beziehen. Ihre Arbeit scheint somit auch nicht eigenes Schaffen zu sein, sondern bloss Reproduction und Registrirung getrennter Wahrnehmungen. — Einigen Ersatz für so niedrige Rang- stellung kann die Naturgeschichte nur darin finden, dass wir erstlich an den Leistungen unserer Sinne selbst kör- perlich betheilist und somit zum Vertrauen in sie in hohem Maasse verpflichtet sind. Das fühlen wir so sehr, dass wir ja selbst Ergebnissen unseres Urtheiles das Prädicat der Evidenz zu geben pflegen, sobald wir glauben, dass sie den Gefahren entzogen sind, welche die Arbeit unseres Verstandes noch mehr bedrohen, als die des Körpers. Die Naturgeschichte kann in der That — und hierin liegt eine unwiderstehliche Macht — auf ihre Objecte mit dem Fin- ger zeigen. Allein auch der Uebelstand, dass das Auge ja stets nur einen Moment des Daseins erfasst und also kein unmittelbares Werden, das immer der Zeit bedarf, prüfen kann, wird wesentlich gemildert durch die Tradition. Diese aber ist zweierlei Art. Einmal indirect und daher auch nicht unbedingt zuverlässig, gebildet durch die Er- innerung an eigene Beobachtung früherer Momente und an die Beobachtung früherer Generationen, allein zweitens direct und fortwährender Prüfung fähig in den bleibenden Wirkungen des Frühern, wie etwa in den directen Ueber- resten oder auch in den Spuren der Wirkung früherer Ge- schöpfe, selbst aus Perioden, die dem Dasein des Menschen weit vorausgegangen. Von allen objectiven Wissenschaften sind es daher die Angaben der Geschichte im Allgemeinen, welche der Kritik des Einzelnen am wenigsten unterliegen; nur Gene- rationen sind dazu berechtigt, und sie üben sie mit solcher Strenge, dass wenigstens in dem Bereiche der Geschichte der Natur das Urtheil über die Treue älterer Traditionen selten schwankte. Die Historie bedankt sich vielleicht, die Naturgeschichte als Schwester zu begrüssen, und es ist vollkommen richtig, dass diese sich lange Zeit wenig angestrengt hat, jener ebenwürdig zu sein. Nichtsdesto- weniger möchte ich die mir hier vergönnte Stunde dazu benützen, um darzulegen, dass die Angaben der Natur- beobachtung sich allmählig so angehäuft haben, dass wir mit Recht es wagen dürfen, sie in historischen Verband zu bringen. Nicht nur seitdem die Untersuchung früherer Geschöpfe zu derjenigen der uns umgebenden hinzutrat, sondern namentlich seitdem die Naturforschung es wagte, dieselbe Methode, nach welcher sie die Erfahrung der Gegenwart sammelt, auf jene Reste alter Zeiten anzu- wenden. | Zu dem Rechte, welches mir mein Lehramt an der hiesigen Universität ertheilt, über die Aufgabe der all- mählig zur Geschichte herangereiften Naturbeobachtung zu sprechen, kömmt überdies noch eine Aufforderung ver- pflichtenderer Art in dem Umstand, dass die heutige Jahres- feier der Universität nicht nur Eröffnung eines neuen Studienjahres zu sein bestimmt ist, sondern gleichzeitig die innere Berufung hat, eine Dankfeier zu sein für den ausserordentlichen Antheil, den an der Entwicklung un- serer Anstalt der Mann genommen, der seit mehr als 30 Jahren die Geschicke derselben vornehmlich geleitet 60 hat. Ist es doch seine unermüdliche Arbeit, welche auf eine lange Zukunft einen guten Theil des Ruhms, die Naturgeschichte unsers Vaterlandes zu dieser Reife geführt zu haben, an unsere Anstalt und zumal an dieses Gebäude geknüpft hat Wie schon der inblielk auf die Hülfsmittel, welche dem Menschen zur Erforschung des Geschaion zu Ge- bote stehen , es that, so entrollt auch die Geschichte dieses Studiums und noch mehr diejenige des Unterrichts kein vortheilhaftes Bild von den Erfolgen des menschlichen Geistes bei dieser Arbeit. Wie manche angesehene Doctrin ist spurlos verschwunden oder. in den Dienst einer andern eingetreten, deren Namen man vorher nicht kannte. Wie wechselt nicht nur nach Jahrhunderten, sondern nach Jahr- zehnden Rang und Würde, selbst Namen der gelehrten Disciplinen, des Inhalts der Lectionsverzeichnisse der Uni- versitäten, die doch jeweilen allerdings den Stolz und Ruhmestitel jeder Periode bilden. Keine Eintheilung der Wissenschaften hat sich bisher haltbar gezeigt, welche die Gegenstände unsers Wissens als Basis benutzte; alle trugen sie mit dem Stempel ihrer Zeit den Keim der Vergänglichkeit in sich. In der be- schränkten Fähigkeit des menschlichen Geistes und nicht im Stoffe liegen die Schranken unseres Wissens. Nur jene Kategorien sind bleibend, und verdienten, als Titel in den Programmen des Studiums aufgeführt zu werden, welche sich auf die nach Zeit und Raum, nach Tiefe und nach Umfang begrenzten Gaben unsers Körpers und unseres Geistes stützen. Beschreibende, experimentelle, abstrahi- rende Methode wird wenigstens die Untersuchung der Natur stets bedürfen, auch nachdem noch manche glän- zende Doctrin im Staube alter Cataloge, vielleicht selbst im Moder eines Handbuchs auf immer zur Ruhe gebracht sein wird. Allein auch in den Resultaten dieser so ge- theilten Arbeit, ‘wie wenig von jener Sicherheit und Würde, welche doch die ersten Spuren gefundener Wahrheit be- gleiten sollte! Welches Drängen von Hypothesen, von welchen die eine die andere ersetzt; welcher Wechsel an- geblicher Gesetze, für deren kurze Dauer uns nur. die Gewissheit tröstet, dass es nicht Naturgesetze, sondern nur gelegentliche ‚beein aus dem jeweiligen Vorrath des Wissens und der Täuschung des Menschen sind! Ein solches Gemälde, dessen trübe Farben nicht Laune, sondern jeder unbefangene Rückblick in die Geschichte des Wissens liefert, ist geeignet, uns die Frage aufzu- drängen, ob denn wirklich die Wissenschaft nie zu etwas anderem als zu einem Wechsel der Täuschung führen werde. Beruhigung hierüber kann nur eine Betrachtung bieten, welcher auf dem mir anvertrauten Felde uns zu widmen ich Sie nunmehr einladen möchte; nemlich die Prüfung des Fortgangs der Wissenschaft selbst, d.h. die Kritik. Jede Wissenschaft hat ihre Geschichte, und da jede Er- fahrung, sei sie irrig oder richtig, den Sporn zu einer fernern in sich trägt und die Uebung schärft, so darf doch der Glaube an die Tauglichkeit des Geistes, auch das ausser ihm liegende zu erfassen, die Ueberzeugung wecken, dass auch die Geschichte des Wissens eine organische zu nennen sei, d.h. dass sie die Nothwendigkeit der fortwäh- renden Erneuerung und die mes immer höherer Entwicklung in sich trage. Sowie die Naturgeschichte unter allen Wissenschaften, welche die Ergebnisse der Schöpfung zum Gegenstand ha- ben, sowohl in Absicht auf ihr Object als auf ihre Mittel, als die geringste gelten kann, so ist auch wohl in keiner der Fortschritt während Jahrhunderten unmerk - licher geblieben, als in dieser; ja keine schien selbst lange Zeit geringeres Anrecht auf den Titel einer Wissenschaft zu haben, zumal auf einen so hohen, wie sie. | 62 Dass der Naturmensch Thiere, Pflanzen und Steine zu kennen und zu benennen sucht, ist ein Trieb, der kein besonderes Lob verdient, so lange nur Nutzen oder Neu- sierde den Antrieb bildet. Auch jetzt noch ist dies Bedürfniss jedes aufmerksamen Kindes. Allein zur Unter- suchung derjenigen, welche weder directen Nutzen gewäh- ren, noch durch Farbe oder Form ein besonderes Ver- gnügen bieten, gehört schon mehr als Neugierde; hier erst ist Wissenstrieb und Ahnung, dass in Stoff und Form etwas Höheres thätig sei, das zu erkennen nicht nur den allem Unbekannten zugewendeten lebendigen Geist gelüsten, sondern selbst unser Gefühl mit Frieden erfüllen und ein edles Motiv unseres Wollens werden kann. In solchem Sinne dürfen wir Aristoteles und Theophrast mit vollstem Rechte nicht nur die Anfänger, sondern die beiden grossen Begründer der Naturgeschichte nennen. Ohne in die strenge Form gebracht zu sein, welche der vermehrte Umfang des Wissens heute erfordert, zeugen alle Beobachtungen von Aristoteles nicht nur von einer energischen und ihrer selbst in hohem Grade bewussten Lust an der Erkenntniss, sondern Aristoteles ist viel weiter; er überblickt in Wahrheit den ganzen Umfang des dem einzelnen Menschen zugänglichen Gebietes der organischen Natur; die äussere Erscheinung der Thiere — denn von seinen naturhistorischen Schriften ist uns nur die Ge- schichte der Thiere erhalten — ihren innern Bau, die Veränderungen desselben während des Lebens, ihre Be- ziehungen zu der Umgebung und ihre Wirkungen auf diese, ihre Sitten und ihre geistigen Aeusserungen. Aristoteles steht daher schon im frühen Alterthum bezüglich seines Wissens oder noch vielmehr seines Su- chens nicht nur auf der vollen Höhe heutiger Naturwissen- schaft, sondern er überragt an Umfang und Tiefe seines Wissens das gesammte Mittelalter. Ja, wollten wir Ari- 63 stoteles neben heutigen Naturforschern in eine Ranglinie bringen, die Jedem seine Stelle in Rücksicht auf das an- weisen würde, was er ohne Vorarbeit oder Mithülfe An- derer vollbracht, so dürfen wir wohl überzeugt sein, dass kein Einziger sich finden würde, der es wagen dürfte, ihm den ersten Rang streitig zu machen. Kennen wir auch die Vorarbeiten nur wenig, welche Aristoteles vorfand, so dürfen wir desshalb zwar nicht zweifeln, dass solche vorhanden waren, aber immerhin ist die Fülle von Be- obachtungen, deren wissenschaftliche Prüfung aus innern Gründen Aristoteles ausschliesslich zukömmt, sowie die Ausdehnung des Gesichtskreises, über den sein geistiges Auge schweifte, eine ganz erstaunliche zu nennen. Und dennoch muss ein Blick auf die Erfolge dieser Arbeit uns sagen, dass Aristoteles durch anscheinend viel geringere Leistungen die Wissenschaft als Gemeingut der Zeitalter weit mehr gefördert haben würde. Die kurze Dauer des Menschenlebens bringt es mit sich, dass alle Wahrheit, die von aussen aufgenommen wird, nur durch die Tradition gemehrt werden kann. So vergänglich sind ja die Träger dieser Wahrheit, so unwahrscheinlich die Vererbung, so gebrechlich die Ueberlieferung, dass ein Fortschritt nur dadurch möglich ist, dass die sich folgen- den Generationen sich bei der Arbeit des Sammelns von Wahrheit die Hände reichen. Risse heute der Faden dieser Tradition des Wissens entzwei, so ist nichts gewisser, als dass die gesammte Arbeit bisheriger Jahrhunderte von vorne an wieder aufgenommen werden müsste. So ist die Geschichte der Fortbildung des Geistes noch viel unzweifel- hafter an eine lückenlose Ueberlieferung und Fortpflanzung gebunden, als selbst die Geschichte der Körperwelt, an deren wiederholter Unterbrechung nicht nur die Geologie, sondern was weit mehr auffällt, selbst der religiöse Glaube der Gegenwart mit wunderbarer Zähiskeit festhält, trotz- 64 dem dass die Erfahrung jeder Mutter uns alltäglich für Leib und Geist vom Gegentheil belehren kann, und trotz- dem dass gerade diese tröstliche Erfahrung der. unmittel- baren Fortpflanzung von Leib und Geist uns allein mit ‚fester Hoffnung des Fortschritts auf beiden Gebieten er- füllen kann. 4 Nichtsdestoweniger ist bekannt genug, dass nicht nur körperlicher Tod, sondern auch Ueberfluthung der gei- stigen Anlage im Menschen durch körperliche Krankheit oder durch die Krankheiten des Geistes, Leidenschaft und Fanatismus oft genug weite Lücken in die Fortbildung der Erkenntniss der Wahrheit reissen. Und dieses ist es, was Aristoteles nicht voraussah und ihn hinderte, wie es ihm gebührte, der Lehrer seiner Nachwelt zu werden. Er ist der Repräsentant des Wissens und der Lehrer seiner Zeit, allein in der vollen Blüthezeit eines mächtigen Staates noch nicht gestört durch die Besorgniss, dass dem geisti- gen Erwerb selbst eines ganzen Zeitalters weit grössere. Gefahren drohen, als der Erhaltung der Körperwelt. Mit der politischen Zielen zugewandten Herrschaft der Römer, und noch mehr mit jener noch immer räthsel- haften Bewegung jugendlicher Völker nach der morsch ge- wordenen Wiege der Cultur stirbt daher Aristoteles ab. Seine Beobachtungen mussten seither grösstentheils und vielfach wiederholt werden. Dies wäre entbehrlich gewor- den, und das 16. und 17. Jahrhundert hätte statt mit dem | Neubau sich mit dem Fortbau der Wissenschaft beschäf- tigen können, wenn Aristoteles und Theophrast uns von den Thieren und Pflanzen , die sie so vortrefflich kannten, so einlässliche und gute Beschreibungen hinterlassen hätten, dass die Nachwelt an ihre Arbeiten hätte anknüpfen können. Es ist daher nicht ungerecht, wenn man der Aristotelischen Wissenschaft den Vorwurf macht, dass sie, dem Kinde ähnlich, nur der Gegenwart diente und noch nicht der 65 mühsameren Pflicht bewusst war, durch Vererbung die Arbeit und das Loos der Zukunft zu erleichtern. Bittere Erfahrung musste die Wissenschaft lehren, dass ihr Leben an Ueberlieferung geknüpft ist, und dass ‚daher ihre erste Sorge darin bestehen muss, die Ueber- : lieferung zu sichern. Würden. heute unsere Museen zer- stört oder unsere bänderreichen Thierverzeichnisse verloren gehen, so würden unsere Nachfolger mit einem Male auf die Stufe von Aristoteles zurückversetzt sein. Die Ent- deckung der Skelete, welche die ägyptischen Priester in ganz anderer sicht in den Gräbern ihrer Pyramiden 2 verborgen hatten, war daher für die jetzige Wissenschaft ein nicht minder wichtiges Freigniss, als es etwa die Auf- findung irgend einer noch vermissten naturhistorischen Schrift des Alterthums sein könnte. Abstractes Denken lässt sich mit wenig Mühe auf- bewahren und wird, in passende Worte gefasst, so bald bleibendes Gemeingut und Erbthum der Menge, dass in der That noch eine ganze Anzahl solcher theils unrich- tiger, theils richtiger Begriffe aus dem Zeitalter des Ari- stoteles durch derartiges Erbthum bis auf unsere Tage erhalten ist. Weit schwieriger ist die een von Wahrheit, die aus der Materie quillt, weil jede Generation, die nicht nur blindem Glauben folgt, nach den Rechtstiteln solcher Wahrheit fragt. Solche Ueberlieferung ist indess nur möglich einmal durch Diagnose, d.h. durch: scharfe Fest- stellung der Resultate der Beobachtung, und ferner durch Aufbewahrung der Belegstücke der Untersuchung selber. - Die Nichtbeachtung dieser erst späterworbenen und noch heute kaum von einem einzigen gesammten Volke, selten noch von Regierungen , meist nur noch von Einzelnen in ihrer vollen Tragweite erkannten Lehre hat die Beob- achtung von 20 Jahrhunderten verloren gehen lassen. — à) 66 Ein Einziger, Galen, hat während dieser langen Zeit, 500 Jahre nach Aristoteles, allein ausschliesslich auf dem Gebiet des menschlichen Körpers, Beobachtungen in einer Form gesammelt, dass sie auch seiner Nachwelt zu gute kamen. Und wie beschämend ist es, dass »unter allen Männern der einzige, welchem im Dienste der Wissenschaft durch die Anerkennung seiner Zeitgenossen der Zuname des Grossen zu Theil ward, Albertus Magnus aus dem 13. Jahrhundert, uns in seinen bänderreichen Werken nur insofern belehren kann, als er uns über die Verirrungen des menschlichen Geistes Aufschluss giebt«.*) Auch in dieser Beziehung wird wohl erst die Zukunft dem Manne, der so lange die Arbeit unserer wissenschaftlichen Genossen- schaft leitete, den vollen Dank für die weise Voraussicht leisten, mit der er innerhalb der Mauern, die uns um- geben, Documente niederlegte, welche auf dem Gebiete der Naturgeschichte die Arbeit unserer Nachfolger mehr fördern werden, als all der Reichthum der Gedanken, die von diesem Katheder ausgegangen. Die Fundamente unseres Wissens, welche sich trotz der heftigen Stürme, die auch seither darüber gingen, in Folge ihrer auf die Zukunft berechneten Methode weit dauerhafter erwiesen, als die Arbeit des gesammten Alter- thums, legte erst das 16. Jahrhundert. Belon, Salviani, Rondelet, auch Conrad Gesner unterzogen sich — alle fast gleichzeitig — der mühsamen Aufgabe, nicht nur Beobachtungen zu sammeln, sondern sie durch Diagnose auch zu sichern; ihrer Voraussicht verdanken wir auch die Entstehung jener mächtigen Archive, nicht mit Un- recht Museen genannt, welche neben den durch Schrift übertragbar und daher transportabler gewordenen Zinsen auch das metallne Capital des Wissens in natura oder in *) K.E.v. Baer, Reden und Aufsätze. Petersburg, 1864. I. p.87. 67 Bildern noch der Nachwelt zu prüfen und zu bearbeiten erlauben. Bedenken wir, wie viel Mühe es kostet, nicht nur unsern Kindern, sondern uns selbst nur 20 Waldbäume so bekannt zu machen, dass wir unsern Sinnen unter allen Umständen vertrauen würden, auch wenn sie uns dieselben ganz unerwartet, z. B. in einem fremden Welttheil oder in der Erde versteinert vorführen sollten, so sind wir in der That geneigt, die Dienste hoch zu schätzen, welche die ersten genauen Beschreibungen und noch mehr. die ersten guten Bilder oder die ersten naturhistorischen Samm- lungen der neuerwachten Wissenschaft leisteten. Nur des- halb bedurfte die Kenntniss der neuen Welt, welche das- selbe Jahrhundert brachte, kaum so viel Jahrzehnde, um auf dieselbe Höhe zu gelangen, zu deren Erreichung die Naturgeschichte der alten Welt Jahrhunderte verwendet hatte, weil die Entdecker jener, Graf Joh. Moritz v.Nassau, Bontius, Marggraf, Hernandez, von dort nicht Abstractionen, sondern genaue Beschreibungen, Bilder und Sammlungen mitbrachten. So kam es, dass um die Mitte des 17. Jahrhunderts, 150 Jahre nach Entdeckung dieser neuen Welt, die Thierwelt der beiden Indien genauer untersucht und besser bekannt war, als diejenige Europa’s, welche doch 900 Jahre früher einen Aristoteles gehabt hatte; so mancher jungen Generation war diese alte Welt stets neu geblieben. Und dennoch war alles das nur noch rohes Material, welches die zwei ersten Jahrhunderte einer wiedergebornen Wissenschaft von vorn an wieder sammeln mussten. Es zu ordnen und seinen Transport aus den Händen einer Generation in die der andern zu erleichtern, war die Unternehmung von Linné und von Cuvier. Noch Conrad Gesner, Aldrovand, Jonston hatten die Cataloge des Wissens ihrer Zeit in Form von Dutzenden von Folio- bänden fortgeführt. Linn&’s practischer Sinn und strenge 13 9 Logik brachte sie im Jahre 1735 in das Format von drei Folioblättern und später in dasjenige eines Octavbandes von wenig Bogen Stärke. Es ist bekannt genug, dass er diesen ausserordentlichen Fortschritt lediglich durch Ein- führung einer der Wissenschaft besonders angepassten Sprache erzielte. Vor ihm geschah der wissenschaftliche Verkehr in Wahrheit nur in jener unbeholfenen Weise, in der wir uns in Ländern, deren Sprache uns unbekannt ist, verständlich zu machen suchen, d. h. durch mühsame Umschreibung mit Hülfe von Wörtern, die sonst ganz an- ders angewendet worden waren.. Noch heute fällt es uns schwer, eine Pflanze, die Bauhin, der Begründer der Pflanzen-Diagnose, 100 Jahre vor Linné, beschreibt, mit der Beschreibung von Haller oder von Tournefort zu vergleichen, weil jeder eine andere Sprache spricht. Erst Linné hat die Naturgeschichte mündig gemacht, und die Sprache, die er ihr gab, war so reich, dass sie, die von ihm anfänglich auf kaum mehr als tausend Gegenstände angewendet worden, seit 130 Jahren von allen Völkern verstanden und seither auf Hunderttausende von Körpern anwendbar geblieben ist. | | Erst jetzt beginnt sie, und nur nach einer Richtung, ihre Anwendbarkeit zu verlieren, weil sie ein erst jetzt allmählig erkanntes Verhältniss der Geschöpfe übersah, ihre Filiation; sie besitzt nur Eigennamen und keine Patro- nymen. Es ist noch eine Sprache von Völkern mit:losem Familienverband und: ohne Familienbesitz; seine Genera und Species sind unmittelbare Gebilde der Schöpfung und insofern ohne weitern organischen Verband. Dies spricht er fast in allen von ihm besorgten Ausgaben des Systema nature in so entschiedener Weise aus, dass Jedermann alle Linné’schen Rubriken höhern Grades als Genus und Species für künstlich hielt: » Species tot numeramus quot diverse forme in principio sunt create. Genus omne est 69 naturale in ipso primordio tale creatum.« Ja Linné selbst nennt seine Gruppen zum Theil künstlich: » Nature opus semper est Species et Genus; artıs et nature Classis ac Ordo.« Erst heute beginnen wir und immer deutlicher zu erkennen, dass Linné dennoch, man möchte sagen, ohne es zu ahnen, und oft weit schärfer-als selbst Cuvier, auch die natürliche Verwandtschaft der Genera errathen hatte; allein damit beginnen wir auch heute das Bedürfniss immer lebhafter zu fühlen, diese verwandtschaftlichen Beziehungen der Genera durch die Nomenclatur auszudrücken, aber dazu reicht Linné’s Sprache, die nur auf seine Anschauung gegründet ist, nicht aus. HU Nicht minder lehrreich ist es zu sehen, wie trotz der für ihreZwecke hohen Vollkommenheit und der allgemeinen Verständlichkeit der Linné’schen Sprache wenigstens die von ihr geschaffene Nomenclatur eben desshalb, weil sie nur den Bedürfnissen und Anschauungen seiner Zeit genau entsprach, mit den gleichen Schwierigkeiten kämpfte wie die populäre Namengebung der Völker überhaupt. Nicht nur ist seit Linné diese Namengebung fast gänzlich auf der eben bezeichneten Stufe geblieben, sondern selbst zu diesem noch unvollständigen Ergebniss gelangte auch Linné nur allmählich, und man kann selbst beifügen, mit Wider- streben. Denn einmal hatte allerdings Bauhin schon ein volles Jahrhundert vor ihm für die Botanik, und in noch vollkommenerer Weise Willughby und Ray einige - Jahrzehnde vor Linné für die Zoologie einen grossen Theil der Arbeit geleistet. Nur war diese Leistung bei Ray fast unbewusst; auch gründete er kein Verdienst darauf; allein wenn Ray schon Linne’s grossen Plan gefasst hätte, die gesammte Menge der Naturkörper in ein übersichtliches Gemälde zu ordnen, so hätte er unwillkürlich zu Linné’s Hülfsmittel greifen müssen; allein noch mehr; es ist er- weislich, dass Linne selbst diess Hülfsmittel, seine binäre 70 Nomenclatur nicht von sich aus, sondern von seinem Lands- mann Artedi gedrängt, als Verbesserung aufnahm, denn in den paar ersten Ausgaben des Systema ist die Nomen- clatur an manchen Stellen noch so unbehülflich wie bei Bauhin. Streng durchgeführt finden wir sie erst in der sechsten Ausgabe, im Jahr 1748. Allein auch abgesehen davon, wie viel von dem Ver- dienste, das man gewohnt ist, Linn& ausschliesslich zuzu- schreiben, auf seine Vorgänger, und vor allem auf Ray und auf Artedi fällt, ist es sogar gestattet, die Frage aufzuwerfen, ob denn überhaupt selbst Linné’s Arbeit, eine Disciplin mit wohlgeordneten und registrirten Archiven, d.h. mit einem vortrefflich angelegten und wirklich unend- licher Weiterführung fähigen Verzeichniss ihrer Gegen- stände, an welchen zwei Jahrhunderte gesammelt hatten, den Namen einer Wissenschaft im vollen Sinne des Wortes verdient. So lange als nicht die Kenntniss der vielerlei Beziehungen aller dieser Geschöpfe unter sich und zu ihrer Umgebung sie als Theile Einer ganzen Schöpfung, als Organe Eines Organismus hinstellte, fehlte doch ein wich- tiges Merkmal einer Wissenschaft, innere Organisation. Wir müssten selbst Linné’s unsterbliches Systema nature etwa einem wohlgeordneten Catalog von Münzen vergleichen, deren äusseres (repräge uns gerade ahnen liesse, dass sie das Product einer und derselben durch ganze Zeitalter fortgebildeten Absicht wären, wenn nicht schon Aristoteles, und wiederum, weit später, unmittelbar vor Linne Redi, Malpighi, Swammerdam auch begonnen hätten, die Inscriptionen der Münzen zu lesen und ihr Metall zu prüfen. Doch blieben diese und auch ähnliche Versuche des Linne’schen Zeitalters selbst, von Reaumur, Trembley, Bernard de Jussieu noch vereinzelt, und der stets weitergeführte Catalog ein Verzeichniss von wohldefinirten Worten, eine Sammlung genau bestimmter Noten. 70 Die Vereinigung der Worte zu einer Sprache, die Verbindung der Noten zu einer Melodie ist man zwar ge- neigt, schon Linne selbst zuzuschreiben, wenn er seine Arbeit abschliesst mit den Worten: O Jehova quam ampla sunt tua opera, quam ea omnia sapienter fecisti, quam plena est terra possessione tua;. allein für das wissenschaftliche Bedürfniss kam diese organische Verbindung der noch getrennten Erkenntnisse zu einem Ganzen von unerwarteter und noch heute wenig anerkannter Seite. Dieses grosse Verdienst gebührt in Wahrheit der Histoire naturelle von Buffon. Zwar erkannte selbst die französische Litteratur, welche doch auf dieses Werk so stolz war, diess so wenig, dass sie in dem Worte eines scharfen Kritikers, von Vol- taire, sich über diese Naturgeschichte äusserte: quelle n'est pas naturellex. Allein dennoch ist Buffon der Erste, welcher die bisher getrennten Materialien in der Natur- geschichte zum Körper einer Wissenschaft vereinigte. Freilich in so ungewohnter und so wenig strenger Forın, dass sein Zeitgenosse Peter Camper nicht ganz mit Un- recht Buffon vorwarf, dass er von der Natur mit gleicher Lust plaudere, wie ein Liebhaber von seiner Schönen; allein Camper traf dennoch den Kern der Sache; für Buffon war die Natur doch schon ein untheilbares und überdiess mit Begeisterung angebetetes Individuum. Der Fortschritt vom blossen Sammeln und Ordnen zum Beginn der eigentlichen Erkenntniss war damit gemacht; wer will es tadeln, dass auch die Naturgeschichte, erst jetzt zum Bewusstsein ihrer selbst erwacht, noch jetzt in jugend- lichem Gewand erscheint und ähnlich wie etwa die Physik des Alterthums ihre Fragen gleich an die allgemeinsten und wichtigsten Verhältnisse richtet? Allerdings befrie- digt sich auch Buffon mit den kühnsten Antworten, welche ihm seine Phantasie eingiebt, und lässt die Kritik kaum aufkommen. So kömmt es, dass wir bei Buffon fast auf 72 alle Fragen, welche die Wissenschaft noch heute, ein Jahr- hundert später, erst noch fast zaghaft untersucht oder doch nur mit der grössten Behutsamkeit beleuchtet, die unbefangenste Antwort finden. Allein ich könnte kein einziges von der Naturgeschichte unserer Tage aufgestelltes Problem namhaft machen, das bei Buffon nicht schon.an- gedeutet und mit voller Einsicht in seine Bedeutung bespro- chen wäre. Organisation, Entwicklung, natürliche Verwandt- schaft, Abstammung, Verbreitung und frühere Geschichte, Sitten und geistiger Gehalt der Thiere, natürliche Geschichte des Menschen, alle diese Capitel werden, freilich an den ver- schiedensten Stellen des Werkes, die sich auch nicht selten gegenseitig widerlegen, besprochen; wenn daher der schöne Ausspruch von Montesquieu, dass die Gesetze den Ausdruck der natürlichen Beziehungen der Dinge bilden, hier an- wendbar ist,. so klingt es nicht mehr paradox, wenn wir sagen, dass Buffon in die wissenschaftliche Beurtheilung der Natur als Ganzes mehr System gebracht hat als Linné. Buffon selbst scheint freilich solchen Verdienstes kaum bewusst gewesen zu sein und seine Stärke ganz anderswo gesucht zu haben, sonst würde ihn schwerlich das perfide Lob Voltaire’s, der ihn nachträglich für jenen ersten Tadel mit dem Titel eines zweiten Plinius zu entschädigen suchte, mit dem Lästerer versöhnt haben. — So sehr ist es richtig, was unlängst ein scharfer Beobachter des Ganges der Wissenschaften ausgesprochen, dass nicht einzelne Männer die Gestalt der Wissenschaft bestimmen, sondern dass in ihrer Entwicklung selbst eine innere Nothwendig- keit liegt, zu welcher die Bearbeiter sich nur wie Organe verhalten, welche das aussprechen oder darstellen, was zur htwicklung herangereift ist, zuweilen sogar, indem sie etwas ganz anderes wollen.*) *) K.E.v.Baer 2.2.0. p. 145. 13 Der Charakter der Reife, welcher der Naturgeschichte Buffons noch in so hohem Maasse fehlte, wurde ihr ver- liehen durch Cüvier, der ausserdem, dass er die Arbeit Linné’s, genaue Diagnose und Classification, mit der grössten Sorgfalt weiterführte, auch in dem neuen Gebiete, welches Buffon der Wissenschaft erworben hatte, Kritik einführte. Strengste Nüchternheit und Selbstbeherrschung ist für alle Arbeiten Cuvier’s ebenso bezeichnend, wie naive Phantasie und poetische Kühnheit für diejenigen Buffon’s. Cuvier hat dadurch, dass er die breite Basis von Buffon unter der Leitung der grossen Tugenden von Linné, Geduld und Klugheit, bearbeitete, Leistungen hervorgebracht, welche seit ihm von keinem einzelnen Naturforscher übertroffen worden sind, und so wie Aristoteles die Naturbeobachtung des gesammten Alterthums vertritt, so würde eine künftige Generation, wenn ihr Cuvier’s Arbeit von allem, was die drei letzten Jahrhunderte hervorgebracht, allein überliefert würde, fast den vollen Reichthum der Forschung dieser Periode vor Augen haben. Aber während es zwei Jahr- tausende bedurfte, um Aristoteles und nur noch unvoll- ständig, zu entziffern, würde jede Epoche auf Cuvier’s Arbeit unmittelbar weiter bauen können. Und dennoch finden wir auch bei Cuvier eine wichtige Seite der Untersuchung organischer Körper unbeachtet. Die äussere Erkennung durch scharfe Diagnose, die syste- matische Vergleichung und Rubricirung durch Untersuchung des innern Baues, die Vertheilung auf der Erde, kurz alles was’ das Dasein der Organismen im Raum, sowohl. im Einzelnen als im Grossen betrifft, alles das hat Cuvier : mit bisher unübertroffener Meisterschaft behandelt; allein das ganze Bereich der historischen Beziehungen der Thier- welt hat er brach gelassen. Auf den ersten Blick kann nichts bizarrer erscheinen, als ein solcher Ausspruch über den Urheber der Recherches 74 sur les ossemens fossiles. Abgesehen davon, dass Cuvier, wie er auch das Mikroskop verachtete, an die Untersuchung der Entwicklung der Thiere niemals selbst Hand anlegte, so scheint es sogar, dass er kaum Notiz nahm von den in seine Zeit fallenden embryologischen Untersuchungen von K.E. von Baer, vielleicht der einzigen Arbeit, welche an Meisterschaft der Behandlung über Cuvier’s anatomische Leistungen hinausragte oder doch eben so reiche Früchte trug; denn schon im Jahre 1828 war es von Beer möglich, fast ohne Vorgänger, auf Boden der von ihm und Caspar Fr. Wolff allein beobachteten Thatsachen der Entwicklung ein System des Thierreichs aufzustellen, welches selbst Cuvier’s anfängliche Resultate, die doch auf Ray, Artedi und Linné fussen konnten, überflügelte. Allein selbst in Bezug auf die Geschichte der Thier- welt im Ganzen hat Cuvier zwar die wichtigsten Materialien angesammelt, doch ohne sie selbst weiter zu benutzen. Seit und neben Ray’s Synopsis methodica, Linne’s Systema nature und Bær’s Studien ist zwar bis auf den heutigen Tag nicht nur kein glänzenderes, sondern auch kein wich- tigeres Document der Kenntniss der Thierwelt beigefügt worden, als die Recherches sur les ossemens fossiles, durch welche den Objecten der Naturforschung von Aristo- teles bis Linné mit Einem Male eine gesammte neue Thier- welt zugefügt wurde, auf welche nur erst noch zu Anfang des 16. Jahrhunderts Leonardo da Vinci und Fra- castor und unmittelbar vor Cuvier Pallas, Blumen- bach und P. Camper als auf Gegenstände naturhisto- rischen Studiums aufmerksam gemacht hatten. Und was waren die Hülfsmittel, welche Cuvier zu dieser Eroberung führten? lediglich die Anwendung der von ihm an den lebenden Geschöpfen erkannten Gesetze der Harmonie des Baues auf die Deutung der unvollständigen Knochenreste, welche sich versteinert in der Erde finden. Die Herrschaft 75 Linne’scher Methode wurde so auf einmal über eine neu- gefundene Thierwelt ausgedehnt; das Verzeichniss der bekannten Organismen wurde dadurch rasch weit mehr als verdoppelt, allein die Art des Verbandes zwischen der neuerworbenen Provinz und der vor Cuvier allein ge- nauer bekannten heutigen Lebewelt blieb selbst Cuvier verborgen. Cuvier selbst versicherte im Jahre 1796 dem französischen Institute, dass die zehn Jahre Untersuchung der fossilen Thiere, von allen seinen Arbeiten jene, der er selbst am meisten Werth beilegen müsse, ihn immer mehr zu der Ueberzeugung geführt hätten, dass diese Vorgänger heutiger Geschöpfe zu den letztern in keiner andern als einer collateralen, d. h. durch ähnliche Gesetze des Baues bedingten Beziehung stünden, und selbst in dem berühmten Documente, mit welchem er im Jahr 1825 seine grosse Arbeit schliesst, in dem Discours sur les révolutions de la surface du globe, stellt er jedes andere Verhältniss zwischen den verschiedenen Schöpfungen als das der blossen histo- rischen Succession in Abrede. Cuvier’s Arbeit war dem- nach in strengem Sinne nur die Ausdehnung von Linné’s Systema nature auf die Thiere früherer Perioden, eine Auf- fassung, welche noch in neuester Zeit und wo möglich noch schärfer und solenner als von Cuvier selbst, von Agassiz betont wurde, der die Vollstreckung des Cuvier’schen Te- stamentes, d. h. die Weiterführung seiner Untersuchung übernommen hatte. Hiemit aber sind wir bereits mitten in die Urtheils- weise der Gegenwart gelangt. Hatte Linne’s Fleiss das Auge an Beobachtung und scharfe Unterscheidung der Form gewöhnt, und Cuvier’s Scharfsinn gezeigt, dass die Form Erzeugniss innerer Structur sei, so erhob sich nun nothwendiger Weise die Frage, ob der erkannte Structur- plan fruchtbar genug sei, um die Mannigfaltigkeit und Continuität der Form zu erklären. Allein damit scheint 76 auch die Naturkunde aus dem Bereiche blosser Beobach- tung und Sammlung - objectiver Thatsachen in die Reihe speculativer Wissenschaften einzutreten; an die Aussagen der Sinne scheint sich hiemit das Urtheil zu wagen; hier scheint somit auch die grosse Waffe der . Naturforschung, die Evidenz, ihre Schärfe zu verlieren. Doch nur schein- bar; in Wahrheit handelt es sich nur darum, die Form nicht mehr als eine momentane zu untersuchen, sondern in ihren Wandelungen zu verfolgen. Hatte v. Ber diese Wandelung innerhalb des individuellen Lebens und Cuvier noch weit grössere Veränderungen im Verlauf der Erd- geschichte nachgewiesen, so fragte es sich nur noch, ob diese so verschiedenen Zustände wirklich getrennt, oder aber durch organische Bande verbunden seien. Für die Entwicklungsgeschichte des Individuums blieb auch hier noch ununterbrochene Evidenz zugänglich; schwerer für Perioden, welche unsere persönliche Erfahrung nicht mehr überblicken kann, und vor allem schwer für Vorgänge, deren Ablauf sich über die Lebenszeit von Generationen hinaus erstrecken konnte, sowie auch, innerhalb weit engerer Kreise, für jene unserm Auge unzugänglichen zahl- reichen Stellen, wo die unmittelbare Ueberlieferung der Form von einem auf den. andern ihrer jeweiligen Träger erfolgt. | | . Mit dieser Untersuchung ist die Gegenwart beschäf- tigt; mit ihr hat auch die heutige Beobachtung zum ersten Mal das volle Anrecht auf den Titel Naturgeschichte sich erworben. Mehrere Verhältnisse waren hülfreich, um diesen Fort- _ schritt anzubahnen und zu erleichtern. Einmal wurde die Ueberzeugung von der Einfachheit und Allgemeinheit der Grundgesetze organischer Structur in energischer Weise gekräftist durch die Wirkung der mit jugendlichem Auf- schwung der Phantasie begabten Periode der Natur- 11 philosophie, vornehmlich durch die Arbeiten von Oken und Geoffroy-St. Hilaire. Noch wichtigeren Antrieb gab eine unerwartete Ausdehnung der Embryologie gerade an ihren schwächsten Stellen, und kam auch dieser An- trieb zunächst von etwas verdächtiger Seite, so dehnte sich seine Wirkung doch rasch in einem durchaus nicht geahnten Grade aus. Adalbert Chamisso war es, der zuerst im Jahre 1819 einen vollkommen neuen Factor von bedeutender Tragweite in die Lehre von der Geschichte des organischen Lebens einführte. Er zeigte, dass die Umbildung und Veränderung der Form, von der man innerhalb des individuellen Lebens des Schmetterlings und des Froschs seit dem Alterthum genügende Kenntniss hatte, in einem grossen Theil der Thierwelt durch dasselbe ge- heimnissvolle Mittel der Fortpflanzung erfolgt, durch wel- ches wir, wie das Wort es ausdrückt, gewohnt waren, gerade die Erhaltung der Form gesichert zu sehen. Dass für alles individuelle körperliche Leben nichts gewisser sei als der Tod, war von Alters her bekannt, allein dass neue Zeugung, die den Tod besiegt, nicht nur in der Wieder- holung der schon vorhandenen, sondern auch im Fort- schritt zu neuen Formen sich äussern kann, — das war die grosse Erfahrung, die theilweise zwar schon Bonnet . 1740, aber mit allen Folgerungen erst Chamisso machte, und welche Steenstrup unter den Titel des » Wechsels der Generationen« brachte. Man hat den Schwerpunkt dieser Lehre, wie auch ihr Titel dies andeutet, in der grossen Verschiedenheit der successiven Träger des Lebens gesucht, doch dafür boten die Wandelungen des Schmetter- lings schon Beispiel genug; weit wichtiger war der Um- stand, dass hier nicht nur der Schmetterling den Wurm, sondern dass dieser auch die Puppe erzeugte und neu bildete, anstatt sich in diese umzuwandeln; oder mit an- dern Worten, dass die Träger der successiven Formen den 78 Werth von Individuen zu erreichen schienen. Da aber mehrere solcher scheinbar selbständiger Träger besonderer Formen sich unverkennbar in den Kreis Fines vollstän- digen Geschöpfes vereinen, so wurde schliesslich durch diese neue Erfahrung der bisherige Begriff von Individua- lität zerstört, oder vielmehr über den engen Begriff des anatomischen Individuums ein höheres biologisches Indi- viduum gesetzt, das, was wir Generation zu nennen pflegten. Richtiger als Steenstrup hat daher Sars den Kernpunkt der neuen Erfahrung getroffen, indem er sagte, dass hier nicht das Individuum, sondern die Generation es sei, welche sich metamorphosire. Ein folgendes Individuum nimmt den Faden der Entwicklung auf, den das vorher- gehende nicht weiter zu führen vermag, und was wir sonst im Individuum zu sehen gewohnt sind, das erreicht hier nur die Generation in einem mehr oder weniger bestimmten Cyclus*) Das anatomische Individuum — und bis auf Chamisso war ja kein anderes bekannt — erschien fortan nur als ein ephemeres Organ im Dienste eines grössern Entwicklungskreises. Die Wirkung dieser Anschauung auf die Beurtheilung der übrigen Organismen war ausserordentlich. Bedachte man, dass gleichzeitig selbst in den höchsten Organismen die Uebertragung von Leben von einer auf eine zweite Generation durch Anlegung neuer materieller Keime auf dem Boden und aus dem Material des mütterlichen Körpers ohne alles fremde Zuthun, zunächst also durch wahre Parthenogenese erfolgt, so konnten nunmehr auch von dieser Seite selbst die successiven Generationen gleich- artiger Geschöpfe nur als Organe eines virtuellen höhern Ganzen, als Glieder einer Colonie erscheinen, deren Spröss- *) Alex. Braun, Abhandl. d. Acad. d. Wissensch. zu Berlin. 1852. p. 83. 29 linge in successiven Bruten abfallen. Den Namen von Individuen verdienten selbst bei höhern Thieren nur noch jene abgelösten Knospen, die nicht die Fähigkeit besitzen, neue Knospen zu bilden. Mindestens die Anlage des Eies ist also unmittelbare körperliche Tradition, und in diesem Sinne ist die zweite Generation in Wahrheit zunächst jeweilen Vermächtniss des mütterlichen Körpers; allein zu diesem conservativen und durch unablässige Vererbung fortge- pflanzten Eigenthum der Species — denn so bezeichnen wir die zeitliche Colonie — fügt sich von früh an die fremde Zu- that jener in Wahrheit individuell gewordenen Knospen, sowie der eigene Erwerb der Brut vom Moment an ihrer Ablösung vom Ganzen. Die Lebensaufgabe der Species ist somit auch hier auf mehrere und verschieden geformte, polymorphe Glieder der Colonie und nicht nothwendig von derselben Generation vertheilt. Durch beides aber, durch väterlichen Einfluss und durch eigenen Erwerb, wird ein Motiv der Abänderung in den Keim hineingelegt, ein Motiv, das zufolge der Erfahrung schon von einer Brut zur andern verschiedene Producte zu Stande bringst. Nur dadurch ist erklärlich, dass in Wahrheit in der ganzen Schöpfung nicht zwei Individuen zu finden sind, welche mit einander identisch wären. Die Wirkung dieses selben eingebornen Factors der Variation im Verlauf der Erdgeschichte aufzusuchen, ist — neben der stets vorwärtsgehenden Fortführung der Ca- taloge — dringende und nächste Aufgabe der Natur- forschung. | Ein kurzer Blick auf die bisherige Entwicklung der Wissenschaft genügt indess, um vermuthen zu lassen , dass diese Aufgabe den Fleiss einer langen Periode vollauf beschäftigen werde. Wie lange ging es, um uns über- haupt die Erfahrung beizubringen, dass alles, was unsere Beobachtung erfasst, desshalb nicht bleibend sei. 80 Wie lange ging es, bevor wir wussten, dass der Wurm, der unsere Bäume zernagt, nicht bis zu seinem Tode Wurm sein werde, und dennoch konnte die Aufmerksamkeit von ein paar Monaten uns zeigen, dass er sich verpuppt und endlich als Schmetterling herumfliest und Eier lest. Allein ein ganzes Jahr war nöthig, um zu erfahren, dass aus diesen Eiern nicht Schmetterlinge, sondern wieder Würmer hervorgehen. Drei bis vier Jahre, ja in manchen Fällen noch mehr, bedarf es zur Erfahrung, dass ein ähnlicher, nur an Umfang grösserer Kreis des Formenwechsels am Eingeweidewurm, am Feuerzapfen, an der Qualle, ja selbst durch einen grossen Theil der Thierwelt nothwendig an die Erreichung des Zieles biologischer Individuen gebunden ist; und. dennoch, von dem Moment an, wo man die etwas _ dauerhafteren Stufen dieses Formenwechsels am Eingeweide- wurm kannte, von Redi an, bedurfte es bis auf Siebold zwei Jahrhunderte, um die Gewissheit .zu erlangen, dass eine jede dieser Stufen nur eine kurze Etappe in der Bahn von Einer Generation im frühern Sinn des Wortes bildet. Heute aber erblicken wir neben den uns umgebenden Geschöpfen zahlreiche Generationen anderer aus entschwun- denen -Zeitaltern. Niemals ist auch nur ein Zweifel laut geworden, dass ihre Organisation nicht durchaus den gleichen Grundgesetzen folge, wie jene der mit uns leben- den Thiere, und dennoch weist noch heute ein grosser Theil der Zoologen mit beiden Händen von vorn herein auch nur die Möglichkeit ab, dass jene frühern zu den heutigen Geschöpfen in irgend einer mehr als passiv-histo- rischen Beziehung ständen. Warum? weil sie nicht voll- kommen wie diese aussehen. So erweitert sich der Blick des Menschen nur mit Widerstreben, und weichen einmal festgewordene Urtheile nur dringender Gewalt. Gerade in der vermeinten Stärke unsers Urtheils, der sogenannten Evidenz, liegt gleichzeitig seine Schwäche, weil es sich 31 weigert, weiter zu schreiten, da wo die Stütze seines kurz- sichtigen Organes ihm zu fehlen anfängt. Ueberall, wo ıhm das Auge, das ja von jeher nur Momente und niemals ununterbrochene Zeitfolgen auffasste, getrennte Bilder vor- führt, zögert das Urtheil, dieselben in Zusammenhang zu bringen. So ist es seit damals, als dasselbe Auge dem Menschen sagte, dass der Boden, auf dem er stehe, flach und nicht gewölbt sei. Wohin er auch das Auge trug, überall erblickte es eben eine Fläche, nirgends gewahrte es den Uebergang zur Wölbung. — So sieht auch heute unser Auge in verschiedenen Epochen nur fertige Geschöpfe und sträubt sich, an einen Zusammenhang zu denken und verlangt nach Uebergängen, nach halben Species, als ob der Uebergang von einer zu einer andern auf Selbsterhal- tung aus fremdem Rohstoff angewiesenen Form weit lang- samer und öffentlicher hätte vor sich gehen sollen, als der Uebergang, in der geheimnissvollen Hülle des (ee: von einem Individuum zum andern. Wenn wir daher besorgen, dass es die Arbeit einer langen Periode erfordern möchte, um die einer langen Zeit und vieler Sorgfalt bedürftigen Beobachtungen zu sammeln, welche nôthig sind, um jenen Beweis der Continuität der Schöpfung zu leisten, so wird man uns kaum kleinlaut nennen können. Ermessen wir, dass schon die Fähigkeit, im Zusammenhang zu denken, nur gebildeten Geistern zu- kömmt, — dass die Fähigkeit, verschiedene Gedanken zu combiniren, ein noch selteneres Vorrecht höherer Geister ist, dass endlich das Vermögen, verschiedene Gedanken- reihen gleichzeitig fortzuführen, eine so ausserordentliche Gabe ist, dass die wenigen wirklichen Fälle der Art eine Sache historischer Berühmtheit geworden, — obschon darin nur das Vermögen liest, rasch in schnellen Successionen von einem Punkt zum andern überzugehen und doch die 6 82 verbindenden Fäden paralleler Gedanken festzuhalten — wenn das Alles nur den höchsten intellectuellen Kräften zukömmt*) — so wird man uns kaum tadeln können, dass wir zu kleinlich von der Fähigkeit des Menschen dachten, indem wir vermutheten, dass er Combinationen der Schöpfung, welche sich gleichzeitig über eine entlegene Vergangenheit, über die Gegenwart und wohl noch über eine weite Zukunft erstrecken, allein von welchen wir nur noch einzelne getrennte Punkte kennen, nicht anders als nur langsam und stückweise erfassen werde. Hatte auch diese neue Lehre schon zu Cuvier’s Zeiten an Lamark ihren Buffon, d. h. ihren prophetischen Ver- treter, und mehrt sich auch mit jedem Tage der Vorrath ihrer Belege, so hat die eigentliche Arbeit der Beweis- führung doch kaum noch an einzelnen Stellen begonnen. Darwin. hatte allerdings dasGlück, dass er »zur rechten Zeit in die Schmelze trat, wo das edle Metall geschieden wurde, und seinen Diensten wird man daher wohl auch fortan den Silberblick zuschreiben und nach ihm benen- nen;«**) allein bevor auch die Geschichte der Natur in diesem Sinn ihren Cuvier erzeugen kann, d.h. bevor die Untersuchung bis zur Kritik gereift ist, bedarf es noch langer und mühsamer Arbeit. Und erst von da an wird es möglich sein, von der Arbeit am Körper des Thieres aufzuschauen und den Blick hinaufzurichten nach dem Gebiete des Geistes! Allein darf nicht frohe Hoffnung uns stärken, wenn wir bereits jen- seits dieser Aufgabe auch die Entwicklung des Menschen- geschlechts an eine Generationsfolge geknüpft sehen, in welcher die folgenden Generationen weiter bauen, was die *) Agassiz, Essay on Classification. Contrib. to the Nat. Hist. of the U. 8. of N. America. I. 1857. p.130. **) K.E. v. Baer a.a.0. p.101. 83 frühern begonnen, damit in stets erneuter Arbeit des In- dividuums die Aufgabe des menschlichen Daseins fort und fort erstrebt und zum endlichen Ziel geführt werde?*) Wir sind hiemit am Schlusse unserer Betrachtung angelangt, und ich könnte mich mit dem Nachweis be- gnügen, dem diese zunächst gewidmet war, dass allmählig, wenn auch nur im Laufe von Jahrhunderten, fast als ob mit Widerstreben, die Naturbeobachtung in den Rang einer historischen Wissenschaft eintrat und beginnt, Natur- geschichte im vollen Sinn des Wortes zu werden. Allein wenn ich auch hoffen dürfte, dass Sie sich ‘mit mir freuen würden über so sichtlichen Fortschritt eines Gliedes aus der Genossenschaft der Zweige, in welche der Mensch sein Suchen nach Wahrheit theilen musste, so darf ich die Gefahren nicht verhehlen, welche gerade der Periode, in welche die Naturbeobachtung getreten ist, von Seite ihrer nicht minder eifrigen Genossinnen des Suchens nach Wahrheit drohen. So verborgen und schwer erkenn- bar ist die Wahrheit, dass keine Erfahrung häufiger ist, als die, dass gerade ihre eifrigsten Freunde unter dem Rufe, was ist Wahrheit? sich entgegenstehen und das Weitersuchen hindern. Und welcher Ort ist geeigneter und welcher Augenblick wohl günstiger zur Aeusserung der Bitte um Gewährung des Weiterforschens, als der, wo die Glieder der Universität sich alljährlich vereinen, nicht nur um sich bisheriger Erfolge zu freuen, sondern weit mehr, um Angesichts des Schwerern, was bevorsteht, in dem Bewusstsein der Gemeinsamkeit des Zieles Kraft und Hoffnung zu schöpfen zu weiterer Arbeit? *) Al. Braun a. a. 0. p.105. 84 Zwei vollgewichtige Folgerungen, beide nothwendiges Ergebniss des nunmehr wohl bleibend vollbrachten Schrittes der Naturforschung in den Bereich von combinirenden und schaffenden Wissenschaften, stehen bereits in der so ge- öffneten Thür ihrer nächsten Zukunft, Folgerungen, so neu und ungewohnt für Alle, welche sich bisher unbesorgt der schönen Farben und der edlen Formen freuten, mit wel- chen die Naturgeschichte nur zu spielen schien, dass von allen Seiten abwehrende Hände sich erheben und nur Wenige die Gewalt ermessen, mit welcher die fast unmerk- lich erstarkte Naturgeschichte ihre Folgerungen an den Tag bringt. So sehr sind wir auch Kinder des Augenblicks ge- blieben und scheinen stets wieder die von Jahr zu Jahr gemachte Erfahrung zu vergessen, dass Vertauschen von lieb gewordenem Guten selbst an eine bessere Zukunft immer mit Schmerz verbunden war, dass Angesichts jener Folgerungen selbst das Vertrauen in die Eigenschaft der Wahrheit, jeweilen endlich doch höchstes Gut zu sein, schon vielfach einer unbehaglichen Missstimmung Platz gemacht hat. j Die kurze Frist dieses Vortrags erlaubt mir nicht, diese in nächster Zukunft liegenden Probleme der Natur- geschichte anders als nur anzudeuten. Vertrauend in die gute Kraft des Wahren, und unbesorgt um die Leiden, welche der Fortschritt des Bleibenden dem Vergänglichen bringt, will ich nur jene von der Geschichte der Natur als ihrer Prüfung demnächst unterworfenen Erisäpfel nennen. Die eine Frage ist bereits vom Licht der Gegenwart beleuchtet und fast mit gleicher Heftigkeit besprochen, wie so manche ältere Entdeckung, welche den behaglichen Besitz früheren Denkens und Fühlens störte; die andere, obschon im Hintergrunde schon seit langem ersichtlich, 2 allein als ob durch stillschweigende Uebereinkunft noch wenig berührt, wurde erst ganz neulich, und fast schien es, als ob von unberufener, aber immerhin von uner- warteter Seite und vielleicht vor der Zeit an’s Licht ge- zogen. | Die eine heisst » natürliche Geschichte des Menschen«, und ich denke, dass der bisherige Ueberblick über das Gebiet der Naturgeschichte genügend erinnern werde, dass der Körper des Menschen dem Gesetz der Entwicklung, welches alles irdische Dasein beherrscht, in keiner Weise entzogen sei; denn seit 2000 Jahren vermochte auch die getreueste Anatomie nichts zu entdecken, was ihm solches Vorrecht gäbe. Und auch das emsigste Tasten nach den ersten Spuren seines Eintritts in die Reihenfolge der or- ganischen Geschöpfe hat bisher nichts gewahren lassen, was uns zu der Annahme berechtigen könnte, dass dieser Eintritt ein grösseres Ereigniss gewesen und weniger un- merklich erfolgt wäre, als der Eintritt jedes andern durch mehr oder weniger dauerhafte Form des Körpers als be- sondere Art erkennbaren Geschöpfes. Nur ein Vorrecht wurde allerdings selbst durch die Erfahrung der letzten Zeit, welche bekanntlich zu der Geschichte des Menschen eine lange Frist gefügt hat, noch nicht beanstandet, sein Anrecht, bis auf den heutigen Tag, so viel wir wissen können, das späteste und letzte grössere Product der schaffenden Natur zu sein. Kein kleines Vor- recht, wenn wir uns der Macht erinnern, mit welcher die Neubildung auf allen Bahnen organischer Geschichte nach Fortschritt drängt. Und noch ein zweites Vorrecht, das überdies an sich schon das vorige entbehrlich machen könnte. Waren doch die Ueberreste, welche die Naturforschung zu der Entdeckung gerade dieser neuen Zuthat zu der Geschichte 86 des Menschen führten — eine Zuthat, um welche sich ja bisher die Naturgeschichte weit mehr bekümmerte als die Historie — ihr gänzlich fremder und ungewohnter Art, verschieden von allen jenen, auf welche sie die Geschichte anderer Geschöpfe stützte. Nicht Ueberreste des körper- lichen Menschen waren es, sondern in Wahrheit Fossilien seines Geistes, Hatte man zwar selten Spuren von Vor- sorge der Thiere für die nächsten Bedürfnisse des Körpers, für Nahrung und Obdach, etwa in der Form von Nestern und ähnlichen Bauten gelegentlich entdeckt, so lagen für den Menschen nun plötzlich Documente von ganz anderer Beherrschung des Stoffes vor, Fast mit Grauen erkannte der Mensch in den entlegenen Gebieten, in welchen er die Fackel seiner Forschung einsam herumzutragen glaubte, Fussstapfen, die seinen eigenen zum Verwechseln ähnlich sahen. Und wie beschämend, auch hier bedurfte es nicht minder als ein Jahrhundert — denn so weit reicht die Entdeckung dieser neuen Art Fossilien rückwärts, welche alle nicht nur von unmittelbarer Herrschaft über die Ma- terie, sondern weit mehr, auch schon von Voraussicht, ja von Lust am Schönen und von Sehnsucht nach dem Heiligen zeugten — auch hier bedurfte es nicht minder als ein Jahrhundert, um den Erben dieser Triebe zu über- zeusen, dass hier Zeugen gerade seiner höchsten Güter vorhanden lägen. So wenig erkannte er seinesgleichen, und man muss sagen, dass auch seither der Empfang dieser alten Stammgenossen nicht gerade ein freundlicher war. Hier also drang zum ersten Male nach langer, langer Aüufeinanderfolge von Geschöpfen der Ruf der Natur nach dem Ewigen vernehmlich und unmissverständlich an un- ser spätes Ohr. Hier auch, unter der gleich unabseh- baren Reihe unserer jetzigen Mitgeschöpfe weiss unser eigenes Herz allein von innerer Sehnsucht, welche, alle 87 Erscheinung überspringend, an dem Anfang wie am Ziele alles Werdens sich gleich heimisch fühlt. Was war natür- licher, als dass man jenen Ruf des Zeugnisses vom Dasein des Geistes, der hier, am Anfang der menschlichen Ge- schichte, wirklich aus dem Grabe unserer Vorzeit herauf- drang, dennoch, als ob aller frühern Schöpfung fremd, aus ganz andern Regionen abzuleiten suchte, und den Strahl des Lichtes, dem sich unser Auge nicht mehr ver- schliessen konnte, a erst jetzt und plötzlith von Aussen hereingedrungen ci Diese erste Folge der Auffindung der bisher ältesten und unverkennbaren Fussstapfen unseres eigenen Geistes ist bereits eingetreten. Wie selbst der Wilde die Spuren seiner Vorwelt heilig hält, und auch auf unsern Friedhöfen alles Urtheil, jede Untersuchung fromm verstummt, so rief man plötzlich von allen Seiten der Naturforschung zu, ihre Schuhe auszuziehen, der Boden, auf den sie trete, sei heilig. Allerdings hat die Naturforschung als solche nicht etwa nur eine fromme Rücksicht, sondern selbst ein Recht, an der für unser kurzes Auge erst jetzt sichtbaren Wiege des Geistes stehen zu bleiben. Nichts ist sicherer, als dass weder Messer, noch Zirkel oder Linse hier weiter fördert. Allein noch mehr. Hier wird die Wissenschaft persönlich, und so viel höher muss auch die Naturforschung die Individualität des Geistes über jene des Körpers setzen, dass sie voran geneigt ist, sowohl frühe Fragen als schnelle Lehren vom Heilisthum der Person fern zu halten. Hier tritt an Jeden unter uns nicht nur das Recht, sondern» was viel mehr ist, auch die schwere Pflicht, nach seiner Heimath selbst zu forschen und für seine Zukunft selbst zu sorgen. Hier allerdings verliert die Wissenschaft ihre Eigenschaft als bequeme Stütze, hier dringt an unser Ohr 83 fast drohend Linné’s Ausruf, den er an den Menschen als an das letzte Glied der Schöpfung richtet: Nosce te ipsum, te creatum anima immortali ad imaginem Dei. Hoc si noveris, Homo es et a reliquis distinchssimum Genus. Allein sonderbar; von der Stütze der Wissenschaft verlassen, befällt uns trotz des geringen Vertrauens, das wir ihr gelegentlich zu schenken pflesten, fast ein unheim- liches Gefühl als ob der Einsamkeit. Und wahrlich, hier wo die Naturforschung stille steht, beginnt erst recht die volle Sehnsucht des Menschenherzens nach der Kenntniss seiner Heimath. Wie tröstlich, dass die gute Gabe des Gefühles so Viele diese Heimath auf kürzester Bahn erreichen lässt. Doch gleichzeitig tiefer und schwerer als die Pflege des Gefühles ist die Befriedigung des Triebes nach Erkenntniss — und gerade hier, wo das Geheimniss der Unterwerfung des Stoffes unter die Herrschaft des Geistes der Erkennt- niss am dringendsten entgegentritt, darf — wenn nicht die Naturforschung, so doch jeder ihrer Pfleger — oder muss er vielmehr, wenn je in ihm der Keim des Ewigen sich regte, sich fragen, ob nicht dennoch jener Lichtstrahl, der so plötzlich an jener erst seit Kurzem bekannten Stelle der Geschichte unzweifelhafter Schöpfung hervorbrach, seine Strahlen werfe auf das weite Gebiet, das er mit Hammer und mit Wage, mit Zirkel und mit Messer langsam durch- getastet, Kein Eindruck kann sich allerdings dem Zoologen, der die Geschichte der Organismen durch die Zeitalter verfolgt, welche die Geologie ihm aufdeckt, stärker auf- drängen, als der, dass nicht nur die Erscheinung des Menschen keine bemerkliche Epoche in dieser langen Folge von Leben, sondern dass auch diese selbst nur ein kleines Stück der Geschichte der Erde bilde, und er 89 muss sich sagen, dass die gesammte organische Entwick- lung nur Fortsetzung einer noch älteren Geschichte sei, aus welcher wir bisher kein Leben zu kennen scheinen. Allein er wird sich auch sagen, dass er noch heute Leben in Wahrheit nirgends anders als aus dem todten Stoffe spriessen sieht. Urtheilt er unrichtig, wenn ihm der Erd- körper als die Nahrungsstätte erscheint, auf welcher nicht nur unbewusste pflanzliche Thätigkeit, sondern auch die mit Leiden und Freuden beschenkte und des Begehrens fähige 'Thierwelt so gut als die mit freier Selbstbestim- mung begabte und der Erkenntniss des Guten fähige Menschheit wurzelt? Dies ist die zweite Frage, die ich nennen wollte. Hat Darwin es gewagt, im Namen der Naturforschung die Geschichte des Menschen als Schlussstein der Geschichte der übrigen Geschöpfe einzufügen, so ist es Ernest Renan, der, in seinem Briefe an Berthelot über die Zukunft der Naturwissenschaften*), zwar nicht etwa zuerst, allein ver- nehmlicher als seit langem und nicht weniger ernstlich als Darwin an dieselbe Wissenschaft das Verlangen stellte, sich in Gesammtheit als Adepten der Historie des Geistes zu unterstellen. Die Naturforschung als solche kann leichtlich, und ich zweifle nicht, dass sie es thun wird, ein so ehrenvolles Anerbieten mit dem Hinweis ablehnen, dass sie mit der Erkennung der Materie an sich noch zu vollauf beschäf- tist sei, als dass sie anders als in den Personen ihrer Vertreter an der Untersuchung der Geschichte des Geistes dermalen sich beschäftigen könne. Allein Renan hat gerade an die Güter und die Heilisthümer der Person mit solcher *) E.Renan Avenir des Sciences naturelles. Revue des deux Mondes, 15.0ct. 1863. 90 Wärme appellirt, dass man es wohl keinem Naturforscher verübeln wird, wenn er auch seinerseits eine persönliche Antwort auf Renan’s Ruf nicht unterdrücken kann. Man hat Renan nicht mit Unrecht daran erinnert, dass er nicht Naturforscher sei und dass er über die Herrschaft der Chemie und der Physik in einer Weise verfügt, die deren nächsten Zielen und Hoffnungen’ aller- dings noch wenig entspricht. Doch dürfen wir desshalb keine Unredlichkeit bei ihm vermuthen, wenn er über Gebiete sich ausspricht, welche nach seinem Maasstab wohl der Untersuchung auf immer unzugänglich sein werden. Wäre Renan Naturforscher, so würden wir ıhn höchstens tadeln dürfen, nicht die Selbstbeherrschung ge- übt zu haben, welche einen solchen veranlassen soll, Stein um Stein allmählig zu behauen, ohne dem Bau, von dem er nicht hoffen darf, auch nur einen kleinen Theil zu voll- enden, eine Form zum voraus vorzuschreiben. Aber ist es denn möglich, die Versuche, den theuersten Hoffnungen des Herzens auch rationelle Form zu geben, so ganz zu unterdrücken? Auch stellt Renan seine Schlüsse nicht als Ergebniss, sondern nur als einstiges Ziel naturhistorischen Denkens hin. Er weiss zu wohl, dass die Wissenschaft den Geist niemals erfassen, sondern nur jeweilen und langsam in seinen Erscheinungen beobachten kann. Allein dürfen wir ihn tadeln, wenn er als Mensch die Hoffnung ausspricht, den Geist dereinst auch von der Wissenschaft als die lebendige Kraft anerkannt zu sehen, welche die Materie von höhern in immer höhere Formen verklärt und zu immer reineren Früchten bringt? Renan’s Ausspruch . wird zwar die Reifung dieser Früchte kaum beschleunigen. In Wahrheit hat er aber nur ausgesprochen, was im Herzen manches nicht ungetreuen Arbeiters im Dienste der Naturbeobachtung seit langem herangereift ist, und 91 was wir neulich auch aus dem Munde Desjenigen unter allen Lebenden hörten, der die Spur des Geistes in der Geschichte der Natur im weitesten Umfang und am meisten mit dem Bewusstsein, nach Heiligem zu suchen, verfolgt hat. Auch v.Baer hat es als Ergebniss nicht nur seines eigenen über mehr als eine Hälfte des Jahrhunderts aus- gedehnten Forschens, sondern als höchsten Gewinn der über die Betrachtung des Einzelnen sich erhebenden Be- trachtung der Natur hingestellt, »dass der Erdkörper nur das Samenbeet sei, auf welchem das geistige Erbtheil des ‘Menschen wuchert, und die Geschichte der Natur nur die Geschichte der fortschreitenden Siege des Geistes über den Stofi.«*) Und warum sollte denn auch die Verbindung mit dem höchsten Gute erst mit dem Menschen beginnen? Müssen wir etwa fürchten, dass eine solche Ansicht uns den Frieden der Seele rauben sollte? Wenn schon die Be- obachtung solcher Erfolge des Geistes in dem Fortschritt der Schöpfung so viel Frieden bietet, wie hoch muss der Friede sein, den auf solchem Boden der Sieg des über dem Stoffe wahrhaftig so weit, als der Himmel über der ‚Erde ist — erhobenen Sittengesetzes bietet! Lasset uns daher weiter forschen, schliesst Renan. Hier liest auch der Stempel und der wahre Charakter der Wissenschaft. Ohne Begeisterung, d.h. ohne Sehnsucht nach dem Ewigen und ohne Hoffnung, dass unser eigener Antheil an dem Siege des Geistes über den Stoff die Herr- ‚schaft jenes bleibend mitbefestigen werde, gedeiht keine Wissenschaft. »Für die Wissenschaft ist daher nichts mehr zu fürchten, als die Einmischung nicht wissenschaftlicher Elemente.«**) Redliches, d.h. derWahrheit voraussetzungslos *) a.a.0. p.71. **) Ebend. p. 148, 92 gewidmetes Streben kann diese allein fördern und ist um so dringender nöthig, je mehr zeitweise die Besorgniss Derer wächst, die nicht den Muth des Vertrauens besitzen, dass die Wahrheit auch den Keim des Guten in sich trage. Um letzteres seien wir unbesorst und hüten uns, es in bestimmte oder in eine allgemein gültige Form zu bringen. Zu hoch ist es über uns erhaben, als dass es unseres Schutzes oder unserer Hut bedürfte. Zu unbemerkt senkt sich das Reich des Guten in jedes von der Wahrheit ge- öffnete Herz, als dass man mit dem Finger darauf weisen dürfte; und während diese, die Wahrheit, in der ganzen Schöpfung gemeinsam wirkt, wirkt das Gute ja nurin der Person; es wird daher seine Kraft um so sicherer und reiner ausüben, je ungestörter es aus seinem Heilisthum hervortritt. Allein wir müssen uns auch hüten, das Ergebniss un- serer Forschung als absolute Wahrheit zu betrachten, und gerade die Naturforschung, welche unter ihren Schwestern nicht die letzte ist, die sich rühmen darf, der Wahrheit unbefangen und rücksichtslos zuzustreben, hat häufig das Vertrauen in ihre Aussagen durch unvorsichtige Berufung an die so vielen Gefahren ausgesetzte Evidenz derselben selbst erschüttert. Nichtsdestoweniger liegt in dieser Nei- gung der Wissenschaft jeder Periode, ihre Ergebnisse als die wichtigsten und als bleibend zu erklären, ein nicht geringer Sporn zum weitern Forschen. Und wenn die heutige Naturwissenschaft sich rühmt, in der langen Arbeit von Aristoteles bis Cuvier nicht nur aus einer blossen Be- schreibung der Natur zu einer Geschichte derselben heran- gereift zu sein, sondern, was mehr ist, wenn sie sich . rühmt, allmählig gerade in der unablässigen Erneuerung des Werdens das Bleibende erkannt zu haben, und uns vorhält, dass der Geist, wie er das Jüngste in der Natur, + 93 doch auch das Aelteste sei, in seinem letzten Alter eben seine ewige Jugend, die seinem Wesen gebührende Freiheit zu erreichen bestimmt, wenn sie uns erinnert, dass von dem tragenden und stützenden Boden der Natur sich erhebend diesem Ziele der innern Lebensbefreiung die geistigen Ver- jüngungen in der Geschichte zustreben, den Geist aus jeder Veraltung, aus jeder Fessel der Zeit zu neuem Lebens- aufschwung treibend,*) — wenn die Naturgeschichte im Laufe von zwei Jahrtausenden an ihre Aufgabe allmählich so hohe Hoffnungen geknüpft hat, so möge die stete Er- innerung an das gerade nach der Zeit in noch weit hö- herem Maasse als nach dem Raum beschränkte Vermögen unserer Erkenntniss uns zu immer grösserer Vorsicht leiten. Nichtsdestoweniger dürfen wir hoffen, dass in diesem Fortschritt der Keim zu einer grössern Zukunft liege. Die Atome bleiben nicht mehr starr, sondern erheben sich zu höhern Graden des Daseins; die Schöpfung wird nicht mehr angesehen als eine nur gewordene, sondern in einem wahrern Lichte, im Werden. Ueber die mechanische Naturerklärung geht die Wissenschaft hinaus zur dyna- mischen, und der Zweck des Fortschritts ist ihr Fortschritt zum Bewusstsein, sowie ihre Aufgabe, den Sieg des Geistes über die Materie mitzukämpfen. Jene Aufgabe kann die Wissenschaft indes nur lang- sam erfüllen. Auch hierin leite uns die Warnung eines grossen Meisters: nur unverdrossener Fleiss, genährt durch die Hoffnung des Ewigen und geregelt durch die Fähigkeit, sich selbst zu beherrschen, kann den Fortschritt sichern. Mit poetischer Anlage wird freilich Jeder die künftige Gestaltung der Wissenschaft früher auffassen, aber am Gebäude der Wissenschaft wird man um so erfolgreicher *, Al. Braun: Die Verjüngung in der Natur. 1859. p. 15. 94 arbeiten, als man den Dichter in sich zu unterdrücken vermag, so verführerisch es auch ist, die Höhen zu er- fliegen, für deren künftige Erreichung man vielleicht an der untersten Sprosse der Leiter arbeiten soll.) Verbinden wir uns aber hier, wo wir in eine neue Periode unserer gemeinsamen Aufgabe treten, die Wahr- heit auf allen Bahnen des menschlichen Erkennens als Genossenschaft zu fördern, von neuem zu dem Entschlusse, auf jeder dieser Strassen jeweilen eingedenk zu sein, dass auch die Gebrechen unserer ideellen Körperschaft am er- folgreichsten bekämpft werden durch den steten Hinblick auf die Gemeinsamkeit des Zieles. ERS Key. baer 24210 #Db 0199; Ueber das Grundwasser und die Bodenverhältnisse der Stadt Basel. Von Professor Albr. Müller. Ex möchte gewagt erscheinen, der vorliegenden Fest- schrift zu den voranstehenden Arbeiten einen weitern Beitrag beizufügen über einen Gegenstand, der zu der Jubiläumsfeier unserer naturforschenden Gesellschaft in keiner Beziehung steht, während andere Mitglieder viel Besseres und Passenderes bieten könnten. Wenn ich es dennoch wage, so sind die Beweggründe mehr persönlicher, als sachlicher Natur. Als Grossneffe des würdigen Stifters und ersten Prä- sidenten unserer Gesellschaft, des Herrn Prof. Dan. Huber, gereicht es mir zu einiger Befriedigung, nicht nur als Se- cretär seit bald zwanzig Jahren für die Zwecke des von ihm gestifteten Vereins mitwirken zu können, sondern nun bei diesem festlichen Anlass des verdienten Mannes, der mir noch aus den Kinderjahren in frischer Erinnerung lebt, von meiner Seite dankbar zu gedenken. Uebrigens ist der Gegenstand meiner Arbeit der frü- heren Thätigkeit meines würdigen Oheims nicht ganz fremd. Bekanntlich hat derselbe dem Relief des Bodens unseres Cantons nähere Aufmerksamkeit geschenkt und eine An- zahl von Höhenbestimmungen ausgeführt, die jetzt noch von Werth sind. Meine Studien, deren Ergebnisse in nachfolgenden Mittheilungen -zusammengestellt sind, be- wegten sich wesentlich auf demselben Gebiete und ent- halten nur einen weitern Beitrag zu den bereits von mei- 7 98 nem Onkel begonnenen und von Herrn Rathsherrn Peter Merian viel umfassender ausgeführten Arbeiten. | Basel ist bekanntlich nicht die einzige Stadt, deren Grundwasser in den letzten Jahren Gegenstand näherer Erörterung geworden war. Unsere Stadt theilte hierin das Schicksal mit vielen andern in raschem Wachsthum begriffenen Städten Europa’s, dass sein Grundwasser, aus ‘ welchem die Sodbrunnen ihr Wasser erhalten, mehr und mehr verunreinigt wurde. Man hatte diesem Umstand _ lange nicht die verdiente Beachtung geschenkt, bis die in manchen Städten wiederholt auftretenden Seuchen, nament- lich Cholera und Typhus, zu Nachforschungen nach den Ursachen ihrer Entstehung und Verbreitung veranlassten und hiebei auch den Blick auf die im Boden unserer Städte verborgenen Schäden lenkten. Mit Recht suchte man hier im Boden, von dem aus Luft und Wasser gleich- - mässig verunreinigt werden, wenn auch nicht den Ent- stehungsheerd dieser Krankheiten selbst, doch die wirk- samsten Einflüsse zu ihrer Ausbreitung. Unter den Männern, welche sich mit diesen Fragen einlässlicher beschäftigt haben und denen wir die besten Rathschläge zur Verbesserung unserer sanitarischen Zustände verdanken, steht Hr. Prof. Max v. Pettenkofer in München oben an. Basel ist diesem Manne noch besonders verpflichtet durch . die wiederholten einlässlichen Untersuchungen, die er aus Auftrag unserer hohen Sanitäts- und Baubehörden unseren sanitarischen Zuständen gewidmet hat. Diese Untersuchungen waren bei uns um so dringender geboten, als unser Grund und Boden, und hiemit auch unser Grundwasser, durch die Abfälle aus Anilinfabriken, wenn- auch nur local, sehr gefährliche Verunreinigungen erlitten hatten. | A Die Menge, Beschaffenheit und Vertheilung des Grund- wassers hängt natürlich von der geologischen Beschaffen- heit des Bodens ab. Es lag daher der Gedanke nahe, auch dieser letztern nähere Aufmerksamkeit zu schenken, wozu übrigens die von Herrn Prof. v. Pettenkofer auf un- serem Gebiet vorgenommene Expertise noch bestimmtere Veranlassung darbot. Gerne habe ich mich der von unsern hohen Behörden gestellten Aufgabe unterzogen, auch in dieser Richtung Einiges zur Aufklärung beizutragen, um so lieber, ais diese Nachforschungen auch noeh aus andern, als rein sanitarischen, Gründen wünschbar erschienen und über die Beschaffenheit unseres Bodens und seiner Ge- wässer noch vielfach irrthümliche Ansichten verbreitet waren.) Geologische Beschafienheit des Bodens. Die geologische Beschaffenheit des Grundes und Bodens unserer Stadt und ihrer Umgebungen ist äusserst einfach. Die Ebene des Rheinthales, auf der Basel gebaut ist, besteht aus den 50 bis 70 Fuss mächtigen Geröll- ablagerungen der Diluvialperiode, d.h. der jüngsten, durch ihre grossen Wasserfluthen ausgezeichneten geolo- gischen Periode, welche der heutigen Schöpfung unmittel- bar voranging oder gewissermassen als die Urzeit der gegenwärtigen, historischen, Periode betrachtet werden kann. Diese, aus dem Schutt grösstentheils alpinischer Gesteine bestehenden, Geröll- und Sandablagerungen füllen die weite flache Mulde des Rheinthales und ruhen auf blaugrauen *) Wir besitzen aus den letzten Jahren ähnliche Untersuchungen aus verschiedenen Städten Europa’s, worunter ich nur die bedeu- tenden Arbeiten von Prof. Ed. Suess über den Boden der Stadt Wien (1862) und die von Prof. A. Delesse über den Boden von Paris (1858), mit Karten etc., anführen will. 100 sandigen, kalkhaltigen Thonen oder Mergeln, welche der miocenen oder mittleren Abtheilung der Tertiär- formation angehören. Es ist diess der sogen. blaue Letten, auf den man, namentlich in den niedrigern Stadt- theilen und in der kleinen Stadt, häufig beim Graben von Fundamenten, Kellern und Brunnen zu stossen pflegt. Nicht selten wechseln rein thonige, mit festen, sandig- schiefrigen Schichten. Solche gehen im Rheinbett, sowohl oberhalb als unterhalb der Rheinbrücke an zahlreichen Stellen zu Tage und tauchen sogar, bei niedrigem Wasser- stande, hie und da über dem Spiegel des Stromes hervor, wie man an der mächtigen Felsplatte unweit oberhalb der obern Fähre auf der Klein-Basler-Seite sieht. Der Rhein- letten wurde überdiess schon wiederholt bei Jochbauten und hierauf bezüglichen Bohrversuchen mitten im Rhein- bett angeschürft. Aehnliche hellgraue sandige Schiefer- letten oder schiefrige Sandsteine, die derselben Abtheilung der Tertiärformation, also dem blauen Letten, angehören, traten in frühern Jahren, d. h. vor der Correction, auch im Bette des Birsigs vor dem Steinenthor zu Tage, und auch jetzt noch hat man im Birsig selbst oder an dessen Ufern, sowohl inner- als ausserhalb der Stadt, überall nur wenige Fuss zu graben, bis man auf den blauen Ter- tiärletten stösst. Der Birsig selbst hat eine Rinne in diese weichen tertiären Lettschichten gegraben, so dass die Oberfläche derselben von beiden Ufern aus unter dem Geröll nach Osten und Westen sanft ansteigt. Namentlich aber waren es die grossen Fluthen der Diluvialperiode, welche die weichen Tertiärletten der Mulde des Rheinthales aus- wuschen und eben auf dieser ausgewaschenen, und daher vielfach undulirten Lettenoberfläche, die von der Strömung mitgerissenen alpinen Gerölle ablagerten. Daher erhebt sich der tertiäre Letten und Sandstein, welcher nur an 101 den tiefsten Stellen unserer Stadt, im Rhein und Birsig- bett zu Tage tritt, südlich von Basel in den Hügeln ober- halb den Gundeldingen, also am Bruderholz, einerseits, und oberhalb dem Holee und Neubad anderseits, zu einer viel grössern Höhe, d. h. von 40 Fuss und mehr über dem Niveau der angrenzenden Rheinthalebene, und wird aber hier in ganz gleicher Weise, wie in der Stadt selbst, un- mittelbar von den Geröllen des Diluviums bedeckt. Ueber diesen erst folgen die mächtigen Lehm- und Lössablage- ‘ rungen. Rhein und Birsig bilden also Einschnitte, nicht nur in die lockern, leicht wegschwemmbaren, Geröll- ablagerungen der Ebene des Rheinthales, sondern in den darunter liegenden weichen tertiären Letten selbst. Dieser blaue tertiäre Letten scheint eine be- deutende Mächtigkeit zu besitzen, indem er in unserer Stadt und Umgebung, selbst bei ziemlich tiefgehenden Bohrver- suchen, wie bei denjenigen des Herrn Lotz-Gocht, Seidenfär- ber in Klein-Basel, zwischen Rhein- und Utengasse, vom Jahr 1852 bei 225 Fuss Tiefe (200 Fuss unter dem Nullpunkt des Rheinpegels) noch nirgends durchsunken worden ist. Der Bohrer erreichte bei Herrn Lotz in einer Tiefe von 20 Fuss die Lettenschichte. *) An organischen Resten ist der Letten sehr arm, hie und da, wie bei St. Margarethen, Binningen und am Holee fanden sich Pflanzenreste, im St. Albanthal beim Graben eines Brunnens in der dortigen Bandfabrik wohlerhaltene Landschnecken (Helix rugu- *) Schon in den letzten Jahrzehnden des vorigen Jahrhunderts waren bei Bottmingen und bei Binningen, hier im Bett des Birsigs unterhalb des Wuhres, Bohrversuche gemacht worden, die bis gegen 200° tief giengen, ohne das Ende des Lettens zu erreichen. Ob in unseren Umgebungen ein artesischer Brunnen zu er- bohren wäre, bleibt noch zweifelhaft. Weitere Bohrversuche wären wünschenswerth. Herr Lotz-Gocht hat .die Bereitwilligkeit aus- gesprochen , die in Klein-Basel begonnene Bohrung fortzusetzen. 102 losa) ete. Es scheint demnach die Hauptmasse dieser Letten, wenigstens die obern Schichten, eine Süsswasser- ablagerung zu sein, welche, wie die Süsswassermolasse der mittlern Schweiz, der mittlern Tertiärzeit angehört. Sie mögen der untern Süsswassermolasse entsprechen. Nahe bei Basel, bei Binningen, Bottmingen, Therwyl ete., finden sich jedoch, in geringer Tiefe unter dem Boden, ähnliche blaue Letten mit wohl erhaltenen Meeresmuscheln, namentlich Austern (Ostrea cyathula Lam.), welche den ältesten Schichten der mittlern Tertiärformation, dem sog. Terrain tongrien angehören.) Leider treten diese muschelführenden Letten fast nirgends zu Tage, und wer- den nur hie und da bei zufälligen Grabarbeiten aufge- funden, wesshalb die genaueren Lagerungsverhältnisse zwischen diesen tertiären Meeres- und Süsswasserablage- rungen noch nicht hinlänglich ermittelt werden konnten. Die Lage des Grundwassers. Für uns aber hat diese tertiäre Lettschicht, die allenthalben die Basis der Geröllablagerungen so- wohl in unserer Stadt, als in deren Umgebungen bildet, noch eine andere, mehr praktische Bedeutung, indem sich auf ihr, als einer wasserdichten Unterlage, die das lockere Gerölle durchdringenden Tagwasser, als Regen-, Schnee- und Flusswasser, dem Gesetz der Schwere folgend, ansammeln. Derblaue Letten ist eigentlich nichts anders, als ein mehr oder minder reiner, mit Sand und bisweilen mit etwas Kalk verunreinigter Thon, der wie aller *) Herr Rathsherr Peter Merian hat bereits vor einer Reihe von Jahren seine sorgfältigen Untersuchungen über die in diesen tertiären Letten vorkommenden Versteinerungen und ihre geolo- gische Stellung veröffentlicht. 103 Thon, einmal von Wasser durchtränkt, weiter kein Wasser mehr durchlässt. Daher treten die meisten Quellen in unsern Gebirgen über den thonigen Zwischenschichten, auf denen sich die atmosphärischen Gewässer nach ihrem Durchzug durch das darüber gelagerte spröde, vielfach zerklüftete Gestein ansammeln, zu Tage. Kaum möchte sich eine Gebirgsart finden. welche lockerer ist und mehr dem Wasser zugängliche Zwischenräume darbietet, als eben die Geröllablagerungen des Diluviums, welche den Boden unserer Stadt und ihrer Umgebungen bilden. In den Zwischenräumen, die von den aneinander stossenden Roll- steinen gelassen werden, kann sich daher eine bedeutende Menge Wasser festsetzen und sich auf der wasserdichten Lettschicht ansammeln, so dass man gar wohl diese, das Grundwasser bildende, Wasserschicht mit einem unter- irdischen See vergleichen kann. | Was wir also das Grundwasser nennen, ist nichts anderes, als diese am Grunde unserer Geröllabla- gerungen über dem tertiären Letten sich ansam- melnde Wasserschicht, die von den das Gerölle durch- dringenden Tagwassern, besonders von Regen -, Schnee- und Flusswasser, gespeist wird. Namentlich ist es, allen Erfahrungen zufolge, das Fluss- und Kanalwasser, das den grössten Beitrag zur Speisung unseres Grundwassers liefert. Unsere Fluss- und Kanalbetten sind nichts weniger als überall wasserdicht. Ebenso empfängt unser Grund- wasser ohne Zweifel von zahlreichen verborgenen Quellen, die von den benachbarten Hügeln unterhalb der Geröll- schicht ausmünden, einen Zufluss. Die Quellen südlich von Basel. Ganz ähnliche Ansammlungen der das Gerölle durchdringenden und auf dem tertiären Letten heraus- 104 tretenden Tagwasser, finden sich auch, nur in einem viel höhern Niveau, d.h. 40— 50 und mehr Fuss über dem Boden der Rheinebene, auf den Hügelreihen südlich von Basel, ob Gundeldingen, St. Margarethen, Holee, Neubad, gegen Allschwil u. s. w., wo schon von Alters her aus dieser höher gelegenen Wasserchicht zahlreiche Quellen gefasst sind, deren Wasser, nach der Stadt ge- leitet, auch die in den höchsten Stadttheilen liegenden Springbrunnen zu versorgen im Stande sind. Schade nur, dass die Wassermasse dieser schon ziemlich hoch gelege- nen Quellen nicht grösser ist. Die Quellwasser dieser südlich von Basel längs der Ebene des Rheinthales hinziehenden Hügelkette treten also auf demselben geologischen Horizont, d.h. an der Basis der diluvialen Geröllablagerungen über dem tertiä- ren Letten zu Tage, auf dem sich unter dem Boden der Stadt und ihrer Umgebungen, nur in einem über 100 Fuss tiefern Niveau das Grundwasser ansammelt. Die Sod- und Lochbrunnen. Das Grundwasser würde gleichfalls in der Form von Quellen über der wasserdichten Lettschichte zu Tage tre- ten, wenn hinlänglich tiefe Thäler in den (eröllmassen, wenigstens bis zur Oberfläche des Lettens, eingeschnitten wären. Dies ist nun in der That auch in den tiefsten Stadttheilen, namentlich zu beiden Seiten des Birsigs der Fall, und die sog. Lochbrunnen, vom Steinenthor bis zum sog. Postbrunnen an der Stadthausgasse und weiter, sind nichts anderes als solche tiefen Ausflussstellen des Grundwassers, weil hier im Birsigthal in der That der Letten unter den Geröllschichten hervor zu Tage tritt. Dasselbe ist mit den im St. Albanthal ausfliessenden Quellen der Fall. 105 Anders aber ist es in den höher gelegenen Stadt- theilen zu beiden Seiten des Birsigthales, welche in dem allgemeinen Niveau der Rheinebene und ihrer Terrassen liegen. Hier kann das Grundwasser erst durch 40 —60 Fuss tiefe Brunnschächte von der Bodenoberfläche aus er- reicht und demnach nur durch ein Pumpwerk an die Ober- fiäche befördert werden. Alle unsere Sodbrunnen stehen im Grundwasser und müssen um so tiefer ab- geteuft werden, je mehr der Spiegel des Grundwassers sinkt, wie dies namentlich in trockenen Jahren der Fall ist. Hat einmal der Brunnenschacht die Lettschicht er- reicht, so nützt es nichts, weiter zu graben, es sei denn, um bei spärlich zufliessendem Grundwasser eine Art Wasser- behälter zu gewinnen, wie das auch hie und da versucht worden ist. Sodbrunnen und Lochbrunnen beziehen also ihr Wasser aus einer und derselben Grundwasser- schicht, nur mit dem Unterschied, dass es in erstern erst künstlich durch Pumpen aus der Tiefe an die Ober- fläche herauf befördert werden muss, während es in den Lochbrunnen, die natürlich nur an den tiefsten Stellen der Stadt angebracht werden können, freiwillig über dem hier zu Tage tretenden Letten als Quelle ausfliesst. Diese Aus- einandersetzuug möchte, als selbstverständlich, für Viele überflüssig erscheinen, wenn nicht die Erfahrung lehrte, wie unklar und irrig die Begriffe bei vielen Personen sind und welche seltsamen Vorurtheile noch immer in dieser Beziehung verbreitet sind. Viele halten noch an der strengen Unterscheidung zwischen Quellwasser und Sod- wasser fest und geben dem sog. Quellwasser, als Getränk, entschieden den Vorzug, als ob nicht das eine, wie das andere, demselben Grundwasser entstamme. Im Gegentheil lehrt die Erfahrung nur zu oft, dass das Wasser unserer Sodbrunnen an vielen Orten, und namentlich im Sommer, 106 frischer und recenter und angenehmer zum Trinken ist, als das Wasser unserer laufenden Brunnen, nament- lich derjenigen, die ihren Bedarf durch Leitungen aus den weitern Umgebungen der Stadt erhalten. Desswegen sind auch unsere Lochbrunnen so lange beliebt gewesen , weil sie ihre Zuflüsse eben dem frischern und recentern Grund- wasser verdanken. Natürlich, unrein gehaltene und schwach benützte Sodbrunnen, in denen sich stagnirendes Wasser sammelt, können hier nicht als Norm gelten, so wenig als diejenigen, deren Wasser durch die Ausflüsse benach- barter Gewerbe, oder durch diejenigen von Cisternen, Ab- trittgruben, Dohlen u. dgl. verunreinigt sind, was aller- dings häufig genug vorkommt. Auf diese lokalen : Ver- unreinigungen des Grundwassers, die in den letzten Jahren so vielfach Gegenstand der Untersuchung, auch in unserer Stadt geworden sind, werden wir später zu reden kommen. Von diesen abgesehen, dürfen wir behaupten, dass das Grundwasser ein so gutes und angenehmes Getränk liefert, als irgend ein fliessendes Quell- oder Brunnenwasser. Die Grellinger- und Angensteinerquellen. Es ist hier wohl der schickliche Ort, auch der Grellinger- und Angensteinerquellen zu gedenken, die nun, Dank der einsichtsvollen und energischen Leitung der Wasserversorgungsanstalt und Dank der Mitwirkung und Unterstützung unserer hohen städtischen Behörden, schon seit bald einem Jahre unsere Stadt aus ihren rei- . chen Vorräthen mit gutem Brunnwasser versehen, und hiemit dem drückenden Wassermangel, der sich bei der zunehmenden Vergrösserung unserer Stadt immer fühl- barer machte, wohl auf lange Zeit hinaus gründlich ab- geholfen haben. Wir dürfen dem schönen und ver- dienstlichen Unternehmen eine wachsende Theilnahme von 107 Seiten der Einwohnerschaft und ferneres Gedeihen pro- phezeien. Die Grellinger- und Angensteinerquellen ent- springen einem andern geologischen Horizonte, als die- jenigen aus den Tertiärhügeln im Süden unserer Stadt, und zwar aus der viel ältern, im Juragebirg so verbreite- ten und so mächtig auftauchenden Juraformation, oder noch genauer bezeichnet, aus dem vielfach zerklüfteten, massig auftretenden, weissen Korallenkalk, welcher der obern Abtheilung der Juraformation, dem s. g. weissen Jura angehört. Der Korallenkalk hat seinen Namen von den zahllosen Sternkorallen, die sich darin vorfinden und nicht selten fast seine ganze Masse zusammen setzen. Ja man kann die hohen steilen Felswände, welche bei Dor- nach, Angenstein, Grellingen u. s. w. über dem Thal em- porragen, sowie die lange romantische Felsmauer im Westen des Oristhales, welche alle demselben aus Koral- lenkalk bestehenden Hochplateau von Hobel und Gempen angehören und an die sich die Höhen von Himmelried nahe anschliessen, als die Bruchstücke eines grossen Korallenriffes betrachten, das einst aus dem Jurameere in jener entlegenen geologischen Periode herausragte. Auf der Oberfläche dieses ehemaligen, nun mit der ganzen Umgebung hoch emporgehobenen, Korallenkalkriffes sam- meln sich die atmosphärischen Gewässer, Schnee- und Regenwasser, und dringen durch die Spalten dieser mäch- tigen vielfach zerklüfteten Kalkfelsen bis zu der Oberfläche der Lettformation, die sich fast allenthalben im westlichen Jura an der Basis des Korallenkalkes findet. Es sind dies die thonigen Schichten des Terrain à Chailles, so genannt von den oft kopigrossen kieselreichen Mergel- knauern, die sich darin eingebettet finden, ein Terrain, das der untersten Abtheilung des weissen oder obern Jura, dem sog. Etage oxfordien angehört und durch seine viel- 108 fältigen schönen Versteinerungen bekannt ist. Gerade bei Grellingen und Angenstein sind diese thonigen Schichten, auf denen sich das Quellwasser sammelt, ziemlich mäch- tig, und liegt ihre Oberfläche in sehr günstiger Höhe über dem Boden von Basel, wie aus nachstehenden Höhen- angaben hervorgeht, die ich der gütigen Mittheilung des Herrn W. Burckhardt-Sarasin verdanke. Ueber dem Nullpunkt des Basler Rheinpegels liegen : Die Kaltbrunnenquelle 944 Fuss > Pelzmühlequellen 122 > > Angensteinerquellen 424 » der Wasserspiegel des vollen Re- servoirs auf dem Bruderholz 310 >» Man sieht also, dass die obersten Stockwerke selbst in den hôchsten Stadttheilen mit laufendem Wasser ver- sehen werden können. Ein glänzendes Zeugniss für die grosse Druckhöhe der Grellinger Leitung bietet die herr- liche Fontaine auf dem Aeschenplatz, wenn sie bei vollem Spiel ihren armesdicken Strahl 120 Fuss hoch und höher gen Himmel sendet. Wie alle Wasser aus dem Jura, und wie die von den Tertiärhügeln im Süden von Basel, sind auch die Grel- linger- und Angensteinerquellen kalkhaltig. Die Riehenquellen. Um die Reihe der Quellwasser, welche den Be- darf für unsere Stadt liefern, zu vollenden, müssen wir schliesslich auch, indem wir auf die Klein - Basler - Seite hinübergehen, des aus den Umgebungen von Riehen, von den untern Gehängen des Crischonaberges, hergeleite- ten Brunnenwassers gedenken, dessen Quellen über den untern thonigen Schichten des Muschelkalkes, nicht weit über dem bunten Sandstein, hervortreten, also einer 109 noch ältern, als der Juraformation, nämlich den untern Gliedern der nächst darunter folgenden Triasformation entstammen. Dagegen liefert die mittlere Abtheilung der Jura- formation, der sog. braune Jura, bei uns hauptsächlich vertreten durch den so mächtig auftretenden Hauptrogen- stein, an dessen Basis über den Mergeln des Unteroolithes oder untern braunen (mittlern) Juras zahlreiche Quellen hervortreten und unzählige Brunnen im Canton Basel mit einer Fülle des trefflichsten Wassers versehen, meines Wissens kein Wasser nach Basel. Es ist klar, dass das aus unsern nähern und weitern Umgebungen und von Grellingen und Angenstein nach der Stadt geleitete Quellwasser, als Abwasser unserer Brunnen, gleichfalls einen, wenn auch meist verunreinigten, Beitrag zum Grundwasser liefert, obwohl das meiste durch die Dohlen und Abzugskanäle direct dem Rhein und dem Bir- sig zugeführt wird. Dass durch die bedeutend vermehrte Quantität des Abwassers die Ausspühlung unserer Doh- len und Abzugskanäle sehr erleichtert und hiemit auch den sanitarischen Interessen bedeutender Vorschub ge- leistet wird, liegt auf der Hand. Wir müssen also auch in dieser Hinsicht die Grellinger- und Angensteinerquellen, die einen so ansehnlichen Beitrag zur Vermehrung des Spühlwassers liefern, willkommen heissen. Wir beziehen also das Wasser, das wir für die Be- dürfnisse des Haushaltes und der Gewerbe gebrauchen, aus vier verschiedenen Quellen: 1. Direct erhaltenes Schnee- und Regenwasser; 2. Fluss- und Kanalwasser; 3. Aus den Umgebungen der Stadt zugeleitetes Quell- wasser; | | 4. Grundwasser des Bodens unserer Stadt, das die Sod- und Lochbrunnen speist. 110 Der gütigen Mittheilung des Herrn Stadtrathes Rud. Merian-Burckhardt, Präsidenten löbl. Brunn- und Bau- amtes, verdanke ich nachstehende nähere Data über die ‘aus unsern Umgebungen nach der Stadt geleiteten Brunn- wasser, die, wiewohl sie nicht nothwendig hieher gehörten, doch manchem Leser willkommen sein dürften, indem sie zur Vervollständigung des Bildes über unsere Wasser- verhältnisse beitragen. Unsere laufenden Brunnen werden men 1. Vom St. Alban-Werk, das durch ein vom St. Albanteich getriebenes Pumpwerk die im St. Alban- thal gesammelten Quellen der Lochbrunnen, an Zahl 8 bis 10, (also das hier freiwillig ausfliessende Grundwasser) in ein Reservoir in der St. Albanvortadt befördert und von diesem aus die ganze Linie von der St. Albanvorstadt über den Münsterplatz, durch die Augustinergasse bis zum Gast- hof zu den drei Königen, sowie die Malzgasse, zusammen 45 Brunnen mit Wasser versorgt. Die meisten dieser Brunnen wurden früher, d. h. vor 1840, von dem Münster- werk versorgt. In den obigen, sowie auch in den nachstehenden An- gaben ist nur die Zahl der öffentlichen Brunnen ver- standen, nicht aber diejenige der aus denselben Leitungen versorgten Brunnen von Partikularen. Der Erguss dieser (Quellen, soweit sie in das obere Reservoir gelangten, betrug nach einem zehnjährigen Durch- schnitt ve 1853—62 1864 1865 1866 65 Hälblinge 60 H. 34 bE TEN BE ‘ Der zehnjährige Durchschnitt ist den jeweilen im November ausgeführten Messungen aus den Jahren 1853 bis 1862 entnommen, also in einer Jahreszeit, deren Wassermenge geringer als das Jahresmittel ist. 1 Hälb- ling = 3 Maas per Minute oder 10 Kubikfuss per Stunde. 111 2. Vom Münster-Werk, das also jetzt die Brunnen in der St. Albanvorstadt und auf dem Münsterplatz nicht mehr, sonst aber die ganze rechte Birsigseite der grossen Stadt, zusammen 17 Brunnen versorgt und das von 15 Quellen aus den Tertiärhügeln bei Gundeldingen und von St. Margarethen bis nahe Binningen sein Wasser erhält. Der Erguss dieser Quellen Helms nach dem erwähn- ten Durchschnitt Ä 1853—62 1864 1865 1866 65 Hälblinge 54 H. sich: U) ABl. Hiezu kommen noch die von derselben Hügelreihe bei Bottmingen, westlich vom Bruderholz, im Jahr 1863 gefassten und in das Münsterwerk geleiteten Quellen, mit einem mittlern Erguss von 20 Hälblingen (1866 : 15 H.). 3. Vom Spahlen-Werk, das die am linken Birsig- ufer liegende Hälfte der grossen Stadt, zusammen 24 Brun- nen versorgt und sein Wasser von 25 Quellen aus den Tertiärhügeln beim Holee, Neubad und noch weiter gegen Allschwyl erhält. Der Erguss dieser Quellen betrug nach dem.erwähn- ten Durchschnitt | 18935 —62 1864 1865 1866 70 Hälblinge 69: H. ah, GLEE 4. Vom Gundeldinger-Werk, das einige Brunnen auf der rechten Birsigseite, aus einer Quelle beim äusser- sten östlichen Gundeldingen, mit‘ Wasser versieht und einen sehr variabeln Erguss von 2 bis 10 Hälblingen lie- fert, in den letzten Jahren jedoch bedeutend abgenom- men hat. Im November 1865 war der Erguss 2, 1866 gleich- falls 2 Hälblinge. 5. Vom Steinen-Werk, das aus einem Lochbrunnen am Birsig nahe beim St. Marpatethen Steg gespeist wird und nur die zwei Brunnen nächst vor dem ehemaligen 112 Steinenthor mit Wasser versieht. Erguss im November 1866 bloss 3 Hälblinge. (Nov. 1865 : 2 Hälblinge). 6. Von den Grellinger- und Angensteiner- quellen, die erst im letzten Jahre, wie schon oben er- wähnt, von der Wasserversorgungsanstalt nach der Stadt geleitet worden sind. Die Angensteinerquellen, von der Stadtbehörde ge- fasst und der Grellingerleitung einverleibt, liefern einen mittlern Erguss von circa 200 Hälblingen, während die Extreme zwischen 100 und 800 Hälblingen schwanken. Die Grellingerquellen, worin die Pelzmühle- und die (etwas weiter hinten gelegenen) Kaltbrunnenquellen und ausserdem noch einige kleinere Quellen zusammen gefasst sind, liefern zusammen einen mittlern Erguss von 800 bis 1400 Hälblingen, schwanken aber, je nach sehr trockenen oder nassen Jahreszeiten, in Extremen, die von 500 auf 6000 Hälblinge und noch höher steigen können. Im Allgemeinen scheinen sich Regengüsse und Schnee- schmelzen bei diesen, dem massigen Korallenkalk ent- strömenden, Quellen viel schneller bemerkbar zu machen als bei den aus den Geröllablagerungen der Tertiärhügel südlich von Basel entspringenden Wasserfäden, und ebenso schneller als bei dem in ähnlichem Geröll des Bodens der Stadt Basel über dem tertiären Letten sich ansammelnden Grundwasser. Die Grellingerquellen versorgen bekanntlich nun die grosse und die kleine Stadt mit Wasser, sowohl für öffent- liche Brunnen, als für die Privatwohnungen. 7. Von dem Riehen-Werk, das die vereinigten (4) Riehenquellen nach der kleinen Stadt führt und für 11 Brunnen einen mittlern Erguss liefert nach zehnjährigem Durchschnitt 1853—62 1864 1865 1866 66 Hälblinge 51 H. 137% HV ca, Sur 413 Hiezu kommt noch die gleichfalls in der Nähe von Riehen, Inzlingen zu, im Jahr 1864 gefasste Auquelle, mit einem Erguss von 10—20 (Nov. 1865 : 10) Hälblingen, die ebenfalls dem Riehenwerk einverleibt wurden, so dass die- ses nun Ende 1866 im Ganzen 64 Hälblinge lieferte. 8. Von dem Klein-Basler Pumpwerk, durch die Wasserkraft der ehemaligen Stadtsäge vor dem (nun gleich- falls abgebrochenen) KRiehenthor getrieben, welches seit Mitte des Jahres 1864 das sehr reichlich und rein vor- handene Grundwasser in das dortige Reservoir liefert und von diesem aus vorläufig 6 Brunnen der kleinen Stadt mit Wasser versieht. Der Wassererguss dieses Pumpwerkes be- träet 40 bis 60, also durchschnittlich 50 Hälblinge. Ausserdem werden noch eine Anzahl Brunnen von Partikularen von den genannten städtischen Leitungen mit Wasser versorgt. Der mittlere Erguss sämmtlicher städtischen Brunn- leitungen, mit Inbegriff der beiden Pumpwerke (im St. Al- banthal und vor dem Riehenthor), jedoch mit Ausnahme der erst im vorigen Jahr in die Stadt geleiteten Grellinger - und Angensteinerquellen, betrug nach den oben angegebe- nen (zehnjährigen) Durchschnittszahlen der einzelnen Werke im Ganzen 360 Hälblinge, nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre (1864—66) 310 » dagegen der mittlere Ertrag der Grel- linger- und Angensteinerquellen nach den bisherigen Messungen 1300 Hälblinge, also drei bis vier Mal mehr als sämmtliche übrigen städti- schen Brunnen zusammen genommen. Lu Legen wir demnach das Ergebniss des zehnjährigen Durchschnittes für die bisherigen städtischen Brunnen zu e) 114 Grunde mit 360 Hälblingen und fügen die Grellingen - Angensteiner- Leitung hinzu mit 1300 » so kann unsere Stadt durchschnittlich über ein Quantum von 1660 Hälblingen Trinkwassers in laufenden Brunnen verfügen. Hiebei sind natürlich die unzähligen auf dem engern und weitern Areal unserer Stadt angebrachten Sodbrunnen, die ihren Zufluss lediglich aus dem Grundwasser beziehen, nicht inbegriffen. Die zunehmende Verunreinigung unseres Grundwassers in einzelnen Stadttheilen, in Folge der wachsenden Be- völkerung und der Ausdehnung der chemischen Gewerbe, wird die Benützung mancher Sod- und Lochbrunnen, we- nigstens als Trinkwasser, allmählig beschränken. Um so erwünschter ist demnach der bedeutende Zufluss an gutem Trinkwasser, den uns die Grellinger-Angensteinerquellen gebracht haben, abgesehen davon, dass noch ihr Abwasser bei der Ausspühlung der unterirdischen Abzugskanäle für die Zwecke der Reinlichkeit und der (resundheit gute Dienste leisten wird. Auf die vielfältige anderweitige Verwendung dieser reichen Wasservorräthe, in erster Linie bei Feuersgefahr, dann für die Zwecke des Haushaltes, für Strassenreinigung Hortikultur, Bad- und Waschanstalten und Gewerbe aller Art, brauche ich nicht näher aufmerksam zu machen. Das Jahr 1865 hat sich, wie wir auch beim Grund- wasser sehen werden, als ein ausnahmsweise trockenes erwiesen. Ihm gleich kam das Jahr 1858, in welchem die städtischen Quellen genau denselben geringen Erguss zeig- ten. Es sind dies seit 1845 die beiden trockensten Jahre. — Die sog. Lochbrunnen ergaben im Jahr 1865 nur 13, 1866:42 Hälblinge, wobei das St. Alban- Werk nicht in- begriffen ist. de Die Bodenoberflache. Wenden wir uns von dem auf der Lettenschicht am Grunde unserer Geröllablagerungen sich ansammelnden Grundwasser und den übrigen Wasserzufiüssen, welche unsere Stadt mit dem nöthigen Bedarf versorgen, ab und sehen wir uns die Niveauverhältnisse des Bodens von Basel etwas näher an.*) Wie schon oben bemerkt, haben Birsig und Rhein, letzterer in mehreren Terrassen, wovon die unterste dem jetzigen Flussbett entspricht, Rinnen in die mit Geröllen bedeckte Rheinebene gegraben, auf der unsere Stadt eigentlich erbaut ist. Der Boden der Stadt Basel lässt demnach sechs Hauptniveaux erkennen. 1. Die Hochflächen auf der Grossbasler-Seite zu beiden Seiten des Birsigthales, welche der eigentlichen grossen Geröllebene des Rheinthales angehören und von einer Höhe von circa 90 Fuss über dem Nullpunkt des Rheinpegels, in der ininern Stadt, durch eine schwache Abstufung vermittelt, zu einer Höhe von ungefähr 115 Fuss einerseits gegen den Centralbahnhof, andrerseits gegen die Schützenmatte ansteigen. NB. Der Nullpunkt des Rheinpegels bei der Schiff- lände ist nach Herrn Geometer Falkner 823 Fuss über dem Meere erhaben. Alle in dieser Arbeit angegebenen Höhen beziehen sich auf diesen Nullpunkt. 2. Das Birsigthal mit einem Flussbett, das vom St. Margarethen-Stäg vor dem (nun abgebrochenen) Steinen- *) Die Höhenangaben des Herrn Geometer Falkner und der schöne Löffel’sche Stadtplan haben mir die Uebersicht sehr er- leichtert. Ausserdem verdanke ich verschiedene Höhenquoten der gütigen Mittheilung der HH. ne Alauı Merian und Ober- ingenieur Buri. 116 thor bis zum Ausfluss des Birsigs in den Rhein, von einer Pegelhöhe von 71 Fuss zu einer solchen, die dem Null- punkt des Rheinpegels entspricht , abfällt. Jedoch wurde der Lauf des Birsigs bisher unterbrochen von zwei jähen Abstürzen, jeder von circa 10 Fuss senkrechter Höhe, von denen der eine an der ehemaligen, nun auch abgebroche- nen, Stadtmauer beim Steinenthor, bei der erst im letzten Jahr dort unternommenen Birsigcorrection, geschleift wor- den ist, und immer noch einen beträchtlichen Fall zeigt, der andere Absturz noch unverändert unterhalb des Baar- füsser Platzes beim Gasthof zum Schiff sich befindet. 3. Die untere Terrasse des linken Rhein- ufers, die erst unterhalb der Rheinbrücke beim St. Johann Schwibbogen beginnt und durch die St. Johann-Vorstadt, längs dem Rhein in einer Höhe von ungefähr 40 Fuss über dem Nullpunkt des Rheinpegels gegen Hüningen fortsetzt. 4. Eine obere Terrasse wäre durch die -Spahlen- vorstadt angedeutet, die dann vor dem Spahlenthor durch die Missionsstrasse, mit 95 Fuss über dem Rheinpegel, gegen Bürgfelden fortsetzt, in dessen Umgebungen sich überhaupt die verschiedenen Terrassen des Rheinthales auf das schönste entfälten, so dass wir im Absteigen gegen St. Louis und Hüningen drei bis vier deutliche Abstufungen, jede mit ihrem Steilrand, unterscheiden können. Eine noch höhere Terrasse macht sich durch das Ansteigen des Bodens, vor dem Spahlenthor gegen die Schützenmatte und von dem Aeschenplatz gegen den Central- bahnhof, bemerkbar, mit einer Höhe von 115 Fuss über dem Nullpunkt des Rheinpegels. Begreiflicher Weise werden die natürlichen Terrassen durch die künstlichen Strassen- anlagen in den Städten verwischt. Sie traten aber noch vor dreissig bis vierzig Jahren, ehe die grössern Correc- tionen bei uns ausgeführt wurden, auch in der Stadt recht 117 deutlich hervor. Diese dritte Terrasse bildet den ei- gentlichen Boden der weiten Rheinebene Als die oberste Terrasse des Rheinthals könnten wir die oben schon erwähnten, ungefähr 250 Fuss über der Rheinebene erhabene lange Reihe welliger Tertiärhügel im Süden von Basel betrachten, die mit den Geröllmassen und oben mit dem Löss und Lehm des Diluviums bedeckt sind und schon seit alter Zeit ihre Quellwasser durch Lei- tungen uns zusenden. Diese flache Hügelreihe lässt sich auf der linken Seite des Rheinthales weit gegen Norden verfolgen. Wir finden sie noch bei Mülhausen, Colmar u. s. w., wo allenthalben treffliche Bierkeller in den weichen und doch festen Löss eingehauen sind, die keines Ausmauerns bedürfen. Wir könnten vielleicht noch weitere Abstufungen des Bodens auf dem Gebiet der Grossen Stadt namhaft machen. - So scheinen die Neue Vorstadt und vor. dem Thore die mittlere Strasse zwei kleinern Zwischenstufen der unter Nr. 4 aufgeführten Hauptterrasse zu entsprechen, worauf dann erst, Rhein zu, der fast 40 Fuss hohe Absturz folst, der zur untersten Terrasse (mit der St. Johann-Vorstadt ) führt. Man vergleiche die hinten beigefügten Profile. Eine Fortsetzung der untern, sub Nr. 3 aufgeführ- ten, Terrasse des linken Rheinufers, nördlich oder nord- östlich vom Ausfluss des Birsigs, also rheinaufwärts, scheint zu fehlen, indem, wie wir am Rheinsprung, auf der Pfalz und am Harzgraben sehen, die aus Geröllmassen bestehende Hochfläche jählings gegen den Rhein abstürzt und nur durch kräftige Strebmauern vor dem drohenden Einsturz bewahrt werden kann. Das durchschnittliche Niveau des Münsterplatzes, der St. Alban- und Aeschenvorstadt mit ungefähr 90 Fuss Pegelhöhe würde der unter Nr. 4 aufgeführten Terrasse, 118 auf der die Spahlenvorstadt und die Missionsstrasse fort- laufen, entsprechen. Von dieser steigt der Boden vor dem Aeschenplatz über eine kleine, aber deutlich ausgesprochene, Zwischen- stufe gegen den Centralbahnhof, mit 118 Fuss Höhe, zur dritten, obersten ‘Terrasse, die, wie die Umgebungen der Schützenmatte, jenseits des Birsigs, auch hier wieder den wahren Boden der Rheinebene bildet. Oestlich vom Birsig haben wir also zwei bis drei, westlich von demselben aber drei bis vier Terrassen, die dann noch weit nach Norden über Burgfelden und St. Louis sich fortziehen. Aber auch die östlichen Ter- rassen gelangen längs der St. Jakobs- und Mönchensteiner- Strasse zur schönen Entfaltung. 5. Als unterste Terrasse können wir das Rhein- bett selbst betrachten, dessen linkseitiges Ufer unterhalb der Rheinbrücke, so weit es bei sehr niedrigem Wasser- stand noch aus dem Wasserspiegel emportaucht, so ziem- lich mit dem Nullpunkt des Rheinpegels zusammenfällt. 6. Das Areal der kleinen Stadt entspricht einer breiten, gegen den Rhein sanft abfallenden, Terrasse des rechten Rheinufers oder eigentlich einem von den Wiesen- thalgewässern mitten durch die Rheinterrassen ausgewühl- ten Einschnitt, mit einer Pegelhöhe, die sich von 42 Fuss beim badischen Bahnhof, auf 20 bis 25 Fuss an der untern und obern Rheingasse herabsenkt und am Rheinquai, einer künstlichen Auffüllung des Rheinbettes, mit 15 bis 20 Fuss ihren tiefsten Stand erreicht. . Diese von den Gewässern des Wiesenthales ausge- waschene tiefste Rinne, welche den Boden der kleinen Stadt bildet, erstreckt sich von Kleinhüningen bis zur Soli- tude an der Grenzacher Strasse. | Weiter ausserhalb der kleinen Stadt folgt nach einer sanften Depression nordöstlich hinter dem ba- 119 dischen Bahnhof, eine schwache Anschwellung des Bodens in der Nähe des Landgutes Hirzbrunnen, dann weiter gegen Osten und Nordosten eine oder zwei kleine Terrassen und noch näher gegen Riehen zu eine sehr ansehnliche, wahr- scheinlich von Rhein und Wiese gemeinsam angenaste, Terrasse, 120 Fuss hoch über dem Nullpunkt des Rhein- pegels, die beim Grenzacher Horn beginnt, das Dorf Riehen trägt und weiter nördlich, jenseits der Wiese, fortsetzt, und bei der Leopoldshöhe einen Absturz von etwa 80 Fuss Höhe über die untere Ebene darbietet. Die Felder von Weil und Haltingen liegen auf dieser obersten Terrasse des rechtseitigen Rheinthales, die als der wahre Boden der Rheinebene, entsprechend der Ebene des St. Mar- garethenfeldes und des Holeelettens auf der linken Seite des Rheines zu betrachten ist. Man vergleiche die bei- gefügten Profile. k Es ist das jene bedeutende Terrasse, deren Steilrand die badische Staatsbahn durch einen langen Damm und darauf folgenden Einschnitt in der Nähe der Leopoldshöhe, und die Wiesenthalbahn in der Nähe des Dorfes Riehen, überwunden hat. Eine ähnliche Steigung hatte die fran- zösische Ostbahn, natürlich mit denselben Mitteln, auszu- gleichen, um von der oben sub Nr. 3 erwähnten untern Rheinterrasse zur obersten in der Umgebung der Schützen- matte und des Centralbahnhofes anzusteigen. Ebenso hat die Centralbahn selbst, von Muttenz herkommend, durch Brücken, Dämme und Einschnitte erst den tiefen Quer- schnitt des Birsthales, und dann die längs der St. Jacobs- strasse und Mönchensteiner Strasse laufenden Hauptterras- sen der Rheinthales in stetem Ansteigen zu überwinden. An den Steilrändern dieser Hochterrassen treten die ungeheuren Geröllmassen, bisweilen mit kopf- grossen und noch grössern Geschieben meist alpinischer Gesteine, welche die weite Mulde des Rheinthales ausfüllen, 420 sehr schön zu Tage, so namentlich in den Umgebungen der Leopoldshöhe, wo sich natürlich auch viele Schwarz- waldgeschiebe beimengen. Ausserdem erscheinen sie, hie und da zu fester Nagelfluh verkittet, an den steilen Rhein- ufern und in zahlreichen, unser Strassenmaterial liefernden, Sand- und Griengruben ausserhalb der Stadt und werden bei Keller- und Brunngrabungen innert und ausser der Stadt fortwährend allenthalben angeschürft. Es ist klar, dass diese terrassenförmigen Ab- stufungen des Geröllbodens unserer Stadt und ihrer Umgebungen die Wirkungen von wiederholten ungeheu- ren, jedoch allmählig an Intensität abnehmenden, Fluthen oder Ueberschwemmungen einer frühern Erdperiode waren, und zwar der nach jenen Fluthen benannten Diluvial- periode, welche als jüngste vorhistorische Epoche, dem ‚gegenwärtigen historischen Zeitalter unmittelbar voran- gieng. Bekanntlich werden diese Fluthen theilweise dem Schmelzen der in jener Zeit nicht nur von den Alpen her‘ über die Schweiz bis an den Jura, sondern auch über einen grossen Theil des nördlichen Europa und Nordamerika von dem hohen Norden her ausgebreiteten Gletscher der Eis- zeit zugeschrieben, welche einen wesentlichen 'Theil der Diluvialperiode ausmacht. Unsere Kies- und Lehmlager wären sonach grossentheils Gletscherschutt. Schwimmende» von den nordischen Gletschern losgelöste Eisschollen, scheinen in den Niederungen der norddeutschen Ebene und des nördlichen Amerika gleichfalls zahlreiche Blöcke abgelagert zu haben. Ob das auch in unserer Gegend geschehen, ist noch zweifelhaft. An einzelnen grossen Blöcken fehlt es nicht ganz. Auch Hebungen des Bodens und Durchbrüche von Seen, zum Theil als Folge jener Hebungen, mögen spätere secundäre Ueberfluthungen herbeigeführt und kleinere Terrassenbildungen veranlasst haben. Bi Bis vor wenigen Jahren glaubte man, auf die Aus- sprüche hoher Autoritäten gestützt, dass selbst in dieser "jüngsten vorhistorischen Periode, in welcher unter andern der Mammuthelephant, das Rhinoceros, der Höhlenbär, der Riesenhirsch, der Urstier und andere theils völlig aus- gestorbene, theils jetzt bei uns nicht mehr vorkommende Thiere in unsern Gegenden zu Hause waren, der Mensch noch nicht auf dem Schauplatz der Erde erschienen war. *) Erst die neuesten in den letzten Jahren vorgenommenen Nachforschungen haben an zahlreichen Orten, namentlich in Frankreich, aber auch in Deutschland (besonders Rhein- preussen), Belgien und England, theils in diesen diluvialen Geröllablagerungen selbst, theils in Höhlen, hier unter Lehm, Schutt und Kalksinter begraben, das Zusammen- vorkommen von menschlichen Gebeinen und Werkzeugen mit den Gebeinen jener untergegangenen vorweltlichen Säugethiere und hiemit das Dasein des Menschen in jener vorgeschichtlichen Periode nachgewiesen. - Auch Rennthier- reste werden an zahlreichen Orten mit gefunden. Freilich sind diese Werkzeuge, wie Messer, Pfeilspitzen u. dgl. von Stein, von rohester Art und auch die wenigen bisher gefundenen Schädel scheinen einer geistig noch ziemlich tief stehenden Menschenrace anzugehören. Immerhin aber waren die Menschen schon da und wurden mit andern Ge- schöpfen von jenen grossen Fluthen ereilt, von denen sich alte Ueberlieferungen bei vielen Völkern erhalten haben und wozu wohl auch die von der Bibel erwähnte Sündfluth gehört. *) Ueber diese diluvialen Geröllablagerungen unserer Gegend und die darin gefundenen Thierreste hat Herr Rathsherr P. Merian der naturforschenden Gesellschaft zu wiederholten Malen nähere Mittheilungen gemacht, namentlich in seiner Eröffnungsrede als Präsident der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft bei ihrer Versammlung in Basel im August 1856. 122 Zwischen dem sog. Alluvium, oder den jüngern bis in die Gegenwart hineinreichenden Flussanschwemmun- gen und dem Diluvium oder den ähnlichen ältern Ab- lagerungen einer frühern Periode lassen sich keine schar- fen Grenzen ziehen. Nur reichen letztere 350 und mehr Fuss höher, während jene sich im nächsten Bereich der jetzigen Flüsse halten. Die grössten bekannten Ueber- schwemmungen des Rheins in den Jahren 1801 und 1852 haben noch nicht 30 Fuss über den Nullpunkt des Rhein- pegels erreicht. In unsern Umgebungen sind noch keine Reste von Menschen oder menschlichen Werkzeugen unzweifelhaften Ursprunges in den diluvialen Geröll- und Lehmablage- rungen gefunden worden, wohl aber weiter unten im Rheinthal bei Lahr, und ganz neulich bei Colmar, hier auch ein Schädel, worüber Herr Dr. Faudel in Colmar genauen Bericht erstattet hat. Vielleicht tragen diese Zeilen dazu bei, Andere zum Suchen und Finden auch im unserer Gegend anzuregen. Jeder neue Fund dieser Art wird willkommen sein. — Die in den letzten Jahren so viel besprochenen Pfahlbauten unserer Seen und Torfmoore, auch die ältern der Steinperiode, sind, nach den vorge- fundenen, von Herrn Prof. Rütimeyer so genau untersuch- ten Thierresten, bedeutend jüngern Ursprunges, und ragen in ihrer spätern Entwicklung, durch die Bronce- und Ei- senzeit, wohl in die historische Zeit hinein. | Es ist natürlich hier nicht der Ort, diese Gesichts- punkte weiter zu verfolgen. So viel geht wenigstens aus diesen flüchtigen Andeutungen hervor, dass diese grossen Geröllablagerungen, welche den Boden unserer Stadt und ihrer Umgebungen bilden, mit ihren regelmässigen Terras- sen und den darin begrabenen Resten ausgestorbener gros- ser Säugethiere Zeugen sind von einer längst entschwun- denen, von Eis und Fluthen heimgesuchten, Zeitperiode, 13 in der wir die ersten Anfänge unseres eigenen Geschlech- tes zu suchen haben. Kehren wir nach dieser Abschweifung über die in unsern Geröllablagerungen begrabenen Thierreste zu der Oberfläche unseres Bodens zurück. Vergleichen wir das Niveau der beiden Hoch- flächen von Gross-Basel, mit einer Pegelhöhe von 90 bis 120 Fuss, mit dem Niveau des Areals von Klein-Basel, mit einer Pegelhöhe von bloss 20 bis 45 Fuss, so sehen wir, dass die kleine Stadt durchschnittlich 10 Fuss tiefer als die grosse Stadt liest. Während jedoch der Boden von Klein-Basel, vor dem ehemaligen Riehenthor, rheinaufwärts, dem Grenzacher Horn zu, ausser- halb des Landgutes Solitude, auf die zweitunterste Terrasse übergeht und hiemit bis auf 60 Fuss Pegelhöhe ansteigt, fällt der Boden der grossen Stadt gleich vor dem St. Alban- thor und weiter östlich bei St. Jacob und Brüglingen mit einem 50 bis 60 Fuss hohen Steilrand bedeutend ab, um zu der untersten, von der Birs in den mächtigen Geröll- ablagerungen des Rheinthales ausgewühlten, Terrasse überzugehen, die sich nicht viel über dem jetzigen Bett der Birs erhebt und vor ihrer Correction zeitweisen Ueberschwemmungen ausgesetzt war. Auf der Klein-Basler Seite fehlt natürlich diese Seitenterrasse oder Seitenrinne, weil hier kein, der Birs entsprechender, Fluss in den Rhein mündet. Das Erosionsgebiet der Birs erstreckt sich, im Anschluss an dasjenige der untersten Rheinterrasse (Birs- feld-Ebene), vom Hardthübel bis in das St. Albanthal. Beim Ruchfeld, also an der Strasse nach Mönchen- stein, sieht man die weissen vom Jura herabgeschwemm- ten Kalkgerölle auf den die Hauptmasse bildenden gra- nitischen Geröllen aus den Alpen direct aufgelagert. Am meisten Uebereinstimmung mit den Niveau - Ver- hältnissen der kleinen Stadt zeigen die zu beiden Seıten 124 längs dem Birsig hinziehenden Strassen von Gross - Basel, die sich von einer Höhe von ungefähr 50 Fuss (Steinen- vorstadt und Steinenthorstrasse) allmählig bis auf 20 Fuss (Eingang der Gewerbehalle bei der Schifflände) herab- senken, und nur 10 bis 20 Fuss (Steinenvorstadt 10 Fuss) über der Sohle des Birsigbettes stehen. Wir müssen wohl annehmen, dass auf der rechten Rheinseite dieselben regelmässigen Abstufungen des Bodens fortliefen, wie wir sie noch in den Terrassen des linken Rheinufers, auf Gross-Basler Seite wahrnahmen, dass aber die Gewässer der Wiese schon in früherer Zeit die ehe- malige Terrassenbildung durch Ausschwemmung unter- brochen und das Rheinbett durch Anhäufung von Gestein- schutt, aus der frühern directen nordwestlichen Richtung nach Südwesten, gegen Gross-Basel gedrängt hatten, wie schon ein flüchtiger Blick auf die Karte lehrt. Daher sind auch hier die untersten Terrassen theilweise wieder fortgespühlt worden. Sehr wahrscheinlich machte die Wiese - nicht von jeher diese auffallende Westbiegung kurz vor ihrem Ausfluss in den Rhein, sondern mündete in früherer, wohl vorhistorischer Zeit, ungefähr in der Gegend der jetzigen Rheinbrücke in unsern Hauptstrom, bis die starke Anhäufung des Geschiebes das Bett der Wiese nordwärts schob. Ueberhaupt haben die Einmündungen der Birs, des Birsigs und der Wiese die regelmässige Terrassenbildung des Rheinthales durch Auswaschung von Querrinnen unter- brochen. | Das Niveau der Lettschicht. Die genauern Niveauverhältnisse der das Grund- wasser tragenden Lettschicht sind noch so wenig er- mittelt, dass man aus den spärlichen Angaben Schluss- 125 folgerungen nur mit Vorsicht und Vorbehalt ziehen darf, bis zahlreichere Erhebungen vorliegen. So oft auch beim Graben von Brunnen im Birsigthal und an den tiefern Strassen von Klein-Basel der Letten erreicht wurde, so konnten doch genaue Angaben über die Tiefe fast nirgends erhalten werden. Wir können nur so viel sagen, dass er im Birsigbett vor dem (ehemali- gen) Steinenthor nahezu an die Oberfläche gelangt (beim Viaduct daselbst liegt er nur 4 Fuss unter dem Fussweg am linken Birsigufer) und in den nächst liegen- den Parallelstrassen der Stadt in einer Tiefe von 10 bis 20 Fuss öfter schon erreicht worden ist.*) Wie der Rhein, so hat auch der Birsig eine tiefere Rinne durch das Ge- rölle in den Letten eingegraben. Der Letten wird daher zu beiden Seiten in einiger Entfernung vom Birsig an- steigen und desshalb an der Freienstrasse oder Schneider- gasse auf der Bergseite in geringerer Tiefe unter dem :Boden zum Vorschein kommen, als in der Nähe des Birsigs selbst. = Wie weit der Letten seitlich vom Birsigthal nach den beiden Hochflächen von Gross-Basel ansteigt, wissen wir nicht, indem noch kein Brunnen in diesen Höhen bis auf den Letten niedergeteuft wurde. Die Grabungen wurden. jeweilen, ohne Ausnahme, eingestellt, sobald man einige Fuss Wasser hatte. Wir haben aber alle Ursache zu vermuthen, dass die Lettschicht durchschnittlich - überall wenige Fuss unter dem tiefsten Stand des Grundwassers zum Vorschein kommen würde, und zwar um so näher dem Spiegel des Grundwassers liegt, je mehr wir uns dem Rhein und Birsig nähern. Der. Spiegel des Grund- *) In Klein-Basel erscheint der Letten gleichfalls an manchen Stellen in geringer Tiefe nahe der Bodenfläche, so gerade unweit der obern Fähre. EC wassers wird also im Allgemeinen dem Niveau der Lettschicht folgen, und diese demnach ganz allmählig nach dem Rheinbett abfallen, wenn gleich letztere keine Ebene, sondern eine sanft undulirte Oberfläche , mit flachen muldenförmigen Vertiefungen und dazwischen liegenden Anschwellungen, das Erosionsprodukt der Fluthen des Diluvialstromes, darbieten wird. Die bisherigen Anschür- fungen des Bodens haben diese Vermuthung bestätigt. Das Niveau des Grundwassers, Das Niveau des Grundwassers wurde erst in den beiden letzten Jahren, auf Anregung unserer hohen Behörden, insbesondere des Tit. Sanitätscollegiums, durch zahlreiche, von Herrn Geometer Falkner, erst in Klein-Basel (seit 1865 oder Ende 1864), dann auch in Gross-Basel (seit 1866) ausgeführte Brunnmessungen näher bestimmt, wobei die Sodbrunnen in möglichst gleichmässiger Ver- theilung über das Areal der ganzen Stadt und ihrer Um- sebungen ausgewählt wurden. Vor dieser Zeit, d. h. vor 1864, existirten, meines Wissens, noch keine umfassenden Brunnenmessungen aus unserm Stadt-Areal. — Es wurde von Herrn Falkner jeweilen neben dem Datum der Wasser- stand des Rheins am Pegel notirt, die Tiefe des Bodens und des Wasserspiegels der Sodbrunnen vom Brunnen- rande aus gemessen und dieser auf den nächst liegenden bereits bekannten Fixpunkt, z. B. der nächsten Strasse, einnivellirt und sämmtliche Höhenangaben auf den Null- punkt des Rheinpegels reducirt. Wo keine bereits bekann- ten Fixpunkte in der Nähe vorhanden waren, wurden neue Nivellements vorgenommen. Ungefähr sechs bis acht Mal des Jahres wurden diese Messungen in Gross- und Klein- Basel an einer kleinern Zahl leichter zugänglicher Brun- nen wiederholt und sollen auch in diesem Jahre regel- 127 mässig jeden Monat fortgesetzt werden. Zugleich wurde die Temperatur des Brunnens und der Luft notirt. Natür- lich bedarf es länger fortgesetzter Beobachtungsreihen, wenn man zu einigermassen sichern Aufschlüssen über den Stand und die Bewegungen des Grundwassers gelangen will. So unzureichend auch unsere erst seit wenigen Jahren begonnenen Brunnmessungen sein mögen, so treten doch aus diesem spärlichen Material bereits einige Resultate entgegen, deren Mittheilung immerhin denjenigen will- kommen sein mag, welche einigen Aufschluss über unser Grundwasser wünschen. Wir können sie in folgenden Sätzen zusammenstellen : 1. Das Niveau der Wasserschicht folgt im Allgemeinen der Oberfläche des blauen Lettens an der Basis der Geröllmassen mit Ausnahme der einzelnen schwachen Undulationen des Lettbodens. Die Wasser- schicht, oder das Niveau des Grundwassers fällt aber sowohl in der grossen als in der kleinen Stadt von den vom Rhein entfernten höhern Stadttheilen in sanften Curven dem Rheinbett zu, und zugleich abwärts, in der allgemeinen Richtung des Thales. Die Oberfläche der Grundwasserschicht, z.B. in Klein-Basel, würde daher einem sehr flachen Kugel- oder Ellipsoidsegment entsprechen, das seinen Höhepunkt, für das Klein-Basler-Areal, ungefähr in der Gegend des Hirzbrunnens, zwischen Basel und Riehen hätte. Ein anderes Ellipsoid würden wir für das Grund- wasser von Gross-Basel erhalten, mit einem Höhenpunkt etwa in der Gegend des Centralbahnhofes, wenn dieses nicht durch das Birsigthal in zwei Hälften zerschnitten wäre, wodurch ein rascherer Abfall des Grundwasserspie- gels nach dieser seitlichen Thalspalte bewirkt wird. Das Grundwasser wird also hier dem Birsig, wie wir an den Lochbrunnen sehen, im Grossen und Ganzen aber dem Rheinbett zuströmen, das, wenigstens bei niedrigem Was- 128 serstand, die Rolle eines grossen Drainirungskanales spielt. AT 2. Der Spiegel des Grundwassers folgt ferner im Allgemeinen, aber in viel beschränkterm Masse, in viel grössern und mehr wechselnden Abständen, dem durch- schnittlichen Höhenniveau der Bodenoberfläche, auf welcher die Stadt gebaut ist, so weit wenigstens, dass im Allgemeinen mit der grössten Erhebung des Bodens auch diejenige des Grundwassers, und mit der tiefsten Depression auch der tiefste Stand des letztern zusammen- fällt... Der Abstand zwischen beiden Flächen muss natürlich um so mehr abnehmen, je mehr wir uns den _Niederungen der viel unregelmässiger gestalteten Boden- oberfläche nähern. So beträgt z. B. die Höhe des Centralbahnplatzes 115 Fuss über dem Nullpunkt des Rheinpegels, die des Wasserspiegels der dortigen Brunnen ( bei 4, Fuss Rhein- höhe) 55: Diii.ralso#607 Neue Vorstadt 68’, Wasserstand 28°, Differenz 40 ‘ Steinen-Vorstadt 48%, » 33°, » 10° Klein-Basel : | Hirzbrunnen Se » MESSE > 34’ Rheingasse 194 > 56, » 147 u. S. W. | Die von Herrn Geometer Falkner ausgeführten zahl- reichen Tabellen über seine Brunnmessungen in Gross- und Klein - Basel in den Jahren 1865 und 1866 geben hierüber nähern Aufschluss. Die Brunnensohlen liegen also um so tiefer unterhalb der Bodenoberfläche, je höher diese selbst über dem Null- punkt des Rheinpegels sich erhebt, indem in Folge der Terrassenbildung der Boden von den Flussrinnen aus viel rascher als die Grundwasserschicht ansteigt. 129 Die Strömung des Grundwassers. Es ergibt sich aus den vorstehenden Angaben, dass der Hauptzug des Grundwassers bei einem mittlern Wasserstand sich von jenen höhern Stadttheilen, die .be- reits an den Grenzen des äussern Stadtrayons liegen, unter der Stadt hindurch nach dem Rhein und Birsig bewegen wird. Diese Bewegung kann selbstver- ständlich durch die engen Zwischenräume von Sand und Gerölle hindurch nur eine sehr langsame sein, wie man überdiess, in den Brunnenschächten selbst, an dem Heraus- . tröpfeln des Wassers von den seitlichen Geröllwänden sehen kann. Ein vermehrter Zufluss von Tagwassern, z.B. nach Regenzeit und Schneeschmelze, wird sich demnach nur all- mählig in dem Stand des Grundwassers bemerkbar machen. Die Strömung des Grundwassers gegen den Rhein (und so auch gegen den Birsig) wird natürlich um so stärker sein, je stärker der Abfall der Lettschicht und je grösser die Differenz zwischen dem Stand des Grundwassers und demjenigen des Rheines sein wird. Ist die Differenz fast Null, so wird auch die Strömung fast Null sein. | Das auf die nächsten Höhen beschränkte Regen- sebiet unseres Grundwassers ist von ganz andern Einflüssen abhängig, als das weite Flussgebiet des Rheins, das dem Rhein nicht nur nach stärkerer Regen- zeit, sondern auch durch das vermehrte Schmelzen der Gletscher in den Hochalpen, bei der anhaltenden Dürre eines heissen Sommers oder bei Föhnwind, einen vermehr- ten Zufluss von Wasser liefert, während unsere kleinen Flüsse, Birsig, Birs und Wiese, fast versiegt sind. In diesem Fall wird das Rheinwasser seitlich durch das Ge- 9 130 rölle eindringen und den durch die Tröckne herabgesunke- nen Stand des Grundwassers wieder erhöhen. Umgekehrt können die kleinen Flüsse und Quellen unserer Umgebungen bei niederm Rheinstand längere Zeit hindurch einen höhern Stand behaupten und den Spiegel des Grundwassers merklich erhöhen. Dann wird die Strömung des Grundwassers, dem Rheinbett zu, besonders stark sein. Längere Zeit hindurch fortgesetzte Beobachtungen über die Wassermenge unserer kleinen Flüsse (etwa oberhalb der grossen Wuhren, wo die Teiche abgeleitet werden) würden sicher zur Aufhellung der Grundwasserfrage nicht wenig beitragen und möchten auch den Wasserinteressen- ten an den Teichen werthvolle Aufschlüsse bringen. Uebri- gens versteht sich von selbst, dass bei allgemeinen Land- regen oder Schneeschmelze die grossen wie die kleinen Flüsse anschwellen. Es sind demnach sehr verschiedene Factoren, welche auf den Stand und die Bewegung des Grund- wassers einwirken. Aber auch im günstigsten Falle wird die Strömung des Grundwassers, durch die uuzähligen Hindernisse hindurch, und namentlich die horizontale Fortbewegung, eine äusserst langsame sein. Daher können die Gesetze von der Bewegung und dem Gleich- gewicht der Flüssigkeiten hier nur langsam zur Geltung gelangen. Näheres über die Brunnenmessungen. Einige den Falkner’schen Tabellen entnommenen Durchschnittszahlen werden am besten die Niveauverhält- nisse des Grundwassers der grossen und der kleinen Stadt in ihren Beziehungen zum Relief des Bodens, zum Rhein- stand und zu den Jahreszeiten erläutern. Die Reihe der Beobachtungen, die sich erst auf zwei Jahre erstrecken, ist freilich zu kurz und zu lückenhaft, um jetzt schon 131 nach allen Seiten sichere Resultate zu liefern. Wir dürfen aber annehmen, dass die bereits gewonnenen Mittelwerthe von den wirklichen Durchschnittszahlen kaum erheblich abweichen werden. Ueberdiess wurden extrem erscheinende Zahlen, die zufällige oder vorübergehende Abnormitäten des Wasserstandes angeben, bei der Berechnung weg- gelassen. Sämmtliche Höhenangaben beziehen sich auf den Nullpunkt des Rheinpegels. A. Nach den Brunnmessungen entworfene Querprofile. I. Gross - Basel. Nach den von Herrn Falkner entworfenen Quer- profilen ergeben sich folgende Zahlen für: A = Höhe des Terrains, d.h. der Strasse, die dem be- treffenden Sodbrunnen zunächst liest, vom Anfang bis zum Ende des Profiles. B = Höhe des Wasserstandes der Brunnen über dem Null- punkt des Rheinpegels, vom Anfang bis zum Ende des Profiles. C = Höhe der Brunnensohle über diesem Nullpunkt. - D = Höhe des Wasserstandes in den Brunnen über der Brunnensohle. E = Tiefe des Grundwassers im Brunnschachte vom obern Brunnenrand, insofern der letztere im Niveau der anliegenden Strasse liegt. Nr. 1. Nauenstrasse (Bächofen) bis St. Alban (Vischer). Nr. 2. Bahnhofstrasse (Simon) bis St. Alban (Sensal Oser). Nr. 3. Allschwylerstrasse (Müller) bis Schneidergasse (Thurneisen). Nr. 4. Missionsstrasse (Preiswerk) bis Petersgraben (Rapp). 132 A. B. C. Di.» 4 124—86’° 66—30° 62—24’ 4-7’ 60-55 2. 111—80° 60—20° 56—18° 48° 50—60° Nr..9. 109—29° 42-23 38—227 3-4 65— 5 . À 97—49° 33—20’ 29—20° 3—5° 65—30’ In der St. Alban-Vorstadt (Sensal Oser) betrug der Wasserstand nur 2 Fuss, an der Schneidergasse nur 1 Fuss über der Brunnensohle. Es sind das die dem Rhein- oder dem ‚Birsigbett nächstgelegenen Brunnen dieser Profile. Die betreffenden Messungen datiren vom 26. Januar 1867, mit einem Rheinstand von 6,6’ über dem Nullpunkt des Pegels. | Man sieht aus den so eben aufgeführten Querprofilen, wie sowohl die Höhe des Terrains, als auch die des Grundwassers und der Brunnensohlen fortwährend ab- nimmt, je mehr wir uns von dem äussern Stadt-Rayon dem Rheine nähern. Am stärksten und unregelmässigsten nimmt die Höhe des Terrains (der Bodenoberfläche) ab. Die Bodenfläche erleidet einen Abfall von 30 — 80 Fuss, das Niveau des Grundwassers bloss von 20—40 Fuss, auf seiner ‘Erstreckung von den äussern Stadttheilen gegen den Rhein. Die mittlere Höhe des Wasserstandes über den Brunnsohlen beträgt 4, Fuss, bei einem Rheinstand von 61, Fuss. Beiliegende Profile (siehe Tafel) ver- anschaulichen diese Verhältnisse, obgleich sie mit den obigen vier Querprofilen des Herrn Falkner nicht ganz zusammenfallen. | 2, + II. Klein - Basel. À, B, C, D. E bedeuten dasselbe, wie bei Gross-Basel. - Ich hebe hier folgende Querprofile heraus: Nr. 5. Hirzbrunnen (Vischer) bis Grenzacherstrasse (Me- rian-Narasin). Tag: ; 133 Nr. 6. Teichweg (Oswald) bis Grenzacherstrasse (Hoff- mann-Preiswerk). Nr. 7. Hirzbrunnen (Vischer) bis Rheinbrücke (Café Spitz). Nr. 8. Horburgstrasse (Bahnwart) bis Klybeckstrasse (Heussler). Hiezu ein Längenprofil : Nr. 9. Klybeckstrasse (Heussler) bis Theodorsplatz (Ber- noulli). Sämmtliche nach Messungen vom 25. Januar 1867 bei einem Rheinstand von 6 Fuss. A. B. (De D: E. D 59—54’, 28—14 22—9, 4-6‘ 30—40 6. 40—47, 25—10%, 21—8’, 4-7‘, 15—40° Nr. 7. 59—20%, 28— 8%, 22—2/, 6—8°, 30—10° 8 37—27‘, 17—10/, 125% 4-6, 20—15° 9. 23-39, 10-15% 5—7’, 5-8, 20—25 Man sieht, dass auch hier im Allgemeinen das Terrain, und in schwächerm Maasse die Grundwasserschicht (und das Niveau der Brunnböden) von dem äussern: Stadtrayon nach dem Rhein zu sanft abfallen. Eine Ausnahme macht bloss das Querprofil Nr.6, wo der Boden von der Riehen- gegen die Grenzacherstrasse, also gegen Südost, etwas an- steigt. Ebenso muss natürlich das Terrain auf dem Längs- profil (Nr.9) von Nordwest nach Südost, und mit ihm auch die vom Rhein influenzirte Grundwasserschicht, an- steigen. De Die Wassermenge in den Brunnen ist im Ganzen er- heblich grösser als in Gross-Basel und beträgt im Durch- schnitt 7 Fuss (über den Brunnsohlen), bei einem Rhein- stand von 6 Fuss, also 21% Fuss mehr, als auf der linken Rheinseite. | Den Wasserreichthum des Klein-Basler-Areals haben wir in erster Linie dem allgemeinen tiefern Stand des Bodens und Lettens zuzuschreiben, welcher bei höherm 134 Rheinstand eine Infiltration vom Rhein her gestattet, ins- besondere aber der Wiese und ihren Seitenkanälen, welche dieses Gebiet durchziehen. Nach den durch obige Höhenangaben angedeuteten Querprofilen, von denen mehrere zur Vergleichung der Bodenoberfläche mit dem Grundwasserstand in beiliegen- der Zeichnung ausgeführt sind, wird man an irgend einer Stelle der Stadt zum Voraus mit ziemlicher Sicherheit die Tiefe bestimmen können, in welcher man beim Graben eines Sodbrunnens auf Wasser stossen wird. Man ersieht aus der Columne E, dass man, vom Birsigthal abgesehen, in Gross-Basel 30—65, in Klein-Basel bloss 15—30, selten bis 40 Fuss, tief graben muss, um auf Wasser zu stossen.*) Im Birsigthal hat man bloss 10—20 Fuss tief zu graben; um auf Wasser zu stossen. Der Boden der kleinen Stadt steht also im Durch- schnitt dem Grundwasser 30—40 Fuss näher, als der Boden der grossen Stadt. Bei einem ungewöhnlich tiefen Stand des Grundwassers wird man natürlich einige Fuss tiefer graben müssen. Nachfolgende, freilich einer noch sehr kurzen und lückenhaften Reihe von Beobachtungen aus den beiden letzten Jahren (1865 und 1866) entnommene, Angaben werden über die Schwankungen im Stande des Grund- wassers und ihre Beziehungen zum Rheinstand einigen Auf- schluss geben. Bevor ich jedoch diese bringe, erlaube ich mir, nach den mir vom Tit. Baukollegium gef. zur Benützung über- *) Bei etwas hohem Grundwasserstand wird daher im Klein- Basler-Areal und ebenso im Birsigthal in den tiefern Kellern und Griengruben das Grundwasser zu Tage treten, wie man gegen- wärtig (März 1866) in der ca. 25 Fuss tiefen Griengrube unweit Klein-Riehen sehen kann. Es ist das nicht etwa bloss zusammen- gelaufenes Regenwasser, sondern das wahre Grundwasser. lassenen Pegeltabellen, die daraus für die Jahre 1864 bis 1866 berechneten mittlern Pegelstände vorzuführen. Der mittlere Rheinstand betrug im Jahr 1864: 5 Fuss. > > > » » > n.1869;,: 41973 > > > » > > 1860 : 6 > Der allgemeine mittlere Pegelstand des Rheins betrug laut den Mittheilungen des Herrn Rathsherrn P.Merian nach einer fünfzigjährigen Beobachtungsreihe von 1809 bis 1858 im Durchschnittt 6% Fuss über dem Nullpunkt des Rheinpegels. Der mittlere Rheinstand vom Jahre 1864 sank also { Fuss, der des trockenen Jahres 1865 sogar 1%, Fuss unter das allgemeine Mittel, während 1866 dem letztern nahe kam. | Berechnen wir die mittlern Pegelstände der einzelnen Monate, so bekommen wir den tiefsten Stand für: 1864 im Januar, Februar, November u. December mit 92.92 1865 > > » » » » 2— 3° 1866 « » > 5 à DE und den höchsten Stand für: 1864 im Mai, Juni, Juli und August mit 1—8 ‘ 1865 >» FE Mai, » » > > b— 7‘ 1866 > Mai, Juni, Juli, August u. September mit 7—9‘ B. Stand des Grundwassers in den Sodbrunnen über der Brunnsohle. I. Gross -Basel. 1866. Einmalige Messungen wurden an 25 Sodbrun- nen gemacht in den Monaten Januar, März, Mai, Juli, August, October und December. Ueber der h Brunnsohle. Tiefster Stand des Grundwassers Ende Januar: 1-3 Höchster » » » » August: 3—7‘ 136 Unterschied zwischen dem tiefsten und höchsten Stand bei den einzelnen Brunnen 2 bis 4, also durchschnittlich nicht mehr als 3 Fuss, während zu derselben Zeit der Unter- schied zwischen dem tiefsten und höchsten Rheinstand 9—2 also 7 Fuss betrug. Es ist wohl ein Zufall, wenn in diesem Beobacktungs- jahr selbst hier auf der Gross-Basler-Seite, die sich sonst vom Rheinstand weniger abhängig zeigt, der höchste Brunnenstand mit dem höchsten Rheinstand, der tiefste mit dem tiefsten, der mittlere mit dem mittlern, wenig- stens an den Messungstagen, an denen der gleichzeitige Rheinstand notirt wurde, zusammenfallen. Im Allgemeinen ' müssen sich allerdings die beiden Wasserstände des Rheins und des Grundwassers entsprechen, insofern beide von nassen oder trockenen Jahrgängen abhängig sind. Im Einzelnen wird sich aber, z. B. bei niedrigem Grundwasser ein hoher Rhein auch in der kleinen Stadt nur langsam, in der grossen Stadt fast gar nicht in jenem bemerkbar machen, und umgekehrt ein hoher Grundwasserstand nur am bei anhaltend niedrigem Rhein und anhaltender Tröckne, abnehmen. Ueber ist auch bei obigen Messungen dem niedri- gen Grundwasserstand Ende Januar ein monatelanger niedriger Rheinstand, dem hohen Stand Ende August ein monatelanger hoher Blei nstand vorausgegangen. II. Klein - Basel. 1865. Einmalige Messungen wurden an 18 Sodbrun- nen in den Monaten Februar, April, Juni, Juli, September, October, November und December ausgeführt. = : Fe Ueber der Brunnsohle. Tiefster Stand des Grundwassers Ende Februar 1— 5‘ Höchster >» » » Anfang Septbr. 6—10° 137 Unterschied zwischen dem höchsten und tiefsten Stand bei den einzelnen Brunnen bloss 2 bis 5, also durchschnittlich 3 Fuss, während der Unterschied zwischen dem tiefsten und höchsten Rheinstand gleichzeitig 7”—2=5 Fuss be- trug. Auch hier sind die Differenzen zwischen Maximum und Minimum beim Grundwasser geringer als beim Rhein, dessen Höhe natürlich viel stärkern und raschern Schwan- kungen ausgesetzt ist. Im Allgemeinen zeigte das Grund- wasser in diesem ausnahmsweise trockenen Jahre einen sehr tiefen Stand. Schade dass die Brunnmessungen nicht gleichzeitig auch in dem wasserärmern Gross-Basel begonnen hatten. Jedenfalls folgte das Grundwasser dem Steigen und Fallen des Rheins in Klein-Basel rascher als in der grossen Stadt, und rascher in den nahe am Rhein gelegenen, als in den davon entfernten Brunnen. 1866. Einmalige Messungen wurden an denselben 18 Brunnen, wie 1865, in den Monaten Mai, Juli, August, October und December vorgenommen. Ueber der Brunnsohle. Tiefster Stand des Grundwassers Ende October 3a Höchster » >» > » August 6—12’ Unterschied zwischen dem höchsten und tiefsten Stand bei den einzelnen Brunnen 2 bis 6, also durchschnittlich 4 Fuss, während zu derselben Zeit der Unterschied zwi- schen dem tiefsten und höchsten Rheinstand 9—3=6 Fuss betrug. Wir sehen aber auch hier wieder, dass das Grundwasser kleinern Schwankungen, als der Rheinstand, unterworfen ist, um so geringeren Schwankungen, je weiter dasselbe vom Rhein entfernt liest. So betragen z.B. die Unterschiede zwischen Maximum und Minimum des Wasser- standes bei den Brunnen an der Klybeck- und Grenzacher- Strasse 5 bis 6, beim Hirzbrunnen bloss 2 bis 3 Fuss. ‘ Der Einfluss des Rheines auf den Wasserstand der dem 138 Rhein genäherten Brunnen tritt in den Falkner’schen Ta- bellen deutlich hervor. Wenn in Klein-Basel, das viel tiefer liegt als Gross- Basel, sowohl 1865 als 1866, der niedrigste Stand des Grundwassers mit dem niedrigsten Rheinstand, sowie der höchste mit dem höchsten zusammenfiel, nach den an den Messungstagen notirten Pegelständen, so wird dieses Zu- sammentreffen bei aller Zufälligkeit, die in der Wahl der Beobachtungstage lag, hier noch weniger, als in Gross- Basel befremden. Das Zusammenklappen erklärt sich sehr einfach, wenn wir sehen, dass die an den Messungstagen notirten Pegelstände zufällig dem mittlern Pegelstand des jeweilen vorangegangenen Monats sehr nahe kamen. Vergleichung der Wasserstände. Vergleichen wir den tiefsten Wasserstand des Grund- wassers in Klein-Basel vom Jahr 1865 mit demjenigen von . 1866, so finden wir in dem letztern, an Regen ziemlich reichen Jahre, bereits eine merkliche Zunahme gegenüber dem trockenen Jahre 1865. 1865 betrug der tiefste Stand durchschnittlich 3° 1866 > » > » » x über den Brunnsohlen, folglich ergibt sich eine Zunahme von 2 Fuss. Ein ähnlicher Unterschied würde sich ohne Zweifel auch für die Brunnstände der grossen Stadt zwischen den Jahren 1865 und 1866 ergeben, wenn hier die Brunn- messungen gleichfalls schon 1865 begonnen hätten. Vergleichen wir ferner die durchschnittliche Wasser- menge der Brunnen der grossen mit derjenigen der kleinen Stadt. Tiefster , Höchster, Mittlerer Stand. In Gross-Basel D 5 32° in Klein-Basel Dr 94 78 139 so erhalten wir, wenigstens für das Beobachtungsjahr 1866 für Klein-Basel einen doppelt so hohen Stand, als für Gross-Basel. Ein ähnlicher, wenn auch etwas schwächerer, Ueberschuss wurde nach den einmaligen Messungen vom Januar 1867 bereits oben hervorgehoben. Die Temperatur des Grundwassers war, so weit die mit den Brunnmessungen gleichzeitig notirten Thermo- meterbestände reichten, im Jahr 1866 auch zu verschiede- nen Jahreszeiten nur geringen Variationen ausgesetzt, die sich, mit wenigen Ausnahmen, zwischen 8 und 9° R. be- wegten, sowohl in der grossen als in der kleinen Stadt. Dagegen betrugen für das Jahr 1865 die Unterschiede in der Temperatur der Sodbrunnen der kleinen Stadt bedeu- tend mehr, nämlich 6°, indem die Temperatur zwischen 6 und 12° R. schwankte, während die gleichzeitig notir- ten Lufttemperaturen sowohl 1865 als 1866 Differenzen von 15° R. darboten. | Im Ganzen zeigt also das Grundwasser eine der mitt- lern Jahrestemperatur von circa 8° R. (genauer 7,6°) sehr _genäherte Durchschnittswärme. Die Zuflüsse des Grundwassers. A. Der Rhein. Die Beziehungen zwischen dem Stand des Grundwassers und dem Stand des Rheinpegels sind nicht so einfach, als es auf den ersten Anblick scheinen mag. Die von vielen Brunnenbesitzern und andern, sonst einsichtsvollen, Männern getheilte Ansicht, als ob nur die Wiese und ihre Abzweigungen das Grundwasser in Klein- Basel speisten und der Rhein fast keinen Einfluss auf dessen Stand ausübe, ist doch nicht ganz richtig, wie wir sofort zeigen werden, obgleich wir gerne zugeben, dass 140 die Wiese den Hauptantheil an der Speisung des Grund- wassers liefert. Der Boden der meisten Sodbrunnen in KI. Basel liest in einer Höhe von 1 bis 10 Fuss, also im Durch- schnitt 5 Fuss über dem Nullpunkt des Rheinpegels. Der Unterschied zwischen der Höhe des Rheins am Pegel bei der Rheinbrücke, mit einem Wasserstand von 3 Fuss über dem Nullpunkt des Pegels, und derjenigen beim Grenzacher Zolihaus, mit 11 Fuss, beträgt ungefähr 8 Fuss, folglich die mittlere Rheinhöhe zwischen der Rheinbrücke und dem Grenzacher Horn, bei 3 Fuss Pegelstand an der Rhein- .brücke, mindestens 7 Fuss über dem Nullpunkt des Pegels. Der Rhein erreichte aber gerade in den beiden letzten Jahren, während denen die Brunnmessungen stattfanden, selbst im trockenen Jahre 1865, mehrmals eine Höhe von 7 bis 9 Fuss am Pegel der Rheinbrücke,*) also 5 Fuss mehr, als der vorhin angenommene Pegelstand von 3 Fuss, folglich würde dann bei diesem höhern Pegelstand die mittlere Rheinhöhe zwischen unserer Rheinbrücke und dem Grenzacher Horn statt 7: 7 + 5 = 12 Fuss betragen, d.h. also 7 Fuss über dem Boden der Klein-Basler Sod- brunnen stehen, in denen der Wasserstand in der Regel auf 3 bis 7 Fuss über der Brunnensohle, im Durchschnitt also auf 5 Fuss ansteigt. Bei einem mittleren Stand des Grundwassers in Klein- Basel, mit einem Wasserspiegel von 5 Fuss Höhe über den Brunnsohlen, würde der Rheinspiegel des auf 7—9 Fuss Pegelhöhe angeschwollenen Stromes bereits 2 Fuss über dem Grundwasser zu stehen kommen; bei einem Brunnen- stand aber von blos 1—3, also durchschnittlich blos 2 Fuss Wasser, wie es längere Zeit hindurch beobachtet *, In den Monaten Mai, Juni, Juli. August und September des v.J. 1866 betrug die mittlere Pegelhöhe des Rheines fortwährend 7 bis 9 Fuss, 141 wurde, würde der Rheinspiegel 5 Fuss über dem Grund ‚wasser stehen. | Eine Infiltration des Rheinwassers in die Geröllablagerungen des Klein-Basler-Areals und hiemit in seine Sodbrunnen muss hiemit schon bei einem mittlern, noch mehr. bei einem höhern Pegelstand des Rheines stattfinden , insbesondere wenn der höhere Rhein- stand mit einem niedrigen Stand des Grundwassers zu- sammentrifft. Je mehr der Spiegel des Rheins denjenigen des Grund- wassers überragt, desto stärker wird das Rheinwasser durch das lockere Gerölle landeinwärts drängen. Das bisher tiefer gelegene Grundwasser wird demnach zurück- gedrängt werden und seine Strömung eine rückgängige Bewegung landeinwärts machen. Zugleich wird das von einer grössern Hôhe zum Grundwasser durchsickernde Wiesenwasser aufgestaut werden. Diese rückgängige Bewegung und Aufstauung des Grundwassers wird sich natürlich in den dem Rhein nächst gelegenen Stadt- theilen am schnellsten und stärksten bemerkbar machen, daher sehen wir in den hier gelegenen Sodbrunnen den Wasserspiegel fast gleichzeitig mit dem Rhein steigen und fallen, während in den vom Rhein entferntern Brunnen dieselben Schwankungen sich natürlich erst später und schwächer bemerkbar machen. Die von Herrn Geometer Falkner nach seinen Brunnmessungen ausge- führten Tabellen liefern hiezu zahlreiche Belege.*) - In der Nähe des Rheines wird also bei hohem Rhein- stand und tiefem Grundwasserstand der Spiegel des Grund- wassers statt einer auswärts gehenden (convexen), eine abwärts gehende (concave) Curve darstellen, die erst weiter *) Diese Tabellen finden sich in den Händen des T. Sanitäts- und Baucollegiums. 142 vom Rheine weg, wo der Boden höher ansteigt, wieder in die vorherrschende convexe Krümmung übergeht. Da natürlich, auch bei hohem Rheinstand, das Rhein- wasser eine Zeitlang braucht, um seitlich in den Geröll- boden einzudringen, und das Grundwasser wieder, um bei niederm Rhein abzufliessen, so ist bei den vom Rhein ent- fernter liegenden Brunnen nicht zu erwarten, dass ihre Wasserstände mit dem Rheinstand gleichen Schritt halten. Sie werden vielmehr jeweilen einige Zeit nachhinken, gerade wie die Sommerwärme bei den tiefern Quellen sich erst gegen den Winter, die Winterkälte gegen den Sommer hin bemerkbar macht. So hält, um einige Beispiele anzuführen, bei den Sod- brunnen an der Rheingasse (z. B. beim Gesellschaftshaus) der Wasserstand mit dem Rheinstand gleichen Schritt und betragen die Abweichungen blos 1—2 Fuss Unterschied, während sie in der Bierbrauerei zum Greifen 3, an der Utengasse 5, bei St. Theodor 4 Fuss u.s.w. betragen. An der Grenzacher-Strasse, also nahe dem Rhein, betragen wieder die Abweichungen von dem regelmässigen Abstand zwischen Rhein- und Brunnenniveau nur 1—2 Fuss, wie an der Rheingasse. Die Brunnböden in Gross-Basel (mit alleiniger Aus- nahme derjenigen in der St. Johann-Vorstadt und Umge- bungen) halten sich in so bedeutender Höhe über dem mittlern Rheinstand, dass hier an eine seitliche Infiltration oder Speisung vom Rhein her nicht zu denken ist. Auf der Gross-Basler Seite wird also, auch bei höherm Rheinstand ein regelmässiger Abfluss des Grundwassers nach dem Rheinbett (und theilweise auch dem Birsigbett) siattfinden, während in Klein- Basel, bei wechselndem Rheinstande, ein, Fluth und Ebbe ähnliches, Ab- und Zuströmen des Grundwassers Platz greifen muss. Oertliche Verunreinigungen des Grundwassers 143 1 werden also bei niedrigem Rheinstande vorzugsweise dem Rhein zu sich bewegen, bei wachsendem Rhein aber mit dem ganzen Grundwasser wieder zurückgestaut werden, mithin hin und her wogen und nach verschiedenen Rich- tungen hin sich seitlich verbreiten können. Es wird also eine ähnliche Hin- und Herbewegung, ein wechselndes Abfliessen und Rückstauen stattfinden, wie wir das bei dem Abfluss des Birsigs in den Rhein wahrnehmen. Dabei darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass auch bei weniger hohem Rheinstand, durch das seitliche Eindringen des Rheinwassers in die untern Geröllschichten bei tieferem Grundwasserstand, das von einem bedeutend höhern Niveau dem Klein -Basler Grundwasser zufliessende Wiesenwasser aufgestaut werden muss und sich gewisser- maassen über der vom Rhein herkommenden tiefern Wasserschicht vorübergehend auflagern wird. Dasselbe gilt natürlich auch von dem Grundwasser in Gross-Basel, über dessen ältere und tiefere Schichten, durch Infiltra- tion der Tagwasser von oben, sich gleichfalls eine jüngere, bald kältere, bald wärmere Wasserschicht fortwährend ansammeln wird. Vielfältige locale Ursachen, vielleicht auch Temperatur- unterschiede, sowie die mehr oder minder sandige oder lockere Beschaffenheit der Geröllmassen, werden die Ver- mengung des obern mit dem untern Grundwasser bald beschleunigen, bald hemmen, wenn gleich anzunehmen ist, dass die Temperaturunterschiede bei der langsamen Be- wegung des Wassers durch die Geröllschicht grossentheils sich schon früher ausgleichen werden. Wir sehen demnach, dass mannigfache kleinere Bewegungen des Grundwassers stattfinden müssen, nicht nur abwärts und seitwärts, sondern auch bei tieferm Stand des Grundwassers, durch die Kapillarität, aufwärts, was namentlich leicht an den reichlich mit Sand gemengten 144 Stellen unserer Gerölllager von. statten gehen wird. Nur auf diesem Wege lässt sich die Erhaltung der Bäume in unserm lockern Kiesboden, bei anhaltender Dürre und tiefem Stand des Grundwassers erklären. Denn nur in. seltenern Fällen werden die Wurzelenden die Wasserschicht selbst erreichen. Die Speisung des Grundwassers rührt, dem Bis- herigen zufolge, nur theilweise, für die grosse Stadt zum kleinsten Theil, von der seitlichen Infiltration des Rheinwassers her. Wir müssen uns daher nach höher gelegenen Zuflüssen umsehen. B. Birs, Birsig und Wiese. Es bedarf wohl keiner nähern Auseinandersetzung, dass Birs und Birsig auf der Gross-Basler, und Wiese auf der Klein-Basler Seite, mit ihren zahl- reichen Seitenkanälen, den sog. Teichen, und den kleinern damit zusammenhängenden Wassergräben, deren Böden und Seiten nichts weniger als überall wasser- dicht sind, den Hauptantheil zur Speisung des Grundwassers beitragen. Für das Areal von Klein- Basel ist diess in bezug auf die Wiese und ihre Seiten- ' kanäle, deren Gewässer das Niveau der Brunnböden der kleinen Stadt um 10 bis 30 Fuss überragen, fast allgemein anerkannt. Nur für die Seitenkanäle will man diese An- nahme nicht überall gelten lassen und glaubt, dass die Kanalbetten, in Folge einer fortschreitenden Verschlam- mung, wenig oder kein Wasser durchlassen. Dasselbe müsste aber auch für unsere corrigirten Flussbetten gelten. Ein Blick aber auf die Falkner’schen Tabellen zeigt, wie fast überall in der Nähe der Teiche in Klein-Basel der Wasserspiegel der Sodbrunnen einen höhern Stand ein- 145 nimmt. Die Beschaffenheit des Bodens ist jedenfalls hie- bei von Einfluss. Auf der Gross-Basler Seite liegen zwar die Flussbetten der Birs und des Birsigs bereits so tief, und bei letzterm der Lettschicht so nahe, dass eine Infiltration ihrer Ge- wässer sich nur in ihrer Nähe seitlich ausbreiten und nur die tiefsten Gerölllager erreichen kann. Dass diess aber der Fall ist, ersahen wir aus der von der alten Gasfabrik vor dem Steinenthor ausgehenden Infection der Sodbrunnen der dortigen Vorstadt. Höher liegen aber bereits ihre Seitenkanäle, schon der St. Alban-Teich, der freilich fast ausserhalb des Stadtrayons liest, noch mehr aber der Rümmelinbach (sog. Hinterer Bach, beim Steinenthor), dessen Wasser sehr wahrscheinlich einen anschnlichen Zu- fluss zu der Speisung der benachbarten Sod- und Loch- brunnen, und zwar durchaus nicht zum Nachtheil der betreffenden Eigenthümer, liefert, wenn gleich der stricte Beweis des Zusammenhangs vor Gericht schwer beizu- bringen wäre. Auch die chemische Analyse des Wassers mehrerer dieser Brunnen, die sich durch ungewöhnliche Reinheit vor den andern Gross-Basler Sodbrunnen aus- zeichnen, spricht, so wenig man sonst von der Reinlich- keit dieses Bachwassers rühmen hört, für die genannte Vermuthung. C. Hügel zu beiden Seiten des Rheinthales. Erst in zweiter Linie sind auch die Hügel zu beiden Seiten des Rheinthales anzuführen, welche, ausser den nach der Stadt geleiteten Quellwassern, eine Anzahl, grossentheils verborgener Quellen, deren Fassung noch nicht gelungen ist, den Geröllmassen des Rheinthales und hiemit auch unserm Grundwasser zu- senden. 10 zu Hiezu gehören die aus tertiärem Letten und Sandstein bestehenden, mit diluvialem Geröll, Löss und Lehm be- deckten Hügel, südlich von Basel, ob den Gundeldingen, Holee, Neubad u.s.w. Auf der Klein-Basler Seite fällt der ‘gleichfalls aus tertiirem Letten bestehende und mit einer ansehnlichen Schichtenfolge von weissen Süsswasserkalken bedeckte Tüllinger- Berg und jenseits der Wiese der an seiner Basis gleichfalls Letten führende, aus Muschelkalk bestehende Dinkelberg (mit St. Crischona und Grenzacher Horn) in unsern Bereich. Das Grundwasser von Klein- Basel wird also, ausser dem vorherrschenden sehr reinen Wiesenwasser, zum kleinern Theil auch von kalkführenden . Wassern dieser Anhöhen gespeist. Daher wohl zum Theil sein schwacher Kalkgehalt. D. Atmosphärische Niederschläge. Endlich sind es die atmosphärischen Nieder- schläge, Schnee und Regen, welche direct auf das Areal unserer Stadt und ihrer Umgebungen niederfallen und hie- durch einen, wiewohl nur unbedeutenden Zuwachs von Feuchtigkeit für unser Grundwasser liefern. Innert- halb unserer Stadt wird weitaus der grösste Theñ des Regen- und Schneewassers durch die bekannten, unter unsern Strassen laufenden, Abzugscanäle direct dem Birsig und Rhein zugeführt, läuft also oberflächlich ab. Ausser- halb der .Stadt wird das Meiste von der, freilich nur dünnen, Humusdecke der Ackererde aufgesogen, während ein grosser Theil wieder verdunstet. In der That sieht man in unsern Griengruben, wie auch nach längerm Regen- . wetter die Feuchtigkeit nur sehr langsam von Oben her durch die Ackererde in die Sand- und Kiesschichten eindringt. Aber auch diese schwache Durchfeuchtung des Bodens von Oben wird dazu beitragen, das kapillare Aufsteigen des 147 Grundwassers durch die Gerölllager und hiemit die gänz- liche Austrocknung desselben an manchen Orten zu hem- men. — Was durch die Cisternen und durch die Lücken in den mangelhaft ausgeführten Abzugscanälen dem Grund- wasser an atmosphärischen Niederschlägen zugeführt wird, trägt zu seiner Vermehrung gewiss so viel wie nichts bei. Dasselbe ist mit dem Abwasser unserer laufenden Brunnen der Fall. | Es wäre gut, wenn unser Grundwaser von keinen andern, als den bisher aufgeführten, Zuflüssen gespeist. würde. Unsere Sod- und Lochbrunnen würden sich noch desselben Zuspruches, wie ehedem, erfreuen und man würde das Wasser von manchen derselben, namentlich im Sommer, wegen seiner kältern Temperatur und ihres recenten Geschmackes, jetzt noch dem Wasser unserer laufenden Brunnen vorziehen, das auf seinem langen Wege durch die Leitungen einen Theil seiner Frische ver- liert. Mehrere unserer öffentlichen Loch- und Sodbrunnen, . wie derjenige beim Stadthaus und am Gerberberg, waren früher zu gewissen Tageszeiten von Wasserholenden förm- lich belagert und sind auch jetzt noch beliebt. Auch der mässige Gehalt an Salzen und organischen Substanzen wurde von dem einmal daran gewöhnten Gaumen gerne mit in den Kauf genommen, nnd um so lieber, als das kleine Plus von Kohlensäure gegenüber den andern Brunnwassern den Geschmack verbesserte. Viel reinere Brunnwasser mussten fade dagegen erscheinen. Ohne Zweifel verdankt das in den Sod- und Lochbrunnen geschöpfte Grundwasser seinen kleinen Kohlensäuregehalt der Zusetzung der organischen Substanzen selbst, deren Kohlen- stoff im Contact mit den in den Geröllen reichlich ver- breiteten Eisenoxyden sich mit einem Theile ihres Sauer- stoffes zu Kohlensäure verbindet. 148 FE. Verunreinigungen des Grundwassers. Ein kleiner Gehalt an organischen Substanzen, wenn diese nicht von ganz besonderer, ich möchte sagen, giftiger Beschaffenheit sind, wie das ausnahmsweise vorkommen mag, wirkt daher in den Trinkwassern weder störend für den Geschmack, noch schädlich für die Gesundheit. Alle unsere Brunn- und Quellwasser, sowohl die aus den Um- gebungen der Stadt hergeleiteten, als auch die dem Grund- wasser unseres eigenen Bodens entnommenen, enthalten organische Substanzen. Seitdem aber in Folge der wachsenden Bevölkerung in unserer Stadt, sowie in vielen andern Städten Europas, in den letzten zwanzig Jahren durch die Ausflüsse der Abtritte, Düngergruben, Cisternen und der nichts weniger als wasserdichten Dohlen, unser Grundwasser an so vielen Orten der Stadt eine zunehmende Ver- unreinigung erlitten hat, seitdem hat der Gehalt an schädlichen, besonders organischen Substanzen, so zu - genommen, dass das Wasser mancher früher beliebter Sod- und Lochbrunnen in Misscredit gerathen ist und man vor seinem Gebrauch als Trinkwasser, insbesondere in Zeiten von Epidemien, warnen muss. Nicht minder haben die Ausflüsse chemischer Gewerbe, unter anderm vor einigen Jahren die der alten Gasfabrike vor dem Steinenthor, in jüngster Zeit namentlich die der Anilinfarb fabriken in Klein-Basel und dessen Umgebungen, zur Verschlech- terung unseres Grundwassers beigetragen. Namentlich ist es die Vergiftung des Bodens und Grundwassers durch die arsenikreichen Ab- fälle der Anilinfabriken am Riehenteich, welche unsere hohe Sanitätsbehörde in den letzten Jahren an- selegentlich beschäftigt und eine Reihe umfassender Ex- pertisen, besonders von chemischer Seite, veranlasst hat. 149 Nicht nur unsere hiesigen Chemiker, die HH. Prof. Schönbein und Dr.Goppelsröder, sondern auch auswärtige, die als Experten hieher berufen worden, worunter die HH. Prof. M.v. Pettenkofer in München und Prof. v. Fehling in Stutt- gart, haben genaue Untersuchungen über diese wichtige Frage angestellt und ihre Ansichten und Rathschläge unsern hohen Behörden in besondern Gutachten vorgelegt. Insbesondere sind es die sehr zahlreichen und sorg- fältigen Analysen unseres Staatschemikers, Herrn Dr. F. Goppelsröder, über die von den Anilinfabriken mit Arsenik inficirten Sodbrunnen und Erdschichten, welche Licht in dieser schwierigen und misslichen Frage verbreitet haben. Es hat sich aus den bisherigen Untersuchungen herausgestellt, dass nur die in den nächsten Umgebungen der Anilinfabriken gelegenen Sodbrunnen eine wesentliche Infection von Arsenik, verbunden mit schädlichen Folgen für die Gesundheit der davon Trinkenden, zeigten, in etwas grösserer Entfernung aber nur Spuren nachzuweisen waren, die sich seitdem wieder verloren haben. Der Ver- breitungsheerd war also ein sehr beschränkter. Anders verhält es sich mit den durch Abtrittgruben, Cisternen, Dohlen u. dgl. verursachten Verun- reinigungen unseres Grundwassers, die natürlich eine viel grössere Verbreitung gefunden haben, indem diese zwar minder gefährlichen, immerhin sehr bedenk- lichen, Infectionsheerde über die ganze Stadt zahlreich verbreitet sind. In sehr vielen Häusern, Höfen und Gärten unserer Stadt steht jetzt noch, und zwar nicht nur bei ältern Gebäuden, sondern auch bei neuern Anlagen, die Abtrittgrube oder die das Küchenwasser aufzunehmende Cisterne in nächster Nähe bei dem Pumpbrunnen, als ob Beide einander nichts angiengen. Wer will sich unter solchen Umständen verwundern, wenn über Verunreinigung, über Trübung, schlechten Geruch und Geschmack des 150 Wassers mancher unserer Sodbrunnen in neuerer Zeit immer häufiger Klagen laut werden. Die Cisternen sollten eigentlich nur dem Regenwasser und dem Abwasser laufen- der Brunnen Abfluss verschaffen, und nicht auch dem Wasch- und Küchenwasser. Dass die meisten Dohlen und Abtrittgruben nicht wasserdicht sind, ist allgemein bekannt. Hoffentlich wird diesem Uebelstand nun allmählig Abhülfe verschafit werden, wozu die neuen aus Cement ausgeführ- ten Agden ein vielversprechender Anfang sind, obwohl sie gleichfalls der Corrosion durch die unreinen Flüssig- keiten unterliegen. *) Dass die Gottesäcker, meines Dafürhaltens, einen wahrhaft verschwindend kleinen Antheil an der Verunreinigung des Grundwassers haben, hatte ich schon mehrmals Gegelegenheit, in den unsern hohen städtischen und sanitarischen Behörden unterbreiteten Gut- achten auszusprechen. Es gereichte mir zur Befriedigung zu sehen, dass eine so hohe Autorität auf diesem Gebiet, wie . Prof.M. v. Pettenkofer in München, gleicher Ansicht ist. Da- gegen sah ich mich genöthigt, bei diesem Anlass um so mehr den schädlichen Einfluss der Dohlen, Abtritte u. s. w. auf unser Grundwasser zu betonen. Herr Dr. Goppelsröder hat ausserdem in den letzten Jahren eine grosse Anzahl sorgfältiger Analysen unserer Brunn- und Flusswasser ausgeführt und *) Sollte nicht eine innere Verkleidung oder Imprägnation solcher Cementröhren mit asphalt- oder theerartigen Stoffen, die bekanntlich den meisten chemischen Agenzien widerstehen, mög- lich sein ? Ich kann nicht umhin, der vortrefflichen Schrift des -Herrn A. Bürkli, städtischen Ingenieurs in Zürich, zu gedenken, die vori- ses Jahr erschienen ist, unter dem Titel: » Ueber Anlage städti- scher Abzugskanäle und Behandlung der Abfälle aus Städten« —, die vielfältigen Aufschluss über diese Fragen gibt. 151 das Ergebniss derselben in einer Reihe übersichtlicher - Tabellen zusammengestellt. Derselbe hat die Resultate dieser umfangreichen Arbeiten bereits im Frühjahr 1866 der medizinischen Gesellschaft hier und im Sommer der chemischen Section der schweizerischen. Naturforscher- versammlung in Neuchätel, sowie am Anfang des jetzigen Jahres (1867) unserer naturforschenden Gesellschaft vor- selegt und gedenkt sie demnächst im Druck zu veröftent- lichen. Es kann natürlich nicht meine Absicht sein, auf den Inhalt dieser interessanten Schrift hier näher einzutreten. Ich muss das ihrem Urheber überlassen. Ich werde mir bloss erlauben, einige Data aus derselben, die ich den mir von Herrn Dr. Goppelsröder freundlichst zur Benützung über- lassenen Tabellen entnommen habe, herauszuheben, inso- fern sie mit dem von mir behandelten Gegenstand, dem - Grundwasser, in näherer Beziehung stehen. | Die ziemlich zahlreichen, von benachbarten Ställen oder Abtrittgruben nachweislich verunreinigten Sodbrunnen- wasser der grossen und kleinen Stadt, in denen die Ver- unreinigung schon durch die Farbe, durch Geruch und Geschmack erkennbar ist, übergehe ich hier, als von bloss localer Bedeutung, mit Sn Dagegen nen die Lochbrunnen, von welchen kein kleiner Theil unserer Einwohnerschaft ie Wasser- bedarf holt, unsere nähere Beachtung, indem mehrere derselben, wie Gerberbrunnen, Postbrunnen (beim Stadt- haus) und Sattelgassbrunnen, ja selbst die verhältnissmässig sehr reine Goldquelle, beim ehemaligen Steinenthor, nach den in.den. Jahren 1865 und 1866 ausgeführten Analysen, schon in der kurzen Frist eines halben Jahres eine zu- nehmende Verunreiniguug durch feste und organische Substanzen zeigten, die man grossentheils den genannten _Infectionen zuschreiben muss. Ebenso ist natürlich im 192 gleicher Zeit der Gehalt an festen und organischen Be- standtheilen bei vielen Sodbrunnenwassern gestiegen, die ja demselben Grundwasser, wie die Lochbrunnen, ent- stammen. Schade, dass so wenig Analysen von diesen Wassern aus frühern Jahren vorhanden sind, es würde sich noch eine stärkere Verunreinigung herausstellen. Wir dürfen jedoch den localen, durch Dohlen und Abtritte herbeigeführten, Infectionen nicht alle Verunrei- nigungen zuschieben, welche unser Grundwasser betroffen haben. Durch eine Reihe von Jahren jährlich wiederholte Analysen derselben Brunnwasser, selbst solcher, die keiner- lei locale Infection verrathen, würden sicher nicht unbe- trächtliche Schwankungen des Gehaltes an festen und organischen Bestandtheilen ergeben. In trockenen Jahren (wie das Jahr 1865) nimmt die Menge des Grundwassers ab und ihr Gehalt an fremdartigen, im Boden verbreiteten, Stofien natürlich zu. Bei der bedeutend geringern Wasser- masse des Grundwassers nach anhaltender Tröckne, durch Sommer und Winter, werden auch geringere Infectionen, von den gleichmässig im Boden unserer Stadt verbreiteten Unreinigkeiten, sich viel stärker bemerkbar machen. Wir bekommen dann statt des ziemlich reinen Grundwassers eine verhältnissmässig concentrirte Lauge, die wenig- stens als Trinkwasser nicht mehr angenehm schmecken wird. Dieser Fall trat ohne Zweifel auch nach dem trocke- nen Sommer und Winter von 1865 auf 1866 ein, in Folge dessen, wie aus den Tabellen des Herrn Falkner hervor- gcht, das Grundwasser auf einen ungewöhnlich tiefen Stand reducirt wurde, während gleichzeitig aus den zahl- reichen Analysen des Herrn Dr. Goppelsröder eine beträcht- liche Vermehrung ihres Gehaltes an festen Stoffen um 20 bis 30 % hervorgeht. In der Regel wächst die Gesammtmenge an festen Stoffen mit dem Gehalt an organischen Substanzen. 453 So betrug, um einige Beispiele anzuführen, der Ge- halt an festen Bestandtheilen in 1000 Theilen Wasser beim Lochbrunnen am Stadthaus Nov. 1865: 0,73 Theile > > » > Jun 1800 7 0a » » in der Sattelgasse Nov. 1865: 1,14 » > > > > Juni 1866: 1,54 > » > am Petersberg Dec. 1865: 0,80 > » > > > Juni 1866: 0,84 > > > » Gerberberg Juni 1861: 0,75 > > > > > Nov 18693 2292 > > > > Juni 1866: 1,29 > » Kornmarkt-Lochbrunnen Nov. 1865: 1,13 > > os > März 1861: 1,00 > worunter 0,2 — 0,3 Theile organische Substanzen.*) Beim Gerberbrunnen betrug daher die Zunahme der festen Theile von 1861 bis 1865 mehr als 60%, dagegen fand dann 1866 nicht wie bei den andern Lochbrunnen eine weitere Zunahme statt. Ohne Zweifel waren hier starke locale Infectionen mit im Spiel, stärker als bei den andern Loch- brunnen. In einem noch weit stärkern Verhältniss wuchs der Gehalt an organischen Stoifen bei allen diesen Loch- brunnen. Man sieht also, wie erst wiederholte Analysen derselben Brunnen und zwar nicht nur beim Grund- wasser, sondern auch beim zugeleiteten Quellwasser, uns über den wechselnden Gehalt dieser Wasser Aufschluss geben können. Der niedrige Stand des Grundwassers scheint also, nach den vorliegenden Tabellen, abgesehen von den localen Infectionen, in einem bestimmten Verhältniss zu der Menge an festen und organischen Be- standtheilen zu stehen und zwar so, dass im All- *) Bei der Aufführung der organischen Substanzen sind ihre steten Begleiter die Nitrate und die Nitrite, soweit sie bei der Rothgluth verflüchtigt werden, also Salpetersäure und salpetrigte Säure, inbegriffen. E73 gemeinen je tiefer der Stand des Grundwassers, desto höher sein Gehalt an solchen Bestandtheilen ausfällt. Es ist hier wohl der Ort, wenn auch nur im Vorbei- gehen, der weitern Beziehungen zu gedenken, in denen der Stand des Grundwassers, nach den. eingehenden Forschungen der HH.Prof. M. v. Pettenkofer, Buhl und anderer, zu dem Auftreten der Cholera und des Typhus steht. Die in unserer Stadt während der Typhus- Epidemie von 1865 auf 1866 gemachten Beobachtungen sind ganz geeignet, die von Herrn v. Pettenkofer aufge- stellten Ansichten zu bestätigen, indem das Auftreten der Epidemie mit dem ausnahmsweise tiefen Stand des Grund- wassers in unserer Stadt vollständig zusammenfällt. Ob nun die fauligen, vom Wasser nicht mehr gedeckten, Aus- dünstungen des Bodens, wie Herr v. Pettenkofer annimmt, oder der unmittelbare Genuss des decimirten mit unreinen Stoffen überladenen Grundwassers, wie andere meinen, die Entstehung oder Verbreitung von Typhus und Cholera ver-- anlassen, darüber sind die Fachleute selbst noch nicht einig. Nur so viel scheint mir, nach den zahlreichen bis- her gesammelten Erfahrungen aus den verschiedensten Städten hervorzugehen, dass, wenn die Verunreinigung des Brunnwassers durch organische und andere Sub- stanzen, namentlich durch locale Infectionen aus Cisternen, Ställen und Abtritten — der chemischen Gewerbe nicht zu gedenken — einen gewissen — freilich schwierig näher zu bestimmenden — Grad erreicht, der Genuss desselben als Trinkwasser schädlich wirken kann, womit auch Herr Prof. Pettenkofer vollständig einverstanden ist. Wir könnten auch annehmen, dass stärkere Verunreinigungen des Grundwassers und der Brunnen durch organische Substanzen, zu Zeiten von Epidemien, wie Typhus und Cholera, die Entwicklung von mikroscopischen Organismen (Pilzen und dgl.) begünstigen möchten, welche dann in 195 unsern Kürper eingeführt, durch eine eigent hümliche Zu- setzung des Blutes, jene Krankheiten veranlassen würden. Doch das sind blosse Vermuthungen. Fast in allen unsern Brunnwassern bildet die kohlen- Saure Kalkerde die Hauptmasse, nämlich Y, bis 1% der festen Bestandtheile, während Talkerde, Kiesel- erde, Thonerde, -ebenso Kalı und Natron, Chlor und Schwefelsäure, sehr dagegen zurücktreten, und jede dieser Substanzen, etwa die Talkerde ausgenommen, nicht den zehnten Theil des Kalkgehaltes ausmacht. Es stimmt das überein mit den Brunnwassern vieler anderer Städte, welche ihren Wasserbedarf aus kalkhaltigen Gebirsen entnehmen. Nur die aus granitischen Gebirgen herkommenden Gewässer pflegen eine grössere Reinheit zu besitzen, daher ist das vom Schwarzwald kommende Wiesenwasser verhältniss- mässig so rein und ebenso das von diesem Wiesenwasser gespeiste Grundwasser in Klein-Basel, gegenüber den von den Hügeln des Jura kommenden kalkreichen Quellen und Flüssen, die auch dem Grundwasser auf der Gross- Basler Seite en starken Kalkgehalt zuführen. Wie sehr der Gehalt an festen Substanzen, insbeson- dere an Kalkerde, von Wichtigkeit ist für den Haushalt sowohl, als: für die Gewerbe beim- Kochen, Waschen, Färben u.s. w., ist allgemein bekannt. Mit weichem Wasser wird man im Allgemeinen weit mehr ausrichten, als mit hartem. Welchen Einfluss die Reinheit des Wassers auf die Qualität des Bieres, dieses so wichtig gewordenen Ge- tränkes ausübt, ae sind die Ansichten noch getheilt. So viel ist eh dass man auch mit ziemlich kalkreichem Wasser gutes Bier herstellen kann. Vergleichen wir nach den von Herrn Dr. Goppelsröder mir gefälligst mitgetheilten analytischen Tabellen den Gehalt des Grundwassers in Gross-Basel mit dem in Klein-Basel an festen Bestandtheilen, so tritt 156 der erwähnte, übrigens allgemein bekannte, Unterschied schlagend hervor, wie man aus nachfolgenden zahlreichen Daten entnommenen Durchnittszahlen sehen wird. Der Gehalt an festen Bestandtheilen in 1000 Theilen Wasser beträgt: A. An festen Theilen im Ganzen, B. An organischen Substanzen , A. B Theile bei den Sodbrunnen im Birsigthal 0,5—1,2 0,1—0,3 » Lochbrunnen » 0,4—1,2 0,04-0,4 darunter die Goldquelle nur 0,4—-05 0,1 > Sodbrunnen auf den Hôhen & links vom Birsig 0,5—1,1 0.1—0,3 > > rechts » > 0,5—0,9 0,1—0,3 > > in Klein-Basel 0,1—0,5 0,05-0,2 wobei natürlich die stark inficirten Brunnen weggelassen sind. Man sieht sofort, dass der Gehalt an festen Theilen bei den Klein-Basler Brunnen im Durchschnitt nicht die Hälfte erreicht, wie derjenigen in Gross-Basel, und dass bei den Sod- und Lochbrunnen der grossen Stadt der Gehalt genau übereinstimmt, indem ja beide derselben Grundwasserschicht ihren Gehalt entnehmen. Auch in Bezug auf grössere Reinheit finden merk- würdige Anomalien bei den Sod- und Lochbrunnen von Gross-Basel statt, wie z. B. die obenerwähnte Goldquelle nur 0,4, der Sodbrunnen in der Lohgerberei an der Steinen gleichfalls nur 0,4, derjenige in der Steinenvorstadt Nr. 67 dessgleichen nur 0,4, ein anderer Brunnen an der Steinen, freilich nur nach einer einmaligen Analyse, vielleicht in Folge eines Irrthums, sogar nur 0,13 feste Bestandtheile ergab.) Unter 0,12 geht sogar kein Brunnen in Klein-Basel. *) Auf die wahrscheinliche Infiuenz von Seiten des Steinen- (Rümmelin-) Baches bei diesen Brunnen wurde schon oben hin- gewiesen. 157 Vergleichung des Grund-, Quell- und Flusswassers. Vergleichen wir ferner, gleichfalls nach den Tabellen des Herrn Dr. Goppelsröder, den Gehalt dieser dem Grundwasser angehörenden Loch- und Sodbrunnen von Gross- und Klein-Basel, mit dem Gehalt unserer Fluss- und Kanalwasser, sowie unserer laufenden Brunnen, so ergeben sich in 1000 Theilen Wasser: A. An festen Theilen im Ganzen, B. An organischen Substanzen, A. B. Theile. Rheinwasser, linkes Ufer 0.202 022 > Mitte 0,18 0,05 > rechtes Ufer 0,18 Birswasser 0,20—0,23 0,02 Wiesenwasser 0,05—0,07 0,01 Birsigwasser 0,27—0,30 0,04 Steinenbach (Seitencanal d. Birsigs) 0,29—0,32 0,02 Ferner bei den hergeleiteten Ouellen : Angensteinerwasser 0,23—0,26 Grellingerwasser 0,25— 0,35 Kaltbrunnenwasser 0,43 St. Margarethenquellen 0,32—0,39) Quellen des Spahlenwerkes 0,32— 0,36 us Laufende Brunnen der Gr. Stadt 0,35—0,38 Vereinigte Riehenquellen, Kl. Stadt 0,42 0,04 Es ergibt sich aus dem Vorstehenden, dass das Wiesenwasser von allen unsern Wassern das weichste ist, also die grösste Reinheit darbietet, nämlich durch- schnittlich in 1000 Theilen Wasser Y,,, also nur Yso.000 fester Bestandtheile, der Rhein gleichfalls sehr wenig, wie das auch von andern grössern Flüssen bekannt ist, nämlich nur 0,20 also Y Theil in 1000 Th. enthält. 158 Wiederholte Analysen derselben Wasser, jeweilen wo möglich zu gleicher Zeit geschöpft, wären sehr wünschens- werth, um die Grösse der Schwankungen im Gehalt zu erkennen und zu annähernd richtigen Durchnittszahlen zu gelangen. Rte on © Die Quellwasser, namentlich die aus Kalkgebirgen, “wie unser Jura, entspringenden, enthalten in der Regel weit mehr feste Bestandtheile, ‚besonders viel kohlensaure Kalkerde. Es sind demnach harte Wasser. Wir sehen in der That den Gehalt der Gross-Basler Brunnquellen von 23 auf 39 ansteigen und in den, aus dem gyps- und dolomitreichen Muschelkalk des Dinkelberges hergeleiteten Riehenquellen 0,42 bis 0,43 erreichen. Es wird bemerkt -- werden, dass unter allen nach der Stadt geleiteten Quell- wassern die Angensteiner- und Grellinger-Wasser (ab- gesehen von den Kaltbrunnenquellen) die reinsten sind, wenigstens den geringsten Gehalt an festen Bestandtheilen zeigen. Wenn das am Brunnen auf dem Aeschenplatze (vor dem ehemaligen Aeschenthor) geschôpite, gleichfalls von den Grellinger Quellen gespeiste Wasser am 6. No- vember 1866 statt 0,25—0,30 fester Theile, wie an den Quellen selbst, 0,40 Bestandtheile erwies, so ist dies wohl nur als eine vorübergehende Vermehrung des Gehaltes zu betrachten, wahrscheinlich herrührend.von beigemengtem Kaltbrunnenwasser, vielleicht auch von gelöstem Kalk des ‚Cementes, womit das grosse Bassin auf dem Bruderholz aus- gemauert ist. Später kann dieser Kalkgehalt wieder etwas abnehmen. Auffallend scheint ferner der hohe Gehalt an Schwefelsäure bei den Kaltbrunnenquellen mit 0,10 (ent- sprechend 0,15 Gyps) in 1000 Theilen Wasser, während die Pelzmühlewasser 0,03 dieser Säure enthalten. Ein Blick aber auf meine geologische Karte zeigt, wie die Kaltbrunnenquellen theilweise von dem Bache genährt sein könnten, der aus den gypsreichen Keuperschichten von 199 Nunningen kommend, die Thalschlucht durchströmt. Also hier muthmasslich ähnliche Verhältnisse, wie im Pelz- mühlethal, nur noch in stärkerm Maasse. Die Kaltbrunnen- wasser sind überhaupt reich an festen Bestandttheilen (0,43) und enthalten 0,17 Kalkerde, während die Pelzmühlequellen nur 0,15 und die Angensteinerquellen nur 0,11—0,14 Kalkerde enthalten. | e Von allen in unsern Bereich fallenden Wassern er- weist sich demnach das Grundwasser unserer Stadt als das in jeder Beziehung härteste und unreinste, sowohl nach semem Gehalt an festen Bestandtheilen über-- haupt, als nach der Stärke der organischen Beimengungen. Namentlich gilt dies von den Sod- und Lochbrunnen, also von dem Grundwasser, auf dem Areal von Gro ss-Basel, wo die reinsten Wasser, mit einem Gehalt von 0,4 oder 0,5 an festen Bestandtheilen (mit 0,20—0,25 Kalkerde), noch mehr solcher Stoffe enthalten, als die unreinsten nach der Stadt geleiteten Wasser, welche, wie aus obiger Zahlen- reihe ersichtlich ist, nicht höher als 0,39 (feste Bestand- theile) gehen. Vielleicht trägt die geringere Wassermenge auf Gross-Basler Seite mit dazu bei. Natürlich macht das von dem reinen Wiesenwasser gespeiste, und die: reinen, so schwer löslichen, granitischen Gerölle durch- ziehenden Grundwasser von Klein-Basel auch hier eine Ausnahme, indem ihr Gehalt an festen Theilen nur 0,1 bis 0,3; also durchschnittlich 0,2 beträgt, also nicht ganz so viel als die meisten vom Jura und den Hügeln südlich von Basel nach der Stadt geleiteten Quellwasser. Selbst- verständlich sind bei diesen Vergleichungen überall die augenscheinlich infieirten Brunnen ausser dem Spiel ge- lassen worden. Es ergibt sich aus Obigem, dass nicht nur durch locale Infectionen, sondern auch durch die in unserm . Geröllboden allgemein verbreiteten organischen h 160 Substanzen und durch die aus ihrem Zersetzungsprocess hervorgehende Kohlensäure, welche die Mineralstofte auf- löst, die grössere Verunreinigung des Grundwassers herbeigeführt wird. Vergleichungen des Gehaltes unserer Brunn- und Grundwasser mit demjenigen anderer Städte, wozu das Material keineswegs fehlt, würden gewiss lehrreiche Er- gebnisse liefern, aber die vorgesteckten Grenzen dieser Arbeit überschreiten. Ist demnach die Verunreinigung des Bodens und des Grundwassers durch organische Substanzen nur eine mäs- sige, so dass sie sich durch Geruch, Geschmack und Aus- sehen des Wassers nicht auffällig bemerkbar macht, so können wir sie nicht als eine schädliche hetrachten, da jedes andere Quellwasser gleichfalls organische Substanzen enthält. Im Gegentheil wird sie eher als eine förderliche erscheinen, insofern aus der Oxydation dieser organischen Substanzen selbst die Zufuhr an Kohlensäure geliefert wird, welche neben der niedrigen Temperatur im Sommer den recenten Geschmack desselben und seine Beliebtheit als Trinkwasser bedingt. Ueber die einzelnen Bestandtheile unserer Fluss-, Brunn- und Grundwasser wird Herr Dr. Goppelsröder nach seinen umfassenden Analysen in Kurzem nähere Mit- theilungen machen und, wie wir hoffen, diese Unter- suchungen noch weiter ausdehnen. Die Resultate, die er aus seinen Arbeiten gezogen, stimmen mit den von mir schon bei frühern Anlässen ausgesprochenen und oben mitgetheilten Ansichten vollkommen überein und bilden, von chemischer Seite, eine erfreuliche Bestätigung der auf seologischem Felde gewonnenen Erfahrungen. Unsere hohen Sanitäts- und Baubehörden sind nun beschäftigt, nach den eingegangenen Berichten der Sach- verständigen, diejenigen Verbesserungen im Dohlen- und 161 Grubenbau und in der Fortschaffung der festen und flüssigen Abfälle einzuleiten, welche vom Standpunkt der Reinlichkeit und des Wohlbefindens geboten erscheinen. Die Niveauverhältnisse unseres Bodens und die reichlichen Wasserzuflüsse, die unsere Stadt nun durchziehen, werden das schwierige Werk sehr erleichtern. Resume. Fassen wir die aus aus Vorstehendem sich ergebenden Resultate schliesslich in einigen Sätzen zusammen: 1. Der Boden der Stadt Basel wird gebildet von der mit diluvialen Geröllmassen ausgefüllten Ebene des Rhein- thales, in welche mit regelmässigen terrassenförmigen Ab- stufungen die Gewässer des Rheines in der Diluvialperiode Einschnitte bis auf die tertiäre Lettschicht eingegraben haben. 2. Aehnliche Einschnitte haben die Gewässer der Birs, des Birsigs und der Wiese in dieser Geröllebene ausge- wühlt, Querrinnen bildend, welche die grossen Terrassen des Rheinthales durchschneiden. 3. Der Boden der grossen Stadt, mit einer Höhe von 90-—115 Fuss über dem Nullpunkt des Rheinpegels, liegt durchschnittlich 70 Fuss höher als das Areal der kleinen Stadt, mit Ausnahme der Strassen des Birsigthales, die bei 20 bis 40 Fuss Pegelhöhe ungefähr im Niveau der kleinen Stadt liegen. 4. Der tertiäre blaue Letten, welcher die Basis der Geröllablagerungen des Rheinthales und ihres Grundwassers bildet, tritt nur an den tiefsten Stellen der Stadt, im Rhein- und Birsigbett und längs ihren Ufern zu Tage. Er wurde schon öfter beim Graben von Brunnen im Birsig- thal und in der kleinen Stadt in geringer Tiefe (10—20 11 162 Fuss), nirgends aber von den Hochflächen der grossen Stadt aus, selbst in 50 bis 60 Fuss tiefen Brunnenschäch- ten, erreicht. ”>5. Das Grundwasser sammelt sich an der Basis der diluvialen Geröllablagerungen über der wasserdichten Lett- schicht und strömt, von den äussern höher gelegenen Stadttheilen, von einer mittlern Höhe von 50 bis 60 Fuss in Gross-Basel, und von 10 bis 20 Fuss in Klein-Basel, der allgemeinen Neigung der Lettschicht folgend, unter dem Boden der Stadt hindurch, dem Rhein zu. Die Strömung ist um so stärker, je höher das Niveau des Grundwassers den jeweiligen Rheinstand überragt, und geht in der kleinen Stadt in eine rückgängige Bewegung, landeinwärts über, wenn bei niedrigem Stand des Grundwassers der Rhein anschwillt und seitlich in die untern Gerölllager eindringt. 6. Der Stand des Grundwassers richtet sich demnach im Allgemeinen nach dem Rheinstand, weniger in der. grossen, desto mehr aber in der, tiefer gelegenen, kleinen Stadt, schneller in den dem Rhein nahe liegenden, lang- samer in den entferntern höher gelegenen Brunnen, in denen auch die Schwankungen des Wasserstandes geringer sind. 7. Der Wasserstand der Sodbrunnen über den Brunn- sohlen betrug im Jahr 1866 durchschnittlich in der grossen Stadt 37, Fuss, in der kleinen Stadt 7 Fuss, also ungefähr das Doppelte. In der grossen Stadt wird man, von den Hochflächen aus, in einer Tiefe von 50 biss 60, in der kleinen Stadt schon bei 10 bis 20 Fuss Tiefe auf Wasser stossen. 8. Sod- und Lochbrunnen entnehmen ihr Wasser der- selben Grundwasserschicht. 9. Die Speisung des Grundwassers erfolgt: a. Vom Rhein her, durch seitliche Infiltration, na- 163 mentlich auf der Klein-Basler Seite, bei höherm Rheinstand. b. Von der Birs, dem Birsig, insbesondere aber von Wiese und ihren Nebencanälen. c. Von den Quellen der benachbarten Hügel des Rheinthales. d. Von den atmosphärischen Niederschlägen. 10. Die Verunreinigung des Grundwassers nimmt mit der Zunahme der Bevölkerung, in steigender Progression zu, durch die Infiltration des Inhaltes der Dohlen, Ab- trittgruben, Cisternen u.s. w. und durch die Abfälle der chemischen Gewerbe, wogegen der Einfluss der Gottes- äcker verschwindend klein sein dürfte. 11. Je tiefer der Stand des Grundwassers, desto grösser ist sein Gehalt an Salzen und organischen Sub- stanzen und desto mehr machen sich Verunreinigungen fühlbar. 12. Der Gehalt des Grundwassers an festen und or- ganischen Substanzen beträgt nach den Analysen des Herrn Dr. Goppelsröder durchschnittlich in runden Zahlen, in 1000 Theilen Wasser: in Gross-Basel 0,5—1,2 Theile in Klein-Basel 0,1—03 > des Wassers unserer bisherigen Brunn- leitungen 0,3—0,4 » des Angensteiner- und Grellinger-Was- sers, mit Ausnahme der Kaltbrun- “ nenquellen 0,2—0,3 >» des Birs-, Birsig- und Rheinwassers 0,2—0,3 >» des Wassers der Wiese 0,06 > folglich zeigt das Gross-Basler Grundwasser die geringste, das Wiesenwasser, wie längst bekannt, die grösste Reinheit. Ohne Zweifel werden fortgesetzte Studien über die Boden - und Wasserverhältnisse unseres Stadtgebietes noch en weitere, sowohl für das gewöhnliche Leben, als für die Wissenschaft brauchbare, Ergebnisse liefern. Erklärung der Burchschnitte. (Siehe die beigefügte Zeichnung.) Die beigefügten geologischen Durchschnitte durch den Boden unserer Stadt und ihrer Umgebungen machen auf technische Genauigkeit durchaus keinen Anspruch und sollen nur annähernd das Relief und die geologische Structur des Bodens, sowie die Lage des Grundwassers, zur übersichtlichen Darstellung bringen. Der grosse Stadt- plan des Herrn Geometer Löffel wurde dabei zu Grunde gelest. Die mit D bezeichneten Schichten stellen die Geröll- ablagerungen (Kieslager) des Diluviums vor, welche, wie wir gesehen haben, die weite Mulde des Rheinthales aus- füllen und in mehrere Terrassen, die Wirkung späterer, schwächerer, Fluthen und Durchbrüche, abgestuft sind. Die tiefste Stufe wird durch das Rheinbett selbst gebildet. Ebenso haben Birsig, Birs und Wiese Rinnen in das lockere Gerölle gegraben. An der Basis der Geröllager ist die durch eine aus- gezogene Linie (G) angedeutete Oberfläche des Grundwas- sers nach den in den Sodbrunnen vorgenommenen Messungen verzeichnet. Dagegen ist das durchschnittliche Niveau der Brunnsohlen durch die darunter folgende punktirte Linie Case: 0e ) angegeben, unter welcher, wohl in geringer Tiefe und ungefähr parallel, mit flachen Undulationen, die Lettschicht (L) folgt. | Wo das Niveau der letztern ermittelt ist, wurde die punktirte Linie in den drei untern Profilen durch eine ausgezogene ersetzt. Man sieht, dass das Niveau des Grundwassers von 165 den äussern und höhern Stadttheilen sanft gegen den Rhein (und Birsig) zu abfällt. Der grosse Unterschied der Höhe zwischen dem Gross- Basler und Klein-Basler Areal tritt auf allen Profilen deutlich hervor. Die tiefste horizontale Linie, welche die Basis der einzelnen Profile bildet, fällt mit dem Nullpunkt des Rheinpegels zusammen. Die das Rheinbett bezeichnende Linie geht daher unter diese tiefste Horizontale. Fig. 1. Generalprofil vom Holeehügel bis zum Tüllin- gerberg, dessen oberer Theil, über dem blauen tertiären Letten (L), von Süsswasserkalk (S) bedeckt ist, während der linkseitige Hügel über dem blauen Letten (L) diluviales Gerölle und Lehm (D) trägt. Die vier Terrassen der linken Seite des Rheinthales treten deutlich hervor, während auf der rechten Seite über der tiefen Fläche des Klein-Basler Areals nur noch die stattliche Hochterrasse des Weiler- Feldes emporragt. Die Oberfläche des Lettens wurde von beiden Hügeln aus gegen den Rhein hin nach seiner muthmasslichen Stellung weiter geführt. Er bildet, wie man sieht, die Grundlage der Geröllschichten. Horizontaler Maasstab 1 zu 25000 Verticaler » zu 22900 Fig. 2. Durchschnitt von der französischen Ostbahn, nahe der Hägenheimer Strasse, bis zur badischen Bahn, nördlich vom Bahnhof. Zeigt die vierstufige hohe Terras- senbildung der linken Rheinseite, gegenüber der Tiefebene des Klein-Basler Areals, das bloss auf der untersten Ter- rasse des Wiesenthal-Einschnittes ruht. Man bemerkt auch das höhere Niveau des Grundwassers auf der Gross- Basler Seite gegenüber dem jenseitigen Stand, wo dennoch das Grundwasser der Oberfläche des Bodens viel näher + 166 1,3 kommt, und die allmählige Ausgleichung beider Niveaux in der Nähe des Rheins. | Fig. 3. Durchschnitt von der französischen Ostbahn nahe dem Viaduct bis zum badischen Bahnhof. Zeigt ähn- liche Verhältnisse, jedoch sehen wir auf der linken Seite _ nur zwei Hochterrassen, dagegen den tiefen Einschnitt des Birsigthales, das von der Hochfläche der grossen Stadt einen schmalen Riemen, mit dem Münsterplatz, abschnei- det, der sich bei dem stark vergrösserten Höhenmaasstab ‚ etwas eigenthümlich ausnimmt. Fig. 4 Durchschnitt von der Nauenstrasse, am 6st- lichen Ende des Centralbahnhofes, bis zur badischen Bahn _ unweit östlich vom Bahnhof. Zeigt auf der Klein-Basler Seite gleichfalls ein ähnliches einförmiges Relief, während auf dem Areal im Osten der grossen Stadt wieder zwei deut- liche Terrassen, entsprechend den beiden obersten Terras- sen des Westens, auftreten. Dagegen fehlt im Osten, auf . der rechts vom Birsig gelegenen Stadthälfte, die dritte . grosse Terrasse nächst dem Rhein, welche im Westen das . St. Johann-Quartier trägt und noch weit nordwärts nach 1 Hüningen u.s.w. fortsetzt. Sie wird jedoch ersetzt durch _ eine etwas tiefer gelegene unterste Rheinterrasse, welche ' schon im St. Albanthal beginnt, und dann, im Anschluss _ an den Boden des Birsthales, sich gegen Osten zu der an- sehnlichen Tiefebene des Birsfeldes ausweitet. Man sieht aus den vorliegenden Profilen, wie tief un- gefähr an irgend einer Stelle der Stadt gegraben werden muss, um auf Wasser zu stossen. .Maasstab für die drei untern Profile: Horizontal 1 zu 5000. Vertical 1 zu 1500“. Profile Nonnenmes Fe Pstbahn D nahe der Hägenheimer Str Missionsytrasse 95 LÉ Holechiget II. Franz. Ostbahn #10 6 u Franz. Ostbahn nahe dem Viaduct 120 » Tustrasse Mussionsstrasse Wittlere, Strasse D Mittlere Strasse 82" 6 “| Klingelberg durch das SE Johann Vorst hein Strafanstalt 45 » SZ Leonhardsaraben 33 ' Areal der Klybeckstrasse St.Johann Vorst. 42 hein _Allmend 75” 6 Stadt Basel und ihre Wiese Lange Erle en N EEE Pe ro « Ueber die physikalischen Arbeiten der Societas physica helvetica 1751 — 1787, Festrede gehalten bei der Feier des fünfzigjährigen Bestehens der naturforschenden Gesellschaft in Basel am 4. Mai 1867 von Dr. Fritz Burckhardt, z d. Z. Präsident der Gesellschaft. Basel — Buchdruckerei von C. Schultze — 1867. PME 93. Er # „t ae 7 Si baril STATS here > x : 4 N Il rie 0 Re rs Herrn Professor Peter Merian hochachtungsvoll zugeeignet Verfasser. syn ra es \ ee Die Feier des fünfzigjährigen Bestehens einer wissen- schaftlichen Gesellschaft möchte als ein willkommener “Anlass begrüsst werden, einen Rückblick zu werfen auf die durchlaufene Bahn, eine Prüfung vorzunehmen, in welchem Verhältnisse der gegenwärtige Stand sich zu den Hoffnungen der Gründer befindet, und die Frage zu be- antworten, wessen Umsicht, Einsicht und Thätigkeit die erfreuliche Entwicklung in erster Linie zu verdanken ist. Allein der Umstand, dass wir das Glück haben, in unserm heutigen Kreise Männer zu besitzen, welchen vor Allen die Ehre gebührt, bei schwachen Anfängen und zum Theil in böser Zeit den Muth aufrecht erhalten zu haben, die Unmöglichkeit, diese persönlichen Leistungen von der Entwicklung der Gesellschaft zu trennen, und die Ueber- zeugung, dass es den betreffenden, unter uns hochver- ehrten Männern erwünschter ist, das Rühmliche gethan zu haben, als das Gethane rühmen zu hören, veranlassen mich, heute dieser Verdienste nicht laut zu gedenken, ob- gleich Niemand von dankbareren Gefühlen kann erfüllt sein, als ich selbst es bin, dem die unverdiente Ehre zu Theil geworden ist, die heutige Feier mit einigen Worten zu eröffnen. Der Naturforscher unserer Zeit gibt sich beim Studium der einzelnen Naturgebilde der unorganischen und der organischen Welt nicht mehr damit zufrieden, das That- sächliche der Erscheinungsformen zu kennen, sondern er fragt nach dem Werden, dem Heranbilden, der Entwick- 6 lung. Da und dort, heute vielleicht noch unbestimmt, morgen aber vernehmlicher, erhält er die Antwort, dass die erschaffenen Gebilde, zumal der organischen Natur, unerschöpflichen Entwicklungsreihen angehören, in welchen jedes Glied nicht unthätig nur das weiter gibt, was es empfangen hat, sondern das Empfangene durch Erwerb gemehrt, oder durch Verlust gemindert fortpflanzt. Etwas Aehnliches, aber auf einer unvollkommeneren Stufe, findet mit den Einrichtungen statt, welche dem menschlichen Geiste entspringen, ähnlich in so fern, als auch seine Thätigkeit sich den allgemeinen Gesetzen aller Organismen unterwirft, verschieden aber, weil alle seine Leistungen den Charakter des Unvollkommenen in dem- selben Maasse an sich tragen, als er selbst den des Endlichen. Der fruchtbringende Gedanke überdauert das menschliche Leben, aber die Form, in welcher er zur Erscheinung kommt, hängt von den jeweiligen Zeit- anschauungen, Umständen, Strömungen ab. | Ein Blick in die Vorgeschichte unserer Gesellschaft, welche allerdings in der heutigen Form erst fünfzig Jahre lang besteht, zeigt uns, dass der Gedanke, eine wissen- schaftliche Vereinigung und einen wissenschaftlichen Verkehr nicht nur für die Naturforscher unserer Stadt, sondern der Schweiz überhaupt anzubahnen, vor viel längerer Zeit von hier ausgegangen Ist. Bei dem Erwachen der exacten physikalischen Wissen- schaft in Italien am Ende des 16. und am Anfang. des 17. Jahrhunderts standen dem Gelehrten besonders zwei Wege offen zur Bekanntmachung seiner Entdeckungen, nämlich der briefliche Verkehr mit Fachgenossen und der Unterricht. Es ist bekannt, dass die grössten Physiker jener Zeit sich dieser beiden Mittel in umfassender Weise bedienten, dass aber die neu errungenen Ergebnisse der Wissenschaft sich nur langsam verbreiten konnten. Diesem u Zustande der Vereinzelung folgte die Blüthezeit der ita- liänischen Akademien, unter welchen für die physikalischen Disciplinen die unter dem Schutze des Prinzen Leopold, des Bruders Ferdinands Il von Toskana, gegründete Accademia del Cimento in Florenz von der allergrössten Wirkung und Bedeutung war. Diese Akademie, deren Aufgabe in der Ausführung gemeinschaftlicher,, experimenteller Arbeiten physikalischen Inhaltes bestand, hatte zwar nur eine kurze Lebensdauer, indem sie sich in Folge innerer Zerwürfnisse nach zehn- jährigem Bestehen im Jahre 1667 wieder auflöste, allein das Beispiel fand in andern Ländern vielfach Nachahmung. Aus kleineren Privatgesellschaften, welche zu jener Zeit theils schon bestanden, theils neu sich bildeten, entstanden nun die grösseren wissenschaftlichen Körperschaften; aus der zu Schweinfurt 1652 gegründeten Gesellschaft für medizinische und naturhistorische Untersuchungen ent- wickelte sich die im Jahre 1672 von Kaiser Leopold zur Akademie erhobene Leopoldina, die sich nur mit Pu- blikation der Arbeiten ihrer Mitglieder, nicht mit wissen- schaftlichen Besprechungen befasste und noch heute befasst; aus einer Privatgesellschaft in London und Oxford, unter Cromwell Unsichtbares Collegium genannt, bildete sich die RoyalSociety, welche am 15. Juni 1662 ihre königliche Bestätigung erhielt, und deren Verhand- lungen das allerwichtigste Material zur Entwicklungs- geschichte der Physik enthalten; aus einer andern derar- tigen Privatgesellschaft, die sich in Paris, früher bei P. Mersenne, später bei Montmor versammelt hatte, die Pariser Akademie, unter Ludwig XIV durch Colbert ins Leben gerufen. Auf die von grössern Mittel- punkten ausgehende Anregung hin folgten viele kleinere Anstalten ähnlicher Art in Frankreich, England, Deutsch- land; es folgten Russland, Schweden, Preussen und andere 8 Länder. Ueberall wurde den Gelehrten Gelegenheit zu wissenschaftlicher Publikation verschaftt. Wie noch heute unser Land darauf angewiesen ist, durch die freie Vereinigung seiner Bürger Manches zu er- streben und durchzuführen, was anderwärts durch die Kräfte des Staates und durch fürstliche Munifizenz erreicht wird, so konnte auch in jener Zeit ein wissenschaftliches Centrum ähnlicher Art, wie in andern Ländern, nur durch die freiwillige Verbindung der Gelehrten selbst geschaffen werden. Die erste Anregung, dieses in Basel für die Schweiz zu erstreben, gieng von dem berühmten Arzte und Botaniker Theodor Zwinger, dem Jüngeren, aus, zu einer Zeit, als in Zürich schon eine Gesellschaft zur Besprechung wissenschaftlicher Gegenstände existierte. Er schrieb am 17. Sept. 1702 an J. J. Scheuchzer in Zürich: »Es ist wahr, was du von Hrn. Paravicini erfahren hast, dass wir nämlich an der Errichtung einer Schweiz. Basl. gelehrten Gesellschaft arbeiten, deren Präsidium wir dem fürtr. Dr. Samuel Werenfels, Dr. und Prof. der Theologie anbieten werden, einem Manne von sehr scharfem Urtheile, der Unternehmungen dieser Art sehr günstig ist. Sekretär wird Hr. Dr. Emanuel König, Prof. der grie- chischen Sprache, sein, dessen Vater die Verhandlungen zu drucken unternehmen wird. Von Baslern werden ausser- dem Mitglieder sein: Herr Seb. Fäsch, Dr. jur. u. Prof. - J.J. Battier, Dr. jur. u. Prof. - Jak. Bernoulli, Prof. Math. - Joh. Heinrich Stähelin, Dr.phil.u Med. - Jak. Hermann, V.D.M. - Johannes Buxtorf, Pfarrer in Arisdorf. - Vinzenz Paravicini, Conrector. | Endlich werde auch ich, der erste Anreger der Gesell- 9 schaft, eine etwelche Rolle darin spielen. Wenn die- selbe aber einmal begonnen sein wird, so wird sie einen grossen Trost und Stütze erlangen, wenn auch andere helvetische Forscher ihre glänzenden Namen einschreiben lassen und allerlei Wissenswürdiges mittheilen. Unter diesen wirst du, hochberühmter Mann, hervorragen, wenn du anders willst, wie unter dünnem Weidengebüsch die Cypresse, und wirst durch deine höchst interes- santen Beobachtungen unsere Verhandlungen in hohem Grade zieren. « Unruhiger Zeiten halber konnte die Konstituierung der Gesellschaft nicht stattfinden; der schöne und lebensfähige Gedanke kam erst ein halbes Jahrhundert später, wenig- stens für den naturhistorischen Theil der Gesellschaft, zur Ausführung, vielleicht durch die Anregung, sicher aber unter lebhafter Betheilisung des Sohnes J.Rud. Zwinger, durch die Gründung der Societas Physico-Mathematico-Anato- mico-Botanico-Medica Helvetica. Neben J. Rud. Zwinger, dem es vergönnt war, mit seltener Kraft 65 Jahre lang erst als Professor der Logik, dann der Anatomie und Botanik, dann der praktischen Medizin an hiesiger Universität zu lehren, tritt uns in jener Zeit als bedeutendste Persönlichkeit unter den Män- nern der Naturwissenschaften Daniel Bernoulli?) ent- gegen, der ausgezeichnete Sohn von Johannes I. Nachdem er als noch junger Mann mit seinem Bruder Niklausll einem ehrenvollen Rufe an die neu gegründete Petersburger Akademie gefolst war und acht Jahre in grosser Thätigkeit dort zugebracht hatte, kam er, nach dem Verluste seines Bruders Niklaus, in Begleitung seines jüngern Bruders Johannes II gegen das Ende 1733 wieder in Basel an, wo ihm die erledigte Professur der Anatomie und Botanik, um welche er sich aus der Ferne beworben hatte, durch das Loos zugefallen war. Diese Wissenschaften 10 entsprachen eher seinen früheren Studien als seinen Nei- gungen und seiner hervorragenden Begabung für die Ma- thematik; man kann billig fragen, wie es möglich war, dass der Mann, der damals schon seine Hydrodynamik, das bedeutendste Werk seiner reichen wissenschaftlichen Produktion, druckfertig hatte, sich mit der Anatomie und Botanik sollte zurechtsetzen. Und doch scheint es ihm gelungen zu sein, indem er sich als Lehrer vollen Beifall erwarb, während er die Resultate seiner Privatstudien, die ausschliesslich mathematischen Gegenständen zugewandt waren, vornehmlich der Petersburger Akademie zusandte. Daneben betheiligte er sich rastlos an der Lösung der von der Pariser Akademie ausgeschriebenen mathematischen Preisfragen. Für uns, die wir uns nach und nach an eine immer weiter gehende Specialisierung der Wissenschaften gewöhnen, klingt es fast sonderbar, dass der Basler Pro- fessor der Anatomie und Botanik, der schon früher (1725) den Preis für eine Arbeit über die vollkommenste Ein- _ richtung der Sanduhren zum Gebrauche auf dem Meere gewonnen hatte, fünfmal, während er die betreffende Pro- fessur bekleidete, theils allein den Preis errang, theils ihn mit den andern bedeutendsten Mathematikern seiner Zeit theilte. Die behandelten Fragen waren: Ueber die beste Gestalt der Anker und die Mittel, dieselben zu prüfen; über die Theorie der Ebbe und Fluth; über die Konstruktion der Inklinationsnadel; über die Theorie des Magnets und über die Zeitbestimmung auf dem Meere, wenn der Horizont nicht sichtbar ist. Im Jahre 1747 wurde er Mitglied der Berliner Aka- demie der Wissenschaften, 1748 trat er an seines Vaters Stelle als eines der acht auswärtigen Mitglieder der Pariser Akademie, 1750 wählte ihn die königliche Societät in London in ihre Mitte. Nach und nach sagte ihm seine anatomisch-botanische 11 Professur nicht mehr zu, wie aus mehreren Briefen an Euler deutlich hervorgeht; ja er schien gar im Begriffe zu sein, einem Ruf nach Berlin oder nach Petersburg folgen zu wollen, hätte ihn nicht seine nicht besonders starke Konstitution veranlasst, auf die weite Reise und den Aufent- halt im Norden zu verzichten. Als nun im Jahre 1750 der damalige Professor der Physik, Benedikt Stähelin, starb, wurde ihm, mit der ersten und einzigen Umgehung der Loosordnung, die phy- sikalische Professur übertragen, wobei er seinen Sitz ın der medizinischen Fakultät behielt. In jene Zeit fällt nun die Gründung der physikalischen Gesellschaft; wir werden uns wohl nicht weit von der Wahrheit entfernen, wenn wir die Anregung bei den beiden genannten seltenen Männern suchen. Die äussere Geschichte dieser Gesellschaft wollen wir in kurzen Worten angeben; Ausführlicheres hierüber enthält die auf heute publicierte Festschrift. Nach einer hand- schriftlichen Notiz von Daniel Huber stellte J.R. Imhof, Buchdrucker und Buchhändler in Basel, im Jahre 1751 an die medizinische Fakultät der Universität das Anerbieten, die Publikation von Beobachtungen medizinischen und natur- historischen Inhaltes in seinen Kosten zu übernehmen; dieses mit Freuden aufgenommene Anerbieten veranlasste die Fakultät, ausser den eigenen Mitgliedern auch andere hiesige und auswärtige Gelehrte zur Theilnahme aufzu- fordern, so dass schon in demselben Jahre der erste Band der Acta Helvetica Physico-Mathematico-Bota- nico-Medica erscheinen konnte mit einer Vorrede von J.R. Zwinger, dem damaligen Prodekane. Noch vor Ende 1753 erliess die Fakultät unter ihrem Siegel Ein- ladungsschreiben an viele schweizerische Aerzte und Natur- forscher, um sie als Mitarbeiter zu gewinnen. Im Jahr 1755 erschien unter des Dekanes D. Bernoulli’s Namen der 12 zweite Band. Die Fakultät ernannte einen ständigen Se- kretär, J. Heinr. Respinger, unter dessen Redaktion die folgenden Bände in den Jahren 1758, 1760, 1762, 1767, 1772 und 1778 publiciert wurden. Da aber die Imhof’sche Buchdruckerei aufgehoben wurde, und der Tod aus der Zahl der Mitglieder viele Männer von höchstem wissen- schaftlichem Range fortraffte, wie Albrecht und Theophil Emanuel Haller, J.G. Sulzer, J. Heinrich Lambert, J.Rud. Zwinger, Daniel Bernoulliund Leonh. Euler, so kam die ganze Unternehmung ins Stocken, bis endlich im Jahre 1787 der neunte Band unter der Redaktion von Daniel Bernoulli, dem Jüngern, nämlich dem Neffen des berühmten, und im Verlage der Schweighauser- schen Buchhandlung erscheinen konnte. Er wurde mit Rücksicht auf den neuen Verlag und den grossen Zeitraum, der seit der Publikation des achten Bandes verflossen war, erster Band der Acta nova genannt. Innert der nächsten Jahre aber gieng wenig Stoff ein, so dass das Unternehmen ganz aufgegeben wurde. Die Gesellschaft scheint niemals Zusammenkünfte zur Besprechung wissenschaftlicher Gegenstände gehalten, son- dern sich einzig zu dem Zwecke gemeinschaftlicher Publi- kation gebildet zu haben. Die Fakultät bestimmte die Druckwürdigkeit der eingehenden Abhandlungen, und von ihr hieng die Annahme der Mitglieder ab, denen ein Diplom mit dem Siegel der Fakultät und mit der Unterschrift des jeweiligen Dekans übersandt wurde. Förmlich aufgelöst hat sich die Gesellschaft nie. Diese ganze Leistung möchte als unbedeutend erschei- nen; allein wir müssen uns wohl hüten, sie zu unter- schätzen. Wohl mag der Gedanke, für die schweizerischen Naturforscher einen Mittelpunkt zu schaffen, nicht in der passendsten Form verwirklicht worden sein, und die darauf folgenden schlimmen Jahre vermochten ihn einige Zeit in 13 den Hintergrund zu drängen, allein seine Lebensfähigkeit erwahrte sich einige Jahrzehnte später durch die Gründung der schweizerischen Gesellschaft für die gesammten Natur- wissenschaften in Genf im Jahre 1815. Wir werden ein Recht haben, uns zu freuen, dass der Gedanke ursprüng- lich von Basel ausgegangen ist. Das Material, welches in den Akten niedergelegt ist, erscheint als ein äusserst mannigfaltiges und buntes; na- mentlich ist die Zahl der medizinischen und naturhisto- rischen Aufsätze sehr beträchtlich. Ich kann es nickt wagen, aus den verschiedenen Gebieten der Naturwissen- schaft alles das hervorzuheben, was werth wäre, hervor- sehoben zu werden, weil es hiezu einer solchen Summe von Kenntnissen über den damaligen Stand der Wissen- schaft bedürfte, wie sie mir nicht zu Gebote steht. Ich gedenke, nur einen kleinen Theil der Arbeiten, nämlich die physikalischen, mit derjenigen Kürze vorzuführen, welche der heutige Anlass verlangt. Schon seit mehr als anderthalb Jahrhunderten war bekannt, dass eine Magnetnadel, welche vor dem Magne- tisieren im Gleichgewicht eine horizontale Lage hat, nach dem Magnetisieren sich mit dem einen Pole hinunterneigt, dass diese Neigung dann am kleinsten, wenn die Nadel im magnetischen Meridiane liest, und dass sie sich mit wechselnden Breiten verändert. Allein die Instrumente zur Bestimmung der Neigung oder der Inklination waren sehr unvollkommen, wie z.B. aus La Caille’s3) Beobachtungen am Kap der guten Hoffnung mit Instru- menten aus der Werkstätte eines vorzüglichen Mechanikers hervorgeht. Daher schrieb die Pariser Akademieim Jahre 1741 einen Preis aus für die beste Konstruktion der Inklinations- nadel. D. Bernoulli®) prüfte in seiner Arbeit die Ur- sachen der Unvollkommenheit aller bisher konstruierten Instrumente, besonders auch derjenigen, deren sich Mus- 14 Schenbroek und Graham) zu ihren sonst präcisen Ver- suchen bedient hatten, und machte Vorschläge, wie durch Verbindung von zwei Nadeln, die eine von Stahl, die an- dere von Kupfer, die Unvolikommenheit der Instrumente könne verbessert, wie namentlich der Einfluss der Biegung und die dadurch veranlasste Veränderung in der Lage des Schw erpunktes könnte aufgehoben werden. Anderentheils stellte er die Forderung auf, dass man die beiden auf die Nadel wirkenden Kräfte, nämlich die Schwere und den Magnetismus veranlassen müsse, der Nadel die gleiche Stellung zu geben. Er glaubte diess durch ein verschieb- bares Gewichtchen an einer Zunge und an denselben Trag- zapfen wie die Nadel zu erreichen. Der Vorschlag gefiel der Akademie, die Arbeit wurde 1743 gekrönt, allein die Nadeln wurden nicht ausgeführt. Durch Bernoulli’s Mittheilungen in den Akten ®) erfahren wir nun, dass zuerst nach seinem Principe aller- dings mit einer passenden Modifikation Nadeln von dem hiesigen Instrumentenmacher und Goldschmiede Joh. Diet- rich, der wenigstens zeitweise Gehilfe Bernoulli’s bei seinen Vorträgen über Experimentalphysik im Schützen- hause war, angefertigt wurden. Dieser versah die Trag- zapfen mit einem beweglichen Zeiger. Vor dem Magneti- sieren wurde die Nadel horizontal ins Gleichgewicht gestellt; darauf wurde der Zeiger so gedreht, dass die Nadel eine Neigung von 5°, dann eine von 100 u.s.w. annahm, und aufgezeichnet, welche Stellung man zu diesem Behufe der Nadel geben musste. War dies mit möglichster Genauig- keit geschehen, so wurde die Nadel magnetisiert. Han- delte es sich nun um die Bestimmung der Inklination für einen Ort, dessen Neigung annähernd bekannt war, so wurde der Zeiger so gestellt, dass schon ohne Einwirkung des Erdmagnetismus die Nadel ungefähr die betreffende Lage annahm, welche der Magnetismus dann nur noch zu > 15 korrigieren hatte. Mit grosser Uebereinstimmung vieler Instrumente ergab sich für Basel eine Neigung von 70/0. Eine nur schwache Magnetisierung reichte hin, der Nadel die richtige Stellung zu geben. Bernoulli leitete aus einfachen mechanischen Principien ab, welche Neigung die Nadel zeigen muss, wenn sie nach und nach in verschie- dene Stellungen zum magnetischen Meridian gebracht wird, und prüfte die Richtigkeit seines Gesetzes mit Dietrich- schen Inklinatorien; da er mit ihrer Hilfe das Gesetz be- stätigt fand, so schloss er hieraus sowohl auf die Richtig- keit der theoretischen Ableitung, als auf die Genauigkeit der Instrumente. Leonhard Eulers Sohn, Johann Albrecht, be- stimmte mit einem Dietrichschen Inklinatorium die Neigung für Berlin und fand 720 45‘.7) In den Briefen an eine deutsche Prinzessin sagt L. Euler,3) er habe zwei solche Instrumente zugeschickt erhalten, und obgleich Engländer und Franzosen sonst neugierig auf solche Entdeckungen seien, so hätten sie die Dietrichsche Maschine doch nicht gehörig gewürdigt, was beweise, wie Vorurtheile im Stande seien, die Fort- schritte der Wissenschaften zu hemmen; man könne daher behaupten, dass Basel und Berlin die einzigen Orte auf der Erde seien, deren magnetische Neigung man kenne. Ein Arbeiter Dietrichs versicherte, beobachtet zu haben, dass von einem ziemlich heftigen Erdbeben (wahr- scheinlich dem Lissaboner) die Neigung um !, ° grösser gewesen sei, als nachher, welche Thatsache später, wohl zuerst wieder, von Humboldt°) bei einem Erdbeben in Cumana am 4. November 1799 beobachtet worden ist. Bernoulli’s Vorschläge, mittelst der Schwingungen der Inklinationsnadel die Intensität des Erdmagnetismus zu bestimmen und die Punkte gleicher Inklination und gleicher Intensität nach Halley’schem Principe mit Linien zu verbinden, haben wenigstens später Beachtung gefunden. Obgleich L. Euler in seinen Briefen vermuthete, es möchte noch lange gehen, bis diese Instrumente eine wissenschaftliche Verwendung fänden, wurden dieselben doch schon 1769 mit andern Instrumenten aus den besten ausländischen Werkstätten auf eine Expedition mitgenom- men. Als nämlich die beiden Genfer Physiker Mallet und Pictet !®) den Auftrag übernahmen, den Durchgang der Venus vor der Sonnenscheibe im Norden zu beob- achten, nahmen sie auch ein Dietrichsches Inklinatorium mit, zu welchem eine Nadel in Basel, die andere in Peters- burg verfertigt war. Sie fanden mit diesen Instrumenten gegen Ende 1769 die Inklination für Petersburg 732,0, Ponoi 771,0, Kola 77/,°. Dass Mallet durchaus be- fähigt war, die Genauigkeit der Instrumente zu beurtheilen, wird Jedem einleuchten, welcher die Ergebnisse seiner Pendelversuche in Genf mit den neulich dort veranstalteten vergleicht. !!) Nach und nach scheinen diese Instrumente in Gebrauch gekommen zu sein; Capitän Phipps !2) bestimmte im Jahre 1773 auf seiner Nordpolfahrt die Inklination von 24 Stationen innerhalb der Breiten 510 35° und 80° 27° mit einem Inklinatorium, welches der Mechaniker Nairne im Auftrage des Bureau des Longitudes nach Ber- noulli’schem Principe konstruiert hatte; W.L.Krafft 13) bestimmte Ende 1778 mit einem ähnlichen Instrumente die Neigung für Petersburg (720 36°), und der Augsburger Mechaniker Brander '#) beschreibt Inklinatorien, welche mit den Dietrichschen zusammenfallen, ohne jedoch weder ihn, noch Bernoulli als Erfinder zu nennen. Dietrich scheint sich um den Magnetismus noch ein anderes ‚Verdienst erworben zu haben durch Herstellung vorzüglicher Magnete und wahrscheinlich durch Erfindung 17 der Hufeisenform.'5) Zu den Versuchen über die zweck- mässigste Magnetisierung von Stahlstäben gebrauchten Euler und Fuss Dietrichsche Magnete.t6) Die Huf- eisenform ist erst durch die Anwendung des Electromagne- tismus von grösserer Bedeutung geworden. Indessen hat Bernoulli durch Vergleichung der Tragkraft zahlreicher Hufeisenmagnete von Y4—20 Unzen Gewicht ein Gesetz abgeleitet, welches den Zusammenhang zwischen Gewicht und Tragkraft ausdrückt, und welches gewöhnlich dem Mechaniker Häcker 7) zugeschrieben wird. Er drückt es mit den Worten aus: Die Tragkraft der Hufeisenmagnete ist pro- portional ihren Oberflächen, oder den dritten Wurzeln aus den Quadraten ihrer Gewichte. Während um die Mitte des vorigen Jahrhunderts die Electricität experimenteller Modeartikel war und besonders die Leidnerflasche nach dem ersten Schrecken, welchen sie verbreitete, Veranlassung zu vielen und theilweise gross- artigen Versuchen gab, vermissen wir solche fast ganz in unseren Akten. Wir finden nur zwei Gegenstände darin behandelt, nämlich einen Bericht über die Wirkungen des damals noch wenig bekannten Zitteraales (1760), nach Versuchen, welche in Amerika angestellt waren, mitgetheilt von Laur. Theodorus Gronovius aus Leyden!5), und einige therapeutische Anwendungen der Electricität von A. Socin.!2) Die Electricität wurde hiebei mittelst ge- riebener Glaskugeln nach der Methode von Bose und Nollet erzeugt; den Funken aber liess man auf den Kör- pertheil überspringen, auf welchen eine electrische Ein- wirkung beabsichtigt war. Der Beobachter versichert, dass die Anwendung der Electricität niemals geschadet habe und erzählt auch einige glückliche Kuren. Diese Heil- methode hat sich bekanntlich bald aus den Händen der 2 18 Aerzte auf die Jahrmärkte geflüchtet, von welchen sie aber nunmehr auch verschwunden zu sein scheint. Socin beschreibt überdiess nebenbei ein Electrometer, welches D. Bernoulli konstruiert hat; es war eine Senk- wage, mit welcher durch aufgelegte Gewichte die Anziehungs- kraft eines electrisierten Körpers bestimmt wurde. Mag dieses Instrument auch nicht von besonderer Vollkommen- heit gewesen sein, so hat Bernoulli doch damit gefunden und zuerst ausgesprochen, dass bei constanter Electrieitäts- erresung die Anziehungskraft mit dem Quadrate der Entfernung abnimmt, ein Gesetz, welches Cou- lomb 2°) später mit vervollkommnetem Apparate wieder gefunden hat. Auch die Wärmelehre ist durch einige Arbeiten von grösserer oder geringerer Wichtigkeit und sowohl von theo- retischem als praktischem Inhalte vertreten. J.Heinrich Lambert, der ausgezeichnete und liebens- würdige Mühlhauser, hat seine wissenschaftliche Produktion mit Schriften über die Wärme begonnen und beschlossen, indem seine erste Publikation in den Akten?!) wie seine letzte, die Pyrometrie, welche wenige Tage vor dem Tode des Verfassers dem Drucke übergeben worden ist, von der Ausmessung der Wärme handeln. Er hat diese Arbeit als die Aufgabe seines Lebens angesehen. Was sich in der Wärmelehre nach den Beobachtungen seiner Vorgänger der Rechnung unterwerfen liess, unterwarf er ihr, erweiterte das Gebiet der Wärmelehre um ein Bedeu- tendes und führte diese Disciplin der grossen Vollkommen- heit entgegen, welche sie bald nachher erlangt hat. Da in den Akten nur der erste Schritt hiezu gemacht ist, so liegt es uns ferner, diese Verdienste näher zu beleuchten. Dafür begegnen wir den mannigfachen praktischen Ver- suchen zur Verbesserung der Thermometer, durch welche 19 Micheli Du Crest für immer seinen Namen an die Ent- wicklung dieses wichtigen Instrumentes geknüpft hat. Bei der Aufstellung einer Skale für ein Thermometer, welches auf der Ausdehnung einer Flüssigkeit beruht, können zwei Wege eingeschlagen werden; entweder be- stimmt man die Höhe der Flüssigkeitssäule bei zwei festen Temperaturen und theilt den Abstand der beiden Niveaus in eine gewisse Anzahl gleicher Theile ein, welche man Grade nennt; oder man bestimmt die Höhe der Flüssig- keitssäule und das Volumen der Flüssigkeit für eine bestimmte Temperatur und heisst einen Grad die Temperaturerhöhung, welche erforderlich ist, damit eine bestimmte Volum- vergrösserung eintrete. Unter den damals verbreiteten Skalen wählen wir für die erste Art die von Newton und Fahrenheit. Newton bestimmte die Höhe der Leinölsäule, wenn die Kugel mit schmelzendem Schnee umgeben war, und den höchsten Stand, welchen dieselbe durch Berührung mit dem menschlichen Körper annahm; den ersten Punkt bezeichnete er mit 0°, den letzten mit 120; trug er von diesen Theilen noch weitere nach oben ab, so fand er, dass 34° die Temperatur des siedenden Wassers angab. Fahrenheit bestimmte die Höhe der Flüssigkeits- säule (früher Weingeist, später Quecksilber) in einer Mischung von Schnee und Salmiak und bezeichnete diesen Punkt mit 0°, die Höhe, welche sie aber durch Berührung mit dem menschlichen Körper erlangen konnte, mit 96° und fand, dass der Schmelzpunkt des Eises auf 32° und der Siedpunkt des Wassers auf 2120 fiel. Für die zweite Art diene als Beispiel De Lisles s Quecksilberthermometer. Er bezeichnet als Grad die Tem- peraturerniedrigung, welche erforderlich ist, um 10000 Raum- einheiten Quecksilber um 1 Raumeinheit zusammenzuziehen. Er fand, dass 10000 Raumeinheiten Quecksilber, welche die Temperatur des siedenden Wassers hatten, sich um 150 Raumeinheiten zusammenzogen, wenn sie auf die Tem- peratur des schmelzenden Eises abgekühlt wurden. Daher theilte er seine Thermometer nach diesen beiden Punkten und hiess die erste Temperatur 0°, die letztere 1500. Auch Réaumur’s Theilung, welche zu ihrer Zeit wegen der anscheinend grossen Sorgfalt der Herstellung viel bewundert wurde, beruht auf der zweiten Methode. Er tauchte ein grosses offenes Weingeistthermometer in gefrierendes Wasser und füllte dasselbe bis an eine vorher bestimmte Marke, so dass bei dieser Temperatur 1000 Raumeinheiten Flüssigkeit in Gefäss und Röhre sich befanden. Tauchte er darauf sein Thermometer. in sie- dendes Wasser, so ergab sich, dass der angewandte Wein- geist bei der höchsten Temperatur, welche er im siedenden Wasser annehmen konnte, sich um 80 Raumtheile aus- dehnte. Die Ausdehnung um I Raumtheil nannte er Grad, und fand also für das beobachtete Intervall 80 Grade. Da sich der Gefrierpunkt des Wassers nicht so genau be- stimmen liess, als der Schmelzpunkt des Eises, so wurde bald dieser als fester Punkt der Skale verwendet, da ferners angenommen wurde, der Weingeist habe die Temperatur des siedenden Wassers angenommen, so wurde dieser Punkt statt der Temperatur des siedenden Weingeistes gewählt, überdies auf den Stand des Barometers keine Rücksicht senommen und dadurch in die Reaumur’sche Skale eine Confusion gebracht, welche viele Beobachtungen des vo- rigen Jahrhunderts fast oder ganz werthlos macht. Micheli Du Crest, der Genfer, scheint der erste gewesen zu sein, welcher die Mangelhaftigkeit der ächten und unächten Reaumur’schen Thermometer erkannt und bestimmt dargethan hat, und dem es gelungen ist, Ther- mometer herzustellen, welche den Vergleich mit den besten jener Zeit nicht zu scheuen haben. Die wichtigsten hierauf 21 bezüglichen Arbeiten sind im dritten und vierten Bande der Akten 22) gesammelt. Obgleich Micheli durchaus unrichtige Ansichten über das Wesen der Wärme und Kälte, über die Erdwärme, den Luftdruck und andere physikalische Dinge hatte, unrich- tigere als viele seiner Zeitgenossen, so hat er doch mit siegreichem Erfolge die Mängel der R&aumur’schen Skale hervorgehoben und sich durch Ausführung technisch voll- kommener Instrumente ein grosses Verdienst erworben. Er zeigte die Unmöglichkeit, die Temperatur des ge- frierenden Wassers als festen Punkt zu wählen, indem man Wasser unter 0° abkühlen kann, ohne dass es ge- friert, und namentlich aus dem Grunde, weil das sich bildende. Eis auch während der Bestimmung wegen der kältern Umgebung sich fortwährend abkühlen muss, und verlangte die Temperatur des Wassers im Eise, als eine weit konstantere; ebenso die Angabe eines bestimmten Barometerstandes (27 9°) für die Festsetzung des Sied- punktes, der nur mit geschlossenen Thermometern zu er- halten sei (100° seiner Skale). Uebrigens wählte er die Temperatur einer 84 Fuss tief unter dem Observatorium in Paris gelegenen Nische, woselbst ein während 70 Jahren beobachtetes Florentinerthermometer keine Schwankungen gezeigt hatte. Da er diese Temperatur für eine allgemein terrestrische hielt, als eine Temperatur zwischen warm und kalt, hiess er sie Tempéré du Globe und bezeich- nete sie mit 0°. Als er später erkannte, dass die Wahl dieses Punktes mit einigen Schwierigkeiten verbunden sei, weil solche Orte sich nicht allenthalben finden, nahm auch er den Schmelzpunkt des Eises zu Hilfe; er fand ihn — 10,4 seiner Skale. Seine Thermometer bestanden aus Weingeist, weil er diesem Stoffe wegen der vermeintlich gleichförmigeren Ausdehnung, proportional der Erwärmung, den Vorzug gab, und färbte die Flüssigkeit mit Alkanna- wurzel; die Röhrenweite untersuchte er, wie DeLisle, mit einem wandernden Quecksilbertropfen. Einen Angriff N ollets in den verbreiteten Lecons de physique schlug er mit siegreichen Gründen (allerdings mit vielen Irrthü- mern vermischt) zurück und deckte verschiedene Blössen und Inkonsequenzen seines Gegners auf. Ueberdiess ver- glich er die Ausdehnung des Weingeistes und des Queck- silbers, sodann die verschiedenen gebräuchlichen Thermo- meterskalen mit den seinigen und gab die nöthigen Reduktionen an. Ueberhaupt findet sich in seinen Schriften eine grosse Zahl guter Beobachtungen, und wenn er selbst nicht immer einen so hohen Grad der Genauigkeit erreichen konnte, wie später sein Landsmann De Luc mit verbes- serten Hilfsmitteln und tieferer Einsicht erlangt hat, so mag wenigstens ein Theil der Schuld auf den unfreiwilligen Aufenthalt fallen, welchen er auf der Festung Aarburg und später in Zofingen machte, und der ihn während der letzten 16 Jahre seines thätigen Lebens dem freien Ver- kehre fast völlig entzog. Diese 'T[hermometer, von welchen unsere physikalische Sammlung durch Schenkung einige von verschiedener Art besitzt und noch andere zu besitzen wünscht, waren nicht blos hier in Basel beliebt, wo man heute noch nach Tem- péré die Grade zählen hört, sondern es reden die Zeug- nisse auch auswärtiger Beobachter für ihre grosse Taug- lichkeit. Allerdings sind sie durch die nachherigen Forschungen DeLuc’s etwas in den Schatten gestellt worden, indem dieser dasjenige Instrument schuf, welches heute mit dem Namen Réaumursches Quecksilber- thermometer bezeichnet wird, welchesaber von Reaumur nichts, weder den Gefrierpunkt, noch den Siedpunkt, noch die Hlüssilkeik enthält. Die Methode, welche L. Wentz?3) in den Mid vor- schlägt, um Thennömstersihlen auch für Röhren mit un- 23 gleichförmiger Weite zu entwerfen, hat kaum je eine praktische Anwendung gefunden. In Basel selbst wurde das Thermometer nach Du Crest angewendet für die sorgfältigen meteorologischen Tabellen, welche J. J. D’Annone mit bemerkenswerther Vollstän- digkeit von 1755 bis 1804, zwei Tage vor seinem Tode angestellt und aufgezeichnet hat. Einige Jahrgänge sind in den Akten abgedruckt; alle befinden sich handschrift- lich auf unserer öffentlichen Bibliothek. Wir werden un- willkürlich zu der Frage geführt, wie sich die Witterung in Basel vor 100 Jahren zu der heute beobachteten verhalte. Trotz der grossen Sorgfalt, mit welcher D’Annone den Stand eines wohl mangelhaften Barometers, seines Thermometers und der Windfahne des Spahlenthurmes, welchen er von seiner Wohnung auf dem Heuberge sehen konnte aufgezeichnet hat, ist die Frage doch nicht sicher zu beantworten. Man weiss nicht, ob er sich während der ganzen Zeit derselben Instrumente bedient hat, ob sich sein Thermometer nicht mit der Zeit verändert, beziehungs- weise etwas höhere Temperaturen angegeben hat, und sicher ist, dass er andere Beobachtungsstunden verwendet hat, als die heute angenommenen, dass er endlich einige Sommer in Muttenz, statt in Basel beobachtet hat. Auffallend ist, dass sich das Mittel der ersten 17 Jahre namhaft von dem der folgenden entfernt. Berechnet man?!) nämlich die wahrscheinliche Mitteltemperatur nach den Beobachtungen, welche um 8 Uhr Abends alte Baslerzeit, also um 7 Uhr in der übrigen Welt angestellt waren, so findet man für die ersten 17 Jahre 709 (R) oder De Luc. für die folgenden 16 Jahre 8°,56 (R) oder DeLuc. für die letzten 16 Jahre 90 (R) oder DeLuc. Es ist hiebei zu bemerken, dass die Verwandlung des aus Du Crest Graden eines Weingeistthermometers abge- leiteten Mittels in De Luc Grade eines Quecksilberthermo- 24 meters nie die genaue Zahl geben kann, sondern dass jede einzelne Beobachtung aus der ersten Skale in die zweite müsste übersetzt und dann das Mittel gezogen werden. Ueberdiess kann die Ableitung des Mittels aus einer ein- maligen täglichen Beobachtung nur annähernd geschehen. In Berücksichtigung dieser Umstände wird man das Mittel der ersten 17 Jahre als übereinstimmend mit dem heutigen Mittel von 7,60 R ansehen, während die folgenden nicht unbeträchtlich höher sind. Da aber eine andere Beob- achtungsreihe von Dr. A.Socin aus den Jahren 1784—1799 nach einer Berechnung von Herrn Rathsherrn Merian 7,670 R giebt und also ein mit dem heutigen Stande der Temperatur übereinstimmendes Resultat zeigt, so dürfen wir, Alles wohl erwogen, den Schluss ziehen, dass wenig- stens in Beziehung auf die Temperatur Basels Witterung im letzt verflossenen Jahrhundert sich nicht geändert hat. Die von A. Gagnebin in La Ferrière angestellten Beobachtungen, welche den Akten beigegeben sind, mögen der Vollständigkeit wegen angeführt sein; ebenso die von Lambert in Chur während der Jahre 1750-1754 ange- stellten meteorologischen Beobachtungen, aus welchen er besonders die Barometerstände nach Tages- und Jahres- zeiten und Monaten mit Angabe der Maxima und Minima zusammenstellte. Chur’s Höhe bestimmte er zu 1700 Pa- riser Fuss.25) Mit etwelcher Scheu schliesse ich an diese Mittheilung über die Witterung einige Berechnungen, welche Lambert über den Einfluss des Mondes auf die Ebbe und Fluth der Atmosphäre angestellt hat, mit Scheu desshalb, weil es noch Leute geben soll, welche dem Monde verschiedene Einflüsse zuschreiben, welche sich nicht nach den Gesetzen der allgemeinen Anziehung erklären lassen, und weil ich mich der Gefahr aussetze, zu ihnen gerechnet zu werden. In der Einleitung zum dritten Bande der Akten, in 25 welchem die ersten meteorologischen Beobachtungen auf- gezeichnet sind, verdankt der Sekretär J. Heinr. Res- pinger die bisherigen Bemühungen für die Aufzeichnung meteorologischer Data; hiebei fordert er Lambert, der damals in Chur auch der Meteorologie seine Aufmerksam- keit schenkte, öffentlich und freundlichst auf, er möge in seinen Bemühungen nicht nur fortfahren, sondern aus dem reichhaltigen Petersburger Tagebuche die Barometer- höhen für die Tage ausziehen, auf welche die Syzygien und Quadraturen des Mondes (also Neumond, erstes Viertel, Vollmond, letztes Viertel), die höchste und niedrigste Deklination, und die Erdnähe und Erdferne fallen. Aus den barometrischen Mitteln liesse sich der Einfluss des Mondes auf die Atmosphäre, beziehungsweise deren Fluth und Ebbe ermitteln. Dieser Aufforderung kam Lambert in der That nach und publicierte die Resultate seiner Studien im vierten Bande.26) Er legte seinen Untersuchungen die elfjährige Beobachtungsreihe zu Grunde, welche Doppelmaier in Nürnberg angestellt und im Commercium Epistolare Noribergense aufgezeichnet hatte. Um den Einfluss der Erdnähe und der Erdferne auf den Barometerstand zu ermitteln, nahm er nicht blos die Barometerstände an den Tagen selbst, an welchen diese Stellungen eingetreten waren, sondern auch an den drei vorhergehenden und den drei folgenden Tagen. Das Resultat seiner Addition war sehr sprechend, indem der aus je 1022 Beobachtungen abgeleitete mittlere Barometerstand zur Zeit der Erdnähe von dem zur Zeit der Erdferne nicht um eine Zehntels-Linie abwich. Dass diess mit irgend welchem Einflusse auf die Bewegungen in der Tiefe der Atmosphäre und die damit verbundenen Niederschläge sein könnte, daran konnte ein Mann, wie Lambert, nicht denken. Durch einige allgemeine Betrachtungen und durch 26 Vergleichung der Beobachtungen, welche La Condamine am Pichincha und Chimborazo gemacht, mit den Beobachtungen J.J. Scheuchzers in Zürich und auf dem Hospitz des St. Gotthardt glaubte Dan. Ber- noulli den Satz erhärten zu können, dass in einer Höhe von 1000 Toisen und mehr über der Erdfläche eine gleich- förmige Temperatur herrschen müsse, welche Thatsache durch die Beobachtungen der Luftfahrer längst widerlegt ist. 27) Aus dem Gebiete der Akustik ist nur eine, aber eine in ihrer Art sehr vortreffliche Abhandlung von Lambert in den Akten;?s) sie war schon 1777 ausgearbeitet, wurde aber erst in den letzten Band durch Johannes Ber- noulli (III), den königlichen Astronomen in Berlin, ein- gerückt. Sie behandelt die Schwingungen eines dünnen, elasti- schen Stabes, mathematisch und unter stäter experimen- teller Kontrole und leitet die Tonhöhe desselben ab; um diese zu prüfen, nahm er die Stäbchen in geeigneter Fassung in den Mund zwischen die Zähne. Als Vortheile dieser Art der Tonerzeugung giebt er an: Sie liefert dem Musikliebhaber einen ziemlich kon- stanten Ton mittelst eines Instrumentes, welches man be- quem bei sich tragen kann; es handelt sich um ein kleines, abgestimmtes, mit einer Fassung versehenes Stück Draht, welches man zwischen die Zähne nimmt und in Schwin- gungen versetzt, wenn man den betrefienden Ton hören will. Die zweite Anwendung besteht in einer musique so- litaire, welche nur der hört, welcher das Instrument im Munde führt. | Zu diesem Behufe befestigt man viele abgestimmte Drähte in einem Eisenstabe; man erhält den Umfang von zwei Oktaven, wenn man die Drähte von zwei Zoll auf sechs Linien abnehmen lässt. Dieses Instrument kann mit 27 einem Tastbrett und andern nöthigen Einrichtungen ver- sehen werden, wie das Klavier. Der Eisenstab erhält un- gefähr eine logarithmische Krümmung, damit die Draht- enden ungefähr in gerader Linie sind. Dieses Instrument erweist sich als zweckmässig für Solche, welche ihre Kompositionsversuche machen wollen ohne gehört zu wer- den, und für die, welche sich musikalische Genüsse ver- schaffen wollen, welche Andern nicht unbequem fallen und den Schlafenden nicht wecken. Ob das sonst empfehlenswerthe Instrument je aus- geführt worden oder nicht, vermag ich nicht anzugeben. Von Jakob Bernoulli II, den ein plötzlicher Tod in Folge eines Bades in der Newa seiner jungen Frau, einer Enkelin Eulers, entrissen hat, und von dem die Wissenschaft Grosses erwarten durfte, sind in den Akten 29) zwei kleine Arbeiten, welche von grosser Klarheit und Gewandtheit in der Behandlung mathematisch-physika- lischer Probleme zeugen; sie bestehen in einem Beweise des Pascalschen Paradoxons und in einer. Beantwortung der Frage, ob ein mit einem elastischen Fluidum gefüllter Cylinder beim Platzen an einem oder an zwei Orten springe. Er fand das Erstere richtig. Die Astronomie, welche zu ihren Beobachtungen ge- nauer Vorrichtungen bedarf, ist nur in sehr bescheidenem Maasse in den Akten vertreten. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde als Polhöhe für Basel (oder dessen geogr. Breite) 470 40° an- genommen. Maraldi in seiner Connaissance des Tems nahm, abweichend hievon, 470 55° an. Eine genauere Bestimmung nahm L. Wentz J. U.L. vor,3°) ein Mann, der sich nicht ohne Erfolg mit mathematischen Fragen beschäftigte und im J. 1748, nach dem Tode Johannes Bernoulli’s I, als Bewerber um die mathematische Pro- fessur in die Schranken trat, während sich Johannes 23 Bernoulli II, Prof. der Eloquenz, ebensowenig als sein Bruder Daniel, Prof. der Anatomie und Botanik, darum bewarb. Aus dem Loos gieng J. Christoph Ramspeck hervor, der dann seine Professur gegen die der Eloquenz vertauschte. Wentz bediente sich eines Gnomons, einer in einer Scheibe angebrachten kleinen Oeffnung, welche in eine genau messbare Höhe von über sechs Fuss gebracht und deren Bild während der Kulmination der Sonne beobachtet werden konnte. Unter Berücksichtigung der atmosphärischen Strahlenbrechung fand er aus fünf Be- obachtungen, auf dem Münsterplatze angestellt, die Pol- höhe für Basel 470 33° 41“, welche mit der jetzt ange- nommenen 479 33° 25” sehr gut stimmt und, was nicht ohne Interesse ist, auch der schon im Alterthum von Claudius Ptolemäus3!) angegebenen Polhöhe von Augst, das ungefähr 2’ südlicher liegt, als Basel, nämlich 470 30°, sehr nahe kommt. Den Schluss des letzten Bandes der Akten bildet eben- falls eine astronomische Arbeit von einem Manne, der» wie er hier eine Art von Schlussstein in das alte Gebäude gelest hat, so auch wieder den Grundstein des Baues, dessen Bestehen wir heute feiern, zu legen berufen war, nämlich von Daniel Huber.) Er bespricht die Ur- sachen der Veränderlichkeit in der Lichtintensität des Fixsterns Algol und sucht zu zeigen, dass diese in einem um den Stern kreisenden Planeten zu suchen sei, dessen Bahnebene durch unser Sonnensystem gehe; eine Ansicht, gegen welche wenigstens zu jener Zeit gewichtige Bedenken nicht konnten vorgebracht werden, während eine genauere Kenntniss der Periode, der kürzesten von allen veränder- lichen Sternen, zeigt, dass ein dunkler Körper zur voll- ständigen Erklärung der beobachteten Thatsachen nicht ausreicht. So einseitig das Bild sein mag, welches wir durch 29 die Verfolgung einer nur kleinen Zahl von Arbeiten der - physischen Gesellschaft gewonnen haben, so entnehmen wir denselben doch, dass um die Mitte des vorigen Jahr- hunderts in unserer Stadt eine erfreuliche Regsamkeit im Studium der Natur muss geherrscht haben. Als sich aber am Ende des Jahrhunderts und am Anfange des laufenden den Geistern andere als wissenschaftliche Fragen auf- drängten, da erlahmte das Studium, oder es zog sich in die Stille der Gelehrtenstube zurück. Namentlich war es Daniel Huber, der als Nachfolger von Johannes Ber- noulli Il mit Eifer und Glück und mit ebensoviel Be- scheidenheit sich mit der Lösung wissenschaftlicher Arbeiten befasste, und als Bibliothekar in emsiger und stiller Thätig- keit Schätze sammelte, deren wir uns heute freuen. Als nun im Jahre 1815 die schweizerische natur- forschende Gesellschaft in Genf gegründet war, ergieng auch an Basel und zwar direkt an Huber die freundliche Auftorderung, die physische Gesellschaft, von welcher noch mehrere Mitglieder lebten, wieder wach zu rufen. Es gelang ihm auch wirklich, eine Gesellschaft zu bilden, welche ihre erste Sitzung am 8. Januar 1817 abhielt. Das beinahe als erstorben betrachtete Reis begann neue Knospen, Blätter, Blüthen, Früchte zu bringen und hat nun seine Lebensdauer auf eine solche Höhe gebracht, dass die Wurzel gesund und der Stamm kräftig erscheint. Und der Boden, in welchem die Pflanze steht? Noch ist kein Jahr verflossen, seit unsere oberste Behörde mit ebensoviel Muth als Freudigkeit der höchsten Lehranstalt, auf welche sich alle unsere wissenschaftliche Thätigkeit stützt, die Mittel zugewiesen hat, welche ihr eine freudige und zeitgemässe Entwicklung gestatten, und in der Bürger- schaft selbst hat der im Rathssaale angeschlagene Ton einen vollen Wiederhall gefunden. Wir fühlen uns wohl und stark unter einer die freie Wissenschaft fördernden Bi Regierung, in einer Bürgerschaft, welche der Arbeit auf geistigem Gebiete die gebührende Achtung zollt, an der Seite anderer wissenschaftlicher Vereine, welche der Wahr- heit auf ihren Wegen nachforschen, im Verkehr mit zahl- reichen wissenschaftlichen Gesellschaften des In- und Auslandes, wodurch die Resultate fremder Arbeit auch zu unserm Eigenthum werden. Je günstiger aber sich die äussern Verhältnisse ge- stalten, um so lauter ergeht an uns der Ruf, nicht müde zu werden. In dem langsamen Fortschreiten aller Er- kenntniss, auf dem Gebiete der Naturwissenschaften, wie auf’andern, liegt eine ernste Mahnung an die, welche sich die Förderung der Wissenschaft zur Aufgabe des Lebens stellen, eine Mahnung, nicht nachzulassen in der Arbeit. Die im Dienste der Wissenschaft und des Gemeinwesens ergrauten Männer, welche eine Zierde und ein Stolz un- serer heutigen Gesellschaft sind, mögen der jüngeren Ge- neration als nachahmungswürdiges Beispiel vorleuchten, damit die Gesellschaft der Vaterstadt und dem Vaterlande zu Nutz und Frommen auch die angetretene zweite Hälite des Jahrhunderts hindurch blühe, und durch die Frucht ihrer Arbeit beweise, dass sie nicht blos zu erben, sondern auch das Erbgut durch eigenen Erwerb zu mehren versteht. Anmerkungen. 1) Wolf, Biograph. Il, p. 130—131. Diese Biographieen geben über die meisten in unserer Schrift angeführten schwei- zerischen Persönlichkeiten Auskunft. 2) Genaueres über D. Bernoulli's Lebensschicksale und Ar- beiten siehe bei Wolf Biogr. II, 150#.; P. Merian, der Mathe- matiker Bernoulli, p. 42 ff. 3) Hist. de l’Acad. 1751, p.455, und mitgetheilt in Acta helvetica IH, p. 234—235. Das Instrument, dessen sich La Caille bei seinen Beobachtungen am Kap bediente, war hergestellt von Magny und gehörte der Akademie. Wurden die kontrol- lierenden Beobachtungen durch Umkehrung der Nadel angestellt, so ergaben sich Abweichungen bis auf 3°. 4) Pièces sur les boussoles d’inclinaison etc. Prix de 1743, 1744 et 1746, p. 42. 5) Graham, Philos. trans. Nr. 389, Vol. 33, p. 332—339; Musschenbrok, Dissert. phys. experim. de Magnete 1754, p. 200 ff. 6) Acta helv. II, 233—249. Mémoire sur les nouvelles aiguilles d’Inclinaison faites à Basle par Mr. Dietrich, und Acta helv. I, p. 264—267. Hier theilt er Folgendes mit: C'est Mr. Dietrich, Bourgeois de cette ville et habile Artiste, qui fait ces Aimans artificiels; sa curiosité naturelle le porta d’abord à construire quelques-uns de ces aimans, en suivant les pre- ceptes connus, et sa capacité le conduisit bientôt à les perfec- tionner. Il a remarqué que la figure la plus convenable pour donner beaucoup de force à ces aimans est celle d'un fer à cheval. Und das Gesetz der Tragkraft stellt er wie folgt auf: Cette loi porte, que la force des aimans suit la raison de 3% leurs surfaces, ou celle des racines cubiques des quarres de leurs poids, Heisst die Neigung der Magnetnadel, welche sich im mag- netischen Meridiane befindet, ©, der Winkel, welchen die Schwingungsebene der Nadel mit der Ebene des magnetischen ‚Meridianes bildet, d, die Neigung der Nadel für den Winkel d heisse x, so ist tgi cos d D. Bernoulli drückt den Satz aus: Comme le sinus total est à la cotangente de l’inclinaison principale, ainsi le cosinus de la déclinaison magnétique de la boussole à la cotangente de l’inclinaison cherchée. lg & = a cos d Also —— = , woraus man ebenfalls erhält cotg i cotg x ty LORIE RE cos d 7) Théorie de l’Inclinaison de l’Aiguille aimantee, con- formée par des Expér. par J. A. Euler, le fils. Hist. de PAcad. roy. des Sc. et bell. Lettr. 1755, p. 117—201. 8) 175r Brief. 9) Humboldt Kosmos IV, p. 113. 10) Nov. Comment. Acad. Petrop. 1769, I, p. TE. 11) Arch. de sc. phys. N. 107, p. 217ff. Mem. de la societe de phys. de Genève. XVII, p. 309—416. Expériences faites à Genève avec le pendule à réversion, par E. Plantamour. 12) Phipps voyage au Pôle boréal. 1773. 13) Act. Petrop., 1178, p. 170 192. 14) Brander, Beschreibung eines magn. Declinâtorii und Inelinatori. Augsburg 1779. 15) Siehe Note 6. Man kann aus der dortigen Angabe nicht mit voller Bestimmtheit darauf schliessen, dass Dietrich die Hufeisenform erfunden habe, er könnte dieselbe unter vielen vorhandenen Formen als die zweckmässigste erkannt haben. Indessen sind mir aus früherer Zeit keine Hufeisenmagnete be- kannt. In den Traites sur les Aimans artificiels; traduits de deux Ouvrages anglais de J. Michell et J. Canton par le P. Ri- 33 voire de la Comp. d. J. p.75 sind die Hufeisenmagnete ge- nannt und Tafel II, fig. 4 abgebildet, ohne Namen des Erfinders. 16) Act. Petrop. 1778, p. 49. 17) Pogg. Ann. LVU, p. 321—345. 18) Gymnoti tremuli Descriptio etc. Act. helv. IV, p. 26 ff. 19) Act. helv. IV, p.214fl. Das Bernoullische Electro- meter wird p. 224 folgendermaassen beschrieben: Magnum est hydrometrum, totum ex metallo confectum. Figuram refert ovalem, vel duorum conorum basibus junctorum, quorum maxi- mus diameter transversalis 2Y, pollices habet; inferior conus hamulo instructus est, cui ponduscula appenduntur, quorum ope hydrometrum et aqua aequilibrantur. Superiori cono conferru- minatus est stylus, in gradus divisus. Stylo insidet orbiculus diametri 4 pollic. Hoc electrometrum vasi immittitur capaci, aqua repleto, in qua ad certum subsidet gradum, et ne ascen- dendo vel descendendo vacillet, stylum amplectuntur duo semi- circuli vitrei, vasi impositi, et ubi transire debet stylus, emar- ginati. Ad distantiam circiter pedalem, ex systemate electrico discus pendet metallicus, marginibus obtusis! Mota machina a disco attrahetur electrometri orbiclus, illudque enatabit; quo propius autem ad discum accedit, eo magis vim electricam systematis absorbet. Ut itaque in eodem semper vigore maneat electricitas, orbiculo imponuntur ponduscula grani YV,, unius vel plur. quibus inprima distantia detinetur electrometrum. Eodem (instrumento) usus est Vir celeberrimus, ut deter- minaret rationem, in qua corpora ab electricis trahuntur, eique visum est, in ratione reciproca quadrata distantiarum id fieri, si vis electricitatis maneat eadum. 20) Coulomb. Mém. de l’Acad. 1785, p. 569. 21) Act. helv. II, p. 172—250. 22) Die verschiedenen Arbeiten Micheli Du Crest’s sind: Act. helv. IH, p. 23—104: 1) Description de la méthode d’un thermomètre universel. 2) Détermination du plus grand froid, que l’on ait éprouvé communément dans Paris à une exposition du Nord en 1709, en 1740 et le 10 Janvier 1742. 3) Pro- cédé pour déterminer ia correspondance des thermomètres de Mr. De l'Isle, Fahrenheit, Newton et de plusieurs autres avec 3 34 son thermomötred’Esprit de vin. 4) Mémoire instructif sur les thermomètres de Mr. de Réaumur et sur ceux de l’Auteur, fait en forme de lettre, pour servir de réponse au 4me Tome des - Leçons de Physique de Mr. l'abbé Nollet, à légard des deux objets. 5) Explication des Tables de correction des effets du chaud et du froid dans le baromètre. 6) Tables de correction des effets du chaud et du froid dans le baromètre etc. Act. helv. IV, p. 1—23: Extrait d'une lettre écrite à la Ro- chelle le 7 Octobre 1758 par l’Auteur de la méthode d’un thermomètre universel et adressée à un Membre de l’Académie des Sciences, afin d'y déterminer le terme du tempéré du globe de la terre. 23) Act. helv. II, p. 105—108. 24) Nach Dove: Ueber die tägl. Veränderungen der Tem- peratur der Atmosphäre. Abh.der Berl. Ak. 1846. p. 130—131. 25) Act.helv. III, p. 321—365. 26) Act. helv. TV, p. 315—336. Da das Hauptresultat sei- ner Addition sehr sprechend ist, so theile ich hier die Summe der Borometerstände für die einze'nen berücksichtigten Jahr- gänge mit: ane, Anh der Remo der Sn (Sufing der Bände, nie. 1732 : 94 29412,5 29422,0 48 1733 98 31788,5 31662,4 — 126,1 1734 9 29465,2 29446,1 — 191 1183. ‚9 29383,5 29455,7 + 722 1736 9 29412,6 29453,7 + 41,1 1737 198 31775,5 31710,2 — 63,3 1058 91 29473,7 29495,1 + 21,4 1759: 49% 29349,7 29412,0 + 62,3 1740 99 31655,7 31669,4 + 137 1741 9 29545,0 29419,2 — 125,8 1742 91 29371,1 29419,7 + 48,6 1022 330633,0 330565,5 is Der aus 1022 Beobachtungen abgeleitete mittlere Barometer- stand zur Zeit der Erdnähe beträgt 323,52 Par, Linien und zur Zeit der Erdferne 323,45 Linien. 35 27) Act. helv. I, p. 33—42. und II, p. 101—113. Diverses réflexions concernant la physique générale. 28) Act. helv. IX oder Nova Act.I, p. 42—75. Sur le son des corps élastiques par feu Mr. Lambert. 29) Nov. act. I, p.229—237. Considérations hydrostatiques. 30) Act. helv. II, p. 254—264. Observatio elevationis poli basileensis. Seine fünf Bestimmungen ergaben am 15. Juni 1754 470 54‘ 3% De vi at A7 0 33% 33% 3..Jul 470 33‘ 93 AR 470 33° 40“ De 479 33° 454 Mittel 4707337 41° Daniel Hubers Vater fand aus 4 in den Jahren 1753—1754 gemessenen Zenithdistanzen 470 32° 32“, hat aber später 479 33° 30‘ angenommen. s. Wolfs Biograph. I, p. 448. 31) Cl. Ptolemæus Geogr. Lib. II, Cap. 8. Ed. Fred. Guill. Wilberg. p. 143. Augusta Rauricorum 47 0 30. 32) Nov. act. I, p. 307—314. siehe hierüber Mädler, der Fixsternhimmel. p. 161—163. nn 5 Mu je ai Re: ah + R wg A Rn SE en x ER NA uen > as zu Er nr TL vas" 7 N n Ê 2 EN y ER ; SER 1 wi "Chr ” min F en BR Le ah Li - nl, 5 a : MR ee M Nr net" 27 M nn HR re | 3 6 > ge Re à gi mrseqe . | RS Ve es" at er AR sé Ÿ ere “Die wi sec #7 Du TS s. S% - 5 er wir À - k < pins re fi = Ver 4 Pe I Tr Tr Pl I ” re, * DE: u 6 - à en ENTER tn MR RS FOR es US E x Ne 2 + " ? Ga ans PTS UN 3e Er el SI Bi cac il AA AN, ch Te ET En a = a hat. ie ER 3 a A 7 8 7. - ie Er F2 Ya „ Br TER ” EREREN > Le ban "7 Pere x GR u E>3