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Hibrary of the Museum

OF

‘COMPARATIVE ZOOLOGY,

AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS.

Pounded by private subscription, in 1861.

Deposited by ALEX. AGASSIZ.

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Verhandlungen

der

Deutschen Zoologischen Gesellschaft

auf der ersten Jahresversammlung zu

Leipzig, den 2. bis 4 April 1891.

Im Auftrage der Gesellschaft herausgegeben

von

Prof. Dr. J. W. Spengel,

Schriftführer der Gesellschaft,

C, Leipzig Verlag von Wilhelm Engelmann

1891.

Anwesend sind die Herren des Vorstandes: LEucKART (Vorsitzen- der), BüTscHLI, Carus, En urs (stellvertretende Vorsitzende), SPENGEL (Schriftführer),

ferner die Herren Mitglieder: BLOCHMANN, BRANDES, BRAUER, CrepNER, DREYFUS, GÖTTE, v. GRAFF, GROBBFN, HEIDER, HEnKıng, Kaiser, v. Koch, Kont, Lupwic, Maas, MARSHALL, METZGER, NITscHE, PLATE, F. Sarasin, P. Sarasin, SCHUBERG, SEELIGER, SEITZ, SELENKA, SIMROTH, SPANGENBERG, STRUBELL, TASCHENBERG, ZSCHOKKE,

als Gäste die Herren: ALTMANN, MÜGGENBURG, Ramsay WRIGHT.

Am Abend des 1. April fand im Zoologischen Institut eine Sitzung des Vorstandes statt, in welcher die Tagesordnung fest- gestellt und geschäftliche Angelegenheiten verschiedener Art berathen wurden.

In Krafft’s Hotel de Prusse vereinigten sich die Anwesenden zu gegenseitiger Begrüßung.

Die Sitzungen wurden im großen Hörsaal des Zoologischen In- stituts, die Demonstrationen im Laboratorium desselben abgehalten.

Erste Sitzung Donnerstag, den 2. April, von 9*/, Uhr Vorm. bis 12!/, Uhr.

Der Vorsitzende, Herr geheime Rath Prof. Dr. Rup. LEUcCKART, eröffnet die Sitzung mit folgender Ansprache:

Meine Herren! Als am 29. Mai v. J. in Frankfurt a. M. die »Deutsche Zoologische Gesellschaft« gegründet wurde, da beschloß man die erste Jahres- versammlung derselben um Ostern herum in Leipzig abzuhalten. Dieser Bestimmung und dem durch Ihr Vertrauen später mir über- tragenen Ehrenamt verdanke ich die Gelegenheit, Sie heute zu be- grüßen und in den Räumen unseres Zoologischen Instituts willkommen zu heißen. Trotz der Ungunst der Zeit und des Wetters sind Sie wider 1*

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Erwarten zahlreich hier zusammengekommen, erprobte Vertreter unserer Wissenschaft, hoffnungsreiche junge Genossen unserer For- schung, nicht um zu lehren und zu lernen, wie daheim, sondern um in ungezwungener Weise persönlich und wissenschaftlich zu verkehren, als Glieder eines geistigen Ganzen sich zu fühlen und das Bewußtsein gegenseitiger befruchtender Anregung als bleibenden Gewinn und als Förderung für die spätere Arbeit davonzutragen.

Es ist heute nicht das erste Mal, daß eine von deutschen Zoologen gegründete Gesellschaft in Leipzig ihre erste Jahresversammlung hält. Und die Erinnerung an diese ältere Feier ist noch heute lebendig, nicht bloß im Kreise unserer nächsten Fachgenossen, sondern überall in unserem Vaterlande, ja weit über dessen Grenzen hinaus, denn in dieser Versammlung wurde der Grund gelegt zu einem Wandervereine, der alljährlich seit fast sieben Decennien die Führer unserer Natur- wissenschaften aus allen Gauen Deutschlands zu gedeihlichem Zu- sammenwirken einte und eine lange Zeit hindurch fast die einzige In- stitution war, die mit dem Gefühle einer engern wissenschaftlichen Gemeinschaft auch zugleich den nationalen Gedanken trug und groß zog. Ich zweifle auch nicht, daß es die Erinnerung an dieses bedeut- same Ereignis gewesen, die Ihre Wahl auf unsere Stadt hinlenkte, weit mehr jedenfalls, als es die centrale Lage Leipzigs und die Hilfs- mittel einer blühenden Universität oder das rege geistige und in- dustrielle Leben einer werdenden Großstadt zu thun vermochte.

Doch wie ganz anders war es damals, im Jahre 1822, als auf OxeEn’s Veranlassung die deutschen Naturforscher zuerst hier zusammen- kamen. Es war eine kleine Zahl von Männern, kaum mehr als ein Dutzend, meist gleichgesinnte und befreundete Gelehrte, die unter dem Drucke der damals herrschenden politischen Zustände tagten. Man kennt kaum die Stätte ihrer Zusammenkünfte und nur theilweise ihre Namen. Und das nicht etwa, weil diese in Vergessenheit geriethen, sondern desshalb, weil manche der Theilnehmer wie ich aus dem Munde eines der Überlebenden selbst einst gehört habe Bedenken trugen, ihre Anwesenheit verlauten zu lassen.

Und heute welch’ ein Gegensatz! Nicht bloß, daß wir unter dem Schutze einer erleuchteten Regierung frei und bei offnen Thüren uns bewegen, daß wir in einem Universitätslocale unseren Vereins- zwecken nachgehen und die Hilfsmittel dieser Universität für uns benutzen wir tagen in einer Stadt des neu erstandenen deutschen Reiches, im Mittelpunkte eines politisch geeinten Deutschlands, das, früher kaum mehr als ein geographischer Begriff, heute durch seine Macht und den Einfluß, den es ausübt, unter den Staaten Europas die erste Stelle einnimmt.

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Und anders war es damals nicht bloß draußen, sondern auch drinnen, in unserer Wissenschaft. Die Jüngern von uns werden sich nur schwer in eine Zeit zurückversetzen können, in welcher das Mi- kroskop von dem Zoologen nicht benutzt, das Mikrotom nicht erfunden war, in welcher der Begriff »Zelle« noch fehlte, die Vorgänge der Entwicklung und Artbildung kaum geahnt, Worte wie Generations- wechsel, Parthenogenesis, Arbeitstheilung nicht gehört wurden. Und doch war es so zu Zeiten Oxen’s und der ersten deutschen Natur- forscherversammlungen. Das zoologische Wissen jener Tage war in enge Grenzen gebannt, die Einsicht in den Zusammenhang der Er- scheinungen beschränkt, der Weg, den man ging, die Natur zu be- fragen, einfach und unschwer zu betreten. Unter den Männern, die eine tiefere Einsicht suchten, herrschte die Überzeugung, daß es möglich sei, die Gesetze des Geschehens auf allen Gebieten der Natur a priori zu erkennen und festzustellen, eine Überzeugung, die den Einzelnen fast berechtigte, der Mühen und Schranken einer ernsten Forschung sich zu entschlagen. Wo wir heute mit Hilfe der in langer und schwerer Arbeit gewonnenen Erkenntnisse an der Hand der ver- wandten Wissenschaften das Getriebe der Lebenserscheinungen auf seine mechanischen Ursachen zurückzuführen bestrebt sind, da ließ man früher die allmächtige Lebenskraft und den Bildungstrieb ihre Wunder thun. Jene Zoologie, die sich im Gefühle eines berechtigten Stolzes die wissenschaftliche nennt, mit einem Namen, den unsere vornehmste zoologische Zeitschrift heute auf ihrem Titelblatte führt, war jener Zeit noch nicht erstanden. Die Zoologie von damals war eine bloße Thierkunde. Ihr nächstes, vielfach ihr einziges Ziel war auf die Erkenntnis und Unterscheidung der Arten gerichtet. Höch- stens, daß daneben noch die systematischen Beziehungen derselben und die Verhältnisse des anatomischen Baues in Betracht kamen. Nach dieser Richtung aber wirkten die Kräfte der Forscher mit großem Erfolge zusammen, so einmüthig und lange Zeit hindurch so aus- schließlich, daß darüber sogar der Reiz des Lebendigen, dem die Zoologen der früheren Decennien so vielfach in sinniger Weise einen Ausdruck gegeben, vollständig in den Hintergrund trat.

Es war noch die Liynz’sche Schule, die jener Zeit unsere Wissen- schaft beherrschte und trotz des befruchtenden Einflusses, den Cuvier mit seiner vergleichenden Methode und die Naturphilosophie mit ihren Ideen auf sie ausgeübt hatte, nach wie vor den descriptiven Charakter zur Schau trug.

Doch wir wollen die damalige Zoologie nicht gering schätzen. Sie repräsentirt einen Entwicklungszustand, der eben so natürlich, wie

für die spätere Gestaltung unserer Wissenschaft nothwendig war.

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Da Alles, was wir wissen, auf der Erfahrung beruht, so beginnt auch eine jede Wissenschaft damit, das Material, das ihr zu Grunde liest, zu prüfen und zu sammeln. Selbst das abstracte Denken kann sich nicht ohne Gefahr des Irrens von der realen Welt ablösen. Für die Naturwissenschaften aber gilt solches in noch höherem Grade, denn der Boden, in dem dieselben wurzeln, ist ungleich fruchtbarer und kaum jemals zu erschöpfen. Nirgends aber erscheint der Reichthum und die Gliederung des empirischen Materials so groß und so mannig- faltig wie in der lebendigen Welt. Und damit findet es denn auch seine Erklärung, wenn wir sehen, daß die Feststellung, die Sichtung und die Ordnung desselben eine ungewöhnlich lange Zeit und eine nahezu endlose Arbeit in Anspruch nahm, so lang und so ergiebig; daß es fast den Anschein gewann, als wenn die Thätigkeit des Zoologen (wie des Botanikers) in der Beschaffung und Durcharbeitung dieses Materials vollständig aufgehe.

Einer solchen Auffassung entspricht denn auch die Bezeichnung »beschreibende Naturwissenschaft«, die man noch heute gelegentlich für die Zoologie und die Botanik in Anwendung bringt wenig ehren- voll wenigstens dann, wenn man sie als solche der Physik und Chemie, den sog. erklärenden Naturwissenschaften, gegenüberstellt.

Doch uns zum Trost sei es gesagt: die Herrschaft der descriptiven Naturwissenschaften ist vorüber. Nicht, daß wir der Untersuchung und Feststellung des Thatsächlichen jemals entbehren könnten. Wir be- dürfen der empirischen Unterlage heute sogar in größerer Breite und Tiefe als früher, aber wir sind uns bewußt, daß diese Thatsachen, statt den Inhalt unserer Wissenschaft zu erschöpfen, bloß die Substanz ab- geben, aus der erst die letztere durch weitere Arbeit hervorgeht.

Und diese Wandlung verdankt unsere Zoologie der Erkenntnis, daß die Objekte, an welche dieselbe anknüpft, nirgends jene ruhenden Größen sind, als welche sie den früheren Forschern erschienen, sondern Träger von Vorgängen, die einander ergänzen und in zweckmäßigster Weise zur Erhaltung des Ganzen zusammenwirken. Nicht mit starren Gebilden also, mit biologischen Vorgängen hat unsere Wissenschaft zuthun, und diese Vorgänge sind nicht bloß der Erforschung in gleicher Weise zugängig, wie die Erscheinungen, mit denen die Physik und Chemie sich beschäftigen, sondern erheischen auch mit gleichem Rechte ihre wissenschaftliche Erklärung.

Zuerst waren es die Vorgänge des individuellen Lebens, denen die Forschung sich zuwendete. Man sah dieselben je nach ihrer Natur an besondere Organe geknüpft, und kam des Weiteren dann zu der Erkenntnis, daß diese Organe nicht etwa bloß die specifischen Cha- raktere der Thiere bestimmten, sondern, was weit bedeutungsvoller

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war, die Werkzeuge abgaben, mit denen dieselben ihre Lebensarbeit verrichteten. Hier war die Bildung dieser Organe so, dort anders, je nach der Art und den Verhältnissen der jedesmaligen Leistung. Die letztere aber erschien überall in Abhängigkeit von der Lebensweise. Da nun, um diese zu ermöglichen, die Organe sämmtlich zusammen- wirkten, so mußten auch ihre Eigenschaften einander entsprechen: die Organe waren, wie man heute gewöhnlich sagt, einander angepaßt. Auf diese Weise erkannte man das Gesetz der Correlation, die Be- ziehungen zwischen Masse und Fläche, den Einfluß der Körpergröße auf die Organisation, die Erscheinungen der Arbeitstheilung; Alles Verhältnisse, die dem .bisher bloß thatsächlich Bekannten Sinn und Verständnis gaben.

An die physiologische Analyse des fertigen Thieres schloß sich alsbald aber auch die Frage nach den Vorgängen der Fortpflanzung und Entwicklung. Und auch hier lohnte der Erfolg in reichem Maße die Arbeit des Forschens. Wie die Entdeckung des Generationswechsels unsere Kenntnisse von dem Formenwandel der Thiere in unerwarteter Weise vervollständigte, solegte der Nachweis, daß die Thiere sämmtlich aus einer ursprünglich einfachen Zelle hervorgehen, die sich durch Theilung vermehrt und dann zunächst erst die Keimblätter liefert, den Grund zu einer einfacheren Auffassung der sonst so complicierten Entwicklungsvorgänge. Wir lernten es sogar, gewisse Eigenthümlich- keiten der Entwicklung und der Metamorphose mit der Beschaffen- heit der Eizelle und der Menge des darin enthaltenen Bildungsmaterials in Zusammenhang zu bringen.

Und von den Individuen hinweg richtete sich jetzt der Blick auf die Arten, denen dieselben zugehören. Und auch diese erschienen dem Forscher alsbald in einem neuen Lichte. Während dieselben früher fremd und theilnahmlos neben einander standen, eine jede für sich die eignen Kreise vollendend, erschienen sie fortan alle, so verschieden sie sonst auch waren, gleich den einzelnen Theilen des Organismus, als Glieder eines zusammenhängenden Ganzen. Und das nicht etwa bloß durch den Zwang der materiellen Bedürfnisse, die ein gemein- schaftlicher Haushalt ihnen auferlegte, sondern auch durch das ver- wandtschaftliche Band einer gemeinsamen Abstammung.

Dieses genetischen Zusammenhanges unkundig, ließen die früheren Zoologen die einzelnen Arten von vorn herein im Vollbesitze ihrer Eigenschaften, eine jede für sich, durch einen schöpferischen Act ihren Ursprung nehmen. Trotz manchen Widerspruches erschien eine der- artige Auffassung so lange gerechtfertigt, als die Vorgänge des Werdens nur in der Form ihrer äußeren Erscheinung bekannt waren. Heute, wo wir durch Darwin’s bahnbrechende Lehre die Erscheinungen der

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Vererbung und Variation, als wichtige, wenn auch nicht letzte und einzige Factoren der Gestaltbildung kennen lernten, finden wir aller- orten die Zeugnisse für die Entstehung der Arten auf natürlichem Wege.

Was uns dabei zum Vorbilde dient, ist die individuelle Entwicklung. Wie das fertige Thier seine Bildung einer mehr oder minder langen und complicierten Metamorphose verdankt, wie es im Laufe derselben eine Reihe von Zuständen durchlebt, von denen ein jeder den früheren voraussetzt und selbst wiederum die genetischen Bedingungen für den folgenden einschließt, “also sind auch nach der Darwın’'schen Lehre die einzelnen Arten in Abhängigkeit von einander entstanden, die eine der Ausgangspunkt und die Mutter der anderen. Was sie Gemeinsames haben, die Züge einer natürlichen Verwandtschaft, das besitzen sie als Erbstück von ihren Ahnen, und was von specifischen Eigenschaften ihnen zukommt, das verdanken sie den Einflüssen, die während der Entwicklung auf sie einwirkten und das Product in mehr oder minder auffallender Weise abänderten.

Es ist ein großartiges Bild, welches Darwin vor unseren Blicken aufrollt. Alle Geschöpfe, die gegenwärtigen nicht bloß, sondern auch die früheren, alle jene Millionen von Wesen, die mit uns leben, wie jene, die vor uns in’s Grab stiegen, sie bilden eine einzige, unendlich reiche und mannigfach gegliederte Familie. Hier ist die Verwandt- schaft enger, dort lockerer, je nach der Zeit der Abgliederung, hier entfaltet sie sich in einfach aufsteigender Linie, dort in Form eines vielleicht üppig verästelten Zweiges. Wie aber kein Glied außerhalb dieser Gemeinschaft steht, so ist auch keines, welches der Ahnen ent- behrte, die vorausgehen mußten, bevor es selbst entstehen konnte.

Doch es ist unnöthig, die Lehre Darwın’s weiter hier auszumalen. Sie kennen sie Alle, und stehen Alle in ihrem Bannkreise. Der Ein- fluB, den sie ausübt, ist so groß und geht so tief, daß wir, so lange es überhaupt eine Zoologie giebt, nicht zum zweiten Male ein Ereignis zu verzeichnen finden, das eine so tiefgehende und nachhaltige Be- wegung in unsere Wissenschaft gebracht hat. Begeisterte Anhänger gehen so weit, daß sie eine wissenschaftliche Zoologie überhaupt erst von Darwin an datieren und der zoologischen Arbeit nur in so weit einen wissenschaftlichen Werth zugestehen, als sie auf die Descendenz- lehre Bezug hat.

Wer die Geschichte unserer Wissenschaft kennt, vielleicht auch selbst, wie ich von mir es behaupten darf, Zeuge gewesen ist von einer ganzen Reihe der Veränderungen, die’ sie durchlaufen, der wirdjnicht zweifelhaft sein, daß derartige Aussprüche weit über das Maß des Zulässigen hinausgehen.

Man hat den Versuch gemacht, dieselben durch einen Hinweis

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auf die Reformation zu rechtfertigen, die einst die Copernicanische Lehre in der Astronomie hervorrief, und den stillen Gelehrten von Down geradezu den Coprernicus der Zoologie genannt. Doch der Vergleich ist nicht zutreffend, denn die Art und Weise, wie die Lehre Darwin’s in unsere Wissenschaft sich einfügte, ist gar sehr verschieden von jener Umgestaltung, welche der Frauenburger Canonicus herbei- führte.

Indem der Letztere mit mathematischer Schärfe bewies, daß der Ausgangspunkt der bis dahin in der Astronomie herrschenden alexan- drinischen Schule auf einem Irrthum beruhte, dessen Beseitigung das ältere System unhaltbar machte, ergab sich für ihn die Nothwendigkeit eines vollständigen Bruches mit den Überlieferungen der früheren Zeit.

Anders aber im Falle Darwın’s. Allerdings handelt es sich auch in diesem um die Beseitigung eines alten Irrthums, eines Irrthums aber, der, so bestimmend er auch für unsere Ansichten von der Natur der Artund den Beziehungen der einzelnen Lebewesen war, den übrigen Inhalt unserer Wissenschaft nahezu intact ließ. Und das in einem solchen Grade, daß die Anhänger Darwın's demselben sogar vielfach die Beweismittel für die neue Lehre entnehmen konnten. Sie eine Re- formation im Sinne des Copernicanischen Systems zu nennen, ist dem- nach unzulässig; sie erscheint vielmehr als der Schlußstein eines schon damals großentheils fertigen wissenschaftlichen Bauwerks.

Was aber die Copernicanische Lehre vom Bau und der Mechanik unseres Sonnensystems nicht bietet, eine wissenschaftliche Parallele zu Darwıny's Lehre von der Entstehung der Arten, das finden wir durchaus zutreffend in der LaprAcr’schen Theorie von der Entwicklung jenes Systems, zutreffend nicht bloß insofern, als es sich in beiden Fällen um genetische Fragen handelt, sondern auch darin, daß die Begründung beide Male im Gegensatze zur Beweisführung des Co- PERNICUS nur auf inductivem Wege geschehen konnte.

Wir nennen die Larracr’sche Theorie eine Hypothese, denn sie entbehrt des directen Beweises für ihre Richtigkeit, aus demselben Grunde müssen wir aber auch die Descendenzlehre als eine solche be- zeichnen. Ihre wissenschaftliche Bedeutung wird dadurch nicht ge- schmälert, denn die Aufschlüsse, die sie uns bringt, und die Thatsachen, auf die sie sich stützt, bilden einen Gewinn, der unserer Wissenschaft bleiben wird füralle Zeiten. Im Einklang mit Allem, was wir dermalen wissen, ist sie von allen Hypothesen, die über die Entstehung der Arten aufgestellt werden können, diejenige, welche der Wahrheit am nächsten kommt, wenn sie nicht gar schon die volle Wahrheit ausdrückt.

Aber gerade deshalb, weil die Darwın’'sche Lehre ohne Zwang unserem wissenschaftlichen Denken sich anfügt und vollauf den Drang

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nach einer einheitlichen Auffassung der lebendigen Natur befriedigt, gerade deshalb sind wir nur gar zu sehr geneigt, den hypothetischen Charakter, den sie hat, zu übersehen und den Thatsachen, die für sie sprechen, eine absolute Beweiskraft beizulegen. Und nicht bloß still- schweigend ist das geschehen; man hat geradezu behauptet, daß die Erscheinungen der Vererbung und der adaptiven Variation ohne Weiteres genügten, die Descendenzlehre causal zu begründen. Als ob Vererbung und Anpassung einfache, mechanisch wirkende Kräfte wären und nicht Resultate von Vorgängen, die selbst erst der cau- salen Erklärung bedürften. Erst dann, wenn es einst gelingen sollte, diese Vorgänge auf ihre Ursachen zurückzuführen, erst dann ergiebt sich vielleicht die Möglichkeit einer Verwerthung im Sinne der Cau- salität. Bis dahin operieren wir mit jenen Factoren kaum anders, als die früheren Physiologen mit ihrer Lebenskraft.

Es ist der normale Gang einer jeden Erkenntnis, daß die Ursachen einer Erscheinung erst erforscht werden, wenn nach der Feststellung des Thatsächlichen zunächst die theoretischen Grundlagen gewonnen sind. Und so dürfen wir uns denn auch der Hoffnung hingeben, daß es einst gelingen werde, die Mechanik der organischen Formbildung zu erforschen und damit eine befriedigende Einsicht in die Entstehung nicht bloß, sondern auch in die Erhaltung und die Veränderung des thierischen Körpers zu gewinnen, in jene Fragen also, die in gleicher Weise den Gegenstand der Descendenzlehre wie der individuellen Entwicklungsgeschichte abgeben. Es ist eine schwer zu lösende Auf- gabe, die wir unserer Forschung stellen, aber würdig des Gegenstandes, dem sie sich zuwendet. Schon C. E. von BAER hat in voller Aner- kennung derselben denjenigen glücklich gepriesen, dem es vorbehalten ist, »die bildenden Kräfte des thierischen Körpers auf die allgemeinen Kräfte und Lebensverrichtungen des Weltganzen zurückzuführen« freilich auch Angesichts unseres derzeitigen Wissens resignirend hinzu- gefügt, »daB der Baum noch nicht gekeimt hat, aus welchem die Wiege desselben gezimmert werden soll«.

Und was damals galt, das gilt auch noch heute.

Ich habe gesprochen.

Darauf erstattet der Schriftführer den Bericht über den Stand der Gesellschaft im verflossenen Geschäftsjahr:

Am 29. Mai 1890 traten zu Frankfurt a.M. im Zoologischen Garten unter den Auspicien der SeNcKENBERGischen Naturforschenden Gesell- schaft 28 Fachgenossen zur Begründung einer »Deutschen Zoologischen Gesellschaft« zusammen. Das wenige Wochen danach veröffentlichte erste Verzeichnis ihrer Mitglieder wies bereits 54 Namen auf, und

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bis zum Ende des ersten Geschäftsjahres hat die Zahl der Mitglieder die Höhe von 144 erreicht. Leider hat in demselben auch schon der Tod der Gesellschaft eines ihrer Mitglieder entrissen, den durch seine Arbeiten auf dem Gebiete der Lepidopterologie rühmlichst bekannten Oberstlieutenant SAALMÜLLER in Frankfurt a.M. Gegenwärtig zählt die Gesellschaft 150 Mitglieder.

Die erste größere Aufgabe erwuchs derselben in Folge eines hoch- erfreulichen politischen Ereignisses, der Erwerbung Helgolands. Die Errichtung einer Zoologischen Station daselbst war schon lange von allen deutschen Zoologen als ein lebhaftes Bedürfnis empfunden. Von anderer Seite waren Schritte gethan, diesen Plan seiner Verwirk- lichung entgegenzuführen, und der Vorstand wünschte daher, auch die Gesellschaft möge für diese Bestrebungen eintreten. Er erbat sich durch ein Rundschreiben von den Mitgliedern die Ermächtigung zu entsprechendem Vorgehen und richtete, nachdem diese einstimmig ertheilt war, folgende Immediateingabe an Seine Majestät den Deutschen Kaiser:

Allerdurchlauchtigster Großmächtigster Kaiser und König, Allergnädigster Kaiser, König und Herr.

Als vor wenig Monden durch die deutschen Lande die Kunde drang, daß Ew. Kaiserliche und Königliche Majestät dem Vaterlande mit dem Erwerbe Helgolands ein zwar nicht umfangreiches, aber hoch- bedeutendes Gebiet zugeführt habe, da geselite sich zu dem gehobenen patriotischen Gefühle, welches Aller Herzen erfüllte, in einem enge- ren Kreise deutscher Männer die Hoffnung, es möchte der neue Besitz nicht bloß unsere Küsten sichern und den nationalen Wohlstand mehren, sondern auch der deutschen Wissenschaft eine Stätte bieten, an welcher sie die Schätze des Meeres heben und durch deren Erfor- schung neue Erfolge den bisher errungenen hinzufügen könnte.

Schon früher ist mehrfach und an verschiedenen Stellen von deutschen Gelehrten, Zoologen und Botanikern, dem Wunsche nach Errichtung einer biologischen Station auf Helgoland Ausdruck gegeben worden; doch so berechtigt dieser Wunsch an sich auch war, den da- maligen Verhältnissen gegenüber mußte er unerfüllt bleiben.

Heute nun wagt es der Vorstand der Deutschen Zoologischen Gesellschaft allerunterthänigst vor Ew. Kaiserlichen und Königlichen Majestät Thron im Namen und Auftrage seiner Gesellschaft, deren Mitglieder allen Ländern deutscher Zunge angehören, die ehrerbietigst ausgesprochene Bitte niederzulegen, Ew. Kaiserliche und Königliche Majestät wolle huldvollst geruhen, auf der jetzt deutschen Insel Helgo- land eine deutsche biologische Station in’s Leben zu rufen.

Die biologischen Wissenschaften dürfen sich rühmen, in den letzten

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Decennien dem Erfahrungsbereiche des menschlichen Wissens große und unerwartete Bereicherungen zugebracht zu haben. In den wei- testen Kreisen des Volkes haben sie Interesse und Theilnahme gefun- den, nicht bloß, weil die neu erworbenen Erfahrungen und Kenntnisse vielfach von unmittelbarer Bedeutung für das materielle Wohl der Menschheit waren, sondern auch dadurch, daß sie die Anschauungen über die Grundlagen des Lebens und dessen mannigfaltige Erschei- nungsformen nach den verschiedensten Richtungen hin erweiterten.

Es ist unzweifelhaft, daß dieser Aufschwung unserer Wissen- schaften mit den Bestrebungen zusammenfällt, welche deutsche Natur- forscher, von denen hier nur der Berliner Anatom JOHANNES MULLER genannt sei, an das Meer führten, dessen Lebewesen seitdem eine Fülle hochwichtiger Aufschlüsse neben stets neuen Räthseln darboten. Zum Mittelmeer besonders zogen die Forscher, denn hier war Thier- und Pflanzenwelt nicht nur reich entwickelt, sondern vor Allem auch leicht zugänglich; und daß im Süden Italiens eine deutsche Zoologische Station der Wissenschaft gastliche Aufnahme und Unterstützung bietet, erkennen die Kulturvölker der Welt als einen deutschen Ruhmestitel an. Das deutsche Meer trat dagegen scheinbar vernachlässigtzurück. Von der salzärmeren Ostsee konnte man vielleicht sagen, ihre Thier- und Pflanzenwelt sei wenig entfaltet; allein von der Nordsee galt das nicht, wenn auch deren Watten und Sandinseln an der deutschen Küste wenig geeignet waren, den Zugang zum Reichthum des Thier- und Pflanzenlebens zu erschließen.

Unter solchen Umständen wurde es seit Langem als ein schwerer Mangel beklagt, daß die heimische Wissenschaft am Strande der Nord- see keine Stätte fand, an der sie Fuß fassen konnte. Wohl wußten die Forscher zur Genüge, daß das deutsche Meer für den, der sie zu suchen gelernt, reiche Schätze berge, aber die Lehrer an unseren Hoch- schulen empfanden es schmerzlich, daß sie fast außer Stande waren, ihre Schüler unmittelbar in das Studium der heimischen Meeresge- schöpfe einzuführen. Nur wenigen begüterten Studierenden war es möglich, ihre wissenschaftlichen Kenntnisse aus eigener Anschauung am Mittelmeere zu erweitern. Und doch ragte vor der deutschen Küste ein Felseiland empor, dessen Ufer und Umgebung eine Thier-und Pflan- zenwelt von einer Fülle aufwies, wie das Mittelmeer sie in mancher Hin- sicht nicht reicher darbietet. Fast beschämend war es für uns, zu sehen, wie andere an die Nordsee grenzende Staaten, Deutschlands Nachbarn, an ihren Küsten Zoologische Stationen errichteten , und zwar nicht nur die größeren Nationen, wie England und Frankreich, sondern auch Hol- land und die skandinavischen Länder, während an der langgestreckten deutschen Nordseeküste kein ähnliches Hilfsmittel geboten war.

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Wohl hat es, wie schon Eingangs angedeutet, nicht an Versuchen gefehlt, diesem Mangel abzuhelfen: die Königlich Preußische Staats- regierung hatte Erhebungen über die Anlage einer Zoologischen Station auf einer der friesischen Inseln anstellen lassen ; auf der Naturforscher- versammlung zu Hamburg war im Jahre 1876 ernstlich der Plan be- handelt, auf Helgoland eine Zoologische Station in’s Leben zu rufen; selbst Privatleute waren der Ausführung dieses Gedankens nahe ge- treten. Alle diese Bestrebungen aber scheiterten daran, daß man An- stand nahm, auf der deutschen Insel im englischen Besitz eine deutsche Station zu errichten.

Nun hat Ew. Kaiserliche und Königliche Majestät dem deutschen Lande diese Insel zugefügt, die, wie ein Stützpunkt für Deutschlands Wehrhaftigkeit, so auch ein vortrefflicher Boden für die Förderung deut- scher Wissenschaft ist. Was lange von deutschen Männern erhofft, nun ist es erreicht: Helgoland ist deutsch geworden. Was die deutsche Wissenschaft für Arbeit und Lehre oft gewünscht, die Errichtung einer biologischen Station auf Helgoland, ist nun durch Ew. Kaiserliche und Königliche Majestät denkwürdige That ermöglicht ‚worden.

So nahen wir uns vertrauensvoll und zuversichtlich dem Thron Ew. Kaiserlichen und Königlichen Majestät und bitten allerunterthä- nigst, Ew. Kaiserliche und Königliche Majestät wolle huldvoll geruhen, die Theilnahme für alle Kunst und Wissenschaft, welche wir als ein Erbstück der Hohenzollern in Ew.Kaiserlichen und Königlichen Majestät preisen und verehren, einer auf der Insel Helgoland zu errichtenden Biologischen Station zuzuwenden, auf daß diese, gleich der älteren Schwesteranstalt in Neapel deren ungehemmte Fortentwicklung von höchster Bedeutung für unsere Wissenschaft ist den Lehrenden und Lernenden eine wohnliche Stätte und bereite Hilfsmittel biete, um die Kenntnis des Meeres und seiner Schätze zu fördern und immer weiteren Kreisen unseres Volkes zugänglich zu machen. Dort wırd sich neben der rein wissenschaftlichen Zielen nachstrebenden Forschung dann auch die zu immer höherer Bedeutung gelangende Thätigkeit entfalten können, welche, auf jene gestützt, das Meer in ökonomischer, gewerblicher und kaufmännischer Hinsicht als einen der reichsten, allein nicht unerschöpflichen, sondern nur bei rationeller Bewirth- schaftung dauernd fruchtbringenden Theil des Naturhaushaltes kennen und nutzbar machen lehrt.

In größter Ehrerbietung und treuester Ergebenheit verharrt Ew. Kaiserlichen und Königlichen Majestät allerunterthänigster und ge- horsamster

Vorstand der Deutschen Zoologischen Gesellschaft. Leipzig, 5. December 1890. (Folgen die Namen.)

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Die Rechnung schließt bei einer Einnahme von 1234 .@ 60 A und Ausgaben von 181 .4 30 A mit einem Saldo von 1053 4 30% ab. Zu Revisoren derselben werden die Herren Dr. Dreyrus und Prof. GöTTE gewählt.

Darauf trägt Herr Prof. O. BürscHLı sein Referat vor

Über die Structur des Protoplasmas.

Vor einer Versammlung deutscher Zoologen von der großen, ja grundlegenden Bedeutung der Frage zu reden, deren Erörterung Sie mir gütigst gestatteten, hieße, um mich einer trivialen Redeweise zu bedienen, Eulen nach Athen tragen. Wie alle Wege nach Rom, so führen auch alle biologischen Fragen schließlich auf jene geheimnis- volle Substanz zurück, welche den Leib der Zellen bildet und die ge- meinhin als Protoplasma bezeichnet wird. Je umfassender und begründeter unser Wissen von den Eigenschaften und Thätigkeits- äußerungen dieser Substanz ist, um so bestimmter werden wir auch das ursächliche Entstehen der verwickelten Vorgänge im complicir- teren Organismus zu erfassen vermögen. Wenn daher genauere Er- örterungen über diese Seite der Frage vor einer Versammlung wie der unserigen unterbleiben können, so bedarf doch eine andere Seite der- selben eine kurze Bemerkung.

Nicht jede bedeutungsvolle Frage ist auch eine zeitgemäße. Viel- leicht wird auch mancher Biologe gelegentlich schon aufgeseufzt haben über den unaufhörlichen Kampf um das Plasma, ähnlich wie über den Streit um den Nucleus, an dessen Entstehung ich leider auch nicht ganz unschuldig bin.

Da die sog. Structurverhältnisse des Plasmas zweifelsohne an die Grenzen der Leistungsfähigkeit unserer optischen Hilfsmittel heran- reichen, da wir ferner diesen Dingen in den meisten Fällen nur mit complicierten Präparationen näher treten können, so mag Mancher von vorn herein wenig Vertrauen auf die Ergebnisse setzen ; vielleicht mag es ihm sogar richtiger dünken, solch subtile Fragen einstweilen auf sich beruhen zu lassen. Dem gegenüber glaube ich, daß den For- scher nicht nur ein erklärliches und unwiderstehliches Verlangen an- treibt, bis an die äußersten Grenzen des Erreichbaren vorzudringen, sondern daß er auch gewissermaßen verpflichtet ist, die so wesentlich verbesserten und vermehrten Hilfsmittel unserer Zeit an dieser fun- damentalen Frage zu versuchen. Daß unter solchen Umständen auf diesem Gebiet nur mit großer Vorsicht und durch lang fortgesetzte mühsame Arbeit dauernde Erfolge zu erzielen sein werden, ist wohl klar. Eine Einigung der widerstreitenden Ansichten dürfte noch lange auf sich warten lassen. Noch viele Jahre wird dieses Forschungs-

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gebiet den unerfreulichen Anblick eines unvollendeten, nur in einzel- nen Mauern emporragenden Bauwerks darbieten, über dessen Weiter- führung die verschiedenen Meister im Streit liegen.

Auf die ersten Beobachter, wie Dusarpin, Mont und viele Andere machte das Protoplasma im Allgemeinen den Eindruck einer schlei- migen Substanz, welche als homogen und structurlos bezeichnet wer- den mußte, da die in der Regel zahlreich vorhandenen, gröberen oder feineren Körnchen, Vacuolen und sonstigen Einschlüsse sich eben doch nur als Eingelagertes darstellten, während die eigentliche Grund- masse keine feineren Structuren erkennen ließ. Obgleich schon recht frühzeitig im Plasma gewisser Zellen, besonders der Nerven- und Mus- kelzellen, eigenthümlich geartete fasrige Structuren aufgefunden wur- den, erhielt sich die eben bezeichnete Auffassung des Protoplasmas doch ziemlich unverändert bis in die sechziger Jahre; ja sie hat auch wohl heute noch ihre Vertreter. Denn wenn wir das Plasma mit BERTHOLD (1886) und Anderen eine Emulsion nennen, so stimmt das im Grunde doch mit jenen älteren Anschauungen ziemlich überein. Jene fasrigen Structuren der Muskel- und Nervenzellen, wie jene der Nervenfasern (mochte ihre Schilderung und Auffassung im Einzelnen auch noch so differieren), ließen sich mit der Ansicht eines homogenen, structurlosen Plasmas wohl vereinigen. Man brauchte die fibrillären Bildungen nur als besonders geartete Erzeugnisse oder Abscheidungen im Inneren des homogenen Plasmas anzusehen, von welchem man ja wußte, daß es häufig sehr eigenthümlich geformte Erzeugnisse auf seiner äußeren Oberfläche in Gestalt von Membranen, Skeletten und dergleichen hervorbringt.

Nur hinsichtlich des Aggregatzustandes jener protoplasmatischen Substanz gingen die Meinungen seit alter Zeit wesentlich aus einander. Im Allgemeinen herrschte zwar die Vorstellung, daß das Plasma eine schleimige, zähflüssige bis festweiche Consistenz besitze. Während ihm jedoch die Einen alle Eigenschaften einer wahren Flüssigkeit zuschrie- ben (HAeEckEL, Künne 1862), glaubten Andere, daß ihm, trotz großer Ähnlichkeit mit einer Flüssigkeit, doch gewisse besondere Eigenschaf- ten zukämen, welche gewöhnliche Flüssigkeiten nicht besäßen; wenn es auch nicht gelang, diese abweichenden Eigenschaften näher zu prä- cisiren (DE BARY, HoFMEISTER etc.). Auch fehlte es nicht an Forschern, welche die Annahme eines festen Aggregatzustandes für richtiger hielten.

Im Allgemeinen neigte man sich jedoch zu Beginn der sechziger Jahre entschieden mehr der Annahme eines flüssigen Aggregatzustan- des zu; das eingehende Studium der Strömungserscheinungen des Plasmas vieler Protozoen und Pflanzenzellen hatte naturgemäß zu einer solchen Ansicht geführt; denn alle Versuche, diese Vorgänge mit einer

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festen Beschaffenheit des Plasmas zu vereinen, führten nicht zu be- friedigenden Ergebnissen. Wie zu erwarten, blieb die Reaction gegen die geläufige Auffas-

sung des Plasmas als einer flüssigen Substanz nicht aus. Weniger auf _

neue Thatsachen als auf allgemeine Erwägungen gestützt, bekämpfte Brücke (1861) diese Ansicht. Die physiologischen Leistungen des Plasmas, so führte er aus, seien unvereinbar mit der Annahme, daß es sich um eine einfache Flüssigkeit handle, vielmehr erforderten sie eine »Organisation der Zelle«, d. h. auch des Plasmas. Diese Forderung einer Organisation des Plasmas aus aprioristischen Gründen wurde im Anschluß an Brücke noch vielfach erhoben. Sie wird jedoch auch durch die neueren Erfahrungen über die Structur dieser Substanz, we- nigstens wie ich sie auffasse, nicht in dem Sinne befriedigt, wie jene Forscher es verlangten. Organisation ist, wenn darunter nicht etwas Mystisches, Unfaßbares verstanden werden soll (wie dies zwar vielfach geschieht), abgeleitet von dem Aufbau der höheren Organismen aus verschieden construierten und verschieden functionierenden Organen. Wenn nun auch für die Zelle in ihrer Gesammtheit wohl von einem solchen Aufbau die Rede sein kann und muß, gilt dies doch nicht von dem Plasma in seiner einfachsten Ausbildung. Zwar kann dieses be- sonders geartete Theile oder Organe, wenn man will, aus sich hervor- gehen lassen, es setzt sich dagegen selbst nicht aus zahlreichen Orga- nen zusammen, zeigt also im eigentlichen Sinne keine Organisation.

Brücke kam auf Grund seiner Forderung zu dem Schluß, daß das Plasma aus festen und flüssigen Theilen bestehen müsse, weshalb es eigentlich absurd sei, nach seinem Aggregatzustand zu fragen. Wie Bricks, im Anschluß an diese theoretischen Darlegungen, einen solchen Aufbau des strömenden Plasmas der Pflanzenzellen aus festen und flüssigen Theilen nachweisen wollte, so glaubten auch Andere Ähn- liches zu finden. Crenkowsky (1863) entwickelte in mancher Hinsicht ähnliche Vorstellungen für die Myxomyceten; obgleich aus seiner Dar- stellung das Verhältnis beider Substanzen zu einander wenig klar her- vorgeht. Auch die von VELTEN in den siebziger Jahren vorgetragenen Anschauungen über das Protoplasma sind im Wesentlichen weitere Ausführungen von Brücke’s Ansicht. Noch mehr gilt dies endlich für die Meinung Hansrem’s.

Wir erfuhren schon früher, daß wenigstens für das Plasma ge- wisser Zellen die von Brücke erhobene Forderung eigentlich erfüllt schien. Plasma mit fibrillären Structuren mußte ja ungefähr BrückE’s Vorstellung entsprechen, da fibrilläre Bildungen doch wohl nur feste sein konnten, die hellere Zwischenmasse dagegen wohl einen mehr flüssigen Charakter besitzen mußte.

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Von der Untersuchung der Nervenzellen ausgehend (1864—66) , gelangte FromMANN 1867 zu der Ansicht, daß fibrilläre bis netzige Structuren keine ausschließliche Eigenthümlichkeit des Plasmas jener Zellen seien. Ähnliche Verhältnisse wären vielmehr im Leib vieler anderer Zellen zu beobachten; ja es sei möglich, daß sie einen allze- meinen Charakter der Zellsubstanz bildeten. Neben dem Hinweis auf die weitere Verbreitung solcher Structuren finden wir hier statt ein- fach fibrillärer z. Th. auch netzförmige beschrieben, wie sie ARNOLD ziemlich gleichzeitig (1865—67) aus Nervenzellen schilderte.

Seit jenen Tagen, in welchen zuerst fasrig-netzige Structuren als allgemeiner verbreitete Erscheinungen erkannt und damit die Lehre von der homogenen structurlosen Zellsubstanz ernstlich erschüttert wurde, hat man erst spärlicher, später reichlicher weitere Beobachtungen über diesen Gegenstand gesammelt. Obgleich es fast ein Jahrzehnt dauerte, bis eine gewisse kühle und z. Th. nicht ungerechtfertigte Zurückhaltung vor der Lehre der besonderen Structuren des Plasmas überwunden war, so ist die Zahl der Arbeiten auf diesem Gebiet seitdem so angewachsen, daß ich nicht daran denken darf, Ihnen hier eine Übersicht derselben zu geben. Ich bin gezwungen, mich darauf zu beschränken, Ihnen einen Abriß des augenblicklichen Stan- des der Frage vorzulegen, wobei es mir als Partei gestattet sein wird, von meinem Standpunkt aus eine gewisse Kritik zu üben.

Wie gesagt, hatten die zahlreichen, z. Th. von Histologen ersten Ranges ausgehenden Forschungen den Erfolg, daß heut zu Tage eine, stets oder doch in der Regel vorhandene, besondere Structur des Plas- mas ziemlich allgemein zugegeben wird. Wie zu erwarten, gehen da- gegen die Meinungen über die Auslegung und Erklärung des Beobach- teten weit aus einander.

Gestatten Sie mir, daß ich Ihnen nun die wichtigsten Ansichten, welche über das Plasma und seine Structurverhältnisse in neuerer Zeit entwickelt wurden, kurz darlege.

An erster Stelle gedenken wir hier der von FRommann angebahn- ten Lehre von der Netzstructur des Plasmas. Ohne auf die verschie- denen Etappen in der Weiterentwicklung dieser Lehre genauer einzu- gehen, können wir sie etwa folgendermaßen charakterisieren. Das, was gemeinhin Protoplasma genannt wird, besteht, abgesehen von et- waigen Einschlüssen, aus zwei differenten Substanzen: 1) einer dunk- leren und dichteren, welche in Form eines meist äußerst feinmaschigen Netzwerks, ähnlich etwa dem Skelettgerüst eines Hornschwammes, an- geordnet ist und 2) einer lichteren, weniger dichten und schwächer lichtbrechenden Substanz, welche als zusammenhängende Ausfül-

lungs- oder Zwischenmasse die Maschen des gesammten Netzwerks Verhandl. d. Deutsch. Zool. Gesellschaft. 2

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durchzieht. Wir dürfen wohl sagen, daß die Mehrzahl der Forscher, welche sich eingehender mit plasmatischen Structuren beschäftigt haben, ähnliche Anschauungen vertritt. Außer Frommann, welcher seit den sechziger Jahren*unermiidlich für diese Lehre wirkte, trat namentlich H=:1TzmaAnn seit 1873 energisch für sie ein, indem er sie für das Plasma der gesammten Lebewelt gleichmäßig durchzuführen suchte. Seine Neigung zu etwas stark schematischer Behandlung und Darstellung des Gesehenen, sowie ein etwas voreiliges Theoretisieren stellte sich der Anerkennung seiner Befunde vielfach hindernd entgegen.

Zahlreiche namhafte Histologen auf thierischem wie pflanzlichem Gebiet suchten dann, bald für einzelne Objecte, bald allgemeiner, einen entsprechenden Aufbau des Protoplasmas zu erweisen. Ichnenne hier nur Kuprrer (seit 1872), SchwAuLsE (1876), TRIncHEsE (1876), KLEIN (seit 1878), Scumirz (1880), STRASBURGER, REINKE und RopE- WALD (1881), E. van BENEDEN, PFITZNER, Leypie (1883 u. 85), CARNOY (seit 1884) und seine Schüler, RANVIER, FABRE, ScHAFER und viele Andere. Durch ausgedehnte und consequent durchgeführte Unter- suchungen der Structuren zahlreicher Zellenarten erwarben sich na- mentlich Luypic und Carnoy besondere Verdienste.

Obgleich die Vertreter der netzförmigen Plasmastructur schon ziemlich bald und ‘richtig erkannten, daß die im Plasma recht ver- schiedener Zellen so häufig auftretenden fibrillären Structuren im All- gemeinen durch Dehnung oder Streckung der Maschen des Netzge- rüstes ihre Erklärung fänden, hielten doch auch Manche, worunter namentlich FROMMANN, daran fest, daß auch besondere stärkere ver- zweigte Fasern im Plasma vielfach vorkämen. Letzterer namentlich vertrat auch die Ansicht, daß das Netzgerüst etwas sehr Wandelbares, stets Veränderliches, ja bald Verschwindendes, bald wieder sich neu Hervorbildendes sei, so daß Plasma aus dem homogenen in den netz- formigen Zustand und umgekehrt übergehen könne.

In einem gewissen Gegensatz zu der eben erörterten Lehre von der netzförmigen. Structur stehen eine Anzahl Forscher, welche nicht das Netz, sondern die Fibrille für das eigentliche Structurelement des Plasmas halten. Nach ihnen setzt sich das Plasma gleichfalls aus den beiden erwähnten Substanzen zusammen, von welchen aber die dunk- lere und dichtere nicht in Form eines Netzes, sondern als vielfach verschlungene, unter einander nicht netzförmig "zusammenhängende Fibrillen oder Fasern auftritt. Da jedoch Anastomosen oder Verkit- tungen der Fasern auch von den Vertretern dieser Anschauung im All- gemeinen nicht ausgeschlossen werden, so ist der Gegensatz zwischen beiden Meinungen gerade nicht sehr groß. Auch stehen ja nicht wenige Beobachter auf einem. gewissermaßen |vermittelnden Standpunkt,

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indem sie theils fasrige, theils netzige Bildungen, häufig sogar neben einander im Plasma annehmen. Als Hauptvertreter des fibrillären Plasmabaus muß Fremmine (1882) genannt werden, obgleich er sich nur sehr vorsichtig und vielfach zweifelnd über diese Frage äußert. Ihm schlossen sich manche Andere an, wie PFLUGER (1889), PFEFFER (1886), BaLLowITz (1889), ©. SCHNEIDER (1891) etc.

Wie gesagt, haben beide Lehren manche gemeinsame Züge. Die Voraussetzung von Netz- oder Fasergerüsten im Plasma erfordert aus einfach physikalischen Gründen deren feste oder doch nahezu feste Beschaffenheit; denn sowohl Netze wie Fibrillen können ohne diese Annahme dauernd nicht existieren. Die meisten Vertreter der oben erwähnten Lehren traten denn auch offen oder stillschweigend für eine solche Beschaffenheit des Gerüstes ein. Schwieriger war die Beur- theilung des Aggregatzustandes der Zwischen- oder Grundmasse. Ihre offenbar geringere Dichte machte es von vorn herein klar, daß sie der weichere oder flüssigere Theil des Plasmas sein müsse. Ob siejedoch nur als weich bis gallertig oder als vollkommen flüssig, etwa ähnlich dem Zellsaft aufzufassen sei, darüber gingen und gehen die Ansichten weit aus einander.

Ebenso wenig gelangte man zu einer Verständigung über den An- theil beider Substanzen an den wichtigsten Lebenserscheinungen. Während man auf der einen Seite in dem festeren Gerüst das eigent- lich Lebendige, speciell das Bewegliche und Contractile erblickte (HEITZMANN, VAN BENEDEN, REINKE und RODEWALD, CARNOY, BALLO- wırz etc.) glaubten Andere, so namentlich LeypiG, gerade umgekehrt in der helleren Zwischenmasse das Lebendige. Contractile und Nervöse erblicken zu müssen, welchem das festere Gerüst gewissermaßen nur als ein Stützwerk diene.

Auch über eine passende Bezeichnung der beiden Substanzen konnte man sich vorerst nicht einigen, wie das bei Fragen, die im Fluß sind und noch weiterer Aufklärung bedürfen, nur zu natürlich und auch kein Schaden ist. So finden wir das Gerüst bald als Proto- plasma (Kuprrer etc.), bald als Cyto-Hyaloplasma (STRASBURGER, Fasre), Spongioplasma (Lryvic), Filarmasse resp. Mitom (FLemming), Reticulum (van BENEDEN, Carnoy etc.) bezeichnet, während die Zwischenmasse Paraplasma (KuPFFER ete.), Cytochy- lema resp. Plasmochym (SrraspurcErR), Enchylema (Rrınke, Bürschzi), Interfilarmasse resp. Paramitom (FLemming), Hya- loplasma (Lrvvis, van BENEDEN) genannt wurde.

Im Gegensatz zu solchen Bestrebungen fand jedoch auch die frühere Ansicht von der Structurlosigkeit des Plasmas neue Verthei- diger. 1886 trat BERTHOLD in einer ausführlichen Arbeit wieder mit

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Erfolg für die ältere Ansicht von der flüssigen Beschaffenheit des Plas- mas auf, welche, obgleich nicht gänzlich verlassen, so doch in der Zwischenzeit, wegen der behaupteten Structureigenthümlichkeiten, wesentlich eingeschränkt worden war. Von dieser Vorstellung über den Aggregatzustand des Plasmas ausgehend, kam BERTHOLD zum Schluß : das Plasma besitze den Charakter einer Emulsion. Daß eine Folge dieser emulsiven Beschaffenheit besondere Structurerscheinun- gen des Plasmas sein könnten, ist aber keineswegs BERTHOLD’s An- sicht; vielmehr tritt er den Angaben über netzförmige Structuren oder Gerüste im Plasma scharf entgegen. Obgleich er selbst fädchenartige oder fibrilläre Gebilde im Plasma beobachtete und sich deshalb der FrLemmisg’schen Ansicht über Plasmastructuren nähert, erklärt er doch netzförmige Gerüste, wie sie namentlich Scumitz beschrieben habe, für Kunstproducte, für Gerinnungserscheinungen oder Fällungen. Ein Hauptgrund für BERTHoLD’s Zurückweisung netzförmiger Structuren war zweifellos ihre nothwendig feste Beschaffenheit, welche sich mit dem vorausgesetzten flüssigen Charakter des Plasmas nicht vereinen ließ. Einzelne zusammenhangslose Fädchen oder Fibrillen konnten ja im Plasma vorkommen, ohne dessen flüssige Beschaffenheit wesent- lich zu beeinträchtigen; ein zusammenhängendes festes Netzgerüst hingegen war und ist mit dieser Auffassung unvereinbar.

Ähnlich, ja in mancher Hinsicht noch weitergehend, sind die Vorstellungen von Frank Scuwarz über das Plasma. Die künstliche Erzeugung verschiedener mehr oder weniger netzartig gestalteter Nie- derschläge führte auch ihn zur Überzeugung, daß die Beobachtungen über Netzstructuren durchweg auf Kunstproducten basierten, daß prä- formierte Netzgerüste im Plasma nicht vorhanden seien. Fibrilläre Bildungen giebt auch er zu; doch entbehrten dieselben tieferer Be- deutung.

Auch KÖLLiker hat sich diesen Ansichten angeschlossen und die feinen Netzstructuren für künstliche Erzeugnisse erklärt. Zwar will er gröbere, anscheinend netzige Structuren als vacuolige oder schau- mige Umbildungen des Plasmas gelten lassen, Dinge, wie sie ja seit alter Zeit zur Genüge bekannt sind. Die angeblichen feineren Netz- structuren dagegen seien künstlich erzeugte Gerinnungsproducte.

Wirhaben uns nun mit einer vierten Auffassungsweise des Plasmas zu beschäftigen, welche namentlich ALTMANN seit 1886 vertritt. Auch nach dieser Lehre setzt sich das Plasma wesentlich aus zwei verschiede- nen Elementen zusammen: einer gleichmäßigen gallertigen Grundsub- stanz und großen Mengen eingelagerter körnchenartiger Gebilde, den sog. Granula, im Wesentlichen dasselbe, was man seither Mikrosomen nannte. Hiermit wäre denn anscheinend die alte Vorstellung über die

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Beschaffenheit des Plasmas wieder hergestellt. Der Schwerpunkt der Autmann’schen Lehre liegt denn auch in der Bedeutung, welche die Granula haben sollen. Die besonderen Eigenschaften, welche er an ihnen beobachtete, führten ihn zu der Theorie: in jenen Granula die für das Leben des Plasmas wichtigsten, selbst lebendigen Theile zu erblicken, welche den Bacterien verglichen und phylogenetisch aus solchen hergeleitet werden dürften; wogegen die gallertartige Grund- substanz der Zoogloeagallerte einer Bacteriengesellschaft homolog sei. Während ALtmaAnn früher auch netzförmige Structuren und Fi- brillen neben den Granula im Plasma zuließ, ist er jetzt der Meinung, daß dieangeblichen neizförmigen Structuren auf Täuschungen beruhten, indem die Grundsubstanz bei dicht gedrängter Einlagerung von Gra- nula für ein Netzgerüst gehalten, die Granula selbst aber als solche übersehen und als Maschenräume dieses Netzes gedeutet worden seien. Fibrillen entstünden im Plasma häufig durch Aneinanderreihung von Granula und seien den Ketten der Fadenbacterien zu vergleichen.

In vielen Punkten übereinstimmende Ideen hatte schon MARTIN (1882) vor ALTMANN ausgesprochen, und Beide weisen auf die Lehren BecHamPp’s als eines Vorläufers hin. Ferner muß betont werden, daß PFITZxER schon 1883 die fädigen und netzigen Structuren des Plasmas und der Kerne aus der Aneinanderreihung kleiner Theilchen er- klären wollte. Auch Andere versuchten gelegentlich eine ähnliche Er- klärung der Fibrillen und Netze.

Wir gelangen endlich zu einer letzten Ansicht über den Aufbau des Plasmas, nämlich der von mir vertretenen. Dieselbe harmoniert, was das Thatsächliche betrifft, im Wesentlichen mit der Lehre vom netzförmigen Plasmagerüst, unterwirft jedoch die Beobachtungen einer wesentlich anderen Deutung. Sie hält nämlich das beobachtete Netz- gerüst nur für den Anschein eines solchen, indem sie überzeugt ist, daß die scheinbare Netzstructur von einem sehr fein alveolären, wa- bigen oder, wie ich mich auch ausdrückte, schaumigen Aufbau her- rühre. Der fundamentale Unterschied dieser Ansicht von der Lehre eines netzformigen Plasmabaues besteht darin, daß die Zwischenmasse oder das Chylema in letzterem Fall eine durch den gesammten Plasma- körper zusammenhängende Masse darstellt, während dieses Chylema nach meiner Auffassung in lauter getrennten kleinen Kämmerchen, den Waben oder Schaumbläschen, enthalten ist, ähnlich wie die Luft in einem Seifen- oder Bierschaum.

Eine solche Schaumstructur des Plasmas, welche auf dem opti- schen oder wirklichen Schnitt vollkommen wie ein Netzgefüge er- scheint, ist weiterhin mit völliger Flüssigkeit des Plasmas, sowohl der Zwischen- wie der Gerüstsubstanz, durchaus vereinbar, ja die

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Entstehung solcher Schaumstructur ist nur unterder Voraussetzung der Flüssigkeit beider sich mischender Substanzen begreiflich. Obgleich ich diese Auffassung der Plasmastructuren schon 1878 vertrat, hat sie doch bis jetzt nur wenige Anhänger gefunden. Abgesehen von einigen älteren gelegentlichen Annäherungen an diesen Standpunkt, welche bald wieder unter der Vorstellung eines Netzwerks verschwanden, ge- langte nur KÜNSTLER in seiner neueren Untersuchung über Flagel- laten (1889) zu im Ganzen entsprechenden Ergebnissen. Schon 1882 hatte er an den gleichen Objekten Mancherlei von diesen Structuren gesehen, jedoch einen Aufbau des Plasmas aus hohlen Kügelchen an- genommen; auch jetzt glaubt er diese Anschauung noch nicht völlig fallen lassen zu dürfen. Für eine vesiculäre oder alveoläre Plasma- structur sprach sich auch R. LANKESTER aus.

Neuerdings wurde meine Bezeichnung der Plasmastructur als Schaumstructur gelegentlich getadelt; es wurde betont, daß man unter Schaum doch nur solche Bildungen verstehe, deren Kammerräume mit Luft erfüllt seien; richtiger entspreche die Bezeichnung Emulsion der von mir angegebenen Beschaffenheit des Plasmas. Zunächst könnte ich solchen Anbohrungen wohl entgegenhalten, daß man dann auch nicht von Netzen sprechen dürfte, da dieser Begriff sich ursprüng- lich auf Manufacturen bezieht, welche aus Bindfaden oder ähnlichen Stoffen künstlich verknüpft worden sind. Weiterhin wäre zu bemerken, daß der Ausdruck schaumige Beschaffenheit des Plasmas schon lange und ganz richtig unbeanstandet für eine dichte, jedoch grobvacuoläre Bildung desselben verwendet wurde. Ein Schaum ist, mögen seine Hohlräume von Luft oder von tropfbarer Flüssigkeit erfüllt sein, eine Bildung, welche besonderen und in beiden Fällen gleichen physikali- schen Gesetzmäßigkeiten unterliegt, so daß zweifellos kein Physiker Anstand nehmen wird, beiderlei Modificationen dem Begriff der Schäume einzureihen. So groß nun einerseits die Übereinstimmung der Schäume ist, mögen sie von Luft oder von Flüssigkeit erfüllt sein, so sehr ist andererseits das, was man gemeinhin eine Emulsion nennt, von einem Schaum verschieden; obgleich natürlich eine Grenzregion exi- stiert, wo beide ineinanderübergehen, So wenig man eine Seifenlösung, in der einzelne Luftblasen aufsteigen, einen Schaum nennen wird, so wenig ist eine Emulsion im gewöhnlichen Sinne ein Schaum. Erst wenn die in einer Emulsion suspendierten Tropfen einer zweiten Flüssigkeit so dicht zusammengedrängt werden, daß die trennende Flüssigkeit die Beschaffenheit ebener Lamellen oder Scheidewände an- nimmt und die zusammengedrängten Tropfen polyedrische Gestalten erlangen, dann kann und muß sogar meines Erachtens von Schaum- structur die Rede sein.

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Nachdem wir die verschiedenen, zur Zeit vertretenen Ansichten über den Bau des Plasmas kurz durchgesprochen haben, wird es meine Aufgabe sein, sie, von dem von mir vertheidigten Standpunkte aus, einer Besprechung zu unterziehen, um Ihnen darzulegen, weshalb und warum ich der zuletzt erwähnten den Vorzug gebe.

Beginnen wir diese Betrachtung mit jener Lehre, welche von der meinigen am weitesten abweicht, d. h. untersuchen wir zuerst den Standpunkt Derjenigen, welche überhaupt eine netzige oder wabige, präformierte Structur des Plasmas leugnen und alles hierüber Mitge- theilte als Kunstproducte, Fällungen, Gerinnungen, resp. auch patho- logisch hervorgerufene Vacuolisationen verurtheilen. Die bündigste Zurückweisung dieser Ansicht wird durch die nicht allein von mir, sondern von nicht wenigen früheren Forschern erwiesene Thatsache geliefert, daß die netzigen Structuren auch im lebendigen Plasma häufig genügend deutlich nachzuweisen sind. Da jede genauere Unter- suchung ergiebt, daß fibrilläre Structuren nur Modificationen wabiger sind, so folgt daraus sicher, daß schon die Constatierung eines fibril- lären Baues im Allgemeinen beweist, daß die behaupteten Bauverhält- nisse des Plasmas vorliegen. Zahlreiche Forscher, wie M. ScHULTZE, FROMMANN, ARNOLD, FLEMMING, VAN BENEDEN, LEYDIG, CARNoY und auch ich, haben theils fibrilläre, theils netzige Beschaffenheit desleben- den Plasmas vielfach erwiesen. Vor allen Dingen hebe ich die Beob- achtungen an lebenden Protozoén hervor, welche unter allen Objecten die geeignetsten sind, da sie die größte und sicherste Gewähr bieten, daß das untersuchte Plasma absolut lebensfrisch und nicht patholo- gisch alteriert ist. Natürlich muß man sich auch auf diesem Gebiet vor leicht eintretenden Veränderungen des Plasmas durch langsames Absterben hüten; ich stimme z. B. der Ansicht früherer Forscher durchaus bei, daß nicht wenige der von FRoOMMANN beschriebenen spontanen und durch künstliche Einwirkungen hervorgerufenen Ver- änderungen der Structuren, ebenso wie das Auftreten angeblicher Neu- bildungen im Plasma, nur das Resultat langsamen Absterbens waren.

Wenn wir uns also’sicher überzeugen können, daß das Plasma in vielen Fällen die fraglichen Structuren schon im Leben deutlich zeigt, so fallen für uns auch die Einwände, welche man aus künstlich er- zeugten netz- oder gerüstförmigen Fällungen gegen das ursprüngliche Vorhandensein der sog. Netze ableiten wollte.

Schon oben betonte ich ferner, daß die Schaumtheorie keine festen Gerüste im Plasma anzunehmen gezwungen ist, vielmehr voraussetzt, daß es wenigstens ursprünglich völlig flüssigist. Was man daher gegen die Möglichkeit solch fester Gerüste im Plasma bemerkt hat, fällt für diese Lehre hinweg.

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Bekanntlich betrachten BERTHOLD und die sich ihm anschließenden Forscher das Plasma als eine Emulsion. Da nun, wie ich schon oben darzulegen suchte, ein Schaum mit einer Emulsion verwandt ist oder auch als eine ganz bestimmte Art von Emulsion bezeichnet werden kann, so wurde natürlich auch schon bemerkt, daß meine Auffassung des Plasmas nichts Neues biete, vielmehr eine Art Weiterführung der BERTHOLD’schen sei. Denn wenn eine neue Lehre auftritt, wird wie gewöhnlich der bekannte Refrain angestimmt: »Was an ihr wahr ist, ist nicht neu, und was sie Neues bietet, ist nicht wahr.« Dem gegen- über möge hier nochmals betont werden, daß die Vertreter der Emul- sionslehre es nicht versuchten, die sog. netzigen Structuren, auf Grund- lage ihrer Vorstellung vom Bau des Plasmas, zu erklären, dab sie vielmehr diese Structuren leugneten und als Kunstproducte verdammten.

Ich wende mich nun mit einigen Bemerkungen zur Granula- theorie ALTMANN’s. Wie schon bemerkt, bietet diese Lehre nur inso- fern Neues, als sie die Granula einer neuen und bis jetzt noch wesent- lich hypothetischen Deutung unterwirft. Obgleich ein näheres Ein- gehen auf die Atrmann’sche Auffassung der Granula an dieser Stelle nicht geboten scheint, möchte ich doch zweierlei darüber bemerken: einmal, daß Anrmann, wie ich glaube, unter den Granula recht hete- rogene Dinge zusammenwirft und ferner, daß auch ich eine Anzahl Belege dafür besitze, daß gewissen Granula die Natur von Bacteroidien zukomme, welche ALTMANN für alle behauptet. Wenn aber ALTMANN die alveoläre Structur des Plasmas durchaus leugnet und annehmen möchte, daß ihre Vertreter einer ziemlich groben Täuschung unter- legen seien, so fällt meines Erachtens dieser Vorwurf auf ihn zurück, Die Granula oder stark färbbaren Körnchen,” welche im Plasma meist in recht großen Mengen vorhanden sind, fliegen nicht in einer gleich- mäßigen Grundmasse, sondern sind stets dem wabigen Gerüstwerk eingelagert, dessen Knotenpunkte sie in der Regel einnehmen, Des- halb rührt auch das scharfe Hervortreten dieser Knotenpunkte viel- fach, wenn auch‘nicht immer, von der Einlagerung solcher Körnchen her. Es ist eine auffallende, jedoch sichere Thatsache, daß das Ge- rustwerk des Plasmas eine sehr geringe Tingirbarkeit besitzt, während die Granula sich meist energisch färben. Daher ist es begreiflich, weshalb namentlich bei Anwendung intensiver Beleuchtung die zar- ten und blassen Netzstructuren übersehen werden können.

Wir haben nun die Lehre vom fibrillären Bau des Plasmas etwas genauer zu betrachten. Die directe Beobachtung unter den sorgfäl- tigst gewählten und günstigsten Bedingungen hat mir bis jetzt immer ergeben, daß die fibrilläre Beschaffenheit nur eine scheinbare ist, daß die Fibrillen netzig verbunden sind und der fibrilläre Bau daher nur

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eine Modification des netzigen oder richtiger wabigen ist. Ich glaube sicher erwiesen zu haben, daß dies sogar für die anscheinend fibrilläre Structur des Achsencylinders gilt, dessen netzige Beschaffenheit auf dem Querschnitt schon JosErH und NANnsEN vor mir feststellten, worauf ich durchaus unabhängig zu demselben Resultat gelangte, welches ich in der Lage bin, Ihnen auf Photographien der Schnitte demonstrieren zu können. Das gleiche Resultat ergiebt die Untersuchung der Fibrillen in der Längsansicht, resp. auf Längsschnitten. Auch die fibrillaren Bildungen und Streifungen, wie sie in Epithel- und Drüsenzellen so häufig, ja fast regelmäßig wiederkehren, sind ganz in derselben Weise zu beurtheilen, und das Gleiche gilt nicht minder von den Strahlun- gen, wie sie im Plasma während der Theilung, aber auch unter an- deren Umständen auftreten. Der Grund, weshalb diese Structuren verhältnismäßig so lange Zeit für rein fibrilläre gehalten wurden, ist z. Th. in einer unserem Auge zukommenden Eigenthümlichkeit zu suchen, indem dies Systeme längerer paralleler Linien leichter wahr- nimmt, als kurze, mehr oder weniger unregelmäßig angeordnete Ver- bindungslinien zwischen den ersteren, wenn diese Verbindungslinien auch ebenso dick sind wie die längsgerichteten. Jeder wird sich durch Betrachtung einer entsprechenden Zeichnung überzeugen, daß die Ver- bindungslinien unserem Auge in gewisser Entfernung vollkommen ver- schwinden, während die langen Linien allein deutlich sichtbar bleiben, Vereinzelte gröbere, reiserartige Fasern oder Fibrillen, wie sieim Plasma vielfach beschrieben wurden, erklären sich nach meiner Überzeugung durch dichte Einlagerung körniger Einschlüsse in gewisse Züge des Wabenwerks, wodurch diese als dunklere Fasern erscheinen. Wesentlich anders hingegen ist dasjenige aufzufassen, was als die Muskelfibrille bezeichnet wurde. Diese ist nicht eine einfache Folge besonderer Anordnungsverhältnisse des Wabengerüstes des Plasmas, sondern sowohl in’ der ‚glatten wie in der quergestreiften Muskelzelle ein selbst wabig structuriertes, stärker färbbares Gebilde, welches dem gewöhnlichen Plasma eingelagert ist. Das Naturgemäßeste wird vor- erst sein, diese Muskelfibrillen oder -säulchen (contractile Elemente) als besonders differenzierte Partien des Plasmas zu betrachten. Na- türlich wird über ihre eigentliche Deutung erst die Beobachtung ihres Entstehens das entscheidende Wort sprechen können. Von ihrer Ausscheidung durch das Plasma zu reden, wie dies vielfach üblich ist, halte ich für unberechtigt, um so mehr als selbst Zellmembranen und Cuticulae, welche lange Zeit als zweifellose Ab- oder Ausscheidungen beurtheilt wurden, in neuerer Zeit, mit z. Th. guten Gründen, auf directe Umbildung des Plasmas zurückgeführt werden. Ich selbst habe mich überzeugt, daß die Cuticula mancher Würmer einen dem

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Plasma völlig entsprechenden, geschichtet-wabigen Bau zeigt und da- her recht wohl durch directe Umbildung aus Plasma entstehen kann.

Wir wenden uns endlich zur Beurtheilung der Lehre von dem netzigen oder schwammigen Aufbau des Plasmas. Wie leicht zu er- kennen, ist es für unsere optischen Hilfsmittel kaum möglich, direct zu entscheiden, ob ein netzförmiger oder ein schaumförmiger Bau vor- liege; denn bei der Kleinheit der Maschen oder Waben (ca. 0,0005— 0,001 mm) muß der directe Anblick in beiden Fällen derselbe sein. Wir müssen uns daher nach anderen Gründen umsehen, welche zu einer Entscheidung führen können.

Wie ich mehrfach bemerkte und auch von anderer Seite schon früher betont wurde, können dauernde Netze in einer Flüssigkeit, als welche wir das Chylema beurtheilen müssen, sich nur erhalten, wenn sie aus einer festen oder doch sehr zähen Substanz bestehen. Mit dieser Auffassung ist aber die unbezweifelbare Thatsache unvereinbar, daß vieles Plasma sich sowohl wegen seiner Bewegungen, als auch nament- lich wegen der kugligen Form, welche Flüssigkeitstropfen in ihm stets annehmen, in seiner ganzen Masse als flüssig erweist. Nichtsdesto- weniger zeigt solches Plasma eine deutliche Netzstructur. Wie be- merkt, ist die Schaumstructur mit vollkommener Flüssigkeit des Plasmas wohl vereinbar; für sie fällt daher die erwähnte Schwierigkeit gänzlich hinweg. Bekanntlich gelang es mir, künstlich Schäume zu erzeugen, deren Gerüst aus Olivenöl, deren Chylema aus Seifenlösung besteht, und welche hinsichtlich der Feinheit der Schaumstructur echtem Plasma völlig gleichkommen. Diese Schäume waren voll- kommen flüssig und flossen mit nahezu derselben Leichtigkeit wie ein gewöhnlicher Öltropfen.

Die Voraussetzung der Netzstructur erfordert ferner eine ziem- liche Zahl complicierter Annahmen zur Erklärung gewisser Erschei- nungen im Plasma und auf dessen Oberfläche. Zunächst gilt dies für das Auftreten größerer Vacuolen oder Flüssigkeitstropfen. Da die- selben nachweisbar stets von einer zusammenhängenden Lamelle der Gerüstsubstanz umschlossen sind, so müssen die Vertreter eines netzi- gen Gerüstes annehmen, daß sich dessen Maschen um jede Vacuole zu einer zusammenhängenden Lamelle schließen, wie dies auch Hxrrz- MANN, SCHMITZ und Andere thun. Auch für die Oberfläche eines Plasmakörpers sind sie zu einer entsprechenden Annahme gezwungen, da auch diese immer von einer zusammenhängenden Lamelle der Ge- rustsubstanz gebildet wird. Die Behauptung einer Porosität der Ober- fläche, eines Offenseins der Netzmaschen an der Oberfläche, wofür Leyoie eintritt, widerspricht der Beobachtung direct. Die eben er- örterten Annahmen, welche das Verständnis des Plasmas wesentlich

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erschweren, fallen für die Schaumlehre fort ; nach ihr muß sowohl jede Vacuole, wie auch die Oberfläche eines Plasmakörpers von einer zusammenhängenden Lamelle der Gerüstsubstanz nothwendig um- schlossen sein.

Wie ich ferner zu zeigen versuchte, lassen sich künstlich Schäume herstellen, deren Structuren denen des Plasmas zum Verwechseln ähn- lich sind. Die Entstehungsweise solcher Schäume eröffnet uns daher die Möglichkeit, auch das Entstehen der protoplasmatischen Structuren einigermaßen zu begreifen. Dagegen bleibt es vorerst ganz unklar, wie sich netzförmige Structuren im Plasma ausbilden sollen; denn Alles, was bis jetzt gelegentlich über deren Entstehung bemerkt wurde, ist hypothetisch oder ganz unsicher.

Besonderes Gewicht lege ich endlich auf eine Erscheinung, welche sich sowohl an den künstlichen Schäumen als auch an Plasmakörpern in gleicher Weise zeigt, nämlich auf das Vorkommen einer sog. äußeren Alveolarschicht bei beiden. Diese Alveolarschicht wird gebildet durch die äußerste Lage der Schaumwaben, welche sich sämmtlich senkrecht zur Oberfläche stellen und daher einen äußerst dünnen, radıär ge- strichelten Saum hervorbringen. Wie ich und Andere darlegten, fin- den wir einen solchen Saum oder eine Alveolarschicht nicht allein auf der Oberfläche einzelliger Organismen, sondern auch auf jener der Zellen von Vielzelligen; ja es scheint, nach den derzeit natürlich noch _ beschränkten Erfahrungen, doch recht wahrscheinlich, daß ein solcher Saum an der Oberfläche plasmatischer Körper stets vorhanden ist und sich in ähnlicher Weise auch stets als Grenzsaum der Vacuolen findet. Ebenso finden wir eine ähnliche radiäre Wabenlage häufig um den Zellkern. Wie ich schon früher darlegte, ergiebt sich die Ausbildung eines derartigen Saumes auf der Oberfläche der künstlichen Schäume als einfache Folge der physikalischen Gesetzmäßigkeiten, welche die Anordnung der Schaumbläschen beherrschen. Ebenso muß auch aus physikalischen Gründen eine radiäre Wabenlage überall da auftreten, wo ein flüssiger Schaum an eine feste Oberfläche grenzt. Wenn wir nun einen solchen Saum wahrscheinlich überall an der Oberfläche des Plasmas auftreten sehen, müssen wir dies dann nicht für einen siche- ren Beweis halten, daß im Plasma die gleichen physikalischen Gesetz- mäßigkeiten herrschen, welche auch die Bildung des Saumes der künstlichen Schäume bewirken, oder mit anderen Worten, daß das Plasma entsprechend jenen Schäumen structurirt ist? Eine solche Schlußfolgerung scheint um so berechtigter, als die Lehre von dem netzformigen Plasmagerüst nicht die mindeste Erklärung für die Aus- bildung eines solchen Saumes bietet, während die Schaumtheorie ihn auf einfache physikalische Gesetzmäßigkeiten zurückführt.

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Wenn ich endlich noch darauf hinweise, daß wir durch die Schaumtheorie wenigstens in der Lage sind, die einfacheren Bewegun- gen des Plasmas, meiner Ansicht nach, ausreichend zu erklären; wenn es mir gelungen ist, künstliche Schäume herzustellen, welche viele Tage lang amöboide Strömungserscheinungen zeigten, also doch zwei- fellos aus sich selbst heraus und nicht durch äußeren Anstoß gewisse Thätigkeiten leisteten, wie man sie bis jetzt nur von wirklichen Orga- nismen kannte, so scheint mir dies Alles eindringlich für die Schaum- structur des Plasmas und gegen die Annahme eines Netzgerüstes zu sprechen. Denn wenn wir auch dessen Stränge als contractil betrach- ten, gelangen wir zu keiner befriedigenden Vorstellung der Plasma- bewegungen, wobei ja die Contractilität der Stränge selbst ein dunkles Geheimniß bleibt. Dagegen bin ich ziemlich fest überzeugt, daß die Schaumtheorie uns bald einen ziemlich befriedigenden Einblick in das eigentliche Wesen der Contractionen der Muskelzellen gewinnen lassen wird.

Wenn FromMann vor Kurzem seine Ansichten vom Netzgerüst des Plasmas durch die Behauptung zu stützen suchte, daß die von mir künstlich hergestellten Schäume Communicationen und Durchbre- chungen ihrer Waben zeigten, also eigentlich auch netzig structuriert seien, so muß ich darauf erwidern, daß er solche Erfahrungen nur an erstarrten, ungeeigneten Schäumen, wie man sie aus stark einge- dickten Ölen erhält, gemacht haben kann. Die von mir untersuchten und geschilderten Schäume waren durchaus flüssig und damit ihre netzförmige Structur von vorn herein unmöglich. Gegen die vonhohem Selbstgefühl zeugende Bemerkung Frommann’s: daß meine Theorie des Plasmas bei genügender Kenntnis der früheren Arbeiten wohl unterblieben wäre, mich zu vertheidigen, werden Sie mir füglich er- lassen.

Zum Schlusse nur noch eine Bemerkung. Ich habe seither den Aggregatzustand des Plasmas als flüssig bezeichnet, und der des ge- wöhnlichen Plasmas dürfte auch in der Regel ein solcher sein. Da- gegen ist es klar, daß gewisse Partien der Plasmakörper, so die äußere Lamelle der Alveolarschicht oder diese in ihrer Gesammtheit, häufig eine sehr zähe bis feste Beschaffenheit annehmen. Das Gleiche müssen wir auch immer dann zugeben, wenn fibrilläre Structuren sich dauernd in bestimmter Weise erhalten, wie im Achsencylinder oder der Muskel- fibrille.

Wenn wir am Schlusse des Vortrags auf das in dieser Frage Geleistete zurückblicken, so müssen wir gestehen, daß das Erreichte einstweilen noch recht geringfügig ist. Zwar scheint die Bahn eröffnet, auf welcher in der Zukunft die Protoplasmafrage und damit auch die

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Frage nach dem Leben überhaupt, einer Lösung entgegengeführt werden kann, doch dürfen wir andererseits nicht vergessen, wie viele weitere Geheimnisse die Zelle noch umschließt; hat uns doch die neueste Zeit neben dem Kern in den Centrosomen wiederum ein neues Räthsel vorgelegt. Und wenn wir uns auch physikalisch etwas klarer über das Plasma werden, so bleibt das Geheimnis, welches seinen Chemismus umwebt, vorerst noch ziemlich undurchdringlich. Wer aber die im Wesentlichen sich gleich bleibenden Structuren des Plas- mas und des Kernes durch die Reihe der Organismen verfolgt, der wird wohl zugeben, daß die Grundlagen für die große Mannigfaltigkeit der Organisation vorwiegend auf chemischem Gebiete zu suchen sein müssen.

Erscheint uns dies Alles wenig tröstlich, so dürfen wir uns an- dererseits wohl auch daran erinnern, daß seit der Begründung der Zellenlehre und dem erstmaligen Gebrauch des Wortes Protoplasma kaum ein halbes Jahrhundert verflossen ıst. In diesem Zeitraum, welcher dem Wissensdurst des Einzelnen gar lang, in der Geschichte der Wissenschaft hingegen so gar kurz erscheint, ist denn doch so Manches über Bau und Leben der Zellen und ihrer Bestandtheile ermittelt worden, daß wir mit einer begründeten Zuversicht in die Zukunft blicken dürfen. Mir wenigstens scheint es gerechtfertigt und nicht übertrieben, zu hoffen, daß die kommenden Generationen doch noch das Räthsel des Protoplasmas und Kernes lösen und damit die mystische Auffassung der Lebenserscheinungen durch ihre Rück- führung auf physikalisch-chemische Vorgänge definitiv beseitigen werden.

Vortrag des Herrn Dr, H. Henxine

Über plasmatische Strahlungen.

Seitdem durch van BENEDEN der Satz aufgestellt war, daß die Attractionssphäre mit ihrem Polkörperchen ein permanentes Organ der Zelle bilde, ist es einer Reihe von Forschern (z. B. RagL, FLEMMING, SOLGER) gelungen, auch in ruhenden Gewebszellen deutliche Attractionssphären nachzuweisen, nämlich in Epithel-, Endothel-, Bindegewebs- und Pigmentzellen, sowie in Leucocyten. War ferner das Vorkommen von Attractionssphären in Pflanzenzellen unbe- kannt, so hat kürzlich GuicNarD in einer Reihe von Fällen deren Vorhandensein sowohl während der Theilung als auch während der Ruhe der Zellen beobachtet. Somit dürfte deren weite und vielleicht allgemeine Verbreitung in den organischen Reichen kaum angezweifelt werden dürfen.

Schreitet eine Zelle zur Theilung, so rücken die getheilten Attrac-

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tionssphären aus einander und nehmen den Kern zwischen sich. Die in manchen Fällen (z. B. Leucocyten) schon vorher sichtbare 'Strah- lung nimmt an Ausdehnung zu, von den Attractionssphären allseitig ausgehend. Nur derartige Plasmastrahlungen sollen uns im Nachfol- genden beschäftigen.

Unter den von jeder Attractionssphäre ausgehenden Strahlen strebt eine Gruppe auf den Kern, resp. aufdie Chromosomen des Kernes zu und bildet den cöne principal E. van BENEDEN’s. Jenseits der Attractionssphäre kann sich eine entsprechende Gruppe von Strahlen als cöne antipode abheben, so in den Furchungszellen von Ascaris (VAN BENEDEN) und in den Spermatocyten von Pyrrhocoris (HENKING), bei letzteren eine besondere Plasmacalotte über der Attractionssphäre erzeugend.

Von den übrigen im Zellplasma vorhandenen Strahlen können die der Kernregion am nächsten befindlichen insofern noch eine Be- sonderheit darbieten, als sie eine directe Verbindung mit der Attrac- tionssphäre der Gegenseite herzustellen vermögen und dadurch den Umfang der eigentlichen Kernspindel vergrößern.

Eine besondere Beachtung verdienen noch die Verhältnisse der eigentlichen Kernspindel, des cöne principal. Deren Strahlen sind dann wohl rein cytoplasmatischen Ursprungs, wenn die Chromosomen, an welche sie sich anheften, frei im Plasma liegen, wie es bei der Thei- lung der befruchteten Eizelle von Ascaris (BovERI, VAN BENEDEN) be- obachtet ist. Andererseits ist es aber unzweifelhaft, daß die Kern- spindel sich lediglich aus dem Kerninneren hervorbilden kann, und das zwar in dem Falle, daß die Attractionssphäre resp. das Polkörperchen der Kernmembran direct anliegt. So ıst es z. B. bei der Theilung von Protozoen nach BürtscHLı, HERTWIG, PFITZNER, GRUBER und ScHE- WIAKOFF, und zwar hier unter Erhaltung der Kernmembran. Vor- tragender selbst konnte in den Spermatocyten von Pyrrhocoris das directe Hervorgehen der Spindelfasern aus dem Kerngerüstbeobachten.

Eine dritte Möglichkeit ist dann gegeben, wenn die Attractions- sphäre eine Strecke von der Kernmembran entfernt frei im Zellplasma liegt. Dann können die Spindelfasern in der Nähe der Attractions- sphären cytoplasmatischen Ursprungs sein, diejenigen in der Nähe der, Chromosomen eine nucleoplasmatische Entstehung genommen haben. Dieses Verhältnis findet sich nach G. PLATNER in den Spermatocyten von Lepidopteren verwirklicht.

Es ist nicht erforderlich, daß alle im Bereiche des Kernes auf- tretenden Strahlen sich mit den Chromosomen in Verbindung setzen. Auch den ursprünglichen Kernraum können direct von einem Pole zum andern ziehende Strahlen durchmessen. Ihr Ursprung ist in

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gleicher Weise, wie wir es oben annahmen, vom Plasma, vom Kern oder von beiden herzuleiten.

Von ganz besonderer Wichtigkeit für unseren Zweck ist aber das Folgende. Allen den bisher genannten Strahlenbildungen müssen nämlich (wie auch bereits von VAN BENEDEN, Boveri und RABL ge- schehen) jene Fäden scharf gegenübergestellt werden, welche sichtbar werden, wenn die in der Äquatorialplatte halbierten Chromosomen nach den Polen aus einander rücken. Es sind das die »Verbindungs- fäden.« Dieselben werden bei Ascaris von VAN BENEDEN und BovErI von den chromatischen Elementen abgeleitet und als gedehnte Ver- bindungsbrücken zwischen je zwei Schwesterfäden betrachtet. Zu der gleichen Vorstellung haben mich meine Untersuchungen an den Ei-und Samenzellen von Insecten geführt. Besonders hervorgehoben zu wer- den verdient aber, daß in gewissen Fällen unzweifelhaft Chromatin- substanz in diese Verbindungsfäden von den Chromosomen übergeht. Bemerkte bereits Boveri bei der ersten Theilung des Eies von Ascar:s, daß die Verlängerung der peripheren Verbindungslamelle auf Kosten der Endanschwellungen der Chromosomen stattfand, so konnte ich selbst einen evidenten Fall bei Bildung des ersten Richtungskörper- chens von Pieris brassicae nachweisen. Hier enthielten dieVerbindungs- fäden eine größere Menge von Chromatinsubstanz, als die Tochter- chromosomen darboten. Die Tochterchromosomen allein wurden indem genannten Falle von Pieris in die neuen Kerne einbezogen. Die Sub- stanz der Verbindungsfäden dagegen blieb an dem alten Platze liegen, wurde späterhin achromatisch und war als ein »achromatisches Rich- tungskörperchen«, für welches ich die Bezeichnung Thelyid vorschlug, noch lange im Ei zu bemerken. Ähnliche Verhältnisse finden sich bei der Richtungskörperbildung von Agelastica alni und anderen Insecten.

Ging in den zuletzt genannten Fällen ein Theil des alten Kernes bei der Bildung der Tochterkerne verloren, während das abgeworfene Theilstück noch erkennbar blieb, so ist ein ähnliches Verhalten bei der Spermatogenese, zuerst von v. LA VALETTE, mehrfach beobachtet. Ich selbst konnte bei der zweiten Theilung der Spermatocyten von Pyrrhocoris feststellen, daß sich die Verbindungsfäden der Chromo- somen betheiligten 1) an dem Aufbau des Nebenkernes, 2) an der Bildung des Mitosoma. Diese beiden Stücke sind im reifen Spermato- zoon im Schwanztheile, also hinter dem nadelförmigen vom Kerne gebildeten Kopfe zu suchen.

Wenn nun ein Samenfaden bei Insecten in das Ei eindringt, kommt alsbald an ihm eine plasmatische Strahlensonne zur Ausbildung, in der Umgebung einer hellen Substanz, welche ich als Arrhenoid bezeich- nete. Diese Strahlung entsteht nun aber nicht etwa an der Spitze des

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Samenfadens, wo nach PLATNEr (bei Pygaera bucephala, Sphinx eu- phorbiae und Liparis) der Sitz des Centrosomas sich befinden soll, sondern vielmehr hinter dem Ende des Kopfes, eben dort, wo die Ab- kömmlinge der Verbindungsfäden aus der letzten Theilung, Nebenkern und Mitosoma, sich finden. In meiner Mittheilung über Preris bras- sicae, wo ich die Entwicklung der Samenfäden nicht eingehend genug untersucht habe, konnte ich auch über das Mitosoma keine sicheren An- gaben machen. Bei Pyrrhocoris aber z. B. ist ein Mitosoma unzweifelhaft vorhanden, und es bleibt noch zu untersuchen, ob die im Inneren des Eies am Spermatozoon sichtbar werdende Strahlung vom Mitosoma oder vom Nebenkerne sich herleitet. So viel können wiraber auch hier schon sagen, daß in beiden Fällen die Substanz der Verbindungsfäden die Grundlage bildet. Damit ist also eine völlige Übereinstimmung mit meinen Angaben über die Verhältnisse bei Preris brassicae hergestellt.

Nun war es aber bei meinen Untersuchungen über die Spermato- genese mir nicht gelungen, die Gegenwart des bei den Theilungen deutlich vorhandenen Centrosomas morphologisch bis zum Ende fest- zuhalten. Anfänglich in den Spermatiden noch gut sichtbar, entzieht sich das Polkörperchen nach und nach den Blicken. Demnach wäre die Annahme, daß das Polkörperchen auf irgend eine Weise sich zu den Abkömmlingen’der Verbindungsfäden geselle, nicht ohne Weiteres abzuweisen, zumal die von mir beschriebene sonderbare Wanderung des Mitosomas während der Entwicklung der Samenfäden von Pyr- rhocoris und die Drehung des Kernes sich recht gut in dieser Hinsicht verwerthen ließe. Bei einer solchen Voraussetzung würde die am Sa- menfaden im Ei auftretende Strahlung sich zurückführen lassen auf jenes Centrosoma, welches bei der letzten Theilung der Spermatocyten in jeder Spermatide verblieb.

Ob wir jedoch einer solchen Annahme überhaupt bedürfen, er- scheint mir zweifelhaft im Hinblick auf folgende Thatsache. Bei der Bildung des ersten Richtungskörperchens von Agelastica alni bleibt eine helle Substanz, welche der Region der Verbindungsfäden entspricht, unbenutztim Randplasmaliegen, zwischen dem ersten Richtungskörper und der sich sogleich ausbildenden zweiten Richtungsspindel. Diese helle Sustanz, das abgeworfene Thelyid, veranlaßt unter normalen Verhältnissen keine Veränderungen. Bei Eiern jedoch, welche ich einem vermehrten Druck unterwarf, und zwar am stärksten bei An- wendung eines Druckes von 2 Atmosphären während zweier Stunden, war das Thelyid von einer ganz intensiven Plasmastrah- lung umgeben, deren Radien das Thelyid zum Centrum hatten!.

! Zuweilen habe ich eine schwache Strahlung am gleichen Orte auch an Eiern gesehen, deren Entwicklung nicht künstlich beeinflußt war.

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Es entwickelte unter den genannten Umständen das Thelyid also eine Fähigkeit, welche gewöhnlich nur dem Arrhenoid in den Eiern der Insecten zukommt.

Hier kann das Vorhandensein eines Centrosomas demnach nicht für die Entstehung der Strahlung verantwortlich gemacht werden. Denn dem Einwurfe, die Strahlung könne ja von dem nach außen ge- wandten Pole der zweiten Richtungsspindel herrühren, würde ich ent- gegenhalten, daß dann doch wohl auch an dem nach innen gewandten Pole eine solche erwartet werden dürfe. Hiervon habe ich aber nie etwas bemerkt, auf welchem Entwicklungsstadium auch die zweite Richtungsspindel stehen mochte.

Später löst sich dann der Eikern von dem zweiten Thelyid los, wie ich bereits früher mittheilte, und wandert fast ganz nackt auf den Spermakern los, der ihn in seiner Strahlensonne erwartet.

Da also das Thelyid, allerdings nur unter gewissen Umständen, deutliche plasmatische Strahlungen hervorrufen kann, so ist der Ana- logieschluß vielleicht berechtigt, daß auch dem Arrhenoid, welchem ich ja eine dem Thelyid entsprechende Entstehung zuschrieb, an sich bereits das Vermögen der Strahlenbildung zugestanden werden dürfe.

Sonst ist über das Vorkommen von freien Strahlungen im Plasma nicht viel bekannt. Sie sind in größerer Zahl beobachtet von den Ge- brüdern Herrwie an Seeigeleiern, wenn diese mit Reagentien behan- delt oder mechanisch zertrümmert waren. Da sie aber nur nach dem Eindringen von Samenfäden gesehen wurden, so ist es das Wahr- scheinlichste, daß sich durch die abnormen Verhältnisse eine strahlen- erregende Substanz von den Spermatozoen abgespalten hatte, wie jaauch von BovERI Derartiges vereinzelt bei Echinus und Ascaris gesehen wurde.

Schwierig ist eine Erklärung der Strahlungen, welche nach Car- Noy bei Ascaris nicht nur in der Umgebung der Richtungsspindeln (asters terminaux und lateraux), sondern gelegentlich ringsum in der Eiperipherie (asters' accessoires) auftraten, schwierig im Augenblick aus dem Grunde, weil über die Ursachen dieser (auch nach O, und R. Herrwic und Boveri) entschieden pathologischen Verhältnisse nichts bekannt ist.

Die plasmatischen Strahlungen (wobei ich seiner verschiedenen Entstehungsmöglichkeit wegen [siehe oben] vom »cöne principal« ab- sehe) lassen sich noch unter folgendem Gesichtspunkte betrachten:

Bei Insecten (z. B. Pieris, Agelastica, Pyrrhocoris) besitzt der Ei- kern keine Strahlung, wenn er zur Copulation mit dem Samenkern schreitet. Es erhalten also die Embryonalzellen die Fähigkeit der Strahlenbildung ausschließlich vom Arrhenoid; denn der Eikern allein würde nicht im Stande sein, noch zahlreiche Theilungen durchzu-

Verhandl. d. Deutsch. Zool. Gesellschaft, 3

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machen, während der mit dem Arrhenoid ausgerüstete Samenkern allein (nach dem Eindringen in’s Ei) hierzu im Stande sein dürfte, wie nach den Versuchen der Gebrüder Hertwiec und Boveri’s mit kernlosen Eistücken angenommen werden kann.

Geht also ein unbefruchtetes Ei frühzeitig zu Grunde, so kann auch die eingetretene Befruchtung dem durch zahllose Theilungen entstandenen Organismus kein ewiges Leben verleihen. Minor hat früher einmal geäußert, daß die Amphiasteren, welche anfangs so deutlich sind, während der Entwicklung des Thieres allmählich ab- klingen, also wahrscheinlich in engster Beziehung zu dem Vorgange der geschlechtlichen Fortpflanzung stehen. Hiergegen wandte FLEM- MInG ein, daß vor weiterer Discussion die Gewebszellen von Erwach- senen auf Strahlungen untersucht werden müßten.

Auch heute wissen wir von den feineren Vorgängen, welche die Erscheinungen des Alterns der Organismen bedingen resp. begleiten, nur recht wenig. Daß jedoch auch verwachsene« Zellen sich noch unter Strahlenbildung theilen, haben wir z. B. durch die Untersuchungen von SCHOTTLÄNDER am Endothel der entzündeten Hornhaut erfahren, und die malignen Geschwülste besitzen nach der Ansicht der Chirur- gen ein unbegrenztes Wachsthumsvermögen. Zwar heilen Knochen- brüche von Greisen schwieriger als solche von Kindern, aber das darf nicht ohne Weiteres auf das Alter der Zellen geschoben werden, seit es den Chirurgen gelang, durch künstliche Blutstauung eine bessere Ernährung und raschere Heilung solcher Wunden zu erzielen.

So viel mir bekannt, sind nur von Infusorien genauere Angaben über das Wesen der Senilität mitgetheilt worden und zwar von MAupas. Ein aus der Conjugation hervorgehendes Individuum wurde isoliert gezüchtet und die Abkömmlinge desselben unter guten Ernährungs- » verhältnissen durch alle Generationen isoliert gehalten, bis von selbst der Tod eintrat. Das geschah etwa nach 320—330 Generationen bei Stylonychia pustulata und Onychodromus grandis. Nun beobachtete Mavpas aber bei den genannten beiden Species, daß die in ihrer gan- zen Organisation bereits völlig verkümmerten Individuen etwa von der 300. Generation an eine geschlechtliche Überreizung verriethen, welche sich in zahlreichen Copulationen, auch mit ihren nächsten Ver- wandten, kund that. Da die Copulanten keinen Micronucleus mehr be- saßen, so blieb ihre Vereinigung steril und konnte den Tod nicht auf- halten. Die Verbindung mit einem normalen Individuum würde dagegen thatsächlich eine »Verjüngung« des gealterten Genossen zur Folge gehabt und ihn zu einem neuen Theilungscyclus befähigt haben. Es ist wohl klar, daß den verkümmerten Individuen weniger an der Erwerbung einer Summe von neuen Vererbungstendenzen gelegen

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sein konnte, als vielmehr an dem Neuanfachen ihrer verlöschen- den Lebensflamme. Das ist es offenbar, was durch die Copulation be- wirkt wird; und wenn Stylonychia mytilus im senilen Zustande über- haupt nicht mehr copuliert, so scheint mir daraus kein Einwurf gegen obige Annahme zu erwachsen.

Boveri hatte die Ansicht ausgesprochen, daß die Unfähigkeit des Kies, sich zu theilen, nicht auf einer Schwächung, sondern auf dem vollständigen Mangel eines zur Theilung nothwendigen Organs, des Centrosomas, beruhe. Dieses werde vom Spermatozoon herbeigeführt. Meine Auffassung der Sache weicht trotz principieller Übereinstimmung hiervon nicht unwesentlich ab.

Wir wissen, daß auch unbefruchtete Eier oft noch einige Thei- lungen ohne Hilfe eines männlichen Centrosomas durchmachen. Die Theilungen der Richtungsspindeln werden vielfach, selbst bei Ascaris, ohne Gegenwart eines Centrosomas bewerkstelligt. Ferner erfuhren wir, daß bei Agelastica unter Mitwirkung des Kernes bei der Bildung des ersten Richtungskörpers eine Substanz erzeugt wird, welche die gleichen charakteristischen Eigenschaften zeigen kann, wie sie sonst dem Centrosoma oder der Attractionssphäre zukommt, nämlich eine reichliche Plasmastrahlung. Es fehlt demnach der weiblichen Zelle ein solches »Organ« nicht völlig, aber es tritt nicht in Thätigkeit und zwar nach meiner Ansicht aus dem Grunde, weil das Protoplasma durch die vorhergehenden Theilungen eine Schwächung erfahren hat. Denn daß das überreich ernährte und geräumige Ei sonst für Strah- lungen die günstigsten Bedingungen darbietet, wird ersichtlich, so- bald durch den Samenfaden eine etwas anders geartete strahlen- erregende Substanz eingeführt ist.

Ich möchte das befruchtungsbedürftige Ei daher insofern als senil auffassen, als es nach unseren jetzigen Erfahrungen die einzige Zelle des thierischen Körpers ist, welche ganz oder nahezu ganz am Ende ihrer Theilungsfähigkeit angekommen ist. Es äußert sich das schon darin, daß die letzten Theilungen ihres Kernes (Richtungskörperbil- dung) oft ohne Spur einer Plasmastrahlung verlaufen. Dagegen ver- rathen die nach der Copulation auftretenden Embryonalzellen ihre große Theilungsenergie durch die bedeutende Strahlenentwicklung. Diese ist in den hier betrachteten Fällen allein veranlaßt durch eine von dem Samenfaden mitgebrachte Substanz, das Arrhenoid, indem der Eikern einer Strahlung entbehrte. Man könnte demnach von einer Arrhenogonie sprechen. Es ist die Arrhenogonie beobachtet bei Ascaris (Boveri u.A.), Sagitta (BovER1), Ascidia mentula (Boveri), Ciona intestinalis (BoveRI und Hrnkıng), Phallusia mammillata (HENKING), Arion empiricorum (PLATNER), Pieris, Agelastica, Pyrrhocoris (HENKING).

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Bei anderen Eiern dagegen ist die Fahigkeit der Strahlung noch nicht so weit rückgebildet wie bei den eben betrachteten und wird daher bei Ausbildung der Richtungskörper bemerklich. Es verdient noch nähere Beachtung, ob in allen diesen Fällen der weibliche Kern eben- falls noch von einer Strahlung begleitet wird, wenn er zur Copulation schreitet. Bei Echinodermen (FoL, HERTWIG, SELENKA, FLEMMING), Hae- mopis und Nephelis (0. Hrrrwis) behält der Eikern einen Theil seiner alten Strahlung, wenn er sich zu dem ebenfalls mit einer Strahlung versehenen Spermakern gesellt. Da hier also die beiden Geschlechts- kernesich gleich verhalten, würde vielleicht die Bezeichnung Isogonie zweckmäßig dafür sein.

Das Vorkommen der Isogonie bietet theoretisch keine Schwierig- keiten, um so weniger, als ja bei der Parthenogenese der Eikern allein das zu leisten im Stande ist, was sonst der Mitwirkung von Elementen des Samenfadens bedarf. Wir wissen eben nicht, wie viele Zellen- generationen directen Weges von den Geschlechtszellen im Organismus zurückgelegt sind und wie groß die Unterschiede in der spontanen Entwicklungsfähigkeit derselben in den organischen Reichen sein mögen. Haben wir im Einzelnen auch bisher keine sichere Kunde darüber, wie weit hinaus eine rein parthenogenetische Vermehrung möglich ist, so scheint der allgemeine Eindruck der bisher beobach- teten Verhältnisse die Auffassung zu begünstigen, daß schließlich doch eine geschlechtliche Vermischung für die Erhaltung der betreffenden Art erforderlich wird.

Für einen dritten Fall liegt bisher meines Wissens nur eine Be- obachtung vor. E.L. Mark beobachtete bei Limax campestris BINNEY, daß bei der Copulation nur der Eikern eine Strahlung besaß, während sie dem Spermakerne fehlte. Sie ist an letzterem aber wohl nur unter- drückt, wenn wenigstens seine Erklärung eines Falles von Polyspermie, in welchem mehrere Spermatozoen Strahlungen verursacht hätten, richtig ist. Man könnte in diesem dritten Falle von einer Thelygonie sprechen.

Ich bin in der vorgetragenen Auffassung mehrfach den Thatsachen vorausgeeilt; jedoch könnte dieselbe vielleicht eine Anregung bieten, zu prüfen, ob den plasmatischen Strahlungen die von mir vermuthete Bedeutung zukomme oder nicht.

(Zur [llustrierung des Vortrages diente eine Wandtafel und die Demonstration einiger Präparate.)

Vortrag des Herrn Dr. A. SchuBERG

Über den Zusammenhang von Epithel- und Bindegewebszellen.

Meine Herren! Gestatten Sie mir, zur Erläuterung mehrerer heute Nachmittag zu demonstrierender Präparate, an dieser Stelle Einiges zu bemerken!

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In seiner bekannten Arbeit über »Epithel- und Drüsenzellen« hat F. E. Schutze gesagt, daß eine der interessantesten Fragen der Histo- logie sei, die »Verbindung zwischen Lederhaut und Epidermis« fest- zustellen. In der That hat man schon lange, und auch schon vor F. E. Schurze’s diesbezüglichen Untersuchungen, danach gestrebt, die Art und Weise dieser Verbindung aufzuklären. Im Laufe der fünf- ziger Jahre hatten verschiedene Forscher bereits angegeben, daß Epi- dermis und Cutis allgemeiner: überhaupt Epithelien und Bindege- webe in der Weise in Zusammenhang stünden, daß die zelligen Elemente beider Gewebsformen in directer Communication sich be- finden: Ausläufer der Epidermiszellen sollten sich mit ebensolchen der Bindegewebszellen unmittelbar verbinden. Diese Auffassung war 1862 Max Schutze derart begründet erschienen, daß er sie als ziemlich gefestigt sehen zu dürfen glaubte. Trotzdem jedoch war dies nicht der Fall; und andere Forscher, wie z. B. namentlich KöLLıker (1867), bestritten denn auch immer noch, daß eine derartige Verbindung sicher nachgewiesen sei. Im Laufe der Zeit gewann schließlich letztere Meinung wieder die Oberhand, so daß, von wenigen Angaben abge- sehen, in der neueren Litteratur fast allgemein die Ansicht vorherrschte, daß eine directe Verbindung zwischen den zelligen Elementen der epithelialen und connectiven Gewebe nicht bestehe.

Die Untersuchung der Haftapparate des Laubfrosches gab mir nun Gelegenheit, an einem für derartige Untersuchungen besonders ge- eigneten Objecte jene ältere Anschauung auf's Neue bestätigen zu können.

Die schmal cylindrischen Zellen der untersten Lage in der Epi- dermis der Plantarseite der Zehenendballen deren feineren Bau ich in einer im Drucke befindlichen Arbeit genauer beschrieben habe laufen nämlich in je einen sehr spitzen Fortsatz aus, welcher jeweils in einen feinen Faden übergeht. Diese Fäden vereinigen sich mit ihnen entgegenkommenden Ausläufern der verästelten Zellen des unter der Epidermis gelegenen Bindegewebes und bilden mit diesen zusam- men eine Art Netzwerk. Die Spitzigkeit wie die regelmäßige An- ordnung der Ausläufer der Epithelzellen ermöglichen in diesem Falle ganz besonders leicht, sie zu beobachten und weiter zu verfolgen, und geben, da gleichzeitig die Verbindungen mit den Bindegewebszellen außerordentlich klar und häufig zur Beobachtung kommen, eine sichere Gewähr dafür, daß nicht etwa zur Epidermis tretende Nerven derartige Bilder fälschlicherweise vortäuschen.

Nachdem ich durch dieses Object auf die Frage nach dem Zu- sammenhang von Epithel- und Bindegewebszellen’aufmerksam gewor- den war, untersuchte ich zunächst die Epidermis auch an anderen

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Stellen der Laubfroschhaut; und da ergab sich denn z. B. an der Haut der Zehen, wo die Epidermis den normalen Bau besaß, ein ganz ent- sprechendes Verhalten. Die etwa cubischen Zellen der untersten Schicht besitzen gegen die Epidermis zu einen gezackten oder gezäh- nelten Rand, wie dies aus früheren Untersuchungen als bei den Anuren allgemein vorkommend angenommen werden darf. In der Regel scheinen die Zellen aber namentlich einen größeren und spitzeren Fortsatz zu besitzen die natürlich auf Schnitten nicht bei allen Zellen gleichmäßig getroffen sind und von diesen Fortsätzen gehen Aus- läufer aus, welche sich mit denen der darunter liegenden Bindege- webszellen vereinigen und dadurch an dem durch diese dargestellten Netzwerke Theil nehmen. Es unterscheidet sich das Verhalten der eben geschilderten Epidermis (von der Seite der Zehen) von dem an der Plantarfläche der Zehenendballen nur durch die geringere Spitzigkeit der Elemente, dann aber auch durch die geringere Dichtigkeit und Regelmäßigkeit der einzelnen zu den Bindegewebszellen hintretenden Ausläufer.

Es war nun natürlich von Interesse, denselben Gegenstand auch in solchen Fällen zu untersuchen, wo unmittelbar unter der Epidermis ein fibrillenreiches Bindegewebe sich ausdehnt, oder wo das Epithel einer sogenannten Basalmembran aufsitzt.

Letzteres Verhalten findet man z. B. beim Axolotl. Ich wählte hier zur Beobachtung die Epidermis der Unterlippe, welche einfach den Bau eines geschichteten Epithels aufweist, ohne LEypie’sche Zellen zu enthalten, wie an den meisten anderen Stellen der Körperoberfläche; und zwar benutzte ich ein mir gerade zur Verfügung stehendes pig- mentfreies Thier (Albino), um nicht durch das Pigment in der Be- obachtung gestört zu sein. Das Vorhandensein der Basalmembran bietet insofern Schwierigkeiten dar, als dieselbe bei Anwendung der ge- wöhnlichen Präparationsmethoden wie z. B. bei Färbung mit Car- min oder Hämatoxylin sich so stark färbt, daß schwach oder gar nicht gefärbte feine Zellenausläufer, welche sie etwa durchsetzen, nicht zur Beobachtung kommen können. Aus diesem Grunde unter- suchte ich zuerst ungefärbte Schnitte, gelangte schließlich aber auch dazu, unter Verwendung gewisser anderer Färbemethoden den Sach- verhalt feststellen zu können. Die genauere Angabe dieser, übrigens nicht neuen, Methoden behalte ich mir für die ausführlichere Publi- cation meiner Untersuchungen vor.

Beim Axolotl befindet sich unmittelbar unter der Epidermis wenigstens an der Unterlippe zunächst eine ziemlich dicke Basal- membran, welche an manchen Stellen eine Art Schichtung erkennen läßt. Bei Anwendung von Färbemitteln, welche sie stark färben, kann

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man auBer den zur Unterfliche der Epidermis parallel verlaufenden und den Anschein der Schichtung bedingenden helleren Linien ähn- liche, sie senkrecht durchsetzende hellere Partien unterscheiden. Unter der Basalmembran breitet sich sodann ein sehr lockeres galler- tiges Bindegewebe aus, welches hauptsächlich aus einem Netzgeflechte der vielfach verästelten Bindegewebszellen besteht. Letztere sind ins- besondere unmittelbar unter der Basalmembran verhältnismäßig häufig und dieser oft ganz dicht angelagert. Bei Anwendung von Methoden, welche die Basalmembran schwach oder gar nicht färben, die Zellen- ausläufer dagegen deutlich hervortreten lassen, sieht man nun, daß die unter der Basalmembran liegenden Bindegewebszellen Ausläufer aus- senden, welche die Basalmembran zunächstsenkrecht durchsetzen, dann aber auch seitliche parallel zur Epidermisfläche verlaufende Ästchen abgeben. Dadurch kommt innerhalb der Basalmembran ein aus ziem- lich regelmäßig rechteckigen Maschen gebildetes Netzwerk zu Stande, das nach außen, gegen die Epidermis zu, mit den Zellen von deren un- terster Lage sich verbindet. In der Regel zeigen letztere an ihrem unteren gezackten Rande einen größeren und spitzen Fortsatz, an wel- chen sich eben jene Verbindungsfädchen ansetzen.

Wieder anders gestaltet sind die Verhältnisse bei einem dritten Objecte, bei Ammocoetes, der Larve des Bachneunauges. Unmittelbar unter der Epidermis dehnt sich hier ein Bindegewebe aus, das fast aus- schließlich aus parallel zur Epidermisfläche gerichteten Fibrillen besteht; zwischen diesen sind längliche Zellen eingelagert, deren Längsachse in der gleichen Richtung verläuft. Unter dieser Schicht des Binde- gewebes folgt eine andere, lockere Bindegewebslage, welche am Körper selbst nur dünn und unmittelbar über der Muskulatur gelagert ist, in den Flossensäumen dagegen deren Hauptgewebe darstellt. In beiden Fällen deutlicher in dem letztgenannten gruppieren sich die Zellen dieser Bindegewebsschicht besonders dicht und regelmäßig an der äußeren Fläche und nehmen hier geradezu eine epithelartige An- ordnung an. Von dieser Zellenlage nun steigen feine Ausläufer auf, welche die Fibrillenlage senkrecht durchsetzen und mit nach unten ge- richteten mehr oder weniger spitzen Fortsätzen der untersten Zellen der Epidermis sich vereinigen. Diese Ausläufer durchqueren die Fibrillen- lage bald in ihrer ganzen Dicke, bald setzen sie sich auch an die oben erwähnten Bindegewebszellen an, welche sich in jene eingelagert fin- den. Auf diese Weise kommt auch hier ein aus etwa rechteckigen : Maschen gebildetes Netzwerk von Zellen und Zellenausläufern zu Stande, das sich nach außen mit der Epidermis, nach innen mit Binde- gewebszellen verbindet.

Ich muß es mir versagen, an dieser Stelle auf eine genauere Be-

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sprechung der ähnlichen, bis jetzt in der Litteratur beschriebenen Vor- kommnisse einzugehen, womit ich namentlich auch die sehr zerstreu- ten Angaben, welche sich über diesen Gegenstand in Schriften über wirbellose ‚Thiere vorfinden, sowie die über die Darmepithelien der Wirbelthiere geäußerten Ansichten meine; in der ausführlichen Publication werde ich dieselben natürlich in extenso darstellen. Nur einige ähnliche Mittheilungen, welche nach Beobachtungen an der Epidermis von Wirbelthieren gemacht worden sind, möchte ich kurz anführen. Es sind dies vor Allem zwei Angaben Leyvie’s. Die eine davon betrifft Petromyzon marinus und P. fluviatilis und stimmt zum großen Theil mit dem, was ich für die Larvenform von P. Planeri oben angeführt habe, überein; die zweite bezieht sich auf die Larve von Salamandra maculosa. Weiterhin ist zu nennen die Ansicht von F. und P. Sarasin, wonach feine von den untersten Zellen der Epidermis der Ichthyophis-Larve abtretende Fädchen die »derben Bindesubstanz- lagen« durchsetzen und mit Bindegewebszellen sich vereinigen sollten ; doch ist von diesen Forschern die Verbindung nicht ganz klar und sicher gesehen worden.

Schließlich wäre noch HEITZMmANN zu nennen, welcher von der Bowman’schen Schicht der Hornhaut berichtet, daß sie von einem »Bioplassonnetz« durchsetzt sei, welches das Epithel der Hornhaut mit den Bindegewebszellen verbände. Ich kann indessen nicht verhehlen, daß diese Angabe in ihrer etwas gar zu allgemeinen Form mir nicht auf genügend sicherer Beobachtung zu beruhen scheint.

Indem ich zum Schlusse die Erwartung ausspreche, daß es wohl gelingen wird, den Zusammenhang zwischen Epithel- und Bin- degewebszellen als eine allgemeiner vorkommende Erscheinung nach- zuweisen weitere Untersuchungen sind bereits im Gange kann ich doch nicht umhin, schon jetzt anzudeuten, daß eine Anwendung derartiger Beobachtungen, wie sie von HEITZMANN und seinen Schülern und Freunden gemacht wird, mir nicht statthaft erscheint. Wie schon KOLLIKER bei Eröffnung der ersten Versammlung der Deutschen Ana- tomischen Gesellschaft dargethan hat, läßt sich aus solchen Dingen keineswegs folgern, daß der ganze thierische Körper gewissermaßen ein »Syncytium« darstelle und daß die Zellenlehre vollständig zu ver- werfen sei, eine Anschauung, welche Hertzmann aufgestellt hat. Wenn auch die einzelnen Zellen des Körpers mit einander in directer Ver- bindung stehen, so bleiben die meisten von ihnen morphologisch wie physiologisch genug gesondert, um noch immerals besondere Ein- heiten, als »Zellen«, aufgefaßt werden zu müssen!

Discussion. Aufeine Frage des Herrn LEUCKART erwidert der Vortragende:

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Die bei Ammocoetes erwähnten, die Fibrillenlage durchsetzenden Zellenausläufer haben mit den von Leypic aus der Haut der Amphi- bien beschriebenen sog. »aufsteigenden Zügen der Lederhaut« nichts zu thun. Letztere bestehen aus einem lockeren Bindegewebe und enthalten glatte Muskeln, Nerven und Gefäße, sind also gröberer Natur. Die Verbindung von Epithel und Bindegewebe findet in diesem Falle in anderer Weise statt.

Vortrag des Herrn Prof. Hus. Lupwic

Zur Anatomie der Synaptiden.

Der Vortragende besprach einige Punkte aus der Anatomie der Synaptiden auf Grund seiner gemeinschaftlich mit seinem Schüler Herrn Puinipr BArTHeELs in Bonn angestellten Untersuchungen. Da der Inhalt des Vortrages bereits vor der Versammlung an den Zoolo- gischen Anzeiger eingesandt war und von diesem in seiner Nr. 360, p. 117—119 veröffentlicht ist, so braucht hier nur darauf verwiesen zu werden.

Vortrag des Herrn Dr. H. Smrotrn

Über die Nahrung der Landthiere. (Ein Capitel aus einem unter der Presse befindlichen Buche über die Entstehung der Landthiere.)

Die moderne Zoologie wendet ihre Aufmerksamkeit mit Vorliebe dem Meere zu, das Antwort auf die meisten Fragen der Phylogenie der größeren Gruppen von Thieren verspricht. Die neueren Untersu- chungen, in größter Intensität die deutsche Planktonexpedition, suchen und finden Klarheit betr. der organischen Öconomie des Oceans, die sich verhältnismäßig einfach gestaltet. Der Sonnenstrahl wird von den chlorophyllartigen Farbstoffen der Diatomeen und Peridinien aufge- fangen und zur Assimilation des Unorganischen verwendet. Darauf gründet sich eine animalische Ernährungskette, die sich von niederen Kleinthieren bis zu den höchsten Classen der Vertebraten verfolgen läßt, etwa in der Reihe: Copepod, Hering, Schellfisch, Möwe, Delphin. Im Meere giebt es keine Verwesung, nur Verdauung.

Auf dem Lande erscheint zunächst der Haushalt noch viel ein- facher. Die grünen Pflanzen setzen Anorganisches in organische Sub- stanz um, die Pflanzenfresser genießen das Grüne und werden selbst von Fleischfressern verzehrt, z.B. Gras Gazelle Löwe, oder jede Berechnung der landwirthschaftlichenFleischproduction, oder dieinnige Durchdringung von Pflanzen- und Thierwelt wie bei den Insecten.

Und doch war es nicht immer so. Die einfache Kette ist erst auf einem langen Umwege entstanden. Millionen von Jahren war die Erde grün und sogar von Wäldern bedeckt, ohne daß sich die Thier-

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welt um die directe Nahrungsquelle der grünen Blätter kümmerte, sie that es höchstens ganz ausnahmsweise. Noch die riesigen Wälder der Steinkohlenzeit wurden kaum irgendwie ausgenutzt, die Kryptogamen blieben durchweg fast verschont, mit einer Ausnahme, den Pilzen. Selbst in unseren Herbarien werden sie jetzt noch von den kleinen Museumsverwüstern fast vollständig gemieden. Die Nadelhölzer, wohl uralte Bergpflanzen, kommen für die erste Entstehung der Land- thiere (vom Feuchten aus) weniger in Betracht, sind indes, so wenig sie im Allgemeinen von den Thieren angegangen werden, um so inter- essanter, als ihre Verzehrer zum großen Theil alterthümliches Gepräge haben und unter diesem Gesichtspunkt phylogenetische Schlüsse zu- lassen. Von den Angiospermen werden die Monocotylen noch viel weniger angegriffen als die Dicotylen, die jüngsten Pflanzen schlecht- hin, bei denen endlich die Durchdringung beider organischen Reiche die jetzige Höhe erreicht.

Schon im Silur aber gab es hochentwickelte Landthiere, Palaeo- blattina, Scorpione, wahrscheinlich auch die Placodermen sind Zeug- nisse; das war aber sehr lange vor der Schöpfung der Bedecktsamigen.

Die ersten Landthiere bildeten sich vielleicht vom Ufer der Ge- wässer aus, sie waren entweder carnivor, oder, da doch auf die Pflan- zenwelt als Vermittlerin zum Unorganischen zurückgegriffen werden mußte, phykophag, fraßen modernde Tange unddergleichen. Esist aber sehr wohl möglich, daß in dem nahrungsarmen Moder die Bacterien die Hauptsache ausmachten, jene Wesen, die, zum großen Theil nuı aus Kernsubstanz, d. h. dem Träger der wichtigsten Lebensfunctionen, bestehend, vielleicht die erste Stufe organischer Schöpfung, zwischen Pflanzen und Thieren, darstellen. Soll es doch Bacterien geben, die freien Stickstoff assimilieren. Mit ihnen würde aber die erste Schöpfung des Lebens überhaupt auf das Land verlegt, bez. in die feuchten Ufer- strecken, wo die grundlegenden Factoren der Lebensvorgänge, Land, Wasser und Luft, sich berühren (contra Bathybius).

Von dem Genuß der Bacterien aus entwickeln sich verschiedene Richtungen der Ernährungsweise, vom modernden Humus geht es einerseits zu höheren Pilzen bis zu den Basidiomyceten, andererseits zu Aas und Excrementen, so wie die Pilzkost der Fleischnahrung nahe verwandt ist; den Pilzen reihen sich die Flechten an; das Mycel aber entwickelt sich mit Vorliebe in der Cambiumschicht absterbender Coniferen und Laubhölzer, welche eine sehr wichtige Brücke bildet, die in die höheren Pflanzen hineinführt, es entstehen Rindenverderber, Holz- und Wurzelbohrer. Nachher werden nahrungsreiche, weichere Wurzeln (Mohrrüben u. dgl.) und saftige Früchte angenommen, die Keimblätter der Samen, die zarten Blüthenblätter, der Honig wird be-

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sonders den Insectenimagines, als nicht mehr wachsenden Bewegungs- maschinen, eine Kraftquelle. Auf solchen Wegen wird endlich der Genuß der Laubblätter erreicht. Der Parasitismus steht den Anfangs- stufen nahe.

Parallel mit der Pflanzenwelt hat sich dann erst, als Phyllophagie eingetreten war, mutatis mutandis die weitere Schöpfung als gegen- seitige Anpassung vollzogen.

Einen guten Beleg liefern die Pflanzengifte. Unter den noch wenig begehrten Nadelhölzern hat die Giftigkeit den Taxus so weit ge- feit, daß er nur von einem einzigen Insect (Anobium tesselatum) ange- gangen wird. Die Cryptogamen stellen Gifte überhaupt nur unter den Pilzen ; desto mehr Giftpflanzen giebt es unter den Angiospermen ; aber hier ist das Schutzmittel immer nur gegen gleichzeitig miterzeugte Feinde erworben worden, daher andere, die bei der Herausbildung nicht zugegen waren, vielfach immun erscheinen; selbst die nicotin- haltige Cigarre hat eine Reihe animalischer Liebhaber.

Im Einzelnen läßt sich’s leidlich verfolgen.

Die Oligochaeten leben von modernden Pflanzen, die Land- planarien von Moder, Fleisch oder Pilzen.

Die Asseln lieben Moder, Keimpflanzen, saftige Früchte und Wurzeln.

Die Spinnen nähren sich von Fleisch und Moder (die Milben sind vielfach zum Parasitismus übergegangen). Die Opilioniden, nach dem Nervensystem die ursprünglichsten, quetschen mit den Cheliceren verwesende Pflanzen- und Thierstoffe aus.

Die Myriopoden sind entweder Räuber, und zwar an den uralten Oligochaeten, oder sie genießen Moder und Früchte, Juliden und Poly- desmiden modernde Blätter und Holz, Blanjuliden Kartoffeln, Obst, Erdbeeren, Julus sabulosus Pilze. Modernde Blätter und Moose (sonst meist gemiedene Cryptogamen) sind die Lieblingskost der Glomeriden.

Bei den Insecten hat man den Stammbaum vielfach auf die Mundwerkzeuge gegründet (die Bedeutung der Kohlehydrate in den Blüthensäften für die Imagines ist schon erwähnt).

Apterygoten: Achorutes nutzt mit kurzem Saugrüssel Moder- stoffe aus, Sminthurus bevorzugt Pilze, Degeeria Protococcus etc.

Orthopteren: Schaben und Lepisma sind dem Moder’nach in unsere Wohnungen gezogen. Forficuliden lieben Fleisch und Blumen- blätter, bei Weitem die meisten sind carnivor. Die Acridier, deren Phyllophagie in den Wanderheuschrecken so sehr hervortritt, sind gleichwohl eine ziemlich vereinzelte Ausnahme.

Pseudoneuropteren: Libellen Raub. Perliden Blüthensäfte, ihre Larven Ephemerenlarven, gleichfalls eine alte Beziehung.

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Rhynchoten: viele Rindenwanzen, manche an Pilzen. Cicaden an Rinden, die Larven der großen an Wurzeln. Eigentliche Phyllo- phagie ist selten, selbst die Blattläuse sind nur ausnahmsweise an Farnen zu finden.

Dipteren: äußerst vielseitig, Koth, Abfallstoffe, Blüthen, Fleisch, selten nur Blättergenuß.

Neuropteren: Raub, in bestimmten uralten Beziehungen, wie die Mantispa-Larven an Spinneneiern.

Hymenopteren:Innige Beziehungen zu den Blüthen und Zucker- stoffen. Wenn aber der Legebohrer dem Giftstachel vorherging, dann zeigen die Holzwespen etc. den älteren Typus. Die Blattwespen, deren Larven inden Afterfüßen Anklänge an die Parapodien der Anneliden auf- weisen, kommen z. Th. an Nadelhölzern, die auch von den Holzwespen bevorzugtwerden, undFarnen vor. Die so alten Ameisen lieben zumeist, beiuns wenigstens, den Nadelwald, selten zeigen sietrotz ihrer Vielseitig- keit Beziehungen zu Blättern (Sonnenschirmameisen). Sie sind zudem meist humi-, mindestens terricol. Das sind die Anfänge, von denen aus sıch einerseitsdie Schmarotzer, andererseits die Bienen entwickelten.

Trichopteren: mit ihren Beziehungen zu den Schmetterlingen alte Rückwanderer in’s Feuchte, wo die Larven theils von Fleisch, theils von den algenähnlich gewordenen Wasserpflanzen leben.

Lepidopteren: Der Blätterfraß der Raupen könnte der Theorie widersprechen. Doch sind die Microlepidopteren, die ursprünglicheren, vielfach auf andere Nahrung angewiesen, Psychiden, Coleopho- riden u. A. fressen Flechten, Wachs, Pilze, selbst Moos. Unter den Großschmetterlingen hat man mehrfach die Wurzel- und Holzbohrer an den Anfang gestellt, Cossiden, Hepialiden, Sesien; die flechtenlieben- den Lithosien stehen nahe. Noch unter den Noctuen und Sphingiden finden sich Fleischgelüste. Auch werden Coniferen von vielen ange- gangen. Aber diejenige Gruppe, welche die echtesten Landthiercharak- tere angenommen hat und das vollste Licht erträgt, die Rhopaloceren, meidet das Nadelholz durchaus, ja sie ist fast durchweg auf Dicotylen angewiesen, nur die primitiven Hesperiden und die nüchternen Satur- niden leben an Gras.

Coleopteren: Hier deckt sich der morphologische Stammbaum beinahe mit dem nutritiven.

Die Pentameren: bleiben im Rahmen alterthümlicher Ernährung. Staphylinen (campodeaartig) : Pilze, Moder, Thierstoffe, Rinden (Amei- senfreunde). Carabiden, Dyticiden : Raub. Hydrophiliden: Larven räube- risch, die Imagines fressen Wasserpflanzen (s. 0.). Silphiden: Aas, ge- legentlich Keimpflanzen. Nitidularier: Moder, Pilze, Rinden, Bliithen. Cryptophagiden: Rinden, Pilze, Blüthen (Ameisenfreunde). Derme-

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stiden: Moder. Trichopterygier: Moder, Podurenlarven (!). Byrrhiden: Moder (daher Hrrr’s Beweis für die Existenz dieser Pflanzen im Jura). Histeriden: Moder, Larven räuberisch, spätere Formen an den Excre- menten der Hufthiere. Unter den Lamellicorniern deuten die Enger linge, die in Holz und Rinde oder an Wurzeln leben, sowie die Copro- phagen die Herkunft an, nur die Imagines der Phyllophagen werden den Blättern der Dicotylen schädlich, vor den Blättern aber waren’s wohl Blüthen, daher die Cetonien in Afrika, dem Eldorado der Hufthiere, zum Dung zurückgekehrt sind. Elateriden mehr an Wurzeln. Cleriden in Baumstrünken, an Rinde, auf Blumen, in Bienenstöcken etc.

VondenHeteromerenhabendiePyrochroiden die Larvenim Holz, die Imagines auf Blüthen, ähnlich Oedemeriden und Mordelliden. Die Rhipiphoriden wechseln zwischen Bienenhonig und Moder, Lhipidus blattarum deutet die alte Beziehung an. Die Melasomen sind Moder- käfer. Die campodeaartige Larve von Melo& beginnt mit Nektar, dann kommt Honig, zuletzt Ranunculaceen an die Reihe.

Unter den Cryptopentameren leben die Erotyliden von Crypto- gamen. Die meisten sind Pflanzenfresser, doch nur wenige herbivor. Bostrychiden, Fylesinus, Cerambyciden (Blumenböcke), Curculioniden. Die Bruchiden sind schon freier, besonders an den Samen der Dicotylen. Die Chrysomeliden endlich sind herbivore Blattkäfer geworden.

Unter den Cryptopentameren begegnen wir wieder Formen an Pilzen und Baumstämmen (Endonychiden), und, vielleicht im Gefolge von Blattkäfern, den blattlausfressenden Coccinellen.

Landschnecken: Von unseren Neurobranchiern findet sich Cyclostoma an alten Blättern, frißt in Gefangenschaft Möhren und dergleichen, Acme Pilzmycel.

Carychium, unsere Auriculacee, lebt von Moder.

Unter den Pulmonaten haben die alterthümlichen Vitrinen und Hyalinen eine entsprechende Speisekarte: Pilze, Moder, Moose, Fleisch. Die Limaces ähnlich. Z. tenellus kommt und geht mit den Hutpilzen; den jungen L. maximus hat man als fungivorus beschrieben. Die kleinen Arion-Arten, minimus und subfuscus, werden an Pilzen er- beutet, Geomalacus an Pilzen und Flechten. Die Testacelliden fressen Fleisch, aber Testacella selbst gelegentlich noch Pilze. Parmacella ist eine zum Krautfresser umgebildete Vitrine. Die Clausilien lieben noch Flechten. Selbst die Helices werden Krautfresser, indem sie den Uredi- neen nachgehen. Der Nadelwald ist arm an Schnecken, aber die Ein- wohner sind alterthümlich. Janella auf Neuseeland frißt Farnkraut- schuppen, afrikanische Urocycliden Grassamen.

Vertebraten. Selbst bei ihnen ist das Gesetz noch zu verfolgen, nur daß die Reihe, statt mit Pilzen, mit Fleisch beginnt.

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Amphibien: Fleischfresser (Ausnahmen Kaulquappen und winterschlafende Frösche).

Reptilien: Fleischfresser. Mancherlei Ausnahmen: Uromastiz, Amblyrhynchus, Landschildkröten etc., früher die großen /guanodon, Brontosaurus (Dicynodon), die parallel mit monocotylen Dickichten entstanden und verschwanden.

Vögel: Wenig phyllophage (Opisthocomus, Stringops). Körner- fresser bedürfen meist in der Jugend Insecten.

Säuger: beginnen mit Sarcotherien. Die Beziehung zu Humi- und Terricolen zeigt sich noch in der Ameisennahrung vieler alter- thümlichen (Myrmecobius mit der höchsten Zahnzahl, Manis, Echidna, Myrmecophila, das seltene, unvollkommen bekannte Geschöpf Austra- liens), ebenso im Kerbthiergenuß der Insectivoren und des Ornitho- rhynchus. Tarsipes leckt Honig aus Blüthen und frißt Insecten. Der Mensch nimmt mit seiner Omnivorie eine Mittelstufe ein. Die höchste Staffel bilden die pflanzenfressenden Läufer der trockensten Landstriche, Wiederkäuer und Hasen mit ihren prismatischen Zähnen. Nadelholz wird selten genossen (Hirsche, Rhinoceronten auf dem Aussterbeetat). Das Renthier ist zum Flechtengenuss zurückgekehrt, das Walroß zu Tang, Muscheln, Fleisch, Rückschläge. Es ist leichter, einen Pflanzenfresser rückwärts an Fleisch zu gewöhnen, als umgekehrt einen Fleischfresser an Pflanzenkost (viele Beispiele).

Die Ernährung bildet die wichtigste Frage im Kampfe um’s Da- sein. Im Meere wird sie auf einfachste Weise gelöst. Dessen Proto- phyten entsprechen die Bakterien des Landes, die Pilze überhaupt. Noch sehen wir den ursprünglichen Kreislauf der terrestrischen Ernäh- rung, fern dem Lichte, in tiefen Grotten. Möglicherweise haben wir selbst noch einen Rest in uns in den Phagocyten, welche keine anderen Fremdkörper direct aufnehmen als die Bacterien (Immunität gegen Krankheiten). Alles Übrige ist auf sehr weitem Umwege erworben.

Ein Blick in die Zukunft eröffnet eine merkwürdige Perspective. Wir wissen jetzt, daß die höheren Gewächse zu ihrem Wachsthum nur der Nährsalzlösungen, nicht aber des Humus bedürfen. Ist es denk- bar, daß einst auf dem Lande überall eine derartige Ausnutzung des Grünen statthat, wie etwa jetzt eine ephemere Grasfläche der Wüste nach seltenem Regen von einer Gazellenherde aufgebraucht wird und sich durch unterirdische Vegetationstheile weiter erhält, ohne Humus- und Moderbildung, daß auch auf dem Lande nur Verdauung herrscht und keine Verwesung? Das würde der Weiterentwicklung der Land- organismen noch eine ungeheure Zukunft eröffnen, gegenüber dem oceanischen Gleichmaß.

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Zweite Sitzung. Freitag, den 3. April von 91/, Uhr Vorm. bis 12 Uhr.

Seitens der Herren BÜTSCHLI, GOETTE, v. GRAFF, Lupwie und SpEnGEL sind folgende Anträge gestellt:

I. »Die Deutsche Zoologische Gesellschaft möge eine Commission erwählen zum Zweck einer einheitlichen Regelung der systematischen Nomenclatur. Die Commission be- stehe aus drei Mitgliedern mit dem Recht der Cooptation. Dieselbe werde mit der Ausarbeitung eines Entwurfs be- auftragt, welcher allen Mitgliedern zwei Monate vor der nächsten Jahresversammlung mitgetheilt und den Berathun- gen derselben zu Grunde gelegt werden soll.«

II. »Die Deutsche Zoologische Gesellschaft wolle sich die Aufgabe stellen, eine Bearbeitung der Species animalium recentium zu unternehmen, und die gleiche Commission beauftragen, der nächstjährigen Versammlung Vorschlägezur Ausführung dieses Planes zu unterbreiten.«

Nach kurzer Begründung durch Herrn Prof. Lupwic werden diese Anträge einstimmig angenommen und in die Commission die Herren Prof. Carus (Leipzig), Dr. DÖnErRLEIN (Straßburg i/E.) und Prof. Mögıvs (Berlin) gewählt.

Vortrag des Herrn Prof. SpENGEL

Über die Gattungen der Enteropneusten.

Durch Ausdehnung der anatomischen Untersuchung auf 19 Spe- cies hat sich die Vertheilung dieser auf eine Anzahl von Gattungen als nothwendig erwiesen. Zur Benennung der niedersten Formen ist DeELLE CnıAseE’s Name Balanoglossus beibehalten, während die höchst organisirten mit dem ältesten Namen, Ptychodera EscuscHo.tz, belegt worden sind; zwei weitere Gruppen sind Glandiceps und Schizocardium genannt. Diese vier Gattungen erscheinen am schärfsten durch die Musculatur des Rumpfes geschieden, indem bei Ptychodera allein eine äußere Ringmusculatur vorhanden ist; Balanoglossus entbehrt eine Ringmusculatur gänzlich, während die beiden anderen Gattungen mit einer inneren Ringmusculatur ausgestattet sind, die wieder bei jeder besonderen Bau zeigt. Ptychodera ist ferner durch eine Reihe von Punkten in der Organisation des Kragens (Verhalten derinneren Längs- muskeln, Anwesenheit eines ventralen Längsgefäßgeflechts, weiten Ab- stand der Schenkel des Eichelskelets vom Hinterrande des Kragens und Besitz von »Wurzeln« des Kragenmarks) von allen übrigen

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scharf unterschieden. Den Besitz von »Synaptikeln« zwischen den Zinken der Kiemenskeletgabeln und von Lebersäckchen hat diese Gattung mit Schizocardium gemein. Letzteres theilt mit Glandiceps gewisse Eigenthümlichkeiten im Bau der Eichel, deren wichtigste die Anwesenheit eines »wurmförmigen Fortsatzes« am Eicheldarm und zweier »Ohren« an der Herzblase sind; die letztgenannten sind bei Glandiceps rudimentär. Bei mehreren Arten von Schizocardium, Glan- diceps und Balanoglossus wurden theils paarige, theils unpaarige, »Darmpforten«, bei Glandiceps hacksi auch ein kurzer Nebendarm, und zwar an der dorsalen Seite des Hauptdarmes, beobachtet. Vortrag des Herrn Prof. F. Zscuoxxe über

Die Thierwelt der Hochgebirgsseen.

Die faunistischen Studien an Süßwasserseen, speciell an Wasser- becken des Gebirges, sind in letzter Zeit sehr in die Breite gegangen. Um sie zu vertiefen, soll eine engbegrenzte, wohl umschriebene Loca- lität der Alpen mehrere Jahre zu verschiedener Jahreszeit genau unter- sucht werden. Die zu beantwortenden Fragen sind: 1) Wie setzt sich die Fauna der einzelnen Seen unter dem Drucke der von Ort zu Ort wechselnden äußeren Bedingungen zusammen; 2) welchen Einfluß haben die eigenthümlichen Existenzbedingungen des Gebirges auf Ge- stalt, Bau, Lebensweise, Fortpflanzung der Thiere? Die faunistischen Erhebungen sollen nur der Ausgangspunkt für biologische Betrach- tungen sein.

Als Excursionsgebiet wurden gewählt die Seen der Sulzfluh im Rhätikon und der Lünersee an der Scesaplana. Sie liegen nahe bei einander, sind aber nach ihren physikalischen Bedingungen wesentlich verschieden. (Geologische und topographische Lage, Tiefe, Tempera- tur, Zu- und Abflußverhältnisse, Epoche des Zu- und Auffrierens, Be- schaffenheit des Untergrundes, Vegetation im und am See, Speisung des Sees mit Schmelzwasser etc.)

Die bisherigen Untersuchungen haben ergeben, daß die betreffen- den Seen relativ sehr thierreich sind. Etwa 140 Arten sind von dort bekannt geworden. Nur 21 sind allen vier Seen gemeinsam. Es sind meist weitverbreitete Formen, die aber nach dem Drucke der äußeren Bedingungen an den vier sich nahe liegenden Standorten zu von ein- ander abweichenden Localfaunen zusammentreten. So spiegeln sich die physikalischen Verhältnisse jedes Sees bis zu einem gewissen Grade in der Zusammensetzung seiner Thierwelt wieder. Nach oben findet keine Abnahme des thierischen Lebens statt. Der höchstgelegene See kommt den tieferliegenden an Artenreichthum mindestens gleich und übertrifft sie bedeutend an Individuenzahl, weil er äußerst günstige

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und vielgestaltige Nahrungs-, Wohnungs-, Temperatur- etc. Verhält- nisse bietet. Sich nahe liegende Seen beherbergen oft eine wesentlich verschiedene Thierwelt, weit von einander entfernte, die ähnliche äußere Bedingungen realisieren, sind dagegen von einer sehr ähnlichen Fauna belebt.

Sperchon glandulosus KoNıKkE des Riesengebirges und der Azoren findet sich auch im Rhätikon, ebenso Monotus lacustris Zacu., ein Be- wohner weit zerstreuter kalter Seen, den ZacHaRr1As als Relict der Post- glacialzeit betrachtet. Eigenthümlich sind auf Phryganidenlarven schmarotzende jugendliche Hydrachniden. Bewohner der tiefen und tiefsten Wasserschichten der Seen der Ebene Pisidien, Hydrachniden, Saenuris velutina GRUBE, kommen in den Hochalpenseen littoral vor. Die äußeren Bedingungen beider Localitäten Temperatur, Ruhe des Wassers, Nahrungs- und Sauerstoffmangel zeigen gewisse Ähnlichkeiten. Pisidium Foreli Cuxss. ist die Tiefseeform von P. niti- dum JENYNs. Im Lünersee können in den verschiedenen Tiefen alle Übergangsformen dieser beiden Arten gefunden werden. Planaria alpina Dana erfreut sich im Rhätikon sehr weiter Verbreitung und starker Vertretung. Einige Beobachtungen legen die Vermuthung nahe, daß sie unter dem Drucke der Hochgebirgsbedingungen vivipar geworden sei. Sehr viele Thiere verlegen in den Hochalpen die Epoche ihrer Fortpflanzungsthätigkeit bedeutend nach rückwärts, während die Bildung der Dauerstadien, Statoblasten der Bryozoen, Wintereier der Cladoceren, sehr frühzeitig beginnt. Die wasserführenden Höhlen des Rhätikon beherbergen eine Höhlenfauna.

Die begonnenen Studien sollen in den nächsten Jahren nachdrück- lich fortgesetzt werden. |

Discussion: Herr Prof. Lupwic bemerkt, daß man in Bonn seitens der dortigen Zoologen die systematische Durchforschung der Eifelmaare, insbesondere des Laacher Sees, aber auch der übrigen Kraterseen, beständigim Auge behalten und so weit als möglich gefördert habe. Eine energischere Inangriffnahme dieser Frage werde um so mehr ermöglicht, als der unlängst in Bonn verstorbene Zoologe A. Kroun der dortigen Universität ein Capital von 25000 Mark vermacht hat, dessen Zinsen zur Unterstützung zoologischer und vergleichend-ana- tomischer Studien bestimmt sind. Sobald die Einzelheiten über diese erfreuliche Stiftung festgestellt sind, sollen dieselben im Zoologischen Anzeiger veröffentlicht werden.

Vortrag des Herrn Dr. Serrz:

Mittheilungen über Mimicry.

Diejenigen von Ihnen, welche bei der 63. Versammlung Deutscher

Naturforscher und Ärzte in Bremen zugegen waren, werden sich viel- Verhandl. d. Deutsch. Zool. Gesellschaft. 4

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leicht noch meines Hinweises auf die Thatsache erinnern, daß unter allen Thieren die Schmetterlinge in Folge der Empfindlichkeit ihres Farbenkleides das geeignetste Material für eine Prüfung des Darwinis- mus auf seine Stichhaltigkeit abgeben möchten, wenn unter Darwinis- mus die Gesammtheit der Lehren Darwin’s sowie der aus ihnen sich ergebenden Consequenzen verstanden wird.

Ich hatte damals versprochen, bei meinen Beobachtungen eine ganz besondere Aufmerksamkeit auf die secundären Farbenverände- rungen auf dem Schmetterlingsflügel zu verwenden, in der Überzeu- gung, daß daraus sich wichtige Details für das Verständnis der Ent- stehung der Arten, der Variation und Anpassung, überhaupt jener Fragen ergeben, welche wir als die wichtigsten der modernen Zoologie anzusehen haben, und auf deren Lösung alle Detailforschung hinzielt.

Zu diesen secundären Farbenveränderungen bei Thieren gehört auch die sog. Mimicry, die in ihren einfachen Beziehungen (der Nach- ahmung eines geschützten Thieres durch ein ungeschütztes) genugsam bekannt ist, von der ich jedoch hier einige complicierte Fälle vor- führen möchte, nicht in einem erschöpfenden Vortrage, sondern nur als Erläuterungen zu einer Anzahl von Präparaten; und diese wieder sind Illustrationen von Beobachtungen, die ich auf meinen Streifzügen in den Tropen der alten und neuen Welt angestellt habe.

Zunächst zeige ich hier ein Beispiel von einer Erscheinung herum, für die ich den Namen »gekreuzte Mimicry« vorschlage. Im Rechteck sind hier vier nachweislich geschützte Arten aufgestellt, so zwar, daß die ganz nahen Verwandten unter einander, Copie und das dazu gehörige Original aber neben einander gestellt sind. Die beiden linksstehenden Arten gehören zur Familie der Heliconier (Gatt. Heliconius) und sind wahrscheinlich Varietäten oder dimorphe Formen einer Species (Helicon. eucrate), die beiden rechts stehenden aber gehören zur Familie der Neotropiden, und sind gleichfalls unter sich sehr nahe verwandt. Es entsteht dabei folgendes Schema :

Heliconier «a a; Neotropide a Heliconier d Neotropide 6 Die Originale sind der (spationierte) Heliconier @ (typischer Zeh- conus eucrate) und die Neotropide b (Melinaea paraya). Es ahmt also hier eine Neotropide die ewcrate nach; ihre Verwandte dagegen dient der nächstverwandten Form der ewcrate zum Vorbild.

Aus diesem Verhältnis resultiert, daß nicht allein die Mimicry in der Weise zu Stande kommt, daß eine geschützte Art von einer unge- schützten copiert wird, sondern daß durch diese Erscheinung, die man in letzter Instanz als Anpassungserscheinung auffassen muß, das Inter- esse beider Arten, der Copie wie auch des Originals, gefördert wird.

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Daraus möge aber nicht geschlossen werden, daß ich mit den Berech- nungen, die WALLACE, Frrrz MÜLLER in Brasilien und ALEXANDER und BrLakistox in Tokio angestellt haben, einverstanden bin: ich möchte im Gegentheil darauf aufmerksam machen, daß die Anwen- dung von Zahlenexempeln bei biologischen Fragen nur mit der größ- ten Vorsicht vorgenommen, Formeln aber wohl gar nicht aufgestellt werden dürfen, da sich die Fehlerquellen niemals ganz übersehen lassen.

Die Betrachtung dieses Verhältnisses führt uns auf die Frage, woran denn bei einer Mimicry erkannt werden könnte, in welcher Art das Original und in welcher die Copie zu erblicken ist. Bestimmte Regeln darüber finde ich nicht angegeben, wohl aber geht aus den Er- läuterungen WALLACE’s hervor, daß er die häufigere Form als das Original, die seltnereals Copie betrachtet, da nur so der dem Ori- ginal verliehene Schutz der Copie im richtigen Maße zu Gute komme. Diese Auseinandersetzungen sind nun so verstanden worden, daß man in der heutigen Litteratur vielfach der Angabe begegnet, diese oder jene Art könne nicht die Copie sein, weil sie häufiger sei als das prä- sumierte Original.

Ich möchte doch glauben, daß diese Auffassung etwas zu schroff ist. In den meisten Fällen wird ja das Verhältnis ein derartiges sein, daß das nachgeahmte Thier eine wohlbekannte, gefürchtete oder ver- schmähte Erscheinung ist; aber auch wenn die Copie in größerer Menge auftritt, so wird sie dennoch des Schutzes von seiten des Ori- ginales theilhaftig. Ein Insectenfresser, der einmal von einer Wespe gehörig gestochen worden ist, wird den suspecten schwarzgelben Typus ein für allemal meiden und nicht etwa, mit der Annahme rechnend, daß unter zehn so gefärbten Thieren neun unschädliche Dipteren sind, ihn verfolgen. Wir dürfen ja ohnehin nicht vergessen, daß die wahl- bestimmenden Momente für den Insectenfeind nicht von der Häufig- keit dieser oder jener Species, sondern von dem Auftreten des Farben- typus als solchem abhängen. Die brasilianische Priocnemidengattung Pepsis, aus über zolllangen Wespen bestehend, hat wohl unter allen Insecten den furchtbarsten Stachel und ihre Arten sind unter dem Namen »Marimbondo« von Mensch und Thier in Südamerika sehr ge- fürchtet. Sie werden natürlich von einer großen Anzahl von Insecten der verschiedensten Ordnungen (Wanzen, Heuschrecken, Schmetter- lingen etc.) nachgeahmt. Wenn nun auch jede der nachahmenden Species seltner ist als das Original, so sind doch unter dem ganzen Farbentypus die wenigsten Thiere echte Pepsis.

Viel sicherer ist der andere Weg, das Original oder die Copie zu erkennen, nämlich die Vergleichung mit den Gattungsverwandten. In

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Ostindien sind z. B. als ganz besonders einander ähnliche Arten die Schmetterlinge Danais (Anosia) chrysippus und Hypolimnas (Diadema) misippus © bekannt. Die beiden gemeinsame Färbung zeigt sich nun in der Gattung Danais als weitverbreitet; nicht allein beide Ge- schlechter des chrysippus besitzen sie, sondern auch noch viele andere Formen, wie D. plezippus, melanippus, erippus, gilippus, zanthippus, hermippus etc; das Weibchen des Hypolimnas misippus aber sehen Sie hier in diesem Kasten wie einen Fremdling stecken, vollständig abweichend von den ihn umgebenden Gattungsverwandten und selbst von seinem Männchen, das direct über ihm steckt. Die Danaide also hat hier ein ihr natürliches Kleid, sie ist das Original; die Hypolimnas aber ist die maskierte, daher von ihren Verwandten abweichende Form.

Barzs und WaALrLAcE schon haben darauf aufmerksam gemacht, daß es nicht reiner Zufall sei, daß gerade dieses oder jenes Thier ein anderes copiere, sondern daß diese Nachahmer vorzugsweise solche Thiere seien, die in Folge eines schwachen Fluges, eines Vorkommens im ungedeckten Terrain etc. dieses Schutzes besonders bedürftig seien.

Da nun solche Eigenschaften, wie z. B. ein ungewandter Flug, vielfach nicht Art-, sondern Gattungscharaktere sind', so kommt dem- gemäß auch die Erscheinung der Mimicry ganz besonders gewissen Gattungsgenossen zu. Dabei sei nun hier auf eine merkwürdige That- sache aufmerksam gemacht.

Es ist ja gewiß naheliegend, daß, wenn ein Thier ein solches aus einer geschützten Gattung nachahmt, auch seine Gattungsgenossen Verwandte dieses Originals copieren. Während die indische Hypo- limnas misippus eine indische Danais copiert, ahmen die afrikanischen Hypolimnas afrikanische Danaiden nach. Die ostindischen Arten der Vogelgattung Mimeta ahmen die ihr jeweiliges Vaterland theilenden Arten der Gattung Tropidorhynchus nach; so Mimeta buruensis den Tro- pidorhynchus buruensis; Mimeta forstini den Trop. subcarinatus etc. Diesem Verhalten gänzlich entgegengesetzt stelle ich Ihnen hier in einem Kästchen einen Fall vor, wo drei nahe Verwandte, Angehörige der Heliconier-Gattung Eueides, drei sowohl ihnen selbst als auch unter einander vollständig fremde Falter copieren: Eueides alipiera ahmt die Colaenis Julia nach, also eine Nymphalide; Eueides dianasa die Mecha- nıtis nesaea, also eine Neotropide; Eueides cleoboea die Acraea thalia, also eine Acraeide; und die Zahl dieser Beispiele hätte ich aus dieser Gattung noch beträchtlich vermehren können, ich habe mich auf diese beschränkt, weil sie mir gerade zur Hand waren und ich diese

! Man denke an Hestia, Leucidia, Erebia, und im Gegensatz hierzu an Colias, Tachyris, Prepona.

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im Leben beobachtet hatte. Wir können daraus entnehmen, wie selb- ständig jede dieser drei Eweides bei Wahl des Originals zu Werke ge- gangen ist, und im Ganzen mögen es wohl ein Dutzend, von einan- der völlig unabhängige Beispiele sein, die uns diese eine Gattung (Eu- eides) liefert.

In diesem Kästchen hier sehen Sie einen Nachtfalter, der einen Tagfalter (7fRomia) nachahmt, beide aus Südamerika. Original ist die Ithomia, denn über 100 Arten dieser Gattung ähneln mehr oder weni- ger der hier vorgestellten, während der Nachtfalter sich von seinen meist bestäubten Verwandten nicht unbeträchtlich entfernt. Der Schutz, dessen sich die /thomza bedienen, besteht nun in ihrer Un- scheinbarkeit. Sie fliegen im Waldesschatten, und die meisten ver- meiden es ängstlich, in die Sonne zu kommen. Jeder, der diese Thiere im Leben beobachtet hat, wird wissen, wie schwer es ist, dem farblosen Thiere im Flug mit den Augen zu folgen. Wenn sich nun der Schutz der /thomia auf ihre Unscheinbarkeit und Farblosigkeit bezieht: wel- chen Grund kann die Mimicry haben, die minutiösen Zeichnungen, wie z. B. die weißliche Schrägbinde der Vorderflügel, die doch nicht als Warnfarbe aufgefaßt werden kann, von der /thomia auf die eigenen Vorderflügel zu übertragen? Auch hier wieder sind wir gezwungen zur Annahme, daß für geschützte Arten unter allen Umständen ein Vortheil aus der Ähnlichkeit zweier Species erwächst, wie bekannt schon aus dem einfachen Grunde, weil die Opfer, die von den Feinden angefallen werden, bevor diese ihre Erfahrungen gemacht haben, jetzt auf zwei Arten vertheilt werden, während sie sonst eine Species allein zu stellen hat.

Zum Schluß sei noch ein sehr merkwürdiger Fall von Mimicry erwähnt, in dem eine Nymphalide, Phyciodes Lansdorft, nicht das frische, vollentwickelte Exemplar eines sehr übel riechenden Helico- niers (Helic. besker), sondern ein abgeflogenes, verwittertes Stück der lebhaft gefärbten Art nachahmt. Diese hat eine scharlachrothe Quer- binde der Vorder- und schwefelgelbe Längsstreifen der Hinterflügel, bei der Copie finden wir statt dessen auf den Vorderflügeln rostbraune, auf den Hinterfügeln blaßgelbe Binden. Zugleich ist die Copie um ein Weniges kleiner, als das Original, so daß die Phyciodes auf's ge- naueste einer abgeflatterten besker gleicht und es für mein an Beobach- ten flüchtiger Thiere gewohntes Auge einiger Zeit bedurfte, um beide Arten die verflogenen Heliconier und die frische Nymphalide aus einander zu erkennen. Der Fall war mir nicht recht verständlich, da ich beobachtet hatte, daß Helconius beskei das ganze Jahr hindurch fliegt, also in jedem Monat sich frisch zu entwickeln scheint. Indeß überzeugten mich weitere Versuche, die ich zu Säo Vicente in Brasi-

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lien anstellte, daß am Ende der trockenen Zeit (für diese Gegend An- fang Februar) in der That nur alte, abgeflogene Stücke von Helic. beskei zu finden sind, während gerade dann die Phyciodes Lansdor fi am zahl- reichsten umherfliegen.

Vortrag des Herrn Dr. BRANDES

Über eine neue Meihode der Aufstellung von Alkoholpräparaten.

(Eine Mittheilung darüber ist inzwischen im Zool. Anzeiger 1891, Nr. 365 erschienen.)

Geschäftliches:

Auf Vorschlag des Vorsitzenden beschließt die Gesellschaft ein- stimmig, die nächste Jahresversammlung in Berlin abzu- halten. Herr Prof. v. Grarr empfiehlt, die Versammlung möge im nächsten Jahre nicht während der Österferien, sondern in den Pfingstferien stattfinden. Dieser Antrag wird mit erheblicher Stimmenmehrheit angenommen.

Der Rechenschaftsbericht des Schriftführers ist inzwischen von den Revisoren geprüft und richtig befunden worden. Die Gesellschaft ertheilt danach dem Schriftführer Decharge.

Fortsetzung der Vorträge. Vortrag des Herrn Prof. LEUCKART.

Über einen an Aphodius fimetarius sich verpuppenden freilebenden Rundwurm, Rhabditis coarctata n. sp.

An Aphodius fimetarius, der zu helminthologischen Zwecken lebend in einem mit Kuhdünger gefüllten Terrarium gehalten wurde, fanden sich gegen Ende des vergangenen Sommers zuerst vereinzelt, dann in immer wachsender Menge kleine weißliche Schläuche von etwa 0,3 mm Länge und eigenthümlicher Gestaltung. Sie saßen, oft- mals zu Hunderten, wie die Haare einer Bürste zusammengedrängt, namentlich an den Tarsen und Mundtheilen, und waren hier mittels eines dünnen Stieles befestigt. Das hintere Ende lief in einen äußerst langen und schlanken schwanzartigen Fortsatz aus, dessen Basis in den weit dickeren schlauchartigen Mittelkörper zweimal ringförmig eingesenkt war. Die Wand der Anhänge bestand aus einer dicken und starren Haut, die von etwa 18—20 Längsfurchen durchzogen war, so dass die dazwischen gelegenen Streifen wulstig sich vorwölbten. Da die Bänder an der Schwanzwurzel zahnartige Vorsprünge bildeten, und in ganzer Linge eine scharf gezeichnete dichte Querstreifung zeigten, bot das Object unter dem Mikroskop ein äußerst zierliches Bild.

Diese Schläuche, die auf den ersten Blick an Insecten-Eier er- innerten, ergaben sich nun bei näherer Untersuchung als die Puppen einer Rhabditis, die mit anderen verwandten Formen massenhaft

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die betreffenden Terrarien bewohnte und durch die Sculptur ihrer Cuticula, sowie den Besitz eines spitzausgezogenen langen Schwanzes, der fast die Hälfte der Körperlänge in Anspruch nahm, ihre Beziehungen zu den betreffenden Anhängen auch dann würde außer Zweifel gestellt haben, wenn nicht einzelne Exemplare der letzteren, die offenbar erst eben mit ihrem Mundende sich befestigt hatten, noch ganz die frühere Körperbildung besessen hätten. Durch Form und Sculptur seiner Cuti- cula glich der frei lebende Rundwurm durchaus der von SCHNEIDER be- schriebenen RA. lirata.

Der hier beobachtete Fall ist der erste, der für die Nematoden, und die Helminthen überhaupt, eine wirkliche Verpuppung nachweist. Wohl wissen wir längst, daß diese Thiere während ihrer Entwicklungs- zeit nicht selten sich häuten, daß die Rhabditen unter dem Schutze der abgelösten Cuticula gelegentlich sogar eine Zeit lang ruhend ver- weilen, aber ein Vorgang, wie der hier geschilderte, ist doch bisher bei den betreffenden Thieren nirgends beobachtet worden. Nur die Fliegen (Musciden) und einzelne Milben zeigen in ihrem Ent- wicklungsleben Erscheinungen, die wir als Parallelen heranziehen können. |

Sobald unsere Rhabditis sich festgesetzt hat, verliert sie ihre Be- weglichkeit. Die Cuticula, die inzwischen an Dicke zugenommen hat, löst sich von der Inhaltsmasse, und diese zieht sich zusammen, bis sie schließlich nur noch den früheren Mittelkörper ausfüllt. Das jetzt leere Kopfende des Wurmes verwandelt sich in den oben erwähnten Stiel, und die Schwanzwurzel nimmt durch doppelte Invagination ihre spätere Bildung an.

Der im Inneren des cylindrischen Mittelstückes enthaltene Wurm- körper ist in Folge der Verkürzung stark zusammengeschoben und unregelmäßig gefaltet. Letzteres gilt besonders von dem Kopftheile, der wegen seiner schlankeren Form und der weniger massenhaften Ein- schlüsse eine freiere Umlagerung gestattet. Das hintere Körperende erscheint meist einfach abgerundet, läßt aber gelegentlich erkennen, daß es in einen kurzen Schwanzkegel ausläuft. Eine genauere Analyse wird durch die Dicke und geringe Durchsichtigkeit der Puppenhaut verhindert. An Zupfpräparaten aber überzeugt man sich leicht von der Thatsache, daß die bis dahin nur kleine Genitalanlage schlauch- artig sich verlängert hat.

Bringt man nun die hier geschilderten Puppen, die in dem Terra- rium ihre Bildung wochenlang beibehielten, in eine feuchte Umgebung, dann schlüpfen die Würmer, falls sie entwickelt waren, schon am folgenden Tage aus ihrer Umhüllung hervor, um das durch einelängere oder kürzere Ruhezeit unterbrochene freie Leben wieder aufzunehmen.

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Es geschieht das freilich unter einer Form, die von der früheren so verschieden ist, daß ein genetischer Zusammenhang zwischen beiden ohne Weiteres kaum vermuthet werden könnte.

Der Wurm, der beim Ausschlüpfen knapp 0,3 mm mißt, hat eine ziemlich plumpe Form, eine dünne, kaum irgendwie besonders sculp- turierte Cuticula und ein kurzes, conisch zugespitztes Schwanzende. Am Kopfende springen drei Papillen vor, stärker, als das früher der Fall war. Sonst sind die Mundorgane, wenn auch schärfer gezeichnet und größer, kaum verändert. Eine cylindrische Mundhöhle führt zu- nächst in einen gestreckten, allmählich etwas verdickten Pharynx, und diesem folgt dann weiter hinten noch ein kugeliger Bulbus mit drei Zahnvorsprüngen. Der Darm enthält zwei Reihen alternierend ge- stellter Zellen von ziemlich ansehnlicher Größe. Geschlechtsunter- schiede sind noch nicht ausgeprägt. Die Würmer sind sämmtlich mit einem gleichmäßig entwickelten Genitalschlauch versehen, der unge- fähr die Mitte des Chylusdarmes einnimmt.

In diesem Zustande verharren die Würmer einige Tage, fressend und wachsend, bis sie zur Geschlechtsreife kommen, die, wie sonst bei den Nematoden, durch eine Häutung eingeleitet wird.

Das Männchen, das etwa 0,5 mm mißt, hat eine schlanke Leibes- form und trägt eine Bursa, aus der ein einfaches, ziemlich kräftiges Spiculum hervorragt, dessen schwache Convexität einem zarten kleinen Chitinstücke aufliegt. Es wird mit völlig entwickelten Zeugungs- stoffen geboren, während das Weibchen, das eine viel plumpere Form hat und ein einfach gerundetes Hinterleibsende besitzt, erst später, wenn es bis fast 1 mm gewachsen und begattet ist, hartschalige Eier bildet. Die Vulva liegt in einiger Entfernung hinter der Körpermitte. Die Lippen bilden drei stark entwickelte halbkugelförmige Vorsprünge.

Dritte Sitzung. Sonnabend den 4. April von 9'/, Uhr Vorm. bis 12 Uhr.?

Herr Dr. Immor in Zürich hatte eine schriftliche Mittheilung ein- gesandt mit der Bitte, dieselbe verlesen zu wollen.

Auf Antrag des Vorsitzenden beschließt die Gesellschaft, aus- schließlich mündliche Mittheilungen persönlich An- wesender entgegenzunehmen.

Von der Verlesung der Zuschrift des Herrn Dr. Imnor wird dem entsprechend abgesehen.

7 Vortrag des Herrn Dr. Sımrorn.

Über kaukasische Limaciden und Testacelliden.

Die Untersuchung der europäischen Nacktschneckenwelt ergiebt, daß die Arioniden von dem Westende Europas, die Limaciden aber von Osten, vom Kaukasus stammen, in je einer Richtung verdichtet sich je eine Gruppe nach Gattungen und Arten. Die Limaciden konnten neuerdings an weiterem Materiale (von Herrn Rriısisch) wie- der geprüft werden. Es bewährt sich, daß die Ackerschnecken einen Kosmopoliten haben, Agriolimaz laevis, der dem Vortr. durch Herrn Dr. STRUBELL jetzt auch von Ceylon (Kandy) zugegangen ist. Auch von dieser Gattung leben die vielleicht ursprünglichsten Species im Kaukasus, während ein ganz außerordentlich hoher Artenreichthum in den Mittelmeerländern herrscht, mit ihrer geologisch so wechsel- vollen Vergangenheit. Die Limaces nehmen ebenfalls um so mehr zu, je mehr man sich dem Kaukasus nähert, ohne über ihn östlich hinaus- zureichen. Paralimax kommt jetzt in einer neuen ‘Art hinzu, und auch Mesolimaz, bisher nur von der Westküste Kleinasiens bekannt, hat sich im Kaukasus auffinden lassen.

Fast noch auffälliger ist der Reichthum des Kaukasus an soge- nannten Testacelliden oder Raublungenschnecken. Westeuropa hat die Testacella für sich, im übrigen ist Daudebardia verbreitet und am Südrande Glandina. Die beiden letzteren besitzt auch der Kau- kasus, dazu aber noch drei nackte Gattungen, Trigonochlamys, Pseudomilax und sSelenochlamys. Die Anatomie derselben wurde an Abbildungen erläutert, namentlich die ganz verschiedene Ausbil- dung der Bucca und ihrer Musculatur. TZrigonochlamys hat eine enorme Mundmasse, ganz von der Form wie bei einem imax oder einer Helix, die Radulapapille steht hinten heraus. Der Colu- mellaris genügt nicht für die Fixirung der gewaltigen Masse. Es bildet sich ein kurzer kräftiger Retensor vorn und oben quer herüber aus mesenchymatösen Muskelzügen heraus. Bei Pseudomilax ist der Pharynx ähnlich, aber in die Länge gestreckt, und statt des einen Retensors sind zwei Reihen von Bündeln vorhanden, welche schräg nach außen und oben ziehen. Sie bewirken eine regenwurmartige Ringelung des contrahierten Vorderkörpers. Bei Selenochlamys ist die Buccalmasse ähnlich gestaltet wie bei Testacella, die Radula- scheide ist nach innen gerückt und nimmt etwa den mittleren Theil der Längsachse ein, von einer dünnen oberen Wand überdeckt. Rings fassen Retensoren an, die nach hinten divergieren und sich nahe über der Sohle in die Haut inserieren. Der ursprüngliche Zimaz-artige Columellaris ist mannigfach alteriert, bei Pseudomilaxz am wenigsten,

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bei Trigonochlamys hat sich der Ursprung der Ommatophorenretrac- toren vom Hauptstamm gelöst und liegt am seitlichen Sohlenrande. Bei Solenochlamys sind nur diese Retractoren geblieben. Die beiden ersteren sind proso-, die letztere opisthopulmonat.

Höchstwahrscheinlich haben sich diese verschiedenen Gattungen aus verschiedenen Limaciden entwickelt; die große Differenz der Retensoren ist möglicherweise aus der verschiedenen Art, wie sie ihre Beute bewältigen, zu erklären; vielleicht nähren sie sich auch von verschiedenen Beutethieren.

Der große Reichthum des Kaukasus an verschiedenen Nackt- schnecken, die in ihm entstanden sind, ist vermuthlich aus seiner geo- logischen Vergangenheit abzuleiten. Als das kaspische Meer sich weiter nach Osten ausdehnte, mochten die jetzt trocknen Ostwinde feuchte Oceanwinde sein, und da auch das Meer weiter in die südrussische Steppe übergriff, so bewirkte die interoceanische Lage eine enorme Feuchtigkeit durch Elevationsregen. Das begünstigte die Nackt- schneckenerzeugung, während die starke Zerrissenheit des Gebirges durch Isolierung die reiche Trennung in Arten und Gattungen beein- flußte.

Derselbe sprach ferner

Über die Vaginuliden.

Durch die Freundlichkeit des Herrn Dr. STRUBELL ist es ge- lungen, genaue Bilder kriechender Thiere zu erhalten. In der Sohle vollzieht sich dasselbe Wellenspiel wie bei den Styl-, bez. Pleurom- matophoren. Nur liegt die größte Intensität der locomotorischen Wellen nicht vorn, sondern gegen das Hinterende. Das hängt höchst- wahrscheinlich mit dem Verlauf der Arteria pedalis zusammen, welche vorn zwar Äste in die Sohle hinabgiebt, gegen das Hinterende aber direct unter sehr spitzem Winkel sich in dieselbe einsenkt. Zur tegulierung von Blutdruck und Schwellung dient ein System gut schließender Sphincteren, welche die beiden Hauptsinus in den Seiten der Sohle beherrschen. Die Länge der locomotorischen Wellen ist unabhängig von den viel feineren Querlamellen oder Soleolae, in wel- che die untere Integumentschicht zerlegt ist, sie sind wohl secundäre Erwerbungen. Da sie hauptsächlich aus schräg nach vorn und unten abbiegenden Längsfasern sich aufbauen, kommt Vortragender auch hier nicht über die Theorie von den extensilen Muskelfasern hinweg.

Das System der Vaginuliden scheint Aufklärung zu erhalten durch die junst von dem Vortragenden aufgestellte Gattung Atopos. Diese sudostasiatischen, scharfgekielten Thiere sind Raubschnecken (mit Testacellengebiß), welche in den Fühlern, in der Sohle, im Mantel und

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in den Geschlechtswerkzeugen die Charaktere echter Vaginulae be- sitzen, bei denen sich aber Lunge, Niere und After vorn zusammen mit dem weiblichen Genitalporus nach außen öffnen, Dadurch kenn- zeichnen sie sich, in Bezug auf diese Merkmale wenigstens, als ur- sprünglichere Formen. Die Niere besteht aus wenig dichteren Blät- tern als die Lunge, daher für diese Gruppe wohl die Herleitung der letzteren aus jener zu Recht besteht (v. Iserıng’s Nephropneusten). Höchst auffällig ist der Darmcanal. Kurz und eng, hat er eine einzige große Mitteldarmdrüse, die rings mit kleinen Divertikeln besetzt ist; in den weiten Innenraum tritt der Speisebrei ein, es besteht Leber- verdauung. Das erinnert aber auffällig an die Cladohepatiker, und es ist höchst wahrscheinlich, daß sich die Vaginuliden von dieser Opistho- branchiengruppe abgezweigt haben, während die gemeinen Lungen- schnecken oder Pleurommatophoren auf die Steganobranchien zurück- . weisen.

Von A/opos-artigen Gestalten haben vermuthlich die Vaginulue ihren Ausgangspunkt genommen. Natürlich ist dabei den Sonderer- werbungen jener gekielte Körperform, große Spinndrüsen, Raubra- dula u. dgl.) abzusehen. Die Umbildung geschah hauptsächlich durch die Verlagerung der Lungen-Enddarmcloake an’s Hinterende, indem die Ablenkung sich innerhalb des Integuments vollzog.

Das Studium einer größeren Reihe von Vaginula-Arten hat endlich zu einer, wenn auch zunächst nur provisorischen, Gliederung der rei- chen tropischen Gattung geführt. Sie beruht auf der Gestalt des Penis. Dieser wird bei den neotropischen Phyllocauliern von einem scheidenförmigen Blatt umfaßt, bei den eircumäquatorialen Acrocau- liern öffnet sich der Samenleiter an der Spitze der einfachen Ruthe, während er bei den afrikanisch-indischen Pleurocauliern seitlich aus- tritt, so daß eine terminale, bisweilen phantastisch erweiterte Glans resultiert.

Die Phyllocaulier bahnen durch verschiedene Eigenthümlich- keiten den Übergang zu den Onchidien an. Zunächst sind sie die ein- zigen Vaginulae, bei welchen der Enddarm nicht unmittelbar neben dem weiblichen Porus in die Haut tritt, sondern ein Stück dahinter, der erste Schritt zur völligen Loslösung aus der Haut, wie sie die On- chidien kennzeichnet. Das andere Merkmal ist der Haut entnommen: Atopos hat relativ spärliche, wohl nur einzellige Hautdrüsen ; dafür ist der Mantel über und über mit feinen Papillen bedeckt, die der Vortragende, trotz noch mangelnden Nervennachweises, deshalb fii ‚Sinneswerkzeuge anspricht, weil sich ähnliche kleinere Knospen in der canalartigen oberen Erweiterung der Rinne zu den Seiten der Sohle finden. Bei Yaginula erhält die Haut ein compliciertes

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Drüsensystem. Das Epithel senkt sich zu Gruben und Schläuchen ein, nach welchen die mesodermalen Schleimvorräthe der Cutis abgeführt werden. Onchidium hat die complicierteste Hauttektonik, aus Drüsen, Papillen, Rückenaugen und secundär erworbenen Haut- kiemen zusammengesetzt. Die Zeichnung ist bei Atopos höchst wunderlich. Eine dunkle Längsbinde zieht in halber Höhe entlang, außerdem aber geht eine carrierte Schrägstreifung (vielleicht einzig im Thierreich außer Schmetterlingsfligein) über das Notaeum; aus dieser Grundzeichnung entwickeln sich verschiedene Abänderungen. Die Vaginulae haben im Allgemeinen eine gesprenkelte Ruckenflache, mit einem feinen hellen Mittelstreifen. Nur bei manchen Phyllocau- liern wird ein breites helles Mittelfeld ausgespart, mit einer nischen- artigen Ausbuchtung am rechten Rande, welche genau dem darunter liegenden Pericard entspricht. Ganz dieselbe Zeichnung findet sich aber bei manchen Onchidien. Und es ist wohl kein Zufall, daß die- selben gerade in der höchsten Linie der Litoralzone, auf Mangrovewur- zeln leben. Zudem haben dieselben Onchidien noch ganz die Vaginula- Sohle mit feinen Soleolae, während die mehr untergetauchten, mit Kiemen ausgestatteten Arten plumpe Schwellungen aufweisen. Discussion: Anknüpfend an die Frage nach der Nahrungs- beschaffenheit der Nacktschnecken hebt Le£uckKArr hervor, daß er bei seinen helminthologischen Untersuchungen oftmals gesehen, wie be- gierig dieselben frisch ihnen gereichte Trematoden (Distomum lan- ceolatum) vollständig verzehrten. Waren diese abgestorben, dann ge- schah die Annahme meist erst nach Anwendung einer Hungerkur.

Vortrag des Herrn Dr. Le Prare:

Über den Bau und die systematische Stellung der Solenoconchen.

I. Organisation der Scaphopoden. Der Vortragende schildert im Anschluß an früher veröffentlichte vorläufige Mittheilun- gen! folgende Organisationsverhältnisse der Dentalien des Neapeler Golfes (Dent. dentalis, tarentinum, pseudodentalis).

Der Ringwulst, welcher das Vorderende des Fußes umgiebt und nur auf dessen Ventralfläche unterbrochen ist, kann schwerlich als eine epipodiale Bildung (GROBBEN) angesehen werden, da seine beiden Seitenflugel auch auf die Rückenfläche übertreten und in der dorsalen Mediane mit einander verwachsen. Jeder der beiden Nierensäcke

! L. PLATE, Bemerkungen zur Organisation der Dentalien. in: Zool. Anz. Jhg. 1888. p. 509 ff. —- id. Uber einige Organisationsverhältnisse der Dentalien. in: Sitz.- Ber. Ges. z. Beförderung d. ges. Nat. z. Marburg. Jhg. 1891. p. 26 ff. id. Über das Herz der Dentalien. in: Zool. Anz. Jhg. 1891. p. 78 ff.

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bildet medianwärts zwei Divertikel, von denen der eine vor, der andere hinter dem Rectum liegt. Die beiden hinteren verschmelzen nicht mit einander, wie von Fou und später auch von mir irrthümlicherweise angegeben worden ist, sondern sie nähern sich einander nur bis zur Berührung. Die beiden neben der Afteröffnung gelegenen »Wasser- poren« stehen nicht, wie etwa bei Natica (nach SCHIEMENZ), mit einem besonderen Wassergefäßsystem in Verbindung, sondern die Möglich- keit ist vorhanden, daß Seewasser durch dieselben direct in die mit Blut erfüllte Leibeshöhle eindringt. Im Gehirn lassen sich multipolare Ganglienzellen nachweisen, was von For bestritten wird. Beide Buc- calcommissuren, auch die hintere am Anfange des Oesophagus, ver- laufen ventral vom Darm. Die vordere giebt die zwei Nerven des Subra- dularorgans ab, welche noch einmal zu einem kleinen Ganglion an- schwellen, wie schon von THIELE richtig angegeben worden ist. Die hintere Buccalcommissur bildet neben der Mediane jederseits ein kleines Ganglion, so daß sich also im Ganzen acht Ganglien in den Verlauf des Buccalnervensystems einschieben.

Il. Organisation der Solenopoden. Untersucht wurden Siphonodentahum vitreum, Stphonentalis affinis, Cadulus subfusifor- mis, alle drei nur in ungenügend conservierten Exemplaren. Immerhin ließ sich nachweisen, daß diese Gattungen in Folgendem von Denta- hum abweichen.

1) Der Fuß. Auf den eigenartigen Bau des Vorderendes des Fußes hat schon M. Sars aufmerksam gemacht. Die beiden großen Retractoren des Fußes entspringen dort an der Rückenfläche des Kör- pers, wo auch die Körperretractoren ihren Ursprung nehmen, so daß man sagen kann, daß letztere in der Fußmuskulatur wurzeln. Die bei Dentalium so stark ausgebildeten radialen Muskelstränge fehlen ; es finden sich nur Ring- und Längsmuskeln, die zu einer äußeren und einer inneren Schicht angeordnet sind.

2) Nur zwei Spindelmuskeln befestigen den Körper an das Hinterende der Schale. |

3) Verdauungsorgane. Das Mundrohr ist plattgedrückt in der Dorsoventralachse. Seine seitlichen Speicheldivertikel öffnen sich mittels eines sehr langgezogenen Spaltes. Die Basilarmembran der Radula ist außerordentlich stark entwickelt. Die Leber besteht aus zwei verschiedenen Partien, einer vorderen, deren zahlreiche Schläuche sich nach vorn ım Mantel ausdehnen und die nur linksseitig in den Magen einmünden, und einer hinteren; letztere wird von zwei Schläu- chen gebildet, die an ‘der Hinterwand des Magens entspringen und zwischen den Geschlechtsorganen bis zum hinteren Körperende reichen.

4) Der vordere Mantelrand ist nur schwach verdickt und ent-

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hält keine Drüsen. Etwas hinter ihm liest eine Drüsenzone an der Innenwand des Mantels.

5) Das Tentakelschild ist dort angeheftet, wo das Gehirn und das Mundrohr mit dem Rückenintegument verwachsen, während der Fuß erst hinter dieser Region also im Vergleich mit Dentalium weiter nach hinten vom Körper entspringt. Die Tentakeln werden von sechs derben und ebenso viel zarten Längsmuskeln durchzogen.

6) Die Geschlechtsorgane liegen zum großen Theil im Mantel. Sie reichen bei Siph. vitreum und Siph. affinis nach vorn bis zur Höhe des Afters, bei Cad. subfusiformis erstrecken sie sich noch beträcht- lich weiter nach vorn.

III. Systematische Stellung. Ausgangspunkt der Erörte- rung ist die Frage: mit welcher der drei großen Molluskenabtheilun- gen (Muscheln, Schnecken, Tintenfische) zeigen die Solenoconchen die größte Übereinstimmung im Bau und in der Entwicklung?, da das Problem in keiner Weise gefördert, sondern nur etwas verschoben wird, wenn man die Dentalien zu einer eigenen, jenen dreien gleich- werthigen Ordnung erhebt. Im Gegensatze zu LACAZE-DUTHIERS und GROBBEN halte ich die alte BLainviite’sche Auffassung, daß die Sole- noconchen nähere Verwandtschaftsbeziehungen zu den Schnecken als zu Muscheln resp. Tintenfischen aufweisen, für völlig richtig. Folgende Charaktere scheinen mir vornehmlich die Gastropodennatur derselben zu beweisen und gegen ihre Zuordnung zu den Muscheln zu sprechen: 1) die unpaare Schale; 2) die Radula; 3) der Kiefer; 4) die Tentakeln, welche, wenn überhaupt, so nur mit den Fühlern der Schnecken homologisiert werden können: 5) die Körperretractoren, welche in Lage und Befestigung den Spindelmuskeln entsprechen; 6) die Pleuralganglien, welche unter den Lamellibranchiern nur bei Nuculiden nach PELsENEER) beobachtet werden, Formen. die sonst in keiner Weise eine besondere Ähnlichkeit mit den Dentalien erkennen lassen: 7) die starke Ausbildung der buccalen Nervencentren; 8) die Oesophagaldriisen, welche nach ihrer Lage den Speicheldrüsen der Schnecken homolog zu setzen sind. Ferner sei hervorgehoben, daß die Region der Tentakelschilder und des Mundkegels ohne Bedenken als ein Kopf angesehen werden kann. Wäre der Mundkegel bloß eine rüsselartig verlängerte Mundöffnung, so würde diese ursprünglich direct, ohne Vermittlung eines Mundcanals, in den Schlundkopf sich geöffnet haben, was sonst nicht beobachtet wird und daher wenig wahr- scheinlich ist. Den Charakteren, auf Grund deren LACAZE-DUTHIERS die Solenoconchen den Muscheln zuzählt, vermag ich keine ausschlag- gebende Bedeutung beizumessen, weil sie zu erklären sind,

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1) aus der ungestört erhaltenen bilateralen Symmetrie, welche den Stammformen der Schnecken ebenso gut wie den Muscheln zu- kommt:

2) aus dem thurmförmig dorsalwärts verlängerten Eingeweidesack

(ventrale Mantelhohle) ;

3) aus einer Anpassung an die im Sande grabende Lebensweise (Ver- lust der Augen, Gestalt des Fußes).

GROBBEN’s Hypothese, daß »die Dentalien geradezu als Reste von Stammformen, resp. als die Stammformen der Cephalopoden zu be- trachten sind«, stützt sich vornehmlich darauf, daß die Arme der Tinten- fische als Anhänge des Kopfes homolog sind den Tentakeln der Solenoconchen. Es scheint mir nun neuerdings die pedale Natur der Cephalopodenarme sicher erwiesen worden zu sein, indem 1) PELsE- NEER gezeigt hat, daß die Brachialganglien durch Abspaltung von den Pedalganglien entstehen, und 2) Srrixer in voller Übereinstimmung hiermit beobachtete, daß weder einseitige noch totale Abtragung des Gehirns die Beweglichkeit der Arme beeinträchtigt, während eine Verletzung der Brachial- und Pedalganglien dieselbe aufhebt. Damit erscheint mir das Hauptargument Grozpen’s unhaltbar geworden zu sein.

Discussion: Herr Prof. ©. GrRoBBEN (Wien): Zu den Ausein- andersetzungen Herrn Dr. PLare's habe ich einige Bemerkungen zu machen.

Was die von Herrn Dr. PLATE bestrittene Deutung der beiden seit- lichen Fußlappen von Dentalium als Epipodien betrifft, so muß ich gestehen, daß ich selbst bezüglich dieses Punktes in meiner früheren Auffassung ein wenig schwankend geworden bin. Diese Seitenlappen als Epipodien zu bezeichnen, bestimmte mich mit der Umstand, daß dieselben ontogenetisch sehr früh auftreten zu einer Zeit, wo auch bei den Pteropoden diese Fußabschnitte erscheinen.

Der Einordnung der Scaphopoden zu den Gastropoden, für welche Herr Dr. PrATe eine Reihe von Gründen vorgebracht hat, vermag ich nicht beizutreten und bin nach wie vor der Ansicht, daß die Scapho- poden als besondere Molluskenclasse aufrecht zu erhalten sind. Das von Herrn Dr. PrArE für seine Ansicht angeführte Vorhandensein einer Radula und von Pleuralganglien kann keinen entscheidenden Werth beanspruchen. Die Radula ist ja wahrscheinlich auch den Stammformen der Lamellibranchiaten ursprünglich eigen gewesen, in dieser Gruppe somit erst secundär verloren gegangen; mindestens läßt sich dafür Einiges anführen. Und was die Pleuralganglien betrifft, so sind solche in neuerer Zeit von PELsENEER bei Nuculiden, den ältesten unter den heute lebenden Lamellibranchiaten, beobachtet

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worden, somit etwas ebenso dem Nervensystem der Lamellibranchia- ten Zukommendes.

Endlich muß ich noch auf die von mir vertretene Verwandtschaft der Scaphopoden mit den Cephalopoden eingehen. Es ist zunächst ja selbstverständlich, daß es sich hier um theoretische Betrachtungen han- delt. Meine früher diesbezüglich ausgesprochene Ansicht lautet, daß die Scaphopoden der grabenden Lebensweise angepaßte Reste von Formen sind, von denen auch die Cephalopoden ihren Ursprung ge- nommen haben. Ich habe diese Ansicht zu ändern keinen Grund ge- habt, und auch die von Herrn Dr. PLATE vorgebrachten Argumente aus den Beobachtungen PELSENEER’s und STEINER’s vermögen dies nicht. Ich kann und will gar nicht die Richtigkeit dieser Beobachtungen bestreiten, von denen die Ersteren erweisen, daß das Brachialganglion in der Ontogenie vom Fußganglion sich abschnürt, die letzteren zeigen, dab bei Durchschneidung des Fußganglions Lähmung der Arme ein- tritt, was selbst bei vollständiger Abtragung des Cerebralganglions nicht der Fall ist. Ich kann aber in alledem keinen Beweis für die Deutung des Brachialganglions als Theil des Pedalganglions und weiter jene der Kopfarme der Cephalopoden als Fußtheile erblicken. Denn es erscheint mir vorerst zu beweisen, daß das sogenannte Pedal- ganglion der Cephalopoden thatsächlich dem Pedalganglion der übrigen Mollusken complet homolog ist. Und letzteres ist meiner Ansicht nach nicht der Fall. Vor Allem ist hier hervorzuheben, daß der Opticus Fasern aus diesem Ganglion bezieht. Es ist daher keinenfalls zu be- streiten, daß bauchwärts gerückte Theile des Cerebralganglions in dem sogenannten Pedalganglion enthalten sind. Ich vermag somit in den früher vorgebrachten Argumenten keinen Beweis für die aus- schließliche Bedeutung des Pedalganglions als solchen zu sehen, son- dern habe gerade so viel Grund dies zu bezweifeln. Daraus folgt auch weiter, daß ich es nicht für so leicht erachte, die Herleitung des Brachialganglions und der Armcentren im Pedalganglion vom Cere- bralganglion zu bestreiten. Die Arme fasse ich daher immer noch als Anhänge des Kopfes auf, und möchte hier weiter bemerken, daß die Kopfarme ursprünglich nicht rund um den Kopf, sondern seitlich angeordnet waren. Die Verhältnisse bei Nautilus geben hierfür An- haltspunkte, wie die eigenthümliche Gestalt und die große Zahl der Arme dieses Thieres nach meiner Auffassung uns ein Zwischenglied zwischen den Kopfarmen der übrigen Cephalopoden und den Tentakeln der Scaphopoden bildet.

Herr Prof. BürscnLı bemerkt, daß er in Übereinstimmung mit GROBBEN die nähere Beziehung der Solenoconchen zu den Gastro- poden nicht anerkennen könne, vielmehr ihre Beziehungen zu den

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Lamellibranchiaten fir directere erachte. Bezüglich ihrer Orientie- rung scheint ihm, wie für die Mollusken überhaupt, die Vorn-Hinten- Achse, welche durch Mund und After gelegt wird, ausschlaggebend. Wird diese Achse horizontal gestellt, wie bei der Orientierung der La- mellibranchiata gewöhnlich, so ergiebt sich für die Solenoconchen etwa dieselbe Orientierung, welche auch GRoBBEN vorschlug. Der vor- dere ventrale Theil des röhrenförmig geschlossenen Mantels hat dann eine solche Lage und Beschaffenheit, daß er wohl durch ventrale Ver- wachsung zweier lamellibranchiater Mantellappen, nicht jedoch durch Umbildung eines gastropodenartigen Mantels entstanden gedacht werden kann. Auch die Entwicklungsgeschichte des Mantels, so weit sie von LACAZE-DUTHIERS festgestellt wurde, scheint ihm für die Beziehungen zwischen Solenoconchen und Lamellibranchiaten zu spre- chen. Den Mangeleiner Radula bei den Lamellibranchiaten hält er nicht für ein schwerwiegendes Moment bei der Beurtheilung dieser Beziehungen, vielmehr neigt er der Ansicht zu, daß dieses Organ wahrscheinlich den Urformen der Mollusken überhaupt zukam und erst nachträglich bei den Muscheln, in Zusammenhang mit der besonderen Ernährungsart, ausfiel; hierfür spricht nicht nur die weite Verbreitung der Radula bei den Mollusken, sondern auch ihr gelegent- licher Ausfall bei vereinzelten Gastropoden, sowie ihr Vorkommen schon bei den Solenogastres. Hinsichtlich etwaiger Beziehungen zwischen Solenoconchen und Cephalopoden enthält er sich eines be- stimmten Urtheils, ohne jedoch damit solche Beziehungen leugnen zu wollen. Nur bezüglich der angeregten Frage nach den morpho- logischen Beziehungen der Cephalopodenarme zu dem Molluskenfuß möchte er betonen, daß er, trotz der neueren Ergebnisse über die Innervierung der Arme aus dem Pedalganglion, sich mit einer solchen Auffassung nicht befreunden kann. Da einer der hauptsächlichsten Charaktere des Molluskenfußes seine ventrale Lage ist, vermag er sich nicht vorzustellen, wie Theile eines echten Fußes, auch bei Zu- lassung der weitgehendsten Wachsthumsverschiebungen, schließlich auf die Dorsalseite des Kopfes gelangen können; und dies wäre doch erforderlich, wenn eine morphologische Beziehung zwischen Fuß und Armen bestände. Man müßte sich etwa vorstellen, daß die ur- sprüngliche Dorsalregion zwischen den zwei Dorsalarmen nahezu voll- ständig resorbiert worden sei; doch scheint ihm eine solche Annahme eher gegen als für diesen morphologischen Vergleich zu sprechen.

Herr Prof. LEUCKART ist der Ansicht, daß die Scaphopoden am besten eine Mittelstellung zwischen Lamellibranchiaten und Gastro- poden einnehmen. Die Orientierung derselben ist wohl nur dann richtig, wenn das Ende der Schale nach aufwärts gekehrt ist, wie

Verhandl, d. Deutsch, Zool. Gesellschaft. d

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das Mantelende der Cephalopoden. Trotzdem aber bezweifelt er, daß beide Gruppen in die von GROBBEN vertretene genetische Beziehung gebracht werden können, da die Tentakel derselben schwerlich auf einander zurückgeführt werden können. Die von dem Herrn Vor- tragenden in den Tentakeln aufgefundenen isolierten Ganglienzellen erinnern ihn an die bei den Distomeen im Körperparenchym weit ver- breiteten gleichen Gebilde, deren er in seinem Parasitenwerke (neue Auflage) mehrfach gedacht hat.

Herr Prof. Biirscuii bemerkt, daß ihm das Vorkommen isolierter Ganglienzellen bei den Trematoden wie anderwärts unwahrscheinlich sei. Einmal scheinen ihm die neueren Erfahrungen über das Nerven- system der niedrigsten Metazoen dafür zu sprechen, daß es ursprüng- lich ziemlich gleichmäßig über die Körperoberfläche verbreitet war, was dem Auftreten isolierter Ganglienzellen nicht günstig sein dürfte. Ferner ist die Feststellung feiner Nerven bei Trematoden und ver- wandten Formen sehr schwierig, so daß er den späteren Nachweis des Zusammenhangs dieser anscheinend isolierten Nervenzellen mit dem übrigen Nervensystem für recht möglich erachtet.

Herr Prof. Lupwie führte eine Kochs-Worz’sche Mikroskopier- Lampe mit Totalreflexion und Zirkonerde-Beleuchtung vor, wie sie vor Kurzem durch Prof. SCHIEFFERDECKER in der Zeitschrift für wissen- schaftliche Mikroskopie beschrieben worden ist. Dieselbe fand den ungetheilten Beifall der Versammlung, wenn auch zugestanden werden muß, daß der allgemeinen Einführung dieser besten aller Mikroskopier- Lampen zur Zeit noch der hohe Preis des comprimirten Sauerstoffs hindernd im Wege steht.

Vortrag des Herrn Prof. MARSHALL

Über die Herkunft unserer Heher.

Die Rabenvogel-Gruppe der echten Heher zerfällt in zwei Untergruppen, welche man als Heher der Neuen und Alten Welt oder als Blau- und Grauheher bezeichnen könnte. Die neuweltlichen For- men bilden zwei Gattungen, Cyanocitta und Cyanocoraz, jede mit 16 Arten. Die erstere verbreitet sich von Bogota bis Sittka und Alaska, die letztere von dem Ufer des La Plata bis Mexiko und Süd- kalifornien, jene ist also wesentlich nord-, diese wesentlich südameri- kanisch. Bei allen herrscht im Gefieder die blaue Farbe vor. Die Arten von Cyanocoraz haben niemals gebänderte Schwung- und Schwanzfedern, die von Cyanocitta zum Theil, und gerade diese sind meist nördliche Formen, jenseits des 40. Grades nördlicher Breite kommt überhaupt keine Art mehr mit ungebänderten Federn vor. In Europa findet sich bloß eine Gattung (Garrulus) mit 12 Arten, bei

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denen im Gefieder auch Blau vorkommt, aber in verschiedenem Um- fange und immer in geringerem als bei der amerikanischen. Auch unter ihnen kann man zwei (nicht besonders benannte) Gruppen und eine aberrante, höchst seltene Art (Garrulus Lidthi von Sud-Japan) unterscheiden. Die eine Gruppe umfaßt 4 Arten: 1 auf Formosa, 1 ın Süd-China, 1 im östlichen und 1 im westlichen Himalaya bis zum Thal des Indus, und die Verbreitungsbezirke der festländischen schneiden nicht scharf gegen einander ab. Alle Arten sind sich sehr ähnlich, nur die auf Formosa ist auffallend kleiner, eine bei Inselfor- men öfters zu beobachtende Erscheinung. Das Gefieder zeigt viel Blau und nicht nur die Flügeldeckfedern, sondern auch die Schwung- und Schwanzfedern zeigen sich blau und schwarz gebändert. Die andere Gruppe besteht aus 7 Arten, welche alle unserm gemeinen Eichelheher mehr oder weniger nahe verwandt, zum Theil nur locale Varietäten desselben sind. Das Blau in ihrem Gefieder ist zurückgetreten und hat auf dem Rumpf einem Rothgrau Platz gemacht, nur die Flügel- deckfedern behalten ihre charakteristische Färbung. An den Schwung- und Steuerfedern finden sich noch Spuren. Die letzteren sind schwarz, nur an der Wurzel, die fast nie gesehen wird, finden sich nach den Individuen verschieden starke Reste blauer Binden. Vier Arten kom- men sporadisch vom Südufer des Caspischen Meeres bis Algerien vor; eine (der gemeine Heher) findet sich in ganz Europa und in Algerien, geht nördlich bis zum 65.°, östlich bis zum Ural. Hier schließt sich, aber ohne scharfe Grenze, eine zweite, sehr nah verwandte Form (G. Brandtiü) an, welche östlich bis auf die japanischen Inseln reicht und hier eine abermalige Unterart oder Rasse (G. japonicus) bildet. Redner stellt nun die Hypothese auf, daß die nördliche Hälfte von Centralamerika die Ursprungsstätte der (einfach blauen) Heher ist. Von hier wanderten sie nach dem Entstehen der Verbindung mit Süd- amerika in diesen Theil des Continents ein, wobei zu bemerken ist, daß auf den westindischen Inseln keine Heherart vorkommt. Von jener centralen Ursprungsstätte wandten sich Vögel auch nordwärts, erhielten hier theilweise blau und schwarzgebänderte Federn. Dann wanderten sie zu einer Zeit, als der größte Theil Sibiriens unter Wasser stand, in die AlteWeltein,erreichten den Himalaya, hielten sich als Thiere kühlerer Regionen an diesem Gebirgsstock und rückten westwärts vor. Diese Colonie verlor aber den Zusammenhang, einmal mit der alten amerikanischen Heimat, dann aber auch mit den weiter westwärts vorgeschobenen Stammesangehörigen. Diese letzteren entwickelten sich selbständig weiter und gingen vom ursprünglichen blauen Typus mehr und mehr ab. Mittlerweile hatte sich Sibirien gehoben: wo bei der ersten Einwanderung Wasser gewesen war, erhob sich jetzt ein 5*

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Continent und die westlichen Grau- oder Braunheher wanderten, die Wüsten und Gebirge im Süden und die wälderlosen unwirthlichen Gegenden im Norden vermeidend, durch Sibirien ostwärts, bis sie Japan wieder erreichten. |

Discussion: ©. GRoBBEN (Wien): Ich möchte hier bloß auf Fälle gleichgerichteter Farbenvariation verschiedener in einem Ge- biete lebender Insecten, so Käferarten, hinweisen, eine Thatsache, welche wieder zeigt, wie die äußeren Lebensbedingungen (Klima, Nahrung) auf die Färbung der Thiere einwirken.

Vortrag des Herrn Prof. LEUCKART

Über Taenia madagascariensis Davaine.

Vor einigen Jahren erhielt ich durch die Freundlichkeit des Herrn Prof. KrABBE einen etwa 24 cm langen Bandwurm, der einem drei- jährigen Knaben in Bangkok, dem Sohne eines die asiatischen Ge- wässer befahrenden und sein Fahrzeug bewohnenden dänischen Schiffscapitäns, abgegangen war. Der Knabe hatte seit einiger Zeit an Verdauungsbeschwerden und mancherlei nervösen Erscheinungen gelitten und auch einzelne Proglottiden entleert, was den behandeln- den Arzt, Dr. DEUNTZER, veranlaßte, denselben durch eine Gabe Extr. fil. mar. von seinem Parasiten zu befreien. Dr. DEUNTZER sowohl, wie Prof. KrasgE hielten den Wurm für neu, und auch mir erschien es also, bis ich durch Untersuchung der in etwa 12facher Zahl bei- liegenden 2 mm langen, 1,4 mm breiten Proglottiden erkannte, daß es die bisher nur sehr unvollständig beobachtete Taenia madagasca- riensis sei, die mir vorliege.

Was Davatne von diesem Wurme nach den ihm ausschließlich (von den Comoren) vorliegenden Bruchstücken mittheilt, betrifft eigent- lich nur den Inhalt der reifen Proglottiden, die reifen Eier also, aber schon diese sind so eigenartig, daß sie allein hinreichen, die Art zu charakterisieren.

Davaıne beschreibt diese Eier als Eierballen von ungefähr 0,1 mm Durchmesser und darüber, die dicht gedrängt, zu etwa 300, die Rin- denschicht der Proglottiden vollständig ausfüllen und durch einen Besatz von verästelten Radiärfibrillen einige Ähnlichkeit mit einem Blutegelcocon besitzen. Im Inneren dieser Ballen sollen zahlreiche kleine Eier enthalten sein, die aber nur in seltenen Fällen einen von zwei Schalen umschlossenen sechshakigen Embryo erkennen ließen.

‘So sehr nun aber die Eiballen meiner Proglottiden an die hier kurz angezogene Beschreibung erinnerten, ergab sich bei Anwendung der Schnittmethode doch insofern ein anderes Resultat, als die Eiballen in ihrer dicken Außenhülle statt der zahlreichen Eier deren meist nur

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ein einziges, selten deren zwei oder drei enthielten, je in einerziemlich weiten Hohlung gelegen und mit einem Embryo (0,008 mm) versehen, der sechs äußerst feine und nur wenig gekrummte Haken trug und von zwei glashellen Schalen umschlossen war, deren innere knapp an- lag, während die äußere die schon Davatne als geschrumpft be- zeichnet in zwei zipfelförmige Fortsätze auslief.

Ich würde vielleicht Bedenken getragen haben, unter solchen Umständen meine Art mit der Taenia madagascariensis zu identificieren, wenn sich nicht weiter herausgestellt hätte, daß unter der periphe- rischen anscheinend spongiösen Rinde noch eine Lage von rundlichen Körnerballen gelegen sei, die, von einzelnen fettartig glänzenden Kugeln— wohl den von DavaAıne in den Eiballen beschriebenen Kalk- körperchen durchsetzt, offenbar zu der Annahme einer größeren Menge von Embryonen veranlaßt hatten.

Im Laufe der Zeit bin ich übrigens auch insofern zu einer von Davarnr’s Darstellung abweichenden Auffassung gekommen, als ich durch Untersuchung besonders der früheren Stadien die Über- zeugung gewann, daß die Umhüllung der Embryonen, die Wand also der Eikapseln, auch noch in den reifen Proglottiden einen zelligen Bau besitzt, nur daß dieser in den tieferen Lagen durch Ansamm- lung einer körnigen Inhaltmasse, in den äußeren aber durch Ver- dickung der Zellhäute, die ein anscheinend fibrilläres, in Wirklichkeit aber mehr schaumiges Aussehen bedingten, allmählich immer mehr zurücktrat.

Irgend welche Spuren von Geschlechtsorganen ließen sich in den reifen Proglottiden nirgends nachweisen. Die gesammte Masse der- selben bestand, von der Rindenschicht abgesehen, ausschließlich aus den hier geschilderten Eiballen.

Und so war es nicht bloß in den abgelösten oder der Ablösung nahen Gliedern, sondern bis in die Mitte des Bandwurmkörpers hinein, in einer Strecke, die nahezu eine Zahl von 100 Gliedern aufwies. Nur daß die Form dieser Glieder allmählich eine andere wurde, indem die Breite auf Kosten der Länge immer mehr (bis auf 2,6 mm) zunahm.

Die Gliederzahl der vorderen Körperhälfte wuchs unter fort- gesetzter Abnahme der Länge allmählich in einem solchen Grade, daß dieselbe auf reichlich 5—600 veranschlagt werden konnte. Dass gleichzeitig auch die Breite des Gesammtkörpers abnahm, braucht kaum ausdrücklich betont zu werden. Am Kopfende, das nach hinten sich kaum absetzte, betrug die Breite nur noch 0,5 mm.

Was den Kopf selbst betrifft, so zeigt derselbe vor den vier ziem- lich großen und runden Saugnäpfen einen Hakenkranz, der von etwa 90 sehr eigenthümlich geformten Haken gebildet wird und ringförmig

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um die mittlere Zone eines fast 0,1 mm großen und plumpen Rostel- lums herumgreift. Das letztere war bei dem mir vorliegenden Exem- plare in die Kopfmasse eingesenkt, so daß es von den Seitentheilen des Scheitels wie von einer ringförmigen Lippe umfaßt wurde. Die nach innen gekehrte Fläche der Lippe zeigte ein getüpfeltes Aussehen; sie war, wie man bei stärkerer Vergrößerung erkannte, mit zahllosen kleinen Spitzchen besetzt, mit Erhebungen, die in ganz gleicher Be- schaffenheit auch auf der Innenfläche der Saugnäpfe gefunden wurden.

Um die Bildung der Haken zu erkennen, bedarf es gleichfalls einer stärkeren Vergrößerung. Bei Anwendung schwächerer Linsen könnte man leicht zu der Annahme kommen, als wären die Haken einfache Längsstäbe von etwa 0,018 mm, die in dichter Menge und alternierend, so daß die etwas verdickten Enden bald höher, bald etwas tiefer liegen, an einander gereihet wären. Erst allmählich gewinnt man die Überzeugung, daß diese Stäbe nur die unteren Wurzelfort- sätze der eigentlichen Haken darstellen, die ihrerseits kaum den achten Theil der oben bezeichneten Länge besitzen und in einem Winkel von etwa 70° dem Fortsatze anhängen. Derhintere Wurzelfortsatz ist klein und höckerartig nach oben gekehrt, während der untere, um dem Rostellum sich anzuschmiegen, eine leichte Krümmung zeigt.

Eine Hakenform, wie die hier beschriebene, kennt man bis jetzt wenn gleich weniger charakteristisch nur bei Taenien der Gruppe T. tetragona, die sämmtlich bei Hühnervögeln schmarotzen und unserer T. madagascariensis auch in ihrer Größe und der Anwesenheit von Eikapseln in den reifen Proglottiden ähneln. Diese Ähnlichkeit ge- winnt dadurch ein besonderes Interesse, daß nach den Mittheilungen Kraspe’s auf dem Schiffe, das der Träger unseres Wurmes bewohnte, eine ganze Menagerie von Thieren (Schweine, Hunde, Katzen, Affen, Papageien und anderes Geflügel, vermuthlich also auch Hühner) ge- halten wurden, die mit ihren Futterstoffen möglicherweise auch die Zwischenträger der Taenie an Bord gebracht haben.

Wie die Bildung des Kopfes, so zeigt übrigens auch die der Ge- schlechtsorgane mancherlei sehr ungewöhnliche Verhältnisse.

Zunächst erwähne ich in dieser Hinsicht, daß die Geschlechts- entwicklung sehr rasch abläuft, indem kaum 3 cm hinter dem Kopf- ende Glieder in Selbstbegattung und solche mit gefüllter Samenblase beobachtet wurden.

Die Pori genitales sind, wie schon DAvAınE wußte, einseitig und dem Vorderrande der Glieder genähert. Sie führen in eine ziemlich tiefe Cloake, der sowohl die Scheide, wie etwas dahinter auch der flaschenförmige Cirrusbeutel anhängt. Letzterer setzt sich in einen äußerst langen Ductus ejaculatorius fort, der mit zahlreichen weiten

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Schlingen das Glied durchsetzt und in ganzer Länge mit Ausschluss des Anfangstheiles eine dicke Lage von Drüsenzellen trägt, eine Prostata, wie solche bisher bei den Cestoden noch nirgends beobachtet wurde. Die Hoden sind in großer Zahl, vielleicht 50 und mehr, durch das Parenchym der Glieder verbreitet, und schon frühe, noch bevor die weiblichen Organe vollständig entwickelt sind, mit Samenzellen und Samen gefüllt.

Die Samenblase, in welche die enge Vagina sich fortsetzt, erreicht eine ungewöhnliche Länge und Weite und ist nach der Begattung mit sroßen Mengen von Sperma erfüllt. Sie läßt sich in bogenförmigem Verlauf bis in die Mitte des Gliedes verfolgen, wo sie direct mit dem Eileiter in Verbindung tritt.

Sonst besteht der weibliche Apparat, dessen Analyse übrigens nichts weniger als leicht ist, aus Ovarium, Dotterstock, Uterus und Schalendrüse. Die letztere ist in den Verlauf des Dotterganges ein- gelagert, der seinerseits mit dem Eileiter bald nach dem Hervor- kommen aus dem Eierstocke sich verbindet. Der Uterus, der schon frühe Eier enthält, besteht aus einer Anzahl von Röhren, die zunächst jederseits in einen fast kugeligen Ballen aufgerollt sind. Wo beide Ballen zusammenstoßen, da liegt das Ende der Samenblase, und hier tritt denn auch der Oviduct mit derselben in eine Verbindung, die so weit ist, daßsehr gewöhnlich auch eine Anzahl Eierin erstere gelangen freilich nur, um schließlich darin unterzugehen. An seinen Enden sowohl, wie auch an der Verbindung mit der Samenblase zeigt der Eiergang eine musculöse birnförmige Erweiterung, wie solche von PrntTNER neuerlich auch bei anderen Cestoden freilich nur an der Ur- sprungsstelle aus dem Ovarium (als sog. Schluckapparat) beschrieben ist.

Ist der Uterus gefüllt und der männliche Geschlechtsapparat (auch der Cirrusbeutel, der freilich länger persistirt) zurückgebildet, im 4. und 5. cm des Wurmes, dann entrollen sich die Windungen des Uterus. Sie durchwachsen das Glied in ganzer Breite und Länge, verlieren aber sehr bald darauf ihre Wandung, so daß die jetzt in Ent- wicklung begriffenen Eier frei im Parenchym gefunden werden. Anfangs nackt, umgeben sich dieselben nun einzeln oder zu wenigen mit den in ihrer Umgebung stark wuchernden Parenchymzellen, die in immer größerer Menge sich um sie ansammeln und dann schließlich ein bis jetzt in dieser Weise kaum jemals beobachtetes Factum in die Anfangs beschriebenen Elemente der Eikapseln sich umbilden.

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Nach diesem Vortrage schloß der Vorsitzende mit folgenden Worten die Versammlung:

Mit der heutigen Sitzung findet die erste Jahresversammlung der Deutschen Zoologischen Gesellschaft ihren Abschluß. Nur noch wenige Stunden und das Dampfroß entführt Sie wieder in Ihre Heimat. Uns Zurückbleibenden bleibt nur die Erinnerung an die schönen und genußreichen Tage, die wir zusammen verlebten.

Aber gerade weil diese Tage so schön und so genußreich gewesen sind, drängt es mich im Sinne und Namen Ihres Vorstandes Ihnen für das zu danken, was sie uns brachten.

Mein Dank richtet sich nicht an Einzelne; er richtet sich an Alle, die Theil nahmen an unserer Versammlung. Denn Sie Alle haben beigetragen, die Tage zu dem zu machen, was sie waren. Die Einen dadurch, daß sie direct unser Wissen und unsern Gesichtskreis ver- größerten, die Andern dadurch, daß sie geistig uns näher traten und das Gefühl der Zusammengehörigkeit und der Interessengemeinschaft in uns stärkten.

Es ist eine reiche Saat, die Sie dem Boden anvertrauten und sie wird ihre Früchte tragen. Es wäre vermessen, sogleich ernten zu wollen. Der Werth und die Berechtigung wissenschaftlicher Ver- sammlungen liegt ja eben darin, daß sie den Boden bestellen, auf dem später die Frucht erwachsen soll.

Unsere diesjährige Versammlung bildet die erste Etappe auf dem Wege, den unsere Gesellschaft wandelt. Sie ist glücklich erreicht und das wird dazu beitragen, den Muth zu stählen und eine weitere gedeihliche Entwicklung zu ermöglichen. Und somit dürfen wir denn mit einer gewissen Zuversicht der Zukunft entgegensehen. Zunächst aber gilt es einem frohen Wiedersehen in der Reichshauptstadt!

Die erste Jahresversammlung der Deutschen Zoologischen Gesell- schaft ist geschlossen !

Herr Prof. Enters sprach darauf dem Vorsitzenden den Dank der Gesellschaft für seine Leitung der Verhandlungen aus.

In den Nachmittagsstunden der Versammlungstage fanden im Laboratorium Demonstrationen statt.

Herr Dr. A. SchusErG demonstrirte im Anschluß an seinen Vor- trag »über den Zusammenhang von Epithel- und Bindegewebszellen« Präparate vom Laubfrosch (Querschnitte durch das Epithel der

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Plantarseite des Haftballens), vom Axolotl (Schnitte durch das Epithel des Unterkiefers) und von Ammocoetes (Querschnitte durch den Flossen- saum des Schwanzes).

Herr Prof. BürschLı legte eine Anzahl von ihm verfertigter Photographien der Plasmastructuren verschiedener Zellen vor. Die- selben zeigten die Netz- resp. Wabenstructur im Plasma der Leber- zellen vom Frosch und Kaninchen, der Darmepithelzellen des Kanin- chens, einer Ganglienzelle des Regenwurms (mit Alveolarschicht), der Achsencylinder markhaltiger Nervenfasern des Frosches (Querschnitt), der Marksubstanz der Längsmuskeln vom Blutegel, ferner in den Bacteriaceen Chromatium Okenü und Ophidomonas jenensis. Eine der Photographien demonstrierte die von ihm geschilderte Structur der Muskelzellen von Ascaris auf dem Querschnitt. Im Anschluß hieran demonstrirte B. die von ihm künstlich erzeugten protoplasmaähnlichen Ölseifenschäume und namentlich deren radiär structurierte Alveolar- oder Hautschicht. Endlich vermochte er der Versammlung auch solche Schäume in ihren charakteristischen Strömungserscheinungen und Fortbewegungen vorzuzeigen.

Herr Dr. L. PLATE demonstrierte das Geruchsorgan der Testacella hahotidea und bisulcata auf Querschnitten.

Herr Prof. LEUCKART demonstrierte :

1) Pigmentzellen von Esox lucius mit Attractionssphäre, ein von Herrn Prof. SoLGER der Versammlung übersendetes Präparat,

2) Puppen von Rhabditis coarctata, |

3) Kopf und Querschnitte von Taenia madagascariensis.

Herr Dr. H. Henxine demonstrierte:

1) einen neuen WINKEL’schen Zeichenapparat,

2) ein von Herrn Mechaniker W. Wars (Heidelberg) angefer- tigtes kurzes Mikrotommesser mit verstellbarer Klinge.

Verzeichnis der Mitglieder.

Agassiz, Prof. Alex . Cambridge,Mass. | Eimer, Prof. Dr. Th. Tubingen.

DIEBE TEE RG: Bremen. Eisig, Prof. Dr. H. . Neapel. Apäthy, Prof. Dr. St. Klausenburg. Emin Pascha, Dr., Exc. Ost-Afrika. Bergh, Prof. Dr. R. . Kopenhagen. ı v. Erlanger, Baron . . Heidelberg. Bergh, Dr. R. 8. . . Kopenhagen. Fiedler, Dr. K. . . . Hottingen b. v.Berlepsch, Freiherr H. Hann. Münden. Zürich. Bertkau, Prof. Dr. Ph. Bonn. v. Fischer, Joh. . . . Montpellier. Blasius, Prof. Dr. R. Braunschweig. Fraisse, Prof. Dr. P. . Leipzig. Blasius, Prof. Dr. W. Braunschweig. Friese, Hi thot ae Schwerin. Blochmann,Prof. Dr.Fr. Rostock. Goette, Prof. Dr. A.. Straßburg i. E. Böhmig, Dr. 7.7222 ram v. Graff, Prof. Dr. L. Graz.

Böttger, Dr. O. . . . Frankfurt a. M. | Greeff, Prof. Dr. R. . Marburg. Boveri, Dr. Th. . . . München. Grenacher, Prof. Dr.H. Halle a. S. Brandes, Dr. G.. . . Hallevass, Griffiths, Prof. H.B. . Birmingham. Brauer, Dr. Aug. . . Berlin. Grobben, Prof. Dr. C. Wien.

Braun, Prof. Dr. Max Königsberg. Gruber, Prof. Dr. A. . Freiburg i. Br. Breitenbach, Dr. W. . Odenkirchen. Haacke, Director Dr.W. Frankfurt a. M. Brusina, Prof. Sp. . . Agram-Zagreb. v. Haberler, Dr... . . Graz.

Bürger, Dr. ©. . . . 2. Z. Neapel. Hacker, Dr. V. . . . Tübingen. Bütschli, Hofrath Prof. v. Haller, Dr. B. . . Retesdorf.

Ar Oi. Euer Heidelberg. Hamann, Dr. O. . . Göttingen. Carriére, Prof. Dr. J. Straßburg i. E. | Hartert, E... . . . Marburg. Carus, Prof. Dr. J. V. Leipzig. Hartlaub, Dr. Cl. . . Göttingen. Chun, Prof. Dr. C. . Breslau. Hasse, Geh. Med.-Rath Claus, Hofrath Prof. C. Wien. Prof. Dr. CO Beesier Collin, DEFA.: Sei Berlin. Hatschek, Prof. Dr. B. Prag. OCEAN. ee ene. Heller, Prof. Dr. C. . Innsbruck. Credner, Oberbergrath Henking, Dr. H. . . Göttingen.

Prof. Dr); . 2. Beipzie. Henschel, Prof. Dr. G. Wien.

v. Dalla Torre, Prof. Hertwig, Prof. Dr. R. München.

Dr WIR Sn Innsbruck. Hess, Prof. Dr. W. . Hannover. Danielssen, Dr. D.C. Bergen. v.Heyden, MajorDr.L. Bockenheim b. Döderlein, Dr. L. . . Straßburg i. E. Frankfurta. M. Dohrn, Geh, Reg.-Rath Eteeer es. |. Drage Heidelberg.

Brot. De, A... Neapel Boll, Prof. M. . ... Gram Dreyfus, Dr. L.. . . Wiesbaden. Imhof, Dr. O. L. . . Zürich. Drieschs, Dr. H... ..”.. Zurich, Kaiser, Dr. J. - Se Leipzig. Eckstein, Dr. K. . . Eberswalde. v. Kennel, Prof. Dr. J. Dorpat. Ehlers, Geh. Reg.-Rath Klunzinger, Prof. Dr.

Prof. Dr. E. . . . Göttingen. BB ST nn En Stuttgart.

FT ae Oe Oe Zn u 2

Kobelt, Dr. W. . . . Schwanheim b.

Frankfurt a.M.

v. Koch, Prof. Dr. G. Darmstadt. mao Dr C. „u... Leipzig. Kollmann, Prof. Dr. J. Basel. König, Dr. A... . . Bonn. MeO, B., uw. Bremen. Kornhuber, Prof.Dr. A. Wien. Korschelt, Dr. Eug. . Berlin. Kraatz, Dr. G. . . Berlin. Kramer, Prof. Dr. P. Halle a. 8. Kühn, Prof. Dr. J. . Halle a. 8. Landois, Prof. Dr. H. Münster i. W.

Sans, Prof. Dr. A. .: Zürich. Hienz, Dr. H. ...... . Lübeck. Leuckart, Geh. Hofrath

Prot, Dr. R. . Leipzig. Ludwig, Prof. Dr. Hub. Bonn. Maas, Dr. OÖ. . . : . Berlin.

v. Marenzeller, Dr. E. Wien. Marshall, Prof. Dr. W. Leipzig. Metzger, Prof. Dr. A. Hann. Münden. Meyer, Hofrath, Dr.

ER ES eee ame Dresden. v. Meyer, Prof. Herm. Frankfurt a. M. Möbius,Geh.Reg.-Rath

Prof.-Dr..K. . Berlin. v. Möllendorft, Dr. O. Manila. Müller, Dr. Aug. . . Berlin. Nalepa, Prof. Dr. A. . Linz a. D. v. Nathusius, W. . . Halle a. 8. Nitsche, Prof. Dr. H. Tharandt. Noll, Prof. Dr. F. C. Frankfurt a. M. Ortmann, Dr. A. . Straßburg i. E. v.Osten-Sacken, Baron Heidelberg. Palacky, Prof. Dr. J. . Prag. Pfeiffer, Geh.Med.-Rath

N AN, Weimar. Piste, wets Panett}. Marburg. Poppe, VAs Samos vere. te Vegesack.

vy. Radde, Wirkl. Staats-

rath Dr. G.,, Exe. .. Tiflis. Rawitz, De... «| Berim. Reichenbach, Dr. H. . Frankfurt a. M. Richters, Dr. F.. . . Frankfurt a. M. +Saalmiller, Oberst-

lieutenant a. D. . . Frankfurt a. M. Säfftigen, Dr. A. . Petersburg.

Will, Dr. L.

75

Sarasin, Dr. F. . Berlin. Sarasin, Dr. P. . . . Berlin. Schaff, Dr. E . Berlin. Schauinsland, Director

Rs SPE. iN ar ah Bremen. Schewiakoff, Dr. W. . Heidelberg. Schlosser, Dr. Max . Miinchen. Schuberg, Dr. A. . . Würzburg.

Schulze,Geh.Reg.-Rath

Prof. Dr. F. E. . . Berlin. Schwalbe, Prof. Dr. G. Straßburg i. E. Seeliger, Dr. O.. . . Berlin. Netty, Dr. Ay) 2s. 6. % Gießen. Selenka, Prof. Dr. E. Erlangen.

Semper, Prof. Dr. C. Würzburg. Simroth, Dr.H.. . . Leipzig-Gohlis. Solger, Prof. Dr. B. . Greifswald. Spangenberg, Prof. |

De Er... Hr ae ae Aschaffenburg.

Spengel, Prof. Dr.J.W. Gießen. Steenstrup, Prof. Dr.

ATS, „a En ze Kopenhagen. Steindachner, Hofrath ° ~ Wie ERS... ae Saas Wien.

Strubell, Dr. A.. .

Stuhlmann, Dr. Fr.

Taschenberg, Prof.

DE DA eS ROR Oe ay Halle a. S.

Trautzsch, Dr. H. . . Freienwalde a.O.

Van Beneden,Prof.J.B. Louvain.

Voeltzkow, Dr. A. . . Nossi-Bé, Mada- gascar.

Voist Dr. W. „2% Benn.

Vom Rath, Dr. O. . . Freiburg i. B.

kein nu 3 se A Wien!.

v. Wagner, Dr. Fr. . Straßburg i. E.

Wasmann, J., 8. J. . Prag.

Weber, Prof. Dr. Max Amsterdam.

Weismann,Geheimrath

Prof. Dr. A. . Freiburg i. B.

Weltner, Dr. W. . . Berlin.

. Rostock.

Wolterstorff, W. . . Frankfurt a. M.

Zelinka, Prof. Dr. K. Graz.

Aeller, Der B. 27 a5 Winnenthal b. Winnenden.

Ziegler, Prof. Dr.H. E. Freiburg i. B.

Zschokke, Prof. Dr. Fr. Ziirich.

. Bonn. . Ost-Afrika.

! Ist inzwischen aus der Gesellschaft ausgetreten.

Inhaltsübersicht.

Erste Sitzung.

Ansprache des Vorsitzenden; z../.5& - - - -- - a secs - = = 3 Jahresbericht des Schriftführers =. - - . - - ..1}5 „us 22 SEE Vorträge: O. Bütsehli, Uber die Structur des Protoplasmas. . ... . ER: |: H. Henking, Uber plasmatische Strahlungen. ........... A. Schuberg, Uber den Zusammenhang von Epithel- und Bindegewebs-

*H. Ludwig, Zur Anatomie der Synaptiden .... . 2 2 re H. Simroth, Uber die Nahrung der Landthiere. ..........

Zweite Sitzung.

Anträge Bütschli und Genossen .. . . - . VE ee Vorträge:

Spengel, Über die Gattungen der Enteropneusten. .........

F. Zschokke, Die Thierwelt der Hochgebirgsseen. .........

Discussion: Ludwig... . . .-. » . + -). © 9) GE

Seitz, Mittheilungen"über Mimiery. . . „I. 2.2. Te

*Brandes, Über eine neue Methode der Aufstellung von Alkohol-

präparaien . 2 U. ee ee ne ee

Geschäftliches- .. . . NW. 27°. Wan ee ee ee

Leuckart, Uber einen an Aphodius fimetarius sich verpuppenden frei-

lebenden Rundwurm, Rhabditis coarctata n. sp... .....--.. |

Dritte Sitzung.

Geschiftliches - - ar ae. el Syd oe a Vorträge: Simroth, Uber kaukasische Limaciden und Testaeelliden ...... derselbe Über die Vaginuliden ....... .. Sour Diseussion- Leuckart ...'... 02 20822 Er ee L. Plate, Über den Bau und die systematische Stellung der Soleno- eonehen .. ein. ee ee Diseussion: Grobben, Bütsehli, Leuckart, Ludwig. ... Marshall, Über die Herkunft unserer Heher. ........... Diseussion: Grobben z,....... 2 2. + u: 2 0 Leuckart, Über Taenia madagascariensis Davaine. ........- - Schlussworte des Vorsitzenden ........ 4 Demonstrationen

Druck von Breitkopf & Hartel in Leipzig.

12 12

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