rie 6: ) as gid ak y s y ‘ % A 7 > BET it er ee ae we APS i NN Pe \ 2 ee ee ae ee ee en ee on ee ee AWE BS a age TEE Ter eyes ee. wu er Seen! as Bret EEE a tematic Da 0 EEE orescence HARVARD UNIVERSITY. LIBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY. ratty By ought | ab, \Q04 - Bohnen Ee \A0%. \anss | Br Verhandlungen auf der vierzehnten Jahresversammlung zu Tübingen, den 24. bis 26. Mai 1904 Im Auftrag der Gesellschaft herausgegeben von Prof. Dr. E. Korschelt Sehriftführer der Gesellschaft Mit 103 in den Text gedruckten Figuren Leipzig Verlag von Wilhelm Engelmann 1904 | d der | / | Deutschen Zoologischen Gesellschaft Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Anthropogenie oder Entwickelungsgeschichte des Menschen. Keimes- und Stammesgeschichte. Gemeinverstandliche wissenschaftliche Vortrage von Ernst Haeckel, Professor an der Universitat Jena. Finfte, umgearbeitete und vermehrte Auflage. Mit 30 Tafeln, 512 Textfiguren und 60 genetischen Tabellen. Zwei Bände. gr. 8. 1903. ./ 25.—; in Leinen geb. X 28.—. Flüssige Kristalle sowie Plastizität von Kristallen im allgemeinen, molekulare Umlagerungen und Aggregatzustandsänderungen von Dr. O. Lehmann Professor der Physik an der Technischen Hochschule in Karlsruhe. —— Mit 483 Figuren im Text und 39 Tafeln in Lichtdruck gr. 4. 1904. u 20.—. AUG 7° 1904 Verhandlungen der Deutschen Zoologischen Gesellschaft auf der vierzehnten Jahresversammlung zu Tübingen, den 24. bıs 26. Maı 1904 Im Auftrag der Gesellschaft herausgegeben von Prof. Dr. E. Korschelt Schriftführer der Gesellschaft Mit 103 in den Text gedruckten Figuren. Leipzig Verlag von Wilhelm Engelmann 1904 a Sl ue Bee.‘ + i relat oe ieee hee ca ra me . ; ee ee eer i 5 Se Se oa Bats Galea: one 7 Ph See’ dai 2 ee‘ 5 ieh 0 - auulanieını ie, nadoibosate tae L N: u % Tt us ¢ r ar: rahe ‘ge ale RS ee. : | x 1 So eier Tabyagan zt : f poe lS J 2S echie RER ei #7 a, 2 2 i dewygdeain he Nadvalloest) tof getlad& om abe " a ae ’ Yah receealll a ol muy oie + Laan ta aie ionic - rue: a a a u, un | iotaciod 2 1 jo $ Er i ay Vasfoaibs oped vu ers hiitl y.. 7 a gs AAD i i Ry: Er f ; S a A ee tee eee ee a Kan : M yy 4 Mt ied U Be rn EN: alos: nf EVE rl Pr. - P En hört, | H. Simroth: Über den Ursprung der Echinodermen Inhaltsverzeichnis. EL dr EEE re paver] & Lp RUNG en ae ei and etm pNsOorMls ertr Erste Sitzung. Eröffnung der Versammlung. J. W. Spengel: Ansprache BE eames: Begrußungstreder m... wi BRUDER NEIN Behäftsbericht des, Schtiftfahrerat 22 U) a PN rechne der, Publikationsordnung - >12... WM NEN, NN A. Brauer: Über die Leuchtorgane der Knochenfische 6) fe ET ae Zweite Sitzung. ©. B. Klunzinger: Uber die Samenträger der Tritonen und ihre Be- ziehungen zum Kloakenwulst nach E. Zellers hinterlassenen Schriften Dritte Sitzung. Geschäftliche Mitteilungen, Einladung zum Internationalen Zoologischen oe lo RE Ra a ee er a el a a ea Besprechung der in zoologischen Werken und Zeitschriften anzuwendenden Bee hrainme:. (ar: | iver . Veen Bericht des Generalredakteurs des »Tierreichs« myahl des nächsten Versammlungsortes . . . 2.0 0 meter en. _H.v. Buttel-Reepen: Der gegenwärtige Stand der Kenntnisse von den geschlechtsbestimmenden Ursachen bei der Honigbiene (Apis mellifica L.), ein Beitrag zur Lehre von der geschlechtlichen Präformation A ee Be RA an Pr Aen Sy!) Sa Spee Te re Fe Te F. Nötling: Uber die Organisation der Lyttonitidae Waagen... ... V. Häcker: Bericht über die Tripyleen-Ausbeute der Deutschen Tiefsee- tionen. a. Sis... - Emma Hemer, 07 u Tea ar N ee Vierte Sitzung. Beer Ger Rechnunesrevisoren . . ... ne 2 ss 2 nee an in nn H. Simroth: Über Fluidalstruktur des Protoplasmas . . . H. E. Ziegler: Das zoologische System im Unterricht ......... J. Groß: Ein Beitrag zur Spermatogenese der Hemipteren ....... 0. Maas: Über den Aufbau des Kalkskeletts der Spongien in normalem und U ne Ber ES) EEE P. Grützner: Über den Kreislauf bei Fischen Seite 36 4 Sei Geschäftliche Mitteilungen: Einladung zur Entomologischen Ausstellung in Ta Fi Stuttgart. — Errichtung eines Denkmals für Th. v. Siebold......202 & V. Hicker: Über Föhn und Vogelzug. :. . Sm. 7 ee 202 E. Bresslau: Zur Entwicklung des Beutels der Marsupialier .. .... 212 E. Wolf: Beiträge zur Biologie der Süßwasser-Copepoden . ....... 224 F. Richters: Vorläufiger Bericht über die antarktische Moosfauna. . . . 236 Fünfte Sitzung. 7 F. Blochmann: Zur Morphologie der Blasenwiirmer. ......... 240 4 Demonstrationen. F. Blochmann: Projektionsmikroskop: 2 212 Warn 7/9 25 eee 241 F. Richters: Makrobioten aus der Moosfauna ;- . 2 ZT 3 7 7S a. 241 A. Brauer: Augen und Leuchtorgane der Fische‘. „>. 777 29 ee eee 241 C. B. Klunzinger: 1. Melanismtishhei“Présciten . . . . . « 7 2 2 2 241 2. Spermatophoren der Tritonen (siehe Vortrag)... . 2.02 1). mw. vum. 242 3. Kloakenwulst der Tritonen . .. . . .okosawlivasll ;zas m das 242 V. Hacker: Wandtafeln aus der Biologie und Zellenlehre. .. . 2»... 242 F; Blochmann: 1. Wandtafeln . ... . . sasabreanoiedtidu't-aeb- 200,242 2. Anatomische Präparate auf Schieferplatten .........2.2.. 242 3. Celloidininjektion einer Störkieme .......... u Ve F. Nötling: Präparate der Lyttoniden, u... 20 2 we 243 F. Romer: Landschnecken von den Philippinen ............ 243 V. Häck er! Tnipyleeniaur Tiéeexpeditron* 7 „IT Be 243 O. Maas: Sycandra-Exemplare aus CaCOzfreiem Seewasser ...... . 243 C. Chun: Das Borstenkleid der Cephalopoden . . .. . zu 7 I Zr 243 W. Hein: Körperepithel der Togmatsden thin! . . . . : . 1 esse 244 K. Thon: Anatomie und Histologie von Holothyrus. . . . . . ner 244 | R. Lange: Projektion von Photographien wissenschaftlicher Chicka un... 244 4 Schluß der Versammlung, ., «...<¢ ps0: u... «gee eet Pa) ae 244 | Anhang. | Publikationsordnung der Deutschen Zoologischen Gesellschaft. . .... . 245 | Verzeichnis der Mitglieder. . 2... 0 nn 246 | | | : Anwesende. Vorstand: Prof. SpenseL (Vorsitzender), Prof. Cnun, Prof. vy. Grarr, Prof. R. Herrwia (stellvertretende Vorsitzende), Prof. KorscHherr (Schriftführer). Mitglieder: Prof. Brocumann, Prof. BörtcHer, Prof. BRAUER, Prof. Braun, Dr. BressLau, Prof. Bürschui, Dr. v. BuTTEL-Reepen, Dr. Dorteın, Dr. H. H. FırLp, Prof. GorTTE, Dr. GoLDSCHMIDT, Dr. Gross, Prof. Gruser, Prof. HÄcker, Prof. Hesse, Prof. Horer, Dr. Hüsser, Prof. Kıunzınger, Dr. Krauss, E. KünkeL, Prof. Lampert, Prof. Maas, Dr. MaAıer, E. NÄGELE, Prof. ReicHEnBAcH, Prof. F. Ricuters, Dr. Römer, Prof. ScHhußBErRG, Prof. SCHULZE, Prof. Sımrotu, Dr. THon, Dr. Weser, F. Winter, Dr. Worr, Prof. ZiEGLeER. Gäste: Bach (Tübingen), H. Bacu (Tübingen), E. Benz (Tübingen), A. BERNEcKER (Stuttgart), Pref. C. BüLow (Tübingen), Dr. K. Bürker (Tübingen), Fripa OLesLr (Tübingen), Dr. O. Dicken (Hohenheim), Prof. Döperreın (Tübingen), Dr. Fırrıns (Tübingen), Prof. Frorıer (Tübingen), Dr. Gonper (Gießen), Prof. GRÜTZNER (Tübingen), Prof. Harrına (Tübingen), Prof. Hemxrnuain (Tübingen), Dr. Het (Tübingen), G. Hennincrr (Tübingen), Dr. F. v. Hine (Tübingen), Dr. L. Lanex (Tübingen), W. Srockmeyver (Tübingen), Prof. Vécurine (Tübingen). Tagesordnung, | zugleich eine Übersicht über den Verlauf der Versammlung. Montag den 23. Mai 61/, Uhr: Vorstandssitzung. 8 Uhr: Begrüßung und gesellige Zusammenkunft der Teil- nehmer im Museum. Dien stag den 24. Mai 9—1 Uhr: Erste Sitzung. Eröffnung der Versammlung durch den Herrn Vorsitzenden. Begrüßung durch den Rektor der Universität Tübingen Herrn Prof. Dr. Harrınc. Begrüßung durch Herrn Prof. Birocumann und Schilderung der historischen Entwicklung des Zoologischen Instituts und Museums an der Universität Tübingen. 6 Geschäftsbericht des Schriftführers. Wahl der Revisoren. Beratung über die Publikationsordnung der Gesellschaft. Vorträge. Besichtigung des Zoologischen Instituts unter Führung des 3 Herrn Prof. Buocumann. Nachmittags 3—5 Uhr: Zweite Sitzung. Vorträge und Demonstrationen. Mittwoch den 25. Mai 9—2 Uhr: Dritte Sitzung. (reschäftliche Mitteilungen. Wahl zweier Delegierten für den diesjährigen Internationalen | Zoologenkongreß in Bern. Handhabung der Rechtschreibung in zoologischen Werken — und Zeitschriften (Wahl einer Kommission zur Regelung | dieser Angelegenheit). Bericht des Generalredakteurs des »Tierreichs«. Wahl des nächsten Versammlungsorts. Vorträge. Besichtigung des mineralogisch-geologischen Instituts unter Führung des Herrn Prof. Koxen. Nachmittags gemeinsamer Ausflug nach Hohenzollern. Donnerstag den 26. Mai 9—1 Uhr: Vierte Sitzung. Bericht der Rechnungsrevisoren. Vorträge und Demonstrationen. Geschiftliche Mitteilungen. Nachmittags 3—5 Uhr: Fünfte Sitzung. Vorträge und Demonstrationen. 6 Uhr: Gemeinschaftliches Mittagessen im Museum. Freitag, den 27. Mai: Ausflug nach Schloß Lichtenstein. Die Sitzungen wurden im Zoologischen Institut abgehalten. Erste Sitzung. Dienstag den 24. Mai 9—1 Uhr. Der Vorsitzende, Herr Prof. Spenert, eröffnete die Versammlung mit folgender Ansprache: Hochverehrte Anwesende! Das seit unsrer letzten Versammlung verstrichene Jahr ist an eifrigem Schaffen und wertvollen Ergebnissen der Arbeit auf den mannigfachsten Gebieten der Zoologie seinen Vorgängern durchaus ebenbürtig gewesen, und wir dürfen im besondern mit Befriedigung zurückblicken auf den Anteil, den viele Mitglieder unsrer Gesellschaft daran gehabt haben. Die Natur der Dinge bringt es mit sich, daß die Fortschritte, die der Einzelne erzielt, in den meisten Fällen, im Verhältnis zum Ganzen beurteilt, nur klein sind, und es sind gewiß nur wenige, die von sich sagen können, daß sie durch ihr Wirken die Grundlagen unsres Wissens verschoben oder gar neue gelegt haben. Fast immer gehört die Arbeit zahlreicher Forscher dazu, um, einen Stein auf den andern setzend, durch ihrer aller Tätigkeit einen Bau aufzurichten. Denken Sie an die Hunderte — ja vielleicht sind es schon Tausende — von Arbeitern, die sich haben vereinigen müssen, um das Dunkel der Zell- und Kernteilungsvorgänge so weit aufzuhellen, wie es uns jetzt gelungen ist. Was haben einzelne nicht geschafft, und was ist es dennoch aus dem Gesichtspunkte des Ganzen? Dieser oder jener hat vielleicht das Glück gehabt, kleinere, mehr abseits stehende Tierformen, Seltenheiten, die etwa durch eine Expedition in ferne Länder oder in die Tiefen des Weltmeeres auf- gedeckt worden sind, oder einzelne Organe untersuchen und auf diesem begrenzten Boden bis zu einem gewissen Grade frei und un- abhängig wirken zu können. Aber hier tritt naturgemäß erst recht das Einzelverdienst, wenn wir es auch noch so hoch schätzen mögen — und es liest mir gewiß jeder Gedanke fern, dasselbe bezweifeln oder verringern zu wollen —, zurück, wenn wir das Ganze im Auge haben. Nur in höchst seltenen Fällen ist es einzelnen vergönnt, mit ihrem Schaffen so tief einzugreifen, daß so zu sagen die Gesamtheit 8 es spürt und davon beeinflußt wird. Das abgelaufene Jahr nun hat uns ein paar Arbeiten gebracht, die ich in solchem Sinne glaube einschätzen zu dürfen. Nicht, daß sie uns ein bisher fremdes Gebiet erschlossen hätten oder von andern Arbeiten ganz unabhängig wären! Nein, es ist sicher, daß auf jenem sich seit Jahren viel fleißige Hände rühren und daß diese Arbeiten an andre anknüpfen und die Errungenschaften andrer in dieser und in jener Weise benutzen. Trotzdem scheint mir ihnen eine Bedeutung ganz ungewöhnlicher Art zuzukommen, indem wir durch sie zu einer Erweiterung und Vertiefung gewisser Begriffe von fundamentaler Natur kommen, in- dem durch sie gewisse Vorstellungen, mit denen wir an die Betrach- tung der Organismen heranzutreten gewohnt waren, eine Umwertung und Veränderung erleiden, und indem endlich durch sie von der Er- forschung normaler Vorgänge aus ein ungeahntes Licht auf manches bis dahin unverständliche anormale Geschehen fällt. Ich rede von den Forschungen über Protozoen, welche uns zu einer tiefgreifenden Umgestaltung unsrer Ansichten über das gegenseitige Verhältnis von Kern und Protoplasma, zu einem tieferen Einblick in die Natur der chromatischen Substanz wie in das Wesen der geschlechtlichen Sonderung und damit der Befruchtung geführt haben. Neben einem der hervorragendsten Forscher auf diesem Felde habe ich die Ehre, im Vorstande unsrer Gesellschaft zu sitzen. Der andre hatte uns ein Referat über die Ergebnisse auf einem Teil des von ihm mit so bewunderswertem Geschick und Erfolg bearbeiteten Gebietes, über die Befruchtung der Protozoen, zugesagt. Kurz vor unsrer Tagung ist uns die Nachricht zugegangen, daß Herr Kollege ScHAUDINN durch eine Erkrankung verhindert ist, seine Absicht auszuführen. Ich glaube in aller Anwesenden Sinne zu sprechen, wenn ich dem tiefsten Bedauern darüber und der Hoffnung auf eine baldige Wieder- herstellung des so hochgeschätzten Forschers Ausdruck verleihe. Ein Referat wird daher auf unsrer diesjährigen Versammlung nicht erstattet werden. Möge ihr Ertrag an wissenschaftlichen Darbietungen | andrer Art reich sein. Hierauf begrüßte der Rektor der Universität Tübingen, Herr Prof. Harrine, die Versammlung. Der Oberbiirgermeister, Herr Hausser, hatte, durch Abwesenheit an der Teilnahme verhindert, ein Begrüßungsschreiben geschickt. Herr Prof. Bhocumann begrüßt die Versammlung und geht dann auf die Entwicklung des zoologischen Instituts in Tübingen ein. | 9 Nach verschiedenen Anfängen, die in den Beginn des 19. Jahr- hunderts fallen, wurde durch Rapp eine für die damalige Zeit gute und in sich geschlossene Sammlung geschaffen und in dem alten Universitätsgebäude untergebracht, das 1845 durch Erbauung eines neuen Kollegienhauses frei geworden war. Von einem Institut in modernem Sinne konnte aber keine Rede sein, denn außer Sammlung und Hörsaal war nur ein Arbeitszimmer für den Vorstand vorhanden. So blieb es im wesentlichen auch unter Leypie. Dessen Nach- folger Ermer hat das große Verdienst, daß er sofort nach Uber- nahme des Lehrstuhls energisch an die Herstellung eines Arbeits- instituts ging. Das ließ sich in dem alten Gebäude nur in sehr unvollkommener Weise erreichen. Die Räume waren eng und in vieler Beziehung mangelhaft. So bemühte sich Ermer längere Zeit um einen Neubau. Es ent- standen verschiedene Schwierigkeiten, und Eimer sollte das Ziel nicht mehr erreichen. Er starb im Frühjahr 1898, und erst 1899 wurde der Neubau von der Kammer bewilligt. Im Frühjahr 1900 begann der Bau, der in den Herbstferien 1902 bezogen wurde. Der Vortragende geht dann kurz auf die Grundsätze ein, von denen er sich bei der Herstellung der Pläne, bei der Einrichtung des Instituts und bei der Aufstellung der Sammlungen leiten ließ. Zum Schluß wird einiges über die Männer mitgeteilt, die hier wirkten: KiELMEYER, Rapp, Luypic, Ermer. Auf den Antrag des Redners beschließt die Versammlung an Herrn Geheimrat Lrypic folgendes Telegramm abzusenden: Die Deutsche Zoologische Gesellschaft sendet Ihrem Altmeister und Ehrenmitgliede von der Stätte seines früheren Wirkens — Tübingen — die besten Grüße. Hierauf folgte der Geschäftsbericht des Schriftführers. Vom 2. bis 4. Juni 1903 wurde unter dem Vorsitz des Herrn Prof. Caun und unter Beteiligung von 50 Mitgliedern und 34 Gästen | die 13. Jahresversammlung im Zoologischen Institut zu Würzburg abgehalten, woran sich ein Ausflug nach Rothenburg o. d. T. an- schloß, verbunden mit einem Besuch bei dem dort wohnenden zur- zeit einzigen Ehrenmitglied der D. Z. G., Herrn Geheimrat Prof. _ Dr. v. Leypic. Der Bericht über die Verhandlungen in der Stärke von 176 Seiten mit 4 Tafeln und 37 Textfiguren gelangte in der wg ‚gewöhnlichen Weise zur Versendung an die Mitglieder. Wegen der 10 erst Ende September erfolgten Ausgabe der Verhandlungen soll hier bemerkt werden, dal ebenso wie im vorhergehenden Jahr alles zur Ausgabe Ende Juli bzw. Anfang August vorbereitet und mit der Verlagsbuchhandlung verabredet war, daß jedoch die verspätete Ein- lieferung einer Anzahl von Manuskripten, sowie die lange Hinzögerung der Korrekturen von seiten einiger der Herren Verfasser die Ver- öffentlichung so lange hinausschob. Da das rechtzeitige Erscheinen im Interesse aller Beteiligten liegt, so erlaube ich mir auch jetzt wieder an die Herren Vortragenden die dringende Bitte um die vor- schriftsmäßige Einlieferung der Manuskripte und rasche Erledigung der Korrekturen zu richten. Wenn diese rechtzeitig erfolgt, so glaube ich das Erscheinen der Verhandlungen bis spätestens Anfang August ermöglichen zu können. Die Zahl der Mitglieder betrug bei der Ausgabe der Verhand- lungen 243 und infolge des Austritts und Todes einiger Mitglieder am 1. April 1904: 239 gegen 231 Mitglieder am 1. April 1903. Bis heute ist sie durch den Eintritt von 3 Mitgliedern wieder auf 242 gestiegen. Eingetreten sind im Laufe des Jahres 12 Mitglieder, aus- getreten 3. Zwei Mitglieder hat die Gesellschaft durch den Tod verloren. Am 27. Juli 1905 starb auf der Reise von Amsterdam nach Bergen (in der Nähe von Alkmaar) Curistran Kart Horrmann. Geboren am 16. Juli 1841 in Heemstede bei Haarlem widmete er sich zunächst dem Studium der Medizin und wurde auf Grund einer Arbeit über die Nasenschleimhaut und den Riechnerv im Jahre 1866 in Utrecht zum Dr. med. promoviert; 1871 erwarb er in Göttingen die philosophische Doktorwürde mit der Dissertation über den Bau der Echiniden. Nachdem sich ©. K. Horrmann an der Irrenheil- anstalt Meerenberg eine Zeitlang mit Psychiatrie beschäftigt hatte, wurde er Prosektor an der Anatomie und später Konservator am Naturhistorischen Museum zu Leiden. Im Jahre 1875 wurde er zum | Professor der Zoologie, vergleichenden Anatomie und Embryologie an | der Universität Leiden ernannt. Horrmann hat sich besonders durch | seine zahlreichen Arbeiten aus der Entwicklungsgeschichte der | Wirbeltiere, sowie durch seine Bearbeitung der Amphibien und Rep- tiien in Bronns Klassen und Ordnungen des Tierreichs bekannt gemacht. Am 17. August 1903 starb in Frankfurt a. M. Dr. Orro Franz von MÖLLENDorRFF. Geboren am 24. Dezember 1848 zu Hoyerswerda | zeigte er schon von früh an ein reges Interesse für Naturwissen- | schaften und widmete sich in Halle diesem Studium; 1870 ging er als Lehrer nach Bosnien und promovierte 1872 mit einer Dissertation | 11 iiber die bis dahin noch sehr wenig bekannte Fauna dieses Landes. Sodann widmete er sich der Konsulatskarriere und wurde bereits 1873 nach Peking gesandt; bis 1886 blieb er in China und machte sich dort ebenso wie später auf den Philippinen durch sein eifriges Sammeln besonders um die Kenntnis der Molluskenfauna dieser Länder sehr verdient. 1896 verließ MÖLLENDORFF, gezwungen durch ein körperliches Leiden, Manila und wurde als Konsul nach Kowno in Litauen versetzt; im Jahre 1901 übernahm er von der neu ge- gründeten Handelsakademie in Frankfurt die Vorlesungen über Kon- sulatswesen und Handelsgeographie, sowie am SENcKENBERGSChen Museum die Leitung der konchyologischen Sektion, an welche nach seinem Tode auch seine äußerst wertvolle und reichhaltige Konchy- liensammlung überging. Durch seine Arbeiten von dem Gebiet der Malakozoologie erwarb sich MÖLLENDoRFF bleibende Verdienste um die Systematik und Zoogeographie dieser Gruppe. Am 5. Januar 1904 erfolgte in Leipzig die Feststellung des Er- gebnisses der Neuwahl, durch welche Herr Prof. SpENGEL zum ersten Vorsitzenden, die Herren Prof. Cuun, L. v. Grarr, R. Hertwie zu dessen Stellvertretern und Prof. KorscHeLt zum Schriftführer ge- wählt wurden. Am 30. Dezember 1903 feierte Herr Geheimrat Prof. Dr. Méstus in Berlin sein 50jähriges Doktorjubiläum, wovon der Vorstand leider zu spät Kenntnis erhielt, als daß es noch möglich gewesen wäre, den Gefeierten durch eine Glückwunschadresse zu ehren. Es war daher nur eine Beglückwünschung auf telegraphischem Wege mög- lich, die der Jubilar durch ein herzliches Dankschreiben beantwortete. Zum 70. Geburtstag des Herrn Geheimrat Prof. Dr. A. WEısmanNn in Freiburg am 17. Januar überreichte der Herr Vorsitzende die im Wortlaut hier folgende Glückwunschadresse: Hochverehrter Herr Geheimrat! Die Feier Ihres 70. Geburtstages ist der Deutschen Zoologischen Gesellschaft eine willkommene Gelegenheit, mit den herzlichsten _ Gliickwiinschen und der Versicherung ihrer tiefen Verehrung auch der Freude Ausdruck zu geben, daß es Ihnen vergönnt ist, diesen Tag in voller Kraft auf der Höhe Ihrer Wirksamkeit zu begehen. Seit dem Beginn Ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit waren Sie in rastloser Arbeit bemüht, den Schatz unsrer Wissenschaft zu mehren, und es ist Ihnen auch gelungen, das Interesse für die großen Fragen der Biologie in den weitesten Kreisen zu verbreiten. Ihre Verdienste um Zoologie und Biologie im einzelnen zu wür- digen, kann hier nicht unsre Aufgabe sein. Aber wir dürfen uns 12 nicht versagen, Ihrer ausgezeichneten Untersuchungen über Insekten- entwicklung, über die Naturgeschichte der Daphnoiden und die Ent- stehung der Geschlechtsprodukte bei den Hydroiden sowie Ihrer _ weitausblickenden Studien zur Deszendenztheorie besonders dankbar zu gedenken. Sie sind durch dieselben einer der hervorragendsten Vorkämpfer der Entwicklungslehre geworden und die großen Erfolge, welche Sie durch Ihre Schriften über Vererbung und verwandte Probleme er- rangen, bedeuten eine neue Epoche in der Geschichte der biologischen Wissenschaft. Eine Fülle von Anregung ist von Ihnen ausgegangen und Sie haben damit den cytologischen Forschungen auf dem Ge- biete der Reifungs- und Befruchtungslehre neue Bahnen gewiesen. Wie als Forscher, so haben Sie auch als Lehrer segensreich ge- wirkt und eine Reihe vortrefflicher Schüler herangebildet, die im In- und Auslande dem Fortschritte unsrer Wissenschaft in Ihrem Geiste dienen. So nehmen Sie denn von uns im Namen der in unsrer Gesell- schaft vereinten deutschen Zoologen den innigsten Dank für alle Ihre so reichen und fruchtbringenden Leistungen entgegen, zugleich mit dem aufrichtigen Wunsche, es möchte Ihnen noch viele Jahre lang beschieden sein, in ungeschwächter Schaffensfreude und mit dem gleichen Erfolge wie bisher der Wissenschaft zu dienen und darın die Erfüllung Ihrer Lebensaufgabe zu finden! Der Vorstand der Deutschen Zoologischen Gesellschaft. J. W. SpEengeL. C. Cuun. NL. v. Grave. R. Hertwic. E. KorscHELT. Hierauf ging dem Vorstand das ebenfalls im Wortlaut folgende Antwortschreiben zu: | Herrn Prof. Cxuun, Leipzig. Freiburg 1. Br., 13. Febr. 1904. Hochgeehrter Herr Kollege! Als Vorstand der Deutschen Zoologischen Gesellschaft hatten Sie die Güte mir in Gemeinschaft mit den andern Vorstandsmit- gliedern Ihre guten Wünsche zu meinem 70. Geburtstag auszusprechen und zwar in einer prachtvoll ausgestatteten Adresse, welche mir Herr Kollege Srenser am 17. Januar überreichte. Wohl habe ich dem letzteren sofort meinen wärmsten Dank ausgesprochen und ihn ge- beten, denselben einstweilen den andern Herren in meinem Namen kund zu tun, aber ich möchte doch jetzt nicht länger zögern, Ihnen 13 auch persönlich herzlich zu danken für die liebenswürdige Aufmerk- _ samkeit, welche Sie mir gewidmet haben. Es hat mich dieselbe um so mehr gefreut, als ich bisher an den Versammlungen der Zoolo- gischen Gesellschaft keinen Anteil nehmen konnte, d.h. als ich bei den Versammlungen nicht persönlich zugegen sein konnte; gei- stigen Anteil an den Versammlungen habe ich natürlich immer ge- nommen, aber ich vertrage gesundheitlich schon lange größere Ver- sammlungen nicht gut. Doch kann sich das möglicherweise auch noch einmal ändern, und dann würde ich mich sehr freuen, einmal unter Ihnen erscheinen zu können. In aufrichtiger Hochachtung Ihr ergebenster Aucust WEISMANN. Am 16. Februar 1904 feierte Herr Prof. Dr. Ernst HaAEcKEL (Jena) seinen 70. Geburtstag, zu welchem ihm die folgende Glück- wunschadresse nach Rapallo übersandt wurde: Hochverehrter Herr Professor! Ein jugendlicher Jubilar, durch beispiellose Arbeit nicht gebeugt, vollenden Sie heute das siebzigste Jahr Ihres an Erfolgen über- reichen Lebens. An diesem Tage, der in allen Teilen der Erde von Ihren zahl- losen Verehrern, Freunden und Schülern gefeiert wird, kann die Deutsche Zoologische Gesellschaft nicht fehlen, und so nahen sich Ihnen deren Vertreter mit den herzlichsten Glückwünschen und dem Ausdrucke des tiefsten Dankes für alles, was Sie in begeisterter Forschungstätigkeit für die glänzende Neugestaltung unsrer Wissen- schaft während der letzten fünfzig Jahre geleistet haben. Neben den umfassenden, mit kunstgeübter Hand illustrierten Monographien über die Radiolarien, Kalkschwämme, Siphonophoren und Medusen, die allein genügen würden, die Arbeit eines Menschen- lebens als sehr erfolgreich erscheinen zu lassen, haben Sie in Ihrer klassischen »Generellen Morphologie« lichtvoll die allgemeinen Pro- Ei bleme der Tierkunde entwickelt und festgelegt und dem System der - Lebewesen einen geistigen Inhalt gegeben, indem Sie es in folge- richtigem Ausbau der Lehre Darwiys auf die Stammesgeschichte gründeten. Welch reiche Frucht Ihren genialen Konzeptionen entsproßte — es sei hier nur die auf der Lehre von der Homologie der Keim- blätter aufgebaute Gasträatheorie erwähnt —, das ist auf jedem Blatte der Geschichte jener Periode unsrer Wissenschaft verzeichnet, 14 welche von ÜHARLEs Darwin und von Ihnen ihren Stempel emp- fangen hat. Indem Sie endlich aus Ihrer wissenschaftlichen Arbeit eine groß angelegte einheitliche Weltanschauung ableiteten, sind Sie ein Lehrer und durch mutiges Bekennen sowie unermüdliches Verbreiten Ihrer Überzeugung ein Vorbild geworden nicht bloß dem deutschen Volke, sondern der ganzen freiheitlich denkenden Welt. Möchte Ihnen Geistesfrische und Arbeitsfreudigkeit noch recht lange erhalten bleiben und der Lebensabend verschönt sein durch den Rückblick auf Ihre unvergänglichen Verdienste um Wissenschaft und Menschheit, sowie durch Ihre nieversiegende Freude an den Schönheiten und »Kunstformen«, welche Natur und Leben darbieten! In Verehrung und Dankbarkeit Der Vorstand der Deutschen Zoologischen Gesellschaft. J. W. SpenceL. OC. Coun. LL. v. Grarr. R. Hertwic. E. KorscHELT. Das als Antwort auf die Adresse eingehende Dankschreiben lautete: Bordighera (Riviera povente) Parkhotel 3. 3. 1904. Hochgeehrter Herr Kollege! Die schöne Glückwunschadresse, die Sie als Vorsitzender der Deutschen Zoologischen Gesellschaft mir zu meinem siebzigsten Ge- burtstage nach Rapallo gesandt haben, hat mir unter den zahlreichen, am 16. Februar erhaltenen Zeichen der Anerkennung ganz besondere Freude bereitet. Ich bitte Sie, meinen aufrichtigen Dank dafür ent- gegenzunehmen und denselben auch den andern Mitgliedern des Vorstandes der D. Z. Gesellschaft mitzuteilen. Die verschiedenen Arbeiten, durch die ich im Laufe von fünfzig Jahren die Naturwissenschaft und die darauf gegründete Welt- anschauung zu fördern bemüht war, entsprechen in ihrer mangel- haften Ausführung vielfach nicht den hohen Zielen, die ich mir bei ihrem Beginne gesteckt hatte. Um so mehr erfreut mich die ehren- volle Anerkennung, die in Ihrer geschätzten Adresse durch so her- vorragende sachkundige Kollegen meinem Streben gezollt wird. Mit der Bitte, am nahen Schlusse meiner zoologischen Laufbahn mir auch fernerhin ein wohlwollendes Andenken zu bewahren, bleibe ich in vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebener Ernst HAEcKEL. 15 Der Rechenschaftsbericht schlieBt ab: | nahmen pen. End apo) eS QT as 7, aaa ON OTROS ‚un, > pO RRIPROE 982 »W0n > Kassenvorrat: 1290 M 50% Hierzu kommen: Ausstehende Mitgliederbeitrige . . . . . 825 » — >» In Obligationen des Deutschen Reichs an- gelegt a a eee ig: 600 > — » Also beträgt das Vermögen der Gesellschaft: 13715 50 Ich darf ersuchen, zwei Revisoren zu wählen und mir nach Prüfung des Rechenschaftsberichts Entlastung erteilen zu wollen. Zu Revisoren wurden gewählt die Herren Prof. GrugeEr (Freiburg) und Prof. Bérrerr (Frankfurt). Es folgt hierauf eine kurze Beratung über die Publikationsordnung der Gesellschaft. Die bereits vom Schriftführer an die Herren Vortragenden gerichtete Mahnung, die Manuskripte vollzählig und vor allen Dingen auch rechtzeitig einzuliefern, damit sich die Veröffentlichung der Verhandlungen nicht un- nötig verzögert, wird vom Herrn Vorsitzenden wie vom gesamten Vorstand warm unterstützt!. Vom Vorstand wird vorgeschlagen, die Zahl der Sonder- abdrucke der einzelnen Vorträge von 50 auf 100 zu er- höhen und 100 Exemplare der »Verhandlungen« an Nicht- mitglieder zu versenden. Dieser Vorschlag wird unter der Voraussetzung der Zustimmung des Herrn Verlegers von der Ver- sammlung angenommen. Zu diesem Gegenstand bringt Herr Prof. v. Grarr in Anregung, die Mitglieder möchten sich gegenseitig Separatabdrücke aus den Verhandlungen nur dann zusenden, wenn sie das spezielle Arbeitsgebiet des Empfängers betreffen und im übrigen die Separata nur Nichtmitgliedern zukommen zu lassen. 1 Es sei an dieser Stelle auf die am Schluß des Bandes vor dem Mit- gliederverzeichnis abgedruckte Publikationsordnung der Gesell- schaft hingewiesen. 16 Herr Prof. Cuun hebt hervor, wie es im Interesse der Verhand- lungen und damit der Gesellschaft höchst wünschenswert sei, daß die Herren Vortragenden ausführliche Berichte über ihre Vorträge erstatteten und nicht nur kurze Auszüge an den Schriftführer ablieferten oder dies überhaupt unterließen. Da das von Herrn Dr. F. SchAuvinn zu erstattende Referat über die geschlechtliche Fortpflanzung der Protozoen wegen Erkrankung des Referenten leider ausfallen muß, wie schon vom Herrn Vorsitzenden mitgeteilt wurde, so erhält das Wort Herr Prof. A. Braver (Marburg) zu seinem Vortrag: Über die Leuchtorgane der Knochenfische. Die Veränderungen, welche das Auge vieler Tiefseefische zeigt, besonders die Umbildung zum sogenannten Teleskopauge bei vielen Formen verschiedener Familien, werden wohl mit Recht als An- passungserscheinungen an die besonderen Lichtverhältnisse der Tiefsee gedeutet; denn als der wichtigste Unterschied im den Existenz- bedingungen, welcher diese Region vor allen andern charakterisiert, erscheint der Mangel des Sonnenlichts und sein wahrscheinlicher Er- satz durch das phosphoreszierende Licht der Organismen, und weiter sind derartige Differenzierungen des Wirbeltierauges bis jetzt nur in dieser Region gefunden worden. Da vielleicht zu erwarten war, daß das Verständnis jener Veränderungen des Auges durch genauere Kenntnis der Leuchtorgane erleichtert würde, so lag es nahe, die- selben einer erneuten eingehenden Untersuchung zu unterwerfen, zu- mal das Material der Valdivia-Expedition auch hierfür ein sehr großes und gut konserviertes ist. So dankbar nun auch eine solche Unter- suchung ist, so befriedigt sie doch nur zum Teil, denn sie kann nur die morphologischen Verhältnisse einigermaßen klarlegen, aber auf die Fragen, zu welchen die sich darbietende Mannigfaltigkeit der Organe in der Lage, im Bau, in der Anordnung und im Vorkommen geradezu drängt, welche biologische Bedeutung hat dieses oder jenes Organ, wie entsteht das Licht, welcher Art ist es, farbig oder nicht, kontinuierlich oder intermittierend, wo leben die Tiere, ausschließlich in der Tiefsee oder steigen sie, wie es für die Myctophiden bekannt ist und wie es die Fänge der Südpolexpedition auch für andre leuchtende Fische wahrscheinlich machen, nachts in die Oberflächen- schichten aufwärts, so daß das Sonnenlicht bei der Beurteilung nicht ganz auszuschließen wäre, auf diese und viele andre Fragen erhält man leider fast keine Antwort. Man freut sich schon, insoweit 17 wenigstens auf sicherem Boden zu stehen, als bei einigen Formen die Beobachtung gemacht ist, daß dieselben leuchten und daß das Licht aus bestimmten Organen stammt, und als man aus der Ahnlich- keit des Baues auch für andre Organe eine Lichtentwicklung an- nehmen kann, aber das ist auch fast alles. Wenn ich daher, nach- dem ich über Vorkommen, Lage und Bau der Leuchtorgane berichtet habe, auch noch auf ihre biologische Bedeutung etwas eingehe, so möchte ich hier schon betonen, daß es sich nur um Vermutungen handelt, die sich auf so gut wie keine Beobachtung am lebenden Tier stützen, und für mich keinen andern Wert haben, als vielleicht andre anzuregen, dieser interessanten Erscheinung ihre Aufmerksam- keit zu schenken, und für neue Untersuchungen Fragestellungen zu geben. - Das Material, welches ich bis jetzt untersucht habe, umfaßt 24 Gattungen Knochenfische, die den Familien der Ceratiiden, Onchocephaliden, Stomiatiden, Sternoptychiden, Gonosto- miden und Myctophiden angehören, nämlich Dolopichthys, Gi- gantactıs, Chaunax, Halicemetus, Stomias, Dactylostomias, Melanosto- mias, Chauliodus, Malacosteus, Idiacanthus, Astronesthes, Bathylychnus, Sternoptyx, Argyropelecus, Polyipnus, Photichthys, Maurolicus, Ichthyo- coccus, Diplophos, Triplophos, Gonostoma, Cyclothone, Myctophum und Neoscopelus. Da jede Gattung im einzelnen Verschiedenheiten auf- weist, so muß ich hier auf eine genauere Darstellung der Einzel- heiten verzichten und im wesentlichen mich darauf beschränken, eine kurze Übersicht über die Leuchtorgane zu geben und hierbei werde ich besonders diejenigen berücksichtigen, welche bisher nicht oder weniger untersucht sind. Aus demselben Grunde werde ich hier auch nicht auf die Literatur eingehen. Um die Übersicht klarer zu machen, will ich die verschiedenen Organe in Gruppen einteilen; diese Einteilung gründet sich besonders auf den Bau, zum Teil äuf ihre Lage und ihr Vorkommen bei den verschiedenen Familien. Die erste Gruppe umfaßt die »Tentakelorgane« der Ceratiiden und Onchocephaliden. Die Tentakel sind ebenso wie bei den Lophiiden, mit welchen diese Formen nahe verwandt sind, nichts andres als modifizierte Strahlen der Riickenflosse. Bei den pelagisch lebenden Ceratiiden ist in der Regel einer, selten zwei oder keiner vorhanden, er sitzt gewöhnlich auf der Stirn, bei Gegantactis aber ist er bis an die Spitze der Schnauze vorgerückt, so daß er wie ein stark verlängertes Rostrum erscheint. Der Tentakel wird beim Schwimmen rostrad gerichtet, kann aber auch caudad zurück- geschlagen werden. Bei den am Grunde lebenden Onchocephaliden Verhandl. d. Deutsch. Zool. Gesellschaft. 1904. 2 18 ist stets nur ein Tentakel vorhanden, er ist sehr kurz, bei einigen, z.B. Chaunaz, liegt er frei auf der Stirn, bei andern aber rückt er in eine über der Schnauze gelegene Höhle ein; am stärksten ist diese Höhle und der Tentakel bei Coelophrys entwickelt. Diese Tentakel tragen an ihrem Ende Tastfäden und Tastpapillen (Fig. 1 ip) und weiter ein besonderes Organ, das bei den Ceratiiden stets kugelförmig und pigmentiert ist, bei den Onchocephaliden da- gegen pinselförmig gestaltet oder mehrlappig erscheint. Wie die Untersuchung gezeigt hat, handelt es sich in beiden Fällen um Drüsen, welche aber einen verschiedenen Bau und vielleicht auch verschiedene Bedeutung haben. Bei den Ceratiiden, z.B. Gigantachs (Fig. 1) stellt das Organ einen kugligen Sack dar, dessen Wände von Drüsen- zellen (dr) ausgekleidet sind und in dessen Innern eine weite Höhle ist, die sich an der ventralen Seite zunächst in eine Vorhöhle und dann nach außen öffnet. Das Lumen der zentralen Höhle ist mit feinkörnigem Sekret dicht erfüllt, das durch Ablösen und Zerfall der Drüsenzellen frei wird. Umgeben ist der Drüsensack von einer dünnen Hülle, einem Reflektor (r) und Pigmentmantel. Blutgefäße und Nerven- fasern dringen reichlich in das Organ ein, Muskeln konnten dagegen nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden. 19 Auch das Organ der Onchocephaliden ist eine Driise, ent- weder, z. B. bei Chaunax, sind es viele einzelne Drüsenschläuche, welche getrennt ausmünden, oder es ist eine große viel gewundene oder mehrere zu einer vereinigte Drüsen, wie bei Halicmetus, mit nur einer Öffnung an der ventralen Seite. Reflektor, Pigmentmantel, Zerfall von Zellen und Ersatz derselben fehlen hier. Im Gegensatz zu diesen Tentakelorganen sind die Organe, welche die zweite Gruppe bilden, geschlossene Drüsenmassen. Sie finden sich besonders auf der Barbel bei den Stomiatiden, können aber auch an andern Stellen liegen, z. B. bei Idiacanthus an der Wurzel der Schwanzflosse und auf dieser selbst, dann bei Dactylostomias an der Basis der Bauchflosse und suborbital und bei Dathylychnus als eine große oblonge Masse auf dem Kiemendeckel. Es sind sehr ver- schieden gestaltete und verschieden große Massen, deren Drüsenzellen zylinderförmig sind. In der Barbel liegt am Ende gewöhnlich eine größere längliche Masse, sie erstreckt sich aber auch noch z. B. bei Stonnas weit in den Barbelstiel hinein, und kleinere isolierte Haufen finden sich auch in den Endfäden der Barbel. Die Drüsenzellen, welche oft außerordentlich schmal und hoch sind, bilden häufig eine regelmäßige Wandschicht, oder gewundene Stränge; nirgends aber ist ein Lumen vorhanden, sondern auch dort, wo ein zentraler drüsen- freier Raum sich findet, ist er von Bindegewebe und Blutgefäßen ausgefüllt, auch Nervenfasern dringen sehr zahlreich ein. Ein Re- flektor fehlt außer der opercularen Masse von Bathylychnus, ebenso fehlt eine besondere Pigmenthülle, nur in der Barbel liegt dem Or- gan auf der dorsalen Seite eine stärkere Pigmentanhäufung an. Vielleicht gehört in diese Gruppe auch ein Organ von Chauliodus. Während die meisten Stomiatiden eine lange Barbel besitzen, ist sie bei Chauliodus ganz rudimentär; dagegen hat hier offenbar die Funktion der Barbel übernommen der erste Strahl der Rückenflosse, welcher von den übrigen isoliert, außerordentlich verlängert ist und über den Kopf rostrad geschlagen und wieder zurückbewegt werden kann. Der größte Teil ist steif, das Ende aber fadenartig, und nahe dem Ende sitzt nun ein kleines pigmentiertes Organ, welches sehr wahrscheinlich ein Leuchtorgan ist; ich konnte es leider nicht unter- suchen, da es nur an einem Exemplar des Zoologischen Instituts in Breslau erhalten war. In eine dritte Gruppe reihe ich Organe ein, welche ventral, meist etwas caudad vom Auge gelegen sind. Sie finden sich bei den Stomia- tiden, häufig ist nur ein Organ, bei Malacosteus und Dactylostomias sind zwei vorhanden. Ihr Reflektor glänzt im Leben violett, rot oder grün. Außer dem großen, dem Auge anliegenden Organ von 2% 20 Malacosteus zeigen alle denselben Bau. Es sind (Fig. 2, Astronesthes und Fig. 3, Chauliodus) kuglige oder ellipsoidische grofe Driisen- pe) Vi {7 N y . wahrscheinlich abgesondert wird. Die Wände sind von einem sehr dichten Netz von Blutgefäßen umschlossen. Interessant ist, daß bei 26 Gonostoma elongatum die gewöhnlichen flaschenformigen, aber nur die an der Seite des Rumpfes, auf dem Kiemendeckel und am Kinn gelegenen Organe mit diesen sackförmigen in eine enge Beziehung treten und zwar derart, daß der Ausführungsgang des flaschen- formigen Organs kurz vor seiner Ausmündung einen Zweig in ein sackförmiges sendet oder in dasselbe an dem einen Ende einmündet und am andern wieder austritt. Während alle bisher genannten Organe in der Cutis liegen, finden sich bei den Stomiatiden noch kleine Organe in großer Zahl in der Epidermis, besonders am Bauch, am Rücken und auf allen Flossen, aber auch noch an vielen andern Stellen. Es sind kleine, kuglige Körper oder platte Scheiben, sie sind von einer Hülle umschlossen, haben aber kein Pigment und keinen Reflektor. Sie bestehen aus mehreren meist schwer abgrenzbaren Zellen, welche mit groben, stark lichtbrechenden Sekretkörnern, die zu Schnüren aufgereiht erscheinen, dicht erfüllt sind. Wenn wir das bisher Mitgeteilte übersehen, so ergibt sich als ein Hauptresultat, daß bei allen Organen ein Element stets wiederkehrt, nämlich Drüsenzellen, welche mit Sekretkörnern dicht erfüllt sind, und es kann deshalb, wie auch von den neueren Forschern allgemein angenommen wird, kein Zweifel sein, daß diese Drüsenzellen das Licht produzieren, sie als die Leuchtzellen zu beurteilen sind, während alle übrigen Teile als akzessorische bewertet werden müssen. Für den Pigmentmantel und den Reflektor liegt die Bedeutung klar, und auch für die andern Teile des Innenkörpers dürfte die Ansicht, daß es sich um lichtbrechende Körper, Linsen, handelt, kaum einem Widerspruch begegnen, denn die fast überall wiederkehrende An- ordnung der Zellen in der Richtung des Lichtes, weiter die Ein- lagerung von lichtbrechenden Körpern in die peripheren Zellen bei Malacosteus und die Gestalt und Beschaffenheit der lateralen und zentralen Körper, die den Vergleich mit einer Linse geradezu heraus- fordern, lassen kaum eine andre Deutung zu. Ferner ergibt sich, daß in den meisten Fällen es sich um ge- schlossene Drüsen handelt, und daß daher der Leuchtvorgang intra- cellulär verläuft, vielleicht mit Ausnahme der Tentakelorgane der Ceratiiden und Onchocephaliden, und hier gebunden ist an eine bestimmte Substanz, welche in den Sekretkörnern enthalten ist. Bei den Gonostomiden münden die Drüsen in das Wasser aus, und es wäre deshalb möglich, daß hier die Lichterscheinung erst auftritt, wenn das Sekret mit dem Wasser in Berührung kommt, wie z. B. bei Crustaceen, wahrscheinlich ist es aber deshalb nicht, weil Reflektor, Pigmentmantel und Gallertschicht, die hier auch vorhanden sind, nicht 27 verständlich wären, besonders wenn, wie bei dem sogleich zu erwäh- nenden Neoscopelus, der Ausführungsgang an einer Stelle mündet, für welche diese Teile völlig wirkungslos sind. Ob Blutgefäße für das Leuchten eine große Bedeutung haben, diese Frage würde man nach den Befunden für manche Organe sicher bejahen, wenn nicht bei andern dieselben völlig fehlten und daraus mindestens zu schließen ist, daß sie nicht unbedingt notwendig sind. Ebenso ist die Frage, ob die Lichterzeugung dem Willen des Tieres unterworfen ist, nicht sicher zu entscheiden. Es erscheint mir zweifel- haft, weil die wenigen Nervenfasern, welche eindringen, Aste vorbei- ziehender Hautnerven sind und zu unregelmäßig eintreten, um als spezifische Leuchtnerven betrachtet werden zu können, und weil in den Fällen, in welchen das Licht willkürlich wirkungslos gemacht werden kann, dieses durch Drehung des ganzen Organs geschieht, offenbar aber nicht durch Unterbrechung der Lichterzeugung. Gegen die Auffassung, daß alle Leuchtorgane der Fische Drüsen sind, scheinen nach den bisherigen Untersuchungen die Organe der Myctophiden zu sprechen. Mögen die Organe am Kopf oder Rumpf, präcaudal oder am Auge liegen, und mögen sie schüssel-, platten- förmig oder sonstwie gestaltet sein, alle stimmen prinzipiell in bezug auf den Bau des Leuchtkörpers überein. Er erscheint auf den meisten Präparaten aus platten, dünnen, voneinander zum Teil isolierten La- mellen zusammengesetzt, welche so wenig Drüsenzellen gleichen, daß eine derartige Deutung bisher abgewiesen ist, und man die Frage ihres Wertes offen gelassen oder sich für die Auffassung, daß es sich um elektrische oder pseudoelektrische Organe handelt, entschieden hat. Und doch möchte ich auch hier für die drüsige Natur dieser Leuchtkörper eintreten. Eine Untersuchung der Organe vieler Arten ließ nämlich erkennen, daß die eigentümliche Struktur zum Teil der Konservierung zuzuschreiben ist. In Wirklichkeit scheint der Leucht- körper auch hier aus allerdings sehr platten, schmalen, mit Sekret- | körnern gefüllten Drüsenzellen zu bestehen, welche in Lamellen ge- lagert sind. Besonders bestärkt wurde ich in dieser Ansicht, als ich bei Neoscopelus fand, daß hier die Zellen des Leuchtkörpers die gleiche Struktur zeigten, aber um eine Höhle angeordnet waren, aus welcher ein Kanal nach der Oberfläche führte, der außerhalb des Organs ausmiindete. Auch die Myetophiden dürften mithin keine besondere Stellung hinsichtlich des Baues der Leuchtorgane unter den Fischen einnehmen, auch hier dürfte es sich um geschlossene oder offene Drüsen handeln. Eine getrennte Besprechung verlangen aber noch einige Organe, zwar nicht, weil ihr Aufbau einen besonderen Unterschied zeigt, 28 sondern weil die Richtung des Lichtes eine ganz andre ist. Während bei allen bisher erwähnten Organen das Licht nach außen, vom Körper fortgeworfen wird, meist laterad ventrad, bei einigen aber auch dorsad, rostrad oder caudad, nimmt bei einigen das Licht einen andern Weg. Bei manchen Stomiatiden ist das dorsale auf dem Kiemendeckel gelegene Organ lateral ganz durch Pigment abgesperrt, äußerlich nicht einmal erkennbar, dagegen nach der Kiemenhöhle hin geöffnet. Bei Formen derselben Gruppe sind weiter einige schalen- förmige Organe der Außenwand der Sclera angelagert (Fig. 14 o), sie haben keine Beziehung mehr zur Oberfläche und senden ihr Licht in das Innere des Kopfes. Ihre Entstehung kann ich mir nur so er- klären, daß die Hautfalte (Fig. 14 f), welche das Auge umgibt, be- sonders an dem ventralen Rande tief einschneidet, bei jungen Tieren eine noch größere Ausdehnung gehabt hat, oder daß das Auge wenn auch kurz gestielt gewesen ist und an der Wand des Stieles diese Organe sich gebildet haben. Ein allgemeineres Interesse verdienen aber noch Organe, die als orbitale bezeichnet werden mögen, weil sie zum Auge in einer engen eigentümlichen Beziehung stehen. Sie sind zwar auch schon früher von einigen Forschern gesehen, so bei Argyropelecus, Cyclothone, Maurolicus, Ichthyococeus, Chauliodus, da hier ihr Pigmentmantel sie in der wenig pigmentierten Haut leicht sichtbar macht, aber das Charakteristische dieser Organe, das in der Richtung ihres Lichtes liegt, ist von keinem außer von BRANDES bei Argyropelecus bisher erkannt worden. Sie sind aber viel weiter verbreitet, ich konnte sie bei allen Gattungen, welche Leuchtorgane am Rumpf besitzen, nachweisen, nur den Myctophiden fehlen sie. Allerdings fallen sie bei äußerer Betrachtung kaum auf, da sie durch die Pig- mentierung der Haut fast ganz verdeckt sind. In den meisten Fällen läßt nur eine schwache wulstförmige Erhebung hier etwas Besonderes vermuten, und wenn man erst orientiert ist, bemerkt man auch eine oder zwei kleine unpigmentierte, fensterartige Stellen in der Haut, von denen die eine am Augenrande gelegen und stets vorhanden ist, die andre dagegen dem Kieferrande zugewandt ist. Die Lage dieser orbitalen Organe wechselt: bei Argyropelecus und Polyipnus am nasalen Rande, bei dem nahe verwandten Sternoptyx dagegen am hinteren Augenrande, bei den übrigen am ventralen, hier aber an sehr verschiedenen Stellen. Bei Argyropelecus, Sternoptyz, Polyipnus, Cyclothone, Gonostoma und Dactylostomvas ist nur ein or- bitales Organ vorhanden (Fig. 12, Cyclothone). Eine Untersuchung zeigt in bezug auf den Bau gegenüber den gleichen Organen an andern Stellen des Körpers wenig Abweichendes, aber, was ganz neu 29 ist, ist, daß das Organ sein Licht nur gegen das Auge, in die vordere Augenkammer sendet, nach allen andern Sei- ten dagegen durch Pig- ment abgesperrt ist; bei einigen (Fig. 12 Ip) finden wir sogar, daß laterad die Absperrung noch durch eine be- sondere Pigmentschicht der Haut verstärkt ist. Bei den übrigen Gat- tungen trifft man ein komplizierteres Bild. Entfernt man _ hier durch Sagittalschnitte Fig. 12. Oyclothone. die laterale Pigment- decke der Haut, so sieht man bei den meisten zwei Organe, welche zu einem Doppelorgan ver- einigt sind (Fig. 13, Idiacan- BE nn thus). Sie sind von einem a RE EC rn ate tae gemeinsamen Pigmentmantel umschlossen und liegen unter einem rechten oder stumpfen Winkel zueinander oder auch nebeneinander, doch stets derart, daß die Leuchtkörper aneinander grenzen und das eine Organ sein Licht nur gegen das Auge, das andre durch ein ventral gelegenes Fenster nach außen, rostrad, ventrad oder caudad sendet (Fig. 15, Sagittalschnitt, Fig. 14, Chauliodus, Quer- schnitt). Bei Tröplophos sind die Leuchtkörper zu einem verschmolzen. Da fast durch- weg das dorsale Organ größer ist als das ventrale, Fig. 13. Idiacanthus. so dürfte diesem auch die größere Bedeutung zukommen, zumal das ventrale das gegen u ~ ZI m — IN | u tl 30 das Auge gesandte Licht des dorsalen auch noch verstärken hilft. Das Organ von Cyclothone (Fig. 12) bietet dadurch noch besonderes Interesse, daß hier die innere Höhle in derselben Weise exzentrisch gelegen ist, wie bei den übrigen Organen des Körpers, und daraus geht hervor, daß das Licht ursprünglich auch nach außen geworfen ist, daß die Öffnung des Organs gegen das Auge und die Absperrung auf der ventralen Seite erst sekundär sich ausgebildet haben. N Wer — = S ) AN / Km oun en iii SWE HO. De’ Fig. 14. Chauliodus. Chauliodus und Stomias zeigen insofern noch eine höhere Stufe der Ausbildung, als hier nicht nur das Doppelorgan vorhanden ist, sondern außerdem bei ersterer Gattung noch 2, bei letzterer sogar 4 (Fig. 15) kleinere schalenförmige, welche ebenfalls zu einer Gruppe enger vereinigt sind und deren Licht auch die gleiche Richtung nimmt. ı Die Fig. 15 zeigt nur 2 Organe; die beiden andern liegen caudad von diesen. | Dieser Übersicht über die Morphologie der Leuchtorgane, welche | nur das Wichtigste berücksichtigen konnte, möchte ich noch einige Vermutungen anschließen, welche sich mir bei der Untersuchung der ol Organe in bezug auf ihre biologische Bedeutung gebildet haben. Wenn auch alle Leuchtorgane morphologisch als Drüsen zu be- zeichnen sind, so geht doch wohl aus der Mannigfaltigkeit, welche in bezug auf den Bau, die Lage derselben und die Richtung des Lichtes herrscht, ohne Frage hervor, daß dieser Mannigfaltigkeit auch eine solche der Leistungen entsprechen wird. Bisher war wohl allgemein die Ansicht herrschend, daß das Licht zum Anlocken und Erkennen der Beutetiere, sowie zum Abschrecken von Feinden diene. Für die Organe, welche sich an den Tentakeln der Ceratiiden, an den Barbeln der Stomiatiden und besonders am ersten Strahl der Rückenflosse von Chauliodus, also hauptsäch- lich an beweglichen Anhängen des Körpers finden, dürfte wohl diese Ansicht zutreffen. Auch für die suborbitalen Organe der Stomia- tiden und die präorbitalen der Myctophiden, welche ihr Licht nach außen werfen, dürfte die Deutung, daß sie die Umgebung des | Auges erleuchten, zum Teil wie Scheinwerfer willkürlich verwandt werden, kaum auf Widerspruch stoßen. Aber außer diesen Organen kommen nun noch alle diejenigen in Betracht, welche die größte Zahl bilden, oft in Hunderten, ja Tausenden vorhanden sind und besonders über den Rumpf verteilt sind. Sie senden fast durchweg 32 ihr Licht laterad und ventrad — zum Teil auch caudad und dorsad. Daß auch diese eine ähnliche Funktion haben, erscheint mir deshalb nicht annehmbar, weil die Beutetiere nach Teilen des Körpers ge- lockt wurden, welche nicht in das Gesichtsfeld des Tieres fallen. Beim Studium dieser Organe hat sich mir mehr und mehr die An- sicht gebildet, daß diese nicht einfach Licht aussenden, sondern viel- mehr farbiges Licht und entsprechend dem verschiedenen Bau ver- schiedenfarbiges Licht, daß mithin diese Organe in ihrer Gesamtheit eine Zeichnung des Tieres darstellen, Farbenmuster bilden ähnlich denjenigen, welche bei den im Bereiche des Sonnenlichtes lebenden Tieren durch Pigmente gebildet werden. Die Tiefseefische, besonders die meisten pelagischen, würden also nicht, wie es gewöhnlich heißt, schwarz, sondern vielmehr lebhaft gefärbt sein, und die schwarze Haut würde nur einen, allerdings vorzüglichen Untergrund abgeben, von dem die Farben sich günstig abheben. Die biologische Be- deutung würde in erster Linie in einem Erkennen der Artgenossen und im Aufsuchen der Geschlechter liegen. Die Gründe, welche mich hierbei leiten, sind hauptsächlich folgende: einmal die schon erwähnte Lage der Organe und die Richtung des Lichtes, weiter die Zahl und die Anordnung der Organe, welche trotz der Kompliziert- heit für jede Art gesetzmäßig und systematisch außerordentlich wichtig ist. Wenn man die Gattungen miteinander vergleicht, so ergibt sich zwar, daß in der Anordnung der Organe bestimmte Rich- tungen wiederkehren, indem z. B. die größten Organe am Rumpf jeder- seits zwei Längsreihen bilden, die mittelgroßen in bestimmten Gruppen zu ihren Seiten und zwischen ihnen liegen, u. a., aber im einzelnen sind doch so viele Unterschiede vorhanden, die durch die Länge und den Verlauf der Reihen und die Art der Gruppierung bedingt sind, daß das Gesamtbild als ein ganz verschiedenes erscheint. Und wie die Gattungen, so lassen auch die Arten sich auf Grund ihrer Zeich- nung sondern, z. B. von den etwa 40 Arten der Gattung Myctophum sind nicht zwei in der Anordnung ihrer Leuchtorgane trotz der ver- hältnismäßig wenig wechselnden Zahl derselben völlig identisch, jede Anordnungsweise ist aber auch hier so charakteristisch und wenig variabel, daß man sie zur Unterscheidung der Arten ausgezeichnet benutzen kann. Wenn man nun ferner in Betracht zieht, daß der Bau der Organe außerordentlich wechselt und daß besonders bei den Stomiatiden dieselben selbst bei einer und derselben Gattung hinsichtlich ihres Aufbaues, des Drüsenkörpers, der Linsen und des Reflektors ganz verschiedene Verhältnisse darbieten, so dürfte die geäußerte Auffassung nicht so fremdartig erscheinen. Sie erhält eine weitere Verstärkung durch die Tatsache, daß die präcaudal bei 33 vielen Myctophiden liegenden Leuchtplatten sekundäre Geschlechts- charaktere sind; bei den männlichen Tieren finden sie sich dorsal, bei den weiblichen ventral, und sie entwickeln sich erst mit der Differen- zierung der Geschlechtsorgane, während die übrigen Leuchtorgane viel früher auftreten. Vielleicht mag auch die Tatsache, dal, soweit bis jetzt bekannt ist, Leuchtorgane am Rumpf nur pelagischen Fischen der Tiefsee zukommen, dagegen keinem einzigen Grundfisch, dadurch sich er- klären lassen, daß erstere mehr vereinzelt leben und über größere Strecken sich verbreiten, und daher für sie besondere Erkennungs- merkmale günstig sind, letztere hingegen weniger beweglich und meist zu Scharen vereinigt sind. Und weiter wäre es vielleicht möglich, vom Boden der geäußerten Anschauung aus ein Verständnis zu gewinnen für die Bedeutung der eigentümlichen orbitalen Organe. Daß dieselben physiologisch wichtig sein müssen, geht ohne Frage aus der großen Verbreitung und aus den bei allen prinzipiell gleichen Beziehungen zum Auge hervor. Aber welche Bedeutung haben sie? Die Annahme, es möchte durch die Organe Licht in das Auge geworfen werden und dadurch das Sehen in irgend einer Weise verbessert werden, ist wenig wahr- scheinlich, da nach unsern jetzigen Kenntnissen, soweit ich unter- richtet bin, durch Nebenbelichtung das Bild nur unscharf, diffus wird, das Sehen also verschlechtert wird. Daß dieses nicht der Fall sein kann, lehrt die Tatsache, daß das Vorkommen von orbitalen ‘ Organen ganz unabhängig ist von der Höhe der Differenzierung des Auges, indem sie sich sowohl bei Fischen mit Teleskopaugen, z. B. Argyropelecus, finden, wie auch bei solchen, welche keine höhere Aus- bildung des Auges zeigen. Ich kann deshalb auch nicht einer An- sicht, die Pürter! in bezug auf die Bedeutung dieser Organe be- reits geäußert hat, beipflichten; er meint, daß die infolge des geringen Lichtes in der Tiefsee lichtschwachen Bilder von der Retina nicht rezipiert werden könnten, wenn nicht noch eine Verstärkung derselben eintrete, und daß dieses durch das schwache Licht, welches von den orbitalen Organen in das Auge geworfen würde, erfolge. Gegen diese Ansicht spricht weiter noch die Tatsache, daß orbitale Organe ‚ allen Grundfischen und vielen pelagischen fehlen, darunter besonders den meisten Fischen mit Teleskopaugen, und solchen mit einer Fovea | lateralis, denn daraus geht hervor, daß das Licht in der Tiefsee groß genug sein muß, um auch ohne eine Nebenbelichtung genügend lichtstarke Bilder entstehen zu lassen. Weiter scheint mir auch der 1 Zoolog. Jahrb. Abt. Anat. V. 17, 1903. Verhandl. d. Deutsch. Zool. Gesellschaft. 1904. 3 o4 Befund dagegen zu sprechen, daß bei Cyclothone obscura fast alle Leuchtorgane rückgebildet sind, aber nicht nur die des Rumpfes, sondern auch das orbitale Organ, welches bei dieser Art ebenso stark entwickelt gewesen sein dürfte wie bei den andern; es müßten diese Fische nichts mehr sehen können, dagegen spricht aber der Bau des Auges. Bei der Beurteilung dieser orbitalen Organe scheinen mir besonders zwei Tatsachen berücksichtigt werden zu müssen, einmal die, daß diese Organe sich nur finden bei Fischen, welche Leucht- organe am Rumpfe besitzen, hier aber bei allen außer den Mycto- phiden, und dann die, daß sie stets nach dem Typus der Rumpf- organe und zwar vorwiegend der größten Art gebaut sind, obwohl diese am Kopf sich sonst spärlich finden und besonders in der nächsten Umgebung des Auges Organe andrer Art reichlich vor- handen sind, die auch Licht in das Auge hätten werfen können, wenn nur diese Leistung zu erfüllen wäre. Aus diesen Tatsachen scheint mir hervorzugehen, daß die Bedeutung der orbitalen Organe in engster Beziehung stehen mul zu derjenigen der Rumpforgane. Wenn diese nun farbiges Licht aussenden sollten, so würde durch die orbitalen Organe auch farbiges Licht die vordere Augenkammer durch- dringen, und es wäre vielleicht möglich, daß dadurch das Auge fähig wäre, die Farben sei es der Fische derselben Art oder andrer Arten schärfer zu unterscheiden; eine Rückbildung der Farben würde auch eine solche der orbitalen Organe verständlich machen. Natürlich handelt es sich nur um eine Vermutung, denn bis jetzt ist noch nichts Ähnliches, welches besseren Anhalt zur Beurteilung bieten | könnte, bei irgend einem andern Tier gefunden worden, es scheint sich hier um eine besondere Leistung des Auges der Tiefseefische, — die eine weitere Anpassungserscheinung an die Lichtverhältnisse dieser Region darstellt, zu handeln. Beobachtungen und Experi- mente an lebenden leuchtenden Fischen können allein Auflärung | darüber bringen, ob die geäußerten Vermutungen begründet sind | oder ob die Bedeutung der orbitalen und der Leuchtorgane überhaupt in ganz andrer Richtung zu suchen ist; vielleicht mag sich dann | auch ergeben, weshalb bei den Myctophiden allein unter den | Fischen, welche Organe am Rumpfe besitzen, die orbitalen Organe © fehlen, ob dieses in einer andern Verbreitung oder in andrer Lebens- weise oder in andern Ursachen begründet ist. | Diskussion: Herr Prof. H. E. ZıesLer fragt an, ob die Leuchtorgane etwas — mit den Organen der Seitenlinie zu tun haben. Der Vortragende verneint diese Frage. 30 Herr Prof. F. E. Scuuntze fragt an, ob die in der Epidermis liegenden Leuchtorgane den bekannten Becherzellen gleichen, und wie sich die Geschmacksknospen bei den Leuchtfischen verhalten. Herr Prof. Braver erwidert hierauf, daß die kleinen in der Epi- dermis liegenden Organe von den Becherzellen sowohl durch ihren Aufbau aus mehreren Zellen, die von einer gemeinsamen Kapsel um- geben sind, wie auch durch die Struktur der Zellen verschieden sind, | daß sie aber vielleicht auf Becherzellen phylogenetisch zurückzuführen sind. Die Geschmacksknospen sind, soweit die meist stark verletzte Epidermis erkennen läßt, vorhanden. Herr Prof. Herrwia macht auf die Schwierigkeit aufmerksam, welche darin gegeben ist, daß Bindegewebe, Nerven und Blutgefäße in das Innere der als Drüsenlumina gedeuteten Hohlräume der Leucht- organe geraten. Herr Prof. Brauer entgegnet, daß da nach den allerdings wenigen, bisher vorliegenden Untersuchungen die Leuchtorgane sich aus dem Ecetoderm wie Drüsen entwickeln und einige Organe den typischen Bau von Drüsen aufweisen, besonders auch ein zentrales Lumen und einen Ausführungsgang besitzen, die Deutung der Organe als Drüsen nicht abzuweisen sei; da die geschlossenen Organe aber im Prinzip denselben Bau zeigen wie die offenen, so können auch sie nur als Drüsen aufgefaßt werden, und die Rückbildung des zentralen Lumens und Ausführungsganges sowie das Einwuchern von Bindegewebe, Nerven und Blutgefäßen ist als sekundär zu beurteilen. Herr Prof. Stwroru weist auf die Parallele hin zwischen der leb- haften Färbung der pelagischen Fische und der Gazellen, wenn auch die erstere in Leuchtorganen, die letztere in greller Zeichnung, Hörner- form u. dgl. sich kundgibt. Es handelt sich in dem einen Falle um die systematisch höchststehenden Charakterformen der Wasser-, im andern um die entsprechenden Bewohner der Landwüsten. Beide brauchen grelle Erkennungsmale für ihre gegenseitigen Beziehungen. Den Beschluß der ersten Sitzung macht die Demonstration des _ neuen Projektionsapparates durch Herrn Prof. Brochmann, sodann ‚ werden die Räume und Einrichtungen des neuen Instituts unter Führung des Herrn Prof. BLocumann besichtigt. 3* 36 Zweite Sitzung. Dienstag den 24. Mai Nachmittag 3—5 Uhr. Vortrag des Herrn Prof. C. B. Kiunzinerr (Stuttgart): Über die Samenträger der Tritonen und ihre Beziehungen zum Kloakenwulst nach E. ZELLERSs hinterlassenen Schriften. Geschichte: Schon 1785 hatte SpaLanzanı nachgewiesen, dab bei den Tritonen eine innere Befruchtung stattfinde, aber ohne Be- gattung, indem das Männchen seinen Samen in der Nähe des Weib- chens abgebe, wobei er weiter annahm, daß der Samen sich mit Wasser mische und dann ins Innere des Weibchens gelange. Dennoch glaubte SıesoLp, als er 1858 das Receptaculum seminis gefunden hatte, eine wirkliche Begattung annehmen zu müssen. 1881 erkannte Gasco als erster das Absetzen von eigentümlichen Spermatophoren, welche das Weibchen in aktiver Weise in seine Kloake aufnehme: eine Beobachtung, die aber vermöge der Autorität SırsouLps nicht beachtet wurde. Aber E. ZerzLer 1890 konnte diese Beobachtung (sascos bestätigen, er beschrieb in der Zeitschr. f. wissensch. Zoologie diese Spermatophoren und bildete sie ab. Seitdem setzte dieser vor- treffliche Zoologe (und Psychiatriker) seine Forschungen hierüber fort, und das Resultat war ein umfangreiches Manuskript mit vielen Zeich- — nungen, die freilich ohne alle nähere Bezeichnung waren, | während der Text druckfertig war. Dieses Werk war der Verdffent- — lichung nahe, als er am 18. September 1902 plötzlich an emem | Schlagfluß starb. In meinem Nachruf 1903 habe ich versprochen, daß diese Arbeit der wissenschaftlichen Welt nicht vorenthalten werden solle. Trotz großer Schwierigkeiten, die das Verständnis der | auch künstlerisch vielfach unvollkommenen Zeichnungen und deren Übereinstimmung mit dem Text verursachte, unternahm ich, als ich | in Herrn D. Jacos, Psychiatriker in Bendorf a. Rh. einen mit der © Sache vertrauten Mitarbeiter fand, und die wichtige Abhandlung mich — selbst mehr und mehr interessierte, die Aufgabe der Herausgabe dieser nachgelassenen Schrift, welche in Bälde in einer wissen- © schaftlichen Zeitschrift erscheinen soll. Zahlreiche von ZELLER hinterlassene anatomische Präparate waren hierzu von wesentlichem Nutzen. So kann ich jetzt den Kollegen und Teilnehmern unsrer heutigen Versammlung die Hauptresultate der wichtigen Forschungen ' ew es EN et | | | N |. “| des Kelches verbindende Brücke, die sogenannte »Spange« (Sp), ge- u - | 7 7 _ | Kreide. 37 E. Zeiters, die zum Teil ganz Neues bieten, in Wort und Bild! kurz vorführen. Die Samenträger: Es sind das gallertige, außerordentlich durchsichtige Gebilde, welche ZerLer schon 1890 beschrieben und abgebildet hat, aber jetzt wesentlich verbessert und mit Darstellung der Einzelheiten wiedergibt. Sie bilden einen hohlen Becher oder Kelch (nicht sowohl eine Glocke, wie es früher hieß) mit einem breiten Fuß, der am Boden festgeklebt wird; eigentümlich ist die schräge Stellung des Kelches, das nach rückwärts Überhängen des Kelches gegen den Fuß. Die Wandungen des Kelches zeigen stets einige bestimmte Ausschnitte, welche eine Durchsicht nach der gegenüberliegenden Wand gewähren. By. MN Fig. 1. Fig. 2. Bei Triton alpestris (Fig. 1—3), dessen Samenträger zunächst als Ausgang und Hauptbeispiel für die Beschreibung diente, ist dieser 8 mm hoch, er hat in der vorderen (der Vorwärtsbewegung des Männchens bei der Absetzung des Samenträgers entsprechenden) Wand (Fig. 1), in der Mitte einen großen gerundet fünfseitigen Aus- schnitt (vA), der nach oben durch eine die Seitenteile der Höhlung schlossen ist. An der Hinterwand (Fig. 2) finden sich drei Aus- schnitte: zwei seitliche schlitzförmige (sA), und nach dem oberen 1 Auf Wandtafeln von rauhem schwarzen Papier mit weißer und farbiger 38 iinde zu ein unpaarer mittlerer (mA); so bleibt für diese hintere Kelchwand ein Mittelstück (M), unten schmal und wie gestielt, oben verbreitert und in zwei Lappen (Zp) auseinandergelegt. Oben ist der Kelch offen, an der Mündung von den Seiten her etwas verengt durch Einrollung und Faltenbildung der Seitenwan- dungen, und in dieser muldenförmigen Einsenkung liegt erst die Mündung des Kelches. Das Innere des Kelches und Fußes ist hohl, die Innenfläche glatt. Außen zeigt die Kelchwand leisten- förmige symmetrische Erhebungen, die an der vorderen und hinteren Wand verschieden verlaufen, an Zahl und Verlauf aber ganz be- stimmt und für die Art charakteristisch sind (sie werden von ZELLER genau beschrieben). Es ist wohl zweifellos, daß diese Leisten und Falten am Fuß und an der Kelchwand zur | Stütze und Versteifung | der zarten Form dienen. | Der Fuß (F) ist kräftig entwickelt, und erscheint gegen den Kelch gekreuzt: sein längster Durchmesser entspricht dem kurzen des Kelches, auch er ist hohl. EF Außen ist er gefältelt, am R N Rand gelappt; seine Falten — MER gehen in die des Kelches — Fig. 3. V in der Figur = vorn, Hin der über. Figur = hinten. Ziemlich ähnlich ist der Samenträger von Triton eri- — status, aber etwas größer, 12 mm, und mit einigen Unterschieden im einzelnen. Etwas mehr weicht der Samenträger des Treton taenvatus (und des — ihm darin gleichenden Tr. palmatus) ab: er zeigt einen handgriff- artigen Zapfen an der Seitenwand, einen weiten Ausschnitt unten an — der Hinterwand über dem Fuße, eine spornartige Verlängerung an | der »Spange«, und einen in die Länge gezogenen unpaaren Aus- schnitt in der vorderen Kelchwand. Größe 8 mm. Anordnung der — Leisten im ganzen wie bei Tr. alpestris. : Die Substanz dieser Samenträger ist gallertig, sehr weich, | kristallhell, farblos, leicht irisierend. Das Ganze ist zusammengesetzt | aus mosaikartig dicht aneinander gefügten großen Gallertkugeln von 0,12—0,3 mm. 39 So entsteht das gekörnte Aussehen der ganzen Oberfläche, und die zierliche Zeichnung der wellenförmigen Grenzlinien, besonders an den Rändern der Ausschnitte und der Umschlagstellen der Leisten; an letzteren sind die Gallertkugeln mehr oder weniger zusammen- gepreßt und verschmälert; die größten sind am Rande des Fußes. Sie ergeben sich als gallertig umgewandelte Zellen, und zeigen bei Färbung mit Methylenblau je einen Kern mit Kernkörperchen. Das Ganze ist so zierlich und fein, daß diese Gebilde wohl verdienen, unter die »Kunstformen der Natur« versetzt zu werden. Die Samenmasse oder der Samenstift (S in Fig. 3) ist milch- weiß, wurmförmig, mit dem Vorderende an den oberen Rand der Spange angeklebt, mit dem freien Hinterende über die Mündung des Kelches hinüberreichend bis zu dem unpaaren Ausschnitt der Hinterwand. Frisch hängt sie nur lose an der Spange und ist leicht ablösbar; nach einiger Zeit haftet sie fester, ist bis zum Doppelten ihrer Länge ausziehbar, bis sie endlich abreißt. Dann wird sie all- mählich kuglig, legt sich um die Spange herum, und ist dann nicht mehr wegzunehmen. Sehr selten findet man sie im Grunde des Kelches liegend, wahrscheinlich herabgefallen. Die Samenträger anderer Tritonen, die der europäischen Arten, sind bald nach dem einen, bald nach dem andern Typus der oben beschriebenen Formen gebildet. Ganz abweichend sind zum Teil die der außereuropäischen Arten, so des Triton viridescens aus Nordamerika, dessen Form sehr einfach ist: Fuß scheibenförmig, mit stark gewulstetem und gelapptem Rand. Statt des Kelches ein kegelförmiger Fortsatz, auslaufend in eine geknöpfte Spitze, auf welcher die Samenmasse aufsitzt; auch hier wird sie zu einem Kügelchen, wenn sie nicht vom Weibchen geholt wird. Bau des Kloakenwulstes. Dieser Wulst, bekanntlich beim Männchen besonders stark ent- wickelt, zeigt eine gewöhnlich geschlossene ventrale mediane Spalte. Er wird gebildet durch die unmittelbar unter der Cutis liegende Kloakendrüse, von der Symphyse bis zum dritten Schwanzwirbel reichend. Die Cutis des Wulstes ist sehr drüsenreich und zeigt, besonders in der Involutionszeit, wo sie auf !/, reduziert ist, ein warziges Aussehen, während der Brunstzeit und beim Absetzen der Samenträger erscheint sie fast glatt. Verbindung von Cutis und Kloakendrüse durch ein lockeres Bindegewebe und eine präputium- artige Hautfalte. , Die Kloakendriise selbst ist oval, von oben nach unten etwas zusammengedrückt, vorn verflacht und zugeschärft, hinten kugelig 40 gewölbt mit medianer Einziehung. Sie ist eine tubulöse Drüse, deren Schläuche auf der Fläche der Kloakendrüsenhöhle münden, wo die gallertig aufgetriebenen Epithelzellen der Schläuche sich ent- leeren und die Höhlung ausfüllen (die Substanz der Samenträger bildend). Das Innere der Drüse birgt die Kloakendrüsenhöhle und aus deren Rückwand sich herabsenkend die pilzförmige Pa- pille. Zum Verständnis dieser Teile dienen einfache mikroskopische Schnitte mit dem Messer: ein Sagittalschnitt durch den Wulst, ein senkrechter Quer- schnitt dorsoventral durch den ganzen Kör- per in der Gegend des Wulstes, ein Zirku- lärschnitt, horizon- tal von vorn nach hin- ten, zunächst mit Scho- nung der pilzförmigen * Papille, dann mit Weg- nahme derselben (Fig. 4 u. 5). So erhält man einen Anblick der obe- ren und der unteren Wandung der Höhle (wie wenn man beide Hohlhände erst über- und dann nebenein- ander legst). Endlich betrachte man noch — den unversehrtenWulst von außen und unten, besonders zur Zeit der geschlechtlichen — Erregung, wo die Spalte etwas geöffnet ist. 4 a) Die dorsale Wand als Decke der Kloakendrüsenhöhle: — Man sieht zwei Grubenpaare gegen hinten (vGr und hGr), zwischen # beiden vorn, unmittelbar hinter dem Stiel (Pst) der pilzförmigen Pa- pille, eine unpaare »mittlere Hervorwölbung (ft) mit einem zungen- förmigen Läppchen« und hinter diesem ein paar schenkelförmiger Wülste (SW), die nach hinten gegen die hinteren Gruben (Gr) abfallen, an den Seiten sich abflachen und an die ventrale Wand schlagen. Die hinteren Gruben setzen sich auf die ventrale Wand unmittelbar — fort, und sind auch dort zu sehen. Überall sieht man scharfe schmale | Furchen in bestimmter Zahl und Anordnung: im vorderen Teil der | 41 Höhlendecke jederseits acht Furchen, mehr längs oder bogig ver- laufend, ferner je fünf in jedem der Grubenpaare. All diese setzen sich unmittelbar in die Furchen der ventralen Höhlenwand fort. b) Die ventrale Wand der Höhle. Hier sieht man fast in der ganzen Länge der Wand eine Spalte (wSp), welche von unten her in die Drüsenhöhle führt: die untere oder ventrale Drüsenspalte, im vorderen Drittel eine dreieckig rundliche Erweiterung bildend und hier umgeben von jederseits acht zierlichen, zottigen Läppchen, einer Fortsetzung der acht vorderen Furchen (oder Zwischenräumen der- selben) an der dorsalen Wand. Hier ist der sogenannte »Vor- raum« (Vr) der Drüsen- höhle, aus der Masse der ventralen Drüsenwandung u Ld. buchtartig ausgeschnitten. Besonders schön sieht man diese Gegend bei der An- sicht des Kloakenwulstes von unten bei geschlecht- licher Erregung. Beiderseits von der mittleren ventralen Spalte gegen hinten sieht man an der unteren Höhlenwand die Fortsetzung der Fur- chen der hinteren Gruben- paare und die Zwischen- räume der Furchen als warzenförmige Vorsprün- ge der Spalte, sowie eine »ovale Seitenplatte« (Spl) als Fortsetzung der »schenkelförmigen Wülste« der oberen Wand, auffallend durch ihre glatte, drüsenlose Oberfläche, während alle Teile der Wandungen der Drüsenhöhle Drüsenöffnungen zeigen. Die Kloakenhöhle ist nun zum großen Teil ausgefüllt von der pilzförmigen Papille Diese hängt mit einem kurzen breiten Stiel (St) von der dorsalen Wand der Kloakendrüsenhöhle herab, und bildet dann eine breite Platte, deren Unterfläche meist einen schwarzen Pigmentfleck zeigt; die obere Fläche und Platte (oP!) ist breiter und zeigt hinter dem Stiel einen kammartigen Vor- sprung (k), der dem zungenförmigen Läppchen der oberen Wand gegenüber zu liegen kommt. Die pilzförmige Papille hat gewöhnlich eine derbe Konsistenz, während der Brunstzeit aber ist sie weich, 42 blutreich und sehr kontraktil, daher man sie früher für einen Penis hielt! Bei der geschlechtlichen Erregung verändert sich die Gestalt der Papille bedeutend, sie streckt sich in die Liinge, wird schmal, das vordere Ende der Platte wird nach der Bauchseite hervorgetrieben gegen den »Vorraum«; auch erscheint dann die Platte oft von vorn nach hinten stark eingebogen und klappenartig zusammengelegt: so besonders in Beginn der Absetzung des Samenträgers. V. Vergleichung von Kloakendrüsen- höhle und Samenträger. Nach genauer Kenntnis des Baues beider ergibt sich beim Vergleich und direkter Gegeniiberstellung derselben völ- lige Übereinstimmung beider: sie ver- we WB er een, halten sich, wie Gußform und AbguB!, H in der Figur — hinten. die Kloakendrüsenhöhle ist die Bil- dungsstätte für den Samentriger; eine Behauptung, die E. ZELLER schon 1890 ausgesprochen, aber noch nicht im einzelnen bewiesen hatte. Es ergibt sich: 1. Die Wandung der Kloakendrüsenhöhle mit ihren Furchen = Außenfläche des Kelches des Samenträgers mit seinen Leisten (was dort vertieft ist, ist hier erhaben) ?. 2. Der »Vorraum« der Höhle — Fuß des Samenträgers. 3. Die pilzförmige Papille = innere Höhle des Kelches (den Kern für dieselbe bildend). 4. In der engen Spalte zwischen »medianer Hervorwölbung« (mit zungenförmigem Läppchen) und dem »Kamm« an der dorsalen Fläche der pilzförmigen Papille bildet sich die »Spange«. | 5. Die »Seitenwülste« zwischen den beiden Grubenpaaren — ein- gesenkte Falten an den Seiten der Mündung des Kelches. 6. Ventraler Spalt zwischen beiden Hälften der ventralen Drüsen- wand — Mittelleiste des Mittelstückes der hinteren Kelchwand. 7. Stiel der pilzförmigen Papille — mittlerer Ausschnitt der vor- deren Kelchwand (beide von fünfeckig rundlicher Gestalt). 8. Drüsenlose »Seitenplatten« der ventralen Höhlenwand = seit- liche Ausschnitte der hinteren Kelchwand (wegen Fehlens der Drüsen daselbst fällt die Bildung der Kelchwand hier aus). 2 Zum leichtern Vergleich ist der Kelch umgekehrt zu betrachten. 43 Akzessorische Driisen. a) Die Bauchdrüse (prostate abdominale nach Duvernoy 1851) (Badr) reicht vorn weit in die Bauchhöhle, ist hier platt, aus zwei Hälften bestehend, aus sehr geschlängelten Drüsenschläuchen zu- sammengesetzt. Innerhalb des Beckenrings schlagen sich die beiden Drüsenhälften jederseits auf den dorsalen Umfang der Kloaken- drüse, die folgende Drüse zwischen sich nehmend. Nach hinten zu legen sie sich unmittelbar an- einander und bilden zwei Endwülste (EW) mit stark geschlängelten Drüsenschläu- chen, mit weißen fadenför- migen Anhängen (fdP) (Lev- pie), über den hinteren Um- fang der Kloakendrüse etwas hinausragend. Die fadenför- migen Anhänge der Papillen sind bei geschlossener Klo- akenwulstspalte nicht zu se- hen, wohl aber, wenn diese sich bei Erregung öffnet. Das Sekret der Drüse ist dünnflüssig, und die Funktion nach ZELLER fast sicher: Ab- sonderung eines Riechstof- fes zur Anreizung des Weib- chens, wofür namentlich auch das Vorkommen dieser Drüse nur bei Tritonen spricht, welche auch allein die wedeln- den Bewegungen des Schwan- zes zeigen. | b) Die Beckendrüse (prostate pelvienne nach Duvernoy) (Dedr) besteht auch aus zwei seitlichen Hälften, welche auf der Dorsalfläche der Bauchdrüse aufliegen, und zum Teil mit ihr verschmolzen er- scheinen. Sie reicht nicht so weit nach vorn und nach hinten, als jene. Nachdem sie das Becken (Be) passiert hat, schlagen sich die beiderseitigen Bündel der ebenfalls tubulös gebauten Drüse auf die Dorsalseite der Kloakendrüse und kommen dicht nebeneinander zu liegen. Die anfangs gewundenen Drüsenschläuche verlaufen dann mehr gestreckt und biegen endlich ventralwärts ab, um zum größten 44 Teil auf der Decke der »Kloakenrinne« zu münden (s. u.). Ihr zäh- schleimiges Sekret hat nach ZeLrer die Funktion, die Samenmasse zusammenzuhalten. Sie kommt wohl allen Urodelen zu. Die »Kloakenrinne« (dorsale Flimmerrinne Hrıpen#Aams 1890) ist ein nach unten offener Halbkanal, eine Fortsetzung des noch zu einer Röhre geschlossenen kurzen Kloakendarmes (Kl.dr), der vor Ein- mündung (Sa) der Samengänge an der dorsalen und der Harnblase an der ventralen Wand an beginnt. Dessen ventrale Wandung hört unter Bildung eines Bogens auf, während seine dorsale Wan- dung sich bis gegen das hintere Ende der Kloakendrüse fortsetzt, die Spalte derselben (Fig. 4 d.Sp.) oben schließend. Sie bildet den Weg für Kot, Harn und Samen, die durch die Kloakendrüsenspalte sich entleeren. Die Grenze zwischen Kloakendarm und Kloakenrinne . ist bezeichnet durch zwei rinnenför- mig eingeschnittene Furchen, die »Grenzfurchen« (Gr.f.) nach ZELLER (gotischer Bogen RATHKES 1820). Sie bilden nach ZELLER vielleicht den Weg, auf welchem ‘die Samenmasse zu dem Samenträ- ger geschafft wird, etwa durch Zu- sammenschließen der Furchen zu einem Röhrchen? (ähnlich der Oeso- phagealrinne bei den Wiederkäuern). Der Kloakenrinne entlang münden auch die Ausführungsgänge der Beckendrüse, daselbst einen etwas erhabenen Mittelstreif (K7.R.m.) und viele schräge Seitenstreifen bildend. Das Absetzen der Samenträger. Nach einem mehr oder weniger langen, oft tagelang fortgesetzten Liebesspiel des Männchens, das durch Wedeln des umgebogenen Schwanzes die Aufmerksamkeit des Weibchens zu erregen sucht (s. Ruscoxı 1821), wobei das Weibchen lange apathisch bleibt, folgt endlich dieses dem Männchen, das nun vor dem Weibchen sich platt auf den Boden legt, den Kloakenwulst öffnet, besonders die Mündung des Vorraums, und so zunächst als erstes den hier ge- bildeten Fuß des Samenträgers herausdrückt und am Boden des Gefäßes festklebt. Unmittelbar darauf kommt die milchweiße Samen- 3 In der Fig.8 sieht man die dorsale Wand des Kloakendarmes und der Kloakenrinne, seitlich die umgeschlagene linke Hälfte der Kloakendrüse, deren Höhle mit ihren Furchen vorliegt. 5 = 5 q 7 ¥ 4 SS as yk a! OPI tr me u 45 masse zum Vorschein. Dann wird die Haut- und Driisenspalte des Männchens fast kreisförmig, die Drüsenhöhlenwandung verflacht sich, die pilzförmige Papille wird stark gestreckt. Nun hebt das Männ- chen die Schwanzwurzel in die Höhe, wodurch der Gallertbecher ab- gelöst und frei gegeben wird, während die Samenmasse an die Spange sich anheftet. Endlich schließt sich die Spalte wieder, und der ganze Vorgang ist zu Ende. Oder er wird wiederholt bis zum Ab- setzen von 2—6 Samenträgern nacheinander durch dasselbe Paar. Die Beobachtung des ganzen Vorgangs und das Sammeln der Samenträger ist nach ZELLER leicht (?). Man muß nur eine Anzahl von unbefruchteten brünstigen Weibchen zur Hand haben, reife Männchen finden sich immer. Am besten sind im Frühjahr frisch eingefangene Tiere, bei denen man die Geschlechter sofort trennt, einige Wochen so erhält und dann die Pärchen zusammenbringt. Dann kann, oft schon nach wenigen Minuten, der Vorgang beob- achtet werden. Auch später, bis in den Juni und Juli hinein, ist dies möglich, wenn man die Tiere isoliert hält. Das Weibchen hängt, wie ZeLLer schon 1891 schilderte, die Samenmasse des vor ihm vom Männchen abgesetzten Samenträgers, über denselben hinwegkriechend, sich an, in oder nahe seinem Kloaken- wulst, welcher fest geschlossen bleibt. Jene wird aus dem Gallert- becher herausgehoben; die rauhe Scheibe des kleinen weiblichen Kloakenwulstes mit ihren Warzen ist besonders geeignet zum An- hängen. Trotz der geschlossenen Spalte dringen die Spermatozoen ein, man findet solche schon !/,; Stunde nach dem Anhängen der Samenmasse im Receptaculum seminis des Weibchens. Der weib- liche Kloakenwulst wird dabei kegelförmig, woraus man erkennen kann, daß das Weibchen brünstig ist. Nach 12—16 Stunden erfolgt das Eierlegen. Da die Samenträger sehr durchsichtig sind, sind sie schwer im Wasser zu sehen: daher Betrachtung bei Sonnenlicht oder, indem man das Glas auf eine dunkle Unterlage setzt. Besser zu erkennen ist die milchweiße Samenmasse. Zur näheren Betrachtung oder Konservierung löst man die Samenbecher mit einem kleinen Spatel oder Löffelchen vom Boden des Aquariums, und wirft sie sofort in eine konservierende Flüssigkeit, wie wässerigen Alkohol oder Kalibichromat, oder noch besser in eine schwache Lösung von Pikrin- säure! (auch wohl Formalin). Man kann eine größere Anzahl solcher * ZELLER hat nur 2 in Pikrinsäure erhaltene Exemplare der Samenbecher von Triton taeniatus in Pikrinsäure hinterlassen und auch diese zerfielen bei der Reise nach Tübingen. 46 sammeln, wenn man jedesmal das Weibchen, wenn es die Samen- masse sich holen will, zur Seite schiebt; so kann man 3—5 solche hintereinander bekommen. Eine andre Sammelart ist, daß man in das Aquarium, wohin man die Pärchen bringt, flache Kieselsteine setzt, an welchen die Samenträger gern abgelegt werden, und dann jene mit den darauf befestigten Samenträgern in die Konservierungsflüssigkeit wirft. ZELLERS Beobachtungen und Beschreibungen sind nach obigem so genau und vortrefflich, daß wohl wenig mehr zu tun übrig bleibt. Ich glaube mir hierbei nur das Verdienst zuschreiben zu dürfen, ZELLERS Arbeit für die Wissenschaft gerettet zu haben, und so dürfte die darauf verwendete Mühe und Zeit nicht umsonst ge- wesen sein. An diesen Vortrag schloß sich eine Anzahl von Demonstrationen (Prof. Krunzınger, Prof. Braver, Dr. v. BurTEL-ReerEn, Dr. Rö- MER) an. Dritte Sitzung. Mittwoch den 25. Mai Vormittag 9—2 Uhr. Die Sitzung wurde mit einer Reihe geschäftlicher Mitteilungen eröffnet. Auf Vorschlag des Herrn Prof. BLocHhMmAnN wurde unter dem Beifall der Versammelten die Absendung eines Begrüßungs- telegrammes an Herrn Geheimrat v. Lrypie (Würzburg), Ehren- mitglied der Deutschen Zoologischen Gesellschaft, beschlossen. Auf Einladung des diesjährigen Internationalen Kon- gresses in Bern werden zu Delegierten der Herr Vorsitzende (oder sein erster Stellvertretender) und der Schriftführer der Gesellschaft gewählt. Es findet dann eine Besprechung über die in zoologischen Werken und Zeitschriften anzuwendende Rechtschrei- bung statt. Herr Prof. F. E. SchuLze empfiehlt lateinische Worte lateinisch, in die deutsche Sprache rezipierte Worte aber deutsch zu schreiben. Herr Prof. ZiesLer ist der Ansicht, daß die Endung für die Rechtschreibung nicht maßgebend sein darf, denn es wird oft ein lateinisches Wort mit deutscher Endung gebraucht (z. B. Cicindelen, Cercarien usw.), und es würde zu großen praktischen Schwierigkeiten 47 führen, wenn man in solchen Fällen lediglich wegen der deutschen Endung die Orthographie ändern würde. Nur ein kleiner Teil der mit deutscher Endung versehenen Fremdwörter kann als eingebürgert gelten, so daß eine Umänderung der lateinischen Schreibweise ge- rechtfertigt erscheint. Die von DupEn gegebenen Anweisungen (»Buchdrucker-Dupen«), welche über die amtliche Orthographie weit hinausgehen, haben für uns keine Autorität und sind für uns unan- nehmbar. Herr Prof. Spence schlägt vor in denjenigen Fällen, in denen die amtliche Rechtschreibung zweierlei Schreibungen zuläßt, an der Orthographie auf lateinischer Grundlage festzuhalten. Herr Prof. F. E. Schutze beantragt, eine Kommission zu wählen, welche über die Frage der Rechtschreibung beraten und wo- möglich eine Vereinigung zwischen den Forderungen der Autoren und der Verleger bzw. Buchdrucker herbeiführen soll. Gewählt werden die Herren Prof. Envers, Prof. F. E. Scuunze und Prof. SPENGEL. Hierauf folgt der Bericht des Generalredakteurs des »Tierreich«. Herr Prof. F. E. Scuuuzs: Meine geehrten Herren! In Würzburg konnte ich Ihnen als 18. Lieferung des Tierreich die von Herrn Hretimayr in Wien ausgeführte Bearbeitung der drei Vogelfamilien, Paridae, Sittidae und Certhiidae vorlegen. Die 19. Lieferung, welche im Juli vorigen Jahres erschienen ist, umfaßt die Spongienordnung der Tetraxonia, bearbeitet durch Herrn v. LENDENFELD in Prag. Die 20. Lieferung enthält die Bearbeitung der Nemertini durch Herrn Bürger in St. Jago in Chile. Sie ist zwar vollständig gedruckt, kann aber noch nicht ausgegeben werden, weil sie noch der letzten Revision des fernen Autors harrt. Die 21. Lieferung, welche den ersten Teil der Amphipoden von Herrn Stessing enthält, und in englischer Sprache abgefaßt ist, be- findet sich in der Drucklegung. Die 22. Lieferung behandelt die Heliconidae von Herrn SricHEL und RırFartH. Sie ist vollständig druckfertig und wird bald er- scheinen. | 48 Der Herr Vorsitzende spricht im Namen der Versammlung seinen Dank fiir den erstatteten Bericht und die sich daran anschlieBenden Mitteilungen des Herrn Generalredakteurs aus. Zum nächsten Versammlungsort wird Breslau gewählt und zwar soll die Versammlung in den Pfingsttagen stattfinden. Es folgt der Vortrag des Herrn Dr. v. BurrTEL-REEPEN Über den gegenwärtigen Stand der Kenntnisse von den geschlechts- bestimmenden Ursachen bei der Honigbiene (Apis mellifica L.), ein Beitrag zur Lehre von der geschlechtlichen Präformation. In den beiden letzten Jahren sind einige beachtenswerte Arbeiten erschienen, welche den Versuch machen, die Frage nach der Ge- schlechtsbestimmung bei den Organismen im allgemeinen einer Lösung entgegenzuführen. Ich erinnere an die Arbeiten von CAstLe!, BEARD2, LernHossek®? und Oskar SCHULTZE®. Ich beschränke mich hier auf die drei letztgenannten, da deren Ausführungen in Deutschland weit- gehende Aufmerksamkeit erfahren haben. Wegen der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit vermag ich nur das Wesentlichste herauszugreifen. Der Kernpunkt der Theorien dieser drei Autoren ist folgender: die Eizellen sind vor der Befruchtung bereits geschlechtlich differen- ziert oder mit andern Worten: »die Bestimmung des Geschlechts ist ausschließlich dem Organısmus des weiblichen Individuums (also der Mutter) überlassen«. Die Befruchtung hat demnach keinen Einfluß auf die Geschlechtsbestimmung. Bereits im Eierstocke erscheinen die Keimzellen in männliche und weibliche gesondert. Es ist hier nicht meine Aufgabe, noch fühle ich mich dazu be- rufen, das große von den drei Autoren benutzte Beweismaterial kritisch zu betrachten und die Berechtigung der Praformationstheorie für die Organismenwelt im allgemeinen anzuerkennen oder abzulehnen. Ich beschränke mich hier auf ein Spezialgebiet, um auf dem Boden dieses Gebietes die Ansicht Lennosstks »so muß sich denn das ! CastLE, W. E., The Heredity of Sex, in Bull. Mus. Compar. Zool. Harvard College, Cambridge (Mass.}, Vol. XL, Nr. 4, p. 189—218. 2 BEARD, J., The determination of sex in animal development. Jena 1902; a. in Zool. Jahrb. Abt. f. Anat. u. Ont., 16. Bd., 4. Heft, 02, p. 705—764. 3 v. LENHOssEK, Das Problem der geschlechtsbestimmenden Ursachen. Jena 1903. 40. ScHuLtze, Zur Frage von den geschlechtsbestimmenden Ursachen. Arch. mikr. Anat., 63. Bd., 1903. 49 miinnliche Geschlecht mit dem Gedanken abfinden, daf ihm jeder direkte Einfluß auf die Bestimmung des Geschlechts vorenthalten ist«, auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen. Oskar Scuunrze! faßt in seiner kürzlich erschienenen sehr in- teressanten Arbeit über diese Fragen unser Wissen über die Ge- schlechtsdifferenzierung in folgender Übersicht zusammen: 1. Ohne Befruchtung entstehen bei der einen Tierart männliche, bei einer andern Art weibliche Nachkommen. . 2. Ohne Befruchtung gehen aus Eiern ein und derselben Art in zahlreichen Fällen sowohl männliche wie weibliche Nachkommen hervor. 3. Aus befruchteten und aus unbefruchteten Eiern ein und der- selben Art entsteht in vielen Fällen das gleiche — nämlich das weibliche — (Geschlecht. 4. Das Ei ist in manchen Fällen schon vor der Befruchtung als männlich oder weiblich zu erkennen. 5. Ohne Befruchtung gehen bei den heterosporen Kryptogamen aus den Mikrosporen männliche, aus den Makrosporen weibliche Pro- thallien hervor. »Wir sehen also — ganz allgemein betrachtet — die folgenden vier Möglichkeiten verwirklicht: Unbefruchtete Eier ein und derselben Art, befruchtete Eier ein und derselben Art, unbefruchtete Eier verschiedener Arten und be- fruchtete Eier verschiedener Arten — sie alle können in vielen Fällen sowohl männliche als weibliche Nachkommen hervorbringen. « Oskar ScHuLtze fragt daher nicht mit Unrecht: » Wer wird noch angesichts solcher Tatsachen an einer Bedeutung der Befruchtung für die Geschlechtsbildung festhalten wollen?« Es versteht sich, daß alle drei Forscher die der geschlechtlichen Präformationstheorie direkt widerstreitenden Geschlechtsbestimmungs- verhältnisse bei Apis mellifica in den Kreis ihrer Betrachtungen zogen. Sie wissen, m. H., daß wir zurzeit gar nicht anders können, als _ folgende wohlbegründete Behauptung aufzustellen: bei der Honigbiene (Apes mellifica) entstehen die weiblichen Wesen (Königinnen und Arbeiterinnen) aus befruchteten und die Männchen (Drohnen) aus unbefruchteten Eiern. Hier entscheidet also, soweit wir heute wissen, die Befruchtung über das Geschlecht, sofern man sich der vor- herrschenden Ansicht anschließt (Wrısmann>), daß die Eier vor der Befruchtung als geschlechtlich indifferente anzusehen sind. Die Befruchtung löst also im bis dahin geschlechtlich indifferenten Ei die 5 WEISMANN, Das Keimplasma. Jena 1892. Verhandl. d. Deutsch. Zool. Gesellschaft. 1904. 4 5O weibliche Anlage aus, während das Ausbleiben der Befruchtung nur die männliche Anlage zur Entwicklung bringt. Die alte An- sicht, von LexHossek wohl irrtümlich als die »herrschende« an- gegeben, die Eier seien alle männlichen Geschlechts, das Spermato- zoon dagegen sei weiblich und bewirke bei der Befruchtung eine »Umwandlung«, eine »Umstimmung« des männlichen Geschlechts in das weibliche, dürfte zum mindesten in bezug auf die Biene meines Wissens kaum noch anerkannt werden. Die drei genannten Forscher (auch Castries) stehen auf dem Boden der Dzimrzonschen Theorie, d. h. sie folgen der — durch die be- kannten Freiburger Eiuntersuchungen® aufs neue dargelegten — Feststellung, daß, wie schon gesagt, aus allen befruchteten Eiern nur weibliche, aus allen unbefruchteten nur männliche Wesen hervor- gehen. Um diese Feststellungen mit der Lehre von der geschlechtlichen Präformation zu vereinigen, haben Brarp, LENnHosskk und ScHULTZE mutatis mutandis folgende Theorie aufgestellt: These 1. »Der verschiedene Geschlechtscharakter ist bereits den Eiern in den Eiröhren der Königin unabänderlich eingepflanzt. Schon unter diesen gibt es männliche und weibliche Eier. Kommt nun ein weibliches Ei zur Ausscheidung, so verhindert die Königin nicht den Austritt der Samenfäden aus dem Samenbehälter, da das Ei, das eben ausgeschieden wurde, auf Befruchtung eingerichtet ist. Beim Austritte eines Eies der zweiten Gattung hingegen ist durch einen Reflexmechanismus dafür gesorgt, daß sich der Kreismuskel des Samenbehälters zusammenzieht und die Samenfäden von dem Ei fern- hält, das der Befruchtung nicht bedarf, ja vielleicht durch den Hin- zutritt eines Samenfadens steril gemacht würde« (LENHOossEK 2). These 2. Die weiblichen Eier bedürfen der Befruchtung, nicht damit weibliche Wesen daraus entstehen, das wird als »gedanken- loser Schluß« bezeichnet, sondern weil diese Eier sich ohne Be- fruchtung nicht entwickeln würden (ScHuLtze!®). | These 3. Versuche bei gewissen Tier- und Pflanzenarten haben gezeigt, dab verminderte Nahrungszufuhr resp. herabgesetzte Nahrungs- aufnahme bewirkt, daß der unter solchen Bedingungen aufgewachsene 6 PETRUNKEWITSCH, Die Richtungskörper und ihr Schicksal im befruchteten und unbefruchteten Bienenei. Zool. Jahrb., Abt. f. Anat., 14. Bd., 4. Heft, 1901; derselbe, Das Schicksal der Richtungskörper im Drohnenei. Zool. Jahrb., Abt. f. Anat., 17. Bd., 3. Heft, 1902; WEISMANN, Uber die Parthenogenese der Bienen, Anat. Anz., 18. Bd., 1900; ebenda, 19. Bd., 1901; derselbe, Über die Dzierzonsche Theorie in »Die Biene<, Nr. 11, 1900; PAuLckE, Zur Frage der parthenogenetischen Entstehung der Drohnen, Anat. Anz., 16. Bd., 1899, ms rue ee rer — i 4 - Pas a R - ’ En “ = ea ae WO BEER ET EBENE EEE 51 und geschlechtsreif gewordene weibliche Organismus nunmehr nur fähig ist, Männchen zu erzeugen. Es wird nun geschlossen, daß auch die Arbeiterinnen, die als »mangelhaft ernährte Weibchen« an- gesprochen werden’, nur Drohnen erzeugen resp. erzeugen können, ‚nicht weil die Begattung fehlt, sondern weil ihre Ernährung nicht ausreichte, weibliche Eier zu bilden, was nur die in bester Nahrung aufgezogene Königin vermag« (SCHULTZE!). Ich will mich hier auf diese drei Thesen beschränken, um auf Grund der biologischen Verhältnisse im Bienenstaate kurz zu prüfen, ob diese Ansichten haltbar sind. Diese Prüfung erscheint mir von wesentlicher Bedeutung, da eine Anerkennung, die sich aus der kriti- schen Durchsicht der tatsächlichen Verhältnisse ergeben sollte, ein immerhin sehr kräftiges Bollwerk beseitigen würde, welches gegen die Präformationstheorie errichtet ist. Fügen sich die Tatsachen und notwendigen Schlüsse, die uns diese Prüfung ergeben wird, jedoch nicht dieser Theorie, so sind drei Fälle möglich: a) Die Theorie von der geschlechtlichen Präformation ist unrichtig; b) die Theorie läßt Ausnahmen zu; c) die Theorie ist richtig, aber meine Gegengriinde geben nicht die richtige Erklärung der wirklichen Tatsachen, wenn wir auch auf Grund unsres heutigen Wissens keine andre Erklärung darzubieten vermögen. Nehmen wir also an, es gäbe bereits in den Eiröhren des Ovariums männlich und weiblich präformierte Eier, so entsteht sofort die Frage: Wie liegen die so differenzierten Eier im Eierstocke? Lexmosskk sagt darüber: » Welche Lagerung nehmen die Eier verschiedenen Ge- schlechts im Eierstocke ein« (L. spricht hier nicht von der Biene, sondern ganz im allgemeinen). »Sind sie bunt durcheinander ge- würfelt oder nach ihrem Geschlechte säuberlich geordnet? Diese Frage entzieht sich vollkommen unsrer Beurteilung, wird sich aber kurzerhand entscheiden lassen, wenn einmal die mikroskopischen Merkmale des Geschlechts an den einzelnen Eizellen unsrer Er- kenntnis erschlossen sind.« (Wir werden sehen, daß sich bei der Biene sehr wohl eine Beurteilung ausführen läßt.) »Vollkommen ausgeschlossen ist, daß die Eier verschiedenen Geschlechts auf die 7 Weitverbreitet ist der Irrtum, es seien die Arbeiter »verkümmerte« oder »mangelhaft ernährte« Weibchen. SCHULTZE stützt sich vermutlich auf NusspauM (Z. Parthenog. b. d. Schmetterl., Arch. mikr. Anat. u. Entw., 53. Bd., S. 455, 1898). Die Arbeiter haben Organe, welche die Königin gar nicht besitzt. Dieser Unterschied kann nicht durch mangelhafte Ernährung erklärt werden, sondern findet seine Ursache in phylogenetischen Entwicklungsverhältnissen (vgl. BuTTEr- REEPEN, Sind d. Bienen Reflexmaschinen? Leipzig 1900 und Die stammesgeschicht- liche Entstehung d. Bienenstaates, Leipzig 1903). 4* 52 beiderseitigen Eierstécke verteilt sind.« LennossrK gibt dann ver- schiedene schlagende Beweise dafür, daß hiervon absolut nicht die Rede sein könne. Bekanntlich haben ja auch die allermeisten Vögel im Laufe der stammesgeschichtlichen Entwicklung allmählich nur einen und zwar den linksseitigen Eierstock ausgebildet, während der rechte schon in der Jugend wieder verkümmert. Dieser linke Eier- stock erzeugt aber beide Geschlechter. Betrachten wir uns in Kürze die Eiablage während der zur Be- obachtung günstigsten Periode, das ist zu der Zeit, wenn die Königin die Drohnenzellen zu bestiften pflegt. Im allgemeinen ist der Legedrang alsdann auch am stärksten und steigert die Eiablage so beträchtlich, daß die Bestiftung von 2000-3500 und mehr Zellen innerhalb 24 Stunden konstatiert werden kann’. Nehmen wir im Durchschnitte 3000 Eier’, so ergibt eine Berechnung, die ich persön- lich nicht geprüft habe, folgendes: Das Gewicht einer im Eierlegen begriffenen Königin wurde mit 0,23 g festgestellt, das von 20 Eiern ergab 0,0026 g, macht für 3000 Eier 0,39 g, also übersteigt das (sewicht der täglich gelegten Eier das des Körpers der Königin um 13/, mal. Wir sehen hieraus, daß die Eiproduktion zuzeiten eine ge- waltige ist !0. Stört man in solchen Tagen eine Königin während des Eiablegens, so läßt sie in kurzen Intervallen die Eier, die sich un- aufhörlich aus den zahlreichen Eiröhren (ca. 350 bis 400) in die paarigen Eileiter (Trompeten) und dann in den unpaaren Oviduct (Eileiter) drängen, zu Boden fallen. Sie ist nicht imstande, die Eier zuriickzuhalten. Schiebt man alsdann ein Stück schwarzes Papier unter das Volk, so kann man die herabfallenden Eier leicht sammeln. Vergegenwärtigen wir uns diesen ungeheuren Legedrang, so kann man schon hieraus schließen, daß sich in den Eileitern die Eier 8 BUTTEL-REEPEN, Sind die Bienen Reflexmaschinen? Leipzig 1900. 9 Dz1IERZoN beobachtete eine Ablage bis 18 Eier innerhalb 3 Minuten. Drohnen- eier wurden anscheinend noch schneller abgesetzt; somit würden, falls eine un- unterbrochene Eiablage statthat, über 4000 Eier innerhalb 12 Stunden abgelegt werden. Bienen-Zeitung, 9. Bd., Nr. 10 u. 11, 1853. Da aber stets Ruhepausen eintreten, verringert sich die Anzahl der abgelegten Eier beträchtlich. 1% LEUCKART (Zur Kenntn. d. Generat.wechs. u. d. Parth. b. d. Insekt. in Unters. z. Naturl. d. Mensch. u. d. Tiere, hrsg. v. Jac. MoLzscHorTTt, 4. Bd., Frankf. a. M., 1858) schreibt: »Die Fruchtbarkeit der Bienenkönigin ist eine un- geheure und beträgt oftmals im Jahre weit über 100000 Eier. Diese Eier reprä- sentieren ein Gewicht von mehr als 16 g, während die Königin selbst nur etwa 0,15 g Reingewicht hat.< (LEUCKART gibt hier offenbar das Gewicht einer nicht im Eierlegen begriffenen Königin, daher der Unterschied mit der obigen An- — gabe.) »100g Bienenkönigin produzieren also des Jahres 11000 g Eisubstanz, | d.h. ungefähr so viel, wie ein Weib, das täglich 3—4 Kinder gebären würde.« eral tae | | | ae | ra ee ee 53 drängen (Fig. A). So fand ich bei der Untersuchung einer stark Eier legenden Königin in den beiden Trompeten zusammen 8 Eier (5 und 3). Bestiftet nunmehr eine Königin eine Arbeiterzellenwabe und kommt plötzlich an einige mitten darin befindliche Drohnenzellen, so kann sie keine Vorbereitungen treffen, um nunmehr einige Eier, die von den eben gelegten qualitativ völlig abweichen, im Kileiter für diese Zellen vorzuschieben und die andern unaufhörlich drängenden zuriickzuhalten. Die Eier müssen alle gleichartig sein, das erscheint eine biologische Notwendigkeit und lediglich die Lösung oder Fortdauer des Tonus in dem Sphincter, welcher den Ductus r v £ 4 ay, of f Ukr, ER 14 Fig. A. Ovarium der Bienenkönigin. aa linker und rechter Eierstock, bb die paarigen Hileiter (Trompeten), e—e unpaarer Eileiter, d Receptaculum seminis. seminalis umgibt, vermag durch die alsdann erfolgende Befruchtung resp. Nichtbefruchtung die Geschlechtsauslösung zu bewirken !!. Eine weitere Beobachtung unter vielen andern spricht dafür, dab im Ovarium alle Eier sich als wesensgleiche entwickeln müssen. Nehmen wir an, ein Volk befände sich in einem Bienenkasten, der nur Waben mit Arbeiterzellen besitzt, also jene Zellen, in welche die Königin normalerweise nur befruchtete Eier ablegt, aus denen 1! Aus einer Beobachtung, die ich vor 9 Jahren machte (Bienenwirtschaftl. Zentralblatt, 31. Jahrg., Nr. 7, 1895), ergibt sich, daß die Königin ohne Eier fallen zu lassen und ohne zu zaudern von einer Zellengattung zur andern übergeht. Um Irrtümer zu vermeiden, sei nochmals bemerkt (vgl. Sind d. Bienen Reflexmaschinen? 1900), daß meine Publikationen vor dem Jahre 1900 »REEPEN« und nicht »BuUTTEL-RzEPEN« gezeichnet sind. 54 demnach nur Arbeiterinnen auskriechen, so sehen wir die Königin wochen- und monatelang nur, — akzeptieren wir einmal die Theorie —, weiblich präformierte Eier absetzen. Hängen wir nun plötzlich zur richtigen Zeit, d. h. zurzeit, in welcher der Trieb vorhanden ist, Drohnen zu erzeugen, eine Drohnenwabe mitten in ein solches Volk, so wird sich die Königin alsbald auf diese Wabe begeben und fortdauernd männlich präformierte Eier ablegen. Wir können hieraus schon den Schluß ziehen, daß die weiblich und männlich präformierten Eier nicht bunt durcheinandergewürfelt in den Ovarialschläuchen liegen, denn wäre das der Fall, so müßte die Königin beim Bestiften der Arbeiterzellen die männlich präformierten und beim Bestiften der srößeren Drohnenzellen die weiblich präformierten Eier fallen lassen. ~ Wenn man sich vergegenwärtigt, daß die Eier in den Ovarialschläuchen, wenn man so sagen darf, perlschnurförmig hintereinander liegen, und nacheinander heranreifen, so erscheint dieser Schluß unabweisbar. Die Königin läßt aber normalerweise nur sehr selten Eier fallen und das wahrscheinlich nur bei Zellenmangel. Aber die differen- zierten Eier könnten vielleicht in gesonderten Ovarialschläuchen er- zeugt werden. Hiergegen sprechen meine Untersuchungen. Wir sehen bei einer fortgesetzt nur Arbeitereier legenden Königin alle Eiröhren in Tätigkeit, wie auch bei einer unbefruchteten, die nur Drohneneier legt!2, desgleichen bei einer sekundär drohnenbrütigen Königin, d. h. einer solchen, die infolge beginnender oder bereits erfolgter Samen- erschöpfung in die Arbeiterzellen Eier legt, die nicht mehr alle befruchtet werden können oder alle unbefruchtet bleiben. Hier hat die Königin zweifellos das Bestreben, nur »weiblich präformierte« Eier in die Arbeiterzellen abzusetzen, aber es entwickeln sich aus diesen vermeintlich weiblich präformierten Eiern nur männliche Wesen — Drohnen. Ich komme auf diesen letzten Fall noch zurück. Wären die Eier wirklich geschlechtlich differenziert, so wäre die — Annahme nicht unberechtigt (allerdings ist diese Annahme durchaus keine notwendige), daß die Drohneneier sich auch in irgend einer Weise äußerlich von den weiblich differenzierten unterscheiden müßten, _ wie wir es bei Nematus, Phylloxera, Dinophilus, Hydatina usw. und | bei zahlreichen Pflanzen sehen. Da die Drohneneier nie befruchtet — werden, eine eventuelle Befruchtung sogar, wie angenommen wird — 12 LEUCKART9 untersuchte eine primär drohnenbrütige Königin und fand, daß »die Geschlechtsorgane von derselben starken Entwicklung, wie bei allen eier- legenden Königinnen waren, mit reifen und unreifen Eiern der verschiedensten Ausbildung«..... 55 (Lexnoss£x), Sterilität verursachen könnte 13, sollte man zum mindesten keine Mikropyle erwarten. Ich habe aber keinerlei Unterschied zwischen den beiden Eierarten konstatieren können 14. Die Drohnen- eier müssen ja auch, obgleich sie stets unbefruchtet bleiben, eine Mikropyle haben, denn nehmen wir an, die letzte Drohnenzelle im Stocke sei besetzt, so muß, — nach der von mir vertretenen Auf- fassung —, dasselbe Ei, welches bei Vorhandensein einer weiteren Drohnenzelle unbefruchtet abgelegt wäre, nunmehr befruchtet in eine Arbeiterzelle abgesetzt werden. Ich kann mich hier nicht auf weitere Gegengründe, deren noch verschiedene vorhanden sind, einlassen und gehe zur 2. These über (vgl. S. 50). Im engsten Anschlusse an die Präformationsansicht steht das unter diesem Punkte Erwähnte. Wäre es richtig, daß die weiblich präformierten Eier der Be- fruchtung bedürfen, nicht damit weibliche Wesen daraus entständen, sondern weil diese Eier sich ohne Befruchtung nicht ent- wickeln würden, so müßte eine Königin, die man an der Be- gattung verhindert hat oder deren Spermavorrat erschöpft ist, beim Bestiften der Arbeiterzellen, in die instinktmäßig »weiblich präfor- mierte« Eier abgelegt werden, nur entwicklungsunfähige Eier hervorbringen. Eine solche Königin legt aber stets in die Arbeiter- zellen entwicklungsfähige Eier, aus denen allerdings nur Drohnen hervorgehen. Bevor ich einen Schluß hieraus ziehe, füge ich gleich die 3. These an (vgl. S. 50), nach der nur die in bester Nahrung aufgezogene Königin imstande ist, weibliche Eier zu erzeugen, während die Arbeiterinnen infolge der spärlichen Ernährung nur Drohneneier fertig bringen sollen. Obige Tatsache widerlegt aber, so scheint mir, beide Thesen. Der logische Schluß daraus kann wohl nur der sein: Die Eier sind nicht geschlechtlich präformiert und nicht die besondere Nahrung bewirkt Drohnenerzeugung in Arbeiterzellen, sondern die 13 Es sind Königinnen beobachtet worden, welche keine Drohnen zu er- zeugen vermochten, und auch in Drohnenzellen nur befruchtete Eier ablegten, da wohl der Sphincter am Ductus seminalis anormal innerviert oder sonstwie ge- schwächt war. Gäbe es nach obiger Annahme männlich präformierte Eier, die durch Befruchtung steril würden, so wäre ein solcher Fall unmöglich, denn daß die Königin in die Drohnenzellen die »männlich präformierten« Eier alleinige ab- setzt, muß doch als sicher angenommen werden. 14 v. SIEBOLD äußert sich gleichlautend (Wahre Parthenog. b. Schmetterl. u. Bienen, Leipzig 1856, p. 106). Nach LEUCKART9 »unterscheiden sich die Arbeiter- eier (also Eier, aus denen nur Drohnen entstehen) in nichts von denen der befruch- teten Königin«. 56 fehlende Befruchtung. Wäre dieselbe Königin befruchtet worden oder wäre der Spermavorrat noch nicht erschöpft gewesen, so hätte sie ganz zweifellos dieselben Eier, die sie jetzt unbefruchtet in die Arbeiterzellen ablegte, befruchtet abgesetzt und es wären weibliche Wesen daraus entstanden. Man könnte ja bezweifeln, ob die Königin im zweiten Falle dieselben Eier befruchtet abgesetzt hätte, man könnte vielleicht meinen, daß es doch wesensandre Eier seien, aber mit welchem Rechte? Ich wüßte tatsächlich keine irgendwie ein- leuchtende Begründung für diesen Zweifel, während alles dafür spricht, daß hier nur wesensgleiche, d. h. geschlechtlich indifferente Eier in Betracht kommen, da wir, wie erwähnt, sowohl bei befruchteten als auch unbefruchteten in starker Eiablage befindlichen Königinnen alle Ovarialschliuche in Tätigkeit sehen, eine Auslese, wie darzulegen versucht wurde, nicht angängig erscheint und auch so manches andre nur den Schluß zuläßt, daß eine Präformation nicht in Frage kommen dürfte. Alle diese Erörterungen bewegen sich auf dem Boden der Dztmrzon- schen Theorie, auf dem Boden der durch PrrrunKkEwItscH, Wris- MANN, PAULCKE usw. aufs neue gefestigten Anschauung von dem Un- befruchtetsein der Drohneneier im normalen Volke. Sie wissen, dab man von verschiedenen Seiten versucht hat, diese Anschauung zu beseitigen und die Geschlechtsbestimmung den Eltern ganz entzogen und in das Belieben der Kinder — also der Arbeiterinnen — gelegt wissen will. Die Präformationstheorie wäre dadurch natürlich eben- falls radikal beseitigt. Die von einer befruchteten Königin abgelegten Eier sollen alle befruchtet sein und die dreierlei Bienenwesen sollen daraus durch männliche, weibliche und königliche Speichelsekrete, mit denen die Arbeiter die Zellen einspeicheln, differenziert werden. Auch sollen durch »Umspeichelung« die Eier umdifferenziert werden können, d. h. aus Drohneneiern sollen durch Übertragen in Arbeiter- zellen nachträglich noch weibliche Wesen entstehen, ja aus Arbeiter- larven sollen sogar noch durch Übertragen in Drohnenzellen Drohnen erzeugt werden können. Ich würde diese Theorie an dieser Stelle nicht erwähnen, da ihr Urheber, der Bienenzüchter Dicker, sehr viele seiner Angaben nicht einwandfrei zu stützen vermochte. Manche unrichtigen, den Tatsachen direkt widersprechenden Behauptungen, wie sie ihm von FLEISCHMANN, PETRUNKEWITSCH und mir nachgewiesen wurden, die Widersprüche und das ständige Ummodeln seiner Beweisführungen, je nach dem Stande der wissenschaftlichen Forschung, haben nicht das Gefühl der un- bedingten Zuverlässigkeit, wie sie die Wissenschaft zu fordern berechtigt ist, entstehen lassen. Auch die angeführten Experimente erscheinen, EEE Hehe is J ul 4 | | | 4 | “G 4 q J 1 J 4 q E 7 : 5 57 soweit man sie überhaupt als einigermaßen einwandfreie betrachten kann, nicht als beweiskräftig, da sie zum mindesten auch einer Er- klärung unterliegen, die mit der Dzirrzonschen Theorie verein- bar ist. Da sich aber drei wissenschaftliche Forscher der Dickrischen Theorie in gewisser Weise angenommen haben und die Freiburger Eiuntersuchungen demnach als nicht beweiskräftig ansehen, bin ich genötigt, um den derzeitigen Stand der Frage darzulegen, in Kürze auf deren Argumente einzugehen. Es handelt sich um Arbeiten resp. Äußerungen von Prröcer®s, dem bekannten Physiologen, ferner von BAcHMETJEw !6, Physiker in Sofia und von BErHE!”. Es muß aber bemerkt werden, daß die drei Genannten weder Bienenforscher sind, noch habe ich aus ihren diesbezüglichen An- gaben den Eindruck erhalten, daß die wichtigste Literatur die nötige Berücksichtigung erfahren. Die drei Forscher stützen sich, so muß man notgedrungen schließen, in der Hauptsache lediglich auf die An- gaben des erwähnten Bienenzüchters. PrLüser ist bekanntlich ein Gegner der Parthenogenesis im all- gemeinen. Er vermutet, daß die Bienenkönigin einen bis jetzt noch nicht entdeckten »männerzeugenden Hoden« besitzt, der »keine Samenfäden« erzeugt. Prtücer hält also die Drohneneier für be- fruchtet mit Sperma, welches offenbar eine andre Form haben soll als ein Samenfaden, daher fände man auch keinen Samenfaden in den Drohneneiern, befruchtet wären sie aber nichtsdestoweniger'®. Bevor nicht PrLüser diesen »männerzeugenden Hoden«, der »keme Samenfäden« erzeugt, nachgewiesen hat, brauchen wir uns 15 PrLüger, E., Über die fungfräuliche Zeugung der Bienen. Münchener - Bienenzte., Nr. 20, 1903; ferner gleichlautend im Arch. f. d. ges. Physiol., 99. Bd., 1903. 16 BACHMETJEW, Ein Versuch, die Frage über die Parthenogenesis der Drohnen mittels der analytisch-statistischen Methode zu lösen. Alle. Z. f. Entom., 8. Bd., Nr. 2—3 v. 1. Febr. 1903, Neudamm. Vgl. a. derselbe, Zur Variabilität der Flügellänge von Aporia erataegi L. in Sophia (Bulgarien), ebenda Nr. 22—24, 1903, S.492. Derselbe, Brief an DickeL mit wichtigen Ergebnissen über die Halb- befruchtungstheorie, veröffentl. in »Die Biene<, Nr. 10, 1903, Gießen. 17 BETHE, ALBRECHT, Bemerkungen zu Dickes Auffassung der Geschlechts- _ bestimmung im Bienenstaat. Münchener Bienenztg., Nr. 20, 1903. Derselbe, Noch ein Wort zur Geschlechtsbestimmungsfrage, ebenda, Nr. 1, 1904. Derselbe, Entgegnung auf den Aufsatz von v. BUTTEL-REEPEN in Nr. 3ff. dieser Zeitschrift. Bienenwirtschaftl. Zentralblatt, Nr. 11, 1904. 18 Bekanntlich hat PFLÜüGER schon 1881 einen gleichsinnigen Erklärungsversuch gegeben. (Uber die das Geschlecht bestimmenden Ursachen und die Geschlechts- verhältnisse der Frösche, Arch. f. d. ges. Physiol., 29. Bd., 1882). 58 wohl nicht weiter mit einer Theorie zu beschäftigen, welche die Königin zu einem Zwitter stempelt!® Bacumetsew zählte bei ca. 50 Arbeiterinnen und je 50 bis 100 Drohnen (die genaue Zahl der untersuchten Bienen ist nur teil- weise angegeben) verschiedener Herkunft, sowie bei einigen Königinnen die kleinen Häkchen, welche die Hinterflügel mit den Vorderflügeln verbinden. Auf Grund von Berechnungen, auf die ich hier nicht weiter eingehen kann !6, kommt BAacHmeErsew alsdann zu dem Schlusse: Der rechte Flügel der Drohnen und der linke Flügel der Arbei- terinnen sind das Produkt der Parthenogenese (sind also aus unbe- fruchtetem Eimaterial erzeugt v. B.), während der linke Flügel der Drohnen und der rechte Flügel der Arbeiterinnen das Resultat der Befruchtung der Königineier darstellen.«!!!! »Daraus folgt«, so sagt Bacnumersew, »daßb sowohl die Ar- beiterbiene wie auch die Drohne halbnormale Individuen vorstellen, welche aus halbbefruchteten Eiern der Königin sich entwickeln«. Nur die Königinnen entstehen nach BAcHmETIEw aus ganz befruchteten Eiern. Ich glaube, mich auch bei diesem eigentümlichen Resultat nicht weiter aufhalten zu brauchen. Die Gründe anzugeben, weshalb ich nicht näher darauf eingehe, erscheint wohl nicht notwendig 2°. 19 An andrer Stelle (Entstehen d. Drohnen aus befruchteten Eiern, Bienenw. Zentralbl. Nr. 3—10, 1904) habe ich nachzuweisen versucht, daß der Erklärungs- versuch, die Samenfäden auszuschalten, schon aus rein mechanischen Gründen nicht plausibel erscheint. Das Bienenei ist mit einer feinen Eiweißschicht überzogen | und nur der sich schlängelnde mit selbsttätiger Bewegung begabte Samenfaden, — vermag durch diese Schicht und durch die feine Mikropyle in das Ei zu dringen. 4 Ein anders gestaltetes Sperma dürfte nicht in das Ei gelangen können. Weist © doch PPLÜüGER selbst in einer früheren Arbeit (Die teleologische Mechanik d. lebend. Natur, Arch. ges. Physiol., 15. Bd., 1877, S. 57—103) auf die Zweckmäßig- keit derartiger Bildungen hin, die es z. B. dem Samenfaden von Rana fusea wegen ~ seines dünnen und spitzen Kopfes ermöglicht, auch in die Hier andrer Frosch- _ arten einzudringen. Wegen der Eiweißschicht vgl. a. StEBoLD (Wahre Parthenog. b. Schmetterl. u. Bienen, Leipzig 1856, S. 106, ferner LEUCKART (Bienenzeitung, XI. Jahrg., Nr. 17—18, 1855). 20 In einem Briefe an DickEL !6, dessen Inhalt von diesem als »wissenschaftliche — Bestätigung für meine Lehre« öffentlich verwertet wurde, erläutert BACHMETJEW seine »Halbbefruchtungstheorie«. Ich habe das Ausführliche an andrer Stelle ge- geben", so beschränke ich mich hier nur auf einige charakteristische Auszüge zur Beurteilung dieser Theorie. Nach BACHMETJEW »ist es gleichgültig, ob diese Halb- befruchtung in den Eileitungswegen der Königin stattfindet oder später durch die 4 spezielle Behandlung der abgelegten Königineier seitens der Arbeitsbienen erzeugt wirde. Hiernach sollen also die Arbeiterinnen die Eier in den Zellen halb- — befruchten!! 2 59 Eine neue Befruchtungslehre für die‘ Bienen stellt Brrux auf. Er sagt: die Drohneneier sind, trotzdem man keine Spermastrahlung usw. in ihnen entdecken kann, dennoch befruchtet. Auf eine ausführliche und eingehende Auseinandersetzung meinerseits hin, die vor einigen Monaten veröffentlicht wurde 19, muß Berar zugeben, daß nach den allgemein angenommenen Definitionen der »Morphologen« die Drohneneier in der Tat unbefruchtet seien!! Um aber seine Behauptung dennoch aufrecht halten zu können, definiert Berne wie folgt 17: »ich sehe das Wesen der Befruchtung in dem Eindringen des Spermatozoons in das Ei, was hernach mit dem Sperma geschieht, ist eine Frage für sich«. Sicherlich ist mit dem nachgewiesenen Eindringen des Spermatozoons ein ganz allgemeines Charakteristikum der Befruchtung gegeben, aber das »Wesen der Befruchtung« allein auf diesen Vorgang, auf diesen kleinen Teil der ganzen Erscheinung zu beschränken, erscheint doch nicht angängig, zumal wir in sehr vielen Fällen den Vorgang des Eindringens des Spermas wohl nie- mals nachzuweisen vermögen und erst aus gewissen inneren Prozessen im Ei die tatsächliche Befruchtung konstatieren können?!. So er- Bei jedem, nur einigermaßen mit der Bienenbiologie Vertrauten, wird sich, bei der Beurteilung der BAcHMETJEWschen Ideen, folgender Gedanke aufdrängen: Entstehen die Königinnen aus vollbefruchteten Eiern, wie steht es dann mit Nachschaffungsköniginnen ? Letztere entstehen im Stocke, wenn die Königin ver- loren gegangen ist, indem die Bienen über einer mit einer jungen Larve ver- sehenen Arbeiterinnenzelle eine Königinzelle (Weiselzelle, Weiselwiege) er- richten und diese Larve durch veränderte Ernährung nunmehr sich zur Königin entwickeln lassen. Eine solche Zelle heißt Nachschaffungszelle. Hierdurch ergibt sich, daß auch Königinnen aus halb befruchteten Hiern entstehen können. Was sagt aber die BACHMETJEWsche Berechnung? DICKEL sandte eine Anzahl Königinnen an BACHMETJEW, die er später als »Nachschaffungsköniginnen« bezeichnete. Bacu- METJEW fand nun — in augenscheinlicher Unkenntnis der besonderen Entstehungs- art — aus der Zählung der Flügelhäkchen, daß »Königinnen aus vollbefruchteten Eiern entstammen«. Da man auch durch Übertragung der Eier oder jungen Larven aus Weisel- wiegen in Arbeiterinnenzellen einfache Arbeiter erzielt, die sich in nichts von den gewöhnlichen Arbeitern unterscheiden, so müßte man auf Grund der BACHMET- JEwschen Hypothese schließen, daß die Arbeiter auch die Fertigkeit besitzen. vollbefruchtete Eier nachträglich in halb befruchtete umzuwandeln! 21 Das Wesentliche der Befruchtung erscheint demnach — nach unserm heutigen Wissen — durch das Einführen des Entwicklungs-, des Teilungsapparates — nämlich des Centrosoma — bedingt, so daß wir mit BovERI, wenn wir ganz allgemein definieren wollen, sagen müssen: »die Befruchtung besteht in der Einführung eines Centrosoma durch das Spermatozoon«. Mit dem Centrosoma ist aber stets Strahlung verbunden, wenigstens ist mir eine Ausnahme nicht bekannt. Der Zweck der Befruchtung ist dann im besonderen und in ihrer eigentlichen Bedeutung die Vereinigung der beiden Geschlechtskerne (R. HERT- WIG, usw.), die Amphimixis (WEISMANN). Über die vereinigenden Momente in den 60 scheint diese Definition gerade fiir den vorliegenden Fall, fiir den sie formuliert wurde, nach der positiven Seite nicht brauchbar, denn wir wissen über den Vorgang des Eindringens eines .Spermatozoons in ein Drohnenei nicht das geringste und werden über diesen Vor- sang ohne Heranziehung der inneren Prozesse auch wohl niemals etwas wissen können. Da nun alle die inneren Prozesse, wie wir sie im Arbeitsbienenei sehen — nach Brrur — im Drohnenei »latent« bleiben, so sagt uns gerade diese Definition gar nichts über die mögliche Befruchtung der Drohneneier aus. Wir können nichts mit ihr anfangen. Ihr sehr zweifelhafter Wert liegt nur auf der nega- tiven Seite, da man auf Grundlage dieser Definition nicht allein von den Drohneneiern, sondern von allen unbefruchteten Eiern, bei denen keinerlei Befruchtungserscheinungen nachgewiesen werden können, zu behaupten vermag, sie seien vermutlich doch befruchtet, ihr Unbe- fruchtetsein sei jedenfalls nicht nachgewiesen. Im Drohnenei, so meint Beruz, bleibt das Spermatozoon ohne eine Spermasonne zu er- zeugen, ohne für die mikroskopische Untersuchung sichtbar zu werden, an der Peripherie legen2?; es erfolgt keine Copulation der Ge- schlechtskerne, weil die Drohnenzelle nach Dicken mit »männlichem Speichelsekret« bedeckt sein soll. Dieses Sekret übe auf »fermen- tativem« Wege eine Sperma hemmende Wirkung und zugleich eine Wirkung aus, welche das männliche Geschlecht zur Auslösung bringe. Diese »fermentative«e Wirkung bringt Beruz in eine ge- wisse Parallele mit den Erscheinungen bei der künstlichen Partheno- genesis?*. Nun ist aber das Charakteristische bei der künstlichen Befruchtungstheorien von Bovert und R. HERTWIG resp. WEISMANN vgl. BÜHLER, Alter und Tod. Eine Theorie der Befruchtung. Biol. Zentralbl. Nr. 2—4, 1904. 22 Bei dieser Ansicht BETHEs von dem Wesen der Befruchtung im Bienenei scheint mir überdies ein Nichtbeachten des von mir am Bienenei konstatierten Vorgangs vorzuliegen, daß das eindringende Spermatozoon eine sehr deutlich sichtbare Protoplasmabahn auch in größter Nähe der Peripherie erzeugt. (Vel. BuTTEL-REEPEN, Entstehen die Drohnen aus befruchteten Eiern? Bienenwirtsch. Zentralbl. Nr. 3—10, 1904). Diese Keimplasmabahn wurde aber in Drohneneiern bisher nie nachgewiesen. Über Bermes Befruchtungsiehre vgl. auch: Burret- REEPEN, BETHEs neue Befruchtungslehre, Bienenwirtsch. Zentralbl. Nr. 12, 1904. 23 Dieser Vorgang erschiene wahrscheinlicher, wenn es sich hier um oligo- pyrene oder apyrene Spermatozoen handelte (MEves, Über oligop. u. apyr. Sper- mien u. üb. ihre Entst. — Arch. f. mikr. Anat. u. Ent., 61. Bd., 1902). Wir haben es hier aber mit Sperma zu tun, welches mit ganzem Kern ausgestattet ist (MEVES, Üb. »Richtungskörperbildung« im Hoden von Hymenopteren, Anat. Anz., 24. Bd., Nr. 1, 1903) und in dem auch keine akzessorischen Chromosomen, denen man irgend eine besondere Wirkung zuschreiben könnte, beobachtet worden sind. 24 BETHE betont diese Analogie besonders in der Münchener Bienenztg. Nr. 20, 1903 (» Bemerkungen zu DIckELs Auffassung der Geschlechtsbestimmung im Bienen- staat«). oe SSeS ae a. eric Se ee m ne U 6] Parthenogenese das Auftauchen von besonderen Strahlungen im Protoplasma des Eies. Diese fehlen aber in den Drohneneiern, wie auch Berne zugibt. Dann hat Boverr konstatiert, daß die reduzierte Zahl der Chromosomen sich bei der künstlichen Parthenogenese nicht wieder ergänzt. Bei den Drohneneiern sehen wir aber keine redu- zierte Zahl der Chromosomen usw. Ich halte es daher für durch- aus verfehlt, lediglich um die Dicketschen Anschauungen wahr- scheinlicher zu machen, die Prozesse, wie sie sich bei der künstlichen Parthenogenesis abspielen, in Verbindung zu bringen mit den Vor- gängen bei der Eientwicklung im Bienenstaat. Überdies will der erwähnte Bienenzüchter, wie schon kurz angegeben, noch aus einer Anzahl von Arbeiterlarven! durch Übertragung in Drohnenzellen gleichzeitig 46 % Drohnen, 17% Mutterbienen und 37% Arbeits- bienen erzielt haben. Es dürfte die Annahme kaum diskutierbar erscheinen, durch »fermentative« Prozesse auch hier noch aus der Larve ein geschlechtlich andres Wesen entstehen zu lassen. 25 Es ist auch von derselben Seite (DickEL) behauptet worden, daß die wirklichen Zwitter sich nur befriedigend erklären ließen auf Grund der Ein- speichelungshypothese. Wenn durch irgendwelche besonderen Umstände nicht nur das »männliche«, sondern auch das »weibliche« »Geschlechtssekret« gleich- zeitig an das Ei gelange, so entstände ein rechter Zwitter. Diese besonderen Umstände wurden in abweichender Form der Zellen gefunden. Wenn die Königin z. B. Eier ablegt in regelmäßig sechseckige Zellen, welche hinsichtlich ihrer Größe in der Mitte stehen zwischen Arbeiter- und Drohnenzellen, so soll diese ver- kehrte Bespeichelung eintreten und Zwitter dadurch hervorgerufen werden. Ab- gesehen davon, daß solche regelmäßig gebauten Zellen abnormer Größe auf Waben, die nur Arbeiterzellen enthalten, meines Wissens noch nie beobachtet worden sind, während sich Zwitter gar nicht so selten zeigen, spricht auch folgende Beobachtung gegen diese Ansicht. Im Anfang der sechziger Jahre er- eignete sich auf dem Eussterschen Bienenstande in Konstanz jener klassische Fall von Bienenzwittererzeugung, der im wesentlichen durch v. SIEBOLD (Z. f. wiss. Zool., 14. Bd., 1. Heft, 1864; derselbe, Sendschreiben an die Wanderversamm- lung der deutschen Bienenwirte in Karlsruhe, Bienenzeitung, Nr. 20 u. 21., 1863) ‚ erforscht worden ist. Eine Königin erzeugte durch mehrere Jahre hindurch in regelmäßigen Schüben Zwitter in großer Menge. EuGsTER behauptete »auf das bestimmteste«, die Zwitter entständen in den eben geschilderten Zellen abnormer Größe auf einer einzigen Wabe. (Diese durchaus unrichtige Angabe EuGsTErs wurde von DICKEL ohne Rücksicht auf den durch v. SiEBoOLD festgestellten wirk- lichen Tatbestand für seine Lehre verwertet). SıEBoLD fand aber Folgendes (l. e.): »Herr Kucsrer hatte die Güte, diesen merkwürdigen Bienenstock vor meinen Augen zu Öffnen und dessen Waben zu mustern. Es fanden sich neun Waben darin vor, an denen in verschiedenen gedeckelten Arbeiterzellen bei ihrer Er- öffnung Zwitterbienen zu erkennen waren. Von solchen Zellen ließ sich vor ihrer Eröffnung niemals im voraus bestimmen, ob ein Zwitter darin verborgen sei oder nicht, so wenig unterschieden sich diese Zellen von den benachbarten gedeckelten und normale Arbeiter enthaltenden Zellen. Einzelne hier und dort vorhandene 62 Es scheint mir daher, daß auch die Berueschen Äußerungen keine irgendwie genügend feste Grundlage haben, um uns zu veran- lassen, die Freiburger Eiuntersuchungen als minder beweiskräftig an- zusehen 26, Buckelzellen waren mit normal gebildeten Drohnen besetzt (vgl. 37). Die Ver- teilung der Zwitter bergenden Zellen fand an diesen Waben durchaus unregel- mäßig statt.«< Es fanden sich also diese Zwitter bunt zerstreut auf den verschie- denen Waben in Arbeiterzellen normaler Größe. Es kommen demnach auch keine Übergangszellen in Frage, die sich fast in jedem Stocke finden. Während ver- schiedene Töchter dieser Königin nur normale Bienen erzeugten, erbte eine Tochter diese merkwürdige Anlage. Da sich die Zwitter stets in den Arbeiterzellen und nie in den Drohnenzellen fanden, wenigstens wird überall nur das erste betont und nie das letztere erwähnt, so weist dieses schon darauf hin, daß die Befruchtung etwas mit der Sache zu tun hat. (Zu gleicher Zeit dürfte hierin ein weiterer Beweis für die partheno- genetische Entstehung der Drohneneier zu finden sein.) Daß eine etwaige abnorme Veranlagung der Spermien nicht in Frage kommen dürfte, geht daraus hervor, daß bei Mutter und Tochter, die sogar von verschiedenrassigen Drohnen be- fruchtet wurden (die Mutter erzeugte italienische Bastarde, die Tochter viel dunkler gefärbte Arbeiter), dieselbe Erscheinung auftrat. Wir müssen die Ursache der Zwitterbildung daher nur bei dem Weibchen suchen. Da die Königin in der größten Mehrzahl normale Arbeiter hervorbrachte, können abnorme Verhältnisse in den Eileitungswegen wohl kaum in Frage kommen. Wir müssen, so scheint es mir, besondere Veranlagung einzelner Follikel in Betracht ziehen. Nehmen wir ~ nun an, daß in einzelnen Follikeln die Eier nicht sofort nach der Reife entlassen werden, sondern ein wenig länger verweilen, so daß infolge der partheno- genetischen Veranlagung bereits die Ausbildung des Pronucleus vor sich gegangen ist, der Eikern sich geteilt und die beiden ersten Furchungskerne vor- handen sind oder dasselbe durch eine abnorme beschleunigte Entwicklung erreicht ist, so können wir auf Grund der Boverischen Theorie eine einleuchtende Er- — klärung geben. Boveri nimmt an (Uber mehrpolige Mitosen, Verhdl. Phys. Med. # Ges., Würzburg. N. F., 35. Bd., 1902), daß unter Umständen der Spermakern mit einem der Furchungskerne verschmilzt. »Diese Verschmelzung könnte sogar auf | noch spätere Furchungsstadien verschoben sein und Polyspermie — bekanntlich bei Bienen vorkommend — könnte bewirken, daß mit einzelnen Abkömmlingen des Eikerns Spermakerne kopulieren, mit andern nicht. So würden die mannig- faltigsten Mischungen männlicher und weiblicher Charaktere entstehen können, wie sie in der Tat beobachtet worden sind.« 26 Durch einen sehr dankenswerten Täuschungsversuch des Herrn DIcKEL haben auch die indirekten Befunde der Freiburger Untersuchungen eine vorzüg- liche Beweiskraft erlangt. Im Zweifel an der Zuverlässigkeit mikroskopischer Untersuchungen sandte DickEL an PETRUNKEWITSCH zwei Gläschen mit Bienen- — eiern. Das eine sollte Drohneneier, das andre Arbeitereier enthalten, ersteres also nur Eier, welche Drohnenzellen, letzteres nur Eier, welche Arbeiterzellen entnommen waren. Die mikroskopische Untersuchung durch PETRUNKEWITSCH ergab aber, daß die »Drohneneier« befruchtet und die » Arbeitereier« un- — befruchtet waren. DIcKEL gestand auf Vorhalt, daß er die Etiketten auf den — Gläschen vertauscht habe. Es war hierdurch der Beweis geliefert, daß sich durch + - ~- % N ü > u EN DH EEE EA LE ce, Se =F 2 gi ft fi > & { " E u 63 Wenn nun auch speziell die PerrunKrewitscuschen Untersuchungen nach der Ansicht aller derjenigen, die sich einen Uberblick iiber diese Frage verschafft haben, auf das befriedigendste darlegen, daß die alte Dzierzonsche Theorie zu Recht besteht, so wäre eine Neuunter- suchung immerhin wünschenswert, einesteils zur Einschränkung gar zu phantastischer spekulativer Hypothesen, andernteils aber weil Nebenergebnisse noch der Klärung bedürfen. So erscheint die An- gabe über die Zahl der Chromosomen im Pronucleus noch der Be- stätigung bedürftig, da hier die Mrvrsschen 2° Untersuchungen über die Spermatogenese bei Apes mellifica, wenn auch nicht auf einen Irrtum, so doch auf eine andre Auffassung hinzuweisen scheinen. Allerdings hat sich die von PETRUNKEWITSCH für den weiblichen Pronucleus vorausgesetzte Konstanz der reduzierten Chromosomen- zahl bis zur Vereinigung mit dem Spermakern und die dadurch er- folgende Erhöhung der Chromosomen auf die Normalzahl als ein so weit verbreitetes Gesetz erwiesen, daß man eher geneigt ist, an- zunehmen, daß vielleicht bei den Mxvzsschen Befunden anormale Verhältnisse vorliegen dürften. Ferner scheint mir die Entstehung der doppelkernigen Zellen aus dem Richtungskörper-Copulationskern und ihr späteres Funktionieren als männliche Geschlechtszellen noch einer Bestätigung zu bedürfen, da die Beweiskette keine ge- schlossene ist. Zum Schluß möchte ich auf folgendes hinweisen. Schon in den achtziger Jahren wurde von dem englischen Hymenopterologen Ca- MERON 2’ betont, daß die Drohnen im normalen Volk nicht nur aus unbefruchteten Eiern entstehen müssen, sondern auch aus befruch- ‚teten entstehen könnten; naturgemäß ist dann auch der Schluß zu ziehen, daß auch Arbeiterinnen bzw. Königinnen vielleicht aus un- befruchteten Eiern unter besondern Umständen auferzogen werden könnten. Diese letztere Möglichkeit hat meines Wissens Weıs- MANN zuerst präzisiert, allerdings hat Wrismann dann auch gleich auf die große Unwahrscheinlichkeit hingewiesen und ich vermag die Unwahrscheinlichkeit beider Fälle nur zu bekräftigen. W HuEELER 30 dagegen betont die Möglichkeit solcher Entstehung mit Nachdruck. mikroskopische Untersuchung beide Eiarten mit absoluter Sicherheit erkennen lassen (abgesehen von sehr frühen Stadien, in denen sich gewisse Befruchtungs- _ erscheinungen noch nicht ausgebildet haben) und zwar durch das Fehlen der Befruchtungsvorgänge in solchen Eiern, welche Drohnenzellen ent- nommen sind. 27 CAMERON, P. On Parthenogenesis in the Hymenoptera in: Proc. a. Trans. Nat. Hist. Society, Glasgow, N. Ser., Vol. II, Part II. (1887—88) 1890. (Read 24th April, 1888), p. 194—201. 64 Immerhin erhalten diese Hypothesen durch die Befunde im Ameisenstaat, wie sie von Retcuensacn?’, TANNER 2’, Comstock 3° ge- macht wurden und welche ergaben, dab aus von Ameisenarbeitern gelegten Eiern Männchen und Arbeiterinnen entstanden, eine ge- wisse Unterlage; allerdings stehen diesen Beobachtungen zahlreiche von ForEL>!, Lussock®?, WAsMANN?®®, FIELDE® und VIEHMEYER (brieflich) gegenüber, nach denen sich aus den von Arbeitern resp. von unbefruchteten Königinnen gelegten Eiern ausschließlich nur Männchen entwickeln. Die ersteren Befunde mögen daher noch einer andern Erklärung unterliegen, und ich persönlich bin sehr ge- neigt anzunehmen, daß hier eine andre Erklärung Platz zu greifen hat. Freilich sehen wir ja auch bei verschiedenen Insekten, z. B. bei Chermes abietis nach den BLocnmannschen Untersuchungen’, aus un- befruchteten Eiern Männchen und Weibchen entstehen und auch in der Pflanzenwelt finden wir bei vielen Pilzen, Algen, Dictyotaceen, Florideen, daß aus den unbefruchteten und aus den befruchteten Eiern sich derselbe Organismus entwickeln kann *°, Wenn es daher auch nicht völlig ausgeschlossen erscheint, daß unter veränderten Umständen infolge uns noch nicht bekannter Ein- flüsse die erwähnten den normalen Verhältnissen widersprechenden Entwicklungsmöglichkeiten ausnahmsweise auch im Bienenstaat ein- treten, so muß ich aber doch nachdrücklichst hervorheben, daß von einer Wahrscheinlichkeit nicht geredet werden kann. Ergeben sich Fälle, die auf eine solche Möglichkeit hindeuten, also daß beispiels- weise aus vermeintlichen Drohneneiern sich Arbeiter entwickelt haben, so liegt die Erklärung wohl sehr viel näher und wahrscheinlicher in dem gar nicht selten nachgewiesenen Umstande, daß die Königin — 25 REICHENBACH, H. Über Parthenogenese bei Ameisen und andre Beobach- tungen an Ameisenkolonien in künstlichen Nestern. Biol. Centralbl., 22. Bd., Nr. 14 u. 15, 1902. Vgl. auch BurrEL-REEPEN, Die stammesgeschichtl. Ent- stehung d. Bienenstaates, Leipzig 1903, S. 120—121. 29 TANNER, Oecodoma cephalotes. Second paper. Trinidad Field Naturalists’ Club, Vol. I, No. 5, December 1892, p. 123—127. 30 Comstocks Beobachtungen über Lasiws niger, veröffentl. durch WHEELER in: »The Origin of Female and Worker Ants from the Eggs of parthenogenetic Workers, Science, N. 8., Vol. 18, Nr. 469, 1903, p. 830—833. 31 ForEL, Fourmis de la Suisse, 1874, p. 328 u. 329. 32 LuBBock, Ameisen, Bienen und Wespen, Leipzig 1883, S. 30—33. 33 WASMANN, Parthenogenese bei Ameisen durch künstliche Temperatur- verhältnisse, Biol. Centralbl., 11. Bd., Nr. 1, 1891, S. 21—23. 3 FIELDE, A Study of an Ant. Proc. Acad. Nat. Sciences Philad. 1901, p. 439. — 35 BLOCHMANN, Uber d. Geschlechtsgeneration v. Chermes abietis L. Biol, Centr., 7. Bd., Nr. 14, 1887. 3% REINKE, J., Einleit. in die theoret. Biologie, Berlin 1901. EIERN TECH ENTER un un u en ee BR URN. = 65 unter normalen Verhiltnissen auch in Drohnenzellen hin und wieder einzelne befruchtete Eier ablegt. Solche Fälle wurden zahlreich be- obachtet?7. Und auch umgekehrt sind Fälle durchaus nicht selten, die uns also Drohnen in Arbeiterzellen zeigen 19; 37, Doch sind alle diese Befunde Ausnahmen von der Regel. Überblickt man die biologischen Verhältnisse im Bienenstaat, namentlich die Kreuzungserscheinungen®® und so manches andre, das 37 Der hervorragende Bienenzüchter und bienenwirtschaftliche Schriftsteller G. LEHZEN, Redakteur des Bienenw. Centralbl., beobachtete einst eine Königin, die auf einer Wabe mit ausschließlich Drohnenzellen ein handflächengroßes Stück mit Arbeitereiern belegt hatte!9%. Genau dasselbe berichtet ein Bienenzüchter KLEMPIN in »Bienenzeitung« Nr. 2, 1881, mit dem interessanten Zusatz, daß auch eine junge Königin »ihrer Mutter in dieser Unart nachartete und Drohnenzellen mit befruchteten Eiern besetzte. Sollte hier eine individuelle Eigentümlichkeit sich fortgepflanzt haben?« Ferner: »Auch bei höchst fruchtbaren Königinnen kommt es nicht selten vor, daß einzelne Drohnen aus Bienenzellen mitten zwischen Arbeitern auslaufen« (vgl. v. BERLEPSCH, Bienenzeitung 1855, S. 78; auch LEUCKART in: Zur Kenntn. d. Generat. u. d. Parthenog. b. d. Insekten 1858, S. 378). 3 Neuerdings wird von Gegnern der DZIErRZoNschen Lehre behauptet, die Kreuzungserscheinungen sprächen gegen diese Theorie. Hier ist aber große Vorsicht am Platze, da infolge der zahllosen Importe von italischen und krainer Bienen sich nur sehr selten noch wirklich sogenanntes reines Blut findet. 1853 kamen die ersten italischen Bienen nach Deutschland. Größere Sicherheit haben wir daher in den Beobachtungen, welche in den ersten Jahren angestellt wurden. Einer der schärfsten und besten Beobachter, v. BERLEPSCH, schreibt über diese Frage im Jahre 1856 (Bienen-Zeitung Nr. 1, S. 6) und brief- lich an v. SIEBOLD (Wahre Parth. b. Schm. u. Bienen, 1856, S. 98) »Die Männchen richten sich der Farbe nach ausnahmslos nach der Mutter und ich habe im letzten Sommer trotz der sorgfältigsten Aufmerksamkeit und der genauesten Prüfungen bei Bastardmüttern auch nicht ein Männchen entdecken können, das nach dem Vater geartet gewesen wire.« Zu beachten ist, daß auch in Italien neben der sog. italienischen gelbgeränderten Biene (Apzs ligustica SPIN.) auch die } dunkle sog. deutsche Biene vielfach vorkommt. Die Apis igustica ist nach meiner Ansicht nur eine ziemlich konstante, ursprünglich aus einer Kreuzung von dunklen Bienen mit der gelblichen in Ägypten heimischen kleineren Apis faseiata hervor- gegangene Lokalrasse. Ich möchte hier die Aufmerksamkeit auf die merkwürdigen Erscheinungen hinlenken, die sich mir in verschiedenen Beobachtungen ergaben, die aber nur die alten Befunde von v. BERLEPSCH, PEREZ (Mémoire sur la Ponte de Yabeille reine. Ann. Sci. Nat. 6 ser. V. 8. Art. 18, 1878), DzıERZoN, KLEINE, DATHE usw. bestätigen. Wird eine italienische Königin von einer deutschen Drohne befruchtet, oder eine deutsche Königin von einer italienischen Drohne, so ergeben die Arbeiterinnen nicht durchweg kurz gesagt halbmütterliche und halbväterliche Anzeichen, sondern nur ein Teil der Bienen sind regelrechte Misch- linge, ein andrer Teil zeigt rein italienische und der Rest rein deutsche Färbung. Das Eigentümlichste aber ist, daß mir eine besonders gelbe Italienerin, die von einer dunklen Drohne befruchtet sein mußte, da sie im ersten Jahr noch zahl- reiche Mischlinge produzierte, im zweiten Jahr fast nur rein italische Arbeite- rinnen ergab und im dritten Jahr ausschließlich italische, so daß das Volk von Verhandl, d. Deutsch. Zool. Gesellschaft. 1904. 5 66 hier nicht mehr berührt werden kann, so vermag man nur zu sagen, die durch Perrunkewitscu aufs neue bekräftigte Dzisrzonsche Theorie steht in bester Harmonie mit den mikroskopischen und biologischen Befunden. Sollte eine Neuuntersuchung das sehr unwahrschein- liche Resultat ergeben, daß PETRUNKEWITScH sich geirrt hätte und die Drohneneier doch befruchtet sind, nun so werden wir unsre An- schauungen alsdann zu ändern haben, bis dahin aber können wir, wie eingangs gesagt, gar nicht anders als erklären: Die Theorie von der geschlechtlichen Präformation scheint, soweit unser heutiges Wissen reicht, keine Gültigkeit im Bienenstaat zu haben und auch die andern Geschlechtsbestimmungstheorien (PFLÜGER, BACHMETJEW, Brrur) gewähren keine irgendwie haltbare Grundlage. Die Be- fruchtung entscheidet über das Geschlecht! Diskussion: Zu dem vorstehenden Vortrag nahm zunächst das Wort Herr Dr. BressLau (Straßburg). Obwohl es nach dem soeben gehörten Vortrage als eine undank- bare Aufgabe erscheint, das Wort zu ergreifen, kann ich doch mit Rücksicht auf die Beurteilung, die der Herr Vortragende DickkL und BETHE hat zuteil werden lassen, nicht umhin, meine der seinigen entgegengesetzte Ansicht zu äußern. jedem Kenner als ein echt italisches angesprochen wurde. Diese Beobachtung finde ich bestätigt von DZ1ERZON, v. BERLEPSCH, R. DATHE usw. Diese Beobachter erwähnen, daß wenn umgekehrt die italienische Königin besonders dunkel von Farbe, also einen größeren Prozentsatz dunkleren Blutes, wenn ich so sagen darf, besaß, die Arbeiterinnen nach und nach dunkler wurden, so daß schließlich (meist erst im dritten Jahr) fast nur rein deutsche Arbeiterinnen (der Farbe nach) er- zeugt wurden. Versucht man auf diese Erscheinungen die MExpeLsche Regel anzuwenden, so scheint mir daraus hervorzugehen, falls wir hier überhaupt einen Gebrauch von dieser Regel machen dürfen, daß wir es weder bei der italienischen noch bei der deutschen Bienenart mit einer reinen Rasse zu tun haben, da diese Befunde sich bereits bei der ersten Generation zeigen. Es ergibt sich hierdurch eine gewisse Bestätigung über meine Ansicht von der Mischlingsnatur dieser Rassen. ‚Jedenfalls erscheinen hier die WEISMANNschen Reduktionsteilungsvorgänge als zu Recht bestehend, da wir auf Grund derselben eine emleuchtende Erklärung zu gewinnen vermögen. Unerklärt bleibt freilich noch jenes seltsame allmähliche Anwachsen der italischen resp. deutschen Merkmale. Diese Erscheinungen werden durch keine der jetzigen Theorien, wie sie sich z. B. in der vortrefflichen Zu- | sammenstellung und Erläuterung durch HÄCcKER (Bastardierung und Geschlechts- zellenbildung, Zool. Jahrb. Supplem. VII, 1904) finden, unserm Verständnis näher gebracht. Ich werde an andrer Stelle näher auf diese Verhältnisse ein- gehen. 67 Mir scheinen folgende Überlegungen und Versuche Dicke.s' äußerst beachtenswert: Wenn Dzierzons? Lehre richtig ist, daß die Mutterbiene das Geschlecht der Nachkommen bestimmt, indem sie die Eier, aus denen Männchen entstehen, unbefruchtet in Drohnenzellen, die, aus denen Arbeiter entstehen, befruchtet in Arbeiterzellen ablegt, wenn ferner die Untersuchungen v. Pranras (Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 12 u. 13, 1888/89) zutreffen, nach denen der Futterbrei, den die Arbeiter den heranwachsenden Larven reichen, je nachdem ob es sich um Königinnen-, Drohnen- oder Arbeiterlarven handelt, eine chemisch verschiedene Zusammensetzung aufweist, so folgt hieraus, daß sowohl die Königin wie die Arbeitsbienen in ihren Verrichtungen an die Zellensorte gebunden sein müssen, soll nicht im Bienenhaushalt der größte Wirrwarr entstehen. Es läßt sich jedoch zeigen, daß die Zelle an sich weder die Legetätigkeit der Mutterbiene reguliert, noch die Arbeiter zur rich- tigen Futterabgabe veranlaßt. Setzt man z. B. eine Bienenkolonie auf lauter Drohnenbau, so gehen aus den Drohnenzellen, die zu Arbeiterzellen nicht umgebaut werden können, weit mehr Arbeiter als Drohnen hervor. Im zeitigen Frühjahr und Nachsommer ent- stehen sogar nur Arbeiter aus diesen Drohnenzellen (Versuch I). Dieser Versuch beweist, daß die Form der Zellen an sich kein ausschlaggebender Faktor bei der Fortpflanzung der Bienen ist. Es wäre aber — vom Dzierzonschen Standpunkte aus -— denkbar, daß die Mutterbiene, da sie nur Drohnenwachs vor sich hat, außer den normalerweise in diese Zellen zu deponierenden, unbefruchteten Eiern auch ihre befruchteten Eier dahinein ablegt. Es müßte dann weiter angenommen werden, daß die Arbeiter die Verschiedenheit dieser Eier — etwa durch verschiedenartige Geruchseindrücke — ! Ich folge hier einer neueren Zusammenstellung DIcKEis, deren Manuskript zu benutzen er mir seinerzeit freundlichst gestattet hat. Die gleichen Versuche finden sich auch in einem soeben (Rheinische Bienenzeitung, 55. Jahrg., 1904, Nr. 4) erschienenen Aufsatz DICKELSs: Entscheidende, leicht auszuführende Versuche zur Begründung meiner Lehre. 2 DZ1ERZONS Lehre gründet sich auf die Tatsache, daß aus sicher unbefruch- teten Bieneneiern nur Drolinen hervorgehen. Wenn daraus nun gefolgert wird, daß die Drohnen sich stets nur parthenogenetisch entwickeln. so erscheint diese _ Umkehrung gewiß zunächst sehr nahezuliegen. Es ist aber zu prüfen, ob diese Folgerung sich auch mit den wirklich zu beobachtenden Erscheinungen verträgt, oder ob nicht, ähnlich wie auch O. SCHULTZE meint, die einfache Deutung zu- trifft, daß eine Befruchtung der Eier, die zur Erzeugung von Arbeitern niemals entbehrt werden kann, zur Hervorbringung von Drohnen nicht unbedinet erforder- lich ist. 5* 68 merken und infolgedessen auch das chemisch richtige Futter in jede Zelle bringen. Wenn man nun aber im Herbst eine junge Mutterbiene heran- zieht, die unbefruchtet bleibt, weil man durch Anbringen emes Ab- sperrgitters vor dem Flugloch den Hochzeitsflug und damit die Be- gattung verhindert, so beginnt diese unbegattete Königin im nächsten Frühjahre zur selben Zeit Eier abzulegen, wie die begatteten. Und obwohl diese unbegattete Königin nur unbefruchtete, also nur mÄnn- liche Bienen ergebende Eier ablegt, legt sie dieselben dennoch nicht in Drohnen-, sondern in Arbeiterzellen, selbst dann, wenn man mitten ins Brutnest eine Drohnenwabe hineinstellt. Damit wird zunächst bewiesen, daß für die Mutterbiene eine Nötigung nicht existiert, ın Arbeiterzellen nur befruchtete Eier abzulegen, ebensowenig als sie unbefruchtete Eier in Drohnenzellen ablegen muß. Wie verhalten sich nun die Arbeiter bei diesem Versuch? Ks ist eine allbekannte Erfahrung, daß die Bienenkolonien im zeitigen Früh- jahr nur Arbeitsbienen heranziehen. Insbesondere wird man in kleinen Völkern bei sonst regelrechten Verhältnissen in den Monaten Fe- bruar und März, meist auch noch im April niemals schon die Auf- zucht von Drohnen wahrnehmen. Könnten nun in unserm Falle |) die Arbeiter befruchtete von unbefruchteten Eiern unterscheiden, so müßten sie die unbefruchteten entfernen, weil sie nur Arbeitsbienen heranziehen wollen. Statt dessen pflegen sie dieselben genau so, als wären sie befruchtet, und es entstehen in den Arbeiterzellen nur — falsche? Drohnen. Nun könnte man einwenden, die Arbeiter können hier den Unterschied zwischen befruchteten und unbefruchteten Eiern | nicht merken, weil nur unbefruchtete da sind; deshalb pflegten sie U in ihrem Trieb nach Brut die unbefruchteten Eier als ob sie be- fruchtet wären. Um das zu prüfen, entnehme man der Kolonie mit der unbegatteten Mutter womöglich schon im Februar eine mit Eiern und Larven besetzte Wabe und hänge sie einer kleinen, regelrechten Kolonie mitten in den Bienensitz, die die Aufzucht von Arbeitsbienen _ bereits begonnen hat. In dieser Kolonie haben somit die Arbeiter befruchtete und unbefruchtete Eier und aus diesen hervorgegangene | Larven vor sich und müßten also, wenn sie die falsche Brut von — echter unterscheiden könnten, die erstere entfernen. Dies ist aber nicht der Fall, man wird vielmehr finden, daß die falsche Brut gleich echter weitergepflegt wird (Versuch II). 3 DICKEL bezeichnet die aus Eiern einer unbefruchteten Mutter sich ent- | wickelnden Drohnen im Gegensatz zu den Söhnen einer normalen Königin als »falsche« Drohnen. 69 Es wäre hiergegen noch der Einwand möglich, die Arbeiter hätten in Versuch Il, obwohl sie befruchtete und unbefruchtete Eier nicht unterscheiden können, die Drohneneier und -larven nur deshalb weitergepflegt, weil sie nicht in Drohnen-, sondern in Arbeiterzellen lagen. Daß aber auch dieser Einwand hinfällig ist, läßt sich zeigen, wenn man eine unbegattete Königin auf lauter Drohnenbau heran- zieht, die alsdann ihre unbefruchteten Eier auch wirklich in Droh- nenzellen ablegt. Macht man dann mit einer eier- und larvenbesetz- ten Wabe aus dieser Kolonie den Parallelversuch zu Versuch II, indem man sie im zeitigen Frühjahr einer kleinen regelrechten Kolonie einhängt, so ergibt sich, daß auch hier die Brut regel- recht weitergepflegt wird, obwohl hier tatsächlich die männ- lichen Bienen (falsche Drohnen) aus Drohnenzellen hervorgehen (Versuch ITI). Im Gegensatz zu diesen Versuchen (I—III) ist nun folgender Versuch von größter Bedeutung. Einer normalen starken Kolonie des gewöhnlichen Betriebes, die schon im zeitigen Frühjahr Drohnen in Drohnenzellen erzieht, entnehme man eine Drohnenbrut enthaltende Drohnenwabe und stelle sie einem im Brutnest nicht beengten, schwachen und zur Aufzucht von Drohnen noch nicht reifen, sonst aber durchaus normalen Völkchen ein. Erfolg: Die Drohnenbrut wird aus den Drohnenzellen entfernt (Versuch IV). Entfernen mithin die Arbeiter, obwohl sie, wie die Versuche I—III gezeigt haben, weder befruchtete von unbefruchteten Eiern unter- _ scheiden können, noch in ihrem Verhalten durch die Form der Zellen reguliert werden, in dem einen Fall (Versuch IV) den Inhalt der | Drohnenwaben, in dem andern (Versuch III) nicht, so bleibt nur die Erklärung möglich, daß sie zu diesem verschiedenen Verhalten durch etwas drittes veranlaßt werden, was sie selbst den jeweiligen physiologischen Zuständen des Stockes entsprechend an oder in die Zellen gebracht haben. Was das für Qualitäten sind, die bewirken, daß die an sich ununterscheidbaren, in vollkommen identischen Zellen abgelegten Eier das eine Mal entfernt, das andre Mal weitergepflegt werden, ist eine Frage für sich. Dicker hat sie durch seine Be- speichelungstheorie zu lösen gesucht, indem er dem Sekret der Speicheldrüsen, mit dem die Arbeiter die Zellen vor ihrer Belegung mit Eiern befeuchten sollen, eine je nach den verschiedenen Trieb- _ zustiinden des Stockes verschiedene Beschaffenheit zuschrieb. Ob das zutrifft, ist für mich zunächst vollständig gleichgültig. Ich be- schränke mich lediglich auf die vier vorgetragenen Versuche, aus denen sich, ihre Richtigkeit vorausgesetzt, mit unabweisbarer Logik | ergibt: 70 1. Die Königin ist in ihrem Legegeschäft nicht unbedingt an die Zellensorte gebunden, da es sowohl gelingt, in Arbeiterzellen Drohnen, wie in Drohnenzellen Arbeiter zu erziehen. 2. Die regelrechte Pflege der verschiedenen Eier und Larven sowie ihre Ernährung mit dem chemisch richtig zusammengesetzten — Futterbrei ist weder durch die Fähigkeit der Arbeiter, befruchtete von unbefruchteten Eiern unterscheiden zu können, noch durch die Form der Zellen, in denen die Eier liegen, bedingt, sondern durch etwas drittes, was die Arbeiter selbst den Zellen an- oder eingefügt haben müssen. Damit fiele aber die Dzrerzonsche Lehre; denn sie muß an- nehmen, daß sowohl die Tätigkeit der Königin, wie die der Arbeiter durch die Form der Zellen reguliert wird. Sonst würde es unbe- greiflich sein, warum normalerweise aus Drohnenzellen stets nur Drohnen, aus Arbeiterzellen Arbeiter hervorgehen. Es bliebe viel- | mehr zur Erklärung dieser Erscheinung nur die Annahme Dickes übrig, daß die Eier, welche die fehlerfreie, regelrecht be- gattete Mutter ablegt, alle einander gleichwertig, mithin sämtlich befruchtet sein müssen, und daß ihre geschlechtliche Differenzierung nach den drei Richtungen: Drohnen, Arbeiter, K6ni- ginnen die Folge der physiologischen Zustände ist, die jeweils in den Kolonien herrschen, d. h. dadurch herbeigeführt wird, dab die Arbeiter unter dem Einfluß dieser Zustände die mit Eiern zu be- setzenden Zellen jeweils in bestimmter Art und Weise präparieren. — Die eben angeführten 4 Versuche Dickes, die dies beweisen sollen, sind keineswegs neu, sondern zumeist bereits in den Jahren 1898/99 publiziert worden, also zu einer Zeit, wo Dicken noch keinerlei Ver- anlassung hatte cum studio zu arbeiten, oder gar, wie ihm später 4 vorgeworfen wurde, mit Fälschungen zu operieren. Die Versuche — scheinen mir vielmehr aus einfachen Beobachtungen des praktischen Imkers hervorgegangen und erst, indem sie weiterhin zu der Be- | speichelungstheorie Anlaß gaben, dem Verdammungsurteil, das jetzt fast einstimmig über die gesamte Lehre DickeLs ausgesprochen wird, | mit anheimgefallen zu sein. Ich für meine Person halte die Be- speichelungstheorie Dicxrns ebenfalls zunächst für noch nicht ein- — wandsfrei bewiesen, aber ich kann mich dem Vorgehen derer nicht anschließen, die deshalb alles, was Dicken beobachtet hat, und damit — auch die oben erwähnten 4 Versuche, in Bausch und Bogen ver- | werfen. Diese 4 Versuche schreien geradezu danach, nachgeprüft zu werden: dies ist aber meines Wissens von wissenschaftlicher Seite bisher nicht geschehen, und ich halte es daher für unzulässig, sie für falsch © zu erklären, ehe dies durch eine Nachuntersuchung festgestellt ist. ur 71 Nun wird man mir entgegenhalten: nach den Ergebnissen Pr- TRUNKEWITSCHS sei eine derartige Nachprüfung unnötig. PETRUNKE- wırsch habe festgestellt, daß die Drohnen aus unbefruchteten Eiern hervorgehen und demnach sei von selbst klar, daß Dicken Unrecht haben müsse. Darauf ist zu antworten, daß der, der dies behauptet, die Tragweite der Untersuchungen Prrrunkewitscus bedeutend über- schätzt. Nach Perrunkewitscu — ich schicke voraus, daß ich an der Richtigkeit seiner Untersuchungen nicht im geringsten zweifle -— läßt sich weder im Drohnen- noch im Arbeiterei unmittelbar nach der Ab- lage irgend eine Spur des Spermiums nachweisen. Erst nach einiger Zeit, etwa eine Viertelstunde nach der Ablage, ist im Arbeiterei der Spermakern, an seiner Strahlung erkennbar, zu beobachten und copu- liert alsdann mit dem Kikern, dessen durch die Richtungsteilungen auf 8 reduzierte Chromosomenzahl dadurch wieder zur Normalziffer 16 zurückkehrt. Anders im Drohnenei. Auch hier wird durch die beiden Richtungsteilungen die Zahl der Chromosomen im Eikern auf 8 herabgesetzt, auch hier besitzt der erste Furchungskern nachher 16 Chromosomen, aber es läßt sich nichts vom Spermakern, nichts von seiner Strahlung oder von einer Copulation mit dem Eikern wahrnehmen, ein negatives Merkmal, an dem die Drohneneier leicht und sicher zu erkennen sind. Wie die Normalziffer 16 der Chromosomen im Furchungskern hier erreicht wird, hat Prrkunke- witscH nicht eruieren können. Er konnte nur feststellen, daß sie sicher nicht durch nachträgliche Verschmelzung des Eikerns mit dem zweiten Richtungskörper, wie dies BRAUER für Artemia salina be- schrieben hat, zustande kommt. Er greift daher zu der Vermutung, daß sich die Chromosomenzahl im Eikern nach Ablauf der Rich- tungsteilungen durch eine nachträgliche Längsspaltung verdoppele. Diese Ergebnisse PETRUNKEWITSCHS können in verschiedener Weise gedeutet werden. Sie können von den Anhängern der DziErzon- schen Lehre in ihrem Sinne verwertet werden, aber einen exakten Beweis für sie erbringen sie nicht, wie ich in voller Übereinstim- mung mit Berue betonen möchte. Wenn wir — wie ich das auch in meiner Arbeit über die Entwicklungsgeschichte der Rhabdo- cölen ausgeführt habe — in dem gewöhnlich schlechtweg als » Be- fruchtung« bezeichneten Prozeß streng morphologisch zwei Vorgänge unterscheiden, den Vorgang der Besamung, d.h. das Eindringen des Spermiums in das Ei und den Vorgang der Befruchtung im engeren Sinne, d.h. die an den beiden Vorkernen sich abspielen- den Geschehnisse, und alsdann die Befunde Prrrunkswirschs be- urteilen, so hat dieser lediglich gezeigt, daß sich im Arbeiterei der Bienen die Befruchtung im engeren Sinne nach dem typischen und 72 von den Eiern zahlreicher andrer Tiere her bekannten Bilde der Copulation beider Vorkerne vollzieht. Was dagegen die Besamung betrifft, die doch für die Arbeitereier nicht im geringsten bezweifelt werden kann, so hat er diesen Vorgang weder für die Arbeiter-, noch für die Drohneneier feststellen können; es ist daher sehr wohl mög- lich, daß auch im Drohnenei eine Besamung stattfindet, daß aber die Periode, während welcher das Spermium, bzw. der aus ihm her- vorgehende Spermakern für uns — bei den bisher angewandten Un- tersuchungsmethoden — unsichtbar erscheint, hier nicht bloß, wie im Arbeiterei, von kurzer sondern von langer Dauer ist, und daß sich während dieser Zeit im Ei uns bis jetzt noch unbekannte Vorgänge vollziehen, über deren Wesen Vermutungen aufzustellen, zunächst gar keinen Zweck hat, deren Erfolg aber u. a. darin erblickt werden könnte, daß auch hier, wie in den sicher befruchteten Arbeitereiern, die durch die zweite Richtungsteilung auf 8 halbierte Chromosomen- zahl schließlich wieder ihre Normalziffer 16 erreicht. Ich gebe gern zu, daß die soeben vorgetragene Auffassung auf den ersten Blick weniger einleuchtend erscheint, als die Deutung, die die Dzierzonianer den Befunden Perrunknwirscus geben. Sie beweist aber, daß die Freiburger Eiuntersuchungen in der Frage, ob die Drohneneier von der Königin wirklich unbefruchtet abgelegt werden, noch in keiner Weise das letzte Wort gesprochen haben. Ich habe bis jetzt die ersten zwei der geschilderten Versuche Dickes mit verschiedenen Modifikationen nachgeprüft und ihre Richtigkeit bestätigen können. Leider bin ich nicht damit fertig geworden, wie ursprünglich beabsichtigt, auch die Nachprüfung der beiden andern Versuche schon bis zum heutigen Tage abzuschließen, und ich bin daher nicht in der Lage, Ihnen schon jetzt mit Bestimmtheit erklären zu können, ob Dicken oder Dzırrzon Recht hat. Trotzdem aber habe ich es für meine Pflicht gehalten, zu zeigen, dab keineswegs, wie der Herr Vortragende behauptet, der heutige Stand der Wissenschaft zur Annahme der Dzirrzonschen Theorie nötigt, sondern daß die Lehre von der parthenogenetischen Entwicklung der Drohneneier so- lange noch als unbewiesen und zweifelhaft zu gelten hat, bis erneute biologische und histologische Untersuchungen hier Klarheit geschaffen haben. Herr Prof. R. Herrwic (München): Bei der normalen Befruchtung der Metazoen kommen zwei ver- schiedene Vorgänge in Betracht, die durch Einführung des Centro- soma bedingte Entwicklungserregung des Eies und die in der Copu- lation der Kerne sich ausdrückende Amphimixis. Beide Herren Vorredner legen beim Entscheid der Frage, ob man ein Ei für 75 befruchtet oder unbefruchtet halten soll, das Hauptgewicht auf die Entwicklungserregung. Der jetzige Stand der Befruchtungsfrage führt dagegen zur Auffassung, daß das Wesentliche in der Amphi- mixis gegeben ist. Bieneneier müssen so lange als unbefruchtet gelten, als die Vereinigung von Ei- und Samenkern nicht erwiesen ist. Was nun weiter die Experimente anlangt, welche die Dzimrzon- sche Lehre widerlegen sollen, so kann ich denselben keine Beweiskraft beimessen. Daß eine befruchtete Bienenkönigin, welche auf Drohnen- waben gesetzt wird, schließlich auch befruchtete Eier, Arbeitereier, absetzt, ist nicht wunderbar; es ist sogar von vornherein zu erwarten, daß in einer solchen Zwangslage die normalen Reflexe oder Instinkte versagen. Übrigens muß man bei wissenschaftlicher Bewertung von Bienenexperimenten in Rechnung ziehen, daß man äußerst kompli- zierten Vorgängen gegenübersteht, deren einzelne Faktoren sehr un- vollkommen bekannt sind. Herr Dr. BressLau entgegnet hierauf: Ich habe nicht, wie Herr Prof. Herrwic meint, die von ihm abgelehnte Auffassung der Befruchtung im Auge, es ist vielmehr für meine Ansicht ganz gleichgültig, wie man sich die Bedeutung des Befruchtungsvorganges vorstellt. Dagegen unterscheide ich zwischen dem Vorgang der Besamung und dem der Befruchtung im engeren Sinne, mit Rücksicht auf die Frage, ob die Königin über das Ge- schlecht ihrer Nachkommen entscheidet, wie Dztnrzon behauptet, oder ob dies Sache der Arbeiter ist, wie Dicken will. Herr Prof. ZirsLER: Das histologische Ergebnis, wie es PETRUNKEWITScH erreicht hat, steht ganz außer Zweifel und könnte nur auf Grund ebenso gründ- licher histologischer Untersuchungen bestritten werden. Wollte man dieses Resultat durch biologische Versuche widerlegen, so müßten letztere eine sehr große Beweiskraft haben; was aber früher Dicken und jetzt Dr. BressLau an biologischen Tatsachen beigebracht haben, das kann keineswegs als ein unbestreitbarer Beweis gelten. Beson- ders möchte ich mich auch dagegen wenden, daß man den längst feststehenden Begriff der Befruchtung umdeuten will, wie dies Berur versucht hat, um für die Dickersche Theorie einen Schein von Berechtigung zu retten. Herr Dr. BresstAav: Meine Auffassung ist, wie ich nochmals betonen möchte, die, daß die Prrrunkewitschschen Ergebnisse nicht imstande sind, die parthenogenetische Entwicklung der Drohneneier mit Sicherheit zu _ beweisen. Vielmehr müssen wir, wenn die biologischen Untersuchungen 74 zu der Annahme zwingen, daß die Bieneneier (Arbeiter- wie Drohnen- eier) alle besamt sind, zu der Deutung greifen, die ich vorhin von ihnen entwickelt habe. Es ist das auch gar nicht so absonderlich, wie es anfangs klingen mag. Es ist ja selbstverständlich, daß in einem Moment der Entwicklung die geschlechtliche Differenzierung der Eier sichtbar wird: wir würden dann bei den Bienen die Er- scheinung haben, daß die geschlechtliche Differenzierung schon außer- ordentlich früh, unmittelbar nach der Eiablage, erkennbar wird. Herr Dr. von Burret: Die AuBerung des Herrn Kollegen BressLau ist nicht richtig, daß die Dicketschen Experimente noch gar nicht geprüft worden seien. Ein großer Teil der Experimente mit Völkern auf Drohnen- bau, auf die Dickst so großes Gewicht legt, sind im wesentlichen vor Dieken gemacht, sind daher längst bekannt, ihre Ergebnisse vereinigen sich vollkommen mit der Dzierzonschen Theorie. Im übrigen kann ich mich hierüber nur den Äußerungen der Herren Prof. Herrwic und Prof. ZiesLer anschließen. | Bezüglich der Äußerung Herrwics über das Wesentliche der Be- fruchtung darf ich wohl bemerken, daß ich besonders betonte, dab »der Zweck der Befruchtung« die Vereinigung der Geschlechtskerne (die Amphimixis) sei. Ich glaube, daß sich in der von mir gegebenen Darstellung die Ansichten Bovzrıs und Herrwics wohl vereinigen lassen. zb ln u u Pe ee — — Herr Prof. F. E. Scuurzr fragt Herrn Dr. BressLau, woher denn ~ das vorausgesetzte Spermium in den Eiern unbefruchteter Bienen- weibchen kommen solle? er EB EN tae Herr Dr. Bressiau : Die Tatsache, daß aus sicher unbefruchteten Bieneneiern — nur Drohnen hervorgehen, hat allerdings* den unmittelbaren Anstoß zur Aufstellung der Dzierzonschen Lehre gegeben. Es folgt aber — daraus nicht, daß auch die Umkehrung des Satzes richtig ist, daß | nun alle Drohnen aus parthenogenetischen Eiern hervorgehen. Dazu kommt, daß Dicken zwischen echten, aus normal abgelegten © Drohneneiern sich entwickelnden und falschen, aus sicher unbefruch- | 4 S. die Anmerkung ? zu meiner ersten Diskussionsäußerung. 75 feststellen kénnen, Unterschiede, die er sich nicht erkliren konnte und die auch bei Annahme der Dzierzonschen Lehre nicht verständ- lich sind. Herr Dr. von Butter: Da Herr Dr. Bresstau eine vorher schriftlich ausgearbeitete »Diskussion« verlesen hat, deren Widerlegung eine zu weitgehende Inanspruchnahme der Versammlung bedeutet hätte, sei es mir ge- stattet, hier in Kürze nachträglich noch einiges zu bemerken. Aus dem »Versuche I« (S. 67) kann nicht der Schluß gezogen werden, »daß die Form der Zellen an sich kein ausschlaggebender Faktor bei der Fortpflanzung der Bienen ist«. Wie schon Hrrrwic in der Diskussion betonte, liegen hier Zwangsverhältnisse vor, aus denen nicht auf die normalen Verhältnisse geschlossen werden kann. Wäre Herr Dr. BressLau mit der Biologie der Bienen oder auch nur mit der einschlägigen Literatur vertraut, würde er weniger Gewicht auf dieses, wie schon erwähnt, längst vor DickeL bekannte Experiment legen, denn man kann aus demselben mit viel größerer Sicherheit einen Schluß ziehen, der das Gegenteil beweist, von dem, was durch dieses Experiment bewiesen werden soll. Setzt man ein Volk mit befruchteter, eierlegender Königin auf Waben mit Arbeiterzellen, so beginnt die Königin nach wenigen Stunden mit der Eiablage, setzt man dagegen ein solches Volk auf Waben mit nur Drohnenzellen, wie es »Versuch I« verlangt, so zögert die Königin mit der Ei- ablage fast immer mehrere Tage! Es geht hieraus hervor, daß die Form der Zellen sehr wohl einer Beachtung unterliegt. Brächte die Königin nur befruchtete Eier hervor, hätten wir es also nur mit einer Eigattung zu tun, so wäre dieses Zögern seitens der Königin unverständlich und zwecklos, zumal die eigentlichen Volks- instinkte nicht bei der Königin ruhen’. Dieses Zögern der Königin auf reinem Drohnenbau ist eine bekannte Tatsache und ich habe mehrfach darauf hingewiesen 6. Bei der Beschreibung der Dickerschen Experimente wird diese auffällige Tatsache aber nie erwähnt. Der »Versuch Ii« beweist nichts, da die Bienen unter gewissen Um- ständen nicht den Instinkt zu besitzen scheinen — selbst unter sonst normalen Verhältnissen — Eier und Larven aus den Zellen zu ent- fernen, auch dort, wo die hier zur Frage stehenden Verhältnisse keine Rolle spielen, wie z. B. bei der Drohnenschlacht. Damit dürfte auch 5 Vgl. BUTTEL-RERPEN, Die stammesgeschichtl. Entstehung des Bienenstaates. 1903. Leipzig: 6 Die Parthenogenesis bei der Honigbiene. Natur und Schule. I. Bd. 4. Heft. 1902. 76 Versuch III seine Beweiskraft verlieren. Es ist nun ganz aufer- ordentlich schwierig zu beurteilen, was gegen die »normalen Verhilt- nisse« verstößt und was nicht, hierzu gehört langjährige Erfahrung. Es spielen bei dieser Frage die Witterungs- und Futterverhältnisse eine große Rolle, ferner die Volksstärke (ob z. B. die eingehängte Wabe bei dem geforderten »kleinen, schwachen Volk« auch belagert werden kann oder nicht und wohin diese Wabe gehängt wird, ob mitten in das Brutnest oder an den Schluß usw.), weiterhin die Brut- verhältnisse und wesentlich auch die Rassenfrage. Angenommen, die Arbeiterinnen hätten den Instinkt Eier und Larven aus den Zellen zu entfernen’, so würden sich Völker der deutschen Biene unter genau denselben Verhältnissen ganz anders verhalten als Völker der Krainer Rasse oder der Heidebiene oder gar Völker der Apis fasciata. Diese letzteren drei sind sehr drohnenbrütig, würden also Drohnen pflegen unter Verhältnissen, die bei der schwarmfaulen ergo nicht so drohnensüchtigen deutschen Biene zur Nichtaufzucht von Drohnen bzw. zur Drohnenschlacht usw. führen würden. Da nun wohl kein einziger Bienenstand in Deutschland noch reine Rasse aufweist, so kann auch »Versuch IV«, wie auch aus alle den andern angedeuteten Verhältnissen ersichtlich sein dürfte, eine einwandfreie, beweiskräftige Rolle nicht spielen, da eben die Drohnenbrut nicht jedesmal ent- fernt wird, auch unter sogenannten sonst »normalen Verhältnissen«. Die Kenner der Biologie wie auch die besonnene Kritik (vgl. die Außerung Herrwics) haben daher die Beweiskraft dieser Experimente abgelehnt. Wenn Herr Dr. Bresstau meint, daß »diese Versuche danach schreien nachgeprüft zu werden«, so wäre es wohl richtiger gewesen erst eine gründliche Prüfung vorzunehmen, zumal bei der vielfach betonten und nachgewiesenen Unzuverlässigkeit seines Gewährsmannes, als hier (— ohne einen wirklich wissen- schaftlichen Beweis herbeibringen zu können —) die Behauptung aufzustellen, der »Stand der Wissenschaft« würde durch solche ober- flächlichen Angaben modifiziert. Bresstau betont die Unterschiede in der Chromosomenzahl bei Arbeiterdrohneneiern und Königindrohneneiern. PETRUNKEWITSCH legt aber, wie ich schon vor einiger Zeit ausführte, sehr wenig Ge- wicht auf diese bei drei ! Eiern gefundenen Abweichungen, um so 7 Dieser Instinkt ist bekanntlich vorhanden, tritt aber auch dort in die Er- scheinung, wo er nach unsrer menschlichen Beurteilung normalerweise nicht in Aktion treten sollte, z. B. bei der Wiederbeweiselung lange weisellos gewesener Völker durch Zugabe von einer mit Eiern bestifteten Wabe. Hier werden die Eier oft immer wieder entfernt, obgleich in der Annahme die Rettung des Volkes läge. Ich kann mich hier nur auf diese kurze Andeutung beschränken. Te ep ie a 7 I . 1 J : t | i 17 weniger als andre Arbeiterdrohneneier keine Unterschiede in der Chromosomenzahl aufwiesen. Gelingt es Herrn Dr. Bresstau wirkliche wissenschaftliche Be- weise herbeizubringen, daß die Drohneneier im normalen Volk stets befruchtet werden, daß also die Dzinrzonsche Theorie, welche das Gegenteil behauptet, unrichtig ist, so werden wir einen großen und bedeutsamen Schritt vorwärts gemacht haben, bis dahin kann aber nur das von mir Ausgeführte gelten. Daß die Möglichkeit (bei großer Unwahrscheinlichkeit) vorliegt, daß auch unter besonderen uns noch unbekannten Bedingungen aus unbefruchteten Eiern vielleicht Arbeiterinnen bzw. weibliche Wesen (und vice versa) hervorgehen können, wird nicht bestritten (vgl. die CamEron-Weismannsche Theorie’), aber unter den normalen Verhältnissen sehen wir im Bienenstaat diese Möglichkeit nach dem heutigen Stande der Wissen- schaft allem Anschein nach nicht verwirklicht. Hierauf folgt der Vortrag des Herrn Prof. Sımrorn (Leipzig): Über den Ursprung der Echinodermen. Die bisherigen Theorien über die Phylogenie der Stachelhäuter mußte meines Erachtens deshalb mehr oder weniger phantastisch aus- fallen, weil für eine genauere Beurteilung des Problems in den Er- fahrungstatsachen noch keine hinreichende Unterlage geschaffen war. Das scheint mir jetzt plötzlich anders geworden durch die Entdeckung des Myxostoma asteriae Mar., das als Entoparasit in einem abyssicolen Seestern des Mittelmeers lebt, und seine genaue anatomische Bear- beitung von seiten des Herrn Dr. von STUMMER-TrAUNFELS!. Ein günstiger Zufall wollte, daß meine augenblicklichen Bestrebungen auf verwandte Gebiete gerichtet waren, so daß sich aus der Kombination der beiderseitigen Arbeiten die nachfolgenden Schlüsse leicht, fast wie von selbst ergaben. Sie gestatten, wie ich glaube, die Herleitung der Echinodermen in den meisten Punkten bis zu großer Ausführ- lichkeit im einzelnen zu versuchen. Ich betrachte das Myxostoma asteriae unter allen Organismen als dasjenige, welches der Urform der Echinodermen am nächsten stand. Auf das scheinbare Paradoxon, wie ein Tier von seinen Schmarotzern abstammen könne, komme ich 8 Auch HENSEN hat hierauf bereits 1893 hingewiesen. (Bienenw. Zentralbl. Nr. 23—24.) 1 Dr. RupoLr RITTER von STUMMER-TRAUNFELS, Beiträge zur Anatomie und Histologie der Myzostomen. Zeitschr. f. wiss. Zool., LXXV. 1903. 78 nachher zurück. Zunächst sei aus der Beschreibung des Myxostoma hervorgehoben, was mir fiir die verwandtschaftlichen Beziehungen wichtig zu sein scheint. Das ist aber beinahe alles. Fast nur unter- geordnete Organe, Hautdriisen, Speicheldrüsen und dergleichen, können unberücksichtigt bleiben. A. Myzostoma asteriae Mar. a) Das Außere. Das Myxostoma stellt eine abgeflachte, etwas in die Breite ge- zogene Scheibe dar (Fig. 1). An der Unterseite erblickt man den Mund etwas vor der Mitte. Rings am Rande, ungefähr gleichmäßig ra- diär verteilt, liegen 10 sogenannte Parapodien; ich verwende die in der Zoologie üblichen Be- zeichnungen, wiewohl sie eine theoretische Vor- eingenommenheit aus- schließen und in unserm Falle auf die präsump- tive Annelidennatur des Schmarotzers gegründet Fig. 1. Myxostoma asteriae Mar. M Mund. P Penis, bez. männliche Geschlechtsöffnung. Die römischen i j Ziffern bezeichnen die Hakensäcke oder Parapodien, sind. Zwischen den Pa- die arabischen bedeuten die eingestülpten Sinnes- rapodien ‚liegen 9 soge- knospen oder Seitenorgane. Nach v. STUMMER. nannte Seitenorgane, so zwar, daB die Stelle zwischen den beiden Parapodien vor dem Munde frei bleibt. Das entgegengesetzte Organ, also am Hinterende, denkt sich SrummEr ebenfalls in Anlehnung an die Annelidentheorie aus zweien ver- — schmolzen, er bezeichnet es als 9 + 10, wiewohl in der Struktur kein Anhalt gegeben ist. Ich komme darauf zurück. Rechts und links liegt noch neben den beiden äußersten Para- podien, in Symmetriestellung je eine männliche Geschlechtsöffnung. Die Oberseite zeigt in der Medianlinie hinter der Mitte nur einen Porus, den After, beziehungsweise die Kloakenöffnung (Fig. 2). Übrigens werden auch Parapodien und Seitenorgane durch feine Öffnungen markiert, bei den Parapodien sind es die Öffnungen der Hakensäcke, während die Seitenorgane eingestülpte Sinnesknospen sind, die nach anderweitigen Beobachtungen auch ausgestülpt werden können (Fig. 2 und 3). a bes nn 4 a) a) 4 : ET SAL vee E vs b) Wesentliche Beziehungen der inneren Organe. 1. Der Darm. Auf den Mund folgt ein dickwandiger, ausstülp- barer Pharynx (Fig. 2). Er geht in einen Magen über, der sich zu oe. Mp m 4 Fig. 2. Medianer Längsschnitt durch Myxostoma asteriae, mit eingezeichnetem linken Nephridium. Das Vorderende ist weggelassen. A After. ON Bauchmark. Kl Kloake. Ma Magendarm. Np Nephridium. Npp dessen Mündung in die Kloake. Nps dessen proximaler Anfang. Ph Pharynx. S Sinnesorgan. Sp Speicheldrüsen. Nach v. STUMMER. einem Enddarm verengt, der im vorliegenden Falle als Kloake zu betrachten ist, denn er nimmt sowohl median den weiblichen Porus, die Öffnung des Ute- | rus auf, wie auch von beiden Seiten in ihn je ein Nephri- dium mündet, d. h. ein derber, kurzer, gebogener Schlauch, dessen proximales Ende, das Nephrostom, in der Leibes- höhle liegt. Die angegebenen Darmabschnitte liegen in der Medianebene hintereinander zwischen Mund und After. Vom Magen aus gehen nun, FtFig. 3. Linke Hälfte von Myxostoma aste- im zwei Ebenen überein- vriae; die verzweigten Darmäste sind in ander, nach beiden Seiten eine Ebene projiziert. Ma Magen. Ph Pha- Rit maste dus; die sich’ wei- rynx. Np Nephridien. 7—-IX Hakensäcke. _ 1-10 Sinnesorgane. Nach v. STUMMER. ter strahlig verzweigen und mit zahlreichen Blindsäcken peripherisch zwischen Parapodien und Seiten- | organen enden (Fig. 3, 4, 5). 80 2. Die Geschlechtsorgane. Die Geschlechtswerkzeuge bestehen aus einem System zusammenhängender Schläuche, welche den ganzen Leib ober- und unterhalb der Darmäste durchziehen. Man darf wohl auf den hermaphroditischen Charakter mehr Wert legen, als auf — die räumliche Sonderung der Produkte, wobei die männlichen Stoffe mehr in der verzweigten Leibeshöhle unter dem Darm, die weiblichen mehr über dem Darm angebracht sind. Für die Erzeugung der Eier kommen zwei symmetrische Stellen, wie es scheint, in Betracht, oben — rechts und links (Fig. 5). Da aber das Sperma ohne besondere Lo- kalisierung erzeugt zu werden scheint, liegt es wohl nahe, die Gonade sich mehr diffus auf die ganze verzweigte Leibeshöhle verteilt zu denken, als daß dieser Zusammenhang erst durch nachträglichen Zu- Fig. 4 Darmteile von Myxostoma aste- Fig. 5. Aus einem senkrechten Schnitt riae, aus einem Schnitt. DA Darmäste. durch Myxostoma asteriae. CN Zentral- Kl Kloake. Ma Magen. Np Nephridi- nervensystem. Da Darmäste. Ma Magen. — um. Ph Pharynx. Nach v. STUMMER. Ov Ovarien. Nach v. STUMMER. sammenfluß entstanden wäre, wenigstens liegt für die Annahme eines derartigen Vorgangs nicht der geringste Anlaß vor. Das verzweigte | System hat drei Öffnungen nach außen, die oben gekennzeichnet wurden. Die beiden seitlichen dienen den männlichen, die mittlere in der Kloake den weiblichen Produkten. Die beiden Penes sind, trotz- dem sie von Sperma strotzen, nicht mehr funktionsfähig, was aus ihrer rudimentären Muskulatur hervorgeht, es findet also schwerlich noch Begattung statt, vielmehr wird der Same vermutlich frei ent- leert. Durch den Uterus scheinen allein die Eier in die Kloake über- zutreten. Von Bedeutung dürfte die Beziehung der oberen radiären Genitalschliuche zu den Darmästen sein. Sie ziehen nämlich gerade über ihnen nach außen, und zwar scheint ein direkter nutri- tiver Austausch stattzufinden, denn diese Darmschläuche zeigen m ihrer oberen Hälfte, die den Genitalschläuchen zugewendet ist, em besonderes braunes Epithel, auf das ich unten zurückkomme. WN, a A EEE I IE a Fa a se 81 Ebenso sollen die eigenartigen Zoospermien erst am Schluß Be- rücksichtigung finden. 3. Die Parapodien. Was man als Parapodien bezeichnet, sind nichts andres als Hakensäcke, von denen jeder genau vier Haken enthält. Der erste Haken gabelt sich am Ende, die Zweige bilden eine Klammer, so bildet er eine Stütze, in welche sich der zweite Haken hineinlegt. Dieser ist am Ende zugespitzt und etwas gekrümmt, wie ebenso die beiden übrigen, etwas kleineren, die von Stummzr als Ersatzhaken bezeichnet, wieder unter hypothetischer Anticipation ihrer Funktion (Fig. 6). Die Klam- mer oder Stütze und der erste Haken bilden das eigentliche Greiforgan; eine reiche Musku- latur faßt an ihrer Basıs an; andre Muskeln setzen sich an der Wand des Säckchens distal an, um das Öffnen zu besorgen. Am Bau der Haken ist nun wesentlich, daß jedes dieser Kalk- gebilde von einer einzigen Zelle erzeugt wird, ferner daß nach Entkalkung in der organischen Grundsubstanz eine Struktur zum Vorschein kommt, welche auf Ci- _. tt alae mir Van: Fig. 6. Haken von Myxostoma asteriae. ? Links ein Hakensack. Rechts die beiden perwurzeln im Cytoplasma (Fig. 6 Hauptborsten daraus isoliert. Unten unten). Auflagerungen auf dem das Basalstück eines einzelnen Hakens. Haken, die ihm eine wulstige Ober- a sailed x { Rad en oie Sackes. v rsatzhaken, c aKken. fläche geben können (Fig. 6 rechts), St Stützstab. Nach v. Srummer. kommen hier nicht in Betracht. Eısıss Nachweis, daß auch die Borsten der Capitelliden von je einer Zelle erzeugt werden, drängte sich da vy. Stummer gleich auf als Argument für die Annelidennatur der Myzostomiden. Doch er- achte ich den Beweis für um so weniger bindend, als auch die Stacheln in der Haut der Amphineuren auf je eine Bildungszelle zurückgehen. Nebenbei mag hier gleich bemerkt werden, daß meiner Meinung nach alle diese kapillaren Hautgebilde aus derselben Wurzel sich her- leiten (s. u.). Viel wichtiger dürfte die konstante Vierzahl der Haken sein. Und da fällt ohne weiteres die gleiche Zahl von Zellen in der Ent- wicklungsgeschichte jener verschiedenen Tiere auf, bei denen man Verhandl, d. Deutsch. Zool. Gesellschaft. 1904. 6 82 zuerst in der Tierreihe eine scharfe Bilateralität während der Furchung beobachtet; es sind das die Polycladen unter den Turbellarien, die Anneliden und die Prosobranchien, Tiere, die sämtlich ein typisches Trochophorastadium durchmachen. Hier ‚schalten sich aus den Mi- kromeren, d.h. den Blastomeren am animalen Pole, bald in scharfer Symmetriestellung Zellen aus, die zunächst sich nicht weiter teilen, während die übrigen in reger Weiterbildung begriffen sind, die so- genannten Primärtrochoblasten. Nachher jedoch zerlegen sie sich ın je vier Zellen, welche die Grundlage des Trochs oder Velums bilden. Diese Geißelzellen scheinen später, wie jede funktionell bald in Anspruch ge- \, nommene Zelle des larvalen Ectoderms, RN \ jp nicht weiter am Aufbau des Körpers sich Ri zu beteiligen und keine Mitose mehr | a. durchzumachen, sondern gewöhnlich ab- TR S ; GQ \) gestoßen zu werden. LS Fig. 7. Gefurchtes Ei von Neritina fluviatilis im Stadium von zwei Blastomeren. Oben die Richtungskörperchen. In den Blastomeren Fig. 8. Myxostoma-Larve von je eine Gruppe von Exkretkörnern. Frei nach links. Aus KorscHELT und BLOCHMANN. HEIDER. Wie aber tierische Bewegung in erster Linie mit stickstoffhaltigen Abfallprodukten verbunden ist, so zeigen sich auch oft genug in den © 7 | Zellen des Trochs oder Velums Exkretkörnchen; und bei den Gastro- poden läßt sich deutlich verfolgen, wie Zellen im Velum oder unmittel- bar daneben (Subvelarzellen) die Funktion der Urniere übernehmen, während umgekehrt Embryonen ohne das schwärmende Veligerstadium, ‚dagegen mit stärkerer Bewegung der Kopfblase durch kontraktile, innere Mesodermzellen auch tiefer eingesenkte echte Urnieren auf- weisen (also Vorderkiemer auf der einen, Lungenschnecken auf der andern Seite). Hier kommt nun eine alte Beobachtung, die BLocH- MANN am sich furchenden Ei von Neritina gemacht hat, zu Hilfe Da lassen sich die Exkretkörnchen in bilateraler Anordnung bereits erkennen, wenn die Furchung erst bis zum Stadium von zwei Blasto- 83 meren gediehen ist (Fig. 7). Da liegt es nahe, die Larve von Myxostoma heranzuziehen, welche rechts und links im Velum vier lange Borsten trägt (Fig. 8), die naturgemäß als Schwebmittel gedeutet werden. Der ganze Zusammenhang dürfte also der sein: Im Velum oder Troch dienen je vier seitlich gelegene Wimperzellen zugleich als erste Exkretionsorgane, die sich mit stickstoffhaltigen Abfallprodukten be- laden. Durch diese Abfallprodukte (bei denen man an die nahe Ver- wandtschaft der Harnsäure mit Conchin und Chitin zu denken hat), werden die Wimpern verklebt und zu Borsten; und es mag darauf hingewiesen werden, daß selbst die Wimpern im apicalen Schopf oder Scheitelorgan des Nemertinenpilidiums nach BÜRGER zu einer starren Borste verkleben können. Sobald aber die Borsten an Stelle der Geißeln auftreten, sobald sie namentlich vom Mesoderm her Muskel- fasern erhalten, wird durch diese Muskulatur sogleich verstärkte Stick- stoffabscheidung bedingt, und die Ursache ist gegeben für die Ver- längerung und Verstärkung der Borsten zu Stacheln, wie wir sie beim Myxostoma haben. Ohne behaupten zu wollen, daß die Borsten- bildung ihre allererste Ursache in der Larvenentwicklung habe, die sie vielmehr erst wieder von einem früheren erwachsenen Stadium übernommen haben kann (s. u.), scheint mir doch der Zusammenhang klar genug; und die Vermehrung der Borstenbündel oder der Para- podien kann leicht auf die überzähligen Wimperkränze des Myxostoma, auf Meso- und Telotroch, bezogen werden. Freilich bleibt bei dieser Ableitung, wie nicht geleugnet werden darf, eine Schwierigkeit bestehen, eine Schwierigkeit, die aber bei diesem Objekt nicht größer ist, als bei den gewohnten Homologi- sierungen der Lehrbücher, die sich leicht genug darüber hinwegsetzen. Ich meine die Tatsache, daß wir in der Furchung der Trochophoriden zwar vier Primärtrochoblasten sehen, aber nur zwei Borstenbündel im Quadranten A und C nach der üblichen Nomenklatur der Embryo- logen. Man könnte annehmen, daß es sich nicht um die Primär- trochoblasten selbst handelt, sondern um Urnierenbildung im Velum _ rechts und links, eben in A und ©. Dann würde die Vierzahl sich eben nicht auf die Trochoblastenabkömmlinge beschränken, sondern auch für die sekundär ins Velum einbezogenen Blastomere gelten. Doch sind diese Spekulationen so lange ohne Wert, als wir von den Embryologen keinen Aufschluß darüber haben, warum die meisten Anneliden, z. B. die Lumbriciden, in jedem Segment vier Para- podien haben, zwei Noto- und zwei Neuropodien, andre aber, wie die Naiden, nur zwei Borsten oder Borstenbündel, je eins auf jeder Seite. In letzterem Falle hätten wir es mit den Quadranten A und C zu tun, im ersten mit den vier Zwischenräumen zwischen 6? 84 den vier Quadranten A—D. Diese Dinge sind künftig erst klar zu stellen. Wohl aber scheint der Hinweis nicht ohne Wert, daß die Vier- zahl in den Borstenbündeln auch sonst vorkommt, nämlich bei den pelagischen Larven der Brachiopoden; und eben jetzt in Tübingen stellt Herr Ricurers einen minimalen in Moos lebenden Nematoden von den Kerguelen aus, der jederseits 12 lappenförmige, symmetrisch angeordnete Anhänge trägt, deren jeder durch vier Borsten ge- stützt wird. B. Der Übergang vom Myzostoma zu den Echinodermen. Die Echinodermen sind meiner Meinung nach dadurch aus den Myzostomen hervorgegangen, daß je ein Darm- blindsack in eine Sinnesknospe hineinwucherte und sich mit dieser verband. Das dürfte das ganze Geheimnis sein. Die Myzostomen sind Würmer, die in bezug auf den Darm den Tri- und Polycladen am nächsten stehen. Noch fehlt Blut und Kreislauf. Jeder Körperteil bezieht seine Nahrung unmittelbar aus dem Darm, indem ihm der Darm einen Ast zuschickt. Hier liegt die Magenfrage, so gut wie bei den Cölenteraten, die ich von Turbellarien glaubte ableiten zu sollen, noch in ihrer ganzen Nacktheit vor. Der wesentlichste Unterschied zwischen Myzostomen und Dendrocölen ist nur der, daß jene dicker geworden sind, daher die Darmäste sich nicht auf eine Ebene beschränken, sondern in mehreren Schichten über und hintereinander liegen. Wir erhalten daher auch beim Echinoderm eine Reihe von Darmausstülpungen schräg übereinander, die sich nach der Colomtheorie, nachdem sie neue Funktionen übernommen haben, vom Darm abschnüren und voll- ständig neue Organe oder Organsysteme bilden. Diesen Vorgang beobachten wir bei den Stachelhäutern in der Entwicklung direkt. Die unterste Ausstülpung wird zum Hydrocöl, die nächste zum Enterocol. Es muß aber betont werden, daß nach Bury bei Echi- niden und Ophiuriden nicht nur zwei solche Ausstülpungen sich bilden, sondern zwei Paar (vgl. KorscueLr und Haier, Entwick- lungsgeschichte). Daß der Vorgang noch weiter geht, ist leicht zu zeigen, worauf ich gleich zurückkomme. Man kann die Verbindung des ersten Darmastes oder Hydrocöls mit einer Sinnesknospe zum Ambulacralfüßchen leicht beobachten an der vielzitierten Zeichnung einer Holothurienlarve von SELENKA (Fig. 9), und die Figur stimmt auch sonst mit der von Myxostoma überein, insofern als der Mund in beiden ungefähr die gleiche Lage auf der 85 Unterseite einnimmt. Der Hauptunterschied liegt im Enddarm, inso- fern als beim Myxostoma die Nephridien in die Kloake miinden, bei der Holothurienlarve dagegen der einem Nephridium homologe Stein- kanal getrennt vom After frei am Rücken sich öffnet. Dieser Unter- schied dürfte leicht dadurch zu erklären sein, daß die Kloake als eine nachträgliche Bildung zu betrachten ist, bei der sich die Körper- öffnungen, wohl zum Schutz (gegen Trocknis) weiter ins Innere zurück- gezogen haben. Es liegen aber gute Gründe vor für die Annahme, daß die Holothurien sich in zwei getrennten Zweigen aus den Myzo- stomen entwickelt haben, aus solchen nämlich mit Kloake und aus solchen mit frei mündendem After (s. u.). ri EL un ik) ENTE B B DIN weh ‚A Fig. 9. Larve einer Holothurie (Cucumaria). A After. AF Ambulacralfüßchen. M Mund. St Steinkanal. W Wassergefäßsystem. Nach SELENKA. Mir persönlich lag die Ableitung der Ambulacralfüßchen aus der Verbindung eines Darmastes mit einer Sinnesknospe besonders nahe, weil ich zu einem gleichen Schluß auf verwandtem Boden schon einmal gedrängt wurde, als ich die Ehre hatte, vor zwei Jahren vor der gleichen Versammlung »über das natürliche System der Erde« zu sprechen. Damals leitete ich die Rückenpapillen der Aeolidier ebenfalls aus einer Verbindung von Darmästen mit Sinnes- knospen ab, indem ich auf die Janelliden zurückgriff. Widerspruch gegen diese Auffassung hat sich bis jetzt nicht erhoben. Versuchen wir nunmehr, die einzelnen Körperorgane der Echino- dermen auf die der Myzostomen zu beziehen! a) Das Ambulacralsystem. Wenn es zunächst nicht gelingen will, den Zusammenhang im einzelnen klar aufzudecken, so liegt das viel weniger an dem Phan- tastischen und Hypothetischen der vorliegenden Ableitungen, als an 86 der beklagenswerten Unvollständigkeit unsrer entwicklungsgeschicht- lichen Erfahrungen. Die embryologischen Studien und Experimente an der Echinodermenlarve beschränken sich fast durchweg auf das Studium der Larve bis zur Anlage des strahligen Echinoderms. Von da an sind wir auf allgemeine vergleichend anatomische Schlüsse an- gewiesen, die bisher nur unsicher genug sind. Wir wissen kaum etwas (renaueres über die komplizierte Verzweigung der Hauptambu- lacralgefäße; wir wissen nicht, wie die oft einfache, oft doppelte, oft mindestens vierfache Reihe der Ambulacralfüßchen daraus hervorgeht. Für die Ophiuren? habe ich vor einigen Jahrzehnten zeigen zu können geglaubt, daß die fortwachsende einfache Spitze intermittierend durch vorgelagertes Bildungsgewebe an der Armspitze im Vordringen ge- hemmt wird und daß jedesmal während einer solchen Stauungsperiode der im ganzen Gefäß wirksame Druck zu zwei seitlichen Aus- stülpungen führt, d. h. zur Bildung von zwei Ambulacralfüßchen, wie ich denn ebenso die nachträgliche Schlingenbildung ihrer Wasser- sefäße auf mechanische Momente zurückführen zu müssen meinte. Bei Seesternen schienen ähnliche Verhältnisse vorzuliegen. Noch wissen wir aber nicht, wie es sich etwa bei Echiniden verhält, und wie es bei den abgeplatteten Formen unter ihnen kommt, daß das Ambulacralfeld seitlich am Rande eine Unterbrechung erfährt. Sie kann wohl nur nachträglich eintreten. Wir wissen ferner nicht, ob wirklich das Hydrocöl immer nur einseitig sich vom Darm ausstülpt und nachträglich herumwächst, oder ob auch ein paariges Hydrocöl vorkommt. Denn man hat sich meines Wissens in der Untersuchung der Ontogenese immer nur auf fünfstrahlige Formen beschränkt. Die Annahme scheint mir nahe genug zu liegen, daß bei den vielarmigen Solasterarten die hohe Zahl sich aus einer symmetrischen, doppelten Hydrocölanlage herleitet (s. u.). So lange diese Unsicherheit aber — besteht, wird man gezwungen sein, auf Erklärungen entweder zu ver- zichten oder zu Hypothesen zu greifen, welche die Tatsachen auf möglichst einfache Weise beleuchten. Wesentlich scheint mir folgendes zu sein: Der unterste, verzweigte Darmast der einen Seite, — wahrscheinlich bisweilen auch beide, — schickt je einen seiner Blindschläuche in je eine Sinnesknospe. Diese wird, so weit sich nach dem vorhin er- wähnten Verhalten der Ophiuren schließen läßt, zum endständigen Ambulacralfüßchen emes Armes; wie bei der Ophiure, ergeben sich die übrigen Füßchen desselben Armes als gleichartige Gebilde 2 H. SIMRoTH, Anatomie und Schizogonie der Ophiactis virens Sars. Zeitschr. f. wiss. Zool., XX VIL. und XXVIII. 1877. 87 . aus mechanischen Gründen. Die alten Blastoideen und Cystideen scheinen noch wenig solche Füßchen gehabt zu haben. Gleichzeitig aber drängen sich, wenn diese Darmverbindung mit einem Hautorgan eingetreten ist, auch die übrigen reichen Darmäste in die Haut, die sie vor sich hertreiben, und liefern die oft so stark verzweigten Ten- takel, die schon in dieser ihrer Verzweigung an die büscheligen Darm- strahlen des Myxostoma erinnern. Wie aber im Myxostoma das System der Seitenorgane und Para- podien am meisten den Eindruck radiärer Anordnung macht, so wächst auch das Ambulacralsystem, das sich als Hydrocöl vom Darm abschnürt, alsbald streng radiär, ohne sich irgendwie um die Orientierung des Darmes zu kümmern. Dabei kann es, je nach der Dicke und Wölbung des Myxostoma, verschieden weit gegen den oberen Pol vordringen. Es bleibt oft auf die Unterseite beschränkt, wie bei Crinoiden, Ophiuren, Asteriden, oder es erreicht den oberen Pol, wie bei Echiniden und Holothurien. Dabei hat man nicht nötig, solche fünfeckigen Seesternformen, wie Culeita oder Asterina, mühsam mit langstrahligen in Verbindung zu bringen, man hat sie einfach als Tiere zu betrachten, die der alten Myzostomastufe noch näher ge- blieben sind. Die Entstehung der Ambulacralbläschen kann man sich ebenfalls aus den Blindästen der Darmstrahlen leicht verständlich machen. Man braucht sich nur vorzustellen, daß nach innen von dem Cöcum, welches in die Sinnesknospe eindringt, ein andres, be- nachbartes Oöcum liegt. Dann wird die Retraktion und Einstülpung der Sinnesknospe oder des Ambulacralfüßchens auf das andre Darm- cöcum einen Druck ausüben und es dadurch zur Kontraktion reizen, und der Anfang zum Ambulacralbläschen ist gegeben. Weiter auf Einzelheiten einzugehen, liegt kein Anlab vor, so- lange wir von den Echinodermen nicht mehr wissen. Wohl aber kann noch auf zwei Beziehungen zum Körperbau des Myxostoma hingewiesen werden. Bei den dendrochiroten Holo- thurien sind die über oder vor dem Munde gelegenen Tentakel kürzer als die übrigen, von denen sie die daran angesetzten Klein- tiere als Nahrung abstreifen. Das dürfte der Stelle vor dem Mund bei Myxostoma entsprechen, die keine Sinnesknospe besitzt. Unter den Asteriden fällt sodann Solaster endeca auf, dessen Armzahl schwankt. Es sind bald acht, bald zehn, meist aber neun vorhanden. Da ist es wohl kein Zufall, daß gerade das Myxostoma, das in Asteriden schmarotzt, neun Sinnesknospen besitzt (s. 0.). v. STUMMERS Vermutung, daß es sich um Verschmelzung zweier handelt, ist viel- leicht ganz überflüssig. 88 b) Die festsitzenden Stachelhäuter. In der brandenden Litoralzone des Meeres diirften, wie so un- endlich viele Tiere, auch manche Echinodermen sessil geworden sein und zwar so, dab sie sich mit dem oberen Pol anhefteten, nicht wie SEMON sich sibohte: mit einer Seite. Das sind in erster Linie natiirlich die Crinoiden, in zweiter aber auch ein Seestern, Astropecten, dieser aber nur saa tao sche, Immerhin kann man aus dem Mangel des Afters wie aus der kegelférmigen stielartigen Verlingerung des Rückens den Schluß ziehen, daß er sich zeitweilig im Schlickgrunde befestigte. Man hat aber jedenfalls noch weiter zu gehen und die Eigenart des Myxostoma, als eines noch frei lebenden, nicht schmarotzenden Tieres aus der Seßhaftigkeit in der Litoralzone abzuleiten. Das Prinzip Lanes, die strahligen Tiere aus solcher Lebensweise zu er- klären, findet auch hier Anwendung, doch zunächst nicht in seinem Sinne für die Echinodermen, sondern für deren Vorläufer, die My- zostomiden. Man hat sich vorzustellen, dali deren Ahnen, Würmer mit metamer angeordneten Borstenbündeln, sich mit Hilfe der Borsten anklammerten und die breite, saugnapfartige Form an- nahmen. Auch dafür fehlt die Parallele nicht. v. Grarr? hat einmal bei Triest ein Turbellar gefunden, das er seiner merkwürdigen, jedem Turbellariencharakter widersprechenden Ausstattung mit randständigen, hakenartigen Dornen wegen Enantia spinifera benannte (Fig. 10). Er denkt an Einrichtungen zur Wehr oder zur Bewältigung der Beute. Beides wird man sich schwer vorstellen können. Wohl aber liegt es nahe, die Haken im Umkreise des breiten, flachen Tieres als Klammer- organe zu deuten. Und wenn der Wurm jetzt etwas unterhalb der Litoralzone haust, so tritt hier die Pendulationstheorie ein, wonach während der letzten Polschwankung, d. h. während der Eiszeit, das Land aus dem Wasser auftauchte, die jetzt tieferen Stellen also in die Litoralzone rückten. Das Vorkommen paßt insofern noch be- sonders gut, als diese Verschiebung sich am Mittelmeer am stärksten in den nördlichen Zipfeln bemerkbar machen mußte, etwa dort, wo Einantia lebt. Da ist nun der wesentliche Unterschied, daß bei Enantia die Dornen sich aus einem Drüsensekret bilden unter Zuhilfenahme der benachbarten Wimpern (Fig. 10 unten rechts). Bei Myxostoma 3 L. v. Grarr, Hnantia spinifera, der Repräsentant einer neuen Polycladen- Familie. Mitteilungen des naturwiss. Ver. für Steiermark 1889. 89 dagegen sind es je vier von je einer Zelle gebildete Haken. Die Differenz erklärt sich aus der Entwicklungsgeschichte: bei den Strudelwürmern haben wir oft noch die Entwicklung ohne strenge Bilateralität, und so vermutlich auch bei Enantia. Myxostoma dagegen folgt dem bilateralen Typus mit vier Makromeren, und damit haben wir die Primärtrochoblasten, die sich, noch ohne er- sichtlichen Grund, in je vier Zellen zerlegen. Fig. 10. Hnantia spinifera v. GRAFF. Links die linke Hälfte des Tieres, wobei die Randdornen der Deutlichkeit wegen zu groß gehalten sind. Rechts oben einige vereinzelte Dornen. Rechts unten Hautschnitt, durch einen Dorn geführt. Nach v. GRAFF. c) Der Darm. Nimmt man, wie es hier geschieht, die Ableitung vom Myxostoma an, dann fällt eine große Menge Schwierigkeiten, die sich bisher aus den Beziehungen regulärer und symmetrischer Formen ergaben, weg. Der Darm geht seinen eignen Weg, ohne Rücksicht auf die Radiärstellung des Ambulacralsystems. Er kann sich der Radiärstellung, mit geringer Verschiebung von Mund und After, leicht anschmiegen, wie bei allen Ophiuriden und Asteriden, er kann aber auch die ursprüngliche Lage der Körperöffnungen beibehalten. Bei den Spatangiden, Toxaster z. B. (Fig. 11), liegt noch der Mund auf der Unterseite, der After auf der Oberseite in gleicher Ent- fernung vom Vorder- und Hinterende, wie bei Myxostoma. Bei Pourtalesia (Fig. 12) liegt der Mund vorn, der After aber vor dem Hinterende in einer Rückeneinsenkung, an ganz ähnlicher Stelle wie 90 bei dem Wurme. Auch die Verschiebung der Offnungen bei den Crinoideen erklirt sich jetzt ungezwungen. Daß der Darm sich in verschiedener Weise verlängert, macht selbstverständlich keine theoretischen Schwierigkeiten. In der Onto- genese läßt sich’s überall beobachten, bei alten Formen, wie Chiton und Patella, oft am meisten. Das Prinzip der über und hintereinander liegenden Darmaus- stülpungen, das für Myxostoma charakteristisch ist und die Echino- dermen daraus entste- hen läßt, ist bei letzte- ren keineswegs zu Ende gekommen. Wäh- rend die unterste Aus- stiilpung die Wasser- gefiBe liefert, bilden sich oben noch neue: Se; Die Wasserlungen Fig. 11. Toxaster complanatus L. A von oben, d Etat BRS B von unten. © vordere, h hintere Ambulacra. Er DIDI IF a After. o Mund. (Aus STEINMANN-DOEDERLEI.) und die zehn recta- len Blindschläuche der Asteriden. Und es mag hier noch einmal darauf hingewiesen werden, daß die Asteriden in erster Linie radiär geworden sind; am schärfsten im Darm, --@ VY, Vf f Up ER mutmaßlich vorkommenden Sym- metrie und vollständigen Aus- a Une bildung der beiderseitigen un- Fig. 12. Pourtalesia von links. Der Mund Perea pe ee liegt vorn, der After in der Riickenein- . senkung. Nach Leunis-Lupwic. und in den zehn Enddarm- schläuchen. Der Asteridendarm knüpft aber noch in einer andern Hinsicht an den von Myxostoma an. Wie dieses einen ausstülpbaren Pharynx hat nach Art der Turbellarien, so ist die überraschende Manier, wie Seesterne ihren »Magen« herauskrämpeln, um etwa eine Auster, die sie durch andauernden Zug ihrer Darmaus- stülpungen, bez. Saugfüßchen geöffnet haben, durch Verdauung auberhalb des Körpers auszunutzen, in ganz demselben Sinne zu deuten. Es handelt sich um den ausstülpbaren Pharynx. Der Magen und Darm der Seesterne ist so kurz geblieben wie beim Myxostoma astervae. LE he womit der Verlust des zentra- Sa 0 Tf lie? Caan te len Afters beim sessilen Astro- NE Rn DS L ae laa u > u GG =: pecten zusammenhängt, in der N } fd 7: y 91 Aber noch mehr. Allein die Seesterne haben in ihren Armen die radiären, oft als Lebern bezeichneten braunen Blindschläuche. Diese entsprechen scharf den oberen Magenschläuchen, während die unteren zum Wassergefäßsystem geworden sind. Was v. STUMMER von der Ausbildung des braunen Epithels in diesen Blindschläuchen unter den Genitalschläuchen festgestellt hat (s. o.), führt unmittelbar zu dieser Deutung. d) Parapodien und Stacheln. Einige Parallelen ergeben sich ganz von selbst. Die Anker der Holothurien entsprechen der gegabelten Stütze des Myxostoma, zumal auch hier Einzelligkeit bewiesen ist. Die Pedicellarien schließen sich an. Zweiarmige Greiforgane dürften den beiden großen greifenden Haken, der Stütze und dem ersten Haken entstammen, unter Verlust der sog. Ersatzhaken; dreiarmige dagegen, bei denen die drei Arme durchaus gleich sind, dürften auf die drei Haken des Myxostoma zurückgehen, unter Ver- nachlässigung der Stütze. Inwieweit die Platten und Stacheln des Echinodermenpanzers auf die einzelnen Elemente der Parapodien zu beziehen sind, läßt sich nicht scharf ausmachen, solange keine besseren Beobachtungen der Entwicklung vorliegen. Klar tritt die Parallele jedoch insofern her- vor, als im Skelett diese Elemente scharf nach den Ambulacralfüßchen oder Sinnesknospen gegliedert sind. e) Die Genitalorgane. Die Geschlechtswerkzeuge der verschiedenen Echinodermenklassen zeigen so wenig Übereinstimmung, daß man leicht daraus gegründete Einwürfe gegen die Einheit des Typus herleiten könnte. Man würde es wohl versucht haben, wenn nicht das Ambulacralsystem so sehr zur Zusammenfassung gedrängt hätte. Diese Schwierigkeit scheint durch die Beziehung auf das Myxo- stoma die allereinfachste Lösung zu finden. Dessen verzweigtes Genitalorgan birgt alle Elemente in sich, um daraus die der Stachel- häuter hervorgehen zu lassen, unter der einfachen Annahme, daß es ‚ursprünglich durch und durch zwitterig war (s. 0.). Die einfache oder paarige Geschlechtstraube der Holothu- ‘rien mit ihrer einfachen Öffnung dürfte auf den Uterus des Myxo- stoma mit den benachbarten Teilen zurückgehen, unter Verlust der übrigen Verzweigungen. Wo die Gonade selbst paarig ist mit ein- fachem Schlauch, da ist an die beiden Ovarien mit dem Uterus zu ‚denken. 92 Bei allen übrigen ist dieser Ausführungsgang, wie es scheint, abortiv geworden, unter Benutzung und Vermehrung der beiden männlichen Pori, die schon beim Myxostoma nicht mehr als Penes fungieren, oder unter Gewinnung neuer Öffnungen. Bei den Seeigeln haben die irregulären oft genug die Bilatera- lität gewahrt und zeigen vier Öffnungen, wobei die Gonaden nach Form und Lage, sowie nach der Lage der Pori auf die Ovarien zurückweisen. Bei durchgebildetem Radiärtypus erhalten wir ent- sprechend die Fünfzahl. Ähnlich verhält sich’s mit den Bursae der Ophiuren, die dann durch je eine oder zwei Spalten nach außen münden. Kein Mensch wird Bedenken tragen, den letzteren Numerus auf später gewonnene Durchbrüche zurückzuführen, eine Stütze mehr für die Annahme, daß das ganze Genitalsystem auch an andrer Stelle solche Durch- brüche erwerben kann. Bei den Asteriden haben wir die büschelförmigen Gonaden, entsprechend den radiär verzweigten Schläuchen des Myxostoma. Die Beziehung dieser Schläuche zu den Lebern wurde oben erörtert. Wieder deckt sich die Ausbildung der beiderlei Organe. Eine taschen- förmige Ausprägung der Gonaden würde hier der Deutung Schwierig-. keiten machen, während verzweigte Genital- und Leberschläuche der Theorie nur zum Halt gereichen können. | Bei den Crinoideen endlich ist die Beziehung zwischen Geni- tal- und Darmschläuchen am innigsten geblieben. Erstere folgen den letzteren bis in die feinsten Verzweigungen, wo sie sich an den | Pinnulae öffnen und von den Zeugungsstoffen befreien. f) Einige weitere Organe. Die Steinkanäle habe ich auf die Nephridien von Myxostoma bezogen. Beide bilden, zumal wenn man die Larve der Echinodermen ansieht, enge, derbwandige Schläuche (Fig. 9 u. 2). Für die wechseln- den Zahlen werden ähnliche Gesetze gelten, wie bei den Genitalien. Wo nur ein Steinkanal vorhanden ist, dürfte der Partner durch das einseitige Hydrocöl unterdrückt sein. Von Interesse ist es, daß es Holothurien gibt, bei denen der Steinkanal nach außen, andre, bei denen er nach innen in die Leibeshöhle mündet. Das dürfte Myzo- stomen entsprechen ohne und solchen mit Kloakenbildungen (s. o.). Die weitere Ableitung ergibt sich dann von selbst. Das Nervensystem macht anscheinend Schwierigkeiten. Die Myzostomen haben nach den Untersuchungen von v. GRAFF, NANSEN, v. STUMMER einen Schlundring und ein strickleiterförmiges Bauch- mark. Wer indes bedenkt, wie bei den Mollusken aus der Strick- — 93 leiter der Chitonen, Haliotis, Fissurella usw. etwa der einfache Schlundring einer Tethys (s. Aplysia) hervorgeht, wird ohne Anstand über dieses scheinbare Hindernis hinweggehen. Über Herz und Blutgefäße der Echinodermen sagt uns die Embryologie bisher so gut wie nichts, daher ich mich damit nicht aufzuhalten brauche. | ‘Das Epithel verdient noch einige Beachtung. Nach v. STUMMER | trägt die Körperwand von Myxostoma eine Cuticula, doch so, daß | noch kein fester Zusammenhang besteht. Jede Zelle erscheint ge- , wissermaßen noch mit ihrem Cuticularsaum isoliert. Wir haben meiner | Meinung nach den ersten, relativ schwachen Einfluß des Landlebens | vor uns (s. u.). Es dürfte wenig auf sich haben, daß der Saum sich wieder in Oilien auflöst. Er ist noch nicht gefestigt genug. C. Myzostoma freilebend? Das Myxostoma asteriae trägt kaum irgendwelche Merkmale der Rückbildung durch Parasitismus an sich. Die Theorie, welche von | ihm die Echinodermen ableitet, würde an und für sich früheres Frei- leben zur Voraussetzung haben. Mir erscheint es leicht, bestimmtere Anhaltspunkte in dieser Richtung zu finden. Das eben geschilderte | Epithel weist auf das Landleben zurück, mit noch größerer Sicher- heit die einstülpbaren Sinnesknospen. Solche liegen meines Wissens in ähnlicher Vollkommenheit nur noch an einer Stelle vor, in den Fühlern der Stylommatophoren. Hier ist der Einfluß des ‚ Landlebens ganz unzweifelhaft. Über die Örtlichkeit werden wir belehrt durch die Klammerorgane und die breite, saugnapf- ‚ artige Körperform. Sie weisen auf die Litoralzone zurück. Der Kalkgehalt, welcher die Echinodermen vom Myzostoma unter- scheidet, weist auf tropische Meere. Man braucht nur an die Korallen zu denken, oder an die moderne Altersbestimmung der Fische nach den Jahresringen in den Otolithen und Schuppen, oder an die entsprechenden Jahresringe in den Schalen unsrer Najaden. | Uberall zeigt sich, daß der Kalk in der Wärme, sei es der geogra- | phischen Breite, sei es der Jahreszeiten, abgelagert wird. Wir hätten also das Myxostoma in den oberen Stellen der Litoral- zone zu suchen, in tropischen Meeren. Sollte es da noch vorkommen, | so wäre es nach der Pendulationstheorie in den Schwingpolgebieten | zu suchen, vermutlich am Ostpol, d. h. der malaiischen Inselwelt mit ihrer reichen Küstengliederung, wo noch fortwährend altertümliche ‚ Formen entdeckt werden. Dieselbe Pendulationstheorie läßt das Myxostoma bei einer nach dem Aquator zu gerichteten Schwankung untergetaucht werden, woraus 94 die Echinodermen entstehen‘. Sie entwickeln sich teils freilebend, wie die Spatangiden im Schlick, teils festsitzend in der Brandungs- zone. Es wurde oben darauf hingewiesen, daß zwei Formen sessil wurden, die Crinoiden und einzelne Seesterne. Wenn nun nach der ersten Ausbildung des Echinodermenstammes (vielleicht in entgegengesetzter Schwingungsphase) die in der Litoral- zone fortlebenden Myzostomiden weiterhin untergetaucht wurden, dann lag ihnen ein doppelter Weg offen: entweder lieferten sie fort- gesetzt neue Echinodermen, was eine bisher vollkommen unsichere zeitlich polyphyletische Entstehung bedingen würde, wiewohl auch eine solche bereits erschlossen wurde von STEINMANN, oder sie suchten Schutz gegen die Wogen da, wo sie ihn naturgemäß fanden, bei ihren sessilen Nachkommen, d. h. bei Crinoiden oder bei Asteriden. Somit erscheint auch diese Beschränkung des Parasitismus auf bestimmte Echinodermen nichts weniger als zufällig. Man mag für diesen Zusammenhang in erster Linie chemotak- tische Erwägungen heranziehen. Das ist noch dunkel genug. Das Prinzip halte ich indes für zweifellos richtig. Wahrscheinlich wird der Parasitismus, von dieser Seite betrachtet, sich für weitere Auf- schliisse noch sehr fruchtbar erweisen. Vorläufig weise ich nur auf zwei Parallelen hin: die altertümliche Myaxime schmarotzt nur in Fischen; parasitische Quallen, Cumina unter den Narcomedusen, leben nur in andern Medusen; ihre Altertümlichkeit erweisen sie durch ihre Bilateralität, die sich in ihren beiden soliden Tentakeln aus- spricht. Es würde zu weit führen, den Gedankengang an dieser Stelle weiter auszuspinnen, für Dicyemiden, zellparasitische Pro- tisten usw. Für die Myzostomiden kommt aber ein Punkt noch besonders m Betracht. Die Crinoidenschmarotzer sind Ectoparasiten und erwarben infolge dessen in ihrem Ectoderm neue Anpassungen, das Myxostoma asteriae lebt im Innern und hatte daher keine Veran- lassung, von der ursprünglichen Form abzuweichen. Deshalb konnte die hier vorgetragene Theorie mit ihrer, wie ich hoffe, immerhin leid- lich genauen Rechnung erst entstehen nach der Auffindung und soliden Beschreibung des Myxostoma asteriae. 4 Über den Ort dieser Umbildung läßt sich zunächst nichts Bestimmtes aus- machen. Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß sie unter dem Schwingungs- kreis, also etwa bei uns, statt hatte, weil hier der Ausschlag und damit der An- laß am ausgiebigsten ist. Dafür spricht u. a. das Auftreten von Palaeopneustes (s. u.) Die Schwingpolgebiete sind weniger Gebiete der Umwandlung, als konservative Stellen, in welche sich die Tropenbewohner aller Zeiten geflüchtet und in denen sie sich erhalten haben. D. Die Herleitung des Myzostoma. Die übliche systematische Einordnung der Myzostomiden ‘ unter die Anneliden schließt mancherlei Unzuträglichkeiten in sich, ganz abgesehen davon, daß eine bestimmte Definition für die ‚ Anneliden schwer zu geben ist. Man frage eine Reihe von Zoologen _ danach, und man wird lauter verschiedene Antworten erhalten {ich spreche aus Erfahrung). Ohne mich weiter auf Einzelheiten einzu- | lassen, weise ich nur darauf hin, daß die Ableitung der Myzostomen ; von Anneliden wohl nur als eine Art Rück- | bildung unter Verlust der Metamerie gedeutet | werden könnte, aus der eine Pseudometamerie | hervorgegangen wäre. Nun denke man etwa, ‚ um für die Beurteilung eine Unterlage zu ge- | winnen, an die Chitoniden mit ihrer Pseudo- | metamerie. v. Inerincs Hypothese, wonach | sie von gegliederten Würmern abstammen soll- | ten, ist allgemein auf Widerspruch gestoben; | und wer noch an einem verwandten Gedanken- ‚ gang festhält, sucht die Homologie doch nur noch beim Annelidkopf. Als ob es frei für | sich lebende Annelidenköpfe gäbe! Diese ganze Denkweise scheint mit der allgemeinen Neigung unsrer Vorstellungen zum Schematisieren zu- sammenzuhängen. Sicherlich sind bei den me- tamer gebauten Tieren, den Anneliden, Ar- _thropoden und Vertebraten mancherlei Ver- en Ei an schmelzungen der postcephalen Halssegmente piindel. Ph Pharynx. mit dem Kopf eingetreten, Daraus folgt aber Frei nach M. Voter. keineswegs, daß der ganze Kopf aus Seg- menten zusammengewachsen sei. Hier ist die Gorrun-OxKeEnsche Theorie des Wirbeltierschädels, die nur eine Etappe der Erkenntnis bildete, schließlich gescheitert; und so wird jede Theorie Schiffbruch leiden müssen, die das Schema ins Extrem treibt. Die Metamerie mag verschiedene Ursachen haben, Gliederung eines erst ein- heitlichen Leibes, Sprossung, Regeneration; immer wird dabei das Vorderende, der Kopf, resp. der Vorderteil des späteren Kopfes, sich auf eigne Weise mit einer Anzahl von Organen versehen, von denen sich nur ein Teil, vielleicht der größere, auf die übrigen Segmente | überträgt und wiederholt. Doch ich verlasse diese Ideenkette, da sie | zu keinem positiven Ziele führt und nur die schwerfällige Endlosig- | keit der indirekten Beweisführung im Gefolge haben würde, 96 Viel wichtiger scheint es mir, auf Grund des Körperbaus positive Anknüpfungspunkte zu suchen. Da scheint denn der Myxostoma- Darm mit seinen Ästen ohne weiteres auf die Turbellarien zurück- zuweisen. In derselben Richtung deutet der ausstülpbare Pharynx. Doch glaube ich, daß man dabei nicht stehen bleiben darf. Auch die Parapodien, als Borstenbündel genommen, finden ihre Pendants bereits auf niederer Stufe, bei den Gastrotrichen, etwa bei Dasy- dytes (Fig. 15). Wie ich aber vor zwei Jahren die Turbellarien auf Infusorien zurückführen zu sollen glaubte, die vielzellig geworden wären, dadurch, daß die schärfere Trainierung des Landlebens die Spaltung des Nucleus in einen physiologischen Kern, den Makro- nucleus, und einen Vererbungskern, den Mikronucleus, verhinderte, so glaube ich nunmehr die Gastrotrichen, über deren systematische - Stellung bis jetzt kaum ein Zoologe eine feste Meinung zu äußern imstande war, in gleicher Weise auf hypotriche Infusorien zurück- führen zu sollen. Damit sind wir denn bei den Protozoen angelangt, und weiter wage ich zunächst nicht zu gehen. Doch zunächst einige Worte zur Begründung. Über den Zusammenhang der Acölen und Gastrotrichen mit den Infusorien. Als ich vor zwei Jahren die Ableitung der Acölen von den In- fusorien aussprach, ahnte ich nicht, daß mir die Beobachtung so schnell ein wichtiges neues Argument liefern würde. y Die sorgfältigen Untersuchungen von GAMBLE und KreEsLe>® an Convoluta roscoffensis haben zunächst ergeben, daß das Tier m sroßen Kolonien an der oberen Grenze der Gezeitenzone lebt, dab es auch während der Ebbe, wo es im Trocknen liegt, munter bleibt, ohne sich einzukapseln. Sie haben weiter gezeigt, daß die Ernährung nicht ausschließlich, wie v. Grarr und HABERLANDT, die nicht vor Ort arbeiteten, anzunehmen sich gezwungen sahen, auf Kosten der symbiotischen Zoochlorellen geschieht, sondern daß auch fremde Or- ganismen, Diatomeen u. a., unmittelbar als Nahrung aufgenommen werden. Die Aufnahme geschieht (Fig. 14) durch eine Mundöffnung, die nach Art eines Blastoporus während der Entwicklung vom Hinter- ende gegen das vordere sich verschiebt. An dieser Öffnung lauert ein Syncytium phagocytärer Zellen, welche die Fremdkörper in sich aufnehmen und sie in Vacuolen verdauen. Das Syncytium kreist 5 F. W. GAMBLE and FREDERICK KEEBLE, The bionomics of Convoluta ros- coffensis, with special reference to its green cells. Quart, Journ. of micr. Sc. XLVIL, N.S. 1904, | 97 aber im Innern des Tieres und bringt die Nahrung an alle Körper- stellen, genau wie das Entoplasma eines Infusors. Hat man so einen naheliegenden Zusammenhang zwischen Acölen und holotrichen Infusorien gefunden, so fällt die äußere Ähnlichkeit zwischen gastrotrichen und hypotrichen Infusionstieren nach Form, Wimper- und Borstenbesatz ähnlich in die Augen. Da- zu kommt, daß beide dieselbe hochgradige Thigmotaxis zeigen, daß sie nicht schwimmen, sondern auf feste Unterlage, bzw. den Boden angewiesen sind. Hierzu ferner die Entwicklung. Das Gastrotrichon kriecht aus dem einzigen großen Ei, ohne eine sichtbare Furchung durch- zumachen, gleich in der fertigen Form aus, wie ein encystiertes Infusor. /% Dabei ist besonders bemerkenswert, 4 daß der Pharynx sogleich seine % volle Ausdehnung besitzt; wei- teres Wachstum findet nur hinter =» : ihm statt. Dieser Schlundkopf ent- N = So spricht aber dem Schlund der Infu- — * un “¢ es ae" @ SON fs sorien, die Hartteile an der Mund- Rs OSS öffnung und am Ubergange in den Va ar en ; won nd Darm, wo sie eine Art Reuse bilden, hes : . NE entsprechen den gleichnamigen Ge- NS bilden am Infusorienschlund, wo ge- ; 6 Fig. 14. Convoluta roscoffensis. rade bei Hypotrichen die gleiche Reuse sich findet. Dazu kommt, daß sowohl bei Infusorien (Didinium) M Mund. O Augen. StC Statocyste. Sy Syncytium phagocytärer Zellen mit Vacuolen, die Nahrungsteilchen enthalten. Die Punktreihen bedeuten als bei Gastrotrichen vereinzelt dasselbe Ausstülpen und Vor- strecken des Pharynx beobachtet worden ist, wie es die Turbellarien so häufig zeigen; ein Argu- ment mehr für die hier vertretene Auffassung. Das Nervenzentrum der Gastrotrichen steht noch auf der untersten Stufe, es liegt im Ectoderm u. dgl. m. Ja ich glaube, es läßt sich unschwer auch für die kleinen Gastro- trichen mit Wahrscheinlichkeit nachrechnen, wo sie zu Landtieren ‚geworden sind und als solche noch hausen. Bei uns gehören sie der Fauna an, welche LAurTErsorn als sapropelische bezeichnet hat, sie sind Bewohner faulenden Schlammes, zumeist in kleinen Tiim- peln. Sie erfordern eine bestimmte Konzentration dieses eigenartigen Wassers, schon eine Verdünnung durch starke Regengüsse kann ihren Verhandl. d. Deutsch. Zool. Gesellschaft. 1904. 7 die Zoochlorellen. Frei nach GAMBLE und KEEBLE. 98 Bestand gefährden. Das aber scheint mir mit Sicherheit darauf hinzuweisen, daß wir es nicht mit Tieren zu tun haben, die von einer breiteren Süßwasserfauna aus sich dem Leben in den kleinen Tümpeln angepaßt hätten, sondern es sind ursprünglich Bewohner des feuchten Humus, also des Landes. In den Tropen, zumal am Ostpol, wird man sie als solche vorfinden, bei uns ist der Temperaturwechsel außerhalb des Wassers zu stark, daher sie eben ins Wasser ge- gangen sind. Es mag hier gleich ein Einwurf gegen solche Auffassung berück- sichtigt werden. Bei uns zeigen die Gastrotrichen ihre Hauptlebens- energie während der kälteren Jahreszeit, was scheinbar ihrer Her- leitung von tropischen Landformen zuwiderläuft. Der Grund für das scheinbar paradoxe Verhalten ist wohl einfach der, daß in der Kälte die Diffusion stark herabgesetzt wird; daher die Wärme eben wegen zu starker Verdünnung der Körpersäfte den meisten verhängnisvoll werden muß; man denke etwa an das Zerfließen der Blutzellen von Meerestieren im Süßwasser. Der Gesichtspunkt läßt sich weithin verfolgen und nutzbar machen. Hier mag die Andeutung genügen! Somit fasse ich denn die Turbellarien und Gastrotrichen als ein gemeinsames von benachbarten Infusoriengruppen entsproßtes Phylum auf. Die schärfere Differenzierung des Hy- potrichenkörpers macht sich sogleich bei den Gastrotrichen bemerkbar, insofern als die wimperlose Rückendecke nach dem Zerfall des ge- | sammten Leibes in Zellen sich auf dem Lande in konsequenter Weiterführung mit Hartgebilden umgibt, die sämtlich, die Schuppen so gut als die Borsten, je einer Epithelzelle ihre Abscheidung ver- danken dürften. Hier setzt, vielleicht schon in Anlehnung an die Tastborsten der Hypotrichen, die Pseudometamerie ein, die sich in den Borstenbündeln ausspricht. Noch wechselt die Zahl der Borsten im Bündel, wenn auch die 4 bereits den Durchschnitt zu bilden scheint. Weitere Ableitungen. EHters hat meines Wissens die Gastrotrichen mit den Nema- toden zuerst in Verbindung gebracht. Der erwähnte muscicole Nematode, den Herr RıcHters demonstriert, bezeichnet einen vor- trefflichen Übergang. Hier ist noch die Rückenseite von der Bauch- seite verschieden. Die erstere hat schon die geringelte Decke der Rundwürmer, die Bauchseite hat, in stärkerer Adaption an Land und Trocknis, die Wimperung eingebüßt und sich mit polygonalen Cuti- cularteilen überzogen. Der dreikantige Schlund, das einzelne große Ei dieses und mancher andern freilebenden Nematoden bilden weitere Übereinstimmungen. Auf andre gehe ich nicht ein. 9G Gastrotrichen, die beim Untertauchen pelagisch wurden, scheinen die Sagitten geliefert zu haben, mit denen man bisher so wenig anzufangen wußte. Die Gliederung in zwei Segmente scheint auf die metamere Verteilung der Geschlechtsorgane zurückzuführen, die schon bei den Gastrotrichen sich zeigt. Wenn man da die kleinen Hoden noch als zweifelhaft betrachtet, weil man keine Spermatozoen darin unterscheiden konnte, so dürfte das in der Eigenart der ur- sprünglichen Zoospermien liegen (s. u.). Die Pseudometamerie, die sich in der Anordnung der Borsten- bündel ausdrückt, scheint weiter zu den Seitenorganen, kurz zu der Epipodiallinie geführt zu haben, mit der Trıete so nachdrücklich operiert hat, ohne den Schlüssel zu finden. Wenn ich stets, mit andern, die Mollusken von den Turbellarien herleitete, so sind jetzt zur Wurzel die Gastrotrichen dazuzunehmen. Die Amphineuren gehen unmittelbar auf die letzteren zurück, wofür die Hautbedeckung und die wimpernde Bauchfurche beweisend ein- treten. Die Rückenschuppen der Dondersia-Larve, die man bald auf die Chitonschale beziehen, bald als nebensächliche Hautgebilde vernachlässigen wollte, gehen auf die Rückenschuppen der Gastro- trichen zurück. Auch diese Richtung soll hier nicht weiter verfolgt werden. Die Myzostomiden, die uns hier interessieren, haben, unter Ver- größerung des Leibes, einen Schritt weiter gegen die Anneliden hin getan, insofern als das Bauchmark sich in ähnlicher Weise, wie bei den Amphineuren, etwas weiter differenziert hat, in Anlehnung an die Borstenbündel, bez. die Epipodiallinie, die sich entsprechend stärker ausgebildet hat, unter Einschaltung von Sinnesknospen zwischen die Borstenbündel, unter schärferer Verwendung der Borsten- bündel als Klammerorgane, womit die Einstülpung in Säckchen und die Versorgung mit kräftiger Muskulatur zusammenhängt. Andeutung von Gliederung, bez. Verbreiterung der Borsten gegen das Ende hin findet sich schon bei den Grastrotrichen. Im übrigen scheint noch nicht viel geändert, wenigstens nichts Prinzipielles. Der Darm entwickelt sich wie bei den Turbellarien, nur mit reicherer Verzweigung (s. 0.. Der After bleibt rücken- ständig wie bei den Gastrotrichen. Daß die Tiere auf dem Lande, zum mindesten in der obersten Stufe der Gezeitenzone lebten, wurde bereits zu beweisen versucht (s. 0.). Die Spermatozoen von Myxostoma. Als ein wichtiges Glied in der Beweiskette erachte ich die Be- schaffenheit der Samenfäden. Im allgemeinen scheint mir die Form 7* 100 des Keimplasmas, zum mindesten der Zeugungsstoffe, noch viel zu wenig fiir die Systematik und Biologie nutzbar gemacht zu werden. Ich will hier nur einmal darauf hinweisen, daß alle Tiere, deren Ursprung ich früher® aus ganz andern Gründen auf das Land ver- legen zu sollen meinte, die Nematoden, Krebse und Arthro- poden schlechthin, der gewöhnlichen geißelförmigen Zoospermien entbehren, mit Ausnahme der Insekten, welche letzteren aber auch sonst schon mancherlei schleimige Abscheidungen und Aufquellungen (Bewegung von Fliegenmaden, Laiche von Wasserkerfen) wieder gewonnen haben. Myxostoma hat nach WurELER Samen- fäden mit langen, spindelförmigen Köpfen und einer ebensolangen Geißel daran (Fig. 15). Die Geißel kann auch fehlen. WHEELER deutet die Sache als aberrante Neubildung, er meint, die Geißel könne verloren gehen, und der spindelförmig verlängerte Kopf habe gelernt, sich vollständig zu bewegen. Als ob dafür die geringste Parallele vor- läge! Meiner Meinung nach bringt die um- gekehrte Deutung sofort Klarheit. Die ur- sprünglichen Samenfäden bei den Meta- zoen sind die wurm- oder spindelför- migen, aus denen sich erst die mit konzen- Fig. 15. Zwei Zoosper- tpiertem Kopf und langer Geißel differenziert mien von Myxostoma. Nach : : rr eee haben. Unter den Turbellarien gibt es Gattungen mit wurmförmigen, andre mit geißelförmigen, wobei der Kopf indes noch nicht so eingeengt erscheint wie bei den meisten andern Tieren (s. Korscuett und Hemer. 11. Teil). Bei den ersteren aber knüpfen die Myzostomen an. Als weiteren Be- leg erwähne ich die Vorderkiemer unter den Gastropoden, bei denen die wurmförmigen Spermatozoen neben den geißelförmigen so viel Kopfzerbrechen gemacht haben. Die geißelförmigen vollziehen die Befruchtung, die wurmförmigen dagegen sind die ursprünglichen, die gewissermaßen noch mitgeschleppt werden nach dem Muster so mancher rudimentären Organe. Auffallend mag für die Deutung der Umstand sein, daß schon bei Protozoen geibelförmige Spermatozoen vorkommen. Die Schwierig- keit löst sich wieder durch die Ableitung von den Infusorien. Bei ihnen sehen wir in der Konjugation den Austausch der Vererbungs- 6 SIMROTH, Entstehung der Landtiere. Leipzig. 101 substanzen durch spindelförmige Körperchen vor sich gehen. Auf diese möchte ich die wurm- oder spindelförmigen Formen niederer Metazoen zurückführen. Ein Einwand liegt scheinbar nahe; geht es denn an, so möchte man fragen, die zufällige, flüchtig vorübergehende Gestalt des Mikro- nucleus während der kurzen Copulation für die bleibende Spindel- form verantwortlich zu machen? Die Hinfälligkeit des Einwandes ist leicht zu erweisen. Alle Gewebselemente eines Tierkörpers fallen, wenn sie jahrelang ganz außer Funktion gesetzt werden, dem Schwund, der Degeneration anheim, mit Ausnahme allein der Zeu- gungsstoffe. Die Spermatozoen im Receptaculum einer Bienenkönigin bleiben in voller Ruhe durch eine Reihe von Jahren, ohne irgendwie an Energie, Umfang oder Form einzubüßen, sie behalten streng die Form bei, die für den Gebrauchsmoment bestimmend ist. Das be- sagt alles. E. Ontogenetisches. Im Anschluß an das Keimplasma ein paar Worte über die Ent- wicklung. Es ist nicht schwer, die Furchung des Myxostoma auf die der Turbellarien zu beziehen; die Polycladen haben die gleiche Bilateralität von Anfang an; doch ist ja dieser Typus weiter ver- breitet. | Auch die Larven beider Tierformen haben ähnliche Umrisse. Noch mehr erinnern wohl die der Polycladen an die Echino- dermen, durch die ähnlichen Fortsätze, nur daß diese Fortsätze bei den Stachelhäutern sehr lange Schwebvorrichtungen werden. Doch gerade hier hat das entwicklungsmechanische Experiment eingesetzt und gezeigt, daß die Verlängerung auf das sekundäre, jedenfalls morphologisch unwichtige Moment der Kalkstäbe zurückzuführen ist. Bedeutungsvoller scheint mir fast der Hinweis auf die örtliche Beschränkung der Larven. Sie fehlen so gut wie ganz im Plankton der Hochsee, halten sich also in Küstennähe. Bei dem genauer untersuchten Crinoid liegt der Fall noch prägnanter. Die Antedon-Liarve schwärmt nur einen halben Tag umher, ohne — bei fehlendem Zugang zum Munde — Nahrung aufzunehmen; dann setzt sie sich fest. Die Crinoiden aber sollen unter den lebenden die alter- tümlichsten sein. In derselben Richtung weist die weitverbreitete Brutpflege bei Kälteformen nach den Polen zu und in der Tiefsee, also ohne Metamorphose. Sie dürfte damit zusammenhängen, daß die weit ver- zweigten Larvenformen mit ihrer besonders großen Oberfliichenent- _ wicklung einem Wärmeverlust ausgesetzt sein würden, den sie nicht _ zu ertragen vermöchten. Denn wir haben sicherlich in bezug auf die 102 Wärmeökonomie mit weit femeren Abtönungen zu rechnen, als wir’s etwa an den in dieser Hinsicht leicht meß- und kontrollierbaren Homö- othermen zu beobachten gewohnt sind. Alle diese Eigenheiten drücken bei den Echinodermen den Wert der Larve und der Metamorphose herab. Sie zeigen, daß die aben- teuerlichen Schwimmformen sekundäre Erwerbungen sind, um den wenig beweglichen Tieren eine etwas höhere Ausbreitungsmöglichkeit zu schaffen, ohne große Bedeutung für die Phylogenie, — Anlaß ge- nug, die Spekulationen über die Verwandtschaft in erster Linie auf die Morphologie der Erwachsenen zu gründen, wie es im vorstehenden geschah. ' Schlußbemerkungen. Wem die vorgetragenen Deduktionen zu weit auszugreifen scheinen, der wird gebeten, die Prüfung der vorgebrachten Argumente zunächst auf die Beziehungen zwischen den Echinodermen und Myzostomen zu beschränken, wiewohl ich glaube, daß die Beweiskraft mit der Er- weiterung des Gesichtspunktes kontinuierlich zunimmt. Man wird hoffentlich zugeben müssen, daß die Theorie sich nicht einseitig auf einem Organsystem aufbaut, sondern daß sie für viele, wahr- scheinlich folgerecht für alle paßt. Ein besonderer Vorteil schien mir ferner darin zu liegen, daß die Rechnung nur an rezentem Material, welches der morphologischen Kontrolle jederzeit zugänglich ist, zu arbeiten braucht, und daß die Rechnung um so besser stimmt, je genauer sie auf die Einzelheiten eingeht, wie bei den besonders nahen ~ Beziehungen zwischen Asteriden und dem Myxostoma asteriae. Da- durch werden phantastische Überbrückungen immer mehr überflüssig, ja man kann der Paläontologie, soweit sie sich nicht aufs engste an die lebenden Formen anschließt, fast ganz entraten. Es muß der Paläontologie wohl in den meisten Fällen überlassen bleiben, ihre Entwicklungsreihen selbst zu bilden, in Anlehnung an die Zoologie. Aber schon die oft betonte Tatsache, daß jetzt noch von den ein- fachsten bis zu den kompliziertesten Typen Vertreter auf der Erde © hausen, scheint die Möglichkeit der lebenden Erhaltung des ganzen zusammenhängenden Systems zu erweisen; und die Zoologie dürfte am besten tun, wenn sie ihre Spekulationen so weit als irgend mög- lich auf das rezente Material beschränkt. Selbstverständlich ist auch diese Bemerkung, wie jede Verallgemeinerung, cum grano salis zu nehmen. Sie drängte sich mir aber gerade hier auf, wo so abweichende Formen, wie die regulären und die bilateralen Seeigel, sich ohne weiteres aus dem Myxostoma zu ergeben scheinen. , Gleichwohl will ich mit einer Tatsache aus der Paläontologie schließen. Zu den hervorstechenden Ergebnissen der Valdivia- 103 Expedition rechnet Cuun die Auffindung des bisher nur von West- indien bekannten Palaeopneustes? im ostindischen Gebiet aus ähnlicher Tiefe. Der dritte Fund ist ein fossiler. Die Gattung liegt im Tertiär auf der Höhe der Alpen, ein hübscher Anhalt für die Berechnung der Pendulation, da dieses Gebiet unter dem Schwingungskreis eben in jener Zeit weiter südlich in Tropennähe lag und damit entsprechend unter das Meeresniveau getaucht war. Wenn wir die Tatsachen, so weit sie eben bekannt sind, reden lassen, so besagen sie nichts andres, als daß Palaeopneustes unter dem Schwingungskreis, d. h. dort, wo die Pendulation die stärksten Veränderungen bedingte, entstanden ist. Die Ammoniten bieten eine treffliche Parallele. denn auch hier sehen wir die älteste gut beglaubigte Gattung, Ceratites, zuerst unter dem Schwingungskreis auftauchen, im deutschen Muschelkalk. Vortrag des Herrn Hofrat Dr. F, Nörtuins (Tübingen): Über den Bau und die Organisation der Lyttoniidae Waagen. I. Einleitung. Im Jahre 1883 beschrieb Waacen in seiner großen Monographie des Productuskalkes! unter dem Namen Lyttoniinae eine neue, höchst eigenartige Gruppe von Brachiopoden. Die Lyttoniinae werden auf Grund einer eingehenden Beschreibung als Subfamilie der Thecideiden aufgefaßt, so daß diese Familie also drei Unterfamilien, nämlich die Megathyrinae Darr., die Thecideinae Dar. und Lyttoniinae WAAGEN enthalten würde. Die Subfamilie der Lyttoniinae wird auf die zwei neuen Genera Oldhamina und Lyttonia begründet; von ersterer wird eine Art Oldhamina decipiens Kon. spec., von letzterer drei Arten Lyttonia nobilis Waac., Lyttonia tenuis Waac., Lyttonia cf. Richthofeni Kayser spec. beschrieben. Es mag jedoch bereits hier bemerkt werden, daß die Selbständigkeit der beiden letztgenannten Arten nicht aufrecht erhalten werden kann, dieselben vielmehr mit Lyttonia nobilis zu vereinigen sind. Bei einer morphologisch so merkwürdigen Gruppe wie die Lyttoni- inae, kann es nicht Wunder nehmen, daß dieselben von den Autoren, 7 J. WAGNER, Anatomie des Palaeopneustes niasicus. Jena 1902. 1 Memoirs of the Geological Survey of India. Palaeontologia Indica Ser. XIII. Salt Range Fossils. I. Productus Limestone Fossils IV, fasc. 2. Brachiopoda 1883, p. 391— 408. 104 die sich zuerst damit beschäftigten, verkannt und entweder fiir Gastro- poden (Oldhamina), oder gar für Fischzähne (Zyttonia) gehalten wurden. WaaGen hat in seiner oben erwähnten Abhandlung eine sehr eingehende Beschreibung der beiden Genera gegeben, aber wenn man dieselbe durchgeht, so gewinnt man den Eindruck, als ob bei aller Gründlichkeit der Beobachtung doch noch sehr wesentliche Lücken zu ergänzen seien. So hält es ungemein schwer, sich ein richtiges Bild von der Verbindung beider Klappen zu machen, und der ausgeprägt konkav-konvexe Charakter der Schale, wie er z. B. auch den Productiden eigentümlich ist, tritt bei Waaszns Abbildungen nur wenig hervor. Desgleichen ist es schwer, sich von der Natur des Schloßmechanismus eine Vorstellung zu machen, und die An- gabe, daß in der Ventralklappe Schloßzähne vorhanden sind, beruht jedenfalls auf einer irrigen Deutung der Dentalplatten. Was für Oldhamina besteht, gilt im großen und ganzen auch für Lyttonaa. Diese Mängel sind wahrscheinlich darauf zurückzuführen, daß WAAGEN bei seinen Untersuchungen nicht genügend Material zur Aufklärung der etwa noch zweifelhaften Punkte zu Gebote stand. Aber gerade darum ist der Scharfsinn WAAGEns und sein feines paläontologisches Verständnis zu bewundern, das ihm ermöglichte, ein im allgemeinen zutreffendes Bild dieser merkwürdigen Genera konstruiert zu haben; auf alle Fälle gebührt ihm das unbestreitbare Verdienst, als erster die Zugehörigkeit zu den Brachiopoden richtig erkannt zu haben, wenn auch der Platz, den er denselben im System anwies, nicht länger mehr haltbar ist. Wie meine Untersuchungen gezeigt haben, ist es nur möglich an der Hand eines sehr großen Materials die Morphologie von Oldhamina und Lyttonia zu einem einigermaßen befriedigenden Abschluß zu bringen, denn die Erhaltung ist meist derart, daß es eines lang- wierigen und mühevollen Ätzungsprozesses bedarf, um zum Ziele zu gelangen. So, wie man die Oldhaminen im Felde findet, sind es meist unansehnliche, kugelige Knollen, denen man die Schönheit und Zier- lichkeit der Form nicht ansieht. Erst nachdem man durch Atzen mit verdünnter Salzsäure das Gröbste der, die Höhlung der Dorsal- klappe ausfüllenden Gesteinsmasse weggeschafft und nachher durch tropfenweises Betupfen entweder das Innere der Ventralklappe oder, falls die Dorsalklappe noch erhalten ist, deren Außenseite freigelegt hat, treten die eigenartigen Charaktere der Schale hervor. Dabei ist jedoch zu beachten, daß die Verkieselung der Schale eine sehr un- gleichmäßige ist, so daß bei der geringsten Unachtsamkeit größere Teile rasch zerstört werden. Ferner erfordert die große Dünne beider Klappen ganz besondere Vorsicht, da im Zusammenhang mit der TY ee RE en BE WEEl„[9 105 unvollständigen Verkieselung ein Zerbrechen derselben leicht zu be- fürchten ist. Die oben erwähnten Bedenken bezüglich des Baues der Schalen waren mir schon seit längerer Zeit gekommen, aber leider war das mir zu Gebote stehende Material, die Originale WAAGENs, insofern unzufriedenstellend, als es keinen weiteren Aufschluß geben konnte. Erst im Winter 1902/03 gelang es Herrn Koxen und mir bei Chi- deru einen neuen Fundort zu entdecken und eine größere Anzahl von Exemplaren zu sammeln, welche das Material zu meinen Unter- suchungen lieferten. Eine Revision, verbunden mit einer Neubeschrei- bung beider Genera erschien mir um so erforderlicher, als mir doch klar geworden war, daß bei aller äußerlichen Ahnlichkeit mit Mega- thyris die Lyttoniinae sich unmöglich zu diesem Genus in Beziehung bringen lassen. Ich gebe nun zunächst eine schärfere Definition der Familie und daran anschließend eine präzisere Fassung der Genera Oldhamina und Lyttonia; dann folgt eine kurze Beschreibung der Arten, erläutert durch schematische Figuren, die auf Grund von Originalien entworfen sind, und hieran knüpft sich die Diskussion einiger allgemeinerer Fragen bezüglich der Verwandtschaft, sowie der geologischen und geographischen Verbreitung. II. Beschreibender Teil. 1. Beschreibung der Familie und der Genera. Familie Lyttontidae WAAGEN emend. NoETLING. Die konkay-konvexe, sehr ungleichklappige Schale kann eine be- trächtliche Größe erreichen. Die Ventralklappe war in der Jugend | mit dem Wirbel an einen Fremdkörper angewachsen. Im späteren Alter wird die Schale frei und die Anhaftstelle durch lamellöse | Wucherungen des Schloßrandes verhiillt. Die Ventralklappe ist ent- | weder halbkugelig. oder beinahe flach und zeigt auf der Innenseite neben einem mehr oder minder entwickelten Medianseptum eine Reihe von quergestellten, nach vorn konvexen Lateralsepten, welche ‚aber stets von dem Medianseptum getrennt sind. Die Dorsalklappe ist durch laterale, quergerichtete Incisionen fiederförmig zerschlitzt und zeigt auf der Innenseite ein Medianseptum, das in einen, den Stirnrand teilenden Medianschlitz endigt. Area, Delthyrium, Schloßzähne und Brachialgerüst fehlen, dagegen sind zwei mehr oder minder rudimentäre Dentalplatten in der Ventral- klappe vorhanden. Schloßfortsatz der Dorsalklappe sehr schwach entwickelt, beinahe rudimentär. Muskeleindrücke schwach, die Muskeln ‚selbst wahrscheinlich stark verkümmert, vielleicht auch nicht mehr 106 funktionsfähig. Dorsalklappe entweder unbeweglich oder nur schwach beweglich, mit der Ventralklappe verbunden. Die Schale besteht aus zwei Schichten, die Außenseite der Dorsal- klappe sowie die Wucherungen des Schloßrandes granuliert, die der Ventralklappe glatt nur mit Wachstumsstreifen versehen. Genera: 1. Oldhamina WAAGEN. 2. Lyttonia WAAGEN. Vorkommen: Im oberen Perm (Zechstein) Asiens. 1. Genus. Oldhamina WAAGEN 1883. Die dünne, konkav-konvexe, sehr ungleichklappige Schale ist von | mäßiger Größe. Die Ventralklappe war in der Jugend mit dem | Wirbel an einem Fremdkörper festgewachsen. Im späteren Alter | wird die Schale frei, der wahrscheinlich nur lose ansitzende Fremd- körper abgestoßen und die Anhaftstelle durch lamellöse Wucherungen | des Schloßrandes verhüllt. Die Ventralklappe ist stark, beinahe | halbkugelig aufgetrieben und zeigt auf der Innenseite neben einem | mehr oder minder entwickelten Medianseptum etwa 14—15 dünne, | quer gerichtete, nach vorn konvexe Lateralsepten, welche jedoch nie- | mals mit dem Medianseptum verschmelzen. Die Dorsalklappe, welche | noch in der Höhlung der Ventralklappe liegt, ist etwas kleiner wie | erstere, ebenfalls stark gewölbt und durch eine mediane Incision, so- | wie durch eine Reihe von Lateralincisionen fiederförmig zerschlitzt. | Auf der Innenseite befindet sich ein Medianseptum, das in den, den | Stirnrand teilenden Medianschlitz endigt. Beide Klappen schwach beweglich miteinander verbunden. Area, Delthyrium, Schloßzähne | und Brachialgerüst fehlen, dagegen sind zwei kurze, dünne Dental- | platten in der Ventralklappe vorhanden. Der Schloßfortsatz der | Dorsalklappe ist kurz, vierteilig. Muskeleindrücke sternförmig gerieft, | nur in der Ventralklappe deutlich ausgeprägt, in der Dorsalklappe | dagegen sehr wenig markiert. | Die Schale besteht aus zwei Schichten. Außenseite der Ventral- | klappe glatt mit zahlreichen Wachstumsstreifen; Außenseite der | Dorsalklappe und die Wucherungen des Schloßrandes mit zahlreichen | feinen Granulationen bedeckt. | Einzige Art: Oldhamina decipiens Koninck spec. | Vorkommen: Mittlerer und oberer Productuskalk (Virgal- und | Chiderugruppe) der Saltrange (Indien). Bemerkungen: Oldhamina unterscheidet sich von Lyttonia durch | die geringere Größe, die beträchtliche Dünne der Klappen, die stark | aufgetriebene halbkugelige Gestalt, die etwas regelmäßigeren Wuche- | rungen des Schloßrandes, die geringere Zahl stärker gebogener Lateralsepten und die beweglich verbundenen Klappen. | 107 2. Genus: Lyttona WAAGEN 1883. Die starke, konkav-konvexe, sehr ungleichklappige Schale erreicht eine beträchtliche Größe. Die Ventralklappe war in der Jugend mit dem Wirbel an einem Fremdkörper festgewachsen. Im späteren Alter wird die Schale frei und der Fremdkörper, welcher wahr- scheinlich ziemlich fest saß, durch sehr unregelmäßige lamellöse Wucherungen des Schloßrandes verhiillt. Die Ventralklappe ist schwach konvex, beinahe flach, und zeigt auf der Innenseite neben einem schwach entwickelten Medianseptum bis zu 40 dicke, quer- gerichtete, nach vorn nur schwach konvexe Lateralsepten, welche jedoch niemals mit dem Medianseptum verschmelzen. Die Dorsal- klappe ist etwas kleiner als die Ventralklappe und durch eine Reihe von tiefen quergerichteten Lateralincisionen fiederförmig zerschlitzt. Wahrscheinlich war auch eine mediane Längsincision vorhanden. Auf der Innenseite ein kräftiges Medianseptum, das jedenfalls in den medianen Hauptschlitz endigte. Beide Klappen durch Verwachsung der Schloßränder unbeweglich miteinander verbunden. Area, Delthyrium, Schloßzähne und Brachialgerüst fehlen voll- ständig, in der Ventralklappe zwei kurze, schwache Dentalplatten. Schloßfortsatz der Dorsalklappe rudimentär, kaum sichtbar. Muskel- eindrücke der Ventralklappe sehr schwach und undeutlich, in der - Dorsalklappe bisher nicht beobachtet. Fransenförmige Gefäßeindrücke entweder auf der Vorder- oder meistens Hinterseite der Lateralsepten - stets vorhanden. Die Schale besteht aus zwei Schichten. Außenseite der Ventral- -klappe glatt; Außenseite der Dorsalklappe und die Wucherungen des Schloßrandes mit zahlreichen groben Granulationen bedeckt. Arten: Lyttonia richthofent Kayser spec. Lyttonia nobilis WAAGEN. Lyttonia spec. YABE. Vorkommen: Im oberen Perm von Japan, China, Himalaya, Saltrange. Bemerkungen: Lyttonia unterscheidet sich von Oldhamina durch die stets bedeutendere Größe, die dickere Schale, die nahezu flachen Klappen, die sehr unregelmäßigen Wucherungen des Schloßrandes, die zahlreicheren und nur schwach gebogenen Lateralsepten, sowie die unbeweglich miteinander verbundenen Klappen. 2. Spezialbeschreibung der Arten. Oldhamina decipiens KoxInck spec. 1883. Oldhamina decipiens W AAGEN, Productus Limestone Fossils. -Palaeontol. Indica Ser. XIII, p. 406, taf. 31 fig. 1—9. 108 Die außergewöhnlich dünne Schale erreicht eine Länge bis zu 70 mm und zeigt im allgemeinen eine halbkugelig aufgeblähte Form. Ventral- und Dorsalklappe von sehr verschiedener Gestalt. Erstere ganzwandig, im Innern mit einem Medianseptum und einer Reihe von stark konvexen Lateralsepten, letztere fiederförmig zerschlitzt, im Innern mit einem Medianseptum, das in einen Medianschlitz endigt. Schloßzähne, Area, Delthyrium und Brachialgerüst fehlen vollständig. Dagegen zwei dünne Dentallamellen in der Ventralklappe. Am Wirbel der Ventralklappe befindet sich eine kleine Anwachsstelle, welche im späteren Alter durch die Wucherungen des Schloßrandes verdeckt wird. Muskel- und Gefäßeindrücke nur in der Ventralklappe deutlich wahrnehmbar. Erstere ziemlich groß, in zwei Gruppen im hinteren und mittleren Teil der Ventralklappe befindlich, letztere kurz schlitz- förmig in Reihen zwischen den Septen und auf dem medianen Teil der Schale angeordnet. Schale aus zwei Schichten, einer inneren, aus welcher sich die Septen in Gestalt von Ausstülpungen ent- wickeln, und einer äußeren Schicht, die auf der Außenseite der Dorsal- klappe granuliert, der Ventralklappe glatt ist, bestehend. a) Ventralklappe. Die Ventralklappe mißt bei dem größten untersuchten Stück 59 mm Länge und 52 mm Breite. Letztere ist immer etwas größer als die erstere, und da die Schale stark, beinahe halbkugelig aufgebläht ist, so stellt sich das Verhältnis der drei Durchmesser, wenn man die Länge = 1 setzt, etwa wie 1:0.9:0.6. Sämtliche Ränder mit Ausnahme des Schloßrandes sind dünn und scharf. Am Schloßrand entwickeln sich schon frühzeitig zu beiden Seiten der Medianlinie, dünne, lamellöse Wucherungen, welche sich nach außen umschlagen und auf der Außenseite der Schale anheften. Charakteristisch ist, daß die Wucherungen auf den Seiten kräftiger | wachsen als in der Mitte; von oben gesehen gleicht der Schloßrand | somit einem kräftigen, in der Mitte etwas eingeschnürten Wulst. | Auf der Unterseite dieses Wulstes befindet sich in der Mitte eine kurze, etwas vorspringende Kante, welche als Angel für die Dorsal- klappe dient. Beiderseits derselben bemerkt man zwei kurze, dünne Dentalplatten. | Am Wirbel der Ventralklappe befindet sich eine mäßig große Anwachsstelle, welche bei älteren Exemplaren stets durch die Wucherungen des Schloßrandes verdeckt ist. Bemerkenswert ist, daß sich niemals der Fremdkörper, an welchem die Schale festhaftete, darunter fand, derselbe muß also sehr lose angeheftet und schon in früher Jugend abgedrückt worden sein. Die Schaloberfläche ist glatt und nur mit zahlreichen, dicht ge- drängten Wachstumsstreifen bedeckt. Irgend welche Punktierungen fu ites oe 109 oder Granulation waren selbst unter starker Vergrößerung nicht wahrnehmbar, Fig. 1. Innenseite der Ventralklappe. Fig. 1a. Seitenansicht der Ventralklappe. K A Dp Pp Ls Dp \ 3 + S97 SS Fig. 1. Wirbelansicht der Ventralklappe. Fig. 1e. Vorderansicht ; etwas gedreht. A Haftstelle der Aductoren. D Haftstelle der Diductoren. Dp Dentalplatten. Anwachsstelle der Ventralklappe. A Schloßkante der Dorsalklappe. Zs Lateral- septen der Ventralklappe. Ms Medianseptum der Ventralklappe. W lamellöse Wucherungen des Schloßrandes. 110 Auf der Innenseite der Schalen bemerkt man ein Medianseptum und höchstens 15 quergerichtete, nach vorn konvexe, dünne und scharfe Lateralsepten. Das Medianseptum ist immer im hinteren und vorderen Teil weniger stark entwickelt als in der Mitte. Bemerkens- wert ist, daß es vorn stets in zwei feine, fadenförmige Linien aus- läuft, welche auf die gleich zu besprechende Struktur ein gewisses Licht verbreiten. Die Lateralsepten sind im allgemeinen symmetrisch zu beiden Seiten des Medianseptums in querer Richtung angeordnet, und folgen sich in mäßig breiten regelmäßigen Abständen. Sämtliche Septen sind nach vorn stark konvex und nehmen rasch von hinten nach vorn an Größe zu, wobei die hinteren, also älteren, Septen stets — kräftiger entwickelt sind als die vorderen. Alle Septen sind schräg nach vorn geneigt, und zwar ist der proximale Teil derselben stets höher als der distale Teil. Es muß hervorgehoben werden, daß die Lateralsepten sich niemals mit dem Medianseptum verbinden, sondern stets durch einen freien, jedoch nicht sehr breiten Raum, welcher jedenfalls zur Aufnahme der Medianstämme des Mantelsinus bestimmt war, getrennt sind. (refäßeindrücke sind auf der Innenseite in Form von schmalen, kurzen, häufig reihenförmig angeordneten Furchen zwischen den Septen | wahrnehmbar. | Die Muskeleindrücke liegen im hinteren Teile zu beiden Seiten | des hier sehr reduzierten Medianseptums, und zwar läßt sich ein | medianer, ziemlich schmaler, sternförmig geriefter Eindruck von | zwei größeren, seitlichen und stark verästelten Eindrücken unter- | scheiden. Man kann erstere ungezwungen als die Haftstelle der | Adductoren, letztere als jene der Diductoren auffassen. | Die Schale besteht aus zwei deutlich wahrnehmbaren gesonderten Schichten. Die äußere, welche zugleich die Oberfläche der Schale bildet, ist auf der Innenseite entweder punktiert oder granuliert, | genau hat sich dies nicht feststellen lassen. Die innere ist glatt; durch Einstülpungen der inneren Schicht in das Lumen der Schale | bilden sich die Septen. b) Dorsalklappe. Die Dorsalklappe ist um geringes kleiner als die Ventralklappe, und zwar paßt dieselbe bequem in die lichte Weite der letzteren, deren Umriß sie sich genau anschmiegt. Ihre Form ist jedoch durchaus verschieden von jener und läßt dieselbe sich am besten mit einem, tief fiederförmig, zerschlitzten Blatte ver- gleichen, dadurch, daß sie durch eine vom Stirnrand ausgehende Medianincision und durch etwa 14 von den Seitenrändern ausgehende | Lateralincisionen tief zerschlitzt und in eine Reihe von schmalen, | etwas gewölbten, nach vorn säbelartig gebogenen Lappen zerlegt ist. 111 Im medianen Teil bemerkt man auf der Außenseite eine ziemlich tiefe Furche, welche am Stirnrande in die mediane Incision endigt. Auf der Innenseite entspricht der Furche ein kräftiges Medianseptum. 4 E Ll ms $ Zi Fig. 2. Dorsalklappe von außen; Fig. 2a. Dorsalklappe von innen. in natürlicher Lage. Ls a Ls 2 Fig. 3. Schalstruktur und Lage der Dorsalklappe gegen die Ventralklappe. D Dorsalklappe. Ls Lateralsepten der Ventralklappe. V Ventralklappe. a äußere Schicht. © innere, glatte Schicht. / Lateralineisionen der Dorsalklappe. J] Lateral- lappen der Dorsalklappe. ms Medianseptum der Dorsalklappe. s Schloßfortsatz. 112 Die Oberfläche der Klappe ist mit feinen, nicht sehr dicht ge- drängten Granulationen bedeckt. Die Innenseite ist glatt, doch zeigen die Laterallappen stets sehr deutliche, dichtgedrängte Wachstumsstreifen. Man bemerkt ferner, daß das proximale Ende der Lateralincisionen durch Verschmelzung des Vorder- und Hinterrandes stets, wenn auch nur für eine kurze Strecke, überdeckt ist, wodurch gewissermaßen ein kurzes Lateral- septum entsteht. Wir sehen hieraus, dab das Medianseptum in der gleichen Weise gebildet wurde wie die kurzen Lateralsepten, daß also beide ihrer Entstehung nach genau homolog sind. Am Schloßrande, der gewöhnlich schmal und gerade abgeschnitten ist, endigt das Medianseptum in einen kurzen, vierteiligen Fortsatz. — Zu beiden Seiten desselben bemerkt man zwei kleine, dreieckige Ein- drücke, welche als Anwachsstellen der Adductoren aufzufassen sind. Die Dorsalklappe besteht aus zwei deutlich gesonderten Schichten. Die innere Schicht ist glatt; die äußere zeigt auf der Innenseite zahlreiche feine Punktierungen, welche die Schale perforieren, aber nach außen blind geöffnet sind, wo sie sich nur in Form der feinen Granulation zeigen. Die Dorsalklappe legt sich nun derart auf die Ventralklappe auf, daß die Laterallappen mit dem Vorderrand auf einem Lateralseptum der Ventralklappe ruhen, und zwischen dem Hinterrand und dem nächst dahinter folgenden Laterallappen ein schmaler, offener Schlitz bleibt, durch welchen augenscheinlich das Meerwasser zirkuliert. Lyttonia nobilis WAAGEN. 1883. Lyttonia nobilis WAAGEN, Productus Limestone Fossils. Palaeont. Indic. Ser. XIII, p. 398, taf. XXIX, XXX fig.1, 2, 5, 6, 8, 1032 Die kräftige konkav-konvexe Schale muß eine sehr beträchtliche Größe erreicht haben, denn ein Exemplar besitzt ohne vollständig zu sein eine Länge von 135 mm. Im allgemeinen ist der Umrif | eiférmig, nach vorn stark verbreitert, nach hinten zugespitzt. Beide Klappen sind nur leicht gewölbt, beinahe flach. Ventral- und Dor- salklappe sehr verschieden gestaltet; erstere ganz wenig auf der Innen- seite mit einer großen Zahl von quergerichteten Lateralsepten. Letz- tere durch Lateralincisionen fiederförmig zerschlitzt; auf der Innen- seite mit einem Medianseptum versehen, das wahrscheinlich in einen medianen Schlitz am Stirnrande endigte. Schloßzähne, Area, Delthy- rıum und Brachialgerüst fehlen, ebenso sind die Dentalplatten in der Ventralklappe nur sehr rudimentär entwickelt. Im Jugendzustande war die Ventralklappe festgewachsen, später wurde dieselbe frei und die Haftstelle wurde durch kräftige unregelmäßige Wucherungen 113 des Schloßrandes verdeckt. Muskeleindrücke sehr schwach und un- deutlich. Schloßfortsatz der Dorsalklappe rudimentär. Die Schale besteht aus zwei Schichten. | a) Ventralklappe. Die Ventralklappe kann augenscheinlich eine recht beträchtliche Größe erreichen, doch dürfte die größte Länge 150 mm schwerlich übersteigen. Die Breite ist durchweg etwas ge- ringer; vom Wirbel an verbreitert sich die Ventralklappe rasch nach vorn, nimmt aber dann wiederum langsam nach vorn ab. Dabei ist | dieselbe so schwach konvex, daß sie als flach bezeichnet werden kann. Wenn man wiederum die Länge = 1 setzt, so beträgt das Verhältnis von Länge zu Breite zu Höhe wie 1:0.73:0.07, woraus die aufer- ordentlich geringe Höhe zur Genüge ersichtlich ist. Die Ränder sind zum Teil scharf, dagegen scheint der hintere Teil der Seitenränder sowie der Schloßrand nach außen eingeschlagen zu sein. Der Schloß- rand entwickelt sehr unregelmäßige, lamellöse Wucherungen, welche sich nach außen umbiegen und auf der Außenseite der Schale fest- _ heften, wodurch der Wirbelpartie ein sehr unregelmäßiges, knorriges | Aussehen verliehen wird. Die Haftstelle des Wirbels ist nicht direkt beobachtet worden, doch beweist ein junges Exemplar, daß die Schale in der Tat ursprünglich an einem Fremdkörper haftete und später frei wurde. Ob durch die Wucherungen des Schloßrandes der Fremd- körper abgedrückt wurde wie bei Oldhamina, oder durch dieselben verhüllt wurde, läßt sich nicht sagen, doch macht die sehr unregel- mäßige Form der Wucherungen letzteres wahrscheinlich. Die Schaloberfläche war wahrscheinlich glatt, vielleicht mit feinen _konzentrischen Wachstumsstreifen bedeckt. Auf der Innenseite bemerkt man eine große Zahl, bis zu 33 und mehr, ziemlich dieke, niedrige Quersepten, welche sich in zwei Gruppen beiderseits eines mäßig breiten, flachen, von hinten nach vorn verlaufenden Kanals anordnen. Im allgemeinen sind die Quer- _ septen symmetrisch gestellt, doch kommen Abweichungen vor. Sämt- - liche Quersepten sind nach vorn schwach konvex, am proximalen Ende etwas knotig verdickt und nehmen nach vorn rasch an Größe zu. Die Zwischenräume sind sehr regelmäßig, etwa 2--3 mm breit und im medianen Teil tiefer als am Rand. — Unter der Lupe zeigen die Quersepten eine sehr eigenartige Struktur. Man sieht zunächst, daß jedes Septum aus einem innern ern und einer, auf der Vorder- und Hinterseite, daran gelagerten | Schicht besteht, welche nicht ganz bis zum Kamm des Septums reicht. | Diese Schicht füllt auch den Zwischenraum zwischen zwei Septen ‚aus. Der mediane Teil ist oben und auf der Hinterseite mit sehr ‚ feinen Querriefen bedeckt. Der obere Raum der angelagerten Schicht Verhandl. d. Deutsch. Zool. Gesellschaft. 1904. 8 114 zeigt auf der Vorderseite, meistens: aber auf der Hinterseite der | Septen sehr regelmäßige, schräg gerichtete fransenformige Eindrücke, welche auch am Rande zwischen je zwei Septen auftreten. Zwischen G Ls WwW Ls W — [m An RD x un. Herre. x TER Dee > Kae re 1.77 mE sus IL Ste Br , eas i ae ar re oi I ed a abe u ae 2 Find // ‘a ie. suusa Bee 7 3 — th eer 7 v7, A Fy ty we VASE Cote eR 7 # eer: os OR >= EHER EUER ee TEE EEE ARE re Ree? Er 27 ae “ra .» A ara a : il re LIZ EIT TT TIT) TTT LIAL AT ta ET Tat Fe St i ee zn N LN ee > 2 “u, —— Sieg MILI Irate . Ths eee te Zz ZB 43. dl Hp 9 sae Ak ae, 7 A wehe are ext 3? 4 + Ant 4k . a x ER TIA he LL AAA a a FR, : sit So nut r % 4a BR 4 Se TIT Ld Lora x7 LAA A be ae. oa . at $ wo PLEITE pend > .. aT 7772 ery FTAA ‘aS J £ am ELITE + sine ae Dun ame, Sat" ITITITTIIEI 7 Fig. 4. Innenseite der Ventralklappe. Fig. 4a. Seitenansicht der Ventralklappe. | |, G Gefäßeindrücke. Ls Lateralsepten der Ventralklappe. Ms Medianseptum der Ventralklappe. W lamellöse Wucherungen des Schloßrandes. den Septen finden sich grobe, meist reihenförmig angeordnete Punktie- | |\, rungen. Diese sowohl wie die fransenförmigen Eindrücke sind wohl | . als Gefäßeindrücke zu deuten. | — 115 Ein Medianseptum scheint sich nur bei jugendlichen Exemplaren im hinteren Teile der Schale zu finden, später verschwindet dasselbe und bleibt nur noch im vorderen Teil erhalten. Ll Ty nn. .. ae EEE atta ir * RZ % 2 yc 7.3 f = 3 = | oe | oh teh PTI: ort F ‘ E Be N 4 N ir rs \ r. 5“ fea vases § EN Rees Fy N « data 237° “ v " N Pas .. x » am Ga «* * ; J > Fe, a 323% gity Fa) ore meee? 7 pee Sah a BER SEHT: gi Fig. 5. Dorsalklappe von außen in natürlicher Lage. ix Lateralincisionen der Dorsalklappe. 2! Laterallappen der Dorsalklappe. Schloßzähne sind nicht vorhanden, dagegen bemerkt man am Schloßrande zwei kurze, dünne, schräggerichtete Leistchen, welche man nach der Analogie von Oldhamina als Dentalplatten aufzu- fassen hat. § * 116 Die Muskeleindriicke sind sehr rudimentär und kaum sichtbar, und man kann daraus schließen, daß die betreffenden Muskeln wohl atro- phiert waren, daß also das Bewegungsvermögen der Klappen ein sehr unvollkommenes war. il s ms 2 | ew Tu IR I OE ANE IT ae ary nn ze Fig. 6. Innenseite der Dorsalklappe. (i Lateralincisionen der Dorsalklappe. li Laterallappen der Dorsalklappe. ms Medianseptum der Dorsalklappe. s Schloß- fortsatz. Die Schale besteht aus zwei Schichten; die äußere, welche auf der Außenseite glatt war, bildet durch Einstülpung den medianen Kern der Quersepten. Leider ließ sich nicht ermitteln, ob diese sd § Schicht punktiert war. Auf dieser Außenschicht lagert die zweite Schicht, welche namentlich die Zwischenräume der Septen in dicken Lagen ausfüllt, welche durch eine feine, chagrinartige Granulierung ausgezeichnet ist. b) Dorsalklappe. Die Dorsalklappe, welche im großen und ganzen den Umriß der Ventralklappe hat, war etwas kleiner wie jene. Entsprechend der flachen Krümmung der letzteren war auch die Dorsalklappe beinahe flach. Im übrigen war dieselbe durch die Lateralineisionen fiederförmig zerschlitzt, und in eine große Zahl von schmalen, leicht gekrümmten Laterallappen zerlegt, welche von vorn nach hinten an Größe zunehmen. Ob eine Medianincision vorhanden war, läßt sich mit Bestimmtheit nicht sagen, es ist dies aber sehr wahrscheinlich. Der Schloßrand ist mäßig gerade, aber ziemlich kurz und legt sich fest unter den Vor- sprung in der Ventralklappe. 7 Die Seitenränder sind tief zer- schlitzt, der Stirnrand war je- doch wohl nur durch die Me- Fig. 7. Querschnitt durch Ventral- und dianincision geteilt. Dorsalklappe. D Dorsalklappe. Ls Late- Die Außenseite zeigt einen ralsepten der Ventralklappe. V Ventral- ziemlich breiten, kompakten klappe. «a äußere Schalschicht. 7 innere Mediantel, der’ mit groben Fit Seht, I Latemlinkionen des Granulationen bedeckt ist, auf klappe. dem in der Medianlinie eine schwache Furche angedeutet ist. Indem die Lateralincisionen nach vorn zu tiefer einschneiden, wird der kompakte Medianteil an Breite reduziert. Die Laterallappen sind stark gewölbt, vorn scharfrandig. Auf der Innenseite bemerkt man ein kräftiges Medianseptum, das am Schloßrande in einen vollkommen rudimentären Schloßfortsatz endigt, nach vorn aber wahrscheinlich in eine Medianincision auslief. Das proximale Ende der Lateralincision ist im hinteren Teil gewöhn- lich durch Verschmelzung der beiden Ränder geschlossen, aber eine ähnliche Verschmelzung tritt auch am distalen Ende ein, so daß die hinteren Lateralincisionen gewissermaßen nur noch Schlitze in der Schalendecke darstellen. Muskeleindrücke nicht wahrnehmbar. Die Dorsalklappe setzt sich ebenfalls aus zwei Schichten zusam- men; die innere ist glatt und zeigt nur Anwachsstreifen; die äußere ist auf der Außenseite grob granuliert und demnach, wenn wir aus 118 der Analogie mit Oldhamina schließen dürfen, auf der Innenseite punktiert. Da die Muskeln schwach, wenn überhaupt nicht vollständig ver- kümmert waren, so ist eine Bewegungsfähigkeit beider Klappen gegen- einander ausgeschlossen. Durch direkte Beobachtung wurde erwiesen, daß die Dorsalklappe am Schloßrand mehr oder weniger fest mit der Ventralklappe verwachsen war, also völlig unbeweglich gegen jene war. Die Laterallappen lagen dabei derart auf den Lateralsepten der Ven- tralklappe, daß sich ihr Vorderrand fest auf jene legte, während zwischen dem Hinterrand und dem Vorderrand des nächstfolgenden Septums ein schmaler, offener Schlitz bleibt, durch welchen das Meer- wasser in Verbindung mit den Branchien treten konnte. III. Betrachtungen über die Ursachen der zerschlitzten Dorsalklappe und die Bildung von Lateralsepten in der Ventralklappe. Wenn man nun eine Erklärung für die Ursache des höchst eigen- artigen Baues der Schale von Oldhamina und Lyttonia sucht, so muß man dabei folgendes im Auge behalten. Die ganze Form der Dor- salklappe deutet darauf hin, daß dieselbe sehr wenig beweglich war. Eine Lateralbewegung, ein Gleiten war jedenfalls völlig unmöglich, da die Dorsalklappe von der Ventralklappe allseitig umschlossen war. Aber daß auch eine Bewegung dazu senkrecht, in ventro-dorsaler Richtung, also ein Öffnen und Schließen beider Klappen, nur schwer, wenn überhaupt ausgeführt werden konnte, wird am besten durch den rudimentären Schloßfortsatz der Dorsalklappe bewiesen. Die Muskelstränge, welche hieran hafteten, können kaum die Stärke eines dünnen Bindfadens besessen haben, sie waren also unzweifelhaft ver- kümmert und bei Zytionia überhaupt nicht mehr funktionsfähig. Wenn wir der Dorsalklappe von Oldhamina auch eine gewisse Be- wegungsfähigkeit zuerkennen mögen,. so war eine solche bei Lyttonia | jedenfalls ausgeschlossen, da die Dorsalklappe mit der Ventralklappe am Schloßrand verwachsen, also starr verbunden war. BE Um aber doch eine Zirkulation des Meerwassers zu ermöglichen, setzte eine Zerschlitzung der Dorsalklappe ein, die sich so energisch entwickelte, daß dieselbe als ein merkwürdiges, blattförmiges Gebilde erscheint, das von dem Aussehen einer normalen Brachiopodenschale erheblich abweicht. Die Erklärung für die Lateralsepten ist etwas schwieriger; man könnte dieselben als Stützen für die Lappen der Dorsalklappe auf- fassen, und in gewissem Sinne mögen sie auch diese Funktion aus- | geführt haben, allein andre Ursachen mögen auch maßgebend gewirkt | haben. Herr Professor BLocumann machte mich freundlichst darauf 119 aufmerksam, daß die beiden Medianstämme des Mantelsinus jeden- falls in dem Raum zu beiden Seiten des Medianseptums gelegen haben. Davon zweigten sich die Seitenstämme ab und verliefen in Form von breiten, flachen, gefäßreichen Strängen zwischen je zwei Lateral- lamellen. Der Reiz, welcher die Zerschlitzung der Dorsalklappe hervorrief, wirkte jedenfalls auch auf die Ventralseite des Tieres und indem sich auf der dorsalen Seite die Seitenstämme des Mantelsinus regelmäßig zerteilten, setzte sich diese Teilung bei der ungemeinen Dünne des Tieres auch auf die Ventralseite fort, wobei derjenige Teil des Mantels, welcher die äußere Schalschicht absonderte, jeden- falls so zerschlitzt wurde, daß die Folge davon die Absonderung der Lateralsepten war. Die Lateralsepten der Ventralklappe sind also eine Folge der Zerschlitzung der Dorsalklappe, und diese wiederum eine Folge der geringen Beweglichkeit der Klappen gegeneinander, da anders eine Zufuhr und Zirku- lation des, für den Lebensprozeß des Tieres nötigen, Meerwassers unmöglich gewesen wäre. Daß die Zwischenräume der Lateralsepten in der Tat zur Auf- nahme der Seitenstämme des Mantelsinus dienten, wird am besten durch den Vergleich mit andern Brachiopoden erwiesen. Wenn man z. B. die Ventralklappe von Rafinesquina expansa untersucht, so bemerkt man die Eindrücke von zwei parallelen Medianstämmen, von welchen sich stark verästelte Lateralstämme abzweigen. Man denke sich die Seitenstämme einfach, statt verästelt und man hat genau das Bild, welches ein Ausguß der Ventralklappe von Oldhamina zeigen wiirde?. Im Anschluß hieran seien noch einige Bemerkungen über die Lebensweise der Lyttoniiden erwähnt. Die zarte, feine Schale von Oldhamina deutet jedenfalls darauf hin, daß diese Art in stillem ruhigen Wasser, mit der Dorsalklappe nach unten gerichtet, wahr- scheinlich teilweise im Schlamm vergraben gelebt hat. Oldhamina gehörte also zum sessilen Benthon der Flachsee. Lyttonia dagegen zeigt eine äußerst kräftige, große Ventralklappe, ‘die einen gewissen Widerstand vertragen konnte. Da Lyttonia sich mit Vorliebe in den, aus zerriebenen Crinoidenstielgliedern zusammen- gesetzten, Crinoidenkalken findet, so scheint es mir wahrscheinlich, daß diese Art mehr bewegteres Wasser vorzog, wo sie ebenfalls mit ‚der Dorsalklappe nach unten, ohne direkt festgewachsen zu sein, _ zum sessilen Benthon gehörte. ?2 Man könnte auch sagen das Bild, welches den Steinkern der Ventralklappe nach Entfernung der Schale zeigt. 120 IV. Die verwandtschaftlichen Beziehungen der Lyttoniiden. WAAGEN ist nach eingehender Diskussion der Schalcharaktere zur Ansicht gelangt, daß die Lyttoniiden unter die Familie der Thecideiden einzureihen sei. Ich glaube auf Grund meiner Unter- suchungen annehmen zu können, daß trotz einer gewissen schein- baren Übereinstimmung in den Charakteren der Innenseite, eine tatsächliche Verwandtschaft zwischen den Lyttoniiden und Theci- deiden nicht existiert. Es ist nämlich offenbar übersehen worden, daß bei Megathyris und Thecidiwm der Brachialapparat mit der Schale verwachsen ist. Nun zeigt aber weder ZLyyttonia noch Oldhamina die Spuren eines Brachialapparates und das Vorhandensein eines solchen ist meiner Ansicht nach auf eine irrtümliche Deutung der zerschlitzten Dorsalklappe zurückzuführen. Es fragt sich nun, wo wir die nächsten Verwandten der Lyttoni- iden zu suchen haben. Die allgemeine Form der Schale gibt in dieser Hinsicht bereits einen deutlichen Hinweis. Ähnliche, stark konkav- konvexe Schalen beobachten wir nur bei den Productiden und ihren Verwandten. Es liegt auf der Hand, daß die äußere Form einer konkav-konvexen Schale nicht so ohne weiteres für die Verwandt- schaft maßgebend sein kann, und wir müssen, wenn möglich, noch einige weitere Merkmale auffinden, um darauf die Verwandtschaft zu begründen. Als solche möchte ich die Anordnung der Muskel- eindrücke, namentlieh aber die Form des rudimentären Schloßfort- satzes erkennen. In dieser Beziehung beobachten wir eine große | Übereinstimmung mit den Productiden und ich bin darum geneigt, die Lyttoniiden als eine aberrante Familie in die Nachbarschaft der Productiden zu stellen. Daß natürlich eine große Reihe von Unterschieden existieren, braucht wohl kaum erwähnt zu werden. Mit ein paar Worten möchte ich noch der Beziehungen zu Key- serlingina aus den carbonen (permischen?) Ablagerungen des Urals | gedenken. Zwischen Oldhamina und Keyserlingina scheint auf den ersten Blick eine große Ahnlichkeit zu bestehen; bei genauerer Unter- suchung ergeben sich jedoch gewisse Schwierigkeiten. Zunächst läßt sich der sogenannte Septalapparat der Ventralklappe von Keyserlin- gina eher mit der von innen gesehenen Dorsalklappe von Oldhamina vergleichen, als mit der Innenseite der Ventralklappe. Ich habe jedoch oben bemerkt, daß die Lateralsepten von Oldhamina aus zwei primären getrennten Lamellen bestehen. Man kann nun aus dem Septalapparat von Keyserlingina die Septen von Oldhamina dadurch ableiten, dab man zunächst die beiden Mediansepten zu einem, und je zwei aufeinander folgende Seitenlamellen ebenfalls zu einem Septum 121 verwachsen läßt, womit gleichzeitig eine Trennung am proximalen Ende verbunden ist. Wenn diese Ansicht richtig ist, so gehört Keyserlingina allerdings in die Nähe von Oldhamina, steht aber gleichzeitig auf einer niederen, morphologischen Stufe. V. Geologische und geographische Verbreitung der Lyttoniiden. Die Lyttoniiden sind bisher, soweit dieselben mit Sicherheit erkannt sind, nur im oberen Perm nachgewiesen worden. Dies gilt jedenfalls für die beiden Typen der Familie Oldhamina und Lyttonia, die in der Saltrange im mittleren und oberen Productuskalk, d.h. in der Virgal- und Chiderugruppe vorkommen. Dabei scheint es, als ob Lyttonia etwas früher auftritt als Oldhamina und möglicherweise auch früher ausstirbt als jene. Lyttonia nobilis erscheint nämlich zuerst im oberen Teil der Virgalgruppe in der danach benannten Zone der Lyttonia nobilis. In der höheren Zone der Xenodiscus carbonarius fehlt sie dagegen, ebenso wäre noch genauer festzustellen, ob die als Lyttonia bezeichneten Reste des oberen Productuskalkes in der Tat zu diesem Genus gehören, denn Fragmente namentlich der Dorsal- klappe sind sehr schwer von Oldhamina zu unterscheiden, und Ver- wechslungen daher nicht ganz ausgeschlossen. Wenn somit die obere Grenze von Lyttonia noch nicht ganz sicher fixiert ist, so läßt sich dagegen die vertikale Verbreitung von Oldhamina genau feststellen. Dieses Genus tritt zum ersten Male in der Zone des Xenodiscus carbonarius auf, wo es einen großen Reichtum an Individuen ent- wickelt. Es setzt sich dann durch die ganze Chiderugruppe (oberer Productuskalk) fort, und stirbt etwa 51/, engl. Fuß unter den ersten nachweisbaren Ceratiten und etwa 21/, engl. Fuß unter der ersten zur Trias gerechneten Schicht mit Gyrolepis-Schuppen ganz plötz- lich aus. Im Himalaya findet sich Lyttonta im Productusschiefer (oberen Perm). Bei Loping in China tritt Lyttoma in Schichten auf, die nach Kayser dem Obercarbon angehören, wahrscheinlich aber auf Grund neuerer Untersuchungen als oberes Perm anzusehen sind. Nach Yass findet sich Zyttonia auf Rikuzen in carbonen Schichten ; da aber Yasr wohl mit Recht annimmt, daß diese Schichten dem mittleren Productuskalk gleichzusetzen sind, so müßte man die Schichten mit Zyttonia auf Rikuzen ebenfalls als oberen Perm an- sprechen. | Damit ist also eine ganz enorme horizontale Verbreitung der Lyttoniiden, welche von Japan durch China den Himalaya und die Saltrange reicht, erwiesen. Es wäre gleichzeitig bemerkenswert, daß 122 alle die bis jetzt bekannten Vorkommen sich auf einen verhiltnis- mäßig schmalen Streifen zwischen dem 30. und 47. Grad nörd- licher Breite verteilen und wenn man nur die asiatischen Fund- orte in Betracht zieht, gar nur auf einen Streifen von 10° Breite (30.—40. Grad) beschränkt sind. Trotz dieser enormen horizontalen Verbreitung ist die vertikale Verbreitung eine sehr beschränkte. Nirgends treten die Lyttoniiden früher als im Obercarbon auf und wenn man die Fundorte von Loping und Rikuzen wie ich als Perm ansieht, so sind die Lyttoniiden auf die kurze Periode des oberen Perm beschränkt, dessen Schichten sie bis zur Oberbank der paläo- zoischen Ära charakterisieren würde. In diesem Sinne wären die Lyttoniiden als eine charakteristische Leitform des oberen Perm auf- zufassen. Jedenfalls ist bemerkenswert, daß gerade diese Periode eine solche Reihe yon aberranten Formen wie Rechthofenia, Oldhamina, Lyttonia, wozu auch noch der merkwürdige Productus mytiloides kommt, gezeitigt hat, eine Beobachtung, die auch bereits SCHELLWIEN gemacht hat. Man gewinnt ganz unwillkürlich den Eindruck, als ob die paläozoischen Brachiopoden kurz vor ihrem endgültigen Er- löschen noch einmal unter Entfaltung ihrer ganzen Lebenskraft zu einer großen Blüte gelangt sind, daß aber vielleicht gerade diese aufs höchste gesteigerte Entwicklung gleichzeitig den Keim des bal- digen Aussterbens in sich trug, der sich zunächst in der Ausbildung aberranter, wenig widerstandsfähiger, vielleicht sogar degenerierter Formen äußerte. Diskussion: Herr Prof. Brocnmann hält die von dem Vortragenden gegebene Deutung für durchaus zutreffend unter Hinweis auf die Anordnung des Mantelsinus bei rezenten Formen. Vortrag des Herrn Prof. V. Häcker (Stuttgart): Bericht über die Tripyleen-Ausbeute der Deutschen Tiefsee - Expedition. Als mir vor anderthalb Jahren von Herrn Prof. Cuun der Vor- schlag gemacht wurde, die Tripyleen der Deutschen Tiefsee-Expedition zu bearbeiten, bin ich mit größtem Vergnügen darauf eingegangen. Denn es wurde mir damit die längst erwünschte Gelegenheit gegeben, auf dem Gebiet der Protozoen eigne zellgeschichtliche Erfahrungen zu sammeln. Als ein doppeltes Glück habe ich es aber begrüßt, daß mir ge- rade die Tripyleen der Tiefsee zugefallen waren, und daß ich so eine 123 Entdeckungsreise machen durfte in diese unterseeische Wunderwelt, die, wie keine andre, eine Welt der Schönheit ist und hinter der äußeren Formenschönheit noch eine solche Fülle von Rätseln ver- schlossen hält. An die Übergabe des Materials hatte der Leiter der Expedition den Wunsch geknüpft, daß die Bearbeitung recht vorangehen möge. Es wäre mir unter den für mich bestehenden Arbeitsbedingungen nicht möglich gewesen, diesem Wunsche nachzukommen, wenn mir nicht Herr Prof. Cuun in liberalster Weise die Mittel des Ex- peditionsfonds zur Verfügung gestellt hätte und wenn es mir nicht gelungen wäre, in Fräulein Martan MÜLBERGER eine vortreffliche zeich- nerische Hilfe und Mitarbeiterin zu gewinnen. Sehr willkommen ist es mir gewesen, daß mir im Frühjahr dieses Jahres durch Herrn Kollegen VAnHörren auch die Tripyleen - Aus- beute der Deutschen Südpolexpedition zur Verfügung gestellt wurde. Da der »Gauß« ähnliche Meeresgebiete, wie die » Valdivia«, jedoch zu andrer Jahreszeit, befischte, so hat mein Untersuchungsmaterial, nach verschiedenen Richtungen hin, eine wertvolle Ergänzung erfahren. Ich möchte zunächst einige Mitteilungen über den Formen- reichtum, die horizontale und vertikale Verbreitung der Tripyleen im allgemeinen machen. Es ist in erster Linie zu sagen, daß in dem Material der » Val- divia« sämtliche Häckeusche Familien vertreten sind und daß ich keine Veranlassung gefunden habe, neue Familien aufzustellen. Es soll noch hinzugefügt werden, daß zwei der Hazrckerschen Fa- milien, die Célographiden und Cölodendriden, in dem antarktischen Coelechinus wapiticornis n. sp. (Fig. 1) ein eigentliches Verbindungs- glied gefunden haben. Diese Art entspricht einerseits in bezug auf die Beschaffenheit und Anordnung der Stacheln nahezu vollkommen dem in wärmeren Meeresgebieten weit verbreiteten Coelodendrum furca- hssimum, anderseits finden sich alle jene merkwürdigen Differen- zierungen des Schalenaufsatzes vor, welche für die Cölographiden charakteristisch sind und auf welche neuerdings A. Lane wieder die Aufmerksamkeit weiterer Kreise gelenkt hat, indem er in seinen »Protozoen« die Colographide Coelospathis ancorata als Beispiel eines hochdifferenzierten einzelligen Organismus gewählt hat. Mit einem gewissen Bedauern habe ich mich genötigt gesehen, das formenprächtige Geschlecht der Orosphäriden aus dem Verband der Tripyleen auszuschalten und den Thalassosphäriden anzureihen. Die Beschaffenheit der Zentralkapsel und die eigentümliche Art der Sporenbildung lassen eine nähere Verwandtschaft mit der Gattung 124 Thalassoxanthium erkennen, mit welcher sie auch die gleichmäßige Verbreitungsweise gemein haben. Das Verhältnis der im » Valdivia«-Material vorhandenen Arten zu den von Hazcker beschriebenen ist in den einzelnen Formengruppen Fig. 1. Coelechinus wapiticornis n. g. n. sp., Zwischenform zwischen den Cölodendriden und Colographiden. ein verschiedenes. In Familien mit vorwiegend pelagischen Formen, 1 Schon BORGERT (Vorbericht über einige Phäodarien-Familien der Plankton- Expediton, Erg. d. Pl.-Exp., Bd. I, A, 1892) hat betont, daß auf der südlichen Hälfte der Reiseroute des »National« fast jeder Fang einzelne, meist 1—5, Oro- sphäriden enthielt. Die »Valdivia« erhielt in etwa zwei Dritteln aller Vertikal- netzzüge jeweils einzelne Exemplare von Oroscena, Oroplegma oder Thalasso- xanthium. | 125 z. B. bei den Challengeriden, decken sich die Bestiinde nahezu voll- kommen, wie denn auch die von Borserr und den skandinavischen Forschern aufgestellten novae species keineswegs als »gute« Arten, sondern höchstens als lokale Unterarten zu betrachten sind. In andern, mehr in den Tiefenschichten verbreiteten Familien ergab sich dagegen eine ziemlich große Ausbeute an neuen und in- teressanten Formen, wie ich dies später speziell für die Tuscaro- riden noch zeigen werde. Bei mehreren dieser Familien, so bei den Aulacanthiden, steht freilich dem Gewinn an neuen Formen die Notwendigkeit gegenüber, die Harckerschen Arten zu Unterarten zu degradieren und mitein- ander gruppenweise zu guten Arten (Linn&schen Kollektivarten) zu vereinigen. Um die veränderte Sachlage, welche durch die reiche Ausbeute der »Valdivia«e in dieser Hinsicht geschaffen worden ist, zu kennzeichnen, möchte ich die Gattung Aulospathis als Beispiel vor- führen. Diese Gattung ist dadurch charakterisiert, daß die Radialstacheln zwei Wirtel von Asten tragen, von denen der eine am Ende des Stachels, der andre etwas unterhalb desselben gelagert ist (Fig. 2 e). Je nachdem das den äußeren Wirtel tragende Stachelende blasig aufgetrieben ist (Fig. 2 u. k) oder nicht, und je nach der Zahl der Aste unterscheidet Harcken zwei Untergattungen und zehn Arten, von welchen er aber selber sagt, daß sie wegen der außerordentlich variabeln Verhältnisse, welche die Stacheläste zeigen, als »Darwinian species« zu bezeichnen sind. Ich habe Station für Station die immer nur in geringer Zahl vorhandenen Aulospathis-Individuen der » Valdivia«-Ausbeute durch- mustert und bin zu dem Resultat gelangt, daß in der Tat wenigstens die Harcxetschen Arten und einige andre Formen sämtlich ineinander übergehen und daher nur den Rang von nebeneinander vorkommenden Rassen, bzw. geographischen Unterarten haben. Welche dieser Unterarten die eigentliche Stammform darstellt, mag zunächst dahingestellt sein. In der Gegenwart ist jedenfalls Au. triodon (Fig. 2 d) die verbreitetste Form und mit ihr sind fast alle übrigen direkt oder indirekt durch Zwischenstufen ver- bunden. So finden wir auf der Route der »Valdivia« nördlich des Aquators neben Aw. triodon und mit ihr durch Übergänge verbunden Au. tetrodon (Fig. 2 c), in den äquatorialen Gegenden des Atlantischen Ozeans und ebenso in den entsprechenden Gebieten des Indischen schließt sich an triodon und tetrodon die Form aulodendroides (n. subsp.) mit zerstreut stehenden Proximalästen und spindelartig aufgetriebenem 126 Schafte an (Fig. 2 a—b), südlich des Aquators geht trzodon ganz all- mählich in diodon (Fig. 2 e) über und steht mittelbar durch diese Form mit monodon (n. subsp., Fig. 2. f) in Verbindung. Die wärmeren Gegenden der Ozeane scheinen auch den Mutterboden für die Formen bent of a ies % % d Bi ‘ i iwi thm a b — 7 k A Fig. 2. Geographische Unterarten von Awlospathis variabilis (HAECKEL); a und b aulodendroides n. subsp., ce tetrodon (HAECKEL), d triodon (HAECKEL), e diodon (HAECKEL), f monodon n. subsp., g hexodon (HAECKEL), h trifurea (HAECKEL), i Zwischenform zwischen triodon und trifurca, k bifurca (HAECKEL). trifurca und bifurca (Fig. 2 h u. k) zu bilden. In diesen Gebieten finden sich nämlich zwischen tröfurca— bifurca einerseits und triodon— diodon anderseits alle Übergangsstufen (z. B. Fig. 2 7), während in den kälteren Meeren eine stärkere Emanzipation wenigstens der Unter- 127 art bifurca eingetreten zu sein scheint. Im Gegensatz zu den meisten bisher genannten Formen, welche in ausgeprägter Weise den Charakter von geographischen Unterarten tragen, scheinen die Harckerschen Arten hexodon und furcata keine lokal begrenzte Verbreitung zu haben, wenigstens zeigt friodon in nahezu allen Meeresteilen hier und da die Neigung zu einfacher oder doppelter Gabelung der Terminal- und Proximaläste (Fig. 2 g) und führt auf diese Weise zu den beiden gabelästigen Typen hinüber. Wir hätten also das Beispiel einer wahrhaft kosmopoliti- schen Großart vor uns, welche die Tendenz hat, in den einzelnen Meeresgebieten Rassen und lokal begrenzte Unterarten zu bilden, und alle hier aufgezählten Formen würden folgerichtig ternär zu benennen sein, z. B. Aulographrs variabilis triodon, Au. v. tetrodon usw. Eine Ausnahmestellung nimmt nach dem bisher vorliegenden Material die in der antarktischen Trift verbreitete Ardographis pinus n. sp. (Fig. 3) ein, für welche Übergänge zu triodon oder zu einer der andern Formen fehlen und welche daher bis auf weiteres als eine zweite, selbständige Art zu betrachten ist. Die besprochenen Verhältnisse legen die Frage nahe, ob bei der Bildung der einzelnen Rassen und geographischen Unterarten ein Einfluß des äußeren Mediums in deutlicher Weise vor Augen tritt. Wir müssen uns in erster Linie darüber Klarheit zu verschaffen suchen, welche biologische Bedeutung die Stacheln der Aulacanthiden, ins- besondre auch deren Äste und Spathillen2, d. h. die Hakenkranz- ähnlichen Endbildungen, haben. HarckEL spricht sich in dieser Hin- sicht nicht bestimmt aus, jedoch geht aus einigen Andeutungen 3 her- vor, daß er auch bei den Aulacanthiden diesen so verschiedenartigen Differenzierungen die Bedeutung von Schutz- und Fangapparaten zuerkennen will. Ich habe gleich von Anfang an, während des Sor- tierens, auf alles geachtet, was etwa auf diesen Punkt Licht werfen könnte, und bin zunächst von der Ansicht abgekommen, daß die Aste und Spathillen irgend eine direkte Beziehung zur Nahrungs- aufnahme haben könnten, in dem Sinne etwa, daß die vorzugsweise aus Diatomeen bestehende Nahrung durch die Häkchen der Spathillen festgehalten wird 4. ' Vielmehr weisen die Befunde mit Bestimmtheit auf eine andre Hauptfunktion hin. Überall da, wo der Weichkörper einen guten 2 Von sradts (oxadn), Quirl, Wirtel. 3 HAECKEL, Report Challenger, V. 18, 1887, p. 1540, 1572. 4 Es soll damit nicht gesagt sein, daß nicht auch bei den Aulacanthiden wirkliche Fangapparate vorkommen. Vielleicht haben die Ankerfäden von Aulo- graphis xethesios (FOWLER) eine entprechende Funktion. 128 Erhaltungszustand zeigt, läßt sich mit Sicherheit erkennen, daß das äußere Sarkodehäutchen, welches die Gallerte oder das Calymma um- gibt, sich über sämtliche Spathillen wie ein Baldachin oder ein Zelt- tuch herüberspannt (Fig. 2 9, 5). Nirgends treten die Spathillen über \ m — Fig. 35. Aulospathis pinus n.sp. (Antarktis; Schließnetzfang, Atl. 40° N.) | diese extrakalymmale Sarkode heraus und nirgends läßt sich mit Sicherheit nachweisen, daß etwa ein spathillentragender Stachelast ganz in der Tiefe des Calymma gelegen ist. Es kann also, soviel ich 5 Die Figur 3 ist insofern nicht ganz richtig, als neueren Präparaten zufolge der Mantel von Tangentialnadeln auf der Höhe der unteren Etagen der Seiten- äste der Radialstacheln liegt. 129 sehe, kaum bezweifelt werden, daf die Aste und Spathillen in erster Linie als Stiitzapparat fiir das die Gallerte umhiillende, die Nahrungsaufnahme vermittelnde äußere Sarkodehiutchen dienen, daß sie also nur indirekt mit der Ernährung im Zusammen- hang stehen. Neben dieser Hauptfunktion kommen aber den Stacheln offenbar noch mehrere andre Funktionen zu. Es ist wohl anzunehmen, daß sie gegen Feinde verschiedener Art als Schutzapparat dienen und daß sich so die stützende und schützende Funktion kaum voneinander trennen lassen, sowenig dies bei schalenartigen Außenskeletten orga- nischer oder anorganischer Natur der Fall ist. Indem ferner, wenigstens bei der Gattung Azdospathis, die ober- tlächliche Sarkodeschicht durch die Terminaläste der Stacheln vielfach ausgebuchtet wird, wird eine Oberflächenvergrößerung des Tieres her- beigeführt, welche einerseits die Berührung mit dem umgebenden Nähr- material begünstigt, anderseits das Schwebevermögen erhöht (Fig. 3). So dienen denn die Nadeln gleichzeitig auch als Fangapparat und als Schwebeapparat® und wir haben also ein schönes Beispiel da- für, wie die Natur mit einfachen architektonischen Mitteln gleichzeitig eine ganze Anzahl von Zwecken erreicht. Bei dieser funktionellen Vielseitigkeit der in Frage stehenden Organisationen ist es klar, daß die Beziehungen zwischen Form und Medium nicht so klar und eindeutig hervortreten, wie dies z. B. nach SCHIMPER bei den Schalenfortsätzen der Peridineen der Fall ist. So sind denn auch bisher meine Versuche erfolglos gewesen, im ein- zelnen Falle zu ermitteln, weshalb die Zahl der Äste und Spathillen vermehrt oder vermindert wird, weshalb die Stachelenden in Form einer blasigen Auftreibung ein Postament für die Terminaläste bilden, in ähnlicher Weise, wie dies bei manchen Axdlographrs-Arten wieder- kehrt, oder weshalb der Schaft, offenbar zur Erhöhung der Druck- festigkeit, eine spindelförmige Anschwellung erhalten hat. Ich muß mich hier mit der ganz allgemeinen Feststellung begnügen, daß bei Aulospathrs ebenso wie bei einigen andern Gattungen (Azlographis, 6 Angesichts des Umstandes, daß die Aulacanthiden-Stacheln, und zwar gerade die unverletzten, auf Kanadabalsampräparaten häufig lufthaltig sind, könnte man zu der Ansicht verleitet werden, daß dieselben auch im lebenden Zustand gashaltig sind und demzufolge den eigentlichen Schwebeapparat darstellen. In- " _ dessen hat schon HAECKEL gezeigt, daß die Stacheln in ihrem Innern eine galler- tige Flüssigkeit enthalten. Herr Kollege RHUMBLER hatte vor kurzem die große Freundlichkeit, mir nach Untersuchung von lebenden Aulacanthen zu bestätigen, daß die Stacheln während des Lebens nicht mit einer Gasart, sondern mit irgend 4 einer Flüssigkeit oder Gallerte gefüllt sind. Verhandl. d. Deutsch. Zool. Gesellschaft. 1904. 9g 130 Coelechinus u. a.), im Kaltwasser der Antarktis die Zahl der Stacheln selber und ihrer Aste und damit also die Zahl der Stiitz- punkte für die Plasmahaut eine beträchtliche Vermehrung zeigt. So zeichnen sich Aulospathrs pinus, Aulospathis diodon, ebenso wie z. B. Aulographis pandora antarchea, Coelechinus wapiticornis u. a., durch ein auffällig struppiges, stachliges Aussehen aus im Vergleich mit den ihnen korrespondierenden, oder nahestehenden Formen der wärmeren Meeresabschnitte, und wenn sich auch bisher keine direkte Beziehung zur physikalisch-chemischen Beschaffenheit des Wassers ermitteln läßt, so führt doch die Summe der Erscheinungen zu der Auffassung, daß diese Konvergenzbildungen durch eine derbere Konsi- stenz des Plasmas bedingt sind und damit indirekt zu den physikali- schen, insbesondre auch zu den osmotischen Verhältnissen der Um- gebung in Beziehung stehen”. Wir haben in der Gattung Azlospathis einen Formenkreis kennen gelernt, welcher eine ganze Reihe von lokalen, auf einzelne größere Meeresteile beschränkten Unterarten (awlodendroides, monodon u. a.) aufweist. Neben dieser Art von Variabilität ist bei den Tripyleen eine andre weit verbreitet. Bei vielen Formen, so bei Challengeriden, Tuscaroriden u.a. zeigt sich ein individueller und zwar ausgesprochen sprungweiser Wechsel zwischen zwei oder höchstens drei Typen. Handelt es sich speziell um die Zahl der Stacheln, so ist bemerkenswert, daß die nebeneinander vorkommenden Zahlen eine | einfache Reihe zu bilden pflegen: so besitzt z. B. Challengerion swirev 0, 1 oder 2 Stacheln, Tuscarusa tubulosa 3, 4 oder 5, Tuscarusa passercula 4, 5 oder 6 Aboralstacheln usw. Es kommen, wenigstens bei den Tuscaroren, niemals Individuen vor, welche unausgebildete Stacheln aufweisen und also eine Art Übergangsstufe repräsentieren, d. h. es finden keine gleitenden Übergänge zwischen den einzelnen Typen statt. Vielmehr haben wir hier ein besonders klares, zoologi- sches Beispiel vor uns, in welchem die Individuen gewissermaßen eine Auswahl haben zwischen wenigen, sprungweise ineinander über- gehenden, der Art zur Verfügung stehenden Anlagen, und man wird lebhaft an die Anschauungen erinnert, welche pE Vrızs vom Stand- | punkt seiner Mutationstheorie aus bezüglich der Entstehung von »Halbrassen« und »Mittelrassen« entwickelt hat, insbesondere an seine Auseinandersetzungen über den mehrblättrigen Klee und die tricotylen Keimpflanzen. Ich glaube gezeigt zu haben, daß die Tripyleen noch manchen interessanten Beitrag für die Lehre von der Artbildung zu liefern 7 Nachtrag bei der Korrektur. Ich hoffe über diese Verhältnisse demnächst an andrer Stelle Näheres berichten zu können. 131 imstande sind und gehe nun zu einigen Bemerkungen iiber die Horizontalverbreitung der Tripyleen iiber. Dank den reichen Fiingen im Antarktischen und Indischen Ozean läßt die » Valdivia«-Ausbeute viel deutlicher, als dies bisher möglich war, hauptsächlich eine Erscheinung hervortreten, nämlich den Gegen- satz zwischen Warmwasser- und Kaltwasserformen, d.h. zwi- schen Formen, welche ausschließlich die wärmeren Gebiete der drei großen Ozeane, und solchen, welche ausschließlich die Eismeere und die von ihnen ausgehenden kalten Strömungen bewohnen. Von den ersteren sind nicht wenige Arten auf die eigentlich äquatorialen Gebiete der drei Ozeane beschränkt, also auf drei Ver- breitungszentren, von welchen jedenfalls zwei, nämlich das tropisch- atlantische und das tropisch-indische, seit der Eocänzeit durch weite Meeresstrecken getrennt sind, in welchen sich keine Spur von den betreffenden Arten vorfindet. So hat z. B. der »Challenger« die Tuscarusa bisternaria an einem einzigen Punkt des Stillen Ozeans, im Gebiete der nordäquatorialen Strömung gefischt. Dieselbe Art wurde dann von der »Valdivia« im Guineastrom und ebenso südlich von Ceylon aufgefunden. Ein vollkommenes Gegenstück zu diesen triozeanischen Warm- wasserformen bilden diejenigen Kaltwasserformen, welche gleich- zeitig in beiden Eismeeren verbreitet sind und vielleicht als amphi- pol bezeichnet werden können. Hierher gehören vor allem mehrere Cannosphäriden, Aulosphäriden und Sagosphäriden, z. B. die im nörd- lichen und südlichen Eismeer gleichmäßig verbreitete Cannosphaera antarctıca HarEcKEL, ferner Azdoscena verticillus HArEcKEL, welche bis- her nur in der Irmingersee, im Labradorstrom und im Antarktischen Ozean gefischt wurde, und die von Borcrrr aus der Irmingersee be- schriebene Sagenoscena irmingeriana, welche sich in meinem antark- tischen Materiale wiederfand. Während die Verbreitungsweise der triozeanischen Formen sich wohl nur dadurch erklären läßt, daß die von ihnen bewohnten Ge- biete früher in engerem Zusammenhang standen, und so vielleicht gewisse Rückschlüsse geologischer Natur gestattet, weisen einzelne Befunde darauf hin, daß zwischen den beiden polaren Gebieten ein unterseeischer Zusammenhang besteht, insofern die Bewohner der Eis- meere in den wärmeren Gebieten auf größere Tiefen beschränkt sind ®. Die bereits erwähnte Aulospathis pinus z. B. wurde von der » Valdivia« 8 Die Annahme eines derartigen unterseeischen Zusammenhangs zwischen den beiden polaren Gebieten ist zuerst von Caun gemacht worden. /C. Cuun, Die Beziehungen zwischen dem arktischen und antarktischen Plankton, Stuttgart 1897, S. 60.) 9%* 132 und ebenso vom »Gauß« nahezu ausschließlich in der antarktischen Trift und besonders im Treibeisgebiete mittels des Vertikalnetzes er- beutet. Ganz unvermittelt wurde aber dieselbe Art auch einmal an einer Station des Nordatlantischen Ozeans, zwischen Portugal und den Azoren, und zwar mittels des Schließnetzes aus einer Tiefe von 1550—1850 m, heraufgeholt. Nun ist allerdings speziell für diese Art ein arktisches Vorkommen noch nicht nachgewiesen, aber immerhin geben dieser und einige ähnliche Funde einen Fingerzeig, in welcher Weise die faunistische Übereinstimmung des nördlichen und südlichen Eismeeres zustande gekommen sein mag. Ich möchte noch mit einigen Worten auf die Warmwasserformen zurückkommen. Es fielen mir beim Sortieren sehr bald die außer- ordentlich regelmäßigen Zahlenverhältnisse auf, welche die häu- figeren Formen in dem vom Vertikalnetz heraufgebrachten Materiale zeigen. Die folgende Tabelle gibt den Inhalt je eines Gläschens von 4 Stationen, zwei atlantischen und zwei indischen, an: St. 46 | St.49 | 8.182 | St. 218 V. 3000 V. 3500 V. 2400 | V. 2500 Aulneontha:i i 5 ei) HAS o- : 27 | 36 _ zahlreich il Aulographis pandora... . 2 24 | 4 8 Aulographis, andre Arten (can- | | delabrum, pulvinata usw.) . einzeln | 4 1 0 AUIOGHGS Epis N... RR >) am 6 7 Aulospathis ap: 3 Jf) 0EU 1 | 1 0 1 Coelodendrum furcatissimum. 3 ' zahlreich zahlreich 14 Coelographis sp., Coelodecas sp. 0 | 14 6 4 Gaxellelia BD... & su: Fetes oc Reste | 2 Reste 0 Castanelliden, große Formen || zahlreich -» massenhaft einzeln | massenhaft TUSCATOTA GDL lies LEER, | i | 18 5 18 aie an alu 0 2.04 1 2. 20 ZA ON OSHC SP. vat, u. ce: | 0 | 4 5 | 1 Thalassoxanthium. . ... . . | 2 1 ) 0 ! Wir sehen aus der Tabelle, daß unter den Aulacanthiden fast immer Aulacantha und zwar meist Az. scolymantha die vorherrschende Form ist. Seltener (z. B. St. 218) tritt die gewöhnlich an zweiter Stelle stehende Azlographis pandora in den Vordergrund. Daneben treten fast immer einige wenige Individuen der selteneren Ardographis-Arten, ferner eine weitverbreitete Azdoceros- Art, sowie mit merkwürdiger Regelmäßigkeit ein paar Exemplare der einen oder andern op! = I Ber ' | BI | AERA TU ey ee, Hy TO se A oN 2) Q\ ® H Q der starken seitlichen Ab- plattung einerseits, in der zarten Beschaffenheit der Schale, den fensterförmigen Poren und der stärkeren Wölbung anderseits. Ein vollkommen entsprechen- des Paar bilden die mit einem dreizähnigen Peristom ausge- ‚statteten Challengeria Thomsoni (Fig. 4c) und Ch. tridens (Fig. 4d), deren Umrisse daneben abgebil- det sind. In einigen Fällen lassen sich von derselben Art zwei gut ge- sonderte Typen unterscheiden, von denen der eine in den Ober- flächenschichten, der andre aus- schließlich in größeren Tiefen 155 Fig. 5. a. Challengeron Willemoesii, Tie- fenform (St. 229). b. Challengeron Wille- moesit, Oberflachenform (St. 229). c. Chal- lengeron Willemoesii, Oberflichenform ‘St. 41 und 43). 156 auftritt. Solche vertikale Unterarten finden sich besonders schön bei dem sehr variabeln Challengeron Wiülemoesii (Fig. 5 a—b). Diese Form ist durch das vierzähnige Peristom und die wechselnde Zahl von Randstacheln ausgezeichnet. Bei verschiedenen Lokal- rassen wird die Bewehrung durch zahlreiche, über die Schale ver- streute Nebenstacheln und durch die Bedornung der Randstacheln vervollständigt (Fig. De). Die Stufenfiinge der im Indischen Ozean gelegenen Station 229 ergaben nun folgende Verhältnisse: in den Tiefen von 1600 m aufwärts bis 600 m fanden sich zahlreiche, mit Diatomeen und Phäodellen geradezu vollgepfropfte Individuen einer verhältnismäßig dickschaligen, mit wenigen Randstacheln ausge- statteten Form (Fig. 5 a); zwischen 800 und 600 m kamen einige leere Gehäuse einer auffallend dünnschaligen, mit zahlreicheren Randstacheln versehenen Form hinzu (Fig. 5 b); im nächstfolgenden Stufenfang aus einer Tiefe von 600 bis 400 m trat die dickschalige Form stark zurück, dagegen fanden sich hier bereits zahlreiche Individuen der zweiten, sonst nur in Planktonfängen erbeuteten dünnschaligen Form vor. Erwähnen will ich nur noch, daß auch bei Challengeron Willemoesü die planktonische Form außer der Zentral- kapsel stets nur spärliche Reste des Weichkörpers zeigt (Fig. 5 b), im Gegensatz zu den wie gemästet erscheinenden Tiefenformen (Fig. 5 a). Ich glaube auch noch einigen andern Fällen auf der Spur zu sein, in denen eine Art in zwei vertikale Unterarten differenziert ist, und wir hätten also damit ein Gegenstück zu der bekannten Sonderung in Tal- und Bergformen, wie sie sich bei so vielen Festlandtieren und -pflanzen vorfindet. Häufiger läßt sich die zuerst erwähnte Erscheinung beobachten, daß die verschiedenen Arten einer größeren Formengruppe zum Teil ausgesprochen planktonisch, zum Teil wirkliche Tiefenbewohner sind, insbesondere bietet sich uns, wenn wir von den Challengeriden zu den Conchariden übergehen, ein besonders schönes Beispiel von Konvergenzentwicklung dar. Man vergleiche die hier abgebildete Conchopsts-Art!® (Fig. 6), welche mit dem SchlieBnetze aus Tiefen von 2700 bis 3300 Meter heraufgeholt wurde, mit dem ausschließlich in Planktonfängen von O bis 200 m erbeuteten Conchidium rhynchonella (Fig. 7). Jene ist durch ein wohlerhaltenes Phäodium, durch be- deutende Größe, seitliche Abplattung (vgl. die Kantenansicht Fig. 65), Dickwandigkeit und Mangel an stachelartigen Fortsätzen, als ein voll- kommenes Gegenstück zu Challengeria Naresü und Thomsoni gekenn- 10 Dieselbe steht der HAcEcKELschen (©. navicula nahe. 137 zeichnet, dagegen zeigt das planktonische Conchidiwm rhynchonella nur spärliche Reste des Weichkörpers, eine viel geringere Größe, eine stark gewölbte Schale (Fig. 7 b) mit dünner, von großen, fenster- artigen Poren durchlochter Wandung und eine mehr oder weniger starke Neigung zu Stachelbildung. ~~ S © i oo O (9) o oO [| III 2) 5% aia A Ss ° o © o 000 50 89 fs) Co ro) (®) Oo oo [e) Oo ie) 00 (=) o 80.08 £609 o © G (6) (®) O0 oO oO Oo 9° 0% oO Le] © oO fo] oO oO © 030% WAVY AAR © o G oO 200 [®) fs} awe. i n oO ER A AA 7 Firm | Tht hd gan fous So mt so dürfen wohl die stärkere Wöl- bung und die Stachelbildung der _ planktonischen Formen (Challen- geriden, Conchidiwm) als Mittel zur Erhöhung des Schwebever- ‚ mögens betrachtet werden. Daß auch durch die geringere Größe | die Sinkgeschwindigkeit vermin- | dert und damit die Schwebefähig- ‚ keit der planktonischen Formen 4 5 Neue Folge, 2. Bd., S. 481, 1903. Eau Vel. W. OstwaLp, Zur Lehre vom Plankton. a \ FEN ner ee Fig. 6. a. Conchopsis sp., Tiefenform. Flächenansicht. 6. dieselbe, Kantenansicht. Einige der hier aufgezählten Charaktere können ohne weiteres Zu den besonderen Lebensbedingungen in Beziehung gebracht werden, a b Fig. 7. a. Conchidium sp., Oberflächen- form. Flachenansicht. 0. dasselbe, Kantenansicht. ‚ erhöht wird, ist nach den Ausführungen von W. OstwaALp!! mit Sicherheit anzunehmen und anderseits ist die Vorstellung naheliegend, daß die Beschaffenheit des Weichkörpers und die Dicke der Schalen- Naturwiss. Wochenschrift, 138 wandung in einer engeren Beziehung zu den Druckverhältnissen der Umgebung steht, sei es zu dem hydrostatischen, sei es zu dem osmotischen Druck des Wassers. Auch in andern Familien treten Unterschiede dieser und ähnlicher Art zwischen den Oberflächen- und Tiefenformen hervor, so z. B. bei den Circoporiden und Medusettiden, unter welch’ letzteren die dünn- schalige Euphysetta lucant Bore. eine Oberflichenbewohnerin, die derbschalige Hu. elegans Bora., trotz ihrer geringen Größe eine aus- gesprochene Tiefenform ist. Im ganzen darf man jedenfalls auf Grund des vorliegenden Materials sagen, daß die verschiedenen Tripyleen- formen auf zwei oder besser drei, durch bestimmte Leitformen charak- — terisierte Horizonte verteilt sind. Die erste planktonische Schicht, | welche in den wärmeren Meeren von der Oberfläche bis etwa in die Tiefe von 350-400 m reicht, enthält vorwiegend Aulosphäriden, Sagosphäriden und kleine Challengeriden, Medusettiden und Con- chariden. Die zweite Schicht umfaßt in den wärmeren Gebieten den Raum von 400-1000 oder 1500 m und enthält das Gros der großen Formen: die Aulacanthiden-Gattungen Aulograpkhis, Auloceros, Aulo- spathis, große Castanelliden, die Medusettiden-Gattung Gaxelletta, ferner als Leitform Coelodendrum furcatissimum und vor allem die | eroßen Tuscaroren. In der Antarktis ist die obere Grenze dieser | Schicht beträchtlich höher, etwa in das Niveau 150 oder 200, zu | legen. An Stelle des Coelodendrum furcatissimum tritt hier der auf | den ersten Anblick sehr ähnliche, aber eine Zwischenform zwischen | (élodendriden und Célographiden darstellende Coelechinus wapiti- | cornis (Fig. 1). Eine noch tiefere Schicht, welche von 1500--5000 m | reicht, ist bevölkert von einigen hochspezialisierten Formen, nämlich | von mehreren Challengeriden (Challengeria Naresit u. a.) und von | den Gattungen Porcupinia, Porospathis und Conchopsis. | Die nebenstehende Tabelle gibt, unter Hervorhebung der all- | gemeiner verbreiteten » Leitformen«, die ungefähre Tiefenverteilung der wichtigsten Tripyleen. | Die bisherigen Ausführungen bezogen sich auf die Tripyleen im allgemeinen. Ich möchte nun noch speziell eine Gruppe von Tiefen- | bewohnern herausgreifen, deren Kenntnis, wie ich hoffe, durch das Material der »Valdivia« in ein neues Stadium gebracht werden kann, die Tuscaroriden. Wenn bei einer Tiergruppe die Schönheit und das Ebenmaß der äußeren Form ein Allgemeingut sämtlicher Arten bildet, so drängt! uns unser systematischer Trieb dazu, auch nach diesen Merkmalen zu klassifizieren und eben die allgemeinen Verhältnisse der äußeren Erscheinung als Maßstab für die Einteilung zu nehmen. Wir werden 139 sesdoyauog seyjndso1og sunhaja nyashydny | apyabhuhany gy ds nuaasosg, “ds wnrypwoxossnywy J, ‘ds snaapoja0g “ds svydvaboja0p aumuass2709.n] WnspUapojI0Y DUMDUAISUG “DSOINGNY DSNADISNL, wplnxay UosahUayoyy UIWIO TF sors ‘wneprunjsvy ‘ds 0999119» um ımousbns ‘snjonuojnpy ‘nuaasojny sapropuapojnn siyqodsojng ‘nsopund sıydn.ıbomy ‘nyjunuhjoss nyjywwoonjny ‘ds wnapuapoja0p SD.139049U0) Swnaprysuoy ‘unimysuop uapıpfouegse/)) IUTETy wunan) oyashydngy awauunyy ‘(stpeyosuunp) 225902 mp ıno/pg ‘uopoydrx uosabuayoyy uspııeydsoses pun usprıeydsomvy UIOJSIONZ DIquDoanny ' sau oapdon SNULYIAIIO) © (ds 509990707 | aynnuosgn “oyndiun nynauasspd ‘(puaepliq Useluo[oy) wunyo wsnavasny, | ‘ds oma od. dawns uUosabuayvyy (juems0 7 efodryd -ure) numııoaburus DUdISOUabnY “uns -owids aun.gspmy smyparioa Duaasojny snurd pun woporp sryjods -opny ‘sunhaja so4ssomy “oods sajdazy -omy ‘Svnoyowojun nAaopund srydvsbojny duns UosahuUaynyy | DIAIADJUD DA Dydsouun) uapııeydsodeg pun uopLıeydsomy . oF uvezQ Jaypstpuy -und svydoibojny ‘nyjzwowhjoo svyjunonjny IBIWSIF, SITOT[PNG sesdoyauop sıyypdso40] sunbaja nyashydag »yobuhıny] nvurdnd4o] MSOADNT visabhwaynyyo ds wwassouy “ds unayjunxossmpynyL) purhas svydosbojaoy umuassızwaın] Wn«puapojaoy en synwoupU DAOADISNT, DAAMUAHSIG “DSOjNGNZ DSNADISNL, UusIO TF ogors "unıprumysn) DANUDND 9191]9x0H wm.ıwouobns ‘snpawunny "Duaasomy SOPROAP -uapojny» pun wopon4 sryyodsojny ‘v.sop 000€ = 0001 (0081) BOOT OOF UNUASSISOUWDA wunıpuspo730) spsaa0yauon unıpryauo) ‘wnimyauoy uopL[ouegse/) ours] vunany nyashydnsgy auauunyy “(syeyosuunp) esaow | ‘ııno/pmg ‘uopoydrx wosabwayny) | uopLıeydsoseg pun uopLıeydsomy WAIOJSIIMNZ Dıyunanny OOF —O “OTA uw9z() LOYOSTURTPV I. a ane, SS es oe ee A EN 140 namentlich geneigt sein, die- jenigen Formen an die Spitze einer Gruppe zu stellen, bei denen Größe der Dimen- sionen und Einfachheit und Eleganz der Formen mit- einander vereinigt sind und so werden wir von diesem ästhetisch-systematischen Standpunkt aus den Tusca- roren die erste Stelle unter den Tripyleen einräumen, sowie wir in herkömmlicher Weise den Edelfalken unter den Raubvögeln, den Papi- lioniden oder Equites unter den Tagfaltern und der Gat- tung Carabus unter den Kä- fern diesen Platz zuweisen. Ich führe Ihnen als ein besonders schönes Beispiel für die Vereinigung dieser Eigenschaften eine neue Form (Fig. 8) vor, welche ich zu Ehren meiner Frau Tuscaridium Luciae genannt habe. Die Länge des Ske- — lettes beträgt zwischen den Stachelspitzen über 1!/, cm12. An dem einen Oralstachel 12 Tuscaridium Luciae ist aus Raummangel bei wesentlich geringerer Vergrößerung abge- bildet, als die übrigen Tusca- roren. Ihre Schale ist ungefähr so groß, wie die der Tuscarora braueri (Fig. 11). Fig. 8. Tuscaridium Luciae n. sp. Am rechten Oralstachel hängt ein Challengeron Willemoesii. Links ist zum Vergleich ein Coryeaeide abgebildet. 141 ist die Schale einer zwerghaften Tripylee, des vorhin erwähnten Challengeron Willemoesi, hängen geblieben und außerdem ist, um die Größenverhältnisse zur Anschauung zu bringen, zum Vergleich ein hochorganisiertes vielzelliges Tier, ein Corycaeide, abgebildet. Bei den schönsten Exemplaren gewähren die Linien der Schale für unser Auge ein vollendetes Bild der Harmonie, daneben kommen freilich auch einzelne Individuen vor, bei welchen diese Proportionen durch Abplattungen und Einziehungen gestört sind. Fig. 9. Basen der Oralstacheln von Tuscarusa bisternaria (J. MURRAY). Als ein weiteres Beispiel für die Formenschönheit der Tuscaroren sind die Basen der Oralstacheln von Tuscarora besternaria (Fig. 9) abgebildet, deren ornamentale, an gewisse Motive der Kunstschlosserei erinnernden Verzierungen in der Harcketschen Figur nicht vollständig zum Ausdruck kommen. Es sollen auch hier zunächst einige Mitteilungen über Formen- reichtum, horizontale und vertikale Verbreitung der Tuscaroren folgen. | | Harcker hat auf Grund des »Challenger«-Materials zehn Arten unterschieden, welche jedoch, wie das » Valdivia«-Material zeigt, nicht sämtlich den Wert von selbständigen Arten haben. Vielmehr handelt 142 es sich nur um 6—7 Arten!3. Zu diesen brachte die » National «- Ausbeute zwei ganz neue Formen aus dem Atlantischen Ozean: die Tuscarusa globosa und Tuscarora nationahs. In der »Valdivia«- und »Gauß«-Ausbeute fanden sich außer den meisten Harckerschen und den beiden Borerrtschen Formen und zahlreichen geographischen Unterarten und Stachelvarianten derselben im ganzen neun neue Arten, die nach dem gesamten vorliegenden Material als selbständig zu bezeichnen sind !. Ebenso wie der Gattung Aulospathis, so steht auch der Gruppe der Tuscaroren eine nicht sehr große Anzahl von Differenzierungen zur Verfügung, durch deren Kombination aber eine ganze Reihe von gut charakterisierten Artbildern zustande kommt. Die vogelkopf- oder helmartige Ausbildung des Peristoms kann sich sowohl mit der sphärischen Schalenform (Tuscarusa passercula n. sp. Fig. 14) als auch mit der prismatischen (Tuscarora galeata n. sp. Fig. 12) und mit der Spindelform (Tuscaridium lithornithium HAEcKEL) kombinieren, und ebenso kann ein strahlenförmiger Bau des Peristomrandes mit den verschiedensten Schalengestalten zusammentreten (Tuscarusa ampulla n.sp. Fig. 15, Tuscarusa aéronauta n. sp. Fig. 16, Tuscarora campa- nella n. sp. Fig. 15). Die Beschaffenheit des Peristoms bildet überhaupt eines der sichersten Kriterien für die Unterscheidung der Arten. Daneben kommt vor allem die Form der Schale und Hand in Hand damit die Stellung der aboralen Stacheln in Betracht. Jedoch treten schon 13 Der Vergleich mit dem »Valdivia«-Material ergibt, daß Tuscarora Murrayi HAECKEL und T. belknapii JOHN MURRAY nur Mutanten einer Art sind, und daß dasselbe für Tuscarora tubulosa J. Murr. und Tuscarusa medusa HAECKEL gilt. Ferner sind Tuscaridium lithornithium HAECKEL und T. cygnewm (J. Murr.) mit- einander durch Übergänge verbunden, und wahrscheinlich gehören auch Tasca- rora wyvellei HAECKEL und T. porcellana J. Murr. zusammen. 4 Da sich die HAEcKELsche, auf der Stachelzahl beruhende Einteilung in Gattungen infolge der großen Variabilität der Stachelzahl nicht halten läßt, so akzeptiere ich vorläufig die von BORGERT vorgeschlagene und mir gütiger Weise brieflich mitgeteilte Einteilung mit einigen in Klammern [] gesetzten Erweite- rungen: 1. Schale [dreieckig-schildförmig], dreiseitig [oder vielseitig] pyramidal, mit 3 2—7] Aboralstacheln und 3 oder mehr, bis 6 Mundstacheln Tuscarora. 2. Schale kugelig, ei- oder birnförmig mit 3 resp. 4/—6) Aboralstacheln und 2, 3 oder 4 Mundstacheln [bzw. einem schnabelförmig ausgezogenen Pa BL: .. . . Luscaerase 3. Schale aphatieligaaian, rit einem "Stachel am dixie Pole und [3 oder) 4 Oralstacheln. . . . .. . 2, Tuscaridums Ich muß gleich hinzufügen, daß Ehen ee Yhrlänaee Ringetions nur eine kiinst- liche ist. 143 beziiglich der Schalenform sehr starke individuelle Abweichungen hervor. So findet sich von der dreiseitig pyramidalen, mit drei Aboral- stacheln ausgestatteten Tuscarora brauert n. sp. (Fig. 11) im benga- lischen Meerbusen eine zweiseitige Varietiit mit nur zwei Aboral- stacheln (7. braueri triangula n. subsp. Fig. 11 a). Am wenigsten konstant ist die Zahl der Stacheln, also dasjenige Merkmal, welches der Haxzckerschen Einteilung zugrunde liegt. Namentlich die Zahl der aboralen Stacheln zeigt bei den meisten Arten individuelle Abänderungen, die, wie bereits oben bemerkt wurde, in der Regel eine einfache, aus 2—3 aufeinanderfolgende Zahlen be- stehende Reihe bilden: bei Tuscarusa tubulosa z. B. finden sich neben- einander Individuen mit 3, 4 oder 5, bei 7. passercula (Fig. 14 Varianten mit 4, 5 oder 6 Aboralstacheln. Das regelmäßige Neben- einandervorkommen dieser Varianten und die sprungartige Auf- einanderfolge derselben ohne dazwischenliegende Mittelformen erinnert sehr an manche von pr Vriss beschriebenen Verhältnisse. Ich möchte diese Varianten daher im Gegensatz zu den geographischen Unter- arten als Stachel-Mutanten bezeichnen. Die neuen Formen sind folgende: Tuscarora scutellum. Kleine Form mit dreieckig-schildförmiger Schale. Peristom strahlig. 2 Aboralstacheln an den aboralen Ecken der Schale, 4 Oralstacheln (Stachelformel 7) Der Tuscarora nationalis Bora. nahestehend. Südliche Teile des Indischen Ozeans (Fig. 10). Tuscarora braueri®%. Große Form mit dreiseitig-pyramidaler ‘ Schale. Peristom korbförmig. 3 Oralstacheln, 3 Aboralstacheln (3) _ Tropisch-Atlantischer und Indischer Ozean (Fig. 11). Tuscarora braueri triangula. Von obiger durch den Besitz von nur 2 Aboralstacheln unterschieden (;) und im allgemeinen örtlich getrennt. Jedoch finden sich Übergangsformen mit dreiseitig-pyra- midaler Schale, deren aborale Fläche nur an zwei Ecken Aboral- | stacheln trägt. Bengalischer Meerbusen (Fig. 11a). Tuscarora campanella. Schale umgekehrt glockenförmig mit nahezu ebener Aboralfläche, Peristom strahlig. 6 Oralstacheln, 7 den Rand 5 Herrn Kollegen BRAUER, dessen sorgfältigen Aufzeichnungen ich manche _ wertvolle Notiz verdanke, gewidmet. scutellum n. sp. Fig. 10. Tuscarora Tuscarora brauert n. sp. Fig. 11. 145 der Aboralfliiche umsäumende Aboral- stacheln (7). Südlicher Atlantischer Ozean (Fig. 13) 16, Tuscarora galeata. Schale umgekehrt glockenförmig mit ebener Scheitelfläche, Peristom helmartig mit 4 horizontalen, kreuzweise angeordneten Oralstacheln. 5 bis 6 Aboralstacheln (=). Südlicher Atlantischer und Tropisch-Indischer Ozean (Fig. 12). Tuscarusa passercula. Schale sphä- risch, Peristom vogelkopfartig umgebogen, } ohne Oralstacheln. 4—6 im oralen Drittel der Schale befindliche Aboralstacheln . Siidliches Eismeer (Fig. 14). Tuscarusa ampulla. Scha- le flaschenförmig mit hals- artig verlängertem, strahli- gem Peristom. 3 Oral- ‚ stacheln, 3 den Scheitel 16 Die Figuren 12, 14, 15, 16 sind im Verhältnis zu Figur 11 zu groß, die Figuren 13 und 17 zu klein. Fig. 11a. Tuscarora braueri triangula n. subsp. Verhandl. d. Deutsch. Zool. Gesellschaft. 1904 146 umsäumende Aboralstacheln (3) _Südliches Eismeer (» Gauß «) (Fig. 15). Fig. 12. Tuscarora galeata n. sp. Tuscarusa aéronauta. Schale ballonförmig mit verlängertem, strah- _ ligem Peristom. 3—4 Oralstacheln, 4—6 im oralen Drittel befindliche | Aboralstacheln fo Antarktische Trift (Fig. 16). é 147 Fig. 13. Tuscarora campanella n. sp. Fig. 15. Tuscarusa ampulla n. sp. (»Gauß«.) Fig. 14. Tuscarusa passercula n. sp. Fig. 16. Tuscarusa aéronauta n, sp. 10* 148 Tuscarusa chuni. Schale subsphärisch mit verkiirzter Hauptachse, Peristom etwas verlängert, strahlig. 3 Oralstacheln, 5, seltener 6, im oralen Drittel der Schale stehende Abel in (3). Viel- fach sind 8 Individuen durch eine gemeinsame, doppelte Gitterschale Fig. 17. Tuscarusa chumi n. sp. verbunden. Auch die nicht zu Kolonien vereinigten Individuen zeigen gewöhnlich an den Aboralstacheln hängende Gitterschalenreste. Der Tuscarusa globosa BorGerr ähnlich, jedoch von ihr unterschieden durch die mehr subsphärische Schalenform, die dünne und glatte Wandung (die vom »Gauß« im Atlantischen Ozean gefischten Globosa- Exemplare besitzen sehr stark vorspringende Porenhöcker und infolge- ‘ 149 dessen eine auffallend bucklige Schalenwandung), die größere Zahl von Aboralstacheln (5, seltener 6, statt: 4, seltener 5), die Nei- gung zur Koloniebildung und die örtliche Verbreitung. Ant- arktische Trift (Fig. 17). Tuscaridium Luciae. Schale ballonförmig, Peristom korbförmig, mitunter durch eine halsartige Einschnürung abgesetzt. 3 Oralstacheln, 1 Aboralstachel. Einschließlich der Stacheln bis 11/. cm lang. Tropisch- Atlantischer und Tropisch-Indischer Ozean (Fig. 8). [Außer den genannten Formen finden sich in der »Valdivia«- Ausbeute noch verschiedene Rassen und Unterarten der früher be- kannten Formen, z. B. eine Rasse von Tuscarusa tubulosa J. Murray mit 3, statt 2 Oralstacheln, verschiedene Stachel-Mutanten von Tusca- rusa Murrayı-Dellmapii (nebeneinander = und En ferner eine Zwischen- form zwischen Tuscaridium lithornithrum Harcxen und T. cygneum (J. Murr.), usw.] In bezug auf die horizontale Verbreitung zeigen die Tuscaroren die für die übrigen Tripyleen geltenden Verhältnisse, insbesondere den Gegensatz zwischen ausgesprochenen Warmwasser- und Kalt- wasserformen. Erstere sind, soweit das sparsame »Ühallenger«-Material Aufschlüsse bezüglich des Stillen Ozeans gewährt, in der Regel tri- ozeanisch, d. h. sie kommen gleichzeitig in den wärmeren Gebieten der drei großen Weltmeere vor. So sind nach dem bisher vorliegenden Material die häufigeren Arten Tuscarusa tubulosa und bisternaria auf die zwischen dem 40. Grad nördlicher und 40. Grad südlicher Breite gelegenen Gebiete aller drei Ozeane beschränkt und eine ähnliche Verbreitungsweise dürfte sich auch für eine Anzahl der mehr sporadisch gefundenen Formen herausstellen. Im Gegensatz dazu sind vier Formen, Tuscarusa ampulla, passer- cula, aéronauta und die koloniebildende Tuscarusa chuni auf das Süd- liche Eismeer und die von ihm ausgehenden kalten Strömungen be- schränkt, falls nicht etwa spätere Untersuchungen eine amphipole Verbreitung dieser Formen erweisen sollten. Für eine genaue Umgrenzung der vertikalen Verbreitung gibt das »Valdivia«-Material keine vollkommen sicheren Anhalts- punkte, da sich in den Schließnetzfängen keine Tuscarora vorfand. Der »National« hat die Tuscarora nationalis zwischen 400 und 600 m und die Tuscarusa globosa mit dem bis 500 m herabgelassenen Vertikal- netz erbeutet. Mit diesen Ergebnissen stimmt im wesentlichen das überein, was sich der » Valdivia«- und »Gauß«-Ausbeute entnehmen läßt: als sicher dürfen wir es wohl betrachten, daß die Tuscaroren in keinem Meeresabschnitte bis in das Gebiet der eigentlichen 150 Oberflächenformen, d. h. bis in die Höhe von 200 m heraufgehen, auch hat der »Gauß« niemals mit seinen bis 350 bzw. 400 m herab- reichenden Plankton- und Vertikalnetzzügen Tuscaroren erbeutet. Wir kommen also auch danach zu dem Resultat, daß die obere Grenze der Tuscaroren kaum über 400 m heraufgeht. Zwweifellos zeigen die einzelnen Formen eine verschiedene Ver- tikalverbreitung. Darauf weist die wechselnde Schalendicke hin, welche die einzelnen Individuen von Tuscarusa tubulosa, bisternaria u. a. in ausgeprägter Weise zeigen und welche, wie der Vergleich mit den Challengeriden, Medusettiden und Circoporiden erkennen läßt, einen Maßstab für die vertikale Ausdehnung des Verbreitungsgebietes dar- stellt. Die Frage nach der Vertikalverbreitung der Tuscaroren führt unmittelbar zu der andern Frage, wodurch ihr Schwebevermögen bedingt ist und welches die natürliche Stellung des Tieres im Wasser ist, ob sich der orale Pol oben oder unten befindet? Nehmen wir an, daß auch bei den Tuscaroren die Vacuolen- flüssigkeit spezifisch leichter ist als das umgebende Wasser, so wie dies Branpr !? für die Thalassicollen und Colliden nachgewiesen hat, so würde der außergewöhnliche Reichtum an Vacuolen, welchen die intracapsuläre Sarkode der Tuscaroren zeigt, dafür sprechen, daß die Zentralkapseln den eigentlichen Schwebeapparat darstellen. Es würde dann anzunehmen sein, daß die aborale, die Zentralkapseln beher- bergende Schalenhälfte oben liegt, daß also nicht, wie HAEcKEL an- nimmt, der orale Pol nach oben gerichtet ist18, Mit dieser Anschauung würde sehr gut die charakteristische Ballonform in Einklang zu bringen sein, welche verschiedene Arten, so Tuscarusa aéronauta (Fig. 16) und namentlich Tuscaridium Luciae (Fig. 8) zeigen. Es wurde eben die Vermutung ausgesprochen, daß auch bei den Tuscaroren durch das spezifische Gewicht der Vacuolenflüssigkeit das positive, den eigentlichen Auftrieb bewirkende Schwebevermögen be- dingt sei. In negativer Hinsicht, d. h. in der Richtung einer Ver- minderung der Sinkgeschwindigkeit, wirken selbstverständlich auch die Stacheln mit, und zwar nicht nur infolge der eigenen Reibung, son- dern auch dadurch, daß sich, mindestens bei einigen Formen, zwischen den basalen Abschnitten der Oralstacheln eine verhältnismäßig wider- 7 Vgl. K. BrAnDT, Biologische und faunistische Untersuchungen an Radiolarien und andern pelagischen Tieren. Zool. Jahrb. (Syst. Abt.), V. 9, 1896. 15 Auch BoRGERT ist, wie aus den mir gütigst zugestellten Tafel-Korrekturen zu entnehmen ist, zu der hier vertretenen Anschauung gelangt. en a ee nem dürfen, daß auch bei 151 standsfähige Membran nach Art einer Spannhaut oder eines Fall- schirmes befindet (Fig. 18). Bei dem in der Regel sehr mangel- haften Erhaltungszustand, welchen der Weichkörper der 'Tuscaroren, abgesehen von dem Zentralkapselinhalt, zeigt, kann es nicht wunder- nehmen, wenn nur in wenigen Fällen diese Membran erhalten ist. Da sie aber gerade in demjenigen Fange sehr schön zu sehen ist, in welchem auch sonst die Weichkörperteile der Tuscaroren, insbeson- dere die plasmatische Bekleidung der Stacheln, am vollkommensten erhalten sind, so liegt die Annahme nahe, daß es sich um ein häu- figeres, vielleicht sogar regelmäßiges Vorkom- men handelt, und viel- leicht wird man sogar die Vermutung wagen der Tuscarusa chuni (Fig. 17) die über die gemeinschaftliche Git- terschale hervorragen- den Aboralstacheln, we- nigstens in ihren basalen Abschnitten, mit der- artigen Spannhäuten versehen sind. Eine Stütze erhält diese Auffassung durch den Vergleich mit einer Fig. 18. Oralstacheln von Tuscarora nationalis andern koloniebildenden Borc. mit Spannhaut (»Gauß«). Tripylee, welche zu der Medusettidengattung Gaxelletta gehört und im Tropisch-Indischen Ozean in einem vollständigen Exemplar erbeutet wurde (Fig. 19). Bei dieser Form sind vier Einzeltiere radiär in einer Ebene an- geordnet, so daß die Stacheln in vier Bündeln nach außen gerichtet sind. Die Stacheln jedes Bündels sind durch eine schirm- oder becher- förmige Spannhaut miteinander verbunden, und zwar ist dieselbe durch besonders differenzierte Seitendornen befestigt, welche von den spitzigen Seitendornen der freien Stachelabschnitte durch den Besitz kleiner Spathillen unterschieden sind und sich so als eigent- liche Membranhalter charakterisieren. Werfen wir noch einen Blick auf die eben genannte kolonie- bildende Tuscarusa chuni (Fig. 17), welche wohl die interessanteste unter allen neuen, von der » Valdivia« erbeuteten Tripyleen ist. 152 Koloniebildende Tripyleen wurden auch sonst von der » Valdivia« vielfach erbeutet. Unter den Aulacanthiden wies die Aulospathis variabilis aulodendrordes des Tropisch-Atlantischen und Tropisch-Indi- schen Ozeans nicht selten Individuen mit 8 und 16 Zentralkapseln auf, und ebenso fanden sich von Avzlokleptes sp. in der Antarktis sehr zahlreiche Exemplare mit 6 und 8 Zentralkapseln. Der »Gauf<, welcher den Atlantischen Ozean zu einer andern Jahreszeit befuhr als die »Valdivia«, hat auch von Aulacantha scolymantha, welche im ‘Ks ne Co ed Sy pi zus Na er Weine, 2d a Fig: 19: Gaxelletta sp. Kolonie von vier Individuen. »Valdivia«-Material ausnahmslos nur 1 oder 2 Zentralkapseln auf- wies, verschiedene Exemplare mit mehr als 4 Zentralkapseln erbeutet. Mit Riicksicht auf diese Befunde wird man wohl anzunehmen haben, daß wenigstens bei den Aulacanthiden die Individuen mit 8 oder 16 Zentralkapseln, welche äußerlich sehr an die encystierten Muttertiere von Actinosphaerium Eichhorni mit ihren 5—12 Primärcysten erinnern, vorübergehende, periodisch wiederkehrende Entwicklungs- stadien darstellen. Auch von Coelodendrum spinosissimum fanden sich Kolonien von 4 Individuen vor und im Indischen Ozean wurde, wie erwähnt, 153 eine Gaxelletta-Art mit vier kranzförmig angeordneten Individuen er- beutet (Fig. 19). 3 Kehren wir nach dieser Abschweifung zu unsrer Tuscarusa chuni i zurück (Fig. 17). Gegenüber den bisher erwähnten koloniebildenden Formen zeigt dieselbe insofern eine | Besonderheit, als bei ihr jeweils 8 Al 2 BB: SESS _ Individuen durch eine gemeinsame : be PKK | ¥. Gitterschale von anscheinend voll- au ie SERS, kommen heterogenem Charakter mit- PERKS SAK. j ‘ AY Ky REN: einander verbunden sind, und zwar ee 7 REN *s in der Weise, daß die Gehäuse der PKR St | . . Mans PER / ASLO ‘ _ Einzeltiere mit ihrem oralen Teil in ER SH SL _ entsprechenden fensterartigen Offnun- REKEN 2 . . Ps A IN gen der Gitterschale stecken und die Dr Nr i nach rückwärts gebogenen Aboral- .-% aap Nt Mii PAW, RIES, SSSA III ae Y IT v Er X X x x < <= stacheln durch die Schale hindurch ; nach außen treten. Die Einzelindi- _ Aah { RSS N - viduen sind, wie bereits oben erwähnt ~< MR OS SE + wurde, der im Atlantischen Ozean als E10 ; RER RISK HUN, ‘ solitire Form vorkommenden Tusca- ER Sr . rusa globosa Bore. ähnlich, immerhin ame m = N a zeigen Bau und Form der Schale Re x NK _ einige offenbar konstante Unterschiede, we Via’ wie denn auch die Stachelzahl bei x WA letzterer Art in der Regel eine ge- Me AR ringere ist. Von besonderem Interesse a ist die Struktur des gemeinsamen X \ _ Skeletts, weil dasselbe wesentlich ab- oP. H _ weicht von den gewöhnlichen Skelett- _ bildungen der Tuscaroren und ander- seits eine fast vollkommene Uberein- stimmung zeigt mit dem Gehäuse der bisher an einer ganz andern Stelle des Tripyleensystems untergebrachten _ Sagosphiiriden, insbesondere der Gat- Fig. 20. Sagenoarium sp. tung Sagenoartum Bore. (Fig. 20.) Das Skelett besteht aus zwei konzentrischen Gitterschalen, deren _ Maschen durch lauter gleichseitige Dreiecke gebildet werden, sowie | aus pyramiden- oder besser zeltförmigen Nadelbündeln, welche mit ihrer = in der inneren, mit ihrer Spitze in der äußeren Schale liegen | und mit den verlängerten Zeltstäben über die letztere noch eine | _ Strecke hinausragen. In allen diesen Punkten stimmt das gemeinsame 154 Skelett der Tuscarusa-Kolonie vollkommen mit einigen, in der » Valdivia«-Ausbeute..befindlichen Sagenoarium-Arten überein, jedoch sind auch einige Unterschiede vorhanden. Das Tuscarusa-Skelett ist derber und grobmaschiger; in den Knotenpunkten der äußeren Schale treffen sich die einzelnen Balken in regelmäßigen Winkeln und sind nicht, wie bei Sagenoartum, miteinander ganglienartig verschmolzen; die über die äußere Schale hervorragenden Stücke der Zeltstäbe scheinen bei Tuscarusa immer glatt zu sein, während dieselben wenigstens bei mehreren Sagenoarium-Arten zierliche Endbäumchen bilden. Es fragt sich zunächst, wie man auf Grund dieser Befunde die Beziehungen zwischen den Tuscaroren und Sagosphäriden aufzufassen hat? Ist die Übereinstimmung zwischen den Gitterschalen nur auf eine konvergente Entwicklung zurückzuführen, oder ist dieselbe als Beweis für eine nähere stammesgeschichtliche Verwandtschaft beider Formenreihen zu betrachten, oder läßt sich zwischen den Tuscaroren und Sagosphäriden ein engerer entwicklungsgeschichtlicher Zusammen- hang nachweisen, in der Art, daß vielleicht ein Generationswechsel zwischen beiden besteht? Ich kann mich hier auf eine Diskussion dieser verschiedenen Möglichkeiten nicht einlassen, sondern möchte nur meine Befunde dahin kurz zusammenfassen, daß offenbar in der Ähnlichkeit der Skelette uralte verwandtschaftliche Beziehungen zum Ausdruck kommen. Eine Stütze für diese Auffassung scheint mir darin zu liegen, daß die eigentümlichen Differenzierungen der Stacheln der Tuscaroren und der ihnen nahestehenden Circoporiden (insbeson- dere die Achsenfäden und die zu den Seitendornen führenden Quer- brücken) sich nur noch bei den Aulosphäriden vorfinden, welche ihrer- seits den Sagosphäriden nahe verwandt sind. Wir können noch fragen, ob vielleicht daneben noch ein ent- wicklungsgeschichtlicher Zusammenhang vorhanden ist? Das vorliegende Material liefert bis jetzt keine Anhaltspunkte für die Annahme, daß noch in der Gegenwart zwischen Tuscaroren und | Sagenoarien ein Generationswechsel besteht, ich glaube aber, dab sich das Verhältnis zwischen beiden Gruppen doch am besten von der Hypothese aus verstehen läßt, daß ursprünglich eine Art von (senerationswechsel zwischen den beiden, eine divergente Entwicklung einschlagenden Formenreihen bestand, daß ferner die koloniebildenden Tuscaroren die Spuren dieser Beziehungen erkennen lassen und daß das Gros der Tuscaroren zu den Sagenoarien etwa in dem Verhältnis steht wie die medusenlosen Hydrarien zu den polypenlosen Trachy- medusen. Fragen wir zum Schluß, auf Grund welcher Teilungs- und Diffe- renzierungsvorgänge eine Tuscarusa-Kolonie ihre Entstehung nimmt? 155 Leider enthält das Material nicht die betreffende Entwicklungs- reihe, aber wir können doch auf Grund einiger Befunde uns ein ungefähres Bild von dem Vorgange machen. Der morphologische Zusammenhang zwischen den Einzelgehäusen und der Gitterschale führt zunächst zu der Vorstellung, daß die letztere jedenfalls nicht vor der Bildung der Gehäuse ihre Entstehung nimmt, daß sie viel- mehr höchstens gleichzeitig, wahrscheinlich aber erst nach der voll- kommenen Ausbildung der Einzeltiere zur Abscheidung gelangt. Zwei wertvolle Einzelbefunde bieten uns einige weitere Hand- haben. Ein besonderer Glücksfall wollte es, daß ich, nachdem Fig. 21. a. Tuscarusa tubulosa (J. MURRAY) in Teilung. b Peristom in Flächenansicht. ich während des Sortierens vergeblich auf etwaige Entwicklungsstadien gefahndet hatte, in einer der allerletzten Proben eine unzweifelhaft in Zweiteilung befindliche Tuscarusa tubulosa (Fig. 21) antraf, unter den ungefähr 60019 Tuscaroren der » Valdivia«-Ausbeute das einzige Stück, ein immer noch besonders glückliches Resultat, wenn man die große Sprédigkeit in Betracht zieht, welche die Tripyleen über- haupt in dieser Richtung zeigen. Die Figur 21 zeigt, daß statt der gewöhnlichen Zweizahl der Zentralkapseln vier?° vorhanden sind, daß 19 Diese Zahl zeigt, wie reich das ‘Tripyleen-Material der »Valdivia« verhält- nismäßig ist. Der »National« hat im ganzen nur 13 Tuscaroren gefischt, in der »Gauß«-Ausbeute fand ich 24 Exemplare. 20 Eine derselben, welche geschnitten wurde, zeigte den Kern in der gleichen Verfassung, welche die Kerne der Tuscaroren mit zwei Zentralkapseln aufweisen. 156 in der Ebene des Peristomspaltes eine Durchschniirung der Schale aufzutreten beginnt und daß die Zahl der Aboralstacheln bereits eine Vermehrung erfahren hat: es sind statt der gewöhnlichen Zahlen 3 oder 4 bereits 5 vorhanden, von denen zwei auf der Vorderfläche, zwei zu beiden Seiten des Peristoms und der letzte (auf der Figur nicht sichtbare) an der Hinterfläche der Schale inserieren. Die Nebenfigur (Fig. 21) zeigt, daß die Form des Peristoms noch keine Veränderung erfahren hat. Es ergibt sich auf Grund dieses Befundes, daß die Zweiteilung der Tuscaroren in der Weise vor sich geht, daß nach einer Vermeh- rung der Zentralkapseln von 2 auf 4 die Durchschnürung der Schale und die Ergänzung der Stacheln erfolgt. Wir haben es hier also mit einem Vorgang zu tun, der sich in mancher Hinsicht mit der Teilung der gepanzerten Dinoflagellaten, insbesondere von Ceratiwm hirundinella, vergleichen läßt 2t. Noch ein zweiter Befund gibt uns einen Anhaltspunkt für das Verständnis der Tuscarusa-Kolonien, nämlich die bereits vorhin er- wähnte Gaxelletta, welche vier Individuen ohne Hinzutreten hetero- gener Skelettbestandteile mitemander vereinigt zeigt (Fig. 19). Es liegt die Vermutung nahe, daß auch die Tuscarusa-Kolonien ein ent- sprechendes Durchgangsstadium aufweisen und daß man sich also das Zustandekommen einer solchen Kolonie in der Weise zu denken hat, daß zunächst auf Grund eines dreimaligen Teilungsprozesses aus einem solitären Muttertier eine Gruppe von acht Individuen ihre Entstehung nimmt, daß diese in der gemeinsamen extrakapsulären Gallerte eine periphere Stellung einnehmen und schließlich durch eine Gitterschale miteinander verbunden werden. Wir haben mit diesen Ausführungen bereits einen Gegenstand berührt, dessen Behandlung ich von vornherein als meine Hauptauf- gabe betrachtet habe, nämlich die Entwicklungsgeschichte der Tripyleen. Ich habe bereits an verschiedenen Stellen mit einigem Erfolge versucht, in dieses dunkle Gebiet einzudringen. Meine Resul- tate haben sich aber noch nicht zu einem einheitlichen Gesamtbild zusammengeschlossen und vieles ist noch nicht genügend spruchreif. Ich hoffe, daß es mir gelingen wird, mich auf diese Frage von jetzt an konzentrieren und Ihnen vielleicht bei späterer Gelegenheit dar- über berichten zu können. 21 Die gelbliche Farbe der Tuscaroren-Schalen und der Umstand, daß sie sich anstandslos schneiden lassen, weisen darauf hin, daß sie sehr viel organische Sub- stanz enthalten. Es scheint mir daher die hier vertretene Auffassung, daß die Schalen als solche sich zu teilen vermögen, auf nicht zu große Schwierigkeiten zu stoßen. 157 Diskussion : Herr Prof. F. E. Scuunuze: 1. macht darauf aufmerksam, dab auch ein zufälliges Hineingeraten von Tuscaroren in die Gittergehäuse von Aulosphäriden vorkommen könnte; 2. schlägt vor, die drei Ozeane kurz als Atlantic, Pacific und Indie zu bezeichnen. Herr Hicker hat die Möglichkeit gleichfalls in Betracht gezogen, daß die Tuscaroren mehr zufällig in die Gitterschalen hineingeraten sind. Dagegen sprechen aber: die Art der Einfügung der Einzel- gehäuse in die Gitterschale; die konstanten, allerdings nur geringen Verschiedenheiten im Bau derselben von dem der bekannten Sageno- artum-Schalen; die regelmäßige Achtzahl der Einzeltiere; das häufige _ Vorhandensein von Resten derselben Struktur bei den solitären Exemplaren. | Es ist hinzuzufügen, daß die Gitterschale bei allen Kolonien die : gleiche Struktur hat. Im Anschluß an seinen Vortrag erläuterte Herr Prof. Hackrr eine Serie von Wandtafeln aus dem Gebiet der allgemeinen Bio- logie und Zellenlehre. An die 3. Sitzung schloß sich eine Besichtigung der reichen Schätze des mineralogisch-geologischen Instituts unter Führung des Herrn Prof. Koken an. Vierte Sitzung. Donnerstag den 26. Mai 9—1 Uhr. Die Rechnungsrevisoren erstatteten ihren Bericht und die Ver- ‚ sammlung erteilte dem Schriftführer die Entlastung. Vortrag des Herrn Prof. Simrori (Leipzig): Über Fluidalstruktur des Protoplasmas. Die einzelnen Argumentationen der Zoologie erhalten, so gut wie die jeder Disziplin, nur dann dauernden Wert, wenn sie auf allge- meine Prinzipien bezogen und gegründet werden: wie es in der _ Einleitung zu zoologischen Vorlesuugen üblich ist, bleibt die SS Eee 158 Auseinandersetzung mit den verwandten Zweigen der Naturwissen- schaft unerläßlich. Hier soll auf ein paar Beziehungen zur Chemie und Mineralogie kurz hingewiesen werden. Physikalisch ist am Protoplasma wohl nichts so merkwürdig, als sein festweicher Zustand, jenes Mittelstadium zwischen fest und flüssig, wobei der feinere Bau im einzelnen, ob mit, ob ohne Waben- oder Schaumstruktur oder Emulsion, hier gleichgültig ist. Waben- strukturen gibt es ja auch sonst hinreichend, bei Niederschlägen z. B., während länger dauernde Schäume von der Bürscauischen Schule, die ja genug Hospitanten unter uns zählt, meines Wissens immer nur mit Hilfe organischer Substanzen, Öl u. a., dargestellt wurden. Das kann also außer Betracht bleiben. Die oft gehörte Behauptung, der festflüssige Zustand beschränke sich einzig und allein in der Welt auf das Protoplasma, scheint mir nicht haltbar. Vielmehr war er früher in der anorganischen Welt weit verbreitet und läßt sich auch noch ebenso oft darstellen bei den Silikaten, wobei die Frage, ob noch weitere Parallelen sich finden lassen, hier unerörtert bleiben mag. Jedenfalls sind die Silikate in erster Linie zu nennen, teils wegen ihrer Verbreitung, teils wegen der nahen Verwandtschaft zwischen dem Silicium und dem Kohlen- stoff, der chemischen Grundlage des Protoplasmas. Künstliche Sili- kate, bez. Gläser, haben die Eigentümlichkeit, den festflüssigen Zu- stand in verschiedenen Graden der Abtönung, während eines größeren Temperaturintervalls festzuhalten. Sie schmelzen etwa, je nach der Komposition, bei Rotglut, doch so, daß sie zunächst nur weich und zähe werden, und bewahren einen derartigen Zustand, während die Wärme von ca. 800 oder 1000° auf 1500 oder 2000° steigt. Auf die exakteren Einzelheiten kommt hier nichts an. Die Mineralogen reden bekanntlich bei einem Glasfluß, der aus solchem Zustande erstarrt ist, von Fluidalstruktur. Sie ist weniger den künstlichen Gläsern eigen, die wir doch immer verhältnismäßig schnell kühlen müssen, als der Grundsubstanz der plutonischen Ge- steine, aus der die leichter kristallisierbaren und erstarrenden Stoffe auskristallisiert sind. Laven, Obsidiane lassen da allerlei Schlieren und Faserzüge erkennen, in denen die verschiedensten Körnchen und Kriställchen, den Zugrichtungen entsprechend, angehäuft sind, d. h. Substanzen, die bei der betreffenden Temperatur weder schmelzbar noch im Glasfluß löslich sind. Die Festkörper können den allerver- schiedensten Umfang zeigen, vom groben Kristall bis zu den feinsten Körnchen, die eben noch durch das Mikroskop wahrnehmbar sind. Es versteht sich von selbst, daß jede Erhöhung der Temperatur vieles wieder einschmelzen und lösen, die Körper also mindern und 159 verkleinern wird, während die Wärmeabnahme im umgekehrten Sinne wirkt. Sind die Körnchen nicht zu groß, dann erinnert das Bild oft genug an Protoplasma, bei dem es ja im Grunde genommen auf ganz Ähnliche Vorkommnisse hinausläuft. Die Parallele ist in der Tat eine weitgehende. Der Unterschied liegt hauptsächlich in den verschiedenen Temperaturen, bei denen Glasflüsse, bei denen Protoplasma bestehen können. Und da wird man kaum auf Widerspruch stoßen, wenn man die Theorie, nach der die Erde eine allmähliche Abkühlung durchgemacht hat, zu Hilfe nimmt und die Fluidalstruktur der Gesteine und ihrer Ent- stehung früheren Zeiten höherer Wärme, sowie den tieferen Schichten der Erdkruste zuschreibt, die Entstehung des Protoplasmas und der Organismen dagegen späteren Epochen oberflächlicher Abkühlung. Die Gesteine erhalten ihre Fluidalstruktur bei Rotglut, die Lebewesen haben ihre Existenzmöglichkeit im allgemeinen erst unterhalb des Siedepunktes des Wassers. Will man dem Problem der Protoplasmaschöpfung näher kommen, so wird man sich an die Ergebnisse der organischen Chemie halten müssen. Da erscheint es vorläufig noch ganz aus- sichtslos, der chemischen Konstitution der Eiweißkörper näher treten zu wollen, von dem komplizierten Gemische des Protoplasmas ganz abgesehen. Die einzige Andeutung, daß eine Polymerisierung der Cyanverbindungen in höherer Temperatur stattzuhaben scheint, führt eben nicht weiter. Die organische Chemie hat seit WÖHLERS Entdeckung ihre Triumphe gefeiert durch künstliche Darstellung einer großen Menge organischer Substanzen, indem sie von den ein- fachsten zu immer komplizierteren vordrang. Die Spekulation wird den gleichen Weg zu gehen haben und annehmen müssen, daß zu- nächst die einfachsten Substanzen gebildet wurden und dann erst immer kompliziertere. Da stellt sich anscheinend eine schwer- wiegende Tatsache hindernd in den Weg. Die Chemie hat bekannt- lich festgestellt, daß innerhalb der homologen Reihen der Fettkörper die Säuren, Alkohole usw. bei zunehmendem Kohlenstoff, also die Ameisen-, Essig-, Propionsäure usw. oder der Methyl-, Äthyl-, Pro- pylalkohol usw. ein bestimmtes Verhältnis zur Wärme haben. Ihre Schmelz- und Siedepunkte bilden arithmetische Reihen, in denen diese Punkte um so höher liegen, je zusammengesetzter die Sub- stanz ist. Es könnte also scheinen, daß die einfachsten Körper, die - der Methylreihe, mit den niedrigsten Siedepunkten, auch erst zuletzt _ bei der fortgeschrittensten Abkühlung hätten entstehen können. Zum ‚ Gliicke für das Verständnis der Schöpfung liegt die Sache anders, wenn auch die exakte Durcharbeitung der jetzt zu berührenden Seite ~ 160 noch nicht allzuweit fortgeschritten sein diirfte, weil dem Chemiker zunächst eben andre Interessen näher lagen. Es zeigt sich da, daß die einfachsten Substanzen zwar die niedrigsten Schmelz- und Siedepunkte haben, daß aber sie anderseits die höchsten Tem- peraturen aushalten, bevor sie durch Erwärmen zersetzt werden. Auf die Zersetzungstemperatur aber kommt es an, denn sie bezeich- net die Existenzmöglichkeit der Substanz. Diese Zersetzungstempe- ratur sinkt aber mit der Komplikation der chemischen Struktur, mit der umgekehrt der Schmelz- und Siedepunkt steigen. Die Existenzweite wird immer mehr eingeengt. So verstehen wir wenigstens die Möglichkeit, wie sich mit abnehmender Wärme zuerst die einfachsten organischen Substanzen bildeten, und auf diesem Grunde immer kompliziertere, bis zum Protoplasma hinauf. Dieses Gemenge organi- scher Stoffe mußte die Basis abgeben für die Schöpfung des Lebens und zugleich dessen Quantität bestimmen. Mir scheint es selbstver- ständlich, daß für die Schöpfung des Lebens nicht eine gleichmäßige Auflösung solcher Substanzen im Meere in Frage kommen kann, wegen der unendlichen Verdünnung, sondern nur eine Anhäufung auf feuchtem Boden der Tropen, wobei noch die meiste Ähnlichkeit bei den Humusanhäufungen der Gegenwart gesucht werden mag. Will man die Schöpfung des Lebens verstehen, so muß man be- denken, daß es auf unsrer Erde nur zwei Kategorien von Indi- viduen gibt, Kristalle und Organismen, wie denn auch ScHwANN sleich bei der Begründung der Zelllehre Zellen und Kristalle in Parallele stellte; jetzt wird man bei Biokristallen nicht mehr an Zellen, sondern höchstens an Chromosome, besser wohl an Idiosome zu denken haben. Wenn da die Kristalle mit ihrer starren geometrischen Form und ihrer Begrenzung durch lauter ebene Flächen der Vorstellung Schwie- rigkeit bereiten, so scheint man übersehen zu haben, daß es auch echte Kristalle mit gekrümmten Oberflächen gibt. Mir sind deren namentlich zwei bekannt, beide von besonderem Interesse. In jedem Falle scheint es sich um möglichste Kontraktion, um möglichste Annäherung an die Kugelform zu handeln. Und zwar scheinen da auch bloß zwei | Fälle möglich, wenn man bei den alten sechs Kristallsystemen stehen bleibt und fünf mit drei Achsen, das sechste aber, das hexagonale mit vier Achsen gelten läßt. Die ersten fünf würden aber bei möglichster Kontraktion zur Kugel wohl auf das tesserale hinauslaufen: und da ist es auffällig genug, daß gerade der regulär kristallisierende Kohlen- stoff, der Diamant, oft Oktaeder bildet mit bauchig bzw. kugelig abgeschweiften Kanten. Unter den hexagonalen Stoffen ist es der Campylit oder Mimetesit, das arsensaure Blei, der 161 annähernd Kugeln bildet. Der äquatoriale Querschnitt ist ein regel- mäßiges Sechseck, nach den Polen aber laufen beiderseits sechs ge- krümmte Flächen, etwa wie bei einer geschälten Apfelsine, die nur aus sechs Kugelsektoren bestände, deren sie ja viel mehr hat. Vielleicht ist es nicht ohne Grund, daß das Arsen das Ende der Metalloid- reihe bildet, von der Säuren in der Natur vorkommen, während das Blei durch mancherlei auffällige Eigenschaften, wie sein Verhältnis gegenüber der Schwefel- und Flußsäure, ausgezeichnet ist. Doch kommen diese Dinge für das Leben nicht in Betracht; und es hat auch kaum jemand daran gedacht, ein andres als ein dreiachsiges System für ihre Determination heranzuziehen. Soweit von Seite der starren Kristalle. Zweifellos tritt aber hier ein andrer Begriff, eine andre Entdeckung sehr bedeutsam hinzu, die Existenz flüssiger Kristalle, d. h.. winziger, in andern Flüssig- keiten schwimmender Flüssigkeitstropfen, deren Teilchen so gelagert sind, daß sie in allen physikalischen, optischen, elektrischen usw. Be- ziehungen sich wie Kristalle verhalten. Doch ist hier noch nicht der Ort, diese von Prof. Leumann in Karlsruhe ausführlich beschriebenen merkwürdigen Dinge weiter zu verfolgen und für den Begriff der Biokristalle nutzbar zu machen. Wesentlich scheint mir nur zu sein, daß die Substanzen, aus denen sich flüssige Kristalle erzeugen lassen, bisher nur der organischen Chemie entlehnt wurden. Soviel ich sehe, wird es darauf hinauslaufen, daß die Partikeln der Biokristalle innerhalb organischer, protoplasmatischer Substan- zen, sei es im Kern, sei es im einfachsten Fall innerhalb des noch nicht geschiedenen Kern- und Cytoplasmas sich verteilen, neues assimilieren, wachsen und sich wieder zum Biokristall zusammen- ziehen. Ferner scheinen mir die Bakterien, in einfachster Form als Kokken, dem Anfang noch immer am nächsten zu stehen, teils wegen ihrer Form, teils wegen ihrer einfachen Struktur, teils endlich wegen der Fähigkeit, in und von jenen einfachen organischen Substanzen zu leben, die den übrigen Organismen schädlich sein würden, Butter- säure z. B. Man kann die Vielseitigkeit ihrer chemischen Beziehun- gen, zu Schwefel, Eisen u. a., hinzufügen, die beweist, daß hier noch alle möglichen chemischen Wege, die zur weiteren Ausbildung der Lebewesen führen könnten, auf ihre Gangbarkeit geprüft werden. Zwei Wege namentlich, die für den Wiederersatz und die Quan- _ tität der organischen Masse notwendig waren, sind noch zu verfolgen, \ der eine, der sich in der Assimilation ausspricht, betrifft den Wieder- | ersatz, der andre, den die sog. Stickstoffbakterien eingeschlagen | haben, führt zur Mehrung der organischen Masse. Verhandl. d. Deutsch. Zool. Gesellschaft. 1904. 2! 162 Das Leben ist em Oxydationsvorgang, er erscheint notwendig, um die schwindende Erdwärme wieder zu ersetzen. Er bedingt aber anderseits die Zerstörung der organischen Substanz, indem der Kohlenstoff zu Kohlensäure verbrannt wird. Bekanntermaßen ist es die Assimilation, welche das Kohlendioxyd wieder zu Kohle redu- ziert, zur Kohle Wasser hinzufügt, Stärke und die übrigen Kohle- hydrate schafft. Diese Assimilation ist aber ans Licht gebunden, wobei farbige Substanzen die Vermittlung übernehmen, vom Carotin bis zum Chlorophyll, der linken Seite des Spektrums folgend. Da scheint nun ein chemisches Experiment von besonderem Interesse. Die Reduktion der Kohlensäure zu Kohle wird regelmäßig ausgeführt durch brennendes Magnesium, das der Kohlensäure den Sauerstoff entzieht, um sich damit zu weißem Magnesiumoxyd zu verbinden, welches sich weiterhin mit dem abgeschiedenen schwarzen Ruß über- zieht. Da ist es aber wohl kein zufälliges Zusammentreffen, daß das Magnesiumlicht am allerreichsten ist an photochemischen Strahlen (wie es ja so viel zur Photographie in dunklen Räumen gebraucht wird). Es scheint also, daß es nicht die Wärme, sondern die Licht- strahlen sind, welche die Reduktion des Kohlendioxyds bewirken. Dann aber ist es auch kein Zufall, daß die Assimilation ebenfalls dieses Attribut der Sonnenwärme, das Licht, benutzt, um immer neue Verbrennungsmaterialien zu schaffen, welche den Wärmeverlust des Protoplasmas ersetzen. Betont aber muß werden, daß die Assi- milation immer nur die verbrannten Substanzen wieder zu ersetzen vermag, ohne die Summe des Lebens zu mehren. Diese Mehrung geschieht, soviel wir wissen, immer nur durch die Stickstoffbakterien (vielleicht im Verein mit andern niederen Pilzen). Sie sind die einzigen Lebewesen, welche ihren Stickstoff nicht aus Zersetzungsprodukten andrer Organismen, sondern aus der Atmosphäre unmittelbar beziehen. Ihr unausgesetztes Wirken beweist, daß die Summe der organischen Substanz früher geringer war als jetzt, sie war anfänglich wahrscheinlich weit kleiner und auf tropische Niederungen beschränkt, sie nimmt noch jetzt beständig zu und dringt immer weiter in Gebiete vor, die vermutlich früher un- bewohnt waren. Dabei kommt es immer darauf an, die Tempera- tur zu regeln und zwischen den nötigen Grenzen zu halten, so daß das Protoplasma weder bei zu hoher Wärme gerinnt, was mit einer chemischen Umwandlung verbunden zu sein scheint, noch bei zu großer Abkühlung erstarrt. Da die obere Grenze von der Wärme der Atmosphäre nicht erreicht wird, ist die Einhaltung der unteren das wesentliche Erfordernis. Sie wird erzielt bald allein durch innere Vorgänge, bald durch äußere Schutzmittel, in höchster Instanz a TE TERN TER 163 durch beides bei den Homöothermen, die umgekehrt Gefahr laufen können, die Eigenwärme über die obere Grenze zu treiben, und daher selbst wieder Abkühlungsmittel bedürfen, wie die Schweißdrüsen. So läuft denn die Bedeutung des Lebens darauf hinaus, bei fortschreitender Abkühlung, — sei es kosmisch der ganzen Erde, was unsicher, sei es im Vordringen nach den Polen, auf die Hochgebirge und in die Meerestiefen, — immer die nötige Wärme zu gewinnen, bei der die Fluidalstruktur des Protoplasmas bestehen kann, genau so, wie bei höherer Wärme, jedoch in viel weiteren Grenzen, die nahe verwandten Silikate die entsprechende Fluidalstruktur auf- weisen. Ein gefrorenes Mammut ist so starr und unveränderlich als eine erstarrte Lava. Diskussion: Herr Prof. Bürschuı schließt sich in einzelnen Punkten den inter- essanten Ausführungen des Vortragenden an. Vortrag des Herrn Prof. H. E. Ziester (Jena) über: Das zoologische System im Unterricht. Es kann nicht bezweifelt werden, daß die Einprägung der großen Abteilungen des Tierreichs die erste Grundlage aller zoologischen Kenntnisse ist und auch für die Vorlesungen über allgemeine Zoologie und vergleichende Anatomie eine unerläßliche Vorbedingung darstellt. Ist also die Übersicht über das System für den Lernenden von der größten Wichtigkeit, so hat man um so mehr die Verpflichtung, dem System eine für den Unterricht geeignete Form zu geben oder im Unterricht ein etwas vereinfachtes System zu benutzen, in welchem jedem Begriff eine klare und bezeichnende Definition zukommt. Er- lauben Sie mir daher einige Bemerkungen über das jetzt gebräuch- liche System zu machen und einige Neuerungen zu besprechen, welche man mit demselben versucht hat. Strenggenommen ist es kaum mög- lich, von einem allgemein gebräuchlichen System zu reden, denn an jeder Universität wird ein etwas andres System gelehrt, und in den Leehrbüchern werden manchmal Anderungen und Umstellungen im System vorgenommen, ohne daß die Abänderung ausdrücklich be- gründet wird. Bei den Protozoen möchte ich dafür eintreten, daß man die Rhizopoden am Anfang stehen läßt und nicht die Flagellaten vor- herstellt, wie dies GrosBENn in der neuen Auflage des Crausschen 11* 164 Lehrbuchs! getan hat. Ob man die Rhizopoden oder die Flagellaten für die phylogenetisch ursprünglicheren hält, darüber mag man ver- schiedener Ansicht sein, aber ich sehe keinen triftigen Grund, die alte eingebürgerte Sitte, die Rhizopoden an den Anfang zu stellen, zu verlassen. Man könnte dagegen auf die komplizierten Vermehrungs- arten mancher Rhizopoden verweisen, aber es gibt auch viele Formen mit sehr einfacher Fortpflanzung; man darf die einfacheren Fort- pflanzungsverhältnisse (d. h. sukzessive Teilungen und zeitweilige Copulation) für die ursprüngliche Fortpflanzungsweise halten, und braucht folglich den komplizierten Fortpflanzungsarten kein so großes Gewicht für die Systematik beizulegen. Bei den Crustaceen und In- sekten haben wir oft einen Wechsel geschlechtlicher und partheno- genetischer Fortpflanzung, und man ist nie auf den Gedanken ge- kommen, dieser komplizierteren Fortpflanzungsart eine Bedeutung für die Systematik zu geben. Sowenig man z. B. die Daphniden aus diesem Grunde höher stellt als die Podophthalmen, oder unter den Würmern die T'rematoden höher als Nemathelminthen und Nemer- tinen, sowenig braucht man einer Protozoenklasse wegen der kompli- zierteren Fortpflanzung einzelner Formen eine höhere systematische Stellung zu geben. | (GROBBEN hält die Flagellaten deswegen für den ursprünglichsten Typus unter den »Cytomorphen« (Flagellaten, Rhizopoden, Sporozoen), weil sie »zu Pflanzen wie zu Tieren Beziehungen aufweisen, und flagellatenähnliche Entwicklungszustände bei allen übrigen Cyto- morphen beobachtet sind«. Allerdings kann man manche Flagellaten wegen ihrer Chromatophoren zu den Pflanzen rechnen, und steht also das Tierreich auf dem Gebiet der Flagellaten mit dem Pflanzenreich in offenbarem Zusammenhang; jedoch gehören die Flagellaten im Pflanzenreich keineswegs zu den niedersten Formen, und ebenso ist es zweifelhaft, ob im Tierreich die Bewegung durch Geißeln für ur- sprünglicher gehalten werden darf als die Bewegung durch Pseudo- podien. Daß bei manchen Rhizopoden und Sporozoen flagellaten- ähnliche Schwärmer vorkommen, gibt noch keinen Beweis dafür, daß diese Formen von Flagellaten abstammen, denn die Geißelbewegung ist der Pseudopodienbewegung in bezug auf die Geschwindigkeit und die chemotaktische Reaktion so sehr überlegen, daß sie wahrschein- lich als eine Anpassung mehrfach aus der Pseudopodienbewegung entstand. Es ist ja auch im Pflanzenreich schwerlich zulässig, alle Algen, Farne usw., welche Schwärmsporen oder geißeltragende 1 Lehrbuch der Zoologie, begründet von C. CLaus, neubearbeitet von K. GROBBEN. Marburg 1904. 165 Spermatozoen besitzen, aus diesem Grunde von Flagellaten ab- zuleiten. Für den Unterricht scheint es mir nützlich, die Flagellaten neben die Ciliaten zu stellen, und diese beiden Abteilungen unter dem Namen der Infusorien zusammenzufassen, wie dies in älterer Zeit üblich war (z. B. in dem Lehrbuch von Stpoip 1848) und wie es auch in HaxrcKkets systematischer Phylogenie?, sowie in den Lehrbüchern von Boas’, Oraus (5. Aufl.) und GorttEt geschehen ist. Denn es prägt sich leicht dem Gedächtnis ein, daß die Infusorien sich im | Gegensatz zu den Rhizopoden mit Geißeln und Cilien bewegen. Der morphologische Unterschied zwischen Geißeln und Cilien ist nicht sehr wichtig’, es kommt hauptsächlich darauf an, ob nur wenige der- artige Gebilde oder viele vorhanden sind. Erscheinen also die ciliaten Infusorien schon nach der Zahl und Art der Cilien als die höheren, so prägt sich der Lernende leicht ein, daß sie auch in bezug auf die Kerne und die Konjugation die komplizierteren Verhältnisse zeigen. Allerdings ist es eine sehr wichtige Tatsache, daß nahezu alle eiliaten Infusorien zweierlei Kerne haben (Makronucleus und Mikro- nucleus), aber trotzdem können die Ciliaten mit den Flagellaten nahe verwandt sein. Es läßt sich leicht denken, dab die Urformen der ciliaten Infusorien infolge ihrer beträchtlicheren Größe zwei oder mehr Kerne enthielten (ähnlich wie jetzt Opalina), und daß dann eine Differentiation der Kerne eintrat®. Die Konjugation der ciliaten Infusorien ist sicherlich aus der gewöhnlichen Copulation der andern Protozoen, also der Verschmel- zung zweier Individuen hervorgegangen’. Eine solche Verschmelzung ist ja bei den peritrichen Ciliaten jetzt noch vorhanden’. Denken wir nun den einfachsten Fall, daß die copulierenden Individuen je zwei Kerne hatten, die voneinander verschieden waren, so ergibt sich für die Copulation umstehendes Schema, welches einer Erklärung nicht bedarf (Fig. 1). Vergleicht man dieses Schema mit den tatsächlichen ; EOP wale 2 E. HAECKEL, Systematische Phylogenie, Entwurf eines natürlichen Systems der Organismen auf Grund ihrer Stammesgeschichte. I. Teil. Berlin 1894, 3 J. E. V. Boas, Lehrbuch der Zoologie. 2. Aufl. Jena 1894. 4 A. GOETTE, Lehrbuch der Zoologie. Leipzig 1902. 5 Vgl. Bürscauı, Protozoa. S. 1323. 6 BürscHuı, Protozoa. S. 1491 u. 1643. 7 Diese Ansicht wurde schon von früheren Autoren (GRUBER, BÜTSCHLI u. a.) vertreten. S. BürscHuı, Protozoa. S. 1597, 1598, 1604. 8 Die Konjugation der Peritrichen wird gewöhnlich aus derjenigen der übrigen Ciliaten abgeleitet. Allein es wäre sehr wohl denkbar, daß die Peritrichen, obgleich sie in mancher Hinsicht sekundär verändert sind, doch in der Ver- schmelzung der copulierenden Individuen etwas Ursprüngliches bewahrt haben. 166 Befunden bei Vorticellinen, wie sie von Maupas® beschrieben wurden und wie sie schematisch durch Fig. 2 wiedergegeben werden, so sieht man, daß die Unterschiede nur darin liegen, daß die Mikronuclei mehr Teilungen durchmachen und folglich zahlreicher auftreten. Ich glaube, daß die Zahl der Teilungen der Kerne bei den Protozoen sich im Laufe der phylogenetischen Entwicklung leicht verändern konnte und keine große morphologische Wichtigkeit hat !®. Bei der gewöhnlichen Konjugation der Ciliaten steht der Vorgang noch auf einer etwas höheren Stufe als bei den Vorticellinen, indem Kerne ausgetauscht werden, und die beiden Individuen sich wieder voneinander trennen. Dieser Vorgang der Konjugation ist theoretisch als eine Verschmelzung zweier mehrkerniger Individuen aufzufassen, wobei zwei Kernpaare zur Vereinigung kommen, und dann die zwei Copulationskerne wieder auf zwei Individuen verteilt werden. Man kann sich leicht vorstellen, daß die copulierenden Individuen sekun- där die totale Verschmelzung aufgegeben haben und jetzt nur partiell verschmelzen; denn bei der Copulation der Flagellaten beginnt die Verschmelzung ebenfalls in der Mundgegend wie bei den Ciliaten (Bürscari 1. c. 8. 1604 u. 1605). Es kann also die gewöhnliche Co- pulation in die typische Konjugation übergehen, sobald die Ver- schmelzung unvollständig bleibt und zwei Kernpaare zur Vereinigung kommen. Den einfachsten denkbaren Fall dieser Art stellt das Schema Fig. 3 dar. Es unterscheidet sich von dem genaueren Schema Fig. 4, welches den Beobachtungen von Mavras an Paramaecium caudatum entspricht, nur dadurch, daß von der Zahl der Teilungen der Mikronuclei abgesehen wurde (vgl. unten Anm. 10). Wenn man sich also vor Augen hält, daß die Konjugation der Ciliaten stufenweise aus der Copulation der Flagellaten hervorging, so braucht man zwischen Ciliaten und Flagellaten keine tiefe Kluft 9 E. MaupaAs, Le rajeunissement karyogamique chez les Ciliés. Archives de Zoologie 2. Série. Vol. VII. 1889. 10 Während bei der Richtungskörperbildung der Metazoen eine konstante Zahl von Teilungen stattfindet, scheint die Anzahl der Kernteilungen bei den Protozoen nicht von wesentlicher Bedeutung zu sein. Man hat bis jetzt nur bei wenigen Ciliaten die Konjugation genau beobachtet und schon in diesen wenigen Fällen stimmt die Zahl der Kernteilungen des Mikronucleus nicht ganz überein. Gewöhn- lich entstehen die copulierenden Kerne bei der dritten Teilung der Mikronuclei; aber bei Euplotes bei der vierten Teilung und ebenso bei den Mikrogameten von Vortecella bei der vierten Teilung (Maupas). Ferner verhalten sich auch nach der Kernverschmelzung die Teilungen der Mikronuclei nicht übereinstimmend bei den verschiedenen Arten, wie schon die Tatsache beweist, daß viele Ciliaten mehrere Mikronuclei besitzen, von welchen nur einer bei der folgenden Kon- jugation zur Funktion kommt. Daher ist es offenbar von untergeordneter Wich- tigkeit, ob der Mikronucleus zahlreiche oder weniger zahlreiche Teilungen erfährt. a b c d e Fig. 3 2 69) CO) @ @ a b 6 d F f , Fig. 4. Fig. 1. Gedachtes Schema der Copulation bei einem Protozoon mit Makro- und Mikronucleus. 5 und ce Verschmelzung der Mikronuclei und Zerfall der Makronuclei. d Erste Teilung des Mikronucleus. Fig. 2. Schema der Konjugation von Vorticella monilata (nach MAaupAs). a—d Ver- einigung des Makro- und Mikrogameten, Teilungen der Mikronuclei und Zerfall der Makronuclei. g Verschmelzung der Mikronuclei. & ein Mikro- nucleus und sieben Makronuclei. Fig. 3. Einfachstes Schema der Konjugation bei partieller Verschmelzung der Individuen. ce Vereinigung der Mikronuclei, Zerfall der Makronuclei. Fig. 4. Schema der Konjugation von Paramaecium caudatum (nach Maupas). e Austausch der Mikronuclei. g vier Makronuclei, drei abortive Mikro- nuclei, ein Mikronucleus in Teilung. 168 zu denken. Auch die schematisch richtige Angabe, daß bei den Ciliaten Querteilung, bei den Flagellaten aber Längsteilung besteht, kann keine scharfe Trennung begründen, da die Teilung bei den Dinoflagellaten eher einer Querteilung als einer Längsteilung gleicht, und die Teilung mancher Ciliaten (z. B. Stentor) mehr eine schiefe Teilung als eine Querteilung ist. Die Teilung der peritrichen Ciliaten erscheint geradezu als eine Längsteilung, allerdings ist nach der Theorie von Bürschtı!! diese Längsteilung als eine Querteilung aufzu- fassen, aber unter Zuhilfenahme solcher phylogenetischer Formver- änderungen könnte man für manche Ciliaten auch die Querteilung als Längsteilung deuten. Auf die Übergangsformen, welche zwischen Flagellaten und Ciliaten bestehen, will ich hier kein großes Gewicht legen, da alle Abteilungen der Protozoen durch Übergänge verbunden sind. Ich verweise auf die Beschreibung der Zwichenformen in dem Lehrbuch von Arxorp Lang (Protozoa 2. Aufl. S. 118f.) und auf die von Bürschuı (Protozoa 8. 1100, 1228 u. Taf. 56) erwähnten Gattungen Multieikia und Grassia u. a. Jedenfalls ist es nicht zu empfehlen, die Flagellaten noch dadurch von den Ciliaten zu trennen, daß man die Sporozoen dazwischenstellt, wie dies in dem Lehrbuch von Lane (Protozoa 2. Aufl.) geschehen ist, und auch in dem System der Protozoen von DoFrLEIN vorge- schlagen wird. Man kann die Sporozoen phylogenetisch von den Rhizopoden ableiten und sie demnach unmittelbar an die Rhizo- poden anreihen (Bürscntı, Protozoa; Gorrrr, Lehrbuch), oder sie an das Ende der Protozoen setzen (Hrrrwıc, Lehrbuch; Boas, Lehr- buch). So bleiben die Flagellaten und die Ciliaten nebeneinander, und man könnte sie, wie gesagt, als Infusorien (Geibelinfusorien und Wimperinfusorien) zusammenfassen, da sie auch biologisch viel Gemeinsames haben, und die Flagellaten ebensogut den Namen Auf- gußtierchen verdienen wie die Wimperinfusorien. Demnach ist für das Hauptkolleg folgende Einteilung der Proto- zoen zu empfehlen: I. Klasse: Rhizopoden. Bewegung hauptsächlich durch Pseudo- podien. II. Klasse: Sporozoen, an die parasitische Lebensweise ange- paßte Protozoen, größtenteils aus Rhizopoden hervor- gegangen, Fortpflanzung gewöhnlich mit Sporen und Sporozoiten. ‘1 BürscHhLı, Versuch einer morpholog. Vergleichung der Vorticellinen mit verwandten Ciliaten. Morphol. Jahrbuch. 2. Bd. 1886. 2 F. DorLein, Das System der Protozoa. Archiv f. Protistenkunde. 1. Bd. 1902. S. 171. 169 TIT. Klasse: Infusorien. Bewegung hauptsächlich durch Flagellen oder Cilien. Unterklasse: Flagellata. Bewegung durch Geißeln, Teilung meistens durch Liingsteilung. Copulation. Unterklasse: Ciliata, Bewegung durch zahlreiche Cilien, Teilung meistens Querteilung, Makro- und Mikronuclei. Konjugation. Anhang: Suctoria. Gehen wir nun zu den Metazoen über, so möchte ich zunächst behaupten, daß der Begriff der Célenteraten für den Unterricht mehr störend als nützlich ist, und daß er aufgegeben werden sollte. Man braucht bei den Cnidarien und Spongien von einer Leibeshöhle überhaupt noch nicht zu reden, es wirkt also nur verwirrend, daß hier die Leibeshöhle mit der Gastralhöhle verschmolzen sein soll. Beim Übergang von den Protozoen zu den Metazoen kommt die Gastrula zur Sprache, und ist also der Begriff der Gastralhöhle schon klar; wenn man aber sagt, daß die Gastralhöhle der Cnidarien auch einer Leibeshöhle entspreche, so konstruiert man künstlich das Kom- _ plizierte in das Einfache hinein. Läßt man also den Begriff der Célenteraten fallen, so werden allerdings die Cnidarien und die Spongien als zwei selbständige Typen (Tierkreise) aufgefaßt. Darin sehe ich aber keineswegs etwas Schlimmes, denn die Spongien sind bekanntlich sowohl hinsichtlich ihrer Ent- wicklung wie in bezug auf die Wasserzirkulation und Ernährung von allen Cnidarien weit verschieden. Wohl entsteht auch bei den Spongien eine Planulalarve, welche sich mit dem vorderen Pol fest- setzt, aber die weitere Entwicklung bietet, wenn wir uns an die Beobachtungen von Maas halten, nichts Gemeinsames mit den Cni- darien mehr. Daß man den Begriff der Cnidarien gerade auf die Nesselkapseln stützt, hat deswegen einen guten Sinn, weil mit dem Besitz der Nessel- kapseln auch das Vorhandensein von Tentakeln und Senkfäden, sowie die ganze Ernährungsweise zusammenhängt. Was die Ctenophoren betrifft, welche ja strenggenommen keine Cnidarien sind, so möchte ich sie dennoch lieber anhangsweise den Onidarien dan (wie dies HarckeL, R. Herrwic, GoETTE u. a. tun), als einen besonderen Tierkreis dr machen, wie es neuer- ‚ dings GRoBBEN unternommen hat. Denn es zerstört die Ubersicht- EL Richkeit des ganzen Systems des Tierreichs, wenn man allzuviele selb- 7 ständige Tierkreise aufstellt 13. 4 % | 3 In dem Lehrbuche der Zoologie von FLEISCHMANN (Wiesbaden 1898) hat ‚ das System des Tierreichs 16 selbständige Typen (Tierkreise)! eee 170 Bei den Würmern haben die Autoren viele verschiedene Ein- teilungen aufgestellt. Manche Zoologen haben den Begriff der Würmer überhaupt aufgegeben. So hat Hazckzr!* die Anneliden von den übrigen Würmern getrennt und nach Cuvirers Vorgang zu den Articulata gestellt, eine Einteilung, für welche sich vieles an- führen läßt, welche aber, wie mir scheint, zur Zeit wenig Aussicht auf allgemeine Annahme hat. In der Harckerschen Einteilung werden die Würmer (nach der Abtrennung der Anneliden) in die beiden Stämme der Platoden und der Vermalien zerlegt, welche hauptsächlich durch das Fehlen oder Vorhandensein des Afters unter- schieden sind. — Auch GrosBENn hat den Begriff der Würmer auf- gegeben und durch eine sehr eigenartige Einteilung ersetzt. GRoBBEN nennt alle Tiere, welche höher stehen als die Célenteraten Cölo- maten, indem er also auch den niederen Würmern ein Cölom zu- schreibt, was dem bisherigen Sprachgebrauch des Wortes Célom keineswegs entspricht. GroBsBEN faßt nämlich die Gonadenhöhlen. der niederen Würmer und die Höhlungen der Protonephridien schon als Cölom auf (l. c. S. 302). Dann teilt Grossen die »Cdlomaten« in die »Zygoneuren« (Scolecida, Annelida, Arthropoda, Mollusca — und Molluscoidea), ferner die »Ambulacralia« (Balanoglossus und Echinodermen) und die »Chordonier« (Tunicata und Vertebrata). Bei dieser Einteilung, deren Berechtigung hier nicht erörtert werden kann, bleibt also der Wurmstamm als solcher nicht bestehen. — Dagegen möchte ich befürworten die Bezeichnung Vermes, Würmer beizubehalten, weil dieser Begriff das System einfacher und faßlicher macht. Es leuchtet sofort ein, daß der Regenwurm, der Leberegel, die Planarie zu den Würmern gehören, und die Einteilung der Würmer in Plattwürmer, Rundwürmer und Ringelwürmer ist dann leicht durch- zuführen. Freilich muß gesagt werden, daß der Begriff der Würmer | ein Sammelbegriff ist, aber immerhin lassen sich als Merkmale aller | Würmer folgende bezeichnen: 1. ein Nervensystem, bestehend aus zwei oder mehr Längsstämmen und einem zweiteiligen Gehirn, stets bilateral-symmetrisch, 2. ein mesodermaler Muskelschlauch, 3. meso- 7: dermale Gonaden, 4. Fehlen eines inneren oder äußeren Skeletts. Ich | möchte also hinsichtlich des Begriffs der Würmer OLavs’ ältere Auf- lagen gegen ULaus-GROBBEN neue Auflage bevorzugen. | Hinsichtlich der Einteilung der Würmer besteht unter den Autoren darin eine erfreuliche Übereinstimmung, daß die Plathelminthen oder Platoden eine natürliche Gruppe bilden. Im Nervensystem, | im Exkretionsapparat und in manchen histologischen Eigentümlich- | keiten sind die Platoden unter sich gleichartig. | 14 Systematische Phylogenie. 2. Bd. Berlin 1896. 171 Was die Nemertinen, die Rotatorien und Gastrotrichen betrifft, so ist es außer Zweifel, daß sie sich eng an die Platoden anschließen, wenn sie auch, was Hazcker besonders betont, infolge des Besitzes des Afters etwas höher gestellt werden können. Wie über die Plathelminthen ist man auch über die Zusammen- gehörigkeit der Nemathelminthen ziemlich einig. Aber unklar bleibt der Sinn des Wortes Cölhelminthen, welches sowohl von Herrwic wie von (ROBBEN für die Nematoden gebraucht wird. Bei einem früheren Vortrag in Heidelberg 5 habe ich die Ansicht vertreten, daß die Nematoden nur eine primäre Leibeshöhle, kein Colom haben, und R. Hertwie ist jetzt derselben Ansicht und sagt, daß die Leibeshöhle der Nematoden wahrscheinlich ein Pseudocöl sei. Trotzdem stehen aber die Nematoden in seinem Lehrbuch zusammen mit den Chäto- gnathen und den Anneliden unter der Rubrik Cölhelminthen. (GROBBEN stellt unter diesem Namen die Rotatorien, die Gastrotrichen, Echinoderes, die Nematoden, die Gordiiden und die Acanthocephalen zusammen, und erklärt ausdrücklich, daß alle diese Würmer nur eine primäre Lieibeshöhle haben. Da also R. Herrwıs sowohl die Anneliden mit ihrer typischen sekundären Leibeshöhle als auch die Nematoden mit ihrem » Pseudo- cöl«e unter die Célhelminthen stellt, und da Groppen gerade die Würmer mit primärer Leibeshöhle mit demselben Namen bezeichnet, so darf man wohl behaupten, daß der Begriff der Coélhelminthen nicht zu den abgeklärten Begriffen in der Zoologie gehört und daher im Unterricht lieber nicht gebraucht werden sollte 1%. Da die Auffassung der Leibeshöhle bei den Nematoden, Gordiiden und Sagitten noch der Diskussion unterliegt!?, so ist es zur Zeit überhaupt nicht ratsam, die Einteilung der Würmer auf die Leibes- höhlenfrage zu gründen. Es wäre daher besser, wenn man den |? 15 Über den derzeitigen Stand der Cölomfrage. Verhandl. d. D. Zool. Gesell- ‚schaft 1898. 16 Sachlich ist man wohl darüber einig, daß die Plathelminthen, Nemertinen, | Rotatorien und Gastrotrichen keine sekundäre Leibeshöhle (Deuterocöl, Cölom im engeren Sinne) besitzen. Die Unsicherheit des Wortes Cölhelminthen beruht also weniger auf sachlicher Unklarheit, als auf dem allzu willkürlichen Gebrauch des Wortes Cölom. — Wenn man die sekundäre Leibeshöhle der Anneliden, | Vertebraten usw. im Sinne der Gonocöltheorie auffassen will, welche neuerdings | besonders von ARNOLD Lana betont wird, wenn man also die sekundäre Leibes- höhle aus der Gonadenhöhle der niederen Würmer ableitet, so läßt sich doch daraus nicht rechtfertigen, daß man die Hohlräume in den Ovarien und Hoden niederer Würmer als Leibeshöhle bezeichne oder Cölom nenne. 17 Ich will damit nur sagen, daß man sich zur Zeit nicht darüber einigen kann. Was meine Ansicht ist, habe ich in meinem Vortrag über die Cölom- frage (1898) ausgespröchen. Lee 172 alten Begriff der Nemathelminthen noch beibehielte, besonders da der Begriff der Rundwiirmer (ungegliederte Wiirmer mit rund- lichem Körperquerschnitt) einen guten Gegensatz zu den Plattwürmern und den Ringelwürmern bildet. Dieser Begriff der Nemathelminthen deckt sich nahezu mit dem Harcxetrschen Begriff der Strongylarien. Eine gemeinsame Kigentiimlichkeit dieser Nemathelminthen liegt auch darin, daß die Nervenstämme noch in der Haut oder an der Haut liegen; aber sie bilden noch nirgends ein Strickleiternervensystem, wie dies für die Ringelwürmer charakteristisch ist. Von den Anneliden brauche ich hier nicht zu sprechen, wohl aber muß ich noch ein Wort über die Gephyräen, Brachio- poden und Bryozoen sagen. Daß die Gephyraei chaetiferi (Echinoidea) lediglich modifizierte Chätopoden sind, das dürfte wohl allgemein anerkannt werden; sie sind also anhangsweise bei den Anneliden zu erwähnen, wie dies auch in mehreren Lehrbüchern geschieht. Die Bryozoen und Brachiopoden wandern ruhelos im System umher. In dem Crausschen Lehrbuch standen sie bekanntlich hinter den Mollusken als Molluscoidea; in der neuen Auflage von GrRoBBEN sind sie zwischen die Arthropoden und die Molluscen gestellt und zusammen mit Phoronis als Molluscoidea oder als Tentacu- latae, deutsch Kranzfühler, bezeichnet (l. ec. S. 20). In dem Herrwısschen Lehrbuch sind sie in passenderer Weise als Anhang zu den Würmern behandelt, ebenso von GorTTE und von Boas. Arno» Lane hat bekanntlich die Abteilung der Prosopygier — geschaffen und darin die Bryozoen und Brachiopoden, sowie die Sipunculiden und Phoron?s untergebracht. Auch Hazcker hat diesen — Begriff der Prosopygier übernommen und den deutschen Namen | Buschwürmer vorgeschlagen'!’. Würde man sich auf diesen Be- griff der Prosopygier einigen können, so wäre dies meiner Ansicht nach für den Unterricht günstig. Denn der Ausdruck Molluscoidea — hat nur sehr wenig Berechtigung und läßt sich nicht mit einer klaren — und bezeichnenden Definition ausstatten. Im Begriff der Prosopygier — aber kann man die wichtigsten Eigenschaften aus der festsitzenden Lebensweise ableiten, nicht nur die Schalen- und Hüllenbildungen, — sondern auch den Tentakelkranz und die Lage des Afters; denn in- folge der hohen Lage des Afters werden die Exkremente durch den — Wasserstrom leichter weggeschwemmt. Jedenfalls haben die als Prosopygier zusammengefaßten Abteie lungen viel mehr Beziehungen zu den Würmern als zu den Mollusken 18 Systematische Phylogenie. 2. Bd. Berlin 1896. $. 302 u. f. 173 und sind also im System hinter die Wiirmer zu stellen, mag man sie als Prosopygier bezeichnen oder nicht. Durch Sipunculus stehen sie einerseits in offenbarer Verwandt- schaft mit den Echiuroiden und den Anneliden, anderseits ver- mitteln Rhabdopleura und Cephalodiscus den Übergang zu den Entero- pneusten!®. Nicht unpassend haben daher Drraczs und Hrrovarnv vorgeschlagen, alle diese Abteilungen (Echiuriden, Sipunculiden, Phoronis, Brachiopoden, Bryozoen, Enteropneusten) unter einem ge- meinsamen Namen zusammenzufassen und sie (unter Zuziehung der Rotatorien, Gastrotrichen usw.) Vermidier zu nennen, so daß dann auf die Würmer (Vermes) diese Sammelgruppe der eigenartigen Wurm- verwandten (Vermidier) folgen würde ?®. (Gehen wir nun zu den Arthropoden über und beginnen mit den Crustaceen, so machen die zahlreichen Ordnungen der Krebse wegen ihrer Mannigfaltigkeit dem Anfänger einige Schwierigkeiten, und man hat um so mehr Veranlassung, hier allen entbehrlichen Ballast von Namen beiseite zu lassen. Daher möchte ich vorschlagen, auf die Ausdrücke Entomostraca und Malacostraca keinen Wert zu legen; die Namen sind ganz bedeutungslos, und eine brauchbare De- finition der Entomostraca ist nicht möglich, weil die Ordnungen allzu verschiedenartig sind. Es genügt, die Krebse in niedere und höhere Krebse einzuteilen, wobei der Begriff der höheren Krebse dem Um- fang nach derselbe ist wie die Malacostraca, also die Krebse mit 20 Segmenten (Amphipoden, Isopoden und Podophthalmen) umfaßt. \ Dazu käme dann noch anhangsweise die hauptsächlich paläontolo- _ gische Abteilung der Palaeostraca, zu welcher die Trilobiten, die _ Gigantostraken und auch die Xiphosuren (Limulus) gehören. Hancket hat schon im Jahre 1879 für die Paläostraken den Namen Aspidonia ‚ oder Schildkrebse vorgeschlagen, was dem abgeflachten Körper dieser Tiere wohl entspricht. Da das Wort Palaeostraca nicht gut ‚ins Deutsche übersetzt werden kann, so hat diese Bezeichnungsweise einen unverkennbaren Vorzug. | Die folgenden Klassen der Arthropoden werden in den verschie- denen Lehrbüchern nicht immer in derselben Reihenfolge aufgeführt. | Es ist ein alter Gebrauch, die Insekten als die höchste Arthropoden- | klasse zu betrachten und daher an das Ende zu stellen. Allein in ‘; dem Lehrbuch von Boas und in den neuen Auflagen des Lehrbuchs Br 19 DELAGE et Hérovarp, Traité de Zoologie concréte. Les Vermidiens. | Paris 1897. p. 328. — H. E. ZieGLEr, Uber den derzeitigen Stand der Cölomfrage. | Verhandl. d. D. Zool. Ges. 1898. 8. 54. | 20 Die Hinzupiehnng der Rotatorien, Gantraigichen und pin Rt möchte 174 von Hertwie werden die Arachnoidea als letzte Klasse der Arthro- poden behandelt. Diese Umstellung, welcher ich nicht zustimmen kann, hängt mit gewissen neueren Theorien über den Ursprung der Arachnoidea zusammen. Manche Autoren sind nämlich der Ansicht, daß die Arachnoidea mit den übrigen Tracheaten gar nicht verwandt sind, sondern sich selbständig aus Crustaceen entwickelt haben. Aber selbst wenn man diese Meinung hat, so erscheint es doch natürlicher, die Arachnoidea unmittelbar an die Crustaceen anzuschließen, wie dies CLaus in meh- reren Auflagen seines Lehrbuchs und auch GoErTTE in seinem neuen Lehrbuch getan hat, als daß man die Arachnoidea auf die Insekten folgen läßt. Die erwähnte Auffassung, daß die Arachnoidea mit den übrigen Tracheaten gar nicht verwandt seien, beruht auf der Zimulus- Theorie. Diese Theorie wurde hauptsächlich von Ray Lankester vertreten und durch vergleichend-anatomische Betrachtungen gestützt ?!. Dann wurde sie in Amerika von Krinestry lebhaft verteidigt?? und gelangte in Deutschland hauptsächlich dadurch zu Ansehen, daß sie in das Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte von KorscHELT und HEIDER aufgenommen wurde, in welchem bekanntlich derartige mor- phologische Fragen mit großer Gründlichkeit behandelt werden. Trotzdem muß ich gestehen, daß ich nicht zu den Anhängern der Limulus-Theorie gehöre und daß es mir mindestens zweifelhaft er- scheint, ob die Blättertracheen der Arachnoidea aus den Blätter- | kiemen der Abdominalbeine von Limulus entstanden sind, so groß auf | den ersten Blick die Ähnlichkeit ist. ‘ Allerdings hat Braver in seiner schönen Arbeit über die Ent- | wicklung des Skorpions die Blättertracheen embryologisch mit den | Beinpaaren in Beziehung gebracht?, allem ich vermag mich nach seinen Abbildungen nicht zu überzeugen, daß die Blättertracheen aus | den Beinanlagen entstehen. Ferner hat Sımmoxs, ein Schüler von | Kinestey, einen Bericht über die Entwicklung der Blättertracheen | bei Spinnen gegeben und gelangte zu dem Ergebnis, daß die Bein- anlagen einsinken und an ihrer Hinterseite die Blätter entwickeln # Diese Ansicht von Simmons wird aber durch seine Abbildungen 21 Limulus an Arachnid. Quart. Journal XXI, 1881. 2 J. L. Kınastey, The Embryology of Limulus. Journal of Morphology. | Vol. VIII. Boston 1893. | 23 A. BRAUER, Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgeschichte des Skor-_ pions. Zeitschrift für wiss. Zoologie. 59. Bd. 1895. S. 415. 4 Q. L. Sımmons, Development of the lung of Spiders, Tufts College Studies No. II, Tufts College Mass., Juli 1894. 175 keineswegs außer Zweifel gestellt; sodann stehen ihr die Beobach- tungen von JAworRowsKı entgegen, welcher zeigte, daß die Blätter- trachee der Spinnen nur aus dem distalen Teil der embryonalen Tracheenanlage hervorgeht, da ursprünglich eine weit in den Körper hineinreichende Tracheenanlage entsteht, welche dann großenteils zurückgebildet wird®. Daraus ist zu ersehen, daß die Röhrentracheen der Spinnen phylogenetisch älter sind als die Blättertracheen, und daß letztere von gewöhnlichen Tracheen, nicht von Beinpaaren, ab- geleitet werden müssen. Von diesem Standpunkt wird es verständlich, daß die Dipneu- mones an demselben Segment Röhrentracheen haben, an welchem die Tetrapneumones das zweite Paar von Fächertracheen zeigen. Ander- seits ergab sich ja für die Limulus-Theorie eine große Schwierigkeit daraus, daß die meisten Arachnoidea nicht nur Blättertracheen, son- dern auch Röhrentracheen haben (z. T. mit Spiralfaden wie bei den Insekten). Es war schwer, diese Röhrentracheen aus Blättertracheen abzuleiten, besonders wenn auch noch Stigmen an Thoracalsegmenten gelegen sind, wie dies bei Solpugen, bei Trombredium und andern Milben, sowie bei einigen Phalangiden der Fall ist2%. Eine andre bedenkliche Seite der Inmulus-Theorie liegt darin, daß man die Scorpionidea für alle Arach- noidea zum Ausgangspunkt nehmen muß, da die ganze Theorie auf dem Vergleich des Limulus mit dem Skorpion beruht27. Bei so einfachen Arachnoiden wie Galeodes, welche drei freie Thoracalsegmente haben, wird also nicht nur eine Reduktion der Segmentzahl, sondern auch eine sekundäre Wiederauflösung des Cephalothorax angenommen, was mir wenig plausibel erscheint. Da ich mich demnach nicht zu der ZLimulus-Theorie bekennen kann, so vermag ich es auch nicht für richtig zu halten, daß man Limulus als Anhang zu den Arachnoidea stellt (Hrrrwıs, Lehrbuch, 6. Aufl. S. 453). Es erschwert eine klare Definition der Arthro- podenklassen im höchsten Maße, wenn bei den Arachnoidea ein im Wasser lebendes und durch echte Kiemen atmendes Tier steht, welches Abdominalbeine besitzt. Man sollte daher Limulus und die 25 A. JawoRowsKI, Die Entwicklung der sogenannten Lungen bei den Arachniden. Zeitschrift für wiss. Zoologie. 58. Bd. 1894. 26 JAWOROWSKI I. c., p. 64. 27 Auf die Vergleichspunkte zwischen Limulus und dem Skorpion brauche ich hier nicht einzugehen. Ich lege ihnen keine große Bedeutung bei. Beiläufig will ich nur bemerken, daß ein Innenskelett (Plastron) nicht nur bei Limulus und Arachnoiden, sondern auch bei Krebsen (z. B. Apus) vorkommt. §S. PATTEN and REDENBAUGH, Studies of Limulus. Journal of Morphology. Vol. 16. 1900, 176 übrigen Paläostraken bei den Krebsen stehen lassen, besonders da die beiden ersten Gliedmaßenpaare von Limulus ebensogut der ersten und zweiten Antenne der Krebse homolog sein können, als den Cheliceren und Pedipalpen der Arachnoidea. Die Betrachtung der Kiemenstreifen lehrt, daß alle Gliedmaßen des Limulus ursprünglich hinter dem Mund stehen, ebenso wie die Anlagen der ersten Antennen der Krebse, der Cheliceren der Arachnoidea und der Antennen der Myriapoden und Insekten (Fig. 6). Bei der Vergleichung der Gliedmaßen verschiedener Arthropoden darf das Aussehen und der physiologische Zweck der Gliedmaßen viel weniger in Betracht kommen, als vielmehr ihre Stellung am Keimstreifen, wie überhaupt in der Zoologie eine vergleichend-ana- tomische Betrachtung ohne Beiziehung der Entwicklungsgeschichte nicht mehr zeitgemäß ist. Ich kann also den älteren Theorien über die Homologie der Antennen, Cheliceren usw., welche sich nur auf die Vergleichung des Baues und der Innervierung stützen und welche verschiedenartige Ergebnisse geliefert haben, keinen großen Wert beilegen2. Die Zu- sammenstellung der Keimstreifen (Fig. 5—9) macht es sehr wahr- scheinlich, daß die ersten Antennen der Krebse, die Cheliceren der Arachnoiden, und die Antennen der Myriapoden und Insekten jeweils dem ersten Segment nach dem Kopflappen angehören und folglich homolog sind29, Dieses Segment und die zugehörigen Ganglien liegen ursprünglich hinter dem Mund, kommen aber durch eine relative Verschiebung des Mundes später vor den Schlund zu liegen". 28 Was die Innervierung betrifft, so nehmen die Nerven sowohl bei den ersten Antennen der Crustaceen, als bei dem ersten Gliedmaßenpaar des Limulus und bei den Cheliceren der Arachnoiden ihren Ursprung vom Gehirn oder vor der Schlundkommissur, während das folgende Gliedmaßenpaar von der Schlund- kommissur selbst oder vom ersten Ganglion des Bauchmarks innerviert wird. 9 Es gibt einige embryologische Angaben, welche eine noch weiter vorn ge- legene Extremitätenanlage betreffen. Allein diese Angaben stehen noch so isoliert, | daß man über ihre Bedeutung zur Zeit noch nicht urteilen kann. JAWOROWSKI | beschrieb bei dem Embryo von Trochosa singoriensis die Anlage eines Glied- | maßenpaares, welches vor den Cheliceren liegt (Zoolog. Anzeiger, 14. Bd., 1891, — S. 166). Aber die andern Untersucher der Spinnenentwicklung haben eine solche Anlage nicht gefunden. Anderseits beschrieb HryMmons bei Scolopendra ein Präantennalsegment, welches ein selbständiges Cölomsäckchen besitzt. Dieser Befund, welcher ebenfalls noch vereinzelt dasteht, widerspricht offenbar der oft geäußerten Meinung, daß die Antenne der Myriopoden und Insekten einem weiter vorn liegenden Segment angehöre als die Cheliceren der Arachnoideen. (R. HEY- mons. Mitth. über die Segmentierung der Myriopoden. Sitzb. d. Berliner Akad. Phys.-math. Cl., 1897, S. 918.) 30 Aus den Angaben der Autoren iiber diesen Punkt will ich nur folgendes anführen. Für den Skorpion berichtet BRAvER (l.c. 8.418): »Die Cheliceren- mee Fig. 5. Embryo des Flußkrebses im Nauplius-Stadium (nach REICHENBACH). kl Kopflappen, J erste Antenne. Fig. 6. Der Keimstreifen von Limulus polyphemus im Stadium mit 6 Gliedmaßen- paaren (nach Kines.ey, Journ. of Morph. Vol. 7). kl Kopflappen, m Mund. Fig. 7. Vorderende des Keimstreifens von Glomeris (nach Hrymons, Sitzb. der Berl. Akad. 1897. S. 921). gn Gnathochilarium. Fig. 8. Keimstreifen von Euseorpio carpathicus L. (nach BravrR). m Mund, . JI Chelicere, IZ Pedipalpe. Fig. 9. Vorderende des Keimstreifens eines Insekts, Lepisma saccharina (nach Heymons, Zeitschr. f. wiss. Zool. 62. Bd. 1897. Taf. 30, Fig. 20). Verhandl. d. Deutsch. Zool. Gesellschaft. 1904. 12 178 Bei dieser Auffassung erscheinen ‘alle Tracheaten eng verwandt, und die ältere Einteilung der Arthropoden in Crustaceen, Myriapoden, Arachnoideen und Insekten bleibt auch jetzt noch gerechtfertigt®!. Es wäre über das zoologische System noch viel zu sagen. Ich will aber hier abbrechen, um die festgesetzte Zeit nicht zu über- schreiten. Was ich hier vorgebracht habe, das sind weniger neue Vorschläge, als vielmehr meistens Verteidigungen älterer Einteilungen gegen neuere Abänderungen. Denn das Neuere ist nicht immer das Bessere. Gewiß wäre es verfehlt und undurchführbar, wenn man auf die Klassen und Ordnungen ein Anciennitätsprinzip anwenden wollte, aber anderseits sind für den Unterricht nur solche Abänderungen des Systems zu empfehlen, welche schon von nahezu allen Fach- genossen als notwendig anerkannt sind. Da man in Publikationen und in Spezialvorlesungen seine sub- jektive Ansicht genügend zur Geltung bringen kann, sollte man im Hauptkolleg ein stabileres, einigermaßen allgemein anerkanntes und nach didaktischen Gesichtspunkten vereinfachtes System benutzen. Mögen Sie, hochgeehrte Herren, in bezug auf das Gesagte viel- leicht im einzelnen manchmal andrer Ansicht sein, so werden Sie mir doch zugeben, daß die Zoologenversammlung der Ort ist, wo man über solche Fragen reden darf und reden soll. Diskussion: Herr Prof. F. E. ScHuLze spricht sich dafür aus, die Rhizopoden, Flagellaten und Sporozoen zusammenzufassen und die Ciliaten be- sonders zu stellen wegen der differenten Kern- und Fortpflanzungs- verhältnisse der letzteren. ganglien liegen ebenso wie die Cheliceren zuerst völlig postoral in der Reihe der übrigen Ganglien des ventralen Nervensystems, dann aber rücken sie auseinander und verlagern sich nach vorn, schieben sich am Munde vorbei und gelangen schließlich in eine fast präorale Lage; die Querkommissur bildet sich erst, nach- dem die Verschiebung stattgefunden hat und kommt präoral zu liegen.« — Für die Insekten schrieb Hrymons: »Die Antennen weisen anfänglich eine deutlich postorale Lagerung auf. Dieses Verhalten ändert sich nun schon frühzeitig und zwar dann, sobald das Ganglion des Antennensegmentes nach vorn rückt, um als Deuterencephalon sich an der Hirnbildung zu beteiligen.« (R. Hrymons, Die Segmentierung des Insektenkörpers, Abhandl. d. Berliner Akad. 1895, S. 16.) 3 Auf das Verhältnis der sog. Protracheaten (Peripatus) zu den echten Tracheaten werde ich demnächst an andrer Stelle eingehen. Peripatus steht in seiner ganzen Histologie den Würmern viel näher als den Arthropoden. Auch seine »Tracheen« sind von denjenigen der echten Tracheaten sehr verschieden. Meiner Ansicht nach ist Peripatus eine Zwischenform zwischen Würmern und Arthropoden, kein direkter Vorgänger der Tracheaten. 179 Herr Prof. Bürscnuı spricht sich ebenfalls gegen die Vereinigung Er der Ciliata und Flagellata zu einer größeren Abteilung aus, indem er die prinzipiellen Verschiedenheiten dieser beiden Gruppen in Fort- pflanzung und Bau betont, sowie auf die engere Zusammengehörig- keit der Rhixopoda und Flagellata hinweist. Damit soll jedoch nicht geleugnet werden, daß auch die Ciliaten in ihrem Ausgangspunkt auf flagellatenartige Vorfahren hinweisen. Jedoch muß ihre Ab- grenzung schon sehr frühzeitig stattgefunden haben, wie er es etwa auf dem Stammbaum in der Einleitung zu seinem Protozoenwerk dargestellt habe. Hinsichtlich der sog. »Limulus-Theorie« bemerkt er, daß er seit längerer Zeit die vielleicht etwas paradox erscheinende Meinung hege, daß nicht die Arachnoideen von /imulus-artigen Vorfahren entsprungen seien, sondern umgekehrt die Paläostraken aus arach- noideenartigen Urformen. Er hält die Ansicht, daß die Urarthropoden Landtiere gewesen seien, für die wahrscheinlichere und wird darin namentlich auch durch die landlebenden Peripatiden (Protracheata) bestärkt, jener ursprünglichsten jetzt lebenden Arthropoden, welche bei einer solchen Auffassung verständlich werden. Das gleiche gilt auch in analoger Weise von den Tardigraden, auf deren ursprüng- liche Stellung unter den Arthropoden er schon 1875 hinwies. Seiner Ansicht nach wären daher die Crustaceen nicht die ursprünglichsten Arthropoden, sondern durch Vermittlung Limulus-artiger Vorfahren aus landlebenden arachnoideenartigen Formen hervorgegangen. Die Lungen der Arachnoideen seien daher keine umgewandelten Kiemen, sondern eher die Kiemen der Limuliden aus der Umwand- lung lungenartiger Organe ursprünglicher Arachnoideen entstanden. Herr Prof. Sımror# tritt für die gemeinsame Ableitung der Arachniden und Crustaceen vom Lande ein, wobei er namentlich darauf hinweist, daß das vollständige Fehlen von Cilien bei den letzteren nur auf den Einfluß ursprünglichen Landlebens zurückgeführt werden kann. Herr Prof. Herrwie vertritt ebenfalls die Auffassung, daß Rhizo- poden, Flagellaten und Sporozoen einander systematisch näher stehen, als den ciliaten Infusorien, daß es daher nicht zweckmäßig sei, Flagellaten und Ciliaten als Infusorien in einer Klasse zusammenzu- fassen. Was die übrigen von dem Herrn Vortragenden besprochenen Tierklassen anlange, so müsse man beachten, daß bei dem jetzigen Stand unsres Wissens für die in Lehrbüchern gewählte systematische Anordnung didaktische Gesichtspunkte immer eine wichtige Rolle _ spielen müssen. Es sei aber sehr schwer, in solchen Opportunitiits- _ fragen Einigung zu erzielen. 12* 180 Herr Prof. Zıesuer: Es war zu erwarten, daß in der Diskussion die Trennung der Ciliaten von den Flagellaten befiirwortet werden würde. Ich will auch keineswegs die morphologischen Unterschiede der Kerne unterschätzen, allein es kommt hier auch der pädagogische Gesichtspunkt in Betracht, und es ist eine Sache subjektiver Schätzung, ob man für den Unterricht die Trennung der Flagellaten und Cili- aten oder ihre Zusammenfassung unter einen höheren Begriff vor- ziehen will. Was für diese Zusammenfassung sich anführen läßt, ist schon oben gesagt. Hinsichtlich des Limulus hat soeben Herr Prof. BürschuLi eine neue Theorie ausgesprochen, welche von der gewöhnlichen Lamulus- Theorie weit abweicht. Ich hätte gedacht, daß jemand die Limulus- Theorie als solche verteidigen würde. Ein Eingehen auf die Bürschui- sche Theorie ist hier nicht möglich, weil dies zu weit führen würde. Zustimmen kann ich ihr nicht. Vortrag des Herrn Dr. Gross (Gießen): Ein Beitrag zur Spermatogenese der Hemipteren. Die letzten Jahre haben uns eine große Zahl von Arbeiten ge- bracht, die sich mit der Spermatogenese der Insekten beschäftigen. Noch stehen sich aber die Ansichten der einzelnen Autoren vielfach unvermittelt gegenüber; und es wird wohl noch geraume Zeit dauern, bis wir zu einem befriedigenden Verständnis der komplizierten Vor- gänge gelangen. Zwei Probleme sind es namentlich, die zur Zeit mn der Literatur über die Spermatogenese der Insekten lebhaft erörtert werden, der Modus der Chromatinreduktion und die Bedeutung der akzessorischen Chromosomen. Wenn wir uns auf die heteropteren Hemipteren beschränken, so gehören diese zu den Insekten, bei denen die Reifungserscheinungen noch mit am besten bekannt sind. Aus den Arbeiten von Hrnxine!, MonTGomERY?2 und PAULMIER® geht hervor, daß bei den Hemipteren die erste Reifungsteilung eine Re- duktions-, die zweite eine Aquationsteilung ist. Wir haben es also ! Untersuchungen über die ersten Entwicklungsvorgänge in den Eiern der Insekten. II. Zeitschr. f. wiss. Zool. 51. Bd. 1891. 2 The spermatogenesis in Pentatoma up to the formation of the spermatid. Zool. Jahrb. 12. Bd. 1898. — Chromatinreduction in the Hemiptera. Zool. Anz. 22. Bd. 1899. — Further studies on the chromosomes of the Hemiptera heteroptera. Proc. Acad. Nat. S. Philadelphia 1901. 3 Chromatinreduction in the Hemiptera. Anat. Anz. 14. Bd. 1898. — The spermatogenesis of Anasa tristis. Journ. Morph. Suppl. Vol. XV. 1899. 181 in dieser Insektenordnung mit einer »Priireduktion« zu tun. Die Spermatogenese verläuft nach dem Korscneutschen Typus. Ferner geben Hunxine und PauLmier übereinstimmend an, daß bei der zweiten Reifungsteilung ein Chromosom ungeteilt in die eine Sper- matide übergeht. Auch Monrcommry gibt in seinen Arbeiten eine Menge Figuren, die auf denselben Vorgang schließen lassen, ohne sich jedoch im Text mit hinreichender Klarheit hierüber auszusprechen. Wie bei so vielen andern Insekten begegnet uns also auch bei den heteropteren Hemipteren ein sogenanntes »akzessorisches Chromosom«, das nur der einen Hälfte der Spermatiden zuerteilt wird. Soweit herrschte schon jetzt, wenigstens für diese eine Insektengruppe, eine erfreuliche Übereinstimmung. Im einzelnen waren aber auch bei den Hemipteren noch manche Rätsel zu lösen. Da ich nun von früheren Arbeiten her in der bekannten, nirgends seltenen Randwanze, Syro- mastes marginatus L. ein günstiges Objekt für cytologische Unter- suchungen kannte, so unternahm ich es, an dieser Species auch die Spermatogenese zu studieren. Meine Resultate weichen von den Er- gebnissen der älteren Autoren nicht unbeträchtlich ab und lassen manche Vorgänge in einem neuen Lichte erscheinen. Soweit sie all- gemeineres Interesse beanspruchen dürfen, will ich sie hier kurz mit- teilen #. en Die Spermatogonien von Syromastes marginatus enthalten 22 Chro- mosomen. Dieselbe Zahl fand ich in somatischen Zellen, nämlich den Follikelzellen der Eiröhren weiblicher Tiere. Von den 22 Chro- mosomen haben 20 ungefähr gleiche Größe. Zwei dagegen sind viel kleiner, etwa halb so groß wie die übrigen. Auf die letzte Vermeh- rungsteilung folgt, wie in so vielen andern Fällen, ein Synapsisstadium. Die Chromosomen liegen zu einem kompakten Knäuel zusammen- geballt in dem von farblosem Kernsaft erfüllten Kern der Sperma- tocyte erster Ordnung. An der Synapsis beteiligen sich aber nicht sämtliche Chromosomen. Zwei behalten ihre ursprüngliche, kurz stäbchenförmige oder rundliche Gestalt und liegen, dicht aneinander gedrängt, hart an der Kernmembran, die bei unsrer Species schon während der Synapsis vorhanden ist. Es sind aber nicht etwa die beiden kleinen Chromosomen, sondern zwei von den größeren. Während die Mehrzahl der Chromosomen zur Synapsis zusammengedrängt ist, wird ein Nucleolus gebildet, der sich gegen echte Kernfarbstoffe | resistent erweist, mithin als Metanucleolus aufgefaßt werden muß. _ Wenn mit dem Beginn der Wachstumsperiode die Synapsis sich auf- i lockert, erscheint fast das gesamte Chromatin zu einem einheitlichen ~ 4 Eine ausführliche, mit Abbildungen belegte Darstellung meiner Unter- suchungen erscheint demnächst in den Zoologischen Jahrbiichern. 182 Faden vereinigt. Nur die beiden isolierten Chromosomen liegen, nach wie vor, an der Kernmembran und haben noch dieselbe Gestalt, wie in der letzten Vermehrungsmitose. Die 20 andern bilden dagegen ein echtes Spirem. Dieses ist anfangs dicht, lockert sich aber bald beträchtlich auf. Im weiteren Verlauf der Wachstumsperiode zerfällt das Spirem in eine Anzahl langgestreckter fadenförmiger Elemente. Eine exakte Zählung konnte ich nicht bewerkstelligen. Dagegen ließ sich immer mit Sicherheit konstatieren, daß zwei dieser Elemente kleiner, etwa halb so groß sind, wie die übrigen. Aus dem weiteren Verlauf der Untersuchung und, gestützt auf Erwägungen allgemeiner Natur, glaube ich annehmen zu müssen, daß 20 solcher fadenförmiger Chromatinelemente vorhanden sind, 18 größere und zwei kleinere. Außerdem enthält der Kern noch die beiden an seiner Membran gelegenen Chromosomen, an denen sich auch jetzt noch keinerlei Veränderungen erkennen lassen. Die fadenförmigen Elemente treten bald ebenfalls mit der Kernwand in innige Berührung, entweder mit beiden Enden, oder nur mit einem. Sie verkürzen sich dabei be- trächtlich, ihr Chromatin lockert sich augenscheinlich stark auf. Wir erhalten so schließlich lauter rundliche Komplexe von chroma- tischer Substanz, die in ziemlich regelmäßigen Abständen an der Innenfläche der Kernmembran verteilt sind. Der Metanucleolus be- ginnt während dieser Vorgänge zu zerbröckeln und geht zugrunde. Die beiden isolierten Chromosomen sind unterdessen zu einem kug- ligen Körper verschmolzen, der sich sehr lebhaft mit Kernfarben tingiert. Im Innern enthält er eine hellere Vacuole. Er gleicht also sehr einem chromatinhaltigen Nucleolus. Und als Chromatinnucleolus bezeichnet denn auch mit Recht Monrcomsry dieses Gebilde, das sich in ähnlicher Weise auch bei andern Hemipteren findet. Die wandständigen rundlichen Chromatinkomplexe formen sich in der Folge wieder in langgestreckte Fäden um. Diese erscheinen jetzt aber ausnahmslos der Länge nach gespalten. Zwei von ihnen sind kleiner als die übrigen. Von diesen längsgespaltenen Fäden legen sich jetzt je zwei mit ihren Enden aneinander. Dabei konjugieren immer gleichgroße Fäden, also die beiden kleinen miteinander, und je zwei von den größeren. Ungefähr gleichzeitig verschwindet die Vacuole aus dem Chromatinnucleolus, der durch diesen Substanzverlust beträchtlich an Größe einbüßt. An den konjugierten Chromatinfaden biegen sich die Berührungsenden etwas nach außen um. Es entstehen so Kreuze mit zwei langen und zwei sehr kurzen Armen. Der Chro- matinnucleolus zerfällt jetzt wieder in zwei rundliche Chromosomen. Sie liegen noch immer der Kernmembran dicht an, sind aber bedeutend kleiner als vor ihrem Zusammentritt zur Bildung des Chromatin- 183 nucleolus. Die Umbiegung der Beriihrungsenden schreitet an den konjugierten Chromatinfiiden stetig fort. Ein immer größeres Stück wird in die Ausbiegung einbezogen, bis ın den anfangs so extrem ungleicharmigen Kreuzen Balken und Arme die gleiche Länge haben. Die beiden Chromosomen, die aus dem Zerfall des Chromatinnucleolus hervorgingen, geben während dieser Prozesse ihre enge Nachbarschaft und zum Teil ihre wandständige Lage auf; sie zerstreuen sich im Innern des Kerns: Die anfangs sehr schlanken Kreuze verkürzen “a A b aa B [ bb Fig. 1. A Bildung der Tetraden in der Spermatogenese von Anasa tristis (nach Pıurmier). DB Bildung der Tetraden in der Spermatogenese von Syromastes marginatus. und verdicken sich bald bedeutend. Ganz ähnliche kreuzförmige, und analoge doppelt V-förmige Figuren sind bekanntlich in vielen andern Fällen, nicht allein bei Insekten, beobachtet und, als Vor- stadien der Tetradenbildung, beschrieben worden. Bis zu dem Stadium der »dicken gleicharmigen Kreuze« decken sich in der Tat meine Befunde in allen wesentlichen Stücken mit denen PAuLMIErs, dem wir die beste Darstellung einer Hemipterenspermatogenese verdanken. Ein Blick auf die obenstehende Figur zeigt, daß die Abweichungen in der Tat nur von untergeordneter Bedeutung sind. Von diesem Stadium an aber weiche ich in der Deutung der beobachteten Tat- sachen von PAuLmIEr sowohl, als von allen älteren Autoren ab. 184 Auf die dicken gleicharmigen Kreuze folgt em Stadium, in dem zwei Arme wieder bedeutend länger sind, als die andern. Es finden sich jetzt also wieder ungleicharmige Kreuze. Sie lassen sich aber von den vorher besprochenen leicht unterscheiden durch die viel größere Dicke der Arme, durch ihre gedrungene Gestalt. Die kürzeren Arme der Kreuze werden endlich ganz rückgebildet oder vielmehr in die langen Arme einbezogen. Es resultieren so Figuren, die aus vier Chromatinstiibchen bestehen. Je zwei Stäbchen sind der Länge nach aneinander gelegt. Mit ihren Enden berühren sie die beiden andern. Durch Verkürzung der Stäbchen entstehen dann echte aus rundlichen Elementen zusammengesetzte Vierergruppen. Auch die eben geschil- derten Figuren sind noch sehr ähnlich den Bildern, wie sie PAULMIER (Fig. 1A) von Anasa tristis gibt, und wie sie bekanntlich in der Spermatogenese von Tieren und Pflanzen überhaupt weit verbreitet und oft beschrieben sind. In der Deutuug der diesen Bildern zu- srunde liegenden Vorgänge bin ich aber zu wesentlich andern An- schauungen gekommen, als alle Forscher, die bis jetzt über die Rei- fungserscheinungen gearbeitet haben. Man nahm bisher allgemein an, daß die Herausbildung von Tetraden aus kreuzähnlichen oder doppelt V-förmigen Figuren auf folgendem Wege vor sich gehe. Die beiden längsgespaltenen Chromosomen, die zur Bildung des Kreuzes oder Doppel-V zusammentraten, weichen wieder auseinander, indem sie ihre nach außen umgebogenen Enden wieder zurückziehen. Der Rück- zug erfolgt auf derselben Linie, auf der sich die Annäherung vollzog. Fig. 1 A, eine Kopie nach PAuLmier, soll diesen Prozeß illustrieren. Jede Dyade der auf diese Weise gebildeten Vierergruppe entspricht einem der beiden längsgespaltenen Chromosomen, die zur Bildung des Kreuzes oder Doppel-V zusammentraten. Die Hälften der Dyaden sind gleichnamig. Die Tetrade hat den Bau 37. Gründe, die ich erst gegen den Schluß meines Vortrags mitteilen kann, zwingen mir für mein Objekt eine wesentlich andre Auffassung von der Bil- dungsweise der Tetraden auf. Ich nehme an, daß nach dem Stadium der »dicken gleicharmigen Kreuze« die Ausbiegung der Enden an den Berührungsstellen der Chromosomenhälften weiter fortschreitet. Die ungleichnamigen Längshälften der beiden Chromosomen, die das Kreuz bilden, gleiten aneinander entlang, bis der eine ursprünglich längere Kreuzarm verschwindet. Wenn dann durch Verkürzung der Chromatinstiibe die Tetrade: ihre definitive Gestalt erreicht, so besteht jede Dyade aus zwei ungleichnamigen Hälften (Fig. 1 B). Die Tetrade hat also den Bau = Sie ist entstanden durch Vollendung des Vor- gangs, dessen Einleitung zur Bildung der Kreuze führte. SE DAR ET tay Pr 185 Wenn die Bildung der Tetraden vollendet ist, ordnen sie sich bald zur ersten Reifungsmitose an. In die Aquatorialplatte stellen sich 10 Tetraden ein. Eine davon ist wesentlich kleiner als die andern. Sie ist von den beiden kleinen Chromosomen gebildet, deren Schicksal ich bis zur Konjugation bereits geschildert habe. Die Ent- stehung dieser kleinen Tetrade ist ganz dieselbe, wie die der großen. Ich habe sie ebenfalls durch alle Stadien verfolgen können. Außer den 10 Tetraden, von denen jede zwei längsgespaltenen Chromosomen entspricht, len sich in der Aquatorialplatte aber noch zwei Chro- matinelemente. Die beiden Chromosomen, die früher den Chromatin- nucleolus bildeten, um sich gegen das Ende der Wachstumsperiode wieder zu separieren, legen sich aneinander und stellen sich ebenfalls in die karyokinetische Figur ein. Das Aussehen der Aquatorialplatte ist in Polansicht sehr charakteristisch. Die neun größeren Tetraden bilden einen sehr regelmäßigen Kreis. In seinem Zentrum liegen die ungespaltenen Chromosomen, die vom Chromatinnucleolus stammen. Die kleine Tetrade liegt fast konstant außerhalb des Kreises. Inter- essant ist auch das Verhalten der Spindelfasern. An jede Dyade heften sich zwei von einem Pole kommende Spindelfasern an. Die ungespaltenen Chromosomen sind dagegen nur durch je eine Faser mit dem Pol verbunden. Beim Auseinanderweichen der Tochterplatten bleiben die Chromatinelemente eine Zeitlang durch chromatische Fäden miteinander verbunden. Auch von diesen spannen sich zwischen den Dyaden immer je zwei aus. Die ungespaltenen Chromosomen sind dagegen durch einen einzigen Faden verbunden. Auch bei andern Hemipteren ist dasselbe Verhalten der Spindelfasern und chromatischen Fäden beschrieben worden. Nach vollzogener Zellteilung geht die Spindel zugrunde. Es wird in der Spermatocyte zweiter Ordnung eine neue gebildet, und die Chromatinelemente stellen sich unmittelbar darauf zur zweiten Reifungsteilung auf. Jetzt heften sich an jedes Ende jeder großen Dyade zwei Spindelfasern. an. Die kleine Dyade tritt nur zu dem einen Spindelpol in Beziehung, aber ebenfalls durch zwei Lininfasern. Sie beteiligt sich nicht an der Bildung der Aquatorialplatte, sondern bleibt in der Nähe des Spindelpols liegen, mit dem sie durch die Fasern in Verbindung steht. Das ungespaltene Chromosom ist mit beiden Spindelpolen verbunden, aber durch nur je eine Faser. Jedes Chromatinelement zeigt in der Mitte eine quere Einschnürung; nur die kleine Dyade entbehrt einer solchen. Die Polansicht einer Aqua- torialplatte der zweiten Reifungsteilung unterscheidet sich scharf von einer solchen der ersten. Da, wie gesagt, die kleine Dyade an ihrer Zusammensetzung nicht teilnimmt, besteht sie nicht aus elf, sondern 186 nur aus zehn Elementen, aus neun Dyaden und einem ungespaltenen Chromosom. Auch ist die Anordnung der Elemente eine andre, als früher. Die Regelmäßigkeit der Figur ist jetzt nicht mehr so groß; besonders liegt das ungespaltene Chromosom nicht immer, oder sogar nur selten in der Mitte des Kreises. Die zweite Reifungsteilung voll- zieht sich in der Weise, daß die großen Dyaden und das ungespaltene Chromosom in der Mitte an der Einschnürungsstelle durchbrechen und die Teilhälften nach den Polen auseinander weichen. Die kleine Dyade geht ungeteilt an den einen Pol, wird also in toto der einen Spermatide zugeteilt. Durch dieses Verhalten kennzeichnet sie sich als »akzessorisches Chromosom«. Auch bei der zweiten Reifungs- teilung bleiben die Teilhälften durch chromatische Fäden in Ver- bindung. Von diesen kommen wieder auf jede Dyade zwei, auf das ungespaltene Chromosom nur einer. Wenn die Tochterplatten sich den Spindelpolen nähern, erreicht die eine bald das vorausgeeilte akzessorische Chromosom. Dieses liegt jetzt neben ihr, wie bei der ersten Reifungsteilung. Es gibt jetzt natürlich zwei Gattungen von Tochterplatten. Die eine Hälfte hat elf Chromatinelemente, die andre nur zehn. Versuchen wir jetzt eine Deutung der besprochenen Beobachtungen, so muß sie folgendermaßen ausfallen. Durch die erste Reifungs- teilung wird jede Tetrade in zwei Dyaden zerlegt. Ein solcher Tei- lungsmodus ist bis jetzt in allen Fällen als Querteilung, und mithin als Reduktionsteilung aufgefaßt worden. Für Syromastes kann diese Deutung aber nicht gelten. Denn jede Dyade setzt sich hier aus zwei ungleichnamigen Hälften zusammen (Fig. 1 B). Jede Hälfte ist ursprünglich die Längshälfte eines Chromosoms. Die scheinbare Querteilung geschieht also de facto nach dem Längsspalt. Sie ist eine Aquationsteilung, die sich nicht wesentlich von einer gewöhn- lichen Mitose unterscheidet. Die beiden ungespaltenen Chromosomen werden einfach voneinander getrennt. Bei der zweiten Reifungsteilung werden, abgesehen von der kleinen Dyade, alle Elemente der Quere nach halbiert. Sie ist demnach eine Reduktionsteilung, die aber in einer Weise vor sich geht, wie sie bisher nirgends sicher beobachtet wurde. Ein solcher Teilungsmodus wird wohl vielen Forschern a priori unwahrscheinlich vorkommen. Für seine wirkliche Existenz spricht erstens das Verhalten der Spindelfasern und chromatischen Fäden, die sich bei der zweiten Reifungsteilung, wieder abgesehen vom akzessorischen Chromosom, genau so verhalten, wie bei der ersten. Auch lassen bei der zweiten Reifungsteilung die Teilstücke der Dyaden ihren zweiteiligen Bau durch Einschnürungen an den Enden noch deutlich erkennen. Eine Zerlegung der Dyaden in ihre 187 beiden Hälften, wie sie von den andern Autoren angenommen wurde, müßte natürlich ganz andre Bilder ergeben. Für die ungespaltenen Chromosome, die vom Chromatinnucleolus abstammen, steht die quere Halbierung bei der zweiten Reifungsteilung außerdem ganz sicher fest. Der Reduktionsmodus von Syromastes marginatus besteht also, nach meiner Auffassung, in einer Postreduktion mit querer Halbierung der aus ungleichnamigen Hälften zu- sammengesetzten Dyaden. Um seine Bedeutung vollkommen klar zu erkennen, müssen wir noch das weitere Schicksal des akzessorischen Chromosoms verfolgen. Es wird sicher in den Kern der einen Spermatide aufgenommen. Es ist in diesem noch eine ganze Weile neben der kompakten Chro- matinmasse zu erkennen, in welche sich nach der zweiten Reifungs- teilung die Tochterplatte umwandelt. Wir müssen daher auch zweier- lei Spermatiden annehmen, solche mit 11 und solche mit nur 10 Chromosomen. Eine einfache Überlegung zeigt, daß, wenn man sich auf den Boden der Bovzrıschen Individualitätstheorie stellt, nur die einen, und zwar die chromatinreicheren mit Erfolg als befruchtende Elemente und Vererbungsträger funktionieren können. Denn, wie ich am Anfang meines Vortrags erwähnte, enthalten sowohl Sper- matogonien als somatische Zellen 22 Chromosomen. Diese Zahl kann aber nur dann erhalten bleiben, wenn männlicher und weiblicher Vorkern je 11 Chromosomen aufweisen. Die chromatinärmeren, nur mit 10 Chromosomen ausgestatteten Spermatozoen sind also offenbar funktionsunfähig und gehen zugrunde. Ich habe die Bildung der Richtungskörper bei Syromastes leider nicht untersuchen können, da die Eier dieser Tiere aus vielen Gründen sehr ungünstige Objekte sind. Es müssen sich aber bei der Eireifung ganz ähnliche Vorgänge abspielen, wie bei der Spermatogenese. Denn die Spermatogonien enthalten zwei kleine Chromosomen, von denen nur eines aus dem männlichen Pronucleus stammen kann. Diese kleinen Chromosomen leiten uns aber zu weiteren inter- essanten Schliissen. Wir sahen, daß sie sich während des ganzen Verlaufs der Spermatogenese bis zum Abschluß der ersten Reifungs- teilung genau so verhalten, wie die großen. Bei der zweiten Teilung unterbleibt aber die Halbierung der kleinen Dyade. Sie geht un- geteilt in eine Spermatide über und erreicht damit wieder die Größe ihrer Genossen. Sie erscheint demnach auch in den Spermatogonien von Tieren der nächsten Generation als großes Chromosom wieder. Die kleinen Chromosomen in den Spermatogonien haben eine andre Herkunft. Ich habe vorhin mitgeteilt, daß von der letzten Vermeh- rungsmitose an zwei große Chromosomen sich abweichend verhalten. 188 Sie beteiligen sich nicht an der Synapsis, liegen während der Wachs- tumsperiode untätig im Chromatinnucleolus und werden nicht längs- gespalten. Beim Beginn der ersten Reifungsteilung erscheinen sie im Zentrum der Aquatorialplatte als ungespaltene Elemente, die an Grobe etwa den Hälften einer großen Dyade gleichkommen. Durch die erste Reifungsteilung werden sie auf die Spermatocyten zweiter Ordnung verteilt, bei der zweiten werden sie quergeteilt. Jede Sper- matide erhält eine Hälfte. Sie haben auch jetzt nur die halbe (Größe der andern Elemente. Bei der Befruchtung muß der weib- liche Pronucleus offenbar ein ebensolches kleines Chromosom mit- bringen. Es werden also aus den im Chromatinnucleolus vereinigten sroßen Chromosomen die kleinen der nächsten Generation. Diese aber sind, wie wir gesehen haben, nach ihrem ganzen Verhalten als sogenannte akzessorische Chromosomen zu betrachten. Es gibt also in der Spermatogenese von Syromastes Chromosomen, die sich in zwei aufeinanderfolgenden Generationen verschieden verhalten. In der einen bilden sie einen »Chromatinnucle- olus«, und erleiden keine Längsspaltung. Bei der zweiten Reifungsteilung wird jedes von ihnen der Quere nach hal- biert. In der nächsten Generation werden sie längsge- spalten, gehen aber bei der zweiten Reifungsteilung unge- teilt in die eine Hälfte der Spermatiden über, als so- senannte »akzessorische Chromosomens. Es ist bei diesen Chromosomen also die Reduktion in eigentümlicher Weise verzögert. Die beiden Teilungsschritte sind auf zwei Generationen verteilt. Jetzt wird es auch klar, warum die akzessorischen Chromosomen bei der zweiten Reifungsteilung nicht wie alle andern Chromatinelemente, quergeteilt werden. Ihre Halbierung ist ja schon in der vorigen Generation geschehen. Sie sind beim Beginn der Spermatogenese bereits bloß halbwertige Elemente. Es ist hier zum erstenmal der Versuch gemacht worden, das sonst unverständliche Unterbleiben der zweiten Teilung bei den akzessorischen Chromosomen zu erklären. Dieses war aber nur möglich, bei Zugrundelegung des von mir postu- lierten Reduktionsmodus. Bei der bisherigen Annahme, daß die zweite Reifungsteilung zwei gleichnamige Hälften einer Dyade trennt, mußte das Verhalten der akzessorischen Ohromosomen unverständ- lich bleiben. Darin sehe ich eine weitere wichtige Stütze für die Richtigkeit der. Auffassung, die ich mir über die Chromatinreduktion bei Syromastes gebildet habe. Die kleinen Chromosomen verhelfen uns aber noch zu einer letzten wichtigen Konsequenz. Es ist bekanntlich in den letzten Jahren, namentlich durch Hacker, sehr wahrscheinlich gemacht worden, daß 189 bei der Pseudoreduktion wihrend der Reifung der Keimzellen immer je ein väterliches und ein mütterliches Chromosom miteinander kon- jugieren. In unserm Falle steht das wenigstens für die kleinen Chromosomen fest. Solange keine entgegenstehenden Tatsachen bekannt sind, glaube ich berechtigt zu sein, dasselbe auch für die großen Chromosomen vorauszusetzen. Dadurch gewinnt aber der von mir angenommene Modus der Tetradenbildung neue Bedeutung. . Wir sahen, daß aus den kreuzförmigen Figuren, wenn ich mit meiner Deutung der Vorgänge recht behalte, Tetraden hervorgehen, deren Dyaden aus zwei ungleichnamigen Hälften zusammengesetzt sind. Jetzt dürfen wir sagen, jede Dyade hat eine väterliche und eine mütterliche Hälfte. Durch die Prozesse, deren Stadien die verschie- denen kreuzförmigen Figuren darstellen, hat sich also ein Austausch von väterlichen und mütterlichen Vererbungsträgern vollzogen. Wenn dann durch die zweite Reifungsteilung, durch die eigentliche Reduk- tionsteilung, die Dyaden der Quere nach halbiert werden, so behält jede Hälfte einen väterlichen und einen mütterlichen Anteil. Aus den halbierten Dyaden werden aber die Chromosomen des männ- lichen Pronucleus. ‚Jedes von diesen hat also, da das reife Sperma- tozoon ja, um mit Hacker zu sprechen, schon eine neue Generation repräsentiert, einen großväterlichen und einen großmütterlichen Anteil, kann demnach Charaktere beider Großeltern vererben. Der von mir für Syromastes postulierte Reduktionsmodus hat bis jetzt unter den Insekten kein einziges Analogon. Er steht heute überhaupt noch fast gänzlich isoliert da. Nur die von HÄcker un- tersuchten Copepoden zeigen, zwar nicht die gleichen, aber doch ähnliche Prozesse. Wie Hicker in seiner neuesten Arbeit® gezeigt hat, kommt es auch bei diesen Crustaceen zu einem Austausch von väterlichen und mütterlichen Chromosomen, nur in etwas andrer Weise und auf einem andern Stadium. Bei Cyclops und Cantho- camptus vollzieht sich die »Symmixis«, wie HÄcker den Vorgang treffend genannt hat, zwischen der ersten und zweiten Reifungsteilung, bei Syromastes vor der Tetradenbildung. Unter Herbeiziehung der neugewonnenen theoretischen (sesichtspunkte kennzeichnet sich die Chromatinreduktion bei Syromastes als Postreduktion mit vorher- gehender Symmixis väterlicher und mütterlicher Chromo- somen. 5 Bastardierung und Geschlechtszellenbildung. Zool. Jahrb. Suppl. 7. Fest- schrift für A. WEISMANN, 190 Diskussion: Herr Dr. Goupscnmipr (München) fragt den Vortragenden, ob er bei seinem Objekt Erfahrungen über die Mitochondrien und den Nebenkern gemacht habe. Er glaubt nämlich besonders auf Grund von Surrons Untersuchungen und im Vergleich mit Giarpinas Be- funden, daß das »akzessorische Chromosom« vielfach gar nichts mit einem Chromosom zu tun hat, sondern dem Chromatinring bei Dytiscus entspricht, der seinerseits dem Nebenkern d. h. somatischen Chromatin gleichzusetzen ist. Herr Dr. Gross bemerkt in der Beantwortung der von Herrn Dr. Gotpscumipr gestellten Fragen, daß er Untersuchungen über das Verhalten der Mitochondrien aus technischen Griinden nicht an- stellen konnte. Von akzessorischen Chromosomen glaubt auch er mehrere Typen annehmen zu müssen; vor allem seien die akzessorischen Chromosomen der Hemipteren und Orthopteren sicher verschiedener Natur. Bei den Hemipteren seien sie in jedem Falle als wirkliche Chromosomen aufzufassen. | Vortrag des Herrn Prof. O. Maas (München): Über den Aufbau des Kalkskeletts der Spongien in normalem und in CaCO;freiem Seewasser. In einer früheren Mitteilung (1904. Sitzungsber. d. Gesellsch. für Morphol. u. Physiol., München) habe ich über die Möglichkeit be- richtet, skelettlose Schwämme künstlich hervorzubringen. Es handelt sich um die Aufzucht von Kalkschwammlarven über die Metamor- phose hinaus bis zum Stadium eines Schwämmchens, das der stützen- den Nadeln entbehrt. Hierzu ist es nicht nötig, ja nicht einmal wünschenswert, alle Kalksalze im umgebenden Meerwasser zu ent- fernen, da dies noch Nebenwirkungen hervorruft, sondern es genügt, das Material des Skeletts selbst, den kohlensauren Kalk, auszu- schalten, um ein skelettfreies Produkt zu erhalten. Die betreffenden Versuche wurden im Herbst 1903 in der Zoolog. Station Neapel an- gestellt. Für die Theorien von der Verwendung der im Meerwasser ent- haltenen Stoffe sind diese Experimente von Bedeutung. Sie zeigen, daß die Sremmannsche Annahme, es müßte durch die Tiere selbst, etwa durch ein ausgeschiedenes Ammoniumkarbonat, der schwefel- saure Kalk des Meeres in kohlensauren Kalk übergeführt und so dem Organismus dienstbar gemacht werden, nicht zutrifft, wenigstens 191 nicht fiir die in Rede stehenden Objekte; Gips ist, wie wiederholte Analyse des verwendeten Seewassers gezeigt hat, in normaler reich- ‘licher Menge vorhanden, und dennoch können die betreffenden Kalk- schwämme (Sycandra setosa und a. spec.) kein Skelett bilden. Sie vermögen also nur den im Wasser gelösten kohlensauren Kalk, ob- schon er normal nur in Spuren vorhanden ist, dazu zu benutzen. Es geht dies auch daraus hervor, daß noch bei weiterer Ver- ringerung des CO;Ca-Gehaltes, wenn man künstliches CO, Ca-freies und natürliches Seewasser mischt, eine normale Nadelbildung mög- lich ist, und besonders daraus, daß bei nachträglichem Zusatz an kohlensaurem Kalk, resp. bei Überführung in normales Seewasser noch eine nachträgliche Skelettbildung erfolgt, niemals jedoch, auch bei längerem Zuwarten nicht, in CQO,;Ca-freiem Seewasser. (Es werden dann wohl, durch die Organismen selbst, wie aus der Luft, Kohlensäure-Ionen im Wasser vorhanden sein, doch kann es zur Bildung von CO;Ca nicht kommen, so lange nicht für die SO,-Ionen statt des Ca ein andrer Ausgleich in Gestalt einer Base vorhanden ist. Eine solche Base wird aber offenbar vom Organismus nicht ge- liefert.) Die Beobachtung am Lebenden zeigt in auffälligster Weise schon am ersten Tag des Festsetzens den Unterschied zwischen den nadel- freien Schwämmchen des künstlichen Seewassers und den nadel- starrenden Objekten der Kontrollkulturen. Die Konservierung und Färbung hat natürlich mit solchen Reagentien zu erfolgen, die etwaige Spuren von kohlensaurem Kalk nicht angreifen. Je nach dem Ein- tritt der Kalkentziehung vor oder nach der Metamorphose, resp. dem nachträglichen Zusatz kann man zeitliche Variationen des Ver- suchs anstellen, die zu sehr verschiedenen Ergebnissen führen. Es soll hiermit nur kurz die tabellarische Zusammenstellung der Tatsachen gegeben sein (s. S. 192), nicht aber ihr theoretischer Zu- sammenhang, die mangelhafte Ausbildung des Gastralraums, das Aus- bleiben von Osculum und Wurzelschopf erörtert werden, da dies bereits in meiner früheren Mitteilung geschehen ist. Nur auf eine entwick- lungsgesetzliche Frage möchte ich auf Grund weiteren Beweismaterials hier noch einmal zurückkommen, nämlich auf das Ineinandergreifen, auf die gegenseitige Abhängigkeit der verschiedenen Faktoren der Entwicklung. Es mag ja »phylogenetisch« die Röhrenform des Schwammkörpers das Erstvorhandene, die Nadelausprägung das zur Festigung nachträglich Erworbene sein, »ontogenetisch« erweist sich aber die Bildung der Nadeln als ein Reiz, der zur weiteren Aus- prägung des Gastralraums, Vermehrung der Gastralzellen usw. führt. Das Ausbleiben der Nadeln bedingt die erwähnten Unregelmäßig- 192 he ————————————— nn ss) a, ws Verhalten ee caper, Histologische Ausbildung Nadelskelett in polarisiertem Hohlraum Licht Metamorphose in| Flach und ohne Polari-| Normale Schichtenumkehr,| Nadeln fehlend, manchmal | Keine Spur von CaCOszfreiem See- tät, mit verschwindendem | jedoch Teilungen der Gastral- | organisches Substrat gebildet, | Kalkspat. wasser; Schwämm- | Hohlraum,ohne Streckung, zellen nachher ausbleibend. |eher von Dreistrahlerform als chen darin belassen. sich in einer Ebene aus- Scheidung der Spiculazellen | Einstrahler. breitend und zerfließend. nicht so scharf, amöboide | Dermalzellen, reichlichere Aus- bildung der Grundsubstanz. Metamorphose in| Flach mit kleinem Hohl- Schichten ziemlich normal, | Drei- und Einstrahler, bes. Durchaus norma- CaCOgfreiem See-| raum, eventuell mehreren histologische Ausprägung zu- | erstere zu bilden versucht. Alle | ler Kalkspat, auch wasser; nachträglich | getrennten Hohlräumen. |rückbleibend. Grundsubstanz | Abstufungen von normaler bis beiden dünnstenund CaCO; zugesetzt. normal. zu ganz unregelmäßiger Form. | unregelmäßigsten Keine herausragenden Spicula. | Spicula. Metamorphose in, Normale Sackform mit | Gastralzellen inreger Tätig-| Drei- und Einstrahler, die Durchaus norma- normalem Seewasser;| Streckung und weitem |keit. Ausgestoßene Massen | ersteren stärker reduziert in ler Kalkspat, soweit CaCO3 nachträglich | Hohlraum. Letzterer kolla- und Zellen frei im Gastral- |ihrer Lage gelockert, mit un- Nadel vorhanden. entzogen. biert, eventuell in kleinere raum. Spicula mit zahlreichen | regelmäßigen Abschmelzungs- Räume sich sondernd; anliegenden Zellen oberfläch- | formen. Gesamtform geknickt. ‚lich. Metamorphose in| Sackform mit Streckung) Gastrale Zellen in starker| Zahlreiche Ein-, einzelne Normaler Kalk- normalem Seewasser; |und Andeutung von Wurzel | Teilung und dann sich histo- | Dreistrahler. Erstere weit her- | spat. Schwämmchen darin|und Osculum nach 24 Stun- logisch differenzierend. Der- | ausragend, letztere schon teil- belassen. (Normal-|iden. Weiter Hohlraum. | malzellen in Deck-, Poren: | weise mit viertem Strahl. entwicklung.) und Spiculazellen auch räum- | ‘ lich geschieden. | 195 keiten, und nicht die direkte Wirkung des veränderten CaCQ, freien Seewassers auf den Organismus und seine Zellen. Ein deutlicher Be- weis hierfür ist dadurch gegeben, daß man die Larven von Kiesel- schwämmen im gleichen Wasser züchten kann, ohne die geringsten Unregelmäßigkeiten zu beobachten. Ich habe als Kontrollobjekte mit der gleichen Zuchtmethode im Uhrschälchen unter Deckglas die Larven von Gellius varians und einer Reniera-Species benutzt. Die Larven setzten sich nach 24" an, breiteten sich wie normal aus, bildeten Geißel- kammern und schließlich auch Oscularrohr. Hier ist ein Vorrat von Skelettnadeln aus SiO, bereits in der Larve gegeben und dieser kann nach dem Ansetzen in der richtigen Weise entfaltet und zur Stütze der Kammern und des Weichkörpers verwandt werden, so daß keine Störungen eintreten. Man könnte nun den Einwand machen, daß hier SiO, das Bil- dungsmaterial der Nadeln ist, und daß der Organismus darum nicht auf Mangel an CO;Ca reagiere, sondern auf die Stoffe, die ihm speziell nötig sind. Aber dieser Einwand trifft nicht zu, denn durch die gleiche Prozedur, durch die der kohlensaure Kalk entfernt wurde (Abdampfen und nachherige Wiederauflösung in entsprechenden Mengenverhältnissen), wird auch die Kieselsäure entfernt und in den Rückstand gebracht, wie wiederholte chemische Analyse gezeigt hat. Es ist also nur dem schon im mütterlichen Körper in der Larve ge- bildeten Nadelvorrat zu danken, daß hier so leicht keine Unregel- mäßigkeiten auftreten. Ein schwierigerer Einwand ist der, daß auch der Nahrungsmangel in dem künstlichen Seewasser eine Störung der Entwicklung bedingt. Bei längerer Züchtung spricht dieser Umstand sicher mit, bei so frühen Stadien aber, die ihren Gastralraum erst bilden, kommt er kaum in Betracht. Auch die Versuche an Kieselschwämmen, die sich ja ebenfalls in dem nahrungslosen Wasser befanden und doch prosperierten, sprechen gegen eine solche Wirkung des Nahrungs- mangels. Um es gänglich auszuschließen, daß auf späteren Stadien von Sycandra der Zerfall der Schwämmchen durch Nahrungsmangel erfolge, muß man dem künstlichen Seewasser Nahrungspartikelchen zusetzen. Es ist dies jedoch sehr schwierig, ohne zugleich damit auch Spuren von kohlensaurem Kalk in das künstliche Seewasser zu bringen. Ich habe dies durch Zusatz von feinzerriebenen Diatomeen zu erreichen versucht, aber gerade die damit behandelten Kulturen gingen dann durch andre Ursachen noch schneller zugrunde wie die hungernden CO;Cafreien Exemplare. Vielleicht geben Larven, die sich in der Normalzuchtschale an die freie obere Wasserschicht setzen und dort ihre Metamorphose Verhandl. d. Deutsch. Zool. Gesellschaft. 1904. 13 194 einleiten, einen bemerkenswerten Hinweis. Diese Exemplare zeigen ähnliche Verfallserschemungen, ein allmähliches Ausbreiten und ZerflieBen wie die skelettfreien Schwämmchen, trotzdem ja hier ein normaler Kalkgehalt und Nahrung gegeben ist. Es ist also hier das Fehlen der Stiitze, das den Zerfall bedingt, und eigentiimlicher werden in solchen Adhäsionsexemplaren von vornherein weniger Nadeln ge- bildet. Bei der Ausbreitung genügen die dermalen Zellen nicht mehr zur Umhüllung, die gastrale Schicht bricht nach außen durch und das ganze Schwiimmchen wird eine ebene Zellplatte bevor es zerfließt, gleich wie die früher von mir abgebildeten skelettfreien Exemplare (1904 1. ec. Fig. 4 und 5). Die Experimente geben ferner Anlaß zu einer erneuten Erörterung des Prozesses der Nadelbildung. Auch noch heute sind die Ansichten schwankend, ob man darin mehr einen Vorgang organischer Natur oder eine wirkliche Kristallisation erblicken soll. EsNEr ist durch seine bekannte sorgfältige Untersuchung zu der Ansicht gelangt, daß der Organısmus wohl die äußere Form der Nadeln liefere, daß aber die innere Struktur der Nadeln durchaus kristallinisch sei. Er zeigt, daß die einzelne Nadel sich so verhält, wie aus einem einheitlichen Kalkspatrhomboeder in beliebiger Rich- tung herausgeschnitten; also hätte die kristallographische Orientierung nichts mit den vom Organismus vorgezeichneten Nadelachsen zu tun. Dennoch aber gelangt er nicht zu der Vorstellung einer unabhängigen Kristallisation, sondern spricht davon, daß »die innere Struktur durch eine eigentümliche Verteilung der Gemengteile mit der äußeren Form in Beziehung steht« (1887 S. 134). Auch erwähnt er eine Reihe von kleinen Abweichungen der Nadeln vom typischen Kalkspat in ihrem optischen, chemischen und kristallographischen Verhalten, trotz ander- seits großer Übereinstimmung. Gestiitzt auf Befunde von Mincntn (1898) und mir (1898 und 1900) habe ich früher die Ansicht ausgesprochen, daß es sich bei der Nadel- bildung um zwei Prozesse handle, die möglicherweise auch zeitlich getrennt voneinander verlaufen. »Der erste, eine rein organische cellulare Tätigkeit, deren Chemismus sich noch unsrer Formulierung entzieht, der zweite ein anorganischer, ein Kristallisationsprozeß. ... Der erste Prozeß bestimmt die Form, der zweite den Inhalt der Gebilde. « Der letzte Beurteiler, Bizprrmann, hat eine ganz ähnliche An- sicht bezüglich der zeitlichen Zweiteilung des Prozesses ausgesprochen, »Wir werden bei der Bildung der Kalkspicula von Spongien ... Kristallisationsprozessen sicher einen wesentlichen Anteil an der schließlichen Ausgestaltung der betreffenden Teile zuerteilen müssen; auf alle Fälle aber sind die ersten Anfänge der For- 195 mung derselben nicht darauf, sondern auf eine durch andre Ursache bedingte Anordnung der secernierenden Plasmateilchen resp. Zellen zurückzuführen.< Aber er mißt der kristallinischen Bildung eine wesentlich geringere Bedeutung zu als bei Molluskenschalen, wo »es sich um Bildungen handelt, welche in der Hauptsache auf Kristalli- sationsprozesse zurückzuführen sind, die, unabhängig von den leben- digen Zellen, außerhalb derselben verlaufen ...« (1902 S. 171). Die Molluskenschalen kennt BIEDERMANN aus eigner genauester Untersuchung (1901), auch hat er ähnliche Bildungen künstlich nach- zuahmen gesucht (1902); betreffs der Spongiennadeln schließt er sich an Epner an, der ja eine Reihe von Unterschieden der Kalknadeln gegenüber rein anorganischem Kalkspat betont hat. Doch verschwinden diese Unterschiede bei weiterer Untersuchung mehr und mehr. Es hat bereits BürscaLı über eine Reihe von chemischen und physika- lischen Einwirkungen berichtet, die für Kalkspat genau so zutreffen wie für die Nadeln der Spongien (1901); nur das Weißwerden der Kalkspicula schon bei mäßigem Glühen ist eine Eigenerscheinung. Über die Eigenschaften des Kalkspats, die im Vergleich zu den Nadeln nachzuprüfen waren, würde ich mir kein unabhängiges Urteil getrauen; doch war Herr Prof. Dr. Wemscnenk, Leiter des petro- graphischen Instituts der hiesigen Universität, so liebenswürdig, die betreffenden Versuche an anorganischem Kalkspat und an isolierten Nadeln mit mir gemeinsam anzustellen und mir seinen wertvollen Rat zu leihen. Als Nadelobjekte dienten uns ausgesuchte Drei- strahler von Leuconen und besonders große Einstrahler vom Osculum einer Sycandra-Species, die ich s. Zt. in Tromsoe gedredgt hatte. Diese Nadeln sind über 1 cm (!) lang und gestatten so eine in jeder Beziehung ‘günstige Handhabung. Was die Spaltbarkeit betrifft, so brechen die Nadeln wohl weniger leicht durch als Kalkspat, aber die Spaltflächen selbst können bei den untersuchten Nadeln nicht als weniger schön und vollkommen bezeichnet werden, wie beim Kalkspat. Das optische Verhalten aller untersuchten Nadeln entsprach durchaus dem des Kalkspats. Die wiederholte Untersuchung im Polarisationsmikroskop, sowohl im parallelen als im konvergenten Lichte, zeigte in keinem Fall, auch nicht bei den größten und leichtest zu handhabenden Nadeln, irgend welche Beziehung der kristallo- ‘graphischen Orientierung zur Achse der Nadel resp. eines Hauptstrahls. Was das chemische Verhalten betrifft, so wirkt Alaun auf die Nadeln zerstörend, aber ebenso natürlich auf Calcit, der lebhaft mit Alaunlösung aufbraust. Die Wirkung der Laugen wird ver- ‚schieden dargestellt. Laut Enver zeigt der Kalkspat bei Einwirkung 13* 196 von 10—15°/, Kalilauge in 24 Stunden, auch wenn man die Wirkung der Lauge durch Kochen zu erhöhen sucht, bei der mikroskopischen Untersuchung keine Spur einer Atzung, während auf die Nadeln die Laugenwirkung eine ziemlich energische ist (p. 108), bis schließlich die ganze Nadel in eine körnige Masse zerfällt. »Es muß dem massenhaften kohlensauren Kalk eine Substanz beigemischt sein, welche die Nadelmasse für Kalilauge angreifbar macht. Das ist aber auch das einzig Sichere, was aus diesen Atzungen erschlossen werden kann« (l. c. 8. 110). Doch glaubt Esxer nicht, daß diese Substanz für sich getrennt als ein histologischer Formbestandteil in den Nadeln existiert. Laut Bürscuuı greift konzentrierte Kalilauge in der Kälte nicht nur die Kalknadeln an, sondern ebenso auch Kalk- spat. Es werden dabei sechsseitige Kristalltäfelchen gebildet, »die, so weit bis jetzt erkennbar, wohl ein Doppelsalz von CaCO; und K,COs sind, das durch Wasser sofort zersetzt wird, unter Abscheidung von CaCO, in Form von Sphären oder Rhomboedern« (1901, p. 281). Die Einwirkung von Laugen auf die Nadeln hat uns in sehr zahl- reichen Versuchen übereinstimmend ergeben, daß wohl die einheitliche Beschaffenheit der Nadel als Ganzes, als organisches Gebilde, eine Veränderung erfährt, nicht aber ihr mineralischer Bestand dabei an- gegriffen wird, sondern daß der Calcit, nur in andrer äußerer Form, erhalten bleibt. Bei Einwirkung von NaOH scheinen die Nadeln unter Erhaltung einer Scheide vom Rande her angefressen zu werden. Es entstehen dabei die Bilder, wie sie EKsnrer gezeichnet hat. Die Unregelmäßigkeit aber, die vom Rande her nach innen fortschreitend auftritt, besteht nur darin, daß jetzt zahlreiche beliebig orientierte Einzelkriställchen sich zeigen, anstatt des vorher einheitlich aus- löschenden Kalkspatindividuums. Die Einzelkriställchen zeigen aber noch durchaus die optischen und andern Eigenschaften des Kalk- spats. Manchmal bleibt auch die Anordnung noch auf eine ganze Strecke hin so gewahrt, daß sie einheitlich auslöscht. In der Achse der Nadel, wohin die Lauge am spätesten eindringt, zeigt sich das einheitliche Aufleuchten und Auslöschen am längsten erhalten, so daß es aussieht, als sei ein dünnes Calcitstiingchen mit unregelmäßig ansitzenden Rhomboedern gleichen Materials besetzt. Schließlich geht auch in der Mitte die einheitliche Orientierung verloren. Man kann sonach weniger von einer »Auflösung« der Nadel als von einer Des- aggregierung ihrer einzelnen Bestandteilchen reden, die vorher kristallo- graphisch orientiert zusammenlagen und offenbar durch eine von der Lauge angreifbare Substanz zusammengehalten wurden. Ganz ähnliche Bilder zeigen sich bei Einwirkung von 33%/, KaOH in der Kälte; auch hier erscheint die Nadel vom Rand aus ange- 197 fressen, in der Mitte homogen, und die umgelagerten Teile erweisen sich noch durchaus als Kalkspat. Der Prozeß der Desaggregierung geht hier viel langsamer; es zeigen sich ferner, wie in der Natron- lauge NaCOs, zwischen und auf den Nadeln, aber ebenso zahl- reich in der Kalilauge, die von den Nadeln entfernt liegt, Tafelkriställchen von K,CO,, die das Bild trüben. Durch Aus- waschen mit Wasser, das K,00,; sehr schnell auflöst, kann man die Nadeln wieder rein herstellen und man sieht, auch wenn die Kali- lauge vorher tagelang gewirkt hat, Nadeln, die noch auf große Strecken durchaus einheitlich und intakt sind. Ich kann also nicht an- nehmen, daß in die erwähnten Kriställchen ein Teil des kohlensauren Kalkes mit hineingeraten sei und daß sie ein Doppelsalz von KyCOs und CaCO; darstellen. Auch bei mineralischem Kalkspat kann ich keine Erfahrungen über das Auftreten eines solchen Doppelsalzes nach Einwirkung von Kali- lauge mitteilen; wenigstens erhielt ich mit Kalkspat, frischgefälltem amorphen oder älterem CO,;Ca, bei Einwirkung von Kalilauge keine andern Kriställchen als sie auch auf dem leeren Objektträger in einem Tropfen Kalilauge auftreten, nämlich Tafeln von K,COs, die sich aus der Kohlensäure der Luft mit dem Ätzkali bilden. Ahnliche kleine Einzelpartikel von kohlensaurem Kalk, wie nach Einwirkung von Laugen, zeigen sich nach stärkerem Erhitzen, sobald die Nadel mit einem härteren Knall dekrepitiert ist. Mag auch die Bräunung, die beim Erhitzen auftritt, optisch erklärbar sein und nicht die Anwesenheit organischer Substanz beweisen, so scheinen mir die andern Erscheinungen sich doch am ungezwungensten durch die Annahme einer organischen Substanz deuten zu lassen, die in feinster Verteilung, etwa als zartes Wabenwerk, sich durch die ganze Nadel ausspannt. Bei Einwirkung von Alkalien quillt diese Substanz und die einzelnen Partikel geraten dadurch aus ihrer Lage. Die Annahme einer solchen Substanz auch innerhalb der Nadel hindert nicht daran, die letztere als einheitliches Kalkspatindi- viduum zu betrachten, wie es nach der optischen Untersuchung zweifellos ist. Auch sonst kommt in der Natur der Kalkspat mit beträchtlichen fremden Beimengungen vor, ohne daß diese seine Kristallisationsfähig- keit und Form stören. Ja es gibt sogar Kalkspate, die mehr fremde Substanz (60°/, und mehr Quarz) aufweisen, als eigne und dennoch in den schönsten großen Rhomboederformen auskristallisiert sind. Von seite manches Biologen mag auch der Gedanke einer wirk- lichen Kristallbildung abgelehnt worden sein, weil man sich im Gegen- satz zum langsamen Wachstum organischer Gebilde, das Entstehen und Wachsen eines Kristalls in der Mutterlauge als einen sehr rapiden 198 Vorgang vorstellt. Gerade aber fiir den Kalkspat, der so schwer in Wasser löslich ist, trifft dies schnelle Wachstum nicht zu, und die Entstehung der Nadeln am jungen Schwämmchen erfolgt sicher schneller, wie die Bildung von Kalkspatkristallen auf anorganischem Wege. Ich sehe daher auch hier keinen Grund ein, nicht ebenso wie bei Mollusken anzunehmen, daß die Zellen, die die Form vor- zeichnen, den kohlensauren Kalk aufspeichern, daß aber seine Ab- held ein wirklicher KristallisationsprozeB ist. (gerade in den Experimenten, wie sie durch künstliches Seerweiawet möglich sind, liegt die Metode vor, die eventuelle Doppelnatur des Bildungsprozesses der Nadeln in ihre zwei Komponenten aufzulésen. Wenn man den kohlensauren Kalk ausschaltet, so muß der organische Prozeß noch wirksam sein, und umgekehrt, wenn man das organische (reschehen stört, aber die Bedingungen zur Kristallisation gibt, so muß Kalkspat als stützendes Skelett gebildet werden. Beides trifft in der Tat zu. Bei Entziehung des wirksamen Kalksalzes treten dennoch die absondernden Zellen für die Spicula in entsprechenden (Gruppen zusammen, ja es kann sogar für die Nadeln ein organisches Substrat oder Surrogat erzeugt werden (s. meine frühere Mitteilung 1904, S. 8 und Fig. 4). Dagegen werden bei Zusatz des skelett- bauenden Salzes, auch wenn bereits der organische Zusammenhalt gestört ist und die Zellen nicht mehr ihre reguläre Anordnung haben, dennoch Kalkgebilde erzeugt, die zwar eine unregelmäßige Form haben, aber dennoch alle kristallographischen Eigenschaften des Kalk- spats besitzen. (Gerade dies letztere Experiment spricht mehr als lange theoretische Erörterungen für die kristallinische Natur auch des normalen Vorgangs. (sewiß wird gerade für diese Fragen das abändernde Experiment der Weg zur Weiterforschung sein. Mit dem vorliegend Mitgeteilten ist, wie ich mir wohl bewußt bin, nur ein Anfang gemacht. Weitere Experimente der Kalkentziehung, auch an ausgebildeten Stadien, die ich bereits begonnen habe, und an andern Objekten, werden zu folgen haben. Besondere Ergebnisse dürften sich beim Ersatz der skelett- bauenden Stoffe durch andre »ähnlicher chemischer Natur« ergeben, wie es von Hergst für Echinodermenlarven versucht worden ist. Gerade die Kalkschwämme mit ihrer frühzeitigen Massenentwicklung am Skelett dürften hierzu geeignete Objekte sein. 199 Literatur. Bipper, G. P., The Skeleton and Classification of Calcareous Sponges. Proc. Roy. Soc. Vol. LXIV. 1898. BIEDERMANN, W., Untersuchungen iiber Bau und Entstehung der Mollusken- schalen. Jen. Zeitschr. f. Naturwiss. Bd. XXXVI. 1901. —— Uber die Bedeutung von Kristallisationsprozessen bei der Bildung der Skelette wirbelloser Tiere, namentlich der Molluskenschale. Zeitschr. alle. Physiol. Bd. I. 1902. BürscHui, O., Einige Beobachtungen über Kiesel- und Kalknadeln von Spongien. Zeitschr. wissensch. Zool. 69. Bd. 1901. EBNER, V. V., Uber den feineren Bau der Skeletteile der Kalkschwämme. Sitzungsber. Kais. Akad. Wissensch. I. Abt. Bd. XCV. 1887. HAECcKEL, E., Die Kalkschwämme. Monographie. Berlin 1872. Hersst, C., Über die zur Entwicklung der Seeigellarven notwendigen anorga- nischen Stoffe, ihre Rolle und ihre Vertretbarkeit. I. Die zur Entwicklung notwendigen anorganischen Stoffe. Entw.-Arch. Mech. Bd. V. 1897. —— II. Die Vertretbarkeit der notwendigen Stoffe durch andre, ähnlicher chemischer Natur. Ibid. Bd. XI. 1901. —— III. Die Rolle der notwendigen anorganischen Stoffe. Ibid. Bd. XVII. 1904. Maas, O., Uber die Ausbildung des Kanalsystems und Kalkskeletts bei jungen Syconen. Verh. Deutsch. Zool. Gesellsch. 8. Jahrg. 1898. — Die Weiterentwicklung der Syconen nach der Metamorphose. Zeitschr. f. wissensch. Zool. Bd. LXVII. 1900. —— Uber die sog. Biokristalle und die Skelettbildungen niederer Tiere. Sitzungs. Ges. Morph. und Phys. Miinchen 1900. —— Uber die Wirkung der Kalkentziehung auf die Entwicklung der Kalk- schwämme. Ibid. 1904. METSCHNIKOFF, E., Zur Entwicklungsgeschichte der Kalkschwämme. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXIV. 1874. Mincuin, E. A., Materials for a Monograph of the Ascons. I. On the Origin and Growth of ... Spicules. Quart. Journ. Micr. Sc. N. ser. Vol. XL. 1898. — Sponges. Phylum Porifera in LANKESTER: Treatise on Zoology. Part. II. London 1900. ScHuLzE, F. E., Uber den Bau ai die Entwicklung von Sycandra raphanus, Zeitschr. f. sch, Zool. Bd. XXV. 1875. — Die Metamorphose von Sycandra raphanus. Ibid. Bd. XXXI. 1878. SoLLAs, W. J., On the Physical character of Calcareous and Siliceous Sponge Ä ‘Se. Proc. Roy. Dublin Soc. N. ser. vol. IV. 1885. STEINMANN, G., Über Schalen- und Kalksteinbildung. Ber. Naturf.-Ges. Freibure. Bd. IV. 1889. — Uber die Bildungsweise des dunkeln Pigments bei Mollusken nebst Be- merkungen iiber die Entstehung von Kalkkarbonat. Ibid. Bd. XI. 1899. 200 Diskussion : Herr Prof. Bürscnuı bemerkt, dab er die von ihm und Breper- MANN beobachteten, bei der Einwirkung starker Kalilauge auf kohlen- sauren Kalk entstehenden hexagonalen Kristalltäfelchen unmöglich für K,CO, halten könne. Es sei dies durch die von beiden Be- obachtern unabhängig festgestellten Eigenschaften dieser Kristalle, speziell durch ihre Zersetzung mit Wasser, unter Abscheidung von Sphäriten oder Rhomboedern von CaCOs, sicher erwiesen. Dazu ge- selle sich, daß diese Zerstörung der Kriställchen durch Wasser, obgleich schnell, so doch keineswegs so rasch und auch nicht unter denjenigen Erscheinungen vor sich gehe, welche bei einfacher Lösung von K,CO;-Kristillchen stattfinden müßten. Er selbst habe sich ja seinerzeit schon die Frage vorgelegt, ob die Kriställchen nicht einfach K,COs; seien, dieselbe jedoch auf Grund seiner Er- fahrungen sicher zurückweisen müssen. Die Tatsache, daß häufig in einem Tropfen gewöhnlicher Kalilauge auf dem Objekttriger beim Stehen ebenfalls einige Kristalltäfelchen von ähnlichem Aussehen auf- treten (genau untersucht wurden sie jedoch von ihm nicht), scheint B. nicht dafür zu sprechen, daß die oben erwähnten Täfelchen K,ÜO; seien. (sewöhnliche Kalilauge ist jedenfalls nie ganz kalkfrei und wird daher zur Entstehung geringer Mengen des Doppelsalzes Ver- anlassung geben können. Schließlich bemerkt er noch, daß auch er die Existenz eines Achsenfadens und einer Scheide an isolierten Kalknadeln bestimmt verneinen müsse, wie schon 1901 von ihm berichtet wurde. Herr Prof. F. E. Scnurze fragt nach dem Vorkommen einer be- sonderen Nadelscheide bei diesen Anlagen der Nadeln ohne Kalk. Herr Prof. Maas: Bei meinen Kristallen habe ich keine andre Auflösungserschei- nung erhalten, als sie bei K,CO; durch Wasser geschieht, und der Kalkspat, der dann zurückbleibt, zeigt genau die vorherige Form, wie man besonders an den Nadeln konstatieren kann. Der Einwand, dab die Kalilauge durch Kalksalze verunreinigt ge- wesen sei, und deshalb sich in ihr auf dem leeren Objektträger die gleichen Kriställchen wie mit Kalkspat ergeben hätten, dürfte nicht zutreffen, denn so massenhaft wird eine Verunreinigung nicht wirken; auch haben wir mit chemisch reiner Kalilauge, wie sie zur quan- titativen Analyse benutzt wird, den Versuch wiederholt und die gleichen Kryställchen gefunden, die ich für K,CO, halten muß. Versuche, die ich gleichzeitig mit Kalkspat und Nadeln sowohl auf dem ungedeckten Objektträger wie unter dem Deckglas bei Ein- 201 wirkung von Kalilauge machte, ergaben, daß die Kriställchen am Rand des Deckglases und im Freien am zahlreichsten und größten ausgebildet waren und nach innen, wo der Kalkspat liegt, sehr schnell an Form und Zahl abnehmen. Sie folgen also in ihrer Aus- bildung der Luft, resp. der Kohlensäure und nicht dem Kalkspat. Im chemischen Institut hat Herr Prof. Hormann auf meine Bitte die Einwirkung von KOH auf frisch gefällten Kalkspat untersucht unter Ausschluß der Luft, und wird demnächst hierüber abschließende Mitteilung machen. Daß unter besonderen Bedingungen doch ein solches Doppelsalz von K und Ca entsteht, wie es auch BıspermanN neuerdings be- schreibt (1902 S. 183), kann ich nicht bestreiten. Es werden diese mineralogisch-chemischen Fragen, über die ich selbst natürlich kein unabhängiges Urteil habe, wohl noch von zu- ständiger Seite weiter besprochen werden. Mit den entwicklungs- physiologischen Ergebnissen, die ich oben und früher mitgeteilt habe, stehen sie auch nicht in direktem Zusammenhang. Was das Vorkommen einer besonderen Nadelscheide anlangt, so glaube auch ich, daß eine solche nur auf Rechnung der secernierenden Zelle zu setzen ist und der isolierten Nadel nicht zukommt. Kurzer Vortrag und Demonstration des Herrn Prof. GriirzNer (Tübingen): i Uber den Kreislauf bei Fischen. Das Herz der Fische zeigt zwei Kreisläufe hintereinander: 1) den kleinen durch die Kiemen und 2) den großen durch den Körper. Falls das Herz der Fische ebenso wie das Herz höherer Tiere d.h. lediglich durch Druck wirkte, so müßte der Blutdruck in den Kiemen- capillaren viel größer sein, als der in der Aorta und überhaupt sehr groß sein. Das Fischherz arbeitet nun aber nicht bloß als Druck-, sondern auch als Saugpumpe, indem es in einem Hohlraum mit nahezu unnachgiebigen Wänden eingeschlossen ist und jede (systolische) Ver- kleinerung des Herzens eine starke Ansaugung aus den Körpervenen zur Folge haben muß. Dieselbe macht sich gelegentlich als negativer Puls bemerkbar und setzt natürlich den Blutdruck in den Körper- gefäßen bedeutend herab. Außerordentlich fördernd auf den Kreislauf wirkt ferner die Atmungsbewegung aus ähnlichen Gründen und erzeugt ebenfalls einen, aber häufigeren Puls, als das Herz. Diese Untersuchungen wurden von dem Vortragenden und stud. med. W. Brinines angestellt. | | 1 > 202 Hierauf folgten einige geschäftliche Mitteilungen. Herr Prof. Krunzinser (Stuttgart) überbrachte der Versammlung eine Einladung zum Besuch der Entomologischen Ausstellung in Stuttgart. Herr Prof. R. Herrwic (München) regte die Errichtung eines Denkmals für TH. von SIEBOLD an und fand für seinen Vorschlag die lebhafte Zustimmung der Versammlung. Hierauf erläuterte Herr Prof. BrLocnmann (Tübingen, im einem kurzen Vortrag die von ihm auf neue Weise aufgestellten, sehr in- struktiven makroskopischen Präparate. Es folgt der Vortrag des Herrn Prof. HÄcker (Stuttgart): Über Föhn und Vogelzug. Wenn wir mit HERBERT Spencer annehmen, daß die Instinkte zweckmäßige, komplizierte Reflexe sind, so werden wir unmittelbar vor die Frage gestellt, ob auch die einzelnen Instinkthandlungen durch bestimmte äußere Reize zur Auslösung kommen und weiterhin durch solche beeinflußt werden. Seit Patmen und Weismann über die Wanderung der Vögel ge- schrieben haben, ist denn auch immer wieder die Frage erhoben worden, was veranlaßt die Vögel zum Aufbruch und wie finden sie ihren Weg? Man wurde bald dazu geführt, insbesondere dem Zu- sammenhang zwischen Vogelzug und meteorologischen Erscheinungen eine größere Aufmerksamkeit zu schenken, und namentlich ist dem Beobachter der Helgoländer Vogelwarte, H. GÄTKE, das Verdienst zuzuschreiben, den Einfluß von Windrichtung, Windstärke, Feuchtig- keitsgehalt der Atmosphäre, Nebel- und Wolkenbildung auf die Ge- staltung des Zuges genau untersucht zu haben. Wir verdanken GAtKE! vor allem die wichtige These, daß die Vögel für ihre Züge diejenigen Luftschichten wählen, welche die günstigsten Bedingungen für dieselben darbieten. | In neuerer Zeit haben sich namentlich die ungarischen, bayrischen und französischen Ornithologen um die systematische Erforschung des Vogelzugs verdient gemacht. Ihre Resultate weichen aber in wesent- lichen Punkten voneinander ab, sowohl was die Besiedelungsrichtung anbelangt, als auch hinsichtlich der Beziehungen zwischen meteorolo- gischen Verhältnissen und Vogelzug. Während in Ungarn und 1H. GÄTKE, Die Vogelwarte Helgoland. Braunschweig 1891, S. 63, 78. 203 Frankreich im allgemeinen ein siid-nérdliches, beziehungsweise siidost- nordwestliches Fortschreiten der Rauchschwalbe und des Kuckucks festgestellt wurde (Fig. 1) [Ancor?, Hneyroxy’, Herman u. a.), ergab sich für Bayern, daß die im Frühjahr ankommenden Vögel zuerst o °.0°°° OST 13.197 HIV. eh ee ZV. SIV. SIV. “iy Fig. 1. Graphische Darstellung der Ankunft der Rauchschwalbe in Frankreich in den Jahren 1881—1890 (A. ANGot). Die durchschnittlichen Ankunftsdaten sind auf den Meeresspiegel reduziert und zwar in der Weise, daß für je 100 m Höhe 1 2 Tage Verspätung angenommen wurden. die Mitte des Landes, die Gegenden nördlich der Donau bis östlich zum Böhmerwald, besiedeln und von hier aus erst in die. nordöst- 2 Vgl. Aquila, Zeitschrift für Ornithologie. Budapest. Jahrg. 6, 1899, S. 54. 3 Aquila, Jahrg. 6—9, 1899 —1902. 204 lichen und südöstlichen Gebiete vorzurücken scheinen (Fig. 2) | Parrot, (GALLENKAMP u. a.|. Und während die Ungarn für die Rauchschwalbe trübes Depressionswetter> und für den Kuckuck milde Südwinde ® als zugbegünstigende Faktoren betrachten, sprechen sich die Bayern hinsichtlich der Beeinflussuug des Vogelzugs durch meteorologische Faktoren, insbesondere durch den Wind, viel skeptischer aus. Zwischen zweien der erwähnten Beobachtungsländer, nämlich zwischen Frankreich und Bayern, bilden die südwestlichen Gebiete - 7 5 o> , 4 El u 2 4o% ? ‘ ‘ ee -nittez sel 7s 5 + .— Fig. 2. Besiedelungsschema für Bayern (GALLENKAMP). von Deutschland noch eine Lücke, in welcher ein systematisches Studium des Vogelzugs noch wenig betrieben worden ist. Ich habe seit mehr als 20 Jahren an verschiedenen Orten von Württemberg und Baden der Ankunft der Zugvögel meine Aufmerk- 4 Vol. III. Jahresbericht de Ornithologischen Vereins München für 1901 und 1902. München 1903, S. 139, 385. 5 Aquila, Jahrg. 7, 1900, 8. 390. 6 Aquila, Jahrg. 9, 1902, S. 72. 205 samkeit geschenkt und bin im Laufe dieser Zeit dazu gelangt, meine Erfahrungen in folgende drei Sätze zusammenzufassen: 1. Daß in unsern Gegenden bestimmte Vogelarten immer gleich- zeitig miteinander erscheinen, daß z. B. Rotkehlcehen (Krithacus rubeculus [L.)) und Weidenlaubvogel (Phylloscopus rufus |Becnst. |) und ebenso Gartenrotschwanz (Ruticilla phoenieura [L.)) und Fitislaubvogel (Phylloscopus trochilus [L.)) an den gleichen Tagen sich einfinden; 2. daß die betreffenden Arten in den einzelnen Jahren zu sehr verschiedenen Zeiten ankommen, so daß z. B. die ersten An- kunftsdaten von Rotkehlchen und Weidenlaubvogel in den letzten 20 Jahren zwischen dem 14. März (1885) und 14. April (1888) ge- schwankt haben; 3. daß die Ankunft der genannten Vögel und wahrscheinlich auch einiger andrer (Braunelle, Accentor modularis [L.); Hausrot- schwanz, Rutieilla tithys (L.), Gierlitz, Serinus serinus (L.) u. a.) stets bei föhniger Wetterlage erfolgt. Es war schon längst mein Wunsch gewesen, speziell diesen letzteren Punkt genauer ins Auge zu fassen. Voraussetzungen einer einwands- freien Nachuntersuchung sind: 1. Die Kenntnis der regelmäßigen Stand- und ee ea der betreffenden Vogelarten; 2. die Möglichkeit, diese Plätze in der kritischen Zeit regelmäßig in den Morgen- und womöglich auch in den Abendstunden zu be- gehen ; 3. die Möglichkeit, die aus den offiziellen meteorologischen Wetter- berichten zu EL. Daten durch Erkundigungen bei den meteorologischen Instanzen im einzelnen Fall zu ergänzen. Die Untersuchungen über die Tripyleen, von denen ich Ihnen vorhin Mitteilung machen durfte, sind die Veranlassung gewesen, daß ich in diesen Ferien stets am Platze war und die genannten Vor- bedingungen erfüllen konnte. Insbesondere war ich in der glück- lichen Lage, bei der Kgl. Württembergischen meteorologischen Zentral- station, bei der Hamburger Seewarte und bei meinem verehrten Kollegen, Herrn Professor Mack in Hohenheim, jederzeit Auskunft und ergänzende Mitteilungen zu erhalten. Ehe ich zu den in diesem Jahre erlangten Resultaten übergehe, möchte ich mir erlauben, zunächst einige Vorbemerkungen meteoro- logischer Natur zu machen. Unter Föhn im weiteren Sinn versteht man in den am Nord- rand der Alpen gelegenen Gebieten die südlichen Luftströmungen, welche aus Oberitalien über die Alpen zu uns gelangen. Diese Winde 206 haben infolge des Ubertritts über den Kamm des Gebirges einige besondere physikalische Eigenschaften, welche sich in den nördlichen (Juertälern der Alpen in besonders intensiver Weise in Gestalt des eigentlichen Föhns bemerklich machen, aber auch noch in den angrenzenden Gebieten Süddeutschlands wahrzunehmen sind. Wenn nämlich die Luftmassen an der südlichen Abdachung der Alpen in die Höhe gehen, so müssen sie, da der Druck in der Höhe abnimmt, beim Anstieg sich ausdehnen und dementsprechend Arbeit leisten, sie kühlen sich infolge dessen ab und geben einen großen Teil ihrer Fig. 3. Föhnlage A. Feuchtigkeit vor dem Passieren der Kämme in Form von Nieder- schlägen ab. Die so verhältnismäßig trocken gewordene Luft senkt sich dann in den nördlichen Quertälern der Alpen herab, wobei sie sich stark erwärmt und demnach als trockene, warme Luft m besonderem Maße eine auftauende, schneeschmelzende Wirkung aus- übt. In den mehr nördlich gelegenen Gebieten bis in das mittlere Baden und Württemberg ist für diese südlichen Luftströmungen charak- teristisch, daß sie infolge ihrer anfänglichen Trockenheit ein oder zwei Tage lang klares, warmes Wetter mit sich bringen. Es gibt nun eine ganze Anzahl von Wetterlagen, welche in den (Gegenden nördlich der Alpen das Auftreten von föhnigen Luft- strömungen herbeiführen. So entstehen vorzugsweise Föhnlagen in folgenden Fällen: \ } i / 207 A. Wenn ein vom Westen kommender und südlich über die Alpen hinübergreifender Hochdruck über unsre Gegend zieht und gleich- zeitig im Westen oder Nordwesten Niederdruck herrscht. In diesem Falle werden, während der westliche Rand des Hochdrucks über unsre Gegenden hinwegzieht, südliche Winde bei uns wehen (Fig. 3). B. Wenn bei relativ stationärer. Druckverteilung ein im Osten oder Südosten gelegener Hochdruck eine rasche Steigerung erfährt. In diesem Falle werden die entstehenden Ausgleichströmungen in unsern Gegenden als südliche Winde auftreten (Fig. 4). Fig. 4. Föhnlage B. C. Wenn ein über die Alpen greifender Niederdruck vom Westen her über unsre Gegend zieht. In diesem Fall werden, während der vordere oder östliche Rand der Depression unsre Gegenden passiert, südliche Winde wehen (Fig. 5). In diesem Jahre (1904) ergaben sich folgende Verhältnisse: Nach trübem, zum Teil regnerischen, windigem Wetter zog in der Zeit vom 19. bis 20. März ein Hochdruck über unsre Gegend (Föhnlage A, Fig. 3)”. Am Morgen des 20. März herrschte infolge- =. 7 Die Wetterprognose der K. Wiirtt. Meteorologischen Zentralstation fiir den 20. März lautete: »Nach dem Aufkommen von Hochdruck in Mitteleuropa | Nabe sich dieser auch über Italien ausbreiten (d. h. über die Alpen hinübergreifen), was in Wechselwirkung mit dem im Westen stehenden Nieder- = _ druck bei uns eine etwas föhnige Luftströmung zur Folge haben wird.« 208 dessen in Stuttgart fohniges Frühlingswetter mit Falterflug. Zum ersten Male beobachtet wurden: em Exemplar des Weidenlaub- vogels und einzelne Hausrotschwänze. Zu den als Standvögel überwinterten Individuen waren eine ganze Anzahl von Rotkehlchen hinzugekommen und ließen ihren Frühlingsgesang hören. Offenbar war aber diese föhnige Strömung zu schwach, um den Vogelzug zu voller Entwicklung zu bringen. Die nächsten Tage brachten verschiedene Störungen der Witterung und es war zunächst kein Fortgang in der Ankunft der Vögel wahrzunehmen. Fig. 5. Föhnlage ©. In der Zeit vom 24. bis 25. März trat bei sonst ziemlich statio- nären Druckverhältnissen eine sehr rasche und beträchtliche Steigerung des im Südosten gelegenen Hochdrucks ein’, wodurch während der Nacht vorübergehende föhnige Strömungen in unsern Gegenden ent- standen sein dürften (Föhnlage B, Fig. 4). Am Morgen des 25. be- obachtete ich denn auch einige weitere Exemplare des Weidenlaub- vogels, ferner zum ersten Male Braunellen und feuerköpfige Goldhähnchen. Nun trat wieder eine längere Pause ein, während welcher in unsern Gegenden vorwiegend westliche Winde mit kühlem nordwest- lichen Einschlag wehten, und erst gegen die Mitte des April > Im südöstlichen Ungarn stieg in dieser Zeit der Hochdruck von 760 auf 770. 209 wurde infolge des Voriiberziehens eines Hochdrucks aufs neue eine fohnige Lage geschaffen (Föhnlage A, Fig. 3). Schon am 11. April wurden aus der Schweiz und Italien (Florenz, Lugano, Genf) siidliche Luftströmungen gemeldet? und damit darf es wohl in Zusammenhang gebracht werden, daß am Morgen des 12. April die Ankunft der ersten Gartenrotschwänze, Fitislaubvögel und Gierlitze be- obachtet werden konnte. Vom Abend des 12. April an kam die eigentliche Föhnstimmung zur Wirkung, indem der westliche Rand des Hochdrucks unser Gebiet passierte 1°. Am Morgen des 13. April notierte ich denn die Ankunft einer Anzahl von schwarzköpfigen Grasmücken, sowie eine vermehrte Anzahl von Fitislaubvögeln, am 14. April abermals mehrere Fitislaubvögel und Gartenrot- schwänze an solchen Plätzen, wo sie bisher noch nicht beobachtet worden waren. Die ganz überwiegend südlichen Winde, welche am 14. und 15. April fortdauerten, waren wohl auch die Veranlassung, daß am 16. April in unsern Gegenden der erste Kuckuck und in einer außergewöhnlich frühen Weise, der erste Waldlaubvogel (Phylloscopus sibilator |Becusrt.]) beobachtet werden konnte. Ich will zum Schluß noch ein Beispiel anführen, welches die Wir- kung der Föhnlage C (Fig. 5) illustrieren soll. Am 28. März 1900 notierte ich in Freiburg i. Brsg.: »nachdem wochenlang rauhes Wetter, zum Teil mit Schneewetter, geherrscht hatte, heute früh erstes Rufen des Weidenlaubvogels, verstärkter Rotkehlchengesang, zwei Braunellen gesehen«. Der Münchener Wetterbericht meldete wörtlich: »Heute Nacht zog ein barometrisches Minimum über unser Gebiet. « Ich besitze aus früheren Jahren noch zahlreiche Notizen, welche auf den Zusammenhang zwischen Föhnlage und Vogelzug hinweisen, ich glaube aber auf die Wiedergabe derselben verzichten zu dürfen und möchte nur als das tatsächliche Ergebnis meiner Beobachtungen den Satz aufstellen, daß in unsern Gegenden (südliches Baden, mittleres Württemberg) die Ankunft gewisser Zugvögel (Weiden- laubvogel, Fitislaubvogel, Rotkehlchen, Gartenrotschwanz, wahrschein- lich auch Hausrotschwanz, Braunelle’ und einige andre) mit föhniger Witterung zusammentrifft. Als Hypothese füge ich hinzu, daß für die genannten Vögel der Föhn den Reiz oder das Signal zum Aufbruch aus 9 Vgl. Wetterbericht der Deutschen Seewarte vom 12. April. 10 Wetterprognose der Württ. Zentralstation für den 13. April: »Der Hoch- druck ist nach Böhmen und Thüringen gewandert, was bei uns eine südöst- liche bis südliche Luftströmung zur Folge haben wird.« Verhandl. d. Deutsch. Zool. Gesellschaft. 1904. 14 210 Oberitalien und das Vehikel beim Passieren der Alpen- kämme bildet!4 (regen diese Resultate lassen sich eine Reihe von Einwänden er- heben: Ka | 1. Man könnte sagen, die Vögel sind bereits vorher unbemerkt dagewesen und sind erst durch das vom Föhn gewöhnlich herbei- geführte mildere, frühlingsmäßige Wetter zu größerer Munterkeit und zum Singen veranlaßt worden. Ich gebe gern zu, daß bei rauhem Wetter die Vögel sich im allgemeinen dem Auge und Ohr mehr entziehen, als bei warmer Luft und Sonnenschein. Wenn man aber mit der bewußten Absicht, sie aufzufinden, die beliebten Standplätze regelmäßig absucht, so ist es nahezu unmöglich, so häufige und wenig scheue Arten, wie z. B. Rot- kehlchen und Weidenlaubvögel, zu übersehen. Ich darf wohl hinzu- fügen, daß ich in zwei aufeinanderfolgenden Frühjahren (1902 und 1903) an der Riviera Levante mehrere der in Betracht kommenden Arten (Fitislaubvogel, Waldlaubvogel, Gartenrotschwanz, gelbköpfiges (soldhähnchen, Halsbandfliegenfänger) auf dem Durchzug feststellen konnte, ohne daß sich dieselben durch Laute verrieten. Insbesondere hatte ich Anfang April 1902 Gelegenheit, auf der Vogelwarte von Sestri Levante, auf der Villa Piuma, zahlreiche Laubvögel zu. be- obachten, welche bei Schirokkowetter, gleichzeitig mit einem großen Schwarm afrikanischer hellfarbiger Distelfalter (Vanessa cardu:r), an- sekommen waren und nun vollkommen lautlos zwischen den Zweigen der Öl- und Obstbäume herumschlüpften !2. Ich glaube also nicht, daß bezüglich der Ankunft der in Frage stehenden Arten so erhebliche Beobachtungsfehler entstehen können, daß dadurch das Gesamtresultat wesentlich beeinflußt würde. 2. Man könnte fragen, ob nicht doch vielleicht die Mehrzahl der aus dem Süden kommenden Vögel in den Alpen ein zu großes Hinder- 11 Vol. auch H. E. ZIEGLER, Die Geschwindigkeit der Brieftauben. Zool. Jahrb. (Syst. Abt.), 10. Bd., 1897, S. 238, Anm. 1: »Der Instinkt eines Vogels kann so angepaßt sein, daß der Vogel die Wanderung bei derjenigen Witterung unternimmt, welche die Begleiterscheinung des günstigen Windes ist.« 2 Eine Anzahl von Vögeln, insbesondere auch die Laubvögel, scheinen an der Riviera, soviel ich bisher beobachten konnte, hauptsächlich bei Schirokko- Wetter, also bei südlichen Winden, einzutreffen. Man könnte sich also vielleicht denken, daß die betreffenden Arten mit Schirokko in Oberitalien anlangen und auf dieser Etappe auf das Eintreffen von Föhnstimmung warten, um sich nun über die Kämme der Alpen bis in die südlichen Partien von Baden und die mittleren Partien von Württemberg und Bayern tragen zu lassen. Von hier aus ist die Weiterwanderung möglicherweise wenig abhängig von bestimmten Luftströmungen, da sie, jedenfalls bei einzelnen Vögeln, mehr den Charakter eines allmählichen Vorrückens hat. TEE A a 211 nis findet und daher auf Umwegen, von Südosten und Südwesten her, bei uns eintrifft? Diesen Bedenken gegenüber ist daran zu erinnern, in welchen Massen sich viele unsrer Singvögel während des Frühlingszuges am Siidabhang der Alpen einfinden 3, und ferner daran, dab selbst so empfindliche Arten, wie die Sänger-Grasmücke (Sylva orphea 'TEmM.), zuweilen auf dem Gotthardpasse als Zugvogel beobachtet werden '*. 3. Man könnte gegen die Richtigkeit meiner Beobachtungen und Schlüsse die bestimmt lautenden Angaben der bayrischen Ornithologen ins Feld führen, wonach die Besiedelung Bayerns nicht vom Süden, sondern von der Mitte des Landes aus ihren Anfang nimmt. Ich möchte glauben, daß sich die beiderseitigen Angaben sehr gut miteinander in Einklang bringen lassen. Wenn jemand in einem reißenden Strome in einem kleinen Boote fährt, so wird er zum An- landen nicht solche Stellen wählen, an denen das Wasser wild gegen das Ufer brandet, sondern er wird seitliche Arme und Buchten mit ruhiger fließendem Wasser aufsuchen. So möchte ich glauben, dab auch die Vögel, wenn sie den Föhn als Transportmittel benutzen, nicht da anlanden, wo der Föhn noch mit voller Gewalt von den Bergen herunterstürzt, sondern da, wo er als milder Südwind all- mählich abflaut und seine treibende Wirkung ein Ende nimmt. Ich schließe damit meine Mitteilung, welche, wie ich sehr wohl weiß, keine abschließenden Resultate enthält, sondern nur eine An- regung, einen selbständigen Vorstoß in dieses vielseitige Gebiet dar- stellen soll. Diskussion: Herr Prof. Zmeter (Jena): Vor Jahren machte ich eine Untersuchung über die Geschwindig- keit der Brieftauben, welche den Zusammenhang zwischen der Flug- geschwindigkeit und der meteorologischen Konstellation, wie sie aus den Karten der Seewarte zu ersehen ist, auf das deutlichste zeigte!. Diese Untersuchung hatte den Zweck eine Vorarbeit fiir Studien über den Vogelzug zu bilden. Es ist sehr interressant, daß der Föhn einen solchen Einfluß auf den Vogelzug hat, wie dies Prof. Hacker zeigte. Eine weitere Klarlegung des ganzen Vogelzugs wäre am meisten davon zu ‘erwarten, daß man, in Italien das 13 Vgl. die Angaben über den Massenfang der Pieper (Anthus) bei Como und Mailand. Naumann, Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas. Neue Bear- beitung. III. Bd. S. 93. 14 Ebenda II. Bd. S. 145. 1 Zoolog. Jahrbücher, Syst. Abth. 10. Bd. 1897. 14* 212 Eintreffen der Zugvögel an den Fangstellen mit den meteorologischen Berichten vergleichen, und außerdem eine Anzahl Vögel mit Zeichen versehen und wieder fliegen lassen würde. Es folgte ein kurzer Vortrag des Herrn Prof. Cuun (Leipzig) zur Erläuterung seiner Demonstration über das Borstenkleid der Cephalopoden (vgl. bei Demonstrationen 8. 243). Vortrag des Herrn Dr. BressLau (Straßburg): Zur Entwicklung des Beutels der Marsupialier. In einer vor 21/, Jahren erschienenen Arbeit! über die Ent- wicklung der Mammarorgane bei den Beuteltieren habe ich unter anderm zum ersten Male auf höchst merkwürdige Erscheinungen auf- merksam gemacht, von denen die Entwicklung des Beutels beim Opossum (Didelphys marsupials L.) begleitet ist. Ich konnte zeigen, daß hier der Beutel nicht als eine einheitliche Bildung sich ent- wickelt, sondern durch Verschmelzung einer Anzahl kleinerer Taschen entsteht, die ich als Marsupialtaschen bezeichnete. Diese Marsupial- taschen, die zuerst als solide ringleistenförmige Wucherungen der Epidermis im Umkreise einer jeden primären Mammaranlage auftreten, stellen bei Didelphys marsupialis keine dauernden Bildungen dar, sondern verstreichen unmittelbar nach ihrer Entstehung, indem das von ihnen eingenommene Areal der Bauchhaut zur Innenfläche des Beutels wird. Nur ihre lateralen Ränder bleiben erhalten und gehen, indem sie zusamımenfließen, unmittelbar in die Beutelfalten über. Meine Darstellung dieser Verhältnisse gründete sich damals ledig- lich auf die Untersuchung von Schnittserien durch die Bauchhaut einer Anzahl von Beuteljungen verschiedener Stadien von Didelphys marsupialis. Bei einem 4,4 cm langen Beuteljungen fand ich auf den Schnitten sehr merkwürdige zapfenartige Wucherungen der Epidermis, die sich als solide Leisten fast durch die ganze Serie hindurch ver- folgen ließen. Ihre auf Grund sorgfältiger Zeichnungen vorgenommene Kombination ergab das überraschende Bild der Beutelanlage, das ich in Fig. 15 reproduziert habe. Eine Auswahl der dazu gehörigen Schnitte stellt Fig. la dar. Fig. 2a und b, die von einem etwas älteren, 5,5 cm langen Beuteljungen stammen, zeigen, wie sich durch 1 BressLau, E., Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Mammarorgane bei den Beuteltieren. In: Zeitschr. f. Morph. und Anthrop. Bd. IV. 1902. S. 261 bis 317. Taf. 10 u. 11. Fig. 1. a Querschnitte durch die Beutelanlage eines 4,4 cm langen Beuteljungen von Didelphys marsupialis. b Rekonstruktion dieser Beutelanlage auf Grund der ganzen Querschnittserie. Die Schnittlinien korrespondieren mit den entsprechenden Schnitten von a. ma 1—13 Mammaranlage 1—13. mal pig? Fig. 2. a Querschnitte durch die Beutelanlage eines 5,1 cm langen Beuteljungen von Didelphys marsupialis. b Rekonstruktion dieser Beutelanlage auf Grund der ganzen Querschnittserie. ma 1, 2,5 Mammaranlage 1, 2, 5. 214 einen die Aushöhlung der Epidermiszapfen herbeiführenden Ver- hornungsprozeß aus dieser soliden Anlage der Beutel entwickelt. Auf Grund dieser und der an den andern von mir untersuchten Beuteljungen gemachten Befunde hielt ich mich zur Aufstellung der oben von mir skizzierten Theorie über die Entstehung des Beutels für berechtigt, obwohl ich die Marsupialtaschen selbst nicht direkt beobachtet, sondern ihr Auftreten nur aus meinen Rekonstruktionen erschlossen hatte. Indessen hat sich, von zwei kurzen Aufsätzen von Warrer? und OArısson3 abgesehen, soweit mir bekannt, nur WIEDERS- neım* meiner Ansicht angeschlossen. W. Krausz® dagegen verhält sich zu ihr in dem von ihm für O. Hrrrwıcs Handbuch der Ent- wicklungslehre bearbeiteten Kapitel über die Entwicklung der Haut ablehnend, wenn ich seine außerordentlich unklare Darstellung richtig verstehe, und auch Weser® steht in seiner soeben erschienenen großen Säugetiermonographie der Deutung meiner Befunde skeptisch gegenüber. Mir selbst war es schon seit langem erwünscht, die Frage der Beutelentstehung an einem reicheren Material nochmals nachunter- suchen und dabei die von mir beobachteten Verhältnisse in noch überzeugenderer Weise zur Darstellung bringen zu können, als es in meiner ersten Arbeit geschehen war. Herr Prof. GorTTE hatte daher die Freundlichkeit, auf meine Bitte hin eine größere Anzahl Beutel- junge von Didelphys marsupialis, die uns bei günstiger Gelegenheit zum Kaufe angeboten wurden, für unser Institut zu erwerben. Es waren im ganzen 42 Beuteljunge aller Stadien von 3—10 cm Länge (mit einem Faden längs der Mittellinie des Rückens von der Schnauzen- 2 WALTER, H. E., On transitory epithelial structures associated with the mam- mary apparatus in man. In: Anatom. Anz. Bd. 22. 1903. 8. 97—111. 3 CARLSSON, ALBERTINA, Beiträge zur Anatomie der Marsupialregion bei den Beuteltieren. In: Zool. Jahrb., Abt. f. Anat. Bd. 18. 1903. S. 489—506. Taf. 45 und 46. 4 WIEDERSHEIM, R., Der Bau des Menschen als Zeugnis für seine Vergangen- heit. III. Aufl. Tübingen 1902. S. 26. 5 KrausE, W., Die Entwickelung der Haut und ihrer Nebenorgane. In: O. Hertrwic, Handbuch der vergl. u. exper. Entwickelungslehre der Wirbeltiere. Lief. 6—8. 1902. S. 317—328. Daß Krause u. a. meine Untersuchungen über Didelphys in dem Abschnitt über die Monotremen anführt, hat soeben schon EGGELING (Anatom. Anz. Bd. 24. 1904. S. 603) notiert. Wenn Krause ferner angibt, daß ich die Annahmen KraArTscHs, die Milchhügel »wären Anlagen von Mammartaschen und die Milchleiste selbst das Rudiment eines Beutels, wie der der Beuteltiere, bei Placentaliern« akzeptiert hätte, so behauptet er damit un- gr das Geparitdn von dem, was ich in meinen Wwebeiteli ausgeführt ati 6 WEBER, M., Die Säugetiere. Jena 1904. S. 333. U. ‚394. 215 spitze bis zur Schwanzwurzel gemessen); sie stammten aus Sta. Catha- rina in Brasilien. Es war meine Absicht an diesem Material die Entwicklung des Beutels mit Hilfe von Schnitten zu studieren, die durch die Haut des Abdomens parallel zur Bauchoberfläche geführt werden sollten. Aus solchen Flächenschnitten mußten sich ohne weiteres klare Bilder über die Lage und Anordnung der Marsupialtaschen gewinnen lassen. Als ich jedoch die excidierten, gefärbten und aufgehellten Bauchhaut- stücke vor dem Schneiden unter dem Mikroskop betrachtete, stellte es sich zu meiner Überraschung als vollkommen überflüssig heraus, sie in Schnitte zu zerlegen; vielmehr zeigte es sich, daß die ganze Beutel- entwicklung sich an der Hand der Totalpräparate auf das schönste verfolgen ließ. Daß ich bei meiner ersten Arbeit diese so überaus klaren Bilder übersehen konnte, dürfte fast unbegreiflich erscheinen. Doch erklärt sich dies daraus, daß ich damals — zu Beginn meiner Untersuchung — noch nichts von der eigentümlichen Art der Beutel- entstehung ahnte und daher die aufgehellten Bauchhautstücke vor dem Schneiden nur einer flüchtigen Betrachtung unter der Lupe unterwarf. Immerhin hätte ihre eingehende Untersuchung vor der Mikrotomierung mir damals viel Zeit und Mühe sparen können. Er- freulich ist nur, wie ausgezeichnet jetzt die Totalpräparate meine früheren Rekonstruktionen bestätigen. Ich möchte Ihnen dies nunmehr an der Hand von Mikrophoto- grammen, die ich bei durchfallendem Licht und acht- bis achtzehn- facher Vergrößerung von den in Kanada-Balsam eingeschlossenen Bauchhautstücken aufgenommen habe, vor Augen führen. Die Prä- parate selbst sind gleichzeitig im Demonstrationssaal zur Besichtigung aufgestellt. Fig. 3 zeigt Ihnen den caudalen Bauchhautabschnitt eines 3,05 cm langen Beuteljungen, dessen Excision bei der Kleinheit des Tieres leider insofern nicht vollständig gelang, als bei der Lostrennung des Stückes drei Mammaranlagen (2 rechts, 1 links) caudalwärts von ihm abgeschnitten wurden. Immerhin erkennt man aufs deutlichste, daß hier noch keine Spur einer Beutelanlage vorhanden ist. Von den ‘drei dunklen Längsstreifen, die das Stück durchziehen, entspricht der mittlere der Medianlinie des Bauches (Linea alba), während die beiden lateralen Streifen den Verlauf von Blutgefäßstämmen andeuten, die die Bauchhaut in der Längsrichtung der späteren Beutelfalten durch- ziehen, wie ich dies schon in meiner früheren Arbeit (1 8. 265, 275) beschrieben habe. Das excidierte Stück zeigt elf Mammaranlagen, eine zentrale, vier rechte, und sechs linke, die sich sämtlich auf dem kolbenförmigen Stadium befinden (vgl. die Schnitte in den Fig. 1, 2 216 und 12) und daher in der Durchsicht als kreisförmige dunkle Flecken erscheinen. Besondere Beachtung verdient, daß sich linkerseits an der durch ein + bezeichneten Stelle zwei Mammaranlagen neben- einander finden, eine Art der Hyperthelie, die mir eine wichtige phylogenetische Bedeutung zu besitzen scheint, und auf die ich bei späterer Gelegenheit zurückzukommen haben werde. Fig. 4 stammt von einem 3,65 cm langen Beuteljungen, bei dem die Excision des caudalen Bauchhautabschnittes vollständig gelungen ist. Man erkennt auch hier die durch die Linea alba und die lateralen Blutgefäßstämme hervorgerufenen drei dunklen Längsstreifen und die Fig. 3. Caudaler Abschnitt der Bauch- Fig. 4. Caudaler Abschnitt der Bauch- haut eines 3,05 cm langen Beuteljungen haut eines 3,65 cm langen Beutel- von Didelphys marsupialis. An der jungen von Didelphys marsupialis. durch ein + bezeichneten Stelle eine Vergr. 18 mal. überzählise Mammaranlage. , Vergr. 18mal. als dunkle kreisförmige Flecken erscheinenden Mammaranlagen, 13 an der Zahl, jederseits 6 und 1 mediane (6--1—6). Wie auch schon in Fig. 3 zu erkennen war, sind von diesen Mammaranlagen die cranialen bedeutend schwächer ausgebildet, als die caudalen. Es hängt dies damit zusammen, daß die ersteren in ihrem Vorkommen keineswegs konstant sind, sondern häufig vollkommen rudimentär werden. Diese Rückbildung kann so weit gehen, daß außer der zen- tralen Anlage nur die zwei caudalen Mammaranlagenpaare zur voll- ständigen Ausbildung gelangen, so daß man alsdann beim erwachsenen Weibchen nur fünf Zitzen antrifft, wie dies Tuomas’ in einem Falle gefunden hat. Bei den von mir untersuchten erwachsenen Weibchen war die Rückbildung nie soweit vorgeschritten, die Minimalzahl der 7 THomas, O., Catalogue of the Marsupialia and Monotremata in the collection of the British Museum. London 1888. S. 326. 217 Zitzen, die ich antraf (zweimal unter drei Weibchen), war sieben. — Von einer Beutelanlage ist in Fig. 4 noch nichts Sicheres zu erkennen. Man sieht zwar, daß die Umgebung der drei caudalen Mammaran- lagenpaare dunkler erscheint als die der cranialen, was möglicherweise auf die ersten Anfänge der Beutelbildung bezogen werden könnte. Genaueres darüber auszusagen wird jedoch erst nach Zerlegung des Präparates in Schnitte möglich sein’. Mit größter Klarheit läßt dagegen Fig. 5 die Art der Beutel- entstehung erkennen. Das dieser Mikrophotographie zugrunde liegende Präparat stammt von einem 4,4 cm langen Beuteljungen, also von einem Exemplar, das in seiner Größe genau mit dem Beuteljungen überein- stimmt, von dem die Schnitte und die Rekonstruktion der Fig. 1 herrühren. Die Bauchhaut des. Beuteljungen zeigte bei Betrachtung unter der Lupe im auf- fallenden Licht noch keinerlei Spuren eines Beutels. Sie erwies sich vielmehr in ihrem caudalen Abschnitt, abgesehen von 11 (5—1—5) kleinen, weißlich er- scheinenden Erhebungen, die den Mam- maranlagen entsprachen, als vollkommen glatt; keinerlei äußerlich erkennbare Fal- | tenbildungen deuteten auf die Anlage ig. 5. Caudaler Bauchhaut- des Beutels hin. Diese zeigte sich viel- abschnitt eines 4,4 cm langen mehr erst bei mikroskopischer Betrach- Beuteljungen von Dudelphys | =. 7 marsupialis. Anlage der Mar- tung des excidierten, gefärbten und auf- supialtaschen. Vergr. 18 mal. gehellten Bauchhautstückes, und zwar genau so, wie ich es seinerzeit in meiner ersten Arbeit (vgl. Fig. 15) beschrieben hatte. Was ich dort durch Kombination der Schnitte erschlossen hatte, das bringt hier das Totalpräparat klar zur An- schauung und zwar, wie Sie sich an diesem selbst überzeugen können, noch schärfer als es die Photographie erkennen läßt, die, wie ich übrigens nebenbei bemerken möchte, die fraglichen Verhältnisse ohne jede Retusche wiedergibt. Wir sehen hier die drei caudalen 8 Anmerkung bei der Korrektur: Ich habe das betr. Bauchhautstück inzwischen geschnitten. Dabei ergab sich, daß in der Tat hier die Marsupialtaschenbildung bereits begonnen hat. Die Schnitte zeigen nämlich, daß im Umkreise der drei caudalen Mammaranlagenpaare die den Marsupialtaschen entsprechenden ring- leistenformigen Wucherungen der Epidermis bereits angelegt sind, ähnlich, — wenn auch bedeutend schwächer —, wie dies in Schnitt b der Fig. 12 zu er- kennen ist. 218 Mammaranlagenpaare bereits von den vollkommen ringförmig ge- schlossenen Anlagen der Marsupialtaschen umgeben, während im Umkreise der zentralen Anlage und des vierten Mammaranlagenpaares (von caudalwärts an gerechnet) die Marsupialtaschen erst in Ausbildung begriffen sind. Auch von den Marsupialtaschen, die das am meisten cranialwärts gelegene Mammaranlagenpaar später umgeben, sind auf dem Präparat bereits die ersten Spuren sichtbar, jedoch auf der Photographie nicht zu erkennen. Fig. 6 stellt im wesentlichen den gleichen Befund von einem 4,6 cm langen, etwas älteren Beuteljungen dar. Hier war schon bei der äußerlichen Betrachtung des in Frage kommenden Bauch- hautabschnittes im auffallenden Licht der Beginn der Beutelbil- dung daran zu erkennen, daß die 13 (6—1—6) Mammaranlagen von einer allerdings ganz seichten, huf- eisenförmig gebogenen Falte um- geben waren, die sich cranialwirts öffnete und etwa in der Hohe des fünften Mammaranlagenpaares all- mählich schwächer werdend endigte. Dementsprechend zeigte die mikro- skopische Untersuchung des Präpa- rates, daß sich hier die lateralen Ränder der Marsupialtaschen deut- licher als bei dem der Fig.5 zu- Fig. 6. Caudaler Abschnitt der Bauch- Stunde liegenden Beuteljungen zu haut eines 4,6 cm langen Beuteljungen einheitlichen Leisten, eben den An- von Didelphys marsupialis. Die late- lagen der Beutelfalten, zusammen- ralen Ränder der Marsupialtaschen : sind zu den Beutelfalten verschmolzen. geschlossen haben, und daß in Vergr. 16mal. ihnen der Verhornungsprozeß, der allmählich zur Aushöhlung der die Marsupialtaschenanlagen bildenden soliden Epidermisleisten führt, bereits seinen Anfang genommen hat. Den ersten Erfolg dieses Verhornungsprozesses, den ich in meiner früheren Arbeit an der Hand von Schnitten ausführlich beschrieben habe (! 8. 271—278), zeigt Fig. 7. Die Verhornung hat überall in den bis dahin soliden Epidermisringwucherungen der Marsupialtaschen Platz gegriffen, und es ist stellenweise durch Ausfallen der Horn- pfröpfe bereits zu ihrer Aushöhlung und damit zu richtiger Falten- bildung gekommen. Am weitesten ist dieser Prozeß in den miteinander 219 verschmolzenen lateralen Rändern der Marsupialtaschen vorgeschritten, und es sind daher hier mit einem Schlage aus den bis dahin soliden Epidermisleisten die tiefen Beutelfalten entstanden, die denn auch schon makroskopisch bei dem 4,8 cm langen Beuteljungen, von dem das der Fig. 7 zugrunde liegende Präparat stammt, sofort zu erkennen waren. Aber auch anderweit hat nunmehr im Zusammenhang mit der Aushöhlung der Epidermisleisten die Bildung richtiger Taschen begonnen, wie z. B. die doppelten Konturen an der durch ein + bezeichneten Stelle in Fig. 7 beweisen. Die in Fig. 8 dargestellten Schemata erläutern dies noch näher: es ist klar, daß wenn die Fig. 8. Schemata zur Veranschau- lichung des Aushöhlungsprozesses i é in den Epidermisleisten der Beu- Ki. 1, Candler Absit der BauchntGaanage, a Zustand vo, nach : : 6 g. 2 phys marsupialis. Beutelfalten ausgehöhlt. es Br dal ; ; 4 Z, und Z3 durch die Aushöhlung Weitere Seren pene im Text. Vergr. auseinanderrückende Epidermis- zapfen. einheitliche Epidermiswucherung in Fig. 8a, deren zwei basale Zapfen Z, und Z, durch das unmittelbare Aneinandergrenzen zweier Marsupial- taschen veranlaßt werden, infolge Ausfallens des Hornpfropfes hp aus- gehöhlt wird, nunmehr entsprechend den jetzt voneinander getrennten Zapfen Z und Z, (Fig. 8b) zwei Konturen sichtbar werden müssen. Die Schemata der Fig. 8 zeigen aber weiter, daß durch die Aus- höhlung der soliden Epidermisleisten und durch das Auseinander- weichen und allmähliche Verstreichen der dadurch entstandenen Falten eine bedeutende Vergrößerung des Beutelareals zustande kommen muß. Dies ergibt sich denn auch aus Fig. 9, die die Beutelanlage eines 5,5 cm langen Beuteljungen darstellt, aufs deutlichste. Be- sonders gut ist dies aus der Lage der beiden caudalen Marsupial- 220 taschen zu erkennen. Während diese bis dahin unmittelbar aneinander- ‚stießen (Fig. 5— 7), sind die Reste ihrer soliden Anlagen (entsprechend den Zapfen Z, und Z, in Fig. 8b) nunmehr weit auseinander zu liegen gekommen, womit sich gleichzeitig natürlich auch die Entfernung zwischen den dazugehörigen Mammaranlagen beträchtlich gesteigert hat. Das Präparat der Fig. 9: verdient aber noch aus einem andern Grunde besondere Beachtung. Man erkennt nämlich, daß nunmehr auch die zu den cranialen Mammaranlagen gehörigen Marsupial- taschen, von denen auf den bisherigen Präparaten immer nur Spuren zu erkennen waren, vollständig zur Ausbildung gelangt sind. Diese Marsupialtaschen nehmen aber nicht, wie ich in meiner früheren Arbeit aus den Schnitten irrtümlich rekonstruiert hatte (vgl. Fig. 25), an der Beutelbil- dung mit Teil, sondern sind innerhalb der Beutelfalten gelegen, ohne daß ihre lateralen Ränder irgend welche Bezie- hungen zu diesen hätten. Es erscheint dies auch nicht weiter verwunderlich, wenn man sich erinnert, daß, wie ich schon oben ausgeführt habe, die cra- nialen Mammaranlagen und demgemäß auch die dazu gehörigen Marsupial- taschen in Rückbildung begriffen und in ihrem Vorkommen inkonstant sind. Fig. 9. Caudaler Bauchhautab- Es gilt dies in erster Linie für das ne Son Pip oe SLR EN fünfte und sechste Paar (von caudal- teljungen von Didelphys marsu- pialis. Vergr. 12mal. wärts an gerechnet), wie auch schon daraus hervorgeht, daß das letztere bei den Beuteljungen der Fig. 5, 7 und 9 überhaupt nicht einmal zur Anlage gekommen, oder falls es angelegt wurde, schon in diesen frühen Stadien wieder verschwunden ist. Aber auch das vierte Mammaranlagenpaar scheint, — wofür auch die verhältnismäßige Häufigkeit des Vorkommens von nur sieben Zitzen beim erwachsenen Weibchen spricht —, schon in seiner Anlage den Stempel der Rück- bildung mit sich zu tragen, da seine Marsupialtaschen nicht mit an der Beutelbildung teilnehmen, was man bei aufmerksamer Betrach- tung auch schon aus Fig. 5 erkennen kann. Es ist dies der einzige Punkt, in dem meine Rekonstruktionsergebnisse einer Modifikation bedürfen: nicht alle, sondern nur die drei caudalen Marsupial- taschenpaare stellen bei Didelphys marsupialis durch’ Verschmel- zung ihrer lateralen Ränder die Beutelfalten her. 221 Nachdem in dem Stadium der Fig. 9 die Entfaltung der Marsupial- taschen ihren Höhepunkt erreicht hat, beginnt nunmehr ibre Rück- bildung, die schließlich zu ihrem vollständigen Verschwinden führt. Der Prozeß, der sich dabei abspielt, ist außerordentlich einfach. Die Falten, die durch Aushöhlung der ursprünglich soliden, die An- lagen der Marsupialtaschen darstellenden Epidermisleisten entstanden waren (s. Fig. 8a und 5), verstreichen allmählich unter weiterer Ver- größerung des Beutelareals, und auch in den dadurch weit auseinander- gerückten Resten jener Epidermisleisten, die den Zapfen Z, und Z, der Fig. 85 entsprechen, beginnt nunmehr der zu ihrer vollständigen Fig. 10. Caudaler Abschnitt der Fig. 11. Caudaler Abschnitt der Bauchhaut eines 6,4 cm langen Beu- Bauchhaut eines 8,7 cm langen Beu- teljungen von Didelphys marsupialis. teljungen von Didelphys marsupialıs. Verstreichen der Marsupialtaschen. Marsupialtaschen verschwunden. Ver- Vergr. 10 mal. erdBerung 8mal. Aushöhlung führende Verhornungsprozeß. So entsteht das Bild, wie es Fig. 10, von einem 6,4 cm langen Beuteljungen stammend, dar- stellt. Man erkennt die schwachen Überreste der einst so mächtig entwickelten Marsupialtaschen, die sich noch in der Umgebung der caudalen Mammaranlagen finden und begreift die Verdoppelung ihrer Konturen, die übrigens auch schon in Fig. 9 beginnt, unmittelbar dann, wenn man bedenkt, daß der in den schematischen Zeichnungen der Fig. 8 dargestellte Aushöhlungsvorgang nunmehr auch an jedem einzelnen der Epidermiszapfen Z, und Z, sich vollzieht. Aber auch diese kümmerlichen Reste der Marsupialtaschen ver- schwinden sehr bald vollständig, indem die durch den letzten Aus- höhlungsprozeß hervorgerufenen Falten rasch gänzlich verstreichen. Fig. 11 stellt den auf diese Weise nunmehr fertig entwickelten Beutel 222 eines 8,7 cm langen Beuteljungen dar. Die Beutelinnenfläche ist hier, von den winzigen Erhebungen der 11 (5—1—5) Mammaranlagen ab- gesehen, vollkommen glatt, von den Marsupialtaschen selbst, soweit sie sich nicht in den Beutelfalten erhalten haben, ist keine Spur mehr vorhanden. Nur ganz seichte Runzeln und gleichzeitig auch die in der Photographie nicht eben sehr klar hervortretende Anordnung der Haaranlagen, die seit dem Stadium der Fig. 9 in den Totalpräparaten zu erkennen sind, deuten darauf hin, daß früher hier derartige Bildungen bestanden haben. Noch ein Umstand verdient hier Erwähnung. Wenn man die Fig. 7, 9, 10 und 11 vergleichend betrachtet, so sieht man, daß nicht bloß die inneren Teile der Marsupialtaschen verstreichen, sondern daß auch ihre lateralen Ränder, die Beutelfalten, bis zu einem gewissen (Grade an diesem Prozeß teilnehmen. In Fig. 7 sind die soeben durch das Ausfallen des Hornpfropfes ausgehöhlten Beutelfalten ganz außerordentlich tief; in Fig. 9 ist dies schon weniger der Fall. In Fig. 10 ist bereits eine relativ deutliche Abnahme in der Tiefe der Beutelfalten zu konstatieren und in Fig. 11 endlich sind verhältnis- mäßig nur noch recht seichte Falten vorhanden. Der Abflachungs- prozeß vollzieht sich also in den Beutelfalten in gleicher Weise wie in den übrigen Bezirken der Marsupialtaschen, nur daß er hier nie- mals zu ihrem gänzlichen Verstreichen führt. Im übrigen aber kann er noch viel weiter gehen, als es Fig. 11 zeigt, wie ich an ein paar halb- wüchsigen Weibchen feststellen konnte, die nur noch ganz kümmer- liche Reste von Beutelfalten besaßen. Erst mit Beginn der Trächtig- keit der Tiere entfaltet sich der Beutel zu seiner vollen Größe und damit zu einem gebrauchsfähigen Organ. Wir wollen nun an der Hand von Schnitten, deren Abbildungen (Fig. 12) zumeist ein wenig schematisierte Figuren aus meiner früheren Arbeit! zugrunde liegen, und die sämtlich das Beutelfeld in der Höhe des ersten caudalen Mammaranlagenpaares getroffen darstellen, den Verlauf der Beutelentwicklung nochmals in aller Kürze rekapi- tulieren. Fig. 12a gibt einen Schnitt durch ein Stadium wie Fig. 3 wieder, bei dem also die Beutelbildung noch nicht begonnen hat. Wir sehen daher von der Epidermis lediglich zwei kolbenförmige Wucherungen entspringen, die den Mammaranlagen entsprechen. Die Schnitte b und ce zeigen sodann — b von einem 3,8 cm langen Beutel- jungen, ¢ von einem Beuteljungen des gleichen Stadiums wie Fig. 5 — die erste Anlage der Marsupialtaschen in Gestalt solider Epidermis- leisten, die ringförmig die Mammaranlagen umziehen und sich auf den Schnitten als mächtige, tief in die Outis sich einsenkende Zapfen der Epidermis repräsentieren. Diese selbst ist noch vollständig glatt, 223 Beutelfalten sind noch nicht vorhanden. Erst in Schnitt d, der etwa dem Stadium der Fig. 7 entspricht, finden wir die Beutelfalten aus- gebildet und erkennen auch aus einem Vergleich mit e sofort, daß sie infolge des dort in den lateralen Epidermiszapfen aufgetretenen Verhornungsprozesses und zwar durch das Ausfallen der Hornpfröpfe entstanden sind. Wir sehen ferner, daß auch in dem medianen, zwischen den beiden Mammaranlagen befindlichen Epidermiszapfen der Verhornungsprozeß bereits begonnen hat, ähnlich wie es das Schema a in Fig. 8 darstellt. Den weiteren Erfolg des Verhor- nungsprozesses zeigt Schnitt ee Wie in Fig. 10 sind hier nur noch ganz minimale Reste der Marsupial- taschen zu erkennen, _ während gleichzeitig das Beutelareal durch das Verstreichen der- selben eine ganz be- trächtliche Erweiterung erfahren hat. Schnitt f endlich zeigt ebenso wie ee one TR Fig. 11 das Ende der 1g. = n der Ohe des ersten caudalen ammar- 2 ; anlagenpaares gefiihrte Schnitte durch die Epidermis Beutelentwicklung: Die verschiedener Beuteljungen von Didelphys marsu- Marsupialtaschen sind pealis, unter Zugrundelegung wirklicher Querschnitte listiindi tose Aba etwas schematisiert gezeichnet. Die Schnitte b—e VORNE NF I sind in ungefähr gleicher Vergrößerung dargestellt, und auch die Beutel- Schnitt a ist etwa 1/, stärker, f etwa 1/4 schwächer falten sind durch den vergrößert. Die Länge der zu den Schnitten ge- 1: hörigen Beuteljungen beträgt bei a@ 3,55 cm, bei b gleichen Abflachungs- 3,8.cm, bei Hm bei d B,l:em, bei e 7,75 cm, prozeß bedeutend seich- bei f 8,65 cm. ter geworden. Wenn wir alle diese Befunde zusammenhalten, so dürfte, glaube ich, kein Zweifel an meiner Auffassung über die Entstehung des Beutels bei Didelphys marsupials, wie ich sie im großen und ganzen schon vor 21/, Jahren geäußert habe, mehr möglich sein. Ich erachte die Existenz der dic Mammaranlagen primär umgebenden Marsupial- taschen nunmehr für vollkommen einwandfrei festgestellt, nicht minder aber auch die Tatsache, daß die Beutelfalten sekundär durch Ver- schmelzung der lateralen Ränder der drei caudalen Marsupialtaschen- paare entstehen. 224 Auf die phylogenetische Bedeutung der geschilderten Verhältnisse möchte ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen. Ich habe soeben das von Semon gesammelte Echidna-Material zur Bearbeitung erhalten und möchte diese Frage daher erst nach Untersuchung der Beutel- entwicklung bei den Monotremen ausführlicher erörtern. Vortrag des Herrn Dr. Eveen Worr (Tübingen): Beiträge zur Biologie der Süßwasser-Copepoden. Die Systematik und Anatomie der Copepoden durfte sich im ver- flossenen Jahrhundert der Aufmerksamkeit vieler bedeutender Forscher erfreuen, die Biologie dieser Tiere hingegen ist bis jetzt etwas stief- mütterlich behandelt worden. Doch sind in den letzten Jahrzehnten auch auf diesem Gebiete bedeutende Fortschritte zu verzeichnen, namentlich wurden die Fortpflanzungsverhältnisse einer Reihe von hauptsächlich pelagisch lebenden Arten festgestellt. So untersuchte z. B. Häcker diese Verhältnisse bei den Copepoden und Cladoceren des Titisees, BurcKHArRpT beschäftigte sich mit dem Plankton des Vierwaldstädter Sees, und Srever stellte die Fortpflanzungsart einer größeren Anzahl von Entomostraken der »alten Donau« bei Wien fest. Die Mehrzahl der in Deutschland vorkommenden Copepodenarten lebt aber nicht in größeren Seen, sondern sie bevölkern kleine Teiche, Torfmoore, Tümpel und Wassergräben, ja selbst auf feuchtem Holz und in Moospolstern sind sie oft in größerer Zahl anzutreffen. Es war nun vorauszusehen, daß deren Fortpflanzungsweise in mancher Beziehung von derjenigen der pelagischen Arten abweichen werde. Ehe ich jedoch hierauf näher eingehe, möge es mir gestattet sein, einige allgemeine Bemerkungen über die Copepoden einzufügen. Diese Entomostraken zeigen eine ungemein große Anpassungsfähigkeit, durch welche ihre Verbreitung in jeder Hinsicht unterstützt und begünstigt wird. Am auffallendsten zeigt sich dies in der häufig nach- zuweisenden Reduktion der Gliederzahl der 1. Antennen und der Schwimmbeine, sowie in dem allmählichen Verschwinden der kompli- ziert zusammengesetzten Augen. Teilweise kann dies mit großer Wahr- scheinlichkeit auf äußere Einflüsse zurückgeführt werden. So ist es gelungen, durch Hinzufügen von Kochsalz bei Cyclops bicuspidatus, Tiere heranzuziehen, welche statt 17gliedrige nur 14gliedrige 1. An- tennen aufwiesen. Dieselbe Reduktion sehen wir bei dieser Art auch dann eintreten, wenn sie reich mit Pflanzenwuchs versehene Tümpel bewohnt, wo die Bewegungen bedeutend gehindert werden. Die 225 Schwimmbeine finden wir bei allen 3 Familien: den Centropagiden, den Cyclopiden und den Harpacticiden nur noch in der Vierzahl typisch ausgebildet, das 5. Fußpaar ist überall rudimentär. Zwar erfüllt es bei den Centropagiden, bei der Copulation noch eine wich- tige Aufgabe, bei den beiden übrigen Familien ist es aber nahezu funktionslos geworden, höchstens dient es bei manchen Harpacticiden noch als Stütze für den Eiballen. Die Reduktion ging so weit, daß z. B. bei den g! von Canth. gracilis nur noch ein unbedeutender Rest des bei den Centropagiden und vielen Cyclopiden noch 2glied- rigen 5. Fußpaares vorhanden ist. Auch an den übrigen Beinpaaren kann eine Reduktion der Gliederzahl konstatiert werden. Hierfür nur ein Beispiel: Während ScHhımEiL bei verschiedenen g' von Cyclops languidus noch 3gliedrige Schwimmbeine nachweisen konnte, fand ich bei allen Tieren nur noch solche mit 2 Gliedern, ferner zeigten eine größere Anzahl statt der sonst regelmäßig 16gliedrigen 1. An- tennen nur 11gliedrige, und bei einer im Buhlbachsee des Schwarz- walds aufgefundenen Abart wies der rudimentäre Fuß statt 2 Glieder nur noch 1 Glied auf. In vielen Fällen konnte allerdings das ver- schwundene 1. Glied noch unter dem Hautpanzer durchschimmernd festgestellt werden. Auch bei den übrigen jetzt nur noch mit 1gliedrigem rudimentärem Fuß ausgerüsteten Arten war häufig das 1. Glied noch nachzuweisen, wenn auch unter der Haut verborgen. Wegen der Kürze der Zeit ist es mir nicht möglich, auf ver- schiedene, vielleicht bemerkenswerte Tatsachen einzugehen, und ich will mich darauf beschränken auf den Farbenwechsel hinzuweisen, der bei manchen Arten durch das Entwicklungsstadium, bei andern durch dic Jahreszeit bedingt ist. Auch die Ernährungsweise, Re- generationserscheinungen, Atmungsweise usw. muß ich übergehen, um mich etwas eingehender mit den wohl interessantesten Verhält- nissen: der Fortpflanzungsart, beschäftigen zu können. Auf die Fest- stellung dieser Vorgänge wandte ich während der letzten 21/, Jahre hauptsächlich meine Aufmerksamkeit!. Ich konnte hierbei für Würt- temberg von Centropagiden 5 Arten, von Oyclopiden 22 Arten und 4 Varietäten, von Harpacticiden 9 Arten, sowie einige weitere noch nicht beschriebene Formen feststellen. Von diesen Copepodenarten waren für unser Land bis jetzt nur die wenigsten bekannt. Es war mir allerdings nicht möglich, bei allen 36 aufgefundenen Arten den Fortpflanzungsmodus zu verfolgen, aber immerhin gelang es mir, ihn bei ungefähr 30 Arten ziemlich .genau festzulegen. BR tz 1 Die Anregung hierzu verdanke ich meinem verehrten Lehrer Herrn Prof. Dr. V. HÄcKER. Verhandl. d. Deutsch. Zool. Gesellschaft. 1904. 15 226 Die Fortpflanzungsart unsrer einheimischen Copepoden ist nicht an die Familie, ja selbst nicht eimmal an die Art gebunden. Das Wesen der Fortpflanzung läßt sich wohl am leichtesten durch einen kleinen Vergleich veranschaulichen. Bei den meisten unsrer ein- heimischen Pflanzen sehen wir es als einen selbstverständlichen Vor- gang an, daß dieselben während der Winterzeit ihre Lebenstätigkeit einstellen, viele derselben sogar zugrunde gehen, um mit Hilfe von Fortpflanzungskörpern, den Sporen oder Samen, im nächsten Früh- jahr als neue Generation zu erscheinen. Auch von vielen Tieren ist es uns bekannt, daß sie die Wintermonate wegen Nahrungsmangel in einem Winterschlaf verbringen. Etwas Ahnliches finden wir bei den Copepoden, doch mit dem Unterschied, daß hier nicht nur die kalte Jahreszeit, sondern bei manchen Arten auch der Sommer für die Entwicklung nicht günstig zu sein scheint, und deshalb in einem Ruhezustand überdauert wird. Früher nahm man allgemein an, dab während der Wintermonate eine Fortpflanzung überhaupt nicht statt- finde, aber die Untersuchungen der oben genannten Forscher, sowie meine eignen Feststellungen beweisen, daß dies in gewisser Hinsicht weder für Pflanzen noch für Tiere zutrifft, denn einige Copepodenarten pflanzen sich, wie wir hören werden, überhaupt nur in der kälteren Jahreszeit fort, und manche Diatomeenarten fand ich unter 10—20 cm dickem Eis oft in unglaublicher Menge. Bei meinen Untersuchungen machte ich bald dieselbe Wahrneh- mung, die Hacker schon in einigen früheren Veröffentlichungen ver- trat, daß nämlich in der Fortpflanzungsweise unsrer Copepoden etwas (Gresetzmäßiges, Periodisches zum Ausdruck kommt, und infolge des reichen Beobachtungsmaterials (habe ich doch nahezu 200 Seen und Teiche zu den verschiedensten Jahreszeiten untersucht), das mir zur Verfügung stand, konnte ich es wagen, bei den Süßwasser-Cope- poden nach der Art ihrer Fortpflanzung eine Gruppierung vorzu- nehmen. Doch nicht nur hier, sondern auch bei andern Tiergruppen konnte ich ähnliche Wahrnehmungen machen. Vor allem möchte ieh in dieser Beziehung anführen: Stentor igneus, Volvox, Ophridium, Ceratium, Peridinium, As- planchna u. a. Rotatorien, Chydorus, Bosmina usw. Aber hier wie dort bemerkte man bei mehrjähriger Beobachtung, daß der Zeitpunkt des Auftretens, sowie die Anzahl der Individuen von Jahr zu Jahr wechselt. Einmal sind sie in Unmasse vorhanden, um im nächsten Jahr an demselben Ort nur durch wenige Individuen vertreten zu sein, während sie an andern Stellen in großer Menge auftreten können. Es spielen hier zu viele Faktoren mit, als daß 227 ein vollständig sich gleichbleibender Entwicklungszyklus herangebildet werden könnte. Vor allem sind von diesen wichtigen Faktoren die Temperatur zu nennen. Von ihr, sowie von der Beschaffenheit des Aufenthaltsorts und den Witterungsverhältnissen, sind dann die Er- nährungsverhältnisse abhängig. Immerhin war es mir möglich, drei | allgemein gültige Typen aufzustellen, und zwar fasse ich unter dem { 1. Typus solche Formen zusammen, welche während des ganzen g Jahres durch geschlechtsreife Tiere vertreten sind. Die Fortpflan- zungsweise mancher dieser Arten kann damit noch schärfer charak- terisiert werden, daß von ihnen zu jeder Jahreszeit in Fortpflanzung befindliche G und © angetroffen werden können. Nach dem Vor- gang Häckers nenne ich sie perennierende Formen. Zum 2. Typus wären diejenigen Formen zu zählen, deren Fort- pflanzung sich nur vom Frühjahr bis zum Herbst erstreckt. Sie sind den Winter über nicht aufzufinden, und tauchen oft erst im Mai und Juni auf. Ich möchte sie als Sommer- oder Warmwasser- formen bezeichnen. Zum 3. Typus gehören diejenigen Formen, welche sich nur vom Herbst bis zum Frühjahr vorfinden und fortpflanzen, und deshalb als Winter- oder Kaltwasserformen benannt werden können. Aber auch unter den einzelnen Typen lassen sich wieder tief- greifende Unterschiede feststellen, insofern als nämlich während der Dauer eines Jahres bei einigen Arten nur eine Fortpflanzungszeit, bei andern dagegen 2, und bei vielen sogar mehrere Fortpflanzungs- perioden unterschieden werden können, so daß wir mono-, di- und polycyklisch sich fortpflanzende Formen unterscheiden müssen. Bei den perennierenden Arten konnte ich keine Form fest- stellen, die sich monocyklisch fortpflanzt, dagegen 3 sich dieyklisch fortpflanzende Diaptomus-Arten und 10 sich polycyklisch fortpflan- zende Arten von Cyclops. Bei diesem Typus sind also die Harpacti- ciden nicht vertreten. Nach obiger Definition habe ich hierher auch diejenigen Formen gerechnet, welche, wie dies z. B. Cyclops fuscus zeigt, im Winter zwar durch zahlreiche, Eisack tragende © vertreten sind, während die g' nahezu vollständig fehlen, so daß von einer eigentlichen Fortpflanzungsperiode nicht geredet werden kann. | Als typisches Beispiel einer perennierenden und zwar polycyklisch sich fortpflanzenden Art möchte ich Cyclops strenuus anführen. Es , möge aber nicht unerwähnt bleiben, daß wir bei diesem mannigfach varlierenden Copepoden auch solche Abarten finden, die sich in Be- ziehung auf ihre Fortpflanzungsweise bedeutend unterscheiden. So kann die in einigen größeren württembergischen Seen vorkommende Art als Sommerform betrachtet werden, in mehreren Eisweihern 15* , etre a ee POTT ee * = =; 13 = \ ee = a4 A Ba >) ‘snurAydejs smdwe) 2 SSS SSS WN N D A a ITA IA IA A -sunuoags sdopAg une] 3pu9 stud] 'T 229 einem künstlich angelegten Teich des kgl. Parks Rosenstein bei Stuttgart feststellen. Die beigefügte Fortpflanzungskurve wird wohl den Entwicklungs- gang dieser Form ziemlich klar veranschaulichen. Bei Beginn der Untersuchung (6. Febr. 1902) war nur eine geringe Anzahl von geschlechtsreifen © und . Helgoland, K. Biolog. Anstalt. 248 1 — 71. Hartmann, Dr. M., Assistentam Zoolog. Institut Gießen. 2. Hartmeyer, Dr. Robert... .......-. Berlin N 4, Invalidenstr. 43, Museum für Naturkunde. 73. Hasse, Geh. Med.-Rat Professor Dr. C. . . Breslau. 74. *Hatschek, Professor Dr: B. ....... Wien IX, Maximilianplatz 10. 75. ideas: Posen DKK. : . 5... 2. Innsbruck, Falkstr. 14. 76. v. Heider, Professor Dr. Arthur R. . . . . Graz, Maiffredygasse 4. 77. Heincke, Professor Dr. Fr., Direktor der K. Biblagi; Autall; Ailasihn Michi Helgoland. 78. Heinroth, Dr:Qushei lf.) . ae. eas = Berlin W, Kurfürstenstr. 99. 19. Heller, Profesior Bed. ian may Innsbruck, Tempelstr. 10. 80. *Henking, Professor Dr. H.. ....... Hannover, Wedekindstr. 28. 81. “Hennings :Dn U nd... wa sn Berlin NW, Rathenowerstr. 78. 62. Hennss, DuwOfimlinD.. 35.2 04 oe Berlin NW 7, Schadowstr. 14. 83. *Hertiwig, Prof: Di. Bay es A ACE A Miinchen, Schackstr. 2. 84. Hess; Professor Dri Wei olen. ss Hannover. 85. Hesse, Professom Dal Mis. «oy ee Tübingen, Gartenstr. 20. 86. v. Heyden, Dr. L., Majora.D. ...... Bockenheim-Frankfurt a/M. 87, Hein, Dr. W. .s6laneisdel - 2 %.. . . . . Tübingen, Oesterberg 2, I. 88. *Heymons, Dr. “Haceardisty afl thy Hann. Miinden, k. Forst-Aka- demie. 89. *Hilgendorf, Professor Dr. Franz . . . . . Berlin NW, Claudiusstr. 17 1. 90) Er OT: ER 0 ela Karlsruhe, Naturalienkabinett. YJ. Hofer, Professor Dr. Bruno. . . . . . . . München, Veterinärstr. 6. 92. Hoffmann, Dr. R. W., Assistent am Zool. Institut: . wiediahl . .. ee Gottingen. 93. Hoyle, William E., M. A. Hon. Owens College Manchester. 94. Hüeber, Dr. G., Oberstabsarzt a. D.. - . . Ulm, Heimstr. 71. 95. Jacobi, Professor Dr. Arnold. ...... Tharandt i/S., Forst- Akademie. 96. *Jaekel, Professor Dr. O.: ........ Berlin N 4, Invalidenstr. 43. 97. Jameson, H. Lyster, B.A... ...... Tunbridge Wellis, Kent, Engl. 98. *Janet, Charles, Ingénieur des Arts et Manu- fecthiressisald fourth wen . Beauvais-Oise, Villa des Roses. 99. ‘Imhof, Dr. ‘OP Rimi Giaie os ey Se . Kénigsfelden- Windisch b/Brugg i/Schweiz. 100. Jordan, H., Privatdozent . .. . 2.2... Zärich V, Fehrenstr. 23 IL. 101. Jordan, Dr. K., Zoolog. Museum . . . . . Tring, Herts., England. 102 Baise, Du Soh IF re. Leipzig-Lindenau, Merseburger- 103. Kathariner, Professor Dr. L........ Freiburg, Schweiz. [str. 127. 104. v. Kennel, Professor Dr. J.. ....... Jurjew (Dorpat). 105. *Klunzinger, Professor Dr. €. B.. . . . . Stuttgart, Hölderlinstr. 106. Kon WE a se Schwanheim a/M. | 107. *v. Koch, Professor Dr.G......... Darmstadt, Victoriastr. 49. 108. *Kohl, Dr. Qf :.i yindie’® - 22% > Tann Stuttgart, Kriegsbergstr. 15. 109. “Kahler Des Ang unit - se ss pes Jena, Lobdergraben 7a. 110. Köhler, Professor Dr. R.. ........ Lyon, 18 rue de Grenoble, — Monplaisir. 111. v. Kölliker, Wirklicher Geheimer Rat, Exzel- lens, Professik Dei &...... . man Würzburg. 112. *König, Professor Dr, A... .... . - Bonn, Koblenzer Str. 164, 113. 114. 115. 116. 117. 118. 119, 120. 121. 122, 123. 124. 125. 126. 127. 128. 129. 130. 131. 132. 133. 134. 135. 136. 137. 138. 139. 140. 141. 142. 143. 144. 145, 146. 147. 148, 149. 150. 151. ‚152. 153. 154. Moise: Protessor Dr. HI: air main, Berlin N 4, Invalidenstr. 43, Mus. f. Naturkunde. Kollniann Professor Dred... i. wk Basel, St. Johann 88. Kanow, Pastor Friedr. Wilh... ..... Teschendorf b. Stargard i/Meckl. "Eiüsachelän Professor Drs. . \..'2. ... Marburg i. H. Kraepelin, Professor Dr. C., Direktor des Na- turhistorischen Museums. ..... . Hamburg Mera re Eee NE N a as Tübingen, Hafengasse 3. Kühn, Exzellenz, Wirklicher Geh. Rat Pro- BEREITEN. EMER 0 Halle a/S. Kükenthal, Professor Dr. W........ Breslau, Zoolog. Institut. Künkel, Carl, Seminarlehrer. ....... Ettlingen (leroi. Lameere, Professor Dr. Aug. . . ..... Brüssel, 110 Chaussee de Char- Lampert Professor Dr. K. nl. 120, 109) Stuttgart, Naturalienkabinett. Zandois, Professor DreEh) . . 4.0 .% Münster i. W. Phang, Professor Drm Age. eaentuvins yeah Zürich IV, Rigistr. 50. Langhoffer, Professor Dr. Aug. .... . . Zagreb (Agram). Lauterborn, Professor Dr. R. i/Heidelberg . Ludwigshafen a/Rh. Lehmann, Dr. Otto, Museumsdirektor . . . Altona. Leiber, Dr. A., Assistent am Zoolog. Institut Würzburg. v. Lendenfeld, Professor Dr.R. . ..... Prag. Lenz} Professor DICH. 7. 2equ2eyeiom | oy Lübek, Naturhist. Museum. v. Linden, Dr. Maria Gräfin, Assistent am Zbelinstta ih NT Bonn a/Rh. List, Dr. Th., Zoolog. Museum ...... Darmstadt, Schützenstr. 9. #L88BE Professor Drill 00 eu. Cairo, Medical School. *Ludwig, Geh. Reg.-Rat Professor Dr. H. . Bonn, Colmantstr. 32. [heim 4. Alsjtprwatdözeit:DiiM.. . 2... 0-4, Königsberg i/Pr., Mitteltrag- ‘Mane Profewor DIA . 2... 20: München, Zoolog. Institut. v. Mährenthal, Professor Dr. F.C.. .... Berlin N 4, Invalidenstr. 43. Maier, Dr. H.N., Assistent am Zoolog. Institut Tübingen *y5Marenzeller Dr: Emil! . ..: 2 4 6 Wien VIII., Tulpengasse 5, K. K. Naturhist. Hofmus. v. Martens, Geh. Reg.-Rat Professor Dr. Ed. Berlin NW, Paulstr. 11. Martin, Dr. Paul, Professor der Tieranatomie ahi Mies Universitat )). 50s... tees Gießen Matseme Baal UND. oem Berlin N 4, Invalidenstr. 43, Museum für Naturkunde. "Matadors, Dr.C, Normal a vn eG Pankow b. Berlin, Amalienpark 4. Meisenheimer, Privatdozent Dr. Joh.. . . . Marburg, Zoolog. Institut. *Meißner, Dr. Maximilian. ........ Berlin N 4, Invalidenstr. 43, Museum für Naturkunde. Metzger, Geh. Reg.-Rat Professor Dr. A.. . Hann. Münden. ‘Meyer, BenrHofät' Dr.A.B.: : : 2: »- Dresden, Zoolog. Museum. Rranselmerm Dis Wer. See, 920, Make Hamburg, Naturhist. Museum. Mimi Dr Alleas SUV . ee ee; Eltville. | Möbius, Geh. Reg.-Rat Professor Dr. K.. . Berlin W, Sigismundstr. 8. Mräzek, Privatdozent Dr. Alois ...... Prag, Lazarusgasse 11. *Müller, Professor Dr. G. W. . .. .... Greifswald, Brinkstr. 3. Halepa, PR BMA... 2.2200. Wien, V, K.K. Staatsgymnasium. 250 155. Neresheimer, Dr. Eugen, Assistent am Zoolog. TastitntaE EsuM - . bs we ee 156. Neumase, Oaded,.J@ Saul .. rn. 157. Noetling, Hofrat Dr. Fritz ...... 158. Nüßlin, Professo DR. .. .... 159. *Obst, Dr. Paul : . . .. - „U sob wis 160. Oka, Professor Dr. Asajiro....... 161. *Ortmann, Dr. Arnold E. . «ort. jell. fod 162. Palacky, Professor Dr. J. . 163. Pauly, Professor Dr. A. a. Te ae wor ner Br u in, BE 164: FRenthen. AM Mil Jaastıl . 2» + » > . München. . Berlin W, Potsdamerstr. 10. . z. Z. Tübingen Geolog. Institut. . . Karlsruhe, Stephanienstr. 27. . . Berlin N 4, Invalidenstr. 43, Zoolog. Museum. . Tokyo, Japan. . Pittsburg, Pa. Carnegie Museum Schenley Park. . . Prag 285, ». . München, Rinmillerstr. 10 III. . . Wien, K. K. Hofmuseum. 165. *Petersen, Mag. Wilh., Direktor der Petri Reslschu® 2 wtanüäl . i... . . Reval. 166. Petrunkewitsch, Dr. Alexander, Privatdozent Cambridge, Mass. 200 Massa- 167. *Pfeffer, Professor Dr.Gg. . ..... 168. Pfeifer, Geh. Med.-Rat Dr. L.. . .... 169. *Plate, Professor Dr. L. 170. Prowazek, Stanislaus Edler v. Lanov, Assistent chusetts Avenue. . . Hamburg, Mihlendamm 1. an der Abt. f. Protozoen im Reichsgesund- heitsamt Berlin . . . om ineeiagA. 171. Pier Tir ASS atte wed io. fee 172. Pareell..25,09. abasaariall 3. . ; 173. Rawitz, Privatdozent Dr. B.. ..... 174, Beh, BE. Lotenaio’s: goth « kb ht. wes 175. *Reichenbach, Professor Dr.H.. . . . . 176. *Repeek IEER -asdeuslk » +. + + + +s 177. *Rhumbler, Professor Dr. L. . 178. Richters, Professor Dr. Ferd. . .... 179. Robb, James 181. *v. Rothschild, Baron Dr. W.. ..... 182. *Roux, Professor Dr.,.Wilh.. . ..... 183. Beamter DB... sie os 2 a se 184. Sarasin, Dr. Fritz 186. Schaudinn, Privatdozent Dr. F. i/Berlin. i 1¢ N, > ook ww. che Ve! Qk "so e, . <8 em ee OS 180, Böen Dt. Ba oo os wu. fos ete 185. Saraging (De, Pals venchhalk, > =» :- :.d0ba . Basel, . Weimar. . . Berlin NW 40, Scharnhorststr. [7 II. . Rovigno. . Göttingen, Physiolog. Institut. . Capstadt, Museum of Nat. Hist. . . Berlin N 4, Invalidenstr. 32. . Hamburg, Naturhistor. Museum. . Frankfurt a/M., Jahnstr. 41. . Potsdam, Villa Steinhof am Kiez. . Göttingen, Groner Chaussee 46. . . Frankfurt a/M., Wiesenau 22. . Paris, 94 Av. Henry Martin. . Frankfurt a/M., Senckenberg. Museum. . Tring, Herts., England. . Halle a/S., Anat. Institut. . Berlin N 4, Invalidenstr. 43, Zool. Institut. Be Spitalstr. 22. . „ Rovigno, Zoolog. Station. 187. *Schauinsland, Professor Dr.H.. ... . . Bremen, Humboldstr. 188. Scheel, Dr. C., Assistent am Zoolog. Institut München. 189. Schmitt, Dr. F. e MEN DZguaTeeE ei ve © u te . Würzburg, Zoolog. Institut. 190, Schröder, Dr. Chr., Vorsitzender der Alle. Entomolog. Gesellschaft 191. Schuberg, Professor Dr.A. . . 192. Schultze, Privatdozent Dr.L.8..... . . . Husum. . Heidelberg, Werderstr. 32. . Jena. 193. *Schulze, Geh. Reg.-Rat Professor Dr. F. E. Berlin N 4, Invalidenstr. 43, Zoolog. Institut. 194, 195. 196. 197. 198. 199. 200. 201, 202. 203. 204. 205. 206. 207. 208. 209. 210. 211. 212. 213. 214. 215. 216. 217. 218. 219. 220. 221. 222. 223. 224. 225. 226. 227. 228. 229. 230. 231. 232. 233. 234. 235. 236. Schwalbe, Professor Dr.G......... Straßburg i/E., Schwarzwald- straße 39. Schwangart, Dr. Fritz, Zoolog. Institut. . . München. *Seeliger, Professor DO... 2... 244% Rostock. Seitz, Dr. A., Direktor des Zoolog. Gartens . Frankfurt a/M. *Semon, Professor DE R!W........ Prinz-Ludwigshöhe b. München. mmroth, Professor Dre... : os sk. Leipzig-Gautzsch, Kregelstr. 12. *Spangenberg, Professor Dr. Fr. .... . Aschaffenburg. Spemann, Privatdozent Dr. Hans .... . Würzburg. *Spengel, Geh. Hofrat Professor Dr. J. W.. Gießen. “Bptler, ELOSEBNOR DIE. gers Min si, one. Erlangen, Heuwaagstr. *Steindachner, Hofrat Dr. Frz. ...... Wien], Burgring7, K. K. Hofmus. Steinhaus, Dr. Otto, Assistent am Naturhist. Mae is a aa re Bra Hamburg-Hamm, Landwehr- damm 17 II. *Stempell, Privatdozent Dr. W.. ..... Greifswald, Steinstr. 4 p. *Btiles,. Dr. Charles Wardell . . . . . .. Washington, D.C., Dept. of Agri- culture. Star Has Bolten 2. 2 2 pla ww’ Berlin N, Invalidenstr. 33. Strassen, Professor Dr. O. zur ...... Leipzig, Zoolog. Institut. porodunann, Dr. §., Lehren 3 2.8 a... Rendsburg. Strubell, Privatdozent Dr. Ad. ..... . Bonn, Kronprinzenstr. 10. *v. Stummer-Traunfels, Dr. Rud. . ... . Graz. Sturany, Dr. R., Assistent am Naturhist. Hof- “LATTE TT SR SS ey Rn RR Wien. Taschenberg, Professor Dr. O. ...... Halle a/S. Weremmaniy, DIENEN: Ars Senn. Frankfurt a/M., Tannenstr. 7 II. cog 11 Gang SRE 0 er a hae A Berlin N 4, Invalidenst. 43, Museum fiir Naturkunde. Be ann ae Prag II, Karlsplatz 21. Tönniges, Dr. Carl, Assistent am Zool. Institut Marburg i/H. Vanhoffen; Professor Dr. E.. . : . .... Kiel, Zoolog. Institut. Nadıvasy, Professor Deu Fi 20.505 1 4. Prag. Voeltzkow, Professor Dr. A. ....... StraBburgi/E., Hohenlohestr. 141. Vogt. Esafosor Di WW... .. ...%5,. Bonn, Maarflachweg 4. *Von der Osten-Sacken, Baron Dr. C. R.. . Heidelberg, Bunsenstr. 8. Mapudler. Professor: Dr. Fri... f .... Amani, Deutsch-Ostafrika, Biol. “yo Wasser, Professor Dr. Fr..." os. Gießen. (Institut. Wahl, Dr. Bruno, Assistent am Zool. Institut Graz. Wandolieck, Ur. Brine.) 2. 2! 70, x Dresden, Hopfgartenstr. 28. Pes Gg SE. | a c Bs Luxemburg, Bellevue. Weber, Dr. med. L., Leitender Arzt am Krankenhaus vom Roten Kreuz . . . Kassel. *Weber, Professor Dr. Max... ...... Amsterdam. *Weismann, Geh. Rat Professor Dr. A. . . Freiburg i/B. Werner, Dr. Franz... .. ... .. . . . Wien VII, Josefsgasse 11. time Priore, Lie oa csc. son a Rostock. Wolf, Dr. Eugen, Assistent am Zool. Institut Tübingen. Woltereck, Privatdozent Dr. Rich. . . . . Gautzsch b/Leipzig, Weberstr. *W olterstorff, Dr. W., Kustos. ...... Magdeburg, Domplatz 5. 237. 238. 239. 240. 241. 242. 243. 244, 245. 252 Wunderlich, Dr. Ludw., Direktor des Zoolog. Gartens dE dla = 7 DEAN Köln-Riehl. *Zelinka, Professor, Dr.:;Ke . - -jetident ue Czernowitz. *Ziegler, Professor Din, yj E...,., =: Jena. Zimmer, Dr. Carl, Kustos am Zoolog. Institut Breslau. *Zuchalkke; Professor ‚Dr.4Pr. . .-.... .% Basel, St. Johann 27, ©. Außerordentliche Mitglieder. *Fischer, Dr. Gustav, Verlagsbuchhändler . Jena. Nägele, Erwin, Verlagsbuchhändler . . . . Stuttgart, Marienstr. 31. Reinicke, E., Verlagsbuchhändler in Firma Wilhelm Engelmant. | »r. . 9 +45 Leipzig. Winter, F., Lithographische Kunstanstalt Wear Mine cosy se he eat Frankfurt a/M. Druck von Breitkopf & Hartel in Leipzig. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Uber die Bedeutung des Darwinschen Selektionsprinzips und Probleme der Artbildung. Von L. Plate. Zweite, umgearbeitete und vermehrte Auflage. er. 8. 1905. 4 5.—. Aus den Urteilen: »Die vorliegende Schrift kommt ganz entschieden einem Bedürfnis entgegen. Sie erörtert in ruhiger und sachlicher Weise alles Wesentliche, was für und wider die Darwinsche Selektionstheorie geäußert worden ist, und stellt kritisch prüfend und vermittelnd die verschiedenen Meinungen der namhafteren Forscher auf dem Gebiete der Descendenztheorie dar. So kann auch der Fernerstehende ersehen, wie die Biologen heute im allgemeinen über die Darwinsche Selektionstheorie denken; und außerdem erkennt er auch leicht, daß eine Abweisung der um- fassenderen Descendenzlehre (Entwicklungslehre) heute ebenso wie vor 20 Jahren zu den Abnormitäten gehört, was anders lautenden Beteuerungen gegenüber er- wähnt s “a mag.« Deutsche Literaturzeitung. Nr. 34, 24. August 1901. »Vı.le möchten den Darwinismus gar so gerne heute schon wieder als einen überwundenen Standpunkt abtun. Die vorliegende Schrift sucht zu zeigen, wie unbegründet dies ist, und »daß die Opposition gegen den Darwinismus in erster Linie zurückzuführen ist auf. ungenügende biologische Schulung«. Plates Büchlein ist aber nicht nur eine mit Einsicht und möglichster Objektivität geschriebene Streitschrift, es berichtet zugleich auch über den gegenwärtigen Stand der Wissen- schaft in dem ganzen Komplex einschlagiger Fragen, ist also ein »Referat« über diesen Gegenstand, ähnlich wie es der Verfasser bei der Hamburger Jahresver- sammlung der Deutschen zoologischen Gesellsch ft im Mai 1899 gehalten hat. Als solches kann es auch weiteren Kreisen zur Orientierung bestens empfohlen werden.« Die Zeit. XXVII. Nr. 344, 4. Mai 1901. »Dieses Buch sei allen jenen aufs wärmste empfohlen, die sich in der Fülle der neueren Darwinistischen Literatur zurechtfinden und den gegenwärtigen Stand dieser Lehre kennen lernen wollen. Es ist objektiv geschrieben, kein irgend in Betracht kommender Einwand gegen die Selektionstheorie ist unterdrückt, son- dern das »Für« und »Wider« streng sachlich erwogen worden. Es ist keine Streitschrift, sondern das ernste, wahrheitsuchende Werk eines tüchtigen Gelehrten.« Schlesische Zeitung, 7. Juli 1903. »Von allen neueren Arbeiten über die Selektionstheorie ist vorliegende un- streitig die bedeutendste. Die Kritik der Anschauungen Darwins und der dar- winistischen Literatur ist so klar und logisch, daß sie in den meisten Fällen über- zeugt. Außerdem gibt der Verfasser zahlreiche eigne wertvolle Beiträge zu den behandelten Fragen. Zum Schlusse möchten wir noch auf den Gegensatz dieser im besten Sinne wissenschaftlichen Kritik zu den tendenziösen “Entstellungen Fleischmanns, Dennerts usw. hinweisen, ein Gegensatz, der so auffallend ist, daB selbst der Laie sofort sehen wird, zu wessen Führung er am meisten Vertrauen haben darf.< : Die Umschau. 1903. Nr. 40. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Naturbegriffe und Natururteile. Analytische Untersuchungen zur reinen und empirischen Naturwissenschaft Hans Driesch. gr. 8. 1904. m 4.—. Lehrbuch der Zoologie Alexander Goette o. 6. Professor der Zoologie an der Universität Straßburg i. E. Mit 512 Textfiguren. gr. 8. 1902. ./ 12.—; in Leinen gebunden 4 13.—. Über die züchtende Wirkung funktioneller Reize. Rektoratsrede gehalten in der Aula der k. k. deutschen Karl-Ferdinandsuniversität in Prag am 18. November 1903 von Prof, Dr, Carl Rabl. 8;. 19045. a Kommissionsverlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Soeben erschien: Die geschichtlichen Grundlagen der Embryologie bis auf Harvey Bruno Bloch, Assistenzarzt an der med. Klinik zu Basel. (Nova Acta, Abh. d. Kaiserl. Leop.-Carol. Deutschen Akademie der Naturforscher. Band LXXXII. Nr. 3.) gr. 4, MM =, Druck von Breitkopf & Hartel in Leipzig. i “NUN 106 255 + - Se a ae Ee ee i a Sor eee Sea ae et a ann nie en rei ir - Be Pea ERED a a ah A Aa il acs i \ an Nk ‘b>’ Ce ei