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Verhandlungen
der
Naturforschenden Gesellschaft
ın Basel.
Band XXIV.
Mit 4 Tafeln und 29 Textfiguren.
en
Basel
Georg & Cie. Verlag
1913.
Druck von Emil Birkhäuser, Basel.
amerlie
Astromonie. Fr. Burckhardt. Die Stellung des Osterfestes im
christlichen Kalender
Chemie. F. Fichter und G. Oesterheld. Ein elektrischer Wolf-
ramrohr-Vakuumofen .
Geologie und Palaeontologie. H. Preiswerk. Die meta-
morphen Triasgesteine im Simplontunnel
K. Strübin. Über jurassische und tertiäre Bohrmuscheln im
Basler Jura
A. Buxtorf. Die mutmasslichen geologischen Profile des neuen
Hauenstein- und des Grenchenbergtunnels im Schweizer Jura
Botanik. H. Christ. Ueber das Vorkommen des Buchsbaumes
(Buxus sempervirens) in der Schweiz und weiterhin durch Europa
und Vorderasien
G. Senn. Der osmotische Druck einiger Epiphyten und Parasiten
Zoologie. P. Steinmann. Über Rheotaxis bei Tieren des fliessen-
den Wassers .
P. Revillod. Katalog der Osteologischen Sammlung des Natur-
historischen Museums in Basel
Bericht über das Naturhistorische Museum für das Jahr 1912 von F. Sarasin
Bericht über die Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums für das Jahr
1912 von P. Sarasin
Dr. J. M. Ziegler’sche Kartensammlung. Vierunddreissigster Bericht 1912.
156 (6, Siselallim 2
Verzeichnis der Tafeln,
Tafel I zu H. Preiswerk:
Die metamorphen Triasgesteine im Simplontunnel.
Natel zuckE2 Christ:
Ueber das Vorkommen des Buchbaumes (Buxus sem-
pervirens) in der Schweiz und weiterhin durch Europa
und Vorderasien.
Tafel III und IV zu A. Buxtorf:
Die mutmasslichen geologischen Profile des neuen Hauen-
stein- und des Grenchenberstunnels im Schweizer Jura.
Die metamorphen Triasgesteine im Simplontunnel.
(Mit 1 Tafel.)
Von
H. Preiswerk.
Der Simplontunnel sticht quer durch ein System von weit
überschobenen, stark gepressten Gebirgsfalten. Antiklinale Gneisse
wechseln mehrfach mit Mulden mesozoischer Sedimente. Die Lage-
rung dieser Gebilde, wie sie sich ergibt aus der Kombination der geo-
logischen Aufnahmen an der Oberfläche und im Tunnel, ist aus dem
von Prof. ©. Schmidt und mir aufgenommenen Tunnelprofil 1) er-
sichtlich. 4. Schardt hat ebenfalls mehrfach geologische Profile längs
der Axe des Simplontunnels veröffentlicht. Das letzte vom ‚Jahre
1909?) stimmt in der Darstellung der Gesteine an der Oberfläche mit
dem unsrigen überein.
Die umstehende Textfigur erläutert unsere Auffassung des Ge-
birgsbaues.® )
Die Sedimentmulden bestehen aus Gesteinen der Trias: Marmor,
Dolomit, Kalk ete., oft mit Gyps und Anhydrit; ferner den Bündner-
schiefern, die zum Lias und möglicherweise auch noch höhern Stufen
des Mesozoicums gehören. Die Mulden, die in normaler Entwicklung
mehrere Kilometer Mächtigkeit besitzen, sind stellenweise zu ganz
dünnen Lagern ausgewalzt. Dabei schwinden oft einzelne Teile der
regelmässig ausgebildeten Mulde. Bald fehlt eine der beiden flan-
kierenden Triasbildungen, bald verschwinden die Bündnerschiefer, so-
dass die Mulde ausschliesslich aus Triasgesteinen, oder selbst nur aus
deren Trümmern oder Spuren besteht. Endlich können auch in einer
1) C. Schmidt: Die Geologie des Simplongebirges und des Simplon-
tunnels. Rektoratsprogramm der Universität Basel 1908.
2) H. Schardt: Géologie de la Suisse in «La Suisse». Publications du
dictionnaire géographique de la Suisse 1908, pag. 14.
3) Vgl.: ©. Schmidt: Bild und Bau der Schweizeralpen. Beilage zum
Jahrbuch des S.A.C. 1906—07, pag. 48.
Ferner: GC. Schmidt, A. Buxlorf, H. Preiswerk: Führer zu den Exkur-
sionen der Deutschen geologischen Gesellschaft. Basel, E. Birkhäuser, 1907,
2 H. Preiswerk.
Mulde dieselben Bildungen sich mehrfach wiederholen wie z.B. das
fünfmalige Auftreten von Triasbildungen im Nordschenkel der
Bedrettomulde zeigt, das in der Konstruktion durch sekundäre Falten
resp. Schuppen zu erklären gesucht wurde. Der Tunnel durchfährt die
mesozoischen Bildungen siebenmal. An folgenden Stellen durch-
schneidet er Triasgesteine, nämlich :
I. In den Bündnerschiefern der Bedrettomulde eingelagert bei 670
bis 715m ab Nordportal.
2. Ebenfalls innerhalb der Bedrettomulde bei 1236-1530 m
ab Nordportal.
3. Südliche Grenztrias der Bedrettomulde bei 3843-3913 m
ab Nordportal.
4. Trias der Eistenmulde bei 3993 und 4077 m ab Nordportal.
Geologisches Irolil langs der Axe des «Sempulonlunnels
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190 2000 7000 0772 4000 70 Km 12000 74000 16000 18000 20Km 22000 24007 27Km
5. Südliche Grenze der Gantermulde I bei 4410-4426 m ab Nord-
portal.
. Gantermulde II bei 7246 m ab Nordportal.
- Monte Carneramulde bei 8145—8155 m ab Nordportal.
8. Nördliche Trias der Vegliamulde bei 9400-9680 m ab Nord-
portal.
9. Südliche Trias der Vegliamulde bei 6870— 7120 m ab Südportal.
10. Südliche Trias der Teggiolomulde bei IT 4325 m ab Süd-
portal.
Da diese Triasgesteine meistens Gyps, resp. Anhydrit enthalten,
zerfallen sie an der Oberfläche sehr leicht und es treten dann nur die
widerstandsfähigeren Marmore und Dolomite als Vertreter der Trias
sichtbar zutage. Die Aufschlüsse im Tunnel geben nun die Möglich-
keit, die hochkrystallinen Umwandlungsprodukte der Triassedimente
Oo
Triasgesteine im Simplontunnel. 3
in dem Zustande zu studieren, in dem sie in Tiefen bis gesen 2000 m
unter der Oberfläche anstehen. Diese Gesteine erschienen mir daher
einer petrographischen Untersuchung wert, deren Resultate ich im
Folgenden wiedergebe.
Das Material wurde während der Tunnelbauzeit von Prof.
C. Schmidt und mir gesammelt. Ferner wurde auch die offizielle unter
Leitung von Prof. H. Schardt zusammengestellte Sammlung berück-
sichtigt. Der jetzt in Angriff genommene Ausbau des Parallelstollens
zum zweiten Tunnel wird in vorzüglicher Weise Gelegenheit bieten,
die beschriebene Gesteinsfolge von neuem zu studieren und manche
Beobachtungen zu ergänzen.
Spezielle Beschreibung der Gesteinstypen.
1. Nördlichste Triaseinlagerung in den Bündnerschiefern der
Bedrettomulde. 670—716 ab Nordportal.
Nach C. Schmidt*) besteht diese Zone aus zwei Dolomit- und
Marmorlagern am Rande und Gyps und Anhydrit im Zentrum.
H. Schardt5) erwähnt daraus auch weisse Sericitschiefer. Zur Unter-
suchung liegen mir vier Proben von folgenden Punkten vor: 677,
695, 703 und 716 m ab Nordportal. Es sind hellfarbige bis weisse,
ım übrigen recht verschieden aussehende Gesteine.
" Gypsfels mit Anhydritresten.
Das Gestein von Progressive 677 ist massig, schneeweiss, matt,
jedoch mit zahlreichen glänzenden Spaltflächen besprengt. Hie und
da durchziehen das Gestein gelblich-grünliche sericitische Häute mit
vielen, oft langgestreckten Pyritkryställchen. Unter dem Mikroskop
erkennt man in einer wirr blättrigen oder fasrigen, schwach licht-
und doppelbrechenden Grundmasse einzelne unregelmässig begrenzte
grössere Individuen, ferner auch feine Körner und hie und da auch
kleine Stengelchen höher licht- und doppelbrechenden Mineralien sich
abheben. Die ‚‚Grundmasse“ besteht aus Gyps, die darin schwebenden
Mineralien sind Anhydrit, Dolomit, Quarz und Muscovit.
Die Gypsblättehen sind von verschiedener Grösse. Nesterweise
finden sich feinschuppige Aggregate. Darin schwimmen gelegentlich
ausgebildete Gypskrystalle. An einzelnen Stellen sind auch die
Anlıydritkörner von feinschuppigem Gyps umgeben. Die Schuppen
sind dann parallel orientiert und zwar in der Richtung der Spaltrisse
4) Rektoratsprogramm pag. 37.
5) Rapports trimestriels au conseil fédéral suisse sur l’état des travaux
du percement du Simplon. März 1899. Renseignements géologiques.
4 H. Preiswerk.
des benachbarten Anhydritkornes, ein Dokument für die ruhige Um-
wandlung des Anhydrit in Gyps.
An den grösseren Kryställchen lässt sich die optische Bestimmung
vornehmen. Die Blättchen mit höchster Doppelbrechung, also mit
Austritt der optischen Normalen zeigen häufig Zwillingslamellen nach
100 und in der Regel den fasrigen Bruch nach 111. Wenig geneiet zu
dessen Spaltrissen verläuft die Richtung c, die mit der Vertikalen
einen Winkel von 53° einschliesst. An einem Schnitt senkrecht zur
optischen Achse liess sich der positive Charakter des Minerals fest-
stellen.
Oft schliessen die grösseren Gypskrystalle blasenförmige, oft ge-
krümmte Hohlräume ein, vermutlich mit flüssigem Inhalt.
Die Anhydritkörner entsprechen den glänzenden Spaltflächen im
Handstück. Sie sind an der Peripherie oft ausgefranst oder abge-
bröckelt, manchmal von Lamellen feinblättrigen Gypses durch-
schnitten.‘ )
Charakteristisch sind die meist nahezu rechtwinklig sich kreu-
zenden Spaltrisse.
Die Richtung c steht senkrecht auf der Ebene undeutlichster
Spaltbarkeit, dies ist 100. In Schnitten parallel 010, also senkrecht
zur optischen Normalen, erscheinen ausser den Spaltrissen nach den
Pinakoiden auch feine Linien oder Lamellen nach dem Makrodoma
mit einem Winkel von 960 30°. Sie entsprechen polysynthetischen
Zwillingen nach 101. Die Umwandlung des Anhydrit in Gyps folgt
häufig diesen Lamellen.
Oft schliesst der Anhydrit reihenförmig angeordnete Hohlräume
ein von rechteckiger Gestalt. Libellen konnten darin nicht aufge-
funden werden.
In rundlichen Körnern oder unregelmässigen Fetzen, einzeln oder
nesterweise zusammengeschart finden sich rhomboedrische Karbonate
im Gyps eingebettet oder auch im Anhydrit eingeschlossen. Die
Seltenheit resp. das stellenweise gänzliche Fehlen der Zwillingsbil-
dungen deuten darauf hin, dass hauptsächlich Dolomit vorliegt.
Spärlich eingestreut findet sich Quarz in Körnern oder hexa-
gonalen Durchschnitten.
6) Diese schönen Strukturen der Umwandlung sind von F. Hammer-
schmidt (Tschermak. Min. u. Petr. Mitth. 1883, pag. 278) an Anhydritgestein
aus dem Val Canaria ausführlich und lebhaft Ses ben, und auf Tafel II,
Fig. 6 trefflich abgebildet worden.
A. Stella hat dieselben Strukturen aus der Trias des Kehrtunnels von
Varzo, südlich vom Simplontunnel, abgebildet. (Societa Italiana per la strade
ferrate del Mediterraneo. — Relazione sugli studi e lavori ereguiti dal 1807 al
1905, Roma 1906. Tav. LXXI, Fig. 2.
Triasgesteine im Simplontunnel. 5
Ebenso spärlich und unregelmässig wie Quarz findet sich
Muscovit in kleinen Blättehen und endlich selten auch Pyrit in Kry-
ställehen mit Würfel- und Pentagondodekaederflächen.
Muscovit und Pyrit reichern sich stark an in den Sericithäuten,
die das Gestein durchziehen.
Anhydritfels mit Einschlüssen flüssiger Kohlensäure.
Das Gestein von Progressive 695 besteht hauptsächlich aus grob-
körnigem Anhydrit von leicht violetter Farbe. Die Körner, die bis
über 1/, cm erreichen können, sind nach einer Richtung etwas abge-
plattet, sodass das Gestein eine leichte Parallelstruktur erhält. Diese
ist stellenweise noch stärker ausgeprägt durch sericitische Häute mit
Pyrit, die das Gestein ın der Schieferungsebene durchziehen. In unter-
geordneten Mengen finden sich im Gestein noch Gyps, Dolomit,
Quarz, Muscovit, Pyrit. Die qualitative mineralogische Zusammen-
setzung ist demnach dieselbe wie im Gestein von Progressive 677.
Nur ist dort die Umwandlung in Gyps weiter fortgeschritten. Man
kann das Gestein von Progressive 695 als krystallinen Anhydritfels,
das von Progressive 677 als hydratisierten Anhydritfels bezeichnen.
Unter dem Mikroskop erscheint der Anhydrit in langgestreckten
Körnern. In Schnitten nach 100, also senkrecht zur spitzen Bissectrix
liegt die optische Axenebene senkrecht zur Längserstreckung. Von den
zwei senkrecht sich kreuzenden Spaltsystemen zeigt das parallel der
Längsrichtung der Körner verlaufende deutlichere und zahlreichere
Spaltrisse. Da nun 100 unverkennbar die schlechteste Spaltbarkeit
hat, so ist demnach die Basis (001) die Ebene bester Spaltbarkeit.
In Schnitten parallel 010, in denen zahlreiche Zwillingslamellen
nach 101 sichtbar werden, sind die Körner ebenfalls in der Richtung
der deutlichsten Spaltrisse gestreckt. Die Körner sind also nach der
Basis abgeplattet.
Besonders an Stellen, wo die Gypsbildung begonnen hat, erkennt
man häufig die Wirkungen mechanischer Deformation an gekrümmten
Spaltrissen und undulöser Auslöschung.
Interessant sind die Einschlüsse im Anhydrit. Scharenweise fin-
den sich rechteckige Hohlräume, bald langgestreckt, bald mehr qua-
dratisch von 0,01—0,05 mm Länge ca. Einzelne schliessen Libellen
ein, von denen manche in beständiger Bewegung begriffen sind. Die
erösste Libelle, die beobachtet wurde, mass 0,004 mm im Durchmesser.
Temperaturänderungen bringen Veränderungen in der Grösse und
oft auch in der Lage der Libelle hervor. Beim Abkühlen des Schliffes
in Freien bei ca. 30 erlitten die Libellen eine merkbare Vergrösserung.
Besonders deutlich war dies zu beobachten an einer länglichen Libelle
in langgestrecktem Hohlraume. Manche beweeliche Libellen büssen
6 H. Preiswerk.
beim Abkühlen die Beweglichkeit ein. In einem der Hohlräume, der
bei gewöhnlicher Zimmertemperatur keine Libelle zeigt, erschien eine
lebhaft bewegte kleine Blase beim blossen Abkühlen mit einigen auf
das Deckgläschen gegossenen Äthertropfen.
Beim Erwärmen verschwinden die Libellen, die einen früher, die
andern später, alle bei ca. 260 C. Dieser Umstand, sowie der sehr hohe
Ausdehnungskoeffizient der Flüssigkeit beweisen, dass flüssige
Kohlensäure vorliest. Da die grösste von mir beobachtete Libelle
schon zwischen 250 und 260 C. verschwindet, lassen sich die Erschei-
nungen, die beim Überschreiten der kritischen Temperatur der
flüssigen Kohlensäure eintreten (ca. 310 C.) nicht beobachten.
Gyps füllt in wirrfasrigen Aggregaten Adern aus, die hie und
da zwischen den Anhydritkörnern verlaufen oder auch sie durch-
brechen.
Ziemlich spärlich sind lang ausgezogene Nester von Dolomit in
feinkörnigem Aggregat. Sie liegen häufig in der Nähe der Gyps-
ädern und haben dieselbe Richtung.
Da und dort finden sich vereinzelte Quarzkörner oft als Ein-
schlüsse im Anhydrit.
Häufig vergesellschaftet mit den Dolomitschnüren und den Gyps-
adern finden sich Muscovitblättchen in Parallelanordnung mit diesen.
Es scheint, dass die Lagen von Dolomitflasern und Muscovithäuten
der Hydratisierung Vorschub leisteten.
Pyrit ist ziemlich häufig und zeigt sich in glänzenden und
flächenreichen Krystallen.
Sericitischer Dolomitschiefer mit Anhydrit.
In einer Gesteinsprobe von Progressive 703 bildet weisser, fein
zuckerkörniger Dolomit die Hauptmasse. Er wechselt mit Lagen von
schwachviolettem, grobkörnigem Anhydrit. Das ganze Gestein er-
scheint dünnplattig bis schiefrig durch Lagen sericitischer Häute.
Unter dem Mikroskop erkennt man auch Gyps in Lagen, die von Dolo-
mit scharf getrennt sind.
In dem Dolomit finden sich häufig eingestreut: Körner von
Quarz, regellose, einzelne Muscovitblättchen, Pyrit gelegentlich mit
den Formen des Ikosaeders und kurze Stengelchen von Rutil.
Nicht selten werden die Dolomitkörner durchschnitten von
schlanken, ca. 0,02 mm dieken und bis 0,15 mm langen Säulen eines
Minerals, das ich als Turmalin bestimmt habe. Die Säulen sind stets
in der Prismenzone, oft aber auch terminal von Krystallflächen wohl-
begrenzt. Das Mineral ist farblos, was bei Turmalin in Gesteinen
selten ist. Dagegen enthalten die meisten der Säulen Kernkrystalle,
die intensiv gefärbt sind und einen sehr starken Pleochroismus
Triasgesteine im Simplontunnel. Ü
zwischen © = blaugrün und e = schwach rötlich-gelblich bis farblos
aufweisen. Die Kernkrystalle sind häufig scharf von der Hülle ge-
trennt. Sie bilden meist kurze Prismen mit basaler Begrenzung. In
einigen Fällen aber zierliche hemimorphe Krystalle, indem sie von
der Basis am einen Ende, von Rhomboedern am andern Ende begrenzt
werden.
Die Lichtbrechung ist in den Kernkrystallen bedeutend höher
als in der Hülle. Auch die Doppelbrechung ist im Kern um ein
weniges höher. Danach ist wohl die Hülle aus Magnesiaturmalin,
der Kern aus Eisenturmalin gebildet.
Sericitischer, sandiger Kalkschiefer.
Das Gestein von Progressive 716 m ist von weisser Farbe, im
Hauptbruch seidenglänzend mit grünlichen Glimmerblättchen be-
sprengt. Von den Kalkschiefern des Bündnerschiefer unterscheidet das
Gestein seine helle Farbe und der Mangel an kohligem Pigment. Nach
H.Schardt (Rapp. trim., März 1899) ist von diesem hellen Trias-
gestein zu den südlich anschliessenden Bündnerschiefern ein allmäh-
licher Übergang zu beobachten.
Die Hauptmasse des Gesteins besteht aus Carbonaten und zwar
ist es hauptsächlich Calcit, wie aus der chemischen Reaktion hervor-
geht. Die Caleitkörner sind etwas grösser als die Dolomitkörner im
Crestein von 703 m.
Etwa der vierte Teil des Gesteins besteht aus Quarz, in einzelnen
Körnern zwischen dem Caleit gleichmässig verteilt, seltener in Nestern
angereichert.
Von Glimmern ist Muscovit vorhanden, da und dort in kleinen
Blättchen.
In grössern Individuen, eigentlichen Porphyroblasten, die dem
Gestein ein grüngeflecktes Aussehen geben, findet sich ein schwach
grünlicher Glimmer mit folgendem Pleochroismus: a und b = grün-
lich, c = farblos. Die Doppelbrechung ist schwach und positiv, der
Axenwinkel klein : 2 E gegen 30°. Schnitte senkrecht zur Basis zeigen
zahlreiche Zwillingslamellen, die bis gegen 70 Auslöschungsschiefe zur
Basis aufweisen. Es liegt Klinochlor vor.
In Schwärmen angeordnet, den glimmerreicheren Gesteinsteilen
folgend, findet man zierliche Rutilkryställchen. Sie bilden oft knie-
förmige Zwillinge nach 101 oder herzförmige nach 301.
Die rutilreichen Zonen sind begleitet von vereinzelten braunen
Turmalinprismen mit © — hellbraun, e — farblos.
Hoch lichtbrechende, farblose Stengel mit schwacher Doppel-
brechung und negativem optischem Charakter der Hauptzone dürften
als Zoisit gedeutet werden.
8 H. Preiswerk.
In ziemlicher Menge enthält das Gestein flach linsenförmig aus-
gewalzte, bis 1/, em lange Nester von Magnetkies.
2. Zweite Triaseinlagerung im Bündnerschiefer, Triaszone von
„Lingwurm‘“. 1236—1530 m ab Nordportal.
Nach C. Schmidt besteht diese Zone von Nord nach Süd aus: 4m
Marmor, 200 m Anhydritgesteinen, 60 m schwarzen Schiefern und
nochmals 30 m Anhydrit. Die schwarzen Schiefer werden von Schmidt
und Schardt als synklinale Einlagerung von Jurasedimenten in der
antiklinalen Trias aufgefasst. Die Handstücke aus den Triaspartien
dieser Zone, die mir vorliegen, bestehen meist der Hauptmasse nach
aus lichtviolettem Anhydrit mit deutlicher Schieferung. Diese wird
sowohl durch die Abplattung der Anhydritkörner, als auch durch
Glimmerhäute von bräunlicher und grünlicher Farbe bedingt oder
durch flache Dolomitlagen.
Sericitischer Dolomit- Anhydritfels.
Ein Gestein von Progressive 1300 ab Nordportal erscheint
violett, weiss und bräunlich gebändert. und gefleckt durch Lagen von
Anhydrit, Dolomit und Glimmer. An den feinkörnigen dolomitischen
Teilen lässt sich schöne Triboluminescenz beobachten: Die mit dem
Hammer angeschlagenen Stellen zeigen im Dunkeln ein rotes Auf-
glühen. c
Der Anhydrit ist stellenweise sehr grobkörnig. Die Körner zeigen
dann häufig undulöse Auslöschung und stärkere Deformation der
Krystalle, sowie überaus reichliche Zwillingsbildung nach 101. Die
Art der Deformation lässt auf eine Gleitbarkeit nach der Basis
schliessen.
Der Dolomit ist durchschnittlich sehr feinkörnig und enthält in
diesen feinkörnigen Teilen, die Pflasterstruktur zeigen, keinen An-
hydrit. Die Dolomitkörner werden etwas grösser in den Grenz-
regionen gegen die Anhydritlagen und bilden hier mit kleinern An-
hydritkörnern ein mittelkörniges Gemenge. Wir haben also Lagen
aus reinerm Anhydrit bestehend, Lagen aus Dolomit und Lagen, in
denen beide gemengt sind. Stellenweise zeigt das Gestein grosskörnige
Ausbildung beider Mineralien, des Dolomit und des Anhydrit. In
solchen Teilen sind gelegentlich Häute von Gyps zu beobachten in
Verbindung mit kataklastischen Zonen.
Neben Muscovit findet sich ein schwach bräunlicher Glimmer
mit äusserst kleinem Axenwinkel, der zur Phlogopitgruppe gehört.
Quarz ist sehr spärlich. Pyrit ist nicht selten, auch in grössern
bis gegen 1 mm grossen Krystallen. |
Triasgesteine im Simplontunnel. 9)
Anhydritfels mit Phlogopit.
Das Gestein von Progressive 1403 besteht aus grobkörnigem
Anhydrit mit wenig, regelmässig im Gestein verteilten Dolomit und
bräunlichem Phlogopit.
Der Unterschied in den Gesteinen der Trias von Lingwurm
gegenüber denen von Progressive 670-716 besteht, soweit die vor-
liegenden Proben einen allgemeinen Vergleich gestatten, in dem Zu-
rücktreten des Gypses in den Gesteinen von Lingwurm und in dem
Auftreten von Phlogopit an Stelle des Muscovit.
3. Südliche Grenztrias der Bedrettomulde. 3843-3913 m ab
Nordportal.
Die Gesteine dieser Zone bestehen vorzugsweise aus dolo-
mitischem Kalk, Quarziten und Sericitschiefern. Seltener sind An-
hydritgesteine.
Glimmerreicher Anhydritschiefer.
Beı 3862 m ab Nordportal findet sich ein stark parallelstruiertes
Anhydritgestein. Stellenweise wechsellagert der Anhydrit mit fein-
körnigem, weissem Dolomit. Die Lagen sind oft durch Häute von
Muscovit getrennt, während dem Anhydrit selbst ein grünlich-bräun-
licher Glimmer in losen Blättern beigemenst ist, der zum Phlogopit
eehört.
i Dolomitglimmerschiefer mit Albit.
Ein eigenartiges Mischgestein steht bei km 3900 an. Das Gestein
besteht aus dünnen Lagen von schneeweissem feinkörnigem Dolomit
mit etwas Calcit und ebenfalls weissen Quarz-Feldspatlagen, die da
und dort augenartig anschwellen. Die verschiedenen 1—2 mm dicken
Lagen sind durch Häute weissen und braunen Glimmers geschieden
mit reichlichem Pyrit. Auch die Quarz-Feldspatlagen sind reichlich
von Carbonaten durchsetzt. Der Feldspat scheint durchweg Albit zu
sein. Sein Brechungsvermögen ist stets kleiner als beim Quarz, der
optische Charakter ist positiv, Schnitte ziemlich genau senkrecht c
zeigen gegen 20° Auslöschungsschiefe. Die beiden Glimmer unter-
scheiden sich sowohl durch die Farbe als durch die Grösse des Axen-
winkels. Der braune Glimmer erscheint einaxig, der farblose zeigt
wechselnde, stets kleine Axenwinkel, die meist zwischen 2 E = 309
bis 409 schwanken, aber auch bis nahe O® sinken.
(rneissige Arkose.
Ebenfalls bei Progressive 3900 findet sich, offenbar genetisch
mit dem eben beschriebenen Gestein in Zusammenhang ein grob-
10 H. Preiswerk.
flaseriges, stark geschiefertes, augengneissartiges Gestein. Die Augen
bestehen aus Quarz oder, namentlich die grössern, aus Feldspat-
aggregaten. Die Flasern bestehen aus hellem, spärlicher aus braunem
Glimmer und sind mit zahlreichen bis 1/, cm grossen Pyritkrystallen
durchspickt. Der Feldspat wurde durch Untersuchung der Spalt-
blättchen als Alböt bestimmt. Er stimmt demnach überein mit dem
Feldspat des gneissartigen Dolomitglimmerschiefers. Das Gestein
scheint ein der Trias eingelagertes Zertrümmerungsprodukt der be-
nachbarten Gneisse zu sein. Die Albitaugen dürften zum grossen Teil
aus ursprünglichem Orthoklas hervorgegangen sein, der im benach-
barten Eistengneisse sich häufig findet.
Dolomitmarmor.
Bei Progressive 3902 tritt ein rein weisser kompakter, in eckige
Bruchstücke zerfallender Dolomit auf. Das Gestein enthält nur wenig
Caleit. Er löst sich in Salzsäure bis auf minimale Rückstände von
farblosen Glimmerblättchen. Diese bilden oft wohlbegrenzte sechs-
eckige Täfelchen. Der grösste Teil des Glimmers ist optisch nahezu
einaxig. Ein Teil zeigt Axenwinkel von 2 E = gegen 50°. Es scheint
auch da grossenteils Phlogopit vorzuliegen.
4. Trias der Eistenmulde. 3993 u. 4077 m ab Nordportal.
Aus der Trias der Eistenmulde liegt mir nur eine Gesteinsprobe
vor aus dem südlichen Schenkel, also aus der Grenztrias gegen den
Gantergneiss und zwar von Progressive 4077. Es ist ein plattig-
schiefriger weisser Dolomitmarmor. Die Schieferungsflächen sind mit
farblosem bis schwach gelblichem meist eöinaxigem Glimmer und Pyrit
bedeckt. In dünnen Lagen findet sich auch etwas grobkörniger Calcit.
Das Gestein zeigt sehr schön die Erscheinung der Triboluminsscenz.
5. Südliche Trias der Gantermulde I. 4426 m ab Nordportal.
Die Trias der Gantermulde ist sehr schwach entwickelt. Bei 4426
finden sich wenige Dezimeter mächtig zuckerkörniger Dolomitschiefer
untermischt mit viel Quarz, Glimmer und grobspätigem Caleit.
Im März 1913 habe ich an dieser Stelle im Tunnel II auch
Fuchsitmarmor (vgl. S. 11) aufgefunden. Dieser Fund ist eine schöne
Bestätigung für die vermutete tektonische Zusammengehörigkeit der
als Gantermulde I und Gantermulde II bezeichneten Schichten.
Triasgesteine im Simplontunnel. 11
6. Gantermulde II. 7246—7254 m ab Nordportal.
Die Strecke, wo die Gantermulde zum zweitenmale den Tunnel
quert, bei Progressive 72467254, ist an typischen Triasgesteinen
recht arm. Körnige Carbonatgesteine finden sich bei den Progressiven
7246 und 7259.
Anhydrit führender Fuchsit-Marmor.
Das Gestein von Progressive 7246 besteht zum grossen Teil aus
Calcit. Nach Behandlung mit kalter Salzsäure bleibt ein kleiner Teil,
der wesentlich aus Dolomit besteht. Nach Auflösung desselben in
warmer Salzsäure hinterbleibt ein glashelles Pulver. Dieses besteht aus
Anhydrit und Muscovit. Die auf 010 liegenden Anhydritblättchen
lassen meist starke Zwillingslamellierung nach dem Makrodoma er-
kennen. In einzelnen Lagen, besonders: in der Grenzzone gegen das
Nebengestein wird das weisse Carbonatgestein von smaragdgrünen
Glimmerhäuten durchzogen. Dieser grüne Glimmer hat die optischen
Eigenschaften des Muscovit. Vor dem Löthrohr in der Boraxperle
gelöst, gibt er schwache Chromreaktion. Er ist demnach als Fuchsit
zu bezeichnen.
Diese marmorartigen Gesteine sind begleitet von glimmerreichen
Schiefern, die ebenfalls stark carbonathaltig sind: braune Granat-
schiefer, die wohl uoch zum Jura zu rechnen sind und weisse Kalk-
glimmerschiefer.
Weisser Kalkschiefer.
Die Untersuchung eines hellen Schiefers von der Progressive
7246 m ergab folgendes Resultat: Hauptbestandteile sind: Calcit,
Dolomit, Quarz, Plagioklas und Muscovit. Da und dort finden sich
auch — dies zeigt den Zusammenhang des Gesteins mit der Ca SO4
führenden Trias — unregelmässige Körner von Anhydrit. Ferner
wurde beobachtet: Turmalin in braunen, kleinen, gedrungenen Säulen
oder in grössern farblosen Krystallen mit braunem Kern. Pyrit-
krystalle, Rutil, nesterweise in Körnern, seltener in schlanken Kry-
stallsäulen. Ganz vereinzelt sind Mineralien der Epidotgruppe sowie
längliche gerundete Körner von Zirkon.
Anhydritknauern und Anhydritkrystalle im G'antergneiss bei 7500 m
ab Nordportal ca., im Liegenden der Trèas der Gantermulde IT.
Mit der Trias der Gantermulde im Zusammenhang steht das
Vorkommen der schönen, von mir beschriebenen Anhydritkrystalle ?)
und Anhydritknauern im Gneiss bei Progressive 7500 ca. ©. Schmidt
7) Vgl: H. Preiswerk: Neues Jahrh. f. Min. 1905, B. I, pag. 37.
1 H. Preiswerk.
beschreibt dieses Vorkommen im. eingangs zitierten Rektoratspro-
gramme pag. 44. Ein neues Vorkommen solcher Anhydritknauern
habe ich im Tunnel II bei Progressive 7390 m ab Nordportal ge-
funden.
Der die Einlagerungen umgebende Gneiss fällt durch seine helle
Färbung gegenüber dem übrigen Leonegneiss auf. Mineralogisch
kann er Albitgneiss genannt werden. Er hat krystalloblastische
Struktur und besteht aus einem Gemenge von Albit, etwas wenigem
Mikroklin, Quarz und Muscovit, mit reichlich Calcit zwischen den
andern Mineralkörnern eingesprengt. Die Anhydritmassen sind mit
dem Gneiss auf eigenartige Weise verknüpft. Einige Bestandteile
des Gneiss entwickeln sich da, wo Anhydrit vorhanden ist, überaus
erobkörnig und bilden zusammen mit dem Anhydrit grosskörnige,
linsenförmige Knauern. Diese sind wesentlich von zweierlei Art.
Entweder bestehen sie fast nur aus Anhydrit und sind nur randlich
von Glimmerlagen durchzogen und umhüllt. Indes ist meist keine
scharfe Grenze zwischen den Knauern und dem Gneiss, indem
auch im unmittelbar benachbarten Gneiss einzelne kleinere Anhydrit-
schmitzen eingelagert sind. Oder aber wir haben grosskörnige Massen,
die aus Quarz, Feldspat, dunkelviolettem Anhydrit und grobflasrigem
Biotit und Muscovit bestehen. Auch hier sind die Bestandteile der
Knauern aufs innigste verknüpft mit denen des Gneisses, ähnlich wie
bei pegmatitischen Ausscheidungen. Der grobspätige Feldspat der
Knauern erweist sich als Orthoklas nach der Untersuchung der Spalt-
blättehen und des Brechungsexponenten. Dieser ist — nach der Ein-
bettungsmethode bestimmt — durchgehend, aber sehr wenig niedriger
als 1,527. Einige der Spaltblättehen nach 001 zeigen Mikroklin-
Gitterstruktur. Neben dem Kalifeldspat konnte in den Knauern auch
etwas Albit konstatiert werden. Bei Progressive 7490 m fand ich im
Tunnel II Knauern, die aus violettem Anhydrit, weissem Feldspat,
erünem Glimmer und reichlich blassgrünem Stahlstein bestehen.
7. Carneramulde. 8145—8155 m ab Nordportal.
Die Anwesenheit der Mulde ist mehr durch den petrographischen
Wechsel des hangenden und liegenden Gneisses als durch charak-
teristische Triasgesteine markiert. Immerhin ist der Carbonatreichtum
der Zone und Anhydritinfiltrationen im liegenden Gneiss auf eine
Einlagerung mesozoischer Sedimente zurückzuführen.
Calcit führender Muscovitgneiss.
An Handstücken liegt mir aus dieser Zone nur ein weisser Gneiss
vor, der aus Quarz, Orthoklas, etwas Albit und Muscovit, sowie reich-
lichem Caleit besteht.
Triasgesteine im Simplontunnel. 15
Anhydritknauern im Valgrandegneiss bei 8163 m ab N ordportal im
Liegenden der Trias der Carneramulde.
Das Anhydritvorkommnis im Valgrandegneiss bei Progressive
8463 ist denen von Progressive 7500 ganz analog. Teils findet sich
der Anhydrit in kleinen Körnern als Gemengteil des Gneisses, nament-
lich aber in grosskörnigen Mineralknauern mit Quarz, Feldspat,
Biotit, Muscovit und Chlorit. Der Feldspat scheint grossenteils Albit
zu sein.
8. Hangende Trias der Vegliamulde. 9400-9680 m ab
Nordportal.
Von Progressive 9400—9680 ab Nordportal durchfährt der
Tunnel eine bunte Serie von richtigen Triasgesteinen, das Dach der
Vegliamulde, durch deren Anfahren seinerzeit endgiltig die grosse
Überschiebung der Leonegneissmassen erwiesen wurde.
Glimmerdolomite mit und ohne Anhydrit.
Es sind teilweise fein geschichtete Gesteine, in denen Lagen von
reinem weissen zuckerkörnigem Dolomit, glimmerreichem Dolomit,
violettem Anhydrit, gröberkörnigem Kalkspat und Quarz mit ein-
ander abwechseln. Pyrit ist oft reichlich lagenweise eingesprengt;
ferner finden sich Turmalın, Klinozoisit, Rutil und selten etwas
Plagioklas. H.Schardt erwähnt auch Kupferkies und Bleiglanz.
Stellenweise sind die Gesteine intensiv gefältelt und zusammen-
gestaucht, wobei oft grobkörnige Aggregate sich ausbilden und die
Schichtung verwischt wird. Manche Typen zeigen lebhafte Tribo-
lumineszenz. Der Anhydrit ist nicht nur in den von blossem Auge
sichtbaren Lagen vorhanden, sondern auch in mikroskopischen
Körnern dem zuckerkörnigen Dolomit beigemengt. Bei km 9408
wurde im Anhydrit eine bewegliche Libelle konstatiert. Sie bleibt
bei Temperaturänderungen jedoch unverändert. Der Flüssigkeitsein-
schluss ist demnach von anderer Natur als diejenigen im Anhydrit bei
Km 0,695, also keine flüssige Kohlensäure.
Von Glimmern sind durchweg zwei Arten vorhanden. 1. Farb-
loser, gelblicher oder grünlicher Muscovit, der meist ununterbrochene
Häute bildet. 2. Ein hellbrauner Glimmer, den Muscovithäuten bei-
gemischt oder aber in mehr isolierten, selbständigen Blättehen. Der
braune Glimmer ist beträchtlich spröder als der Muscovit. Sein
optischer Axenwinkel ist stets klein. Er schwankt etwa zwischen 00
und 120, Selten wird er bei ganz schwach gefärbten Blättehen grösser.
Nach einiger Mühe gelang es mir, an dünn gespaltenen Blättchen
14 H. Preiswerk.
mit dem von Steenstrup angegebenen Apparat®) Schlagfiguren her-
zustellen, an denen mit hinreichender Sicherheit die optische Axen-
ebene des Glimmers als parallel mit dem Lichtstrahl, also der Glimmer
als zweiter Art bestimmt werden konnte. Der Glimmer ist also in
die Biotitgruppe zu stellen. Auch manche farblose Glimmer zeigen
sehr kleinen Axenwinkel, der bis gegen 00 sinkt. Ob sie Glimmer
zweiter Art sind, konnte ich nicht sicher feststellen. Wahrscheinlich
sind sie samt den hellbraunen Glimmern zweiter Art zum Phlogopit
zu stellen. {
Die Struktur der Gesteine ist die krystalloblastische. Völlig:
idioblastisch sind nur die Pyritkrystalle und spärliche Rutile. Die
Glimmer zeigen ausgebildete Basisflächen. Besonders auffällig ist
die idioblastische Ausbildung nur nach einer bestimmten Fläche am
Anhydrit zu beobachten. Wo er von Dolomit eingeschlossen ist, er-
scheint er in unregelmässigen Körnern, die nur nach der Basis eben-
flächig begrenzt sind.?)
Sericit-Quarzite mit Anhydrit.
Bei Progressive 9475 und 80 finden sich anhydritjührende,
quarzreiche Gesteine. Neben Quarz enthalten sie reichlich Muscovit,
der ihnen schiefriges Aussehen verleiht. Daneben tritt auch ein ein-
schlussreicher Feldspat auf. Seine Lichtbrechung ist niedriger als die
des Quarz, Schnitte senkrecht auf c zeigen gegen 20° Auslöschungs-
schiefe gegen die Trace 001. Die Doppelbrechung ist positiv. Dem-
nach liegt Albit vor.
Anhydritkrystalle im Glimmerdolomit und Sericitquarzit.
In den beiden soeben beschriebenen Triasgesteinsarten der Veglia-
mulde finden sich ebenfalls an verschiedenen Stellen schöne Anhydrit-
krystalle, die ich s. Z. (Neues Jahrb. f. Min., 1905, pag. 33—43) be-
schrieben habe. Als Fundorte sind mir bekannt geworden die Pro-
gressiven: 9480, 9500, 9540, 9560 und 9573 m. Ich habe seitdem
noch einige Stufen erhalten, die geeignet sind, einiges Licht zu werfen
auf die Bildungsweise der in den Triasschichten selbst auftretenden
Krystalle Es sind hier keine richtigen Kluftmineralien, die die
Wände der Klüfte überkleiden, vielmehr stehen die Krystalle in
3) Es hat sich als zweckmässig erwiesen, an diesem Apparate die äussere
Glasröhre durch Anschleifen seitlich zu öffnen. Auf diese Weise kann die
durch das Hinabfallen der innern Röhre verdrängte Luft seitlich entweichen,
während sie sonst leicht das Glimmerblättehen von der untern Öffnung
wegbläst.
9) Vgl. die Mikrophotographie von Gestein bei 9433 m ab Nordportal. Tafel 1,
Fig. 1.
Triasgesteine im Simplontunnel. 15
genetischem Zusammenhang mit den Gesteinsgemengteilen. Es liegt
mir eine Stufe (Progr. 9500) vor, bei der die mit Anhydrit- und Dolo-
mitkrystallen bekleidete Kluftfläche senkrecht steht auf den Schichten
des Gesteins. Die Kluft ist nun dort mit Anhydritkrystallen besetzt,
wo die Lagen körnigen Anhydrits im Gestein ausstreichen, wo dagegen
die zuckerkörnigen Dolomitlagen ausstreichen, wachsen Dolomitkry-
stalle in die Kluft. Die Bildung der Krystalle in der Kluft muss
gleichzeitig erfolgt sein mit der Krystallisation der Gesteinsbestand-
teile. Diese selbst sind es, die in der Kluft auskrystallisieren, analog
wie in Eruptivgesteinen die Gesteinsgemengteile in miarolitischen
Hohlräumen zur vollen Krystallausbildung gelangen. Bei Progressive
9480 finden sich Anhydritkrystalle auf Klüften im Sericitquarzit.
Sie sind hier bezeichnenderweise wesentlich von Quarzkrystallen be-
gleitet. Spärlich finden sich dabei Dolomit und Adular.
Dunkle Anhydrit-Glimmerschiefer und Gneisse.
Ein dritter Gesteinstypus der Triaszone 9400-9650, der eben-
falls Anhydrit führt, sind biotitreiche Schiefer und Gneisse, die be-
sonders charakteristisch bei den Progressiven 9458-69, 9502-10
und 9574—79 entwickelt sind. Es sind grobflaserige Gesteine mit
dunkeln Glimmerflasern und hellen, meist augenförmigen Zwischen-
lagern. Der hellviolette Anhydrit tritt darin in grössern linsen-
förmigen Lagen oder auch inniger mit dem Gesteinsgewebe. ver-
flochten, in den Augen der Flaserung selbst auf.
Der Mineralgehalt dieser Schiefer ist sehr mannigfaltig und trotz
des ziemlich einförmigen Aussehens stark wechselnd. Neben Biotit
tritt stellenweise reichlich ein gelblich-grauer Muscovit auf. Der vor-
herrschende farblose Gremengteil ist bald Quarz, bald ein Plagioklas.
Die Feldspatindividuen sind oft mehrere Millimeter gross und um-
schliessen zahllose Einschlüsse. Ihr Vorherrschen führt zu gneiss-
artigen Typen über. Zur Bestimmung des Feldspates dienen am
besten die Quarzeinschlüsse. Die Untersuchung derselben in einem
grobflasrigen Gestein von Progressive 9574, das grosse einschlussreiche
Feldspate enthält, ergab folgendes Resultat: An einem Schnitt an-
nähernd senkrecht zur optischen Axe des Feldspates wurde bestimmt
o
ß. Aus andern Durchschnitten ergab sich:
bei Parallelstellung © Vilaay en m zer ES OÙ
Docchieyer no)
Colza-Majaso . . . . 450—500
ATARI EG DO
Bellunom ss pre 220000
AOStA LR EL ER‘
Apenninabig Reco ER OU
N b. Aquila . . . . . 700—800—1100
iyoleer 0200222257900 600
[llyrien und Griechenland.
Nord AlbANEN MERE 025)
ACLOCELAUNIA ll‘
Mirichzias 2 le, 2.120220)
Olymposa, 2 222000
Kolchis-Pontus.
Kolchiszallgememe 2 2 00
SUCHUMARAlE SE NV
Sandschak Mrapezunt . . . . 1500
Der Buchs kalkhold aber nicht kalkstet, dysgeogenes Substrat
erfordernd.
Dass der Buchs die Kalkunterlage bevorzugt, ist leicht nachzu-
weisen und alle Beobachter stimmen darin überein. Aber es ist nicht
der Kalk als chemische Spezies, an die er gebunden ist, und es gibt
Kalkunterlagen, die er vermeidet.
Der Kalkstein, den er besiedelt, muss kompakt sein und sein
Detritus muss in Geröll und festen Trümmern bestehen, die Spalten
darbieten, in welche seine Wurzeln dringen; er darf nicht in lehmige
Erde oder Kalksand sich auflösen. Sandiges und lehmiges Erdreich
flieht der Buchs, während er hie und da kalkfreies Urgebirge, Porphyr
und Basalt bewohnt, sofern es kompakt und nicht sandigem Zerfall
unterworfen ist. Wenn er also vorzugsweise den Kalkstein bewohnt,
so kommt es stets auf den Aggregatszustand desselben an, und falls
dieser vorhanden ist, kommt er auch auf andern Gesteinsarten vor.
Tertiäre, auch kalkhaltige Molasse, welche sich in lehmigen Sand
auflöst, vermeidet er so sehr, dass ganze grosse tertiäre Becken von
ihm gemieden werden, gerade so wie sandige Haide (Landes) alten
Vorkommen des Buchsbaumes in der Schweiz, Europa u. Vorderasien. 109
Meeresbodens. Ich bin im Falle, sehr einlässliche Schilderungen dieses
Verhaltens einer kalkholden, aber gewisse kalkige Bodenarten infolge
ihres mechanischen Verhaltens vermeidenden, und ausnahmsweise,
eben infolge einer ihr zusagenden mechanischen Besonderheit, kalk-
freie Felsarten erwählenden Holzpflanze hier beizubringen. Dass bei
einer so anpassungsfähigen Pflanze übrigens auch Standorte vor-
kommen, die der allgemeinen Regel sich nicht zu fügen scheinen, ist
nicht verwunderlich.
Anderseits bestätigt selbst die Kultur, dass in dem, zerfallenem
Granit entstammenden Sandboden der Buchs nicht gedeiht, so der
zu Einfassungen verwendete auf dem Friedhof von Chamonix.'?)
Auch mir ist auf dem leichten Sandboden des Wiesentals bei Riehen
im heissen Sommer 1911 eine Buchseinfassung eingegangen.
Thurmann 3) macht noch auf eine wichtige Wechselbeziehung
zwischen dem Aggregatszustand der Unterlage und der Temperatur
aufmerksam, indem er zeigt, dass xerophile Arten mittlern Grades
auch auf weniger dysgeogenem Boden bestehen können, wenn die
Temperatur hoch genug ist. Diese Ausgleichung betont er bei der
Flora von Lot et Garonne, wo auf einem ziemlich zerreiblichen Kalk-
stein .doch Arten vorkommen wie Buxus, Acer monspessulanum,
Prunus Mahaleb, Cynanchum etc. Er sagt:
„Dank der Erhöhung der Temperatur lässt die eugeogene Unter-
lage bereits manche Pflanzen trockener Standorte zu, welche bei uns
anderes, festeres, mehr dysgeogenes Substrat verlangen. Wahrschein-
lich ist dies, wenn wir von Norden nach Süden gehen, eine allgemeine
Erscheinung, wie wir, von Süden nach Norden wandernd, die gegen-
teilige Beobachtung machen.“
Doch nun zu den Darstellungen der Beobachter.
Ant. Magnin bemerkt zu dieser Frage:
„Der Buchs ist eine xerotherme, im Süden für die chemische
Natur des Bodens fast indifferente Pflanze, welche aber mehr und
mehr anspruchsvoll wird, indem sie gegen Norden ansteigt, wohin
sie nur längs der Kalkgebirge gelangt. Ausnahmen rühren oft von
Anpflanzungen her. Wie bei mehreren andern kalkliebenden Arten,
erlaubt die Verpflanzung als bereits angewurzelte Pflanze dem Buchs
das Fortkommen in anderem Boden, während dies bei Ansäen nicht
gelingen würde. Diese Frage der Anpflanzung kommt bei mehrern
Vorkommnissen des Buchses in der Champagne in Betracht. Ich
meinesteils glaube vielmehr an einen Rückzug, an Relikte. Es gibt
daselbst Orte, die durchaus an Buxeta erinnern, obschon sie sich heute
nicht mehr daselbst finden.“
12) 4. Beauverd in litt.
aa, Dhurmannızie 1,95, 121,172, 191, 193:
110 H. Christ.
Aus dem Studium des französischen Areals zieht Simon folgende
Schlüsse über die Frage, ob der Buchs den Kalk als chemische Sub-
stanz verlange oder ihn nur als die, ihm wegen seines Aggregatszu-
standes förderlichste Grundlage bevorzuge.
„Der Buchs scheint im allgemeinen dichte Unterlage (sols com-
pacts, durs et très secs) zu verlangen, die ihm vornehmlich der untre
und mittlere Jura liefert, hie und da auch die Kreide. Jedenfalls ıst
allein in der physischen Beschaffenheit des Bodens die Ursache der
scheinbaren Anomalien in seiner Verbreitung zu suchen, wie sie z. B.
Desmoulins anführt, ebenso der Grund seines Fehlens auf der ge-
samten Molasse-Formation des Bassin Souspyreneen. Die nicht juras-
sischen, von Lagreze-Fossat im Haut-Agenais zitierten Stationen
werden wahrscheinlich mit den Schichten weissen Kalksteins des
mittlern und obern Aquitanien zusammentreffen, die dort sehr ent-
wickelt sind.
„Anderseits scheint der Buchs gleichgültig der chemischen Natur
des Bodens gegenüber, da man ihn auch auf Granit und Schiefer
findet.
„Diese Ansicht wird mir durch Mr. Coste bestätigt, der schreibt,
Buxus ziehe allerdings Kalk vor, komme aber ebensogut auf den aus-
schliesslich aus Schiefer bestehenden Felsen der Täler des Aveyron,
des Rance, des Tarn, des Lot und ihrer Zuflüsse fort. Er befindet
sich sehr wohl in basaltischen Tälern, aber scheint sich nicht zu ge-
fallen auf den Granit-Plateaux, in losem oder ausschliesslich tonigem
Terrain. Reiner oder stark mit Dolomit gemengter Kalk gilt ihm
gleich. Aber Coste fügt bei: der Fels muss kompakt und widerstands-
fähig sein, wie man ihn etwa auf dem Causse noir bei Montpellier-
le-Vieux sieht, wo die Dolomitfelsen zum grossen Teil mit Buchs be-
deckt sind. In der ganzen Region der Causses der Cevennen wählt er
hauptsächlich die felsigen schwach bewaldeten Abhänge, deren Ge-
rölle durch andre Gebüsche gefestigt sind: Haselnuss, Amelanchier,
Schwarzdorn etc. Bei uns (im Centre) sind die Standorte analog, aber
unsre Kalkhügel bieten keine Geröllhalden, und der Buchs bohrt seine
Wurzeln in die Lücken der Felsbänke ein, wenn sie zutage treten,
oder in die Spalten des dürren und steinigen Bodens (,,Chaumes“),
wo Quercus pubescens herrscht. Auch Coste misst seine Abwesenheit
ım aquitanischen Becken der Leichtigkeit bei, mit welcher hier das
Terrain zerfällt, wie z. B. auch im Becken von Camares im Aveyron,
das aus permischen, leicht sich auflösenden Mergeln besteht, der Buchs
sehr selten ist, während rundum, auf dem Kalk bei St. Affrique, wie
auf dem harten Sandstein und den dichten Schiefern des Rance- und
Tarntals, der Buchs gerade so häufig ist als in den Causses. Ich glaube
nicht, dass seine Seltenheit in der Ebene von Poitou, in der Charente
Vorkommen des Buchsbaumes in der Schweiz, Europa u. Vorderasien. 111
inferieure und der Gironde einer andern Ursache zuzuschreiben ist als
der Ausdehnung der Kultur und namentlich der des Weinstocks in
einer noch nicht fernen Vergangenheit. -Felsenstationen sind hier recht
selten, wo sie aber auftreten, wie beim Douhet nahe bei Saintes, kann
man auch Buchs antreffen.“
Ich stelle mit lebhafter Freude fest, wie genau die Ansichten der
neuen französischen Forscher Magnin, Simon und Coste mit denen
zusammentreffen, welche J. Thurmann in seinem klassischen Essai
de phytostatique app. a la Chaine du Jura schon 1849 geäussert hat.
Für den Buchs, wie für die ganze Vegetation des Jura stellt er nicht
das Kalksubstrat als solches, sondern die kompakte, undurchlässige
Eigenschaft des Juragesteins als Erfordernis in erste Linie. Er unter-
scheidet zwei Hauptkategorien der Felsarten inbezug auf die Fähig-
keit, sich in sandige oder lehmige Substrate aufzulösen :
1. Leicht erdebildende Felsarten (Roches eugeogenes), wohin
z. B. roter Sandstein, Oxfordmergel, gewisse Molassensandsteine ge-
hören.
2. Schwer erdbildende (Roches dysgeogenes), wozu besonders der
kompakte Jurakalk, aber ebenso auch feste, feldspatarme Granite,
Schiefer, Grauwacken, Basalte.
Thurmann nennt die Juraketten, die aus dem tiefen Süden
Frankreichs bis zur schwäbischen Alb eine so gleichartige xerophile
Vegetation besitzen, geradezu die Conducteurs dysgeogenes dieser
Vegetation, und der Buchs gilt ihm durchaus als Leitpflanze der-
selben: S. 192 sagt er ausdrücklich von ihm: ,,il s'arrête partout sur
les lisieres eugéogènes, et dessine nettement notre are de montagne
comme contrée sèche, chaude et dysgeogene.‘‘ So charakterisiert er die
untre Region des schweizerisch-savoyischen (östlichen) Jura durch
Buxus, Mahaleb, Acer opulifolium, Coronilla Emerus, Quercus
pubescens, und die des französischen (westlichen) Jura wiederum
durch Buxus, den Acer, die Coronilla, den Mahaleb und die Quereus.
Als Leitpflanzen für den ganzen Jura der mittlern Region gibt er
folgende Reihe: 1. Buxus, 2. Helleborus foetidus, 3. Fagus, 4. Daphne
laureola.
Auch erklärt er die Unterbrechungen der Buchsbestände so: ,,sie
scheinen vom Boden herzurühren, wie dies vielleicht der Fall ist für
die etwas lehmigen (also eugeogenen Der Verf.) Liaskalke von
Grenoble.“
J. Briquet hält den Buchs nicht für kalkstet, wie etwa Argyro-
lobium argenteum, das ebenso kalkbedürftig ist im mediterranen
Süden als in seinen sehr seltenen xerothermen Kolonien im Rhone-
becken. In den Secalpen am piemontesischen Abhang sah er ihn nur
auf Kalk, aber nicht z. B. auf den Molassehügeln bei Mondovi. Auf
12 H. Christ.
dem Südabhang ist er sehr häufig, und in der montanen Region, wo
er über weite Gebirge geht, ist er auf Urgebirge völlig zu Hause. So
auch im Tal der Tinée zwischen Saint-Sauveur und Isola. Die Buxeta
sind eine charakteristische Formation der warmen Täler des Südab-
hangs von 500 bis 1000 m.
G. Beauverd äussert sich folgendermassen :
Die Dünen von Coudrée, welche das dortige Buxetum tragen, be-
stehen aus stark, wenn nicht gänzlich entkalkter Molasse: ein Boden,
der den Buchs meist ausschliesst, während hier die aussergewöhnlich
thermische Natur dieses Standorts ihm die Ansiedelung ermöglicht.
Dasselbe ist der Fall in den südlich exponierten Schluchten, welche
das Molasse-Plateau von Rumilly durchziehen. Hier ist der Buchs
in Begleitung indiffierenter oder kalkfliehender Pflanzen. Diese Mo-
lasse ist kompakt, zeigt aber einige Spuren von Calcium. Letzteres ist
nicht der Fall bei den erratischen Blöcken von konpaktem Protogyn
bei Blancheville, im Tal der Arve, wo zwischen 600 bis 1150 m auf
den Halden des Urgonien der Montferrantkette (Aravis) ein pracht-
voller Buchsbestand diese Blöcke bedeckt, in deren Zwischenräumen
die üppigsten Buchssträucher stehen, die Herr Beauverd je in Sa-
voyen sah.
Eigentümlich schildert L. Blanc +) die Verhältnisse bei Mont-
pellier: In der mit Bäumen gemischten Garrigue steht der Buchs an
mergeligen Kalkabstürzen, weiterhin kommt er zugleich auf
kieseligem zerfallenem Sandboden des Maquis, auf mergeligem Kalk
der Ebene und der höhern felsigen Garrigue vor, woraus Blanc auf
die Anpassung des Buchs an verschiedene Assoziationen schliesst, .
wie wir bereits bei Betrachtung der Xerothermie des Buchses mit-
teilten.
Das lückenhafte Areal.
Das lückenhafte, von Briquet mit Recht kapriziôs genannte Areal
des Buchsbaums, dessen einzelne Bestände so oft durch viele, ja hun-
derte von Kilometern messende Abstände getrennt sind, ohne dass
verbindende Etappen vorhanden wären, ist ein altes Problem. Schon
die Volksnamen, welche die Buxeta bezeichnen, zeigen, dass das streng
Lokalisie te des Vorkommens längst auffiel: Buchsiten (Buchsseite)
heisst das Dorf und Buchsgau die Gegend des Solothurner Jura, wo
Buchs vorkommt; Buchsweiler im Sundgau, Buchsberge in Basel-
land, Sundgau, „Palmberge“ an der Mosel, Buix im welschen Jura,
Montagne au Buis an der Maas in Belgien, Moulin des Buis und
74) L. Blanc. Limites cit. 221.
Vorkommen des Buchsbaumes in der Schweiz, Europa u. Vorderasien. 113
Pont de Buis in Westfrankreich, Col du Buis in den Alp. marit.,
Pyxaria in Griechenland zeugen ferner dafür.
Wohl mögen einzelne solcher Lücken aus der Natur der Unterlage
sich erklären (bei Grenoble nach Thurmann), aber der Augenschein
zeigt, dass die allermeisten sich aus heutigen Unterschieden nicht
erklären lassen. Briquet führt als eklatantes Beispiel das Buxetum
des Vuache und die des Buchses entbehrende Balme de Silligny in
identischer Lage an, und dasselbe gilt für die Lücken längs dem Ost-
rand des Jura. Besamung auf weite Distanz erscheint ausgeschlossen.
Die Früchte und Samen entbehren ganz der Anemochorie, erstere be-
stehen aus trockenen, schliesslich in drei Klappen zerfallende Kapseln
ohne Fruchtfleisch ; letztere sind hart und bitter und beide werden
kaum von Tieren gefressen, welche weite Räume durchmessen.
Auch für die Balkanhalbinsel erwähnt Baldacci den Buchs als
pianta che vive sopra superficia limitata.
Der Buchs ist also zugleich eine lokalisierte und eine gesellschaft-
liche Pflanze mit ,,Reinkultur‘ im Grossen. Dazu trägt bei die für
viele andre Arten unbewohnbare oder wenig geeignete trockene, sterile
Natur seiner dysgeogenen Standorte, wo er wenig Konkurrenz hat,
dann aber seine kräftige Wurzelvermehrung und da; geringe Raum-
bedürfnis der einzelnen Stöcke, die sich im Gegenteil in sehr dichtem
Stande wohlbefinden.
Der Buchs myrmekochor.
J. Briquet hat nachgewiesen, dass in Korsika, im Tal von Asco,
der Buchs myrmekochor ist, d.h. dass seine Samen von Ameisen ver-
schleppt werden. Er fand in Höhlungen der Felsen Anhäufungen
solcher Samen, Vorräte für ihre Wanderungen, die sich die Ameisen
angelegt hatten, wie dünne Kolonnen von Ameisen bewiesen, die sich
von einem dieser Depots zum andern und zum Ameisenhaufen be-
wegten, und solche, welche von da ins Buchsgebüsch verliefen. Der
Same hat eine Caruncula, ein wahres Elaiosom. Es ist dies wohl der
erste Fall von Myrmekochorie, der von einer Baumart aus Europa be-
richtet wird.®5) Briquet 76) fügt bei:
„Diese Erscheinung kann vielleicht gewisse Anomalien in der
Verbreitung des Buchses erklären. Wenn z. B. bewiesen wäre, dass
nur gewisse grosse südliche Ameisenarten diese Samen verschleppen,
würde es möglich, zwischen der geographischen und topographischen
D) Fr. Morton. Bedeut. d. Ameisen für d. Verbreitung d. Pflanzensamen.
Wien 1912, 14.
76, La myrmecochorie du buis. Arch. sc. phys. natur. Genève Nr. 15,
15 mars 1912.
8
114 H. Christ.
Verbreitung der Ameise und des Buchses eine Beziehung herzustellen,
was von Interesse wäre, da der Buchs eine kapriziôse Verbreitung in
dem xerothermen Becken der Rhone hat. So ist er im savoyischen
Jura häufig am Vuache, fehlt aber an der Balme de Sılligny unter
identischen lokalen Verhältnissen in nur 12 km Liniendistanz, und
Stoll hat gezeigt, dass gewisse xerotherme Kolonien auch durch
Anwesenheit bestimmter südlicher Ameisen charakterisiert sind.“
Herr Briquet teilt mir mit, dass er auch in Savoyen die Myrmekochorie
des Buchses wahrgenommen habe.
Da, wie mir Prof. Aug. Forel gütigst mitteilt,”7) in Europa
Wander-Ameisen, welche Wanderzüge auf weite Distanz vornehmen,
nicht existieren, so sind die oft viele Kilometer auseinander liegenden
disjunkten Buchsinseln des Rhone- und anderer Täler durch die
Hypothese der Ameisenarbeit nicht erklärbar. Selbstverständlich geht
allen mit xerothermer Flora ausgestatteten Standorten eine xerotherme
Fauna auf gleicher Stufe parallel. So findet sich im und nahe bei
dem Buxetum beı Liestal Zygaena transalpina, Z. Fausta und Z. peuce-
dani, Naclia ancilla, Thyris fenestrella, Geometra Ulmaria, Pleroma
matronula, und von Schnecken massenhaft Cyclostama elegans und
Bulimus detritus, auch die Viper, und ich zweifle nicht, dass auch
Ameisen der gleichen thermischen Stufe vorhanden sind.
Sollte nun, wie Briquet als Objekt künftiger Forschung hinstellt,
auch eine in unsern Buchsbeständen den Samen sammelnde und
herumschleppende Ameise gefunden werden, so wäre doch vielleicht
insofern ein Einfluss letzterer auf die lokale Verbreitung des Strauches
möglich, dass die Ameise wenigstens dem Samen eine etwas weitere
und gleichmässigere Verteilung gäbe, als dies ohne ihre Hilfe der Fall
wäre. Der Same des Buchses ist oval, glatt poliert, schwer, und es
fehlen ihm alle Mittel, um Distanzen zu überwinden. Wenn ıhn nun
die Ameisen herumschleppen, so kann sich daraus die sehr kompakte
und oft andere Pflanzen auf grössern Gebieten fast ausschliessende
Dichtigkeit der Buxeta erklären: eine intensive Aussaat auf kurze
Distanz durch Tiere. Es scheint also mehr die bestimmt umrissene
Form und Dichtigkeit der Areale, als die disjunkte Zerstreuung der-
selben durch den Einfluss der Ameisen wahrscheinlich.
Die Reliktstandorte.
Mithin scheint mir für die grosse Lückenhaftigkeit namentlich
der nördlichen Areale des Buchses nur eine Erklärungsart wahrschein-
lich: dass die Art an ihrer Peripherie nicht im Vorschreiten, sondern
ım Rückgang begriffen ist: dass die insular getrennten Bestände Re-
17) A. Forel. In litt.
Vorkommen des Buchsbaumes in der Schweiz, Europa u. Vorderasien. 115
likte einer frühern vollständigern und zusammenhängendern Ver-
breitung bilden. Carlos Pau hat dieselbe Erklärung für die nach Süd-
osten ausklingenden, letzten Buchsstandorte der pyrenäischen Halb-
insel ausgesprochen. Der Rückgang fällt gewiss hie und da der Ein-
wirkung des Menschen zur Last: im grossen und ganzen aber handelt
es sich wohl um eine tertiäre Spezies, welche sich an ihren ,,Grenz-
vorposten‘ nicht mehr halten kann. Herr E. Simon äussert sich über
diese Frage also:
„Die natürlichen Standorte des Buchses können Relikte der alten
Vegetation sein. In der Nähe von Paris findet sich der Buchs in den
alt-quaternären Lagern von La Celle bei Moret fossil mit Ficus
Carica, Laurus nobilis und Canariensis, Evonymus latifolius, Cercis
siiquastrum, die alle nicht mehr hier vorkommen. Wer weiss, ob
nicht noch, selbst in der Pariser Gegend, ursprüngliche Vorkommnisse
von Buchs: z.B. auf dem harten Sandstein von Vaux de Cernay
(Chätin) sich erhalten haben ?“
Schon das Verhalten des Buchses zur Buche zeigt ein Unterliegen
gegenüber unsrer jüngsten Baumflora an. Der Buchs ist ein Glied
nicht unseres mitteleuropäischen Buchenwaldes, sondern entweder
offene Formation für sich oder ein Glied des wärmern Mischwaldes,
in welchem Quercus sessiliflora, Acer campestre etc. dominieren.
Nach Brockmann-J erosch '8) ist die Buche das späteste in unsern
Gegenden aufgetretene Element des Waldes und ist im Begriff, die
sieben. wärmern, gemischten Waldformationen zu verdrängen, zu
denen de Buchs her
Am Waldsaum des Erzenbergs bei Liestal ist diese Erscheinung
bis ins Kleine hinein deutlich. Es ist eine Kampfzone. Von unten her
schränkt die Kultur den jurassischen Mischwald mit seinem Buxetum
immer mehr ein. Nur noch als ein Waldsaum hält sich dieser Gürtel
mit seiner bunten Belaubung von Sorbus torminalis und S. aria, Acer
platanoides, A. campestre, Traubeneiche und dem Gebüsch von drei
Coronillen, Helleborus foetidus, den Labiaten und dem Buchs. Und
von oben dringt der tiefe Schatten der mächtig heranwachsenden
Buchen ein und erstickt das Gebüsch. Der Buchs passt sich zwar in
erstaunlichem Grade an, so lange er kann und geht in die schlaffe
Schattenform augustifolia über. Aber allzu lange ist dies nicht mög-
lich: die Buche siegt, und immer schmaler ist der Raum, welcher für
die xerotherme Juraflora zwischen ihr und der Feldmark übrig
bleibt: mit andern Worten: die jüngere Buche besiegt den geologisch
ältern Buchs.
78) Anderung des Klimas seit der grössten Ausdehnung der letzten Eis-
zeit in der Schweiz. Stockholm 1910, 65.
116 H. Christ.
Rolle des Glazialphänomens.
Wir werden kaum irre gehen, wenn wir in erster Linie und vor
den klimatischen Faktoren, der diluvialen Vergletscherung das Fehlen
des Buchses auf der ganzen gewaltigen Nordseite der Alpenkette zu-
schreiben. Die zisalpine Schweiz ist hiefür besonders bezeichnend.
Keine Spur der Pflanze ist in all ihren milden und scheinbar für sie
so geeigneten Tälern zu finden, mit alleiniger Ausnahme des „Jura-
tals“‘ à des Ostrandes der Jurakette, längs a sich eine dünne Reihe
isolierter Stationen hinzieht, die dem grossen Hauptareal des südwest-
lichen Jura und den Westalpen entstammen. Es sind entweder Relikte
des frühern breiten pliozänen Areals, wofür ihre Isolierung spricht,
oder es sind — wofür die hohe Vergletscherung des östlichen Jura-
abhangs angeführt werden kann, postglazial eingewanderte Vorposten
aus dem südwestlichen Hauptareal, die mit der xerothermen Flora
ihren Einzug hielten, welche in Begleitung dieser Buxeta überall
auftritt. Und wenn auf der französischen Seite des Jura und weiter-
hin nach Westen der Buchs in breitem Strom sich erhielt und Vorposten
bis zur Mosel und Belgien aussandte, so ist eben diese Seite vor einer
totalen en wie sie die Alpenländer östlich vom Jura er-
fuhren, durch den hohen Jura selbst bewahrt geblieben. Ich habe
an einem andern Orte 7) gezeigt, wie geeignet Sich das Juratal, d.h.
die längs des Jura verlaufende Depression zwischen dem Fusse dieses
Gebirgs und dem schweizerischen Plateau, dem Vordringen der
warmen Florenelemente des südlichen Rhonetals darbot, da die
Wasserscheide, welche sich bei La Sarraz zwischen der nach Süden
abfliessenden Venoge und der nach Westen sich wendenden Orbe er-
hebt (451m Meereshöhe), eine unmerkliche ist und klimatisch auch
heute noch so wenig eine Schranke bildet, dass gerade hier ein nam-
haftes Buxetum, und in der Schlucht La Tine de Conflans #0) auch
Adiantum Capillus veneris sich findet. Letztere Art findet sich sogar
dem Buchs benachbart noch weiter nördlich am See von Neuchätel
(St. Aubin), während sie auch bei Fort l’Eeluse und Bellegarde mit
ihm auftritt. Von dieser ostjurassischen Ausnahme abgesehen, ist
trotz einzelner Angaben (z. B. bei Salzburg) ein spontanes Buxetum
auf der ganzen Nordseite der Alpen nicht nachgewiesen.
Wie nun überhaupt die ‚warme‘ Flora nach Ablauf der Eis-
zeiten von Westen her in die zisalpinen Gegenden eindrang resp. sich
im Westen am leichtesten erhielt, so konnte auch der Buchs das fran-
zösische Berg- und Hügelland erreichen und durch die Lücke des Fort
79) Christ. Fflanzenleben der Schweiz 1879, 119.
30) Christ. Farnkräuter der Schweiz 1900, 61.
Vorkommen des Buchsbaumes in der Schweiz, Europa u. Vorderasien. 117
l’Eeluse sogar auf die Ostseite des Jura eindringen, während den
Alpentälern und Alpenvorländern dieser Zugang verschlossen war.
Das Verschwinden der grossen Vergletscherung hatte am Ostfusse
unseres Jura die Bildung einer grossen Seefläche zur Folge, von
welcher der Genfer-, Neuenburger- und Murtensee und die grossen
Jura-Möser die heutigen Reste sind. Gegen diese Seefläche bildet
der Abhang des Jura ein Spalier, an welchem sich von Südwesten her
die südjurassische und Rhoneflora nach Norden vorschieben konnte,
und damit auch der Buchs, der die Buchten und besonders das Vor-
gebirg des Mormont bei La Sarraz besiedeln konnte, während ihm
eine Verbreitung über das schweizerische Mittelland hin durch den
Jurasee verwehrt war.
Verbreitung des Buchses als einer tertiären Art.
Dass der Buchs ein alter, tertiärer Typus ist, wurde längst nach-
gewiesen. Aber er gehört offenbar nicht zum Bestande der eozänen
Flora (Monte Bolca ete.), welche einen paläotropischen Charakter
trägt, mit Palmen, Ficus, Büttneria, Dillenia, Aralia, sondern er ist
ein Glied des speziell „tertiären Elements“ (Engler), wie es sich im
Miozän durch das Pliozän hindurch bildete, mit Iuglandeen, Cu-
- puliferen, Acer, Abies, Rhododendron, Ilex, Prunus laurocerasus,
Smilax.
In der Tat sind es pliozäne Schichten, in welchen Buxus-Restg
gefunden sind: im Pariser Becken, dann bei Meximieux (Buxus
plicocenicus Saporta und Marion) und im Oberpliozän bei Frank-
furt a/M.;®1) an letzterer Stelle mit Acer monspessulanum (mit
welchem er heute noch im Südjura bis zum Fort l’Ecluse zusammen-
steht, und von dem er an seiner äussersten Nordgrenze bei Koblenz
heute noch nicht sehr entfernt vom Maintal wächst), Rhamnus
cathartica, Evonymus europaeus, Ilex aquifolium, Prunus avium.
Und dass der Buchs auch während der glazialen Unterbrechung
hindurch sein Leben bis in unsre Epoche fristete, bezeugen die inter-
glazialen Vorkommnisse in der Höttinger Breccie bei Innsbruck
(v. Wettstein), am Iseo-See (Baltzer), bei Lugano (E. Fischer), bei
Flurlingen nahe Schaffhausen (L. Wehrli,$2) welcher an den er-
loschenen, aber von Haller, histor. stirp 1748 und Thurmann noch er-
wähnten benachbarten Standort im Enge-Wald erinnert) und Kann-
statt bei Stuttgart. Sehr spärlich sind die Begleitpflanzen, welche
31) Engelhardt und Kinkelin. Die oberpliozäne Flora des Unter-Maintals
Senckenberg. Ges. 29, 3.
82) /. Wehrli. Kalktuff von Flurlingen 1894 mit Abbildung.
118 H. Christ.
im interglazialen Schutt von Flurlingen bei Schaffhausen zugleich
mit Buchsblättern gefunden sind. Es sind, der Häufigkeit nach ge-
ordnet, Acer pseudoplatanus, Buxus, Fraxinus excelsior, Abies
pectinata und zweifelhafte Taxusreste. Also lauter Arten der heutigen
Flora, aber eine etwas feuchtere Nuance des Standorts andeutend
durch die Gegenwart der Abies und des A. pseudoplatanus statt des
A. platanoides.
Besonders genau ist durch v. Wettstein8?) geschildert das reiche
interglaziale Niveau, in welchem bei 1200 m Meereshöhe unweit
Innsbruck bei Hötting sich Buchs fossil findet. Begleitfossile sind
daselbst Hedera, Ulmus campestris, Tilia platyphyllos, Cornus san-
guinea, Sorbus aria, Taxus, Carpinus, Acer pseudoplatanus, Salıx
triandra, Orobus vernus, die alle in unsern heutigen Buxeta auch vor-
kommen können; dann Ribes alpinum, Salix grandifolia und S.
glabra, die nebst Bellidiastrum und einer Adenostyles heute erst in
höherer Gebirgslage sich finden, als der Buchs sie im Jura liebt;
ferner ein Rhamnus und Rhododendron ponticum, während der von
Wettstein noch angeführte Arbutus Unedo nach Murr 84) als Salıx
grandifolia zu bestimmen ist.
Bekanntlich kommt heute Buxus im ganzen zisalpinen Tirol
nicht mehr vor, und wenn man die Höttinger Breccien-Flora mit
Rhododendron und Buxus in annähernder Gesamtheit beisammen
finden will, so ist das nur noch im kolchisch-pontischen Gebiet
möglich.
Dies pliozäne Florenelement hat sich nun aber, wenn nicht in-
takt, so doch annähernd identisch im kolchisch-pontischen Bezirk er-
halten, wo mit dem Buchs die Iuglandeen (Pterocarya), Cupuliferen
(Carpinus), Acer, Abies, Rhododendron ponticum, Ilex, Prunus
laurocerasus, Smilax eine rein tertiäre Formation bilden.85)
Und wenn wir nun die Veränderungen ins Auge fassen, die seit
dem Miozän über die Region des heutigen Mittelmeeres ergangen
sind, so wird uns auch die grosse Lücke deutlich, die jetzt zwischen
dem kolchischen und dem westeuropäischen Buchsareal der Gegen-
wart klafft: eine Lücke, die durchaus nicht dem Buchs allein eigen
ist, sondern die gleichermassen einen weitern Bruchteil der tertiären
Flora betrifft, von welehem Rhododendron pontieum das illustre Bei-
spiel ist, weil es zwischen Kolchis-Libanon im Osten und Algeciras-
Alsarve im Westen nirgends mehr vorkommt, während im inter-
53) Fossile Flora der Hôttinger Breccie. Denkschr. Math.-Nat.-Wiss. Kl.
akad. Wiss. Wien 1892, 59. 5
8) J. Murr. Österr. Botan. Zeitschrift 1913, Nr. 3.
55) Vergl. Solms-Laubach. Weizen u. Tulpe 1899, S. 91 u. f.
Vorkommen des Buchsbaumes in der Schweiz, Europa u. Vorderasien. 119
glazialen Schutt von Hötting, vom Iseo und von Lugano Zwischen-
stationen erhalten sind.
In der Miozänzeit wurde das Mittelmeer zu einer isolierten
ozeanischen Bucht, die sich andauernd verkleinerte, und zu deren
Resten das Schwarze und das Kaspische Meer gehören.
Während des mittlern Miozäns (Richthofen), ja bis zum Pliozän
(Engler) erstreckte sich das zentralasiatische Binnenmeer mit seinem
westlichen Ende über das Pannonische bis zum Wiener Becken hin.
Zwischen diesem und dem Mittelmeer bestand eine zusammen-
hängende Landverbindung nach Westen durch Persien und längs der
nordafrikanischen Küste bis zur pyrenäischen Halbinsel. Das ist die
alte tertiäre Verbindungslinie des kolehischen und des westeuro-
päischen Buxusareals. Wie breit das einstige tertiäre Buxusgebiet
war, bezeichnen die Nordgrenzen an der Maas und das Relikt im
Algerischen Atlas: also 15 Breitegrade.
Heute ist nun in diesen breiten Gürtel eine grosse Bresche gelegt
von der Adria bis zu den Seealpen und dem ostspanischen Küstenge-
birge. Sie ist eine Folge der Veränderungen, die im mittlern Teil des
mediterranen Bezirks in geologisch neuer Zeit vor sich gingen.
Der Untergang der Tyrrhenis, die sehr späte Erhebung der
italienischen Halbinsel, die Lombardei ein Meerbusen bis in die
quaternäre Epoche hinein machen es deutlich, dass Italien heute dem
ursprünglichen Buchsareal nicht mehr angehört, sondern nur un-
sichere Spuren davon aufweist, und ebenso, dass er in den insubrischen
Alpenbogen nicht mehr einwanderte, während das alte Korsika ihn
bewahrt hat.
Bedeutsam ist, dass auf den Blättern des Buchsbaums sich
epiphylle Flechten finden, als einziges Beispiel dieser sonst nur
tropischen Erscheinung in unsrer Zone. Man kennt eine: Pilocarpon
leucoblepharon vom Kaukasus, eine andere: Catillaria Bouteillei
(Desm.) Zahlbr. von Paris. R. Chodat 3%) fand im feuchten, hoch-
stämmigen Buxetum von Sciez-Coudrée am Genfersee die Catillaria,
eine Parmelia und eine Strigula: Str. Buxi Chodat. Letzteres Genus
ist neu für Europa. Auch diese epiphyllen Flechtenkolonien sind ein
subtropischer, also tertiärer Zug.
Systematisch ist der Buchs ein alter Typus unter den Trikokken,
der nach Hallier den Hamamelideen zuneigt. Neben unserm Buxus
sempervirens sind in der alten Welt nur seltene Nebenarten vorhanden :
B. balearica Wlld. der Balearen, B. longifolia Boiss. bei Antiochia,
B. madagascarica Baillon von Madagaskar, B. Hildebrandtii Baill.
86) Bull. Soc. Bot. Genève. 31 oct. 1912, 39. Verhandl. Schweiz. Naturforsch.
Ges. Altorf 1912, II, 209.
120 H. Christ.
vom Somali-Land, B. Wallichii Baill. ist die Form des Himalaya und
B. Japonica Müll. Arg. die China-Japans. Zwischen diesen ost-
asiatischen Formen und dem B. sempervirens ist derselbe alte geo-
graphische und genetische Zusammenhang wahrscheinlich, wie
zwischen Pinus excelsa und P. Peuce, Cedrus Deodara und C. Libanı,
Forsythia, Sibiraea, Hedera, Quercus Gruppe Ilex und so vielen
andern.
Zusammenfassung.
Buxus sempervirens L. sp. ed. I 983, ed. II 1394. Deutsch
Buchs, Französisch Buis, Englisch Box, Italienisch Bosso, Spanisch
Buj, Griechisch Pyxari, alle diese Namen ohne Zweifel abgeleitet.
von pyxis = Büchse, Französisch boîte, Englisch box, Italienisch
bossolo, weil Buchsholz früher überall wesentlich zur Anfertigung
kleiner Geräte diente.
1. Der Buchs ist eine fertiäre Holzpflanze, die sich unverändert
durch die quaternäre Periode in ihrem Areal bis heute erhalten hat,
nur dass dies Areal beträchtliche Rückgänge an seiner Nord- und
Südgrenze und in seiner Mitte eine Teilung in eine Ost- und eine
Westhälfte erlitten hat. Niemand kann bezweifeln, dass im kol-
chischen Gebiet heute noch die Tertiärflora unverändert besteht. Dies
wird bewiesen durch die vielen dominierenden Holzgewächse, die dort
den Grundstock der Waldung bilden und sich in gleicher Gestalt im
Pliozän unserer Länder wieder finden: darunter auch der Buchs.
Dieser Beweis wird aber auch geführt durch westeuropäische Funde
von Buxus im Pliozän von Meximieux und Paris: also im Gebiet des
heutigen Buchs-Areals. Und dass er ununterbrochen durch die
quarternäre Zeit ebenfalls im Bereich oder doch in der nächsten Nähe
der heutigen Buxeta vorhanden war, zeigen die interglazialen Vor-
kommnisse bei Kannstatt und Flurlingen.
An der Nordgrenze des europäischen Areals: im Nordjura, an der
Mosel, in Belgien, in Nordfrankreich werden die Buxeta immer zer-
streuter und zuletzt auf weit von einander entfernte einzelne insulare
Flecken reduziert. Dasselbe ist der Fall auf der Südgrenze : in Italien
und Spanien. Ohne jede Tendenz der Ausdehnung oder Ausfüllung
der Zwischenräume, müssen diese lückenhaften Grenzstandorte als
Relikte einer frühern breitern Gesamterstreckung des Buchsareals
gelten. |
3. Die grösste Diskontinuität des Gesamtareals aber ist das mäch-
tige Dreieck, das heute das Mittelmeer zwischen den östlichen Ge-
staden der Adria und dem östlichen Spanien einnimmt. Die grossen
relativ sehr jungen Veränderungen, welche hier das Mittelmeerbecken
durch Verschwinden der Tyrrhenis u.s. w. erlitten hat, können hier
Vorkommen des Buchsbaumes in der Schweiz, Europa u. Vorderasien. 121
nicht erörtert werden: aber deutlich ist es, dass ein wesentlicher Teil
des Kontinuums zwischen den genannten Küsten, das in der Tertiär-
zeit noch bestand, zu Meer geworden ist. Zeugen des alten Areals sind
noch die wenigen Reste von Buxus auf der italienischen Halbinsel,
auf Korsika und Sardinien. Der zwischen den beiden Ost- und West-
Buchsarealen klaffende Hiatus reicht hinein bis zum Fuss der Alpen,
denn es findet kein längs der Südseite den Alpen fortlaufender
Pflanzenzug von Buchs von den Ost- zu den Westalpen statt, sondern
die insubrische Lücke vom Gardasee bis zu den Seealpen hat keine
Buchsbestände. Ohne Zweifel hat das Meer, das noch in spättertiärer
Zeit die Lombardei bedeckte, diese Lücke zustande gebracht, und das
abnorm feuchte Klima jener insubrischen Lücke ist gleichermassen
dabei im Spiel.
4. Gemäss dem tertiären Ursprung unseres Baumes — der aller-
dings in seiner westlichen, trockenen Arealhälfte zum Strauch redu-
ziert wurde — ist er keine xerotherme Pflanze in jenem vollen Sinn,
der den vielen Typen zukommt, welche an ein regenloses Sommer-
klima und nahezu frostfreie Winter streng angepasst sind, wie die
Flora der Riviera, Südostspaniens, Andalusiens, Siziliens sie enthält.
Schon das ist bezeichnend, dass diese Gegenden vom Buchs geflohen
sind oder dass er nur als Relikt in montanen Lagen daselbst vor-
kommt. Der grossen Cistusformation des Mediterran-Gebiets mit all
ihren Begleitern ist der Buchs fast fremd. Noch mehr: er kommt
an Stellen, die in unsern Gegenden sich durch lokale Klimate mit
abnorm hoher Austrocknung, Besonnung und durch einige stark süd-
liche und Steppenarten auszeichnen (Ost-Elsass, Wallis, Maurienne}
kaum vor, ja umgeht sie eigentlich. Der Buchs ist xerotherm, hält aber
einen Mittelwert ein und flieht das Extrem: er macht gewisse An-
sprüche an Befeuchtung während des ganzen Jahres. Am nächsten
kommen wir seiner Natur in hygrisch-thermischer Beziehung, wenn
wir ıhn als Gebirgspflanze, als eine submontane Art bezeichnen,
welche zudem die Nähe des Waldes liebt und ebene Standorte meidet.
Im Süden ist der Buchs häufig Bestandteil der Macchia (Gar-
rigue) d. h. der mit Bäumen durchsetzten oder reinen Buschfor-
mation, aber nicht in der heissen Tiefregion, sondern in der obern
Macchia, wo bereits feuchteres Klıma herrscht und sich Ilex aqui-
folium und Sträucher mit abfallendem Laub einfinden. In unsern
Breiten liebt der Buchs auffallend den Stand im Halbschatten des
Mischwaldes an der untern Grenze des geschlossenen Buchenwaldes,
dessen Schatten ihn verdrängt, während Ilex bei uns selten mit Buchs
zusammen ist, sondern den Buchenschatten vorzieht.
5. Inbezug auf die Unterlage wächst der Buchs in der Regel auf
Kalk. Allein es ist nicht das chemische Substrat, dessen er bedarf,
122 H. Christ.
sondern das Kalkgebirg ist ihm kongenial, weil er kompaktes (an-
stehendes oder zerbröckeltes) Gestein bedarf (roche dysgeogene
Thurmann), sowie es die obern Juraschichten besonders typisch dar-
stellen, während er sandige wie auch tonig-lehmige, aufgeschlossene
Bodenarten (terrains eugeogenes Thurmann) flieht: ohne Zweifel
weil er die beständige Durchfeuchtung dieser Terrains nicht erträgt.
Der Beweis ist dadurch geleistet, dass Buchs auch auf Granit, Por-
phyr u.s. w. wächst, sofern sie dysgeogener, fester Natur sind. Er
ist überall eine ebenso intensiv gesellig wachsende als lokalisierte Art.
6. Wie aber der Buchs keine Mediterranpflanze im vollen Sinn
ist, so ist er auch keine atlantische Art. Schon dıe Tatsache, dass
er die Nähe des atlantischen Küstensaums meidet, in Portugal kaum
vorkommt, im ozeanischen Littoral Frankreichs (zumal in floristisch
so rein atlantischen Gegenden wie die Vendee, die Bretagne, das
Cotentin) und in Grossbritannien fehlt, ist dafür entscheidend.
Er ist eine Art sui generis, deren Eigenart sich aus den tertiären
Reminiszenzen erklären mag, die ihr anhaften. Auch darf die sehr
hohe Anpassungsfähigkeit von Buxus nicht übersehen werden, die
uns klar wird, wenn wir ihre Stationen in Kolchis, in der spanischen
Macchia und im Nordjura vergleichen. Wir würden also irre gehen,
wenn wir aus der Gegenwart von Buxeta auf völlige Gleichheit der
klimatischen und edaphischen Faktoren dieser Lokalitäten schliessen
würden. Vielmehr mutet dieser Charakterzug des Buchses tertiär an,
weil in der Tertiärzeit die Differenzierung der Klimate und folg-
lich auch die Spezialisierung der Anpassungen nicht so weit ent-
wickelt. waren als heute. Jedenfalls ist das heutige kolchische Klıma
mit seiner hohen Waldesfeuchtigkeit und warmen Sommertemperatur
das ursprüngliche, dem Buchs als optimum angehörende Tertiär-
klima geblieben, während die Pflanze in Westeuropa doch wohl be-
reits der Gefahr sich nähert, der allmählich fortschreitenden Aus-
trocknung zu erliegen.
Manuskript eingegangen 12. April 1913.
Inhaltsverzeichnis.
Vorkommen im nördlichen Plateau-Jura
Standorte im obern Rhein- und Illtal :
Vorkommen am Ostrande des schweizerischen tan UELI.
Standorte in den Alpes Lemanniennes und am Südrande des Genfersees
Die Allgemeine Verbreitung vom Orient bis Westeuropa
Das kolchisch-pontische Areal ; $
Vorkommen in den Balkanländern und am Südrande der sise: à
Standorte in Italien
Der insubrische Hiatus .
Vorkommen in Frankreich . :
Nördliche Vorposten im deutschen Nioseil md belsischen Maastal
Verbreitung auf der iberischen Halbinsel .
Standorte in Korsika, Sardinien und Nordafrika
Totalverbreitung von Buxus sempervirens ale:
Der Buchs weder mediterran noch entschieden Reno EE :
Anatomie von Buxus
Der Buchs keine atlantische art
Die geringe ozeanische Besinlunssung: der Buch an sale
Klimatische Bedingungen
Höhenlagen ; Fe LT AT ON a ee we:
Der Buchs kalkhold sie sien tale, dysgeogenes Substrat erfordernd
Das lückenhafte Areal
Der Buchs myrmekochor
Die Reliktstandorte
Rolle des Glazialphenomens à
Verbreitung des Buchses als einer rentes ne
Zusammenfassung .
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120
Ein elektrischer Wolframrohr-Vakuumofen.')
Von
Fr, Fichter und G. Oesterheld.
Henri Moissan hat einen elektrischen Lichtbogen von hoher
Stromstärke in einem passend ausgehöhlten Kalkblock brennen lassen
und durch diesen glücklichen Griff die Chemie der extrem hohen
Temperaturen begründet. Seinem Lichtbogenofen verdanken wir die
Synthese der künstlichen Diamanten, die Darstellung der Carbide,
Boride und Silicide, sowie die Gewinnung vieler seltener schwer-
schmelzbarer Metalle, und gegenüber dieser ungeahnten Erweiterung
der Möglichkeiten in der anorganischen Methodik traten die Mängel
des Moissan'schen Ofens zunächst ganz zurück.
Man kann die Unvollkommenheiten der ursprünglichen Kon-
struktion etwa folgendermassen kurz zusammenfassen :
1. Die Temperatur ist nicht willkürlich zu regulieren, und haupt-
sächlich ist die Beschränkung derselben auf genau bestimmte, etwa
im Bereich zwischen 15000 bis 25000 liegende Gebiete nicht mit
Sicherheit zu erreichen.
2. Der Heizraum des Ofens ist nicht in einfacher Weise von
der Atmosphäre abzuschliessen. Allerdings wird eine Kohlenoxyd-
atmosphäre von reduzierendem Charakter entwickelt, aber man kann
nicht in jedem beliebigen Gas und unter jedem beliebigen Druck
arbeiten.
3. Die Verwendung der Kohlenelektroden bedingt die stete Ge-
fahr der Verunreinigung sämtlicher Produkte durch die Aufnahme
von Kohlenstoff.
Die willkürliche Regulierung der Temperatur lässt sich nun er-
reichen, wenn als Prinzip der Heizung nicht der Liehtbogen, sondern
die Widerstandserhitzung gewählt wird, indem beispielsweise ein
Rohr aus einem genügend feuerfesten, die Elektrizität leitenden Ma-
terial als Widerstand in einen Stromkreis eingeschaltet wird. Da
bietet sich nun wieder in erstier Linie die Kohle dar, und es gibt eine
1) Demonstriert in der Sitzung vom 8. Januar 1913.
Ein elektrıscher Wolframrohr-Vakuumofen. 125
ganze Anzahl von Konstruktionen von Kohlenrohröfen, die Tempe-
raturen bis zu 2500° in jeder durch die Regelung der Stromstärke
bequem einzustellenden Höhe erreichen lassen, wie beispielsweise der
Vakuumofen von Otto Ruff,?) oder der Graphitrohrofen von Arsem)
Allein diese Öfen besitzen noch den einen Nachteil des Mosssan’schen,
dass nämlich infolge der Gegenwart von Kohlenstoff bei den hohen
Temperaturen eine Verunreinigung der erhitzten Stoffe unvermeidlich
ist. Der Ersatz der Kohle durch Silundum +) bietet nur eine mangel-
hafte Abhilfe, weil Silundum oberhalb 1700° durch Verdampfung
des Siliciums zerfällt und dann wieder Kohle zurückbleibt.
Von Metallen kommen natürlich nur die strengflüssigsten in Be-
tracht; aber selbst Iridium ist nur bis etwa 21009 anwendbar und
hat übrigens, ausser dem hohen Preis, den Nachteil, bei hoher Tem-
peratur stark zu zerstäuben.
Nun ist in den letzten Jahren infolge der Entwicklung der Glüh-
lampentechnik ein Metall von höchster Strengflüssigkeit immer mehr
in den Vordergrund getreten, das Wolfram. Der Schmelzpunkt des
Wolframs liegt nach H. v. Wartenberg’) bei 2900°, während ihn
v. Pirani®) gar zu 32509 angibt. Auf alle Fälle kann man (eine
Wolframröhre unbedenklich bis zu 25000 verwenden. Man gelangt
aber bereits bei 2200° in ein Gebiet, wo alle sogenannten feuerfesten
Stoffe wie Magnesia, Alundum etc. schmelzen, und die Untersuchung
der verschiedenen Reaktionen nur bis zu dieser Temperatur hinauf
bietet schon ein gewaltiges Interesse.
H.v. Wartenberg !) hat als Erster einen kleinen Kurzschlussofen
mit einer Wolframröhre konstruiert und für die Bestimmung des
Schmelzpunktes von Thorium (17000) verwendet. Es lassen sich mit
Hilfe eines derartigen Apparates sehr leicht alle drei oben gerügten
Mängel des Lichtbogenofens vermeiden: die Temperaturregulierung
ist erreichbar durch Regulierung der Stromstärke; die W olframröhre
wird in einen gekühlten, gasdichten Kessel eingesetzt und kann so in
jeder beliebigen, nicht oxydierenden Gasatmosphäre unter jedem ge-
wünschten Druck erhitzt werden; die geringe Flüchtigkeit des Wolf-
rams verhindert jede Verunreinigung des Schmelzguts.
2) Ber. d. deutsch, chem. Ges. 43. 1564 (1910); Zeitschr. für angew. Chemie
24. 1459 ((1911).
3) Trans. Amer. Electrochem. Soc. 9. 153 (1906); 22. 98 (1912).
4) F, Bölling, Chem.-Ztg. 32. 1104 (1908); R. Amberg, Zeitschr. f. Elektro-
chemie 15. 725 (1909); A. Sieverts und W. Krumbhaar, Ber. d. deutsch. chem.
Ges. 43. 893 (1910).
5) Verh. d. deutsch. phys. Ges. 12. 125 (1910).
6) Verh. d. deutsch. phys. Ges. 12. 301 (1910).
7) Zeitschr. f. Elektrochemie 15. 866 (1909).
126 Fr. Fichter und G. Oesterheld.
In Anlehnung an das Modell von H.v. Wartenberg bauten Franz
Fischer und E.Tiede®) einen ähnlichen Ofen, wo die Wolframröhre
von etwas grösseren Dimensionen in eine evakuierte Glaskugel ein-
gesetzt wurde. Sie destillierten in ihrem Apparat Zinn bei einer
Temperatur von beiläufig 22000.
Eine Reihe von Fragen, die mit der Untersuchung des Alu-
miniumnitrids im Zusammenhang stehen, weckten in uns den Wunsch
nach einem Vakuumofen, der Temperaturen über 2000° zu erreichen
gestattete, und wir haben uns nach eingehender Prüfung der bisher
beschriebenen Systeme schliesslich dazu entschlossen, einen eigenen
etwas abgeänderten Entwurf zur Ausführung zu bringen, der unter
Zugrundelegung der ursprünglichen Anordnung v. Wartenbergs eine
bedeutend grössere Wolframröhre enthält und dadurch das Arbeiten
im präparativem Massstab gestattet.
Die Herstellung der Wolframröhren ist der schwierigste Teil der
Aufgabe, denn man kann das Metall eben wegen seines extrem hohen
Schmelzpunktes nicht im kompakten Zustand bekommen.
Man stellt aus 200 gr Wolframpulver (‚Wolfram gereinigt“ von
C. A.F. Kahlbaum) und etwas Stärkekleister (1—2 gr. Stärke in
10 cm? Wasser zum Kleister gekocht) in der Reibschale (eine
plastische, zusammenbackende Masse her, und füllt dieselbe in kleinen
Portionen in die Pressform, Fig. 1, deren Dorn mit einer dünnen
Schicht von sogenanntem Marineleim überschmolzen ist. Jede einge-
füllte Portion muss sorgfältig zusammengestampft werden, wozu am
besten eine eiserne Röhre mit ungleich langen Zacken dient. Presst
man mit nicht gezackten Röhren, so bekommt die Wolframmasse
horizontale Schichtungen und zerfällt beim Anheizen oder nach
wenigen Experimenten in einzelne kurze Ringe. Stäbchen kann man
nicht zum Stampfen verwenden, weil durch sie die Marineleimschicht
verletzt würde. Ist die Pressform bis über die Kuppe des Dorns mit
Wolframmasse gefüllt, so setzt man einen Stempel auf und presst das
Ganze in einer wirksamen Presse tüchtig zusammen.
Die noch feuchte Wolframröhre von etwa 90 mm Länge, 20 mm
äusserem und 16 mm innerem Durchmesser muss nun getrocknet wer-
den. Nimmt man diese Operation in der Pressform vor, so bekommt
die Wolframmasse leicht Risse, indem sie an den Wänden anklebt
und sich beim Trocknen zusammenzieht. Man muss darum die
Wolframröhre noch feucht aus der Pressform herausnehmen. Zuerst
wird der Dorn herausgezogen, indem man einen glühenden Eisendraht
in seine axiale Bohrung steckt und dadurch den Marineleim zum
Erweichen bringt. Vorher aber entfernt man die Bodenplatte und
8) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 44. 1717 (1911).
Ein elektrischer Wolframrohr-Vakuumofen. 127
setzt an ihre Stelle ein rechteckiges Flacheisenstück, dessen runde
mittlere Bohrung zwar dem Dorn den Durchtritt gestattet, aber die
Wolframmasse festhält: das Flacheisen wird an die untere Mündung
der Form angedrückt, indem es durch lange Schrauben mit einem
ebenso grossen auf der oberen Öffnung liegenden Flacheisenstück
verbunden ist. Wenn der Dorn entfernt ist, so drückt man die
Wolframröhre aus der Form mit Hilfe des Stempels auf der grossen
Presse langsam heraus. Diese Operation wird dadurch erleichtert,
dass die Form innen ganz schwach konisch ausgedreht ist; der Unter-
schied der inneren Durchmesser oben und unten beträgt 0.2 mm.
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Fig. 1.
Die weiche Wolframröhre wird ganz langsam und vorsichtig ge-
trocknet, zuerst 12 Stunden lang bei Zimmertemperatur, dann ebenso-
lang in der Nähe eines Heizkörpers und schliesslich im Trocken-
schrank unter langsamer Steigerung der Temperatur bis auf 110°.
Sie muss dann im Wasserstoffstrom gehärtet werden, indem man sie
in einer Nickelröhre von 25 mm innerem Durchmesser, 1.5 mm Wand-
stärke und 1000 mm Länge im Heraeus-Ofen auf 1200° erhitzt und
getrockneten Wasserstoff durchleitet. Man muss dabei sorgfältig ver-
hüten, dass die Wolframröhre am Nickelrohr anbackt; dies gelingt.
am sichersten durch Anwendung eines schwach gekrümmten Nickel-
blechs von etwas grösserer Länge als Unterlage, das reichlich mit
128 Fr. Fichter und G. Oesterheld.
Magnesia bestreut wird, so dass die Wolframröhre nur auf losem
Magnesiapulver ruht. Nach drei- bis vierstündigem Glühen im
Wasserstoffstrom ist die Wolframmasse durch und durch metallisch
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Fig. 2. Schnitt und Seitenansicht.
geworden, was sich in der gleichmässig silbergrauen Farbe (gegen-
über dem bräunlichen Ton der ursprünglichen Masse) zu erkennen
gibt. Gleichzeitig ist sie so hart geworden, dass man sie mechanisch
bearbeiten kann, um ihre Enden zum Einsetzen in die Kupferfas-
sungen vorzubereiten.
Der zylindrische Vakuumkessel, dessen Maße aus der Fig.2 und 3
zu entnehmen sind, ist aus Kupferblech von 3 mm Stärke angefertigt,
Fin elektrischer Wolframrohr-Vakuumofen. 129
an der Seite mit einer kurzen horizontalen Röhre samt Spiegelglas-
fenster versehen und durch einen aufgeschraubten flachen Bronze-
deckel verschlossen, dessen Diehtung durch einen Gummiring bewirkt
wird. Die vier Schrauben sind so verteilt, dass der Deckel sowohl
in der in Fig. 2 gezeichneten als in einer um 90° gedrehten Stellung
aufgesetzt werden kann. Der Deckel trägt einen kleinen Vakuumhahn
sowie die beiden Elektroden. Die eine derselben ist mit dem Deckel
direkt verschraubt, die andere isoliert durchgeführt, indem sie ım
Fig. 3. Ansicht von oben.
innern des Kessels durch eine mehrfache Lage von Glimmerringen
und oben durch mehrere 2 mm dicke Lagen von sog. „Klingerit“
vom Deckel getrennt ist, dessen Bohrung ihr einen genügenden Spiel-
raum gewährt. Die Elektroden bestehen aus weiten Kupferröhren
von 3.5 mm Wandstärke, die unten flach gehämmert, von einem hart
eingelöteten kurzen Querrohr durchsetzt und durch eine einseitig vor-
springende, einen stumpfen, gegen oben offenen Winkel bildende
sodenplatte verschlossen sind. In die Querröhren passen kurze dicke
Kupferröhren, die als Fassungen der Wolframröhre dienen. Um einen
9
130 Fr, Fiehter und G. Oesterheld.
möglichst guten Kontakt zwischen Elektrode und Kupferrohr sowie
zwischen Kupferrohr und Wolframrohr zu sichern, kann man die
Fassungen mit Schlitzen versehen, und die vier Lappen um das
Wolframrohr noch mit Hilfe eines Ringes und vier kleiner Schräub-
chen anpressen. Auf alle Fälle muss vor jedem Versuch genau geprüft
werden, ob genügender Kontakt zwischen den verschiedenen inein-
ELENTROVEN-ENVEN
EXFANVIERENVE KUFFERFASSUNG
Fig. 4.
ander steckenden Röhren vorhanden ist. Die Einzelheiten der be-
schriebenen Anordnung sind aus Figur 4 ersichtlich.
Zur Kühlung werden die Elektroden von kaltem Wasser durch-
flossen, das an ihrer tiefsten Stelle durch ein Röhrchen eintritt und
oberhalb des Deckels durch ein Seitenrohr abgeleitet wird. Ausser-
dem ist der ganze Vakuumkessel in einen etwas grösseren Kühlkessel
eingesetzt, der durch den Auslauf der Elektroden und im Bedarfs-
falle noch durch einen Hahn am Boden gespiesen wird ; das erwärmte
Ein elektrischer Wolframrohr-Vakuumofen. 131
Wasser tritt durch einen Überlauf am oberen Rande aus. Der
Vakuumkessel ist vom Boden des Kühlkessels durch einen dreieckigen
Rost getrennt, so dass das Wasser frei unten durch zirkuliert. Der
Kühlkessel besitzt ein seitliches Spiegelglasfenster, das genau mit
dem Fenster des Vakuumkessels korrespondiert. Den ganzen Apparat
hat Herr A. Kohler, Mechaniker an der Chemischen Anstalt, mit ge-
wohnter Geschicklichkeit konstruiert.
Eine frisch im Wasserstoffstrom ausgeglühte (W olframröhre
wird nun in die Kupferfassungen eingepasst, mit denselben in die
Elektroden eingeschoben, und der Deckel nun so auf den Vakuum-
kessel gesetzt, dass man durch das Fenster die Wolframröhre von der
Seite beobachten kann. Man evakuiert mit Hilfe der Wasserluft-
pumpe den Vakuumkessel und überzeugt sich von seiner Dichtigkeit
gegen das Eindringen von Luft, indem man das Manometer auf
Konstanz des Druckes kontrolliert. Die Probe auf Dichtigkeit gegen
das Eindringen von Wasser macht man nach Füllung der Elektroden
und des Kühlkessels; es dürfen sich nach zwölfstündigem Stehen des
evakuiertem Kessels im Innern nirgends feuchte Stellen zeigen: man
muss in dieser Hinsicht namentlich die Lötstellen an den Elektroden
und die Dichtungen am Deckel, am Fenster und an der isolierten
Elektrode genau prüfen. Ist alles dicht, so ersetzt man die verdünnte
Luft durch sauerstofffreien Wasserstoff, evakuiert wieder, lässt
wieder Wasserstoff zuströmen, und fährt so fort, bis die Luft voll-
kommen durch Wasserstoff ersetzt ist. Die Gasströme sind durch
eine Trockenanlage mit konzentrierter Schwefelsäure und Phosphor-
pentoxyd vollkommen von Feuchtigkeit zu befreien; auch muss man
das Eindringen von Wasserdampf von der Saugpumpe her durch
zwischengeschaltete Trockenapparate verhindern. Käuflicher Wasser-
stoff ist in der Regel sauerstoffhaltig und wird in einem Verbren-
nungsofen durch eine lange Schicht von erhitztem Kupferdrahtnetz
gereinigt.
Wenn der Vakuumkessel nur noch mit verdünntem Wasserstoff
von 10-20 mm Druck gefüllt ist, schaltet man den elektrischen Strom
ein. Der auf der Photographie?) Fig.5 gut sichtbare Transformator
enthält 100 Primärwindungen von 4 mm Durchmesser und wird ge-
spiesen mit Wechselstrom von 110 Volt Spannung. Seine aus 12
Windungen von Kupferband (105 mm? Querschnitt) bestehende
Sekundärwicklung gestattet durch verschiedene Schaltung die Ent-
nahme von Spannungen in der Höhe von 2, 4, 6 oder 12 Volt. Die
maximale, aus der Sekundärwicklung zu entnehmende Stromstärke
bei der niedersten Spannung von 2 Volt veranschlagen wir auf 2500
9) Von Herren Kohler aufgenommen.
Oesterheld.
(
Fichter und
Fr.
132
Ein elektrischer Wolframrohr-Vakuumofen. 135
Ampere, bei einer Primärstromstärke von 55 Ampere. Allerdings
hat sich gezeigt, dass die Wolframröhren meist einer höheren Span-
nung bedürfen, doch erlaubt unsere Konstruktion, durch eine ver-
änderte Schaltung im Primärstromkreise, auch bei 4 Volt Spannung
dieselbe Stromstärke zu entnehmen, wobei allerdings primär bis zu
100 Ampere oder also 11 Kilowatt aufgewendet werden müssen. Man
sieht aus dem Bilde auch die starken Kupferkabel von je 2 mal
310 mm? Querschnitt, die den Sekundärstrom dem Ofen zuführen.
Beim Bau des Transformators erfreuten wir uns ebenfalls der ausge-
zeichneten Hilfe des Herrn A. Kohler.
Das Anheizen einer neuen Röhre darf nur sehr langsam ge-
schehen. Zeigen sich helle Ringe, so kommt dies von ungleichmässiger
Dichte des schlecht zusammengestampften Materials. Es ist uns ge-
legentlich gelungen, auch solche Röhren brauchbar zu machen, indem
wir während des Erhitzens einen Druck in axialer Richtung auf die
einseitig festgekeilte Röhre durch eine grosse Kupferfeder ausübten.
Man erhitzt nun immer höher, wobei die Röhre in ihrem ganzen Ver-
lauf gleichmässig hell erscheinen und an den Enden gegen die kalten
Elektroden hin einen gleichmässigen Temperaturabfall zeigen muss.
Wenn eine Röhre sich bei diesem ersten Erhitzungsversuch bis
etwa 20009 bewährt hat, so ist sie noch viel fester und widerstands-
fähiger geworden und vermag nun in der Regel eine ganze Anzahl von
Operationen bei Temperaturen bis und über 2000° auszuhalten. Um
môolichst hohe Temperaturen zu erzielen ohne doch allzugrosse
Mengen elektrischer Energie aufwenden zu müssen, haben wir die
Wolframröhren abgedreht und dadurch ihre Wandstärke vermindert;
in der Figur 2 ist dies angedeutet.
Wesentliche Ersparnisse an elektrischer Energie lassen sich er-
zielen, wenn man die Verluste durch Strahlung mit Hilfe eines feuer-
beständigen Schirmes vermindert. Zu diesem Zwecke haben wir ein
ziemlich weites, aus einem Veitscher Magnesiatiegel herausgesägtes
Magnesiarohr angewendet, das auf dem vorspringenden Rand der
Bodenplatten der Elektroden ruht. Zum bequemeren Einsetzen ist
das Magnesiarohr der Länge nach in zwei Hälften zerschnitten. Es
ist ausserdem an einer Seite mit einer auf beide Hälften über-
sreifenden runden Öffnung versehen, um seitliche Temperaturbe-
obachtung zu erlauben. Das Magnesiarohr ist auf der Zeichnung
Figur 4 sowie auf der unten folgenden Photographie Figur 6
zu sehen.
Im allgemeinen wird bei den eigentlichen Erhitzungsversuchen
der Deckel samt Elektroden so eingesetzt, dass die Beobachtung der
im Inneren der Röhre befindlichen Körper und ihre Temperatur in
axialer Richtung erfolgt (vergl. Figur 2 und 3). Manchmal ist es
Oesterbeld.
Fichter und (
Fr
Ein elektrischer Woltramrohr-Vakuumofen. 113%
indes bei orientirenden Versuchen bequem, die Temperatur der
Wolframröhre statt der Temperatur des Schmelzgutes zu bestimmen,
was durch Umstellung des Deckels ohne Schwierigkeit erzielt wird.
Die Temperaturmessung geschieht mit dem Wanner-Pyrometer
(von Dr. R. Hase in Hannover). Selbstverständlich muss an der direkt
abgelesenen Temperatur eine Korrektion angebracht werden, weil die
Strahlen des zu messenden Körpers durch zwei dicke Spiegelglas-
scheiben und eine Wasserschicht ins optische Pyrometer gelangen.
Die Korrektion ist für das Gebiet zwischen 1100° und 1400° ermittelt
worden, indem ein Platinblech durch einen elektrischen Strom
glühend gemacht und die Temperatur einmal bei direkter Ablesung in
der Luft, das andere Mal durch Anvisieren des in den Kessel ge-
stellten Glühkörpers bestimmt wurde. Die Differenz ergab sich zu
409. Die Photographie Figur 6 zeigt den betriebsfähigen Vakuum-
ofen 10) mit dem Transformator, den Messinstrumenten zur Bestim-
mung von Spannung und Stromstärke im Primärstromkreis, einem
Voltmeter zur Bestimmung der Spannung im Sekundärstromkreis,
und dem Pyrometer samt seinem in einen Kasten eingebauten Akku-
mulator.
Wir möchten diese Beschreibung des Wolframrohr-Vakuumofens
nicht schliessen, ohne unserer Befriedigung und unserem Dank Aus-
druck zu geben, dass die Behörden beim Neubau der Chemischen An-
stalt eine genügende Versorgung mit elektrischer Energie ermöglicht
haben, um derartige Arbeiten mit Erfolg durchzuführen.
Basel, Anorganische Abteilung d. Chem. Anstalt.
10) Es wäre ein Leichtes, unseren Vakuumofen so umzubauen, dass er
auch als Lichtbogenofen zu verwenden ist im Sinne der Konstruktion von L.
Weiss und E. Neumann, Zeitschr. f. anorg. Chem. 65. 248 (1910), indem man
die isolierte Elektrode zum Festhalten des einen gepressten Metallstabes be-
nützt, den andern Metallstab in der Querröhre der zweiten Klektrode in einer
geeieneten Fassung beweglich anordnet, und die Distanz der Stäbe durch ein
Zahmgetriebe reguliert, das durch Vermittlung einer im Deckel anzubringenden
Stopfbüchse zu betätigen wäre.
Manuskript eingegangen 30. April 1913.
Ueber Rheotaxis bei Tieren des fliessenden Wassers.
Von
Paul Steinmann, Aarau.
Dass den Tieren des strömenden Wassers das Bestreben eigen ist,
der Strömung entgegen zu wandern, ist meines Wissens in dieser all-
gemeinen Form noch nie ausgesprochen worden. Wohl hat Dewitz 1)
die grosse Verbreitung, der Rheotaxis erkannt und teilweise durch
Experimente bewiesen. Allein er hielt die rheophilen und die zufällig
ins fliessende Wasser geratenen limnadophilen Arten nicht ausein-
ander und kam daher teilweise zu negativen Resultaten. Den Anstoss.
zu seinen Untersuchungen gaben Beobachtungen der Bewohner von
Aquädukten mit rasch strömendem Wasser in Mentone. Experimen-
tiert wurde vornehmlich mit einer runden Schale, ın der durch einen
schräg gestellten Schlauch ein Kreisstrudel erzeugt wurde. Eine im
Zentrum dieses Gefässes angebrachte höhere Schale mit kleinerem
Durchmesser half, diesen Kreisstrom zu isolieren. Das Wasser strömte
über den Rand der niedrigen, grossen Schale hinaus. Als „negativ“
rheotaktisch (gegen die Strömung schwimmend oder kriechend) er-
wiesen sich zahlreiche Tiere, ,,Limaciden des Wassers (wohl
Limnaeen, vielleicht auch Planarien), Gammarus, Phryganiden,
Perliden, Ephemeriden. Weniger deutlich reagierten Nephelis, N oto-
necta und Nepa, während die auf der Oberfläche des bewegten Wassers
laufenden Hydrometraarten sich wie Soldaten gegen die Strömung
einstellten. Deutlich war das rheotaktische Verhalten ferner bei zahl-
reichen Fischen und bei der Wasseramsel (Cinclus aquaticus). Von
einer Fliegenlarve — der Beschreibung nach dürfte es sich um
Simulium (Melusina) handeln — nimmt Dewitz positive (— negative
in unserm Sinn!) Rheotaxis an. Dabei dürfte es sich, wie wir später
sehen werden, um einen Trugschluss handeln. Auch der Flug des
Vogels gegen den Wind (Anemotaxis) wird von Dewitz mit der
Rheotaxis verglichen. Ihm schliesst sich Wheeler ?) an, der die bei
1) Dewitz, J. Über Rheotropismus bei Tieren. In: Archiv für Anatomie
und Physiologie. Physiolog. Abteilung. Supplement 1899, S. 231—244.
2) Wheeler, W. M. Anemotropism and other tropisms in Inseets. Roux
Archiv für Entwicklungsmechanik. Bd. VII, 1899, S. 373 —381.
Ueber Rheotaxis bei Tieren des fliessenden Wassers. « 137
Insekten beobachtete Anemotaxis (Syrphiden, Bibioniden, Antho-
myiden) ebenfalls als eine Form von Rheotaxis auffasst.
Beschränken sich diese zwei Autoren auf die Feststellung des
rein Tatsächlichen der Rheotaxis, so versuchten andere den Vorgang
zu analysieren.
In mehreren Arbeiten gibt Lyon?) *)®) Rechenschaft über seine
Untersuchungen an Fischen. Er kommt dabei zu Resultaten, aus
denen hervorzugehen scheint, dass es Rheotaxis (d.h. Orientierung
nach der Strömung durch die Strömung) nicht gibt. Die Fische, die
sich gegen den Strom stellen, werden nicht durch die Strömung selbst,
sondern durch optische Reize orientiert. Ein Tier, das mit dem Kopf
stromwärts „an Ort‘ schwimmt, nimmt zu den Objekten des Bodens
und des Ufers eine bestimmte Lage ein. Wird es abwärts getrieben,
so verschiebt sich das Netzhaut-Bild. Auf diesen Reiz stellt sich der
Fisch ein, indem er das Bestreben zeigt, das Netzhautbild beizube-
halten. Die entscheidenden Versuche wurden mit Hilfe einer Flasche
ausgeführt, in welche die Versuchstiere eingeschlossen waren. Wurde
dieses Gefäss in das fliessende Wasser gebracht und daselbst befestigt,
so schwammen die Fische ohne Orientierung durcheinander. Liess
man aber die gleiche Flasche flussabwärts treiben, so stellten sich die
Insassen mit dem Kopf nach oben in die Strömungsrichtung ein und
sammelten sich am obern Teile der Flasche. Damit war bewiesen,
dass die Orientierung unabhängig von der Strömung durch optische
Reize erfolgt. Lyon und besonders Garrey,$) der mit Stichlingen
(Gasterosteus bispinosus) experimentierte, erkannten, dass sich ein
analoges Experiment im Laboratorium ausführen lässt. Bewegt man
längs einem Aquarium mit Fischen einen Papierstreifen mit parallel
angeordneten schwarzen Strichen, die zur Bewegungsrichtung senk-
recht stehen, so stellen sich die Fische in die Bewegungsrichtung ein
und machen Schwimmbewegungen, so dass sie das Gesichtsfeld mög-
lichst beibehalten: „The fish made the compensatory effort to keep
the visual field constant.“ Sie schwimmen also in der Bewegungs-
richtung und mit der gleichen Schnelligkeit, wie das Papier sich be-
wegt, vorwärts. Wären sie selbst in Bewegung durch die treibende
Kraft des Wassers, so würde der gleiche Reflex bewirken, dass sie
dem Wasser entgegenschwimmen, was ja tatsächlich im fliessenden
3) Lyon, E. P. On rheotropism. 1, 1904. American Journal of Physio-
logy. 12, 1904, S. 149.
4) Lyon, E. P. Rheotropism in fishes, Biological Bullet. 8, 1905, S. 238.
5) Lyon, E. P. On rheotropism. II, 1907. American Journal of Physio-
logy. 24, 1907, S. 244.
6) Garrey, W. E. A sight reflex shown by sticklebacks. Biolog. Bulletin.
8, 1904/05, S. 79 — 84.
138 Paul Steinmann.
Wasser geschieht. Garrey variierte den Versuch noch in der Weise,
dass er eine Röhre mit bewegtem Wasser wählte und an ihr seinen
Papierstreifen in und entgegen der Richtung des strömenden Wassers
bewegte. Er konnte hiedurch seine Stichlinge veranlassen, sogar mit
dem Strom zu schwimmen. Er schliesst wie Lyon aus diesen Tat-
sachen, dass die rheotaktische Orientierung nur durch optische Wir-
kungen zustande komme. Daraus ginge hervor, dass geblendete Fische
und sehende während der Nacht nicht rheotaktisch reagieren, und
wirklich soll die Orientierung nach der Strömung in diesen Fällen
unterbleiben, wenn nicht taktische Reize der dem Boden entlang ge-
schleiften Fische die Einstellung ermöglichten. Die gleichen Be-
obachtungen wie an Fischen wurden von Lyon und HadleyT) an
anderen Tieren (Amphioxus, Hummer (Homarus americanus) und
Paramaecium) angestellt.
Nach alldem scheint es also Rheotaxis in dem Sinn von Dewiltz
nicht zu geben, sondern lediglich optische oder taktische Schein-
rheotaxis. Loeb zieht in seinem Referat über Rheotropismus in
Wintersteins Handbuch der vergleichenden Physiologie tatsächlich
diesen Schluss. Loeb: die Tropismen, S. 503. Wir werden im Ver-
lauf unserer Darstellung zu zeigen haben, dass er darin zu weit geht.
Bevor wir an die Mitteilung der eigenen Beobachtungen und
Experimente gehen, müssen wir uns über die Ausdrücke Rheotaxis
und Rheotropismus äussern, die in ganz verschiedenen, teilweise aber
auch in identischem Sinn in der Literatur anzutreffen sind.
Loeb hat darauf hingewiesen, dass zwischen der Einstellung fest-
gewachsenen Organismen (Pflanzen, Röhrenwürmer etc.) in die
Richtung des Lichtes und der Drehung frei beweglicher Geschöpfe
nach oder von dem Lichte ein prinzipieller Unterschied nicht bestehe.
In beiden Fällen handelt es sich um ein durch die Einfallsrichtung
des Lichtes bestimmtes Drehungsbestreben (Tropismus).
Trotzdem sind die beiden Vorgänge nicht identisch, wird doch
die Einstellung festsitzender Wesen ganz oder fast ganz durch un-
gleiches Wachstum der lichtzu- und der lichtabgewandten Seite er-
zielt, während die Orientierung freibeweglicher Organismen meist
durch Muskelkontraktion erfolgt. Zu dem kommt, dass der Effekt
in den beiden Fällen ganz verschieden ist, indem ein festgewachsener
heliotropischer Organismus nur in seiner Wachstumsrichtung, ein
freibeweglicher dagegen in seiner Lokomotionsrichtung beeinflusst
wird.
7) Hadley, Ph. B. The relation of optical stimuli to rheotaxis in the
American Lobster (Hommarus americanus). American Journal of Physiology.
17, 1906, S. 326—543.
Ueber Rheotaxis bei Tieren des fliessenden Wassers. 139
In Erwägung dieses Unterschiedes scheint es praktisch, zwei
Namen einzuführen, den Terminus ‚‚Tropismus‘“ für festsitzende Ge-
schöpfe zu reservieren und bei freibeweglichen, wie das bei den
Botanikern meist geschieht, den Namen „Taxis“ anzuwenden.
Damit ist nun allerdings keine vollkommene Lösung erzielt, in-
dem es sehr wohl freilebende Tiere geben kann, die sich in ihrer Ruhe-
stellung nach dem Licht orientieren, ohne dass sie dem Licht entgegen
oder vom Licht wegwandern. In diesem Fall ist man versucht, von
Tropismus zu sprechen. Allein wir werden gut tun, ohne Rücksicht
auf den erzielten Erfolge, alle Fälle von Orientierung frei-
lebender Organismen nach Licht, Schwerkraft, Strömung
u.s.f. mit dem Namen ‚Taxis‘ zu bezeichnen.
Wir nennen also in der vorliegenden Arbeit „rheotaktisch“
einen freilebenden Organismus, der sich irgendwie nach der Strömung
orientiert, unbekümmert um die Bewegungsrichtung, die sich aus
dieser Einstellung ergibt.
Ist ein Tier im Strome so orientiert, dass sein Vorderende strom-
aufwärts gerichtet ist, so sprechen wir von positiver Rheotaxis 1m
Sinne der Botaniker und im Gegensatz zu Dewitz und andern, positiv:
nach der Quelle hin oder der Strömungswirkung entgegen; analog
der Phototaxis, die als positiv bezeichnet wird, wenn sich der Organis-
mus der Lichtquelle zu und dem Lichteinfall entgegen bewegt. Ob
dabei eine An-Ort-Bewegung resultiert, wie bei vielen Fischen, oder
ob die positiv rheotaktischen Tiere stromaufwärts wandern, ist zu-
nächst gleichgiltig. Ja, es kann sogar der Fall eintreten, dass ein
Geschöpf mit dem Kopf nach oben rückwärts, also stromabwärts
geht: trotzdem ist es positiv rheotaktisch.
Negativ rheotaktisch dagegen nennen wir alle Tiere, die sich
im Strom so stellen, dass ihr Vorderende stromabwärts gerichtet ist.
Es ıst klar, dass die positiv rheotaktischen Tiere vorwiegend dem
Strome entgegenwandern werden, während die negativ rheotaktischen
sich meist in der Richtung des Stromes bewegen.
Berücksichtigen wir auch die Art des Zustandekommens der
Rheotaxis, den auslösenden Reiz, so haben wir zwei Fälle zu unter-
scheiden: Entweder wirkt die Strömung selbst orientierend. Dann
sprechen wir von echter Rheotaxis, oder die Einstellung erfolgt
unabhängig von der Strömung auf optische oder taktische Reize hin.
Dann haben wir es mit Scheinrheotaxis zu tun. Wie wir in der
Einleitung sahen, leugnet die Mehrzahl der heutigen Forscher die
echte Rheotaxis und glaubt, alle rheotaktischen Phänomene auf
Scheinrheotaxis zurückführen zu müssen.
140 Paul Steinmann.
Um diese verschiedenen Möglichkeiten in ihrer Bedeutung gegen
einander abwägen zu können, legen wir uns zunächst einmal die Frage
vor: In welcher Weise erfolgt die rheotaktische Ein-
stellung?
1. Sie kann in einzelnen Fällen rein mechanisch durch die
Strömung und ohne jegliches Zutun der Organismen geschehen.
So gut ein im fliessenden Wasser flottierendes Band sich in die
Strömungsrichtung einstellt, wird sich ein an einem Stein festge-
saugtes Neunauge (Petromyzon planeri oder fluviatilis) rein passiv
„rheotaktisch‘‘ orientieren. Auch an den Bandwurm könnte man
denken, dessen Skolex dem Nahrungsstrom entgegen gerichtet ist,
während die Strobila analwärts frei im Darm flottiert. Bei manchen
Tieren des fliessenden Wassers scheint diese rein mechanische Ein-
stellung eine wichtige Rolle zu spielen. Dies gilt besonders von
Formen, die am Vorderende Hafteinrichtungen besitzen, während das
Hinterende nicht befestigt werden kann. Die in zylindrischen Röhren
lebenden Trichopterenlarven zeigen bisweilen in geradezu idealer
Weise durch ihre Richtung den Strömungsverlauf auf ihrer Unter-
lage an. Sie haben alle den Kopf gegen die Strömung gekehrt und,
wenn sie wandern, so behalten sie diese Richtung bei. Auch Tendi-
pedidenlarven und Oligochaeten können gelegentlich passiv orien-
tiert werden, und selbst bei den Planarien, die am Vorderende eine
Sauggrube besitzen, spielt diese Einstellung eine gewisse Rolle.
Als ein Gegenstück dazu können die Kriebelmückenlarven Me-
lusina (Simulium) gelten, die sich bekanntlich mit Hilfe von Ge-
spinnsten vorwärts bewegen. Wenn sich diese Tiere anschicken, ihre
Strudelapparate zu entfalten, um Nahrung aufzunehmen, so greift
ein am hintern Körperende befindlicher Hakenkranz in ein gespon-
nenes Fadenkreuz ein und der ganze Körper flottiert im Wasser.
Da naturgemäss hier der Kopf stromabwärts gerichtet ist, könnte man
an negative Rheotaxis denken. Später zu besprechende Versuche mit
Melusinalarven zeigen jedoch, dass die Tiere sich bei der Lokomotion
durchaus positiv rheotaktisch verhalten. Sie krümmen ihren Körper
stromaufwärts, wandern gegen die Strömung.
Die hier angeführten Fälle von rein passiver Einstellung in die
Strömungsrichtung haben, da die Tiere selbst ganz unbeteiligt sind,
mit Rheotaxis nichts zu tun.
2. Die rheotaktische Einstellung erfolgt spontan, aktiv. Be-
stimmte Reize lösen im Organismus ein Drehungsbestreben aus, das
so lange andauert, bis eine bestimmte Orientierung zur Strömungs-
richtung gewonnen ist.
a) Als Reize kommen, wie wir in der Einleitung gesehen haben,
in erster Linie optische in Betracht. Sie können uns das An-Ort-
Ueber Rheotaxis bei Tieren des fliessenden Wassers. 141
schwimmen und -gehen verschiedener Tiere erklären und beruhen
darauf, dass die Tendenz vorhanden ist, das einmal vorhandene Ge-
sichtsfeld beizubehalten.
Um dies unserm Verständnis näher zu bringen, darf vielleicht.
darauf hingewiesen werden, dass auch wir ein ähnliches Bestreben
zeigen. Wenn wir an einer Bahnrampe einem vorbeifahrenden Zug
zuschauen, so ist es uns unmöglich, in einer bestimmten Richtung zu
sehen, die Augen ruhig zu halten; sie folgen unwillkürlich den vor-
beiziehenden Wagenfenstern. Ja sogar der Kopf wird in Mitleiden-
schaft gezogen und macht seitliche Nickbewegungen, und zwar umso
deutlicher, je näher sich der Beobachter befindet und je rascher der
Zug vorbeifährt. Ist der letzte Wagen vorüber, so muss man ihm noch
einen Blick nachwerfen, ja man kann sogar so „schwindlig‘ geworden
sein, dass man ihm unwillkürlich noch einen Schritt nachgeht. Der
Mensch mit seiner Willensbeherrschung vermag natürlich diesem
Drang eher zu widerstehen als ein Tier. Jedenfalls erklärt sich in
ähnlicher Weise die Tatsache, dass Fische in Aquarien in der Rich-
tung eines am Aquarium vorbei bewegten Papierstreifens mit senk-
rechten Strichen schwimmen. (Lyon, Garrey.)
So gut wir den Wagenfenstern eines vorbeifahrenden Zuges mit
den Augen und sogar mit. dem Kopf folgen müssen, reagieren wir,
selbst im fahrenden Wagen sitzend, auf einen draussen befindlichen
Gartenzaun oder eine Baumallee durch Drehbewegungen der Augen
und des Kopfes. Ein im Wasser treibender Fisch sieht die Gegen-
stände des Ufers und des Bodens sich in dem der Strömungsrichtung
entgegengesetzten Sinne bewegen und dreht sich infolgedessen der
Strömung entgegen, orientiert sich also negativ rheotaktisch. An
diesen Tatsachen ist nach den Experimenten der mehrfach genannten
amerikanischen Forscher nicht zu zweifeln.
b) In zweiter Linie kann eine Orientierung durch Reize taktiler
Art in Betracht kommen, wie sie von Lyon zur Erklärung der Rheo-
taxis geblendeter Fische angenommen wird.
Man hätte sich diesen Reiz und seine Beantwortung etwa fol-
gendermassen vorzustellen :
Die der Unterlage zugekehrte Seite des Körpers ist durch Be-
rührung reizbar. Wird ein Tier von der Unterlage losgelöst und dem
Boden entlang geschleift, so wird eine Unebenheit des Bodens nach-
einander verschiedene Punkte der Unterfläche reizen. Liegen diese
Punkte auf einer zur Körperaxe parallelen Geraden, so löst der Reiz
keine Bewegung aus. Steht jedoch diese Gerade schief zur Körper-
axe, so resultiert aus diesem Reiz ein Drehungsbestreben, das den
Körper in die Richtung des strömenden Wassers bringt.
142 Paul Steinmann.
Abgesehen davon, dass diese etwas willkürliche Deutung noch
sehr der experimentellen Kontrolle bedarf, hat sie gemeinsam mit
der Annahme rein optischer Orientierung mehrere Mängel, welche
uns die Zuhilfenahme weiterer Hypothesen nahelegen.
Einstellung in die Strömungsrichtung als Antwort auf optische
und taktile Reize ist nur denkbar, wenn man eine Verschwemmung
voraussetzt. Nur abwärts getriebene Tiere können sich einstellen. Wie
aber kann man sich dann die Aufwärtswanderung derjenigen Tiere
erklären, die mit ausgezeichneten Haftapparaten ausgerüstet, der
Strömung Trotz bieten (z. B. die Napfschnecke, die Strudelwürmer,
die Köcherfliegenlarve oder die Larve der Mücke Liponeura).
Andererseits ist es unmöglich, durch die Lyon’sche Hypothese
das Aufwärtswandern zahlreicher Fische zu erklären, die zum Teil
sehr bedeutende Strecken zurücklegen. Die rein optische Orientierung
kann nur für abwärtstreibende oder ‚an Ort“ schwimmende Tiere in
Betracht kommen. Bei einem ziehenden Lachs muss sie direkt abge-
lehnt werden, findet doch gerade durch das Stromaufwärtsschwimmen
eine ständige Verschiebung des Netzhautbildes statt, durch welche
nach Lyon der Fisch stromabwärts gedreht werden müsste.
Weder für wenig bewegliche, festgeheftete noch für stromauf-
wärts wandernde Tiere kann eine rheotaktische Orientierung durch
Licht oder Berührungsreize angenommen werden. Hier muss ein
anderer Reiz wirksam sein und es liegt nahe, an
c) Orientierung durch die Strömung selbst zu denken.
In der Absicht, diese Frage experimentell zu prüfen, untersuchte
ich das Verhalten verschiedener Tiere im strömenden Wasser bei Licht-
abschluss und möglichst sorgfältigem Vermeiden der Reibung.
Meine Experimente, über welche ich einen Protokollauszug
geben will, bezogen sich in erster Linie auf Süsswassertrieladen,
deren rheotaktisches Verhalten mehrfach behauptet und auch wieder
bestritten worden ist. Es lag mir aus verschiedenen Gründen daran,
in dieser Streitfrage Klarheit zu schaffen, die ja für das viel be-
sprochene Problem der Planarienverbreitung von fundamentaler Be-
deutung ist.
Bevor wir daher an die Darstellung unserer Versuche gehen,
mag hier der gegenwärtige Stand der Frage skizziert werden.
Die wichtigsten auf Rheotaxis der Planarien zu beziehenden Be-
obachtungen wurden von Johnson®) 1822 angestellt.
„On visiting the rivulet...... I was surprised to find a large body
of them (P. torvae) proceeding against the current, glidding over its
8) Johnson, James Rawlins. Observations on the genus Planaria. Philo-
sophical Transactions of the Royal Society of London. 1822. S. 439.
Ueber Rheotaxis bei Tieren des tliessenden Wassers. 145
sandy bottom, keeping the same order as ants when passing from one
of their establishments into another, and occuppying a space of about
twelve inches in length by two in breadth. This regular movement
I observed two or three days in succession. The weather being at this
time extremely temperate, had, doubtless, induct them to quit their
several hiding places; but I could not discover the purport of this
proceeding.
Sodann hat Volz?) an Planaria alpina aus einer Quelle bei Aar-
berg Wanderungen beobachtet. (S. 74):
„Dass aber Planaria alpina Wanderungen unternimmt, habe ich
selbst schon beobachtet, z. B. in einer Quelle in der Nähe von Aarberg,
ferner fand ich sie sowohl im Kleinen Melchtal als auch auf der
Arnialp (Kt. Unterwalden) an senkrechten Abstürzen, über die aber
zu jener Zeit nur ein schwaches Wasseräderchen herabrieselte, hinauf-
kriechen, doch waren es jedenfalls nur geringe Strecken, die zurück-
gelegt wurden.
In ebenso bestimmter Weise sprechen sich Fuhrmann und Wil-
helmi für das Vorkommen eigentlicher Wanderungen aus, wiewohl
sie die Wanderzüge nicht selbst beobachteten, und seitdem sind zu
wiederholten Malen ähnliche Äusserungen getan worden z. T. auf
Grund sorgfältiger Beobachtungen der Wanderungsphänomene.
Voigt,1) der die Frage auf experimentellem Wege lösen wollte,
kommt zum Schluss, dass die Wanderzüge nicht rheotaktisch, sondern
chemotaktisch orientiert seien, indem die Planarien nur dann zugs-
weise stromaufwärts kriechen, wenn oberwärts im Wasser eine Beute
liegt, deren Witterung den Würmern die Richtung gibt. Ein Auf-
scheuchen der Planarien in einem Bach durch rein mechanische Mittel
soll nach Voigt keine Aufwärtswanderung zur Folge haben; die in
Bewegung gesetzten Tiere sollen vielmehr nach allen Richtungen
kriechen.
„nach aufwärts sowohl wie nach abwärts oder nach den Seiten,
von einem wirklichen Rheotropismus ist also nichts zu bemerken.“
Negativ fielen auch die von Voigt im Laboratorium angestellten
Versuche aus. Die in eine Holzrinne mit fliessendem Wasser ge-
brachten Würmer krochen, nachdem es ihnen gelungen war, sich an-
zuheften, nach allen möglichen Richtungen weiter, von einer Bevor-
zugung der Richtung gegen die Strömung war nichts zu bemerken.
Voigt schliesst daraus, dass die im Freien beobachteten gerichteten
9) Volz, W. Die Verbreitung einiger Strudelwürmer in den Bächen der
Umgebung von Aarberg. Mitteilungen der Naturf, Ges. in Bern. 1900
10) Voigt, W. Über die Wanderungen der Strudelwürmer in unsern Ge-
birgsbächen. Mit 9 Textfig. In: Verhandl. d. Naturhist. Ver. preuss. Rheinlande,
Westfalens u. Reg.-Bez. Osnabrück. Jahrg. 61, 1904; Bonn 1905, S. 1053— 178.
144 Paul Steinmann.
Wanderungen immer durch die Witterung bedingt seien, und dass
Rheotaxis dabei keine Rolle spiele.
Meine eigenen Versuche zeigten Ergebnisse, die zu denen Voigts
in direktem Widerspruch stehen. Die Rheotaxis der Planarien konnte
meist mit aller nur wünschenswerten Klarheit gezeigt werden. Ich
habe sie sogar einem grösseren Auditorium vorgeführt. (Sitzung der
Basler naturforschenden Gesellschaft, Januar 1913.)
Es mögen hier einige Beispiele von Experimenten folgen, aus
denen die Rheotaxis der Planarien hervorgeht. Aus der Versuchsan-
ordnung ergibt sich gleichzeitig, dass es sich um echte und nicht um
optische oder taktile Scheinrheotaxis handelt.
Fig. 1. Apparat zum Nachweis der echten Rheotaxis.
t Glastrichter. g Gestell. h Quetschhahn. a, b, c die 3 Röhrenabschnitte.
e Ablauf.
Die ersten Versuche wurden mit einem einfachen Apparate aus-
geführt, der hier abgebildet und kurz beschrieben werden soll.
Ein langes horizontal gestelltes Brett mit einer ausgemeisselten
Rinne von schwachem Gefälle, am obern Ende der Rinne ein kleines
Gestell (2) zur Aufnahme eines Glastrichters (t). In die Rinne passt
eine Glasröhre, die aus drei ungleichen Stücken besteht. Der oberste
Röhrenabschnitt (e) ist am obern Ende senkrecht aufwärts gebogen
und nimmt die Mündung des Glastrichters auf; der untere (a) steht
teilweise über den Brettrand hinaus und ist leicht nach unten abge-
bogen, da hier das Wasser in ein untergestelltes Becken abfliesst. Der
Ueber Rheotaxis bei Tieren des fliessenden Wassers. 145
mittlere, kurze Abschnitt (b) kann leicht entfernt werden und hängt
mit den beiden andern durch kurze Schlauchstücke zusammen, An
den letzteren sind Quetschhähne (h) angebracht. Um allfällige Licht-
wirkungen auszuschalten, überzog ich alle Röhren mit schwarzem
Papier.
Die zu untersuchenden Tiere wurden mit etwas Wasser in den
mittleren Röhrenabschnitt gebracht, dieser mit den andern verbunden
und zunächst der obere Quetschhahn geöffnet. Nun wurde der
Apparat bis zu einem bestimmten Niveau des Trichters mit Wasser
gefüllt, und der untere Quetschhahn ebenfalls geöffnet. Es wurde
Sorge getragen, dass der Wasserspiegel im Trichter möglichst die
gleiche Höhe behielt. Die Folge war, wie man am Ausfluss kon-
statieren konnte, eine sehr regelmässige Strömung. Nach etwa 10
Minuten wurden beide Quetschhähne geschlossen, die drei Röhren-
abschnitte auseinander genommen und auf ihren Inhalt geprüft. Alle
Insassen des obersten Abschnittes mussten gegen die Strömung ge-
wandert sein. Von denen des mittleren oder unteren Stückes wusste
man allerdings nicht, ob sie zunächst losgerissen und eine Strecke
weit verschwemmt worden und dann vielleicht doch der Strömung
entgegengewandert waren, oder ob sie an Ort und Stelle sitzen ge-
blieben, respektive abwärts im Sinn der Strömung gekrochen waren.
Für unsere Schlussfolgerungen war also vor allem die Zahl der In-
sassen des obersten Röhrenteiles von Wichtigkeit.
Der Apparat funktionierte im ganzen gut, doch wurden immer
mehrere Individuen herausgeschwemmt. Weitaus die meisten werden
gleich zu Beginn des Versuches losgerissen, jedenfalls im Mo-
ment, wo die Strömung einsetzt. Späterhin konstatierte man nur noch
ganz vereinzelte Verschwemmungen. Durch sorgfältige Manipula-
tionen zu Beginn des Experimentes liess sich die Zahl der Losge-
rissenen etwas verringern. Ich habe aus diesen Gründen die Heraus-
geschwemmten jeweilen vernachlässigt und nur den Aufenthaltsort
der in der Röhre verbliebenen ermittelt.
Versuchean Planarien.
Versuchstiere: Planaria gonocephala vom Quellhölzli bei Aarau,
Dendrocoelum lacteum aus der Aare, Planaria alpina von Rüttehof
bei Aarau und Planaria vitta aus dem Brunnen des Universitätshofes
in Basel.
I. (8. November 1911.)
30 Exemplare Planaria gonocephala. Versuchsdauer 15 Minuten ;
Erguss schwach.
Unterer Abschnitt 4 Exempl.
Mittlerer „, CA:
Oberer F jh ”
| Herausgeschwemmt 13 Exempl.
10
146 Paul Steinmann,
II. (24. November 1911.)
30 Exemplare Planaria alpina. Versuchsdauer 15 Minuten; Erguss
ziemlich stark.
Unterer Abschnitt 1 Exempl. |
Mittlerer ,, Ours - Herausgeschwemmt 21 Exempl.
Oberer = SE |
III. (13. November 1911.)
15 Exemplare Dendrocoelum lacteum. Versuchsdauer 10 Minuten;
‘ Erguss stark.
Unterer Abschnitt 2 Exempl. |
Mittlerer 9 % Herausgeschwemmt 4 Exempl.
Oberer r Owen, |
IV. (13. November 1911.)
14 Exemplare Dendrocoelum lacteum. Versuchsdauer 10 Minuten;
Erguss mittel.
Unterer Abschnitt 7 Exempl.
Mittlerer ,, QUE Herausgeschwemmt 0 Exempl.
Oberer er EE |
Ye (286 Noel 161127)
11 Exemplare Planaria vitta. Versuchsdauer 10 Minuten ;
Erguss schwach.
Unterer Abschnitt 0 Exempl. |
Mittlerer „, OCDE Herausgeschwemmt 3 Exempl.
Oberer a 8 |
VI. u. VII. (24. November 1911.) ;
m
.. . E . . C
Ähnliche Versuche, jedoch mit Messung des Ergusses in LE
”
VI. 20 Exemplare Planaria gonocephala. Versuchsdauer 30 Minuten ;
Erguss 141 — ca. 4500 cm? pro Minute.
Unterer Abschnitt 0 Exempl. |
Mittlerer 3 3 MR ' Herausgeschwemmt 8 Exempl.
Oberer 2 9 |
VII. 30 Exemplare Planaria gonocephala. Versuch:dauer 30 Minuten;
Erguss 1,51 — ca. 500 em? pro Minute (9 mal geringer!).
Unterer Abschnitt 13 Exempl.
Mittlerer _,, ul Fa ' Herausgeschwemmt 5 Exempl.
Oberer = 1 |
VIII. u. IX. (8. November 1911.)
Ähnliche Experimente kombiniert mit Köder- und Lichtwirkung.
22
Ueber Rheotaxis bei Tieren des fliessenden Wassers. 147
VIII. 20 Exemplare Planaria gonocephala. Versuchsdauer 15 Mi-
nuten: Erguss mittel; im Trichter ein lebendfrisches Abdomen von
Astacus fluviatilis.
Unterer Abschnitt 2 Exempl. |
Mittlerer ,, 3 Fe | Herausgeschwemmt 6 Exempl.
Oberer we 9 a
IX. 15 Exemplare Planaria gonocephala. Versuchsdauer 15 Minuten;
Erguss mittel. Belichtung der Röhre durch ein in den schwarzen
Überzug geschnittenes Fenster bei der Umbiegung im Gestell durch
elektrische Lampe von 32 Kerzen.
Unterer Abschnitt 1 Exempl.
Mittlerer “+ 3 SE Herausgeschwemmt 6 Exempl.
Oberer * 5 2 |
Aus den hier mitgeteilten und ähnlichen Versuchen an Planarien
ergab sich als Gesamtresultat, dass ca. 80 % der überhaupt in der
Röhre verbliebenen Tiere sich im obersten Abschnitt befanden.
Die einzelnen Tricladenarten verhielten sich etwas verschieden.
Sehr deutlich war die Rheotaxis bei Planaria alpina, Planaria gono-
cephala, Planaria vitta und Polycladodes alba; weniger ausge-
sprochen bei Polycelis cornuta, Planaria lugubris, Dendrocoelum
lacteum, Polycelis nigra. Durch Köder- und Lichtwirkungen wird
das Verhalten der Planarien nicht wesentlich geändert.
In Anbetracht der sehr deutlichen Tendenz der Planarien, strom-
aufwärts zu kriechen, musste angenommen werden, dass die Tiere
rheotaktisch orientiert werden, und zwar, da die Licht- und Reibungs-
wirkungen bei unserm Apparat so gut wie ganz ausgeschaltet waren,
musste die Einstellung durch die Strömung selbst erfolgen (echte
Rheotaxis).
Ähnliche, wenn auch weniger ausgedehnte Experimente stellte
ich mit andern Tieren des fliessenden Wassers an.
Gammarus pulex aus einem Bach bei Aarau konnte sich in der
Strömung nur sehr schwer halten. Gewöhnlich wurde die Mehrzahl
der Versuchstiere herausgeschwemmt. Die Vorliebe für schwimmende
Bewegung und die glatten Röhrenwandungen liessen dieses Resultat
erwarten. Immerhin gelang es durch Herabsetzung der Strömungs-
geschwindigkeit, die schon von Dewitz nachgewiesene Rheotaxis mit
meinem Apparate zu bestätigen, wie folgendes Versuchsergebnis zeigt:
14 Exemplare Gammarus pulex.
Unterer Abschnitt 0 Exempl. |
Mittlerer ,, lus | Herausgeschwemmt 7 Exempl.
Oberer 6
27 2)
148 Paul Steinmann.
Noch ungünstiger und für unsere Zwecke kaum dienlich waren
die Resultate mehrerer Versuche mit Larven des Käfers Cyphon, z. B.:
13 Exemplare Cyphonlarven.
Unterer Abschnitt 0 Exempl. |
Mittlerer ge 2 an | Herausgeschwemmt 10 Exempl.
Oberer 2 1 er
Dagegen erwies sich die Napfschnecke Ancylus fluviatilis als
sehr deutlich rheotaktisch.
8 Exemplare Ancylus fluviatilis. Versuchsdauer 14 Stunden ;
Erguss gering.
Unterer Abschnitt 1 Exempl. |
Mittlerer ,, SE | Herausgeschwemmt 0 Exempl.
Oberer a ee
Nachdem durch diese erste orientierende Versuchsserie das
rheotaktische Verhalten der Versuchstiere bewiesen und gleichzeitig
die Unabhängigkeit der Rheotaxis von Lichteinflüssen dargetan war,
operierte ich mit mehreren andern einfachen Apparaten, welche eine
Beobachtung des Verhaltens der einzelnen Objekte ermöglichten.
Ein dem Dewsitz’schen nahestehendes Experiment bestand darin,
dass Planarien in einen von innen gegen die Wand einer Kristallisier-
schale gerichteten Wasserstrom gebracht wurden. Das Wasser riss sie
meist eine Strecke weit mit. Kamen sie mit dem Boden oder mit
den Seitenwänden der Schale in Berührung, so hefteten sie sich mit
Hilfe ihres Schleimes an, drehten sich und wanderten mit grosser
Regelmässigkeit gegen die Strömung. Nicht selten beschrieben sie
mehrere Touren gegen den Strom, bis sie sich zur Ruhe setzten. Ein
Wandern mit dem Strom wurde nur ganz ausnahmsweise, ein solches
schief zum Strom niemals beobachtet. Kehrte man den Wasserhahn
so, dass die Strömung plötzlich von der entgegengesetzten Seite kam,
so drehten die Würmer sich sehr prompt und krochen in entgegen-
gesetztem Sinne, als vorher. Bei einem Experiment versagte von 80
in der gleichen Schale gehaltenen Tiere nicht ein einziges, so dass
die Planarien in der Schale einen kontinuierlichen im Kreise wan-
dernden Zug bildeten. Kleine Sandkörnchen, die zur Kontrolle des
Stromverlaufes in die Schale gebracht worden, waren, bewegten sich
in ungekehrtem Sinne wie der Planarienzug und machten das Ex-
periment ausserordentlich demonstrativ.
Lässt man im Zentrum einer ähnlichen Schale mit niederem
Rand einen Wasserstrahl aufprallen, so stellen sich die Planarien
meist radiär ein mit dem Kopf nach der Aufprallstelle. Allerdings
werden sie dann beim Näherkommen bald von der Strömung losge-
Ueber Rheotaxis bei Tieren des fliessenden Wassers. 149
rissen und weggespült. Besser gelingt das Experiment mit den Larven
der Mücke Simulium, die sich im heftigsten Wasserstrudel halten
können.
Waren die Tiere (ca. 30 Exemplare) zu Beginn des Versuches
gleichmässig in der Schale verteilt, so sammelten sie sich im Verlauf
von sechs Stunden in einem Umkreis von 2cm von der Stelle des
Aufpralles.
Ich schlug nun von einem gleichmässig gerundeten Rollkiesel
ein plankonvexes Stück von ca. cm Durchmesser ab und brachte
diesen linsenförmigen Stein mit der konvexen Seite nach oben unter
den Wasserstrahl. Nach 12 Stunden sassen alle Melusinalarven auf
dem Stein. In allen Fällen aber waren sie so orientiert, wie auf
Seite 5.angegeben. Beim Kriechen krümmten sie den Leib energisch
ein, das neue Fadenkreuz, in das sie sich verankerten, wurde so an-
gebracht, dass es der Prallstelle näher war als das alte. Von positiver
Rheotaxis kann also hier trotz der Körperstellung während der Ruhe
nicht gesprochen werden.
Ein weiterer, sehr einfacher Apparat, mit dem ich Planarien
individuell prüfte, war eine Milchglasplatte, die schräg in ein niederes
Wasserbecken gestellt wurde, so, dass etwa ?/,, ihrer Fläche ausser-
halb des Wassers und nur 1/,, in das Becken eintauchte. Ein Glas-
röhrchen, in glühendem Zustand rechtwinklig abgebogen und an der
Biegungsstelle entzweigebrochen, lieferte, mit einem Schlauch in Ver-
bindung gesetzt, einen breiten, gleichmässigen Wasserstrahl, der die
Platte fast in der ganzen Breite überspülte.
Die Planarien wurden zunächst bei ganz schwacher Strömung
auf den untergetauchten Abschnitt der Platte gebracht. Nachdem
sie sich zum Kriechen angeschickt hatten, wurde der Hahn etwas mehr
geöffnet, so dass die Strömung sich auch im Becken fühlbar machte.
In der Regel begannen die Tiere sofort stromaufwärts zu kriechen
und setzten sich entweder mitten in der Strömung zur Ruhe, oder
wanderten bis zur Öffnung des Glasrohrs, bisweilen sogar noch in
dieselbe hinein.
Es hat kein Zweck, viele Einzelheiten aus den Protokollen über
diese Versuche mitzuteilen. Es erwiesen sich fast alle untersuchten
Arten als ausgesprochen rheotaktisch. Bisweilen kroch ein und
dasselbe Individuum mehrmals hintereinander die Glasplatte hinauf,
sobald es oben angekommen war, wurde es wieder zum Fuss der Platte
gebracht und begann seine Wanderung aufs Neue.
Fig. 2 zeigt in verkleinertem Massstab die Wege, welche von
fünf Exemplaren Polycladodes alba auf der überspülten Platte zu-
rückgelegt wurden. Die punktierten Linien geben die Strömungs-
richtungen an, durch die Pfeile soll die anfängliche Kriechrichtung
150 Paul Steinmann.
angedeutet werden im Moment der Anheftung an der Platte. Von
den fünf Exemplaren erreichten vier die Aufprallstelle des Wassers
(1,3, 4, 5) — 2 dagegen heftete sich in rheotaktischer Orientierung in
der Strömung auf halbem Wege fest. |
Während sich sämtliche Exemplare der Arten Polycladodes alba
und Planaria alpina der Strömung entgegen bewegten, kam bei der
meist deutlich reagierenden Spezies Planaria gonocephala gelegentlich
ein desorientierendes Individuum vor, das sich mehrmals drehte und
endlich sogar stromabwärts kroch. Mindestens 90 % der unter-
(e]
Fig. 2. Fig. 3.
suchten Exemplare dieser Art verhielten sich jedoch genau wie
Polycladodes und Planaria alpina. Sehr unklar war dagegen die
Reaktion bei Polycelis cornuta. Von sechs Individuen reagierten nur
zwei rheotaktisch; die übrigen wanderten, auf die Platte gebracht,
sofort abwärts und waren trotz wiederholter Versuche nicht dazu zu
bringen, gegen die Strömung zu kriechen. Die beiden andern da-
gegen wanderten mehrere Male die Platte hinauf. Ich gewann den
Eindruck, dass es sich hier um eine Art „Stimmung“ handle, dass
die Reizbarkeit oder Nichtreizbarkeit von anderen, wahrscheinlich
Ueber Rheotaxis bei Tieren des fliessenden Wassers. 151
von inneren Ursachen abhänge. Kaum zufällig ist es, dass Polycelis
cornuta auch beim erstbesprochenen Versuch mit der dreiteiligen
Röhre am häufigsten versagte.
An Stelle der Glasplatte verwandte ich später eine schmale un-
polierte Marmorplatte von 1 m Länge; auf ihr liess sich eine besonders
gleichmässige Strömung erzeugen. Die Resultate wichen durchaus
nicht von den früheren ab. Zwei Exemplare von Planaria alpina
krochen einmal in etwa einer halben Stunde viermal die ganze Strecke
entlang, legten also 4m gegen den Strom zurück.
Abgeschnittene Köpfe dieser Spezies reagierten wie ganze Tiere,
sofern sie nicht zu dieht hinter den Augen losgetrennt worden waren.
Dagegen hatten die kopflosen Rümpfe jede Orientierung ver-
loren, wurden meist bald losgerissen und weggeschwemmt.
Drei Exemplare, denen die Tentakeln abgeschnitten worden
waren, verhielten sich indifferent wie kopflose Rümpfe.
Dagegen konnte durch Verletzung des Stirnrandes kein Erfolg
erzielt werden, indem die so verstümmelten Tiere sehr deutlich
rheotaktisch blieben.
Auch Planaria gonocephala geht durch Entfernung der Kopf-
spitze ihres rheotaktischen Verhaltens nicht verlustie.
Aus diesen Versuchen wäre zu schliessen, dass der Sıtz der
rheotaktischen Reizbarkeit die Tentakeln oder die seitlichen Kopf-
lappen sind. Es bedarf jedoch noch weiterer Experimente, um diese
Frage allseitig zu klären.
Eine Kategorie von Experimenten verlangt etwas eingehendere
Besprechung. Es sind das kombinierte Versuche mit Köder und
Strömung. An einem gewöhnlichen Küchenabtropfbrett wurden zwei
Rinnen b, e verbunden, so dass das Wasser, das aus einem Doppel-
hahn zufloss, sich in der Rinne a vereinigte (Eig. 3). Durch ver-
schiedene Stellung der Hähne liess sich die Wassermenge, die durch
c und b floss, ändern.
Die zu untersuchenden Tiere (Planaria alpina) wurden in den
Abschnitt a verbracht und krochen nun bis zur Vereinigungsstelle
der Rinnen, dort wählten sie jeweils die Rinne mit der stärkeren
Strömung, am deutlichsten dann, wenn die Strömungsdifferenzen am
grössten waren.
In die Rinne a wird ein Stein gebracht, sieben Planarien (Pla-
naria gonocephala) am untern Ende von a angesetzt, wandern bis zum
Stein und setzen sich an dessen Unterfläche fest. Strömung schwach.
Nach einiger Zeit wird in Rinne b ein Stück eines frisch zer-
schnittenen Regenwurms gebracht. Dieser Köder wirkt nach
wenigen Sekunden allarmierend auf zwei Planarien, die unter dem
Stein hervorkriechen und aufwärts wandern ; zwei weitere folgen in
152 Paul Steinmann.
kurzer Zeit. Die übrigen drei dagegen wandern die Rinne entlang
abwärts, alle sieben aber sind durch die Köderwirkung in
Bewegung gesetzt worden.
Nun wird durch Öffnen der Hähne die Strömung verstärkt, und
sofort drehen sich die drei abwärts kriechenden um, wandern zum
Stein zurück und weiter bis zur Vereinigungsstelle der Rinnen ce und b.
Auffallenderweise schlagen alle sieben Exemplare den Weg zur
Rinne e ein, die stärkere Strömung zeigt, aber keinen Köder enthält.
Der Versuch wurde wiederholt, nachdem in Rinne b die Strö-
mung verstärkt und der Köder in Rinne e übertragen worden war.
Alle Exemplare wandern nach b, keines zum Köder.
Nun wird der Köder in die Rinne b (mit stärkerer Strömung
zurückgebracht).
1. Versuch. 6 Exemplare Planaria gonocephala.
Wandern alle von a nach b; 4 setzen sich am Köder fest und
fressen; 2 setzen sich unterhalb des Köders zur Ruhe!
2. Versuch. 6 Exemplare Planaria alpina.
Alle wandern von a nach b; 1 findet den Köder, 5 wandern
daran vorbei bis an die Schlauchmündung; dort machen 2 Halt;
3 kriechen in den Schlauch hinein!
Aus diesen Experimenten geht hervor, dass
1. Köder sehr prompt allarmierend wirken,
2. Köder nicht oder nur in zweiter Linie orientierend wirken,
3. dass vielmehr die Strömung die Richtung der Planarien in erster
Linie bedingt.
Sehr wahrscheinlich sind diese Befunde nicht zu verallge-
meinernd, da der jeweiligen „Stimmung“ speziell dem Hunger der
Planarien eine mitbestimmende Rolle zukommt. Es ist jedoch zu
bemerken, dass mit meinen Versuchstieren jeweilen erst nach einem
mehrtägigen Hungern experimentiert wurde.
Zur Kritik meiner Versuchsbedingungen muss noch gesagt wer-
den, dass ich in der Regel mit Gummischläuchen experimentierte,
deren Geruch unter Umständen orientierend und allarmierend in Be-
tracht kommen konnte. Ich habe jedoch mehrere Versuche mit Glas-
röhren ausgeführt unter Ausschaltung von Gummi. Die Resultate
wichen nicht von denen der übrigen Experimente ab.
Ueber Rheotaxis bei Tieren des fliessenden Wassers. 153
Allgemeine Betrachtungen.
Zum Schluss wäre noch die Frage nach der biologischen Bedeu-
tung der Rheotaxis aufzuwerfen. Dass die rheotaktisch orientierten
Wanderungen mancher Fische, vorab der aus dem Meer in die Flüsse
aufsteigenden Brutpflegeerscheinungen sind, ist wohl über
jeden Zweifel erhaben. Die rheotaktische Stimmung steht hier in Be-
ziehung zu dem Reifen der Geschlechtsprodukte und schlägt nach
deren Abgabe sofort um, so dass z. B. der Lachs nach der Laichabgabe
in rasender Eile flussabwärts dem Meere zustrebt, indem er sich nicht
nur treiben lässt, sondern gewissermassen negativ rheotaktisch beim
Schwimmen den Kopf von der Strömung abkehrt. — Auch die Wan-
derungen der Forellen zur Laichzeit, sowie die Züge der Nasen und
vieler anderer Fische sınd als Fälle von intermittierender, mit der
Geschlechtsreife wechselnder Rheotaxis aufzufassen und dienen der
Brutpflege, vorausgesetzt, dass der Laich wirklich in kalten sauer-
stoffreichen Quellbächen, oder doch an entsprechenden Stellen der
Flüsse abgegeben wird.
Etwas verschieden ist die Sachlage, wenn die Laichplätze von
den gewöhnlichen Aufenthaltsorten der Eltern in ihren Bedingungen.
nicht wesentlich verschieden sind. Hier handelt es sich offenbar
darum, eine Art einem bestimmten Flussabschnitt zu erhalten, das
rheotaktische Verhalten während der Laichzeit bedeutet eine Kom-
pensation der verschwemmenden Wirkung des Wassers.
Jedes Individuum wird wohl während seines Lebens gelegentlich
von einer Strömung erfasst, der es unmöglich widerstehen kann;
es wird so allmählich stromabwärts geführt, so dass es mehr oder
weniger weit unterhalb seines Geburtsorts zur Laichablage schreiten
müsste, wenn nicht mit der Geschlechtsreife die rheotropische Stim-
mung so sehr gesteigert würde, dass eine Verlegung des Aufenthalts-
ortes flussaufwärts eintritt. Die Eier werden also von der laichreifen
Mutter durchschnittlich um die gleiche Strecke bergangetragen, um
welche die aus ihnen sich entwickelnden Fische im Lauf ihres Daseins
verschwemmt werden. Ohne diese Laichwanderungen könnten sich
einzelne Fischarten überhaupt nicht in einer gegebenen Flussstrecke
halten; sie würden allmählich flussabwärts gedrängt.
Ganz ähnliche Bedeutung kommt auch den kleinen rheotaktisch
orientierten Wanderungen zu, welche die meisten Fische und
rheophilen Tiere überhaupt ohne sichtbare Ursache zeitweilig aus-
führen. Auch diese Ortsveränderungen laufen auf eine Wiedererobe-
rung von verlorenem Terrain hinaus. Ausschliesslich zur Behauptung
des einmal eingenommenen Platzes dienen die Schwimmbewegungen
154 Paul Steinmann.
der Fischschwärme, die gerade der verschwemmenden Wirkung des
Flusses die Wage halten (Fischschwärme an Seenausflüssen ete.).
Da nun in jedem fliessenden Gewässer die Strömungsverhältnisse
wechseln und zwar im allgemeinen so, dass die verschwemmende Wir-
kung des Wassers umso grösser wird, je mehr man sich dem Ursprung
nähert, kann sich aus dem rheotaktischen Verhalten einer Spezies
deren Verbreitung im Gewässer ergeben. Eine Art, die schwach
rheotaktisch ist, wird sich im schnellfliessenden Oberlauf nicht halten
können, da ihre kompentatorischen Wanderungen nicht ausreichen,
um die Verschwemmungen wett zu machen. Dies zeigt sich am
schönsten in der Verbreitung der Flussfische. Wenige Beispiele aus
der Fischfauna des Oberrheines mögen das Gesagte illustrieren.
Acerina cernua z. B. macht bei Basel Halt. Bei den Strömungs-
verhältnissen der oberrheinischen Tiefebene kann sich der Fisch noch
halten, wo aber der Rhein den Jura durchbricht und Stromschnellen
bildet, wird die verschwemmende Wirkung des Flusses zu gross.
Der Maifisch (Alosa vulgaris) gelangt oder besser gelangte
früher etwas weiter hinauf, doch setzten die Stromschnellen von
Laufenburg auch seinen Wanderungen ein Ende. Der Lachs aber
vermag dieses Hindernis zu nehmen, für 1hn bildet erst der Rheinfall
von Schaffhausen die obere Verbreitungsgrenze. Bekanntlich ist ja
auch die auffällige Fischarmut der obern Rhone auf die verschwem-
mende Wirkung der Perte du Rhöne unterhalb Genf zurückzuführen.
Ähnliche Beispiele lassen sich aus den verschiedensten Gebieten an-
führen.
Ob das hier für Fische Gesagte sich auch auf andere Bewohner
des fliessenden Wassers, speziell auf die bodenbewohnenden Rheo-
philen beziehen lässt, ist heutzutage noch nicht zu entscheiden, da
Untersuchungen in dieser Richtung noch kaum angestellt worden sind.
Wenn ich im Folgenden einige Eindrücke wiederzugeben suche,
die sich mir bei gelegentlichen faunistischen Untersuchungen aufge-
drängt haben, so bin ich mir des provisorischen, hypothetischen Cha-
rakters dieser Erörterungen wohl bewusst. Vielleicht aber tragen sie
doch dazu bei, einige Probleme der Tiergeographie ihrer Erklärung
näher zu bringen.
In erster Linie handelt es sich um die Frage: Warum fehlen viele
Organismen des Quellbezirkes im Unterlauf ?
In vielen Fällen ist anzunehmen, dass die hohe Temperatur, der
Sauerstoffmangel und die Verunreinigung der untern Abschnitte
selektiv wirken zu Ungunsten der stenothermen Katharobien und zu
Gunsten der eurythermen Saprobien. Dass die genannten Bedin-
gungen aber nicht die einzigen sind, zeigt uns die Existenz mehrerer
Ueber Rheotaxis bei Tieren des fliessenden Wassers. 155
ausgesprochener Quell- und Bergbachorganismen, die in den relativ
kühlen und vollkommen reinen Waldbächen fehlen und nur in deren
Quellregion anzutreffen sind. Man pflegt ja auch hiefür meist eine
sehr ausgesprochene Stenothermie der betreffenden Formen verant-
wortlich zu machen. Auch ich habe diese Auffassung schon wieder-
holt vertreten. Ich glaube jedoch nicht, dass sie in allen Fällen alleın
Geltung haben kann.
Bei meinen mehrjährigen Untersuchungen über die Tricladen-
fauna der Schweiz sind mir mehrere Verbreitungseigentümlichkeiten
der rheophilen Planarien aufgefallen, die ich mir durch Stenothermie
allein nicht restlos erklären kann. ;
Warum sind in den Hochalpen die Talströme so arm an Tri-
claden ? Es fehlen ihnen oft auch andere, sonst häufige Tiere, z. B.
einige Hydrachniden; wir wollen uns jedoch auf Planarien be-
schränken. Die Talflüsse besitzen meist eine sehr konstante tiefe
Temperatur. Ihr Wasser stammt zum grossen Teil von den Gletschern
und erwärmt sich auf seinem raschen Lauf durch tiefe Schluchten
nur langsam. Auch im Hochsommer bleibt seine Temperatur sehr
niedrig und konstant, da gerade dann die Gletscher am meisten
Schmelzwasser liefern. Dass die Alpenplanarie Gletschermilch nicht
scheut, beweist ihr massenhaftes Auftreten in einigen Seen, in welche
Gletscherzungen eintauchen (z. B. Findelensee bei Zermatt). Man.
sollte somit denken, dass die Tiere in den gletschergespeisten Hoch-
alpenflüssen die denkbar günstigsten Bedingungen finden sollten.
Auch die Talströme der Voralpen, die kein Gletscherwasser führen,
sind auffallend spärlich mit Tricladen besetzt, wiewohl sie mit ihren
zahlreichen Eintags- und Kôcherfliegen, mit ihren Perliden und
Gammariden ein wahres Eldorado für Planarien darstellen könnten.
Das Fehlen der Trieladen in alpinen Talströmen wird noch be-
fremdlicher durch den Umstand, dass die auf Alpweiden entsprin-
genden, oft firngespeisten, wasserfällebildenden Seitenbäche ausser-
ordentlich dicht mit Planarien besetzt sind, so dass man unter einem
einzigen Stein Dutzende antreffen kann. Es wäre doch zu erwarten,
dass die unterwärts oft sehr beträchtlichen Temperaturschwankungen
dieser wasserarmen exponierten Bächlein dem Leben der Strudel-
würmer ungünstig seien. Als Beispiel nenne ich das kleine Melchtal
bei Giswil, das Schanffigg im Kt. Graubünden und das Findelental
bei Zermatt. Das Gesagte gilt jedoch für die meisten, wenn nicht
für alle Hochalpentäler, da sich ja die Verhältnisse überall ganz ähn-
lich gestalten.
Ich glaube nicht, dass man zur Erklärung dieser Verbreitungs-
eigentümlichkeiten mit der Stenothermie der Planaria alpina aus-
156 Paul Steinmann.
kommt. Wohl aber dürfte hier ein gestörtes Gleichgewicht zwischen
Rheotaxis und verschwemmender Kraft des Stromes vorliegen. Die
Planarien werden aus dem Hauptstrom weggespült. In den Neben-
bächen können sie sich viel eher halten.
Der Annahme, dass früher die Besiedelung der Nebenbäche doch
vom Hauptbache aus erfolgen musste, steht unsere Auffassung nicht
im Wege. Da mit zunehmender Erosion die Stosskraft des Wassers
wächst, waren die Verhältnisse zur Zeit der Einwanderung der Tiere
in das Gebiet wesentlich günstiger, die Täler weniger tief ausgenagt,
die Strömung der ss gemässigter.
Auf einem Missverhältnis zwischen Strömung und Rheotaxis
beruht wahrscheinlich auch das Vorkommen zahlreicher rheophiler
Organismen im Bereich der Mündung eines Baches in einen See.
Die Existenz von Planaria alpina in zahlreichen Hochalpenseen, in
die sie ihrem rheophilen Charakter nach nicht gehört, erklärt sich
ungezwungen durch Verschwemmung aus allzu heftig bewegten Zu-
flüssen. Auch den zahlreichen Bachinsektenlarven des hochalpinen
Litorals und der Tiefe der subalpinen Randseen (s. Zschokke: Die
Tiefseefauna der Seen Mitteleuropas. Dr. W. Klinkhardt. 1911)
dürfte Aehnliches zugestossen sein. Ueberhaupt ist Verschwemmung
in Bächen und Flüssen ein überaus häufiges Vorkommnis.
Würde also in den beschriebenen Fällen die untere Verbreitungs-
grenze der Alpenplanarie durch die allzu heftige Strömung des Tal-
stromes bestimmt, so liesse sich andererseits auch der umgekehrte
Fall, ein Überwiegen der rheotropischen Tendenz über die Strö-
mung denken. Dadurch käme ein allmähliches Quellwärtswandern
zustande und damit eine Verschiebung der untern Verbreitungsgrenze
nach oben. Ein Beispiel mag diesen Vorgang verdeutlichen.
Jedem, der Planarien oder auch Hydrachniden sammelt, fällt
das bisweilen sehr ausgeprägte Ansteigen der Individuenzahl gegen
die Quelle hin auf. Oft gehören zu spärlich besetzten Bächen unge-
mein stark bevölkerte Quellen. Dass hier die Annahme einer sehr
ausgesprochenen Stenothermie der Bewohner nicht zur Erklärung aus-
reicht, geht daraus hervor, dass die Temperaturbedingungen eines
Quellbaches auch auf mehrere, ja Dutzende von Metern denen der
Quelle selbst sehr ähnlich bleiben, wenn wenigstens die Quelle nicht
sehr wasserarm ist. Denken wir uns nun eine Planarienart im Unter-
lauf eines Baches an eine bestimmte, dem Wasserreichtum gemäss
starke Strömung angepasst d.h. zum rheotropischen Wandern ge-
neigt; späterhin erschöpft sich die Wasserfülle, die Strömung wird
schwächer und nun überwiegt die Rheotaxis und die ganze Planarien-
bevölkerung setzt sich in etappenweise Aufwärtsbewegung. Allfäl-
Ueber Rheotaxis bei Tieren des fliessenden Wassers. 157
lige Verschwemmungen werden durch diese Wanderungen nicht nur
wett gemacht, sondern die Tiere verlegen allmählich, vielleicht im
Lauf von Jahrzehnten ihren Wohnort quellwärts. Je mehr sie das
tun, umso wasserärmer wird der Bach und umso ausgiebiger werden
die Wanderungen. So könnte man sich eine Konzentration einer
ganzen Bevölkerung im Bereich der Quelle denken, ein Eindruck,
den man beim Sammeln von Tricladen und einzelnen Wassermilben-
arten häufig hat. — Ob man nun annehmen will, dass die Auswan-
derungen in der wasserarmen Zeit erfolgen und bei Hochwassern
teilweise wieder illusorisch gemacht werden, oder ob man auf den
Wasserreichtum der Eiszeit und auf die postglazıal einsetzende Ver-
ringerung der Niederschlagmengen abstellen will, kommt im Prinzip
auf das gleiche hinaus. In beiden Fällen liesse sich ein fortschrei-
tendes Überwiegen des Rheotropismus über die Strömungswirkung
und eine daraus resultierende Auswanderung nach der Quelle denken.
Im zweiten Fall ist diese ohne weiteres klar; im ersten ist zu berück-
sichtigen, dass die in wasserarmen Zeiten die quellwärts strebenden
Tiere immer mehr aus dem Bereich der Hochwasserwirkung fliehen
und in den durch konstanten Wasserstand ausgezeichneten Oberlauf
gelangen, wo sie vor Verschwemmung geschützt sind.
Die hier auseinandergesetzten Möglichkeiten dürften etwas theo-
retisch und problematisch klingen, umsomehr, als ja die rheotaktische
Stimmung als etwas wechselndes, den jeweiligen Strömungsverhält-
nissen akkommodables aufgefasst werden muss. So gut wir aber bei
der Fischverbreitung der verschwemmenden Wirkung bestimmter
Flussabschnitte (Stromschnellen und Wasserfälle) die Bestimmung
der oberen Verbreitungsgrenze einer Spezies zuschreiben, können wir
auch der Strömung eine Rolle bei der Festsetzung der untern Grenze
des Vorkommens beimessen. Es kommt bei diesen sehr allmählich er-
folgenden Verschiebungen der Verbreitungsbezirke auf einen gewissen.
Mittelwert des rheotaktischen Verhaltens, auf eine rheotaktische
Durchschnittsstimmung an. Dass aber solche für die einzelnen Spezies
charakteristische Unterschiede vorkommen, haben unsere Experimente
dargetan.
Ich glaube nun selbst keineswegs, dass die Verbreitungsgrenzen
der Bachtiere und speziell der Planarien ausschliesslich durch Rheo-
taxis und Strömungsverhältnisse geregelt werden und messe nach wie
vor der Stenothermie und der Wassertemperatur die Hauptrolle bei.
Nach den Feststellungen der vorliegenden Arbeit muss aber mit dem
rheotaktischen Verhalten als einem weiteren Faktor gerechnet werden.
Die vielbesprochenen ‚Wanderungen der Strudelwürmer“ 11) in
11) Voigt. Op. cit.
158 Paul Steinmann.
unsern Gebirgsbächen sind doch nicht so ausschliesslich durch Tem-
peratur und deren Einfluss auf Vermehrung bedingt, die betroffenen
Tiere sind auch aktiv dabei beteiligt, und was für die Planarien silt,
trifft wahrscheinlich für viele andere Bach- und Flussbewohner zu.
Aarau, April 1913.
Manuskript eingegangen 2. Mai 1913.
Die Stellung des Osterfestes im christlichen Kalender.
Ein historischer Beitrag.
Von
Fr. Burckhardt +.
Vorbemerkung.
Die vorliegende Schrift des am 3. Februar 1913 verstorbenen Verfassers
lag schon im Frühjahr 1904 druckfertig vor. Wenn der Verfasser mit der
Herausgabe zögerte, so geschah dies wohl infolge des Wunsches, eine
Publikationsstelle zu finden, die an sich geeignet wäre, der Verwirklichung
der Hoffnung Vorschub zu leisten, welche im Schlussatze der Abhandlung
ausgesprochen ist. Nachdem dann allmählich die öffentliche Diskussion über
die Reform des Ostertermins mehr und mehr verstummt war, hielt der Ver-
fasser, sehr zum Bedauern all’ derer, welche die Arbeit kannten, dieselbe
weiterhin zurück. Dem gütigen Entgegenkommen der Familie des Verewigten
verdanken wir die Erlaubnis, die Arbeit nun der Öffentlichkeit zu übergeben.
Bietet sie schon durch die in ihr enthaltenen, noch unveröffentlichten Doku-
mente einen wertvollen Beitrag zur Kalenderfrage, so dürfte gegenwärtig,
wo die Kalenderreform von wissenschaftlichen wie staatlichen Organisationen
neuerdings ins Auge gefasst wird, auch ihren ursprünglichen Zweck erfüllen,
einer dem heutigen Zeitbedürfnisse entsprechenden Feststellung des Oster-
datums die Wege zu ebnen. A. Riggenbach.
Als Julius Caesar!) im Jahre 707 der Stadt Rom (47 v. Chr.)
pontifex maximus wurde, war der römische Kalender so sehr in Un-
ordnung, dass die bürgerliche Nachtgleiche der astronomischen um
!) Die Geschichte des Kalenders und die Berechnung der verschiedenen
Cyclen, die dabei zur Verwendung kommen, sind in zahlreichen Schriften
behandelt; grundlegend, und in allen Bearbeitungen benützt, ist: I/deler L.,
Handbuch der math. und techn. Chronologie, Berlin 1825—1826; für die Oster-
berechnung Gauss C. F. in Zach’s monatlicher Correspondenz II, 121, mit
Berichtigung in Bohnenberger's Zeitschr. f. Astron. I 158. Weiterhin mögen
genannt sein: Rüdiger “hr. Friedr. Kenntniss des Himmels, 1805. Littrow J. J.
Kalendariographie, Wien 1828 Arago Franç., Astron. popul. IV. livr. XX XIII.
Braun Gust. Aus der Geschichte unseres Kalenders, Heidelberg 1882. Schramm
Robert, Über die Construction und Einrichtung des christlichen Kalenders,
Wien 1900. Knobloch W. Die wichtigsten Kalender der Gegenwart, Wien
ohne Jahreszahl. Sidler Wilh. Der Kalender, Einsiedeln 1872. Unter den ver-
160 Fr. Burckhardt.
85 Tage vorauseilte; er beauftragte daher den alexandrinischen Astro-
nomen Sosögenes mit der Verbesserung des Kalenders. Dem soge-
nannten Jahr der Verwirrung wurden 85 Tage angehängt, die Rech-
nung nach dem Monde wurde fallen gelassen und ein Cyelus von
4 Jahren eingeführt, von denen 3 gemeine Jahre von 365 Tagen
waren, das 4. aber einen Schalttag erhielt, der vor dem 24. Februar
(dies sextus ante Calendas Martii) eingereiht und bissextus genannt
wurde; dieses Jahr erhielt demnach 366 Tage (annus bissextus).
Hiebei wurde also angenommen, dass das Jahr d.h. die Zeit, welche
die Erde braucht, um vom Frühlingspunkte zum nächstfolgenden
Frühlingspunkte zu gelangen, eine Dauer von 365,25 Tagen habe.
Der auf dieser Annahme beruhende ‚Kalender hat zwar in der Zählung
der Tage der einzelnen Monate und in den Monatsnamen verschiedene
Aenderungen erfahren, im Wesentlichen hat er durch 16 Jahrhunderte
gegolten und hat noch Geltung in der orthodoxen griechischen Kirche.
Man bezeichnet ihn heute als Julianischen oder Kalender alten Styles.
An seine Entstehung erinnern uns die Namen Julius und Augustus,
welche Monatsnamen an die Stelle der Bezeichnung Quentilis und
Sextilis zur Verherrlichung der Kaiser gesetzt und seither beibehalten
worden sind. Das römische Jahr begann am 1. März.
Innerhalb der christlichen Kirche machten sich in den ersten
Jahrhunderten verschiedene Strömungen geltend in Bezug auf die
Berechnung des Osterfestes, von dem eine Reihe anderer kirchlicher
Tage abhängig sind.
Die Einen verblieben beim Gesetze (2 Mose 12, 18) und feierten
Ostern mit dem jüdischen Passah am 14. Nisan; im Abendlande
wurde der Wochentag berücksichtigt, der Tod Christi am Frei-
tag, die Auferstehung am Sonntag gefeiert, und zwar an dem Sonn-
tage, der dem 14. Nisan zunächst folgte; die Asiaten endlich be-
stimmten nur den Monatstag und feierten am 14. Nisan den Tod,
und zwei Tage nachher die Auferstehung ohne Rücksicht auf den
Wochentag.
Diese Verschiedenheit verursachte Zank und Streit, der nach ver-
schiedenen fruchtlosen Versuchen endlich seine Erledigung fand auf
dem Concil zu Nicaea (a. 325).
Die in den Canones zwar nicht enthaltenen, aber aus ver-
schiedenen Schriften erkennbaren Anordnungen in Bezug auf die Be-
rechnung des Osterfestes waren nun folgende:
schiedenen Ableitungen der Gauss’schen Osterformel sei genannt: Kinkelin H.
Die Berechn. d. christl. Osterfestes. Verhandl. d. naturf. Ges. Basel V. 378 ff.
und in Schlömilch Zeitschr. f. Math. u. Phys. XV. 217 ff.; Thommen Rud.
Unser Kalender; Vortrag, Hamburg 1889. Mémain Etude sur l’unificat. du
Calendr. Ann. du Bur. des Longit. Tom. VIII. 1899.
Die Stellung des Osterfestes im christlichen Kalender. 161
Als 14. Nisan soll der Vollmondstag nach dem Frühlings-
aequinoctium gelten, Ostern an dem darauf folgenden Sonntag ge-
feiert und ein Zusammentreffen mit dem Passah der Juden ver-
mieden werden. Der Bischof von Alexandrien, dem Hauptsitz der
astronomischen Studien, wurde beauftragt, alljährlich den richtigen
Ostertermin der ganzen Kirche anzuzeigen. Hiemit erkannte die
Synode die alexandrinische Praxis an, nämlich den 21. März als
Frühlingsaequinoctium und die Berechnung des Mondes nach dem
19jährigen Cycelus Metons. Rom aber nahm das Aequinoctium an am
18. März und bediente sich eines Cyclus von 84 Jahren, sodass grosse
Differenzen in der Osterbestimmung eintraten (a® 387 : 5 Wochen
und a® 444 : 4 Wochen). Erst a® 525 nahm auch Rom auf Be-
treiben des gelehrten Mönches Dionysius exiguus die Alexandrinische
Regel an.
In den folgenden Jahrhunderten ergab sich aber eine neue Ver-
schiebung aus folgendem Grunde:
Die Dauer des tropischen Jahres ist nicht 365125
‘sondern 3654,2422
der Unterschied 040078 wächst in
129 Jahren an zu einem ganzen Tag. Es konnte daher nicht sehr lange
verborgen bleiben, dass der astronomische Eintritt der Erde ın den
Frühlinsspunkt mit dem im Kalender angegebenen nicht ganz über-
einstimmte, dass also das Frühlingsaequinoctium nicht mehr auf den
21. März fiel.
Wer das zuerst bemerkt und mitgeteilt hat, wird kaum mehr
zu entscheiden sein ; sicher aber ist, dass das Bedürfnis einer Kalender-
reform im ausgehenden Mittelalter ein ganz allgemeines war, dass
die Konzile zu Konstanz und Basel sich mit ihr beschäftigt haben,
aber zu keinem Abschluss gelangt sind, dass der durch Herausgabe
vieljähriger Kalender berühmt gewordene Johannes Müller von
Königsberg in Franken, Regiomontanus, auch Joannes de Monteregio
genannt, vom Pabste Söxtus IV. nach Rom berufen wurde, aber in-
folge seines baldigen Todes die Sache auch nicht vollendet hat. Auch
Pabst Leo X. hat sich ernstlich mit der Angelegenheit befasst, und
den Beifall der Fürsten und mancher Universitäten geerndtet; es
wurde beraten und wieder beraten, nur nie durchgeführt. Die kirch-
liche Spaltung, welche durch die Reformation veranlasst wurde,
aenderte an dem Bedürfnis einer Kalenderreform nichts. In seiner
Schrift: Von den Conciliis und Kirchen 1539, in der an den Konzil-
beschlüssen beinahe kein guter Faden bleibt, spricht Martin Luther
ziemlich geringschätzig von den Verhandlungsgegenständen des Kon-
zils von Nicaea und fährt dann fort:
11
162 Fr. Burckhardt.
»Dod it von den hölzern Artikeln ein Klößlin bisher glummend
blieben, nämlich vom Ditertage; denjelben Artikel halten wir doch (wie
uns die Mathematici und Astronomi überweijen) auch nicht ganz recht,
weil der Gleihtag oder Aequinoctium zu unjer Zeit weit anders jtehet,
weder zu jener Zeit, und unjer Djtern oft zu jpat im Jahr gehalten wird."
„Jett dürfts wohl wiederumb einer Reformation, daß der Calender
corrigirt, und die Dijtern zurechtgerüdt würde. Uber das joll niemand
thun, denn die hohen Majeltäten, Kaijer und Könige; die müßten ein-
teächtiglich zugleich ein Gebot lajjen in alle Welt ausgehen, auf welche
Zeit man jollte den Djtertag binfurt halten.“
„Es wäre wohl fein, aucd leiht zu thun, wenn die hohen Wtaje-
täten thun wollten, weil es bereit alles fein ausgearbeitet ijt durch Die
Ajtronomos und allein am Ausjchreiben und Gebot fehlet.“
Er empfiehlt, man solle sich bei der Festsetzung des Ostertages
von den Mondphasen frei machen, die vom Mosaischen Gesetz einge-
führt seien, und das Osterfest auf einen bestimmten Tag festsetzen,
wie auch Weihnachten und andere kirchliche Feiertage; der Sonntag
habe an sich nichts voraus vor andern Tagen; Weihnachten sei doch
gewiss auch ein Tag des Herrn und falle auf irgend einen W ochentag.
„Dazu haben wir St. Paulus, der verbeut jtrafs, da man nicht
jolle gebunden fein an die Sreitage, Feite und Sabrtage Mojt. Gal. 4. 10.
Eol. 2. 16."
„Es it aber, meines Eradtens, demjelben gejchehen, wie Chrijtus
jpribt, Matth. 9: Wo man einen alten Rod mit neuem Tud flidt, da
wird der Nik ärger; und wo man Mojt in alte böje Halle thut, da zer-
\pringen die alten Reife, und wird der Moit verjchüttet. Sie wollen vom
alten Gejeg Moje ein Stüd behalten, nämlich, daß man den Vollmond
joll achten; das ilt der alte Rod: darnad) wollen jie nicht demjelben
Bollmondstage (als Ehriten, vurd Cbriltum vom Gejeg Moji gefreiet)
unterworfen jein, jondern den folgenden Sonntag dafür haben; das it
der neue Lappe auf den alten Rod Darumb bat der ewige Hader und
das ewige Schüdeln bis daher jo viel Wejens gemacht in der Kirchen, und
muß es maden bis an der Melt Ende, daß der Bücher fein Ma nod
Ende hat fünnen jein.“
„Der alte Rod it immer mit blieben, jampt jeinem großen Rip, jo
mag er nu fort auch aljo bleiben bis an den jüngjten Tag.“
Die durchgreifende Kalenderreform vollzog sich unter
Gregor XIII. Den von Aloysius Lilius ausgegangenen Vorschlag
unterbreitete der Pabst den christlichen Fürsten und berühmten Uni-
versitäten, um die Durchführung der Reform auf einen möglichst
allgemeinen Konsens zu gründen; dann, am 24. Februar 1582, ver-
kündete er in einer Bulle die Grundlagen der Neuerung.
Da seit dem Konzil von Nicaea das berechnete Frühlings-
äquinoctium um 10 Tage rückwärts verschoben worden, soll nach
dem 4. October 1582 sogleich der 15. gezählt werden.
Die Stellung des Osterfestes im christlichen Kalender. 163
Um auf je 129 Jahre einen Schalttag wegzulassen, fallen die
Schalttage derjenigen Jahrhunderte, deren zwei erste Stellen nicht
durch 4 teilbar sind, aus (also 1700, 1800, 1900).
Der Mondeyelus soll so rektifiziert werden, dass die 4 zu viel
gezählten Tage weggelassen werden und dass fernerhin alle 300 Jahre
1 Tag ausfällt; an die Stelle des Mondeyelus von 19 Jahren soll der
Epaktencyclus treten.
Im Uebrigen bleibt es bei den Nicaenischen Beschlüssen. Diese
Berechnung wurde nun allen Patriarchen, Erzbischöfen, Bischöfen,
Aebten u.s. w. angezeigt mit dem Auftrage, die Neuordnung in der
ganzen Christenheit zu verbreiten.
Solchen, die noch alte Kalender verschleissen, wird der Kirchen-
bann angedroht.
Dieser neue Kalender heisst der Kalender neuen Styles.
Während der Pabst in der Einleitung der Bulle sagt, dass das
frühere Konzil von Trient die Angelegenheit dem aha Richter-
stuhl übertragen habe (rem totam ex ipsius Concilii decreto ad
auctoritatem et judicium Romani Pontificis retulerunt), spricht er
im $ 15 von einem Auftrage von Gott in seiner Aufforderung an
Rudolf II. zur Verbreitung des verbesserten Kalenders beizutragen.
(Pro data autem Nobis a Domino auctoritate hortamur et rogamus
elarissimum in Christo filium Rudolphum Romanorum Regem ete.)
Dieser hochfahrende Ton scheint bei dem Kaiser und den Fürsten
Anstoss erregt zu haben, sodass die Sache nicht wohlwollend aufge-
nommen wurde. Der Kaiser beeilte sich keineswegs dem Wunsche
des Pabstes zu entsprechen. Da aber der neue Kalender doch in ver-
schiedenen Ländern eingeführt wurde, so ergaben sich in Handel und
Wandel grosse Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten aus der
doppelten Zeitrechnung, so dass sich der Kaiser doch genötigt sah
nachzugeben und die Einführung des neuen Kalenders zu emaelhllen.
Der Ton des Schreibens aber, durch welches dies geschah, ist zu cha-
rakteristisch, als dass man die dem Pabst abgeneigte Gesinnung darin
verkennen könnte; denn im ganzen Schreiben steht kein Wort vom
Pabst oder von einer vom Pabste ausgegangenen Neuerung. Im
Staatsarchiv Basel befindet sich das an diese Stadt gerichtete
Schreiben im Original. Es lautet:
Den Erjamen vnnjern und des Reichs lieben getrewen
N. Burgermaijter ond Rath der Statt Bajel
Rudolff der Under von Gottes genaden, Erwelter
Rômijder Kaijer zu allen Zeitten Merer des Reids &.
Erjamen liebe getrewen, Nachdem jich bisher im Altten Calendario
jowol der Zeit aly auch der Jarszeitt onnd andershalben allerley mengel
befunden, derwegen dan vnlangit nit allain mit vnjerm Yorwijjen jonder
164 Fr. Burckhardt.
auch nit weniger auf etlicher vnnjerer al anderer Chrieitlicher Potentaten
vnnd Herrichafften fürnemen Mathematicorum vleibigs nachdendhen vnnd
guetachten ain newes Calendarium verfahet vnnd von nen, al der-
jelben jachen veritendigen, ainhelligeli für gueth, aud die vorberürtte
mengel widerumb ab und alles in ain bejtendige immerwerende rid-
tigtbait zu bringen für Notwendig geachtet worden. YBnnd dan Hirauf
weitter exvolgt, das verjchienes zwayundadtzigiiten Gars jold new Ca-
lendarium bin onnd wider, onnd nit allain in Italien, jondern andern
mehr, nit den geringjten Cbrijtliden Nationen Khünigreichen vnnd Landen
publiciert vnnd ins werfh gerichtet worden, aud nunmehr bey denjelben
vngebindert deren zum tail ounderjhidlichen Religionen veblid gebraucht
wurdet. So weren wir gleichwoll nod vor der Zeit nit ungenaigt ge-
west, Gold new Calendarium aud unnjers tails Jowoll im Heiligen Reiche
Teut|her Nation, al in onjern Erbfhünigreichen vnnd Landen anzujitellen
vnnd zu gebrauchen. Jedoch damit fürnemblich der vrjachen bibbeer in-
gehaltten, das wir die jach gern zuvor auf ain durchgehende algemeine
gleichait gerichtet gejehen betten.
Mir befinden aber ne lenger ye mehr, nachdem berüerts new Ca-
lendarium bey den vorbemelten maijtentails an de Heilig Reid negit
anrainenden Nationen Bothentaten onnd Herrichafften, mit denen Teutjch-
landt, jo woll aud vnnjere Khünigreiche vnnd Lande ire fürnembite
bandtierung onnd Khauffmankgewerb haben, obangeregtermajjen in üeb-
lihen gebrauch fomen, das die ungleiche haltung dejjelben Calendarij in
vill weege, jonderlit aud der Wardhte wechjel vnd zallungen, Redt unnd
Gerihtshandlungen halben vajt arojje Confujion onnd vnridtigkhait ver-
urjadt, aljo das, wo es lenger in dem Standt verbleiben unnd im Hey-
ligen Reid aud vnnjern Khünigreichen vnd Landen das alte Calendarium
nod verner wie bibber gebraucht werden jolte, jolhe Bnordnungen jid)
von Tag zu Tag bejchwerlichen erzaigen würden.
Bnnd dasjelb vmb jovilmebr, das alberait etliche fürneme deb Reichs
gür]ten vnnd Stende, Geïltlihe unnd Weltliche das new Calendarium in
ieren Yürjtenthumben, Landen, Stetten unnd gebietten angerichtet, vnnd
zweifelsohne noch andere mer derjelben nachgehen werden, daher dan er-
volgt, das in denen negit an ainander gelegen gepieten, ja wol etwan
in ainem Fledhen, da es underjchiedlihe Herrichafften hat, neben anderer
bejchwerlichen Ongleichait nit allain die Hohen Felt, jonder aud Die
Son vnnd gemaine Feyertäge vndter|hidlid au merdblicher Serrüttung
de gemainen wejens gebaltten werden.
Denn nun dem allo, onnd dann mer berüerts new Calendarium
neben dem, das es jeine rationes Mathematicas hat, anderit nit, dan wie
oben angeregt, für guet, nuzlih vunnd nottwendig than geacht werden,
Go haben wir Bnns dem allem nad) dahin entichlojjen, jold) New Ca-
lenvarium jo woll als Römijcher Kayjer im Reid Teutjcher Nation, al
in onnjern Künigreihen onnd Landen zu gebrauden, vnnd dajjelb auf
den October dieles jeztlauffenden Sars ins werdh zu richten, dergeitalt,
das es naddem zehen Tagen, welche von demjelben Monat allermaljen,
wie in den obvermeltten andern Nationen Rbünigreihen unnd Landen
Die Stellung des Osterfestes im christlichen Kalender. 165
verjchienes zwai und achzigilten Sars bejchehen, zunemen vonnd aubau-
lajien jeindt, anfaben, vnnd von derjelben Zeit fürtheer continuirt vnnd
gebraudt werden jolle, Bnnd hierauff neben Andern des Heyligen Reichs
Churfürjten, Fürjten onnd Stenden, aud Eud) diejer onnjerer Refolution
biemit erindern, vnnd dan aud zu bejjerer nahrichtung ainen abtrudh deÿ
vf die dren leztern Monat dies yeztlauffenden Jars gejtellten Calendarij
oder Gragmenti mitichiden wöllen, der genedigen vngezweifeltten Suver-
lit, Ir werdet Eurs thails, Jonderlid aud zu abjchneidung vnnd ver-
buettung der obangeregten confujionen, Bnordnungen, Zurrüettlichlaitten,
onnd wah darbey weitter von Tag zu Tag, mit Hödhjjter aines unnd des
andern landts bejhwerligthaitten unnd nacdtail zu befahren jein würde,
Euch jolher vnjere Rejolution onnd Erinnerung zu accomodirn vnnd Der-
jelben gemeh zu ballten wijjen, das raiht onnh von Eud zu jonderm
gnedigem angenemen gefallen. Bnnd wir jeindt Eud mit Kaijerlichen
gnaden vnnd allem guetten yeder Zeit wolgenaigt,
Geben in vnnjer Stadt Wienn den viertten Septembris anno etc. im
drey onnd Adtzigilten, vnjerer Reiche des NRömijhen im Achten, des
Hungerijhen im ailfften onnd des Bebaimijhen aud im Achten.
Rudolff
vt Svieheuser D. Ad mandatum sacrae Caes?®
Mtis proprium
P. Obernburger.
Von den Protestanten war kaum eine andere Gesinnung und
ein frohmütiges Entgegenkommen zu erwarten, weil diese gewiss
zweckmässige Anordnung vom Pabste mit dem Nimbus einer heiligen,
christlichen Sache umgeben war und zwar von einem Pabste, dessen
Tedeum über die Bartholomäusnacht noch nicht vergessen und ver-
schmerzt war. Selbst Keplers dringende Empfehlung der päbstlichen
Reform vermochte die Protestanten nicht zur Annahme zu bewegen ;
lieber gingen sie noch ein Jahrhundert auf dem gewohnten Irrwege,
als dass sie etwas, was vom Pabste kam, und wäre es auch die aller-
zweckmässigste Massregel, angenommen hätten.
Endlich musste doch der praktische Verstand bei der stets wach-
senden Differenz der Kalender alten und neuen Styles über die kon-
fessionellen Bedenken siegen. Schon auf dem Westphälischen
Friedenskongresse wurde die Kalenderfrage wieder angeregt; aber
erst am Ende des siebzehnten Jahrhunderts nahmen die evangelischen
Stände auf Weigels und Leibnitzens Betrieb den neuen Kalender an
a0 1700; in welchem Jahre 11 Tage vom 19. Februar bis 1. März
unterdrückt wurden. Den päbstlichen Namen gaben sie aber ihrem
in Einem Punkte modifizierten Kalender nicht, sondern hiessen ihn
den verbesserten, auch verbesserten julianischen Kalender. Die Ab-
weichung bestand in folgendem :
166 Fr. Burckhardt.
Die Berechnung des Ostervollmonds für den gregorianischen
Kalender wurde ausgeführt mittelst des Epakteneyelus, für den ver-
besserten aber sollte die Zeit aus den Rudolfinischen Tafeln für den
Meridian von Tycho Brahe’s Uranienburg, berechnet von Kepler,
entnommen werden. Der Tag des Vollmonds, von Mitternacht an
gerechnet, der sich ergab, sollte als Ostergrenze (terminus paschalis)
angenommen werden, und der nächst darauf folgende Sonntag
Ostern sein.
Wenn diese beiden Bestimmungsarten im allgemeinen auf den-
selben Tag führten, so war doch durch die Verschiedenheit der Bestim-
mung die Möglichkeit gegeben, dass in irgend einem ‚Jahre nach
der einen Berechnung der erste Vollmond nach dem Frühlingsaequi-
noctium auf einen Samstag, nach der andern aber auf den Sonntag
falle, wobei im ersten Falle der Oster-Sonntag eine Woche früher
eintreten musste, als im zweiten. Dies traf ein im Jahre 1724.
Angeregt durch eine Mitteilung der Akademie der Wissen-
schaften in Berlin und verschiedener Mathematiker hatte sich im
Jahr 1723 der Reichstag zu Regensburg mit der Frage der Oster-
rechnung für 1724 zu beschäftigen und kam dabei zu folgendem
Beschluss:
Ratisbonnae, d. 30: Jan. |
1723: Conelusum
In Conferentia Evangelicorum
VBom 30: San: 1723.
Demmenad) bey der zu ende des abgewichenen Seculi vorgewejenen
Calender-Berbekerung vermög eines bey dem Corpore Evang: unterm
23. Sept.
SOIT
fünfftighin die Ofter-Feit-Rehnung weder nad) dem im Julianiihen Ca-
lender angenohmenen Dyonysianiihen und viel weniger Gregorian:Cyclo,
jondern nad) dem Calculo Astronomico (:wie ehemahls zu Seiten des
Concilij Nicaeni gejchehen:) gemacht werden folle und Darnebenjt nad)
innbalt eines fehrnerweiten unterm 10./20. San: 1700 abgejahten Con-
clusi allerjeits Mathematici Evangelici angewiejen worden, wegen des
unter denen Astronomis nod) objchwebendem Dißensus, welche Tabulae
die allerzuverläßigit und accuratejte jeyen, die bibbero fait durdhgehnds
gebrauchte Rudolphin: Tabulas Kepleri zum Calculo der Ephemeridum,
sum Computo des Djter-VBoll-Monds zu behalten und verjelben prae-
ceptis ad Meridianum Uranoburgicum das Tempus Aequinoctij Verni,
und dann den wahren Djter-VBoll-Mond in Tagen, Stunden und Minuten
zu berechnen etc. Und dann id) gezeiget, daß von Anfang diejes Seculy
bis auf jet laufendes 1723tes Jahr inclusive wegen Bejtimmung des
1699 einmüthig ausgefallnen Schlußes beliebet worden, dah
Die Stellung des Osterfestes im christlichen Kalender. 167
Diter-Feits Jowohl nad) der accuraten Astronomilchen als nad) der Gre-
gorianijhen Cycliihen Rednung jich feine Differenz zugetragen: Hin:
gegen nunmehro von der Kön: Preuß: Societet der Willenichaften zu
Berlin, aud von verjchiedenen anderen erfahrnen Cvang. Mathematicis
die gleich lautende und glaubwürdige Anzeige gejchehen, dab in bevor-
jtebendem 1724. Sabr das Aequinoctium vernale nad) dem accuraten
Calculo Astronomico auf den 20. Martij und der nädhjt darauf folgende
Vollmond gemelten 1724. Jahrs wäre auf den 8. April, welches der rechte
Oiter-Vollmond gemelten Sabrs were, mübte allo der 9. April, weil der
vorhergehende 8. Apr: ein Sonnabend jey, vor den rechten Ditertag ge-
halten werden: Der Gregorian. Computus Cyclicus aber jezte das Pleni
Lunium Paschale nad) unribtiger Rädnung auf den 9. April und, weil
diejes ein Sonntag, das Djter-yejt auf den 16. April, aljo 8 Tage jpäther
hinauf; Dergleihen Differenz ji) aud in diejem laufenden Seculo A°
1744, 1778 und 1798. Darnebenjt auch begeben würde, daß in denen jez-
bemeldten 2 Iezten Fahren, naml a° 1778 u 1798 der Ditertag des ver:
beberten Calenders mit der Djtern der Juden, auf einen Tag, welches
jedod) das Concilium Nicaenum jorgfeltig vermieden wühen wolle, ein-
treffen werde.
Als ijt nad) allen darbey vorgefommenen und renflid erwogenen
umjtänden von Evang: Corporis wegen einmüthig für gut befunden
und gejchloßen worden:
1) daß man Hinführo auf denen eingangs berübrten Conclusis des
Corporis Evang. fejt zu belteben: folglich)
2) Allen im Heil. R. Red befindt. Evang. Calenderjchreiber, Drufer
und Serlegeren zu bedeuten habe, daß jte es bey der bijber ge-
braudten Form des verbeßerten Calenders fürohin bewenden
lajjen, vornemmlid) aber das in nädjitfolgend 1724. Jahr nad)
dem accuraten Calculo Astronomico auf den 9ten Apr: fallende
Diter-Feit in der Columne des verbeberten Calenders auf jelben
Tag anjegen und darnad alle übrige davon dependierende be-
weglihe Feite durs gange Jahr hindurch einrichten, und
3) In folgenden Jahren, es möge zwüjchent dem verbeßerten und
Gregorian: Calender jid eine Diter-Differenz zeigen oder nicht,
jedesmabls nad) mehrberührtem Calculo Astronomico die Djteren
mit den darnad) einzurichtenden bewegl. Zeiten dem verbeherten
Calender inseriren, aud)
4) Wann nad) erfolgter genauwer Erfundigung der FJuden-Djtern
jich befunde, daß jelbige mit der Diteren des verbeberten Calenders
auf einen Tag einfielen, wie 3. E. a° 1778 u 1798 id begeben
jolle, und, wenn inzwüjchent feine andere wichtigere, als die bijber
gebrauchte Tabb: Rudolphina ausgefunden und von dem Corp.
Evang. approbiert würden, das Diterfejt in Jolchen %üblen, um
die Intention des Concilij Nicaeni bierinnen beyzubehalten, 8
Tage weiter hinaus jeßen jollen.
Wäre Ddiejer des Corpis Evangelicorum abgefahter und Denen
Reglen des Concilij Nicaeni gemäßer Schluß in allen Evang.
Oo
—
168 Fr. Burckhardt.
Rendslanden und Obrten, wie es ehemals bey verbeßerung des
Galenders A° 1699 gehalten worden, am lezten Sonntag vor dem
Advent des jeblaufenden 1723. Sabrs von denen Canklen
öffentlich) zu verfündigen, und die Diter-Feyer in dem Éünftigen
1724.1tn und übrigen vorhin bemerften Jahren darnad ans
zujtellen.
Dieses Conclusum wurde den evangelischen Ständen der schwei-
zerischen Eidgenossenschaft durch die Vermittlung des damaligen
Vororts Zürich bekannt gemacht. An Basel gelangte folgendes:
Schreiben von Bürgermeister und Rat der Stadt Zü-
rıch vom 6. Febr. 1723.
Unjer freundlich-willig Dienjt, jamt was Wir Ehren, Liebs und
Guts vermögen zuvor.
Fromme, Fürlichtige, Ebrjamme, Weile, jnjonders gute Freund und
Getreue Liebe Eydgnoßen
Mas von den Evangel. Ehurfürjten, Fürjten und Ständen Gevoll-
mädtigten Herren Räthen, Bottidaîten und Gejandten zu NRegenjpurg
zu Tagen verjamt wegen Haltung des Ofterfelts in dem nädjt bevor-
jtebenden 1724. Jahr eingelanget, das wolten Wir Eud unjern G.%.E.
hiermit erforderlicher maben participiren und anbey in Yreund-Eydgnö-
Bilder Wolmeinung unverbalten laßen, dab wir unjere unvorgreiffliche
Reflexiones über diejes Anjuchen walten laben und mit nädjtem Eud
\elbige auch überjchreiben werden, inmitlejt aber Uns jämtlid) der Hodjten
Gnaden Bewahrung getreulich erlaßen.
Geben den 6. Febr. AP 1798.
Bürgermeilter und Rath
der Stadt Zürid).
Basler Ratsbefehl vom 13. Februar 1723: Solle Xobl. Vorort für
die communication gedandt, deren über diejes Gejchäft gewaltete Gedanken
erwartet, des Herrn D. und Professoris Bernoullis?) Bericht hier-
über eingebollt und die Drudere ratione der Calendern debwegen gewarnet
werden.
Das von den beauftragten Zürchern verfasste Gutachten über
das Conelusum hat folgenden Wortlaut:
Gutachten von Johannes von Muralt D", J. Jacob Scheuchzer
M. D. Ingenieur Vogel.
Gnädiger Herr Burgermeijter! Socbgeabte 2c.
Ewr. Gn. und Weibbt. boben Befehl sub dato 6. Febr. zu gehorjamer
folg haben wir endts-unterjchriebne vorderijt diejen unterthänigen Bericht
2) Johannes 1 Bernoulli.
3) J. J. Scheuchzer 1672—1733; im Jahre 1710 Professor der Mathematik
in Zürich; that sich in der Mathematik nicht in gleicher Weise hervor, wie
in naturhistorischen Disziplinen. Wolf Biogr. I 181—228.
Joh. v. Muralt 1645—1733; 1688 Stadtarzt in Zürich, 1691 Professor der
Physik und Chorherr. Nach dessen Tode erhielt J. J. Scheuchzer auch noch
Die Stellung des Osterfestes im christlichen Kalender. 169
eritatten wollen, daß ein jamtl. Hochlbl. Corpus Evangel. aus erheblichen
urjaden von jelbit nöthig erachtet, den je mehr und mehr von der rechten
Bahn ausweichenden Julianijchen Calender abzuänderen und zwahren dur)
22 à
einmüthigen Schluß sub a 1699 nicht auf dem Yu der a° 1582
von Bapit Gregorio dem XIII unternommenen Correction und vorge-
jhriebenen bernad falid befundenen Cyclo Decemnovemnali, Jondern
nad) dem wahren von den Astronomis genauw gerechneten Simmels-Lauf,
worbey jih Hochged. Evang. Corpus fürgenommen, die im Nicaeilden
Concilio A° 325 gut befundene Canones, von welden die Rôm. Catb.
dann und wann abweichen, in genaue Observanz zu ziehen, bejonders
wegen nit Haltung des Diter-%elts auf gleichen Tag mit den Juden.
Nachdeme nun Hohged. des Hl. Rôm. Reyhs Evang. Stände Ihr
wolabgefaktes Conclusum sub dato Regenipurg 30 December 1699 einer
Hochlob. Eydgnojhaft communiciert, haben die meilten Lob. Evang. und
zugewandte Orth aus eigener Convenienz wegen mehrerer Xommlichkeit in
Handel und Wandel, bejonders aud vielfaltig zu erwartenden Nußens
im Landsfriden auf der Jahr-Rechnung a° 1700 nad) genugjamen und
reyffen Deliberationen jid der Calender-VBerbejjerung halben mit denen
Rends]tänden zu conformieren entichlogen und jothanes decretum würflic)
a° 1701 mit Durchjtreihung der erjten 11 Tagen im Januario und an-
bebung des XVIII. Seculi mit dem 12. bejagten Monats zu werk gejeßet.
Belangend das von NRegenjpurg aus sub dato 30. Januar 1723 Ewr.
Gn. und Whht. zu Handen Jammt. Hochlob. Eydg. Evang. Corporis com-
municirte Reydsconclusum und wegen des 9. Ofterfelts für das 1724te
Jahr entitandene Difficultet, berubet jelbige Eur in folgendem: Mad denen
Canonibus Concilii Nicaeni joll das Djter-Feit gehalten werden auf den
eriten Sonntag nad) dem eriten Vollmond, der auf das Yrühling-Ae-
quinoctium folget, jo dab, wann derjelbe Vollmond juit einfallet auf
einen Sonntag, das Set jolle celebrirt werden 8 tag bernad, damit
man ausweide das Pascha der Juden, als weldes jujt an dem Tag des
Sollmonds mub gehalten werden. —
Kun fallet nad) der Cycliich. Gregorian. Rechnung bejagt eriter
Bollmond a° 1724 auf den 9. Aprilis, nach) denen Tabulis Rudolphinis
aber, welche das Evang. Reychscorpus zur Grundregel angenommen,
oder nad) dem wahren ajtronomijhen Calculo fallet das Frühlings:
Aequinoctium auf den 20ten Martii und der erite Vollmond nad) dem-
jelbigen auf Sambjtag den Sten April; müßten aljo die Rôm. Cath.,
weil Ihr Vollmond jujt auf den Sonntag fallet, Ihre Oftern ausjegen
auf den 16t April: Evangelici aber nad) Ihrem angenommenen Astronom.
Calculo diejes Feit halten auf den ten, Fit dasjenige, was Ewr. End. und
die Professur der Physik; aber der bald eintretende Tod riss ihn aus dem
erweiterten Wirkungskreis. Wolf Biogr. IV. 181—228.
Heinr. Vogel, Ingenieur und Inspektor der Constabler, besorgte 1724—
1758 den Zürcher Kalender. Man hat von ihm eine Anleitung zu der Artillerie-
Wissenschaft, Ernst- und Lust-Feuerwerkeren. Zürich 1714. Wolf Biogr. III.
22. Note,
170 Fr. Burckhardt.
Meisht. mit tiefejtem Respect wir berichten fônnen, und das weitere Dero-
jelben Sodbtlugen Dispolition Ehrenbietigit überlaßen als die wir übrigens
verharren
Ewr. Gnd. und Meihht. Unterthänigjt-Gehorjammite
CHAT Burger und Diener
Iohannes von Muralt D'
I. Jacob Scheuer M. P.
Ingenieur Pogel.
Ratsbefehl vom 24. Februar 1723 übermittelt das Zürcher Gut-
achten an Prof. Johann Bernoulli, der nun schon am 26. Februar sein
einlässliches Gutachten der Regierung einsendet:
Mohlweiler Herr Burgermeilter
Hochgeadhte 2c
Das Conclusum wegen Haltung des Diterfeits in dem zufünftigen
1724. Jahr, jo von den Evangelien Churfürjten, Fürjten und Ständen
bey gegenwärtigem NReihstag Bevollmächtigten, Räthen, Bottjchaften und
Gejanten d. 30. Jan. 1723 abgefajjet und von Ihnen an Lob. Stand
Züri, von diefem aber an Ew. On. communiciert, hab id gelejen und
das darinn enthaltene reifli erwogen; Erjtatte hiemit Ew. Gn. auf dero
hohen Befehl de dato 24te" Febru. 1723 über dieje materie folgenden unter-
thänigen Bericht:
Es it allervorderilt zu wiljen, daß dieje Sad) nicht nur astronomice
jondern aud) theologice und politice fünne tractiert und folglid von mir
die question nidt gänzlich, londern nur in jo weit, als jte in die Astro-
nomie bineinlaufet, beantwortet werden.
Mas dann erjtlic) den Hauptpuncten, von weldem das übrige de-
pendiert, anbelangt, ob nebmlid das jo genannte plenilunium paschale,
welches der Senige Vollmond ijt, jo entweders auf das Aequinoctium
vernum fallet oder allernächit darauf folget, in dem zukünftigen 1724.
SZahr eintreffe auf den 8. April, jo antworte ich jchlechterdingen mit Sa.
Damit man aber nicht meinen möchte, id gründe Diele meine Be-
jabung auf die ledige Assertion derjenigen Astronomorum und Mathe-
maticorum, deren in dem Regenjburgijhen Concluso meldung gejchiehet,
jo hab id nöthig erachtet obbejagtes plenilunium auf tag, jtund und
Minuten ohne Beyhülf einiger von anderen ausgerechneten ephemeridum,
als denen man nicht allzeit trauen fan, dur mid) jelbiten zu berechnen.
Befinde hiemit nad) gemachtent Calculo, dah in bemeltem Jahr 1724 der
Dfter Boll Mond allhier und an allen Orten, die unter unjerm Meridiano
ligen, jen wird Samstags den 8. April Abends um 4 Uhr und 21
Minuten, nahdem das Aequinoctium vernum, das ijt der Eintritt der
Sonnen in das Zeihen des Widders zuporgejchehen den 20. Martij vot-
mittags um 10 Ihren und 2 Minuten.
Es wirdt nun zweytens weiters gefragt: Ob diejer Djter Boll Mond
nad den Eyclifchen Rechnungen um einen Tag jpäter, nahmlich Sontags
den 9. Aprilis, wie die in dem Regenjburgijhen Concluso mentionierte
Die Stellung des Osterfestes im christlichen Kalender. 171
Astronomie vorgeben, einfallen wirdt: So muß ich joldes aud mit Ja
beantworten, jintemablen die gemeine Regul aus den Epactis das pleni-
lunium paschale zu finden, die wahrheit deijen flärlid und ohne große
Mühe dargiebt. Sd nenne hier die Epactas und (NB) nicht den Cyclum
Decemnovenalem, das ijt den Cyclum der jo genannten Guldenen Zahlen,
dann Jo ferr it, daß PBapit Gregorius der XIII. bey Verbeberung des Alten
Julianijden Calenders diejen Cyclum, wie einige fäljchlid” meinen, jolle
eingeführt und vorgejchrieben haben, da diejer Papit vielmehr eben diejen
Cyclum, der zuvor in dem Julianiihen Calender üblid war, als feblbabr
abgeihafft und an jeine Statt die Epactas, welche die Novilunia und
plenilunia richtiger und accurater anweyjen, eingeführt hat, jo aud in
dem Calendario Gregoriano jeith Anno 1582 bis auf den heutigen Tag
gebraucht werden.
So nahe aber als immer die Epactae die Neu- und Vollmonden an-
zeigen, jo it es dod unmöglich, da Jie allezeit jujt auf einen Tag ein-
treffen mit den Mahren Astronomilhen Neu und VollMondten: und
wird aud in Ewigfeit fein Cyclus jo exact ausgefunden werden fönnen,
der von dem Computo Astronomico nidt dann und wann von einem
Tag abweiche und aljo ein Sonntag für ein Samstag durd die Cnclijhe
Rechnung bisweilen heraus fomme, dejjen man dann in diejem Saeculo
4 dergleichen Exempel haben wirdt, als namlich nicht nur fönftiges Jahr
1724, jondern auch noch in den Jahren 1744, 1778 und 1798.
Was aber dieje Discrepanz eines tags für einen großen Underjcheid
machen fan in Beltimmung des Djterfeits, warn man dasjelbe celebrieren
joll nach den Decretis des Concilij Nicenij, jo AP 325 gehalten und aus
318 Bilhoffen beltunde, wird jich erzeigen aus dem Snnbalt dieler De-
cretorum, Jo fürnebmlic in folgenden 2 puncten bejtehet: 1° daß die Cbrilten
ihr Djterfejt niemahls Halten jo auf einen Tag, wann die Juden ihr
Pascha halten; 2° derowegen, weil die Juden fraft ihres Gejezes ihr
pascha halten müjjen auf den Tag des eriten VBollMonds, der auf das
Aequinoctium vernum fallet oder nädit darnad folget, jo jollen Die
Ehrilten ihr Djterfejt feyren den nädit darauf fommenden Sonntag und,
wann der Suden pascha jelbit ein Sonntag wäre, jolle als dann Die
Ehrijtl. Djteren 8 tag bernac gehalten werden.
Hieraus erhellet zwar, da, weilen das wahre plenilunium paschale
fünftiges Sabr 1724 auf den 8. Aprilis, der ein Samstag it, eintrifft
und hiemit denjelbigen Tag die Juden ihr pascha halten jolten, den
folgenden Sonntag darauf nebmlid den 9. Aprilis ohne fehrneren Auf-
hub der Chriften Diterfejt muß gefeyret werden, Eraft dejjen was das
Nicaenijhe Concilium in dem zweyten puncten bat haben wollen und
worauf das zu Regensburg gemachte Conclusum Jich jteuret. Aber weilen
unbefant, was heutigs tags die Juden, die in der Welt zeritreut \ind,
für eine Regul haben, um das plenilunium paschale zu determinieren, jo
it zu vermuthen, dab, da Sie eben feine große Mathematicos under ihnen
haben, die Ihnen die wahre Zeit diejes Bollmonds durch Astronomilche
Rechnung an die Hand geben fünten, Sie jid vielleicht auch an den Cy-
clum Epactarum halten, als an eine Sach, die ohne große Nechnung aud)
-
172 Fr. Burckhardt.
dur gemeine Leuth fan verrichtet werden. Wann nu:: diejes aljo wäre, jo
würden die Juden auch ihr Pascha anf den 9. Aprilis und consequenter
mit den Ehrilten Evang. Seiths halten, welches jchnuritrads zuwider
dem eriten puncten der Intention des Nicaenischen Concilij, an welchem
puncten dod denen Patribus diejes Concilij weit mehr gelegen war, als
an dem anderen puncten wegen dem unverjöhnlichen Hab der alten Cbriften
wider die Juden, der jo groß war, dab die Orientalijhe oder Asiatijche
Cbrilten, welche das Djterfeit auf einen tag mit den Juden hielten und
deswegen quarta decimani gebeiben, von den anderen verfezeret und als
Schismatici von ihrer Kirchen ausgelbloken wurden.
In Jolhem Fall dann werden die Römijch-Catholilchen, die das
Diterfejt begehen, AP 1724 den 16. April zwar wider den 3wenten, die
Evang. aber wider den eriten und wichtigeren puncten fehlen. Es wäre
aljo meinem Bedunden nach beier gewejen, (:wan man jich je von der
Oregoriani\hen Diterbeitimmung bat distinguieren wollen:) es hätten
die HH. Bevollmächtigten auf dem Reichstag zu Negensburg jich weder an
die Statuten des Concylij Nicaenij nod) an die Cyclos Gregorianos ge-
bunden, jondern vielmehr ohne auf den Vollmond adtung zu
geben, einen gewißen Sonntag bey anfang des Yrühlings, als
zum Exempel den Eriten Sonntag nad) dem aequinoctio verno
oder nad) dem 21 Martij beitimmet, um binfübro alle Jahr auf
lelbigen Sonntag das Heil. Diterfejt zu halten, Mit dieler leichten
manier, WodUurd) der gemeine Mann aud ohne Calender in jedem Jahre
wüjlen würde, warn Djteren wäre, Eönnte allen künftigen disputen und
\hwürigfeiten vorgeben werden, welche doch meijtens nur aus überflüßigen
Subtiliteten entipringen, von denen mit recht fan gejagt werden: quod
sint difficiles nugae.
Durd dergleichen Subtiliteten in allzu genauwer Observanz der
Canonum des Concilij Nicaeni fônte gejchehen, daß an underjchiolichen
Orten der Ehriltenheit, in welden man jih nad dem NRegenjburgiichen
Concluso tidten wolte, an einigen annod Samitag, an anderen aber
albereit Sonntag wäre in dem Augenblifb, da der wahre Astronomie
Diter Vollmond eintrifft. Die eriteren mühten derowegen nad) inhalt diejes
Conclusi auf denjelbigen Sonntag, die anderen aber mühten kraft eben
diejes Conclusi erit acht tag hernad) die Diteren celebrieren, welches eine
wunderlihe Verwirrung causieren würde. Daß aber jolbes in der that
gelcheben fan, werden die Senigen, die es erleben, dejjen ein Exempel
haben, in dem Jahr 1778, in weldem uns und übrigen Städten, die under
unjerem Meridiano ligen, das aequinoctium vernum jeyn wird nad meiner
Calculat? (:dod salvo Errore calculi:) den 20. Marty glei) nah) Mittags
um 49 Minuten Landubr*), und den darauf folgenden 11. Aprilis, weldes
ein Samitag jeyn wird, Abends um 9 Uhren 56 Minuten Landubr er-
gibt jic) das wahre plenilunium paschale, um welde Zeit aber in anderen
Länderen der Cbriltenbeit, welhe um ein nahmhaftes mehr gegen Orient
*) Landuhr bedeutet wahre Ortszeit; die Uhren der Stadt gingen damals
der Ortszeit um eine volle Stunde voraus. AR:
Die Stellung des Osterfestes im christlichen Kalender. 7
ligen, alsdann die Mitternacht jchon vorbey und jie derobalben albereit
Sonntag zehlen, alldieweil es uns nod Samstag ilt, wie es dann denen
befant, welche die Principia Astronomiae und Geographiae nur ein wenig
verjtehen. Es wird zum Exempel (damit id ein ort nemme, weldes nod)
in Europa ilt) in des mächtigen Czaren Residenz-Statt Moscau zu der-
jelbigen Zeit des DiterBollmonds allbereit jeyn verflojjen 7 Minuten nad)
Mitternacht, aljo dak den Einwohneren der Statt Moscau der Sonntag
hier eine 1/2 Vierteljtund zuvor jhon angefangen. Sd jebe, dann es
wollen die Moscauviter ji) aud conformieren nad) dem Snnbalt des
Conclusi Ratisbonensis, jo müßten Sie dannad die Diteren 8 Tag jpäter
halten als wir, es jeye dann, dak man aller Orthen nicht nad) jedes Orths
eygenem, jondern nad) einem allgemeinen Meridiano in Rechnung der
Tagen, Stunden und Minuten ji) richten müßte, zu weldem End das
Corpus Evangelicum zu Regenjburg den Meridianum Uranoburgicum in
Borichlag bringet, under welden ehemals der berühmte Dänilche Astro-
nomus Tycho Brahe jeine Observationes gemadt. Aber zu wiben ift,
dab fein Meridianus vor dem anderen einiges Vorreht haben fan, jo in
der Natur gegründet wäre und derowegen nicht zu hoffen, daß alle Na-
tionen, die id der accuraten ajtronomijchen Rechnung nad) der Instruc-
tion des Evangelijhen Corporis bedienen wolten, id werden laïjen vor-
\hreiben einen anderen als ihren Meridianum in Benamjung der Tag und
Stunden zu gebrauchen. Ich fan einmahl nicht glauben, dab der Czaar
over jein Patriarch werde zugeben, daß der Senige Tag, jo bey Ihnen
jeith einer Ya vierteljtund don angefangen ein Sonntag zu jeun, dannod)
jolle Samstag heißen, welches eine lächerliche metamorphosis wäre und
nicht ungleich derjenigen, da vor Zeiten ein gewiljer Babjt, wie man jagt,
einen Freytag (aus anlai einer damabls unter dem Bold entitandenen
allgemeinen Freud) durd jeine Autoritet in einen Donnerstag verwandlet
haben jolle, damit dem Volt erlaubt wäre Fleifch zu ejjen und fic frôlid
zu machen.
Zu diejem allem fommt, dab, jo man einen gewißen Meridianum
vorjchreiben wil, wornad) alle, die jezund das Regenjburgiiche Conclusum
annehmen, jich richten jollen, jo wird in denen von diejem Meridiano weit
entfehrnten Orten die Diteren in vorbemelten Fahren nicht nad) dem stricten
tenor der Statuten des Nicaenijhen Concilij fönnen gehalten werden, welche
statuta Do in dem Concluso zum Yundament angezogen jind. Yolgt
hieraus, daß man durd eine allzugenauwe praecision in eine Contra-
diction verfallet, indem es jich begeben fann, daß die principia und die
darauf gebaute nunmehro zu NRegenjburg vorgeichribene praxis mit ein-
ander nicht bejtehen werden.
Dieje und andere der gleichen Inconvenienzen zeigen genugiam, da
es bejjer wäre, wann man auf obengewiejene leichte manier die Haltung
des Diterfejts auf den erjten oder einen anderen beliebigen Sonntag nad)
dem 21. Martij angejezet und nad) diejem alle davon abhangende beweg-
liche Feittage reguliert hätte mit bindan Sezung jowobl der Canonum
Coneilij Nicaeni und deren deswegen zu machenden Astronomilchen Aus-
Rechnung des Ojter Boll Monds als aud) des Gregorianilhen Cycli Epac-
174 Fr. Burckhardt.
tarum. Denn da uns Ehrilten das Mosailde Gejet der Ceremonien nicht
mehr bindet, jo werden uns bejagte Canones und andere Menjchen
Sazungen viel weniger binden. Der Seel. Apojtel Paulus jagt: Einer
halt einen Tag für den anderen, der ander aber hält alle tag
glei, Ein jegliher jey in Seiner Meynung gewis. Welcher
auf die Tage hält, der thuts dem Herrn, und welder nichts
darauf halt, der thuts aud dem Herrn. Röm. XIV. 5. 6.
Item jagte er zu den Galateren: Nun ihr aber Gott erfant
habt, ja vielmehr von Gott erfant jeyt, wie wendet ihr Eud
dann um wider zu Jhwachen und Dürftigen Sazungen, welden
ihr von neuwem an dienen wolt? Ihr habt Tage und Monden
und Yeite und Fahrzeit. Gal. IV. 9. 10.
Es wäre zu wünjchen, daß die Ehrijten nicht jo fait Jic) befümmerten,
welhen Tag man zu Haltung des Diterfeits erwehlen, als wie man
den einmahl darzu gewidmeten Tag riltlid heyligen und celebrieren jolle
zu Gottes Ehr und zu Lobpreilung der Siegreihen Auferjtändnus un-
jeres Heylands Seju Chriti.
Demnad dann die Beltimmung des Tags zu Haltung des Diter-
feits eine bey uns Cbriften ganz indifferente und willführliche jad it,
daneben nicht zu hoffen jtehet, daß das, was droben von dem eriten
Sonntag nad) dem 21. Martij ijt angerathen, von den Evangel. Reichs-
jtänden wird agreiert und angenommen werden, jo wird es meiltens auf
politiiche Rationes anfommen, ob man ji) an Ddieje oder jene methode
den Ditertag anzujezen halten folle. Wann mir allo aud) hierinn erlaubt
ijt meine unvorgreiflihde Gedandhen an Tag zu legen, jo dundet mid)
nicht übel gethan zu jeyn, wann man ji) nun wieder nad) dem letjt auf-
gerichteten NRegensburgiihen Concluso conformieret, zwar nicht wegen
den darin angeführten urjachen, jondern vielmehr, weilen die ratio status
zu erforderen fcheinet, daß man von den übrigen Evangelicis in ledigen
Yormaliteten Jid nicht trenne, zu mahlen jchon zu End des vorigen Sae-
culi der größte Theil der Reformierten Eydtgnoßichaft ji zu dem da-
mabligen Evang. Reihsihluß in Annemmung des dardurd) eingeführten
Neuwen und verbeberten Calenders bequemet und verjitanden hat und
jhon damals auf dem Reichstag zugleich bejchlojjen die Berechnung des
Diterfeits weder nah) dem im Juliantihen Calender angenommenen
Dionysianilhen noch Gregorianijhen Cyclo, jondern nad) dem Calculo
Astronomico zu maden, um dadurd) ipso facto anzudeuten, Dah man
mit den Römijdy-Catolifchen nicht einerley Calender haben wolle, aljo daß
das jezige Regenjburgilhe Conclusum nidts anders ijt, als eine effec-
tuierung des vorigen, welches in der 2. Reformierten Eydgnogjchaft ijt
beliebet und angenommen worden. Daneben jeind aud die heutigen con-
junctures anzujehen, da man trachtet eine Union zu jtiften zwijchen den
Reformierten und den Augjburgijhen Confessions-Berwandten, welches
Rob. Perth durch eine unnöthige separation des Calenders wegen leichtlic)
fönnte gehemmet werden.
Dis ijt, Gnädige Herren, was id über ob\dwebende Materi auf dero
Hohen Befehl zu berrichten hab. Will dajjelbe Ew. En. Sobweiben und
Die Stellung des Osterfestes im christlichen Kalender. 175
Hoherleuchteten Judicio in Unterthänigteit anbeimb jtellen. Sollte aber
diejer mein Bericht jamt meinen einfältigen Reflexionen nicht zulänglid)
erachtet werden, So fünte, wie id obnmabgeblid vermeine, dis Gejchäft
als eine Sad), die aud) in die phyfiihe Wüjjenjchaften hinein lauft, unierem
Herrn Professori Phisices*) zur ferneren unterjuchung übergeben werden,
nad dem Exempel € Wohlweyjen Magistrats zu Züri, der in eben
diefer Sad) dem Professori Mathesos aud) den Prefessorem Physices jamt
einem Ingenieur zugefüegt. Son weldyen dreyen Männern gejamter Hand
dasjenige Bedenken ijt abgefabet, deljen eine Abjchrift Ew. On. ijt über-
jandt worden.
Indejien nebit Anwünjchung einer fort und fort während Glüd-
lien Regierung jamt aller prosperitet Berharre mit tiefelter Veneration
Ew. End
2€ 2C 2C Unterthänig Gehorjamiter Burger
den 26. Februar 1723. Joh. Bernoully D. et P.
Am 27. Februar 1723 beschliesst der Rath:
Solle diejer Beriht Lob. Stand Zürich communiciert und deme über-
lajien werden jolhen aud naher Regenjpurg zu überjenden.
Ob Letzteres geschehen, weiss ich nicht.
Katholiken und Protestanten feierten Ostern 1724 an aufein-
anderfolgenden Sonntagen und die Kalender für die Angehörigen
beider Konfessionen wurden, so weit das Osterfest und die damit zu-
sammenhangenden andern kirchlichen Feste in Betracht kamen, nach
wie vor in verschiedener Weise berechnet, so dass Ostern wiederum
für Katholiken und Protestanten 1744 auf verschiedene Sonntage
fallen konnte. Als nun wiederum cin Jahr von solcher Zweispurigkeit
nahte 1778, ordnete Friedrich der Grosse an, dass in Preussen von
1776 an der Kalender neuen Styles nach dem gregorianischen
Epaktencyelus sollte berechnet und also mit dem Gregorianischen
in der Festrechnung übereinstimmend werden. Auch der Reichstag
fügte sich dieser weisen Anordnung und von diesem Termin an kam
der sogenannte Reichskalender in allgemeinen Gebrauch mit Aus-
nahme der griechisch orthodoxen Kirche, die beim julianischen
Kalender verblieb.
Aus dem Gutachten von Joh. Bernoulli ersehen wir, dass er in
erster Linie gewünscht hätte, der Reichstag hätte sich von der Mond-
rechnung emanzipiert und auch die astronomische Bestimmung nach
dem Uranienburger Meridian aufgegeben, die seit 1700 im ver-
besserten Kalender zur Verwendung kam; seine Meinung war, es
4) Professor der Physik war von 1711—1726 Joh. Rudolf Beck Med. Dr.
und früher Professor der Logik; er würde das Urteil Joh. Bernoulli's kaum
beeinflusst haben.
176 Fr. Burekhardt.
wäre am erwünschtesten gewesen, wenn man dem Ostertage eine
festere Stellung im Kalender gegeben hätte, als er sie nach bisheriger
Rechnung erhielt, nach der er vom 22. März—25. April eintreffen
kann. Ein bestimmter Sonntag nach dem 21. März solle Ostertag
sein. Er geht also nicht so weit als Luther, der nicht einmal einen
Sonntag, sondern ein bestimmtes Datum dafür verlangt.
Wenn Bernoulli seine Ansicht nicht zu einem bestimmten An-
trage formulierte, so geschah dies einesteils aus dem Grunde, weil er
voraussah, dass die gewiss vernünftige Massregel keine Aussicht auf
Annahme hatte; dann auch um jeden Zwist unter den verschiedenen
Richtungen der evangelischen Kirche zu vermeiden.
Die heute übliche Berechnung des Kalenders garantiert für eine
weite Zukunft die ausreichende Uebereinstimmung mit den in Be-
tracht kommenden Himmelserscheinungen ; hingegen wird der Uebel-
stand der zu grossen Beweglichkeit des Ostertermins den Gedanken
nicht zur Ruhe kommen lassen, dem Ostertage eine festere Stellung
zu geben, als es im gregorianischen Kalender geschieht, was schon
zur Zeit der Kalenderreform von Manchen gewünscht wurde nach
der Versicherung des besten Zeugen, nämlich Clavius, 5) des Er-
klärers der Gregorianischen Reform. Wir freuen uns, dass dieser
Gedanke nicht schlummert, indem namentlich die Jahrhundertwende
Anlass gegeben hat, ihn wieder in den Vordergrund zu rücken. Und
wiederum geht die Anregung von Berlin aus.
Prof. W.Foerster, Direktor der Sternwarte in Berlin, hat in
einem Artikel der Berliner Nationalzeitung 1896, Morgenblatt vom
14. August, mitgeteilt, dass der P. Denza, der damalige Leiter der
Sternwarte des Pabstes, in Verbindung mit Cesare Tondint, von der
Akademie zu Bologna, das volle Verständnis dafür zu wecken ver-
mocht habe, dass der Anschluss an die Mondphasen, welche die über-
mässige Beweglichkeit des Osterfestes bedingt, unbedenklich aufzu-
5) Clavii Opera math. V. Cap. I. 3. Quare non audiendi sunt, qui exis-
timant (et sane non defuerunt hoc tempore, qui ita sentirent) Ecclesiam
debere solemnitatem Paschae peragere stato semper die instar aliarum cele-
britatum, quae fixae nuncupantur atque immobiles, nulla habita ratione Lunae
primi mensis, hoc potissimum adducti argumento, ut Ecclesia se a difficulta-
tibus et controversiis, quae in Noviluniis Paschalibus oriri solent inter scrip-
tores, liberet omnino atque expediat. Non sunt, inguam, audiendi qui ita
censent, (quamvis Beclesia id suo jure utens libere facere posset, et nemo eam
ob id posset reprehendere, cum illud Paschae praeceptum sit ceremoniale,
quod jam cessavit, ut dictum est) quia nunquam eo ritu celebrandi Pascha
Ecclesia Catholica usa est, sed semper in eo celebrando motum Lunae ac
Solis observavit, sancitumque ita fuit ab antiquissimis sanctissimisque Ponti-
ficibus Romanis, necnon a Concilio primo Nicaeno confirmatum, et aliis
quamplurimis, ut mox dicemus. Quam ob rem consuetudo haec tam vetusta
nullo modo sine gravi aliqua causa infringenda videtur.
Die Stellung des Osterfestes im christlichen Kalender. 177
geben sei, dass dieser Gedanke schon zur Zeit der Kalenderreform
bestanden habe, aber nicht weiter verfolgt worden sei. Schon damals
sei anerkannt worden, dass keine Gewissensbedenken und keine for-
malen Schwierigkeiten fundamentaler Art einer zweckmässig er-
scheinenden Abänderung der Oster-Regel durch den Pabst entgegen-
ständen. Auch hielt er es für möglich, das neue Jahrhundert mit dem
grossen Fortschritt der chronologischen Einrichtungen und mit der
allgemeinen Annahme des abgeänderten gregorianischen Kalenders
zu eröffnen und einzuweihen.
Später (Berl. Nationalz. 1897, 31. März) formuliert er den Vor-
schlag, den er gemeinsam mit Tondini und unter lebhafter Teilnahme
der Astronomen der päbstlichen Sternwarte aufgestellt hat. Dieser
Vorschlag ging dahin, unter gänzlicher Aufgebung der Beziehungen
des Osterfestes zum Monde, das Fest von 1900 ab auf den dritten
Sonntag nach dem Frühlingsaequinox anzusetzen; das Datum des
Osterfestes würde alsdann nur zwischen dem 4. und 11. April
schwanken.
Zudem veröffentlicht Foerster einen längern Brief des Cesare
Tondini, durch den dieser die kirchlichen Bedenken gegen die Ver-
änderung der Osterregel zerstreut. Dabei erfahren wir wörtlich
folgendes:
„Uebrigens hat Pabst Leo XIII. in seinem hohen Geiste schon
vor zwei Jahren die damals von Ihnen angeregte Frage im Prinzip
entschieden und zwar dergestalt, dass alle Bedenken sich beruhigen
können. Gegen Ende des Jahres 1894 verschaffte mir einer der er-
lauchtesten französischen Prälaten, Seine Eminenz der Kardinal
Langenieux, Erzbischof von Rheims, die hohe Ehre, mit ihm zu-
sammen zu einer Audienz beim heiligen Vater zugelassen zu werden.
Die Rede kam auf das Dekret des Konzils von Nicaea, mit Hilfe
einer Verständigung zwischen den verschiedenen christlichen Kirchen,
einem selbst bei den Regierungen ziemlich allgemeinen Wunsche Er-
füllung zu schaffen, indem man die übermässige Beweglichkeit des
Osterfestes einschränke durch eine Regel, welche dieses Fest fortan
an einen bestimmten Sonntag im Sonnenjahre binde. Wenige Tage
nachher entbot seine Heiligkeit meinen inzwischen verstorbenen, viel
betrauerten Kollegen, Padre Denza, den damaligen Direktor der Vati-
kanischen Sternwarte zu einer Privataudienz und sagte ihm: „Non
solo desidero che Ella si occupi di una tale questione ma Glielo
comando.“ Kein Befehl konnte meinem Freunde willkommener sein.
Der Befehl des Pabstes wurde sofort ins Werk gesetzt, und die letzte
Tat des wissenschaftlichen Lebens von Padre Denza war die Fertig-
stellung eines mit seiner ganzen Autorität unterstützten, für den
Pabst bestimmten Memoires über den Gegenstand. Es war dies ge-
12
178 Fr. Burckhardt.
wissermassen sein Testament und eine pflichtmässige Aufgabe, die
er denjenigen vermachte, die sein Andenken am höchsten ehren wür-
den. Zwei Tage nachher, am 14. Dezember, hatte ich den Schmerz,
an seinem Sterbebette zu stehen.“
Hiernach scheint auch bei höchster kirchlicher Stelle der Ge-
danke Fuss gefasst zu haben.
Die Hoffnung, die Jahrhundertwende werde den Czar veran-
lassen, den julianischen Kalender mit dem gregorianischen zu ver-
tauschen, hat sich nicht erfüllt; die Erfüllung des Wunsches, den
Termin des Osterfestes von seiner grossen Schwankung zu befreien,
ist wieder in die Ferne gerückt. Wird man noch einmal die Jahr-
hundertwende abwarten wollen, bis die zweckmässige Massregel zur
Durchführung gelangt? Könnten und sollten sich nicht zu gemein-
samen Handeln verstehen können Kaiser und Pabst? Die meisten
Culturvölker, vielleicht alle, wären hiefür dankbar.
Manuskript eingegangen 2. Juni 1913.
Der osmotische Druck einiger Epiphyten und Parasiten,
Dass sich die höheren Pflanzen durch ihre anatomische Struk-
tur gegen allzu starke Wasserverdunstung zu schützen vermögen, ist
eine ae bekannte Tatsache.
Wie sollen aber Luftalgen, die nur aus einer einzigen Reihe von
Zellen bestehen, der Ans kune Widerstand leisten ?
Diese Frage drängte sich mir auf, als ich mich in Java mit den
auf Steinen und Sarnen häufigen, meist rotgelb gefärbten Algen
aus der Familie der Chroolepideen beschäftigte (vgl. Senn 1911
S. 282). Mit Hilfe der Plasmolyse stellte ich est, dass diese Orga-
nismen einen so konzentrierten Zellsaft besitzen, dass eine gesättigte
Lösung von Kalisalpeter die alten, an trockener Luft gewachsenen
Zellen nicht immer zu plasmolysieren vermag. Der Druck, den der
plasmatische Wandbeleg unter diesen Umständen — genügende Was-
serzufuhr vorausgesetzt — auf seine Zellmembran ausübt, übersteigt
somit 100 Atmosphären.
Bei Kultur in Wasser geht der Turgor auf 0,5 Mol. KNO,, also
ca. 15 Atmosphären, herunter; die Alge passt somit ihren Druck den
äusseren Verhältnissen an.
Solehe ungeheure Druckwerte, die nur im Hinblick auf die ge-
ringen Dimensionen der Zellen verständlich sind, hat auch Fitting
(1911 S.255) bei den Wüstenpflanzen in der Umgebung der Oase
Biskra festgestellt. Er zog daraus den wichtigen Schluss, dass diese
Gewächse das einmal aufgenommene Wasser nicht nur lange fest-
halten (infolge der Herabsetzung des Dampfdruckes), sondern auch
vermöge der Saugwirkung des konzentrierten Zellsaftes ihrer Wur-
zeln dem Boden fast die letzten Spuren von Wasser entreissen können.
Meine Beobachtungen an der meist epiphytischen Trentepohlia
(bisporangiata Karsten ?) legten die Frage nahe, ob nicht nur diese
nackten fädigen, sondern auch die mit einer schützenden Epidermis
versehenen Epiphyten — Farne und Blütenpflanzen — ebenfalls
einen höheren Turgordruck entwickeln als die am gleichen Orte wach-
senden Bodenpflanzen. Die Resultate Fittings liessen eine solche
Untersuchung aussichtsreich erscheinen.
180 G. Senn.
Ich prüfte deshalb einige aus Java mitgebrachte Epiphyten und
Bodenpflanzen, die alle stets unter den gleichen Bedingungen kulti-
viert worden waren, auf die Turgorgrösse ihrer Epidermiszellen. Die
Resultate sind in Tabelle 1 a
Tab. 1. Osmotischer Druck tropischer Bodenpflanzen und Epiphyten.
I. Bodenpflanzen. Mol. KNO; Bemerkungen
1. Von schattigen Standorten.
Begoma spec. . . . 0,1125 dickblättrig
Costus Ver he one 11 0125 Ke
RCI RGO 32 0,178 Y
Urticacee (krautig) . . . 0,200 ziemlich dünnblättrig
2. Von sonnigen Standorten.
Paspalum dilatatum . . 0,275 Wiesengras
Carludovica pumila . . 0,275 gebüschbildend
Anona glabra ON 0 D'OR Er
se Cherimoba . . 0,379 >=
Phyllanthus (urinaria?) . 0,375 Strauch
Angiopteris eveta . . . 0,400 hoher Farn
Anona muricata . . . 0,600 Baum
II. Epiphyten.
Aeschynanthus spec. . . 0,125
mit fleischigen
Blättern, Dendrob.
mit Stengelknollen
Inhalaenonsos oe
Omclophonuss 207720200
Dendrobium crumenatum 0,275
Lycopodium Phlegmaria . 0,350
Polypodium rigidulum . 0,375 Blätter dünn
Hymenolepis spicata . . 0,400 Blätter lederig
Polypodium Heracleum . 0,5125) n1: É
BE Blätter d
Drynaria quercifoha . . 0,550 | Fes
Die Tabelle zeigt, dass die dickblättrigen oder Stengelknollen
besitzenden Epiphyten, welche in ihrem Innern viel Wasser speichern
können, keinen höhern Turgor zeigen, als die an gleichem Orte wach-
senden Bodenpflanzen (vgl. Fitting 1911 S.268). Dagegen er-
reicht der Turgor der dünnblättrigen Epiphyten sogar im feuchten
Urwald fast dieselbe Höhe, wie derjenige exponiert stehender Bäume,
z. B. Anona muricata. Die Druckdifferenzen zwischen Epiphyten
und Bodenpflanzen betragen dabei bis 0,35 Mol. KNO, = ca. 12
Atmosphären.
Dass die sukkulenten Pflanzen gewöhnlich niedrige Turgorwerte
aufweisen, hat auch Fitting (1911 S. 220 u. 247) festgestellt.
Der osmotische Druck einiger Epiphyten und Parasiten. 181
Da nun die erwähnten Luftalgen aus der Familie der Chroolepi-
deen nicht nur als harmlose Epiphyten auf der Oberfläche toter oder
lebender Pflanzenteile (Phycopeltis) gedeihen, sondern wie z. B. Ce-
phaleuros, als Parasiten in das Blattgewebe eindringen, müssen sie
mit ihrem grossen Turgordruck auf ihre Wirtspflanzen eine sehr be-
trächtliche Saugwirkung ausüben, die 1 Mol. KNO, = 37 Atmo-
sphären oder noch mehr betragen kann.
Da sich die Epiphyten unter den höheren Pflanzen ähnlich ver-
halten wie die epiphytischen Luftalgen, musste die Frage untersucht
werden, ob auch die phanerogamen Parasiten einen höheren os-
motischen Druck entwickeln als ihre Wirtspflanzen, wie das bei Ce-
phaleuros der Fall ist.
Einige orientierende Bestimmungen an Viscum und Thesium er-
wiesen meine Vermutung als richtig. Ich liess daher diese Frage
durch meinen Schüler, Herrn C. Hägler, in Angriff nehmen. Seine
Resultate bestätigten die meinigen völlig. Meine und ein Teil der
Hägler’schen Messungen sind in Tabelle 2 zusammengestellt.
Tab. 2. Osmotischer Druck einiger einheimischer Parasiten
und deren Wirtspflanzen.
en Standort Mol. KNO; | Differenz Beobachter |
Sorte pee. | Kalktelsen | 0376 | 9625 | Senn
2 DO Ne EE CAM
Valeriana fines | Wogrand | 0.025 | 015 | Hägle
Tun pin | wer | 058 | 25 ice
Lotus cormindatus. | Alluvialboden | 0326 | 9225. | Hgler
a | man a [vos] 010% Male
ee |" regrend | 020 | 005 | Hisier
a on 0,025 | Hägler
|
182 G. Senn.
Trotz ihrem geringen Umfange zeigt die Tabelle 2 deutlich,
dass der Parasit durchwegs einen höhern Turgor entwickelt als der
Wirt. Der Parasit vermag somit auf den Wirt eine Saugwirkung
auszuüben, welche bei Vescum, das in seiner Wasser- und Salzzufuhr
ganz auf die Wirtspflanze angewiesen ist, die beträchtliche Höhe von
0,625 Mol. KNO,, also mehr als 21 Atmosphären erreicht.
Aus den 4 an Thesium gewonnenen Zahlen geht hervor, dass der
Parasit gerade wie der Wirt je nach der Beschaffenheit, des Stand-
orts den Turgor zu regulieren vermag, so dass die Turgordifferenz
nicht unter ein Minimum von 0,15 Mol. KNO, — ca. 5 Atmosphären
heruntergeht.
Auffallend ist die Tatsache, dass die Turgordifferenz zwischen
Parasit und Wirtspflanze bei Pedicularis und Orobanche unter 0,1
Mol. = 3,5 Atm. sinkt. Während man im Hinblick auf Pedicularis
annehmen könnte, dass ihre geringe Saugkraft mit der schwachen
Ausbildung des Parasitismus dieses Halbschmarotzers in Verbindung
stehe, lässt Orobanche eine solche Deutung nicht zu. Viel eher schei-
nen sich diese beiden relativ dickstengeligen Pflanzen in ihrer Wasser-
aufnahme dem schon erwähnten Verhalten der Sukkulenten zu nähern.
Obwohl erst eine kleine Zahl von Parasiten und Wirtspflanzen
auf ihre Turgorgrösse untersucht ist, scheint-der Schluss schon jetzt
berechtigt, dass nur diejenigen Pflanzen imstande sind, auf andern
Gewächsen als Epiphyten oder Parasiten zu gedeihen, welche hohe
Zellsaftkonzentrationen resp. hohe osmotische Drucke zu entwickeln
vermögen, die ihnen erlauben, ihrem toten oder lebenden Substrat
möglichst viel Wasser und wohl auch gelöste Substanzen zu entreissen
und das einmal Aufgenommene lange festzuhalten. Wie bei den Bo-
denpflanzen, so scheinen auch unter den Epiphyten und Parasiten die
Sukkulenten hievon eine Ausnahme zu machen.
Mit den hohen Turgorwerten der Epiphyten lässt sich die von
Ernst (1909, Text zu Taf. 9 u. 10 S.3) hervorgehobene Tatsache
erklären, dass unter den ersten Ansiedlern auf frischem Lavaboden
der Tropen sich zahlreiche Epiphyten z. B. die in Tab. 1 genann-
ten Polypodium Heracleum und rigidulum befinden und dass solche
auch auf dem physiologisch trockenen Meeresstrande und Solfataren-
Boden zu gedeihen vermögen, z. B. Ficus diversifolia (Schimper
1898 S. 414).
Andere sich hier anschliessende Fragen, z. B. ob alle pflanzlichen
Parasiten mit Einschluss der Pilze und alle Halbparasiten inklusive
Moossporophyten ihre Fähigkeit, auf andern Organismen zu leben,
Der osmotische Druck einiger Epiphyten und Parasiten. 183
der Entwicklung höherer Turgorwerte verdanken, werden von Herrn
C. Hägler gegenwärtig bearbeitet.
1909.
1911.
Literatur-Verzeichnis.
Ernst, A. Die Besiedelung vulkanischen Bodens auf Java und Sumatra.
Vegetationsbilder von G. Karsten und H. Schenck. 7. Reihe, Heft 1
und 2, G. Fischer, Jena.
Fitting, H. Die Wasserversorgung und die osmotischen Druckverhältnisse
der Wüstenpflanzen. Zeitschrift f. Botanik, 3. Jahrgang. G. Fischer.
Jena.
Schimper, A. F. W. Pflanzengeographie auf physiologischer Grundlage.
G. Fischer, Jena.
Senn, G. Physiologische Untersuchungen an Trentepohlia. Verhandlungen
der Schweiz. Naturf, Gesellschaft, 94. Jahresversammlung, Solothurn,
Band 1.
Manuskript eingegangen 22. Juli 1913.
Katalog der Osteologischen Sammlung (rezente Abteilung)
des Naturhistorischen Museums in Basel.
Von
Pierre Revilliod.
(Mit Einleitung von H. G. Stehlin.)
Die ,,osteologische Abteilung“ des Basler Naturhistorischen
Museums besteht erst seit der Neuordnung der Museumsverhältnisse
nach Umzug der Universitätsbibliothek in den Jahren 1897—1898.
Sie gliedert sich in zwei Unterabteilungen, von welchen die eine
die fossilen, die andere die rezenten Skelettmaterialien umfasst.
Der vorliegende Katalog gibt in gedrängtester Form eine Uebersicht
über den gegenwärtigen Inhalt der letzteren.
Den Grundstock dieser Unterabteilung der rezenten Osteologica
bildet die Sammlung von Skeletten und Schädeln, welche in den zwan-
ziger Jahren des abgelaufenen Jahrhunderts von Prof. Carl Gustav
Jung zu Zwecken des akademischen Unterrichts in vergleichender
Anatomie begründet worden und bis 1898 im Universitätsgebäude unter-
gebracht gewesen ist. Dieselbe war zunächst eine Dependenz der
anatomischen Sammlung und wuchs unter der Fürsorge von Jung
und seinen Nachfolgern in der anatomischen Professur, Fr. Miescher-
His 1840 — 1844, Alexander Ecker 1845—1849, Carl Bruch 1850 —
1855, sehr allmählich auf zirka 550 Nummern an. Eine Wendung
zu energischerem Aufschwung trat im Jahre 1855 mit der Begrün-
dung einer besonderen Professur für vergleichende Anatomie ein.
An die neue Stelle wurde Professor Ludwig Rütimeyer berufen,
und von da an hat die Leitung der Sammlung in seinen Händen
gelegen, obgleich dieselbe zunächst noch während zehn Jahren auf
den Kredit der anatomischen Anstalt angewiesen blieb.
Was die Sammlung heute ist, hat Rütimeyer aus ihr gemacht.
Gleich von seinem Amtsantritt an begann er dieselbe systematisch
und nach wohl überlegtem Plane auszubauen. Fast Jahr für Jahr
wurde nun der Zuwachs quantitativ und qualitativ bedeutender.
Katalog der Osteologischen Sammlung. 185
Gönner wurden für die Sache gewonnen; die Behörden wurden nach
und nach zur Spendung etwas breiterer Mittel veranlasst; hauptsäch-
lich aber sorgte der Vorsteher selbst, durch den überaus umsichtigen
Gebrauch, den er von diesen Mitteln machte, dafür, dass sie einen
möglichst grossen Nutzen trugen. Wie sehr sich Rütimeyer mit
seiner Schöpfung verwachsen fühlte, bezeugt der Umstand, dass er,
bei Niederlegung seiner Professur im Jahre 1894, die Behörden er-
suchte, ihn auch fernerhin mit der Verwaltung der Sammlung zu
betrauen. Er betrachtete dieselbe als einen wesentlichen Teil seines
wissenschaftlichen Lebenswerkes.
Ueber die Prinzipien, die ihn beim Ausbau der Sammlung ge-
leitet haben, hat sich Rütimeyer selbst einlässlich ausgesprochen in
einem Rückblick auf die fünfundzwanzig ersten Jahre seiner Tätig-
keit, auf den ich hiemit verweise.!) Bei diesem Anlass hat er sich
auch dahin ausgesprochen, die Sammlung sollte später, so bald die
Raumverhältnisse es gestatten, dem naturhistorischen Museum ein-
verleibt werden; er habe diesen künftigen Anschluss an die übrigen
naturhistorischen Sammlungen von vornherein vorgesehen. In der
Tat waren die Bestände schon längst weit über die unmittelbaren
Bedürfnisse des akademischen Unterrichts hinausgewachsen; die Zahl
der Katalognummern betrug damals über 2000 und stieg bis zu
Rütimeyers Tode noch auf 2850.
Als Mitte der neunziger Jahre, mit Errichtung des neuen
Bibliotheksgebäudes, die Möglichkeit einer breitern Entfaltung der
naturhistorischen Museumssammlungen in greifbare Nähe rückte,
wurde es daher als ein Hauptprogrammpunkt bei der Neuordnung
der Dinge ins Auge gefasst, dass die Skelettsammlung — nach Aus-
scheidung des für Unterrichtszwecke Unentbehrlichen — nach dem
Museum übergeführt werden sollte. Rütimeyer hat den Umzug
nicht mehr erlebt; derselbe konnte erst anderthalb Jahre nach seinem
Tode erfolgen. —
In der neuen Aera hat die Sammlung zunächst dadurch eine
bedeutende Erweiterung erfahren, dass ihr die schon vorher im Mu-
seum befindlichen Osteologica einverleibt wurden: einige wertvolle
Skelette, deren Anschaffung die vergleichend-anatomische Anstalt
seinerzeit aus finanziellen Gründen dem Museum hatte überlassen
müssen; zahlreiche Schädel aus Bälgen der zoologischen Sammlung
und anderes mehr. Im weitern Ausbau durch Neuerwerbungen ist
ein langsameres Tempo eingetreten, da die Mittel der osteologischen
Abteilung — wiederum gemäss einem von Rütimeyer längst gehegten
Plane — von Anfang an vorwiegend zur Mehrung der säugetier-
1) Bericht über die vergleichend-anatomische Sammlung im Jahre 1880. —
Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel, Bd. VII, S. 234.
186 Pierre Revilliod.
paläontologischen Dokumente verwendet wurden. Der Zuwachs der
letzten fünfzehn Jahre rührt daher vorwiegend von Geschenken her
und mag im grossen und ganzen einen etwas zufälligeren Charakter
tragen als derjenige der vorangegangenen Epoche. Gleichwohl ist
er sehr wertvoll. Wir verdanken ıhn hauptsächlich den Herrn Drs.
Paul und Fritz Sarasın (Gelebes), A. von Mechel und Kummer
(Sumatra), Forsyth Major (Madagaskar), Dr. A. Buxtorf und Dr.
@. Niethammer (Borneo), Dr. J. J. David und Major Federspiel
(Kongostaat), Dr. À. Biedermann-Imhoof (Centralasien), Dr. ©. Ter-
netz, Dr. R. Martin, Dr. A. Masarey (Südamerika), Hanns Vischer
(Westafrika), Dr. Adam David (Ostafrika), Prof. Güldi (Brasilien),
Dr. Felix Speiser (Neue Hebriden), A. Fricker (Zambesia), Dr. Ed.
Gräter (Aegypten), Gustav Schneider ; ferner den Erben der Herren
Prof. August Socin und Apotheker Kober, sowie der verehrl. Di-
rektion des Zoologischen Gartens, die seit dem Bestehen dieses
Institutes sehr vieles zur Förderung unserer Sammlung beigetragen
hat. Die neuesten Geschenke, die der Katalog verzeichnet, ent-
stammen der neukaledonischen Ausbeute der Herrn Drs. F. Sarasın
und J. Roux.
Die Zahl der Katalognummern beträgt gegenwärtig 5240, also
2390 mehr als bei Rütimeyers Tode. Doch muss bemerkt werden,
dass die wirkliche Differenz um einige hundert Nummern geringer
ist, indem Rütimeyer kleinere Objekte gleicher Natur häufig unter
einer Nummer zusammengefasst hat, während jetzt das Prinzip, jedem
Objekt seine eigene Nummer zu geben, konsequent, also auch für
die ältern Bestände, durchgeführt ist.
Zu Rütimeyers Zeiten hatte bloss ein sogenannter historischer
Katalog der Sammlung bestanden, in den die Präparate in der Reihen-
folge, in der sie eingingen, eingetragen wurden. Für dritte war
daher eine sichere Orientierung mit Schwierigkeiten verbunden. Um
diesem Uebelstande wenigstens einigermassen abzuhelfen, wurde
gleich nach Rütimeyers Tode in den Jahren 1896—1897 auf Grund
des historischen Kataloges ein systematisch geordneter Zettelkatalog
angelegt. Derselbe hatte indessen insofern einen durchaus proviso-
rischen Charakter, als er die alten Bestimmungen unkontrolliert
übernahm. Zu der höchst notwendigen Revision dieser Bestimmungen
fehlte es damals und in den folgenden Jahren an Zeit. Sie konnte
erst in Angriff genommen werden, als 1909 der osteologischen Ab-
teilung in verdankenswerter Weise auf einige Jahre die Mittel zur
Anstellung eines Assistenten zur Verfügung gestellt wurden.
Herr Dr. Pierre Revilliod, welcher an diese Stelle berufen worden
ist, hat nun in den Jahren 1909—1912 sämtliche Bestimmungen an
Hand der neueren Literatur revidiert und einen neuen, seinen Zweck
Katalog der Osteologischen Sammlung. 187
vollständig erfüllenden Zettelkatalog angelegt. Für seine gewissen-
hafte Arbeit sei ihm an dieser Stelle unsere dankbare Anerkennung
ausgesprochen. Wir bitten ferner Herrn Prof. Th. Studer, der uns
die osteologische Sammlung des Berner Museums zu Vergleichungs-
zwecken zur Verfügung gestellt, sowie namentlich auch Herrn Prof.
P. Matschie m Berlin, welcher gütigst die Bestimmung einer Reihe
besonders schwieriger Objekte übernommen hat, unsern verbind-
lichsten Dank zu genehmigen.
Der vorliegende gedruckte Katalog ist ein Auszug aus dem
neuen Zettelkataloge. Er hat in erster Linie den Zweck, dem In-
teressentenkreise, welcher unsere Snmmlung zu benützen pflegt, auch
ausserhalb des Museums eine rasche und bequeme Orientierung über
unsern Besitz zu ermöglichen. Vielleicht vermag er auch etwas zur
Förderung der Sammlung beizutragen, indem er unsere Gönner auf
die immerhin noch recht zahlreichen Lücken derselben aufmerksam
macht.
Naturhistorisches Museum in Basel, im August 1913.
H. G. Stehlin.
Abkürzungen.
Sch.: Schädel. — Sk.: Skelett. — Sktl.: Skeletteile,
MAMMALIA.
Ordnung Bimana.
Homo sapiens L. 1 Sk. — 4 Sch. — Sktl.
Ordnung Primates.
Simiidae.
Simia satyrus L. 6 Sk.: 1 S Kuteilama, O.Borneo; 1 ©, 1%, 3 juy.
— 83 Schädelabgüsse ©, $, juv.
Anthropopithecus troglodytes L. 3 Sk.: 1 © Gabun, 2 juv. — 6 Sch.:
2 juv. Sierra Leone; 1 ®, 1 juv. Semliki Wald, Kongo;
1 ? juv. Kamerun; 1 ? Kongo — 3 Schädelabgüsse d’, ©, juv.
Gorilla gorilla Wyman. 1 Sk.: d. — 2 Sch.: JS. — 4 Schädel-
abgüsse: 2 d, ©, juv. — Fuss- und Handabgüsse.
Symphalangus syndactylus Desm. 2 Sk.: 1 © Unterlangkat, Sumatra;
1 juv. Penang. — 1 Sch.: d.
Hylobates agilis E. Geoff. et Cuv. 2 Sk.: 1 © juv. Indragiri, Sumatra;
1 juv. — 3 Sch.: Indragiri, Sumatra.
Hylobates entelloides Is. Geoff. 2 Sk.: 1 © juv., 1 J’ Unterlangkat,
Sumatra. — 1 Sch. d mit Rumpf, Oberlangkat, Sumatra.
Cercopithecidae.
Semnopithecus (Lophopithecus) comatus Desm. 1 Sch. © juv.
Semnopithecus (Lophopithecus) femoralis Horsf. 1 Sch. ? Sumatra.
Semnopithecus (Lophopithecus) mitratus Esch. 5 Sch.: 3 d, 2 2 Indra-
giri, Sumatra.
Semnopithecus (Lophopithecus) thomasi Collet. 1 Sk.: © Unterlang-
kat, Sumatra. — 3 Sch.: 19, Palembang, Sumatra; 1 d,
1 © Unterlangkat, Sumatra.
Semnopithecus (Presbypithecus) cephalopterus Zimm. 1 Sk. d juv.
— 1 Sch. Ceylon.
Katalog der Osteologischen Sammlung. 189
Semnopithecus (Trachypithecus) maurus Schreb. 1 Sch. neonat., In-
dragiri, Sumatra.
Semnopithecus (Trachypithecus) maurus cristatus Raffles. 1 Sch. juv.,
S. O. Borneo.
Semnopithecus (Semnopithecus) hypoleucus Blyth. 1 Sch. © juv., Malabar.
Semnopithecus (Semnopithecus) priamus Blyth. 6 Sch.: 1 © mit Sktl.,
Tanamalwilla, Ceylon — 2 d, 2 9, 1 juv. Ceylon.
Colobus (Guereza) vellerosus Is. Geoff. 1 Sch. ©.
Colobus (Guereza) guereza Rüpp. 2 Sch.: 1 JS, Kongostaat — 1 ©.
Cercopithecus (Rhinostictus) ascanius Audeb. 2 Sk.: d, © Kongo.
Cercopithecus (Rhinostictus) nictitans L. 1 Sch. Ogowe.
Cercopithecus (Rhinostietus) petaurista Schreb. 1 Sch.
Cercopithecus (Cercopithecus) sabaeus L. 1 Sch.:? — 1 Kehlkopf
— 1 Humerus.
Cercopithecus (Erythrocebus) patas Schreb. 1 Sk. juv. — 1 Sch. ©.
Cercopithecus (Mona) mona Schreb. 1 Sch. © juv., Senegal.
Cercopithecus (Mona) moloneyi Sclat. 1 Sch., Nyassa-See.
Cercopithecus (Miopithecus) talapoin Erxl. 1 Sch. ©.
Cercopithecus spec. 1 Sk. neonat. — 1 Sk. juv.
Cercocebus (Cercocebus) fuliginosus E. Geoff. 1 Sch. ©, Liberia.
Cercocebus (Cercocebus) collaris Gray. 1 Sch., Ogowe.
Pithecus (Pithecus) fascicularis Raffles. 3 Sk.: 1, Java — 1 S, 1 S juv.
— 16 Seh.: 5 ad., 2 juv.,, née ue Kl
Lahat, Sumatra; et SO: Den I, Timor; 1 © Java;
22, 2 Juy.
Pithecus (Pithecus) sinicus L. 1 Sk. juv. — 2 Sch. — Sktl.
Pithecus (Pithecus) pileatus Shaw. 1 Sk. neonat., Ceylon — 1 Sch.
2, Ceylon.
Pithecus (Pithecus) rhesus Audeb. 2 Sk.: 1 d, 19 — 2 Sch. Sd
Pithecus (Nemestrinus) nemestrinus L. 1 Sk. d, Unterlangkat, Su-
matra — 4 Sch.: 2 d mit Sktl., Penang; 1, S. O. Borneo;
Le.
Pithecus (Inuus) inuus L. 1 Sk. S — 1 Sch. juv.
Pithecus (Cynopithecus) niger Desm. 1 Sk. S juv. — 1 Sch. J juv.
Pithecus (Cynopithecus) niger nigrescens Temm. 2 Sk.: 1 & Malibagu,
1 S neonat., Tomohon — 2 Sch.: 1 d, 18 juv., Gorontalo,
N.-Celebes.
Pithecus (Cynopithecus) maurus Cuv. 2 Sk.: 1, 1, Makassar —
1 Sch. d, S.-Celebes.
Vetulus silenus L. 1 Sk.
Papio (Papio) cynocephalus E. Geoff. 2 Sk. & ©.
Papio (Choiropithecus) anubis doguera Puch. & Schimp. 2 Sch.: 1,
Kongostaat; 1 d juv.
190 Pierre Revilliod.
Papio (Choiropithecus) papio Desm. 3 Sch.: 1 d, Guinea mit Sktl.;
2 juv.
Papio (Choiropithecus) porcarius Bodd. 3 Sch.: 2 S, 8 Ceres, Cap-
colonie; 1 . |
Papio (Choiropithecus) sphinx L. 1 Sch. © juv.
Papio (Choiropithecus) leucophaeus Cuv. 1 Sch.
Papio (Hamadryas) hamadryas L. 1 Sch. S juv.
Papio spec. 2 Sch. juv.
Cebidae.
Alouatta senieulus L. 1 Sk. ® juv. — 3 Sch: 1 d, Brasilien; 1 d
Surinam; 1 d.
Alouatta belzebul villosus Gray. 1 Sch. ©, Guatemala.
Alouatta nigra E. Geoff. 1 Sch. ?, Brasilien.
Alouatta ursina Humb. & Bompl. 1 Sch. juv.
Allouata palliata Gray. 2 Sch.: 1 d juv. Costa Rica; 1 mit Sktl.
Alouatta spec, 1 Sch., Brit. Guayana — 2 Stimmblasen.
Brachyteles arachnoides E. Geoff. 1 Sch.
Ateles paniscus L. 1 Sk. 7, Surinam — 1 Sch.
Ateles vellerosus Gray. 1 Sch., Guatemala.
Cebus capucinus L. 1 Sk. — 4 Sch.: 1 juv. Surinam; 3 juv.
Cebus fatuellus L. 1 Sch. ©, Surinam.
Cebus niger E. Geoff. 1 Sk., Brasilien. — 1 Sch.
Pithecia pithecia L. 1 Sch., Surinam.
Pithecia satanas Hoffm. 2 Sch., g © Capim, Cachoeira.
Chrysothryx sciurea L. 1. Sch., Surinam.
Nyctipithecus senex Dollm. 1 Sch. ?, Pozuzo, Peru.
Nyctipithecus azarae Humb. 1 Sch. 7, Brasilien.
Callithrix jacchus L. 2 Sk. — 1 Sch.
Callithrix auritus E. Geoff. 1 Sk.
Callithrix melanurus E. Geoff. 1 Sch., Corumba, Brasilien.
Ordnung Prosimiae.
Lemuridae.
Indris brevicaudatus E. Geoff. 2 Sch.: 1 cd mit Sktl. Marovato; 1.
Propithecus diadema Bennet. 2 Sch.: 1 S Marovato; 1.
Propithecus diadema edwardsi Grandid. 1 Sch. ?.
Propithecus diadema holomelas Günther. 1 Sch.
Propithecus diadema sericeus Grandid. 1 Sk. ld‘.
Avahis laniger Gm. 1 Sch. d.
Lemur varius Js. Geoff. 4 Sch.: 1 S, 1 ©., 2.
Lemur
Lemur
Lemur
Lemur
Lemur
Lemur
Lemur
Lemur
Hapalemur griseus E. Geoff.
Lepidolemur microdon F. Maj.
Microcebus myoxinus Pet. 1 Sk.
Chiromyidae.
Chiromys madagascariensis E. Geoff. 1 Sk.
Nycticebidae.
Perodicticus (Perodicticus) potto Bosm.
Nycticebus tardigradus L.
Katalog der Osteologischen Sammlung.
varius ruber E. Geoff. 1 Sch. 2.
macao L. 1 Sk. — 1 Sch.
fulvus E. Geoff. 4 Sch.
fulvus albifrons E. Geoff. 1 Sch.
fulvus rufifrons Bennet. 1 Sch. d.
rubriventer Is. Geoff. 1 Sch. 2.
catta L. 2 Sk.
coronatus Gray. 1 Sch.
1 Sk.
1 Sch.
Nycticebus tardigradus javanicus E. Geoff,
Loris gracilis E. Geoff. 2 Sk. — 1 Sch., Ceylon.
Galago (Galago) galago Schreb.
ImSK7S:
191
1 Sk. — 2 Sch.: 1 © Vinanitelo, 1d.
1 Sch., Sierra Leone.
1 Sch., Java.
-22Sch
Galago (Hemigalago) demidoffi Fischer. 1 Sk, Franz. Kongo — 1
Tarsius tarsius Erxl.
Tarsius fuscus Fischer.
Acerodon celebensis Pet.
Pteropus
Pteropus
Pteropus
Pteropus
Pteropus
Pteropus
Pteropus
Sch., Senegal.
Tarsüdae.
1 Sk., Borneo.
1 Sk. d, Tomohon, Celebes — Sktl.
Ordnung Chiroptera.
Megachiroptera.
alecto Temm.
hypomelanus hypomelanus Temm.
mauritianus Comm. 1 Sch. ©.
ornatus Gray.
hypomelanus macassaricus Heude.
giganteus Brünn. 4 Sch.: 2, Ceylon, 2.
1 Sch. d, Celebes.
1 Sch. à, Celebes.
personatus Temm. 2 Sch.®, Celebes.
1 Sch., Batjan-Ins.
1 Sch. d‘, Bonerate-Ins.
1 Sk.®, Neu-Kaledonien — 13 Sch.: 7 d,
Loyalty-Ins. — 6 d,?, Neu-Kaledonien.
Pteropus tonganus geddiei Mac Gill. 3 Sch.: 1 d, Ouvéa, Loyalty-
Ins.; 2%, Spiritu Santo, Neu-Hebriden.
192 Pierre Revilliod.
Eidolon helvum Kerr. 2 Sch.
Dobsonia exoleta K. And. 1 Sch., Celebes.
Cynopterus brachyotis brachyotis S. Müll. 1 Sch. $, Sumatra.
Notopteris neocaledonica Trouess. 5 Sch.: 49, 19, Hienghiène,
Neu-Kaledonien.
Microchiropter a.
Rhinopomidae.
Rhinopoma cystops Thom. 1 Sch. d’, Kairo.
Rhinopoma microphyllum Brünn. 2 Sch.: 1 J, Kairo; 1 ® Aegypten.
Nycteridae.
Nycteris hispida Schreb. 1 Sch. ?, Goldküste.
Megaderma spasma L. 1 Sch. $, Indragiri, Sumatra.
Rhinolophidae.
Rhinolophus rouxi Temm. 1 Sch. 2, Ceylon.
Rhinolophus minor Horsf. 1 Sch 2, Kema, N.-Celebes.
Rhinolophus sumatranus And. 1 Sch. d, Sumatra.
Rhinolophus luctus Temm. 1 Sch.?, Ob. Langkat, Sumatra.
Rhinolophus ferrum-equinum Schreb. 3 Sch.
Rhinolophus euryale Blasius. 1 Sch., Smyrna.
Rhinolophus hipposiderus Bechst. 2 Sch.
Hipposideridae.
Hipposiderus caffer Sünd. 1 Sch. d, Akropong, Goldküste.
Hipposiderus speoris Schr. 1 Sch. ?, Ceylon.
Hipposiderus diadema E. Geoff. 1 Sch.?, Kalaënathal, C.-Celebes.
Hipposiderus commersoni E. Geoff. 1 Sch. d', Tanga.
Triaenops afer Pet. 1 Sch. , Tanga.
Asellia tridens E. Geoff. 1 Sch. S, Theben.
Emballonuridae.
Emballonura monticola Temm. 1 Sch. 2, Duke of York-Insel.
Coleura afra Pet. 1 Sch. 2, Tanga.
Peropteryx canina Wied. 1 Sch., Guatemala.
Taphozous mauritianus E. Geoff. 1 Sch. , Tanga.
Taphozous nudiventris Cretz. 1 Sch. d, Ghizeh, Aegypten.
Taphozous perforatus E. Geoff. 1 Sch.?, Abouroach, Aegypten.
Katalog der Osteologischen Sammlung. 195
Phyllostomidae.
Chilonycteris (Chilonycteris) rubiginosa Wagn. 1 Sch. S, Guatemala.
Mormoops megallophylla Pet. 1 Sch. , Cuba.
Otopterus waterhousei Gray. 1 Sch., Haiti.
Phyllostomus hastatus Pall. 1 Sch. S, Para.
Vampyrops. (Vampyrops) lineatus E. Geoff. 1 Sch. 3, Guatemala.
Artibeus (Dermanura) cinereum Gervais. 1 Sch. S, Guatemala.
Artibeus (Arlibeus) jamaïcensis Leach. 1 Sch. ?, Guatemala.
Chiroderma spec. 1 Sch. ?, Guatemala.
Glossophaga soricina Pall. 1 Sch.2, Guatemala.
Hemiderma perspicillatum L. 1 Sch. ?, Para.
Sturnira lilium E. Geoff. 1 Sch. d, Guatemala.
Desmodus rotundus E. Geoff. 1 Sch. d’, Paraguay.
Vespertilionidae,
Myotis (Leuconoe) capaccinii Bonap. 3 Sk.: 2 d, 1%, Lugano.
‘ Myotis (Myotis) myotis Bechst. 1 Sk. — 2 Sch. ©, Basel.
Myotis (Myotis) mystacinus Leisler. 3 Sch.: 2 d, Langenbruck, 1.
Pipistrellus pipistrellus Schreb. 2 Sk. — 2 Sch.
Pipistrellus Kuhli Natt. 1 Sch., Chiasso.
Nyctalus noctula Schr. 1 Sk. — 11 Sch.
Eptesicus serotinus Schreb. 1 Sch.
Lasiurus cinereus grayi Tomes. 1 Sch. d, Argentinien.
Barbastella barbastellus Schreb. 1 Sch.
Plecotus auritus L. 3 Sk. — 1 Sch. d.
Chalinolobus neocaledonicus Revil. 1 Sch , Neukaledonien.
Miniopterus schreibersi Natt. 1 Sch. , Neuenburg.
Miniopterus scotinus Sundw. 1 Sk., Madagaskar.
Miniopterus australis Tomes. 10 Sch.: 4 d, ©, Loyalty-Ins.; 6 d,
?, Neu-Kaledonien.
Miniopterus australis robustior Revil. 4 Sch. Z, 9, Lifou, Loyalty-Ins.
Miniopterus macrocneme Revil. 4 Sch.: 3 d, Loyalty-Ins.; 1 9,
Neu-Kaledonien,
Molossidae.
Chaerephon plicatus Buchan. 1 Sch. ©.
Eumops abrasus Temm. 1 Sch. d, Guatemala.
Molossus (Molossus) obscurus E. Geoff. 1 Sch.
194 Pierre Revilliod.
Ordnung Dermoptera.
Galeopteridae.
Galeopterus peninsulae Thom. 2 Sch. mit Sktl., Penang.
Galeopterus temmincki Waterh. 1 Sch. mit Rumpf, Indragiri, Sumatra.
Galeopterus undatus Wagn. 1 Sch., Java.
Galeopterus spec. 1. Sk. — 2 Sch.: 1 mit Sktl., Borneo, 1 juv.
Ordnung Insectivora.
Tupaiidue.
Tupaia (Dendrogale) murina $. Müller. 1 Sk., Borneo.
Tupaia (Tupaia) ferruginea Raffles. 1 Sk. und 9 Sch., Indragiri,
Sumatra.
Tupaia (Tupaia) tana Raffles. 1 Sk., Borneo. — 1 Sch.
Érinaceidae.
Gymnura alba Giebel. 1 Sk. à, Borneo.
Gymnura gymnura Raffles. 1 Sk., Palembang — Sktl., Indragiri,
Sumatra.
Erinaceus europaeus L. 2 Sk. — 7 Sch.
Erinaceus algirus Duv. 1 Sch. &, Bône, Algerien.
Erinaceus diadematus Fitz. 1 Sk. S, Weisser Nil. — 1 Sch.
Soricidae.
Sorex (Sorex) araneus L. 2 Sk., 1 Sch.
Sorex (Sorex) alpinus Schinz. 2 Sch. , ®, Säntis.
Sorex (Sorex) minutus L. 2 Sk.: 1 d, Graubünden, 1 ©, Säntis.
Blarina (Blarina) brevicauda Say. 2 Sch.
Neomys fodiens Pall. 3 Sch.: 19, 1 S, Weiern, St. Gall., 1.
Neomys milleri Mottaz. 1 Sch. S, Weiern, St. Gall.
Pachyura coerulea Kerr. 1 Sch.9, Java.
Pachyura murina celebensis Revil. 2 Sch. ©, ©, Palu, C.-Celebes.
Crocidura russula Herm. 2 Sk. — 2 Sch.
Crocidura fuliginosa Blyth. 1 Sch., Tomohon, N.-Celebes.
Crocidura spec. 1 Sk., Sumatra. — 1 Sch.
Talpidae.
Myogale pyrenaïca E. Geoff. 1 Sk., Pyrenäen.
Talpa caeca Savi. 12 Schädel, Tessin.
Talpa europaea L. 4 Sk. — 11 Sch.
Mogera wogura Temm. 1 Sch. 2, Japan.
Katalog der Osteologischen Sammlung. 195
Potamogalidae.
Potamogale velox Du Chaillu. 1 Sk., Gabun.
Centetidae.
Centetes ecaudatus Schr. 2 Sch.: 1 ©, Mauritius Ins., 1 Madagaskar.
Hemicentetes semispinosus Cuv. 1 Sch.
Ericulus setosus Schr. 1 Sk., 1 Sch. mit Rumpf, Ambositra.
Erieulus telfairi Martin. 1 Sk. S juv.
Oryzoryctes tetradactylus Edw. & Grandid. 1 Sk. d, Ampitambé. —
2 Sch.: 1 S juv. mit Rumpf, Sirobe, 1 Sch. mit Rumpf.
Microgale cowani Thom. 1 Sk., Vinanitelo. — 1 Sch.
Ordnung Carnivora.
Ursidae.
Ursus (Thalassarctos) maritimus Erxl, 1 Sk. — 2 Sch.
Ursus (Ursus) arctos L. 3 Sk.: d,®, juv. — 4 Sch.: 1 J juv., 1 ©,
— 1, Mähren, 1. — 1 Schädelabguss — 1 Scapula.
Ursus (Ursus) thibetanus Cuv. 1 Sch.
Ursus (Danis) horribilis Ord. 1 Sch. und Sktl., Nord-Californien.
Ursus (Euarctos) americanus Pall. 1 Sk. — 5 Sch.: 1 Labrador,
2 ad, 2 juv.
Ursus (Helarctos) malayanus Raffles. 2 Sch.: 1 cd’ Padang, 1 juv.,
Sumatra.
Ailurus fulgens Cuv. 1 Schädelfragment d, Himalaya.
Procyonidae.
Potos flavus Schr. 1 Sk. juv.
Potos flavus aztecus Thom. 1 Sk. — 1 Sch.,' Mexico.
Nasua narica L. 4 Sk.: 1 juv. Guatemala, 1 ohne Schädel, 2. —
MOCHE 1 Sl juy., 1 Guatemala, 3.
Nasua rufa Desm. 3 Sch.: 1 juv. Paraguay, 1 Brasilien, 1.
Nasua spec. 1 Sk.
Procyon lotor L. 2 Sk. — 10 Schädel.
Procyon cancrivorus Cuv. 3 Sch.: 1 Brasilien, 1 Guayana, 1.
Procyon spec. 1 Sch. %, Vancouver-Ins.
Mustelidae.
Taxidea americana Bodd. 1 Sch., Labrador.
Meles meles L. 2 Sk. — 10 Sch.
Mellivora ratel indica Kerr. 1 Sch.
196 Pierre Revilliod.
Mydaus javanensis Desm. 1 Sch.
Ictonyx capensis. 1 Sk., Kap d. guten Hoffn.
Zorilla spec. 1 Sch.
Mephitis (Leucomitra) macroura Licht. 2 Sch., Mexico.
Mephitis (Chincha) occidentalis Baird. 1 Sk. — 12 Sch.
Mephitis spec. 7 Sch.
Conepatus (Marputius) chinga Molina. . 1 Sch., Chile.
Conepatus spec. 1 Sk.
Gulo luscus L. 1 Sk., 1 Sch., Labrador.
Galera barbara L. 2 Sch.: 1 Surinam, 1 Brasilien.
Mustela martes L. 3 Sk. — 6 Sch.
Mustela foina Er. 2 Sk. — 6 Sch. -
Mustela zibellina L. 1 Sch., Sachalin-Ins.
Putorius (Lutreola) lutreola L. 1 Sk. — 18 Sch.
Putorius (Lutreola) vison Brisson. 12 Sch.
Putorius (Putorius) putorius L. 2 Sk. — 11 Sch.
Putorius (lctis) ermineus L, 4 Sk.: 10, 1%, Tessin, 2—3 Sch.
Putorius (letis) boccamela Bechst. 1 Sch. mit Rumpf d, Sardinien.
Putorius (lctis) arcticus Merriam. 6 Sch.
Putorius (lctis) nivalis vulgaris Erxl. 4 Sk. — 2 Sch.
Putorius (letis) nudipes Desm. 2 Sch.: 1 Indragiri, Sumatra; 1 Su-
matra.
Putorius (letis) spec. 1 Sch., Labrador.
Lutra lutra L. 3 Sk. — 11 Sch.
Lutra cinerea Ill. 1 Sch., Indragiri, Sumatra.
Lutra brasiliensis Zimm. 1 Sk. d, Surinam.
Lutra canadensis Kerr. 1 Sk. — 4 Sch.
Latax iutris L. 1 Sk. juv., Californien.
Canidae.
Canis (Canis) familiaris L. 7 Sk.: 1 S Engl. Hühnerhund, Pointer;
1 spanischer Wachtelhund; 1 d, 1 neonat. 3. — 60 Sch.:
Dänische Dogge 3; Dogge 2; Spitz, Schäferhund, Wind-
hund, Pinscher, Mops, Dachshund, russischer Hühnerhund
1; Aegyptischer Hund 1, Neufundländer 1, Eskimohund
1, Labrador 1; Battakerhund, Sumatra, 1; Pariahund,
Ceylon, 4; diverse 39. — Verschiedene Sktl.
Canis (Canis) familiaris dingo Blum. 1 Sch. d, Macdonnell Range,
Australien.
Canis (Canis) lupus L. 2 Sk.: 1 Allschwilerwald, Umg. Basel, 1
juv. — Sktl. — 7 Sch.: 2 ad., 2 juv.
Canis (Canis) occidentalis Rich. 1 Sch.
Katalog der Osteologischen Sammlung. 197
Canis (Canis) latrans Say. 1 Sch., Colorado.
Canis (Thos) anthus Cuv. 2 Sk. — 1 Sch., Algerien.
Canis (Thos) aureus L. 1 Sch.
Canis (Thos) lupaster Hempr. & Ehr. 1 Sch.
Canis (Cerdocyon) azarae Wied. 3 Sch.: 1 Paraguay, 2.
Canis (Cerdocyon) griseus Gray. 1 Sch., Magellanstrasse.
Canis (Cerdocyon) thous melampus Wagn. 1 Sch., Corumba, Brasilien.
Lupullella mesomelas Schreb. 1 Sch. ?.
Nyctereutes procyonoides Gray. 1 Sch.
Vulpes vulpes L. 1 Sk. — 15 Sch.
Vulpes vulpes aegyptiaca Desm. 1 Sch. .
Vulpes corsac L. 1 Sch. , Südrussland.
Vulpes lagopus L. 3 Sch.: 1 Nord-Europa, 2.
Vulpes lagopus ungava Merriam. 1 Sch. und Sktl., Labrador.
Vulpes fulva Desm. 2 Sk. — 9 Sch.
Urocyon cinereo-argentatus Müller. 3 Sch.
Hyaenidae.
Proteles cristatus Sparrm. 1 Sch.
Hyaena (Crocotta) crocuta Erxl. 1 Sk. — 1 Sch. 9.
Hyaena (Hyaena) hyaena L. 2 Sk. — 1 Sch. juv.
Viverridae.
Viverra (Viverra) civetta Schr. 1 Sch., Kongo.
Viverra (Viverra) tangalunga Gray. 5 Sch. mit Rumpf, ©, © juv. d',
Makassar, Celebes.
Viverra (Viverra) zibetha L. 1 Sch.
Viverra (Viverricula) rasse Horsf. 2 Sch.: 1 mit Rumpf J’ juv. Ra-
nobe, Madagaskar; 1 Ceylon.
Viverra (Viverricula) spec. 1 Sch.
Genetta abyssinica Rüpp. 1 Sch. g, Geteina am weissen Nil.
Genetta felina Thumb. 1 Sch. S, Capkolonie.
Genetta pardina Js. Geoff. 1 Sk. Lambaréné, Kongo.
Genetta spec. 2 Sch.
Linsanga gracilis Desm. 1 Sch., Indragiri, Sumatra.
Hemigale hardwickei Gray. 1 Sch., Indragiri, Sumatra.
Arctogalidia leucotis Horsf. 4 Sch.: 1 Sumatra, 3 Indragiri, Sumatra.
Paradoxurus hermaphrodytus Schreb. 1 Sk. — 2 Sch.: 1 J Java, 1.
Paradoxurus hermaphrodytus niger Desm. 1 Sch., Ceylon.
Paradoxurus musschenbroecki Schl. 5 Sch. mit Rümpf.: 1 d, 19
juv. Masarangkette, 1 & juv., 1 Rurukan, 1 3 Tomohon,
N.-Celebes.
198 Pierre Revilliod.
Paradoxurus spec. 2 Sch.: 1 juv. Indragiri, 1 Palembang, Sumatra.
Arctictis binturong Raffles. 3 Sch.: 1% mit Rumpf, 1 ad., 1 juv.,
Indragiri, Sumatra.
Cynogale bennetti Gray. 2 Sch.: 1 mit Rumpf, 1, Indragiri, Su-
matra.
Herpestes ichneumon L. 1 Sch.
Herpestes griseus E. Geoff. 1 Sch. 9.
Herpestes albicauda Cuv. 1 Sk. S, Sudan.
Herpestes fulvescens Blyth. 1 Sk., 1 Sch., Ceylon.
Herpestes brachyurus Gray. 1 Sch., Sumatra.
Herpestes spec. 1 Sk.
Crossarchus obscurus Cuv. 1 Sch.
Suricata tetradactyla Schr. 1 Sk. Capland — 1 Sch. juv.
Galidia elegans Is. Geoff. 1 Sch. ?, Madagaskar.
Felidae.
Cryptoprocta ferox Bennet. 1 Sch. d, Madagaskar.
Cynailurus jubatus guttatus Herrm. 2 Sk. — 1 Sch.
Felis (Uncia) leo L. 1 Sk. — 4 Sch., 3 ad., 1 juv.
Felis (Uncia) leo capensis Fitz. 1 Sch., Capkolonie.
Felis (Uncia) leo kamptzi Matchie. 1 Sch., Kamerun.
Felis (Uncia) leo somaliensis Noack. 1 Sch. d, neonatus.
Felis (Uncia) tigris L. 1 Sk. — 1 Sch.
Felis (Uncia) tigris sondaïca Fitz. 1 Sk. Indragiri, Sumatra — 3
Sch.: 1 juv., Bedagei, 1 Indragiri, 1 Sumatra.
Felis (Uncia) concolor L. 4 Sch.: 1 © neonat, 3 d juv.
Felis (Uncia) hippolestes aztecus Merr. 1 Sch., Guatemala.
Felis (Leopardus) pardus L. 1 Sk. — 5 Sch.: 1 Kongostaat, 1 juv.
Capkolonie; 2 ad., 1 Foetus. |
Felis (Leopardus) pardus variegata Wagn. 1 Sch.
Felis (Leopardus) uncia Schreb. 1 Sk. .
Felis (Leopardus) centralis Mearns. 3 Sch.: 19, 1 S ad., 1 mit
Sktl., Guatemala.
Felis (Leopardus) onça L. 3 Sch.: 1 San Paulo, Brasilien, 2.
Felis (Zibethailurus) marmorata Martin. 2 Sch., Sumatra.
Felis (Zibethailurus) nebulosa Griff. 2 Sch.: 1 d Bedagei, 1 Indra-
gi, Sumatra.
Felis (Zibethailurus) serval Schr. 1 Sk. d’, Sudan — 1 Sch. 2, Süd-
Afrıka.
Felis (Zibethailurus) pardalis L.. 1 Sk. — 1 Sch. juv., Guatemala.
Felis (Oncoides) bengalensis sumatrana Horsf. 3 Sch.: 1 & Sumatra,
1 S Oberlangkat, 1 Indragiri, Sumatra.
Katalog der Osteologischen Sammlung. 199
Felis (Oncoides) bengalensis undata Desm. 1 Sch., Borneo.
Felis (Oncoïdes) rubiginosa Is. Geoffr. 1 Sch., Ceylon.
Felis (Oncoïdes) wiedi Schinz. 1 Sk.’ — 1 Sch.
Felis (Oncoides) mitis Cuv. 1 Sch. ©.
Felis (Felis) silvestris Brisson. 1 Sk. d, Kinzingen, Baden — 6 Sch.:
1, Siebenbürgen, 1, 1 juv., 3 ad.
Felis (Felis) planiceps Vigors & Horsf. 2 Sch., Indragiri, Sumatra.
Felis (Felis) ocreata maniculata Cretzsch. 1 Sch., Mumie aus Assiut,
Aegypten.
Felis (Felis) ocreata domestica Brisson. 1 Sk. neonat. — 23 Sch.:
1, Ceylon; 1, Juan-Fernandez-Ins., Chile; diverse 21 — Sktl.
Felis spec. domestica? 1 Sk. juv. — 1 Sch. S mit Sktl. Siamrasse. .
Felis (Catopuma) jaguarundi Fischer. 2 Sch.: 1 mit Sktl., Guatemala
— 1 Paraguay.
Felis (Catolynx) chaus Guld. 1 Sch. ©, Kaukasus.
Felis (Catolynx) chaus nilotica de Winton. 1 Sk., Aegypten.
Felis (Felis) spec. 1 Sch.
Lynx (Lynx) Iynx L. 1 Sk. d, Schweden. — 1 Sch. — 1 Schädel-
fragment ©, Graubünden.
Lynx (Eucervaria) rufa Guld. 3 Sch. und Sktl.
Lynx spec. 1 Sch.
Ordnung Pinnipedia.
Otaria byronia Blainv. 1 Sch., Patagonien.
Arctocephalus (Arctocephalus) forsteri elegans Pet. 1 Sk. 2, St. Paul-Ins.
Trichechus rosmarus L. 2 Sch.: 1%, Grönland, 1.
Cystophora cristata Erxl. 1 Sch., Grönland.
Monachus albiventer Bodd. 1 Sch., Algier.
Halichoerus grypus Fabr. 1 Sch, Sylt-Ins.
Phoca (Erignathus) barbatus Fabr. 1 Sch.
Phoca (Phoca) vitulina L. 2 Sk. — 7 Sch.: 4, Sylt-Ins., 3. — Sktl.
Phoca (Pagophoca) groenlandica Fabr. 2 Sch.
Ordnung Cetacea.
Tursiops truncatus Montagu. 2 Sch.
Delphinus delphis L. 1 Sk. — 1 Sch. — Sktl.
Phocaena phocaena L. 2 Sch. juv.
Delphinapterus leucas Pall. 1 Sch.
Monodon monoceros L. 1 Sch. ?, Grönland.
Physeter macrocephalus L.? 1 Zahn.
Hyperoodon rostratus Müller. 1 Sch., Peterhead, Schottland,
Balaenoptera acuto-rostrata Lacep. 1 Sk.
200 Pierre Revilliod.
Ordnung Rodentia.
Anomaluridae.
Anomalurus beecrofti Fraser. 1 Sch. d mit Sktl., Liberia.
Sciuridae.
Pteromys oral Tickell. 1 Sk., Ceylon.
Pteromys nitidus Desm. 3 Sch.: 1 mit Rumpf, Oberlangkat, 1 Palem-
bang, Sumatra, 1 Borneo.
Sciuropterus (Glaucomys) volans L. 1 Sk., N.-Amerika.
Sciuropterus (Petinomys) hageni Jent. 1 Sch. mit Sktl., Sumatra.
lomys davisoni Thom. 1 Sch. mit Sktl., Penang.
Euxerus erythropus E. Geoff. 1 Sk. juv., Sklavenküste. — 3 Sch.:
1 juv. mit Sktl., Goldküste, 1 d, Senegal. — Sktl.
Funambulus (Funambulus) tristriatus Wat. 1 Sch., Ceylon.
Ratufa bicolor Sparrm. 1 Sk, Sumatra. — 3 Sch.: 1 Java, 1 In-
dragiri, Sumatra, 1 Borneo ?
Ratufa macrurus Pennant. 4 Sch., Ceylon.
Sciurus (Heterosciurus) atrodorsalis Gray. 1 Sch. J, Moulmein, Burma.
Sciurus (Heterosciurus) caniceps Gray. 1 Sch. d’, Moulmein, Burma.
Sciurus (Heterosciurus) leucomus Müll. & Schl. 1 Sch., Tomohon, N.-Ce-
lebes.
Sciurus (Heterosciurus) mowewensis Roux. 2 Sch.: 1 Ahuafluss,
1 Typus Ex. Mowewe, S.O. Oelebes.
Sciurus (Heterosciurus) topapuensis Roux. 1 Sch., Topapu Geb. Cen-
tral-Celebes.
Sciurus (Heterosciurus) rubriventer Müll. & Schl. 1 Sch., Tomohon,
N.-Celebes.
Sciurus (Heterosciurus) melanops Miller. 10 Sch., Indragiri, Sumatra
Sciurus (Heterosciurus) tenuis Horsf. 1 Sch, Indragiri, Sumatra.
Sciurus (Heterosciurus) vittatus Raffles. 12 Sch.: 11 Indragiri,
Sumatra, 1 Penang.
Sciurus (Heterosciurus) prevosti Desm. 1 Sch.®, Malacca.
Sciurus (Sciurus) vulgaris L. 2 Sk. — 16 Sch.: 3, Tessin; diverse 13.
Sciurus (Parasciurus) rufiventer Desm. 2 Sch.
Sciurus (Parasciurus) rufiventer texianus Bachm. 1 Sch., Texas.
Sciurus (Parasciurus) niger L. 5 Sch.
Sciurus (Neosciurus) carolinensis Gmelin. 13 Sch.
Sciurus (Neosciurus) carolinensis leucotis Gapper. 1 Sch., Melano,
Toronto.
Sciurus (Tamiasciurus) hudsonius Erxl. 3 Sch.
Sciurus (Guerlinguetus) langsdorffi Brandt. 1 Sch.®, Corumba, Brasilien.
Sciurus spec. 4 Sch.: 1 Ostindien — 2 Amerika.
Katalog der Osteologischen Sammlung. 201
Eutamias townsendi Bachm. 2 Sch. /, 2, Renton, Washington.
Tamias striatus L. 1 Sk. — 20 Sch.
Tamias striatus lysteri Rich. 2 Sch.: 19, Toronto; 1.
Citellus (Callospermophilus) lateralis Say. 1 Sch., Felsengebirge.
Citellus (Otospermophilus) grammurus Say. 1 Sch. juv., Felsengebirge.
Citellus (Otospermophilus) annulatus Aud. & Bachm. 1 Sch. cd, Man-
zanillo, Mexico.
Citellus (Citellus) citellus L. 1 Sk. — 1 Sch.
Citellus (letidomys) franklini Sabine. 1 Sch., Felsengebirge.
Cynomys socialis Rafin. Schädelfragmente, Felsengebirge.
Marmota marmota L. 2 Sk. — 12 Sch. — Sktl.
Marmota monax L. 5 Sch.
Castoridae.
Castor fiber L. 2 Sk.: 1 S, St. Marie, Petit Rhône, 1 Rhône. —
4 Sch.: 1 mit Sktl., Donau; 3.
Castor canadensis Kuhl. 2 Sk. — 2 Sch.: 1 Plattariver, Colorado; 1.
Myoxidae.
Glis glis L. 4 Sk. — 4 Sch.: 2 Tessin, 1 juv., 1.
Glis italicus Barr. Ham. 1 Sch Sd, Tessin,
Glis melonii Thom. 2 Sk. d,®2, Urzulei, Sardinien,
Muscardinus avellanarius L. 1 Sk. — 3 Sch.: 2 7‘, 2, Carnago, Tessin.
Eliomys quercinus L. 1 Sch., Bechburg.
Eliomys sardus Barr. Ham. 2 Sk. &,©, Ogliastra, Sardinien.
_Muridae.
Hydromys chrysogaster E. Geoff. 1 Sch.
Gerbillus (Tatera) taeniurus Wagn. I Sch., Syrien.
Gerbillus (Tatera) pyramidum is. Geoff. 1 Sch.
Gerbillus (Dipodillus) stigmonyx Heuglin. 1 Sch., Weisser Nil.
Pachyuromys spec. 1 Sch., Kairo.
Meriones shawi albipes Lat. 2 Sch.: 19, Hodna, 1 Algerien.
Epimys norvegicus Erxl. 2 Sk. — 10 Sch.
Epimys rattus L. 1 Sk. — 25 Sch.: 1 mit Sktl., Madagaskar, 16
Tessin, 2 Neukaledonien, 6.
Epimys rattus alexandrinus Is. Geoff. 7 Sch.: 4 Tessin, 3 Neu-Kaledonien.
Epimys xanthurus Gray. 2 Sch.: 19, Minahassa, 1 d, Tomohon,
Celebes.
Epimys xanthurus orientalis Revil. 2 Sch.: 1 4, Mowewe, 1 Lam-
buja, Celebes.
202 Pierre Revilliod.
Epimys exulans Peale. 1 Sch. d’ und Sch.-Fragmente, Neu-Kaledonien.
Mus musculus L. 2 Sk. — 10 Sch.
Mus musculus poschiavinus Fatio. 2 Sch. d,®, Poschiavo.
Mus musculus canacorum Revil. 2 Sch.: 1 J’, Loyalty-Ins., 19, Neu-
Kaledonien.
Mus sylvatieus L. 9 Sch.
Mus spec. 1 Sk., Tomohon. — 1 Sch, Makassar, Celebes. —
1 Sch., Tenerife.
Cricetomys gambianus Waterh. 1 Sk. d‘, Liberia,
Lophuromys sikapusi Temm. 1 Sch $, Goldküste.
Lenomys meyeri Jent. 1 Sk, d; 1 Sch. 2, Tomohon, Celebes.
Craurothrix leucura Gr. 1 Sch. , Tomohon, Celebes.
Conilurus (Notomys) mitchelli cervinus Gould. 1 Sch., Australien.
Cricetus (Cricetus) cricetus L. 1 Sk., Böhmen. — 5 Sch.
Cricetus (Cricetus) cricetus babylonicus Nehring. 3 Sch., Irek Arabi.
Nesomys rufus Pet. 1 Sk., Ampitambé — 1 Sch. mit Rumpf, Mada-
gaskar. |
Brachyuromys betsileonensis Bartl. 1 Sch. ©, Ampitambé, Madagaskar.
Brachyuromys ramirohitra F. Major. 1 Sk.; 1 Sch. mit Rumpf,
Ampitambe, Madagaskar.
Gymnuromys roberti F. Major. 1 Sk.; 1 Sch. mit Rumpf, Ampitambe,
Madagaskar.
Peromyscus (Peromyscus) leucopus Rafin. 3 Sch.: 1 3, West Ded-
ham, Mass.
Tylomys nudicaudus Pet. 1 Sk., 1 Sch. ©, Guatemala.
Nectomys squamipes Brants. 1 Sch. d, Rio grande do Sul.
Oryzomys (Oryzomys) laticeps intermedia Leche. 1 Sch. ©, Rio grande
do Sul.
Oryzomys (Oryzomys) longicaudatus flavescens Wat. 21 Sch., Rio
grande do Sul.
Oryzomys (Oryzomys) ratticeps Hensel. 1 Sch., Rio grande do Sul,
Oryzomys spec. 12 Sch., Taquara do Mundo novo.
Reithrodontomys mexicanus Saussure. 1 Sch.
Ichthyomys hydrobates Winge. 1 Sch.
Acodon (Acodon) arenicola Waterh. 23 Sch., Rio grande do Sul.
Acodon (Acodon) dorsalis Hensel. 13 Sch., Rio grande do Sul.
Acodon (Acodon) subterraneus Hensel. 5 Sch., Rio grande do Sul.
Oxymycterus nasutus Waterh. 7 Sch., Rio grande do Sul.
Neotoma (Neotoma) floridana Ord. 1 Sch., Arizona.
Evotomys gapperi Vigors. 1 Sch., Red River of North, N.-Amerika.
Evotomys nageri Schinz. 2 Sch.: 1 0°, Andermatt; 1 Sch., Campo-
lungo, Tessin.
Microtus (Microtus) arvalis Pall. 8 Sch.
Katalog der Osteologischen Sammlung. 203
Microtus (Microtus) borealis Richardson. 1 Sch., Labrador.
Microtus (Chionomys) nivalis Martins. 2 Sch.
Pitymys subterraneus Selys. 2 Sch. d, ?, Murgseealp.
Arvicola terrestris amphibius Lacep. 1 Sk. — 1 Sch.
Arvicola terrestris Savi. 3 Sk. — 16 Sch.
Fiber zibethicus L. 1 Sk. — 21 Sch.
Lemnus lemnus L. 2 Sk. — 1 Sch.
Lemnus obensis Brants. 1 Sch.
Dierostenyx hudsonius Pall. 1 Sch., Labrador.
Ellobius talpinus Pail. 1 Sch., Russland.
Spalacidae.
Rhizomys sumatrensis Raffles. 2 Sch.: 1, Battaker Hochebene, 1 juv.,
Sumatra.
Rhizomys badius minor Gray. 1 Sch., Nepal?.
Spalax microphthalmus Güld. 1 Sch., Russland.
Spalax spec. 1 Sch, d‘, Palästina. |
Geomyidae.
Geomys (Diplostoma) bursarius Shaw. 1 Sk.® juv.
Geomys (Orthogeomys) scalops Thomas. 2 Sk. ©, © juv., Guatemala.
Macrogeomys heterodus Peters. 1 Sk., Guatemala — 2 Sch. Costa
Rica.
Bathyergidae.
Bathyergus maritimus Gmelin. 1 Sk., Capkolonie.
Georychus capensis Pall. 1 Sk., 1 Sch., Oeres, Capkolonie.
Georychus hottentotus Lesson. 1 Sch. J'.
Jaculidae.
Jaculus (Jaculus) jaculus L. 1 Sk. — 2 Sch.
Jaculus (Scirtopoda) telum Licht. 1 Sch., Wolga.
Alactagulus acontion Pall. 3 Sch.: 1 Wolgagegend, 1 Russland, 1 —
Ski «,
Alactaga saliens Gmel. 1 Sk. — 2 Sch. — Sktl.
Pedetidae.
Pedetes caffer Pall. 1 Sch.
Oclodontidae.
Myocastor coypus Molina. 1 Sk. — 1 Sch. — Sktl.
204 Pierre Revilliod.
Hystricidae.
Hystrix cristata L. 2 Sch. — Sktl.
Atherura africana Gray. 1 Sch.
Trichys fasciculata Shaw. 2 Sch.: 1 mit Rumpf, Oberlangkat, 1?
juv., Indragiri, Sumatra.
Coendidae.
Erethizon dorsatus L. 1 Sk. — 3 Sch.
Coendu villosus Cuv. 2 Sch., Brasilien.
Viscactidae.
Lagidium peruanum Meyen. 2 Sk., 1, Chile, 1.
Chinchilla laniger Molina. 2 Sch.: 1 Chile, 1 d.
Agoutidae.
Dasyprocta aguti L. 1 Sk. — 3 Sch.: 1, Brasilien, 2.
Dasyprocta azarae Licht. 1 Sch. juv., Motacu, Brasilien.
Dasyprocta isthmica Alst. 1 Sch. d’, Costa Rica.
Dasyprocta lucifer cayennae Thomas. 3 Sch., Surinam.
Dasyprocta spec. 2 Sch.
Agouti paca L. 3 Sk.: 1 Surinam, 1 d, 12? — 7 Sch.: 1, Gua-
temala, 6.
Caviidae.
Cavia (Cavia) porcellus L. 2 Sk. — 8 Sch.
* Hydrochoerus capyraba L. 3 Sk. — 1 Sch.
Ochotonidae.
Ochotona spec. 2 Sch. &, Telezkerberge, Altai.
Leporidae.
Oryctolagus cuniculus L. 1 Sk. — 16 Sch.
Sylvilagus (Tapeti) brasiliensis L. 1 Sch., Paraguay.
Sylvilagus spec. 3 Sch.: 1%, 1 juv., Guatemala; 1, N.-Amerika.
Lepus (Lepus) europaeus Pall. 2 Sk.: 1 neonat, — 6 Sch. — Sktl.
Lepus (Lepus) medius varronis Miller. 1 Sk, Gadmen, Bern. —
3 Sch.: 1 mit Sktl., Gadmenthal, 2.
Lepus (Lepus) labradorius Miller. 1 Sk.; 2 Sch. und Sktl, Labrador.
Lepus (Lepus) nigricollis Cuv. 1 Sch., Ceylon.
Lepus (Lepus) saxatilis Cuv. 1 Sk. Foetus, Capkolonie.
Katalog der Osteologischen Sammlung. 205
Lepus (Lepus) capensis L. 2 Sch.: 1, Ceres, Capkolonie, 1.
Lepus (Lepus) americanus virginianus Harlan. 6 Sch.
Lepus (Lepus) americanus var. 1 Sch., Labrador,
Lepus spec. 2 Sch.
Ordnung Edentata.
Bradypus tridactylus L. 2 Sk.: 1% neonat.
Bradypus cuculliger Wagl. 2 Sk.: 1 ©, Surinam, 1 juv.
Hemibradypus mareyi Anth. 1 Sch.
Choloepus didactylus L, 1 Sch. d, Surinam.
Myrmecophaga tridactyla L. 1 Sk. d’.
Tamandua tetradactyla L. 2 Sch., Brasilien.
Tamandua longicaudata Wagn. 1 Sch., Surinam.
Cyclopes didactylus L. 2 Sk.
Tatus (Tatus) novem-cinctus L. 2 Sk.: 1 Guatemala, 1 juv. — 7 Sch.:
2 Paraguay, 1 Guatemala, 4.
Dasypus (Dasypus) sexeinetus L. 1 Sch.
Dasypus (Chaetophractus) villosus Fischer. 1 Sk. J..
Cabassus (Cabassus) unicinctus L. 1 Sch., Paraguay.
Priodontes giganteus E. Geoff. 1 Sk. d.
Manis (Pholidotus) pentadactyla L. 2 Sk., Ceylon. — 4 Sch., Ceylon.
— Sktl.
Manis (Pholidotus) temmincki Smuts. 1 Sch., Natal.
Orycteropus afer Pallas. 1 Sch. mit Sktl, Ceres, Capkolonie.
Ordnung Hyracoidea.
Procavia (Procavia) capensis Pall. 2 Sk. Ceres, Capkolonie. — 2 Sch.:
1 Ceres; 1 juv.
Procavia (Procavia) syriaca Schreb. 1 Sch.
Procavia (Dendrohyrax) dorsalis Fraser. 1 Sk, Liberia — i Sch.,
Goldküste — Sktl.
Procavia (Heterohyrax) spec. 1 Sch. juv., Lambaréné, Kongo.
Ordnung Proboscidea.
Elephas africanus Blumenbach. 2 Sk. juv. — 2 Sch.: 1, Nil (5° n.
Br.), 1.—2 Backzähne — Schädelfragmente — Sktl.
Elephas maximus L. 1 Milchstosszahn — 3 Backzähne — 1 Femur.
Elephas maximus sumatranus Temm. 2 Sch.: 1%, Sumatra; 1 mit
Sktl., Ceylon — Milchzähne, Ceylon, 2 Stosszähne mit
Schmelzspuren an der Spitze, Tandjong Kattan. Sumatra.
— Sktl, Ceylon.
206 Pierre Revilliod.
Ordnung Sirenia.
Manatus manatus L. 1 Sk.?.
Manatus senegalensis Desm. 1 Sk. juv.; 1 Sch., Kamerun.
Halicore australe Owen. 2 Sch.: 1 Queensland, Australien, 1 Ma-
lekula, Neue Hebriden.
Rhytina stelleri Retzius. 1 Sch., Behringstrasse.
Ordnung Perissodactyla.
Rhinocerotidae.
Diceros bicornis L. 1 Sk. w.
Diceros simus Burch. 1 Sch. — Sktl.
Rhinoceros sondaïcus Desm. 2 Sch.: 1 juv., Java, 1 © juv.
Rhinoceros unicornis L. 1 Sch.
Rhinoceros spec. 1 Backzahn.
Tapiridae.
Tapirus (Rhinochoerus) indicus Cuv. 2 Sch.: 1 © mit Sktl., Indragiri,
Sumatra; 1 juv.
Tapirus (Tapirus) americanus Brisson. 3 Sk. juv. — 2 Sch.: 1 juv., 1.
Tapirus (Tapirella) bairdi Gill. 1 Sch., Guatemala.
Equidae.
Equus (Equus) caballus L. 2 Sk.: 1 7° Ponnyrasse, Sumatra; 1 cd
— 18 Sch.: 1 Foetus; 5 juv.; 12. — Sktl. — Zähne.
Equus (Equus) caballus prjewalskii Poliakof. 1 Sk. juv., Kobdo,
West-Mongolei.
Equus (Hippotigris) quagga Gmelin. 1 Sch., Kap der guten Hoffnung.
Equus (Hippotigris) chapmani Layard. ssp. 1 Sk. neonat. — 1 Sch.,
Mashonaland, Süd-Afrika,
Equus (Hippotigris) chapmani mariae Prazak. 1 Sch. S, Naiwascha-See,
Ost-Afrika.
Equus (Hippotigris) chapmani böhmi Matschie. 1 Sch., Naiwascha-See,
Ost-Afrika.
Equus (Hippotigris) burchelli Gray. 1 Sch. juv.
Equus (Hippotigris) zebra L. 4 Kieferabgüsse.
Equus (Asinus) asinus L. 2 Sk. juv. — 4 Sch. — Sktl.
Equus (Asinus) asinus somaliensis Noack. 1 Sk.; 2 Sch., Somaliland.
Equus (Asinus) hemionus Pallas. 2 Sk.
Equus caballus-asinus Bastard. 1 Sch.
Katalog der Osteologischen Sammlung. 207
Ordnung Artiodactyla.
Suidae.
Tayassus (Tayassus) tajacu L. 5 Sk.: 1 Foetus, 1 © juv., 3 ad. 9, ®
— 6 Sch.: 1, Jaragua, Brasilien; 2 Foetus, 2 ad., Gua-
temala; 1 juv. — Sktl.
Tayassus (Olidosus) albirostris Ilig. 2 Sch.: 1 juv., 1.
Sus (Sus) scrofa L. 1 Sk. — 13 Sch.: 1 S, Marokko; 1d, Al-
mers 2 &,2 Elsass; 3 neugeb., 3 Juv., 3.
Sus (Sus) scrofa domestica Gray. 2 Sk. juv. — 41 Sch.: 19,3%
Bündtner Rasse; 1 Wallachische Rasse; 1 Russische Rasse ;
2 Steiermark; 3 d © ad., 19 juv., Mähren; 3 à, 22 Un-
garn; 1, Rio novo, Brasilien; 3 Siam- Rasse, 1 J Japan,
1 © Bangkok, juv.; 2 juv., Tomohon, Celebes; 1 juv., Tjambea-
Ins., Celebes; 1 d juv., 12 Oberlangkat, 1 juv. Indragiri,
Sumatra; 4 ad.; 8 juv.; 2 Foetus — diverse Sktl.
Sus (Sus) scrofa sardous Strobel. 1 Sch. S, Ogliastra, Sardinien.
Sus (Sus) scrofa pliciceps Gray. 1 Sch. d.
Sus (Sus) sennaarensis Fitz. 1 Sch.® juv.
Sus (Sus) cristatus Wagn. 4 Sch.: 1 Indien; 3, ?, Ceylon.
Sus cristatus Wagn.? dom. 3 Sch.: 2 d, 19, Ceylon.
Sus (Sus) barbatus Müller. 2 Sch.: 1J, Palembang, Sumatra
1, Klias, N.-Borneo. |
s (Sus) celebensis Müll. & Schl. 4 Sk.: 2 juv., 19, 1% juv.,
Kema, Celebes. — 9 Sch.: 4 d’, Kema; 1 d Pic Bonthain,
1 Minahassa; 2 d, 1%, Patunuangassue, Celebes.
Sus (Sus) verrucosus Müll. & Schl. 3 Sch.: 27, 19, Java.
Sus (Sus) vittatus Müll. & Schl. 1 Sk.9, Indragiri, Sumatra. —
ASch MONT va So 22 Andrasirı,n ic 1122. Ober-
langkat, 1 S, 18 Deli, 1 3 Lahel, Sumatra; 1 Sch., 2
Unterkiefer, Neue Hebriden.
Sus spec. dom. 1 Sch. 9, Pagurawan, Sumatra.
Potamochoerus larvatus Cuv. 1 Sk., Madagaskar. — 3 Sch.: 1 juv.
Madagaskar, 1 ad., 1 Foetus.
Potamochoerus porcus L. 2 Sch., I Kamerun. — Zähne, Kongostaat.
Babirussa babirussa L. 1 Sk.?, Kema, Celebes. — 17 Sch.: 9 ,
1 neonat. mit Sktl., Kema; 1 cd’, Taludaa, 1 J’ Celebes;
2 Buru; 3 ad.
Phacochoerus africanus Gm. 6 Sch.: 1 J', 1, Gant, Basaland, Abes-
sinien; 1%, 1 juv., Naiwascha, Brit. Ost-Afrika.
Phacochoerus aethiopicus L. 1 Sch J.
S
=
208 Pierre Revilliod.
Hippopotamidae. |
Hippopotamus (Hippopotamus) amphibius L. 1 Sk., Gabun. — 4 Sch.:
1 juv., Kamerun, 1%, 1 Foetus 1; diverse Zähne.
Hippopotamus (Choeropsis) liberiensis Mort. 1 Eckzahn.
Camelidae.
Lama huanachus Molina. 2 Sk. . — 7 Sch.: 2 juv., 29, 3. — Sktl.
Camelus dromedarius L. 1 Sk. — 4 Sch.: 1 mit Sktl., 1 Foetus, 2.
Tragulidae.
Hyomoschus aquaticus Ogilby. 2 Sk.?, Sierra Leone. — 3 Sch.:
1 & juv., Sierra Leone; 1 ©, Liberia; 1 © juv. :
Tragulus javanicus napu Cuv. 1 Sk., Sumatra. — 1 Sch. ©.
Tragulus kanchil Raffles. 7 Sk.: 2 juv., Indragiri, 1 Unterlangkat,
12 Palembang, I d, 22, Sumatra. — 22’Seh.: 5 20%
DIE. juv., bad, Mouv. Indrasını . Sumabrar
Tragulus kanchil Raffles var. 1 Sk. JS juv., Java. — 3 Sch.: 19
juv. mit Sktl., Penang; 1 juv., S.O. Borneo; 1 J’ juv. Borneo.
Tragulus meminna Erxl. 2 Sk. d',2, Ceylon. — 5 Sch.: 3 d ad.
und Sktl> 17 & ie 2 2 TN OI (CE.
Cervidae.
Moschus moschiferus L. 4 Sch.: 17,1%, 1 S juv., Gegend vom
Telezki-See, Altai; 1 ©.
Hydrelaphus inermis Swinhoe. 1 Sk. , China.
Cervulus muntjac Zimm. 1 Sk. juv. Indragiri, Sumatra. — 6 Sch.:
1 d, Java; 1 Palembang, Sumatra; 1 d juv. mit Sktl.,
Ceylon; 19, Tandjong, S. O. Borneo; 1 d'. — 4 Geweihe:
2 Palembang; 1 Tandjong, S. O. Borneo, 1.
Elaphodus cephalophus M. Edw. 1 Sk.9®, China.
Cervus (Rusa) aristotelis Cuv. 2 Sch.: d,9®, Indien.
Cervus (Rusa) equinus Cuv. 3 Sch.: 1 d, Rantau, S. O. Borneo;
1 d, Indragiri; 12 juv., Palembang, Sumatra.
Cervus (Rusa) hippelaphus Cuv. 1 Sk.d juv. — 4 Geweihe, 3 Java, 1.
Cervus (Rusa) hippelaphus moluccensis Quoy &G. 7 Sch.: 1,1,
Tomohon; 1 d, 22, Lamontjong; 1%, Paluthal, Celebes;
19, Tjambea-Ins. — 15 Geweihe, Celebes.
Cervus (Rusa) mar'annus Desm. 1 Geweih.
Cervus (Axis) axis Erxl. 3 Sk.: 1 neonat., 2 J. — 4 Sch.: 1 Oeylon;
19, 2 jur. — 8 Geweihe — Sktl.
Cervus (Cervus) elaphus L. 1 Sk. 2. — 13 Sch.: 1 Foetus, 1 juv.,
72. — 72 Geweihe — Sktl.
Katalog der Osteologischen Sammlung. 209
Cervus (Cervus) elaphus corsicanus Erxl. 1 Sch. $, Gairo, Sardinien.
Cervus (Cervus) elaphus barbarus Bennet. 1 Sch. juv., Wadi-Halfa,
Aegypten.
Cervus (Cervus) canadensis Erxl. 1 Sk 5. — 1 Sch. juv. — 1 Geweih.
Dama dama L. 3 Sk.: 19, 282. — 10 Sch.: 5 d, 59. — 1 Ge-
weih — Sktl.
Alce machlis Ogilby. 3 Sk.: 23, 19. — 3 Sch. d. — 2 Geweihe.
Rangifer tarandus L. 1 Sk J. — 3 Sch. d.
Rangifer groenlandieus Kerr. 1 Sch. d, Grönland.
Capreolus capreolus L. 1 Sk. Foetus — 27 Sch.: 149, 69,
7 juv. — 40 Geweihe — Sktl.
Capreolus pygargus Pallas. 1. Sch., 2 Geweihe, Angulakgebirge, Altai.
Odocoïleus (Odocoïleus) virginianus Bodd. 5 Sch., 3 d, 29. — 2
Geweihe.
Odocoïleus (Odocoïleus) mexicanus Gm. 1 Sch. juv.
Odocoïleus (Odocoïleus) mexicanus nemoralis Smith. 3 Sch.: 1 d.
2 neonat., Guatemala.
Odocoïleus (Odocoileus) costaricensis Miller. 1 Sch. juv., Costa-Rica.
Odocoïleus (Blastocerus) campestris Cuv. 2 Sch. d.
Odocoïleus spec. 2 Greweihe.
Mazama rufus Illig 5 Sch.: 1 d, Jaragua, 1 S, 1%, Brasilien;
2 d, Surinam.
Mazama tema Raf. 3 Sch. , ©.
Mazama spec. 1 Sch. d, Brasilien.
Pudua pudu Molina. 1 Sch, ?, Chili.
Cervus sp. 1 Sk.®, Ostasien ?
Giraffidae.
Okapia johnstoni Sel. 1 Sk.?, Makala, Lindi, Kongostaat. — 2 Sch.:
1 © juv., Loyafluss, 1 © juv. Beni — Schädelfragmente,
Amasini am Semlikifluss, Kongostaat.
Giraffa camelopardalis L. 1 Sk © juv. — 2 Sch., 1%, 1 juv.
Cavicornia.
Antilocaprinae.
Antilocapra americana Ord. 3 Sch.
Antilopinae.
Bubalis tora Gray. 2 Sch.: 1 Sudan, 1 Abessinien.
Bubalis lelwel Heuglin. 1 Sch. S, Bor, engl. Sudan.
Bubalis lichtensteini Pet. 1 Gehörn, Harrismith, Oranjestaat ?
Bubalis caama Cuv. 1 (Gehörn, Natal.
14
210 Pierre Revilliod.
Damaliscus jimela Matschie. 1 Sch., Zanzibar.
Damaliscus lunatus Burchell. 1 Gehörn, Natal ?
Damaliscus albifrons Burchell. 1 Sch.
Damaliscus pygargus Pall. 1 Gehörn, Natal.
Connochoetes taurinus Burchell. 3 Sch.:2 J, 19. — 1 Gehörn.
Cephalophus doriae Ogilby. 3 Sch. 0’, ?, Liberia.
Cephalophus dorsalis Gray. 2 Sch. juv.
Cephalophus sylvicultor Afzel. 1 Sch. juv., Sierra Leone.
Cephalophus maxwelli Smith. 4 Sk. d, ©, 2 juv. — 3 Sch.: 10, Li-
beria, 22, Goldküste. — 1 Gehörn.
Cephalophus grimmia L. 2 Sch. d, 1 Capkolonie. — 1 Gehörn.
Cephalophus natalensis Smith. 1 Sch. 9.
Cephalophus monticola Thunb. 1 Sch.
Cephalophus niger Gray. 1 Sk. ©.
Cephalophus spec. 1 Sch. cfr. ©. sylvicultor, Kongostaat, Lindi? —
1 Sch. cfr. C. nigrifrons ©, Kongostaat.
Tetraceros quadricornis Smith. 1 Sch.
Oreotragus oreotragus Zimm. 1 Sch., Capkolonie.
Ourebia montana Cretz. 1 Sch., Abessinien.
Nototragus melanotis Thunb. 1 Sch.
Nesotragus moschatus Düben. 1 Sch., Zanzibar.
Neotragus pygmaeus L. 1 Sch., Fantek, Goldküste.
Madoqua phillipsi Thom. 1 Sch. S juv., Somaliland,
Cobus (Cobus), defassa Rüpp. 3 Sch.: 2 Bor, Sudan; 1 , Marbeit,
engl. Sudan.
Cobus (Cobus) maria Gray. 1 Sch. , Lake No, Tonga, Sudan.
Cobus (Cobus) onctuosus Laurill. 1 Sch., Senegal.
Cobus (Adenota) leucotis Licht. & Pet. 1 Sch. S, Tonga, Sudan.
Cobus (Adenota) thomasi Scl. 1 Sch. d, Lado Enclave, Sudan.
Cobus (Adenota) annulipes Gray. 1 Sch., Kongostaat.
Redunca arundinum Bodd. 1 Sch. S juv., Zambezia.
Pelea capreolus Bechst. 2 Sch.: 1 J juv., 19, Ceres, Capkolonie.
Antilope cervicapra Pallas. 3 Sch.: 1 &, Malva, Ind.; 1 juv., 1 ©.
— Sktl.
Saïga tatarica L. 1 Sk.?. — 3 Sch.: 1 S Mongolei; 1%, Polen,
1 S, Süd-Russland.
Antidorcas euchore Sparrm. 4 Gehörne J’, 2 juv., Natal
Gazella dama Pall. 1 Sk. .
Gazella dorcas L. 1 Sk® juv. — 6 Sch. &,® juv. — Sktl.
Gazella gutturosa Guld.1 Gehörn Jg’, Dörbötenlager, östl. Mongolei.
Gazella pelzelni Kohl. 3 Sch.: 2 0°, 19 juv., nördl. Somaliland.
Gazella soemmeringi Cretz. 1 Sch. ?, nördl. Somaliland.
Gazella spekei Blyth. 1 Sch. &, nördl. Somaliland.
Katalog der Osteologischen Sammlung. 211
Gazella subgutturosa Guld. 1 Sk. d, Persien. — 3 Sch.: 2 9,9,
Klein-Asien, 1 S mit Sktl.
Gazella spec. 2 Sch., Gegend westl. vom Tschadsee.
Lithocranius walleri BrooKe. 3 Sch. ©, ©, juv., Berbera, Somaliland.
Hippotragus equinus Is. Geoff. 1 Sch. juv.
Hippotragus niger Harris. 1 Sch.
Oryx leucoryx Pall. 1 Sch.
Oryx beisa Rüpp. 3 Sch.: 1 juv., Berbera, Somaliland, 1 ad., 1 juv.
Oryx gazella L. 1 Sch. — 2 Gehörne.
Boselaphus tragocamelus Pall. 2 Sk. © juv. — 7 Sch.: 2 d, 19,
3 Juv., 1 neonat.
Tragelaphus decula Rüpp. 2 Sch., Abessinien.
Tragelaphus roualeyni Cumm. 2 Sch. 3, Zambezia.
Tragelaphus scriptus Pall. 2 Sch.: 12 juv., 1 d Sudan.
Tragelaphus scriptus bor Heugl. 1 Sch. &, Lado Enclave, Sudan.
Tragelaphus sylvaticus Sparrm. 1 Sch. 2.
Tragelaphus spec. 1 Sch. S juv.
Strepsiceros strepsiceros Pallas. 4 Sch.: 1 & juv., Somaliland; 1
juv., 12 und Sktl., Süd-Afrika. — 4 Gehörne.
Taurotragus oryx Pall. 2 Sch.: 19, 12 juv., Süd-Afrika.
Rupicapra rupicapra Gray. 3 Sk.: 25, 1 juv. — 20 Sch.: 1, Val
Gallego, Pyrenäen; 3 J',$, Bagneres de Luchon; 11 ad.
5 juv. — Sktl. — 18 Gehôrne.
Nemorrhaedus (Nemorrhaedus) sumatrensis Shaw. 1 Sk. J’, Padang,
W.-Sumatra.
Nemorrhaedus (Urotragus) goral Hardw. 2 Sch.: 1, Himalaya, 1.
Oreamnos montanus Ord. 1 Sch.
Budorcas taxicolor tibetana A. M. Edw. 1 Gehörn, Himalaya.
Caprinae.
Hemitragus jemlaïcus Smith. 1 Sk. od. — 1 Sch. &, Nepal.
Hemitragus hylocrius Ogilby. 4 Sch.: 19 juv., Malabar, 1 S Nil-
gherrin, 2 d ©.
Capra hircus L. 2 Sk. — 38 Sch.: 16 ad., 6 ©, 10°, Sudan, 3 Somali-
land, 1 Canarische Ins.; 10 juv., 5 neonat. — Sktl.
Capra hircus-ibex, Bastard. 1 Sk. d — 2 Sch. juv. — Sktl.
Capra cylindricornis Blyth. 1 Sch. , Lagodechi, Kaukasus.
Capra pyrenaïca Schinz. 1 Sch. 5, Pyrenäen.
Capra nubiana sinaïtica Hempr. & Ehr. 3 Sch, 2 J’, Sinaï, 1,
Capra ibex L. 6 Sk.: 1 JS’ Monte Rosa-Gebiet, 3 d', 22. — 4 Sch.:
1 Monte Rosa, 3 d,? — 1 Gehörn.
Capra sibirica Meyer. 2 Sch.
212 Pierre Revilliod.
Capra sibirica var. 3 Sch.: 2 Baschkausstal, 1 Tscholesmantal,
Altai.
Capra (Orthaegoceros) falconeri Wagn. 1 Sch. J'.
Capra spec. 3 Sch. Battakerhausziege, Indragiri, Sumatra.
Pseudoïs nahura Hodgson. 1 Sch. 2, Indien.
Ammotragus lervia Pallas. 3 Sk.: ,9®, jur. — 7 Sch.: 2 5, 19,
4 juv. — Sktl.
Ovis aries L.: 2.Sk. — 32 Sch::. 19 ad., 2%) Weisser.Ni nine
Aegypten, 3 9 nördl. Somaliland, 1 S Bergamasker, 1 spa-
nische Rasse, diverse 11; 13 juv. — Sktl.
Ovis musimon Pallas. 3 Sk.: 2 ©, Sardinien, 17 — 1 Sch. d,
Orgosoloberge, Sardinien.
Ovis vignei Blyth. 1 Sch.
Ovis ammon L. 2 Sch.
Ovis canadensis Shaw. 2 Sch.: 1 S. Felsengebirge, 1 Colorado.
Ovibos moschatus Zimm. 5 Sch.: 2 ©, Nordost-Grönland; 1 ©, 1
o juv., Ost-Grönland, 1 juv.
Bovinae.
Anoa depressicornis H. Smith. 3 Sk.: 1 juv., 19,1. — 3 Sch.: 1d,
Bone-Gebirge, 1 0°, Kema, 1 juv., Celebes.
Buffelus mindorensis Heude. 2 Sch.
Buffelus bubalus L. 1 Sk.®. — 8 Sch.: 2, Indragiri, Sumatra; 2
Ceylon; 1 S ad., 2 d juv., 19 juv., Italien. — 3 Gehörne.
Buffelus pumilus Turton. 1 Gehörn, Kongostaat. |
Buffelus aequinoctialis Blyth. 1 Sch., Weisser Nil.
Buffelus caffer Sparm. 2 Sch.: 1, Lieungo, Zambezia, 1.
Bibos gaurus Smith. 4 Sch.: 1 & Travancore, 1 & Cochin, 1 juv.,
Malabarküste, 1 neonat.
Bibos sondaicus Schl. & Müll. 1 Sk. juv. Bandjar, Java. — 2 Sch.
juv., Java. — 3 Gehörne: 2 d, 1 juv. Java. |
Poephagus grunniens L. 1 Sk. 9. — 3 Sch.: 29, Thibet, 1 neonat.
— Sktl.
Bison bonasus L. 1 Sk. J'.
Bison bison L. 4 Sk.: 37, 19 juv. — 4 Sch.: 109, 29, 1 juv.
Bos taurus L. Primigeniusrasse. 10 Sch.: 1 © Chillinghampark,
1 2 Lymepark, 1 © Hamilton Park, 1 2 Dolancothy,
England; 1® Vogelsberg, 1 © Oldenburg, 1 S Fries-
land, 12 Dänemark, 1 © Ungarn, 1 © Polen;
Brachycerosrasse. 10 Sch., 3 Gehörne: 1° Wallis, 32
Schwyz, 1 © Haslethal, 3%, 1 Gehörn, Graubünden,
. 2°, 2 Gehörne und Sktl., Algier.
Katalog der Osteologischen Sammlung. 213
Frontosusrasse. 11 Sch.: 69, 2 S Simmenthaler und
Frutigerschlag, 3 © Greierzerschlag.
Diverse. 2 Sch., Gallowayrasse; 3 Sch. 19, 29, 1 Ge-
hörn © Val d’Herens, Wallis; 2 Sch. « juv. Berner-
oberland; 3. Sch. © Schwarzwald; 1 Sch.® Wester-
wälderrasse; 1 Sch. Einsiedeln; 3 Sch. 2 7’, 1 © Japan,
alteinheimische Rasse. -—- 1 Sk. 5, 3 Sk. Foetus. —
33 Sch.: 10 Foetus und neonat, 15 juv., 8 ad. —
Gehörne und Sktl.
Bos indicus L. 3 Sk., 18 Sch.: 2 Sk. S'9, 3 Sch. Ceylon; 4 Sch.
SJ ® Brahminenrasse, 1 Sumatra; 2 Sch. © Kwantanrasse,
Indragiri, Sumatra; 1 Sk. Java; 1 Sch. Japan alteinhei-
mische Rasse; 1 Sch. Gallarasse, Sudan; 7 Sch.: 5 ad S'6,
2 juv. ohne Fundortangabe.
Ordnung Marsupialia.
Phalangeridae.
Phascolarctos cinereus Goldf. 3 Sch. — Sktl.
Phalanger celebensis Gray. 4 Sk.: 2d, Maros; 10, Masarang;
1 9, Tomohon, Celebes.
Phalanger ursinus Temm, 5 Sk.: 1 d, 1 © neonat. Kema; 1 J', Maros;
1, Tomohon, 1 Masarangkette, Celebes — 2 Sch.
Phalanger ornatus Gray. 2 Sch. juv.
Phalanger maculatus E. Geoff, 1 Sch. juv.
Phalanger orientalis Pall. 2 Sch.
Trichosurus vulpecula Kerr. 2 Sch.
Petauroides volans Kerr. 2 Sch.
Petauroides volans minor Coll. 1 Sch. ?, Queensland.
Petaurus sciureus Shaw. 2 Sch.
Petaurus breviceps Waterh. 1 Sch.
Phascolomyidae.
Phascolomys mitchelli Owen. 2 Sch., Victoria, Süd-Australien.
Macropodidue.
Macropus (Macropus) giganteus Zimm. 2 Sk. — 1 Sch. juv.
Macropus (Halmaturus) ruficollis bennetti Waterh. 3 Sk.: 1 d, 2 juv.
— 1 Sch.® juv.
Macropus spec. 1 Sch. juv.
Petrogale penicillata Gray. 1 Sch. — Sktl.
Dendrolagus ursinus Mull. & Schl. 1 Sch.
Potorous tridactylus Kerr. 2 Sch., New South Wales.
214 Pierre Revilliod.
Peramelidae.
Thylacomys lagotis Reid. 1 Sch.
Perameles nasuta E. Geoff. 1 Sk.
Dasyuridae.
Thylacynus cynocephalus Harris. 1 Sch., Tasmanien.
Sarcophilus satanicus Thomas. 1 Sk. — 1 Sch. Tasmanien.
Dasyurus maculatus Kerr. 1 Sch., Tasmanien.
Dasyurus spec. 1 Sch.
Dasyuroïdes byrnei pallidior Thomas. 1 Sk.
Phascologale apicalis Gray. 1 Sch. 2 juv.
Phascologale hillieri Thomas. 1 Sk.
Sminthopsis murina Waterh. 1 Sch. d.
Antechinomys spenceri Thomas. 1 Sk.
Myrmecobius fasciatus Waterh. 1 Sch.
Notoryctes typhlops Stirl. 1 Sk.
Didelphyidae.
Didelphys (Didelphys) marsupialis L. 1 Sk. — 3 Sch.
Didelphys (Didelphys) marsupialis aurita Wied. 3 Sch.
do Sul, 2 Brasilien.
: 1 Rio grande
Didelphys (Didelphys) mes americana Oken. 1 Sch. © juv., Guatemala.
Didelphys (Didelphys) virginiana Kerr. 1 Sk. — 6 Sch. — Sktl.
Didelphys (Metachirus) opossum Seba. 2 Sch., Guatemala.
Didelphys (Peramys) domestica Wagn. 1 Sk.
Didelphys (Marmosa) murina L. 1 Sk. — 1 Sch.®, Guatemala.
Didelphys (Marmosa) cinerea Desm. 1 Sch. ?, Brasilien.
Didelphys spec. 1 Sk. juv. — 1 Sch. — Sktl.
Ordnung Monotremata.
Echidna aculeata Shaw. Sktl.
Ornithorhynchus anatinus Shaw. 1 Sk. d.
AVES.
Ratitae.
Rhea americana L. 3 Sk. d,2. — 2 Sch. — Sktl.
Struthio camelus L. 1 Sk. . — 1 Sch.
Struthio molybdophanes Reich. Sktl.
Katalog der Osteologischen Sammlung. 215
Dromaeus novae holiandiae Lath. 3 Sk.
Casuarius casuarius L. 1 Sk.2. — Sktl.
Casuarius beccarii Sclat. 1 Sk. o.
Apteryx oweni Gould. 2 Sk.: 10
Seeland, 1.
, westl. Küste, Süd-Insel, Neu-
Carinatae.
Tinamiformes, Galliformes.
Tinamus robustus Sclat. 1 Sk. , Vera Paz, Guatemala.
Tinamus major Gm. 1 Sch., Brasilien.
Tinamus guttatus Pelz. 2 Sch., Brasilien.
Megapodius cumingi Dillw. 2 Sk. ;,®, Celebes.
Megacephalum maleo Hartl. 1 Sk. 5; 1 Sch., Kema, Celebes.
Crax carunculata Temm.i Sk. S.
Mitua mitu L. 1 Sch. mit Sktl.
Lagopus lagopus L. 6 Sk.: 40,2, Dänemark, — 2 Sch. mit Sktl.,
1 Dänemark, 1.
Lyrurus tetrix L. 2 Sk. — 2 Sch.: 12 mit Sktl., Maderanertal, 1.
Tetrao urogallus L. 1 Sk. . — 2 Sch.
Tympanuchus cupido L. 1 Sch.
Bonasa umbellus L. 3 Sch.
Tetrastes bonasia L. 1 Sk.
Caccabis saxatilis Wolf & Meyer. 2 Sk. — 1 Sch.
Perdix perdix L. 1 Sk. juv. — 1 Sch.
Coturnix coturnix L. 1 Sk.
Gennaeus nycthemerus L. 1 Sch. mit Sktl.
Gallus gallus L. 5 Sk.: 1 S Bankivarasse, Indragiri, Sumatra;
4 d,2 juv. — 8 Sch. — Sktl.
Pavo cristatus L. 3 Sk.: J,? juv. — 1 Sch. — Sktl.
Meleagris gallopavo L. 2 Sk. — 4 Sch.
Lophortyx californicus Shaw. & Nodd. 1 Sk.
Colinus virginianus L. 2 Sk. — 4 Sch.
Columbiformes.
Columba livia L. 1 Sk. juv. — 2 Sch.
Columba oenas L. 1 Sk.
Columba palumbus L. 1 Sk.
Ectopistes migratorius L. 2 Sch.
Turtur turtur L. 2 Sk.
Goura coronata L. 1 Sk. 7, Neu-Guinea,
Didus ineptus L. Kopf- und Extremitätenabgüsse.
216 Pierre Revilliod.
Ralliformes, Podicipedidiformes etc.
Rallus aquaticus L.
Aramides cayanea P. L. S. Müller. 1 Sch., Guayana.
Porphyrio caeruleus Vandelli. 2 Sk.
Fulica atra L. 2 Sk. — 2 Sch.
Podicipes fluviatilis Tunst. 2 Sk.
Lophaethya griseigena Bodd. 1 Sk.
Colymbus arcticus L. 1 Sch. mit Sktl.
Colymbus septentrionalis L. 2 Sk. — 4 Sch.
Catarrhactes chrysocome Forster. 1 Sk., Falkland-Ins.
Daption capensis L. 1 Sk. — 1 Sch.
Diomedea exulans L. 1 Sk. — 2 Sch.
Phoebetria fuliginosa Gm. 1 Sk., St. Paul.
Alca torda L. Sktl.
Fratercula arctica L. 1 Sch.
Lariformes.
Phaethusa magnirostris Licht. 1 Sch., Brasilien.
Sterna fluviatilis Naum. 1 Sch.
Sterna bergii Licht. 1 Sch., Neu-Guinea.
Larus ridibundus L. 3 Sk. — 1 Sch.
Larus fuscus L. 1 Sk.
Larus argentatus Gm. 1 Sk. — 1 Sch. mit Sktl.
Larus spec. 2 Sch., Aegypten.
Stercorarius parasiticus L. 1 Sch.
Charadriiformes, Gruiformes, Ardeiformes.
Vanellus vanellus EL. 2 Sk. — 2 Sch.
Charadrius pluvialis L. 1 Sch. mit Sktl.
Aegialitis hiaticola L. 1 Sk. juv.
Recurvirostra americana Gm. 1 Sch.
Recurvirostra avocetta L. 2 Sk.
Numenius arquata L. 1 Sk.
Limosa limosa L. 2 Sch.: 1 Aegypten, 1.
Ancylochilus subarquatus Guld. 1 Sch.
Gallinago gallinago L. 2 Sch., i Aegypten, 1.
Scolopax rusticula L. 3 Sch. :
Otis tarda L. 1 Sk, Thuringen. — 1 Sch., Neudorf b. Basel.
Grus grus L. 1 Sk. , Hochten, Baden. — 1 Sch.
Limnogeranus americanus L. 1 Sk. — 1 Sch.
Rhinochetus jubatus Verr & Des Murs. 1 Sk. ©, Ngoyé Tal, Neu
Kaledonien.
Geronticus calvus Bodd. 1 Sch., Natal.
Katalog der Osteologischen Sammlung. 217
Eudocimus ruber L. 1 Sk.
Platalea leucerodia L. 1 Sk. — 3 Sch.
Platalea alba Scop. 1 Sch., Natal.
Ciconia eiconia L. 2 Sk. — 5 Sch. — Sktl.
Mycteria americana L. 1 Sch.
Leptoptilus crumeniferus Less. 1 Sk.
Scopus umbretta Gmel. 1 Sk. co’.
Balaeniceps rex Gould. 1 Sk. ©.
Pyrrherodias purpurea L. 1 Sch.
Ardea cinera L. 3 Sk. — 2 Sch.
Ardea herodias L. 1 Sch., West-Indien
Nyctanassa violacea L. 1 Sch., West-Indien.
Syrigma cyanocephalum V. 2 Sch., Brasilien.
Botaurus stellaris L. 1 Sk.
Palamedeiformes, Phoenicopterifor mes.
Chauna cristata Sw. 1 Sk.
Phoenicopterus roseus Pall. 1 Sk. — 1 Sch.
Phoenicopterus ruber Bonn. 1 Sch.
'Anseriformes.
Cygnus cygnus L.. 1 Sch. — Sktl.
Cygnus olor Gm. 2 Sk. — Sktl.
Chenopsis atrata Lath. 1 Sk., Australien.
Cairina moschata L. 1 Sk.
Lampronessa sponsa L. 2 Sch.
Coscoroba coscoroba Mol. 1 Sk S.
Anser anser L. 2 Sch.
Anser erythropus L. 1 Sch.
Anser fabalis Lath. 2 Sk.: 1 Neudorf b. Basel, 1.
Anser spec. 3 Sch.
Casarca tadornoïdes J. v. S. 1 Sch.
Anas boscas L. 1 Sk.9. — 5 Sch.
Anas obscura Gm. 3 Sch.
Anas spec. 2 Sch.
Nettium crecca L. 2 Sch.
Querquedula querquedula L. 2 Sch.
Spatula clypeata L. 2 Sch.
Lophodytes cucullatus L. 2 Sch.
Merganser merganser L. 1 Sk.
Merganser serrator L. 2 Sk.
Phalacrocorax carbo L. 2. Sk. — 1 Sch.
Phalacrocorax graculus L. 1 Sk. — 1 Sch.
218 Pierre Revilliod.
Sula sula L. 1 Sch.
Pelecanus erythrorhynchus Gm. 1 Sch. 2, Guatemala.
Pelecanus onocrotalus Gm. 2 Sk.
Gathartidiformes, Accipitriformes, Strigiformes.
Sarcorhamphus gryphus L. 2 Sk.
Vultur monachus L. 1 Sk.®, Bukowina.
Gyps fulvus Gm. 1 Sk.
Neophron perenopterus L. 1 Sk. 2. — 1 Sch. ®.
Necrosyrtes pileatus Burch. 1 Sk.
Astur palumbarius L. 1 Sch. J'.
Accipiter nisus L. 2 Sk. — 1 Sch.
Accipiter cooperi Bp. 1 Sch.
Buteo buteo L, 4 Sk.
Buteola brachyura Vieill. 1 Sch., Brasilien.
Urubitinga anthracina Nitzsch. 1 Sch., Guatemala.
Thrasaetus harpyia L. Sktl., Surinam.
Gypaetus barbatus L. 1 Sch. — Sktl.
Aquila verreauxi Less. 1 Sch., Ceres, Capkolonie.
Aquila chrysaetus L. 1 Sk. — 1 Sch. — Sktl.
Archibuteo sancti-johannis Gm. 1 Sch.
Spizaetus nipalensis Hodgs. 1 Sk.
Circaetus gallicus Gm. 1 Sternum.
Haliaetus albicilla L. Sktl.
Milvus milvus L. 1. Sk. — 1 Sch. mit Sktl.
Pernis apivorus L. 1 Sk.®.
Falco peregrinus Tunst. 1 Sk. ©.
Cerchneis tinnunculus L. 5 Sk. — 1 Sch.
Cerchneis sparveria L. 1 Sch., Brasilien.
Pandion haliaetus L. 3 Sk.
Asio otus L. 6 Sch.
Bubo bubo L. 2 Sk. — 6 Sch. — Sktl.
Bubo virginianus Gm. 1 Sch.
Nyctea nyctea L. 1 Sch.
Scops scops L. 1 Sk.
Syrnium aluco L. 4 Sk. — 4 Sch.
Syrnium nebulosum Forst. 6 Sch.
Syrnium spec. 3 Sch.: 1, Brasilien, 2.
Glaucidium passerinum L. 1 Sk.
Strix flammea L. 1 Sk.
Strix rosenbergi Schl. 1 Sk. 5° juv., Tomohon, Celebes.
Strix perlata Licht. 1 Sch., Brasilien.
Katalog der Osteologischen Sammlung. 219
Psittaciformes.
Lorius spec. 1 Sk.
Microglossus aterrimus Gm. 1 Sch.. Aru-Ins.
Cacatua spec. 1 Sk.
Ara ararauna L. Sktl., Guayana.
Pachynus brachyurus Temm. & Kuhl. 1 Sch., Brasilien.
Pionus maximiliani Kuhl. 4 Sch., Brasilien.
Psittacus spec. 1 Sk. — 1 Sch.
Eclectus pectoralis P. L. S. Müller. 1 Sk.
Eclectus roratus P. L. S. Müller. 1 Sk., Celebes.
Melopsittacus undulatus Shaw. 1 Sk.
Agapornis spec. 1 Sch.
Coractiformes.
Pelargopsis fraseri Sharpe. 1 Sch., Sumatra.
Alcedo ispida L. 1 Sk. —- 2 Sch.
Dacelo gigas Bodd. 1 Sk. ©.
Buceros rhinoceros L. 5 Sch.: 2 juv. Kenawang, Palembang, Su-
Matra NC 2;
Buceros sylvestris Vieill. 1 Sk.
Dichoceros bicornis L. 1 Sch.
Hydrocorax hydrocorax L. 1 Sch.
Anthracoceros spec. 1 Sch.
Cranorrhynus corrugatus Temm. 2 Sch. Kenawang, Palembang, Su-
matra.
Rhytidoceros undulatus Shaw. 1 Sk.®, Borneo.
Anorrhinus galeritus Temm. 1 Sch. Grissik, Palembang, Sumatra,
Rhinoplax vigil Forst. 1 Sk. J' Oberlangkat, Sumatra. — 2 Sch.:
1, Sumatra, 1.
Upupa epops L. 2 Sk. — 1 Sch.
Caprimulgus europaeus L. 1 Sch.
Cypselus apus L. 4 Sk.
Cypselus melba L. 2 Sk.
Saucerottea cyanura Gould. 1 Sk., Guatemala.
Amazilla cinnamomea Less. 3 Sk., Guatemala.
Amazilla spec. 1 Sk., Guatemala.
Coccyges, Scansores, Piciformes.
Cuculus canorus L. 2 Sk. — 1 Sch.
Centropus goliath Bp. 1 Sch., Neu-Guinea.
Rhamphastos erythrorhynchus Gm. 1 Sk.
Rhamphastos toco Müll. 1 Schnabel.
220 Pierre Revilliod.
Andigena bailloni Vieill. 1 Sch., Brasilien.
Gecinus viridis L. 1 Sk. — 1 Sch.
Dendrocopus major L. 1 Sk.
Dendrocopus minor L. 1 Sch.
Picoides tridactylus L. 1 Sk., Andermatt,
Dendrocoptes medius L. 1 Sk.
Celeus flavescens Gm. 1 Sch.
Campophilus robustus Licht. 1 Sch., Brasilien.
Iynx torquilla L. 1 Sch.
Passeriformes.
Hirundo rustica L. 1 Sk.
Hirundo spec. 1 Sk., Guatemala.
Pitangus bolivianus Lafr. 2 Sch., Brasilien
Pyroderus scutatus Shaw. 1 Sch., Brasilien.
Cinclus aquaticus Bechst. 1 Sk.
Merula merula L. 2 Sch.
Merula amaurochalina Cab. 1 Sch., Brasilien.
Turdus viscivorus L. 2 Sk.
Turdus spec. 2 Sch.
Hylocichla musica L. 1 Sk.
Aedon megarhyncha Brehm. 3 Sk.
Hypolais icterina Vieill. 1 Sk.
Sylvia atricapilla L. 2 Sk.
Lanius excubitor L. 2 Sk. — 2 Sch.
Enneoctonus collurio L. 1 Sk.
Cyanistes caeruleus L. 1 Sk.
Sitta europaea L. 1 Sk.
Alauda arvensis L. 2 Sk.
Ligurinus chloris L. 1 Sk.
Coccothraustes coccothraustes L. 1 Sk. — 4 Sch.
Cardinalis cardinalis L. 1 Sk.
Fringilla coelebs L. 1 Sk.
Passer domesticus L. 1 Sk.
Serinus canarius L. 3 Sch.
Loxia curvirostra L. 1 Sk.
Loxia pityopsittacus Bork. 1 Sk.
Pyrrhula europaea Vieill. 2 Sch.
Munia oryzivora L. 1 Sch.
Quiscalus quiscalus L. 2 Sch.
Sturnus vulgaris L. 1 Sk. — 1 Sch.
Oriolus galbula L. 1 Sk. — 1 Sch.
ID
[80]
jahr
Katalog der Osteologischen Sammlung.
Trypanocorax frugilegus L, 4 Sch.
Corvus corax L. 1 Sk. — 1 Sch.
Corvus corone L. 1 Sk. — 4 Sch.
Corvus principalis Ridg. 2 Sch., Labrador.
Corvus spec. 2 Sch.
Nucifraga caryocatactes L. 1 Sk.
Garrulus glandarius L. 1 Sk.
Pyrrhocorax alpinus Vieill. 1 Sk. — 3 Sch.
REPTILIA.
Chelonia.
Cryptodira.
Chelydra serpentina L. 7 Sk.: 4 juv. — 54 Sch.
Cinosternum cruentatum Dum. 1 Sk., Guatemala. — 2 Schalen: I,
Guatemala; 1 5 juv.
Cinosternum integrum Leconte. 2 Sch., Guatemala.
Kachuga tectum Gray. 1 Sk.
Chrysemys picta Schn. 5 Sk. — 10 Schalen. — 151 Sch.
Chrysemys scripta Schoepf. 1 Sch. mit Schale.
Chrysemys ornata Gray. 1 Sch., Guatemala.
Chrysemis concinna Leconte. 1 Sk., Chiapca, N.-Amerika.
Bellia crassicolis Gray. 1 Schale, Sumatra.
Orlitia borneensis Gray. 1 Sk. 2, Indragiri, Sumatra.
Clemmys caspica Gm. 1 Sk. — 1 Schale.
Clemmys japonica Schl. 2 Sk. ,© juv., Japan.
Clemmys guttata Schn. 2 Sk. — 4 Sch.
Emys orbicularis L. 5 Schalen. — 1 Sch. — Sktl. juv.
Emys blandingii Holbr. 3 Sk. — 64 Sch. — 5 Schalen.
Geoemyda trijuga thermalis Lesson. 6 Sk., Ceylon. — 3 Sch., 5
Schalen, Ceylon. |
Geoemyda punctularia Daud. 1 Sk J', Brasilien.
Geoemyda punctularia areolata Dum. Schale und Sktl, Petensee,
Guatemala.
Notochelys platynota Gray. 2 Schalen: 1 mit Sktl., Palembang, Su-
matra, 1
Cyclemys dhor Gray. 1 Sch. mit Schale, Tandjong, S. O. Borneo,
Cinixys erosa Schw. 2 Sk., 1 Kamerun, 1. — Sktl. mit Schale.
Homopus areolatus Thunb. 1 Schale, Capland.
Testudo calcarata Schn. 1 Sk. co 1 Becken.
222 Pierre Revilliod.
Testudo elegans Schoepff. 2 Sk.; 1 Sch. und Sktl, Ceylon.
Testudo emys Schl. & Müll. Sktl., Sumatra.
Testudo graeca L. 4 Sk. — 2. Sch. — 6 Schalen und Sktl.
Testudo ibera Pal. 1 Sk. — 1 Schale.
Testudo marginata Schoepff. 1 Schale und Sktl.
Testudo nigrita Dum. & Bib. Sktl., Galapagos-Ins.
Testudo pardalis Bell. 2 Sk.
Testudo radiata Shaw. 4 Sk.; Sktl, Madagaskar.
Testudo tabulata Wälb. 1 Sk. S.
Testudo vieina Gunth. 1 Sk., Galapagos.
Testudo spec. 3 Sch.
Chelonia mydas L. 5 Sch. — 3 Schalen. — Sktl.
Chelonia imbricata L. 2 Sk. — 1 Sch.
Caretta caretta L. 4 Sk: 1, Salina Oruz, Mexico, 3. — 5 Sch.: 1,
W.-Afrika, 1 Mexico, 3. — 3 Schalen.
Pleurodira.
Sternothaerus niger Dum. & Bibr. 1 Sk., Kamerun.
Sternothaerus nigricans castaneus Shw. 1 Sk., Madagaskar.
Sternothaerus derbianus Gray. 1 Schale.
Sternothaerus spec. 2 Sch.
Pelomedusa galeata Schoepff. 1 Sk.
Podocnemis expansa Schw. 1 Sk. juv., Amazonenstrom. — 2 Sch.
— Extremitätenabgüsse.
Podocnemis unifilis Trosch. 1 Sk. , Brasilien.
Podocnemis madagascariensis Grandid. 1 Sk.
Chelys fimbriata Schn. 7 Sch., Surinam.
Hydromedusa maximiliani Mik. 1 Sk.
Chelodina longicollis Shaw. 1 Sk. — 1 Schale.
Rhinemys nasuta Schw. 1 Sch. mit Schale JS‘, Surinam.
Emydura macquariae Gray. 2 Sk.: 19, Bowen, 1 juv., Queensland.
Emydura latisternum Gray. 1 Sk. S, Port Mackay, Queensland.
Trionyx cartilagineus Bodd. 1 Sk. — 1 Sch., Tandjong, S. ©. Borneo.
— Sktl., Indragiri, Sumatra.
Trionyx muticus Lesueur. 1 Sk. juv., Mexico.
Tryonyx sinensis Wiegm. 2 Sk. — 1 Schale juv. mit Sktl.
Trionyx spiniferus Lesueur. 1 Sch.
Trionyx triunguis. 1 Sch. — Sktl.
Chitra indica Gray. 1 Sk., Calcutta.
Dogania subplana Geoff. 1 Sch. mit Sktl.
Cycloderma aubryi Dum. 1 Sch.
Emyda granosa vittata Pet. 6 Sk., Ceylon. — 3 Schalen.
IND
D)
[3%]
Katalog der Osteologischen Sammlung.
Crocodilidae.
Gavialis gangeticus Gmel. 1 Sch. S.
Tomistoma schlegeli Müller. 2 Sk.: 1 ad., 1 juv. Indragiri, Sumatra.
— 3 Sch.: 1 Borneo; 2 Indragiri, Sumatra.
Crocodilus americanus Laur. 1 Sch., Petensee, Guatemala.
Crocodilus niloticus Laur. 3 Sch.: 1 Mumie aus Fayum, 2.
Crocodilus palustris Lesson. 2 Sch.: 1 Cochin, Malabar; 1 juv., Ceylon.
Crocodilus porosus Schn. 4 Sch.: 1 Kema, Celebes; 1 Marosfluss,
S. Celebes; 1 Indien; 1 Neu-Brittanien.
Alligator mississipiensis Daud. 3 Sk.: 1 &, 2 juv. — 1 Sch.
Caiman sclerops Schn. 1 Sch., Guatemala.
Lacertilia.
Gecko verticillatus Laur. 1 Sk., Indien.
Tarentola mauritanica L. 1 Sk.
Draco volans L. 1 Sk., Java.
Lyriocephalus scutatus L. 1 Sk., Ceylon.
Calotes versicolor Daud. 1 Sk., Cochin, Malabar.
Anolis equestris Gray. 1 Sk., Cuba.
Anolis spec. 1 Sch.
Iguana tuberculata rhinolopha Wiegm. 1 Sk., Guatemala.
Ctenosaura acanthura Shaw. 2 Sch. — Sktl.
Phrynosoma orbiculare Wiegm. 1 Sk., Mexico.
Ophisaurus apus Pall. 1 Sk.
Anguis fragilis L. 1 Sk.
Varanus Salvator Laur. 1 Sk., Penang. — 3 Sch.: 1 Indragiri,
Sumatra; 2 Ceylon.
Varanus rudicollis Gray. 1 Sk.; 2 Sch., Indragiri, Sumatra.
Varanus spec. 1 Sk. — 2 Sch. — Sktl.
Tupinambis teguixin L. 3 Sch.
Teius teyou Daud. 1 Sch., Rio grande do Sul.
Amphisbaena fuliginosa L. 2 Sch.: 1 Guayana.
Lacerta ocellata Daud. 2 Sk. — 1 Sch.
Lacerta viridis Laur. 1 Sk.
Lacerta spec. 1 Sk. — 2 Sch.
Trachysaurus rugosus Gray. 1 Sk., Queensland.
Tiliqua gigas Schn. 1 Sk.
Lygosoma rufescens Shaw. 1 Sk.
Scincus officinalis Laur. 3 Sch.
Chalcides lineatus Leuck. 1 Sk.
Chameleon vulgaris Daud. 4 Sk. — 1 Sch.
Sphenodon punctatus Gray. 1 Sk.
224 Pierre Revilliod.
Ophidia.
Python molurus L. 1 Sk., Java.
Python reticulatus Schn. 1 Sch., Indragiri, Sumatra.
Python spec. 1 Sch.
Boa constrietor L. 1 Sch.
Boa imperator Daud. 1 Sch.
Boa spec. 2 Sch.
Eryx spec. 1 Sk. juv.
Acrochordus javanicus Hornst. 3 Sk., Indragiri, Sumatra.
Coluber coraïs Boie. 1 Sk., Guatemala.
Coluber obsoletus Say. 10 Sch., Ann-Arbor, Michigan.
Coronella austriaca Laur. 1 Sk.
Heterodon platyrhinus Latr. 1 Sk. — 1 Sch.
Tropidonotus natrix L 2 Sk. — 1 Sch.
Tropidonotus fasciatus L. 6 Sch., Ann-Arbor, Michigan.
Tropidonotus ordinatus sirtalis L. 76 Sch., Ann-Arbor, Michigan.
Tropidonotus subminiatus Schl. 1 Sch., Java.
Tropidonotus spec. 2 Sk. — 10 Sch., Nord-Amerika.
Zamenis constrictor L. 11 Sch., Ann-Arbor, Michigan.
Dryophis prasinus Boie. 1 Sch., Penang.
Vipera ammodytes L. 1 Sch., Agrinion, Griechenland.
Crotalus horridus L. 3 Sch.: 2 Ann-Arbor, Michigan, 1.
Lachesis gramineus Shaw. 1 Sch., Java.
Lachesis lanceolatus Lacep. 1 Sk., Martinique.
BATRACHIA.
Rana esculenta L. 1 Sk. juv.
Rana temporaria L. 3 Sk.
Rana guppyi Boul. 1 Sk., Salomon-Ins.
Rana halecina Kalm. 1 Sk. — 13 Sch.
Rana clamata Daud. 6 Sch.
Rana adspersa Tsch. 1 Sk., Pretoria.
Rana spec. 4 Sk. — 10 Sch.
Calyptocephalus gayi Dum. & Bib. 1 Sk.
Ceratophrys dorsata Wied. 1 Sk.
Ceratophrys spec. 1 Sk., Surinam.
Bufo vulgaris Laur. 2 Sk.
Bufo marinus Schn. 1 Sk., Guatemala.
Bufo spec. 3 Sk. — 2 Sch.
Hyla arborea L. 1 Sk.
Katalog der Osteologischen Sammlung. 225
Megalophrys nasuta Wagl. 1 Sk.
Bombinator igneus Laur. 1 Sk.
Pipa americana Laur. 1 Sk. ?.
Salamandra atra Laur. 3 Sk.
Salamandra maculosa Laur. 1 Sk.
Molge aspera Duges. 1 Sk. S.
Amblystoma tigrinum Green. 1. Sk. — 2 Sch.
Amphiuma tridactyla Cuv. 1 Sk.
Proteus anguinus Laur. 1 Sk.
Siren lacertina L. 2 Sk.
PISCES.
Elasmobranchii.
Notidanus griseus Gm. L. 3 Kiefer.
Heterodontus philippi Bl. 1 Unterkiefer, Japan.
Crossorhinus barbatus Gm. L. 1 Sch., Tasmanien.
Scyllium canicula L. 1 Sk.
Carcharias lamia Risso. 1 Sch. — 4 Kiefer.
Odontaspis ferox Risso. 1 Kiefer.
Lamna cornubica Gm. 3 Kiefer.
Lamna spallanzanii Bonap. 1 Unterkiefer.
Cetorhinus maximus Gunner. 1 Unterkiefer.
Scymnus lichia Cuv. 1 Sk. — 1 Sch.
Rhina squatina L. 1 Sch.
Sphyrna zygaena L. 1 Sk.
Pristis cuspidatus Lath. 2 Schwerte, Ceylon.
Pristis spec. 1 Schwert, Stiller Ozean, Guatemala.
Pristis spec. 4 Schwerte.
Raja clavata L. 1 Sk. — 2 Sch. — Sktl.
Raja spec. 1 Sch. — 1 Kiefer.
Myliobatis aquila L. 1 Kiefer.
Myliobatis bovina Geoff. 1 Kiefer.
Ganoidei.
Polypterus bichir Geoff. 1 Sch.
Amia calva L. 1 Sk. — 1 Sch.
Lepidosteus osseus L. 1 Sch.
Lepidosteus platystomus Kirtl. 1 Sch. und Sktl.
226 Pierre Revilliod.
Malacopterygii.
Salmo salar L. 2 Sk. — 1 Sch.
Coregonus lavaretus L. 1 Sk.
Ostariophysii.
Leporinus elongatus Cuv. & Val. 1 Sch.
Serrasalmo piraya Cuv. 1 Sk., Surinam.
Abramis brama L. 2 Sk. — 1 Sch.
Aspius rapax Agass. 1 Sch.
Barbus vulgaris Flemm. 3 Sk.
Chondrostoma nasus L. 4 Sk.
Tinca vulgaris Cuv. 1 Sk.
Cyprinus carpio L. 4 Sch.
Leuciscus cephalus L. 1 Sk.
Misgurnus fossilis Gesn. 3 Sk.
Ciarias anguillaris L. 1 Sk.
Clarias gariepinus Burch. 1 Sk., Voltafl. W.-Afrika.
Clarias macracanthus Gunth. 1 Sch., Nil.
Silurus glanis L. 2 Sk.: 1, Laufenburg; 1, Mumpf. — 1 Unterkiefer.
Amiurus catus L. 2 Sch.
Arius spec. 1 Sk.
Auchenaspis biscutatus Geoff. 1 Sk., Voltafluss, W.-Afrika.
Apodes, Haplomi etc. Anacanthini.
Anguilla vulgaris Turt. 1 Sk.
Conger vulgaris Cuv. 2 Sch.
Esox lucius L. 1 Sk. — 1 Sch.
Esox reticulatus Lesueur. 1 Sch.
Syngnathus peckianus Stor. 2 Sk.
Ophiocephalus lucius Cuv. & Val. 1 Sch.
Trachyrhynchus trachyrhynchus Risso. 1 Sk.
Merlucius vulgaris Flemm. 1 Sk. — 1 Sch.
Raniceps trifurcus Walb. 1 Sch.
Gadus aeglefinus L. 1 Sk.
Gadus morrhua L. 1 Sk. — 1 Sch.
Lota vulgaris Cuv. 2 Sk.
| Acanthopterygii.
Perca fluviatilis L. 2 Sk.
Lucioperca canadensis Smith. 1 Sk. — 1 Sch.
Box salpa Cuv. & Val. 1 Sch.
Katalog der Osteologischen Sammlung.
Scatophagus argus Cuv. & Val. 1 Sk.
Scolopsis auratus Mungo. 1 Sk., Java.
Labrus spec. 1 Sk.
Pseudoscarus troschelii Bleek. 1 Sk., Java.
Scomber scomber L. 3 Sk.
Tetrapturus belone Cuv. & Val. 1 Sch.
Psetta maxima Will. 4 Sch.
Psetta laevis Bond. 1 Sk.
Gobius cruentatus Gm. 1 Sk.
Remora remora L. 1 Sk.
Scorpaena porcus L. 1 Sk.
Scorpaena serofa L. 1 Sk.
Scorpaena spec. 1 Sk.
Cottus gobio L. Sktl.
Trigla hirundo Bl. 1 Sk.
Trigla lyra L. 2 Sk.
Trigla spec. 1 Sch.
Peristethus cataphractum L. Gm. 1 Hautskelett.
Trachinus draco L. 1 Sk.
Uranoscopus scaber L. 1 Sk. — 1 Sch.
Anarrhichas lupus L. 1 Sk. — 2 Sch. — Sktl.
Zoarces viviparus L.
Opisthomi, Pediculati, Plectognathi.
Mastacembelus erythrotaenia Bleek. 1 Sk., Borneo.
Lophius piscatorius L. 2 Sk.
Ostracion cornutus L. 3 Hautskelette, Japan.
Tetraodon fahaka Hossel. 1 Sk.
Tetraodon spec. 1 Sch.
Chilomycterus jaculiferus (Cuv.) 1 Sch., San Francisco
Diodon spec. 1 Sk.
Monacanthus setifer Benn. 1 Sk.
Manuskript eingegangen 30. August 1913.
[AU]
1
Die mutmasslichen geologischen Profile des neuen Hauenstein-
und des Grenchenbergtunnels im Schweizer Jura.
Mit 2 Tafeln.
Von
A. Buxtorf, Basel.
Inhaltsübersicht.
Einleitung: al. 0. RS ee CN 22
je Neuer Hiauenstemtunnel MP RSS 2:2
2. Grenchenbergtunnel 2} "2; us "Le N =
3: Schlusswort... ana ee RS
Einleitung.
Unsere Kenntnisse vom innern geologischen Bau des Schwei-
zerischen Juragebirges werden in nächster Zeit eine beträchtliche Er-
weiterung erfahren. Nicht weniger als dreineue Juradurch-
stiche, die alle ihrer Länge nach die bisher bestehenden bedeutend
übertreffen, stehen gegenwärtig in Bau und sind berufen, das schwei-
zerische Eisenbahnnetz in tiefgreifender Weise zu vervollständigen.
Der neue Hauenstein- oder Hauensteinbasis-
tunnel (Länge 8135 m) zwischen Olten und Tecknau tritt an die
Stelle des 1858 eröffneten alten Hauensteins. Während die alte
Hauensteinlinie von Sissach aus erst in langem Anstieg durch das
Homburgertal die Höhe von Läufelfingen (558 m) gewinnt, um dann
in kurzem Tunnel von 2496 m den Kettenjura zu durchstechen, folgt
das neue Bahntrace dem Haupttal der Ergolz bis Gelterkinden, biegt
hier ins Eital ein und führt von dessen Sohle (449 m ü. M.) aus
in über 8 km langem Basistunnel direkt in die Aareebene bei Olten
(405 m).
Der Grenchenbergtunnel (Länge 8565 m) zwischen
Münster und Grenchen hat vor allem Bedeutung als Zufahrt zur
Lötschberglinie; durch ihn wird der mit beträchtlicher Steigung ver-
bundene Umweg, den die bestehende Jurabahn über Tavannes und
Sonceboz ausführen muss, bevor sie bei Biel ins Aaretal ausmündet,
ganz abgeschnitten.
Neuer Hauenstein- und Grenchenbergtunnel. 229
Der Mont d’Or-Tunnel (Länge 6099 m) endlich schafft
eine raschere Zufahrt von Paris über Dijon zur Simplonroute und
verkürzt damit die Strecke Parıis-Mailand.
Verschiedene Umstände brachten es mit sich, dass ich im Laufe
der letzten Jahre mich mehrfach mit geologischen Vorstudien für zwei
dieser Tunnelbauten, nämlich Hauenstein und Grenchen-
berg zu befassen hatte. Auch von anderer Seite sind ähnliche Unter-
suchungen ausgeführt worden; aber alle diese Arbeiten haben als Ge-
legenheitsstudien in der geologischen Literatur kaum Eingang oder
Berücksichtigung gefunden. Es erscheint deshalb wohl nicht ganz ohne
Interesse, wenn ich im Folgenden versuche, einen kurzen Ueberblick
zu geben über die diversen prognostischen geologischen Profile, welche
im Laufe der letzten Jahre für den neuen Hauenstein- und den
Grenchenbergtunnel entworfen worden sind. Späteren Jahren ist es
dann vorbehalten, Prognosen und Befunde zu vergleichen und abzu-
wägen, ob unsere Anschauungen vom Bau des Kettenjura sich bewährt
haben, oder ob und in welchem Sinne sie zu modifizieren sind.
Besondere Bedeutung für die Diskussion tektonischer Fragen
kommt den beiden nordschweizerischen Tunnelbauten namentlich auch
deshalb zu, weil sie A bschnitte des Juragebirges durchqueren, die nach
vollständig verschiedenem Grundplan gebaut sind:
Der neue Hauensteintunnel durchbricht das dem
Schwarzwald südlich vorgelagerte Juragebirge, das durch seine
scharfe Gliederung in Tafel- und Kettenjura, ferner durch
das Auftreten von Ueberschiebungen und Schuppen am
Nordrande und im Innern der Ketten ausgezeichnet ist.
Der Grenchenbergtunnel dagegen quert den Jura im
Abschnitt südlich der oberrheinischen Tiefebene, in
welchem die weithin ziehenden Falten- und Muldenzüge des Ketten-
Jura ihre reinste Entwicklung aufweisen.
1. Neuer Hauensteintunnel (Länge 8,135 m) !).
(Vgl. Siegfriedblätter Gelterkinden Nr. 31, Läufelfingen Nr. 147 und Olten Nr. 149.
Nordportal auf Bl. Gelterkinden, südlich Tecknau, südwestlich E von „Eithal“
am Strassenrand; Südportal auf Bl. Olten, nordöstlich Olten, nördlich g von
„Rankwage“* genau am Waldrand.)
Das Gebiet des neuen Hauensteintunnels ist seiner Geologie nach
gut bekannt. Die nördlichste Tunnelstrecke bis ca. 1 km ab Nord-
1) Die Veröffentlichung dieses Ueberblicks über die geologischen Vor-
arbeiten für den neuen Hauensteintunnel sollte schon im Frühjahr 1912
erfolgen, im Anschluss an die Exkursion, die der Oberrheinische geologische
230 A. Buxtorf.
portal liegt auf dem s. Z. durch mich bearbeiteten Kartengebiet
Gelterkinden.?) Für den südlıch folgenden Südrand des Tafel-
jura und den angrenzenden Kettenjura, dessen Aufnahme Prof.
F. Mühlberg durchführt, liegen farbige Spezialkarten bis jetzt noch
nicht vor, dagegen hat der genannte Forscher mehrfach geologische
Berichte mit Profilen dieses Gebietes veröffentlicht, die auch für den
neuen Tunnel grosse Bedeutung besitzen.>)
Endlich sei erwähnt, dass sich auch J. T. Mandy mit der Geo-
logie des Hauensteingebietes befasst und u. a. eine geolosische Karten-
skizze und Profile entworfen hat.)
Liegen somit zahlreiche geologische Vorarbeiten vor, so wird die
Konstruktion des prognostischen Tunnelprorıle
noch dadurch erleichtert, dass einige tiefeingeschnittene Täler zuver-
lässigen Einblick gewähren ın den speziellern Gebirgsbau. So kommt
für den nördlichen Tunnelabschnitt vor allem das Eital und sein Ober-
lauf in Betracht, für den südlichen die kleinen Talrinnen, die sich vom
Dottenberg aus gegen Bad Lostorf, Mahren und Trimbach hinunter-
ziehen. Es ist ferner zu beachten, dass der Kettenjura des Tunnel-
gebietes ein beträchtliches Ansteigen der Faltenaxen nach Westen
zu erkennen lässt; dadurch gelangt ein grosser Teil der im Tunnel
zu erwartenden Schichten speziell der Burgfluhmulde in der Um-
gebung von Dorf Wisen zu oberflächlichem Ausstreichen und gestattet
Prüfung und Rückschlüsse für den Tunnel selber. Dieses axiale An-
steigen bedingt freilich auch, dass die Befunde des ca. 3!/; km west-
licher liegenden alten Hauensteintunnels für den neuen Durchstich
nur von beschränkter Bedeutung sind. Die Muschelkalkschuppen des
alten Tunnelprofils tauchen schon westlich Dorf Wisen unter; im
Gebiet des neuen Tunnels herrscht oberflächlich ein anderer und ein-
facherer Bau. Wertvoll sind dagegen die genauen Mächtigkeitsan-
Verein an Ostern 1912 unter meiner Leitung von Olten nach Sissach aus-
führte. Leider traten aber verschiedene Umstände hindernd in den Wes,
sodass ich erst im Sommer 1913 das betreffende Manuskript fertigstellen
konnte. Indem ich nun noch eine im September und Oktober 1915 abgefasste
entsprechend gehaltene Zusammenstellung über den Grenchenbergtunnel
beifügen kann, dürften meine Ausführungen — trotz der Verspätung — eher
an Interesse gewonnen haben.
2) Vgl. A. Buxtorf: Geolog. Beschreibung der Umgebung von Gelter-
kinden. Beitr. z. geol. Karte d. Schweiz. N. F. XI. Liefg.
3) Vgl. besonders F. Mühibergs Profile im Livret guide géol. 1894.
BISV rot 6 MernerMEclos ae seol Helv VITE UTa 2 NET
4) J. T. Mandy: Geolog. Untersuchungen in d. Umgebung d. Hauen-
steintunnels, Dissert., Freiburg i.B., 1907.
Neuer Hauenstein- und Grenchenbergtunnel. 231
gaben für Muschelkalk, Keuper und Lias, welche das Profil des alten
Tunnels im südlichen Teile abzulesen gestattet.5)
Die erste spezielle geologische Begutachtung des
neuen Tunneltrace ist von Prof. F. Mühlberg (Aarau) im
Auftrage der Generaldirektion der Schweizerischen Bundesbahnen
ausgeführt worden. Ende 1910 ist dieses „Geologische Gut-
achten über den projektierten Hauenstein-Basis-
Tunnel“ von den Schweizerischen Bundesbahnen (Generaldirek-
tion) im Druck herausgegeben worden als Beilage Nr. 11 ‚Neue Linie
von Sissach über Tecknau nach Olten“. Wie mir Herr Prof. Mühlberg
s. Z. persönlich mitgeteilt hat, ist freilich der Text des Gutachtens
nicht ganz im ursprünglichen Umfange, sondern nur in etwas ge-
kürzter Form zur Drucklegung gelangt.
Ich verdanke Herrn Prof. Mühlberg auch die freundliche Aus-
kunft, dass das von ihm begutachtete Projekt eine Tunnellänge von
8245 m vorsah (Nordportal bei 28.640 m, Südportal bei 36.885 m
ab Station Basel). In der Folge ist dann unter Beibehaltung der
Richtung das Nordportal etwas südlicher gewählt worden, sodass der
definitive Tunnel nur 8135 m Länge aufweisen wird.)
Es kann nun selbstverständlich nicht meine Aufgabe sein, hier
näher auf alle Details des genannten Gutachtens einzutreten, umso
weniger als dasselbe dank der Freundlichkeit des Verfassers wohl
den meisten Interessenten zugänglich geworden sein dürfte. Das
oberste Profil der Tafel I gibt das von Prof. Mühlberg 1910 ent-
worfene „Geologische Längenprofil des künftigen
Hauensteintunnels“ wieder und gestattet eine rasche Orien-
tierung über die vorliegenden Probleme.” )
Was zunächst die Stratigraphie anbetrifft, so sind im Tunnel-
trace alle Sedimente vom mittleren Muschelkalk an
bis und mit untern Malm zu erwarten. Ausserdem stellen sich
5) Vgl. W. Pressel u. J. Kauffmann: Der Bau des Hauensteintunnels
auf der schweizerischen Centralbahn ; Basel u. Biel 1860. Die in diesem
Werke enthaltenen geolog. Angaben sowie das beigegebene Tunnelprofil
1 : 2500 dürften im wesentlichen auf Amanz Gressly zurückzuführen sein.
6) Ich möchte bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, dass wohl infolge
eines zeichnerischen Versehens das Mühlberg’sche Profil beim Nachmessen
eine Tunnellänge von ca. 8310 m ergibt, statt nur 8245. Das Nordportal ist
richtig bei 28,640 angegeben, das Südportal dagegen bei ca. 36,950, sodass
in der Zeichnung das Südportal um ca. 65 m zu weit südlich liegt.
7) Eine verkleinerte Reproduktion dieses Profils hat übrigens Prof.
Mühlberg schon veröffentlicht in seiner Abhandlung „Der Boden des Aar-
zaus“ (Festschrift zur Feier des hundertjährigen Bestandes der aargauischen
Naturf. Gesellsch. Aarau 1911).
232 A. Buxtorf.
transgredierend über untern Malm bezw. obern Dogger noch mächtige
obermiocaene Bildungen ein, während quartäre Ab-
lagerungen nur in der Nähe der Tunnelportale zu erwähnen
sind. Prof. Mühlberg stellt auf einer besonderen Tafel zwei
schematische Profile der ,,Schichtenfolge im Tafel- und Kettenjura“
einander gegenüber und orientiert uns damit über die Beschaffenheit
und Mächtigkeit der einzelnen Gesteinshorizonte. Es sei kurz be-
merkt, dass in der südlichen und mittleren Tunnelstrecke die Facies-
entwicklung genau den Verhältnissen entspricht, wie sie von Prof.
Mühlberg in den „Erläuterungen zur geologischen Karte der Um-
gebung von Aarau“ (Spezialkarte Nr. 45 der Publikation d. Schweiz.
geol. Kom.) für das östlich benachbarte Gebiet sehr eingehend be-
schrieben worden sind. Für die nördlichste Tunnelstrecke kann ich
auf meine schon genannte „Geologische Beschreibung der Umgebung
von Gelterkinden‘‘ verweisen.
Für den Gebirgsbau des Tunnelgebietes sind folgende Grundzüge
bezeichnend : Die südlichen zwei Fünftel des Tunnels gehören dem
Kettenjura an, die nördlichen drei Fünftel dem Tafeljura,
die Trennung der beiden Abschnitte ist gegeben in der sogen.
„Ueberschiebungszone‘.
Im Kettenjura sind zu unterscheiden :
a) Die Mulde der Burgifluh.
b) Der Gewölbekern zwischen Burgfluh und Dottenbere.
ce) Der Südschenkel Dottenberg-W ilmat.
Die Mulde der Burgfluh, deren flach nach Süden ein-
fallender Nordschenkel im Tunnelgebiet den Nordrand des Ketten-
jura überhaupt bildet, zeigt einen steilstehenden Südschenkel, in
welchem voraussichtlich mit reduzierten Gesteinsmächtigkeiten und
wohl auch mit Zerreissungen und Ausquetschungen einzelner
Schichten zu rechnen ist.
Für. dn Gewölbekern zwischen Burgfluh und
Dottenberg bezeichnet es Prof. Mühlberg als sehr wahrscheinlich,
dass er aus Gesteinen der Anhydritgruppe bestehe, betrachtet
es aber als nicht unmöglich, dass auch hier Fetzen von jüngern,
aufgeschürften Formationen vorkommen könnten; diese
würden eine weite Südwärtserstreckung des Tafeljurasüdrandes an-
zeigen. Das Auftreten von Muschelkalkschuppen, ähnlich wie ım
alten Hauenstein, betrachtet Prof. Mühlberg als nicht wahrscheinlich,
aber immerhin als möglich. Prof. Mühlberg fasst seine Ansicht über
diesen Gewölbekern dahin zusammen, dass er in seinem Profil die
Lagerungsverhältnisse möglichst einfach dargestellt habe, weil es am
wahrscheinlichsten sei, ,,dass die einzelnen Schichten an der Stelle
und in der Lage getroffen werden, wie sie gezeichnet sind und weil
Nener Hauenstein- und Grenchenbergtunnel. 233
Abweichungen von dieser Lage nicht voraus erkannt werden können‘.
(S. 10.)
Der Südschenkel Dottenberg-Wilmatt zeigt eine
regelmässige Schichtserie Anhydritgruppe — Unterer Malm; dabei
herrscht am Dottenbergkamm ein südliches Einfallen von gegen 40°,
gegen das Tunnel-Südportal zu aber setzt immer flachere Lagerung
ein. Eine am Dottenbergabhang erkennbare Verwerfung (Sprung-
höhe ca. 30 m) wird auch im Tunneltrace vorausgesetzt, jedoch mit
geringerer Sprunghöhe.
In der Ueberschiebungszone setzt Prof. Mühlberg Materialien
voraus, die bei der nordwärts gerichteten Ueberschiebung des Ketten-
jura aus der Tiefe aufgeschürft worden sind. Derartige „aufge-
schürfte Materialien“ begleiten an vielen Stellen in nächster Nähe
des Tunnels die Ueberschiebung und zwar beteiligen sich am Aufbau
dieser Schürffetzen abwechselnd alle im Gebiet vorkommenden Ge-
steine vonı Keuper bis Tertiär. Auch für das Tunneltrace muss mit
der Begegnung derartiger Schürfmassen gerechnet werden ‚ohne dass
man jedoch zum voraus ihre Lage, Gesteinsart und Mächtigkeit genau
voraussagen könnte“. (S. 10.)
Der Tafeljura des Tunnelgebietes stellt im Gegensatz zu andern
Gebieten keine einfache, regelmässige Sedimentplatte dar, sondern
zeigt: mehr oder weniger deutlich ausgeprägte Wellen und Falten,
welche zurückzuführen sind auf den Druck, den der von Südosten
herangeschobene Kettenjura auf sein nördliches Vorland ausgeübt hat.
Eine ersteschwache Einmuldung zeigt sich zwischen
Nordportalund Hinterholz; daran reiht sich bei Fohren-
weideinflaches Gewölbe, dessen Südschenkel erst ganz flach
(4°), später steiler (bis 10°) gegen den Sprüsel zu einfällt. Im
Sprüsel erscheint sodann ein scharf ausgeprägtes kleines Gewölbe,
das der nach Osten untertauchenden Hombergkette entspricht.
Prof. Mühlberg neigt am meisten zu der Ansicht, dass das Gewölbe
„im Tunnel normalen Bau immerhin mit steilerem Nordschenkel
zeigen werde“. (S. 9.)
Den grössten Schwierigkeiten begegnet die Beurteilung des s ü d-
lichsten Tafeljuraabschnittes zwischen Sprüselfalte und
Ueberschiebungszone. Aus den Ausführungen Mühlbergs geht klar
hervor, dass sein Profil nur den einfachsten der möglichen Fälle dar-
stellt; nachdrücklich wird betont, wie möglicherweise auch südlich
der Sprüselfalte der Tafeljura noch tektonisch gestört sein könnte, im
besondern wird an dessen Südrand eine Aufstülpung der Schichten
vermutet, event. verbunden mit Stauchungen, Verwerfungen, Falten-
bildungen. Die Frage, ob und in welcher Ausdehnung das Tertiär
vom Tunnel noch angeschnitten werde, lässt Mühlberg unentschieden
234 A. Buxtorf,
und bringt dies auch im Profil zum Ausdruck, indem er das Tertiär
den Tunnel eben noch von oben her tangieren lässt.
Damit glaube ich den Inhalt des Mühlberg’schen Gutachtens,
soweit er sich auf rein Geologisches bezieht, im Wesentlichen skizziert
zu haben. Grosses Interesse würden selbstverständlich auch die übri-
gen Abschnitte über „Die Beziehungen, zwischen dem Tunnel und
den von ihm zu durchfahrenden (Gresteinen‘“, ferner die Bemerkungen
über Quellen- und Wasserführung sowie Felstemperaturen bean-
spruchen, doch liegt dies ausserhalb der Aufgabe, die ich mir gestellt
habe.
Bald nach Erscheinen des Gutachtens Mühlberg (Dez. 1910) bot sich
mir Gelegenheit, gleichfalls den Problemen des neuen Hauenstein-
durchstiches näher zu treten. Die Firma Alb. Buss & Co. in Basel
beauftragte mich, das Hauensteingebiet einer erneuten und ganz un-
abhängigen Untersuchung zu unterwerfen und eine Prognose des pro-
jektierten Tunnels zu geben. Auch aus diesem Gutachten soll nun
an dieser Stelle nur das geologisch Interessante herausgegriffen und
einer näheren Besprechung unterworfen werden. Das meinem Gut-
achten beigegebene prognostische Profil (Originalmasstab 1: 10,000)
ist im zweiten Profil der Tafel I auf 1: 25,000 verkleinert repro-
duziert worden. Ich füge noch bei, dass dieses verkleinerte Profil
zusammen mit der Kopie des prognostischen Profils Mühlberg, an
die Mitglieder des oberrheinischen geologischen Vereins, die an Ostern
1912 die Exkursion Olten-Gelterkinden mitmachten, zur Verteilung
gelangt ist.
Ein Vergleich des Profils Mühlberg mit dem meinen gestattet
nun sofort abzulesen, wo unsere Auffassungen sich decken, wo sie
divergieren.
Hinsichtlich Stratigraphie liegen, abgesehen von einigen kleinen
Abweichungen in den Mächtigkeiten für Keuper, Argovien und Ter-
tiär, wesentliche Unterschiede nicht vor. Ich habe Mühlbergs An-
gaben im allgemeinen nur bestätigen können.
Auch im Gebirgsbau herrscht in den grossen Zügen gute Ueber-
einstimmung, nur im Detail machen sich einige allerdings nicht un-
wichtige Differenzen geltend, die kurz zu präzisieren sind.
Was zunächst den Kettenjura anbetrifft, so erscheint in
meinem Profil die Asymmetrie der Burgfluhmulde noch viel aus-
geprägter als bei Mühlberg; der Südschenkel ist so gut wie voll-
ständig unterdrückt und auf dessen spärlichen Resten ruht direkt
und ohne Gewölbebiegung die normale Serie des Dottenbergs. Die
Dottenbergserie erscheint also auf den Südrand
der Burgfluhmulde überschoben.
Neuer Hauenstein- und Grenchenbergtunnel. 235
Ich kenne die Gründe nicht, welche Herrn Prof. Mühlberg be-
stimmten, zwischen Burgfluh und Dottenberg einen geschlossenen
Muschelkalkgewölbescheitel anzunehmen. Meine eigenen Beobach-
tungen im Felde haben mich aber nach und nach dazu geführt, im
Gegensatz zu Mühlberg eine Ueberschiebung der Dotten-
bergserie anzunehmen.®)
Für die in der Dottenbergsüdabdachung auftretende
klene Verwerfung wird ein steil nördliches Einfallen der Ver-
werfungskluft vermutet, gestützt auf die Beobachtung ähnlich ge-
richteter Klüfte 1m Rogenstein südlich der Störung.
Die Ueberschiebungszone wird von Prof. Mühlberg und
mir ım grossen Ganzen ähnlich gedeutet. Ich habe in meinem Gut-
achten für das Tunneltrace folgende 3 Fälle vorgesehen :
a) Die Anhydritgruppe ruht längs glatter Ueberschiebung
dırekt auf dem Tertiär auf, wie beim alten Hauenstein-
Wasserstollen.
b) Zwischen Anhydritgruppe und Tertiär erscheinen in nicht
sehr grosser MächtigkeitaufgeschürfteMaterialien
(am wahrscheinlichsten Keuper, Lias, unterer Dogger, even-
tuell auch Hauptrogenstein ).
c) Der Südrand des Tafeljura weist eine Aufstülpung der
Schichten auf, welche bis ins Tunneltrace aufsteigt, und erst
auf diese aufgestülpten Schichten legen sich verschürfte Mate-
rialien bezw. die überschobene Anhydritgruppe.
35) Folgende Aufschlüsse waren für mich vor allem ausschlaggebend:
1. Wie im Profil angegeben, erscheint in der Nähe des Tunneltracé die Haupt-
rogensteinplatte der Burgfluh nach Süden zu scharf abgeschnitten und
nur wenig aufgestülpt. 2. Am Waldweg südwestlich des „Grossen Kastel‘
(ca. 1 km östlich Burgfluh) stehen die Blagdeni-Schichten des Südrandes der
Burgfluhmulde an; am Abhang unmittelbar südwestlich des Weges stossen
wir aber schon auf den Muschelkalk der Dottenbergserie. Zwischen beiden
Aufschlüssen muss also eine gewaltige Störung durchlaufen, es fehlt ein
Muldensüdschenkel fast ganz, der Dottenbergmuschelkalk ist angeschoben
an das Bajocien der Burgfluhmulde. 3. Nirgends auf der ganzen Strecke
südlich Wiesenfluh u. Burgfluh gelang es mir, einen Muschelkalk-Nord-
schenkel zu finden. Aller Muschelkalk zeigt dort Südfallen und gehört zur
Dottenbergserie. ;
Es sei der Vollständigkeit halber noch bemerkt, dass @. Steinmann's
Schüler, J. T. Mandy, da wo ich eine Ueberschiebung der Dottenberg-
serie voraussetze, eine Längsverwerfung annimmt. Im Profil I seiner
Tafel 2, das etwas westlich des Tunneltracé durch den Fluhberg gelegt ist,
zeichnet er diese Verwerfung steil nordfallend ein, während meine
Ueberschiebung unter ca. 609 nach Süden geneigt wäre. Ich habe für
Mandy's Auffassung keine Stütze finden können und kann ihm auch in
manchen andern Punkten nicht beipflichten, doch ist hier nicht der Ort zu
ausführlicherer Kritik.
236 A. Buxtorf.
Von diesen drei Möglichkeiten bezeichnete ich die zweite (b)
als wahrscheinlichste, wobei freilich im Profil den ‚„aufgeschürften
Materialien“ nur eine sehr geringe Mächtigkeit eingeräumt wurde.
Auch im Tafeljura bestehen zwischen den Profilen von Mühl-
berg und mir nur sehr kleine Unterschiede.
Die nördlichste Strecke: Nordportal, Hinterholz, Fohrenweid
wird durchaus übereinstimmend gedeutet. Dagegen wird die Ein-
muldung von „Auf der Egg“ von mir viel tiefer, das südlich folgende
Sprüselgewölbe bedeutend breiter aufgefasst als dies Mühlberg's Pro-
fil angibt.?) Der südlichste Tafeljuraabschnitt endlich entzieht sich
wie schon oben bemerkt einer genaueren Beurteilung ganz; ich habe
dies im Profil ausser durch punktierte Schichtgrenzen, noch durch
Fragezeichen ausdrücklich hervorgehoben. Wie Mühlberg, so rechne
auch ich mit der Möglichkeit, dass noch südlich der Sprüselfalte
der Tafeljura tektonisch gestört sein könnte. In einem Punkte habe
ich dagegen sowohl in Text als Profil mich bestimmter ausgedrückt
als Mühlberg, indem ich nämlich in der Nähe der Ueberschiebungs-
zone die Tertiärbildungenbisübers Tunneltracehin-
abgreifen liess und somit ein Begegnen des Tertiärs im Tunnel
als so gut wie sicher annahm.
Eine Gelegenheit zu erneuter Prüfung des prognostischen
Tunnelprofils bot sich mir Ende 1912, als ich auf Wunsch der den
Tunnelbau ausführenden Tiefbau-Aktiengesellschaft Julius Berger,
Berlin, eine ergänzende Begutachtung auszuführen hatte. Mit dem
Tunnelbau war Anfang 1912 begonnen worden, zur Zeit dieser noch-
maligen Untersuchungen stand der Vortrieb auf der Nordseite bei
70 m, auf der Südseite bei 1680 m ab Portal. Das von mir im De-
zember 1912 gleichfalls im Masstab 1: 10,000 entworfene Profil ist
9) Ich möchte bei dieser Gelegenheit nicht versäumen, auf die
interessanten Verhältnisse im Scheitel der Sprüselfalte‘ hinzuweisen, die
1910 durch den Bau eines Fahrweges Zeglingen-Hof Mapprach blossgelegt
worden sind. Mit grobem Basalkonglomerat ruht auf dem Scheitel das Ober-
miocän discordant auf Argovien oder Oberm Dogger. Wie mein Profil be-
sonders deutlich zeigt, sind auch die Argovienmächtigkeiten im Nord-
und Südschenkel der Sprüselfalte ganz verschieden. Entweder ist
das Obermiocän in tiefen Erosionsrinnen zum Absatz gelangt, oder aber
die Sprüselfalte ist zum mindesten in ihrer ersten Anlage vorobermiocän.
Das Obermiocän wäre dann abgelagert worden auf der z. T. wieder einge-
ebneten Falte, um in einer zweiten, nachmiocänen Faltungsphase
mit aufgerichtet zu werden. Ich möchte die zweite Erklärung für die wahr-
scheinlichere halten, hoffe aber bei späterer Gelegenheit auf diese für die
Entstehung des ganzen Juragebirges wichtige Frage zurückkommen zu
können.
Neuer Hauenstein- und Grenchenbergtunnel. 237
der Vollständigkeit halber in der dritten Figur der Tafel I verkleinert
wiedergegeben worden. Die damals vorliegenden Befunde sind natür-
lich mitverwertet worden, sollen aber nicht diskutiert werden, um
späterer, zusammenhängender Bearbeitung nicht vorzugreifen. —
Ein Vergleich dieses Profils mit meinem ersten Entwurf zeigt,
dass ich in einem Punkte zu einer etwas abweichenden Darstellung
gezwungen war, es betrifft dies den Südschenkel der Burg-
fluhmulde. Es gelang mir nämlich, im Walde südlich des Fahr-
weges nach Burg sehr reduzierte Opalinustone, ferner Spuren von
Lias und Keuper nachzuweisen, sodass also vom Südschenkel der Burg-
fluhmulde etwas mehr vorhanden ist, als mein erstes Profil angibt.
Damit nähert sich mein zweites Profil in diesem Punkte etwas dem-
jenigen Mühlberg'’s, freilich liess ich auch im zweiten. Profil — im
Gegensatz zu Mühlberg — die älteren Schichten der Burgfluhmulde
etwas unter die Dottenbergserie einstechen.
Vergleichen wir nun zum Schluss noch kurz das Profil Mühl-
berg’s mit meinem gleichfalls vor Baubeginn entworfenen ersten
Profil speziell im Hinblick auf das Tunneltrace selber.
Ausgehend vom Südportal durchquert der Tunnel nach beiden
Prognosen eine normale Serie Effinger Schichten-Anhydritgruppe.
Die grössere Länge der Effingerstrecke in meinem Profil ist vor
allem auf die von mir angenommene grössere Mächtigkeit dieser
Schichten zurückzuführen. Den Gewölbekern des Dottenbergs
nimmt Mühlberg bedeutend breiter an als ich, Hand in Hand damit
erscheint dann aber die Keuperstrecke der Burgfluhmulde in Mühl-
berg's Profil bedeutend kürzer als im meinigen. In der Ueberschie-
bungszone herrscht grosse Uebereinstimmung. Am Tafeljura-Süd-
rand lasse ich das Tertiär bedeutend über das Tunneltrace hinab-
greifen, während Mühlberg diese Frage offen lässt. Die in meinem
Profil ziemlich breite Sprüselfalte zeigt im Tunnel als ältestes nur
Blagdeni-Murchisonae-Schichten, während Mühlberg mit der Mög-
lichkeit Opalinustone zu treffen rechnet. In der Mulde nördlich der
Sprüselfalte reichen in meinem Entwurf die Varians-Schichten bis
fast zum Tunnel hinab, während sie in Mühlberg's Profil noch etwas
überm Tunnel zurückbleiben. Umgekehrt würden nach Mühlbera
unter Fohrenweid die Opalinustone noch übers Tunneltrace hinauf
greifen, während sie nach meinem Entwurf darunter blieben. In der
nördlichsten Strecke herrscht wieder völlige Uebereinstimmuneg.
Aus dem Gesagten bestätigt sich das schon oben Gesagte, dass
238 A. Buxtorf.
nämlich die Differenzen der beiden prognostischen Profile sich teils
auf unwichtige Einzelheiten beschränken, teils auf Punkte beziehen,
die aus den oberflächlichen Verhältnissen heraus nicht eindeutig zu
bestimmen sind, deren Beurteilung vielmehr fast als Gefühls- oder
Geschmackssache zu bezeichnen ist.
Umso interessanter wird sich später der Vergleich mit dem Be-
funde gestalten, mit dessen genauer Feststellung mich die General-
direktion der Schweizerischen Bundesbahnen betraut hat.
2. Grenchenbergtunnel (Länge 8,565 m).
An topographischen Karten vergleiche man Siegfriedblätter Moutier Nr. 107
Gänsbrunnen Nr. 109, Grenchen Nr. 123. (Nordportal 440 m genau südlich
Kirche Moutier (P. 565), Südportal nördlich von Grenchen, 100 m südlich
vom 2. „g* von „Schönegg“, direkt südlich unter der dortigen Strasse.) An
>
geologischen Karten kommen in Betracht: Geol. Dufourkarte BI. VII, 1. Aufl.
(J. B. Greppin und Bachmann) und 2. Aufl. /L. Rollier und E. Kissling), ferner
L. Rollier „Carte tectonique des environs de Moutier“, 1 : 25,000.
Schon in den einleitenden Bemerkungen wurde kurz erwähnt,
dass das Gebiet des Grenchenbergtunnels durchaus anderes geologisches
Gepräge aufweist als dasjenige des Hauensteins. Zunächst gehört
der Grenehenbergtunnelausschliesslichdem Kettenjuraan;
dieser aber ist wiederum nach ganz anderem Grundplan gebaut als
am Hauenstein. Während wir dort als wichtigste tektonische Leit-
linien die Ueberschiebungen zu erwähnen hatten, treten diese
im Grenchenbergtunnelgebiet ganz zurück, das bestimmende Moment
im Bau der Juraketten ist hier gegeben in mehr oder weniger ein-
facher Faltung zu Gewölben und Mulden, wie sie in be
sonderer Klarheit das Gebiet der benachbarten Birsklusen auszeichnen.
Auch die Oberflächengestaltungistin beiden Gebieten eine
erundverschiedene : Am Hauenstein weitgehende Abtragung und
Durchtalung der Ketten, sodass sogar die ältesten am Gebirgsaufbau
beteiligten Schichten der Beobachtung erschlossen sind; im Grenchen-
berggebiet dagegen weithinziehende lange geschlossene Bergketten,
welche an Scheitel und Flanken den Faltenbau leicht abzulesen ge-
statten, über deren Kern wir aber aus Mangel an genügend tiefen
Quertälern nicht oder nur sehr ungenügend aufgeklärt sind.
Gerade dieser letztere Umstand aber erschwert die geolo-
gische Begutachtung des Grenchenbergtunnels in
ausserordentlich hohem Masse. Beim Entwerfen prognostischer Pro-
file können wir uns für grosse Strecken nicht auf Beobachtungen im
Tunnelgebiete selber stützen, wir sind vielmehr gezwungen, weitab-
liegende Aufschlüsse zu berücksichtigen und rein auf Analogie-
Neuer Hauenstein- und Grenchenbergtunnel. 239
schlüssen aufzubauen. Darunter leidet nun nicht nur die Zuverläs-
sigkeit des einzelnen Profilentwurfes, sondern es wird auch verständ-
lieh, warum die verschiedenen zu besprechenden Prognosen viel be-
trächtlicher von einander abweichen und abweichen müssen, als dies
beim Hauenstein der Fall war.
Die erste geologische Begutachtung des Grenchen-
bergtunnelprojektes hat L. Rollier ausgeführt. Dieselbe ist im Druck
erschienen im „Technischen Bericht und Kostenvoranschlag zum gene-
rellen Projekt der Münster—Grenchen—Biel-Bahn nebst vergleichen-
der Untersuchung des Weissensteinbahn-Projektes“ von K. Greulich
(Biel 1902). Dieses Gutachten bezog sich aber nicht genau auf das
heute im Bau befindliche Tunneltrace, vielmehr auf zwei Varian-
ten, für welche beide das Nordportal im Birstal, ca. 2 km ober-
halb Moutier bei der Glashütte, 551 m ü. M., vorgesehen war. Von
hier aus hatte nach Variante I ein 8375 m langer, gleichmässig
unter 11,370/,9 südwärts geneigter Tunnel hinunterzuführen nach
Grenchen, und zwar war das Südportal auf 453 m ü. M. im Kastels-
feld östlich Grenchen vorausgesetzt. Variante Il, Länge 7360 m,
sah statt des einseitig und zwar südlich geneigten Tunnels einen
Scheiteltunnel voraus. Vom gleichen Nordportal bei der Glas-
hütte aus hätte der Tunnel zunächst auf einer 4090 m langen Strecke
mit 20/5, anzusteigen bis zum Kulminationspunkt, 560 m ü. M., um
dann mit 70/5, hinunterzuführen zum Südportal, das oberhalb Gren-
chen beim Walkershof (534 m ü. M.) vorgesehen war.
Für beide der beschriebenen Varianten gibt Rollier prog-
nostische Längsprofile und ausserdem auf zwei strati-
graphischen Tabellen eine Uebersicht über die bei Moutier,
bezw. Solothurn vorkommenden Sedimente.
Es liegt nun nicht in meiner Absicht, hier eine ausführliche Be-
sprechung dieses Gutachtens zu geben, noch viel weniger dasselbe
kritisch zu durchgehen. Es darf nicht übersehen werden, dass Rol-
lier's Begutachtung abgegeben wurde, bevor der Weissensteintunnel
gebaut war, der uns bald nachher über Stratigraphie und Gebirgs-
bau gerade dieses, Juraabschnittes so ausserordentliche viele und
wichtige Aufschlüsse gebracht hat. Ich begnüge mich damit, in
nachstehender Figur 1 (S. 241) das von Rollier für Variante I entworfene
Profil verkleinert wiederzugeben, und zwar wähle ich Variante TI,
weil sie mit dem heute im Bau stehenden Tunnel eher verglichen
werden kann als II. Das Nordportal von Variante I liegt ca. 850 m
westlich vom jetzigen Trace, nach Süden zu aber nähert sich nun
Variante I dem letzteren immer mehr und sehneidet dasselbe unter
240 A. Buxtorf.
Unter-Grenchenberg, um etwa 500 m östlich des heutigen Süd-
portals auszumünden. Im Grenchenbergabschnitt weicht somit Va-
riante I der Richtung nach nur ganz unbedeutend vom definitiv ge-
wählten Trace ab und liegt auch nur ca. 20 m tiefer. Daraus ergibt
sich, dass Rollier’s prognostisches Tunnelprofil soweit es Grenchen-
berg und auch Chaluet betrifft, direkt auf das heutige Trace über-
tragen werden darf, während dies für den Graitery, wo Variante I
immerhin 400-800 m westlicher verläuft, wohl in den allgemeinen
Zügen, nicht aber in allen Details geschehen darf.
Aus Rollier’s Profil (Figur 1) ist nun Folgendes zu entnehmen :
Das Nordportal liest am Nordfuss der Graiterykette, die
als einfaches geschlossenes Gewölbe mit freilich etwas
steilerem Nordschenkel gedeutet. wird. Auf den Malmsüdschenkel Folgt
im Chaluet zunächst normal die Molasse, an diese aber stösst nun
im Süden längs einer Ueberschiebung unvermittelt Ober-
Sequankalk an, welcher südwärts normal von Kimmeridge, Portland
und Molasse bedeckt wird. Die Molassemulde des Chaluet erscheint
in Rollier’s Profil also nicht als einfacher Trog, sondern sie wird
durch den genannten Kimmeridgerücken in einen tief einstechenden
nördlichen Teil und einen flach muldenförmig gelagerten südlichen
Teil zerlegt. Ich bemerke beiläufig, dass ich im Folgenden für diesen
trennenden Kimmeridgekamm die Bezeichnung „Roches du
Chaluet‘ gebrauche, dies in Anlehnung an die Siegfriedkarte, wo
wir den Namen ,,Sous les Roches“ und ,,rière les Roches“ begegnen.
Südlich des Ohaluet erhebt sich die mächtige Kette des Grenchen-
bergs, deren Nordschenkel oberflächlich von einer unter ca. 400 nord-
wärts geneigten Kimmeridgeplatte gebildet wird. Darunter wird von
Rollier ein normales Profil bis hinunter in die Anhydritgruppe vor-
ausgesetzt, ja im innersten Gewölbekern sogar Wellenkalk und
Buntsandstein vermutet. Im Dogger-Gewölbescheitel bei Un-
ter-Grenchenberg verzeichnet Rollier einen kleinen Scheitel-
bruch. Der Südschenkel des Grenchenberg-Gewölbes zeigt bis hinab
zum Kimmeridge der Ratfluh normale Verhältnisse. Südlich der Rat-
fluh aber sticht am Vorberg nochmals eine schmale Zone von Unter-
und Mittel-Sequan hervor, wodurch sich für die südlich folgende
Kimmeridge-Portlandserie wenigstens in der Nähe der Oberfläche
stark überkippte Lagerung ergibt. Nach der Tiefe zu wird dann
freilich ein rasches Umbiegen zu normaler fast horizontaler Lagerung
angenommen, bis sich gegen das Südportal zu unter „In den Stau-
den“ eine leichte Aufwölbung — die hier ausklingende Kette des
Bötzingerberges — geltend macht. Aus Rolliers kurzem Gutachten-
text ist nicht ersichtlich, ob er das Auftreten der Sequanzone von Vor-
berg als eigentliche Faltung oder nur mehr als Sackungserscheinung
241
>)
Neuer Hauenstein- und Grenchenberstunnel.
16
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242 A. Buxtorf.
auffasst; aus der Zeichnung möchte man aber eher auf ersteres
schliessen, wobei noch zu bemerken ist, das L. Rollier diese Störung
nach den tieferen Schichten zu mehr und mehr ausklingen lässt, so-
dass sie für den Tunnel selber eigentlich bedeutungslos erscheint.
Damit glaube ich, die wesentlichsten Grundzüge des Rollier’schen
Profilentwurfes skizziert zu haben, für weitere Details verweise ich
auf das Profil Figur 1 oder auf das Originalgutachten selber. Dass in
den tiefgelegenen Partien die Wahrscheinlichkeit der Prognose natur-
gemäss sich verringert, wird von Rollier ausdrücklich betont, im be-
sonderen gilt dies für die Talmulde des Chaluet, den Südfuss des
Jura bei Grenchen und den Kern des Grenchenberggewölbes.
Sechs Jahre nach Rolliers Begutachtung bot sich Dr. E. Baum-
berger und mir Gelegenheit zu weiterer Prüfung der Grenchen-
bergtunnelprojekte. Im Auftrage eines der Gemeinde Büren a. A.
angehörenden Komitees verfassten wir 1908 ein „Geologisches Gut-
achten über einige den Bau eines Basistunnels Münster-Grenchen-
betreffende Fragen‘“.10) Im besonderen standen zur Diskussion: 1.
Die Wahl des Kulminationspunktes im Tunnel und das damit zu-
sammenhängende Problem der Unterfahrung des Cha-
luet, 2. die speziellen geologischen Verhältnisse der näch-
sten Umgebung von Grenchen in ihrer Bedeutung für zwei
verschiedene Tunnelprojekte, 3. die Lage des Nordportals.
Was zunächst den letzten Punkt anbelangt, so empfahlen wir,
das Nordportaletwa da zu wählen, wo es schon in den von Roller
begutachteten Varianten vorgesehen war, d. h. bei der Glashütte von
Moutier. Eine Gefährdung der benachbarten La Foule-Quelle er-
schien uns ausgeschlossen.
Die Besprechung der geologischen Verhältnisse von
Grenchen bot uns Gelegenheit auf die Gefährdung der grossen
Dorfbachquelle hinzuweisen, deren Fassung 1904 erfolgt war. Aus-
serdem empfahlen wir die Anlage von Sondierungen zur Fest-
stellung der Mächtigkeit der Quartärbedeckung.
Grrösseres Interesse, aber auch bedeutende Schwierigkeiten bietet
das Problem der Unterfahrung des Chaluet. Wie oben be-
schrieben worden ist, stellt das Chaluet nach Rollier eine Doppel-
mulde dar, in deren Mitte der Kimmeridge-Portlandkamm, der
„Rochesdu Chaluet“ aufragt, der nach Süden zu direkt zusam-
menhängt mit dem Nordschenkel des Grenchenberggewölbes.
10) Ueber den Inhalt dieses auch in französischer Uebersetzung er-
schienenen Gutachtens referiert Ch. Sarasin in der „Revue géologique suisse
pour l’année 1908“ (Ecl. geol. Helv. X, S. 694).
Neuer Hauenstein- und Grenchenbergtunnel. 243
Für diese ,, Roches du Chaluet‘ nun glaubten E. Baumberger
und ich eine andere Deutung vorschlagen zu sollen. Die Art und
Verteilung der Molasseaufschlüsse am Süd- und Nordrand des Cha-
luet, ferner das unvermittelte Auftreten des Kalkzuges bestimmten
uns, die „Roches du Chaluet‘ nicht als anstehend, sondern als
abgerutschte Masse zu deuten, die wahrscheinlich herzuleiten
sei aus der Südabdachung des Graitery.
Es erscheint mir wichtig, nachdrücklich''zu betonen, dass eine ähn-
liche Auffassung schon lange vor uns von anderer Seite ausgesprochen
worden ist. J. B. Greppin (Descript. geol. du Jura bernois p. 261)
betrachtet die Roches du Chaluet als Bergsturzmassen, die nach
Pastor Grosjean vom Montoz herabgestürzt seien. Dementsprechend
sind die „Roches“ auf der 1. Auflage von Blatt VII. (1: 100,000)
als „„Eboulis‘‘ dargestellt.
Für E. Baumberger und mich waren aber nicht nur die Ver-
hältnisse des Chaluet selber bestimmend, sondern vor allem auch die
Befunde im benachbarten Weissensteintunnel. Diese hatten
kurz zuvor ergeben, dass ca. 7 km östlicher bei Gänsbrunnen die
zwischen Weissenstein- und Graiterykette liegende Muldenzone ein-
fach gebaut sei und ausserdem in der Tiefe gegen die Weissenstein-
kette zu einsteche. Es erschien uns nun sehr wenig wahrscheinlich,
dass auf der kurzen Strecke Gänsbrunnen-Chaluet der Bau der Mulde
sich so vollständig umwandeln könne, wie dies durch Rollier’s Chaluet-
Profil verlangt wird. Eine viel einfachere Lösung bot uns eben die
Annahme des Abgerutschtseins der ganzen Zone der „Roches‘, die
wir dann auch im Text und Profil — vergl. nachstehende etwas
verkleinerte Wiedergabe, Figur 2 — befürwortet haben. Dabei liessen
wir die Frage offen, ob auch im Chaluet ähnlich wie im Weissenstein
ein Einstechen der Mulde gegen den Grenchenberg zu anzunehmen
sei (vgl. Gutachten Baumberger-Buxtorf, S. 5 Fussnote).
Gegen die Ausführungen von E. Baumberger und mir hat L. Rol-
lier in der Folge Stellung genommen und seine Auffassung des Cha-
luets von Neuem verteidigt. (Vgl. L. Rollier: ,, Troisième supple-
ment à la description géol. de la partie jurassienne de la feuille VII
ete. in Mat. pour la carte géol. de la Suisse. N. S. Livr. XXV.
p. 215—17.) Vor allem weist Rollier darauf hin, dass die „Roches
du Chaluet‘“ keinerlei unruhige Lagerung zeigen, wie wir sie sonst
bei andern abgerutschten Schichtpaketen beobachten. Eine weitere
Stütze glaubt er sodann zu finden in der Verteilung der verschieden-
altrigen allerdings recht spärlichen Molasseaufschlüsse im Chaluet
selber und namentlich auch bei Sorvilier westlich Court. Für zahl-
reiche Einzelbeobachtungen muss ich auf Rollier's Angaben verweisen.
244 A. Buxtorf. ‘
Es bedarf keiner ausführlichen Erörterungen, dass diese verschie-
denen tektonischen Deutungen des Chaluet für den Tunnelbau von
grosser Bedeutung sind.
Nach Rollier’s Annahme verläuft der Tunnel in der Südhälfte
des Chaluet vor allem in Kalk und wird den Lagerungsverhältnissen
entsprechend wahrscheinlich starke Quellen anschneiden, während er
nach Baumberger-Buxtorf (1908) das ganze Chaluet in Molasse unter-
fährt und somit keinen grossen Wasserdrang, dagegen wohl geringe
Standfestigkeit der Molassegesteine zu befürchten hat.
Um das „Ohaluetproblem“ wenn möglich noch vor Be-
ginn des Tunnelbaues zu entscheiden, sind im Jahre 1911 durch die
Berner Alpenbahn-Gesellschaft Sondierbohrungen angeordnet
1#00m
Nord
Graitery Envers de Montoz
É
Chaluet
P837 N
Piere les Roches
e Tracé eines Hasistunels
7) — ——— ee
4090 m.ü.M.
Fig. 2. Geol. Profil durch das Chaluet
nach E. Baumberger und A. Buxtorf (1908).
Massstab ca. 1: 25,000.
1. Birmensdorfer-Sch. ee! 5. Portlandien.
2. Effinger-Sch. rzoviel. 6. Bohnerzformation.
3. Sequanien. 7. Molasse.
4. Kimeridgien. 8. Quartärbildungen.
worden. Die Bohrstelle wurde gewählt auf dem Rücken der ,,Ro-
ches du Chaluet“, da wo dieselben sich absenken gegen ‚‚riere les
Roches”. Eine erste Bohrung erreichte nur geringe Tiefe, sodass
unmittelbar daneben eine zweite angesetzt wurde, welche aber leider
auch nur bis auf 116,5 m abgeteuft werden konnte, worauf sich der
Bohrer festklammte. Den Bohrproben zufolge, die ich 1912 einzu-
sehen Galegenheit hatte, traf die Bohrung erst Knauermolasse (Mol.
alsacienne), hierauf etwas Bolus und endlich Portland und Kim-
meridge an, d. h. anscheinend eine normale Folge.
Betrachten wir nun die Bedeutung dieses Bohrergeb-
nisses für die verschiedenen Auslegungen des Cha-
luetproblems, so ist zunächst allgemein festzustellen, dass die
Neuer Hauenstein- und Grenchenbergtunnel. 245
Mächtigkeit des Malmkalkes beträchtlich grösser ist als sie von
Baumberger und mir im Profil von 1908 vorausgesetzt worden ist
(vergl. Figur 2). Wenn also die ,, Roches du Chaluet trotzdem als
„abgerutscht‘“ gedeutet werden sollen, so handelt es sich um eine viel
grössere bewegte Masse als s. Z. angenommen.
Das speziellere Verhältnis des Bohrprofils zu den verschie-
denen Tunnelprognosen ist aus den Profilen der Tafel II ersichtlich,
die ich, soweit sie das Chaluet betreffen, des Zusammenhanges wegen
vorgreifend schon an dieser Stelle kurz besprechen will. Ich bemerke,
dass alle diese Entwürfe vom Mai 1912 stammen, seither ıst nichts
Neues mehr dazu gekommen.
Profil2 lehnt sich direkt an Rollier’s Darstellung von 1902 an.
Es steht ausser Frage, dass sich das Bohrprofil der übrigen tek-
tonischen Auffassung zwanglos einfügt, und ich würde nicht an-
stehen, mich Rollier’s Ansicht zuzuwenden, wenn nicht noch Bedenken
wären, auf die ich unten noch kurz eintreten wall.
Inden Profilen 1 und 6 habe ich die Auffassung Baumberger-
Buxtorf (1908) dargestellt. Wir hätten anzunehmen, dass in einem
gewissen Abschnitt der Quartärzeit — wahrscheinlich schon vor der
grössten Vergletscherung — ein Teil des Graitery-Südschenkels aus-
gebrochen und ohne den Schichtverband zu verlieren, abgeglitten sei
in ein damals beträchtlich tieferes Chaluettal. Ein derartig tiefes
Tal, wie es die Profile annehmen, kann nicht als unmöglich bezeichnet
werden, denn dessen Sohle wäre immer noch um ein geringes höher
als die nächste Erosionsbasis, die 2 km westlicher im Eingang in die
Klus von Court mit + 665 m gegeben ist. Immerhin räume ich ein,
dass die Vorstellung eines so weiten Tales gewissen Schwierigkeiten
begegnet. Es ist deshalb umso mehr zu bedauern, dass die Sondier-
bohrung nicht wenigstens bis auf das Niveau des Kluseneingangs
von Court abgeteuft werden konnte, schon damit wäre wahrscheinlich
eine sichere Entscheidung des Chaluetproblems ermöglicht gewesen.
Ein weiteres Bedenken gegen die Abgleitungshypothese kann aus dem
Umstand abgeleitet werden, dass der Schichtverband so gut gewahrt
geblieben ist, allein eine definitive Entscheidung lässt sich daraus
nicht gewinnen.t!),
Profil 3 endlich schliesst sich im Prinzip an Profil 2 (Rollier)
an. Die südlich der ‚Roches“ liegende Molassemulde aber habe ich als
sehr tief einstechend dargestellt, um auf diese Weise dem Be-
fund im Weissensteintunnel Rechnung zu tragen. Das Bohrprofil
11) In dieser Hinsicht erinnere ich an das abgesunkene Schichtpaket von
Untermatt an der Nordseite des Bürgenstocks, das alle Schichten vom
Schrattenkalk bis Nummulitenkalk umfasst, und das trotz einer Absackung
um ca. 700 m den Schichtverband nicht eingebüsst hat.
246 A. Buxtorf,
fügt sich zwanglos ein wie bei 2. Es steht für mich ausser Frage,
dass diese Deutung verschiedenen Schwierigkeiten gerecht wird. Sollte
sie sich in der Folge bestätigen, so könnte die Malmplatte der Roches
du Chaluet verglichen werden mit der allerdings beträchtlich grösseren
aber doch ähnlich gebauten Brandbergkette bei Welschenrohr,
die ebenfalls mitten in der Gänsbrunnermulde unvermittelt auftaucht
und in analoger Weise nach Norden von einer Faltenverwerfung be-
grenzt wird (vgl. Bl. VII, 2. Aufl., bearb. von Rollier).
Ich glaube annehmen zu dürfen, dass diese 3 Profildarstellungen
die verschiedenen Möglichkeiten wenigstens im Prinzip erschöpfen.
Während ich früher (1908) gemeinsam mit Æ. Baumberger entschie-
den für „„Wurzellosigkeit“ der ,, Roches du Chaluet‘ eingéstanden bin,
kann ich angesichts des Bohrergebnisses diese Auffassung nieht mehr
mit derselben Bestimmtheit teilen wie ehemals. Anderseits bietet mir
freilich auch Rollier’s Darstellung von 1902 wenig Befriedigung.
Wenn es sich wirklich um anstehende Massen handelt, dann scheint
mir immerhin das modifizierte Profil 3 am meisten Wahrscheinlich-
keit auf Bestätigung zu bieten.
Angesichts dieser Unsicherheit muss ich vorläufig die mit der
Chaluetunterfahrung verknüpften Fragen offen lassen. Der Tunnel-
bau wird uns natürlich eine Menge Ueberraschungen, hoffentlich aber
auch die endgültige Lösung des Chaluetproblems bringen.
Crerne füge ich noch bei, dass ich im Sommer 1913 Gelegenheit
hatte, mit Herrn Dr. A. Troesch, der die geologische Untersuchung
des Tunnels im Auftrag der Berner Alpenbahn-Gesellschaft ausführt,
das Chaluet zu besuchen. Unsere Aufgabe war es, einige Stellen
zu bezeichnen, an denen durch Nachgrabungen eine Vervollständigung
der ungenügenden natürlichen Aufschlüsse und damit eine Klärung
der Sachlage angestrebt werden soll. Ueber das Ergebnis dieser Schür-
fungen wird Herr Dr. Troesch seiner Zeit berichten. Die gemeinsame
Begehung zeigte im Uebrigen, dass Herr Dr. Troesch gegen die Ab-
gleitungshypothese dieselben Bedenken hegt, die ich selber oben schon
angeführt habe. Andererseits aber fehlte es uns doch auch nicht an
Beobachtungen, die sich schwer mit Rollier's Ansicht vereinigen
lassen. Vor allem sei hier auf das unvermittelte Abbrechen
hingewiesen. das die „Roches du Chaluet“ an ihrem Ostende er-
kennen lassen. Sind die ,,Roches“ anstehend, so wird man zur Er-
klärung dieses A breissens Querstörungen zu Hilfe nehmen müssen.1?)
Herr Dr. Troesch machte mich endlich auf einen zweiten Kim-
meridge-Portlandzug aufmerksam, der im Wald südlich ob
12) Rolliers „Carte tectonique de Moutier“ stellt dieses Ostende ungenau
dar. Schon westlich Punkt 776 tritt im Wald über dem plötzlich aufhörenden
Portland deutlicher Bohnerzton zutage.
Neuer Hauenstein- und Grenchenbergtunnel, 247
Gros Pre, ungefähr in der Höhe von 800 m auf weite Strecke ver-
folgt werden kann und ähnliche Lagerung zeigt wie die „Roches du
Chaluet“. Rollier's „Carte tectonique des environs de Moutier“ gibt
an dieser Stelle Delémontien und Molasse alsacienne
an. Da die „Roches du Chaluet“ nach Westen zu den Bach südlich
Punkt 706 nur wenig überschreiten, besteht kein sichtbarer Zusammen-
hang zwischen ihnen und dem zweiten Malmzug, der übrigens auch
beträchtlich höher oben am Berghang heraussticht. Wie nun diese
zweite Malmkante, die das Chaluetproblem noch viel komplizierter
gestaltet, zu erklären ist, müssen künftige sorgfältige Untersuchungen
lehren; ich begnüge mich an dieser Stelle mit diesem kurzen Hinweis,
der von Neuem zeigt, dass in tektonisch komplizierten und schlecht
aufgeschlossenen Gebieten eine fast rein konstruktive geologische
Kolorierung, wie sie uns Rollier’s „Carte teetonique‘ bietet, durch-
aus unstatthaft ist.
Nachdem im Vorangehenden die geologischen Verhältnisse des
Chaluet und ihre verschiedenen Deutungen wenigstens in den allge-
meinen Zügen erörtert worden sind, bleibt nun noch die Aufgabe,
die prognostischen Profile des Grenchenbergtun-
nels, wie sie auf Tafel II zusammengestellt worden sind, auch in
den übrigen Teilen kurz zu erläutern.
Die Profile sind in der ersten Hälfte 1912 entworfen worden
auf Veranlassung der ,Société franco-suissedeconstruc-
tion, Prud’homme, Rothpletz u. Co.“, als deren konsultie-
render Geologe ich seither gelegentlich auch die Befunde des Tunnels
zu prüfen hatte. Der Abgabe der Prognose ist natürlich eine genaue
Oberflächenaufnahme des dem Tunnel benachbarten Gebietes voraus-
gegangen, wobei ich mich für die den beiden Portalen benachbarten
Strecken der Unterstützung durch Herrn Dr. E. Baumberger zu er-
freuen hatte, während Herr Dr. @. Niethammer besonders im
Grenchenbergabschnitt wichtige Vorarbeit leistete.13)
13) Leider haben unsere Aufnahmen gezeigt, dass auch hier die von
Rollier bearbeiteten Karten (Bl. VII u. Carte tect. Moutier) in mancher Hin-
sicht zu wünschen übrig lassen. Auf einige Punkte sei hier kurz hinge-
wiesen :
1. Für die Anhöhe von Sur Chaux südöstlich Moutier möchte ich die Frage
aufwerfen, ob die hier vorkommenden Bildungen nicht eher als „alpines
Glacial der grössten Vergletscherung‘“ statt als Helvétien und
bunte Nagelfluh zu deuten sind.
2. Südlich Chaufour fand ich auf ca. 740 m an einem Waldweg fossil-
reiches Portland (Virgulien), und zwar genau da, wo Rollier (Moutier)
das Portland ganz auskeilen lässt.
3. Südlich Eschert reicht nach Niethammer und mir die Malmplatte viel
tiefer gegen Punkt 645 hinab als auf Bl. VII und „Moutier“ angegeben.
248 A. Buxtorf.
Wie ein Vergleich von Profil 1 mit Variante I (vgl. Fig. 1, S. 241)
ergibt, liegt das Nordportal des definitiven Tunnels nicht direkt am
Nordschenkel der Graiterykette, sondern unweit westlich der Station
4. Auf Bl. VII fehlen zahlreiche Delemontien- und Mol. alsacienne-Auf-
schlüsse, die sich südlich und südwestlich Station Moutier, ferner süd-
lich Sur Chaux und westlich Chaufour finden.
5. Zwischen dem Graiterygipfelkamm und der nördlich benachbarten
Felswand Punkt 1126, 1137, 1143, 1156 geben Rolliers Karten nur Sequan
an. Statt dessen sticht hier, wie Dr. Baumberger und ich feststellen
konnten, der Argovienkern auf ca. 1,5 km Länge und 3—400 m Breite
sehr schön hervor, die Birmensdorfer-Schichten z.B. im Wäldchen bei
Punkt 1114. Der Argovienzug endet erst am Waldrand westlich Punkt
1114 (vgl. Carte tect. Moutier).
6. Der nördliche Eingang der Klus von Court ist auf Rolliers Karten
ganz schematisch und ungenau dargestellt. In Wirklichkeit finden sich
nach meinen Aufnahmen hier Ueberschiebungen und Brüche, so
z.B. zwischen Punkt 610 und 899, sowie gegenüber an der Westseite,
längs welchen von Süden her das Sequan aut das Kimmeridge hinaus
gepresst erscheint. Die Verhältnisse erinnern in mancher Hinsicht an
die von mir von Choindez beschriebenen Störungen, nur vollziehen sie
sich dort im Oxford und Rauracien.
7. Auf der Ostseite der Klus von Court sticht Oberer Dogger her-
vor und zwar genau da, wo auf Rolliers „Carte tectonique der Index
„Ox‘ steht. Ich fand diesen Aufschluss, nachdem mich östlich ob Punkt
680 fossilführende Renggerischichten auf die Nähe des Doggers hin-
gewiesen hatten. Die ausgezeichnet aufgeschlossene Oxford-Argovien-
grenze fällt übrigens exakt mit dem Fuss der dortigen Felswand zu-
sammen und verläuft nicht erst 100 m von ihr weg.
8. Betreffs Chaluet bemerkte ich schon oben, dass die von Rollier auf
der Carte tect. von Moutier gegebene Darstellung praktisch wenig Wert
besitzt, weil aus wenigen Beobachtungen fast ganz willkürliche Kon-
struktionen abgeleitet worden sind. Auf Blatt VII ist andererseits die
Mehrzahl der wirklich vorhandenen Molasse- und Bolusaufschlüsse nicht
eingetragen. Auf Aufzählung muss ich verzichten, das würde zu weit
führen.
9. Am Grenchenberig gehört der ganze Waldkomplex „Hinter der unteren
Hütte‘ noch zum Dogger und nicht ins Argovien (Carte tect. Moutier).
Auch bei Bützen, sowie östlich und westlich davon ist die Malm-Dogger-
grenze ungenau und zwar hier meist 50—100 m zu weit nördlich einge-
tragen.
10. In der Scheitelregion des Grenchenbergs tritt westlich Wand-
fluh ein ganzes Bündel von kleinen Brüchen auf, die auf beiden Karten
fehlen, nur das Tunnelprofil bringt einen derselben zur Darstellung.
11. Iın Südschenkel südlich Altrütiberg liegen die Verhältnisse sehr kom-
pliziert, was aus Rolliers Karten nicht ersichtlich ist. Dr. Niethammer
und ich glauben hier Anzeichen dafür gefunden zu haben, dass im Süd-
schenkel ein flacher Bruch verläuft, längs welchem der obere Teil des
Schenkels südwärts vorgeschoben erscheint (vgl. Profile 1:u. 6 d. Tafel IT).
Aehnliches kehrt auch am Bettlachstock wieder, nur mögen hier auch
Sackungserscheinungen mitgespielt haben.
Neuer Hauenstein- und Grenchenberstunnel. 249
Moutier noch mitten im Tertiärbecken drin. Diese Abänderung ge-
schah im Hinblick auf die Gefällsverhältnisse des Tunnels.
Ueber dienördlichste Tunnelstrecke geben die Profile
1, 5 und 6 Auskunft, die vom Januar und Dezember 1912, sowie
Februar 1913 stammen; der Vortrieb stand gleichzeitig bei 51, bezw.
915 oder 1426 m. Dabeı ist zu bemerken, dass beim Entwerfen
von Profil 1, das als Prognose vor allem in Betracht kommt, auch
die Ergebnisse von 3 Sondierbohrungen verwertet werden konnten,
die von der Berner Alpenbahn-Gesellschaft angeordnet worden waren.
Profil 1 setzt nun voraus, dass der Tunnel zunächst nordfal-
lendes Delemontien, dann einen flachen Antiklinal-
rücken von Molasse alsacienne und hierauf eine Mulde
mit Delemontienzu durchfahren habe, bevor er die dem Graitery-
Nordschenkel angehörende Molasseserie erreiche. Zur Annahme der
erwähnten flachen Molasseantiklinale wurden Dr. Baumberger und
ich dadurch veranlasst, dass ca. 1 km westlich vom Tunneltrace west-
lich Verrerie eine kleine Malmfalte auftaucht. Im Gutachtentext
wurde noch besonders darauf hingewiesen, dass zwischen Molasse alsa-
cienne und Delémontien ein allmählicher Uebergang existiere, und
dass man die Grenze nur ungefähr und zwar etwa da legen könne,
wo an Stelle der Sandsteine mehr und mehr sich bunte Mergel ein-
stellen, die sehr bald auch vom anfänglich mergeligen Süsswasser-
kalken begleitet werden.
Für den Graitery hat Rollier (1912) geschlossenen Gewölbe-
bau vorausgesetzt und auch später wieder ausdrücklich betont, dass
die Graiterykette nur ein einfaches Malmgewölbe ohne
Ueberschiebungen oder Längsbrüche darstelle (vel.
Troisieme supplement p. 214). Ich kann dieser Meinung nicht bei-
pflichten, sondern bin mit Dr. Baumberger der Ansicht, dass wir
zur Erklärung der Graiterykette unbedingt begleitende Störungen
zu Hilfe nehmen müssen. Da Herr Dr. Baumberger eine speziellere
tektonische Studie der Graiterykette vorbereitet, begnüge ich mich
hier mit dem Hinweis, dass nach unsern Untersuchungen das plötzliche
Ausstreichen des Kimmeridge-Nordschenkels durch eine Ueber-
schicbungim'Malm bedingt wird. Diese Ueberschiebung tritt
schon in der topographischen Karte sehr gut hervor; sie streicht bei
den Punkten 1126, 1137, 1143, 1156, 1121, 1085 ete. aus, wobei
bei Punkt 1126, der fast genau über dem Tunneltrace liegt, eine nach
12. Auf Blatt VII (2. Aufl.) fehlen ob Grenchen die ca. 1 km nördlich
von „In den Stauden“ an verschiedenen Waldwegen auftretenden Mo-
lasseaufschlüsse (bunte Mergel und Sandsteine), die für die tektonische
Deutung so sehr wichtig sind. Möglicherweise kannte sie schon .J. B.
Greppin, der auf der 1. Aufl. hier Bohnerz verzeichnet.
250 A. Buxtorf.
Norden gerichtete Rückstülpung des Sequan und Kimmeridge aus-
gezeichnet erkannt werden kann (vgl. Profil 1 und 6). Die Art
und Weise, wie der Malmnordschenkel an dieser Stelle nach oben ab-
geschnitten wird, erinnert in allen Details an die entsprechenden Ver-
hältnisse in den Klusen von Mümliswil und Oensingen.
Für den Kern der Graiterykette setzte ich einfachen
Gewölbebau voraus. Massgebend für diese Annahme waren mir die
Verhältnisse in der Klus von Court, wo dıe Felskante der Birmens-
torfer Schichten einen fast ununterbrochenen, freilich deutlich nach
Norden überkippten Gewölbebogen erkennen lässt. Auch die Auf-
schlüsse im Doggerkern ob Eschert schienen mir für ziemlich regel-
mässigen Gewölbebau zu sprechen.
In der Folge habe ich freilich diese Ansicht aufgeben müssen.
Als ich nämlich Ende Mai 1913 den Befund im Tunnel zu über-
prüfen hatte (Vorort am 24. Mai bei 1957 m ab N. P.), war deutlich
zu erkennen, dass bis ca. 1700 m ab Portal Art und Lagerung der
Gesteine sehr wohl mit der Prognose übereinstimmten, dass aber von
da an der Hauptrogenstein abbiege zu sehr flacher, fast horizontaler
Lagerung. Ich habe daraufhin (28. Mai 1913) für den Durchstich
des Kerns neue prognostische Profile entworfen und zwar glaubte
ich namentlich mit zwei Möglichkeiten rechnen zu sollen, die aus
nebenstehender Figur 3 sofort ersichtlich sind:
Das mittlere Profil vertritt die Annahme, dass im Gegensatz zur
ersten Prognose, die im Malm nachweisbare Ueberschiebung
auch in den Kern hinabsetze, und somit die Graiterykette bei
Moutier nach ganz ähnlichem Plan gebaut sei, wie 26 km öst-
licher in der Klus von Mümliswil (nach der Auffassung von
Professor F. Mühlberg).
Das unterste Profil dagegen setzt eine doppelte Faltung
des Doggers voraus und trägt damit gewissen Erfahrungen Rech-
nung, die sich beim Weissensteintunnel ergeben haben.
Auf die seit Mai bis jetzt (Mitte Oktober) erschlossenen Be-
funde möchte ich nicht eintreten, um der späteren Beschreibung durch
Herrn Dr. A. Troesch nicht vorzugreifen. Ich bemerke nur kurz,
dass die inzwischen erfolgte Durchfahrung des Gewölbekerns Ver-
hältnisse erschlossen hat, ähnlich dem untersten Profil von Fig. 3,
aber begleitet von sekundären Störungen.
“ Für den Südschenkel des Graitery gibt Rollier’s Ent
wurf ein Einfallen des Malm von ca. 45° an, während meine Profile
mit einer vielsteilern Neigung rechnen. Das im untern Teil
des Abhangs zu beobachtende mehr oder weniger flache Nord-
fallen der Kimmeridgeschichten glaube ich auf
Neuer Hauenstein- und Grenchenberstunnel. 251
[LES 1.5 2, Km 25 3 Hm 3.5
Fig. 3. Profile durch den Graitery längs der Axe des Grenchenbergtunnels.
Massstab ca. 1 : 25,000.
Fig. 1. Altes prognostisches Profil vom Februar 1913 (entspricht dem Profil
6 der Tafel II).
Fig. 2 u. 3. Neue prognostische Profile vom 28. Mai 1913 (Vorort bei 1957).
ig. 2. Unter Annahme einer die ganze Kette durchsetzenden
Ueberschiebung.
Fig. 5. Unter Annahme einer doppelten Faltung des Doggerkerns.
l. Keuper. 7. Birmensdorfer-Schichten] R
2. Lias. 8. Effinger-Schichten jArgovien.
3. Opalinuston. 9. Sequan.
4. Murchisonae-Blagdeni-Schichten. 10. Kimmeridge.
5. Hauptrogenstein mit Homomyen- 11. Portland.
mergeln. 12. Bohnerz und Molasse.
6. Varians-Schichten bis Oxford.
252 A. Buxtorf.
Sackung und Hackenwerfen zurückführen zu sollen und
habe dies auch auf den Profilen 1 und 6 angedeutet.
Eine nähere Besprechung erheischen nun noch die prognostischen
ProfilefürdenGrenchenberg (d.h. die W eissenstein-
kette) und die südlichste Portalstrecke.
Was zunächst den orenchenberg anbetrifft, so beteiligen
sich an seinem Aufbau das grosse Gewölbe des Grenchen-
berges selber und die nach Süden gerichtete Teilfalte süd-
lich der Ratfluh, die ich kurz als Ratfluhfalte bezeichne.
Diese beiden Faltungen können ohne Schwierigkeiten ostwärts bis
in das engere W eissensteingebiet verfolgt werden : die nördliche grosse
entspricht dem Stahlfluh-Gewölbe, während die kleine süd-
liche meines Erachtens hervorgeht aus der in der Hasenmatt-Süd-
flanke existierenden Flexur, die ich s. Z. mit dem Rôüthifluh-
Gewölbe in Zusammenhang gebracht habe. (Vel. Beitr. z. geol.
Karte der Schweiz. N. F. XXI. Tafel II, Prof. 10.)
Das grosse Grenchenberg-Stahlfluhgewölbe ist in
meinem Profil als ziemlich einfache Falte dargestellt. Im innersten
Kern wird als Aeltestes die Anhydritgruppe vorausgesetzt, während
Rollier, wie oben erwähnt wurde, sogar das Vorkommen von Wel-
lenkalk und Buntsandstein für möglich hält. — Ich stütze
mich bei meiner Darstellung z. T. auf theoretische Erwägungen, z. T.
aber auch auf die Aufschlüsse von Balmberg-Günsberg, wo der Kern
der Weissensteinkette offen zugänglich ist und eben nichts älteres
als Anhydritgruppe führt. Dass im übrigen dem prognostischen Pro-
fil dieses innersten Kerns unter allen Umständen grosse Unsicherheit
anhaftet, bedarf keiner näheren Erörterungen. Diese Unsicherheit
ıst vor allem darauf zurückzuführen, dass sowohl für die Chaluet-
mulde als auch für die Ratfluhfalte recht verschiedene Deutungen
möglich sind, die natürlich auch die Prognose für den Grenchenberg
selber im hohen Masse beeinflussen (man vgl. z. B. die Profile 6, 3
und 7 miteinander). Bei starker Ueberkippung des Grenchenberg-
nordschenkels und beträchtlicher Entwicklung der Ratfluhfalte wäre
in letzter Linie sogar die Möglichkeit gegeben, dass im Tunnel im
innersten Gewölbekern kaum mehr die Anhydritgruppe, sondern nur
Jüngere Schichten, Muschelkalk oder Keuper sich finden könnten.
Sehr schwierig gestaltet sich endlich die Beurteilung der Rat-
fluhfalte (vel. Profile 1, 4 und 6). Die Unsicherheit ist hier
vor allem dadurch begründet, dass am Abhang ob Bühlen grosse
Strecken durch Schutt verhüllt sind. Vielerorts stechen zwar Fels-
köpfe meist von Sequan aus der Schuttdecke hervor, aber dann können
Neuer Hauenstein- und Grenchenbergtunnel. 255
wir wieder nicht sicher entscheiden, ob es sich um wirklich an-
stehende Riffe oder nur um gesackte Packete handelt.
Diese Schwierigkeit besteht übrigens nicht bloss für den Abhang
direkt überm Tunneltrace, sondern auch für die östliche und west-
liche Fortsetzung der Ratfluhfalte; ich denke da vor allem an die Ab-
hänge des „Vorberges“, an die Gebiete von „Im Schlag“, ‚Stieren-
känzeli“, „Bühlen‘“ und des ‚„Gemeindewaldes“ (vgl. Siegfried Bl.
Grenchen) sowie des „Bettlachstockes“ (Bl. Gänsbrunnen). Es steht
für mich ausser Frage, dass wir es in der Ratfluhfalte mit einer sehr
ausgeprägten, gegen Süden gerichteten Bewegung zu tun haben, das
hat der unten noch kurz zu besprechende bisherige Befund beim
Tunnelbau schon klar gezeigt. Allein das durch die Faltung ge-
schaffene tektonische Bild ist in der Folge wenigstens in seinen ober-
flächlichen Partien durch nachträgliche Sackungserscheinungen etwas
verzerrt worden. Aufgabe späterer Untersuchung, die sich nicht wie
die meine nur auf das Tunnelgebiet beschränkt, wird es sein, pri-
mären Gebirgsbau und nachträgliche Sackung auseinanderzulesen.
Der Befund im Tunnel wird diese Arbeit erleichtern.
Was nun speziell das Tunnelprofil anbetrifft, so habe ich unter
Berücksichtigung der überm Tunneltrace oder wenigstens in dessen
Nähe möglichen Beobachtungen recht verschiedene Profilkonstruk-
tionen versucht, ohne aber zu befriedigenden Ergebnissen zu gelangen.
Schliesslich erschien es mir als das Beste, diese Unsicherheit dadurch
anzudeuten, dass ich am ganzen Abhang eine mächtige Schuttdecke
darstellte und unter dieser nun eine Lagerung der verschiedenen
Schichten annahm, wie sie tatsächlich beobachtet werden kann ca.
1 km östlich des Tunneltrace am Abhang Ratfluh-
Gestlerfluh. Hier sticht nämlich, wie Dr. Baumberger und ich
nachweisen konnten, zwischen der verkehrten Sequanserie der Gestler-
fluh und der normalen der Ratfluh eine mächtige Zone von Effinger-
Schichten hervor, die oberflächlich den Kern der liegenden Ratfluh-
falte ausmacht.!*) Ich räume gerne ein, dass die Uebertragung derart
weit abliegender Beobachtungen auf das Tunneltrace gewissen Ein-
wänden ausgesetzt ist, allein es schien mir immer noch der sicherste
Weg zu sein.
Auch für die Konstruktion des Kerns der Ratfluhfalte
musste in ähnlicher Weise vorgegangen werden, indem hier vor allem
die Aufischlüsse bei Altrütiberg und am Bettlachstock zu berück-
sichtigen waren. Dieselbe Flexur, die am Hasenmattsüdhang im
14) Diese Argovienzone scheint Rollier übersehen zu haben, denn seine
Tunnelprofile verzeichnen im Kern der Ratfluhfalte nur Sequan, ebenso ist
sie auf Bl. VII nicht zur Darstellung gelangt.
254 A. Buxtorf.
Sequan und Kimmeridge beobachtet werden kann, findet sich nämlich
3 km westlicher am Bettlachstock wieder, freilich hier in Dogger-
Schichten.?) Da nun vom Bettlachstock und Altrütiberg aus nach
Südwesten zu die Weissensteinkette sehr stark axial absinkt, taucht
südlich Altrütiberg auch die Doggerflexur des Bettlachstockes nach
Westen zu in die Tiefe, um überm Tunneltrace den Kern zu bilden
zur Argovienzone südlich Ratfluh.
Die Darstellung der Doggerfalte unter Ratfluh, wie sie die Pro-
file 1, 6 und 7 geben, verwertet somit hauptsächlich die recht ent-
fernten Beobachtungen am Bettlachstock und Altrütiberg, wodurch
es auch erklärlich wird, dass die Profile untereinander und auch von
demjenigen Rollier’s sehr stark abweichen, je nachdem eben diesem
oder jenem Momente mehr Bedeutung zugemessen wird. In ÆRollier's
Darstellung klingt die Ratfluhfalte nach der Tiefe zu so rasch aus,
dass sie im Hauptrogenstein des Grenchenbergsüdschenkels nur noch
eine ganz unbedeutende Knickung verursacht. In meinen Profilen
1 und 6 dagegen äussert sich die Falte wenigstens bis in die Opa-
linustone hinab, wobei — gestützt auf Beobachtungen am Altrütiberg
(vgl. Fussnote S. 248) — ausserdem an der Umbiegungsstelle eine
Bruchüberschiebung vorausgesetzt wird. In Profil 7 endlich
räume ich der Ratfluhfalte noch grössere Selbständigkeit ein, sodass
wir dann im Grenchenberg ein Doppelgewölbe vor uns haben,
dessen beide Falten denen des Weissensteins entsprechen. — Keine
der drei verschiedenen Annahmen darf mehr Wahrscheinlichkeit be-
anspruchen als die beiden andern, sodass wir auf den Befund sehr
gespannt sein dürfen. |
Endlich ist noch kurz die südlichste Tunnelstrecke
näher zu betrachten.
Auch hier begegnete die Begutachtung grossen Schwierigkeiten,
weil infolge mächtiger Bedeckung durch Moränen, fluvioglaciale
Schotter und Gehängeschutt Aufschlüsse fast ganz fehlen. Die den
tiefern Untergrund bildende Molasse (bunte Mergel und Sandsteine
des Delemontien) konnte ich nur an einer einzigen Stelle überm Tun-
neltrace in einem Waldweg beobachten, eine Messung des Einfallens
war aber unmöglich. Auch die beiden Sondierbohrungen in der Nähe
des Südportals gaben über die Lagerungsverhältnisse keinen Auf-
schluss. Aus Mergelaufschlüssen, die ich sodann auf ca. 770 m Höhe,
ca. 1 km nördlich von ‚‚In den Stauden“ entdeckte, ergab sich mir
nur ganz allgemein, dass der Molassemantel ziemlich hoch am Ge-
birge hinaufsteige. Die Portland- und Kimmeridgekalke endlich, die
15) Dies ist z.T. auch aus Rolliers „Carte tectonique de Moutier“ er-
sichtlich (vgl. besonders die Ostseite des Bettlachstocks).
Neuer Hauenstein- und Grenchenberstunnel. 255
an den Abhängen oberhalb und westlich Bühlen, sowie am Fussweg
von Grenchen nach dem Stierenberg vielfach herausstechen, ergaben
so auffallend flaches Nordfallen und zeigten dabei so gelockerten
Schichtverband, dass den gewonnenen Messungen nur bedingter Wert
beigemessen werden konnte. Die Ueberkippung des Malm schien mir
freilich in erster Linie tektonischer Natur und bedingt zu sein durch
die Ratfluhfalte; der gesamte Schichtverband aber zeigte sehr klar,
dass wenigstens in den oberflächlichern Partien mit Sackung und
„Hackenwerfen en gros“ gerechnet werden müsse.
_ Unter Berücksichtigung aller dieser Momente entstand schiesslich
Anfang 1912 das prognostische Profil 1, das im Prinzip mit Rollier's
Auffassung (vgl. Fig. 1, S. 241) viel Uebereinstimmung zeigt, aber
der Molassedecke bedeutend grössere Mächtigkeit zu weist. Dies letztere
ergab sich nicht nur aus den Sondierbohrungen, sondern war schon
1908 von E. Baumberger und mir im oben genannten Gutachten be-
fürwortet worden.
Durch den seither erfolgten Tunnelbau hat dieses Profil 1 aller-
dings beträchtliche Modifikationen erfahren müssen. Als im No-
vember 1912 der Vortrieb statt in Malm immer noch in bergwärts
einfallender Molasse erfolgte und die Unhaltbarkeit meines ersten
Profils klar lag, habe ich auf Verlangen der Bauunternehmung für
die nächstfolgende Tunnelstrecke ein neues Profil, Profil 4 der
Tafel II entworfen, wobei ich die Befunde bis 1034 ab Portal ver-
werten konnte. In diesem neuen Entwurf wird nun ein tiefes Ein-
stechen der Molassemulde vorausgesetzt und die Molasse-Malmgrenze
erst bei + 1280 m ab Südportal angenommen.
Diese zweite Prognose hat in der Folge wenigstens teilweise
Bestätigung gefunden. Wie Profil6 (entworfen 26. Februar 1913,
Vortrieb bei 1535 m) zeigt, wurde bei 1302 m der stark überkippte,
von Klüften und Rutschflächen durchsetzte Malm angefahren, der
normal von einer dünnen Kruste von Bohnerztonen bedeckt war. Die
vorgelagerte Mollassemulde aber zeigte ungleich kompliziertere Ver-
hältnisse als angenommen worden war. Von der vermutet verkehrten
Folge von Molasse alsacienne war nichts zu finden, vielmehr fanden
sich bis zur Begegnung des Bohnerztons beständig stark zerklüftete
Mergel des Del&montien, an welche längs einer nach Süden an-
steigenden Grenzfläche die Bohnerzformation unvermittelt anstiess.
Die Asymmetrie der Mulde aber wurde noch besonders dadurch
klar erkennbar, dass bei 1198 m mitten in grauen oder bunten Mer-
geln ein äusserst fossilreiches steil südwärts einfallendes Schicht-
paket von mariner Molasse sich einstellte. Dieser Befund kam
umso überraschender, als die nächsten bekannten Vorkommen von.
mariner Molasse viele Kilometer weit weg an den Molassehügeln
256 A. Buxtorf.
zwischen Büren und Biel liegen (vgl. Bl. VII). Herr Dr. Baumberger,
der diese letztern Aufschlüsse genauer kennt, hatte die Freundlich-
keit, meine Aufsammlungen durchzusehen und konnte den Horizont
noch spezieller dem obern Teil der marinen Molasse, dem Vindo-
bonien zuweisen. Ich gehe nun wohl nicht fehl in der Annahme,
dass dieses Vindobonien innerhalb der allerdings sehr stark ver-
quetschten Mulde die jüngsten vorkommenden Molasseschichten,
d. h. ungefähr den Muldenkern darstellt. Wir erkennen dann,
dass einem mehrere 100 Meter mächtigen, in seinen untern Partien
ganz ruhig gelagerten Muldensüdschenkel ein sehr stark reduzierter,
im ganzen 100 m kaum erreichender, verkehrter Nordschenkel gesen-
übersteht. Und dieses Verhältnis, im Verein mit den oberflächlichen
Lagerungsverhältnissen, kann meines Erachtens nur so erklärt werden,
dass bei der Auffaltung des Grenchenbergs die Ratfluhfalte süd-
wärts gegen das Molasseland hinausgepresst und ıhr Südschenkel
schliesslich auf Molasse überschoben worden ist, wobei der
verkehrte Nordflügel der Molassemulde weitgehende Reduktion
und in seinen ältern Schichten vollständige Ausquetschung erfahren
hat. Aus dem sich entgegenstehenden Einfalien der marinen Molasse
einerseits und des Kimmeridge andererseits glaubte ich ferner
schliessen zu dürfen, dass der Muldenkern von Meeresmolasse nach
oben ganz abgequetscht worden ist, wie ich im Profil 6 angenommen
habe.
Es bedarf keiner weitern Auseinandersetzung, dass es ganz aus-
geschlossen ist, die beschriebenen Lagerungsverhältnisse etwa durch
blosse Sackung des Südschenkels des Grenchenbergs erklären zu
wollen. Dass am Abhang oberflächlich die Schichten mehrfach
Lockerung und Sackung erkennen lassen, wurde schon oben erwähnt,
allein für den in dieser Partie 3—500 m tief liegenden Tunnel ist
ein Einfluss dieser Oberflächenvorgänge selbstverständlich ganz aus-
geschlossen, umso mehr als über der südlichsten Tunnelstrecke die
Abhangsböschung eine so flache ist, dass Terrainbewegungen hier
ganz ausgeschlossen sind. Der Befund im Tunnel kann nur durch
eine bei der Auffaltung der Kette entstandene Ueberschiebung
des Malms über die südwärts vorgelagerte Molasse erklärt werden.
Es sei noch erwähnt, dass sowohl im Portland als auch im südlichsten
Kimmeridge in grosser Zahl flach nordwärts geneigte Rutschflächen
sich zeigten, längs welchen immer die oberen Schichtpakete nach Sü-
den verschoben erschienen (vgl. Profil 6). Es handelt sich um typische
Begleiterscheinungen der grossen am Malm-Molassekontakt
zu beobachtenden Ueberschiebung.
Entgegen aller Erwartung und Voraussicht (vel. Profil 1)
lieferte also der südlichste Abschnitt des Grenchenbergtunnels den
Neuer Hauenstein- und Grenchenbergtunnel. 257
Beweis für das tatsächliche Vorhandensein südwärts ge-
richteter UeberschiebungenamInnenranddesJura.
Und damit erhalten meine für das Günsberggebiet ausgespro-
chenen Anschauungen, die erst kürzlich von H. Gerth noch ange-
fochten worden sind, eine ebenso unerwartete als willkommene Stütze.
Dies ist umso mehr der Fall, als die verkehrte und überschobene
Malmserie des Grenchenbergtunnels nach Osten unter allmählicher
Aufrichtung ununterbrochen weiterstreicht in die Südabdachung des
Weissensteins, um noch weiter östlich in der Balmfluh und im Kım-
meridgeriff von Säget ob Günsberg von Neuem überkippte Lagerung
zu zeigen wie bei Grenchen.!®)
Gerade im Hinblick auf die Controverse zwischen H. Gerth und
mir erschien es geboterf, hier den Befund wenigstens kurz zu erwähnen,
wobei ich mir vorbehalte, auf die übrigen Einwände Gerth's bei
späterer Gelegenheit zurückzukommen.
3. Schlusswort.
Meine Ausführungen zeigen wohl zur Genüge, welch eine Fülle
der verschiedensten Probleme sich an diese beiden Juradurchstiche
knüpfen. Teils handelt es sich mehr um Einzelheiten, zum Teil aber
auch um Fragen, die für unsere gesamten Anschauungen über Jura-
tektonik von einschneidender Bedeutung sind. Während Rollier
(1902) im Kern des Grenchenberges noch Buntsandstein und Wellen-
kalk vermutet, habe ich mich bei meinen Prognosen sowohl für Hauen-
stein als Grenchenberg strikte an die von mir 1907 aufgestellte ,,Ab-
scherungtheorie“ gehalten und als älteste mitgefaltete oder über-
schobene Schicht die Anhydritgruppe angenommen. Gerade im Hin-
blick auf die Abscherungstheorie erhoffe ich von den beiden Bauten
wichtige Aufschlüsse und zwar namentlich in folgender Richtung. —
Es ist bekannt, dass wir im Kettenjura wohl den obern Teil der
Anhydritgruppe auftreten sehen, aber nie den untern, der die
Steinsalzlager führt, noch viel weniger dessen Liegendes, den W el-
lenkalk. Gewöhnlich führt man das Fehlen des Steinsalzes im
Kettenjura zurück auf Auslaugung, was in vielen Fällen sehr wohl
möglich ist. Allen es wäre auch denkbar, dass dieses Fehlen
inder Tektonik begründet ist und zwar in dem Sinne, dass nicht
die Anhydritgruppe als Ganzes die Abscherung ermöglichte, son-
16) Ueber Günsberg vgl. man meine „Bemerkungen über den Gebirgs-
bau des nordschweizerischen Kettenjura im besondern der Weissensteinkette”
(Ztschr. Deutsche geol. Ges., Bd. 63, 1911, S. 341), ferner H. Gerth: Flache
Ueberschiebung oder Absenkung auf der Südflanke der Weissensteinkette
bei Günsberg? (Monatsberichte, Deutsche geol. Ges., Bd. 65, 1913, S. 47.)
17
258 A. Buxtorf.
dern dass die Abgleitung und Abscherung der Sedimentdecke in erster
Linie auf dem Salzhorizont erfolgte, dem innerhalb der Anhy-
dritgruppe wohl die grösste Plasticität eigen sein dürfte. Damit wäre
das Fehlen von Salzhorizonten im Kettenjura ohne Weiteres ver-
ständlich. Bis zu einem gewissen Grade kann diese Ansicht schon
heute gestützt werden, einerseits durch das Fehlen des Wellenkalks,
andererseits durch die Tatsache, dass in den grossen Ueberschiebungs-
gebieten — Hauenstein etc. — der obere Teil der Anhydritgruppe in
voller Mächtigkeit vorhanden ist. Viel wertvoller sind natürlich die
Profile der Tunnelbauten, und da wir glücklicherweise im Laufe der
letzten Jahre durch zahlreiche Bohrungen auch über die Stratigraphie
der salzführenden Anhydritgruppe im nördlich vorgelagerten Basler
und Aargauer Tafeljura genau unterrichtet worden sind, so erscheint
es nicht ausgeschlossen, dass der sorgfältige Vergleich der beidseitigen
Befunde die oben aufgeworfene Frage ihrer Lösung näher bringen
wird.
Basel, Min. geol. Institut der Universität, Herbst 1913.
Bericht über das Basler Naturhistorische Museum
für das Jahr 1912.
Von
Fritz Sarasin.
Der Berichterstatter fühlt sich gedrängt, seine Jahresübersicht
mit Worten des Dankes einzuleiten an diejenigen Herren, welche für
ihn während seiner anderthalbjährigen Abwesenheit seine Museums-
tätigkeit übernommen haben, den Vizepräsidenten, Herrn Dr. Th.
Engelmann, der die laufenden Präsidialgeschäfte geführt und Herrn
Dr. H. G. Stehlin, der für die Zoologische Abteilung Sorge ge-
tragen hat.
Unsere Kommission hat im verflossenen Jahr einen schweren
Verlust erlitten durch den Tod ihres langjährigen Mitglieds, des Herrn
Prof. Karl Vonder Mühll, dessen warmes Interesse am Gedeihen des
Naturhistorischen Museums uns in dankbarer Erinnerung bleiben
wird. Wir werden seinen kundigen und stets wohlmeinenden Rat in
Zukunft noch oft schmerzlich vermissen.
Wie immer, so hat auch dieses Jahr unsere Anstalt lebhafte För-
derung von seiten der Behörden, verschiedener Gesellschaften und
Privatleuten erfahren dürfen. Mit besonderem Danke erwähnen wir
die Gesellschaft zur Förderung des Guten und Gemeinnützigen und
den Freiwilligen Museumsverein, der uns ausser seinem jährlichen
Beitrag Fr. 600.— bewilligt hat zur Deckung einer Restschuld des
Ankaufs fossiler Säugetierschädel von Samos und Fr. 500.— für Er-
werbung zoologischer Objekte. Die Zinsen der Rütimeyerstiftung
sind dieses Jahr ganz der Osteologischen Abteilung zugut gekommen.
Für Mobiliaranschaffungen hat uns die h. Regierung einen Extra-
kredit von Fr. 1100.— bewilligt, und die Allgemeine Museumskom-
mission hat uns für Installationsbedürfnisse Fr. 2604.— überwiesen.
Zu mehreren vom Erziehungsdepartement vorgelegten Fragen
hat die Kommission Stellung genommen, so zum Vorschlage, statt
am Mittwoch Nachmittag, am Samstag Nachmittag die Sammlungen
ohne Eintrittsgebühr offen zu halten. Die Kommission konnte sich
nicht dazu entschliessen, den längst eingebürgerten Mittwoch Nach-
260 Fritz Sarasin.
mittag fallen zu lassen, vertrat vielmehr in ihrer Mehrheit die An-
sicht, es seiian den drei Nachmittagen, Mittwoch, Samstag und Sonn-
tag, freier Eintritt zu gewähren, wenn für die Mehrkosten des Auf-
sichtsdienstes Deckung geschaffen werde, oder aber es sei der freie
Sonntag Nachmittag gegen den Samstag zu vertauschen, falls hieraus
kein Nachteil für die Landbevölkerung erwachse. Eine weitere An-
frage, wie in unserem Museum der Tausch oder Verkauf von Dou-
bletten gehandhabt werde, wurde durch folgenden Kommissionsbe-
schluss geregelt: Die Abgabe von Doubletten unterliegt, sobald es
sich dabei um Objekte von einiger Bedeutung handelt, der Creneh-
migung des Präsidenten, eventuell der Kommission.
Die Führungen in den Museumssammlungen erfreuen sich stets
einer lebhaften Beteiligung. Im Winter 1911/12 wurden folgende
Themata behandelt: Herr Dr. G. Imhof, Fischleben im Meer und
Hochseefischerei und zweitens die menschenähnlichen Affen, Herr
Dr. A. Buxtorf, Salzvorkommen der Umgebung von Basel, Herr Dr.
E. Baumberger, die Eiszeiten, Herr Dr. F. Zyndel, Bergkrystalle.
Allen diesen Herren sprechen wir für ihre Bemühungen unsern
Dank aus.
Wir gehen nun zu den einzelnen Abteilungen über.
Zoologische Sammlung.
(Bericht des Vorstehers, F. S.)
Der Vorsteher und der Custos, Herr Dr. J. Roux, haben nach
ihrer Rückkehr Ende Juli die Besorgung der Zoologischen Samm-
lung wieder aufgenommen, welche während ihrer Abwesenheit von
Herrn Dr. H. G. Stehlin und Herrn Dr. P. Revilliod als Assistenten
verwaltet worden war. Der letztere hat in dieser Zeit den gesamten
Katalog der Säugetiere revidiert, wonach diese Abteilung sich nun
in ebenso vollkommener Ordnung befindet, wie die Vögel, Reptilien,
Amphibien und Fische; er hat ferner die Sammlung der Korallen
katalogisiert, freilich zumeist nur nach den bereits vorhandenen Eti-
ketten, da für eine wissenschaftliche Durcharbeitung hier die Lite-
ratur fehlt.
Herr Dr. J. Roux und der Vorsteher haben von Neu-Kaledonien
und den Loyalty-Inseln eine umfangreiche zoologische Sammlung
nach Hause gebracht, welche sukzessive nach erfolgter Bearbeitung
dem Museum einverleibt werden soll. Grosse Bestände von Doubletten
der im Handel schwer erhältlichen kaledonischen Objekte werden ge-
statten, auch durch Tauschverkehr unsre Sammlungen beträchtlich zu
vermehren. Ferner hat uns Herr Dr. Felix Speiser von den Neuen
Hebriden eine zwar nicht grosse, aber wegen der Seltenheit wertvolle
Basler Naturhistorisches Museum. 261
zoologische Sammlung überbracht, welche zu gleicher Zeit wie die
kaledonischen Sachen bearbeitet werden soll. Es sind schon jetzt über
30 zoologische Mitarbeiter für dieses faunistische Werk gewonnen
worden. Herr Roux hat mehrere Monate ganz auf die Verteilung der
genannten Sammlungen nach ihrem systematischen Inhalt verwenden
müssen, wobei ihm auch die Herren von der Entomologischen Ab-
teilung hilfreich an die Hand gegangen sind. Er bearbeitet gegen-
wärtig die kaledonischen Reptilien, Dr. P. Revilliod die Säugetiere,
der Vorsteher die kaledonischen Vögel.
Säugetiere. Unter dem Zuwachs an Säugetieren ist in erster
Linie das Geschenk des Freivilligen Museumsvereins, die seltene
Himalaya-Antilope, Pantholops hodgsoni, hervorzuheben, dann ein
sehr schönes, fertig aufgestelltes Exemplar eines sumatranischen
Tigers, eine wertvolle Gabe der Herren G. Forrer in Sumatra und
Alb. v. Speyr-Bölger. Herr Dr. R. Biedermann-Imhoof hat uns von
seiner Altai-Expedition freundlichst eine Reihe von Säugetieren mit-
gebracht, worunter sich mehrere seltene, uns noch fehlende Arten
befanden. In Aegypten und dem cilicischen Taurus sammelte für
uns Herr Dr. Ed.Graeter, im Gabun Herr Missionar Ch. Herrmann.
Weitere Gaben gingen ein von den Herren Dr. $. Schaub, G. Schnei-
der und der Direktion des Zoologischen Gartens (siehe die Liste der
Geschenke). Eine Reihe Sachen verschiedener Herkunft wurden an-
gekauft (siehe das Verzeichnis der Ankäufe).
Vögel. Die schweizerische Vogelsammlung verdankt eines ihrer
schönsten Stücke wiederum dem Museumsverein, einen Seeadler,
Haliaëtus albicillus, geschossen bei Herboltsheim am Rhein, 27. De-
zember 1911.
Zur Schweizer Fauna, wenigstens zu der früherer Jahrhun-
derte, gehört ein seltsamer Vogel aus der Familie der Ibisse, der als
„Waldrapp“ seinerzeit bekannt war, jetzt aber längst aus unseren
Gegenden verschwunden ist und nur in Kleinasien und Nordafrika
noch vorkommt, Comatibis eremita. Ein schönes Exemplar dieser
Art ist noch während meiner Abwesenheit für die Sammlung ge-
kauft worden.
Herr A. Wendnagel sandte eine Wasserralle ein, die an einer
Starkstromleitung verunglückte, andere Geschenke Herr Dr. K.
Im Obersteg, Herr F.W. Riggenbach, die Zoologische Gartendirek-
lion und der Vorsteher. Im ganzen nahm die Sammlung nur zu
um 3 neue Gattungen und 9 neue Arten.
Reptilien und Amphibien. Auch diese Sammlung hat nur einen
verhältnismässig schwachen Zuwachs erfahren, nämlich nur um 19
262 Fritz Sarasin.
für uns neue Arten. Als Schenker sind zu nennen die Herren Mis-
sionar Dr. Borle, Dr. Ed. Graeter, Missionar Ch. Herrmann, Dr.
W.Hotz, G. Müller-Bovet, Prof. Dr. G. Senn, Dr. A.Theiler und
der Zoologische Garten. 7 amerikanische Arten erhielten wir durch
Tausch mit dem Museum von Cambridge U.S.A.
Fische. Den Hauptzuwachs an Fischen verdanken wir den
Herren Drs. S. Schaub und H. Helbing, welche eine Kollektion
aus dem Nachlasse des Herrn Prof. Rud. Burckhardt uns übergaben,
anderes Herrn Dr. A. Graeter und G. Müller-Bovet. Unsere ziemlich
grosse Sammlung südamerikanischer Fische, welche Herr Hofrat
Steindachner in Wien zur Bearbeitung und Vergleichung gewünscht
hatte, ist nun in der Hauptsache wieder zurückgekommen.
Wirbellose Tiere. An wirbellosen Tieren gingen Geschenke ein
von Herrn Missionar Borle, Dr. Alb. Graeter, Missionar Ch. Herr-
mann, Dr. W. Hotz, P. Obrist und dem Vorsteher und zwar aus den
verschiedensten Gruppen. Angekauft wurden als schöne Schaustücke
ein Kalkblock mit eingesenkten Bohrmuscheln, Lithodomus dacty-
lus, von der dalmatinischen Küste und eine Kalkplatte mit aufge-
wachsenem Badeschwamm, Euspongia officinalis, ebendaher. In
dieser grossen Museumsabteilung macht sich das-Fehlen eines Assi-
stenten immer mehr fühlbar. Beim ‚besten Willen ist ohne einen
solchen keine Ordnung in die teilweise nicht unbedeutenden Be-
stände zu bringen. Nur in der Molluskensammlung hat Herr Dr. G.
Bollinger in gewissenhafter Weise seine Bestimmungs- und Kata-
D sen base fortgesetzt, die aber noch des Jahr in An-
spruch nehmen werden, ra in den Wintermonaten für ihn kein
heiz- und beleuchtbares Arbeitszimmer zur Verfügung steht, seine
Arbeit also eingestellt werden muss.
Entomologische Abteilung.
(Bericht des Vorstehers, Prof. L. G. Courvoisier.)
In der Lepidopteren-Sammlung sind die Arbeiten leider durch
längere Krankheit unseres treuen freiwilligen Konservators, des Herrn
Hans Sulger, unterbrochen worden. Doch hat derselbe später man-
ches nachgeholt und die Umordnung aus den kleinen ue in die
neuen grösseren Rahmen so weit gefördert, dass nur noch ein —
allerdings noch beträchtlicher — Teil der Nachtfalter übrig bleibt.
Auch verdanken wir ihm als Geschenk zwei Pultschränke.
Herr Sekundarlehrer Liniger hat während der Monate Januar
und Februar die Imhoff’sche Coleopteren-Sammlung neu geordnet,
im März die von Herrn Missionar Stutz aus Kamerun gebrachten
Basler Naturhistorisches Museum. 263
Käfer eingereiht, im April einen grossen Teil der Neuroptera, Mai
bis September etwa einen Drittel der Hymenoptera und seither die
von den Herren Drs. Sarasin und Roux in Neukaledonien und auf
den Loyalty-Inseln erbeuteten Orthoptera geordnet.
Von Geschenken sind als besonders wertvoll zu nennen die von
Herrn L. Paravicini in Arlesheim uns übergebenen zahlreichen
exotischen Falter (20 Rahmen), von Herrn W. Schmassmann in Lon-
don der seltene Papilio homerus aus Jamaika und von Herrn
R. Forcart-Bachofen ein schönes Paar des indischen Seidenspinners
Antheraea mylitta nebst Puppen.
Für die Ankäufe sehe man das Verzeichnis im Anhang ein.
Osteologische Sammlung.
(Bericht des Vorstehers, Dr. H. G. Stehlin.)
Hauptereignis des Berichtsjahres war für die osteologische Ab-
teilung der Ankauf einer Sammlung von Säugetierfossilien von der
Insel Samos. Der Freiwillige Museumsverein hatte schon Ende 1911
einen Beitrag von Fr. 1500.— für diesen Zweck zugesagt. Nach-
dem die Sammlung anfangs des Berichtsjahres eingetroffen war, hat
er die Gewogenheit gehabt, diese Summe um Fr. 600.— zu erhöhen,
wodurch uns ermöglicht wurde, den Ankauf ohne Inanspruchnahme
unserer anderweitigen Mittel abzuschliessen. Gleichwohl schliesst die
Abteilungsrechnung mit einem beträchtlichen Defizit, da sich ver-
lockende Kaufgelegenheiten in fast überreicher Zahl dargeboten
haben.
Mesozoïcum. Die Direktion des Museums in Solothurn hat uns
den Abguss einer Schale von Platychelys oberndorferi aus den Stein-
brüchen von Solothurn zum Geschenk gemacht.
Eocän. Die Belegmaterialien von verschiedenen in früheren Be-
richten genannten auswärtigen Eocänfundstätten liessen sich in er-
freulicher Weise vervollständigen. Ferner wurden die seit mehreren
‚Jahren verschiedener Umstände halber unterbrochenen Ausgrabungen
in Egerkingen mit gutem Erfolg wieder aufgenommen. Das American
Museum of Natural History in New-York überraschte uns mit einem
wertvollen Nachtrag zu seiner vorjährigen Sendung, bestehend aus
Belegstücken von Carnivoren (Oxyaena, Pachyaena, Sinopa, Didy-
mictis), Primaten (Pelycodus, Anaptomorphus, Hemiacodon) und
Nagern (Paramys, Sciuravus) aus der Wasatsch-, der Windriver- und
der Bridgerstufe, welche uns als Vergleichsmaterialien beim Studium
verwandter europäischer Formen sehr schätzenswerte Dienste leisten
werden.
264 Fritz Sarasin.
Oligocän. Aus den rasch berühmt gewordenen Unteroligocän-
Schichten des Fayum (Aegypten) sind zwei Unterkieferhälften von
Palasomastodon und eine Oberkieferzahnreihe von Arsinoïtherium,
einem seltsamen und vorderhand sehr isoliert stehenden Huftiere,
bezogen worden. Der auf das europäische Mitteloligocän oder Stam-
pien bezüglichen Dokumentation konnten verschiedene Ergänzungen
zugeführt werden, worunter die in der Geschenkliste genannten
Gaben von Herrn Leopold Malbert und Fräulein M. Grenier be-
sondere Hervorhebung verdienen. Aus dem oberoligocänen Phryga-
nidenkalk der Limagne, den fast jeder Jahresbericht zu erwähnen
hat, sind ziemlich breite neue Materialien eingegangen. Das bemer-
kenswerteste darunter sind prachtvoll erhaltene Schädel und Lang-
knochen einer bisher unbekannten Fledermaus aus der Gruppe der
Vespertilioniden.
Miocän. Verschiedene seit Jahren überwachte Untermiocänfund-
orte der Gegend von Orleans und Blois haben eine erfreuliche Aus-
beute geboten, aus der ein schönes Stosszahnstück von Mastodon an-
œustidens und als besonders willkommene Raritäten einige Geweih-
stangen der noch sehr primitiven Hirsche dieses Horizontes besonders
hervorgehoben seien. Auch die Serien aus dem Mittelmiocän konnten
wieder durch Bezüge von verschiedenen Lokalitäten etwas vermehrt
werden. Die eingangs erwähnte Sammlung von Samos, die wir dem
Freiwilligen Museumsverein verdanken, umfasst, neben minder wich-
tigem, Schädel von Rhinoceros pachygnathus “(einer den lebenden
afrikanischen Rhinoceriden nahe stehenden Form), von Hyaena
eximia (einer nahen Verwandten der lebenden gefleckten Hyäne), von
zwei Hipparionarten und von zwei noch zu bestimmenden Antilopen-
arten, sowie Kiefer von Sus erymanthius und Mastodon pentelıcı.
Alle diese Fundstücke sind sehr schön erhalten und werden das bis-
her etwas dürftig vertretene Obermiocän in unserer künftigen Schau-
stellung in sehr vorteilhafter Weise repräsentieren.
Pliöcän. Die seit mehreren Jahren betriebenen Ausgrabungen
ım obern Pliocän von Seneze (Haute Loire) sind eifrig fortgesetzt
worden. Das Glanzstück der diesjährigen Ausbeute ist ein sehr
schöner Unterkiefer des Elephas meridionalis, der sich von den-
jenigen, die wir von italienischen Lokalitäten besitzen, durch primi-
tivere Gestaltung des Vorderendes unterscheidet. Ausser von Seneze
sind oberpliocäne Fossilien auch von einem andern auvergnatischen
Fundorte, Vialette, sowie aus Val d’Arno eingegangen.
Pleistocän. Von den, von ihm stetsfort in verdankenswerter Weise
überwachten, Mittelpleistocän-Fundstellen des Val di Chiana hat
uns Herr Pfarrer H. Iselin in Florenz zwei Sendungen zugehen
Basler Naturhistorisches Museum. 265
lassen. Neben einem fast vollständigen Schädel von Bison priscus
sind daraus Belegstücke zweier bisher nicht beobachteter Arten her-
vorzuheben, nämlich eine Tibia des Schwanes und ein Radius des
Menschen. Ferner sind einige Säugetierreste aus dem ältern und
jüngern Pleistocän der Auvergne, aus dem jüngern Pleistocän unserer
Umgebung und von mehreren Fundstätten aus der jüngsten Phase
der Vergangenheit eingegangen, worüber die Geschenkliste zu kon-
sultieren ist.
Rezente Osteologica. Durch Ankauf sind einige Lücken unserer
Skelettsammlung, welche sich bei gegenwärtig im Gang befindlichen
Untersuchungen fühlbar machten, ausgefüllt worden (s. Verzeichnis
der Ankäufe.) Eine sehr angenehme Ueberraschung bereitete uns
ein im Auslande wohnender Landsmann, Herr Dr. R. Biedermann-
Imhoof, ındem er uns aus der Ausbeute einer von ihm veranstalteten
Expedition in das Altaigebiet die unten in der Geschenkliste aufge-
führte wertvolle Serie von Schädeln schenkte. Herr Dr. Adam David
brachte uns von seiner letzten Afrikareise eine höchst willkommene
Rarität mit, einen Schädel des längere Zeit für ausgestorben ge-
haltenen weissen Nashorns, Rhinoceros simus. Weitere wertvolle Ge-
schenke verdanken wir den Herrn Dr. Felix Speiser und Dr. G. Niet-
hammer (s. Geschenkliste). Endlich verpflichtete uns, wie alljähr-
lich, die Direktion des Zoologischen Gartens durch Ueberlassung einer
Reihe von Tierleichen.
Verwaltung. Herr Dr. P. Revilliod hat die Revision des Katalogs
der rezenten Osteologica in allen Teilen zu Ende geführt und dann
noch die Sammlung der Wirbeltierreste aus den Pfahlbauten revidiert.
und neu geordnet.
Dank einem vom Staate gewährten Extrakredit von Fr. 500.—
konnte die Vorbereitung der künftigen Schaustellung intensiver als
bisher gefördert werden. Seit letztem Winter erfreuen wir uns bei
dieser Arbeit der Beihilfe von Herrn Dr. H. Helbing, die an dieser
Stelle aufs beste verdankt sei.
Das löbliche Baudepartement hat uns durch Erneuerung der
Hydrantenschläuche im Laboratorium verpflichtet.
Die Sammlung ist zu Studienzwecken besucht worden von den
Herren Granger in New-York, Pilgrim in Kalkutta, Haupt in Darm-
stadt, Boas in Kopenhagen, Soergel in Freiburg i. B., Stefanini in
Padua, Hernandez-Pacheco in Madrid. Materialien wurden ausge-
liehen an die Herren Brauer in Berlin, Soergel in Freiburg, Kollmann
in Basel.
Im Berichtsjahre ist die Arbeit von Herrn W. Soergel über
»Elephas trogontherii und Elephas antiquus“ (Palacontographica
266 Fritz Sarasin.
Band LX) erschienen, in welcher diverse Elefantenmaterialien unserer
Sammlung verwertet sind. Ein neuer Faszikel (VII, erste Hälfte)
von des Vorstehers „Säugetieren des schweizerischen Eocäns“, die
Adapiden behandelnd, verlässt eben die Presse und ein weiterer (VII,
zweite Hälfte), den übrigen Primaten gewidmet, ist nahezu
druckfertig. Auch die von Herrn Dr. Revilliod unternommene Be-
arbeitung unserer fossilen Chiroptern geht ihrem Abschluss entgegen.
-
Geologische Sammlung.
A. Petrographische und Indische Sammlung.
(Bericht des Vorstehers, Prof. Dr. C. Schmidt.)
1. Petrographische Abteilung I: Die Untersuchungen im Splügen-
gebiet und in Mittelbünden sind im Jahre 1912 namentlich von Dr.
F. Zyndel weitergeführt worden im Auftrag der Schweiz. Geolog.
Kommission.
Die gesamten seit 1907 gesammelten Belegstücke wurden syste-
matisch. geordnet, sie füllen ca. 40 Schiebladen. Verwertet wurde
diese Sammlung in der ‚Publikation von F. Zyndel „Ueber den Ge-
birgsbau Mittelbündens“. (Beitr. zur Geolog. Karte der Schweiz
N. F. 41. Lief.) Herr Prof. H. Preiswerk hat die im. Auftrag der
Schweiz. Geol. Kommission begonnenen Untersuchungen im nörd-
lichen Tessin fortgesetzt, das gesammelte Material füllt ca. 5 Schieb-
laden. |
Von C. Schmidt und J. Zurkirch ist eine vollständige Suite der
bituminösen, z. T. sehr fossilreichen Fischschiefer aus der Gegend
von Lugano und Varese gesammelt worden. — Die systematische
Ordnung der alpinen krystallinen Gesteine hat Herr Dr. Emil Gutz--
willer in Angriff genommen.
Von ausländischen Suiten sind zu er le esse Cresteine
von Aetna und Vesuv, ferner eine sehr vollständige Serie von Asphalt-
gesteinen mit Fossilien von Ragusa (Sizilien), gesammelt von C.
Schmidt und R. Schider.
Erzla gerstättensammlung. Eine allgemeine systematische Samm-
lung von Erzen ist im Berichtsjahre fertiggestellt worden. Diese
Sabre füllt drei Schränke von 32 Schiebladen. Die vor
handenen Bestände wurden durch Ankäufe, namentlich bei der Mine-
ralien-Niederlage der K. S. Bergakademie in Freiberg, ergänzt.
Ferner konnte eine Serie von Donc von Bilbao und von Kupfer-
erzen aus Spanien, gesammelt von C. Schmidt im Sommer 1912, der
Sammlung ingame werden.
Basler Naturhistorisches Museum. 267
Sehr wertvoll ist die als Geschenk uns überlassene Original-
Sammlung zur Monographie der bekannten Lagerstätte von Traver-
sella in Piemont von Dr. F. Müller. Die Arbeit ist erschienen in der
Zeitschrift für prakt. Geologie 1912; die ganze Sammlung füllt 24
Schiebladen.
2. Indische Abteilung. Die Belegstücke zu den. geologischen
Aufnahmen auf der Klias-Halbinsel in Nord-Borneo von Dr. @. Niet-
hammer sind eingereiht worden.
B. Alpin-sedimentäre Abteilung.
(Bericht des Vorstehers, Dr. A. Buxtorf.)
Die Unterbringung ist dieselbe geblieben wie im Vorjahr; die
vorläufigen Ordnungsarbeiten können als abgeschlossen betrachtet
werden; mit den in den kommenden Jahren vorzunehmenden Be-
stimmungsarbeiten konnte noch nicht begonnen werden, da der Be-
richtende durch anderweitige Arbeiten in Anspruch genommen
war. Diese letztern kommen im allgemeinen ebenfalls den geologi-
schen Sammlungen des Museums zugute, betreffen aber im beson-
dern hauptsächlich Sammlungsteile, die Herrn Dr. Greppin unter-
stellt sind. Hieher gehört die Bearbeitung von Dogger- und Meeres-
sandmaterial von Rötteln!); ferner ist der Berichtende damit be-
schäftigt, Belegsammlungen des neuen Hauenstein- und des Gren-
chenbergtunnels anzulegen, die später dem Museum überwiesen
werden sollen.
Wässenschaftliche Benützung erfuhren die Sammlungen im ver-
flossenen Jahre keine. Dagegen ist der Bestand der Sammlungen
durch Geschenke und Ankäufe nach verschiedener Richtung hin er-
gänzt worden. Die vom Unterzeichneten seit vielen Jahren im Auf-
trage der Schweiz. Geolog. Kommission am Vierwaldstättersee aus-
geführten Untersuchungen haben auch im verflossenen Jahre zahl-
reiche Funde geliefert, die den früher geschenkten Beständen ein-
sereiht wurden. ‚Die in ähnlichen Aufträgen tätigen Herren Dr.
Niethammer und Dr. F. Zyndel übergaben Gesteins- und Fossil-
suiten aus der Zentralschweiz, bezw. Mittelbünden.
Angekauft wurden Eocän-Fossilien von Iberg und Demonstra-
tionsstücke alpiner Gesteine.
1) Belegstücke zur Arbeit: A. Buxtorf, Dogger- und Meeressand am
Röttler Schloss bei Basel. Mitt. d. Grossh. bad. zeol. Landesanstalt. Bd. VII,
S. 57-83.
268 Fritz Sarasin.
C. Mesozoisch-Jurassische (ausseralpine) Abteilung.
(Bericht des Vorstehers, Dr. E. Greppin.)
Die seit vielen Jahren begonnene Revision und damit verbunden
die Katalogisierung des umfangreichen jurassischen Materials
konnte im Berichtsjahr erledigt werden.
Es hat nun jede Etikette eine Nummer erhalten, und dieselbe
wurde auch auf die zur Etikette gehörenden Fossilien aufgetragen.
Ebenso wurden auf den Etiketten, neben der Nummer, die Stück-
zahl der in den Schachteln befindlichen Individuen angegeben.
Mit allen diesen Vorsichtsmassregeln ist der Inhalt der Schieb-
laden gesichert, und sollten durch Transporte etc. grössere Verschie-
bungen vorkommen, so sind dieselben bald wieder in Ordnung zu
bringen.
Der Zettelkatalog besteht heute aus 9200 Nummern, wobei jede
Nummer einer Art entspricht.
Die einzelnen Zettel geben Auskunft über:
. Name der Art;
. den geologischen Horizont;
Hundert:
. Nummer der Etikette und der hiezu gehörenden Fossilien ;
. Stückzahl der Fossilien.
Der Zettelkatalog ist, entsprechend der Einordnung der juras-
sichen Bestände nach Regionen, in verschiedene Abteilungen zer-
gliedert, welche folgende Gebiete umfassen :
Westlicher Jura;
Östlicher Jura;
Schwäbischer Jura ;
Baden exkl. Randen ;
Randen;
Elsass-Lothringen ;
Französischer Jura;
Normandie ;
9. England;
10. Norddeutschland.
In den einzelnen Abteilungen sind die Zettel wiederum nach
geologischen Horizonten geordnet, von denen im ganzen 36 unter-
schieden worden sind.
oma m
(qe)
REES FTIR DA,
Basler Naturhistorisches Museum. 269
Aus Kuriosität habe ich mich mit Benützung des Zettel-
katalog sofort ein klares Bild über den Bestand der jurassischen
Sammlungen bekommen, und zwar sind wir sofort orientiert über
Artenzahl und Stückzahl in den einzelnen Regionen und in den geo-
logischen Horizonten.
Was zunächst die Artenzahl anbelangt, gelangen wir für die
8%
einzelnen Regionen zu folgender Zusammenstellung :
1. Westlicher Jura 2600 Arten
2. Östlicher Jura 2200
3. Schwäbischer Jura DO ns
4. Baden exkl. Randen 1a
5. Randen Aa die
6. Elsass-Lothringen Aa
7. Französischer Jura EDS
8. Normandie Den,
9. England 233 ,,
10. Norddeutschland 201
Aus diesen Zahlen lassen sich wichtige Schlüsse ziehen. Einige
Regionen sind ausserordentlich schlecht vertreten. Der schwäbische
Jura z. B. mit seinem ungeheuren Artenreichtum mit bloss 536 Arten.
Mit dem englischen Jura steht es noch schlimmer, hier haben wir
bloss 233 Arten.
Es ist also ein Fingerzeig gegeben, wo wir einlenken müssen, um
unsere Bestände zu vervollständigen. Zur Bearbeitung unserer ein-
heimischen Fossilien wäre unter anderm englisches Material für uns
sehr wichtig, zumal ja ein guter Teil der Typen jurassischer Arten
aus dem englischen Jura stammt. In den nächsten Jahren sollte somit
eifrig darnach gestrebt werden, Mittel und Wege zu finden, um diese
empfindlichen Lücken auszufüllen.
Aus Kuriosität habe ich mich mit Benützung des Zettel-
kataloges über Individuenzahl orientiert und bemerke, dass ich wegen
der langweiligen Zählung bloss den westlichen Jura berücksichtigt
habe. Die Addition hat für dieses Gebiet 32,350 Individuen ergeben.
Da wir, wie vorhin erwähnt, 2200 Arten aus dem westlichen Jura
besitzen, so fallen auf eine Art je 13 Exemplare. Nehmen wir dieses
Mittel auch für die weitern Regionen an, so kommen wir zu einer
Gesamtindividuenzahl von ca. 119,000 Exemplaren. Es sei beiläufig
noch bemerkt, dass das obere Rauracien sowohl die höchste Arten-,
als auch Individuenzahl aufweist: 540 Arten mit 4600 Individuen.
Die nächste Aufgabe wird nun sein, den Zettelkatalog sukzessive
weiterzuführen, und ich kann wohl den Wunsch aussprechen, dass
dies nicht nur jetzt geschehe, sondern auch in spätern Zeiten.
IV
=]
©
Fritz Sarasin.
Am Schlusse meines letztjährigen Berichtes wurde der Ankauf
der Sammlungen der Herren Dr. Brändlin und Dr. Niethammer er-
wähnt. Die Sammlung Brändlin befindet sich noch behufs Studien-
zwecken im geologischen Institut, doch hoffe ich, dieselbe bald in
Empfang nehmen zu können.
Betreffs der Sammlung Niethammer, bestehend aus Gresteins-
proben und Fossilsuiten der verschiedensten geologischen Horizonte
des schweizerischen Jura, bemerke ich, dass dieselbe nun geordnet
worden ist. Die Etiketten trugen wohl Fundortsbezeichnungen ;
es fehlten indessen die Bestimmungen der Fossilien. Diese Arbeit
ist in letzter Zeit erledigt worden. Es würde wohl zu weit führen,
über den Inhalt dieser Sammlung zu referieren, ich bemerke bloss,
dass sich unter dem mannigfaltigen Material manche schöne Exem-
plare befinden, welche in den Sammlungen Lücken ausfüllen oder
schlechte Exemplare ersetzen werden.
Unter den im Berichtsjahre eingegangenen Geschenken sei vor
allem das wertvolle Geschenk von Herrn Dr. A. Buxtorf erwähnt,
bestehend aus den Belegen seiner Publikation: Dogger und Meeres-
sand am Röttlerschloss bei Basel. Durch sorgfältige Untersuchungen.
und mit Hilfe von Schürfungen ist es Herrn Dr. Buxtorf gelungen,
das ganze Doggerprofil am Röttlerschloss direkt an der Rheintal-
flexur aufzunehmen und einige für diese Gegend interessante geo-
logische Horizonte zu fixieren. Die ganze Schichtserie, inkl. Meeres-
sand, ist in der Sammlung: teils durch gute Handstücke, teils durch
schöne Fossilsuiten, besonders aus den Ferrugineusschichten gekenn-
zeichnet und es wird diese Belegsammlung: bei ähnlichen Studien in
benachbarten Gebieten ohne allen Zweifel mit grossem Nutzen kon-
sultiert werden.
Von den Ankäufen sei bloss erwähnt eine ca. 70 cm lange und
50cm breite Pentacrinitenplatte aus den Variansschichten des
Sichtern-Plateaus bei Liestal. Diese schöne Platte trägt auf der Ober-
fläche eine grosse Zahl vollständig erhaltener Exemplare von Penta-
erinus leuthardti und Ophiomusium ferrugineum. Die Platte soll
später eingerahmt werden als wertvolles Schaustück.
D. Mesozoisch-cretacische (ausseralpine) Abteilung.
(Bericht des Vorstehers, Dr. E. Baumberger.)
Im Berichtsjahre hat diese Abteilung folgenden Zuwachs er-
halten: Herrn Prof. C. Schmidt verdanken wir Kreidefossilien aus
den Gosauschichten in Siebenbürgen, ferner Fossilien aus der mittlern
Kreide Spaniens. Aus den Hauterivienmergeln von Ligerz am Bieler-
see stammt eine grössere Zahl von Acephalen und Cephalopoden, die
Basler Naturhistorisches Museum. 271
während des Baues der Drahtseilbahn Ligerz-Preles gesammelt wer-
den konnten und vom Berichterstatter der Sammlung übergeben
worden sind. Einzelne Formen, wie Nautilus neocomiensis und Am-
moniten aus der Reihe des Hoplites desmoceroides, sind wegen ihrer
ungewöhnlichen Grösse besonders nennenswert. Die von Herrn Prof.
Schmidt aus Spanien mitgebrachten Fossilien und ferner die Samm-
lung Mieg, deren Material hauptsächlich der mittlern und obern
Kreide angehört, konnten, dank der Unterstützung durch Herrn cand.
phil. Gutzwiller, zum grossen Teil bestimmt und geordnet werden.
Auch dieses Jahr musste ein guter Teil der mir für diese Arbeiten
zur Verfügung stehenden Zeit verwendet werden für Ordnung und
Bestimmung von Fossilien und Handstücken meiner Belegsammlung
zu den geologischen Aufnahmen der subalpinen Molasse des Vierwald-
stätterseegebietes.
E. Tertiäre und Quartäre (ausseralpine) Abteilung und Sammlung
fossiler Pflanzen.
(Bericht des Vorstehers, Dr. A. Gutzwiller.)
Die dem Unterzeichneten zur Besorgung unterstellten Samm-
lungen haben in diesem Jahr keine grossen Aenderungen zu ver-
zeichnen, weder in bezug auf Zuwachs, noch auf notwendig gewordene
Umstellungen.
Im Jahr 1911 ist der oben genannten Abteilung die Mieg’sche
Sammlung beigefügt worden, umfassend die tertiären Konchylien des
Ober- Elsass und des Badischen Oberlandes, sowie die fossilen
Pflanzen ; sie befindet sich ausserhalb des Museumsgebäudes, in einem
Zimmer des Hauses Münsterplatz 5, im alten Mobiliar des Donators.
Da mir seit April dieses Jahres, infolge Rücktritt vom Lehramte,
nicht nur Sonntage und Ferientage zur Betätigung an den Museums-
sammlungen zur Verfügung stehen, habe ich mich entschlossen, die
gesamte Mieg’sche Sammlung einer Revision zu unterwerfen und
Stück um Stück meine Hand passieren zu lassen. In erster Linie
musste jedes Stück auf den Fundort geprüft werden und, wo das nicht
schon der Fall war, eine deutlich geschriebene Etikette erhalten. Zur
bessern Sicherung des Fundortes wurde derselbe auf das Objekt mit
Tusche geschrieben oder auf einer kleinen Etik*tte aufgeklebt. Diese
Arbeit ist mit Hilfe von Assistenz durchgeführt worden; eine defi-
nitive Bestimmung, Nummerierung und Registrierung muss indessen
auf spätere Zeit verschoben werden.
Nach der Mieg’schen Sammlung wurde die Hauptsammlung
fossiler Pflanzen einer Durchsicht und teilweisen Bearbeitung unter-
worfen. Diese Sammlung füllt 22 kleine Vitrinenschränke und 5
D
1
[LU
Fritz Sarasin.
grosse Glasschränke mit Schaustücken. Ein guter Teil dieser Samm-
lung stammt aus der Umgebung von Basel; ich erwähne die Keuper-
pflanzen von Neue Welt, von der Moderhalde und von Hemmiken ;
ferner die Tertiärpflanzen von Allschwil, Bättwil, Aesch ete. Im all-
gemeinen ist die Sammlung in guter Ordnung und bedarf nur einer
Ergänzung in der Etikettierung. Einzig die tertiären Pflanzenreste
aus der Umgebung von Basel, mit deren Bestimmung ich mich schon
früher bemüht habe, und zu welchen in den letzten Jahren immer
wieder neue Stücke beigefügt wurden, verlangten ein längeres Ver-
weilen. Bis jetzt sind 15 Vitrinenschränke durchgesehen ; die übrigen
7 Schränke samt den 5 grossen Schauschränken hoffe ich bis nächstes
Frühjahr in Ordnung zu bringen, vorausgesetzt, dass ich durch Assi-
stenz wie bisher unterstützt werde.
Nach der Durchsicht der Sammlung fossiler Pflanzen soll die-
jenige der Quartärsammlung folgen, die einer bessern Etikettierung
und Sichtung des Materials sehr bedürftig ist, endlich die Revision der
tertiären ausseralpinen Konchylien.
Geschenke erhielt die Abteilung von den Herren Direktor Gerster,
Laufen, Dr. E. Gutzwiller, Pfr. Iselin, Florenz, Hans Kugler, Dr.
F. Leuthardt, Lucien Meyer, Belfort, Prof. ©. Schmidt, Dr. H. G.
Stehlin, Dr. K. Strübin und dem Vorsteher.
Angekauft wurden eocäne Konchylien aus dem Pariser Becken.
Mineralogische Sammlung.
(Bericht des Vorstehers, Dr. Th. Engelmann.)
Unter den Ankäufen für die Mineralogische Abteilung erwähnen
wir in erster Linie einen riesigen Adularkrystall von der Fibbia,
(Gotthard, den wir durch Vermittlung unsres Freundes, des Herrn
Hans Sulger, diesen Sommer erwerben konnten. Es ist ein grauer,
halb durchsichtiger Krystall, 40 : 45cm gross, mit stark gefurchten
löcherigen Flächen, wohl einer der grössten Adularkrystalle, die
existieren. Ein noch etwas grösserer befindet sich im Hofmuseum zu
Wien. Es wurden diesen Sommer zwei solcher Krystalle gefunden,
und wir freuen uns, dass wir den schöneren von den beiden für unser
Museum erwerben konnten. Er hat im Wandkasten der Schaustücke
schweizerischer Mineralien seine Aufstellung gefunden.
Von einem Vorkommen von Malachit und Chrysokoll aus der
Grube Etoile du Congo, Katango, Belg. Kongo, erwarben wir ein
grosses Schaustück, sowie einige kleinere Stücke, darunter ein schön
drusiges Malachitvorkommen und eine Stufe mit krystallisiertem
Malachit. Das letztere neue Vorkommen ist in den Annales de la
Société géologique de Belgique, Bd. 31, beschrieben worden. Wir
Basler Naturhistorisches Museum. 273
erwäbnen ferner einen grossen, gut ausgebildeten Columbitkrystall
aus Norwegen, 11/, kg schwer, einen auffallend grossen und schönen.
Schwefelkrystall von Solfatara und einen grossen Gypszwilling
(Schwalbenschwanz) vom gleichen Fundorte. Endlich erwarben wir
ein prächtiges Schaustück der grossen klaren Gypskrystalle von Eis-
leben a. Harz, mit langen, gut ausgebildeten Krystallen.
An Geschenken erhielten wir vom schweizerischen Konsul Herrn
P. Weiss aus Basel in Denver, Colorado, U.S. A., der unseres Mu-
seums schon des öftern gedachte, ein prächtiges Stück Zinkblende aus
den Zinkblendegruben, die in der Nähe von Denver ausgebeutet wer-
den; wir erwähnen es gerne, wenn Basler im Auslande der Samm-
lungen ihrer Vaterstadt in so freundlicher Weise gedenken.
Herr Hans Sulger schenkte uns ein neues Vorkommen von Kalk-
spat-Krystallen aus dem Brunital (bei Maderanertal); es sind dies
drei grosse Gruppen mit schönen, unverletzten Krystallen.
Herr Prof. H. Preiswerk brachte uns ein sehr schönes Schaustück
von Pyromorphit von Orago bei Cuidad Real, Spanien, mit.
Durch Herrn Dr. H. G. Stehlin erhielten wir von Frl. Marie
Grenier in Brioude (Haute Loire) eine Anzahl Antimonite aus einer
dortigen Mine, ferner eine Anzahl Fibrolith-Gerölle des Allier-
Flusses. Dieses Vorkommen ist für Frankreich besonders charak-
teristisch, weil eine grosse Menge der französischen Steinbeile aus
Fibrolith bestehen. Endlich schenkte der Vorsteher verschiedene
schweizerische Mineralien.
Wir erwähnen noch zum Schlusse die Erwerbung eines synthe-
tisch hergestellten Rubins von besonders schöner Färbung. Die Fa-
brikation dieser Steine hat einen ziemlichen Umfang angenommen ;
seit ungefähr 15 Jahren werden künstliche Rubine und seit 2 Jahren
auch künstliche Saphire hergestellt; künstliche Smaragde sind bis
jetzt nicht im Handel.
Die künstlichen Steine zeigen eine Leuchtkraft, die auch von
Fachleuten rückhaltlos anerkannt wird. Ueber die Unterscheidung
der künstlichen Steine von den ächten hat der vereidete Edelstein-
Sachverständige von Berlin, A. Hondelet, vor kurzem eine interessante
Arbeit veröffentlicht. Er stellt darin die Grundsätze auf, die eine
durchaus sichere Unterscheidung gestatten. Es beruht darauf, dass
bei starker, 300facher Vergrösserung, wozu besonders die binocularen
Mikroskope von Zeiss in Jena dienen, das Vorhandensein von be-
stimmten mineralischen und Flüssigkeits-Einschlüssen bei den natür-
lichen Rubinen, Saphiren und Smaragden konstatiert wird, die bei
den synthetischen Steinen gänzlich fehlen. Die künstlichen Steine
dagegen zeigen bei der mikroskopischen Untersuchung typische Risse
18
274 Fritz Sarasin.
und zahlreiche Luftblasen, diese letzteren in regelmässig runden oder
ovalen Formen, wie sie bei den natürlichen Steinen sich nicht finden ;
die Lichtbilder nach den Mikrophotographien zeigen diese Unter-
schiede sehr klar.
Bibliothek.
(Vorsteher Herr Dr. H. G. Stehlin.)
Die Museumsbibliothek hat ım Berichtsjahre von Herrn Dr.
A. Gutzwiller ein überaus wertvolles Geschenk erhalten: ein voll-
ständiges Exemplar der Beiträge zur geologischen Karte der Schweiz
mit Einschluss der geotechnischen Serie und der sämtlichen von der
geologischen Kommission publizierten Kartenblätter. Es sei das-
selbe auch an dieser Stelle nochmals wärmstens verdankt.
Weitere Geschenke gingen ein von den Herren Dr. Walther Lotz,
Drs. P. und F. Sarasin und dem Vorsteher. Herr Dr. A. Müller-
Kober lässt uns seit dem Tode seines Vaters, Herrn A. Müller-
Mechel, die Fortsetzung der Trans. Ent. Soc. in gewohnter Weise
zugehen. Frau Sabine Mieg sandte einige noch eingetroffene Hefte
zu Zeitschriftenserien der Mieg’schen Bibliothek.
Frau Dr. Schaub hat diesen Sommer ihre Tätigkeit an der Bi-
bliothek längere Zeit unterbrechen müssen. Gleichwohl ist ihre Arbeit
um ein gutes Stück weitergerückt. Die Quartbrochüren sind erledigt,
die Katalogisierung der Oktavbrochüren steht beim Buchstaben L.
Wenn nicht ein besondres Hemmnis eintritt, kann der Abschluss auf
Ende 1913 erfolgen. Freilich sind hiefür weitere staatliche Beiträge
dringend notwendig.
Der Rest des im Jahre 1911 bezogenen Extrakredites von
Fr. 2000.— ist im Berichtsjahre aufgebracht worden. Die Rechnung
schliesst mit einem Defizit von Fr. 47.75.
Durch Verkauf von Doubletten aus der Bibliothek Mieg sind
Fr. 250. — eingegangen. Dieselben sollen zur Ergänzung einiger
unvollständiger Zeitschriftenserien aus dem Mieg’schen Nachlass ver-
wendet werden.
Mit dem lebhaften Danke an alle unsere Gönner schliessen wir
diesen Jahresbericht, das Naturhistorische Museum aufs neue dem
Wohlwollen der hohen Behörden und der löblichen Einwohnerschaft
unserer Vaterstadt empfehlend.
Verzeichnis der Geschenke an das Naturhistorische Museum
im Jahre 1912.
1. Zoologische Sammlung.
a) Säugetiere.
Herr Dr. R. Biedermann-Imhoof: Säugetiere aus der Ost-Mongolei
und vom Altai-Gebirge, von seiner Altai-Expedition 1907—08,
Sciurus-Arten, Gazella sp., Ochotona sp., mehrere für uns neu.
„ G. Forrer, Sumatra und Herr A. von Speyr-Bölger: Ein er-
wachsener männlicher, aufgestellter Tiger aus Ost-Sumatra.
„ Dr. Ed. Graeter: Kleine Säugetiere aus Aegypten und dem
ciicischen Taurus.
„ . Missionar Ch. Herrmann: Säugetiere aus Gabun, 3 für uns neu.
Tit. Freiwilliger Museumsverein: Pantholops hodgsoni vom Himalaya,
aufgestellt von Ward in London, neu für die Sammlung.
Herren Drs. P. und F. Sarasin: Emballonura semicaudata Peale,
Süd-Celebes, neu für die Sammlung.
Herr Dr. $. Schaub: Vesperugo serotinus (Schr.), Basel.
, @. Schneider: Mus rattus L., aufgestellt, Basel.
Tit. Zoologischer Garten, Direktion: Felis serval, felis concolor juv.,
Herpestes albicauda, letztere für uns neu.
b) Vögel.
Herr K. Im Obersteg: Corvus corone mit abnormer Schnabelbildung.
Tit. Freiwilliger Museumsverein: Haliastur albicillus vom Rhein bei
Herboltsheim.
Herr F. W. Riggenbach: Necrosyrtes monachus, Senegal.
„ Dr. F. Sarasin: 9 Arten aus Australien, Neu-Guinea ete., 3 für
uns neu.
» A. Wendnagel: Rallus aquaticus.
Tit. Zoologischer Garten, Direktion: Mehrere Arten, 1 für uns neu.
IV
=]
(en
Fritz Sarasin.
c) Reptilien und Amphibien.
Herr Missionar Dr. Borle: Reptilien aus Transvaal, 1 neu für uns.
Dr. Ed. Graeter: 8 Arten aus Aegypten und dem cilieischen
Taurus, 1 neu.
„ Missionar Ch. Herrmann: 13 Arten aus Gabun, 2 für uns neu.
„ Dr. W. Hotz: 13 Arten aus Nordost-Borneo, 4 neu.
„ G. Müller-Bovet: 26 Arten aus verschiedenen Gegenden, 3 neu.
„ Prof. Dr. G. Senn: 5 javanische Arten.
Dr. A. Theiler: 18 Species aus Transvaal, 3 neu.
Tit. Zoologischer Garten, Direktion: 11 Arten aus verschiedenen
Gegenden, 2 neu.
d) Fische.
Herr Dr. Ed. Graeter: 1 Art aus Süd-Russland.
, G. Müller-Bovet: 1 Art aus Brasilien.
Herren Drs. $. Schaub und H. Helbing: Fische verschiedener Her-
kunft aus dem Nachlass von Herrn Prof. Rud. Burckhardt,
darunter 7 für uns neue Arten.
e) Wirbellose Tiere.
Herr Missionar Dr. Borle: Arachniden und Hemipteren aus Transyaal.
„ Dr. Alb. Graeter: Ligula sp., Süd-Russland.
„ Missionar Ch. Herrmann: Pedipalpen und Coleopteren aus Gabun.
„ Dr. W. Hotz: Heterometrus longimanus aus N.-O.-Borneo.
, P. Obrist: Skalaride Weinbergschnecke.
„ Dr.F.Sarasin: Süsswassercrustaceen a.W est- Australien, Mollusken
von Lord Howe Insel.
Entomologische Abteilung.
Herr R. Forcart-Bachofen: Indische Seidenspinner, nebst Puppen.
L. Paravicini: Zahlreiche exotische Falter.
W. Schmassmann: Papilio homerus aus Jamaika.
2. Osteologische Sammlung.
Tit. Aktienziegelei Allschwil: Pferderadius aus dem Löss von Allschwil.
Herr Dr. E. Biedermann-Imhoof, Eutin: 3 Schädel von Moschus
moschiferus, 3 Schädel von Capra Ibex sibirica, 1 Schädel und
2 Geweihe von Capreolus pygargus, 1 Gehörn von Gazella
gutturosa, 2 Schädel von Ochotona spec., 1 Schädel von
Sciurus spec., 3 Schädel von Sciuropterus spec., 4 Schädel
von Putorius spec.; alle aus dem Altaigebiet.
Herr
ihr
Frl.
Herr
Pit.
Herr
Fit.
Herr
Tit.
Herr
2]
Basler Naturhistorisches Museum. 271
Dr. Adam David, Basel: 1 Schädel von Rhinoceros simus.
Städtisches Gaswerk: Fragmente eines Mammutstosszahnes aus
dem Löss von Riehen.
Marie Grenier, Brioude: Acerotheriumknochen aus dem Stampien
von Bard (Haute Loire); Pferdezähne aus dem Pleistocän von
Bournoncle (Haute Loire).
Dr. G. Imhof, Basel: Säugetierreste aus einer neolithischen
Station an der Pointe Béron, Bretagne.
Pfarrer E. Iselin in Riehen: Stücke eines Mammutstosszahns
von Riehen.
Leopold Malbert, Paulhiac: Säugetierknochen aus dem Oligocän
von Paulhiac (Lot et Garonne).
G. Müller-Bovet, Basel: Ein Kadaver von Testudo radiata, Mada-
gaskar.
Freiwilliger Museumsverein: Fr. 600.— als Ergänzung der im
Vorjahre bewilligten Fr. 1500.— zum Ankauf einer Sammlung
von Säugetierfossilien von Samos.
Dr. @. Niethammer, Basel: 1 Schädel von Sus barbatus von
Borneo.
Direktion des Museums in Solothurn: Gipsabguss einer Schale
von Platychelys oberndorferi aus den Steinbrüchen von Solo-
thurn.
Dr. F. Speiser, Basel: 1 Schädel von Halicore australis von
den Neuen Hebriden; diverse Belegstücke des Hausschweins
der Neuen Hebriden.
Dr. Carl Stehlin, Basel: Säugetier- und Vogelknochen aus der
keltischen Station bei der Gasanstalt.
Direktion des Zoologischen Gartens, Basel: Je ein Kadaver von
Herpestes albicauda ö, Sudan; Cynailurus jubatus guttatus 6 ;
Rana adspersa, Pretoria; 1 Kadaver und 7 Köpfe der zentral-
afrikanischen Hausziege.
3. Geologische Sammlung.
Dr. E. Baumberger: Kreidefossilien von Ligerz am Bielersee.
Dr. A. Buxtorf: Belege zu seiner Arbeit über Dogger und
Meeressand am Röttlerschloss bei Basel.
Herren Drs. A. Buxtorf, G. Niethammer und F. Zyndel: Zahlreiche Be-
Herr
legstücke zu den geologischen Aufnahmen im Gebiet des Vier-
waldstättersees und Mittelbündens, ausgeführt im Auftrag der
Schweiz. Geologischen Kommission.
Direktor Gerster, Laufen: Austern aus dem Septarienton von
Laufen.
DD
—1
Q0
bie,
Fritz Sarasin.
Geologisches Institut: Gesteinsproben vom Rheinufer unterhalb
der Lesegesellschaft.
Dr. A. Gutzwiller: Fossiles Holz aus dem Oberoligocän von
Therwil, verschiedene Belege aus Tertiär und Quartär der
Umgebung von Basel.
Herren Drs. A. Gutzwiller und H. Kugler: Fossile Pflanzen aus dem ober-
oligocänen Sandstein im Liegenden der Kiesgrube von Bottmingen.
Drs. A. Gutzwiller und F. Leuthardt: Belegstücke der Fisch-
schiefer unterhalb Schloss Pfeffingen.
Dr. E. Gutzwiller: Austern und Cerithien vom Kaibhölzli bei
Therwil.
Pfr. H. Iselin, Florenz: Konchylien aus dem marinen Pliocän
bei Pontedera.
Dr. F. Leuthardt: Schöne Exemplare von Lioceras acutum und
Ludwigia murchisonae aus der Umgebung von Liestal; Lioceras
helveticum vom Madler bei Pratteln; Pentacrinus Dargniesi
von der Kräheck bei Langenbruck.
Dr. Martin: Fossilien aus dem Basler Jura.
L. Meyer, Belfort: Gesteine mit Gletscherwirkungs-Spuren von
der Westseite der Vogesen.
Prof. Dr. H. Preiswerk: Gesteine aus dem nördlichen Tessin.
Prof. Dr. C. Schmidt: Eisenerze, Kupfererze und Oelschiefer
von verschiedenen spanischen Fundstellen; Kreidefossilien aus
Spanien und Siebenbürgen; Handstück der Höttinger Breccie.
Herren Prof. Dr. GC. Schmidt und R. Schider: Asphaltgesteme von
Herr
Herr
Hire
Herr
32
39
Ragusa, Sizilien.
Prof. Dr. GC. Schmidt und J. Zurkirch: Fischschiefer von Lugano-
Varese.
Dr. H. G. Stehlin: Tertiärfossilien aus Süd-Frankreich; schönes
Exemplar von Pygurus tenuis aus den Badener Schichten bei
Egerkingen.
Dr. K. Strübin: Fossilien aus diversen Lokalitäten des Basler
Jura; Süsswasser-Konchylien aus der Oeninger-Stufe von Locle.
Dr. F. Zyndel: Gesteine und Fossilien aus Mittelbünden.
4. Mineralogische Sammlung.
Dr. Th. Engelmann: Diverse schweizerische Mineralien.
M. Grenier, Brioude: Antimonite von Brioude ; Fibrolithgeröll
aus dem Allier.
Prof. H. Preiswerk: Pyromorphit, Spanien.
Hans Sulger: Kalkspatkrystallgruppen aus dem Brunital.
Konsul P. Weiss, Denver: Zinkblende. |
Basler Naturhistorisches Museum. 279
Verzeichnis der Ankäufe des Naturhistorischen Museums
im Jahre 1912.
1. Zoologische Sammlung.
a) Säugetiere.
Nyctipithecus senex aus Peru, Potos flavus aztecus aus Zentral
Amerika, Trygenycteris woermanni, Gabun, Xerus erythropus
und Sciurus annulatus, Senegal.
b) Vögel.
Ciconia ciconia, melanotisch von Therwil, Dafila acuta von Erma-
tingen, Comatibis eremita, Syrien, Pseudogyps africanus vom
Senegal und drei kleinere, noch nicht vertretene senegalesische
Arten.
c) Reptilien und Amphibien.
Coronella austriaca, Basel; Tausch mit dem Cambridge-Museum :
sieben amerikanische Arten, drei neu.
e) Wüärbellose Tiere.
Felsstück mit eingegrabenen Bohrmuscheln, Lithodomus dactylus,
von der dalmatinischen Küste, Badeschwamm ebendaher.
Entomologische Abteilung.
Parnassius-Formen aus Zentralasien, Ornithoptera-Arten aus Neu-
Guinea, diverse paläarktische und exotische Falter, einheimische
Libellen (durch Vermittlung von Herrn Liniger).
2. Osteologische Sammlung.
Schädel von: Nyctipithecus senex ©, Peru; Xerus erythropus C,
Senegal.
Skelette von : Potos flavus aztecus © ; Microcebus myoxinus; Hapa-
lemur griseus.
Eocäne Säugetierreste von Egerkingen und verschiedenen auswärtigen
Fundorten.
Oligocäne aus dem Fayum (Aegypten), von verschiedenen Fundorten
des europäischen Stampien, aus dem Aquitanien der Limagne.
Mioeäne von verschiedenen Fundorten des untern und mittlern
Miocäns.
280 Fritz Sarasin.
Pliocäne von Seneze (Haute Loire), aus Val d’Arno etc.
Pleistocäne aus Val di Chiana ete. Ein defekter Mammut-humerus
aus der Niederterrasse von Burgfelden, durch Vermittlung von
Herrn stud. Hans Kugler.
Tausch.
Tit. American Museum of Natural History in New-York: Beleg-
stücke von Primaten, Carnivoren, Nagern aus der Wasatch, der
Windriver und der Bridgerstufe.
3. Geologische Sammlung.
Erzstufen von der Mineralien-Niederlage der K.S. Bergakademie
Freiberg in Sachsen; Zinnober Almaden.
Eocänfossilien von Iberg, Schwyz und Demonstrationsstücke alpiner
Gesteine.
Pentacrinitenplatte aus den Variansschichten des Sichtern-Plateaus
bei Liestal; seltene Ammoniten und Bivalven aus der Umgebung
von Liestal; Fossilien aus den Ferrugineus-Schichten von
Liesbergmühle.
Sammlung eocäner Konchylien aus dem Pariser Becken, 396 Arten.
4. Mineralogische Sammlung.
Riesiger Adularkrystall, Schweiz; Columbitkrystall, Norwegen;
Malachite und Chrysokoll aus dem Belgischen Kongo; Schwefel-
krystall und Gypszwilling von Solfatara; Gypskrystalle von
Eisleben; künstlich hergestellter Rubin.
Manuskript eingegangen den 27. Dezember 1912.
Bericht über die Sammlung für Völkerkunde des Basler
Museums für das Jahr 1912.
Von
Paul Sarasin.
Es haben in diesem Jahr zwei Sitzungen der Kommission statt-
gefunden, die eine am 31. Oktober, in welcher geschäftliche Dinge
erledigt wurden, die andere am 12. Dezember, in welcher die unten
folgenden Jahresberichte zur Verlesung kamen.
Für die üblichen Zuschüsse von seiten verschiedener Korpora-
tionen, die auch dieses Jahr nicht ausgeblieben sind, sagen wir er-
sebensten Dank. Spezielle Verdankungen enthalten die einzelnen
Jahresberichte.
Unser Mitglied Prof. Rütimeyer hat an der Jahresversammlung
der Freiwilligen Akademischen Gesellschaft am 2. Mai 1912 einen
Vortrag gehalten, betitelt: „Die Sammlung für Völkerkunde in
Basel“; ausserdem hielt er eine Führung durch die Sammlung ab
am 22. Dezember 1. J. Eine fernere Führung veranstaltete unser
neues am 19. November 1. J. auf Vorschlag der Kommission von
E. E. Regenz gewähltes Mitglied Dr. Felix Speiser. Es ist ihm von
der Kommission die Abteilung Polynesien überwiesen worden.
Demnach setzt sich die Kommission zur Sammlung für Völker-
kunde zur Zeit aus folgenden Mitgliedern zusammen mit Beifügung
der Departemente:
Dr. Paul Sarasin, Präsident: Prähistorie.
Prof. Dr. Leop. Rütimeyer, Vizepräsident: Afrika, Vorderasien
und Polarvölker.
Prof. Dr. Ed. Hoffmann-Krayer, Aktuar : Europa.
Alfred Stähelin-Gruner, Quästor.
Dr. Th. Engelmann : ethnographische Pharmakologie.
Dr. M. Curt Forcart: Amerika.
Pfarrer S. Preiswerk-Sarasin : China und Japan.
Dr. Fritz Sarasin: Asien (ohne Vorderasien, China und Japan),
Australien, Melanesien und anthropologisches Kabinett.
Dr. Felix Speiser : Polynesien.
Es folgen nun die Jahresberichte der einzelnen Abteilungsvor-
steher.
282 Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums.
Prähistorie.
Die prähistorische Abteilung der Sammlung für Völkerkunde
hat ım laufenden Jahre den folgenden Zuwachs erfahren :
Der Periode des Mousterien ist ein Glyptolith zuzusprechen,
welcher aus Tasmanien stammt und von Dr. Fritz Sarasin von seiner
neusten Reise nach dem fernen Osten uns mitgebracht wurde. Er
gehört zu den von mir sogenannten „geflügelten Mousteriolithen“
und spricht seinerseits für die in meiner Abhandlung!) vertretene
Auffassung, dass die Ergologie der unlängst ausgerotteten Tasmanier,
einer Varietät der Species Homo sapiens, den Charakter des für
Europa äusserst weit zurückliegenden und also seit Jahrzehntausenden
überwundenen Mousterien repräsentiert hat. Die Ausrottung der
Tasmanier ist für die wissenschaftliche Prähistorie und Ethnologie
von allen ähnlichen Atrozitäten des kaukasischen Menschen die be-
klagenswerteste Missetat.
Das auf das Moustérien folgende Aurignacien ist durch eine
Sammlung vom Abri Blanchard bei Sergeac im Vézèregebiet vertreten,
welche käuflich erworben werden konnte. Die Sammlung ist nicht
nur reich an mannigfaltigen Silexglyptolithen, wie sie für das Auri-
gnacien typisch sind, sondern auch die schwer erhältlichen Artefakte
aus Knochen finden darin formenreiche Vertretung; auch durchbohrte
Schmuckgegenstände fehlen nicht. Die Sammlung bildet einen wert-
vollen Zuwachs zu den schon vorhandenen aus dem Aurignacien von
dem Abri Cro Magnon bei Les Eyzies an der Vézère und aus dem
Löss bei Krems an der Donau. Fundort und Fundgegenstände sind
beschrieben von L. Didon.?)
Eine schöne Suite von Silexartefakten von der Fundstelle bei
Lausen hat uns der Entdecker und Beschreiber derselben, Herr Dr.
F. Leuthardt in Liestal verehrt.3) In Anbetracht der Form der
Nuklei und Messerklingen, welche einen eleganten Zuschlag verraten,
wie dies zumäl im Neolithikum bekannt ist, haben wir dieselben für
neolithisch angesprochen. In der uns überwiesenen Reihe von der-
artigen Glyptolithen aber finden sich auch Messerklingenfragmente
von ähnlich grosser Form, wie sie für die makrolithische Lithoglyphie
des Mesolithikums oder Frühneolithikums charakteristisch sind,#) eine
1) P. $., über Mousteriolithen, Verh. Naturf. Ges. Basel, 23, 1912.
2) L. Didon, l’Abri Blanchard des Roches (Commune de Sergeac) gisement
aurignacien moyen, Bulletin de la Société historique et archéologique du
Périgord, Périgueux, 1911. | À
3) Siehe F. Leuthardt, die neuentdeckte Station des Steinzeitmenschen
in Lausen (Baselland), Separatabdruck aus dem Tätigkeitsbericht der Naturf.
Gesellschaft Baselland 1909/11, Liestal 1911.
4) Vergleiche E. Rademacher, Frühneolithikum und belgisches Chelléen:
„makrolithische Silextechnik‘“, Prähistorische Zeitschrift, 4, 1912, S. 248.
Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums. 285
Lithoglyphie, welche als dichte Silexteppiche viele Anhöhen von
Frankreich und Belgien überdeckt, von denen diejenigen von
Le Grand Pressigny am bekanntesten geworden sind. Auf diese Mög-
lichkeit, dass die Lithoglyphie von Lausen meso- und nicht neolithisch
sein könnte, werde ich auch durch den Umstand aufmerksam, dass
Dr. Fritz Sarasin eine Silexscherbe vom gleichen Typus wie die von
Lausen in der von ihm ausgehobenen Arlesheimer Höhle aufgefunden
hat und zwar in einer Schicht, welche die galets colories enthielt und
somit als mesolithisch bestimmt werden muss. Ferner sind ın Lausen
weder polierte Steinbeile noch keramische Fragmente, wenigstens bis
jetzt, aufgefunden worden. Andrerseits wurden diese letzteren an-
getroffen im Verein mit den s. Z. bei Gundoldingen aufgefundenen
neolithischen Glyptolithen, mit welchen die von Lausen auch
wiederum grosse Aehnlichkeit haben.
Ein von Herrn Dr. Leuthardt uns eingelieferter Glyptolith von
Lausen sieht gewissen elliptischen Fauststeinen des Acheuleen sehr
ähnlich, repräsentiert also einen ,, Acheuleolithen‘ im Meso- oder
Neolithikum, entsprechend wie ich typiszhe Mousteriolithen im Neo-
lithikum nachgewiesen habe (in oben zitierter Abhandlung).
Das Gesagte über die Möglichkeit des mesolithischen Charakters
der Lausener Lithoglyphie soll kein abschliessendes Urteil sein, son-
dern mag als Anregung zur Weiterprüfung kommender Funde dienen,
insofern nach der Mitteilung von Dr. Leuthardt noch reiche weitere
Ausbeute dortselbst erwartet werden darf.
Achnlich den Glyptolithen von Lausen sind solche, welche beim
Dorfe Gavaudin, Dep. Lot et Garonne, gefunden worden sind;
Donator Dr. H.@. Stehlin.
Käuflich erworben wurde eine Sammlung von augenscheinlich
ueolithischen Glyptolithen, wie man sie im Fajum in Aegypten nörd-
lich vom See Birket Karun in der Wüste aufliest.
Aecht neolithisch sind eine Reihe von geschliffenen Steinbeilen
aus der Umgegend von Basel, die schon sehr reiche Aufsammlung von
solchen noch um Stücke aus folgenden Orten vermehrend : Benken,
Büren, Grellingen, Liesberg, Nunningen, Röschenz, Seewen, Wohlen,
Zwingen. Ein herumziehender Händler kaufte sie den Bauern ab,
welche sie als „Blitzsteine‘‘ gegen das Einschlagen und zu ähnlichen
abergläubischen Zwecken bei sich tragen oder unter dem Dache oder
im Stall verwahren. Viele dieser Steinbeile zeigen sich von Kuhdung
überzogen, wenn sie eingebracht werden. Einige wurden als Wetz-
steine benutzt, durch welchen Gebrauch eine Veränderung ihrer Form
herbeigeführt wurde.
Aus Senèze, Dep. Haute Loire, stammt das Fragment eines
Fibrolithbeiles, das zweite Stück unserer Sammlung von demselben
284 Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums.
Orte, Donator Dr. H. G. Stehlin. Die seltene Gesteinsart scheint für
Steinbeile von jener Fundstelle charakteristisch zu sein. |
Ein wertvolles Beil aus dunkelgraugrünem Gestein von Neu-
seeland, die jüngste Neolithik repräsentierend, verehrte uns Herr Dr.
S. Schaub, Basel.
Der Bronzezeit oder Chalkochronie angehörig sind einige von
unserem Mitglied Prof. Rütimeyer von seiner griechischen Reise mit-
gebrachte keramische Fragmente aus Mykene, mit hübschen Figuren
bemalt.
Einige ungarische Bronzegegenstände, deren nähere Fundum-
stände nıcht ins klare zu setzen waren, sınd käuflich erworben worden.
Endlich hat in den letzten Tagen ein wertvolles Geschenk unser
prähistorisches Kabinett bereichert, nämlich der Inhalt eines Brand-
grabes aus der ältern Eisenzeit von Steinbach bei Rothenburg in der
Ober-Lausitz, aufgefunden daselbst unweit von der Neisse. Der Fund
besteht ın vier wohl erhaltenen Urnen, deren eine die Reste einer
Leichenverbrennung enthält, dazu kommt als fünftes Stück ein eigen-
artiges kleines Doppelgefäss. Wir verdanken die Schenkung der
Liberalität des Herrn Direktor Rudolf Geller in Niesky, Ober-
Lausitz.
Afrika.
Afrika kann dieses Jahr nur den relativ kleinen Zuwachs von
146 Nummern verzeichnen, der aber dafür einige ganz besonders
schöne Stücke enthält. Dafür hat die der afrikanischen angegliederte
Abteilung von Vorderasien den bis jetzt beträchtlichsten Zuwachs
erfahren durch die schöne Original-Sammlung, die uns Herr Prof.
F. Egger von seiner Kaukasusreise mitgebracht und geschenkt hat.
Der Gesamtbestand der Abteilungen Afrika und Vorderasien pris
nunmehr 4122 Nummern.
Nordafrika. Aus Aegypten erhielten wir durch unsern Gönner,
Herrn Emile Paravicini-Engel, ein ganz hervorragend schönes und
reiches Geschenk in Form von neun Stück prächtiger alter Muschara-
byen, jener fein gedrechselten Holzgitterwerke, wie sie als Fenster
dienen zum Abschluss der Zimmer der obern Stockwerke, der Harim
etc. gegen die Strasse. Die Stücke, die nach Aussage von Kennern
gutenteils aus dem 16. Jahrhundert stammen, konnten vom Donator
aus einem alt-arabischen Hause erworben werden. Drei der Stücke
zeigen fensterähnliche Ausschnitte, in die drei ebenfalls vorhandene
reich geschnitzte erkerartige viereckige und polygonale Vorbaue
passen, in welche ein poröses Tongefäss gestellt wird, dessen
Wasser durch die Verdunstung immer kühl gehalten wird. Die
Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums. 285
Muscharabyenwände sind 2 Meter hoch, ihre Front beträgt in toto
ca. 8 Meter Breite, so dass wir eine Gesamtfläche von mehr als 16
Quadratmetern dieser für die alt-arabische Bauart so typischen Gitter-
werke haben. Neben diesen eigentlichen Muscharabyen schenkte uns
Herr Paravicini noch vier elegant gedrechselte Gitter, deren Holz-
stäbe quadratiche Maschen von 17 cm Seitenfläche bilden. Diese
grossen Schnitzwerkfronten werden, verbunden mit dem prächtigen
seinerzeit von Herrn Dr. F. Sarasin geschenkten Plafond, in einem
neuen Museum uns gestatten, eine Ausstellung von alt-arabischer
Holzkunst zu machen, wie sie wohl in wenigen Sammlungen zu sehen
sein wird. Herrn Paravicini sei auch hier für sein prächtiges Ge-
schenk unser herzlichster Dank gesagt.
Aus Tunis konnten einige schöne, teilweise ältere Dolche er-
worben werden; bei einigen ist wohl das Herstellungsland Marokko.
Aus Tripolis schenkte uns Herr Dr. E. Frey in Davos ein Votivamu-
lett und einige Stücke Gitterwerk aus dem Marabut von Sidi el Mosri,
nahe der Stadt Tripolis; aus der Oase Garlan stammen zwei hübsch
geschnitzte Esslöffel aus Olivenholz, die uns Herr Dr. Ad. Vischer
stiftete.
Aus Algier gab uns Herr Dr. A. Gansser ein Paar Sandalen
aus Halfagras.
Westafrika. Von der Goldküste erhielten wir als Geschenk von
Herrn F. Sartorius-Preiswerk drei jener durchlochten scheibenför-
migen runden Kieselstücke, die aus der Erde gegraben zufällig ge-
funden werden und vielfach als prähistorisches Steingeld aufgefasst
werden. Die Stücke stammen von Anum am Volta.
Aus Togo schenkte der Referent durch Tausch mit Hamburg
ein sehr originelles Idol, welches, soweit ihm bekannt, nur dieses
Museum in einer Anzahl von Exemplaren besass, die sämtlich von
einem Herrn G. in Jewe, Togo, für Hamburg gesammelt wurden.
Diese Idole bestehen aus einem einfachen kegelförmigen Lehm-
klumpen, dem oben ein mumienartiger Kopf aufgesetzt ist mit offe-
nem Munde und Augen aus Kauri. Am Kinn ein kleiner Bart aus
Federn. Auf dem Scheitel ist ein mit vier zurückgebogenen W ider-
haken versehener Eisenstab und ein eiserner Nagel eingeschlagen. Der
untere Teil der Figur, die den „‚Meister des Donners‘ darstellen
soll, ist von einem grauen Tuchlappen umhüllt. Ebenso konnten aus
demselben Tausche unserer Sammlung zwei zierlich ornamentierte
Bronzeschalen der Nupe aus Benue zugewiesen werden. Durch Tausch
mit Museums-Doubletten erhielten wir von ebenda eine originelle
Holzmaske und ein kleines Holzidol aus Yoruba.
Aus Daherne stammen vier schöne ältere Zeremonial- Aexte, die
wir aus französischem Privatbesitz erwerben konnten.
286 Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums.
Herr 7. Ryff in Paris schenkte uns eine Musterkollektion vene-
tianischer Glasperlen, wie sie heute zum Tauschhandel in West-A frika
Modeartikel sind. Die Stücke sind von Interesse zum Vergleich
mit unserer ältere und ganz alte Stücke betreffenden afrikanischen
Perlensammlung ; speziell interessant ist eine sog. Millefioriperle,
genau wie wir solche in der H. Vischer’schen Sammlung aus Baghirmi
und von Benue kennen, wo sie unter dem Namen Dilari teilweise
als grosse Kostbarkeiten und Seltenheiten, besonders die alten, wohl
schon Jahrhunderte alten, angesehen werden. Ebenso wies er uns
eine kleine Serie von Agaten und Carneolen zu, wie sie bis 1895 echt,
später in immer plumperer Nachbildung nach Westafrika versandt
wurden, ein Wink, wie vorsichtig man in der Beurteilung der Pro-
venienz westafrikanischer derartiger Perlen sein muss.
Einige gute Stücke erhielt unsere immer noch viel zu kleine
Kamerun-Sammlung. Von Herrn Missionar Stutz in Sakbayeme
konnten wir erwerben neben einer guten Balipfeife eine sehr originelle
grosse hölzerne Tabakpfeife „Ikoda“; der Kopf ist sehr hübsch in
Holz geschnitzt. Diese Stücke kommen ausser Gebrauch und man
sieht nur noch selten alte Männer sich derselben bedienen. Das Stück
stammt vom Stamme der Sogbakerı nahe Sakbayeme, S. O.-Kamerun.
Von den Bakombe kommt ein kleiner schwarzer Kochtopf aus Ton
zum Kochen von Pfeffer und Gewürzkräutern zu Saucen; cin unge-
heurer, sehr hübsch in farbigen Mustern von Raphiabast gearbeiteter
kugliger Deckelkorb mit 265 cm Umfang stammt von Yaunde, wo
solche Körbe von den Männern gefertigt und in den Hütten als
„Kleiderschränke“ aufgestellt oder als Reisekörbe mitgenommen wer-
den. Ebenfalls von Sakbayeme von den Basa-Stämmen stammt ein
„Gamba a ma“, ein Handzauber, wo durch Würfeln mit einigen Perl-
mutterstückchen ein Orakel provoziert wird. Ein ganz hervorragend
schönes altes Familienstück, ein Trinkhorn für Palmwein, konnte
der Referent von einem Missionsbaumeister erwerben und der Samm-
lung schenken. Es stammt aus Bamum und ist ein über und über mit
Schnitzereien : Ornamente und 9 Köpfe von Nashornvögeln bedecktes
Kuhhorn. Besonders hübsch ist der Fuss aus kunstvoll geflochtenem
Messingdraht, auf dem das Horn aufruht.
Durch Tausch mit Leipzig kamen wir in Besitz zweier interes-
santer Bronzefiguren aus Bagam, im Grasland von Nordwest-
Kamerun, wo diese Giesstechnik noch heimisch ist. Das eine ist eine
15 em hohe männliche Figur von groteskem Aussehen und einem
halbmondförmigen schirmartigen Aufsatz am Hinterkopf, das andere
ist ein Frosch. Ueber die tiefere Bedeutung dieser Figuren, massive
Bronzegüsse, die an ähnliche des alten Benin erinnern, scheinen die
Eingeborenen nichts mehr zu wissen.
Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums. 287
Zentralafrika. Vom Schari, franz. Kongo, stammt ein von Herrn
Schorn uns geschenktes Wurfeisen, dessen, wenn man so sagen darf,
menschliches Interesse darın besteht, dass es der Donator vom Admi-
nistrateur des Fort Lamy erhalten hatte, der dieses Wurfeisen per-
sönlich in der Umgebung des Forts in Kopf und Nacken eines dem
Tode nahen jungen Mädchens haftend gefunden hatte. Das Mädchen
war damit durch Wurf aus Hinterhalt verwundet worden.
Aus den Kassailändern erhielten wir durch Tausch mit Hamburg
zwei kleinere Idole aus Holz, der Frobeniussammlung angehörig.
Aus portugiesisch Angola stammen eine Fetischglocke und drei
interessante alte Holzidole, sogenannte Nagelgötzen; zwei derselben
schenkte der Vorsteher durch Tausch mit Hamburg, das dritte wurde
gekauft. Die offenbar sehr alten und teilweise etwas defekten Stücke,
das grösste ist 72 cm hoch, haben teilweise wie manche west-
afrikanische Idole und wie auch manche der alten Steinidole aus dem
Hinterlande von Sherbro Aushöhlungen im Kopfe, zwei auch
büchschenförmige Hohlräume am Bauch, welche wahrscheinlich durch
Füllung mit gewissen tierischen und pflanzlichen Partikeln und Schüt-
teln derselben zu Orakelsprüchen dienen. Zwei der Idole, besonders das
grosse, haben reichliche Nägel eingeschlagen, auch eine Lanzenspitze,
also ganz ähnlich wie die so gespickten Fetische vom untern Kongo.
Die Bedeutung der Benagelung ist dort die, dass die Nägel zur Be-
kräftigung von Schwüren oder als Memento beim Richten eines
Wunsches an den Fetisch in diesen eingeschlagen werden.
Südafrika. Ein äusserst interessantes und seltenes Geschenk er-
hielten wir durch die liebenswürdige Vermittlung von Herrn P. Stau-
dinger in Berlin von Herrn Seiner in Bloemfontein, D. S. W.-Afrika,
nämlich einen sogenannten „Buschmannrevolver“, jedenfalls den
kleinsten Bogen der Welt mit seiner Länge von ca. 11 em und seinem
91/,cm langen Lederköcherchen und den ebensolangen Pfeilchen. Der
kleine Bogen hat eine Tiersehne, die Pfeile haben vergiftete hölzerne
Spitzen und sind durch eine feine Hülle aus strohhalmdickem Rohr
geschützt. Diese wirklich pygmäenhafte Waffe, die gut zu den
Waffen der Zwerge unserer Sagen passen würde, soll so benützt wer-
den, dass der Buschmann damit aus nächster Nähe die kleinen ver-
gifteten Pfeile unbemerkt auf seinen Feind abschnellt und ihn so
tötet. Bei dieser Schenkung finden sich noch zwei Buschmannköcher
und ein gewöhnlicher Buschmannbogen mit einer Sehnenlänge von
95 em. Einige Pfeile mit Holz- und Eisenspitzen, letztere auf einem
knöchernen Mittelstück aufsitzend, sowie ein Feuerbohrer aus Holz,
der sich in einem der Köcher befand, vervollständigen die kleine
Buschmann-Kollektion, für die beiden Donatoren auch hier bestens
gedankt sei.
288 - Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums.
Ostafrika. Unsere Maskensammlung konnte aus diesen Gebieten
in willkommenster Weise ergänzt werden durch zwei der so originellen
Makonde-Masken, die den grossen Weule’schen Originalsammlungen
entstammend, vom Vorsteher durch Tausch mit dem Leipziger Mu-
seum durch das freundliche Entgegenkommen von Prof. Weule er-
worben und unserer Maskensammlung zugewiesen werden konnten. Die
eine dieser Vorlegmasken aus Holz hat das ,,Pelele“, den rundlichen
Lippenpflock der Oberlippe aufgeschnitzt, bei der andern fehlt er.
Auch zwei Pelele liegen bei. Ferner zwei jener oft äusserst zierlich
geschnitzten „‚Mitete“, die, wie dies Weule in seinem Werke ausführt,
oft wahre Kabinettstücke der Kleinkunst sind. Es sind Büchschen
aus Hartholz und dienen zum Aufbewahren von Schnupftabak und
Medizin, die Deckel sind oft wirklich kunstvoll mit ausgeschnitzten
Tier- oder Menschenfiguren geschmückt.
Den Hauptzuwachs der afrikanischen Abteilung bildet eine
Originalsammlung aus Abessynien, die wir von Herrn .J. A. Michel
aus Bern, früherer langjähriger Post- und Telegraphen-Direktor von
Abessynien in Addis Abeba schon im Herbst 1911 erwerben konnten,
die aber erst dieses Jahr zur Einreihung kam. Sie wird nächstens ın
erwünschter Weise ergänzt durch einige weitere 20 Nummern, Dou-
bletten, die wir durch Tausch mit dem Berner Museum, welches die
Hauptsammlung des Herrn Michel besitzt, erhalten werden.
Die Sammlung beträgt 45 Stücke, von denen Herr Michel ın
liebenswürdiger Weise 15 schenkte. Sie ist uns um so willkommener,
als unser Bestand aus Abessynien äusserst dürftig ist und sich auch
einige Objekte aus selten betretenen Gegenden befinden, die Herr
Michel auf seiner Jagdtour in die südwestlich von Abessynien ge-
legenen Länder bis zum Rudolfsee durchstreifte. Wir finden unter
diesen abessynischen Sachen folgende Rubriken vertreten.
Waffen. Ein schöner halbmondförmiger Gondar-Säbel mit
Lederscheide und Griff aus Rhinozeroshorn. Das Stück diente noch
als Waffe in der Schlacht von Adua; mehrere Dolchmesser, ein
weiterer Säbel der Arussi und einige Lanzen aus verschiedenen
Gegenden des Reiches, worunter eine jener schön gearbeiteten Hof-
und Prunklanzen mit schön ornamentiertem vierkantigem Halsstück
von Eisen und langer doppelschneidiger Klinge, die durch ein Leder-
futteral geschützt ist. Das Stück gehörte dem Ras Makonnen, einem
guten Bekannten des Sammilers ; solche Lanzen dürfen nur von grossen
Persönlichkeiten getragen werden. Zu den Waffen kann auch ein
schönes Pferdekopfzeug der Ogaden Somal mit hübscher Messing-
verzierung gerechnet werden.
Schmuck. Acht Elfenbeinarmringe und zwei aus Rhinozeros-
horn, die, besonders die letztern, in der Provinz Kaffa als Auszeich-
Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums. 289
nung für besondere Tapferkeit getragen werden, Haarkamm und
Haarnadeln aus Elfenbein der Djmma-Frauen in Südwest-A bes-
synien und ein Halsschmuck mit Silberkreuz, Ohrlöffelchen, Silber-
ringe und Hornkapseln für Zibeth.
Kleidung. Ein höchst origineller Schamgürtel in Form von fünf
Elfenbeinklôützchen, die teilweise mit eingeritzten Kreisen versehen,
an einer Lederschnur um die Hüften getragen werden, von Guimera,
westlich vom Rudolfsee, von da auch zwei Lendenschmucke aus Glas-
perlen, weiss, rot und blau. Die weissen von opalisierendem altem Glas
sollen nach Informationen des Sammlers angeblich eingeborene Ar-
beit sein; sie dienen als wertvoller Tauschartikel, und manche von
ihnen sind nach dem Urteil von Herrn P. Staudinger, der dieselben
zu untersuchen die Güte hatte, jedenfalls sehr alt. Ferner sind da eine
Lendenschürze der Bakoschangame aus Bast und Rindenfasern, sowie
ein Schamgürtel der Ogaden-Somal aus Löwenhaut.
Verschiedene Geräte. Uallamo-Eisengeld ‚„Martocho“ in Form
einer stumpfwinklig abgebogenen Eisenspange, Wert 25 Cts. Ver-
schiedene hölzerne Näpfe und Gefässe, Wasserkrug aus dichtem Stroh-
geflecht dient Würdenträgern zu rituellem Gebrauch, Tetschkaraffen-
behälter aus Geflecht aus Harrar, Kaffeemörser aus Holz, mehrere
hübsch geflochtene Körbe, worunter ein runder Brotkorb von 77 cm
Durchmesser, endlich eine Hochzeitspeitsche, welche bei der Heirat
dem Bräutigam übergeben wird als Zeichen der Herrschaft des Man-
nes in der Ehe!
Aus den Nilländern erhielten wir von unserm nun schon seit
mehreren Jahren mit grossem Eifer und Sachkenntnis für uns auf
seinen weiten Sudanreisen sammelnden Herrn Dr. A. David wieder
einige sehr gute Sachen zum Geschenk, so vor allem ein Wurfholz
der Dinka ‚‚Tarbasch“ vom Dinkastamm der Burbun am rechten Ufer
des weissen Nil. Das interessante Stück zeigt wieder eine andere Form
als ein Wurfholz aus Darfur unserer Sammlung, welches ganz den alt-
ägyptischen Wurfhölzern gleicht. Das vorliegende ähnelt mit seinem
wenig gekrümmten Stiel und seiner flachen axtförmigen Verbreite-
rung am einen Ende durchaus einem so geformten Bumerang aus
Victoria, Australien, unserer Sammlung. Dieser Tarbasch dient zur
Jagd auf Vögel und kleines Wild ; ferner schenkte uns Herr Dr. David
einen jener walzenförmigen Parierschilde mit eingesenktem Griff
„Quer“, doch von weit grösserer Länge (120 cm), wie sie im letzten
‚Jahresberichte erwähnt wurden. Beide Objekte sind wohl wieder der
sog. nigritischen Kulturstufe zuzuweisen. Ein eigentümlicher, am
untern Ende gekrümmter und verdickter Stock, am obern mit einer
Lederschleife zum Anhängen am Handgelenk, gleicht durchaus den
Stöcken, wie sie früher die jüdischen Viehhändler in unserer Gegend
19
290 Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums.
trugen; endlich ein grosser Angareb, 194 cm lang, mit hübsch ge-
flochtenen Schnurwerk als „Matratze“ aus Chartum.
Eine grössere Anzahl der im letzten Jahresberichte beschriebenen
Lanzen mit Antilopenspitzen, die Dr. David in Chartum von den eng-
lischen Militärbehörden als Beutestücke aus einem Gefecht mit Schil-
luks anlässlich dortiger Unruhen erhielt, erwarb der Vorsteher, um
sie teilweise als Tauschobjekte zugunsten unserer Sammlung zu ver-
werten, es befanden sich darunter auch wieder einige Lanzen mit
Spitzen aus Giraffenknochen der Anuak. Einige dieser Stücke wur-
den der eigenen Sammlung: einverleibt.
L. Rütimeyer,
Vorsteher der Abteilung Afrika.
Vorderasien.
Diese dem Unterzeichneten unterstellte Abteilung erhielt im Be-
richtsjahr die bis jetzt grösste Bereicherung durch die schöne Samm-
lung, die uns Herr Prof. F. Egger auf Grund ihm eines vom Refe-
renten mitgegebenen Wunschzettels und noch weit über diesen hinaus
von seiner Kaukasusreise im Jahre 1912 mitbrachte. Wir sind ihm
hiefür zu umso grösseren Dank verpflichtet, als das Mitbringen ethno-
graphischer Objekte bei der Reiseart im dortigen Gebirge, wo viel-
fach nur die Packtaschen des Reitpferdes als Transportmittel zur
Verfügung standen, oft sehr schwierig war und guten Willen, unserm
Museum etwas mitzubringen, erforderte. Es möge also dem Donator,
der uns 55 Stücke aus diesen bei uns bisher völlig unvertretenen Ge-
bieten mitbrachte, der beste Dank auch hier ausgesprochen werden.
Diese Gebiete, die nördlich der grossen Strasse, auf der seit Jahr-
tausenden die asiatischen Völkerwellen nach Westen fluteten, bieten
ein ganz besonderes ethnographisches Interesse dar, da seit alten
Zeiten eine Menge von Stämmen und Völkertrümmern hier ihre Zu-
flucht fanden und finden.
Wir können das Material der Kollektion etwa in folgende
Gruppen einteilen.
Musikinstrumente, dem Orchester der Georgier entnommen;
dieses besteht, wie ich den beigegebenen Erklärungen der vom
Sammler gut etikettierten Objekte entnehme, aus einer Doppelpauke
naghara, die hier nur im Modell vorliegt, einem trompetenartigen
Holzinstrument Sürne (welches wir in genau gleicher Form und
Namen schon in einem Stücke aus Urfa besitzen), einer Flöte
„Duduk“, einer kleinen Guitarre „tschungur‘ mit sehr geschmackvoll
mit Knochenplättehen und Perlmutter eingelegtem Hals und einer
grössern Guitarre „Päntur“. Zwei noch fehlende Stücke dieses
Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums. 291
georgischen Orchesters, welches zum Tanz aufspielt und die Sänger
der Volkslieder begleitet, sind uns noch in freundliche Aussicht ge-
stellt. Ein weiteres sehr hübsch mit Perlmutter eingelegtes Musik-
instrument, die 86 cm lange Guitarre „Thar“, stammt ursprünglich
aus Persien, wird aber überall in Georgien gebraucht.
Hausgeräte. Die besonders früher von manchen trinkfrohen kau-
kasischen Stämmen mit grosser Phantasie und Kunstsinn ange-
fertigten Trinkgefässe sind repräsentiert durch ein altes, originelles,
mit hübscher Niello-Silberarbeit belegtes Prunk-Trinkgefäss aus Holz
mit langem silberumkleidetem Hals. Es stammt aus Tiflis, der alten
Hauptstadt der Georgier, während ein Trinkhorn aus Steinbockhorn
einem Hause der Swaneten im kaukasisch-abchasischen Hochgebirge,
dem Kodorthal, entstammt. Ebenfalls von diesem Hochgebirgsvolk
der Swaneten, welche schon von griechischen und römischen Autoren
als kolchische Völker erwähnt werden sollen, und die seit Jahr-
tausenden ihre heutigen Wohnsitze bewohnen, stammen eine Anzahl
Holzgeräte, wie Näpfe, Löffel, Schalen, Quirl, Tabakpfeife aus
Buchsbaumholz. Einige weitere holzgeschnitzte Tassen und Löffel
gehören den Karatschaiern, einem uralaltaischen Stamme der Ta-
taren, die ursprünglich in der Krim wohnend, in den Kaukasus abge-
drängt wurden. Ferner ein Tragtäschchen aus dem Bast des wilden
Kirschbaumes aus A bchasien, ein Körbchen aus Mingrelien sowie das
Modell eines mingrelischen Pfluges, in der Bergschule von Suchum-
Kale verfertigt.
Waffen. Von dieser ergologischen Rubrik, die früher im Kau-
kasus eine ganz besondere Rolle spielte, wo mittelalterlich ritter-
liche Waffen wie Helm, Ringel-Panzer, Schild und Bogen noch bis
tief ins letzte Jahrhundert gebraucht wurden, jetzt aber kaum mehr
erhältlich sind, ist vor allem zu nennen ein sehr schön gearbeiteter ge-
rader zweischneidiger Dolch, -der Kinschal, die kaukasische National-
waffe, mit Griff aus Horn, Elfenbein und hölzerner, kunstvoll mit
Silber in Nielloarbeit überzogenen Scheide. Das prächtige alte Stück
wurde von einem Lesghier erworben und stammt aus Daghestan. Ein
zweiter einfacherer Kinschal mit Lederscheide stammt aus Georgien,
ein grosser Säbel ursprünglich aus Persien. Eine alte Feuersteinpistolo
zeigt denselben reichen Niello-Silberschmuck wie das Trinkgefäss.
Kleidungsstücke. Verschiedene Mützen der Swaneten-Männer
und -Kinder aus einem kegelförmigen Stück Filz. Eine persische
Hausmütze und eine solche der Kurden aus Filz. Socken der Kurden
vom Ararat, Lederschuhe einer Swanetenfrau und Fellschuhe eines
Karatschaiers.
92 Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums.
Schmuck. Silberner Halsschmuck einer Swanetenfrau des Kodör-
tales mit Anhängseln aus Silberblech und zwei Brustschmucke von
Kurdenfrauen der Araratgegend, wobei auf grünen Tuchstreifen
hübsch gearbeitete Silberplaketten aufgenäht sind; endlich einige
Fingerringe der Kurdenmädchen.
Aus Urfa schenkte uns Herr Dr. E. Vischer einen sehr originellen
Dreschschlitten in Form von zweı durch Querleisten verbundenen und
vorn aufgebogenen Brettern, auf deren Unterseite eine Menge Silex-
splitter eingeklemmt sınd. Ebenso die Deichsel, an der das Instrument
über das auszudreschende Korn über die Tenne gezogen wird.
L. Rütimeyer,
Vorsteher der Abteilung Vorderasien.
Geschenke an die Abteilungen Afrika und Vorderasien.
Herr Dr. A. David, Basel, Wurfholz der Dinkas, Parierschilde der Schilluk,
Stock, Angareb.
Prof. F. Egger, 55 Objekte vom Kaukasus: Musikinstrumente, Waffen,
Schmuck, Kleidungsstücke, Hausgeräte.
Dr. E. Frey, Davos, 1 Votivamulett, Tripolis.
Dr. Gansser in Garessio (Piemont), 1 Paar Sandalen aus Halfa, Algerien.
J. A. Michel, Addis-Abeba, 15 Gegenstände aus Abessynien: Gefässe,
Lendenschmuck, Eisengeld, Kopfkratzer, Kämme, Brotkorb, Suppenkelle.
E. Paravicini-Engel, Kairo, 13 Stücke altarabische Muscharabyen und
anderes Gitterwerk aus Holz aus einem altarabischen Hause.
Prof. L. Rütimeyer, Basel, 1 altes Trinkhorn, Camerun, 1 Idol, Togo,
2 Bronzeschalen der Nupe, 2 Nagelfetische, portugiesisch Angola,
2 Makondemasken, 2 Lippenpflöcke der Makonde, 4 Lanzen der Schilluk.
F. Sartorius- Preiswerk, Arlesheim, 3 Stücke „Steingeld‘“, Goldküste.
Seiner, D. S. W.-Afrika, 1 „Buschmannrevolver“, 1 Bogen und 2 Köcher
der Buschmänner mit Pfeilen und Feuerbohrer.
„ Dr. À. Vischer, Basel, 2 Esslöffel, Tripolis.
„ Dr. A. Vischer, Urfa, 1 Dreschschlitten.
Polarvölker.
Das Schwergewicht der Aeuffnung der dem Referenten unter-
stellten Sammlungs- Abteilungen fiel, wie schon bemerkt, dieses
Jahr auf die arktischen Völker, auf jene Abteilung, die erst vor
wenigen Jahren zu sammeln begonnen wurde und die mit ihren nun-
mehr 225 Nummern noch sehr in den Anfängen steht; immerhin be-
finden sich unter denselben einige sehr seltene und wissenschaftlich
wertvolle Stücke. Wir dürfen auch jetzt schon erwähnen, dass dieser
Abteilung auch für nächstes Jahr ein interessanter Zuwachs in Aus-
sicht steht durch Objekte, die auf Ansuchen des Referenten der Leiter
der schweiz. Grönland-Expedition, Herr Dr. de Quervain, bei den
Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums. 293
noch ursprünglicheren Eskimos der Ostküste in Angmagsalık und
Umgebung sammelte. Ferner wird ein prächtiges Geschenk, das uns
von Herrn Dr. Hössli, einem seiner Begleiter auf der Durchquerung,
in sichere Aussicht gestellt wurde, ein ostgrönländischer Kajak mit
Ausrüstung im nächsten Berichte seine Würdigung finden.
Von den arktischen Neu-Erwerbungen des Berichtsjahres seien
folgende hervorgehoben.
Von den an den äussersten westlichen Ausläufern von Alaska
gelegenen Kadiak-Inseln erwarben wir aus französischem Privatbe-
besitz zwei hübsch gearbeitete Lederschuhe und ebensolche Hand-
schuhe, ebenso einen sehr roh gearbeiteten Dolch oder Harpunenspitze,
der aus Mammutzahn gefertigt sein soll. Die Stücke wurden 1873
vom Schiffslieutenant Feraud nach Frankreich gebracht.
Der Hauptstock des Zuwachses von 1912 besteht aber in der
höchst willkommenen Fortsetzung unserer Sammlung der schwe-
dischen, norwegischen, finnischen und russischen Lappen. Herr J.
Konietzlo unternahm im Januar 1912 seine schon im letzten Bericht
in Aussicht gestellte neue Lappland-Expedition, auf der er sich in
entgegenkommendster Weise auch für unser Museum zu sammeln
erbot. Sein Plan war diesmal, ganz russisch Lappland zu durchqueren
bis Kantalax, wobei er namentlich auch die Skolter-Lappen besuchen
wollte, bei denen bis jetzt noch niemals systematisch ethnographisch
gesammelt worden war. Die aufs beste vorbereitete Reise, auf der
die Expedition über 2000 Kilometer zu Renntier zurücklegte, konnte
aber wegen grosser Schwierigkeiten, enorme Kälte bis 50°, unge-
heure Schneemassen, viele Wölfe und Erkrankungen nicht ganz pro-
srammässig durchgeführt werden. Sie begann im Bugöfjord vis-à-vis
Vadsö im Norden, bewegte sich in den nördlichsten Teilen von rus-
sisch Lappland, um nach neuem Besuch der Gegenden um Enare und
nach Durchquerung von finnisch Lappland bei Bonekop am Alten
Fjord im nördlichsten Norwegen zu enden.
Herr Konietzko hat wieder ausserordentlich gut und mit grösster
Sachkenntnis gesammelt und für uns speziell eine Kollektion zusam-
mengestellt, die in glücklichster Weise diejenige des letzten Jahres
ergänzt und keine einzige Doublette mit derselben enthält. Es sind
uns dadurch 67 neue Lappen Objekte zugekommen, so dass die nun aus
137 Nummern bestehende Lappensammlung, mehr als die Hälfte des
arktischen Bestandes, eine durchaus einheitliche und systematisch ge-
sammelte und deshalb um so lehrreichere Spezialabteilung darstellt.
Ordnen wir die diesbezüglichen neuen Einläufe nach den im letzten
Berichte aufgestellten Rubriken, so ergibt sich etwa folgendes:
Küche, Küchengeräte und Nahrungsmittel, welche letztes Jahr
sehr reichlich vertreten waren, stehen an Zahl diesmal zurück, ent-
294 Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums.
halten aber einige sehr interessante Objekte. Von Nahrungsmitteln
wären verschiedene Muster von Fichtenrinde zu nennen, deren Cam-
bium kleingeschnitten und getrocknet fertig zur Bereitung des Rin-
denbrotes sind. Ein hieher gehöriges, jedenfalls auch in die ferne
Prähistorie zurückreichendes Objekt ist ein Doppelschaber aus
Knochen mit zweiverbreiterten Enden, der aber hier nicht zum Schaben
von Fellen, sondern zum Loslösen der Fichtenrinde zur Brotbereitung
dient. Zur Zerkleinerung der Rinde dient ein, wie Herr Konietzko
schreibt, nur mehr selten erhältliches Stück, eine Art Stampfer, an
dessen unterm Ende zwei leicht konvex gebogene Klingen aus ge-
schärften Knochen mittelst eines Holzbolzens befestigt sind, auch dies
ein Instrument von sehr altertümlichem Gepräge. Ein Stück getrock-
neter Renndarm, in den Milch gegossen wird, die, wenn ihrerseits ge-
trocknet, frischer Milch beigegeben, diese labt, dient zur Käseberei-
tung. Zur Milchwirtschaft gehört auch ein Melkgefäss für Renntiere,
zum Kücheninventar überhaupt verschiedene Näpfe, Teller und Löffel
aus Holz.
Ficherei. In Ergänzung der 1m letzten Bericht erwähnten Netz-
schwimmer und Netzsenker aus Birkenrinde schickte uns der Sammler
diesmal ein ganzes Netz, reichlich mit diesen originellen Appendices
versehen. In einem Holzbehälter sowie auf einem mit Schnurwerk
bespannten Holzrahmen werden die mit Köder versehenen Angel-
leinen auf dem Boot mitgenommen, eine hübsch gearbeitete Filet-
nadel aus Rennhorn dient zum Stricken der Netze, eine Art Haspel
zum Aufwickeln der Angelleine.
Jagd. Eine kleine Holzfalle für das Hermelin, eine höchst pri-
mitive Fuchsfalle in Form eines einfach gegabelten rohen Holz-
stückes, wobei der Fuchs, wenn er das aufgesteckte Fleisch er-
schnappen will, mit dem Vorderbein in der Gabel sich verfängt, ein
Nistkasten für Wildenten, dem die Lappen die gelegten Eier ent-
nehmen, gehören ın diese Rubrik.
Hausgeräte und Handwerkzeuge. Hier zeigen diverse Büchschen
und Futterale aus Knochen für Striek- und Nähnadeln, aber auch
für so moderne Geräte wie Streichhölzer die dem Arktiker seit Ur-
zeiten tief eingeborene Gewohnheit, das Material des Knochens für
seine Geräte zu verwenden. Es erinnert das an die konservative prä-
historische Gewohnheit der Ababde bei Assuan, wo auch Stein zu
Töpfen bearbeitet wird, während Tongefässe weit billiger und ein-
facher zu haben wären.
Tongefässe fehlen nach Aussage von Konietzko völlig bei den
Lappen, die in dieser Beziehung also noch buchstäblich in der wirk-
lichen „Renntierzeit“ leben und die Töpferei noch nicht erworben
haben.
Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums. 295
Sehr altertümlich ist auch ein Feuerzeug der Skolterlappen,
denen überhaupt eine Anzahl dieser Knochengeräte angehören. Es
besteht nur aus einer kleinen Knochenpfanne, auf der durch einige
in einem Zeugtäschchen befindliche Silices der Schwamm zum
Glimmen gebracht wird. Ein eisernes Objekt fehlt hier zum Feuer-
schlagen, wird aber in praxi gebraucht.
Weitere Behälter für Nähzeug sind dann Fellbeutel, sowie eine
Ledertasche mit ornamentierten Knochenbügeln. Auch ein origi-
nelles Schloss aus Knochen ist vorhanden, wobei zwei mit Widerhaken
versehene flache Knochenstücke beim Schluss eines Kastens in ein
pfeilförmiges Verschlussstück, ebenfalls aus Knochen, einhaken.
Filetnadeln aus Rennhorn, Rucksack aus Rennleder, Körbe aus
Kieferwurzelngeflecht, Kaffeemörser, hölzerne Näpfe und Teller,
Rührholz, Wasser- und Bouillonschöpfer, ein äusserst primitiver
Wollrocken aus einem stumpfwinklig abgebogenen Holzstück, auf
dessen unteres Ende die Lappenfrau sich setzt, während die Wolle
auf dem gekerbten obern Stück angebracht wird, eine sehr altertüm-
liche Spindel mit Spinnwirtel aus Knochen, ein Tabakbeutel aus dem
Balg des Polartauchers vervollständigen das Inventar der Lappen-
zelte, bei dem sich jeweilen das Bestreben bemerkbar macht, aus
den von der Natur gegebenen Rohmaterialien in scharfsinniger Weise
das Nötige zuzubereiten.
Kleidung. Eine hübsche mit Schnitzwerk ornamentierte Gürtel-
schnalle aus Rennhorn für Frauen, Zeugwerk für Männer aus blauem
Wollenstoff, ebensolehe Frauenhosen, Sommerrock für Männer, ein-
faches Fellwerk mit der Haarseite nach aussen, „Boa“ für Männer
aus Eichhornschwänzen, wurde früher von diesen um den Hals ge-
tragen, Männermützen aus Stoff, Lederschuhe, Fellröcke für Kinder,
beim Sommerrock die Haarseite nach aussen, beim Winterrock nach
innen gekehrt, Ledergamaschen, Frauengürtel aus Wollenstoff mit
hübschen eingewobenen Ornamenten ; solche Gürtel werden auf den
im letzten ‚Jahresbericht erwähnten Knochen-Webekämmen verfer-
fertigt; Haube für kleine Mädchen.
Viehzucht. Zugholz und eine Packtasche für Renntiere, letztere
aus Holz, Birkenrinde und Schnurgeflecht, Tragtasche für Renn-
tiere aus Leder.
Kultus und Medizin. Zu ersterem kann ein Amulett der Skolter-
lappen gezählt werden, bestehend in einem zystenähnlichen Gebilde,
welches sich selten zwischen Fell und Halsmuskulatur der Renn findet
und getrocknet wird. Ebenfalls als Amulett wie in unserer Prä-
historie dient ein durchlochter Bärenzahn, zur Medizin gehört ein
Schröpfkopf aus Tierhorn.
296 Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums.
Es ist also durch die Erwerbung dieser durch den Sammler vor-
trefflich ausgelesenen und katalogisierten Lappensammlung der im
letzten Bericht ausgesprochene Wunsch, es möchte noch manche
Lücke in der hochinteressanten Lappen- Ergologie durch die
Konietzko-Expedition von 1912 ergänzt werden, aufs schönste er-
füllt worden.
Von sonstigen arktischen Gegenständen konnten wir durch
Tausch mit dem Hamburger Museum einen prächtigen grossen Fell-
mantel der Samojeden und ebensolche Stiefel aus Renntierfell er-
werben. Ich möchte Herrn Prof. Hoffmann-Krayer, der durch
Abgabe von schweizerischen Volkskunde-Doubletten diesen Tausch
ermöglichte, auch hier meinen besten Dank sagen.
Endlich schenkte Herr Prof. Hoffmann eine Harpunenspitze aus
Knochen mit Widerhaken und einer darauf montierten spitzovalen
Steinklinge, das ganze geschützt durch ein mit Sehnenschnüren zu-
sammengebundenes hölzernes Futteral. Das Stück stammt aus einem
Haus aus Riemenstalden, Kt. Schwyz, und wurde dem Donator als
aus altem Familienbesitz herstammend abgetreten. Es sollte ein alt-
schwyzerischer Pfeil sein, ist aber zweifellos arktisch, wohl den Es-
kimos angehörig. Es wäre interessant zu erfahren, wann und wie
dieses alte Stück vielleicht durch einen schwyzerischen Reisläufer
früherer Zeit nach Riemenstalden kam !
Publiziert wurde aus der Sammlung vom Referenten: Ethno-
graphische und prähistorische Reiseerinnerungen aus Algerien.
Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich,
September 1912.
Endlich sei nochmals allen Donatoren aufs herzlichste gedankt
und die Sammlung ihrem weitern Wohlwollen empfohlen.
L. Rütimeyer,
Vorsteher der Abteilung für Polarvölker.
Geschenke an die Abteilung für Polarvölker 1912.
Herr Prof. E. Hoffmann-Krayer, 1 Harpunen-Spitze aus Knochen mit Stein-
klinge und Holzfutteral.
Asien (ohne China, Japan) und Ozeanien.
Infolge der Abwesenheit des Unterzeichneten bis Ende Juli war
der Zuwachs der von ihm besorgten Abteilungen naturgemäss nur
ein geringer; doch wird in späteren Berichten als reichlicher Ersatz
hiefür die umfangreiche, für das Basler Museum angelegte Samm-
lung aus Neu-Kaledonien und von den Loyalty-Inseln aufzuführen
Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums. 297
sein. Einstweilen, d.h. bis nach erfolgter Bearbeitung, bleibt sie
Eigentum des Unterzeichneten ; eine Ueberführung nach dem Museum
wäre so wie so wegen Platzmangels ein Ding der Unmöglichkeit.
Von Zuwachs der Museumssammlungen sei das folgende namhaft
gemacht:
Indo-australischer Archipel. Aus dem nördlichen Borneo er-
hielten wir von Dr. G. Niethammer, der jetzt aufs neue dorthin abge-
reist ist, eine kleine, aber hübsche Sammlung, darunter Musikinstru-
mente, ein elegant geschnitztes Ruder und Schwerter für uns neuer
Formen vom Typus des nahen Sulu-Archipels.
Von den Admäralitätsinseln, einem der allerunzugänglichsten Ge-
biete der Erde, konnten wir zwei von Herrn Missionar Wenzel nach
Basel gesandte Stücke jener höchst merkwürdigen, aus Rotang ge-
flochtenen und mittelst einer rötlichen Harzmasse gedichteten, in
Form und Aussehen durchaus ächte Tongeschirre vortäuschenden Ge-
räte erwerben, einen hohen, nach unten spitz zulaufenden Topf, samt
dem Rotangring, der ihn in senkrechter Lage halten soll und eine
niedrigere Schüssel. Von demselben Herrn stammen vier hölzerne,
durchbrochen geschnitzte und bemalte Tanzgeräte von der Crazelle-
Halbinsel, Neu-Pommern. Gleichfalls aus dem Bismarck- Archipel,
sowie aus Britisch Neu-Guinea, erwarben wir einige Gegenstände von
Herrn N..J. Hamann, darunter einen Tanzstock mit Federbusch,
mehrere Kopffederschmucke, Zauberschnüre, Angelhaken und
Schnüre mit aufgereihtem Muschelgeld. Ebenderselbe vermittelte
uns eine sehr hübsche Sammlung von den Gübert-Inseln. Sie ent-
hält vornehmlich Schmuckgegenstände, Hüftketten aus Scheibchen
von weissen Conusschnecken und brauner Kokosnussschale, andere aus
aufgereihten Delphinzähnen oder aus gespaltenen Potwalzähnen, ge-
trennt durch Reihen von Conusscheibchen, Hals- und Brustschmucke
mit grossen durchbohrten Conusscheiben oder mit einem (Grehänge,
gearbeitet aus Tridacnaschale, Schnüre aus Menschenhaar geflochten
und als Tanzschmuck dienend, Angelhaken, Zauberstein u.s. w. In-
teressant ist ein birnförmig zugeschliffenes Stück Korallenkalk, an
einem Ende durchbohrt zur Befestigung einer langen Schnur; es
dient zu einem Spiel „Wanderkukuk“ genannt, wobei man eine Kokos-
nuss mit zwei hineingesteckten Hühnerfedern in die Luft wirft und
versucht, mit dem Stein oder mit der Schnur diesen Vogel abzufangen.
Weitaus den bedeutendsten Eingang bilden einige sehr schöne
alte Holzschnitzereien aus Neu-Seeland, aus französischem Privat-
besitz erworben und geschenkt durch die Mitglieder der Kom-
mission, sowie durch die Herren Dr. Rud. Merian, Dr. J. R. Geigy und
Dr. Hans Burckhardt. Es sind Teile eines Kriegscanoes, erstlich der
298 Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums.
vordere, senkrecht stehende Schnabel, eine schmale, rechteckige, 1,30 m
hohe Platte, mit durchbrochen gearbeiteten Spiralen und andern
Ornamenten, ferner Bretter mit menschlichen Figuren mit schnabel-
artigen Gesichtern und Augen aus Stücken Haliotisschale, weiter ein
Balkenende mit Menschenkopf, eine Rundskulptur mit ausgestreckter
Zunge und ein geschnitztes Steuerruder. Sehr wertvoll ist endlich
ein altes Holzıdol, 1,12 m hoch, mit tatauiertem Gesicht und Orna-
mentlinien auf dem Körper; es steht auf dem Kopfe einer kleinen
Figur, eines Ungetüms mit ausgestreckter Zunge. Unsere neusee-
ländische Sammlung hat durch diese prachtvollen Geschenke einen
höchst willkommenen Zuwachs erfahren.
Fritz Sarasın.
China - Japan.
Im Jahre 1912 sind Gegenstände aus Japan durch Schenkung,
Sachen aus China mit einer einzigen Ausnahme nur durch Kauf
in unsern Besitz gekommen. Obenan steht die reiche Gabe unseres
Mitbürgers in Tokio, Herrn Dr. L. Reidhaars. Ihr hervorragendstes
Stück ist das Reitzeug eines Daimio, etwa aus dem Anfange des
19. Jahrhunderts stammend. Es besteht aus einer Trense, einem
Halsstücke, dem hölzernen Sattel in schöner Lackarbeit samt seinem
Ueberzuge, verschiedenen Schabraken, einem Schwanzriemen und
einem Paar schwerer eiserner Steigbügel. Dazu kommen ferner: der
Brustharnisch einer Rüstung, Eisenblech mit getriebener Arbeit; ein
zierlicher, etwa 60 cm langer Bogen nebst Köcher, beide von Horn,
mit Pfeilen, die sollen von den Damen eines Daimio gebraucht worden
sein; eine alte, mit vertieften Ornamenten gezierte Tabakspfeife aus
Metall; eine Art Flöte, bezeichnet als Priesterpfeife, bestehend aus
17 Röhrchen verschiedener Länge, welche in einem kugeligen Basal-
teile stecken wie beim entsprechenden chinesischen Instrumente; ein
Nyoi, Gerät buddhistischer Priester; ein Gewehr, etwa 60 cm lang;
ein metallener Briefbeschwerer; ein alter, runder, mit Schnitzerei
und Bemalung geschmückter Holzteller aus einem Tempel; eine Flöte
oder Pfeife, phantastisch verziert, 40 cm hoch; eine Priesterglocke,
flaches Metallgeräte, welches von buddhistischen Priestern am Gürtel
getragen werde. Herr Theo Fricker hat einen Schal geschenkt aus
der Mitte etwa des 19. Jahrhunderts, durchsichtiges Seidengewebe,
schwarz und weiss, mit breitem, buntem Rande. Das Stück ıst da-
durch interessant, dass es von Livingstone in Ostafrika als Geschenk
einem Portugiesen soll gegeben worden sein, welcher ihm beim
Marsche nach der Küste ausgeholfen hatte. Den Herren Donatoren
seien ihre erwünschten Gaben auch hier aufs beste verdankt.
Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums. 299
Von chinesischen Gegenständen seien zunächst genannt eine An-
zahl Schnitzereien aus Speckstein (Agalmatolith). Geschenkt, von
Herrn A. Jessen, wurde das kleine Modell eines Kanonlaufes; durch
Kauf wurden einige Figuren und Vasen mit Pflanzen und Tierorna-
menten erworben. Durch den Basler Missionar Ziegler, früher in
Hokschuha, Provinz Kwantung, wurden angeboten ein bronzever-
goldetes Räuchergefäss von einfach schöner, altertümlicher Form
aus der Regierungszeit des Kaisers Hsüan Dsung oder Süan De
(1426/36); ein modernes, zierliches Teeservice, Platte mit Zeichnung
und sechs Tässchen aus Porzellan, Kännchen aus Zinn, Geschenk
eines Mandarins an eine Europäerin; endlich einige Münzen, mitge-
bracht durch Missionszögling Ruf, welcher ein Jahr in Tsingtau
Militärdienst getan hatte. Des weitern wurde angekauft eine kleine
Sammlung, welche uns zugekommen war durch unsern verehrten
Freund Dr. Richard Wilhelm ın Tsingtau. Abgesehen von einigen
Bilderbogen enthält sie lauter medizinische Gegenstände; zunächst
ein Handbuch der Medizin von 1871 in acht Bänden oder Bändchen
und zwei weitere Bücher mit Abbildungen ; ein Messer zum Schneiden
von Medizinkräutern; drei Klappern, mit welchen sich der Arzt be-
merklich macht auf der Strasse; eine Spritze zur Injektion flüssiger
Arzneien; 21 Stück chirurgischer Instrumente, Löffel, Häkchen.
Nadeln zur Akupunktur, Messerchen ; endlich ein sehr schönes Ding,
ein Instrument für Massage, fünf Rädchen aus Bergkrystall mit ein-
geschnittenen Wellenornamenten an einem vergoldeten Metallbügel
mit geschnitztem Griff aus Nefrit. Wir sind Herrn Dr. Wilhelm für
seine Sendung überaus dankbar. Endlich wurde von Herren
Rex & Cie. in Berlin eine alte Bronzetrommel aus Südchina erworben ;
sie hat 27 cm Höhe bei etwa 50 em Durchmesser und ein Gewicht von
14,3 kg, gehört also nicht zu den grössten ihrer Art, zeigt aber vor-
treffliche Erhaltung. Es finden sich auf dem Mantel und auf der
in konzentrische Zonen geteilten Platte wie gewohnt geometrische
Ornamente in flachem Relief, namentlich in der Mitte der Platte
der zwölfstralige Stern. Ausserdem finden sich in einer der Zonen
statt der Linienornamente vier Tierfiguren in flachem Relief, Vier-
füsser mit langem Schwanze (Füchse ?), je zweimal dieselbe Figur,
und in einer andern Zone sind vier Tiere, zwei Frösche und zwei
Pferde je 5 cm lang, in Vollplastik auf die Platte aufgesetzt. Der Wert
dieser Trommeln wurde nach der Hörweite des Schalles geschätzt. Die
besten galten um 600 n. Ch. unter den Südvölkern so viel als 1000,
weniger gute so viel als 700 oder 800 Kühe. Wer zwei oder drei
solcher Pauken besass, konnte sich den Fürstentitel zulegen “Münster-
berg, chines. Kunstgesch. I, p. 96/7). Dass zu diesen verschiedenen
örwerbungen der bescheidene zur Verfügung stehende Kredit nicht
300 Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums.
ausgereicht hat, ist begreiflich. Es hat sich aber für den Mangel
erwünschte Abhilfe gefunden.
S. Preiswerk-Sarasın,
Vorsteher der Abteilung China-Japan.
Amerika.
Die Amerikanische Sammlung hat dieses Jahr einen Zuwachs
von 160 Nummern erhalten.
Durch Herrn Nationalrat Göttisheim wurden uns geschenkweise
einige Gegenstände aus Peru übergeben, nämlich zwei Henkelkrüge
aus schwarzem Ton und ein aus demselben Material hergestellter
Doppelkrug, welcher die Eigentümlichkeit aufweist, dass bei ihm
durch Einblasen in die eine Oeffnung in der andern ein pfeifendes
Geräusch hervorgerufen werden kann. Ferner drei flaschenförmige,
aus schwarz gebeizten Kürbissen hergestellte Grefässe.
Als modernes Fabrikat ist anzusprechen ein strausseneiförmiger
hölzerner Deckelbecher auf hölzernem Fuss, aus welchem Blattorna-
mente hervorragen; das Ganze ist mit Goldpapier überzogen, auf
welchem aus vielfarbigem Papier Blumenornamente aufgeklebt sind.
Ebenfalls modern sind zwei metallene Saugröhrehen für Limonade,
wie sie in Südamerika gebraucht werden.
Eine grössere Sammlung aus Südamerika konnte von Herrn Dr.
Th. Herzog aus Zürich erworben werden, welcher dieses Frühjahr
nach längerem Aufenthalt bei den Indianerstämmen Bolivias zu-
rückkehrte.
Es handelt sich hauptsächlich um Stämme, welche den Chaco be-
wohnen und längs dem Rio Pilcomayo angesiedelt sind. Folgt man
dem Laufe dieses Flusses, so trıfft man zuerst die Quichua-Kultur,
hierauf diejenige der Chiriguano und Chané und zuletzt die Chaquen-
sische Kultur, welche die Matocos, Tobas, Chorotis, Ashluslay und
Lenguas umfasst. Wo die beiden letztern Kulturen in einander über-
gehen, haben wir eine Mischung derselben, als welche die Tapictes
aufzufassen sind. Diese haben nämlich die materielle Kunst der
Chorotis und Ashluslay, jedoch die Sprache der Chiriguanos und
Chanés : das Guarani. (Aus Erland Nordenskiöld. )
Die Quichua-Kultur unterscheidet sich vollständig von den beiden
übrigen und hat auch einen ganz andern Ursprung. Sie zieht sich
vom Norden von Peru längs der Anden südwärts und findet hier am
Beginn des Pilcomayo ihren Abschluss. In der Tat erinnern die beiden
Geldbeutel, die einzigen Gegenstände, die uns aus dieser Gegend zu-
kamen, weit mehr an die kunstfertige Webetechnik der Peruaner
Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums. 301
und haben absolut keine Aehnlichkeit mit den Produkten der benach-
barten Stämme. Bei einem Vergleich der Erzeugnisse der beiden
andern Kulturgruppen erweist sich, dass die Chané und Chiriguano-
indianer die hüherstehenden sind. Nach Erland Nordenskiöld, welcher
sich längere Zeit in dieser Gegend aufhielt, sind sie es auch in bezug
auf Intelligenz und sozialer Stellung. Sie werden auch von den
übrigen Stämmen geachtet und bewundert.
Betrachten wir die uns zugestellten Erzeugnisse nach ihrer Ver-
wendung und beginnen mit der Kleidung, so ist zu erwähnen ein
Hemd aus Caraguatäfasern (Bromelia Serra) der Tobas. Das grobe,
ziemlich weitmaschige Gewebe ist mit roten und blauen Dreiecken
ornamentiert; auffallend ist, dass an ihm nirgends eine Längsnaht
zu bemerken ist, dass es also als Schlauch gewoben wird. Von den
Guarayu, einem Stamme im nordöstlichen Bolivien, stammt eine ge-
wobene rotweiss und blau gestreifte Mütze und ein sehr primitives
Hemd aus Bast, ein länglicher Streifen mit einer Kopföffnung in
der Mitte. Von den Saliveros, einem fast noch unbekannten Stamm
des nördlichen Chaco, erhielten wir eine Sandale aus Holz.
Auf die Haartoilette wird bei den Chiriguanos viel gegeben. Die
Haare, welche gewöhnlich bis auf Schulterhöhe und nur bei der ersten
Menstruation und in Trauer kürzer geschnitten werden, reinigen sie
mit Holzkämmen, drei solcher Exemplare, die uns zukamen, sind an
ihrem Griff mit primitiven Schnitzereien verziert. Von diesem
Stamme wie auch von den Chorotis und Matacos wurde uns je ein
Kamm aus Chuchiosplittern (Arundo saccharoides) übermittelt. Die
Splitter werden parallel nebeneinander in ihrer Mitte an einem
Querholz befestigt, so dass ein Doppelkamm entsteht.
Was die Schmucksachen anbetrifft, so ist von den Chiriguano-
indianern ein Halsband aus rund geschliffenen, in der Mitte durch-
bohrten Muschelscheibchen zu erwähnen. Ebenso 4 durchbohrte Ma-
lachite. Nach Corrado trugen früher die Chiriguanohäuptlinge grüne
Steine in den Ohren; möglicherweise haben wir es hier mit solchen
Abzeichen zu tun. Bei allen diesen Indianern sind aber, wie aus der
Sendung zu ersehen ist, hauptsächlich die verschiedenfarbigen Perl-
schnüre sehr beliebt. Besonders die Chorotis schmücken sich zum Tanz
mit einer grossen Menge derselben, welehe sie kreuzweise über beide
Schultern tragen. Auch der aus weissen Federn zusammengesetzte
Kopfschmuck und zwei Spangen aus demselben Material, welche für
die Fussknöchel bestimmt sind, werden bei diesem Anlass getragen.
Ein gewobenes Band und eine Schnur mit geknüpften Endquasten
repräsentieren den Kopfschmuck der Chiriguanos. Ebenfalls von
diesem Stamme ist ein mit Ornamenten versehener silberner Brust-
schmuck zu erwähnen.
302 Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums.
Zwei Ohrhölzer der Chorotis und ein Lippenpflock der Tapiete
indianer veranlassen uns, einiges über die Sitte dieses Gesichts-
schmuckes mitzuteilen. Mit 10—12 Jahren wird nach Nordenskiöld
dem Chanéknaben die Unterlippe durchbohrt und in das Loch ein
Stückchen Holz eingeführt, dieses wird nach und nach durch ein
grösseres ersetzt, und ist er zum Mann herangewachsen, erhält er
den grossen Knopf, die ‚„Tembeta“. Diese Prozeduren werden durch
allerlei Zeremonien begleitet, welche bewirken sollen, dass der
Knabe zu einem tüchtigen Mann heranreife. Unter anderm werden
ıhm durch scharfe Knochensplitter Verwundungen beigebracht.
Diesem Zweck diente wohl auch der aus einem Ziegenfuss her-
gestellte Schröpfer. Die „Tembeta“ wird nur von den Männern ge-
tragen. Die Ohrhölzer werden von allen Männern, auch von manchen
Chorotifrauen getragen und haben mit dem Eintritt der Mannbarkeit
nichts zu tun. Zwei Kopfschmuckstücke aus Papageifedern stammen
von den Salineros.
Die Haushaltungsgegenstände werden repräsentiert durch einen
Tonkrug und eine Tonschale der Chiriguanos, dem einzigen Stamm,
welcher bemalte Tongefässe produziert. Nach Nordenskiöld werden
dieselben aus aufeinandergeschichteten Tonrollen verfertigt und
dann glatt gestrichen mit Holzspateln, die durch drei Exemplare
in der Sendung vertreten sind. Oft sind die Krüge mit ori-
ginellen Malereien in weiss, braun und schwarz bedeckt, die immer
freihändig ausgeführt werden. Ein Harz aus einer Mimosenart, oder
aus Palo santo verleiht ihnen einen gelblichen oder grünschwarzen
Glanz. Die Gefässe werden hauptsächlich bei den häufigen Trink-
gelagen verwendet. In ganz grossen Tonkrügen begraben die Chiri-
guanos auch oft ıhre Toten.
Die Töpferei wird nur von den Frauen ausgeübt. Viel primi-
tiver, aber in der Form origineller ist ein Tonkrügchen der Tapiete-
indianer. Die Krüge werden beim Wasserholen in einem weit-
maschigen, am Rücken hängenden, durch einen Lederriemen an der
Stirne befestigten Netz getragen, wie ein solches ebenfalls in der
Sammlung zu sehen ist. Eine Schale aus einer Kalebassfrucht mit
eingebrannten Ornamenten repräsentiert das beliebteste Ess- und
Trinkgeschirr. Originell ist ein Tragkrug aus der zusammengerollten
Rückenschale eines Gürteltiers der Chanés.
Durch je eine Wollspindel der Chorotis und Chanes und den
Zettel eines Webstuhles der Chiriguanos wird auf die Spinn- und
Webekunst hingewiesen, welehe wiederum hauptsächlich bei den Chi-
riguanos am besten entwickelt ist.
Zwei Taschen aus den Blattfasern der Caraguatäpflanze herge-
stellt, sind typisch für die Chorotis und Ashluslay, sie wurden u:
Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums. 303
keinem andern Stamm verwendet, in diesen beiden jedoch von jeder-
mann getragen. Beide zeigen ein schwarz und rotes Ornament.
Kunstvoller sind zwei wollene Taschen der Matacos mit einge-
wobenem Muster. Schliesslich ist noch ein hölzernes Nadelbüchschen
zu erwähnen mit einer aus einem Kaktusstachel angefertigten Nadel.
Zwei aus Palmblättern hergestellte Körbehen und ein ebensolches
ineinanderschiebbares Etui sind Repräsentanten der auch nur bei den
Chiriguanos betriebenen Flechtarbeit. Von den Chorotis liegt ein ge-
flochtenes Haarseil vor, was nach Nordenskiöld häufige Verwendung
findet; das Material hiezu sollen nur die Frauen abgeben. Von dem-
selben Stamme ist ein primitives Feuerzeug zu erwähnen, bestehend
aus zwei Stäbehen von weichem Holz, von welchen das eine mit seiner
Spitze quirlförmig in einer Vertiefung des andern gerieben wird.
Sieben Tabakpfeifen, sog. Cachimbas, stammen von den Ühoroti, bei
welchen das Rauchen eine sehr grosse Rolle spielt. Bei den Trinkge-
lagen geht die Pfeife von Mund zu Mund.
Bei den Chorotis und Ashluslay, welche entlang dem Ro Pil-
romajo angesiedelt sind, wird durch die Fischerei ein grosser Teil
des Nahrungsbedarfes gedeckt. Dieselbe, nebenbei eines der be-
hebtesten Sommervergnügen, wird so ausgeführt, dass ein Teil des
Flusses abgesperrt wird, durch eine lange Reihe im Wasser watender
Indianer werden die Fische in einen engen Raum zusammengedrängt,
mit Handnetzen gefangen, mit einer Keule totgeschlagen und ver-
mittelst einer Holznadel, die ihnen durch die Augen gestossen wird,
an einer Schnur aufgefasst. Unserer Sammlung wurden ein Hand-
netz, zwei Fischkeulen aus Palosantoholz und eine Tragschnur zu-
gestellt. Auch ein flaches Holz zum Netze flechten und eine Schnur
aus Caraguatafasern, welche als Flechtmaterial verwendet wird,
"können hier erwähnt werden.
Als Zandwirtschaftliches Instrument kam uns nur ein hölzerner
Haken zu, welcher beim Mähen zum Ergreifen der Garben be-
stimmt ist.
Krieg- und Jagd-Utensilien sind durch Bogen und Pfeile reprä-
sentiert. Die erstern haben alle dieselbe Form, die letztern bestehen
aus einem Schilfröhrschaft mit einem vordern Ansatz aus Hartholz,
der bei den Mataco eine einfache Spitze bildet, bei den Guaragüs
jedoch mit Widerhaken versehen ist, die runden Ansätze zur Vogel-
Jagd, wie wir sie schon von den Botokuden in Brasilien (vel. Jahres-
bericht 1909) kennen, werden nicht etwa gebraucht, um die Vögel
nicht zu verletzen, sondern um ein Steckenbleiben der Pfeile in den
Aesten zu verhindern.
Ein interessantes Stück ist eine Kriegspfeife, wie sie früher von
den Tobaindianern gebraucht wurde, sie besteht aus einer runden
304 Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums.
Holzplatte, auf deren Oberfläche ein geschnitztes Ornament ange-
bracht ist, an ihrem Rand befinden sich drei Oeffnungen, welche in
ıhrem Innern miteinander verbunden sind, beim Ueberblasen einer
derselben können ıhr verschiedene pfeifende Töne entlockt werden.
Zum Schluss seien noch zwei Kriegskeulen der Toba erwähnt und
ein in dem Gebiet der Chiriguanos gefundenes Steinbeil.
Von Sport- und Spielgegenständen erhielten wir eine lange, unten
leicht gebogene Stange, wie sie von den Chorotis bei dem leiden-
schaftlich betriebenen Hockeyspiel verwendet wird, ferner cine Tanz-
rassel und eine aus verschiedenfarbigen Stoffresten zusammengenähte
Maske. Von grossem Interesse sind einige aus Ton hergestellte
Puppen der Chiriguanos, die uns die primitive Darstellungskunst
dieser Leute zeigen. Bei den kegelförmigen Gebilden ist der Kopf
nur angedeutet, die Extremitäten fehlen ganz, während die Mamae
gut ausgebildet sind. Durch eingeritzte Zeichnungen wird auf der
Höhe des Kegels die Tätowierung der Stirne, zwischen den Brüsten
diejenige der Nase, seitlich und unterhalb der Brüste die Wangen-
und Kinntätowierung dargestellt. Zwei Kreise auf jeder Brust stellen
die Augen dar.
Durch diese gut zusammengestellte Sammlung des Herrn Herzog
ist uns ein umfassender Einblick geboten in den Kulturzustand der
Indianerstämme Boliviens.
Eine grössere Anzahl Gegenstände aus Alaska wurden uns durch
Herrn Rudolf Iselin bei seiner Rückkehr aus Nordamerika geschenk-
weise überlassen.
An Haushaltungsgegenständen sind hier zu erwähnen zwei höl-
zerne Tröge, von denen der eine auf seiner Aussenseite reich geschnitzt
ist, beide zeigen eine originelle Verzierung, indem ihr Rand mit den
weissen Schliessdeckeln von Pachypoma gibberosum eingelegt ist.
Ferner ein geflochtenes Körbehen und ein Teller mit einfachem Orna-
ment aus eingeflochtenen verschiedenfarbigen Strohstreifen. Nach
Krause ist die Flechtkunst in Alaska sehr verbreitet, und wie Ma-
laspina erzählt, werden festgeflochtene wasserdichte Körbe sogar
zum Kochen benützt, indem ihrem Inhalt heisse Steine beigegeben
werden. Die Fischereigeräte sind vertreten durch zwei grosse Angel-
haken aus Holz mit eisernem und knöchernem Widerhaken. Bezeich-
nend für jene Gegend ist ein geschnitzter Pfeifenkopf, auf welchem
ein Adler und ein Bär dargestellt sind, zwei Tiere, die bekanntlich
sehr oft künstlerisch verwertet werden und das Modell eines Ruder-
schiffehens mit schwarz und roter Bemalung. Eine Tanzschürze aus
Leder mit rot-schwarzen Malereien und eine ebensolche aus ver-
schiedenfarbigem Tuch zusammengesetzt, beide mit Schafhufen ver-
sehen und zwei Holzreifen mit aufgebundenen Ziegenhufen, werden
Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums. 305
wohl bei Festen verwendet. — Ebenso eine geschnitzte Platte aus
Walfischknochen, an deren unterm Rand Knochenstäbe angehängt
sind. Sehr originell ist eine aus Holz geschnitzte Tanzrassel, welche
ein menschliches Gesicht darstellt.
Es bleibt uns nun nur noch übrig unsern Gönnern, die durch
interessante Stücke unsere Sammlung bereicherten und durch Geld-
spenden manchen sonst unerschwinglichen Ankauf ermöglichten,
unsern herzlichsten Dank auszusprechen.
Geldgeschenke.
ÉCRIS ATOS VISE RE NE MIE RES
Frau Bachofen-Vischer 5 A
M. K. Forcart,
Vorsteher der Abteilung Amerika,
Europa.
Die Abteilung Europa hat im Berichtsjahre einen Zuwachs von
401 Nummern erfahren und steht somit heute auf No. 5490.
Wie üblich werden wir im folgenden von einer vollständigen Auf-
zählung sämtlicher Neuerwerbungen absehen und nur auf das Be-
merkenswertere hinweisen.
Wir beginnen mit der Landwirtschaft. Da ist zunächst zu ver-
zeichnen ein ziemlich roh und altertümlich gebauter, bisher in diesem
Typus noch nicht vertretener Pflug aus Euseigne, einem in bezug
auf Häuseranlage und wirtschaftliche Einrichtungen interessanten
Dorfe am Eingange des Eringertals. Ebendaselbst wird eine überaus
eigenartige Egge verwendet, die aus trapezförmig zusammenge-
rafften Ästen besteht und so offenbar eine sehr alte Eggenform dar-
stellt. Auch ein solches Gerät liess sich für unsere Sammlung er-
werben. Noch primitiver in ihrer Konstruktion war eine bei Ober-
hofen am Thunersee gefundene Egge, die zum Zusammenrechen des
Miststrohs auf den Wiesen diente. Ihre Form ist der aus Euseigne
ganz ähnlich, nur sind statt der mehr oder weniger geraden Äste
Dornenzweige eingespannt (,,Dorneicht"); wohl geradezu eine Ur-
form der Egge. Die drei landwirtschaftlichen Geräte wurden von
dem Abteilungsvorsteher geschenkt. Auch unsre Sammlung von
Stampfen wurde um ein sehr merkwürdiges, einen Tierleib darstel-
lendes Stück aus Malix (Graubünden) vermehrt. Weiter kamen zwei
altertümliche Getreidewendgabeln, je aus einem Gewächs herge-
stellt, hinzu: die eine, mit zwei langen Zinken versehene, aus dem
Buchrain (Kanton Luzern), die andere, dreizinkig (was noch seltener
20
306 Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums.
vorkommt), aus Ste-Enimie (Dep. Lozere, Frankreich), geschenkt
von E.H.-K. Wie dem Verfasser an Ort und Stelle mündlich mit-
geteilt wurde, werden diese Gabeln aus dem Süden Frankreichs be-
zogen, wo Rebstöcke eigens für diesen Zweck dreiästig gezogen
werden. Auch die Krümmung der Zinken scheint bereits am le-
benden Stamm vorgenommen zu werden. Erworben wurde ein ver-
zierter Garbenknebel aus Oberdorf (Baselland) und ein Torfstecher
aus der Innerschweiz; als Geschenke haben wir zu verdanken Herrn
Meyer in Sissach zwei Weidenschäler, Herrn Lörch in Cham ein
Rebmesser. Endlich seien einige korrekt gearbeitete Modelle genannt,
die einer grössern, Herrn Dr. Michael in Schiers zu reduziertem
Preis abgekauften Sammlung von Modellen verschiedener Geräte an-
gehören. Dieselben wurden im Puschlav nach Originalen hergestellt
und sollten zur Illustration einer Arbeit über mundartliche Gerät-
benennungen ım Puschlav dienen. Es ist daher erfreulicherweise
jedem Gegenstand und sogar den einzelnen Teilen der mundartliche
Name beigegeben. Davon schlagen in das Gebiet der Landwirtschaft
ein: ein Pflug, eine Egge, ein Heukorb und ein Dreschflegel.
Der Viehhaltung gehören zwei interessante, von Herrn Prof.
Rütimeyer geschenkte Hirtenstäbe aus der Umgegend von Patras
(Griechenland) an, die sich durch merkwürdige, an die antiken Helm-
büsche erinnernde tierförmige Knäufe auszeichnen, der Bienenzucht
eine „Imkerbüchse“ aus Illgau (Schwyz).
Zum Transportwesen rechnen wir einen Sperrstrick aus dem Kan-
ton Luzern und einen hölzernen Radschuh aus Menzingen (Zug), so-
wie folgende Modelle, wieder aus dem Puschlav : zwei Schleifschlitten,
einen vierrädrigen und einen zweirädrigen Wagen, eine Mistbenne,
einen Stosskarren, ein einfaches und ein Doppeljoch.
Zur Alp- und Milchwirtschaft übergehend, erwähnen wir vor
allem mit besonderem Danke gegen den Spender, Herrn Dr. Wilh.
Vischer, eine aus Davos-Monstein stammende Alptafel vom Jahr 1694
aus Föhrenholz mit eingekerbten Hauszeichen und Zahlenangaben
über den Viehstand. Die Rückseite, die ebenfalls Hauszeichen trug,
ist arg zerschnitten, da die Tafel offenbar längere Zeit als Brot- oder
Käseschneidbrett gedient hatte. Von Herrn Dr. M. K. Forcart wurde
ein Milchmessstab vom Rigi, von Herrn Aug. Meyer ın Sissach ein
Käsenapf aus dem Baseibiet geschenkt. Ebendaher stammt eine höl-
zerne Butterplatte; eine Anzahl Kübel und Melchtern sind uns aus
der Urschweiz zugegangen. Als freundliche Gaben verdanken wir
ferner: Fräulein Elis. Vonder Mühll eine zierlich gearbeitete Butter-
maschine, Frau Burckhardt-Heussler das völlig ausgerüstete Modell
einer Käserei. Auch unter der Puschlaver Modellsammlung befinden
sich mehrere Milchwirtschaftsgeräte.
Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums. 307
Das Handwerk ist vertreten durch eine Pflasterramme aus Holz
mit schwerem Eisenschuh, wie sie früher in Basel allgemein verwen-
det wurden. Ein gut erhaltenes Exemplar ist uns auf unser Ansuchen
vom h. Baudepartement schenkweise überlassen worden. Ein Zim-
merbeil ganz eigenartiger Form, die vielleicht auf die Hellebarde zu-
rückführt oder sogar einer solehen entnommen ist, wurde in Chur er-
worben, ein Drillbohrer mit Schwungrad im Kanton Aargau, zwei
geschnitzte Höbel im Baselland, eine Backmulde in Dietwil (Kanton
Luzern). Herrn Dr. A. Gansser in Garessio verdanken wir einen
Küferhobel aus dem Piemont, Herrn Lörch in Cham einen hölzer-
nen Winkel.
An dieser Stelle möge auch ein Ausschnitt aus dem Giebel eines
Wohnhauses aus Vilmergen (Aargau) Erwähnung finden, der an dem
mit Mörtel beworfenen Flechtwerk noch die uralte Herstellung der
Wand aus zusammengeflochtenen Stäben oder Ruten veranschaulicht
(vel. gotisch wandus ,,die Rute“, zu „winden‘“).
Die Jagd hat diesmal nur zwei Eisenfallen aufzuweisen : eine
starke, mit Widerhaken, offenbar für grössere Raubtiere (Geschenk
von Herrn Lörch) und eine kleine Maulwurfsfalle.
Von Waffen ist ein Morgenstern aus der Innerschweiz ein-
gelaufen.
Das weitumfassende Gebiet der volkstümlichen Industrie und
Kunst hat auch im Berichtsjahr wieder einen erfreulichen Zuwachs
erfahren. Wir beginnen mit Garnbearbeitung und Textilindustrie im
weitern Sinne des Wortes. Eine Puschlaver Hanfbreche ist wenigstens
im Modell vorhanden, eine schwertförmige Schwinge in roher Arbeit
schenkte Herr Lörch, eine Hechel, datiert 1793, stammt aus Riffers-
wil (Kt. Zürich). Sehr primitiv ist der Handrocken mit Spindel,
den uns Herr Prof. Rütimeyer aus Amalfi mitgebracht hat, und nicht
weniger die vier von Herrn Aug. Meyer ın Sissach geschenkten Spinn-
wirtel, die sich auf dem Estrich eines dortigen Hauses vorgefunden
haben. Einen Handhaspel aus Florenz verdanken wir Herrn Pfr. H.
Iselin daselbst und einen Drehhaspel Herrn Dr. W. Keller in Basel.
Dazu kommen wieder einige Modelle aus dem Puschlav : Spinnrad,
Spulrad, Haspel, Garnwinde und Webstuhl. Ein einfacher Bandweb-
stuhl ging aus dem Kanton Zug ein und ein Hransenwebstühlchen von
Frl. E. Vonder Mühll in Basel.
Die Stickerei ist durch drei ächt bäurische Arbeiten aus Grau-
bünden vertreten, die in Zernez erworben wurden: ein Handtuch
von 1841 mit roter Kreuzstickerei (Blütenzweige), zwischenge-
wobenen roten Streifen und angehängter Klöppelspitze, zwei Kissen-
anzüge, der eine mit gleicher Stichtechnik einen Löwen, eine Frau und
308 Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums.
einen Baum in strengem altem Stil darstellend, der andere mit rotem,
gelbem und blauem Dekor (Blumen, Hähne usw.) in Kreuzstich.
Aus der Wollgarnflechterei seien zwei bunte, in Zwickelmotiv
geflochtene Strumpfbänder hessischer Bäuerinnen aus Grossenlinden
bei Giessen genannt, die der Sammlung durch Herrn Pfarrer
O. Schulte daselbst schenkweise zugegangen sind. In die Technik des
Stoffdrucks gehören zwei Handtücher aus dem Kanton Basel-Land.
Nur spärlichen Zuwachs hat die Korbflechterei erfahren. Hieher
ist zu rechnen ein flaschenförmiger, 83 cm hoher Korb mit Deckel
zum Aufbewahren von Schnitzen u. dgl. aus Nusshof bei Sissach, aus
der gleichen Gegend ein Somberkörbehen (Geschenk von Herrn Aug.
Meyer in Sissach). Beide Stücke zeigen die auch bei exotischen
Völkern verbreitete Technik der unter sich verbundenen Strohseile.
Die Holzschnitzerei ist durch einige gute Stücke repräsentiert:
der uralte Kerbschnitt durch eine von Herrn Architekten S. Schlatter
in St. Gallen geschenkte, reich dekorierte, aus einem Stück bestehende
Schachtel aus Gonten (Appenzell), zwei Federschachteln aus dem
Kanton Zug, ein ebenfalls reich geschnitztes Kästehen (vermutlich
aus dem Wallis), ein mit Kerbschnitt- und Punzornamentik versehenes
Feldfässchen aus Affoltern am Albis, endlich zwei Salz- und zwei
Wetzsteinfässer aus Zuoz, Martinsbruck, Monstein und Sent in Grau-
bünden. Zur Reliefschnitzerei sind fünf bäurische Spazierstöcke mit
erotischen Darstellungen zu zählen, die ein in Basel lebender Berner
Oberländer nach ältern, früher in seiner Familie aufbewahrten
Stücken hergestellt hat; zur Vollplastik endlich eine höchst merkwür-
dige Gruppe aus Praz-le-Fort (Wallis), einen Priester darstellend,
der einen unter ihm liegenden, mit Stricken gebundenen Dämon
bändigt. In der linken Hand hält der Priester eine Schöpfkelle; auch
die rechte (verstümmelte) wird einen Gegenstand gehalten haben.
Aus der Steinplastik seien zwei Stücke genannt, deren Verwen-
dung noch nicht aufgeklärt ist: das erste ein flach und roh skulpiertes
menschliches Gesicht auf ovalem Stein, gefunden beim Neubau der
Basellandschaftlichen Hypothekenbank, Filiale Gelterkinden, das
andere eine Flachskulptur mit verschiedenen Darstellungen in einem
Viereck: heraldische Lilie, Baselstab, Rosette, Doppeladler, Fische,
Schlangen, Blumen- und Zweigmotiv, Steinmetzzeichen, Jahrzahl
1521, ebenfalls aus Gelterkinden, beides Geschenke von Herrn E.
Denger-Rudolf 7, daselbst. Dessen Witwe schenkte ferner eine Stein-
fliese mit Jahrzahl 1580, einen Backstein von 1678 und 11 Dach-
ziegel mit verschiedenen Ornamenten, zwei ebensolche gingen als ano-
nymes Geschenk zu.
An volkstümlicher Malerei lief (abgesehen von religiösen Gegen-
ständen) dieses Jahr wenig ein. Zwei Hinterglasbilder aus dem Elsass
Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums. 309
verehrte Herr Dr. E. Major, ein Pergamentbildchen Herr Aug. Meyer
in Sissach. Aus Niederdorf (Baselland) stammt die Abbildung eines
Lastwagens vom Obern Hauenstein mit Datum 1810. Zwei bemalte
Schachteln wurden in der Innerschweiz erworben. Ein konischer
Stein, angeblich zum Mahlen der Farben gebraucht, stammt aus Neu-
heim (Kt. Zug).
Am reichsten wurde wiederum die Keramik bedacht. Von ausser-
schweizerischen Produkten seien zunächst erwähnt sieben griechische
Krüge und ein Spantopf aus blassgelbem unglasiertem Ton, die Herr
Prof. Rütimeyer nebst einem Spartopf aus Capri auf seiner Reise er-
worben und nebst andern noch zu nennenden Gegenständen der
Sammlung verehrt hat; zwei fränkische Schüsseln schenkte Herr Prof.
John Meier, zwei aus Mittelfrankreich der Abteilungsvorsteher. Zur
Zeit nicht lokalisierbar sind zwei an antike Amphoren erinnernde un-
glasierte, aber primitiv bemalte Krüge aus Schwyz (doch kaum dort
hergestellt), ein Giessfass von 1750, eine Feldflasche, eine Jardinière
und ein Tintenzeug. Interessant als Tierdarstellung ist ein Ofenfuss
in Gestalt eines sitzenden Hundes. Basellandschaftlichen Ursprungs
scheinen zu sein bezw. sind sicher: ein Rasierbecken, sieben Platten,
ein Tintenzeug und ein Spiegelrahmen (Bretzwil ?), ein Krug (Lup-
singen ?), eine grosse violett glasierte Schüssel, 42 Ofenkacheln (von
denen 35 von Frau Denger ın Gelterkinden, zwei von Herrn Aug.
Meyer in Sissach geschenkt), von Matzendorf ist sicher ein Teller von
1820 (Ausgang der von Rollischen Fabrikation, blaue Familie), eine
Schüssel von 1832 und ein Bartbecken von 1845 (beide aus der Lud-
wig Meisterischen Zeit). Von Heimburgergeschirr kamen neu hinzu
vier Platten, ein Krug und eine Teekanne, von Langnau zwei gute
Stücke: ein Tabaktopf (dat. 1759) und eine Nidelschale (wohl eben-
falls 18. Jahrhundert).
Das Glaswerk hat nur eine spärliche Vermehrung gefunden. Es
seien erwähnt eine Flasche mit Hausmarke aus Wädensweil, ein Wach-
holderglas und ein Glasvogel, angeblich Wetterglas, aus Waldenburg
(vermutlich Schwarzwälder Arbeit). |
Ein sehr weitschichtiges Gebiet ist der Hausrat, von dem wir ja
bereits einiges in den vorigen Kapiteln vorweggenommen haben. In
erster Linie kommt für uns das Beleuchtungsgerät in Betracht. Ein
dreiarmiger Messingleuchter für Öl stammt aus Waldenburg. Als
Geschenke haben wir zu verdanken Herrn Prof. Rütimeyer eine Ton-
lampe von Capri, Frau Denger in Gelterkinden eine altrômische
Tonlampe, Frl. E. Vonder Mühll in Basel eine Visitenlaterne. Von
anderm Hausrat erwähnen wir nur das Wichtigere. Ein steinernes
Kohlenbecken, wie sie früher zur Erwärmung in die Stuben gestellt
wurden, ging uns aus Tägerig (Kt. Aargau) zu, ein schmiedeisernes
310 Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums
Herddreibein (Geschenk von Herrn Lörch) und ein eiserner Rost aus
der Innerschweiz. Primitiv in der Form ist ein Giltsteinmörser mit
Hausmarke, den wir durch gütige Vermittlung von Dr. K. E. Reinle
in Basel in Hospental erwerben konnten; ebenso ein schmiedeisernes
Pfännchen aus Oberägeri und ein Hackmesser aus Breitenbach (Kt.
Solothurn), letzteres geschenkt von Herrn Aug. Meyer, dem wir auch
ein hölzernes Löffelkästehen aus dem Basel-Land verdanken. Durch
seine Verwendung bemerkenswert ist ein jetzt als Truhe dienender
ehemaliger Schlittensitz aus St. Gallen.
Hier seien ferner angeführt: eine sechseckige Zinnflasche mit
Schraubendeckel und eine griechische Kalebasse, diese geschenkt von
Herrn Prof. Rütimeyer.
Einige Gegenstände aus der Tracht und ihrem weitern Zubehör
mögen hier ıhre Stelle finden. Vor allem ein farbenprächtiges ar-
golisches Frauenkostüm mit echt volkstümlichen Stickmotiven, das
wir nebst zwei athenischen Kinderschuhen wiederum der nimmer-
müden Geberfreude des Herrn Prof. Rütimeyer verdanken dürfen.
Ein Paar Zoccoli aus der Brianza schenkte Herr Dr. Gansser in Ga-
ressio; Schneeschuhe und Greifeisen erwarben wir in der Inner-
schweiz. Die von Herrn Pfarrer Schulte in Grossenlinden geschenkten
hessischen Strumpfbänder sind oben erwähnt worden, von demselben
Geber erhielten wir eine beinerne Haarnadel aus der dortigen Tracht,
eine solche aus Hottingen (Baden) von Herrn Prof. John Meier.
Eine mit bunten Blumen bäurisch bemalte Kammtasche stammt aus
Lupsingen (Basel-Land), aus Liedertswil und Höllstein zwei tönerne
Haubenstöcke. Eine Kassette mit kosmetischem Inhalt ist von Frau
Burckhardt-Heussler verehrt worden. Zur Tracht im weitern Sinne
darf auch die Schnupftabaksdose gerechnet werden, von denen eine
hörnerne aus Eptingen, eine birkenrindene aus Schwyz erworben wor-
den ist. Eine Tabakspfeife aus dem Kanton Luzern wurde uns durch
Herrn Dr. K. R. Hoffmann übermacht.
Auch einiges Gebäck ist wieder neu hinzugekommen. So zwölf
Dirggeli mit Darstellungen aus der Lebensgeschichte Christi (Ge-
schenk vom Historischen Museum) und eine ganze Kollektion solcher
mit verschiedenen Motiven (Geschenk von Frau Knapp-Balmer in
Zürich), fünf Gebildbrote aus Mainburg (Bayern), zwei Brötchen
aus Carmignano, Oberitalien (Geschenk von Herrn À. Vischer-
Krayer), eine ‚„viquette“ (= deutsch „Wegge‘“), wie sie um Delsberg
an Neujahr gegessen wird (Geschenk von Herrn A. Rossat) und ein
athenisches Ringbrot (Geschenk von Herrn Prof. Rütimeyer).
Gegenstände, welche sich auf den Volksbrauch beziehen, sind
ebenfalls verschiedentlich erworben oder geschenkt worden. So eine
Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums, 311
hölzerne Fastnachtslarve, angeblich aus dem Kanton Zürich und eine
Johannisspritze aus Cinuskel (Oberengadin). Dieses für den Volks-
brauch bedeutungsvolle Stück verdanken wir Herrn Dr. St. Brunies,
hier. Es besteht aus einem Rohr mit zugehörigem Stössel, ähnlich
unsern ehemaligen Schlehbüchsen, aus dem die Mädchen am Johannis-
tage (des Täufers) von den Burschen gespritzt wurden, ein uralter
Analogiezauber, der die vegetabilische Fruchtbarkeit herbeiführen
sollte.) Von Herrn Aug. Meyer in Sissach haben wir einen Auf-
fahrtskranz aus Bennwil erhalten. Solche Kränze werden am Himmel-
fahrtstag aus frischen Blumen gewunden und im Hause gegen Blitz-
schlag aufgehängt. Eine Karfreitagsraffel aus Neuheim (Kt. Zug)
ist uns von Herrn Lörch in Cham schenkweise übermittelt worden,
zwei Osterkerzen aus Athen von Herrn Prof. Rütimeyer. Zum Volks-
brauch gehört ferner ein geschriebener Neujahrswunsch aus Liederts-
wil vom Jahre 1844 mit aufgemalten und ausgeschnittenen Blumen,
Vögeln, Früchten, Putten und weiblichen Gestalten. Weiterhin zwei
gedruckte Liebesbriefe und einige Taufzettel aus dem Basel-Land,
teilweise mit den Patenpfennigen, sämtlich geschenkt von Herrn
Aug. Meyer ın Sissach, zwei eingerahmte Taufzettel in Federzeich-
nung aus Rifferswil (Kt. Zürich) wurden in Cham erworben; ebenda
ein Hochzeitszettel aus Affoltern.
Interessanter sind zwei mit farbigen Bändern und bunten
Flittern aufgeputzte Stäbe, wie sie der Zigeunerbräutigam bei der
Einladung zu seiner Hochzeit mitführt. Noch jetzt herrscht der
Glaube bei den Zigeunern, dass diese Stäbe die bösen Geister ver-
treiben, welche die Fruchtbarkeit der Ehe verhindern wollen. Ebenso
beachtenswert sind zwei Glücksstäbe der Zigeuner (,,bachtelo gast“).
Es sind das gewöhnliche Holzstecken, an deren Spitze die weiblichen
Angehörigen des Bräutigams am Tage vor der Hochzeit ein Laub-
oder Tannenbüschel gebunden haben und die vor das Zelt des Bräu-
tigams gesteckt werden. Auch sie sollen Glück und Liebe bringen.
Am Hochzeitstage werden diese Stäbe verbrannt. Gewiss ein ver-
wandter Brauch mit dem aus Raffaels Sposalizio bekannten Zer-
brechen der Stäbe.
Mehr in das Kapitel Spiel gehört die in eine Flasche hineinge-
arbeitete Kreuzigung Christi mit allen Marterwerkzeugen. Ein Bil-
derspiel schenkte Frau Lüscher-Wieland. Ein zierliches, kleines
Kommödcehen mit bäurischer Malerei stammt aus Wintersingen
( Basel-Land).
5) Abbildung der Spritze und Schilderung des Brauchs s. „Schweiz.
Archiv f Volkskunde“, 16, 246.
312 Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums.
Von Musikinstrumenten gingen uns zwei italienische Maultrom-
meln durch Herrn Dr. Gansser und eine griechische Hirtenflöte dureh
Herrn Prof. Rütimeyer zu.
Religion und Volksglaube ist durch einige interessante Stücke
vertreten. So haben wir Herrn Dr. M. K. Forcart eine Heiliggeisttaube
vom Rigi in typischer Form zu verdanken, ein um so erfreulicheres Ge-
schenk, als die Sitte, eine Heiliggeisttaube an der Decke anzubringen,
in der Schweiz nicht sehr verbreitet gewesen zu sein scheint. Wäch-
serne, an einer Schnur aufgereihte Votivzähne, einen Fingerring gegen
Krampf, ein geburtserleichterndes Band und eine Wallfahrtsmedaille,
sämtlich von der Margarethenkirche in Knocke-sur-Mer (Belgien),
gingen uns ebenfalls schenkweise durch Herrn Rektor K. Wehrhan
in Frankfurt a. M. zu, denselben Freund unserer Sammlung, dem wir
die interessanten Wachs-Exvotos aus den Rheinlanden verdanken.
Der Entbindungsgürtel scheint, nach dem stetig sich mehrenden Ma-
terial, eine grössere Verbreitung und höheres Alter zu haben, als
gemeinhin angenommen wird. Ein Devotionsaltärchen mit manchen
Zutaten unter Glas und Rahmen stammt aus der Innerschweiz, ein
Messingkreuzchen mit Reliquienpartikeln aus Schwyz, ein von Herrn
Dr. Hans Stehlin geschenkter, aus Wassernuss (Trapa natans) ge-
fertigter Rosenkranz von den oberitalienischen Seen; drei Weih-
wassergläser von elsässischen Friedhöfen erhielten wir von Herrn Dr.
E. Major. Dazu kommen noch einige Medaillons, Anhänger und
ähnliches mit Heiligen oder sonstigen religiösen Darstellungen.
Wichtiger sind die an das Gebiet des Aberglaubens grenzenden ge-
schriebenen, gestochenen und gedruckten Segen gegen Krankheit, Be-
hexung, Unwetter und sonstiges Unglück aller Art. Eine interessante
Kollektion solcher Stücke wurde uns durch Herrn Aug. Meyer in
Sissach als Geschenk übermittelt; dabeı befinden sich auch : ein Me-
mento-mori-Brief, ein Haussegen von 1779, eine Passion in Reimen,
eine Eidesauslegung. Von Herrn Alois Dettling in Seewen (Schwyz)
erhielten wir einen interessanten Pest- und Dreikönigssegen; meh-
rere Faltsegen sowie Benediktus-, Zacharias-, Heiligblut- und Spa-
nischkreuzsegen konnten durch das Entgegenkommen von Herrn
L. Bellmont, hier, erworben werden.
Einige Zigeuneramulette wurden uns durch einen in Süddeutsch-
land sesshaft gewordenen Zigeuner nebst genauer Beschreibung ver-
schafft._ Wir erwähnen die folgenden: 1. Gegen den bösen Blick
werden 7 Knollen Knoblauch, 7 Handvoll Mehl und 7 Kohlen ge-
kocht, mit einem dreizinkigen Stäbchen zu einem Brei verrührt
und der Brei in ein dreieckiges Säckchen von Leinwand getan, die
nicht gekauft sein darf. Dieses Säckchen wird den Kindern um den
Hals gehängt. 2. Um gesund zu bleiben, knetet man an Pfingsten
Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums. 3l3
9 verschieden lange Zwirnfäden in einen Teig und legt das Ganze
in ein ungebrauchtes Geschirr. Dieses ist in den nächsten Bach
zu werfen, indem man sich gegen die Strömung wendet. Das erhal-
tene Objekt besteht aus einem anscheinend ungebrauchten Näpfchen,
auf dem ein Deckel umgekehrt mit Draht befestigt war. Der Beschaf-
fenheit des Inhalts nach scheint das Gefäss hochkant im Wasser ( ?)
gelegen zu haben. Die Substanz des Teigs ist noch nicht geprüft
worden. Drei weitere Amulette werden gegen den Kropf (Kreuz-
spinne), gegen Leibschmerzen ungetaufter Kinder (rostiger Schlüssel )
und zur Abhaltung des Todes (Asche von dem im Herbst verbrannten
„schwarzen Mann“) verwendet.
Von vereinzelten Gegenständen seien zum Schluss genannt: ein
hölzernes Weinmass aus Appenzell A.-Rh. und zwei unbestimmbare,
vielleicht für die Tierchirurgie verwendete Instrumente aus dem
Baselland.
Verzeichnis der verehrl. Donatoren der Abteilung Europa.
a) Geschenke an Gegenständen:
(Die beigefügte Zahl bedeutet die Anzahl der geschenkten Gegenstände.)
Baudepartement, Basel 1 | Frau Lüscher-Wieland, Basel .
Herr L. Bellmont, Basel : 2 | Herr Dr. Emil Major, Basel . 5
» Dr. St. Brunies, Basel . 1 n Prof. John Meier, Frei-
Frau A.Burckhardt-Heussler, Basel 2 love IL IE à: & à 2
Herr und Frau E. Denger-Rudolf, » Aug. Meyer, Sissach . 22
Gelterkinden 57 „ 4. Rossat, Basel ED
„ 4. Dettling,Seewen( (Schwy 2) il » Prof. L. Rütimeyer, Basel. 20
Dr. K. R. Forcart, Basel 2 „ Archit.S. Schlatter, St.Gallen 1
» Dr. A. Gansser, Garessio 4 » Pfr.O.Schulte,Grossenlinden 3
Historisches Museum, Basel 12 „ Dr. H. Stehlin, Basel 1
Herr Dr. K. R. Hoffmann, Basel. 1 » Prof. E.A.Stückelberg, Basel 1
„ Prof. E. Hoffmann- a » 4. Vischer-Krayer, Basel 2
Basel.” 10 „ Dr. W. Vischer, Basel il
=. eins 12% En Hire s 1 | Frl. E. VonderMühll, Basel . 3
Frau Kapp-Balmer, Zürich. . . 1 | Herr Rektor K. Wehrhan, Frank-
Herr Dr. W. Keller, Basel. . . 1 furt-a. M. Ent
» J. Lörch, Linden-Cham. . 24 | Anonym. 2
b) Geldgeschenke :
Jährliche Beiträge :
Fr. | Fr.
Frau M. Bachofen-Vischer . . 30.— | Frau A. Forcart-Bachofen . . 10.—
Herr Prof. Dr. D. Burckhardt- | Herr R. Gemuseus- Passavant . 20.—
Werthemann . . . . 10.— | » #. Hoffmann-LaRoche . 500.—
|
Herr R. Forcart-Bachofen . . 10.— „ Dr. &. R. Hoffmann. . 50.—
314 Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums.
Er. Fr.
Herr M. Krayer-Freyvogel. . 20.— | Herr E. Seiler-LaRoche. : ‘ 10.—
, G. Krayer-LaRoche . . 20.— „ A. Vischer-Krayens 22: 720
Prof. DE John Meier 310: » @. Zimmerlin-Boelger . 10.—
Frau A. Sarasin-VonderMühll . 20.—
Allen Gebern sei auch an dieser Stelle für ıhr fortgesetztes W ohl-
wollen unser wärmster Dank ausgesprochen.
E. Hoffmann-Krayer,
Vorsteher der Abteilung Europa.
Manuskript eingegangen Januar 1912.
Vierunddreissigster Bericht
über die
Dr. J. M. Ziegler’sche Kartensammlung
1912.
Am dritten Februar dieses Jahres ist Professor Fritz Burckhardt
gestorben, der dıe von der Naturforschenden Gesellschaft zur Ver-
waltung der Ziegler’schen Kartensammlung bestellte Spezialkommis-
sion seit ihrem Bestehen präsidiert und im Namen derselben alljähr-
lich zu Handen der Gesellschaft und zugleich auch des Kartenvereins
über die Fortschritte der Sammlung Bericht erstattet hat.
Da die Verhältnisse mehr und mehr auf eine Einschränkung
des möglichen Betätigungskreises dieser Kommission hingewirkt
haben, derart, dass seit langen Jahren keine Sitzungen mehr statt-
fanden und die Geschäfte sich völlig in der Hand des Präsidenten
konzentrierten, hat die Naturforschende Gesellschaft in ihrer Sitzung
vom 7.Mai 1913 den Beschluss gefasst: „Die Spezialkommission
zur Verwaltung der Ziegler’schen Kartensammlung wird aufgehoben.
Funktionen und Kompetenzen derselben werden auf den Vorstand
übertragen.“
Demgemäss wird künftighin der Vorstand der Naturforschenden
(resellschaft den üblichen Jahresbericht ablegen.
Indem wir dieser Aufgabe zum erstenmale nachkommen, ist es
uns ein Bedürfnis, dankbar der grossen Verdienste zu gedenken, die
sich der verstorbene Kommissionspräsident um die Sammlung er-
worben hat.
Als im Jahre 1878 Jacob Melchior Ziegler seine Kartensamm-
lung auf der Universitätsbibliothek deponierte und dabei durehblicken
liess, dass er nicht abgeneigt wäre, das Depositum in eine Schenkung
an die Naturforschende Gesellschaft zu verwandeln, falls sich das
Interesse des hiesigen Publikums durch Beschaffung der Mittel zu
würdiger Unterbringung und Fortführung derselben kundgeben
würde, erkannten. die leitenden Persönlichkeiten unserer damaligen
Naturforschergeneration mit klarem Blicke, dass dies eine überaus
günstige Gelegenheit sei, um der künftigen Begründung einer Pflege-
stätte der Geographie an unserer Hochschule in wirksamer Weise
316 Dr. J. M. Ziegler’sche Kartensammlung.
vorzuarbeiten. Ein an weitere Kreise gerichteter Aufruf führte zur
Gründung des Kartenvereins, der sich die Erfüllung der von Ziegler
gestellten Bedingungen zur Aufgabe machte, und im Herbst 1879
übergab dieser dann die Sammlung unserer Gesellschaft. Fritz Burck-
hardt ist schon bei diesen Präliminarien mit besonderer Hingebung
tätig gewesen; er hat dann namens der Gesellschaft die Schenkung
in Empfang genommen, zusammen mit dem Stifter die erste Ordnung
besorgt und während der drei inzwischen verflossenen Dezennien ganz
in der Stille das begonnene Werk weiter gepflegt. Seinem Weitblick
haben wir es ım besondern zu verdanken, dass der Kartenverein heute
über ein kleines Vermögen verfügt, durch welches die Sammlung auf
alle Eventualitäten gerüstet ist. Das letzte Jahr seines Lebens hat
dann Burckhardt noch die Genugtuung gebracht, dass das lang er-
örterte Projekt einer Professur und eines Institutes für Geographie
endlich verwirklicht wurde. Indem unsere Gesellschaft ihr Möglıch-
stes tut, um dieser neuen Anstalt die Hebung und Verwertung der
Schätze der Kartensammlung zu erleichtern, wird sie dem Verstor-
benen den besten Dank für seine treue Fürsorge abstatten.
Die disponibeln Mittel sind im abgelaufenen Jahre zur An-
schaffung einer Reihe von Wandkarten, die dem akademischen Ge-
schichtsunterricht dıenen, verwendet worden.
I. Geschenke.
C. A. Gessler-Herzog:
Kollektion älterer Karten und Stadtpläne. 2 Brosch. und 18 Bl.
Staatskanzlei Basel-Stadt:
Bibliographie der Schweizerischen Landeskunde. Fase. V 9 f, V
10 ea, 2 Brosch. ;
Dr. W. Lotz:
Postreisekarte von Deutschland. München. 1 Bl.
II. Anschaffungen.
Geologische Spezialkarten des Grossherzogtums Hessen. Sekt. 10
Alzey, 11: Mainz, 12: Lautenbach, 16: Biedenkopf, 17: Worms.
Darmstadt 1866—-1872 (Karten und Mitteilungen der mittel-
rhein. geolog. Vereins.) 5 Brosch. und 5 Karten.
Schwabe, Wandkarte von Germanien und Gallien zur Römerzeit
125800000 2 Ep CR Laine BE
Dr. J. M. Ziegler'sche Kartensammlung. 317
Baldamus, Wandkarte zur Geschichte des Frankenreichs (481—911).
2271200020007 bd. "BI
Baldamus, Wandkarte von Preussen. Historisch. 1 : 800 000, ıbid.
17 Bl:
Baldamus und Schrötter, Wandkarte von Bayern. Historisch. 1: 125 000.
ihid. 1OBl.
Dürr und Baldamus, Wandkarte von Württemberg. Historisch.
7217500007 Did OB:
Kienitz und Baldamus, Wandkarte von Baden. Historisch. 1 : 150 000.
Did EME ;
Gaebler, Wandkarte von Mittel- und Süd-Europa. Physikalisch.
22000000 ibid 1Bl:
Kiepert, Wandkarte der Reiche der Perser und Alexander des
Grossen. 1 : 3 000 000. Berlin, Dietrich Reimer. 1 Bl.
Kiepert, Schulwandatlas der Länder Europas. Politisch. 1 : 1 000 000.
Frankreich. Britische Inseln. Italien.” Balkan. Oesterreich-
Ungarn. Spanien und Portugal. Russland (1 : 3 000 000)
Skandinavien (1 : 1 500 000.) Berlin, Dietrich Reimer. 8 Blätter.
Beekman, Geschiedkundige Atlas von Nederland. 1 : 200 000.
Blatt 6. 8. 9. 11. s’Gravenhage, Nijhoff 1812. 4. Bl.
v. Spruner-Bretschneider, Historischer Wandatlas zur Geschichte
Europas. 10 Karten. Fünfte Auflage. 1 : 4000 000. Gotha,
Justus Perthes. 10 Bl.
Basel, den 28. Maı 1913.
Im Namen des Vorstandes
der Naturforschenden Gesellschaft,
Der Secretär:
H. G. Stehlin.
318 Dr. J. M. Ziegler’sche Kartensammlung.
Rechnung des Kartenvereins für das Jahr 1912.
Einnahmen.
Aktivsaldo voriger Rechnung
Jahresbeiträge .
Zinsen
Ausgaben.
Anschaffungen
Honorar .
Aktivsaldo auf 1913
Status.
Angelegte Kapitalien ?)
Aktivsaldo auf neue Rechnung .
Status pro 31. Dezember 1912 .
Status pro 81. Dezember 1911 .
Vermögensabnahme 1912 .
Basel, den 31. Januar 1913.
Fr. 2,185. 08
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. 686. 45
Fr. 3,006. 53
Fr. 535.78
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2,170. 80
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Fr. 15,000. —
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Fr. 17,170. 80
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C. Chr. Bernoulli.
1) In offenem Depot beim Schweiz. Bankverein mit den der Universitäts-
Bibliothek gehôrenden Kapitalien.
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Preiswerk.
jasgesteine im Simplontunnel.
Verhandlungen der Naturforschenden
Gesellschaft in Basel. Band XXIV. Tafel I.
Fig. 1 (vgl. Seite 14)
Anhydrit in Dolomit
(94353 m ab Nord -Portal des
Simplontunnel). Schnitt nach
010. Krystallographische Be-
orenzung nur nach 001. Beste
Spaltbarkeit nach 001. Zwil-
lingslamellen nach 101 unter
96% 30’ sich schneidend.
Vergrösserung 1:60 ca.
Fig 1.
Fig. 2 (vgl. Seite 19)
Unhydritreste in einheitlichem
ypskrystall (4497 m ab Süd-
Portal des Simplontunnel).
Wordringen der Umwandlung
auf den Zwillingslamellen
nach 101.
Vergrösserung 1:20 ca.
Fig. 3 vgl. Seite 20)
Skapolith
mil Quarz verwachsen
(4874 m ab Süd-Portal des
Simplontunnels).
Myrmekitähnliche Wachstums-
erscheinungen.
Vergrösserung 1:180 ca.
Christ: Vorkommen des Buchsbaums. Verhand. d. Naturf. Ges. in Basel. Band XXIV. Tafel IT.
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Bei dem kleinen Massstab der Karte kann sie nur die allgemeinsten Züge der Verbreitung des Buchses darstellen. Für alles Einzelne, besonders
die namhaften Lücken innerhalb der grossen Arealgerenze muss auf den Text verwiesen werden.
+ bezeichnet das spontane, v das subspontane Vorkommen.
. ABuxtorf: NeuerHauenstein-« Grenchenbergtunnel.
Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel Band XXIV 1913 Tafel II.
Tafel I. Prognostische Profile des neuen Hauensteintunnels.
Kettenjura
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Geologisches Längenprofi Ueberschiebungzone Burgfluh 4 ER Dottenberg
Hauensteintunnels (Länge 8245 m ) . TR \ IN
Entworfenv.Frof D'EHühlberg 1910. Tafeljura RS.
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Eital Hinterholz Fohrenweid Auf der Eag RIDE Wilmatt
Nordportal = : - — Südportal.
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Mearesspiegel :
Km 29 ab Basel
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Geologisches Längenprofil
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Gefälle bis Nordportal 15%o Kulminationspunkt Gefälle bis Südportal
Geologisches Längenprofil Kettenjura
des
im Bau befindl. Hauenstein-Basistunnels (Länges135") . Burgfluh Dottenberg
Entworfen vonD"A Buxtorf, Dez 1912 Tafe jura : mm phme Ge
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Gefälle bis Nordportal 15% Klninztiorseunktim (Quartar Juraformation Trias Gefälle bis Südportal 7%
1959 abNordportal. Gehängeschuf es c: er
4 allorien-brians Sch. fe 1:25.000
/® Der GradderWahrscheinlichkeit der Frognose ist durch Flusskies. Meränen a: à soo < or
die Behandlung derSchichfgrenzen angedeutet: Sequan Fa lauptregenstein û Keuper
Gestrichelte Sch in N Ed Ban Ach lower Es ‚Richtung des Tunnels« N 14° W
jestrichelte Schichtgrenzen (—— — ):Strecken relatirwahrscheinlicher Prognose Tertiär N Argorien S ME I 19 Trigenodusdolamit
Punktierte ” (em }: Strecken unsicherer Prognose. Dhrmlecre ta Do Darren 3 uptmuschelkalk
2 for 1
RAT Eine 5 ® È Inhydritgruppe
Er Fe Halknagelflu 3 CDD Les È
torf; Neuer Hauenstein aGrenchenbergtunnel.
Tafel Il. Prognostische Profile
längs der Axe des im Bau befindlichen
Grenchenbergtunnels .
Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft Basel Band XIV 1913
PROFIL 2 (Entworfen Mai 1912)
5
=
Tafel W.
Bemerkungen zu Profil 1 2u3:
Die Strecken 0-1vm ab Nerdoortal, bes 0-iMm ab Südporlal des Profils! wurden entworfen
2474bSP(23 Jan ısı2) Die Profilstrecken durch Graitery, Chaluet u
am 29 Juni 1912 der Tunnelbau-Unternehmung zugestellt,
Ende Januar 1912. Damalıger Stand ser Vortrwbe STNP (18 Lan 1) une
Grenchenberg wurden m Mai 1912 fertiggestellt u des ganze Profil 1 milden Pralılan 208
En Bemerkung betr. Chaluer
Länge 8565 m. Jn den Profilen 14,6 sind die Roches du Chalust" 3/5 abgerutschte Masse wulgafesıt ( Auffassung Baumberger-Buxtorf 1908)
me un JmProfil 2 sind die Roches du Chaluat "mit dem Grenchenberg durch eme muldenförmige Biegung 3 Schichten in direktem Zusummenhang dargestellt. (Auffassung Mollier 903)
Entworfen von D! À. Buxtorf dm Profil 3, das sich prineipiellan Profil 3 anschliesst, wird die Mulde zwischen „ Roches du Chalue"v Grenchenberg au taf einstachend aufgefasst
( Profil 1 mit Benützung einiger Angaben «DE Baumbergeru D'G Niethammer)
Januar, Mai, Dezember1912 u. Februar 1913.
Massteb 1:25000. > Grenchenberg
PR es a
Graitery Oberer Unterer
140$ 1370 neo
we 12407 > -
bas Pu26 Ratfluh es
Es PROFIL 1. (Enmorfen Januar u Mai 1912) N Chaluet er
—__ Là Roches du Chaluet
… Nord ! rière les Roches Gr
oo” Sendierbehrung (No=un) Li 1000
H Chaluetbach =
ji épossl Minna Estonie) Böhlen Südportal (sn abStation Moutier)
‚Schwellenhöhe 535.37 =
ni Bahnhörper der Schmellenhöhe 444 477
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Er — Gefälle 25% Gefäflsoruch Fr S#sos uM Gefälle 13 %e PROFIL 4. (entworfen 16 Nor. 72) nes,
PROFILS. (£ntmorfen 10 Dex. 192) a Pme = >. Stand des fortriebes um is Non arz bei ea SP res
ao. ‚Stand des lortriebs am 10 Der +95" np ne ee a nn
= NS -_ PROFIL G. (entworfen 26 febr 193 mit Berücksichtigung der Befunde vom à a
lol = 12. Februar (Tortriab Südseite bei 135m) |
ais =” À nr Mordseilen 1W16m) son
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1800 » Gafällsbruch er
Quarlär Trias Re PROFIL3. (Entworten Mai 1512) Modification r Profil 6 fürden Kern der
= Foire CA Bacs ire Et | Porlland rs —— Grenchenbergkeite (km 1-31 28 SP) nes
fchotter à Meranen | K I
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Terfär Kimmeridge P = Entrrorfen 28. Februar 1913
= Marine Molassel ndubamen) 4 SÜdstolens ue < Roches du Chaluet
£ Sequan = Trigonedusdolomitu Nauptmuschelkalh &
Jüngere [mieraene) È me cs +
Moinssebildungen finger (nd. Geissberg-) Anhydritgruppe | =
u Delémentien Schichten Argovien Er.
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Melasse alsacienne
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Qusrassnätsschen mPrtlendnen 18 Blagdeni - Murchisense - Schichten Basel, den 26 Febr 1913
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Verhandlungen
der
Naturforschenden Gesellschaft
in Basel.
Band RN
Mit 4 Tafeln und 29 Textfiguren.
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Basel
Georg & Cie. Verlag
1913
Verzeichnis der Tafeln.
Tafel I zu H. Preiswerk:
Die metamorphen Triasgesteine im Simplontunnel.
Tafel II zu H. Christ:
Ueber das Vorkommen des Buchsbaumes (Buxus sem-
pervirens) in der Schweiz und weiterhin durch Europa
und Vorderasien.
Tafel III und IV zu A. Buxtorf:
Die mutmasslichen geologischen Profile des neuen
Hauenstein- und des Grenchenbergtunnelsim Schweizer
Jura.
| GEORG & C°, Verlag, Basel, Genf und Lyon
Separat-Abdrücke
aus den
Denkschriften der Allgemeinen schweiz. naturforschenden Gesellschaft.
Bach, Hugo.
nach dem Beobachtungsmaterial
der eidg. meteorologischen Station
in Davos, 1908. IV, 106 S. Fr. 7.—
Bärtschi, Ernst. Das westschweizer.
Mittelland. Versuch einer morpho-
logischen Darstellung, 1915. 160$.
m. 19 Textfiguren u. 1 Karte.
Fr. 10.—
Becker, W. Die Violen der Schweiz,
1910. VIII. 82 S. m. 4 Tafeln.
Fr. 6.—
Braun, Jul. Die Vegetationsverhält-
nisse der Schneestufe in den
Rätisch-Lepontinischen Alpen. Ein
Bild des Pflanzenlebens an seinen
äussersten Grenzen, 1913. VIII,
348 S. m. 4 Tafeln u. 1 Karte.
Fr. 25.—
Carl, Johann. Monographie der Schweiz.
Isopöden, 1908. 136 S. m. 6 Taf.
Fr. 11.—
Frey, Oskar. Talbildung und glaziale
Ablagerungen zwischen Emme und
Reuss, 1907. 185 S. m. 3 Tafeln
u. 2 Karten. Fr. 15.—
Ganz, Ernst. Stratigraphie der mittl,
Kreide (Gargasien, Albien) der
oberen helvetischen Decken in den
nördl. Schweizeralpen, 1913. VII,
148 S. m. 20 Textfig., 2 Karten-
skizzen u. 11 Tafeln. Fr. 15.—
Keller, Conr. Studien über die Haus-
tiere der Kaukasusländer, 1913.
61 S. m. 8 Tafeln u. 21 Textfig. |
Fr. 10.—
— Studien über die Haustiere deı
Mittelmeer-Inseln, 1911. 88 S. m.
Das Klima von Davos | Schwerz, Franz.
20 Textfig. u. 8 Tafeln. Fr. 10.— |
Versuch einer an-
thropologischen Monographie des
Kantons Schallhausen, spez. des
Klettgaues, 1910. 210 S. m. 89 Fig.,
1 Karte u. 87 Tabellen 1. Text.
Fr. 14.—
Volger, Dr. G. H. Otto. Epidot und
Granat, Beobachtungen über das
gegenseitige Verhältnis dieser
Krystalle und über Felsarten,
welche aus Kalzit, Pyroxen, Am-
phibol, Granat, Epidot, Quarz,
Titanit, Feldspaih und Glimmer-
arten bestehen, 1855, 58 S.
22
Wild, Dr. H. Beitrag zur Theorie der
Nobilischen Farbenringe, 1857.
42 Seiten mit 1 Tafel. Fr. 2,—
Bericht zur Reform der schwei-
zerischen Urmasse, 1868/69, 170
Seiten m. 3. Taf. NE
Ueber den Fohn und den Vor-
schlag zur Beschränkung seines
Begriffes, 1901. 100 u. 52 Seiten
mit 18 Tafeln. Fr. 14.—
Zahn, Dr. Karl Herm. Die Hieracien
der Schweiz, 1906. 568 Seiten.
Fr. 35.—
Zschokke, Dr. Fr. Die Tierwelt der
Hochgebirgsseen. ‚Von der Schläfli-
stiftung preisgekrönt‘. 1900. VI
und 400 Seiten mit 8 Tafeln und
4 Karten. kr. 25,.—
Die Gebirgsschichten, welche vom
Tunnel zu Aarau durchschnitten
wurden, 1860. 15 Seiten mit 1
geognost, Karte. Fr. 1.50
— Die Ueberschwemmungen in der
Schweiz im September 1852. 23
Seiten mit 1 Tafel Fr. 1.—
Inhalt.
H. Preiswerk. Die metarmorphen Triasgesteine im Simplon-
tunnel
K. Strübin. Ueber jurassische und tertiäre Bohrmuscheln
im Basler Jura Fe
H. Christ. Ueber das Vorkommen des Buchsbaumes ‚Buxus. k )
sempervirens) in der Schweiz und weiterhin durch
Europa und VOrderasi ent AN OC RC
Fr. Fiehter und G. Oesterheld. Ein elektrischer Wolf-
ramrohr-Vakuumofen
P. Steinmann. Ueber Rheotaxis bei Tieren des fliessenden
MIASSEHS Me rs ee NE
Fr. Burkhardt f. Die Stellung des Osterfestes im christ- h
lichen Kalender 1
G. Senn. Der osmotische Druck einiger Epiphyten und
Parasiten... A RIM ok See
P. Revilliod. Katalog der Osteologischen Sammlung des
Naturhistorischen Museums in Basel . 4
A. Buxtorf. Die mutmasslichen geologischen Profile des
neuen Hauenstein- und des Grenchenbergtunnels
InnESchweizenk Jura Se TRE ER
F. Sarasin. Bericht über das Basler Naturhistorische Y 4
_ Museum für das Jahr 1912 |
P. Sarasin. Bericht über die Sammlung für Völkerkunde
des Basler Museums für das Jahr 1912 .
H. G. Stehlin. Dr. J. M. Ziegler’sche Kartensammlung,
Vierunddreissigster Bericht 1912 . NN
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