BT Er kl; dern; ne ern ae LT re a Ser pe re era Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft ın Basel Band XXX Mit 2 Porträts, 6 Tafeln Tabellen und 22 Textfiguren. Basel Georg & Cie. Verlag 1919 Buchdruckerei Emil Birkhäuser & Cie. Inhalt. Physik. A. Hagenbach. Ein Kessel für Bogen und Funken unter erhöhtem und vermindertem Druck . Ä Se N E. Banderet. Versuche über drahtlose Telögrapkie in den Aleen H.Ziekendraht. Untersuchungen an einem einfachen Wellenmesser Geologie. A. Buxtorf. Die Lagerungsverhältnisse der Gneisslamelle der Burgruine Splügen (Graubünden) Botanik. M. Henrici. Chlorophyllgehalt und Kohlensäure-Assimi- lation bei Alpen- und Ebenen-Pflanzen . Zoologie. F. Zschokke. Der Rhein als Bahn und als Schranke der Tierverbreitung GA ATEN EU A RI OD TERN RE N. Lebedinsky und R. Men Experimentelles über die Wider- standsfähigkeit des Batrachierlaiches gegen Austrocknung . ! L. Courvoisier +. Ueber Neben- u. Zwischenformen bei Lycaeniden N. Lebedinsky. Geschlechtsdimorphismus und Sexualselektion . Nekrologe. G. Senn. Prof. Dr. Hermann Vöchting H. K. Corning. Prof. Julius Kollmann . + A. Lotz. Zum Gedächtnis an Professor Dr. Ludw. Courvoisier . Bericht über das Basler Naturhistorische Museum für das Jahr 1918 von Dr. F. Sarasin Bericht über das Basler Museum für Völkerkunde für das Jahr 1918 von Dr. F. Sarasin Dr. J. M. Zieglersche Kartensammlung. Vierzigster Bericht 1918. Von M. Knapp Chronik der Gesellschaft 1918/19 Jahresrechnung 1918/19 2. Nachtrag zum Mitgliederverzeichnis von 1917 Een Le ni Verzeichnis der Tafeln. Tafel I—-VI (Tabellen) zu Marguerite Henrici: Chlorophyligehalt und Kohlensäure-Assimilation bei Alpen- und Ebenenpflanzen. Porträt zu G. Senn: Prof. Dr. Hermann Vôchting f. Porträt zu Albert Lotz: Prof. Dr. Ludwig Courvoisier T- z ' Sr PART FANS MT DNS Le DA 1 M ( N N \ N " I) Ani) ie \ ORTEN I IM N (DEN qui un Prof. Dr. Hermann Vöchting. Geb. 8. Februar 1847; gest. 24. November 1917. (Mit einem Porträt.) Obwohl Prof. Hermann Vüchting nur noch verhältnismässig wenigen Mitgliedern unserer Gesellschaft persönlich bekannt ge- wesen sein dürfte und auch nicht viele wenigstens seine Arbeiten kennen, so muss hier doch dieses Mannes gedacht werden. Ist er doch während fast 30 Jahren unser Mitglied und während zweier Jahre, 1882—1884, Präsident der Naturforschenden Gesellschaft gewesen. Und in den 9 Jahren, da er in Basel wirkte, hat er in den Sitzungen unserer Gesellschaft nicht weniger als 12 meist srössere Mitteilungen über seine erfolgreichen Untersuchungen ge- macht. Zu diesen standen ihm allerdings nicht die gut eingerich- teten Laboratorien unseres jetzigen Botanischen Instituts zur Ver- fügung, sondern nur die drei Zimmer des alten Gebäudes vor dem Aschentor. Aber seine rastlose Tätigkeit hat bei uns bis auf den heutigen Tag ihre Spuren hinterlassen, von denen die von ihm kon- struierten und benützten Instrumente des Botanischen Instituts nur äusserliche Andenken bilden. Viel intensiver hat er durch seine Lehrtätigkeit an unserer Universität und durch seine vielen in unserer (resellschaft gehaltenen Vorträge gewirkt und das Interesse für die anatomisch-physiologische Richtung in der Botanik, die schon durch seine beiden Amtsvorgänger Schwendener und Pfeffer ver- treten worden war, wach gehalten. Von seinen sieben Basler Schülern hat ällerdings nur ein einziger, dieser aber um so nach- haltiger, die Arbeits- und Betrachtungsweise Vöchtings an die Jüngere Generätion Basels weitergegeben, nämlich Dr. E. Bucherer, der durch seinen Botanik-Unterricht am Gymnasium viele für un- sere Wissenschaft begeisterte Jünger und Freunde gewonnen hat. Hermann Vöchting wurde am 8. Februar 1847 in Blomberg, Lippe-Detmold, als Sohn eines Gärtnerei-Besitzers geboren, welcher sich speziell der Nelkenzucht widmete. So trat der junge Vöchting schon in frühester Kindheit mit der Pflanzenwelt in engere Be- 1 2 G. Senn. ziehung. Kein Wunder deshalb, dass auch er Gärtner wurde. Als solcher kam er an den Botanischen Garten in Berlin. Hier wurde der damalige Gartendirektor, der geistreiche und philosophisch gerichtete Prof. Alexander Braun, auf den jungen intelligenten Mann aufmerksam und ihm gelang es, Vöchting für das Studium der Botanik zu gewinnen. Er studierte nun zunächst in berlin unter Braun’s, Pringsheim’s und Any’s Leitung und promovierte 1873 in Göttingen mit einer Dissertation über die Morphologie und Anatomie der Rhipsalideen, einer Cacteen-Familie. Hierauf siedelte er nach Bonn über und habilitierte sich dort schon 1874. Bei seinen Untersuchungen an den Rhipsalideen war er auf zahlreiche Probleme der Form- und Organbildung gestossen, und ging nun daran, diese Fragen auf experimentellem Wege zu untersuchen. Damit betrat er früh das Gebiet, auf welchem ihm so grosse Erfolge beschieden sein sollten. Schon am 5. Januar 1876 trug er vor der Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Bonn über den physiologischen Gegensatz zwischen Spitze und Basis der Pflanzen vor. Seine Ausführungen machten offenbar so grossen Eindruck, besonders auch auf den Tierphysio- logen Pflüger, dass Vöchting schon 1877, drei Jahre nach seiner Habilitation, von der Bonner Universität zum Extraordinarius er- nannt wurde. Auf Pfügers Wunsch publizierte er in dessen Archiv für die gesamte Physiologie eine ausführlichere vorläufige Mitteilung über seine Versuche. Diese Publikation hat ihm 1878 den Ruf nach Basel einge- tragen, als durch die Berufung seines früheren Bonner Freundes Pfejfer nach Tübingen der hiesige Lehrstuhl für Botanik frei ge- worden war. Noch kurz vor Vöchting’s Wegzug von Bonn war der erste Teil seines Buches: Organbildung im Pflanzenreich, erschienen. In Basel gab er dann, allerdings erst sechs Jahre später, den zweiten Teil heraus und griff ausserdem noch verschiedene andere wichtige Probleme auf, wie z. B. die Bewegungen der Blüten und Früchte, die Ursachen der Zygomorphie der Blüten, die Knollen- bildung sowie die Regeneration der Lebermoose. Diese erfolgreiche experimentelle Tätigkeit ermöglichte ihm, unserer Gesellschaft die vielen inhaltsreichen Vorträge zu halten, welche seine Untersuchungen in Basel einem weiteren Kreise bekannt machten. Ausser mit dem Juristen und vortrefflichen Botaniker Dr. Hermann Christ verkehrte Vöchting viel mit dem Chirurgen Prof. August Socin, von dem er sich in die Ergebnisse der Transplan- tation am Tierkörper einführen liess. In unserer Stadt fand er auch seine Lebensgefährtin in der Tochter des Ratsherrn Carl Prof. Dr. Hermann Vöchting +. B) Burckhardt und Schwester des nachmaligen Regierungsrates Carl Christoph Burckhardt-Schazmann, die sein Familienleben ausser- ordentlich glücklich gestaltete. Sie brachte seinen Forschungen viel Verständnis entgegen und bot ihm durch Ausführung der Zeichnungen seiner Versuchspflanzen hilfreiche Hand. Dank den verwandtschaftlichen Bänden pflegte Vöchting auch nach seinem Wegzug seine Beziehungen zu unserer Städt mit nie erlahmendem Interesse. Als Prof. Pfeffer, der schon in Basel sein Vorgänger gewesen war, im Sommer 1887 als Nachfolger Schenk’s von Tübingen nach Leipzig übersiedelte, wurde Vöchting auch in Tübingen sein Nachfolger und blieb der schwäbischen Universität trotz ehren- vollen Berufungen an grössere Hochschulen bis an sein Ende treu. Er verfolgte hier die schon in Basel behandelten Fragen weiter und brachte seine klassischen Untersuchungen über die Trans- plantation am Pflanzenkörper zum Abschluss. Trotz seiner grossen wissenschaftlichen Produktivität fand er noch Zeit, sich mit Musik, bildender Kunst und besonders mit Literatur zu befassen. Nicht nur in der deutschen, sondern auch in der französischen war er wohl bewandert. Als eigentlicher Bibliophile hatte er an seiner grossen Bibliothek mit den schönen Klassikerausgaben eine besondere Freude. Diese seine Verehrung der Dichtkunst mochte aus dem Bedürfnis entstanden sein, seine Gedanken von der Beschäftigung mit den Realitäten der Wissen- schaft bei dem Verweilen bei idealen Fragen ausruhen zu lassen. Diese Geistesrichtung leuchtete schon aus seinem schön ge- schnittenen Gesicht mit den lebhaften dunkelblauen Augen heraus. Ganz kam sie aber erst im Verkehr zur Geltung, in welchem er sich als liebenswürdigen und absolut zuverlässigen Charakter erwies. Die allgemeine Liebe und Verehrung, welche Vöchting genoss, fand bei seinem 70, Geburtstag im Februar 1917 in schönster Weise ihren Ausdruck, als ihm in Tübingen ein Album überreicht wurde, das von jeder der vier Stätten seiner Wirksamkeit ein von Künstlerhand gemaltes Erinnerungsblatt und daran anschliessend eine Sammlung von Photographien der Freunde und Schüler in jeder dieser Städte enthält. Basel ist darin mit 15 Bildern ver- treten. Nicht lange nach diesem schönen Fest gelangten beängstigende Nachrichten über eine Erkrankung des Jubilars zu uns. Zwar konnte er während des Sommer-Semesters seine Vorlesungen noch abhalten, doch war die frühere Frische dahin. Während der Sommerferien suchte er sich in der guten Schweizerluft zu kräftigen, musste jedoch bald in Basel eine Klinik aufsuchen, in welcher als 4 G. Senn. Ursache aller Störungen eine schlimme Geschwulst erkannt wurde, zu deren operativer Entfernung es jedoch schon zu spät war. Leidlich erholt kehrte er nach Tübingen zurück, musste aber bald wieder eine Klinik aufsuchen; lebend sollte er sie nicht mehr verlassen. Vor seinem Ende war ihm noch die Freude beschieden, seinen dritten Sohn aus einjähriger französischer Gefangenschaft zurückkehren zu sehen. Am 24. November 1917 wurde er durch einen sanften Tod von seinen Leiden erlöst. Im Hinblick auf die grossen wissenschaftlichen Erfolge des Verstorbenen erscheint es besonders reizvoll, den Problemen nach- zugehen, mit welchen er sich in den verschiedenen Perioden seiner Forschertätigkeit beschäftigt hat, und die Zusammenhänge festzu- stellen, welche ihn von einer Frage zur andern geführt haben. In der etwa 32 Nummern umfassenden Reihe seiner Publika- tionen nehmen die beiden ersten sozusagen den Rang propädeu- tischer Arbeiten ein. Die erste: Zur Histiologie und Entwickhumgs- geschichte von Myriophyllum, welche von seiner Vaterstadt Blom- berg, Februar 1871 datiert ist, enthält die Darstellung der Ana- tomie und der Bildungsweise der Blätter am Vegetationspunkte dieser Sumpfpflanze und reiht sich an ähnliche, damals in Berlin durch Hanstein u.a. durchgeführte Arbeiten an. Auch seine zweite Arbeit: Beiträge zur Morphologie und Ana- tomie der Rhipsalideen, an welcher er von 1869 bis 1873 gearbeitet und deren ersten Teil er in Göttingen als Dissertation eingereicht hat, bewegt sich in denselben Rahmen, befasst sich allerdings mit einer grösseren Zahl von bedeutend komplizierter gebauten Pflanzen. Was an beiden Arbeiten besonders auffällt, ist die peinliche Genauigkeit der Untersuchungen, die sich auch in den sauberen, von Vöchting selbst entworfenen Zeichnungen wiederspiegelt. Wenn auch diese beiden Erstlingswerke sehr solid gearbeitet sind, so ent- halten sie doch noch keine allgemein wichtigen Fragestellungen und Resultate. Vöchting hat sich damit sozusagen im Gebiete der pflanzlichen Anatomie und Entwicklungsgeschichte nur vorläufig orientiert. Um so erstaunlicher erscheint darum der ganze Plan und die Durchführung seiner nächsten Publikation, des 1878 selbständig erschienenen kleinen Buches über Organbildung im Pflanzenreich. Die Probleme waren ihm bei seiner Beschäftigung mit den Rhipsa- lideen aufgestiegen, und zwar zunächst einmal die Frage, durch welche Ursachen die Stellung der Luftwurzeln an den Sprossen von Lepismium radicans bedingt werde. Er schreibt darüber selbst: „Von Neigung getrieben, hegte ich schon lange die Absicht, mich ù Prof. Dr. Hermann Vöchting +. 5 „der physiologischen Seite unserer Wissenschaft zuzuwenden. Im „Frühjahr 1874 beschloss ich, mit der Bearbeitung des erwähnten „Gegenstandes einen ersten Versuch zu machen und gab daher „dem Problem die erweiterte Fassung, nachzuweisen, ob und in- „wieweit äussere Kräfte einen Einfluss auf die Adventivbildungen „haben.“ Offenbar dank seiner gärtnerischen Vorbildung zeigte er sich sofort auf der Höhe der Experimentierkunst und beherrschte sie von Anfang an souverän. Schon bei den ersten Versuchen stiess er auf den merkwürdigen Gegensatz zwischen morphologischer Spitze und Basis eines Sprosses, also auf eine innere Eigenschaft, welche von den äusseren Kräften, wie Licht und Schwerkraft, nicht beeinflusst werden kann. Vôchting stellte nämlich fest, dass an einem im feuchten Raum aufgehängten Stück eines Weidenstengels in der Nähe der Schnittflächen Seitenglieder austreten, und zwar am basalen Einde des Stengelstücks stets Wurzeln, am apicalen Ende stets Sprosse, und zwar gleichgiltig, ob der Stengel aufrecht, horizontal oder invers orientiert ist. Vöchting nannte diese Eigen- _ tümlichkeit die Polarität der Pflanze. So unterschied Vöchting von vornherein klar zwischen inneren Fähigkeiten der Pflanze und den von aussen auf sie wirkenden Kräften, die sich nach seiner Auffassung allerdings nicht prinzipiell voneinander unterscheiden, indem beide dem Gesetze der Erhaltung der Energie unterworfen sind. Damit verliess er die damals herr- schende allzu mechanistische Betrachtungsweise von Sachs, welcher die Bildungsvorgänge an der Pflanze nur von äusseren Kräften - wollte bestimmt sein lassen. Sachs liess denn auch nicht lange mit einer Gegenschrift auf sich warten, die jedoch Vöchting von Basel aus mit schlagenden Argumenten widerlegte und damit die jetzt noch geltende Auffassung vom Wechselspiel zwischen inneren Anlagen der Pflanze und äusseren Faktoren begründete, die sich seither durch unzählige Beobachtungen als richtig erwiesen hat, Was Vöchting im ersten Teile seiner Organbiidung für einzelne Teile der Pflanze nachgewiesen hatte, zeigte er im zweiten Bande auch für grössere Komplexe von Pflanzenteilen, zog daraus die wichtigen Folgerungen über die Lehre vom Habitus der Sträucher und Bäume und entwickelte daraus eine Theorie des Obstbaum- schnittes. Bei der ungeheuern Regenerationstähiekeit der von ihm beob- achteten abgeschnittenen Weidensprosse, von denen jeder sofort zur selbständigen Pflanze wird, musste sich auch Vöchting die damals viel ventilierte Frage vorlegen, was denn unter diesen Um- ständen als Pflanzenindividuum aufzufassen sei. Während frühere Forscher z. B. einen Baum aus zahlreichen selbständig lebensfähigen 6 G. Senn. Teilen aufgebaut betrachteten, wies Vöchting darauf hin, dass diese Selbständigkeit der Teile so lange rein potentiell bleibt, als sich diese Teile an der Pflanze befinden und erst zur Realität wird, wenn der Teil künstlich aus seinem natürlichen Verband herausgerissen ist. Jede selbständig lebende und in sich geschlossene Pflanze ist somit als | einheitlicher Organismus zu betrachten. Diese Anschauung hat end- lich Klarheit geschaffen und allgemeine Anerkennung gefunden. Bei der weiteren Verfolgung dieser Probleme gelang es unserem Forscher, die Polarität noch weiter, selbst bei den kleinsten Lebens- elementen der Pflanze nachzuweisen. In seiner grossen 1892 in Tübingen erschienenen Arbeit über Transplantation am Pflanzen- körper, in welcher die verschiedenen Arten des Pfropfens studiert wurden, stellte er fest, dass, wenn aus einer Rübe ein kleines Stück herausgeschnitten und umgekehrt wieder eingesetzt wird, die Gefässe dieser transplantierten Portion nicht direkten Anschluss an die Gefässe des umgebenden Gewebes der „Unterlage“ suchen, sondern dass sie zwei Male um 90° umbiegen und in ursprünglich normaler Orientierung sich mit den ebenfalls normal orientierten Gefässen der Unterlage vereinigen. Das beweist, dass auch die Gefässe, resp. die sie bildenden Zellen, den polaren Gegensatz von Spitze und Basis zeigen, dass also die Polarität ganzer Pflanzen- organe in letzter Linie auf die Polarität ihrer Zellen zurückzu- führen ist. Diese Polarität scheint schon im Teilungsgewebe des Scheitels vorhanden zu sein, sicher ist sie es aber in den differen- zierten Geweben der Pflanze. Der Komplex zusammenhängender Fragen über Polarität, Re- generation und Transplantation, zu welchem Vöchting gleich durch seine ersten Stecklingsversuche geführt worden war, bildete den gemeinsamen Ausgangspunkt für alle Fragen, welche Vöchting später studierte. Auf alle Arbeiten im einzelnen hier einzugehen, würde zu weit führen; ich möchte darum nur versuchen, die verschiedenen Teilgebiete zu charakterisieren, über welche Vöchting ausser in den schon erwähnten Arbeiten Mitteilungen publiziert hat. Die Frage der Regeneration behandelt er noch in zwei späteren Arbeiten: in der einen noch in Basel 1885 ausgeführten „die Re- generation der Marchantiaceen“ und in einer 1904 erschienenen Schrift „die Regeneration der Araucaria excelsa“. Er konnte seine bei anderen Pflanzen gemachten Beobachtungen bestätigen und speziell bei Araucaria noch einige wichtige neue Tatsachen feststellen. Bei den Experimenten über Transplantation hatte er sich als sehr günstiger Objekte verschiedener Knollengewächse bedient und dabei deren grosse Plastizität kennen gelernt. Dies veranlasste Prof. Dr. Hermann Vöchting +. 7 ihn, den Bedingungen der Knollenbildung und dem Verhalten dieser Organe gegen künstliche Eingriffe weiter nachzugehen. So erhielt er durch lokale Verdunkelung der Laubsprosspitze einer Kartoffel- pflanze in der Laubblattachsel eine normale Kartoffel, woraus der Schluss zu ziehen ist, dass die Knollen jeweilen im Dunkeln er-. zeugt werden, gleichgiltig ob die beeinflussten Organe sich an der Spitze oder an der Basis der Pflanze befinden. Im Prinzip ähn- lich verhielten sich auch einige Rhizome (1889). Besonderes Inter- esse verdienen die Versuche, in welchen er mittels Pfropfung die Knollen von Oxalis crassicaulis statt als Speicherorgane als Lei- tungsorgane für das Wasser funktionieren liess (1900). Dadurch wies er nach, dass einem Pflanzenorgan eine ihm fremde Funktion aufgezwungen werden kann, dass sich dieses Organ der neuen Funk- tion anpasst und dementsprechend seinen anatomischen Bau verändert. Das Verhalten der Adventivwurzeln von Lepismium radicans hatte Vöchting die Wichtigkeit des Vorhandenseins oder Fehlens des Lichts für die Organbildung der Pflanzen gezeigt. Das ver- anlasste ihn, in einer Reihe von Arbeiten den Einfluss dieses Faktors auf verschiedene Organe bei verschiedenen Pflanzen zu verfolgen. So wurde von ihm zunächst die Stellung der Blattfläche zur Lichtrichtung (1888), sodann die Abhängigkeit des Laubblatts von seiner Assimilationstätigkeit (1891) untersucht. Dabei ergab sich das interessante Resultat, dass Blätter, welche an ihrer nor- malen Funktion gehindert werden, bald zugrunde gehen. In letzter Zeit werden besonders häufig seine Versuche über den Einfluss des Lichts auf die Gestaltung und Anlage der Blüten genannt. Es gelang ihm u.a., den Mimulus Tillingi in einer bestimmten, relativ schwachen Lichtintensität zu kultivieren, welche starkes vegetatives Wachstum hervorrief, aber jede Blütenbildung ausschloss. Die Be- obachtungen über die Bedeutung des Lichts für die Gestaltung blattförmiger Kakteen (1394) veranlassten ihn, gegen Schwendeners Kontakttheorie der Blattstellung aufzutreten. Wie das Licht so hatte Vöchting auch die Schwerkraft als wichtigen Faktor bei der Organbildung kennen gelernt. Schon in Basel verfolste. er diese Frage weiter, zunächst in der bekannten Arbeit über die Bewegungen der Blüten und Früchte (1882). Er stellte darin z. B. fest, dass die Aufrichtung der vorher abwärts gekehrten Blütenknospe des Mohns nicht durch eine Gewichtsver- änderung der Knospe, sondern durch eine innere Umstimmung des Blütenschaftes der Schwerkraft gegenüber bedingt. ist. Sehr wichtig war ferner der Nachweis, dass die Zygomorphie, resp. die Mono- symmetrie der Blüten nicht angeboren, sondern durch die einseitige Wirkung der Schwerkraft bedingt ist und durch entsprechende Ver- 8 G. Senn. suchsanstellung beseitigt werden kann. Diese Tatsache lenkte ihn auf die in der Natur vorkommenden Blütenanomalien (1898), bei deren Erforschung er sich als einer der ersten Botaniker der sta- tistischen Methode bediente. Auf die drei Arbeiten über den Einfluss der Temperatur auf die Krümmung der Blütenknospen von Magnolia (1888) und auf die physiologische Stimmung geotropisch empfindlicher Stengelgebilde (1890 und 1898) sei hier nur kurz hingewiesen. Uberblicken wir Vöchting’s Lebensarbeit, so imponiert zunächst die Fülle der neuen Erkenntnisse, die er in rastloser Tätigkeit ge- wonnen hat. Bei näherer Beschäftigung mit seinen Arbeiten tritt aber mehr und mehr ihre Qualität hervor. Ihr Stil ist abgerundet, die Disposition ebenso klar wie die feinen einfachen Zeichnungen. Was aber seine Arbeiten als klassisch in ihrer Art bezeichnen lässt, das ist die Klarheit und Weite der Fragestellung. Er blieb nie an Einzelheiten kleben, sondern suchte stets die Beziehungen zu den allgemeinen Problemen der Biologie aufzudecken. Sauber- keit der Versuchsanstellung und Genauigkeit der Beobachtung ver- bürgen eine absolute Zuverlässigkeit seiner Resultate. Infolge aller dieser Vorzüge haben Vöchting’s Arbeiten die experimentelle Morpho- logie so gefördert, dass sie zu einem guten Teil als sein Arbeits- feld bezeichnet werden muss. Vöchting wird darum in der Botanik stets als einer der erfolgreichsten Entwicklungsmechaniker gelten. Verzeichnis der Publikationen Prof. Vöchting’s. 1873. Zur Histiologie und Entwicklungsgeschichte von Myriophyllum. Nova acta Acad. Caes.-Leopold-Carol. german. natur. curiosor. Bd. 36. S. 1—18. 1873. Beiträge zur Morphologie und Anatomie der Rhipsalideen. Dissertation, Göttingen, I. Teil der Publikation aus 1874. Pringsheims Jahrbüchern für wissenschaftliche Botanik Band 9. 1876. Ueber den physiologischen Gegensatz zwischen Spitze und Basis der Pflanzen. Sitzungsber. der Niederrhein. Ges. für Natur- und Heilkunde in Bonn. Allgem. Sitzung vom 5. Januar 1876. 1877. Ueber Teilbarkeit im Pflanzenreich und die Wirkung innerer und äus- serer Kräfte auf Organbildung an Pflanzenteilen. Archiv für die gesamte Physiologie des Menschen und der Tiere, herausgeg. von Pflüger. Bd. 15, S. 153 —190. 1878. Ueber Organbildung im Pflanzenreich I. Untersuchungen über Wachs- tumsursachen und Lebenseinheiten. Bonn 1878. 1880. Ueber Spitze und Basis an den Pflanzenorganen. Botan. Zeitg. Bd. 38. S. 593. 1881. Johannes Hanstein, ein Nachruf. Botan. Zeitg. Bd. 39. S. 233. 1882. Die Bewegungen der Blüten und Früchte. Bonn 1882. 1884. Ueber Organbildung im Pflanzenreich II. Untersuchungen über Wachs- tumsursachen und Lebenseinheiten. Bonn 1884. 1885. Ueber die Regeneration der Marchantieen. Pringsh. Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. 16. 1885. 1886. 1887. 1888. 1888. 1888. 1889. 1890. 1891. 1892. 1893. 1894. 1894. 1895. 1898. 1898. 1900. 1902. 1902. 1902. 1904. 1906. 1908. 1918. Prof, Dr. Hermann Vöchting +. 9 Ueber die Ursachen der Zygomorphie der Blüten. Ber. d. deutschen Botan. Ges. Bd. 3. S. 341. Ueber Zygomorphie und deren Ursachen. Pringsh. Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. 17. Ueber die Bildung der Knollen. Bibliotheca botanica, Heft 4. Ein Dynamometer zum Gebrauch am Klinostat. Ber. d. deutschen bot. Ges. Bd. 6. S. 280. Ueber den Einfluss der strahlenden Wärme auf die Blütenentfaltung der Magnolia. Ber. d. deutschen bot. Ges. Bd. 6. S. 167. Ueber die Lichtstellung der Laubblätter. Botan. Zeitg. Bd. 46. S. 501. Ueber eine abnorme Rhizombildung. Botan. Zeitg. Bd. 47. S. 501. Ueber den Einfluss der Wärme auf die Blütenbewegungen der Anemone stellata. Pringsh. Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. 21. Ueber die Abhängigkeit des Laubblattes von seiner Assimilationstätigkeit. Botan. Zeitg. Bd. 49. S. 113. Ueber Transplantation am Pflanzenkörper, Untersuchungen zur Physio- logie und Pathologie. Tübingen 1892. Ueber den Einfluss des Lichtes auf die Gestaltung und Anlage der Blüten. Pringsh. Jahrb. f. wissensch. Botanik. Bd. 25. Ueber die Bedeutung des Lichtes für die Gestaltung blattförmiger Cac- teen. Zur Theorie der Blattstellung. Pringsh. Jahrb. f. wissensch. Botanik, Bd. 26. Ueber die durch Pfropfen herbeigeführte Symbiose des Helianthus tube- rosus und Helianthus annuus. Sitzungsberichte d. k. preuss. Akad. der Wissenschaften zu Berlin. II. Bd. S. 705. Zu T. N. Knight’s Versuchen über die Knollenbildung. Kritische und experimentelle Untersuchungen. Botan. Zeitg. Bd. 53. S. 79. Ueber den Einfluss niedriger Temperatur auf die Sprossrichtung. Ber. d. deutschen bot. Ges. Bd. 16. S. 37. Ueber Blüten-Anomalieen. Statistische, morphologische und experimentelle Untersuchungen. Pringsh. Jahrb. f. wissensch. Botanik. Bd. 31. Zur Physiologie der Knollengewächse. Studien über vikariierende Organe am Pflanzenkörper. Pringsh. Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. 34. Zur experimentellen Anatomie. Nachr. d. k. Gesellschaft der Wissen- schaften zu Göttingen; mathem.-physikal. Klasse Heft 5. S. 1-6 (vorl. Mitt.). Ueber die Keimung der Kartoffelknolle. Botan. Zeitg. Bd. 60. S. 87. Ueber den Sprosscheitel der Linaria spuria. Pringsh. Jahrb. f. wissensch. Botanik. Bd. 38. Ueber die Regeneration der Araucaria excelsa. Pringsh. Jahrb. f. wissensch. Botanik. Bd. 40. Ueber Regeneration und Polarität bei höheren Pflanzen. Botan. Zeite. Bd. 64. S. 101. Untersuchungen zur experimentellen Anatomie und Pathologie des Pflanzenkörpers. Tübingen, H. Laupp. Nach Vöchtings Tod erschienen: Untersuchungen zur experimentellen Anatomie und Pathologie des Pflanzenkörpers. II. Die Polarität der Gewächse. Tübingen, H. Laupp. Manuskript eingegangen 10. August 1918. Prof. Julius Kollmann ”) 24. Juni 1918. Von H. K. Corning. Julius Kollmann wurde am 24. Februar 1834 in Holzheim geboren, einem Dorfe unweit der Donau bei Dillingen in Bayern. Sein Vater war ein höherer Forstbeamter, der sich durch besondere Erfolge in der Waldkultur rühmlich ausgezeichnet hatte. Auch hatte derselbe die Welt gesehen, denn als Soldat der bayerischen Armee war er manchen Zügen gefolgt, welche die napoleonischen Kriege veranlasst hatten. Klaren Verstandes und lebhaften Geistes hatte er die mannigfaltigen Erlebnisse jener bewesten Zeit ge- wissermassen als Ergänzung seiner kurzen Schulbildung verwertet. Von ihm hat der Sohn wohl eine gewisse Leichtigkeit in der Aufnahme neuer Ideen und auch das lebhafte Interesse für fremde Länder und Völker sowie für internationale Fragen geerbt, das vielfach in der Form seiner wissenschaftlichen Tätigkeit zu Tage trat. Der Knabe wuchs mit 6 andern Geschwistern in steter Be- rührung mit der Natur, die ihn umgab, auf. Kaum 8 Jahre alt trat er in die Lateinschule zu Dillingen ein, um nach regelrecht absolviertem Gymnasialstudium im Jahre 1854 die Universität München zu beziehen. Das rege Interesse für die Medizin, welches ihm schon in früher Jugend eigen war, führte ihn dem Studium dieser Wissenschaft zu, wobei ihn die naturwissenschaftlichen Fächer am meisten fesselten. Dabei kam jedoch das studentische Leben nicht zu kurz; Kollmann war ein fröhlicher Student und die ge- sellschaftlichen Beziehungen, welche er in dem Korps Suevia an- knüpfen durfte, waren für ihn eine Quelle des Genusses und der Erholung. Er dürfte, wie er sich mir gegenüber kurz vor seinem Tode äusserte, wohl der Letzte seiner gleichaltrigen Korpsbrüder gewesen sein. *) Ein Bildnis des Verstorbenen findet sich in der »Festschrift zum hundert- jährigen Jubiläum« der Naturf. Gesellschaft in Basel (diese Verhandlungen, Bd, XXVII, I. Teil, S, 192), da Kollmann einer der vier Senioren war, denen im Jubiläumsjahr 1917 die besondere Ehrung der Gesellschaft galt. Prof. Julius Kollmann +. 11 Im Sommer 1858 bezog er, nach Abschluss seiner medi- zinischen Studien, die Universität Berlin, um bei Johannes Müller, Dubois-Reymond, Ehrenberg und Rudolf Virchow Vorlesungen und Kurse zu besuchen. Johannes Müller hat ihn mächtig angezogen, obgleich das Interesse für vergleichende Anatomie, welches er auf den Besuch von Müller’s Vorlesungen zurückführte, erst viel später durch den Einfluss von Gegenbaurs Schriften in seiner wissen- schaftlichen Denkungsart zur vollen Entfaltung kam. Dass er schon damals von Rud. Virchow auf anthropologische Fragen hin- gewiesen wurde, halte ich für zweifelhaft; erst nach der Gründung der deutschen anthropologischen Gesellschaft im Jahre 1869 scheint er sich mit diesem Zweige der anatomischen Wissenschaft abgegeben zu haben. Die Vorlesungen und Kurse Virchow’s über pathologische Anatomie scheinen bei dem jungen Mediziner, dessen Interessen sich weit mehr der normalen Anatomie zuwandten, keinen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben und mit praktisch- medizinischen Studien hat er sich während seiner Berliner Zeit nicht abgegeben. Für seine spätere Laufbahn entscheidend war für ihn die Möglichkeit, eine Assistentenstelle bei dem Münchner Anatomen Th. L. W. Bischoff zu übernehmen, welche ihm noch während seines Aufenthaltes in Berlin angeboten wurde. Er übernahm die Stelle im Herbste 1859. Bischoffs Richtung war diejenige der descriptiven Anatomie, wie sie an den meisten deutschen Hochschulen um die Mitte des letzten Jahrhunderts gelehrt wurde. Freilich hatte sich bischoff sehr eingehend mit Entwicklungsgeschichte beschäftigt und vom Jahre 1842 an eine Reihe von sehr verdienstvollen und grund- legenden Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte der Säugetiere (Kaninchen, Hund, Reh) veröffentlicht, aber bei. aller - Genauigkeit der Beobachtung und Beschreibung, welche diese Ab- handlungen heute noch lesenswert macht, nimmt doch die reine Aufzählung der Ergebnisse den breitesten Raum ein und eine Verwertung des Geschilderten für die allgemeine Auffassung des Entwicklungsvorganges fehlt gänzlich. Von einer Vergleichung der einzelnen Tierformen war keine Rede, obwohl schon in den Schriften H. Rathke’s aus den dreissiger und vierziger Jahren wichtige Hin- weise auf die Bedeutung der vergleichenden Methode enthalten waren. Ebensowenig waren in den anatomischen Arbeiten Bischoff s Anzeichen einer neuen Richtung vorhanden, höchstens wurde der physiologischen Bedeutung des Geschilderten gedacht, niemals des Zusammenhanges der Tatsachen; es fehlte der Versuch, dieselben unter einander zu verknüpfen und durch andere Formgestaltung 12 H. K. Corning. zu erklären. Aus dieser Schule hervorgegangen, hat sich Kollmann erst allmählich und sozusagen selbständig zu freierer Auffassung seiner Wissenschaft emporgerungen. Er hat es oft beklagt, von seinem Lehrer nur spärliche wissenschaftliche Förderung erhalten zu haben; nicht einmal eine Anregung zu entwicklungsgeschicht- lichen Untersuchungen hat er von Bischoff empfangen. Die Schu- lung in der systematischen Anatomie war dagegen eine gute und Kollmann hat zeitlebens die Vorzüge derselben hochgeschätzt. Sie bestanden nicht zum Mindesten in einer Hochschätzung der groben, makroskopischen Anatomie, soweit sie sich für die Praxis ver- werten lässt; auch die Präparationsmethode, welche im Seciersaale geübt wurde, hat diesem Umstande Rechnung getragen und wurde später von Kollmann im Basler Seciersaale eingeführt. Im Jahre 1861 unternahm Kollmann eine für ihn äusserst bedeutungsvolle Reise nach England und Frankreich. In London lernte er Owen, Huxley, Carpenter, Busk und Charpey kennen; im Paris trat er zu Claude Bernard und Flourens in Beziehung. Mit den englischen und französischen Naturforschern und Anatomen hat er auch später, besonders nach seiner Übersiedelung nach Basel, die Beziehungen aufrecht erhalten und bei weiteren Be- suchen in London und Paris erneuert. Er hat nicht bloss für seine wissenschaftlichen Arbeiten und Anschauungen daraus Nutzen gezogen, sondern auch manches für die Methodik des Unterrichtes sowie für die Technik der Herstellung der verschiedenartigsten Präparate nach Hause gebracht. Er war solchen Anregungen immer ausserordentlich zugänglich und gerne geneigt, neue Me- thoden auszuprobieren und zu verwerten, sogar bis in sein hohes Alter die Fortschritte der anatomischen Technik für seine eigenen Arbeiten heranzuziehen. So bewahrt die Basler anatomische An- stalt eine ganze Reihe von gut aufgestellten Präparaten der Knochen- entwicklung auf, die er im Jahre 1907 zu eigener Belehrung an- gefertigt hatte. So vorbereitet habilitierte er sich im Sommer-Semester 1861 an der Universität München für das Fach der Anatomie mit einer Schrift über die Entwicklung der Adergeflechte, ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Gehirns. Er gab Kurse über mikro- skopische Anatomie und hielt auch Vorlesungen über diesen Gegen- stand. Ferner war er auf dem Seciersaale tätig. Später las er einzelne Kapitel der systematischen Anatomie, ferner chirurgische Anatomie, sowie, im Auftrage der Akademie der bildenden Künste, auch Anatomie für Künstler, ein Stoff, der ihn frühe anzog und den er später in seinem Lehrbuche der plastischen Anatomie für Künstler vorzüglich bearbeitet hat. Der Lehrauftrag an der Aka- Prof. Julius Kollmann +. 15 demie der bildenden Künste brachte ihn zu einer grösseren Anzahl von Künstlern in Beziehung, denen er manche Anregung verdankt. In jener Zeit hat Kollmann sich wohl auch die Fertigkeit im Zeichnen erworben, die später in den Vorlesungen über systema- tische Anatomie und über Entwicklungsgeschichte wertvolle Ver- wendung fand. Im Jahre 1570 wurde er zum ausserordentlichen Professor an der Universität München ernannt; im Herbste des Jahres 1878 erhielt er einen Ruf auf den Lehrstuhl der Anatomie an der Uni- versität Basel, den er bis zu seinem Rücktritte im Herbste 1913 innehatte. In München verliess Kollmann einen Wirkungskreis, der, trotz mancher Einschränkung, doch in hohem Grade Befriedigung und Anregung gewährte. Im Frühjahr 1872 hatte er sich durch seine Verehelichung mit Fräulein Anna Maria Canton, der Tochter eines angesehenen Kaufmanns in Mainz, seinen eigenen Hausstand be- gründet. Sie brachte ihm ein reiches Gemüt und ein Herz voll hingebender Treue entgegen. Anspruchslos, tätig, ebenso gut wie verständig lebte sie einzig und allein für ihre Familie. Aus der 46jährigen Ehe entstammen zwei Söhne und zwei Töchter. Kollmann führte seine junge Frau in einen grossen Kreis Münchner Freunde ein. Im Mittelpunkte des geselligen Verkehrs standen damals noch Liebig und Prof. von Siebold sowie Hornstein. Zu intimen Freun- den Kollmanns gehörten Adolf Wilbrandt, Hans Hopfen, Viktor Müller, Pixis, Willich, Zittel, Bollinger, der Schweizer Dichter Leuthold, Seitz und Wilhelm Herz. Der Beziehungen zu den Künst- lern ist soeben gedacht worden, es wären hier noch zu nennen: Makart, Piloty, Hans Thoma, Kaulbach, Böcklin. Mit Paul Heyse bestand ebenfalls ein Verkehr und im befreundeten Hause Dönniges kam er viel mit Geibel und Bodenstedt zusammen. Wer Kollmanns lebhaftes Naturell kennen gelernt, kann sich leicht vorstellen, wie überaus wohl er sich in diesem Freundeskreise gefühlt hat. Noch jahrelang nach seiner Ubersiedelung nach Basel hat es ihn immer wieder nach München gezogen, bis der Freundeskreis durch den Tod oder den Wegzug seiner Mitglieder sich aufgelöst hatte. In Basel fand Kollmann reichlich Arbeit vor. Die anatomische Anstalt befand sich damals mit der pathologisch-anatomischen, der zoologischen und der physiologischen Anstalt zusammen in den Räumlichkeiten des Universitätsgebäudes, welche jetzt das zoolo- gische Institut allein beherbergen. Schon daraus geht hervor, dass die Einrichtungen sehr primitiver Art waren. Man kann sich heutzutage schwer eine Vorstellung machen von der äussersten Kompression, die dort über die vier genannten Disziplinen ver- 14 H. K. Corning. hängt war. Nur mit besonderer Geschicklichkeit konnte man sich zurecht finden, wobei zwei Diener sich in seltener Verschränkung aneinander vorbeischoben. Anatomie und vergleichende Ana- tomie wurden von Kollmann und ZRütimeyer in demselben Auditorium gelesen und es gehörte eine besondere Gewandtheit dazu, die für den Anschauungsunterricht bestimmten Präparate während der akademischen Viertelstunde wegzutragen resp. aufzustellen. Die Lage gestaltete sich etwas günstiger, als schon nach zwei Jahren die pathologische Anatomie ein selbständiges Gebäude im Spitalgarten erhielt. Aber eine wirkliche Besserung wurde erst durch die Errichtung des für die Aufnahme der anatomischen und physiologischen Anstalt bestimmten Vesalianums geschaffen, welches im Herbste 1885 bezogen werden konnte. Die Pläne für das neue Gebäude wurden von Kollmann und seinem Kollegen, dem Ordinarius für Physiologie, Fr. Miescher, gemeinsam ausgearbeitet. Zwar gelang es nicht, den Plan in seinem ganzen Umfange auszuführen; da die bewillisten Geldmittel nicht ausreichten, musste eine ziemlich weitgehende Beschränkung eintreten, allein der Plan und die Anordnung der Räume erwiesen sich als zweckmässig und genügten den Anforderungen während einer langen Reihe von Jahren. Erst mit der Zunahme des medi- zinischen Studiums gegen das Jahr 1905 wurde die Raumnot in beiden Anstalten wieder empfindlich, so dass im Jahre 1913, als Kollmann seine Professur niederlegte, die Frage eines abermaligen Neubaues, zunächst für die anatomische Anstalt allein, prinzipiell beschlossen wurde. Zu demselben wurde im Juli 1918, kurz nach Kollmanns Tod, der erste Spatenstich getan. Im Vesalianum verblieb Kollmann auch nach seinem Rück- tritte, bis ihn zunehmende Altersbeschwerden im Herbste des Jahres 1916 zwangen, auf eine Fortsetzung seiner wissenschaft- lichen Tätigkeit zu verzichten. Er hatte in den letzten drei Jahren über Anthropologie Vorträge gehalten, zum letzten Male Ende Juni 1916. Seit 1861, also während 55 Jahren hatte er als aka- demischer Lehrer gewirkt. Neben der Hebung der anatomischen Anstalt war die damit zusammenhängende Ausbildung des Unterrichts eine der ersten Aufgaben, an welche Kollmann in Basel heranging. Er hatte laut seinem Anstellungsdekrete das ganze Fach der menschlichen Ana- tomie zu vertreten; so las er während 35 Jahren die systematische Anatomie, mit Ausschluss der Osteologie und Syndesmologie, da- neben in der ersten Zeit auch noch topographische Anatomie, Histologie und Entwicklungsgeschichte. Ferner hielt er den histo- logischen Kurs ab und leitete die Secierübungen. In den letzten Prof. Julius Kollmann +. 15 ‘ zehn ‚Jahren seiner Tätigkeit, als er sich mit der Abfassung eines Lehrbuches der Anthropologie beschäftigte, übernahm er die bis dahin vom Prosektor gehaltene Vorlesung über Osteologie und Syndesmologie und überwies diesem die Vorlesung über Entwick- lungsgeschichte. Der Prosektor las vom Jahre 1890 an topo- graphische Anatomie und Dr. Hermann Griesbach aus Mülhausen übernahm im Jahre 1884 die Vorlesung über allgemeine und spezielle Histologie. Kollmann besass als Lehrer ganz ausgezeichnete Eigenschaften. Sein Vortrag war fliessend, lebhaft und anregend. Er bereitete seine Vorlesungen sorgfältig vor, indem er vor allem darauf be- dacht war, etwas Vollständiges zu liefern und doch, auf der anderen Seite, der Erschöpfung sowohl des Gegenstandes als auch des Hörers aus dem Wege zu gehen. Im Winter-Semester wurden, wohl nach dem vom Bischoff herstammenden Usus, drei Leichen für die Vorlesung präpariert; die erste für die Muskellehre, die zweite, arteriell injicierte, für die Gefässlehre und die dritte für die Venen, insbesondere diejenigen der grossen Körperhöhlen und der Eingeweide. Auf diese Weise erhielt der Student ein weit anschaulicheres Bild des Verhaltens der Teile zu einander, als dasjenige sein kann, welches von einem getrockneten oder in Alkohol aufbewahrten Präparat geboten wird. Kollmann legte immer grossen Wert auf Demonstrationen; er beschränkte sich dabei immer auf das Wichtigste und verlor sich niemals in den Einzel- heiten. Er begrüsste jeden Zuwachs an Hilfsmitteln für den Unter- richt; so hat er mit der Zeit eine fast vollständige Sammlung aller Wachsmodelle zusammengebracht, welche die verschiedenen Ent- wicklungsvorgänge veranschaulichen. Er hat sich schon früh mit der Projektion von Diapositiven und mikroskopischen Präparaten abgegeben, aber auch hierin hütete er sich zu weit zu gehen; er legte sich in all diesen Dingen eine weise Beschränkung auf. Das gilt auch für die Aufnahme neuer Tatsachen und An- schauungen in den anatomischen Lehrstoft; denn trotz seines san- guinischen Temperamentes und seines weitgehenden Interesses für die Ergebnisse der neueren Forschung war Kollmann in dieser Be- ziehung sehr kritisch. Zwar verfolgte er die neuere Literatur nicht bloss mit Hinblick auf seine wissenschaftlichen Arbeiten, son- dern auch von dem Gesichtspunkte des akademischen Lehrers aus, auch besass er bis in sein höheres Alter die seltene Eigenschaft, umlernen und neue Anschauungen, auch wenn sie manchem Fest- gewurzelten widersprachen, in sich aufnehmen zu können. So hat er, von der systematischen Anatomie ausgehend, doch auch die von @egenbaur vertretene morphologische Richtung in ihrer Be- ‘16 H. K. Corning. deutung für den Unterricht sehr hoch eingeschätzt; er zog die vergleichende Anatomie und die Entwicklungsgeschichte häufig zur Erklärung heran, aber er war damit, wie in allem, vorsichtig und vergass nie, dass er angehende Mediziner und nicht etwa Zoologen vor sich hatte. Die entwicklungsmechanischen Betrachtungen blieben ihm dagegen fremd, obgleich er ihre Bedeutung für die Lösung mancher Fragen nicht verkannte und nicht selten auch auf die Zukunft hinwies, welche ihnen besonders im Hinblick auf Fragen der Praxis vorbehalten sei. Für letztere hatte er aus seiner Münchner Zeit ein lebhaftes Interesse bewahrt, schon damals hatte er chirurgische Anatomie gelesen, ja sogar, von der Persön- lichkeit Nussbaums angezogen, sich eine Zeit lang mit dem Ge- danken getragen, zur Chirurgie überzugehen. Um die Basler Universität und um seine neue Heimat hat sich Kollmann in mancher Hinsicht grosse Verdienste erworben. Er brachte aus München einen Sinn für die verschiedenartigsten gemeinsamen Bestrebungen mit, der gerade hier in glücklicher Weise sich äussern konnte. In der medizinischen Fakultät genoss er grosses Ansehen; auch den Angelegenheiten der Universität als Ganzes brachte er Interesse entgegen und schon vier Jahre nach der Ubernahme der anatomischen Professur (1882) übertrug ihm das Vertrauen seiner Kollegen die Rektorwürde. Er war kurz darauf Dekan der medizinischen Fakultät, an deren Verhandlungen er bis an sein Lebensende lebhaften Anteil nahm. Auch sass er in zahlreichen Kommissionen. so in derjenigen für die ethnographische Sammlung, deren tätiger Präsident er während einiger Jahre war, ferner in der Kommission für die populären Vorträge und war auch zeitweilig Vorsitzender der naturforschenden und der medizinischen Gesellschaft, immer mit Wort und Tat für die Wissenschaft wir- kend; in beiden hielt er zahlreiche Vorträge. Er war ein eifriger Besucher der Versammlungen der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft. Kollmann war persönlich einem sehr weiten Kreise von Ana- tomen, Anthropologen, Medizinern und Naturforschern, nicht bloss der Schweiz und Deutschlands, sondern auch des Auslandes be- kannt. Es war ihm die persönliche Aussprache mit Menschen ein Bedürfnis und so kam es, dass er als ein regelmässiger Besucher der verschiedensten Kongresse und wissenschaftlichen Versamm- lungen mit vielen Fachgenossen in Verkehr trat. Zurzeit, da er Privatdozent in München war, bildeten die Versammlungen deutscher Naturforscher und Arzte fast die einzige wissenschaftliche Veran- staltung dieser Art in Deutschland. Später, vom Jahre 1869 an kamen die Versammlungen der anthropologischen Gesellschaft dazu. Prof. Julius Kollmann 7. 17 Kollmann war in beiden tätig, er war auch längere Zeit hindurch Sekretär der deutschen anthropologischen Gesellschaft und Heraus- geber des Anthropologischen Korrespondenzblattes. Auch die internationalen medizinischen Kongresse hat er mehrmals besucht, so diejenigen von Berlin, Rom und London, ferner die Versamm- lungen der British Association of Science und der Association française pour l’avancement des sciences. Besonders waren es aber die Versammlungen der anatomischen Gesellschaft, welche ihn in den letzten 30 Jahren seines Lebens anzogen, hier hat er zahlreiche Vorträge gehalten, sich über manche Fragen wissen- schaftlicher und technischer Natur Belehrung geholt und viele Verbindungen, besonders auch mit der jüngeren Generation von Anatomen angeknüpft. Bis gegen sein 75. Lebensjahr ist er nur selten den Versammlungen der anatomischen Gesellschaft fern- geblieben. Er hat derselben nicht unerhebliche Dienste geleistet bei der Revision der anatomischen Nomenclatur, deren Ergebnisse im Jahre 1895 von der Versammlung in Basel gutgeheissen wurden und in demselben Jahre, von W. His herausgegeben, im Drucke erschienen. Kollmann war auch sonst ein wertvolles, für jede ge- meinnützige Bestrebung leicht zu gewinnendes Mitglied der Gesell- schaft; so hat er z. B. an dem Plane von W. His, ein Institut für Hirnforschung zu errichten, lebhaften Anteil genommen. Sein leicht sanguinisches Naturell und seine angenehmen Umgangs- formen machten ihn kei allen Kollegen beliebt und manche freund- schaftliche Beziehung wurde auf den Versammlungen der Gesell- schaft angeknüpft. Kollmanns erste Publikation erschien im Jahre 1860 unter dem Titel: Über den Verlauf der Lungenmagennerven in der Bauchhöhle, mit 2 lithographierten Tafeln, in dem 5. Bande der Zeitschrift in. wissenschaftliche Zoologie, als eine von der Münchner medizinischen Fakultät gekrönte Preisschrift; die letzte Arbeit aus dem Jahre 1915 handelte von Termitengängen im Schädeldache zweier amerikanischer Pygmäen. Zwischen beiden Arbeiten liegt ein Zeitraum von 55 Jahren und eine reiche wissenschaftliche Tätigkeit auf den verschiedensten Gebieten. Als Kollmann im Jahre 1858 seine akademische Laufbahn an der Münchner anatomischen Anstalt antrat, war die mächtige An- regung zur Um- und Neugestaltung der anatomischen Wissenschaft, welche das erst im Jahre 1859 erschienene Werk Darwin’s: „On the origin of species“ brachte, noch nicht erfolgt. Wir können uns heutzutage nur schwer in den Zustand der Wissenschaft von damals hineindenken. Wohl hatten Johannes Müller und auch Heinrich Rathke die Wege gewiesen, auf welchen Gegenbaur die 2 18 H. K. Cornine. vergleichende Morphologie zu Ehren brachte, aber erst 1859 erschien des Letzteren Lehrbuch der vergleichenden Anatomie, in welchem gewissermassen das Programm der neuen Schule aufgestellt wurde. Erst erheblich später, in der ersten Hälfte der siebziger Jahre, griff der Einfluss Gegenbaurs unter den jüngeren Anatomen um sich. An den meisten deutschen Universitäten wurde die mensch- liche Anatomie rein descriptiv-systematisch behandelt, etwa so wie sie uns in der ersten Auflage von Henle’s Handbuch überliefert ist, höchstens belebt mit Ausblicken auf die Physiologie der Or- gane oder auf die praktische Bedeutung gewisser Verhältnisse. In eine solche Schule war Kollmann bei Bischoff eingetreten. Die Tatsachen hatten vor allem Wert: auf ihre Verknüpfung und Be- deutung kam es erst in zweiter Linie oder auch gar nicht an. So ist es durchaus begreiflich, wenn Kollmanns Erstlingswerk eine genaue Darstellung des Verlaufes und der Verbreitung des N. vagus brachte. Bemerkenswert ist der Nachweis, dass der linke Vagus, die Chorda oesophagei post. gewisser Autoren, im Speise- röhrengeflechte eine grosse Anzahl Fasern vom vorn gelegenen rechten Vagus aufnimmt und bloss den kleineren Teil seiner Aste an den Magen, die meisten dagegen an die Leber, die Milz, die Niere und Nebenniere entsendet und ausserdem den ganzen Dünn- darm versorgt. Die Innervation des Dünndarms durch den Vagus wird in den meisten Lehrbüchern der Anatomie nicht erwähnt (ein Hinweis fehlt bei Gegenbaur, Krause, Poirier und Charpey, Gray, Cunningham). Erst vor kurzem ist die Tatsache sowohl für Affen als für den Menschen von P. Donker (Anat. Anz. 51, 1918) allerdings ohne Anführung. der Kollmann’schen Abhandlung wieder aufgedeckt worden. Im Jahre 1861 erschien die Habilitationsschrift „Über die Entwicklung der Adergetlechte“, welche zum ersten Male diese Bildungen als entstanden durch die Einstülpung der noch epithelialen Hirnwandung nachgewiesen hat, wie das heute an jedem Quer- schnitte durch ein frühfetales Gehirn zu erkennen ist. Aus der ersten Münchner Zeit stammen eine ganze Reihe von Abhandlungen histologischen Inhaltes. So behandelt die Arbeit: „Zur Anatomie der Niere“ 1864, die Zerhältnisse der feineren Gefässverzweigung in der Niere, besonders das Kapillarnetz der : Rinde und den Verlauf und die Verzweigung der Gefässe der Marksubstanz. — Der Aufsatz „Über die Entwicklung der Milch- und Ersatzzähne“ (1869) stellt die erste von einer Reihe Unter- suchungen über die Zahngebilde dar, die auch heutzutage noch lesenswert sind. Kollmann hat darin zum ersten Male versucht, eine ganze Anzahl von Zahnanomalien durch die normale Entwick- Prof. Julius Kollmann 7. 19 lungsgeschichte der Zahnleiste und der einzelnen Zähne zu erklären. Er behandelte dabei die erste Anlage der Milchzähne, die Anlage der Keime für die Ersatzzähne, die Varietäten der Zähne und der Zahnbildung, das Schmelzoberhäutchen, die Konturlinien im Zahn- bein. Die Arbeit Kollmanns hat definitiv die von französischen Autoren (Robin, Magitol u. A.) vertretene Ansicht widerlegt, dass die Zähne mit all’ ihren Teilen sich in der Tiefe der Schleimhaut von freien Stücken und unabhängig von der oberen Schleimhaut- lage und ihrem Epithel entstehen und die von Kölüker, Waldeyer und Hertz vertretene Ansicht der Entstehung aller Zahngebilde aus einer epithelialen und einer mesodermalen Anlage als richtig erwiesen. Als Ergänzung zu der grösseren Arbeit erschienen eine Reihe von kleineren Mitteilungen über die Struktur der Zähne, während der Jahre 1869 —1872 in den Sitzungsberichten der Münchner Akademie der Wissenschaften. Die Anregung zur Be- schäftigung mit der Histologie scheint Kollmann von Hessling er- halten zu haben, welcher seit den fünfziger Jahren in München auf diesem Gebiete tätig war. Kollmann hatte sich mit der von Thiersch eingeführten und vervollkommneten Technik der Gefäss- injektion vertraut gemacht und dieselbe schon in seiner Arbeit über den feineren Bau der Niere in Anwendung gebracht, dann bei den Untersuchungen über das Gefässystem der Mollusken, welche er im Jahre 1874 in der Zoologischen Station zu Neapel anstellte. In das Jahr 1877 fällt auch die Arbeit über die Bindesub- stanz der Acalephen, in welcher Kollmann über die Entstehung der leimgebenden Fibrillen Ansichten äussert, die den landläufigen Vorstellungen der damaligen Zeit widersprachen, aber der neueren Lehre in vielen Punkten sich nähern. Weitere histologische Ar- beiten handeln von Häutchenzellen und Myxom (1876), von struktur- losen Membranen (1876), von dem Baue der roten Blutkörperchen (1873), über die Unterbrechung des Kreislaufes in der Spongiosa der Knochen und über die Bedeutung der Arachnoidealzotten (1880), über tierisches Protoplasma (1882). Mit der Abgabe der Vorlesung über Histologie an Prof. Griesbach aus Mülhausen im Jahre 1884 scheint Kollmanns Interesse an der histologischen For- schung erlahmt zu sein; er wandte sich von nun an besonders zwei Gebieten zu, einerseits der Entwicklungsgeschichte, resp. der vergleichenden Anatomie, anderseits der somatischen Anthropologie, von denen das letzgenannte ihn bis an sein Lebensende beschäf- tigte (seine letzte Publikation, aus dem Jahre 1915, war anthro- pologischen Inhaltes). Kollmann hatte sich schon in München mit embryologischen Untersuchungen abgegeben, wie seine Abhandlung über die Ent- 29 H. K. Corning. wicklung der Zähne beweist. Auch hatte er sich schon vor seiner Übersiedelung nach Basel mit der Entwicklungsgeschichte des Hühnchens vertraut gemacht. Es lag das eben im Zuge der da- maligen Zeit, als die Schriften Darwins, die Anthropogenie, und die generelle Morphologie von Aaeckel die neue Richtung der tierischen Morphologie zu bestimmen begannen. Kollmann hat oft geschildert, welche Wirkung die Schriften Darwins schon in den sechziger Jahren auf ihn ausgeübt hatten; es „sei ihm wie Schuppen von den Augen gefallen“ und seit jener Zeit war der Descendenz- gedanke in seinem wissenschaftlichen Denken und Arbeiten der vorherrschende. In mehreren populären Schriften hat er sich mit der Descendenztheorie beschäftigt, obgleich er allerdings an dem eigentlichen Kerne der Darwin’schen Lehre, der Selectionstheorie, stillschweigend vorbeigegangen ist. An der späteren Entwicklung der Descendenzlehre durch Weismann, den Angriffen auf die Se- lectionstheorie, die mit dem Anfange der neunziger Jahre auf ein- ander folgten, hat er nicht mehr teilgenommen; aber seine ent- wicklungsgeschichtlichen Arbeiten fussten auf der Descendenztheorie und wiesen immer wieder auf dieselbe hin. Die Reihe dieser Ar- beiten begann mit der im Jahre 1879 erschienenen Schrift über die menschlichen Eier von 6 mm Grösse, es folgten Arbeiten über die Verbindungen zwischen Coelom und Nephridium, über Muskel- Varietäten (1883), über das Uberwintern von europäischen Frosch- und Tritonenlarven und die Umwandlung des mexikanischen Axo- lotls (1883), über den Randwulst und den Ursprung der Stütz- substanz (1884), über Körperform und Bauchstiel eines mensch- lichen Embryos von 2,5 mm Länge (1890), über Furchung des Selachiereies (1886), die Entwicklung der Chorda dorsalis des Menschen (1890), über die Körperform menschlicher normaler und pathologischer Embryonen (1889), über die Rumpfsegmente mensch- licher Embryonen (1891), Beiträge zur Embryologie der Affen (1892), Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen (1898), die Entwicklung der Lymphknoten im Blinddarm und in dem Pro- cessus vermiformis (1900), Kreislauf der Placenta, Zotten und Telegonie (1901), Handatlas der Entwicklungsgeschichte des Men- schen, 2 Bände (1907). Die Arbeiten über menschliche Entwicklungsgeschichte schlossen sich an diejenigen von His an, welcher in der Entwicklungs- geschichte menschlicher Embryonen (1880—1885) das Gebiet zu- sammenfassend bearbeitet hatte. Die Arbeit über das Überwintern der Frosch- und Tritonlarven bildete den Ausgangspunkt für die spätere Forschung über diesen Gegenstand; die Erscheinung der Persistenz der Larvenform wurde später von Boas mit der Be- Prof. Julius Kollmann 7. 21 zeichnung Neotenie belegt. Die Mannigfaltigkeit der Arbeiten legt wohl Zeugnis ab für die verschiedene Richtung von Kollmanns Interesse auf dem Gebiete der Entwicklungsgeschichte. Im Jahre 1869 war die deutsche anthropologische Gesellschaft gegründet worden. Kollmann, der sich schon in den sechziger Jahren mit anthropologischen Studien abgegeben hatte, schloss sich sofort der Gesellschaft an, deren Versammlungen er während einer langen Reihe von ‚Jahren regelmässig besuchte. Die Uber- nahme der Stelle des Sekretärs der Gesellschaft und des Heraus- gebers des anthropologischen Korrespondenzblattes brachten ihn in Beziehungen zu den deutschen und zu vielen ausländischen Anthro- pologen. Seine früheste anthropologische Arbeit stammt aber erst aus dem Jahre 1873; sie handelt von altgermanischen Gräbern in der Umgebung des Starnbergersees. Im Jahre 1877 folgt eine Arbeit über Schädel aus alten Grabstätten Bayerns, in welcher sämtliche in München vorhandenen Gräberschädel Bayerns einer rassenanatomischen Untersuchung unterworfen wurden. Von 1880 bis 1915 verging fast kein Jahr, in welchem Kollmann sich nicht publizistisch mit der Anthropologie beschäftigt hätte. Ich führe folgende Arbeiten besonders auf: Beiträge zu einer Kraniologie der europäischen Völker (1882—1883) und zahlreiche weitere Ab- handlungen über die europäischen Menschenformen, die er aus allen Perioden untersuchte, um ein Gesamtbild der europäischen Menschheit und ihrer körperlichen Entwicklung zu gewinnen. Ein Hauptergebnis dieser Untersuchungen lag in dem Nachweis zweier typischer Formen in der Schädel- und Gesichtsgestaltung, für welche er die Bezeichnung Lepto- und Chamaeoprosopie (Lang- und Breitgesichter) einführte. Eine grosse Überraschung brachte die Schrift: Der Mensch von Schweizersbild aus Nuesch : Das Schwei- zersbild, eine Niederlassung aus palaeolithischer und neolithischer Zeit (1895, zweite Auflage 1901), in welcher zum ersten Male das Vorkommen eines Pygmäenvolkes unter der Urbevölkerung Europas nachgewiesen wurde an Hand der zahlreichen in Schweizersbild (Kt. Schaffhausen) gefundenen, im Schweiz. Landesmuseum zu Zürich aufbewahrten Knochenresten. Durch seine Abhandlung hat Kollmann die Kenntnis der normalen Zwergformen stark ge- fördert; er hat zuerst auf die weite Verbreitung der Pygmäen über den ganzen Erdball hingewiesen, sowie auf ihre Verschieden- heit von den hochgewachsenen Formen. Er nimmt an, dass sie als Formen aufzufassen seien, welche einer früheren Schöpfungs- geschichte des Menschen angehören als die hochgewachsenen Varie- täten. Im ganzen Bereiche der Säugerwelt zeigt sich, dass ım allgemeinen die grossen Formen von kleinen abstammen. Die Vor- 22 H. K. Cornine. läufer der grossen Varietäten waren nach Kollmann also wohl zunächst Pygmäen. Endlich sei auch der mit dem Künstler W. Büchly zusammen durchgeführten Arbeit „Uber die Persistenz der Rassen und die Rekonstruktion der Physiognomie -prähistorischer Schädel“ ge- dacht, aus dem Jahre 1898. Kollmann und Büchly haben unter Benutzung der von W. His bei der Rekonstruktion der Gesichts- formen Joh. Seb. Bachs angewandten Methode die Weichteile auf einem aus Auvernier am Neuenburgersee stammenden Schädel modelliert und so die Gesichtszüge eines prähistorischen Menschen der Nachwelt vor Augen gestellt. Die Arbeit hat, ebenso wie der Gipsabguss der Büste, eine weite Verbreitung gefunden; es scheint auch, dass die Methode, trotz der geäusserten kritischen Bedenken, doch innerhalb gewisser Grenzen berufen ist, die Frage nach der Gesichtsform der prähistorischen Rassen zu lösen. Das Ergebnis hat übrigens die stets von Kollmann verteidigte These bestätigt, dass die Menschenrassen eine grosse Beständigkeit besitzen und im Laufe der Jahrtausende nur geringfügige Anderung erfahren. Während der letzten zehn Jahre seines Lebens beschäftigte sich Kollmann mit der Abfassung eines Lehrbuches der somatischen Anthropologie, mit zahlreichen Abbildungen, dessen Erscheinen durch den Ausbruch des Weltkrieges verhindert wurde. Manuskript und Abbildungen hegen fast druckfertig vor, so dass wir zur Hoff- nung berechtigt sind, dass nach Eintritt normaler Verhältnisse das Werk zur Ausgabe gelangen kann und die Früchte einer über 40jährigen Beschäftigung mit dem Gegenstande uns nicht verloren gehen werden. Eine Reihe von populären und halbpopulären Schriften ist im Literaturverzeichnis aufgeführt. Sie behandeln meist die Descen- denzlehre, auch anthropologische Themata, ferner Fragen wie die- jenige nach der Zweckmässigkeit der Fussbekleidung, die Schul- hygiene vom anatomischen Standpunkte aus u. dgl. mehr. Sie liefern einen weiteren Beweis für die Vielseitigkeit von Kollmanns Interessen und für seine Bereitwilligkeit, die weitere Öffentlichkeit über anatomische Fragen aufzuklären. Ein Werk Kollmanns auf ganz anderm Gebiete verdient be- sondere Erwähnung. Ich meine seine „Plastische Anatomie des menschlichen Körpers“, die in erster Auflage ım Jahre 1886 er- schien, in dritter Auflage im Jahre 1910. Es gehört zum Besten, das Kollmann geschrieben hat; die Darstellung ist geschickt, der Stil fliessend und klar, die Abbildungen mit viel Sorgfalt ausge- wählt. Man merkt es dem Buche an, dass Kollmann sich viel mit bildender Kunst beschäftist hatte und wohl auch aus seinem Prof. Julius Kollmann +. 23 ausgedehnten Verkehr mit Künstlern der verschiedensten Richtung während seiner Münchner Zeit manchen Nutzen für die Auffassung der äusseren Formen des menschlichen Körpers gezogen hatte. Wie aus dem Gesagten hervorgeht, hat Kollmann nach den verschiedensten Richtungen eine reichliche Arbeit für die Wissen- schaft und für die Universität Basel geleistet. Sein Andenken wird bei den vielen Studierenden, die er im Laufe seiner 52jäh- rigen Dozentenzeit in die Grundwissenschaft des medizinischen Studiums einführen durfte, ein dauerndes sein. Seine Leistungen auf wissenschaftlichem Gebiete sind erhebliche und zum Teil auch dauernde. Jeder ist das Kind seiner Zeit. Kollmann gehörte in die Periode, als der Descendenzgedanke durch die Selectionstheorie Darwins eine neue Begründung zu erhalten schien und mächtig auf die wissenschaftlichen Anschauungen und Leistungen ein- wirkte, um von der Mitte der neunziger Jahre an allmählich diese Rolle an die durch Rowx präzisierte Entwicklungsmechanik abzu- geben. In jüngeren Jahren hat Kollmann die Bedeutung der Des- cendenztheorie erkannt und wie manch’ anderer hat er in Ver- tretung des neuen und vielfach angefochtenen Gedankens auch Pionierarbeit getan. Sein lebhaftes sanguinisches Naturell hat ihm manche Anfeindung zugezogen. Aber niemals hat er scharf geant- wortet; beim Durchgehen seiner Schriften fällt die milde vornehme Art auf, mit der er seinen Gegnern erwiderte. Er hat niemals Händel gesucht und seine Milde nahm mit dem Alter zu. Verzeichnis der Publikationen Prof. Kollmann’s. 1860. Ueber den Verlauf der Lungenmagennerven in der Bauchhöhle mit 2 lith. Tafeln. Zeitschr. f. wiss. Zool. 1860. Eine von der med. Fakultät in München gekrönte Zeitschrift. 1860. Hessling. und Kollmann: Atlas der allgemeinen tierischen Gewebelehre. Nach der Natur photographiert von Jos. Albert, Hofphotograph in München. Leipzig 1860. 2 Lieferungen. 1861. Die Entwicklung der Adergeflechte. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Gehirns. Habilitationsschrift mit 1 Tafel. Leipzig. Engelmann. 1864. Zur Anatomie der Niere. Zeitschr. f. wissensch. Zool. XIV. 2 Tafeln. 1868. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Menschen. Zeitschr. f. Biologie. IV. 1868 mit 1 Tafel. 1869. Entwicklung der Milch- und Ersatzzähne beim Menschen. Zeitschr. f. wiss. Zool. XX. mit 2 Tafeln. 1869. Ueber Hyperdentition und Dislokation einzelner Zähne. Sitz.-Ber. der Münchner Akad. d. Wiss. Math.-phys. Kl. 6. März. 1869. Die Interglobularräume in der Substantia eburnea der Zähne. ibid. 6. März. 1869. Ueber das Schmelzoberhäutchen und die Membrana praeformativa. ibid. 6. Febr. 1869.: Ueber die Struktur der Elephantenzähne. ibid, 4. Nov. 1881. 1882. 1882. 1883. 1883. 1883. 1883. H. K. Corning. Ueber Linien in Schmelz und Cement der Zähne. ibid. 2. Dez. Zahnbein, Schmelz und Zement, eine vergleichend histologische Studie. Zeitschr. f. wiss. Zool. XXIII. Ueber den Einfluss des Wassers auf die weissen Blutkörperchen. Sitz.- Ber. d. math.-phys. Kl. d. Münchner Akad. d. Wiss. 6..Dez. Altgermanische Gräber in der Umgebung des Starnbergersees. 1 Tafel. ibid. 6. Dez. Bau der weissen Blutkörperchen. Zeitschr. f. wiss. Zool. XXIll. 1 Tafel. Mechanik des menschlichen Körpers, mit 69 Holzschnitten. 8°. München, Oldenburg. Die Cephalopoden in der zoologischen Station zu Neapel. Zeitschr. f. wiss. Zool. XXVI. Der Kreislauf des Blutes bei den Lamellibranchiern, den Aplysien und den Cephalopoden. Zeitschr. f. wiss. Zool. XXVI. Aus dem Leben der Cephalopoden. Vierteljahrschr. f. wiss. Zool. Band I. Strukturlose Membranen bei Wirbeltieren und Wirbellosen. Sitz.-Ber. d. math.-phys. Kl. d. Münchner Akad. d. Wiss. 7. Juni. Häutchenzellen und Myxom. Virchows Archiv. 68. Haben die Mollusken einen geschlossenen oder einen unterbrochenen Kreislauf? Mitteilung in der VII. Sektion (Zoologie) auf der 50. Ver- sammlung deutscher Naturforscher-Aerzte in München. Bericht s. 177. Die Bindesubstanz der Acephalen. Archiv f. mikroskop. Anat. XII. Schädel aus alten Grabstätten Bayerns. Mit 3 Taf. Beitr. 3. Anthropologie und Urgeschichte Bayerns. Band LI. Die Aufgaben des anatomischen Unterrichts. Eine Rede, gehalten beim Antritt des Lehramtes zu Basel am 10. Mai 1878. Basel. Georg & Cie. Die menschlichen Eier von 6 mm Grösse. Archiv f. Anat. und Entwick- lungsgesch. 1879. 275—309. : Ein alter Anatom und ein neuer Kulturhistoriker. Deutsche Revue. HT. Bd. Verschollene Kulturvölker. Deutsche Revue. IV. Band. Ein wissenschaftlicher Kongress auf afrikanischem Boden. Deutsche Revue. V. Band. Virchow. Ein Artikel zu der Feier seiner 25jährigen Lehrtätigkeit in Berlin. Korrespondenzblatt für Schweizer Aerzte, XI. No. 22. Europäische Menschenrassen. Mitteilungen der Wiener anthropologischen Gesellschaft. 49. Les races humaines de l’Europe, et la composition des peuples. C. rend. de l’assoc. française pour l’avanc. des Sc. Session à Rouen. 16 Avril 1881. p. 742. Eine Begutachtung über die Beschuhung der Infanterie im Anschluss an die neueren Schriften. Korrespondenzbl. f. Schweiz. Aerzte. 1881. No. 21. Ueber Verbindungen zwischen Coelom und Nephridium. Festschr. z. Feier d. 300jähr. Bestehens der Julius Maximilians-Universität zu Würzburg, gewidmet von der Universität Basel. Mit 3 Tafeln. 4°. Ueber tierisches Protoplasma. Biol. Centralblatt, IT. No. 5 u. 4. Referat über Huxleys wissenschaftliche Vorträge, L. Rütimeyers Studien zur Geschichte der Hirschfamilie, und Rieger, Ueber die Beziehungen der Schädellehre zur Physiologie. Biol. Centralblatt, II. No. 21. Zur Begriffsbestimmung organischer Individuen. Biol. Centralbl. II. No. 3 Die Wirkung der Correlation auf den Gesichtsschädel des Menschen. Allg. Wiener med. Zeitung. 1883. No. 40. Rationelle Schuhform. Korrespondenzblatt f. Schweizer Aerzte. 1883. 1883. 1883. 1883. 1883. 1883. 1885. 1883. 1885. 1883. 1884. 1884. 1884. 1884. 1884. 1884. 1884. 1885. 1885. 1884. 1884. 1885. 1885. 1886. 1886. 1886. 1886. Prof. Julius Kollmann 7. 25 Muskelvarietäten als Spuren alter Herkunft des Menschen. Biol. Central- blatt. 1883. Elementares Leben. Sammlung gemeinverständl. wissenschaftl. Vorträge, herausgegeben von R. Virchow u. Hotzendorf. Heft 423. Gestalt und Grössenentwicklung menschlicher Embryonen bis zum Schlusse des 2. Monats, von W. His. Referat im Schweizer. Korrespondenzbl. 1883. Die Autochthonen Amerika’s. Zeitschr. f. Ethnologie. 1883. Pori aquiferi und Intercellulargänge im Fusse der Lamellibranchiaten u. Gastropoden. Verh. d. Naturf. Ges. in Basel. VII. Jahrg., 2 Heft, s. 3. Das Ueberwintern von europäischen Frosch- und Tritonlarven und die Verwandlung des mexikanischen Axolotls, Verh. der Naturf. Ges. in Basel. VII. 387. Deux espèces de variations correlatives dans le cräne facial de l'homme. C. rend. Assoc. franc. av. Sc. Congrès de Rouen. 1883. L’hivernage de larves de grenouilles et de tritons d’Europe, et la meta. morphose de l’Axolotl de Mexique. Rec. zool. suisse. t. I. Ueber den Wert pithekanthropoider Formen an dem Gesichtsschädel des Menschen. — Die Wirkung der Korrelation auf den Gesichtsschädel des Menschen. Korrespondenzbl. d. deutschen anthrop. Ges. 1883. ;No. 11, Die Anpassungsbreite der Batrachier und die Korrelation der Organe. Zool. Anz. 1884. No. 167. Intracelluläre Verdauung in der Keimhaut von Wirbeltieren. Rec. zool. suisse. t. I. Craniologische Mitteilungen. Antiqua, Zürich. 800. No. 7. 1) Schädel aus dem Pfahlbau auf dem Haumesser. 2) Schädel aus dem Pfahlbau auf dem grossen Hafner. Craniologische Mitteilungen. Ein Schädel aus der Pfahlbaute bei Bevaix und die Ausgrabungen in Hermence. Antiqua, Zürich. 8%, No. 8. Hohes Alter der Menschenrassen. Zeitschr. f. Ethnol. 1884. Der Randwulst und der Ursprung der Stützsubstanz. Archiv f. Anat. u. Physiol (Anat. Abt). 1884 Mit 3 Tafeln. Ein Nachwort. Arch. f. Anat. u. Physiol (Anat. Abt.). 1884. Ueber gemeinsame Entwicklungsbahnen der Wirbeltiere. Zeitschr. f. wiss. Zool. 41. Rassenanatomie der europäischen Menschenschädel. Naturforscher-Vers. in Strassburg. Sektion f. Anat. u. Anthrop. Das Totenfeld in Confignon. Kt. Genf. Antiqua, Nr. 11 (1884). Der Mesoblast und die Entwicklung der Gewebe bei Wirbeltieren. Biol. Centralbl. IN. Die Verbreitung des blonden und des brünetten Typus in Mitteleuropa. Korrespondenzbl. d. deutschen anthrop. Ges. Gemeinsame Entwicklungsbahnen der Wirbeltiere. Arch. f. Anat. u. Physiol. (Anat. Abt.). 1885. Weismann, A. Die Bedeutung der geschlechtlichen Fortpflanzung für die Selectionstheorie. R. Virchow. Ueber Akklimatisation ein kritisches Referat, Biol. Centralblatt. V. 1886. Plastische Anatomie des menschlichen Körpers. Ein Handbuch f. Künstler u. Kunstfreunde. Leipzig 1886. In III. Auflage erschienen 1910. Zwei Schädel aus Pfahlbauten u. die Bedeutung desjenigen von Auvernier für die Rassenanatomie. Mit 2 Abbild. Verh. der Naturf Ges. zu Basel 1886. VIII. Ueber den Flug der Vôgel. Biol. Centralblatt V. 26 H. K. Cornine. 1886. Ueber Forschung am Selachiereie. Die Geschichte des Primitivstreifens bei den Meroblastiern. Verh. d. Naturf. Ges. zu Basel. VII. 1. Heft. 1887. Ethnologische Literatur Nordamerika’s. Verh. d. Naturf. Ges. zu Basel. VII. 2. Heft. 1889. Handskelett und Hyperdaktylie. Mit 1 Taf. Anat. Anz. 1889. 1889. Die Anatomie menschlicher Embryonen von B. His. Eine Ankündigung. Verh. d. Naturf. Ges. zu Basel. 1889. Die Körperform menschlicher normaler und pathol. Embryonen. Arch. f. Anatou. Phys. (anat. Aht.). 1 Tafel... 1889. 1889. Die Menschenrassen Europa’s und Asiens. Verh. der Ges. deutscher Naturf.-Aerzte in Heidelberg. 1889. 1889. Körperform u. Bauchstiel eines menschl. Embryos von 2,5 mm Länge. ibid. 1876-1885. Jahresberichte über Rassenanatomie des Menschen in den Jahresb. f. Anat. u. Phys. von Hofmann und Schwalbe. 1880-1890. Referate über die Fortschritte der Anatomie in den Jahresberichten über die Fortschritte der medizin. Wissenschaften, herausgegeben von R. Virchow und Hirsch. 1890. Zur Entwicklung der Chorda dorsalis beim Menschen. Anat. Anz. 1890. 1891. Die neuesten Forschungen über den Aufbau des Wirbeltierkörpers. Korrespondenzblatt f. schweizer. Aerzte. XXI. 1891. 1891. Die Rumpfsegmente menschl. Embryonen von 13—35 Urwirbeln. Arch. f. Anat. u. Physiol. (Anat. Abt.). 3 Tafeln. 1891. 1892. Noch einmal Herr v. Török. Entgegnung von ... Korrespondenzblatt d. deutschen anthrop. Ges. XXIII. Jahrg. No. 1. 1892. Beiträge zur Embyoiogie der Affen. Arch. f. Anat, u. Phys. (Anat. Abt.). 1 Tafel. 1892. 1892. Der IX. internationale Congress für Anthropologie und Urgeschichte in Moskau vom 8.—20. Aug. 1892. Arch. f. Anthrop. XXL u. XXII. 1892. Die Menschenrassen Europa’s und die Frage nach der Herkunft der Arier. Korrespondenzblatt d. deutschen anthrop. Gesellschaft. 1892. 1892. Schädelfund im Löss bei Wöschnau. Menschliche Skelettreste im Löss bei Wyhlen. Ein Schädel von Genthod. Alte Gräber bei Sion. Schädel aus dem Gräberfelde von Grenchen. Alte Gräber auf dem Wolff. Verh. d. naturf. Ges. zu Basel. Bd. X. 1892. 1892. Affenembryonen aus Sumatra und Ceylon. Anat. Anz. VII. 1892. Sur l’existence des pygmées dans les temps neolithiques en Europe. Monitore zool. ital. V. 1892. La musculature anale des singes candés et des singes non candes com- parée avec celle de l’homme. ibid. 1892. Die Formen des Ober- und Unterkiefers bei den Europäern. Schweiz. Vierteljahrschr. f. Zahnheilkunde. II. 1893. Die ethnologischen und rassenanatomischen Studien in Britisch Indien. Internat. Arch. f. Ethnographie. VI. 1894. Das Schweizersbild bei Schaffhausen und Pygmäen in Europa. Mit 1 Taf. und Figuren im Text. Zeitschr. f. Ethnologie. 1894. 1894. Pygmäen in Europa. Anatom. ‚Anzeiger. Verh. der anat. Gesellschaft in Strassburg. : 1895. Pygmies in Europe. Journ. of the anthrop. Institute of Great Britain and Ireland. 6 Textabbildungen. 1895. Handsammlung für die Studierenden in den anatomischen Instituten. Anat. Anz. Verh, der anat. Gesellschaft. 189. 189. 1896. 1898. 1898. 1898 1898. 1900. 1900. 1900. 1900. 1901. 1901. 1901. 1902. 1902. 1905. 1906. 1906. 1907. 1907. 1908. 1908. Prof. Julius Kollmann +. 27 Der Mensch von Schweizersbild n. Nuesch. Das Schweizersbild, eine Niederlassung aus palaeolithischer und neolithischer Zeit. Denkschrift d. schweiz. Naturf. Ges. XXXV. 1895. 40 mit 4 Tafeln. 2. Aufl. 1901. Die Herstellung der Teichmannschen Injectionsmasse. Anat. Anz. Verh. der Anat. Gesellschaft in Basel. Flöten und Pfeiffen aus Alt-Mexico. Bastian -Festschrift Berlin. 1896. 15 Textfiguren. Ueber die Beziehungen der Vererbung zur Bildung der Menschenrassen. Korrespondenzblatt der deutschen anthrop. Ges. Bericht über die XXIX. alle. Versammlung in Braunschweig. No. 11. Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit 386 Abbildungen. J. Kollmann und W. Büchly. Die Persistenz der Rassen und die Rekon- struktion der Physiognomie prähistorischer Schädel. Mit 3 Tafeln. Arch. f. Anthropologie. XXV. Die Weichteile des Gesichtes u. die Persistenz der Rassen. Anat. Anz. XV. Ueber die Entwicklung der Placenta bei den Makaken. Anat. Anz. XVII. Mit 6 Figuren im Text. Die angebliche Entstehung neuer Rassentypen. Korrespondenzblatt der deutschen anthrop. Gesellschaft. No. 1. 1900. Die Entwicklung der Lymphknötchen in dem Blinddarm und dem Proc. vermiformis, die Entwicklung der Tonsillen und die Entwicklung der Milz. Arch. f. Anat. u. Physiol. (Anat. Abt.). 1900. Nachtrag zu der Mitteilung über die Fingerspitzen von Corcelettes. Korrespondenzbl. der deutschen anthrop. Ges. 1900. No. 10. Bemerkungen zu den Ergebnissen der Untersuchung des Herrn Dr. Koeze über die Negritoschädel. In Dr. Koeze Crania ethica philippina. Haarlem. 1901—1904. 40. Kreislauf der Placenta, Chorionzotten und Telegonie. Zeitschrift für Biologie. 42. 1901. Die Fingerspitzen aus dem Pfahlbau von Corcelettes und die Persistenz der Rassen. Archivio per l’Antropologia e l’Ethnologia. XXXI. Die Gräber von Abydos. Korrespondenzbl. d. deutschen anthrop. Ges. 1902. No. 11 u. 12. Pygmaeen in Europa und Amerika. Globus 1902. No. 21. Varianten am Os occipitale, besonders in der Umgebung des For. occipitale magnum. Anat. Anz. Verh. der anat. Gesellschaft XIX. Vers. in Genf. Die Schädel von Kleinkems und die Neandertal-Spy Gruppe. Arch. für Anthropologie. N.F.\V. Die Bewertung einzelner Körperhöhen als Rassenmerkmale. Wiener med. Wochenschr. 1906. Nekrolog auf Prof. Emil Schmid. Gemeinsam mit Bardeleben geschrieben. Anat. Anz. XXX. Handatlas der Entwicklungsgeschichte des Menschen, mit 800 Abbildungen und kurzem begleitenden Texte. 2 Bände. Jena. Fischer. Die Neandertaler-Spy Gruppe. Bericht über die Prähistoriker-Versammlung am 23.—31. Juli 1907 zur Eröffnung des anthropolog. Museums in Köln. Köln 1908. 40 R Ein dolichocephaler Schädel aus dem Dachsenbühl und die Bedeutung der kleinen Menschenrassen für die Abstammung der grossen. Korr. Bl. d. deutschen anthrop. Ges. XXXIX. 1909. 1911. 1914. 1915. H. K. Corning. Kleine Menschenformen unter den eingeborenen Stämmen von Amerika, Verh. des XVI. internat. Amerikanistenkongresses Wien 1909. Mit 21 Fig. im Texte. Die Rassenmerkmale der Hand und die Persistenz der Rassenmerkmale. Arch. f. Anthrop. XXVI. Das Problem der Gleichheit der Rassen. Arch. f. Rassen- u. Gesellschafts- biologie. 1911. Der Schädel Friedrich v. Schillers. Deutsche Revue 1914. Termitengänge im Schädeldach zweier amerikanischer Pygmaeen. Arch. f. Anat u. Physiol. (Anat. Abt.). Suppl. Band. 1915. Manuskript eingegangen 21. Oktober 1918. rn x ut m x cr VA -. \ ” - Big ® » ‘ D 2 L PR a M, z ! Phot. H. Pfützner, Basel. ER nn 7 SX es Zum Gedächtnis an Professor Dr. Ludwig Courvoisier. (Mit einem Porträt.) Von Albert Lotz. Am 8. April 1918 kurz nach Mitternacht starb an einer Lungen- entzündung im Alter von 741/ Jahren Prof. Ludwig Georg Cour- voisier. Der Verstorbene war seit dem Jahre 1889 Mitglied un- serer Gesellschaft und hat sich neben den Arbeiten in seinem Spezialfach auf verschiedenen Gebieten der Naturwissenschaften hervorragend betätigt, sodass es wohl gerechtfertigt erscheinen mag, wenn wir hier seiner gedenken und seinen Lebensgang an uns vorbeiziehen lassen. Ludwig Georg Courvoisier wurde am 10. Nov. 1843 in Basel geboren als ältestes von 9 Geschwistern. In die erste Schulzeit fiel ein Ereignis, das dem noch nicht Sjährigen Knaben unaus- löschliche Erinnerungen einprägte: eine Reise nach Malta. In den Aufzeichnungen, die von der Hand des Verstorbenen vor- liegen, findet sich eine von jugendlicher Frische getragene Schil- derung dieser Reise und des dreivierteljährigen Aufenthaltes auf der Insel. Über die Gymnasialzeit in Basel schreibt Courvoisier selbst: „Unter meinen damaligen Lehrern war nur einer, der mir und allen meinen Mitschülern imponierte und dessen Unterricht in Mathematik und Naturkunde uns begeisterte, es war der nach- malige Rektor des Gymnasiums Prof. Dr. Fritz Burckhardt. Ihm verdanke ich die ersten und nachhaltigen Anregungen zum Beob- achten der Natur. Unter seiner Führung und auch allein durch- streiften eine Anzahl gleichgesinnter Schulfreunde botanisierend Basels Umgebungen. Und das damals begonnene Herbarium habe ich ‚bis in die Universitätsjahre hinein durch eifriges Sammeln immer weiter ergänzt. Die medizinischen Studien liessen aber dafür keine Zeit mehr übrig. Erst Ende der 70er Jahre habe ich mich anlässlich der Ferienaufenthalte in verschiedenen Teilen der Schweiz wieder ernstlich mit Botanik zu beschäftigen begonnen ; und was meine Berufstätigkeit in Riehen und Umgebung mir an 30 Albert Lotz. Mussezeit übrig liess, das habe ich zur Anlegung eines besonderen, ziemlich ansehnlichen „Riehener Herbariums“ benützt, das ich später dem hiesigen botanischen Institut geschenkt habe.“ Courvoisier hat alles, was er unternommen hat, gründlich be- trieben und so blieb er auch auf dem Gebiete der Botanik kein blosser Dilettant. In dieser Hinsicht kann er seinen befreundeten Kollegen Hagenbach-Burckhardt und Bernoulli-Sartorius, ebenfalls bekannte Pflanzenkenner, an die Seite gestellt werden. Nach Hagen- bachs Tode ist Courvoisier als sein Nachfolger zum Präsidenten der botanischen Kommission ernannt worden. Die schon während der Schulzeit erwachte Liebe zur Natur wurde später durch den glänzenden Unterricht Rütimeyers mächtig gefördert; äussere Gründe hielten Courvoisier ab, speziell Natur- wissenschaft zu studieren und er entschloss sich einem früheren Wunsche gemäss zum Studium der Medizin. Es ist bezeichnend für den Eifer und den Fleiss des jungen Studenten, dass er sich auch durch mehrere schwere Krankheiten von seinem Vorhaben nicht abhalten liess; immer wieder nahm er mit erneuter Energie die unterbrochenen Studien auf. Als erste Frucht derselben er- hielt er 1865 den vollen Preis für die Lösung der von der medi- zinischen Fakultät gestellten Preisaufgabe über: „Die Histologie des sympathischen Nervensystems.“ Es folgten zwei Semester in Göttingen, wo Krause und na- mentlich der berühmte Hasse wirkten; dann die Übernahme der Unterassistentenstelle an der Basler chirurgischen Klinik unter Socin. Von jeher hatte die Chirurgie am meisten Anziehungskraft auf den jungen Courvoisier ausgeübt; und jetzt, wo ihr Listers Lehre von der Antisepsis so erfolgreiche Perspektiven eröffnete und in Socin einen so eifrigen Anhänger fand, war es gegeben, dass sich Courvoisier immer mehr der Chirurgie zuwandte. Als Assistenzarzt der chirurgischen Klinik bestand er mit Auszeichnung sein Staats- und Doktorexamen; seine Dissertation behandelte den „Mikroskopischen Bau der Spinalganglien.“ Nach zweijähriger arbeitsreicher Assistentenzeit folgten Auf- enthalte in London, Wien und Prag. Hier traf Mitte August 1870 die Aufforderung ein, nach Karlsruhe zu kommen, wo Socin die Leitung des grossen Bahnhoflazaretts übernommen hatte. Als Operationsassistent wurde der junge Chirurge angestellt und hatte als solcher reichlich Gelegenheit, auch selbständig zu operieren. Mitten in seine Karlsruher Tätigkeit fällt die Ernennung zum Hausarzte des Diakonissenspitals in Riehen, wohin ihm Fräulein Leopoldine Sachs aus Karlsruhe als verständnisvolle und liebens- würdige Gattin folgte. Prof. Dr. Ludwig Courvoisier +. 91 Bei der ganzen Veranlagung Üourvoisiers ‚scheint es selbst- verständlich, dass neben seiner Tätigkeit als Arzt und Spitalleiter sein Sinn vornehmlich auf wissenschaftliche Betätigung gerichtet war. Mehrfache Krankheiten, vor allem eine schwere spezifische Infektion, die er sich bei einer Operation zugezogen hatte, wirkten hemmend ein. Um so mehr müssen wir staunen über die zähe Energie, welche immer wieder alle Hindernisse überwand. Nach verschiedenen casuistischen Mitteilungen erschien Mitte der 70er Jahre ein „Lehrbuch der häuslichen Kranken- pflege“, das sich grosser Verbreitung erfreute und später noch vier Auflagen erlebte. Die im Februar 1880 gehaltene Habili- tationsvorlesung befasste sich mit medizinisch-historischen Unter- suchungen über den Basler Ohirurgen Felix Würtz. Schon früher hatte Courvoisier über operative Behandlung von Magenaffektionen berichtet; die 1883 erschienene Publikation über die sog. Gastroenterostomia posterior, d.h. die künstliche Verbindung der hinteren Magenwand mit einer Dünndarmschlinge, verdient deshalb besondere Erwähnung, weil die von Courvoisier ausgeführte hintere Gastroenterostomie die erste Operation dieser Art war. 1886 erschien die grosse Arbeit über die „Neurome“, welche die erste, das beträchtliche klinische Material verwertende Mono- sraphie dieser Art genannt werden darf. — Von da än häufen sich die Veröffentlichungen aus dem Gebiete, auf welchem Cour- voisier recht eigentlich zum Spezialforscher und zur Autorität ge- worden ist, den Krankheiten der Gallenwege. Das Haupt- werk bilden die im Jahre 1890 erschienenen 375 Seiten starken Casuistisch statistischen Beiträge zur Pathologie und Therapie der Gallenwege. Im Vorwort hiezu schreibt der Verfasser: „Erprobte Meister haben hier die Führung übernommen und zahlreiche Jünger sind ihnen in wetteifernder Tätigkeit gefolgt. Unter diesen ist es auch mir schon ziemlich frühe vergönnt gewesen, an der gemeinsamen Arbeit mich zu beteiligen und im Laufe der Zeit eine nicht unbeträchtliche Reihe glücklicher Operationen auszu- führen. Aber nicht die Lust, auf Grund eigener Beobachtungen hier öffentlich mitzureden, sondern wesentlich ein anderes Motiv treibt mich, über die Sache zu schreiben. Es ist meine innerste Überzeugung, dass auf diesem Gebiete noch viele Erfahrungen gesammelt werden müssen.“ Mit seiner Arbeit hatte Courvoisier ein Standardwerk ge- schaffen, denn tatsächlich waren bis dahin die Erkrankungen der Gallenwege noch nie in bestimmtem Hinblick auf deren chirurgische 32 Albert Lotz. Therapie bearbeitet worden. Und getreu seiner Aufforderung im Vorwort hat er selbst eifrig weiter gearbeitet und seine grund- legenden Ansichten durch weitere acht Publikationen ergänzt. Wie hoch angesehen Courvoisier unter Fachmännern war, beweist am besten die ihm übertragene Bearbeitung der Cholelithiasis in Kocher und de Quervains Encyklopaedie der gesamten Chirurgie. Die äussere Anerkennung wurde Courvoisier zu teil durch die Ernennung — 1888 — zum ausserordentlichen, 1899 zum ordent- lichen Professor; bis 1912 wirkte er als Dozent und seine Vor- lesungen und Repetitorien zeichneten sich aus durch Klarheit und Prägnanz. Es ist hier nicht der Ort, alle die vielen Ehrenstellen aufzu- zählen, durch deren Bekleidung der Verstorbene seiner Vaterstadt und seinem weiteren Vaterlande gedient hat. Wir erwähnen nur, dass er als Präsident der Eidg. Medizinalprüfungskommission und als Mitglied des Basler Erziehungsrates amtete und in diesen Stellungen überaus wertvolle Dienste geleistet hat. Auch hier — wie in wissenschaftlichen Fragen — stand Courvoisier oft mit Nachdruck zu seiner Meinung und verfocht als aufrechter Mann das, was er einmal als wahr und richtig erkannt hatte. Dies betrifft auch namentlich ein Wissensgebiet, auf welchem sich der Verstorbene besonders noch in letzter Zeit sehr intensiv betätigte und von welchem wir noch etwas ausführlicher zu sprechen haben: ich meine die Entomologie. Es ist geradezu erstaunlich, wie Courvoisier neben seiner be- ruflichen und anderweitigen Inanspruchnahme noch genügend Zeit gefunden hat, sich in dieses Gebiet einzuarbeiten. Die Natur- forschende Gesellschaft verdankt dieser Arbeit vor allem zwei Vorträge, nämlich 1912 über: Variabilität bei Schmetterlingen und 1915 über: Mikroskopische Befunde an Schmetterlings- flügeln. Das Spezialgebiet, auf welches sich Courvoisiers Forschungen erstrecken, sind die Lycaeniden oder Bläulinge, über welche mehr als 20 teils kleinere, teils grössere Publikationen in den führenden entomologischen Zeitschriften aus seiner Feder erfolgten. In den Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaften Basel finden sich: in Band XXI (1910): Übersicht über die um Basel gefundenen Lycaeniden in Band XXVII (1916): Über Männchenschuppen bei Lycae- niden; und in Band XXVIII (1917): Über Nebenformen, Rassen und Zwischenformen bei Lycaeniden. Prof. Dr. Ludwig Courvoisier +. 33 Eine Fortsetzung zu dieser letzten Arbeit fand sich im Nach- lasse und wird im Band XXX unserer Verhandlungen demnächst erscheinen. Es steht dem Verfasser als Laien nicht zu, die Verdienste Courvoisiers inbezug auf die Lycaenidenforschung zu bewerten. Ich lasse daher dem bekannten Entomologen Prof. Seitz das Wort. Er schrieb 1914 in der „Deutschen Entomologen-Zeitschrift Iris“: „Die Synonymie des Genus Lycaena“ von Courvoisier ist durchaus klassisch durchgearbeitet; mit einer kaum je erreichten Gründlichkeit sind die Quellenforschungen durchgeführt und alle Namen, die behandelt werden, durch die gesamte Literatur ver- folgt.“ : Ferners lesen wir vom gleichen Autor in der „Entomolo- gischen Rundschau* (März 1917): „An so zahlreichen Beispielen wird mit den Kenntnissen unseres gegenwärtig ersten Lycaenidenspezialisten und an der Hand einer Riesenspezialsammlung die Unhaltbarkeit seither in ihrem Charakter als Rasse niemals angezweifelter Lycaenidenformen dar- getan, dass man erschrickt, wie wenige dieser Formen einer sach- lichen und durchgeführten Kritik standhalten.“ Aus diesen kritischen Besprechungen zweier Arbeiten geht deutlich hervor, wie hoch von fachmännischer Seite Courvoisiers Verdienste auch im Auslande angeschlagen worden sind. Nach dem Tode des Herrn F. Riggenbach-Stehlin, der während 25 Jahren die Insektensammlung des Basler Naturhistorischen Museums verwaltet hatte, wurde im Jahre 1904 von der Regenz Herr Prof. Courvoisier als sein Nachfolger in die Kommission ge- wählt. Mit Liebe und Sachkenntnis nahm sich der Verstorbene der ihm nun unterstellten Entomologischen Abteilung an und hat trotz dem diese Aufgabe erschwerenden lästigen Platzmangel unent- west an der Vermehrung und Ordnung der umfangreichen Be- stände gearbeitet. Sein grosses Interesse am Gedeihen des Mu- seums seiner Vaterstadt hat er schliesslich noch in seinem Testa- ment bekundet durch Vergabung seiner höchst wertvollen und tadellos gepflegten Sammlung von Schmetterlingen aus der Gruppe der Lycaeniden. In über 100 Rahmen enthält sie rund 16,000 Exemplare, 1370 Arten repräsentierend, mit zahlreichen Neben- formen und Aberrationen in Färbung und Zeichnung. Die er- staunliche Mannigfaltigkeit dieser Aberrationen bildete ein Lieblings- studium des Verstorbenen. Nach der Bestimmung des Testators darf die Sammlung Gelehrten zu Studienzwecken zugänglich ge- macht und gelegentlich unter Führung auch weiteren Kreisen vor- gewiesen werden. 3 34 Albert Lotz. Die gestiftete Sammlung, welche für die genannte (Gruppe der Bläulinge wohl die reichste der Welt sein dürfte, ist die Frucht der mühevollen Arbeit eines langen Lebens. Aber bei all diesem umfangreichen Schaffen war Courvoisier nicht etwa ein trockener Stubengelehrter. — Im Gegenteil| Für alles Gute und Schöne begeistert und begeisterungsfähig, im Umgange stets liebenswürdig und zuvorkommend und auch bei entgegengesetzter Meinung nie verletzend. Dabei von ächt vor- nehmer Gesinnung, jedem spekulativen Wesen abgeneigt, hatte er vom ärztlichen Berufe eine hohe Auffassung. Trotz allerlei Leiden und Gebrechen erfreute er sich bis ins Alter einer ausnehmenden Rüstigkeit und beneidenswerten Elasti- zität. Als schon 72jähriger Herr hat er mühelos eine Tour über das Hohtürli unternommen und noch im vergangenen Sommer ver- lebte er prächtige Ferientage im Lötschental, wo er in fast jugend- licher Frische und Beweglichkeit mit seinen geliebten Bläulingen wetteiferte. Mitten aus einem arbeitsreichen Leben hat er ohne langes Krankenlager scheiden dürfen. Die Naturforschende Gesellschaft verliert mit ihm ein treues Mitglied, dem die Wunder der Natur viel Grosses und Schönes geoffenbart haben. Verzeichnis der entomologischen Publikationen von Prof. L. G. Courvoisier.') 1897. Die Lycaeniden des Simplon. Societas Entomologica XII. Jahrg., Nr. 3 und 4. 1903. Ueber Aberrationen der Lycaeniden. Mitteil. Schweiz. Entomolog. Ges., Bd. XI, p. 18—25, Taf. II. 1905. Präparation des Rippenverlaufs der Lycaenidenflügel. Insektenbörse, XXI. Jahrg. 1907. Ueber Zeichnungsaberrationen bei Lycaeniden. Zeitschr. wissensch. Insekten- biologie, Bd. II, p. 8-11, 33—39, 73—78, Taf. I. 1910. Uebersicht über die um Basel gefundenen Lycaeniden. Verhandl. Naturf. Gesellsch. Basel, Bd. XXI, p. 153 —164. 1911. Entdeckungsreisen und kritische Spaziergänge ins Gebiet der Lycaeniden. Entoınol. Zeitschr. XXIV. Jahrg. 1911. Einige neue oder wenig bekannte Lycaenidenformen. Iris, Jahrg. 1911, p. 103—109, Taf. II. 1912. Ueber Zeichnungsaberrationen bei Lycaeniden. Iris, Jahrg. 1912, p. 38—65, Taf. IV und V. ? 1912. Zur Nomenclatur der Chrysophanus-Arten. Intern. Entom. Zeitschr. Guben, p. 29—49. 1) Ein Verzeichnis der zahlreichen medizinischen Schriften ist enthalten im Correspondenzblatt für Schweizer Aerzte, Jahrg. 1918, Nr. 39, pag. 1318. 1912. 1912. 1912. 1912. 1913. 1913. 1913. 1913. 1913. 1914. 1914. 1915. 1916. 1916. 1916. ONE Prof. Dr. Ludwig Courvoisier +. 39 Berichtigung. do., p. 161. Einige Gedanken über Typen, Stammformen, Varietäten, Subspezies, Rassen und Aberrationen. Entomolog. Mitteilgn. Bd. I, Nr. 11, p. 554— 363. Zur Nomenclatur der Lycaena argus-Gruppe. Intern. Entomol. Zeitschr. Guben, p. 213—248. Javanische Lycaeniden. Tijdschr. voor Entomologie, Deel LV, p. 15—19, Taf. 3. Erwiderung. Intern. Entomol. Zeitschr. Guben, p. 63—64 und 69—72. Nochmals die Argus-Nomenclatur. do., p. 112—115. Zur Nomenclatur und Diagnose der europäischen Theelinen. do., p.231 —252. Nachtrag zu meiner Arbeit: ,,Zur Nomenclatur der Lycaena argus-Gruppe‘“. do., p. 312. Einige neue oder wenig bekannte Lycaenidenformen. Entomol. Mitteilgn. Bd. II, Nr. 10, p. 289 297. Nomenclatorische Sünden und Probleme. Intern. Entomol. Zeitschr. Guben, p 51-53, 55-57, 63—65, 67—69, 75—77, 79-80, 87—89, 91—92, 99—100, 105—106, 109—111. Zur Synonymie des Genus Lycaena. Iris, Bd. XXVIII, p. 143— 229. Zu Chrysophanus dorilis Hufn = acrion Pontoppidan. Intern. Entomol. Zeitschr. Guben, p. 18. Ueber Zwischenformen bei Lycaeniden. Mitteilgn. Schweiz. Entomol. Gesellsch. Bd. XII. Ueber Männchenschuppen bei Lycaeniden. Verhandl. Naturf. Gesellsch. Basel, Bd. XXVII, p. 11—48, Taf. I und II. Ueber Lycaena thersites Cant. Entomol. Rundschau XXIM. Jahrg., p.17—18, 22—24, 28 —29. Ueber Nebenformen, Rassen und Zwischenformen bei Lycaeniden. Verhandl. Naturf. Gesellsch. Basel, Bd. XXVIII, p. 265—293. 7 1918. Ueber Chrysophanus virgaureae L. und seine Nebenformen. Iris, Bd.XXXI, Heft 1/2, 32 S. + 1918—19. Ueber Nebenformen und Zwischenformen bei Lycaeniden. U. Teil. Verhandlgn. Naturf. Ges. Basel, Bd. XXX, im Druck. Manuskript eingegangen 28. Oktober 1918. Ein Kessel für Bogen und Funken unter erhöhtem und vermindertem Druck. (Mit 5 Texfiguren.) Von Aug. Hagenbach. Die Aufgabe des Apparates, der in dieser Notiz beschrieben werden soll, ist, Bogen oder Funken innerhalb der Druckgrenzen von null bis etwa zwanzig Atmosphären betreiben zu können, be- sonders zur Untersuchung der spektralen Eigenschaften des Lichtes, aber auch zur Feststellung der elektrischen Verhältnisse mittels Sondenmessungen. | Der früher verwendete Kessel!) hat zwar gute Dienste ge- leistet, aber er hatte den grossen Nachteil, dass das Einsetzen der Elektroden sehr unbequem war. Durch die relativ kleine Offnung im Deckel konnte man gerade nur mit einer Hand hindurchgreifen und musste die Manipulationen ohne etwas zu sehen durchführen. Ein gutes Justieren der Elektroden war langwierig. War eine Anderung an der Lampe notwendig, was bei solchen Apparaten immer einmal vorkommen kann, so musste der grosse Deckel abgehoben werden und dazu alle Teile, die auf demselben befestigt oder durch ihn durchgeführt waren, wie der Lampenmechanismus, entfernt werden. Dazu waren zahllose Schrauben herauszunehmen, was eine umständliche und zeitraubende Prozedur war. Der neue Kessel sollte alle diese Nachteile vermeiden und ich gelangte zu folgendem Prinzip der Bauart. Die Lampe, die Stromzuführungen und die Reguliervorrichtungen sollen alle im Deckel befestigt werden. Dieser wiederum soll mit möglichst wenig Schrauben mit dem Kessel verbunden und gedichtet werden. Dann hat man beim Abheben des Deckels alle Teile der Lampe offen vor sich. Anderseits aber müssen Manometer, Hähne für Gaszuführung direkt in den Kessel führen, sodass diese Teile beim Verändern der Elektroden oder beim Reinigen des Beobachtungs- fensters unverändert gelassen werden können. Im folgenden lasse 1) A. Hagenbach, Physik. Zeitschr. 10, p. 649, 1909. Ein Kessel für Bogen und Funken. 37 ich kurz die Beschreibung der Einrichtung folgen, ohne mich auf alle Einzelheiten einzulassen. Die beigegebenen Abbildungen mögen als Ergänzung dienen. Der Kessel ist ein zylindrisches Gefäss von 29 cm Höhe und 19,5 cm innerer Öffnung mit einer Wandstärke von 2,3 cm aus Grauguss gegossen. Die Innenseite ist gut ausgedreht, damit man den Kessel leicht reinigen kann. Er enthält seitlich zwei Gas- zuführungen, die mit sorgfältig eingeschliffenen Hähnen (Konus- verschluss) versehen sind. Eine dritte Einführung dient zum An- schluss eines Druck- oder Vakuum- manometers. Auf der Vorderseite ist eine runde Offnung von 5 cm durch eine 2cm dicke Quarzplatte verschlos- sen und beidseitig mit Gummiringen abgedichtet. Zum Austritt des Lichtes bleibt noch 4 cm Offnung frei. (Vergl. Abbildung 1 vorn und Abbildung 3 rechts im Kessel.) Der ganze Kessel ist in einen Behälter aus Zinkblech hineingestellt, deren unterer Teil einen Durchmes- ser von 3l cm und deren oberer einen von 40 cm aufweist. Man er- kennt auf Abb. 1, die während der Konstruktion des Apparates aufge- nommen wurde, den Kessel mit lose aufgesetztem Deckel im unfertigen Wasserbehälter. Das Beobachtungs- fenster wie auch alle übrigen seit- lichen Einführungen müssen natürlich auch durch den Wassertrog geführt und abgedichtet sein. Fig. 1. Gegenüber dem Quarzfenster ist noch eine weitere runde Offnung von 7,5 cm Durchmesser für fol- gende Zwecke eingeschnitten. Erstens ist für Sondenmessungen im Bogen eine Glasplatte, durch die eine nach allen Seiten beweg- liche Sonde eingeführt werden kann, einsetzbar. Die genügende Beweglichkeit der Sonde wird dadurch erreicht, dass sie durch einen Kautschukpfropfen geführt wird. Zweitens kann für Unter- suchungen im Bogen mit senkrecht zu einander stehenden Elek- troden eine Elektrode, die durch eine Glasplatte geführt ist, hori- zontal eingesetzt werden. Als vertikale Elektrode dient dann die untere Elektrode der im Deckel befestigten Lampe. Die horizontale 38 Aug. Hagenbach. Elektrode ist in einem Halter gefasst, der durch eine gute Stopf- büchse in ihrer Längsrichtung verschiebbar ist, sodass etwa eine Kohlenelektrode beim Abbrennen nachgeschoben werden kann. Man erkennt die ganze Einrichtung in der Abbildung 3 auf dem Tische vor dem Kessel liegen. Vorn ist zum Schutz gegen Wärme eine Asbestplatte befestigt. Drittens kann eine horizontale Metallelektrode mit Wasserkühlung eingesetzt werden. Die Konstruktion ist aus untenstehender Zeichnung (Abb. 2) ersichtlich. Ein eisernes Rohr R von 1,7 cm Weite trägt vorn die Elektrode E, die durch ein Gewinde G mit der Röhre verbunden und abgedichtet ist. Die Elektrode wird aus dem zu untersuchenden Metall ge- wählt und ist vorn passend abgeschrägt. Durch das Ansatzrohr a und die innere Röhre r fliesst das Wasser bis unmittelbar unter die zu kühlende Strombasis; durch die Röhre b fliesst das Wasser ab. Durch zwei Gummiringe g, und g, wird der Elektrodenhalter = VE Ro) gegen die Glasplatte P abgedichtet, indem man einen mit der Röhre verlöteten Metallring m, und einen beweglichen m, mit der Schraubenmutter s zusammenpresst. Die 2 cm dicke Glasplatte wird auch wieder mit zwei Gummiringen gegen den Kessel ab- gedichtet, indem ein Metallring (auf Abb. 3 links auf dem Tische sichtbar) durch eine Anzahl Schrauben den nötigen Druck ausübt, wie bei der Quarzfensterdichtung. Die Glasplatten dienen zur Isolation gegen den Kessel. Wird keine der drei genannten Ein- richtungen gebraucht, so wird die Offnung durch einen massiven Eisenzylinder (auf Abb. 3 in der Mitte stehend) verschlossen. Die Bogenlampe mit vertikalen Elektroden, auch als Funken- strecke brauchbar, sitzt im Deckel. Auf Abb. 3 sieht man den Deckel an dem angebrachten Galgen hochgezogen. Die Elektro- denzuführungen sind beide gegen den Deckel durch Porzellan- röhren hoch isoliert, was für Funken unter Druck absolut not- wendig ist, Die Elektrodenhalter gestatten eine Drehung um eine BI. Ein Kessel für Bogen und Funken. 39 horizontale und eine vertikale Achse und eine seitliche Verschiebung, sodass es möglich ist, den Bogen, wenn notwendig, näher an das Fenster zu bringen oder ihn weiter abzurücken, auch sind dadurch die Elektroden schief zu einander zu stellen. Die beiden Halter sind mit Marmorstücken von den Stangen isoliert, in denen der Ho Bewegungsmechanismus für vertikale Verschiebung jeder Elektrode für sich eingebaut ist. Diese Reguliervorrichtung der Bogen- oder Funkenlänge geschieht durch Drehung grosser runder Fiberplatten auf dem Deckel (siehe Abb. 3) Die Bogenlänge kann an einer Trommel in Zehntel Millimetern abgelesen werden. Die Stromeinführung ist mit grosser Sorgfalt ausgeführt worden und bewährt sich gut. Bei Funken unter Druck müssen 40 Aug. Hagenbach. ausserordentlich hohe Spannungen angewendet werden und man muss deshalb nach Möglichkeit der Gefahr des Durchschlagens begegnen. Die anzuwendenden Potentiale steigen proportional dem Druck, so dass man auch bei relativ kleinen Funkenstrecken kräftige Induktorien verwenden muss. In untenstehender Zeichnung (Abb. 4) ist die Stromzuführung im Querschnitt skizziert. Der Kupferdraht L von 4 mm, der unter dem Deckel zu einer Elektrode führt, wird durch eine besonders dazu hergestellte Por- zellanröhre P gesteckt und ab- gedichtet. Diese hat eine Länge von 30 cm und einen äussern Durchmesser von 25 mm. Aufeine Länge von 10 cm am untern Ende beträgt die Wandstärke der Röhre 10 mm, während der obere Teil nur 5 mm dick ist. Jede Elektrode ist also gegen den Kessel, der durch die Wasserkühlung mit der Erde verbunden ist, durch eine Schicht von 10 mm Porzellan iso- liert. Die Zuführung wurde nun mit je einem Gummiring g, und g, oberhalb und unterhalb der Ver- engung durch eine feste und eine bewegliche Metallplatte p, und p, abgedichtet, indem die Schrauben- mutter m, kräftigangezogen wurde. Diese Art der Dichtung erwies sich nach verschiedenen andern Proben als die sicherste. Ganz ähnlich wurde nun dieser Isolator im Deckel D durch die Gummi- platte g,, den Metallring p, und die Schraubenmutter m, luftdicht eingeführt. Zwei Rippen am untern Ende der Porzellanröhre ver- hindern ein eventueiles Herausdrücken aus dem Deckel. Bei allen Gummidichtungen muss stets eine lose Metallplatte vor der Druck- schraube liegen, weil sonst der Kautschuck beim Anziehen reisst. Der Deckel ist durch Rippen verstärkt und besitzt am Rande vier Flügel, in welche die Verschlusschrauben nach entsprechenden Ansätzen am Kessel laufen. Bei Vakuumversuchen sind diese Schrauben nicht einmal notwendig, sondern es genügt ein Bügel Ein Kessel für Bogen und Funken. 41 (Abb. 3, rechts auf dem Tisch liegend), der durch zwei Zapfen befestigt ist und mittels einer einzigen Schraube in der Mitte des Deckels angezogen wird. Für alle Schrauben dienen Schlüssel mit einer Querstange, sodass in kürzester Zeit durch einige Umdrehungen der Verschluss beendet ist. Das Offnen und Herausnehmen der Lampe, was eben durch Heben des Deckels mit einem Drahtseil über eine Rolle geschieht, ist so einfach, dass es auch bei schwachem rotem Licht ausgeführt werden kann, was bei Spektralaufnahmen von Wichtigkeit ist, indem man die Elektroden zwischen zwei Auf- uahmen, deren eine als Vergleich dient, ändern kann. Die Druckmessung geschieht mit einem Manometer. Für ‚erhöhten Druck dient ein Dosenmanometer, das angeschraubt werden kann. Unter einer Atmosphäre misst man mit einem Quecksilber- . manometer von 80 cm Länge (Abb. 3, links auf dem Tisch). Es ist auf einem Brett montiert und trägt zwischen beiden Schenkeln 42 Aug. Hagenbach. eine Messingskala, die bis 7 cm vertikal mit einem Trieb verschieb- bar ist. Dadurch ist es möglich, den untern Meniskus mit einem Zehnerstrich zur Koinzidenz zu bringen, was unter Umständen praktisch ist. Als Zeiger dienen zwei Schieber, halb aus Messing und halb aus Spiegel bestehend, die hinter die Schenkel reichen. Ein horizontaler Strich über beide Teile gestattet die Einstellung Horizontalstrich-Quecksilbermeniskus und die Ablesung Horizontal- strich-Skala ohne Parallaxe, denn der Horizontalstrich endet an der Skala. Die Ablesung ist bis auf ein Zehntel Millimeter möglich. Leisten aus weissem Celluloid, parallel mit den Schenkeln, zum Anschreiben von Daten vervollständigen den Apparat. Das Manometer ist auf dem Tisch festgeschraubt, damit die Verbindung des Glasmanometers durch eine Kupferröhre ohne Gefahr des Brechens hergestellt werden kann. Wird das Manometer nicht gebraucht, so wird es weggenommen. Bei Bogenaufnahmen unter Druck mit längerer Expositionszeit ist eine Wasserkühlung notwendig. Deshalb sitzt der Kessel in einem Wasserbehälter, mit einem Wasserzufluss von unten und einem Uberlauf im Innern. Bei kürzerem Gebrauch ist die Wasser- zirkulation nicht notwendig. Den für den ganzen Apparat besonders konstruierten Tisch (70 X 70 gross) sieht man auf der Abbildung 5. Eine beträchtliche Höhenverstellung ist deshalb notwendig, weil der Apparat vielfach vor andern Apparaten wie Gitteraufstellung oder Spektrograph aufgestellt werden muss. Die Tischplatte, 4 cm dick, steht auf vier Spindeln und kann mittels Handrädern um 30 cm gehoben werden. Um vor dem Fenster des Apparates Linsen und Instrumente auf- zustellen, wird an den Tisch ein Ansatz von 45 cm Länge (siehe Abbildung) oder von 90 cm angebracht. Der Tisch ist auf Rollen fahrbar, wird aber bei Gebrauch mit Stellschrauben arretiert. Trotz des grossen Gewichtes des ganzen Instrumentariums ist der Apparat dadurch, dass er als einheitliches Ganzes zusammengebaut ist, ausserordentlich handlich und leicht beweglich. Ich möchte nicht versäumen zu erwähnen, dass sämtliche Teile des Apparates, des Tisches und des Manometers vom Instituts- mechaniker, Herrn Jakob Hunziker, nach meinen Angaben gebaut worden sind und dass sich bis jetzt keine Mängel gezeigt haben. Physikalische Anstalt der Universität basel. Manuskript eingegangen 21. Oktober 1918. 4 E Chlorophyligehalt und Kohlensäure-Assimilation bei Alpen- und Ebenen-Pflanzen. (Mit 7 Textfiguren und 37 Tabellen, wovon 13 auf 6 separaten Tafeln.) Von Marguerite Henrici. Einleitung. Während über den anatomischen Bau der Alpenpflanzen schon mehrere Arbeiten erschienen sind (Bonnier 1887 —95, Leist 1889, Wagner 1892), die allerdings noch zu keinem übereinstimmenden Resultat geführt haben, ist über die Physiologie der Alpenpflanzen, speziell auch über ihre Kohlensäureassimilation noch recht wenig bekannt. Nur Donnier stellte vergleichende Untersuchungen über die Transpiration, die Atmung und die Kohlensäureassimilation von Alpen- und Ebenenpflanzen an (1888 und 1895), ohne indess viel Zahlenmaterial zu publizieren. Er untersuchte die zusammen- gehörigen Teile eines Individuums, die er auf einem alpinen oder auf einem Ebenenstandort eine gewisse Zeit kultiviert hatte, in mittlerer Höhe (entweder in Cadeac, 750 m, Pyrenäen, oder in Chamonix, 1050 m) und fand, dass das Alpenindividuum bei gleicher Oberfläche bis 2mal so stark assimiliere als das Ebenenindividuum (1895 S. 329— 37). Da jedoch bei diesen Versuchen die Wirkungen des eigent- lichen alpinen Klimas (über 1800 —2300 m) nie untersucht worden sind, veranlasste mich Herr Prof. Senn, neue vergleichende Ver- suche über die CO,-Assimilation von Alpen- und Ebenenpflanzen im Ebenen- und wirklichen Alpenklima anzustellen. Im Laufe der Arbeit stellte sich dann die Frage ein, in wie- fern der Chlorophyllgehalt der Pflanzen ihre Assimilationstätigkeit beeinflusse. Es ist hier nicht der Ort, auf alle Theorien einzu- gehen, die in den letzten Jahren über die Funktion des Chlorophylls bei der Assimilationstätigkeit aufgestellt worden sind. Jörgensen und Kidd (1916) haben dies zur Genüge getan und gezeigt, wie viele dieser Theorien hinfällig sind, weil ihre Urheber auf unreinem 44 Marguerite Henrici. Ausgangsmaterial fussten. Eine direkte Proportionalität zwischen Chlorophyllgehalt und Assimilationsgrösse besteht nicht. Dies scheinen die Arbeiten von Griffon (1899), Lubimenko (1907, 1908 I und Il), Plester (1912) und Willstätter (1915 S. 322—46 und 524—531) einwandfrei festgestellt zu haben. Bonnier (1895) macht auch über den Chlorophyllgehalt der Alpenpflanzen einige Angaben. Er bestimmte ihn mit einem Chro- mometer und zählte auch etwa die Chlorophyllkôrner einer Zelle. Nach seinen Untersuchungen nimmt der auf das Blatt-Volumen bezogene Chlorophyligehalt bis zu einer bestimmten Meereshöhe zu, die er als optimal bezeichnet; diese liegt für die verschiedenen Pflanzen ungleich hoch. Geht man über diese optimale Meeres- höhe hinauf, so erfolgt bis in das äusserste Verbreitungsgebiet hinein eine Abnahme des Chlorophyllgehaltes. In der Region zwischen der optimalen Meereshöhe und der äussersten Verbrei- tungsgrenze ist nach diesem Forscher auch eine anatomische Ver- kümmerung der Pflanzen zu bemerken (S. 353), die sich in der Abnahme der Palissadenzellen äussert. Bomnier misst somit der geringeren Chlorophylibildung als einer krankhaften Erscheinung keine grosse Bedeutung bei. Es erscheint auffallend, dass das alpine Blatt, das nach Bonnier in anatomischer Beziehung ein Sonnenblatt ist, in Bezug auf den Chlorophyllgehalt so stark vom Sonnenblatt der Ebene abweichen soll. Entgegen den Angaben Dufours (1837) über den Chlorophyll- gehalt von Sonnen- und Schattenblättern, auf die sich Bonnier hauptsächlich stützt, stellt nämlich Lubimenko (1905, 1908 I und IT) einwandfrei fest, dass das Sonnenblatt bedeutend weniger Chloro- phyll enthält als das Schattenblatt. Im Hinblick auf diese An- gaben schien mir eine Nachprüfung von Bonniers Resultaten über den Chlorophyllgehalt der Alpenpflanzen wünschenswert. Vorliegende Untersuchungen führte ich in den Jahren 1915 bis 1917 unter der Leitung von Herrn Prof. Senn in Basel, in Samaden und auf Muottas Muraigl (Engadin) aus. Er hat mir die Mittel des hiesigen Institutes in weitgehendster Weise zur Ver- fügung gestellt. Es ist mir eine angenehme Pflicht, ihm dafür und das stete Interesse, das er meiner Arbeit entgegengebracht hat, sowie für die mannigfache Förderung meinen aufrichtigen Dank auszusprechen. Zu meinen Versuchen in subalpiner Höhe stellte mir Herr Dr. Ruppanner ein Zimmer und die Laboratoriumseimrichtungen des Kreisspitals in Samaden in liebenswürdiger Weise zur Verfügung, wofür ich ihm meinen besten Dank ausspreche. Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 45 Die hochalpinen Versuche auf Muottas Muraigl konnte ich nur Dank der zuvorkommenden Aufnahme bei Fräulein Marie Benz, Direktrice des dortigen Hotels, durchführen. Ihr und der Ver- waltung der Muottas-Muraigl-Bahn, die mir die Benützung der Bahn in jeder Weise erleichterte, bin ich ebenfalls zu grossem Danke verpflichtet. A. Die Versuchspflanzen. Zu meinen Assimilationsversuchen wählte ich solche Pflanzen, welche im Tiefland ebenso gut gedeihen, wie in den Alpen. Als solche benützte ich hauptsächlich Anthyllis Vulneraria, Bellis perennis, Primula farinosa und Taraxacum officinale. Die Ebenenpflanzen von Anthyllis Vulneraria, Bellis perennis und Taraxacum officinale stammten aus Basel und Umgebung. Die Ebenenform von Primula farinosa bezog ich aus dem Kägiswiler Moorgebiet (450 m) nördlich von Sarnen (Ob- walden). Die Alpenpflanzen stammten von verschiedenen Orten und aus verschiedenen Höhenlagen. Ich verwendete Anthyllis Vulne- raria von Samaden (1709 m), vom unteren Schafberg (2300 m, südlich von Samaden gegen den Berninapass) und aus dem Berner- oberland. Die alpinen Pflanzen von Bellis perennis stammten teils aus dem Berneroberland (über Wengen 1400 m, am Männ- lichen 2000 m), teils aus Graubünden (Davos 1500 m, Alp Russeim im Vorderrheintal 1780 m). Zu den Chlorophyllbestimmungen wurden auch solche aus dem Spitzmeilengebiet aus 1450 m Höhe verwendet. Die Alpenpflanzen von Primula farinosa stammten aus dem Engadin (Samaden 1709 m, unterer Schafberg 2300 m, Muraigl- tälchen 2400 m) und aus dem Spitzmeilengebiet (950 m). Alpine Individuen von Taraxacum officinale endlich sammelte ich im Oberwallis (Eggishorn 2700 m, Riederalp und Riederfurka um 2300 m), im Berneroberland in verschiedenen Höhen, am Männ- lichen (2300 und 1800 m) und oberhalb Wengen (1400 m), sowie im Engadin bei Samaden und auf Muottas Muraigl (2456 m). In den Versuchstabellen ist jeweilen die Herkunft und Höhen- lage der Pflanzen in der vorletzten Rubrik angegeben. Die Pflanzen wurden einzeln in kleine Töpfe gesetzt und die Töpfe im Freien eingegraben. 1 bis 2 Tage vor einem Versuch wurden die Pflanzen aus den Töpfen gehoben, sorgfältig gewaschen, um die unterirdischen Teile von der anhaftenden Erde zu befreien 46 Marguerite Henrici. und dann mit den Wurzeln im Wasser ins Freie oder auf Muottas Muraigl in ein frostfreies Zimmer gestellt. Im Winter 1915/16 wurden die Pflanzen in einem Kalthaus bei ca. 8° gehalten, 1916/17 liess ich sie eingetopft in einem (Grartenbeet, das gut zugedeckt war. Dieses bewährte sich trotz des kalten Winters sehr gut. In der Ebene erhielt ich regelmässig Ersatzmaterial aus den Alpen, in den Höhenstationen solches aus dem Tiefland, so dass ich eine wesentliche Veränderung oder gar eine Schädigung der Pflanzen nicht zu befürchten hatte. Für Versuche wurden nur Exemplare sonniger Standorte der Alpen und der Ebene verwendet. Bei Anthyllis Vulneraria konnte ich schon makroskopisch beobachten, dass die Blätter der alpinen Pflanzen dicker sind als diejenigen der Ebenenpflanzen. Während die Ebenenpflanze zwei Reihen hoher enger Palissaden aufwies, konnte ich bei der Alpen- pflanze bis 4 Reihen konstatieren. Dabei war es auffallend, dass Individuen aus dem Berneroberland viel dickere Blätter aufwiesen, als solche aus gleicher oder grösserer Höhe aus dem Engadin. Wagner (1892 S. 499—500) und Bonnier (1895 $S. 247) stellen : für diese Spezies ähnliches in Beziehung auf Palissadenbildung mit steigender Meereshöhe fest. Anthyllis Vulneraria scheint somit eine Pflanze zu sein, die Sonnenblätter (Stahl 1883) besitzt, somit für starkes Licht organisiert ist. Primula farinosa weicht in Grösse und Struktur der Blätter von Anthyllis Vulneraria durchaus ab. Die Blätter der alpinen Pflanzen sind kleiner als die der Ebenenpflanzen; in ihrer Dicke stehen sie nicht nur absolut, sondern meist auch relativ hinter denen der Ebene zurück. Auch ihre Form ist verschieden. Im Tiefland sind sie oval oder sogar rundlich (siehe Skizze), in den Alpen dagegen schmal riemenförmig. Auffällig ist die gelbgrüne Färbung der subalpinen Pflanzen aus 1700 m Höhe, während die- jenige der Ebenenpflanzen oder des hochalpinen Standortes als Blatt der Blatt der Ebenenform Alpenform Fig. 1. Primula farinosa. Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 47 blaugrün bezeichnet werden muss. Da der Unterschied schon gleich nach der Entfaltung der Blätter deutlich bemerkbar ist, kann er nicht auf herbstliches Vergilben zurückgeführt werden. Ich konnte im Gegenteil beobachten, dass gerade diejenigen Pflanzen, deren Farbe stark nach Gelb zu neigte, bei hoher Lichtintensität besonders grosse Assimilationswerte ergaben. — Dass Primula farinosa an alpinem Standort keine Palissaden aufweist, führt schon Wagner an (1892 S. 504). Für Bellis perennis und Taraxacum officinale kann ich in Bezug auf Grösse und Bau der Blätter keine allgemein giltigen Angaben machen. Beide sind in Beziehung auf Blattgrösse und -Dicke ausserordentlich veränderlich. Taraxacum aus dem Wallis zeigt meist dicke, kleine Blätter; in derselben Höhe auf Muottas Muraigl sind die Blätter zwar ebenfalls dick, aber ausserordentlich gross. Nach Schinz und Keller (1909 $S. 589) handelt es sich da- bei um die Subspezies Taraxacum vulgare und Taraxacum alpinum. Vermutlich beeinflussen ausser dem Licht und der Temperatur auch der Untergrund und sein Wasser- und Salzgehalt die Ausbildung des Blattes. Von Bellis fand ich ebenso häufig Pflanzen aus alpiner Gegend mit sehr grossen und verhältnismässig dünnen Blättern, als klein- aber dickblättrige Ebenenpflanzen. Ich beobachtete aber auch in beiden Höhenlagen die genau entgegengesetzten Grössen- und Dicken- verhältnisse. Bei den Pflanzen aus Wengen und vom Männlichen nahm sowohl die Länge als auch die Weite der Palissadenzellen mit dem höheren Standorte zu. Um die an den genannten Pflanzen gewonnenen Werte des Chlorophyligehalts mit solchen anderer spezifischer Alpenpflanzen vergleichen zu können, untersuchte ich einige Vertreter der Schnee- tälchen- (oder gleich bei der Schneeschmelze blühender Wiesen- pflanzen) und der Gesteinsflora (Schröter 1904 S. 513), die aus dem Engadin, aus dem Spitzmeilengebiet oder vom Jochpass stammten. Es sind dies Soldanella alpina, Anemone ver- nalis, Primula hirsuta, Primula integrifolia, Primula viscosa, Ranunculus glacialis und Ranunculus alpestris. Da es Zweck der Untersuchung war, die CO,-Assimilation der Alpenpflanzen mit derjenigen der Ebenenpflanzen sowohl im Tiefland, als auch in der Alpenregion zu vergleichen, wurden die Versuche in 3 Höhenlagen ausgeführt, im Botanischen Garten in Basel (276 m), in Samaden (1709 m) und auf Muottas Muraigl (2456 m). Ich bezeichne in der Folge diese Orte — entsprechend den Höhenlagen von Magnin (Schröter 1904, Tabelle 1) — als Ebenen-, subalpine und alpine Station. 48 Marguerite Henrici. B. Der Chlorophyligehalt von Alpen- und Ebenen-Pflanzen. Über den Chlorophyligehalt von Alpen- und Ebenenpflanzen liegen nur wenige Angaben vor. Vor allem sind es die schon er- wähnten Befunde Bonniers (1895 S. 354), der eine Zunahme des Chlorophyligehalts mit der Höhe konstatierte. Griffon (1899 Seite 89 — 93) fand zu seinem grössten Erstaunen bei seinen künstlich aus Ebenenpflanzen erzeugten Alpenpflanzen einen geringeren Chlorophyllgehalt als bei den gewöhnlichen Ebenenpflanzen. a) Bisherige Untersuchungen über den Chlorophyligehalt. Lubimenko (1907, 1908) untersuchte auf spectroskopischem Wege den Chlorophyllgehalt von Sonnen- und Schattenpflanzen. Da die Schlüsse, zu denen er in diesen Arbeiten kommt, sozu- sagen die lieitmotive zu meinen Untersuchungen bilden, gebe ich hier seine Resultate eingehender wieder, um bei der Besprechung _ meiner Versuche nicht immer wieder auf seine Befunde verweisen zu müssen. Lubimenko fand, dass das Lichtbedürfnis von Schattenpflanzen für ihre Photosynthese bedeutend geringer ist als bei den Sonnen- pflanzen (1905 S. 399 — 400), dass die Schattenpflanzen also mit einer geringeren Lichtintensität auskommen. Er führt dies auf den verschiedenen Farbstoffgehalt zurück. Schattenpflanzen haben nämlich mehr Chlorophyll als Sonnenpflanzen (1905 S. 413). Bei Sonnenpflanzen steigt die Assimilation bei zunehmender Licht- intensität bis zum Maximum der in der Natur gebotenen Intensität. Die Schattenpflanzen zeigen ein deutliches Optimum bei mittel- starkem Licht (1905 8. 409). Bei starkem Licht absorbieren sie vermöge ihres hohen Chlorophyllgehalts zu viel Licht, sodass dieses auf die Kohlensäure-Assimilation hindernd wirkt, während bei Sonnenpflanzen die grösste Menge des absorbierten Lichtes bei stärkster natürlicher Beleuchtung geringer ist als die Lichtmenge, welche die Assimilation zu hindern vermag (1908 Revue S. 176). Nun ist aber der Chlorophyllgehalt einer Pflanze nicht an eine bestimmte Höhe der Temperatur oder Intensität des Lichtes angepasst, sondern an den Intervall, innerhalb dessen beide Fak- toren am Standorte der Pflanze schwanken (1908 Revue S. 289). - Das Assimilationsmaximum ist deshalb geringer als man er- warten dürfte, wenn man die Faktoren einzeln betrachtet (1908 Revue S. 289 ff.). Die Grenze, bis zu welcher die OO,-Assimilation Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 49 steigt, liegt bei umso niedrigerer Temperatur und umso schwächerem Licht, je grösser der Chlorophyllgehalt der Blätter ist (1908 Revue S. 290). Je nach der Beleuchtung kann ein und dieselbe Pflanze im Laufe der Entwicklung die Quantität des absorbierten Lichtes regulieren und z. B. durch Verminderung ihres Chlorophyllgehaltes einen Überschuss von absorbiertem Licht vermeiden (1908 Annales S. 350, Fig. 4, S. 349 untere Hälfte). In sehr starkem oder sehr schwachem Lichte findet sich weniger Chlorophyll als in mittel- starkem Licht; für den Chlorophyligehalt existiert somit ein Licht- optimum (S. 350 und 368). Bei relativ chlorophyllarmen Pflanzen sind die Unterschiede weniger gross als bei Schattenpflanzen. Der - maximale Chlorophyligehalt einer Pflanze findet sich bei umso schwächerem Licht, je höher die Temperatur ist. Lubimenko stellte den Satz auf, dass der maximale Gehalt an Farbstoff umso höher ist, je schwächer das Tageslicht im Laufe seines einmonat- lichen Versuches war. b) Methodik meiner Chlorophylibestimmungen. Da mir des Krieges wegen die nötigen Chemikalien (speziell Petroläther) nicht verfügbar waren, musste ich auf die exakte Willstätter'sche Methode der Chlorophyllbestimmung (1913) ver- zichten und mich mit relativen Werten begnügen. Ich hoffe aber, das Versäumte später nachholen zu können. Den Üblorophyligehalt der ausgewachsenen Sonnenblätter be- stimmte ich kolorimetrisch und zwar in alkoholischer oder benzo- lischer Lösung. Obwohl das Verhältnis der grünen zu den gelben Komponenten in Schattenblättern ein anderes ist als in Sonnen- blättern (Willstätter 1913 S. 117) konnte ich, da ich nur Pflanzen sonniger Standorte untersuchte, mit ungefähr konstanten Verhält- nissen rechnen. Immerhin besteht hier ein Mangel in der Ver- suchsmethode, da ja voraussichtlich die Blätter der Alpenpflanzen im Vergleich mit denen der Ebenenpflanzen Sonnenblätter, die der Ebenenpflanzen also Schattenblätter darstellen. Ein zweiter Mangel liegt an der unvollständigen oder über- haupt nicht vorgenommenen Abtrennung der Carotinoide ( Will- stütter 1915 S. 322) bei chlorophyllarmen Pflanzen. Doch waren meine Pflanzen nie so chlorophyllarm, wie die panachierten, frisch ergrünenden oder vergilbenden Blätter, welche Willstätter unter- sucht hat. Obwohl meine Methode nicht einwandfrei ist, liefert sie zur vorläufigen Orientierung — eine solche soll dieser Teil der Arbeit sein — trotzdem genügend genaue Resultate. 4 50 Marguerite Henrici. Als Colorimeter verwendete ich das von Prof. W. Authenrieth angegebene in der Ausführung von F. Hellige in Freiburg i. B. Im Prinzip besteht der Apparat aus einem verschiebbaren Glas- keil mit der Standard-Lösung und einer Cüvette, in die die zu untersuchende Flüssigkeit gebracht wird. Beide Flüssigkeiten werden auf Farbengleichheit eingestellt; dann wird aus der Ablesung des Skalenteiles der Prozentgehalt der Lösung berechnet. Hellige gibt die Ablesungsgenauigkeit mit 0,3 °/o an. Mir ist es nie ge- lungen, Unterschiede unter '/, °/, festzustellen, was allerdings bei meinen Versuchen auch nicht nötig war. Das wichtigste bei colori- metrischen Bestimmungen ist nicht so sehr das Erkennen eines möglichst kleinen Farbunterschieds, als das äusserst genaue Ab- messen des Lösungsmittels. Dabei sind natürlich alle Vorsichts- massregeln zu beobachten, welche bei massanalytischen Arbeiten gebräuchlich sind. I. Herstellung der Ghlorophyllösungen. + Die alkoholische Standard-Lösung stellte ich im Laufe des Winters aus 1 gr frischen Blättern von Urtica dioica dar. Ich zerrieb zu diesem Zwecke die frischen Blätter und zog sie mit 30 cm? Alkohol von 96°/, aus. Ich filtrierte den Aufguss und füllte den Vergleichskeil mit einem Teil der Flüssigkeit. Den Rest des Auszuges bewahrte ich in einem gut verschlossenen Gefäss im Dunkeln auf. Es zeigte sich nämlich, dass sich der Chlorophyll- auszug im Vergleichskeil oft schon nach wenigen Tagen bräunte, während die Lösung im Dunkeln noch unverändert war. Um nach einiger Zeit eine neue Standardlösung von gleichem Wert wie die alte herzustellen, füllte ich jeweilen die im Dunkeln auf- bewahrte Standardlösung in die Cüvette. Darauf goss ich eine etwas zu konzentrierte neue Chlorophyllösung in den Vergleichs- keil und setzte so lange Alkohol hinzu, bis der vollständig ge- füllte Vergleichskeil genau dieselbe Nuance wie die alte Lösung in der Cüvette hatte, d. h. wenn der Zeiger auf 100 °/o wies. Die neu hergestellte Chlorophyllösung wurde überdies mit Hilfe zahl- reicher Lösungen von Pflanzen mit bekanntem Chlorophyllgehalt auf ihre Richtigkeit geprüft. Ich will hier gleich bemerken, dass ich zur Herstellung der Standardlösung im Frühling und Sommer mehr als ein Gramm Urtica-Blätter nehmen musste, dass also diese Pflanze in der warmen Jahreszeit weniger Chlorophyll enthält als im Winter. Aus meinen Untersuchungen, die ich an 31 Pflanzen machte, ging hervor, dass es gleichgültig ist, ob mit Alkohol- oder Benzol- Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 51 auszügen gearbeitet wird. Etwa auftretende Differenzen liegen innerhalb der Beobachtungsfehler. Da sich also zwischen Alkohol- und Benzolauszügen nur Nuancen-, keine Prozentunterschiede gel- tend machten, arbeitete ich ın der Folge nur mit alkoholischen Auszügen, und führe meine Abtrennungsmethode der gelben Kom- ponenten hier nicht näher aus. Sämtliche Chlorophyllösungen wurden in der für die Bereitung _ der Standardlösungen angegebenen Weise hergestellt. If. Das Frischgewicht als Einheit. Ich dachte zunächst daran, das Chlorophyll aus getrockneten Blättern auszuziehen. Bei Urtica-Blättern stellte ich aber fest, dass ein Gramm Frischgewicht getrocknet 25 Prozent weniger Chloro- phyll lieferte, als wenn ich den Farbstoff aus frischen Blättern aus- zog; ausserdem war der Farbstoff viel gelber; vermutlich leiden die grünen Komponenten des Chlorophylis beim Trocknen in hoher Temperatur, während Carotin und Xanthophyll das Trocknen aus- halten (in den Bezeichnungen folge ich Willstätter 1913). So wählte ich ein Gramm Frischgewicht als Einheit. Da ein Gramm Urtica dioica-Blätter 0,1364 Gramm Trockensubstanz er- gaben, wäre, wenn das Chlorophyll vom Trockengewicht abhängt, der Prozentgehalt eines Grammes frischer Blätter = 0,1364 Gramm Trockensubstanz als Einheit zu setzen. Will man von einer be- liebigen Chlorophyllüsung die Menge Farbstoff aufs Trockengewicht LE X a) AN beziehen, so gilt die Formel 2) — à, wenn ar die Ab- lesung bei der Bestimmung aus den frischen Blättern, T das Trocken- gewicht in Prozenten ausdrückt und a, den gesuchten Wert be- deutet. Schon Lubimenko (1908 Annales S. 346) macht übrigens darauf aufmerksam, dass es viel zweckmässiger sei, das Frischgewicht als Einheit zu wählen. Die Abhängigkeit des Chlorophyllgehalts von den beiden Grössen ist in Tabelle 1 wiedergegeben. Die auf das Frisch- gewicht bezogenen Werte sind die direkt abgelesenen, die auf das Trockengewicht bezogenen sind nach (2) berechnet. Aus Tabelle 1 geht hervor, 1. Dass der Chlorophyllgehalt ein und der- selben Pflanze aus derselben Höhenlage nahezu konstant ist, wenn er auf das Frischgewicht bezogen wird, und 2. Dass der auf das Trockengewicht bezogene Chloro- phyllgehalt nicht nur bei derselben Species der gleichen Höhenlage, sondern sogar bei demselben Individuum sehr stark schwankt, je nachdem er morgens oder abends ge- 52 Marguerite Henrici. messen wird. Bedenkt man, dass sich im Laufe des Tages die Menge der in den Blättern gespeicherten Assimilate ändert, nicht aber die Menge des Chlorophylls, wie weitere Ver- suche (Seite 53—54) ergeben, so sind die Schwankungen der auf das Trockengewicht bezogenen Werte durchaus verständlich. Tabelle 1. Abhängigkeit des Chlorophyligehaltes von Friseh- und Troekengewicht bei schwachem Licht. A = Alpenpflanze. — E= Ebenenpflanze. PP NN Teen ophyllgehalt in Prozenten Pro 1 Gr. Pro 0,1364 Gr. Frischgew. Trockengew. a Nr. | Pflanze À E A E 177 Anthyllis Vulneraria 2300 u. 250 M 42 73 56 49 179 Anthyllis Vulneraria 2300 u. 250 M 42 70 25 42 180 Anthyllis Vulneraria 2300 u. 250 M. 41 70 36,5 82 morgens 41 70 32 46 Sent 175 Bellis perennis 1780 u. 250 M. 30 62 23 80 178 Bellis perennis 1780 u. 250 M. 30 62 27 56 186 Bellis perennis 1780 u. 250 M. 30 62 31,5 59 morgens 91 62 27,5 52 abends 187 Bellis perennis 1780 u. 250 M. 32 60 52 63 morgens 32 60 30 46 ° onde 174 Taraxacum officinale 2450 u. 250 M. 29 52 33 51 176 Taraxacum officinale 2450 u. 250 M. 25 62 15 38 185 Taraxacum officinale 2450 u. 250 M. 28 62 27 60,5 | morgens 28 62 27 56 abends 189 Taraxacum officinale 2450 u. 250 M. 29 62 Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 53 e) Ergebnisse der eigenen Untersuchungen. I. Tägliche Schwankungen des Chlorophyllgehalts. Entgegen früheren Untersuchungen (Wiesner 1874, 1875) fand Willstätter (1915 S. 336—338) bei abgeschnittenen Blättern selbst nach lang andauernder Assimilation keine Zersetzung des Chloro- phylls. Auch das Verhältnis der beiden grünen Komponenten blieb konstant. Erst nach 46 Stunden trat eine teilweise Zer- setzung des Farbstoffes ein (S. 337). Ich untersuchte den Ühlorophyligehalt einiger Blätter am Morsen vor der Assimilation, sowie solcher, die während der Assi- milation an der Pflanze verblieben waren. Es wäre ja denkbar, dass durch den beim Abschneiden entstandenen Wundreiz in den an der Pflanze bleibenden Blättern eine Anderung des Chloro- phyligehaltes einträte, die nicht auf Rechnung des Lichtes oder der Temperatur gesetzt werden könnte. Dies ist jedoch offenbar nicht der Fall, weil überhaupt keine messbare Anderung des Chlorophyligehaltes eintrat. In mehreren Versuchen teilte ich die abgeschnittenen Blätter in 2 Portionen; die eine wurde zur Chlorophylibestimmung, die andere zur Trockengewichtsbestimmung verwendet. Ich gebe die Resultate der Trockengewichtsbestimmung nicht wieder, da sie nach den in Tabelle 1 enthaltenen Resultaten wertlos sind. Die Resultate sind in Tabelle 2 und 3 zusammengestellt. Tabelle 2 umfasst die Versuche mit Pflanzen, die vorher in sehr schwachem Licht gestanden hatten; Tabelle 3 enthält die Resultate von Pflanzen, die vorher in optimalen Beleuchtungsverhältnissen ge- halten worden waren. Um auch zu entscheiden, ob in der Nacht Neubildung des Farbstoffes stattfindet, wurde in Versuch 337 Ta- belle 3 der Chlorophyllgehalt am Abend und am darauffolgenden Morgen bestimmt. Aus diesen Versuchsreihen geht hervor, dass sich in der Ebene (Basel) bei optimalem Licht und mittlerer Temperatur der Chlorophyllgehalt der untersuchten Sonnenpflanzen im Laufe des Tages nicht ändert. Träte eine Zersetzung des Farbstoffes ein, so würde sie durch Neubildung aufge- wogen, sodass ein Gleichgewichtszustand bestände. Im- merhin ist es denkbar, dass im starken Alpenlicht das Resultat ein anderes wäre. Orientierende Versuche haben mir in Überein- stimmung mit Kerner’s (1896 Bd. 1 8. 379) Angaben gezeigt, dass die aus der Ebene in die Alpen (1925 m) transportierten Ebenen- pflanzen im Läufe eines Tages Vergilbung der meisten älteren 54 Marguerite Henrici. Blätter zeigten; die sich neu entwickelnden Blätter waren aller- dings wieder schön grün. Tabelle 2. Tägliche Schwankungen des Chlorophyligehalts in Basel bei Pflanzen, die vorher in schwachem Lieht kultiviert worden waren. f à Witterungs- | Chlorophyll in Prozenten Nr. Datum | Pflanzen ale morgens abends 180 GLEN Anthyllis Direkte Son- 442 0770, 41 W Vulneraria ne, Wolken 2300 u.250 M. 1831219: Ta le a Sonne, spä- ASS 43 73 ter dunstig 180717 16. IT der Bellis Sonne 30 62 32262 perennis 1780 u. 250 M. 1870 MATE Tee = Sonne 32 60 32 . 60 SI LITT Taraxacum Sonne, spä- 29 162 2977262 officinale ter dunstig 2450 u. 250 M. 180 LOT Ë Sonne 28 62 28 62 Tabelle 3. Tägliche Schwankungen des Chlorophyligehalts in Basel bei Pfianzen, die vorher in optimalem Lieht kultiviert worden waren. | | N in | PA Witterungs- | Chlorophyligehalt in Proz. Nr. | atum | anze 2 Toni € morgens abends | | verhältnisse 7 5 E IR E Be) N Anthyllis Blauer Himmel | 40 60 40 60 Vulneraria | | 2300 u. 250 M. 336 | 5. V. 17 ni ® a N 40 40 337 | 4-5. V.17 | x E Nacht 40 40 304 | 19. V.17 | Primula farinosa | Zuerst bedeckt, | 33 40 93 40 | 950 u. 450 M. | dann Sonne v. | 10!1/2 Uhr an | 388 26: VA Taraxacum Blauer Himmel 40 60 40 60 | officinale | 2450 u. 250 M. A0O I ZN TE 5 x Blauer Himmel | 42 42 Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 55 II. Untersuchungen des Chlorophyllgehalts von Alpen- und Ebenenpflanzen. Zunächst suchte ich festzustellen, ob der Chlorophyligehalt einer Species unter gegebenen Lichtbedingungen für eine bestimmte Höhenlage konstant sei, und ob und wie sich der Chlorophyll- gehalt mit der Höhenlage ändere. 1. Wiesenpflanzen. Ich untersuchte zunächst die auch für die Assimilationsver- suche verwendeten Pflanzen: Anthyllis Vulneraria, Bellis perennis, Primula farinosa und Taraxacum officinale. Die Pflanzen überwinterten in Basel im Gartenbeet, wo sie ohne Schaden zu nehmen die grösste Zeit eingefroren waren. Ich machte nun 4 Serien von Bestimmungen in Basel und eine auf der Rieder- alp (1925 m, Wallis) und zwar a) Versuche mit Pflanzen, die ich direkt dem Gartenbeet entnahm, also aus optimalem Licht. ß) Versuche über die Schwankungen des Chlorophyllgehalts im Laufe längerer Zeit in Basel. y) Versuche mit Pflanzen aus sehr schwachem Licht. 0) Versuche mit Pflanzen, die ich direkt aus den Alpen ge- schickt erhielt. e) Versuche über die Schwankungen des Chlorophyllgehalts im Laufe längerer Zeit in den Alpen. a) Versuche mit direkt dem Gartenbeet entnommenen Pflanzen aus optimalem Licht. Die Ergebnisse der in verschiedenen Monaten ausgeführten Bestimmungen, die in Tabelle 4 enthalten sind, lassen sich folgender- massen zusammenfassen: Alpen- und Ebenenindividuen ein und derselben Spezies weisen einen verschiedenen Chloro- phyllgehalt auf. Im allgemeinen (Ausnahme Primula farinosa 2400 m) weisen die Pflanzen des höheren Standortes einen kleinern Chlorophyllgehalt auf als diejenigen der Ebene. Stammen die Individuen derselben Spezies aus mehreren Höhenlagen, so weisen diejenigen der mittleren Höhenlage auch einen intermediären Chlorophyligehalt auf. Das abweichende Verhalten von Primula farinosa werde ich später besprechen (8. 65). Verschiedene Individuen ein und derselben Spezies, welche aus dem Alpen- oder aus dem Ebenenklima stammen, weisen nur geringe Schwankungen im Chlorophyligehalt auf, wenn sie zur 56 Marguerite Henrici. gleichen Jahreszeit untersucht werden. Bei Anthyllis Vulneraria ist gegen den Sommer eine deutliche Abnahme des Chloro- phyllgehalts zu konstatieren, während bei den andern untersuchten Pflanzen keine grosse Anderung zu bemerken ist. Die verschiedenen Spezies können in ihrem Chlorophyllgehalt übereinstimmen oder mehr oder weniger stark von einander ab- weichen. So enthält die Ebenenpflanze von Bellis gleichviel Chlorophyll wie diejenige von Taraxacum. Dies gilt auch für die alpinen Individuen der beiden Spezies; doch ist zu beachten, dass meine Pflanzen nicht aus derselben Höhenlage stammen (Bellis 1780 m, Taraxacum 2450 m). Von den untersuchten Pflanzen zeigt Primula farinosa aus 1700 m den kleinsten Chlorophyllgehalt, Anthyllis Vulneraria den grössten. Es ist interessant, dass gerade die chlorophyllreiche Anthyllis Vulneraria gegen den Sommer zu eine Abnahme des Chlorophylis zeigt. Da diese Alpenpflanzen nicht sofort bei ihrer Ankunft aus den Alpen auf den Chlorophyligehalt hin untersucht wurden, son- dern einige Zeit in der Ebene (Basel) kultiviert worden waren, - wäre es möglich, dass sich der Chlorophyllgehalt im Laufe dieser Zeit verändert hätte, vielleicht infolge der Anderung der Licht- intensität, jedenfalls aber nicht durch zu hohe Temperatur, weil diese Bestimmungen zunächst Ende Winter ausgeführt wurden. Lubimenko (1908 Annales) nimmt zwar an, dass die Pflanzen im allgemeinen dem möglichen Minimum des auffallenden Lichtes angepasst seien. Das in den Alpen mögliche Minimum fälit aber sicher nicht ausserhalb des Durchschnittslichtes der Ebene (vergl. die Tabellen 17—35). Immerhin ist bei meinen Bestimmungen ein Fehler nicht ausgeschlossen. Ich habe deshalb einige Bestim- mungen an ganz frischem aus den Alpen bezogenem Material aus- geführt. (Siehe Abschnitt ö dieses Kapitels.) 8) Zeitliehe Schwankungen des Chlorophyllgehaltes von in Basel kultivierten Pflanzen. Wenn die Alpenpflanze ihren Chlorophyligehalt in der Ebene zu erhöhen tendiert, so ist an ihr mit jeder neuen Blattentwicklung eine Erhöhung des Chlorophyligehalts zu erwarten. Ich bestimmte deshalb den Chlorophyllgehalt desselben Individuums nach einem Intervall von einigen Wochen, während welchem die Pflanzen in starkem Licht gehalten wurden. 1. Ein Vergleich von Tabelle 5 mit Tabelle 4 zeigt, dass die im Mai dem Gartenbeet entnommenen, also bei etwas schwächerem Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 57 Tabelle 4. Chlorophyligehalt von Wiesenpflanzen aus verschiedener Meereshöhe in optimalem Licht. : Chlorophyllgehalt Zahl der Pflanze | in Prozenten | Bestim- Monat | IN | E mungen | | Anthyllis Vulneraria | 2300 u. 250 M. 41—44 70 —73 6 März x h; 40 60 A8; E7 | Mai BR = ; 40 60 A2; El | Juli > 5 40 60 jl August Anthyllis Vulneraria 1700 M. 55 3 März Bellis perennis 1780 u. 250 M. 37—38 60-62 | A5; ET | März h; u 37 4 Anfangs Mai 4 37—40 4 Ende Mai ; 5 38 60 1 Juli = 5 38 60 1 August Primula farinosa | | 1700 und 450 M. | 24 40 al März 5 à ‘| 22— 94 40— 44 | A3; E2 | April 3 » 723 38 1 Juli 2 5 PRO 40 1 August Primula farinosa | 2400 und 450 M. | 38 40 | 1 ı März a a 40 | 44 | 2; E2 | April 5 à. 46 1.240) | a April 5 > | 38—42 | 8 Mai N 5 | 42 Bil Juli n “ | 42 | | i August Taraxacum officinale 2450 M. u. 250 M. | 38—40 62 6 März 3 5 | >30 62 | L Juli 5 5 an 62 | 1 r August Licht entwickelten Pflanzen, ungefähr gleichviel Chlorophyll ent- hielten, wie die zur gleichen Zeit, aber in starkem Licht unter- suchten Pflanzen. 2. Ausserdem zeigt die Vergleichung der Tabellen 4 und 5, dass mit Ausnahme der Ebenenexemplare von Anthyllis der Chlorophyllgehalt auch während längerer Zeit nahezu konstant ist. Es scheint also, dass, wenn die Alpenpflanze ihren Chlorophyll- gehalt ändert, sie dies nur langsam tut. 58 Marguerite Henrici. Tabelle 5. Sehwankungen des Chlorophyligehaltes im Laufe längerer Zeit bei optimalen Liehtbedingungen in Basel. | Zahlder | | Chlorophyll Chlorophyll Pflanze | Bestim- Datum | in Prozenten Datum in Prozenten IS TEA E A E AnthyllisVulneraria| 2 21. IM. 45 10 25. IN. 42 70 2300 u. 250 M. | | s 5 za) 26. IH. 43 70 24. IV. 40 65 ù a 1 26. II. 41 70 29. IV. 40 70 = = 2 24. IV. | 70 2, 60-62 Bellis perennis 4 Ende 31-38 62 Ende 37-39) 60-62 1780 u. 250 M März April Primula farinosa 2 Ende 38 40 Ende 38 40 2400 u. 450 M. |. März | INS pra Primula farinosa 1 Ende 24 40 Ende 25 41 1700 u. 450 M. März | | April Taraxacum 3 Ende | 38 | 62 Ende 38 62 officinale März | April | 2450 u. 250 M. Dass die Ebenenpflanze ihren Farbstoffgehalt in der Ebene nicht ändert, ist nicht weiter verwunderlich, da sie ja unter den an ihrem natürlichen Standort herrschenden Beleuchtungsverhält- nissen einer mehr oder weniger optimalen Intensität exponiert ist. Zu bemerken ist noch, dass dieses Resultat im Frühjahr zur Zeit des schnellsten Wachstums gewonnen wurde, wo am ehesten eine Anderung des Chlorophyligehaltes zu erwarten war. Wir wissen allerdings nicht, ob das Maximum des Wachstums mit dem Maximum der Chlorophyllbildung zusammenfällt; doch ist dies nach den An- gaben Vouks (1908), die allerdings für immergrüne Blätter gelten, sehr wahrscheinlich, (Die ein- ähnliches Thema behandelnde Ar- beit von (@. Stein, österreichische Botanische Zeitschrift 59, S. 231, 1909, zitiert nach Czapek, 1913, 8. 551, war mir leider nicht zu- gänglich.) y) Beeinflussung des Chlorophyligehalts dureh Kultur in sehwaehem Licht. Ich brachte mehrere Pflanzen aus dem Gartenbeet in ein kühles Zimmer und stellte sie etwa 2 Meter hinter einem Fenster auf, so dass sie nur sehr schwaches diffuses Licht erhielten. Nach ca. 14 Tagen bestimmte ich ihren Chlorophyligehalt. Ich ziehe Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 59 für den Vergleich (aus Tabelle 4 und 5) die Durchschnittszahlen für helles Licht heran, die ich in derselben Jahreszeit für die gleichen Pflanzen gewonnen habe. Tabelle 6. Durehsehnittswerte der Pflanzen aus hellem und aus schwachem Licht. aus hellem Licht aus schwachem Licht Pflanze | A | E A E Anthyllis Vulneraria | | PU 50m. | 4200 | 7100 | 4150) 71 0/0 Taraxacum ofticinale | | | | 2450 u. 250 M. | 38 0/0 | 62 0/0 | 28 9/0 62 0/0 Bellis perennis | | | 1780 u. 250 M. | 37,50 6100 à | 21806 61 0/0 Die Zahlen, aus welchen diese Durchschnittswerte berechnet wurden, sind in Tabelle 1 und 2 zusammengestellt. Es zeigt sich, dass Anthyllis Vulneraria, die Pflanze, die in Alpen- und Ebenenform am meisten Chlorophyll enthält, ihren Farbstoffgehalt bei Kultur im schwachen Licht nicht verändert; ebensowenig tun dies die Ebenenindividuen von Taraxacum und Bellis. Ihre aus den Alpen stammenden Individuen setzen jedoch den Chloro- phyllgehalt bedeutend herab; offenbar ist bei der Kultur im schwachen Licht des Zimmers ihr Lichtminimum nicht erreicht. Das Lichtoptimum für die Chlorophyllbildung jeder Spezies ist somit verschieden hoch gelegen. So bildet Anthyllis bei schwachem und mittelstarkem Licht gleichviel Chlorophyll aus, bei starkem Licht tritt eine Verminderung des Farbstotfgehaltesein. Bellis und Taraxacum hingegen weisen bei mittelstarkem und starkem Licht denselben Chlorophyllgehalt auf; ihre Alpenpflanzen enthalten aber in schwachem Licht weniger Chlorophyll. Für die Alpenindividuen von Anthyl- lis Vulneraria könnte vielleicht bei noch schwächerem Licht oder länger andauernder Kultur im schwachen Licht ebenfalls eine Verminderung des Farbstoftgehalts konstatiert werden. In meinen Versuchen war offenbar die Differenz zwischen der Lichtintensität, welcher die Ebenenpflanzen gewöhnlich exponiert sind, und der in den Versuchen angewendeten zu gering, um eine Anderung des Chlorophyllgehalts hervorzurufen; bei den Alpenindividuen von Bellis und Taraxacum war dagegen diese Differenz so gross, dass eine Reduktion erfolgte. 60 Marguerite Henrici. 6) Bestimmungen an Pflanzen, die ich direkt aus den Alpen erhielt. Zur Ergänzung der Chlorophylibestimmungen von Pflanzen des Gartenbeets bestimmte ich den Chlorophyllgehalt einzelner Pflanzen, die in den Alpen ausgegraben, sofort nach Basel ge- schickt und hier bei ihrer Ankunft untersucht wurden. Ein Ver- gleich der in Tabelle 7 enthaltenen Resultate mit denjenigen der Tabelle 4 zeigt nur geringe Abweichungen. Letztgenannte Tabelle wird insofern ergänzt, als die Bellis-Individuen tieferer Standorte wieder höheren, die Primula-Individuen vom tieferen Standort wieder niedrigeren Chlorophyligehalt aufweisen als die Pflanzen hohen Standorts. Tabelle 7. Bestimmungen an direkt aus den Alpen bezogenen Pflanzen. | Chlorophyll- | Zahl und Datum Pflanzen i | gehalt in 0/0 der Bestimmungen Bellis perennis 1450 M. 44-45 4 im Mai Primula farinosa 950 M. | 30 3 Anfangs Mai Primula farinosa 950 M. | 32-—33 4 im Mai Anthyllis Vulneraria 2025 M. 52 Re im September Parnassia palustris 1200 M. 46 lo im September | Anthyllis Vulneraria (2025 m) aus dem Berneroberland weist allerdings auch einen höheren Chlorophyllgehalt auf als die Individuen aus dem Engadin von 2300 Metern. Doch ist ihr Chlorophyligehalt verhältnismässig sehr hoch, wie aus dem Ver- gleich folgender Zahlen hervorgeht. Engadin 2300 Meter = 40—43 %o Engadin ODA EN 55 °/o Berneroberland 2000 ,„ = 52 %o Es ist sehr wahrscheinlich, dass ausser Licht und Temperatur noch andere Faktoren den Chlorophyligehalt beeinflussen, wenn auch vielleicht mehr mittelbar. Ich habe bei der Besprechung des Pflanzenmaterials darauf aufmerksam gemacht, dass Anthyllis Vulneraria aus dem Berneroberland besonders dicke Blätter auf- wies (S 46). Wenn nun diese Blätter mehr Chlorophyll enthalten, als die dünneren Blätter derselben Meereshöhe, kann das eine Folge des grösseren Lichtbedürfnisses behufs völliger Durchleuch- . 3 tutti Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 61 tung des dickeren Blattes sein. Die Bestimmungen mit Parnassia liessen sich ebenso deuten. Die eine Parnässia wies sehr dicke, dunkelgrüne kleine Blätter auf; sie stammte aus Sumpfboden. Die andere hatte grosse, dünne hellgrüne Blätter; ihr Untergrund war sandig. Trotz dem verschiedenen Aussehen wiesen beide Indi- viduen gleich viel Chlorophyll auf. Die Sumpfpflanze müsste also ebenfalls zur Durchleuchtung ihres Blattes mit der Einheit seiner Oberfläche mehr Licht absorbieren als die dünnblättrige Sand- pflanze. Ein ähnliches Verhältnis scheint auch für Bellis zu be- stehen, da in einer bestimmten Höhenlage die Blattdicke und -Grösse sehr variiert, der Chlorophyllgehalt hingegen nahezu kon- stant ist. e) Schwankungen des Chlorophyligehalts im Laufe längerer Zeit in den Alpen. Um das Verhalten junger Blätter festzustellen, die in der Ebene angelegt worden waren, aber erst in den Alpen sich völlig entwickelten, stellte ich den Chlorophyligehalt verschiedener Alpen- und Ebenenpflanzen in Basel fest und brachte sie dann aus Basel auf die Riederalp (1925 m, Wallis). Die alten Blätter vergilbten im Laufe eines Tages; bei den meisten Pflanzen entwickelten sich aber die jungen normal. Bellis perennis allerdings kränkelte in Alpen- und Ebenenform während des ganzen alpinen Aufent- haltes. Aus Tabelle 8 geht hervor, dass einzig Anthyllis Vul- neraria ihren Olorophllfelah nach einem vierwöchentlichen Aufenthalt im Alpenklima herabsetzte. Bei den andern Pflanzen ist im Farbstoffgehalt kein Unterschied zu bemerken. Es ist mög- lich, dass bei längerer Versuchsdauer eine Verminderung einträte. Tabelle 8. Schwankungen des Chlorophyllgehalts im Laufe längerer Zeit in den Alpen. Farbstoffgehalt pn ' vor | nach NS dem Aufenthalt in den Alpen A E A E. Anthyllis Vulneraria 2300 u. 250 M. 42 60 40 52 Bellis perennis 1780 u. 250 M. 37 62 krank 62 Primula farinosa 1700 u. 450 M. 24 40 24 40 Taraxacum officinale 2450 u. 250 M. 38 62 38 62 62 Marguerite Henrici. Die zeitweilig trübe Witterung in der zweiten Hälfte der Ver- suchsdauer mag auch einige Schuld an diesem Resultat haben. Übrigens behalten ja auch die in der Ebene kultivierten Alpen- pflanzen lange Zeit ihren alpinen Farbstoffgehalt bei. 2. Pflanzen, deren Blätter sich normalerweise bei Schnee entwickeln. Das im letzten Abschnitt gewonnene Resultat, wonach die in den Alpen gewachsenen Wiesenpflanzen weniger Chlorophyll ent- halten als die entsprechenden Ebenen-Exemplare, darf nicht ohne weiteres verallgemeinert werden. So fällt schon bei flüchtiger Betrachtung das Dunkelgrün der Blätter von Soldanella oder von Crocus auf. Ich bestimmte deshalb bei einigen Pflanzen der Schneetälchenflora, einigen Frühblühern der Alpen und einigen Winterblühern der Ebene ebenfalls den Chlorophyligehalt. a) Pflanzen der alpinen Schneetälchenflora. Gleichzeitig mit den Vertretern der Schneetälchenflora unter- suchte ich auch die in der Umgebung von Schnee blühenden alpinen Wiesenpflanzen Anemone vernalis und Ranunculus alpestris. Dabei kamen Pflanzen zur Untersuchung, die im (sartenbeet überwintert hatten oder die frisch aus den Alpen nach Basel gebracht worden waren. In Tabelle 9 sind die ersteren Versuche unter a, die letzteren unter b zusammengefasst. Tabelle 9. Chlorophyligehalt bei alpinen Schneeblühern. a. In Basel überwinterte Pflanzen | Pflanze Cuers Da Zah] der Be- in Prozenten stimmungen 1 | Primula integrifolia 2500 M. Au März 3 Soldanella alpina 2600 M. | 69 März 2 Soldanella alpina 2200 M. | 18 März 1 b. Frisch aus den Alpen bezogene Pflanzen Soldanella alpina 1800 M. 80 Mai 2 Soldanella alpina 2000—2200 M. 75— 80 Mai 4 Anemone vernalis 2200 M. 70 Juli 3 ranunculus alpestris 2200 M. 62 Juli 1 Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 63 Aus diesen Bestimmungen (Tabelle 9) geht hervor, dass die untersuchten Vertreter der Schneetälchenflora (Pri- mula integrifolia und Soldanella alpina) sowie die alpinen Frühblüher (Anemone vernalis und Ranunculus alpestris) einen sehr hohen Chlorophyllgehalt aufweisen, der be- deutend höher ist, als derjenige der alpinen Wiesenpflanzen, ja zum Teil höher äls der der untersuchten Ebenenpflanzen. Die Ursache dieses hohen Chlorophyllgehalts bei Vertretern der Schnee- tälchenflora ist nicht ohne weiteres klar. Man könnte in erster Linie an eine Wirkung der niedrigen Temperatur denken. Die alpinen Wiesenpflanzen leben auf warmem Boden, während diese Schneeblüher einen kalten Untergrund haben. Doch fand Griffon (1899 S. 89—93) an seinen künstlich im Eisschrank erzeugten Alpenpflanzen einen geringeren Chlorophyllgehalt als bei gewöhn- lichen Ebenenpflanzen. Wenn die Temperatur des Bodens auch irgendwelchen Einfluss haben kann, so ist sie jedenfalls nicht der allein massgebende Faktor. Vielmehr ist an das Licht als beein- flussenden Faktor zu denken. Meine Untersuchungen über die CO,-Assimilation lassen ver- muten (vergl. S. 109), dass in der Umgebung von Schnee das Licht wahrscheinlich an roten Strahlen relativ arm ist. Dass die roten Strahlen die Chlorophylibildung begünstigen, wird allgemein anerkannt, doch sind die Ansichten über die Wirkungsweise der blauen Strahlen noch geteilt (Reinke 1893, Griffon 1899 S. 84—86, Monteverde und Lubimenko 1911, Schmidt 1914). Immerhin möchte ich mich auf Grund eigener (hier nicht mitgeteilter) Versuche der Ansicht Schmidts (1914 S. 282) anschliessen, der ein zweites rela- tives Maximum der Chlorophyllbildung in Blau konstatierte. Zur Bildung des Chlorophylls sind in der Umgebung von Schnee jedenfalls genügend rote und blaue Strahlen vorhanden. Nun wird das Schneetälchen aber nur wenig vom direkten Sonnen- licht getroffen, daher bleibt ja der Schnee so lange darin liegen. Die Schneetälchenpflanzen werden fast ausschliesslich vom diffusen Himmels- oder reflektierten Schneelicht bestrahlt; sie erhalten so- mit sehr wenig rote, vielmehr überwiegend blaue Strahlen. Dangeard (1910) hat nun nachgewiesen, dass die roten Strahlen des direkten Sonnenlichts das Chlorophyll zu schädigen vermögen, während die blauen Strahlen hiezu nicht imstande sind. Ursprung (1917) hat bei der Stärkebildung im direkten Sonnenlicht zuerst eine Hemmung im roten Licht konstatiert, die im diffusen Licht nicht erfolgte. Es wäre darum möglich, dass im diffusen, an roten Strahlen armen Licht der Schneetälchen jede Hemmung resp. Schädigung der Chlorophylibildung ausgeschlossen ist, demzufolge 64 Marguerite Henrici. die Vertreter der Schneetälchenflora einen grösseren Chlorophyll- gehalt aufweisen als die Wiesenpflanzen. Demnach wäre der Mangel an roten, für das Chlorophyll unter Umständen schädlichen Strahlen des Schneelichtes die Ur- sache der starken Chlorophyllbildung. Um die Richtigkeit dieses Schlusses zu prüfen, suchte ich festzustellen, ob die Blätter dieser Pflanzen, welche sich nicht bei Schnee entwickelten, einen andern Farbstoffgehalt aufweisen als die bei Schnee gebildeten. Zu diesem Zwecke entfernte ich an Soldanella alpina und Primula inte- grifolia die Blätter mehrmals und bestimmte gleichzeitig ihren Chlorophyligehalt. Hierauf stellte ich die Pflanze an einen sonnigen Standort und bestimmte nach Verlauf von mehreren Wochen die Farbstoffmenge aufs neue, 3 Tabelle 10. Veränderungen des Chlorophyligehalts bei Blattentwieklung mit und ohne Schneelicht. | mit Schnee ohne Schnee Zahld. Pflanze | Chlorophyll Chl hyll| Be- | Datum | Hs 0 à Din in dh 7 stimmg. | Primula integrifolia | Ende März | 70—71 | Ende April 39 5 2500 M. Soldanella alpina Ende März 69 Ende April 47 3 2600 M. Soldanella alpina Ende März 74 Ende April 40 Al 2200 M. Aus den in Tabelle 10 zusammengestellten Zahlen geht her- vor, dass die Blätter, die sıch nicht in der Nähe von Schnee entwickelt haben, einen viel geringeren, bis halb so grossen Chlorophyllgehalt aufweisen als die in Schnee- licht entwickelten. Obwohl bei diesen Versuchen nicht nur die Licht-, sondern auch die Temperaturverhältnisse verändert waren, lassen sie es doch als wahrscheinlich erscheinen, dass das Schneelicht infolge seiner abweichenden spectralen Zusammensetzung (siehe S. 109) den hohen Chlorophyllgehalt der Schneetälchenflora bedingt. Gleichzeitig untersuchte ich noch den Chlorophyligehalt von Pflanzen, welche ihre Blätter bei Schneelicht entwickelt hatten, dann aber bis im April und Mai im Gartenbeet blieben (Tabelle 11). Vergleicht man diese Zahlen mit denjenigen von Tabelle 9, so zeigt es sich, dass Primula integrifolia ihren Chlorophyll- Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 65. Tabelle 11. Chlorophyllgehalt der Sehneetälchenfiora im April und Mai. Pflanze a hyil .. Datum D Primula integrifolia 2600 M. 60 u. 62 April 2 Primula integrifolia 2600 M. | 60 Mai 2 Soldanella alpina 2200 M. 74 u. 76 April 2 Soldanella alpina 2600 M. 70 April 1 gehalt am sonnigen Standort zwar deutlich, aber lange nicht so stark als beim völligen Ausschluss des Schneelichtes herabgesetzt hat (von 70 nur auf 60, statt! auf 35°%,); Soldanella alpina weist bei beiden Behandlungsweisen ungefähr den gleichen Chloro- phyligehalt auf. Höhere Werte erhielt ich nur bei Individuen, welche sich in der gleichen Jahreszeit neben Schnee, allerdings nur in einer Höhe von 1800 Metern entwickelt hatten (Tabelle 9b.) In diesem Zusammenhange möchte ich nochmals auf die Chlorophyllbestimmungen an Primula farinosa 2400 m (siehe S. 55) zurückkommen. Von den untersuchten Pflanzen (aus 450, 950, 1700 und 2400 Metern Höhe) wiesen die Individuen aus 1700 Metern Höhe die geringsten, die aus 450 und 2400 Metern einen bedeutend höheren, die von 950 Metern Höhe einen intermediären Chlorophyligehalt auf. Bis 1700 Meter verhält sich also Primula farinosa wie jede der untersuchten alpinen Wiesenpflanzen, deren Chlerophyligehalt mit steigender Meereshöhe abnimmt. Nun stammen die aus 2400 Meter gesammelten Exemplare von Primula farinosa vom gleichen Standort wie die untersuchte Primula integrifolia, d. h. aus einem richtigen Schneetälchen. Die Mehl- primel ist dort somit den gleichen Licht- und Temperaturverhältnissen unterworfen, wie die alpinen Schneeblüher; ihr hoher Chlorophyll- gehalt, der demjenigen tiefer unten wachsender Individuen auf- fallender Weise überlegen ist, darf darum wohl wie bei den Schnee- blühern auf das Fehlen der die Chlorophyllbildung eventl. schädi- genden roten Strahlen zurückgeführt werden. 8) Winterblüher der Ebene. Wenn das Schneelicht auf die Chlorophyllbildung der Alpen- pflanzen wirklich so grossen Einfluss hat, so müsste dieser auch bei Ebenenpflanzen nachzuweisen sein, die sich neben Schnee ent- 5 66 Marguerite Henrici. wickeln. Ich untersuchte deshalb Eranthis hiemalis, Crocus vernus, Leucojum vernum, Galanthus nivalis und Helle- borus foetidus, wenigstens zum Teil Pflanzen sonniger Stand- orte. Es ist nun sehr auffallend, dass, wie aus Tabelle 12 her- vorgeht, unter allen von mir untersuchten Pflanzen Eranthis hie- malis mit 82 °/o am meisten Chlorophyll aufweist. Auch die an- dern Pflanzen besitzen einen recht grossen Chlorophyligehalt mit Ausnahme von Galanthus nivalis, dessen relativ geringer Chlo- rophyligehalt vielleicht auf den grossen Wasserreichtum dieser Blätter zurückzuführen ist, da ich ja den Chlorophyllgehalt auf das Frischgewicht bezogen habe. Tabelle 12. Chlorophyligehalt bei Winterblühern der Ebene. | Pflanzen | en | Datum Zi ee in 0/0 | Bestimmungen = == | | Galanthus nivalis | 55 | März 4 Galanthus Elvesi | 70 | März | 1 Helleborus foetidus | 70 | März 2 Crocus vernus | 14—15 | März | 2 | | Leucojum vernum | 17 | März 3 Eranthis hiemalis | 82 März 3 | 3. Chlorophyllgehalt bei Gesteinspflanzen. Zum Schlusse gebe ich noch einige Zahlen, die ich bei der Untersuchung hochalpiner Fels- und Schuttpflanzen gewonnen habe (Tabelle 13). Primula hirsuta und viscosa, sowie Ranun- culus glacialis nehmen mit ihrem Chlorophyllgehalt von 48—54°/o eine Mittelstellung zwischen den Pflanzen der Alpwiese und den- Tabelle 13. Chlorophyllgehalt von Pflanzen der Gesteinsflora. Pflanzen an Boa | Datum Fu ge in Jo Bestimmungen | Primula hirsuta 2300 M. | .52—54 April 3 | Primula viscosa 2600 M. 48—50 Mai 4 Ranunculus glacialis 2600 M. | 50—52 April Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 67 jenigen der Schneetälchen ein. Da sie im allgemeinen viel Licht erhalten, brauchen sie nicht viel Chlorophyll auszubilden. An ihrem hochgelegenen Standorte werden sie aber häufig eingeschneit und haben darum oft neben schmelzendem Schnee zu assimilieren (vergl. meine Bemerkungen über den Einfluss von Licht und Tem- peratur auf S. 62 ff.). Zusammenfassung. Wie Lubimenko beim Sonnenblatt einen geringeren Chloro- phyligehalt als beim Schattenblatt fand, so stellte ich für das Alpenblatt gegenüber dem Ebenenblatt ebenfalls einen geringeren Chlorophyligehalt fest mit Ausnahme der Vertreter der Schnee- tälchenflora oder der Pflanzen, die sich normalerweise bei schmel- zendem Schnee entwickeln; bei diesen findet sich sehr viel Chloro- phyll. Die Gesteinsflorä nimmt zwischen der Wiesen- und Schnee- tälchenflora eine Mittelstellung ein. Die mit viel Chlorophyll ausgerüsteten Vertreter der Schnee- tälchenflora sind in hohem Grade fähig, ihren Chlorophyllgehalt im intensiven Licht herabzusetzen, was auch Lubimenko für chloro- phyllreiche Pflanzen festgestellt hat. Die relativ chlorophyllarmen alpinen Wiesenpflanzen vermin- dern ihren Farbstoffgehalt auch, jedoch nicht bei Steigerung, son- dern bei Herabsetzung der Lichtintensität. Ausserlich ist dabei den Pflanzen zunächst noch nichts anzusehen. Die Verminderung des Chlorophyllgehalts kann jedoch dazu führen, dass sie bei län- serem Aufenthalt im schwachen Licht sogar erbleichen, während die chlorophyllreichen Ebenenpflanzen bei gleich langer Kultur im schwachen Licht keine Veränderungen im Chlorophyllgehalt _ aufweisen, Weder die alpinen Wiesenpflanzen in der Ebenenkultur noch die Ebenenpflanzen in alpiner Kultur ändern im Laufe kürzerer Zeit ihren Chlorophyligehalt merklich, wenn man von jungen Blättern ausgeht. Die alten Blätter von Ebenenpflanzen vergilben in den Alpen und gehen frühzeitig zu Grunde. Unter „jungen Blättern“ verstehe ich solche, die in der Heimat der Pflanze an- gelegt worden waren, aber erst am neuen Standorte auswuchsen. Anthyllis Vulneraria allerdings zeist gegen den Sommer zu oder in den Ebenenindividuen, die in den Alpen kultiviert wurden, eine deutliche Abnahme des Farbstoffgehaltes. Im Laufe eines Tages konnte ich bei keiner der untersuchten Pflanzen eine Schwankung des Chlorophyligehaltes feststellen; eine Chlorophyllzersetzung findet also entweder nicht statt oder wird 68 Marguerite Henrici. durch Neubildung des Farbstoffes aufgewogen, sodass ein Gleich- gewichtszustand eintritt. Aus meinen Befunden geht hervor, dass Bonnier’s (1895) An- gabe, wonach die in die Alpen verpflanzten Teile einer Pflanze aus mittlerer Höhe einen grösseren Chlorophyllgehalt aufweisen als die in der Ebene kultivierten Teile, sich nicht für die in der freien Natur wachsenden Pflanzen verallgemeinern lässt. Auch für die chlorophyllreichen Vertreter der Schneetälchenflora lässt sich ja mit der Höhe eine Abnahme des Farbstoffgehaltes kon- statieren. Die hier wiedergegebenen Resultate möchte ich nicht verall- gemeinern, da gerade in Beziehung auf das Licht jede Pflanzen- spezies ausgesprochen spezifisch reagiert. Überhaupt sollen diese Bestimmungen nur vorläufig über den Chlorophyllgehalt von Alpen- und Ebenenpflänzen orientieren. Viele _ Probleme, ich erinnere an die Bildungsbedingungen, den absoluten (Gehalt an Chlorophyll, das Verhalten von einjährigen und aus- dauernden Blättern von Alpenpflanzen, und ausserdem das Ver- halten des Chlorophylls der Ebenenpflanzen zum alpinen Licht, bleiben noch zu lösen und regen zu weiteren Untersuchungen an, die ich mir für später vorbehalte. C. Die CO,-Assimilation bei Alpen- und Ebenenpflanzen. a) Methodik meiner Assimilationsversuche. I. Allgemeines. Die Assimilationsversuche führte ich alle im Freien aus, um unter möglichst natürlichen Bedingungen zu arbeiten. Einige wenige Versuche im teilweise geschlossenen Raum während des Winters 1916/17 werde ich später besonders besprechen. Als Lichtquelle diente direktes Sonnen- und diffuses Tageslicht, oder diffuses Tageslicht allein. Die Atmung habe ich nur soweit berücksichtigt, als sie all CO,- Quelle für die Assimilation in Betracht kommt. Ich best vor und nach dem Assimilationsversuch die in der Zeiteinheit von verdunkelten Pflanzen ausgeatmete Kohlensäure, um einen Mittel- wert der Atmungsgrösse während des Assimilationsversuches zu erhalten. Um die Resultate nicht durch Wundreiz zu verwischen, der sich im Laufe eines lange dauernden Versuchs unbedingt einstellen Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 69 musste, wurden zu den Versuchen stets ganze Pflanzen verwendet. Ausserdem erlauben diese Versuche, festzustellen, wie ökonomisch Alpen- und Ebenenpflanzen unter gleichen Be- dingungen arbeiteten, d. h. in welchem Verhältnis CO,-Assimilation und Atmung der ganzen Pflanze zu einander standen. Bei den Versuchen wurde immer eine Alpen- und eine Ebenenpflanze derselben Spezies gleichzeitig untersucht und zwar stets Individuen sonniger Standorte. II. Bestimmung der Assimilation und Atmung. Die Intensität der CO,-Assimilation wie der Atmung wurde auf Grund der absorbierten, resp. der ausgeschiedenen CO,-Menge bestimmt, wobei ich mich folgender Methode bediente: 1. Methode der CO,-Bestimmung. Zur Absorption des bei der Atmung entstehenden und bei der Assimilation übrig bleibenden CO, verwendete ich Ba (OH), in Pettenkofer-Röhren. Ich wählte solche von nur 50 cm’, damit bei ihrer Füllung nicht mehr als eine Bürette voll Lauge notwendig war; dadurch wurden grössere Ablesungsfehler vermieden. Die Lauge war 2—3,2 mal so stark als die 1/10 n HCl, mit der sie eingestellt wurde. Bei Vorversuchen suchte ich den ganzen Inhalt der Petten- kofer-Röhren zu titrieren. Ich goss ihn — Flüssigkeit wie Nieder- schlag — in einen mit CO, freier Luft gefüllten Erlenmeyer- Kolben, und wusch dann die Röhre mit ausgekochtem destilliertem Wasser mehrmals aus; dann prüfte ich mit Phenolphtalein, ob in dem Waschwasser noch alkalische Reaktion eintrat. Dabei machte ich die unangenehme Entdeckung, dass ich keinen bestimmten Endpunkt feststellen konnte, bei dem alle Lauge aus der Röhre herausgespült war, da der an der Glaswand haftende BaCO, Nieder- schlag sich im Waschwasser allmählich löste und infolgedessen das _ Wasser von Neuem alkalisch machte. Überdies brauchte ich immer mehrere Büretten von HCl, um die überschüssige Lauge zurück zu titrieren. Ich verzichtete daher im Weiteren auf diese Methode und bestimmte das CO, auf dem Wege der Teiltitration. Zu diesem Zwecke wurde der Inhalt jeder Röhre in einen Glaszylinder mit eingeschliffenem, gut gefettetem Pfropfen gegossen. Da ich die Zylinder möglichst eng und hoch wählte, war es mir möglich, jedem derselben mit der Pipette 3—4 mal 10 cm? Lauge zu entnehmen, ohne den Niederschlag aufzurühren, 70 Marguerite Henrici. Ich wartete jeweilen, bis dieser nach einigen Stunden kristal- linisch geworden und zu Boden gesunken war. Dann titrierte ich die mit der Pipette entnommene klare Flüssigkeit mit 1/10 n HCl unter Anwendung von Phenolphtalein als Indikator. Selbstver- ständlich mussten alle gebrauchten Glaswaren vollständig trocken sein. Anfangs arbeitete ich auch in durchaus CO,-freien Erlen- meyer-Kölbchen etc.; ich verzichtete jedoch später auf diese Vor- sichtsmassregeln, da das CO, während des Titrierens doch nicht fernzuhalten ist, und der Fehler innerhalb der Versuchsfehler fällt, Für jede Röhre bestimmte ich 3 —4mal den Laugengehalt von 10 em°. Nur wenn 3 der gefundenen Zahlen völlig übereinstimmten, war der Versuch brauchbar, da sonst, wenn die gefundenen Werte auf die verschiedenen Einheiten sämtlicher Blätter berechnet wurden, besonders bei kleinen Pflanzen, grössere Fehler hätten entstehen können. Ich titrierte auf Farblosigkeit, brachte dann ein Trüpfchen Lauge hinzu, das beim Schütteln sofort den Um- schlag bewirken musste. Nach einiger Zeit las ich nochmals an der HCl-Bürette ab. Der für 10 cm? gefundene Laugenwert wurde nun auf die verwendete Ba(OH),-Menge umgerechnet, der - Verlust an Lauge und dadurch die darin enthaltene Kohlensäure bestimmt. Bei Anwendung der eidgenössisch geprüften Normal-Büretten von 50 cm? Inhalt und mit Teilung in 1/10 cm? konnte ich 1/20 cm? gut ablesen, 1/40 cm? eventl. noch schätzen. Da 1/20 cm? 1/10 n HCl 0,0001 gr CO, entspricht, werde ich in der Folge die erhal- tenen Werte bis zur 4. Dezimale angeben, und je nachdem die nächste Stelle unter oder über 5 liegt, die Werte ab- oder aufrunden. Bei den CO,-Bestimmungen der Luft wurde in der Tabelle öfters die 5. Dezimale angegeben, weil diese Zahl logarithmisch weiter verwendet wurde; dabei bin ich mir völlig bewusst, dass diese 5. Stelle nur hypothetischen Wert hat. 2. Bestimmungen des CO, der Luft. Da ich mit dem CO, der Luft arbeitete, musste dieses jedes- mal genau bestimmt werden. Dies ist besonders in der‘ Ebene, z. B. in Basel nötig, wo, wie es sich gezeigt hat, der CO,-Gehalt stark, nämlich von 0,3 °/oo bis 3,1 °/oo (in Grammen pro Liter ausgedrückt) schwankt. In Samaden und hauptsächlich auf Muottas Muraigl ist er im allgemeinen kleiner als in Basel, auch sind seine Schwankungen geringer. Die Schwankungen in Basel und in den Alpen sind grösser, als nach den Angaben von Brown und Escombe zu erwarten war Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 1 (1905 S. 118—121). Wahrscheinlich ist dies darauf zurückzuführen, dass ich im Gegensatz zu Brown und Escombe das CO, nur etwa 70 cm und darunter über der Erde mass, wo es nach Demoussy (1904 S. 291 ff.) in bedeutend. grösserer Menge vorhanden ist als in grösserer Höhe. Zur Bestimmung des CO,-Gehaltes wird eine bekannte Luft- menge durch eine Pettenkofer-Röhre geleitet. Wird die bei der Titration gefundene CO,-Menge durch die Anzahl Liter geteilt, welche die Röhre passieren, so erhält man den CO,-Gehalt in Grammen pro 1 Liter Luft. 3. Der Assimilationsversuch. Die nachstehenden Assimilationsversuche führte ich alle in einem Luftstrome von natürlichem CO,-Grehalte aus, um môglichst natürliche Bedingungen zu schaffen. Der Luftstrom wurde durch ca. 30 Liter fassende Aspiratoren erzeugt, von denen je 2 so zu- sammengestellt waren, dass durch Schlauchverbindungen das Wasser aus dem oberen in den unteren fliessen konnte. Die Aspiratoren waren mit Standröhren versehen, hinter welchen eine Einteilung in Liter angebracht war. Die Teilstriche lagen so weit aus- einander, dass mit Hilfe eines Millimeterstabes 100 cm? abgelesen werden konnten. Durch die ganze Apparatur — sie bestand aus U-Röhre, Waschflasche, Recipient mit Pflanze und Pettenkofer-Röhre — wurde ein der Menge des ablaufenden Wassers entsprechendes Quantum von Luft durchgesaugt. Alpen- und Ebenenpflanzen wurden, wie schon erwähnt, gleich- zeitig untersucht; die Apparatur für die beiden untersuchten Pflanzen war dieselbe. Während der Atmung wurde die Luft durch die in Bimssteinstückchen enthaltene KOH eines U-Rohres sowie durch die Ba(OH), einer Waschflasche von CO, befreit. Der Recivient, welcher die Pflanze enthielt, bestand äus einer Glasglocke mit Hals und geschliffenem Rand. Der Hals war mit einem doppelt gebohrten Gummipfropfen geschlossen. Durch die eine Bohrung führte eine ausserhalb des Recipienten rechtwinklig gebogene Röhre bis unten in die Glocke, durch die andere Boh- rung eine gleichgestaltete Röhre, die jedoch nur bis zum Halsende reichte. Ausserdem war am Gummipfropfen ein Thermometer be- festigt, das frei in die Glocke hing. Die Oberfläche des Gummi- pfropfens und seine Fugen am Glashals waren mit Paraffin über- gossen, wodurch völlige Dichtigkeit erreicht wurde. Den Rand der Glocke dichtete ich mit einem Gemisch von Schweineschmalz 12 Marguerite Henrici. und Wachs auf eine Mattscheibe auf. In der Mitte der Glas- scheibe befand sich ein rundes Loch. Unter diesem war ein kleiner etwas CO,-freies Wasser enthaltender Glaszylinder mit Siegellack an der Glasplatte luftdicht befestigt, der zur Aufnahme der unter- irdischen Teile der Versuchspflanzen bestimmt war. Die Pflanze hatte somit in allen Versuchen genügend Wasser zur Verfügung. Die oberirdischen Teile ragten in den Recipienten hinein. Es könnte der Einwand erhoben werden, dass das im Gefäss enthaltene Wasser das von der Wurzel ausgeschiedene CO, ab- sorbiere. Anfänglich wurde auch jedesmal nach Beendigung des Versuchs dieses Wasser mit Ba(OH), versetzt und mit HCl zu- rücktitriert. Da hiebei immer der volle Laugenwert gefunden wurde, darf man annehmen, dass die kleine Wassermenge äusserst wenig CO, absorbiert. Das vom Wasser eventl. absorbierte CO, diffundiert vermutlich durch die Pflanze in den Recipienten und wird dort entweder als Atemkohlensäure gefunden oder bei der Assimilation sogleich verarbeitet; auf jeden Fall wird es gemessen. Deshalb titrierte ich den Inhalt des Glaszylinders nicht mehr und fixierte das Gläschen dauernd an der Glasplatte. : Während der Atemversuche kamen noch zwei Dunkelstürze zur Verwendung, die, zur Vermeidung allzugrosser Erwärmung, aussen weiss gestrichen waren. Zwischen Pettenkofer-Röhren und Aspiratoren waren eingeschliffene Glashähne angebracht; die Schlauchverbindungen zwischen den Capillaren der Pettenkofer- Röhren und dem Recipienten konnten durch name aus ge- schlossen werden. Ich liess die Pflanzen 1—2 Stunden assimilieren, und be- stimmte nach und vor dieser Zeit die stündliche Atmung. Bei der Assimilation passierten während eines in der Ebene ausgeführten Versuches 3,4—4 Liter Luft den Recipienten; in den Alpen liess ich wegen des geringen CO,-Gehaltes 6—7 Liter durch den Reci- pienten streichen. “ang des Assimilationsversuches: Zunächst leitete ich durch beide Recipienten CO,-freie Luft. Hierauf verband ich die bis zur Pflanze reichende längere Röhre beider Recipienten mit je einer Pettenkofer-Röhre — der Atemröhre — und bedeckte den Recipienten sofort mit dem Dunkelsturz. Die darin für den Durch- tritt der Röhren angebrachte Offnung wurde neben diesen mit schwarzer Watte lichtdicht verschlossen. Die Atemkohlensäure ge- langte mit der durchgesogenen Luft in die Atemröhre, wo sie mit dem Ba(OH), als BaCO, ausfiel. Nach einer Stunde wurden die Hähne geschlossen, die Dunkelstürze entfernt und durch den Recı- pienten gewöhnliche Luft gesaugt, um die Pflanzen noch vor Beginn Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 13 des Assimilationsversuches in Luft von normalem CO,-Gehalt zu versetzen. Dann schloss ich jeden Recipienten mit seiner kurzen Röhre an die 2. Pettenkofer-Röhre an (Assimilations-Röhre). Durch die lange Röhre des Recipienten wurde gewöhnliche CO,-haltige Luft angesaugt, die direkt über der Pflanze in den Recipienten eintrat. Ausser der Luftkohlensäure stand der Pflanze noch die Atemkohlensäure zur Verfügung. Was sie davon nicht brauchte, wurde vom Ba(OH), der Assimilationsröhre gefällt. Während jedes Assimilationsversuchs führte ich eine Bestim- mung der Intensität der stark brechbaren Strahlen mit dem Eder- schen Gemisch (vergl. S. 82) und eine CO,-Bestimmung der Luft (vergl. S. 70) aus. In Basel wurde bisweilen durch verschiedene Kühlvorrichtungen die Temperatur des Recipienten herabgesetzt (siehe S. 77). Nach Beendigung des Assimilationsversuches wurde wieder CO,-freie Luft durch den Recipienten geleitet, und nochmals während einer Stunde die Atmung bestimmt. Von der der Pflanze aus der Luft und von ihrer eigenen Atmung für die Assimilation zur Verfügung stehenden Kohlen- - säure subtrahierte ich das in der Assimilationsröhre niederge- schlagene CO, und erhielt so die Menge des assimilierten CO,. Dieses rechnete ich zunächst auf eine Stunde um und deu stünd- lichen Wert auf die Einheit des Volumens und der Oberfläche der Pflanze (1 cm? und 100 cm’), dann wurde das Verhältnis der auf die Einheit der Oberfläche und des Volumens bezogenen Werte von Alpen- und Ebenenpflanzen gebildet, und endlich für jede Pflanze das Verhältnis der Assimilation zur Atmung berechnet. III. Berechnung der Assimilationswerte auf die Einheiten von Gewicht, Fläche und Volumen der Blätter. Die für die Alpen- und Ebenenpflanzen gefundenen Assimi- lationswerte berechnete ich anfänglich auf 1 gr Frischgewicht, 100 cm? Fläche, 1 cm? Volumen und 1 gr Trockengewicht der Blätter. Um die Abhängigkeit der CO,-Assimilation von diesen Grössen festzustellen, exponierte ich gleichzeitig 2 Individuen derselben Spezies aus gleicher Höhenlage. Die Kontrolltabelle 14 zeigt, dass die Assimilationswerte auf Volumen und Fläche berechnet die geringsten Schwankungen aufweisen; ich teile deshalb in den folgenden Tabellen (17—35) nur diese mit. Das Frischgewicht kann sich im Laufe des Versuchs in Folge verschiedener Wasseraufnahme und -Abgabe ändern; immerhin können diese Schwankungen durch den Wasseraustausch nicht be- 74 Marguerite Henrici. deutend sein, da ja der Chlorophyllgehalt der Blätter aufs Frisch- gewicht bezogen, nahezu konstant ist (siehe S. 51 ff). Doch geht aus Tabelle 14 hervor, dass als Einheit der Assimilationswerte das Frischgewicht nicht so gut brauchbar ist, wie Volumen oder Oberfläche der Blätter. Als gänzlich unbrauchbare Einheit erwies sich das Trocken- gewicht. Dieses ändert sich ja während des Assimilationsversuches beständig. Zunächst werden Assimilationsprodukte gebildet, die die Trockensubstanz des Blattes erhöhen; dann werden solche Produkte wieder abgeleitet und zu einem kleinen Teil auch ver- atmet, was eine weitere Verringerung der Trockensubstanz bedeutet. Neben diesen täglich vorkommenden Anderungen konnte ich noch eine jährliche Schwankung der Trockensubstanz der Blätter bemerken, indem sie im Sommer im allgemeinen 25 Prozent, im Winter 9—12 Prozent des Frischgewichts beträgt. Dies stimmt durchaus mit den Resultaten Lubimenko’s (1908 Annales S. 333 und 372), nach welchen im allgemeinen bei abnehmender Licht- intensität, die sich ja auch in meinen Versuchen gegen den Winter hin geltend macht, die Menge des Trockengewichts sinkt. Über die unmittelbare Ursache dieser Erscheinung habe ich noch keine Versuche angestellt; ich vermute aber, dass der zerstörende Einfluss des im Sommer stärkeren Sonnenlichts auf die Diastase den schnellen Abtransport der Stärke hindert und so eine Aufspei- cherung der Assimilate im Laubblatt befördert; bei schwachem Licht und niederer Temperatur hingegen baut die Diastase im Laufe des Tages die gebildete Stärke fortwährend ab, der gebildete Zucker wird abgeleitet, und es kann sich nie viel Trokensubstanz in den Blättern aufhäufen. Wenn nun bei 2 Pflanzen derselben Spezies aus gleicher Meereshöhe die Assimilationswerte auf die Blattfläche als Einheit bezogen brauchbare Werte ergeben, so sind diese, wenn sie von Individuen verschiedener Meereshöhe stammen, nicht mehr einwandfrei, da ja die Blätter aus verschiedener Meereshöhe ungleich dick sind. Die auf das Volumen bezogenen Werte sind in diesem Falle korrekter. Ich teile die Oberflächenwerte nur mit, weil in andern Arbeiten über die CO,-Assimilation nur sie erwähnt sind. 1. Bestimmung der Oberfläche der Blätter. Um die Oberfläche der Blätter zu bestimmen, exponierte ich diese auf mittelschwerem Lichtpauspapier. Es ist am vorteil- haftesten, die Blätter so kurz als möglich, am besten dem direkten Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 75 Sonnenlicht, zu exponieren; !/2 bis 2 Minuten genügen. Bei diffusem Tageslicht muss die Exposition bis auf eine halbe Stunde ausge- dehnt werden. Die Verwendung künstlichen Lichtes ist noch unvor- teilhafter, da eine noch längere Exposition erforderlich ist. Die Lichtpausen fixierte ich in Wasser, trocknete sie an der Luft, schnitt die Blattformen aus und trocknete sie weiter während eines . halben Tages im CaCl,-Exsikkator. Dann wog ich sie in einem geschlossenen Wägfläschehen. Das Gewicht von 1 cm? dieses Papiers wurde vorher durch mehrere Wägungen festgestellt und der Umrechnungslogarithmus von Gewicht auf Fläche notiert. Der Logarithmus der für die Blattflächen erhaltenen Anzahl gr (gewöhn- lich waren es Bruchteile von solchen) braucht nun nur zum Um- rechnungslogarithmus addiert zu werden, damit man den dazu ge- hörigen Numerus resp. den Flächeninhalt der Blätter erhält. Ich ziehe nur die eine Seite der Blätter in Rechnung, da in meinen Versuchen fast ausschliesslich die Oberseite belichtet wurde. 2. Bestimmung des Volumens der Blätter. Um die Blätter benetzbar zu machen, entfernte ich die ihnen adhaerierende Luft unter der Luftpumpe und injizierte sie mit Wasser. Dann bestimmte ich mehrere Male hintereinander das Volumen durch die Wasserverdrängung der Blätter in einer Bürette. 3. Schwankungen der auf die Einheit des Volumens etc. berechneten Assimilationswerte. Bei der Ungleichheit meines Pflanzenmaterials (vergl. S. 45) konnte ich nicht erwarten, dass die z. B. auf die Einheit des Vo- lumens berechnete Grösse der CO,-Assimilation bei ein und der- selben Spezies in Ebenen- resp. Alpenform übereinstimmten. Ich war auf starke individuelle Schwankungen gefasst. Nun zeigt aber die Kontrolltabelle 14, welche gleichzeitige Versuche mit Indi- viduen derselben Spezies und desselben Standortes enthält, dass der Mangel an reinen Linien in meinen Versuchen ohne Belang ist; denn es ist nicht anzunehmen, dass ich bei den Kontrollver- suchen jeweilen 2 Individuen derselben reinen Linie untersucht habe. Die grossen Unterschiede in den auf die Einheit des Volumens und der Oberfläche berechneten Assimilationswerte, welche an ver- schiedenen Tagen gewonnen wurden (Tabelle 17—35), sind also nicht auf individuelle Schwankungen zurückzuführen, sondern auf die ungleiche Beeinflussung der Pflanzen an den dem Versuch vorausgehenden Tagen. 76 Marguerite Henrici. Da die Pflanzen vor den Versuchen im Freien gehalten wur- den, waren sie den wechselnden Einflüssen der Witterung preis- gegeben, waren also an verschiedenen Tagen vor dem Beginn des Versuchs verschieden gestimmt, sodass sie während des Versuches auch auf gleichartige Einflüsse nicht völlig gleich reagieren konnten. - Im Winter waren diese Einflüsse offenbar besonders stark; denn gerade in dieser Zeit erhielt ich sehr grosse Scheren der auf die Volumen- oder Oberflächeneinheit berechneten en lationsgrössen. Auch in der alpinen Station (2450 m), wo häufig in der Nacht Schnee und Frost eintrat, machten sich diese Ein- flüsse natürlich geltend, obwohl die Pflanzen über Nacht gedeckt waren. Prinzipiell wichtig jedoch ist, dass die zu einem Versuch verwendeten Alpen- und Ebenen-Individuen vor diesem Versuch co © Assimiliertes CO, in mgr 79 207 211 93 218 84 98 201 87 Laufende Versuchsnummer Fig. 2. Primula farinosa. Schwankungen der Assimilationswerte. unter genau den gleichen Bedingungen gehalten worden waren und darum physiologisch gleich oder ähnlich gestimmt, auf den gleichen äusseren Einfluss meist gleichsinnig reagierten. Unter diesen Umständen können zunächst nur Werte von Ebenen- und Alpenpflanzen eines gleichzeitigen Versuchs mitein- ander verglichen werden. Immerhin lassen sich auch allgemeine Schlüsse ziehen, wenn man das Verhältnis der Assimilations- grössen von oem und Ebenenpflanzen eines Versuches mit den Verhältniswerten anderer Versuche vergleicht. Die Schwankungen lassen sich am deutlichsten graphisch dar- stellen. Ich greife zu diesem Zwecke aus Tabelle 29 die auf 1 em? bezogenen Assimilationswerte für Primula farinosa be- liebig heraus — jede andere Pflanze würde ein ähnliches Bild ergeben — und trage die für Alpen- und Ebenenpflanze gefun- denen Assimilationswerte auf nebeneinanderstehenden Vertikalen Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 77 ab. Die Werte für Alpen- und Ebenenpflanze eines Versuchs sind also auf derselben Vertikalen eingetragen (Wert der Ebenen- pflanze dicke Linie, Wert der Alpenpflanze dünne + dicke Linie). Es zeigt sich, dass die Differenz der beiden Werte in den meisten Ver- suchen ungefähr gleich gross ist, dass also bei starker Assimilation der Alpenpflanze auch diejenige der Ebenenpflanze im allge- meinen einen hohen Wert zeigt. (Die Extremversuche sind natür- lich ausgenommen.) IV. Bestimmung der äusseren Faktoren. 1. Messung der Temperatur. Für jeden Versuch wurden zweierlei Temperaturmessungen vorgenommen. Zunächst mass ich die Schattentemperatur. Schwankte sie während der Versuchszeit, so gebe ich in den folgenden Ta- bellen das Mittel dieser Schwankungen an. Die Apparatur war in allen Stationen so aufgestellt, dass diese Schwankungen auf ein Minimum herabgedrückt wurden. Es wäre zur Beurteilung der Assimilation wichtig, ausser der Schattentemperatur die Innentemperatur der Pflanze zu kennen. Leider war es mir nicht möglich, diese thermoelektrisch zu be- stimmen, wie es s. Z. Matthaei (1905 S. 75—78) getan hat. Da ein mit Chlorophyll bestrichenes Thermometer sich am Licht infolge der Farbstoffzersetzung als unbrauchbar erwies, mass ich die Tem- peratur über der Pflanze im Recipienten mit einem berussten Thermometer. Ohne Zweifel absorbiert dieses mehr Strahlen und erwärmt sich stärker als die grüne Pflanze. Doch ist die Differenz der Temperatur des geschwärzten und des am Schatten hängenden Thermometers und die Lichtabsorption in der Pflanze annähernd proportional. | Um im Innern des Recipienten allzu hohe Temperaturen zu vermeiden, wurden Kühleinrichtungen getroffen. Zuerst ver- wendete ich parallelwandige Oüvetten aus Spiegelglas, deren Wasser- füllung im Lauf des Versuchs öfters erneuert wurde. Dies ge- nügte jedoch nicht, um die Temperatur im Recipienten dauernd niedrig zu halten. So nahm ich schliesslich eine zu den Sonnen- strahlen senkrecht gestellte Glasplatte zu Hilfe, die dauernd mit Leitungswasser überflutet wurde. Auf diese Weise erzielte ich unter geringem Verlust von Lichtintensität konstant um ca. 9° niedrigere Temperaturen. Auch wenn die Sonne mit Wolken bedeckt ist, liegt die Tem- peratur des geschwärzten Thermometers im Recipienten gewöhnlich 78 Marguerite Henrici. etwas höher als die Schattentemperatur, da die dunklen Wärme- strahlen nicht mehr aus dem Glas austreten können (Blackmann und Matthaei 1905 Seite 409). Bei direktem Sonnenlicht ist der Unterschied der im Recipienten beobachteten und der Schatten- Temperatur besonders in den Alpen sehr gross (in Versuch 233 Samaden Tabelle 18 beträgt er 32°). Innerhalb des Recipienten konnte bei Besonnung, auch mittelst Kühlung, nie völlige Konstanz der Temperatur erreicht werden. Die in den Tabellen angegebenen Werte repräsentieren die höchsten Werte, die ich ablas. Ich bezeichne sie als Maximaltemperaturen. Wenn der .Recipient in die Sonne gestellt wird, steigt die Temperatur während der ersten Minuten sehr stark, dann immer langsamer. Dabei ist aber zu beachten, dass die Luft, die durch den Recipienten gesaugt wird, annähernd oder ganz die Schatten- temperatur hat. Presst man nämlich mit der gleichen Geschwin- digkeit wie während des Versuchs Luft durch den besonnten Re- cipienten, so zeigt ein vor die Ableitungsröhre gehaltenes Thermo- meter ungefähr die Schattentemperatur. Die Maximaltemperatur scheint auf die Pflanze keinen ent- scheidenden Einfluss auszuüben. Die Assimilation wurde bei schwachem Licht, wie hauptsächlich Tabelle 21 von Anthyllis zeigt, durch die Aussentemperatur und nicht durch die Maximal- temperatur bedingt. Da ich direktes Sonnenlicht verwendete, war es nicht möglich, die Temperatur während eines Versuches konstant zu erhalten, und ich musste mich deshalb mit Näherungswerten begnügen. Die Hauptsache ist ja, dass bei meiner Versuchsanstellung je eine Ebenen- und eine Alpenpflanze bei gleichen Temperaturverhält- nissen untersucht wurden, und dass die Differenz zwischen Schatten- und Maximaltemperatur mit genügender Genauigkeit festgestellt werden konnte; wie meine Versuche ergeben (siehe S. 82 und 87ff.), ist gerade diese Differenz von grosser Wichtigkeit. Um die Pflanzen bei ungefähr derselben Temperatur atmen zu lassen, bei welcher sie nachher assimilieren mussten, stellte ich den Recipienten vor der Atmung immer an die Sonne, bis die Temperatur jenen Grad erreicht hatte, von dem aus sie während des Assimilationsversuchs nur noch langsam zu steigen pflegte. Dann wurde der Dunkelsturz über den Recipienten gesetzt, und der Atemversuch begonnen. Die Temperatur blieb nun annähernd konstant; während des darauf folgenden Assimilationsversuchs stieg sie noch um 2—5°. Zu Beginn des nachfolgenden Atemversuchs fiel sie wieder um ebenso viel, blieb dann aber konstant. Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 79 Man könnte noch den Einwand erheben, die vom geschwärzten im Recipienten aufgehängten Thermometer angegebenen Tempe- raturen seien viel höher als die Temperaturen, welche in der Um- gebung der Pflanze unter natürlichen Bedingungen herrschen. Wie aus einigen Beobachtungen hervorgeht, die ich im Laufe des Sommers 1916 auf Muottas-Muraigl gemacht habe, ist dies jedoch wenigstens in den Alpen nicht der Fall. Ich mass erstens die Temperatur direkt über der besonnten Pflanze mit geschwärztem Thermometer, zweitens die Schattentemperatur mit blankem, und drittens die Temperatur im Innern des Recipienten mit geschwärztem Thermometer. Sobald ich das Thermometer 1—2 dm von der Pflanze entfernte, fiel es stark, bis es nur wenig mehr als die Schatten- temperatur zeigte. Die Resultate sind in Tabelle 15 wiedergegeben. Tabelle 15. Temperaturverhältnisse in den Alpen. Schatten- Temp. des ge- ee ge- ; temperatur schwärzten Thermo-|schwärzten Thermo- Datum Zeit im meters dicht über meters im Freien gemessen der freien Pflanze Recipienten 29. VI. 7.15 59 4-0 910 | 8 20 60 80 120 | 30. VII. 200 10° 23 0 180 12 00 10 0 261/2 0 301/2 0 Sl NIT. 9 3 61/2 0 25 0 24 0 300 11 131/2 0 UE — 1. VIII. 8 40 70 29 0 | 23 0 2. VII 8 50 80 291/2 0 290 3. VI. 9 00 80 1910 27 0 4. VIII. 9 20 80 220 270 10 30 80 250 279 D. VI. 10 00 — 290 20 0 22 0 11. VII. 8 40 31/20 16 210 19. VIII 10 00 30 61/20 61/2 0 21. VIII. 9:39 190 90 18,0 22. VII. 9.00 — 10 120 180 2. IX. 10 00 40 210 239 Um die in dieser Tabelle enthaltenen Zahlen diskutieren zu können, muss ich einiges über die Temperaturunterschiede in Ebene und Alpen sagen. Sie finden sich bei Hann (1908 S. 201-240), 80 Marguerite Henrici. Schröter (1904 S. 40—48) und bei Dorno (1911 S. 17—22) aus- führlich dargestellt. In Bezug auf Temperatur ist das alpine Klima charakterisiert durch die starke Abnahme der Schatten- temperatur, den grossen Unterschied zwischen dieser und der Strahlungstemperatur, die relativ hohe Bodenwärme gegenüber der kalten Luft, die starke nächtliche Ausstrahlung. Dabei ist natür- lich die Exposition von grösster Bedeutung. Auch die Luftbe- wegung beeinflusst diese Grössen wesentlich. Speziell im Engadin, wo ich meine Gebirgsversuche machte, ist im Sommer selten ein Tag ohne kalten Wind (Hann 1908 8. 285—86). Die im Freien wachsenden Alpenpflanzen sind also besonders mit ihren unterirdischen Teilen hohen Temperaturen ausgesetzt. Uber ihre oberirdischen Organe streicht schon bei schwachem Wind Luft von niedriger Temperatur. Da auch das im Glas- zylinder enthaltene, die Wurzeln umgebende Wasser vom Glas stark erwärmt wurde, entsprachen die Bedingungen, denen meine Pflanzen im Recipienten ausgesetzt waren, annähernd den Aussen- bedingungen. Die im Recipienten herrschende Temperatur (Tabelle 15) wurde von der im Freien über der Pflanze gemessenen in einzelnen Fällen, wahrscheinlich infolge von Bewölkung, nicht erreicht, war jedoch im Durchschnitt meist etwas höher. Doch überstieg sie nie Temperaturen, die nicht auch gelegentlich im Freien beobachtet wurden. 2. Das seht Bei meinen Assimilationsversuchen verwendete ich direktes Sonnen- oder bei Bewölkung diffuses Tageslicht als Lichtquelle. Natürlich kommt bei dem direkten Sonnenlicht stets noch die diffuse Strahlung des Himmelsgewölbes hinzu. Die Lichtverhältnisse der Alpen sind von denjenigen der Ebene sehr verschieden (Hann 1908 S. 201—209; Schröter 1904 S. 41—46; Dorno 1911 S. 8—37 und 40—70). Zee ist eine Zunahme der (Gesamtstrahlung zu konsta- tieren, die nach Angström (Hann S. 204) für 3,3 km Höhendifferenz auf die horizontale Fläche berechnet 20 °/o beträgt. Ausserdem nimmt die ultraviolette Strahlung der Sonne stark zu. Hann (1908 8. 204—206) gibt für sie eine Zunahme um 11°% vom. Meeresspiegel bis 2000 Meter an. Endlich tritt mit steigender Meereshöhe das diffuse Licht immer mehr hinter dem direkten Sonnenlicht zurück (Hann 1908 8. 206). Dorno (1911) hat das Licht im subalpinen Davos (1600 m) hauptsächlich auf seine spektrale Zusammensetzung hin untersucht Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 81 und Vergleiche mit dem Ebenenlicht gezogen, soweit solche bei dem wenigen Material, das für die Ebene vorliegt, möglich waren. Mich berühren hauptsächlich die Angaben über die Gesamtstrahlung (Sonnenlicht + Himmelsgewölbe) mit und ohne Bewölkung in den Sommermonaten. Dorno teilt das sichtbare Spektrum in die Hellig- keitsstrahlen (rot — grün) und in die blauvioletten — photogra- phisch wirksamen — Strahlen. Die folgenden Bezeichnungen: Ge- samtstrahlung etc. sind alle im Sinne Dornos (1911) zu verstehen. Das Maximum der Helligkeitsstrahlen bei wolkenlosem Himmel fällt in die Monate Mai und Juli, das Tagesmaximum auf den Mittag. In der ersten Jahreshälfte sind die Lichtstrahlen stärker als in der zweiten (S. 45). Der Quotient Sonnenlicht : ditfuses Licht ist allein von der Sonnenhöhe abhängig; er steigt mit ihr und ist viel grösser, wenn die Berge nicht mit Schnee bedeckt sind (S. 49). Davos hat ohne Rücksicht auf die Bewölkung im Sommer die 1,8fache, im Winter die 6fache, im Jahresdurchschnitt die 2,5fache Helligkeit der in Kiel herrschenden (Dorno S. 52). Die Helligkeit wird oft durch Wolkenreflexe erhöht, so lange die Sonne frei bleibt; dagegen drücken dunkle Wolken die Helliskeit hauptsächlich im Sommer herab (Dorno 8. 52). Im diffusen Licht nehmen die Helligkeitsstrahlen einen so kleinen Teil ein, dass sie in der Gesamtstrahlung ganz vernach- lässigt werden können. Der blauviolette Teil des diffusen Lichtes dagegen ist beträchtlich und wird durch Schneereflex noch be- deutend erhöht (Dorno Tab. 43). Im Ganzen geht die blauviolette Gesamtstrahlung bei absolut wolkenlosem Himmel mit der Hellig- keitsstrahlung parallel. Für die blauvioletten Strahlen beträgt das Verhältnis Sonnenlicht : diffuses Licht im Maximum 4, im Mini- mum !/e, gegenüber 15 resp. 3,7 des roten Lichtes (Dorno 8. 62). Bewölkung wirkt auf die blauviolette Strahlung nur schwächend (Dorno 8. 65). Im Gegensatz zur Ebene fallen in den Alpen die mittäglichen Ortshelligkeiten der kurzwelligen und langwelligen Strahlen zusammen (Dorno S. 64). Im Sommer sind die blauvioletten Strahlen in Davos 1,1 mal, im Winter 3 mal, im Jahresdurchschnitt 1,6 mal so stark als in Neubrandenburg (Meereshöhe unter 100 Meter; Dorno S. 64) ohne Rücksicht auf die Bewölkung. Diese Zahlen weichen von denen, die für die Helligkeits- strahlung gefunden wurden, erheblich ab. Dorno stellt die Ver- mutung auf, dass in der Gesamtstrahlung der schwach brechbare Teil des Spektrums mit steigender Meereshöhe rascher zunimmt, als der stark brechbare. Seine Annahme würde mit der Tatsache übereinstimmen, dass der Wasserdampf der Atmosphäre, dessen i 6 82 Marguerite Henrici. Menge nach unten zu rasch grösser wird, hauptsächlich die roten und gelben Strahlen absorbiert (Hann 1908 S. 10, 109 und 203). Mit dieser Annahme ist allerdings die Angabe Webers (Dorno S. 65) nicht in Einklang zu bringen, nach welcher in Kiel das Verhältnis der blauvioletten zu den roten Strahlen gleich ist wie in Davos. Da meine alpinen Versuche in grösserer Höhe (Samaden 1709 m; Muottas Muraigl 2456 m) als die Messungen Dorno’s gemacht wurden, tritt in ihnen der alpine Charakter der Lichtverhältnisse noch viel stärker hervor. Ich musste natürlich davon absehen, so komplizierte Bestimmungen wie Dorno auszuführen. Die Gesamt- strahlung gebe ich in ihrem Wärmeeffekt ganz roh durch die Diffe- renz zwischen Schatten- und Maximaltemperatur an. Zur Beur- teilung der Beleuchtungsverhältnisse mögen jeweilen auch meine Angaben über die allgemeinen Witterungsverhältnisse dienen. Da- neben nahm ich noch eine quantitative Messung des kurzwelligen Teils des Spektrums vor. Da hiebei ein Mass für die Menge des während des ganzen Assimilationsversuches wirkenden Lichtes verwendet werden musste, konnte die jetzt gewöhnlich verwendete, mit lichtempfindlichen Papieren arbeitende Wiesner’sche Methode ( Wiesner 1907 S. 10—33) nicht verwendet werden, weil diese nur die Intensität des Lichts in einem bestimmten Moment wiedergibt. Es kamen deshalb für mich nur Aktinometer-Flüssigkeiten in Betracht. Leider haben diese alle den Fehler, der übrigens auch der Wiesner’schen Methode anhaftet, nur für die kurzwelligen Strahlen empfindlich zu sein. Ich verwendete das Eder’sche Gemisch (Eder 1879 S. 645—647) unter einigen Abänderungen in den Vesuchsbedingungen. Es setzt sich zusammen aus 2 Volumina einer 4prozentigsen Ammonium- oxalat (NH,), C, O,-Lösung und 1 Volumen einer 5 prozentigen Sublimatlösung (HgCl,). Die Salze werden getrennt gelöst, dann gemischt und bis zur beginnenden Trübung dem Licht ausgesetzt. Hierauf wird die Mischung filtriert und im Dunkeln aufbewahrt. Im Licht setzt sie sich proportional der beleuchteten Fläche und der Intensität der stärker brechbaren Strahlen nach folgender Gleichung um. 2HsC], + C0, (NH,), = Hg, CL + 200, + 2NH,C1. Da diese Ausscheidung je nach Temperatur und Expositions- zeit (in Folge Konzentrationsänderung) verschieden ist, hat Eder Kor- rektionstabellen ausgearbeitet, die ich in meinen Bestimmungen auch benützte. Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 83 Eder’s Versuchsanstellung (Becherglas mit übergreifendem Deckel) erwies sich für meine Zwecke als unbrauchbar, da bei niedrigem Sonnenstand die belichtete Fläche der Lösung teilweise oder ganz beschattet wurde, sodass die Kalomelausscheidung nicht mehr entsprechend der zur Pflanze gelangenden Lichtintensität vor sich ging. Da die Kder’sche Methode nur relative Werte liefert, kann sie beliebig abgeändert werden, sofern dabei die Abscheidung noch proportional der aufiallenden Lichtmenge vor sich geht. Ich be- nützte deshalb ein Erlenmeyer-Kölbchen, das bis auf eine 9 cm? grosse hellgelassene Stelle völlig geschwärzt wurde, wie es Eder selbst für einige seiner Versuche verwendet hatte. In dieses Kölbchen brachte ich nun 100 cm? des Gemisches und verschloss es licht- dicht mit einer Gummikappe. Bei der Exposition drehte ich es so, dass die ungeschwärzte Stelle der Sonne zugekehrt war, gleich- gültig ob diese schien oder nicht. Nach der Exposition filtrierte ich den Inhalt gewöhnlich in einen Goochtiegel, seltener in einen gehärteten Filter ab. Das ausgeschiedene Kalomel wurde mit salzsäurehaltigsem Wasser ausgewaschen, bis zur Gewichtskonstanz bei 100° im Chamotteofen getrocknet und im CaÜl,-Exsikkator abgekühlt. Die erhaltenen Kalomelwerte rechnete ich auf eine Stunde um und gebe diese Werte in den Tabellen an. Die Kontrollversuche über die Proportionalität zwischen Ka- lomelausscheidung und Lichtmenge ergaben zunächst, dass elek- trische Birnen bis zu 100 Kerzen Stärke wenigstens unter Aus- schluss ihrer ultravioletten Strahlen viel zu schwach sind, um eine Ausscheidung zu bewirken. Ich benützte daher die Bogenlampe eines Projektionsapparates, wobei ich zwar nicht die Kerzenstärke, ‚jedoch wenigstens die Expositionszeit variieren konnte. Bei einer Expositionszeit von 15 Minuten erhielt ich 7 mgr, bei 20 Minuten 9,3 mgr und bei 30 Minuten 14,1 mgr Kalomel. Die Mengen des ausgeschiedenen Kalomels waren somit der Be- lichtungsdauer proportional. Die Methode liefert also brauchbare Werte. Wenn ich für die Anordnung der Assimilationsversuche in den Tabellen 17—35 die Mengen des ausgeschiedenen Kalomels benütze, so bin ich mir wohl bewusst, dass dabei nur ein be- stimmter Teil des Spektrums, nicht einmal der für die CO,-Assi- milation wirksamste, zum Ausdruck kommt. Im Hinblick auf die Angaben Dorno’s (1911) lässt sich jedoch eine solche Anordnung rechtfertigen unter der Bedingung, dass man die allgemeinen Witterungsverhältnisse genügend in Betracht zieht. So darf man z. B. nicht erwarten, dass bei schneebedecktem Boden der grössten 84 Marguerite Henrici. Menge ausgeschiedenen Kalomels auch die grösste Menge roten Lichtes entspricht, wie das ohne Schnee vielleicht der Fall wäre. In der Ebene fallen ja die beiden Intensitätsmaxima der roten und blauen Strahlen nicht zusammen. In Alpen und Ebene wirkt nach meinen Beobachtungen das Licht im September und Oktober besonders intensiv auf das Æder- sche Gemisch, ist dann offenbar besonders reich an blauvioletten Strahlen, während Dorno in Davos die grösste Intensität der stärker brechbaren Strahlen im Mai findet (S. 61). Bei Regen und starker Bewölkung ist in den Alpen die Kalomelausscheidung viel grösser als bei den entsprechenden Witterungsverhältnissen in der Ebene. Ist der Boden mit Schnee bedeckt, so findet be- sonders in den Alpen sehr starke Kalomelausscheidung statt. Wenn auch den roten Strahlen bei der Photosynthese die Hauptbedeutung zukommt, so könnte man doch bei sehr starker blauvioletter Strahlung erwarten, dass sich das zweite Maximum der CO,-Assimilation in der blauen Spektralhälfte, das wieder von Kniep und Minder (1909) für grüne Pflanzen, von Meinhold für Diatomeen (1911) gefunden wurde, geltend mache. Aus diesem | Grunde versprach mir die Kder’sche Methode trotz ihrer Einseitig- keit gewisse Anhaltspunkte zu liefern. Ob sich bei meinen Ver- suchen das zweite Maximum der CO,-Assimilation im blauvioletten Spektralteil geltend machte, werde ich S. 111 erörtern. Da die Pflanzen im Recipienten transpirieren, beschlägt sich seine Innenwand. Wenn jedoch dieser Beschlag sehr stark wird, so läuft er in Form von Tropfen am Glase herunter und macht es dadurch fast überall wieder blank. In andern Fällen, haupt- sächlich bei hoher Temperatur und schwachem Licht hält der Be- schlag an und absorbiert viel Licht. Ich untersuchte daher ein- mal die Kalomelausscheidung gleichzeitig unter einem total beschla- genen und unter einem nicht beschlagenen Recipienten. Hierauf wechselte ich die Recipienten aus und erhielt folgende Zahlen: beschlagen nicht beschlagen mgr. Kalomel | mgr. Kalomel | Recipient 1 | 75,0 | | 5 2 15,5 | 78,5 In beiden Fällen wurde rund 3,8 Prozent Licht durch den Beschlag absorbiert. Die Zahlen liefern überdies noch den Beweis, dass die beiden Recipienten gleich viel stark brechbares Licht durchlassen. Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 85 Da alle Kühlvorrichtungen Licht absorbieren, führte ich die Lichtmessung selbstverständlich hinter ihnen aus. 3. Wassergehalt und Nährsalze. Wie wichtig es ist, dass die Pflanzen bei der Assimilation genügend Wasser zur Verfügung haben, geht aus den Unter- suchungen von Äreusler (1885 S. 913 ff.), sowie von Deherain und Maquenne (1886 S. 167) deutlich hervor und ist auch durchaus verständlich, da ja Wasser zur Bildung der Kohlehydrate, also für die CO,-Assimilation, unmittelbar nötig ist. Es fördert aber ausser- dem noch mittelbar die OO,-Assimilation. Zu Beginn des Welkens verlieren nämlich die Schliesszellen der Spaltôffnungen ihr Wasser häufig zuerst und schliessen sich (Jost 1913 8. 59). Dabei wird aber dem CO, der Eintritt in das Blatt gesperrt, da nach Blackman (1895 S. 541—51) erst bei höherem CO,-Gehalt, wie er in meinen Versuchen nie realisiert war, cuticuläre CO,-Aufnahme stattfindet. In beiden Fällen wirkt also Wassermangel auf die CO,-Assimi- lation als begrenzender Faktor im Sinne Blackman’s (1905 Annals S. 289), er muss somit unter allen Umständen vermieden werden. Darum stellte ich den Versuchspflanzen stets so viel Wasser zur Verfügung, dass ihr Wassergehalt optimal war. Dagegen wurden den Pflanzen während des Versuchs keine Nährsalze zur Verfügung gestellt, da er höchstens 4 Stunden dauerte. 4. Allgemeine Einflüsse von Standort und Witterung. Den Kapiteln über den Einfluss von Temperatur und Licht in Ebene und Alpen habe ich wenig mehr beizufügen. In Basel ist, abgesehen von den Wintermonaten, die Schattentemperatur im allgemeinen höher als in den Alpen. Hohe Intensitäten der blau- violetten Lichtstrahlen fanden sich in Basel mit Ausnahme der im September 1915 angestellten Versuche nie. Die in Basel im Re- cipienten gemessenen Maximaltemperaturen liegen bedeutend höher als die in den Alpen erreichten. Doch ist im allgemeinen die Differenz zwischen Maximal- und Schattentemperatur in Basel weniger gross als in den Alpen. Am grössten war sie im Früh- ling 1917. Die in den Alpen herrschenden Licht- und Temperaturver- hältnisse habe ich im allgemeinen schon auf 8. 77 ff. und 80 ff. skizziert. Speziell ist noch zu erwähnen, dass in Samaden die Menge der blauvioletten Strahlen äusserst wechselnd ist (13 bis 255 mgr Kalomel). Ob dies zum Teil auf den ungünstigen Wit- terungsverhältnissen des Sommers 1916 beruht, kann ich nicht 86 Marguerite Henrici. sagen. In den Alpen treten Temperaturstürze und Witterungs- umschläge im Laufe weniger Stunden auf. Trotz abgekürzter Versuchszeit (nur 1 Stunde Assimilation) gelang es mir nicht immer, während der Dauer eines Versuchs solche äussere Störungen zu vermeiden, So tritt öfters, nachdem däs Licht etwa °/a Stun- den schwach gewesen war, am Ende des Versuchs bei plötzlicher Aufheiterung eine lebhafte Kalomelausscheidung auf. Der in den Alpen gewöhnlich grosse Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht berührt meine Versuche nur mittelbar dadurch, dass meine Pflanzen im Freien kultiviert wurden. Auf Muottas Muraigl waren anfangs Juli und von Mitte August an selten mehrere Nächte frostfrei; gelegentlich sank die Temperatur recht tief (am 31. August Schneefall, darauf am 1. September morgens 6 Uhr —7°). Da meine Apparate an einer sehr sonnigen Stelle aufgestellt waren, schmolz das Eis bald nach Sonnenaufgang, während es im Schatten gewöhnlich noch nach 11 Uhr lag. Von 12—4 Uhr war es bei Sonnenschein in der Nähe des Bodens ausserordentlich warm, während die Luft in einiger Entfernung vom Boden infolge des Windes kalt blieb. Samaden zeigte seine alpine Lage hauptsächlich im September und Oktober durch fast tägliche Nachtfröste. Doch war es am Mittag in der Sonne viel wärmer als je in einem der Sommer- monate. Erklärung der Tabellen der Assimilationsversuche. Die Tabellen sind ohne weiteres verständlich. Ich muss nur einiges über die Verhältniszahlen bemerken. Sie wurden in der Weise berechnet, dass die Ebenenptlanze als Einheit gewählt und als Nenner des Bruches verwendet wurde. So erhielt ich die Verhältniszahl Assimilations-Wert der Alpenpflanze Assimilations-Wert der Ebenenpflanze. Bei Verhältniszahlen unter 1 (<1) ist also die Ebenenpflanze, bei solchen über 1 (> 1) die Alpenpflanze im Vorteil. Assimiliert eine Pflanze überhaupt nicht, so deute ich dies durch eine 0 an; dann ist es auch nicht möglich, das Verhältnis der beiden Assimilationswerte zu bilden, was ich durch einen wagrechten Strich (—) markiere. In den Tabellen 17—35 bedeutet E die Ebenen-, A die Alpen- pflanze. In der Kontrolltabelle 14 bedeutet I die eine, II die andere der gleichzeitig untersuchten Pflanzen. In der vorletzten Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 87 Rubrik ist die Herkunft und Höhenlage der Alpenpflanze ange- geben. Die Zeit des Versuchs habe ich nur angegeben, wenn sie mir besonders wichtig erschien. Findet sich keine weitere Angabe, so wurden die Versuche im Sommer immer im Laufe des Morgens, im Winter zwischen 10 Uhr morgens und 3 Uhr abends ausgeführt. In der Rubrik „Bemerkungen“ finden sich die Faktoren an- Alpenpflanze gegeben, die wahrscheinlich den Verhältniswert re bestimmen. In den gekürzten Tabellen ist die Überlegenheit der Alpen- pflanze durch A, diejenige der Ebenenpflanze durch E angegeben. Findet sich die Angabe A E, so ist auf die eine Blatteinheit (z. B. auf die Oberfläche) bezogen die Alpen-, auf die andere Einheit (also auf das Volumen) bezogen die Ebenenpflanze im Vorteil; dies kommt in den Grenzfällen vor. Extreme Resultate sind durch Fettdruck von A und E hervorgehoben. b) Die Versuche. Bevor ich die Versuche der verschiedenen Pflanzen im ein- zelnen behandle, möchte ich einige allgemeine Beobachtungen be- sprechen, die sich aus den Tabellen 17—35 ergeben. I. Allgemeine Ergebnisse über die Photosynthese. In Basel habe ich in allen Jahreszeiten Versuche angestellt. Nun fällt es auf, dass die höchsten Assimilationswerte zum Teil gerade in die kalte Jahreszeit oder auf kalte Tage fallen (Versuch 159, Tab. 17; Nr. 31, 32, 35, 154, 160, 157, Tab, 22: Nr. 29, Tab. 31.) Miss Matthaei (1905 S. 82—83) hat auch bei ihrem absolut einheitlichen Versuchsmaterial festgestellt, dass der Übergang vom Winter zum Frühling mit einer beträchtlichen Abnahme der As- similationstätigkeit der Blätter verbunden war; je kälter die Jahres- zeit oder der Tag, desto höhere Assimilationswerte erhielt sie. Sie glaubte, dass die Blätter im Sommer zu träge (sluggish) seien, um stärker zu assimilieren.') 1) Erst nach Abschluss meiner Arbeit erschien das Buch von Willstätter und Stoll (1918). Diese Autoren (S. 172—225) konstatierten bei niederer Tem- peratur ein besonders grosses Absorptionsvermögen des Blattes für CO2, so dass nach ihrer Auffassung die Assimilation unter diesen Verhältnissen nicht so gering zu sein braucht, wie zu erwarten wäre. Diese Tatsache könnte auch meine hohen Assimilationswerte an kalten Tagen wenigstens zum Teil erklären. 88 Marguerite Henrici. Vielleicht steben die im Winter beobachteten hohen Assimila- tionswerte mit dem gleichzeitig beobachteten geringen Trocken- gewicht der Blätter in Beziehung. In der kalten Jahreszeit ist jedenfalls eine Hinderung der Assimilation durch aufgehäufte Pro- dukte der Photosynthese ausgeschlossen (Ewart, 1896 S. 429-438). Nach Saposchmikoff (1890; 1891 und 1895) tritt diese Hemmung bei ein und derselben Pflanze nicht immer bei gleichem prozen- tualem Trockengewicht ein, sondern durchschnittlich erst, wenn letzteres bei abgeschnittenen Blättern über 20°/ des Frischgewichts beträgt. In diesem Falle ist also Matthaeis (1905) Auffassung von der Trägheit der Blätter durchaus berechtigt. Ob auch dem Winterlicht eine gewisse Rolle an diesen hohen Assimilationswerten zukommt, da es infolge der grösseren Trocken- heit der Atmosphäre an roten Strahlen reicher ist, lasse ich vor- läufig dahingestellt, werde aber später auf diese Frage zurück- kommen. Im Vergleich zu den Arbeiten von Matthaei (1905), Blackman und NMatthaei (1905), sowie von Brown und Escombe (1902 8. 397 — 402 und 1905 I) sind meine auf 100 cm? Blattoberfläche bezogenen Assimilationswerte recht hoch, auch wenn man sie, was natürlich nötig, durch 2 dividiert, da die englischen Forscher Ober- und Unterseite berücksichtigen; zum Vergleich mit Miss Matthaei’s Zahlen sind die meinigen durch 4 zu dividieren, da sie 50 cm? Oberfläche als Einheit wählte. Obwohl meine Assimilationswerte im allgemeinen grösser sind, als diejenigen der englischen Forscher, bleiben sie noch weit hinter dem von Brown und Escombe (1900 S. 275—276) theoretisch als möglich berechneten Wert der CO,-Aufnahme von 2,578 cm? per Stunde pro 1 cm? Blattfläche zurück. Dieses Maximum ist aller- dings in der Natur noch nie erreicht worden; Brown und Escombe stellten sogar nur Assimilationswerte von 5,2 bis 6,3°%/ (1900 S. 277) der von ihnen als möglich berechneten Menge fest und führen diese kleinen Werte auf den hohen durch die Atmung er- zeugten CO,-Druck in den Atemhöhlen zurück. Weil dieser Grund nicht stichhaltig ist (siehe 8. 89), fällt auch ihre Argumentation dahin. Da ich mit ganzen Pflanzen, die erwähnten Autoren meist mit abgeschnittenen Blättern arbeiteten, glaube ich darin den Grund für meine hohen Assimilationswerte sehen zu müssen. Kwart (1896 S. 429—38) stellte, wie schon erwähnt, fest, dass die Aufhäufung der Assimilationsprodukte einen stark hemmenden Einfluss auf die Assimilationstätigkeit der Blätter ausübe; diese Hemmung tritt jedenfalls an ganzen Pflanzen, in denen für normale Ableitung ge- sorgt ist, viel später ein, als an abgeschnittenen Blättern, Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 89 Dieser Erklärung stehen die Beobachtungen von Brown und Escombe (1905 S. 51—52) entgegen, wonach abgeschnittene Blätter um 450/, stärker assimilieren als solche, die mit der Pflanze im Verbindung bleiben. Dass die beiden Forscher dieses Resultat mit der Sachs’schen Methode erhielten, bei welcher die Zunahme des Trockengewichts bestimmt wird (Brown und Escombe, 1905 I S. 49 —51), ist durchaus verständlich, weil die gebildeten Kohlehydrate nicht abgeleitet werden ‚können. Die beiden Forscher fanden aber das gleiche Resultat auch bei direkter Messung der CO,-Aufnahme (1905 I S. 51—52). Sie führten dies auf die auffallenderweise ge- rade um 450/, grössere Offnungsweite der Spaltüffnungen an ab- geschnittenen Blättern zurück (1905 I 8.53), sodass, weil der Gas- austausch dem Radius der Öffnungsweite proportional ist, die höheren Assimilationswerte abgeschnittener Blätter auf starke CO,- Zufuhr zurückzuführen wären. Da ich hierüber keine Versuche angestellt habe, kann ich mir kein Urteil erlauben; es muss aber doch die Frage aufgeworfen werden, ob das Resultat nicht anders ausgefallen wäre, wenn brown und Escombe die Atemkohlensäure berücksichtigt hätten, wozu sie eigentlich verpflichtet gewesen wären, wenn sie doch annehmen, dass infolge der Atmung der CO,-Gehalt der Interzellularen so hoch sei, dass nur wenig CO, der Luft eintreten kann (1900 8. 277). Man könnte vielleicht auch daran denken, dass das Anschneiden der Blätter auf die Assimilation einen ähnlich fördernden Reiz ausübe, wie auf die Atmung. Was nun den Einfluss des Abschneidens von Blättern auf die Offnungsweite der Spaltöffnungen betrifft, so hat schon Thoday (1910) die Angaben Brown und Escombe einer eingehenden und, wie mir scheint, durchaus berechtigten Kritik unterworfen. Er macht darauf aufmerksam, dass die Spaltöffnungen nach dem Ab- schneiden der Blätter nur im Anfang weit offen seien (1910 S. 442 — 43), solange noch die Wasserzufuhr genüge. Diese wird jedoch durch Verschleimung der Wundstelle bald mehr oder weniger ge- hindert. Für kleine Pflanzen — und um solche handelt es sich ja bei meinen Versuchsobjekten — genüge der Wurzeldruck für den Wassertransport, sodass die Spaltöffnungen auch bei nicht abge- schnittenen Blättern ganz geöffnet sein könnten (3. 442 und 449). Nach diesen Angaben glaube ich meine vorherige Vermutung auf- recht halten zu dürfen, nach welcher meine hohen Assimilationswerte auf die Verwendung ganzer intakter Pflanzen zurückzuführen sind. Thoday (1910) findet, allerdings in freier Luft, eine viel bes- sere Ausnützung des Sonnenlichts zur Photosynthese, da er viel höhere Assimilationswerte für Helianthus annuus erhält als 90 Marguerite Henrici. Brown und Escombe (1905 I). Seine Zahlen stimmen auch viel besser mit meinen Werten überein, woraus ich wohl den Schluss ziehen darf, dass auch in meinen Versuchen voraussichtlich mehr Sonnen- energie zur Assimilation verwendet wurde, als bei Brown und Escombe (1905). Im Gegensatz zu den Angaben von Brown und Escombe (1905) sowie von Dlackman und Matthaei (1905) atmen. meine Pflanzen zum Teil recht stark. Da meine Versuche über die Atmung von Alpen- und Ebenenpflanzen noch nicht abgeschlossen sind, führe ich hier nur einige Zahlen an (Tabelle 16). Soviel kann ich jetzt schon sagen, dass eine gewisse Korrelation zwischen Assimilation und Atmung bei mittleren Temperaturen besteht, in dem Sinne, dass Pflanzen, die stark atmen, auch stark assimilieren. Eine ähn- liche Korrelation ist auch für Aspidistra (Czapek 1913 S. 535) festgestellt worden. Von diesem Gesichtspunkte aus wären also meine hohen As- similationszahlen wohl zu verstehen. Tabelle 16. Korrelation zwischen CO,- Assimilation und Atmung. | Stündlich assimiliertes Stündlich ausgeatmetes ; | CO> in mgr. CO: in mgr. Pflanze | pro 100 cm? Fläche pro 100 cm? Fläche | A E A E Bellis perennis 32,0 22,5 16,0 29 : ù 215,5 | 178,6 129,3 106,3 Primula farinosa 22,4 14,3 11,2 9,5 ; h 110,0 62,7 73,3 38,3 Taraxacum officinale 13,8 4,9 8,3 3,3 5 v 121,5 112,1 57,9 51,4 | (Die Atemwerte der ganzen Pflanze sind auf 100 cm? Fläche berechnet.) Ob die Schwankungen des CO,-Grehaltes der Luft wirklich ohne Bedeutung für das Leben der Pflanze sind (Jost 1913 S. 151) scheint mir fraglich, da ich im allgemeinen feststellen konnte, dass dem höheren CO,-Gehalt der Luft eine Vergrösserung der Assimilationswerte entsprach. Schon Brown und Escombe (1902 S. 397 —402; 1905 S. 48—49), sowie Demoussy (1903 8. 325) haben gefunden, dass die Assimilation im Luftstrom ungefähr proportional der Steigerung des CO,-Gehaltes von 0,3°/oo (Volumen) auf den fünf- bis sechsfachen Betrag steigt. Bei einer weiteren Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 91 Steigerung des CO,-Gehaltes setzen aber nach Blackman und Mat- inaei (1905 8. 45456) die in der freien Natur erreichten Tem- peraturen entgegen den Angaben früherer Autoren (Godlewski 1872, Kreusler 1895, weitere Literatur Czapek 1915 8. 527 —29) als limiting factor eine Grenze. Ein Vergleich der in Tabellen 17—35 enthaltenen Assimila- tionswerte jeder Spezies zeigt, dass sogar unter ähnlichen Aussen- bedingungen, aber an verschiedenen Tagen (vergl. z. B. Nr. 23 mit Nr. 28 Tab. 22; Nr. 212 mit Nr. 100 Tab. 24; Nr. 158 und 159 in Tab. 17) die Schwankungen bedeutend sind. Bei länger gleich- bleibendem Wetter sind dagegen unter sonst ähnlichen Aussenbe- dingungen öfters für eine Spezies auffallend übereinstimmende Werte zu konstatieren (siehe Nr. 247 und 245 die Alpenpflanze Tab. 18; Nr. 91 und 97 Tab. 19: Nr. 154 und 160 die Alpenpflanze Tab. 22). Da nach der Kontrolltabelle 14 die individuellen Unterschiede bei gleichzeitiger Untersuchung nicht in Betracht kommen (vergl. S. 75), müssen diese Schwankungen ihre hauptsächliche Ursache in der ungleichen Vorbehandlung des Pflanzenmaterials (S. 75 ff.) haben, Zeigen Anthyllis und Primula farinosa unter optimalen Be- dingungen weniger grosse Schwankungen als Bellis und Tara- xacum, so darf man annehmen, dass die ersteren gegen Aussen- einflüsse weniger empfindlich sind. Ferner konnte ich konstatieren, dass kleine Pflanzen derselben Spezies stärker assimilieren als grössere. Ob ausser den angeführten Faktoren wie Licht, Temperatur und CO,-Gehalt bei der Kohlensäure-Assimilation noch andere un- bekannte Einflüsse wirksam sind, vermag ich. vorläufig nicht zu sagen (vergl. S. 113). Immerhin fand ich (Tab. 14, 17 — 35), dass in den unter mittleren optimalen Bedingungen angestellten Versuchen die beiden gleichzeitig untersuchten Alpen- und Ebenenpflanzen gewöhnlich einander entspre- chende Abweichungen von dem erwarteten Mittel- wert zeigten, dass also das Verhältnis beider Werte viel weniger schwankte, als die absoluten Werte der Assimilationsgrösse. Die vor den Versuchen wirkenden Aussenfaktoren scheinen also Alpen- und Ebenenindividuen meist in gleichem Sinne zu beeinflussen. Man könnte die Frage aufwerfen, wie sich Alpen-, resp. Ebenen- pflanzen in Alpen und Ebene unter genau denselben Bedingungen verhielten. Die Frage ist sehr schwer zu beantworten. Da die kli- matischen Bedingungen in Alpen und Ebene so verschieden sind, finde ich in allen meinen Versuchen nur einen einzigen Fall, ı welchem in Alpen und Ebene annähernd gleiche Bedingungen 92 Marguerite Henrici. herrschten (Nr. 338 Tab. 17 und 68 Tab. 18): Anthyllis bei Regen oder bei vollständiger Bedeckung des Himmels bei 11—13° untersucht, ergibt folgendes Bild: In der Ebene versagt die Alpen- pflanze bei der Assimilation vollständig. Die Ebenenpflanze hin- gegen assimiliert recht stark. In den Alpen assimiliert die Alpen- pflanze ein wenig, die Ebenenpflanze assimiliert bedeutend weniger als in der Ebene. Ob man dieses Resultat verallgemeinern darf, weiss ich mangels weiterer Belege nicht. Assimilation Atmung in meinen Versuchen ausfällt, während frühere Autoren für die Atmung so geringe Werte erhielten, dass sie sie überhaupt ver- nachlässigen konnten. In meinen Versuchen musste eben immer die Atemkohlensäure der ganzen Pflanze, nicht nur diejenige der Blätter in Rechnung gezogen werden. Die Atmung der unterirdi- schen Teile ist nicht unbedeutend, wie ich durch spezielle Versuche feststellte. Besonders bei Bellis konnte ich beobachten, dass die auf das Frisch- oder Trockengewicht bezogene Atmung des unter- irdischen Stengels diejenige der Blätter öfters übertraf. So allein Assimilation lassen sich die vielen Koeffizienten erklären, die klei- Atmung Es ist auffallend, wie niedrig oft der Koeffizient ner sind als 1. Nach der Kontrolltabelle 14 ist dieser Koeffizient bei dersel- ben Pflanzenspezies unter gleichen Bedingungen keineswegs kon- stant. Dies ist durchaus verständlich, wenn man bedenkt, dass es fast unmöglich ist, zwei Pflanzenindividuen von genau derselben (Grösse in oberirdischen und unterirdischen Teilen zu finden. Waren bei dem einen Individuum die unterirdischen Teile stärker ent- wickelt, oder weniger verholzt, als bei dem andern, so musste dies, gleich grosse Blätter beider Individuen vorausgesetzt, eine Herab- setzung des Koeffizienten Aal lop für das erste Individuum zur Atmung Folge haben. Wenn ich bei gleichzeitiger Untersuchung von zwei gleich vorbehandelten Pflanzen derselben Spezies aus gleicher Meereshöhe keine individuellen Unterschiede in der CO,-Aufnahme feststellen konnte, so existieren solche doch in Beziehung auf den Uberschuss der assimilierten über die ausgeatmete Kohlensäure. Trotz den Schwankungen ergibt sich aus meinen Versuchen mit allen vier Pflanzen (Tabellen 17 —35) die Tatsache, dass der Koeffizient Assimilation zu Atmung im Winter sehr oft kleiner ist als unter gleichen Bedingungen im Sommer; ferner, dass er im Winter oft ein echter Bruch ist, im Sommer jedoch nur bei sehr schwachem Dei Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 93 Licht oder ausnehmend hoher Temperatur, für die Ebenenpflanze endlichauch beisehrhohen, schädlich wirkenden Lichtintensitäten. II. Spezielle Ergebnisse über die Photosynthese bei Alpen- und Ebenenpflanzen. 1. Die mit Anthyllis, Bellis, Primula und Taraxacum erhaltenen Resultate. a) Versuche mit Anthyllis Vulneraria. Tabellen 17, 18, 19, 20 und 21. Ohne Rücksicht auf die Höhenlage, in denen die Versuche ausgeführt wurden, stelle ich die Resultate der ausführlichen Ta- bellen 17, 18 und 19 in der kleinen Tabelle 20 nach den Intensi- täten des blauvioletten Lichtes geordnet zusammen. Unter diesen Versuchen lassen sich sofort zwei Gruppen unterscheiden, solche die bei schwachem und solche, die bei starkem Licht ausgeführt wurden. Die Grenze liegt ungefähr bei 80 mgr Kalomelausscheidung. Bei hohen Lichtintensitäten ist die Alpenpflanze der Ebenenpflanze in der Assimilation durchwegs überlegen. Bei niedrigen Lichtintensitäten (unter 80 mgr Ka- lomel) ist bald die Ebenen-, bald die Alpenpflanze im Vorteil. Tabelle 21, in welcher die Versuche nach der Temperatur geordnet sind, zeigt, dass bei schwachem Licht und einer Aussentemperaturunter 5° C die Alpenpflanze stärker assimiliert als die Ebenenpflanze. Eine Ausnahme bildet der bei schneebedecktem Boden ausgeführte Versuch 80. Ich werde diesen im Zusammenhange mit ähnlichen Versuchen später be- sprechen (siehe S. 109). Dass die Aussentemperatur und nicht die Maximaltemperatur den Ausschlag gibt, deutet darauf hin, dass letztere von der Pflanze nicht empfunden wird. | Ist die Aussentemperatur höher als 5°, so assimiliert die Ebenen- pflanze stärker als die Alpenpflanze. Die Versuche 63, 71, 76 und 332 machen hievon allerdings eine Ausnahme, indem die Alpen- pflanze gleich stark oder stärker assimiliert als die Ebenenpflanze. Grerade in diesen Versuchen war aber das Licht relativ stark (63,8 bis SO mer Kalomel). Diese Versuche wurden also unter Über- sangsbedingungen angestellt, unter denen bald die hohe Licht- intensität, bald die hohe Temperatur den Ausschlag gibt. Ganz aus der Reihe fällt Versuch 352, der vor einem Ge- witter ausgeführt wurde. Ich werde ihn später mit ähnlichen Ver- suchen besprechen (S. 113). 94 Marguerite Henrici. Die ausführlichen Tabellen (17, 18, 19) lassen folgendes er- kennen: In Basel (Tabelle 17) mit seiner niedrigen Lichtintensität (Maximum 63,3 mgr Kalomel) und teilweise hohen Schattentem- peraturen entscheidet die Temperatur, ob die Alpen- oder die Ebenenpflanze bei der CO,-Assimilation im Vorteil ist: bei niedriger Temperatur (Nr. 158 und 159) ist die Alpenpflanze, bei hoher (Nr. 356, 252, 332) die Ebenenpflanze in der Photosynthese über- legen. In Samaden (Tabelle 18) und auf Muottas Muraigl (Tabelle 19) mit durchgehend niedriger Schattentemperatur entscheidet die Lichtintensität, ob Alpen- oder Ebenenpflanze im Vorteil ist. Bei mittleren Bedingungen, wie sie in Basel realisiert waren, bewegen sich die Verhältniszahlen der Assimilationswerte in engen Grenzen (0,56—1,75). Unter den Extrembedingungen von Samaden und Muottas Muraigl mit sehr starkem Licht oder sehr niederer Temperatur schwanken sie zwischen 0,4 und 4. Schneebedeckung des Bodens drückt die Verhältniszahl herab, indem bei hoher Lichtintensität die Assimilation der Alpenpflanze derjenigen der Ebenenpflanze nicht stark überlegen ist, bei niedriger Lichtintensität die Ebenenpflanze die Alpenpflanze übertrifft. Im Anschluss an diese allgemeinen Folgerungen mache ich noch auf einige besonders interessante Versuche aufmerksam. Ver- suche 158 und 159 (Tabelle 17) wurden in Basel ausgeführt und zwar, da es im Freien viel zu kalt war, in einem Raum zu ebener Erde ungefähr zwei Meter von der offenen Tür entfernt. Das Licht war so schwach, dass keine Kalomelausscheidung stattfand. Nach den im Sommer gemachten Erfahrungen erwärtete ich überhaupt keine Photosynthese. Das Gegenteil traf ein, die Assimilation, be- sonders der Alpenpflanze, war sehr stark. Im Gegensatz dazu steht Versuch 338, wo bei schwachem Licht und einer Temperatur von 12—13° eine völlig gesunde Alpen- pflanze überhaupt keine sichtbare Assimilation zeigte. Eine Pa- rallele dazu bildet Versuch 68 (Tabelle 18), wo die Alpenpflanze ebenfalls bei 11—12° nur sehr schwach assimilierte. Ist bei der Alpenpflanze die Assimilation auf 1 cm? berechnet kleiner als bei der Ebenenpflanze (Volumverhältnis < 1), so ist für die Durchleuchtung des Alpenblattes, das bei Anthyllis dicker ist, als bei der Ebenenpflanze (8. 46), nicht genügend Licht vorhanden. Aus allen diesen Versuchen geht hervor, dass Licht und Temperatur nichtalsunabhängige Faktoren, sondern inihrer Kombination die Werte zu Gunsten oder zu Ungunsten der Alpenpflanze bestimmen, wobei starkes Licht und niedrige Temperatur für die Alpenpflanze, schwaches Licht und hohe Temperatur für die Ebenenpflanze vorteilhaft ist. Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 95 Vergleicht man in Tabelle 20 Versuch 62 mit 71, 158 und 159 mit 88, 63 mit 97 und 223, 68 mit 76 und 72, so ergibt sich die auch für die andern Spezies gefundene Tatsache, dass, je höher die Lichtintensität ist, desto höhere Tempera- turen die Alpenpflanze ertragen kann, um in der CO,- Assimilation der Ebenenpflanze überlegen zu sein. Tabelle 20. Übersichtstabelle von Anthyllis Vulneraria. Maximal- Ausgeschie- Vorteil | en tempera- ] in der | Ort des Witterungsverhältnisse Da tur im Mass für | Assimi- | v m e inoe Versuchs- ee lation hat EL gefäss | Aa QU | Pflanze | Schwach diffuses Licht - 0,59 110 0 A Basel Schwach diffuses Licht 0,750 20 0 A Basel Stark bewölkt. 100 220 133 E Samaden Regen 110 120 14,0 E Samaden Bedeckt PA AE 40 60 20,5 A Muottas Muraigl Bedeckt. Nachher Gewitter . 21° 250 24,5 A Basel Stark bewölkt 149 239 25,4 E Samaden Bedeckt 130 130 21,1 E Basel Regen 80 12,0 30,0 E Muottas Muraigl Regen RE 16° 190 30,0 E Basel Bedeckt. Sonnenblicke 4,50 110 37,5 A Muottas Muraigl Bedeckt. Sonnenblicke 30 6,50 45,0 A Muottas Muraigl Klarer blauer Himmel . 120 260 63,4 E | Basel Klarer blauer Himmel . 190 340 63,8 EA Basel Blauer Himmel. Wolken 30 160 67,0 A Muottas Muraigl Klarer blauer Himmel... 80 250 73,6 AE Samaden Blauer Himmel. Wolken 110 260 74,4 AE Samaden Blauer Himmel. Schnee 40 15° 78,8 E Muottas Muraigl Blauer Himmel. Wolken 10,59 28 0 80,0 A Samaden Dunstiger Himmel. Schnee 1,50 110 98,0 A Samaden Klarer blauer Himmel . 130 340 100,0 A Samaden Hellblauer, bewölkter Himmel 6° 150 105,0 A Muottas Muraigl Blauer Himmel 3,00) 11.220 118,0 A Muottas Muraigl Klarer blauer Himmel . 20 230 120,0 A Muottas Müraigl Klarer blauer Himmel . 8.5.02 250 120,0 A Samaden Blauer Himmel 4,50 190 125,0 A Muottas Muraigl Klarer blauer Himmel . 8° 270 139,0 A Muottas Muraigl Blauer Himmel 1,5000 22210 158,0 A Samaden Klarer blauer Himmel. . . . 4:5.0 1 726,9 201,2 A Samaden Klarer blauer Himmel. Schnee. | -1° 310 202,0 A Samaden 96 Marguerite Henrici. Tabelle 21. Anthyllis Vulneraria. Einfluss der Temperatur bei schwachem Licht. | Schatten- | Maximal- Vorteil | Nr. | temperatur | temperatur | in der Assi- A | | | milation Bemerkungen | | in 0C | in OC | hat Pflanze | | 1 158 | -050 N | | | 159 0,750 on à 209 30 650 | 82 30 160 À 90 40 69 A 80 40 150 E Schneebedeckter Boden 215 4,50 | s100 A ï Ausgeschiedene Menge Kalomel 88 80 120 E 30,0 63 |. 8° 250 AE 73,6 62 100 220 E 13,3 HA 21050 | 280 A 80,0 68 110 120 E 14,0 76 119 269 AE 74,4 338 120 130 E 27,1 252 120 260 E 63,4 na 140 230 E | 25,4 356 | 160 190 E 30,0 332 | 190 340 AE 63,8 352 210 250 A Nachher Gewitter 24,5 8) Versuche mit Bellis perennis. Tabellen 22, 23, 24, 25, 26. Die Ergebnisse der ausführlichen Tabellen (22, 23, 24) fasse ich nach Lichtintensitäten geordnet in Tabelle 25 zusammen. Ihre Versuche lassen sich je nach den Lichtintensitäten in drei Gruppen teilen. Die erste Gruppe reicht bis zu einer Kalomel- ausscheidung von 25 mgr. In ihr ist mit Ausnahme der Versuche bei ganz niedriger Temperatur (hinter offener Tür ausgeführt, siehe S. 94) Nr. 154, 160, 157 und des Versuchs bei Sonnenuntergang Nr. 30 stets die Assimilation der Ebenenpflanze im Vorteil. Ver- such 30 zeigt, dass trotz dem Mangel an kurzwelligen Strahlen die Assimilation der Alpenpflanze diejenige der Ebenenpflanze er- heblich übertreffen kann. Die zweite Gruppe umfasst Lichtintensitäten mit 25-—80 mgr Kalomelausscheidung. In ihr macht sich die ungleiche Vorbehand- lung der Pflanzen, zum Teil auch die ungleiche Grösse und Dicke Alpen- und Ebenen-Pflanzen. Tabelle 25. Übersiehtstabelle von Bellis perennis. Ausgeschie- 97 Schatten- Me dene Das Nr. Witterungsverhältnisse en = a Assimi- Que ; In Versuchs- Deus lation hat Ve euQns in IC Licht in mgr. gefäss in 1. Std. | Pflanze 154 | Diffuses Licht . 00 09 0 A Basel 160 | Diffuses Licht . 20 2,50 0 A Basel ade Dittuses Licht .... . 4. 30 40 0 A Basel 30 | Diffuses Licht. Sonnenunterg. . 90 140 0,8 A Basel 23 | Bedeckt . où 90 14,2 E Basel Bar enBedeckt:.. : ,. .... 6,50 | 6,50 15,0 E Basel 28 | Weissblauer Himmel 9,9 11,59 15,1 E Basel 35 | Bedeckt 50 90 15,9 E Basel 47 | Stark bewölkt . 19,60 | 260 17,6 E | Basel 83 | Schneefall 50 6,50 18,0 E Muottas Muraigl 291 | Leichter Regen 5 8,59 | 11,59 19,0 E Samaden 24 | Bedeckt. Sonnenblicke . (0 8,50 20,0 E Basel 21 | Regen 49 70 22,4 E Basel 59 | Klarer blauer Himmel . 180 300 27,1 AE Basel (Kühlung) 26 | Weissblauer Himmel 90 12) 27,8 E Basel 45 | Blauer Himmel 180 320 31,5 E Basel 58 | Blauer Himmel 200 260 33,0 A Basel (Kühlung) 40 | Dunstiger Himmel 4,50 | 149 34,2 A Basel 39 | Bewölkt . ERRANG 100 230 36,5 A Basel | 37 | Bewölkt. Schneebedeckter Boden JO 5,50 37,0 E Basel | 54 | Weissdunstiger Himmel 140 260 37,6 AE |Basel 32 | Bewölkt . DE 11,50) 1770 37,7 A Basel . 42 | Klarer blauer Himmel . 13,59 | 300 40,0 A Basel 34 | Bewölkt, blauer Himmel . 5,5% | 150 44,3 E Basel | 49| Klarer blauer Himmel . 230 350 47,3 AE | Basel 208 | Nebel, Sonnenblicke 4,50 | 130 48,8 A Muottas Muraigl 52 | Blauer Himmel 160 220 52,5 AE | Basel 45 | Blauer Himmel 170 370 53,8 E Basel 5l | Bewölkter blauer Himmel. 192,50 250 54,8 EA | Basel 38 Blauer Himmel. Schnee am Boden 8,50 210 58,7 E Basel 31 | Blauer Himmel 60 210 60,5 A Basel 217 | Witterungsumschlag 8:50 120 60,5 E Muottas Muraigl { 27 | Bewölkter blauer Himmel 120 16° 60,9 A Basel 1238 | Etwas Regen ; 6,50 | 100 62,0 A Samaden 48 | Klarer blauer Himmel . 199 390 64,3 AE | Basel 44 | Klarer blauer Himmel . 20,5.0°) 300 64,8 A Basel 46 | Blauer bewölkter Himmel 19,302 320 69,6 A Basel 53 | Klarer blauer Himmel . 170 400 70,0 E Basel - 36 | Blauer Himmel. Schnee 17927 180 13,4 E Basel 7 98 Marguerite Henrici. Ausgeschie- | Schatten- ns aa Menge es NT. Witterungsverhältnisse | en a en im Mass für Assimi- u in oc |Versuchs- en lation hat Versuchs gefäss in 1. Std. | Pflanze 224 | Bedeckt. Häufige Sonnenblicke . 11° 240 87,0 A Samaden 41 | Klarer blauer Himmel . 130 350 88,4 A Basel 243 | Blauer dunstiger Himmel . 79 13,50 103,0 A Samaden 244 | Bedeckter Himmel. Sonnenblicke 80 170 109,0 A Samaden 202 | Blauer Himmel. Nebel . | 6,59 | 250 122,0 A Muottas Muraigl 225 | Klarer blauer Himmel . 69 290 124,5 A Samaden 228 Blauer Himmel. Wolken 30 250 133,0 A Samaden 229 | Witterungsumschlag 30 190 141,3 A Samaden 232 | Blauer Himmel. Schnee 250 | 230 148,5 A Samaden ; 86 | Klarer blauer Himmel . ©0 16° 151,0 A Muottas Muraigl | 212 | Klarer blauer Himmel . _10 240 156,0 A Muottas Muraigl| 100 | Klarer blauer Himmel. . . : 20 209 175,0 A Muottas Muraigl 235 | Klarer blauer Himmel. . . . 40 | 280 184,3 A Samaden 251.| Klarer blauer Himmel . . . . 20 260 201,2 A Samaden 248 | Klarer blauer Himmel . . . . 0,50 240 206,0 A Samaden der Blätter von Pflanzen gleicher Höhenlage (S. 47) deutlich gel- tend. Immerhin ist bei niederer Temperatur oder bei intensiverem Licht die Assimilation der Alpenpflanze im Vorsprung, während hohe Temperatur und schwaches Licht der Ebenenpflanze Vorteil bringen. In den meisten Versuchen hat das Verhältnis der Assimilation der Alpen- und Ebenenpflanze denselben Sinn, gleichgiltig, ob die Assimilationswerte auf die Einheit der Fläche oder auf die Einheit des Volumens der Blätter berechnet sind. Auffallender- weise sind nun aber in einigen Versuchen die Alpenpflanzen bei Berechnung auf die Flächeneinheit der Ebenenpflanze gegenüber im Nachteil, bei Berechnung auf die Volumeinheit dagegen der Ebenenpflanze überlegen und zwar nicht nur unter geringen Ab- weichungen von 1 (wie in Versuch 48, wo 0,98 und 1,1), die inner- halb oder nahe der Fehlergrenze liegen, sondern mit erheblichen Abweichungen, z. B. Versuch 54 mit 0,54 und 2,07, also mit einer Gesamtamplitude von 1,53. Bei Anthyllis, deren Alpenindividuen bei Berechnung auf die Volumeinheit gegenüber der Ebenenpflanzen im Nachteil waren, konnte dies auf die grosse Dicke des Alpenblattes zurückgeführt werden, da für die Durchleuchtung nicht genügend Licht zur Ver- fügung stand. Folgende Überlegungen müssen nun zeigen, ob ähnliches auch für Bellis gilt. Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 99 Im Abschnitt über den Chlorophyligehalt habe ich gezeigt, dass derjenige von Bellis perennis mit der Höhe abnimmt. Für eine Pflanze von 1780 m beträgt er nur ca. ’/, von dem der Ebenenpflanze. Dieser Chlorophyligehalt ist nahezu konstant, wenn man ihn auf das Frischgewicht bezieht. Wird nun je 1 cm” Blatt- fläche eines chlorophyllreichen Ebenenblattes gleichzeitig mit einem chlorophyllarmen Alpenblatt belichtet, so ist der Fall denkbar, dass das chlorophyllarme Alpenblatt nicht alles Licht absorbieren und für die CO,-Assimilation verwerten kann, während die chloro- phyllreiche Ebenenpflanze dies vermag. Voraussetzung für diesen Fall sind dicke Alpen- und dünne Ebenenblätter. Nach 8. 47 kommt aber auch der umgekehrte Fall, dünne Alpen- und dicke Ebenenblätter, vor. Um für Bellis einen allfälligen Einfluss der Blattdicke aut die CO,-Assimilation festzustellen, habe ich für einige Alpen- und Ebenenpflanzen das Verhältnis von Volumen zur Fläche des Blattes (also die Blattdicke) in Tabelle 26 zusammengestellt. Tabelle 26. Diekenverhältnisse der Blätter von Bellis perennis. Volumen in em | Oberfläche in cm? Vo u) Haterenes Nr Volumen zur Fläche | der Dicke. 5 — zu Gunsten | A E À E A E von A 154 0,25 0,5 9,0 15,45 0,028 0,037 0,009 160 0,1 0,2 2,82 | 4,94 0,035 0,04 0,005 157 0,2 0,15 5,49 4,78 0,036 0,031 | — 0,005 59 0,06 0,1 2,99 3,18 0,02 0,051 0,011 54 | 02 0,7 14,5 16,7 0,013 0,042 0,029 49 0,18 0,12 6,63 3,45 0,027 0,035 0,012 48 0,2 0,28 5,98 6,7 0,037 0,042 0,005 Wie aus den angeführten Zahlen (Tabelle 26) hervorgeht, sind gerade die Blätter der Alpenpflanzen in den Versuchen 59, 54 und 49 besonders dünn. Dazu kommt noch, dass in Versuch 54 die sehr dünnen Alpenblätter gleichzeitig mit sehr dicken Ebenenblättern untersucht wurden. Verteilt sich nun der allerdings um 5/12 grössere Chlorophyllgehalt der Ebenenpflanze auf das mehr als drei mal so dicke Ebenenblatt, so treffen die Lichtstrahlen, auf das Volumen bezogen, weniger Chlorophyll an als in dem Alpen- blatt, das seinen geringeren Gehalt an Farbstoff auf ein viel kleineres 100 Marguerite Henrici. Volumen verteilt. Hier tritt nun der umgekehrte Fall als bei Anthyllis ein. Für die Alpenpflanze ist zur Durchleuchtung des dünnen Blattes genügend Licht vorhanden, ebenso reicht das Chlorophyll in der dünnen Schicht aus, um die notwendigen Strahlen zu absorbieren, während für die Ebenenpflanze Licht- mangel herrscht. Die Versuche der dritten Gruppe bei einer Lichtstärke von 87 und mehr mgr Kalomelausscheidung weisen überall Assimi- lationswerte zu Gunsten der Alpenpflanze auf. In den ausführlichen Tabellen verdienen noch folgende Ver- suche besondere Erwähnung. In zwei Fällen (Versuch 47, Ta- belle 22 und Versuch 221, Tabelle 23) versagt in schwachem Licht die Alpenpflanze bei der Assimilation vollständig. Dass dies der Einfluss der höheren Temperatur bei schwacher Lichtintensität ist, zeigen die Versuche .160, 157 und 154 (Tabelle 22), wo eben- falls bei schwachem Licht, aber niederer Temperatur die Alpen- pflanze viel stärker als die Ebenenpflanze assimilierte. Das Gegenstück dazu bilden die hohen Verhältniszahlen (Alpenpflanze assimiliert viel mehr) in den Versuchen 235, 248 (Tabelle 23) und 100 (Tabelle 24). Sie sind bei sehr starkem Lichte ausgeführt. In Versuch 235 assimilierte die Ebenenpflanze überhaupt nicht; sie scheint durch das starke Licht geschädigt worden zu sein (vergl. S. 121 ff.). ; Auf die hohen Winterwerte bei Alpen- und Ebenenpflanzen (Versuche 23, 35, 32, 31, 36 etc. Tabelle 22) habe ich schon in der Besprechung der allgemeinen Resultate (S. 87) aufmerksam gemacht. y) Versuche mit Primula farinosa. Tabellen 27, 28, 29, 30. Primula farinosa bietet prinzipiell nichts neues; ich kann mich daher kurz fassen. Die gekürzte Tabelle 30, in welcher die Versuche nach Lichtintensitäten angeordnet sind, lässt zwei Gruppen von Versuchen unterscheiden. Sobald die Kalomelausscheidung 40 mgr überschreitet, assimiliert die Alpenpflanze stets mehr als die Ebenenpflanze. Die Grenze, bei welcher die Alpenpflanze der Ebenenpflanze überlegen ist, liegt also viel tiefer, als bei Bellis und Anthyllis. Die Alpenindividuen von Primula farinosa zeigen somit ein viel geringeres Lichtbedürfnis, als die beiden vor- genannten Pflanzen. In der ersten Gruppe — bei schwachem Licht — ist wieder die Temperatur für die Grösse des Verhältnisses Alpenpflanze zur Ebenenpflanze ausschlaggebend. So versagt bei einer Temperatur Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 101 von 18!/ resp. 20° (Versuch 365) die Alpenpflanze, bei 1'/» resp. 61/.° (Versuch 79) die Ebenenpflanze bei der Assimilation voll- ständig. Übrigens ist es auffallend, wie viel höhere Temperaturen die Alpenexemplare von Primula farinosa gegenüber denjenigen von Bellis und Anthyllis bei schwachem Licht ertragen können, Tabelle 30. Übersiehtstabelle von Primula farinosa. Schatten. Maximal dene Menge De | Witterungsverhältnisse es Mass für Assimi- > intC Versuchs- ne lation hat Versuchs | gefäss in 1. Std. Pflanze Bedeekt ne... 9: Moon e200 0,0 |E(A=O)| Basel Nebel mit Son demie PRESS 1,59 65, 22,0 | A(E=O) | Muottas Muraigl Bedeekti u... Sala. 130 230 22,0 E Samaden Bee CRM em ETES Nes 1000 2150 24,0 EA | Basel Regen. Sonnenblicke . . . 10% | 199 32,2 A Samaden Sehr stark bewölkt. Vor Gewitter 80 149 33,1 A Muottas Muraigl Blauer bewölkter Himmel . . 240 | 350 36,2 E Basel Schleier am blauen Himmel. . | 199 | 319 36,3 A Basel Weisser dunstiger Himmel . . 190208100 44,4 A Samaden Sehestarkibewölkt + .... 00 | 4,50 45,5 A Muottas Muraigl Sehr stark.bewölkt ? . ..... 60 1200) 46,0 A Muottas Muraigl bedeckt. Ver Gewitter. . . .| 41850 1300 46,8 A Basel Stark bewölkt. Vor Gewitter . 150° | 230 | 46,9 A Samaden Sehr stark bewölkt . ... .. >. 4,50 90 52,0 A Samaden SAT De NOIRE „an Be 9050 53,8 A Samaden Sehrsstark@bewölkt ... 02.2... JON 66,0 A Samaden Blauer Himmel, Wolken . . . 17,50 | 340 70,7 A Basel Klarer blauer Himmel . . . . |. 19,50 | 340 72,3 A Basel Blauer bewölkter Himmel . . | 12,50 | 220 13,4 A Samaden Klarer blauer Himmel . . . . 22,50 | 460 88,9 A Basel Blauer bewölkter Himmel. . .| 140 280 89,0 A Samaden Blauer bewölkter Himmel . .| 89 250 93,0 A Samaden ”BlauerHimmel . . . ie 8° 250 100,0 A Samaden Klarer blauer Himmel. Sous j 1499 200 115,6 À Muottas Muraigl Blauer bewölkter Himmel . . 30 100 00 025,5 A Muottas Muraigl Klarer blauer Himmel . . . . 80 270 139,0 A Muottas Muraigl Klarer blauer Himmel . . . . 6,90, 250 147,0 A Muottas Muraigl Klarerhlauer Himmel... 2,50 | 160 150,0 A Muottas Muraigl Blauer, etwas dunstiger Himmel 20 240 168,8 A Samaden Klarer, blauer Himmel. Schnee 2,0 27.9 182,2 A Samaden Klarer. blauer Himmel... °. 450 | 240 188,1 A Samaden Klarer blauer Himmel . . . . 5,3 al 225,0 A Samaden 102 Marguerite Henrici. um in der Assimilation der Ebenenpflanze doch noch überlegen zu sein. Von Interesse sind die hohen Werte bei starkem Licht in Versuch 201, 87 (Tabelle 29) und 246 (Tabelle 28), ferner die hohen Verhältniszahlen bei sehr niedriger Temperatur in Versuch 211 und Versuch 79 (Tabelle 29). Das geringe Lichtbedürfnis der alpinen Primula farinosa lässt sich wohl auf die geringe Dicke ihrer Blätter zurückführen. Hier sei noch an die auf S. 65 besprochene Tatsache erinnert, dass gerade Primula aus subalpiner Höhe den geringsten Chloro- phyligehalt aufweist, der nicht nur hinter demjenigen der Ebenen-, sondern auch hinter demjenigen der alpinen Exemplare zurück- steht. Bei dieser Pflanze spielt neben dem Chlorophyligehalt ge- wiss die von Lubimenko (1908, Revue S. 296) festgestellte, in ihrem Wesen übrigens durchaus unbekannte Plasmaempfindlichkeit eine grosse Rolle, die bei der Assimilation vom Pigmentgehalt völlig unbhängig fungiert. Den Einfluss von Schnee und Gewitter werde ich später (S. 109 ff. und 113ff.) besprechen. 6) Versuche mit Taraxacum offieinale. Tabellen 31, 32, 33, 34. In der nach den Lichtintensitäten zusammengestellten Über- sichtstabelle 34 lassen sich die Versuche in zwei Gruppen teilen, deren Grenze bei ca. 65 mgr Kalomelausscheidung liegt. Über diesem Wert ist die CO.,-Assimilation der Alpenpflanze derjenigen der Ebenenpflanze immer überlegen. Diese Intensitätsgrenze liegt also zwischen derjenigen von Anthyllis Vulneraria (80 mer) und derjenigen von Primula farinosa (40 mgr). In der ersten Gruppe — bei schwachem Licht — machen sich die individuellen Schwankungen der Blattdicke stark geltend. Doch beweisen auch diese Versuche, dass die Assimilation der Alpenpflanze durch starkes Licht und niedrige Temperatur, die- jenige der Ebenenpflanze durch schwaches Licht und hohe Tem- peratur begünstigt wird, Versuche, die gerade vor Sonnenuntergang ausgeführt werden, zeigen immer für die Alpenpflanze günstige Assimilationswerte. Die bei Kühlung erlangten grossen Verhältniswerte scheinen nicht durch Herabsetzung der Maximaltemperatur hervorgerufen zu sein. Ich glaube vielmehr, dass die Kühleinrichtung viel blauviolettes Licht absorbiert, und dass dies zu einem Missverhältnis zwischen der Kalomelausscheidung und der wirklich vorhandenen Lichtintensität führt. (Vergleiche S. 109 ff.) Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 103 Tabelle 34. Übersichtstabelle von Taraxacum offieinale. Schatten- Maximal- a Vorteil - in de Nr. Witterungsverhältnisse ie es ER nn Mass tur | N ca de in0C Versuchs- en lation hat Versuchs gefäss | in 1. Std. | Pflanze 29 | Bedeckt A are 1,50 40 <5,0 A Basel 156 | DiffusesLicht vom blauen Himmel Schneebedeckter Boden . 2,0 8,00 0 E Basel 155 do. 2150 40 0 E Basel 161 | Diffuses Licht vom blauen Himmel 5,50 u 0 A Basel 6 | Gegen Sonnenuntergang 230 340 0,7 A Basel 11 | Stark bewölkt . UN 00 <10,0 A Basel 16 | Nebel . 60 80 <10,0 E Basel 20, Nebel‘. 90 90 <10,0 A Basel 18 | Regen. 6,5° 6,50 <15,0 E Basel 19 | Regen. RE 120 130 <15,0 E Basel 13 Bedeckt. Sonnenblicke . 140 19,50. <15,0 E Basel 50 | Bedeckt CE 200 230 18,5 E Basel 15 | Bedeckt. Sonnenblicke . El. 200 24,2 A Basel 25 | Gegen Sonnenuntergang 90 219 26,0 A Basel 14 | Bewölkt . AR UE 15° 160 28,7 A Basel 57 Klarer blauer Himmel. Kühlung | 210 260 30,3 = Basel 17 | Klarer blauer Himmel . , 3,59 DD 37,8 A Basel 10 Nebel, wenig Sonne. 80 140 38,8 A Basel 20 | Stark bewölkt . 69 129 399 E Basel 55 Blauer Himmel 199 350 40,5 A Basel 222 | Dunstiger Himmel 80 170 45,0 A Samaden 60 | Blauer Himmel. Kühlung . 240 390 47,1 A Basel 56 | Klarer blauer Himmel . à 19,50 | 380 52,0 E Basel 216 Stark bewölkt. Vor Gewitter. 3-49 90 61,0 A Muottas Muraigl 81 | Hellblauer Himmel. Schnee 4-50 | 160 62,0 E Muottas Muraigl 22 | Klarer blauer Himmel . 79 119 63,0 A Basel 66 | Blauer, wenig bewôlkter Himmel 89 250 69,0 A Samaden 239 | Himmel überzogen 6,59 | 140 77,4 A Samaden 206 | Stark bewölkt . \ 80 220 79,5 A Muottas Muraigl 220 Blauer dunstiger Himmel . 20 170 82,3 A Muottas Muraigl 227 | WeisseWolken am blauen Himmel 20 220 99,7 A Samaden 230 | Himmel mit weissem Dunst . 09 50 108,0 A Samaden 9 | Klarer blauer Himmel . 290 309 114,5 A Basel 67 Klarer blauer Himmel . 129 279 125,0 A Samaden 89 | Bewölkt, doch hell 60 220 135,0 A Muottas Muraigl 99 | Klarer blauer Himmel . 30 279 140,0 A Muottas Muraigl 210 | Klarer blauer Himmel. Schnee . 00. 18° 142,8 A Muottas Muraigl 8 | Klarer blauer Himmel . 199 36° 151,7 A Basel 236 | Hellblauer, dunstiger Himmel 8,50 220 158,5 A Samaden 250 | Klarer blauer Himmel . 20 269 189,0 A Samaden 240 | Klarer blauer Himmel. Schnee . | -1° 219 255,0 A Samaden 104 Marguerite Henrici. Aus einem Vergleich der Versuche 10, 11, 12, 14, die in den ersten kalten Tagen ausgeführt wurden, mit den Versuchen 16, 18, 20 (Tabelle 31) geht hervor, dass bei gleich schwacher Licht- intensität die Temperatur, bei welcher die Alpenpflanze in der CO,-Assimilation im Vorteil ist, zu Beginn des Winters höher sein kann, als später im Laufe des Winters. Daneben finden sich in Tabelle 31 einige hohe Verhältnis- zahlen, die ich mir nicht erklären kann (Versuch 55). Doch ist auch in diesem Fall der Koeffizient a nn nicht ausnehmend Atmung hoch, sodass selbst bei extremen Assimilations- und Atmungsgrössen derselben Spezies die Korrelation zwischen Atmung und Assimi- lation zu bestehen scheint. (Siehe S. 90). 2. Lage der Minimal- und Maximaltemperatur der Assimilation bei der Alpenpflanze. Die Versuche bei sehr niedriger Temperatur und schwachem Licht zeigen deutlich, dass das Temperaturminimum für die Assi- milation der Alpenpflanze viel tiefer liest, als dasjenige der Ebenen- pflanze. Für die Atmung scheint dies, nach einigen in dieser Richtung angestellten Versuchen zu urteilen, viel weniger zuzu- treffen. Es liegt hier ein ähnlicher Fall vor, wie ihn Kniep (1915 S. 31) für Fucus serratus festgestellt hat, wo bei 0° die Kohlen- säure-Assimilation recht gross, die Atmung hingegen sehr gering war. Die Alpenflora ist somit eine Kälteflora, was, allerdings auf Grund anderer Erwägungen, schon Schröter (1904 8. 650 ff.) und Senn (1907, 1. Teil S.49) hervorgehoben haben. Da sie aber anderer- seits sehr hohe Temperaturen aushält, so muss sie der Ebenenflora gegenüber als eurytherm bezeichnet werden. 3. Theoretisch mögliche Assimilationskurve für Alpen- und Ebenenpflanzen. Trotz den in meinen Versuchen hervortretenden Schwankungen der Assimilationsgrösse geht aus den Tabellen 17—35 hervor, dass die volle Strahlungsintensität der Sonne nicht nötig ist, damit die Pflanze die höchsten Assimilationswerte erreiche. Von der schwächsten Lichtintensität an steigt die CO,-Assimilation bei Alpen- und Ebenenpflanze sehr rasch bis zu einer bestimmten Intensität, nach deren Erreichung sie konstant bleibt. Diese Intensität liest für die untersuchten Pflanzen verschieden hoch, immer aber für die Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 105 Alpenpflanze bedeutend höher als für die entsprechende Ebenen- pflanze. Dieses Resultat stimmt durchaus mit den neueren Literatur- angaben (Reinke 1883, 1884; Timiriazeff 1889 S. 379—82; 1903 S.451—52; Brown und Escombe 1905 8.55; Lubimenko 1905 S. 391—401; Pantanelli 1904 8. 179). Assimiliertes CO, in mgr à = + T RE 201 O0 19 50 75 100 150 20 Lichtintensität gemessen in mgr ausgeschiedenen Kalomels Fig. 3. Bellis perennis. Abhängigkeit der Assimilation von der Lichtintensität. Nach Tabelle 23. Die Extremversuche sind als solche eingezeichnet. Für die übrigen Lichtintensitäten sind die Mittelwerte aus den vorhandenen Versuchen (mit Ausnahme der Schneelicht- und Gewitterversuche) berechnet. Zum Beweise des Gesagten dienen die Kurven 3—7, in welchen auf der Ordinatenaxe die Menge des assimilierten CO, in mgr und auf der Abszissenaxe die Lichtintensitäten in mgr Kalomel aufgetragen sind. Besonders klar liegen die Verhältnisse für Bellis perennis in Kurve 3. Das Lichtminimum der Photo- synthese für die Ebenenpflanze ist nicht erreicht; von der schwächsten Lichtintensität an steigt die Assimilation der Ebenenpflanze bis Intensität 75, hierauf beginnt die Kurve langsam gegen die Abs- zisse zu fallen, von Lichtintensität 150 an fällt sie sehr schnell und erreicht die Abszissenaxe bei Lichtintensität 201. Die Kurve der Alpenpflanze beginnt auf der Abszissenaxe (deutliches Licht- minimum in botanischem Sinne), steigt dann rasch bis Lichtintensität 75, dort biegt sie scharf um und geht bei steigender Lichtintensität der Abszisse fast parallel. | Die Kurve ist bei Anthyllis komplizierter (Kurven 4 und 5), indem zweimal ein scharfes Umbiegen zu bemerken ist. Es ent- stehen dadurch zwei Maximalwerte und ein Minimalwert. Der erste Maximalwert liest bei sehr schwachem, der zweite bei mittel- starkem Licht. Kurve 4 ist nach den in Basel, Kurve 5 nach den in Samaden erhaltenen Assimilationswerten konstruiert. In Kurve 4 finden sich die höchsten Assimilationswerte bei sehr schwachem Licht und sehr niedriger Temperatur (vergl. Tabelle 17). Der Minimalwert für Alpen- und Ebenenpflanzen liegt bei Licht- intensität 27, ist aber für die Ebenenpflanze bedeutend höher als 106 Marguerite Henrici. für die Alpenpflanze. Von dieser Intensität an steigen die Assi- milationswerte für beide Pflanzen, doch erreichen die Werte der Alpenpflanze diejenigen der Ebenenpflanzen nie. Der höchste Wert bei Lichtintensität 0 ist auf diese und die niedrige Temperatur zu- rückzuführen ; beide Faktoren bedingen ein geringes Trockengewicht, da sie die Ableitung der Assimilate begünstigen, während das geringe Trockengewicht seinerseits starke Assimilation erlaubt (vergl. S. 74 und 88). N u R \ I À = Fig. 4 Anthyllis Vulneraria. Abhängig- u De keit der Assimilation von der Licht- E \ m intensität nach Tabelle 17. Hohe Werte < Y bei sehr schwacher Lichtintensität durch 2730 50 631% 5 à : Lichtintensität gemessen in mer das geringe Trockengewicht bedingt. ausgeschiedenen Kalomels Noch deutlicher zeigt sich dieser erste Maximalwert bei Pri- mula in den Kurven 6 und 7 der Alpenpflanzen und in der Kurve 6 der Ebenenpflanze. Für letztere kommt in Kurve 7 der theoretisch erwartete hohe Assimilationswert bei sehr schwacher Lichtintensität nicht zustande, weil die allzu niedrige Temperatur sich schon dem Temperaturminimum der Assimilation der Ebenen- pflanze nähert. Der zweite Teil der Kurven 4, 6 und 7, sowie die Kurve 5 sind nach den Bemerkungen über die Assimilation der einzelnen Pflanzen durchaus verständlich (vergl. S. 93—104), indem vom Mi- nimalwert weg die Assimilation von Alpen- und Ebenenpflanzen zunächst steigt. Bei Anthyllis biegt die Kurve von Alpen- und Ebenenpflanze bei Lichtintensität 120 um (Kurve 5), ohne dass a S o° Assimiliertes CO, in mgr [se] (e) \ \ \ \ anne 0 14 25 50 787480 100 120 150 158 200201 Lichtintensität gemessen in mgr ausgeschiedenen Kalomels Fig. 5. Anthyllis Vulneraria nach Tab. 18. Abhängigkeit der CO,-Assimilation vom Licht. Versuch Lichtintensität 73 fällt aus der Kurve. Versuche bei Schnee nicht berücksichtigt. Assimiliertes CO, in mgr 15 Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 107 die Ebenenpflanze den Assimilationswert der Alpenpflanze im zweiten Teil der Kurve erreicht hat. Die Kurve der Alpenpflanze weist geringe Schwankungen auf, geht aber im Grossen und Ganzen der Abszisse parallel; die Kurve der Ebenenpflanze fällt sehr langsam, aber immerhin deutlich gegen die Abszisse. T LRU A | Sm mn r TT T —— 22 38 50 55 85 100 150 177 200 Lichtintensität gemessen in mgr ausgeschiedenen Kalomels Fig. 6. Primula farinosa. Abhängigkeit der Assimilation von der Lichtintensität nach Tabelle 28. Extremversuche als solche eingezeichnet. Die Werte für die mittleren Lichtintensitäten sind Mittelwerte aus zwei oder drei entsprechenden Versuchen. Die hohen Werte bei niederer Lichtintensität durch die gute Ab- leitung resp. geringes Trockengewicht bedingt, Für die Alpenpflanze von Primula (Kurve 6 und 7) ist eine Abflachung der Kurve bei den dargestellten Lichtintensitäten nicht zu bemerken; allerdings liegen auch wenig Versuche bei hohen Lichtintensitäten vor. Die Kurve der Ebenenpflanze von Primula (6 und 7) steigt vom Minimalwert ziemlich steil bis zur Erreichung des Maximalwertes und fällt von diesem rasch gegen die Abszisse. Die Abnahme der Kohlensäure-Assimilation der Ebenenpflanze im starken Licht stimmt mit den von Pantanelli (1904 S. 180—189) für Wasserpflanzen und von Lubimenko (1908 Revue S. 176) für chlorophyllreiche Landpfianzen festgestellten Tatsachen. 225 108 Marguerite Henrici. Lichtminimum und -Maximum (im botanischen Sinn) liegen also unter gewöhnlichen Verhältnissen bei der Alpenpflanze be- deutend höher als bei der Ebenenpflanze.?) Dass die zweite Senkung der Assimilations-Kurve bei steigender Lichtintensität nur eine sekundäre Erscheinung ist, haben die Untersuchungen von blackman und Matthaei (1905), Blackman und Smith (1911 S. 389ff.), sowie auch von Puntanelli (1904 S. 192ff.) bewiesen. Sie ist in der Natur durch die zu niedrige Temperatur oder den geringen CO,-Gehalt der Luft bedingt. Tem- peratur oder Kohlensäuregehalt wirken also als hindernde Faktoren. 4. Hindernde Faktoren in den einzelnen Versuchen. Es muss nun festgestellt werden, welche äusseren Faktoren in meinen Versuchen hindernd wirkten. In den Alpen spielt haupt- sächlich der geringe CO,-Gehalt eine Rolle, worauf schon Wagner (1892) hingewiesen hat. Bei meinen Versuchen wurde jedoch so viel Luft durchgeleitet, dass die Pflanzen keinen Mangel litten. Ausserdem kann die Assimilation der Ebenenpflanze in den Alpen durch die niedrige Lufttemperatur herabgesetzt werden. Versuche Nr. 90 und 209 Tabelle 19, Nr. 79 und 201 Tabelle 29 scheinen so erklärt werden zu können. Dieser Fall tritt etwa auch in der Ebene ein, hauptsächlich im Herbst und Winter (vergl. Nr. 17 161, 29, 11, 12, Tabelle 31; Nr. 154, 160, 157, Tabelle 22). In der Ebene werden die Alpenpflanzen hauptsächlich durch die geringe Lichtintensität bei gleichzeitig hoher Temperatur in ihrer Kohlensäure-Assimilation gehemmt. Mit ihrem geringen Chlorophyligehalt können sie das schwache Ebenenlicht offenbar nicht voll ausnützen. Nach Blackman (1905) tritt nach länger andauerndem Versuch eine Abnahme der Kohlensäure-Assimilation abgeschnittener Blätter ein (Zeitfaktor), die wohl hauptsächlich durch die Inaktivierung der Chloroplasten durch Stärkeanhäufung und Insolation bedingt ist (Ewart, 1896 S. 429—46). Die Dauer des Versuchs kommt bei meiner 1—2stündigen Exposition wenig in Betracht, vielleicht nur in Versuch 61 Tabelle 27, wo bei hoher Temperatur und einer mehr als 3stündigen Versuchsdauer die Kohlensäure-Assimi- lation von Primula farinosa sehr schwach ist. Bei meinem ungleich vorbehandelten Versuchsmaterial ist es mir nicht möglich, zu der viel umstrittenen theoretischen Kurve 2) Nach Willstätter und Stoll (1918 S. 149 ff.) zeigen gelbe und grüne Va- rietäten einer Spezies eine ähnliche Abhängiskeit der Assimilation vom Licht wie meine Alpen- und Ebenenindividuen. Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 109 der Abhängigkeit der Kohlensäure-Assimilation von der Temperatur (Blackman Annals 1905 S. 284; Jost 1906 S. 225—244; Kanitz 1915 S. 16—26, dort auch weitere Literatur) Stellung zu nehmen. Assimiliertes CO, in mgr 100 125 Lichtintensität gemessen in mgr ausgeschiedenen Kalomels Fig. 7. Primula farinosa.. Abhängigkeit der Assimilation von der Lichtintensität. Die hohen Werte der Alpenpflanze bei schwachem Licht durch ganz niedrige Temperatur und sehr geringes Trockengewicht bedingt, für die Ebenenpflanze Temperatur zu niedrig, Nach Tabelle 29 mit Ausnahme der Schnee- und Ge- witterversuche. Wert bei Lichtintensität 46 als solcher eingezeichnet, für die übrigen Versuche die Mittelwerte berechnet. 5. Die Wirksamkeit der verschiedenen Spektralbezirke. a) Versuche bei Schneebedeckung des Bodens. (Tabelle 18: Versuch 231 und 233. Tabelle 19: Versuch 80. Tabelle 22: Versuche 34, 36, 37 und 38. Tabelle 23: Versuch 232. Tabelle 28: Versuch 70 und 234. Tabelle 29: Versuch 218. Tabelle 31: Versuch 156 und 155. Tabelle 32: Versuch 240. Tabelle 33: Versuch 81.) Die Versuche bei schneebedecktem Boden weichen von den allgemeinen Resultaten so stark ab, dass ich sie besonders be- handeln muss. Trotz hoher Lichtintensität assimiliert die Alpen- pflanze nur wenig stärker als die Ebenenpflanze, sobald der Boden mit Schnee bedeckt ist. Bei niedrigen Lichtintensitäten, in welcher nach der Temperatur zu urteilen die Alpenpflanze der Ebenen- pflanze unbedinst überlegen sein sollte, ist die Ebenenpflanze im Vorteil. 110 Marguerite Henrici. Wie sind diese auffallenden Resultate zu erklären? Dass sie nicht durch die Temperatur verursacht werden, beweisen die Ver- suche 155 und 156 Tabelle 31, in denen trotz minimaler Tem- peratur die Alpenpflanze im Nachteil ist. Nun macht Dorno (1911) auf verschiedene Abweichungen auf- merksam, welche die Gesamtstrahlung durch reflektiertes Schnee- licht erleidet. Ich führe seine Angaben hier an, obschon zwischen dem von ihm und von mir beobachteten Schneelicht gewisse Unter- schiede bestehen. Dorno untersuchte Schneelicht, das von den umliegenden Bergen reflektiert wurde. Diese Reflexion bestand bei meinen Versuchen in den Alpen, hauptsächlich auf Muottas Muraigl, immer, da mein Versuchsplatz von drei Seiten von Schnee- bergen umgeben war. Die durch sie bewirkte Reflexion scheint auf meine Versuchsresultate keinen Einfluss gehabt zu haben. Einen solchen konnte ich jedoch konstatieren, wenn die direkte Umgebung, der Boden und der Tisch, worauf die Apparate standen, mit Schnee bedeckt waren. In dem vom Schnee der umliegenden Berge reflektierten Licht stellt Dorno eine starke Zunahme des blauvioletten Spektralteils fest (1911 S. 61, Tab. 43). Daneben kommen bei klarem blauem Himmel die roten und grünen Strahlen des diffusen Lichtes trotz ihrer Vermehrung im (Gesamtlicht kaum in Betracht. Es treten also zum Gesamtlicht, das aus Sonnenstrahlung + diffusem vom Himmel reflektiertem Licht besteht, noch die vom Schnee reflektierten Strahlen hinzu, die fast ausschliesslich dem blauvioletten Spektral- bezirk angehören. Daher erhielt ich die hohen Kalomelwerte. Werden sonst solche Kalomelwerte ohne Schnee erreicht, so entspricht ihnen ein höherer Gehalt des Lichts an roten Strahlen. Für das Schnee- licht trifft das jedoch nicht zu. In Bezug auf rotes Licht gehören darum die Versuche bei schneebedecktem Boden an eine viel tiefere Stelle der Reihe, als sie auf Grund der Kalomelwerte stehen. Wie weit sich die Lichtverhältnisse noch ändern, wenn die Versuche, wie das bei mir der Fall war, direkt über Schnee aus- geführt werden, weiss ich nicht, da mir hierüber Literaturangaben nicht bekannt sind. Die Möglichkeit, dass die roten Strahlen noch mehr als in Dorno’s Messungen zurücktreten, ist nicht aus- geschlossen. Dafür spricht vor allem der von mir konstatierte hohe Chloro- phyligehalt derjenigen Pflanzen, die normalerweise in der Umgebung von Schnee wachsen (siehe S. 63—56) wie z. B. Eranthis hie- malis, die in anatomischer Beziehung (Palissaden) im Sinne Siahl’s (1883 S. 167— 172) und Haberlandt’s (1909 S. 268 ff.) ein Sonnen- Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 111 blatt besitzt, dessen Struktur nach Siahl durch hohe Lichtinten- sitäten bewirkt wird. Da allgemein nur die blauvioletten Strahlen die Palissadenbildung bewirken (Pfeffer 1904 8. 117, dort weitere Literatur), liegt somit die auffallende Tatsache vor, dass Eranthis in bezug auf Chlorophyligehalt eine Schattenpflanze (durch den Mangel an roten Strahlen des Schneelichts bedingt), in bezug auf den anatomischen Bau dagegen, infolge der hohen Intensität der blauen Strahlen des Schneelichts, eine Sonnenpflanze ist. Alle diese Ausführungen sollten natürlich durch quantitative Intensitätsmessungen der verschiedenen Spektralgebiete gestützt werden. 8) Versuche vor Sonnenuntergang. In den Versuchen, die gegen Sonnenuntergang ausgeführt wurden, also bei geringer Intensität blauvioletten Lichtes, assi- miliert die Alpenpflanze bedeutend stärker als die Ebenenpflanze (vergleiche Versuch 30, Tabelle 22; Versuch 6, 15, 25, Tabelle 31). Diese Uberlegenheit der Alpenpflanze kann nur durch den Einfluss der roten Strahlen bedingt sein, die bei dem tiefen Sonnenstande den Hauptanteil am diffusen Licht haben. Dass die roten Strahlen bei der Kohlensäure-Assimilation besonders wirksam sind, ist längst bekannt; warum sie aber bei Sonnenuntergang von der Alpen- pflanze, nicht jedoch von der Ebenenpflanze verwertet werden können, ist sehr auffallend. Vielleicht können die Ebenenpflanzen die blauen Strahlen des diffusen Himmelslichtes besser verwerten, was mit Siahl’s (1909 S. 32—35) Auffassung, die allerdings von Iwanowski (1914 S. 443—46) angefochten worden ist, stimmen würde. Die Alpenpflanzen wären dagegen viel mehr auf das an roten Strahlen reiche, direkte Sonnenlicht angepasst, dessen Wir- kung sich bei ihnen auch durch starkes diffuses, an blauen Strahlen reiches Licht nicht ersetzen lässt. Aus den bei Schnee- bedeckung und kurz vor Sonnenuntergang angestellten Versuchen muss also gefolgert werden, dass Alpen- und Ebenenpflanzen die verschiedenen Spektralpartien in verschiedenem Masse zur CO,- Assimilation verwerten. y) Theoretisches über die Wirkung der verschiedenen Spektralbezirke. Dass die assimilatorische Wirkung der roten Strahlen bei der Alpenpflanze durch die blauvioletten Strahlen nicht ersetzt werden kann, scheint zunächst durchaus im Widerspruch mit den Befunden von Kniep und Minder (1909) zu stehen, nach welchen die blauen Strahlen bei gleicher Intensität wie die roten annähernd gleiche 112 Marguerite Henrici. photosynthetische Wirkung haben.*) Nun ist aber die Intensität des von Äniep und Minder verwendeten Lichtes recht schwach; diese Forscher machen übrigens selbst darauf aufmerksam, dass höhere Intensitäten vielleicht zu andern Resultaten führen könnten (S. 649). Es ist übrigens nicht ausgeschlossen, dass bei der von Kniep und Minder verwendeten thermoelektrischen Intensitäts- bestimmung das in den Alpen gewöhnlich herrschende rote Licht sich als stärker erweisen würde als das blauviolette Schneelicht, während letzteres auf Grund meiner Kalomelbestimmung als stark bezeichnet werden muss. Es wäre ja noch eine andere Erklärung für das ungleiche Verhalten der Alpen- und Ebenenindividuen den verschiedenen Wellenlängen gegenüber denkbar. Infolge der Verschiedenheit ihrer Blattdicke und des ungleichen Chlorophyllgehaltes (siehe S. 45 ff. und 55 ff. und 62 ff.) absorbieren Alpen- und Ebenenpflanzen ungleich viel Licht. Es wäre nun möglich, dass diejenige Pflanze, welche mehr Licht absorbiert, allzuviel blauviolettes Licht durch Plasmaabsorption aufnähme (Pfeffer 1904, S. 319) und dadurch allgemein geschädigt würde. [Ich unterscheide also scharf zwischen Schädigung des Plasmas durch stark brechbare, und Schädigung des Chlorophylls durch schwach brechbare Strahlen.] Doch ist anzunehmen, dass das ungeschwächte Licht auf eine grosse Blatt- fläche (wie sie vorwiegend bei Ebenenpflanzen vorkommt) früher schädigend wirke als auf kleine, aber dicke Blätter der Alpen- pflanzen, in deren Innerem es schon stark geschwächt ist. Uberdies besteht bei dicken Alpenblättern zwischen der Absorption durch Plasma und Chlorophyll eine gewisse Kompensation gegenüber der Ebenenpflanze, indem z. B. bei Anthyllis das Alpenblatt im Maximum 2 mal so dick ist als das Ebenenblatt, sein Chlorophyll- gehalt aber nur halb so gross ist als derjenige des Ebenenindividuums. Ausserdem sprechen gegen die Möglichkeit der Schädigung des Chlorophylls durch starkes blauviolettes Licht die Versuche, die bei sehr starkem Licht ohne Schneebedeckung des Bodens ausgeführt wurden, sowie meine bei 2456 Metern Höhe im Freien 3) Nach Ursprungs Arbeit (1918), die erst nach Abschluss meiner Unter- suchungen erschien, existiert kein zweites Maximum der CO,-Assimilation im kurzwelligen Spektralteil. Der Autor vermutet — allerdings nur auf Grund von Bestimmungen der Stärkebildung —, dass dieses zweite Maximum nur bei spalt- öffnungsfreien Pflanzen zur Geltung komme, da er an Blättern im blauen Licht sehr enge Stomata konstatieren konnte, die einen CO,-Mangel verursachen mochten. Sollte sich dieses Resultat auch durch Bestimmung der CO,-Aufnahme bestätigen lassen, so wären meine Schneelichtversuche leichter verständlich, um so mehr, als ich an Alpenpflanzen bei Schneelicht fast völligen Schluss der Spaltöffnungen beobachtet habe. Ad Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 113 stehende Kultur von Alpen- und Ebenenpflanzen, unter denen nie eine Schädigung der Alpenpflanzen, wohl aber gelegentlich das Absterben von Ebenenpflanzen zu beobachten war. Immerhin lassen gerade diese letzten Beobachtungen noch eine andere, viel befriedigendere Deutung der Wirkung des blau- violetten Lichtes zu: Das starke blauviolette Licht würde nur bei Mangel an roten Strahlen schädlich wirken. Die gleichzeitige Gegenwart der langwelligen Strahlen könnte dagegen die ungünstige Wirkung der stark brechbaren Strahlen auf die Alpenpflanze auf- heben, sodass, wie in der Lösung von Salzgemischen die schädliche Wirkung einzelner Salze nicht zur Geltung kommt, auch das ge- mischte weisse Licht, trotz hoher Intensität, weniger schädlich wäre als seine einzeln wirkenden Komponenten (vergl. den Ab- schnitt über die Deutung der Versuche bei sehr starkem Licht S. 121 und Pfeffer 1904 8. 121). 6. Versuche vor Gewittern. (Versuche Nr. 352, Tabelle 17; 73, Tabelle 28; 207, Tabelle 29; 216, Tabelle 33; 353, Tabelle 27. Event. sind noch 395 und 391, Tabelle 35 beizuziehen). Wie die bei Schneelicht ausgeführten, so fallen auch die vor Gewittern angestellten Versuche stets aus der Reihe der übrigen heraus, allerdings in gerade entgegengesetztem Sinne als die Schnee- lichtversuche. Trotz schwachem Licht ist vor einem Gewitter die Kohlensäure-Assimilation der Alpenpflanze (meist auch die Atmung) immer, und zwar meist viel stärker als diejenige der Ebenenpflanze (Verhältniszahlen der Assimilation bis 6,76). Oft, aber durchaus nicht immer, wies die Luft bei den Ge- witterversuchen einen sehr hohen CO,-Grehalt auf. Dieser bewirkt ja, wie ich schon hervorgehoben habe (S. 90), für Alpen- und Ebenenpflanzen hohe Assimilationswerte. Doch kann der hohe CO,-Gehalt die Assimilationssteigerung der Alpenpflanzen nicht allein verursacht haben, da ja auch der Ebenenpflanze die gleiche CO,-Menge zur Verfügung stand. Von verschiedenen Forschern (Thowvenin 1896; Koltonski 1908; Pollacci 1904—1908) ist der Einfluss der elektrischen Ströme auf die CO,-Assimilation der Pflanze untersucht worden. Angaben über den Einfluss der Leitfähigkeit der Atmosphäre auf die Photo- synthese, die vor einem Gewitter grösser ist als sonst, fehlen voll- ständig. Da mir die Arbeiten Pollacci’s leider nicht zugänglich waren, kenne ich seine Resultate nur nach den Referaten in Just’s Jahres- bericht 1905 und 1907. 8 114 Marguerite Heprici. Alle Forscher finden, dass schwache elektrische Ströme bei kurzer Einwirkung die Assimilationstätigkeit erhöhen. Ein Optimum des elektrischen Stromes für eine bestimmte Pflanzenspezies gibt es aber nicht, vielmehr variiert die zuträgliche Stromstärke von Individuum zu Individuum. Nun erhielt aber Po/lacci das merk- würdige Resultat (1905 S. 94—98 und Just 1907 Bd. 1 S. 759), dass elektrisierte Blätter bei einer so schwachen Lichtintensität Stärke zu bilden vermochten, bei welcher nicht elektrisierte Blätter noch nicht assimilieren. Schwache elektrische Ströme vermögen zwar das Licht nicht ganz zu ersetzen, aber seine Wirkung bei niedriger Intensität zu verstärken. Könnte diese Beobachtung nicht mit meinen Resultaten in Beziehung gebracht werden? Da ja, wie die genannten Forscher gezeigt haben, die Wirkung eines bestimmten elektrischen Stromes auf Pflanzenindividuen desselben Standortes verschieden stark ist, wie viel mehr könnten sich Unterschiede bei Pflanzen aus ver- schiedenen Höhenlagen geltend machen, in meinen Versuchen also in dem Sinne, dass elektrische Ströme die CO,-Assimilation der Alpenpflanzen förderten, diejenige der Ebenenpflanze dagegen nicht wesentlich beeinflussten. Auf Grund der Angaben von Stoppel (1916), dass die starke Leitfähigkeit der Atmosphäre (S. 664 und 673) sowie Potentialdifferenzen (S. 669) verschiedene Funk- tionen der Pflanzen steigern, halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass der Alpenpflanze der Ausgleich der Potentialdifferenzen zwischen Erde und Atmosphäre oder die erhöhte Leitfähigkeit der Luft, als Energiequelle dienen kann. In den Alpen ist (Dorno 1911 8. 87) die Leitfähigkeit und ihre täglichen Schwankungen sehr viel grösser als in der Ebene; die absoluten Werte des Potentialgefälles ver- halten sich gerade umgekehrt (Dorno 1911 S. 72—79). Doch sind die Schwankungen des Potentialgefälles im Jahreslauf viel grösser als in der Ebene. Vor Schneefall ist das Potentialgefälle gering, bei Schneebedeckung des Bodens steigt es gewaltig. Da nun gerade bei Schneebedeckung des Bodens, also bei grossem Poten- tialgefälle, die Assimilation der Alpenpflanze ungünstig beeinflusst wird, so ist bei den Gewitterversuchen wohl eher an die Leit- fähigkeit als beeinflussenden Faktor zu denken. Es ist möglich, dass die Alpenpflanze überhaupt für solche Schwankungen, seien es nun die des Potentialgefälles oder der Leitfähigkeit, empfind- licher ist, als die Ebenenpflanze, welche an ihrem Standort nur geringen Schwankungen dieser Faktoren unterworfen ist. BERN: Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 115 7. Spezielle Lichtbedürfnisse der einzelnen Pflanzen. Bei der Diskussion der Versuchsresultate der einzelnen Pflanzen machte ich darauf aufmerksam, dass die alpinen Individuen von Anthyllis und Bellis, um stärker zu assimilieren als die Ebenen- pflanze, viel höhere Lichtintensität brauchen als Primula farinosa; Taraxacum officinale nimmt eine Mittelstellung ein. Für dieses relative Lichtbedürfnis der alpinen Individuen .ergibt sich also folgende Reihe: Anthyllis = Bellis > Taraxacum> Primula farinosa. Wohl zu unterscheiden von diesem relativen Lichtbedürfnis der alpinen gegenüber den Ebenen-Individuen ist das Minimum der Lichtintensität für die CO,-Assimilation. Dieses dürfte für die Ebenenpflanzen in folgender Reihe zum Ausdruck kommen: Anthyllis Vulneraria, Taraxacum officinale, Bellis peren- nis, Primula farinosa. Ich schliesse das aus der Grösse der Assimilationswerte der Ebenenpflanzen bei schwachem Licht, ausser- dem noch aus der anatomischen Struktur, dem Chlorophyligehalt der Blätter und dem natürlichen Standort der Pflanze. Es war nun wichtig, festzustellen, wie sich die Verhältnisse gestalten, wenn man ein Ebenenindividuum von Anthyllis mit einem Ebenenindividuum von Bellis, oder wenn man Alpenindi- viduen verschiedener Spezies gleichzeitig untersucht. Tabelle 35 sibt darüber Auskunft. Wie nach der oben gegebenen Reihenfolge zu erwarten war, assimiliert die Alpen- resp. Ebenenpflanze von Anthyllis Vul- neraria unter gleichen Bedingungen bedeutend weniger als die entsprechenden Individuen von Primula farinosa. Nicht voraus- zusehen war hingegen das Verhältnis von Bellis zu Anthyllis, indem die alpine Anthyllis ebenfalls viel weniger assimilierte als die alpine Bellis, während bei den Ebenenpflanzen der Unter- schied nicht so gross war. Trotzdem glaube ich nicht, dass dieses Resultat die vorhin erwähnte Tatsache der ähnlichen relativen Lichtansprüche der Alpenindividuen von Anthyllis und Bellis umstösst. Überblickt man die ausführlichen Tabellen beider Pflanzen, so zeigt es sich, dass die alpine Anthyllis bei keiner Lichtinten- sität so hohe Assimilationswerte wie Bellis erreicht, dass also ganz allgemein Anthyllis unter den für sie optimalen Bedingungen weniger assimiliert als Bellis. Der besseren Übersicht wegen stelle ich nun die maximalen Assimilationswerte der untersuchten Pflanzen aus allen drei Ver- 116 Marguerite Henrici. Tabelle 35. Vergleiehende Versuche über Assimilations- | Schatten- : Nr. | Datum Pflanzen RTS De m oc |Versuchs- verhältnisse gefäss I Anthyllis Vulneraria 2300 m à % : & 2 0 0 389 | 29. V. 17 | 11 Bellis Rene 1780 m 16,5 24,9 Stark bewölkt : I Anthyllis Vulneraria 250 m 20 0 Klarer blauer 3228. NL 17 II Bellis perennis 250 m 28 59 Himmel & I Anthyllis Vulneraria 2300 m 0 0 Blauer Himmel 375| 25. V. 17 | 11 Primula farinosa 1700 m | 1% = m. weissenWolken I Anthyllis Vulneraria 250 m 0 10 Bewölkt. se AVE 27 II Primula farinosa 450 m = z Vor Gewitter. I Anthyllis Vulneraria 2300 m 0 - ko | Blauer Himmel, >20 0 AA II Taraxacum officinale 2450 m 2 25,5 später bewölkt I Anthyllis Vulneraria 250 m 0 0 Klarer blauer SR 7 LE II Taraxacum officinale 250 m == &t Himmel ; T Bellis perennis 1780 m AERO 0 392 | 2. VI. 17 II Primula farinosa 1709 m Les el PÉTER I Bellis perennis 250 m | 50 0 Klarer blauer a NL II Primula farinosa 450 m => = Himmel a9 | eu 1780 m | 17,50 | 300 | woran PA II Taraxacum officinale 2450 m ? CES ro ' | I Bellis perennis 250 m | 590 0 Klarer blauer 399) 15-VL 17} 11 Taraxacum officinale 250 m 22 3° Himmel 2 I Primula farinosa 1709 m 0 0 Klarer blauer 228) NEA IT Taraxacum officinale 2450 m 20 #0 Himmel I Primula farinosa 450 m 0 0 Klarer blauer = Sl. 20 II Taraxacum officinale 250 m 21 21 Himmel suchsstationen in Tabelle 36 zusammen, wobei ich nur die Sommer- monate berücksichtige. Ein Vergleich der in dieser Tabelle enthaltenen Zahlen be- weist die Richtigkeit des schon von Weber (1882 S. 346—52), sowie von Brown und Escombe (1905) gezogenen Schlusses, dass ver- schiedene Spezies unter gleichen Aussenbedingungen verschieden stark assimilieren, dass somit jede Spezies ein spezifisches Assimi- Alpen- und Ebenen-Pflanzen. vermögen und Lichtbedürfnis der untersuchten Pflanzen. ss, Ze 117 lationsvermögen besitze. Ausgeschie- CO»- In einer Stunde wurden mgr. CO2 assimiliert Rene dene Menge | Gehalt Assimilation; Ber | der Luft | Bezogen auf | Ver- Bezogen auf Ver- AR blauviolett. | in mgr. | 100 cm? Flache | hältnis | 1 cm Volumen | hältnis Lichtinmgr. |proLiter| ı Il I: I u 1: 1, PAU 33,4 0,8 11,5 58,1 0,2 2,5 8,2 0,3 0,75 | 1,55 54,5 1,6 5,7 7,3 0,79 1,6 3,D 0,45 | 1,47 | 1,76 39,5 1,2 13,9 66,4 0,2 3,0 11,5 0,32 | 2,3 1,39 15,0 1,6 8,9 26,5 0,32 2,9 9) 0,37 | 2,0 1223 25,4 1 4,0 r 0,4 0,9 3,4 0,26 | 1,55 | 1,48 65,0 1,3 7,8 | 4,6 IE 2,3 1,6 1,4 0,94 | 0,8 7,0 1,9 10,6 20,5 0,52 3,9 5,6 0,6 1,0 0,7 19,0 1,6 11,8 83,0 0,14 6,5 23.1 02712074 40,0 3,1 33,8 29,8 1,13 22,7 9,9 2,29 | 4,2 4,0 56,4 1,6 31,2 15,9 1.95.12 16,3 7,9 200.110 1,47 48,5 dl 35,7 25,5 1,4 11,2 Sn 1,96 | 0,47 | 0,72 44,5 1,9 18,1 23,1 0,79 5,6 10,8 032 023021 Das Resultat steht jedoch im Gegensatz zu demjenigen von Plackman und Matlhaei (Proceedings 1905 S. 458), nach welchen bei einer bestimmten Temperatur und Licht- intensität Blätter der verschiedensten Pflanzen gleich intensiv assimi- lieren, so lange man nicht Bedingungen für Maximalleistung schafft (S. 448, 458). Allerdings assimilieren in den Versuchen von Blackman und Matthaei Helianthus und Prunus Laurocerasus bei gleichen 118 Marguerite Henrici. Tabelle 36. Stündliche Maximalleistung in der CO,-Assimilation im Sommer in mgr. CO, pro 1 cm?. Pflanze m nn Höhe | Basel een en | eu LADA E A E A E Anthyllis Vulneraria 250 u. 2300 M. 7,5 9,8 15,4 3,4 5 5 1700 M. 5,9 6,3 Bellis perennis 250 u. 2000 M. | 150,0 | 74,0 | 27,8 | 10,4 [100,0 | 40,0 ä i 1400 M. 87,4 | | Primula farinosa 450u.1700M. | 40,4 | 280 | 640 | 23,0 | 85*| 16,3 | Ss 2400 M, 33,0 Taraxacum officinale 250 u. 2700 M. | 36,2 | 124,0 8,3 9,0 à » 1700—1800M. | 13,2* | 13,3 15,5 5 ; 2300 M. | 90,0 | 2 Ä 2450 M. | 19,3 i , 2900 M. | | 31,1 * sehr schwaches Licht. Aussenbedingungen auch ungleich (S. 414 und 458); diese Ab- weichung von ihrer Theorie führen aber die beiden Autoren auf den spezifischen Beschleunigungs-Koeffizienten zurück, gemäss welchem die Kohlensäure-Assimilation bei Temperatursteigerung erhöht wird (8. 448). Die Richtigkeit dieser Auffassung muss ich stark bezweifeln. a) Spezifisches Assimilationsvermögen. Aus den in Tabelle 35 und 36 enthaltenen Zahlen geht her- vor, dass jede Pflanze ein spezifisches Assimilationsver- mögen hat. In den Versuchen, in welchen das Minimum der für die Kohlensäure-Assimilation erforderlichen Lichtintensität nur für die Alpenpflanze, nicht jedoch für die Ebenenpflanze realisiert war, tritt allein das Lichtbedürfnis der Alpenpflanze in seinem ganzen Verlauf deutlich hervor. Das spezifische Assimi- lationsvermögen ergibt sich dagegen klarer aus den für die Ebenenpflanze erhaltenen Werten, weil es im Gegensatz zu den für die Alpenpflanze realisierbaren Verhältnissen nicht durch zu schwache Lichtintensität verwischt wird. Ich stelle die Resultate in Tabelle 37 zusammen. Die Lichtbedürfnisse der Alpenpflanze 0 Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 119 sind auch hier nur als relative Werte gegenüber denjenigen der Ebenenpflanze zu verstehen. Tabelle 37. Assimilationsvermögen und Liehtbedürfnis der einzelnen Pflanzen. | Assimilations- : ERS Pflanze | \ Lichthedürfnis vermögen Anthyllis eben klein STOSS Anthyllis alpin e\ „ Bellis eben sehr gross | klein bis gross Bellis alpin „ ; STOSS Primula eben STOSS klein Primula alpin | 5 5 Taraxacum eben 5 mittel bis gross Taraxacum alpin mittel bis gross mittel Diese Tabelle zeigt, dass Assimilationsvermögen und Licht- bedürfnis der verschiedenen Spezies und ibrer Individuen verschie- dener Standorte keineswegs einander parallel laufen. So hat An- thyllis ein geringes Assimilationsvermögen, braucht auch, um es zur Geltung zu bringen, sehr viel Licht, während Bellis und Primula (allerdings in geringerem Masse) auch bei geringer Licht- intensität stark assimilieren können. Alpen- und Ebenenenindivi- duen derselben Spezies verhalten sich in dieser Beziehung an- nähernd gleich. ) Abhängigkeit des Assimilationsvermögens und des Liehtbedürfnisses von äusseren Faktoren. Assimilationsvermögen und Lichtbedürfnis werden von äusseren Faktoren in verschiedener Weise beeinflusst. Blätter mittleren Alters — solche habe ich zu meinen Ver- suchen stets verwendet — assimilieren nach Zwart (1896 S. 452) am kräftigsten. Ich fand weiter, dass unter den untersuchten Spezies die kleinbleibenden (Bellis, Primula) im allgemeinen ein srösseres Assimilationsvermögen zeigen als die grösseren (Anthyllis, Taraxacum in subalpinen Exemplaren), ja dass sogar kleine In- dividuen einer Spezies (hauptsächlich bei Taraxacum und Bellis) stärker assimilieren als grosse. 120 Marguerite Henrici. Das Assimilationsvermögen bei optimaler Beleuchtung ist eine Funktion der Temperatur (hindernde Faktoren siehe S. 108). Auf das Lichtbedürfnis einer Pflanze wirken Lebensalter, Blattbau, Chlorophyllgehalt (event. Plasmaempfindlichkeit), vor allem aber die Temperatur bestimmend. Die ersten 3 Faktoren kommen für Alpen- und Ebenenpflanzen in Betracht, den Einfluss der Tem- peratur konnte ich nur für das relative Lichtbedürfnis der Alpen- pflanze feststellen. In Übereinstimmung damit wies Combes (1910, ähnlich auch Wiesner 1907 S. 168—182) nach, dass das Optimum der Beleuch- tung für eine Pflanze mit zunehmendem Alter wächst. Blätter mit Palissadenzellen und geringem Chlorophyllgehalt haben, wie aus meinen Versuchen hervorgeht, im allgemeinen ein grösseres Lichtbedürfnis als chlorophyllreiche Pflanzen mit weniger differen- ziertem Assimilationsgewebe. Doch verursacht ein geringer Chloro- phyligehalt nicht immer ein grosses Lichtbedürfnis (Primula farinosa). Im Laufe meiner Versuche zeigte ich, dass mit steigender Temperatur das Lichtbedürfnis der Alpenpflanze wächst, bei den verschiedenen Spezies natürlich in verschiedenem Masse. Diese Beobachtung steht nicht ohne Parallele in der Physiologie. Schon Strasburger (1878 S. 605—613) hat für phototaktische Schwärm- sporen und Senn (1908 S. 129—130) für phototaktische Chloro- plasten festgestellt, dass ihr Lichtoptimum mit steigender Tem- peratur immer höher verlegt wird, während es bei niedriger Tem- peratur sinkt. Wie ıst nun das steigende Lichtbedürfnis der Alpen- pflanze bei steigender Temperatur zu erklären? Wenn sich Bonnier’s (1895 S. 337—40) Angaben als richtig erweisen, nach welchen die Transpiration der Alpenpflanze in der Sonne stärker ist als die- jenige der Ebenenpflanze, so könnte eine gute Erklärung gegeben werden. Bei schwachem Licht und steigender Temperatur würde die Lichtenergie zur Unterhaltung von Assimilation und Trans- spiration nicht ausreichen, da nach Brown und Escombe (1905 ‚8. 84ff.) und Puriewitsch (1914) der grösste Teil des absorbierten Lichtes zur Transpiration benützt wird. Um nun bei steigender Temperatur — also bei steigender Transpiration — gleich stark wie die Ebenenpflanze assimilieren zu können, braucht die Alpen- pflanze, welche nach Bonnier stärker transpiriert als die Ebenen- pflanze, eine höhere Lichtintensität, die aber durchaus nicht das volle Sonnenlicht zu sein braucht (vergl. die Kurven 3—5). Bei stärkerer Lichtintensität genügt die Lichtenergie bei jeder Temperatur für beide Prozesse. ee” Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 121 Bemerkt man dennoch in den Tabellen 17—35 ein Steigen des Verhältniswertes der Assimilationsgrösse, wobei also die Alpen- pflanze viel mehr als die Ebenenpflanze assimiliert, so beruht dies auf dem Verlauf der Assimilationskurve der Ebenenpflanze, die von einer bestimmten Lichtintensität an gegen die Abszisse fällt, was mit Lubimenko’s Angaben in Parallele zu setzen ist. Dieser Forscher (1908 Revue S. 290) fand, dass das Assimilationsmaximum einer Pflanze bei um so niederer Temperatur und um so schwächerem Licht liest, je grösser der Chlorophyllgehalt der Pflanze ist. Dementsprechend liegt das Lichtminimum, bei welchem die Assimilation beginnt, bei chlorophyllreichen Pflanzen weit niedriger als bei chlorophyllarmen. Die von mir untersuchten alpinen Wiesenpflanzen haben (siehe S. 55—62 dieser Arbeit) sehr viel weniger Chlorophyll als die Ebenenindividuen der gleichen Spezies. Die Assimilationsenergie der Ebenenpflanzen wird also — von einer bestimmten Lichtintensität an — mit steigender Licht- intensität und steigender Temperatur abnehmen. Dieser Prozess, der dem Verhalten der Alpenpflanzen direkt entgegen läuft, be- wirkt eine Erhöhung des Verhältniswertes, nicht jedoch eine Er- höhung des Assimilationswertes der Alpenpflanze überhaupt, wie aus den Tabellen ersichtlich ist. 8. Die Deutung der Versuchsresultate bei sehr starkem Licht. Bei sehr starkem Licht ist mit Ausnahme der bei Schnee- bedeckung des Bodens ausgeführten Versuche die Assimilation der Alpenpflanze derjenigen der Ebenenpflanze ausserordentlich über- legen, ja es kann sogar vorkommen, dass dabei die Ebenenpflanze überhaupt nicht assimiliert. Dieses Versagen der Ebenenpflanze kann nicht durch die hohe Maximaltemperatur verursacht sein, da solche von der Ebenenpflanze ohne Schaden ertragen werden, wie Versuche bei weniger starkem Lichte aber ebenso hohen Tempe- raturen zeigen. Es wäre jedoch theoretisch möglich, dass im Gegenteil die Maximaltemperatur resp. die Erwärmung der Pflanze zu niedrig war, als dass die Ebenenpflanze das starke Licht hätte ausnützen können. Nur würde sich die Frage aufdrängen, ob Ebenenpflanzen aus unserm Klima überhaupt imstande wären, die für so hohe Lichtintensitäten erforderlichen Temperaturen aus- zuhalten. à Blackman und Matthaei (1905), sowie Matthaei (1905) wiesen nach, dass sich im starken Licht die Temperatur der Pflanze be- deutend über die Lufttemperatur (bis 16°) erhöhe. Brown und 122 Marguerite Henrici. Wilson (1905) fanden allerdings viel geringere Werte. Es ist auf jeden Fall zu beachten, dass die Pflanze die infraroten Strahlen, denen ja die grösste Wärmeenergie zukommt, nach Stahl (1909 S. 19), Timiriazeff (1877 S. 369) und Richter (1902 S. 151) nicht absorbiert. à Aus diesen Überlegungen geht hervor, dass die hohe Maximal- temperatur nicht schädigend auf die Ebenenpflanze wirkt; sie könnte hingegen als ein die CO,-Assimilation hindernder Faktor in Betracht kommen, was ich vorläufig nicht entscheiden kann. Es ist ferner in Betracht zu ziehen, ob etwa die niederen Schattentemperaturen für die hohen Verhältniszahlen verantwortlich zu machen sind. Diese bewirken ja für die Alpenpflanze immer sehr günstige Assimilationswerte. Sieht man aber von den Extrem- versuchen bei schwachem Licht ab, wo die Kombination von nie- derer Schatten- und niederer Maximaltemperatur ausnehmend hohe Verhältniszahlen bewirkt — diese Kombination war aber in diesen Versuchen nicht realisiert —, so finden sich trotz den niederen Schattentemperaturen nirgends so hohe Verhältniszahlen wie in den Versuchen mit starkem Licht. Es ist also jedenfalls nicht der Einfluss der niederen Schattentemperatur allein, der die starke Überlegenheit der Alpenpflanze bewirkt. Ausserdem müssten dann auch die Versuche mit Anthyllis Vulneraria höhere Verhältnis- zahlen aufweisen, was aber nicht der Fall ist. Da mit allen diesen Faktoren die Förderung der Alpenpflanze und die Hemmung, ja das völlige Versagen der Ebenenpflanze bei hoher Lichtintensität nicht befriedigend erklärt werden kann, ist zu untersuchen, ob nicht gerade das starke Licht auf die Assi- milation der Ebenenpflanze ungünstig wirkt, während es die Alpen- pflanze fördert. Ich möchte hier nochmals auf die Resultate Lubimenko’s (1905, 1908, I und IT) und auch ARose’s (1913) ver- weisen, aus denen hervorgeht, dass bei fortwährend steigender Lichtintensität von einem bestimmten Punkt an die Assimilation für chlorophyllreiche (bei Rose Schattenpflanzen) Pflanzen bestän- dig sinkt. Dass sehr starkes Licht inaktivierend auf die Chloroplasten wirkt, haben Ewart (1896 S. 439 — 446), Pantanelli (1904 S. 180 — 189) und Lubimenko (1908 Revue S. 176) gezeigt, und zwar Pan- lanelli für Intensitäten, die 4 mal stärker als das Sonnenlicht waren. Da in meinen Versuchen bei starkem Licht das Alpenlicht mindestens 4 mal stärker war als das Ebenenlicht, bei welchem die Ebenenindividuen den Alpenindividuen punkto Assimilation noch überlegen sind, können die Fälle des völligen Versagens der Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 123 Ebenenindividuen ohne Bedenken auf Inaktivierung der Chloro- plasten zurückgeführt werden. Wichtig ist übrigens die Tatsache, dass bei den höchsten Lichtintensitäten in der Ebene die Ebenen- pflanzen ebenfalls im Verhältnis zu der herrschenden Temperatur sehr schwach assimiliert haben, sodass sogar durch intensives Ebenenlicht eine Inaktivierung hervorgerufen zu werden scheint. Ob die Chloroplasten der Alpenpflanzen durch starkes Alpen- licht schliesslich ebenfalls inaktiviert wurden, konnte ich nicht mit Sicherheit nachweisen, da in den Fällen, wo die Alpenpflanze bei sehr starkem Licht schwächer assimilierte, die niedrige Temperatur als hindernder Faktor das Resultat bedingt haben kann. Wenn aber die Chloroplasten der Alpenpflanze durch inten- sives Alpenlicht nicht inaktiviert werden, so wäre dies durchaus verständlich, da sie an ihrem natürlichen Standort häufig starkem Licht ausgesetzt sind; sie müssen darum in irgend welcher Art daran angepasst oder gegen Schädigungen des intensiven Lichtes geschützt sein. Diese Schutzmittel können anatomischer (Wiesner 1875 S. 40—48 und Baumert 1909) oder chemischer Natur (Shibata und Kishida 1915) sein. 5 Da ich in dieser Beziehung keine Untersuchungen angestellt habe, kann ich nur Vermutungen äussern. Infolge des geringen Chlorophyllgehaltes absorbiert die Alpenpflanze bei einem be- stimmten Frischgewicht viel weniger Licht als die Ebenenpflanze. Nach Stahl (1880 und 1883 S. 171) sind, allerdings entgegen Haberlandt (1909 S. 275), die Palissadenzellen die dem starken Licht angepasste Zellform. Dass das Vorhandensein von Palissaden- zellen das Blatt gegen schädigende Einflüsse starken Lichtes schützt, geht aus der Tatsache hervor, dass die beiden Ebenen- pflanzen (Bellis und Primula), welche schwach oder gar nicht entwickelte Palissadenzellen besitzen, vom starken Alpenlicht be- sonders ungünstig beeinflusst wurden. Die Ebenenpflanze von Bellis weist nämlich nur eine einzige Schicht niedriger weiter Palissaden, die Ebenenpflanze von Primula farinosa dagegen überhaupt keine solchen auf. Dem gegenüber haben die Ebenen- individuen von Taraxacum officinale ein bis zwei Schichten mittelhoher enger Palissaden; damit hängt vielleicht die Tatsache zusammen, dass ich bei den Ebenenpflanzen von Taraxacum keine so starke Herabsetzung der Assimilation durch starkes Licht feststellen konnte. Die Ebenenpflanze von Anthyllis Vulneraria weist mehrere Schichten von Palissaden auf; dementsprechend wurde ihre CO,-Assimilation durch starkes Licht unter allen von mir untersuchten Pflanzen am wenigsten geschädigt. Trotzdem assimiliert die Alpenpflanze von Anthyllis bei sehr starkem Licht 124 Marguerite Henrici. noch vier mal stärker als die Ebenenpflanze. Der Schluss scheint also gerechtfertigt zu sein, dass Palissadenzellen die Chloroplasten gegen hohe Lichtintensitäten zu schützen imstande sind. Ob das weisse Licht als Ganzes oder nur einzelne seiner Spektralbezirke schädlich wirken, bleibt noch unentschieden. Es könnte sich dabei auch um eine teilweise Chlorophylizerstörung handeln, welche durch die vom Chlorophyll am meisten absorbierten Strahlen, also durch die gelbroten (Dangeard 1910 S. 1386—38, Reinke 1885 Seite 64),*) bewirkt wird. Diesen Angaben stehen allerdings die älteren Pringsheims (1881 S. 336) gegenüber, nach denen kaltes, durch eine Sammellinse konzentriertes Sonnenlicht mit seinen kurzwelligen Strahlen das Chlorophyll zersetzt, während die roten Strahlen nicht zerstörend wirken. Die ultravioletten Strahlen, die nach Bierry und Larguier des Bancels (1911 S. 124) einen stark zerstörenden Einfluss auf das Chlorophyll haben, kommen für meine mit Sonnenlicht ausgeführten Versuche nicht. in Betracht. Die blauvioletten Strahlen scheinen nach meinen Schneelichtversuchen, in denen sie die höchste Intensität erreichten, keine schädliche lan gehabt zu haben, da gerade die Ebenen- individuen darin intensiv assimilierten. Es erscheint nun auffällig, dass die Alpenpflanze einerseits zur CO,-Assimilation rote Strahlen bedarf, dass diese aber anderer- seits die Chlorophyllbildung hemmen sollen. Bei näherer Be- trachtung löst sich jedoch dieser Widerspruch. Da nach Dangeard (1910) die gelbroten Strahlen von starker Intensität eine Zerstörung des Chlorophyllfarbstoffes bewirken, so kommt es bei den Alpenpflanzen zu einer geringeren Chlorophyll- bildung als bei den Ebenenpflanzen. Würde bei geringer Licht- intensität mehr Farbstoff gebildet, so würde er von der ersten intensiveu Lichtwirkung zerstört. Eine Neubildung bei wiederein- tretender Herabsetzung der Lichtintensität wäre Stoffverbrauch und würde dem nächsten starken Lichte zum Opfer fallen. Der geringe Chlorophyllgehalt der Alpenpflanzen ist somit an starkes gelbrotes Licht angepasst. Lubimenko’s (1908 I und II) Anschau- ung, dass der Chlorophyllgehalt an den Intervall der herrschenden Lichtintensität angepasst sei, trifft also nicht ganz allgemein zu, da die Alpenpflanze viel mehr an das Maximum der ihr zuträg- lichen und an ihrem natürlichen Standort herrschenden Lichtinten- sität angepasst ist. 4) Das Chlorophyll des unverletzten Blattes absorbiert nach Iwanowski (1907) noch bedeutend mehr rote Strahlen als in alkoholischer Lösung, nämlich 56,50/o gegenüber 26,3 %o. Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 125 Nun erweist sich aber der geringe Chlorophyligehält bei der Kohlensäure-Assimilation im starken Lichte (sei es stark oder schwach brechbar) gleichzeitig als ein Lichtschutz, indem eine all- zugrosse Lichtabsorption vermieden wird. Das gelbrote Licht kann also nie hemmend auf die CO,-Assimilation wirken. Blaue Strahlen wirken vorwiegend auf das Plasma und zwar in relativ hoher Intensität fördernd auf die Differenzierung des Blattgewebes (Pfeffer 1904 S. 117), in noch höherer Intensität dagegen schä- digend zunächst auf das Plasma (Pfe/fer 1904 S. 319) und dadurch mittelbar auch auf die CO,-Assimilation. Nun braucht allerdings die Alpenpflanze zur Photosynthese rotes Licht, das, wie meine Versuche vermuten lassen, nicht durch blauviolettes ersetzt werden kann. Zur Erreichung der in meinen Versuchen erhaltenen höchsten Assimilationswerte war keine so hohe Intensität des roten Lichtes erforderlich, dass es gleichzeitig zerstörend auf den Farbstoff ge- wirkt hätte. Es ist somit für das Zustandekommen starker Assi- milation nur eine bestimmte, relativ hohe Intensität von rotem Licht erforderlich. Die Alpenpflanze braucht somit kurz- und langwellige Strahlen; die langwelligen fördern bei einer bestimmten Intensität die CO,- Assimilation, hemmen jedoch bei hoher Intensität die Chlorophyll- bildung. Die blauen Strahlen wirken vorwiegend auf das farblose Plasma, fördern dadurch bei einer bestimmten Intensität die Bil- dung von Palissadenzellen, schädigen dagegen bei höherer Intensität das Plasma und dadurch auch die CO,-Assimilation. D. Biologische Betrachtungen über Chlorophyligehalt und CO,-Assimilation. Aus meinen Versuchen geht hervor, dass die OO,-Assimilation der vier untersuchten alpinen Wiesenpflanzen (Anthyllis Vul- neraria, Bellis perennis, Primula farinosa und Taraxa- cum officinale) den im Alpenklima herrschenden Bedingungen in weitgehendem Masse angepasst ist. Das Temperaturminimum der CO,-Assimilation liegt weit unter demjenigen der entspre- chenden Ebenenpflanzen, sodass bei Temperaturen um 0° herum die Alpenpflanze im Gegensatz zum Ebenenindividuum noch stark assimiliert. Dadurch werden die Pflanzen in den Alpen befähigt auch bei trübem Wetter, bei dem in bedeutenden Höhen gleich auch die Temperatur sinkt, weiter zu assimilieren, während die Ebenenindividuen derselben Spezies hungern müssen. Andererseits 126 Marguerite Henrici. kann die Alpenpflanze bei der Photosynthese sehr hohe Tempera- turen ohne Schaden ertragen, sobald ihr nur genügend Licht zur Verfügung steht. Ihre CO,-Assimilation ist also, den starken Tem- peraturschwankungen des Alpenklimas entsprechend, eurytherm. An die zeitweilig hohen Lichtintensitäten des Hochgebirges ist die Kohlensäure-Assimilation der Alpenpflanze ebenfalls trefflich angepasst, sei es durch ihren Blattbau oder ihren geringen Chloro- phyligehalt. Selbst bei stärkster Lichtintensität konnte nie eine Schädigung der Assimilation mit Sicherheit festgestellt werden, während eine solche bei der Ebenenpflanze schon in der Ebene wenigstens in zwei Fällen eintrat. Warme Regen oder bedeckter Himmel bei hoher Temperatur — was beides in den Alpen selten vorkommt — setzen die Assimilation der Alpenpflanze herab. Aus den vor Sonnenuntergang oder bei Schneebedeckung des Bodens angestellten Versuchen geht hervor, dass die Alpenpflanze zu ihrer CO,-Assimilation die roten Strahlen viel mehr nötig hat, als die Ebenenpflanze, und dass bei der Alpenpflanze die blau- violetten Strahlen die Wirkung der langwelligen, rotgelben nicht ersetzen können. Auch dies kann als eine Anpassung an die spek- trale Zusammensetzung des direkten Sonnenlichts in den Alpen aufgefasst werden, dessen Intensität nach Dorno (1911 S. 64) im schwach brechbaren Teil mit der Meereshöhe noch stärker zunimmt, als im kurzwelligen Teil. Die CO,-Assimilation der Alpenpflanze zeigt also eine deut- liche Anpassung an die in den Alpen herrschenden extremen Be- dingungen von Licht und Temperatur, von welchen die Ebenen- individuen derselben Spezies öfters geschädigt werden. Trotzdem muss betont werden, dass auch in den Alpen keine Bedingungen für die photosynthetische Maximalleistung der Alpen- pflanzen realisiert sind, da sich bei hohen Lichtintensitäten die niedrige Temperatur häufig als hindernder Faktor geltend macht. In der Ebene, wo die Temperatur hoch genug wäre, ist für die Alpenpflanze häufig die Lichtintensität zu gering, um die höchsten Assimilationswerte zu erreichen. Ob absolut genommen die Alpenpflanzen an ihren natürlichen Standorten mehr assimilieren als die Ebenenpflanzen an ihren na- türlichen Standorten, wie Schröter (1904 $S. 639) auf Grund der Bonnier’schen Versuche (1895 8. 329—37) annimmt, kann ich auf Grund meiner Versuche nicht zahlenmässig feststellen. Das geht aber auch nicht aus Bonnier’s Versuchen hervor, weil er die Ver- suchsbedingungen viel zu wenig variiert hat. Aus den Versuchen im schwachen Licht und hoher Temperatur, in welcher die Alpen- pflanzen immer schwächer assimilierten, als die Ebenenpflanzen, Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 127 geht deutlich hervor, dass die Alpenpflanzen nicht unter allen Um- ständen stärker assimilieren als die Ebenenpflanzen. Die Frage, ob die Pflanzen an ihren natürlichen Standorten in den Alpen oder in der Ebene stärker assimilieren, kann auf diese Weise überhaupt nicht beantwortet werden; darüber können höchstens Untersuchungen über die Zunahme des Trockengewichts innerhalb einer bestimmten Zeit Aufschluss geben. Immerhin geht auch aus meinen Versuchen hervor, dass jede Pflanze, auch die Alpenpflanze, die an ihrem natürlichen Standorte herrschenden klimatischen Verhältnisse in bestmöglicher Weise für ihr Leben auszunützen imstande ist. Ob sich die Vertreter der alpinen Grat- und Schneetälchenflora und die arktischen Pflanzen gleich verhalten, wie die von mir untersuchten alpinen Wiesen- pflanzen, müssen weitere Versuche zeigen. Zusammenfassung der Hauptresultate der Chlorophyllbestimmungen und Assimilationsversuche. 1. Die Blätter der alpinen Exemplare der vier untersuchten Wiesenptlanzen Anthyllis Vulneraria, Bellis perennis, Pri- mula farinosa und Taraxacum officinale — weisen bedeutend weniger Chlorophyll auf als die Blätter der Ebenenindividuen derselben Spezies, wenn der Farbstoffgehalt auf das Frischgewicht bezogen wird. 2. Davon machen die Vertreter der Schneetälchenflora oder alpinen Frühblüher (Primula integrifolia, Soldanella alpina, Anemone vernalis) eine Ausnahme, indem sie sich durch hohen Chlorophyligehalt auszeichnen. Ebenso verhalten sich auch Ebenen- pflanzen, z. B. Eranthis hiemalis, die sich normalerweise bei Schneelicht entwickeln, obwohl sie in anatomischer Beziehung Sonnenblätter besitzen. 3. Die Gesteinsflora (Primula hirsuta, Primula viscosa, Ranunculus glacialis) nimmt im Chlorophyllgehalt eine Mittel- stellung zwischen den Vertretern der alpinen Wiesenflora und der Schneetälchenflora ein. 4. Bei Kultur in der Ebene konnte ich im Laufe längerer Zeit keine Anderung des Chlorophyllgehaltes der alpinen Wiesen- pflanzen feststellen. 5. Alpen- und Ebenenindividuen der vier Gattungen der Wiesen- pflanzen verhalten sich gegen grosse Lichtänderungen durchaus spe- zifisch. Entwickeln sich Vertreter der Schneetälchenflora m der 128 Marguerite Henrici. Ebene ohne Schneelicht, so weisen sie sehr viel weniger Chloro- phyll auf als an ihren natürlichen Standorten. 6. Schwankungen des Chlorophyllgehaltes im Laufe eines Tages konnte ich bei keiner der untersuchten Pflanzen beobachten. 7. Die CO,-Assimilation der Alpenpflanze beginnt erst bei einer höheren Lichtintensität, als diejenige des entsprechenden Ebenenindividuums. Dagegen liegt das Temperaturminimum, bei welchem die Alpenpflanzen zu assimilieren beginnen, bedeutend tiefer, als dasjenige der Ebenenpflanzen. 8. Das Verhältnis der Assimilationsgrösse der Alpenpflanze zu derjenigen der Ebenenpflanze ist eine Funktion von Temperatur und Licht. Bei starkem Licht assimiliert die Alpenpflanze bei jeder Temperatur mehr als die Ebenenpflanze. Bei schwachem Licht trifft dies nur bei niedriger Temperatur zu, je höher die Tempe- ratur, desto stärker muss das Licht sein, damit die Assimilation der Alpenpflanze derjenigen der Ebenenpflanze gleichkommt. Doch ist diese Lichtintensität für die einzelnen Spezies verschieden hoch. 9. Jede der untersuchten Spezies hat somit ein bestimmtes Lichtbedürfnis, jede ist ausserdem durch ihr spezifisches Assimila- tionsvermögen ausgezeichnet. Ausnahmen von diesen Regeln lieferten die bei Schneelicht und vor Gewitter angestellten Versuche. 10. Bei Schneelicht assimiliert die Alpenpflanze trotz hoher Intensität der blauvioletten Strahlen weniger als die Ebenenpflanze, offenbar weil das Schneelicht relativ arm ist an roten Strahlen, wodurch auch der hohe Chlorophyligehalt der Schneetälchenflora physiologisch erklärt und ökologisch verständlich wird. Während nämlich in den Dämmerungsversuchen bei relativ starkem rotem und sehr schwachem blauviolettem Licht die Assimilation der Alpen- pflanze derjenigen der Ebenenpflanze weit überlegen ist, assimiliert in viel stärkerem blauviolettem aber relativ schwachem rotem Licht die Ebenenpflanze viel intensiver als die Alpenpflanze. Die Ebenen- pflanze ist also viel besser imstande, die blauvioletten Strahlen zur CO,-Assimilation auszunützen, was der Auffassung Stahls (1909) durchaus entspricht. Die Alpenpflanze braucht dagegen zu ihrer CO,-Assimilation starke rote Strahlen. Diese Tatsache erscheint verständlich, wenn man die verschiedene spektrale Zusammensetzung des Ebenen- und des Alpenlichts als Folge der Abnahme des dif- fusen Lichts mit der Meereshöhe und der stärkeren Zunahme der langwelligen als der kurzwelligen sichtbaren Strahlen in Betracht zieht. 11. Vor Gewittern assimiliert die Alpenpflanze bei sehr schwachem Lichte bedeutend mehr als die Ebenenpflanze. Wie Alpen- und Ebenen-Pflanzen. 129 Pollacei (1907) noch Stärkebildung unter dem Einfluss von elek- trischen Strömen bei schwachem Licht konstatierte, in welchem nicht elektrisierte Pflanzen keine CO,-Assimilation mehr zeigten, scheint die CO,-Assimilation der Alpenpflanze durch die Luftelektrizität oder durch Potentialgefälle gefördert zu werden, während die Ebenen- ‚pflanze darauf nicht reagiert. Vielleicht ist dies auch eine Anpas- sung an die starken Schwankungen der Leitfähigkeit oder des Po- tentialgefälles in den Alpen. Literaturverzeichnis. Baumert, Kurt. 1909. 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Tabelle Seite 1 Abhängigkeit des Chlorophyligehalts von Frisch- und Trockengewicht bei schwachem Licht . . . 02 2 Tägliche Schwankungen des Chlorophylisenaie à in Basel Be km. die vorher in schwachem Licht kultiviert worden waren . . . 54 3 Tägliche Schwankungen im Chlorophyligehalt in Basel bei Docs, die vorher in optimalem Licht kultiviert worden waren . . 54 4 Chlorophyllgehalt von Wiesenpflanzen aus verschiedener Mere in optimalem Licht. . . . 57 D Schwankungen des Chloroprallsehan- im Lana rire Zeit des sue malen Lichtbedingungen in Basel . . . . 58 6 Durchschnittswerte der Pflanzen aus hellem Licht ant aus SO eusroL a, 59 7 Bestimmungen an direkt aus den Alpen bezogenen Pflanzen . . 60 8 Schwankungen des Chlorophyligehalts im Laufe längerer Zeit in den Alpen ae JU. RE NOTE OT 9 Conan po Dee Schanenien AN en 62 10 Veränderung des Chlorophyllgehalts bei Ballen enge act und one Schneelicht. . . . LEA G Al 11 Chlorophyllgehalt der Sedan ane im A al Mai EEE AL (O1 12 Chlorophyllgehalt bei Winterblühern der Ebene . . . . … . : 66 13 Chlorophyllgehalt von Pflanzen der Gesteinsflora . . . + : : 66 14 Kontrolltabelle Basel . . . Es RR TEE a all 15 Temperaturverhältnisse in den Are AUS DENE EZ) 16 Korrelation zwischen CO,-Assimilation und Ahartiiae; At GI) 17 CO,-Assimilation von Anthyllis Vulneraria in Basel. . . . Tafel II 18 CO,-Assimilation von Anthyllis Vulneraria in Samaden . . an 19 CO,-Assimilation von Anthyllis Vulneraria auf Muottas-Muraigl „ „ 20 Uebersichtstabelle von Anthyllis Vulneraria M 22. m. 2222295 Alpen- und Ebenen-Pflanzen. Tabelle 21 Anthyllis Vulneraria, Einfluss der Temperatur bei schwachem Licht . 22 CO,-Assimilation von Bellis perennis in Basel . . . . Tafel III 23 CO,-Assimilation von Bellis perennis in Samaden . . . Tafel IV 24 CO,-Assimilation von Bellis perennis auf Muottas Muraigl Re 25 Uebersichtstabelle von Bellis perennis : ; 26 Dickenverhältnisse der Blätter von Bellis eremmis 5 27 CO,-Assimilation von Primula farinosa in Basel . . . . Tafel V 28 CO,-Assimilation von Primula farinosa in Samaden. . . ë ES 29 CO,-Assimilation von Primula farinosa auf Muottas Muraigl n 5 30 Uebersichtstabelle von Primula farinosa ER Se 31 CO,-Assimilation von Taraxacum officinale in Basel Tate 32 CO,-Assimilation von Taraxacum officinale in Samaden . ONE 33 CO,-Assimilation von Taraxacum officinale auf Muottas Muraigl „ 5 34 Uebersichtstabelle von Taraxacum officinale 35 Vergleichende Versuche über Assimilationsvermögen und Tiehtbedir nie der untersuchten Pflanzen ï : 36 Stündliche Maximalleistungen in der Co, Assmilahons im ner 37 Assimilationsvermögen und Lichtbedürfnis der einzelnen Pflanzen Inhalts-Verzeichnis. ' Einleitung A. Die her fancen B. Der Chlorophyligehalt von Men rat en en a) Bisherige Untersuchungen über den Chlorophyllgehalt b) Methodik meiner Chlorophyllbestimmungen I. Herstellung der Chlorophyllösungen IL. Das Frischgewicht als Einheit c) Ergebnisse der eigenen Untersuchungen . I Tägliche Schwankungen des EHloropkriischale Il. Untersuchungen des Chlorophyllgehalts von Alpen- mad Diane pflanzen 1. ec piece a) Versuche mit direkt dam Gar bee. rlmanmımnanen kennen 8) Zeitliche Schwankungen des Chlorophyllgehaltes von in Basel kultivierten Pflanzen D REN Beeinflussung des Chlorophyiigehaltes. aueh Kultur in schwachem Licht Bestimmungen an Pflanzen, die ich dir ekt aus den Aipen eh Schwankungen des Enlorophylis im Laufe längerer Zeit in den Alpen . EURER ASTA BENNO ESTER 2. Pflanzen, deren Blätter sich normalerweise bei Schnee entwickeln . ‘«) Pflanzen der sac Sainasllnanlen 8) Winterblüher der Ebene 3. Chlorophyllgehalt bei Bastieinenifkaren Zusammenfassung : > > S ae M, ©: nr 135 Seite 96 97 99 . 101 . 103 10 . 118 51019) 136 Marguerite Henric!. C. Die CO,-Assimilation bei Alpen- und Ebenenpflanzen . a) Methodik meiner Assimilationsversuche I. Allgemeines ENTE PA DE Rn CE ll. Bestimmung der Assimilation und Atmung . 1Ë 2. 3. Methode der CO,-Bestimmung Bestimmung des CO, der Luft Der Assimilationsversuch III. Berechnung der Assimilationswerte auf die Einheiten y von | Gewicht, Fläche und Volumen der Blätter 1 2. 2 9) Bestimmung der Oberfläche der Blätter Bestimmung des Volumens der Blätter 3. Schwankungen der auf die Einheit des Volumen de To rechneten Assimilationswerte IV. Bestimmung der äusseren Faktoren 112 2. a 4. Messung der Temperatur Das Licht Wassergehalt und Nährsalze- Allgemeine Einflüsse von Standort und Wien Erklärung der Tabellen der Assimilationsversuche . b) Die Versuche ß I. Allgemeine ation über die Photos tee RTE EEE IT. Spezielle Ergebnisse der Photosynthese bei Alpen- und Ebenenpflanzen 1. (en 8. Die mit Anthyllis, Bellis, Die ed ernst nhalhemer Resultate ; a) Versuche mıt baie Tolles, 6) Versuche mit Bellis perennis y) Versuche mit Primula farinosa . ö) Versuche mit Taraxacum officinale . Lage der Minimal- und Maximaltemperatur der Assimilation bei der Alpenpflanze . Theoretisch mögliche Assimilationskurve für Alpen- und Ebenenpflanzen . Hindernde Faktoren in en einzelnen, Versuchen. . Die Wirksamkeit der verschiedenen Spectralbezirke a) Versuche bei Schneebedeckung des Bodens 6) Versuche-vor Sonnenuntergang 2.22. 122 Des y) Theoretisches über d. Wirkung d. versch. Spectralbezirke . . Versuche vor Gewittern . Spezielle Lichtbedürfnisse der elisen Panel a) Spezifisches Assimilationsvermögen 5) Abhängigkeit des Assimilationsvermögens nd “es nine bedürfnisses von äusseren Faktoren à Die Deutung der Versuche bei sehr starkem Licht D. Biologische Betrachtungen über Chlorophyligehalt und CO Assimilation Zusammenfassung der Hauptresultate der Chlorophyllbestimmungen und Assimilationsversuche Verzeichnis der Tabellen Manuskript eingegangen 1. September 1918. 118 119 127 154 Der Rhein als Bahn und als Schranke der Tierverbreitung. Von F. Zschokke. Aus dem Herzen des Festlandes ziehen die Ströme hinab zum Meer. Sie verknüpfen die kontinentalen Gebirge mit dem fernen Ozean, schaffen Wanderwege für Tier und Pflanze und öffnen dem menschlichen Verkehr seine Strassen. Jede Woge trägt ungezählte Organismen zutal; durch die Strommündung streben die Wanderfische in ungebrochener Kraft dem Süsswasser entgegen, und in langsamer, die Jahrhunderte überdauernder Fahrt wandern geduldig manche tierische Lebewesen vom Delta gegen die weitentlegene Quelle. Dem Talweg des Flusses folgen die Scharen der Zugvögel auf der Reise im Herbst und im Frühjahr; die vom Strom geschaffene Furche dient niederen Or- ganismen, den Schnecken, den Spinnen und Tausendfüssern als Richtlinie für ihren schrittweisen, doch stetigen und im Laufe der Zeiten erfolgreichen Vormarsch. Wo aber im Quellgebiet sich Wasserscheiden erheben, trennen diese Höhenzüge auch als schwer zu besiegende Schranken die von verschiedener Seite her vordringenden Tierheere und verhindern, als den Weg unterbrechende Lücken, die Vermischung der Wan- derer von entgegengesetzter örtlicher Herkunft. Sie gebieten be- sonders den Organismen Halt, die sich zu passiver Verschleppung nicht eignen, und denen die Fähigkeit zu aktiver Wanderschaft auf dem Festland und in der Luft fehlt. So werden Fische, Muscheln und gewisse Krebse zu Leit- und Eigenformen bestimmter Fluss- gebiete. Ihre Wanderfahrten finden ein Ende an den Riegeln der Wasserscheiden. Umgekehrt auferlest auch der breit flutende Strom vielen Tieren Stillstand, die seine Ufer bevölkern, doch des aktiven und passiven Flugs und des Schwimmens unkundig sind. Solchen an die Scholle gehefteten Geschöpfen erlaubt nur etwa der Zufall die unwirtliche Flut zu queren. Der im Wasser treibende Baumstamm trägt sie von Bord zu Bord, der vom Rand losgelöste Wurzelstock, 138 F. Zschokke. oder das Boot des Menschen. Oft verändert und verlegt auch der Fluss das Netzwerk seiner Rinnen; er gräbt neue Schlingen und sorgt dafür, dass zwischen seinem rechten und linken Ufer ein Austausch sich vollziehe von Landschollen und von den dieselben bewohnenden Pflanzen und Tieren. Damit öffnen sich den letzteren mühsam erworbene neue Besiedlungsgebiete und noch unbetretene Wanderwege. Die Stromadern erlangen somit doppelte biologische Wichtig- keit; sie werden zu Wanderstrassen zugleich und zu Wander- schranken; sie fördern und hemmen die Verbreitung tierischer Lebewesen und bestimmen dadurch den Umfang ihres Wohnbezirks. Solche Doppelwirkung üben die Flüsse seit langer Zeit aus. In der heutigen Zusammensetzung und Verteilung einer Stromfauna spie- gelt sich die Lebensgeschichte des Stroms, seine hydrographische und geologische Entwicklung im Laufe der Zeiten wieder. Das faunistische Bild der Jetztzeit berichtet von Veränderungen im Verlauf und in den Eigenschaften der Wasserrinnen in vergangenen Tagen. Es erzählt von verschwundenen Stromschnellen und neu entstandenen Wasserfällen, von der Vereinigung einst getrennter Stromsysteme, und von der Trennung von Flüssen, die früher eine gemeinsame Bahn zogen. Schranken fielen und erhoben sich, und auf diese Wechselfälle in der Stromgeschichte antwortete die Be- wohnerschaft der Flüsse mit siegreichem Vormarsch, Stillstand und Rückzug, mit Einschränkung und Ausdehnung. Kein Faktor übertrifft den historischen an Bedeutung für die Verteilung und Gruppierung der Stromfauna. Ihm mag sich an Wirkung ebenbürtig an die Seite stellen der örtliche Einfluss, des Wohnorts Gunst und Ungunst, die Lebewesen je nach ihren An- sprüchen an die Aussenwelt zulässt oder ausschliesst und so Lokal- faunen fügt oder zertrümmert. Bis vor kurzer Frist fehlte der Wissenschaft die Schilderung der Lebewelt eines Stroms von der Quelle bis zur Mündung; es gebrach an der biologischen Darstellung eines Flusses in weit- gefasstem Sinn. Diese Lücke ist von berufenster Seite geschlossen worden. AR. Lauterborn schenkte uns in jüngster Zeit die Schil- derung der Fauna und Flora des Rheinstroms von den Hochalpen Graubündens bis zur Nordsee. Er rückte die Organismenwelt des heutigen Rheins in das doppelte Licht der Geschichte und der Oekologie. !) 1) Lauterborn, R. Die geographische und biologische Gliederung des Rhein- stroms. Sitzungsber. der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Mathemat.- naturwiss. Klasse. Biologische Wissenschaften. Jahrg. 1916, 1917, 1918. Rhein und Tierverbreitung. 139 Lauterborns Schrift verdankt auch der vorliegende Aufsatz reichste Anregung und mannigfaltigen Inhalt. Die Bedeutung eines Stroms als Wanderstrasse und Verbrei- tungsweg von heute und von einst erhellt klar bei der Betrachtung des Rheins. Seine Bahn, die vom Tomasee am Badus bis nach Hoek van Holland 1236 Kilometer misst, schloss sich im Verlauf einer verhältnismässig jungen geologischen Vergangenheit aus Fluss- strecken zusammen, die früher getrennt waren und ihr Wasser nach verschiedenen Meeren ergossen. Sie wird ferner vom Tiefland Hollands bis hinauf zu den Schweizer Bergen den allerverschie- densten Forderungen gerecht, die ein Tier an Unterkunft und Lebensführung im fliessenden Wasser stellen kann. Zu den Vor- zügen historischer und oekologischer Art gesellt sich die Erwägung, dass mancherlei Untersuchungen über Charakter und Ursprung der Rheinfauna in den letzten Jahren Auskunft gegeben haben. Leider allerdings bedeutet das Bestreben, die Geschichte des Rheinstroms und die Geschichte seiner Organismenwelt vergleichend zu betrachten, einen Versuch in elfter Stunde. Der Strom, der Basel durchflutet, folgt heute zum guten Teil nicht mehr den von Natur gegebenen Gesetzen. Sein Lauf und seine Stärke wird ihm vom Menschen vorgeschrieben. Menschlicher Eigennutz vernichtet die Verbreitungsschranken der Flussengen und Wasserfälle und lest mit Stauwehren und mit Schleusen neue tiergeographische Grenzen in den Strom. Das reich verästelte Aderwerk sich tref- fender und trennender Rinnsale, aus dem mit üppigen Auenwäldern bedeckte Inseln aufsteigen, weicht den eingedämmten, mit der Richtschnur gerade gezogenen Stromstrecken. Eilig drängt sich Welle an Welle; die stillen Buchten verschwinden, und die tiefen ruhigen Altwasser, durch deren durchsichtiges Wasser der wallende Pflanzenteppich grünlich schimmert, versanden. Damit verliert der Fisch seine Laichstätte, die niedere Tierwelt einen geschützten Zufluchtsort mit günstigsten Lebensbedingungen. Die Abfälle volks- reicher Städte und riesenhafter Fabriksbetriebe trüben und ver- giften stundenweit die einst so klare Flut des Stroms. Mit der Veränderung des Stromwegs und der Verletzung der natürlichen Lebensverhältnisse aber ist auch die Wirkung der na- türlichen Lebensgesetze gestört worden. In schreckhafter Eile hat sich im Lauf kurzer Jahrzehnte die Rheinfauna nach Verbreitung, Zusammensetzung und Lebensgewohnheit verändert. Eine Schilde- rung der heutigen Tierwelt bedeutet wenig mehr, als ein Nachruf zu den Verhältnissen von gestern. Sie mag als pietätvolle Pflicht gelten. 140 F. Zschokke. Dass die rastlose Woge des Hochrheins*) und Oberrheins eine unerschöpfliche Flut pässiv treibender Lebewesen zutal trägt, lehrt jeder Zug mit dem feinmaschigen Seidennetz mitten in der Stadt Basel, oder weiter unten bei der Hüninger Schiffbrücke. Be- trächtliche Individuenmengen allerdings zeichnen die unfreiwillig wandernde Gesellschaft kaum aus; doch ist die Zusammensetzung dieses vom Strom getragenen Pseudoplanktons bunt und mannig- faltıg. Würmer und Wasserschnecken, mikroskopische Rädertier- chen, Urtiere und niedere Krebse der Flussohle und der Ufersteine machen die Treibfahrt mit und verbreiten sich, von Ort zu Ort gerissen, allmählich über weite Stromstrecken. Zu ihnen gesellen sich Milben und Mückenlarven aus dem Sandgrund des Stroms und aus dem Pflanzengewirr seiner stillen Buchten und Hydren, die auf Stengeln sassen und untergetauchten Blättern. Mit den Tieren mischen sich ihre Keime und Eier, sowie pflanzliche Orga- nismen, Algen und Pilze, und mit dem lebenden Material flutet talwärts eine Fülle toter Stoffe, feinster anorganischer und orga- nischer Detritus, Sand, Splitter und Trümmer und nicht zuletzt die sich allmählich auflösenden Abfälle aus dem Haushalte des Menschen. Es liegt auf der Hand, dass die vom Rhein mitgetragene Tierwelt an Menge zur Zeit des Hochwassers anschwillt. Im Früh- jahr und Vorsommer, wenn die Schneeschmelze auf den Bergen einsetzt, steigt die Woge und wächst zugleich die Zahl der ver- schwemmten Organismen. Dann wird der lebende Strom kräftiger, und seine Wirkung reicht weiter. Es mag dem einen oder andern der fortgespülten Geschöpfe gelingen, weiter unten in der Strom- ader an günstiger Stelle eine neue Heimat zu finden und so den Wohnbezirk der Art meerwärts zu dehnen. Sogar Festlandtiere sind von der passiven Reise nicht aus- geschlossen. Die Schnecke der feuchten Gebirgswälder der West- alpen, der Zentralschweiz und des Kettenjuras, Tachea sylvatica Drp., folgt dem Strom weit hinaus in die oberrheinische Tiefebene. Ihre letzten zersprengten Kolonien stehen in kleinen angeschwemmten Beständen am Flussufer in dichtschattigen Auenwäldern bei Klein- kems, Strassburg und Worms. Am Hochrhein dagegen, zwischen dem Rheinfall und Basel, bewohnt die Schnecke weithin die Wälder 2) Lauterborn gliedert den Rhein in folgende biologisch und geographisch begrenzte Strecken: I. Alpenrhein von der Quelle bis zum Bodensee, 164 km; II. Bodensee mit Seerhein, 76 km; Ill. Hochrhein vom Bodensee bis Basel, 141 km; IV. Oberrhein von Basel bis Bingen, 362 km; V. Mittelrhein von Bingen bis Bonn, 124 km; VI. Niederrhein von Bonn bis zur Mündung, 369 km. Diesen Vorschlägen schliesst sich der vorliegende Aufsatz an. Rhein und Tierverbreitung. 141 mit kalkreichem Untergrund. Die ungestüme Welle mag sie von dort bei hohem Wasserstand nach ihren isolierten Wohnorten am Oberrhein getragen haben. Ahnlich dürfte die zentralalpine Fruti- cicola villosa Studer ihre von der ursprünglichen Heimat weit abliegenden Posten bei Ludwigshafen als passiv verschleppte Strom- fracht erreicht haben. Lauterborn allerdings gibt dem Gastropoden uraltes Heimatrecht am Oberrhein. Er betrachtet die Schnecke als ein präglaciales Relikt, das die unwirtliche Zeit der Verglescherung auf der milden, eisfreien Oase der oberrheinischen Tiefebene über- dauerte und heute dort noch die Auenwälder in volksreichen Kolonien weitverbreitet bewohnt. Vor allem aber beschwimmen die Planktonorganismen der Alpenrandseen unfreiwillig die Rheinstrasse. Die Wasserbecken des nördlichen Gebirgsfuss bilden eine Zeugungsstätte für ungezählte freischwebende Lebewesen, und aus diesen nie erschöpften Behäl- tern führen Limmat und Reuss, Aare und Rhein einen belebten Strom, der auch im Brackwasser der Rheinmündung nicht ganz versiegt. Er ergiesst sich zur Zeit des Hochwassers über die Ufer in die Altrheine und toten Flussarme der elsässischen und badischen Niederung und bevölkert diese stillen, im Weidenschatten versteckten Gewässer mit den Krebstierchen des Vierwaldstättersees und des Züricher Sees, während wenige hundert Meter von der Strom- brüstung entfernt, in den Weihern und Quellen der Grienterrassen von Neudorf und Michelfelden, eine fremdartige Tierwelt, die dem Westen und Osten Europas entstammt und auf langsamer, müh- seliger Reise an den Rhein gelangt ist, ihr Leben fristet. In diese Fauna schieben sich, wie ein schmaler keilförmiger Streifen, der Oberrhein und seine Altwasser mit einer andern ortsfremden Lebe- welt, mit den Planktonkrebsen und Schwebealgen der tiefen und kühlen Seebecken des Alpenrands ein. Es ist erstaunlich, in welchem Masse die zarten Planktonwesen der ruhenden Seen der Wucht des bewegten Stromes zu trotzen vermögen. Weder der donnernde Rheinfall bei Neuhausen noch die Gischt der Felsenenge bei Laufenburg bringen diesen unermüd- lichen Schwimmern und Schwebern Untergang. Mit dem Rhein entquillt auch dem Bodensee fortwährend ein individuenreicher Strom tierischer und pflanzlicher Schwebewesen. Diese zarten Orga- nismen vollführen mit der schäumenden Wassergischt den gewal- tigen Sprung über den zwanzig Meter hohen Jurafels bei Neu- hausen, und das Waenis gelingt den meisten, ohne dass sie Schiffbruch erleiden. Unmittelbar unterhalb des Falls schweben im Rhein in grossen Mengen die Planktonten des Bodensees, kleine durchsichtige Krebse und panzertragende Rädertierchen, Flagellaten 142 F. Zschokke. und vor allem typische Diatomeen. Selbst das den Untersee kenn- zeichnende Infusor Stentor niger übersteht den kühnen Sturz zur Tiefe unversehrt. Erst der Anprall auf die weiter unten aus dem stürmisch bewegten Strom aufragenden Felsklippen bringt der Mehrzahl der Bodenseeplanktonten den sicheren Untergang. Doch trotzen wenigstens die sonst so zerbrechlichen Kieselalgen der neuen Gefahr; viele aus der grossen Zahl mögen scheitern, manchen aber gelingt es, ungefährdet von Fels und Welle die Rheinfahrt talab- wärts fortzusetzen. Der bewegte Strom, in dessen Flut Sandkörner und feinste Schlammteilchen treiben, hält unter den Ankömmlingen aus den ruhigen und klaren Seen scharfe Auslese. Schon bei Basel setzt sich das Rheinplankton in recht konstanter Weise nur noch aus widerstandsfähigen, besonders gepanzerten Formen zusammen. Doch wagen hin und wieder sogar höhere Organismen mit fast rätselhaftem Erfolg die gefahrvolle Fahrt über Wassersturz und Strudel. Fische, die sonst nur die stillen Seebecken bewohnen, gehen etwa im Hochrhein und Oberrhein an die Angel. Schon der Strassburger Fischer Baldner, der zur Zeit des dreissigjährigen Kriegs seine durch Zuverlässigkeit ausgezeichneten und warme Naturliebe verratenden Beobachtungen niederschrieb, weiss von sel- tenen Fängen von Bodenseefelchen und von Welsen im elsässischen Rhein zu berichten.’) Und seither sind solche Vorkommnisse von echten Süsswasserseefischen im Rheinstrom unterhalb des Falls wieder- holt gemeldet worden. Auf dem Basler Fischmarkt erscheinen zur grossen Seltenheit kleine Felchen, die dem Fluss entstammen sollen. Im November 1876 wurde ein 27 Centimeter langes Exemplar bei Istein gefangen. F. Miescher demonstrierte 1842 vor der Basler Naturforschenden Gesellschaft einen Wels, der mitten in der Stadt erbeutet wurde; ». Siebold kennt Welsfänge aus der Gegend von Breisach, Leuthner von Säkingen und Laufenburg. Der Fisch lebt im schweizerischen Rheingebiet nur an zwei Orten, im Bodensee und Untersee und auf dem Schlammgrund des Murten- und Bieler- sees und der träge fliessenden, diese Becken verbindenden Kanäle. Eine lange und an Wechselfällen reiche Flussreise allein konnte ihn in unsere Stadt und ihre Umgebung geführt haben. Besonders geeignet zu passiver Verbreitungsfahrt im Strom sind die pflanzlichen Organismen, festumhüllte Planktonalgen und mit Chromatophoren ausgerüstete Flagellaten. Während die Tiere zum willenlosen Spielzeug der Wellen werden und kaum imstande sind, die zu ihrem Unterhalt nötige feste Nahrung in genügender 3) Der Text von Leonhard Baldners Vogel-, Fisch- und Tierbuch (1666) wurde im Jahr 1903 von R. Lauterborn veröffentlicht. (Druck und Verlag der Hofbuchdruckerei August Lauterborn, Ludwigshafen am Rhein.) Rhein und Tierverbreitung. 143 Menge zu erwerben, stellen die chlorophyllführenden Pflanzen während der Stromreise ihre assimilierende Arbeit nicht ein und vermögen daher, reichlich ernährt, auch im fliessenden Wasser üppig zu gedeihen. So erklärt sich das Übergewicht an Menge und Mannigfaltig- keit, das den Pflanzen im Rheinplankton zukommt. Von den Tieren setzen sich die grösseren, panzerlosen den meisten Gefahren aus; nur kleinere, harthäutige Arten, gepanzerte Rädertierchen, niedere Krebse und ihre Larven, vermögen in der Schwebewelt des Stroms einen bescheidenen Einfluss zu gewinnen. Pflanzliche Organismen werden daher auch zu Leit- und Cha- rakterformen der im Rhein treibenden Flora und Fauna. Sie weisen zudem mit überraschender Deutlichkeit auf die verschiedenen Quellen und Flussläufe hin, aus denen der Strom zusammenfliesst und werden zu beredten Zeugen für den vielfältigen Ursprung des Rheinwassers. Manche dieser im Plankton heute an leitender Stelle stehenden Pflanzen haben ihr Bürgerrecht im Rhein erst in neuester Zeit erworben. Im Jahre 1896, so berichten Schröter und Lauterborn, traten die Kieselsterne der Diatomee Tabellaria fenestrata asterio- nelloides zum ersten Mal im Plankton des Zürichsees auf. Bald erschien die Alge in so ungeheuren Massen, dass sie als brauner Schleim die Netze der Fischer erfüllte, die Filter der Züricher Wasserleitungen verstopfte und unter den Fischen schlimme Ver- heerungen anrichtete. Die Pflanze fehlt heute noch dem Bodensee und dem Rhein und seinen Tributärgewässern oberhalb der Aare- mündung vollständig. Sie begleitet indessen den Strom von Waldshut abwärts bis zu seiner weitentlegenen Mündung und erfüllt das rasch strömende Flusswasser vom ersten Frühjahr bis im späten Herbst in gewaltigen Mengen. Im Jahre 1896 erschien Tabellaria bei Ludwigshafen; 1901 überflutet sie den Rhein in Holland bei Rotterdam und Dortrecht, und heute bevölkert sie das Brackwasser und die salzige Nordsee an der Rheinmündung, ein stets erneuter, lebendiger Gruss der Alpengewässer an den fernen Ozean. Ahnliches wie für die Kieselalge Tabellaria gilt für Oscil- latoria rubescens, den Organismus, der im Murtensee in massen- haftem Auftreten die unter dem Namen Burgunderblut bekannt gewordene, rötlich schimmernde Wasserblüte erzeugt. Bis im Jahre 1398 gehörte die Alge der Planktonflora des Zürichsees nicht an. Dann erschien sie unvermittelt in gewaltiger Massenentfaltung, verdrängte die tierischen Schwebewesen und schädigte Fischerei und Wasserversorgung. Schon im April desselben ‚Jahres hatten Limmat und Aare die Oscillatorie dem Rhein zugeführt; seitdem 144 F. Zschokke. hat die Pflanze in dem grossen Strom volles Heimatrecht erworben. Sie beherrscht die treibende und schwebende Organismenwelt, im Gegensatz zu Tabellaria, besonders zur kühlen Jahreszeit weit hinab bis in die deutschen und holländischen Niederungen. Im Winter entfaltet sie sich auch im Zürichsee zur grössten Blüte. Demselben Wasserbecken entstammt seit dem Jahr 1905 eine weitere Leitform des Rheinplanktons, die Alge Melosira islan- dica var. helvetica. Der Zürichsee spielt somit gegenüber dem Rhein die Rolle eines unerschöpflichen Erzeugers und Spenders von Plankton. Dass auch der Bodensee ähnliche biologische Bedeutung besitzt, fand bereits seine Erwähnung. Er liefert dem Strom in freigebiger Fülle typische Vertreter der Diatomeengattung Cyclotella (©. boda- nica, S. melosiroides und ©. socialis), die im Zürichsee nicht zuhause sind. Während aber die Sendboten von Zürich mit dem Rheinwasser das ferne Meer erreichen, erweisen sich die Cyclotellen des Bodensees als weniger ausdauernd. Sie verschwinden aus dem Plankton schon im Mittelrhein auf der Strecke Bingen-Bonn. Wenn übrigens die vorläufigen Resultate von Netzzügen nicht täuschen, trägt der Rhein an den Fenstern der Zoologischen Anstalt in Basel auch die Sendlinge der Seen des weiteren Aaregebiets vorbei, von Brienz und von Thun und vom Jurafuss aus den Becken von Neuenburg und Biel. Im Rhein lässt sich vielleicht genau der Planktontribut erkennen, den die einzelnen Seen und Flüsse seines weiten Quellgebiets dem grossen Strom entrichten. *) Die Schwebewelt des Oberrheins bei seinem Eintritt in die Tiefebene fügt sich also fast ausschliesslich aus Seeformen zu- sammen. Unter ihnen drängen sich an erste Stelle die Diatomeen. Schon in der Basler Gegend mischt das fliessende Wasser die Planktonkomponenten verschiedenen örtlichen Ursprungs zu einer einheitlichen Menge, und diese Gesellschaft mannigfaltiger tierischer und pflanzlicher Lebewesen gleitet, an den Ufern und in der Strom- mitte annähernd gleichmässig verteilt, weit hinaus in das Flachland. All’ diese reiche und vielgestaltige Tier- und Pflanzenwelt vermöchte sich indessen im wogenden Strom kaum ungefährdet zu halten. Die eiligen Fluten würden ihr zum Grab, wenn sich den treibenden Geschöpfen nicht sichere Zufluchtsorte und fruchtbare Erneuerungsstätten öffnen würden. Rasch flutet der Rhein durch die langgestreckte Tiefebene von Basel bis Mainz. Seine Strömungsgeschwindiskeit beträgt bei mittlerem Wasserstand bei Basel etwa 4 m in der Sekunde, bei 4) Siehe auch: Lauterborn, R., Die Vegetation des Oberrheins. Verhand- lungen Naturhist.-Mediz. Verein Heidelberg, N. F. X. Bd. 1910. Rhein und Tierverbreitung. 145 Strassburg 3,1 m, bei Lauterburg 2,2 m, bei Mannheim 1,1 m. Die Flussrinne führt im Mittel ca. 1250 m? in der Sekunde tal- wärts; die Menge steigt bei Hochwasser auf 5000—6000 m? und sinkt bei ganz niederem Pegel auf 450 m°. Die Kraft des Wasser- stosses tönt aus der Tiefe in dem rollenden Geräusch des stets be- .wegten sich schlagenden und reibenden Flussgeschiebs. Trotz dieser Ungunst der äusseren Bedingungen verarmt das Plankton auf der 321 Kilometer langen Rheinstrecke Basel-Mainz wenigstens an Arten nicht. Im Gegenteil; nicht selten lässt sich eine Zunahme des Formenreichtums erkennen. Im August 1906 stieg die Artenzahl der Planktonten von Basel bis Mainz von 24 auf 36, im Juli 1907 von 14 auf 31. Zu den Gestalten, die weither aus den Voralpenseen passiv auf dem Gefährt der Woge zuwan- derten, gesellen sich neue, der nächsten Stromumgebung enstammende Erscheinungen. Das Plankton bereichert und verjüngt sich zugleich. Orte der Planktonerzeugung und Planktonverjüngung bilden stille Buchten des Stroms und durch Wehre geschützte Hafen- becken. Vor allem aber kommt die freischwebende Welt zu Ruhe und ungestörter Entfaltung in den Altrheinen, den durch die Hand des Menschen oder durch die Laune des sich ändernden Fluss- laufs abgeschnittenen Stromschlingen, die hinter den Uferdämmen im Versteck dicht verwachsener Auenwälder stagnierend liegen. Solchen einsamen Gewässern haftet ein Hauch unberührter Ursprüng- lichkeit an. Bald breiten sie sich zu seeartigen Spiegeln; dann fliessen sie wieder geräuschlos, wie klare und kühle Waldwasser, über den mit flutenden Wasserpflanzen bedeckten Grund, oder bilden schilfumkränzte Sümpfe und untiefe Rinnen und Gräben, um die metallfarbene Libellen schwirren. Jedes Hochwasser des Rheins aber schwemmt eine Fülle treibender Tiere und Pflanzen in die alten Flussarme, und der sinkende Strom entführt den Altrheinen wieder die Plankton- mengen, die sich inzwischen vervielfacht und um ortständige Formen bereichert haben und übergibt diese schwimmende Fracht der offenen Flussrinne zum Weitertransport hinaus in die Ebene und bis in die See. In den Buchten und den nach dem Hauptstrom geöffneten Altrheinen entfaltet sich während der guten Jahreszeit das Plankton nach Menge und Mischung zu voller Blüte. Tabellarien und Oscillatorien wuchern üppig, wie in den Seen des schweizerischen Bergvorlands. Mit den pflanzlichen Schwebern mischen sich die tierischen Schwimmer aus den Wasserbecken des Alpenfusses, Diaptomus gracilis, Cyclops strenuus und die Bosminen. Mancher Vertreter der niederen Krebse dürfte, von der eiligen 10 146 F. Zschokke. Welle entführt, auf ungewollter Rheinfahrt aus dem Herzen der Schweiz die Stromebene unterhalb Basel erreicht haben. In dem stillen Wasser hinter den Flussdämmen bot sich den passiven Zu- wanderern eine zweite Heimat, während ihnen die Gewässer der benachbarten Gebirge, des Juras, des Schwarzwaldes, der Vogesen verschlossen blieben. Diese ganze fremde Gesellschaft durchsetzt reichlich das Plankton des warmen Tieflands mit seinen Algen, Infusorien, Flagellaten, Rädertierchen und freischwimmenden Muschellarven. | Das Plankton des Rheins entstammt zum grössten Teil den kühlen und tiefen Voralpenseen. Es findet in ruhigen Stromwinkeln, Hafenbecken und nach dem Strom offenstehenden toten Armen eine Stätte der Zuflucht und der Bereicherung an Individuen und an Formen. Den seichten und lauen Gewässern des angrenzenden tlachen Landes und den vom Hauptstrom vollkommen abgeschnittenen Altrheinen fehlen die den flutenden Strom kennzeichnenden Plank- tonten, deren Herkunft nach dem Hochgebirge und deren Ver- breitung nicht selten auch nach dem Norden weist. Je reicher sich aber das den Strom begleitende Netzwerk alter Flusswindungen schlingt, desto grössere Planktonmengen ergiessen sich auch aus den Zeugungsstätten in den Rhein. Der Neckar führt kein Potamo- plankton. Ihm mangelt es an den Quellseen, die freischwimmende Organismen erzeugen, und an den Altwassern, die die treibende Organismenwelt durch neuen Nachschub verjüngen könnten. Der Gang der Jahreszeiten verändert Zusammensetzung und Menge des Planktons in den Alpenrandseen. Er ersetzt die Tabellarien durch die Oscillatorien und bestimmt den regelmässigen Zyklus im Auftreten von Crustaceen und Rotatorien; er trocknet die Altrheine aus oder überspannt sie mit der winterlichen Eiskruste, und dann löst er die harte Decke wieder und lässt Wasser hervorquellen, so dass die abgeschnittenen Flussarme von Neuem ihre biologische Aufgabe erfüllen können als Zeuger und Behälter freischwimmender Lebewesen. Mit all diesem Wechsel gewinnt die Folge von Sommer und Winter Einfluss auf den Bestand des Rheinplanktons, auf seine Mischung, auf seinen Reichtum und seine Armut. Zur kalten Zeit versiegen besonders die Planktonquellen, die sonst aus den Alt- rheinen dem offenen Strom so verschwenderisch zufliessen. Durch die stark ausgesprochene Beimengung alpiner Bestand- teile sorgt das Plankton mit dafür, dass dem Oberrhein in seiner Lebewelt der Anschein eines Alpengewässers in weitem Masse ge- wahrt bleibe. Auch die Ufer- und Grundformen des Stromes, vor allem die Insektenbevölkerung, tragen noch in der Tiefebene unter- halb Basel das Gepräge, das sie am Hochrhein auszeichnete. In Rhein und Tierverbreitung. 147 den Fluten des Oberrheins gedeihen die Algen des raschfliessenden Bergwassers; die Kaltwasserfische Forelle, Aesche und Lachs finden in ihnen günstige Laichstellen, und am Ufer wachsen die Pflanzen, die sonst die Alpenflüsse begleiten. Lauterborn fasst dieses eigen- tümliche Verhältnis in die treffenden Worte: „Obwohl der Oberrhein in mehr als 300 Kilometer langem Laufe eine weite Tiefebene durch- fliesst, ist er biologisch durchaus kein ausgesprochener Tiefland- strom, sondern hat in Flora und Fauna noch vielfach den Charakter eines Gebirgswassers bewahrt.“ Damit bildet sich auch zwischen der Organismenwelt des Oberrheins und derjenigen seiner nächsten Umgebung ein auffallender Gegensatz heraus. Während der Strom Lebewesen von alpinem und nordischem Anstrich Herberge bietet, drängen sich gegen seine Ufer Tiere und Pflanzen wärmerer Kli- mate, Zuwanderer aus dem mediterranen Süden, aus dem milden Westen und aus den sarmatischen Steppen Osteuropas. So giesst der strömende Rhein ohne Unterlass befruchtende Tierwellen von den Alpen zum tiegelegenen Flachland. Er durch- bricht, indem er die Lebewesen zu passiven Wanderern macht, die Grrenzen, die ihrer Verbreitung scheinbar gezogen sind, und gibt Tier und Pflanze Gelegenheit zu weit entlegener Ansiedlung an ökologisch vorteilhaftem Ort. Zuletzt wird der Strom zum Boten, der dem Meer in Form von Organismen der Alpenseen den Tribut des mitteleuropäischen Hochgebirgs entrichtet. Der passiv zutal treibenden Organismenflut schwimmt in aktiver Arbeit, und oft genug in ungeheurer Anstrengung alle Hindernisse besiegend, ein ununterbrochener Tierstrom entgegen vom Meer zum Berg. Ihn lässt das jeder Tierart innewohnende Bestreben ent- springen, den Wohnraum zu dehnen, und ihn erzeugt vor allem der mächtigste aller Triebe: die zwingende Notwendigkeit der Fort- pflanzung unter der Species möglichst zusagenden Verhältnissen. Das rauhe und arme Hochgebirge und das Flachland vermag der fernen Salzflut verhältnismässig nur wenig bedeutsame Gaben zu senden; es empfängt dagegen vom reichen Ozean eine Fülle kost- :barer Geschenke. Damit wird der bergwärts gerichtete lebende Strom für Tierverteilung und Tierleben viel wichtiger, als die tal- wärts rinnenden Planktonflüsse. Manche der auf der Rheinstrasse zu Berg ziehenden Wanderer sind nach Erscheinung und Wandergewohnheit unauffällig; sie bleiben dem Auge des Laien verborgen. Andere streben in regel- mässiger Zeitfolge stromaufwärts und stellen wertvolle Geschenke des Meers an das Binnenland und an seine Bewohner dar. Ihr Fang setzt hunderte von Händen in Bewegung, und die Gesetz- mässigkeit und Wucht ihres Zugs, die Seltsamkeit ihrer Lebens- 148 F. Zschokke. weise gibt der Wissenschaft schwer zu lösende Rätsel auf. Andere endlich der Bergwanderer erscheinen als seltene Irrgäste im Ober- lauf des Stroms, und da sie durch Grösse und Gestalt auffallen, berichten von ihnen die Chroniken aus alter Zeit, und der Kenner der lokalen Tierwelt verzeichnet diese Kuriositäten mit besonderer Sorgfalt in seinen Listen. Zur grossen Seltenheit wandert der Stör von der Rheinmün- dung bis in die Gegend von Basel. Gewöhnlich findet seine Fahrt schon im Unterrhein oder Mittelrhein ein frühzeitiges Ende. Der mächtige Bewohner der Strommündungen des atlantischen Ozeans, der Nord- und Ostsee und des Mittelmeers verlässt in den Früblingsmonaten April bis Juni seine Meerheimat, um im Mittel- lauf der Flüsse zu laichen. Die heranwachsenden Jungstöre kehren wieder in das Salzwasser zurück. In nahezu drei Jahrhunderten zeigte sich der Fisch nur sieben- oder achtmal in den Basler Gewässern. Den letzten Fang des seltenen Gastes erwähnt, nach F. Leuthner,°) Peter Merian aus dem Jahr 1854. Er betraf ein über zwei Meter langes Exemplar, das den Rheinfelder Fischern zur Beute fiel und in Basel öffentlich zur Schau gestellt wurde. In der Zeitspanne von 1600 bis 1687 kennt Baldner für seine Vaterstadt Strassburg und ihre Umgebung mehr als ein Dutzend Störfänge, und noch im Jahr 1875 wurde in Mannheim ein 80 Kilogramm schwerer Stör erbeutet. Noch seltener als der kräftige Schwimmer Stör erreicht das meterlange Meerneunauge auf seiner Rheinfahrt Basel. Es saugt sich im Frühjahr an den aktiven Wanderern Lachs und Maifisch fest und gelangt so als passive Bürde im Neckar gelegentlich bis nach Heilbronn, im Rhein bis in unsere Gegend. Fatio kennt in der „Faune des Vertebres de la Suisse“ einen einzigen verbürgten Fall, in dem der seltsame Halbfisch in den Schweizer Rhein ge- langte. Es handelt sich um ein im Jahr 1827 bei Rheinfelden gefangenes Tier, das für Geld im Land herum gezeigt wurde. Am 13. Juni 1902 wurde ein 90 Centimeter langes und ein Kilogramm schweres Exemplar des Meerneunauges aus dem Altrhein bei Otter- stadt nördlich von Speyer gezogen. Wie eine Bonner Chronik berichtet, verbreitete im Jahr 1680 ein Meerungeheuer, das den Rhein hinaufzog, an den Ufern des Stroms Schrecken und Bestürzung. Das riesige Tier schwamm an Köln, Bonn, Bingen, Mannheim und Strassburg vorbei, 900 Kilo- meter stromaufwärts, bis in die Gegend von Basel; es wurde auf 5) Leuthner, F., Die mittelrheinische Fischfauna, Basel, H. Georgs Verlag, 1877. Rhein und Tierverbreitung. 149 der Rückkehr zum Meer unterhalb Köln erlegt. Die Zeit des Er- scheinens dieser „Meerkuh“ im Rhein gibt richtiger ein zeitgenös- sischer Kupferstich an, der folgende Legende trägt: „Dieses wun- derliche Wasserthier ist den Rhein hinauf kommen Anno 1688 im September von Mir und vielen hundert Menschen gesehen worden, die Stadt Cölln und Churfürstl. Residenz Bonn mit grossem (re- brüll und Brausen passieret bis Strasbourg und Basel hinauff gegen den Strom so stark und geschwind als ein Pferd lauffen können geschwommen, ist den 8. April Ao. 1689 beim Dorf Stammel eine gute uhr unter Côülln auf einer höchten im Rhein Todt gefunden, hat 3 Schuss gehabt, einen im Kopf, 2 auf der Rechten seithen, ist daselbst von mir gemessen, gezeignet, gemahlet und in diess Kupffer geprägt worden, seine Länge ist gewesen 14 Werk-Schu. Herman Herinn quiter fecit.“ Ein späterer Heidelberger Chronist schreibt im Jahr 1733: „Um diese Zeit (1688) liesse sich im Rhein zu jedermanns Ver- wunderung und Entsetzen ein erschreckliches Meerwunder sehen. Es war an Grösse und Farbe einem schwartzen Pferd gleich, mit langen Ohren und einem breiten Schweifi, den es ganz auffrecht in der Lufft truge, und hatte darbey einen gar grossen Kopff; etliche hielten es für ein Meer-Pferd, andere aber für ein Monstrum oder Meer-Wunder, welches alles das Unglück, so die Pfaltz und Rhein- Länder betroffen, angedeutet.“ Glücklicherweise lässt die erwähnte Abbildung auch über die zoologische Stellung des Meerwunders keinen Zweifel bestehen. F. Leydig weist, gestützt auf Bild und Beschreibung, die An- nahme zurück, es habe sich um ein Walros gehandelt. Vielmehr war der seltene Irrgast ein Walfisch aus der Gruppe der Delphine, und höchst wahrscheinlich ein Schwertwal oder Butskopf, dessen Heimat in den Nordmeeren liegt, und den wohl die Verfolgung irgend einer Beute zu seiner unzeitgemässen und verhängnisvollen Rheinreise verführte. °) Doch das alles sind seltene Ausnahmefälle, Irrfahrten ohne Bedeutung und dauernde Folge für die Verbreitung der Tiere und für ihre Lebensweise. Hohe Wichtigkeit dagegen für Zusammen- setzung, Gestaltung und Schicksal der Fauna besitzt der tägliche Tieraustausch, die stete Hin- und Rückwanderung, die sich unter dem regelmässigen Wechselspiel von Flut und Ebbe im Mündungs- gebiete des Rheins vollzieht. 6) Leydig, F., Die „Meerkuh“ im Rhein bei Bonn. Verhandlungen d. natur- histor. Vereins d. preuss. Rheinlande Westfalens u. d. Reg.-Bezirks Osnabrück. Jahrg. 43, 1886. 150 , F. Zschokke. Längst hat das einst so bewegliche Hochlandwasser die Cha- rakterzüge des trägen Tiefenstroms angenommen. In breitem Bett ohne merkliches Gefälle schleicht die Wassermasse; sie holt ge- mächlich in weiten Windungen aus und spaltet sich endlich in das reich verzweigte Astwerk des mächtigen Deltas. Die einzelnen Arme öffnen sich in breiten, trichterförmigen Aestuarien nach der See, und durch diese offenen Pforten dringt die Salzflut ein in das Süsswasser und tief in das Binnenland. Weit hinauf lässt sich die (rezeitenbewegung spüren. Hier im Brackwasser, in einem Wohn- medium, das chemische und physikalische Unbeständigkeit kenn- zeichnet, mischen und durchdringen sich zwei zoologische Reiche, die Bewohnerschaft des süssen Flusswassers und der salzigen See. Beide sind bereit, den fremden Bedingungen sich anzupassen und Vorstösse und Wanderungen in neues Gebiet zu wagen. Noch blühen die Oscillatorien und Tabellarien des Zürichsees zur Massenvegetation auf, und aus dem tierischen Plankton sind die Kruster der kalten und tiefen Vorälpengewässer noch nicht ganz verschwunden. Die Bosminen und zum Teil auch ihre Be- gleiter, die Copepoden der Rheinmündung, rufen noch einmal die Erinnerung an die Seen des Alpenfusses wach und zugleich an den Norden, an Gebiete also, die beide unter der Herrschaft di- luvialer Vereisung standen. Doch durchsetzen diesen potamophilen Grundstock in steigender Fülle Brackwassertiere und echte Meer- bewohner in dem Masse, als die offene Nordsee näherrückt. Es stellen sich die Diatomeen des halbsalzigen Wassers ein; in üppigen Kolonien lässt der Brackwasserpolyp Cordylophora seine verzweigten Bäumchen auf Rohrstengeln, Muschelschalen und Pfahlwerk aufsprossen; der Krebs der Mündungsgewässer, Eury- temora, beherrscht in individuenreichen Schwärmen das Plankton, und die Sohle und Böschung des Stroms beleben, unbekümmert um den Salzgehalt des Wassers, anpassungsfähige Weichtiere, die Wandermuschel, Dreissensia, und die Schnecken Lithoglyphus und Vivipara fasciata. Noch deutlicher kündet sich das Meer biologisch an in den weitgedehnten Beständen festsitzender Bala- niden und in den Krusten mariner Moostierchen, die die Unterlage flechtenartig überkleiden. In die Tierwelt des Grunds drängt sich eine grosse Zahl salzwasserbewohnender Krebse; Seezungen und Sandaale gesellen sich zu ihnen, und die Säugetiere des Meers, Seehunde und Delphine, dringen bei der Jagd auf Fische nicht allzu selten in die Mündungsarme des Rheins ein. Einzelne wagen sich weit vorwärts auf dem Wege, den 1688 der Schwertwal be- schwamm. Seehunde, Phoca vitulina, wurden von Düsseldorf und Bonn gemeldet, ja selbst vom Mittelrhein, und aus dem Rheingau Rhein und Tierverbreitung. 151 liegen Nachrichten über ihren vereinzelten Besuch vor. Im Jahre 1385 wurde ein 70 Kilogramm schwerer Delphin bei Emmerich gefangen. Das brackische Stromdelta bildet auch das geeignete Feld zu einem seltsamen Zusammentreffen von zwei sich sonst fremden Fischfaunen. Vom Meer steigt der küstenbewohnende Hornhecht (Belone) hinauf, der Häring und die lebendig gebärende Aal- mutter (Zoarces); sie begegnen in neugierigem Vordringen den Bewohnern von Tümpel und Fluss, Stichling und Kaulbarsch, und sogar den ältesten und reinsten aller Süsswasserfische, den Ver- tretern der Karpfen, Schwal (Leuciscus) und Laube (Alburnus). Im Mündungsgebiet des Rheins mit seinem steten und aus- siebigen zeitlichen und örtlichen Wechsel der Lebensbedingungen liegt indessen nicht nur der Bezirk fortwährender Mischung und ununterbrochenen Austauschs zweier Tierwelten. Die reich blühende Fauna jenes Zwischengebiets stellt auch den in Uberfülle gedeckten Tisch dar, an dem die Scharen der Wanderfische vor der ent- behrungsreichen Stromreise während längerer Zeit stärkende Weg- zehrung finden. Das halbsalzige Delta dient endlich manchem ur- sprünglich im Meer beheimateten Tier als Versuchs- und Anpas- sungsfeld, als Übergangsstation, von der aus später in geduldigem, langsamem Fortschreiten die gefahrvolle Eroberung des Süsswassers gewagt werden darf. Dabei bleibt es für das Endergebnis, die Ausbreitung der Species, die Besiedlung neuer Wohngebiete, gleichgiltig, ob die Fahrt in die Ferne mit eigener Kraft aktiv schwimmend unter- nommen wird, oder ob passiver Transport an die Stelle selbstän- diger Bewegung tritt. Wanderfische, Flösse und Schiffe dienen den passiv Reisenden als Fahrzeug; sie verschleppen oft in kurzer Frist die blinden Passagiere, die eigener Schwimmleistung unfähig sind, von Ort zu Ort, über weite Strecken, von der Mündung des Stroms bis gegen seine Quelle. Auf solchem Gefährt werden sogar die an die Scholle gebundenen Mollusken, die träge Schnecke und die unbewegliche Muschel, wanderfähig. Sie folgen den Flusstrassen und besiedeln in erstaunlich kurzer Frist, an Handel und Verkehr des Menschen geheftet, neue Gegenden. Für den Rhein gilt ein wohlbekanntes, klassisches Beispiel passiver Tierverschleppung. Die mächtige Strombahn wurde zum Weg der Wandermuschel, Dreissensia polymorpha, eines Ge- schöpfs, das nach Bau und Lebensweise seine nächsten Verwandten im Salzwasser, in der Sippe der Miesmuscheln findet. Mit einem Büschel straffer und zäher Byssusfäden verankert sich das Weich- tier so fest an Pfählen und Schiffsplanken, dass auch die stärkste 152 F. Zschokke. Strömung, der bewegteste Wellenschlag den Zusammenhang zwischen Schale und Holz nicht zu lockern vermag. Besonders häufig kleben sich die Muscheln in grosser Zahl zu umfangreichen, formlosen Klumpen zusammen. Dreissensia bewohnte bis vor einer kleinen Zeitspanne die Süss- und Brackwässer im Gebiet des Schwarzen und Kaspischen Meers. Die älteren Zoologen kannten die Muschel nur nach den Angaben Pallas aus Südrussland, nicht aber als Bewohnerin der mitteleuropäischen Ströme und Seen. Erst zu Anfang des letzten Jahrhunderts, um das Jahr 1820, wie v. Martens feststellt, trat das Weichtier seine passive Wanderung an, die zu einer wahren Masseninvasion des europäischen Nordens und Westens auswuchs und das Interesse umsomehr herausfordert, als die Etappen des Wegs sich zeitlich genau bestimmen lassen. Als Wanderstrassen dienten der Muschel die Wasserwege des Menschen, als Vehikel seine Fahrzeuge. An Schiffe und Flösse festgeheftet stiegen die ungebetenen Passagiere durch die pontischen Flüsse auf und erreichten durch das enggesponnene Kanalwerk Russlands die Wasserläufe, die der Ostsee zuströmen. Schon 1824 und 1825 besiedeln die Wander- muscheln, gemäss dem Bericht 0. E. v. Bärs, in unermesslichen Mengen das Frische und das Kurische Haff; bald stehen sie in der Havel bei Potsdam und in den benachbarten Seen. Damit öffnet sich den rastlosen und doch so unbeweglichen Wanderern das Elbegebiet bis nach Magdeburg und Halle und weiter das Flussystem der Weser. Auch vor der Querung des Meers schreckt Dreissensia nicht zurück. Sie erscheint, dank dem regen Schiffverkehr, schon 1824 in den Londoner Docks. Heute hat sie sich eine grosse Zahl von Flüssen Englands und Schottlands erobert. Zwei Jahre später ergreift die Muschel Besitz vom Rheindelta, und dieser neue Stütz- punkt dient ihr als Ausgangsstation zur Wanderung über Holland, Belgien und Nordfrankreich bis nach Paris. Das Seine- und Loire- gebiet wird überflutet. Die Verschleppung der Wandermuschel über die See, nach den Rheinmündungen und nach England, mag sich übrigens eher im Innern des Schiffs, etwa an verfrachtetes Schiffsbauholz festgeheftet, als im Meerwasser, an die Aussenwand des Fahrzeugs angeklebt, vollzogen haben. Im Jahre 1826 tritt Dreissensia ihren Aufstieg im Rhein an. Ein Jahrzehnt später schon wurde die Muschel, an einem hol- ländischen Frachtkahn verankert, bei Mannheim aufgefunden. Wieder verstrichen etwas mehr als dreissig Jahre, bis Peter Merian das Rhein und Tierverbreitung. 153 Tier aus dem Kanal bei Grosshüningen melden konnte. Vierzig Jahre genügten also, um den Wanderer den Rhein von seinem Delta bis nach Basel durchmessen zu lassen, und die aufblühende Schiffahrt wird Dreissensia hoffentlich recht bald auch den in Ausführung begriffenen Hafen unserer Stadt erschliessen.’) Einst- weilen lebt das Weichtier in ungeheuren Mengen im Brackwasser des Mündungsdeltas und in den stillen, süssen Altwassern des Mittelrheins und Oberrheins. Es hat im Neckar Vorstösse bis gegen Heilbronn unternommen und hat sich viel erfolgreicher den Main unterworfen. Aus diesem Fluss führte die Wanderung durch den Main-Donaukanal und die Schleusen von Erlangen nach Regens- burg, wo die Gegenwart von Dreissensia im Jahre 1868 fest- gestellt wurde. Seitdem wanderte die Muschel in der Donau stromabwärts bis nach Vilshofen. Der absteigenden Schar aber drängt, etwa seit 1824, aus dem Gebiet des schwarzen Meers, ge- tragen von den grossen Donauschiffen, ein aufsteigendes Muschel- heer entgegen, dem die Fahrt bis nach Budapest geglückt ist. Passiver Transport dürfte übrigens nicht einzig die rasche Ausbreitung der Wandermuschel vermitteln, denn seit den Beob- achtungen Korschelts wissen wir, dass Dreissensia, ähnlich wie ihre marinen Stammesgenossen, aus einer freischwimmenden Wimper- larve hervorgeht. Dieses bewegliche Jugendstadium eignet sich wohl, die Art von Ort zu Ort, von Schiff zu Schiff sich verbreiten zu lassen, wenn auch sein Schwimmvermögen kein weittragendes ist. Der getreue Begleiter und Weggenosse der Wandermuschel ist die Schlammschnecke Lithoglyphus naticoides. Auch sie entstammt dem sarmatischen Osten und hat, wie die Muschel, in erstaunlich kurzer Frist Westeuropa überflutet. Wie die Muschel, so fand auch die Schnecke im halbsalzigen Wasser der Rhein- mündung einen Anpassungsort und eine Übergangsstation, und im fliessenden Rhein und seinen Kanälen einen Wanderweg nach Süden bis an die Schweizergrenze. Die Wanderdaten des ursprünglich im Südosten Europas, in der untersten Donau beheimateten Vorderkiemers hat für den Rhein 7) Ein neuester Fund deutet auf die Möglichkeit hin, dass Dreissensia schon jetzt das Vordringen bis in das Aaregebiet, südlich des Juras, geglückt sei. Herr Dr. F. Leuthardt in Liestal verdanke ich sehr angelegentlich die Mit- teilung, dass ihm eine Schale der Wandermuschel aus dem Kanal des Kraft- werks von Ruppoldingen bei Aarburg übergeben worden sei. Es wird von grossem Interesse sein, das Vorkommen von Dreissensia in der Aare wirklich fest- zustellen und zu zeigen, auf welche Weise das Tier auf den weit nach Süden vorgeschobenen Posten seines Verbreitungsgebiets verschleppt wurde, Aus dem Basler Rhein führt vorläufig kein schiffbarer Weg nach der Aare; an Transport durch den Fluss wird also kaum zu denken sein. 154 F. Zschokke. Lauterborn zusammengestellt. Im Jahr 1870 steht die Schnecke bei Rotterdam, 1893 bereits im Rheingau bei Wiesbaden und 1905 hundert Kilometer südlicher bei Speyer im Angelhofer Altrhein, einem toten nach dem Hauptstrom offenen Flussarm, von dem aus eine Ziegelei einen regen Schiffverkehr mit dem Niederrhein unter- hält. Wieder drei Jahre später überschreitet Lithoglyphus die pfälzisch-elsässische Grenze. Vor wenigen Jahren endlich entdeckte Bollinger die Schnecke bei Hüningen. Die tiefbeladenen Kohlen- kähne, die auf dem Kanal gleiten, mögen dem "Tier als Fahrzeug und Verbreitungsmittel dienen. In unserer Gegend steht der Proso- branchier, der die flache Talsohle aufsucht und das Gebirge meidet, einstweilen auf seinen. am weitesten nach Westen vorgeschobenen Posten. Auf ähnliche Weise und auf ähnlich gerichteten Wegen, wie Dreissensia und Lithoglyphus, hielt die hübsch gefärbte Fluss- schwimmschnecke Neritina ihren siegreichen Eroberungszug aus dem Osten Europas nach dem Norden und Westen bis an den Rhein, die Mosel, den Main und den Neckar und bis zu ihren Vorpostenstellungen bei Breisach und Hüningen. Auch Neritina bindet sich ökologisch an langsam fliessende oder stagnierende Tieflandgewässer. Die Kanäle werden vorzüglich ihre Wanderwege, die toten Flussarme und ruhigen Buchten ihre Wohnsitze bilden. Die passiven Verschleppungsfahrten der drei Mollusken durch Kanäle und Flüsse erhalten ihr besonderes Gepräge durch den Umstand, dass die Wanderungen nicht Eroberungszüge in neues Verbreitungsgebiet darstellen. Sie bedeuten vielmehr die Wieder- besetzung von Räumen, die den direkten Vorfahren der heutigen Wanderer durch die Unbill der Eiszeit entrissen wurden. Denn subfossile Überreste im alten Diluvium bezeugen, dass Dreissensia, Neritina und Lithoglyphus schon vordem die Gewässer bevöl- kerten, die sie heute in rascher Fahrt von neuem zu gewinnen trachten. Die Ausbreitung der drei Weichtiere durch natürliche und künstliche Wasseradern befindet sich heute noch in vollem Fluss. Sie wird sich weitere Gebiete erobern, wenn auch der Ge- birgsstrom Hochrhein mit seiner raschen Strömung der Wander- schaft der Tieflandtiere den Zutritt zum Herzen der Schweiz ver- wehren sollte. An der Schweizergrenze bei Basel machen auch einige weitere Sumpfschnecken Halt, die sich von den stagnierenden Gewässern der flachen Niederungen nicht zu trennen vermögen. Als Anmarsch- linie benützen sie, mit Neritina und Lithoglyphus, das Rhein- tal. Der Ausgangspunkt ihrer Wanderung indessen dürfte nicht im Osten, sondern im Westen und Südwesten zu suchen sein. Durch Rhein und Tierverbreitung. 155 die Strasse der Mosel mögen die Vertreter der schön gebänderten Gattung Vivipara an den Rhein gelangt sein. V. contecta Millet lebt heute in den Teichen der alten Fischzuchtanstalt unter- halb Hüningen, und ihre Verwandte V. fascıata Müll. steht im Kanal und in der Ill bei Mülhausen und in zersprengten Wander- kolonien im Elsass, am Neckar, bei Mannheim, Heilbronn und Frankfurt. Talwärts des Bingerlochs erhält sie am Rhein volles Heimatrecht. Das Sumpfland im Sundgau unterhalb Basel beher- berst in seinen Teichen und Gräben auch den stattlichen Plan- orbis corneus L. und nahe bei der Fischzuchtanstalt einen lebens- kräftigen Bestand von Bythinia leachii Shepp.‘) Nicht immer führt der langsame Aufstieg im Rhein für die Wanderer zu endgültiger Besitznahme neuer Wohngebiete. Dem erfolgreichen Vormarsch folgt nicht selten empfindlicher Rückschlag. Eine Fischwanderung, die den Fluss zur zähe festgehaltenen Strasse fortschreitender Verbreitung vom Meer in das Süsswasser wählte, nach einem kräftigen Vorstoss im Mittelalter indessen in der neuern Zeit zum Stillstand kam, mag einen solchen Misserfolg schildern. Ein so trefflicher Kenner der mitteleuropäischen Fischfauna wie Th. v. Siebold meldet, dass die Flunder (Pleuronectes fle- sus L.), die nächste Verwandte der Scholle, die sich vom Weissen Meer bis zum Mittelmeer verbreitet und besonders in der Nord- und Ostsee häufig ist, im Rhein bei Mainz, in der Mosel bei Metz und Trier, bei Klingenberg im Main gefangen worden sei. Und Lauterborn bestätigt in sorgfältiger Zusammenstellung als sehr seltene Vorkommnisse die Erbeutung von Flundern im Rheingebiet. Sie beziehen sich auf die Gegend von Worms; von dort stammt u. a. ein im Jahr 1905 lebend erbeutetes Exemplar des Fischs. Bei Bonn ging die Flunder noch 1870 an die Grundangel, und das Zoologische Institut in Heidelberg besitzt eine Scholle, die im Jahre 1826 dem Neckar entnommen wurde. Alle diese Beobachtungen decken sich mit der allgemeinen Tatsache, dass die Flundern gerne das Küsten- und Brackwasser- gebiet aufsuchen. Sie bewohnen die Mündungszone der Ströme und wandern besonders im Norden regelmässig weit in die Flussläufe hinein. In der Themse steigen die Fische nicht selten bis oberhalb London auf; in der Elbe erreichen sie Magdeburg, in der Maas Lüttich, in der Schelde Waterloo.°) 8) Bollinger, G., Zur Gastropodenfauna von Basel und Umgebung. Disser- tation Basel, 1909. 9) Lauterborn, R., Die Flunder (Pleuronectes flesus L.) im Oberrhein. Allgem. Fischereiztg. 1906. — Thienemann, A., Das Vorkommen der Flunder (Pleuronectes flesus L.) im Main. Archiv f. Hydrobiol. u. Planktonkunde, Bd. VII, 1912. 156 F. Zsckokke. Heute trägt ein Flunderfang im Mittellauf oder gar Oberlauf des Rheins den Stempel aussergewöhnlicher Seltenheit. Früher war es anders. Im Jahr 1551 berichtet der Stadtarzt Albert Loniger zu Frankfurt, dass Schollen im Main oftmals gefangen wurden. Und der Mitte des 16. Jahrhunderts entstammen Bestimmungen über die Verwendung der im Main und Rhein erbeuteten „Schullen“ oder „Platteisen“. Darnach waren die vortrefflichen Speisefische in grösseren Mengen an die Kellerei in Aschaffenburg und an die Hofküche in Darmstadt abzuliefern. Die Einwanderung der Flunder in das obere Rheingebiet hat aus Gründen, die nicht ohne weiteres klar liegen, ein Ende und Ziel gefunden. Veränderungen des Stroms durch Menschenhand können das Scheitern des in früheren Jahrhunderten kräftig ein- setzenden Vormarschs wohl nur teilweise erklären. Leider werden wir und unsere Kinder darauf verzichten müssen, den delikaten Fisch von den Basler Rheinbrücken aus zu angeln, und „Sole au gratin à la baloise“, als Gegenstück zum Zunftessenlachs, wird unsere Speisekarten in absehbarer Zeit nicht zieren. Die eigentlichen Sendboten des Meers an das Gebirge sind die Wanderfische, die in zeitlich und örtlich in strenge Gesetze gelegtem Zug regelmässig die Stromstrasse beschwimmen, von der Salzflut zum Berg und vom Fels wieder hinab zum Ozean. Die unverbrüchliche Regelmässigkeit der weitausholenden Reise, ihre elementäre, unbesiegbare Wucht lässt sich nur historisch verstehen. Grosse asia in der Erdgeschichte müssen den ersten Anstoss zum Auszug gegeben haben, und die ununterbrochene Übung un- gezählter Fischgenerationen io dem Wanderphänomen im Laufe der Jahrhunderte festen Umriss. So öffnet und weitet sich der Blick für die Wertung des machtvollen Einflusses, den geologische Geschehnisse auf die Lebensführung der Tierwelt gewinnen. Neben dem erdgeschichtlichen Moment der Vergangenheit aber bestimmt die Fahrten der Wanderfische ein heute noch in jährlichem Rhyth- mus wirksamer Faktor, die stärkste aller Triebfedern für tierisches Tun und Handeln, der zwingende Drang zur Fortpflanzung. Er schreibt dem Zug stromauf und stromab die Regeln der Zeit vor, während die Erdgeschichte den Ort, Strasse, Anfangs- und End- punkt der Reise festlegte. So wirken Vergangenheit und Gegen- wart, Geologie und Biologie, Einwirkungen der belebten und der unbelebten Welt zusammen, um den Zyklus der Fischwanderung zu gestalten. Im Rhein allerdings ist die Wandererscheinung im Erlöschen begriffen. Was sich heute noch alljährlich vor unsern Augen ab- spielt, stellt nur die letzten Spuren einstiger Macht und Gewalt nn Rhein und Tierverbreitung. 157 dar. Veränderungen der Flussbahn und der Flusstärke haben man- cher Wanderung ein enges Ziel gesteckt, und manchen Wanderer ermatten lassen. Und was geologischer und hydrogräphischer Wechsel in langen Zeiträumen nicht vermochte, gelang in kurzen Jahren der Hand des Menschen. Sie verwandelte die allmählich in Win- dungen ansteigende, an Ruheplätzen und Zufluchts- und Laich- stätten reiche Strombahn zum reissenden, schnurgerade gezogenen, von einförmigen Steindämmen begrenzten Fabrikkanal und baute quer in das Fahrwasser die Wehre und Schleusen der Stauwerke, an denen die Kraft der Wanderer nutzlos zerschellt. In Mitteleuropa ist es dem Menschen gelungen, die Wirksam- keit der ehernen Wandergesetze zu brechen und die Ausserungen ungebundener Triebe zu unterbinden. Anders im hohen Norden und im fernen Osten. Schon an den Küsten des Baltischen Meers, noch mehr aber in Skandinavien und im arktischen Grönland sind Fische Wanderer geblieben, die bei uns längst jede Reiselust ein- gebüsst haben und die engen Behälter der Seen des nördlichen Alpenrands nicht mehr zu verlassen vermögen. In alljährlichem Zug verlässt eine Form der grossen Maraene (Coregonus maraena Bl.) die Sommerheimat der Ostsee und sucht zur winterlichen Laichzeit die Haffe und die Süsswasserseen Dänemarks, Schwedens und Finnlands auf. Der Fisch schliesst sich in enger Verwandt- schaft an die Felchen des Alpenvorlands an. Ahnlich lebt ein an- derer Edelfisch, der Saibling oder Rötel, in der Schweiz, Bayern und Österreich ausschliesslich in den Seetiefen. Im Polarkreis da- gegen sucht er das strömende Wasser der Flüsse auf, und seine arktischen Formen besuchen im höchsten Norden Amerikas und in Grönland abwechselnd das Meer und das Süsswasser. In den Riesenströmen Sibiriens vollends, die sich in das Eis- meer ergiessen, und in den gewaltigen Stromadern, die von der Mandschurei nach dem nördlichen stillen Ozean rinnen, in den kalifornischen Gewässern ferner und im Yukanfluss in Alaska steht das Wanderphänomen der Fische auch heute noch in jungfräulicher Blüte. Die Zahl der wandernden Arten, die nicht abschätzbare Menge der Individuen, ihre Ausdauer und ihr unbändiger Wage- mut vermögen ein Bild zu entwerfen von der einstigen Bedeutung des Rheins als Wanderstrasse, bevor der Wasserreichtum der Nach- gletscherzeit versiegte, und bevor die weitere geschichtliche Entwick- lung des Stroms und die Eingriffe des Menschen die breite, viel- beschwommene Bahn zum schmalen, schwer begehbaren Pfad ein- engten. Auf den ungeheuren Stromstrassen Sibiriens wandern vor allem zahlreiche Arten grosser Felchen. Diese Edelfische ziehen nach 158 F. Zschokke. dem Eisbruch im Ob, Irtisch und Jenissei zu Berg. Dann füllen sich die Wasserstrassen und Stromgassen mit den drängenden Mengen der Wanderer, verfolgt und zur Eile angespornt vom räube- rischen Weisswal, und das Netz der ostjakischen Fischer hält reiche Ernte. Für manche Formen liegt das Reiseziel in den untern Nebenflüssen der Hauptstrôme; manche aber finden die Laichstätten und damit das Ende der Fahrt erst in den Quellgebieten, in den meerfernen Gebirgen Innerasiens. Dann dehnt sich Berg- und Tal- reise zur gewaltigen Strecke von mehr als 7000 Kilometern Länge. Das Sommerende ruft die abgelaichten Fische nach den Winterquartieren im Obischen Busen oder im offenen Eismeer zurück. Stürmischer noch verlaufen die von Middendorf geschilderten Wanderungen der Ketalachse in den nordsibirischen Flüssen. Das Wasser schäumt und kocht unter der Menge der vorwärts hastenden Tiere; die Ruder des Boots versagen im Gewirr der sich stossenden Fischleiber, und in ungestümem Drang werfen sich die dem Ufer nahen Wanderer auf den Sand, um dort elend zu verschmachten. Kaum weniger eindrucksvoll spielen sich die Lachswanderungen ab, die vom Pazitik nach zwei Himmelsrichtungen, in das Amur- gebiet und nach Westen in die Ströme von Kalifornien führen. Von den Wanderfischen des Rheins zieht nur einer, der Aal, zur Fortpflanzungszeit hinab nach dem Meer. In gewitterschwülen, sturmbewegten Nächten des Spätsommers und Herbsts treten die heranreifenden Weibchen vom Oberlauf der Flüsse und den vom Meer weit abliegenden Binnenseen aus die Wanderung an. Zu ihnen stossen erst im Rheindelta, in der Brackwasserzone, die Männchen, die den Unterlauf des Stroms kaum verlassen haben, oder schon früher wieder in denselben hinabgewandert sind. Die gemeinsame Reise beider Geschlechter führt weit hinaus über die seichte Nordsee in die Meeresteile westlich von Irland, wo sich der Abhang des atlantischen Beckens steil zu grossen Tiefen absenkt. Aber auch dort findet die rätselhafte Fahrt des Flussfisches in die Fernen des Weltmeers noch nicht ihr Ziel. Erst südlich der Azoren, unter dem 25. bis 45.° nördlicher Breite und in den Abgründen der Sargassosee scheinen die Laichplätze des Wanderfisches zu liegen. Dort geben sich, nach neueren Befunden, die Aale Stelldichein, die den Zuflüssen der Ostsee und der Nordsee entstammen, und mit ihnen vereinigen sich die Artgenossen aus dem Mittelmeer- gebiet, die die Strasse von Gibraltar durchwandern mussten. Im starksalzigen und stets gleichmässig kühlen freien Wasser der grossen Tiefen mitten im Atlantischen Ozean pflanzt sich der Aal fort. Dort lebt auch der Leptocephalus, die eigentümliche, Rhein und Tierverbreitung. 159 von Grassi und Calandruccio im Jahr 1895 entdeckte Aallarve, und von dort ziehen die aus der Larve sich entwickelnden Glasaale in langsamer Fahrt der Küste und der Stromheimat der Eltern ent- gegen. Durch die Pforten der Flussmündungen dringt die Jungbrut in zahllosen Scharen in das Binnenland vor. Die Millionen der wurmförmigen Tierchen kennen auf ihrer Wanderschaft kein Hin- dernis. Die stärkste Strömung hemmt sie nicht und nicht der höchste Wassersturz. Schleusen und Wehre werden kletternd über- wunden; das feuchte Moos des Uferfelsens und die regennasse Wiese dient als willkommene Bahn, wenn es gilt, Fälle oder Strudel zu umgehen oder von Rinnsal zu Rinnsal zu gelangen. Erst in den Kleingewässern, in sickernden Wasseradern und ruhenden Teichen, endet die lange, gefahrvolle Fahrt, die umso wunderbarer wird, als weder der zum Meer ziehende reife Aal noch der zu Berg steigende Glasaal Nahrung zu sich nimmt. Die Aale der Schweizer Seen, der Bäche und Flüsse des Mittellands, der Weiher und kleinen Wasserbecken bis hinein in die Voralpen und hinauf bis zu 1100 m Erhebung im Hochgebirge wurden in den Abgrundtiefen des Atlantischen Ozeans geboren, und sie werden dorthin zurückkehren, um sich fortzupflanzen und nachher das Leben zu lassen an der Stelle ihrer Geburt. In den Frühjahrsmonaten März bis Mai hauptsächlich fluten die Wander- heere der Jungaale in die Mündungsarme des Rheins; zwischen dem Abstieg der Eltern aber und der Rückkehr der Brut in das Süsswasser schiebt sich eine im Meer verlebte Zeitspanne von 2'/, bis 3!/, Jahren ein. Alle übrigen Wanderfische des Rheins schlagen den der Aal- wanderung entgegengesetzten Weg ein. Sie ziehen zu Berg und vertrauen ihre Brut dem Süsswasser von Strom, Fluss und Bach an. Es ist eine bunte Gesellschaft nach Herkunft und faunistischer Zusammensetzung, doch nimmt in dieser durch Wandergewohnheit zusammengewürfelten Schar die dem Norden entstammende Familie der lachsartigen Edelfische, der Salmoniden, nach Zahl der Ver- treter und nach biologischer Bedeutung den vordersten Platz ein. Reich stuft sich auch Wandertrieb und Wanderkraft der ein- zelnen im Rhein ziehenden Fischarten ab. So gleicht das Wander- phänomen in seiner Gesamtheit einem rückflutenden Strom, dessen Wogen bergwärts sich immer mehr verflachen. Doch rollen die letzten Wellen bis zum Gebirgsrand. Sie bespülen den Fuss der hochragenden Alpen. ’ Zuerst macht ein kleiner Salmonide, der Stint, Osmerus eperlanus L., Halt. Er verlässt die Gezeitenzone kaum, und seine 160 F. Zschokke. Jungfische wachsen an der überreichen Kost heran, die das Brack- wasser zu erzeugen vermag. Seine Flusswanderung, die übrigens von Jahr zu Jahr nach der Teilnehmermenge sehr verschieden aus- fällt, beginnt der Stint im März und April. Weiter zieht in gemächlich langsamer Fahrt ein wanderndes Felchen, der Schnäpel, Coregonus oxyrhynchus L. Seine kühnsten Ausspäher erreichen etwa Köln. Im deutschen Mittel- rhein bei Wesel wurde der Fisch noch vor wenigen Jahren zahl- reich gefangen; heute scheinen sich seine Wanderscharen sehr stark gelichtet zu haben. Wieder weiter steckt die Grenzen ihrer Wanderung die grosse Meerforelle. Ihre marine Heimat erstreckt sich vom Weissen Meere längs der europäischen Westküste bis nach Frankreich. Aus den Ufergewässern steigt der prächtige, an Bauch und Flanken silber- glänzende, am Rücken blaugrau gefärbte Fisch in den Monaten August bis Oktober in die Flüsse auf, um dem Süsswasser im November und Dezember seine Eier zu übergeben. Besonders im Norden, in den Gewässern, die dem Eismeer zuströmen, in den Flüssen Skandinaviens und Schottlands stellt sich Trutta truttaL. zur Laichzeit in grossen Wandergesellschaften ein. Auch in der Oder und Weichsel dringt sie noch weit gegen den Oberlauf vor. Dagegen nimmt die Zahl der ziehenden Meerforellen und ihre Wanderlust weiter südlich in den französischen und deutschen Strömen, die der Nordsee und dem Atlantischen Ozean tributär sind, stark ab. In der Weser und Elbe berührt die Laichwanderung gerade noch den Mittellauf, und auch im Rhein scheint der schöne Salmonide in der heutigen Zeit nur selten über die Mündung von Nahe und Main hinauszuschwimmer. Baldner fing Meerforellen noch bei Strassburg. Zweihundert Jahre haben genügt, um den kräftigen Schwimmer und Wanderer weit gegen das Stromdelta zurückzudrängen. Und endlich der rüstigste von allen Wanderfischen des Rheins, der unermüdlichste zugleich und der erfolgreichste, der Lachs. Baldner exzählt, dass im Jahr 1647 an einem Tag 143 Salmen in Strassburg auf den Markt gebracht worden seien. Das sind ver- flossene Zeiten. Einer jungen Vergangenheit gehören die kühnen Lachsfahrten in das weit veraderte Flussystem der Aare an, auf denen der wagemutige Fisch, aller Hemmnisse von Wassersturz und Strudel spottend, weit hinauf vorstiess bis zu den entlegenen Laichstätten in den stets kühlen und klaren Quellbächen der Alpen. Damals durchschwamm der Lachs den Vierwaldstättersee und die Seen des Berner Oberlands; er wurde bei Amsteg in der Reuss gefangen und bei Meiringen in der Aare. Er erschien etwa im es Rhein und Tierverbreitung. 161 Neuenburger- und Bieler-See und beschwamm die Saane bei Freiburg und die Thur im Toggenburg. Nur der Rheinfall bei Schaffhausen stellte dem ungestümen Vormarsch der Edelfische eine unüber- steisbare Schranke entgegen. Eine zielbewusste Reise von 50 bis 60 Tagen führt die Salmen von der holländischen Rheinmündung bis an die Schweizer Grenze. Sie hebt im Nachwinter an; im Frühjahr mehren sich die in den Strom übertretenden Fischscharen, und die Nachzügler schicken sich noch spät im Sommer zur Süss- wasserfahrt an. Erst im November und Dezember aber vollzieht sich die Eiablage in den Laichgruben, die in den Kies der Zu- flüsse und Seitenbäche des obersten Stromlaufs eingetieft wurden.!) Heute haben sich die Verhältnisse im Rhein gründlich ge- ändert. Versandung der Buchten und Korrektion der Flussrinne, Verunreinigung des Wassers und Errichtung von Bauten vertrieben im Lauf kurzer Jahrzehnte den Lachs ganz aus dem Aaregebiet und zogen sogar seiner Vermehrung im Oberrhein enge Schranken. Der einstige Brotfisch ernährt den Fischer nicht mehr, und nur fortwährender künstlicher‘ Einsatz von Jungbrut vermag das gänz- liche Verschwinden des wertvollen Tiers zu verhindern oder wenigstens zu verzögern. Im offenen Strom, zwischen Breisach und Neuenburg, liegen noch eine Anzahl regelmässig benützter Laichgruben. Der Zutritt indessen zu den früher stark besuchten Laichstätten zwischen Thur- mündung und Rheinfall und der Eintritt in die oberhalb Augst und Laufenburg mündenden Zuflüsse des Rheins wurden dem Lachs durch Stauwehre und Kraftwerke nahezu verunmôglicht. Immerhin lebt im Rheinlachs der im Anschluss an die Eiszeit in fast allen Salmoniden erwachte Wandertrieb noch am regsten fort. Am weitesten führt auch heute noch seine Stromreise in das Binnenland; er überflügelt alle seine Wandergenossen, und viel kraftvoller als bei allen diesen rollt sich bei ihm das Wander- phänomen ab. Der muskelgewaltige Fisch übernimmt anderen Ge- schöpfen gegenüber die Rolle des passiv tragenden und die Ver- breitung fördernden Gefährts. Als unerwünschte Fracht schleppt der Lachs eine ganze kleine Welt von marinen Schmarotzern in das Süsswasser, und als blinder Passagier saugt sich an den kräftigen Wanderer das Flussneunauge an (Petromyzon fluviatilis L.), das die Laichablage im Frühjahr vom Meer in den sandigen Unter- srund der Bäche und Seen der Schweiz ruft. Auch in aktiver Wanderung dringt der eigentümliche Fisch weit in die Flüsse vor. Vogt und Hofer schreiben: „soviel ist gewiss, dass in den Nord- 10) Siehe: Zschokke, F., Der Lachs und seine Wanderungen, Stuttg. 1906. 11 162 F. Zschokke. und Ostseegegenden die Neunaugen in grossen Haufen im Sommer aus dem Meer anlangen und namentlich von den Haffen aus gegen Ende September stromaufwärts wandern, um im ersten Beginn des Frühlings, im April und Mai, zu ihren Laichstätten im Binnenland zu gelangen und nach der Beendigung des Laichgeschäfts abzu- sterben.“ ) Im Schweizerrhein unterhalb des Wassersturzes von Schaff- hausen und in seinen fliessenden und stehenden Nebengewässern scheint das Flussneunauge, der Wanderschaft vergessend, endgültiges Heimatrecht erworben zu haben und zum ständigen Süsswasserfisch geworden zu sein. Was für den grossen Salmoniden, den Lachs, gilt, behält seine Richtigkeit für den Maifisch, einen stattlichen Vertreter der Häringe, der zur Fortpflanzungszeit den Strom aufsucht, und für die ihm nahe Verwandte, seine Wandergewohnheiten teilende, etwas kleinere Finte (Alosa vulgaris Cuv. und A. finta Cuv.). Beide Arten be- wohnen sämtliche Meere, die Europas Küsten bespülen. Noch sind kaum 30 bis 40 Jahre verflossen, seitdem die grossen Fische alljährlich durch unsere Stadt zogen bis nach Laufenburg, wo die Stromschnelle ihrer Wanderung endgültig Halt gebot. Silbern glänzten die dicht gedrängten Scharen, und weit- hin hörbar klatschten die springenden und schlagenden Fischleiber. In der Mündung von Birs und Wiese, nahe den Laichstätten, vermochte das Netz oft die schuppige Beute nicht zu fassen. In Bruckners „Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel“ schildert der Medizinprofessor Friedrich Zwinger im Jahr 1751 den Maifisch- fang im Basler Rhein in anschaulichen Farben. Heute kennt kaum noch ein alter Fischer von Kleinhüningen oder Birsfelden den Maifisch vom Hörensagen, und auch der Lokalname ,Eltzele“ oder „Eltzer“ scheint bereits in Vergessenheit geraten zu sein, Weder an Ausdehnung noch an Menge der Ziehenden kann sich in unseren Tagen die Maifischwanderung mit derjenigen der Jüngsten Vergangenheit vergleichen. Flusskorrektion hat die Wege verlegt, stete Verfolgung die Scharen gelichtet. Aus dem Stromdelta brachen die zahllosen Wanderer auf, den Darm mit der Zehrkost des kleinen Brackwasserkrebses Eurytemora affinis prall gefüllt. Manche der Scharen benützten als Strasse den Rhein bis in die Schweiz; andere bogen in die Nebenpfade der mittleren und oberen Zuflüsse ab. In der Mosel kannte schon vor zweitausend Jahren der römische Dichter Ausonius den Zug der Maifische. 11) Vogt, €. und Hofer, B., Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Frank- furt u. Leipzig, 190%. Be de Rhein und Tierverbreitung. 165 Besonders massenhaft benützten die Fische früher den Neckar als Wanderweg. Nach dem Ablaichen, im Juni, trieben die toten oder sterbenden Tiere in ungezählten Mengen bei Neckarhausen - vorbei stromabwärts. Jetzt zählt der wandernde Häring in Neckar und Main, in Mosel und Nahe zu den grossen Seltenheiten. Das Endziel seiner Fahrt liegt im Hauptstrom bei Mainz, und erst im deutschen Niederrhein und in Holland bildet der Fang der Mai- fische heute noch ein lohnendes Gewerbe. Etwas später als der grössere Verwandte steigt die Finte im Rhein auf; schon im Brackwassergebiet beginnt sie ihre Bier abzu- legen, und weniger weit, als den Maifisch, führt sie ihre Stromreise. Aus allen Ausführungen hat sich ergeben, dass die Zahl der Wanderfische im Rhein sich in dem Masse steigert, wie der Strom dem Salzwasser zueilt. Die Meernähe kündet sich durch den wach- senden Reichtum von Wanderern mariner Herkunft an. Im ganzen Umfang betrachtet aber macht die Fischwanderung im Rhein heute den Eindruck eines mit raschen Schritten dem Erlöschen entgegen- gehenden biologischen Phänomens. Sie mutet an, wie der letzte Aufzug eines mit historischer Notwendigkeit vorwärtsschreitenden Dramas, an dessen voreiligem Abschluss die Hand des Menschen die Mitschuld trägt. Doch sind auch heute noch die Wander- gewohnheiten der Rheinfische stark und deutlich genug ausgeprägt, um überzeugend zu lehren, dass die ganze biologische Erscheinung sich in entlegenen Zeiten eindrucksvoller abspielte und in weiterem zeitlichem und örtlichem Ausmass. Damals benützten viel zahl- reichere Fischarten den Rhein als Wanderweg, ihre Scharen drängten sich dichter, und ungezähmte Wanderlust liess sie in zügellosem Drang viel weitergedehnte Wegstrecken durchmessen. Es mochte auch für den Rhein das Bild gelten, das die Fisch- wanderung heute noch im Norden, in Skandinavien und Sibirien bietet. Dort steht der biologische Vorgang dauernd in voller Blüte. Er zeichnet sich aus durch Mannigfaltigkeit; die Zahl der wan- dernden Arten und Individuen ist grösser als bei uns, weiter erstrecken sich die Wanderwege, und länger bemessen sich die Wanderzeiten. Im Rhein dagegen spricht die Abnahme der Zahl der Wanderer und die Kürzung der Wanderstrecken vom Ver- gslimmen des Reisetriebs. Der einst so lebensstarke Baum der Fischwanderung zerfällt und treibt höchstens noch schwache Nach- blüten. So erhebt sich ungezwungen und gebieterisch zugleich die Frage, wann und wie das historische Schauspiel der Fischwanderung im Rhein, dessen letzten Aufzügen wir beiwohnen, seinen Anfang genommen habe. 164 F. Zschokke. Für die kühnsten Wanderer, die Salmoniden wenigstens, sind zwei Punkte von der Forschung mit vieler Sicherheit festgestellt worden : der Ort ihrer Herkunft und die Zeit ihres Kintreffens in Mitteleuropa. Die Edelfische entstammen dem arktischen Norden und kamen zu uns während der diluvialen Vergletscherung, beson- ders wohl in der spätglacialen Epoche. Für diese Annahme erhebt ihre starke Stimme die Tiergeographie, die Oekologie und die Bio- logie. Rings um den Nordpol häufen sich die lachsartigen Fische in vollster Fülle der Arten und in grösstem Reichtum der Indivi- duen an. Sie dringen viel weiter als andere Süsswasserfische gegen den Pol vor. Ihre am Alpenrand in einer zweiten Heimat isolierten und abgesprengten Bestände überschreiten nach Süden die Schranke der Gebirgsmauer nicht und weisen so deutlich auf die Einwande- rungsrichtung aus dem Norden hin. Die Forellen, Lachse, Felchen und Saiblinge suchen auch in Mitteleuropa das nordisch tief tem- perierte Wasser auf; sie sind dem polaren Medium treu geblieben und gedeihen am besten in den stets kalten Wellen der Bergbäche und Alpenflüsse und in den gleichmässig kühlen Tiefenschichten der voralpinen Seen. Unverändert haben auch die Salmoniden der Alpen und ihres Vorlands die Gewohnheit der arktischen Stammes- eltern bewahrt, ihre Eier dem eisigen Wasser anzuvertrauen. Sie ver- legen fast ohne Ausnahme ihre Fortpflanzungszeit in den kältesten Teil des Jahrs, in den Herbst und Winter. Das Datum der Laichab- lage lässt noch einmal auf die polare Urheimat zurückschliessen. Der voreiszeitlichen Fischfauna der Schweiz fehlten die nordischen Salmoniden. Die obermiocäne Molasse von Oeningen am Untersee birgt die fossilen Überreste von Aal und Hecht, von Karpfen, Schleihe und Groppe; doch sucht man umsonst nach den Spuren von Forelle und Felchen, von Lachs und von Rötel. Erst die Post- glacialzeit trieb diese polaren Edelfische gegen die Alpen und drückte damit der schweizerischen Ichthyofauna einen typisch nor- dischen Stempel auf. Netz und Angel des Pfahlbauers fingen, neben Karpfen und Hecht, Lachs und Felchen und die ebenfalls auf Zu- wanderung aus dem Norden hinweisende Trüsche. Wenn die Annahme spätglacialer Zuwanderung aus dem Norden in die Gewässer des Alpenfusses unter starker Benützung der Rheinstrasse für die Salmoniden kaum auf ernsthaften Widerspruch stösst, bleibt ein anderer Punkt des ganzen Problems vorläufig ungeklärt. Die meisten Tiergeographen meinen, die lachsartigen Fische seien vor der Eiszeit reine Meerbewohner gewesen, und erst der Schluss der Vergletscherungsperiode habe ihnen den Weg in den Strom und Binnensee gewiesen. Eine solche Hypothese weiss indessen keine zwingende Notwendigkeit für einen so durch- Rhein und Tierverbreitung. 165 greifenden Wohnortswechsel, wie ihn der Übergang vom Meer in das Süsswasser darstellt, ins Feld zu führen; sie verzichtet auch auf eine Erklärung der Entstehung der periodischen Laichwande- rungen der Salmoniden. So klingt mir die Ansicht wahrscheinlicher, die Salmoniden hätten vor Anbruch der grossen diluvialen Vergletscherung das Süsswasser bewohnt, die Ströme, Flüsse und Seen des circum- polaren Nordens. Eine solche Annahme lässt sich durch die Oeko- losie der Lachse stützen. In der Tat bewohnt die Grosszahl der Edelfische heute noch oder wieder das Süsswasser. Die Hypothese erklärt aber auch in befriedigender Weise die eigentümliche geo- graphische Verteilung der Salmonen, besonders der Felchen und Saiblinge, und wirft helles Licht auf manche seltsame Lebens- gewohnheit dieser Tiere. Besonders öffnet sie das Verständnis für die Entstehung der cyklisch sich wiederholenden Laichwanderungen, und lässt die Frage nicht ganz unbeantwortet, weshalb die Wander- lust in der nordischen Urheimat ungemindert weiterdauert, im süd- lichen, später eroberten Wohnbezirk am Nordfuss der Alpen da- gegen erlöscht. Leider schweigt bei der Besprechung des Problems vom ersten Aufenthaltsort der Salmoniden geräde derjenige Wissens- zweig fast ganz, der die klarste und eindeutigste Antwort geben könnte: die Paläontologie. Fossile Überreste von lachsartigen Fischen finden sich in vor- oder früheiszeitlichen Ablagerungen sehr selten, und ihre Bestimmung bleibt unsicher, da die Fettflosse, die den Lachsen den äussern Charakter gibt, nicht versteinerungsfähig ist. Die wachsenden Eismassen der anbrechenden Gletscherzeit drängten in ihrem allmählichen Fortschritt die Salmoniden aus ihrem Wohnsitz, dem borealen Süsswasser, nach Süden, hinaus in das Meer und endlich bis an die Küsten von Mitteleuropa. An- passungsfähigkeit an sehr verschiedenen Salzgehalt des heimatiichen Gewässers erleichterte den Lachsartigen ihre Einbürgerung in der Salzflut. Diese euryhaline Veranlagung der Salmoniden ist auch heute noch wirksam. Sie lässt Flussforellen durch die Aestuarien der Ströme in das Meer vordringen, und erlaubt es dem Experi- mentator, Forellen aus dem Genfer See in kurzen Monaten an Wasser vom Salzgehalt des Atlantischen Ozeans zu gewöhnen, und so den Süsswasserfisch im Laboratorium chemisch zu einem Meer- fisch umzustempeln. '?) | Zur Laichzeit aber zogen die marin gewordenen Salme regel- mässig in die Ströme, vom Meer zum Berg, um in der alten Heimat, im Süsswasser, das Gedeihen der Nachkommenschaft zu sichern. 12) Murisier, P., Truite de rivière, truite de lac et truite de mer. Procès- verbaux de la Société vaud. sciences nat, No. 4, 1918. 166 F. Zschokke. Sie gingen ins Süsswasser, weil ihre Vorfahren Süsswassertiere waren. Ebenso regelmässig aber zwang der Nahrungsmangel im (letscherstrom die Laichwanderer wieder zum Abstieg in den an Leben reichen Ozean. So mochten gegen das Ende der letzten grossen Vergletscherung die periodischen Laichwanderungen ein- setzen von der im Überfluss gedeckten Tafel des Meers zur nah- rungsarmen Wiege der Brut im Quellgebiet des Stroms. Sie be- deuten eine Rückkehr in die alte Heimat und stehen in der Tier- welt nicht ohne Parallele da. Von ähnlichen Fällen ist der von ehernen Gesetzen geleitete Wanderflug der Vögel, der jedes Früh- jahr die befiederten Scharen vom nahrungsreichen Winterquartier im Süden zur alten Brutstätte im fernen Norden sicher zurück- leitet, nur der bekannteste, aber bei weitem nicht der einzige. Der Rhein ward zur grossen Wanderstrasse der lachsartigen Fische. Auf ihr sandte die Eiszeit das kostbarste biologische Ge- schenk an das Binnenland. Die Edelfische fanden in den kühlen Seetiefen und den kalten Bächen des nördlichen Alpenrands nicht nur eine zweite, vom Norden weit abliegende Heimat, sondern vor allem eine Brutstätte, die den altererbten Ansprüchen des Stammes entsprach. Denn gerade die Anforderungen der Eier und der jungen Tiere an das umgebende Medium vererben sich in der ganzen Tierwelt in merkwürdig konservativer Weise. | Zwei Faktoren öffneten den am Schluss der Eiszeit aus dem Meer in den Fluss aufsteigenden Fischen weit die Pforten der mitteleuropäischen Ströme und ebneten für sie die Wege tief hinein in das Festland bis zu den Alpen: die weitreichende Aussüssung der Meere durch gewaltige Schmelzwassermengen und das eng ge- flochtene Netz langsam fliessender Wasserstrassen, von Kanälen, Weihern und Seen, das, von den rückweichenden Gletschern ent- springend, den grössten Teil von Europa überspann. Die Aussüs- sung erleichterte den Auswanderern aus dem Meer chemisch den Ubergang in den Strom; der Wasserreichtum aber schuf ihnen mechanisch sanft geneigte Bahnen, die selbst von schwächeren Schwimmern bergwärts mit Erfolg beschwommen werden konnten. Im hohen Norden, in Sibirien besonders, dauern heute noch die für die-Wanderschaft günstigen hydrographischen Verhältnisse fort. Die Ströme, die sich nach dem Eismeer ergiessen, führen ungeheure Wassermengen, und sie münden in stark ausgesüsste Meeresteile. Dort in Nordasien wandern daher auch heute noch in erstaunlichem Umfang zahlreiche Arten von Felchen, während ihre nächsten Ver- wandten in den Alpenseen längst jede Wanderlust einbüssten. Der postglaciale Schmelzwasserreichtum in Mitteleuropa zer- rann. Das System verbindender Kanäle und weitgedehnter Seen n Rhein und Tierverbreitunse. 167 versieste; brausende Wasserstürze und schwer passierbare Strom- schnellen entstanden in der steiler werdenden Flussbahn. Damit wurde manchem schwächeren Wanderer die Fahrstrasse, auf der die Vorfahren regelmässig vom Meer zum Gebirge zogen und zu- rück vom Bergbach zur Salzflut, gesperrt, und manche einst zie- hende Art fand allmählich den Rückweg nach dem Ozean ver- schlossen. So wurden die Felchen und Saiblinge in die Seen des nördlichen Alpenrands eingesperrt, die Bachforellen in die enge Bahn schäumender Wildwasser, wie in einzelne, von starren Schranken umschlossene Käfige. In diesen abgeschnittenen Behäl- tern sind die Gefangenen im Laufe der Jahrhunderte den Weg der Variation und der Artenbildung geschritten. Der Wanderer ward, gezwungen durch hydrographische Veränderungen, zum sta- bilen Süsswasserfisch und kehrte so zum biologischen Zustand der Vorgletscherzeit zurück, nachdem die Art im Laufe der Glacial- periode das Stadium des reinen Meerfischs durchlaufen hatte. Mit dem Rückzug der Gletscher und unter dem Einfluss des Temperaturanstiegs in der Nacheiszeit formte sich das heutige Bild der geographischen Verteilung der Salmoniden heraus, ihre Lo- kalisation in der polnahen Urheimat, die abgesprengte Kolonie am Nordrand der Alpen, und das Fehlen in den wärmeren Gewässern der mitteleuropäischen Ebenen. Wieder gewannen die Ansprüche an den Wohnort, ökologische Faktoren also, für die Gestaltung des Verbreitungsbilds die grösste Bedeutung. Die Edelfische ver- langten von ihren Wohngewässern Kälte, Reinheit und Sauerstoff- _reichtum. Dass der Sauerstoffgehalt des Wassers die Verbreitung der Felchen in den Seegebieten mitbestimmt, zeigt in einleuchtender Weise A. Thienemann.'?) Verhältnismässig grosse Mengen im Wasser gelösten Sauerstoffs erlaubten den Coregonen dauernde Ansiedlung in den nordalpinen Randseen, sie gestatteten zugleich der grossen Maräne (Coregonus maraena Bl.) die Behauptung einer zwischen die polare Heimat und den sekundär von Felchen besetzten Alpen- wohnort eingeschobenen Zwischenstation in einigen norddeutschen Seen. Erinnerungen an die Eiszeit erwachen in der heutigen geo- graphischen Verteilung der Salmoniden; sie sind zugleich noch rege im Wandertrieb mancher dieser Fische, die ihre Ruhe in einer engbegrenzten Heimat nicht finden konnten. In den Strömen Mitteleuropas allerdings wandert in weitestem Umfang einzig noch der Lachs. Der kräftigste aller ziehenden 13) Thienemann, A., Untersuchungen über die Beziehungen zwischen dem Sauerstoffgehalt des Wassers und der Zusammensetzung der Fauna in nord- deutschen Seen. Archiv f. Hydrobiologie und Planktonkunde, Bd. XII, 1918. 168 F. Zschokke. Salmoniden weiss allein Strömung und Felsschwellen zu trotzen. Doch klingt es wie eine letzte Regung des Wandertriebs der Vor- fahren, wie ersterbende Wanderlust, wenn vor der Laichzeit, im Herbst, die Forellen aus dem Bodensee hinaufschwimmen in den Quellrhein bis nach Trons und Disentis, wenn die Seeforellen in der Reuss Amsteg und Göschenen erreichen und in der Linth Tierfehd. Sogar die so stabilen Felchen treibt zur Fortpflanzungszeit die Wander- unruhe auf Laichfahrten. Sie wechseln durch verbindende Fluss- läufe von See zu See, von Neuenburg nach Biel und Murten, von Brienz nach Thun und umgekehrt und vom Zürichsee durch den Linthkanal nach dem Walensee. Oder sie steigen in Schwärmen in die Seeeinflüsse auf, in die Traun etwa aus dem österreichischen Traunsee und Hallstättersee. Eine Laichfahrt bedeutet es auch, wenn sich gegen das Jahresende die Gangfische bei Konstanz sammeln, um in volksreichen Zügen zur Eiablage an die Halden des Seerheins zwischen Bodensee und Untersee zu ziehen (Core- gonus macrophthalmus Nüsslin). Die Betrachtung der Fischwanderungen im Rhein lässt einen weitblickenden historischen Standpunkt gewinnen und öffnet das Auge in entlegene Zeiträume. Nur historisch gelingt die Lösung des verwickelten biologischen Rätsels. Wandlungen in der Wasser- menge und im Verlauf des Stroms beeinflussten und veränderten auch seine Bedeutung als Wanderstrasse. Ungezwungen erhebt sich damit die Frage, ob die geologische (seschichte des Rheins sich noch weiter kundgebe in der Zusammen- setzung und Verteilung seiner Organismenwelt, ob aus der Gegen- wart und Verbreitung bestimmter Organismen im heutigen Rhein- gebiet auf vorzeitliche Wanderungen durch längst ausgetrocknete Flusstrassen und abgebrochene Verbindungswege geschlossen werden dürfe. Die Tierwelt der Jetztzeit kann vielleicht die Stromgeschichte der Vergangenheit enthüllen. Der Rhein in seiner gegenwärtigen Gestalt, in seinem Verlauf, in der Ausdehnung seines Flussystems und in der Lage seiner Quellgebiete und Wasserscheiden ist bekanntlich ein geologisch junger Strom. Er fügte sich seit dem Schluss der Tertiärzeit aus früher getrennten Stücken zusammen, und diese einzelnen Rinnsale ergossen sich wahrscheinlich einst in die verschiedensten Meere, Zugleich verlor er mächtige tributäre Zuflüsse, die, heute selb- ständig geworden, ihre eigenen Wege ziehen. Aus dem wiederhergestellten Bild der einstigen hydrogra- phischen Verhältnisse im Rheinsystem können nur wenige Züge herausgehoben werden, und nur auf wenig zahlreiche Beobachtungen kann hingewiesen werden, die den geologischen Befunden über Rhein und Tierverbreitung. 169 Trennung und Vereinigung von Flussläufen im Gange der Jahr- tausende eine biologische Stütze zu verleihen scheinen. Im allgemeinen neigen die Ansichten der Geologen dahin, dass der Rhein während den letzten Abschnitten der Erdgeschichte aus mindestens vier getrennt angelegten Flusstrecken zum einheit- lichen, die Zentralalpen mit dem Weltmeer verbindenden Strom zusammengeflossen sei, _ Zu den am besten gesicherten Ergebnissen der Rheinforschung zählt wohl die Feststellung, dass der Strom in spättertiärer oder frühdiluvialer Periode in der Basler Gegend nicht knieförmig nach Norden umbog, sondern zwischen Jura und Vogesen nach Westen floss und seine Wasser durch den heute noch im Saone- und Rhonetal vorgezeichneten Weg nach dem Mittelmeer wälzte. Die damalige Talsohle der Abtlussrinne lag bei Basel mindestens zwei- hundert Meter über dem heutigen Rhein. Für den verschwundenen Strom zeugen im burgundischen Tor die gewaltigen Massen des oberelsässischen Deckenschotters. Die Geschiebemengen bestehen zum grössten Teil aus alpinem Material; sie wurden durch flies- sendes Wasser, das in ostwestlicher Richtung strömte, abgelagert. Zu solch’ überraschenden Schlüssen berechtigen Gutzwillers sorg- fältige Untersuchungen an den Schottersystemen der Basler Ge- gend. Der Autor fasst seine Resultate im Jahre 1912 in die Worte zusammen: „Nichts steht der Ansicht entgegen, dass nicht in spät- pliocäner oder frühglacialer Zeit die vereinigten Gletscher der Mittel- und Westschweiz, vielleicht auch der Ostschweiz, bis an den Südrand des Jura, ja bis Waldshut vorgedrungen wären, wie zur Zeit der grössten Vergletscherung, und ihre Schmelzwasser den Weg durch die flache Talrinne zwischen Waldshut und Basel nach dem Saonegebiet genommen hätten.“ Und weiter: „Wir betrachten also den oberelsässischen Deckenschotter als eine fluvioglaciale Bildung, deren Schottermasse in frühglacialer oder spätpliocäner Zeit durch aus den Alpen vorstossende Gletscher in die flache Talrinne zwischen Schwarzwald und Jura und durch die Schmelz- wasser von dort nach dem Oberelsass und weiterhin ins Tal der Saone geführt wurden.“ 1) Erst im älteren Diluvium und in notwendiger Folge des steten Absinkens der oberrheinischen Tiefebene nördlich von Basel ward der Rhone-Rhein aus der ostwestlichen Richtung nach Norden ab- gelenkt. Es entstand in der über 300 Kilometer langen und 30 Kilometer breiten Grabensenke das Rheinstück Basel-Bingen und, nachdem der Strom den Durchbruch zwischen Taunus und Huns- 14) Gutzwiller, A., Die Gliederung der diluvialen Schotter in der Umgebung von Basel. Verhandlungen der Naturforsch. Gesellschaft Basel, Bd. 23, 1912. 170 F. Zschokke. rück erzwungen hatte, schloss sich die Lücke zwischen dem Ober- rhein und dem Urrhein, der schon im Pliocän in der Richtung des heutigen Mittel- und Niederrheins dem atlantischen Ozean zu- strömte. Das mächtige Flussbett aber in der burgundischen Pforte trocknete aus, und das weite Tor, das einst-den Wellen Durchlass gestattet hatte, bildete von nun an die Wasserscheide zwischen der nach Süden fliessenden Rhone und dem nach Norden gerich- teten Rhein. Einzelne Autoren vertreten auch die geologisch kaum genügend begründete Ansicht, gewisse Teile des heutigen Rhonesystems, der Doubs und durch seine Vermittlung die obere Saone, hätten ihre Wasser während längerer Zeit westwärts nach der rheinischen Senke, ın das Mainzer Becken entleert. Wo der pliocäne, präglaciale „Urrhein“ entsprang, lässt sich heute mit genügender Sicherheit noch nicht beantworten. Doch ‘ liegen seine Leitgeschiebe bis weit hinauf in das Mainzer Becken. Sie lassen sich noch bei Eppelsheim in Rheinhessen erkennen. Die Mündung des Urrheins in das Meer aber dürfte weit nördlicher als für den heutigen Rhein zu suchen sein. Erst in der Breite der Doggerbank etwa ergoss sich die mächtige Stromader in den At- lantischen Ozean, nachdem ihr Wasserschwall durch Aufnahme der Maas, der Schelde, der Themse und der übrigen ostenglischen Flüsse angewachsen war. Viel problematischer als über den früheren Zusammenhang von Rhone und Rhein und den Durchbruch des Oberrheins zum nördlichen Urrhein lauten die Meinungen über die einstigen Be- ziehungen des Donausystems zum Rheingebiet. Vor der Eiszeit dürfte der Alpenrhein, d. h. die Flusstrecke von den hochgelegenen Quellen bis zum Bodensee, seinen nord- wärts gerichteten Lauf bis zur Donau verfolgt haben. Vielleicht bedingte der Einbruch des Bodenseebeckens im älteren Diluvium die Ablenkung dieses Rheinsegments nach Westen. Mit der ältesten Flussgeschichte im Aare-Rhein-Donaubezirk beschäftigten sich in jüngster Zeit G. Braun und P. Vosseler. Sie kommen zum Schluss, dass nach dem endgültigen Rückzug der Meere vom Schweizerboden sich zwischen Schwarzwald, Vogesen und Alpen eine weite obermiocäne Rumpfebene ausdehnte. Ihre Gewässer folgten der nach Süden gerichteten Abdachung und sam- melten sich in einer „Uraare“, „die sich nach Nordosten zur Donau wandte, oder besser, die selber die obere Donau war.“ Diese mäch- tige Sammelader strömte etwa in der Längserstreckung des heu- tigen Tafeljuras. Ze Rhein und Tierverbreitung. 171 Später, während der Jurafaltung, bildete sich in der Zone des heutigen Rheinlaufs östlich und oberhalb Basels eine flache Ein- senkung. Sie gab Anlass zur Entwicklung eines „Vorrheins“, eines Flusses, der die Donauaare noch präglacial von Norden her an- zapfte und ihre Wasser nach dem Rhein ablenkte. Erst jetzt erhielt der Rhein sein alpines Quellgebiet, während die Donau gleichzeitig ihren Oberlauf und die grossen Alpenzuflüsse verlor. Braun fährt fort: „Als Fremdling griff der Rhein in das Donausystem ein, es völlig auflösend. Er zog dessen Oberlauf mit dem grossen alpinen Einzugsgebiet an sich, und er griff und greift noch heute weiter im Donaubereich, dessen ganze Zuflüsse mitsamt der Donau ihm verfallen sind. Die Kraft zu dieser Entwicklung verliehen ihm seine grossen Wassermengen und sein Anschluss an die mittelrheinische Senke, in der die Erosionsbasis während des Diluviums 'unaufhörlich einsank, während die der Donau gleich blieb.“ 1°) Ahnlich lauten die zusammenfassenden Sätze von Vosselers Abhandlung: 1) „Erst bei der Tieferlegung der Rheinsenke und dem Ver- schwinden der Meere in diesen Gegenden musste sich ein Fluss bilden, der rückwärts einschneidend, ins Gebiet des nach Süden entwässerten Schwarzwaldrands einschnitt.“ Und weiter: „Das räu- berische Eingreifen des Rheins ins Donausystem tritt uns im ganzen obern Donaugebiet entgegen. Von Westen nach Osten greifen die Ablenkungen weiter, und in kurzer Zeit wird wohl der ganze Oberlauf der Donau dem Rhein tributär sein.“ Hypothetischer als die durch genaue Beebachtung gestützte Meinung Brauns und Vosselers klingt die Annahme Kobelts. Sie sucht die enge Verbindung von oberem Donaugebiet und Rhein- system auch für die jüngste geologische Vergangenheit wahrschein- lich zu machen. Noch während des letzten Akts der Eiszeit und sogar nach dem endgültigen Rückzug der Gletscher, soll die Aare während längerer Zeit längs des Südrands des nach Norden noch nicht durchbrochenen Juras der Donau zugeströmt sein. In die Aare aber ergoss sich die oberste Rhone mit dem Genfersee durch eine noch heute im Canal d’Entreroche und die Juraseen von Neuenburg und Biel vorgezeichnete Bahn. Alle diese mächtigen und dem Ursprung nach so verschiedenen Wassermassen benützten, nach Kobelt, als Bindestück zur Donau den Bodensee, oder viel- 15) Braun, G., Das Rheintal zwischen Waldshut und Basel. Verhandlungen d. Naturforsch. Gesellschaft Basel, Bd. 28, 1917. 16) Vosseler, P., Morphologie des Aargauer Tafeljura. Dissertation, Basel 1918. Auch in: Verhandlungen d. Naturforsch. Gesellschaft Basel. Bd. 29, 1918. 172 F. Zschokke. leicht eher noch die Wutach, die heute als kleiner rechtsseitiger Nebenfluss dem Hochrhein zuströmt, während sie früher von der Donau aufgenommen worden sein soll. Diesen Ausführungen fehlen, wenigstens zum Teil, die sicheren Grundlagen geologischer Feststellungen. Aobelt möchte sie durch biologische Betrachtungen ersetzen. Aus der eigentümlichen Ver- breitung der Süsswassermuscheln aus dem Stamm der Najaden und teilweise auch aus der Verteilung der Fische schliesst er auf früheren Zusammenhang heute getrennter Gewässer und auf die Umwandlung der Stromsysteme vom Diluvium bis zur Jetztzeit. 7) Die Ausführungen des bekannten Tiergeographen und Mala- kologen beanspruchen das grösste Interesse. Doch ist zu betonen, dass Fragen nach der Entwicklung der Flussläufe in langen Pe- rioden in erster Linie durch die Geologie zu beantworten sind. Die Biologie muss sich aus mancherlei Gründen bescheiden, die erdgeschichtliche Antwort durch weitere Stützen zu kräftigen und ihr so bestimmteres Gepräge zu geben, es sei denn, dass die tier- geographischen Dokumente schwerstes, eindeutiges Co besitzen. Nie aber darf die Tiergeographie in stark zweifelhaften Fällen den Anspruch erheben, an Stelle der Geologie das entscheidende Wort zu führen. Um heutigen gemeinsamen Tierbesitz und einstigen Tieraus- tausch zwischen dem System der Donau und des Rheins zu deuten, bedarf es übrigens kaum der tiefgreifenden flussgeschichtlichen Hypothesen Kobelts. Es genügt die viel bescheidenere Voraus- setzung, dass beim Gletscherrückzug zwischen den obern Abschnitten der beiden Stromgebiete ein enggeflochtenes Netzwerk von Schmelz- wasserkanälen und Stauseen sich ausdehnte und die beiden Ge- wässerbezirke vielfach verknüpfte, bis der schwindende Wasser- reichtum die ausgespannten Fäden zerriss und damit auch den austauschenden Tierwanderungen ein Ziel setzte. Noch heute bildet bei Hochstand des Wassers die niedere Schwelle nördlich des Bodensees nicht eine vollkommen feste hydrographische Scheide und Grenze zwischen Donau und Rhein. Der historische Vorgang des UÜbergriffs des Rheins in das Herrschaftsgebiet der Donau geht, wie angedeutet wurde, unaufhaltsam weiter. Für uns gilt es zu prüfen, ob die hydrographisch-geologische Vorstellung über die allmähliche Entstehung des heutigen Rhein- systems sich durch biologische Befunde stützen lasse, ob in der Tierwelt des Rheins der Jetztzeit Spuren von Zusammenhängen mit der Fauna benachbarter Stromgebiete weiterleben. Solche Ele- 17) Kobelt, W., Die alten Flussläufe Deutschlands. Frankfurt a. M. 1910. 5 Rhein und Tierverbreitung. 175 mente würden Zeugnis ablegen für die frühere Existenz längst ver- siegter Rinnsale und nicht mehr fliessender Wasserstrassen, auf denen sich seit langer Zeit zum Stillstand verurteilte Tierwande- rungen vollzogen. Sie würden zu Stützen von auf geologischer Basis aufgebauten Hypothesen. Eine Antwort drängt sich ohne weiteres auf. Erst mit dem Anschluss des Oberrheins an den mittleren und unteren Stromlauf öffnete sich die grosse Türe, das Ausfalltor und die Invasionspforte, durch welche der Atlantische Ozean und die Nordsee mit den meerfernen Binnengewässern des Rheingebiets eine mannigfaltige Organismenwelt austauschen konnte. Es formte sich eine offene Strombahn, ein Rückzugsweg vor den anrückenden Alpengletschern und eine Strasse zum Vormarsch gegen das Gebirge, als endlich die Eismassen abschmolzen. Auf dieser weitgeöffneten Bahn vollzieht sich noch täglich Einzug und Auszug. Die Organismenmengen gleiten auf ihr zutal, die das Hochland aus unerschöpflichen Quellen der Ebene und dem fernen Nordmeer sendet. Es pendeln auf der Rheinstrasse seit dem Glacial in regelmässiger Wanderbewegung die Lachse und die Maifische hin und her, Auf demselben Stromweg schwarnmen die Felchen und Saiblinge des Nordens in die kühlen und sauer- stoffreichen Tiefen der Alpenrandseen, und ihn benützten zu lang- samem, stetem Vordringen zahlreiche keine Laichwanderungen aus- führende Standfische. Dem Vormarsch der einzelnen Arten fluss- aufwärts stellen die von Ort zu Ort sich verändernden Eigenschaften des Stroms eine unübersteigbare Schranke entgegen. So legt sich eine Grenze der Fischverbreitung vor die Mauern der Stadt Basel. Sie zeichnet ungefähr die Linie ein, an der der kräftig flutende Rhein sich zum träger fliessenden Strom der Ebene wandelt, und wo das grobe Flussgeschiebe beginnt, dem zerkleinerten Kies und zuletzt dem plastischen Sand den Platz in der Flussohle zu über- lassen. Talwärts bis gegen Strassburg laichen im Rhein noch die Freunde des bewegten und kühlen Wassers, die Salmoniden; zwischen Ill- und Neckarmündung etwa, treten die Edelfische mehr und mehr zurück, und die Karpfenartigen, die ruhiges Wasser lieben und höhere Temperaturen nicht scheuen, gewinnen schrittweise an Be- deutung. Zwischen Neckar und Nahe endlich verschwinden Forellen und Aschen ganz aus dem Strom, und damit verbleicht auch der nordisch-alpine Anstrich der Ichthyofauna. Umgekehrt bleiben an der Schweizer Grenze bei Basel die der Strömung nicht gewachsenen Fische des Flachlands zurück. In den stillen Altrheinen von Hüningen und in den klaren Grund- wassertümpeln der „Langen Erlen“ an der Wiese bei Basel, baut 174 F. Zschokke. der wehrhafte und angriffslustige Stichling (Gasterosteus acu- leatus L.) sein Nest; die ruhenden Tümpel und Gräben bei Neu- dorf bevölkert der Wetterfisch, die Moorgrundel (Misgurnus fossilis L.), und im offenen Strom bei Basel lebt noch der Kaul- barsch (Acerina cernua L.) Alle drei aber wagen sich kaum hinein in die Heimat der Salmoniden, die Gewässer des Gebirgs- lands, deren Bewegung, Untergrund und Temperatur ihren An- sprüchen nicht entgegenkommt. Stichling, Kaulbarsch und Moor- grundel besitzen den Bezirk ihrer weitesten Verbreitung und stärksten Vertretung im flachen Norden und Osten; eine Juge Flussreise liess sie bis in den Oberrhein gelangen. Schärfer noch und'auffallender als bei Basel zeichnet sich eine Grenze der Fischverbreitung am Rheinfall bei Schaffhausen ein. Der gewaltige brausende Sturz gebietet den letzten Wanderern Halt, die von der Nordsee die Fahrt rheinaufwärts unternahmen. Nur der Aal versteht es, das unüberwindbare Hindernis zu um- gehen. Damit ändert sich bei Neuhausen der Oharakter der strom- bewohnenden Fischfauna; er verliert oberhalb des Falls wenigstens teilweise die Beimischung aus den nördlichen Meeren und nähert sich zugleich den für das obere Donaugebiet gültigen Normen. Was für die Fische gilt, aufwärts steigende Wanderung von der offenstehenden Mündung gegen die Quellen, behält seine Rich- tigkeit für zahllose niedere Strombewohner. Und wieder stecken die äusseren Bedingungen des Flusses, des Ortes Gunst und Un- gunst, der ganze verwickelte Komplex der ökologischen Verhältnisse dem Vordringen der verschiedenen Tierarten Ziele und Grenzen und bestimmen dadurch das Bild der Tierverbreitung. Als Beispiel für solche einschränkende Wirkung des Wohnorts wurde der Stillstand erwähnt, zu dem sich schlammbewohnende Mollusken im nördlichsten Teil der elsässischen Tiefebene, bei Hüningen, gezwungen sehen. Die Verbreitungsgrenze der Schlamm- schnecken fällt mit der Linie zusammen, welche Stichling und Wetter- fisch nicht überschreiten. Sie deckt sich auch mit den manchen gebirgsscheuen Festlandbewohnern und Amphibien gezogenen Schranken. Am Südrand der sundgauischen Ebene, wo die ersten Hügelzüge sich erheben und dahinter die Wälle des Juras, in der Gegend von Neudorf und Hüningen, bleibt der Hamster stehen, der nordische Ackerfrosch (Rana arvalis Nilss.) und die das sandige Flachland aufsuchende Knoblauchkröte (Pelobates fus- cus Lam.). So erhält die Tiergrenze im Strome allgemeine fau- nistische Bedeutung auch für das Festland. Seit dem Durchbruch des Rheins nach Norden entstand ein offener Wasserweg zwischen den Alpen und dem Atlantischen Rhein und Tierverbreitung. 175 Ozean und eine Tierstrasse zugleich, die die Organismen seither und bis heute zu Aufstieg und Abstieg benützen. Längs der Strom- linie breitete sich die Tierwelt aus; die doppelt verlaufende Wander- richtung, flussaufwärts und flussabwärts, bestimmte Zusammensetzung, Reichtum und Verteilung der Rheinfauna, von dem Tage an, an dem die Wellen zum ersten Mal ungehemmt von den Alpen zur Nordsee rinnen konnten. Auf alte Beziehungen zwischen Rhone und Rhein, auf eine frühglaciale Stromstrasse durch das burgundische Tor, deuten zwei biologische Tatsachen, eine botanische und eine zoologische. Einmal der Nachweis des gleichzeitigen Vorkommens der beiden Wasser- moose Fissidens grandifrons und F. crassipes im Rhone- gebiet und im Rheingebiet, soweit dasselbe dem hypothetischen Rhone-Rhein Zuzug leistete. | In üppig wuchernden Wedeln sitzen die Moose den Steinen des Stromgrunds auf. Sie besiedeln den Seerhein von Konstanz bis Ermatingen, die Hochrheinstrecke von Stein bis nach Basel, den Flussbezirk der Aare und ziehen sich im Oberrhein allmählich aus dem gemächlicher flutenden Strom zurück, um indessen bis in die Gegend von Strassburg eine Zuflucht in den „Giessen“ zu finden, die, im dichten Weidengebüsch versteckt, den Fluss an beiden Ufern als stets kühle, klare und reichlich fliessende Grund- und Quellwasseradern begleiten. Besonders zwischen Breisach und Strassburg entwickeln sich die „Giessen“ in reichem Masse. Die eigentümlichen Gewässer des Stromrands in der flachen Tief- ebene klingen faunistisch und floristisch in mehr als einem Punkt an starkbewegte und tieftemperierte Gebirgsbäche an. Sogar der Lachs steigt in heissen Sommern in ganzen Zügen in die kühlen Zufluchtsorte auf, und Forelle und Asche finden dort ihre Laich- stätten. x Solm-Laubach fasst die Fissidens-Arten als Uberreste einer alten Tertiärflora auf. Die Moose hätten die Eiszeit im strömenden Hochrhein selbst überdauert, oder vielleicht noch eher in den da- mals schon vorhandenen Quellrinnsalen der „Giessen“. Ihre geo- graphische Einschränkung auf das ehemalige Einzugsgebiet des pliocänen Rhonerheins soll für die einstige Verbindung jener Rhein- abschnitte mit einem Fluss zeugen, der nach dem Mittelmeer abtloss. Für einen solchen einst bestehenden Zusammenhang lassen sich auch zoologische Zeugen anrufen. Nicht die Fische und ihre Verbreitung allerdings, die in ähnlichen Fällen oft tiergeographisch verwendet werden, sondern eine Flussmuschel, Pseudunio si- nuatus (Lamarck). Ihr Vorkommen und ihre Verteilung soll, nach dem Urteil mancher Tiergeographen, speziell der Weichtier- 176 F. Zschokke. kenner, für die einstige Existenz einer Stromstrasse durch die bur- sundische Pforte sprechen. Das dickschalige, grosse und eigentümlich geformte Tier kennzeichnet in sehr typischer Gestalt die grobes Rollgeschiebe führenden Flüsse. Seine Wohnorte umfassen im Westen und Süden Europas einen weiten Raum. Sie verteilen sich über das Flussgebiet der Seine und der Loire und in Westfrank- reich über die Garonne, die Charente, den Tarn, die Dordogne, den Adour bis hinauf gegen die Quellbäche in den Pyrenäen. Vom Rhonesystem bewohnt Pseudunio sinuatus nur die Saone und den Doubs, die Flussadern also, durch deren Talfurchen der hypo- thetische Rhonerhein einst seinen Weg nach Süden nahm. In Spa- nien besetzt die Muschel den Ebro, in Italien Teile des Pos, sub- fossile Schalen beweisen, dass sie früher auch im Arno und Tiber verbreitet war. Dem Rhein scheint die Najade als heute lebendes Tier zu fehlen. Dem war nicht immer so. Liegen doch die Schalen des Weichtiers und aus ihnen geschnittene Schmuckgegenstände in den Trümmerhaufen römischer Ansiedlungen in der Rheinpfalz, und wie ein altes Gedenken klingt es, wenn die Muschel in Frankreich heute noch den Namen „Moule du Rhin“ führt. ZLamarck nennt sogar noch 1819 unter den Fundorten von P. sinuatus den Rhein. In dem mit dem Rheinsystem früher eng verknüpften Flussgebiet der Maas fristet das Tier heute noch sein Dasein. Sehr viel grösseres Gewicht, als die eben zusammengestellten Daten, besitzen Funde, nach denen P. sinuatus im Diluvium den Rhein bei Biebrich-Moosbach bevölkerte. ZLauterborn fand sogar im Alluvium bei Ludwigshafen, an einer Stelle, über die vor 400 Jahren noch der Rhein floss, die geschlossenen Schalen der Muschel in normaler Lage im Boden steckend. Das subfossile Vorkommen des Mollusks in pleistocänen Ablagerungen der Themse stellte Haas fest; damit ergibt sich eine biologische Bekräftigung für die erd- geschichtliche Annahme einer einstigen Verbindung des englischen Flusses mit dem Urrhein. Aus allem erhellt, dass P. sinuatus erst in historischer Zeit, vielleicht vor einigen Jahrhunderten, im Rheingebiet erlosch, das einst einen Teil seines weitgedehnten Wohnbezirks bildete. Auch weiter östlich, im Flussbereich von Elster, Unstrut und Saale scheint die Muschel noch im ausgehenden Mittelalter weitere Ver- breitung genossen zu haben. Das Verbreitungsgebiet von einst und jetzt von Pseudunio sinuatus in den europäischen Stromadern erhält für den Tier- geographen Wert und Bedeutung, wenn es gilt, alte Beziehungen des Rheins zu seinen westlichen Nachbarströmen aufzudecken. Ein Rhein und Tierverbreitung. 177 vorsichtiger Erforscher und gründlicher Kenner der Najaden, F. Haas, fasst seine Eindrücke in die Worte zusammen: „Die ehe- malige Existenz des Unio sinuatus im Oberrhein deutet wohl sicher auf eine Verbindung mit einem der französischen Nachbar- ströme hin. Geologisch und geographisch am leichtesten denkbar wäre eine derartige Verbindung des Rhonegebiets durch den Doubs mit der Ill oder direkt mit dem Oberrhein.“ 1?) Es wird sich bald Gelegenheit bieten, den Wert der Fluss- muscheln als Material zoogeographischer Forschung zu erörtern und besonders der Ansichten Kobelts zu gedenken, der nach dem Vor- kommen von drei Formenkreisen von batavoiden Unionen den Rhein in drei ursprünglich getrennte Stromsysteme zerlegt: den Schweizerrhein, der mit der Donau zusammen das Urdonausystem bildete, den nach dem Mittelmeer abfliessenden Rhonerhein und den nördlichen Urrhein mit seinen No der Maas, der Schelde und der Themse. Dann dürfen die Schwierigkeiten nicht verhehlt werden, welche die so wandelbaren und anpassungsfähigen, wenigstens in der Ju- gend zu weiter Verschleppung geeigneten Najaden tiergeographischer Verwendung entgegenstellen, und es wird zu betonen sein, dass die Vorsicht es verbietet, die Muschelverbreitung spekulativ allzu weitgehend auszubeuten. Die zoologische Anstalt der Basler Universität hat es versucht, zur Lösung der interessanten Fragen über den Zusammenhang von Muschelvorkommen, Muschelwanderung und Flussgeschichte einiges beizutragen. Der Krieg brachte die Arbeit ins Stocken. Er verschloss die burgundische Pforte, das grosse Durchgangstor für Tiere des Südwestens nach dem Rheintal und sperrte damit das wichtigste Exkursionsgebiet für die Klarlegung faunistischer Beziehungen zwischen Rhone und Rhein. Stösst schon die Besprechung des Problems der einstigen Existenz eines Rhonerheins tiergeographisch auf mancherlei Hin- dernisse, so steigern sich die Schwierigkeiten beträchtlich beim Versuch, Donau und Schweizerrhein zoogeographisch als ursprüng- liche Einheit aufzufassen. Sicher fehlen in hohem Grade auffallende Ähnlichkeiten in der Tierwelt beider heute voneinander abgeschnit- tenen Gebiete nicht. Doch rufen diese faunistischen Übereinstim- mungen nirgends mit zwingender Kraft der Annahme früherer, breit 18) Ausser den Arbeiten von Kobelt siehe besonders: Haas, F., Die Na- jadenfauna des Oberrheins vom Diluvium bis zur Jetztzeit. Frankfurt a. M. 1910. — Haas, F., Wege und Ziele der modernen Flussmuschelforschung, in: Die Naturwissenschaften, 1914. — Israel, W., Biologie der europäischen Süsswasser- muscheln. Stuttgart 1913. 12 178 F. Zschokke. offenstehender Austausch- und Wanderstrassen zwischen Donau und Rhein, und besonders bleibt die geologische Grundlage, auf der sich eine solche Annahme aufbauen liesse, unsicher und schwan- kend. Der Geologie aber gehört in diesen Dingen das erste und letzte Wort. Dass allerdings während und nach dem Gletscherrückzug Wasserverbindungen zwischen dem Gebiet des Genfersees, dem Schweizerrhein mit der Aare und der Donau bestehen mussten, zeigt eine auch dem Nichtzoologen wohlbekannte Tatsache: die Verbreitung der Felchen oder Coregonen in den voralpinen Tal- seen Savoyens, der Schweiz, Bayerns und Österreichs und die strenge Beschränkung dieser lachsartigen Edelfische auf die ge- nannten Wasserbecken. Erst durch die Schmelzwasserströme der Spät- und Nacheiszeit konnten die Felchen aus dem Meer und dem Unterlauf der Flüsse in die eisfrei werdenden Seen am Nordfuss der Alpen einwandern, um in diesen ruhenden Gewässern eine zweite, den Ansprüchen der Ankömmlinge an tiefe Temperatur und Sauerstoffreichtum genü- gende Heimstätte zu finden. Zu der Wanderfahrt aber vom Nord- meer zum Alpenrand stand den Fischen einzig die Rheinstrasse offen. Sie führte die Felchen nicht nur in die Becken der Schweiz, sondern in stets sich verästelnden Flusspfaden und schmalen Wasser- wegrinnen bis in die Randseen Savoyens und Bayerns. In jener wasserreichen Schmelzperiode verschoben sich noch mit dem be- weglichen Gletscherrand die Wasserscheiden; Dämme entstanden und wurden vom Hochwasser wieder durchbrochen, und kleineren Wasseradern öffnete sich freier Durchpass bald nach dem, bald nach jenem Flusslauf. Das Postulat der Existenz eines weit aus- gespannten Netzwerks von stets sich verändernden Schmelzwasser- kanälen und Stauteichen am Abschluss der Eiszeit genügt zur Erklärung der heutigen Verteilung der Felchen in drei Strom- systemen, von denen zwei mit den nördlichen Meeren nicht mehr in Verbindung stehen. So wird die viel tiefer greifende, geologisch etwas unsichere Hypothese von breit flutenden Urströmen als spät- glacialen Verbindungsbahnen zwischen Rhone, Rhein und Donau unnötig. An eine spätere aktive Wanderung der Felchen vom Meer zu den Alpen und von See zu See, oder an eine passive Übertragung ihres Laichs von Becken zu Becken ist nicht zu denken; denn die hydrographischen Veränderungen formten die Randseen dar Alpen zu starren Gefängnissen für die stabil werdenden Fische um, und in diesen geschlossenen Behältern suchten die Felchen als Wohnort und besonders auch als Laichstätte die grösseren Tiefen auf. Rhein und Tierverbreitung, 179 Die Fischkunde beruft sich auf weitere faunistische Tatsachen, um einen einstigen Zusammenhang zwischen dem obern Stromgebiet der Donau und des Rheins wahrscheinlich zu machen. Sie weist auf die eigentümliche Verbreitung des grössten ausschliesslichen Süsswasserfisches Europas, des Wels (Silurus glanis L.) hin. Das im tropischen Süsswasser durch zahlreiche Verwandte reich vertretene Tier bewohnt den Osten Europas, die Zuflüsse des Schwarzen Meers, besonders das Donaugebiet und dehnt seinen Heimatbezirk bis zur Ostsee aus. Es steht im Bodensee und in dem mit diesem Becken offen verbundenen Mindelsee auf einem der am weitesten nach Westen vorgeschobenen Punkte seines Areals. - Weit entfernt von diesem Vorposten tritt indessen der grosse Fisch in Exemplaren, die zwei bis drei Meter Länge erreichen, noch ein- mal in einer blühenden Kolonie auf. Er fühlt sich in den schlam- migen Zwischenflüsschen wohl, welche die Juraseen von Neuenburg, Biel und Murten unter sich verknüpfen und wagt von den Binde- strecken aus nicht allzu selten Vorstösse in das Seichtwasser der Seen selbst. Ob es sich bei diesem isolierten Vorkommen des Wels um die abgeschnittene Endstation einer weit westwärts gerichteten vorzeitlichen Wanderung durch eine hypothetische, der Donau zu- strömende Uraare handelt, bleibe dahingestellt. Es könnte die Welskolonie von Biel und Murten auch das Ergebnis der Über- tragung des an vielen Orten geschätzten Speisefisches durch die Hand des Menschen sein. Ahnlich wurde im Mittelalter der Wels im seichten Sumpf- und Seegebiet des holländischen Niederrheins eingesetzt. Er gedieh im „Harlemer Meer“, einem weiten, seeartigen Süssgewässer, bis in der Neuzeit die ihm künstlich zugeteilte Heim- stätte trocken gelest wurde. Auf alte Wasserverbindungen zwischen Donau und Rhein und auf längst abgelaufene Wanderungen soll endlich die heutige Ver- teilung des Riemlings (Telestes agassizii Heckel) hinweisen. Der kleine, karpfenartige Fisch charakterisiert die obere Donau und vor allem ihre Nebenflüsse. Er beschwimmt in der Limmat und Sihl, aber auch das Aaregebiet und bewohnt den Rhein an der Grenze der Schweiz gegen Vorarlberg und über Basel hinaus bis nach Breisach. Dort hält er sich sowohl im Hauptstrom, als in den schnell fliessenden Zuflüssen auf. Bei Breisach bricht der Wohn- bezirk von Telestes unvermittelt und scheinbar ohne Zwang äus- serer Daseinsbedingungen ab. Doch steht eine vollkommen abge- trennte Kolonie des kleinen Karpfen im oberen Neckar, der seine Wasser wahrscheinlich einst der Donau zusandte. So lässt sich der Riemling als Zeuge für früheren engen Zusammenhang von Donau und gewissen Teilen des heutigen Rheinsystems anrufen. 180 F. Zschokke. Neben der Ichthyologie verlangt die Molluskenkunde von Neuem Berücksichtigung bei der tiergeographischen Diskussion der Frage nach prähistorischen Verbindungswegen zwischen Rhein und Donau. Wie Pseudunio sinuatus für den Zusammenhang des Rheins mit der Rhone spricht, so soll Unio consentaneus Rossmässl. (= U. cytherea) für die Existenz von Wasserstrassen Zeugnis ablegen, die sich einst zwischen Rhein und Donau ausspannten. Im Donaugebiet entwickelte sich im Lauf der Zeit aus der Grundform U. batavus Lam. die typische Gestalt des U. con- sentaneus. Dieselbe Form lebt indessen auch im Bodensee und im weitverzweigten Stromsystem der Aare und lässt sich bis in die Juraseen, in die Voralpenseen der Zentralschweiz und sogar in den Genfersee verfolgen, in Umformungsgestalten allerdings, wie sie das stehende Wasser aus dem Grundtypus herausmodelt. Es bilden sich in den einzelnen Seebecken „Reaktionsformen“ der Muschel unter dem Einfluss verschiedener Lebensbedingungen. Von diesen Seeformen der zum Rhein oder zur Rhone abwässernden Wasserbehälter zeigte Zwiesele, dass sie in den wesentlichen Zügen ihrer Schalengestaltung deutlich auf die Donaumuschel hinweisen, und so Kobelts Ansicht von einer in junger geologischer Zeit be- stehenden Verbindung zwischen Donau, Hochrhein und oberster Rhone mit Genfersee Recht geben. Eigentümlich gestaltet sich die Verbreitung von U. consen- taneus im fliessenden Rhein. Sie endet nicht, wie zu erwarten wäre, mit der Faunengrenze am Rheinfall. Vielmehr sammelte Lauterborn das Tier noch flussabwärts in stillen, sandigen Strom- buchten bis nach Säckingen, auf einer Strecke also, die auch nach der Hypothese nie der Donau tributär war. Die weiter unten lie- genden Stromteile des Rheins beherbergen eine andere batavoide Form der Malermuschel. \ | Im Ganzen lebt somit das Weichtier in denjenigen Teilen des Rheinsystems und des Rbonegebiets, die die hypothetische An- nahme mit der Donau verknüpft und als alpines Quellgebiet der Urdonau betrachtet. Sie fehlt dagegen den Rheinabschnitten, die ihr Wasser nicht nach Osten entsandten. In Würdigung dieser Muschelverteilung schreibt als Gewährs- mann der Malakologe Haas: „Aus dem Fehlen jeder consenta- neus-Form im Oberrhein darf wohl auf seine geologisch erst spät erfolgte Vereinigung mit dem Hochrhein geschlossen werden, wäh- rend aus dem Vorkommen der consentaneus- Formen in letzterem eine erst spät erfolgte Trennung von der Donau zu folgern ist.“ Die Ansicht, dass die Flussmuscheln ein ganz besonders ge- eignetes Material darstellen, um tiergeographische Fragen auf his- Rhein und Tierverbreitung. 181 tôrischem Wege zu lösen, findet in Kobelt einen warmen Vertreter. Der bekannte Weichtierforscher geht von der Feststellung aus, dass die Najaden, besonders die batavoiden Unionen, seit dem Tertiär und Diluvium in jedem Flussgebiet ein bestimmtes Grund- sepräge tragen. Diese Grundformen charakterisieren die einzelnen Stromsysteme. Die Flussmuscheln besitzen ferner nur eine sehr geringe Beweglichkeit, und ihre passive Verschleppungsfähigkeit schränkt sich auf ein minimales Mass ein. Ihnen eignet, nach Kobelt, Stabilität im Wohnort und in der grundsätzlichen Ge- staltung. So werden die Muscheln der Seen und Wasserläufe zu Leit- und Eigenformen bestimmter alter Flussgebiete. Greifen gewisse Formen in ihrer Verbreitung auf andere benachbarte Stromsysteme über, so deutet dieser Ubergriff auf ehemalige Verbindung durch heute versiegte Wasserstrassen hin. Aus der Gleichheit der Mu- scheln heute völlig getrennter Ströme und Strombezirke lässt sich auf vergangenen Zusammenhang dieser Gewässer schliessen; Un- gleichheit der Muscheln an verschiedenen Orten ein und desselben Stromlaufs der Jetztzeit gestattet den Schluss auf historisch späte Vereinigung ehedem getrennter Flussabschnitte. Die Verteilung der einzelnen Formen von Malermuscheln, wie sie sich heute kundgibt, spiegelt die hydrographischen Verhältnisse der diluvialen und ter- tiären Vergangenheit wieder; sie erzählt von alten, verschwundenen Flussläufen, von Vereinigung und von Trennung von Wasseradern im Laufe geologischer Epochen. | Kobelts geistreiche Ausführungen verdienen volle Beachtung, zugleich aber auch kritische Prüfung und vorsichtige Verwendung. Denn gerade die biologischen und morphologischen Eigenschaften, welche den Najaden zoogeographischen Wert verleihen, Unbeweg- lichkeit und altererbte Artbeständigkeit, erleiden beträchtliche Ein- schränkung. Dadurch verwischen sich die den einzelnen Muschel- formen gezogenen Grenzen der Geographie und der Systematik. Jede Flussmuschel ist in der ersten Larvenjugend ein Parasit in der Haut eines Fisches. Auf ihrem Träger als unwillkommener Gast festgeheftet, unternimmt sie passive Reisen, und nach Wochen erst und Monaten fällt sie von der Fischhaut ab in den Schlamm der Gewässer, oft fern vom Bach oder Teich, der ihr das Leben gab. Diese Verschleppungsfahrten mögen wenigstens im Laufe der Zeiten, in der Folge der sich ablösenden Muschel- und Fischgenerationen, weite Strecken durchmessen. Sie führen von Flussteil zu Flussteil, von See zu See. Sie können als Bahn Kanäle benützen, die ver- schiedene Stromsysteme verknüpfen, unbekümmert um die tiergeo- graphischen Grenzen, welche die Wissenschaft in die Gewässernetze 182 F. Zschokke. lest. So wäre es denkbar, dass durch den Rhein-Rhone-Kanäl heute noch mit Muschelbrut beladene Fische ausgewechselt werden zwischen dem grossen Strom, der zur Nordsee fliesst und dem- jenigen, der sich zum Mittelmeer wendet. Mit der Möglichkeit sol- chen neuzeitlichen Austauschs würde Pseudunio sinuatus seine Stellung als Dokument für eine frühere Verbindung zwischen Rhone und Rhein einbüssen. Die Flussmuschelschale stellt eines der unbeständigsten und veränderlichsten Hartgebilde in der ganzen Tierreihe dar. Jeder Bach, jeder Teich, jedes Ufer, jede Bucht giesst dieses plastische Material in seine eigenen Anpassungs- und Reaktionsformen. Gleiche Lebensbedingungen formen aus primär Ungleichem Gleiches, und verschiedenartige Verhältnisse der Umwelt modeln ursprünglich gleiche Schalen zu unähnlichen Gebilden um. Manches Gewässer beherbergt auf engem Raum nach dem Wechsel von Untergrund, von Strömung und Ernährung verschiedene Muscheln, und in weit auseinanderliegenden Fernen entstehen unter dem Druck überein- stimmender Bedingungen des Wohnorts konvergent ähnliche Schalen. Damit verlieren die Najaden feste Artumrisse, und zugleich schwindet ein grosser Teil ihres Werts für die Tiergeographie. Denn nur die reine Stammart, in der sich Blutverwandtschaft ausdrückt, kann dem genannten Wissenszweig einwandfreies Forschungsmaterial bieten, nicht aber die Konvergenzform, das blosse Resultat gleich- sinnig gerichteter sekundärer Anpassung. Es gehört zu den schwie- rigsten Aufgaben, die wirklichen Artmerkmale der Najaden mit genügender Sicherheit von den Konvergenzcharakteren loszulösen, die Züge steter Vererbung und äusserer, fast launenhafter Variation zu scheiden und dadurch die Grundformen freizulegen. Diese allein geben Auskunft über Zusammengehörigkeit und Verwandtschaft und können daher zoogeographischen Wert beanspruchen. So richtig der von Kobelt eingeschlagene Weg sein mag, Anpassungsfähigkeit und Variabilität der Muschelschale macht ihn schwer begehbar und mahnt bei seiner Benützung zu grösster Vorsicht. Nicht nur die Verschleppungsmöglichkeit der Najaden im Ju- gendzustand und ihre Artunbeständigkeit stellt der zoogeographischen Verwendung ernste Schwierigkeiten in den Weg. Es ist bei jedem Versuch, alte Stromzusammenhänge durch das Vorkommen der Muscheln zu bestimmen, auf die Lokalgeschichte des Schauplatzes besonders Rücksicht zu nehmen. Im speziellen Fall der Überprü- fung der Hypothese vom einstigen Zusammenhang von Donau, Rhein und Rhone fällt als schwerwiegendes Gewicht der Umstand in die Wagschale, dass zur Zeit maximaler Diluvialvergletscherung das ganze heutige Heimatgebiet von Unio consentaneus am Ober- Rhein und Tierverbreitung. 183 rhein, im Aarebezirk und im Grenfersee unter einer drückend las- tenden Eisdecke von ungeheurer Mächtigkeit ruhte. Unter dieser sewaltigen Last erstarb das Lieben. Die der Flucht unfähigen Na- jaden wurden vernichtet, und das Bild ihrer präglacialen Verbrei- ne ward zerstört. Als endlich die Eismassen zurückwichen, wanderten spät und zögernd die Flussmuscheln in die sich ôffnenden Gewässer ein; denn die an Geschiebe und Geröll reichen, kalten und trüben Gletscherströme werden den leicht zerstörbaren Unionen und den Trägern ihrer Larven, den Fischen, so wenig wie heute eine freund- liche Herberge geboten haben. So scheint der Schluss nicht allzu kühn, dass das heutige Verbreitungsbild der Najaden im Strom- bereich Rhone-Oberrhein-Donau erst spät postglacial sich formte. - In jene Zeit also wäre ein Tieraustausch zwischen den heute ge- trennten Flussläufen zu datieren. Ob damals weit offene Stromstrassen zwischen Rhein und Donau bestanden, mag die Geologie entscheiden. Für den biologischen Vorgang der Tierwanderung und für sein Ergebnis, die heutige Tierverbreitung, genügt es vielleicht, ein zwischen Donau und Rhein geflochtenes Netz von Schmelzgewässern zu fordern, auf dem in aktiver Verbreitungsfahrt die Felchen und Saiblinge zogen und auf Fischen festgeheftet in passiver Verschleppungsreise die Muschel- larven vertragen wurden. Die Najadenforschung bleibt eine schlüssige Antwort auf die Frage über den früheren Verlauf der Ströme schuldig. Sie muss den Entscheid dem Geologen und Geographen überlassen, und erst wenn diese gesprochen, wird auch der Zoologe seinen bescheidenen Beitrag zur Lösung der hydrographischen Probleme einer entlegenen Vergangenheit mit in Rechnung stellen dürfen. Ihm muss es zunächst genügen, den Rhein zu kennen als eine reich pulsierende Ader, als einen Liebensspender und -verbreiter, eine Strombahn, auf der das Leben stündlich hinausflutet vom Gebirge zum Meer und wieder zurück von der Mündung zur Quelle. Dabei muss er sich bewusst sein, dass dieses stete Wechselspiel sich abrollt, seitdem der Rhein fliesst, und dass mit jedem neuen _ Abschnitt in der langen Geschichte des Stroms auch ein neues Kapitel in der Geschichte der strombewohnenden Tierwelt beginnt. Das Schicksal des Wohnorts, der flutenden Welle, bedeutet auch hier das Verhängnis der Bewohner. Der Strom fördert das Leben und öffnet ihm ferne Weiten; er stemmt sich indessen auch als Schranke und Hindernis der Tierausbreitung entgegen und erzielt so die der Ausdehnung ent- 184 F. Zschokke. gegengesetzte Wirkung, geographische Begrenzung der Tierarten und Rückstauung ihrer Wanderungen. Solche hemmende Wirkung des Stroms verspüren Flieger und Schwimmer nicht. Sie queren das flutende Hindernis mit Flosse und Ruder, mit aktivem Flügelschlag oder in passivem, durch den Wind vermitteltem Flug. Auch manche des Schwimmens und Fliegens unkundige Geschöpfe, Geher und Kriecher des festen Erdbodens, trägt die Welle, der vom Flussbord losgerissene Busch, der im Strom treibende Baumstrunk unversehrt von Ufer zu Ufer. Eine derartige Fahrt mag der Rhein in vergangenen Zeiten, als seine Wassermasse noch nicht in breitem einheitlichem Bett eilig dahinrollte, besonders begünstigt haben. Damals löste sich das Stromband in ein reich zerfasertes Aderwerk langsam fliessender Rinnsale, die sich trafen und trennten, vereinigten und wieder _ spalteten. Aus dem Netz der Kanäle und zu ruhigen Teichflächen sich weitenden Stromarmen ragten mit Weidengebüsch bedeckte Inseln, Kiesbänke und Sandflächen, die das Hochwasser aufschüttete und wieder abtrug. Alle diese ephemeren Eilande aber wurden den Tieren zu Raststätten und Brückenpfeilern bei der Querung des Stroms. Nicht selten wählte sich der hochgehende Rhein neue Bahnen; er schnitt Festlandteile vom Ufer ab und drängte sie, indem er das alte Bett mehr und mehr verliess, auf die entgegen- gesetzte Flusseite. Dieses Mäanderspiel, die Bildung von Schlingen und Schleifen und die Verschiebung von Erdschollen und Inselchen verpflanzte zugleich der Wasser- und Luftbewegung abholde oder unkundige Tiere ohne ihr Zutun von Bord zu Bord. Am Oberrhein treffen und mischen sich zwei Tierströme, ohne dass der Fluss ihnen dauernd und vollständig Halt gebieten könnte. Sie verlaufen örtlich in entgegengesetzter Richtung und nahmen zeitlich wohl ihren Ursprung, seitdem die weitesten Landstrecken durch den Gletscherrückzug die Eisbedeckung verloren. Auch heute sind diese Ausbreitungsströme noch nicht versiegt. Der eine ent- stammt dem Südwesten, den Gestaden des Mittelmeers vor allem; er benützt als Wanderweg nach Norden die Täler von Rhone und Saone und ergiesst sich durch die burgundische Pforte in ziemlich starken Wellen gegen den Rhein. Der andere Tierstrom entspringt _ im pontischen Südosten Europas, in den sarmatischen Steppen und in den Grasfluren Ungarns. Ihm dient das Donautal als Aus- breitungsbahn nach Westen. Auf dem langgezogenen Weg ver- sickert der Strom allmählich; doch fliesst ein schmaler Faden bis an den Oberrhein. Uber die Rheinschranke haben beide Wanderheere ihre Aus- späher und nicht selten sogar stattliche Vorhuten gesandt. Längst Rhein und Tierverbreitung. 185 ist der Hamster aus dem Osten in die Getreidefelder des Elsass eingebrochen, und umgekehrt hinderte der Rhein die farbenschillernde grüne Eidechse und den Springfrosch nicht am weitern Vormarsch aus dem Süden und Westen. Sogar die wasserscheuen und boden- ständigen Festlandschnecken verstanden es, in geduldigem Aus- harren endlich die Gelegenheit zur passiven Überschreitung der Rheingrenze zu finden. Je mehr sich die faunistischen Beobachtungen häufen, desto seltener ergibt sich für eine Schneckenart, liege ihre Heimat ursprünglich im Westen oder Osten, Einschränkung auf das linke oder rechte Ufer des Oberrheins.!?) Der Drang der Art, ihr Wohngebiet auszudehnen, wird durch den breiten, wellenbewegten Strom nicht gemeistert, Noch fester als die Schnecken heftet sich an die Scholle eine Abteilung der Tausendfüsser, die Diplopoden. Sie leben verborgen, ihre Verbreitungsmittel sind schwach, ihre Verschleppungsfähigkeit bleibt eine sehr geringe. So steigert sich die Bodenständigkeit dieser Tiere und vermindert sich ihre Wanderfertigkeit. Sie bleiben während langen Zeiträumen auf den Bahnen stehen, die beweglichere Geschöpfe in eiligen Schritten durchmessen. Ein ausgezeichneter Kenner der Diplopoden schreibt in jüngster Zeit: „sie sind be- fähigt, als uralte lebende Dokumente für ehemalige Erdzustände zu dienen, indem sie mit unübertrefflicher Zähigkeit alte Wohnge- biete festhalten.“?0) Für die Diplopoden bedeutet ein kräftiger Flusslauf eine Weg- sperre oder zum mindesten ein sehr schwer zu besiegendes Ver- breitungshindernis. In seiner grosszügigen Abhandlung über die zoogeographischen Verhältnisse der Diplopoden, vom historischen und biologischen Gesichtspunkte aus geprüft, nennt Verhoeff unter den Faktoren, welche die Verteilung dieser Tiere bestimmen, in erster Linie die grösseren Flusstäler. Flüsse und Eisströme setzen und setzten der nach allen Seiten wirkenden Ausbreitungstendenz der Arten Schranken. „Die grossen Flusstäler,* so fährt der Autor fort, „wirken sowohl durch ihre Wassermassen, als auch durch die in ihnen früher teilweise geführten Eisströme oder im Vergleich mit heute viel gewaltigeren Schmelzwasserströme.“ „Die meisten Tausendfüsser dagegen konnten nach wie vor die grossen Flüsse nicht überwinden.“ 19) Zschokke, F. Die Tierwelt der Umgebung von Basel nach neueren Forschungen. Verhandlungen Naturf. Ges. Basel, Bd. 28, 1917. 20) Verhoeff, K. W, Zur Kenntnis der Zoogeographie Deutschlands, zugleich über Diplopoden namentlich Mitteldeutschlands und Beiträge für die biologische Beurteilung der Eiszeiten. Nova Acta, Bd. 103, Halle 1917. 186 F. Zschokke. An Richtigkeitsbelegen für solche Sätze mangelt es Verhoeff nicht. Er zeigt, wie eine scharfe Grenze der Diplopodenverbreitung mit dem Oberlauf der Donau zusammenfällt. Durch die Eismassen der Gletscherzeit wurden die norddeutschen Tausendfüsser nach Süden gedrängt. Der Weiterschub stiess auf der Linie Donau- Rheingletscher-Bodensee-Rhein auf ein unüberwindliches Hindernis. Auf der anderen Seite bildete der Donaustrom und die durch Schmelzwasser erzeugten Seen und Sümpfe der schwäbisch-bayerischen Hochfläche eine Schranke für die Üeberwanderung südlich be- heimateter Diplopoden nach Mitteldeutschland. Sie trug zur Isolierung der alpenländischen Formen mächtig bei. So konnte eine Mischung der Diplopodenbestände nördlich und südlich der Donau auch während der diluvialen Kältezeiten nicht oder nur in geringem Grade stattfinden, und die beiden geographisch durch den Strom getrennten Tiergruppen bewahrten bis heute ihre Eigenart. Noch viel verwickelter als an der Donau gestaltet sich die Diplopodenverteilung am Rhein. In dieser Komplikation klingt die an grossen Ereignissen und Zwischenfällen reiche Geschichte des Stroms im Spättertiär und Diluvium nach. Die Verbreitung der Diplopoden steht in vollem Einklang mit den geologischen Vor- gängen, die den Strom betrafen, sodass Verhoeff mit dem Satz Recht behält: „Die Diplopoden sind infolge ihrer langsamen und gleich- mässigen Ausdehnungsweise die denkbar besten Objekte zum Studium der historischen Tierstrôme.“ Der Rhein sorgte dafür, dass die östlich und westlich von ihm gelegenen Gaue einen Formenaustausch nur in beschränktem Masse durchführen konnten. Das prägt sich in einer wesentlich verschiedenen Zusammensetzung der Diplopodenbevölkerung von Elsass und Baden besonders scharf aus. Nahe verwandte Formen der Gattung Xylophageuma, die die beiden genannten durch den Rhein geschiedenen Bezirke vikarierend bewohnen, mögen auf einen gemeinsamen präglazial, also zu einer Zeit lebenden Vorfahr zurückgehen, da der Rhein noch nicht nordwärts floss. Für spätere Zuwanderer aber aus dem Osten und Westen blieb der Oberrhein eine trennende Schranke. Sie liess sich nur durch das Zufalls- spiel des Mäander bildenden Stroms oder auf dem gelegentlichen Fahrzeug treibender Wurzelstöcke und Stämme überwinden. So gelang es einzelnen Diplopodenarten, Vorposten auf das jenseitige Ufer zu schieben. Wo heute geologisch jüngere Flusstrecken strömen, bestanden in relativ neuer Zeit noch für Diplopoden begehbare Festland- und Eisbrücken. An solchen Stellen zeigt das Verbreitungsbild kräftige, nur historisch zu deutende Vorstösse über den Rhein der Jetztzeit. a Rhein und Tierverbreitune. 187 So dringt aus dem Westen Glomeris marginata zwischen Bingen und Bonn ziemlich weit östlich vor; sie fand dort auf ihrer "Wanderung wohl noch nicht den reissenden Strom, sondern festes Erdreich. Aehnlich vollzog sich auf der Hochrheinstrecke Waldshut- Konstanz ein Austausch von Diplopoden des helvetischen und alemannischen Gaus. Schweizerformen stossen dort nach dem Schwarzwald vor, und umgekehrt überschreiten alemannische Arten den Strom nach Süden. Gerade die Rheinstrecke Waldshut-Konstanz aber ist verhältnismässig jungen Datums. Dort flossen auch die Alpengletscher weit nach Norden. Sie trugen auf ihrem Eisrücken mächtige Moränenwälle, die abgehärteten Kältetieren als will- kommene Bahn zur Wanderschaft dienen mochten. Das auffallende Vordringen von Diplopoden hin und her über den Rhein lässt sich als Zeugnis für die frühere Gegenwart von Brücken an Stellen auffassen, über die heute der Strom seinen Weg nimmt. Umgekehrt wurden im Gang der Zeit nicht nur älte Brücken weggerissen; es bildeten sich auch neue an Orten, über die einst das Wasser floss. Und wieder fällt auf gewisse Eigentümlichkeiten in der Verbreitung der Diplopoden helles Licht durch die Annahme des Aufbaus fester und breiter Landbrücken zwischen früher durch ein Stromhindernis scharf getrennten Bezirken. Spättertiär und vielleicht noch frühdiluvial strömte der Rhein, wie in anderem Zusammenhang erörtert wurde, durch die burgun- dische Pforte nach dem Saonegebiet Es legte sich eine für Diplo- poden unüberschreitbare Barriere zwischen Jura und Vogesen. Später fiel die Flusschranke; der Strom bog nach Norden ab und gab den Weg quer durch das Tor von Gebirge zu Gebirge frei. Die Diplopoden betraten die neue trockene Strasse zur Wander- fahrt nach Norden. Heute besiedeln schon einige schweizerische Arten die Südtäler der Vogesen und die Gegend von Belfort. Einzig den Helvetiosomen gelang der Vormarsch nicht. Sie verlangen zum Aufenthalt den kühlen Schatten und die Feuchtigkeit tiefein- geschnittener Waldtäler. Solchen Sonderansprücheï an den Wohn- ort vermochte die der Sonne weitgeöffnete, waldarme Pforte nicht zu genügen; sie blieb für die Angehörigen der Gattung Helve- tiosoma weiter ein Wanderhindernis, auch nachdem der nach Westen gerichtete Rheinlauf längst versiegt war. Die geologischen Befunde über die Hydrographie des Stroms in der Vergangenheit erhalten durch die geographische Verbreitung der Diplopoden in der Gegenwart eine willkommene Stütze ?'). 21) Verhoeff K. W., Rheintalstrecken als Zoogeographische Schranken. Zoolog. Anzeiger Bd. 39, 1912. Verhoeff K. W., Die Kreise des alemannischen Gaus, der helvetische Rhein- taldurchbruch und zwei neue deutsche Chordeumiden. Zoologischer Anzeiger, Bd. 45, 1915. 188 F. Zsckokke. Der Rhein erfüllt für die Verbreitung der Organismen eine doppelte Aufgabe. In seinem Längsverlauf öffnet er besonders den aquatilen Lebewesen stark beschwommene Wanderbahnen hinab zum Meer und hinauf zum Gebirge, und er lest sich den Wande- rungen vieler Landtiere als hemmende Querschranke entgegen. So fördert und hindert der Strom die Wanderschaft der Tiere und bestimmt damit weitgehend das Bild ihrer geographischen Verbreitung. Die geologische Wandlung des Stroms aber wird zugleich zur Ge- schichte der von ihm gehemmten und geförderten Tierströme. Manuskript eingegangen, 50. Okt. 1918. Experimentelles über die Widerstandsfähigkeit des Batrachierlaiches gegen Austrocknung. Zur Frage nach der passiven Verbreitung der Amphibien. Von N. Lebedinsky und R. Menzel. Die passive Verbreitung der Wassertiere kommt in der freien Natur auf mancherlei Art zustande. Sehr wichtig für diese bio- logisch so interessante Erscheinung soll nach zahlreichen Beobach- tungen ausser den Wasser- und Luftströmungen die Mitwirkung von allerlei Wasservögeln sein, die vielen Tieren bezw. deren Keimen eine bequeme ,Fahrgelegenheit“ für die Reise von einer Wasseransammlung zur andern zu bieten vermögen. „Von ganz besonderer Bedeutung..... für die Verbreitung der Wasserbewohner“, schreibt Kurt Lampert (1910), „hat sich der Schlamm erwiesen, welcher den Füssen der Wasservögel anhaftet. Darwin war auch hierin der erste, der auf die Verschleppung von Mikroorganismen durch Schlamm hingewiesen hat .... Ihm ist in neuerer Zeit besonders Jules de Guerne gefolgt. Die Untersuchung solcher Schlamm- proben ergab von tierischen Keimen hauptsächlich Wintereier von Daphnien und Statoblasten von Bryozoen. Kulturversuche ergaben Nematoden, Rädertiere, Rhizopoden. Besonders leicht können auf diese Weise auch Ostrakoden transportiert werden, welche ja -Schlammbewohner und durch ihre .... Schale gegen rasches Aus- trocknen geschützt sind ....“ Uber die Fischeier berichtet P. Kammerer (1907), dass er aus einer einige Wochen ausser Wasser verbliebenen Schlammprobe (aus dem Adriatischen Meer bei Triest) „neben marinen Amphi- poden und Isopoden sogar zwei Exemplare eines kleinen Kärpflings: Lebias calaritanus = Cyprinodon fasciatus“ ziehen konnte. „Die Möglichkeit einer Verschleppung, namentlich durch Wasservögel, an deren Beinen Schlamm anhaftet, erscheint hiedurch gegeben.“ „Ebenso kann der Laich mancher Amphibien“, sagt 0. Maas in seiner anregenden Studie: Lebensbedingungen und Verbreitung 190 N. Lebedinsky und R. Menzel. der Tiere, „z. B. der Kröten, der zum Unterschied vom Frosch- laich nicht in Klumpen oder Ballen, sondern in langen Schnüren, Ei an Ei durch eine gallertige Hülle verbunden, abgelegt wird, durch Wasservögel und vielleicht auch andere Wassertiere weiter transportiert werden. Die Laichschnüre schlingen sich um die Füsse der Wasservögel, und die Gallerte bewahrt die Eier während des Transportes in der Luft eine Zeitlang vor dem Austrocknen.“ Dass die Bier zahlreicher niederer Süsswasserorganismen, so- wie deren verschiedene Ruhezustände, sich zur Verschleppung durch Vögel ganz besonders gut eignen, ist durch die oben zitierten Ex- perimente sicher genug bewiesen. — Die erste Bedingung dazu, eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen die Austrocknung, ist bei allen hier in Frage kommenden Städien in hohem Masse ja ge- geben. Anders verhält sich jedoch die Sache mit der Verschleppungs- möglichkeit der Batrachiereier. Aus der blossen Tatsache, dass die an den Füssen der Wasservögel hängen gebliebenen Eier von einem Wasserbecken in ein anderes transportiert werden können, folgt eben noch nicht, dass dadurch auch tatsächlich die Verbrei- tung der Art ermöglicht wird. Es wäre nämlich denkbar, dass der ‚wasserreiche Laich unserer einheimischen Batrachier beim Trans- port durch die Luft der Austrocknung zum Opfer fallen kann. In der vorliegenden kleinen Studie haben wir es nun unter- nommen, experimentell festzustellen, ob der Batrachierlaich die Luftexposition auch längere Zeit erträgt, ob er sich also auch zur Verschleppung auf grössere Distanzen eignet. Wohl finden sich in der Literatur einige in dieser Hinsicht interessante Angaben, sie sind jedoch nur selten für unsere spe- ziellen Zwecke verwendbar. Es mag zunächst erwähnt werden, dass nach A. Prauer (1898) bei einem Frosch der Seychellen (Arthroleptis seychellensis) die Eier unter abgefallenes feuchtes Laub abgelegt werden, um so ihre ganze Embryonalentwicklung an der Luft zu durchlaufen. Auch der Laich unserer Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans) wird an der Luft gezeitigt, nur werden hier die Eischnüre vom männ- lichen Tier um seine Beine gewickelt herumgetragen; es geht höchstens während sehr trockener Witterung für kurze Zeit ins Wasser (Doflein 1914). Zahlreiche Forscher befassten sich mit der Zeitigung der Alytes-Eier, ohne Brutpflege des Vaters, auf dem Lande. Während de Ülsles (1873) und später Fischer-Sigwart (1885) negative Resul- tale erhielten, gelang es Lataste (1877), Heron-Royers (1878) und neuerdings P. Kammerer (1906), die Möglichkeit der Embryonal- entwicklung ohne die Brutpflege des Männchens experimentell Experimentelles über Batrachierlaich. 191 nachzuweisen. Doch all diese Versuche wurden entweder auf feuchtem Boden (bezw. Moos usw.) oder aber in den mehr oder weniger feucht gehaltenen Terrarien ausgeführt und sind daher für unsere Frage von beschränkter Bedeutung. Auch kommen die beiden erwähnten Arten, gerade wegen ihrer Brutpflegeinstinkte, für die Verbreitung durch Wasservögel überhaupt kaum in Be- tracht. Über andere im Wasser laichende Batrachier finden wir in der Literatur nur wenige genaue Beobachtungen, die hier verwertet werden könnten. Wenn wir von den uns leider nur aus der Arbeit von Loisel (1900) bekannt gewordenen Angaben von Bert (1866) über die Unschädlichkeit eines 24stündigen Luftaufenthaltes für den Batrachierlaich absehen, finden sich fast einzig in der bereits zitierten Publikation von P. Kammerer (1906) etwelche massgebende Anhaltspunkte. So erwiesen sich nach dieser Arbeit die Eier unserer einheimischen Batrachier mit einer weiter unten erwähnten Ausnahme, einzeln der Luft ausgesetzt, als ganz auffallend wenig widerstandsfähig. „Die Eier können zwar .... ausser Wasser in einem sehr feuchten Medium zur Reife, die Larven etwas verspätet zum Ausschlüpfen gebracht werden ...., aber vollkommener Trocken- heit bieten sie höchstens etliche Stunden Widerstand, so lange nämlich, als die Gallerte noch nicht ihres gesamten Wassergehaltes verlustig gegangen, der Vertrocknungsprozess also noch gar nicht bis zum eigentlichen Ei vorgedrungen ist.“ Nach Kammerer sterben die der Austrocknung preisgegebenen Eier von Rana esculenta binnen 1!/, Stunden Rana temporaria „ 3 = Bufo vulgaris ad N) Hingegen fand derselbe Forscher, dass bei Hyla arborea die meisten der frisch abgelegten Eier auch nach 72 Stunden vollstän- diger Austrocknung ebenso lebensfähig wie zuvor sind. Der Laub- frosch ist also der einzige unter den heimischen Anuren, dessen Laich eine mehrtägige absolute Trockenperiode aushält; und so darf man wohl behaupten, dass er durch diese seine Eigenschaft sich zur Vertragung durch Wasservögel auch auf ganz grosse Ent- fernungen in besonderem Masse eignet. Die übrigen, auf experimentellem Wege gewonnenen Resultate Kammerer’s vermögen jedoch nicht, uns eine Vorstellung von der Tauglichkeit einzelner Laicharten zum Lufttransport zu geben, und zwar darum, weil diese Angaben sich wie erwähnt immer auf einzelne Eier und nicht auf kleine Laichportionen beziehen. Es ist aber von vornherein klar, dass letztere bedeutend widerstands- 192 N. Lebedinsky und R. Menzel. fähiger gegen die Austrocknung sein müssen als einzelne Eier, auch kommen sie für den Lufttransport durch Vögel viel eher in Betracht (vergl. Maas, Dürigen). Von solchen Gedanken ausgehend haben wir auch unsere Ver- suche entsprechend modifiziert und immer einige Eier zusammen (,3er, 4er, 5er usw. Gruppen“) für unsere Experimente verwendet. Wir sind uns wohl bewusst, dass nicht nur zwischen den in Be- tracht kommenden Teilen des Vogelkörpers einerseits und den von uns verwendeten Glasplatten andrerseits ein Unterschied in bezug auf Temperatur besteht, sondern dass auch die Wirkung der durch den raschen Vogelflug gesteigerten Verdunstung auf die Laichpor- tionen in unsern Versuchen wegfällt. So kommt unseren Befunden nur eine relative Gültigkeit zu. Material und Technisches. Untersucht wurden aus naheliegenden Gründen drei bei Basel häufige Arten: Bufo vulgaris Laur., Rana temporaria L. und Rana esculenta L. Die gemeine Kröte stammt aus dem Bassin eines Privatgartens in der Nähe von Basel. Unweit von diesem Ort holten wir die beiden Rana-Arten aus Wiesengräben am Rande der „Langen Erlen“, und zwar fanden sich, wie dies mit den ein- schlägigen Angaben in der Literatur übeinstimmt, die Laichklumpen von Rana temporaria bedeutend früher als diejenigen von Rana esculenta (siehe Versuche). Der Laich wurde sorgfältig mit Netz oder direkt mit den Transportgefässen aufgefangen und nach etwa einer halben Stunde im Aquarienraum der Zoologischen Anstalt in passende Glasschalen verteilt. Versuchsanordnung: Die Laichportionen für eine Versuchs- reihe wurden von ein und demselben Eiklumpen mit Schere und Pinzette abgetrennt und auf Glasscheiben gebracht. Die Scheiben eines Versuches kamen stets nebeneinander zu liegen und zwar auf einer Holzkiste unter einem Baum im Hof der Zoologischen An- stalt. Dieser Platz liegt unmittelbar am Rhein, etwa 6—8 m über dem Wasserspiegel, und ist gegen Süd- und Westwind sozusagen vollkommen durch die Wand des Universitätsgebäudes, in welchem sich die Zoologische Anstalt befindet, und angrenzende Mauern ge- schützt, während Nord- und Ostwinde freien Zutritt haben. Wegen dieser geschützten Lage sind die in den Protokollen angeführten Wetterangaben der hiesigen meteorologischen Station für unsere Versuche nur als annähernd zutreffend zu bezeichnen. Bei regne- rischer Witterung wurden zudem die Laichportionen in dem stets ungeheizten Aquarienzimmer der Zoologischen Anstalt unterge- Experimentelles über Batrachierlaich. 193 bracht, wenn möglich bei offener Türe gegen den Hof. Trotzdem war in diesen Fällen die Luft naturgemäss gesättigter an Wasser- dämpfen als draussen, weshalb in den Protokollen immer genau angegeben wurde, ob und wie lange sich die Proben im Aquarien- raum befanden. Nach dem jeweiligen Aufenthalt an der Luft kamen die Laich- portionen zurück ins Wasser, indem zugleich vorher (wie übrigens auch vom Ausgangsstadium) ein Teil zur Feststellung des erreichten Stadiums fixiert wurde. Die Portionen jeder Versuchsreihe wurden in gleich grosse Gefässe mit gleich viel Wasserpflanzen gebracht, bei stark angetrocknetem Zustand mit der Glasscheibe, da ein Ent- fernen des Laiches von derselben, ohne die Eier zu verletzen, dann unmöglich war. Bei den Versuchen mit kleinen Portionen, den 2er, 4er Gruppen etc. (vergl. Versuche K, M und N) wurden, um ein möglichst ge- naues Bild der Entwicklungsfähigkeit zu erhalten, gewöhnlich mehrere gleich grosse Portionen zu einem und demselben Versuche (gleiche Zeitdauer) verwendet. Die meteorologischen Angaben verdanken wir dem freundlichen Entgesenkommen der meteorologischen Anstalt der Universität Basel. Beschreibung der Versuche. Dieser Abschnitt unserer Arbeit bezweckt, ein allgemeines Bild der angestellten Experimente zu geben, und so dem Leser ein selbständiges Urteil über die Beweiskraft der ganzen Untersuchung zu ermöglichen. Wir haben uns bei der Beschreibung der Ver- suche der Ubersichtlichkeit wegen der bestmöglichen Kürze be- fleissigt und soweit angänglich tabellarische Zusammenstellungen dem laufenden Text vorgezogen. Genauere Angaben und Einzel- heiten können in beigegebenen Protokollen nachgeschlagen werden, während alle gesammelten Erfahrungen im Abschnitt „Ergebnisse“ zusammenfassend behandelt sind. Zu unseren Versuchen wurden, wie bereits erwähnt, nur drei -Batrachierarten verwendet: Bufo vulgaris Laur., Rana temporaria L. und Rana esculenta L. Bufo vulgaris (Erdkröte). Versuchsreihe A. 11. und 12. Mai 1917. Der auf dem Stadium einer jungen Gastrula (Rusconi’sche Rinne höchstens halb- kreisförmig) sich befindende Laich wurde in Schnüren zu etwa je 100 Eier der Austrocknung ausgesetzt. 15 194 N. Lebedinsky und R. Menzel. Dauer der Luftexposition (Stunden): 2:11 4 PONTS Zahl der ausgeschlüpften Larven in 0/4: 48 36 2 1,2 0 Die geringe Entwicklungsfähigkeit dieses Laiches schon nach der zweistündigen Austrocknung lässt auf mangelhafte Besamung schliessen. Versuchsreihe K. 24.—26. April 1918. Ausgangsstadium: Mikromeren bei achtfacher Vergrösserung noch deutlich sichtbar. N Anzahl der Eier Prozentsatz der : Stunden an der Luft : : = in der Portion ausgeschlüpften Larven 3 2 50 3 | 10 90 19 | 10 18 27 10 13 43 10 0 Es verdient hervorgehoben zu werden, dass alle Eier während des Luftaufenthaltes auf dem Ausgangsstadium stehen blieben, um erst nach der Versetzung ins Wasser ihre Entwicklung fortzusetzen. Wie wir gleich sehen werden, verhalten sich die Froscheier dies- bezüglich ganz anders. Rana temporaria (Grasfrosch). Weitaus die meisten unserer Versuche beziehen sich auf diese Art. Die Versuchsreihe B, als eine der ersten, wurde an einer zu srossen Portion angestellt, sodass ihr bloss der Charakter eines Vorversuches zukommt. Für unsere Zwecke ganz besonders wichtig sind die Versuche CG, die eine in sich abgeschlossene Serie darstellen. Sie alle wurden genau zu gleicher Zeit, unter den ganz gleichen äusseren Bedingungen, ausgeführt, sodass der (ausser der Schwankungen in der Portionengrösse) einzige Unterschied zwischen diesen Versuchsreihen im Ausgangsstadium liegt. Und zwar haben wir hier folgende Stadien gehabt: G—8 Blastomeren, O—8 Makromeren, D—Beginn der Gastrulation, F—grosser Blastoporus, E— kleiner Blastoporus. In dieser Reihenfolge sollen diese Versuche auch be- schrieben werden. Versuchsreihe B. 14.—19. März 1918. Ausgangsstadium: 4 Blastomeren. Da die meisten der der Luftexposition unter- worfenen Portionen für unsere Zwecke zu gross waren, so mag hier nır erwähnt werden, dass eine 62 Eier enthaltende und 112 Stunden lang der Austrocknung ausgesetzte Eiergruppe immer noch Experimentelles über Batrachierlaich. 195 15 Larven lieferte = 24°/o. In der Kontrollzucht sind ca. 100 °/o Larven ausgeschlüpft. Versuchsreihe G. 18.—-20. März 1918. Ausgangsstadium : 8 Blastomeren. Dauer der Anzahl der h % \ Prozentsatz der Luftexposition | Eier in einer Erreichtes Stadium ausgeschlüpften (Stunden) Portion Larven 16 23 Mikromeren für blosses Auge noch sichtbar 100 23 39 Makromeren noch sichtbar 91 40 * 38 Makromeren nicht mehr sichtbar 95 a7* 33 ; a 88 65 * 19 Rusconi’sche Rinne 1/2 kreisförmig 68 71* 32 Rusconi’scher Kreis fast vollständig 53 SI 32 Rusconi’sche Rinne kreisförmig 63 ane 15 Blastoporus mittelgross 20 * Darunter wegen des regnerischen Wetters einige Stunden im Aquarien- zimmer des Zool. Institutes (vgl. Protokolle). Auch in den Versuchsreihen C, D, F, E und H hat * dieselbe Bedeutung. i Versuchsreihe ©. 18.—22. März 1918. Ausgangsstadium : Furchung, 8 Makromeren. In jeder Portion ca. 25—30 Eier. Dauer der Anzahl der Prozentsatz der Luftexposition | Eier in einer Erreichtes Stadium ausgeschlüpften (Stunden) Portion | Larven 16 - 27 Zahlreiche Makromeren 100 23 32 Makromeren für blosses Auge un- deutlich 65 40 * 29 Mikromeren bei achtfacher Ver- erösserung kaum unterscheidbar 8) 47% 30 Beginn der Gastrulation 3 65 * 28 Rusconi’sche Rinne bis 1/akreisförmig 78 als: 44 Re n fast kreisförmig 72 89* 33 Rusconi scher Kreis meist vollständig 72 95 26 Blastoporus ziemlich klein 0 Der plôtzliche Schwund jeder Entwicklungsfähigkeit im Laufe der letzten 6 Stunden ist uns unerklärlich geblieben. Versuchsreihe D. 18.—22. März 1918. Ausgangsstadium : Rusconi’sche Rinne erst angedeutet. 196 Dauer der N. Lebedinsky und R. Menzel. Anzahl der Prozentsatz der | Luftexposition | Eier in einer Erreichtes Stadium ausgeschlüpften (Stunden) Portion Larven 16 29 Rusconi'sche Rinne 1/3 kreisförmig 100 23 98 H 302 a 39 40 * 24 Blastoporus ziemlich klein 100 47% 24 à sehr 3 100 65 * 27 Dotterpfropf kaum sichtbar 8 LE 16 5 „ 2 0 89 * 16 5 = à 0 95% 23 Schluss des Blastoporus 35 In dieser Versuchsreihe ist die Abhängigkeit der Widerstands- fähigkeit gegen die Austrocknung von der Anzahl der Eier in einer Portion besonders deutlich. Versuchsreihe F. grosser Blastoporus. 18.—22. März 1918. Ausgangsstadium: Dauer der Anzahl der 2 f Prozentsatz der Luftexposition Eier in einer Erreichtes Stadium ausgeschlüpften (Stunden) Portion Larven 16 32 Blastoporus kleiner 97 23 27 5 sehr klein 33 40 * 30 5 oval, Medullarwülste 94 AUF 25 Medullarwülste höher 96 65 * 24 a hinten einander fast berührend 96 nl 22 Medullarwülste hinten verwachsen, vorn einander berührend 82 89% 18 Kopfabschnitt deutlich, Spinndrüsen- anlage 83 95% 14 Embryonen länger, seitlich gekrümmt 57 Versuchsreihe E. Blastoporus recht klein. Dauer der Anzahl der 18.—22. März 1918. Ausgangsstadium: Prozentsatz der Luftexposition | Eier in einer Erreichtes Stadium ausgeschlüpften (Stunden) Portion Larven An — À 16 29 | Blastoporus noch kleiner 97 23 27 ei oval 95 40 * 17 | à beinahe geschlossen 88 47% | 17 | Schwache Medullarwülste 65 65 * 24 | Beginn der Längsstreckung 79 zul 14 Medullarwülste hinten verwachsen 64 95= 11 Kopfabschnitt und Schwanzknospe | deutlich 55 Experimentelles über Batrachierlaich. 197 Versuchsreihe H. 18.—22. März 1918. Ausgangsstadium: unmittelbar vor dem Auftreten der Rusconi’schen Rinne. Dauer der Anzahl der >; 2 Prozentsatz der Luftexposition | Eier in einer Erreichtes Stadium ausgeschlüpften (Stunden) Portion Larven Ë : EU EME RTE 3 Sr | 16 14 Beginn der Gastrulation 50 23 16 Rusconi’sche Rinne etwas grösser 44 40 * 11 5 „ 12 kreisförmig 65 47 * JU Ausgangsstadium 18 65 * 14 Blastoporus ziemlich klein 45 71% 12 > oval 39 he 6 — — 17 In Anbetracht der geringen Entwicklungsfähigkeit der ersten Portion (50°/o Larven) muss wohl der zu dieser Versuchsreihe verwendete Laich als überhaupt mangelhaft besamt angesehen werden. Rana esculenta (W asserfrosch). Versuchsreihe M. Vom 13.—14. Juni 1918. Ausgangs- stadium: erste Andeutung der Rusconi’schen Rinne. Dauer der Anzahl der | Prozentsatz der Luftexposition | Eier in einer Erreichtes Stadium. ausgeschlüpften (Stunden) Portion Larven 2 | 3 | Rusconi’sche Rinne etwas länger 100 3 3 | gleiches Stadium 100 5 3 | N > 100 5 15 Rusconi’sche Rinne merklich grösser 100 17 15 ” „ Yabis3/ıkreisförmig 80 Versuchsreihe N. Vom 14.—15. Juni 1918. Ausgangs- stadium: Blastoporus spaltenförmig. Dauer der Luftexposition: 14 Stunden .30 Minuten. In jeder Portion 3—5 Eier. Erreichtes Stadium: Medullarwülste fast ver- wachsen. 100°/o Larven ausgeschlüpft. Den Laich dieser Frosch- art haben wir auch noch zur Feststellung des Einflusses der Luft- exposition auf den Zeitpunkt des Ausschlüpfens verwendet. Vgl. die Protokolle der Versuchsreihen L und M, sowie den Abschnitt „Ergebnisse“, Über die ganze Versuchsreihe L siehe die Protokolle. 198 N. Lebedinsky und R. Menzel. Ergebnisse. Die Hauptfrage unserer Arbeit, ob der Anurenlaich auch ein eine längere Zeit dauerndes Verweilen an der Luft verträgt, lässt sich auf Grund unserer Untersuchungen in bejahendem Sinne be- antworten. Für unsere Experimente kamen nur ganz kleine Laichportionen in Betracht, die gerade ihrer unbedeutenden Grösse wegen an den Füssen und am Gefieder der Wasservögel noch haften bleiben können. Anders verhält es sich nur mit den Eischnüren der Krötenarten, da diese Laichform sich ganz besonders gut dazu eignet, auch in grösserer Menge an Vogelbeinen hängen zu bleiben. Es dürften also auch lange Laichschnüre zu dergleichen Versuchen sehr wohl verwendet werden. Aber auch hier wollen wir unser Augenmerk nur auf das Verhalten kleiner Laichportionen (ca. 10 Eier) richten. Unsere Beobachtungen am Krötenlaich gipfeln in der Fest- stellung, dass bei günstiger Witterung (tiefe Temperatur, nebliges oder regnerisches Wetter) auch ein 20 Stunden lang dauernder Luftaufenthalt den Kröteneiern nicht viel anhaben kann — die Entwicklungsfähigkeit eines so vorbehandelten Laiches betrug ganze 780/. Ja, nach 27 Stunden der Eintrocknung schlüpften daraus immer noch 13°), Larven aus. Der Laich des Grasfrosches ist noch widerstandsfähiger; 95 Stunden lang (darunter 35 Stunden im Aquarienzimmer) der Lufteinwirkung ausgesetzt, lieferten kleine Eigruppen (je 11 Eier) im günstigsten Falle (bei bewölktem Himmel und tiefer Temperatur: 2,0° ©. — 11,0° C.) den beträcht- lichen Satz von 55°/, Larven. Aus einer nur 6 Eier enthaltenden Portion schlüpfte nach 95 Stunden Trockenheit in einigen Tagen eine Larve aus: Entwicklungsfähigkeit = 17°), (vgl. insbesondere Versuche E und H). Am Laiche des Wasserfrosches konnten wir beobachten, dass die kleinsten Eigruppen (3er, 4er und der Gruppen) nach 14 Stunden Luftaufenthalt noch gar nichts an ihrer Ent- wicklungsfähigkeit einbüssen (Versuch N). Nahe an die soeben behandelte Frage nach der Dauer der maximalen Widerstandsfähigkeit grenzt die Feststellung der Hand in Hand mit der Ausdehnung des Luftaufenthaltes regelmässig fortschreitenden Abnahme der Entwicklungsfähigkeit der Batrachier- eier. Wie auch nicht anders zu erwarten war, dokumentierte sich diese Relation in allen unseren Versuchsreihen. Nur müssen, um ein klares Bild einer solchen Abhängigkeit zu erhalten, immer an- nähernd gleich grosse Portionen zum Vergleich herangezogen Experimentelles über Batrachierlaich. 199 werden. Ganz besonders instruktiv sind die Versuche am Kröten- laich A und K (vergl. Seite 195), sowie an Wasserfroscheiern aus- gefallen. Aber auch der Grasfroschlaich lieferte uns schöne Be- lege. So erhielten wir im Versuch G mit 33 bezw. 32 Eiern in jeder Portion (einige Tage nach dem Experiment) nach 23 Stunden Luftexposition 91%, nach 47 Stunden — 88°/o, nach 71 Stunden — 53% Larven. Im Versuch D wurden aus 24 bezw. 23 Eiern in jeder Gruppe nach 47 Stunden — 100°/,, nach 95 Stunden — 35 %/o Larven erzielt. Gerade im entgegengesetzten Sinne als die Verlängerung der Expositionszeit wirkt naturgemäss die Vergrösserung der Anzahl der Eier in jeder einzelnen Laichportion. Es leuchtet nämlich ohne weiteres ein, dass, da die kleinen Laichklumpen eine relativ grössere Fläche der Luft darbieten als die aus bedeutenderer Eier- zahl zusammengesetzten Laichportionen, jene auch rascher den schädigenden Einfluss der Austrocknung zu spüren bekommen. Um dies zu beweisen, dürfen freilich nur recht verschieden grosse Por- tionen miteinander verglichen werden, wenn nicht anders Gelegen- heitsfehler mitunterlaufen sollen. Im Versuch D mit dem Gras- froschlaich wurden sämtliche 16 Eier einer kleinen Portion nach 71 Stunden der Luftexposition nicht mehr entwicklungsfähig, wäh- rend aus einem Klumpen von 23 Eiern auch nach 95 Stunden der Austrocknung immer noch 35°/ Larven in einiger Zeit aus- schlüpften. Auch mag hier erwähnt werden, dass in der Ver- suchsreihe K nach 3 Stunden Trockenzeit in einigen Tagen die 2er Gruppen eines Krötenlaiches 50°/, Larven, die 10er Gruppen desselben Klumpens dagegen ganze 90°/, Larven lieferten. Erwähnenswert ist auch die voneinander deutlich abweichende Widerstandsfähigkeit verschiedener Embryonalstadien. Besonders markant kommt dies zum Vorschein beim Vergleich der Versuchsreihen G, C, F und E miteinander; sie alle wurden, wie bereits angegeben, unter ganz gleichen äusseren Bedingungen und zur selben Zeit an- gestellt, der einzige Unterschied bestand also im verschiedenen Alter der Ausgangsstadien. Besonders überzeugend ist der Ver- gleich der Resultate nach möglichst langer Expositionszeit, wobei wie immer nach Möglichkeit mehr oder weniger gleich grosse Laich- portionen zum Vergleich herangezogen werden müssen. Die an- geführte Tabelle mag zur Illustration der erwähnten Abhängigkeit dienen. Die Zahlen in den Spalten bedeuten den Prozentsatz der ausgeschlüpften Larven. 200 N. Lebedinsky und R. Menzel. | Versuch G | Versuch € Versuch F Ausgangsstadium | 8 Blastomeren | 8 Makromeren grosser Blastoporus | 72 8201 | Nach 71 St. Exposition : | 53 BI $ > 63 | 72 83 » 99 ” » : 20 | =) or! Ganz allgemein lässt sich der Satz aufstellen: Je älter die Entwicklungsstadien, desto grösser ihre Widerstandsfähigkeit gegen die Austrocknung. Für die auf dem Trockenen gelegten und erst nachträglich ins Wasser gebrachten Eier von Hyla arborea konnte Kammerer (1906) feststellen, dass ihre Entwicklung bedeutend langsamer ver- läuft als jene des von Anfang an ins Wasser gelangten Laiches. Das Ausschlüpfen „liess lange auf sich warten: die embryonale Entwicklung der auf dem Trockenen gelesten und befruchteten Eier beanspruchte 18 bis 20 Tage, wenn sie 72 Stunden nach Ver- lassen des mütterlichen Körpers im Wasser .... gehalten wurden. Also ein wesentlich späteres Ausschlüpfen gegenüber normalen Ver- hältnissen, unter denen es bereits innerhalb 11 bis 12 Tagen er- folgt!“ Unsere Erfahrungen mit Rana esculenta (vgl. Protokolle der Versuche L und N) bestätigen die obigen Angaben auf das deutlichste. Im Versuch L erhielten wir nach 1'/sstündiger Aus- trocknung aus 9 Eiern (3er Gruppen) nach ca. 7 Tagen die ersten 5 Larven und erst nach 8 Tagen 9 Larven, während die Kontroll- zucht bereits nach 6 Tagen 4 Larven, nach 8 Tagen alle 9 Larven enthielt. Noch lehrreicher ist der ebenfalls mit 3er Gruppen aus- geführte Versuch M. Nach dem 2stündigen Luftaufenthalt schlüpften hier in etwa 9 Tagen 33°/, Larven aus, während nach einer 31/2- stündigen Austrocknung in einem parallelen Versuch mit gleichem Ausgangsmaterial (Geschwister) in gleicher Frist nur 5°, Larven erzielt wurden. Nach 10 Tagen waren die entsprechenden Zahlen 78°/o und 19°, nach 11 Tagen — 100° und 86%, und erst 13 Tage nach der 3'/2stündigen Austrocknung wurden auch im Parallel- versuch 100°/o Larven konstatiert. Eine Verlängerung des Luft- aufenthaltes um nur 1'/s Stunden hat also in diesem Falle eine Verzögerung der Entwicklung um ganze 2 Tage zur Folge gehabr. Zum Schluss sei noch einer interessanten Tatsache Erwähnung getan. Es lässt sich nämlich auch an ganz kleinen Laichportionen der beiden von uns untersuchten Froscharten leicht feststellen, dass die Embryonalentwicklung während der Luftexposition rüstig 1) Vgl. die Beschreibung der Versuchsreihe C. Experimentelles über Batrachierlaich. 201 fortschreitet. In den bezüglichen Protokollen sind fast durchwegs die nach jeder Expositionszeit erreichten Stadien genau bezeichnet; darum beschränken wir uns hier auf einige kurze Angaben. So haben die im Stadium der 8 Makromeren dem Versuch unter- worfenen Eier von Rana temporaria (Versuch C) während der 95 Stunden Luftaufenthalt die Gastrulation durchgemacht und zeigten bereits einen kleinen Dotterpfropf. Im Versuch F wurde mit dem Stadium des soeben gebildeten Blastoporus begonnen und nach 95 Stunden grössere, mit Spinndrüsenanlagen versehene, seitlich ge- krümmte Embryonen erzielt. Im Versuch M endlich entwickelten sich die die erste Andeutung der Rusconi’schen Rinne aufweisenden Eier im Laufe der 17stündigen Austrocknung bis zum fortge- schrittenen Stadium der halbkreisförmigen Rusconi’schen Rinne. Ganz anders jedoch verhält sich diesbezüglich der Krötenlaich. Zu unserer nicht geringen Verwunderung konnten wir auch nach ca. 20stündigem Verweilen der Eischnüre (10er Gruppen) an der Luft (Versuch K) keine Veränderung des Ausgangsstadiums wahrnehmen — der Laich blieb auf der gleichen Entwicklungsstufe der ziem- lich weit fortgeschrittenen Furchung unentwegt stehen. Dessen- ungeachtet lieferte er, ins Wasser zurückgebracht, in einigen Tagen 78% Larven. Ein solcher während des Luftaufenthaltes ein- tretender Stillstand der Entwicklungsvorgänge scheint demnach keine schädigende Wirkung zur Folge zu haben. Ob dieses auf- fallende Verhalten des Krôtenlaiches als typisch anzuseben ist, möchten wir auf Grund unserer Versuchsreihe (die immerhin mit mehr als 150 Eiern in zahlreichen selbständigen Gruppen angestellt wurde) nicht endgültig entscheiden. Dazu wären bedeutend aus- führlichere Beobachtungen nötig. Fassen wir die Ergebnisse unserer kleinen Studie zusammen, so ergeben sich folgende Thesen: 1. Kleine Laichportionen unserer häufigsten Batrachier (ge- meine Kröte, Gras- und Teichfrosch) vermögen längere Zeit (20 bis 95 Stunden) an der Luft zu verweilen, ohne dass ihre Ent- wicklungsfähigkeit eine stärkere Einbusse erleidet. Daraus darf der Schluss gezogen werden, dass, wenn kleine Eiportionen an Beinen oder am Gefieder der „Wasservögel“ hängen bleiben, sie von diesen an stundenweit vom Laichort entfernt gelegene Wasser- ansammlungen vertragen werden können; dadurch wird die passive Verbreitung der betreffenden Spezies auch auf grosse Distanzen ermöglicht. 202 N. Lebedinsky und R. Menzel. 2. Hand in Hand mit der Verlängerung des Luftaufenthaltes nimmt die Entwicklungsfähigkeit des Laiches ab. 3. Die Widerstandsfähigkeit eines Laichklumpens gegen die Austrocknung ist direkt proportional seiner Grösse. 4. Je älter die Eier (Embryonalstadien), desto widerstands- fähiger sind sie. 5. Schon eine kurze Luftexposition verlangsamt die Embryonal- entwicklung, sowie das Ausschlüpfen der Larven. Protokolle. Die Angabe der Zahl der nach dem Aufenthalt an der Luft aus- geschlüpften Larven eines Versuches ist so zu verstehen, dass die mehr oder weniger ausgetrockneten Laichportionen noch längere Zeit im Wasser verblieben und sich dort bis zum Ausschlüpfen der Larven weiterent- wickelten. Die Zeitdauer bis zu diesem Moment war je nach dem Versuch eine verschiedene; sie braucht hier keine Berücksichtigung zu finden, da es uns hauptsächlich darauf ankam zu zeigen, dass die Eier sich nach einem Aufenthalt an der Luft überhaupt weiter entwickeln können. Während in den ersten Versuchen grössere Laichklumpen zur Ver- wendung kamen, suchten wir später, um der Fragestellung möglichst gerecht zu werden, nur wenige Eier der Austrocknung auszusetzen. Wenn in der Natur Anurenlaich von Wasservögeln etc. verschleppt werden kann, so geschieht es jedenfalls in geringen Portionen, die z.B. im Vogelgefieder hängen bleiben können. Ist in den Protokollen von 2er, 3er oder 4er Gruppen die Rede, so soll das heissen, dass in dem betreffenden Versuch verschiedene Portionen mit je 2, 3 oder 4 Eiern auf den Glasplatten dem Einfluss der atmosphärischen Luft ausgesetzt wurden. Den Laichklumpen, von welchem die Versuchsportionen abgetrennt wurden, liessen wir zur Kontrolle im Wasser sich weiter entwickeln. Da es sich dabei oft um sehr grosse Laichmassen handelte (einige hundert Eier), die im Vergleich mit den Versuchsportionen in den relativ viel kleineren Gefässen aufbewahrt wurden und also unter ungünstigeren Be- dingungen standen, dürfen diese Kontrollversuche nicht absolut als den natürlichen Verhältnissen entsprechend betrachtet werden. Es ist ihnen indessen auch keine zu grosse Bedeutung beizumessen, da jeweils die erste Portion einer Versuchsreihe (die ja nur kurze Zeit der Einwirkung des Austrocknens unterworfen wurde) als Kontrolle dienen kann. Die meteorologischen Daten erhielten wir von der hiesigen meteo- rologischen Anstalt. Wir begnügen uns mit den Angaben, die sich auf die 3 täglichen Notierungen von morgens 71/2, mittags 11/2 und abends 91/9 Uhr stützen. Neben der trockenen Lufttemperatur sind Windrichtung und Windstärke von einiger Wichtigkeit bei derartigen Versuchen. Die Zahl O bedeutet absolute Windstille, 1 = eine Windstärke, die gerade noch bemerkbar ist, 2 — starken Wind, 3 — annähernd Sturm. Wie en à Experimentelles über Batrachierlaich. 203 schon erwähnt, geben die angeführten Daten für unsere Experimente nur ein annähernd richtiges Bild. Die Bezeichnung des allgemeinen Witterungscharakters ist ohne weiteres verständlich. Versuchsreihe A. Bufo vulgaris. 11. V.1917. In jeder Portion ca. 100 Eier. Ausgangsstadium: Gastrulation; Rusconi’sche Rinne nur angedeutet bis halbkreisförmig. Beginn: 2% nach- mittags, 11. V. Am 15. V. alle Larven gezählt. Der Törnperatie 0 0 Windrichtung Witterungs- und Windstärke charakter | SV Le ap 15,80 E1 | bewölkt | 11/2 25,00 NE 1 à 91/2 19,510 SW 1 sternhell 12. V. 71 18,00 | El bewölkt 11/2 22 NEI 5 91/2 20,9 9 El sternhell Versuch a. 2 St. (2—4#% nachm.) an der Luft. Aus 97 Eiern 47 Larven — 4800. Versuch b. 4 St. (2%-— 64% nachm.) an der Luft. Aus 100 Eiern 36 Larven — 36 0/0. Versuch c. 9 St. 15 Min. (2% nachm. — 12% nachts) an der Luft. Aus 101 Eiern 2 Larven — 20). Versuch d. 17St. 45 Min. (2% nachm. 11. V.— 8% vorm. 12. V.) an der Luft. Aus 83 Eiern 1 Larve — 1,200. Versuch e. 24 St. 15 Min. (2% nachm. 11. V.— 3% nachm. 12. V.) an der Luft. Laich hart festgeklebt. Gallerte völlig ausgetrocknet. Die ganze Glasplatte ins Wasser gelegt, weil durch gewalitsames Ablösen alle Eier zerstört worden wären. Alle 151 Eier unentwickelt — 00/0. Versuchsreihe B. kana temporaria. 14. III. 18. In jeder Portion zahlreiche Eier. Ausgangsstadium: 4 Blastomeren. Beginn: 5° nachm., 14. II. Am 27. III. alle Larven gezählt. Kontrolle: Aus 524 Eiern 521 Larven — ca. 100 0/0. Versuch a. 11/28t. (5° —6:° nachm. 14. III.) an der Luft. Laich noch sehr beweglich. Aus 485 Eiern 475 Larven — 9800. Versuch b. 24 St. (5% nachm. 14. III. —5°° nachm, 15. III) an der Luft. Aus 239 Eiern 238 Larven — 9900, Versuch c. 4812 St. (5% nachm. 14. — 5% nachm.. 16. III.) an der Luft. Laich schon recht zähe geworden. Aus 138 Eiern 128 Larven — 920)o. Versuch d. 6612 St. (5% nachm. 14. — 11% vorm. 17. IIL) an der Luft. Aus 129 Eiern 118 Larven — 910). ; 204 N. Lebedinsky und R. Menzel. | Versuch e. 112 St. (5% nachm. 14. — 9% vorm. 19. IIL) an der Luft. Aus 62 Eiern 15 Larven — 240/o, L Windrichtung Witterungs- | Desepzeit Temperalne und Windstärke charakter | 14. III. 18 71/2 1,80 SE 1 bewölkt | 11/2 11.60 SE 1 Ä | Que 4,2 0 E’1 sternhell 15. II. 112 1,00 Bl bewölkt 11/2 1,00 EL Schneefall 91/2 1,89 Bl sternhell 16. TIL. Tilo — 0,60 SL hell 11/2 10,0 9 E 2 schön 91/2 5,69 SE 1 sternhell il, rene Ti . 0,80 SE hell 11/2 12,29 N 1 schön | 91/2 6,20 S 1 sternhell Versuchsreihe ©. Rana temporaria. 18. III. 1918. 1 In jeder Portion ca. 25—40 Eier. Ausgangsstadium: 8 Makromeren. | Beginn: 5% nachm. 18. III. Am 30. III. alle Larven gezählt. > au Windrichtung Witterungs- | 2 ze dope und Windstärke ar R. 18. III. 18 71/2 2,00 Sul schön 11/2 13,00 N1 2 91/2 7,0 9 Sol: mondhell HOTTE 11/2 DA O1) Sal bewölkt Ç 11/2 15,2 0 N 0 ; È 91/2 9,60 W 1 & ® 20. IM. Ti} 7,50 SW 2 Le N 11/2 8,60 SW 1 | 3 91/2 6,8 0 so } + 21. III. Tife 5,80 wi à & 11/a 11,00 W 0 E à Yu 6,5 0 W 0 mondhell x 22. II. 712 2,0 0 Sl neblig 11/2 10,8 wi bewölkt 91/2 8,80 E 0 à { Versuch a. 1612 St. (5% nachm. 18. — 9% vorm, 19, III.) an der | Luft. Erreichtes Stadium: zahlreiche Makromeren. Aus 27 Eiern 27 Larven — 100 0/o, N Experimentelles über Batrachierlaich. 205 Versuch b. 23 St. 15 Min. (5° nachm. 18. — 4% nachm. 19. III.) an der Luft. Erreichtes Stadium: Makromeren für blosses Auge bereits undeutlich. Aus 32 Eiern 21 Larven — 650). Versuch c. 401/ St. (5° nachm. 18. — 9% vorm. 20. ILL.) an der Luft, darunter 17 St. 15 Min. (415 nachm. 19. — 9% vorm. 20. IIL.) im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium: Mikromeren bei SX Ver- grösserung eben noch unterscheidbar. Aus 29 Eiern 26 Larven — 390)o. Versuch d. 47 St. (5% nachm. 18.— 4% nachm. 20. III.) an der Luft, darunter 17 St. 15. Min. (siehe Versuch c) im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium: Beginn der Gastrulation, erste Andeutung der Rusconi’schen Rinne. Aus 30 Eiern 25 Larven = 83 0/0. Versuch e. 65 St. (5% nachm. 18. — 10% vorm. 21. III.) an der Luft, darunter 35 St. 15. Min. (19. — 20. III. und 4% nachm. 20. — 10% vorm. 21. III.) im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium : Rusconi’sche Rinne sensen- bis halbkreisförmig. Aus 28 Eiern 22 Larven — 780%. Versuch f. 711 St. (d% nachm. 18. — 4% nachm. 21. III.) an der Luft, darunter 35 St. 15 Min. (siehe Versuch e) im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium: Rusconi’sche Rinne 3/4 bis ganz kreisförmig. Aus 44 Eiern 32 Larven — 72 0), Versuch g 88 St. 45 Min. (5% nachm. 18. — 9% vorm. 22. III) an der Luft, darunter 35 St. 15. Min. im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium: Rusconischer Kreis fast bei allen Eiern vollständig. Aus 33 Eiern 24 Larven — 72 0/0. Versuch h. 95!/ St. (5% nachm. 18. — 4°° nachm. 22. III.) an der Luft, darunter 35 St. 15 Min. im Aquarienzimmer, Erreichtes Stadium: Blastoporus ziemlich klein. Alle 26 Eier unentwickelt — 0 0/0. Versuchsreihe D. Rana temporaria. 18. III. 1918. In jeder Portion ca.15—40 Eier. Ausgangsstadium: Beginn der Gastru- lation, Rusconi’sche Rinne erst angedeutet bis 1/5 kreisförmig. Beginn: 5% nachm. 18. III. Am 30. III. 18 alle Larven gezählt. Über die Witterung vgl. Versuchsreihe C. Versuch a. 1642 St. (9% nachm. 18. — 9% vorm. 19. TH.) an. der Luft. Erreichtes Stadium: Rusconi’sche Rinne fast {/3 kreisförmig. Aus 99 Eiern 29 Larven — 1000), N Versuch b. 23 St. 15 Min. (5% nachm. 18.— 4% nachm. 19. III.) an der Luft. Erreichtes Stadium: Rusconi’sche Rinne halbkreisförmig. Aus 38 Eiern 36 Larven — 95 0/0. Versuch c. 401/2 St. (9° nachm. 18. — 9°% vorm. 20. ILI.) an der Luft, darunter 17 St. 15 Min. (415 nachm. 19. — 93° vorm. 20. III.) im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium: Rusconi’scher Kreis vollständig, bereits ziemlich klein. Aus 24 Eiern 24 Larven — 1000). Versuch d. 47 St. (5° nachm. 18. — 4% nachm. 20. III.) an der Luft, darunter 17 St. 15 Min. (siehe Versuch c) im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium: Blastoporus sehr klein. Aus 24 Eiern 24 Larven=1000/o, 206 N. Lebedinsky und R. Menzel. Versuch e. 65 St. (5% nachm. 18.—10% vorm. 21. IIL) an der Luft, darunter 35 St. 15 Min. (19.—20. III. und 4% nachm, 20. — 10% vorm. 21. III.) im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium: Dotterpfropf kaum sichtbar. Aus 27 Eiern 23 Larven — 850)o. Versuch f. 7112 St. (5% nachm. 18. — 43° nachm. 21. III.) an der Luft, darunter 35 St. 15 Min. (vergl. Versuch e) im Aquarienzimmer., Erreichtes Stadium: unverändert, wie e. Alle 16 Eier unentwickelt — 00/0. Versuch g. 88 St. 45 Min. (5% nachm. 18. — 94% vorm. 22. III) an der Luft, darunter 35 St. 15 Min. im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium: unverändert, wie e Alle 14 Eier unentwickelt — 0 0/0. Versuch h. 95 St. 30 Min. (5% nachm. 18. — 4% nachm. 22. IL.) an der Luft, darunter 35 St. 15. Min. im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium: Blastoporusschluss, Andeutung der Medullarrinne. Aus 23 Eiern 8 Larven — 3500. Versuchsreihe E. Rana temporaria. 18. III. 1918. In jeder Portion 10—30 Eier. Ausgangsstadium: Blastoporus recht klein. Beginn: 5% nachm. 18. III. Larven gezählt 28. III. 18. Über die Witterang vgl. Versuchsreihe ©. Versuch a. 16 St. 30 Min. (5% nachm. 18.— 9% vorm. 19. III.) an der Luft. Erreichtes Stadium: Blastoporus noch klein, wie im Aus- gangsstadium. Aus 29 Eiern 28 Larven — 9700. Versuch b. 23 St. 15 Min. (5% nachm. 18. — 41 nachm. 19. III.) an der Luft. Erreichtes Stadium: Blastoporus oval. Aus 27 Eiern 25 Larven — 93 0. Versuch c. 40 St. 30 Min. (5° nachm. 18. — 93° vorm. 20. III.) an der Luft, darunter 17 St. 15 Min. (415 nachm. 19. — 9°° vorm, 20. III.) im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium: spaltenförmiger Blastoporus beinahe verschlossen, Embryonalanlage mit der Medullarrinne deutlich sichtbar. Aus 17 Eiern 15 Larven — 880)o. Versuch d. 47 St. (5% nachm. 18.— 4% nachm. 20. Ill.) an der Luft, darunter 17 St. 15 Min. (vgl. Versuch c) im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium: Medullarwülste schwach erhoben. Aus 17 Eiern 11 Larven — 6500. Versuch e. 65 St. (5% nachm. 18.— 10% vorm. 21. III.) an der Luft, darunter 35 St. 15. Min. (19.— 20. III. und 4% nachm. 20. — 10% vorm. 21. III.) im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium: Beginn der Längsstreckung des Embryo, Medullarwülste einander berührend, nur die Hirnplatte offen. Aus 24 Eiern 19 Larven — 7000. Versuch f. 71 St. 30 Min. (5% nachm. 18. — 43° nachm. 21. III.) an der Luft, darunter 35 St. 15 Min. (vgl. Versuch e) im Aquarien- zimmer. Einige Eier durch Eintrocknung ganz deformiert, andere normal. Erreichtes Stadium: Medullarwülste im hinteren Körperabschnitt bereits miteinander verwachsen, in der Hirngegend nur ein weiter Spalt ge- blieben. Aus 14 Eiern 9 Larven — 64 0/0. Experimentelles über Batrachierlaich. 207 Versuch h. 95 St. 30 Min. (5° nachm. 18. — 4% nachm. 22. III.) an der Luft, darunter 35 St. 15 Min. im Aquarienzimmer. Einige Eier normal. ÆErreichtes Stadium: Kopfabschnitt deutlich abgesetzt, Andeutung der Schwanzknospe. Aus 11 Eiern 6 Larven — 55. Versuchsreihe F. Âana temporaria. 18. III. 1918. In jeder Portion ca. 15— 30 Eier. Ausgangsstadium: Grosser Blasto- porus, eben gebildet. Beginn: 5° nachm. 18. III. 1918. Larven gezählt 98. II. 18. Über die Witterung vgl. Versuchsreihe C. Versuch a. 16 St. 30 Min. (5° nachm. 18.— 9°° vorm. 19. III.) an der Luft. Erreichtes Stadium: kleiner Blastoporus. Aus 32 Eiern 31 Larven = 970), Versuch b. 23 St. 15 Min. (5% nachm. 18. — 415 nachm. 19. III.) an der Luft. Erreichtes Stadium: Blastoporus sehr klein. Aus 27 Eiern 25 Larven — 95 0)o. Versuch c. 40 St. 30 Min. (5% nachm. 18. — 95% vorm. 20. III.) an der Luft, darunter 17 St. 15 Min. (41° nachm. 19. — 93° vorm. 20. III.) im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium: Blastoporus oval, Medullarrinne -und Medullarwülste deutlich sichtbar. Aus 35 Eiern 33 Larven — 940)o, Versuch d. 47 St. (5% nachm. 18. — 4% nachm. 20. III.) an der Luft, darunter 17 St. 15 Min. (vgl. Versuch c) im Adquarienzimmer. Erreichtes Stadium: Medullarwülste etwas höher geworden. Aus 25 Eiern 24 Larven — 960. Versuch e. 65 St. (5° nachm. 18. — 10% vorm. 21. III.) an der Luft, darunter 35 St. 15 Min. (19.— 20. III. und 4% nachm. 20. — 10% vorm. 11. III.) im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium: Beginn der Längsstreckung des Embryo, Medullarwülste einander beinahe berührend, Medullarrinne nur noch im Hirnabschnitt deutlich offen. Einige Eier weniger weit. Aus 24 Eiern 23 Larven — 860, Versuch f. 71 St. 30 Min. (5° nachm. 18. — 4°° nachm. 21. III.) an der Luft, darunter 35 St. 15 Min. (vgl. Versuch e) im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium: Medullarwülste im hintern Körperabschnitt mit- einander verwachsen, in der Hirngegend einander berührend. Einige Eier weniger weit. Aus 22 Eiern 18 Larven — 820). Versuch g. 88 St. 45 Min. (5% nachm. 18. — 9% vorm. 22. III.) an der Luft, darunter 35 St. 15 Min. im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium: Kopfabschnitt deutlich abgesetzt, Schwanzknospe und Spinn- drüsen angedeutet, Rückenkrümmung deutlich ausgeprägt. Aus 18 Eiern 15 Larven — 83 0/0. Versuch h. 95 St. 30 Min. (5° nachm. 18. — 4% nachm. 22. III.) an der Luft, darunter 35 St. 15 Min. im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium: Embryonen bedeutend länger, einige seitlich gekrümmt; Spinn- drüsenanlagen deutlicher. Aus 14 Eiern 8 Larven — 570)o, 208 N. Lebedinsky und R. Menzel. Versuchsreihe G. Aana temporaria. 18. III. 1918. In jeder Portion 15—40 Eier. Ausgangsstadium: 8 Blastomeren. Beginn: 5% nachm. 18. II. Am 30, III. alle Larven gezählt. Über die Witterung vgl. Versuchsreihe C. Versuch a. 16 St. 30 Min. (5% nachm. 18. — 9% vorm. 19. II.) an der Luft. Erreichtes Stadium: Furchung, auch Mikromeren mit blossem Auge noch sichtbar. Aus 23 Eiern 23 Larven — 1000, Versuch b. 23 St. 15 Min. (5% nachm. 18. — 41° nachm. 19. IT) an der Duft. Erreichtes Stadium: Blastula mit noch deutlich sichtbaren Makromeren. Aus 33 Eiern 30 Larven — 910. Versuch c. 40 St. 30 Min. (5% nachm. 18. — 9°° vorm. 20. III.) an der Luft, darunter 17 St. 15 Min. (41° nachm. 19. — 93° vorm. 20. ILL.) im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium: Mikromeren bei Sfacher Ver- grösserung, Makromeren von blossem Auge nicht mehr zu unterscheiden. Aus 38 Eiern 36 Larven — 950. Versuch d. 47 St. (5° nachm. 18.— 400 nachm. 20. III.) an der Luft, darunter 17 St. 15 Min. (vgl. Versuch c) im Adquarienzimmer. Erreichtes Stadium: Makromeren sehr klein. Aus 33 Eiern 29 Larven = 880/0. Versuch e: 65 St. (5° nachm. 18. — 10% vorm. 21. III.) an der | Luft, darunter 35 St. 15 Min. (19.—20. III. und 4° nachm. 20. — 1000 vorm, 21. IT.) im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium: halbkreisförmige Rusconi’sche Rinne. Aus 19 Eiern 15 Larven — 680). Versuch f. 71 St. 30 Min. (5% nachm. 18. — 4% nachm. 21. III) an der Luft, darunter 35 St. 15 Min. (vgl. Versuch e) im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium: Rusconi’scher Kreis beinahe vollständig. Aus 32 Eiern 17 Larven — 5300. Versuch g. 88 St. 45 Min. (5° nachm. 18.— 9° vorm. 22. II) an der Luft, darunter 35 St. 15 Min. im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium: Rusconi’scher Kreis eben gebildet, Blastoporus also noch sehr weit. Aus 32 Eiern 20 Larven — 63). Versuch h. 95 St. 30 Min. (5° nachm. 18. — 4°° nachm. 22. III.) an der Luft, darunter 35 St. 15 Min. im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium: Blastoporus mittelgross. Aus 15 Eiern 3 Larven — 200). Versuchsreihe H. Xana temporaria. 18. III. 1918. In jeder Portion 6—17 Eier. Ausgangsstadium: unmittelbar vor dem Auftreten der Rusconi’schen Rinne. Beginn: 5° nachm. 18. III. Über die Witterung vgl. Versuchsreihe C. Kontrolle: Aus 1229 Eiern 869 Larven — 710)o. Versuch a. 16 St. 30 Min. (5° nachm. 18. — 9% vorm. 19. III.) an der Luft. Erreichtes Stadium: Beginn der Gastrulation, Rusconi’sche Rinne erst angedeutet. Aus 14 Eiern 7 Larven — 500. Experimentelles über Batrachierlaich. 209 Versuch b. 23 St. 15 Min. (5% nachm. 18. — 415 nachm. 19, III.) an der Luft. Erreichtes Stadium: Rusconi’sche Rinne etwas grösser. Aus 16 Eiern 7 Larven — 440/o. Versuch c. 40 St. 30 Min, (5° nachm. 18.— 95% vorm. 20. III.) an der Luft, darunter 17 St. 15 Min. (41° nachm. 19.— 93° vorm. 20, III.) - im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium: Rusconi'sche Rinne halbkreis- förmig. Aus 17 Eiern 11 Larven — 6500, Versuch d. 47St. (5% nachm. 18.— 4% nachm. 20. ILL.) an der Luft, darunter 17 St. 15 Min. (vgl. Versuch c) im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium: auf dem Ausgangsstadium stehen geblieben.?) Aus 11 Eiern 2 Larven — 1800. Versuch e. 65 St. (5° nachm. 18. — 10% vorm. 21. III.) an der Luft, darunter 35 St. 15 Min. (19.— 20. III. und 4% nachm. 20. — 10% vorm, 21. III.) im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium: Blastoporus bereits ziemlich klein. Aus 14 Eiern 6 Larven — 430)o. Versuch f. 71 St. 30 Min. (5° nachm. 18. — 4°° nachm. 21. III.) an der Luft, darunter 35 St. 15 Min. (vgl. Versuche) im Aquarienzimmer. Erreichtes Stadium: Blastoporus oval. Aus 12 Eiern 4 Larven — 330/0, Versuch h. 95 St. 30 Min. (5% nachm. 18. — 4% nachm. 22. IIL.) an der Luft, darunter 35 St. 15 Min. im Aquarienzimmer. Aus 6 Eiern 1 Larve — 17%. Versuchsreihe J. ARana temporaria. 25. III. 1918. In jeder Portion 10—20 Eier. Ausgangsstadium: wohl entwickelte Embryonen; Kiemenspalten, Schwanzknospe, Spinndrüsen deutlich unter- scheidbar. Beginn: 10% vorm. 25. Ill. Eier aus dem gleichen Eiklumpen wie in Versuch E. ae Dernperatur Windrichtung Witterungs- = und Windstärke charakter 25. III. 18 a 4,40 EL neblig 11/2 16,80 Wet bewölkt 91/2 855,0 W 1 4 26. III. 7 2,00 NW 1 5 an 5,4 0 N 35 ; 91/2 1,5% HAT 5 25 St. (93° vorm. 25. III. — 10% vorm, 26. III.) an der Luft. Die meisten Portionen am Rande vollständig eingetrocknet. Von einer Portion, bei der die Gallerte noch weich war, 3 Eier ins Wasser gelegt. Am 2. IV. schlüpften daraus 3 wohlentwickelte Kiemenlarven. 2) Für dieses auffallende Verhalten fehlt uns eine Erklärung. 14 210 N. Lebedinsky und R. Menzel. Versuchsreihe K. Dufo vulgaris. 24. IV. 1918. In jeder Portion 2 oder ca. 10 Eier. Ausgangsstadium für beide Reihen (für 27 und 10er Gruppen): ziemlich weit fortgeschrittene Fur- chung, Mikromeren bei 8 facher Vergrösserung jedoch noch deutlich sichtbar. Beginn: 3% nachm. 24. IV. Nach der Luftexposition kein Entwicklungsfortschritt bemerkbar. Larven gezählt 2. V. 1918. Be nb | Windrichtung Witterungs- 2 | und Windstärke charakter 24. IV. 18 Ag 6,29 | wi regnerisch | 11/2 Set | NW 1 bewölkt 9112 6,20 SITE mondhell 25. IV. 2ıja 2,90 | SE 1 bewölkt 11/2 14,40 |- EX # 91/2 142010 | S 0 mondhell * 26. IV. 71/3 6,80 | EL schön 142 ITA Ei bewölkt 91/2 11,0 9° | Sal schön Versuch a. 3 St. (3% nachm. — 6% nachm. 24. IV.) an der Luft. 2er Gruppen: aus 24 Eiern 12 Larven — 500/o; 10er Gruppen: aus 21 Eiern 19 Larven — 9000. Versuch b. 19 St. (3% nachm. 24. — 10% vorm. 25. IV.) au der Luft. 10er Gruppen: aus 45 Eiern 35 Larven — 780). Versuch c. 27 St. (3% nachm. 24. — 6° nachm. 25. IV.) an der Luft. 10er Gruppen: aus 70 Eiern 9 Larven — 130). Versuch d. 43 St. (3% nachm. 24. — 10% vorm. 26. IV.) an der Luft. 10er Gruppen: aus ca. 40 Eiern keine Larve — 00%. Versuchsreihe L. Rana esculenta. 23. V. 1918. In jeder Portion 3 Eier. Ausgangsstadium: Medullarwülste deutlich. Beginn: 2# nachm. 23. V. 18. re ne | Windrichtung Witterungs- 7 und Windstärke charakter = | | 2RE NES] 71/2 17,00 Bl schön 11/2 25.60 W 1 bewölkt 91/2 19,20 w2 5 Kontrolle, Aus 9 Eiern 9 Larven — 100 0/0. Versuch. 1 St. 30 Min. an der Luft. Aus 9 Eiern 9 Larven = 100 0/0. Die nachfolgende Tabelle möge über den Einfluss auch dieser kurzen Luftexposition auf die Zeit des Ausschlüpfens orientieren. Experimentelles über Batrachierlaich. 211 Datum der Zählung: 9% vorm..29. V. 8% vorm. 30. V. 9% vorm. 31. V. Kontrolle: 4 Larven 9 Larven 9 Larven Versuch : One D, GE Versuchsreihe M. Rana esculenta. 13. VI. 1918. In jeder Portion 3 bzw. 15 Eier. Ausgangsstadium: Beginn der Gastrulation (erste Andeutung der Rusconi’schen Rinne). Beginn: 3% nachm. 15. VI. 18. Larven gezählt 24. VI. | L Windrichtung Witterungs- | Teseszeil an und Windstärke charakter 13. VI. 18 11/2 12,80 SW 1 bewölkt 11/2 20,20 NW 1 Fi | 91e 17,09 S 0 sternhell 14. VI. 11/2 14,80 SE 1 schön 11/2 24,40 W 1 a 91/2 19160 SL sternhell 15. VI. 71/2 15,80 Pi bewölkt | 11/2 20,20 Wi u 91/2 15,68 Wi 5 Versuch a. 2 St. (3% nachm. — 5% nachm. 13. VI.) an der Luft. 3° Gruppen. Erreichtes Stadium: Rusconi’sche Rinne etwas länger ge- worden. Aus 9 Eiern 9 Larven — 1000/o. Versuch b. 3 St. 30 Min. (3° nachm. — 63° nachm. 13. VI.) an der Luft. 3er Gruppen. Erreichtes Stadium: wie in Versuch a. Aus 21 Eiern 21 Larven — 1000, Versuch c. 5 St. 15 Min. (3% nachm. — 8!° nachm. 13. VI.) an der Luft. 3er Gruppen. Erreichtes Stadium: wie in Versuch a Eier ziemlich stark eingetrocknet. Aus 12 Eiern 12 Larven — 1000/0. 15er Gruppen: Rusconi’sche Rinne 15; kreisförmig. Aus 15 Eiern 15 Larven — 10000. Versuch d. 17 St. 30-Min. (3% nachm. 13. — 8% vorm, 14 VI.) an der Luft. 15° Gruppen. Erreichtes Stadium: Gastrulation weit fortge- schritten, Rusconi’sche Rinne 1} bis ®ı kreisförmig Die Gruppen am Rande ziemlich eingetrocknet, Gallerte in der Mitte noch beweglich. 5 Eier fixiert. Aus den übrigen 25 Eiern 20 Larven — 800). Die nachfolgende Tabelle kann zur Illustration des Einflusses der Luftexposition auf den Zeitpunkt des Ausschlüpfens dienen. Diese An- gaben beziehen sich auf die Versuche a und b (s. oben), also auf 3er Gruppen. Die angeführten Zahlen beziehen sich auf die ausgeschlüpften Larven. Datum der Zählung N. Lebedinsky und R. Menzel. 8% vorm. [60 nachm, 5% nachm. 6° nachm.|60 nachm. 26. VI 22. NT. ZEN. 29: VE DANN 25. NI. ERBEN Versuch a (2 St. an der Bufe) 2. 02 2200.18 3390.70 182/03 10090 Versuch b (3 St. 30 Min. an der Luft) | 1= 5°o | 1= 5%0| 4=19%o 18 =86 %o 20=950/0 21 = 100% Versuchsreihe N. ARana esculenta. 14. VI. 1918. Portionen zu je 3, 4 oder 5 Eiern. Ausgangsstadium: Blastoporus bereits spaltenförmig. Beginn: 6% nachm. 14. VI. Larven gezählt 24. VI. 14 St. 30 Min. (69 nachm. 14, — 8% vorm. 15. VI) an der Luft. Erreichtes Stadium: Medullarwülste sehr hoch, nahe aneinander gerückt. Aus 24 Eiern 24 Larven — 100 0/0. 1866. 1868. 1875. 1877. 1878. 1885. 1897. 1898. 1900. 1906. 1907. 1907. 1910. 1914. Literatur. Bert, P. Recherches experimentales pour servir à l’histoire de la vitalité propre des tissus animaux. Thèse Fac. sc. Paris, p. 95. (Zitiert nach Loisel.) Bert, P. Sur le développement à l’air libre des œufs de grenouille. C. R. Soc. Biol., séance du 28 mars, p. 23—24. de l'Isle du Drenauf, A. Mémoire sur l’Alyte accoucheur. Ann, sc. nat. (Zitiert nach P. Kammerer 1906.) Lataste, F. Quelques observations sur les tetards des batraciens anoures. Bull. Soc. Zool. France. II. vol., p. 281. (Zitiert nach P. Kammerer, 1906). Heron-Royer. Recherches sur la fécondité des batraciens anoures Alytes obstetricans, Hyla viridis et sur la fécondation des œufs du Bufo vulgaris dans l’obscurité. Bull. Soc. Zool. France, 3e vol. Fischer-Sigwart, H. Die Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans). Die Natur, Organ des Deutschen Humboldt-Vereins. 34. Jahrg. Dürigen, B. Deutschlands Amphibien und Reptilien. Brauer, A. Ein neuer Fall von Brutpflege bei Fröschen. Zool. Jahrb., Abt. f. System. Bd. 12. Loisel, G. La défense de l’œuf. Journ. Anat. et Physiol. norm. et pathol. de l’homme et des animaux. T. 56. Kammerer, P. Experimentelle Veränderungen der Fortpflanzungstätigkeit bei Geburtshelferkrôte (Alytes obstetricans) und Laubfrosch (Hyla arborea). Arch. Entw. Mech. Bd. 22, p. 48. Kammerer, P. Ueber. Schlammkulturen. Arch. f. Hydrobiol. und Plankton- kunde, Bd. 2, p. 500—526. Maas, 0. Lebensbedinsungen und Verbreitung der Tiere. Leipzig. Lampert, K. Das Leben der Binnengewässer. Zweite Aufl. Leipzig. Doflein. F. Das Tier als Glied des Naturganzen. In: Hesse-Doflein, Tierbau und Tierleben, Il. Bd., Leipzig, B. G. Teubner. Basel, Zoologische Anstalt, 6. Januar 1919. Manuskript eingegangen 15. Januar 1919. Ueber Neben- und Zwischenformen bei Lycaeniden. Von L. Courvoisier +. Zur Einführung. Im Jahre 1917 veröffentlichte Prof. Dr. L. G. Courvoisier eine Studie über Nebenformen, Rassen und Zwischenformen der Lycaeniden,!) worin er die Schwierigkeiten in der Unterscheidung von Varietäten von den Aberrationen darlegte und nachwies, dass auch durch die experimentelle Forschung (Standfuss, Kathariner, Linden) die Frage nach der Entstehung der Varietäten nur zum kleinsten Teil gelöst wurde. Es zeigt sich nämlich, dass vielfach die verschiedenen Formen durch zahlreiche Uebergänge miteinander verbunden sind; dies gilt besonders für den Sexual-Dichroismus und den Saison-Dimorphismus. Der Sexual-Dichroismus ist bei verschiedenen Arten verschieden stark ausgebildet und erweckt oft den Eindruck, als ob die betreffende Art in verschiedene Rassen zerfalle, indem beispielsweise bei der gleichen Art in bestimmten Gegenden blaue, in andern Gegenden braune vorherrschen. Viel weniger scharf ist der Saison-Dimorphismus ausgeprägt, indem zwischen der Winter- und der Sommerform zahlreiche Uebergänge vorkommen und zudem bei vielen Arten beide Formen zu gleicher Zeit neben einander fliegen. Daraus geht hervor, dass der Saison- Dimorphismus nicht durch die klimatischen oder durch die Futter- verhältnisse erklärt werden kann. Viel schärfer ausgeprägt sind oft die Orts-, Lokal- und geographischen Rassen, die vielfach nicht durch Zwischenformen verbunden sind. Sie können vorkommen auf eng umschriebenen Gebieten z.B. Inseln, die dann als Schö- pfungszentren aufgefasst werden dürfen. Die gleiche Form kann aber auch in zwei weit auseinander liegenden Gebieten vorkommen; solche Formen dürfen als Reliktenformen aufgefasst werden, z. B. als Glacialrelikt, wenn die Form im Norden und in den Alpen auftritt. Vielfach müssen frühere Landverbindungen zur Erklärung solcher 1) Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel 1917, Band XXVIII pag. 265 214 L. Courvoisier. getrennter Verbreitungsgebiete angenommen werden. Liegen die beiden Gebiete auf dem gleichen Kontinent, so kann die Erklärung in weiten Flugreisen, wie solche verschiedenen Arten bekannt sind, gesucht werden. Anderseits kommen aber bei bestimmten Arten die gleichen Formen in so weit auseinander liegenden Gegenden vor, dass wir ihre Entstehung nicht aus einer einzigen Stammform, sondern aus mehreren annehmen müssen. Ferner lassen sich sogar Ortsformen (z. B. Ebenen-, Hügel-, Bergformen) unterscheiden, ihre Abgrenzung hat aber nur dann Berechtigung, wenn sie allein in einer Gegend vorkommt. Es ist daher unstatthaft, auf Grund einer geringen Zahl von Individuen solche aufzustellen und zu benennen, wie es von Fruhstorfer, Verity und von andern geschieht. Am 8.April 1918 ist Herr Prof. Courvoisier einer Lungen- entzündung erlegen,?) im Nachlass aber fand sich das nicht ganz vollendete Manuskript einer weitern Arbeit über Neben-und Zwi- schenformen bei Lycaeniden. Von 14 Arten werden die bisher aufgestellten Formen einer kritischen Durchsicht unterzogen und die einer genauen Untersuchung standhaltenden Formen von denjenigen ’ unterschieden, die nur auf Grund weniger Exemplare aufgestellt worden sind, oder die nur Uebergangsformen zwischen zwei Ex- tremen darstellen. Von drei Arten lagen nur wenige und unge- nügende Notizen vor, sodass sie bei der Drucklegung des Manu- skriptes nicht berücksichtigt werden konnten. (L. Paravicini, Arlesheim.) Beschreibung der einzelnen Arten. 1. Everes alcetas Hübner 1805 (false coretas Ochsenheimer 1803). Hier sei zunächst bemerkt, dass dies der einzig richtige Name ist für jenen geschwänzten Bläuling, der seit hundert Jahren allgemein als verarmte Form von argiades aufgefasst worden ist und noch vielfach heute als coretas Ochs. bezeichnet, aber auch mit polysperchon Bgstr. verwechselt wird. Exemplare von argiades und zumal von polysperchon, welche unten am Hinterflügelrand ohne rötliche Randmonde, oft auch ohne Metallaugen sind, giebt es allerdings. Solche mögen coretas Ochs. heissen. Sie dürfen aber nicht zusammengeworfen werden mit dem von Hübner auf Hoffmannseggs Rat als „alcetas* benannten und (Europ. Schmttlge. F. 319-321) abgebildeten Falter, den ich schon 1910 als eigentüm- liche Form hingestellt habe, jetzt aber, nach gründlichem Studium, gestützt auf viele Exemplare der verschiedensten Herkunft, mit Tutt, Chapmann und Oberlhür, und im Gegensatz zu den meisten andern neueren Autoren. unbedingt für eine eigene Art halte. Die Färbung von g' und 9, der Flügelschnitt, die Zeichnung der Unterseite, laut Chapman auch die g' Genitalien weichen von denjenigen des Argiades deutlich ab. Die Bilder von Hübner, Meigen, Gerhard, besonders 2) Näheres über seinen Lebensgang und seine Forschungen, auch die- jenigen auf entomologischem Gebiete, mag dem von Dr. Albert Lotz verfassten Nekrolog (S. 29. dieses Bandes) entnommen werden. Ueber Neben- und Zwischenformen bei Lycaeniden. 215 aber die wundervollen bei Oberthür (1909. T. 20. F. 75. 76) lassen darüber keinen Zweifel aufkommen. Am klarsten müssen die Unterschiede jedem werden, der grosse Serien beider Arten neben einander vergleicht. Alcetas bewohnt das südliche Europa, von den Pyrenäen an durch Südfrankreich. Wallis, Italien, die südlichen österreichischen Provinzen, Ungarn, Südrussland bis in den Ural, und zwar neben argiades! Nur scheinen dem alcelas Metallaugen auf der Unterseite der Hinterflügel zu fehlen; wenigstens habe ich solche bei Dutzen- den von Stücken aus dem Wallis, wie aus andern Gegenden, auch mit der Lupe nie entdecken können. Unrichtig ist es dagegen, wenn allgemein (auch von dem sonst so genauen Tuit) das Auf treten roter Randmonde geleugnet wird; solche finden sich schon bei Gerhard abgebildet; und zwei Kroatische d'S und ein 8 meiner Sammlung zeigen dieselben ganz deutlich in der Zweizahl. Zum Alcetas gehört nun erstlich die von Staudinger benannte Form decolorata der südöstlichen österreichischen Länder, Ungarns etc. mit ihrer trüberen, grau oder grünlich überstäubten Oberseite. Sie tritt in zwei Generationen auf, stellt also nicht, wie gelegentlich angegeben wird, bloss die Frühbrut von alceias dar. Herr Arnost- Grund in Agram hatte davon die erste Generation vernalis getauft, schrieb mir aber unlängst, er ziehe den Namen zurück, da sich die Form nur durch Kleinheit von der Sommerform unterscheide. Auftallender Weise erhielt ich aber gerade von ihm einen im April gefangenen 9’, der an Grösse die meisten meiner übrigen, auch der Sommerexemplare übertrifft. Somit scheint irgend ein durchgrei- fender Unterschied zwischen beiden Generationen überhaupt nicht zu bestehen. Weiter ist die von Hirschke benannte, unten fast augenlose Form depuncta eine Aberration nicht, wie er angab, von argiades, sondern von alcelas. Das ergibt sich aus seinen eigenen schönen Abbildungen und aus den mir von ihm und von anderer Seite gelie- ferten Stücken mit völliger Sicherheit. Eine solche Verarmung dürfte wohl in beiden Generationen so gut vorkommen, wiein den beiden des verwandten argiades. 2. Lycaena argus L. 1758 (aegon Schiffermüller). Durch die neuesten Umtersuchung der Linné’schen Originale in London durch Verity ist jetzt die Priorität des Namens ,argus L* von dem früheren „aegon Schiff“ sicher festgestellt. Vgl. meine Mitteilung Intern. Entom. Ztschr. Gub. 1913. No. 17. Diese Spezies liefert im wärmeren Flach- und Hügelland zwei Generationen, deren erste um Basel schon Ende April, mehr im Mai fliegt, während die zweite vom Juli an auftritt. Bei meinen mehr als 200 Sc beider Bruten habe ich nun keinerlei morpho- 216 L. Courvoisier. logische Unterschiede erkennen können; ebenso wenig bei mehr. als 100 gewöhnlichen braunen ©9, von welchen jederseits neben einander fast einfarbige, wie solche mit lebhaften rotgelben Rand- monden auf den Flügeln beobachtet werden. Auch kann ich nicht finden, dass in dieser Hinsicht 22 verschiedener Herkunft sich typisch unterschieden. Vielleicht verhält es sich aber anders bei den äusserst seltenen blauen ©9 (f. /eodorus Esp.), deren Vorkommen Meyer-Dür leugnete, während Christ sie 1878 aus Basels Umgebung erwähnte. Ich habe solche am Vierwaldstättersee im Juli und August 1903 und 1904 in Anzahl erbeutet, allerdings neben einfach braunen, während ich dort im Frühling immer nur braune sah. Auch vom Simplon besitze ich ein Sommerexemplar. Es ist nun möglich, aber nicht sicher, dass die Blaufärbung hier eine Eigen- tümlichkeit der Sommerbrut ist. Nebenformen von argus sind in ziemlicher Anzahl beschrieben worden. Über die meisten derselben habe ich mich namentlich in der Internationalen Entomologischen Zeitschrift, Guben 1912 und 1913 ausgesprochen; einige neue habe ich in meinen „Ent- deckungsreisen“ 1910, in der Iris 1911, p. 103, in der Internatio- nalen Entomologischen Zeitschrift, Guben 1912 No. 36-37 und in den Entomologischen Mitteilungen 1913 No. 10) benannt. Von allen diesen kann die Inselform corsica Bettier als die verhältnismässig typischste gelten. Sie zeigt keine schwarzen Ocellen; vielmehr sind diese jeweilen von der Grundfarbe des Diskus, beim d'grau, beim © braun und von der Umgebung durch breite weisse Ringe getrennt. Schon weniger abgegrenzt erscheint die andalu- sische, beidseits sehr helle hypochiona Rambur; nicht nur sind ihr sehr nahestehende Stücke in den Ostpyrenäen, den Seealpen, in Dalmatien, Griechenland, Südrussland gefunden worden, sondern es gibt auch zwischen ihr und der gewöhnlichen Stammform alle Über- gänge, deren einer, lidiados Frustorfer, mit hellblauen Ober- und oft schneeweisser Unterseite, in den Seealpen und an der Riviera, im Wallis, in Italien etc. vorkommt. Zur Amypochiona gehört auch offenbar casaiacus Chapman (1907), mit rötlichen Randmonden auf dem Hinterflügel des J’, die freilich selten so grell sind, wie sie der Autor abgebildet hat. Im Sinn einer Verdunkelung der Oberseite verändert sind: die von mir benannte und wiederholt beschriebene alpina, klein mit auffallend breiten, einwärts scharf begrenztem Flügelsaum, mit deut- lichem Mittelmond der Vorderflügel, unten von der Stammform nicht abweichend; eine durch die Centralalpen verbreitete Form; sodann die kürzlich (Entomol. Mittlg. 1913 No. 10) von mir auf- gestellte sehr grosse, sehr breit schwarzrandige, unten fast weisse, Ueber Neben- und Zwischenformen bei Lycaeniden. 217 mit leuchtender roter Hinterrandsbinde gezierte carinthiaca aus Kärnten, Kroatien, Herzegowina etc.; endlich die fast vergessene, 1883 von Christ beschriebene, oben schwärzliche, nur blau gestreifte Killiasii vom Unterengadin, die ich mehrfach vom Gardasee besitze. Oben normal, unten dunkelgrau, mit russig überdeckten rotgelben Randmonden ist die von mir (in der Iris 1912. T. IL. F. 2.) abge- bildete nigrescens, die ich anfänglich für eine Lokalform des Süd- tirols zu halten geneigt war, jetzt aber auch von Wien und in einem Stück aus dem Wallis kenne. Oben und unten verdunkeit ist die Form cleomenes Frustorfer aus Kramm. Natürlich fehlen auch zwischen diesen verschiedenen Nebenformen und zwischen ihnen und der Stammform die Übergänge nicht, und man wird die erwähn- ten Namen höchstens für die am besten ausgeprägten Exemplare reservieren müssen. Stichel’s Vermutung, dass die argus der Wiener Gegend eine besonders kleine Lokalform darstellten, für welche der Schiffer- müllersche Name aegon verwendet werden könnte, trifft, wie ich in meiner „Erwiderung“ (diese Zeitschr. 1913 No. 13) nachgewiesen habe, nicht zu. Nicht nur die (wie ich dort mitteilte) von Haupt- mann Hirschke bezogenen zahlreichen Exemplare der nächsten Umgebung von Wien zeigten alle möglichen Grössen und gleich- zeitig ziemlich verschiedene Färbungen, sondern ebenso circa 60 seither von Bayer aus Fischamend unweit Wien erhaltene, unter welchen sehr stattliche Falter sind, mit Flügelspannungen bis zu 30 mm, Was die einzig durch rote Analflecke auf den Hinterflügeln des d von andern Argusexemplaren abweichende, nach einem arıne- nischen Stück von Herrich- Schäffer abgebildete Form bella betrifft, so ist sie offenbar nicht als Ortsrasse aufzufassen, sondern nur als rein individuelle Aberration, genau wie die Form rufomaculata, die Reverdin vom Simplon in einem J erhielt, oder wie die Form calabrica Turati. Dass sie in Armenien gerade so selten sein muss wie irgendwo in Europa, darf ich deshalb annehmen, weil es mir trotz allen darauf gerichteten Bemühungen noch nie gelungen ist, von dorther ein typisches Exemplar zu erhalten; ferner darum, weil, was ich bisher von armenischen urgus gesehen habe, in nichts von europäischen abweicht. Ubrigens hebt schon Herrich-Schäffer selber die Übereinstimmung mit den gewöhnlichen argus (aegon) aus- drücklich hervor; sogar die gleiche Beschaffenheit der Vorderbeine (womit er wohl dasVorhandensein der Tarsaldornen meint) erwähnt er. Nicht überflüssig mag es sein, hier nochmals mit allem Nach- druck darauf zu dringen, dass aegidion Meisner, der vollkommen verkehrt bisher allgemein in führenden Werken (mit Ausnahme DB L. Courvoisier. von Seitz), wie in Händler - Catalogen zu argyrognomen Bestr. . gestellt worden ist, endlich seinen richtigen Platz als Aberration von argus L erhalte. Er gehört zur Form a/pina m., von der er sich nur durch Fehlen der Metaliaugen unterscheidet. 3. Lycaena idas Linne 1761 (früher „argus L* onetorum, später argyrognomon Bergsträsser.) Dass der alte, von Linne selbst für das © dieser Spezies erteilte Name „Idas“ hier die Priorität hat, ist von Verity kürzlich sicher nachgewiesen worden, auf Grund genauer Untersuchung der Linne’schen Originalexemplare. Vgl. meine Mitteilung: Intern. Entom. Zeitschrift Guben 1913, No. 17. Auch idas ist im Allgemeinen zweibrutig; aber irgendwelche Saisonunterschiede habe ich weder bei der Stammform noch bei den Nebenformen finden können, trotzdem mir von ersterer und von manchen der letzteren ein reiches Material (ca. 300 SJ und über 200 99) zur Verfügung steht. So trifft man z. B. das schon von Linné beschriebene, von Bergsträsser teilweise für d gehaltene und je nach dem Grad seiner Blaufärbung mit vier verschiedenen Namen (argyrognomon, argyrocapelus, argyroela und argyrocopus) bedachte, von Staudinger überdies als callarga bezeichnete blaue © wohl überall zu jeder Jahreszeit neben dem braunen an, ebenso das dem Walliser Rhonetal anscheinend eigene © valesiaca Oberthür, das seine seltsame Blaufärbung vielleicht dem Umstand verdankt, dass (laut Mitteilung des verstorbenen Wullschlegel) seine Raupe auf Hippophaë weidet. Ob die grösste und edelste aller blauen © Formen, die (ebenfalls laut Wwullschlegel) an Astragalus excapus gebundene, deshalb von mir astragaliphaga genannte des Pfynwalds, in zwei Generationen erscheint, weiss ich nicht, da ich auf sie bisher nur im Mai, nie im hohen Sommer Jagd machen konnte. Sicher einbrutig ist dagegen nach meinen Beobachtungen die kleine Form argulus Frey, welche mit braunen, teils mehr oder weniger blauen 99 die subalpine bis alpine Region von den Pyre- näen bis mindestens ins Tirol bewohnt. Zwischen allen erwähnten blauen Varianten und den braunen ®® gibt es alle nur denkbaren Abstufungen. Von solchen könnte ich eine lange Reihe zusammenstellen, an deren einem Ende die rein braune, aller rötlichen Randmonde entbehrende, 1910 von mir als brunnea bezeichnete stünde, während das andere Ende von der rein blauen wunicolora Favre (1902) eingenommen würde. Was nun die Nebenformen der Spezies betrifft, so sind deren eine Menge mit mehr oder weniger Berechtigung aufgestellt worden. Ich beschränke mich hier auf einige typische europäische, von denen ich genügendes, zum Teil reiches Material besitze, und nenne zu- Du. Ueber Neben- und Zwischenformen bei Lycaeniden. 219 erst nochmals argulus Frey. (Der Name ist vom Autor im Beginn seiner Beschreibung zunächst für das blaue © dieser Form gegeben worden; aber am Schluss schildert er auch dessen d, so dass der Name für beide Geschlechter gelten muss. Ob die Form alpina Berce 1867 als synonym gelten darf, in welchem Fall dieser Name den Vorrang hätte, ist mir zweifelhaft, weil die Beschreibung anders lautet, als diejenige von Frey.) Argulus, wie erwähnt alpi- ner Natur, ist klein, der J trüber blau als die Stammform; beide Geschlechter sind unten graugelblich, meist mit kleinen Ocellen. Von Identität mit dem zu argus gehörigen aegidion Meisner ist keine Rede. Trotzdem wird sie von fast allen modernen Autoren behauptet. Es wäre aber endlich an der Zeit, mit diesem Irrtum aufzuräumen. Ebenfalls klein, der d’ oben etwas dunkelblau, unten fast weiss, das © teils braun, teils blau, unten hellgelb, beide Geschlechter mit sehr grossen, oft viereckigen Ocellen — so präsentiert sich die erst kürzlich (Ent. Zeitschrift Guben 1913 No. 19) von Grund beschriebene, vorläufig nur aus seiner Heimat und aus Dalmatien bekannte, in zwei Generationen auftretende Form eroatica. Zwei durchschnittlich grosse Formen sind: erstlich die von mir im Mai und im September gefangene ligurica m., von den Ufern des Luganersees, aber vermutlich auch anderswo vorkommend. Der J’ ist dunkelblau, breit schwarzrandig, längst der Hinterflügel- ränder oft mit dicken, zuweilen freistehenden schwarzen Punkten, unten hellgrau bis lehmfarbig, mit lebhaft roter Saumbinde aller Flügel; das © rotbraun bis fast schwarz, meist stark rotgelb gefleckt, unten ziemlich grell gelb, ebenfalls mit leuchtender roter Flecken- binde. Einzelne ihrer d'S mit etwas hellerem blau und feinerem Flügelsaum verbinden sie.mit der Stammform. Sodann wäre zu nennen die oben hellblaue, sehr schmal schwarzrandige, unten schneeweisse oder höchstens sehr hellgraue, meist schwach gezeich- nete und mit mässig entwickelter rotgelber Binde versehene nivea m., mit ihren anscheinend stets dunkelbraunroten, von lebhaften rotgelben Guirlanden eingefassten 2°. Ich besitze sie in grosser Zahl und von zwei Generationen aus dem Rhonethal, dem central- italienischen Hügelland, dem Südtirol, also aus lauter heissen Gegen- den. Ihre ausgeprägtesten Stücke weichen von allen andern For- men sehr ab; Verbindungen mit diesen durch einzelne Zwischen- stufen aber fehlen natürlich nicht. Von allen andern, zumal asiatischen Formen besitze ich zu wenig Material, um mitreden zu können. 220 L. Courvoisier. 4, Lycaena pheretiades Eversmann 1843. Diese Spezies ist eine der am meisten zerrissenen; vier angeb- liche Lokalformen derselben sind aufgestellt worden: Pheretulus und pheres Staudinger 1886, Zekessana Alpheraky 1897, miera Avinow 1910. Die erste soll dem Tarbagataı und dem Juldus, die zweite dem Namangan und dem südlichen Alai, die dritte dem Tekkege- biet, die vierte dem östlichen Pamir eigen sein; es sind das Gegen- den, die weit genug auseinander liegen, um unter Umständen selb- ständige Formen hervorzubringen. Aber schon in meinen „Ent- deekungsreisen“ habe ich auf Grund eines Materials von mehr als 100 Stücken aus den genannten und aus andern Gegenden mitge- teilt, dass es mir nicht gelingen wollte, aus den Beschreibungen jener verschiedenen Formen, von welchen bald diese, bald jene von einzelnen Autoren als gute Art bezeichnet wird, klug zu werden; dass die wenigen vorhandenen Bilder durchweg den Originalbe- schreibungen nicht entsprechen; dass ich noch immer von den Händlern unter den gleichen Namen ganz verschiedene, und unter verschiedenen Namen die gleichen Formen erhalten habe. Heute, wo mein Material noch gewachsen ist, und ich von allen Formen Exemplare besitze, ja sogar Exemplare, die mit keiner beschriebenen genau stimmen, kann ich das damals gesagte nur bestätigen: zwi- schen angeblichen Typen giebt es alle denkbaren Übergänge; und ich muss schon gewisse Merkmale übersehen und mich nur an einzelne derselben halten, um in der Sammlung die verschiedenen Varianten einigermassen gegen einander abzugrenzen. Viel wichti- ger aber ist, dass verschiedene Formen in der gleichen Gegend neben einander und die gleichen Formen in verschiedenen Gegen- den vorkommen. Als Beispiel führe ich Zekessana an, die ich nicht nur aus Tekke, sondern auch von Samarkand, Pamir, Alai, Ale- xandergebirge und Juldus besitze. Für mich steht es fest, dass alle fünf Pheretiadesformen nur individuell und graduell und nicht nach Ortlichkeiten sich unterscheiden. Somit erscheinen die vier für angeblich typische Ortsrassen erteilten Namen nahezu über- flüssig; phereliades Evsm. genügt! Grewisse 9 von phereliades zeigen Verwandtschaft mit orbi- tulus in der Färbung beider Flächen, wie in der Anordnung der weissen Flecken auf der Hinterflügel- Unterseite. Aber die grosse Mehrzahl der S S des erstern unterscheiden sich doch von allen ST des obitulus durch die glänzend grünlichblaue Oberseite mit den sehr viel stärker ausgeprägten Mittelmonden der Vorder-, oft auch der Hinterflügel. Ueber Neben- und Zwischenformen bei Lycaeniden. 221 5. Lycaena astrarche Bergsträsser 1779 (medon Esper 1777, nec Hufnagel!) (agestis Schiff 1776.) Schon in meinen „Entdeckungsreisen“ habe ich ausführlich die Behauptungen Meyer - Dür’s (1851) zu widerlegen versucht, welche darin gipfelten, dass die Frühbrut dieser Art oben nur Spuren rötlicher Randmonde aufweise, die Sommerbrut dagegen solche sehr deutlich auf allen vier Flügeln trage; dass ein alpini- sches Frühlingsexemplar und ein südeuropäisches Sommerexemplar wegen ihrer grossen Verschiedenheit nur mit Hilfe der „Bindeglie- der“ als zusammengehörig zu erkennen seien; dass bei uns beide Generationen unten grau seien, die südlichen Sommerexemplare dagegen schön braungelb. Es ist gut, zu bemerken, dass MHeyer- Dür sich selbst widerspricht, indem er einerseits die Jahreszeit- formen für so scharf bekränzt erklärt, anderseits doch von Zwi- schenformen spricht. In den letzten Jahren habe ich auf diese Verhältnisse besonders geachtet und mir nicht nur aus der nächsten Umgebung und von verschiedenen schweizerischen Lokalitäten, sondern auch aus man- chen ausländischen Gegenden und von verschiedenen Höhenlagen möglichst viel Exemplare verschafft, so dass ich deren nun über 300 besitze. Heut kann ich meine früheren Angaben vollständig bestätigen. Es ist ganz falsch, wenn Meyer - Dir und manche andere, die eben so ungenügend beobachtet haben, von einer stren- gen Scheidung der Färbung nach Jahreszeiten, Höhenlagen und Breitengraten reden. Es gibt hier keine feststehende Regel: neben einander, von der Ebene bis zu 2300 Meter hinauf und vom April bis in den September trifft man teils schwach, teils stark rot gefleckte und unten rein graue, wie bräunliche Exemplare beider Geschlechter. Nur ganz im Allgemeinen kann man zugeben, dass der Frühling, sowie nördliche und hochgelegene Gegenden eher schwach gefleckte und unten graue Exemplare hervorbringen, als der Sommer, oder südliche und tiefere Regionen, die durch- schnittlich stärker gefleckte und unten bräunliche Stücke zu liefern pflegen. Die Ausnahmen sind zahlreich, und es ist gewiss nicht Zufall, dass einige der ältesten Autoren, wie Æsper, Engramelle, bergsträsser, lauter Exemplare der letztern Categorie abbildeten, die aber nicht aus dem Süden stammten. Was die südlichen Rassen betrifft, so hat 1821 Æschscholtz die canarische cramera abgebildet, welche bei stärkster Entwick- lung aller roter Randmonde und Binden unten rein grau ist. bellier hat 1862 die Unterseite seiner corsischen calida gemalt, welche rotbraun und mit lebhaftester roter Randbinde geschmückt 222 L. Courvoisier. ist. Staudinger hat 1871 eine analoge Form aestiva genannt, mit der Diagnose: „maculis rufis magnis, subtus brunea.“ Blachier endlich hat 1887 reichgefleckte, unten teils graue, teils braune canarische Stücke als canariensis bezeichnet und abgebildet. Man würde aber sehr irren, wenn man alle diese Formen für rein südliche oder aestivale erklären wollte. Denn ich besitze manche Exemplare, welche diesen Typen entsprechen, aber aus Basels Umgebung, von sehr verschiedenen anderen schweizerischen oder deutschen Lokalitäten, zum Teil aus den Alpen (Evolena, Mürren) stammen. Besonders schön sind eine Anzahl von mir selbst in meiner Nachbarschaft erbeuteter Frühlingsexemplare, welche an Lebhaftigkeit der Färbung meinen hervorragendsten corsischen, balearischen, canarischen und Nordafrikanischen Stücken auch nicht das Geringste nachgeben. Andrerseits könnte ich manche südliche Exemplare vorweisen, welche durch kümmerliche Entwicklung der roten Flecken dem allous Hbn. nahe kommen. Von diesem letztern, der sich durch völliges Fehlen aller roten Randmonde, sowie durch hellgraue Unterseite auszeichnet, besitze ich ca. 40 Stücke beiderlei Geschlechts, die aber bis auf 3 oder 4 alle montaner, meist alpiner Herkunft sind. Dagegen scheint die oben und unten stark rotfleckige, unten rein weisse Form, welche von Aurivillius 1888 albisans, von Grum- Grshimailo 1890 sarmalis, von Staudinger 1892 ornata getauft worden ist, an keinerlei Ortlichkeit oder Höhenlage gebunden zu sein; besitze ich sie doch von Basel, aus dem Tessin, den Sabiner- bergen und von Rom genau, wie vom Fedojapass im Tirol, von Odessa und Amasia. 6. Lyeaena icarus Rottemburg 1775. Meine Sammlung enthält etwa 800 Icarusexemplare der aller verschiedensten Herkunft, von Andalusien bis zum Amur und von Nordafrika bis Norwegen und Schweden. lcarus hat wohl mit Ausnahme der Alpen, wo er bis in Höhen von 2200 M. vorkommt, sowie des hohen Nordens, überall minde- stens zwei Generationen. In warmen Gegenden und Jahren aber erscheint er schon so früh (um Basel schon Ende April) und noch so spät (ebenda bis Mitte September) und zwar ununterbrochen in immer wieder frischen Stücken, dass man fast genötigt wird, drei, wenn nicht mehr Generationen anzunehmen. Sind nun etwa die Generationen einer und derselben Gegend in irgendwelchen Merkmalen verschieden? Ich muss zunächst für Basel, aber weiter auch ganz allgemein diese Frage verneinen. Denn niemals habe ich, weder bei d’d' noch bei 99, weder für Ueber Neben- und Zwischenformen bei Lycaeniden. 223 die Ober- noch für die Unterseite irgendwelche durchgreifende, typische, von der Saison abhängige Unterschiede des Kolorits oder Zeichnung entdecken können. Verschiedene blaue Töne beim w, braune wie mehr oder weniger blaue Färbung beim ©, alle erdenk- lichen Nüancen von grau oder braun der Unterseite beider Ge- schlechter kommen neben einander und mit allen Ubergängen jeder- zeit vor. Deshalb ist mir die Aufstellung einer besondern Form brunnea Fuchs, bei welcher „die Unterseite aller Flügel roströtlich- grau bis rötlich graubraun“ sein soll, unverständlich, zumal der Autor ausdrücklich sagt, dieselbe komme überall vor, was ich nur bestätigen kann. Ob die ebenfalls von Fuchs benannten Rassen septentrionalis des europäischen Nordens und sibirica von Krasno- jarsk von der gewöhnlichen europäischen Stammform sich schart abgrenzen, ist mir zweifelhaft, da meine nordischen und sibirischen Exemplare durchaus nichts von ihr Abweichendes zeigen. Doch ist vielleicht mein Material für eine solche Entscheidung zu klein. Was sodann die celina Austaut betrifit, welche ursprünglich als mauretanische Rasse bezeichnet wurde, und deren Eigentümlich- keit neben kleinem Format in schwarzen Randpunkten auf den Hinterflügeln bestehen soll, so liefern Spanien, Sizilien, die Balkan- länder laut Angabe verschiedener Autoren genau gleiche Stücke. Schon Ochsenheimer (Schmttlge. v. Europa I. 1. 1808 p. 41) erwähnt ein solches von Dresden. Ich finde sie aber auch um Basel, im Tessin, und vielleicht wird man ihr bei einiger Aufmerk- samkeit allerorts begegnen; und anderseits liefert Nordafrika Exem- plare, welche von den unserigen nicht abweichen. Von dieser celina soll sich nun die 1905 von Culot (Bull. Soc. lépid. Geneve) beschriebene, nach seiner eigenen Angabe leider etwas verfehlt abgebildete, syrische /ueia nur durch Fehlen der schwarzen Hinterflügelpunkte unterscheiden. Beide Formen will Culot als gute Art auffassen und von Icarus abtrennen, aus Gründen, die er aber noch nicht mitgeteilt hat. Meinerseits kann ich, auch ohne seine Gründe zu kennen, nur sagen, dass mir wenigstens celina nur als eine von der Stammart icarus kaum trennbare Form erscheint. Exemplare, die der /ucia genau entsprechen würden, fehlen mir jedoch. Eine vielumstrittene Form ist die von Bienert 1869 benannte persica. Sie fliege in gewissen Teilen von Persien mit der Stamm- form vom Mai bis Juli, stimme auf der Oberseite mit Stücken der letztern aus dem nördlichen und mittleren Europa überein. Unten aber sei sie „fast weiss, die mittlere Punktreihe verloschen, die Randpunkte oft kaum, die roten Randmonde nur als bleiche Schatten angedeutet, der weisse Wisch in Zelle 3 und 4 ganz 224 L. Courvoisier. unkenntlich.* Seine Diagnose lautet deshalb kurz: „alis subtus . albidis, punctis ocellaribus et maculis rubris extinctis.“ Spätere Autoren haben nun bald das eine, bald das andre dieser Merk- male unbeachtet gelassen und Stücke beliebiger Herkunft mit Mangel der Ocellen als persica bezeichnet. Gilhner und Stichel haben auf solche Missgriffe aufmerksam gemacht. Auch ich muss betonen, dass Bienert’s ächte persica jedenfalls nicht einfach als individuelle Aberration gelten darf; denn aus allem geht hervor, dass er sie in ziemlicher Anzahl erbeutete. Aber andrerseits schliesst seine Angabe, dass persica mit der Stammart geflogen sei, jeden Gedanken an eine Lokalrasse aus. Uberhaupt aber hat Birnert in Persien eine ganze Anzahl verschiedener Icarusformen, zum Teil an den gleichen Orten, beobachtet. Er erwähnt grosse und dunkle von Siaret, kleine und bleiche von Schahrud, wo er auch icarinus Scriba fand. Und von seiner persica sagt er über- dies, dass „einzelne Exemplare scharf schwarz gezeichnete Rand- punkte“ hatten. Also gab es zwischen den ganz verarmten und den typischen Stücken doch auch Übergänge; und es bliebe demnach für persica gegenüber der Stammform der Hauptunter- schied: die weisse Unterseite beim d; denn nur von dog’ spricht er (Icarus ?® sind wohl nie und nirgends unten weiss!) Nun teilt aber persica diese auffallend helle Unterseite mit verschiedenen später aufgestellten asiatischen Icarusformen, z. B. mit kashgarensis und yarkandensis Moore (1879), fugitiva Butler (1881), welche laut de Niceville zum Teil, laut BDingham sogar sämtlich in die europäische Stammform übergehen, was letzterer am Riesenmaterial des Britischen Museums nachwies. : So ist es denn begreiflich, dass man als persica von Sammlern und Händlern aus denselben persischen Ortlichkeiten teils typische, unten weisse, teils aber etwas dunklere, graue oder gelbliche So mit sehr ver- schieden entwickelten Augen und Punkten erhält. Bei der einzig bis jetzt existierenden Abbildung von Seitz (Taf. 80 g.) sind z.B. Ocellen und Randzeichnungen recht deutlich, wenn auch nicht kräftig, und entsprechende Stücke besitze auch ich. — Jedenfalls darf man — darin stimme ich @illmer und Stichel ganz bei — nicht einfach unten verarmte -Icarus d'S als persica bezeichnen. Solche Stücke gehören eben zu den von mir generell als pauci- puncta bis caeca bezeichneten individuellen Aberrationen, die über- all vorkommen. Was die blauen icarus ?2 betrifft, so will ich dieselben hier nicht eingehend besprechen, sondern auf das in den „Entdeckungs- reisen“ Gesagte verweisen. Die kleinliche moderne Formenzer- splitterung nebst obligater Namengeberei zeigt sich in ihrer ganzen Ueber Neben- und Zwischenformen bei Lycaeniden. 225 Lächerlichkeit nirgends deutlicher als hier, wo etwa ein Dutzend blauer Färbungen verschiedenen Grades benannt worden sind (s. die meisten derselben bei Gel/mer, Int. Entom. Zeitschrift 1907 Nr. 1). Man hätte ebenso gut zwei Dutzende aufstellen können; denn zwischen je zweien des ersten Dutzends gibt es natürlich alle Übergänge. Nenne man doch einfach die weniger blauen caerulescens, die stärker blauen caerulea! Uber diese Frage, ob die blauen ', wie es oft geschieht, als aberrativ zu bezeichnen seien, lässt sich übrigens streiten. Blaufärbung geringen und mässigen Grades ist, wie ich aus meinen Beobachtungen an etwa 300 Exemplaren meiner Sammlung vielleicht schliessen darf, doppelt so häufig, als reine Braunfärbung, und um Basel herum scheint jene im Sommer vorzuherrschen. Selten sind nur die hohen und höchsten Grade (z. B. clara Tutt, amethystina Gillmer). Auch bei den braunen icarus 2? kann man kaum einen be- stimmten Typus feststellen. Selten sind sie ganz braun, ohne rotgelbe Randflecke; von solchen besitze ich nur zwei. @Gülmer hat für sie 1907 den Namen fulva erteilt (der Name brunnea, den ich in Unkenntnis dieses Gillmerschen, sowie des von Fuchs für die braune Unterseite gegebenen, im Jahre 1910 vorschlug, muss also fallen. Abgesehen von dieser Rarität, wechseln aber die braunen 2? ausserordentlich nach der Zahl und Grösse der rötlichen Randmonde, sowie nach deren Ausdehnung nur über die hintern, oder auch über die vordern Flügel. Sind dann diese Randmonde nach innen oder nach aussen noch bläulich oder weisslich eingefasst, so ergeben sich, alles zusammengenommen, unendliche Mannigfaltigkeiten, für welche Tuit in seiner bekannten Manier mehrere Dutzend von Aberrationen-Namen erteilt hat! Dass dabei irgendwie Lokalitäten oder Jahreszeiten von Einfluss wären, muss ich an Hand meines Materials entschieden bestreiten. Man trifft neben einander die allerverschiedensten Färbungen — ein Grund mehr, alle die spitzfindigen Namen abzulehnen, 7. Lycaena hylas Esper 1777. (dorylas Schiffermüller 1776, nomen nudum!) Hylas erscheint in niedriger gelegenen und warmen Gegenden, z. B. um Basel, im Wallis, im Tessin, im Domleschg, um Wien etc. in zwei deutlich getrennten Generationen; in den Alpen, wo ich ihn bis 2300 m Höhe getroffen habe (Almagelalp, Gemmi, Col Lauson) nur in einer. Dass aber die beiden Generationen im einen oder andern Geschlecht sich durch irgend welche besondere Merkmale unterschieden, kann ich auf Grund von ca. 180 eignen Exemplaren der allerverschiedensten Herkunft nicht zugeben. Nur 15 226 L. Courvoisier. will ich hier anführen, dass Herr Carl Bayer mir schreibt, nach. seinen Beobachtungen seien die in Nordböhmen nur ein Mal im Jahr erscheinenden hylas durchschnittlich viel grösser, als die an seinem jetzigen Wohnort Fischamend in Nieder-Oesterreich zwei- brutig auftretenden. Ich will aber hier anführen, dass Treitschke (Ochsenheimers Schmttlge. Bd. 10 I 1834, p. 67) angibt, in Oester- - reich seien von dieser Spezies einzelne Stücke „nur in halber Grösse“, andere „ausgezeichnet ansehnlich“. Unsere einzige alpine Generation hat jedenfalls in der Grösse vor den zweien der tieferen Regionen nichts voraus. Unter den verbreiteten europäischen Bläulingen ist Hylas wohl derjenige, welcher den Namen-Fanatikern am wenigsten zum Opfer gefallen ist. Das rührt allerdings nicht daher, dass er etwa eine bis in alle Einzelheiten beständige Stammform hätte. Im Gegen- teil: verglichen mit manchen andern Lycaenen, wechselt er in der gleichen Gegend und Jahreszeit, nach der Färbung beider Seiten und zumal nach der Zeichnung der Unterseite, ungemein viel mehr. Das ergibt sich mir mit Sicherheit aus der Vergleichung meiner Exemplare. Deshalb begegnet man bei den verschiedenen Autoren so verschiedenen Darstellungen der Stammart. Während z. B. einzelne alte (Schäffer, Esper, Bergsträsser, Hübner) und auch einige neuere Autoren (Hofmann, Berge-Rebel) ihren Figuren kräf- tige Ocellen und lebhafte rotgelbe Randflecken geben, reden spätere öfters von sehr kleinen wWnd verminderten Markierungen der Unter- seite, wodurch sie nach Seilz geradezu „unverkennbar“ sein soll. ‘Während laut einigen (Berge 1876, Hofmunn 1887) die Unterseite bräunlich grau oder rotbraun oder gar (hühl 1893) schwarzgrau genannt und gemalt wird, heisst sie bei andern (Berge-Rebel, Fruhstorfer 1910) hellaschgrau oder weisslich. Die einen nennen die Oberseite des S himmelblau, andre lila, wieder andre silber- blau. Alle haben Recht, denn alles das kommt vor; und Über- gänge gibt es natürlich in Hülle und Fülle. Darum sollte man sich hüten, bei einer so ausserordentlich von Stück zu Stück variierenden Spezies Lokalformen aufzustellen, wenn man deren eng umschriebenes Vorkommen nicht sicher beweisen kann. Das gilt z. B. von der Form castilla Fruhstorfer, welche durch geringere (Grösse, dunkleres Blau, „braungraue statt weisse Unterseite“ mit „undeutlicher roter Submarginalbinde“ von „mittel- und sonstigen südeuropäischen“ Exemplaren abweichen soll. Es gilt auch von tiroliensis Heydemann, welche sich von „mitteldeutschen“ Exem- plaren durch kräftigere Färbung und Zeichnung der Unterseite unterscheiden soll, aber in meiner Sammlung zahlreich aus den allerverschiedensten Gegenden vertreten ist. Den beiden genannten Lege Ueber Neben- und Zwischenformen bei Lycaeniden. 227 Autoren schwebt offenbar ein ganz bestimmter Typus von „mittel- europäischen“ oder ,mitteldeutschen“ /ylas vor; aber einen solchen Typus gibt es eben nicht. Dass vollends der Name golgus Hübner, samt seinen völlig überflüssigen Synonymen (nisias Meigen, minor Tutt) nicht der Auf- bewahrung wert ist, da er nur einer Zwergform des /ylas gilt, dürfte einleuchten. Immerhin sind einige wenige Nebenformen von offenbar re- gionalerem Charakter mit Fug und Recht eigens benannt worden; so die spanische nivescens Keferstein mit ihrer weisslichen Ober- seite (eine Parallelform zu der ebenfalls spanischen F. albicans von coridon). Ferner die armena Staudinger, mit abweichend blauer Oberseite und auffallend schwach gefärbter und gezeichneter Unterseite. Ahnliche Exemplare scheinen in andern Gegenden nicht vorzukommen. 8. Lycaena bellargus Rottemburg 1775 (adonis Hübner 1805). Diese Spezies kommt in bedeutender Ausbreitung vor: in England, durch ganz Mittel- und Südeuropa, Nordafrika, Klein- asien, Mesopotamien, Persien. Sie geht vom Flachland bis in die Alpen hinauf; die höchsten Punkte, von welchen ich sie besitze, sınd Pontresina (1900 m) und Rosegstal (2100 m). Sie ist ım Gebirge einbrutig, sonst mindestens zweibrutig. Um Basel erscheint sie in warmen Frühjahren bereits Ende April; und noch im Sep- tember habe ich öfters frische Stücke gefangen. Trotzdem zeigt sie eine merkwürdig geringe Neisung zur Variation, und die einzige typische Regionalform, die man kennt, ist die südfranzösische und nordafrikanische punctifera Oberthür 1876 (1909 vom gleichen Autor in puncligera umgetauft) mit ihrem eigentümlich rundlichen Flügelschnitt, dem eigentümlichen Blau und den stark entwickelten schwarzen Randpunkten, oft auf allen Flügeln, beim d, der meist äusserst lebhaften Blaufärbung beim ©. Es hat den Anschein, als ob heisse Gegenden besonders grosse Individuen beiderlei Geschlechts hervorbrächten ; so stammen meine srössten Exemplare aus Wallis, Tessin, von der Riviera, aus Spanien. Aber dabei verhalten sie sich in allen übrigen Beziehungen nicht anders als die landläufigen; und verschiedenes Kaliber kann doch keinen naturwissenschaftlichen Unterschied abgeben. | Auch sind vielleicht die oben mit sehr lebhaft roten Rand- flecken (oft in zusammenhängender Binde) und zuweilen einwärts von denselben noch mit blauen Keilen gezierten ©9, für welche nicht weniger als drei Namen (a/facariensis Ribbe 1905, latefas- ciata Schultz 1906 und rufomarginata Wagner 1909) erteilt wor- 228 L. Courvoisier. den sind, in heissen und darum im allgemeinen südlichen Ge- genden häufiger, als anderwärts. Doch besitze ich aus verschie- denen Ortlichkeiten mit anderm Klima zum Teil von mir selbst erbeutete ©9, welche einer mir von Ribbe selbst gelieferten alfa- cariensis nicht oder wenig nachstehen. Und dazu kommt, dass zwischen diesen stark dekorierten und den bescheideneren 22 wieder alle Übergänge bestehen, jene also nur ein Extrem und nicht eine selbständige Form darstellen. Bei den 9 kann die Färbung etwas wechseln, bald dunkler blau, bald rein himmelblau, bald mehr lila, bald grünlich (viri- descens Tutt) wie der von Hübner abgebildete adonis sen. Aber alle diese Farbentöne können nebeneinander vorkommen. Ja einer meiner Jg hat grünliche Vorder- und violettblaue Hinterflügel. Nur als individuelle Aberrationen sind zu betrachten jene grau- violetten (violaceo-grisescens Oberthür) oder dunkelgrauen (ezekelii Aigner, suffusa Tutt) Stücke, welche ausnahmsweise unter nor- malen auftauchen. Grosse Verwirrung herrscht, wie ich schon 1910 hervor- gehoben habe,: hinsichtlich des Auftretens schwarzer Randpunkte auf der Oberseite des S. Zunächst muss es als irreführend be- zeichnet werden, wenn, namentlich in Händler-Katalogen, die vor- hin erwähnte Oberthür’sche Benennung ,punclifera“ für beliebige europäische S gebraucht wird, welche schwarze Randpunkte tragen. Andrerseits scheinen Wenige die Häufigkeit dieses Vor- kommnisses zu kennen, dessen geringere Grade allgemein unbe- achtet bleiben. So konnte es geschehen, dass dafür eine Reihe von Namen erteilt worden sind (parvipuncla Aigner 1906, puncüfera Trautmann 1908, puncta Tutt 1910; letzterer Name nicht, wie Seilz angibt, für Fälle von Punktierung auch der Vorderflügel, sondern für die gewöhnliche Punktierung der Hinterflügel allein). Tatsächlich ist jedoch das Auftreten der Hinterflügelpunkte viel häufiger als ihr Fehlen. Von meinen ca. 250 J'J’ der allerver- schiedensten Herkunft (ohne die ächten „punctifera*) ist nur ein Sechstel ganz ohne die Punkte, während manche allerdings solche von nur geringer Zahl und Grösse aufweisen. Aber es gibt dabei alle Grade; und ich kann z. B. nicht finden, dass, wie einzelne Autoren angeben, gewisse, namentlich wieder heisse Gegenden (Wallis, Italien, Spanien, Griechenland) mehr und stärker punk- tierte Stücke liefern. ‚Jedenfalls habe ich Grund zur Annahme, dass bei genauem Zusehen man überall die punktierten häufiger finden wird, als die punktlosen. So sollten eigentlich eher die letztern, in Minderzahl vorkommenden, eigens benannt werden, als die erstern. Ausserst selten ist aber jedenfalls das Auftreten Ueber Neben- und Zwischenformen bei Lycaeniden. 229 schwarzer Punkte im Vorderflügelsaum. Ich besitze kein einziges derartiges Exemplar und habe nie eines gesehen. Der bei Berge- Rebel abgebildete S mit starken Punkten auf allen 4 Flügeln kann also nur als Ausnahme, nicht als Typus des bellargus gelten. Das bellargus © kann braun oder blau sein. Das eine Extrem bildet die höchst selten unter den andern fliegende, rein braune Form ohne Spur rötlicher Randmonde (brunnea m. 1910); das andre die besonders bei der punctifera Ob., also in Südfrankreich und Nordafrika, gelegentlich aber auch anderswo (Bild bei Gerhard M. 30 aus Süddeutschland; eignes Stück von Magdeburg) vor- kommende, rein himmelblaue, nur mit prächtigen roten Saum- flecken besetzte coelestis Oberthür 1909 (Taf. 29). Zwischen diesen Extremen aber lässt sich eine lange Kette von Abstufungen auf- stellen, für welche wieder teils in alter, teils in neuester Zeit eine ganze Anzahl von Namen erteilt worden sind. Einzelne sind im allgemeinen braun, haben aber blaue Flügelwurzeln (salaeia+venilia Bestr.); bei andern reicht das Blau weiter in die Disci hinein oceanus Bgstr., urania Ghd.), bisweilen in langen Streifen (radiata Gaschet); und bei wieder andern überzieht es die Flügel zum grössten Teil (coerulescens Ob.) oder mit Ausnahme der Costae ganz ({hetis Rottembg., ceronus Esp.). Unter allen diesen mehr oder weniger blauen Formen haben die zwei zuletzt erwähnten die merkwürdigste Geschichte. Aoflem- burg merkte nicht, dass seine mit einem © Namen versehene fhelis tatsächlich ein ©, zwar des Ödellargus, war; er hielt die teils braunen, teils blauen 22, die zu dieser Art gehören, für solche der als d aufgefassten /helis. Auch Borkhausen liess sich ähnlich täuschen und bildete 1789 sogar- ein angebliches Paar von thetis ab; er erkannte aber später seinen Irrtum und erklärte den ver- meintlichen & nur für „eine schöne Abänderung des Weibchens des Bellargus.“ Esper malte zwei etwas verschiedene © ceronus als S'S einer eigenen Art. Manche seiner nächsten Nachfolger glaubten wenigstens, dass es sich dabei um eine in beiden Geschlechtern vorkommende Varietät von bellargus handle (so Hübner, Ochsenheimer). Ja trotz- dem Meigen 1830 die Sachlage erkannt hatte, bildete noch 1853 Gerhard einen angeblichen ceronus S ab von der reinblauen © Form coelestis Ob., also durchweg hellblau mit roten Randflecken ; dazu ein wirkliches, vorn braunes, hinten blaues bellargus ©. Blaue bellargus ©® sind ungemein häufig; unter meinen ca. 200 Exemplaren ist die Hälfte mehr oder weniger, ein Sechstel sehr lebhaft blau. Aber ich kann keine Vorliebe der einen oder der andern Jahreszeit, dieser oder jener Gegend für Blaufärbung 230 L. Courvoisier. ‚herausfinden. Um Basel scheinen z. B. braune und blaue gleich häufig vorzukommen. Kurz will ich noch der Form polonus Zeller gedenken, welche infolge fortgesetzter Verwechslungen zu einer angeblich sehr ver- breiteten bellargus- oder coridon-Varietät gestempelt worden ist. Das begann, wie ich kürzlich entdeckt habe, damit, dass Lederer 1858 willkürlich vermutete, der erste von Zeller beschriebene und von Herrich-Schäffer abgebildete polonus sei nicht in Polen, son- dern in Kleinasien gefangen worden und identisch mit einer dort häufigen Coridonform. 1871 warf auch Staudinger den ächten polonus zusammen mit armenischen blauen coridon. Von da an ist der Irrtum unbesehen weiter kolportiert worden. Jetzt findet man den polonus in allen führenden Werken (kühl, Staudinger- Rebel, Berge-Rebel, Spuler, Seitz) zwar als Form von bellargus be- zeichnet, welche an gewisse merkwürdig weit auseinander liegende (segenden gebunden sei (Ostpreussen, Frankfurt am Main, Arra- gonien, Kleinasien). Aber dass er ein Hybrid zwischen bellargus und coridon sei, wie es ursprünglich von Zeller behauptet und kurze Zeit hindurch auch von Staudinger zugegeben worden war, und wie es neuerdings von Tut mit aller Sicherheit nachgewiesen worden ist, das findet man in keinem jener Werke angegeben. So ist denn polonus, wie es schon seine Bastardnatur mit sich bringt, nicht eine Lokalform, die da oder dort in grösserer Zahl aufträte, sondern eine sehr sporadische Erscheinung, welche aber überall möglich wird, wo die beiden Eltenarten, die ja unter sich schon sehr nahe verwandt sind, neben einander fliegen, und da- rum aus den allerverschiedensten Orten (von Vorbrodt aus der Schweiz z. B. von 8 Stellen) gemeldet wird. Sie darf auch nicht verwechselt werden mit einer äusserst seltenen, bald da bald dort auftretenden himmelblauen richtigen Form von coridon (calydonius Wheeler), von welcher später die Rede sein soll. Dagegen halte ich es nach der Beschreibung der offenbar äusserst seltenen, an- geblichen coridon-Form hafneri Beissecker für nicht unmöglich, dass diese mit polonus Zeller identisch ist; aber erst eine Abbil- dung könnte darüber Gewissheit geben. 9. Lycaena coridon (nicht corydon) Poda. 1761. Die Ausbreitung dieser Spezies entspricht ziemlich genau der- jenigen des ihr sehr nahestehenden bellargus; nur in Nordafrika scheint sie zu fehlen. Als Regel gilt, dass sie auch in wärmeren Gegenden nur einbrutig ist und wesentlich im Juli und August fliegt; vor dem 4. Juli habe ich sie um Basel nie gesehen, doch öfters noch in den September hinein in frischen Stücken gefangen. Ueber Neben- und Zwischenformen bei Lycaeniden. 231 Die einzige Angabe von früherem Auftreten, das an eine Früh- lingsgeneration in Mitteleuropa denken liesse, finde ich bei Tüschler, welcher (Lepid. Fauna von St. Gallen und Appenzell 1870 p. 84) mit dürren Worten sagt: „Erscheint im Mai und wieder im Juli und August.“ Möglicherweise stützt er sich aber dabei auf ver- einzelte Vorkommnisse. Eine ständige Frühbrut liefern dagegen gewisse noch zu besprechende Rivieraformen. Coridon geht auch sehr hoch hinauf; ich habe ihn in den schweizerischen, savoyischen und tiroler Alpen bis zu 2300 m hinauf getroffen, und öfters in subalpinen Regionen, z. B. um Mürren im Berner Oberland, genau so massenhaft, wie er z. B. auf den Überschwemmungsgebieten am Rhein idee Basel auf- zutreten pflegt. Eigentlich typische Lokalformen scheint er aber in Mittel- europa nicht zu liefern. Immerhin wird es auch andern schon aufgefallen sein, dass alpine SS vielfach, vielleicht sogar der Mehr- zahl nach, eine reiner blaue Oberseite aufweisen, als solche aus dem Flachland. — Im übrigen ist aber der Spezies eine individuelle Unbeständigkeit der Ober- und Unterseitenfärbung eigen, welche mit der Beharrlichkeit des bellargus in auffallendem Kontrast steht und überhaupt kaum bei einem andern Bläuling sich wiederholt. Man kann an einer und derselben Stelle Dutzende von S'S und 22 fangen, von denen fast jedes von allen andern in der Grund- färbung oben oder unten, bei d S besonders in der Beschaffenheit der Flügelsäume, abweicht. Das ist denn auch in raffinierter Weise von Tutt ausgebeutet worden zur Aufstellung einer Unzahl von Aberrationen mit Namen, welche für die Wissenschaft um so weniger Wert haben, als er dieselben nicht durch Abbildungen stützt, und folglich kein Mensch wissen kann, was er im einzelnen Fall vor Augen gehabt hat. Hievon abgesehen, ist meines Wissens nur die eine mittel- europäische Nebenform altica Neustetter aufgestellt worden; sie soll in den Alpen zwischen 800 und 2000 m fliegen und sich in beiden Geschlechtern durch Kleinheit, im d durch silberblaue Fär- bung, schmalen Vorderflügelsaum, weiss eingefasste Hinterflügel- punkte unterscheiden, im © durch düstere Ober- und helle Unter- seite. Nachdem ich nun aber durch Jahrzehnte fast alljährlich in den verschiedensten Alpengebieten unzählige coridon gefangen habe, kann ich Tuit nur beistimmen, wenn er den alpinen Exem- ion dieser Spezies allgemein jeden Typus au und die Form altica verwirft. Ausgeprägtere Typen dagegen tauchen im südwestlichen Asien und im südlichen Europa auf. Dabei lässt sich im allgemeinen 232 L. Courvoisier. feststellen, dass im Osten ausgesprochen blaue, nach Westen hin mehr und mehr hellblaugrünliche und zuletzt geradezu weissliche Formen auftreten. Oberthür betrachtet (Etudes 1896, p. 20) die blauen Rassen als die Norm, alle übrigen als abgeschwächte Varianten. Der Orient liefert zwei eigentümliche Formen: die eine, am frühesten benannte und abgebildete ist corydonius H. Schätter. Sein Bild des 9’ zeigt eine milchblaue, leicht lila schimmernde Oberseite mit dunkel umsäumten Vorderflügeln und am Rand punktierten Hinterflügeln. Genau entsprechend ist die Figur bei Seitz (Taf. 81 d. F. 7) und davon nur durch etwas andre Flügel- säume, aber nicht im Kolorit abweichend, auch diejenige der an- geblichen Form caucasica (ib. e. F. 4), welche wieder nur cory- donius ist. — Synonym mit corydonius ist olympica Liederer (1852), nicht aber, wie die Staudinger-Kataloge angeben, ossmar Gerhd. (1853). : Ossmar stellt vielmehr die zweite, rein himmelblaue Orient- form dar; sie ist vom Autor nach Bischoff benannt, der aber nichts darüber geschrieben, sondern ‘nur die betreffenden Exem- plare gefangen hat, und zwar in der „Türkei“ (was bei Gerhard immer die asiatische Türkei bedeutet). Das Bild (T. 31 F. 4) zeigt wohl eine etwas grelle Farbe, stimmt aber sonst zu der Be- schreibung, welche Lederer 16 Jahre später (1869) zu einer „me- leagerblauen“ Form caucasica aus Armenien und Kaukasus gegeben hat. Der letztere Name ist zu Unrecht allgemein anerkannt, und zwar wohl deshalb, weil die Staudinger-Kataloge irrtümlich ossmar Ghd. als synonym mit corydonius HS. bezeichnen. (Ebenso all- gemein wird, wieder in Folge eines Staudingerschen Irrtums, der Hybrid bellargus-coridon, der sogenannte polonus Zeller, mit ossmar- caucasica verwechselt.) Diese beiden blauen Formen teilen mit unserm coridon die Neigung zu mancherlei individuellen Abänderungen, zumal der Breite und Intensität der dunkeln Flügelsäume. Ob zwischen ihnen eine scharfe Grenze besteht, ist höchst fraglich. Übergänge _ dürften um so eher vorhanden sein, als auch ihre Heimatgebiete sich zum Teil decken: corydonius wird vom Olymp, vom Taurus, vom Pontus und von Syrien angegeben, ossmar vom Pontus, aus Armenien und Kaukasus; Frau Nicholl und Ehves haben am Li- banon reichlich Exemplare von sogenanntem polonus erbeutet, die mit der kaukasischen Form die grösste Ahnlichkeit hatten. Nun aber beschränken sich ausgesprochen blaue Coridonformen nicht nur auf den Orient. Die der Spezies innewohnende Fähig- keit zur Hervorbringung solcher Färbungen kommt auch anderswo Ueber Neben- und Zwischenformen bei Lycaeniden. 233 zur Geltung. So hat H. Schäffer bereits (Fig. 500) als hispana einen im Diskus aller Flügel hellblauen, schwärzlich berandeten Falter abgebildet, der von seinem corydonius kaum abweicht. Ich besitze selbst 3 spanische Exemplare dieser Form, welche Rübbe in seiner andalusischen Fauna 1912 erwähnt als dortige Regional- form. Oberthür spricht 1896 von Stücken der Form caucasica aus den Pyrenäen und bildet ein solches ab, das hellblau, aber etwas weniger glänzend ist als bellurqus ; 1910 korrigiert er sich, indem er dieselben für polona Zeller erklärt. Jedenfalls waren es aber reinblaue coridon. Als grosse Seltenheit trifft man nun einzelne Stücke vom Blau des bellargus oder meleager bald da, bald dort. Wheeler erwähnt z. B. eine Aberration calydonius (die er unrichtig nach Lowe benennt, da dieser nichts darüber veröffentlicht hat). Nach seiner ausführlichen Beschreibung müssen die beiden aus dem Wallis stammenden Exemplare der Form ossmar-caucasica unge- mein ähnlich gewesen sein. Gleiches gilt nun von 909° meiner Sammlung, deren einen ich unterhalb Basel gefangen habe, während die andern von Martigny, St. Moritz und Pontresina kamen; alle sind leuchtend blau mit teils schmalen, teils breitern, dunklen Säumen. Vorbrodt erwähnt solche Stücke aus den Kantonen Waadt, Genf und Zürich. Vermutlich wird man bei einiger Auf- merksamkeit auch anderwärts solche Seltenheiten finden. Zu den typischen Coridonformen des südlichen Europa über- gehend, erwähne ich zuerst apennina Zeller. Laut allen Beschrei- bungen und nicht am wenigsten laut denjenigen Oberthür's, der 1910 davon 300 Exemplare zu besitzen angab, handelt es sich hier um durchschnittlich kleine d' von blassem silberglänzendem Graublau oder Grünblau, häufig mit schwarzer Randpunktierung aller Flügel und sehr blasser Unterseite, sowie um braune ®® mit weniger roten Randmonden der Hinterflügel. Das einzig vor- handene Bild bei Seitz (T. 81 d) gibt leider nur die Oberseite eines d von beträchtlicher Grösse wieder. Die Form graeca Rühl, laut Angabe des Autors mit apennina am nächsten verwandt, dürfte von ihr kaum zu trennen sein. Doch zeigen eine Anzahl eigene 0'’0° einen entschiedenen Gold- statt Silberglanz. — Ob nur apennina so selbständig ist, wie es oft dargestellt wird, ist eine andre Frage. Nach gewissen in meinem Besitz befindlichen oder mir zur Einsicht gesandten Exemplaren aus den verschiedenen Gegenden des langen italienischen Gebirgszugs zu urteilen, ent- sprechen die dortigen coridon durchaus nicht alle der Form apennina. Laut Oberthür geht letztere in der Gegend von Florenz allmählich in die Form rezniceki Bartel über. Und aus der Umgebung von 234 L. Courvoisier. Basel, aus dem Tessin, ja vom Simplon besitze ich andererseits Jo‘, die von apennina und graeca nicht, oder kaum zu unter- scheiden sind. Die italienisch-französische Riviera von Rapallo bis Hyeres bringt nun in 2 Bruten, einer schon im April und einer vom Juni an erscheinenden, Coridonformen, welche nicht weniger als drei Namen erhalten haben: rezniceki Bartel 1904, meridionalis Tutt 1909, constanti Reverdin 1910. Alle drei sind in meist sehr ausführlichen, aber gerade darum vieldeutigen Beschreibungen, die erste und die letzte durch Reverdin auch in sehr schönen Abbildungen vorge- führt. Aber wie Tutt (Soc. ent. 1910, Nr. 11) einlässlich erörtert, besteht zwischen ihnen kein einziger tiefgreifender Unterschied, welcher zu deren Isolierung berechtigen könnte. Exemplare, welche jeder der drei Beschreibungen entsprechen, finden sich im ganzen Gebiet, so dass Tutt alle drei Formen in eine zusammenziehen will. Nur dürfte dann nicht seine Benennung meridionalis für alle gelten, sondern die um fünf Jahre ältere: rezniceki Bartel. Mein eignes Material ist wohl zu klein, als dass ich mir darauf ein sicheres Urteil bilden könnte. Ich kann aber feststellen, dass, was ich von Bartel und andern als rezniceki erhalten habe, von einer Anzahl constanti, die Reverdin im Var-Departement gefangen und mir geschenkt hat, sowie von andern gleicher Form, die ich aus der gleichen Gegend durch Händler bekommen habe, sich durch allerlei Merkmale wesentlich unterscheidet. Besonders fällt mir die sehr helle Unterseite bei jenen, die dunkle bei diesen auf. Der Unterschied ist sogar viel grösser, als man ihn beim Vergleich der Bilder beider Formen bei KReverdin erwarten sollte. Von unsern gewöhnlichen coridon weichen aber diejenigen der Form rezniceki im ganzen weniger ab, als constant. Unter meinen ca. 400 S' und 300 © Exemplaren mitteleuropäischer Herkunft sind manche der erstern sehr ähnlich, dagegen nicht eines auch nur annähernd der letztern, welche überhaupt am ehesten als eine richtige Lokalrasse gelten dürfte. Allerdings herrscht noch keine Klarheit darüber, ob nicht neben jenen angeblich rein meridionalen Formen auch unsre gewöhnlichen coridon vorkommen. Sicher ist dies jedenfalls für die französischen und spanischen Pyrenäen, wo laut Oberthür die „race ordinaire fliegt; ferner für ganz Catalonien und Aragonien. Stellenweise aber nimmt die Spezies einen andern Charakter an. Eine eigene Form ist z. B. diejenige, welche H. Schäffer als hispana (Fig. 500—501) abgebildet hat. Sie ist: von geringer Grösse, oben ziemlich hell, aber in den Disei immer noch ausgesprochen bläulich. Ihr wird von verschiedenen Autoren eine bedeutende Verbreitung zugestanden. Oberthür erwähnt sie Ueber Neben- und Zwischenformen bei Lycaeniden. 235 zwar nur von Albarracın in der Provinz Teruel, Rühl und Ribbe aber auch von Lerida und Tarragona, sowie von dem weit ent- fernten Valencia, Staudinger-Rebel von Catalonien und Aragonien, Rühl schliesslich von ganz Spanien. Von hervorragender Eigentümlichkeit aber ist die grosse, eben- falls von HM. Schäffer abgebildete und benannte albicans, deren 7, wie schon ihr Name andeutet, eine weissliche Oberseite hat. [Der erste bei Gerhard auf Tafel 31 F. 1—1a abgebildete albicans gehört nicht, wie Oberthür annimmt, zu coridon, sondern zu hylas; wohl aber ist Gerhard’s zweiter albicans Taf. 31 F. 3a, b mit dem H. Schäffer’schen identisch; ebenso Gerhard’s arragonensis T. 32, F. 1a, der bei Staudinger-Rebel irrtümlich mit hispana H. S. synonym erklärt wird.] Albicans scheint, teilweise mit hispana zusammen, auf Kalkhügeln durch ganz Andalusien bis in die Sierra Nevada hinauf, ferner in der Provinz Murcia zu fliegen; nach Staudinger-Rebel aber auch in dem nördlichen Aragonien. Wenn aber Rühl als Fundort auch Budapest nennt, und Spuler von einem bei Karlsruhe gefangenen Stück spricht, so dürften das kaum ächte albicans, sondern Albinos gewesen sein, wie sie gelegentlich überall auftauchen, und wie ich mehrere beiderlei Geschlechts von verschiednen Orten besitze. — Ob es gerechtfertigt ist, dass Ribbe von albicans noch fünf Unterformen abtrennt, bleibe dahingestellt. Sie unterscheiden sich doch nur durch die gleichen unbedeutenden Abweichungen in der Färbung der Flügelsäume, wie sie für coridon überhaupt bezeichnend sind. Kurz berührt mögen auch die blauen coridon 2? werden. Die- . selben stellen in den meisten Ländern eine seltene Ausnahme dar. Ich habe z. B. in Jahrzehnten um Basel nur 2 erbeutet; und Vorbrodt weiss aus der ganzen Schweiz nur 7 weitere Fund- stellen zu nennen. Aber um Paris und Bordeaux soll das blaue © die Regel und das braune die Ausnahme bilden. Schon eine leichte blaue Wurzelbestäubung ist bei uns nicht gerade häufig; seltener ist der Fall, wo das Blau sich mehr in die Disci der Hinterflügel (semibrunnea Milliere, semisyngrapha Tutt) oder der Vorderflügel (opposita Tutt), oder streifenförmig über alle Flügel (radiosa Gaschet, inaequalis Tutt) ausbreitet. Die grösste Rarität aber ist jene Form, wobei alle 4 Flügel das Grünblau des d mehr oder weniger rein angenommen haben, und nur die Flügelsäume braun, die hintern aber gewöhnlich mit roten Randpunkten geziert sind. Die erste Benennung eines solchen ganz blauen coridon © findet sich bei Meigen 1830 (II. p. 30, T. 47, F. 2, 2a), der den Hübner’schen #ithonus (eros Ochs.) wiedergeben wollte, aber nach einem Exemplar des Museums zu Lüttich ein charakteristisches 236 L. Courvoisier. blaues coridon 2 beschrieb und abbildete, unverkennbar durch seine Grösse, Gestalt, Zeichnung und gescheckte Fransen. Der Name tithonus: Meigen hat demnach die Priorität vor mariscolore Bois- duval 1840 und syngrapha Keferstein 1851, Namen, von denen der letztere widerrechtlich den blauen coridon 22 geblieben ist. Übrigens bringen auch die orientalischen Rassen ossmar Gerhd. und corydonius Hbn. gelegentlich blaue 2° als Analogon zu tithonus Meigen hervor, wie ich denn ein tadelloses blaues corydonius 2 besitze. 10. Lycaena tithonus Hübner 1905 (eros Ochsenheimer 1808). [Ochsenheimer hat den Hübner’'schen Namen tithonus verworfen, weil er „schon von Linne vergeben“ sei. Wie ich aber schon in meinen „Entdeckungs- reisen“ erörtert habe, hat Linne diesen Namen für eine zu den Satyriden ge- hörende Spezies (Epinephele tithonus) erteilt?). Derselbe darf also ganz wohl für eine Lycaenide wieder gebraucht werden. Also hat tithonus Hbn. vor dem ganz allgemein gebrauchten eros Ochs. die Priorität. ] Tithonus ist ein richtiger Alpenbläuling und deshalb einbrutig. Tiefer als Fusio im Tessin (1280 m) habe ich ihn nie gefangen; dagegen bis in die Höhen des Sassellopasses (2350 m) und der Hohmatt (oberhalb Frutt 2400 m). Ausnahmsweise mag er sich in niedrigere Regionen verfliegen, und ich besitze sogar ein angeblich bei Linthal in Glarus (ca. 700 m) erbeutetes J.. In gewissen Jahren und Gegenden tritt fithonus massenhaft auf, wie denn Vorbrodt angibt, dass er im Val Piora zu tausenden fliege. Nach meinen Erfahrungen sind aber auch bei geselligem Vorkommen die ?2 spärlich; sie leben anscheinend sehr verborgen. Deshalb besitze ich auch auf ca. 100 GS nur 25 99, Trotz ihrer weiten Verbreitung von den Pyrenäen durch die West-, Zentral- und Ostalpen, die italienischen Gebirge, den Balkan, bis zum Kaukasus und Ural variiert die Spezies innerhalb der europäischen Grenzen nur sehr wenig. Meine Sd zeigen zwar ein etwas wechselndes, bald reineres, bald leicht violettes, bald grünliches Blau; die schwärzlichen Flügelsäume bald sehr schmal, bald etwas breiter, doch selten über 1 mm messend; die 3) Linne, Syst. Nat.-Ed, XII. Tom. II. Von pag. 521 an: Regni animalis Appendix. p. 237. Tithonus. Papilis Pleb. Alis subdentatis concoloribus disco luteis: primoribus ocello bipupillato; pootieis punctis duobus albis. — Hab, in Germania, D..Fabricius. — Corpus Juscum, magnitudine et statura P. Pamphili. — Alae primores concolores, fuscae disco fulvo: Ocellus intra apicem, ater punctis 2 albis. — Posticae supra fuscae disco fulvescente. Punetum album minutum pone luteum colorem. Subtus fuscae; Fascia pallida undata; Puncta 2 alba nigro margine pone fasciam. Ueber Neben- und Zwischenformen bei Lycaeniden. 237 Hinterflügel ausnahmsweise mit freistehenden Randpunkten besetzt (F. punctifera m), gewöhnlich nur etwas ins Blaue hinein schwarz- zackig. Die ©® erscheinen heller oder dunkler braun, selten schwärzlich; zuweilen einfarbig, meist wenigstens auf den Hinter- flügeln mit rötlichen Randmonden. Die Unterseite des J' ist grau, diejenige des © bräunlich. Eine unterbrochene Kette rötlicher Randflecken pflegt beim 5’ nur undeutlich, beim $ etwas deutlicher zu sein. Doch kombinieren sich solche kleine Unterschiede kaum je in einer Weise, dass sie zur Aufstellung eigener Rassen be- rechtigten. Sie können in der gleichen Gegend von Stück zu Stück wechseln. Immerhin darf wohl als eine typische Regionalform gelten die von Oberthür 1910 benannte italica der zentralitalienischen Ge- birge. Der 5° weicht oben von der Stammform nicht ab; unten dagegen ist er weisslich mit deutlicher gelblicher Randfleckenkette. Das © trägt oben auf allen Flügeln gut entwickelte rötliche Rand- monde, und unten ist es bei sehr hellbräunlicher Grundfarbe mit einer lebhaft hervortretenden Saumbinde von rötlichen Flecken geschmückt. Ahnliche, ja gleiche Stücke und Geschlechts finden sich nur ganz ausnahmsweise in den Alpen. Einige weitere europäische Formen, welche unter sich nahe ver- wandt sind, gelten allgemein als zu fithonus gehörig. Sie weichen aber von dessen Stammform durch viel bedeutendere Grösse, robusteren Körperbau, die S S durch viel breitere dunkle Flügelsaume und ein zum Teil anderes Blau, die 2? durch ein helleres Braunrot der Oberseite mit besser entwickelten roten Saumflecken, beide Geschlechter unten durch weit kräftigere Markierung der Ocellen und lebhafter gefärbte, breitere Saumbinden so wesentlich ab, dass sie vielleicht doch eine eigene Art darstellen. Eine derselben, boss- duvalii H. Schäffer 1843, deren 9 ungefähr das silberglänzende Blau des fithonus zeigen, bewohnt das südliche Russland, kommt aber auch auf dem Balkan vor. Die andre: eroides Frivaldsky 1835 (= anteros Freyer 1845, everos Gerhard 1853, armena Stau- dinger i. lit, helena Grum Grshimailo 1891) mit ihrem dunkleren, gesättigten Blau, ist im nordöstlichen Deutschland, aber auch in Kleinasien und sogar am Kukunoor gefangen worden. Wenn nicht mit der Zeit Zwischenstationen für dieselben entdeckt werden sollten, so wäre das also wieder ein interessantes Beispiel von einem Auftreten gleicher Formen an weit auseinanderliegenden Ortlichkeiten. Unter den rein asiatischen Rassen zeichnet sich die von mir (Iris. 1911 T. II, F. 5) abgebildete, aus Jentshoufou in der Provinz Shantung stammende Klaphecki durch sehr langgezogene, stark 238 L. Courvoisier. zugespitzte Vorderflügel, der d’ durch sehr hellen Silberglanz aus, das © durch sehr feurige Randflecken auf allen Flügeln. Unten haben beide Geschlechter sehr breite und zusammenhängende Saumbinden, die beim ©’ zitrongelb, beim © ziegelrot sind. Über die andern asiatischen Formen, die grünblaue erotides Staudinger 1895 aus Sibirien und Thianshan, die himmelblauen amor Stau- dinger 1886 (napaea Gr. Gr. 1881) und erigone Gr. Grshimailo 1890, jene hauptsächlich aus Turkestan, diese aus dem Pamir; so- wie über eine dunkelblaue, die ich 1910 von Bartel als tatsien- louica erhielt (vermutlich dieselbe, welche Oberthür 1910 erwähnt, ohne sie zu benennen), kann ich wegen zu spärlichen Materials nicht urteilen. Es wäre wichtig zu erfahren, ob sie nicht alle durch Übergänge unter sich und mit unserm alpinen tithonus ver- bunden sind. Interessant ist jedenfalls, dass Oberthür nicht nur von Exemplaren der Form erordes, sondern auch von richtigen tithonus spricht, welche er aus Ta-tsien-lou erhalten habe. 11. Lycaena damon Schiffermüller 1776. Eine wohl überall spät erscheinende und deshalb einbrutige Spezies, die im Grossen und Ganzen ziemlich beharrlich ist. Wohl zeigen die dd allerlei kleine Verschiedenheiten der Oberseiten- färbung, die bald reiner blaue, bald violette, bald grünliche und auch in ihrer Intensität wechselnde Töne aufweist. Sodann varlieren die dunkeln Flügelsäume, indem sie mehr grau oder fast schwarz, schmal oder breit, einwärts scharf begrenzt oder verschwommen sind. Auch die Unterseite beider Geschlechter ist gewissen Wech- seln unterworfen: als Regel darf wohl gelten, dass beim d die Vorderflügel mehr grau und heller sind, als die meist braunen Hinterflügel, während die braune Färbung beim © an allen Flügeln nahezu gleich zu sein pflegt. Aber alle diese kleinen Differenzen können nicht die Aufstellung von Ortsrassen rechtfertigen, da man die verschiedensten Exemplare nebeneinander trifft. Immerhin beobachtet man, dass (ähnlich wie beim coridon) subalpine und alpine J'Z oft tiefer und glänzender blau sind, als solche aus niedrigeren Gegenden. Christ gab z. B. 1883 an, dass Tarasper JS ein Ultramarinblau zeigten, das auf eine Hinneigung zur orientalischen damone Eversmann deute. — Sodann hat Favre kleine, schmale, schwarzrandige, aber sonst nicht abweichende SS aus dem Walliser Ferrettal zuerst für actis H. Schäffer gehalten, später, nach Erkennung seines Irrtums in ferreti umgetauft; und Rätzer hat (laut Vorbrodt) ähnliche am Simplon erbeutete Stücke als alpina bezeichnet. Mir hat es in beiden Gegenden nie ge- lingen wollen, genau entsprechende Exemplare zu fangen. Von Ueber Neben- und Zwischenformen bei Lycaeniden. 239 einer eigentlichen Ortsrasse wird man dabei um so weniger reden dürfen, als in beiden Gegenden auch die gewöhnlichen damon fliegen. Eher erscheint das erlaubt bei der von mir kürzlich (Entomolog. Mittlen. 1913, Nr. 10) aufgestellten merzbacheri, welche mir in 18 So und 4 $? aus Dscharkent vorgelegen hatte. Sie zeichnet sich im © Geschlecht aus durch eine ganz ausserordentliche Ver- dunkelung, welche von der blauen Färbung sehr wenig übrig lässt. Ganz isoliert wird auch diese Form kaum dastehen; und ich be- sitze selbst Exemplare aus Altai, Juldus und Mongolei, welche zwischen merzbacheri und unserm gewöhnlichen damon mehr oder weniger die Mitte halten. Vorbrodt hat (diese Zeitschr. 1908, Nr. 49) mitgeteilt, dass er an seinen 18 Sd von damon ein Zusammentreffen einerseits von ausgedehnterem Blau der Oberseite mit brauner Unterseite und grösserer Ocellenzahl, andrerseits von beschränkterem Blau mit heller, grauer Unterseite und kleiner Ocellenzahl festgestellt habe. Ich habe diese Angaben an einem viel grösseren Material, nämlich an 165 dog gewissenhaft nachgeprüft, bin aber nicht zum gleichen Ergebnis gelangt. Vielmehr fand ich, dass die Vorbrodt’schen Regeln nicht zutreffen. Im Gegenteil treffen bei meinem Material eher verdunkelte Ober- wie Unterseite mit grosser Augenzahl zu- sammen. Sodann hat Vorbrodt bei 22 durchschnittlich grössere Augen- zahlen gefunden, als bei dd. Dieses Verhältnis ist auch mir längst aufgefallen, und ich kann es an Hand meines Materials (65 22 zu 165 SZ‘) durchaus bestätigen. Die Augenzahl meiner Sa beträgt durchschnittlich ca. 20 bis 22, diejenige meiner 2? durchschnittlich 24 bis 25; und während vier Fünftel meiner auf SS auf den Vorderflügeln je 5 Augen tragen, besitzen vier Fünftel meiner 2? deren 7. (Beiläufig gesagt, neigen übrigens, in aller- dings viel geringerem Grad, auch die 2? mancher andrer Lycaenen: icarus, bellargus, coridon, alexis zu einer im Vergleich mit den do grösseren Augenzähl.) Nur kurz sei noch beigefügt, dass bei den damon 22 Blau- färbung äusserst selten ist. Eine geringe blaue Wurzelbestäubung der Oberseite kommt gelegentlich vor. Aber eine Ausdehnung des Blau über grosse Teile des Disci habe ich bisher bei einem © des Basler Museums gesehen (f. caerulea m.) Schliesslich will ich auch hier auf jene von mir (Iris, 1911, T. II. F. 10) beschriebene und abgebildete Form decorata auf- merksam machen, die längs der Ränder der hintern und zum Teil auch der vordern Flügel auf der Unterseite eine Kette von hellen 240 L. Courvoisier. zuweilen schwarz gekernten Flecken aufweist, eine Aberration, die aber an verwandtschaftliche Beziehungen zur orientalischen damone Evsm. erinnert. 12. Die Lycaena Admetus-Dolus-Gruppe. Diese Gruppe steht dem damon Schiffermüller und seinen Verwandten nahe, unterscheidet sich aber in mehr als einer Hin- sicht sehr deutlich von ihnen. Es gehören zu ihr folgende Arten, bezw. Formen: I. admetus Esper 1782 mit den Nebenformen: a) rippertii Boisduval 1832 (ripartii Freyer 1830), b) mithridates Staudinger 1878. II. dolus Hübner 1805 (lefebvrei Godart 1821) mit den Neben- formen: | a) menalcas Freyer 1839 (epidolus Boisduval 1840, b) hopfferi H. Schäffer 1851, c) vittata Oberthür 1892, d) hadjina Rühl 1895, e) antidolus Rebel 1901, f) vörgilia Oberthür 1910. Sie alle sind gekennzeichnet durch den nur ihnen eigentüm- lichen, aus langen, teilweise verfilzten Haaren gebildeten Pelz, der beim d vom Körper aus die Wurzeln und verschieden grosse Flächen der Oberseite der Vorderflügel überzieht. Boisduval hat ihn zuerst 1832 beschrieben, „duvet cotonneux“ benannt und als Gruppenmerkmal von rippertii und dolus bezeichnet. Das Uber- sehen dieses „Wurzelpelzes“ hat dazu geführt, dass eine Reihe namhafter Entomologen die Dolus- und die Damongruppe zusammen- geworfen und Formen.der einen in die andre gestellt haben (wie ich in meinen „Entdeckungsreisen“ nachwies). Die 99 aber besitzen den Wurzelpelz nicht und unterscheiden sich überhaupt in beiden Gruppen so wenig von einander, dass es eines sehr geübten Auges bedarf, um sie zu trennen. So ist es denn z. B., wie Oberthür 1910 betont hat, sehr schwer zu ent- scheiden, ob der von Freyer 1830 (Beitr. z. Gesch. europ. Schmttlge. T. 133 F. 3) ohne Wurzelpelz abgebildete, also weibliche Falter, den er yipartii nennt, wirklich diejenige Admetusform darstelle, welche Boisduval als rippertii bezeichnet hat. Mir erscheint dies besonders deshalb unwahrscheinlich, weil Æreyer die Fransen nicht braun malt, wie sie bei admetus und seinen Nebenformen in beiden Geschlechtern sind, sondern hellgrau, wie bei dolus und damon. Vermutlich hat dieses Bild 1834 Treitschke veranlasst, vom ripartn Ueber Neben- und Zwischenformen bei Lycaeniden. 241 Q zu sagen: seine Fransen seien weiss, während sie beim bräunlich bleiben. [Die Entscheidung ist deshalb nicht gleichgültig, weil es von ihr abhängen wird, ob der Name ripartii Freyer oder ripperti Boisduval für die betreffende Admetusform beibehalten werden soll. Sicher ist ja übrigens, dass Boisduval die Form zu Ehren des Barons Rippert de Beaugency benannt hat, wie er es in seinen Icones 1832 anlässlich der Publikation des Namens erzählt. Irgend- wie muss Freyer von dieser Benennung vor der Publikation gehört haben. Er adoptierte dieselbe, aber nicht ohne sie 1830 unrichtig wiederzugeben. Bei der Unsicherheit der Deutung seines Bilds von ripartii erscheint es aber durchaus geboten, diesen Namen fallen zu lassen und den ripperti Boisd. in den ersten Rang zu stellen. ] Von den oben aufgezählten Formen sind nun die meisten schon als eigene Arten erklärt worden. So trennte Boisduval seinen rippertii ganz von admetus ab; andre folgten ihm, und noch 1878 bezweifelte Staudinger die Zusammengehörigkeit beider, die aber heute allgemein angenommen wird. Und was mithridates Staudinger betrifft, der nicht nur bei Staudinger-Rebel, sondern auch bei Seitz selbständig erscheint, so lässt sich dessen Artrecht gegenüber admetus kaum verteidigen. — Menalcas wurde nicht nur von Freyer, sondern von manchen neueren, z. B. von Riühl 1893, als Spezies neben dolus aufgeführt, dessen Nebenform er doch zweifellos ist. Hopfferi samt der Rasse hadjina galt früher als gute Art, wurde 1871 von Kirby ohne weiteres und von Staudinger mit ? als Dolus- form aufgefasst, steht aber jetzt, trotzdem sie höchst wahrschein- lich eine solche ist, bei Seitz und Staudinger-Rebel wieder selbst- ständig da. Alpheraky jedoch hat schon 1891 (Trans. Ent. Soc. Lond.) erklärt, dass er nach gewissenhafter Untersuchung zahlreicher Exemplare von admetus, rippertü, dolus und menalcas zur Uber- zeugung gelangt sei, es gehörten alle 4 zu einer Spezies, welche dimorph sei, indem sie sowohl blaue als braune 9 hervorbringe. Wiewohl nun mein Material viel zu klein ist, um mich mit voller Sicherheit urteilen zu lassen, glaube ich doch daraus den Schluss ziehen zu dürfen, dass wenigstens dolus, menalcas, virgilia und hopfferi eine Art sind, deren 22 sich in keinem einzigen Punkt, deren JS‘ sich nur durch wechselnde Färbung der Ober- seite unterscheiden. Dagegen möchte ich an dem Artrecht des admetus und seiner Nebenformen gegenüber dolus etc. festhalten. Nun liest man da und dort von angeblicher strenger geogra- phischer Trennung derjenigen Formen dieser Gruppe, welche den bekannten weissen Längsstrahl auf der Unterseite der Hinterflügel tragen, von denjenigen, welche desselben entbehren. So wird z.B. gelegentlich behauptet, admetus sei südfranzösich, rippertii klein- 16 242 L. Courvoisier. asiatisch. Das ist unrichtig: Staudinger-Rebel gibt für beide Ara- gonien, Oberthür die Basses-Alpen, Riühl etc. Taurus und Armenien an; und von letztern Gegenden besitze ich selbst beide. — Schon H. Schäffer (Syst. Beschrbg. VI 1851 p. 25) sagt übrigens vom admetus: „ein leichter Mittelstreif der Hinterflügel ist zuweilen angedeutet.“ Weiter wird ziemlich allgemein angegeben, die mit dem Längs- strich versehene, von Oberthür benannte und zuerst aus dem De- partement der Lozère beschriebene Dolusform vittata sei auf jene Gegend beschränkt. Oberthür selbst aber berichtet 1910, dass in den Seealpen beide Geschlechter dieser Form bald mit dem Strich, bald ohne denselben vorkommen. Meine eigne Sammlung enthält beiderlei Exemplare von Marseille, vom Col di Tenda und von Bordighera. Aber auch 4 JS und 1 ® vom Monte Gargano in Süditalien gehören zur vittata, ein Beweis, dass’ Oberthür’s Regel, wonach die italienischen (von ihm als vörgelia bezeichneten) Stücke ohne „bandelette“ wären, nicht ganz durchgreifend ist. Was die in manchen ihrer Exemplare vom typischen dolus kaum abweichende Nebenform menalcas Freyer vom Balkan und aus Kleinasien betrifft, so kommen auch bei ihr alle Abstufungen zwischen höchster Entwicklung und vollkommenem Fehlen des weissen Strichs vor. Auch das beobachte ich an eigenen Exem- plaren. Und genau dasselbe gilt von der gleichfalls kleinasiatischen Form hopfferi, bezw. hadjina, von welcher die erstere den Strich haben, die letztere ihn entbehren soll. In Wirklichkeit gibt es auch hier alle Übergänge. 13. Lycaena semiargus Rottemburg 1775 (argiolus Füsslin 1775 — acis Schiffermüller 1776). Dieser über ganz Europa, Kleinasien, Persien, das zentrale und nördliche Asien bis zur Mongolei und zum Amur verbreitete Bläuling ist im wesentlichen ein Frühsommerfalter, der aber aus- - nahmsweise einzeln noch bis in den August hinein getroffen wird. Eine ständige zweite Generation scheint nirgends vorzukommen. Auch er zeichnet sich durch grosse Beharrlichkeit seiner Merkmale aus. Typische Lokal- oder Regionalrassen liefert wenigstens Europa — mit Ausnahme der südöstlichsten Gegenden — nicht. Doch pflegt das Flachland im allgemeinen stattlichere Exemplare hervorzubringen, als die Alpen. Aber ein Gesetz gibt es hier nicht: es kommen in der Ebene recht kleine und im Ge- birge sehr grosse vor. Meyer-Diür hat 1852 behauptet, der steigenden vertikalen Ver- breitung der Spezies gehe parallel eine ganz regelmässige succesive Ueber Neben- und Zwischenformen bei Lycaeniden. 245 Grössenabnahme, so dass in den Hochalpen semiargus so klein erscheine wie aegon. Den hochalpinen Exemplaren schrieb er überdies schmalere und spitzere Vorderflügel, dunklere Unterseite und grössere Ocellen zu. Damit rechtfertigte er die Aufstellung seiner montana. Andre haben dem d dieser Form ein dunk- leres, trüberes Blau angedichtet, das Meyer-Dür nicht erwähnt. (Seitz dagegen spricht von einem „intensiveren“, also wohl nicht dunkeln oder trüben Blau). Milliere’s violette coelestina (Icon. 1874, T. 154 F. 3) würde demnach mit montana übereinstimmen, — Nun ist ja zuzugeben, dass einzelne Alpenexemplare etwa die Eigen- tümlichkeiten der montana der Autoren aufweisen. (Händler ver- kaufen einem einfach kleine Stücke unter diesem Namen.) Aber unter meinen zirka 250 S und © semiargus, die zum weitaus grössten Teil aus höher gelegenen, ja alpinen Ortlichkeiten stammen, habe ich im Lauf mehrerer Jahrzehnte kaum ein Dutzend zusammen- gebracht, welche jenen Schilderungen genau entsprechen. Und ganz fest steht für mich, dass der Meyer-Dür'sche Parallelismus (oder besser Antagonismus) nicht existiert, auch eine Höhenrasse bei semiargus nicht vorkommt. Interessanter sind die auf der Balkanhalbinsel, sowie in Klein- asien und Syrien auftretenden Formen: bellis Freyer 1843, antiochena Lederer 1861, helena Staudinger 1862, parnassia Staudinger 1870, sowie die ostrussische Form: impura Kronlikowski 1906. Sie stellen gleichsam verschiedene Etappen einer eigentümlichen Entwicklung dar, indem sie durch das Vorkommen einer Anzahl von Randverzierungen der Unterseite von der Stammform ab- weichen. Bei letzterer beobachtet man bekanntlich zwischen dem Ocellenbogen und den Fransen niemals Flecken, weder rötliche oder bräunliche Halbmonde, noch schwarze Randpunkte. Dagegen zeigt schon bellis rötliche Makeln im Analwinkel; parnassia und impura besitzen solche von rötlicher oder bräunlicher Färbung längs des ganzen Hinterflügelsaums; helena und noch ausgesprochener antiochena haben im $ Geschlecht überdies auf der Oberseite der hintern, ja zuweilen auch der vordern Flügel rote Flecken. [Wie weit die neuerdings von Tutt aufgestellten angeblichen Lokalrassen balcanica, intermedia, mesopotamica und persica, die er (Brit. Bttfl. III. 1906. p. 272—277) zwischen die eben besprochenen orientalischen einfügt, von diesen genügend abzugrenzen sind, ist 244 L. Courvoisier. aus seinen Beschreibungen allein — ohne Bilder — kaum zu er- sehen. Meines Erachtens unterscheiden sie sich nicht wesentlich von jenen orientalischen, die ja auch schon in einander übergehen.] Nun beobachtet man, allerdings äusserst selten, auch bei unsern landläufigen semiargus ähnliche Erscheinungen, wie bei bellis etc. Ich verweise auf die von mir (Iris 1911, Taf. 2, Fig. 12) abgebildete Aberration decorata, die ich jetzt in 9 « und 6 2 Stücken ver- schiedenster Herkunft mit verschieden deutlicher Ausprägung be- sitze. Alle haben längs der hintern, einzelne sogar längs der vor- dern Flügelsäume weissliche oder bräunliche, zum Teil schwärzlich gekernte Randflecken und stellen dadurch Übergänge zu den Orient- formen dar. Zu den grössten Raritäten aber gehören 2 aus Basels weiterer Umgebung stammende 2? meiner Sammlung, welche oben in den Analwinkeln einige rostfarbige Randflecken aufweisen und damit ebenfalls an jene Formen anklingen. Ich habe diese Aberration 1910 rufomaculata getauft. [Wenn ich hier Zycaena coelestina Eversmann (1843) erwähne, so geschieht es, weil ich es für nicht unmöglich halte, dass diese den Kaukasus und Südrussland bis Orenburg. bewohnende, zumal im ® Geschlecht den Formen bellis etc. sehr nahe stehende Form eine Semiargus-Rasse darstellt, und dass mit der Zeit zwischen ihr und jenen Kleinasiaten Übergänge entdeekt werden könnten.] Ob die von mir (Iris 1911, T. 2, F. 12) beschriebene, ab- gebildete und benannte prächtige pontica aus der Gegend von Amasia, die wahrscheinlich bis jetzt erst in dem einzigen, mir von Bartel geschenkten 3 Exemplar existiert, sich schliesslich auch als eine Form von semiargus entpuppen wird, muss ich vorläufig dahingestellt sein lassen. Tutt hat (l. c. p. 270—272) noch 4 asiatische Formen: uwralensis, altaiana, amurensis und fergana genannt. Auch hier macht sich der Mangel an Bildern sehr fühlbar. Denn aus den Beschrei- bungen lässt sich unmöglich erkennen, ob es sich wirklich, wie die Namen andeuten, um einige von der europäischen Stammform ab- trennbare Ortsrassen handle. Ich selbst besitze zu wenig asiatisches Material, um hier sicher urteilen zu können. Was ich aber be- sitze, lässt mich vermuten, dass es sich bei T'utt um unbedeutende, keineswegs typische, sondern um Variationen handelt, die in Europa gleich vorkommen. Als aetnaea hat Zeller (Iris 1847, p. 148) ein am Aetna ge- fangenes, abgeflogenes © benannt, das jetzt im Britischen Museum ist. Er war geneigt, es wegen seiner auffallend grossen Ocellen, deren Bogen den Fransen näher stand als dem Mittelmond, für Ueber Neben- und. Zwischenformen bei Lycaeniden. 245 eine eigene Art zu halten. Aber laut Tutt stellt es nur eine in- dividuelle Aberration dar, die das Museum von den allerverschie- densten Orten her gleich besitze. Er findet deshalb, der Name sei nicht der Aufbewahrung wert. Auch meine Sammlung enthält mehrere d und © Stücke verschiedener Provenienz, die, soweit man es Zeller’s Beschreibung entnehmen kann, mit aetnaea über- einstimmen, aber mitten unter normalen gefangen worden sind. Zum Schluss noch eine Bemerkung betreffend die Form caeca von semiaegus. Fuchs hat (Stettin. Ent. Ztg. 1883, p. 253) mit diesem Namen ein angeblich unten ganz augenloses Exemplar be- zeichnet. Sein Original, ein stattlicher J, gefangen 1881 bei Eperies, Ungarn, gehört mir. Er trägt eine von Fuchs geschriebene Etikette mit der Angabe: „unten augenlos“. In Wirklichkeit zeigt es aber beidseits im vordern Teil der Hinterflügel je ein grosses, weiss umzogenes Auge. — Einen absolut augenlosen 9’ besitze ich dagegen von Breslau. 14. Lycaena alexis Poda 1761 hat eine weite Verbreitung durch die palaearktischen Gebiete, ausgenommen England und die nördlichsten Länder. Auch Spanien, das im Staudinger-Rebel- Katalog 1901 noch als fraglich galt, bewohnt er; ebenso Nord- Afrıka. In Asien geht er durch Sibirien bis zum Amur. Er ist ein ausgesprochener Frühlingsfalter. Ob er irgendwo eine zweite Generation liefert, ist zweifelhaft. Einzelne Beispiele vom Auftauchen im Juli und August, wie sie z. B. Vorbrodt von einigen schweizerischen Orten meldet, beweisen noch keine richtige Sommerbrut, können vielmehr auch Fälle verzögerter Exclosion sein. Trotz der grossen Verbreitung finden sich bei dem Falter wenig typische Nebenformen. Zwar zeigen die S'S statt einer bald heller, bald dunkler blauen, glänzenden Oberseite stückweise eine leichte lilä Färbung, erscheinen auch ausnahmsweise grau (plumbeus m.). Auch beobachtet man gelegentlich solche mit auf- fallend breiten dunkeln Flügelsäumen (latimargo m.). Ziemlich überflüssig erscheint die Aufstellung der Form tristis Gerhard, die sich nur durch dunkleres Blau der Oberseite des d unterscheidet und wohl nirgends als Ortsrasse auftritt. Wie weit die von Püngeler benannte Form des Iligebiets (laetifica) selbständig als eigene Art dasteht, oder nur als Alexis- form zu betrachten ist, wage ich nicht zu entscheiden. Der Autor neigt nicht nur wegen der sehr hellblauen Färbung, wegen der schmalen schwarzen. Flügelsäume beim d und wegen der fast die ganze Unterseite der Hinterflügel deckenden gelblichgrünen Metallbestäu- bung bei d und ©, sondern namentlich wegen der roten (statt wie 246 L. Courvoisier. bei der Stammform schwarzen) Fühlerkolben dahin, sie für eine gute Spezies zu halten. Ich besitze aber aus dem Iligebiet und aus Achaltekke mehrere Exemplare, die zwar schwarze Fühler- kolben haben, sonst aber von der typischen /aetifica sich nicht unterscheiden, oder höchstens um eine Nuance dunkler blau sind, also eine Zwischenform darstellen. Die 2? von «alexis sind oben gewöhnlich mehr oder weniger stark von den Flügelwurzeln aus blau überlaufen, äusserst selten aber bis zu den Flügelsäumen ganz blau (f. caerulea m.). Eine oben dunkelbraune bis schwarze, höchstens an den Wurzeln ganz leicht blau bestäubte © Form hat Rühl zu Ehren des bekannten früheren Walliser Sammlers andereggii getauft. Derselbe hat sie in seiner Heimat entdeckt. Sie stellt die im Rhonetal herrschende Varietät dar, neben welcher aber auch die blaue Form vorkommt. Sie fliest ferner im Tessin, in den Seealpen, in Nieder-Oesterreich, Dalmatien, Krain, Kroatien etc., überall neben blauen. Die metallische Bestäubung der hintern Flügelwurzeln auf der Unterseite zeigt in beiden Geschlechtern ein ausserordentlich wechselndes Verhalten. Gewöhnlich ist sie von bläulicher Färbung und zugleich von geringer oder mässiger Ausbreitung so, dass sie nur bis zum Ocellenbogen reicht und diesen nicht verdeckt. Aber nicht selten ist ein grünlichgelber Messingglanz, zumal bei ??. Und bisweilen dehnt sich diese Bestäubung so weit aus, dass die Ocellen, zumal die mittleren, darunter verschwinden. Der höchste Grad eines die ganzen Hinterflügel einnehmenden grünspanigen Glanzes findet sich bei der von Staudinger eigens benannten, von Klein- asien bis zum Juldus auftretenden, aber mit unsern Exemplaren durch alle Zwischenformen verbundenen, oben nicht abweichenden aeruginosa. Die Ocellenzahl kann bei alexis sehr wechseln. Nicht selten ist sie so gross, wie sie bei Lycaenen überhaupt werden kann, nämlich 8 auf den Vorder-, 9 auf den Hinterflügeln. Aber auffallend häufig ist die in Poda’s Diagnose erwähnte Fünfzahl der Vorderflügel. Ich finde sie bei fast der Hältte meiner ca. 120 Sd und ca. 60 99. Ja die Verarmung geht hier zuweilen noch viel weiter: die Vorderflügel besitzen z. B. nur 4 oder 3 Augen; und beson- ders häufig erscheinen die Hinterflügel fast oder ganz blind, auch wo keine breite Metallbestäubung besteht, welche einzelne Augen verdecken könnte. (F. paucipuncto m.) Von solchen Stücken be- sitze ich eine lange Serie aus beiden Geschlechtern. Ausserst selten und verblüffend ist aber die Aberration, wobei auf beiden Flügeln alle Augen fehlen, wie es bei 3 eigenen J’Jd’ der Fall ist. Solche Formen sind als caecae zu bezeichnen. Ein Fehler ist es aber, wenn oft einzelne auf den Hinterflügeln augenlose Stücke, Ueber Neben- und Zwischenformen bei Lycaeniden. 247 die mitten unter der Stammart fliegen, als lugens Caradja be- zeichnet werden. Diese Form weicht vom Typus ab durch dunk- leres Blau, breitere Flügelsäume, sehr helle Unterseite, ganz ein- geschränkte blaue Wurzelbestäubung und dabei ganz fehlende Hinterflügelaugen. Sie ist vom Autor als rumänische Regional- rasse beschrieben, kommt genau gleich bei Sarepta vor, ist also keineswegs verbreitet. Noch bleibt die aberrative Zwergform blachieri Milliere zu erwähnen, welche ohne lokale Beschränkung da und dort, doch bis jetzt nur in heissen Gegenden: CÜannes, Genf, Wallis, Triest, Dal- matien etc. neben der Stammform beobachtet ist. Die Se sind oben dunkler und trüber blau und lassen die Ocellen, die an den Hinterflügeln grösser sind, als bei gewöhnlichen Stücken, nach oben durchscheinen; die ?? sind oben dunkelbraun, mit deutlichen (den gewöhnlichen Exemplaren fehlenden) Mittelmonden der Vorder- flügel, ferner mit einer alle Flügel durchquerenden, dem Ocellen- bogen der Unterseite entsprechenden Kette schwärzlicher Flecken ; ihre Unterseite ist oft dunkelbraun. Beide Geschlechter zeigen entfernte Ahnlichkeit mit melanops Bsd., und Milliere hat deshalb sogar an Hybridation zwischen beiden gedacht. Alle neueren Autoren beschreiben blachieri unvollständig oder gar falsch, und die Händler lieferten mir noch immer unter diesem Namen einfach kleine Alexis-Stücke. Die Bilder bei Seitz (T. 808g.) entsprechen ungefähr der Originalbeschreibung, zeigen aber leider nicht die charakteristische Unterseite. Manuskript eingegangen, 17. Januar 1919. Versuche über drahtlose Telegraphie in den Alpen. (Mit 5 Textfiguren.) Von E. Banderet. Die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen von den in der drahtlosen Telegraphie üblichen Wellenlängen im Gebirge ist nur ganz vereinzelt Gegenstand einer Publikation gewesen. Es sind als erste Lecarmes') Versuche (1) am Mont Blanc anzuführen; auch K. E. F. Schmidt (2) gibt an, Versuche über Ausbreitung solcher Wellen über Firnfelder ausgeführt zu haben. In der Schweiz sind seit einigen Jahren für militärische Zwecke transportable Stationen im Gebrauch. In den Jahren 1916 und 1917 sind Versuche über Benützbarkeit und Reichweite solcher Stationen angestellt worden; diese Versuche führten naturgemäss in die Alpen. Die benutzten Apparate mit Tonfunken waren von der Firma Telefunken gebaut. Der Generator lieferte ca. 4 kW. Die Schirmantenne war auf einen 25 m hohen Teleskopmast mon- tiert. Ihre elektrischen Dimensionen sind mir nicht bekannt. Die Antennenstromstärke war bei den gebräuchlichen Wellen, von 600 m bis 2100 m, variabel, gewöhnlich 10—12 Ampère, doch wurden auch höhere Werte, bis 18 Ampere gemessen. Einzig Bern hatte im Jahr 1917 eine feste Station mit Knarrfunken und T-Antenne. Zwischen einer nicht unbeträchtlichen Zahl von Stationsorten (ungefähr 40, in den Figuren 2 und 3 sind nicht alle eingezeichnet) wurden Wellenversuche angestellt, d. h. für verschiedene Wellen- längen die Empfangsintensität nach der Parallelohmmethode be- stimmt. Die Zahl der Ohm wurde nach dem Gehör geschätzt, nachdem die Telegraphisten auf das Schätzen eingeübt worden waren. Es ist sofort ersichtlich, dass diese Messungen, die ja keine wissenschaftlichen Zwecke verfolgten, mit schwerwiegenden Fehlern behaftet sind. Zu den Nachteilen der Parallelohmmessung (2), wie 1) Vergl. Literaturverzeichnis am Schluss der Arbeit. Versuche über drahtlose Telegraphie in den Alpen. 249 wechselnde Empfindlichkeit der Detektoren, subjektive Aufnahmen der verschiedenen Telegraphisten, Angaben, die nicht linear mit der Energie im Empfänger zusammenhängen, kommt noch die Un- sicherheit des Schätzens. Wir können daher nur qualitative Regeln ableiten, keineswegs zahlenmässige Verhältnisse. Leider sind die Angaben über die Witterung sehr dürftig, die Senderenergie bei jeder Messung ist unbekannt, auch sind Strecken, die nicht über- brückt werden konnten, la: angegeben’). Ein Einfluss der geologischen Beschaffenheit des Standortes konnte nicht nachgewiesen werden, der kaum zu erwarten ist, da die Dielektrizitätskonstante der Gesteine nicht stark mit der Zu- sammensetzung, mehr mit dem Nässegrad variiert (4); dieser ist aber unbekannt. Château d'Oex Bern < N. Zug N myg-pfemg U AMIE Riot. 2) In den Fig. 1, 4, 5 sind Messungsreihen graphisch aufgezeichnet. Die einzelnen Punkte sind A Geraden verbunden, nur um die” Punkte einer Messreihe zu verbinden. Die Wellenlänge in 100 m ist Abszisse und die Laut- stärke in Parallelohm Ordinate. 250 E. Banderet. In einigen Versuchen von 1916 sind Wellenemissionen einer Station gleichzeitig an 2 Orten aufgenommen worden. Figur 1 stellt einen solchen Wellenversuch dar. Die von Bern ausgesandten Zeichen wurden gleichzeitig in Zug und Château d’Oex (Z. und C. in Figur 2) mit gleichen Apparaten aufgenommen, sodass die in Betracht kommenden Dimensionen (besonders Selbstinduktion, Kapazität und Widerstand der Antennen) als ungefähr gleich an- gesehen werden dürfen. Analoge Versuche sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt mit Angabe der Welle mit maximalster Lautstärke bei jeder Empfangsstation. ) 1. Empfangs- maximale 2. Empfangs- maximale [sonen ; BET | A station Welle | station Welle | | Bern Zug 1000—1300 Château d’Oex 1500 Zug Bern 900— 1800 N 1500 5 à 1000—1200 5 1500 Luzern 2 900—1600 Grimselpass 1700 A os 900—1500 Linthal 1400 Nach den Empfangsstationen Château d’Oex, Grimsel und Linthal müssen die Wellen über bedeutende Höhenzüge, was bis zur entsprechenden Station 1 nicht der Fall ist. Die kleinen Wellen werden in den Stationen 2 schlecht empfangen. Es ist an Hand der Resultate von 1916 möglich, den unge- fähren Verlauf einer Fernwirkungscharakteristik in den Alpen für die Station Bern zu zeichnen, also die Orte zu verbinden, die mit unseren Apparaten Bern mit gleicher Lautstärke, hier 1 Ohm, hören (Figur 2). Deutlich tritt die hemmende Wirkung der Alpen- ketten hervor, noch deutlicher drängt sich aber die begünstigende Wirkung der Fluss- und Seetäler auf, wie es das Aare-, Reuss- und Limmat-Tat zeigen. Die längste nachts überbrückte Strecke in den Alpen längs der Ketten, St. Maurice-Julierpass = 205 km, wurde mit 1 Ohm empfangen (beste Wellen 600-900), quer zu den Ketten war die längste durchmessene Strecke Rigi-Julierpass von 116 km Länge und wurde bei 2—1100m mit 10 Ohm em- pfangen’). Firngebiete wirken dagegen offenbar ungünstig auf die Fort- pflanzung der Wellen ein. Standorte, deren Verbindungslinien über die Gletschergebiete des Tödi, der Urner Alpen und besonders 3) Die hemmende Wirkung der Juraketten haben neuerdings unter Leitung von Prof. Zickendraht angestellte Versuche von Basel aus gezeigt. In der Rhein- linie hörte man Basel (kleine Station mit 2,2 Amp. Antennenstrom) auf 116 km mit 1 Ohm, quer zum Jura auf dem Rigi mit 5 Ohm in 92 km. Versuche über drahtlose Telegraphie in den Alpen. 251 In den Karten sind einige Standorte durch Ringe angegeben. Es bedeuten: A Amsteg; AE Schännis ; B Bern; C Château d’Oex; D Andermatt; E Hirzel; F Brig; G Guttannen; H Chur; I Linthal; J Julierpass; K Klausenpass; L Luzern; M St. Maurice; N Bonaduz ; P Grimselpass ; Q St. Moritz; R Rapperswil; RD Rodels; S Rigi-Scheidegg; SA Sargans ; T Steinen ; U Bulle; W Wallenstadt; Y Schwyz ; Z Zug; ZI Zillis. Die Geraden verbinden Standorte, deren Verkehr für unsere Frage berücksichtigt werden kann. Die Pfeile geben nur die Fortpflanzungsrichtung an. Die Doppellinie in Figur 2 ist die Fernwirkungscharakteristik für Bern. 252 E. Banderet. der Berner Alpen führten, konnten im allgemeinen nur bei Nacht oder gar nicht in Verkehr treten. Versuchstabellen sind freilich nur spärlich vorhanden; ich konnte durch mündliche Mitteilung u. a. in Erfahrung bringen, dass Andermatt D und Brig F nur nachts und schwer mit Bern sich in Verbindung setzten. In der Literatur fand ich nur die kurze Angabe von Schmidt (2). Bei der Frage nach dem Unterschied zwischen Aufnahmen bei Tag und Nacht weisen unsere Versuchsreihen der Oberflächen- gliederung des durchlaufenen Geländes eine besondere Bedeutung zu. Die auftretenden Unterschiede sind bisweilen sehr stark. Ich habe mit Rücksicht auf die Unsicherheit der Methode nur solche vergleichbare Versuchsreihen berücksichtigt, bei denen starke (Figur 2) oder dann gar keine (Figur 3) Unterschiede in der Lautstärke ver- zeichnet waren. Die Figuren zeigen wohl deutlich die Wirkung des Gebirges: Kann die Welle in einem Tal oder in der Ebene sich fortpflanzen, so ist der Unterschied unmerklich, vgl. dazu U-B (gegenüber C-B auf Karte 2), dann B-G und B-P im Aaretal, L-A im Reusstal, ebenso die Stationen im Limmattal AE, W und SA. Dagegen bewirken quer zur Bewegung liegende Ketten vorwiegend Unter- schiede. Besonders stark werden diese, wenn die Empfangsstation im „Schatten einer Höhe“ steht (5). Der Verkehr vom Mitteiland in die Alpen zeigt die Erscheinung stärker als umgekehrt, z. B. L-J gegenüber J-L auf Figur 3, weiterhin B-H, S-H, usw.; auch B-L ist so verständlich, da in Luzern die Empfangsstation hinter einem Hügel, von Bern aus, stand. Aus der Regel fallen dann freilich B-R auf Figur 2, und in Figur 3 E-RD und R-ZJ, wenn gleich bei diesen Strecken die Standorte nicht hart an einer Kette liegen. Ja sogar Umkehrungen sind beobachtet worden, besonders auffallend ist eine Doppelreihe L-G, wo die Tagesaufnahme als stärker aufgezeichnet ist. Bei einigen Doppelreihen ist mir die durch die Kurven 4 und 5 dargestellte Erseheinung aufgefallen. Die (ausgezogene) Kurve der Tagesaufnahme zeigt ein Maximum der Lautstärke bei einer kleineren Welle als die (gestrichelte) Kurve der Nachtaufnahme. Drei andere Aufnahmen zeigten dasselbe Bild, während das Umgekehrte nicht auftritt. In Figur 5 scheint sogar eine allmähliche Verschiebung des Maximums vom Tag (8—1300 m) über Dämmerung (1300 m) zur Nacht (1500 m) gegen längere Wellen hin stattzufinden. Es ist zu berücksichtigen, dass gerade die Bestimmung der Maxima bei diesen Versuchen mit ziemlicher Sicherheit erfolgte. Andererseits sind die Fälle, die diese Erscheinung zeigen, zu wenig zahlreich, und die Versuche über drahtlose Telegraphie in den Alpen. 253 Zug-Bern Aufnahme bei Tag ayueıspne] 6 7 OR ENS NT 315 21 100 m late Fig. 4. Von Zillis (am Hinter-Rhein) nach Rapperswil Tagaufnahme Nachtaufnahme SCOTEBEn BE Speer = a 2HIEISINET + © 9 10 1 14 15 16 17 18 100 m Wellenlänge Fig. 5. elektrischen Grössen des Senders und Empfängers in jedem Fall unbekannt. Auch das Auftreten von freak-Verbindungen (5) haben wir beobachtet, d. h. schwankende Lautstärke in sehr kurzer Zeit von guter Hörbarkeit zu völligem Verschwinden und allmählichem An- wachsen zur guten Hörbarkeit; besonders stark zeigte dies K-B. Wenn wir die etwas unsichere Beobachtung der Maximums- verschiebung auch nicht berücksichtigen, so scheinen mir doch die angeführten Resultate dafür zu sprechen, dass der Raum zwischen Sender und Empfänger von grossem Einfluss auf die Zeichen- übertragung in der drahtlosen Telegraphie ist. So dürfte wohl die Ursache für die starken Unterschiede zwischen Tag und Nacht nicht sowohl in den Antennen, in Streuungsverlusten, als vielmehr 254 E. Banderet. darin zu suchen sein, dass die Atmosphäre eine andere Beschaffen- heit aufweist. Gerade wenn die Wellen über hohe Ketten müssen, kommt derjenige Anteil der Raumwelle, der in die höheren Schichten dringt, beim Empfang in stärkerem Masse zur Geltung und diese Schichten werden durch das Sonnenlicht ionisiert (6) und absor- bieren infolgedessen die eindringenden Wellen; bei Nacht fällt mit der Ursache auch die Wirkung weg. Ob bei Nacht noch eine Verstärkung durch Reflexion der Wellen an der hypothetischen stets ionisierten Heaviside-Schicht (7) in etwa 100 km Höhe mit- wirkt, diese Frage lassen die vorliegenden Versuche offen. Einzig die freak-Verbindungen lassen sich dadurch nach Æccles Theorie erklären. Auch dass hochgelegene Firngebiete bei Tag besonders un- günstig wirken, kann aus der Luftionisation erklärt werden. Hat doch Obolensky (8) gezeigt, dass ultraviolettes Licht Luft über Eis ionisiert, und Gockel (9) im Gebiet des Aletschgletschers besonders hohe Ionisation nachgewiesen. Dieser Effekt könnte mit der Wir- kung der ionisierten höheren Schichten wohl unsere Beobachtung erklären. Zum weiteren Ausbau der theoretischen Seite der Frage handelt es sich aber zunächst darum, Erfahrungsmaterial zu erhalten und zu sammeln. Und diesem Zweck soll die vorliegende Verôffent- lichung dienen. Literatur-Verzeichnis. 1. J. et E.. Lecarme. GC. R. 128, 1899, p2: 589: 2. Münch. Sitz.-Ber. 1912, pg. 399. 3. Klages und Demmler. Jahrb. d. drahtl. Tel., Bd. 8, 1914, pg. 212. 4. J. Zenneck. Ann. d. Phys. 23, 1907, pg. 858. 5. Jackson. Proc. Roy. Soc. 70, 1902, pg. 254. De Groot. Jahrb. d. drahtl. Tel. 12, 1917, pe. 15. 6. Lenard. Ann. d. Phys. 1, 1900, pg. 486. Le Cadet. GC. R. 136, 1903, pg. 886. 7. Eccles. Jahrb. 8, 1914, pg. 253. Marchant. Jahrb. 12, 1917, pg. 56. 8. Obolensky. Meteor. Ztschr. 29, 1912, pg. 497. Gockel. Neue Denkschr. d. schw. nat.-forsch. Ges. Bd. 54, Abh. 1. Manuskript eingegangen den 30. Januar 1919. Untersuchungen an einem einfachen Wellenmesser. Von Hans Zickendraht. 1. Beschreibung des Apparates. ') Der in vorliegender Studie untersuchte Wellenmesser soll in erster Linie Unterrichtszwecken dienen, eignet sich aber auch zur Verwendung im radiotelesraphischen Stationsbetriebe. Er stellt im wesentlichen einen geschlossenen Schwingungskreis mit stufen- weise veränderlicher Selbstinduktion und stetig veränderlicher Kapazität dar. Das zunächst ausgeführte Modell umfasst in zwei Messbereichen die Wellenlängen 300 m bis 800 m, und 800 m bis 2500 m. Der Übergang von den kurzen zu den langen Wellen ‚geschieht mittels eines Umschalters, welcher zwei Selbstinduktions- spulen in näher zu beschreibender Weise verbindet. Jedem der beiden Messbereiche entspricht ein unveränderlicher Wert der Selbstinduktion, für die kurzen Wellen ist eine Spule von rund 200 000 cm gewählt worden, die gleichzeitig als Kopplungsspule dienen soll, den zweiten Messbereich der langen Wellen erhält man durch eine an die Kopplungsspule anzuschliessende Zusatz- wicklung, die im vorliegenden Falle rund 1600000 cm Selbst- induktion besitzt. Wickelt man aber die beiden Selbstinduktions- stufen auf einen gemeinsamen Kern und zweigt sie einfach direkt ab, so bleibt bei Einschaltung des kleinen Selbstinduktionswertes ein störend mitschwingendes freies Spulenende in galvanischer und in- duktiver Kopplung übrig, ein Fehler, der bei einem Messinstrumente unbedinst vermieden werden muss. Vollständiges Abschalten der zweiten Stufe beim Gebrauch der ersten würde aber in der eben beschriebenen Anordnung bloss die galvanische, nicht aber die in- duktive Kopplung lösen. Diese Fehlerquelle ist nun dadurch um- gangen worden, dass die kleine Selbstinduktionsstufe, gleichzeitig als Kopplungsspule dienend, mit horizontaler Axe, die Verlänge- 1) Séance de la société Suisse de physique à Neuchâtel. Archives de Geneve (4) 46. 41. 1918. — Der Apparat wird von der Firma Fr. Klingelfuss & Cie. in Basel hergestellt. 256 Hans Zickendraht. rungsspule aber mit vertikaler Axe in den Apparat eingebaut wurde; der Wellenschalter hebt dann bei Verwendung des ersten Messbereichs (kurze Wellen) jegliche Verbindung mit der Ver- längerungsspule auf, schliesst aber beim Übergang. zum zweiten - Messbereiche (lange Wellen) die zweite Spule an die erste an. Als stetig veränderliche Kapazität befindet sich im Wellenmesser ein Drehkondensator mit Aluminiumplatten in Luft als Dielektrikum. Die Wahl des Dielektrikums bedingt allerdings geringe Kapazität, Figur 1. bringt aber dafür den Vorteil der Unabhängigkeit der Eichwerte von der Frequenz mit. Bei etwa vorkommenden Überspannungen wird der Kondensator ohne weitere Schädigung durchschlagen. Ein solches Vorkommnis ist bei ölgefüllten Instrumenten wegen der Kohleabscheidungen verhängnisvoller. Die Zusatzapparate zum Wellenmesser, die beim vorliegenden Modell sämtlich durch Steckerverbindungen angefügt werden und dem Instrument eine universelle Verwendbarkeit geben, lassen sich in zwei Gruppen: Generatoren und Indikatoren, trennen: Als Generatoren kommen nur in Betracht: Summererregung (nach Eichhorn- Lodge) und Rôhrenerregung unter Verwendung eines Elektronenrelais. Untersuchungen an einem einfachen Wellenmesser. 257 Als Indikator dient für Stationszwecke bei rohen Messungen am Sender, oder auch zu Demonstrationen vor grossem Auditorium die Glühlampe oder die auf die Maximalspannung ansprechende Leuchtrôhre. Dämpfungsmessungen, bei denen Resonanzkurven des Stromeffektes im Wellenmesser aufgenommen werden müssen, führt man mittels eines empfindlichen Hitzdrahtinstrumentes aus. In losester Kopplung mit einem zu gedämpften Schwingungsgruppen erregten Kreise lässt sich aber mit Detektor und Telephon (eventuell Galvanometer unter Beobachtung besonderer Vorsichtsmassregeln) messen. Deleklor od Summer Levchfrôhre Glühlampe od Hikarohl. Yelephon od! Element. Figur 2. Der oben beschriebene Wellenmesser, dessen Aussenansicht in Fig. 1, dessen Schaltschema in Fig. 2 wiedergegeben ist, lässt die Anfügung aller aufgeführten Generatoren oder Indikatoren zu. Besondere Aufmerksamkeit wird in den im Folgenden mitgeteilten Untersuchungsergebnissen dem Einfluss der verschiedenen an den Schwingungskreis angelegten Nebenapparate auf die Frequenz des Messkreises geschenkt werden. Jeder angefügte Hilfsapparat verstimmt unter allen Umständen den Messkreis. Er bringt zusätzliche Selbstinduktion und, was meist überwiegend, zusätzliche Kapazität mit und erhöht dadurch die Frequenz im allgemeinen. Doch auch eine Erniedrigung der Eigenwelle des Messkreises kann beobachtet werden, dann näm- lich, wenn durch die nahezu kurzgeschlossene Wicklung, welche die Glühlampe als Indikator enthält, eine Verringerung der Selbst- 17 258 Hans Ziekendraht. induktion der Kopplungsspule entsteht.°) Die Auswertung solcher Grössen war das Ziel der vorliegenden Studie. 2. Der Einfluss der Hilfsapparate auf den Messkreis. Bei einem mit verschiedenen Generatoren oder Indikatoren versehenen Wellenmesser lässt sich zunächst die rein praktische Frage aufwerfen, ob sich am Zeiger des stetig veränderlichen Ab- stimmittels — hier des Drehkondensators — eine von der Wahl der angeschlossenen Hilfsapparate unabhängige Wellenskala an- bringen lasse oder nicht. Es ist sofort klar, dass eine einzige Eichkurve beziehungsweise Wellenskala nur in dem Falle ausreicht, dass sämtliche Indikator- oder Generatorverbindungen den Schwin- gungskreis um gleichviel verstimmen. Die auf das letzterwähnte Erfordernis zu prüfenden Kombinationen sind nun: Generatoren: Summer und Stromquelle. Elektronenrelais und Rückkopplungsvorrichtung. Indikatoren: Glühlampe an Hilfskreis. Hitzdrahtinstrument an Hilfskreis. Leuchtröhre. Detektor und Telephon. Mit Ausnahme des an besonderer Stelle zu behandelnden Elektronenrelais sind alle hier aufgezählten Hilfsapparate einer Prüfung unterworfen und bezüglich ihres verstimmenden Einflusses auf den Messkreis untersucht worden; gleichzeitig ergab sich auch eine Kontrolle derselben Einflüsse auf den mitverwendeten grossen Wellenmesser der „Telefunken“-Gesellschaft Berlin. Die angelegten Hilfsapparate bringen immer eine Änderung der Konstanten des Messkreises mit sich. Mit Ausnahme der an besonderm Hilfskreis liegenden Glühlampe oder des Hitzdraht- instrumentes werden alle Generatoren oder Indikatoren direkt an die Pole des Kondensators angelegt, sind somit sowohl letzterem als auch der Selbstinduktionsspule parallel geschaltet. Dies bewirkt beim Kondensator (neben der leitenden Uberbrückung) eine Kapa- zitätserhöhung, bei der Spule jedoch eine Erniedrigung der Selbst- induktion. Bei Summer und Telephon darf aber mit Sicherheit angenommen werden, dass die nahezu eisengeschlossenen Spulen dieser Apparate hochfrequente Ströme nur durch kapazitiven Schluss durchlassen?), sodass die kapazitive Einwirkung bei weitem überwiegend sein muss. Man begeht also jedenfalls einen nur sehr 2) K. Bangert. Ann. d. Phys (4) 32. 463. 1910. 3) Bei verschiedenen Summern mit und ohne den bekannten Nebenschluss zur Magnetspule konnte kein Einfluss der Ueberbrückung nachgewiesen werden. Untersuchungen an einem einfachen Wellenmesser. 259 kleinen Fehler, wenn man die Verstimmung des Messkreises in der Hauptsache auf eine zur Kapazität des Drehkondensators hin- zutretende „wirksame Kapazität“ der Hilfsapparatur zurückführt. Dann gilt: Wellenlänge des Messkreises allein: „= 2700, Wellenlänge des Messkreises mit Hilfsapparat A, = 2rv/L(O, + c) woraus wirksame Kapazität des Hilfsapparates c = C, : a Hiebei ist ©, die am Drehkondensator des Wellenmessers ein- gestellte Kapazität und es ist von vorneherein klar, dass bei Wellenmessern mit grossen Kapazitätswerten (ölgefüllte Konden- satoren, Ende der Messkala), die durch die Indikatoren verur- sachten Verstimmungen nur wenig oder gar nicht merklich sein werden.. Umsomehr wird aber eine Verstimmung in unserm Falle, wo es sich um einen Luftkondensator von geringer Anfangskapa- zität handelt, hervortreten. Der neue Wellenmesser sollte nun zunächst mit dem vorhan- denen Apparate verglichen werden. Beide Instrumente waren aber augenscheinlich in ihren Angaben in vorderhand unkontrollier- barer Weise von den angeschlossenen Hilfsapparaten abhängig, so- dass ein dritter geschlossener Schwingungskreis zugezogen werden musste, der in extrem loser Kopplung als Zwischenkreis zum Vergleich dienen sollte. Hiebei sind verschiedene Anordnungen und Messweisen möglich. Eine derselben ist im Folgenden wieder- gegeben: Ein Schwingungskreis I mit der Eigenweile A, wird mittels Summer zu mit Tonfrequenz aufeinanderfolgenden Gruppen wenig sedämpfter Schwingungen angestossen. Mit ihm ist ein geschlossener Kreis II extrem lose gekoppelt, sodass mit Sicherheit nur eine Welle — bei Resonanz die Welle 4, — in ilım erregt wird. Die Resonanzlage wird mittels eines mit Kreis II wiederum äusserst lose gekoppelten hochempfindlichen Detektorkreises III eingestellt. Bei dieser Anordnung ist dafür gesorgt, dass keinerlei direkte Einwirkung des Kreises I auf den aperiodischen Detektorkreis möglich ist. I gab also einen geringen Bruchteil seiner Energie an den Zwischenkreis II und dieser wieder einen kleinen Bruch- ‘ teil seiner eigenen Schwingungsenergie an den Kreis III ab. Mit besonderer Sorgfalt, namentlich unter Vermeidung aller variablen kapazitiven Beeinflussung des Zwischenkreises wurde zu- nächst dessen Abstimmung auf die Erregerwelle 4, vorgenommen, hierauf konnten durch Anlegen der verschiedenen Indikatoren und 260 Hans Zickendraht. Greneratoren charakteristische Verstimmungen herbeigeführt werden, die über den Einfluss der einzelnen Hilfsapparate Aufschluss geben: Eine erste Messreihe bezweckte den Nachweis solcher Ver- ‘ stimmungen am grossen Wellenmesser der Telefunkengesellschaft. Da dessen ölgefüllter Drehkondensator einen Messbereich von ca. 200 bis 4800 cm Kapazität umfasst, so kann ein Einfluss der nur wenige Zentimeter wirksamer Kapazität besitzenden Indika- toren und Generatoren lediglich bei Messwerten zu Beginn der Skala des Drehkondensators nachweisbar sein. Zur Ausführung der Untersuchung wurde an den der Physi- kalischen Anstalt Basel gehörenden grossen Wellenmesser der Telefunkengesellschaft eine aus zwei Windungen dicken Kupfer- drahtes bestehende Kopplungsschleife von rund 3200 cm Selbst- induktion angeschlossen‘), welche zur losen Kopplung mit dem aperiodischen Kreise III dienen sollte, die eigentliche Selbstinduk- tionsspule des Messkreises II vermittelte dann die Kopplung mit dem Erregerkreise I. Durch die zusätzliche Kopplungsschleife er- höhte sich die Selbstinduktion des mit 680 cm Kapazität auf die Welle 400 m abgestimmten Kreises von 59 600 cm auf 62 800 cm. Der Skalenangabe 400 m am Wellenmesser entsprach also bei- spielsweise einer Welle von 410,5 m. Zunächst wurde nun der geschlossene Schwingungskreis, be- stehend aus dem Wellenmesser mit Kopplungsschleife ohne ange- schlossene Hilfsapparate errest und zwar mit 4, = 406,6 m’). Legte man hierauf den dem Wellenmesser beigegebenen Detektor und das Telephon an, so musste der Drehkondensator von 667 cm auf 633 cm zurückgestellt werden, was auf eine zusätzliche wirksame Kapazität des angeschlossenen Indikators von 34 cm schliessen liess. Statt auf 406,6 m Wellenlänge ohne Indikator wäre der Messkreis mit Indikator nun auf 416,9 m Wellenlänge abgestimmt, was einer Erhöhung um 2,53 °/, entspricht. Nach demselben Ver- fahren gelang der Nachweis des Einflusses der zusätzlichen Kapa- zitäten der andern Hilfsapparate. Bezeichnet wie oben A, die der Kondensatoreinstellung O, ent- sprechende Welle des Wellenmessers ohne angeschlossene Hilfs- apparate, /, die durch die zusätzliche Kapazität c der Indikatoren oder (Generatoren vergrösserte Welle, so ist die Verstimmung in Prozenten gegeben durch: 4) Dies geschah unter Zuhilfenahme der beiden zur Dämpfungsbestimmung vorgesehenen Klemmen, die den Hauptkreis zu öffnen erlauben. 5) Verwendet wurde am Wellenmesser die Spule Nr. III mit einem Mess- bereich von 400 m bis 1000 m, also absichtlich ganz zu Anfang der Skala ge- arbeitet. Untersuchungen an einem einfachen Wellenmesser. 261 100 . 4% = 100 yı no 0 Uo In Tabelle I sind die „wirksamen“ Kapazitäten einiger Hilfs- apparate zum grossen Telefunken-Wellenmesser, sowie die durch sie herbeigeführten prozentualen Verstimmungen zusammengestellt. Dabei war A,= 406,6 m bei O,= 667 cm. 506 FE 1| Sd (CS Tabelle I. ) Wirk “ rstimmun Angeschlossene Hilfsapparate oNSaNE Ve a Le Kapazität in 9/0 cm Detektor und Telephon 54 + 2,53 Summer. und Element 6) 12 + 0,90 keuechtröhrer au a — nicht nachweisbar Aus Tabelle I ist der Einfluss der Hilfsapparate ohne weiteres erkennbar, wenngleich er beim Telefunken-Wellenmesser natürlich bloss bei kleinen Werten am Drehkondensator hervortritt, die wegen des reichlichen Ubergreifens der Messbereiche der einzelnen Spulen vermieden werden können. Dass die Kombination Detektor- Telephon merklich verstimmt, geht aus der Konstruktion des Detektors unmittelbar hervor. Die verwendete Type E. D. 67) enthält zwei durch ein dünnes perforiertes Glimmerblättchen ge- trennte Kontaktmaterialien, die sich durch die Öffnungen des dünnen Zwischenisolators hindurch berühren und so einen bei ver- hältnismässig geringem Widerstande (530 Ohm in der einen, 1100 Ohm in der entgegengesetzten Richtung) leitend überbrückten Kon- densator darstellen. Das Telephon des Wellenmessers hat 1005 Ohm Widerstand, seine in Leder vernähte 70 cm lange Schnur mit Stecker bringt ebenfalls Kapazität mit, Viel deutlicher zeigen sich aber die verstimmenden Einflüsse der Hilfsapparate beim eingangs beschriebenen Wellenmesser mit kleinem Drehkondensator. Auf sie sei im folgenden näher ein- gegangen. Der mit der Kopplungsschleife ausgerüstete kleine Wellen- messer wurde in losester Kopplung vom summererregten Telefunken- 6) Staté der eingebauten Trockenelemente, für die kein Ersatz zu beschaffen gewesen war, wurde ein gewöhnliches Salmiakelement mittels kurzer Dräbte angeschlossen. T7) Vgl. z. B. M. Dieckmann, Leitfaden der drahtlosen Telegraphie für die Luftfahrt p. 156. R. Oldenbourg. 1913. 262 . Hans Zickendrañt. Wellenmesser ins Schwingen gebracht und mittels äusserst lose gekoppelten aperiodischen Kreises mit empfindlichem Perikondetektor so scharf wie möglich auf Resonanz eingestellt. Das Mittel aus 30 Einstellungen am Drehkondensator lieferte die dem unbeein- flussten Kreise entsprechende Resonanzlage. Sie war bei einer Kapazität von C,=240 cm erreicht (4, © 400 m). Nun wurden an dieam Apparate festangebrachten Stöpselbüchsen hintereinander folgende Indikator- bezw. Generatorkombinationen angeschlossen und auf ihre Verstimmungen hin untersucht: 1. Perikondetektor (Zinkit Kupferkies) in Steckerform. Wider- stand in der einen Richtung 1800 Ohm, in der entgegenge- setzten Richtung 47 000 Ohm, bei empfindlicher Einstellung. 2. Detektor (Telefunken) Type E. D. 6 (vgl. oben). 3. Dosentelephon mit 77 cm Doppelschnur und Stecker (201,5 Ohm). 4. Dosentelephon (Telefunken) (vgl. oben). 5. Kleiner Summer ohne Nebenschluss mit Platinkontakt (1,85 Ohm). | 6. Grosser Summer ohne Nebenschluss mit Platinkontakt (3,21 Ohm). 7. Summer (Telefunken) Type K. S. 23 mit Nebenschluss zur Magnetwicklung (Gesamtwiderstand 3,42 Ohm), zum grossen Wellenmesser gehörig (vgl. Tabelle I). 3. Salmiakelement mit 50 cm Schnur und Anschlusstecker. 9. Stecker mit kleiner Glühlampe von 1,6 Ohm Kaltwiderstand, der bei Rotglut auf über 6 Ohm stieg. 10. Hitzdrahtinstrument mit Platindraht von 8,8 Ohm Kalt- widerstand (dazu zum Anschluss 50 cm Schnur und Stecker). 11. Heliumröhre (Telefunken) zum grossen W ellenmesser gehörig. Tabelle II stellt die Ergebnisse zusammen. Tabelle II. m vr) Kapazität Ten am Dreh- n M mA Verstimmung Angeschlossene Hilfsapparate konden same in 0 sator | Kapazität IE Ta ie cm Perikondetektor 1) mit Telephon 3) 226 14 + 2,9 Telefunkendetektor 2) mit Telephon 4) 200 40 + 8,3 Kleiner Summer 5) mit Element 8) 221000 19 + 3,9 Grosser Summer 6) mit Element 8) 217 23 + 4,8 | Telefunken Summer 7) mit Element 8) 221 19 + 3,9 | Telefunken Heliumrôhre 11) mit Stecker 235 b) +1,0 Ohne Eilisapparatem a7 225 | 240 == = Untersuchungen an einem einfachen Wellenmesser. 263 Zunächst fällt beim Vergleich der beiden Tabellen I und II der Unterschied in den Werten der wirksamen Kapazitäten der Hilfsapparate zum Telefunken-Wellenmesser auf. Die Unsicherheit namentlich in den Messergebnissen der Tabelle I lässt sich erstens auf die Schwierigkeit, mit einem Drehkondensator vom Reduktions- faktor 1 Grad = 28,1 cm Kapazität noch derartig kleine Kapazitäten zu bestimmen°) und zweitens auf die eingangs gewählte Annahme zurückführen, es sei die ganze verstimmende Wirkung einer zu- _sätzlichen Kapazität zuzuschreiben, die beim Vergleich verschie- dener Hilfsapparate an ein und demselben Messkreise, nicht aber beim Anlegen desselben Indikator- oder Generatorkreises an zwei verschieden gebaute Schwingungskreise zulässig ist. Flachspulen haben z. B. eine andere Kapazitätsempfindlichkeit wie Zylinder- spulen gleicher Selbstinduktion usw. Jedenfalls ist ein Wellenmesser mit ebensovielen Eichkurven auszustatten, als Indikatoren beziehungsweise Generatoren an ihm verwendet werden sollen. Nicht unerwähnt bleibe schliesslich der kapazitive Einfluss des Beobachters selbst auf den Messkreis. Bei allen oben niedergelegten Messungen wurde der Drehkondensator nicht direkt von Hand, sondern mittels eines 20 cm langen Zellu- loidhebels betätigt; een konnte die Wirkung der Poeme des ans Ohr gehaltenen T'elephons, das heisst der kapazitive Anschluss des Beobachters (als kleine Antenne) an den Schwingungskreis deutlich nachgewiesen werden. Alle diese Faktoren sind bei ge- nauen Messungen zu berücksichtigen. Glühlampe und Hitzdrahtinstrument liegen, wie eingangs in der Beschreibung des neuen Wellenmessers erwähnt und aus dem Schaltungsschema Fig. 2 ersichtlich, an einem gesonderten, aus einer Windung dicken Kupferdrahtes bestehenden Kreise, der koaxial zur Kopplungsspule angebracht ist. Mit wenig Widerstand über- brückt, stellt dieses System einen angekoppelten Kurzschlussring dar, dessen Wirkung nur eine Erniedrigung der Selbstinduktion im Messkreise sein kann. In der Tat ergaben sich die in Tabelle III zusammengestellten Resultate, wobei die Verstimmung in Prozenten folgendermassen ausgedrückt wird : Ist 2, die der Kondensatorstellung C, entsprechende Grund- welle, L, die zugehörige Selbstinduktion, C diejenige Kondensator- sara die bei angelegtem Indikator Tu dadurch auf L herab- 8) Die Ergebnisse der Tabelle IT verdienen in Anbetracht des Reduktions- faktors von rund 5,4cm pro Grad am Drehkondensator bedeutend mehr Ver- trauen, da bei einer Ablesegenauigkeit von 0,2 Grad an der Teilung noch 1,1 cm Kapazitätsunterschied zu erkennen ist. 264 Hans Zickendraht. gesetzter Selbstinduktion die verstimmte Welle. 2 auf die ursprüng- liche Welle wieder einstimmt, so gilt zunächst DT EC - EC und re wo L 107 +11 > 107 Ampères. 1. Halbperiode M,(i,) = 16,87 x 10 711 x 10: 7 Ampères. 2. Halbperiode somit M(i,) = 22 + 10 7 Ampères. 10) Dieser Strom durchfliesst das Galvanometer, wenn der Mess- kreis zu dauernden Schwingungen mit 0,4 Volt Maximalamplitude am Kondensator erregt und ein Detektor von der in Fig. 3 dar- gestellten Charakteristik als Schwingungsventil verwendet wird. Seine Grössenordnung entspricht schwachem Empfang in der radio- telegraphischen Praxis. !?) 13) Im vorliegenden Beispiel ist der für das Galvanometer verloren gehende Teil des Detektorstromes — der dritte Teil der Gleichung 5) — vernachlässigt, also ein Detektor von verschwindend kleiner Eigenkapazität vorausgesetzt. Untersuchungen an einem einfachen Wellenmesser. 269 Die im ersten Teile vorliegender Abhandlung an praktischen Verhältnissen ermittelten wirksamen Kapazitäten verschiedener Detektorkreise ergeben sich unmittelbar aus der Serienschaltung der beiden „unvollkommenen“ Kondensatoren Detektor und Strom- anzeiger. In ähnlicher Weise lässt sich eine Ersatzschaltung für den Summerkreis angeben. Das Element mit Zuleitungen als leitend überbrückter Kondensator ist mit dem Summer in Serie geschaltet. Letzterer stellt im Momente der Stromöffnung eine kleine unüber- brückte Kapazität, im Momente des Stromschlusses die Parallel- schaltung einer Impedanz und eines Kondensators, eventuell noch eines Ohm’schen Widerstandes dar. Für die im ersten Teile ge- messenen wirksamen Kapazitäten sind die Grössen c’ und €” mass- gebend. Der Nebenschluss w’ zur Impedanz hat also auf die wirksame Kapazität keinen Einfluss. '*) Schliesslich soll noch auf die durch die Glühlampe oder das Hitzdrahtinstrument verursachte Verstimmung des Messkreises ein- gegangen werden. Diese beiden praktisch induktionsfreien Indi- katoren liegen an den Enden einer einzelnen koaxial zur Kopp- lungsspule angeordneten Windung dicken Kupferdrahtes von ver- schwindend kleinem Eigenwiderstand und geringer Selbstinduktion. Die durch die Indikatoren verursachte prozentuale Verstimmung wie auch die Dämpfung, die sie dem Messkreise erteilen, lässt sich nun berechnen, indem man das System, bestehend aus Kopp- lungsspule (Selbstinduktion L,, Widerstand w,) und koaxialer In- dikatorspule (Selbstinduktion L,, Widerstand des angeschlossenen Indikators w,) als Lufttransformator vom Kopplungskoëffizienten k auffasst. Für einen solchen Transformator lässt sich zeigen, dass die Rückwirkung des geschlossenen Sekundärkreises auf den Primär- kreis in einer Verringerung der primären Selbstinduktion von L, auf L,’ w, besteht. Während die erste der beiden Anderungen in unserm Falle eine Verkleine- rung der Eigenwelle des Messkreises zur Folge hat, bewirkt die zweite Anderung eine Vergrösserung der Dämpfung, damit eine gewisse geringe Vergrösserung der Eigenwelle und hauptsächlich eine Verringerung der Abstimmschärfe. Die diesbezüglichen Gleichungen aus der Theorie des Trans- formators lauten für unsern Fall’): 14) vol, Bemerkung 3. 15) A. Fraenckel. Theorie der Wechselströme p. 138. Springer, Berlin, 1914. G. Benischke. Die Transformatoren, p. 35. Vieweg, Braunschweig, 1909. (Lo) =] © Hans Zickendraht. 4x? n?k?L,? W52 + 472n2L2, |’ Dep M 11) Wird die Indikatorwicklung kurzgeschlossen, so reduziert sich 11) auf = Bd) 12) während bei offener Indikatorwicklung IE, L, wird. Ein ähnlicher Ausdruck wie 11) gibt die scheinbare Wider- standserhöhung im Messkreise og mL — W 13) unter Einfluss der sekundär induzierten Ströme und damit die Vergrösserung der Dämpfung im Messkreise an. Die Anwendbarkeit dieser Gleichungen soll nun an Hand einer Berechnung der Ergebnisse von Tabelle III geprüft werden. Die Kopplungsspule mit koaxialem Ring bildet einen Lufttransformator, dessen Konstanten sich folgendermassen ergeben: Selbstinduktionskoëffizient der Kopplungsspule mit Hochfrequenz bei A=400 m bestimmt: L, = 0,000 189 Henry. Selbstinduktionskoëffizient des koaxialen Ringes nach Kirch- hoffs Gleichung !) berechnet: L, = 0,000 000 30 Henry. Koëffizient der gegenseitigen Induktion dieser Anordnung nach Lorenz’ Gleichung!”) berechnet: L,,, = 0,000 002 67 Henry. ; L:, 2 ER Kopplungsfaktor k = Var k = 0,354 Periodenzahl zu À — 400 m. n = 750 000 Perioden pro Sekunde. In kaltem Zustande hat die Glühlampe 1,6 Ohm Widerstand, der bei heller Glut des Fadens über 7 Ohm steigt. Das Hitzdraht- instrument hat kalt 8,8 Ohm Widerstand. Tabelle IV zeigt die Resultate der Berechnungen aus Gleichung 11) in Verbindung mit der auf pag. 264 gegebenen Gleichung für die prozentuale Ver- stimmung: 16) E, B. Rosa and F. W. Grover. Bulletin. of the Bureau of Standards (Washington), Vol. 8, 1, p. 110 (1912). Eine vorzügliche Zusammenstellung der meisten Gleichungen zur Berechnung von Induktionskoëffizienten. 17) ebendaselbst, p. 98. Original: Wied. Ann. 25, p 23 (1885). Untersuchungen an einem einfachen Wellenmesser. 21 Tabelle IV. PR ! Seb | Verstimmung in 0/0 Angeschlossener Indikator } 5 ? induktion L;’ berechnet |beobachtet cm Glühlampe kalt (1,6 Ohm) . . . 178 590 2,8 3 a glühend (7 Ohm) . . 188 069 0,3 — Hitzdrahtinstrument kalt (8,8 Ohm) 188 403 0,16 0,3 | Ohne Indikator . . . 2 2... 189.000 + — | Die Übereinstimmung ist in Anbetracht der Unsicherheiten bei Berechnungen und Messungen zufriedenstellend und zeigt jeden- falls, dass sich durch Gleichung 11) die Einflüsse der beiden Kreise aufeinander mit einer für viele Zwecke der Praxis aus- reichenden Genauigkeit vorausberechnen lassen!®). Zu berück- sichtigen ist die aus Gleichung 13) erhältliche scheinbare Wider- standserhöhung des Messkreises, die aus folgenden Zahlen deutlich hervorgeht: Tabelle V. Scheinbarer Angeschlossener Indikator Widerstand der Kopplungsspule Ohm Glühlampe kalt (1,6 Ohm) . . . | 55,90 1 elübend (74. Ohm)e 22,08 Hitzdrahtinstrument kalt (8,8 Ohm) 17,91 (Ohne Indikator) 0 0. 0,37 | Die dämpfende Rückwirkung des Indikatorkreises auf den Messkreis erweist sich als eine recht beträchtliche. Interessant liegen die Verhältnisse durch Zufall bei der Glühlampe. Es lässt sich nämlich leicht zeigen, dass der Wert des Widerstandes w,' in Gleichung 13) für bestimmtes w, ein Maximum besitzt. Dies tritt ein für: ws Zune wobei w, =w, + znk’L, | Do 18) Ein hier in Betracht zu ziehender Fall ist das Kurzschliessen über- stehender Spulenenden beim Empfangsapparat. Der kurzgeschlossene Teil ver- ringert die Selbstinduktion des übrigen Spulenteiles, erhöht ferner dessen Widerstand und damit die Dämpfung. { Lo] =] D Hans Zickendraht. Zufällig wird nun dieser Maximalwert von w,’ bei einem In- dikatorwiderstande von 1,413 Ohm mit w,’= 56,31 Ohm erreicht. Die Glühlampe trifft im kalten Zustande mit 1,6 Ohm somit die ungüpstigsten Verhältnisse bezüglich Verstimmung und Dämpfung, was aus den Tabellen III und V deutlich hervorgeht. Beim prak- tischen Gebrauche glüht sie in der Resonanzlage hell auf, ver- stimmt und dämpft dabei aber beträchtlich weniger. Natürlich lägen bei Verwendung einer Kohlefadenlampe die Dinge gerade umgekehrt und somit ungünstiger. Zusammenstellung der Resultate: Es wird ein neuer einfacher Wellenmesser mit zwei Mess- bereichen beschrieben, an welchen sich alle Hilfsapparate durch Steckerverbindungen einzeln anschliessen lassen. Der Einfluss der verschiedenen Hilfsapparate auf den Mess- kreis wird untersucht und durch experimentell gewonnenes Zahlen- material dargestellt. Es gelingt auch beim grossen Wellenmesser der „Telefunken“- _ (resellschaft, den Einfluss der Hilfsapparate auf die Messwerte nachzuweisen. Detektor und Telephon, Summer und Element, sowie die Leuchtröhre erhöhen die Eigenwelle -des Messkreises durch zu- sätzliche Kapazitäten. (Glühlampe und Hitzdrahtinstrument erniedrigen die Eigen- welle des Messkreises durch Verringern der Selbstinduktion. Von der experimentell gewonnenen Charakteristik eines Perikon- detektors ausgehend wird die Kurvenform des beim Anlegen einer reinen Sinusspannung von diesem Detektor durchgelassenen asym- metrischen Wechselstromes ermittelt und ihre Gleichung auf- gestellt. Der galvanometrische Mittelwert gibt dann den von, einem Gleichstrominstrumente angezeigten Detektorstrom an. Für Detektor- und Summerkreis werden Ersatzschaltungen gegeben. Die durch Glühlampe und Hitzdrahtinstrument verursachten Verstimmungen und Dämpfungen des Messkreises werden mittels einfacher der Theorie des Lufttransformators entnommener Glei- chungen berechnet. Physikalische Anstalt. Abteilung für angewandte Physik. 15. April 1919. Geschlechtsdimorphismus und Sexualselektion. Von N. G. Lebedinsky. In einer früheren Mitteilung!) habe ich zu ergründen ver- ‘sucht, welchen Vorteil die sexuelle Zuchtwahl den Arten als Ganzes im Daseinskampf bietet. Aus der in letzter Zeit immer mehr sich Bahn brechenden Erkenntnis, dass die Teile des Organismus auf- einander fein abgestimmt sind, und so gewissermassen im labilen Gleichgewichtszustande sich befinden, lässt sich, wie mir scheint, auch die Wirkungsweise, sowie die Bedeutung der geschlechtlichen Auslese verstehen. S Krankheiten bakteriellen Ursprungs, dauernde Schwächezu- stände aller Art, sowie schädigende Einflüsse der Aussenwelt im engeren Sinne verursachen bekanntlich im Organismus unterein- ander verkettete Reaktionen, die sich äusserlich nicht selten in einer Veränderung der Färbung des Integuments und seiner Adnexe, sowie in der Formumbildung einzelner Körperabschnitte dokumen- tieren können. Ganz besonders empfindlich gegen solche Einflüsse erweisen sich nun alle farbigen und plastischen sekundären Merk- male der Männchen, so dass der individuelle Ausbildungsgrad all dieser Hörner, Geweihe, Mandibeln, Mähnen, Bärte, Haar- und Federschöpfe, sowie des Farbenschmuckes in weitem Masstabe vom Gesundheitszustande ihres jeweiligen Besitzers abhängt. Kräftige Individuen prangen geradezu in Farbenpracht und Formenfülle, während schwächliche Männchen dagegen oft eine bescheidene Ent- wicklung ihrer Sexusmerkmale zeigen. Also liegt wohl die An- nahme nahe, dass gerade wie vorsichtige Züchter vor der Ver- wendung kränkelnder, durch Unterernährung oder Ubermüdung geschwächter Tiere zur Stammzucht zurückschrecken, es auch die Natur vermeidet, die gesundheitlich minderwertigen Männchen zur Fortpflanzung zuzulassen. „Gerade in der der geschlechtlichen 1) Darwins geschlechtliche Zuchtwahl und ihre arterhaltende Bedeutung. Basel, Helbing & Lichtenhahn, 1918. 18 274 N. G. Lebedinsky. Auslese innewohnenden arterhaltenden Bedeutung muss naturgemäss auch der erste Anstoss zum Inkrafttreten dieser Selektionsart ge- sucht werden. Trat bei einigen Männchen einer Tierart eine erb- liche Zieratenvariation auf?), die von Anfang an in enger Wechsel- beziehung stand mit der allgemeinen Konstitution und dem Ge- sundheitszustand des Organismus, bezw. dem Ausbildungsgrad der Gonaden, so wurde damit der Ausgangspunkt für die uns inte- ressierende Züchtungsrichtung geschaffen. Die Nachkommen der- jenigen Weibchen nun, welche zufällig angeborene Vorliebe für solche besonders auffällige, sich physiologisch so merkwürdig ver- haltende Ornamente besassen, mussten im Vergleich mit den Kin- dern anderer, auf die genannten Zieraten nicht reagierender Weibchen im Vorteil sein, da sie als Weibchen neben dem Sonder- geschmack der Mütter auch noch die väterliche strotzende Gesund- heit, als Männchen aber mit der Kraftfülle des Vaters auch seine gewinnenden Schmuckcharaktere erbten“ °). Diese Ansicht von der gesundheitsfördernden Bedeutung der Weibchenwahl ist nicht mehr ganz neuen Datums — ein Umstand, der mir bei der Veröffentlichung der vorläufigen Mitteilung (1918) leider entgangen ist. € L. Morgan (1909)*) war wohl der erste, der diesen Gedanken, wenn auch in etwas anderem Zu- sammenhang und bloss in Bezug auf Tanz- und Gesangkünste der 2, Das erste Auftreten, also die eigentliche Entstehung neuer erblicher Charaktere, kann die Theorie von der geschlechtlichen Auslese ebensowenig erklären, wie die Lehre von der natürlichen Züchtung. Vielmehr gehört die Er- forschung der die neuen Eigenschaften in Organismen hervorbringenden inneren Ursachen zu den wichtigsten Aufgaben der Entwicklungsmechanik /Roux), und zwar ihrer vielversprechenden jüngsten Tochterdisziplin — der entwicklungs- geschichtlichen Eigenschaftsanalyse oder Phaenogenetik /Haecker!. 3) Die hier zitierten Sätze scheinen dem Verfasser der im laufenden Jahrgang der „Naturwissenschaften* erschienenen Besprechung meiner Schrift „Darwins geschlechtliche Zuchtwahl usw.* entgangen zu sein. Sonst könnte er nicht schreiben: „.... es wird für die Wirksamkeit des vom Verfasser angenommenen Prinzips eine Erfahrung des Weibchens vorausgesetzt, die dieses niemals machen kann, da der Gesundheitszustand seiner Nachkommenschaft nicht einmal eine Rückwirkung auf sein eigenes Triebleben auszuüben vermag. Wir müssten also dann zu einer anderen Annahme unsere Zuflucht nehmen, dass nämlich beim Auftreten einer Variation im Habitus der Männchen, die der Ausdruck besonderer Lebenstüchtigkeit ist, die Weibchen bereits eine — kaum erklärbare — Vorliebe für die so ausgezeichneten Männchen besässen.“ Dem gegenüber sei fest- gestellt, dass in meiner Schrift (1918) keine „Erfahrung der Weibchen voraus- sesetzt“ wird; auch die Annahme, dass alle Weibchen einer Tierart von Anfang an eine ganz bestimmte Geschmacksrichtung besitzen müssen, liegt meiner Auf- fassung, wie leicht ersichtlich, ferne. Vgl. L. Glaesner, Die Naturwissenschaften, VII. Jahrgang, Heft 28. (Zusatz während des Drucks.) 4) Instinkt und Gewohnheit. Deutsch v. M. Semon. 1909. Geschlechtsdimorphismus und Sexualselektion. 275 Vögel äusserte. Kurz vor mir hat sich dann F. Lenz’) (1917) mit unserem Problem befasst, Obwohl sonst auf dem Boden der Guenther’schen‘) geschlechtlichen Einschüchterungsauslese stehend, räumt er auch der Weibchenwahl eine wichtige Bedeutung ein: „Dass sie der Erhaltung der Rassengesundheit dient, liegt auf der Hand. Kranke oder abnorme Individuen werden bei der Gratten- wahl zurückgewiesen, starke und schöne bevorzugt. Die Entstehung dieses erhaltenden Wahlinstinkts durch Züchtung ist leicht zu ver- stehen. Die Nachkommen eines Tieres haben nämlich um so mehr Aussicht auf Bestehen des Daseinskampfes, je gesünder und stärker der andere Elter. ist. Der Instinkt der aktiven Wahl ist also durch passive Wahl unter den Nachkommen entstanden zu denken. Die primäre Züchtung geschieht allemal passiv (durch die Natur), auch die der aktiven Wahlinstinkte“. Wie leicht ersichtlich, decken sich die angeführten Gedanken beinahe mit meiner Ansicht, wo- nach die geschlechtliche Zuchtwahl die fortwährende Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes der Arten zum Zweck hat und daher — selber eine Anpassung — eine hohe arterhaltende Bedeutung besitzt. Was wir dagegen bei Morgan und Lenz vermissen, ist die Erkenntnis, dass die Bedeutung der sekundären Geschlechtscharaktere in ihrem eigenartigen physiologischen Verhalten wurzelt, nämlich in ihrer (die des übrigen Körpers übersteigenden) grösseren Reak- tionsfähigkeit auf Schwankungen im gesundheitlichen Gleichgewicht des Organismus’). Diese merkwürdige Korrelation ist es aber gerade, die den Selektionswert der Sexuszeichen erst ausmacht. — Ein Vergleich soll die Sache deutlicher machen. Wohl vermag ein geübter Lokomotivführer schon aus den Kesselgeräuschen, so- wie aus der zunehmenden Fahrtgeschwindigkeit die Höhe des Dampfdruckes in seiner Maschine annähernd zu erkennen, doch zieht er ständig das Manometer zu Rate, und zwar aus dem ein- fachen Grunde, weil es ihm viel sicherer und augenscheinlicher die nötige Auskunft gibt. Prinzipiell etwas ganz ähnliches liegt aber auch in der Natur der schmückenden Sexusmerkmale. Schon aus dem allgemeinen Aussehen eines Tieres kann oft geschlossen werden, ob es gesundheitlich in „guter Kondition“ sich befindet oder 5) Einschüchterungsauslese und weibliche Wahl bei Tier und Mensch. Archiv f. Rassen- und Gesellschaftsbiologie, 12. Bd. 1916—1918. 6) K. Guenther. Gedanken zur Deszendenztheorie. Verhandl. deutsch. zoologischen Gesellsch. Bd. 24. 1914. 7) Es wäre in diesem Zusammenhang interessant nachzuprüfen, ob nicht auch die so oft betonte grössere Variationsbreite sekundärer Männchencharaktere wenigstens zum Teil auf Rechnung dieser ihrer Sensibilität gesetzt werden sollte. 276 N. G. Lebedinsky. nicht. Viel leichter jedoch fällt diese Feststellung an Hand der sekun- dären Charaktere, die ja, wie ausgeführt, sich durch eine ganz besondere Sensibilität nach dieser Richtung hin auszeichnen, und somit als leicht zu deutende „Kraftmesser“ den übrigen Körper- teilen bei weitem überlegen sind. Wenn auch weibliche Tiere sicher ganz ahnungs- und absichtslos ihre rassenhygienisch so folgenschweren Entscheidungen treffen, so ist ihnen doch die rich- tige Wahl ganz bedeutend erleichtert, da ihr Geschmack gerade auf jene „Gesundheits- oder Kraftmesser“ eingestellt ist. Das hiermit angegebene Prinzip, welches man im obigen Zu- sammenhang wohl als „Manometer-Prinzip“ bezeichnen könnte, er- laubt uns die geschlechtliche Zuchtwahl für einen Faktor der Art- bildung anzunehmen, der auf ähnlichen allgemeinen Voraussetzungen beruht wie die Naturzüchtung; somit bildet die mechanistische Naturauffassung für die Theorie von der Sexualselektion kein Hin- dernis mehr. Als eine weitere Schwierigkeit für diese Theorie wird oft der Umstand angeführt, dass es viele dimorphe monogame Arten mit ungefähr gleicher Anzahl von Individuen beider Geschlechter (gleicher Geschlechterzahl) gibt, bei denen aber die Auslese von vorneherein unwirksam sein soll. „Wenn die Geschlechter in genau gleicher Anzahl existieren“, sagt Darwin”), „so werden doch die am schlechtesten ausgerüsteten Männchen schliesslich auch Weib- chen finden... und dann ebenso viele.... Nachkommen hinterlassen, wie die bestbegabten Männchen“. „Verhielten sich die Männchen zu den Weibchen wie zwei zu eins, oder drei zu zwei...., so würde die ganze Angelegenheit einfach sein. Denn die besser bewafineten, oder grössere Anziehungskraft darbietenden Männchen würden die grösste Zahl von Nachkommen hinterlassen. Nachdem ich aber... die numerischen Verhältnisse der Geschlechter untersucht habe, glaube ich nicht, dass irgendwelche bedeutende Ungleichheit der Zahl... existiert.“ Ahnlich spricht sich Weismann?) aus: „Wie die gewöhnliche Naturzüchtung nicht zustande käme, wenn nicht von jeder Generation zahlreiche, ja die meisten Individuen wieder vernichtet würden, ehe sie Zeit gehabt, Nachkommen hervorzu- bringen, so würde der Prozess der sexuellen Selektion niemals zu- stande kommen können, falls jedes Männchen zuletzt doch auch ein Weibchen fände, möchte es nun mehr oder weniger anziehend 3) Die Abstammung der Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl. 6. Aufl. Deutsch v. J. V. Carus. Stuttgart 1910. 9) Vorträge über Deszendenztheorie. Dritte Aufl. Jena 1913. Geschlechtsdimorphismus und Sexualselektion. 211 für letzteres sein. Wäre die Zahl von Männchen oder Weibchen einer Art stets gleich und käme immer auf ein Weibchen nur ein Männchen, so könnte zwar wohl eine Wahl von Seiten der Weibchen... geübt werden, allein es würden doch immer noch so viele Individuen beider Geschlechter übrig bleiben, dass kein Mann unbeweibt zu bleiben brauchte.“ — Diese Bedenken fallen, wie mir scheint, dahin, wenn man ein Moment, das meines Wissens bis jetzt in diesem Zusammenhang noch keine Beachtung gefunden hat, mitberücksichtigt, nämlich die Tatsache, dass durch das Vor- handensein einer kurzen Brunstzeit die Empfängnisperiode der Weibchen in einem bestimmten Verbreitungsgebiet recht stark begrenzt ist. Bei vielen niederen Organismen findet die Begattung das ganze Jahr hindurch statt, bei höheren Tieren jedoch gibt es eine be- stimmte Saison, welche für die betreffende Spezies als Brunstzeit oder Oestrum gilt und in welche die Empfängnis fällt. Diejenigen Tiere, welche während ihrer ganzen Sexualsaison nur eine Brunst haben, werden monöstral genannt, solche mit mehreren Oestra polyöstral. Dioestrum nennt man dann eine meist kurze Geschlechts- ruhepause, die zwischen zwei aufeinander folgenden Oestra einer Sexualsaison fällt!).. Während bei den Männchen die Brunst meist längere Zeit dauert, tritt sie bei den Weibchen nur für kurz auf, um oft auffallend rasch abzuflauen. So erlischt bei Bienenköniginnen die Brunst binnen 48 Stunden. Bei vielen Insekten leben die Imagines nur wenige Tage oder Wochen, so dass ihre Geschlechts- saison notgedrungen recht kurz ausfällt. Von den meisten Vögeln wissen wir, dass ihre Nistperiode sich nur auf wenige Frühjahrs- wochen erstreckt. Und auch unter den Säugetieren kennt man Beispiele von sehr kurzdauernder Brunst der Weibchen. Bei Opossum währt sie nur 3—5 Stunden, bei Dasyurus viverrinus 1—3 Tage, bei Huftieren meist kaum 3 Wochen. Monöstral sind sehr viele Tiere. So zählen hierher die meisten Vögel, die Kloaken- tiere und wahrscheinlich die meisten Beuteltiere, die Mehrzahl der Huftiere, grössere Raubtiere, sowie die Fledermäuse. Polyöstral dagegen sind die meisten Insektenfresser und Nagetiere, sowie die Halbaffen und die Affen. Bei letztern zwei Abteilungen fallen die Trag- und Geburtszeiten jedoch oft in ganz bestimmte Monate, sodass die Annahme berechtigt erscheint, dass die Brunst hier nur zu gewissen Zeiten des Jahres eine empfängnisfähige ist!!). 10) Siehe hierzu E. Godlewsky, jun., Physiologie der Zeugung. H. Winter- stein's Handbuch der vergleichenden Physiologie. Bd. II, 2. Hälfte. 1914. 11) Vel. F. Doflein, Das Tier als Glied des Naturganzen. Hesse Doflein, Bd. II. Leipzig und Berlin 1914. [ÈS] =] O0 N. G. Lebedinsky. Welche Rolle spielt aber die beschränkte Brunstdauer bei dem Inkrafttreten der Weibchenwahl innerhalb der monogamen Arten mit gleicher Zahl der Geschlechter? Die Wirksamkeit dieses Fak- tors möge durch ein einfach gehaltenes Beispiel veranschaulicht werden. Angenommen bei einer Tierart setze sich der Individuen- bestand aus gleicher Anzahl von Männchen und Weibchen zu- sammen. Eine Hälfte der Männchen sei auffallender geschmückt als die andere, eine Hälfte der weiblichen Tiere besitze den Wahl- instinkt, die andere sei instinktlos. Die schönen Männchen gelangen nun beim Zusammentreffen mit einem beliebigen Weibchen leicht zur Begattung und zur Fortpflanzung; ihre weniger geschmückten Rivalen werden dagegen oft abgewiesen und müssen ihr Glück nicht selten bei mehreren Weibchen nacheinander versuchen, bis sie ihr Ziel erreicht haben. Dieses Suchen kann aber (besonders bei in grossen Gebieten zer- streut lebenden Arten) recht zeitraubend ausfallen, sodass die Brunstsaison inzwischen zu Ende gehen und eine Anzahl der . weniger mit Schmuck bedachten Männchen für die gegebene Fort- pflanzungsperiode wunbeweibt bleiben wird; alle ihre schöneren Nebenbuhler gelangen aber durchwegs zur Vermehrung. Das zahlenmässige Uebergewicht der letztern ist damit augenscheinlich. Freilich bleiben als Konsequenz bei monogamen Arten mit gleicher (Creschlechterzahl ebensoviele Weibchen unbegattet als Männchen leer ausgehen. Darum könnte vielleicht entgegnet wer- den, dass ein Vorgang, welcher mehr oder weniger zahlreiche Weibchen unbefruchtet lässt, und zwar wohl häufiger diejenigen unterihnen, die besonders wählerisch sind, vom selektionistischen Stand- punkt aus undenkbar ist. Wenn man sich jedoch vergegenwärtigt, worin eigentlich der Vorgang der geschlechtlichen Zuchtwahl be- steht, erweist sich dieser Einwand als unberechtigt. Zum Wählen gehört eben die Möglichkeit der Auswahl. Wird ein hochbrünstiges Weibchen von einem einzelnen, wenn auch unschönen Männchen umworben, so wird wohl in den meisten Fällen die Ehe perfekt, gleichviel ob dieses weibliche Tier von Natur aus weniger oder mehr wählerisch ist. Solche Fälle der Einzelwerbung bieten also den instinktlosen, sowie den mit Wahlinstinkt bedachten Weibchen, bezw. ihren Nachkommen, gleiche rassenhygienische Vorteile und Nachteile. Anders dürfte sich die Sache bei der echten Rivalität verhalten, wo zwei oder mehrere Männchen gleich- zeitig um die @unst des Weibchens werben. Solche durch momen- tanen Zufall begünstigte Fälle kommen auch bei den Arten mit gleicher Geschlechterzahl recht oft vor, was jeder Beobachter aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Auch wird der Wahrschein- Geschlechtsdimorphismus und Sexualselektion. 279 lichkeitsrechnung zufolge eine ungefähr gleich grosse Anzahl von Individuen beider Weibchenkategorien in die Lage kommen, eine solche Wahl treffen zu müssen. Von da an trennen sich aber die Wege der beiden Weibchengruppen. Jedes der mit dem nützlichen Wahlinstinkt (Sprödigkeit) versehenen Weibchen wird den auffallendsten, bezw. den am meisten es erregenden unter den Bewerbern bevorzugen, während die instinktlosen Weibchen in gleicher Situation eine reine Zufallsehe eingehen werden. So erscheinen am Ende einer Brunstperiode gleich viele Weibchen der beiden Kategorien begattet, und gleich viele bleiben ungepaart. Eine zahlenmässige Benachteiligung der wählerischen Weibchen kann also unter obigen Bedingungen nicht stattfinden, Alle befruchteten instinktlosen Weibchen haben nun nach unserem Schema die Ehe wahllos geschlossen, die spröden Weibchen da- gegen zum Teil (jene, die vor die regelrechte Wahl gestellt waren) Wahlehen eingegangen. Eine solche rassenhygienische Auslese dürfte aber genügen, um den Nachkommen der wählerischen Weibchen im Laufe der Generationen das gesundheitliche Uber- gewicht im Kampfe ums Dasein zu verschaffen und die betreffende Instinktrichtung zum festen Erbgut der gegebenen Rasse (bezw. Art) zu machen. & Literatur. Bedot, M. Essai sur l’évolution du règne animal et la formation de la société, Paris et Geneve 1918. Demoll, R. Die Bedeutung der Proterandrie bei Insekten. Zool. Jahrbücher, Abt. f. System. usw. Bd. 26, 1908. Dürken, B. Einführung in die Experimentalzoologie. Berlin 1919. Haecker, V. 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Nr. 1 u. 5 des Literatur-Verzeichnisses am Schlusse) haben Alb. Heim und Friedr. Rolle erstmals darauf aufmerksam gemacht, dass bei der Burgruine Splügen zwischen Splügen und Sufers im Hinterrheintal den Bündnerschiefern ein kleines Gneissmassiv eingeschaltet sei, und Alb. Heim (1, S. 406—7) führt des Nähern aus, dass es deut- lichen Gewölbebau besitze und als untergeordnete Antiklinale am Rande des Adulagneisses erscheine, Auf Profil 9, Taf. II (in 1) wird der Gneiss der Burgruine als nach Norden überliegende Falte dargestellt, deren ca. 400 m mächtiger Kern allseitig von wenig mächtigem Triasdolomit umhüllt wird. Da das Profil nicht durch die Burgruine, sondern durch die ca. ein Kilometer westlicher lie- gende Ortschaft Splügen gelest ist, sind die bei der Ruine be- obachteten Verhältnisse auf diese etwas westlichere Schnittebene übertragen worden. So wenig ausgedehnt dieses kleine Gneissmassiv auch sein mag, so tritt es doch in der Landschaft deutlich hervor und trennt als waldiger Rücken das langgestreckte und weite obere Rhein- waldgebiet vom viel kleineren Becken von Sufers, das seinerseits nach unten scharf begrenzt wird vom Rofnagneiss, dessen Einsetzen der Crestawaldrücken verrät. Ich stehe nicht an, dieses Zusammen- fallen von hartem Gneiss mit Felsrücken, von Bündnerschiefer mit Weitungen und Becken hauptsächlich ais eine Wirkung selektiver glacialer Erosion aufzufassen. Eine etwas andere tektonische Deutung, als Alb. Heim sie gegeben hat, ist 1909 von O0. 4. Weller (9, S. 840 und PI. 22, Prof. IX) für den Gneiss der Burgruine vorgeschlagen worden. Nach ihm würde der Gneiss nicht nur eine einfache liegende Falte 282 A. Buxtorf. bilden, sondern deren Stirne wäre nach Norden zu etwas abge- bogen; ausserdem aber fände sich südlich überm Rhein eingeklemmt im Gneiss eine ganz schmale, nach Norden sich öffnende Bündner- schiefermulde. Eine Wiedergabe dieser Profilzeichnung, ebenso wie derjenigen A/b. Heims, scheint mir an dieser Stelle nicht nötig zu sein; es sei auf die Originalarbeiten verwiesen. Diese Verschiedenheit der geotektonischen Interpretation aber reizte zu weitern Untersuchungen und als mich nun 1918 und 19 geologische Studien für ein bei Sufers projektiertes Staubecken zu verschiedenen Malen ins Rheinwaldgebiet führten, liessen sich Streif- züge zum nahen Burgruinengneiss leicht bewerkstelligen. Gelegent- lich hatte ich mich dabei der Unterstützung der Herren cand. geol. R. Elber und T. Keller zu erfreuen. Im Nachfolgenden möchte ich nun versuchen, diese mehr zufälligen Beobachtungen zu einer kleinen Skizze zu vereinigen, wobei aber, wie nachdrücklich bemerkt sei, keine erschöpfende Darstellung gegeben, sondern lediglich künftiger Forschung die Arbeit erleichtert werden soll. Eine erste interessante Feststellung scheint mir nun die zu sein, dass das Gneissgebiet nach Westen zu nicht, wie bisher an- genommen, mit dem Hügel der Burgruine endet, sondern dass nach einem Unterbruch durch verkittetes jungdiluviales Schuttkegel- und Schottermaterial ca. 250 m südwestlich der Ruine nochmals etwas Gneiss ansteht. Dieses Vorkommen bildet den ersten aus der Böschung vorstechenden Felskopf, den man rechter Hand erblickt, wenn man vom Burgruinengneiss auf der Poststrasse nach Splügen wandert; alle nachfolgenden Felsen sind schon Bündnerschiefer. Was dieser Felsnase nun ihre besondere Bedeutung verleiht, ist ihr interessanter Bau, der unten links in nebenstehender Figur veranschaulicht ist: Der etwa 8—10 m hohe Felsvorsprung besteht aus Gneiss, der, obwohl intensiv gefältet, doch eine deutliche, in die Böschung einstechende Gewölbestirne erkennen lässt. Über dem Gneiss folgt, z. T. etwas verhüllt durch Pflanzen- wuchs, feinkörniger Triasdolomit in einer Mächtigkeit von etwa drei Metern; wie dies das Profil darstellt, ist anzunehmen, dass dieser Dolomit den Gneisskopf vollständig umhülle, doch fehlen seitlich und am Fusse des Felsens infolge von Schuttbedeckung jegliche Aufschlüsse. Dagegen ist an den Aufschlüssen westlich des Gneisskopfes schön zu erkennen, wie der über der Trias folgende kalkige Bündnerschiefer auch unter den Gneiss hineinstreicht, sodass, von Westen betrachtet, der Gneiss wie angeklebt erscheint. Eine eventuelle Fortsetzung nach Osten wird durch die erwähnte Quartärdecke verhüllt, nach Westen zu aber streicht der Gewölbe- kopf deutlich in die Luft aus. Die Lagerungsverhältnisse der Gneisslamelle der Burgruine Splügen. 283 Beim Versuch, diesen Gneisskopf, den wir mit I bezeichnen wollen, mit dem Gneiss der Ruine in Verbindung zu bringen, sind wir gezwungen, uns kurz der regionalen Tektonik des Hinterrhein- gebietes zu erinnern. Wir wissen, dass über der am Bernhardin und Valserberg untertauchenden Adulamasse nach Osten zu die höheren Grneissdeckfalten des Tambo- und Snrettamassivs folgen und haben als weiteren Grundzug das durchschnittlich wohl um 30° betragende östliche Axialgefälle dieses ganzen Deckfaltensystems zu erwähnen. Es sei in diesem Zusammenhang erinnert an die Profile, die Alb. Heim quer und längs durch diese Berge gelegt hat (2, T. II), ebenso an die neuesten Längsprofile durch Graubünden von Rud, Staub (8, T. VI). NW u _ 1550 6 “ur Burgru ine z 7 Lcd 224 4400 Profil durch die Schlucht des Hinterrheins bei der Burgruine Splügen. Masstab ca. 1 : 5000. Gn = Gneiss, T = Trias, Sc = Kalkige Bündnerschiefer, Punktierte Fläche = Quartär Die Schnittebene des untern Profils liegt ca. 300m westlich der des obern. Wenn nun auch die eben erwähnten Darstellungen das Gneiss- massiv von Splügen seiner Kleinheit wegen unberücksichtigt ge- ‚lassen haben, so steht doch ausser Frage, dass das Axialgefälle auch für dieses in Betracht gezogen werden muss. In Berück- sichtigung dessen und des Umstandes, dass die dem Gneisskopf I normal aufruhenden Bündnerschiefer nach Nordosten zu unter den Gneisskomplex II, der die Ruine trägt, hineinweisen, sind wir gezwungen, einen Zusammenhang der beiden Gneissköpfe anzu- nehmen, wie er in der nebenstehenden Figur durch die Strichel- linien angedeutet ist. Dem Axialgefälle ist dabei durch eine ent- sprechend tiefere Lage der Basis des westlichen Profils Rechnung getragen. Im Sinne dieser Darstellung würde sich zwischen den untern Gneisskopf I und den Gneiss II der Ruine eine kleine 284 A. Buxtorf. Mulde A einschalten, deren Tiefe wir aber nicht kennen und von der wir auch nicht wissen, ob sie flach liegt oder eine nach oben gerichtete Umbiegung besitzt. Auch die Möglichkeit ist gegeben, es könnte die Mulde durch einige kleine Sekundärmulden er- setzt oder von solchen begleitet sein. Leider schliesst die beide Gneissköpfe trennende Quartärdecke eine Beantwortung dieser Fragen ganz aus. Dass aber der Gneiss der Burgruine mit gutem (rund als selbständiger Gewölbekopf aufgefasst werden darf, ergibt sich vor allem aus der stirnförmigen Umbiegung, welche die Bündner- schiefer am Hügel gerade nordwestlich der Ruine zeigen und deren verkehrter Schenkel unter den (sneiss der Ruine hineinzielt. (sehen wir von der Ruine zum nächstsüdlichen, zurzeit ein Signal der Landesvermessung tragenden Felskopf, so fällt auf, wie an Stelle des nördlichen Einfallens des Gneisses Südfallen einsetzt, erst steil und dann gegen die Strasse hinab bis auf 40 ° abnehmend. Der erste Eindruck geht dahin, man habe es gerade südlich der Ruine mit einem aufrechten Gewölbe zu tun; berücksichtigt man aber das Vorhandensein des Gewölbekopfes I, so wird man eher die Möglichkeit erwägen, es könnte sich um eine verkehrte Mulde des Gneisses handeln, die wir als Umhüllung der Mulde A aufzu- fassen hätten. Im Profil habe ich durch die Linienführung der Mulde einen derartigen Zusammenhang leicht angedeutet, möchte aber nicht säumen, das Hypothetische dieser Darstellung nach- drücklich hervorzuheben. Einer neuen interessanten Komplikation begegnen wir unten in der Rheinschlucht. Wir erwähnten eben, dass vom Vermessungs- signal aus bis zum Rhein hinab das südliche Einfallen allmählig abnehme. Diese flach südfallenden Gneisse queren unter Bildung von Felsschwellen das Rheinbett und zeigen in den Felsköpfen am Südufer schliesslich nur noch eine Neigung von 30° Hier nun aber stellt sich über dem Gneiss mit ähnlichem Südfallen eine meist mehr als zehn Meter mächtige Folge von Triasdolomiten ein, als deren Hangendes wieder Gneiss folst, den bewaldeten Fels- hang der südlichen Schluchtwand bildend. Wir müssen ziemlich hoch hinaufsteigen, bis wir über dem Gneiss wieder Bündnerschiefer finden, die diesem hier anscheinend direkt, d. h. ohne Zwischenschal- tung von Dolomiten, aufruhen (vergl. das Profil). Die eben erwähnte Dolomiteinschaltung zwischen zwei Gneissen lässt sich vom obern Schluchtende aus schluchtabwärts am Südufer verfolgen bis etwas unterhalb der leichten Strassenbiegung im Süd- osten der Burgruine (vergl. Siegfriedbl. Splügen); hier verschwindet sie unter Gneiss. Spricht schon dieses Verhülltwerden durch Gneiss gegen normale Muldennatur der Triaseinschaltung, so liefert die Die Lagerungsverhältnisse der Gmeisslamelle der Burgruine Splügen. 285 Untersuchung des Nordabhangs der Schlucht den Beweis, dass wir es tatsächlich zu tun haben mit einer von Süden aus der Tiefe heraufstechenden, zum Gewölbe gekehrten Mulde (=B). Wie dies die Figur wiedergibt, lässt sich an den der Trias gegenüberliegenden Gmneissköpfen sehr schön der Ansatz zu einer Umbiegung erkennen, die die Umhüllung der Trias bilden würde, wenn nicht die Erosion den Zusammenhang zerstört hätte. Infolge des Axialgefälles tritt dann, wie erwähnt, dieses Verschwinden der Trias unter Gneiss etwas weiter unten am Südostufer des Rheins tatsächlich ein, hier weniger in Form einer schön geschwungenen Umbiegung, sondern mehr als ein Auskeilen zwischen Gneissen. Weiter nach Nordosten zu ist von all diesen Komplikationen nichts mehr zu erkennen, der Burgruinengneiss bildet vielmehr eine flache Kuppel, die bei Rüti unter kalkigen Bündnerschiefern untertaucht. Auf der Figur ist dieses Verhalten durch die einfache Führung der Luftlinie ange- deutet. Auch hier im Osten fehlt anscheinend Triasdolomit ganz; - die Aufschlüsse der Gneiss-Bündnerschiefergrenze in der Schlucht wenig oberhalb der Rheinbrücke (P. 1448.2 des Siegfriedbl. Andeer) schliessen freilich die Möglichkeit einer bloss mechanischen Aus- quetschung des dünnen Dolomitbandes nicht ganz aus. Suchen wir nun die Frage zu beantworten, welche Rolle der verkehrten Triasmulde B im Gesamtbauplan des kleinen Gneiss- massivs zukommt, so führt uns dies sofort weiter zur Grundfrage, welcher Gneiss denn eigentlich als Wurzel des Faltensystems zu betrachten sei. Zwei Lösungen sind denkbar; sie sind beide auf der Figur zur Darstellung gelangt. Nehmen wir an, der untere Gneiss (1) bilde die Wurzel, so kann der über der Trias folgende Gneiss (2) nur als eine nach Süden zurückgelegte Gewölbestirn aufgefasst werden; die feinen Punktlinien der Figur verdeutlichen diese Auslegung. Betrachten wir dagegen im Sinne der Strich- Punktlinien den obern Gneiss (2) als den wurzelnden, so ist der untere Gneiss (1) als die nach Süden in die Tiefe stechende Stirn- umbiegung anzusprechen. Wir dürfen dann ferner annehmen, dass die Trias im Liegenden des Gewölbekopfs I in direktem Zusammen- hang stehe mit der Trias in der Rheinschlucht. Ob nun diese Ver- bindung, wie die Strich-Punktlinie angibt, sich in einfacher Um- biegung vollziehe oder ob kompliziertere Verhältnisse herrschen, kann nicht entschieden werden, weil das Ausstreichen dieser Trias vom Alluvialboden des Rheintals unterhalb Splügen bedeckt ist. Es ist nicht schwer zu entscheiden, dass von den beiden mög- lichen Interpretationen nur die zweite ernstlich in Frage kommen kann, die erste würde eine Rückfaltung erheischen, die sich mit dem ganzen Bewegungsmechanismus der Deckfalten nicht in Ein- 286 A. Buxtort. klang bringen liesse. Im Sinne der zweiten Deutung aber erscheint uns nun das kleine Gneissmassiv nicht mehr als einfache liegende Falte, sondern wird zur dünnen Gneisslamelle, deren über- liegende Stirne nach Südenin die Tiefe taucht. Das, was früher als Stirnumbiegung aufgefasst worden ist, wird zur Biegung zwischen dem aufsteigenden und dem zurücktauchenden Teil der Lamelle. Die Gmneissfalte I endlich erscheint mehr nur als eine sekundäre Stauchung, wenn man nicht annehmen will, sie habe einmal die Rolle von II gespielt und sei erst beim letzten weitern Vorschieben der Gneisslamelle von II überholt worden. Zur Erklärung des ganzen so komplizierten Baues der Gneiss- lamelle aber müssen wir uns vergegenwärtigen, dass ihre Bewegung sich nicht selbständig vollzogen hat, sondern dass sie mit und zwischen den viel gewaltigern Gneissdeckfalten des Tambo- und Surettamassivs an ihre heutige Stelle verschleppt worden ist. In dieser Hinsicht besteht eine vollständige Analogie zu andern Bei- spielen alpiner überkippter Tauchfalten, worüber H. Preiswerk kürz- lich Ausführlicheres berichtet hat (4). So interessant es wäre, zum Schlusse nun noch das Verhältnis der Burgruinenlamelle zu den angrenzenden grossen Gneissdeck- falten näher zu verfolgen, so muss ich hierauf leider vollständig verzichten, meine Untersuchungen waren zu sehr nur eben auf die nächste Umgebung der Ruine beschränkt. 0. A. Welter gibt an (9, S. 839 u. fi. u. T. 21—22), dass zwischen Burgruinengneiss und Surettamassiv sich eine mächtige „Quetschzone“ einschalte, vorwiegend gebildet von triassischen Ge- steinen, denen aber auch Kalkschiefer, Breccien sowie Rofnaporphyr- bänder sich beimengen, ja er neigt sogar dazu, den Gmneiss der Burgruine nach Osten zu in dieser „Quetschzone* aufgehen zu lassen. Für einen derartigen Zusammenhang, der, wie Welter an- deutet, schliesslich dazu führen könnte, den Burgruinengneiss als eine zufällig und lokal gut kartierbare Riesenkomponente der „@Quetschzone“ aufzufassen, habe ich bei meinen bisherigen Be- gehungen keine Stütze finden können, sondern immer den Eindruck gewonnen, es tauche der Burgruinengneiss ostwärts als flache Halb- kuppel unter die Bünderschiefer, über welchen dann erst Welters (Juetschzone im Süden folge. Weitere Untersuchungen werden diesen Fragen ihre besondere Aufmerksamkeit zu widmen und namentlich die „Quetschzonen“ trotz ihrer Komplikation zu analy- sieren haben, denn dass mit dieser zwar bequemen, aber doch recht unsaubern Benennung keine Klarheit zu gewinnen ist, liegt auf der Hand. Noch sei erwähnt, dass die neueren, die unveröffentlichten Splügentunnel-Vorstudien Prof. C. Schmidts und seiner Mitarbeiter Die Lagerungsverhältnisse der Gneisslamelle der Burgruine Splügen. 287 verwertenden geotektonischen Karten von F. Zyndel (11, T. I) und Rud. Staub (7) den Burgruinengneiss in seiner Fortsetzung nach Südwesten zu ins Liegende der Tambomasse stellen und ihn schliess- lich dieser angliedern. Auf ein derartiges Weiterstreichen des Gneisses, oder genauer gesagt seines dünnen Wurzelstiels, hatte schon früher 0. Wilckens aufmerksam gemacht (10, S. 347). Es gewinnen diese Angaben heute ein besonderes Interesse, weil durch die Untersuchungen von E. Heydweiller (3, S. 172, 284—85 u. T. 2 Prof. 5) in den untersten Teilstirnen der Tambomasse dünne Gneiss- lamellen bekannt geworden sind, die hinsichtlich Verfaltung grosse Analogie mit dem Burgruinengneiss zeigen. Ob sie aber in direkte Beziehung zu letzterm gebracht werden dürfen, werden die von W. Grenouillet im Zwischengebiet vorgenommenen Untersuchungen zu entscheiden haben. Nur mit wenigen Worten sei endlich noch der kürzlich von H. Ph. Roothaan geäusserten Vermutung gedacht, es möchte der Gneiss der Burgruine als kristalliner Kern der höchsten, die Splügener Kalkberge tragenden Bündnerschieferdecke, die er vor- läufig Safierdecke nennt, aufzufassen sein. In die Basis dieser Decke wären nach Roothaan die von F. Zyndel (11, S. 89) am Bruschghorn und den Nollen entdeckten Triäsgesteine zu stellen. Nachdem aber oben gezeigt wurde, dass Gneiss und Trias der Burgruine einen zwar kompliziert gebauten, aber doch in sich geschlossenen Stirnkopf bilden, besteht keine Möglichkeit, die Trias- sesteine des Bruschghornes von der Burgruinenlamelle herzuleiten; eher käme hiefür vielleicht die „Quetschzone“ in Betracht. Dass selbstverständlich die zur Burgruine gehörenden Bündnerschiefer weit nordwärts verfrachtet worden sein können, ist ohne weiteres zuzugeben, ihre Absrenzung von hangenden und liegenden Bündner- schiefern andern Ursprungs aber dürfte sich recht schwierig ge- stalten. Nur mehr beiläufig sei noch erwähnt, dass die kühne tek- tonische Interpretation des Rofnagneisses, die Roothaan aus der petrographischen Ähnlichkeit zwischen Rofna- und Burgruinengneiss und den Lagerungsbeziehungen des letztern zum Tambomassiv ab- leitet, meines Erachtens jeglicher soliden Begründung entbehrt. Eine Loslösung des Rofnagneisses vom Surettamassiv ist für jeden un- denkbar, der nur einigermassen mit den Verhältnissen des letztern vertraut ist. (Literaturverzeichnis siehe folgende Seite.) 288 10. ir A. Buxtorf. Zitierte Literatur. . Heim, Alb. Geologie der Hochalpen zwischen Reuss und Rhein. Beitr. z. geol. Karte d. Schweiz. Liefg. 25. 1891. . Heim, Alb. Ueber die nordöstlichen Lappen des Tessinermassives. Viertel- jahrsschrift d. Natf. Ges. Zürich. Jahrg. 51. 1906. . Heydweiller, Erna. Geolog. und morphologische Untersuchungen in der Gegend des St. Bernhardinpasses (Südwestl. Graubünden). Eel. geol. Helv. Vol. XIV. Nr. 2, 1918. . Preiswerk, H. Die überkippte Tauchfalte am Campolungopass und ihre frühern Deutungen. Vierteljahrsschrift d. Natf. Ges. Zürich. Jahrg. 64. 1919. (Festschrift Albert Heim.) . Rolle, Friedr. Das südwestliche Graubünden und das nordöstliche Tessin, enthalten auf Bl. XIX des eidg. Atlas. Beitr. z. geol. Karte etc. Liefs. XXIII. 1881. . Roothaan, H. Ph. Tektonische Untersuchungen im Gebiet der nordöstlichen Adula etc. Vierteljahrsschrift d. Natf. Ges. Zürich. 63. Jahrg. 1918. . Staub, Rud. Zur Tektonik der südöstlichen Schweizeralpen. Beitr. z. geol. Karte d. Schweiz. N. F. 46. Liefg. 1. Abt. 1916. . Staub, Rud. Ueber das Längsprofil Graubündens. Vierteljahrsschr. d. Natf. Ges. Zürich. Jahrg. 64. 1919. (Festschrift Albert Heim.) 9. Welter, Otto A. Stratigraphie und Bau der Alpen zwischen Hinterrhein und Safiental. Ecl. geol. Helv. Bd. X, Nr. 6, Dez. 1909. Wilckens, Otto. Ueber den Bau des nordöstlichen Adulagebirges. Centralbl. f. Min. etc. 1907. Zyndel, F. Ueber den Gebirgsbau Mittelbündens. Beitr. z. geol. Karte d. Schweiz. N. F. Liefg. 41. 1912. Geolog.-paläont. Institut der Universität Basel, Sept. 1919. Bericht über das Basler Naturhistorische Museum für das Jahr 1918. Von Fritz Sarasin. Auch dieses Jahr hat der Tod unserer Kommission ein hoch- geschätztes Mitglied entrissen. Am 8. April verschied Herr Prof. Dr. L. @. Courvoisier, welcher seit dem Jahre 1904, als Nachfolger des Herrn F. Riggenbach-Stehlin, die Entomologische Abteilung ver- waltethatte. Der Verstorbene hat sich mit seinem ihm eigenen Sinn für peinliche Ordnung um die Neugestaltung der genannten Sammlung grosse Verdienste erworben und seiner Liebe zum Museum noch dadurch einen ganz besonderen Ausdruck verliehen, dass er seine überaus reiche und wertvolle Privatsammlung von Lycaeniden, sein Lebenswerk, unserer Anstalt vermacht hat. Nach der Bestimmung des Testators darf diese Sammlung Spezialforschern zugänglich ge- macht und unter Aufsicht auch weiteren Kreisen vorgezeigt werden. Zu einer Besichtigung unter Führung von Herrn Dr. A. Huber sind schon im Juni die Mitglieder des Museumsvereins und des Basler Entomologenvereins eingeladen worden. Wir werden dieses wert- volle Vermächtnis, ebenso wie die prächtige Lepidopterensammlung seines Vorgängers, mit pietätvollem Sinn zu hüten bestrebt sein. Da bei den gegenwärtigen Raumverhältnissen von einer sachge- mässen Schaustellung der Insekten nicht die Rede sein kann, hat die Kommission beschlossen, einstweilen von einer Neubesetzung der Stelle eines Abteilungsvorstehers abzusehen. Die entomo- logische Sammlung ist zunächst derjenigen der übrigen wirbellosen Tiere angegliedert worden. Ihre spezielle Pflege liest in den Händen der Herren Hans Sulger und Dr. A. Huber. Dagegen hat die Kommission E. E. Regenz zur Wahl in die Kommission, an Stelle des im letzten Jahre verstorbenen Herrn Dr.. A, Gutzwiller, Herrn Dr. Aug. Tobler vorgeschlagen. Die Regenz hat diesem Gesuch entsprochen, und dem Genannten ist daraufhin offiziell die Leitung der indischen Gesteinsabteilung, die er seit Jahren schon privatim besorgt hatte, übertragen worden. 19 290 Fritz Sarasin. Die in mehreren der letzten Jahresberichte erwähnte Ange- legenheit des Hauses zum „weissen Bär“ hat nun in diesem Jahre eine für uns höchst willkommene Erledigung durch den folgenden Beschluss des Grossen Rates vom 27. Juni 1918 gefunden: 1. Der Grosse Rat des Kantons Basel-Stadt genehmigt den vom Regierungsrat mit der Freiwilligen akademischen Gesellschaft abgeschlossenen Vertrag betreffend Schenkung der Häuser Augustinergasse 4, 6 und 8 an den Staat zu Museums- und Universitätszwecken. 2. Er bewilligt für die Instandstellungs- und Einrichtungskosten des Hauses zum „weissen Bär“, Schlüsselberg 5, einen Kredit von Fr. 160,000 und für die Instandstellung der Werkstätte im Hofe des Museums einen solchen von Fr. 10,000. Diese Ausgaben sind auf die Jahre 1918 und 1919 zu verteilen. 3. Er erteilt einen Kredit von Fr. 25,000 für Instandstellungs- und Einrichtungsarbeiten der Häuser Augustinergasse 6 und 8 zu Lasten des Budgets pro 1918. 4. Er genehmist den Übertrag der Liegenschaft Schlüsselberg 5 zum „weissen Bär“ auf das Universitätsgut und bewilligt den erforderlichen Kredit von Fr 140,000 auf Rechnung des Bud- gets pro 1918. Damit ist nun der längst gehegte Wunsch nach einer neuen, den heutigen Anforderungen entsprechenden Werkstätte des Natur- historischen Museums und nach einem unmittelbar an das Museum anstossenden Gebäude, das die gegenwärtig in verschiedenen Depen- denzen zerstreuten, umfangreichen, wissenschaftlichen Sammlungs- materialien und die zu ihrer Bearbeitung nötigen Räume aufzu- nehmen gross genug wäre, erfüllt. In der Entwicklung unserer An- stalt, als eines wissenschaftlichen Forschungsinstitutes, ist eine wichtige Etappe erreicht, und gerne benützen wir die Gelegenheit, den hohen Behörden für das durch diesen Beschluss bewiesene Verständnis der Lebensbedingungen unseres Naturhistorischen Museums und ebenso der Akademischen Gesellschaft für ihr hoch- herziges Entgegenkommen unseren tiefgefühlten Dank auszusprechen. Die von Herrn Leisinger auf Grund der Vorarbeiten der Herren Ed. Vischer und Söhne ausgeführten Pläne für den Umbau des Hauses haben unserer Kommission vorgelegen und sind von ihr genehmigt worden. Die Arbeiten sind bereits in vollem Gange, wonach wir hoffen dürfen, im kommenden Herbst mit der Einrich- tung beginnen zu können. Im nächsten Jahresberichte wird dann von der Einteilung des Hauses und der Verwendung der einzelnen Räume Rechenschaft abzulegen sein. Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1918. 291 Die regulären Beiträge des Staates, des Freiwilligen Museums- vereins und der Gemeinnützigen Gesellschaft sind dieselben ge- wesen wie im Vorjahre. Der Museumsverein hat uns überdies mit einer Gabe von Fr. 2000 bedacht zum Ankauf osteologischer Ob- jekte. Den Ausfall, den wir durch das Ausbleiben eines Beitrags der Allgemeinen Museumskommission an die Betriebskosten erlitten, hat die Akademische Gesellschaft auf zuvorkommende Weise ge- mildert durch Gewährung eines Subsidiums von je Fr. 1000 für die Jahre 1918 und 1919. Zoologische Sammlung. a) Wirbeltiere. (Bericht des Vorstehers, Dr. Fritz Sarasin.) Säugetiere. Unter den Geschenken schweizerischer Mammalia seien erwähnt ein Alpenhase im Sommerkleid und einer in Über- gangsfärbung aus dem Prättigau und Lax, Wallis, die wir Herrn W. Brenner in Chur und dem Zoologischen Garten verdanken. Den seltenen Albino der Schermaus aus der Gegend von Reinach sandte Herr Dr. A. Binz ein, Herr @. von Burg Bälge kleiner Raub- und Nagetiere aus dem bündnerischen Münstertal, die Herren Prof. A. Buxtorf, Prof. A. Dubois. W. Schindelholz, Direktor A. Wend- nagel und Fr. Zimmermann eine Reihe kleiner einheimischer Formen, wofür man die Geschenkliste vergleichen möge. Zur schweizerischen Fauna dürfen wir auch 8 Bälge verschiedener Altersstadien des Steinbocks aus dem Park Peter und Paul zählen, die uns Herr Prof. R. Biedermann-Imhoof überwies. Derselbe unermüdliche Gönner verehrte uns auch 5 Bälge des sardinischen Moufflon in diversen Entwicklungsstadien und Säugetierbälge aus dem Altai, von denen 3 Arten unserer Sammlung bisher gefehlt hatten. Von Herrn Dr. A. David erhielten wir den Leoparden geschenkt, den er seiner Zeit aus der Gegend von Fashoda lebend mitgebracht hatte, von Herrn W. B. White Midas ursulus E. Geoffr. aus Brasilien. Von den Ankäufen mag das Weibchen von Tapirus americanus Briss. namhaft gemächt sein, das 23 Jahre im Zoologischen Garten gelebt hatte, in dessen Besitz es etwa dreijährig gelangt war, ferner als Seltenheit eine noch unbeschriebene Varietät des sogenannten Wasserrehs, Hydrelaphus inermis Swinh., aus Korea. Für die kleinen Arten siehe die Anhangsliste. Zuwachs an neuen Formen: 2 Genera und 5 Species. Vögel. Die Sammlung einheimischer Vögel, auf deren Ver- vollständigung, verbunden mit Ersatz schadhafter, alter Stücke 292 Fritz Sarasin. durch neue, seit Jahren hingearbeitet wird, im Hinblick auf eine spätere Aufstellung mit biologischen Gruppen in eigenem Raume, hat dieses Jahr manchen erwünschten Zuwachs erfahren. Wir er- wähnen eine schöne Serie von Albinos der Amsel, der Dohle, der Hausschwalbe und des Steinkauzes, fast alle aus unserer näheren Umgebung, zusammengebracht durch Herrn @. Schneider, ferner eine Gruppe der Alpendohle, Pyrrhocorax alpinus Vieill., vom Gott- hardmassiv, ein Geschenk der hiesigen Ornithologischen Gesellschaft, die auch weiterhin ihre wertvolle Beihilfe am Ausbau unserer ein- - heimischen Sammlung zugesagt hat. Als ein besonders interessantes Stück soll auch eine sogenannte Spechtschmiede aus dem Torfmoor von La Chaux bei Ste-Croix aufgeführt sein, Geschenk der Herren Drs. Helbing und Schaub. Eine Reihe von Arten aus der Um- gebung des schweizerischen Nationalparks sandte Herr G. von Burg ein, Herr A. Wendnagel verschiedene hiesige, zum Teil mit ihrem Nest. Anderes verdanken wir (siehe die Geschenkliste) den Herren E. Merz, Dr. P. Sarasin, E. Schmutz, J. Stuber und der Zoolo- gischen Anstalt. Eine Gruppe der Samtente, Oedemia fusca (L.) vom Bodensee wurde käuflich erworben. Von ausländischen Arten konnten eine Reihe südchinesischer, uns fehlender, angekauft werden, ferner die seltene neuseeländische, Ralle, Ocydromus earli Gray. Einige papuasische Formen ver- danken wir als Geschenk Frau M. Moser-Massini. Zuwachs an neuen Arten: 1 Gattung und 9 Species. Reptilien und Amphibien. Überaus spärlich gestaltete sich auch dieses Jahr der Zuwachs an für die Sammlung neuen Formen; es sind deren bloss 2 Gattungen und 8 Arten von Reptilien und 1 Amphibienart zu verzeichnen, sämtlich aus dem südlichen China stammend und uns vom Freiburger Museum überlassen, bei Ge- legenheit einer hier von Herrn Dr. J. Roux ausgeführten Bestimmungs- arbeit einer grösseren Sammlung. 11 Arten verschiedener Pro- venienz, die uns der Zoologische Garten zuwies, waren zwar alle bereits vertreten; erwähnenswert ist aber ein besonders grosses und schönes Exemplar der Anakonda, Eunectes murinus, das als ganz junges Tier in den Garten gelangt war. Europäische, meist schweize- rische Arten, gingen ein von den Herren Prof. R. Biedermann- Imhoof, R. Graber, Dr. Ed. Graeter und J. Stuber. Fische. Die einzige Vermehrung bildet der uns von Herrn Prof. C. Schmidt übergebene Typus des nach ihm benannten Fisches, Callomystax schmidti Volz, aus Zentral-Sumatra. (Volz, W., Revue Suisse de Zoologie, 1904.) Er gehört der Familie der Siluriden an. Herr Dr. J. Roux hat die Neuetikettierung der gegenwärtig im Keller aufbewahrten Fischsammlung zu Ende geführt. Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1918. 295 b) Wirbellose Tiere. (Bericht des Vorstehers, Prof. Dr. F. Zschokke). Die allgemeinen Bemerkungen in den letzten Jahresberichten über die Aufstellungs- und Ordnungsmöglichkeiten der Abteilung wirbelloser Tiere haben auch heute noch volle Geltung. Dagegen ist mancher Zuwachs zu verdanken und auf die Arbeit hinzuweisen, die von den Verwaltern der einzelnen Sammlungen mit grosser Hin- gabe und Fleiss geleistet worden ist. Uber die Mollusken berichtet Herr Dr. @. Bollinger, dass die Sammlung nunmehr in der Häupt- sache zweckmässig in Schachteln untergebracht sei. Eine Anzahl von Geschenken wurde neu eingereiht, so die Molluskenausbeute der zweiten Celebesreise der Herren P. und F. Sarasin, ca. 50 Arten und Varietäten (eine Bearbeitung derselben durch Herrn @. Bollinger ist soeben erschienen), die Sammlung Tessiner Mollusken des Herrn Dr. L. Eder, sämtliche Materialien zu seiner 1914 erschienenen Dissertation: „Zur Fauna der gehäusetragenden Landschnecken des Kantons Tessin“ enthaltend, ca. 160 Arten von mehr als 400 Fund- orten, die Dubletten der Mollusken aus dem schweizerischen National- park, die Herr Dr. E. Bütikofer, im Einverständnis mit der wissen- schaftlichen Nationalparkkommission dem Museum übergab, 56 Funde aus dem Unterengadin, Material zu seiner Arbeit über die Mol- luskenfauna des Nationalparks, eine Sammlung von westlichen Mittelmeer- und canarischen Mollusken, Geschenk des Herrn Dr. P. Bohny, Nordische Mollusken von Herrn Dr. @. Bollinger, end- lich die Typenexemplare der auf dem Seestern Linckia multifora Lam. parasitierenden Schnecken Stylifer linckiae und Thyca ecto- concha aus Ceylon, beschrieben von den Herren LP. und F. Sarasin. An dieser Stelle mögen als Eingang dieses Jahres auch die Knospen bildenden Exemplare von Linckia erwähnt sein, die in einer Ab- handlung derselben Autoren zur Darstellung gekommen sind. Den Crustaceen widmete wieder Herr Dr. J. Roux seine be- sondere Aufmerksamkeit. Er bestimmte Sammlungen malayischer Crustaceen aus dem Naturhistorischen Museum zu Amsterdam und von Herrn Prof. P. N. van Kampen in Leiden, ferner solche von den Kei- und Aru-Inseln, dem Frankfurter Museum gehörig. Hiebei fielen wertvolle Dubletten für unsere Anstalt ab. Durch die Sammeltätigkeit des Herrn Dr. W. Bigler in den Glarner- und Bündneralpen wurde der Diplopodenbestand unseres Museums beträchtlich bereichert. Herr Bigler bearbeitete als Grund- lage für die Erforschung der Tausendfüsser des schweizerischen Nationalparks die westalpinen Diplopoden, wofür ihm ein von Herrn Dr. Rothenbühler in Bern überlassenes, reiches Material zur Ver- 294 Fritz Sarasin. fügung stand. Eine Arbeit über diese Studien ist bereits druck- fertig. Eine Präparatensammlung wurde als Bestandteil der Myria- podenabteilung von Herrn Bigler angelegt. Der Spinnensammlung nahm sich in gewohnter, umsichtiger Weise Herr Dr. E. Schenkel an. Als Geschenke gingen ein Spinnen aus der Umgebung des- Nationalparks von Herrn Dr. W. Bigler, ferner von Herrn Dr. A. Huber solche von xerothermen Lokalitäten bei Basel. Von diesen verdient besonderes Interesse ein Weibchen der sonst nur aus dem Süden bekannten Art Tho- misus onustus von Istein. Sehr wertvoll ist eine Sammlung hoch- alpiner Arachniden, die Herr Dr. Æ. Handschin im Gebiet von Finsteraarhorn, Galenstock und Lischanna sammelte, ungefähr 30 Arten, worunter eine grössere Anzahl neuer und seltener Formen. Skorpione verdanken wir Herrn R. Graber. In der Entomologischen Sammlung setzte Herr Dr. A. Huber die Neuordnung und Katalogisierung der Orthopteren fort, speziell der Phasmiden und Acridiiden. Bis heute sind 119 Rahmen von Orthopteren bereinigt. Ausserdem wurde die Sammlung schweize- rischer Käfer umgestellt und ergänzt. Als Donatoren der Abteilung seien genannt Frau Prof. Burckhardt-Schatzmann, Herr Gerber und Herr Dr. A. Huber. Granz besonders hervorzuheben ist aber die in den Besitz des Museums durch Legat übergegangene grosse Lycaenidensammlung des verstorbenen Vorstehers der Abteilung, Herrn Prof. Dr. 7. @. Courvoisier (vergleiche die Einleitung). Die Sammlung umfasst in fünf Schränken ca. 16,000 Exemplare in 1370 Arten, 869 Neben- formen und 336 Aberrationen; sie stellt damit eine der allerbe- deutendsten Kollektionen auf diesem Spezialgebiete dar. Durch die hochherzige Schenkung hat der Testator sich und seiner Hin- gabe an das Basler Museum ein bleibendes Denkmal gesetzt. Uber zoologische Materialien unseres Museums sind folgende Arbeiten erschienen oder im Erscheinen begriffen: . Bollinger, Landmollusken von Celebes, Revue Suisse de Zoologie, 1918. L. Eder, Eine neue Schweizer Helicide, ibid., 1917. O. Fuhrmann, Cestodes d’oiseaux de la Nouvelle Calédonie et des L =D) îles Loyalty, Nova Caledonia, II, Lief. 4, 1918. . Johansson, Hirudineen von Neu-Caledonien und den Neuen Hebriden, ibid. J. Roux, Sur une nouvelle espèce de Palaemon (Parapalaemon) habitant l’île de Bali, Revue Suisse de Zoologie, 1918. E. Schenkel, Neue Fundorte einheimischer Spinnen, Verhandlungen Naturforsch. Ges. Basel, XXIX, 1918. [NS] Se) x Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1918. Osteologische Sammlung. (Bericht des Vorstehers, Dr. H. G. Stehlin.) Die osteologische Abteilung hat das Berichtsjahr mit einem bedeutenden Defizit angetreten. Indem der Freüwillige Museums- verein ihr einen ausserordentlichen Beitrag von Fr. 2000. — zur Deckung der Auslagen für den im Bericht für 1916 erwähnten Skelettankauf gewährte, ist dasselbe grösstenteils getilgt worden. Für die Vorbereitung der künftigen Schaustellung stand ihr wiederum ein staatlicher Extrakredit von Fr. 1000.— zur Verfügung. Ausser- dem ist ein beträchtlicher Teil der laufenden Mittel (inklusive Zins der Rütimeyer-Stiftung) auf beschleunigte Förderung der Präpara- tionsarbeiten verwendet worden. Dagegen hat sich die Sammel- tätigkeit, über die wir im folgenden in gewohnter Reihenfolge be- richten, den Zeitumständen entsprechend, wie in den Vorjahren in engem Rahmen bewegt. Im Keuper bei Pratteln sind von Präparator Huber kleine Wirbeltierreste gesammelt worden; sie harren noch der näheren Untersuchung, gleich wie auch ein Reptilkiefer aus dem Wellenkalk bei Schwaderloch, den wir Herrn Dr. Paul Vosseler verdanken. Aus dem oberen Ludien von Entreroches am Mormont sind einige Belegstücke durch Präparator Huber geschenkt und weitere durch Aufarbeitung alter Rohmaterialbestände gewonnen worden, Es befinden sich darunter bemerkenswerte Kiefer von Amphimeryx collotarsus Pomel und Hyperdichobune spinifera Stehlin. An einer neuen Fundstelle des Stampien in der Gegend von Mümliswyl, deren Kenntnis wir Prof. Künzli in Solothurn ver- danken, ist eine kleine Ausgrabung unternommen worden, die interessante Resultate ergeben hat. Neben Schildkröten und Krokodilen konnten ein Vogel und 13—14 Säugetierarten festge- stellt werden, nämlich zwei Rhinoceriden, ein Suide, ein Dicho- bunide, zwei Ruminantier, ein Caenotherium, drei bis vier Nager, ein Marsupialier und ein Insectivor. Die Belegstücke sind aller- dings von bescheidener Qualität. Besondere Hervorhebung ver- dienen diejenigen von Metriotherium mirabile Filhol, dem letzten Dichobuniden des europäischen Tertiärs, der bisher nur an franzö- sischen Fundstellen nachgewiesen war. In der Molasse bei der Rickenbacher Mühle, die einer etwas jüngern Phase angehört als die Mümliswyler Fundschicht, hat Präparator Huber weiter gesammelt. Neben schönen Belegstücken einiger schon früher festgestellten Arten fand er solche eines neuen Ruminantiers und einer Hyaenodonart. 296 Fritz Sarasin. Eine umfassendere Ausgrabung wurde letzten Sommer in Ver- bindung mit dem geologischen Institut der Universität Lausanne im obern Aquitanien von La Chaux bei Sainte-Croix veranstaltet. Das geborgene Material ist, wenn gleich qualitativ nicht gerade hervorragend, ziemlich umfangreich und ergänzt unsere einhei- mische säugetierpaläontologische Dokumentation auf das vorteil- hafteste. Es verteilt sich auf 10 Nager, einen Insectivoren, einen Didelphiden, 3—4 Carnivoren, einen Suiden, 3—4 Wiederkäuer, zwei Rhinoceriden, zwei Vögel und einige Reptilien. Das voll- ständigste Stück ist ein zerquetschter Schädel von Rhinoceros (Ceratorhinus) cfr. tagicus Roman, einem kleinen, schlankbeinigen Nashorn. Wissenschaftlich besonders wertvoll ist die lange Reihe von Nagern, da uns diese Microfauna aus dem obern Aquitanien der Schweiz bisher vollständig fehlte. Neben Formen, die von anderwärts bekannt und für den Horizont charakteristisch sind, befinden sich darunter auch mehrere generisch neue. Die Teilung mit dem Museum in Lausanne steht noch bevor. Den Behörden des Kantons Waadt und der Gemeinde Sainte- Croix, welche uns bei dieser Unternehmung aufs freundlichste ent- gegengekommen sind, sei auch an dieser Stelle unser verbind- lichster Dank gesagt; ebenso den Herren Ch. Meylan in La Chaux und Prof. Th. Rittener in Sainte-Croix, welche den Leitern der Aus- grabung, Herrn Dr. Helbing und Herrn Dr. Schaub, beratend und helfend an die Hand gegangen sind. Einige wenige Eingänge aus dem Miocän und dem Pleistocän sind in der Geschenkliste aufgeführt. Uber die Ergebnisse der eifrigen Sammeltätigkeit, welche Herr Pfarrer 7. Iselin auch wäh- rend des Krieges im Pliocän und Pleistocän von Toscana entfaltet hat, hoffe ich nächstes ‚Jahr näheres berichten zu können. Sehr bedeutend ist der Zuwachs an recenten Osteologicis ge- wesen (186 Katalognummern). Wir verdanken ihn, wie aus der Greschenkliste zu ersehen, zum weitaus grössten Teil unserem be- währten Gönner, Herrn Prof. Richard Biedermann-Imhoof, in Eutin. Die prächtigen Serien von Steinbock-, Moufflon- und Bibermaterialien, mit denen er uns erfreut hat, stammen aus dem Nachlasse des eifrigen St. Galler Sammlers Dr. Girtanner, welcher Jahrzehnte lang diesen Spezialitäten nachgegangen ist. Anderes, wie die Schädel von Capreolus pygargus Pall., Moschus moschiferus L. und einigen Raubtieren sind willkommene Nachträge zu den Altaisuiten, die uns Herr Biedermann in früheren Jahren verehrt hat. Uber die ver- blüffende Mannigfaltigkeit der Geweihbildung, welche das sibirische Reh auszeichnet, bietet unsere Sammlung nun einen prächtigen Uberblick. Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1918. 297 Herr Dr. Leopold Greppin in Solothurn hat uns diverse ein- heimische Vögel zur Ergänzung unserer Handsammlung übersandt und gedenkt uns auch fernerhin solche Dienste zu leisten. Ihm und der Direktion des Solothurner Museums, welche in zuvor- kommender Weise die Spedition dieser Gaben übernommen hat, sind wir zu grossem Dank verpflichtet. Wie 1917 sind die Präparatoren Æ. Huber und F. Zimmermann das ganze Jahr an der Abteilung tätig gewesen. Dank dieser Bei- hilfe konnte die Aufarbeitung der paläontologischen Rohmaterialien kräftig gefördert werden. Die Vorräte von Senèze sind nun, bis auf ein aus besondern Gründen zurückgestelltes Hauptstück, fertig . präpariert ; ebenso verschiedene eocäne und oligocäne Serien. Ferner ist an den Handsammlungen für Säugetier- und Vogelosteologie weiter gearbeitet worden. Herr Dr. Schaub hat die Sichtung und Ordnung der Senèze- Materialien fortgesetzt, Herr Dr. Helbing die bis letzten Sommer von Herrn Dr. Revilliod besorgte Katalogisierung der recenten Osteologica übernommen. Der Mobiliarnot der Abteilung konnte durch zwei aus den Mitteln des Museumsbaufonds angeschaffte Schränke und durch die Herstellung einer grossen Anzahl von Tragbrettern, wofür die Mobiliarverwaltung des Baudepartements das Holz zur Verfügung gestellt hat, etwas abgeholfen werden. Herr Maurice Leriche, Professor an der Universität Brüssel, der letzten Sommer nach vierjähriger Gefangenschaft in der Schweiz interniert worden ist, hat seit anfangs November unsere tertiären Fischmaterialien zu Studienzwecken benützt und gleichzeitig eine Revision und Neuetikettierung derselben unternommen, für die wir ihm sehr verpflichtet sind. Zur Rückbeförderung in die Heimat abberufen, hat er seine Arbeit unterbrechen müssen. Er gedenkt aber nach dem Frieden wieder hieher zu kommen, um sie zu Ende . zu führen. Die Herren Drs. Lebedinsky, Schaub und Helbing haben ihre Studien über tertiäre Vögel, über oligoeäne und miocäne Muriden und über oligocäne Carnivoren fortgesetzt, aber noch nicht abge- schlossen. Der zweite und Schlussteil von Herrn Dr. Revilliods Arbeit über tertiäre Chiroptern ist nahezu druckfertig. Die einzige im Berichtsjahre aus der Abteilung hervorgegangene Publikation ist eine kleine Notiz des Vorstehers, in der an Hand von Materialien unserer Sammlung ein altes Problematicum neu gedeutet wird: H. @. Stehlin. Le Pernatherium rugosum P. Gervais, Bull. soc. géol. de France, 1918. 298 Fritz Sarasin. Leider wird uns Herr Dr. Revilliod auf Ende dieses Jahres verlassen. Wir können nicht umhin, dem wärmsten Danke für die vortrefllichen Dienste, welche er während fast zehn Jahren der Ab- teilung geleistet hat, den Ausdruck des Bedauerns beizufügen, dass es uns nicht möglich gewesen ist, ihm eine dauernde Stellung an unserer Anstalt anzubieten. Geologische Sammlung. A. Petrographische Abteilung. (Bericht des Vorstehers, Prof. Dr. C. Schmidt.) a) Sammlung alpiner Gesteine. Herr Prof. H. Preiswerk hat _ seine Untersuchungen im obern Tessin fortgeführt. Seine geolo- gische Karte mit Text wird demnächst von der schweizerischen geologischen Kommission publiziert werden. Die Sammlung von Gesteinen der Schweizeralpen wurde weiter geordnet durch die Herren Prof. Preiswerk und E. Ritter. Beson- ders bemerkenswert ist die Vermehrung derselben durch Aufsamm- lufigen von Talk- und Asbestgesteinen im Wallis und Tessin durch die Herren (. Schmidt, H. Preiswerk, H. Tschopp und A. Werenfels. Diese Untersuchungen sind zum Teil im Auftrage des Bergbau- bureau des Schweiz. Volkswirtschaftsdepartements ausgeführt wor- den, da die Verwendung dieser Materialien gegenwärtig von grösster Bedeutung ist. b) Lagerstättensammlung. Die Ausstellungssammlung der nutz- baren Mineralien der Schweiz, welche 1914 in Bern war, und für deren Ankauf der freiwillige Museumsverein einen Beitrag ge- leistet hat, konnte im hintern geologischen Saale des Museums ausgestellt werden. Unsere Untersuchungen sämtlicher schweize- rischer Lagerstätten wurden im Jahre 1918 ganz besonders intensiv weiter gefördert. Den Museumssammlungen ist hiedurch äusserst reichliches Material zugeführt worden. Von den „Erläuterungen zur Karte der Fundorte mineralischer Rohstoffe* von @. Schmidt erscheint eine bedeutend erweiterte „Edition française“. B. Indische Abteilung. (Bericht des Vorstehers, Dr. Aug. Tobler.) Die Indische Abteilung umfasste bei der Übernahme durch den Berichterstatter zu Beginn des abgelaufenen Jahres folgende 9 Unterabteilungen: 1. Indien Festland, 2. Sumatra, 3. Java, 4, Kleine Sundainseln, 5. Borneo. 6. Celebes und Ceram, 7. Japan, 8. Mittel-Amerika, 9. Allgemeine Geologie. Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1918. 299 a) Wissenschaftliche Arbeiten. Sumatra. In erster Linie ist die Sammlung aus Djambi im abgelaufenen Jahre Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung gewesen. Bis auf zwei Suiten, von denen unten die Rede sein wird, sind alle Djambimaterialien, die an auswärtige Gelehrte geschickt worden waren, wieder in Basel eingetroffen. Infolge des Krieges, speziell aber infolge des Hinschiedes von Prof. F. Frech in Breslau, sind die Materialien nur zum Teil bearbeitet worden. Die Unter- suchung der unbearbeitet gebliebenen Teile hat der Berichterstatter selbst an Hand genommen. Noch im Auslande befinden sich folgende zwei Suiten: 1. Permo- carbone und tertiäre Hölzer und 2. Permocarbone Blattabdrücke. Die erste wird von Dr. À. Kräusel am botanischen Institut der Uni- versität Breslau untersucht, die zweite ist von Dr. J. W. Jongmans am Rijks Herbarium in Leiden bearbeitet worden. Der Bericht- erstatter hat zur Arbeit von Dr. Jongmans eine geologische Ein- leitung beigesteuert. Wie im Bericht über das Jahr 1914 vom damaligen Vor- steher der Indischen Abteilung mitgeteilt worden ist, hat Herr Dr. E. Baumberger die Fossilien aus den Mattschiefern von Djambi zur Bearbeitung übernommen. Die Bearbeitung ist, wie Herr Dr. Baumberger mitteilt, durchgeführt bis auf die Bivalven- und Gastro- podenfauna von Bukit Telasi, die aus so fremdartigen Formen be- steht, dass es bis jetzt nicht gelungen ist, in der Literatur Be- schreibungen zu finden, die zum Vergleich herangezogen werden könnten. ' In zweiter Linie ist zu nennen die Sammlung aus dem Pa- danger Oberland und aus Indragiri. Nachdem schon im Jahre 1917 ein Teil dieser Sammlung (Perm von Goegoek Boelat) wissen- schaftliche Bearbeitung erfahren hat, wurden im Berichtsjahr Herrn Prof. (. Schmidt diejenigen Suiten übergeben, die der Bericht- erstatter seinerzeit aus den Batang Hari- und Sanggirdistrikten mit- gebracht hat. Herr Prof. Schmidt hat in dankenswerter Weise mit der Bearbeitung dieses Materiales einen seiner Schüler, Herrn cand. phil. 7. Kugler, betraut. Kleine Sundainseln. Die Sammlung aus den kleinen Sunda- inseln, bestehend im wesentlichen aus Materialien, die Herr Dr. J. Pannekoek van Rheden auf Sumbawa und Flores gesammelt hat. ist im abgelaufenen Jahr neuerdings Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung geworden, wiederum dank dem Interesse, das Herr Prof. C, Schmidt noch immer unserer Abteilung entgegenbringt. Zwei seiner Schüler, die Herren cand. phil. M. Hühnerwadel und cand. phil. F. Drescher, haben petrographische Studien begonnen, 300 Fritz Sarasin. der erste über Gesteine aus dem nördlichen Mittel-Sumbawa, der zweite über solche aus Flores. Die im letzten Jahresbericht erwähnte Arbeit des Herrn Dr. J. Pannekoek van Rheden ist erschienen in der Zeitschrift für Vulkanologie Band IV. unter dem Titel: Geologische Notizen über die Halbinsel Sanggar, Insel Sumbawa (Niederländisch Ost-Indien) mit Anhang-Notiz über einige foraminiferenführende Gesteine von der Halbinsel Sanggar (Sumbawa) von Aug. Tobler. b) Zuwachs. Herr Prof. Dr. Max Reinhard in Genf hat eine Suite von Tertiärgesteinen und Tertiärfossilien aus Atjeh (Nord- Sumatra) geschenkt, und Herr Dr. J. Stauffacher in Basel hat unserer Abteilung eine Gesteinssuite zukommen lassen, die er auf javanischen Vulkanen gesammelt. c) Ordnungs- und Präparationsarbeiten. Das Sumatramaterial, speziell die Sammlung aus Djambi, hat viel Zeit und Mühe in Anspruch genommen. Vorerst wurde das für das Niederländisch- Indische Bergamt und für die Technische Hochschule in Delft bestimmte Material ausgeschieden. Alsdann wurde der ganze Be- stand gegliedert in eine topische Belegsammlung (1'/g Schrank), eine stratigraphisch-paläontologische Sammlung (11/2: Schrank), eine petrographische Sammlung (1/2 Schrank) und eine Lagerstätten- sammlung (Erze, Kohlen, Mineralien) (1/2 Schrank). Die beiden ersten Sammlungen sind numeriert und katalogisiert worden, die übrigen werden im nächsten Jahr an die Reihe kommen. Zu er- wähnen bleibt, dass eine grosse Anzahl von Anschliffen und Dünn- schliffen ausgeführt worden ist. Die in frühern Jahren von den Herren Dr. @. Niethammer und Dr. M. Mühlberg geschenkten Materialien aus Borneo, Japan und Mittelamerika sind ausgepackt und vorläufig geordnet worden. Die definitive Präparation, Etikettierung und Ordnung dieses um- fangreichen Materials wird nach Erledigung der sumatranischen Sammlungen in Angriff genommen werden. Die Ordnungs- und Präparationsarbeiten wurden vom Bericht- erstatter unter Assistenz seines Privatgehilfen und zeitweiliger Mit- wirkung der Herren cand. phil. H. Kugler und cand. phil. H. Tschopp ausgeführt. C. Alpin-sedimentäre Abteilung. (Bericht des Vorstehers, Prof. A. Buætorf.) Bestand der Sammlungen. Der Bestand der Sammlungen hat im verflossenen Jahre eine kleine Vermehrung durch Geschenke erfahren. Wir erhielten von Herrn cand. geol. Ernst Lehner eine Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1918. 301 Anzahl Belegstücke (Gesteinsproben und Fossilien) aus dem Oberen Lias (Toarcien) von Vättis im Calfeusental (St. Gallen); von Herrn Probst-Siegwart einen Ammoniten (Perisphinctes) aus den Oxford- schiefern der Erzegg (Kt. Obwalden); endlich vom Vorsteher Be- legstücke zu geologischen Aufnahmen im Pilatusgebiet, gesammelt anlässlich der Aufnahmen für die Schweizerische geologische Kom- mission im Sommer 1918. An Herrn Dr. Horwitz, Schüler von Herrn Prof. Lugeon in Lausanne, sind seit Sommer 1916 eine grössere Anzahl Belegstücke (ca. 400 Nummern) aus den Freiburger Alpen (Sammlung Gillieron) zur Bearbeitung ausgeliehen worden. Eine Rücksendung war für dieses Jahr in Aussicht gestellt, dürfte aber wohl erst im kom- menden stattfinden. Die Ordnungsarbeiten innerhalb der Bestände sind leider nicht vorwärts geschritten und zwar sind hieran die mannigfachsten anderen Verpflichtungen schuld, die die ganze Arbeitskraft und -Zeit des Vorstehers beanspruchten und ihm keine Möglichkeit liessen, sich ausgiebig den Museumsarbeiten zu widmen. D. Mesozoisch-jurassische (ausseralpine) Abteilung. (Bericht des Vorstehers, Dr. E. Greppin.) Im Berichtsjahre war es möglich, eine Reihe von Ordnungs- arbeiten auszuführen, die bisher aus Zeitmangel unterblieben waren. So wurden die Belege zu den geologischen Aufnahmen der Sieg- friedkartenblätter der näheren und weiteren Umgebung von Basel (ca. 35 Blätter) katalogisiert und die zahlreichen Objekte so ver- sorgt, dass jedes gewünschte Stück leicht und schnell aufzufinden ist. Des weiteren wurden die Originalien, welche bisher in ca. 1200 Schubladen zerstreut waren, in einem einzigen Schranke vereinigt. Was den Zuwachs angeht, so wurden im Zettelkatalog 950 Eintragungen vorgenommen, entsprechend 2030 Individuen. Nicht inbegriffen ist dabei das vom Berichterstatter gesammelte reich- haltige Material aus den interessanten geologischen Profilen, welche durch den Bau der Militärstrassen und Befestigungsanlagen im Hauensteingebiet und längs der elsässischen Grenze blossgelegt worden sind. Besondere Erwähnung verdient das schöne Geschenk des Herrn Dr. R. Suter, die gesamte Belegsammlung zu seiner Disser- tation über die Geologie der Umgebung von Maisprach, Verhand- lungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel, XXVI, 1915. Unserem langjährigen Donator, Herrn Dr. Frz. Leuthardt, ver- danken wir eine Fossilserie aus den Variansschichten der Um- 302 Fritz Sarasin. gebung von Trimbach und aus dem Hauenstein-Basistunnel, Herrn Georg Schneider 21 guterhaltene Korallen aus dem Korallenkalk von Kleinlützel, Ammoniten aus den Ancepsschichten des Fricktales und ganz besonders diverse für unsere Sammlungen neue Arten aus den Crenularisschichten der Steinbrüche von Rümikon und Mellikon. Aus letzterer Lokalität hat uns auch die Direktion der Schweizerischen Sodafabrik in verdankenswerter Weise eine wertvolle Sendung, meistens Ammoniten, zukommen lassen. Dem Bericht- erstatter war es möglich, aus den Crenularisschichten der beiden genannten Lokalitäten eine Fauna mit 76 Arten festzustellen, und es liegt berechtigte Hoffnung vor, dieselbe noch bedeutend zu er- weitern. Ein prächtiges Exemplar der Oppelia semifalcata Oppel aus den Geissbergschichten verdanken wir Herrn Dr. Paltzer, den Herren Präp. Huber und J. Stuber Fossilien aus dem Callovien von Anwil, dem Oxford von Liesberg und den Birmensdorfer- schichten von La Vraconne bei Ste. Croix. Durch den Ankauf einer Petrefaktensammlung konnten ca. 600 Petrefakten der Abteilung zugeführt werden. Erwähnenswert sind folgende Objekte: 2 Exemplare von Encrinus lilüformis mit Kronen und Stiel von Erkerode bei Elm, Braunschweig, ein tadellos er- haltenes Exemplar von Clypeus rostratus Ag. aus dem Dogger des Fricktales, viel schöner als das Original von Agassiz, das sich in unseren Sammlungen befindet, dann aus dem Schwäbischen Jura: Arietites bisulcatus und Pholadomya fraasi, eine Reihe recht guter Ammoniten und Brachiopoden und endlich Korallen aus den oberen Juraschichten von Nattheim. Zur Vervollständigung der Fauna des Oxfords aus dem Aar- gauer Jura wurde auch dieses Jahr ein grösseres Quantum Roh- material herbeigeschafft, dessen Verarbeitung ein gutes Resultat ergeben hat. Die Kalkspongien, welche wir seiner Zeit Herrn Dr. Oppliger zur Bearbeitung übergaben, sind wieder in unsern Besitz zurück- gekehrt. Herr Oppliger schreibt darüber, dass diese Sammlung, mit Ausnahme einer einzigen Art, sämtliche Vertreter der schwei- zerisch-jurassischen Kalkspongien enthalte, und dass die Exemplare zu den besten vorhandenen gehören. Der Bestand setzt sich aus 685 Individuen zusammen, welche 10 Gattungen mit 30 Arten re- präsentieren. Der Zettelkatalog hat einen Zuwachs von 262 Zetteln erhalten und setzt sich heute aus 11,505 Nummern zusammen. Die Ori- sinaliensammlung ist ebenfalls um 2 Stücke reicher geworden, eine Ceromya egerkingensis Gerber (in Beiträge zur Kenntnis der Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1918. 305 Gattungen Ceromya und Ceromyopsis, Abhandlungen der Schweiz. pal. Ges. Bd. XLIII, pl. 1, Fig. 1) und eine Ostrea planaria Merian aus dem Glypticien (in Rollier, Fossiles nouveaux, Verhand- lungen der Schweiz. pal. Gesellschaft, Bd. XLII, pl. 39, Fig. 1). E. Mesozoisch-cretacische (ausseralpine) Abteilung. Bericht des Vorstehers, Dr. E. Baumberger. g Ordnungs- und Bestimmungsarbeiten sind im Berichtsjahr in diesen Sammlungen nicht vorgenommen worden. Die Bestände haben keinen grossen Zuwachs erhalten. Geschenkt wurde von Herrn Nünlist in Balsthal ein gut erhaltener Acanthodiscus radiatus aus den Hauterivienmergeln von Oressier (Neuenburg). Eine. grössere Kollektion Fossilien aus allen Kreidestufen von Auberson bei Ste. Croix, insbesondere mit interessanten Formen aus dem Albien, ist kurz vor Abschluss des Berichtsjahres zum Kaufe angeboten worden; sie ist noch nicht durchbestimmt und geordnet; wir be- richten das nächste Jahr näheres darüber. F. Tertiäre und Quartäre (ausseralpine) Abteilung und Sammlung fossiler Pflanzen. (Bericht des Vorstehers, Dr. E. Baumberger.) Alle drei Sammlungen haben im Berichtsjahr eine bedeutende Vermehrung erfahren, insbesondere die tertiäre. In dem zur Unter- bringung dieser Sammlungen zur Verfügung stehenden Raum ist ein empfindlicher Platzmangel eingetreten. Trotzdem der Vor- steher der Besorgung und Verwaltung der Sammlungen bedeutend mehr Zeit zuwenden konnte als in früheren Jahren, indem der Erziehungsrat in verdankenswerter Weise ihn in der Schule zu- gunsten der Museumsarbeiten entlastete, konnten die angefangenen Bestimmungsarbeiten nicht in dem erwünschten Umfang weitergeführt werden; die Präparation und Einordnung der vielen eingegangenen Materialien haben die meiste zur Verfügung stehende Zeit in An- spruch genommen. Es bot sich dieses Jahr auch nicht Gelegen- heit, die Ordnungsarbeiten unter Zuziehung geeigneter Assistenz durchzuführen. Dagegen ist ein schon lange geäusserter Wunsch, es möchte die Besorgung der in den letzten Jahren ganz bedeutend vermehrten phytopaläontologischen Sammlungen durch eine neue Kraft übernommen werden, mit diesem Jahr in Erfüllung gegangen. Herr Dr. A. Oes hat deren Verwaltung übernommen. Über die einzelnen Sammlungen ist folgendes zu berichten: 304 Fritz Sarasin. 1. Sammlung von Belegstücken und Mollusken ausseralpiner Tertiärbildungen. a) Eocaen. Im Winter 1917/18 wurde in Les Rondez bei Delsberg ein neuer Erzschacht abgeteuft. Der Vor- steher hat die Arbeiten daselbst von Anfang an verfolgt, ein ge- naues Schachtprofil aufgenommen und systematisch Belegstücke sämt- licher Schachtgesteine gesammelt. In der neuen Schausammlung für Geologie wird aus diesen Materialien ein Bohnerzschacht in naturgetreuer Darstellung aufgebaut werden. An ausländischen Materialien sind zu nennen: Fossilien von Buchsweiler, geschenkt von Herrn Dr: H. Stehlin. b) Oligocaen. Die meisten Eingänge an Fossilien und Gesteins- proben stammen aus unsern ältesten Molassebildungen. Herr Dr. H. Stehlin übermittelte die zahlreichen, systematisch aufgesammelten Belegstücke zu den Schürfprofilen am Fusse der Ravellenfluh ob Oensingen, ebenso die mit den Herren Drs. 5. Schaub und A. Helbing gesammelten reichen Belegmaterialien zur Profilaufnahme an der „Brochenen Fluh“ bei Waldenburg. Herrn Dr. Stehlin verdanken wir ferner Gesteinsproben mit Fossilresten von Aeder- mannsdorf im Dünnerntal, Herrn Dr. S. Schaub Fossilien und Handstücke aus den Ramondi-Kalken von Tönilöchli bei Beinwil (Solothurn), Herrn Nünlist in Balsthal mitteloligocäne Unioniden von der Erzmatt südlich Balsthal. Herr Prof. Buxtorf schenkte Proben von Süsswasserkalk mit Fossilien vom Rheinufer beim Hörnli (Grenzach), ferner verschiedene Tertiärgesteine aus dem Laufenerbecken. Herr Direktor Gerster in Laufen übersandte zwei Schalenexemplare von Cyprina rotundata aus der Lettengrube süd- lich Laufen. An der Scheulte östlich Delsberg sammelte der Vor- steher im Sannoisien, unserm ältesten Oligocän, Belegstücke der als „Raitsche“ bezeichneten Süsswasserkalke. An ausländischen Materialien ist zu nennen: eine wertvolle grüssere Sammlung von typischen Gesteinsproben und gut er- haltenen Fossilien aus dem Mainzerbecken, geschenkt von Herrn cand. phil. Ernst Ritter. c) Miocän. Auch für diese Stufe ergibt sich eine namhafte Vermehrung. Herr Prof. Buxtorf schenkte Süsswasserkiesel als Rollsteine mit eingeschlossenen Planorben aus den Wanderblöcken der Kastelhöhe bei Grellingen, Dr. Æ. Baumberger Braunkohlen aus dem wieder eröffneten Kohlenbergwerk am Sonnenberg (Burdi- galienstufe) bei Littau, ferner fossilführende Süsswassermergel aus dem Liegenden des abgebauten Kohlenflötzes. Herr cand. phil. Weckerle übermittelte den Sammlungen diverse Gesteinsproben aus der Oehningerstufe der Lokalität Le Verger in Locle. Von ganz besonderer Bedeutung sind die schönen miocänen Materialien Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1918. ‚305 vom Nebelberg bei Nunningen (Solothurn), die wir Herrn Dr. H. Stehlin verdanken. Sie bilden eine wertvolle Ergänzung der gleichaltrigen Bestände von Anwil in Baselland. 2. Quartärsammlung. Ein Teil der Belegmaterialien zu der von Dr. K. Strübin und Dr. M. Käch veröffentlichten Arbeit über die Verbreitung der erratischen Blöcke im Baslerjura (vergl. Ver- handlg. Naturf. Ges. Basel XV und Nachträge XIX und XXV) ist schon früher der Quartärsammlung geschenkt worden. Aus den Sammlungen des Herrn Dr. X. Strübin sind nun dem Museum weitere 54 Belegstücke von Erratikern aus dem genannten Gebiet übergeben worden. Herrn Prof. Buxtorf verdanken wir ein Hand- stück Nummulitenkalk von einem Erratiker bei Birmenstorf (Aargau). Der Vorsteher der Abteilung hatte Gelegenheit, im Sommer 1918 bei Anlass der Schürfungen auf Schieferkohlen in Dürnten (Zürich) systematisch Kohlenproben und in den verschiedenen Mergel- horizonten der die Kohlen enthaltenden Diluvialbildungen Pflanzen- reste und eine interessante Schneckenfauna interglacialen Alters zu sammeln. Die Präparation der vorherrschend kleinen Schalen hat sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Ferner haben unsere Bestände an subfossilen Mollusken einen bedeutenden Zuwachs erhalten durch Materialien, die der Vorsteher im Löss von Allschwil, in den postglacialen Kalktuifen von Leuzigen (Buchegg- berg) und in der Seekreide des Torfmoors westlich Eschenbach (St. Gallen) gesammelt hat. Die Fauna des Kalktuffs von Leuzigen ist ın zuvorkommender Weise von Herrn Dr. @. Bollinger bestimmt worden. Für die Ankäufe (meist von Präparator Æ. Huber) siehe die Anbangsliste). 3. Phytopalaeontologische Sammlung. Herr Dr. A. Oes be- richtet, dass er die oligocäne Flora von Basel und Umgebung in Bearbeitung genommen habe. Herrn Dr. A. Jeannet in Zürich ver- danken wir Oligocänpflanzen vom Buchberg am obern Zürichsee, Herrn Direktor Gerster in Laufen einen Coniferenzapfen aus den blauen Letten von Laufen (neu für diesen Horizont), Herrn Dr. Baumberger Dryandra schranki aus den blauen Letten von Allschwil (neu für diesen Horizont), Herrn Nünlist in Balsthal ein schönes Cinnamomumblatt aus dem stampischen Sandstein der Erzmatt ob Balsthal. Herr Dr. S. Schaub sammelte im Schilfsandstein von Hemmiken und übergab seine Ausbeute dem Museum; von Herrn Prof. Buxtorf erhielten wir mehrere Handstücke mit Carbonpflanzen (Stephanien von Haut d’Arbignon und Lac de Fully im Wallis). 306 Fritz Sarasin. Mineralogische Sammlung. (Bericht des Vorstehers, Dr. Th. Engelmann.) Über den Zuwachs der Mineralogischen Abteilung im abge- laufenen Jahre ist folgendes zu sagen: Unter den Ankäufen erwähnen wir ein meterhohes Exemplar eines Salzhohrkernes aus der Bohrung von Rietheim bei Zurzach. Herr Prof. Schmidt hat eine Anzahl solcher Kerne in auschaulicher Weise in Glasgehäusen montieren lassen. Da bei neueren Boh- rungen infolge anderer Technik keine solchen Kerne mehr zu Tage gefördert werden, schien es dem Vorsteher richtig, eines dieser Stücke in der Mineralogischen Abteilung zur Aufstellung zu bringen. - Von schweizerischen Mineralien erwarben wir durch Vermitt- lung des Herrn Prof. Buxtorf einige Stücke des bekannten Vor- kommens von grünem Flusspat von Giebelbach bei Fiesch; ferner Adular mit Chlorit und Sphen vom Kehrtunnel der Furkabahn unterhalb Gletsch; Bergkristall mit Epidot und Asbest von Gut- tannen; diese Stücke sollen von einem Funde herrühren, der beim Ausbeuten einer Asbestgrube zur Eternitdarstellung daselbst ge- macht wurde; weiter eine Gruppe von grünen Granaten von der Rymphischweng bei Zermatt. Im zweiten Simplontunnel sind präch- tige blaue Anhydritkristalle gefunden worden. Schon im ersten Tunnel kamen solche Anhydrite an einer Stelle zu Tage, und wir besitzen bereits in der Sammlung ein solches Stück vom Jahre 1905. Herr Hans Sulger konnte nun diesen Herbst vom Eigentümer des neuen Fundes, einem Tunnelingenieur, eine Anzahl sehr schöner Proben erwerben. Wir erwähnen ferner eine Serie von Silbererzen aus den alten Bergwerken des benachbarten Schwarzwaldes. Die Stücke tragen noch die Bezeichnungen der alten Gruben, aus denen sie stammen. Es sind dies unter anderem Stücke aus der Grube Sophia bei Wittichen, aus der Grube Wenzel bei Wolfach, aus der Grube Güte Gottes bei Wittichen, aus der Grube Friedrich Christian zu Wildschappach. Bekanntlich liessen die Fürsten zu Fürstenberg, die Eigentümer dieser Gruben waren, in den Jahren 1700-1790 Medaillen und Münzen aus diesem Silber prägen, die heute zu den gesuchtesten numismatischen Seltenheiten gehören. Von den weiteren Ankäufen erwähnen wir noch eine Anzahl grösserer und kleinerer Topasgerölle aus Brasilien und eine Partie der seltenen Zinnobergerölle von Tegora bei Sarawak, Borneo. An Geschenken erhielten wir von Herrn Präparator Huber eine grosse Gruppe von linsenförmigen Kalkspatkristallen von Moutier, vom Vorsteher eine Stufe von blauen Baryt- mit roten Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1918. 307 Kalkspatkristallen von Cumberland, ferner beidseitig gut ausgebil- dete Quarzkristalle von Suttrop, Westfalen, endlich ein Vorkommen von Humboldilith (Sommervillit) vom Monte Somma, Vesuv. Bibliothek. (Bericht des Vorstehers, Dr. H. G. Stehlin.) . In der Absicht, seine reichhaltige Lycaenidenbibliothek der Vaterstadt zu erhalten, hat unser verstorbenes Mitglied Herr Prof. L. G. Courvoisier in seinen letztwilligen Verfügungen dem Natur- historischen Museum ein Vorkaufsrecht an dieselbe eingeräumt. Da wir über keinerlei Mittel zur Äufnung unserer Museumsbibliothek verfügen, hat sich die Verwaltung der Universitätsbibliothek in sehr verdankenswerter Weise bereit finden lassen, als Käuferin für uns einzuspringen. Die grösseren Werke sind auf der Universitäts- bibliothek aufgestellt worden, können aber, sobald sich das Be- dürfnis darnach zeigt, als ständiges Depositum ins Museum über- seführt werden. Die Broschürenserien sind der Museumsbibliothek überwiesen und in den Katalog derselben eingereiht worden. Ein von Prof. Courvoisier angelegter Spezialkatalog gibt über den Ge- samtbestand der Lycaenidenbibliothek Aufschluss. Weiteren Zuwachs erhielt die Bibliothek im Berichtsjahre durch Frau Dr. Gutzwiller, Herrn Professor Buxtorf und den Vorsteher. Die Bibliotheksrechnung schliesst vorläufig mit einem Defizit von Fr. 240.—. Dem Museumsarchiv sind von Frau Dr. Gutzwiller die Briefe von Arnold Escher von der Linth an Andreas Gutzwiller übergeben worden. Dem Danke an die hohen Behörden, den wir schon eingangs ausgesprochen haben, fügen wir den Wunsch bei, sie möchten auch fernerhin unserem Museum ihre wohlwollende Gesinnung bewahren, und desgleichen empfehlen wir unsere Anstalt dem Interesse der Einwohnerschaft Basels. 508 Fritz Sarasin. Verzeichnis des Zuwachses des Naturhistorischen Museums im Jahre 1918. Zoologische Sammlung. Säugetiere. a) Geschenke. Herr Prof. Dr. R. Biedermann-Imhoof, Eutin: Säugetierbälge aus dem Altai, neu für die Sammlung Putorius pygmaeus All, Ellobius talpinus tancrei Blas,, Eutamias asiaticus Gm.; 8 Bälge von Capra ibex L. von verschiedenem Alter aus dem Park Peter und Paul und 5 Bälge verschiedener Altersstadien von Ovis musimon aus Sardinien. Dr. A. Binz, Basel: Albino der Schermaus, d, Reinach. W. Brenner, Chur: Alpenhase im Sommerkleid, d, Prättigau. G. von Burg, Olten: Bälge kleiner Raub- und Nagetiere aus dem bündnerischen Münstertal. Prof. Dr.A. Buuxtorf, Basel: Rhinolophus hipposideros (Bechst.), d', Nidwalden. : Dr. A. David, Basel: Felis pardus leopardus Schr, w, Fashoda. Prof. A. Dubois, Neuchätel: Eliomys quercinus (L.), ©. W. Schindelholz, Reinach: Verschiedene kleine Säugetiere aus der (regend von Reinach. Dir. A. Wendnagel, Basel: Kleine Raub- und Nagetiere, ge- fangen im Zoologischen Garten. W. B. White, Basel: Midas ursulus E. Geoffr., d‘, Brasilien. Fr. Zimmermann, Basel: Sorex araneus tetragonurus Herm., ©, Liesberg. Tit. Zoologischer Garten, Direktion: Alpenhase im Uebergangskleid, d', Lax, Wallis. b) Ankäufe. Tapirus americanus Briss., © (Zoolog. Garten); Galera barbara L., Brasilien; Hydrelaphus inermis Sw., var., Korea; Gruppe von Sciurus vulgaris L., normal und Albino, Schweiz (G. Schneider); verschiedene Arten von Nagetieren aus Anwil und Hochwald. a Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1918. 309 Vögel. a) Geschenke. Herr G. von Burg, Olten: Diverse schweizerische Arten, darunter Passer italiae (Vieill.) var. subalpina aus dem Münstertal, 9 Exemplare. Herren Drs. H. Helbing und S. Schaub, Basel: Spechtschmiede aus dem Torfmoor von La Chaux bei Ste-Croix. Herr E. Merz, Basel: Podicipes fluviatilis (Tunst.), ©, juv., Basel. Frau M. Moser-Massini, Basel: 3 papuasische Arten, 2 für die Sammlung neu, 1 neue Gattung Xanthotis. Tit. Ornithologische Gesellschaft, Basel: Gruppe von 3 Pyrrhocorax alpinus Vieill., vom Bätzberg am Gotthardmassiv (2 5’, 1 ©). Herr Dr. P. Sarasin, Basel: Buteo buteo (L.), 5, Riehen. E. Schmutz, Basel: Gallinula chloropus L., &, © und juv., . Neudorf. » J. Stuber, Basel: 2 einheimische Arten. „ A. Wendnagel, Direktor des Zoologischen Gartens, Basel: 5 einheimische Arten, teilweise mit Nest. Tit. Zoologische Anstalt, Basel: 2 einheimische Arten. b) Ankäufe. Oedemia fusca (L.), d', 9, im Übergangskleid, von Horn am Bodensee (E. H. Zollikofer, St. Gallen); Albinos von 4 einheimischen Arten (G. Schneider, Basel); 9 chinesische Arten, wovon 6 für die Sammlung neu (Naturhistorisches Museum, Freiburg) ; Ocydromus earli Gray, Neu-Seeland, neu für die Sammlung (Rosenberg, London). \ ” Reptilien und Amphibien. a) Geschenke. Herr Prof. Dr. R. Biedermann-Imhoof, Eutin: 4 deutsche Arten. „ JR. Graber, Basel: 1 schweizerische Art. „ Dr. Ed. Graeter, Basel: 2 Arten aus Val Maggia. Tit. Naturhistorisches Museum, Freiburg, Schweiz: 13 chinesische Reptilienarten und 1 Amphibienart, neu für uns 2 Gattungen (Tapinophis und Achalinus) und 9 Species. Tit. Senckenbergisches Naturhistorisches Museum, Frankfurt a/M.: 8 Larven von 2 Froscharten aus dem Ostindischen Archipel. Herr J. Stuber, Basel: 1 Art aus Anwil. Tit. Zoologischer Garten, Basel, Direktion: 8 Reptilien- und 3 Amphibienarten. Fritz Sarasin. b) Ankäufe. Chamaeleon oustaleti Mocq., J', montiert. Herr Fisehe. Geschenke. Prof. Dr. C. Schmidt, Basel: Callomystax schmidti Volz, Typus, aus Zentral-Sumatra. Wirbellose Tiere. Greschenke. Dr. W. Bigler, Basel: Diplopoden aus den Glarner und Bündner Alpen; Spinnen aus der Umgebung des Nationalparks. Dr. P. Bohny, Basel: Mollusken des westlichen Mittelmeeres und der Canaren (14 neue Arten). Dr. @. Bollinger, Basel: Nordische Mollusken (4 neu). Dr. E. Bütikofer, Basel: Dubletten der Molluskensammlung aus dem Nationalpark (9 Arten neu). Prof. Burckhardt-Schatzmann, Basel: Einheimische Coleopteren. Prof. L. G. Courvoisier, Basel, Legat: Umfangreiche Samm- lung von Lycaeniden. Dr. L. Eder, Basel: Mollusken aus dem Tessin, ca. 160 Arten, 3 Arten neu für uns. Gerber, Muttenz: Einheimische Libellen. R. Graber, Basel: Euscorpius italicus (Hrbst.), Brissago. Dr. E. Handschin, Basel: Hochalpine Arachniden, ca. 30 Arten. A. Hoffmann, Nossi B&: Insekten aus Madagaskar. Dr. A. Huber, Basel: Spinnen, Isopoden, Myriapoden und Lepidopteren der Umgebung von Basel. Prof. P. N. van Kampen, Leiden: Malayische Orustaceen, 2 neu für uns. Prof. M. Musy, Freiburg: Astacus pallipes (Ler.) aus dem Kanton Freiburg. Tit. Naturhistorisches Museum, Amsterdam: Malayische Süsswasser- Herr Crustaceen, 2 neu für uns. Dr. J. Roux, Basel: Ascaris lumbricoides. Herren Drs. P. und F. Sarasin, Basel: Landmollusken der zweiten Celebesreise, 22 für uns neu; Typen von Stylifer linckiae Sar. und Thyca ectoconcha Sar., Ceylon; Kometenformen von Linckia multifora Lam. Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1918. 311 Osteologische Sammlung. a) Geschenke. Herr Dr. E. Baumberger, Basel: Pferdezahn von Utznach. ” N Alfred Bay, Bipp: Schädel von Vulpes vulpes (L.). Prof. R. Biedermann-Imhoof, Eutin: 5 Skelette und 9 Schädel von Castor fiber L.; 55 Schädel von Capra ibex L. (2 alt und jung); 2 Skelette und 9 Schädel von Ovis musimon Schreb.; 8 Schädel von Ovis aries L. var. von Canea (Kreta); 2 Schädel von Capra hircus L. var. von Sardinien; 2 Schädel von Sus scropha sardous Strobel; 16 Geweihe, wovon 7 mit Schädel, von Capreolus pygargus Pall.; je 2 Schädel von Putorius alpinus Gebler, von Putorius (Lutreola) sibiricus Pall. und von Ochotona spec.; 3 Schädel und Skeletteile von Moschus moschiferus L.; je ein Schädel von Canis lupus L., Vulpes vulpes (L.), Lutra lutra (L.), Genetta genetta rhodanica Matschie und Papio (Hamadryas) hamadryas L.; 2 Gehörne von Gazella gutturosa Guld.; Spiritusexemplare zum Skelettieren von Ochotona spec. und Cricetus cricetus (L.). Walter Brenner, Chur: Kadaver von Lepus timidus varronis Miller. G. von Burg, Olten: 6 Schädel von Vulpes vulpes (L.); 1 Schädel von Capreolus capreolus (L.); 3 Schädel von Sciurus vulgaris L.; Stirnstück von Oapra hircus L. (Abnormität). Prof. Auguste Dubois, Neuenburg: Kadaver von Eliomys quercinus (L.). Dr. Eduard Gräter, Basel: Kadaver von Erinaceus europaeusL. Dr. Eduard Greppin, Basel: Geweihstange von Cervus elaphus L. aus der Niederterrasse von Grenzach. Dr. Leopold Greppin, Rosegg (Solothurn): Kadaver von Certhia brachydactyla Brehm, Erythacus rubecula L., Parus major L., Emberiza citrinella L., Sitta europaea L. Präparator E. Huber, Basel: Kadaver von Turdus merula L.; Säugetierreste von Entreroches und Rickenbach; Selachier- zähne aus der miocänen Molasse von Sainte Croix. Cand. phil, Æ. Lehner, Basel: Zahn von Hyotherium aus dem Miocän von Nunningen (Solothurn). Dr. S. Schaub, Basel: Kadaver von Cavia porcellus L. W. Schindelholz, Reinach: Schädel von Arvicola terrestris exıtus Miller. 312 Fritz Sarasin. Herr Dr.K.Stehlin, Basel: Säugetierreste aus mutmasslich gallischen Gräbern beim Wenkenhof, aus der gallischen Station bei der Gasfabrik, und aus einer mittelalterlichen Kulturschicht bei der vordern Ruine auf dem Wartenberg. „ Dr. P. Vosseler, Basel: Reptilkiefer aus dem mittleren Wellen- kalk am Rheinufer bei Schwaderloch. . W. B. White, Basel: Kadaver von Midas ursulus E. Geoffroy. „ Präparator 7. Zimmermann, Basel: Skeletteile von Regulus regulus L. und Podicipes fluviatilis (Tunst.). Tit. Zoologischer Garten, Direktion: Kadaver von Felis pardus leopardus L., Lepus timidus varronis Miller, Sciurus vulgaris L., Putorius ermineus L.. Speotyto cunicularia Mol, eine nn (Ei). b) Anküufe. Wirbeltierreste aus dem Keuper von Pratteln, dem Oligocän von La Chaux (Waadt), Rickenbach und Mümliswyl (Solothurn), dem Pleistocän von Münchenstein. Skelette von Tapirus americanus Brisson und Mycteria spec. Geologische Sammlung. a) Geschenke. Herr Dr. E. Baumberger, Basel: Gesteine aus einem Erzschacht bei Delsberg; oligocäne Süsswasserkalke aus der Gegend von Delsberg; Schieferkohlen uud andere Belegstücke von Dürnten; Materialien aus dem Löss von Allschwil, von Leuzigen und von Eschenbach; Braunkohlen und andere Belegstücke vom Sonnenberg bei Littau; Dryandra aus dem blauen Letten von Allschwil. »„ Prof. Dr. A. Buxtorf, Basel: Belegstücke zu geologischen Aufnahmen im Pilatusgebiet; Süsswasserkalk vom Rheinufer bei Grenzach; Tertiärgesteine aus dem Laufener Becken; No EAN von Birmenstorf; Süsswasserkiesel von der Kastelhöhe; Carbonpflanzen aus du Wallis. Tit. Direktion a schweizerischen Sodafabrik: Fossilien aus den Steinbrüchen von Mellikon. Herr Direktor Gerster, Laufen: Cyprina rotundata und Comferen- zapfen aus der Gegend von Laufen. » Dr. E. Greppin, Basel: Fossilserien und Gesteinsproben aus dem Häuensteingebiet und den Gebieten längs der elsässischen (srenze; Faciesstücke aus diversen geologischen Horizonten. Herr Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1918. 513 Präparator E. Huber, Basel: Fossilien aus den Renggeritonen von Liesberg und aus dem Argovien bei Ste-Croix. Dr. .A. Jeannet, Zürich: Oligocänpflanzen vom Buchberg, Zürich. Cand. geol. Æ. Lehner, Basel: Belegstücke aus dem oberen Lias von Vättis, St. Gallen. Dr. Frz. Leuthardt, Liestal: Fossilien und Faciesstücke aus den Variansschichten der Gegend von Trimbach und aus dem Hauenstein-Basistunnel. Nünlist, Balsthal: Fossilien aus dem Argovien von Egerkingen ; Acanthodiscus radiatus von Cressier; Unioniden von der Erzmatt; Cinnamomumblatt ebendaher. Dr. @. Paltzer: Seltene Oppelienart aus den Geissbergschichten. Probst-Siegwart: Perisphinctes aus den Oxfordschiefern der Erzegg, Obwalden. Prof. Dr. M. Reinhard, Genf: Tertiärgesteine und Fossilien aus Atjeh, Nord-Sumatra. Cand. phil. Æ. Ritter, Basel: Gesteine und Fossilien aus dem Mainzerbecken. Dr. S. Schaub, Basel: Belegstücke aus den Ramondikalken bei Beinwil; fossile Pflanzen von Hemmiken. Herren Prof. C. Schmidt, H. Preiswerk, H. Tschopp und A.Werenfels, Herr Basel: Talk- und Asbestgesteine aus Wallis und Tessin. Georg Schneider : Schöne Serie von Korallen aus dem Korallen- kalk von Kleinlützel, Fossilien aus dem Callovien von Herznach und aus den Crenularisschichten von Rümikon. Dr. J. Stauffacher, Basel: Vulkanische Gesteine aus Java. Dr. H. @. Stehlin, Basel: Eocänfossilien von Buchsweiler; Belegstücke zu Profilen bei Oensingen und Waldenburg; Gesteinsproben von Aedermannsdorf, miocäne Materialien vom Nebelberg bei Nunningen. J. Stuber, Basel: Fossilien aus dem Callovien von Anwil. Dr. À. Suter: Belegsammlung zu seiner Dissertation : Geologie der Umgebung von Maisprach. Cand. phil. Weckerle, Basel: Diverse Gesteinsproben aus der Umgebung von Basel und aus der Ohningerstufe von Locle. b) Ankäufe. Fossilserien aus den Badenerschichten von Egerkingen und dem Korallenkalk von La Caquerclle; ca. 600 Fossilien, meistens aus dem schwäbischen Jura stammend ; Tertiärfossilien vom Lenzberg bei Aesch; Helix ramondi vom Bornfeld; Ericia antiqua von Mümliswil; Oligocänfossilien von Moutier. 314 Fritz Sarasin. Mineralogische Sammlung. a) Geschenke. Herr Dr. Th. Engelmann, Basel: Stufe von blauem Baryt mit roten Kalkspatkristallen von Cumberland; Quarzkristalle von Suttrop, Westfalen; Humboldilith vom Vesuv. „ Präparator Huber, Basel: Gruppe von Kalkspatkristallen von Moutier. b) Ankäufe. Salzbohrkern von Rietheim bei Zurzach; grüner Flusspat von Giebelbach bei Fiesch; Adular mit Chlorit und Sphen von unterhalb Gletsch; Bergkristall mit Epidot und Asbest von Guttannen; grüne Granaten aus der Gegend von Zermatt; blaue Anhydritkristalle aus dem Simplontunnel; Silbererze aus alten Bergwerken des Schwarzwaldes; Topasgerölle aus Brasilien; Zinnobergerölle aus Borneo. Manuskript eingegangen 30. Dezember 1918. Bericht über das Basler Museum für Völkerkunde für das Jahr 1918. Ven Fritz Sarasin. Das Jahr 1918 hat verschiedene Veränderungen im Bestand unserer Kommission mit sich gebracht. Herr Alfred Stähelin-Gruner, der während 25 Jahren, d.h. von der Gründung unserer Kommission an, die Kasse verwaltet hatte, sah sich wegen anderweitiger Inan- spruchnahme veranlasst, sein Amt niederzulegen. Wir sind ihm für seine gewissenhafte, während eines Vierteljahrhunderts geleistete Arbeit zu bleibendem Dank verpflichtet. Das Amt eines Kassiers hat nun der von E. E. Regenz in die Kommission gewählte Herr Dr. J. Roux angetreten. Ausserdem haben wir die Freude, den aus Deutschland zurückgekehrten Herrn Pfr. Sam. Preiswerk wieder als Mitglied unserer Kommission gewählt zu sehen; er hat bereits wieder sein früheres Arbeitsgebiet, die Chinesisch-Japanische Abtei- lung, übernommen. Im übrigen ist das abgelaufene Jahr ein recht stilles gewesen. Infolge des Krieges haben manche Abteilungen nur einen sehr geringen Zuwachs erfahren. Als Haupteingang ist die Sammlung der früheren Mittelschweizerischen Geographisch - Kommerziellen Gesellschaft in Aarau zu erwähnen, die durch Kauf in unseren Besitz überging. Dafür konnte um so mehr am inneren Ausbau unserer Sammlung, Etikettierung usw., gearbeitet werden. Der im letzten Jahresberichte als dringend notwendig erwähnte Nachtragskredit von Fr. 5000. — ist uns in dankenswerter Weise vom Grossen Rate bewillist worden; er hat uns erlaubt, alle Schulden, mit welchen die Aufstellung der Sammlungen im neuen Gebäude uns belastet hatte, abzutragen. Ueberdies ist der reguläre Staatsbeitrag von Fr. 1000.— auf 2000.— erhöht worden. Die Zuschüsse des freiwilligen Museumsvereins und der Gemeinnützigen Gesellschaft sind dieselben gewesen wie im Vorjahre. Vom Museumsverein sind uns überdies Fr. 300.— gewährt worden zur Bezahlung des im letzten Berichte erwähnten Tisches aus Kaschmir. Ein Geschenk 516 Fritz Sarasin. von 1000 Fr. von Ungenannt sei hier gleichfalls auf’s beste verdankt. Der Besuch des Museums an den öffentlichen Tagen ist stets ein sehr reger gewesen. Vielfach sind auch die Sammlungen von Künstlern, Zeichen- und Malklassen benützt worden, denen darin ein unerschöpfliches Material von interessanten Vorlagen zur Ver- fügung steht. Auch die von den Herren Prof, Hoffmann, Dr. Roux, Prof. Rülimeyer und Prof. Speiser veranstalteten öffentlichen Führungen haben immer ein dankbares Publikum gefunden. Er- wähnt möge auch die Führung sein, die bei Gelegenheit der Ver- sammlung schweizerischer Gymnasiallehrer in Basel veranstaltet worden ist. Nach diesen einleitenden Worten gehen wir zu den Berichten der verschiedenen Abteilungen über: Prähistorische Sammlung. (Bericht des Vorstehers, Dr. P. Sarasin.) Im Laufe des Jahres 1918 ist unsere prähistorische Samm- lung durch eine Reihe wichtiger Originalsammlungen bereichert worden, die indessen einer näheren Besprechung nicht bedürfen, da sie sämtlich in grösseren Veröffentlichungen beschrieben worden sind. Sie wurden alle als Geschenke unserer Abreilung überwiesen. Es handelt sich um die folgenden: Die von Drs. F. und P. Sarasin im Jahre 1907 in den Höhlen des Innern von Geylon aufgefundenen und in ihrem Werke: Er- gebnisse naturwissenschaftlicher Forschungen auf Ceylon, Bd. 4, die Steinzeit auf Ceylon, Wiesbaden 1908, beschriebenen und abge- bildeten Steinwerkzeuge und anderen prähistorischen Gegenstände, als Kulturstufe das Magdalénien und zugleich die Prähistorie der kleingewachsenen Ureinwohner der Insel, der Wedda, repräsentierend; ferner die von den Genannten in Celebes im Jahre 1902 den Höhlen der südlichen Halbinsel enthobenen Gegenstände aus der Steinzeit des dortigen Urstammes der Toäla, die ebenfalls wie die Wedda von Ceylon von kleiner Statur und auch sonst mit ihnen anthro- pologisch verwandt sind. Die Sammlung findet sich beschrieben in: Materialien zur Naturgeschichte von Celebes, Bd. 5, 1905. Als dritte wichtige Zuwendung sind die lithochronen Materialien aus den Höhlen im Birstal zwischen Basel und Delsberg namhaft zu machen, das Resultat einer mehrjährigen Ausgrabungskampagne, die Dr. Fritz Sarasin, namentlich in einer Höhle der Ermitage von Birs- eck, unternommen hatte, und die in seinem Werke: Die steinzeit- lichen Stationen des Birstales zwischen Basel und Delsberg, Neue Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1918. 517 Denkschriften der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft, 54, 1918, beschrieben und abgebildet worden sind. Darunter be- finden sich auch Objekte, die von Andern aus einigen der Höhlen aufgesammelt wurden, so eine schöne Serie von Liesberg vom ver- storbenen Mühlenbesitzer Gresly, dessen Sohn Herr Jules Gresiy . in Kirchberg, Zürich, sie dem Museum zum Geschenke machte, sowie eine kleine Ausbeute aus einer Halbhöhle beim Schloss Angenstein von Prof. Dr. F. Speiser, die Kulturstufe des Azilien repräsentierend, endlich Steinwerkzeuge und andere Geräte aus den Höhlen im Kaltbrunnental und von Thierstein, die vor Jahren durch P. und F. Sarasin gehoben worden sind. Eine Sammlung von Glyptolithen aus Patagonien wurde käuflich erworben. Sie repräsentiert, wie alle prähistorischen Funde in Nord- und Südamerika, die neolithische Kulturstufe. Es fand sich aber darunter eine schöne Suite typisch gearbeiteter sogenannter Mouster- iolithen, die als solche für Rechts- und für Linkshänder deutlich unterscheidbar waren (siehe darüber P. $., über Rechts- und Links- händigkeit in der Prähistorie u. s. w., Verhandlungen Natur- forschende Gesellschaft Basel 29, S. 139). Vom Naturhistorischen Museum erhielt unsere Sammlung ein bearbeitetes Stück Hirschhorn von Bellerive an der Birs aus der Sammlung Quiquerez und eine Muschelschale, ein Pectunculus, den Herr Dr. F. Leuthardt s. Z. in einer der Reichensteiner Höhlen gefunden und der paläontologischen Sammlung des Museums über- wiesen hatte. Da der Genannte in der Nähe auch ein Steinbeil auffand, ist die Muschel unbedenklich der neolithischen Kulturstufe zuzuweisen. Endlich hat Herr Prof. Dr. E. A. Stückelberg unserer Samm- lung 6 praehistorische Münzen zum Geschenk gemacht, die auf dem Grossen St. Bernhard gefunden wurden und die von ver- schiedenen gallischen Völkerstämmen in Nachahmung antiker sriechisch-römischer Münzen hergestellt wurden; sie sind somit der europäischen prähistorischen Eisenzeit zuzurechnen, Gerne ergreift der Unterzeichnete noch die Gelegenheit, Herrn Dr. Jean Roux den Dank auszusprechen dafür, dass er sich in seinen Freistunden der grossen Mühe unterzogen hat, sämtliche bisher nur in Manuskript geschriebenen Etiketten in klarer Kalli- graphie auszuführen. 318 Fritz Sarasin. Polarvölker, Afrika und Vorderasien. (Bericht des Vorstehers, Prof. Dr. Leop. Rütimeyer.) Polarvölker. Unsere kleine arktische Abteilung vermehrte sich im Be- richtsjahre um 44 Stücke. Besonders wertvoll waren dabei einige gute sibirische Objekte, zumal die ethnographisch so wichtige Er- gologie der im raschen Verschwinden begriffenen sibirischen Natur- völker bei uns fast ganz unvertreten ist. Hieher gehören einige Stücke aus den Originalsammlungen von Dr. Decker, der im Jahre 1393 im Flussgebiet des Ob, der Usa, Ischma und Petschora eth- nographisch sammelte und die wir durch Tausch von der ethno- graphischen Sammlung der Universität Zürich erwerben konnten. So einige Pfeile der Ostjaken mit keulenförmigen Enden, wie sie zur Jagd auf Pelztiere verwendet werden, eine Tierfalle, ein Sack aus Fischhaut zur Aufbewahrung und zum Transport von Mehl, Rentiersehne zur Anfertigung von Nähfaden, ebenfalls Ostjaken. Den Syrjänen, einem Mischvolk aus finnischen, samojedischen und grossrussischen Elementen gehören an ein Ledergürtel mit Messer- scheide und primitive Puppen aus Zeugstreifen oder Papier, einige Spindeln und Schachteln aus Birkenholz mit Dekor aus farbigen Tuchstreifen oder buntem Stanniol. Ein sehr schönes Stück ist eine 90 cm lange Jacke der Golden aus Fisch- oder Seehunddarm mit roter und schwarzer Bordüre. Herr Dr. Fr. Sarasin schenkte ein den Sammlungen von Konietzko entstammendes originelles Holz- boot der ethnographisch noch wenig bekannten Skolterlappen. Eine sehr interessante kleine Kollektion von Elfenbein-Schnitze- reien der Eskimo von Labrador (31 Stücke) verdanken wir Herrn De Bary-von Bavier. Es sind kleine, wenige bis 15 cm lange Figuren aus Walrosszahn, sehr sorgfältig und naturgetreu geschnitzt, welche das Leben der Eskimo und ihre Jagdtiere illustrieren und dor- tigen Missionaren in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts: geschenkt wurden. Erwähnt seien davon einige kleine, überaus zierlich geschnitzte Modelle von Kajaks mit dem Kajakmann und seiner ganzen Ausrüstung für den Seehundfang, einige Figuren von Eskimo in ihrem arktischen Kostüm, dann Jagdtiere, wie weidende und ruhende Rentiere, Hasen, Seehund und Walfisch, Füchse, brütende Vögel. Diese Tiere sind mit grosser Natur- treue erfasst in ihren typischen Bewegungen und Stellungen, wie wir dies auch sehen in Tierdarstellungen der Paläolithiker und ver- schiedener Naturvölker. Unsere schon im letzten ‚Jahresbericht er- wähnte kleine Gruppe von Objekten aus der so vielfach gebrauchten Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1918. 319 Birkenrinde wurde in willkommener Weise vermehrt durch einen von Dr. Gams in Zürich geschenkten Schuh aus Birkenrinde. Afrika. Der Zuwachs der afrikanischen Sammlung war mit 166 Num- mern im Berichtsjahr wieder wesentlich grösser als die letzten Jahre, was vor allem zurückzuführen ist auf die Erwerbung der Reste der schon eingangs erwähnten Sammlung der mittel- schweizerischen geographisch kommerziellen Gesellschaft in Aarau. Dieselbe enthält sehr viele afrikanische Objekte, vielfach aus Ori- sinalsammlungen herrührend, von denen freilich die meisten für uns nur als Dubletten oder Tauschobjekte in Betracht kommen, aber immerhin 108 Stücke als willkommener Zuwachs der Schau- sammlung einverleibt werden konnten. Alle diese Aarauer Stücke haben ausserdem noch den Vorzug, dass sie im ethnographischen Sinn schon ziemlich alt sind, indem sie sämtlich vor mehr als 30 Jahren gesammelt wurden, manche auch in viel früherer Zeit. Die meisten Stücke stammen aus West-Afrika, speziell von der Gold- küste, kleinere Gruppen aus Süd- und Südost-Afrika, dem afrika- nischen Osthorn und Abessynien. Nordafrika. Aus Alt-Agypten erhielten wir 9 Stücke, wovon 6 wohl als Amulette gebrauchte, aus sog. ägyptischem grünem Porzellan ver- fertigte kleine Figürchen von Menschen- und Göttergestalten (8. A.'), eine Vogelmumie von Herrn Dr. Engelmann geschenkt, ein Uschebti, sowie eine ausgezeichnet schöne und gut erhaltene Grabstele aus dem Nachlass des Herrn Prof. J. J. Stähelin, die wir der Freundlichkeit von Frau Ch. Stähelin-v. Enzberg verdanken. Der genannte Ge- lehrte hatte das wertvolle Stück von einer Reise nach Agypten in den 1860er Jahren mitgebracht. Die Stele, als oben bogenförmig abschliessende Grabplatte, steht auf einem rechteckigen Postament und ist aus weissem Kalkstein gearbeitet, wobei die hieroglyphischen Inschriften vorzüglich scharf erhalten sind. Die obere Hälfte des 66 cm hohen und 31 cm breiten Stückes ist eingenommen von einer Nische, in welcher die Nachbildung der Mumie des Verstorbenen, Namens „Setit-Si“, umgeben von Menschen- und Götterfiguren, teil- weise mit Resten von Bemalung, ausgemeisselt ist. Sie stammt nach der an der Hand einer Photographie ausgeführten Untersuchung von Herrn Prof. Naville, der so freundlich war, ein Gutachten über dieselbe abzugeben und die hieroglyphischen Inschriften zu über- setzen, aus Abydos und gehört der XII. Dynastie an, also dem 1) S. A. = Sammlung Aarau. 320 Fritz Sarasin. Beginn des mittlern Reiches und den Jahren zwischen etwa 2130 und 1930 a. Chr. Sie ist in Text und Ausführung nach dem Urteil von Prof. Naville nach mehreren Richtungen hin besonders bemer- kenswert; im Louvre befindet sich eine ähnliche Stele mit der Dar- stellung en Eltern unsres „Setit-Si“. Die Inschrift lautet nach der auch hier warm zu verdankenden Übersetzung von Prof. Naville, auf dem Längsbande der Mumie selbst: „Setit-Si, Sohn von Sit Khetiuer“; auf dem Bogenrande rechts der Mumie: „dass ein kö- nigliches Opfer gebracht werde an Osiris, welcher residiert im Ament, dem Herrn von Abydos, damit er ein Leichenmal gewähre von Brot, Getränken, Ochsen, Gänsen und Kuchen und Kleidern dem Vorgesetzten des Palastes, dem gerechtfertigten, dem geliebten Herrn“: zur Linken der Mumie: „dass er ein schönes Grab gebe in der Region des Westens von Abydos dem geliebten Vorsteher des Palastes, Setit-Si, dem gerechtfertigten“. Die horizontale, aus 7 Linien bestehende Inschrift unter der Nische der Stele lautet: „Wenn sich der Vorsteher des Palastes Setit-Si zeigt, sieht er den Herrn des Horizontes, wenn er den Himmel durchschreitet, welcher gewährt, dass der Vorsteher des Palastes Setit-Si erscheine wie der Gott, welcher der Herr ist der schweifenden Sterne, der Herr der Ewigkeit. Der Vorsteher des Palastes Setit-Si sagt: o ihr alle Propheten, alle Gelehrten der heiligen Schriften, alle Vorsteher der Gärten, alle Beamten, die ihr ankommt im Tempel des Osiris, welcher herrscht im Ament, die ihr euren Teil zu haben wünscht am Tempel des Osiris, welcher residiert im Ament und die ihr vorbeigeht an diesem Grabe, saget, dass man ein königliches Opfer bereite dem Osiris, welcher wohnt im Ament, dem Anubis, dem Herrn von Abydos, von tausenden von Broten, von Getränken, Ochsen, Gänsen, Wohlgerüchen, wohl- riechenden Ölen, von tausenden von Kleidern und von allen guten und reinen Dingen, von denen ein Gott lebt, zugunsten des Viel- geliebten, seines Herrn, welcher die Wahrheit liebt, des Vorstehers des Palastes Setit-Si, des Sohns des Sit-Khetiuër, des gerecht- fertigten, des vielgeliebten Herrn.“ Aus dem modernen Ägypten schenkte Herr Zäslin-Sulzer ein Paar Lederpantoffeln, und der S. A. entstammen eine grössere Kollektion von Armspangen aus Glas in verschiedenen Farben und einige Kinderspielzeuge; aus dem Nachlass von Herrn L. Friedrich wurde uns eine Metall- und eine Holztrommel geschenkt. Eine ganze Kollektion ägyptischer Musikinstrumente (S. A.) sind Dubletten. Aus Algerien kommt eine hübsche Flissa (S. A.), aus Marokko ebenfalls aus dem Nachlass Friedrich ein originelles Pulverhorn und ein Pferdeschmuck mit hübschem Lederdekor. Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1918. 321 Westafrika. Dieses ist im Zuwachs am stärksten vertreten, namentlich durch die Objekte der S. A. Genannt seien von Waffen eine sehr schöne in Kerbschnitt geschnitzte Keule, ein gut gear- beitetes eisernes Dolchmesser mit Ose für das Handgelenk („Kan- gua“) vom Denue, ein altes Schwert mit Scheide, Bogen und einige Köcher mit Pfeilen von Salaga am Volta, eine auch als Spazier- stock dienende Keule von der Goldküste (S. A.). Von anderer Seite erwarben wir einen Bogen mit Köcher aus dem Hinterland von Porto Novo, Dahome. Andere erwähnenswerte Objekte sind eine Messingdose, in der den Ahnen Speise aufs Grab gesetzt wird, Asante, eine Anzahl Kalebassen mit hübschem Dekor und gute alte geschnitzte grössere Holzgefässe mit Dekor in Brandmalerei, eine Kollektion teilweise ganz hervorragend schön gearbeiteter Schmuckkämme, (oldküste, alter Messingschmuck aus Salaga und durchlochte grosse Quarzperlen, wie sie von Negern östlich von Salaga als Schmuck getragen wurden, eine Sammlung von 16 alten Holztrommeln aller Grössen und Formen, die grösste in Form eines 128 cm hohen Zylinders, Holzpuppen der Neger, von denen eine aus weissem Holz ein Europäerkind darstellen soll, ebenfalls Goldküste (S. A.). Von kultischen Objekten sei angeführt ein 61 cm hohes Idol des Yassi-Geheimbundes der Frauen, Sherbro, sowie ein anderes Idol gleicher Provenienz (S. A.). Aus Dahome stammen 2 kleine Opfertischchen aus Messing in Form einer runden kleinen Messingplatte, die auf einem langen Messingstab ruht, der in die Erde gesteckt wird; auf die Platte wird das Speiseopfer für die Grôtter gelest (Geschenk des Referenten). Unsere Sammlung von Goldgewichten (nunmehr 115 Stücke) erfuhr auch eine Zunahme durch 3 Stück (S. A.), sowie 14 sehr schöne, für uns fast durchweg neue Formen, Tiere, Geräte etc. repräsentierende Goldgeräte, die uns Herr J. Aeppli durch gütige Vermittlung des Herrn L. Haag, zukommen liess. Er hatte dieselben an der Elfenbeinküste erworben; sie stammen aber wohl sicher von der Goldküste resp. Asante. Einzelne dieser Typen finden sich auch in den 529 Stücke von Goldgewichten verschiedener Museen umfassenden Tafeln der grossen Arbeit von Zeller!) nicht repräsen- tiert. Endlich sei noch genannt eine grössere Sammlung von Pfeifen- köpfen aus schwarzem und rotem Ton aus Asante und der Gold- küste (S. A). Aus dem französischen Sudan erhielten wir ein ausgezeichnet schönes 40 cm hohes Gefäss aus rotem Thon mit originellem Dekor von Frau Prof. Kollmann: Herr Dr. Fisch hatte das aus der Land- 1) R. Zeller. Die Goldgewichte von Asante. Baessler Archiv 1912. 21 322 Fritz Sarasin. schaft Jene südlich des Nigerbogens stammende Stück s. Z. Herrn Prof. Kollmann geschenkt. Aus dem französischen Congo schenkte der Vorsteher eines der nicht häufigen Idole der Pahouins aus hartem schwarzen Holze, welches ein Missionar von einem Häuptling, zugleich mit einem Schädelfetisch, erhalten hatte; ebendaher stammen 8 hübsch ge- schnitzte hölzerne Haarnadeln und ein Amulett. Südafrika. Durch Tausch mit der Zürcher Sammlung konnten wir einige uns meist fehlende gute Objekte erwerben: Fangschnur der Kalahari-Buschleute, Wochenkalender, Köcher und Pfeile gleicher Provenienz, Gefäss aus Schildkrötenschale der Bergdamara, Schamschürze, Ledertäschchen und Esslöffel der Hottentoten, alles den Originalsammlungen Schinz, Peyer und Frick angehörend. Dem östlichen Südafrika, speziell Maschonaland, entstammen ein Dolch mit ausgezeichnet schön geschnitzter Scheide in Kerbschnitt aus hartem Holz, einige hübsch geschnitzte Nackenstützen, eine geschnitzte Holzfigur der Kaffern, Streit- und Zeremonialaxt der Zulu; von den Massai kommt eine sehr fein gearbeitete Keule aus einem Stück Rhinozeroshorn (S. A.). Osthorn und Abessynien. Dieselbe Quelle lieferte uns als sehr erwünschte Ergänzung 17 Objekte aus Abessynien und dem Osthorn, die in unsere Sammlung einverleibt werden konnten neben einer Anzahl von Dubletten, so ein schweres Messingkreuz zum Vortragen bei Prozessionen, 2 grosse runde Lederschilde, Trink- becher aus Büffelhorn, Wassergefässe aus Leder und wasserdichtem Geflecht aus Kokosfaser, eine beschriebene abessynische Pergament- rolle und einige schöne abessynische Schwerter mit Scheide und Grehänge, wobei die Klinge des grössten 1 Meter lang ist. Einige Speere, Bogen und Schilde der Somali sind Dubletten. Vorderasien. Diese Abteilung erfreute sich, namentlich für vorderasiatische Altertümer, eines ungewohnten Zuwachses von 65 Nummern, durch Ankauf einer Kollektion phönizischer Glas-, Elfenbein-, Bronze- und Steinobjekte aus Palästina. — Aus Lavistan, Batum schenkte uns Herr L. Ziegler ein Paar farbiger Wollstrümpfe, aus Brussa Herr Dr. R. Geigy das türkische Kostüm einer grossen Puppe, von den Kurden der Araratgegend Herr Dr. Bally bunte Wollsocken. Der S. A. entstammen einige schön gearbeitete Holzlöffel aus Persien, 9 bronzene Pfeilspitzen, Grabfunde aus den Kaukasusländern und einige armenische Musikinstrumente, Holz- und Rohrflöten, endlich türkische Ohrringe aus Syrien. Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1918. 323 Die oben genannten „phönizischen“ Objekte entstammen alle einer grossen Originalsammlung von Funden, die Herr J. Schneider bei den Bahnbauten von Jaffa nach Jerusalem teils persönlich in Gräbern und Ruinen gemacht hatte, teils sind ihm die Funde von Arabern zugebracht worden. Es sind Gegenstände aus Glas, einige sogenannte , Tränenfläschchen“, Armspangen aus Glas, 2 gut ge- arbeitete Armringe aus Elfenbein, 3 aus Bronze, sowie eine An- zahl kleiner, teilweise defekter Bronzegegenstände wie Sonden, Spatel, Bügel etc. Eine Anzahl dieser Objekte wurden Herrn Prof. Naville zu einer sehr verdankenswerten Begutachtung eingesandt. Er fand darunter nichts sicher Agyptisches, sondern sprach sie als syrisch an. Die Fundstellen, wie sie von Herrn J. Schneider angegeben wurden, sind Gräber und Ruinen von Astod (zwischen Ascalon und Jaffa), Ascalon-Metstall (zwischen Astod und Gaza am Meer), Bed-Schubrin (zwischen Ascalon und Jerusalem), Bed- Native, an der Bahn nach Jerusalem und Beshen bei Nazareth. Das wertvollste sind 10 Spangen aus buntem Glas. Der Finder gab an, dass dieselben gleicher Provenienz seien, wie eine Samm- lung prächtiger phönizischer Gläser, die s. Z. Herr Dr. Engelmann von ihm erworben hatte. Die Spangen sind teils aus irisierendem, teils homogenem blauem, grünem, auch gelbem mit braunen Bändern durchzogenem Glas, teils glatt, teils spiralig gewunden. Eine der- selben ist von einer modern ägyptischen Glasspange der S. A. ausser in der Nuance des blau nicht zu unterscheiden. Es stimmt das zur Bemerkung von Perrot und Chippiez über phönizische Glas- kunst, wonach diese heute noch in Hebron mit der gleichen Technik, wie sie die alten Phönizier hatten und vielfach in derselben Formgebung wie in der Antike als Relikt weiterlebt. Ihre Produkte werden von Palästina weithin nach Agypten bis tief in den Sudan exportiert. Es ist daher sehr wohl möglich, dass unsere modern ägyptischen Glasspangen ebenfalls aus Palästina eingeführt wurden. Die Glaskunst, ursprünglich erfunden in Agypten unter Tutmosis III. um 1500 a. Chr., erreichte im Altertum ihre höchste Entwicklung in Phönizien, und ist dort, wie die zitierten Autoren sagen, bis heute noch „enracinde dans le sol“. Auch einige Gefässe aus Thon, sowie ein thönernes, von Herrn Dr. P. Sarasin geschenktes Lämpchen, ferner ein Bruchstück eines Bronzehenkels in Form eines sehr fein gearbeiteten Pferdeköpf- chens von archaistischem, beinahe an paläolithische Pferdeköpfe erinnerndem Typus von ebendemselben Donator und einige kleine Gegenstände aus Alabaster gehören zu diesen Funden. Einige Bronzeobjekte scheinen nach Untersuchung von Herrn Dr. Major aus Ruinen der römischen Zeit, etwa entsprechend der frühkop- tischen Zeit Agyptens, zu stammen. Fritz Sarasin. (ee) D He Endlich sind noch zu erwähnen 2 von Herrn Dr. Th. Engelmann geschenkte sogenannte altarabische „Glasmünzen“; es sind drei münzenförmige runde Scheibchen von ca. 1—2 cm. Durchmesser mit verdicktem Rand aus grünlichem Glas, die auf ihrer Fläche eine Inschrift in kufischer Schrift aufweisen, die entweder die Namen ägyptischer Kalifen oder Koransprüche bedeuten. Diese „Glasmünzen“ sind nach Euting wahrscheinlich nicht als Münzen, sondern als Gewichte anzusehen. Sie gehören dem 11.—12. Jahr- hundert an und sollen nach Schneider in Agypten zusammen mit alten Münzen in Töpfchen in Ruinen gefunden worden sein. Vorderindien und Malayischer Archipel. (Bericht des Vorstehers, Dr. Fritz Sarasin.) An erster Stelle verdanken wir Herrn Architekt Emanuel La Roche eine höchst wertvolle Serie von Originalzeichnungen, Aquarellen, Plänen und Photographien, die er von seiner Studien- reise im Jahre 1889/90 aus Vorderindien mitgebracht hat. Sie umfassen die gesamten monumentalen Grabbauten Indiens des 13. bis 17. Jahrhunderts in ihren Hauptbeispielen, mit Einschluss der viel älteren, aus vorchristlichen Jahrhunderten stammenden, bud- dhistischen Stupa’s oder Dagoba’s, als Symbolen des Grabes und Gedächtnismonumenten. Die mit ausserordentlicher Kunstfertigkeit und Verständnis ausgeführten Bilder sind in drehbaren Glas- rahmen montiert worden; ein erklärender Text ist den Tafeln bei- gegeben. Das Ganze repräsentiert ein Studienmaterial ersten Ranges. Von sonstigen vorderindischen Eingängen mag noch ein schönes Stuckornament aus Bidschapur erwähnt sein, das wir Herrn Alfred Sarasin verdanken. Wertvoll ist auch ein reichgesticktes Frauen- kleid der Afridi aus der Aarauer Sammlung. Einige weitere Kleinigkeiten aus derselben Quelle sind in der Anhangsliste aufge- führt. Ebendaher stammen einige Objekte aus dem Malayischen Archipel, von denen hier bloss ein gutes, altes Dajakschwert mit schönen Messingeinlagen der Klinge und mit geschnitztem Griff und ein Dolch von den Sulu-Inseln erwähnt sein mögen (einiges weitere in der Anhangsliste). China-Japan. (Bericht des Vorstehers, Prof. Dr. F. Speiser.) Im Berichtsjahre gingen ein: Ein kleines Modell eines chine- sischen Verbrechers im Käfig, Kinderspielzeug, Geschenk von Herrn Dr. P. Sarasin, ein sogenanntes Glücksschwert, aus Messingmünzen Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1918. 325 zusammengesetzt und eine Maske von Herrn Züslin-Sulzer, eine sehr schöne chinesische Zither und ein Buch mit Bildern auf Reis- papier von Herrn Prof. E. Hoffmann-Krayer. Aus der Aarauer Sammlung stammen verschiedene Pfeifen und Geräte zum Opium- rauchen, sowie eine Reihe von Spielfiguren. Am Ende des Berichtsjahres kehrte der frühere Vorsteher der chinesisch-japanischen Abteilung, Herr Pfr. Sam. Preiswerk, nach Basel zurück und erklärte sich zu unserer Freude bereit, ihre Be- sorgung wieder zu übernehmen. Melanesien. (Bericht des Vorstehers, Dr. Fritz Sarasin.) Der Zuwachs der melanesischen Abteilung beschränkte sich auf wenige, aber gute Objekte. In der Aarauer Sammlung war ein alter, gravierter Bambus aus Neu-Galedonien enthalten, angeblich von @. Forster, dem Begleiter Cooks, des Entdeckers der Insel, mitgebracht. Die Zeichnungen stellen den Kampf der Bewohner zweier Dörfer mit hohen Kegelhütten dar; leider hat sich eine neuere Hand auf demselben Bambus mit wenig Geschmack ver- ewigt. Dem Zürcher Ethnographischen Museum verdanken wir auf dem Tauschweg zwei weitere, sehr gute Stücke aus Neu-Caledonien, die unserer sonst’ ziemlich vollständigen Sammlung von dieser Insel bis- her gefehlt hatten; es sind dies ein Halsband aus 80 aufgereihten menschlichen Backenzähnen, offenbar Attribut eines Zauberers und ein weiteres mit marinen Schnecken, an einer Schnur aus Fleder- hundwolle befestigt. Polynesien. (Bericht des Vorstehers, Prof. Felix Speiser.) Aus der Aarauer Sammlung gingen an die Abteilung Polynesien über ein geknüpfter Mantel der Maori und verschiedene T'apa- Muster aus Tahiti. Diese letzteren sind darum von besonderem Interesse, weil sie nachweislich von Cook’s Reisebegleiter Georg Forster gesammelt worden sind, also bei Gelegenheit der ersten Be- rührung von Europäern mit den Bewohnern von Tahiti. Herr P. Staudinger schenkte uns eine schöne Keule aus Fidji, von jenem Typus, der nichts anderes als einen gut polierten Wurzel- stock darstellt, der also an die Urform der Keule überhaupt, den rohen Wurzelstock, erinnert. Herr Dr. Ludwig Geiger übergab uns zwei Rednerstäbe aus Samoa. Sie stellen verkürzte Speere dar und sind mit stilisierten Widerhacken reich beschnitzt. Die heute sehr seltenen Geräte & 326 Fritz Sarasin. bilden zweifellos ursprüngliche Würdezeichen, die ja vielfach nur Waffen (Speere, Keulen u. dergl.) sind, die sich zu Prunkgeräten ausgewachsen haben. Amerika. (Bericht des Vorstehers, Dr. M. K. Forcart.) Trotz der für das Sammeln von Ethnographica ungünstigen Zeit können wir doch mit Befriedigung auf das Berichtsjahr zurück- sehen, indem uns, teils durch Ankauf, teils durch Geschenke, mehrere interessante Gegenstände zukamen. Aus der Aarauer Sammlung erhielt auch die Amerikanische Abteilung einige Stücke. Besonders hervorzuheben ist ein Feder- mantel, der nach dem Material, aus dem er hergestellt ist, nämlich den Federn des roten Ibis (Eudocimus ruber L.) wohl im tropischen Amerika (Amazonasgebiet oder Britisch Guyana) angefertigt worden ist, Von den Antillen stammt eine aus geschlagenen Bastfasern hergestellte Zipfelmütze, wie sie von den Negern daselbst getragen wurde. Modernern Ursprungs sind drei Kalebassen und ein Metall- röhrchen, welche Gegenstände beim (senuss des Maté-Tee’s Ver- wendung finden. Aus Santiago (Chile) stammen ein Paar hölzerne, reich geschnitzte Steigbügel und schliesslich aus Mexiko ein Paar eiserne Sporren und 2 Geldkatzen aus weissem Leder, Herrn Meyer-Walter haben wir eine Sammlung von Gegen- ständen der Guarany-Indianer zu verdanken. Von Waffen sind zu erwähnen ein Pfeilbogen, dessen Schaft stellenweise mit einem zierlichen Joncgeflecht umgeben ist, drei Pfeile, teils mit Knochen-, teils mit Hartholzspitzen, eine hölzerne Lanze und eiu Schleuder- bogen. Die Freude der Guarany an farbigen Schmuckgegenständen zeigen ihre Tanzstäbe, eine Tanzrassel, eine aus Bast geflochtene Kopfbedeckung, mehrere aus verschiedenen Kernen zusammen- gestellte Halsketten und 2 Kämme, welche alle einen bunten Feder- schmuck aufweisen. Herr Dr. Armin Im Obersteg hatte auch dieses Jahr wieder die Freundlichkeit, uns einige interessante Stücke zu überlassen: Ein brauner, sackförmiger Mantel, eine mit Federn geschmückte Kopfbedeckung, ein Hals- und ein Brustschmuck, die mit Federn und ganzen Vogelbälgen behangen sind, stellen die Bekleidungs- stücke dar, wie sie von den am obern Ucayali sesshaften Kampas- Indianern getragen werden. Aus einem uns zur Verfügung gestellten Betrag von privater Seite gelang es uns, eines der selteneren Stücke Südamerikas zu erwerben, nämlich die Trophäe eines Jivaros. Bei diesem am Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1918. 327 obern Amazonas angesiedelten Indianerstamm besteht die Sitte, die Köpfe der erlegten Feinde auf eigentümliche Weise zu präpa- rieren. Zu diesem Zweck werden die Schädelknochen entfernt und das Innere des Kopfes mit heissen Steinen ausgefüllt, sodass er sich zu einem faustgrossen Köpfchen zusammenzieht, die Ge- sichtszüge aber beibehält. Die zusammengenähten Lippen sind mit Knotenschnüren verziert. Als weitern Schmuck weist unser Exemplar noch 2 Büschel gelber Federn seitlich der Halsöffnung auf, sowie 3 lange Schnüre aufgefasster Käferflügel, die vom Hinter- haupt herunterhängen. Herr Prof. O0. Fuhrmann in Neuchâtel hatte die Güte, das Museum mit zwei sehr interessanten Gegenständen zu beschenken, die aus seiner in Columbien angelegten Sammlung stammen. Das eine ist eine Thonvase, die eine hockende, menschliche Figur dar- stellt, auf deren Leib eine umgekehrte Froschfigur so angebracht ist, dass sie mit ihren Hinterpfoten die Ohren, mit den vordern Extre- mitäten die Beine des betreffenden Menschen bildet. Das andere ist eine Tanzrassel in Form einer menschlichen Gesichtsmaske. Beide Gegenstände sind aus schwarzem Thon angefertigt. Ihre Beschreibung und Abbildung ist zu finden in dem Werk des Do- nators: Dr. O0. Fuhrmann und Eug. Major, Voyage d’expl. scientif. en Colombie, pag. 1078, Pl. XXVII, fig. 72. Frau Stähelin-v. Enzberg verehrte uns die vollständige Aus- rüstung und Lederbekleidung eines Mexikanischen Reiters, und von Herrn E. Bronner erhielten wir eine originell hergestellte Prärie- Peitsche, deren Schnur eine direkte Fortsetzung des Peitschen- stiels vorstellt, indem der Bast von dessen Verlängerung losgelöst und geflochten wurde. Von Herrn Dr. Greuter in Aarau konnten wir zwei von ihm selbst in Peru ausgegrabene Steinplatten erwerben. von denen die eine von ganz besonderem Interesse ist. Ihre Oberfläche ist ein- geteilt in regelmässige viereckige Vertiefungen, während man in zwei einander diagonal gegenüberstehenden Ecken einen turm- artigen Aufbau bemerkt. Von einigen Autoren wurden diese Steine als Pläne von Inkadörfern aufgefasst. Es ist aber jetzt wohl sicher erwiesen, dass es sich um Spielsteine handelt, welche für das jetzt noch bei einigen Stämmen des Gran Chaco gebräuchliche Tsuka- oder Chunquantispiel verwendet wurden. Während für dieses Hazardspiel die niederen Stämme sich ad hoc Vertiefungen in die Erde graben, wurden bei den hochkultivierten Inkas transportable Spieltische hergestellt. Es sei hier auf eine in Heft II und III der Zeitschrift für Ethnologie 1918 erschienene diesbezügliche Ar- beit von Ærland Nordenskiöld aufmerksam gemacht. Die andere 328 Fritz Sarasin. Platte enthält die Darstellung einer mythologischen Tierfigur, über deren Bedeutung wir noch im Unklaren sind. Europa. (Bericht des Vorstehers, Prof. Dr. Ed. Hoffmann-Krayer.) Die Abteilung hat im Berichtsjahr einen Zuwachs von 469 Nummern erfahren, in welcher Zahl freilich die ca. 300 Objekte nicht inbegriffen sind, die noch im Herbst 1918 aus der Samm- lung Bröckelmann in Basel erworben, aber noch nicht katalogisiert worden sind. Grössere Gruppen wurden gebildet aus zwei Sendungen von insgesamt gegen 100 Objekten, die Frl. A. M. Weis im Walliser Binntal mit grossem Verständnis für das Primitive zusammen- gebracht hat; ferner eine reichhaltige Kollektion volkstümlichen Bildwerks aus dem Kt. St. Gallen, eine Anzahl Specksteinprodukte und namentlich Instrumente zur Bearbeitung dieses Steins, die wir der Vermittlung von Herrn Prof. Rütimeyer verdanken. Dagegen enthielt die in Aarau erworbene Sammlung von Ethnographica nur ca. 30 Gegenstände, die der Abteilung Europa einverleibt werden konnten. Wie üblich, teilen wir den Zuwachs in Sachgruppen ein, in- dem wir uns auf die Erwähnung des Wichtigeren beschränken. Aus der Land-, Vieh- und Milchwirtschaft ist zunächst eine Grabgabel aus Chiasso zum Umspaten des Erdreiches zu nennen, die ein bisher nicht vorhandenes Glied in der Reihe Grab- stock — Spaten vertritt (Donator Herr Vitale Chiesa, Chiasso). Ein sichelförmiges Messer an langem Stiel, aus Baldegg stammend, dient zum Mähen des für die Streu verwendeten Schilfes (Don. Frau Vogel-von Meiss in Cham). Eine Rübenschneidmaschine aus Basel schenkte Herr H. Hummel, eine gewaltige Kuhtreichel mit ledernem Schellenband die Erben von Hrn. Architekt Leonh. Friedrich, einen äusserst roh aus einem Aststück gearbeiteten Melkstuhl von der Alp Fluh im Binntal der Vorsteher, 1 Paar hölzerne Fussfesseln (stuoiras), wie sie im Unterengadin beim Scheren der Schafe verwendet werden, Herr Dr. med. W. Liebi in Zernez, einen Bienenstock kubischen Typs, aus Osterfingen, Herr Hauptmann fellmann in Luzern, eine Käseform und ein Labkübelchen aus Binn der Vorsteher. Auf dem Gebiete des Fuhr- und Transportwesens ist nur ein bedeutenderes Stück eingegangen: es ist ein sog. „char de côté“, ein dem char-à-banc ähnlicher Postwagen, den wir der Mu- nifizenz der Schweiz. Oberpostdirektion zu verdanken haben. Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1918. 329 Zur niedern Jagd lässt sich eine von der Nationalpark-Kom- mission geschenkte Marderfalle rechnen; ebenso eine von einem Grenzbesetzungssoldaten hergestellte Rattenfalle, die uns Herr P. Hulliger in Basel einsandte. Von Handwerksgerät ist nur Weniges erwähnenswert. Vor allem zwei aus dem Kloster Muri stammende alte Zimmerbeile mit Punzornament; des weiteren ein Metzger-Spaltgertel aus Baldegg (Don. Frau Vogel-von Meiss, Cham) und ein Seilzwirnapparat aus Zurzach. Dagegen ist die Gruppe Textilgerät und Textilien um einige sehr bemerkenswerte Stücke bereichert worden. Dank der verständnisvollen Sammeltätigkeit von Frl. A. M. Weis sind jetzt fast alle Entwicklungsstadien der Flachs-, Hanf- und Wollbearbei- tung vom rohen Zustande bis zum gewobenen Stoff vereinigt, so dass sich eine instruktive Gruppe dieses Betriebes zusammenstellen liesse. Von einzelnen Objekten mögen erwähnt werden: eine Keule zum Schlagen des Hanfes aus Binn (Don. H.-K.), ein schön ge- schnitzter und kolorierter Spinnrocken aus V. Marobbia (Don. Prof. Rütimeyer), eine Spindel aus Binn (Don. A.-K.) und eine solche aus Griechenland, ein Zetteltrog und Zettelgerüst aus Binn, ein geschnitztes Bandwebstühlchen, dat. 1721, unbekannter Her- kunft. Von fertigen Textilien seien zwei Extreme genannt: em farbenprächtiger, aus bestickten Einzelstücken zusammengenähter Teppich, der so gut wie sicher in Bulgarien zu lokalisieren ist, wo er von dem in Basel verstorbenen Herrn V. Rilliet während seines Aufenthalts im Balkan mag erworben worden sein, und neun deutsche Papiergewebe allerneuesten Datums, die Herr E. R. Seiler in Basel geschenkt hat, und die für spätere Zeiten nicht ohne Interesse sein mögen. Zu den Textilien im weiteren Sinne gehören auch die Körbe, deren wir eine Anzahl in bezug auf Form oder Flechtmaterial (Tannenwurzeln) bemerkenswerter Stücke aus dem Wallis erhielten. Aus der ornamentalen Holzbearbeitung seien eine Reihe Walliser Schachteln mit alten Kerbschnittmotiven genannt, wovon eine mit Jahrzahl 1683. Die bis jetzt noch spärlich vorhandene volkstümliche Intarsie ist durch eine schöne Türfüllung aus dem Binntal vertreten; ein stilvoll geschnitzter Milchlöffel vom ‚Jahre 1613 fand sich in der Aarauer Sammlung, und zwei originelle mit den verschiedensten Zeichen, Buchstaben und Zahlen beschnitzte, von einem Waadtländer Soldaten hergestellte Spazierstöcke schenkte uns Herr Dr. Revilliod. (Anderes s. u. Teile des Hauses.) Die Keramik ist um einige bemerkenswerte Stücke vermehrt worden. So durch einen schönen Krug mit Jahrzahl 1782, der 330 Fritz Sarasin. unter den bekannten Töpfereizentren am ehesten Heimberg zuzu- weisen ist. Sicher hieher gehören einige datierte Teller des 19. Jahr- hunderts und ein von Herrn Dr. E. A. Koechlin geschenktes Schüs- selchen, während ein anderes desselben Donators ein ausgesprochenes Langnauer Erzeugnis ist. Grosse Aehnlichkeit mit Langnauer Töpfereien zeigt ferner ein in Basel erworbenes Giessfass in Form eines Hauses mit Datum 1766 und hinten eingeritztem Wappen der Basler Familie Faesch. Jurassischen oder basellandschaftlichen Ursprungs scheint das Stück nach unsern allerdings noch sehr be- schränkten Erfahrungen nicht zu sein. Angeblich aus Magden stammt ein in Basel gekaufter Crucifixus in bemalter ‘Fayence, wohl ein ziemlich seltenes Stück; aus dem Elsass zwei Teller und aus dem st. gallischen Bernegg ein Tintenfass. Die Gruppe der Steinbearbeitung hat insofern einen über- aus wertvollen Zuwachs erfahren, als es Herrn Prof. Rütimeyer gelungen ist, 11 Stück anscheinend sehr altertümlicher Eisenwerk- zeuge (Kratzer, Bohrer u. dgl.) zur Herstellung von Lavezgefässen in Peccia (Valle Maggia) ausfindig zu machen und durch seine Vermittlung unsrer Sammlung zuzuwenden. Schenkweise erhielten wir von ihm 3 steinerne Kochtöpfe, wovon einer aus Siders wegen seiner Provenienz beachtenswert ist und zwei von der: Topfher- stellung übriggebliebene Steinkerne mit Drechselspuren aus der Umgebung von Zermatt. Ein grosser mörserartiger Steinhafen mit Ausgusschnabel stammt aus dem Goms und diente zur Aufbe- wahrung von Ol. (Uber die Steinlampen s. bei der: Beleuchtung.) Eine besondere Gruppe bilden die Teile des Hauses. Hieher gehört ein sog. „Heidenkreuz“ vom Giebel des Hauses von Gabriel Gossat in Willeren, Binntal. Solche Heidenkreuze kommen nur an den ältesten Häusern des Wallis vor und sind aus dem Vertikalbalken am Giebel ausgeschnitten (Don. H.-K.). Ferner sei das Stück eines Deckenbalkens aus einem Hause des- selben Ortes genannt, der die Jahrzahl 1541 und eine unentziffer- bare Inschrift enthält. Sehr merkwürdig wegen ihrer an prähisto- rische Felszeichnungen gemahnenden Einkerbungen ist die Tür einer Hütte auf der Larschi-Alp ob Inden, die der Vorsteher diesen Sommer erworben und der Sammlung geschenkt hat. . Über eine intarsierte Türfüllung s. o. bei der Holzornamentik. Ein kugel- förmiges Vorhängeschloss aus Zermatt verdanken wir Herrn Prof. Rüdimeyer. Dachziegel mit Einritzungen gingen uns aus Nuglar (Don. Dr. W. Vischer) und Basel (Don. A.-K.) zu. Die Gegenstände aus dem Küchen- und Hausrat sind sehr heterogener Art. Als Hauptstück sei eine zum Mahlen von Korn und Salz dienende Handmühle angeführt und ein ähnliches kleineres Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1918. 991 Exemplar, das ausschliesslich als Salzmühle verwendet wurde. Beide Stücke wurden von Frl. Weis im Binntal erworben und vom Vorsteher geschenkt. Eine Leinsamenmühle aus Zernez verdanken wir Herrn Prof. Rütimeyer. Höchst primitiv aus einem Baumkropf geschnitten ist eine Leipsera (Teigschüssel) aus Binn, wie überhaupt diese und die benachbarte Gegend auch dieses Jahr wieder eine ganze Reihe handgearbeiteter Holzschüsseln primitivster Form geliefert haben (teil- weise geschenkt vom Vorsieher). In diese Gruppe gehört auch ein Malchhafen, der bis auf den Henkel aus einem Stück Rundholz geschnitten worden ist. Ebendaher erhielten wir einen Salznapf, ein Salzfass und einen Pfannenknecht, sämtlich aus Holz (Don. H.-K.). Die Kürbisflaschen wurden um 2 Stück aus Cavergno vermehrt, die uns durch Herrn Prof. Rütimeyer schenkweise zugegangen sind. Einige bäurisch geschnitzte Gebäckmodel mögen sich hier anschliessen. Als Hausrat im weiteren Sinne lassen sich die Messer in Anspruch nehmen, die in sehr verschiedenen Formen eingelaufen sind. Besonders hervorgehoben sei ein primitiv in Horn gefasstes aus Binn (Don. //.-K.) und ein spanisches Klapp- Dolchmesser mit damaszierter Klinge, welches sich in der Aarauer Sammlung fand. Von Mobilien im engeren Sinne verdient ein sehr reich ge- schnitztes und bemaltes Kinderstühlchen, wahrscheinlich aus dem Kanton Graubünden, spezielle Hervorhebung. Die besondere Gruppe Beleuchtung wurde weiter ausgebaut und durch einige recht interessante Stücke vermehrt. So kamen 9 zum Teil sehr altertümliche Steinlampen aus Zermatt hinzu, die wir wiederum dem erfolgreichen Sammeleifer und der stets offenen Hand unseres Kollegen Prof. Rülimeyer zu verdanken haben. Zwei fernere Exemplare erwarb Frl. Weis in Mühlebach (Binntal), von denen eines auf dem Griff eine Hausmarke trägt (Don. A.-K.), das andere noch mit einem Docht von Asbest versehen ist, der ın jener Gegend noch hin und wieder als Ampeldocht Verwendung findet, da er am nahen Geispfadpass gewonnen wird. Einige Stangen solchen Asbests hat uns Frl. Weis geschenkt. Ganz be- sonders aber müssen wir ihr die Schenkung einer Steinlampe ver- danken, wie sie primitiver nicht gedacht werden kann. „Lampe* darf man das Objekt im Grunde kaum mehr nennen; denn es besteht bloss aus einem länglich-vierkantigen Steinklotz, auf dem Kienspäne zusammengelegt und an einem Ende angezündet werden. Dieser elementare Beleuchtungskörper diente zur Erhellung des Vorraums im Backhause von Ausserbinn. Die Vermutung Prof. Rütimeyers, dass das Wort ,Lusa“ für Lampe ursprünglich Stein bedeutete, wird durch dieses Stück bestärkt. Ausser den Stein- 332 Fritz Sarasin. lampen selbst sind zwei steinerne Lampen-Sockel neu hinzuge- kommen, der eine aus Zermatt (Don. Prof. Rütimeyer), der andere aus Mühlebach (Don. H.-K.). Metallampeln erhielten wir eine aus Rossa (Don. Prof. Rütimeyer) und zwei aus der Aarauer Samm- lung. Auch die altertümlichen Birkenkerzen wurden wiederum durch ein Stück aus Brione- Verzasca vermehrt (Don. Prof. Rütimeyer). Im Hause selbst angefertigte Unschlitkerzen nebst einem zuge- hörigen Kübel aus Binn wurden vom Vorsteher geschenkt. Kerzen- stocke aus Binn (teilweise Geschenk von Frl. Weis) und der Aarauer Sammlung kamen in verschiedenen Formen neu hinzu. Aus Tracht und Schmuck sei ein mit reicher Pfauenkiel- stickerei verzierter lederner Geldgurt aus dem Tirol genannt, als Vertreter einer für diese Gegend kennzeichnenden Sticktechnik (Don. A.-K.); ein filigranierter Haarpfeil, wohl Unterwaldner Pro- venienz, wurde durch Tausch mit der Zürcher Sammlung erworben, zwei silberne Uhrschlüssel mit Handwerksemblemen in Freiburg gekauft (Don. H.-K.). Hier seien auch 11 Brillen, meist ver- schiedenen Typs, angereiht, die sich im hiesigen Brockenhaus fanden. Ebendaher erhielten wir eine Anzahl älterer Spielsachen, allerdings ausschliesslich städtischer Herkunft, während zwei pri- mitiv hergestellte Spielbretter aus dem Binntal echt bäurischen Ursprung zeigen (Don. H.-K.). Auch unsere Sammlung von Spiel- tierchen wurde weiter vermehrt, und zwar durch teilweise neue Typen. a) Hölzerne wurden geschenkt durch Herrn Prof. Rütimeyer : 3 aus Zernez, zwei aus Guarda, 3 aus Filisur, 4 aus Ziegelbrück und 1 aus Zollbrück, das erste Emmenthaler Stück; durch Herrn H. Stauder in Zofingen: 3 aus dem urnerischen Meiental; durch Fräulein Anna Albert in Bürglen: 39 aus Bürglen; durch Herrn Prof. Buxtorf: 3 aus Kerns; durch Herrn Sal. Schlatter in St. Gallen: 1 aus Grabs; b) Muscheln, durch Herrn Th. Delachaux in Neuchâtel: 3 aus Verriöres; c) fayencene, durch den Vorsteher: 12 aus Heimberg. Als Spiele im weiteren Sinne können bezeichnet werden die durch einen engen Hals in Flaschen hineingearbeiteten Gedulds- arbeiten, die Gegenstände, Figuren oder ganze Gruppen dar- stellen. 5 teilweise hervorragende Stücke wurden bei Antiquar Wolf erworben, 2 weitere stammen aus der Aarauer Sammlung. Von volkstümlichen Musikinstrumenten verdient ein Alp- horn besondere Hervorhebung, das wir von der Sektion Basel des Schweizer Alpenklub als Geschenk erhielten. Der Volksbrauch ist durch eine Anzahl beachtenswerter Gregenstände vertreten. Wir beginnen mit den Hauptstationen des Basier Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1918. 333 menschlichen Lebens. Zunächst S verschiedene kolorierte Tauf- zettel, meist aus dem Kt. Bern, wo diese hübsche Sitte ganz all- gemein gewesen zu sein scheint und zur Entfaltung echt bäuer- lichen Farben- und Formensinns Anlass gegeben hat. Ebensogut zur Tracht wie zum Brauch lassen sich die Brautkronen zählen, von denen 7 teilweise ausserschweizerische, aber recht interessante Exemplare durch Tausch von der Zürcher Sammlung für Völkerkunde eingingen. Wiederum aus dem Kanton Bern stammen 3 mit bäu- rischen Zeichnungen geschmückte Gedächtniszettel in Herzform, die dem Tod eines Kindes gewidmet sind. Dem heidnischen Fest- brauch gehört an eine Fastnachtfigur aus Rapperswil: der sog. „Rölli*, mit Holzlarve, Gewand und Schellengurt, der durch gütige Vermittlung von Frau Dr. Julie Heierli (Zürich) erworben werden konnte. Eine Ahnlichkeit mit der in unsrer Sammlung bereits vorhandenen Fastnachtfigur aus der gegenüberliegenden schwyze- rischen March ist nicht zu verkennen. — Ein bronzener Schlag- ring aus Siders mag sich hier anschliessen. Zur Medizin übergehend, nennen wir vor allem einen alten Operationsstuhl, den wir dem Kidg. Sanitäts-Magazin in Bern als (seschenk verdanken dürfen. Ein Umhängesäckchen mit Knoblauch gegen Keuchhusten schenkte Herr Dr. M. K. Forcart, eine hölzerne Kilystierspritze für Schmalvieh, aus Binn, der Vorsteher. Von Gegenständen aus der Volksreligion sind 4 Votivglieder aus den Kantonen Wallis, Luzern und Unterwalden (?) neu hinzu- gekommen, ferner 3 bäurisch gemalte Exvotobildchen, wovon eines mit weiblicher Unterwaldnertracht. 3 Osterkerzennägel stiftete die „Basler Denkmalspflege“ durch Herrn Prof. Æ. A. Stückelberg. Eine bäurische St. Annenstatuette wurde in Binn gekauft. Dem griechisch- katholischen Gebiet entstammt ein messingenes Reisealtärchen, wie es die russischen Bauern mit auf die Fahrt nehmen. Das ganz byzantinische Formen aufweisende Stück war 1912 von Herrn Dr. Walter Bally in Moskau gekauft worden und wurde uns als Geschenk überwiesen. | Auch die jüdische Abteilung hat einigen Zuwachs erfahren. Einen Gebetsriemen (tefillin), wie ihn die Juden während des Ge- bets an die Stirn und den linken Arm binden, schenkte uns Herr Ad. Fehlmann-Stöcklin, Herr Dr. J. Olsvanger eine Rassel aus Weissblech („Grager“ oder „Hamanschläger“ genannt), die während des Lesens der Esthergeschichte immer beim Nennen des Namens „Haman“ gedreht wird. Die Erwachsenen dagegen schlagen mit Stöcken auf die Bänke oder stampfen mit den Füssen, um Haman zu züchtigen. Eine ganz auffallende Analogie zu der katholischen Rumpelmette am Gründonnerstag, wo der Lärm als Züchtigung 334 Fritz Sarasin. des Judas Ischarioth gedeutet wird. Einen reich gestickten Thora- mantel und 2 Bsombüchsen haben wir Herrn Jacques Marx als (seschenke zu verdanken. Die Gruppe Aberglauben hat wenig Bemerkenswertes auf- zuweisen. Zwei messingene Halbmonde von Pferdekummeten, die ursprünglich jedenfalls als Amulette verwendet wurden, schenkte Herr H. W. Bröckelmann, einen von Verbrechern in Palamidhi bei Nauplia hergestellten und als Schutz gegen Unheil getragenen Fingerring aus Horn Herr Kunstmaler Heinr. Müller. Den Schluss möge das volkstümliche Bildwerk machen. Unge- fähr 60 Stück verschiedenster Form und Verwendung (Gedenkzettel, Teurungszettel, Widmungsblättchen, Ziehbildchen, Nadelstichbildchen bäurische Tier- und Pflanzendarstellungen, Neujahrswünsche, Ver- mählungszettel u.a. m.) meist aus der Ostschweiz stammend, wurden in St. Gallen gekauft, einige schöne Scherenschnitte in Basel und Freiburg; ein eingerahmter kolorierter Neujahrswunsch ging uns aus Langental zu; als Geschenk erhielten wir von Herrn Heinrich Müller die Federzeichnung eines Crucifixus, dessen Körperlinien durch den winzig geschriebenen Text der Passionsgeschichte ge- zeichnet sind. Als Urheber nennt sich ein „Ecrivaın Bedas“ in Nimes. Das Stück mag aus den 1840er Jahren stammen. Käufliche Erwerbungen 262 Bausch 9433.07 2 42% 0110 Geschenke. ui... 1.19 Summe des Zuwachses 1918 469 Anthropologische Sammlung. (Bericht des Vorstehers, Dr. Fritz Sarasin.) Diese hat eine ausserordentliche Vermehrung dadurch erfahren, dass ihr Herr Prof. Felix Speiser sein ungemein reiches Schädel- und Skelettmaterial, 504 Nummern umfassend, das er in den Jahren 1910—12 auf den Neuen Hebriden und den Sta. Cruz Inseln ge- sammelt hat, als Depositum übergab. Herr Speiser knüpft daran die Bedingung, dass über die wissenschaftliche Bearbeitung dieses Materials nur von ihm verfügt werden dürfe. — Andere Eingänge sind nicht zu verzeichnen. Photographien-Sammlung und Bibliothek. (Bericht des Vorstehers, Prof. F. Speiser.) Die Photographien-Sammlung hat sich durch den Ankauf einer ca. 200 Stück umfassenden Photographien-Sammlung aus dem Orient vermehrt, die hauptsächlich architektonische Aufnahmen Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1918. 390 umfasst. Gelegentliche Geschenke von einzelnen kleineren Bildern (Postkarten u. dergl.) sollen hier verdankt, aber nicht im Einzelnen angeführt werden. Die Bibliothek wurde durch folgende Geschenke vermehrt: Herr R. De Bary-v. Bavier, Basel: Reise der Astrolabe, deutsche Ausgabe; Cartes G&ographiques des voyages du Capit. Meares. „ Dr. M. K. Forcart, Basel: Herzog von Mecklenburg, Vom Congo zum Niger. „ Prof. Dr. Ed. Hoffmann-Krayer, Basel: B. K. Sarkar, The Folk-Element in Hindu-Culture; Stefansson, Prehist. and Present Commerce among the Eskimos; P. Radin, Soc. Organ. of the Winnebagos; Knowles, Glenoid Fossa of Eskimos; P. Radin, Lit. Aspects of N. American Mythology; Kor- respondenzblatt d. deutsch. Anthrop. Ges., 1917—18. Jahresberichte der Museen von Bern, St. Gallen, Leiden, Lübeck, Prag (Knopfmuseum), Rotterdam etc. Herr Pfr. S. Preiswerk-Sarasin, Basel: H. Vincent, Canaan. „ Prof. Dr. L. Rütimeyer, Basel: W. Haake, Schöpfung des Menschen; L. Rütimeyer, Beiträge zur schweiz. Ethnographie; L. v. Schrenk, Die Völker des Amurlandes; Archiv für Anthropologie, Bd. 1—8; J. A. ©. Löhr, Die Länder und Völker der Erde; Th. Belote, Desc. Catalogue of the Washington Relics in the U. S. Nat. Mus.; Casanovicz, Paraphernalia of a Corean Sorceress; W. Hough, The Hopi Indian Collection; Schweinfurth G., Im Herzen von Afrika; Petermanns Mitteilungen, 1855—1885. Frau E. Sarasin-Sauvain, Basel, Legat: P. und F. Sarasin, Reisen in Celebes; Sven Hedin, Transhimalaya 1 und 2; F. Speiser, Südsee, Urwald, Kannibalen. Herr Dr. F. Sarasin, Basel: Steinzeitliche Stationen des Birstals. Herren Drs. P. und F. Sarasin, Basel: Zeitschrift f. Ethnologie, Prähistorische Zeitschrift, Anz. f. Schweiz. Altertumskunde, Fortsetzungen. Herr Prof. F. Speiser, Basel: A. Le Roy, La Religion des Primitifs ; K. Sapper, Mittelamerikanische Reisen. Angekauft wurde H. und K. Anneler, Lötschen. Fritz Sarasin. os O2 (er) Verzeichnis des Zuwachses des Museums für Vôlkerkunde im jahre 1918. Prähistorische Sammlung. Geschenke. Herr .J. Gresiy, Kirchberg: Prähistorica aus der Höhle bei Liesberg. „Dr m Sarasın, Pal Prähistorische Ausbeute aus Höhlen des Birstals, Birseck etc. Herren Drs. P. und F. Sarasin, Basel: Prähistorica aus Wedda- Höhlen in Ceylon und Toäla-Höhlen in Oelebes. Herr Prof. Dr. F. Speiser, Basel: Prähistorica aus einer Grotte bei Angenstein. Prof. Dr. E. A. Stückelberg, Basel: 6 prähistorische Münzen vom Grossen St. Bernhard. ” Polarvölker. Geschenke. . Herr R. De Bary-v. Bavier, Basel: 31 aus Walrosszahn geschnitzte Menschen- und Tierfiguren der Eskimo aus Labrador. „ Dr. Gams, Zürich: Ein Schuh aus Birkenrinde. , „ Dr. F. Sarasin, Basel: Boot der Skolterlappen. Tauschverkehr. Ethnographische Sammlung, Zürich: Pfeile, Tierfalle, Sack aus Fischhaut, Rentiersehne, Ostjaken; Ledergürtel, Puppen, Spindeln, Büchsen aus Birkenholz, Syrjänen; Jacke aus Fisch- darm, Golden. Afrika. Geschenke. Herr J. Aeppli, Uetikon a/See: 14 Goldgewichte, Goldküste. „ Dr. Th. Engelmann, Basel: eine alt-ägyptische Vogelmumie. » R. Friedrich, Basel: 2 Trommeln, Aegypten; Pulverhorn und Pferdeschmuck, Marokko. Frau Prof. Kollmann, Basel: Thongefäss, franz. Sudan. Herr Prof. L. Rütimeyer, Basel: 2 Opfertischchen, Dahome, 1 Idol der Pahouins. Frau A. Stähelin-v. Enzberg, Basel: 1 altägyptische. Grabstele, XII. Dynastie. Herr Zäslin-Sulzer, Basel: Lederpantoffeln, Aegypten. Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1918. 337 Tauschverkehr. Ethnographische Sammlung, Zürich: Fangschnur, Wochenkalender, Köcher und Pfeile der Kalahari-Buschleute, Gefäss aus Schild- krötenschale der Bergdamara, Schamschürze, Ledertäschchen, Esslöffel der Hottentoten. Vorderasien. Geschenke. Herr Dr. W. Bally, Basel: 1 Paar Socken aus bunter Wolle, - Kurden der Araratgegend. Dr. Th. Engelmann, Basel: 2 ägyptische Glasgewichte. Dr. À. @eigy, Basel: Kostüm einer türkischen Puppe, Brussa. L. Ziegler, Basel: 1 Paar farbige Wollstrümpfe, Brussa. ”„ ” 7 Vorderindien. Geschenke. Herr Architekt Km. La Roche, Basel: Zeichnungen, Aquarelle, Pläne und Photographien indischer Grabdenkmäler. Alfr. Sarasin-Iselin, Basel: Stuckornament von Bidschapur, Stäbchenkorb. 11 Ankäufe. | Mantel der Afridi; kanaresisches Palmblattbuch; 2 Ganeesa- Statuetten; 4 Glasperlenarmbänder. Malayischer Archipel. Ankäufe. Dajakschwert und Baumbastjacke, Borneo; Dolch, Sulu-Inseln; Reislöffel, Java; Battakbuch, Sumatra. China-Japan. Geschenke. Herr Prof. #. Hoffmann-Krayer, Basel: Ohinesische Zither, Domino- spiel, Bilderbuch. Dr. P. Sarasin, Basel: Kinderspielzeug. Zäslin-Sulzer, Basel: Glücksschwert, Maske. ” ” Ankäufe. Chinesische Opium- und andere Pfeifen, Spielfiguren. Fritz Sarasin. O2 Q2 O0 Melanesien. Ankäufe. Bambus mit Zeichnungen, Neu-Caledonien. Tauschverkehr. Ethnographische Sammlung, Zürich: 2Halsbänder aus Neu-Caledonien. Polynesien. Geschenke. Herr Dr. Z. Geiger, Basel: Zwei Rednerstäbe aus Samoa. » P. Staudinger, Berlin: Keule aus Fidji. Ankäufe. Mantel der Maori: Tapa-Muster aus Tahiti. Amerika. Geschenke. Herr G. Bronner, Basel: Prärie-Peitsche. Prof. O. Fuhrmann, Neuchâtel: Vase aus schwarzem Thon, eine menschliche Figur darstellend und Tanzrassel aus schwarzem Thon in Form einer Gesichtsmaske aus Columbien. Dr. Armin ImObersteg, Basel: Mantel, Kopfschmuck, Hals- kette und Brustschmuck der Kampas-Indianer. » Meyer-Walter, Basel: Ein Pfeilbogen, drei Pfeile, ein Schleuder- bogen, eine Lanze, eine Tanzrassel, zwei Tanzstäbe, ein Kopf- schmuck, vier Halsketten und zwei Kämme der Guarany- Indianer. . Frau Stähelin-von Enzberg, Basel: Ausrüstung und Bekleidung eines mexikanischen Reiters. n Anküufe. Jivaros-Kopf; Federmantel aus dem Amazonas-Gebiet?, Bastmütze von den Antillen; Kalebassen, Steigbügel etc.; Peruanische Altertümer. Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1918. 339 Europa. Geschenke. a) An Gegenständen. (Bei der grossen Zahl der geschenkten Gegenstände ist eine Einzelaufzählung nicht möglich. Bedeutendere Geschenke finden sich im Bericht erwähnt. Die beigefügte Zahl bezeichnet die Anzahl der geschenkten Gegenstände. Wo nichts weiteres bemerkt ist, sind die Donatoren in Basel wohnhaft.) Fräulein Anna Albert, Bürglen: 16. — Herr Dr. Hanns Bächtold: 2. — Herr Dr. Walter Bally: 1. — Basler Denkmals- pflege: 3. — Herr H.W. Brückelmann: 3. — Herr Samuel Buser: 2. — Herr Prof. Dr. A. Buxtorf: 3. — Herr Th. Delachaurx, Neuchâtel: 3. — Herr J. Eichenberger, Zurzach: 1. — Herr Ad. Fehlmann-Stöcklin: 1. — Herr D. Fellmann, Luzern: 2. — Herr Dr. M. K. Forcart: 1. — Erben von Herrn Zeonh. Friedrich: 1. — Herr Prof. Dr. E. Hoffmann-Krayer: 18. — Herr P. Hulliger: 1. — Herr H. Hummel: 1. — Herr Dr. E. A. Koechlin: 9. — Herr Dr. W. Liebi, Zernez: 4. — Herr Jacques Marx: 3. — Herr Heinrich Müller: 2. -— Herr Pfr. Jos. Müller, Altdorf: 1. — Historisches Museum, Bern: 1. — Eidg. Nationalpark-Kommission: 1. — Schweiz. Oberpostdirektion, Bern: 1. — Herr Dr. J. Olsvanger : 1. — Herr Dr. Revilliod: 2. — Herr Prof. Dr. L. Rütimeyer : 35. — Eidg. Sanitäts-Magazin, Bern: 1. — Herr Architekt $. Schlatter, St. Gallen: 1, — Sektion Basel des Schweizer Alpenclub: 1. — Herr A. Stauder, Zofingen: 3. — Herr J. Stuber: 1. — Herr Dr. Wilh. Vischer: 1. — Frau Vogel-von Meiss, Cham: 4. — Fräulein A. M. Weis: 6. b) Geldbeiträge. Frau M. Bachofen-Vischer, Fr. 50. — Herr Prof. Dr. Dan. Burckhardt, Fr. 10. — Frau A. Forcart-Bachofen, Fr. 20. — Herr R. Gemuseus-Passavant, Fr. 20. — Herr F. Hoffmann-La Roche, Fr. 500. — Herr Dr. K. R. Hoffmann, Fr. 50. — Herr G. Krayer- La Roche, Fr. 20. — Herr M. Krayer-Freyvoyel, Fr. 20. — Herr Jacques Marx, Er. 30. — Frau A. Sarasin-Vonder Mühll, Fr. 20. — Herr Æ. R. Seiler, Fr. 10. — Herr A. Vischer-Krayer, Fr. 20. — Herr G. Zimmerlin-Boelger, Fr. 10. Manuskript eingegangen 13. Januar 1919. Vierzigster Bericht über die J. M. Ziegler’sche Kartensammlung 1918. I. Geschenke. Kümmerly und Frey, Bern: Dedijer, Carte des Pays Yougoslaves 1 : 1 000 000. Berne, Kümmerly et Frey, 1918. 1 Bl. A. Menzi-Merz, Basel: Menzi, Moorkarte von Mitteleuropa (Petermanns Geogr. Mit- teilungen 1918, Taf.9) 1 : 2500000. Gotha, Perthes, 1918. 1 BI. II. Anschaffungen. Schülerkarte des Kantons Zug. 1 : 50 000. Bern, Kümmerly und Frey, 1918, 2 DI Schülerkarte des Kantons Uri. 1: 100 000. ibid. 1 Bl. Gabrys, Carte ethnographique de l’Europe. 1 : 500 000000. Bern, Kümmerly und Frey, 1918. 1 Bl. Wöchentliche Kriegsschauplatzkarte. Nr. 161—207. 47 Blätter. Schott, Gerh. Weltkarte zur Übersicht der Meeresströmung und Schiffswege. Aufl. 5. 1:28000.000. Berlin, Dietrich Reimer, Ill Der grosse Homann’sche Atlas. 142 und 107 Taf. in 2 Bänden. Dufourkarte. 1 : 100 000. Neueste Ausgabe. Zweifarbig. 1918. 25 BI. Engelbrecht, Th. H. Landwirtschaftlicher Atlas des Russischen Reiches in Europa und Asien. Berlin, Dietr. Reimer, 1916. 1 Bd. Cantone Ticino. Carta pubblicata per cura del Dipartimento della pubblica educazione del cantone Ticino. 1:75000. Bern, Kümmerly und Frey, 1918. 1 Bl., aufgez. J. M. Ziegler’sche Kartensammlung. 341 Siegfried-Atlas. Neueste Ausgaben von 49 Blättern. Walser. Karte der Höhenresionen der Siedelungen der Schweiz. 1:200 000. Bern, Kümmerly und Frey, 1918. 1 Bl. Die Einordnung der Kartenbestände in die im Jahre 1917 neuerstellten Schränke wurde zu Ende geführt. In diesem Jahr soll dann, nach erfolgter Revision der ganzen Sammlung, Interessenten (Gelegenheit gegeben werden, an zwei Nachmittagen in der Woche, voraussichtlich Mittwochs und Freitags, die Karten an Ort und Stelle zu benützen. Basel, den 18. Januar 1919. Die Kommission der Naturforschenden Gesellschaft freut sich, aus diesem Berichte des Herrn Oberbibliothekars entnehmen zu dürfen, dass das langjährige Hindernis in der Benützung ihres schönen Eigentums bald behoben sein wird, und dass die hellen Räume des Kartenzimmers, in dem zu einer Kommissionssitzung sie sich am 25. Nov. 1918 erstmals versammeln konnte, bald allen Mitgliedern der Gesellschaft und allen weiteren Interessenten zu- gänglich sein sollen. Den verehrlichen Donatoren und Spendern von Jahresbeiträgen sprechen wir für ihre Zuwendungen den verbindlichsten Dank aus. Wir empfehlen ihnen unsere Sammlung auch fernerhin aufs beste. Basel, April 1919. Im Namen des Vorstandes der Naturforschenden Gesellschaft, Der Bibliothekar: M. Knapp. 342 J. M. Ziegler'sche Kartensammlung. Rechnung für das Jahr 1918. Einnahmen. Aktivsaldo voriger a Jahresbeiträge . Ä Zinsen Ausgaben. Anschaffungen . Buchbinder . Elonorarer er 0 Druck des Tahresberschies Bankspesen . Kapitalanlage . : À Aktivsaldo auf neue Rene : Status. Kapitalanlagen Dre Bar in Kassa . Vermögensbestand am 31. Dee 1918 : D „ 91. Dezember 1917 . Zunahme Basel, den 11. Januar 1919. 1) Die angelegten Kapitalien sind beim Schweizerischen deponiert. Fr. C. Chr. Bernoulli. Bankverein Chronik der Gesellschaft. Geschäftsjahr 1918 — 1919. Vorstand. Herr Prof. H. Preiswerk, Präsident. Prof. H. Zickendraht, Vizepräsident. Dr. W. Bally, von 1. Jan. ab Dr. E. Banderet, Sekretär. L. Paravicini, Kassier. Prof. A. Buxtorf, Redaktor. Dr. M. Knapp, Bibliothekar. Der diesjährige Bericht kann recht kurz gefasst werden, da der Verlauf des ganzen Zeitraumes ein normaler war. Nur die Grippe-Epidemie brachte eine Störung dadurch, dass Ende Ok- tober und Anfangs November 1918 die Sitzungen sistiert werden mussten. Eine Hauptsorge, welche die Kommission mehrfach beschäf- tigte, war die Beibehaltung des finanziellen Gleichgewichtes, ohne die Aufgaben, die sich die Gesellschaft stellt, zu vernachlässigen, ohne insbesondere auch die Verhandlungen quantitativ und quali- tativ zu schädigen. Der Jubiläumsfonds, dessen Zinsertrag wesent- lich die Herausgabe der Verhandlungen im bisherigen Umfange ermöglichte, ist durch ein Legat von Fr.2000 zum Andenken an unser verstorbenes Mitglied Herrn Dr. W. Lotz-Rognon geäuftnet worden. Diese Zuweisung sei auch hier aufs beste verdankt. Es drängt sich aber mit Notwendigkeit die Frage auf, in welcher Weise in Zukunft die Einnahmen der Gesellschaft ver- mehrt werden können. Die Mitgliederbewegung war eine ziemlich starke. Insbe- sondere hat der Tod empfindliche Lücken in die Reihen der Ge- sellschaft gerissen (siehe die unten folgenden Verzeichnisse), An erfreulichen Anlässen sei erwähnt, dass unser Ehrenmitglied, Prof. Simon Schwendener in Berlin am 10. Februar den 90. Geburtstag feiern durfte, wozu wir ihm unsere Glückwünsche aussprachen. An der zu Ehren des 70. Geburtstages unseres Ehrenmitgliedes Prof. Albert Heim am 12. April von der Zürcher Naturforschenden Gesellschaft veranstalteten Feier waren 2 Mitglieder des Vorstandes 344 Chronik der Gesellschaft 1918—19 vertreten. Am 5. Juli beging die Waadtländer Naturforschende Gesellschaft ihre 100-jährige Gründungsfeier, an der uns Herr Prof. F. Fichter, Ehrenmitglied dieser Gesellschaft, vertreten hat, Es haben im Berichtsjahre 14 ordentliche Sitzungen statt- gefunden und 1 Exkursion. Am 28. Mai nahm der Ingenieur- und Architektenverein an unserer Sitzung tell. Zu der Haupt- versammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Urgeschichte am 16. und 17. Mai war unsere Gesellschaft eingeladen und die zwei bei dieser Gelegenheit. ausgeführten, wohlgelungenen Exkursionen erfreuten sich auch von Seiten unserer Mitglieder reger Beteiligung. Am 16. Mai führte Herr Dr. Karl Stehlin in die römischen Ruinen von Kaiseraugst, am 17. Mai Herr Dr. Fritz Sarasin in die prä- historische Station im Büttenloch bei Ettingen. Zur Teilnahme an der Schlussitzung am 9. Juli war wie gewohnt auch die Oeffent- lichkeit aufgefordert worden; ein Nachtessen im Schützenhaus beschloss in üblicher Weise das Vereinsjahr. ; Die laufenden Geschäfte erledigte der Vorstand in 5 Sitzungen. Die Wahlen des Vorstandes fanden am 18. Juni statt. Er wurde folgendermassen bestellt: Herr Prof. Dr. H. Zickendraht, Präsident. Prof. Dr. E. Hedinger, Vizepräsident. Dr. E. Banderet, Sekretär. L. Paravicini, Kassier. Prof. Dr. A. Buxtorf, Redaktor. Prof. Dr. F. Speiser, Bibliothekar. Verzeichnis der Sitzungen, Vorträge und Exkursionen. 1918. 9. Okt. Herr Prof. Dr. G. Senn: i. V. von Frl. Marguerite Henrici: Chlorophyllgehalt und Kohlensäureassi- milation bei Alpen- und Ebenenpflanzen. 20. Nov. ,„ Dr. E. Ludwig: Die Entwicklung der Leber und des Pankreas. 4. Dez. , Prof. Dr. A. Vogt: Die menschliche Netzhaut im roten Ophthalmoskopierlicht. 18. Dez. „ Prof. Dr. A. Hagenbach: Ein Apparat, um einen elektrischen Lichtbogen oder Funken unter er- höhtem oder vermindertem Druck zu erzeugen. „ Dr. R. Menzel: Anabiose und Resistenz gegenüber Luftmangel bei frei lebenden Nematoden. „ Prof. Dr. H. Preiswerk: Demonstration von Gesteins- schliffen, 22. 19. 14. 28. 18. Jan. . Febr. Febr. . März . April Mai Mai ö Juni Juni . Juli Cine der Geealliehan, one ıaL 345 1919. Herr Prof. Dr. F. Fichter: Elektrochemische Darstellung 1 1 . März Geol . März Herr ” von Salzen der Perphosphorsäuren. Prof. Dr. G. Wolff: Physikalisch-biologische Be- obachtungen an Schmetterlingsflügeln und Vogel- federn mit Demonstrationen. Prof. Dr. A. Stoll: Ueber die Assimilation der Kohlensäure. (Referat über die Untersuchungen von R. Willstätter und A. Stoll.) Prof. Dr. H. Rupe: Chemische Mitteilungen. Prof. Dr. H. K. Corning: Demonstration von Prä- paraten und Diapositiven zur Entwicklung der Vögel. Dr. J. L. Burckhardt: Untersuchungen über die Aetiologie der Influenza 1918. . Exkursion : Besichtigung neu aufgeschlossener Glet- scherablagerungen bei Lausen; Führung Dr. Ed. Greppin und Dr. F. Leuthardt. Prof. Dr. A. Buxtorf: Aus der Talgeschichte der Via mala. Dr. H. Hunziker: Das Schicksal der Leichen im Erdgrab. Dr. E. Grossmann: Ueber das Säuern der Wolle in der Militärtuchangelegenheit. Dr. G. Paltzer: Ueber die Technik der Tiefboh- rungen. Prof. Dr. C. Schmidt: Die geologischen Ergebnisse der Tiefbohrungen von Buix bei Pruntrut und Allschwil bei Basel. Dr. H. 6. Stehlin: Ueber die Mousterienstation von Cotencher und ihr geologisches Alter. Prof. Dr. R. Bing: Zur Lokalisation psychischer Vorgänge im Gehirn. (Schlussitzung) Prof. Dr. C. Schmidt: Die Kohlen der Schweiz. Jahresrechnung der Naturforschenden Gesellschaft in Basel. 1. Juni 1918 bis 31. Mai 1919. Einnahmen. Jahresbeiträge : < 12 ordentliche pro 1918 Fr. 144.— 3061/2 „ NO DORA NN MAIS 32 erhöhte „ 1919 0.0.0 0. 0 od Ausserordentliche Eingänge: Geschenk aus dem Trauerhause Vöchting . . Er. .1,000.— Nachträgliche Beiträge an den Jubiloumsponds 2. 50.— Kapitalzinsen Konto- Korrentzinsen Erlös aus Verhandlungen Verschiedenes Ausgaben. Ankauf von Wertschriften, zuzügl. Marchzinsen und Kommission Kosten von Band XXIX der a Verwaltung der Gesellschaftsbibliothek . Sitzungskarten, Zirkulare Vorträge und Beihilfe Einzugskosten beitrag an bund für Naturschniz Verschiedenes Die Mehrausgaben belaufen sich daher auf . Kr 5,063. — 1,050.— 2,625. — 122.80 153.75 Bo . 9,096.55 . 1,010.25 6,174.80 1,200. — 623.55 135% 75.75 50 519.33 . 9,788.68 Er. 692.13 Jahresrechnung der Naturforschenden Gesellschaft 1918—19. 347 Status des Vermögens per 31. Mai 19i9. Es ist mitzuteilen, dass sich das unantastbare Kapital um Fr. 1000.— vermehrt hat. Unantastbares Vermögen. 31/2%/0 Obligationen Schweiz. Bundesbahnen, Serie A-K Fr. 25,000. — 4 9/0 > Kanton Basel-Stadt von 1910. . , 10,000.— 41/4 0/0 ds Kanton Basellandschaft von 1912 „ 10,000.— 43/4 0/0 i Kanton Schaffhausen von 1917 . „ 10,000.— 5 °/o 5 VIII.Eidgenössisches Mobilisations- 2: 9,000. Total nom. Fr. 64,000.— anleihen von 1917. Betriebsreserve. Guthaben bei der Schweiz. Kreditanstalt, Basel . . Fr. 4,653.70 Guthaben bei der Handwerkerbank, Basel . . . . „ 209.10 Guthaben auf Postcheck-Rechnung = 147,36 Total Fr. 5,010.16 Basel, den 31. Mai 1919. Der Kassier: L. Paravieini. Geprüft und richtig befunden: Basel, den 11. Juni 1919. Die Rechnungsrevisoren: Prof. Dr. Th. Niethammer. Dr. R. Menzel. » 12. = & En bn Hi © © © -1 © tt À ww ND + 2. Nachtrag zum Mitgliederverzeichnis von 1917. (Bd. 2XXVMIDE, 1 Teil, pg. 108123; pg. 407-408). Abgeschlossen 1. Nachtrag Bd. XXIX, 10. Jul 191982 Seit 3. Juli 1918 sind als ordentliche Mitglieder in die (Gesellschaft aufgenommen worden: 1. Herr Die Otto Werdmüller . Prof. Dr. Hugo Hassinger Dr. Emil Witschi Prof. Dr, Gerhard Hotz Georg Schneider . Bes Rudolf Burckhardt-Iselin . Dr. med. Ernst Oswald Prof. Dr. F. Lewandowsky Dr. Georges Court . Dr. Hans Kägi Dr. Emanuel Grossmann . Dr. Martin Iselin Dr. Paul Hüssy, hear, Dr. Heinrich Werdenberg Dr. Eduard Rudin . Ernst Ammann-Haberstich Dr. Ludwig Braun . Dr. Emil Barell . Reinhard Straumann, Ingenieur Dr. Georg Ostertag Heinrich Mohn, Direktor . Dr. Fritz Rohrer 1918 1918 1918 1918 1918 1919 1919 1319 1919 1919 1919 1919 1919 1919 1919 1919 1919 1919 1919 1919 1919 1919 Seit dem 3. Juli 1918 sind aus der Brasallschait ausgetreten die ordentlichen Mitglieder: ” 7 . Herr Dr. Pierre Revilliod . Dr. Albert Wydler Dr. Gottl. Imhoft . Dr. Edgar Refardt. Mitglied von bis 1910 —1918 1914— 1919 1916—1919 1910—1919 3. Nachtrag zum Miteliederverzcichuis von 1917 5. Herr Dr. Robert T. Müller 6. .„ Alfred Ditisheim 7. „ Dr. Constantin Janicki 8 , R. de Roeder : 9. 2, Dr Heinrich anomalie 10. , Ernst Anneler-(hristen À 11. , Prof. Dr. Hermann Griesbach 12. „ Dr. med. Ludwig Reinhardt 37 Dr. Iraugett Sandmeyer oT Says Sr 1 2. 3. 4 Durch den Tod verlor die Gesellschaft im gleichen a) die ordentlichen Mitglieder: . Herr Dr. Hermann Fröhlich . „ Dr. Alfons Jaeckle-Wolf . . Theophil Vischer -Von der Mühll „ Dr. Jakob Stauffacher » Dr. Walter Lotz-Rognon b) die Ehrenmitglieder: . Herr LE Johann Coaz, eidg. un ; . Casimir de Candolle de x ar Dr. Simon Schwendener . c) die korrespondierenden Mitglieder: Herr Dr. Ferdinand Schalch, Bergrat . „ Dr. Paul Choffat Mitgliederbestand am 10. Juli 1919: 349 Mitglied von bis 1917—1919 1904—1919 1911—1919 1916—1919 1910—1919 1876 —1919 1883 —1919 1910—1919 1889-—1919 Zeitraum Mitglied von bis 1908—1918 1900 —1918 1876—1919 1917 —19319 1903—1919 Mitglied von bis 1902— 1918 1917—1918 1867—1919 Mitglied von bis 1917—1918 1913—1919 Ehrenmitglieder . . SU heul Korrespondierende Mielieder SR EN Ordentliche Mitelieder . . . ....40 SAY RR: N PN à > Le DU di ee re, El Marguerits Ienrici> Chlorophyligehalt und Kohlensäure-Assimilaon bei Alpen- und Ehenen-Pilanzen, Tabelle 14. Kontrolitabelle. Basel.‘) Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft io Basel, Hard XXX, Tafel 1 3 5 Ueberschuss resp. Verlust des assimilierten Allgemeine Daten Grösse der Pflanzen Absolute Werte Werte auf die Blattsubstanz bezogen en Ar | Schatten. Mas | ‚CO | Frischgewicht | Gesamiflache | Gesamtvolumen | Trockengewicht Iäreckengewieht (Zeb derBianer | Asaimihtten | Aumung | Koetisient | OO Ein CES ii IA Sd Veau prog Verbin jp one Norhalkis 3 tempers. | Yempera: | Gehalt | dec Blätter der Blätter | der Blätter der Blätter | der Blätter | in 3 Grössen- in 1 Su in 1 Std, | Assimilation | Weuogen auf |Verhältnis| Mesopen auf |Verbahnis| m, eu ur Verhältnis] Berogen aur |Verhältis| in mer. COz der Gesamt. der “ der Sr, Datum Phanzen pes tür im , Witterungsverhältnisse {der Luf ee | UN) ae Fear pr | und Wurzeln ordningen Infmgr COr | mimgr. 004 | Atmung 1 ge. Frisch- (derbeïden! 100 em? derbeiden| | ums Vol [der beiden er. (der beiden] pro I gr. Blatt: | beiden Trocken- beiden Fläzhe beiden Fi Versuchs | in mgr. | ja gr: Kewicht | Pnansen Blanfäche | Pnanzen |} “Volumen | onanzen Trockengewicht| Pflanzen | TOCKEDRewWicht pyangen| EEE Paire Plantes) | I gels | proLiter] I Lis LL I u L I Il Leer u Il I u LE ı I LS LE ı u 1:1 1 u 1-1 = .— = 1 — — + - = — = = _ - - - == — | | 374 24V. 17 Anthyllis Vulneraria 190 À 370 Klaren blauer Himmel 14 [0,7176] 0,456 | -52 | 838 | 54 | 36) 36 | 23 ..| 30 | 115 118 0,98 | 381 | 382 70 98 | 98 | 20 787) 8238 0,95 | 445 453 098 | 209 204 102 216 108 2108 | | | } en | = #80 | 26.V.17 Anthyllis Vulneraria 2400 m 1850 820 À Klaron blauer Lim 1,5 |1,8721/1,8423| 10,2901/0.2355/0,6288/0,5792|-5317/-2410) 6,9 | 69 | 34 | 34 | 209 2038| 47| 870 10) 180/180 70 | 30| 30 | no | 237 | 2980 0,87 12,0! 148, 081 | 56| 60! 092 66 | 66! 10 | | | . | | | | | | | | | | —— | | _ | À | | | — | | Bellis perennis 2m | 185 | 18,50 | 280 | Hedeckt, Iegen 1,0 0511806 | 234 | 23,8 | 0,07 0,073 | 0,087 0,3015, 0,4731 -15 1-1 3,5 | 47 17 22% /)276| 88! 780 212 | 192! 107 | 0,97 | 78 | 78 | 10 | 616 | 540 114 | 2 344! 10 63) 43 105 | 128 | 0,84 | F | | s 1 J | | | 6 = E 7 341 | IOV 17 Bellis perennis 17E0 m | 53,8 | 1860 | 370 | Klarer blauer Himmel 05 [0,4476 0,4117) 17,0 | 17,38) 045 | 0,45 |0,0690) 0,0458) 0,5844/0,3265 -31- —20-| 30 | 80 25 13 12 | 69) 73 092 | 176 176) 7,0 56 | 66 | 20 481 0,66 | 11,5 | 109! 705 13 15 092 47 29 16 | | | | | | } | | | LE | | j | H | | | | | | 17 | Primula farinosa 450 m 02,4 200 | 00 | kiareriuingersimmmel 0,9 |0,3494/0,323 | 14,32) 13,61 0,35 | 0,4 0,059 |0,0572] 1,2695 0,1217] -10- -10- 2,9 | 19! 31 | 188094 | 9,1) 90 | 207 219 | 104 | 781] 73 | 20 \ 50,7 | 107 3.5 48016 90 0-14 | | | | Î - —=} = 367 | 22,1. 17 1700 m | 10,5 | 18,50 | 220 |Hedeckt 1,0 [0,2138)0,1012) 64 | 3,87 | 0,37 |0,0302/0,020 | — | — |-11-|-10- 82 | 261 94) 90 | 18327) 328 | 076 | 828 | 827) 0 |143 | 145 | 099 1881646 | 718 | 804 | 386 | 231 | — — 21 0206 | 05 | | | | | | | | | | | 1 | ll | | | 1 | = = ( | 1 = | | | | | | | | 373 | 24, V 17 | Taraxacum officinale 250 m 00,5 19,50 400 Blauer, etw. bew. Himmel 1,0 [0,6671] 1,1284] 30,54 | 38,33) 0,9 1,18 0,087 \0.206 0,3388) 1,9758) - 3- | 4.2 6,1 64 43 4,2 | 1,18:| 1,52 y6| 6,8 | 7,66 16,6 166 | 10 66 L 56 10 68,5 | 41,0 |. 188 | 10,5 | 10,6 | 0,97 26 171 154 29 5,7 0,5 | | | | lie | 1 In | W4 | 111.17 Taraxacum officinale 2450 m 77,2 200 420 Klarer, blauer Himmel 04 1,1 0,5 /0,1082/0{ 0,5864! 0,6 61 | -4 4,3 1,9 05 216 | 38 58 49 12 18,2 | 1239| 702 3,9 38 | 102 34,2| 7,1 21,2 0,84 3,9 2,1 1,82 75 9 076 "| 1 und II « Indiviöuen denselben Standartes Marguerite Henrici: Chlorophyligehalt und Kohlensäure-Assimilation bei Alpen- und Ebenen-Pflanzen. Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel, Band XXX, Tafel II. Tabelle 17. CO2-Assimilation von Anthyllis Vulneraria in Basel. à Ausge- In ei Stunde wurde gr. CO2 assimiliert Schatten.) Maximal- „Ausse | co, || In einen Stunde, w Een mar. CO2 assimiliert En tempera- ; R Menge Ka- | Gehalt Bezogen auf | Verhältnis Bezogen auf | Verhältnis | Assimilation: | Herkunft der Nr. Datum a En Witterungsverhältnisse lomel in |derLuft| 100 cm? Blatt- | Alpenpfl.: | | cm Blatt- | Alpenpil. : Bemerkungen tur in mgr. Mass |; fläch Ebenenpfl. 1 Ebenenpfl. mung) Alpenpflanze | > 0 C Msn für blauvio- |" MB: a Ebenenpfl a Ebenenpfl. | = | - gefass lettes Licht |proLtr.| A E = A E = 1 IE | = — ln = — Diffuses Licht vom blauen Nllor _ | 2300 m | 158 | 8.11.17 | -1,20 MOSE PE rene 0 1,0 | 27,9 | 8,7 3,22 46 | 2,6 BTE EN) EURE ee & Fa P Niedere Temperatur 2 | TE | Dilfuses Ton so Men ie 3 3 | FE fes NEE | | 2300 m. | | Schwaches Licht 3/40 20 Se ka 5 5 | 58,2 32 22,5 2 3 = 159 9. II. 17 la 2 Hamel 0 15 | 715 | 58, 1,23 32,0 2 1,92 3, 3,0 unterer Schafberg, 352 | 15.v.17 | 210 | 250 |. Bedeckt. Vor starkem Gewitter | 245 | 1,0 | 339 uen | 279 | 75 | 31 | 24 1a en ENTRE er eitter unterer Schafberg a F4 € | Bedeckt. In den letzten Minuten = à à | 2300 m à Fe a : 7 J 20 0 | 2 2 — 2 — — | 2 Schwaches Lic 338 7.N. 17 12 13 | ARE Ie 2,1 1,0 0 0,3 0 6, ,0 Hier later Schwaches Licht = 22 £ Ex 356 | 16.17 | 160 | 190 | Bedeckt, doch hell 30,0 | 1,4 |124 207 | 06 2,80 | 45.1 206221 1:25) MS 66 | OO con Schwaches Licht = 35 El ee Te ae RENE 2300 7 [ Hohe Temperatur 252 | 2.X1.16 120 260 Klarer blauer Himmel 63,4 0,48| 11,4 | 180 | 0,63 3:00 05:32 NOIR TIRE | ÉERANE | | unterer Schafberg BEER Ba 7 z 2 > == ARR = en en _ — = zen 2 Q à Ê à 2300 m er . 0 94 0 arer 6 -H 2 9 2.29 2 Ibersangssta 332 5.V. 17 19 34 Klarer blauer Himmel 63,8 1,0 | 36,4 | 32,3 1,12 6,6 JE 0,73 2,29 H unferer Schafferg: Übergangsstadium Tabelle 18. CO2-Assimilation von Anthyllis Vulneraria in Samaden 2 i 5 { | | | 2 || Ron) nn 62 15.VI 16 100 220 Stark bewölkt, wenig Sonne 13,3 | 0,5 | 12,3 | 16,6 | 0,74 2,4 4,0 0,6 2,16 | 3,6 = { | Samaden ze 2] eh fe = es See | ALL 2 JL — —L u] ee = ; | | | | | 1700 m ‚VL. 0 0 er ; 9 je 68 26. VI. 16 11 120 | Regen 14,0 1,0 1,1 (080) | 0,11 0,3 ,6 0,11 0,47 | 0,64 Ten [ PEN TR EE et IL SE D RE ue SE ERP RE RE er le RE Tres ñ en) | | | | 1700 Schwaches Licht 74 | A.VII. 16 140 | 230 | Stark bewölkt, wenig Sonne 254 | 1,0 | 81 | 128 0,63 19 | 98 0,6 1,42 | 1,4 |. re Meist hohe Tem- BR: (Ms Pen | | | SALES peratur | ul 2 | = : SAT PER PR | | | re ‚VI. 16 0 | 950 dlaren Se jeH : | 445 © | ; 4 97 „| 1700 m 63 16.V1. 16 8 25 Klarer blauer Himmel 736 | 14 | 442° | 28,1 1,57 5,9 | 15,4 | 0,4 78 | 3,85 Shen RIRES | 2 w 2 E e Eee) | SEE | | | en | Klarer blauer Himmel z 2 | r 1700 m „VII, 0 260 | RE à se 4 à | 2 2 1 16 SENS u 6 | mit vielen weissen Wolken 14,4 1,6 9,6 7,5 1,65 0 | oi 0,95 Samaden | 3: PRE NET ENS 5 Se ne = mule toi RE 2 —— = SN Klarer blauer Himmel | | 1700 m V 1/9 0 280 5 g I} : Ti Sure ID OR 28 mit einzelnen Wolken 80,0 0,5 82 3,9 2,3 L6 | 12 | 1,33 0,43 | 0,16 Samaden | SE RSR RER CRE al In rule, | jee lee aeg LE Porn er en Himmel überzogen, doch hell. | | | | 1700 m 231 21. IX. 16 11/20 LOU) Schwache Sonne. Schnee- 980 | 0,6 6,8 DIE 72,47; 1,3 0,7 1,9 2,2220 Sander “| : L__ bedeckter Boden E Ale gr | Ä = = a : re 1700 m 2 0 0 asp n 5 2 a 72 1.VII. 16 13) 34 Klarer blauer Himmel 100,0 0,5 | 10,7 4,6 2,4 2,6 1,1 2,30 0,91 | 0,55 Sen Ai RR ni EU Fra F TR £ à HET 7 Hrn Te Starkes Licht. 223 | 9.1x.16 | 81/20 | 250 | Klarer blauer Himmel 120,0 | 06 [13,4 | 88 1,48 29 | 80 24 23 | 80 | Meist niedere Tem- | | | | 5 z peratur ik een Be ee en N ER es] = —— = m a A — r Blauer Himmel mit etwas | | n | > 1700 m 12 5 € € 947 10. X. 16 11/20 220 | anne 158,0 12 9,01 4,8. | 2,07 1,9 1,0 | 1,9 218 | 2,76 Sarraden > el BE ee | = £ = en rs | EE TER ee ar! EEE Seel a! een] N À | | | | | 1700 m 245 7.X. 16 41/20 260 Klarer blauer Himmel 20152 | 05 938 2a 4,43 2,0 0,5 4,0 1,25 | 04 CT ds LES Je Se Re zul = je SEE | En Et See ARS er RRQ Er ESS = | | z E Klarer blauer Himmel. Wenig | | . - | 1700 m _10 0 905 F c o | | © 233 23. IX. 16 | 1 31 Ar NT LE 202,0 0,5 6,2 3,8 1,63 1,2 GAIN 75 1,6 12) | | Tabelle 19. CO2-Assimilation von Anthyllis Vulneraria auf Muottas Muraigl. | | | 2 : | 7 SEE : 0 2 20 0 a mE È E | - fi 1700 m Schwaches Licht 90 26. VIT. 16 4 6 Bedeckt 20,5 0,5 7,4 2,9 2,58 23 | 0,7 3,26 1,45 | 1,8 Srapvien Niedere Temperatuwr = — î 1 — — — — — — F — mu ir - _— — —_— | = > 5 D à à a | re 1700 m x = 88 23.VII. 16 80 | 120 Bedeckt, etwas Regen 30,0 0,6 6,7 | 6,6 10 1,6 | 3,1 | 0,5 4,9 | 195) en Schwaches Licht = Mt = Rien [as be LE ne = = SE (er | me Be | Eu zer 213 | 24.VIIL 16 | 4120 | 110 | Bedeckt. EinzelneSonnenblicke | 37,5 | 04 | 66 | 51 | 228 | 14 | 12] 217 | 16 | 159 ee nt ÉTÉ = re et rn: 5 RES ISERE 2 Tall Er | Den ee à a à fe 2 = 1700 m | Schwaches Licht 2 u 0 1/90 eck k | : |: | 209 | 19.VII. 16 3 61/2 Bedeckt. Sonnenblicke 45,0 | 0,6 16,1 8,0 2,0 5,3 | 2,0 1,65 1,64 | IR Samaden | [ Niedere Temperatur Jess = PA RO RP il u = SE On Er el EB Er] ERS NET DU] EEE | | | G 2 Blauer Himmel mit vielen 1 > A | à og IHR 1700 m | 82 | 15.VIL. 16 30 | 4160 Walken 67,0 | 0,5 [114 | 64 1,75 3,0 | 168) 10 3,2 | 2,26 Se | — —— Le — —— u ——— — = = ee IE De Ten ii 1. | — — _— Blauer Himmel mit vielen | | 7 5 \iedere Temperatur 80 | 13.VIr. 16 | 40 150 weissen Wolken. Schnee- 785 Mo Led 92| 076 | 15 | 28 | 055 | 165 | 20 | L00m at! bedeckter Boden | | Samaden doch Schnee an Lu |. beonien Baden ul Me | ana lu u 5 Hellblauer Himmel mit vielen = E | | E | 1700 m J 0 o | | x n | | € 85 19.VIL. 16 6 150 Wolken 105,0 0,6 | 15,8 | 6,5 2,34 3,7 1,9 | 1,95 2,48 | 2,0 Samaden | | | zur = ©" u = Ser ——t IL = Es — a Pe je — —— lin | — —— : 3 | | = Blauer Himmel. Am Horizont = 26 3 - 1700 m DAY 1/20 20 97.7 4 3 3 S 203 | 12.VII.16. | 312 620, a 1180 | 05 | 277 | 69 | 40 63 | 3,4 ne en. | = - — — = —- — | — — — —— — 219 | 2.1x.16 20 230 | Klarer blauer Himmel 120,0 | 05 [368 |180| 29 | 51 | 34| 15 1,53 | 1,68 en, Starkes Licht | | Lo | | | | DEN al & EE ar er EN RE En Kit A| LE" jte = ve ESS | I a | | | | | | 7 Klarer blauer Himmel mit 5 | | | I 75 1700 m 2 1/20 90 € = € 2 209 | 91 27.V11. 16 41e 19 Seife wolssen Violon | 125,0 | 0,5 > | 6,1 1,5 38 | 21 | 1,84 2,09 | 1,5 SEL el: HDI STRESS en = | (Be 118 Ba Es | _ re > & | | ale : se \| | | 9, | 1700 m ER 2.VIII. 16 80 279 Klarer blauer Himmel 1390 | 0,6 14,0 6,5 2,15 3 2 1,29 | 2,5 Sermmalan 5, * a om Marguerite Henrici: Chlorophyligehalt und Kohlensäure-Assimilation bei Alpen- und Ebenen-Pflanzen. Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel, Band XXX, Tafel III. Tabelle 22. CO2-Assimilation von Bellis perennis in Basel. Schatten. | Maximal- BE | CO» Int einer Stunde wurden mgr. CO2 essimiiens | | ee || PERTE : Ener Menge Ka- | Gehalt | Bezogen auf | Verhältnis Bezogen auf | Verhältnis | Assimilation: | Herkunft der Nr. Datum = tur im Witterungsverhältnisse lomel in |derLuft| 100 cm? Blatt- | Alpenpfl.: 1 cm Blatt- | Alpenpfl.: IN Bemerkungen tur in |y h mgr. Mass |; fläche Ebenenpfl. volumen | Ebenenpfl. nung Alpenpflanze # 0€ er für blauvio- | PET Ebenenpfl. Ebenenpfl. gefäss lettes Licht |proltr.| À E =1 A) RTE =1 A E 154 | 3.1.17 00 0% | Diffuses Licht 0 10 | 988133 | 74 35,6 | 36 | 100 |162| 09 Hi ue 160 | 10.11.17 COPIE I Se 0 10 [nés 423) 275 | 330 | 105 | 32 ne | LA | \ Niedere Temperatur 157 | 2.1.17 30 100 MpitasesiLient 0 1,0 [1004 31,3 | 379 | 275 | 100! 275 | 275 | 15 | 2 x | 30 | 2.1.16 60 |. 00 NET EG DNSrEnts 08 |o2 |esı| 266 | 253 | 380| 89 | 427 | 053 | 04 | 2000 m Sonnenuntergang Sa Diffus. Lichtv. blauem Himmel B à ER 2 2 He di R ÿ ‚ Männlichen ne c 2000 m 23 20. I. 16 90 90 Bedeckt 14,2 0,97 |127,0 | 131,9 0,96 38,2 | 72,0 0,53 1,7 1,7 Ne ben 33 | 8.11.16 | 6,250 | 6,250 | Bedeckt 15,0 | 12 | 314 [142,6 | 0,22 | 10,0 | 386 | 0,26 | 1,07 | 1,51 ee 9 . : 6 1 Q 2000 m 28 29. I. 16 90 11,50 Weissblauer Himmel 15,1 0,3 14,7 | 52,6 0,28 4,8 | 16,8 0,29 0,53 | 0.84 Männlichen Del 36 une | 50 | go | Bedeckt 159 | 20 jızolısız| 07 | 656] m0) 078 | 30 | 20 | 100 m a7 | 1.9.16 | 19,60 | 260 | Bedeck m V. ) edeckt 172600005410 080 | 0 || 0 ER — Î = ; Schwaches Licht 24 | 211.16 | 70 | 85% | Bedeckt. Sonnenblicke 200 | 07 | 43517) 084 | 93| 120| 077 | 108) 10 | Home 0 ee J 6 95 1400 m 21 13. 1.16 70 7 Leichter Regen 22,4 0,7 11,4 | 49,7 0,23 5,2 | 20,0 0,26 2,2 1,5 Wenedn g 9 59 | 20 v.16 180 30° | Klarer blauer Himmel. Kühlung | 271 | 08 | 55,1 | 66.0 | 083 | 275 | 21,0| 23 0,37 | 0,66 a ’ A J = 2000 m 26 26. I. 16 90 120 Weissblauer Himmel 27.8 : 1,2 18,7 | 121,1 0,15 15,8 | 16,1 0,99 2,66 | 1,91 Männlichen : € Klarer blauer Himmel. Später 6 À 1400 m 43) | 26.1v.16 | 180 | 320 a 318 | 056 | 219 | 51,0| 043 | 63 | 1638| 039 | 074 | 243 | engen | Schwaches Licht 58 19. V.16 209 260 Blauer Himmel, Kühlung 33,0 1,7 |347,6 |105,7 | 3,28 97,0 | 35,4 | 2,74 2,81 | 2,39 CR | “Kühlung 5 Anfangs blauer, dann dunstiger G à a 2000 m Übergangsstadium 40 8. II. 16 4,50 14° nel ? © 34,2 0,49 | 22,8 | 15,9 1,43 9,4 5,1 1,84 0,9 3,49 In niedere Temperatur 39 ë 5 990 fee = Fe A 2 2000 m 29.11.16 | 10 23 Bewölkt so | Bl 751 a 5018) net) zz | en = Bewölkt. Sonnenblicke. 2 - 1400 m Se £ g {) 3 Sel = 2 I. 10 3° 5,3 Schneebedeckter Boden 570 0,4 31,2 | 55,9 0,54 10,8 | 23,1 0,47 1,9 Dis Wengen Ken | [8 54 | 13.v.i6 | 120 | 260. | Weisser dunstiger Himmel 37,6 | 10 [2059 [3807 | 054 11500 721] 207 |os | 03 | 2000 m || Junge Pfanzen À Weisse Wolken am blauen F | 5 2 1400 m m 32 4. 11.16 11,50 170 ame 37,7 22 [491,5 11206 | 40 207,2 | 344 | 6,0 5,37 | 3,65 Wensen Junge Pflanzen 42 | 15.10.16 | 13,50 | 300 | Klarer blauer Himmel 00 | 06 | eo | 3536| 795 | 294 13) 25 | 10 125: |200 m £ Blauer Himmel mit weissen | ER 2000 m 1] 0 0 4 1 Schnee = SRE a8 15 Wolken. Schneebed. Boden ns LE se 100,0 0,82 23,7 | 56,0 0,22 12 | 2910 Männlichen Es 49 | 4v.16 | 230 | 350 | Klarer blauer Himmel “3 | 10 |oas| 625 | 09 | 203 | 179 | 735 | os | ou. | 40 m uns 52 | vais | 160 | 320 | Blauer Himmel 525 | 10 1584 [asus | 0,67 | 822 | 600) 37 |-348 | 226 | Om 45 | 28.1V.16 | 170 | 370 | Klarer blauer Himmel 538 | 13 J1ade |sı32 | 045 | a2 | 665 | 066 | 557 | 361 | 400 m | ‘ Übergangsstadium DE Blauer Himmel mit vielen : A 2000 m 0 0 51 9. V. 16 12,5 25 weissen Wolken 54,8 1,1 So 375,6 0,83 77,0 14,0 1,04 1,57 11 Männlichen Klarer blauer Himmel. Schnee- 1400 m 0 0 c € 38 | 281116 | 85 21 Bedeckter Boden Kühlung | 87 | 02 | 240 | 235 | 098 83 | 98| 0,85 | 02 | 05 | wengen à Klarer blauer Himmel. | 3 “1400 m Niedere Temperatur 0 € = 31 3.11.16 6 210 Kühlung 60,5 1,9 |238,5 | 80,8 | 2,95 87,4 | 28,6 | 3,05 3,92 | 3,27 | Wengen Kühlung Blauer Himmel mit weissen | 1400 m 0 27 | 28.1.16 12 160 en 6098 | 12 |uas| 736 | 2758 | 511) 271 287 | 2638| 27 | Wengen 48 3. V.16 90 a) 5 5 Re | 5 2000 m EVA al eb) Klarer blauer Himmel 64,3 1,2 137,0 141,1 0,98 37,0 | 33,8 Il, 0,82 | 0,8 | Nännlichen | 9 44 | 27.1v.16 | 20,50 | 300 | Klarer blauer Himmel ea8 | 07 Jos (1201 776 | 620) 2298| 27 | 1060| 130 |200m | Blauer Himmel mit weissen 2000 m 0 D 4 D L 46 | 29.1v.16 | 19,30 | 320 a 69,6, NOT aa et 208. 38,10 89 | 702 [71,55 82 | aachen 9 53 | 12.V.16 | 170 | 40° | Klarer blauer Himmel 200 | 0 |ımmo|asa9 | 039 | 297 | 662 | 045 | 155 | 12 | Om. Klarer blauer Himmel. Schnee- > . 2000 m LCL = Bil. I 16 152 182 bedeckter Boden 13,4 1,9 92,0 148,7 0,62 33,9 | 47,6 0,71 1,62 | 124 | \ännlichen ] Sales Er | - 5 2000 m LOS 41 14. III. 16 130 350 Klarer blauer Himmel 88,7 0,8 91,4 20,2 4,52 29,4 6,5 4,54 1,71 1,97 NES ten | Starkes Licht } 1 i 1 : % : j 1 Marguerite Heorici: Chlorophyligehalt und Kohlensäure-Assimilation bei Alpen- und Ebenen-Pflanzen. Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel, Band XXX, Tafel IV Tabelle 23. CO2-Assimilation von Bellis perennis in Samaden. à Ausge- 1 einer yurd gr. CO2 assimiliert RE Maximal- set Co:- In « iner Stunde w un en mgr. CO2 assimilier RE: | t tempera- | Menge Ka- | Gehalt Bezogen auf Verhältnis Bezogen auf Verhältnis | Assimilation: | Herkunft der Nr. Datum Smper2- | tur im Witterungsverhältnisse lomel in |derLuft| 100 cm? Blatt- | Alpenpfl.: | 1 cms Blatt- | Alpenpfl: Ar | Bemerkungen tur in mgr. Mass |. fläche Ebenenpfl. Nolte Ebenenpfl. une Alpenpflanze | Versuchs- © in mgr. peup C für blauvio- Ebenenpfl. | Ebenenpfl. | u gefäss lettes Licht | proLtr. A E =1 A | E = À A E ——— LL EE Lo u he L— — — 1 2 n : | a 2000 m 6 . 221 7. IX. 16 | 81/20 | 111/20 | Leichter Regen 19,0 0,5 0 — — 1,45 | Männlichen | Zu schwaches Licht | IE = 20 À 2000 m Schwaches Licht x | 61/20 o | k R 9 € 39 2 } 238 29 1X 16 61/2 109 | Stark bewölkt. Regen 62,0 0,5 | 32,0 1,0 2,0 38]! Märnlichen| Asch niedr Temp, ui | re ne Be N | 200m |) re 224 11. IX. 16 119 240 Bedeckt, aber viel Sonnenblicke 87.0 0,6 | 62,6 237, 3,6 APR ee | 5 ’ ’ Männlichen | | | î = = — = ET = = = ===] | | ran a à | 2000 m | 243 5. X. 16 40 131730 Himmel dunstig mit Wolken 103,3 0,5 | 22,6 6,15 0,86 | 02 | Männlie | | Männlichen | | | Bedeckter Himmel mit viel | 2000 m 0 0 | 5 2 4 : 3 2 SES ® | au Sonnenblicken 109,8 | 0,6 32,6 | 4,6 1,35 | 0,53 Männlichen | . = | 2000 m 22 X. 16 50 290 er blauer | 2. 5 | 28 ö 2 IHN 225 13. IX. 16 6 | 99 | Klarer blauer ‚Himmel 124,5 | 0,5 8,10] 1,56 2,4 SE ETS Re | N Sarre in 1 — — I — 1 — hm = — | | 2 : ß | | Klarer blauer Himmel mit H | GE 2000 m | 0 | 950 4 3 > 228 | 16.1X.16 | 3 2 | aniigem Wellen 133,0 0,4 | 35,4 123 | #4 | 2,06 | yannlichen | le 2 — | L = a) Il T Il | | 2 Sehr grelles Licht im letzten | 5 2 E 2000 m 22 0 250 LS = 115 3 12 3 > À N 229 | 18. 1X. 16 3 Day Viertel. Vorherschwarz.Wolk.| 1#15 0,6 | 43,8 1,43 3,1 3,28 | Männlichen | Re _ Fe un — 2 —— to 1 L — EE | (Re 2 5 | r Klarer blauer Himmel m wenig. | 5 | 2000 m 1/90 0e s 48: Pr > ae 232 22. IX. 16 21/2 230) | AS Ne 148,5, | 0/5 | 36,2 1,29 1,16 1,5 Minahähen Schnee | | | = = = = ll, mr ri LE 9 235 | 26.1X.16 | 40 | 9280 | Klarer blauer Himmel | 1843 | 05 [1142 es 20 won | i | Männlichen | | RAIN, | | | Klarer blauer Himmel | & | 2000 m R 4 960 | 5 | É | a RE \ 251 14 X. 16 20 26 | ae en Ce 201,2 | 0,5 | 80,5 | UN 2,35 | 1,13 | Yannlichen | p Sebr stärkes Licht Er | | = 3 pen = 248 11. X. 16 1/20 9240 Klarer blauer Himmel - | 206,0 | 0,5 50,3 | = 1,0 = 2000 2 | | Männlichen | | | Tabelle 24. CO2-Assimilation von Bellis perennis auf Muottas Muraigl. | | : | 2000 m 83 | 17.VIL. 16 50 | 6120 | Schneefall 180 | 0,5 | 3586724) 0,49 |118 | 25,0 | 0,47 | 166) 166 | then | Schnee 2000 m | Männlichen | | el —— eu el: | 1 = 208 | 18.VIII. 16 | 4120 | 130 | Nebel. Sonnenblicke 48/8405 NGeNRS10 | =792 | 85 NTI NN 272 | 10 | 31 Niedere Temperatur 2000 m | Männlichen Zi 2 VIE 6 | 8120| 120) | Bedeckt EInzozletzten Minz sl eo 015 1238 12500 | 0.49% | 180 | 300 | 06 09 | 188 Schwaches Licht viel Kalom aus, da hell u. klar 6 Blauer Himmel mit leichtem = £ | j À 2000 m 202 10.VIIL. 16 61/20 250 Chu 122,5 0.5 |215,5 | 178,6 1,21 50,0 | 40,0 1,25 1,66. | 1,33 Manniehen | | an \ Bo akute on eo | kiarerhlauerk Himmel 161,005) 7019 Na | era 323, (Nee | 38 | 23 23 ol, = = Starkes Licht 2000 m | | 212 | 23.VII. 16 -19 240 Klarer blauer Himmel 156,0 0,4 | 22,8 8,8 2,6 7,4 2,4 3,05 1,49 | 12 Mon 100 | S.VII.16 | 20 | 200 | Klarer blauer Himmel 175,0 | 06 [1388 | 205 | 674 [1000 60 | 166 | 3,3 | 038 | 2000 m - & = | Marguerite Henrici: Chlorophyligehalt und Kohlensäure-Assimilation bei Alpen- und Ebenen-Pflanzen, Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel, Band XXX, Talel V, Tabelle 27. CO2-Assimilation von Primula farinosa in Basel. Ausge- cos. | Ineiner Stunde wurden mgr. CO2 assimiiiert | Schatten- Nesiens schiedene = 7 = Koefäzient tempera- Menge Ka- | Gehalt| Bezogen auf | Verhältnis Bezogen auf | Verhältnis | Assimilation: | Herkunft der | Nr. Datum tempera- | tur im Witterungsverhältnisse lomel in |derLuft| 100 cm? Blatt- Auen: 1 cm? Blatt- ARR Re | jemerkungen EN u NTersuche® mgr. Mass |; mgr. fläche DoyJLo volumen enenpil, Alpenpflanze | C für blauvio- Ebenenpfl. | Ebenenpfl. | gefass lettes Licht |proLtr| À E = A | = A E 4 2 Ber 1700 m | Schwaches Licht à : 9 = | a = : 365 Nat] 181,20 200 Bedeckt, sehr dunkel 0 1,2 0 55,4 0 | 14,6 1,5 CEE Holmes . ) N ] | | zu lage: = 360 | 19.v.17 | 19120 | 210 | Bedeckt 240 | 11 | 6800| 590 | 714 | 132 | 170 | 077 | 16 | 164 Lou | | all | ; | | Schwaches Licht R 3 . = | Hohe Temperatur G ! | Blauer Himmel mit weissen | | a > | 6 2 nl ne 1600 m | h 61 2. VI. 16 270 350 Wolken 36,2 0,5 5,8 | 14,4 0,37 2,0 5,0 | 0,4 0,2 | 0,3 Berneroberland | JL =! | | L = 331 4. V.17 | 1902 510 | Schleier am blauen Himmel 36,3 1,5 |193/2:1131,5 1,46 30,5 | 28,0 1,1 1,0 2,33 en | | Samad je | Zuerst bedeckt, dann heller. Al a 2 À r 5 1700 m | 353 | 16.V.17 | 18420 | 300 nn 168 | 10 | m2 202) 366 | 164 |. 46| 36 | | en o | ' Himmel stark blau mit weissen | Ye $ 6 ’ 1700 m } Genügend Licht 339 | 8.V.17 171/20 SE O1 Wolken 70,7 ' 1,0 | 66,2 | 35,2 1,84 14,0 | 10,0 14 5,0 | 1,83 | Samaden für jede Temperatur | 2) e —. | | | | = | 330 | 3.1.17 | 1910 | 340 | Klarer blauer Himmel 723 | 15 |1684/ 526! 308 | a0a|ıso| 224 | 509 | 14 | FOR | 2 | Ik =] | L | | | = 349 | 14.v.17 | 22420 | 460 | Klarer blauer Himmel so 01|6|11) 381 s2| 32| 238 | 0686| ou] Com Tabelle 28. CO2-Assimilation von Primula farinosa in Samaden. | | | | | an | TE TV EL GI 2 0 230 Ganzer Himmel bedeckt | 220 | 08 | 554 541 | 0,99 11,0 | 23,0 0,5 0,6 0,9 en Schwaches Licht | | | | | | H 75 M5 VII. 16 | 100 | 190 Regen, hellere Augenblicke | 32,2 09 | 414 | 35,1 117 15,0 | 11,0 1,36 0,38 | 0,67 no 64 | 17.VL16 | 150 | 160 | Dicker weisser Dunst | 44 13 | 50/31 765 | 205) 178 | 225 |09| 09 | 1700m | | | Stark bewölkt. Vor Gewitter | e 2 1700 m on, 43 ® x VIE 1e 16 Ines | Sonnenblicke 46,9 0,8 |191,7 | 28,4 | 6,76 57,5 | 9,5 6,05 1,45 | 0,2 am Inn | I l A + - | 241 | 3.x.16 | 4a0 90 | Blauer Himmel, stark bewölkt | 52,0 | 05 | 598 | 332 | 28 14,8 | 73| 20 1,38 | 1,1 oo a — m — | ? Genügend Licht 237 | 28.1X.16 | 91/20 150 | Stark bewölkt | 538 | 05 | s00| 104 | 287 a Bo 27 a | al In | & | | 226 | 14.1x.16 | 91.0 | 140 | Sehr stark hewölkt 60,0 | 05 | est] 209 | 206 | 280 | 10! 254 | 28 | 22 on 2 | | — It. = [ — = N | Top D LE = : FAI | 7 | Blauer Himmel mit vielen p re | = - = . 1700 m 21/20 22 m FR | a 5 € 18 8: VIT 16 12} 22° weissen Wolken 73,4 0,5 {1,001 52,4 | 256 220 | Leo 20 eu ap am Inn | | STE | er COMPTE) 1200| 2800| en en eo Los IB ezs| 24 | as las L 23 Mo | | } € il | | | | A | | | = 6 Blauer Himmel mit weissen In | In | 1700 m < 20. | 29. VI. 16 80 250 | A | 93,0 0,5 | 230 | 19,4 | 1,18 6,4 5,9 1,09 DR TEN en ram Schnee | { | 3] | | | = 65 | 20.vr16 | 80 | 250 | Klarer blauer Himmel | 1000 | 05 | 560 | 3590| 258 | ıa6 83| 176 | 106) 08 | 100 m | | | | 4 R à | 1 | Blauer Himmel mit etwas | 1700 m 6) © 5 | | P 249 | 12.X.16 2 | ee) ASS | 1687 | 07 [1201 | 405) 378 |510) 96 Ba DNA LES | j 7 = 7 1 7 l | | Klarer blauer Himmel. er | | FAO) rat nee à 0 B | 5 Starkes 234 | 2.1X.16 | 20 | RE 1882 | 05 | 224 | 143 | 1,56 80 38 M7 ao Starkes Licht 1 | 1 En ] | | | | | | zn 242 | 4.X.16 4/20 | 290 | Klarer blauer Himmel | 188,5 | 0,5 | 581 | 272 || 24 | 32,0 | 100) |. 32 10 | 05 se | | |. | Er F | - 246 | 9.x.16 | 520 | 9270 | Klarer blauer Himmel 2250 | ons lias8 uns) 87 | 640! 43 | 48 | 16 | 113] 100m | | | | | | | Tabelle 29. CO2-Assimilation von Primula farinosa auf Muottas Muraigl. 79 | 12. MIT. 16 11/20 61/20 Nebel mit Sonnenblicken 22,0 0,3 3114 0 — 85 | 0 = 1,7 0 RER Niedrige Temperatur | | 5 En | 1] | 5 600. | mm. | eo | wo | Se al Neon es | 08 ip | dE | 523 |192| 67) 288 1,53 | 23 re Gewitter | : : | Sehr stark bewölkt. Zuletzt r | Fo 2300 m Or : 0 1/20) | | h de ; 211 | 22. VII. 16 0 | 4/2 eisiger Regen 45,5 0,4 99/1 5,9 | 76,9 23,0 | 1,7 | 13,4 1,53 | 0,5 Schafberg Niedrige Temperatur | L 92 | 29. VIL16 | 60 120 | Stark bewölkt 480 | 07 | 356 | 253) 24 88| 57| 254 | 147) 20 | 200m | Genügend Licht | | Scha g | | | Klarer blauer Himmel. Schnee- | | 7 2400 m 41/90 0 | 218 | 1.1X.16 4/0 | 20 dt du 115,6 | 07 [1100 627, 276 | 330) 165 | 2,0 AUS ea ré Le eg [ TE | | ! { F | | Blauer Himmel mit weissen AR e 2300 m 0 © 95 84 | 18. vIL16 | 30 19 vn 1255 | 04 | ol | 1985| 303 | 20! 47) 465 |132| 102 | schamers | | IB | | 98 | 3. VIL16 | 80 | 270 | Klarer blauer Himmel 1390 | 06 l1oss | 101 | 543 | 20) 28| 28 | 11 | 1209| 200m |} Starkes Licht | D g ; Klarer blauer Himmel. Am = | | 2300 m 0 0 : c € b 201 | 9.VI.16 | 61% 95 Re de en | un | 05 Ei 300) 75 270 | 84| 30 | | EE | Pr 87 | 22. VIL16 | 2120 | 160 | Kiarer blauer Himmel 150,0 | 04 | Bu | | 456 | 108 20| 34 | 18 | 047] Ste n I letters Ghloropliyligehnl Mois Mars 1,33 SES Schnee | 2100 ai Niedrige Tempertun we Himmel) 0,88 ‚Klarer blauer Himmel; Son n * au 2700 m x = "a ere 0 9 SAT En Sonnenuntergang : 300 M | à 5 Ledvekt 12 | m, Niedrigeiiemperatur ls fo Te 70 | Stark bewölkt 0 | 168 | 86 | 458 een | Erste taie Tage | = a m ! I bac 26x15 | 6 80 | Neue 05 [120 E 053 | 086 086 en Schwaches Licht Nebel, Nach einer sehr kalten. | 7) rom zu F 6. X. 16 pu 90 u 74 20 | 1,6 | 5,6 02 | 0,80 | Ersrstorn Erste kalte Tage = ee à 6.1.10 | 6180 LG | regen “150 038 | #5 0,18 an Sehwaches Licht 19 | 189 | Regen | <15,0 0,6 ze 4,6 1,15 0,8 Schwaches Licht | | h Dr > | € 13 (NS Nas 140 19140 Iedeckt Sonnenblicke 15,0 0,9 Ar Eh NT LEE | | À |! Les = N: Schwaches Licht : 1 | 1500. m Hohe Temperntor 50 | ih | 200 - 230 | Bedeckt, schwül, 185 1 0,706 132 201 | 0,00 | 0,52 120 | uam 1 1 ; = ee CA - en | ee { = re Ze Sonnenblicke, Bewolkt Sonne | a lee ; 2700 m : ER 15 | 16.X.15 | 170 | 200 | 242 | OB ESS Men | zu 2 | 82 | me 2001 26 Sonenuntergan || Sun Klaren blauer Himmel. Sonne | 7 B ECTS | a0 | ain een 20 | 02538 270 90 CC ME en ———ı le ya LL 4 | |. I H— _—— RT Im = 14 ax 6 | 150 | 160 | Dewälkt Sounenblicke sam 1072434 224 | 208 HE 3 | | em | | er | I = I i 1 t 67 | 18.V.16 210 26° Klarer blauer Himmel Kühlung 30,3 0,8 | 56,3 | 53,9 104 | 172 | 17,6 10 17 A6.IX.15 | 3160 | 50 | Klaren binier Himmel au 0005| 41 248 | 55 10. 28 |046) 03 zoom Nictirige Temperalurf | | ES [SR (St T = 1 Zu Da] Be : - = = SE an 140 ss 08 OP 70 | 237 |27 | 231 778 | 20 | 135 | 70m Erste kalte Tage ME tement per | IE 2 20 | auıı6 I go | 120 | Stark bewölkt 300 0601| 60 Ma 050 | 23 | a | en nergangsstauium N EB —! === = ı t == 55 | 18V16 | 190 Blauer Himmel | 405 246 | 91 900 154 58 loir 1 SN Le RE PP a | 2 3 | 2300 m 60 ovins | 240 | 350 | Almen blauer Himmel Kühlung | 47,1 | 1.9 Au ETUI 128021 1570 M ETC ETS Er > En à . E = E R a6 035 | 2300 m 56 | 7.16 | 19,5% | 380 Klaren blauer Himmel 52,0 | 28 0,72 ris (1240 | 0,58. | 0,36.) 0,85 NE itehen > 18.116 | 7U 110 | Klaren blauen Iiinmel 630. | so |auı [236 | nor | aa Moon pu om | | Lt LE) ae le a BR 2 BE. 9 24.18.16 | 220 | 300 | Klarer blauer Himmel | us | 08 lau | | 330 |12 | 70) 20 10439 - — —— — — \ = iv —— t + = | E +} Starkes Licht | 8) 22x16 | 100 | 360 | Klaren blauorMimmel; Kühlunz | 161,7. | 0810| 26 | 81 || 70 | 49 1,84 0483 Tabelle 32. COz-Assimilation von Taraxacum officinale in Samaden. I | mi # durs > à | mmmer dunsuig. Sonne scheint = allon rn 5 ; 1700 ın ge 209 BIN. IB 8 TL ASE 350 06 )26IMMRT 329 | 80) 291) 273 hr Genögend Licht ei, —— 1 —— = PA DRS: 0; gen À Klarer blauer Himmel mit ein- ; ë 1700 ın 16 | SONG UT EIRTZE 1220, | zelnen weissen Wolkeu 12 134,0 Tas Naar 330 276 Samaden | | | | - | 239 | 30. 1X. 16 À 60 | 148 | inmelinberrogens berttellN T7 | se I re taetion I; 1700 m 5 20 | 350 | Karen blauer Himme ! 7 a | BR a a nit weissen Wolken au Samnden nee: nr Coeur HimmenAlmnilieh 1700 | 230 20.1X. 16 9 D weiss. Dunst, dl. sich verdichtet 108,0 Summden | — Starkes Lieht 67 | 221.16 120 37% Klurer blauer Himmel 125,0 2.22 | 0,01 GT 936 | AT.IX. 16 | Bio 930 Hellblauer |immelm. weissem 45e 5 | 15 | 1700 m 4 + Dunst à | 250 | 13.x.16 20 350 Klarer blauer Himmel 189,0 DS) nn Mr 5 3, re aan limmen Al 1700 ın #40 | Bat # 21 Schneebedeokter Boden 127 2,0 14 142 1,83 1,66 Samaden Tabelle 33. CO2-Assimilation von Taraxacum officinale auf Muottas Muraigl. 316 2B.VIL 16 du 90 Stark bewölkt. Südwind. 610 05 las 110 | 4,26 155 | 57 | 18001 mi Genilter 2,7. Vor Gewitter où Samaden BL EV 50. m uer Himmel mit vielen | 5 N nee weiss. Wolk. Schneebed. Boul LE) rd hl | 20) Lu, | EN | 409: Muoitss Muraigl Ses 206 16.11 16 Bu ppu Stark bewölkt. Kalter Win 0,6 | | 2,87 193 | 70 2,75 FRE Nora | eo | 2 | a | on ms | oa | ns | 34 22) 455 |am| 2m Sen + RE rue: 0 are 2 lol 0 IE EE OT 9 | 25 6 j 22 \ 135 06m | 217 | 223 faut | 90! 7 16) | ottas Nase Bass = I i (Se ES AI 2900 0 AI 16 30 27° Klarer blauer Himmel | 1400 | 0,5 [13664 68 | 20,0 3110) 24 | 7295 MT | 16 EE Yan! _ | | — tt | - = ? ” er Sn Klarer blauer Winmel mit einz. 6 7. 7 | 09 516 | 27 | 1800 m 210 21.VI1 16 0 18 Wölkchen, Schnecbed, Boden | 142,8 0,4 | 248 | 12,0 2,07 87 | 29 || 297 216 371 | 51 Sumaden nn RB BEE U ER DR Rs SD | : AUTEURS À NAS 4 SS 2 =. = \2 1) | GS Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft | Band XXX Mit 2 Porträts, 6 Tafeln Tabellen und 22 Textfiguren. *1n Basel. Basel Georg & Cie, Verlag 1919 x Verzeichnis der Tafeln. Tafel I—VI (Tabellen) zu Marguerite Henriei: Chlorophyligehalt und Kohlensäure-Assimilation bei Alpen- und Ebenenpflanzen. Porträt zu G. Senn: Prof. Dr. Hermann Vöchting *. Porträt zu Albert Lotz: Prof. Dr. Ludwig Courvoisier T. GEORG & €», Separat-Abdrücke aus den Verlag, Basel. Denkschriften der Schweiz. Naturforschenden Gesellschaft. Bärtschi, Ernst. Das westschweize- rische Mittelland. Versuch einer morphologischen Darstellung,1915, VIII und 157 Seiten, 1 Karte und 19 Textfiguren Fr. 10.— Becker, W. Die Violen der Schweiz, 1910, VIII und 82 Seiten, 4 Tafeln Fr. 6.— Braun, Josias. Die Vegetationsverhält- nisse der Schneestufe in den Rätisch-Lepontischen Alpen. Ein Bild des Pflanzenlebens an seinen äussersten Grenzen, 1913, VIT und 347 Seiten, 4 Tafeln, 1 Isochionen- karte und Textfiguren Fr. 25. — Bretscher, Dr. K. Der Vogelzug im schweizerischen Mittelland in seinem Zusammenhang mit den Witterungsverhältnissen, 1915, 45 Seiten Fr. 4.— Ganz, Ernst. Stratigraphie der mittleren Kreide (Gargasien, Albien) der oberen helvetischen Decken in den nördlichen Schweizeralpen, 1912, VIT und 149 Seiten, 11 Tafeln, 20 Textfisuren und 2 Kartenskizzen Fr. 15.— Gockel, Alb. Luftelektr. Beobachtungen im Mittelland, Jura und Alpen, 1917, 76 Seiten, 9 Textfig. Fr. 6.— Hössiy. Kraniolog. Studien aus Ost- Grönland, 1916, 54 S., 3 Taf. Pr. 6.— Jahrhundertfeier der Schweiz. Natur- forsch. Gesellschaft. Notices histo- riques et Documents réunies par la Commission historique, de la Session annuelle de Geneve (12 au 15 septembre 1915), 1915, VI und 316 Seiten Fr. 15.— Keller, Dr. Conrad. Studien über die Haustiere der Mittelmeer-Inseln. Ein Beitrag zur Lösung der Frage nach der Herkunft dereuropäischen Haustierwelt, 1911, 87 Seiten, 8 Tafelu und 20 Textfiguren Fr. 10.— Keller, Dr. Conrad. Studien über die Haustiere der Kaukasusländer, 1913, 61 Seiten, 8 Tafeln und 21 Textfiguren Fr. 10. — Rikli, Dr. M. Die Arve in der Schweiz. Ein Beitrag zur Waldgeschichte und Waldwirtschaft der Schweizer- alpen, 1909, XL und 455 Seiten, mit einer Arvenkarte der Schweiz, einer Waldkarte von Davos, 19 Spezialkarten, 9 Tafeln und 51 Textbildern. I. Teil: Text. IL. Teil: Tafeln und Karten Fr. 30. — Rollier, Dr. Louis. Revision de la Stratigraphie et de la Tectonique de la Molasse au Nord des Alpes en general et de la Molasse sub- alpine suisse en particulier, 1911, 101 Seiten, 2 Tafeln Fr. 7.— Sarasin, Fritz. Die steinzeitl. Stationen des Birstals zwischen Basel und Delsberg, 1918, 210 Seiten, 32 Tafeln u. 21 Textfiguren Fr. 25.— Schaub, Samuel. Das Gefieder von Rhinochetus jubatus und seine postembryonale Entwicklung, 1914, 120 Seiten, 1 Tafel und 12 Text- figuren Dita (da — Schwerz, Franz. Versuch einer anthro- pologischen Monographie des Kts. Schaffhausen speziell des Klett- gaues. Von der philos. ‚Fakultät Il. Sektion der Universität Zürich mit dem ersten Preise gekrönt, 1910, VIII u. 210 Seiten, 89 Texttig., 1 Karte u. 87 Tabellen Fr. 14, — Tröndle, Arthur. Untersuchungen über die geotropische Reaktionszeit und über die Anwendung variations- statistischer Methoden in der Reiz- physiologie, 1915, 84 Seiten und 2 Texttiguren IM, Vermessungen am Rhonegletscher, 1874 bis1915. 1916, 191 Seiten, 10 Pläne und 26 Textfiguren Fr. 35.— Inhalt. G. Senn. Prof. Dr. Hermann Vôchting H. K. Corning. Prof. Julius Kollmann A. Lotz. Zum Gedächtnis an Professor Dr. Ludwig Courvoisier A. Hagenbaeh. Ein Kessel für Bogen und Funken unter erhöhtem und vermindertem Druck . M. Henriei. Chlorophyligehalt und Kohlensäure-Assimilation bei Alpen- und Ebenen-Pflanzen . F. Zsehokke. Der Rhein als Bahn und als Schranke der Tierverbreitung . EL RE EZ N NE Te N. Lebedinsky und R. Menzel. Experimentelles über die Widerstandsfähigkeit des Batrachierlaiches gegen Aus- trocknung L. Courvoisier +. Ueber Neben- und Zwischenformen bei Lycaeniden E. Banderet. Versuche über drahtlose Telegraphie in den Alpen. era eMee ; H. Ziekendraht. Untersuchungen an einem einfachen Wellenmesser N. Lebedinsky. Geschlechtsdimorphismus und Sexual- selektlon 2 2.00 um A. Buxtorf. Die Lagerungsverhältnisse der Gneissiamelle der Burgruine Splügen (Graubünden) F. Sarasin. Bericht über das Basler Naturhistorische Museum für das Jahr 1918. F. Sarasin. Bericht über das Basler Museum für Völker- kunde türedasJlahn1g9töse. een M. Knapp. Dr. J. M. Zieglersche Kartensammlung. Vier- zigster Bericht 1918 Chronik der Gesellschaft 1918/19 . Jahresrechnung 1918/19 2. Nachtrag zum Mitgliederverzeichnis von 1917 . Seite 36 43 157 2