RESET TTLENN 7, - ..r ze een En ak en aa a Se a alte Sect clase = — mt nun nenn en 7 * < < 2 ee 2 ere Shee nnd RT mn en I nn een m nn ” .. rn un . . . ? : > ts HARVARD UNIVERSITY. LIBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY. “SS — eS mst Sa = dere! BZ AT } { 5 ' ‘ 1 1 y B ‘ _ J » 2 a) = en Fe ; d i LU | ws . ' i x ag ’ E ‘ ch ’ i j E j f a i x } ’ | j [4 / ‘ \ ( 4. : ) i 7 t ’ { s PP a) + i r e Vy . \ j i * \ h 1 J * [ } . : N 5 @ r C\ { a . A * J ' , i 7 ' ‘ a, ' ' i X f ’ - i » ‘ 7 i? LM / [2 j ’ . 4 An N ß ® ye u is Ms A ‘ . x & , ‘ . t \ ” ; m _ 4 . '\ po iy Aer Tene! : SR ge ’ # ¥ Re ei 1272 4 E pee Verhandlungen der auf der awanzigsten und einundzwanzigsten Jahresversammlung _zu Graz, am 19. August 1910 und zu Basel, vom 6. bis 9. Juni 1911 ‚ Im Auftrage der Gesellschaft herausgegeben von Prof. Dr. A. Brauer Schriftführer der Gesellschaft — —- — — nut. Leipzig In Kommission bei Wilhelm Engelmann ‘a8 3 1911 Deutschen Zoologischen Gesellschaft : Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig Bausteine zu einer Theorie der Extremitaten der Wirbeltiere von Carl Rabl I. Teil 35 Bogen 4. Mit 49 Figuren im Text und 11 lithographischen Tafeln Geheftet M. 24.— Zoologisches Praktikum August Schuberg In zwei Bänden I. Band: Einführung in die Technik des Zoologischen Laboratoriums X11Iu.479S. Mit 177 Abbildungen 8. Geheftet M. 11.—. In Leinen geb. M. 12.20, Vorlesungen über vergleichende Anatomie von Otto Bütschli In drei Lieferungen Erste Lieferung: Einleitung, vergleichende Anatomie der Protozoen, Integument und Skelet der Metazoen Prinzipien der rationellen vergleichenden Embryologie Eugen Schultz X und 233 S. 8. M. 4.—, in Leinen gebunden M. 5.— Kataloge und Sonderverzeichnisse meines Verlages stehen unberechnet und postfrei zur Verfügung | | | | ; | ee ee Verhandlungen der Deutschen Zoologischen Gesellschaft auf der awanzigsten und einundzwanzigsten Jahresversammlung zu Graz, am 19. August 1910 und zu Basel, vom 6. bis 9. Juni 1911. Im Auftrage der Gesellschaft herausgegeben von Prof. Dr. A. Brauer Schriftführer der Gesellschaft. Mit einer Tafel und 130 Figuren im Text. Leipzig In Kommission bei Wilhelm Engelmann 1911. : Druck von A. Hopfer, Burg b.M. if \\ IR Verhandlungen der Deutschen Zoologischen Gesellschaft auf der zwanzigsten Jahresversammlung zu Graz, am 19. August 1910. Entsprechend dem Beschluß der 19. Jahresversammlung wurde die 20. nur als eine Geschäftssitzung gleichzeitig mit dem VIII. Inter- nationalen Zoologen-Kongreß in Graz abgehalten. Sie fand am Freitag, den 19. August 1910, um 3 Uhr im Zoologischen Institut unter dem Vorsitz des Herrn Prof. Dr. ZscHokke statt. An ihr nahmen folgende 17 Mitglieder teil: Prof. Dr. Boverı (Würzburg), Prof. Dr. A. Braver (Berlin), Prof. Dr. M. Braun, (Königsberg), Dr. Freunp (Prag), Prof. Dr. Gaupp (Freiburg), Prof. Dr. R. Hrrr- wie (München), Prof. Dr. Hzsse (Berlin), Prof. Dr. KrAFPELIN (Hamburg), Prof. Dr. Lenz (Lübeck), Dr. Nıepex (Berlin), Dr. Scuv- BERG (Gr. Lichterfelde), Dr. Stızes (Washington), Prof. Dr. zur STRASSEN (Frankfurt a. M.), Prof. Dr. VAnHorFFEn (Berlin), Fr. Winter (Frankfurt a. M.), Prof. Dr. WOLTEREcK (Leipzig) und: Prof. Dr. ZscHoxKxr (Basel). Nach einer kurzen Begrüßung durch den Herrn Vorsitzenden verlas der Schriftführer den Geschäftsbericht. Geschäftsbericht. Die 19. Jahresversammlung der Gesellschaft fand vom 1. bis 3. Juni 1909 unter der Leitung des ersten Vorsitzenden des Herrn Hofrat Prof. Dr. von Grarr im Museum der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft in Frankfurt a.M. statt. Anwesend waren 78 Mitglieder und 73 Gäste. Ein Ausflug nach der Saalburg schloß sich der Tagung an. 1* 4 Der Bericht über die Verhandlungen konnte trotz des großen Umfanges von 361. Seiten und 5 Tafeln bereits Anfang Oktober ausgegeben werden. Am 1. Januar 1910 fand in Graz die Wahl des neuen Vorstandes statt. Herr Prof. ZscHokkE wurde zum ersten Vorsitzenden, die Herren Prof. Dr. von GRAFF, HrrTwIıG und Boveri zu stell- vertretenden Vorsitzenden und Prof. Braver zum Schriftführer gewählt. | Die Zahl der Mitglieder betrug bei Ausgabe der Verhandlungen 1909 290 gegen 276 im Jahre 1908. Gestorben sind 8, die Mit- glieder Prof. Dr. ALEXANDER Acassız in Cambridge Mass., Prof. Dr. R. Bercu in Kopenhagen, Geheimer Regierungsrat Prof. Dr. A. DoHrn in Neapel, Prof. Dr. P. Fraısse in Jena, Dr. O. HrrMmES in Berlin, Exzellenz Wirklicher Geheimer Rat Prof Dr. Kinny in Halle und Dr. E. Pxuriurepr in Berlin und das außerordentliche Mitglied Geheimer Kommerzienrat Dr. Gustav FiscHrr in Jena. 6 Mitglieder sind aus der Gesellschaft ausgetreten und 6 neu eingetreten. Die Mitgliederzahl beträgt jetzt 282, 8 weniger als im vorigen Jahr. Am Sarge von Prof. Dr. A. Donrn hat die Gesellschaft durch Herrn Prof. Dr. KoscHerLr einen Kranz niederlegen lassen. Zu dem Tode von Dr. SaLvaToRE Lo Branco hat sie Herrn Prof. Dr. R. DoHrn ihr Beileid ausgesprochen. Am 22. März feierte Herr Geheimer Regierungsrat Prof. Dr. F. E. Schurze in Berlin seinen 70. Geburtstag. Die Gesellschaft überreichte ihm an diesem Tage durch den Schriftführer folgende Adresse: Hochverehrter Herr Geheimrat! Zum Tage der siebzigsten Wiederkehr Ihres Geburtstages bringen wir Ihnen die herzlichsten Glückwünsche und den wärm- sten Dank für das viele, was Sie der Zoologie und unserer Ge- sellschaft geleistet haben, dar. Sie können heute auf eine fast fünfzigjährige wissenschaftliche Arbeit zurückbicken; denn im Jahre 1861 veröffentlichten Sie als stud. med. in Rostock Ihre erste Untersuchung. Durch das Studium der Anatomie des Menschen und unter dem Einflusse Ihres großen Lehrers Max ScHULTZE wurden Sie auf das Gebiet der mikroskopischen und vergleichenden Anatomie geführt und Ihr Interesse der mikroskopischen Tierwelt zugewandt. Schon die genannte erste Arbeit brachte die Entdeckung der d Seitenorgane der Amphibien. Von den vielen späteren mögen nur die Abhandlungen über die becherförmigen Organe der Fische, die cuticularen Bildungen und Verhornungen der Epithelzellen, über die Kiemen und Lungen der Wirbeltiere, Ihre Studien über Rhizo- poden, Cordylophora, Sarsia und Trichoplax genannt sein. Alle diese Arbeiten zeigen den außerordentlich sorgfältigen, gründlichen und sicheren Beobachter, der die Aufgabe bis in die kleinste Einzel- heit zu lösen suchte. Das Gefühl der Sicherheit kam auch in der klaren, abgerundeten Darstellung der Resultate deutlich zum Ausdruck. Die Übersiedelung nach Graz brachte Sie in nähere Beziehung zur Adria und ermöglichte Ihnen die gründliche sechsjährige Durch- forschung des Baues und der Entwicklung der Schwämme. Die Resultate dieser Arbeiten sind in zehn Abhandlungen niedergelegt. Durch diese Untersuchungen wurden die englischen Zoologen ver- anlaßt, Ihnen die Bearbeitung der Challenger-Hexactinelliden an- zuvertrauen. In zehnjähriger Arbeit haben Sie dieses neue und umfangreiche Material meisterhaft bewältigt und neben einer Fülle von neuen Formen eine klare systematische und anatomische Durch- arbeitung der Gruppe gegeben. Die hierbei gewonnenen Kenntnisse konnten Sie weiterhin bei der Bearbeitung der Hexactinelliden der Expeditionen des Investi- gators, der Pola, des Albatroß, der Helgoland, der Valdivia und des Gauß auf das beste verwerten. So können Sie heute wahrlich mit Stolz auf eine reiche und erfolgreiche wissenschaftliche Arbeit zurückblicken, die um so mehr Anerkennung verdient, als Sie in Rostock, Graz und Berlin Ihre Zeit und Kraft auch noch der zum Teil völligen Neueinrichtung von Zoologischen Instituten widmen mußten. | Neben der großen Förderung, welche die Wissenschaft Ihnen _ verdankt, müssen wir noch der Verdienste gedenken, die Sie um unsere Gesellschaft sich erworben haben. Als Mitglied und als Vorsitzender haben Sie erfolgreich für die Gesellschaft gewirkt und an der schwierigen Regelung der internationalen Nomenklatur einen sehr wichtigen und großen Anteil gehabt. Besonders aber müssen wir Ihnen danken, daß das großartige Werk „Das Tierreich“ von unserer Gesellschaft begonnen werden Konnte, indem Sie Ihre Kenntnisse, Kraft und Zeit in den Dienst dieser Arbeit stellten und die Generalredaktion übernahmen. Ihnen haben wir es zu ver- danken, daß die Durchführung des Werkes gesichert wurde, indem Sie es verstanden, die Königlich Preußische Akademie der Wissen- schaften mit ihren reichen Mitteln für dasselbe zu gewinnen. 6 Wir freuen uns, daß wir Ihnen unsern Dank an dem heutigen Ehrentage abstatten und daß Sie ihn in voller Frische und in voller Arbeitskraft entgegennehmen können. Der Vorstand der Deutschen Zoologischen Gesellschaft. Herrn Prof. Dr. Kosrrr wurden zu seinem 70. Geburtstage telegraphisch die Glückwünsche der Gesellschaft übersandt. Beide Herren haben ihren Dank ausgesprochen. Auf die Eingabe, betr. den Schutz der Menschenaffen in Kamerun, welche die Gesellschaft 1908 an das Reichskolonialamt gesandt hatte, ist vom Herrn Staatssekretär des Reichskolonialamtes folgende Anwort vom 22. Juni 1909 eingegangen: An Herrn Professor Dr. L. von GRAFF Vorsitzender der deutschen Zoologischen Gesellschaft Hochwohlgeboren Graz (Steiermark). Der in der Angelegenheit des Erlasses von Schutzbestimmungen für die Anthropoiden, sowie der Schaffung von Wildreservaten und einer zoologischen Tropenstation in Kamerun diesseits zu einer gutachtlichen Äußerung veranlaßte Kaiserliche Gouverneur in Buea hat gewichtige Bedenken gegen allzuweitgehende Maßnahmen zum Schutze der Menschenaffen geltend gemacht. Gorillas und noch mehr Schimpansen sind in einzelnen Landesteilen des süd- lichen Kamerun geradezu eine Landplage, so daß die Eingeborenen verschiedener Gebiete dahin vorstellig geworden sind, das Erlegen von Gorillas seitens der Verwaltung wieder zu gestatten, da sie sonst ihre Farmen nicht betreten könnten. Die Schimpansen sind nach den vorliegenden Meldungen noch so zahlreich, daß an ihre Ausrottung nicht zu denken ist, zumal das Einfuhrverbot von Pulver und Munition seitens der Landes- verwaltung jetzt wirksam durchgeführt wird. Die Verwüstungen, welche diese Tiere in Plantagen und Farmen in kurzer Zeit an- zurichten imstande sind, lassen ein Verbot des Erlegens dieser Affen auch vom politischen Standpunkte aus höchst bedenklich erscheinen, da nichts geeigneter ist, den Eingeborenen die fremde Herrschaft verhaßt zu machen, als derartige ihnen ganz unverständliche und ihre Lebensinteressen schwer schädigende Verbote, die ohne ein gewaltsames Eingreifen gar nicht durchführbar sind. Der Kaiserliche Gouverneur sieht sich daher auf Grund der von ihm persönlich bei seiner letzten Bereisung der Südbezirke 7 Kameruns gemachten Beobachtungen und Feststellungen veranlaßt, von Maßnahmen zum Schutz der Schimpansen dringend abzuraten. Ich kann mich dem Gewicht der von der leitenden Stelle des Schutzgebietes nach dieser Richtung vorgebrachten Gründe nicht verschließen und sehe mich daher veranlaßt, von besonderen Schutz- maßnahmen bezüglich der Schimpansen vorläufig abzusehen. Was die Einrichtung eines Wildreservates für Urwald- und Graslandtiere betrifft, sowie die Einrichtung eines zoologischen Tropengartens mit anschließender wissenschaftlicher Station, so macht der Kaiserliche Gouverneur darauf aufmerksam, daß ein Wildreservat für Urwaldtiere, insbesondere Elefanten, bereits im sogenannten Malimba-Schongebiet durch Verordnung vom 12. Februar 1900 geschaffen ist, und die Einrichtung weiterer Schutzgebiete im $ 2 Abt. 2 der Verordnung, betreffend die Jagd im Schutzgebiete Kamerun vom 4. März 1908 vorgesehen, bislang aber noch nicht in Angriff genommen ist, weil geeignete Vorschläge seitens der Lokalverwaltungsstellen noch nicht eingegangen sind. Ein zusammen- hängendes Reservat für Urwald- und Graslandtiere zu schaffen, ist ganz unmöglich, da gerade große Teile des Übergangsgebietes, im Deng-Deng, Duma zurzeit besonders dicht mit Kaufleuten besetzt sind. Ein Jagdverbot wäre mangels einer Kontrolle un- durchführbar. Das Grasland selbst hat, soweit die Kenntnis der Landesverwaltung geht, nirgends größere unbewohnte Strecken, die sich für ein Wildreservat eignen könnten. Schließlich ist die deutsche Verwaltung in den Grasländern noch lange nicht ge- festigt genug, um ohne Gefahr den Eingeborenen das Jagen einfach untersagen zu können. In einem Land, in dem die Verwaltung eben erst beginnt festen Fuß zu fassen und mit ihren verschieden- artigen Anforderungen auf kulturellem Gebiet überall mit den Anschauungen und Gewohnheiten der Eingeborenen in Widerspruch treten muß, ist es aus politischen Gründen besonders erforderlich, Rücksichten auf die Eingeborenen zu nehmen und auch die wohl- gemeintesten Vorschläge auf ihre Durchführbarkeit hin zu prüfen. Was die Einrichtung eines zoologischen Tropengartens mit anschließender wissenschaftlicher Beobachtungsstation in Kamerun betrifft, so hat der Kaiserliche Gouverneur gegen die Ausführbarkeit derartiger Pläne erhebliche Bedenken geltend gemacht. Die Verhältnisse im Südbezirk von Kamerun, der für die Er- richtung derartiger Stationen allein in Betracht kommen kann, sind zurzeit noch nicht sicher genug, als daß eine solche Station ohne militärischen Schutz bestehen könnte. Die einmaligen Kosten 8 fiir die Griindung und Besetzung einer solchen Station — ganz abge- sehen von den erforderlichen nicht geringen laufenden Kosten — werden auf 150—200000 M. geschätzt und lehnt der Kaiserliche | Gouverneur einen Beitrag aus dem Etat des Schutzgebietes ange- sichts der finanziellen Lage des letzteren von vornherein ab. Er hebt ferner die großen Schwierigkeiten hervor, die für einen jungen, mit den Verhältnissen der Kolonie nicht vertrauten Gelehrten auf einer Station entstehen würden, die naturgemäß von den Europäersiedlungen . und auch von den größeren Siedlungen der Eingebornen entfernt liegen muß. Eine einfache Unterordnung unter die nächstgelegene Lokalverwaltungsstelle würde sehr leicht zu Schwierigkeiten führen, eine völlige Selbständigkeit des Ge- lehrten dagegen ebenfalls viele Unzuträglichkeiten und Reibereien zur Folge haben. Unter diesen Verhältnissen sehe ich mich nicht in der Lage, gegenwärtig den in dem Schreiben vom 4. August v. J. im Auftrag der Deutschen Zoologischen Gesellschaft übermittelten Anträgen, soweit sie über die bereits hinsichtlich der Gorillas erlassenen Schutzbestimmungen hinausgehen, Folge zu leisten. - Die Finanzlage des Reiches und des Schutzgebietes Kamerun gestattet es zurzeit zu meinem Bedauern nicht, eine materielle Unterstützung der auf die Errichtung einer wissenschaftlichen zoologischen Station gerichteten Pläne in Aussicht stellen zu können. gez. DERNBURG. In diesem Jahre hat die Gesellschaft am 30. April folgende Eingabe an den Herrn Reichskanzler abgesandt: Eurer Exellenz erlauben wir uns ganz ergebenst die Bitte zu unterbreiten: Die Zukunft der von dem verstorbenen Dr. Hermes begründeten Zoo- logischen Station in Rovigno sichern zu wollen, indem sie vom Reich erworben wird, oder, falls dieses nicht möglich sein sollte, ihr die bisherige finanzielle Unterstützung weiter gewährt und dem Besitzer die Pflicht auferlegt wird, den deutschen Zoologen, Botanikern, Anatomen und Physiologen wissenschaftliches Arbeiten an der Station ferner zu ermöglichen. Wenn auch bereits in der biologischen Anstalt Preußens auf Helgoland und in der großartigen Schöpfung des verstorbenen Prof. Dr. Donrn in Neapel gute Arbeitsstätten für Erforschung der Meeresfauna und -flora vorhanden sind, so hat doch die große Zahl der Forscher, die jedes Jahr an der Station Rovigno zu ihrer 9 eigenen Ausbildung wie zum Lösen von wissenschaftlichen Aufgaben gearbeitet haben, gezeigt, wie wichtig sie fiir die biologische Forschung geworden ist. Die giinstige Lage an einer ruhigen Bucht, die jederzeit ein reiches Material dem Forscher bietet, die genügende Zahl von Fahrzeugen jeder Art, die Möglichkeit für den Forscher, die Tiere sich selbst zu sammeln und ihre Biologie auch im freien Meere zu beobachten, die Verschiedenheit der Fauna der Adria von der des Golfes von Neapel und endlich die leichte Erreichbarkeit und die billigen und angenehmen Unterkunftsverhältnisse in der Station selbst — das sind Vorzüge, die die Station von Rovigno vor den andern beiden auszeichnet. Die Leistungsfähigkeit der Station könnte unserer Ansicht nach aber noch weiter erhöht werden, wenn man dem Leiter die Pflicht auferlegen würde, lebendes und konserviertes Material, soweit es zum Unterricht nötig ist, kostenlos den deutschen Uni- versitäten zu liefern und weiter in den Universitätsferien März bis April Kurse über die Meeresfauna und -flora, ihre Zusammensetzung, Lebensbedingungen, Lebensweisen, über Fang- und Konservierungs- methoden usw. für jüngere Biologen, Geographen u. a. abzuhalten. Der Vorstand der Deutschen Zoologischen Gesellschaft. Die Eingabe hat leider folgende Antwort vom 17. Juni 1910 erhalten: | ‘ Dem Vorstande beehre ich mich auf die an den Herrn Reichs- kanzler gerichtete Eingabe vom 30. April 1910 zu erwidern, daß ein reichsseitiger Erwerb der Zoologischen Station in Rovigno nicht in Aussicht genommen ist. Ob und inwieweit eine Unter- stützung des Unternehmens durch einen Beitrag des Reichs fernerhin erfolgen kann, muß von der alljährlichen Prüfung der Verhältnisse abhängig gemacht werden. Der Staatssekretär gez.: WERMUTH. An den Vorstand der Deutschen Zoologischen Gesellschaft, z. H. des 1. Vorsitzenden Herrn Professor Dr. ZscHoKKE Hochwohlgeboren in Basel. 10 Darauf ist eine ähnliche Eingabe an das preußische Kultus- ministerium abgeschickt worden. Eine Antwort ist noch nicht eingegangen. Der Rechenschaftsbericht schließt in folgender Weise ab: Einnahmen 3345,15 M Ausgaben 3045,25 „ Kassenvorrat 299,90 M Hierzu kommen: Ausstehende Mitgliederbeiträge 650,— ,, Wertpapiere (Deutsche Reichsanleihe) 11600,— ,, Also Gesamtvermögen 12549,90 M. Die hohen Ausgaben sind in erster Linie durch die großen Herstellungskosten der Verhandlungen veranlaßt, welche nicht weniger als 2343,90 M betragen haben. Ich bitte den Bericht durch zwei Revisoren prüfen zu lassen und mir Entlastung erteilen zu wollen. Der Bericht wurde angenommen und dem Schriftführer nach Prüfung des Rechenschaftsberichts durch die zu Revisoren ernannten Herren Prof. Dr. Hrsse und F. Winter Entlastung erteilt. Auf Antrag des Vorstandes wird beschlossen, die Vereinbarung mit der Verlagsbuchhandlung W. Engelmann in Leipzig betr. die Herausgabe der Verhandlungen aufzulösen, den Druck selbst in die Hand zu nehmen, den Vertrieb gegen einen Gewinnanteil von 50°/, des Verkaufspreises der Firma W. Engelmann in Leipzig zu übergeben, den Verkaufspreis aber selbst festzusetzen. Der letztere soll nur die Herstellungskosten decken. Der Druck soll vorläufig der Buchdruckerei Hopfer in Burg bei Magdeburg unter den von dieser mitgeteilten Bedingungen übertragen werden. Der Antrag des Vorstandes, den diesjährigen Jahresbericht noch im nächsten Jahr mit den Verhandlungen der 21. Jahres- versammlung erscheinen zu lassen, wird angenommen. Entsprechend seinem Antrag wird Herr Prof. Dr. KrAEPELIN ermächtigt, in der Kommission zur Neugestaltung des biologischen Schulunterrichts zu erklären, daß die Gesellschaft bereit sei, sich an den Kosten der Stelle eines Sekretärs zur Entlastung des Vorstandes der Kommission mit einem Beitrag bis zu 200 M zu beteiligen. Herr Prof. Dr. Hesse beantragt: „Der Vorstand der D. Z. G. wird ersucht, Erhebungen darüber anzustellen, in welcher Weise HY das Literaturverzeichnis des Zoolog. Anzeigers (Bibliotheca zoologica) zweckentsprechender gestaltet werden kann und der Versammlung in Basel entsprechende Vorschläge zu unterbreiten.“ Der Antrag wird angenommen. Auf Antrag von Herrn Dr. FreLp wird beschlossen, auf die Verlagsbuchhandlung Engelmann in Leipzig einzuwirken, die Heraus- gabe der gedruckten Bogen der Bibliotheca zoologica schneller zu fördern, - wodurch viele Mißstände der Bibl. zool. verschwinden würden, auf Antrag von Herrn Prof. Dr. ScHuBers vorher sich aber mit Herrn Prof. Dr. KorscHeur in Verbindung zu setzen. TE Verhandlungen der Deutschen Zoologischen Gesellschaft auf der einundzwanzigsten Jahresversammlung zu Basel, vom 6. bis 9, Juni 1911. Anweseitle. Vorstand: Prof. Zschokk£ (Vorsitzender), Prof. v.. GRAFF, Prof. Bovzrı (stellvertretende Vorsitzende), Prof. Braver (Schrift- führer). Mitglieder: Prof. Aurrpacs (Karlsruhe), Dr. Bauss (München), Dr. Becker (Gießen), Prof. BressLau (Straßburg), Prof. BürschLı, (Heidelberg), Dr. von BurreL-Rerrrn (Oldenburg), Prof. CHun (Leipzig), Dr. Demo (Gießen), Prof. DöDErLEIN (Straßburg), Prof. Dorteıs (München), Prof. Euters (Göttingen), Dr. R. ERDMANN (Berlin), Dr. Eraarp (München), Dr. Grruarpt (Breslau), Prof. GoETTE (Straßburg), Prof. Gonpscamipt (München), Dr. GONDER (Frankfurt a. M.), Prof. Harcker (Halle), Dr. Cr. HAMBURGER (Heidelberg), Dr. Harms (Marburg), Dr. Harrmryrr (Berlin), Prof. Hesse (Berlin), Dr. Hınger (Essen), Dr. Horrmann (Basel), Dr.. W. E. Hoyız (Cardiff), Prof. Janson (Cöln), Dr. Jarsa (Halle), Dr. Jornos (München), Dr. Jorpan (Tübingen), Dr. KauvrzscH (Würzburg), Prof. KLunzisnGer (Stuttgart), Dr. Krüger (München), Dr. Ktun (Freiburg i. Br.), Dr. Kurryer (Berlin), Prof. LaAmPErT (Stuttgart), Dr. Leiser (Freiburg i. Br.), Prof. Lisr (Darmstadt), Prof. Maas (München), Dr. Fra. von Matsen (Malseneck), Dr. Merron (Heidelberg), Dr. PArpexHeım (Berlin), Dr. Prerı (Marburg), Prof. Raumpier (Münden), Dr. P. Sarasty (Basel), Dr. ScHLEIP (Freiburg), Dr. von ScHuckMmAnN (Heidelberg), Dr. M. DE SELYS LonecHamps (Brüssel), Prof. Sımkork (Leipzig), Prof. SPEMANN (Rostock), Prof. Spensen (Gießen), Dr. Steısmann (Basel), Prof. STEUER (Innsbruck), Prof. zur Strassen (Frankfurt a. M.), Dr. STROHL (Zürich), Prof. Sruprr (Bern), Dr. Trıcamann (Frankfurt a. M.), 13 Prof. VAnHörren (Berlin), Dr. VersLuys (Gießen), Dr. Voss (Göttingen), Dr. Weser (Cassel), F. W. Winter (Frankfurt a. M.), Dr. Wour (Frankfurt a.M.), Prof. WoLTEREcK (Leipzig), Prof. ZIEGLER (Stuttgart). Gäste: cand. BıeLer (Basel), cand. Bıschorr (Basel), Dr. BoLvinGer (Basel), cand. BornHAUsEn (Basel), Frau Prof. BressLau (Straßburg), Prof. Buanion (Lausanne), Dr. Carn (Genf), Prof. Cornina (Basel), stud. Curistensen (Freiburg 1. Br.), Prof. DuErsr (Bern), Dr. FELBErR (Sissach), Prof. A. Fischer (Basel), Prof. Fischer (Freiburg), Frau Dr. Franz (Frankfurt a. M.), Prof. Furter (Basel), Frau Prof. GoLpscHhmipr (München), Dr. GrUBER (München), cand. HasereoscH (Basel), stud. Hırsck (Tübingen), Dr. Hırraz (Bruchsal), Oberleutnant a. D. cand. Hurs (Berlin), K. Kurnız (Stuttgart), Dr. Leursarpr (Liestal), Regierungsrat Maneotp (Basel), Prof. Merzner (Basel), cand. Mexzer (Basel), stud. L. v. Mirsac# (Tübingen), stud. Morzzisch (Freiburg 1. Br.), Dr. Revırııon (Basel), Prof. Senn (Basel), Dr. Sreauın (Basel), Dr. Srineeruın (Olten), Dr. v. Usısch (Würzburg), stud. H. v. Voss (Freiburg i. Br.), Dr. Warrer (Basel), Prof. G. Wourr (Basel), Frau Prof. Zscuorkz (Basel). Tagesordnung, zugleich eine Übersicht über den Verlauf der Versammlung. Montag, den 5. Juni, 5'/, Uhr: Vorstandssitzung. 8 Uhr: Begrüßung und gesellige Zusammenkunft der Teil- nehmer im Saal der Rebleutenzunft, Freiestraße 50. Dienstag, den 6. Juni, 9—12'/, Uhr: Erste Sitzung. 1. Eröffnung der Versammlung durch den Herrn Vorsitzenden. 2. Begrüßung durch Herrn Regierungsrat Dr. MAncorp im Namen des Staates und der städtischen Behörden von Basel. 3. Begrüßung durch den Dekan der Philosophischen Fakultät, Herrn Prof. Dr. Furrer im Namen der Universität. 4. Geschäftsbericht des Schriftführers. 5. Wahl der Revisoren. 6. Geschäftliche Mitteilungen. 7. Referat von Herrn Prof. Torsmr (Berlin): Uber die Art, wie äußere Einflüsse den Aufbau des Tieres abändern. 8. Vorträge. Nachmittags 3—5 Uhr: Zweite Sitzung. 1. Vorträge und Demonstrationen. 2. 5—6'/, Uhr: Dampfschiffahrt auf dem Rhein, dargeboten von der Regierung des Kantons Basel-Stadt. 3. Nachher: Gesellige Vereinigung im Schützenhaus. 14 Mittwoch, den 7. Juni, 8'/,—12", Uhr: Dritte Sitzung. 1. Geschaftliche Mitteilungen. 2. Bericht des Herausgebers des „Tierreichs“, Herrn Prof. F. E. Scavsze (Berlin). 3. Bericht des Delegierten der D. Zoolog. Ges., Herrn Prof. Dr. Krarpeuı, über die Tätigkeit des deutschen Ausschusses für den mathematischen und naturwissenschaftlichen Unter- richt im Jahre 1910. 4. Wahl des nächsten Versammlungsortes. . Provisorische Vorstandswahl. 6. Beratung über Vorschläge betr. zweckentsprechendere Ge- "staltung des Literaturverzeichnisses des Zoologischen An- zeigers. 7. Vorträge. Nachmittags, 3—5*/, Uhr: Vierte Sitzung. R Vorträge und Demonstrationen. 2. 51/, Uhr: Besuch des Zoologischen Gartens. 3. Abends: Gesellige Vereinigung bei Herrn Dr. Horrmann. Donnerstag, den 8. Juni, 9—12'/, Uhr: Fünfte Sitzung. 1. Geschäftliche Mitteilungen. 2. Bericht der Rechnungsrevisoren. 3. Antrag des Vorstandes, 500 M für die A. Dohrn-Stiftung zu verwenden. 4. Vorträge. 5. 121/, Uhr: Besichtigung der Sammlungen des Museums. Nachmittags 5!/, Uhr: Gemeinschaftliches Mittagessen im Sommerkasino. Freitag, den 9. Juni: Ausflug nach der Frohburg und Aarau. Die Sitzungen wurden in der Aula des Museums abgehalten. Or Erste Sitzung. Dienstag, den 6. Juni, 9—121/, Uhr. Der Vorsitzende, Herr Prof. Zscuoxxn, eröffnete die Sitzung mit folgender Ansprache: Sehr geehrter Herr Regierungsrat! Hochgeehrte Herren Kollegen! Mein erstes Wort mag- für Sie ein herzlicher Willkommens- gruß sein auf Schweizerboden und in unserer alten Rheinstadt. Es ist uns eine aufrichtige Freude, daß Sie die weite Reise nach Basel nicht gescheut haben. Wir dürfen zahlreiche Freunde und 15 Fachgenossen aus allen Teilen Deutschlands begrüßen, und zu ihnen gesellt sich mancher Kollege aus dem weiteren Ausland, zum er- neuten Zeichen, daß auch unsere Wissenschaft Völker verbindet und die Welt umspannt. Sie tagen heute außerhalb der politischen Grenzen des Deutschen Reichs, beinahe in der Südwestecke des deutschen Sprachgebiets, auf allemannischem Boden jedoch und in einer Stadt, deren ganze wissenschaftliche Entwicklung trotz allem besonderen Gepräge ein großes Stück deutscher Geistesarbeit bedeutet. Von Basels Eigenart in geistigen Dingen spricht Ihnen deutlich genug die Stätte Ihrer Tagung. Kunst, Naturwissenschaft und Ethnographie bewohnen einträchtig dasselbe Gebäude. Die Wände des Treppenhauses schmückte der farbenfrohe und phantasievolle Pinsel Böcklins; das Erdgeschoß und erste Stockwerk füllen die Sammlungen, die der Fleiß und die Aufopferung bedeutender Natur- forscher und erfolgreicher Reisender zusammengebracht und geordnet haben, und zu oberst herrscht die Kunst des Mittelalters und der Neuzeit mit den Gemälden von Holbein bis auf Segantini, den großen Schilderer der Alpenwelt. Von den Wänden dieses Raumes aber blicken Sie die Bilder der Rektoren der Hochschule und der Vorsteher der Kirche an, etwas verwundert vielleicht, etwas steif scheinbar und zugeknöpit. Doch sehr bald, verehrte Herren Kollegen, so hoffen wir, werden Sie sich in dieser Basler Gesellschaft, die das solid bürgerliche Element verkörpert, wohl fühlen und entdecken, daß unter diesen Perücken ein warmes Herz schlägt für jede geistige Arbeit und für jede Wissenschaft, und daß im Stillen und für die große Menge unbemerkbar die Hand sich öffnet zu reichen Gaben. Und wenn Sie heute nachmittag das Dampfboot rheinaufwärts trägt, wird Ihnen die Bedeutung Basels noch in anderem Bild entgegentreten. Aus dem Fluß steigen alte Patrizierhäuser; über die gewölbten Brücken aber flutet geschäftig der hastende Strom des modernen Lebens und Treibens. Dem Bürgersinn, der Fähigkeit, dem Gemeinwesen freiwillige Opfer zu bringen, verdankt Basel seinen Ruhm als alte Kultur- stätte. In diesen Boden fiel vor 450 Jahren, zur Zeit des Humanismus, das Samenkorn, aus dem die Universität emporwuchs; und Auf- opferung der hochsinnigen Bürgerschaft hat den oft vom Sturm bedrohten Baum der Hochschule immer wieder geschützt und ge- rettet. In den engen Grenzen eines Stadtbezirks suchten bescheidene Mittel stets Namhaftes zu leisten. 16 Auch die Naturwissenschaft durfte sich verständnisvoller Pflege erfreuen. Dafür sprechen die Namen der Euler, Bernoulli, Schön- bein und Merian. | Hier wirkte in neuer Zeit auf dem Gebiete der Zoologie und vergleichenden Anatomie in fast vierzigjähriger nie ermüdender Tätigkeit Ludwig Rütimeyer, ein Mann von reichstem und origi- nellstem Gepräge, von erstaunlicher Arbeitskraft und von tiefstem Wissen weit hinaus über die Grenzen seiner Disziplin. Im Jahre 1855 trat Rütimeyer als Dreißigjähriger die neugeschaffene Basier Professur an. Die folgenden vier Jahrzehnte bedeuteten für ihn | eine ununterbrochene Arbeit als Lehrer, der die Jugend mit über- zeugungsvoller Wärme hinzureißen verstand, und als gedankenvoller | Forscher. Seine Veröffentlichungen über die Geschichte der Säuge- tierstämme stellen auf ein gewaltiges Material gegründete Monumente — dar für die allmähliche Umwandlung tierischer Formen im Sinne der Deszendenztheorie. | In Basel entstanden auch die Arbeiten Rudolf Burckhardts. Sie beherrschen mit gründlichster Sachkenntnis vor allem das schwierige Gebiet der Morphologie des zentralen Nervensystems der Vertebraten und bebauen erfolgreich das mit Unrecht etwas verlassene Feld der Geschichte unserer Wissenschaft. Auch das Baseler Museum und das gemeinnützige Bildungs- institut des zoologischen Gartens sprechen vernehmlich genug von geistiger und materieller Freigebigkeit im Dienste der Wissenseuaft _ und der Vaterstadt. Der freiwilligen Aufopferung in der Ver- waltung und Mehrung der Sammlungen verdanken beide Anstalten — ihre Blüte. en Im Rückstand dagegen befindet sich das zoologische Institut der Universität. Mit seiner rasch aufblühenden innern Entwicklung vermochte die äußere Ausgestaltung nicht Schritt zu halten. Die engen, ungenügend eingerichteten Räumlichkeiten laden zur Be- sichtigung nicht ein. Doch künden sich die Vorboten besserer Zeiten an, und die umsichtige Fürsorge der Erziehungsbehörden | bürgt für eine bevorstehende zweckentsprechende Umgestaltung | des Heims der zoologischen Anstalt. ty Vor allem aber fehlt die Hauptsache nicht, der wissenschaft- | liche Sinn und der Arbeitseifer der heranwachsenden Generation. | Mit stolzer Freude begrüße ich Sie, geehrte Herren Kollegen, in- | mitten einer aufstrebenden Schule junger Zoologen, voll freudiger | Versprechungen und hingebender Begeisterung, Von dem mächtigen | mit Blüten und Früchten bedeckten Baum der wissenschaftlichen | 17 Zoologie, dessen Lebensfülle uns noch jüngst der Grazer Kongreb schauen ließ, blüht auch in Basel ein Zweig. Es mag begreiflich erscheinen, daß die hiesigen Zoologen die Gegenstände ihres Studiums der nächsten Heimat entnehmen. Denn reich gliedert sich die Umgebung; eine wechselvolle Geschichte liegt hinter ihr, und von den mannigfaltigen Zügen der Landschaft und von ihrem Schicksal im Lauf: geologischer Zeiträume erzählt eine bunt zusammengewürfelte Tierwelt. Den Zusammenhang zu entschleiern zwischen erdgeschichtlicher Ursache und faunistischer Wirkung heißt in letzter Linie das Ziel zahlreicher, aus der Basler Anstalt hervorgegangener Arbeiten. Für diese Bestrebungen mag auch eine bescheidene literarische Gabe zeugen, ein kleines Lebenszeichen, das Ihnen, sehr geehrte Herren Kollegen, die zoologische Anstalt der Universität Basel heute überreichen möchte und um dessen freundliche Aufnahme sie bittet. Dies, verehrte Herren, ist der Boden, auf dem Sie tagen und auf dem ich Sie im Namen der Schweizer Zoologen, besonders aber der Basler Kollegen, herzlich willkommen heiße. Lassen Sie mich dabei auch unseren gemeinsamen Freund Herrn Dr. F. Sarasın nennen. Vom fernen Neukaledonien wird er uns heute im Geiste seinen Gruß senden. | ;, Auf dem Basler Boden aber mag zweierlei bleibender Gewinn für “Sie gedeihen: reiche wissenschaftliche Anregung und frohe Ge- selligkeit. Durch persönlichen Verkehr zwischen Vertretern der verschiedensten Zweige unserer schönen Wissenschaft, zwischen Alt und Jung, zwischen räumlich Getrennten, mag unsere Ver- sammlung Zeit und Raum überbrücken. Dies sind meine Wünsche. Mit diesen Worten, aus denen vor allem die Freude herausklingen mag über Ihren Besuch, heiße ich Sie in der Schweizerstadt am Rhein herzlich willkommen und er- kläre zugleich die 21. Jahresversammlung der Deutschen Zoologischen (sesellschaft als eröffnet. Hierauf begrüßte Herr Regierungsrat Dr. Fr. Maneoup die Versammlung im Namen des Staates und der städtischen Behörden und der Dekan der Philosophischen Fakultät, Herr Prof. Dr, R. Furrez, im Namen der Universität von Basel. Die Herren Prof. R. Herrwie (München), Lane (Zürich), _F. E. Scaurze (Berlin) und Weısmann (Freiburg) sandten Grüße; ihnen wurde telegraphisch gedankt. Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1911. 2 18 Alsdann erfolgte der Geschaftsbericht des Schriftfiihrers. Entsprechend dem Beschluß der 19. Jahresversammlung wurde die 20. nur als Geschäftssitzung gleichzeitig mit dem 8. Internationalen Zoologenkongreß in Graz abgehalten. Sie fand am Freitag, den 19. August 1910 um 3 Uhr im Zoologischen Institut unter dem Vorsitz des Herrn Prof. Dr. Zscuoxxe statt. An ihr nahmen 17 Mitglieder teil. Die Zahl der Mitglieder betrug 1910 282 gegen 290 im Jahre 1909. Gestorben sind die 6 ordentlichen Mitglieder: Prof. Dr. Börreer in Frankfurt a. M., Prof. Dr. von Minrenteau in Berlin, Prof. Dr. A. B. Meyer in Berlin, Dr. R. Srreirr in Riga, R. Vor« in Hamburg und Privatdozent Dr. Henniyes in Karlsruhe. Es sind 12 Mitglieder ausgetreten, 17 ordentliche und 1 außerordentliches neu aufgenommen. Die Mitgliederzahl beträgt jetzt 278 ordentliche und 4 außerordentliche, zusammen 282, ist also dieselbe wie im vorigen Jahre. | Am 31. Dezember 1910 feierte Herr Prof. Dr. Gorrrz in Strab- burg seinen siebzigsten Geburtstag; die Gesellschaft überreichte ihm an diesem Tage durch den Herrn Vorsitzenden Prof. Dr. ZscHokke. folgende Adresse: Hochverehrter Herr Kollege! Wenn auch der siebzigste Geburtstag in erster Linie ein Familien- fest ist, so hält es die Deutsche Zoologische Gesellschaft doch für ihre Pflicht, ebenfalls unter den Gratulanten zu erscheinen und die Gelegenheit zu benutzen, Ihnen für Ihre große und erfolgreiche wissenschaftliche Arbeit und für Ihre eifrige Teilnahme an unserer Gesellschaft, zu deren Gründern Sie zählen, zu danken. Vor 50 Jahren, als durch Darwin’s großes Werk die neue, glän- zende Periode der biologischen Wissenschaften begann, haben Sie Ihr Studium in Dorpat angefangen. Sie hatten zwar die Medizin als Ihr Fach gewählt, aber nichts lehrt deutlicher, wohin Ihre Neigung ging, als daß Ihre erste Arbeit, die Sie schon als Student begonnen haben, einem embryologischen Problem, der Entwicklung des Hühnchens galt. Auch fernerhin sind Sie diesem Zweige unserer Wissenschaft, dem durch Darwın’s Theorien ein so weites und fruchtbares Arbeitsfeld eröffnet war, treu geblieben. Während von vielen Seiten die vergleichende Anatomie in den Vordergrund gestellt wurde, war Ihr Bestreben darauf gerichtet, ähnlich wie es von Ihrem großen Landsmanne C. E. von Bazr 19 geschehen war, durch das Studium der Entwicklung die Basis zu schaffen, auf der die verwandtschaftliche Stellung der Tiere begriindet werden konnte. Im Mittelpunkte Ihrer Arbeiten steht Ihre „Entwicklungs- geschichte der Unke“. Dieses Werk wird immer als cine Großtat auf dem Gebiete der Wirbeltierembryologie gelten. Unbeeinflußt von irgendeinem Lehrer, mit unermüdlichem Fleiß, mit scharfer Kritik und Beobachtungsgabe haben Sie in sechsjähriger Arbeit in Tübingen in aller Stille die Riesenaufgabe, die ganze Entwicklung eines Wirbeltieres vom Ei bis zum fertigen Tier zu erforschen, gelöst und unsere Kenntnis der Wirbeltierembryologie, besonders der Organogenese in außerordentlich reicher Weise gefördert. In Ihren späteren Arbeiten haben Sie den hier gewonnenen Resultaten und Schlüssen durch die Untersuchung fast aller anderen Wirbeltier- klassen eine breitere Basis zu geben versucht und in bezug auf die Entwicklung und den Bau der Keimblätter, des Zentralnerven- systems, des Skelettsystems, des Hautskeletts, der Respirations- organe u. a. in wertvollster Weise unsere Anschauungen erweitert und berichtigt. Aber Sie sind nicht nur bei den Wirbeltieren stehen geblieben, sondern haben auch eine große Anzahl von Wirbellosen, so die Schwämme, Cnidarier, Würmer, Mollusken und Echinodermen in den Kreis Ihrer Untersuchungen gezogen. Von den vielen hier gewonnenen Resultaten möge nur die von Ihnen begründete, heute allgemein angenommene Unterscheidung der Hydrozoen und Scyphozoen hervorgehoben werden. So dürfen Sie heute mit berechtigtem Stolz auf Ihre Arbeit zurückblicken und den Dank der Wissenschaft entgegennehmen. Möge es Ihnen vergönnt sein, noch lange in gleicher Frische, in der wir Sie heute begrüßen dürfen, zum Besten der Wissenschaft und zur Freude Ihrer Kollegen zu wirken! | Der Vorstand der Deutschen Zoologischen Gesellschaft. Herr Prof. Dr. Gorrre hat dafür in folgendem Schreiben an den Vorstand gedankt: Die hervorragende Ehrung, womit der Vorstand der Deutschen Zoologischen Gesellschaft mich an meinem siebzigsten Geburtstage überraschte, indem er mir durch den zeitigen Vorsitzenden eine in den schmeichelhaftesten Ausdrücken abgefaßte und prächtig aus- gestattete Adresse überreichen ließ, verpflichtet mich zu herzlichem und lebhaftem Dank. Allerdings erheben Sie, hochverehrte Herrn Kollegen, meine Verdienste über das gebührende Maß, wenn es 9* 20. überhaupt ein Verdienst ist, das zu leisten, wozu uns Neigung und Begeisterung für unsere herrliche Wissenschaft treibt; immerhin bleibt mir die hohe Genugtuung, von so hervorragenden Fachgenossen ausgesprochen zu hören, daß meine Lebensarbeit nicht erfolglos war. Die Freude, die Sie mir dadurch bereiteten, wird mir bis zum Endo meiner Tage gegenwärtig bleiben. Ihr dankbarer Kollege (gez.) Prof. Dr. Gorrrs. Der Firma Teubner in Leipzig wurde zu ihrer Hundertjahr- feier, zu der der Vorstand der Gesellschaft eingeladen war, ein Glückwunschtelegramm übersandt. Die Firma hat hierfür gedankt. Entsprechend den Anträgen von Dr. Fıerpo und Scuusere aut der letzten Jahresversammlung hat sich der Vorstand mit Herrn Prof. Dr. Korscaeur in Verbindung gesetzt, um mit ihm über etwaige Schritte zum Zweck einer rascheren Herausgabe der bereits gedruckten Bogen der Bibl. Zoolog. durch die Firma Engelmann sich zu verständigen. Den Bemühungen von Herrn Prof. Dr. Korschaeur ist es gelungen, eine raschere Herausgabe zu veranlassen. Es sei ihm auch hier bestens gedankt. Im Januar dieses Jahres wurde seitens des ee ee Ko- mitees zur Begründung eines Anton-Dohrn-Denkmals und einer Anton- Dohrn-Stiftung der Vorstand zum deutschen Subkomitee in dieser Angelegenheit ernannt. Er hat in Verbindung mit der Anatomischen, Deutschen Physiologischen und Deutschen Botanischen Gesellschaft sowie mit fast sämtlichen ordentlichen Professoren der Zoologie, Anatomie, Physiologie und Botanik an den deutschen Universitäten und Direktoren von Museen und anderen Anstalten und einigen hervorragenden Freunden von Anron Dora einen Aufruf in etwa 1000 Exemplaren übersandt. Über den Erfolg kann erst im nächsten Jahre berichtet werden. | Der Rechenschaftsbericht schließt in folgender Weise ab: Einnahmen 2932,49 M Ausgaben 1184,89 „ Kassenvorrat 1747,60 M Hierzu kommen: Ausstehende Mitgliederbeiträge 460,— ,, Wertpapiere (Deutsche Reichs- anleihe) 11600,— „ Also Gesamtvermögen — 3807.00 .M Ich bitte, den Bericht durch zwei Revisoren prüfen zu lassen und mir Entlastung erteilen zu wollen. 21 Zu Revisoren wurden die Herren Prof. Vannorren (Berlin) und Prof. Zmwerer (Stuttgart) gewählt. Es folgte das Referat des Herrn Prof. Dr. Gustav Tornrer (Berlin): | Über die Art, wie äußere Einflüsse den Aufbau des Tieres abändern). Als von dem hochgeehrten Vorstand der Deutschen Zoologischen Gesellschaft dem Vortragenden gütigst die ehrenvolle Aufgabe gestellt wurde, über ein selbstgewähltes Thema der sogenannten experimen- tellen Biotechnik oder Entwicklungsmechanik zu berichten, wofür ihm hiermit zugleich herzlich Dank gesagt wird, da wurde das Thema — wegen einer Art Rückendeckung für den Vortragenden — so gestellt, daß eine Doppelbehandlung desselben möglich war, indem ihm nämlich die Überschrift gegeben wurde: Über die Art, wie äußere Einflüsse den Aufbau des Tieres abändern. Denn ein der- artiges Thema kann entweder rein morphologisch genommen werden und lautet also alsdann: „Welche Formveränderungen als solche entstehen bei der Abänderung der normalen äußeren Lebens- bedingungen im Aufbau des Versuchstieres“; aber es enthält auch die wesentlich höher stehende Frage: Wie entstehen physiologisch jene Formveränderungen der Tiere, welche unter dem Einfluß ab- geänderter äußerer Existenzbedingungen auftreten? Die rein mor- phologische Behandlung der Frage war nämlich ganz sicher möglich, die physiologische dagegen noch recht sehr zweifelhaft; es soll indes der Versuch gemacht werden gerade sie heute durchzuführen. Abschnitt I. Einfluß der Abänderung von Außenfaktoren auf das unbefruchtete Ei. Das morphologische Hauptergebnis dieser Experimente war das Eintreten der künstlichen oder Zwangsparthenogenese an 1) Anm.: Dieser Vortrag soll und kann kein durchaus lückenloses Referat über das dafür gewählte Thema sein, dazu war in einem Vortrag ohnehin keine Zeit; sondern er soll nur einen Überblick über das Wesentlichste bieten, das auf diesem Gebiet bisher geleistet worden ist, und’ diesen Zweck dürfte es auch er-: füllen. Der Vortragende aber beabsichtigt ferner, schon in nächster Zeit Aus- führliches über denselben Gegenstand zu veröffentlichen. — Die Zeichnungen in diesem Vortrag ferner sind, soweit sie nicht anderen Werken entnommen wurden, ganz genaue Umrißzeichnungen nach vorhandenen Objekten, und nur dann schematische Figuren, wenn es ausdrücklich im Text Erwähnung findet. Angefertigt außerdem sind sie zumeist durch Herrn Paul Flanderky (Pankow bei Berlin). 22 solchen unbefruchteten Eiern, die zu ihrer normalen Embryonal- entwicklung der Befruchtung durch artgleichen Samen bediirfen. Die Literatur auf diesem Gebiet ist ungemein reich. Etwa 50 Forscher haben sich daran beteiligt mit annähernd 200 Arbeiten. Darunter vor allem: Arıova, E. Bararuioy, A. Berit, A. M. Borme, Bracuer, G. Burror, Enwiy G. Coxkum, Driesch, Yves Detacz, M. Fischer, E. GopLewskt gun., R. W. Heener, Hennecuy, Curr Herest, Ricnarp und Oscar Herrwic, GEoRGE Lerevee, J. Huyrer, F. R. Loum, Jacques Lors, E. Lyon, B. Konopaxa, Kosranzcx1, A. Marrnews, T. H. Moreay, Mosxowsx1, H. Netson, Newron Harvey, Payne, RoxpeAv, Jonn W. Scorr, Tichommorr, C. Vienrer, A. Wassruer, E. B. Witsox, und dann rein morphologisch ordnend und sichtend Korscuett, Hemer und PRZBRAM. Als beliebtestes Material dienten die Eier der Seeigel Strom: gylocentrotus, Echinus und Arbacia, die des Seesterns Asterias, dann die der Anneliden Amphitrite, Thalassema, Ophelia, Polynoe, Chatopterus, die der Molluske Mactra; dann Lampreteneier, sowie die verschiedener Froscharten. Auch sind in jiingster Zeit noch durch A. Beruısı (sowie früher durch Barrurra) Versuche und Beobach- tungen an den Eiern von Haushuhn und Pfau angestellt worden. Die bei diesen Versuchen erfolgreich angewandten Mittel sind so zahlreich, daß nach Loxs verschiedene Autoren, insbesondere Derace, geäußert haben, daß „jeder Reiz das Ei zur Entwicklung bringt“, was dann Lozs dahin abänderte, daß alles, was in letzter Instanz Zellverfall veranlassen kann, in geeigneter Form verwandt zur Hervorrufung von Zwangsparthenogenese geeignet ist. Gruppieren aber lassen sich die verwandten Mittel in folgender Weise: Einfaches Liegenlassen des unbefruchteten Eies unter sonst | normalen Außenbedingungen; Schütteln und Drücken sowie Zentri- fugieren desselben; Einlegen desselben in Chemikalien, gleich ob Säuren oder Alkalien, oder Salze und Gifte, oder scheinbar in- differente Stoffe wie Zucker und anderes, sowie Behandlung des Eies mit dem elektrischen Strom; dann Umgebungsveränderung für das unbefruchtete Ei durch Entziehung von Stoffen, die zu seiner natürlichen Entwicklung notwendig sind, z. B. Ersatz des Seewassers durch Süßwasser, oder des Süßwassers durch destilliertes; oder Sauerstoffmangel im Aufzuchtwasser; ferner „heterogene Befruch- tung“, das sind die Versuche, unbefruchtete Eier zu befruchten mit dem Samen fremder Tierarten (diese sehr interessante Methode begann mit den Arbeiten von Bory, GEBHARDT, Kurper- WIESER, Lozs, Goprewskı und anderen und wurde zum Schluß derart 23 . vervollkommnet, daß es Baramuon gelang nachzuweisen, daß Bufo calamita-Eier sich schon dann zwangsparthenogenetisch entwickeln, wenn sich ihnen Sperma von Triton alpestris fest anlagert; d.h. Eindringen von Sperma in das Ei ist dafür also nicht nötig); schließlich ergibt auch noch einfaches Anstechen von unbefruchteten Eiern Zwangsparthenogenese. Das rein morphologische Resultat all dieser Versuche war dann: Stets Beginn der Eifurchung, wenn die Mittel richtig gewählt wurden; gewöhnlich aber abnorme Zellfurchungen, und daraus resul- tierend entweder von vornherein „abortive“ Entwicklung oder Entstehen von Mißbildungen, worauf später zurückzukommen sein wird; daneben aber auch Entwicklung, die als normal zu bezeichnen war, und die in einigen Fällen sogar mit der Ausbildung des Voll- tieres schloß. Die Forscher, die es bei dieser Aufzucht der Ver- suchstiere am weitesten gebracht haben, sind Ivus Denacu an Seeigel und Seestern bis zum Volltier und Baraıron an Frosch- larven (Rana temporaria) bis in die Schlußmetamorphose hinein, und Trcnomrrorr an Seidenspinnereiern, die sich zu lebensfähigen Raupen entwickelten. Während sich dann ferner die meisten Bearbeiter dieses Gebiets damit begnügten, einfach die Mittel anzuwenden und dann mehr oder weniger eingehend das Erhaltene rein morphologisch zu beschreiben, versuchten aber auch drei unter ihnen auf eine höhere Stufe der Forschung zu gelangen, indem sie das Wie zu fassen strebten, unter dem die Zwangsparthenogenese entsteht; es sind Baratton, Ives Detace und Jacques Lozs, denen deshalb nunmehr das Wort gehört. Kapitell. Losze’s Lysintheorie für Zwangsparthenogenese und Befruchtung. Jacques Lorg hat sich die Aufgabe gestellt, „das Problem der -Entwicklungserregung des tierischen Eies aus dem Gebiet der Morphologie in das der physikalischen Chemie zu übertragen“. Und er betrachtet deshalb das Ei nicht als ein lebendes Wesen, also nicht als ein Bion, mit diesem eigentümlicher Reaktionsfähigkeit, sondern als ein Gemenge oder Gemisch von chemischen Substanzen, das auf äußere Einflüsse mit rein chemischen Prozessen, d. h. bio- logisch durchaus passiv, reagiert. Nach Los sind ferner jene tierischen Eier, welche leicht oder schon durch nur ein Mittel zur Zwangsparthenogenese gebracht werden können, ungeeignet für das Studium der Hervorrufung 24 dieser Entwicklungsart; es dürften vielmehr nur solche Eier dazu. verwendet werden, die schwer dabei reagieren, denn nur so se es, auf diesem Wege die Einzeletappen zu erkennen. 7 Solchen Ansprüchen genüge vor allem das Ei des von ihn benutzten Strongylocentrotus purpuratus und franciscanus, zweier — kalifornischen Seeigel, sowie das des ebenfalls benutzten Seeigels ‚Arbacia; und an diesen zeige: sich nun, daß nicht ein Mittel allein, sondern nur zwei hintereinander verwendete wirklich gute Zwangs- parthenogenese auszulösen vermögen. Die Vorgänge sind dabei nach der einen Auffassung von nee die folgenden: Das. unbefruchtete Senigelei hösteht nach ihm aus drei auf- einanderfolgenden Schichten. Aus einer Oberflächenlamelle (Fig. 1a), Hig. 1. Fig. 2. aus der darauf nach innen folgenden Rindenschicht (b) und aus der Markschicht (c), von denen die letztere das ganze ,,Cytoplasma“, d. h. das eigentliche Ei umfaßt. Der erste Eingriff, der nun zur Erzielung der Zwangspartheno- genese nötig ist, ist die Zersetzung (Cytolyse) der sehr dünnen Rindenschicht (b) des Eies. Die Substanz der Rindenschicht wird also zersetzt, und es tritt dabei gleichzeitig von außen her See- wasser in die Schicht ein, und heben diese Vorgänge alsdann ge- wöhnlich, aber nicht immer, die Oberflächenlamelle des Eies stärker von dessen Markschicht ab (wie Fig. 2 dieser Arbeit es zeigt). Gleichzeitig aber wird diese Oberflächenlamelle auch noch durch Substanzen der zerfallenden Rindenschicht, die sich in und an ihr ablagern, so sehr verstärkt (wie Fig. 2 dieser Arbeit durch ihre Ver- dickung zeigt), daß sie für Spermien alsbald undurchdringbar wird. Und da ferner die Abhebung dieser verstärkten Rindenschicht sicher erkennen läßt, daß das Ei zu erzwungener Parthenogenese 25 nunmehr bereit ist, so heißt jene Schicht nach der Umwandlung deshalb „Befruchtungsmembran“. Andere Substanzen der zersetzten Rindenschicht aber lagern sich ihrerseits auch an die Markschicht des Eies an und bilden um sie eine durchsichtige Gallerthülle (die Verbindungsmembran der Zellen des Embryos, wie sie Hexesr benennt). Alle Mittel ferner, welche in letzter Instanz imstande sind, das ganze Ei zu zersetzen, führen aber, wenn sie nur kurze Zeit auf dasselbe wirken dürfen, nur die Zersetzung seiner Rindenschicht "herbei. Es geschieht das also z. B. wenn zu dem Seewasser, in welchem die Eier wie bei normaler Entwicklung liegen, noch Kochsalz in geeigneter Menge hinzugefügt wird, und die Eier dann nach bestimmter Zeit in normales Seewasser zurückgebracht sind. Bei dieser Behandlung, wie bei den meisten entsprechenden, zeigt sich dann nämlich außerdem, daß die Eier zumeist erst dann die Befruchtungsmembran erhalten, wenn sie in das normale Seewasser zurückgebracht worden sind; während dies in seltenen Fällen aber auch schon bei der Vorbehandlung, z. B. direkt in Seewasser mit Saponinzusatz, geschehen kann. Die Zersetzung der Rindenschicht regt aber außerdem noch gleichzeitig. auch das eigentliche Ei zur Embryonalentwicklung an. -Auf welche Weise freilich ist noch nicht klar, vielleicht indem es den Sauerstoffzutritt zu ihm erleichtert, oder andere Ent- wicklungshemmungen beseitigt. Die Zersetzung der Rindenschicht genügt also, um die Entwicklung des Seeigeleies anzuregen, sie läßt das Ei aber zugleich in patho- logischem Zustand zurück. Seine Entwicklung ist dann also noch anormal und kommt deshalb meist frühzeitig zum Stillstand; das Ei „kränkelt“ und hat die Neigung zu zerfallen und muß sich deshalb „erholen“. Der Grund dafür ist: Bei der Befruchtungs- membranbildung entsteht vielleicht ein Stoff, der in irgendeiner Weise die Eiplasmatätigkeit hemmt und deshalb beseitigt werden muß; oder eine andere schädliche Nebenwirkung beeinflußt das Ei, sei es ein Stoff oder Hemmung der Sauerstoffaufnahme Daher muß nun, damit normale Entwicklung erhalten wird, ein „Korrektiv- mittel“ angewandt werden. Diese können verschiedener Art sein, sind aber dieselben Stoffe, welche auch die Rindenschichtzersetzung herbeiführen können, und haben nun die Aufgabe, die beginnende - Embryonalentwicklung des Kies eine Zeitlang zu behindern. Brauch- bar sind also etwa eine süßwäßrige Zuckerlösung 3 Stunden ver- ‚wendet, oder Seewasser ohne Sauerstoff ebensolange gebraucht, 26 oder Seewasser mit Zusatz von etwas Zyankalium, „das den Sauer- stoffzutritt zum Ei hemmt“. Auch kann die Druckspannung des Seewassers (d. h. rein osmotischer Druck) durch Zusatz eines Salzes oder sonstiger Chemikalien um etwa 50°/, erhöht werden, und muß dann die Mischung 30—50 Minuten auf das Ei wirken. Nach Übertragung desselben in reines Seewasser entwickelt es sich als- dann in all diesen Fällen bis zu Larven auf Pluteusstadium, die zum größten Teil an der Oberfläche des Aufzuchtwassers schwimmen und deshalb von Lozz als normalgestaltet betrachtet werden; über welches Stadium hinaus bis ganz vor kurzem Seeigellarven über- haupt nicht in Gefangenschaft aufziehbar waren. Ein Spezialrezept Loxs’s für die Behandlung der Eier ist dabei — folgendes: „Das Verfahren für die pienneehe Entwicklungserregung des unbefruchteten Eies von Stongylocentrotus purpuratus gestaltet sich demnach as eames Die Eier werden in 50 ccm See- wasser + 2,8 com — 9 Puttersäure gebracht (die vorher gründlich gemischt wurden). ae 15° C wird nach 17/,, 2, 27/, und 3 Minuten je eine Portion der Eier in je 200 ccm Seewasser übertragen, das vorher für diesen Zweck bereitgestellt wurde. In einer oder mehreren dieser Schalen bilden alle Eier normale Befruch- tungsmembranen.“ „Es ist dabei zu beachten, daß man nicht zu viele Eier in das säurehaltige Seewasser bringen darf, da sonst die Säuremenge nicht ausreicht. Es ist auch nötig, die Eier vor dem Übertragen in das normale Seewasser durch gelindes Rotieren des Gefäßes auf einen Haufen zusammenzubringen, so daß man sie mit einer Pipette mit nur wenig Säure in das normale Seewasser über- tragen kann.“ „Nachdem die Eier aus dem säurehaltigen Seewasser in nor- males Seewasser übertragen sind, bringe man sie nicht sofort, sondern erst nach 15 bis 20 Minuten oder noch etwas später, in hypertonisches Seewasser. Das hypertonische Seewasser ist in diesem Falle eine Mischung von 50 ccm Seewasser + 8 com 21/, nNaCl. Von hier werden sie nach 15 bis 60 Minuten bei 15° C in Inter- vallen von je 5 Minuten in normales Seewasser übertragen. Nach der Übertragung in normales Seewasser fangen diejenigen Eier, welche gerade lange genug in dem hypertonischen Seewasser ge- wesen waren, an, sich zu furchen und zu entwickeln. Im allgemeinen werden bei dieser Methode und der richtigen Wahl der Exposition 27 nur zwei Astrophären oder Zentrosomen gebildet, und die erste Furchung ist eine Durchschnürung des Eies in zwei Zellen, wie bei der normalen Befruchtung. Nur die Zelldurchschnürung bei der ersten Furchung erfolgt oft nicht gleichzeitig im ganzen Äquator auf einmal, wie bei der normalen Furchung. Das ist wohl eine Folge der Behandlung des Eies mit hypertonischem Seewasser. Diese Anomalie zeigt sich aber nur bei der ersten Furchung und hat keinen weiteren Einfluß auf die Entwicklung. Alle diese Eier, ‚welche sich in zwei Zellen zerschnüren, entwickeln sich anscheinend zu normalen Larven, während die Eier, welche sich in mehr als zwei Zellen auf einmal furchen, sich zu verkrüppelten Larven ent- wickeln, die meist im Gastrulastadium oder noch früher absterben. Diese letztere abnorme Art der Entwicklung wird regelmäßig erzielt, wenn die Eier zu lange in der hypertonischen Lösung bleiben; und eine Überexposition von nur wenigen Minuten kann diese fatale Wirkung haben. Das beweist, wie nötig es ist, daß die Eier rechtzeitig aus der hypertonischen Lösung in normales Seewasser übertragen werden. „Es ist ferner nötig, daß nicht zu viele Eier in eine Schale mit hypertonischem Seewasser gebracht werden, da sie sich sonst den Sauerstoff gegenseitig streitig machen. Auch muß man die Eier ‚in flachen Schalen ‚halten, damit die Wasserschicht, welche dieselbe bedeckt, nicht zu hoch ist und so die Diffusion des Sauerstofis der Luft zu den Eiern zu stark verzögert. Die Schalen bedecke ich gewöhnlich lose mit einer Glasplatte. Ich habe ferner oft beobachtet, dab die Resultate schlechter werden, wenn Seeigel vorher an Sauer- stoffmangel gelitten haben (z. B. wenn sie mehrere Stunden in einem Eimer gestanden haben), oder wenn die Eier einige Zeitlang im Seewasser bei höherer Temperatur gelegen haben.“ Bei Eiern, die zur Zwangsparthenogenese leicht oder durch nur ein Mittel bereits zu veranlassen sind, geschieht das nach Lors auch durch Zersetzung ihrer Rindenschicht, wobei wahrscheinlich eine geringere oder leicht zu behebende Schädigung des Eies durch diese Zersetzung eintritt. — Und im Anschluß hieran entwickelt Jacques Lorg über die Vorgänge bei der geschlechtlichen Befruchtung der Seeigel die folgenden Ansichten: „Die Ansicht Rudolf Virchows, daß das Spermatozoon chemische Stoffe in das Ei trägt, welche den Anreiz für die Entwicklung bilden, ist vollständig richtig.“ Das Sperma führt mindestens zwei auf das Ei einwirkende Stoffe mit sich. Einen Stoff Lysin zuerst, welcher die Zersetzung der Rindenschicht des Eies bewirkt, und nach dem Lysin gibt das 28 Sperma eine zweite Substanz in das Ei ab, welche die zellzersetzenden Nebenwirkungen der Befruchtungsmembranbildung beseitigt, wobei wir wieder annehmen müssen, daß die Befruchtung die zur beginnenden 'Embryonalentwicklung des Eies notwendigen Oxydationen auf eine uns noch unbekannte Weise entfesselt oder ermöglicht. Kapitel IL Die Colloidtheorie von Yves Deuages. Yves Devace hat zuerst in einer Reihe von Arbeiten mit Erfolg, nachzuweisen versucht, daß weder die Gegenwart von Sauerstoff, noch die Hypertonie des Umhüllmediums, noch die Ionen und ihre elektrischen Entladungen zur Auslösung der Zwangsparthenogenese notwendig sind. Er betrachtet ferner — wie Lozrs — das Ei als ein rein passives Reagens auf äußere Einflüsse, und hat über die Auslösung und den Verlauf der Zwangsparthenogenese die folgenden Ansichten: Wie Beobachtungen ergeben, sagt er, geht die normale Ei- furchung und Embryonalentwicklung, sofern sie einmal begonnen hat, rein zwangsläufig weiter fort. Es ist daher für die Hervorrufung der Zwangsparthenogenese nur nötig, daß die ersten. physiologischen Stufen derselben erzwungen werden, denn das Ei selbst fügt dann die anderen rein automatisch hinzu. Nun sind ferner alle Vorgänge bei der Eifurchung und Ent- wicklung zurückzuführen auf Gerinnungs- und Auflösungsvorgänge, die in den Eiweißstoffen (plasmatischen Colloiden) des Eies statt- finden, und diese chemischen Vorgänge entstehen dabei unter der Wechselwirkung von inneren Faktoren im Ei, „die unmöglich genau anzugeben sind und in der chemisch-physikalischen Konstitution des Eies beruhen“, und von äußeren Faktoren, welche von dessen Ernährung und Umhüllmedium abhängen. Wenn daher in dem völlig ruhenden unbefruchteten Ei eines Tieres, z. B. dem des Seeigels Paracentrotus lividus, das erst nach völliger Reifung und daher in völliger physiologischer Ruhe ins Meerwasser abgelegt wird, die erste Furchungsgerinnung und -auflösung experimentell erzeugt werden, so muß die ganze Zwangsparthenogenese des Eies alsbald unbedingt und ohne weiteren Antrieb nachfolgen. Nun kommen für dieses Anstoßen der Eientwicklung zwei Phänomene vor allem in Betracht, zuerst die Gerinnung, die zur Bildung der Dottermembran des Eies führt (die, sei nebenbei bemerkt, der Loze’schen Befruchtungsmembran entspricht) und wodurch das Protoplasma des Eies zur Fortentwicklung gezwungen wird, und dann eine nachfolgende Verflüssigung, nämlich die Auflösung der RN 29 Kernmembran, wodurch der Kernteilungsmechanismus für Dauer in Gang gesetzt wird. Erzeugung der Dottermembran und Auflösung der Kernmembran sind also die Wirkungen der äußeren Agentien, welche die Zwangsparthenogenese auszulösen vermögen und aus- lösen; und sie beide ganz allein genügen nicht nur zu deren Aus- lösung, sondern auch zu deren völliger Durchführung. Nun schloß der Verfasser für seine Experimente am Seeigelei dann weiter fort: Säuren sind im allgemeinen die Gerinnungsmittel für Eiweißstoffe, Alkalien dagegen verflüssigen sie. Und daraus entstand dann bei ihm die Idee, das unbefruchtete Seeigelei, wenn es im Seewasser oder sonst geeignetem Hüllmedium lag, zuerst mit einer Säure zu behandeln und dann mit einem Alkali. Als am meisten geeignete Säure erschien dabei die Gerbsäure wegen ihrer besonders großen Befähigung für Eiweibfällung; und Ammoniak wurde für die Verflüssigung der Kernmembran verwandt; die Methode als solche aber ergab dann dieerstrebteZwangsparthenogenese. Die Versuchsweise war dabei folgende: Zu gewöhnlichem See- wasser, das mit destilliertem Wasser verdünnt wurde, oder zu Lösungen nur eines oder mehrerer Bestandteile des Seewassers in destilliertem Wasser oder in Zuckerlösungen oder aber auch in Gemischen von Seewasser und einer derartigen Zuckerlösung, worüber die Einzelangaben im Original nachzusehen sind, wurden hinzugefügt für 50 ccm einer solchen Lösung 2 Tropfen ’/,, n- Gerbsäure und dann wurden die Eier eingesetzt. 5 Minuten später kamen dann ferner noch 30 Tropfen !/,. normales titriertes Ammoniak hinzu, von welchen 27 Tropfen zur Neutralisierung der Gerbsäure und 3 zur Alkalinisierung der Flüssigkeit bestimmt waren. Die Eier lagen darin nunmehr 1 Stunde, wurden danach sehr sorg- fältig in reinem Meerwasser ausgewaschen und in normales See- wasser überführt, worin ihre Furchung alsdann nach einiger Zeit begann. Die eben erwähnten Gesamtlösungen aber waren zugleich der- artig zusammengesetzt, dab sie entweder gleiche Druckspannung mit normalem Seewasser oder aber geringere hatten (ihm also isotonisch oder hypotonisch waren) und dies zu dem Zweck, um gleichzeitig zu beweisen, daß die Druckspannung des Hüllmediums zur Hervorrufung der Zwangsparthenogenese nicht nötig sei. Nach sehr viel einfacherer Methode erhielt Yves Deracz dann auch noch Zwangsparthenogenese bei den Eiern des Seesterns Asterias glacialis: Das Ei des Seesterns führt seine letzte Reifungs- teilung erst aus, nachdem es bereits ins Meerwasser abgesetzt ist, 30 und kann deshalb unter dem Mikroskop genau festgestellt werden, wann diese Reifungsteilung einsetzt; sobald dies aber begann, wurde das Ei in ein Seewasser gebracht, durch das vorher 24 Stunden lang ein Strom von Kohlensäure hindurchgeströmt war und nicht nur den Sauerstoff aus dem Seewasser ausgetrieben, sondern dieses auch mit Kohlensäure überladen hatte. Die Eier blieben darin 11/, Stunde bei weiter durchströmender Kohlensäure, kamen darauf in normales Seewasser zurück und begannen alsbald mit der Furchung. Und zwar nach des Experimentators Ansicht in Be- stätigung seiner Theorie aus folgendem Grund: Der bei Beginn des Versuchs in Teilung stehende Vorkern des Eies besaß in diesem Augenblick keine Kernmembran mehr, da dieselbe bei Beginn dieser Aktion aufgelöst worden war, und er war deshalb nach der Theorie auch zu allen folgenden Kernteilungen ohne weiteres bereit. Durch das gleichzeitige Einlegen des Eiesin die Versuchsfliissigkeit wurde das- selbe durch Wirkung der Kohlensäure der Flüssigkeit zu zweit von einem Dottermembran-Niederschlag umhüllt, und damit war dann auch das Protoplasma des Eies zu dauernder Weiterentwicklung fertig gemacht. Damit waren aber auch die beiden ersten Stadien der Furchung schon dem Ei aufgezwungen, die eine durch die Natur, die andere experimentell, d. h. das Ei war dadurch ja schon zwangs- parthenogenetisch gemacht und setzte deshalb, nunmehr in normales Seewasser zurückgebracht, diese Entwicklung ohne weiteres zwangs- läufig weiter fort. Während übrigens im Beginn seiner Gerbsäure-Ammoniak- Versuche der Autor derselben die Ergebnisse seiner Experimente als Beweise für die Richtigkeit seiner Theorie ansieht, stellt er später — in vornehmster Objektivität — eine Anzahl Bedenken gegen diese selbst wie folgt zusammen: Die Phänomene, die nach dieser Ansicht von den Reagenzien erzeugt werden, sind nicht direkt mit den Augen wahrnehmbar; die Auflösung der Kern- membran bei der Kernteilung ist allein aus dem Auftreten der nachfolgenden Kernteilung erschlossen. Das wichtigste Bedenken aber ist: Die Dottermembran und die Kern- und Zellteilungen sowie alle übrigen Phänomene der so erzwungenen Zwangsparthenogenese — also auch diese selbst — werden erst dann sichtbar, wenn das Ei aus der Versuchsflüssigkeit, die sie der Theorie nach erzeugt hat, entfernt, und in normales Seewasser zurückgebracht worden ist, und darin eine Zeitlang gelegen hat. Ganz besonders wichtig sind dann noch die Resultate, welche dieser Forscher bei der Aufzucht seiner Versuchstiere erhalten hat: sl Von einer großen Anzahl Seesternlarven, die im Meerwasser ent- standen, durch welches Kohlensäure in Gegenwart von Sauerstoff hindurchgeleitet wurde, wurden beträchtlich viele zu Bipinnarien ; 50 davon etwa Brachiolarien; ein Dutzend etwa von diesen ent- wickelte die Scheibe des Volltieres mehr oder weniger weit aus; 4 davon zu voller und tadelloser Gestalt. Nur 2 von diesen setzten sich dann noch an der Glasscheibe des Aquariums fest, entwickelten also Ambulacralfüßchen, und sind richtige Volltiere geworden; das eine 72 Tage, das andere 75 nach dem Freiwerden aus der Dottermembran. Davon ging dann das eine sehr bald zugrunde; über das andere ist nicht mehr berichtet worden. Von den durch Zwangsparthenogenese erhaltenen Larven des Seeigels Paracentrotus lividus wandelten sich 6 zu Volltieren um; 5 von ihnen waren regelmäßig gebaut, einer hatte 6 Strahlen statt 5. Zwei nur davon aber blieben leben. Im Moment der Um- wandlung messen sie '/, mm, 3 Wochen später einer von ihnen 0,8 mm, am Einde eines Monats 1 mm. Nach 18 Monaten sterben sie schnell hintereinander ab. Beide waren wahrscheinlich Männchen, das ist deshalb zu erwähnen, weil bei natürlicher Parthenogenese überwiegend weibliche Individuen aufzutreten pflegen. Kapitel Ill. E. Bararınon’s Eientlastungstheorie. Barainton ist der einzige unter den drei Forschern, die bisher über Entstehungsursachen der Zwangsparthenogenese geurteilt haben, der — ohne es direkt zu sagen — auf dem Boden steht: Das Ei reagiert auf äußere Einflüsse als ein Lebewesen, d. h. mit der einem solchen eigentümlichen Reaktionsfähigkeit; wobei aber, um Mißverständnisse zu vermeiden, sogleich betont werden mag, daß damit weder er — noch der hier Vortragende selbst — für neovita- listische Ideen der Gegenwart eingetreten ist. Auch Barsıtvon, dieser ausgezeichnete Forscher, blickt dabei auf eine Reihe von Vorversuchen zurück, die er an Lampreten- und Froscheiern ausgeführt hat, wobei zuerst hypertonische Lösungen und andere Chemikalien, destilliertes Wasser usw. verwendet wurden, bis dann seine bereits erwähnten Vorversuche über heterogene Be- fruchtung von Bufo calamita-Eiern durch Triton alpestris-Samen ihn dazu führten, unbefruchtete Eier von Rana temporaria mit feiner Glas-, Manganine- oder Platinnadel nach weiter unten ge- schilderter Methode anzustechen, mit dem Erfolg, daß damit „traumatische Parthenogenese“ erzielt wurde. 32 Die Ursachen der Zwangsparthenogenese aber sind nach ihm die folgenden: Wie jede Zelle nach vollendeter Teilung oder während der Kernmetaphase, die beide ein Kern- und Zellruhestadium be- deuten, liegt auch das Ei, solange es unbefruchtet ist, deshalb in einem Ruhestadium, um seine Aktions-, d. h. Teilungsfähigkeit dadurch wiederzugewinnen, dab es in ihm angehäufte Zerfallsprodukte, die aus seiner vorangehenden Zelltätigkeit stammen, ausscheidet, was ihm aber ohne Hilfe von außen nicht gelingt. Durch Be- handlung mit den meisten Chemikalien oder durch heterogene Befruchtung, Einstechen oder sonstiges wird dann das Ei veranlaßt, sich plötzlich zusammenzuziehen, es stößt dabei Flüssigkeit aus und wird so von den Zerfallsprodukten aus seiner früheren Tätig- keit befreit; während hypertonisch, d. h. mit Überdruck das Ei umhüllende Flüssigkeiten nicht dessen Zusammenziehung veranlassen, sondern ihm schon selbst direkt Flüssigkeit entziehen, also dadurch auch wie die übrigen, Zwangsparthenogenese erzeugenden. Mittel wirken. Und zwar verläuft die Zwangsparthenogenese, des Frosch- eies alsdann unter Vollendung der zweiten Reifungsteilung des Eies, die bisher in der Metaphase an der Eiperipherie gehemmt dalag, sowie durch Hinabrücken des dadurch freigewordenen weiblichen Vorkerns in das Eiinnere nach dem Eizentrum zu, worauf nun dieser Vorkern allein die erste Furchung des Eies ausführt und damit dessen Zwangsparthenogenese beginnt. Mögen nun diese Anschauungen richtig sein oder nicht, äußert dann zum Schluß der Verfasser, jedenfalls ist folgendes sicher: Ein kleiner Stab aus Platin oder Glas bringt in das Ei, in das er eindringt, keine fremden Substanzen hinein, auf die das Ei nun reagiert, noch irgendwelche Katalisatoren, noch irgendwelche neue Polarität. Also sind diese für die darauffolgende Entwick- lung des Eies unter Zwangsparthenogenese auch nicht unerläßlich. Nach Baraıtıox sind ferner auch die Vorgänge bei der natür- lichen Befruchtung jedes Eies in zwei Gruppen zu sondern; die einen ergeben nämlich zusammen den Prozeß der Aufschließung des Eies zur Entwicklung und sind ganz parallel denen, die die Zwangsparthenogenese einleiten; bei ihnen ist das Sperma also nicht aktiv beteiligt. Die Befruchtungsvorgänge der zweiten Gruppe dagegen umfassen die Mischung gewisser elterlicher Charaktere durch Vereinigung von Samen und Eivorkern. Das einzig Spezifische also, was der Samen in das Ei hineinträgt, sind seine Chromosomen, mit denen er die Mischung der elterlichen Charaktere erzeugt. 33 Das Aufschließen des Eies zur Entwicklung durch das Sperma aber geschieht passiv wie folgt: Das an das Ei herantretende oder in sein Inneres eindringende Spermium veranlaßt das Ei zur Con- traction, wie bei Lampreteneiern direkt unter der Lupe gesehen werden kann. Denn sobald hier nämlich am Mikrophylenpol das Spermium in das Ei eindringt, wobei es einen Eindruck daselbst erzeugt, entsteht als Randwulst zuerst rings um diese Stelle eine Contractionswelle des Eies, die darauf, immer ein Wulst bleibend, gegen das andere Ende des Eies hinwandert, bis es dieses erreicht; dabei wird das Ei, das unbefruchtet oval war, abgerundet, d.h. es zieht sich dabei in der Längsachse zusammen, wie jedes Ei unter gleichem Einfluß. Und die weiteren Einflüsse der Aufschließung eines jeden Eies durch das Spermium sind dann folgende: Durch die Zusammenziehung wird das Ei von den Zersetzungsstoffen, die in ihm zurückgeblieben sind, befreit, es erhält dadurch ferner den für die Fortentwicklung nötigen Überdruck im Innern und vertikale Einstellung gegen den Boden und durch dies alles außerdem die Befähigung zur Furchung, die damit eintritt. Die aus dem Ei so entfernte Flüssigkeit ferner sammelt sich dabei zugleich zwischen Ei und Eihaut an und ist durch ihre aggluti- nierenden Eigenschaften für Spermien giftig und immobilisiert sie, sobald sie die Dottermembran durchdringen, so daß das Eiplasma nach seiner Zusammenziehung vor deren Angriffen sicher ist. Auf diese Weise erhält das Ei also nicht nur die zu seiner Fortent- wicklung nötige Reinigung, sondern auch Schutz vor Störung derselben durch Spermien, und daneben auch noch ein neues phy- sisches Gleichgewicht, d. h. einen stärkeren Eigentonus (einen ge- wissen Überdruck im Innern), der auch notwendig ist für den Eintritt der bis dahin gehemmten Prozesse, und all dies ändert dann auch noch das rein physikalische Gleichgewicht des Eies, das dadurch eine derartig neue Einstellung gegen den Boden er- fährt, daß die Grenze zwischen seinem schwarzen und dem darunter liegenden weißen Feld (Fig. 3: e dieser Arbeit), welche bisher horizontal lag, senkrecht eingestellt wird, woraus die Bereitstellung des Eies zur Ausführung der Zwangsparthenogenese erkannt werden kann, die dann auch alsbald eintritt. Die Versuchsmethode Baraıvons war dabei wie folgt: Weibchen von Rana temporaria mit Eiern im Uterus erhielten nach der Abtötung eine sorgfältige Hautdesinfektion, und die Instrumente zur Herausnahme der Eier wurden vorher geglüht, um das Eindringen von Spermien in die Eier bei ihrer Heraus- Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1911. 3 34 nahme auszuschließen. Die Eier wurden dann schnell durch ein kurzes Stilet aus Glas, Manganine oder Platin mit Kaliber zwischen 3/00 —%/ı00. mm an beliebigen Stellen etwas unterhalb des schwarzen Feldes angestochen, was beweist, daß der Sitz der Ein- stichstelle keinen Einfluß auf den Versuch hat. Die Zellteilung trat dann ebenso schnell wie bei den Kontrolltieren ein, ebenso die Morulabildung. °/, der Eier etwa sind gut segmentiert; auf verschiedenen Stadien bleiben dann aber einzelne stehen und sterben ab. 1/10 bringt es bis zur Gastrula; auf je 100 behandelte kommen endlich 1—2, die ausschlüpften, und ergaben 7 Versuche im ganzen 1/,, freie Larven und der Zahl nach etwa 120. Von diesen ge- langen drei bis an die Schlußmetamorphose nach 3—31/, Monaten. Sie sind lebhaft, fressen gut und waren von Larven, die aus normaler Befruchtung hervorgegangen sind, nicht zu unterscheiden. Eine stirbt vor Eintritt der Schlußmetamorphose, die andere auf den Anfangsstufen derselben, die dritte hatte bereits vier Glied- maBen und den Schwanz in voller Rückbildung, als sie bald nach einem erfolgreichen Photographierversuch verendete. (Wie der hier Vortragende nach dem der Arbeit beigegebenen Bilde vermuten möchte, weil sie durch zu langes Verweilen in dem Wasserbehälter, in dem sie schwimmend photographiert wurde, durch zu vieles Wasserschlucken fast ertrank und dadurch zu sehr geschwächt wurde; doch kann natürlich das Tier auch physiologisch so schwach gewesen sein, daß es die Schlußmetamorphose deshalb nicht vollenden konnte.) Für die nachfolgenden vorliegenden Verhandlungen ist dann noch wichtig, was E. BarAaıLvon über den Bau der von ihm ange- stochenen, aber frühzeitig absterbenden Eier anführt: Ein großer Teil dieser Eier zeigte abnorme Zellteilungen; viele Zellen ent- hielten mehrere Kerne und mehr als zwei Zentrosomen; es gab ferner zahlreiche Strahlenfiguren und zahlreiche Kerne ohne Zell- teilungen irgendwelcher Art. Ferner pluripolare Systeme mit einer stärker daraus hervortretenden Spindel; in anderen Fällen barg jede Furchungszelle eine tetrapolare Figur, dabei war dann auch die Segmentierung des Eies unregelmäßig: und wies es häufig Extra- ovate und Hernien auf. | Nur eine Kleinigkeit übrigens — sei ganz nebenbei bemerkt — hat. der Autor übersehen, daß Bracker nämlich bereits vor ihm An- stichversuche mit heißer Nadel an unbefruchteten Froscheiern unternommen hat und dadurch Zwangsfurchung an diesen Eiern bis zur Bastula auftreten sah, ohne daß er freilich wesentlich darauf achtete und die volle Bedeutung dieser Tatsache erkannte. 35 Kapitel IV: Vorläufiges über das experimentelle Grundgesetz. Es mag hier nun bis auf weiteres dahingestellt bleiben, welche von den soeben besprochenen Anschauungen über das Entstehen der Zwangsparthenogenese berechtigt ist, oder ob überhaupt eine und wie weit sie dann den Tatsachen entspricht. Und mag hier nur noch auf die folgenden gesicherten Ergebnisse aus diesen Unter- suchungen hingewiesen werden, sofern sie nicht bereits in den vorangehenden Kapiteln als Aussprüche anderer gebucht worden sind. Die Tatsache also erstens, daß Detace durch Zwangspartheno- genese erhaltene Seestern- und Seeigellarven bis zu Volltieren heran- ziehen konnte, daß ferner Baraıznon gleichwertige Froschlarven bis in die Schlußmetamorphose hinein aufzüchtete, und daß Tichomrrow auf diese Weise Seidenspinnereier zu lebensfähigen Raupen auf- wachsen sah, beweist jedenfalls, daß die Zwangsparthenogenese der durch normale Befruchtung entstandenen Eientwicklung in allen wesentlichen Punkten entspricht. | Die Tatsache ferner, daß Zwangsparthenogenese an Eiern aus den verschiedensten Tierklassen und Tierarten bis hinauf zu den Vögeln auftreten und unter Umständen weit in die Embryonal- entwicklung des Eies hinein verlaufen kann, legt es sehr nahe, daß die Befähigung zur Parthenogenese bei den Eiern von normal nur geschlechtlichen Tieren viel weiter verbreitet ist. als bisher erst nachgewiesen wurde; ja, daß sicher die Eier aller Tierarten unter geeigneten Außenumständen wenigstens die Anfangsstadien. der Parthenogenese ausführen können. Dann aber sei hier noch zum ersten Mal auf eine höchst: wichtige Parallele zwischen einzelligen freilebenden Tieren und unbefruchteten Eiern bereits vorläufig hingewiesen. Verworn näm- lich faßt die Berichte über zahlreiche Versuche von ihm selbst, Eneretmann, Bürscazı und vielen anderen ausgezeichneten Protisten- forschern in folgende Worte zusammen: „Es ist ganz besonders bemerkenswert, daß die verschieden- artigsten Reizqualitäten vollkommen gleiche Wirkungen an demselben Objekt hervorrufen. Eine Amöbe z. B. können wir durch chemische, mechanische, thermische und galvanische Reize zur Einziehung: ihrer Pseudopodien und zur Annahme der Kugelgestalt veranlassen. Diese wichtige Tatsache zeigt uns, daß in jeder lebendigen Substanz. eine außerordentlich große Neigung zu einer ganz spezifischen Folge von Prozessen bestehen muß, und zwar zu derselben Folge von 3* 36 Prozessen, die in geringerem Maße sich schon spontan ununter- brochen an der betreffenden Form der lebendigen Substanz abspielt und in den Lebenserscheinungen ihren Ausdruck findet, so daß der leiseste Anstoß, welcher Art er auch sei, die Auslösung dieser charakterischen Folge von Prozessen erzwingt.“ | Genau das gleiche, ja sogar mit Gebrauch der meisten und wesentlichsten dieser Worte, kann nun aber auch schon jetzt von der Eizelle bemerkt werden; wenn dabei bedacht wird, daß die aller- verschiedensten Mittel bei ihr stets Zwangsparthenogenese ergeben; nämlich: Es ist ganz besonders bemerkenswert, daß die verschieden- artigsten Reizqualitäten vollkommen gleiche Wirkungen an demselben Objekt hervorrufen. Die Eizelle können wir durch chemische, mechanische, thermische und galvanische Reize zum Eingehen auf Zwangsparthenogenese veranlassen. Diese wichtige Tatsache zeigt uns, daß in jeder Eizelle, wie in jeder lebendigen Substanz, eine außerordentlich große Neigung zu einer ganz spezifischen Folge von Prozessen bestehen muß, so daß der leiseste Anstoß, welcher Art er auch sei, die Auslösung dieser charakterischen Folge von Prozessen erzwingt. ‘ Ja es wird sich später zeigen, daß die hier zunächst nur angedeutete Ubereinstimmung zwischen einzelligen niederen Tieren und der Eizelle noch viel bedeutender ist. Die Tatsache aber, daß bereits in zwei Experimentgruppen — bei den Protisten und den Eizellen nämlich — das Lebwesen auf die allerverschiedensten Umgebungsänderungen nicht spezifisch, sondern stets in gleicher Weise antwortet, mag nunmehr als „experimentelles Grundgesetz“ benannt werden. Abschnitt IL. Einfluß der Abänderung von Außenfaktoren auf die Furchung und Embryonalentwicklung des normal beiruchteten Eies und auf Embryonen. Kapitel I: Vorbemerkungen. Die zu diesem Kapitel gehörigen Experimente zerfallen in solche mit Chemikalien und in Anstichversuche. Die Versuchstiere und Chemikalien sind dabei dieselben wie die zur Erzielung der Zwangsparthenogese verwendeten. Hersst, ZıeeLer, Fischen und andere arbeiteten dabei an See- igeln und Seesternen; eine weit größere Reihe von Forschern aber an Frosch- und Fischeiern, und die Resultate der letzteren sind die wichtigeren. 37 Die ersten chemischen Versuche (sowie auch die ersten Anstich- versuche, die von Rovx, Oskar Herrwıc, Enpres, Barrurra und zahlreichen anderen Forschern ausgeführt wurden) hatten den Zweck, gewisse Fragen der normalen Embryonalmorphologie auf dem Wege des Experiments zu klären, und handelt es sich dabei vor allem um die Bedeutung des Blastoporus für den Aufbau des Organismus, worauf hier mit einigen Worten, sowie auf den Bau der Amphibieneier nunmehr eingegangen werden muß, da diese Untersuchungen für die nachfolgenden Auseinandersetzungen von Wichtigkeit sind. Das ins Wasser abgelegte Frosch- und Axolottei liegt in einer mächtigen Gallerte (Fig.3:a) und besteht dann aus der Eischale (b), dem Fruchtwasser (c), der Dottermembran (d) und dem eigent- lichen Ei (Dotterkugel). Dieses hat dabei ein weißes (e) und dariiber liegendes schwarzes Feld, und aus dem schwarzen Feld ent- steht spiter der gesamte Embryo (Verbau- oder Bildungsdotter, Zell- wesen oder Cytobiont), wobei das weiße Feld zu dessen Ernährung (als Nährdotter) dient. Da von vielen Bearbeitern dieses Gebiets die Dottermembran dieser Amphibieneier — auch zurzeit noch — als nicht vorhanden be- trachtet wird, sind deren Namen für die Eihüllen andere, und sehen sie dann gewöhnlich die Eischale als Dottermembran an. Die Dottermembran ist aber von Rupour Ficx für das unbefruchtete Axolottei ganz sicher nachgewiesen, und sie ist ferner sowohl an diesem wie an dem unbefruchteten lebensfrischen Froschei auf folgende einfache Weise sicher nachweisbar. Es wird dieses in irgend eine durchsichtige Flüssigkeit gelegt, die es alsbald abtöten muß, am einfachsten und besten in das gewöhnliche Trinkwasser, in das technisch Kohlensäure eingepreßt worden ist (Selterswasser) und bleibt 24 Stunden darin. Es stirbt dann also alsbald ab und beginnt sich zu zersetzen; die Zersetzungsprodukte aber sammeln sich dabei zwischen dem Ei und der Dottermembran an und drücken diese so weit vom Ei ab, daß sie alsdann als eine zarte, durchsichtige urglasartige Hüllkugel das in ihr freischwebende Ei in ansehnlicher Entfernung völlig umschließt. Und es wies ferner G. Torszer nach, Rig. 3. 38 daß sie vom normalen Embryo kurz vor dem Verwachsen seiner Medullarwülste vermittels richtiger Häutung zersprengt und ab- geworfen wird. — In Konservierungsmitteln des Eies dagegen zerfällt sie gewöhnlich (so auch in Alkohol); ist alsdann also unter dem Mikroskop nicht mehr sichtbar; und daher stammt vor allem der Widerstand gegen die Anerkennung ihres Vorhandenseins. Während man nun ferner bis zum Jahre 1888 annahm (wie das Fig. 4 zeigt), daß bei diesen Amphibieneiern die Medullarwülste (a—b) auf dem oberen, schon von vornherein schwarzen Felde des Eies zur Anlage kommen; die untere Randzone dieses schwarzen Dotters dagegen in der Form der Blastoporuslippen das weiße Feld (d) überwächst und so die Bauchhaut des Tieres mit Ein- schluß seines Afters (c) herstellt, wurde im Jahre 1888 die neue Fig. 4. Fig. 5. Ansicht aufgestellt, die in Fig. 5 dargestellt ist, daß die Medullar- wülste (a—b) dieser Amphibieneier in ganzer Länge nicht auf dem schwarzen Felde des Keims entstehen, sondern über dem weißen Feld. Und zwar sind nach dieser Anschauung die Blastoporuslippen, welche das weiße Feld überwachsen, Träger der Rückenanlage des Embryos, denn sie legen sich — hieß es nun — unter Bildung der Rinne der später entstehenden Medullarplatte des Keims über der Mittellinie des weißen Feldes aneinander, worauf sie dann aus sich heraus die Medullarplatte bilden, deren Ränder sich noch später als Medullarwülste (Fig. 5, a b) erheben und zum Schluß anein- anderlegen, während ein kleiner Spalt (c) zwischen ihnen offen bleibt und den Blastoporus ergibt. Nach dieser Anschauung ist also die Bauchwand dieser Keime von vornherein im schwarzen Feld fertig vorhanden und von vornherein in der Mittellinie ge- schlossen, es findet also keine Lippenbildung aus dem schwarzen Feld zu ihrer eigentlichen Herstellung statt, sondern vielmehr die Rückenpartie des Embryos ist nach dieser Anschauung an- 39 fänglich nicht vorhanden und offen und schließt sich erst später durch und in Form der Blastoporuslippen, die zugleich die Er- ‘ geuger der Medullarwülste des Keimes sind. Für diese An- schauung sprach dann nach anderer Meinung auch das Verhalten von Froscheiern bei ihrer Anfangsentwicklung in starker Kochsalz- lösung; es wird dabei nämlich durch das Salz das Überwachsen des weißen Feldes verhindert, und da die Blastoporuslippen sich dabei stark aufwulsten, so war man geneigt, diese Lippen für die Medullarwülste der Embryonen zu- halten, die sich infolge der Hemmung der Blastoporusbildung nicht aneinanderlegen können, und sprach man deshalb von einer am Keim auf diese Weise experimen- tell hervorgerufenen Spina bifida oder Asyntaxia medullaris. Diese Versuche aber sind nicht | beweiskräftig, denn die Eier sterben in so starker Kochsalzlösung, wie sie hierbei verwendet wurde, wie Nachuntersuchungen ergaben, schon vor der entscheidenden Schlußentwicklung des Keims ab. | Gegen diese Anschauungen, die darauf fast allgemein ange- nommen wurden, führte dann 1906 Tornier drei Experimentreihen ins Fig. 7. Feld, denen die Fig. 6—9 für die vorliegende Arbeit entnommen sind und Versuchen mitstarker Sauerstoffentziehung am Pelobatesei entstammen, und die ohne weiteres direkt zeigen, wie sich der Embryo verhält, wenn sein weißes Feld nur zum Teil oder gar nicht vom schwarzen überwachsen wird; Kopf und Rückenstrang des Embryos bilden sich alsdann trotzdem völlig (und bei schwachem Blastopo- russchluß sogar ganz normal) aus, und nur die Bauch- haut fehlt zum Teil oder ganz, oder hat sich viel- mehr am Rande. des weißen Nährdotters faltig zu- sammengewulstet, da sie ihn nicht überwachsen konnte. Besonders die Larve Fig. 9 ist dafür sicher beweisend, denn sie lag, an ihrer Bauchseite völlig geöffnet, als richtige flache Scheibe ihrem nun gequollenen und abgestorbenen Nährdotter, der aber noch völlig erhalten war, auf; sie war dabei in ihrer ganzen Ausdehnung von Fig. 6. Fig. 9. 40. Furchen und Runzeln durchzogen, da sie sich auf das äußerste zu- sammengedrängt, auf ihm entwickeln mußte, zeigt aber andererseits trotzdem eine gute Ausbildung ihrer wesentlichsten Kopfteile, be- sonders sind die Naslöcher (a), das Mundfeld (b) mit seiner Umrah- mung durch die Kieferwülste und die drei Kiemenwülste (c) noch gut zu erkennen; und diese zeigen deutlich (besonders im Zusammen- hang mit Fig. 8), was Bauch und Rücken des Tieres ist. Auch die von Oscar Herrwıe in Urmund und Spina bifida ausgesprochene Anschauung, dab die, von ihm daselbst — als experi- mentell erhaltene — beschriebenen Embryonen, welche außer einem sehr weit offenen Blastoporus noch vor demselben und zwischen den Medullarwülsten eine große Dotteraustrittsstelle besaßen, da- durch entstanden sein, daß die Blastoporuslippen, die die Medullar- wülste erzeugt hätten, hier nicht verwachsen seien, und daß der Dotter über dem Blastoporus deshalb hier hervortrete, ist nicht berechtigt. Wären diese Individuen während ihrer Embryonal- entwicklung — also so lange sie lebten — täglich mehrere Male eingehend besichtigt worden, so hätte dies ergeben, dab bei ihnen der betreffende Dotter zwischen den Medullarwülsten erst dann die Medullarplatte durchbrach, als diese völlig geschlossen und längst fertig dalag; und es geschah also natürlich auch erst lange nach- dem die Blastoporuslippen das weiße Feld des Eies überwachsen hatten. Kapitel II: Auexanper GurwitscH 1896. Während nun die ersten Bearbeiter dieses Gebiets, wie schon angegeben worden ist, im wesentlichen nur morphologische Tat- sachen konstatieren und über die Vorgänge, die zu deren Entstehen geführt haben, nichts Wesentliches äußern, gab wohl als erster ALEXANDER (GURWITscH eine Erklärung darüber ab. Er arbeitete dabei an Frosch- (d.h. Rana- und Bufo-) Eiern mit verschiedenen chemischen Stoffen, und zwar mit chemisch energisch wirkenden Halogensalzen (NaCl, LiCl, NaBr usw.), mit chemisch indifferenteren komplizierten organischen Verbindungen, wie Pepton und Trauben- zucker, und dann noch mit Giftstoffen und Alkaloiden, wie Strychnin, Nikotin und Koffein. Er machte dabei auf Grund seiner Versuche Einwendungen gegen die eben geschilderte Anschauung, daß die Medullarwülste über dem weißen Eifeld entständen und kam zu dem Schluß, daß die von ihm angewandten Stoffe sich sämtlich als Gifte für das Plasma des Amphibieneies (d. h. in diesem Fall: 41 für das ganze Ei) herausgestellt hätten und in bestimmten Kon- zentrationen die Lebensfähigkeit des ganzen Eies vom Beginn der Entwicklung an hemmen, es in schwächeren Konzentrationen da- gegen eine bestimmte Entwicklungsstufe erreichen lassen, wobei jedoch die Entwicklung zuweilen ganz abnorme Bahnen einschlägt. — Die Abnormität der Formgestaltung dieser Mißbildungen aber lasse sich teilweise auf eine „Abschwächung“ des (ganzen) Eiplasmas, vor- wiegend aber des dotterreichen Teiles des Eies, teilweise aber auch auf eine spezifische Reizwirkung der einzelnen chemischen Stoffe auf gewisse Eiregionen zurückführen. Kapitel III: E. Baraıznnon 1901. Auf Grund seiner Versuche auf diesem Gebiet kommt dann E. Baraıınon zu folgenden Ergebnissen: Die im Eiinnern den verschiedenen Plasmaarten eigene Druck- spannung (ihr osmotischer Druck) mit Hilfe der häutigen Ei- schale, welche eine sehr vollkommene halbdurchlässige Scheide- wand ist, und der äußersten Konzentration der nach innen von ihr vorhandenen Flüssigkeiten, welche eine enorme osmotische Kraft besitzen, erklärt die Widerstandskraft der Eier gegen Fliissigkeits- entziehung durch veränderte Außeneinflüsse. Normale und veränderte, über die osmotische Norm mäßig hinausgehende Außeneinflüsse erzeugen im Ei eine Eindickung der organischen Flüssigkeiten, was eine vollständige (abtötende) Wasserentziehung aus ihm ver- hindert. Beginnt dann die Eientwicklung, so wirkt der Wasser- verlust auf sie verzögernd ein und kann sie vorübergehend ganz aufheben. Die erhaltenen Resultate scheinen dabei von der chemischen Zusammensetzung der angewandten Medien unabhängig zu sein; alle angewandten Mittel (S,0,H,, Bürsten der Eier, Sublimat, Serum, verschiedene Salze) beeinflussen vielmehr nur den osmotischen Druck im Innern des Eies und erzeugen durch eine, ihrer Druckspannung entsprechende Entwässerung desselben die am Ei auftretenden Entwicklungsstörungen. Der kritische Punkt z. B., in dem die Zellteilungen unter solchen Umständen aufhören, die Störungen ferner, die im Verlauf der Eifurchung dabei ein- treten, die Art, wie die Tiere aus dem Ei schlüpfen, und das gleiche Stadium, in dem die Entwicklung bei jedem der angewandten Mittel aufhört, sobald diese Mittel dabei gleiche Druckspannung haben, sind die Beweise dafür. Die erhaltenen Resultate zeigen zwar gradweise Verschiedenheiten, können aber alle einheitlich aufgefaßt werden. 42 Kapitel IV: J. W. Jexkınson 1906. J. W. Jenkınson. wendet sich nunmehr in einer sorgfältigen Untersuchung gegen die vorangehende Anschauung von Baraırvon, daß gleicher osmotischer Außendruck gleiche Verbildungen an den Versuchstieren erzeuge, indem er zuerst darauf aufmerksam macht, daß in den Versuchen von Gurwrrsch Nikotin, Koffein usw. un- möglich entwässernd auf das Ei eingewirkt und daher auch nicht die Druckspannung im Innern desselben vermehrt haben können, und publiziert dann eine außerordentlich große Reihe von eigenen Versuchen an ana temporaria, bei welchen 26 verschiedene chemische Stoffe: Salze, Zucker, Urin, Gifte usw. in Süßwasserlösung gebraucht wurden, wobei zugleich all diese Lösungen auf gleiche Druckspannung (also Isotonie) gebracht waren, und zwar auf eine solche. die einer 0,625 %igen Kochsalzlösung entspricht. Er wies dann nach, daß die, sofort nach normaler Befruchtung darin unter- gebrachten Froscheier verschieden früh absterben, daß also der osmotische Druck für die Entstehung der dabei auftretenden Ver- | bildungen nicht maßgebend sein kann. Er-beschreibt zugleich ein- gehend die Zellvorgänge bei der Entwicklung dieser Eier und eine Anzahl der schweren Verbildungen des Embryos, die er auf diese Weise erhielt, konstatiert dabei „Zusammenziehung“ der Körper- höhlen, ohne aber zu einem wirklichen Urteil darüber zu gelangen, wie die Verbildungen entstanden sein können; denn was deren Ursachen sind, konstatiert er, ist noch nicht sicher, und wird in Rücksicht auf osmotische Vorgänge erst festgestellt werden können, wenn die Durchlässigkeit der Gewebe des Embryos für jeden chemischen Stoff, der angewandt wird, erkannt ist. Die giftige, d. h. abtötende Wirkung der Lösungen auf die Entwicklung muß, nach ihm, aber jedenfalls nicht der osmotischen Kraft derselben, sondern irgendeiner anderen noch unbekannten Eigenschaft — einer chemischen oder physikalischen — zugeschrieben werden; und die abtötende Giftigkeit scheint weder vom Atomgewicht, noch durch Valenz, noch durch Dekompositionstension bedingt zu sein. Kapitel IV: T. H. Morcan 1904—1907. Nachdem T. H. Morean zuerst auf Grund von zahlreichen Versuchen mit Lithiumsalzen, Kochsalz, Zucker an Froscheiern zu dem Schluß gelangt war, daß chemische Lösungen auf diese nicht bloß osmotisch, sondern auch chemisch wirken, weist er 1907 43 in Verbindung mit R. C. Srockarp nach, daß Eier des Seewasser- fisches Fundulus in Süßwasser sich langsamer entwickeln als in Seewasser, und daß eine gleichprozentige Zuckerlösung in Sibwasser auf diesen Fisch stärker einwirkt als dieselbe Zuckerlösung in Seewasser. Und fährt dann fort: Diese Tatsachen zusammen mit der dritten, daß eine Lösung von Zucker und einem Salz in Süß- wasser selbst dann stärker wirkt, wie die gleiche Lösung in See- wasser, wenn die Druckspannung dieses Gemisches unter der des normalen Seewassers liegt, zeigen, dab die Resultate mit diesen Eiern nicht so sehr dem osmotischen Druck entspringen, sondern im wesentlichen irgendeiner chemischen Aktion, welche zwischen den Komponenten der Eisubstanz und denen des Zuckers oder der Salze stattfindet, wenn sie in Süßwasser gelöst sind. Es möge sein, daß ein Etwas, das im gewöhnlichen Außenmedium dieser Fische — dem Seewasser — enthalten ist, in gewissem Grade den Chemikalien entgegenwirkt; so daß deshalb also sowohl Salze wie Zucker weniger heftig wirken, wenn siein Seewasser gelöst werden. Eskann aber auch die physiologische Beschaffenheit des Eies in Süßwasser geschwächt werden, wie seine darin schwach verzögerte Entwicklung zeigt, und unter diesen Umständen mag dann das Ei für Angriffe von außen empfänglicher werden, als es im Seewasser ist. Diese Auseinandersetzungen, schreibt der Verfasser, dürften dann noch geeignet sein zu zeigen, wie weit wir davon ab sind, die Art zu verstehen, in welcher Eier auf chemische Beeinflussungen reagieren, und sie zeigen zugleich, wie wichtig weitere Versuche über diese Fragen sind. Kapitel V: Cuaruzs R. Srockarn (1908—1911). Dieser Forscher arbeitet an dem Seefisch Fundulus heteroclitus zuerst mit Magnesiumsalzen, vor allem MgCl, (läßt z. B. Eier, die unmittelbar nach der Befruchtung in eine m MgCl, -Seewasser- lösung gebracht waren, 16 Tage darin), und erhält in solchen Lösungen sehr zahlreiche Tiere mit verbildeten Augen, darunter bis 50% Cyclopen. Sowie ferner alle Übergänge von zweiäugigen Tieren mit immer stärker aneinanderrückenden Augen bis zu Cyclopen, bei denen schon von Anbeginn der Augenentwicklung an zwei Augenanlagen zu einer teilweisen oder vollen Einheit ver- wachsen sind. Ferner erhielt er auf diese Weise Tiere mit nur rechtem oder linkem Auge, oder solche mit Zwergauge rechts oder 44 links, während das andere normal war; oder auch ganz augenlose Embryonen. Er unterscheidet deshalb in Rücksicht auf die Augen- mißbildung nachgiebige und widerstandsfähige (harte und weiche) Eier. Die erhaltenen Augenverbildungen entstehen dabei, nach ihm, durch eine hemmende oder anästhetische Wirkung des Magnesiums direkt auf die Augenanlage. Solche Hemmungswirkungen können das Entstehen der Augenblasen verhindern oder es mehr oder weniger schädigen. In Fällen aber, wo das Tier auf einer Seite ein normales, auf der anderen ein Zwergauge besitzt, ist anzunehmen, daß in diesen Fällen die eine Anlage weniger widerstandsfähig war oder etwas später auswuchs, als die andere, und die Gift- wirkung dann eben ausreichte, diese letztere zu schädigen. „Das Mg-Ion aber, das in der Versuchsflüssigkeit — dem See- wasser — enthalten war, ist,“ wie er damals schrieb, „für die Cyclopie verantwortlich; die chemische Aktion dieses Ions ruft direkt oder indirekt diesen Endeffekt bei den Embryonen hervor, und es ist höchstwahrscheinlich, daß andere chemische Elemente fähig sind, der Eientwicklung andere spezifische Effekte aufzu- zwingen, wie das für Lithium für die Seeigellarven (durch H&rssr) und Froschlarven (durch Morean) angegeben wird.“ Nachdem der Autor dann aber 1910 durch Alkohol, Chlorathyl, Äther in Seewasserlösung genau dieselben Augenverbildungen er- halten hat, zuweilen bei 98% der Versuchstiere, läßt er die Ansicht von der „spezifischen“ Wirkung des Magnesiums stillschweigend fallen und führt die entstandenen Augenverbildungen nunmehr „auf wahrscheinlich hemmende (anästhetische) Eigenschaften der Sub- stanzen zurück, die auf das Ei wirkten.“ | Die gleichzeitig dabei an den Embryonen mit auftretenden Verbildungen im Zentralnervensystem, sind nach ihm dagegen nicht spezifisch (particular characteristic) für die anästhetische Wirkung der angewandten Mittel. Und er schließt nunmehr: Die Möglichkeit, die Cyclopie durch Magnesium auf einem noch relativ späten Entwicklungsstadium (d. h. bis 15 Stunden nach der ersten Zell- furchung) am Embryo hervorzurufen, setzt es außer Zweifel, daß diese Mißbildung durch die Tätigkeit von äußeren oder Umgebungs- bedingungen am entstehenden Embryo hervorgerufen wird; jede Erklärung der Cyclopie, die auf Germinalhypothesen aufgebaut wird, wie die von H. H. Winner z. B. es ist, muß so umgebaut werden, daß sie dieser Tatsache entspricht. 45 Kapitel VI. Gustav Tornizr: Uber Plasmaschwäche und Dotterverquellung (1904—1911). a) Entstehen, Wirken und Ausheilen der Plasmaschwäche. Torxıer’s erste Arbeit auf diesem Gebiet erschien 1904, also vor den soeben besprochenen Schriften von Jenkinson und Morgan. Als Versuchsmaterial dienten ihm eben abgelegte Axolott- und künstlich befruchtete Froscheier, sowie Embryonen dieser Tiere, vor allem aber solche, die noch ansehnlich Nährdotter besaßen. Verwandt wurden daran die auch von den anderen Bearbeitern dieses Gebiets benutzten Mittel, nämlich: Luftmangel im Aufzucht- wasser der Eier oder Embryonen, Chemikalien, zu kaltes und zu warmes Wasser, Druck, Anstechen usw. Die Mittel aber, mit denen vorwiegend von ihm experimentiert wurde, waren Luftmangel im Wasser und süß-wasserige Rohrzuckerlösung von 5— 10%, in denen entweder das Versuchsmaterial bis zum Ausschlüpfen aus der Ei- schale liegen blieb, oder nur drei Tage, worauf es durch wieder- holten Wasserwechsel von den Resten der Versuchsflüssigkeit befreit und zum Schluß in reinem luftreichem Süßwasser aufgezogen wurde. Alle auf diese Weise aus dem Versuchsmaterial gewonnenen Embryonen zeigten dann gemeinsam als Neuerwerbungen folgende Abweichungen von der Norm: Ihre Entwicklung ist stark verlang- samt; ihre Bewegungsfähigkeit stark geschwächt und einer ent- schiedenen Bewegungsträgheit gewichen, und sie sind drittens ins- gesamt stark verquollen. Der Grund für das letztere aber ist — nach direkter Beob- achtung an den lebenden Versuchstieren — der folgende: Die verwandten Mittel erzeugen in allen Zellen des werdenden Embryos, besonders aber in dessen Nährdotterbezirk, die Neigung, über die Norm hinaus Wasser aufzunehmen, und zwar deshalb, weil alsdann das unter der Behandlung energieschwach gewordene Plasma der Zellen — entgegen der Norm — nicht mehr imstande ist, in der Zelle vorhandene, stark hygroskopische Zellprodukte und vor allem den Nährdotter des Embryos an Wasseraufnahme zu verhindern. Und entstehen dann dabei speziell aus der Nährdotterverquellung Verbildungen am werdenden Embryo auf folgender Grundlage. Ver- quellende Substanzen stehen immer unter dem Zwang, einen größeren Raum einzunehmen, als sie unverquollen ausfüllen. Alle Räume, in denen verquellender Nährdotter eingeschlossen ist, werden des- halb also durch ihn über die Norm vergrößert. Auf alle Gewebe 46 des Kérpers, welche ihm ferner bei diesem Ausdehnungsbestreben Widerstand leisten, übt er einen Druck aus, durch den sie dann entweder entsprechend zusammengedrückt oder verbogen oder in der Entwicklung gehemmt werden. Die Art, wie sich dabei der entstehende Embryo verhält, richtet sich ferner danach, wie lange ae ig. 10. ae Fig. 14. Fig. 16. Big: | 13; Fig. 18. | Fig. 19. 47 er in der Versuchsflüssigkeit gelassen wird, bleibt er z. B. darin bis zum Verlassen der Eischale, was in Wasser mit mäßigem Luft- mangel und in 5—10%iger Rohrzuckerlösung möglich ist, so behält er alle darin erhaltenen Verquellungs- und Verbildungscharaktere während dieser ganzen Zeit bei, und unterscheidet sich dann, z. B. bei nur mäßig starker Verquellung, von normal gestalteten gleich- altrigen Tieren, die in Fig. 10—13 dieser Arbeit abgebildet sind, wie Fig. 14—17 es denen gegenüber zeigen. Auf dem ersten dieser Stadien hat der normale Embryo (Fig. 10) alsdann einen Medullar- strang (a—b), der an dem Dotterbezirk des Tieres (d), d.h. der späteren Leibeshöhle vorn und hinten tief herabgewachsen ist, und den werdenden Kopf in a, die Schwanzanlage in b besitzt; c aber ist dann noch der in diesem Fall schon recht klein gewordene spätere After des Tieres (der Blastoporus). Bei dem in Zucker- lösung verquollenen gleichaltrigen Tier (Fig. 14) dagegen ist der Medullarstrang (a—b) noch ganz auffälig kurz, er liegt ganz auf der Oberseite des Dotterbezirkes (d) des Embryos, ist also an ihm durchaus nicht herabgewachsen, der Dotterbezirk aber besitzt ge- waltige, übernormale Ausdehnung, und der Blastoporus (c) ist noch viel weiter auf als normal. Der Grund für dies alles aber ist: der Dotter in der Leibeshöhle dieses Embryos ist unter dem Einfluß von Dotterverquellung über die Norm vergrößert worden; und der Druck, den der verquollene Dotter nach allen Seiten auszuüben begann, war dabei so stark, daß er das Herunterwachsen des Medullarstranges am Dotterbezirk zu verhindern vermochte; und indem der im Blastoporus liegende Dotterpfropf mit verquoll, ver- hinderte er die rechtzeitige Verkleinerung desselben. Auf der nächsten Entwicklungsstufe der beiden Tiere (Fig. 11 und 15), wo beim normalen (11) der Kopf (a) und Schwanz (b) sich bereits aufzurichten beginnen, aber die zwischen den beiden liegende Wirbelsäule noch konvex nach oben durchgebogen ist, ist die Leibes- höhle (d) nur noch mäßig groß — wegen starken Verbrauchs von Dotter aus ihr durch den Embryo —, und die entstehende After- öffnung schaut bereits nach unten und ist winzig klein. Bei dem | verbildeten Tier dagegen (Fig. 15) ist die Leibeshöhle noch mächtig. groß; Kopf- und Schwanzanlage (a und b) ferner hatten sich hier bisher überhaupt noch nicht nach unten gesenkt, sondern lagen immerfort ganz über der Leibeshöhle und wachsen nun von vornherein auffällig schräg nach oben über sie hinaus, während die Wirbel- säule konkav nach oben durchgebogen ist. Der Kopf (a) ist dabei außerdem noch stark verbildet (und zeigt bereits auf dieser Stufe: 48 alle Charaktere der Mopskopfbildung mit weit offenbleibendem Mund, worauf später wieder zurückzukommen sein wird); und die Afteröffnung dieses Tieres endlich ist noch immer weit auf und noch stark nach hinten gerichtet. Wie dann die beiden Tiere auf den zwei nächsten Stufen zeigen (12 und 13: normal; gegenüber 16 und 17: verbildet), ändern sich die bisherigen Verquellungscharaktere des verbildeten Tiers weiter nicht im geringsten. Seine Leibeshöhle ist also immer noch auffällig groß; sein Kopf und Schwanz stehen immer noch schräg nach oben; und die Wirbelsäule ist immer noch konkav nach oben durchgebogen; während das normal gebildete Tier zu dieser Zeit im wesentlichen gerade gestreckt erscheint und einen schlanken Leib besitzt. — Plasmaschwächende Mittel wirken aber ferner andererseits natürlich aktiv nur so lange auf den Embryo ein, wie er unter ihrem direkten Einfluß steht, deshalb beginnt der Embryo sogar, wenn er z. B. nach drei Tagen aus einer der erwähnten Zucker- lösungen entfernt und in gut durchlüftetes reines Wasser überführt wird, mit dem Versuch, die erworbene Plasmaschwäche auszuheilen; was geschieht, indem er dann vor allem das in seine Zellen und in seinen Nährdotterbezirk eingedrungene Verquellwasser und den Teil seiner Substanzen und des Dotters, der dabei durch Zersetzung und Auflösung unbrauchbar für ihn geworden ist, durch das Ekto- derm, d.h. die entstehende Haut, auszuscheiden beginnt. Wobei sich größere Flüssigkeitsmengen gern an bestimmten Körperstellen unter der entstehenden Haut ansammeln und daselbst blasige Haut- ausbuchtungen erzeugen, die nun so lange bestehen, bis sie das eingeschlossene Verquellwasser abgeschieden haben und dann ein- schrumpfen und wieder verschwinden. Die völlige Ausheilung der Plasmaschwäche aber gelingt dabei nur solchen Individuen, deren vorher erworbene Plasmaschwäche geringwertig war; und geschieht das alsdann, indem sie zwar die Plasmaschwäche ganz verlieren, aber die unter deren Einfluß erhaltenen anatomischen Veränderungen nicht mehr rückgängig machen können, d. h. für Lebenszeit beibehalten. Die Figuren 18 und 19 dieser Arbeit zeigen dabei, soweit das in ihnen anzugeben möglich war, wie die Ausheilung der Verquell- charaktere, besonders in der Leibeshöhle des Tieres geschieht. Wird nämlich der Axolottembryo, Fig. 17, der bis dahin — wie schon oben erwähnt worden ist — in einer Zuckerlösung lag, die 49 Dotterverquellung in ihm hervorrief und deren Ausheilung dazu völlig verhinderte, nunmehr aus derselben in gut durchlüftetes reines Süßwasser überführt, so beginnt — was die Figuren 18 und 19 aller- dings nicht zeigen können — bereits nach 8 bis 10 Minuten seine entstehende Deckhaut (das Ectoderm), die bis dahin glasig auf- gequollen erschien, Verquellflüssigkeit aus jeder ihrer einzelnen Zellen in der Art abzugeben, daß einzelne Stellen in ihr dieselbe schneller ausscheiden als die anderen, so daß alsdann zuerst aus dem Unterschied in der Dicke der noch verquollenen und der bereits ausgeheilten Stellen der Haut, der Grad der ursprünglichen Haut- verquellung gut festzustellen ist; daß zweitens dabei das Eintreten und Fortschreiten der Hautentwässerung sofort klar zu erkennen ist, weil dabei direkt sichtbar wird, wie sich die ausheilenden Stellen auf Kosten der noch verquollenen vergrößern; und es wird dadurch drittens durchaus sicher bewiesen, daß das Plasma der Hautzellen vorher wirklich nur durch die plasmaschwächenden Mittel daran verhindert war, die durch diese gleichzeitig hervor- gerufenen Zerfallprodukte der Zelle auszuscheiden. Noch viel besser aber beweist das die zuletzt einsetzende Entwässerung der bis dahin verquollenen Leibeshöhle des Embryos. Einige Stunden später alsdann nämlich beginnt auch diese stark an Umfang zu verlieren, und es bildet sich dabei an ihr fast immer eine Entwässerungsblase (Fig. 18, x), die mit glasig durchsiehtiger Flüssigkeit gefüllt ist, und gewöhnlich — aber durchaus nieht immer — unter der Leber- anlage des Tieres liegt. Daß diese Blase übrigens wirklich zur Abgabe von Flüssigkeit aus dem Körper des Tieres dient, wird sofort klar, wenn in sie’ mit einer feinen Nadel ein winziger Einstich gemacht wird, es strömt dann nämlich sofort aus diesem die in ihr unter sehr starkem Druck stehende Flüssigkeit äußerst schnell aus, und die Blase fällt kurz darauf zusammen. Sie kann sich dann aber ferner noch, wenn das Tier sehr stark verquollen war, nachdem der Stich ver- heilt ist, aufs neue füllen, und so unter Umständen mehrmals durch ; Anstich entleert werden. Mit Beendigung der Abscheidung von Verquellflüssigkeit aus der Leibeshöhle schrumpft sie aber allemal völlig ein und wird aufgesaugt. Der Leib des Tieres aber wird bei solcher Entwässerung stets zugleich mehr oder weniger einfallen, und stets schlanker als der normale (Fig. 19), ja er kann dabei so sehr einfallen, daß sich die Wirbelsäule um ihn nicht nur sichel- oder halbkreisförmig zusammenkrümmt, sondern sogar in einem aus- gesprochen spitzen Winkel. Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1911. 4 50 Plasmaschwäche von wirklich großer Intensität dagegen vermag — der Embryo nie ganz auszuheilen; er behält dann also auch sie zugleich mit den durch sie. hervorgerufenen anatomischen Ver- bildungen dauernd bei; bleibt dann also z. B. für Lebenszeit mehr oder weniger bewegungsträge, hydropisch in seinen Geweben oder im Gesamtorganismus, behält ferner große Disposition für Er- krankungen oder stirbt bei großer Plasmaschwäche frühzeitig ab. Während dagegen drittens Embryonen, die in nur ganz wenig plasmaschwächende Flüssigkeiten eingelegt worden sind, die alsdann bei ihnen auftretenden minderwertigen Verquellcharaktere bereits in der Versuchsflüssigkeit selbst auszuheilen beginnen. | Demnach kann also ein und dasselbe, plasmaschwächende und Embryonalverquellung. erzeugende Mittel in drei verschieden wirkenden Konzentrationsgraden verwandt werden. So stark nämlich zuerst, daß die am Embryo alsdann hervorgerufene Plasma- schwäche und Verquellung nie ganz ausgeheilt werden können, also vom Individum für Lebenszeit erworben sind. Zweitens in einer mittelstarken Konzentration, so daß die Plasmaschwäche und Ver- quellung des Embryos ausheilbar ist; dies aber erst dann beginnt. wenn der Embryo aus dem Versuchsmittel in normale Lebensweise überführt worden ist; und drittens in einer so geringen Stärke, daß dabei der Embryo schon im Versuchsmittel selbst mit der Ausheilung der erlangten Plasmaschwäche und Verquellungs- charaktere zu beginnen vermag. Ganz verschieden verhalten sich dann ferner noch Embryonen gleicher Art in Rücksicht auf ihre Dotterhaut und Eischale, sobald sie verquellen oder aber Verquellung ausheilen. Normal liegt, wie schon angegeben worden ist. die Dotterhaut dem Ei während der Furchung und auch noch dem Embryo so lange ganz fest an, bis sich die Medullarwülste desselben aneinanderlegen, und dann wird sie vom Embryo durch Körperbewegungen unter richtiger Häutung abgeworfen. Bei der normalen Embryonalentwicklung dehnt sich aber gleichzeitig auch noch die Eischale entsprechend dem Em- bryonalwachstum immer mehr aus, so dab der immer größer — werdende Embryo in ihr beständig den nötigen Raum für ungehemmte Entwicklung findet. Ganz anders dagegen verhalten sich Dotter- haut und Eischale bei Embryonen, die in einer Flüssigkeit ohne beginnende Ausheilung verquellen. Die Dotterhaut bleibt dann um die Embryonen herum viel länger liegen wie normal; zuweilen so - lange, bis der Embryo seine Entwicklung bereits völlig durchlaufen hat und die Eischale durchbrechen müßte. öl Und diese ferner dehnt sich dann im Verlauf der Embryonal- entwickluug nur ungenügend aus: Beide Häute aber werden dadurch für den Embryo zu einer bestimmten Zeit zu eng und können ihm so zu den Verbildungen, die er bereits unter der Plasmaschwäche direkt erwirbt, noch andere hinzufügen; doch sind diese nach den neuesten Untersuchungen nicht so groß, wie ursprünglich angenommen wurde, und bestehen im wesentlichen wohl nur darin, daß sich der Embryo alsdann bei der Entwicklung in der zu eng werdenden Eischale stärker wie normal — horizontal oder senkrecht — zu- sammenkrümmen muß, worauf diese ringförmigen Wirbelsäulen- verkrümmungen desselben entweder durch pathologisches Wachstum in ihnen (nämlich: gehemmtes Wachsen auf der Druckseite der Verbiegung, und verstärktes auf ihrer Zugseite) nach genügend langem Bestehen für Lebenszeit des Individuums fixiert werden; oder aber, wenn das Tier noch kurz vor ihrer Fixierung aus der Eischale hinausgelangt oder künstlich entfernt wird, nach einiger Zeit wieder zurückgebildet werden können; was dann andererseits ganz sicher beweist, daß diese Wirbelsäulenverkrümmungen wirklich unter dem Einfluß jenes Zuengwerdens der Eischale entstanden sind. Individuen nun aber, welche eine erlangte Embryonalverquellung auszuheilen beginnen, verhalten sich in Rücksicht auf Dotterhaut und Eischale gerade entgegengesetzt wie die eben beschriebenen, und liefern dadurch zugleich den besten Nachweis der Auslösungs- ursachen des Zuengwerdens jener beiden Embryohüllen. Der Embryo gibt nämlich, sobald er eine vorher erlangte Ver- quellung auszuheilen beginnt — wie bereits erwähnt worden ist —, größere Mengen von Flüssigkeit aus seinem Innern ab, und diese Flüssigkeit durchströmt alsdann, wenn sie nicht gar zu schneil ausgeschieden wird, anfangs noch die Dotterhaut, sammelt sich dann aber zwischen ihr und der Eischale an, und infolgedessen wird die Eischale in solchen Fällen selbst stärker ausgedehnt, wie es bei normaler Embryonalentwicklung geschieht. Später sammelt. sich hierbei aber auch noch immer zwischen Embryo und Dotter- haut Flüssigkeit an, die zuletzt die Dotterhaut zersprengt, und die Folge ist: In allen Fallen, in welchen ein Embryo eine erworbene Verquellung ausheilen kann, erlangt er dadurch in seinen Eihüllen stets sogar mehr Spielraum als ein normaler; und ist also mit Beginn seiner Ausheilung auch nicht mehr der Gefahr ausgesetzt, durch die Eihüllen in seiner Entwicklung irgendwie gehemmt oder gar verbildet zu werden. 4* 52 Das aber ist ganz besonders wichtig; und zwar nicht nur fiir die Aufzucht solcher Tiere, sondern vor allem auch, weil es da- durch möglich wird — bei rechtzeitigem Abbrechen des Experi- ments —, Embryonen zu erhalten, deren sämtliche Verbildungs- charaktere rein nur durch Plasmaschwäche ausgelöst worden sind, wodurch das Studium der Plasmaschwäche und ihrer Folgen am Embryo sehr vereinfacht wird. Aus dem Verhalten der, Verquellung ausheilenden Embryonen aber geht dann auch noch hervor, daß Embryonen, welche im Gegen- satz zu jenen rein in Verquellung stehen, Zersetzungsprodukte ihrer Zellen nach außen hin nicht abgeben können — wie das auch — schon früher erwähnt wurde —, und daß eben deshalb deren Dotter- haut und Eischale nicht ausgedehnt und allmählich zu eng werden; und es beweisen all diese Tatsachen dann weiter noch, daß über- haupt die Ausdehnung der Eihüllen — auch bei normaler Eient- wicklung — nur durch Ausscheidung von Zer BER ZUNEHDEEREE aus dem Innern des Embryos hervorgerufen wird. Es wäre dann noch zu bemerken, daß die Zell- und Nährdotter- substanzen, die bei embryonaler Plasmaschwäche zersetzt werden, nicht sämtlich flüssig werden, sondern zu einem ganz geringen Teil auch erstarren. Das ist leicht und sicher nachweisbar, wenn reines frisches Hühnergelbei mit Wasser übergossen wird. Dieses zersetzt sich nämlich alsdann in eine trüb-gelbe Flüssigkeit und in einen weißen flockigen Niederschlag. Chemisch aber treten dabei die folgenden Prozesse und Wirkungen auf den Organismus ein. Das Hühner- gelbei (und auch der Nährdotter der Axolott- und Froscheier, der sich durchaus entsprechend verhält) besteht aus Ovovittelin, Lecithin, Fett und Farbstoffen. Durch Wasserzusatz zu dem Gelbei nun wird das Ovovittelin gefällt, gerinnt zu der erwähnten weißen Masse und wird unlöslich. Es gibt dabei in ihm gebundenes Lecithin ab, und dieses vereinigt sich zuerst unter Verquellungserscheinungen mit dem anderen, das frei noch im Dotter liegt. Zugleich aber bindet das Lecithin die Fette des Nährdotters und bildet mit ihnen die leicht im Wasser löslichen Fettsäuren. So entstehen also ein flüssiges und ein festes Material bei dieser Hydrolyse des Nähr- dotters, beide aber sind ferner unbrauchbar für den Organismus und müssen von ihm beseitigt werden, was auch geschieht. | Die flüssigen Zersetzungsprodukte scheidet dabei das Ectoderm aus, die festen dagegen bleiben im Innern des Embryos zurück, und brechen entweder mittels entstehender Ectodermfisteln nach außen durch, oder werden später durch den After ausgeschieden. 53 Und zwar dann, wenn der Darm völlig den Dotterbezirk umwachsen hat, und er nun die Ausscheidung des in ihm liegenden Unbrauch- baren durch Muskelzusammenziehung auszufiihren vermag. Hierbei können dann aber die Körnchen dieser geronnenen Massen zuweilen durch Reibung an der Darm- und Afterschleimhaut so starke Ver- schwellung in diesen erzeugen, daß Darm- und Afterlumen dadurch geschlossen werden, woran das Tier alsdann unbedingt abstirbt. b) Verbildungscharaktere aus Plasmaschwäche und Dotterverquellung. Die wichtigsten Veränderungen, welche das Individuum unter Plasmaschwäche im ganzen und an seinen einzelnen Organen erfährt, sind nun die folgenden: Es gehört dazu vor allem die angeborene Bauchverquellung (Bauchhydrops oder Dotterpreßbauch). Sie entsteht aber, wenn bei einem Embryo mit noch großem Nährdotterbezirk, in diesen ent- weder so stark eingestochen wird, daß reichlich Fruchtwasser in ihn eindringen kann, oder wenn er durch Chemikalien oder sonst geeignete Mittel zum Verquellen gebracht wird. Durch die Verquellung des Nährdotters in der entstehenden / Leibeshöhle wird diese alsdann zuerst über die Norm erweitert, während alle in ihr enthaltenen Organe in der Entwicklung ent- sprechend dem Nährdotterdruck gehemmt und verkleinert werden, so zuerst Leber, Lungen, Darm und die inneren Geschlechtsorgane, bei starker Verquellung auch noch das Herz. Die Tiere werden dabei in extremen Fällen zum Teil oder ganz unfruchtbar. Ferner wird dabei die Wirbelsäule nach oben hin entsprechend stark konkav durchgebogen. | Die Figuren 20—22 dieser Arbeit zeigen, wie das geschieht. Als Ausgangs- und Erklärungsfigur mag dabei die Larve dienen, die in Fig. 20 aus Ziesuer’s Entwicklungsgeschichte der niederen Wirbeltiere S. 289 reproduziert worden ist. Bei dieser Larve sind nh und mh: Nach- und Mittelhirn; ch: Rückensaite; a: After; 1: ‚Leberbucht; m: die Mundbucht; und zwischen m und 1 und a liegt ” die Mundkiemendarmhöhle; v ist das Herz; vg die Mündung des Urnierenganges; während zwischen a und 1 in runde Zellen ein- geschlossen ein Nährdotterrest liegt. Wird nun bei einer Axolottlarve von gleichem Bau in diesen Nährdotterbezirk stark eingestochen, oder derselbe auf andere Weise zu starker Verquellung gebracht, so entsteht aus solcher Larve, wenn die entstandene Verquellung in ihr nicht ausgeheilt werden cm mM; >> Q DIT: \ {>} vg 9, PY TTT OO SITE DD AR ch 54 — MM APE I ODER CIS e : = Doc Sy f} O¢ A OD OG RIO < Je syas (TrHOoG 55 kann, das in Fig. 22 nach der Natur abgebildete und experimentell auf solchem Weg erhaltene, erwachsene Tier, das die folgenden Bauabweichungen von dem normalen gleichaltrigen (Fig.21) zeigt: Die Stelle (bh), wo bei der Larve in der Leibeshöhle der Dotterrest lag, und damit die Bauchhöhle selbst, ist hier enorm er- weitert und war beim lebenden Tier zum Teil mit Flüssigkeit an- gefüllt. Alle Organe des Tieres ferner, welche den Dotter beim Experiment umgaben, sind extrem verkümmert, so vor allem die Leber (le), deren Endlappen fast verschwunden und vor allem so ‘stark zusammengeschoben sind, daß die Gallenblase (g) unter ihr fast frei hervorschaut, während sie beim normalen Tier ungefähr in der Mitte der Leber liegt und von ihr nach außen hin ganz bedeckt wird. Magen (m), Dünndarm (d) und vor allem der After- darm (af) des verbildeten sind ferner sämtlich in ihrer Lichtung mächtig verkleinert und der Dünndarm hat außerdem weniger Win- dungen als normal. Ebenso sind die Lungen (lu), die Hoden (ho) und die Nieren (n) ganz auffällig verkümmert und der Harnsamen- kanal des Tieres (vd) ist nicht, wie normal, ein stark geschlängelter Gang, sondern ein ganz gestreckt hinziehender, höchst zarter Faden. Die Vorsteherdrüse (pr) aber fehlt dem Tier ganz, und ebenso die große Kloake (c) normaler Männchen, so daß hieraus schon klar hervorgeht, daß das Tier unfruchtbar gewesen ist, was aber zu- gleich auch noch durch ergebnislose Paarungsversuche mit ihm, wobei es zuerst wegen seiner kleinen Kloake als Weibchen ver- wandt wurde, nachgewiesen ist. Ja selbst sein Herz (h) ist wesent- lich gegen die Norm verkleinert, und seine Wirbelsäule ist konkav nach oben durchgebogen, so daß Schwanz und Kopf schräg aufwärts gerichtet sind. Die Dotterverquellung in ihm war also außerordent- lich stark. ae: Wie aus der Figur aber ferner hervorgeht, war der Embryo dieses Tieres nach seiner Verquellung jedenfalls im Gesamtbau sehr ähnlich dem in Fig. 16 und 17 dieser Arbeit abgebildeten, nur fehlte ihm natürlich die starke Kopfverbildung und extreme Kiemenkorbausweitung des letzteren. Plasmaschwäche von bestimmter Stärke bewirkt ferner — durch Auftreibung des Dotterbezirks und damit auch des Dotter- piropfs —, daß beim Embryo dessen Afteranlage (Blastoporus) sich nur schwer und zu spät schließt. (Wie Fig. 23—30 es zeigen, wo 23—26 die normale Entwicklung darstellen, und a die Wirbel- säulen-, b die Schwanzanlage, d die Leibeshöhle, ce die Afteranlage bezeichnen; während Fig. 27—30 die aus Dotterverquellung in der 56 Leibeshöhle (d) entstandenen Schwanzverbildungen nachweisen.) Die alsdann beim Embryo also aufbleibende und zuerst übernormal groß angelegte Afteröfinung (c) verbiegt nämlich das unmittelbar über ihr liegende Hinterende des Medullarstrangs so stark konkav nach oben hin, daß der daraus entstehende Schwanz des Tieres nicht mehr in der Norm über die entstehende Afteranlage hinüber- wächst, sondern mehr oder weniger für Lebenszeit aufwärts gebogen zur Entwicklung gelangt (Fig. 27 und 28). Noch stärker durch Dotterverquellung ausgeweitete Afteranlagen aber bilden ein direktes Hemmnis für das Hinüberwachsen des Schwanzes über die After- 57 2 BIN Fig. 23. Fig. 24. anlage und machen ihn dadurch, weil er von seiner Spitze nach der Basis hin zur Entwicklung gelangt, durch Spitzenverlust zum mehr oder weniger kurzen Stummelschwanz (Fig. 30); oder es entsteht im Extrem dadurch gar angeborene Schwanzlosigkeit. Und in noch anderen Fällen, nämlich dann, wenn eine vor Blastoporusschluß vorhandene Dotterverquellung auch schnell noch ausheilt, können (wie Fig. 29 ergibt) Tiere entstehn, deren ver- kümmerte aufwärts gerichtete Schwanzspitze auf einem normalen Schwanzanfang sitzt. — Wenn sich ferner der verquellende Nährdotter des Tieres zuerst vor die wachsende Schnauzenanlage legt (Fig. 31: a, b, d) und später auch noch in die 57 entstehende Mundhöhle von vorn her eindringt (Fig. 31: e), wird unter anderem zuerst die Schnauze eventuell bis zu den Augen hin durch Dotterdruck ver- kümmert, so entstehen die Mopsköpfe (Fig. 33: beim Schellfisch; während Fig. 32 den normalen Kopf desselben zeigt); dann wird auch der Unterkiefer und das Zungen- bein (Fig. 31: f, g) verkürzt, so entstehen die Rundköpfe (Fig. 34: vom Schellfisch); die Mundhöhle erweitert sich darauf stark und der Mund erhält die Neigung oder den Zwang zum Offenbleiben (Fig. 35: vom Schellfisch). Die Verbildungen dieser Art aber können dabei immer Fig. 31. noch extremer werden, und zuletzt Tiere ergeben (Fig. 36 ist die ent- sprechende beim Schwein), die nur noch Spuren der Schnauze (c) und einen enorm verzwergten Unterkiefer (e) besitzen, dazu augenlos Fig. 34. Fig. 35. 58 sind (Reste der Augenhöhle in b), dagegen eine riesig aufgetriebene Mundhöhle (d) und eventuell auch Speiseröhre (1) besitzen. (In Fig. 36 ist außerdem f die Zunge; h das Zungenbein; i der Kehlkopf; und k die Luftröhre.) Ja es können dabei sogar (wie beim Schaf Fig.37) Schnauze und Unterkiefer völlig verloren gehen, so daß dann der Kopf des Tieres im wesentlichen nur aus einer von allen Seiten stark zusammengedrückten Schädelkapsel besteht, unter welcher eine riesig aufgetriebene Mundhöhle kieferlos und kropfartig hinabhängt. — Rein unter Nährdotterverquellung entstehen ferner und konnten experimentell erzielt werden: Hasenscharte und Wolfsrachen durch starke Auftreibung der Mundhöhle; Cyklopen; ferner die Kranioschisen, Encephalocelen, Fig. 36. Fig. 37. Hydrocephalus und sonstige angeborene Schädelkapsel- und Gehirn- verbildungen, indem aus der entstehenden Mundhöhle Verquell- wasser in das (wie Fig. 20 bei: in zeigt) in früher Embryonalzeit ganz unmittelbar darüberliegende Medullarwulstgebiet eindringt und Teile desselben entweder auftreibt oder durchbricht. Hydroce- phalus speziell entsteht, wenn das Verquellwasser in den bereits geschlossenen über der Mundhöhle liegenden Schädelbezirk des Medullarstrangs eindringt und diesen dabei blasig ausweitet. Mit diesen Schädelverbildungen findet ferner gewöhnlich gleich- zeitig auch noch Verbildung der Augen des Tieres statt, und zwar nach zwei Richtungen hin. Die Augen werden nämlich entweder über die Norm klein, bis sie im Extrem überhaupt nicht mehr zur Entwicklung gelangen, oder sie nehmen im Gegenteil über die Norm an Größe zu, bis sie zum Schluß Riesenwuchs aufweisen. Diese Augenverkleinerung aber geschieht derart, daß die entstehenden Augenhöhlen des Tieres bei der Schnauzenverkürzung und Mund- \\ 59 erweiterung entweder von oben und unten zusammengedrückt werden (wie Fig. 38 zeigt, wo der Pfeil aus der verquollenen Mundhöhle die Druckrichtung angibt), oder von vorn und hinten (wie sowohl Fig. 39 ergibt, wo der Pfeil ebenfalls die Druckrichtung angibt, als auch Fig. 32 bis 35), oder allseitig. Dadurch wird die Augenblase durch Druck entsprechend in ihrer Entwicklung gehemmt und verzwergt. Diese Augen aber sind infolge ihrer Gestaltumänderung fernsichtige. Vergrößerte Augen dagegen (Fig. 40) kommen zur Ausbildung, wenn in die entstehenden Augenbecher durch deren hohlen Stiel und die Chorioidealspalte vom Medullarkanal aus Verquellwasser Fig. 38. Fig. 39. Fig. 42. eindringt und sie über die Norm ausweitet. Derartige Augen (Fig. 42, gegenüber dem normalen in Fig. 41) zeigen dann riesig vergrößerten Glaskörperraum (d’), Ausbuchtungen (Staphylome) von oft mächtiger Größe in der Gegend der Sehpapille (h, z. B.), von denen eines dann sogar zuweilen an der Sehpapille vorbei direkt in den Sehnerv eindringen kann (wie das auch Fig. 42 zeigt, wo diese Ausbuchtung (i) an der seitlich liegenden ovalen Seh- papille vorbei in den Sehnerv (g) hinabreicht). Der Glaskörper ferner ist in solchen Riesenaugen „verflüssigt“, die Retina (ec), Chorioidea (b) und Sklera (a) sind streckenweis und oft sehr weit (Fig. 42: k, n, m) fest miteinander verwachsen und dann noch so sehr verdünnt, daß durch sie an vielen pigmentleer gewordenen Stellen von außen Licht in den Glaskörperraum eindringt. Auch findet sich öfter eine Retina pigmentosa. Die Linse (e) ist ferner für das Auge zu klein, oft winzig, und oft mit einer Einschnürung im Äquator versehen; sie reicht ferner auffällig wenig in den Glaskörperraum hinein und liegt deshalb also der Cornea näher 60 und viel mehr in der vorderen Augenkammer (f) als der Norm entspricht, trotzdem diese dann gewöhnlich sogar noch kuglig nach außen ausgebuchtet ist. Auch sind diese Augen infolge ihrer von der Norm abweichenden Gestalt mehr oder weniger myopisch, und sind allen Erkrankungsgefahren hochgradig myopischer Augen ausgesetzt. Nach diesem Typus sind z.B. auch die Riesenaugen der Schleierschwanz- und Himmelsaugenformen der Goldfische ge- baut. Und da diese Fische in winzig kleinen Behältern zu leben sezwungen sind, bilden ihre Riesenaugen zugleich eine Art An- passungscharakter an die Gefangenschaft, ebenso wie auch ihre Bewegungsträgheit und andere Erzeugnisse ihrer Embryonalent- wicklung unter Plasmaschwäche. Ja es können derartige Teleskopaugen — so auch bei den (soldfischen — nur aus dem mächtig vergrößerten, ganz kuglig ge- wordenen Augapfel d.h. ohne jede Linse bestehen; usw. Starke Nahrdotterverquellung ferner ergibt für die damit behaftet eewesenen oder behafteten Tiere Abblassen des Hautfarbkleids über braun oder rot zu gelb bis zum Albinismus; weil — wie schon erwähnt wurde — ein Teil des Nährdotters durch die Verquellung für den Aufbau des Embryos unbrauchbar wird, und dieser deshalb sein, von all seinen Charakteren zuletzt zur Entwicklung kommendes Hautfarbkleid nur teilweise oder gar nicht mehr auszubilden ver- mag. Aus diesem Grunde verzwergen auch alle Embryonen, die unter Verquellung gelitten haben, proportional dem dadurch er- haltenen Dotterverlust und im Extrem bis zu 1/, der Normalgröße. — Endlich ist auch noch das Entstehen der pathologischen Körperasymmetrie auf Nährdotterverquellung der Embryonen zurück- zuführen; und wird dies oft — wie Axolotts in Zuckerlösung er- gaben — bereits auf dem Zweizellenstadium der Embryonen sichtbar, indem alsdann die aus der ersten Eifurchungszelle entstehende zweite im Baudotter beträchtlich kleiner angelegt ist, als die erste (wie das auch Fig. 53 dieser Arbeit sehr deutlich zeigt). Sie kann dabei ferner rechts oder links aus ihrer Ursprungszelle abgefurcht werden, so daß aus derartigen Eiern, wenn sie in der Zuckerlösung bleiben, Embryonen mit rechts oder links minderwertiger Körper- seite hervorgehen: also z. B. nur rechts augenlose, oder nur links zweikiemige, usw. Werden dagegen derartige Zweizeller sofort wieder in zuckerloses Aufzuchtwasser zurückgebracht, so kann schwache Körperasymmetrie von ihnen noch durch nachträgliche Vergrößerung des Bauplasmas der zweiten Furchungszelle zurück- gebildet werden, starke dagegen nicht. 61 Die entstehende Körperasymmetrie ist dabei verschieden stark, sie kann aber sogar von vornherein so groß werden, daß bereits auf der einen Seite des durchfurchten Eies der Medullarwulst völlig normal ausgebildet emporwächst, auf der anderen aber überhaupt nicht; und derartige Embryonen machen dann leicht den Eindruck von Halbembryonen, die sie in Wirklichkeit aber nicht sind. Oder der Medullarwulst der geschwächten Seite wächst nur in seinem Kopf- und Schwanzabschnitt etwas empor, in der Rumpfregion dagegen nicht. — Derartige Formen übrigens wesentlich weiter aufzuziehen, war bisher nicht möglich; mit weniger extremen Formen aber gelang es, wie schon erwähnt worden ist, denn diese wurden dann die, nur einseitig augenlosen Tiere oder solche, welche nur einseitig minderwertige Kiemenbildung hatten. In allen Versuchsfällen aber sind etwa ein Drittel der verbildeten Tiere auch zugleich asymmetrisch. c) Plasmaschwäche und Haustiercharaktere. Nachdem so festgestellt worden war, wie Dotterverquellung und Plasmaschwäche auf den tierischen Organismus wirken, wurde von Torxırr darauf an Goldfischen und Hausschweinen nachgewiesen, daß auch die wesentlichsten der „Haustier-“ oder „Kulturcharaktere“ der Tiere aus verhältnismäßig geringer embryonaler Plasmaschwäche ihren Ursprung nehmen: so z. B. die Gesichtsverkürzung und Stirn- auftreibung am Schädel derselben, das Hochtragen des Schwanzes, die Vergrößerung des Leibesumfangs und die Verkleinerung der Gliedmaßen, die Neigung zum Abblassen des Farbkleids bis zum Albinismus, die Anlage zur Fettsucht und die Zahmheit; während die übrigen dieser Haustiercharaktere auf postembryonale Über- ernährung der Haustiere zurückzuführen sind, so besonders die Frühreife, die Steigerung von Sekretionsvorgängen (dauernde und vermehrte Milchsekretion bei Säugetieren, dauerndes Eierlegen beim Hausgeflügel usw.). | In Rücksicht auf die Goldfische wird hier auf Torxıer’s vor- läufige Mitteilung über diesen Gegenstand hingewiesen, doch wurde von ihm noch nachträglich besonders bemerkt, daß die Störungen in der Leibeshöhle der Goldfische: Verlagerungen und Formände- rungen der Eingeweide z. B., sowie Verkümmerungen und Ver- lagerungen an der Schwimmblase von der Dotterverquellung direkt erzeugt werden, ebenso die Schnauzenverkürzungen und die Auf- richtung des Schwanzstiels bei den höheren Rassen sowie ihre Riesen- augen, deren Entstehen ja schon oben erklärt worden ist (die letzteren Charaktere also nicht so, wie die vorläufige Mitteilung es darstellt, 62 die der Revision bedarf, weil sie sich auf eine bei ihrer Entstehung noch weniger gründliche Durcharbeitung des Gesamtgebiets stützt). Auf Bitte von Tornrer, der auf Grund seiner Untersuchungen über Plasmaschwäche bei Axolotts und Fröschen und über die | Entstehungsursache der Goldfischrassen zu der Uberzeugung ge- kommen war, dab die in Europa so beliebte „Reinzucht“ von Goldfisch- formen in China nicht stattfinde, untersuchte dann M. Krryrensere die Zuchtmethoden für Goldfische in dortigen Züchtereien und konstatierte dabei, daß in China bei der Goldfischzucht „von einer Zuchtwahl keine Rede sei“. „Der Chinese züchtet nicht rein, sondern überläßt dem Zufall die Entstehung der Formen.“ „Diese Leute halten den Sommer über die Tiere im Freien, in Tümpeln von 3—5 m Durchmesser. In dem trüben grünlichen Wasser wimmelte es geradezu von Tieren. Ich schätze nicht zu wenig, wenn ich auf jeden Tümpel 500—1000 schätze“ „Im Winter kommen die Tiere in Kangs“ (runde Tongefäße). „Ich ließ mir nun aus den verschiedensten Tümpeln herausfischen. Es war wirklich alles durcheinander.“ „Als ich die Züchter, bessere Kulis, fragte, ob sie denn nicht die gleichen Formen zusammentäten, sahen sie mich nur erstaunt an, verstanden gar nicht, was ich meinte.“ — Das Entstehen der Goldfischrassen durch Plasmaschwäche ist also auch auf diesem Wege nunmehr nachgewiesen worden. — In Rücksicht auf die Hausschweine sei dann bemerkt: Die Idee von Naruustus, daß die Hausschweine „englischer Rasse“ aus Kreuzung von europäischen und indischen Schweinen entstanden seien, ist nicht berechtigt; denn Naruusius untersuchte erstens nur indische Haus-, nicht Wildschweine und berücksichtigte bei seinen Studien ferner keine pathologischen Tiere mit, Deshalb aber deutete er die zwei anatomischen Charaktere der europäischen Hausschweine, auf welche er seine Abstammungsidee aufbaute, falsch. Die indischen Hausschweine unterscheiden sich nämlich von den indischen Wild- schweinen (Sus leucomystax ferox, von dem sie abstammten) genau so, wie die europäischen Hausschweine vom europäischen Wild- schwein. Bei beiden Haustierformen nämlich ist das Lacrymale gegenüber dem der Stammform abnorm verkürzt (infolge der Ver- kürzung des Gesichts unter Plasmaschwäche, wobei gleichzeitig die steil aufgerichtete Stirn dieser Tiere aus Zusammenschieben in der Längsrichtung und Konvexbogenbildung nach außen im vorderen Teil der Frontale und der Schädelbasis der beiden Tierformen entsprang. Fig. 43 zeigt den Schädel des Sus leucomystax ferox; Fig. 44 den eines englischen Yorkshireschweins. Beide Figuren 63 beweisen zugleich, daß das Lacrymale (l) dieses europäischen Kulturschweins (Fig. 44) weit stärker verkürzt ist, wie daß des Sus leucomystax ferox (45), so daß es also sicher nicht unmittelbar von dieser Wildform ererbt sein kann). Stark pathologische Tiere aber (stark mopsköpfige Pferde z. B.) - gehen darin indes noch sehr viel weiter, zuweilen sogar so weit, Fig. 43. bs Fig. 44, daß das Lacrymale ‚dann gar nicht mehr auf der Außenseite des Schädels auftritt (zum Beweis: Fig. 45, normaler Pferdeschädel bei der Geburt; Fig. 46, Mopskopf eines Pferdes bei der Geburt; l: Lacrymale). -- Und genau ebenso ist die mächtige Verbreiterung des Gaumens der Hausschweine im Gebiet der Eckzähne ein Nähr- dotterverquellungscharakter, erzeugt durch Mundauftreibung und 64 gleichzeitige Verkürzung der Schnauze. (Fig. 47, Sus lewcomystax ferox; Fig. 48, englisches Schwein, Yorkshirerasse. Beide Figuren zeigen gleichzeitig wiederum, daß dieses Kulturschwein seine Gaumen- verbreiterung unmöglich direkt von dem Sus leucomystax ferox ererbt haben kann.) Die europäischen Hausschweine entstanden vielmehr — wie die Haustiere auch sonst — durch Plasmaschwäche - ton, Fig. 45. Fig. 46. aus Luftmangel in schlecht ventilierten Ställen und Aufzuchtbehältern; und die „englischen“ Schweinerassen speziell aus den gewöhnlichen europäischen Hausschweinen — also in letzter Linie auch aus Sus scrofa ferox — durch starke Plasmaschwäche infolge ausschließlicher Stallfütterung. — Was übrigens auch die Literatur über das erste Auftreten der englischen Schweine ergibt, das (nach NEHRING in Rhode’s Schweinezucht) auf Zuchtergebnisse eines einfachen Hand- werkers zurückzuführen ist, der doch sicher nicht indische oder 65 chinesische Schweine zu Kreuzungsversuchen verwandt haben kann und dem sicher auch nicht große Auslauf- und Weideplätze für sein Vieh zur Verfügung standen. — Dann wird von dem Be- arbeiter dieses Gebiets noch darauf hingewiesen, daß es wahrscheinlich auch in der freien Natur eine ganze Gruppe von Tieren gibt, die aus Plasmaschwäche hervor- gegangen sind: die Tiefsee- tiere nämlich. Darauf weisen einmal deren ganzer Bau und Habitus hin; dann — nach ihm — auch die BRAUER- schen Untersuchungen an den Augen der Tiefseefische, weil Fig. 47. sie an diesen Augen eigen- tümliche Aussackungen mit durchsichtigen Stellen darin ergaben; und drittens das Leben dieser Tiere in licht-, wärme- und sicher auch sauerstoffarmem und sehr kohlensäurereichem Wasser, sowie ihr Leben unter starkem Druck. — Nachdem dann noch darauf hingewiesen. wurde, daß auch bei den Menschen die angeborenen Mißbildungen wie die experimentell erzielten entstehen, wurde dabei betont, daß es nunmehr also möglich werde, ihr Entstehen beim Menschen zu verhindern. Kapitel VII. Rückblick auf das experimentelle Entwicklungsgesetz. Das experimentelle Grundgesetz, dasim vorigen Kapitel dieser Arbeit auf- gestellt wurde, und das lau- tet: „Alle auf ein Entwick- lungsstadium des Tieres um- ändernd einwirkenden Fak- toren wirken nicht spezifisch auf dasselbe ein, sondern alle bei gleichwertiger Verwendung mit dem gleichen Umbildungseffekt“, das aber bisher nur auf den beiden Tatsachen fußt, daß bei der Auslösung der Zwangsparthenogenese und bei den Experimenten über Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1911. 5 Fig. 48. 66 die Lebensäußerungen der Protisten die verwendeten Mittel nicht spezifisch auf das Versuchswesen einwirken, läßt sich nunmehr aus folgenden Gründen auch noch als gültig für das Verhalten der be- fruchteten Eier und Embryonen unter plasmaschwächenden Mitteln aufweisen. Und heißt für das vorliegende Kapitel der Ausdruck „bei gleichwertiger Verwendung der Mittel“: „sobald durch sie gleiche Plasmaschwäche erzeugt wird“. Die Beweise dafür sind: Alle von Torxıer zu solchen Versuchen verwandten Mittel: seien es Aufzuchtwasser mit Luftmangel, oder die zahlreichen benutzten Chemikalien, oder zu kaltes oder zu warmes Versuchswasser, ergeben, wenn sie richtig angewandt werden, die gleiche Embryonalver- bildung. Die richtige Anwendung der Mittel aber stützt sich dabei noch auf folgenden Tornrer’schen Satz: „Dabei ergeben derartige Mittel aber auch noch in ganz verschiedener Anwendung — soweit die Versuche gehen — gleichwertige Erfolge, denn man erreicht nämlich mit einem hochprozentigen Mittel, das nur ganz kurze Zeit auf das Ei einwirkt, unter Umständen ganz genau soviel, wie mit einem stofflich gleichen, aber weniger starken Mittel, wenn dieses wesentlich länger an ihm tätig ist, d.h. Einwirkungszeit und Konzentration des Verbildungsmittels sind alsdann imstande, einander bis zu einem gewissen Grade zu vertreten.“ So war esz. B. bisher nicht möglich, mit einer relativ schwachen Zuckerlösung an Froscheiern dieselben Kopfverbildungen oder gleich- wertige zu erhalten, wie an Axolotteiern; denn 7—-10 prozentige Zuckerlösungen vertragen die Froscheier — im Gegensatz zu denen des Axolotts — nicht lange genug; 5—6 prozentige aber wirken bereits auf sie zu schwach ein. Wenn dagegen auf ganz kurze Zeit die Frosch- eier in 25—50 %ige Zuckerlösung gebracht werden, entstehen auch bei ihnen Embryonen mit jenen schweren Kopfverbildungen, welche denen der erwähnten Axolotts durchaus entsprechen. D. h.: In diesem Fall war eine, bei anderen Tieren durch langsam wirkende Mittel zu erzielende Plasmaschwäche für eine bestimmte Entwicklungsstufe nur durch energische Schwächung zu erreichen, die nach kurzer Dauer auszuheilen begann. | Gleichwertige Verbildungscharaktere ferner ergaben auch alle von Jenkınson am eben befruchteten Ei verwendeten Mittel, wie aus seinen Abbildungen sicher festzustellen ist; ebenso auch die von Bracner und Baraıtrox benutzten, wie auch deren Abbildungen oder Beschreibungen ebenso sicher ergeben. Dabei aber hat Jenkınson vollständig recht, .all diese Mittel wirken nicht auf die Versuchs- 67 objekte durch ihre osmotischen Eigendruck entwässernd ein, sondern durch „eine andere Kraft“, die ihm selbst noch unbekannt war; und zwar ist es ihre plasmaschwächende Kraft. Nur drei Forscher haben bisher indirekt Widerspruch gegen dieses Grundgesetz erhoben. HERBST, welcher eine spezifische Wir- kung von Lithium auf Echinodermeneier glaubte feststellen zu können; Morean, welcher dasselbe für einige, in Lithium erhaltene Verbildungsformen von Froschembryonen annahm, und dann STOCKARD, der anfänglich die ,Cyclopie“ für die spezifische Folge von Ma- gnesiumeinwirkung auf Augenanlagen betrachtet hat, dann aber, wie bereits angegeben wurde, durch seine eigenen nachfolgenden Versuche schon gezwungen war, diese Idee stillschweigend fallen zu lassen. Und das mit Recht, denn einmal erhält man Cyclopie, wie TORNIER nachwies, in sehr verschiedenen Versuchsmitteln, ferner aber läßt sie sich — und das ist wichtiger — als Folge von Dotterverquellung vor der Kopfanlage sicher nachweisen. Die HerBst’schen Angaben ferner nachzuprüfen, war dem Refe- renten nicht möglich, würde aber, wie der nächste Abschnitt dieser Arbeit sicher ergeben wird, ihre Unhaltbarkeit sofort erweisen. In Rücksicht auf die Angaben von MorGAN weiter wäre zu bemerken, daß alle anderen Forscher, welche gleichfalls mit Lithium- salzen gearbeitet haben, nichts von einer spezifischen Wirkung der- selben auf das Versuchsmaterial bemerkt haben, weder BATAILLON noch BRACHET noch JENKINSON z. B. Die Figuren in der Arbeit des letzteren beweisen vielmehr sicher, daß das Lithium genau dieselben Ver- bildungen am Froschembryo erzeugt, wie die anderen von ihm oder sonst je verwandten Stoffe. Dann aber gibt Morcan selbst an, daß unter den von ihm in ein und derselben Lithiumlösung erhaltenen Verbildungen ein Teil durchaus nicht für Lithium spezifisch sei, sondern mit den unter anderen Versuchsbedingungen erhaltenen übereinstimmt, und nur die wenigen Formen, die von ihm „invertiert“ genannt werden, seien es, da er sie in anderen Lösungen nicht. erhalten hätte. Man könnte aber hinzufügen: „bisher noch nicht“; / und es ist nicht einzusehen, warum einige dieser Verbildungen: spezifisch sein können, wenn die anderen es dagegen nicht sind.. Nach der Beschreibung dieser Formen (Abbildungen sind leider nicht beigegeben) müssen es aber ganz extreme Verquellungsformen von Froschembryonen sein, die aus Eiern entstanden, in denen der Cytobiont durch mächtig verquollenen Nährdotter nicht-nur auf ein Minimum zusammengeschmolzen war, sondern derartig, daß er sich gleichzeitig konkav nach oben durchbog. Wobei nur zu bewundern Br 68 ist, daß eine so starke Zusammenschiebung des Cytobionten über- haupt noch eine Entwicklung desselben zuließ. Eine Wiederholung des Morean’schen Experiments übrigens, die ganz erwünscht wäre, wird das bestätigen. Daß aber das eben befruchtete Ei bei Abänderung seines normalen Außenmediums wirklich nicht „spezifisch“ reagiert, lehrt dann weiter sein Verhalten unter so ganz abnormen Beeinflussungen, wie sie durch Belichtung mit Röntgenstrahlen und durch Zentri- fugieren geliefert werden. Über die Wirkung der Röntgenstrahlen liegen Untersuchungen von BARDEEN vor, leider ohne Abbildungen. Aus .der’ Beschreibung der Verbildungscharaktere der erhaltenen Embryonen aber folgt mit Sicherheit, daß diese Eier durch Plasma- schwäche verbildet wurden, denn es wird von ihnen angegeben: Der Kopf ist gewöhnlich abnorm gestaltet; Gehirn und Rückenmark sind stark angegriffen; der Schwanz ist gewöhnlich kurz, mehr oder weniger verbildet und oft nach aufwärts gebogen. In allen Geweben ist ein beträchtlicher Betrag von Lymphe enthalten, ent- weder in Spalten oder in den Geweben selbst oder in Lymphgefäßen usw. — Eine Anzahl von Verquellungscharakteren sind damit, wie ersichtlich, Klar beschrieben. Ähnliche Verquellungscharaktere, mit Wirkungen vor allem am Nervensystem, ergaben dann auch noch Versuche am Axolott von SCHMIDT. Über das Zentrifugieren der Eier ferner liegt eine zusammen- fassende auf sorgfältigen eigenen Versuchen und Überlegungen be- ruhende Arbeit von B. Konopaxa vor, mit gut beschriebenen morphologischen Ergebnissen; physiologische Erklärung der Vor- gänge wird dagegen nicht versucht, und die Versuche mit anderen Mitteln wurden zum Vergleich nicht herangezogen. Aus den Beschreibungen und Abbildungen dieser Arbeit aber geht mit vollster Sicherheit hervor, daß das Zentrifugieren auf das Froschei genau so plasmaschwächend und dotterverquellend wirkt, wie alle sonstigen Fremdbeeinflussungen des Eies von außen. So erhielt die Verfasserin zuerst bei einer großen Anzahl von Eiern zwei erste Furchungszellen von ungleicher Größe („Verschiebung der ersten Furche, welche seitlich von der Eiachse verläuft, ohne die beiden Pole zu berühren“), wie das eine ihrer, in */; Verkleinerung hier reproduzierten Abbildungen (Fig. 53 dieser Arbeit) beweist. „Weiterhin wird die Entwicklung dieser Eier dadurch modifiziert, daß ein Teil der Oberfläche ungeteilt bleibt, und aus den Eiern Hemiembryonen hervorgehen“ (d. h., daß eine stark asymetrische 69 Entwicklung dieser Eier eingeleitet wird und scheinbare Hemi- embryonen dadurch entstehen). Das Zentrifugieren der Kier ergab dann weiter Verbildungsformen, wie sie z. B. in Fig. 51 und 52 dieser Arbeit (in 1/, Verkleinerung) nach dem Originalbild reproduziert sind; ein Ver- gleich derselben, die im Jahre 1908 ge- wonnen wurden, mit denen, die TORNIER im Jahre 1906 aus Pelobates-Kiern bei starkem Sauerstoffmangel erhielt (Fig. 51 zu Fig. 8 dieser Arbeit; und Fig. 52 zu Fig. 9), ergibt, daß beide ganz genaue Parallelformen sind; nur ist in Fig. 52 das weiße Feld des Eies noch am Rande (dp) gefurcht worden; bei dem Tier Fig. 9 dagegen nicht, es war das letztere also nur um ein ganz unbedeutendes weniger extrem ver- bildet als sein Gegenstück. — Fig 53. VÖ Aus allen Arbeiten, die in diesem Kapitel besprochen worden sind, geht aber, soweit deren Versuchsresultate auf ihr Entstehen wirklich übersehbar sind, klar hervor, daß das experimentelle Grund- gesetz auch für alle Versuche am eben befruchteten Ei und für die Embryonalentwicklung volle Gültigkeit hat. Abschnitt II. Wirkung abändernder Außeneinflüsse auf Larven mit Selbsternährung, Puppen und Volltiere. Während es für die nicht mehr von Dotter lebenden Frosch- und sonstigen Larven und ebenso für die Volltiere bis jetzt noch nicht möglich ist, den Kampf zwischen verändernden äußeren Ein- flüssen und Organismus physiologisch richtig abzuschätzen, da die Arbeiten auf diesem Gebiet, welche dafür benutzt werden könnten, entweder noch zu gering sind oder der Nachprüfung durchaus bedürfen, läßt sich dagegen bereits sicher nachweisen, daß die Schmetterlingspuppenentwicklung bei abändernden Einflüssen unter Bestätigung des experimentellen Grundgesetzes verläuft, d.h. daß die bei diesen Versuchen verwandten Mittel sicher nicht spezifisch wirken. Und sind es vor allem die Arbeiten von E. Fischer und Marız von Linpen, die das ergeben. E. Fischer zeigte zuerst, dab extreme Hitze und Kälte und Chemikalien wie Äther z. B. auf Schmetterlingspuppen gleichartig verändernd einwirken, indem die Volltiere, die dabei entstehen, auffällige Schwarzfärbung der Beschuppung und Reduktion des roten Pigments der Grundfarbe erkennen lassen; und Marr von Linpen erhielt darauf dieselben Verbildungen, wenn Puppen der gleichen Art in möglichst reiner Kohlensäureatmosphäre 24 Stunden gehalten wurden; und ebenso erschienen dieselben Aberrationen bei reiner Stickstoffbehandlung der Puppen und bei starker mechanischer Beanspruchung. Wie dabei im einzelnen aber der Organismus reagiert, in seinen Schuppen besonders, ist noch nicht zu übersehen. Fischer schloß auf Hemmungsbildungen, Mari von Linpen auf Sauerstofimangel als Wirkung, wobei freilich nicht klar wird, ob der Sauerstofimangel aktiv oder passiv wirken soll. Und sie schloß: „Ich halte damit den Beweis für erbracht, daß alle Störungen der Puppenentwicklung, welche herabgesetzte Oxydationen im Organismus nach sich ziehen, zu aberrativen Bildungen führen müssen, einerlei, ob wir das lebende Plasma durch Hitze, Frost oder Narkotica aktionsunfähig machen, oder ihm direkt den Sauerstoff entziehen“. 71 Es handelt sich bei Hitze und Kälte sicher nicht um „Herab- setzung von Oxydationen“; sondern bei allen jenen Versuchen — so auch bei der Sauerstoffentziehung selbst — zu allererst um plasmaschwächende Mittel; wie sich diese Plasmaschwäche dann im Organismus aber äußert, ist noch nicht klar. Abschnitt IV. Rückblick auf Zwangsparthenogenese, natürliche Befruchtung und experimentelles Grundgesetz. Kapitel I Zur Einleitung: Uber das eben befruchtete Axolott- und Froschei unter extrem plasmaschwächenden Mitteln. | Es ist bisher hier nur festgestellt worden, wie Plasmaschwäche auf den entstehenden Embryo wirkt; und welche Verbildungen ferner sie dann ergibt, wenn sie in verhältnismäßig nur so geringer Stärke auf das Versuchsmaterial einwirkt, daß ein Bauchwand- verschluß bei ihm stets noch möglich wird. Die nachfolgenden Auseinandersetzungen zwingen nun aber noch dazu, die Wirkungen festzuhalten, welche durch plasmaschwächende Mittel von extremer Stärke an gleichem Material hervorgerufen werden; und seien hier deshalb die folgenden Versuche erstmalig beschrieben: Werden Axolotteier, die eben erst abgelegt und dabei befruchtet wurden, vor Beginn der Furchung in ein plasmaschwächendes Mittel höchster Konzentration überführt (in brausendes Selterswasser z.B.) und bleiben sie darin bis zur Abtötung, die fast unmittel- bar eintritt, so findet bei ihnen nach dem Einlegen in das Versuchsmittel eine Fortentwicklung nicht mehr statt. Der Cyto- biont bleibt vielmehr von vornherein ohne irgendwelche Form- veränderung auf dem Nährdottergebiet liegen und zerplatzt zuletzt in eine große Anzahl verschieden großer Stücke. Werden ferner den vorigen ganz gleichwertige Eier in dasselbe plasmaschwächende Mittel bei hoher, aber genügend weniger starker Konzentration als vorher hineingetan (also z. B. in abgestandenes oder besser mit Trinkwasser nur wenig, aber genügend verdünntes | Selterswasser), so nimmt einige Zeit nach dem Einlegen ihr Cytobiont einen viel geringeren Raum ein als bisher, etwa nur 1/3 bis 1/4 so großen, und wird dabei rings von dem (weißen) Nährdotter um- klammert, der mittlerweil um ebensoviel an Ausdehnung gewinnt, wie der Cytobiont verliert. Der Cytobiont erscheint in diesem Fall wie ein schwarzer Fleck oben in dem vorwiegend weiß gewordenen Ei, während er an dem eben befruchteten Ei, solange 72 dieses ungeschwächt ist, etwa die Hälfte der Eikugel einnimmt, weshalb ja auch von den meisten Embryonen ohne weiteres von der schwarzen und weißen „Hälfte“ eines solchen Eies gesprochen wird. Wird die Beanspruchung des Eies durch das gleiche plasma- schwächende Mittel dann noch immer weniger stark, so zeigt der Cytobiont auch eine Zeitlang noch ein Kleinerwerden unter diesem Einfluß, das aber proportional der Abnahme der stark schwä- chenden Kraft des Mittels geringer wird, als vorher; bis zuletzt eine Verkleinerung des Cytobionten nicht mehr festzustellen ist. — Woher kommt nun erstens der grundlegende Unterschied in dem eben geschilderten Verhalten der bis zur Höchstgrenze und der darunter beanspruchten Eier ? Durch das plasmaschwächende Mittel höchster Konzentration wird der Eicytobiont sofort völlig gelähmt und alsbald getötet; er behält daher seine ursprüngliche Ausdehnung von Beginn des Ver- suches an unverändert bei, wobei er im wesentlichen als eine schleierartige Kappe den Nährdotterbezirk von oben her überdeckt und mit einer mittleren Ausbuchtung auch in ihn hineinragt. Nach Lähmung des Cytobionten aber beginnt dann der Nährdotter rapid zu verquellen, dehnt sich sehr stark dabei aus, und dehnt auch von unten her den Cytobionten so stark mit aus, daß derselbe zuletzt in verschieden große Stücke zerspringt. In dem Fall der Verkleinerung des Cytobionten zu einem winzigen Fleck dagegen wird er dadurch natürlich viel kompakter und widerstandsfähiger gegen Druck, und der rings um ihn ver- quellende Dotter kann ihn deshalb weder lebend noch selbst nach dem Absterben zersprengen, sondern höchstens durch Zusammen- drücken noch stärker verkleinern. Es fragt sich nun weiter, zieht sich der Cytobiont bei solcher Verkleinerung aktiv — also von selbst — zusammen, oder wird er dabei rein passiv von dem verquellenden Dotter zusammengeschoben, oder wirken dabei die beiden erwähnten Verkleinerungsmittel gemeinsam auf ihn ein? — Würde er rein passiv durch den Nähr- dotter zusammengeschoben, so könnte er, da er eine große Elasti- zität jedenfalls nicht besitzt, nur unter starker Faltenbildung an seiner Oberfläche zusammengeschoben werden, das ist nun aber durchaus nicht der Fall, vielmehr bleibt er daselbst, solange er verkleinert ist, völlig glatt. Das wird übrigens auch durch die Figur 50 dieser Arbeit, eine Kopie in '/, Verkleinerung nach B. Kovorara, bewiesen, die ein, 2 Stunden nach der Befruchtung, 20 Minuten lang centrifugiertes Froschei darstellt, das sich zum 73 erstenmal gefurcht hat. Und in welchem auch sonst nirgendwo etwas yon einem Zusammenschieben des Cytobionten zu bemerken ist. Es ist daher keine Frage: der Cytobiont zieht sich bei solchen extremen Beanspruchungen auf Plasmaschwiche eigenkraftig von selbst zusammen. Das ist aber von großem Nutzen für den Cytobionten selbst, denn indem er sich derartig stark zusammenzieht, verstirkt er einmal die Wiederstandskraft seiner Masse, weil sie dadurch viel kompakter wird, und er selbst verliert dabei gleichzeitig auch noch durch seine Umfangsverringerung beträchtlich an Angriffsflächen gegen diese schädlichen Einflüsse; er kann dadurch also den plasma- schwächenden Mitteln länger Widerstand leisten, ehe er abstirbt, als ohne Zusammenziehung; und ebenso verhalten sich ja auch die Protisten in gleicher Lage. Das aktive Zusammenziehen des Cytobionten ist demnach also eine Schutzmaßregel ersten Ranges gegen all die fremdartigen, schwer schädigenden äußeren Einflüsse, denen er bei entsprechenden Versuchen unterworfen wird. Da er aber ein aktives Lebewesen ist, steht ihm die Befähigung zur Zusammenziehung, solange er lebt und nicht zu sehr geschwächt wird, auch zu. Die Zusammenziehung des Cytobionten aber ist — sei nun zuerst noch erwähnt — in extremen Fällen sogar so stark, daß er dabei alles in ihm enthaltene Flüssige und einen Teil seines Pigments in das Ei hinein abgibt, und dieses bildet alsdann (Fig. 50) zwischen dem Cytobionten (hp) und dem Nährdotter (d) eine wäßrige Zwischen- schicht. Und auch diese Entlastung des Cytobionten ist für ihn eine sehr wesentliche Schutzmaßregel in extremer Not. Daraus aber geht zweitens zugleich schon hervor, daß die Zusammenziehung des Cytobionten nicht, wie Baramion annimmt, eine Zusammenziehung und Entwässerung des ganzen Kies herbeiführt, sondern das Ei als solches bleibt davon in der Form ganz unberührt, und der Cytobiont läßt sogar dabei — unter Flüssigkeitsabscheidung in das Fi — seinen Einfluß auf den Nährdotter fallen, der darauf sofort zu verquellen beginnt. Die eben geschilderten Eier nun, in welchen der Cytobiont also — nach eben erfolgter Besamung unter abnormer Bean- spruchung — mehr oder weniger kontrahiert und verkleinert und umringt von verquellendem Nährdotter liegt, können nun, wenn sie schnell genug aus dem plasmaschwächenden Versuchsmittel entfernt und in normale Lebensbedingungen gebracht werden und dabei nicht 74 bereits zu geschwächt sind, in Embryonalentwicklung und Ausheilung der Plasmaschwäche eintreten, und sie ergeben dann jene Verbildungs- formen des Embryos, bei welchen dieser seinen Nährdotterbezirk nicht überwachsen kann; Formen also, von denen einige in Fig. 6 bis 9 und 51, 52 dieser Arbeit abgebildet worden sind. Unter all den Umständen ist dann nämlich der Cytobiont dieser Eizellen bereits so geschwächt, daß er sich wohl kaum noch zu normaler Größe wieder auszudehnen vermag; zweitens bildet aber vor allem der verquellende Nährdotter alsdann ein so energisches Ausdehnungshindernis für ihn und den daraus entstehenden Embryo, daß sie es nicht überwinden können, sondern von ihm selbst, wenn ihr Ausdehnungsbestreben noch groß genug geblieben ist, beim Versuch es zu überwinden, passiv zusammengekraust werden: wobei dann bei geringer Schwäche etwa nur die Blastoporuslippen, d.h. die Bauchwände, so zusammengekraust werden (Fig. 6 bis 8), während in den extremen Fällen aber sogar der ganze Embryo (Fig. 9) — also auch in Kopf und Rücken — zusammengeschoben wird. Es kann dann drittens noch — wie schon angegeben wurde — Plasmaschwäche so sehr wenig energisch auf ein eben befruchtetes Ei einwirken, daß eine Zusammenziehung des Cytobionten in ihm nicht mehr bemerkbar ist, und aus dem Grunde wohl auch nicht mehr eintritt, weil alsdann — sowohl beim Axolott wie Frosch — das ganze Ei von vornherein so weit ganz normal gefurcht wird, daß die ersten vier Furchungszellen das Ei sofort ganz durchteilen, und damit also beweisen, daß der Cytobiont, aus dem sie entstehen, sein ganzes Ei wie ein ungeschwächter beherrscht. Und ferner durchfurcht sich dann später bei all diesen Individuen auch noch das ganze weiße Feld, und die Blastoporuslippen wachsen über dasselbe hinweg und werden dabei nur insofern noch etwas gehemmt, als der auch auf ihre Kosten zuwachsende Blastoporus überlange offen bleibt. Und es entstehen dann aus solchen Eiern alle jene angeborenen Verbildungen des Tieres, die in Abschnitt II dieser Arbeit näher beschrieben worden sind. Wie wirkt nun aber die Plasmaschwäche auf diese nur sehr wenig geschwächten Eicytobionten und auf welche Weise tritt die Dotterverquellung an diesen Eiern also nun ein? Hierfür sind bisher nur erst Vermutungen da: Sicher ist, daß der Cytobiont geschwächt — wird; dadurch mag er dann aber in der Art durchlässiger — werden, daß zwar nicht er selbst, wohl aber seine einzelnen Partien sich entsprechend dem Außenangriff zusammenziehen, oder aber deren Gefüge lockert sich dabei mehr oder weniger. — 75 Es wäre dann noch nebenbei zu bemerken, daß die Verbildungen des eben befruchteten aber noch ungefurchten Kies unter Plasma- schwäche genau dieselben sind, wie die gleich beanspruchter Eier auf Zwei- und Vierzellenstadium. Es ziehen sich in letzteren dann eben in den einzelnen Zellen die Cytobionten zusammen; und es ergibt ja sogar theoretisch die Zusammenziehung und folgende Teilung eines Cytobionten denselben Effekt, wie die Teilung eines einzelnen Cytobionten in vier, und dann deren Zusammenziehung. Weniger extreme Embryonalverbildungen ferner, so wie sie aus den allerersten Zellenstadien eben befruchteter Eier entstehen können, vermögen aber auch noch Eier auf wesentlich späteren Stufen zu liefern. Zur Erklärung der Ursache sei hier indessen nur angedeutet, daß in dem einen Fall alsdann ein geschwächter Cytobiont ge- schwächte Nachkommen erzeugt, im anderen Fall die normalen Cytobionten der einzelnen Zellen zu gleicher Zeit auf eine gleich- wertige Stufe der Schwächung gebracht werden Können, was dann gleiche Weiterentwicklung der beiden so erhaltenen Embryonal- stufen ermöglicht. Kapitel II. Zur weiteren Einleitung: Über eben befruchtete Echinodermeneier und Plasmaschwäche. Zwei sorgfältige und wichtige Arbeiten liegen vor, deren sehr gut beschriebene rein morphologische Resultate sicher ergeben, daß das eben befruchtete Echinodermenei unter plasmasch wächenden Mitteln sich ganz parallel dem gleich behandelten Froschei verhält. Diese morphologischen Resultate sind: Zuerst von Zısener an Eiern von Strongylocentrotus lividus erhaltene, die unmittelbar nach künstlicher Befruchtung 48 Stunden lang entweder in 1,7%, oder in 2,5°/, Alkohol aufgezogen wurden. Die seiner Arbeit beigegebenen Figuren (Fig. 54 bis 58 der vorliegenden) ergeben dann das Nähere: Fig. 54 stellt eine normale Gastrula vor; sie hat eine völlig in ihr Inneres eingestülpte Urdarmhöhle, die unten in den Blasto- porus ausmündet; oben ist die Scheitelplatte des Tieres; zwischen |; Darmwand und Ektoderm liegt die primäre Leibeshöhle; darin die _ runden Mesenchymzellen. Rechts und links in einer Gruppe von solchen Mesenchymzellen sind zwei schwarz gezeichnete Skelett- stäbe zu sehen. Bei den in 1,7°/, Alkohol aufgezogenen, gleich- altrigen Tieren (Fig. 55) ist der Urdarm meist noch nicht völlig eingestülpt, oft ist er dabei auch kürzer wie der normale. Das ganze Tier ferner ist kleiner wie normal; seine Leibeshöhle da- 76 gegen relativ größer; die Mesenchymzellen ferner liegen in ihr ganz unregelmäßig und Skelettstäbe sind gar nicht ausgebildet. Die in 2,5°/, Alkohol aufgezogenen Tiere (Fig. 56) drittens haben entweder nur kleine Darmhöhlen, oder sind ganz ohne solche; der Pol, wo die Einstülpung hätte eintreten sollen, ist aber zuweilen doch noch ~ etwas abgeflacht. Die Tiere sind im Verhältnis zu normalen wesentlich kleiner, die Leibeshöhle aber ist relativ größer. Die Mesenchymzellen liegen darin ohne jede Regelmäßigkeit und Skelett- stäbe sind nicht ausgebildet. Bei Weiterentwicklung sind dann die Unterschiede nach sechs Tagen — von der Bauchseite der Tiere gesehen — die folgenden: Die normale Larve (Fig. 57) hat alsdann ein vollkommenes Skelett und lange Arme, die durch Auswachsen der Skelettstäbe zu dem er- wähnten Längenwachstum angeregt wurden; m ist der Mund des Tieres, a der After; zwischen beiden dehnt sich der Darmkanal aus. Die Larven aus 1,7°/, Alkohol (Fig. 58 als Beispiel) sind da- gegen in der Gestalt ganz wesentlich kleiner, ihre Skelettstäbe sind verhältnismäßig sehr kurz geblieben und haben deshalb nicht ein Auswachsen der Arme des Tieres veranlassen können. Die Tiere selbst sind ferner im ganzen wesentlich mehr kuglig als die normalen. Die in 2,5°/, Alkohol gezogenen Tiere kamen dagegen über das in Fig. 56 abgebildete Entwicklungsstadium überhaupt nicht hinaus, sondern starben auf ihm ohne Weiterentwicklung ab. — Unmittelbar an Zırezer’s Arbeit schließt sich dann die von FıschEL an. Auch er arbeitete mit Eiern von Strongylocentrotus lwvidus, die auch unmittelbar nach der künstlichen Befruchtung ein bis zwei Stunden in Seewasser mit Chlorcalciumzusatz gehalten und dann in frisches Seewasser überführt wurden. Die nach Fiscuen reproduzierte Fig. 59 dieser Arbeit schließt sich also unmittelbar Fig. 55 an. Man sieht in ihr den Darm ein- 7 gestülpt, aber derselbe ist im Verhältnis zum Gesamttier auffällig klein und besonders unten im Blastoporusabschnitt so sehr zusammen- geschoben, dab der Blastoporus nur noch ganz wenig offen ist. Die Leibeshöhle des Tieres dagegen ist auffällig groß, die Mesenchym- zellen darin sind stark verkümmert, merkwürdig wenig an Zahl und liegen ganz unregelmäßig. Zwei Skelettstäbe sind vorhanden, von ungleicher Gestalt, und beide haben noch den Versuch gemacht, Arme vorzutreiben. Bei den Tieren, die länger wie die vorigen in der Chlorcalcium- lösung lagen, und für welche Fig. 60 ein Beispiel ist, ist der Darm Fig. 57. auch eingestülpt, aber er ist in seinem Blastoporusabschnitt so auf- fällig verschmälert, daß er sich nicht mehr nach außen öffnet, ein offener Blastoporus dem Tier also fehlt. Die Leibeshöhle ferner | ist gewaltig vergrößert, Mesenchymzellen sind noch weniger da als vorher. Auch die Verbildungen der Skelettstäbe erreichen hier bereits einen sehr hohen Grad, ihre Zahl, Gestalt und Anordnung sind ganz abnorm, doch zeigen sich auch hier noch öfter die Beziehungen, welche ihre Ausbildung und Lage zu dem Entstehen der Arme der Larve hat. Es finden dann ferner Verschiebungen im Innern des Larvenkörpers statt, wodurch die im Gastrulastadium dieser Tiere meist noch vorhandene bilaterale Symmetrie aufgehoben 78 wird und z.B. der Darm schräg gestellt ist (Fig. 60). Dann gibt es dazu aber auch noch Larven mit Ausbuchtungen des Ektoderms, in welchen Skelettstäbe selbst dann nicht liegen, wenn sie im — Organismus vorhanden sind, ohne eigene Ausbuchtungen zu erzeugen, — Fig. 59. Fig. 60. Fig. 61. „bei welchen Ausbuchtungen also von einem Reiz der sich ver- größernden und vorwärtsschiebenden Skelettstäbe auf diese Aus- buchtungen nicht gesprochen werden kann. Diese Verdickungen und Ausfaltungen, der Körperwand erreichen aber dabei stets nur | 79 einen, im Verhältnis zur Norm geringfügigen Ausbildungsgrad, ja | sie scheinen später überhaupt zu verschwinden.“ | Wenn Eier drittens lange Zeit, d. h. zwei Stunden in dem | Chlorkalkgemisch liegen blieben, wurden die Embryonen aus ihnen (Fig. 61 z. B.) zu mächtigen kugligen Gebilden, deren Körper- oberfläche fast überall gleichmäßige, aber geringe Dicke; oder nur leichte Verdickungen und Ausbuchtungen aufwies. Bei diesen Larven fehlt ferner der Blastoporus ganz, denn der Darm ist vom Ektoderm völlig abgeschnürt und so zu einem im Inneren des Larvenkörpers liegenden Sack umgestaltet, und er ist dabei wie die Leibeshöhle gewaltig aufgetrieben. Die Mesenchymzellen in dieser Leibeshöhle ferner sind winzig klein, ganz wenig an Zahl und ausgezeichnet durch ungewöhnlich starke gelbrote Färbung. Die Zahl der Skelett- | stäbe endlich wechselt dann, es sind zwei bis fünf vorhanden, und | sie erscheinen dabei als nur winzige Kalknadeln mit zumeist drei ' Strahlen, aber in den verschiedensten und oft bizarrsten Formen. — | Es ist hier nunmehr weiter festzustellen, wie bei diesen Larven | die Verbildungscharaktere entstanden sind. Daß es auch bei ihnen unter starker Verquellung — besonders ‚ in der Leibeshöhle — geschah, wird ohne weiteres klar, wenn man ‚ die Riesengröße dieser Leibeshöhlen betrachtet. Schon bei den _ von Zıserer abgebildeten Larven ist das sehr ausgesprochen; denn die auch hier schon überstarke Verquellung der Leibeshöhle der _ Larven verhinderte zum Teil oder ganz die Einstülpung des Darmes in die Leibeshöhle, und wurde er dabei, wenn es noch gelang, durch | Druck von der Leibeshöhle aus stets mehr oder weniger zusammen- _ gedrückt; worauf dann die extrem verquollenen und deshalb ohne Darmeinstülpung gebliebenen Tiere ohne Weiterentwicklung ab- | starben. Daß die Verquellung dieser Larven aber auf Kosten des in dem _ Ei und seinen Furchungsstadien vorhandenen Dotters geschah, ist ebenso klar; denn wenn derartige Tiere später in Seewasser ihre _ Verquellungscharaktere noch ausheilen konnten (Fig. 58), so waren _ sie, wie in gleichen Fällen stets, proportional dem vorangehenden Dotter- | verlust verkleinert, hatten aber alle ihre bei der Verquellung er- _ worbenen Verbildungscharaktere noch beibehalten, und so verblieb ihnen auch noch weiter die ebenfalls darauf zurückzuführende plumpe, aufgeblähte Gestalt. — Weit stärker aber zeigen ferner den Einfluß der Dotter- verquellung noch die von Fıscaer abgebildeten Larven (Fig. 59—61). Bei diesen setzte die Hauptverquellung allerdings erst etwas später 80 ein wie bei dem von Zrmeuer erhaltenen Tier Fig. 55, daher konnten sie auch durchweg ihre Darmhöhle einstülpen, dann aber verquoll ihre Leibeshöhle alsbald so übermäßig, und der Druck von ihr aus auf den Darm und besonders auf dessen Unterende wurde dabei so groß, daß der Darm hier unten völlig zusammengedrückt, und so der Blastoporus dadurch entweder von vornherein nicht zur Anlage oder vielleicht zuweilen auch erst nach der Anlegung zur Atrophie gebracht wurde. Der übermäßig hohe Flüssigkeitsdruck nun, der hierbei also in der Leibeshöhle herrschte, wirkte dann aber auch ferner noch auf alle Gebilde, die in dieser selbst lagen, mit starker Entwick- lungshemmung ein. Die Mesenchymzellen in diesen Leibeshöhlen wurden deshalb also winzig klein, verloren an Zahl, richtiger An- ordnung und Pigment, so dab sie zuletzt zu intensiv gelbroter Färbung abblaßten; ebenso aber wurden die Skelettstäbe in der Leibeshöhle dabei von allen Seiten so stark durch Druck belastet, daß sie zuletzt zu winzig kleinen Gebilden verkümmerten, die nicht fähig waren, Arme bei der Larve hervorzutreiben und selbst mehr oder weniger verkrüppelten. Ja, selbst Entwässerungsblasen hat Fischen an diesen Larven gesehen und — wenn auch nicht als solche — beschrieben, denn es sind das jene von ihm erwähnten Ausbuchtungen des Larven- ektoderms, bei welchen von einem Reiz der sich vergrößernden und vorwärtsschiebenden Stäbe auf sie nicht gesprochen werden kann, welche ferner stets nur klein angelegt sind, und die arm überhaupt verschwinden. Es ist also nunmehr bewiesen, daß eben befruchtete Eier der Echinodermen in plasmaschwächenden Mitteln unter Plasmaschwäche und Dotterverquellung verbildet werden. — Kapitel III. Über den Einfluß plasmaschwächender Mittel auf unbefruchtete reife Eier. Für den nun beginnenden Rückblick auf das Entstehen der Zwangsparthenogenese und die Vorgänge bei der natürlichen Be- fruchtung sind zuerst noch die zwei folgenden Vorfragen zu erledigen. Wie verhält sich erstens das reife unbefruchtete Ei morphologisch, wenn es unter ein ‚plasmaschwächendes Mittel gebracht wird, und kann es zweitens dabei plasmatisch geschwächt werden und unter diesem Einfluß zur Verquellung gelangen? Für Lösung der beiden Fragen gibt schon die Literatur u nötigen morphologischen Krundlasen, sl Wie das abgelegte unbefruchtete Froschei sich unter jenem plasmaschwächenden Mittel, dem Centrifugieren, verhält, beweist die Fig. 49 dieser Arbeit, eine Nachbildung in 1/, Verkleinerung nach B. Konopaxa. Sie stellt den Querschnitt durch ein unbe- fruchtetes Froschei dar, welches 30 Minuten lang bei zirka 228 & Beschleunigung centrifugiert wurde; und sie wirkt ganz besonders stark, wenn sie mit dem entsprechenden Querschnitt des unbefruchteten normalen Eies gleicher Art verglichen wird, den Moszkowskı ab- gebildet hat, und der leider hier nicht mitbenutzt worden ist. Fig. 49 dieser Arbeit aber beim Vergleich mit Fig. 50, d.h. mit dem Querschnitt durch ein Ei, das erst nach eben erfolgter Befruchtung centrifugiert worden ist, ergibt nun aber, daß sich beide Eier unter der gleichen Beanspruchung ganz gleich verhalten haben. In beiden, und in dem unbefruchteten ganz besonders, hat sich der Cytobiont (hp) dabei zu einer winzigen Scheibe zusammengezogen, die als dünne Kappe das Ei oben überdeckt. Beim Zusammenziehen hat er ferner alles in ihm flüssige und einen Teil des Pigments aus sich in das Eiinnere abgegeben, wo es zwischen dem Cytobionten (hp) und dem Nährdotter (d) abgelagert wurde. Also verhalten sich unbefruchtetes und eben befruchtetes Ei bei gleicher Beanspruchung von außen morphologisch gleich. Und theoretisch war das ja auch nicht anders zu erwarten, denn die natürliche Befruchtung verändert die Substanz des Eicytobionten zweifellos nicht, wie schon aus den morphologischen Resultaten der Zwangsparthenogenese ganz sicher hervorgeht. — Entwickelt sich nun ein durch äußeren Einfluß so verändertes Froschei unter Plasmaschwäche und ihren Folgen ? Allerdings, denn schon zwei in der Literatur beschriebene Experimentreihen beweisen das ganz sicher. Zuerst nämlich das Verhalten der Eier, die Oscar Hurrwie für seine Arbeit: Urmund und Spina bifida benutzte: Bei dem ersten seiner Versuche wurde die mit Eiern gefüllte (Gebärmutter des Frosches aus der Leibeshöhle herausgenommen, zwei bis vier Tage lang in einer feuchten Kammer untergebracht und ‘ dann befruchtet. Und sein zweites Verfahren bestand darin, daß die zur Begattung vereinigten Froschpaare voneinander getrennt und die Männchen während 4—6 Wochen von den Weibchen iso- liert wurden, worauf die Eier herausgenommen und befruchtet wurden. Wenn die in die Gebärmutter eingetretenen Eier, so schreibt ©. Hrrrwıs dazu, so weit über die Normalzeit hinaus nicht zur Ablage gelangen, werden sie geschädigt, wie das auch (von Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1911. 6 82 R. und O. Herrwie) bei den Echinodermen und Fischen (Forellen) — beobachtet worden ist, und in beiden Fallen treten dann neben normalen sich teilenden Eiern mehr oder minder häufig Störungen in dem Furchungsprozesse und der folgenden Embryonalentwicklung der Eier auf. Also traf alsdann — was hier noch einmal besonders hervor- gehoben werden soll — jene Schädigung nur unbefruchtete Eier allein. Und die Beschreibung und Abbildung ferner der aus solchen Eiern dann erhaltenen Furchungsabweichungen und Verbildungen zeigt nun ganz sicher, daß die damit behafteten Embryonen unter schwerer Dotterverquellung sich entwickelt haben, denn bei den meisten war nicht nur der Blastoporus über die Norm weit und lang aufgeblieben, sondern es war bei vielen sogar noch Dotterdurchbruch durch die Medullarplatte nach auben eingetreten. Es ist also kein Zweifel, daß unbefruchtete Eier unter Plasmaschwäche zu Dotterverquellung -— und sogar zu sehr extremer — gelangen können. — . Den zweiten Beweis dafür aber liefert die Aufzucht der, von Baramton durch Anstich zur Zwangsparthenogenese gebrachten, und dann ihre Embryonalentwicklung unter Verbildung durch- führenden Froscheier, denn sie zeigten alsdann die folgenden Ab- weichungen von der Norm: Viele Zellen enthielten mehrere Kerne und mehr als zwei Centrosomen; es gab ferner zahlreiche Strahlen- figuren und zahlreiche Kerne ohne Zellteilungen irgendwelcher Art. Ferner pluripolare Systeme mit einer stärker daraus hervor- tretenden Spindel; in anderen Fällen barg jede Furchungszelle eine tetrapolare Figur; dabei war dann auch die Segmentierung des Eies unregelmäßig, und wies es häufig Extraovate und Hernien (d. h. Entwässerungsblasen Referent) auf. Das heißt: Die dabei entstehenden Verbildungsformen der Embryonen sind dann also ganz genau dieselben, wie sie bei eben befruchteten Eiern auftreten, wenn solche unter Plasmaschwäche zur Entwicklung gelangen. — Und sei hier noch ganz besonders auf das für beide Fälle nachweisbare Eintreten von Embryonalent- wicklung ohne Plasmateilung und unter pluripolaren Kernteilungen aufmerksam gemacht; deren grundlegender Wert für den Nachweis der Plasmaschwäche alsbald geschildert werden soll. Also das unbefruchtete Froschei gelangt unter plasma- schwächenden Mitteln — wie z. B. zu langes Liegen ohne Befruchtung und Anstechen — zur Entwicklung unter Plasmaschwäche und — Dotterverquellung. — 83 Tut dies aber auch das unbefruchtete Ei niederer Tiere, vor _ allem das der Echinodermen ? | Drei bisher in der Literatur festgelegte Tatsachen beweisen es auch für sie. Einmal nämlich das ganz gleiche Verhalten der Echinodermen- und Froscheier bei „Überreife“, d.h. bei zu langem Liegenbleiben ohne Befruchtung, wie R. und O. Herrwie nachgewiesen haben; und dann ferner die Tatsache, daß sich in plasmaschwächenden | Mitteln das unbefruchtete Ei der Echinodermen und niederen Tiere unter Kernteilung ohne Plasmateilung oder unter multipolarer Kern- teilung ohne Plasmateilung entwickelt. — H. H. Norman hat die | ersten dieser Arbeiten — die von R. und O. Herrwic, von Loss, | Morecan usw. — 1896 zusammengefaßt und durch eine gute Arbeit | bereichert; Liwuıe und andere, vor allem aber Kosraneckı und | Gopuewseı führten sie darauf weiter fort. | Um zu zeigen, daß es sich hierbei aber zugleich um eine volle | Parallele im Verhalten eben befruchteter und noch unbefruchteter Eier unter gleichen Versuchsbedingungen handelt, seien die Angaben | für beide Eistadien hier nacheinander angeführt: „Bringt man, | schreibt Norman (eben befruchtete) Seeigeleier in Seewasser, dessen | Konzentration durch Zusatz von MgCl, oder NaCl erhöht ist, so | fährt bei richtiger Auswahl der Konzentration der Kern fort, sich | zu teilen, während das Protoplasma sich nicht teilt. Solche Eier | zerfallen, wenn man sie in normales Seewasser zurückbringt, auf | einmal in eine der Zahl der präformierten Kerne entsprechende: Zahl von Blastomeren. In allen Fällen, in denen derartige Kerne: im Zustand der Teilung gefunden wurden, war dieselbe mitotisch. Findet Kernteilung ferner ohne Zellteilung statt, so ist dieselbe anfangs regelmäßig. Dauern aber die Bedingungen, die diesen Zu- | stand herbeiführen, längere Zeit fort, so tritt multiple Karyokinese ein. Es scheint, als ob schließlich auch die Kernteilung hinter der Teilung der Centrosomen resp. der Strahlensysteme zurückbleibt.“ Norman’s Hauptversuchsmethode war dabei: Eben künstlich .befruchtete Seeigeleier wurden sofort in Seewasser mit 2'/,°/, MgCl, gebracht. Ein Teil von ihnen blieb 1 Stunde 17 Minuten in der | Lösung und wurde dann konserviert; der zweite Teil 1 Stunde 57 Minuten und der dritte 2 Stunden 27 Minuten. Die Eier des. ersten Teils enthielten keine Kerne im Stadium der multiplen Teilung ; die des zweiten waren ähnlich den ersten, ausnahmsweise aber zeigten sie auch schon multiple Furchung; während diese reichlich in der dritten Portion auftrat. Plasmateilung hatte dann aber 6* 84 überhaupt noch nicht begonnen, obgleich die normal gebliebenen Kontrolleier dagegen schon die 16. und 32. Plasmafurchung durch- gemacht hatten, und die Kerne dieser Eier also sich vier- oder fünfmal bereits nacheinander geteilt hatten. — Genau gleiches Verhalten der Eier aber auch wenn diese schon vor der Befruchtung so behandelt wurden, konnten dann ferner Loxzs, Liwuıe und andere, besonders aber Kostaneckı, nachweisen. Kosranecxr an Eiern der Molluske Mactra, die durch Chlorcaleium in Seewasser zwangsparthenogenetisch gemacht worden waren. Sie entwickelten sich dann in normalem Seewasser nämlich ohne sicht- bare Zellteilungen zu lebenden Kugeln, nachdem bei ihnen eine zum Teil bereits angelegte Zellfurchung zurückgebildet war. In dem gemeinsamen Plasmaleib waren überaus zahlreiche Kerne; teils ruhend, dann in allen drei Phasen der Teilung; diese verlief ferner durchweg mitotisch. Die Teilungs- vorgänge gingen immer bei mehre- ren Kernen gleichzeitig vor sich, meist bei allen zugleich, wodurch pluripolare Mitosen mit verschiede- ner Zahl der Pole entstanden. Die Figur 62 dieser Arbeit, reproduziert nach Kosranscxi, gibt das Mutter- stadium der Teilungen. Es fällt sofort die regelmäßige Verteilung der achromatischen Strahlenfiguren und in den „Äquatorialplatten“ die der Chromosomen auf. Die achroma- tischen Strahlenkugeln mit feinen Centrosomen in der Mitte sind in auffällig gleichmäßigem Abstand angeordnet, und die Chromosomen sind so regelmäßig zwischen die Strahlenfiguren verteilt, daß sie auf dem Schnitt ein förmlich reguläres Maschenwerk bilden. Derartige Figuren entstehen durch gleichzeitige Ausbildung der Strahlen- figuren einer größeren Anzahl von Kernen; gewöhnlich treten alle Kerne gleichzeitig in Teilung ein, oder beendigen sie gleichzeitig; aber kleine Zeitunterschiede gibt es trotzdem. Es sei dazu noch hier erwähnt, was der Autor nicht besonders hervorhebt, daß das derartig verbildet sich furchende Individuum auf großen Strecken zuletzt nur noch aus Kernen besteht; und — daß Oscar Herrwısc im Jahre 1892 deshalb nicht unrecht hat, wenn er schreibt: „Es hat sich dabei gezeigt, daß der Kern viel weniger durch thermische, mechanische und chemische Eingriffe — u ur f ee q-- 85 | geschidigt wird als das Protoplasma; er beginnt stets wieder viel | früher in Tätigkeit zu treten und sich zu teilen, während das | Protoplasma an diesen Vorgängen nicht in normaler Weise teil- | nimmt.“ — Nur muß dabei hier hervorgehoben werden, daß diese | Vorgänge nicht „durch“ thermische und andere Eingriffe erzeugt werden, sondern unter deren Einfluß, wie noch näher zu begründen sein wird. — Und ganz ähnlich wie Kosransckı beschreibt Emm GopLEwSsKI das Verhalten der gleichen Zellabnormitäten, die er aus Echinodermen- | eiern in CO,haltigem Seewasser erhalten hatte. „Nach einer entsprechend langen Exposition der Eier tritt nach der Befruchtung die Kernteilung ohne Zellteilung ein. Im Verlauf dieses Prozesses findet oft die Bildung der Syncaryonten (Kernballen, Referent) im ‚ einheitlichen Plasmaterritorium statt, welche der Verschmelzung | oft ‚mehrerer einwertiger Kerne ihr Entstehen verdanken. Die | Syncarionten können durch mehrpolige oder bipolare Mitose sich | teilen. Im ersten Fall kann eine regulative Verteilung der in den _ Riesenkernen enthaltenen Kernsubstanz auf mehrere Kerne zustande kommen. Nachdem mehrere Kerne im einheitlichen Plasmaterritorium | sich gebildet haben, beginnt die simultane Plasmateilung. Dabei ließ | sich feststellen, daß die Größe der Plasmaterritorien, welche sich um die einzelnen Kerne sammeln, von der Größe der betreffenden Kerne abhängig ist.“ — | Wie entsteht nun aber diese Embryonalentwicklung mit viel- _ poligen Kernteilungen ohne Plasmateilung, d. h. mit Kernballen in | Plasmaballen ? | Für das eben befruchtete Ei ist die Frage leicht zu lösen. Die dabei gebrauchten Mittel sind für dieses Ei Plasmaschwäche _ und Dotterverquellung erzeugende, und sie sind ferner starkwirkende | d.h. sie bringen durch ihr Einwirken den Ei-Cytobionten zu extremer Zusammenziehung und schwächen ihn zugleich beträchtlich an Plasma- _ energie und der verquellende Dotter hindert ihn darauf vollends ı an der Wiederausdehnung, sobald er sich zu entwickeln beginnt. a Die Folge davon aber ist, daß dann die Zellen des werdenden 4 Embryos nicht nur minderwertig groß angelegt werden — wie ja _ auch bei geringerer Plasmaschwächung schon die zweite Furchungs- zelle kleiner angelegt wird, als die erste ist —, sondern sich in extremen Fällen zuerst nicht mehr im Plasma und dann auch nicht mehr in den Kernen voneinander trennen können und dadurch Zell- und Kernballen bilden. — In den Fällen aber, wo eine Anfangs- furchung von mehreren Zellen zurückgebildet wird, beruht das auf 86 einer nachträglichen Zusammenschiebung dieser Zellen auf einen wesentlich kleineren Raum. Es handelt sich also bei solchen Zell- und Kernballungen in Wirk- lichkeit nicht um eine Verschmelzung von oft mehreren einwertigen Kernen, sondern um die Unmöglichkeit für sie, auseinanderzurücken. Wenn dann ferner ein mit solchen Zellbailen in einer plasma- schwächenden Lösung versehener Embryo unter normalen Bedin- gungen seine Plasmaschwäche und Dotterverquellung schnell ausheilt, * so kann er dabei bis zu einem gewissen Grad — wie ja auch die zweite Furchungszelle unter gleichen Umständen zeigt — die dann gehinderte oder minderwertige Zellentwicklung vervollständigen; wodurch dann das bei ihm nun auf einmal eintretende Zerfallen der Zellballen in Einzelzellen erklärt wird. — | Die volle Parallele aber, die bei Ausbildung von Zell- und Kernballen unbefruchtete und eben befruchtete Individuen zeigen, lehrt nun für die vorliegenden Untersuchungen mit größter Sicherheit, daß auch das unbefruchtete Ei, wenn es von plasmaschwächenden Mitteln beansprucht wird, mit Pläsmaichwäche und Dotterver- Fig. 63. Fig. 64. quellung belastet wird; und daraus folgt dann weiter: Deshalb weil alle Mittel, die am unbefruchteten Ei zur Hervorrufung der Zwangs- parthenogenese verwendet werden, stets zugleich auch solche sind, die Plasmaschwäche erzeugen, so muß also auch die Zwangs- parthenogenese stets unter dem Einfluß von Plasmaschwäche und Dotterverquellung entstehen und verlaufen. — Die ferner in Fig.63 u. 64 dieser Arbeit abgebildeten Trochophoren von Amphitrite, die Martin H. Fischer 1902 durch Zwangsparthe- nogenese in einer Mischung von 96 ccm Seewasser + 4 cem Ca (NO,), °/, n erhalten hat, in der die Eier bis zu diesem Stadium aufgezogen wurden, zeigen an ihrem sonst mit Cilien besetzten Körper einen mächtigen Entwässerungssack mit glattem Ektoderm, und sind somit ein dritter guter Beweis für das eben erschlossene. Martin H. Fiscuer freilich deutet diese Gebilde ganz anders, denn er meint — direkt beobachtet ist es nicht worden — es sei jedes dieser Individuen dadurch entstanden, daß bei der Auslösung der 87 Parthenogenese je zwei richtige Kier einheitlich miteinander ver- _klebten, und dann auch zu einem einheitlichen Riesenembryo aus- | wuchsen. Da ihm der Begriff der Entwässerungssäcke völlig unbe- | kannt war, ist die falsche Deutung begreiflich. Und so mögen ' auch noch manche — wenn wohl auch nicht alle — angeblich auf ähnlichem Wege entstandenen „Riesenembryonen“ ähnlich falsch gedeutet sein. Kapitel IV. Rückblick auf Zwangsparthenogenese und natürliche Befruchtung. | Im vorangehenden Kapitel ist nachgewiesen worden, dab das | unbefruchtete reife Ei, wenn es von plasmaschwächenden Mitteln beansprucht wird, Plasmaschwäche und Dotterverquellung erwirbt; ' und daß deshalb also auch die Zwangsparthenogenese stets unter ' dem Einfluß von Plasmaschwäche und Dotterverquellung entsteht ; und verläuft. | | Und sind alsdann also die Vorgänge, wie am besten ein Beispiel zeigt, die folgenden: Wird ein normal auf natürliche Be- | fruchtung angewiesenes Ei eine Zeitlang ohne Besamung liegen gelassen, so beginnt der Cytobiont in ihm ganz allmählich an | Lebensenergie zu verlieren (was dadurch bewiesen wird, daß er ‚ alsdann zuletzt wirklich abstirbt, oder wenn er vorher noch besamt | wird, nur noch pathologische Embryonalentwicklung ausführt). | Durch die Abnahme seiner Lebensenergie und proportional derselben aber verliert er dann auch zugleich an Herrschaft über die von ihm ins Ei früher eingeführten, in geeigneter Weise abgelagerten und daselbst unter Kontrolle gehaltenen Reservestoffe des Kies; und dadurch werden diese Reservestoffe nunmehr zu einem Fremdkörper für ihn, nämlich zu seinem eventuellen Nährdotter. Dieser Nähr- dotter nimmt nun von außen her Flüssigkeit in sich auf und wird dadurch zuerst nur dünnflüssiger als bisher. In dieser Form ist er dann aber für den Cytobionten ein ganz besonders gutes Nähr- mittel, weil auch bei natürlicher Entwicklung der anfangs zu | konzentrierte Nährdotter von vornherein durch Wasseraufnahme ' erst brauchbar gemacht werden muß, und reizt nun seinerseits den Cytobionten zu Nahrungsaufnahme und Furchung an, die er deshalb trotz der bereits erhaltenen Energieschwächung auch ausführt. Dann aber verquillt in diesem Fall der Nährdotter noch immer mehr, da der Cytobiont auch fernerhin nicht imstande ist, ihn wieder unter Kontrolle zu nehmen, und nun drückt entweder der verquellende Nährdotter alsbald den zwei- oder mehrfach gefurchten Cytobionten 38 zwischen sich und der Dotterhaut zusammen und tötet ihn so ab, oder reißt ihn bei weiterer Verquellung auseinander. — Bei allen Mitteln ferner, die zur Hervorrufung der Zwangs- parthenogenese sonst noch geeignet sind, sind die Vorgänge im Ei genau dieselben; nur wirken die Mittel dann selbst aktiv und damit schneller auf den Cytobionten ein, und zwar proportional ihrer plasmaschwächenden Energie. — Für den Verlauf aber der, nur durch ein einziges Mittel ent- stehenden Zwangsparthenogenese gibt es dann die folgenden drei Möglichkeitshauptstufen, die zugleich Parallelstufen zu der Ent- wicklung des eben befruchteten Eies unter gleichen Versuchs- bedingungen sind: 1. Stärkste Schwächung. Der Cytobiont wird sofort und ohne die Gestalt ändern zu können gelähmt, stirbt alsbald ab und wird zersprengt. 2. Sehr hohe, aber weniger starke Schwächung. Der Cytobiont zieht sich proportional der Bean- spruchung zusammen; und kann Sich erst, wenn er unter normale Außen- bedingungen zurückgebracht wird, zwar zwangsparthenogenetisch — aber nur noch pathologisch — entwickeln, denn er heilt die alsdann erhaltene Plasmaschwäche nicht mehr aus. 3. Mäßige Schwächung. Der Cytobiont zieht sich nicht mehr zusammen, wird aber entsprechend der plasmaschwächenden Kraft des Mittels plasmatisch geschwächt. Nur unter normale Außenbedingungen zurückgebracht, entwickelt er sich zwangsparthenogenetisch; und je nachdem er die erhaltene Plasma- schwäche schnell genug ausheilen kann oder nicht, entweder schwach pathologisch oder im wesentlichen normal. 4. Sehr mäßige Schwächung. Der Cytobiont zieht sich nicht zusammen, erwirbt aber die zur Hervorrufung der Zwangsparthenogenese gerade noch unerläßliche Plasmaschwäche; und kann seine Entwicklung bereits in der An- regungsflüssigkeit beginnen. Unter normale Lebensbedingungen zurückgebracht, heilt er die Plasmaschwäche schnell aus und ent- wickelt sich von da normal weiter; und da seine Schwächung ohnehin nur gering war, morphologisch überhaupt ohne wesent- liche Abweichung von normaler Gestalt. — Es ist nunmehr in Rücksicht auf die Zwangsparthenogenese nur noch zu untersuchen, ob J. Loz#’s Angaben über den Wert einer Doppelbehandlung zur Erzielung einer „guten“ Zwangspartheno- genese berechtigt sind und wie weit. Als Grundlage für die Beurteilung der Frage mögen hier des- halb nun erstmalig folgende Tatsachen niedergelegt werden: Wenn normale Axolottembryonen in ihrer Eischale bis zum Verwachsen der Medullarwülste gelangt sind, so können sie der- 89 selben entnommen und dann also ganz hüllenlos in ihr gewöhnliches Aufzuchtwasser zurückgebracht werden, denn ihre Entwicklung geht dann ohne sichtbare Störung weiter. Ganz anders verhalten sich dagegen plasmatisch stärker geschwächte Individuen: Während diese nämlich, wenn sie alsdann noch in der Eischale bleiben, regel- mäßig die Embryonalentwicklung weit oder bis zu Ende fort- setzen; sterben sie, aus der Eihülle entfernt, fast immer schnell ab, indem sie zerplatzen. Der Grund dafür ist: Sobald sie aus der Eischale genommen werden, verläuft, wie an ihrer Entwässerung genau gesehen werden kann, die Ausheilung der Plasmaschwäche bei ihnen viel energischer, als wenn sie in der Eischale verbleiben. Diese Plasmaausheilung ist dann aber eine im wesentlichen nur oberflächliche; ihr Ektoderm allein heilt aus, während ihr Inneres nach wie vor verquollen bleibt; und infolgedessen zieht sich als- bald das so wieder kräftig gewordene Ektoderm des Embryos stark zusammen und drückt nun energisch gegen den Innenbezirk. Dieser - Kampf der beiden Gebiete aber kann dann zum Schluß so stark werden, daß das Ektoderm an seinen von Natur weniger haltbaren Stellen alsbald zerplatzt. — Verbleibt der stark geschwächte Embryo aber in der Eischale und im Fruchtwasser, so ist seine Schwäche- ausheilung eine sehr viel langsamere, das Ektoderm tritt dann also auch nicht so stark in Gegensatz gegen das Embryoinnere wie vorher, entwässert es deshalb vielmehr gleichzeitig mit; und eine Zersprengung des Tieres tritt dann also dadurch viel schwerer ein. Genau so aber verhält sich nun ohne Zweifel auch das zwangs- parthenogenetische Ei der niederen Tiere bei der Doppelbehandlung nach Lors. Durch das hierbei zuerst benutzte Mittel wird das Ei zur Zwangsparthenogenese gezwungen; da es aber ferner nur von einer ganz dünnen Dotterhaut und nicht von Dotterhaut, Ei- schale und Fruchtwasser umhüllt ist, so wird es, wenn es nunmehr unmittelbar unter normale Lebensbedingungen versetzt wird, sofort rings an seiner Peripherie in überschnelle Plasmaschwächeausheilung | eintreten, und dadurch in dem somit entstehenden Kampf zwischen seinem Ektoderm und Innern alsbald schwer geschädigt werden; wenn es dagegen statt dessen in ein die Ausheilung verlangsamendes Mittel überführt wird, so wird seine Entwicklung eine zwar lang- samere, aber dafür auch gesicherte werden, und bessere Resultate ergeben, als unter der einfachen Behandlung eintreten. Es gibt ja auch sonst noch eine ganze Anzahl von Tatsachen, die beweisen, daß man einen stark geschwächten Organismus nicht sofort unter normale Bedingungen zurückführen darf, sondern dab 30 das schwächende Mittel an ihm noch nachwirken muß, um ihn vor weiterer schwerer Schädigung zu bewahren. So dürfen bekanntlich Tier sowohl wie Mensch, die lange Zeit und stark gehungert haben, nicht sofort normal ernährt werden, sondern erst minderwertig und dann aufsteigend bis normal und überkräftig. Wenn Menschen und Tiere ferner anormal lange Zeit im Dunkeln zu bleiben gezwungen waren, dürfen sie nicht sofort in normales Tageslicht überführt | werden, sondern erst zum Übergang ins Halbhelle. Und wenn Pflanzen durch chemische Mittel so stark beeinflußt werden, daß sich ihre Zellkörper von den Zellwänden abgelöst haben, so dürfen die Pflanzen, wenn sie alsdann leben bleiben sollen, nicht sofort unter normale Bedingungen gebracht werden, sondern müssen mit dem vorher verwandten aber nunmehr stark abgeschwächten Mittel noch eine Zeitlang weiter behandelt werden, usw. — Es wäre nun nur noch darauf hinzuweisen, daß auch bei der natürlichen Befruchtung des Eies die Anfangsvorgänge der Ei- entwicklung ganz parallel denen verlaufen, die bei der Zwangs- parthenogenese auftreten, und sind sie folgende: Sobald der Samen Einfluß auf das Ei gewinnt, verliert der Eicytobiont an physiologischer Energie, dadurch nimmt aber zugleich auch seine Herrschaft über die von ihm im Ei unter Kontrolle gehaltenen Reservestoffe desselben ab, und dadurch werden diese — Reservestoffe nunmehr zu einem Fremdkörper für ihn, nämlich zu seinem Nährdotter. Dieser Nährdotter weiter nimmt nun von außen her Flüssigkeit in sich auf und wird dadurch flüssiger als bisher, in seiner Grenzzone aber auch zersetzt. Soweit er verflüssigt ist, ist er dann aber für den Cytobionten ein ganz besonders gutes Nährmittel und reizt nun seinerseits den Cytobionten zu Nahrungs- aufnahme und Furchungen an, die alsbald auch eintreten. Gleich- zeitig aber mit der nun erfolgenden Verschmelzung der Vorkerne gewinnt der Cytobiont seine frühere physiologische Energie wieder und beginnt nun die von vorher vorhandenen Zersetzungsprodukte im Nährdotter auszuscheiden, diese sammeln sich darauf zwischen Ei und Eischale an und heben letztere vom Ei ab. Kapitel V. Rückblick auf das experimentelle Grundgesetz. Es wurde schon im ersten Abschnitt dieser Arbeit auf den nachfolgenden Satz von VERWORN mit der Anmerkung hingewiesen: „Ja es wird sich später zeigen, daß die hier zunächst nur an- gedeutete Übereinstimmung zwischen einzelligen niederen Tieren Y1 und der Eizelle noch viel bedeutender ist!“ — Das Zitat aber lautete: „Es ist ganz besonders bemerkenswert, daß die verschieden- artigsten Reizqualitäten vollkommen gleiche Wirkungen an demselben Objekt hervorrufen. Eine Amöbe z. B. können wir durch chemische, mechanische, thermische und galvanische Reize zur Einziehung ihrer Pseudopodien und zur Annahme der Kugelgestalt veranlassen. Diese wichtige Tatsache zeigt uns, daß in jeder lebendigen Substanz eine außerordentlich große Neigung zu einer ganz spezifischen Folge von Prozessen bestehen muß, und zwar zu derselben Folge von Prozessen, die in geringerem Maße sich schon spontan ununter- brochen an der betreffenden Form der lebendigen Substanz abspielt und in den Lebenserscheinungen ihren Ausdruck findet, so daß der leiseste Anstoß, welcher Art er auch sei, die Auslösung dieser charakterischen Folge von Prozessen erzwingt.“ Nach den vorangehenden Untersuchungen ist nun gar kein Zweifel, daß das Verhalten der Protisten und der Eicytobionten, seien diese befruchtet oder nicht, unter dem Einfluß von gleich- wertigen äußeren Beanspruchungen ein so gleiches ist, daß es mit den oben zitierten Worten in beiden Fällen charakterisiert werden kann. Der Grund aber ist: Protisten wie Eicytobionten sind Lebwesen und haben deshalb die Grundeigenschaften der Leb- wesen gemein, darunter auch die Befähigung zur Kontraktion. Aber die Lebwesen haben andererseits nur so außerordentlich wenig Grundeigenschaften, daß die allerverschiedensten Anstöße immer nur dieselben Prozesse bei ihnen auslösen können. — Ein Rückblick auf das vorliegende Referat endlich: dürfte beweisen, dab auf dem in ihm behandelten Gebiet bisher energisch und erfolgreich gearbeitet worden ist. Ein Literaturverzeichnis konnte dieser Arbeit aus Mangel an Zeit leider nicht mehr angefügt werden. Vortrag des Herrn Prof. H. E. Ziesrer (Stuttgart): Über Insektengehirne. Manuskript nicht eingegangen. 92 Vortrag des Herrn Prof E. Korscheur (Marburg): Über Perlen und Perlenbildung bei Margaritana. (Als Erläuterungen zu der Demonstration). Bei den im Marburger Zoologischen Institut angestellten Unter- suchungen über die Süßwasserperlmuscheln waren zunächst prak- tische Gesichtspunkte maßgebend. Infolge eines äußeren Anlasses sollte die postembryonale Entwicklung der Margaritana und das Verhältnis der Glochidien zu den Fischen, d. h. ihr Parasitismus, sowie die darauf folgende Entwicklungsperiode, festgestellt werden. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind in den Arbeiten von W. Harms (Zoolog. Anzeiger 31. Bd. 1907 und Zoolog. Jahrbücher Abt. f. Anat. u. Ont. 28. Bd. 1909) niedergelegt. Dabei mußte uns natürlich die Frage nach der Entstehung der Perlen inter- essieren, und Prof. Merısexn#rmer, der auch die vorbereitenden Untersuchungen über die Entwicklung unternahm, suchte bereits nach den Parasiten, welche zur Perlenbildung Veranlassung geben möchten. Da die Entstehung der Perlen bei den marinen Muscheln (Mytilus und Margaritifera) auf Distomeen und Cestodenlarven zurückzuführen ist, so lag die Vermutung sehr nahe, daß der Vor- gang bei Margaritana ein ähnlicher sein möchte. Jedoch waren bei ihr Parasiten, durch welche die Bildung der Perlen veranlaßt werden konnte, weder innerhalb, noch außerhalb der Perlen zu finden, und zwar auch dann nicht, als Herr A. Russen die Unter- suchungen in systematischer Weise und im größeren Umfang auf- nahm. Vielmehr stellte sich die Bildung der Perlen so dar, daß ihr Ausgangspunkt kleine im Bindegewebe und Mantelepithel ver- streute Körnchen von gelbbrauner Färbung sind, welche ver- mutlich zur Schalenbildung in Beziehung stehen. Im allgemeinen dürften die genannten Körnchen, deren Natur und Herkunft hier unerörtert bleiben soll, an das Mantelepithel und durch dieses zur Bildung der Conchyolinlamellen nach außen ab- gegeben werden, jedoch bleiben einzelne Körnchen von recht ver- schiedenem Umfang erhalten und werden in Verbindung mit dem Mantelepithel von einer einschichtigen Zellenlage umgeben, welche Perlmutterschichten um sie absondert. Im Zusammenhang mit dem Mantelepithel entsteht also ein Perlsack, wie er in der Umgebung der Parasiten und der durch sie hervorgerufenen Perlen von den marinen Muscheln bekannt ist. Mit der Größenzunahme der Perle wird der Perlsack mehr ins Innere verlagert. und verliert allmählich den Zusammenhang 93 mit dem Epithel, so daß er schließlich frei im Bindegewebe des Mantels liegt. Diese isolierten Perlsäcke erwecken durchaus den Eindruck, als ob sie nicht das geringste mit dem Mantelepithel zu tun ‘hätten, auch schien es uns so, als wenn dies wirklich der Fall sein könnte, bis der Zusammenhang mit dem Epithel in der oben geschilderten Weise erkannt und die vorher als möglich vermutete Herkunft des Perlsacks vom Bindegewebe nicht mehr für wahr- scheinlich gehalten wurde. Für die Gleichartigkeit des Perlsack- und Mantelsackepithels spricht übrigens die Fähigkeit, die gleichen Substanzen zu sezer- nieren, denn im Perlsack werden nacheinander Perlmutter-, Prismen- und Periostracum-(Conchyolin)-Schichten abgeschieden, so wie es vom Mantelepithel geschieht. Es gibt Perlen, die aus allen drei Schichten, aber auch solche, die nur aus einer der genannten Schichten (Perl- mutter-, Prismenschicht oder Periostracum) bestehen, wie dies die bei der Demonstration aufgestellten, von Herrn A. Russen angefertigten makroskopischen und mikroskopischen Präparate zeigen. [Die zur Demonstration vorgelegten Präparate beziehen sich auf eine gröbere Zahl, in 3 Serien aufgestellter Perlen von verschiedener Gestalt, Struktur und Färbung, darunter eine Anzahl Periostracumperlen, Muskelperlen usw., Verwachsung von Perlen, Schalenperlen usf. Vor allen Dingen ist jedoch Gewicht gelegt auf die frühen Stadien der Perlsackbildung in Verbindung mit dem Mantelepithel, Loslösung von diesem, Vergrößerung des Perlsacks und der Perlen, freie Perlsäcke im Bindegewebe des Mantels. Mikroskopisch demonstriert wird außerdem die Struktur junger und älterer Perlen, sowie die- jenige der verschiedenen Perlenarten im Hinblick auf die Schichtung, besonders auch bei den „Periostracumperlen“.] Eine kurze Darstellung der Perlenbildung und Struktur wurde bereits von A. Russet (im Zoolog. Anzeiger Nr. 19/20 37. Bd. 1911) gegeben, und die ausführliche Arbeit befindet sich in Vorbereitung. Hier wurden die Hauptergebnisse deshalb hervorgehoben, weil sie sich hinsichtlich des Ursprungs der Perlen bei Margaritana in erfreulicher Übereinstimmung mit einer soeben erschienenen kurzen Mitteilung über denselben Gegenstand befinden, welche W. Hern (München) in der allgemeinen Fischereizeitung (Nr. 8, 1911) ganz kürzlich veröffentlichte. Danach entstehen die Perlen eben- falls nicht infolge von Parasiteneinwanderung, sondern werden in ähnlicher Weise, wie es oben dargestellt wurde, durch kleine, von Heıy als „Kalkkonkremente“ bezeichnete Körnchen hervorgerufen, die im Bindegewebe liegen und wahrscheinlich als „Reservestoffe 94 fir die Ablagerung der Schale“ dienen. Um sie lagern sich Lamellen von organischer (Conchyolin-) und Kalksubstanz ab. Dies geschieht frei im Bindegewebe, denn „ein Perlsäckchen, also eine mit Epithel ausgebildete Höhle, in welcher die Perle liegt, bildet sich erst dann, wenn die Perle größer wird“. In letzterer Hinsicht stimmen unsere Ergebnisse mit denen von Hm nicht überein, wie man sieht, denn wir leiten das Perl- sackepithel vom Mantelepithel her, zu welchem die perlbildenden Konkremente vorher in Beziehung traten. Hierzu muß allerdings bemerkt werden, daß der Anschein zunächst für die von Hm geäußerte Auffassung sprechen kann, indem der Perlsack häufig recht. undeutlich und schwer nachweisbar ist. So waren wir an- fangs der Meinung, neben der Herkunft des Perlsacks aus dem Mantelepithel möge auch diejenige aus Bindegewebszellen bestehen, die sich epithelartig zusammenfügten. Nach dem, was wir sahen, schien es uns nicht unmöglich, daß solche zweierlei Entstehung des Perlsacks bestehen könne, wenn sie auch nicht als warschein- lich angesehen werden konnte. Die genauere Prüfung und fort- gesetzte Untersuchung zahlreicher Schnittserien führte jedoch zu der Überzeugung, das Perlsackepithel sei in der oben geschilderten Weise vom Mantelepithel herzuleiten. Abgesehen von dem tatsächlichen Ergebnis der Untersuchung dürfte diese Auffassung auch insofern die größere Wahrscheinlichkeit für sich haben, als es sich um Derivate derjenigen Zellenschicht handelt, welche die gleiche Funktion wie das Perlsackepithel, nämlich die Abscheidung von Conchyolin- und Kalksubstanz, normalerweise zu besorgen hat. Für die Auffassung der Perlen, besonders aber für ihre eventuelle Hervorrufung auf experimentellem Wege wäre es sehr wichtig, die Natur und Herkunft der Konkremente kennen zu lernen, welche nach Russet’s und Hrm’s Beobachtungen die Veran- lassung zur Perlenbildung geben. Zwar haben wir in dieser Beziehung gewisse Vermutungen, aber zu bestimmten Ergebnissen führten die Untersuchungen bisher nicht; es ist beabsichtigt, die Studien gerade in dieser Richtung, d. h. nach der physiologischen Seite, weiter fortzuführen. Es braucht kaum bemerkt zu werden, daß unsere Bestrebungen durch die im vorstehenden kurz dargelegten Ergeb- nisse über die Ursache der Perlenbildung überhaupt eine ganz andere Wendung erhielten. Nach den von Meeresmuscheln be- kannten Verhältnissen durfte man daran denken, die Perlenbildung durch Einführung von Parasiten zu beeinflussen. Hiervon wird nun nicht mehr die Rede sein können, sondern es wird sich darum 95 handeln, die Produktion jener Konkremente im Mantelgewebe zu befördern, um dadurch möglicherweise auf eine Vermehrung der Perlenbildung hinzuwirken. Nach den gewonnenen Ergebnissen erscheint dieses Vorgehen übrigens selbstverständlich und brauchte hier nicht ausdrücklich erwähnt zu werden; ausgesprochen sei es deshalb, weil Herm am Schluß seiner Ausführungen noch besonders darauf hinweist, wie dies in ganz entsprechender Weise auch meiner- seits in einem mehr die praktische Seite der Frage betreffenden, zu Anfang dieses Jahres erstatteten Bericht geschah. Vortrag des Herrn R. Harrmeyer (Berlin): Die geographische Verbreitung der Ascidien. Wenn ich als Titel meines Vortrages „Die geographische Verbreitung der Ascidien“ gewählt habe, so brauche ich kaum zu bemerken, daß in der mir zur Verfügung stehenden Zeit eine auch nur einigermaßen erschöpfende Darstellung dieses Themas nicht möglich ist. Ich muß mich daher lediglich auf eine Zu- sammenfassung des wichtigsten Tatsachenmaterials beschränken und werde insbesondere die Anführung von Namen vermeiden, die im allgemeinen doch nur dem Spezialisten etwas sagen können. Wer sich näher für den Gegenstand interessiert, den darf ich vielleicht auf meine vor einiger Zeit erschienene eingehende Be- handlung der ganzen Materie in Brony’s Klassen und Ordnungen des Tierreichs, v. 3 suppl. p. 1498—1726, aufmerksam machen. Daselbst habe ich auch alles Belegmaterial für meine Schlüsse in Form von Tabellen, Karten, Artenlisten u. dgl. zusammengestellt. Das Fundament für eine zusammenfassende Darstellung der geo- graphischen Verbreitung einer Tiergruppe bildet natürlich eine möglichst geklärte Systematik. Diese Voraussetzung erscheint für die Ascidien in der Hauptsache befriedigend erfüllt. Die Systematik der Gruppe ist in der letzten Zeit so weit vorgeschritten, daß die überwiegende Zahl der unterschiedenen Gattungen als natürliche ; angesprochen werden können. Ebenso herrscht in der Abgrenzung | der Familien — ich unterscheide deren 16 —, von einigen Diffe- | renzen untergeordneter Art abgesehen, unter den Spezialisten Überein- stimmung. Nach einer neueren Zusammenstellung von mir beträgt die Zahl der sicheren Gattungen zurzeit 107, die der sicheren Arten 1286. Unsichere Gattungen und Arten habe ich unberücksichtigt gelassen. Während aber über die horizontale Verbreitung, von einigen wenigen Arten abgesehen, durchweg präzise Angaben vorliegen, 96 enthält die Literatur nur für 91 Gattungen und 648 Arten genaue Angaben über die vertikale Verbreitung. Doch handelt es sich in allen den Fällen, wo keine Tiefenangaben in Zahlen vorliegen, bei den Gattungen ausnahmslos, bei den Arten wohl fast ausnahmslos um Angehörige des Litorals, und zwar ganz überwiegend der oberen Litoralzonen, nicht über eine Tiefe von 50—100 m hinaus. Nächst der Systematik ist für unser Thema eine einigermaßen gleichmäßige Durchforschung aller Meeresräume eine unerläßliche Vorbedingung, um nicht zu irrigen Schlüssen zu gelangen. Man darf aber wohl sagen, daß auch nach dieser Richtung hin das vorliegende Tatsachenmaterial einigermaßen genügt, wenn natürlich auch manche Gebiete besser, manche weniger gut bekannt sind. Der Versuch, das auf die geographische Verbreitung bezügliche literarische Material nach kritischer Sichtung einmal zusammen- zufassen, erscheint daher nicht unzeitgemäß. Nach diesen Vorbemerkungen wende ich mich meinem eigent- lichen Thema zu, und zwar zunächst einer Darstellung der hori- zontalen Verbreitung der Ascidien. Ich beginne mit einem zusammenfassenden Vergleich der fünf von mir unterschiedenen Zonen, für die ich die gebräuchlichen Namen Arktis, Sub- arktis, Tropen, Subantarktis und Antarktis verwenden werde*). Die Grenze der Arktis gegen die Subarktis beginnt im Atlantic bei den Lofoten und endigt bei Cap Charles (Labrador), im Pacific folgt sie der Aleuten- und Kurilenkette und endigt nach Passieren der Straße zwischen Sachalin und Jesso an der Fest- landküste. Bering- und Ochotskisches Meer ist demnach noch arktisch. Die Grenze der Subarktis gegen die Tropen liegt im allgemeinen zwischen dem 30. und 35. Grad n. B. Im Atlantic verläuft sie zwischen Gibraltar und Cap Florida, nördlich der Bermuda. Das Mittel- meer rechne ich demnach noch der Subarktis zu. Im Pacific lasse ich sie bei San Francisco beginnen und bei Shanghai endigen. Die Grenze der Tropen gegen die Subantarktis wird durch die kalten Strömungen an den Westküsten der Kontinente erheblich nach Norden ver- schoben, andererseits reicht sie durch die warmen Ostküsten- strömungen weit nach Süden herab. Als Grenze zwischen Sub- antarktis und Antarktis endlich nehme ich den 60. Grad s. B. an, so daß ich als Antarktis lediglich das Litoral des südpolaren Fest- landes und die unmittelbar sich anschließende Tiefseezone bezeichne. *) Vgl. die Karte in: Bronn, Klass. Ordn. Thierr., v. 3 suppl. p. 1503. 97 Vergleichen wir diese fünf Zonen zunächst rein numerisch miteinander, so finden wir, daß sie nach der Zahl der Familien sowohl wie der Gattungen und Arten in derselben Reihenfolge rangieren. Bei weitem am reichsten sind die Tropen (sämtliche Familien — 71 Gattungen — 635 Arten); es folgen die gemäßigten Zonen, von denen die Subarktis (mit 14 Familien — 60 Gattungen — 432 Arten) die Subantarktis (mit 13 Familien — 49 Gattungen und nur 219 Arten) nicht unerheblich übertrifft, und endlich die beiden Polarzonen, bei denen wiederum die Arktis (11 — 34 — 103) die Antarktis (11 — 25 — 50) übertrifft. Für die Familien sind die Zonen als Verbreitungsgrenzen ohne nennenswerte Bedeutung, da die Verbreitung sämtlicher großer Familien durchaus als kosmopolitisch zu bezeichnen ist. Tritt eine Beschränkung in dieser kosmopolitischen Verbreitung ein, so werden zunächst die Polarzonen davon betroffen, doch handelt es sich bei den nur in der Arktis oder Antarktis oder auch in beiden Polar- zonen fehlenden Familien fast ausnahmslos um artenarme Familien. Bei den Gattungen tritt die Bedeutung der Zonen als Ver- breitungsgrenzen dagegen bereits erkennbar in die Erscheinung. Rund */, (43) aller Gattungen sind nämlich auf eine Zone beschränkt, und zwar sind eigentümlich den Tropen: 21, der Subarktis: 10, der Subantarktis: 7, den Polarzonen aber nur 2 (Arktis) bzw. 3 (Ant- arktis). Die übrigen 63 Gattungen verbreiten sich durch mehr als eine Zone, und zwar sind von diesen letzteren 11 Kosmopoliten, während 16 beiden oder nur einer Polarzone fehlen. Hinsichtlich der Familien wie der Gattungen werden also die Polarzonen zu- | nächst, und zwar recht erheblich, von einer Verarmung betroffen. Eine noch bedeutendere Rolle als trennende Faktoren spielen die Zonen bei den Arten. Unter den Arten zählen wir nur 120, die mehreren Zonen gleichzeitig angehören, und zwar sind von ihnen 41 arktisch-subarktisch, 32 subarktisch-tropisch, 33 tropisch- subantarktisch, und 7 subantarktisch-antarktisch. Es handelt sich also stets um zwei benachbarte Zonen. Die Zahl der Arten, die sich über mehr als zwei Zonen verbreiten, ist nur ganz gering, als ‚Kosmopolit kann nur Ciona intestinalis bezeichnet werden, Fälle - diskontinuierlicher Verbreitung sind nur ganz vereinzelt bekannt | geworden und systematisch nicht immer einwandfrei. Dem numerischen Vorsprung, welche die Ascidienfauna der _ Tropen vor derjenigen der übrigen Zonen aufweist, steht nun aber ein Überwiegen der gemäßigten und kalten Meere beider Hemi- ' sphären über die Tropen hinsichtlich der Zahl und Größe der | Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1911. 7 98 Individuen gegenüber. Während die Ascidien der tropischen Meere im allgemeinen nur klein sind, erreichen sie in den gemäßigten und kalten Meeren teilweise wenigstens sehr beträchtliche Dimen- sionen. Merkwürdigerweise ist diese Erscheinung auf der südlichen Halbkugel in viel stärkerem Maße ausgeprägt, als auf der nördlichen. Im magalhaensischen Gebiet, am Cap, an der westaustralischen Küste und in der Antarktis selbst finden wir die Riesen ihres Geschlechts, und zwar nicht nur vereinzelte Formen, sondern in fast allen Familien haben sich weit über das Durchschnittsmaß hinausreichende Formen entwickelt. Auch in der Arktis ist eine Steigerung der individuellen Größe zu konstatieren, aber doch nicht in demselben Maße. Auch der Individuenreichtum der gemäßigten und kalten Meere — am ausgeprägtesten vielleicht in der Arktis und Sub- antarktis — übertrifft, nach allem, was wir darüber wissen ganz unverkennbar denjenigen der Tropen. Beide Momente bringen es mit sich, daß die Ascidien der Tropen, trotz ihrer viel höheren Artenzahl, in viel geringerem ‚Maße dem jeweiligen Faunenbilde ihren Stempel aufdrücken, als in den gemäßigten und kalten Meeren. Ich werde jetzt die Ascidienfauna der einzelnen Zonen in ihrer Zusammensetzung und ihren Beziehungen etwas näher zu charakte- risieren versuchen. Die Arktis, mit der ich beginne, darf als eines der am besten bekannten und systematisch geklärtesten Ge- biete gelten. Ich bemerkte bereits, daß in der Zusammensetzung der arktischen Ascidienfauna eine gewisse Verarmung zutage tritt, die in dem Fehlen von nicht weniger als 5 Familien sowie einer ganzen Reihe von Gattungen sich äußert, während andere Familien und artenreiche Gattungen stark zurücktreten. Artenreicher sind nur 3 Familien, die Oaesiridae, Tethyidae und Synoicidae. Immer- hin sind eine Anzahl vorwiegend oder ausschließlich arktischer Gattungen bekannt, die der arktischen Ascidienfauna bis zu einem gewissen Grade wenigstens ein charakteristisches Gepräge verleihen. Im Bereiche des ganzen Nordpolarmeeres ist eine ausgesprochene Cireumpolarität zu konstatieren, die für viele Arten so gut wie lückenlos ist, während für andere Arten jede neue Ascidienausbeute aus arktischen Meeren auch eine Erweiterung ihres circumpolaren Verbreitungsringes bedeutet. Eine gewisse Sonderstellung nimmt nur das Beringmeer ein, dessen Ascidienfauna zwar ein durchaus arktisches Gepräge hat, aber doch einen hohen Prozentsatz eigen- tümlicher Formen aufweist, die zwar Arten des Nordpolarmeeres nächst verwandt sind, wohl aber als selbständige Lokalformen unterschieden werden können. Die Beziehungen der arktischen > 99 Ascidienfauna zu anderen Zonen bleiben durchaus auf die Subarktis beschränkt, doch ist die Zahl der gleichzeitig subarktischen Arten — 41 von 103 — immerhin recht beträchtlich. Wie zu erwarten, liegen diese Beziehungen ganz überwiegend im Bereiche des Atlantic. Von diesen arktisch-subarktischen Arten sind etwa die Hälfte charakteristische hocharktische Arten, welche teils in den nördlichen Pacific, teils an der Neu-England-Küste bis Cap Cod, teils in das Grenzgebiet zwischen Island und Faröer bis in die östlich vom Wyville-Thomson-Rücken gelegene kalte Zone vor- dringen, während nur ganz wenige Arten dieser Gruppe die Küsten des subarktischen Norwegens und des übrigen N.-W.-Europa, keine das Mittelmeer mehr erreicht. Zum Teil handelt es sich um die- selben Arten, die auf diesen verschiedenen Wegen gleichzeitig in die Subarktis vordringen. Die andere Hälfte dagegen bilden Arten, die zweifellos subarktischer Herkunft sind. Für die Einwanderung dieser subarktischen Arten, die sich fast ausnahmslos im Bereiche des Atlantic abgespielt zu haben scheint, war der Weg in die Arktis in der Hauptsache durch den Golfstrom vorgezeichnet. Wir haben in dieser Gruppe Arten, die bis nach West-Spitzbergen, zur Südostküste Islands und bis an die Westküste Grönlands vor- gedrungen sind, andere gehen nicht über das (sebiet des arktischen Norwegens hinaus, wieder andere endlich können nur als: Gäste bezeichnet werden, die gelegentlich nördlich der Lofoten ge- funden wurden und deren Larven vielleicht nur zufällig nach Norden vertrieben wurden, ohne daß die Arten sich dort dauernd ansiedelten. Stellen wir die endemischen arktischen Arten und die aus der Arktis bis in die Subarktis vorgedrungenen Arten, also das eigentliche arktische Element, diesen subarktischen Ein- wanderern und Gästen gegenüber, so ergibt sich für erstere die Totalzahl von 80 (= 78°,), für letztere von 23 (= 22°/,). Man darf demnach wohl sagen, daß die arktische Ascidienfauna, trotz ihrer engen Beziehungen zur Subarktis, ein durchaus eigentümliches Gepräge zeigt. Für die Subarktis, der ich mich jetzt zuwende, ergibt sich |, von selbst eine Sonderung in ein atlantisches und ein paci- fisches (Gebiet, die zunächst einen Vergleich untereinander nahe- legen. Die zwischen beide Meeresräume eingelagerten Landmassen sind einem Austausch der beiderseitigen Faunen offenbar durchaus hinderlich gewesen. Eine Verbindung war nur über die Arktis denkbar und in der Tat sind die beiden Gebieten gemeinsamen Arten ihrer Herkunft nach sämtlich arktische Einwanderer. Von Pies 100 diesen arktischen Elementen abgesehen, ist die Ascidienfauna beider Gebiete total verschieden. Keine andere Zone bietet innerhalb ihrer Grenzen auch nur annähernd dieselben Unterschiede. Identische subarktische Formen in beiden Meeresräumen fehlen völlig. Aber auch von den für den subarktischen Atlantic charakteristischen 10 Gattungen findet sich keine im subarktischen Pacific wieder. Im Bereiche des subarktischen Atlantic können wir einen westlichen amerikanischen und einen östlichen europäischen Teil unterscheiden. Letzterer mag wieder in das nordwesteuropäische Küstengebiet und das Mittelmeer gegliedert werden. Im Bereiche der nordwesteuropäischen Küsten ist zunächst eine be- merkenswerte Verschiedenheit zwischen dem Osten und Westen zu konstatieren. Der ‘Osten ist an Gattungen wie an Arten viel ärmer als der Westen. Nur ein verhältnismäßig geringer Teil aller von den nordwesteuropäischen Küsten bekannten Arten ist durch das ganze Gebiet verbreitet. Die Nordsee bildet in gewisser Weise ein neutrales Gebiet. Sie ist nicht nur artenarm, sondern bedeutet für viele Arten eine Verbreitungsgrenze sowohl nach Westen wie nach Osten. Die gleichzeitig im Mittelmeer vor- kommenden Arten bleiben in der Hauptsache auf den Westen be- schränkt und man darf wohl annehmen, daß diese westliche Fauna im wesentlichen aus dem Mittelmeer eingewandert ist. Durch das ganze Gebiet dagegen verbreiten sich vornehmlich solche Arten, deren Verbreitung auch außerhalb der nordwesteuropäischen Küsten ein weites Areal umfaßt, bis in die Arktis und an die nordostamerika- nische Küste einerseits, bis in das Mittelmeer andrerseits reicht. Das Mittelmeer ist ein durchaus einheitliches faunistisches Gebiet. Nirgends scheint es zur Ausbildung von Lokalfaunen gekommen zu sein. Auch zwischen dem Westen und Osten bestehen keinerlei prinzipielle Unterschiede, wohl aber steht der Osten hinter dem Westen ganz erheblich an Gattungs- wie an Artenzahl zurück. Die Beziehungen des Mittelmeeres weisen, wie bemerkt, in aus- gesprochenem Maße auf die nordwesteuropäischen Küsten hin. Das subarktische Eiement dominiert durchaus, doch erhält die Ascidien- fauna des Mittelmeeres durch eine Anzahl den wärmeren Meeren charakteristischer Gattungen eine tropische Beimischung, die den nordwesteuropäischen Küsten fehlt. Ihrer Herkunft nach weisen diese Elemente nach Westindien hin. Dagegen liegt beweiskrältiges . Tatsachenmaterial über das Vorkommen identischer Arten im Mittel- meer und westlichen tropischen Indic, insbesondere im Roten Meer, kaum vor. Die Ostküste von Nordamerika, soweit sie im Be- 101 reiche der Subarktis liegt, ist ein ausgesprochenes Mischgebiet, das sich aus arktischen Einwanderern, tropischen Elementen (außer- ordentlich spärlich) und subarktischen Formen zusammensetzt. Die subarktische Fauna schließt sich eng an diejenige der nord- westeuropäischen Küsten an und führt immer mehr zu einer art- lichen Vereinigung der westlichen und östlichen Formen. Der subarktische Pacific zeigt an beiden Küsten ent- sprechende tiergeographische Verhältnisse. Von Norden her haben wir eine Einwanderung arktischer Elemente, auf der asiatischen Seite bis nach Korea, auf der amerikanischen nicht über den Alaska- bezirk hinaus. Der ganze Süden von Japan ist stark mit tropischen Elementen durchsetzt. Hier treten zahlreiche Formen auf, die artlich von malayischen Formen nicht zu trennen sind. An der westamerikanischen Küste können wir eine starke Einwanderung südkalifornischer Elemente verfolgen, deren äußerste Vorposten bis zum Alaskabezirk vorgedrungen sind, während andere nicht über den Puget-Sund hinausgelangt sind. Während aber die arktischen Elemente beider Gebiete identische oder doch nahe verwandte Arten sind, ist das tropische Element beider Küsten durchaus verschieden. Die endemische Fauna beider Gebiete endlich zeigt unverkennbare Beziehungen, die nicht nur in nahe verwandten, sondern auch in identischen Arten ihren Ausdruck findet. Einige wenige Formen sind von beiden Küsten bis in das Beringmeer vorgedrungen. Ich komme nun zu den Tropen. Betrachten wir diese Zone zunächst wiederum im ganzen, so sei als bemerkenswerteste Tat- sache vorausgeschickt, dab auch bei den Ascidien eine Sonderung dieser Zone in ein indo-pacifisches und ein atlantisches (Gebiet sich zwanglos ergibt. Nur wenige Arten sind bekannt, bei denen von einer circumaquatorialen, d. h. beide Meeresräume umfassenden, Verbreitung die Rede sein kann, die aber in keinem Falle ganz lückenlos ist. Als ein wichtiges Schöpfungszentrum des tropischen Atlantic muß zweifellos Westindien angesehen werden. Allem Anschein |) nach hat von hier aus im Zuge des Golfstromes eine intensive Ausbreitung von Arten nach Osten stattgefunden. Von dieser Ausbreitung wurden zunächst die Bermuda betroffen. Die Fauna dieser Inselgruppe ist nichts weiter als eine verarmte westindische Fauna. Aber auch noch über die Bermuda hinaus läßt sich dieser westindische Einfluß bis nach den Kapverden und selbst bis in das Mittelmeer hinein verfolgen. Nur spärlich ist die Zahl tro- pischer Elemente, die sich an der Ostküste von Nordamerika nach 102 Norden vorgeschoben hat. Dagegen sieht man westindische Formen — an der Ostküste Südamerikas bis zur Vereinigung des Falkland- und Brasilstromes vordringen. Dieses interessante Mischgebiet bedeutet gleichzeitig die nördliche Verbreitungsgrenze magalhaen- | sischer Formen, die wir hier neben tropischen Elementen finden. Die tropische Westküste Afrikas, die noch sehr ungenügend bekannt, scheint durch die Ausbildung vorwiegend endemischer Elemente ausgezeichnet zu sein, doch finden wir auch Beziehungen zum Mittelmeer sowohl wie zum magalhaensischen Bezirk. Eines besonderen Hinweises scheint mir die Tatsache von dem Vorkommen identischer Arten in Westindien einerseits, im westlichen Indic (Rotes Meer, Ostafrika) andrerseits wert zu sein. Analogien finden sich ja auch in anderen Tiergruppen. Die Ascidienfauna des tropischen Indic muß im allgemeinen als sehr einheitlich bezeichnet werden. Sie ist durch einen unge- wöhnlichen Artenreichtum ausgezeichnet, der im Gebiete des malayischen Archipels seinen ‚Höhepunkt zu erreichen scheint. Nördlich läßt sich diese Fauna bis in den Golf von Suez verfolgen, trägt hier aber bereits Spuren deutlicher Verarmung an sich. An der ostafrikanischen Küste dringen tropische Formen, dem Agulhas- strome folgend, bis zur Simons-Bay vor, einzelne Arten gehen aber selbst um das Cap herum bis in die Lüderitzbucht hinein. Die kalte Benguela-Strömung scheint in diesem Fall also kein Hindernis zu sein. Vom malayischen Archipel als Mittelpunkt breitet sich diese tropisch-indische Fauna in nördlicher Richtung bis an die Südküste Japans aus, in östlicher bis zu den Inseln des Pacific, deren Ascidienfauna aber im allgemeinen als arm bezeichnet werden muß, in südlicher Richtung an der ostaustralischen Küste entlang, noch durch die Baß-Straße hindurch bis nach Melbourne und in ihren letzten Ausläufern bis zum King-George-Sund. Die ganze Fauna dieses südostaustralischen Küstenstriches ist außerordentlich stark mit malayischen Elementen durchsetzt und zeigt auch in ihren endemischen Formen einen überwiegend tropischen Charakter. An der nordwestaustralischen Küste bildet die Sharks-Bay die südliche Verbreitungsgerenze Auch an der Westküste von Neuseeland, die von einer warmen Strömung getroffen wird, treten malayische Arten auf. Dagegen scheint diese tropisch-indische Fauna, die auf den Inseln des Pacific ärmer und ärmer wird, nicht mehr ‘die tropische Westküste Amerikas zu erreichen, deren Kenntnis sich allerdings nur auf die kalifornische Küste beschränkt. Der übrige Teil der tropischen Westküste, die Küsten von Mexiko, Mittel- 103 amerika und Peru, ist so gut wie unbekannt. Soweit wir über dieses Gebiet unterrichtet sind, scheinen hier alle Bedingungen für die Ausbildung einer endemischen Fauna gegeben gewesen zu sein, die keine nennenswerte Beimischung aus dem indopacifischen Gebiete erhalten hat. Ebensowenig ist eine identische Art zwischen diesem Küstenstrich und Westindien bekannt. Ich komme zur Subantarktis. Eine Sonderung dieser Zone nach Ozeanen läßt sich nur durch künstliche Trennungslinien er- möglichen. Nur zwischen Atlantic und Pacific bildet die Südspitze Amerikas durch ihre Annäherung an die antarktische Landmasse bis zu einem gewissen Grade wenigstens eine natürliche Grenze, ohne indes die Möglichkeit eines direkten Austausches auszuschalten. Im übrigen findet zwischen Atlantic und Indic wie zwischen Indic und Pacific ein ungehinderter Austausch der Wassermassen statt, in welche die Inseln der Subantarktis als Stützpunkte für die An- siedelung einer Litoralfauna eingestreut sind. Bekanntlich läuft in diesen hohen südlichen Breiten um die ganze Erde herum ein von den starken Westwinden unterhaltener Oststrom, die sogenannte Westwindtrift. Die von diesem Strome mitgeführten Tangmassen ermöglichen den Transport aller solcher Formen, die sich auf denselben anzusiedeln pflegen. Die Gesamtheit der physiographischen Verhältnisse läßt: demnach von vornherein bis zu einem gewissen Grade wenigstens eine circummundane oder — um Prerrur’s Aus- druck zu gebrauchen — circumnotiale Verbreitung erwarten. Tat- sächlich liefern denn auch die Ascidien eine ansehnliche Zahl von Beispielen circumnotialer Verbreitung, die allerdings bei den Gattungen und Arten in verschiedenem Maße ausgeprägt ist. Es scheint, als wenn das magalhaensische Gebiet ein wichtiges Schöpfungszentrum darstellt, von dem aus diese Besiedelung in westöstlicher Richtung stattgefunden hat. Es ist nun interessant, zu verfolgen, wie diese östliche Verbreitungsgrenze von Fall zu Fall verschieden weit vorgeschoben ist. Manche magalhaensische Formen haben erst Süd-Georgien erreicht, andere sind bereits bis | Kerguelen oder Neu-Amsterdam gelangt, noch andere verbreiten sich durch den ganzen südlichen Atlantic und Indie bis nach Australien und Neuseeland, und endlich ist auch eine Art — Corella ewmyota — bekannt, bei welcher der circumnotiale Ver- breitungsring vollständig geschlossen erscheint. Daneben lassen sich, wenn auch nur in geringem Maße, Beziehungen der sub- antarktischen Fauna zu den Tropen nachweisen. Wir können ein Vordringen subantarktischer Elemente nach Norden bis zum Kap 104 und auch an der ostaustralischen Küste bis in die Torres-Straße, hier also entgegen dem herabwandernden Strome malayischer Formen, verfolgen. Die Antarktis endlich, über die ich auf Grund meiner unlängst abgeschlossenen Bearbeitung der Aseidien der Deutschen — Südpolarexpedition berichten kann, ist bei weitem die ärmste — aller Zonen, und es ist nach den bisher vorliegenden Sammel- ergebnissen der verschiedenen Südpolarexpeditionen auch kaum zu erwarten, daß die Zahl der Arten noch eine erhebliche Steigerung erfahren wird. Die Zone zählt zurzeit insgesamt nur 50 Arten, die sich auf 25 Gattungen verteilen. Was die antarktische Aseidienfauna auszeichnet, ist einerseits das Fehlen eigentümlicher und das Überwiegen gewisser artenreicher, mehr oder weniger kosmopolitischer Gattungen, andrerseits das. starke Zurücktreten oder Fehlen anderer ebenfalls artenreicher, sonst weitverbreiteter Gattungen. Dadurch zeigt diese Fauna auf der einen Seite einen bemerkenswerten Mangel an Spezialisierung, auf_der anderen einen unverkennbaren Zug der Verarmung. Analog den Verhältnissen in der Arktis zeigt die antarktische Ascidienfauna in ausgesprochenem Maße die Tendenz circumpolarer Verbreitung. . Prinzipielle Unter- schiede zwischen der Fauna von West- und Ostantarktis lassen sich nicht nachweisen. Die Beziehungen zu anderen Zonen weisen ausschließlich auf die Subantarktis, und zwar auf den magalhaensi- schen Bezirk hin. Beide (Gebiete besitzen eine ganze Anzahl identischer Arten. Es scheint demnach vom magalhaensischen (sebiet aus eine Besiedelung des antarktischen Litorals stattgefunden zu haben. Andrerseits sind aber auch eine Anzahl gerade für die Subantarktis charakteristischer Gattungen, selbst eine Unterfamilie, bisher nicht nachgewiesen worden. Die antarktische Ascidienfauna stellt somit in der Hauptsache ein Gemisch von autochthonen Arten und subantarktischen Einwanderern dar, unter denen die ersteren dominieren. Mit ein paar Worten möchte ich noch auf die Bipolarität eingehen. Den Inhalt dieser Hypothese setze ich als bekannt voraus. Betrachten wir die Verbreitung der Ascidien unter dem Gesichtspunkte dieser Hypothese, so läßt sich sagen, daß die Gruppe der Ascidien, wenn auch zurzeit keine typisch bipolare Art be- kannt ist, ein nicht unbeträchtliches Tatsachenmaterial liefert, welches zugunsten dieser Hypothese gedeutet werden kann, einerlei, ob wir uns dabei lediglich auf einen Vergleich der polaren Zonen beschränken oder den Begriff der Bipolarität in einem weiteren 105 Sinne fassen, und darunter jede in den Tropen unterbrochene, aber eleichzeitig auf die nördliche und südliche Hemisphäre ausgedehnte Verbreitung verstehen. Wegen Einzelheiten muß ich allerdings auf den ,Bronn“ und die Ascidien der Deutschen Südpolar- -expedition verweisen. Nur auf ein Moment, welches sich aus einem Vergleich der Ascidienfaunen der beiden Polarzonen ergibt, und meines Erachtens im Sinne der Bipolarität gedeutet werden muß, möchte ich erneut noch kurz hinweisen. Beide Zonen zeigen in ihrer Ascidienfauna, wie wir ‘gesehen haben, eine gewisse Ver- armung, die in der Antarktis noch stärker ausgeprägt ist, als in der Arktis, und in dem Fehlen oder doch starken Zurücktreten gewisser Familien und Gattungen ihren Ausdruck findet. Es ist nun interessant, dab es sich in beiden Zonen ausnahmslos um die gleichen Familien und teilweise auch Gattungen handelt, die ent- weder vollständig fehlen oder doch ganz erheblich zurücktreten. Andrerseits sind es wiederum die gleichen Familien und auch Gattungen, die in ihrer Artenzahl numerisch überwiegen. Dieser Umstand bedingt eine gewisse Ähnlichkeit der polaren Faunen, die weniger in dem gemeinsamen und ausschließlichen Besitze ge- wisser Familien oder Gattungen, als vielmehr in dem völligen oder nahezu völligen Fehlen für die übrigen Zonen charakteristischer Gruppen ihren Ausdruck findet. Es handelt sich also in der Haupt- sache um ein negativ bipolares Merkmal, welches die Ascidien- faunen der Polarzonen zeigen, dem allerdings auch einige als positiv _ bipolar zu deutende Fälle gegenüberstehen. Meine bisherigen Betrachtungen bezogen sich ausschließlich auf die horizontale Verbreitung der litoralen Ascidienfauna. Unsere Kenntnis von der Verbreitung der abyssalen Ascidienfauna ist, trotzdem eine ansehnliche Zahl von Tiefseearten und -gattungen bereits bekannt ist, doch noch zu lückenhaft, um Schlüsse allge- meiner Art aus dem vorliegenden Tatsachenmaterial zu ziehen. Nur so viel sei bemerkt, daß die ausgesprochen diskontinuierliche _ Verbreitung der meisten abyssalen Gattungen eine tatsächlich | kosmopolitische oder doch nahezu kosmopolitische Verbreitung | derselben vermuten läßt. Ein schönes Beispiel dafür und gleich- zeitig eine Stütze für diese Annahme liefert die artenreiche Tiefsee- gattung Culeolus, die bisher in der Tiefsee aller größeren Meeres- räume (mit Ausnahme des Nordpolarmeeres), teilweise in identischen Arten, gefunden wurde. Ich wende mich nunmehr dem zweiten Teil meines Vortrages zu, der sich mit der vertikalen Verbreitung der Ascidien be- 106 schäftigen soll. Auch hier kann wiederum nur das allerwichtigste Tatsachenmaterial ganz kurz zusammengefaßt werden. Ich unter- scheide drei Vertikalregionen, fiir die ich die herkömmlichen Namen Litoral, Kontinental und Abyssal gebrauche. Die untere Grenze des Litoral soll die 400 m-Linie bilden. Das Abyssal lasse ich nicht, wie meist üblich, von der 1000 m-Linie, sondern bereits von der 800 m-Linie an beginnen, die nach den Untersuchungen Drygalskis aus physikalischen wie aus biologischen Gründen als eine wichtige Grenzlinie zu betrachten ist, unterhalb der die bis zum Meeresboden herabreichende einheitliche Tiefenregion beginnt. Die Schichten zwischen 400 und 800 m bezeichne ich als konti- nental. | Betrachten wir zunächst die vertikale Verbreitung der Familien, so sind drei, die Hexacrobylidae, Pterygascidiidae und Hypo- bythudae, als ausgesprochene Tiefseefamilien zu bezeichnen. Die Gattung Pterygascidia ist zwar bisher nur in den tieferen Litoral- schichten gefunden worden (200 m, im malayischen Archipel), aber sie verrät in ihrem ganzen anatomischen Bau so sehr den Charakter einer Tiefseeform, daß sie als in die Flachwasserzone hinaufgewanderte Tiefseeform zu betrachten ist, möglicherweise auch noch in größeren Tiefen lebt. Gerade unter den Ascidien des malayischen Archipels finden wir mehrere Beispiele für ein solches Heraufwandern abyssaler Formen in die untere Litoralzone, z. B. bei mehreren Arten der sonst kosmopolitischen, durchaus abyssalen Gattung Cuwleolus. Vier Familien dagegen fehlen dem Abyssal, die Perophoridae, Diazonidae, Polycitoridae und Clavelinidae, von denen letztere nur litoral, die anderen mit nur einer oder zwei Arten die 400 m-Grenze überschreiten. Ganz vorwiegend litoral sind schließlich auch die Botryllidae, die aber mit einer Art auch im Abyssal vertreten sind. Alle übrigen Familien verbreiten sich durch alle drei Regionen, doch erreichen sie sämtlich ihre höchste Entwicklung im Litoral und hier wiederum in der Flachwasserzone. Bis zur 100 m-Linie tritt im allgemeinen eine allmähliche, unterhalb der 100 m-Linie (soweit diese überhaupt überschritten wird), manchmal auch erst unterhalb der 200 m-Linie dagegen eine ziemlich plötzliche und meist erhebliche Artenabnahme ein, die sich auch noch in den Kontinentalschichten, und zwar in noch stärkerem Maße fortsetzt, um dann im Abyssal wiederum einer Steigerung der Artenzahl Platz zu machen, die fast ausnahmslos die Artenzahl des Kon- tinentals, bei manchen Familien auch noch diejenige der untersten Litoralzone (200—400 m) übertrifft. | 107 Von den Gattungen gehören nicht weniger als 65, d. i. rund 60°, aller Gattungen, nur dem Litoral an, und von diesen wiederum überschreiten 41 die 100 m-Linie nicht mehr. Die Zahl der aus- 'schließlich litoralen Gattungen nimmt demnach unterhalb der 100 m-Linie merklich ab. Diesen ausschließlich litoralen Gattungen stehen 12 Gattungen gegenüber, welche ausschließlich abyssal sind. Darunter nur eine koloniebildende Gattung (Coelocormus). Aut das Kontinental beschränkte Gattungen sind nicht bekannt. 30 Gattungen (28°/,) verbreiten sich dagegen durch mehrere Regionen. Wir müssen in dieser Gruppe unterscheiden zwischen vorwiegend litoralen Gattungen, die in tiefere Schichten mit einzelnen Arten hinabreichen — es gehören fast alle großen litoralen Gattungen hierher —, und abyssalen Gattungen, die bis in die unterste Litoral- zone hinaufsteigen. Erstere überwiegen — von 30 gehören 24 zu dieser Gruppe — und unter ihnen wieder diejenigen, die nur bis in die Kontinentalregion vordringen, das Abyssal aber nicht mehr erreichen. Zi der zweiten Gruppe sind sechs Gattungen zu rechnen, die zweifellos als echte Tiefseegattungen anzusprechen sind, aber entweder mit einzelnen Arten in den tieferen Litoralschichten auf- treten, oder deren Arten sich aus dem Abyssal bis in das Kon- tinental bzw. untere Litoral verbreiten. Es ergibt sich demnach, daß 89 ausschließlich oder vorwiegend litoralen Gattungen 18 aus- | schließlich oder vorwiegend abyssale Gattungen gegenüberstehen, | d. i. 83,18°/, :16,82°/, aller Gattungen. Sehen wir endlich ganz kurz die Arten auf ihre vertikale Verbreitung hin an, so finden wir, dab 95,68°/) auf eine Region beschränkt bleiben und davon wieder 84,25°/, ausschließlich litoral sind, 8,49°/, ausschließlich abyssal, aber nur 2,93°/, ausschließlich kontinental sind. Diesen 95,68%, auf eine Region beschränkten Arten stehen nur 4,32%, gegenüber, die durch mehrere Regionen sich verbreiten. Bei diesen handelt es sich, analog den Gattungen, in der Hauptsache wiederum um litorale Arten, die gleichzeitig in tiefere Regionen vorgedrungen sind, meist nur die 400 m-Linie um | ein geringes überschreiten, seltener auch bis in das Abyssal vor- dringen, in keinem Falle aber über eine Tiefe von 1200 m hinaus- gehen. Umgekehrt bleiben Arten des tiefen Wassers, die bis in die Litoralregion hinaufsteigen, auf die unteren Schichten dieser Region beschränkt. Arten, deren Verbreitung von der Flachwasser- zone bis in Tiefen von über 1200 m hinausreicht, sind demnach nicht bekannt. Das vorliegende Tatsachenmaterial über die vertikale Verbreitung der Arten führt zu dem Ergebnis, daß die ausschließ- 108 lich oder vorwiegend litoralen Arten 88,12°/), die ausschließlich oder vorwiegend kontinentalen und abyssalen Arten 11,88%, der Gesamtzahl der Arten ausmachen. Mit ein paar Worten soll noch auf die Ascidienfauna des Abyssals eingegangen werden. Von den 16 Familien sind, um kurz zu rekapitulieren, 12 auch im Abyssal vertreten, und von diesen sind drei als ausgesprochene Tiefseefamilien anzusehen. Die absolut artenreichste Familie des Abyssals sind die Tethyidae (20 Arten), die relativ artenreichste dagegen die Pyuridae (13 Arten). Während aber die Pyuriden-Gattungen der Tiefsee dieser Region aus- schließlich angehören — also keine litorale Gattung der Familie bis dahin vordringt —, sind die Tethyidae neben zwei abyssalen Gattungen auch mit den beiden ausgesprochen litoralen Gattungen Pandocia und Tethyum in der Tiefsee vertreten, die zusammen die stattliche Zahl von 15 abyssalen Arten zählen. Von den insgesamt 28 Gattungen des Abyssals sind: 17 aus- schließlich oder vorwiegend abyssal, elf vorwiegend litoral. Von den 65 Arten sind 55 nur abyssal. Der Rest sind Litoralformen, die bis ins Abyssal vordringen. Es ist nun interessant, zu ver- folgen, wie dieses litorale Element, je tiefer man hinabgeht, um so mehr aus der abyssalen Fauna verschwindet. Nur eine einzige der im Abyssal vertretenen elf litoralen Gattungen überschreitet die 2000 m-Grenze. Es ist dies die im Litoral sehr artenreiche Gattung Tethyum, die mit der hohen Zahl von elf Arten ver- treten ist und damit die gleiche Artenzahl erreicht wie die arten- reichste abyssale Gattung Culeolus. Von diesen elf Arten finden sich sechs noch unterhalb 2000 m. Es ist bemerkenswert, dab die abyssalen Arten keinerlei Umbildungen in ihrer Organisation gegen die litoralen Arten ihrer Gattung zeigen. Es gilt dies besonders fiir. den Kiemensack, der bei der Mehrzahl der Tiefseeformen eigen- artige Rückbildungserscheinungen zeigt. Vielleicht handelt es sich in diesem Fall um eine ganz junge Einwanderung in das Abyssal. Von den zwölf ausschließlich abyssalen Gattungen sind vier eben- falls nicht unterhalb 2000 m bisher nachgewiesen, eine geht nicht über 3000 m hinaus, zwei überschreiten die 3000 m-Grenze, vier die 4000 m-Grenze und zwei sogar die 5000 m-Grenze, nämlich Hypobythius, mit der Art calycodes (5220 m) und Bathyoncus, mit der Art minutus (5625 m). Das ist die überhaupt größte Tiefe, aus der Ascidien bekannt geworden sind. Man ist nach allem demnach wohl berechtigt, von einer abyssalen Ascidienfauna zu sprechen, die bis zu einer Tiefe von etwa 2000 m noch ziemlich 109 stark mit litoralen Elementen (teils Gattungen, teils sogar Arten) durchsetzt ist, unterhalb dieser Tiefe aber ein um so eigentümlicheres Gepräge annimmt, ohne daß daraus allerdings die litoralen Elemente ganz verschwinden. Ein Vergleich der drei Tiefenregionen ergibt somit folgendes. Bei weitem die reichste an Gattungen und Arten ist das Litoral, die ärmste dagegen das Kontinental, während das Abyssal dem Kontinental gegenüber insbesondere an Artenzahl eine nicht unerheb- liche Steigerung aufweist, aber immerhin noch weniger Gattungen und Arten besitzt als die unterste und zugleich ärmste Litoralzone. Von der obersten Litoralzone bis zur Grenze des Abyssals läßt sich eine Abnahme der Arten wie der Gattungen von 100 zu 100m verfolgen, die am stärksten unterhalb der 100 m-Linie, dann wieder unterhalb der 400 m-Linie in die Erscheinung tritt. Das Abyssal weist dann die schon erwähnte Zunahme an Gattungs- und Arten- zahl auf. Zweite Sitzung. Dienstag, den 6. Juni, nachmittags 3—5 Uhr. Vortrag des Herrn Prof. Hancxer (Halle) über: Die Habsburger Unterlippe. (Mit Lichtbildern.)*) In allen biologischen Werken, in denen von der Vererbung beim Menschen die Rede ist, wird die „Habsburger Unterlippe“ als ein Merkmal angeführt, das mit besonderer Zähigkeit durch zahlreiche Generationen hindurch übertragen worden ist. Ebenso wird in genealogisch-historischen, kunsthistorischen und in einigen pathologisch-anatomischen Darstellungen der „Habsburger Familien- typus“, zu dessen charakteristischen Zügen außer der dicken Unter- lippe der vorstehende Unterkiefer (Prognathismus inferior, caput oder cranium progenaeum) und der leicht geöffnete Mund gehören, als eine bekannte und jedermann geläufige Erscheinung behandelt. Auch hat der Gegenstand wiederholt schon eine ausführliche Be- handlung oder sogar monographische Bearbeitung erfahren, so durch Lorenz (1898), Graf Turopor Zicuy (1898), Garmre (1905), Se. Kexunt von Srravonırz (1908), Luschan (1909), Osw. RUBBRECHT (1910). Jedoch sind alle diese Untersuchungen ohne Fühlung mit *) Hier sollen nur die wesentlichsten Resultate zusammengestellt werden. Eine ausführlichere Darstellung mit Abbildungen wird demnächst an anderer Stelle folgen. 110 der modernen Erblichkeitsforschung angestellt worden und es würde — daher von Interesse sein, den genaueren Vererbungsweg festzustellen. und insbesondere zu ermitteln, ob etwa der Habsburger Familien- typus oder ein einzelnes Glied dieses Eigenschaftskomplexes ein — dominierendes mendelndes Merkmal darstellt, wie dies auch schon Barzsox (1909) vermutet hat. Meine Untersuchungen gelten vorwiegend dieser Frage. Sie beziehen sich zumeist auf Unterlippe und Prognathismus inferior und erstrecken sich auf einen Zeitraum, dessen eine Grenze durch das erste Auftreten wirklich authentischer Darstellungen und dessen andere Grenze durch die Zeit gebildet wird, in der eine immer häufigere Blutmischung der affizierten Familien die Unsicherheiten, — welche bezüglich der erblichen Ausstattung der einzelnen Individuen bestehen, beträchtlich erhöht. Es handelt sich also um die Periode zwischen dem Anfang des XV. und der Mitte des XVII. Jahr- hunderts, also um folgenden Ausschnitt des Stammbaumes: Ernst der Eiserne | Friedrich IIL. Karl der Kühne | Maximilian 1. Maria von Burgund Philipp der Schöne Johanna die Wahnsinnige Karl V. Ferdinand I. Philipp II. Maria von Maximilian LI, Karl von v. Spanien Österr. Steyermark Ferdinand II. Maria Maddalena Cosimo II. v. Medici Ferdinand 311: Tec IL: Von den älteren Habsburgern besaß Friedrich Ill. (1415 bis 1493) einen ausgeprägten Prognathismus inferior und wahrschein- lich eine kräftige Unterlippe. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei Maximilian I, während dessen Sohn Philipp der Schöne sicher eine dicke Unterlippe hatte. Durch dessen beide Söhne, Karl V. und Ferdinand I, welche den Familientypus in ausgeprägter Form aufwiesen, wurde letzterer einerseits der spanischen, anderer- seits der österreichischen Linie übermittelt. In ersterer zeigten Don Carlos, Philipp III, Philipp IV. und Karl IL, in letzterer u. a. Leopold I. die charakteristischen Züge. | Im Gegensatz zur Annahme von Lorenz zeigten auch zahlreiche weibliche Mitglieder der Dynastie den Familientypus, und zwar als lil verfeinerte, abgeschwächte Kopie des männlichen Typus, so z. B. Eleonore, Tochter Philipps des Schönen und Gemahlin Franz’ I. von Frankreich, und Maria von Österreich, Tochter Karls V. und Gemahlin Maximilians II. Auch fand durch die weiblichen Familienmitglieder vielfach eine Ubertragung in andere Dynastien statt, so durch Anna, Tochter Ferdinands I., in das Haus Bayern, durch ihre Schwester Maria in das Haus Jiilich-Cleve, durch Eleonore Maria, Tochter Ferdinands III, und durch Maria Theresia in das Haus Loth- ringen, durch Marie Luise, Tochter Franz’ I, in das Haus Bonaparte. Bezüglich des Ursprungs des Familientypus gehen die Ansichten auseinander. Es wurde eine Herleitung des Typus bzw. seiner Konstituenten u. a. von Cimburgis von Massovien, Gemahlin Ernst des Eisernen, ferner von burgundischer, spanischer, portu- giesischer Seite versucht. Vermutlich fand durch die Verheiratung von Maximilian I. mit Maria von Burgund der Import einer im Hause Burgund ebenfalls vorhandenen Tendenz zu einer stärkeren Entwicklung der Lippen statt, einer Veranlagung, die aber unter Umständen auf ganz anderer entwicklungsphysiologischer Grundlage beruht als der Habsburger Typus und anscheinend auch nicht dem gleichen Vererbungsmodus folgt. Der eigentliche Habs- burger Familientypus war jedoch offenbar schon bei Herzog Ernst dem Eisernen (7 1424) vorhanden (vgl. die authentische Profildar- stellung im Codex N.S.89 der Wiener Hofbibliothek). Augenscheinlich fand damals schon die Übertragung im Mannesstamm der Habsburger ‚statt. Es liegen auch Hinweise darauf vor, daß schon bei Albrecht I. und Rudolf I. einzelne Züge des Familientypus vorhanden waren. 1 Mindestens aber kann der Familientypus durch 5 Jahrhunderte hindurch (XV.— XIX.) verfolgt werden. | Als Kriterien dafür, daß eine Eigenschaft oder ein Eigenschafts- ‚komplex einen dominierenden mendelnden Charakter darstellt, ‚sind u. a. zu betrachten: Übertragung durch affizierte Individuen oder, im Fall einer Bindung an das männliche Geschlecht, Über- \tragung sowohl durch affizierte männliche, als durch nichtaffizierte ‚ weibliche Individuen; ist ein Elter von einem Großelter her be- haftet (also ein heterozygotes oder DR-Individum), so wird etwa ‚die Hälfte der Kinder bzw. Söhne behaftet sein; sind beide Eltern ‚von je einem Großelter her behaftet, so wird die Mehrzahl der Kinder behaftet, ein kleiner Teil nicht behaftet sein. 112 Angesichts des Umstandes, daß vielfach die Gemahlinnen affi- zierter Habsburger kraftig entwickelte Lippen besaßen und sich nicht immer entscheiden läßt, ob es sich dabei um eine dem Habs- burger Familientypus, insbesondere dem Eigenschaftskomplex Unter- lippe + Prognathismus inf. homologe Bildung handelt, bestehen bezüglich der Analyse einzelner Teilfamilien Schwierigkeiten. Immer- hin läßt sich mit einiger Sicherheit sagen, daß in einer Reihe von Teilfamilien, in dem der Vater heterozygot, die Mutter entweder rein rezessiv oder ebenfalls heterozygot war, die Kinder ungefähr in den zu erwartenden Zahlenverhältnissen auf der einen Seite den mehr oder weniger ausgeprägten Familientypus, auf der anderen Seite einen wesentlich abweichenden Typus aufweisen. Das Auftreten eines ganz verschiedenen Typus neben dem Familientypus ist z. B. zu beobachten in den Nachkommenschaften Philipps des Schönen, Karls V. und vor allem in derjenigen von Maximilian II. und Maria von Österreich, einer offenbar typischen DR > DR-Familie. Für die Nachkommen von Ferdinand |. und Anna von Ungarn (3 Söhne und 10 Töchter) liegen mir leider noch nicht lauter ausreichende Bilder vor. Jedenfalls stehen die Tatsachen der Annahme nicht im Weg, daß der Eigenschaftskomplex Unterlippe + Prognathismus inf. ein dominierendes mendelndes Merkmal darstellt, und es würden von dieser These aus noch verschiedene Einzelfragen in Betracht kommen. Der verschieden hohe Entwicklungsgrad, welchen der Familientypus bei den einzelnen Individuen aufweist, beruht mög- licherweise auf verschiedener ,, Dosierung“(DD-,bzw. DR-Ausstattung). Dafür spricht die exorbitante Entwicklung in solchen Fällen, in denen unter den Vorfahren die Habsburger und Habsburgerinnen mehrfach vorhanden sind, so bei Leopold I. (unter den 30 nächsten Ahnen 17 Habsburger), bei verschiedenen Mediceern usw. Im Verhalten der Geschlechter erinnert der Familientypus an die Rot-Grün-Farbenblindheit und Bluterkrankheit (Hämophilie), nur daß ersterer im weiblichen Geschlecht nicht latent bleibt, sondern in abgeschwächter Form auftritt, und daß anscheinend in — den weiblichen Seitenzweigen ein allmähliches Abklingen stattfindet. Über die Ätiologie ist nichts Sicheres bekannt. Nach einigen Forschern (Witn. Meyer, Broc#) würde es sich um Vererbung eines skrophulösen bzw. adenoiden Habitus handeln, nach andern (Gauipre) um eine milde Form von Akromegalie als Wirkung einer erblichen Hypophysenstörung. Nach Luscuan ist der Prognathismus 113 inferior oder das Caput progenaeum von der Akromegalie scharf zu trennen, und seine Ätiologie würde sich auf Grund der Versuche Torster’s über künstliche Mopsbildung aufzuhellen beginnen. Wahrscheinlich handelt es sich um den erblichen Wegfall eines Hemmungfaktors, welcher beim Europäer normalerweise das Wachstum von Unterlippe und Unterkiefer reguliert. Wenn nun auch Unterlippe und Unterkiefer im Hinblick auf die Wirkung eines solchen Hemmungsfaktors korrelativ verbunden (vererbungs- geschichtlich gekoppelt) erscheinen, so braucht dies nicht notwendig mit allen in der Dynastie vorkommenden „Stigmen“ der Fall zu sein, vielmehr ist auf Grund der zweiten und dritten Menper’schen Regel (Spaltungs- und Unabhängigkeitsregel) zu erwarten, daß in jeder Generation Spaltungen und Neukombinationen, Isolierungen und Ausschaltungen stattfinden. In diesem Sinne würde es irrig sein, speziell den Prognathismus inferior an und für sich als ein Stigma der Degeneration zu betrachten, wie dies nach der Dar- stellung Gaurppr’s angenommen werden könnte. Vortrag des Herrn Dr. Worr (Frankfurt a. M.): Über die Bildung der Koralleninseln in der Südsee. (Mit Lichtbildern.) (Manuskript ist nicht eingegangen.) Herr Dr. Tricumayn (Frankfurt a. M.) demonstrierte Lumiere- Aufnahmen verschiedener pathogener Mikroorganismen. Ferner fanden folgende Demonstrationen statt: von Prof. Korscukeur (Marburg): Perlen und Perlenbildung bei Margaritana (nach Präparaten von A. Russen), von Dr. Harms (Marburg): Präparate von Ovarialtransplanta- tionen auf fremde Spezies. Dritte Sitzung. Mittwoch, den 7. Juni 8'/,—12'!/, Uhr. Der Vorsitzende verlas folgendes Telegramm der Schw eize- rischen Naturforschenden Gesellschaft: La société zoologique suisse souhaite une cordiale bienvenue aux zoologistes allemands réunis sur le sol helvetique et forme des voeux sincéres pour la réussite de leur session. Neuchatel, Le Comite annuel. Ferner sandte Herr P. Assmurs (Bombay) Grüße der Ver- sammlung. Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1911. ake 114 Es verlas der Schriftführer alsdann den Bericht des Herausgebers des „Tierreich“ und des „Nomenklator“, Herrn Prof. F. E. Schulze (Berlin). Herr Professor Dr. Frrrz EoLer von MAEHRENTHAL, der unermüd- liche Schriftleiter des „Tierreich“ und des „Nomenklator“, wurde uns‘ im August des Jahres 1910 durch plötzlichen Tod entrissen. Sein Hinscheiden bedeutet für die beiden Unternehmungen einen unersetz- lichen Verlust. Unsere Wissenschaft ist diesem Manne zu größtem Dank und zu ehrendem Andenken verpflichtet, der abseits der zoologischen Öffentlichkeit mit ganzer Hingabe in stiller Arbeit an der Erschließung der Literatur, der Klärung der systematischen Grundbegriffe und an der Zusammenfassung der gelehrten Forschung zu übersichtlichen Bänden arbeitete. Wie schon in meinen letzten Berichten an die Gesellschaft dargelegt wurde, führten die für korrekte Redigierung der Tierreichbände unbedingt nötigen nomenklatorischen Vorarbeiten zur Inangrifinahme einer umfassenden, dem „Tierreich“ parallel laufenden Unternehmung, des „Nomenclator animalium gene- rum et subgenerum“. Zunächst zum Gebrauch der Tierreich- Schriftleitung in Form eines Zettelkataloges angelegt, wird dieser Nomenklator bald in Gestalt eines voluminösen Bandes der zoolo- gischen Welt übergeben werden. Bei einem Umfang von ca. 200 Druckbogen wird er auf dreigespaltener Seite in durchlaufender alpha- betischer Folge die bis zum Januar des Jahres 1910 veröffentlichten etwa 200000 Namen von Gattungen und Untergattungen enthalten. Bei jedem Namen steht der Autor, das Jahr der Veröffentlichung und ein direkter Hinweis auf die Originalstelle. Mit Genugtuung lege ich die soeben fertiggewordene Probelieferung, enthaltend die Primaten inkl. Prosimien, der verehrten Versammlung vor. In Anerkennung der Bedeutung eines solchen zum ersten Male in Deutschland unternommenen allgemeinen Nomenklators, der an Voll- ständigkeit und Exaktheit die früheren, heute veralteten Nomen- klatoren von Agassiz, Scudder, Waterhouse weit übertrifft, hat die Königliche Akademie der Wissenschaften als Beisteuer zur Druck- | legung die Summe von 7000 Mark bereitgestellt. Der gewaltige Aufwand an Zeit, den nomenklatorische Zusammenstellungen ver- — langen, macht es erklärlich, daß die Herausgabe der Tierreich- bände seit einigen Jahren sich etwas verzögern mußte, sollte anders das Erscheinen des Nomenklators nicht auf unbestimmte Zeit vertagt werden. Da aber ein baldiger Abschluß des Nomen- 115 klators von vitalem Interesse für das „Tierreich“ ist, so scheint die zeitweise Verlangsamung neuer Tierreichbände vollauf gerecht- fertigt. Der nun nahezu fertig vorliegende Nomenklator gewährleistet von jetzt an ein schnelleres Tempo in der Herausgabe der Bände. Hierfür garantiert auch eine Maßnahme, zu der ich mich im Inter- esse beider Unternehmungen nach reiflicher Überlegung entschlossen habe. Ich habe die Bearbeitung beider Werke, des „Tierreich“ und des „Nomenklator“, in der Weise organisiert, daß künftig jedes unabhängig vom anderen stetig vorwärts schreiten kann. Der Nomenklator wird seit April des Jahres als ein vom „Tierreich“ abgetrenntes Schwesterwerk behandelt, und seine baldige, formale Anerkennung als ein selbständiges Unternehmen seitens der Akademie der Wissenschaften steht bevor. Speziell für das „Tierreich“ ist seit dieser Zeit als Schriftleiter Herr Prof. Dr. ©. Arstzıs, früherer Privatdozent an der Kieler Universität, gewonnen. Ausschließlich am Nomenklator arbeitet seitdem.der im Oktober vorigen Jahres als Hilfsarbeiter eingestellte Dr. Tu. Kunucarz. Beiden Beamten steht Frl. MarruA Luruer zur Seite, die langjährige Mitarbeiterin unseres verstorbenen von Marnkenı#uar. Am Nomenklator sind außerdem in neuerer Zeit zwei jüngere Zoologen und ein Palae- ontologe tätig, welche die Gattungsnamen der ihnen besonders vertrauten Spezialgebiete bearbeiten. Für Schreibarbeiten sind drei Damen angestellt. Endlich rechne ich auf freiwillige Mithilfe bewährter Systematiker bei der letzten, noch unmittelbar vor der Drucklegung auszuführenden Revision. Eine solche kritische Durchsicht hat sich bei den als Einzelheft Ihnen hier vorliegenden Primaten bereits bestens bewährt. Sie wurde in diesem Falle aus- geführt von Herrn Prof. Marscuim, Kustos am Berliner Zoologischen Museum, dem ich dafür zu besonderem Danke verpflichtet bin. Ich will hoffen, daß sich auch andere Zoologen zu solcher freiwilligen Mitwirkung an dem großen Werke bereit finden lassen werden. Für das „Tierreich“ war mein Hauptaugenmerk gerichtet auf eine Vereinfachung des Geschaftsganges. Die bisher in mehreren Druckschriften wie „Programm, Zirkularen, speziellen Bestimmungen“ ’zerstreuten Satzungen wurden revidiert und vielfach geändert. Unter dem Titel „Redaktionelle Bestimmungen für das „Tier- reich“ sind sie zu einem einheitlichen Heft vereinigt und, in übersichtlicher Kapitelfolge nach fortlaufenden Paragraphen geordnet, abgedruckt. Indem ich mir erlaube, ein Exemplar vorzulegen, bringe ich diese revidierten Normen hiermit zur Kenntnis der Versamm- lung. — Nach wie vor werde ich mit Dank die mir stets in reichem 8* 116 Maße zuteil gewordene Hilfe der beim Beginn des Unternehmens für einzelne Spezialgebiete gewonnenen redaktionellen Beiräte in Anspruch nehmen. Um aber weitläufige Korrespondenzen sowie das zeitraubende und kostspielige Hin- und Herschicken sämtlicher Korrekturbogen zu vermeiden, werde ich in Zukunft von Fall zu Fall je nach Art des gerade in Vorbereitung befindlichen Heftes einen womöglich am Orte der Redaktion ansässigen, mit der heraus- zugebenden Tiergruppe vertrauten Spezialforscher als temporären Beirat zu redaktioneller Mitarbeit zu gewinnen suchen. — Trotz der erwähnten mannigfachen Schwierigkeiten war es doch möglich, das „Tierreich“ in den beiden Jahren, seit ich zuletzt der Gesell- schaft. berichtete, um einige Bände zu fördern. Es ist das haupt- sächlich noch dem Verdienst des verstorbenen Prof. von MAEHRENTHAL zuzuschreiben. Als 24. Lieferung erschien die Bearbeitung der Cynipiden von den Herren Professoren Datta Torre und Krierrer. Dieser mit ganz besonderer Liebe und Sorgfalt bearbeitete und redigierte Band dürfte für die nächstfolgenden Lieferungen als Muster gelten können. Er stellt mit 58 Bogen und 422 Abbildungen eine der stärksten Tierreichlieferungen dar. Als Übersicht über eine in morphologischer wie biologischer Hinsicht besonders schwierige Insektengruppe wird diese Lieferung gewiß nicht nur in wissenschaft- — lichen Kreisen verdiente Beachtung finden, sondern auch der angewandten Zoologie in Forst-, Land- und Gartenwirtschaft zugute kommen durch erschöpfende Berücksichtigung der von diesen Pflanzenschmarotzern bewirkten Deformationen, bosonders auch durch übersichtliche Register-Beigaben der Wirtpflanzen. Von her- vorragend praktischem Werte ist auch die eben fertiggestellte 26. Lieferung, enthaltend die Zecken oder Ixodiden, von Prof. L. G. Neumann in Toulouse. Das Erscheinen dieser Lieferung ist gerade jetzt, wo die Zecken als Überträger tropischer Seuchen eine grobe Rolle in der Literatur spielen, höchst zeitgemäß. Eine beigegebene vollständige, alphabetisch geordnete Wirtliste wird für den Parasitenforscher und speziell für den Tropenarzt zweifel- los von großem Werte sein. Beide Bände freue ich mich Ihnen vorlegen zu können. Unmittelbar vor dem Erscheinen steht die 27. Lieferung, enthaltend die Chamaeleontiden von Prof. F. WERNER in Wien. Im Manuskript fertig und in redaktioneller Hinsicht schon weit vorgeschritten ist Lieferung 28, die Apiden, Teil I, Megachilinen von Dr. Frrmse in Schwerin. Dieses Werk wird wieder einen stattlichen, durch eine große Zahl mustergültiger Abbildungen aus- gestatteten Band ausmachen. Als weitere, bald zum Druck fertige 117 Lieferung liegt im Manuskript vor die Bearbeitung der Euble- phariden, Uroplatiden, Pygopodiden von Prof. Werner in Wien, In Vorbereitung sind u. a. Gruppen, wie die rhabdocoelen Turbellarien von Prof. von Grarr in Graz, die Chaetognathen von Dr. von Rrrrer-ZAnony in Wien, die Ostracoden von Prof. G. W. Meuuier in Greifswald, die Phalangiden von Dr. Rowxzr in Bremen, die Trombidiiden von Dr. Ste Tor in Christiania, die Hippobosciden von Dr. Spriser in Labes, die Ophidia von Dr. Srerxreuor in Berlin. Der Schriftführer verlas ferner den Bericht des Delegierten der Deutschen Zoologischen Geselischaft, Herrn Prof, Dr. Kraepelin, über die Tätigkeit des deutschen Ausschusses für den mathematischen und den naturwissenschaftlichen Unterricht im Jahre 1910. Der deutsche Ausschuß für den mathematischen und den natur- wissenschaftlichen Unterricht, in dem zurzeit 21 wissenschaftliche Gesellschaften Deutschlands vertreten sind, hat im Berichterstattungs- jahr eine Hauptsitzung und eine Sektionssitzung zur Erledigung seiner Aufgaben abgehalten. Für die Förderung des mathe- matischen Unterrichts hat sich die enge Verbindung des deutschen Ausschusses mit. der internationalen mathematischen Unterrichts- kommission als außerordentlich fruchtbar erwiesen. Über die Fort- schritte des Unterrichts in den biologischen Wissenschaften, welche die Deutsche Zoologische Gesellschaft in erster Linie interessieren dürften, ist kurz folgendes zu berichten. Der durch den Erlaß des preußischen Kultusministers vom März 1908 für Preußen geschaffenen Möglichkeit der fakultativen Einführung der Biologie in den oberen Klassen der höheren Schulen ist in verhältnismäßig hohem Grade entsprochen worden, so dab gegenwärtig wohl nahe an 100 Schulen hierbei beteiligt sind. Wie eine Abhandlung des Geh. Rgrts Norrensere über Schülerübungen in Preußen ausdrücklich betont, haben sich diese Versuche im all- ‚gemeinen vorzüglich bewährt. Wenn trotzdem eine vom deutschen ‘ Ausschuß angeregte Petition der Berliner Ortsgruppe des Vereins zur Förderung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts auf Einführung eines obligatorischen biologischen Unterrichts wenigstens an den Realanstalten seitens des Ministeriums zunächst abschlägig beschieden wurde, so geschah dies mit der Motivierung, daß eben die diesbezüglichen Versuche noch nicht ab- geschlossen seien. Dennoch gelang es, den preußischen Herrn 118 Minister des Kultus alsbald zu zwei neuen Erlassen zu bestimmen, deren einer, vom 13. Juni 1910 — die Folge einer Eingabe des deutschen Ausschusses an die beiden Häuser des Landtags —, die weitere Pflege der Schülerübungen empfiehlt und staatliche Beihilfe hierfür zusichert, während der andere, vom 4. November 1910, © unter Anerkennung der hohen erziehlichen Bedeutung der natur- wissenschaftlichen Disziplinen und der seither gemachten günstigen Erfahrungen mit ihrem Betriebe in den Oberklassen, den obli- gatorischen Unterricht in diesen Fächern als wünschenswert be- zeichnet und Vorschläge darüber gibt, wie ein solcher Pflichtunter- richt ohne Mehrbelastung der Schüler eventuell in den Lehrplan eingefügt werden könne. Erscheinen diese Vorschläge namentlich in betreff der Gymnasien und Realgymnasien auch noch wenig be- friedigend, so ist doch namentlich die Entschiedenheit erfreulich, mit welcher eine gründliche mathematisch -naturwissenschaftliche Unterweisung für die Oberrealschulen als deren Eigenart ent- sprechend gefordert wird. "Leider scheint es, daß die hieraus im Erlaß gezogenen Konsequenzen bei den Neuphilologen nur geringen Anklang finden. Einen wie groben Wert man im übrigen dem naturwissenschaftlichen Unterricht seitens der Regierung beimiBt, zeigte sich namentlich auch bei Gelegenheit der Brüsseler Welt- ausstellung. Die dort am 11. und 12. August 1910 unter dem Protektorat der preußischen Unterrichtsverwaltung und unter Führung des Geheimrat Matthias zu Gehör gebrachten Vorträge waren ganz im Geiste des deutschen Ausschusses und wurden auch etwa zur Hälfte von Mitgliedern des Ausschusses gehalten. Neben den Bestrebungen auf weitere Einführung des biologischen Unterrichts in den höheren Schulen hat sich der deutsche Aus- schuß in seinen Sitzungen sodann mit der Frage der Weiterbildung der Oberlehrer wie der Vorbildung der Seminar- und Mittelschul- lehrer beschäftigt, da letztere Frage jeder Reform des Volksschul- unterrichts voraufgehen muß. Abgesehen von den üblichen Ferien- kursen für Oberlehrer wurde auf Antrag des Herrn Geheimrat Klein zum ersten Mal ein besonderer mathematisch-naturwissen- schaftlicher Kursus für Oberlehrer und Oberlehrerinnen an höheren Mädchenschulen in Göttingen abgehalten, wobei allerdings die Bio- logie zunächst noch nicht vertreten war. Zur Feststellung des — gegenwärtigen Standes des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts an den Seminaren ist eine umfangreiche Enquéte in die Wege geleitet, neben welcher Beratungen über die Organisierung der Fortbildung des Seminar- und Mittelschullehrerstandes einher- — 119 gingen. Gegen die neuerdings hervorgetretenen Bestrebungen, eine zweite Fremdsprache im Seminar einzuführen, veröffentlichte der deutsche Ausschuß eine Resolution, in welcher nachdrücklich auf die Gefahr der einseitigen Entwicklung zur Sprachschule gerade für das Seminar hingewiesen wurde, während in einer zweiten Resolution aus Anlaß einer Verfügung vom 4. Februar 1910 über die Verwendung nicht akademisch gebildeter Lehrer in den unteren Klassen der höheren Schulen der bereits von der Unterrichtskom- mission der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte ver- tretene Standpunkt aufs neue betont wurde, dab auch der Unter- richt in den unteren Klassen eine genügende fachwissenschaftliche Durchbildung der Lehrkräfte erfordere. Auch über den mathematisch-naturwissensehaftlichen Unter- richt an den neu organisierten höheren Mädchenschulen, an den Volksschulen und an den verschiedenen Arten der Fortbildungs- schulen hat der deutsche Ausschuß zum Teil recht eingehende Be- ratungen gepflogen, denen in der Regel auch Vertreter des preußischen | Kultusministeriums, bezw. des Landwirtschaftsministeriums bei- wohnten. Eine Reihe von Denkschriften über diese Fragen sind in Vorbereitung. Eine Abhandlung über die Notwendigkeit der Errichtung einer Zentralanstalt für den naturwissenschaftlichen Unterricht ist bereits im Druck erschienen. Auf medizinischem Gebiet dürften die Schriften von Cramer „Pubertät und Schule“ und von Levususcher „Die Ausbildung der Lehrer in der Gesundheitspflege“ als vom deutschen Ausschuß ver- | anlaBt und herausgegeben zu erwähnen sein. Auch sonst hat sich eine größere Zahl von Ausschußmitgliedern auf dem Gebiete der Aufgaben des Ausschusses literarisch betätigt. Das hochherzige Entgegenkommen des Vereins der deutschen Ingenieure, der dem deutschen Ausschuß einen jährlichen Betrag von 3000 M. zur Verfügung stellte, hat nicht nur die Anstellung eines besoldeten Sekretärs, sondern auch eine intensivere Tätig- keit in der Herausgabe und Verbreitung der durch den deutschen ; Ausschuß veranlaßten Schriften ermöglicht. Ob ausreichende Mittel | auch dafür zu beschaffen sind, daß auf dem Gebiete der Natur- wissenschaften eine ähnliche umfassende Enquéte über die Gesamt- lage dieses Unterrichtszweiges im deutschen Reiche veranstaltet werde, wie sie von seiten der internationalen mathematischen Unterrichtskommission mit bewundernswerter Energie in einer ganzen Reihe höchst instruktiver Spezialabhandlungen für das Ge- biet der Mathematik durchgeführt ist, läßt sich zurzeit noch nicht 120 feststellen. Jedenfalls sind auch ohnedies die Aufgaben des deutschen Ausschusses in u Wachstum peer | Hierauf erfolgte die Wahl des nächsten Versammlungsortes. Es wurde Bremen in Aussicht genommen, falls Herrn Professor Schauinsland, von dem noch keine Antwort auf eine diesbezüg- liche Anfrage eingegangen war, ein Besuch der Gesellschaft bereits im nächsten Jahre passen sollte. Sollte es nicht der Fall sein, so soll die nächste Versammlung in Halle, wohin Herr Prof. Haecker einlud, in der Pfingstwoche stattfinden. | Für den nächsten Vorstand, der Ende 1911 gewählt werden muß, schlug der jetzige Herrn Prof. Korschelt (Marburg) als © ersten Vorsitzenden, die Herren Prof. Zschokke (Basel), Prof. Boveri (Würzburg) und Prof. Heider (Insbruck) als stellvertretende Vorsitzende und Prof. Brauer (Berlin) als Schriftführer vor. Zu dem Punkte der Tagesordnung Beratung über Vorschläge betr. zweckentsprechendere Gestaltung des Literaturverzeichnisses des Zoologischen Anzeigers | hatte der Vorstand folgenden Bericht verfaßt und an die Mitglieder q bereits vor der Versammlung versandt: Auf der letzten Jahresversammlung der D. Z. G. hatte Herr Prof. Dr. Hesse den Antrag gestellt: „Der Vorstand der D. Z. G. wird ersucht, Erhebungen ° darüber anzustellen, in welcher Weise das Literaturverzeichnis — des Zoologischen Anzeigers (Bibliotheca zoologica) zweckent- — sprechender gestaltet werden kann, und der Versammlung in — Basel entsprechende Vorschläge zu unterbreiten.“ | Um ein möglichst großes Material zu erhalten und darüber sich zu unterrichten, welche Mängel in der jetzigen Herausgabe der Bibl. zoologica am meisten empfunden und welche Verbesserungen in erster Linie für notwendig gehalten werden, hat der Vorstand — der D. Z. G. ein Rundschreiben an alle Direktoren von Instituten, — Museen u. a. gerichtet und darin die Bitte ausgesprochen, sich zu — dieser wichtigen Frage zu äußern und dieses Rundschreiben unter den Fachgenossen möglichst zu verbreiten. Be Eine große Anzahl ist der Bitte nachgekommen; es sei ihnen 4 fiir diese Mitarbeit der Dank des Vorstandes ausgesprochen! 121 J. Mängel in der jetzigen Herausgabe der Bibliotheca | zoologica. — 1. Als ein Hauptmangel wird allseitig ein viel zu langsames Erscheinen hervorgehoben. Obwohl im letzten halben Jahr eine größere Zahl von Bogen gedruckt sind als früher, bringt die Novembernummer 1910 erst die ersten Titel aus dem Jahre 1909, also hinkt der Bericht 1°?/, Jahre nach, ja die Nummer 3 von 1911 enthält für die Würmer noch keine Arbeit aus dem Jahre 1909. Dagegen brachte Carus z. B. in der Nummer vom 30. Januar 1896 bereits die ersten Titel aus dem Jahre 1896, und selbst im letzten Jahre seiner Tätigkeit, 1902, erschienen die ersten Titel von 1902 bereits in der Nummer vom 7. März d. J. Innerhalb der neun Jahre, in denen die Bibliotheca vom Con- cilium bibliographicum allein herausgegeben wird, ist mithin eine Verlangsamung um 1'/, Jahre eingetreten. 2. Allseitig wird ferner als ein großer Mangel empfunden, daß die Literatur jetzt über jede Gruppe nur einmal oder noch seltener gebracht wird und nicht mehr, wie früher, häufiger im Jahre. Dadurch wird die Brauchbarkeit der Bibliotheca noch mehr herabgesetzt. So wird über die Crustaceen im 15. Bd. 1908 berichtet und dann erst wieder im 17. Bd. 1910! Unter Carus wurde die Literatur im Jahre so oft wie nur mög- lich gebracht, so z. B. im Jahre 1896 diejenige über Crustaceen nicht weniger als dreizehnmal. Ein häufigerer Bericht wird zwar die Benutzung des ganzen Bandes etwas benachteiligen, aber dieser kleine Nachteil kann gegenüber dem großen Vorteil, mit der neuesten Literatur möglichst rasch bekannt zu werden, nicht in Frage kommen, und für die zurückliegenden Jahre bieten die Jahresberichte Ersatz. Infolge dieser unter 1 und 2 näher gekennzeichneten lang- samen Berichterstattung ist die Bedeutung der Bibl. zoologica und ihre Brauchbarkeit stark vermindert. Während früher die Zoologen sich der schnellsten, zuverlässigsten und übersichtlichsten Bericht- erstattung über ihre Literatur rühmen konnten, können sie dieses jetzt leider nicht mehr. Ja, in vielen Zuschriften wird deutlich zum Ausdruck gebracht, daß sie die Bibl. zoologica überhaupt nicht mehr benutzen, weil die Jahresberichte und die Naturae novitates ihr ja weit voraus sind. Eine Reform erscheint dringend notwendig, und es wird von fast allen der Wunsch geäußert: „Möchte es wieder wie unter Carus werden!“ 122 Als weitere Mängel werden hervorgehoben: ; 3. Der Bericht ist nicht vollständig. Ein Fi Bogen enthält Nachträge von Titeln aus früheren Jahren. Gewiß wird jeder ein Übersehen von Arbeiten entschuldigen, wenn diese in schwer zugänglichen Zeitschriften erschienen sind. Dieses trifft aber nicht für folgende Fälle zu: 0 In der Nummer vom 22. November, 6. und 20. Deena 1910 und vom 3. Januar 1911 werden erst folgende Arbeiten genannt: unter Nr. 28370 eine aus der Zeitschr. Morph. und Anthrop. 1902, unter Nr. 29419 eine aus dem Zoolog. Anz. 1906, | unter Nr..29659 eine aus dem Arch. exper. géner. 179067 “unter Nr. 29333 eine aus dem Arch. f. Protistenk. 1907, unter Nr. 29175 eine aus dem Arch. f. Hydrobiol. 1906, unter Nr. 29123 eine aus den Verh. Anatom. Ges. 1906, unter Nr. 28732 eine aus dem Zool. Jahrb. 1905. 4. Es kommen, wenn auch nicht mehr so oft wie früher, un- nötige Wiederholungen von Titeln in einer und derselbe Abteilung vor. So findet sich z. B. in der Nummer vom 20. Decbhiber 1910 unter Tiergeographie derselbe Titel 29187 zwei Seiten später noch- mals als 29207, ferner der Titel 29182 als 29195 und 29186 z 29 194. | 5. Durch das Nachtragen und Einfügen von Titeln aus früheren Jahren unter die Titel des Berichtsjahres wird die Übersichtlichkeit erschwert. Jede Nummer enthält hier- für Beispiele. So z. B. enhalten die Seiten 350—361 des 17. Bandes 1910 zusammen 201 Titel, davon 106 aus den Jahren 1896—1907 und 95 aus dem Bere 1908. 6. Es fehlt ein Register der in dem Jahrgang zitierten Autoren mit Angabe der Seitenzahl. 4 7. Es werden bald. die früheren, bald die neueren Gattungsnamen in den kurzen Inhaltsangaben gebraucht, ZB bald Distoma, bald Distomum, bald Bothriocephalus, bald Dibothriocephalus, bald Astacus, bald Potamobius usw. | Es sollte, wenn ein neuerer, noch wenig gebräuchlicher Gattung name verwandt wird, in ee dazu gesetzt werden „früher ...*. 8. Es möchten wie früher auch die Referate über Arbeiten angefiihrt werden, weil es bei dem jetzigen Umfange nicht möglich — ist, die Arbeiten selbst zu lesen. 123 II. Vorschläge zur Beseitigung der Mängel. | In welcher Weise die unter 2 bis 8 geäußerten Mängel beseitigt werden können, bedarf keiner weiteren Erörterung, z. T. ist dort } auch bereits eine Änderung vorgeschlagen. Gegen die Erfüllung des 3 unter 8 geäußerten Wunsches hat der Vorstand Bedenken, weil _ dadurch eine große Belastung der Bibl. zoologica eintreten ards, und der Wunsch auch durch die Jahresberichte bereits leicht be- friedigt werden kann. Segre Für die Beseitigung des unter 1 angeführten Hauptmangels, des langsamen Erscheinens, schlägt der Vorstand folgendes vor: Auf der letzten Jahresversammlung hat der Herausgeber als - Ursache des langsamen Erscheinens angegeben, daß die fertig ge- _ druckten Titel nicht schnell genug vom Verleger herausgegeben würden. Ist dieses richtig, so ist dringend für eine beschleunigte Herausgabe Sorge zu tragen. Es ist zwar schon im letzten halben Jahr schneller gedruckt worden, aber der Erfolg ist, wie oben schon erwähnt wurde, ein sehr geringer, und ferner ist es geschehen | 2 auf Kosten der wissenschaftlichen Mitteilungen des Zoolog. Anzeigers. Eine wirkliche, dauernde Besserung erscheint dem Vorstande nur _ möglich, wenn die Bibl. zoologica von dem wissenschaftlichen Teil IF des Anzeigers so weit getrennt und selbständig wird, daß ihr Um- fang sich nicht nach dem des andern Teils zu richten braucht, # sondern einzig und allein durch den vorhandenen Stoff bestimmt wird. [# Es würde dann wahrscheinlich eine Erhöhung des Preises des Zoolog. | Anzeigers eintreten, wenigstens fiir die ersten Jahre, in denen der | $ Druck sehr beschleunigt werden müßte, um den Anschluß an die _ jüngste Zeit zu erreichen, aber dadurch würde kaum die Zahl der i= Abonnenten sich vermindern, wenn nur das eine Ziel erreicht wird: | eine so schnelle Pia ea wie unter Carus. es Ferner aber erscheint es dem Vorstand wiinschenswert ae mög- lich,-den Umfang der Bibl. zoolog. zu vermindern und dadurch eine - Beschleunigung des Berichts herbeizuführen, und zwar auf folgende Weise: a) Es dürfen die unter 4 erwähnten Wiederholungen nicht vor- kommen. I b) Es können die Abteilungen Morphologia, Physiologia, Histo- logia, Palaeontologia, Embryvlogia, Pathologia et Teratologia, Zoologia oeconomica zum Teil ganz wegfallen, zum Teil be- deutend gekürzt werden. Im Jahre 1910 nehimen sie nicht weniger wie 242 Seiten ein. N i aS 124 Einige können wegfallen, weil man sie ebensogut oder sogar besser in den Literaturberichten der Anatomie, Palä- ontologie, Parasitologie. Physiologie u. a. findet, und sie doc nicht vollständig sind. Ein großer Teil der Titel, welcher später in den syste- matischen Gruppen wieder aufgeführt wird, kann fortfallen, oder es genügt, nur den Autor anzuführen und auf die Nummer zu verweisen, es ist aber nicht notwendig, den ganzen Titel zu wiederholen. Dieses trifft besonders für solche Titel zu, in denen deut- lich die systematische Gruppe gekennzeichnet ist, z. B. Janickt: Bau von Amphilina, Barss: Entwicklung der Geschlechtsgänge bei Cestöden, Upe: Anatomie und Histologie der Süßwassertricladen usw. Es erscheint die mehrmalige Anführung dieser Titel in den erwähnten Abteilungen um so überflüssiger als die Wieder- holung keineswegs konsequent durchgeführt wird, und man deshalb gezwungen ist, auch noch bei den systematischen Gruppen die Literatur durchzusehen. Z. B. wird ,,Maneoup (1908): Studien zur Physiologie des Nervensystems der Echinodermen I“ (6 Zeilen) sowohl unter Nr. 15253 als auch unter 17149 gebracht, dagegen ,Maneorp (1908): Studien zur Physiologie des Nerven- systems der Echinodermen IJ“ nur unter „Echinodermata“. Es braucht der „Conspectus methodicus“, der 11 Seiten füllt, nicht in jedem Bande gebracht zu werden, sondern kann selb- ständiggedrucktundeinmalbeigegeben und von neuen Abonnenten dann besonders bezogen werden. € VS Herr Dr. Field (Ziirich) hatte folgenden Antrag eingesandt: „Es wird von der Deutschen Zoologischen Gesellschaft eine Kommission ernannt, um die Bedingungen zu untersuchen, — unter welchen die Bibliographie im Zoologischen Anzeiger her- gestellt wird und über Mittel und Wege zur Verbesserung des Dienstes zu beraten.“ Der Vorsitzende empfahl diesen Antrag abzulehnen und fol- genden Antrag des Vorstandes anzunehmen: „Der Bericht des Vorstandes der Deutschen Zoologischen Gesellschaft wird Herrn Dr. Field und der Verlagsbuchhand- lung W. Engelmann offiziell mitgeteilt mit der Bitte, den — Mängeln in der Veröffentlichung des Literaturverzeichnisses lle Pest CO 125 im Zoologischen Anzeiger beförderlich abhelfen zu wollen. Gleichzeitig spricht die Deutsche Zoologische Gesellschaft die Bereitwilligkeit aus, bei der Regelung der Angelegenheit mit- zuarbeiten. Sie beauftragt zu diesem Zweck die Herren Prof. Spengel, Korschelt, Hesse und Brauer mit Herrn Dr. Field und dem Verleger Engelmann in Beziehung zu treten, so- fern diese letzteren dies wünschen sollten. Nachdem die Herren Prof. Spengel und Korschelt den Antrag des Vorstandes befürwortet hatten, wurde dieser ange- nommen. Vortrag des Herrn Prof. ©. B. Kruxziıseer (Stuttgart): Über die Gliederung und Gelenke der Decapoden Crustaceen im Vergleich mit den Insekten. A. Einleitung. Bei Gelegenheit meiner im wesentlichen mehr systematischen Bearbeitung der Rundkrabben des Roten Meeres, die ich in den letzten Jahren vornahm, machte ich auch mancherlei Beobachtungen über allgemein wissenswerte Dinge, anatomischer, physiologischer und biologischer Art, wie ich solche seinerzeit bezüglich der Spitz- und Spitzmundkrabben des Roten Meeres der Deutschen Zoologischen Gesellschaft 1906 mitgeteilt habe. Ich beschränke mich diesmal auf meine bei dieser Gelegenheit angestellten Untersuchungen über die Gliederung und Gelenkbildung zunächst der Rundkrabben, aus- gehend von unserem Taschenkrebs (Cancer pagurus L.), im Vergleich mit den Insekten. Dieses Kapitel ist allerdings schon von bedeutenden Forschern eingehend behandelt worden; es wird aber nicht überflüssig sein, und wenigstens als eine Ergänzung dienen, wenn ich auch meine Beobachtungen und Anschauungen, die ich zum Teil unabhängig von den früheren Autoren gewonnen habe, hier mitteile. B. Literatur. Außer den älteren Werken von Sıraus-Dürknem, Uber die Anatomie des Maikäfers; Burnmeısrer, Handbuch der Entomologie, 1832; H. Minne Enwarps, Histoire naturelle des Crustacés, 1834, und squelette tegumentaire des Crustacés, 1851, ist das Hauptwerk über das fragliche Kapitel: K. Lancer, Über den Gelenksbau bei den Arthro- zöen, in den Denkschriften der Wiener Akademie, 1860, S. 99— 140 mit Tafel I—III; ferner Te. List, Morphologisch-biologische Studien über den Bewegungsapparat der Arthropoden, 2. Teil, die Decapoden, 126 in Mitteilungen der Zoologischen Station in Neapel, 1897, 8. 72—168 mit Tafel 4—6 und 1. Teil, über Astacus fluviatilis im Morpho- logischen Jahrbuch 1895, S. 350—440 und Tafel 14—18. Kleinere Mitteilungen findet man in V. Grazer, Die Insekten, 1877, S. 157 ff. und in dessen Buch über die äußeren mechanischen Werkzeuge der Tiere, 2. Teil Wirbellose, 1886, S. 175 und 186 ff; in O. Liesr, Über die Gelenke der Insekten im Programm des Chemnitzer Gymnasiums, 1873; in Huxzexr, Der Krebs, 1881; in H. J. Korsz, Einführung in die Kenntnis der Insekten, 1893, S. 272 ff. und in A. Hzssz, Der Tierkörper als selbständiger Orga- * nismus, 1910, S. 122. Eine neuere Schrift ist: Jos. Pearson, Memoir of Cancer (pagurus) the edible crab, Liverpool 1908 (in Proc. and Transact. Liverpool Biolog. Society vol. 22). Die Schriften von Marry, Machine animale, 1893, und Lois de morphogenie hatte ich nicht. In Prerrigrew, Ortsbewegungen der Tiere, 1875, LeuckAarr, Bau der Insekten usw., 1851 und O. Fischer, Physiologische A Mechanik, fand ich nichts ins | C. Benennung der Glieder der Arthropoden und ihre allgemeine Gestalt. Die Gliedmaßen der Arthropoden zeigen bekanntlich eine auf- fallende äußere Ähnlichkeit in ihrer Anordnung mit der derWirbeltiere, die ja auch einen gegliederten Bauplan haben, aber diese Ähnlich- keit ist nur eine „Analogie“, keine „Homologie* (Aufbau auf gleich- artigem Mutterboden), wohl aber zeigen die Arthropoden unter- einander im ganzen eine wahre, wenn auch nicht immer leicht zu erkennende Homologie. ‚Jene Analogie mit den Wirbeltieren hat schon seit alten Zeiten ihren Ausdruck gefunden in der Benennung der einzelnen Gliedmaßen, welche auch für die Crustaceen und Insekten früher eine gemeinsame war: 1. Hüftglied = Coxa, » 2. Schenkelring — Trochanter, 3. Schenkel = Femur, 4. Schiene = Tibia, 5. Fuß = Tarsus, an dem man noch in manchen Fällen eine Ferse — Metatarsus unterschied. Das Gelenk zwischen Schenkel und Schiene hieß man das Knie = Genu. | Man fand aber bald, daß für die Crustaceen (zunächst die Decapoden) jene Bezeichnung nicht recht paßte, und führte für © diese zum Teil andere Namen ein (M. Edwards 1851 und Spence © Bate 1888): | I. Coxa (Sp. Bate) oder cox podit (M. Edw.) blieb, die Gestalt ist aber hier eine ringförmige (ähnlich dem Ringknorpel des menschlichen Kehlkopfs). | 3 127 II. Der Trochanter zeigt sich aus mehreren, meistens zwei ‘Gliedern zusammengesetzt, deren Trennung allerdings meistens nur durch äußerliche Furchen und Linien angedeutet ist’), in einigen Fällen, wie bei den vier hinteren Gliedmaßen des Flußkrebses, aber auch durch wirkliche Teilung mit weicher, eine gelenkartige Be- wegung gestattender Zwischenhaut. Man hat daher das proximale Glied des Trochanters der Crustaceen (Decapoden) Basipodit, (M. Edw. oder kürzer: Basis Sp. Bate) das distale Ischiopodit oder Ischium, beide zusammen auch wohl „Basi-ischium“ genannt. Die Gestalt des Ganzen ist meist eine kelchförmige, über der Basis, ‘an der eine gewölbte und geglättete Gleitfläche, eine Halb- scheibe die Gelenkverbindung mit der coxa vermittelt, etwas eingeschnürt und am distalen mit dem folgenden Gliede leicht be- weglichen Ende verbreitert. Bei den Insekten (Fig. 5) ist der Trochanter (Tr) fast immer einfach, bei einigen, wie den Hyme- nopteren mit Legeröhre, die daher auch Ditrochantera genannt werden, auch doppelt; seine Form ist ringartig („Schenkelring“) oder distal schräg zugespitzt, an den Femur schräg und unbeweglich angelegt. Der Trochanter im ganzen ist übrigens bei beiden Abteilungen als abgetrenntes Gelenkstück des Schenkels anzusehen. III. Der Schenkel, Femur, bei den Crustaceen jetzt allgemein mit dem griechischen Wort Merus (oder Meropodit nach M. Edwards) bezeichnet, ist bei Crustaceen und Insekten ähnlich gebaut, er "bildet meist das längste und stärkste Glied (außer der Schere der Scherenfüße der Krebse), ist mehr oder weniger zylindrisch oder seitlich abgeplattet (manchmal auch dorsoventral abgeplattet wie bei Trapezia unter den Krabben). An den Scherenfüßen der Krebse wird er auch wohl „Arm = Brachium“ genannt. Dieses Glied scheint übrigens nicht immer ein einheitliches Stück zu sein: an der verflachten Innenseite des Brachium der meisten Rundkrabben sieht man mehrere nahtartige Linien, von denen einige ein ungefähr lanzettförmiges, distal zugespitztes Stück: ich heiße es „Schaltstück“?), abgrenzen, welches nach der Verschieden- - heit seiner Gestalt auch systematisch verwertet werden kann (Fig. 2, BIlls). Der distale Endteil des Merus der Rundkrabben ist durch 1) An dieser Ringfurche „Frakturebene“ nach PEARSON S. 347 erfolgt die ,Autotomie* oder das Abwerfen des ScherenfuBes. 2) Nach PEARSON S. 344 sind die dieses Stück begrenzenden Linien sogen. _ „Absorptionslinien“, wo bei der Häutung (Ekdysis) das Exoskelett des _ ScherenfuSes seine Verkalkung verliert und die Schere sich herauszieht. Eine andere solche Linie ist die „Pleuralfurche“ unter dem Seitenrand des Rückenschildes. 128 eine Querlinie gewöhnlich abgesetzt (q). Auch der Trochanter zeigt Quer- und Längslinien (1), die auf eine Zusammensetzung aus mehr als zwei Teilen schließen lassen, abgesehen von der in eine Anzahl kleiner Plättchen getrennten Achselgegend (Fig. 2, B Il). Der Femur der Insekten (Fig. 4 und 5 F) ist, da in seinem Innern die hauptsächlichen, den Fuß bewegenden Muskeln sitzen, verhältnis- mäßig besonders stark, zumal bei springenden Arten, und einheitlich gebaut. Distal ist er gewöhnlich verschmälert. IV. Die Fußwurzel (beziehungsweise Handwurzel) = Carpus Carpopodit ist bei den Decapoden kurz und gedrungen, meist der Länge nach etwas gekrümmt, eine Art Stütze für die folgenden (lieder bildend, wie die menschliche Handwurzel für die Hand, mit dem vorhergehenden und folgenden Glied gelenkig ver- bunden. Bei den Insekten ist das entsprechende Glied, die Schiene (Tibia) (Fig. 5 Ti), schlanker als bei den Crustaceen, aber schwächer und meist kürzer als der Femur, distal meist etwas’ verbreitert und abgestutzt, und daselbst oft mit „Spornen“, d. h. starken Borsten besetzt, die als Stützorgan während der Ruhe und auch beim Gehen verwendet werden; auch sonst zeigen sich an der Tibia mancherlei Stacheln. Carpus aller Tibia sind im „Kniegelenk gegen den Schenkel weit einschlagbar. V. Das „Propodit“ oder der Propus (nicht Propodus!) der Decapoden ist an den Schreitfüßen kurz, etwas schlank, zylin- drisch oder seitlich zusammengedrückt, etwa von der Stärke des Carpus, aber meist etwas länger und gerader. Ganz anders am Scherenfuß, wo dieses Glied die „Hand“ (manus) bildet; es ist hier meist stark verbreitert und aufgetrieben, infolge der im Inneren befindlichen starken Muskeln. In fortgesetzter Richtung des Unter- randes oder etwas gekrümmt, zieht sich ein verschmälerter Fortsatz der Hand in distaler Richtung weiter, sog. Zeigefinger (index) oder „unbeweglicher Finger“ oder „Unterfinger“ (in), der gewöhnlich am Schlußrand oder der „Schneide“ mit Höckern, Zähnen oder Kerben besetzt ist, und in eine spitze, stumpfe oder löftelförmig ausg eh Obi Spitze ausläuft. VI. Das Dactylopodit oder der Dactylus oder das Klauen- glied ist an den Schreitfüßen gewöhnlich schlanker als der Propus, distal verschmälert und am Ende mit einer unbeweglich damit verbundenen, meist etwas gekrümmten „Klaue“ versehen. Es ist gegen den Propus ungefähr bis zu einem rechten Winkel einschlagbar, bei der Streckung dieselbe Längsachse verfolgend. An den Scheren- füben (Fig. 2, VI) bildet dieses Glied, zurückgerückt und an 129 der eigentlichen breiten Hand beweglich eingelenkt, dem „Zeige- finger“ gegenüber, den „Daumen“ (pollex)!) (po) oder beweglichen Finger oder Oberfinger, der dem Zeigefinger ähnlich gebaut ist und gegen denselben bei der Beugung bis zur Berührung am Schlußb- rande oder wenigstens an der Spitze und daselbst sich oft kreuzend, herabgeschlagen werden kann, ähnlich den Blättern einer Schere. Bei den Insekten (Fig. 5) ist der Bau und die Anordnung der auf die Schiene folgenden letzten Glieder der Füße wesentlich ver- schieden von der der Decapoden. Es sind deren fast immer mehr als 2, meist 4 und 5 (daher die Einteilung der Käfer in Tetra-, Penta- und Heteromera); sie werden zusammengefaßt als Fuß (Tarsus, Ta), nur das erste derselben ist manchmal mit dem Propus ver- eleichbar, wenn es besonders verlängert oder auch anders gestaltet ist als die übrigen, wo es dann als Ferse (Metatarsus) bezeichnet wird, wie z. B. bei der Biene. Die Fußglieder sind untereinander sonst gleich gebaut, gegeneinander in gleicher Richtung (dorso- ventral) beweglich, distal verbreitert und bedornt, an der Unter- seite (Sohle) oft verbreitert und mit „Haftläppchen“ u. dgl. versehen, letzteres besonders an den „Kletterfüßen“ im Gegensatz zu den „Gangfüßen“. Das letzte Glied, „Klauenglied“ (Ta 5) (nicht ganz entsprechend dem Klauengliede der Decapoden), ist gewöhnlich länger als die anderen und trägt, ganz abweichend von den Füßen der Crustaceen, fast immer eine Doppelklaue (Kl), die gegen das Klauenglied eingelenkt ist und, jede für sich, bewegt werden kann. Die Larven der Insekten haben indes nur eine Klaue. So ist die ‘ Homologie der Glieder zwischen Insekten und Decapoden am Ende wie am Grunde der Glieder ziemlich verwischt, und entsprechend ‚auch die Verrichtung (s. u.). D. Allgemeines über die Gelenke der Arthropoden. Auch hier ist wieder eine gewisse Analogie der Arthropoden und Wirbeltiere zu erkennen, wenigstens darin, dab stets das vor- hergehende (proximale) Glied den konvex gestalteten Grund des folgenden (distalen) in eine Höhlung aufnimmt. Bei den Wirbel- ' tieren nennt man den konvexen Teil „Gelenkkopf“ (condylus), die Höhlung „Gelenkgrube“. Während aber bei den Wirbeltieren kongruente Flächen solider Knochen aufeinander gleiten, ‚sind rentlich, verglichen mit der Hand und den Fingern des Menschen, nbewegliche Finger Daumen heißen, der die Richtung des Radius d der bewegliche Finger Zeigefinger, der an der menschlichen Hand Daumen herabgeschlagen werden kann. tsch. Zool. Ges. 1911. 9 130 die Glieder der Arthropoden hohle Röhren oder Ringe, und die dem Gelenkkopf der Wirbeltiere entsprechenden Teile sind konvexe Scheiben mit kugliger Oberfläche, oder Teile davon, welche in die Röhre des proximalen Gliedes aufgenommen, vor- und zurück- gezogen werden können. Diese Gelenkscheiben (r der Figuren) sind vom übrigen Glied meist etwas abgesetzt und zeigen eine mehr oder weniger glatte Oberfläche, aber nur, weil sie an einem vorspringenden, ebenfalls geglätteten distalen Rand der Höhlung des vorhergehenden Gliedes zu gleiten haben, nicht an der ganzen Höhlungswand. Kurz: die Einrichtung ist zu vergleichen mit dem auf- und niederschiebbaren Visier des Helmes eines alten Ritters. Das Prinzip dieses Gelenks kann man daher auch „Visierprinzip“ heißen im Gegensatz zum „Kongruenzprinzip“ der Gelenke der Wirbeltiere. Den Zusammenhang zwischen den einzelnen Gliedern stellt eine hier weich und elastisch bleibende Chitinhaut her, während die Chitinwand der Glieder knochenartig erhärtet ist. Jene ersetzt die Gelenkbänder der Wirbeltiere. Eine Verbindung zweier Glieder durch ein solche kurze Ge- lenkhaut allein oder fast allein stellt die einfachste, aber auch unvollkommenste Form eines Arthropodengelenks dar. Burmeister nannte sie ,Klappenverbindung“. Man könnte sie auch Syn- desmose heißen, nur hat man es nicht mit wahren Bändern zu tun, wie bei den Wirbeltieren. Sie hat die meiste Analogie mit der Synarthrose, oder dem „straffen Gelenk“ der Wirbeltiere, aber die Bewegung ist weder eine allseitige, noch sind Flächen miteinander in Berührung, vielmehr nur schmale Ränder, und die Bewegung ist eine allerdings sehr beschränkte Scharnier- bewegung. Wie schon Langer bemerkt, findet sich diese „Klappen- verbindung“ nur da, wo sich die walzenförmige Röhre eines Gliedes einseitig abplattet, wodurch der Querschnitt des Beines halbmond- förmig, wie der Durchschnitt einer plankonvexen Linse wird, wie am Gelenk zwischen Trochanter und Merus beim Taschenkrebs und zwischen beiden Teilen des Trochanters an den vier hinteren Beinen des Flußkrebses. Vielfach verwachsen an solchen Stellen die beiden Glieder ganz, zu einer Art Synostose, wie fast immer zwischen den beiden Teilen des Trochanters, auch (nach Langer) zuweilen zwischen Trochanter und Merus, z. B. bei Eriphia. Die Ge- lenkhaut an der konvexen Seite ist etwas länger und etwas größerer Ausdehnung fähig; auch greift der Rand des proximalen Gliedes hier etwas über den des distalen über, wodurch eine Annäherung an die gewöhnliche Gelenkeinrichtung entsteht: eine Scharnier 131 bewegung, wozu noch eine, wenn auch sehr wenig ausgebildete Zapfenverbindung der beiden Spitzen oder Ränder kommt. So wird ein schwaches Hin- und Herwackeln, eine Art „Wackel- gelenk“ gebildet, das vielleicht nur dazu dient, den Fuß etwas biegsam zu machen, um ein Zerbrechen zu verhüten. Bei den meisten Gelenken ist aber außer dem Zusammenhalt durch eine weiche Chitinhaut noch eine besondere Befestigung zweier gegeneinander beweglicher Glieder vorhanden, in der Regel gegeben durch einen glatten Zapfen (oder „Angel“) (z der Figuren), angebracht einander gegenüber an dem Endteil des einen Gliedes, bald proximal, bald distal, aber stets nach außen von der Höhlung gerichtet, und zwar genau in der Richtung der Bewegungsachse, an beiden Enden derselben; jedem Zapfen entspricht eine Bucht oder ein Einschnitt (y der Figuren) am anderen Gliede. Die Zapfen sind bald einfach knopfförmig oder rollen- oder falzartig (Zapfen- und Falzscharniere nach Lancer). Dadurch wird die Bewegung des Gelenks „zwangsläufig“, nur in einer Richtung möglich, das Gelenk wird ein Scharnier. Die Beschränkung der Bewegung nach nur einer Richtung wird noch hervorgebracht durch äußere Vorsprünge des Skeletts, ähnlich wie am Heft eines Taschenmessers, in das sich die Klinge einlegt (z. B. bei y in Fig. 2 B III und 2 A V). Außerdem dienen noch zur Befestigung, aber nicht an allen Gelenken, eine Art Stifte oder Balken, in der Richtung der Be- wegungsachse jederseits schnabelartig nach innen in der Höhlung der Röhre vorspringende Falten der Skelettröhre „axiale Balken“ nach Lancer (x der Figuren). Nach Laneer Können solche auch allein vorkommen, ohne Zapfen, wie bei Maja (Lancer, Tab. I, Fig. 2), wo ebensolche des anderen Gliedes diesen entsprechen und ihnen entgegen sich einlegen. Sie mögen zur sicheren Stütze des Scharniers dienen, oder zur Vergrößerung der Berührungspunkte, oder zur Vertiefung der Buchten. Da sie vielfach fehlen, haben sie eine mehr sekundäre Bedeutung. Die Richtung der Bewegung der Glieder ist im allgemeinen eine solche von vorn nach hinten und umgekehrt: eine antero- posteriore, oder eine von oben nach unten und umgekehrt: eine dorsoventrale, doch oft mit leichter Abweichung von der normalen Richtung, meistens aber”’mit regelmäßiger Abwechslung der Richtung an den aufeinanderfolgenden Gliedern, ohne daß indessen die Gelenkachsen derselben genau rechtwinklig zueinander ständen: so ist die Bewegungsrichtung der Coxa bei den Crustaceen eine anteroposteriore, die des Trochanters eine dorsoventrale, des Merus 9* 132 wieder eine, allerdings schwache, anteroposteriore, des Carpus eine dorsoventrale usw. Nur an den zwei nicht verwachsenen Gliedern des Trochanters vom Flußkrebs ist die Bewegungsrichtung die gleiche, eine ‚wenig ausgiebige dorsoventrale. Die Kombination © dieser Bewegungsrichtungen ergibt, wie namentlich List nach- gewiesen hat, eine ebenso vollkommene allseitige Bewegung, wie bei einem Kugel- oder freien Gelenk. Die Gelenksachsen — stehen rechtwinklig zur Bewegungsrichtung, und sind bei den ~ Scharniergelenken gegeben durch die Verbindungslinien ihrer Zapfen : oder axialen Balken. Man kann sie auch anschaulich darstellen — durch Einführung von Nadeln in dieser Richtung (siehe Lanezr, Fig. 9). Die Ausgiebigkeit der Bewegung der Scharniere in re | und Beugung wird erhöht durch Randverflachungen und Ausschnitte der Glieder, da wo sie bei starker Beugung aneinanderstoßen, sog. „Achselausschnitte“ nach Lancer (e der Figuren), welche mit — weicher, elastischer Chitinhant ausgefüllt sind. So können zwei auf- einanderfolgende Glieder fast parallel in einem Winkel von 180° — sich aneinanderlegen; bei anderen geht die Beugung nur bis zu 90° oder noch weniger, und wird oft noch verringert durch Vor- — sprünge und Dornen, ne an das nächste Glied anstoßen, wie bei — Carpus und Hand. Eine ziemlich durchgängige Einrichtung an den Gelenken der — Arthropoden ist ein Besatz von Härchen, hauptsächlich oder nur — an den distalen Rändern der einzelnen Glieder (Fig. 1 A IIT). Sie dürften wohl hauptsächlich zum Abhalten von Staubteilchen von — der weichen Gelenkhaut oder gegen das Eindringen solcher ins ~ Innere des Gelenkes dienen. Nach Liırzer sollen sie dazu dienen, nach Zurückbiegen derselben bei der Beugung des Gelenkes sich ~ durch ihre Elastizität wieder aufzurichten und damit auch das gebeugte Glied, ohne Mitwirkung oder zur Unterstützung der Streckmuskeln. Das mag bei den zarten Gliedern der Insekten — vielleicht in Betracht kommen, wohl aber kaum bei den stärkeren — Gliedern der Decapoden Crustaceen. E. Die Gelenke der Decapoden Crustaceen, insbesondere ~ des Taschenkrebses, im ‚Einzelnen. | 1. Gelenk zwischen Rumpf und Hüfte: Hüftgelenk. Die © Yingförmige Coxa (I) zeigt beim Taschenkrebs an den Schreitfüßen wie — am Scherenfuß in natürlicher Lage eine hintere, nicht geglättete — Fläche (h), welche, außer am hintersten Fuß, etwas eingeknickt ° 133 erscheint, zum Anlegen an die nächstfolgende Hüfte. Die innere, dem Rumpf zugekehrte, zugleich ventrale und die vordere Fläche (v) bilden zusammen eine konvexe, glatte Gelenkscheibe, die in einer ent- sprechenden Höhlung des Rumpiskeletts, einer „Gelenkhöhle“, oder Gelenkkammer, wie solche durch aufsteigende Scheidewände „apodemes“ M. Edw. hintereinander jederseits gebildet werden, hin und her gleitet (zu vergleichen mit den abschließenden Kammern oder shuts eines modernen Schiffes; s. M. Epwarps, Hist. nat. Atl. t. 2 f. 11, Huxney; 1881, f. 39; Lancer, t. 1 f. 8, nur zu sehen nach Wegnahme des Riickenschildes). Eine zweite, mehr dorsale und vordere mehr ebene Gelenkflache hängt mit der ersteren zu- sammen, sie wird erst sichtbar nach Abtrennung der Coxa. An der dorsalen abgerundeten Ecke des Ringes (k) setzen sich die Kiemen an. Zapfen (z) zur Verbindung mit dem Rumpf zeigen sich am proximalen Rand der Hüfte: der eine, ventrale am Rand der gewölbten Gelenkscheibe nach innen, etwas faltig, dem Anfangs- gewinde einer Schnecke ähnlich, in eine hakenartige Bucht (y) des Sternums (St. in Fig. 2) eingreifend, der andere, dorsale (z'), dem ersten Zapfen gegenüber, am proximalen Rand der vorderen ebenen Gelenkfläche; er ist sattelförmig vertieft, aber vorspringend, und | greift in eine Art Rolle (nicht dargestellt) am Grund der Scheide- wand (apodéme) der betreffenden Gelenkhöhle ein. Axiale Balken fehlen hier. Die Bewegung der Hüfte in diesem Gelenk ist eine antero- posteriore, zugleich auch etwas von außen nach innen gerichtet, die Ausgiebigkeit etwa 90°. Schreit- und Scherenfüße in diesem Gelenk kaum verschieden sich verhaltend. 2. Gelenk zwischen Hüfte und Trochanter. Die beiden Teile des Trochanters sind.bei dem Taschenkrebs fest verwachsen mit angedeuteten Trennungslinien. Die Gestalt des Trochanters ist an den Schreitfüben eine kelchartige, mit stark von vorn nach hinten abgeschrägtem Distalrand, die proximale Öffnung unregelmäßig gerundet, die distale fast dreieckig, distal zugespitzt, Innenfläche schmal, etwas flach, Außenfläche gewölbt; am Grund (Basipodit) mit abgesetzter schmaler Gelenkscheibe (r), die nach rückwärts (proximal) in einem zapfenartigen Fortsatz (z“), von der flachen Innenfläche aus, sich fortsetzt. Dieser zapfenartige Fortsatz des Trochanters legt sich in eine wenig auffallende Bucht (y‘) am distalen Rande der Coxa an der Grenze zwischen Innen- und Vorder- _ fläche, ein gegenüberliegender kleiner spitzer Zapfen (z) in einen einspringenden Winkel (y) in der Mitte der Hinterfläche der Coxa. 134 Stärkere Verbindungs- und Befestigungsmittel dieses Gelenkes sind zwei stark vorspringende axiale Balken (x) an der Coxa, welche unmittelbar unter den oben gedachten Buchten der Coxa liegen. Ziemlich verschieden gestaltet erscheint der Trochanter am Scherenfuß (Fig. 2), zunächst beim Taschenkrebs. Er ist eben- falls kelchförmig, aber mit weniger abgeschrägtem Distalrand, der — einen nach hinten und oben steigenden zungenartigen Fortsatz (£) zeigt, entstanden durch eine tiefe Bucht (p), in welche ein langer Zapfen (zo) eingreift, der von der Mitte des Distalrandes der Hinterfläche der Coxa aufsteigt und dem hinteren Teil des ein- — springenden Winkels an der entsprechenden Stelle der Schreitfiibe entspricht (zo Fig. 1); dadurch wird die Verbindung zwischen coxa und Trochanter beim Scherenfuß wesentlich inniger. | | Noch eine sehr auffallende Einrichtung ist, daß sich hinter, d.h. dorsalwärts von diesem langen Zapfen an der Coxa der Distal- rand derselben in eine glatte, leicht konkave Fläche (c) ver- flacht, an der der ebenfalls verflachte Unter- und Hinterrand des zungenförmigen Fortsatzes hin und her gleitet: ein seltener Fall — von Flächenkongruenz bei Arthropoden! Sonst findet sich auch hier der hintere zapfenförmige Fortsatz des Trochanters (z") an derselben Stelle wie beim Schreitfuß, und in eine Bucht oder oder besser einen vorspringenden Winkel der Coxa eingreifend, — mit entsprechendem axialen Balken (x) darunter. Der gegenüber- liegende axiale Balken der Coxa (x‘) liegt unmittelbar unter dem — erwähnten langen anderen Zapfen (zo). Somit liegt hier der eigen- tümliche Fall vor, dab ein Zapfen vom proximalen Glied aus distal- wärts läuft zur Verbindung mit einer tiefen Bucht des zweiten Trochantergliedes, des Ischiopodits, während der andere gegenüber- stehende Zapfen, jener rückwärts gerichtete Fortsatz (z“) dem distalen Glied angehört! Der andere Fortsatz am Grunde des Basipodits (t) ist kein Gelenkzapfen. Die innere Wand des Trochanters fehlt; an ihrer Stelle befindet sich ein tiefer Achsel- ausschnitt (e) mit weicher Chitinhaut. Die Bewegungsrichtung des Trochanters in diesem Gelenk ist eine dorso-ventrale, mit einer Ausgiebigkeit von etwa 90°, wobei der Fuß stark gehoben und gesenkt werden kann. 3. Gelenk zwischen Trochanter und Schenkel (Merus). Dasselbe ist oben schon im wesentlichen bei der ,, Klappenverbindung “ beschrieben. Bewegungsrichtung leicht antero-posterior. 4. Gelenk zwischen Merus und Carpus: „Kniegelenk“. Am Merus distal ein tiefer ventraler Achselausschnitt (e), ein 135 dorsaler Bogen zur Aufnahme der gewölbten Gelenkscheibe (1) des Carpus, seitlich je eine Bucht (y) zur Aufnahme je eines Seiten- zapfens (z) des Carpus, und damit zusammenhängend je ein axialer Balken (x), der hier zur Vertiefung der Bucht zu dienen scheint. Am Carpus proximal eine vom übrigen Glied etwas abgesetzte dorsale, konvexe, höckerartige Gelenkscheibe (r), davor jederseits ein nach außen gerichteter, innen gehöhlter Zapfen (z), ein kurzer axialer Balken (x) und ein mit dem des Merus zusammenhängender Achselausschnitt (e) mit weicher Chitinhaut. Am Scherenfuß die- selben Teile und Gebilde, nur kräftiger, der Achselausschnitt des Carpus länger, die Achse zwischen den Zapfen schräger, der Ventral- teil des Carpus schmäler, fast ringartig. Bewegung dorsoventral, Ausgiebigkeit wegen des Achselausschnitts groß, nahezu 180°, so daß sich die Ventralseiten beider Glieder aneinanderlegen können. 5. Gelenk zwischen Carpus und Propodit. Öffnung schräg, gerundet, dorsal etwas zugespitzt; ein gerundeter oder spitzer Zapfen (z) am distalen Ende des Ober- und Unterrands des Carpus, eine entsprechende Höhlung (y) für diese Zapfen am proximalen Ende des Ober- und Unterrands des Propodits, ohne axiale Balken, jederseits eine kleine etwas abgesetzte Gelenkscheibe (r), die fest zusammenhängen und einen Ring bilden. Am Scherenfuß eine deutlichere abgesetzte Ringscheibe (r) und ein nach rückwärts stark vorspringender Fortsatz am Proximalende des Ober- und Unterrands zur Vertiefung der Zapfenpfanne (y) daselbst; ‘starke glatte Zapfen (z) am Distalrand des Carpus, deren einer ein Neben- zäpfchen zeigt. Ebenda nach innen zu ein stumpfer vorspringender Hocker (0) (bei anderen Arten ein Stachel), der sich in eine Ver- tiefung der Innenfläche des Propodits oder der Hand stemmt und die Ausgiebigkeit der Bewegung verringert. Bewegung des Pro- podits antero-posterior, mit geringer Ausgiebigkeit von etwa 45°. 6. Gelenk zwischen Propodit und Dactylopodit. An den Schreitfüßen, ähnlich dem „Kniegelenk“. Ein Achselausschnitt (e) am Propodit und Dactylus, eine dorsale konvexe höckerartige Ge- lenkscheibe (r) am Dactylus, seitliche Gelenkzapfen (z) am Dactylus mit entsprechenden Buchten (y) und Vorsprüngen am Propodit, axialen Balken (x) am Pro- und Dactylopodit. Ähnliche Ein- richtung, aber deutlicher, am Scherenfuß. Bewegung des Fingers oder Klauenglieds dorsoventral, Ausgiebigkeit am Schreitfuß bis zu 90°, mit Bildung einer rechtwinkligen Klammer, am Scherenfuß ist die Ausgiebigkeit der Bewegung des „Daumens“ gehemmt durch den vorgestreckten „Index“ und beträgt nur etwa 45° oder weniger. 136 F. Einige Abweichungen und Besonderheiten bei einige von mir untersuchten Arten. 1. Beim Flußkrebs zeigen, wie schon bemerkt, Basis und Ischium des Trochanters der vier hinteren Füße eine Trennung durch eine weiche Gelenkhaut und leichte: Beweglichkeit gegeneinander, mit Klappenverbindung, beide in derselben Bewegungsrichtung: dorso- ventral. Die Hinterfläche ist gegen das schmale Brustbein hin verlängert, noch mehr bei den Einsiedlerkrebsen (Pagurus)’). 2. Bei Carcinus mänas ist der Endteil des langen Zapfens der Coxa abgetrennt, übrigens verwachsen, aber mit seiner Spitze nicht in die Bucht des zungenförmigen Fortsatzes eingreifend. 3. Bei Carpilius fehlt der Trochanter ganz als besonderes Glied; derselbe ist aber mit dem Merus verwachsen und sein Gelenkteil tritt sehr hervor, von dem Merus nur durch eine Einschnürung getrennt. Man hat hier eigentlich die ursprüngliche Einrichtung, wonach der Trochanter nur der Gelenkteil.des Merus ist. Die Gelenkfläche hinter — und über dem langen Zapfen der Coxa bewegt sich hier unmittelbar mit dem hinteren Teil des Merus. Der Ischialteil des Trochanters ist indessen auch durch schwache Furchen am Merus angedeutet, besonders am Proximalende des verflachten Unterrands. ; 4 4. Bei den Schwimmkrabben, wie Portunus holsatus, verkürzen sich die einzelnen Glieder der Schwimmfüße, und die zwei letzten Glieder verbreitern und verdünnen sich zu Ruderplatten; auch kann J sich das letzte Glied fast parallel an das vorletzte anlegen. G. Die Glieder und Gelenke bei den Insekten. Da die Endglieder derselben von der Tibia an schon oben bei — der Gestaltung besprochen wurden, handelt es sich hier hauptsächlich — nur um Gestaltung und Gelenkverbindung des Hüftglieds und des mit dem Femur unbeweglich verbundenen „Schenkelrings“. Die Ermittlung der genauen Verhältnisse ist nur bei großen und haar- losen Insekten gut möglich, wie beim Herkuleskäfer (Dynastes — hercules), der mir gerade zu Gebote stand. Bei den Insekten finden sich richtige Kugel- oder freie Gelenke (Arthrodien) eigentlich nur am Kopfgelenk (zwischen Kopf und Prothorax). Kuglige Hüften finden sich zwar öfters, aber nach Langer sind auch sie, streng genommen, Scharniere, also einachsig. Ich habe solche nicht näher studiert. Häufiger sind !) Das Propodit des letzten Fußes beim Flußkrebs ist gegen das des vor- letzten um etwa 90° gedreht, und daher auch sein Daktylopodit nach vorn und ~ innen gerichtet. Dieser letzte Fuß dient nach LIST, 1895, S. 415 als „Schieber“. 137 die walzenförmigen Hüften; dazu gehört auch die des Herkules- kifers. Die Coxa desselben (Fig. 3, A u. B) ist flach walzenförmig, | quer oder etwas schräg zur mittleren Körperachse gelegen und in eine entsprechende Lücke des Rumpfskeletts eingelassen. Die ventrale, beim Anblick des unversehrten Käfers von unten (Fig. 3, A) sich darbietende fast flache, kaum gewölbte, behaarte Fläche (hier zunächst der abgebildeten linken Hinterhüfte) ist langgestreckt, mit fast geradem, etwas erhobenem, kantigem Vorder- (v) und Hinter- rand (h), beide außen verbunden durch einen kurzen gebogenen Außenrand (u). Am Übergang desselben in den Vorderrand zeigt sich eine gerundete Bucht (y), oder Einschnitt, in welche sich ein Zapfen (z) des Metathorax (M) einlegt. Ebenfalls gekrümmt ist der Innenrand, der durch mancherlei Ausschnitte und Fortsätze sich sehr kompliziert erweist. Die Dorsalseite der Hüfte, erst beim Herauspräparieren sichtbar (Fig. 3, B, d), ist kahnförmig ausgehöhlt, zum Ansatz für die vom Rumpf herabkommenden Muskeln. Bei der Ansicht der herauspräparierten Hüfte von unten (Fig. 3, A) sieht man am Innenrand vor dem Hinterrand eine große runde, nach innen offene Bucht oder einen Ausschnitt (b) mit einer kon- _kaven Gleitfläche (für die konvexe Gelenkscheibe des Trochanters (r). Am vorderen inneren Ende des Ausschnitts zieht sich ein ansehnlicher, dreieckiger, schwach gewölbter, glatter Fortsatz (zo) des hier etwas verdickten Vorder- und Innenrandes der Coxa, der in einen Zapfen ausläuft, nach hinten und etwas nach außen gegen den Ausschnitt zu. An seinem Innenrande zeigt er 10—12 stark gelbe, nach innen gerichtete Borsten. Dieser Fortsatz legt sich am nicht zerlegten Tier in eine Bucht (Ausschnitt) (p) zwischen Trochanter und Femur '- (in Fig. 4, A). Eine andere kleinere Bucht (y’) zeigt sich mehr nach innen und vorn am Übergang des Vorder- in den Innen- rand. Ihm entspricht ein Zapfen (z) an derselben Stelle, an dem Rand des Metathorax (M), eine zweite Angel bildend für die Hüfte, am inneren Ende der Hauptachse derselben, gegenüber dem obengenannten Zapfen (z) des Metathorax am äußern Ende der Achse. Bei der Ansicht von oben (Fig.3, B) sieht man außer der kahn- förmigen Höhlung der Dorsalseite (d) die teilweise behaarte ab- schüssige Vorderwand (v) und am inneren Ende derselben noch eine Bucht (b’), in welche ein an der Innenseite des Trochanters befindlicher Zapfen (z”) eingreift (s. u.). Auch die Bucht (y und y’) für den äußeren und inneren Metathoraxzapfen kann man bei dieser Ansicht noch sehen. 138 Der Trochanter (Fig. 4, Tr) erscheint bei der Ansicht von unten (Ventral- oder Außenfläche, Fig.4 A) lanzettformig, distal lang zugespitzt wie eine Schreibfeder, proximal gewölbt durch die konvexe Gelenkscheibe (r) (welche sich in die große Bucht (b) der Hüfte ein- senkt). Am Vorderrand des Trochanters, ungefähr in seiner Mitte, zwischen dem gewölbten Grundteil und dem zugespitzten Teil befindet sich eine Bucht (p), welche mit einer kleineren des dem Trochanter Fig. 1. Erster linker Schreitfuß von Cancer pagurusL. A von unten und außen. B von oben und imnen. Zu: Wig. Tou, 2. I. Coxa; II. Trochanter; III. Merus; IV. Carpus; V. Propus (Propodit); VI. Dactylus in Index; pro Pollex (in Fig. 2); St sternum (in Fig. 2 A); r Gelenkscheiben; x Gelenk- zapfen; y Buchten für die Zapfen; x axiale Balken; e Achselausschnitte; h hintere, v vordere Fläche der Coxa; k Ansatzstelle der Kiemen an der Coxa; 1 Linien am Trochanter als An- deutung der Teilung in einzelne Stücke; s Schaltstück an der Innenfläche des Merus am Scherenfuß; q distaler Absatz an demselben; o vorspringender Höcker am Carpus des Scheren- fußes; f zungenartiger Fortsatz am Distalteil (Ischium) des Trochanters des Scherenfußes; zo langer Zapfenfortsatz an der Coxa des Scherenfußes; p Bucht für denselben am Trochanter ; © Gelenkfläche an der Coxa des Scherenfußes für den zungenartigen Fortsatz des Trochanters; z’ dorsaler Zapfen am proximalen Rand der Coxa zur Verbindung mit einer Rolle am „apodem* einer Gelenkhöhle am Rumpf (diese nicht gezeichnet); z ventraler Zapfen ebenda zur Verbindung mit dem Sternum; z’’ Zapfenfortsatz an der Gelenkscheibe des Trochanters; t Ecke ebenda. I 139 dicht anliegenden und mit ihm unbeweglich verbundenen Femur zu- sammen einen kreisförmigen Ausschnitt bildet (p), in welche sich der Fortsatz oder Zapfen (zo) der Hüfte einlegt (Fig. 5). Diese Bucht (p) entspricht bei Vergleichung mit der Coxa und dem Trochanter des Scherenfußes vom Taschenkrebs in Fig. 2 der Ischialbucht (p), und der Fortsatz.oder Zapfen (zo) dem langen Zapfen (zo) in Fig. 2 I und II. Auch hier beim Herkuleskäfer liegt ihm eine leicht konkave > De are % | 8 q 3 3 A ay Sires vee Fig. 2. Linker ScherenfuB von Cancer pagurus L. A von unten und außen. B von oben und innen. kolbenartiger Vorsprung (f) des Schenkels wie jener zungenartige - Fortsatz (f) am Ischium des Taschenkrebses hin und her gleitet. ; \ Gelenkfläche (ce in Fig. 3 A) an, auf welcher ein proximaler gewehr- sh : 140 Die Innenfläche des Trochanters (Fig.4, B, Tr) ist größtenteils ausgefallen zu einem Achselausschnitt (e). An der noch bleibenden Innenfläche bemerkt man zwischen ihr und der Außenfläche einen dorsal gerichteten Zapfen (z”) (der in die Bucht b’ der Coxa sich einlegt), und dem Zapfen z” am Grund des Trochanters der Scheren- füße der Crustaceen (Fig.2, A) entspricht. Zur Darstellung dieser auffallenden Übereinstimmung zwischen den Crustaceen und Fig. 3 Fig. 4 Fig. 3—5. : Fig. 3. Coxa des 3. linken Fußes von Dynastes hercules L. A von unten (Ventral- seite), B von oben (Dorsalseite), etwa doppelt vergrößert. M Metathorax mit äußerem Zapfen z und innerem z’; v Vorder-, h Hinter-, u Außen- rand der Coxa; d in 3 B Dorsalseite und v Vorderwand der Coxa; b Ausschnitt oder Bucht für den Trochanter, zo Zapfenfortsatz (der in die Bucht f des Trochanters in Fig. 4 eingreift); ce Gelenkfläche neben demselben (für f in Fig. 4). y und y’ äußerer und innerer Einschnitt für die Zapfen z und z’ des Metathorax); b’ Bucht für den Fortsatz z’’ des Trochanters in Fig. 4; e Achselausschnitt des Trochaniers. Fig. 4. Trochanter und Femur des 3. linken Fußes von Dynastes hercules L. A von unten, B von oben. Tr Trochanter; F Femur; r Gelenkscheibe des Trochanters; p Bucht oder Ausschnitt desselben (fiir den Zapfenfortsatz zo in Fig. 3); f gewehrkolbenartiger Fortsatz des Femur ; z'' Fortsatz am Trochanter (in die Bucht b’ und Fig. 3, B eingreifend). Fig. 8. 2. linker Fuß von Dynastes hercules L. im Zusammenhang, von unten in natürlicher Größe. Co Coxa; Tr Trochanter; F Femur; Ti Tibia, Ta Tarsus, Ta 5 5. Tarsenglied (Klauen- glied); Kl Doppelklaue; zo Hüftzapfen. En) runs nn man ERDE : DI ee ala Ni vo tee « Pre run NEN ELLE, Fuge £ ee ne en) aan 141 Insekten in der innigen Zusammenfügung von Coxa und Trochanter wurden die gleichen Buchstaben gewählt. Der Femur (Fig. 4 und 5 F) ist an den Trochanter an- gelegt und mit ihm unbeweglich verbunden. Seine Ventral- oder Außenfläche (Fig. 4, A und 5, F) ist gewölbt und glatt, seine Dorsal- oder Innenfläche (Fig.4,B) fast flach, und gegen die Ventral- fläche der Coxa gekehrt, auf der sie oberfiächlich und leicht hin und her gleitet. Die Bewegungsrichtung der Coxa gegen den Rumpf ist zwar, da die Achse quer oder schräg liegt, eine antero-posteriore, wird aber mehr zu einer wenig ausgiebigen dorsoventralen, indem die Hüfte, ähnlich einer Falltüre, sich etwas hebt und senkt, so daß das Bein im ganzen sich nur wenig heben und senken kann. Der Trochanter dagegen samt dem mit ihm unbeweglich verbundenen Femur, bewegt sich scheinbar ganz verschieden von den Crusta- ceen, nur in antero-posteriorer Richtung bedingt durch die eigentiimliche Lage der Coxa. Also eine wesentliche Verschiedenheit in der Bewegung bei den Decapoden Crustaceen und den vorliegenden Insekten wenigstens: eine Verschiedenheit, die sich auch an den Endgliedern zeigt, welche sämtlich, von der Tibia an, sich dorsoventral bewegen. Diese Verschiedenheit ist wohl dadurch zu erklären, daß die Decapoden Crustaceen im allgemeinen ihre Beine stärker erheben und senken als die Insekten, da sie 1. Unguligraden sind, während die meisten Insekten plantigrad sind; 2. da sie, besonders die Krabben, mit Vorliebe seitwärts gehen; 3. da sie beim Klettern an Steinen und anderen Gegenständen unter ihnen mit ihren Schreitfüßen eine ventrale Klammer bilden, um sie zu umfassen, während die Insekten zum Klettern andere Ein- richtungen haben, wie Haftballen u. dgl. Dr. von Scnuckmann (Heidelberg) gibt Erläuterungen zu seinen und des Herrn stud. PuschkArew’s Präparaten von Amöben und Trypanosomen. Vortrag des Herrn Prof. R. Worrtzreck (Leipzig): Beitrag zur Analyse der „Vererbung erworbener Eigenschaften“: Trans- mutation und Präinduktion bei Daphnia. Inhalt. Einleitung. I. Versuche einer Transmutation der Helmhöhe durch lange dauernde Einwirkung veränderter Milieubedingungen. 142 II. Präinduktion der Helmhöhe durch Milieu-Einfiu8B während einer Generation. III. Versuche einer Transmutation der Sexualität durch lange dauernde Milieueinwirkung. IV. Präinduktion des Geschlechts durch Milieu-Einfluß während der sensiblen Perioden in einer Generation. V. Was geht bei der Präinduktion und Induktion vor? VI. Verhältnis von Präinduktion zur Transmutation. — Zur weiteren Analyse des Begrifis „Reaktions-Norm“. Von den zwei Wegen, über welche die analytische Genetik verfügt, „pure line breeding as well as hybridization after Mendels’ model“), habe ich den ersteren benützt, um über Variation und Vererbung von quantitativ bestimmbaren Merkmalen Aufschluß zu bekommen. Bei diesen Studien konnte ich natürlich dem Problem der sogenannten Vererbung erworbener (erzwungener) Eigenschaften nicht aus dem Wege gehen. Schon im Anschluß an den Vortrag?), den ich 1909 vor Ihnen hielt und der die Analyse einiger Quantitativmerkmale und ihrer Vererbungsverhältnisse zum Gegenstand hatte, teilte ich vorläufige Resultate nach dieser Richtung hin mit. Aus einer Reihe von Versuchen schien hervorzugehen, daß lange andauernde Milieuein- wirkung — wenn sie den ganzen Organismus inkl. Keimzellen trifft — in der Tat eine Veränderung der „Reaktionsnorm“ und damit der vererbten Eigenschaften verursachen Könne. Alle variablen Eigenschaften, z. B. die Helmhöhe (Fig. 1—2), werden mit einer für jede Elementarart spezifischen Reaktions- norm vererbt, welcher Ausdruck sich folgendermaßen ableiten läßt: Wir müssen davon ausgehen, daß alle sichtbaren Eigenschaften eines Organismus, soweit sie irgendwie, sei es quantitativ, sei es qualitativ variieren, keine absoluten, sondern relative Größen sind, nämlich Reaktionen eines Substrats auf innere und äußere Anstöße oder Ursachen. Substrat und Ursachen ergeben zusammen die Realisierung = Sichtbarwerdung einer Eigenschaft. Als das Substrat müssen wir die Plasmasubstanzen der- jenigen Zellgruppen betrachten, an welchen die Eigenschaft aus- geprägt wird. So sind die Scheitelzellen von Daphnia das Substrat 1) JoHANNsEn, A genotype conception of heredity, American Naturalist 1911. 2) Diese Verhandlungen 1909: Weitere experimentelle Untersuchungen über Artveränderung, speziell - über das Wesen quantitativer Artunterschiede bei Daphniden. 143 der Helmbildung, die Fliigelschuppenbildner von Vanessa das Substrat der Flügelfärbung, usw. Als die auf das Substrat einwirkenden Ursachen a wir einerseits die inneren „Anlagen“ („Determinanten“, „Gene“), über deren Natur wir ja gerade in der jüngstvergangenen Zeit durch die auf Menver’s Entdeckungen weiterbauende Bastardforschung in früher ungeahnter Weise aufgeklärt worden sind; wir wissen jetzt, dab diese „Gene“ ganz bestimmte und unteilbare Einheiten dar- stellen. Vor allem aber sind es heute nicht mehr nur begriffliche und hypothetische Erbeinheiten, sondern stoffliche Realitäten von oft genau bekannter (relativer) Wirkungskraft und Quantität. Endlich kennen wir eine dritte Kategorie von Faktoren, welche an den merkmalsetzenden Reaktionen beteiligt sind, die äußeren Einwirkungen der Temperatur, Nahrung, chemischer Substanzen, Feuchtigkeit, Bodenbeschaffenheit usw., die wir als Milieueinfluß zusammenzufassen gewohnt sind. Alle drei zusammen — Substrat plus Gene plus Milieu — ergeben eine große Zahl von Reaktionen; genauer: ein und dasselbe Substrat (z. B. der Flügelpigmentierung) ist fähig, sowohl mit ver- schiedenen Genen als auch mit einem Gen, aber verschiedenen Milieuabstufungen sehr mannigfache Reaktions-Resultate (sichtbare Eigenschaften) zu erzielen. Die Summe aller Reaktionen, welche eine Eigenschaft bedingen, ist nach Quantität aller Reize und Wirkungen für jede Art genau festgelegt und wird als Ganzes vererbt. Dieses Ganze ist die schon erwähnte „Reaktionsnorm“ des betreffenden Merkmalsubstrats, anders ausgedrückt: der betreffenden variablen Eigenschaft. — Eine erbliche Veränderung solcher Eigenschaften und damit der Art tritt nur dann ein, wenn die Reaktionsnorm an irgend einem Punkt sich ändert; dieser Vorgang wird, glaube ich, am besten mit dem alten Ausdruck „Transmutation“ bezeichnet, der ohne jede theoretische Färbung (wie sie dem kürzeren Aus- druck „Mutation“ leider anhaftet) nur die Tatsache der erblichen Reaktionsänderung, aber nichts über deren hypothetisches „Wie“ aussagt. Die Frage, die ich mir gestellt hatte, lautete nun, ob solche Transmutationen durch langandauernde Milieueinwirkung zu erreichen seien. Sie wird uns in dem ersten und dritten Teil dieses Vortrags für zwei Arten von variablen Merkmalen beschäftigen. Während des weiteren Verlaufs meiner Experimente löste sich von dieser Frage immer schärfer eine andere los, die zunächst mit 144 ihr untrennbar verknüpft erscheint. Ich meine die Frage, ob etwa auch im Bereich der ererbten Reaktionsnorm Varianten eines Merkmals in einer Generation durch Milieueinfluß erworben und auf die nächste vererbt werden können, ob also eine typische „Vererbung erworbener Eigenschaften“ vorkommt, ohne daß die erbliche Reprasentanz des Merkmals dabei geändert wird. Diese Frage soll im zweiten und vierten Abschnitt diskutiert werden. Zum Schluß möchte ich dann versuchen, in das Wesen der zwischen Substrat, Anlage und Milieu obwaltenden Reaktionsverhältnisse etwas tiefer einzudringen, und den alle diese Dinge beherrschenden Begriff „Reaktionsnorm“ genauer zu analysieren. — I. Versuche einer Transmutation der Helmhöhe durch lange dauernde Einwirkung veränderter Milieubedingungen. (1907—1909:) Meine früheren Versuche hatten vor allem er- geben, daß bei der D. longispina des Lunzer Untersees nach etwa zweijähriger Einwirkung von Überernährung und hoher Temperatur (im Warmhaus) folgende Veränderung eintrat: die Tiere sind im Untersee infolge kärglicher Milieubedingungen niedrigköpfig; sie bildeten im Warmhaus alsbald hochköpfige Modifikationen, die jedoch bei Zurückversetzung auf die alte Milieustufe sofort der ursprüng- lichen Form Platz machten. Nach zwei Jahren und nach über 40 Generationen zeigte sich nun, daß die Tiere auch dann hoch- köpfige Junge produzierten, wenn sie vor Beginn der Eibildung in niedrige Temperatur und knappe Nahrung versetzt wurden. Die Kopfhöhe der so entstandenen Tiere stellte also eine Abweichung von der sonst bei dieser Art gültigen Reaktionsnorm dar; die Nach- kommen der veränderten Tiere erwiesen sich aber, wenn die Kultur im reduzierten Milieu fortgesetzt wurde, stets als vollständig normal reagierend (niedrigképfig). Gleichwohl erregte der Umstand, daß die veränderte Reaktion erst nach relativ langer Zeit eintrat und erst nachdem viele Generationen dem gleichen Einfluß ausgesetzt gewesen waren, die Erwartung, weiterhin eine dauernde Reaktions- änderung der Kopfhöhe zu erzielen. | --(1909—1911:) In dieser Erwartung setzte ich die Versuche mit gesteigertem Milieu fort, wieder und wieder prüfend, ob nicht endlich auch wenigstens die zweite Generation nach Aufhören der Milieusteigerung jene Reaktionsinderung noch erkennen ließe. Seither hat sich die Zahl der Jahre und Generationen nahezu ver- doppelt, jedoch ohne daß meine Erwartung erfüllt würde: regel- mäßig schlagen die, Tiere, sobald auch die zweite Generation unter 145 ungünstigen Assimilationsbedingungen gebildet wird, auf die dafür normale Kopfhöhe zurück. Die Versuche werden, da die betreffende Linie sich leicht parthenogenetisch züchten läßt, noch weiter fortgesetzt; doch habe ich ziemlich geringe Hoffnung, in abermals zwei oder auch vier Jahren einen wesentlichen Fortschritt melden zu können. Zurzeit jedenfalls muß ich — im Gegensatz zu meinem früheren Optimismus — | die Frage, ob eine wirkliche Transmutation, d. h. eine Änderung der Reaktionsnorm für dieses Merkmals durch summierte Milieu- | wirkung eintreten kann, als unentschieden bezeichnen. | II. Präinduktion der Helmhöhe von Hyalodaphnia durch Milieu- einfluß während einer Generation. Ich begann 1909, mich auch an der hochhelmigen Hyalodaphnia cucullata mit ähnlichen Versuchen zu beschäftigen. Diese Art zeichnet sich, wie die abgebildeten Plus- und Minusvarianten (Fig. 1—2) erkennen lassen, durch eine sehr weitgehende Variabi- lität der Kopfhöhe aus. Die Verschiedenheiten treten sowohl bei den ausgebildeten Tieren (Fig. 1) als auch — was methodisch sehr wichtig ist — bereits bei den neugeborenen Jungen in gesetzmäßiger Abhängigkeit von äußeren und inneren Einflüssen zutage. | Ich war nun einigermaßen überrascht, zu konstatieren, daß bei dieser, allerdings viel empfindlicher als D. longispina reagierenden Art gewisse extreme Milieueinwirkungen während nur einer Generation genügen, um nicht nur für die nächste (unter dem Milieueinfluß geborene), sondern auch für die übernächste Generation eine Veränderung zu erzielen; die nächste Generation muß dabei natürlich jenen Milieueinwirkungen vor Beginn der Eibildung entzogen werden. Mehr als Milieusteigerung erwiesen sich in diesem Falle Hunger und Kälte, überhaupt jede starke Assimilations- herabsetzung als wirksam. Aus den Eiern derart „im Minimum“ geborener Tiere gehen Junge hervor, die auch dann niedrigköpfig sind und bleiben, wenn sie selbst unter den besten Milieuverhält- nissen geboren werden und dauernd leben. Man kann die Assimilationsherabsetzung auch dadurch erzielen, daß man die Tiere einer Antenne beraubt. Sie können dann nicht mehr frei schwimmen, leben aber gleichwohl, die Antenne sehr langsam regenerierend, weiter, indem sie auf dem Boden des Kulturgefäßes unablässig Kreise beschreiben. Ihre Jungen sind durchweg klein und entsprechend der im mütterlichen Körper herabgesetzten Assimilation sehr niedrigköpfig. Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1911. 10 146 Das bleiben sie dann auch, selbst wenn sie gleich nach der Geburt in normale Kulturbedingungen gebracht werden. Sie wachsen in- Fig. 1. Grenzwerte der Helmhöhe innerhalb einer reinen Linie von Hyalodaphnia aus Frederiksborg in Mittelwerten dargestellt (eitragende 22) Links zwei QQ einer mittleren Generation bei minimalen und optimalen Kulturbedingungen. Rechts ein 2 der ersten Generation nach dem Ephippium bei optimalen Bedingungen. Vergrößerung 90 ><. Als Kopfbasis dient die Verbindung zwischen dem Rostrum (unterer Rand) und dem dorsalen Berührungspunkt des 2. und 3. Antennenmuskels. 147 dessen hier zu völlig normaler Körpergröße und Eiproduktion heran und zeigen überhaupt in keinem einzigen Merkmal außer in der Kopfform eine Abweichung vom Durchschnittlichen. Die Nachkommen dieser Tiere aber — in Normalkultur geboren — zeigen deutlich die Nachwirkung der ungünstigen Assimilations- verhältnisse, unter denen ihre Mütter sich entwickelten; sie sind zwar nicht so niedrig wie diese bei ihrer Geburt waren, aber doch viel niedriger als es der jetzt herrschenden Assimilationsstufe entspricht. o Min. Fig. 2. Grenzwerte der Helmhöhe innerhalb der gleichen Linie von Hyalo- daphnia wie in Fig. 1, in Mittelwerten dargestellt (neugeborene 22 und dd). Je ein gd und 2 wurde bei minimalen Kulturbedingungen (10° C und knappe Nahrung) geboren, je ein g’ und 2 bei optimalen Bedingungen (22°C, reiche Nahrung). Das 2 rechts stellt den Mittelwert der aus Dauer- eiern geborenen Tiere dar. Vergrößerung 90 x. Als Kopfbasis dient die Verbindung zwischen den Rostrum (unterer Rand) und dem oberen Rand des Haftorgans. In Fig. 3 sind die fraglichen Mittelwerte dargestellt. Das © links repräsentiert die in allen drei Generationen gleichmäßig hoch- köpfigen © © der Kontrollkultur; diese stammt von einem im Optimum (22°C und reiche Chlorella-Ernährung) geborenen © (,,y“), dessen Nachkommen unter den gleichen Bedingungen weiter ge- halten wurden. Einigen Schwestern dieses .©o wurde die rechte oder linke Schwimmantenne amputiert, und von diesen operierten © © erhielt ich von einem („3y“) nicht nur Töchter und Enkelinnen, sondern 10* 148 auch Urenkelinnen (sonst entstanden bei diesem Versuch über kurz oder lang d d und Dauereier). Diese drei weiblichen Generationen lieferten nun ein recht instruktives Material; je ein mittelwertiges © des jeweils ersten Wurfes ist in Fig. 3 rechts gezeichnet. Die erste Generation (im Brutraum des geschädigten © entwickelt) enthält überaus reduzierte Tiere, kleiner und. niedriger noch, als sie (ohne Operation) unter minimalen äußeren Bedingungen heranwachsen. Die Tiere der zweiten Generation sind etwas hochköpfiger, sie dürften ungefähr dem in Fig. 2, links abgebildeten jungen ~ nn ee nn a Contr: 1-3. Gen. Fig. 3. Versuch über die Nachwirkung einer assimilationsschädigenden Operation. Links die Nach- kommen der nicht operierten Kontrollweibchen (alle Generationen gleich). Rechts die erste, zweite und dritte Generation nach der Operation. Es sind die Mittelwerte aus dem ersten Wurf jeder Generation dargestellt (neugeborene 22). »Minimum- 9“ gleichen, obwohl sie unter reichlich normalen Assimilationsbedingungen geboren wurden. | Die dritte Generation aber erwies sich immer wieder als voll- ständig normal. Auch die mehrmalige Wiederholung der Operation bei auf- einanderfolgenden Generationen hatte keinen anderen Erfolg; der Einfluß der Assimilationsstörung reicht niemals weiter als bis auf die Enkel der operierten © ©, also auf die Kinder der unter solcher Störung geborenen Tiere. Schon bei deren späteren Würfen wird die Wirkung undeutlich; darüber sind noch Versuche im Gange. Ganz ähnliche Resultate erhielt ich mit der Nachzucht von 9 ©, die durch Parasiten (Microsporidien) geschädigt waren, während 149 die Nachkommen frei von solcher Assimilationsstörung blieben. Auch hier: Nachwirkung bis auf die Enkel des geschädigten Tieres, und (bisher) völlige Unmöglichkeit, auch noch die Urenkel zu beeinflussen. Das gemeinsame Ergebnis aller dieser Versuche, und wie wir nun hinzufügen können, wohl leider auch der langwierigen Versuche, die ich im I. Abschnitt rekapitulierte, ist folgendes: ich konnte durch Milieueinwirkung 1. die betroffenen Tiere selbst (wenn sie jung genug waren) sowie die in ihnen unter dem Milieueinfluß sich entwickelnden Tiere, im Vergleich mit den nicht beeinflußten Kontroll- tieren, stark verändern: Induktion der Helmhöhe; 2. ich konnte dabei auch noch diejenige Generation mitverändern, welche zwar selbst sich nach Aufhören des Milieueinflusses entwickelte, welche aber doch — wenn auch nur in den Gonadenanlagen der Embryonen — diesem Einfluß schon unterworfen war: Präinduktion der Helmhöhe. Eine weiterreichende Wirkung hat sich in keinem einzigen Falle ergeben. Von den konstatierten Wirkungen hat nun gewiß Nr. 1 mit Art- veränderung nicht das geringste zu tun, weil es sich hier sicherlich um Verschiedenheiten innerhalb der Reaktionsnorm handelt. Die Frage dagegen, ob Präinduktion als beginnende Artveränderung betrachtet werden darf, ist nicht so ohne weiteres zu beantworten, doch erscheint das schon nach dem Gesagten als recht fraglich. Diese Frage soll nach Betrachtung eines günstigeren Materials später diskutiert werden. III. Versuche einer Transmutation der Sexualität durch lang andauernde Milieueinwirkung. Solches Material lieferte die Sexualität der Daphnien, d. h. die abwechselnde Tendenz ihrer Ovarien, bald parthenogenetische © 0, bald Sd und Dauereier zu produzieren. Diese Tendenz ist be- kanntlich ein eminent variables Merkmal; sie ist bei jedem Biotypus in etwas anderer Weise ausgeprägt und sie wechselt selbst bei den Individuen einer reinen Linie ebenso mannigfach wie gesetzmäßig; dabei ist sie in gleichem Grade von Milieubedingungen abhängig wie die Helmhöhe oder andere morphologische Charaktere. Ich habe früher (l.c.) gezeigt, wie man die Sexualität bei einigen Biotypen als quantitativ variables Merkmal behandeln kann, obwohl 150 dabei zwei konkurrierende Tendenzen oder Anlagen im Spiele sind. Beide, sowohl die Tendenz, 9 d und Dauereier zu produzieren, als die rein weiblich-parthenogenetische Tendenz unterliegen gesetz- mäßigen Schwankungen, die teils vom Milieu, teils von inneren Faktoren abhängen. Für das Steigen und Sinken der ersteren, „bisexuellen* Tendenz (ausgedrückt in °/, der Eiproduktion über- haupt) ließen sich die Reaktionsnormen zahlenmäßig festlegen. (Vgl. die Kurven zu meiner früheren Arbeit.) (1907—1909:) Wenn ich nun Kulturen von D. pulex, obtusa oder longispina, die bei normalen Milieubedingungen nach einer gewissen Zahl parthenogenetischer Generationen bisexuell werden, dauernd im Optimum züchtete, so fand ich in einigen Fällen, daß ich sie später bei niedriger Temperatur und geringer Ernährung halten konnte, ohne daß jetzt die erwartete Bisexualität eintrat. Ich glaubte das nicht anders deuten zu können, als daß die Reaktionsnorm durch die monatelange Optimumkultur verändert sein müsse, weil die Tiere „nunmehr auf minimale Ernährung und Temperatur nicht mehr in der für höhere Generationen gewohnten Weise — durch Sexualität — reagieren“ (Woltereck 1909). Auch diese Kulturen von D. longispina, pulex, obtusa und cucullata konnten bis heute fortgeführt und dabei in bezug auf ihre Sexualität weiter analysiert werden. Es zeigte sich folgendes: (1909—1911:) Ein Teil der untersuchten Linien, insbesondere von einer D. pulex aus dem Astroni-See bei Neapel, ist auch weiter- hin bei der ausschließlich parthenogenetischen © -Erzeugung geblieben und weicht selbst in Minimumkulturen, solange überhaupt noch Eier gebildet werden, von dieser Fortpflanzungsart nicht ab. Diese Tiere scheinen also in der Tat dauernd asexuell (genauer unisexuell) geworden zu sein, obwohl ich sie im Astroni-See teilweise in J- Bildung gefunden hatte. Ich kann aber nicht beweisen, daß wirklich die während des ersten Kulturjahres angewandte Wärme und reiche Ernährung schuld daran ist, denn ich habe versäumt, speziell diejenigen iso- lierten Linien, welche jetzt asexuell sind, im Anfang auf ihre Sexualität durch verschiedene Milieueinwirkungen zu prüfen. So ist es wenigstens nicht ausgeschlossen, daß gerade diese Linien von vornherein erblich asexuell waren. Eine Nachprüfung mit neuem Ausgangsmaterial scheiterte leider bisher daran, daß der Astroni- Krater (als königlicherJagdpark) neuerdings hermetisch abgeschlossen wurde. Selbst motivierte Permeßgesuche scheinen erfolglos zu sein, vermutlich gehören die Daphnien dort zum Jagdregal. — 151 Auch bei Daphnia longispina-Kulturen, die nun 3 und 4 Jahre lang fortgeführt werden, erscheint die Bisexualität sehr stark ein- geschränkt; ich glaube auch hier, nachdem im Sommer 1910 in drei Linien 1'/, Jahrlang keine d JS und Dauereier sich gezeigt hatten, daß dauernde Asexualität eingetreten sei, doch wurden inzwischen wieder einige Oo geboren. In viel ausgesprochenerer Weise kehrten Kulturen von D. obtusa, nachdem sie ca. 16 Monate asexuell gewesen waren, dann doch noch zur Bisexualität zurück. | Eine Wertung der an diesen beiden Arten gewonnenen Kultur- ergebnisse möchte ich noch einige Zeit hinausschieben; die Kulturen werden fortgesetzt. — | Wesentlich klarer liegen die Verhältnisse immerhin bei Kulturen einer H. cucullata-Rasse aus dem Frederiksborger Schloßsee, die ich ziemlich eingehend in bezug auf ihre Sexualität analysieren konntel). Zunächst lehrten mich diese Kulturen einen wesentlichen Irrtum erkennen, der bei meiner Beurteilung der früheren Resultate unter- laufen war. Wenn wir von den späteren, hochgradig bisexuellen (Generationen, die normalerweise den Cyclus einer Kolonie abschließen, parthenogenetische Nachzucht erhalten, so haben diese „noch späteren“ Generationen nicht, wie ich früher in Übereinstimmung mit der allgemeinen Ansicht annahm, eo ipso eine sehr hochgradige bisexuelle Tendenz, sondern sie kehren — entweder allmählich oder auch ganz unvermittelt — zur parthenogenetischen Ei- bildung zurück. Nur von den dicyclischen Cladoceren wußte ich schon früher, daß nach dem Abschlusse der ersten Sexualperiode seitens der über- lebenden 9 © (also nicht, wie man bisher meinte, aus Dauereiern) neuerdings die parthenogenetische Produktion einsetzt. Das gehört ebenso zu der vererbten Reaktionsnorm der Sexualität bei diesen Tieren, wie die Schritt für Schritt von einer Generation zur andern zunehmende und durch Milieueinfluß immer schwerer zurückzu- dämmende Bisexualität bei monocyclischen Formen (vgl. die bei dem früheren Vortrag gegebenen Kurven, Fig. 15). Weiter stellte sich aber heraus, daß die Tiere auch nach derjenigen Sexualperiode, welche normalerweise den Jahrescyclus abschließt (also der zweiten bei Dicyclie bzw. der ersten bei Monocyclie), wieder zu dem Anfangszustand der unbeeinflußbaren Parthenogenesis 1) Über Veränderung der Sexualität bei Daphnien. Experimentelle Studien über Geschlechtsbestimmung. Leipzig 1911. (Internat. Revue d. ges. Hydrobiol. usw.) 152 zurückkehren können, vorausgesetzt daß die herbstliche Bisexualität nicht, wie bei einigen Biotypen regelmäßig, eine absolute war. Die Kurven der beigegebenen Figur 4 mögen den Sachverhalt illustrieren. Diese Kurven stellen das Anschwellen und Abnehmen der Bisexualität in einigen reinen Linien von H. cucullata dar, deren jede bei möglichst mittelmäßigen und dabei möglichst gleichmäßigen Kulturbedingungen gehalten wurde (,,Normalkultur“). Am instruktivsten ist wohl die untere Kurve (der Linie „n“), die sich über die vier Jahre 1908 —1911 erstreckt. Das Absinken der Bisexualität nach jeder der Sexual- perioden erfolgte, ohne daß Wärme und reiche Nahrung eingewirkt hätten; allerdings fällt in den Kulturen die im Freien während der Herbstsexualität einsetzende Kälte und Nahrungsknappheit fort, die draußen in jedem Jahre das Ende der Kolonie herbeiführt!.) In- 7908 1909 7970 u) ane HP ! a AUR RSUERED GEST CNS 509 NACL LEP NSEC Ce te ore rr rare BER ITENTUUWXXNGITDETOODmMEXNGDIIOm wy 7908 7909 7970 7971 Fig. 4. Sexualitätskurven von fünf „Normalkulturen“ von Hyalodaphnia. Die Kulturen entstanden aus Dauer-Eiern (D) und endeten entweder in absoluter Bisexualität, also mit dem Tode der letzten Geschlechtstiere (+), oder sie werden noch fortgesetzt (—>). sofern stellen auch die Normalkulturen eine durchschnittlich höhere Milieustufe dar, als sie den Tieren im Freien zu Gebote steht. Damit mag zusammenhängen, daß in den Kulturen zwar nicht, wie ich vermutet hatte, ein völliges Aufhören der Bisexualität eintrat, daß aber doch — einstweilen jedenfalls — eine progressive Verringerung derselben unverkennbar ist. Diese Verringerung besteht darin, daß die Intervalle von einer Sexualperiode zur andern länger werden (von einigen dazwischen auftretenden Anläufen zur Bisexualität abgesehen) und daß wenigstens die letzte Periode, Ende 1910, viel weniger ausgeprägt erscheint als etwa die Periode zu Ende 1908. Auf das weitere Verhalten gerade der Kultur 7 bin ich recht gespannt. Die Veränderungen nun, welche die Sexualität nach Ablauf des normalen (ein-jährigen) Cyclus durchmacht — man könnte die be- 1) Ganz vereinzelte hungernde QQ finden sich auch im Winter unter der Eisdecke. 153 treffenden Generationen als „meta-cyclische* von den normal- eyclischen unterscheiden —, lassen sich einstweilen kaum in ihrer Beziehung zur Transmutationsfrage beurteilen. Da wir für „Trans- mutation“ eine Veränderung der Reaktionsnorm postulieren mußten, so erhebt sich die Frage, ob die Abweichungen der meta- eyclischen Periodizität (1909, 1910, 1911) vom normal-cyclischen Rhythmus (1908) eine solche Veränderung darstellen oder nicht. Diese Frage ist heute noch nicht zu lösen. Und so müssen wir leider auch unter dieses Kapitel, wie unter das erste, ein non liquet schreiben — und die Versuche weiter fortsetzen. IV. Präinduktion des Geschlechts bei Hyalodaphnia durch Milieu- Einfluß während der sensiblen Perioden in einer Generation. Die „klareren Verhältnisse“ bei H. cucullata, von denen ich oben sprach, kommen in erster Linie der analytischen Behandlung des Problems der Vererbung erworbener Eigenschaften zugute; sie erlauben uns nämlich, von diesem Problem schärfer, als es wohl bisher möglich war, die als Präinduktion bezeichneten Erscheinungen loszulösen. Was ich schon für Körpereigenschaften wie die Kopfhöhe als wahrscheinlich bezeichnete: daß die Präinduktion einer Eigenschaft keine Änderung der Reaktionsnorm, also keine Transmutation zu bedingen braucht, das läßt sich für die Geschlechtsbestimmung mit voller Sicherheit beweisen. Die auf die nächste Generation nach- wirkende Beeinflussung des Geschlechts ist sicherlich nach dem Sprachgebrauch vieler Autoren Vererbung einer „erworbenen“ == „erzwungenen“ =induzierten Eigenschaft; — eben deshalb nannten wir ja diesen Vorgang eine Präinduktion, weil die Induktion eine Generation früher geschieht als die Eigenschaft zur Schau tritt, wobei also der induzierte Zustand in der Tat wenigstens einmal vererbt werden muß. Aber ganz sicher ist nun auch, daß diese Vererbung erworbener Eigenschaften mit einer Veränderung der Art noch nicht das geringste zu tun hat, denn beiderlei Geschlechtsmerkmale sind gleicher- maßen Kennzeichen der Art. (Nur das Seltenerwerden oder Ver- schwinden des männlichen Geschlechts kommt als eine mögliche Transmutation in Frage, aber darum handelt es sich ja nicht, wenn wir das Geschlecht von einer Generation zur andern beeinflussen). Was nun zunächst den Zeitpunkt der Beeinflussung anbetrifft, so findet die Induktion statt, wenn die Eier fertig zum Übertreten 154 in: den Brutraum im Ovarium liegen. Zu dieser Zeit wird das: Geschlecht der Eier bestimmt, so wie die Färbung eines Schmetter- lingsflügels bestimmt wird, wenn die Flügelanlagen der Puppe soweit vorgeschritten sind, daß die Pigmentbildung einsetzen kann. Und zu dieser Zeit kann auch in beiden Fällen ein Einfluß durch äußere Faktoren sich geltend machen, bei Daphnia allerdings mit Aus- nahme gewisser Generationen und Würfe. Sonst ist auch bei Daphnia. die Zeit der inneren Merkmalbestimmung (Determinierung) zugleich eine sensible Periode für äußere Einflüsse. Aktivierung der Anlage und Sensibilität für Induktion fallen zusammen. Präinduktion. Auch für diese lassen sich bestimmte sensible Perioden angeben. Die Keimzellen von Leptinotarsa (Tower) sind bekanntlich in bezug auf die Färbung der später aus ihnen zu erwartenden Generation nur zu einer ganz bestimmten Zeit sensibel, nämlich während der Bildung jedes neuen Satzes von Keimzellen in den Käfern. Nur auf dieses sensible Stadium der Keimzellen kann eine Präinduktion einwirken. Ebenso ist die gleichfalls eine Präinduktion darstellende Temperaturnachwirkung auf die Keim- zellen etwa der Arctiapuppe (Fischer) an eine sensible Periode gebunden, diein diesem Falle mit der Zeit der Induktionssensibilität zusammenfallt. Beim Koloradokäfer dagegen ist letztere von der Präinduktionssensibilität zeitlich getrennt. Man hat bei den Schmetterlingen von „Parallelinduktion“ gesprochen. Wenn ebenfalls zu gleicher Zeit das Geschlecht des Eies weiblich, das seiner Nachkommenschaft aber männlich bestimmt wird (,,male- producers“ von Rotatorien, Daphnia), so könnte man das „Simultan- induktion“ nennen. Bei Leptinortarsa endlich (und wiederum bei Daphnia) zeigt sich, daß auch „Separatinduktion“ vorkommt, und darin verrät sich wohl das Wesentliche: Induktion und Präinduktion sind zwei unabhängige Reaktionen, einerlei ob sie zu gleicher Zeit und im gleichen Sinne oder zu gleicher Zeit im entgegengesetzten Sinne oder endlich jede ganz für sich (der Zeit und dem Sinne nach: Daphnia) ablaufen. Bei Daphnia liegen die Dinge komplizierter als in den sonst be- kannten Fällen von Präinduktion; es lassen sich nämlich (bisher) drei verschiedene Perioden oder Stadien der präinduktiven Sensibilität konstatieren, von denen zwei mit der Induktionssensibilität zeitlich (aber nicht immer dem Sinne nach) zusammenfallen. Es wurde nur die Präinduktion weiblicher Keimzellen untersucht; diese sind in bezug auf das Geschlecht der aus ihnen zu erwartenden nächsten Generation in folgender Weise sensibel: 155 1. als fertige Ovarialeier zu derselben Zeit, in der ihr eigenes Geschlecht entschieden („determiniert“) wird und eventuell von außen beeinflußt („induziert“) werden kann. Wir konstatieren, daß Einflüsse, die nur zu dieser Zeit einwirken, noch im Geschlecht der folgenden Generation zum Ausdruck kommen können. Dabei ist es keineswegs nötig oder auch nur die Regel, daß solche Einflüsse im gleichen Experiment auch das Geschlecht der direkt betroffenen Eier induzieren. Häufig ist z. B. der Fall, daß wir durch Hunger und Kälte einen Eisatz nicht hindern können!), ganz oder vorwiegend weiblich zu werden, daß aber dann diese © 2, selbst wenn wir sie im Optimum aufziehen, ihrerseits SC und Dauereier produzieren. 2. Zur ungefähr gleichen Zeit kann noch ein zweiter Präinduktions- prozeß stattfinden. Die undifferenzierten Zellen des Keimepithels derselben © 9, in denen zu gegebener Zeit die eben skizzierte Induktion und Präinduktion die reifen Eier trifft, werden sich später teils zu Nährzellen teils zu Eizellen weiter entwickeln und so die späteren Eisätze bilden. Dann wird sich der Einfluß von Hunger und Kälte, die wir jetzt auf die © © einwirken lassen, zeigen: diese späteren Einsätze werden, auch wenn die © Q inzwischen längst wieder in reichliche Assimilationsbedingungen gebracht worden sind, zu 6 GO werden oder zu Dauereiern zusammen- fließen. Voraussetzung für dies Resultat ist, daß die Prä- induktion den richtigen Keimepithelzustand trifft (mit andern Worten, daß im Keimlager gerade neue Eisätze in Vor- bereitung sind, was zumal in Hungerkulturen häufig nicht der Fall ist), ferner, daß die Versuche nicht zu einer Zeit vorgenommen werden, wo die Tiere unbeeinflußbar sind, weil sie sich in ns Parthenogenese“ oder „absoluter Bisexualität“ befinden. _ 1) Bei der Geschlechtsbestimmung greifen die äußeren Faktoren nur dann in den inneren Determinierungsvorgang ein, wenn die konkurrierenden Anlage- substanzen (Gene) des 92 und 5 Geschlechts sich a priori im Zustand der Äquivalenz befinden. Dieser Zustand alterniert bei Daphnia periodisch mit Zuständen der männlichen und der weiblichen, autogenen Prävalenz resp, Rezessivität. Beim Übergang von einem Zustand zum andern ergeben sich dann Fälle, wo zwar Präinduktion aber nicht Induktion möglich ist, und umgekehrt (vgl. Woltereck 1911). Ohne diese eigenartige Sachlage würde die hier skizzierte Analyse der verschiedenen Arten von präinduktiver on al kaum möglich gewesen sein. 156 3. Ein drittes für Präinduktion sensibles Stadium stellt wiederum eine selbständige Reaktions-Möglichkeit dar; es betrifit die Gonadenanlage im Embryo des ruhenden . Dauerstadiums (im Ephippium). Hier ist eine Induktion nicht möglich, denn aus dem befruchteten Dauerei geht bekannt- ‘lich stets ein Weibchen hervor; aber die aus wenigen Zellen bestehende Gonadenanlage (Binnenkerngruppe Häckers) er- wies sich bei einer Hyalodaphnia aus Frederiksborg als sensibel für präinduktive Temperatureinwirkung; während aus den Keimstöcken der Exephippioweibchen sonst mit völliger Sicherheit nur parthenogenetische © © hervorgehen, die auch ihrerseits wieder © Q produzieren, konnte durch Wärmeeinwirkung erreicht werden, daß schon als erster oder zweiter Wurf solcher Weibchen G d entstanden und ferner daß diese Weibchen — ebenfalls gegen alle Regel — selbst zur Dauereibildung schritten’). | Daß es sich in den drei so bezeichneten Fällen um gleich- artige Vorgänge im Plasma handelt, dürfte nicht zu leugnen sein, es erscheint mir vor allem deshalb als unwiderleglich, weil die innere periodische Veränderung der Sexualtendenz ebenfalls auf diesen drei Stadien vor sich zu gehen scheint. Für die Sexualitäts- änderung im Dauerei gab ich soeben die nötigen Hinweise, sie kann sowohl durch Präinduktion (Temperatureinfluß) als autonom ?) vor sich gehen. Für die beiden andern Fälle genügt es daran zu erinnern, daß auch autonome Sexualitätsänderungen enweder von Generation zu Generation oder von Wurf zu Wurf zu konstatieren sind. Für das Nähere verweise ich auf meine letzte Arbeit. — Ich sagte oben, daß die Sensibilität für Induktion mit der Aktivierung der Anlagen (des Geschlechts, der Flügel- zeichnung usw.) zusammenfällt; und ich habe in meiner Sexualitäts- _ arbeit (1. c. 1911) die Vermutung ausgesprochen, daß die Sensibilität für Präinduktion mit irgendwelchen „Reifungs“prozessen der An- 1) Dasselbe Resultat erreichte ich bei der gleichen Lokalrasse auch da- durch, daß ich die Ephippien einige Monate über die normale Zeit, bis in den Juli, trocken und kühl aufbewahrte. Im letzteren Falle scheinen innere (autonome) Prozesse, die an einen bestimmten Zeitablauf gebunden sind, für die Sexualitäts- änderung verantwortlich zu sein. — Es ist wohl kaum angängig, hier einfach von „Überreife“ zu sprechen. Auf jeden Fall aber liegt der Vergleich mit der von R. Herrwic gefundenen männlichen Induktion der überreifen Frosch- eier nahe. ?) Siehe die vorige Anmerkung. he, a ee Se) 157 lagen zusammenfallen möge, etwa mit der Entscheidung darüber, welche Anlagen in den Zustand der „Aktivierfähigkeit“ gelangen und welche latent-gebunden bleiben. Für das experimentelle Stu- dium solcher Prozesse scheint Daphnia besser als andere Organismen geeignet zu sein, weil hier in einer sehr markanten Periodizität ver- schiedenartige (labile = äquivalente und nicht-labile = prävalente und rezessive) Zustände der gleichen Anlage einander ablösen. Vielleicht gelingt es uns daher, durch Prüfung dieses Objekts etwas tiefer in das Wesen der als Induktion und Präinduktion bezeichneten Vorgänge einzudringen. Für die Hauptfrage, die uns beschäftigt — nach dem Verhältnis von Präinduktion und Transmutation —, ist ein solcher Versuch unerläßlich. V. Was geht bei der Präinduktion und Induktion vor? In diesem Abschnitt werden wir besonders sorgfältig zwischen den experimentell ermittelten Tatsachen und den daraus gezogenen Schlüssen oder zur Erklärung herangezogenen Vermutungen unter- scheiden müssen, — solche Arbeitshypothesen sind natürlich unent- behrlich, wenn wir auf einem so intrikaten Gebiet mit unserer Fragestellung weiter kommen wollen. Tatsache ist nun zunächst sowohl die Erscheinung der Induktion als die der Präinduktion; die zahlreichen positiven Ergebnisse von Milieuversuchen beweisen das zur Genüge. Tatsache ist ferner, daß es sich dabei um ein Eingreifen der Außenfaktoren in diejenigen Reaktionsprozesse handelt, welche die Ausbildung der sichtbaren Eigenschaften bedingen. Wir sahen ja am Anfang unserer Betrachtung, dab überhaupt alle (variablen) Eigenschaften durch solche Reaktionen zustande kommen. Und zwar beruht das Sichtbarwerden einer Eigenschaft zunächst auf einer Reaktion zwischen ihrem plasmatischen Substrat und ihrem erblichen Repräsentanten und Determinator (den wir mit dem kürzesten und allgemeinsten der verfügbaren Ausdrücke weiterhin als „Gen“ bezeichnen wollen). In diesen Reaktionsvorgang greift das Milieu „induzierend“ ein. In welche Reaktion die Präinduktion eingreift, läßt sich nicht so leicht sagen, jedenfalls aber in einen viel früheren Vor- gang, welcher ebenfalls diese Gene betrifft. Ich habe (l. e., 1911), um meine Versuchsergebnisse deuten zu können, die Vermutung ausgesprochen, daß der fragliche Prozeß die Gene aus dem latenten (gebundenen) Stadium befreit, wobei aber noch nicht der aktivierte, wirksame Zustand des Gens erreicht wird (realisierte Eigenschaft), 158 sondern zunächst ein Zwischenzustand, den ich als den der Ak- tivierfähigkeit bezeichnet habe. Das Stadium der Induktionssensibilität fällt somit zeitlich mit dem Prozeß der Gen-Aktivierung zusammen, während für die Präinduktionssensibilität vermutet wird, daß sie zeitlich an die Vorbereitung der Aktivierungsfähigkeit gebunden ist. — Eine weitere Frage ist dann, wie die Milieufaktoren in diese Prozesse eingreifen. Versuchen wir diese Frage zunächst für die alternativen Merkmale zu beantworten. a) Induktion und Präinduktion alternativer Eigenschaften. Hier haben wir. es — z. B. in bezug auf die Schuppenfärbung bei Vanessa levana — mit ‚mindestens zwei sichtbaren Quali- täten, die alternativ erblich sind, zu tun, also auch mit mindestens zwei Genen, endlich mit mindestens zwei Reaktionen. Dann ist das sichtbare Resultat der einen Reaktion (mit Gen a) Farbe A, das der anderen Reaktion (mit Gen b) Farbe B. Bei der Aktivierung finden diese Reaktionen im Flügelsubstrat statt, bei der Entstehung der Aktivierungsfähigkeit dagegen in den Keimzellen. Der Umstand, daß nur eine der beiden vererbten Eigenschaften sichtbar wird, scheint zu zeigen, daß nur eine der beiden Reak- tionen zu Ende geführt wurde oder überhaupt stattfand. Die andere Reaktion wäre demnach unvollendet oder unausgeführt geblieben; wenn wir einfach sagen, daß diese Reaktion gehemmt worden ist, so drücken wir den tatsächlichen Befund möglichst hypothesenfrei aus. Der weitere Schluß, daß diese tatsächliche Reaktionshemmung von der Milieueinwirkung verursacht wurde, liegt überaus nahe; wir wollen uns diesen Schluß, um die Fragestellung vertiefen zu können, vorläufig zu eigen machen. Also: Milieueinwirkung bewirkt die Hemmung des einen der beiden alternativen Reaktionsabläufe; die Folge ist, daß nur die andere Reaktion zu Ende geführt, also die andere Qualität schließlich realisiert wird. Wiederum müssen wir dabei zweierlei unterscheiden: Induktion bedeutet Hemmung der Aktivierung, Präinduktion bedeutet Hem- mung des Aktivierfähigwerdens; beide Vorgänge können wir kurz als „Aktivierungshemmung“ und „Reifungshemmung“ bezeichnen. — ~ Erst wenn wir nun weiter fragen, worin diese Hemmungs- prozesse bestehen könnten, kommen wir auf wirklich hypothetisches 159 Gebiet; es ist aber sicherlich klärend, trotzdem eine Beantwortung zu versuchen. Dazu brauchen wir vor allen Dingen eine nähere Vorstellung von der Beschaffenheit der oft erwähnten Gene, von welchen wir ja leider bisher nur wissen — und auch das erst seit der Wieder- entdeckung der Mendelfälle — daß sie als unteilbare Erbeinheiten substantiell vorhanden und als Determinatoren bestimmter Merk- male!) mit einer relativ größeren oder kleineren Energie wirksam sind. Die Vorstellung muß so beschaffen sein, daß sie einerseits dem Wenigen Rechnung trägt, was über die physiologische Chemie der etwa in Frage kommenden Substanzen bekannt ist, und daß sie andererseits mit unseren experimentellen Erfahrungen zusammen- stimmt. | Brepie sagt einmal in seiner Schrift über „Anorganische Fer- mente“, daß die anorganischen Katalysatoren und ihre Wirkung als Modell für die Auffassung der organischen Enzyme (deren Aufbau uns ja noch unbekannt ist) und ihrer Wirksamkeit dienen können. Und so ungemein verschieden auch die „Organisationshöhe“ (biologisch ausgedrückt) der hierbei verglichenen Körper ist, als so überaus fruchtbar hat sich doch diese Vergleichsweise für die Fermentlehre erwiesen: die Erkenntnis der Wirkungsbedingungen und des Wirkungs- bereichs der Fermente ist, seit man sie mit Berzeuıus als Kataly- satoren auffassen lernte, ganz erstaunlich gewachsen. Es bedarf nun keiner näheren Ausführung, ist ja auch schon wiederholt gezeigt worden, daß zwischen den organischen Fermenten (Enzymen) und denjenigen formativen oder merkmal- 1) Nicht durchweg einzelner Organe oder Zellterritorien, wie man früher ‚annahm. Vielmehr betreffen gerade von den als mendelnd erkannten Einheiten viele den ganzen Körper in irgend einer Beziehung. Für meine Konzeption ist das aber kein Hindernis: auch wenn ein Gen der Keimzelle später in vielen Körperregionen wirksam ist, so muß doch für die Determinierung jeder einzelnen Zelle die Reaktion zwischen deren plasmatischem Substrat und dem hier wirk- samen Teil der Gensubstanz verantwortlich gemacht werden. — Das Ver- ständnis des Tierkörpers kann (einstweilen jedenfalls) nicht dadurch gefördert werden, daß wir mit Jonannsen und den Nur-Mendelianern von den morpholo- gischen Merkmalen und Einheiten (Organen, Zellen) ganz abstrahieren und nur die genetischen Einheiten im Auge behalten. Die morphologischen Ein- heiten, welche für die Wirksamkeit der Gene sowohl die Substrate liefern, als auch die allein sichtbaren Resultate dieser Reaktionen darstellen, müssen ihre Be- deutung behalten. Es ist gewiß begreiflich aber auch gewiß schädlich, daß _ diese neueste und erfolgreichste Richtung der Biologie, auf ihren erb-analytischen Resultaten fußend, nun die morphologische Betrachtung der Körper als „veraltet“ beiseite schiebt. Man soll sich dadurch nicht abschrecken lassen. 160 bestimmenden Substanzen, welche die Eigenschaften einer Zelle oder eines sich entwickelnden Organs determinieren, ebenfalls weitgehende Anlichkeiten in Wirkungsweise und Verhalten bestehen. In manchen Fallen (z. B. Anlage der Pigmentbildung bei einigen Insekten) sind diese Beziehungen recht enge, aber ganz allgemein gesprochen, würde schon der Umstand, daß die vererbten Gene bei minimaler Quantität Generation für Generation außerordentlich weitgehende chemische und formative Veränderungen bewirken, ohne selbst verändert oder ver- braucht zu werden, genügen, um uns auf die Analogie mit Fermenten hinzuweisen. Allerdings ist die „Organisationshöhe“ wieder um ein gewaltiges Stück gestiegen, handelt es sich doch zum größten Teil nicht nur um Spaltung oder Synthese chemischer Verbindungen, sondern um spezifische Formbildungsprozesse. Gleichwohl wird es auch hier erlaubt und nützlich sein, wiederum das (relativ) Ein- fachere als vorläufiges Modell für unsere Vorstellung von dem Komplizierteren zu benutzen. | Noch eine zweite Gruppe von Erscheinungen bzw. Vorstellungen der physiologischen Chemie sind schon wiederholt (am nachdrück- lichsten von ResumsLer')) zur Erklärung der Vererbungstatsachen herangezogen worden: die Antigene, im Anschluß an Ehrlichs berühmte Pelee LOBEN EHER und weitere Folgerungen der Immu- nisierungslehre. Es trifft sich nun überaus günstig für unser Bestreben, ein brauch- bares chemisches Modell der Gene usw. zu finden, daß die Ferment- lehre und die Antigenlehre sich einander so genähert haben, daß z. B. ÜÖrrEnHEIMmER?) die Fermente geradezu als eine besondere Art von Antigenen bezeiehnet. Wir können also für die Konzeption unseres Modells ruhig von den Fermenten die physiologischen Charaktere, von den Antigenen außerdem das Strukturbild entnehmen. Ohne nun die so zu gewinnende Modellvorstellung in allen Zügen aus- zugestalten — das würde zu weit führen und wäre auch gänzlich verfrüht — will ich nur an einige Dinge erinnern, deren Übertragung aus der Ferment- Antigenlehre auf die uns beschäftigenden Erscheinungen ich für fruchtbar halte. Bei einer solehen — ziemlich freien und möglichst vereinfachten — Übertragung ergibt sich etwa folgende Vorstellung: 1, Das Gen besteht aus einem „Gerüstkern“ („Leistungskern“, „Stamm- gerüst“), von welchen: zu bestimmten Zeiten „Ergophoren“ produziert werden (Enzym-Stadium). Diese stellen das chemisch und formativ Wirksame an dem Gen dar. Ferner sind an dem Stammgerüst „Haptophoren“ ausgebildet, welchen die Verbindung mit anderen Substanzen obliegt und welche das Stamm- 1) Intern. Zool. Congr. Boston 1907. 2) Die Fermente und ihre Wirkungen, Leipzig 1910. 161 gerüst einerseits an nicht beeinflußbare (,hemmende“) Substanzen verankern können (Latenzzustand), es aber andrerseits auch mit den für seine Wirksamkeit notwendigen Substanzen in Berührung zu bringen haben. 2. Wenn das Gen unwirksam verankert (latent) ist, entspricht es entweder ‘einem „Zymogen“ („Proferment“) oder einem „Zymoid“ („Fermentoid“). Mit dem ersteren Ausdruck werden in der Fermentlehre latente aber aktivier- bare Vorstadien der Fermentbildung bezeichnet, mit letzterem ebenfalls ferment- ähnliche Substanzen, welche aber sowohl latent (d. h. nicht mehr wirksam) als nicht aktivierbar!) sind. — Für uns ist die weitere Annahme notwendig, daß aus nicht aktivierfähigen Zymoiden aktivierfähige Zymogene werden können, 3. Die Aktivierung vollzieht sich dadurch, daß besondere Stoffe, die als „Aktivatoren“ bezeichnet werden, mit den Profermenten, und zwar mit ihren offenen Haptophoren, in Verbindung treten. Das können entweder chemisch einfache Substanzen sein (z. B. Säuren oder Metallsalze) oder sie sind auch ihrerseits komplizierte HiweiBkorper („Kinasen“). Die Verankerung oder Hemmung der Gene, durch sog. „Verstopfung“ ihrer Haptophoren, vollzieht sich ebenfalls unter dem Einfluß besonderer Substanzen, die in der Fermentlehre als „Paraly- satoren“ bezeichnet werden, und von denen die sogenannten natürlichen Anti- körper (losgelöste Haptophoren?) am wichtigsten sind. Ein Ausbau unserer Modell-Vorstellung nach dieser Richtung hin mag aus ökonomischen Gründen unterbleiben. Wir beschränken uns also darauf, für die hier skizzierte „Enzymtheorie der Vererbung“ folgende Begriffe zu übernehmen: Zusammensetzung des Gen- Moleküls aus Stammgerüst, Haptophoren und Ergophoren; Zymoid-Zustand, Zymogen-Zustand, Enzym-Zustand; Aktivierung der Gene durch Vereinigung der offenen Haptophoren mit einem Aktivator und durch darauf folgende Produktion von Ergophoren; Hemmung der Gene durch Verstopfung der Haptophoren . seitens irgend eines Paralysators. — Wenn wir uns nun wieder den experimentellen Erfahrungen zuwenden, so haben wir zunächst zu konstatieren, daß jede Anlage (Gen) nicht, wie gewöhnlich angenommen wird, in zwei Zuständen vorkommt (latent und aktiviert), sondern in drei deutlich unter- scheidbaren Stadien. Erstes Stadium: Das Gen eines Körpermerkmals ist latent vor- handen und nicht aktivierbar (gewöhnlicher Zustand in den Keim- zellen, während der Furchung usw.). Zweites Stadium: Das Gen ist latent vorhanden, aber nunmehr aktivierbar (kurz vor Determinierung des Anlagesubstrats). Drittes Stadium: Das Gen ist aktiviert (sichtbare Eigenschaft). 1) Die auffallendste Eigenschaft der wirklichen Zymoide, als Antikörper hemmend auf die entsprechenden Fermente einzuwirken, können wir, um die Vorstellung so einfach wie möglich zu gestalten, beiseite lassen, Es ist aber sehr wohl möglich, daß gerade die gegenseitige Beeinflussung der Gene durch Bildung von Antikörpern (Paralysatoren) eine bedeutungsvolle Rolle bei der Gestaltung der Valenz-Verhältnisse spielt. Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1911. 11 162 Diese Zustände sind durch zwei Ubergangsperioden verbunden, die sich bei Leptinotarsa und bei einigen Versuchen an Daphnia als zeitlich und dem Wesen ‘nach verschieden erwiesen haben (vgl. S. 154). Diese kritischen, d. h. beeinflußbaren Perioden sind folgende: Beginn des Übergangs vom 1. zum 2. Stadium („Reifung“): Periode der Präinduktionssensibilität; Möglichkeit einer präinduktiven „Reifungshemmung“. | Übergang vom 2. zum 3. Stadium („Reifung“): Periode der In- duktionssensibilität; Möglichkeit einer induktiven „Aktivierungs- hemmung“. Wenn wir die oben gewonnene Modellvorstellung auf diese Versuchsbefunde übertragen, so ergibt sich etwa folgendes: | Erstes Stadium: Das Gen stellt ein Stammgerüst dar, welches der Ergophoren entbehrt und außerdem durch seine Haptophoren an einen andern Stoff so gebunden ist, daß eine Aktivierung nicht erzielt werden kann: „Zymoid“-Stadium. So gebunden liegen die Anlagen für gewöhnlich in den Keimzellen- usw. Zweites Stadium: Das Gen stellt ein Stammgerüst dar, welches der Ergophoren entbehrt, dessen Haptophoren aber nicht mehr gebunden („verstopft“) sind, sondern dem Einfluß des adäquaten Aktivators offen stehen: „Zymogen“-Stadium. In diesem Zustand befinden sich die konkurrierenden Gene zur Zeit der „Anlagenaktivierung“. Drittes Stadium: Das Zymogen (Proferment) ist durch Verbindung mit dem Aktivator zur Bildung von wirksamen Ergophoren befähigt worden: „Enzym“-Stadium. Die so entstehenden, nunmehr unveränder- lichen Enzyme oder Fermente greifen aktiv in das Reaktionsgetriebe der sich entwickelnden Zellen und Organe ein und wirken dadurch deter- minierend. Unsere Frage, worin bei der Induktion und Präinduktion die Hemmung besteht, könnte aus dieser Modellkonzeption heraus folgendermaßen beantwortet werden. Präinduktion eines Alternativmerkmals: Es wird durch Milieueinfluß für eine (oder mehrere) Anlagen verhindert, daß sie vom gebundenen Zymoidzustand in den offenen, d. h. aktivierfähigen Zymogenzustand übergehen. Dieser Über- gang bildet einen integrierenden Bestandteil der normalen Keimzellenreifung; aus der bloßen Tatsache der Präinduktion müssen wir aber schließen, daß für jedes der konkurrierenden Gene spezifische Bedingungen erfüllt sein müssen, um den zweiten Zustand herbeizuführen. Sind die „Reifungs“-Bedingungen (z. B. Temperatur) für ein Gen nicht erfüllt, so wird nur das andere Gen „geöffnet“; dann ist also von vornherein entschieden, daß später nur dieses aktiviert werden kann. Sind sie dagegen für beide oder mehr Gene erfüllt, so haben wir im weiteren Verlauf mit mehreren offenen Anlagen zu rechnen, zwischen denen erst noch eine Entscheidung herbeigeführt werden mub. Diese Entscheidung kann nun entweder dadurch gegeben sein, daß eines der konkurrierenden, offenen Gene den andern von vornherein durch seine größere „Valenz“ überlegen ist, die wir etwa als größere Affinität zum Aktivator rasa 169 (größere Anzahl offener Haptophoren?) ansprechen können, wenn wir nämlich annehmen, daß für die konkurrierenden Gene eines Merkmals ein gemeinsamer Aktivator (Säure, Kinase?) gebildet wird!). Dann wird dieser Aktivator von dem prävalenten (= dominanten, epistatischen) Gen okkupiert, und die rezessiven (hypostatischen) Gene gehen leer aus; sie bleiben latent, nehmen durch ander- weitige Bindung ihrer Haptophoren wieder den Zymoidzustand an oder gehen zugrunde. Oder die konkurrierenden, offenen Gene sind äquivalent, d. h. von gleicher Affinität zum Aktivator. In diesem Falle liefert die Induktion die Entscheidung: Von den konkurrierenden Profermenten könnte z. B. dasjenige aktiviert werden, dessen Affinität zum Aktivator durch den Milieueinfluß (Temperatur usw.) nicht gehemmt, d. h. herabgesetzt wird. (Vgl. die Anmerkung.) So könnte also die schließlich ausschlaggebende Valenz eines Gens recht verschiedene Ursachen haben. Für die Rezessivität z. B. wäre das entweder: Induzierte Verringerung der Aktivierungs(Affinitäts-)Energie bei ursprünglicher Aquivalenz (ektogene Rezessivität). Oder von vornherein vorhandenes Minus an Affinitätsenergie bzw. vollständiges Fehlen der Aktivierfähigkeit als Folge von Präinduktion. Diese beiden Möglichkeiten können wir als autogene Rezessivität bezeichnen. Es ist wohl hinreichend betont worden, dab diese Vorstellungen über den Mechanismus der beiden Hemmungsprozesse hypothetischer Natur sind, daß dagegen das Vorhandensein von beiderlei Hemmungen experimentell erwiesen ist. Es ist nur noch zu prüfen, ob auch die nicht alternativen, nur quantitativen Unterschiede, welche wir zwischen Individuen eines Biotypus und zwischen den verschiedenen Biotypen konstatieren, und für welche wir ebenfalls Induktion wie Präinduktion als wirksam kennen lernten (Abschnitt II), durch ähnliche Hemmungsprozesse erklärt werden können. b) Induktion und Präinduktion nicht-alternativer (quantitativer) Eigenschaften. Wir haben unserer Betrachtung der Induktion und Präinduktion sowie unserem Modellschema der Genbeschaffenheit das Verhalten der alternativen Eigenschaften (Geschlecht, Flügelfärbung) zugrunde gelegt, weil diese Vorgänge mit dem Entweder-Oder ihrer Reaktions- resultate relativ klare Verhältnisse darbieten. Auch sind die bis- herigen theoretischen Vorstellungen über die Ursachen der Merkmal- 1) Man kann sich auch, wie ich (1. e. 1911, S. 119) gezeigt habe, eine andere Vorstellung von den Ursachen des Valenzwechsels machen, wenn man für die Aktivierung jedes einzelnen Gens einen spezifischen Aktivator annimmt oder wenn man — vielleicht am meisten im Sinne.der Ferment-Antigenlehre — spezifische Paralysatoren (Antikörper) in erster Linie verantwortlieh macht. Die Bildung oder Nichtbildung bzw. die Quantität dieser hemmenden oder fördernden Specifica würde dann über die jeweilige Valenz der Gene entscheiden. 41% 164 bestimmung von den Erfahrungen an alternativ-erblichen Merkmalen vorwiegend beeinflu8t worden. Diese Vorstellungen haben wohl ihren prägnantesten Ausdruck in BATEson’s berühmter „Presence and Absence“-Theorie gefunden, über deren große Bedeutung und Fruchtbarkeit kein Zweifel sein kann. Gleichwohl machen die von Tag zu Tag sich mehrenden Befunde über „Dominanzwechsel“ und Verwandtes (HACKER, PLATE, LANG u. a.) es immer wahrscheinlicher, daß von einem Nichtvorhandensein des Gens einer rezessiv sich gebarenden Eigen- schaft nicht die Rede sein kann, sicherlich nicht in den Fällen, wo eine derartige Veränderung der Anlagenvalenz, sei es autonom, oder durch Präinduktion, oder durch Induktion, oder endlich nachträglich im fertigen Organismus!) erfolgt. Zumal für die Geschlechtsanlagen läßt sich die Presence- Ab- sence-Hypothese leicht ad absurdum führen; zum mindesten muß jeder Versuch, für solche Fälle die BatEson’sche Theorie aufrecht zu erhalten, zu unökonomisch komplizierten Hypothesen führen. Ich habe mich deshalb sowohl in meiner früheren Arbeit als hier auf den Standpunkt gestellt, daß jede erbliche Anlage, mag sie dominant oder rezessiv sein, realiter vorhanden ist, und habe von diesem Standpunkt aus meine Anschauungen über Induktion und Präinduktion gewonnen. Es bleibt nun noch die Frage übrig, wie diese Anschauungen mit dem Verhalten derjenigen Merkmale übereinstimmen, welche bei den einzelnen Individuen (und Rassen) derart quantitativ-kon- tinuierlich verschieden sind, daß sich keinerlei Gegensatz zwischen diskreten Merkmalsanlagen oder Merkmalsstufen bemerken läßt. Solche Merkmale sind z. B. die Ohrenlange verschiedener Kaninchenrassen (CASTLE) oder die Helmhöhe der Daphnia-Biotypen (WOLTERECK). Für die ersteren ist durch eine große Zahl von Versuchen völlig sichergestellt, für die letzteren durch einige wenige Versuchserfolge wenigstens wahrscheinlich gemacht worden, daß bei Kreuzung keinerlei Spaltung auftritt, sondern daß inter- mediäre Formen entstehen, die sich als solche weiter vererben. 1) Es ist nicht klar, ob diese letzteren Fälle, als deren bekanntestes Beispiel ich die nachträgliche Pigmentierung rezessiv-weißer Axolot] (HACKER) erwähne, einheitlich aufzufassen sind. Es kann sich in diesen Fällen um autonome Valenz- änderungen handeln, oder um eine Art von „Postinduktion“. Es können ferner die bereits determinierten Zellen nachträglich umgefärbt sein, oder sie können durch anders pigmentierte Zellen ersetzt bzw. verdrängt werden. Eine strengere Analyse geeigneter Fälle wäre erwünscht. 165 Lane!) hat zwar für die Ohrenlänge der Kaninchen den Versuch gemacht, die Annahme von „festen Genen“ dadurch zu retten, dab er für die Langohren ein Sortiment von drei in ihrer Wirkung kumu- lierten Genen postuliert, deren jedes die Ohrlinge um einen be- stimmten Betrag (40 mm) vergrößert. Er stützt sich dabei auf experimentelle Befunde NıLsson-EHLE’s, der für die schwarze Korn- farbe beim Hafer zwei, für die rote Farbe der Weizenkörner sogar drei selbständig mendelnde Gene nachgewiesen hat. Eine Übertragung dieser Vorstellungen auf die Helmhöhe von Daphnia ist an sich natürlich möglich, man müßte dann etwa 9 Opt. a b ec Fig. 5. Helmhöhe -Variation in einer reinen Linie von Hyalodaphnia (neugeborene 2 2). a und b durch Induktion verschiedene Tiere der sechsten Generation, die Helm- höhe beträgt bei minimalen Kulturbedingungen 52°), bei optimalen 90°/, der Schalenlänge. c niedrigköpfiges 2 der ersten Generation (50°/,), das auch in optimaler Kultur niedrig bleibt und kleinhelmige Junge produziert. annehmen, daß bei der Aktivierung eines Großhelms (Fig. 5b) vom Mittelwert 90°/, (auf die Schalenlänge bezogen) vielleicht 9 Gene kumulativ wirksam waren, während bei der Bildung eines 50pro- zentigen Helmes (Fig. 5c) nur 5 Gene aktiviert wurden. 1) Zeitschrift für induktive Abstammungslehre. Bd. IV. 1911. — Dort die weitere Literatur, die auch den neuen Lehrbüchern von HÄCKER, GOLDSCHMIDT oder BAUR entnommen werden kann und deshalb hier nieht angeführt wurde. 166 Wenn wir diese beiden Helmformen innerhalb einer reinen Linie und unter gleichen Milieuverhältnissen entstehen sehen, und zwar den Großhelm in der sechsten, den Kleinhelm in der zweiten Generation nach dem Ephippium, so müßten wir demnach annehmen, daß im letzten Falle vier Gene latent blieben, die erst in der sechsten Generation aktiviert werden können. In späteren Generationen ist dann eventuell in der gleichen reinen Linie wieder eine Reduktion der Helmhöhe, also ein Versagen einiger Gene zu konstatieren. Induktion einer bestimmten Helmhöhe wäre, wenn wir einmal diese Fiktion versuchsweise mit unserer oben skizzierten Vorstellung kombinieren wollen, nichts anderes als Aktivierungshemmung einer bestimmten Anzahl (0—8) von Genen. Präinduktion einer bestimmten Helmhöhe könnte entsprechend als Reifungshemmung für einen Teil der Gene aufgefaßt werden. Ich muß aber gestehen, daß mir diese einfache Übertragung des „festen Gen“begriffs von alternativen, mendelnden Merkmalen auf nur quantitativ variable und nicht mendelnde Eigenschaften als ein zwar konsequenter aber überkünstlicher Schematismus er- scheint. Eher glaube ich, daß der entgegengesetzte Weg, die Adaptierung der herrschenden, vielleicht allzu starren Gen-Kon- zeption an die Erfahrungen, die wir mit manchen quantitativen Variationen machen, der Weg der Zukunft ist). Die weitere Analyse mendelnder Quantitativmerkmale, sowie diejenige der sog. Intensitätsfaktoren, die ja nichts anderes als rein quantitativ wirksame Gene sind, dürfte dabei von besonderer Bedeutung sein. — Wir haben schon oben gesehen, daß wir nicht umhin können, drei verschiedene physiologische Zustände für jedes Gen. anzu- nehmen, also eine Art „Entwicklung“ der Gene vom vollständig latenten bis zum aktiven Zustand. Wenn wir nun die allein nahe- 1) Dieser ganze Abschnitt ist eine absichtliche „confusion of pheno- types with genotypes“ (JOHANNSEN), d. h. der Versuch, sämtliche Unterschiede, die wir an einem variablen Merkmal beobachten („genotypische“ — autogene wie phaenotypische = ektogene), auf die Aktion bzw. Mitwirkung der determi- nierenden Substanzen (Gene) einheitlich zurückzuführen: Die verändernden Milieueinfliisse könnten in die Reaktion zwischen Substrat und Gen durch Änderung der Aktivierungsenergie des letzteren eingreifen. — Ein solcher Ver- such, so scharf er auch von der herrschenden Richtung des Mendelismus ver- urteilt werden wird, scheint mir in der Linie meiner ketzerischen Auffassung der Gene (als Substanzen von oft gesetzmäßig variabler Energie) und vor allem der Reaktionsnormkonzeption unausweichlich zu sein; ob er schon in der hier skizzierten Form annähernd das Richtige trifft, ist eine andere Frage. — Seine Basis sind die Befunde über induzierbaren Dominanzwechsel insbesondere der geschlechtsbestimmenden Gene. { -} 167 liegende Annahme machen, daß für ein einheitliches Merkmal wie die Ohrenlänge eines Widderkaninchens oder die Helmhöhe einer Daphnia-Rasse ein Gen bzw. ein Gen-Komplex vererbt wird, so können wir zu einer sehr einfachen Auffassung der Induktion und Präinduktion gelangen. Induktion einer bestimmten Helmhöhe bedeutet dann Hemmung der Aktivierung dieses Gens bis zu einem bestimmten Grade, oder aber, wenn wir die volle — der untersuchten Rasse und Generation zukommende — Helmhöhe erreicht sehen: vollständige Aktivierung des betreffenden Gens. Präinduktion einer bestimmten Helmhöhe bedeutet dem- entsprechend, dab unser Gen nur bis zu einem gewissen Grade aktivierfähig wird, anders ausgedrückt, daß seine Aktivierfähigkeit bis zu einem bestimmten Betrag festgelegt, gehemmt wird. Im Sinne unserer obigen Modellvorstellung können wir vermuten, daß durch Induktion etwa die Affinität des Zymogens zum Aktivator (oder die Be- schaffenheit des Aktivators, oder die Erzeugung von Ergophoren) in bestimmtem Grade beeinflußt wird, während Präinduktion bewirkt, daß die Öffnung des Zymoids nur teilweise erfolgt, so daß einige Haptophoren „verstopft“ bleiben und nur eine bestimmte Anzahl von ihnen zur Verbindung mit dem Aktivator frei wird. Die Folge würde dann eine beschränkte Aktivierung und verringerte Enzymbildung sein. In Wirklichkeit dürfte übrigens, wenn die Gene fermentartige Körper darstellen, die Einwirkungsart der Milieufaktoren eine recht mannigfaltige sein; zeigen doch auch die wirklichen Fermente in ihrer Entstehung und Wirkungs- weise sehr enge und verschiedenartige Abhängigkeiten von den Temperatur- und anderen Bedingungen. Hier würden sich noch verschiedene interessante Parallelen aufstellen lassen. VI. Verhältnis von Präinduktion zur Transmutation. — Zur weiteren Analyse des Begriffs „Reaktionsnorm“'): vier Reaktions-Kategorien. Die Erörterungen des fünften Abschnitts haben uns von dem eigentlichen Thema scheinbar abgeführt. Doch mußten wir ver- suchen, uns wenigstens irgendeine Vorstellung von dem Wesen !) Dieser von mir 1909 für „das, was an einer variablen Eigenschaft ver- erbt wird“ aufgestellte Begriff (Ableitung siehe S. 143) wurde inzwischen von JOHANNSEN diskutiert (l. e.) und mit seiner bekannten Konzeption des erblichen „Genotypus“ parallel gesetzt. Auch ich sagte 1909: „der Genotypus eines Quantitativmerkmals ist die vererbte Reaktionsnorm“ (l. e. S. 136) und ich halte es für wichtig, daß JoHannsen diese Parallele akzeptiert. Allerdings wird der Begriff durch JoHAnnsen viel allgemeiner gefaßt, nämlich als Norm aller Reaktionen = Eigenschaften des Organismus, während ich Wert darauf lege, daß jedes einzelne variable Merkmal seine spezifische Reaktionsnorm vererbt. — Ich komme dem- nächst auf die Parallelen, Differenzen und Mißverständnisse, die zwischen JOHANNSEN und mir obwalten, in einer besonderen Arbeit zurück. 168 der Präinduktion zu machen, wenn wir deren Verhältnis zum Trans- mutationsproblem, speziell zu der Frage nach der Artänderung durch . Milieueinwirkung („Vererbung erworbener Eigenschaften“) klarstellen wollen. Ich möchte aber betonen, dab die Annahme oder Nichtannahme meiner Vorstellungen über das Wesen der Präinduktion und Induktion (als Reifungs- bzw. Aktivierungshemmung der Gene) nichts zu tun hat mit der Annahme oder Nichtannahme der nun zum Schluß zu ziehenden Folgerung: daß Präinduktion (als Teil der regel- mäßig vererbten Reaktionsnorm) von der Transmutation (= Veränderung der Reaktionsnorm) scharf zu trennen ist. Letztere These scheint mir unter allen Umständen bewiesen zu sein, während meine Theorie der Induktion und Präinduktion, sowie der Genstruktur nur ein vorläufiger Versuch ist, diese Dinge, die sonst als allerlei „Faktoren“ mit „enzymartiger Wirkung“ eine physiologisch undeutliche Existenz führen, begrifflich etwas fester anzufassen. Soviel also dürfte feststehen, daß die Präinduktion zumal der Geschlechtsmerkmale sich nur als ein physiologischer Reaktions- prozeB von gesetzmäßig vorgezeichnetem Verlauf verstehen läßt, der jedesmal wiederkehren muß, sobald zur richtigen Zeit die richtigen Ursachen zusammentreffen. Auch dieser Vorgang gehört somit in seiner spezifischen Bedingtheit zu dem Erbgut der Biotypen; er hat an sich mit einer erblichen Veränderung dieser Biotypen ebensowenig zu tun, wie diejenigen Reaktionen, welche wir als Induktion zusammenfaßten. Bei der Präinduktion anderer Merkmale des Tierkérpers*) dürfte die Sachlage die gleiche sein, obwohl sich hier nicht so klar entscheiden läßt, ob die Präinduktion eine Veränderung des Erbguts (der Reaktionsnorm) anbahnt oder nicht. Jedenfalls kann aber von nun an eine Präinduktion, wie sie in vielen Versuchen von STANDFUSS, FISCHER, KAMMERER u.a. gegeben ist, nur dann als Anfang zu einer Transmutation angesprochen werden, wenn die milieu- 1) Ein prinzipieller Gegensatz in der Determinierung von Geschlechts- und anderen Merkmalen besteht nicht. Das ist außer durch die Kreuzungsversuche von CORRENS, CASTLE u.a. auch durch meine Untersuchungen über die Ursachen der Geschlechtsbestimmung bei Daphnia nachgewiesen worden. Hier ließ sich (l.e. 1911) zeigen, daß allen vermuteten Sonderursachen der Geschlechtsbestimmung (direkte Milieueinwirkung, Heterochromosomen usw., Kernplasmarelation) nur eine sekundäre Bedeutung zukommen kann, während die eigentlichen Ursachen des Geschlechts in ebensolchen „Anlagesubstanzen“ (Genen) gesucht werden müssen, wie wir sie für die alternativen Körpermerkmale annehmen. : 169 bedingte Reaktionsänderung für mehrere Generationen nach Auf- hören des Milieureizes nachzuweisen ist. In dem Falle der ZLeptinotarsa-Präinduktion ist dies der Fall; hier wurde von Tower eine hochgradige Erblichkeit (62%) der präinduzierten Veränderungen konstatiert. Doch ist die Sachlage ziemlich kompliziert: die Leptinotarsa-Arten scheinen (vielleicht wie Oenothera infolge früherer Bastardierungen?) in versteckter Weise polymorph zu sein. Die durch Präinduktion regelmäßig zu er- zielenden „Mutationen“ können daher nicht ohne weiteres als wirkliche Neuerscheinungen betrachtet werden. Noch weniger sind die durch Präinduktion erzielten „erb- lichen“ Farbänderungen bei Schmetterlingen, Amphibien, Reptilien, sowie die höchst interessanten Instinktänderungen (KAMMERER) Neu- erscheinungen; soweit sie lediglich in der nächsten Generation nach Aufhören des Milieureizes auftreten, dürfen wir sie überhaupt nicht als Transmutationen, sondern nur als vorherbestimmte Reaktionen innerhalb der Reaktionsnorm betrachten. Als Resultat meines analytischen Versuchs scheint sichalsozuergeben, daß der Begriff „Vererbungerworbener Eigenschaften als artändernder Faktor“ eingeengt werden muß, indem die Präinduktion von ihm abgetrennt wird. Anderseits ist der früher von mir formulierte Begriff „Reaktionsnorm“ umeben diese Präinduktion zu erweitern. Als Reaktionsnorm eines Merkmals bezeichnete ich früher die Summe aller Reaktionen zwischen Merkmalsubstrat, inneren Anlagen und äußern Milieureizen. Die Resultate dieser Reaktionen sind die sichtbaren Formen des betreffenden Merkmals, z. B. hohe, mittlere, geringe Helmhöhe oder blaue, rote, weiße Blütenfarbe. Zur schärferen Begriffsbestimmung wird es gut sein, die zu- gehörigen — für ein Quantitativmerkmal überaus zahlreichen — Reaktionen in verschiedene Kategorien zu ordnen, von denen nur die zwei ersten meiner früheren Konzeption des Begriffs Reaktions- Norm entsprechen. | Erste Kategorie (,,Determinierung‘): Reaktionen zwischen Substrat (S) und aktiven Genen (Gen-Komplexen). Diesen Reaktionen geht die Aktivierung der bis dahin latenten Gene, also die Reaktion zwischen Gen (G) und Aktivator (a) unmittelbar voraus; wir wollen beide Reaktionsvorgänge unter dem Namen Determinierung zusammen- fassen; ihre Resultate sind alle diejenigen sichtbaren Eigenschaften (R), welche das Substrat mit den verschiedenen Genen bzw. Gen- Intensitäten (vgl. Abschnitt Vb) entwickeln kann. 110 Reaktionsformel: S+G,+a=R, S+G,+a=R, usw. Zweite Kategorie („Induktion“): Wenn auch die Determinie- rung vieler (qualitativer) Merkmale von Milieufaktoren nicht be- einflußt werden Kann, so sind doch andererseits sehr viele (zumal quantitative) Reaktionen vom Milieu weitgehend abhängig. Im einfachsten Falle ist ein konstanter Genkomplex (G) anzunehmen; dann verlaufen also die Reaktionen zwischen S, G, a, und den wirksamen Milieufaktoren (M)'). Resultat wiederum die möglichen Erscheinungsformen des Merkmals. Reaktionsformel: (S+G+a)+M, =R, (S+G+a)+M,=R, usw. — Es scheint nun nichts mehr übrig zu sein, als diese beiden Reaktionskategorien um die Präinduktionsreaktion zu vermehren, nachdem wir erkannt haben, daß auch die Präinduktion zur Reaktions- norm dazu gehört. Nähere Überlegung zeigt aber, daß wir noch zwei Kategorien formulieren müssen, um dem Umfang der Reaktions- norm gerecht zu werden. Diese Kategorien entsprechen in ihrem gegenseitigen Verhältnis den früher aufgestellten völlig; die hierher gehörenden Reaktionen verlaufen aber nicht im Substrat des be- treffenden Merkmals oder Körperteils, sondern lediglich in den Keimzellen. Dritte Kategorie („Prädeterminierung“): Die konkurrierenden Gene eines Alternativmerkmals (z. B. Flügelschuppenfärbung, Sexu- alität) oder das Gen eines Quantitativmerkmals (Helmhöhe) machen in den Keimzellen Veränderungen durch, welche in einigen Fällen später im Experiment nachweisbar sind. Diese Veränderungen bewirken das „Reifen“ — Aktivierfähigwerden einer bis dahin unbeeinflußbar ruhenden Anlagesubstanz. Es sind Reaktionen zwischen den Genen (G) und denjenigen unbekannten Faktoren (X*), von welchen die Aktivierfähigkeit abhängt. Von diesen Faktoren wissen wir nur, daß sie an einen gewissen Zeitablauf gebunden sind (periodische Sexualitätsänderung bei Daphnia; vgl. die S. 151 zitierte Arbeit), und daß sie eine Hemmung der sonst zu bestimmter Zeit eintretenden Aktivierfähigkeit verursachen können. Das Resultat der Reaktion ist nicht wie sub 1 und 2 eine sichtbar werdende Eigenschaft des Körpersubstrats, sondern eine unsichtbare Eigenschaft, nämlich der angeborene Valenzgrad des 1) Hier ist unentschieden gelassen, ob das Milieu auf S, G oder a vorzugs- weise einwirkt, oder ob es die Bildung hemmender Substanzen verursacht; ich habe diese vier Möglichkeiten früher kurz erörtert. 174 Gens (GY). Diese Valenzgrade sind unter dem Namen Prävalenz, Dominanz, Epistasie und Rezessivität, Hypostasie bekannt. Reaktionsformel: G+ X' = GV: G+X% = (Gr usw. Unter „Valenz“ können wir vielleicht die größere oder geringere Affinität zum Aktivator verstehen (im Sinne unserer obigen Modell- skizze darstellbar durch eine geringere oder größere Zahl offener Haptophoren). Ein ähnlicher, zeitbedingter Valenzwechsel (Dominanzwechsel der Autoren) kann außer in den Keimzellen auch in den Merkmal- zellen eintreten: Bänderung von Helix (LANG), Färbung von Axolotl (HAcKER), Färbung von Mus (Prater). Vierte Kategorie („Präinduktion“): Ähnlich wie die Reaktionen der ersten Kategorie in manchen Fällen durch Milieueinflüsse induziert werden können (Kategorie 2), können auch die präde- terminierenden Vorgänge gegen äußere Einflüsse empfindlich sein: Dann tritt der in dieser Mitteilung vorzugsweise behandelte Fall der Präinduktion ein. Dabei handelt es sich also um Reaktionen, die — in den Keimzellen — zwischen den Genen (G), dem „Reifungs“- faktor (X?) und den Außenbedingungen (M) ablaufen. Auch hier | ist das Resultat der Reaktion nicht eine sichtbare Eigenschaft des Organismus, sondern ein bestimmter Valenzgrad der Gene (GY). Reaktionsformel: (G+X%)+M, =G™" (G+ X*)+ M, = Gr usw. — Bei dieser kurzen Ableitung der vier Reaktionsarten habe ich alle Komplikationen, welche durch die Zusammensetzung des Gen- komplexes aus verschiedenen Faktoren („Erbformel“ des Merkmals, man denke an Matthiola, Mus, Antirrhinum!) gegeben sind, außer Acht gelassen. Ferner ist für jedes Reaktionsschema nur eine Veränderliche angenommen worden. Es liegt auf der Hand, daß der Inhalt der erblichen Reaktionsnorm durch diese Schemata noch bei weitem nicht erschöpft ist; das Gesagte mag geniigen. Wie verwickelt das Reaktionsgetriebe sich aber auch, selbst für scheinbar so einfache Merkmale wie die Helmhöhe, bei weiterer Analyse noch herausstellen mag, eines steht als die Hauptsache von vornherein fest: mit den Genen einer Eigenschaft wird auch diese ganze Reaktionsnorm’) vererbt. 1) Eine Frage, die hier nur eben angeschnitten werden kann, ist folgende: In welcher Weise oder in welcher Form kann für jede Tibenschart eine so mannigfaltige Gesetzlichkeit vererbt werden? Es ist die Vorstellung schon schwierig genug, wie in einer Keimzelle für jede erbeinheitliche Eigenschaft des Körpers ein oder mehrere Gene vorhanden 172 So war das Ziel dieses Vortrages, was deszendenztheoretische Fragen anbelangt, lediglich ein analytisches, die Konstatierung: Art- veränderung durch Milieueinfluß (über deren Bedeutung hier nicht diskutiert wurde), setzt auf jeden Fall erst dann ein, wenn die Reaktionsnorm verändert ist; Präinduktion aber kann zur vererbten Reaktionsnorm mit dazu gehören. Diskussion: Herr Prof. Hesse (Berlin) schlägt vor, zur Ver- meidung von Verwechslungen mit Zellkern künftig anstatt „Gerüst- kern“ einen andern Ausdruck, etwa Gerüstknoten, anzuwenden. Vortrag des Herrn Prof. Sremann (Rostock) über: Versuche über Asymmetrie des Wirbeltierkörpers. Manuskript nicht eingegangen. Diskussion: Herr Dr. Pau Sarasm (Basel) gibt seiner Freude darüber Ausdruck, daß das Problem der mechanischen Erklärung des Situs inversus viscerum und des 8. i. cordis neuerdings lebhaft aufgenommen wird und erinnert daran, daß er schon 1882 in seiner Entwicklungsgeschichte der Bithynia tentaculata den Versuch gemacht hatte, die Erscheinung mechanisch zu erklären mittels eines soliden elastischen Stranges, dessen Enden, horizontal gehalten, einander genähert wurden. Wie aufgemalte Linien dartaten, fand bei der Schleifenbildung des Stranges eine Drehung um 180° statt; die Schleife mit ihrer Drehung aber schlug sich ebenso oft nach der einen als nach der andern Seite. Da nun aber bei den meisten in Betracht kommenden Tieren die Schleifenbildung des Darmes sein können, selbst wenn wir uns diese Einheiten in nicht allzu großer Zahl und ihre Gene nicht als vollständige Moleküle, sondern nur als „Gerüstkerne* solcher (oder als selbständige Bezirke eines komplexen Stammgerüsts?) vorstellen wollen. Viel schwieriger aber ist nuu die Frage, wie mit jenen Gerüstkernen auch noch die Reaktionsnormen, jede in ihrer ganzen gesetzmäßig fixierten Mannigfaltigkeit, verbunden gedacht werden können. Diese Frage ist überhaupt nicht zu lösen, sondern nur in ein viel all- gemeineres (ebenfalls ungelöstes) Problem überzuführen, das nicht einmal ein nur biologisches ist. Die Reaktionsnormen gehören sicherlich zu den „intensiven Mannigfaltigkeiten“, deren Bedeutung für die organische Welt besonders Driesch betont hat. Und zwar gehören sie in dieselbe begriffliche Kategorie wie die „Konstanten“, die sowohl in der Biologie als in der Physik, Chemie und Mineralogie eine so wichtige Rolle spielen, Die chemischen Affinitäts- konstanten, die spezifischen Wärmeleitungskonstanten, die kristallographischen und auch die formativ-biologischen Konstanten sind ähnliche intensive Mannig- faltigkeiten, wie die hier analysierten Reaktionskonstanten der variablen Merkmale. 173 und die des Herzens nach ein und derselben Seite gerichtet ist, so nimmt S. eine erbliche Stérung an, welche der mechanisch sich vollziehenden Schleife bei ihrem Zustandekommen einen Druck nach der einen Richtung erteilt; er erinnert aber daran, daß bei gewissen Schnecken, so bei Bulimus perversus von Celebes die Richtung der Schleifenbildung tatsächlich dem Zufall unterworfen erscheint, in- sofern bei dieser Art fast ebensoviele Individuen recht als links gewunden sind. t Vortrag des Herrn Dr. P. Sarasin (Basel): Über die zoologische Schätzung der sogenannten Haarmenschen. (Mit Lichtbildern.) Manuskript nicht eingegangen. Diskussion: Herr Prof. Zırewer (Stuttgart) weist darauf hin, daß die interessante Korrelation zwischen Haaren und Zähnen für die Erklärung rudimentärer Organe zu verwerten ist. Wenn man auf die alte lamarckistische Erklärung verzichtet, daß das Rudi- mentärwerden auf Nichtgebrauch beruhe, so muß man um so mehr auf die Tatsache achten, daß jeder Rückbildung an einem Organ eine Höherentwicklung eines andern Organes entspricht. Das Auf- treten eines neuen Organs oder die Höherentwicklung eines vor- handenen Organes bedingt stets eine Änderung des physiologischen Chemismus, welche ihre Nebenwirkungen an andern Organen im Sinne einer Rückbildung oder eines Entwicklungsstillstandes aus- üben kann (vgl.: H. E. Zener, Lamarckismus oder Weismannismus? Naturw. Wochenschr. 1910 Nr. 13 S. 202). Herr Prof. Harcxer (Halle): Der Zusammenhang zwischen Hypertrichose und Gebißdefekten gehört in die große Gruppe von korrelativ und vielfach erblich verbundenen Entwicklungshemmun- gen bzw. Defektbildungen (Albinismus — gekräuselte oder zer- schlissene Federn, Leucismus — Fagopyrismus, mangelnde Be- grannung und mangelnde Behaarung beim Getreide). In vielen Fällen kann allerdings von einer Identität des Mutterbodens die Rede sein, in andern müssen wir aber, wie Herr Zırsrer hervor- gehoben hat, auf den Chemismus, auf bestimmte nach verschiedenen Richtungen wirkende Hemmungsfaktoren physiologischer Art zurückgreifen. Herr Dr. Sremmann (Basel) gab mit Hilfe von Lichtbildern Erläuterungen zu seiner Demonstration „Polypharyngie bei Planarien“, 174 Vortrag des Herrn Prof. E. Brzssrau (Straßburg i. E.): Über physiologische Verdoppelung von Organen. Eine physiologische Verdoppelung oder Vervielfachung von Organen liegt vor, wenn Körperteile, deren Anzahl innerhalb einer Tiergruppe typischerweise fest bestimmt ist, bei einzelnen Arten dieser Tiergruppe konstant in vermehrter Zahl zur Ausbildung und zu dauerndem Bestande gelangen. Beispiele hierfür lassen sich aus vielen Klassen des Tierreichs anführen, von den niedersten bis zu den höchsten. Ich erinnere nur an die in letzter Zeit viel untersuchten polypharyngealen Planarien oder an die vor kurzem von Dusrrsr!) besprochene indische Vierhornantilope (Tetraceros quadricorms Blainv.), bei der zu dem normalen Hornpaar vorn noch ein zweites hinzugekommen ist. Als physiologisch oder vielleicht besser als physionom?) ist die Organvermehrung in diesen Fällen deshalb zu bezeichnen, weil sie sich regelmäßig im normalen Entwicklungsgange jedes einzelnen Individuums einstellt, und sich dadurch ebensowohl von der auf Mißbildungen zurück- zuführenden wie von der artifiziell, durch natürlich erworbene oder experimentell erzeugte Verletzungen hervorgerufenen, okkasio- nellen Vervielfachung von Organen unterscheidet. Ich möchte nun hier über einen neuen Fall solcher physio- logischen oder physionomen Verdoppelung von Organen berichten, der mir bei meinen Untersuchungen über die Entwicklung des Mammarapparates begegnet ist. Träger der Erscheinung ist das Eichhörnchen (Sciurus vulgaris) unserer Wälder. Untersucht man irgendein Exemplar des Eichhörnchens, einerlei ob alt oder jung, ob Männchen oder Weibchen, so wird man hinsichtlich seines Mammarapparates Verhältnissen begegnen, wie sie meines Wissens sonst bei keinem anderen Placentalier vorkommen, nämlich einer scheinbaren Verdoppelung eines Teiles der Zitzenpaare derart, daß jederseits nicht nur eine, sondern zwei Reihen von Brustwarzen zu beobachten sind (Fig. 1). Die Verdoppelung betrifft nur die beiden vorderen Zitzenpaare, das pektorale (p) und das 1) J. H. Duerst, Selektion und Pathologie. Arb. Deutsch. Ges. f. Züchtungs- kunde. Berlin. Heft 12, 1911. p. 28. 2) Da das Wort „physiologisch‘“ im modernen Sprachgebrauch für gewöhnlich in seiner engeren, auf die funktionellen Leistungen der Organe hinweisenden Bedeutung aufgefaßt wird, möchte ich für seinen ursprünglichen weiteren Inhalt, zur Bezeichnung von Bildungen oder Vorgängen, die im Gegensatz zu okkasionellen Vorkommnissen regelmäßige Erscheinungen im normalen Leben aller Individuen einer Art vorstellen, den Ausdruck „physionom‘“ vorschlagen. En ne teaser ange engen ann Eee ba ER a nn 175 erste abdominale (a,), indem sich in geringem Abstande medioventral von den typischen Zitzen noch ein zweites Warzenpaar (x neben p, a neben a,) findet. Die beiden hinteren Zitzenpaare, von denen das eine (a5) noch auf dem Abdomen, das andere (i) aber in der Inguinalregion zwischen den Beinen jederseits von den äußeren Genitalien gelegen ist, sind dagegen nicht verdoppelt. Aus diesen vom erwachsenen Tier bisher noch nicht näher beschriebenen Verhältnissen erklärt es sich, wenn die Angaben über die Zahl der Brustwarzen des Eichhörnchens ver- schieden, und zwar bald auf acht (die Mehrzahl der Autoren), bald auf zehn bis zwölf [Farıo]?)) lauten. In der entwicklungsgeschichtlichen Literatur ist diese Erscheinung dagegen bereits seit längerer Zeit bekannt, und zwar kommt das Verdienst ihrer Ent- deckung O. Scaurtze?) zu, der bei Eich- hörnchenembryonen von 19 mm Scheitel- steißlänge ähnliche Verhältnisse, wie sie Fig. 1 abbildet, beobachtete und danach vermutete, daß in jüngeren Stadien eine doppelte Milchlinie vorhanden sei. Bestimmter — aber wohl nicht auf Grund eigener Beobachtungen, sondern nur in- folge eines Mißverständnisses der hypo- a thetischen Bemerkung SCHULTZE’S — Yentralansicht eines Eichhörnchen- Bußerte sich später Prort?), indem er an- embryos von 21 mm Scheitelsteiß- 2 h länge. Extremitäten und Schwanz gab, daß das Eichhörnchen in frühen apgeschnitten. p pektorale, a, erste embryonalen Entwicklungsstadien „jeder- bdominale, a, zweite abdominale, R i i inguinale Mammaranlage; x und seits zwei nahezu parallel gerichtete „die zu p und a, gehörigen Doppel- Milchlinien erkennen“ lasse, und daraus . miagen. Vergr. 4 ><. Schlüsse über die phylogenetische Bedeutung der Milchlinie ab- leitete. - | Diese Schlüsse waren es, die mich zur Untersuchung der frag- lichen Verhältnisse beim Eichhörnchen veranlaßten; denn das Vor- 1) V. Farto, Faune des Vertébrés de la Suisse. 1869. Bd.I p. 161. 2) O. Scuutrze, Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Milchdrüsen Verhdl. Phys. Med. Ges. Würzburg N. F. 26. Bd. 1893. p. 5. 3) O. Prort, Beiträge zur Ontogenie und Phylogenie der Mammarorgane. Anatom. Hefte. 1. Abt. Bd. XI. 1899. p. 279. 176 handensein einer doppelten Milchlinie ware mit den Vorstellungen, die ich mir über den morphologischen Wert dieses Primitivorgans gebildet hatte, nicht vereinbar gewesen. Dabei stellte sich alsbald heraus, daß nicht etwa eine doppelte, sondern nur eine einzige Milchlinie vorhanden ist, genau wie bei allen bisher daraufhin unter- suchten Placentaliern!), und daß die Verdoppelung der beiden vor- deren Mammaranlagenpaare auf ganz andere Weise zustande kommt, als es Schutze und Pror& angenommen hatten. Die Milchlinie findet sich bei Eichhérnchenembryonen von 8,5 mm Scheitelsteißlänge (Fig. 2, s. die Tafel) als feine, durch ihre mehr weiß- liche Färbung auffallende Leiste, die kranial eine kurze Strecke unter- halb der Achselhöhle beginnt und von hier kontinuierlich bis in die Gegend der Inguinalbeuge verläuft, wo sie allmählich verschwindet. Dabei ist sie nicht überall von gleicher Dicke, - sondern zeigt in ihrem kranialen Abschnitte (Fig. 2p) eine langsam anhebende, stärkere Anschwellung, die ziemlich plötzlich gegen ein kurzes, sehr viel dünneres Stück absetzt, worauf wieder ein verhältnismäßig langer, dicker Ab- schnitt folgt, der sich schließlich zu einer ganz dünnen Leiste verschmälert. In den beiden An- schwellungen kündigt sich die Anlage der pek- Fig. 3. toralen und der ersten abdominalen Zitzen- ee anlage an, während für die beiden anderen Stück der linken Rumpf- Milchhügel die Zeit der Differenzierung noch Ku ri "°“ nicht begonnen hat. Erst bei etwas älteren ginnende Teilung von p. Embryonen (F ig. 3) wird kaudal von ay noch ee nes eine dritte Anschwellung sichtbar, die Anlage von 45. Auch in dieser sukzessive aufeinanderfolgenden Sonderung der einzelnen Zitzenanlagen aus der Milchlinie stimmen die Ver- hältnisse beim Eichhörnchen vollkommen mit den für die Placen- talier typischen überein. Wenn dieser Zustand erreicht ist, beginnen diejenigen Pro- zesse, die zu der später so auffälligen Verdoppelung der beiden 1) Es darf als bekannt vorausgesetzt werden, daß sich bei den Placentaliern die Gesamtheit der Milchzitzen jederseits in Gestalt einer einheitlichen Leiste, der sog. Milchlinie, anlegt und daß sich erst aus dieser Milchlinie sukzessive die Anlagen der einzelnen Zitzen (Mammaranlagen) in Gestalt hügelförmiger Anschwellungen (Milchhügel) sondern; die Milchhügel sind anfangs noch durch schwächere Milchlinienabschnitte miteinander verbunden, werden aber nach einiger Zeit durch allmähliches Schwinden der Verbindungsstücke vollständig voneinander getrennt. - a en 147 vorderen Zitzenanlagenpaare führen. Ihr Anfang ist bereits bei dem der Fig. 3 zugrundeliegenden Embryo zu erkennen. Von der pektoralen Anschwellung p geht nämlich nicht nur ein kranialwärts zur Achselhöble ziehendes, sowie ein in kaudaler Richtung die Verbindung mit a, herstellendes Stück der Milchleiste aus, sondern es entspringt außerdem von ihr noch ein median gerichteter Ausläufer in Gestalt eines kurzen, nach derBauchmitte zu spitzer und flacher werdenden Fortsatzes. Es scheint, und die mikroskopische Unter- suchung bestätigt diesen Eindruck noch deutlicher, als ob sich hier der pektorale Milchhügel in die Breite gezogen hat und zu einer Teilung in medioventraler Richtung, also senkrecht zum Verlauf der Milchlinie selbst vorbereitet. Ein solcher Teilungsprozeß vollzieht sich denn nun auch wirklich in den nächsten Stadien, und zwar nicht nur an der pectoralen, sondern ein wenig später auch an der ersten abdominalen Mammar- anlage. Beides läßt der in Fig. 4 abgebildete, 10,5 mm lange Embryo mit größter Deutlichkeit erkennen. Die Verbindungsstücke der Milchlinie zwischen p, a, und a, sind jetzt verschwunden, so dab sich also die definitive Sonderung dieser Zitzenanlagen vollzogen hat. Nur der von a, zur Inguinalbeuge ziehende kaudale Fortsatz der Milchlinie ist bei geeigneter Beleuchtung noch eben wahrnehmbar und verläuft jetzt zu einer kleinen, länglichen, die Anlage des inguinalen Milchhügels i darstellenden Anschwellung, die in Fig. 4 durch den Ansatz der hinteren Extremität verdeckt wird. Außerdem aber bemerkt man, daß in geringer Entfernung medioventral von dem pektoralen Milchhügel p noch ein zweiter kleinerer Hügel x vorhanden ist, und daß sich gleichzeitig die erste ab- dominale Anlage a, geradein Teilung befindet. Die Teilung von p und z ist noch nicht ganz beendet, wie es nach Fig. 4 vielleicht den Anschein haben könnte. Vielmehr spannt sich noch zwischen beiden Anlagen ein feiner, erst bei starker Lupenvergrößerung erkennbarer, weißlicher Strang als Verbindungsbrücke aus, was noch deutlicher bei der Schnittuntersuchung hervortritt. Sehr klar ist dagegen das Bild des ersten abdominalen Milchhügels, dessen charakteristische hantelförmige Gestalt die bevorstehende Zer- schnürung in die Anlagen o und a, ankündigt. Außer den vier typischen Mammaranlagen p, a1, a2, i und den aus p und a, hervorgehenden Hügeln = und a zeigt der in Fig. 4 abgebildete Embryo aber noch eine weitere kleine Anlage (*), die zwischen p und a, gelegen ist und eine überzählige Bildung darstellt. Es handelt sich hier um einen Fall von Hyperthelie, eine Erscheinung, Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1911. 12 178 die beim Eichhörnchen keineswegs selten und sowohl während des embryonalen Lebens wie im erwachsenen Zustande zu beobachten ist. Interessanterweise fand ich die hyperthelialen Anlagen immer an der gleichen Stelle des Milchliniensystems, d. h. zwischen den Milchhügeln p und a, gelegen, häufiger links als rechts und nur ausnahmsweise auf beiden Seiten. Bei ein wenig älteren Embryonen (Fig. 5) ist die Teilung von p und x ganz vollendet, indem x eine ganze Strecke weit von p in medioventraler Richtung abgerückt ist, während dieses selbst sich seine relative Lage am Abdomen nahezu unverändert (vgl. Fig. 2,4) bewahrt hat. Auch die Teilung der ersten abdominalen Anlage ist ihrem Ende nahe; doch hängen ihre beiden Abkömmlinge a und « noch durch eine ähnlich zarte Verbindungsbrücke mit- einander zusammen, wie sie sich im vorhergehenden Stadium (Fig. 4) zwischen den Anlagen p und = ausspannte. | In den nächsten Stadien (Fig. 6 und 1) wird sodann der Zustand erreicht, der bereits von O. Scaurrze beobachtet wurde. Die Milchlinie ist gänzlich zurückgebildet, x und a sind von p und a, vollkommen losgelöst; daher sind jetzt alle Merkmale ver- schwunden, die einen Beobachter dieses Stadiums bei dem Versuch, sich ohne Kenntnis jüngeren Materials ein Bild von der Entstehung vorliegenden Befundes zu machen, auf den rechten Weg weisen könnten. Bei dem einen der beiden Embryonen (Fig. 6) ist wiederum eine überzählige Anlage (*) ausgebildet, diein diesem Falle ausnahms- weise etwas stärker aus der die Mammaranlagen p und a, ver- bindenden Linie heraus medianwärts verschoben liegt. Man könnte versucht sein, die Untersuchung der Verhältnisse beim Eichhörnchen an diesem Punkte zu schließen, da der uns zunächst interessierende Entwicklungsprozeß scheinbar sein Ende erreicht hat. Es war zu prüfen, wie die Verdoppelung der beiden vorderen Mammaranlagenpaare zustande kommt, ob ihr wirklich von vorn- herein eine doppelte Anlage in Gestalt einer doppelten Milchlinie zugrunde liegt. Diese Prüfung hat jetzt ergeben, daß das Eich- hörnchen hinsichtlich seiner Milchlinie keine Ausnahmestellung unter den Placentaliern einnimmt, sondern sie jederseits in der typischen Einzahl bildet. Die Verdoppelung der beiden vorderen Mammar- anlagenpaare stellt sich erst in späteren Stadien ein als eine Besonderheit, die mit der Anlage der Milchlinie gar nichts zu tun hat. Sie beginnt vielmehr erst nach der Differenzierung der Milch- hügel und vollzieht sich unter dem eigenartigen Bilde eines Teilungs- vorganges, indem sich zuerst von dem pektoralen, dann von dem 179 vorderen abdominalen Milchhügel jeder Körperseite median ein kleiner Abschnitt der epithelialen Anlage absondert und allmählich ventralwärts verschiebt, bis es schließlich zur völligen Abtrennung des kleineren Hügels von dem größeren kommt. Die beiden hinteren Mammaranlagenpaare beteiligen sich dagegen in keiner Weise an diesen Vorgängen. Wollte man sich mit diesem Ergebnis begnügen, so würde man aber der Eigenart des Mammarapparates beim Eichhörnchen noch keineswegs gerecht. Die Absonderlichkeit seiner Ausbildung geht vielmehr noch weiter. Andeutungen hiervon sind bereits bei der mikroskopischen Untersuchung der Anlagen ~ und a jugendlicher Embryonen zu Fig. 7. Sciurus vulgaris, Embryo (45 mm Scheitelsteißl.). Totalpräparat des die Mammaranlagen tragenden Hautstreifens der linken Seite, nach Färbung und Aufhellung in durch- fallendem Licht betrachtet. In der Haut zahlreiche dunkelgefärbte Punkte (in 2 Größen), den gewöhn- lichen Haaranlagen entsprechend. Lateral (in der Figur rechts) in einer Reihe hintereinander die 3 Mamaranlagen p, a, und a, (die in- guinale Anlage ist nicht mit prä- pariert worden) mit je 5 von ihnen entspringenden Milchdrüsenspros- sen. Außerdem sind 3 bereits nach außen hervorgebrochene Haare vor- handen; 2 von ihnen als Abkömm- linge der Anlagen x und a, das dritte (*), zwischen p und a, gelegen, aus einer überzähligen Mammaran- lage hervorgegangen. Vergr. 4x. erkennen. Ich beschränke mich hier aber auf die Mitteilung der am ganzen Objekt zu beobachtenden Verhältnisse. Untersucht man Embryonen von etwa 45 mm Scheitelsteißlänge, so beobachtet man bei diesen Tierchen, die, abgesehen von den am Kopf und an der Beugeseite des Vorderarmes hervorgebrochenen typischen Tasthaaren, noch gänzlich unbehaart sind, daß aus den Anlagen z und a jederseits ein zartes Haar hervorragt. Mit Hyperthelie behaftete Individuen lassen außerdem erkennen, daß sich auch die akzessorischen Bildungen nicht zu Zitzenanlagen oder Rudimenten von solchen entwickelt haben, wie man wohl hätte erwarten können, sondern gleichfalls zu Haarbälgen mit Haaren (Fig. 7). Beim erwachsenen Tier werden daraus sodann typische Tasthaarpa- 12* 180 pillen, die von einem mächtigen Blutsinus umgeben sind und ein starkes borstenartiges Haar enthalten, das die be- nachbarten Haare beträchtlich an Dicke und um etwa 2—3 cm an Länge übertrifft. Daß dieser auffällige Zustand trotzdem allen bis- herigen Beobachtern des Eichhörnchens entgangen ist, rührt wohl daher, daß man beim Aufsuchen der Zitzen das Haarkleid entweder gar nicht beachtet oder es allzu schnell entfernt hat. Im letzteren Falle bleiben selbstverständlich nur die Papillen selbst übrig und erwecken daher den Eindruck von Brustwarzen, die beim Männchen oder nicht trächtigen Weibchen beträchtlich stärker entwickelt sein können als die typischen Zitzen. Läßt man aber beim Ent- fernen der Haare Vorsicht walten, so wird man stets das eigenartige Resultat feststellen können, daß beim Eichhörnchen an Brust und Bauch parallel zu den beiden vorderen Zitzenpaaren regelmäßig 4 lange Tast- oder Sinushaare von gleichem Bau wie die Spürhaare des Kopfes und des Vorderarmes-zur Ausbildung gelangen, Tast- haare, die also zum Milchdrüsenapparat in direkter genetischer Beziehung stehen. In den Fällen von Hyper- thelie kann die Zahl dieser Tasthaare sogar auf 5 oder 6 steigen, indem sich zwischen die pektorale und erste abdominale Zitze noch eine überzählige Tasthaarpapille einschiebt. Was hat nun der beobachtete genetische Zusammenhang zwischen Zitzen und Mammarsinushaaren zu bedeuten? Wie kommt es, daß man hier tatsächlich von einer Verdoppelung von Organen reden kann, obwohl die verdoppelten Organe im definitiven Zustande Bildungen ganz verschiedener Natur darstellen? Die Antwort hierauf liefert die Phylogenie des Mammar- apparates, die lehrt, daß der Zusammenhang zwischen Haaren und Milchdrüsen an sich gar nichts Wunderbares bedeutet. Bei den Monotremen, ebenso wie bei allen Beuteltieren, entstehen nämlich die Milchdrüsen als sekundäre Sprossen an Haaren, sog. Mammar- haarent), die sich bei den Marsupialiern speziell durch ihr früh- zeitiges Auftreten am Grund der Zitzenanlagen und ihre mächtige Entwicklung auszeichnen. Um ein Bild davon zu geben, ist in Fig. 8 die Innenansicht des aufgeschnittenen Marsupiums eines Beuteljungen von Phascolarctos cinereus (Goldf.) reproduziert, in dem die Mammar- haare als starke pinselartige Büschel aus den Zitzen hervorragen, ein höchst charakteristischer Befund, den der in Fig. 9 abgebildete 1) Vgl. E. BRESSLAU, Der Mammarapparat (Entwicklung und Stammes- geschichte). Ergebn. d. Anat. u. Entwicklgsgesch. 19. Bd. 1910. p. 306. a - losem Zustande zur Welt kommende Junge 181 Schnitt durch die rechte Hälfte dieses Beutels noch näher er- läutert. Bereits bei den Marsupialiern haben diese Mammarhaare aber keinen dauernden Bestand mehr; sie würden auch die Be- festigung des Jungen an der Zitze nur stören!). Sie fallen daher aus und werden in den Zitzen der erwachsenen Beuteltiere nirgends mehr angetroffen’). Bei den Placentaliern ist die Rudimentation dieser Bildungen sodann noch weiter vorgeschritten, indem es hier niemals mehr zur Entwicklung | richtiger Mammarhaare kommt. N Wohl aber werden, wie neuer- y : dings bekannt geworden ist®), bei I Ws FR 1) Bei den Monotremen, die bekannt- lich der Zitzen entbehren, fließt das Se- kret der Mammardrüsen längs der Mammar- haare ab und wird dabei vermutlich von den Jungen aufgeleckt. Bei den Marsupi- aliern dagegen hängt das in völlig hilf- innerhalb des Beutels längere Zeit fest an der mütterlichen Zitze, die ihm bis tief in den Schlund hineinragt und seine Mundhöhle ganz ausfüllt. 2) Vgl. v. EGGELING, Die Milchdrü- sen und Hautdrüsen der Marsupialier. Semon, Zool. Forschungsreisen. 4. Bd. 1905. p. 301—322. 3) v. EGGELING, Über ein wichtiges Eu 2. Stadium in der Entwicklung der mensch- Querschnitt durch die rechte Hälfte des in ne ee Ba ee 1904. p. 595—605. — BROUHA, Recher- anlage; ha Mammarhaar; ms Mammar- ches sur les diverses phases du döve- stroma; ta Talgdriise. Vergr. 10 ><. loppement et de l’activité de la mam- melle. Arch. de Biol. 21. Bd. 1905. p. 496—504, p. 514—518. — Es ist inter- essant, daß nach BROUHA bei der Katze noch alle Milchgänge mit Haarbalg- und dazu gehorigen Talgdriisenrudimenten versehen sind, beim Menschen dagegen nur ein kleiner Bruchteil von ihnen (2—6 von ca. 20—25 Milchgiingen). Die beiden Formen repräsentieren also verschiedene Etappen der Rückbildung der Mammarhaare. Ein anderes Stadium dieses Riickbildungsprozesses führen solche Formen vor Augen, die, wie seit langem vom Pferd und Esel bekannt, den Milchdrüsenausführgängen nur noch Talgdrüsen angeschlossen zeigen. Über die Entwicklung dieser Talgdrüsen hat CLARA HAMBURGER (Die Zitze von Pferd und Esel. Anat. Anz. Bd. 18. 1900. p. 16—26) einige An- gaben gemacht, und sie hat ferner die Zitze eines jungen Pferdes abgebildet, bei welcher diese Talgdrüsen mit Haaren in Verbindung stehen; dagegen beruht es (wie Frl. HAMBURGER sich nachträglich selbst überzeugte) auf einem Irrtum, . wenn sie in der Diskussion zu diesem Vortrage meinte, auf den genetischen 182 einzelnen Formen (Katze, Mensch) am Grunde der Zitzenanlagen und im Zusammenhang mit den Milchgängen typische Haarbälge angelegt, die kurz vor oder bald nach der Geburt wieder gänzlich verschwinden, ohne es zur Ausbildung eines Haarschaftes gebracht zu haben. Prinzipiell sind also die Zitzenanlagen auch hier zur Erzeugung von Mammarhaaren fähig. Wenn man sich dies vergegenwärtigt, so dürften, glaube ich, die beim Eichhörnchen zu beobachtenden Erscheinungen viel von ihrer Seltsamkeit einbüßen. Da die Anlagen x und a durch Teilung der Milchhügel p und a, entstehen, also selbst Teile von Zitzen- anlagen darstellen, haben sie auch deren Potenzen mitbekommen. Diese äußern sich bei den Placentaliern normalerweise nur in der Hervorbringung von Milchdrüsen, enthalten aber latent, wie die hier und da zu beobachtenden Haarbalgrudimente beweisen, noch die Möglichkeit zur Erzeugung von Mammarhaaren. Von dieser Möglichkeit wird nun in den Anlagen x und a beim Eich- hörnchen ausschließlich Gebrauch gemacht, während die Entwick- Jung von Milchdrüsen unterbleibt. Damit wird zugleich die Aus- gestaltung der Mammarhaare zu Sinushaaren verständlich, indem der Fortfall der Milchdrüsenbildung den Reichtum an Blutgefäßen, der wohl das ursprünglichste Merkmal des Mammarapparates seit seiner Entstehung aus Briitorganen’) bildet, zu anderer korrelativer Verwendung frei werden ließ. Für diese Vorstellung spricht auch das Verhalten der hyperthelialen Anlagen, die bei den übrigen Placentaliern in der Regel Zitzenrudimente liefern, hier aber gleichfalls Tasthaare aus sich hervorgehen lassen. Dadurch wird bewiesen, daß allen Teilen des ursprünglichen Milchlinien- systems die Fähigkeit zur Erzeugung mächtiger Haare geblieben ist, wenn sie sich auch sonst bei den Placentaliern, soweit bekannt, nirgends mehr dokumentiert. Auf die Bedeutung dieser Befunde für das Verständnis des Wesens der Milchlinie und für die Phylogenie des Mammar- apparates, sowie für die Auffassung der Erscheinung der Hyper- Zusammenhang dieser im Texte ihrer Arbeit nicht erwähnten Haare mit den Mammaranlagen hingewiesen zu haben (vgl. übrigens mein Referat: Der Mam- marapparat usw. l. c. 1910, p. 324 Anm.). 1) Vgl. E. BRESSLAU, Die Entwicklung des Mammarapparates der Mono- tremen, Marsupialier und einiger Placentalier. Ein Beitrag zur Phylogenie der Säugetiere. I. Entwicklung und Ursprung des Mammarapparates von Echidna. Semon, Zool. Forschungsreisen. 4. Bd. 1907. p. 509—518. se” Aids real toes 183 thelie werde ich an anderem Orte eingehen'). Über die Funktion der Mammarsinushaare beim Eichhörnchen ist einstweilen wenig zu sagen, da ich bisher keine Gelegenheit hatte, direkte Beob- achtungen an lebenden Tieren anzustellen. Daß sie zum Mammar- apparat oder zum Säugegeschäft in näherer Beziehung steht, ist wenig wahrscheinlich, da diese Tasthaare auch bei den Männchen ebenso gut entwickelt sind wie bei den Weibchen. Dagegen ist vielleicht an einen Zusammenhang zwischen der Funktion dieser Tasthaare und der extrem arborikolen Lebensweise der Eich- hörnchen zu denken; wenigstens scheinen auch die Vibrissen an der Beugeseite des Unterarms vorwiegend bei arborikolen Formen bzw. bei solchen Formen unter den Säugetieren entwickelt zu sein, die ihre vorderen Extremitäten zum Greifen benutzen *). Zum Schlusse noch ein paar Worte über die mancherlei inter- essanten Beziehungen, die der Fall als Verdoppelungserscheinung darbietet. Zunächst sei daran erinnert, dab bei der Besprechung physio- nomer Fälle von Organvermehrung fast immer auch die Frage nach ihren Beziehungen zu Mißbildungserscheinungen eine Rolle gespielt hat. Es spiegelt sich dies, um nur bei den eingangs er- wähnten Beispielen zu bleiben, sowohl in der Literatur über die Polypharyngie der Planarien wieder, wie in dem, was Durrsr über Tetraceros quadricornis ausgeführt hat. Bezüglich beider Er- scheinungen ist die Ansicht geäußert worden, daß sie direkt von erblich gewordenen Mißbildungen traumatischen Ursprungs abzuleiten seien; besonders Durrstr hat dabei einen extrem lamarcki- stischen Standpunkt vertreten. Ich kann mich hier natürlich nicht auf eine Diskussion der Gründe einlassen, die für oder wider diese Anschauungen sprechen. Nur soviel sei gesagt, daß es mir un- möglich erscheint, diese Betrachtungsweise auf den Fall beim Eichhörnchen anzuwenden. Ist es doch ganz ausgeschlossen, hier die Verdoppelung der beiden vorderen Mammaranlagenpaare auf die direkte Einwirkung äußerer Ursachen irgendwelcher Art zurück- zuführen), oder sie sich durch einen allmählichen Entwicklungs- 1) In dem in Druck befindlichen Teil III (Entwicklung des Mammar- apparates der Marsupialier, Insectivoren, Nagetiere und Wiederkäuer) meiner auf S. 182 Anmerkung 1 zitierten Arbeit. Daselbst finden sich auch Angaben über die mikroskopischen Details bei der Entstehung der Anlagen r und a. 2) Vgl. F. E. BEDDARD, Observations upon the carpal vibrissae in mammals. Proceed. Zool. Soc. London. 1902. I. p. 127—136. 3) Als analoge Abnormitäten am Milchdrüsenapparat, die auf äußeren Ursachen beruhen, könnte man allenfalls die mehrfach beschriebenen Fälle 184 prozeß im Laufe aufeinanderfolgender Generationen aus einzelnen kleinen Abänderungen entstanden zu denken. Die ganze Erscheinung ist daher m. E. in das Kapitel der Mutationen einzureihen, insofern als sie jedenfalls schon bei ihrem ersten Auftreten auf Grund einer Blastovariation vollkommen fertig und erblich vorlag. Ähnliches gilt aber auch wohl für die meisten vererbbaren Mißbildungen, wie z. B. für die Fälle erblicher Polydactylie. Die Vergleichbarkeit teratologischer und physionomer Verdoppelungserscheinungen beruht also, wie E.Scuwarse?) jüngst ausgeführt hat, in erster Linie darauf, daß eine scharfe Grenze zwischen Variation und Mißbildung nicht existiert, daß beide vielmehr durch die gleichen Ursachen hervorgerufen und bio- logisch von gleichen Gesichtspunkten aus betrachtet werden können). Diese Analogie zeigt sich sehr eigenartig auch in folgendem: betreffs der formalen Genese teratologischer Doppel- und Mehr- fachbildungen im weitesten Sinne konkurrieren vor allem zwei An- schauungen miteinander; die eine führt, ihre Entstehung auf eine primäre Duplizität (oder Pluralität) der Anlagen zurück, d. h. auf das primäre Vorhandensein eines „Zuviel“ an Keimmaterial?), die andere auf eine Spaltung normaler Organanlagen, wie dies bei der Superregeneration zu beobachten ist. Ersterer Erklärung scheint von seiten der Anatomen und Pathologen besonders dann der Vorzug gegeben zu werden, wenn es sich um erbliche Fälle von Organ- vermehrung handelt; ist daher hierin wohl der Grund dafür zu suchen, wenn auch in unserem Beispiele von O. Scuutrze und Prork eine solche primäre Duplizität der Anlage — sozusagen als ganz selbstverständlich — angenommen wurde. Demgegenüber ist es ansehen, in denen sich 2 oder 3 Mamillae auf einer Mamma erheben (vgl. R. WIEDERSHEIM, Der Bau des Menschen als Zeugnis für seine Vergangenheit. IV. Aufl. 1908. p. 30. Fig. 17 [nach H. FEHLING] und J. HUG, Sitz und Vor- kommen überzähliger Brustdrüsen und Brustwarzen beim Weibe. Med. Diss. Straßburg. 1908. p. 32). Natürlich wissen wir in diesen Fällen nichts Sicheres über die Entstehung der Abnormität und über ihre Erblichkeit. Es besteht aber immerhin die Möglichkeit, anzunehmen, daß die Zwei- oder Dreiteilung der Brustwarzen hier auf einer mechanischen Spaltung, etwa durch Amnionfäden oder dgl. beruht. Die komplizierten Verhältnisse beim Eichhörnchen spotten jedoch einer solchen Erklärung. 1) E. SCHWALBE, Mißbildung und Variationslehre. Samml. anatom. u. physiol. Vortr. Heft 9. Jena. G. Fischer. 1910. 33 pp. 2) Vgl. auch K. PETER, Neue experimentelle Untersuchungen über die Größe der Variabilität und ihre biolog. Bedeutung. Arch. Entwicklgsmech. 31. Bd. 1911. p. 768—770. 5) Vgl. E. SCHWALBE, Die Morphologie der Mibbildungen des er und der Tiere. Teil I. 1906. p. 139. 185 nun recht lehrreich, zu sehen, daß hier tatsächlich eine relativ späte Teilung ursprünglich ganz normaler Organanlagen die Verdoppelung herbeiführt. Sehr bemerkenswert erscheint mir unser Fall ferner durch das verschiedene Verhalten der durch Teilung auseinander hervor- gegangenen Organanlagen. Während das eine Teilprodukt sich zu einer Milchzitze ausgestaltet, wird das andere zu einem Sinushaar. Bewiese es nicht die Entwicklung, so würde man schwerlich dazu neigen, die genetische Zusammengehörigkeit scheinbar so ganz ver- schiedener Bildungen anzuerkennen. Immerhin kommt ähnliches, wenngleich nicht in so extremem Maße, auch anderweit vor, und zwar ist es wieder das Gebiet der Teratologie, das die Analogien darbietet. So hat z. B. Prrrznzr!) beschrieben, daß in Fällen von Verdoppelung der 5. Zehe beim Menschen die beiden Zwillings- zehen nicht identisch sind, sondern daß nur der fibulare Zwilling die für den aufrechtgehenden Menschen spezifische Gestalt der 5. Zehe — sogar in gesteigertem Grade — erhält, der tibiale Zwilling dagegen eine Form, die für die binnenständigen Zehen charakteristisch ist. Es ergibt sich also bereits aus dieser Beob- achtung, was sich noch deutlicher durch die Erscheinungen bei der Superregeneration hat bestätigen lassen, daß nämlich die beiden Produkte einer Organverdoppelung nach verschiedenem Plane gebaut sein können. | Die Bedeutung unseres Falles liegt aber nicht bloß in dem verschiedenen Verhalten der genetisch zusammengehörigen Organ- anlagen, sondern vor allem auch darin, daß die eine von ihnen bei ihrer Entwicklung auf einen stammesgeschichtlich älteren Zustand zurückgreift. Es ist ja eine vieldiskutierte Frage, inwie- weit bei Regenerationsvorgängen oder bei Mißbildungen Atavismen vorkommen, und ich teile durchaus die Skepsis derjenigen Autoren, die gegen die meisten der bisher als Belege dafür angeführten Bei- spiele schwerwiegende Bedenken erheben?2). Beim Eichhörnchen scheinen mir die Verhältnisse jedoch eine andere Erklärung nicht zuzulassen. Einfache Hemmungsbildungen, die, ohne einen Rück- ‘ schlag zu bedeuten, sehr natürlicherweise an Vorfahrenzustände er- innern können, liegen nicht vor; im Gegenteil, die Sinushaare be- 1) W. PFITZNER, Beiträge zur Kenntnis der Mißbildungen des mensch- lichen Extremitätenskeletts. IX. Ein Fall von beiderseitiger Verdoppelung der 5. Zehe. Zeitschr. f. Morph. u. Anthrop. 4. Bd. 1902. p. 380—393. 2) Vgl. besonders TH. H. MORGAN, Regeneration. Übers. von M. Mosz- kowski. 1907. p. 291—29. | 186 deuten in gewisser Beziehung sogar einen Fortschritt gegeniiber den phylogenetisch ursprünglich vorhandenen Mammarhaaren. Ebenso- wenig können die aus Teilen der Zitzenanlagen p und a, hervorge- gangenen Sinushaare x und a als völlig neue, dem Mammarapparat genetisch fremde und etwa nur zufällig in topographische Beziehungen zu ihm getretene Bildungen angesehen werden; denn es entwickeln sich gleiche Sinushaare auch aus den hyperthelialen Anlagen, die durch ihre Herkunft aus der Milchlinie selbst den unmittelbaren Beweis für ihre Zugehörigkeit zum Mammarapparat erbringen. So ergeben sich aus der Analyse der beim Eichhörnchen beob- achteten Organverdoppelung und ihrer formalen Genese allerhand Gesichtspunkte, die dem Falle ein, wie mir scheint, allgemeineres Interesse verleihen, um so mehr, da das Zustandekommen solcher Verdoppelungserscheinungen bei Säugetieren mit ihrer intrauterinen Entwicklung einer experimentellen Prüfung einstweilen nicht zu- gänglich ist. | | Diskussion: Frl. Dr. Hamsureer (Heidelberg). Herr Prof. BressLav. Tafelerklärung. Fig. 2, 4, 5, 6. Embryonen von Sciurus vulgaris in linker Seitenansicht, nach photo- graphischen Aufnahmen bei 7- (Fig. 2), 6- (Fig. 4) und 5facher Vergrößerung (Fig. 5, 6). Die Photogramme wurden bei der Reproduktion um °/,, verkleinert. Bei allen 4 Embryonen ist die Anlage der vorderen Extremität abgeschnitten, in Fig. 6 auch die der Hinterextremität. — Fig.2. Embryo 8,5mm Scheitelsteißlänge; einfache Milchlinie; der pektorale Milchhügel (p) schon deutlich gesondert, die Anschwellung kaudal davon entspricht der ersten abdominalen Mammaranlage. — Fig. 4. Embryo 10,5 mm. Teilung des. pektoralen und des ersten ab- dominalen Milchhügels in die Anlagen p undr, a, unda. a,, die zweite abdominale Mammar- anlage; zwischen p und a, eine überzählige Anlage (*). — Fig.5. Embryo 11 mm. Teilung der beiden vorderen Mammaranlagen weiter vorgeschritten. — Fig. 6. Embryo 16 mm. Ver- doppelung beendet. Bezeichnung wie in Fig. 4. — Fig. 8. Phascolarctos cinereus. Beuteljunges 235 mm Rückenlänge. Innenansicht des aufgeschnittenen und durch Auseinanderklappen der Beutelrander der Inspektion zugänglich gemachten Marsupiums. Aus den beiden Zitzen am Beutelgrunde ragen starke Haarbüschel hervor. Photogramm in 2,5 facher Vergrößerung, bei der Reproduktion auf °?/,, verkleinert. . Vierte Sitzung. Mittwoch, den 7. Juni, nachmittags 3—5'/, Uhr. Vortrag des Herrn Prof. O. Maas (München): Abgüsse rezenter Tiefseemedusen zum Vergleich mit Fossilien aus der Kreide. Eine Anzahl der Fossilien, die als Medusen gedeutet und beschrieben worden sind (Hascker 1866, v. Ammon 1883, 1908, Maas 1902, 1906), schließen sich in ihren Merkmalen sehr nahe an rezente Formen an. Eine Muskulatur der Subumbrella, in Fiederarkaden angeordnet, wie ich sie bei einem Fossil aus dem Solenhofer Schiefer beschreiben konnte (1902), findet sich z. B. ganz charakteristisch 7 Fig. 2 Yee, ins oe E. Bresslau phot. ‘187 bei einer bestimmten Gruppe der heute lebenden Rhizostomen wieder („Arcadomyaria“ Maas, 1903); andere der Solenhofer Formen lassen sich, wie ich früher erörtert habe, ebenso zwanglos in eine rezente Rhizostomengruppe einordnen, ohne daß es nötig wäre, für sie eine eigene Gruppe fossiler Acraspeden zu gründen (1902 p. 317). Noch weniger ist dies für einige Formen aus der Kreide notwendig, die ich generisch für sehr nahe der rezenten Tiefseegattung Atolla halte, und darum als Atollites beschrieb (l. e. p. 319), und für eine andere Solenhofer Form (Paraphyllites Maas 1906), die sich ebenfalls an eine rezente Gattung aus der Tiefe (Paraphyllina s. Maas 1903) eng anschließen läßt. Die Pie: 1. Fig. 2. Atollites Zitteli Maas. Atollites minor Maas. Fossile Meduse aus der Kreide. Fossile Meduse aus der Kreide. Lappung des Schirmrands, die radiäre Einteilung der ganzen Scheibe, die Stellung der Tentakel sind jeweils auffällig ähnlich. Auch ist die Möglichkeit der fossilen Erhaltung solcher Medusen auf mehrere Weise denkbar, sowohl durch Abdruck der gallertigen Scheibe im feinen Ufersand und durch spätere Ausfüllung dieses Raumes mit einem „Gegenabdruck“ von erhärtendem Schlamm, als auch (bei den festeren Scheiben) durch Selbstfossilisation nach Bedeckung, die dann mindestens nach einer Seite einen „Gegenabdruck“ bilden könnte, oder sich, wenn die Bedeckung zu ungleich und locker ist, für sich selbst als „Positiv“ erhielte. 188 Bei den früher erwähnten Rhizostomen-ähnlichen Formen habe ich meine Ansicht in gewisser Weise zu „erhärten“ gesucht, indem ich rezente, von mir zu diesem Zweck präparierte Medusen in Gips ab- drückte (s. 1902, p. 316, Taf. XXII, Fig. 2, 3, 4). Es zeigte sich dabei nicht nur die weitgehende Ähnlichkeit der abgedrückten rezenten Medusen mit den Solenhofer Fossilien, sondern es ergab sich für einige Teile der fossilen Scheibe auch eine viel bestimmtere und zum Teil von der bisherigen abweichende Deutung. Es war daher schon länger mein Wunsch, für die andere Fossiliengruppe, die aus der Kreide der Karpathen, das gleiche Analogon einer Versteinerung durch Abdruck der rezenten Atolla usw. zu versuchen. Da es sich aber bei letzteren um Tiefseeformen handelt, die bis jetzt nur durch die Fig. 3. Seitenansicht einer rezenten Tiefseemeduse (Atolla Bairdi Fks.) nach Maas 1904. ex = Exumbrella. pedt = Tentacularpedalien. fos = Ringfurche. pedrh = Rhopalarpedalien. g = Magen. t = Tentakel. größeren Expeditionen bekannt sind (Challenger, Albatroß, National, Valdivia, Princesse Alice u. a.), so war das Material verhältnismäßig selten und zu kostbar, um es auf solche Weise einzugipsen. Die beiden letzten wissenschaftlichen Kampagnen des Fürsten von Monaco haben jedoch eine solche Menge von Atolla- und Periphylla- Exemplaren in allen Größen- und Erhaltungsstufen gebracht, daß ich bei der Bearbeitung des Materials einige Stücke unbedenklich zu dem genannten Zweck verbrauchen durfte; natürlich nicht die best erhaltenen, sondern solche, an denen Gewebsteile etwas ab- geschülfert und der Gallertschirm auch auf der Subumbrella etwas bloßgelegt war. Dies hat aber für die Nachahmung eher Vorteile; denn erstens geht ja auch der natürliche Prozeß des Abdrückens und der Versteinerung an solchem Material mit sich ablösenden und verwesenden Weichteilen vor sich, sei es am Strand oder Meeres- grund, und zweitens drückt sich ein bloßer Gallertschirm viel besser ab, als ein mit den Magenhäuten, der Schirmmuskulatur usw. ver- 189 sehener; dies zeigt sich schon darin, daß die Abdrücke der Ober- (Exumbrellar-) Seite, auf der überhaupt keine Organe liegen, ein viel schärferes Bild liefern, als die der Unter- (Subumbrellar-) Seite (s. u. Fig. 4-9). Die Abgüsse wurden nach meinen Angaben von Herrn Präparator REITER im geolog.-paläontologischen Institut hier hergestellt; Herrn Prof. RoTHPLeTzZ und den übrigen Herrn des Instituts möchte ich auch an dieser Stelle meinen Dank für ihre Gastlichkeit aussprechen. Es wurden Exemplare von Atolla und Periphylia benutzt und je nach der größeren oder geringeren Härte der konservierten Scheiben Gips oder weiches Paraffin (Stearin) zum Abdrücken genommen. Im ersten Fall wird die Meduse in den Gips eingesenkt, gerade wenn er anfängt anzuziehen. Sobald er erhärtet, wird die zweite Fig. 4. Fig. 5. Abgüsse zweier Exemplare von Atolla Bairdii Fewkes von oben (Exumbrella). Schicht Gips auf die Meduse gelegt; sobald auch dieser zweite Belag erhärtet ist, wird die Meduse herausgenommen, und in den verbleibenden Hohlraum wieder Gips gegossen. Nachher sind die ersten Gipslagen (Form) herunterzuschneiden und der verbleibende gut ausgetrocknete Abguß mit heißem Stearin zu durchtränken. Im zweiten Fall, wenn die Meduse leicht zusammenklappt, wird Stearin genommen, das auf dem Wasserbad flüssig gemacht ist, die Meduse eingesenkt und so lange an Drähtchen in der ge-. wünschten flach ausgebreiteten Lage gehalten, bis das Stearin um sie herum zu erstarren beginnt. Nach vollständigem Erstarren wird auf der Unterseite so viel Stearin abgeschnitten, daß die Meduse gerade zum Vorschein kommt, und dann diese mit einer Pinzette herausgezogen; hierauf der so eröffnete Hohlraum mit Gips aus- gegossen und nach dessen Erhärten das Stearin heruntergeschmolzen. An Stelle der Demonstration der so erhaltenen Fossilienimitationen 190 kann hier auf die Abbildungen verwiesen werden. Früher wurde versucht, den Vergleich der rezenten Atolla (Fig. 3) mit den Kreide- fossilien (Fig. 1 und 2) auch in Einzelheiten durchzuführen, und deren Ringfurche, die Tentakular- und die Rhopalarpedalien, die die Exum- brella so charakteristisch machen (s. Fig. 3) auch am Fossil wieder zu finden. Der Abdruck von Ringfurche und radiärem Lappen resp. Pedalien zeigt sich auch am Kunstprodukt sehr deutlich (s. Fig. 4 und 5), und an einem Exemplar (Fig. 5) besser noch wie am andern, so daß da auch die interkalierte Stellung von Rhopalar- und Tentacularpedalien deutlich hervortritt. Die Oberseite (Exumbrella) gibt ein den Fossilien noch viel ähnlicheres Bild (vgl. Fig. 5 und 8 mit Fig. 1) als die Unterseite (Subumbrella); diese zeigt in ihren Weich- teilen (Gonaden, Magen, Muskulatur) Strukturen, die am Kunst- Fig. 6. Hig. We Abgüsse zweier Exemplare von Atolla Bairdii Fewkes von unten (Subumbrella). produkt schon etwas undeutlicher sind als die markante Radiär- teilung der Exumbrella, und die auch leichter verfallen und schon darum weniger erhaltungsfähig sein werden, wie hier die härtere und inkrustierbare „Gallerte“. Eine noch größere Ähnlichkeit zeigt ein Abguß von Periphylla (der im allgemeinen schwerer herzustellen ist wegen der hohen Schirmform) mit dem Fossil (vgl. Fig. 8 mit Fig. 1). Auch hier ist die Exumbrella viel deutlicher geworden. Bei Fossilien mögen analogerweise solche Subumbrellardrucke ganz unkenntlich und darum übersehen sein, oder nur dann hervortreten, wenn die radiären Teile der Exumbrella resp. des Schirmrands um- gekehrt nach innen gekrümmt sind, durch Kontraktion des Schirm- randes. Vielleicht ist etwas derartiges bei dem als andere Art beschriebenen Fossil der Fall, das in Fig. 2 abgebildet ist. Zu warnen ist immerhin .davor, bei solchen Bildungen etwas als Art- unterschied zu deuten, was durch den Erhaltungszustand bedingt 191 sein könnte; doch kommen bei den erwähnten von mir beschriebenen fossilen Arten A. Zittelv und A. minor noch andere Unterscheidungen hinzu. Ebenso ist das von Zuser (1910) beschriebene Fossil meiner Anschauung sowohl generisch hierher gehörig als spezifisch besonders. Daß man nicht ohne weiteres derartig ähnliche Radiärstrukturen auf Medusen beziehen kann, wenn nicht noch andere Struktur- anzeichen dazu kommen, ist selbstverständlich. Eine mir von anderer Seite geschickte Zeichnung eines Kreidefossils, die beweisen sollte, daß die Zuger’sche Form keine Meduse sei, war allerdings der einfachen Zeichnung nach nicht von einer Meduse, aber auch nicht von Atollites. An deren Quallennatur glaube ich auf Grund der früher erörterten Anzeichen wie der vorstehenden Abdrücke festhalten zu dürfen. Fig. 8. Fig. 9. Abguß eines Periphylla-Exemplars von oben und unten, Literatur. 1865. Haeckel, E. Über fossile Medusen. Zeitschr. wiss. Z. Bd. XV. 1866. — Über zwei neue fossile Medusen aus der Familie der Rhizostomiden. Bronns Neues Jahrb. für Mineral., Geol. 1870. — Uber die fossilen Medusen der Jurazeit. Zeitschr. wiss. Z. Bd. XIX. 1879. — Das System der Medusen (mit Atlas). Jena. 1883. Ammon, L. von. Über neue Exemplare von jurassischen Medusen. Abh. Bayr. Akad.Wissensch. Math.-phys.Classe. Bd.XV. 1902. Maas, O. Über Medusen aus dem Solenhofer Schiefer und der unteren Kreide der Karpathen. Palaeontographica. Bd. 48. 1903. — Die Scyphomedusen der Sibogaexpedition. Siboga-Expeditie. Monogr. XI. Leyden. 1904. — Meduses provenant des Campagnes des Yachts Hirondelle et Princesse Alice (1886—1903). Res. Campagn. Sc. Monaco. Fasc. 28. 1906. — Über eine neue Medusengattung aus dem lithographischen Schiefer. N. Jahrb. Min. Geol. Pal. 2. Hälfte. 192 1907. — Die Scyphomedusen in: Ergebn. und Fortschr. d. Zoologie. Jena. 1 Bd. 1908. Ammon, L. v. Uber eine coronate Qualle (Ephyropsites wurassicus) aus dem Kalkschiefer. Geogr. Jahrb. 19. Jahrg. 1910. Zuber, R. Eine fossile Meduse aus dem Kreideflysch der ostgalizischen Karpathen. Verh. k. k. geolog. Reichsanstalt. Vortrag des Herrn Prof. STUDER (Bern) über: Eine neue Equidenform aus dem Obermiocän von Samos, (Mit Lichtbildern.) Das Naturhistorische Museum in Bern erhielt eine größere Sendung von Säugetierknochen aus den obermiocänen Ablagerungen von Samos. Es sind teils ganze Schädel, teils Zahnreihen, Horn- zapfen, zahlreiche lange Knochen, meist zerbrochen. Dieselben sind zum Teil eingebettet in einen grobkérnigen weißen Kalk, weich und erdig, in dem auch Körner von schwarzem vulkanischem Material eingesprengt sind. SCHLOSSER (Die fossilen Cavicornia von Samos. Beiträge z. Paläont. und Geolog. Österreich-Ungarns und des Orients. Bd. XVII. 1904) erwähnt dieses Kalkes als der mächtigsten und an Säugetierresten reichsten Schicht in Samos. Bis jetzt ließen sich nach vorläufiger Bestimmung folgende Arten erkennen: Machairodus sp., Hyaena exvmia Roth und Wagn., Hyaena sp., Jctitherium hipparionum Gerv., J. robustum Nordm., Rhinoceros (Ceratorhinus) Schlevermacheri Kaup., Rh. (Atelodus) pachygnathus Wagn., Hipparion 4 species, darunter H. mediterraneum Hens., eine sehr kleine Art, die als H. minus Pavlow bezeichnet werden kann, eine große und die unten ausführlicher zu behandelnde Art, die vorläufig als A. proboscideum n. sp. bezeichnet wird, Sus erymanthius Wagn., Tragoceros amaltheus var. parvidens Schloß, Palaeoryx affin. Mayori Schloß, Palaeoryx affin. Stützeli Schloß, Pseudotragus sp., Palaeotragus sp., Protoryx sp. Gazella gaudryi Schloß, Gazella sp., Helladotherium Zähne und zahlreiche Metacarpen und Metatarsen. An Zahl vorherrschend sind die Reste von Hipparion mit Schädeln, Zahnreihen, Fußknochen sowohl von ausgewachsenen Tieren, als von Füllen. Unter diesen fiel vor allem ein Schädel auf, der einem Tier von Zebragröße angehört und durch eine Reihe Eigentümlichkeiten sich von dem des H. mediterraneum so weit unterscheidet, daß dafür 193 die Aufstellung einer neuen Art vollberechtigt erscheint. Da sich daneben nahezu vollständige Schädel von H. mediterranewm vor- fanden, so war die unmittelbare Vergleichung beider Arten gegeben. Der Schädel ist bis auf die Hinterhauptregion vollständig erhalten, ebenso ein ganzer Unterkiefer, von Füllen sind zwei erhaltene Gesichtsschädel da. Der Schädel unterscheidet sich von dem des H. mediterraneum vor allem durch den- stark verlängerten Inter- nee Nie. i Schädel von Hipparion proboscideum n. sp. Samos. Rig. 2. Schädel von Hipparion mediterraneum Heus. Seitenansicht. Samos. maxillarteil, demzufolge eine ungemeine Verlängerung des knöchernen Naseneinganges statt hat, dessen Hinterrand bis in die Linie vor dem Vorderrand des ersten Molar reicht, während sie bei H. medi- terraneum nur dem Vorderrand des vordersten Prämolar entspricht. Die Nasenbeine sind breit und wie bei H. mediterraneum flach, leider nur in ihrem Anfangsteil erhalten. Hinter ihrem Ansatz _ erscheint die breite Stirn transversal gewölbt, die seitlichen Augen- öffnungen sind dadurch nach unten gedrängt, ihre Ränder bilden Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1911. 13 194 ein langes Oval, die Länge der Orbita verhält sich zur Höhe wie 57 zu 38 mm —=1:0,67. Ihr hinterer Rand springt tber den Vorderrand, der Unterrand über den Oberrand vor, so daß die Augenebene etwas nach oben und vorn gerichtet ist. Bei H. medi- terraneum liegt das Auge weniger tief, die Linge der Orbita ist nur wenig bedeutender, als die Höhe oder gleich, bei dem Samos- exemplar ist die Orbita so lang wie hoch. Vor der Augenhöhle getrennt vom Vorderrand der Orbita durch eine 18 mm breite Fläche, die vom Lacrymale und Jugale gebildet wird, senkt sich in die Seitenwand des Schädels eine tiefe, größten- teils vom Oberkiefer gebildete Grube ein, die breit oval ist und bis in die Gegend des letzten Prämolar reicht. Ihr hinterer Rand springt in den Grubengrund vor, der sich nach hinten sackartig verlängert, In ihn senkt sich das Lacrymale und das Zygomaticum ein. Der untere scharf vorspringende Rand wird von der crista facialis gebildet, welche sich wulstartig nach vorn fortsetzt, nach vorn bildet die Begrenzung eine schräg von oben und hinten nach vorn und unten verlaufende Leiste, die sie von einer zweiten im Ober- kiefer verlaufenden Grube trennt. An ihrem hinteren Rand tritt das Foramen infraorbitale aus. Die Decke wird vom Oberkiefer gebildet. Die Form der Grubenöfinung ist unregelmäßig oval, nach vorn und unten verbreitert, die Länge beträgt 91 mm. Der Durch- messer der Öffnung ist vorn 42, hinten 27 mm. Vor der schrägen Leiste liegt eine zweite, flache Grube, die bis zum vorderen Rand der Wurzel vom vordersten Prämolar reicht. Das Dach derselben bildet der vorspringende Rand des Nasen-. zwischenkieferfortsatzes, die Einsenkung geht von der Seitenwand des Oberkiefers aus über den Wurzelenden der zwei vorderen Molaren. Die Länge beträgt 79 mm, die Höhe des Randes 38 mm. Eine seitliche, als Tränengrube (Larmier Gaudry) bezeichnete Grube kommt auch bei Hipparion mediterraneum vor. Dieselbe unter- scheidet sich aber in mehrfacher Beziehung. Erstens ist ihr hinterer Rand weiter vom Augenrand entfernt, bei einem 7. von Pikermi messe ich 54 mm, bei dem von Samos 42 mm, ferner liegt ihr unterer Rand hoch über der Crista facialis 40—42 mm, sie reicht bis in die Gegend des letzten Prämolar, auch hier liegt das Foramen infraorbitale hinter ihrem vorderen Rand. Eine scharf begrenzte vordere Grube fehlt. Das Gebiß stimmt in seiner Struktur mit A. mediterraneum überein, die Schneidezähne sind so gekrümmt, daß die Reibfläche parallel der Gaumenfliche zu liegen kommt. Die Eckzähne sind 195 stark entwickelt, während bei Zguus caballus die Länge der Prä- molaren der der Molaren nahezu gleich ist, verschiebt sich schon beim Zebra das Verhältnis zugunsten der Prämolaren, ebenso bei Hipparion. So verhalten sich die Molaren zu den Prämolaren bei E. chapmannı wie 81,7:100, bei Hipparion mediterraneum wie 83:100 an der Form von Samos, 83,5 :100 bei der von Pikermi, bei einem anderen Exemplar 80:100. Bei AH. probosceideum ist das Verhältnis wie 76,7:100. Es sind also hier die Prämolaren viel bedeutender entwickelt, als die Molaren, von denen der letzte nur 21 mm lang ist auf 17 mm Breite. Die Zahnsäulen sind stark nach \\ Fig. 3. Hipparion proboscideum. Gebiß. innen gekrümmt, da das Maxillare über den Alveolen sich zu den Gesichtsgruben einsenkt und sich von da stark nach außen wölbt, dieser Wölbung folgen die Alveolen und damit die Zahnsäulen. Damit hängt zusammen, daß der Alveolarteil des Kiefers niedrig ist. Die Höhe des Alveolarteils von der Crista facialis zum Kieferrand beträgt nur 27 mm, während sie bei dem kleineren H. mediterraneum 30 mm beträgt. Was die feinere Struktur der Kauflächen betrifft, so kann man sagen, dab im allgemeinen die Fältelung des Schmelzbleches an der Prä- und Postfacette viel komplizierter ist, als. bei A. medi- terraneum der mittlere Innenpfeiler (Protoconus) in sagittaler Richtung mehr verlängert ist, daß ferner die Kronen der zwei 13* 196 hinteren Prämolaren etwas länger als breit, bei H. mediterraneum quadratisch sind. Am Milchgebiß verbindet sich bei 7. mediterraneum an stark abgenutzten Zähnen der mittlere Innenpfeiler (Protoconus) mit dem vorderen Halbmond und der Zahn nimmt dadurch den Charakter von Equus an, während er bei H. proboscideum bis auf den Grund des Zahnes getrennt bleibt. Am Unterkiefer fällt die Länge des zahnlosen Ladenteils auf, die ¥4 mm beträgt, gegenüber 50 mm bei A. mediterraneum; die Fig. 4. Metatarsen. Samos. Von oben nach unten a H. proboscideum n. sp. b H. gracile Hens. ec H. minus Pavlow. Breite des Ladenteils hinter dem Incisivléffel ist bloß 28 mm, bei H. mediterraneum 42 mm. Die Länge der Symphyse ist bei beiden annähernd gleich, 75 und 74 mm. Vom übrigen Skelett sind nur Metatarsen und Metacarpen gut und zum Teil vollständig erhalten, am häufigsten die Metatarsen zum Teil mit selbständigen seitlichen Metapodien, ferner zahl- reiche Astragali. Unter den am besten erhaltenen Metatarsen lassen sich drei Typen unterscheiden: 1. Ein langer, ziemlich breiter Knochen, mit dicken Gelenk- enden. Länge 263 mm. Durchmesser in der Mitte 29 mm. Durchmesser des proximalen Gelenkteils 38 mm. Durch- messer des distalen 36 mm. 197 2. Der Knochen ist sehr schlank und gracil. Länge 268 mm. Durchmesser in der Mitte 24 mm. Proximaler Gelenkteil 38 mm. Distaler Gelenkteil 35 mm. 3. Ein feiner, schlanker Knochen, leider in keinem Falle voll- ständig erhalten. Durchmesser in der Mitte 19,5 mm. Distales Gelenkende 27 mm. Bei allen sind die seitlichen Metapodien voll entwickelt, am stärksten bei i. | | Das Verhältnis von Querdurchmesser zur Länge beträgt bei 1: 41,.1::.200;--bei | 2:, 8,8: 100. Gaupry (Anim. foss. de l’Attique) findet bei den Aipparion von Pikermi Maße, die sich in weiten Grenzen bewegen, doch erreichen bei ihm die Metatarsen im Maximum nur eine Länge von 260 mm. Die Verhältnisse zwischen Länge des Knochens und Querdurchmesser schwanken bei ihm zwischen 8,3 bis 14,5. _ Im allgemeinen scheinen die Mipparion von Samos schlanker und hochbeiniger als die von Pikermi gewesen zu sein. Ich möchte aus Gründen, die sich aus den zu erörternden biologischen Ver- hältnissen ergeben, die dickeren und kürzeren Knochen von 1. dem H. proboscideum, die schlanken, längeren 2. dem H. mediterraneum, die kleinen, die in Pikermi nicht repräsentiert zu sein scheinen, Al. minus zuschreiben. Fassen wir das Ganze zusammen, so sehen wir bei unserem Pferde keine Eigentümlichkeiten, welche es generisch von Hipparion trennen, dagegen berechtigen eine Reihe spezifischer Eigenschaften zur Aufstellung einer neuen Spezies. Mit Hipparıon hat es gemein das Zahnsystem, den isolierten Innenhöcker (Protoconus) an den oberen Prämolaren und Molaren, das Vorhandensein von drei Zehen, von denen die zwei äußeren als Afterzehen den Boden nicht berühren. Spezifische Eigentümlich- keiten sind: Das Vorhandensein zweier seitlicher Gruben am Ge- sichtsschädel, von der ich die hintere als Levatorgrube, die vordere als Depressorgrube bezeichnen möchte, die ovale Form der tief stehenden Orbita, die durch die transversal gewölbte Stirn nach unten gedrängt ist, das sehr lange Diastema und die verlängerten aufsteigenden Zwischenkiefernasenfortsätze, wodurch der knöchere Naseneingang ungemein vergrößert wird, so daß sein hinterer Rand in die Linie des ersten Molar fällt. Am Gebiß das starke Über- wiegen der Prämolaren über die Molaren, die starke Ausbildung des Hypoconus an den oberen Molaren, im Milchgebiß die bis zur Basis gehende Isolierung des Innenhöckers (Protoconus). 198 Wenn wir nach ähnlich gebildeten Equidenschädeln uns um- sehen, so fällt zunächst die große Ähnlichkeit unsres Objektes mit dem Schädel von Onohippidium aus der Pampasformation von Süd- amerika auf. Moreno (Revist. del Museo de la Plata, T. II. 1891, pag. 65) begründete die Gattung gegenüber dem nächstverwandten Hippidion darauf, daß zwei tiefe Gesichtsgruben vorkommen, von denen die erste vor dem Auge als Tränengrube bezeichnet wird, während die zweite vom Maxillare gebildet und von der ersten durch eine Leiste getrennt wird. Gebiß und die übrigen Skelett- teile stimmen so sehr mit Zippidion überein, daß Burmkzıster die Gattung nicht anerkennen will, sondern Onohippidium Muniezi Mor. nur als Art von Hippidion betrachtet haben will. Vergleicht man den Schädel unseres Hipparion proboscideum mit dem von Ono- hippidium, so ist die Übereinstimmung auf den ersten Blick sehr Fig. 5. Schädel von Onohippidium saldiasi Mor. Pampasformation Argentiniens. frappant. Bei beiden ist der Gesichtsteil vor den Backzähnen verlängert und schmal, die Stirn transversal gewölbt, das Auge nach unten verschoben und die Orbita langoval. Bei beiden die Nasalapertur außerordentlich verlängert. Vor dem Auge ist der Gesichtschidel bei beiden zu einer tiefen Grube eingesenkt, deren hinteres Ende vom Hinterrand überwölbt wird und die bis über den oberen Augenrand reicht; vor dieser, durch eine Leiste getrennt, liegt eine zweite Grube über den Wurzeln von Pm. 2 und 3 und endlich eine Vertiefung des Kiefers in der Gegend des Diastemas. Bei genauer Betrachtung zeigen sich allerdings auch in diesen Differenzierungen Unterschiede So reicht bei Onohippidium die Nasenapertur bis zum Hinterrand der Grube und zum Niveau des vorderen Augenrandes, bei A. proboscideum nur bis zum vorderen Ende der Grube. Der untere Rand der Grube ist bei Onohippidium — noch weit von der Crista facialis getrennt, bei H. proboseideum wird er von derselben gebildet. Onohippidium schließt sich durch Bez ne NT Size 209 sein Gebiß und das Fußskelett direkt an Aıppidium an, es tritt ge- wissermaßen als letzte Phase dieser Gruppe im jüngeren Pliocän der Pampasformation auf und reicht wahrscheinlich tief in das Pleistocän, A. proboscidewm ist ein Hipparion und gehört in das Obermiocin Europas. Es handelt sich also hier um eine Konvergenz von Charakteren bei verschiedenen Stämmen, die aber bei beiden denselben Anpassungsbedürfnissen ihren Ursprung verdanken muß. Gesichtsgruben finden sich in dem Pferdestamm der Hippoidea ungemein häufig. Bereits Mesohippus aus dem Oligocin (White River) Nord-Amerikas hat eine präorbitale Grube, sie findet sich wieder bei mehreren Arten der Gattung Merychhippus und Protohippus. Hipparion gracile und mediterraneum besitzen eine sehr ausgesprochene, ebenso nach Pırarım Aippodactylus COhisholmi aus dem unteren Siwalik. Bei Aippidiwm scheint nach den schönen Abbildungen Burmersrers wenigstens bei A. neogaeum eine Präorbitalgrube vorzukommen. Er sagt, die Seiten des Gesichts vor den Augen sind stärker vertieft als beim lebenden Pferd und bilden hier eine förmliche Grube und drängen dadurch den Alveolarrand des Oberkiefers mehr hervor, wie das auch bei anderen fossilen Pferden vorkommt, z. B. bei Hipparion und Anchitherium. Von verschiedenen Forschern, so GAupry und anderen, werden diese Gruben als Tränengruben (Larmier) bezeichnet, sie unter- scheiden sich aber doch wesentlich von den eigentlichen Tränen- gruben der Hirsche, Schafe und vieler Antilopen, wie Cephalophus Grimmia, Bubalis u. a., die für die Unterbringung einer Maxillar- drüse bestimmt sind. In allen Fällen liegt dort das Foramen infra- maxillare weit von der Grube entfernt und die Grube liegt weiter oben am inneren Augenwinkel. Dagegen finden sich Gruben, welche denen der Hippoiden ähnlicher sind, bei rüsseltragenden Tieren. Hier _bieten sie eine Vergrößerung der Ansatzflächen für die Rüsselmuskeln, speziell den M. levator proboscidis und den depressor. Sre#rın hat (Geschichte des Suidengeb. S. Palaeont. Gesellsch. Vol. XXVI, 1899, p. 355) diese Gruben beim Schwein in ihrer Beziehung zur Muskulatur genauer geschildert. Er nennt die dem Auge näher gelegene Grube Levatorgrube, weil in ihr sich der Levator proboscidis ansetzt, während eine davor und darunter gelegene Grube als Depressor- grube, bestimmt für den entsprechenden Muskel, bezeichnet wird. Ähnliche Bedeutung schreibt Srsuum der präorbitalen Grube von Dacrytherium zu. 200 Beim Pferd kommen als Muskeln, die an den Schädelknochen ihren Ursprung haben und die Gegend der Nase und: der Lippen bewegen, hauptsächlich folgende in Betracht: Der Levator nasolabialis, welcher von der Stirnfläche entspringt und zu den Lippen und den Seiten der Nase zieht, der Levator labii superioris proprius, der auf der Fläche vor dem Auge über der Crista maxillaris am Oberkiefer sich ansetzt, und zwar an der Stelle, welche der sog. Präorbitalgrube bei Aipparion und Ono- hippidvum entspricht, er ist morphologisch identisch mit dem Levator proboscidis beim Schwein, dem Tapir und Elefanten. Der M. pyramidalis sive caninus entspringt an der Maxilla, nasal von der Jochleiste, tiefer als der Levator, beim Schwein teilt sich der Muskel, ein Teil bildet den Depressor proboscidis. Seinem Ansatzpunkt dürfte die Grube vor der Levatorgrube bei H. proboscideum entsprechen. | Die Vergrößerung der Insertionsfläche des Muskels muß aber durch eine bedeutende Verstärkung desselben veranlaßt sein und diese wieder durch eine Vergrößerung des Organs, an das er sich ansetzt. Nehmen wir nun dazu die außerordentliche Vergrößerung der Nasenapertur nach hinten, so liegt der Gedanke nahe, die Muskeln hätten einen Rüssel bewegt, in den sich die Nase des Tieres verlängerte, und ich möchte daher die Vermutung aufstellen, dab sowohl bei Onohippidium als bei H. proboscideum die eigen- tümliche Umgestaltung des Schädels bedingt war durch die Ent- wicklung eines Rüssels, der vielleicht bei den mit Präorbitalgrube versehenen Vorfahren schon in geringer Entwicklung vorhanden war. Daß aber die anologe Umgestaltung bei zwei weit vonein- ander entfernten Formen zum Ausdruck kam, dürfte seinen Grund darin haben, daß schon früher bei den ältesten Hippoiden eine Tendenz zur Rüsselbildung bestand. Bei Mesohippus findet sich schon eine tiefe Präorbitalgrube und Andeutungen lassen sich schon bei Ayracotherium und Eohippus erkennen. Bei Palaeotherium kommt die Riisselbildung ganz zum Ausdruck und so ist die Convergenz der beiden Typen als Ausdruck gemeinsamer Vererbung aufzufassen. Vortrag des Herrn Dr. V. Franz (Frankfurt a. M.): Vom Kleinhirn. (Nach Studien an Knochenfischen.) Die Sichtung eines großen Materials an Teleostiergehirnen ergab zunächst viele neue Beispiele für den ursprünglich von a er »" FR gee. ee FED. aa her 201 Epincer festgestellten Parallelismus zwischen Kleinhirngröße und Stärke der locomotorischen Tätigkeit bei Tieren. Hierüber wurde im vorigen Jahre in Graz!) vorgetragen; weitere Tatsachen, die dasselbe lehren, sollen an anderer Stelle zur Sprache gelangen?). Diese Befunde stimmen auch recht gut zu den Ansichten, die in der menschlichen Hirnphysiologie über die Bedeutung des Klein- hirns bestehen; denn mag man mit Luctant annehmen, das Klein- hirn übe auf die Tätigkeit der gesamten willkürlichen Körper- muskulatur einen verstärkenden und regulierenden Einfluß aus, oder mag man. in Anlehnung an Munk einen solchen Einfluß nur bei der Erhaltung der Gleichgewichtslage annehmen — in jedem Falle würde die Bedeutung des Kleinhirns im allgemeinen eine um so größere sein, je stärker eine Tierart locomotorisch tätig ist. Es liegen nun aber auch Tatsachen vor, woraus zu entnehmen ist, daß, bei Fischen wenigstens, die Funktionen des Kleinhirns mit obigem noch nicht erschöpft sind. Es gibt nämlich einige Kleinhirne, die bei ihrer erheblichen Größe zu den geringen Locomotionen ihrer Träger in keinem Ver- hältnis stehen. Dies kann man wohl schon von einigen Cypriniden (z. B. Barbus) sagen; Gustav Frirscu hat es schon für die äußerst trägen Rochen betont, deren Kleinhirn größer sein soll als das der viel freier beweglichen Haie; ein besonders interessantes Beispiel endlich sind die Mormyriden, eine in vielfacher Hinsicht hochgradig aberrant ausgebildete Knochenfischfamilie, die afrikanische Flüsse bewohnt und deren Gehirn vielleicht als das merkwürdigste unter allen Tiergehirnen gelten kann. In diesem Gehirn ist nämlich das Kleinhirn so mächtig entwickelt, daß es alle übrigen Hirnteile überdeckt, mancherlei histologische Neubildungen aufweist und durch seine Größe und Eigenartigkeit eine Sonder- stellung unter den Kleinhirnen der Fische einnimmt, die in ihrer Art noch markanter hervortritt als die bekannte Sonderstellung, welche das Großhirn des Menschen unter den Großhirnen der Säuger einnimmt; und tatsächlich bestehen auch bei keinem Tiere, außer beim Menschen und einigen sehr leicht gebauten kleinen Affen und Vögeln, ähnliche Proportionen zwischen Gesamtgehirn und Körper- größe, wie bei den Mormyriden mit ihrem gewaltigen Kleinhirn. 1) V. FRANZ: Über Kleinhirn und statische Funktion bei dem plank- tonischen Fischlarven. Verhandl. Internat. Zool. Kongr. zu Graz 1910, zurzeit noch immer im Druck! ' 2) V. FRANZ: Das Kleinhirn der Knochenfische, Zool. Jahrb. Abt. f. Anat., zurzeit im Druck. 202 NB. Es werden mikroskopische Präparate vom Mormyridenhirn mit dem Projektionsapparat demonstriert. Die Mormyriden sind keineswegs sehr schnell bewegliche Tiere, und die Hypertrophie des Kleinhirns bei ihnen beruht wahrscheinlich (wie auch HERRICK annimmt) darauf, daß Fasern von dem End- kern des sensiblen Nervus facialis, der auch seinerseits bei den Mormyriden von ganz ungewöhnlicher Stärke ist und die Kopfhaut und besonders zahllose Papillen um den oft rüsselförmig verlängerten Mund der Fische innerviert, in ungewöhnlich großer Zahl ins Cerebellum einstrahlen. Auf diese Weise werden also dem Kleinhirn Eindrücke des Nervus facialis — wahrscheinlich Chemo- rezeptionen — gemeldet und im Kleinhirn vermutlich unermeß- lich fein teils miteinander, teils mit Eindrücken anderer Sinnes- nerven assoziiert). Ins Kleinhirn dringen nämlich „afferente“ Bahnen aus sehr verschiedenen Sinnesgebieten, und zwar nach dem jetzigen Stande der Kenntnisse die folgenden (bei den Teleostiern): 1. Ein Tractus tecto-cerebellaris, der dem Kleinhirn optische Eindrücke meldet. Er ist oft die stärkste unter allen Kleinhirnbahnen. 2. Ein Tractus vestibulo-cerebellaris, zum Teil vielleicht aus direkten Vestibularisfasern bestehend, zum größeren Teil sicher aus dem Nucleus vestibularis (Nucleus acusticus) kommend und dem Kleinhirn die Eindrücke des statischen Sinnesapparates ver- mittelnd, weshalb dieser Tractus an Stärke auch mit der Stärke der locomotorischen Tätigkeit parallel geht. 3. Ein Tractus laterali-cerebellaris, aus Fasern bestehend, die direkt von den Sinnesorganen der Seitenlinie ins Kleinhirn ziehen, also letzterem Eindrücke dieser Sinnesorgane auf direktestem Wege melden. Über die Funktionen dieser drei afferenten Kleinhirnbahnen kann kein Zweifel bestehen. 4. Kaum zweifelhaft scheint mir ferner, daß ein Tractus tegmento-cerebellaris Eindrücke vom Nervus facialis zuführt. Dies ist die Bahn, deren ich schon beim Mormyridenhirn gedachte. 5. Welche Funktion der Tractus diencephalo-cerebellaris haben mag, wissen wir nicht. Am ehesten kommen vielleicht Riechrezep- tionen als die durch diesen Tractus dem Kleinhirn zu vermittelnden in Frage. 1) V. FRANZ: Das Mormyridenhirn. Zool. Jahrb., Abt. f. Anat., zurzeit im Druck. | 203 6. Sehr ungewiß ist, ob wir einen weiteren nur bei Cypriniden, Siluriden und Mormyriden gefundenen Faserzug Tractus trigemino- cerebellaris zu nennen haben. 7. Ein nur bei wenigen Arten gefundener Tractus vago- cerebellaris muß wohl Eindrücke der Eingeweidenerven dem Klein- hirn melden. 8. Endlich ein Tractus spino-cerebellaris kündet dem Kleinhirn wahrscheinlich im wesentlichen Rezeptionen der Körperhaut via sensible Rückenmarkskernsäule an. Aus dem Kleinhirn kommen ,efferente“ Bahnen, die zu motorischen Kernen in der Haube ziehen, und von denen wahr- scheinlich jedes Fäserchen einem ganz bestimmten peripheren Bezirk zugehört. Die Aufgabe des Kleinhirns muß also darin bestehen, Ein- drücke aus den verschiedenen Sinnesgebieten zu assozi- ieren und die daraus resultierenden Impulse an die motorischen Kerne abzugeben. Welche Sinnesgebiete hierfür in Frage kommen, das ist zwar nach obigem noch in mancher Beziehung ungewiß — nur drei: optische, statische und Lateralis-Eindrücke (hydrodynamische) "konnten wir mit großer Gewißheit nennen —; da aber außer diesen dreien sicher noch eine Anzahl hinzukommen, die wir mit größerer oder geringerer Wahrscheinlichkeit nennen konnten, so scheint es be- rechtigt, vom Kleinhirn zu sagen, es sei wahrscheinlich ein Zentral- organ der verschiedensten Sinnesgebiete. Seine Impulse gehen nicht direkt irgendwelchen Effectoren zu, sondern nur indirekt, denn sie treffen zunächst nur auf motorische Kerne und können sich mithin nur zu den ohnedies von diesen Kernen ausgehenden Impulsen addieren. Das Kleinhirn — so scheint es — modifiziert oder reguliert also diejenigen Effekte, welche auch ohnedies, dann aber nur in plumperer Weise, stattfinden könnten. Es be- herrscht oder beaufsichtigt sie, es „spricht mit“!). Es ist das größte, universellste und übergeordnete Ganglion des Fisch- gehirns. 1) STEINER hat gefunden, daß die Kleinhirnresektion bei Fischen ziemlich symptomlos verläuft. Das entspricht durchaus dem, was man erwarten muß, wenn man bedenkt, daß wir bei Fischen verhältnismäßig viel gröber beobachten als beim Menschen. Selbst beim Menschen können größere Kleinhirndefeete symptom- los verlaufen. Daß wir bei Fischen in der richtigen Taxierung der Bewegungsmodi noch ungemein weit zurück sind, folgt am deutlichsten aus den Mormyriden. Denn 204 An diesem Punkte der Uberlegungen angelangt, miissen wir uns darüber klar werden, daß wir auch der Großhirnrinde der Säugetiere und Vögel eine andere Bedeutung und eine andere Aufgabe als die besagte nicht zuschreiben können, solange wir auf rein physiologischem Gebiet bleiben. Würde man nur das Groß- hirn des Menschen im Auge haben und ihm ein Fischcerebellum von Durchschnittsgröße gegenüberstellen, so könnte dieser Gedanke wenig einleuchtend erscheinen, und sicher leistet das Großhirn des Menschen quantitativ mehr. Nehmen wir dagegen als Beispiel die Hirnrinde eines Nagers oder eines Vogels und halten wir ihr gegen- über das Cerebellum z. B. eines Thynnus, Scomber oder gar eines Mormyriden, so ist in quantitativer Beziehung kein Unterschied mehr. In qualitativer Beziehung könnte nur dann ein Unterschied vorzuliegen scheinen, wenn man von der Annahme ausginge, das Bewußtsein, welches beim Menschen wenigstens hauptsächlich im Großhirn lokalisiert ist, könne auch bei anderen Tieren nur im Korrelat des Großhirns seinen „Sitz“ haben. Mir scheint viel eher annehmbar, das Bewußtsein erscheint beim menschlichen Gehirn nur deshalb auf die Großhirnrinde konzentriert, weil eben diese eine herrschende Stellung unter den Hirnteilen inne hat. Ich will damit nur sagen, daß es wenig berechtigt erscheint, sich die Lokalisation des Be- wußtseins bei Tieren immer an das Korrelat des Großhirns gebunden zu denken, so daß die Bewußtseinsfrage nicht zum Stein des Anstoßbes für meine obigen Darlegungen werden kann. Uber Bewußtsein bei Tieren wissen wir nichts! | Sieht man aiso von der psychologischen Seite der Hirnvorgänge ab, so leistet auch das Großhirn eines Säugetiers offenbar nichts weiter, als daß es alle diejenigen Vorgänge, die auch am „ent- hirnten“ (entgroßhirnten) Tier noch stattfinden können, nach Maß- gabe der verschiedensten untereinander vielfältig assoziierten Sinnes- reize in sehr feiner Weise modifiziert oder reguliert. Natürlich kommen beim Großhirn auch Gedächtniserscheinungen in Betracht, aber solche, oder wenigstens — da wir übers Psychische nichts wissen — die Remanenz von Sinneseindrücken ist auch den Fischen möglich. Bedenken wir ferner, daß das Cerebellum sich in Anlehnung an den Nucleus acustico-lateralis, einen wegen der statischen und hydrodynamischen Sinnesrezeptionen (Nervus lateralis!) besonders wichtigen Hirnteil für Wassertiere, entwickelt (was viele an- nehmen und wofür auch ich Gründe ins Feld zu führen weiß), daß das Großhirn aber sich — nach Kappers — in Anlehnung an die kein Mensch hat aus dem biologischen Verhalten dieser Tiere etwas ablesen können, was auf Besonderheiten in der Ausbildung des Gehirns hätte schließen lassen. 205 Riechrinde entwickelt, einen fiir Landtiere besonders wichtigen Hirnteil, und daß es nur bei ausgesprochenen Landtieren — Rep- tilien, Vögeln und Säugern — zu nennenswerter Entwicklung ge- langt, so ergeben sich folgende phylogenetischen Perspektiven. Das Kleinhirn entstand bei den wasserbewohnenden Wirbeltieren in Anlehnung an den Nucleus acustico-late- ralis als ein herrschendes Universalzentrum, und so finden wir es noch heute bei den Wirbeltieren, die das Wasserleben bei- behalten haben, den Fischen. Beim Übergange zum Landleben wurde mit EN. Be- deutung des Riechorgans ein neues derartiges Zentrum nötig, das Pallium, welches sich in Anlehnung an die Riechrinde ent- wickelte. Bei Reptilien, selbst bei Vögeln dürften diese beiden funktionell sehr ähnlich dastehenden Organe gleiche Bedeutung haben, anders ist es bei Säugern. Hier bilden sich Bahnen aus, welche vom Großhirn ins Kleinhirn ziehen (und die Entstehung der Alae cerebelli hervorrufen), hier wird also das Kleinhirn dem Großhirn unter- geordnet und letzterem bleibt allein die herrschende Stellung im Zentralnervensystem. Vortrag des Herrn Prof. Caun (Leipzig): Über Bolitaena. Das Manuskript ist nicht eingegangen. Diskussion: Herr Dr. Hoyts (Cardiff). Herr Prof. Cavn. Vortrag des Herrn B. A (Würzburg): Uber den Chromosomencyclus bei Pteropoden. (Mit 10 Figuren.) | Die Untersuchungen, über die ich hier nur in aller Kürze berichten will!), wurden im vergangenen Winter während eines Aufenthaltes an der Zoologischen Station in Neapel ausgeführt. Ich möchte nicht versäumen, auch an dieser Stelle der „Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte“, die mir zu diesem Zwecke eine Unterstützung angedeihen ließ, meinen Dank auszusprechen. Die meinen Untersuchungen zugrunde liegende Fragestellung _ lautet: Durch welche Einrichtungen werden bei hermaphroditischen 1) Eine eingehende Darstellung der Befunde erscheint im Archiv für Zell- forschung. 206 Organismen die das Geschlecht bestimmenden Qualitäten derart verteilt, daß sich aus der gleichen Anlage sowohl männliche wie auch weibliche Geschlechtszellen entwickeln können?, fernerhin, inwieweit gilt auch für Hermaphroditen die bei einer Anzahl von anderen Formen festgestellte Bildung von zweierlei Spermatozoen? und wo- durch kommt es in diesem Falle zustande, daß trotz qualitativer Verschiedenheit der Spermien das Resultat der Befruchtung immer das gleiche ist, ein zweigeschlechtliches Wesen? Durch Anregung des Herrn Prof. Boverı entschloß ich mich, diesem Problem in der Gruppe der Mollusken nachzugehen. Bei Mollusken stellen sich derartigen cytologischen Forschungen zwei Hindernisse entgegen: die Kleinheit der Elemente und die große Zahl der Chromosomen, wodurch exakte Chromosomenzählungen ungemein erschwert sind. Nach einer Reihe von Voruntersuchungen, die mir durch die Essigkarminme- thode sehr erleichtert wurden, fand -« ich unter den Pteropoden einige For- men, die sehr günstige Verhältnisse auf- wiesen: OCreseis acicula mit 20 Chro- ~~» mosomen, Hyalaea tridentata und Hy- alocylis striata mit je 24 Chromosomen, Tiedemannia neapolitana mit 28 und eer oetaelis testa ee Cymbulia Peroni mit 36 Chromosomen. gonienteilung von Creseis. xklene Am eingehendsten studierte ich die Chromosomen. Vergr. 8500:1., Form Oreséis und ich will much Bier auf eine Schilderung der vorläufig hauptsächlich mit der Essigkarmin- methode gewonnenen Resultate über die Genese der Geschlechtszellen dieser Species beschränken. In den Spermatogonien von Creseis acicula finden sich 20 Chromosomen, worunter 2 Elemente durch sehr geringe Größe auffallen, wie dies aus Fig. 11), die eine Aquatorialplatte einer Sper- matogonienteilung darstellt, zu ersehen ist. Bei der Vorbereitung zur ersten Samenreifungsteilung finden wir 10 gekuppelte Chromo- somenpaare; es handelt sich um ein Kuppelung end-to-end, was noch deutlicher als in den Spermatocyten bei der Eireife zum Aus- druck kommt. Unter den 10 gekuppelten Chromosomen findet sich in den Samenbildungszellen 1. Ordnung ein Paar, das bedeutend kleiner ist als die anderen und auf eine Verbindung der beiden 1) Sämtliche Figuren beziehen sich auf frische Essigkarminpräparate und sind mit Zeiß Aprochrom. Immers. 1,5 mm Ap. 1,30 und Comp. Oc. 12 entworfen. 207 obenerwähnten kleinen Elemente zurückzuführen ist. Dement- sprechend treten in der ersten Samenreifungsteilung (Fig. 2) | 10 Chromosomen auf, 9 größere Klemente und ein kleines (x); in Fig. 2 sind die Elemente nach 3 optischen Horizonten geordnet auch nebeneinander dargestellt, was ihre Form und Größe noch Fig. 2. Teilung einer Spermatocyte 1. Ordnung von Creseis. Daneben die Chromosomen des unteren, mittleren und oberen optischen Horizontes isoliert. x kleines Chromosoma. Vergr. 3300 :1. deutlicher überblicken läßt. Bei der Vorbereitung zur zweiten Samenreifungsteilung treffen wir in den Zellen 10 einfache Elemente an; die Größenunterschiede fallen jedoch hier nicht mehr so auf, denn das kleine Element nimmt etwas an Volum zu. In der Teilungsspindel der Spermatocyten 2. Ordnung (Fig. 3) finden Het | Fig. 3. Teilung einer Spermatocyte 2. Ordnung von Creseis. Daneben die Chromosomen isoliert und nach optischen Horizonten geordnet. x das sich nicht teilende Element. Vergr. 3300 :1. wir wiederum die 9 großen Chromosomen, die wir in der ersten Reifungsteilung kennen gelernt haben, und außerdem ein Element (x), das etwa halb so groß ist und das dem inzwischen gewachsenen kleinen Chromosoma der Spermatocyten 1. Ordnung entspricht. Während sich nun die 9 größeren Chromosomen teilen, bleibt das 208 kleinere ungeteilt und geht in die eine Zelle über. Zunächst liegt es an dem einen Pol (Fig. 3), bleibt dann bei der Anaphase etwas zurück (Fig. 4) und ist noch bei der Bildung des Kerngerüstes der Spermatide als gesondertes Element zu erkennen (Fig. 5). Es entstehen also zweierlei Spermatiden, solche mit 10 und solche mit 9 Chromosomen. Einen ähnlichen Vorgang beobachtete ich bei anderen Ptero- poden; wir finden bei der zweiten Samenreifung von Tiedemannia ein derartiges sich teilendes Element, ebenso bei Ayalaea. Hya- locylis zeigt eine sehr bemerkenswerte Abweichung: hier wird das sich nicht teilende Element von 2 ursprünglich gesonderten Chromosomen gebildet. In der ersten Samenreifungsteilung treffen Fig. 4. Fig. 5. Anapliase der zweiten Samen- Letztes Stadium der Teilung einer reifungsteilung von Creseis. Spermatocyte 2. Ordnung von x ungeteiltes Chromosoma. Creseis. x ungeteiltes Chromo- Vergr. 3300 :1. soma. Vergr. 3300:1.° wir 12 Chromosomen an, in den Spermatocyten 2. Ordnung aber nur 10 Elemente, die sich teilen, und außerdem an dem einen Pol ein sich nicht teilendes Chromosoma, das durch seine Form, die an eine Tetrade erinnert, seine Entstehung aus zwei Elementen verrät. Von den Spermien gelangen nun nur diejenigen, welche das ungeteilte Element enthalten, zur Befruchtung. Ich untersuchte eine große Anzahl von unbefruchteten Eiern und stets fand ich, z. B. bei Creseis, daß vom Sperma 10 Chromosomen in das Ei eingeführt wurden. Das Schicksal der Spermatiden ist schwer zu verfolgen, doch weisen einige Beobachtungen darauf hin, daß Spermatiden, die das ungeteilte Element nicht enthalten, degenerieren. Für eo 209 hermaphroditische Mollusken gilt also das gleiche, was Boverı!) und Scaueıp ?) für die hermaphroditische Form von Khabditis nigro- venosa festgestellt haben: nur die Hälfte der gebildeten Spermien ist befruchtungsfähig. Das erste Stadium der Eibildung von Creseis, das ich vorläufig genauer untersuchte, ist die erste Reifungsspindel. Wir sehen hier 10 Chromosomen, darunter 8 größere Elemente und 2 kleinere; alle zeigen eine deutliche Kopulation end-to-end, die Reduktion erfolgt also in der ersten Reifungsteilung. Die Größe der Chro- mosomen kommt besonders klar in der Anaphase zum Ausdrucke, wie uns dies Fig. 6 zeigt, wo die zwei Tochterplatten in der Ansicht N , > Die beiden Tochterplatten der Ana- phase der ersten Richtungsspindel Fig. 7. eines Eies von Creseis in der An- Anaphase der zweiten Richtungsspindel eines sicht von oben. x kleine Chromo- Eies von Creseis. x kleine Chromosomen. somen. Vergr. 3300:1. Vergr. 3300 :1. von oben dargestellt sind. Gleich darauf erfolgt die Vorbereitung zur zweiten Reifungsteilung und wir finden in der zweiten Richtungsspindel (Fig. 7) wiederum 8 größere und 2 kleinere Elemente, die sich alle gleichmäßig teilen, so daß sowohl das Ei wie auch der zweite Richtungskörper je 8 große und 2 kleine Chromo- somen erhalten. Hierauf gehen die Eichromosomen in das Gerüst des weiblichen Vorkernes auf, um wieder in der ersten Furchungsspindel 1) Boveri, Tu., Uber das Verhalten der Geschlechtschromosomen bei Hermaphroditismus. Beobachtungen an Rhabditis nigrovenosa. Verh. d. phys.- med. Gesellschaft, Würzburg, N. F. Bd. 41. 1911. 2) Scutem, W., Uber die Chromatinverhältnisse bei Angiostomum (Rhab- donema) nigrovenosum. Ber. d. Naturf. Gesellsch. Freiburg i, B., Bd. 19, 1911. Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1911. 14 210 als gesonderte Elemente zu erscheinen. Das Sperma, das schon während der Prophase zur ersten Richtungsteilung eingedrungen ist, löst sich gleichzeitig mit dem weiblichen Vorkern in Chromo- somen auf. In der ersten Furchungsspindel, deren Äquatorialplatte in Fig. 8 abgebildet ist, finden wir 20 Chromosomen, davon 18 größere und 2 kleinere (x). Vom Sperma werden demnach, da ja in den weiblichen Vorkern 8 große und 2 kleine Chromosomen eingegangen sind, 10 große Elemente in das Ei eingeführt; durch Unterdrückung der Durchschnürung in der zweiten Samenreifung ist das kleine Chromosoma der Spermatocyte zu einem großen geworden und ist Fig. 8. Äquatorialplatte der ersten Furchungsspindel von Creseis. x kleine Chromosomen. Vergr. 3300:1. nicht mehr von den anderen großen Chromosomen zu unterscheiden. Daß die beiden kleinen Chromosomen der Furchungsspindel wirklich vom weiblichen Vorkern stammen, beweisen ferner parthenogenetisch sich entwickelnde Eier; wir finden in der Furchungsspindel par- thenogenetischer Embryonen stets 8 größere und 2 kleinere Elemente. Ebenso wie die erste Furchungsspindel zeigen auch die weiteren Furchungsspindeln befruchteter Keime die Zahl von 18 großen und 2 kleinen Chromosomen (Fig. 9). Die Somazellen wie auch die Urgeschlechtszellen haben also bei Creseis 18 große und 2 kleine Elemente. Dieser Bestand geht, wie wir oben sahen, unverändert in die Spermatogonien über. In den Oocyten treffen wir aber 8 große und 2 kleine Chromosomen an, was 16 großen und 4 kleinen Elementen in den Ureiern entspricht. Es erfolgt also bei der \pncaprgncmatiamniengessse 211 Umbildung der Urgeschlechtszellen zu Ureiern eine Veränderung des Chromatinbestandes, indem 2 größere Chromosomen zu 2 kleineren werden. Wie die Veränderung im einzelnen erfolgen mag, kann ich noch nicht mit Bestimmtheit sagen, denn es befindet sich hier vorläufig eine Lücke in meinen Befunden. Jedenfalls wissen wir mit Sicherheit, daß bei der Eibildung 2 Chromosomen an Chromatin verlieren, welches wahrscheinlich an das Plasma abgegeben wird. | Der Unterschied zwischen kleinen und großen Chromosomen besteht aber nicht nur in der Größe, sondern auch in der Anordnung das Chromatins, wie wir dies besonders gut bei der Eireifung erkennen können (Fig. 6 und 7). In der Anaphase der ersten Richtungsspindel haben die großen Chromosomen 4 An- schwellungen, während die klei- nen nur je 2 derartige Anschwel- lungen besitzen; den gleichen morphologischen Unterschied fin- den wir in der zweiten Rich- tungsspindel, hier haben die großen Chromosomen 2 Anschwel- lungen, während die kleinen nur einfache Klümpchen darstellen. j as ! Fig. 9. Die großen Chromosomen möchte Äquatorialplatte einer Furchungsspindel des ich also im Vergleich zu den 8-Zellenstadiums von Creseis. x kleine ns en ‘ Chromosomen.. Vergr. 3300:1. kleinen als zweimächtig be- zeichnen, indem sie morphologisch doppelt soviel struierte Elemente enthalten als die kleinen. Dieser morphologische Aufbau der Chro- mosomen macht uns auch die zweite Samenreifungsteilung verständ- lich; das kleine einmächtige Chromosoma wird hier, da es seine | Teilung unterdrückt, zweimächtig, so daß also die eine Spermatide 10 große zweimächtige Elemente erhält. Die Diminution der Chro- mosomen bei der Eibildung muß demnach so erfolgen, daß aus zwei zweimächtigen Chromosomen durch Abgabe von Chromatin zwei einmächtige werden. | Wir wollen nun den geschilderten Wechsel der Chromosomen an der Hand eines Schemas (Fig. 10) kurz rekapitulieren, woraus auch einiges über die Bedeutung dieser Prozesse zu ersehen sein wird. Der Einfachheit halber sind im Schema anstatt 18 nur 4 große Chromosomen eingezeichnet, was ja den Prozeß im Prinzip 14* 212 A NL I A a SD aN in keiner Weise abändert. Wir wollen zunächst im Schema nur die Form und Größe der Chromosomen beachten ohne Rücksicht auf die verschiedene Tönung. In den Urgeschlechtszellen fänden wir, wie das Schema zeigt, 4 (in Wirklichkeit also 18) große und 2 kleine Elemente. Das gleiche gilt für die Ursamenzellen. In den ee ee es) Oogonium Spermatogonium UY Oocyte I. Ordn. ei | @ ® 8 Spermatocyte I. Ordn. Spermatocyte II. Ordn. Oocyte II. Ordn. Se & Spermien Reifes Ei Fig. 10. Schematische Darstellung des Chromosomencyclus von Creseis acicula. Je ein schwarzes Chromosoma entspricht in Wirklichkeit acht großen Chromosomen. Nähere Be- schreibung im Text. Spermatocyten 1. Ordnung erfolgt die Kuppelung und Reduktion, in den Spermatocyten 2. Ordnung bleibt das kleine Chromosoma un- geteilt und wird infolgedessen zu einem großen zweimächtigen, so daß also Spermien mit 2 (9) und solche mit 3 (10) großen Ele- menten gebildet werden. In den Ureiern erfolgt die Bildung von zwei weiteren kleinen Chromosomen durch Diminution zweier großer; | 218 in den Eireifungsteilungen, von denen die erste eine Reduktion ist, werden die Chromosomen beidesmal gleichmäßig verteilt, so daß also Eier mit 1 (8) großen und 2 kleinen Chromosomen resultieren. Da nur die Spermien mit 3 (10) Chromosomen zur Befruchtung gelangen, so hätten wir nach der Befruchtung wieder den gleichen Bestand von 4 (18) großen zweimächtigen und zwei kleinen einmächtigen Chromo- somen, von dem wir ausgegangen sind. Allerdings ist jetzt unter den großen Chromosomen eines, das sich auf das kleine, welches in der zweiten Samenreifung ungeteilt blieb, zurückführt. In der nächsten Generation hätten wir dementsprechend eventuell schon zwei der- artige große Chromosomen, in der dritten Generation schon drei usw., bei einem Teile der Nachkommenschaft müßte es also schließ- lich so weit kommen, daß alle großen Chromosomen eine solche Herkunft aufzuweisen hätten, daß sie also alle aus der gleichen Substanz bestehen würden wie die kleinen. Da nun dies in Wirk- lichkeit schon längst erfolgt sein müßte und nun trotzdem eine Creseis der anderen gleicht, so folgt aus einer derartigen Deutung, daß überhaupt alle Chromosomen von Creseis qualitativ gleich- artig seien. Dies stünde im Widerspruch mit den sonstigen cyto- logischen Erfahrungen und andererseits wäre da nicht einzusehen, was für eine Bedeutung der Wechsel von großen und kleinen Chromosomen hätte, wenn es doch überall genau die gleiche Sub- stanz wäre; wir müßten denn die absurde Annahme machen, daß die Form der Chromosomen allein es sei, die irgendwie auf die Ausbildung der Geschlechtszellen einwirke. Aus diesen Widersprüchen können wir uns befreien durch eine Überlegung in bezug auf die Diminution der Chromosomen in der Oogenese. Es kann sich eben — eine qualitative Verschiedenheit der Chromosomen vorausgesetzt — nur um zwei ganz bestimmte Chromosomen handeln, die in der Oogenese diminuiert werden. Wir müssen annehmen, daß unter den 18 großen Chromosomen zwei Elemente vorhanden sind, die qualitativ den kleinen Chromosomen gleichen und die dementsprechend in der Oogenese sich in kleine umwandeln. Nun löst sich sofort der Widerspruch. Wir hätten demnach in den Urgeschlechtszellen vier Chromosomen, zwei grobe zweimächtige und zwei kleine, einmächtige, welche die gleichen Eigenschaften besitzen, wir wollen sie als Geschlechts- chromosomen bezeichnen, und außerdem noch 16 große Chromo- somen, die wir somatische nennen wollen. Diese Auffassung ist im Schema Fig. 10 durch verschiedene Tönung der Chromosomen zum Ausdruck gebracht; die Geschlechtschromosomen sind durch 214 Punktierung kenntlich gemacht, während die somatischen Chromo- somen, von denen der Einfachheit halber nur ein Paar dargestellt ist, schwarz sind. In der Spermatogenese bleiben die großen Ge- schlechtschromosomen unverändert und in der zweiten Samenreifungs- teilung regeneriert sich ein kleines durch Unterdrückung der Durch- schnürung zu einem großen, so daß also zweierlei Spermien ent- stehen, solche mit einem großen und solche mit zwei großen Geschlechtschromosomen, von denen nur die letzteren befruchtungs- fähig sind. In der Oogenese hingegen geben die großen Geschlechts- chromosomen einen Teil ihres Chromatins an das Plasma und werden dadurch zu zwei kleinen Chromosomen. Das reife Ei hat dementsprechend nur zwei kleine Geschlechtschromosomen. Die Diminution in der Oogenese wird durch die Regeneration in der zweiten Samenreifungsteilung kompensiert, bei der Befruchtung resultiert daher wieder der Ausgangszustand: zwei große und zwei kleine Geschlechtschromosomen und zwei (in Wirklichkeit 16) so- matische Elemente. Der Cyclus ist geschlossen. | Aus dieser Überlegung ergibt sich auch die Bedeutung der als Geschlechtschromosomen bezeichneten Elemente. Die Zellen, in denen die großen Chromosomen diminuiert werden, in denen sie funktionieren, werden zu Eiern und die Urgeschlechtszellen, in denen dies unterbleibt, werden männlich. Die Geschlechtschromo- somen besäßen danach die Qualitäten, die für die Ausbildung der Eier bestimmend sind. Die kleinen Chromosomen wären gewisser- magen als Latenzzustände der großen aufzufassen, als Zustände der Funktionslosigkeit. Aus dem Dargestellten ersehen wir, daß bei hermaphroditischen Mollusken die Verteilung des Chromatins in mancher Beziehung anderen Gesetzen folgt, wie bei getrennt geschlechtlichen Organismen. Weitere Forschungen müssen noch zeigen, wie sich jener Zustand auf den phylogenetisch älteren, getrennt geschlechtlichen zurück- führen läßt. Noch einen allgemeinen Gesichtspunkt, zu dem uns die ge- schilderten Befunde führen, möchte ich berühren. Bei allen bisher untersuchten Formen haben die weiblichen Geschlechtszellen mehr Chromatin als die männlichen, was vielfach die Annahme nahe legte, daß die Chromatinmenge als solche es sein könnte, die das Geschlecht bestimmt. Bei Pteropoden ist gerade das umgekehrte der Fall, hier haben die männlichen Zellen mehr Chromatin als die weiblichen, woraus sich ergibt, daß jene Annahme nicht zutreffend 215 sein kann, sondern die Auffassung allein zulässig ist, daß über das Geschlecht ausschließlich nur Qualitäten spezifischer Chromosomen- individuen entscheiden ohne Rücksicht auf die sonstige Chromatin- menge. Vortrag des Herrn Dr. Kaurzscu (Würzburg): Über Auftreten und Teilungen abnorm großer zweiter Richtungskörper. Die vorliegenden Beobachtungen beziehen sich auf eine Art von Weiterentwicklung des zweiten Richtungskörpers bei Ascaris megalocephala bivalens. Derartige Fälle sind kaum bekannt, wenn wir von den Angaben über eine nachträgliche Beteiligung der Richtungskpörer am Aufbau des Embryos (Arthropoden) absehen. Wir wissen nur, daß die Richtungskörper mancher Tiere noch eine gewisse Aktivität zeigen, die sich in der Bildung von Pseudopodien äußert. Ferner kann sich der erste und zuweilen auch der zweite Richtungskörper noch einmal teilen; und in Fällen von außer- gewöhnlicher Größe des ersten Richtungskörpers kann es sogar zur Befruchtung durch ein: zweites Spermatozoon und zur Bildung eines zweiten Embryos kommen (Prostheceräus). Für Ascarıs speziell ist nur bekannt, dab die Chromosomen der Richtungskörper — voll- zählig oder zum Teil — zuweilen im Ei verbleiben oder nachträglich wieder eintreten und dann die weitere Entwicklung mitmachen können. Im vorliegenden Fall handelt es sich dagegen um eine periodische Metamorphose des Chromatins des zweiten Richtungskörpers in Verbindung mit Zellteilungen, ohne Gegenwart des Spermakerns mit seinem Centrosoma. In den Eiröhren einer Ascaris fanden sich neben normalen ungeteilten Eiern solche, denen eine zweite Zelle anlag, die als Nebenzelle bezeichnet werden soll. Ref. verdankt das Material Herrn Professor Boveri, der die Abnormität seinerseits auffand. Die Untersuchung zeigte, daß die „Nebenzelle“ in ganz verschiedener Größe auftrat, bald kaum von einem zweiten Richtungs- körper zu unterscheiden, bald von gleichem oder gar größerem Umfang wie die Eizelle. Sämtliche Eier mit Nebenzelle besaßen einen ersten, aber keinen zweiten Richtungskörper. Die Konser- vierung der frühesten Stadien ließ dagegen die zwei Chromatin- stäbchen des zweiten Richtungskörpers in der Nebenzelle noch deutlich erkennen. Was die Entstehung der Abnormität betrifft, so kommen zwei Möglichkeiten in Betracht. Am nächsten lag die Annahme, daß die zweite Richtungsspindel weiter im Innern des Eies gebildet wurde, als es normalerweise der Fall ist, und daß 216 infolgedessen der zweite Richtungskörper bei seiner Entstehung eine größere Plasmaportion zugeteilt erhielt, die sich dann zur Nebenzelle abrundete. Solche Fälle sind auch für den ersten und zweiten Richtungskörper bei Ascaris beschrieben worden. Trotz- dem ist eine andere Entstehungsweise wahrscheinlicher. An manchen Stellen der Eiröhre — nach der Bildung der Richtungskörper — zeigten nämlich die Eier vielfach amöboide, lappige Fortsätze; gelegentlich wurde auch die Abschnürung eines solchen Fortsatzes beobachtet, wie das auch von andern Eiern bekannt ist. Da ferner die Wiederaufnahme des zweiten Richtungskörpers in das ungeteilte Ei beobachtet wurde, ist es möglich, daß die Nebenzelle auf analoge Weise entstand: d. h. daß der zweite Richtungskörper normal gebildet wurde und erst sekundär in einen sich abschnürenden Teil des Eiplasmas zu liegen kam. Zum Studium der Entwicklung wurden die Eier — sie waren auf Objekttrager aufgestrichen — im Leben beobachtet; die geeigneten Stadien wurden konserviert, mit salzsaurem Karmin gefärbt und als Totalpräparate untersucht. Die Eizellen, die eine Nebenzelle besaßen, entwickelten sich zunächst normal; dabei stelite sich heraus, dab die letztere stets dem dorsalen (animalen) Pol des Eies anlag. Später traten meist Störungen in der Entwicklung ein, was aber auch für die benachbarten Eier ohne Nebenzelle gilt. In einem Fall wurde dagegen die Entwicklung zum normalen, sich bewegenden Wirmchen beobachtet, dem die Nebenzelle anlag. Die Bildung der letzteren bedeutet also an sich keine Schädigung des Eies. Die Nebenzelle selbst zeigte in der Regel — die Anomalien sollen hier nicht besprochen werden — folgende Umwandlungen. Aus den zwei Chromatinstäbchen des zweiten Richtungskörpers entstandein ,, Vorkern“ im Ruhestadium, der genau den beiden Vorkernen im Ei glich. In ihm wurden dann zwei Chromatinschleifen sichtbar, die sich zu zwei typischen Chromosomen umwandelten. . Sie zeigten eine gewisse Abhängigkeit in ihrer gegenseitigen Lage, ähnlich wie in einer normalen Aquatorialplatte. Beide Chromosomen waren zuweilen gleich lang, oft aber deutlich voneinander verschieden. Offenbar ist eine gewisse Mindestgröße der Nebenzelle Be- dingung für die Umwandlung des Chromatins in die Chromosomen. Schon in Richtungskörpern von normaler Größe wurde die Um- wandlung der beiden Chromatinstäbehen in das Knäuelstadium eines ruhenden Kernes beobachtet. In relativ kleineren Neben- zellen schien die Entwicklung im Stadium der zwei ungespaltenen Chromosomen stillzustehen. In größeren Nebenzellen dagegen tratin der mies se 217 Folge eine Langsspaltung der Chromosomen ein, und zwar in der Mitte früher als an den Enden. Bemerkenswerterweise unterblieb aber die Trennung der Spalthälften, vielmehr wandelten sich diese an Ort. und Stelle zum ruhenden Kern mit den charakteristischen finger- förmigen Fortsätzen um. Der Grund zu dieser auffallenden Er- scheinung liegt offenbar in der Abwesenheit von Centrosomen. Zu keiner Zeit ließen sich in der Nebenzelle Sphären oder Spindel- fasern nachweisen, während sie in den Zellen des Embryos bei der Teilung stets deutlich waren. Die einzige Veränderung im Plasma der Nebenzelle bestand darin, daß die Umgebung der Chromosomen wie bei der normalen Äquatorialplatte gleichmäßig feinkörnig und dotterfrei erschien. Erst nach Beginn der Rekonstruktion des ruhenden Kerns erfolgte die Teilung der Nebenzelle, zu einer Zeit, wo der Embryo meist schon aus 2—4 Zellen bestand. Die Teilungsrichtung zeigte keine erkennbare Beziehung zur Stellung der beiden Chromosomen. Zuweilen kam die Teilung nicht zustande, sondern es traten nur vorübergehend Einschnürungen an der Zelle auf, die sich später wieder abrundete Aber auch da, wo die Teilung zustande kam, erfolgte sie mit einer gewissen „Unholfenheit“. Offenbar ist auch diese Störung im Teilungsmechanismus auf das Fehlen der Centro- somen zurückzuführen. Bei der Durchschnürung der Nebenzelle wurde das Chromatin in zufälliger Kombination auf die beiden Tochterzellen verteilt, in deren Mitte sich dann jedes der beiden Stücke unter mehr oder weniger deutlicher Abrundung zum Ruhekern zurückzog. Hier begann nach einiger Zeit -die Metamorphose von neuem, und wir kommen damit zu der interessanten Frage, ob die Lehre von der Erhaltung der Chromosomen im ruhenden Kern auch für abnorme Kombinationen bzw. auch für Bruchstücke von Chromosomen gilt. Wenn sie gilt, dann mußten die acht Schleifenenden, die bei der Spaltung aus den ursprünglichen vier Enden der zwei Chromosomen entstanden, in den Tochterzellen der Nebenzelle wieder auftreten. In der Tat fand sich mit überraschender Konstanz die Gesamtzahl von acht Enden, die sich in verschiedener Kombination auf die beiden Tochterzellen verteilten. Gelegentlich kam bei der Teilung das gesamte Chromatin in die eine Tochterzelle zu liegen. Die vier Chromosomen, die hier aus dem Ruhekern hervortraten, erschienen noch deutlich durch die Lage ihrer acht Enden als zwei Paare von Schwesterchromosomen. In diesem Stadium konnte nun von neuem eine Längsspaltung wenigstens im mittleren Bezirk der Chromosomen 218 eintreten. Das Cyclische des ganzen Prozesses trat damit sehr deutlich hervor. Weitere Teilungen erfolgten dann ohne zeitliche Beziehung zueinander. Infolgedessen zeigten die einzelnen Ab- kömmlinge einer Nebenzelle zum Teil Kerne im Ruhezustand, zum Teil Chromosomen. Ein solcher Fall, wo in einer Zelle nur ein Chromosom lag, das sich am Ende in ein Geflecht von Fäden auflöste, demonstrierte besonders deutlich die Erhaltung der Chro- mosomen im Ruhezustand des Kernes. Denn selbst ein Bruchteil eines bzw. mehrerer Chromosomen erschien hier in derselben Kon- figuration wieder, in der er vor der gewaltsamen Trennung dem Verband der Chromosomen angehört hatte. Es erfolgte also keine Umbildung zu einem neuen „ganzen“ Chromosom, oder unter einem andern Gesichtspunkt betrachtet, keine Regeneration der Chromo- | somen. In diesem Zusammenhang darf vielleicht darauf hingewiesen werden, daß auch das Zellplasma gerade von Ascarıs kein Regu- lationsvermögen besitzt, in dem Sinne, daß etwa eine 1/,-Blastomere die abgetötete Schwesterzelle nicht ersetzt. | Das Ergebnis der Teilungen der Nebenzelle war stets ein unregelmäßiger Zellhaufen, der sich schließlich von den Zellen des Embryos, besonders wenn diese pathologisch waren, nicht mehr deutlich unterscheiden ließ. Nach alledem läßt sich der ganze Vor- gang nicht eigentlich als Entwicklung bezeichnen. Wir würden dann dazu berechtigt sein, diesen Ausdruck anzuwenden, wenn sich wenigstens für die ersten Deszendenten der Nebenzelle bestimmte Qualitäten nachweisen ließen, wie sie für die ersten Blastomeren des normalen Ascaris-Keimes so charakteristisch sind. Eine bestimmte Entscheidung in dieser Frage gestattet das vorliegende Material nicht. Doch ließ ein Fall, wo die drei Deszendenten der Neben- zelle in ihrer Anordnung bzw. Teilungsrichtung genau dem Drei- zellenstadium AB, EMST, P, entsprachen, wenigstens die Möglichkeit einer Beziehung auf den normalen Embryo zu. Das allgemeine Ergebnis der beschriebenen Vorgänge läßt sich folgendermaßen ausdrücken: Wenn die beiden Chromosomen des zweiten Richtungskörpers von Ascaris megalocephala eine genügende Menge Eiplasma, isoliert von der Eizelle, zugeteilt erhalten, so beginnt eine periodische Metamorphose von Plasma und Chromatin. Vorbedingung dafür ist, daß das Plasma seinerzeit, als es noch vor der Bildung der Richtungskörper der Eizelle angehörte, durch das eindringende Spermatozoon in entwicklungsfähigen Zustand versetzt wurde. Auf diesen Punkt, auf die entwicklungsauslösende Wirkung des Spermatozoons auch in diesem Fall, sei nachdrücklich hinge- 219 wiesen; es handelt sich bei der ganzen Erscheinung nicht um Parthenogenese im eigentlichen Sinn. Dagegen zeigen diese Vor- gänge, daß auch ohne die Gegenwart von Centrosomen Zellteilung und Chromatinmetamorphose in gesetzmäßigem Ineinandergreifen ablaufen können, derart, daß auf die Längsspaltung der Chromosomen eine Zellteilung folgt. Die Fähigkeit oder vielmehr die Notwendig- keit periodischer Teilung während der Furchungsperiode erscheint danach als eine Grundeigenschaft des Zellplasmas wie des Chromatins selbst. Dagegen lassen die geschilderten Ausfallserscheinungen (Unterbleiben der Trennung der Tochterchromosomen, Unvollkommen- heit bzw. Nichtzustandekommen der Zellteilung) die regulatorische Bedeutung der Centrosomen um so deutlicher hervortreten. | Die ausführliche Darstellung soll an anderer Stelle erfolgen. Diskussion: Herr Prof. Koxschzur (Marburg), Herr Dr. Kavrzsch (Würzburg). Es fanden dann noch folgende Demonstrationen statt: von den Herren Prof. Spsemann, Kıunzınger, Bressnauv, CHUN solche zu ihren Vorträgen (s. 0.); von Herrn Dr. Sremmann (Basel): Polypharyngie bei Plana- rien; von Herrn Prof. Maas (München): Abgüsse recenter Tiefsee- medusen zum Vergleich mit Fossilien aus der Kreide; und von den Herren Dr. von ScHhuckmAann und stud. PuschKAREw (Heidelberg): Amöben- und Trypanosomen-Präparate. Fünfte Sitzung. Donnerstag, den 8. Juni, 9—121, Uhr. Auf Antrag der Rechnungsrevisoren, der Herren Prof. Vavn- HOEFFEN (Berlin) und Zieerer (Stuttgart) wurde dem Schriftführer Entlastung erteilt. | Der Vorschlag des Vorsitzenden, Frau Horrmann-Me&rıan (Basel) für die freundliche Aufnahme am vorigen Abend den Dank der Gesellschaft auszusprechen, und den Herren Prof. Korumann (Basel) und Dr. F. Sarasm in Neu-Caledonien Grüße zu übersenden, wurde angenommen. Der Antrag des Vorstandes, 500 .# für die Anton- Dohrn- Stiftung zu bewilligen, fand allseitige Zustimmung. 220 Vortrag des Herrn Dr. K. v. Frisch (München): Über den Farbensinn der Fische. Sehr geehrte Versammlung! Den meisten von Ihnen werden die fein ausgedachten, exakt durchgeführten vergleichenden Unter- suchungen des-Ophthalmologen Hxss über den Lichtsinn der Tiere bekannt sein. Ich möchte Sie jetzt nur an eine seiner Arbeiten erinnern, die vom Lichtsinn der Fische handelt!) und zu dem Resultate geführt hat, ‘daß eine auffallende Übereinstimmung besteht zwischen dem Lichtsinn der Fische und dem des total farbenblinden Menschen’). Die Übereinstimmung liegt darin, dad den untersuchten Fischen (im Vergleich mit dem normalen, hell adaptierten Menschen) die hellste Stelle im Spektrum aus dem Gelb nach dem Grün zu verschoben und daß ihnen das Spektrum am roten Ende verkürzt erscheint. Wenn Hess z. B. Jungfische von Atherina hepsetus, einem bei Neapel häufigen Küstenfisch, im Dunkelzimmer in ein Aquarium brachte und in diesem ein Spektrum entwarf, sammelten sich sogleich weitaus die meisten Fischehen im Gelbgrün und Grün, während im Blau und Violett ebenso wie im Gelb und Orange nur wenige, im äußeren Rot fast keine zu finden waren. Es war leicht zu zeigen, dab sie in weißem Licht stets die hellsten Stellen aufsuchten, also positiv phototaktisch waren, und ferner, daß sie im Spektrum das Gelbgrün nicht aus Vorliebe für diese Farbe bevorzugten, sondern weil es ihnen am hellsten schien. Denn sie konnten in jede Farbe des Spektrums gelockt werden, wenn sie nur entsprechend lichtstärker gemacht wurde als die übrigen. Und umgekehrt konnten sie durch Verdunklung der Farben aus ihnen verdrängt werden. Schob man vom blauen Ende her einen Karton zwischen Lichtquelle und Aquarium vor, so ließen sich die Fischchen, seinen Schatten fliehend, gegen das rote Ende treiben. Doch von einem bestimmten Moment ab, wenn nur mehr das äußere, uns noch recht lichtstark erscheinende Rot in das Aquarium fiel, löste sich das Gedränge auf und die Tiere verteilten sich gleichmäßig im Aquarium: Das äußere Rot hatte für sie keinen Helligkeitswert. Die Versuche sind meist an jungen, dunkeladaptierten Fischen angestellt; doch reagierten helladaptierte bei entsprechender Ver- ') C. Huss. Untersuchungen über den Lichtsinn bei Fischen. Arch. f. Augenheilk. 64. Bd. Ergänzungsheft 1909. 2) Des total Farbenblinden bei allen Adaptationszuständen, sowie des normalen, dunkeladaptierten Menschen bei Anwendung sehr schwachen Lichtes, unter welehen Umständen bekanntlich auch das normale Menschenauge das Spektrum farblos sieht. er pee 221 stirkung des Spektrums ebenso; die erwachsenen Fische waren nicht positiv phototaktisch und daher für derartige Experimente unbrauchbar, doch wurde durch Fütterungsversuche an Julis be- wiesen, daß auch für die erwachsenen Tiere das Spektrum am roten Ende stark verkürzt ist. Hess hat ferner für die positiv phototaktischen Jungfische die relativen Helligkeitswerte der ver- schiedenen Spektralfarben bestimmt (indem er ein weibes Licht solange in seiner Intensität veränderte, bis es den Fischen mit einem bestimmten Bezirk des Spektrums gleich hell erschien) und so eine Kurve erhalten, die mit der entsprechenden Kurve für den total farbenblinden Menschen fast genau übereinstimmt. Da die Versuche, an verschiedenen Meeres- und Süßwasserfischen (Atherina hepsetus, Julis pavo, Lenciscus rutilus, Squalius cephalus) angestellt, zu völlig gleichen Resultaten führten, handelt es sich wohl nicht um Ausnahmen, sondern um eine Regel. Die nächstliegende Folgerung wäre, daß die Fische farbenblind sind. Doch weist Hess selbst auf die Möglichkeit hin, daß sie Farbensinn besitzen, und daß nur die Helligkeitsverhältnisse der Farben für sie andere sind als für uns. | Später teilte V. Baver Versuche mit’), die ihn zu der Ansicht führten, daß die von ihm verwandten Fische — zum Teil die gleichen Arten, mit denen Huss gearbeitet hatte — wenn sie hell- adaptiert sind, Farbenunterscheidungsvermögen besitzen, während die dunkel adaptierten Fische farbige Lichter von solcher Lichtstärke, daß sie für das dunkeladaptierte Menschenauge noch - deutlich farbig sind, nur mehr nach ihrem Helligkeitswert zu unter- scheiden scheinen. Ich möchte Ihnen nur einen von den Baver’schen Versuchen anführen, der wohl als Beweis für einen Farbensinn gelten kann: Helladaptierte Jungfische von Atherina hepsetus, die, wie bereits erwähnt, positiv phototaktisch sind, werden in ein Aquarium gesetzt, das zur einen Hälfte rot, zur andern blau be- lichtet ist. Sie fliehen aus der roten in die blaue Hälfte, und zwar nicht, weil ihnen das Blau heller erscheint, sondern offenbar, weil ihnen das Rot unangenehm -ist; denn wenn man die eine Hälfte des Gefäßes rot, die andere völlig dunkel hält, fliehen sie nun aus dem Rot ins Dunkle. Und auch eine andere Fischart, Charax puntazzo, die sich als nicht phototaktisch erwies, strebte in gleicher Weise aus dem Rot ins Blau, resp ins Dunkle. 1) V. BAUER, Über das Farbenunterscheidungsvermögen der Fische. Pflüger's Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 133, 1910, S. 7—26. 222 Es hat sich an die Bavur’sche Arbeit eine Polemik zwischen Hess und Baver geknüpft!), auf die ich hier nicht eingehen will. Sondern ich möchte die Frage jetzt von einer anderen Seite be- trachten und Ihnen kurz einige Versuche mitteilen, die, wie ich glaube, nicht anders als durch einen Farbensinn der Fische erklärt werden können. Viele Fische besitzen in sehr ausgesprochenem Maße die Fähigkeit des Farbwechsels. Wenn man sieht, wie manche von ihnen zur Laichzeit als Folge einer nervösen Beeinflussung der Pigmentzellen die prächtigsten Farben annehmen, fällt es einem | schwer, zu glauben, sie seien farbenblind. Doch legt man der- artigen Gefühlsargumenten mit Recht nicht viel Bedeutung bei und so möchte ich den Farbwechsel, soweit er eine Folge psychischer Erregung ist, aus dem Spiele lassen. In einer anderen Richtung ist er aber für den Fisch — und für unser Experiment — von größerer Bedeutung: Der Fisch kann sich: der Umgebung anpassen; in erster Linie in seiner Helligkeit an die Helligkeit des Untergrundes, durch Kontraktion und Expansion der schwarzen Pigmentzellen; aber auch in seiner Farbe, durch Gestaltsver- änderungen der farbigen Pigmentzellen, die ebenso durch Vermitt- lung der Augen unter dem Einfluß des Nervensystems vor sich sehen wie die Veränderungen der Melanophoren. Und diese farbige Anpassung stellt sich auch unter Umständen ein, die sich mit der Annahme, daß der Fisch dabei die Farbe nur an ihrem Helligkeits- wert erkenne, nicht vertragen. Ich hatte in Neapel Gelegenheit, zu den Labriden gehörige, sehr bunt gefärbte Fische (Crenilabrus) längere Zeit in mono- chromatischem Licht zu halten. Eine Gruppe kam in rotes, eine andere in grünes, eine dritte zur Kontrolle in weißes Licht. Die Tiere paßten sich durch Vermittlung der Augen den Farben an. Die Rotgruppe färbte sich rötlich, die Grüngruppe grün, indem sie den Kontraktionszustand ihrer farbigen Pigmentzellen passend ver- änderten. Woran sollten die Fische, die hier wochenlang in mono- chromatischem Lichte gehalten wurden, erkennen, daß sie in rotem, resp. grünem Lichte sind, wenn sie es nicht qualitativ ver- schieden sehen? Vielleicht ließe sich für derartige Tatsachen eine 1) ©. HESS, Uber den angeblichen Nachweis von Farbensinn bei Fischen. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 134, 1910, S. 1—14. — V. BAUER, Zu meinen Versuchen über das Farbenunterscheidungsvermögen der Fische. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 137, 1911, S. 622—626. 223 (äußerst gezwungene) Deutung mit Umgehung des Farbensinnes finden; für den folgenden Versuch scheint es mir aber eine andere Erklärung, als die Annahme eines Farbensinnes, nicht zu geben. Unsere gemeine Ellritze (Phoxinus laevis L.) zeigt sehr schönen Farbwechsel und paßt sich nicht nur der Helligkeit, sondern auch der Farbe des Untergrundes an, indem sie auf gelbem oder rotem Grunde ihre gelben Pigmentzellen am ganzen Rücken und an den Seiten, außerdem rote Pigmentzellen an bestimmten Körperstellen (an den Wurzeln der ventralen Flossen, oft an der Wurzel der Rücken- flosse, an einzelnen Stellen auf dem Kopfe usw.) expandiert. Wichtig für unsere Versuche ist, daß die Reaktion der schwarzen Pigment- zellen, also die Anpassung an die Helligkeit des Untergrundes, viel rascher .abläuft als die farbige Anpassung (wenige Sekunden gegenüber Stunden). Ich wählte nun zwei Tiere von gleicher Farbe aus, die auf psychische Erregung sowie auf verschiedenen Untergrund in gleicher Weise reagierten, also auf dunklem Grund gleich dunkel, auf hellem gleich hell wurden. Nun suchte ich ein Grau zu finden, das den Fischen von derselben Helligkeit erschien wie ein bestimmtes gelbes Glanzpapier. Ich hatte mir dazu eine Serie von Grau auf glänzendem Kopierpapier, einfach durch verschieden lange Exposition am Lichte, hergestellt. Es fand sich ein Grau, das für die Fische offenbar den gleichen Helligkeitswert hatte, wie das Gelb; denn wurde der eine auf das Grau, der andere auf das Gelb gesetzt, so blieben sie untereinander gleich hell; wurde aber ein helles Grau angewendet, - so erfolgte Verdunklung des Fisches beim Versetzen auf das Gelb, _ Aufhellung beim Versetzen auf das Grau, und umgekehrt bei An- wendung eines dunkleren Grau. Würden nun die Fische die Farben nur an ihrem Helligkeitswert erkennen, so wäre das Gelb von dem Grau, das für sie den gleichen Helligkeitswert besitzt, in nichts verschieden und sie müßten nicht nur in den ersten Minuten, sondern dauernd auf dem Gelb und dem Grau untereinander gleich gefärbt bleiben. Das ist aber nicht der Fall; vielmehr expandieren sich bei dem Gelbtier nach einiger Zeit die gelben und roten Chromatophoren. Wann dies eintritt, hängt von verschiedenen Umständen, vor allem von der Übung des Tieres ab. Bei gut geübten Fischen ist die Reaktion nach % Stunde bereits deutlich, bei solchen, die ihre farbigen Pigmentzellen lange nicht expandiert hatten, erst nach vielen Stunden. Aber früher oder später tritt beim Gelbtier die Reaktion ein, während sie beim Grautier völlig _ ausbleibt. lee to De 224 Der gleiche Versuch läßt sich mit rotem Papier anstellen. Ich habe das Experiment in der Weise variiert, daß ich ein ziemlich dunkles und sehr helles Grau wählte, auf welches die Fische, wenn sie vorher auf dem roten Papier gestanden hatten, durch sehr be- deutende Verdunklung, resp. Aufhellung reagierten; und nun prüfte ich alle zwischen diesen beiden Extremen liegenden Nuancen des Grau durch, indem ich immer abwechselnd den einen Fisch auf rotes, den andern auf graues Papier setzte; es trat auf dem roten Papier prompt die Rotfärbung auf, während sie auf jedem der grauen Papiere ebenso prompt wieder verschwand. Bei geblendeten Fischen bleibt die Reaktion aus. Sollte jemand | diesen Umstand auf eine durch die Blendung bedingte Schwächung der Tiere — von welcher nicht das geringste zu bemerken ist — oder auf eine sonstige an die Blendung geknüpfte Veränderung zurückführen wollen und meinen, daß dennoch eine direkte Be- einflussung der Chromatophoren durch das farbige Licht vorliege, so erinnere ich daran, daß sich auch am Rücken des Tieres, zu dem das von der Unterlage reflektierte farbige Licht nicht gelangen kann, die roten und gelben Pigmentzellen ebenso stark und ebenso rasch expandieren wie auf der Bauchseite. Es könnte vielleicht jemand an dem Ausdruck „Farbensinn“ Anstoß nehmen und sagen, die Versuche beweisen nichts weiter, als daß farbiges Licht auf die Netzhaut der Fische anders wirke als weißes, und zwar in dem Sinne anders, daß reflektorisch in den Pigmentzellen die beschriebenen Veränderungen ausgelöst werden. Dagegen könnte man nichts einwenden, nur dürfte dann auch nicht vom Helligkeitssinn der Fische gesprochen werden. Mit demselben Rechte, wie von einem Helligkeitssinn, kann man von einem Farbensinn reden. Ob man sich dabei bewußte Empfin- dungen oder unbewußte Reflexe vorstellen will, bleibt dem Geschmack eines jeden überlassen — denn darüber wissen wir nichts. Natürlich gelten die Resultate zunächst nur für die Tiere, an welchen sie gewonnen wurden, also für Crenilabrus und für die erwachsenen Ellritzen. Es wäre nun interessant zu wissen, ob diese in ihrem Helligkeitssinn sich ebenso verhalten wie die Atherinen und die anderen bisher untersuchten Formen. Da Hess seine Experimente auch auf Cyprinoiden, zu denen ja die Ellritze gehört, ausgedehnt hat, ist es unwahrscheinlich, daß es sich um ein differentes Verhalten der verschiedenen Arten handelt. Eher könnte man daran denken, daß die jungen Fische farbenblind seien, denn hauptsächlich mit solchen hat Hxss gearbeitet; aller- 225 dings konnte er auch an erwachsenen Fischen (Julis) wenigstens die Verkiirzung des Spektrums am roten Ende nachweisen, doch waren sie dunkel adaptiert und könnten sich bei Helladaptation anders verhalten haben’). Vielleicht aber trifft man das Richtige, wenn man den Fischen einen Farbensinn zuschreibt, der in bezug auf die Helligkeit, in welcher die Spektralfarben erscheinen, von dem des Menschen abweicht. Vortrag des Herrn Prof. H. Smxrora (Leipzig): Über das System der Gastropoden. Es wäre vermessen, in einem Vortrage ein System der Gastro- poden begründen zu wollen, und zwar desto mehr, als mir die Zeit überhaupt noch nicht reif zu scheint, um eine einigermaßen aus- führlichere Anordnung sämtlicher Schneckengruppen mit Aussicht auf dauernde Anerkennung zu versuchen. Wohl aber dürfte es an der Zeit sein, neue Richtlinien zur Beurteilung der gegenwärtigen Verwandtschaft anzugeben, nach denen künftige Arbeit die Be- ziehungen im einzelnen, d. h. im wesentlichen die Schöpfungs- geschichte darzulegen sich bestreben soll. Nach einer mehr als dreißigjährigen Beschäftigung mit dem Gegenstand schienen mir endlich bestimmte Strahlen auch auf die Gruppen zu fallen, die bisher noch die größte Unsicherheit boten, die Opisthobranchien und die Pteropoden nämlich. Denn ich nehme hier die Gastropoden in ihrem weitesten Sinne, so daß neben den Heteropoden auch die Pteropoden und Cephalopoden einbezogen werden, wie es letztere schon durch ihre deutsche Bezeichnung als „Tintenschnecken“ an- deuten, vielleicht auch die Scaphopoden. Zur Ableitung der Pteropoden wurde ich geführt durch einen pelagischen Organismus, den die deutsche Tiefsee-Expedition ver- einzelt zwischen Aden und Sumatra und die deutsche Südpolar- Expedition in reicher Menge in der Antarktis in der Umgegend der Winterstation gefischt hatte. Ich habe zunächst die Tiere der Valdivia-Ausbeute bearbeitet und bin zu dem Schlusse gekommen, daß die Form bereits früher in der Südsee, in deren westlichem Teile, also auf dem australischen Flügel, von MacvoxaArv?) gefunden 1) Vgl. BAUER. ?2) MACDONALD, On the probable metamorphosis of Pedicluaria and other forms, affording presumtive evidence that the Pelagic Gastropoda, so called, are not adult forms, but, as it were, the larvae of well-known species, and perhaps confined to species living in deep water. Transact, Linn. Soc. London XXII, 1859, p. 241—243 (pl.). : Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1911. 15 226 und als Gastropodenlarve gedeutet wurde, daher ich sie als Zima- cosphaera Macdonald: n. g. n. sp. bezeichnet habe’). Bevor ich ihre wesentlichen Merkmale angebe, scheint es mir angezeigt, die gegenwärtigen Ansichten über die Stellung der Pteropoden anzu- führen. Bekanntlich ist Prıseneer in verschiedenen Publikationen am schärfsten gegen die frühere, von Cuvier herrührende Auf- fassung aufgetreten, wonach die Flossenfüßer eine besondere Mol- luskenklasse bildeten. Perseneer meint vielmehr, daß sie aus Hinterkiemern entstanden seien, und zwar in zwei getrennten Ko- lonnen als Thecosomen und Gymnosomen aus zwei ziemlich nahe verwandten Familien der Tecti- oder Steganobranchien, so dab innerhalb der Pteropoden Halopsyche das jüngste, am weitesten umgebildete Glied darstellen würde Die nähere Ausführung der verschiedenen Beziehungen sollte die Entstehung der Pteropoden mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit ins Mesozoicum ver- legen. Das war nur möglich - unter Ausschaltung der palae- ozoischen Formen, die man bisher zu den Pteropoden gestellt hatte und die nunmehr bei den Würmern Unterschlupf finden sollten. Demgegenüber bezogen erneute palaeontologische Untersuchungen, namentlich aus schlesischem Silur, einzelne Vorkommnisse doch wieder mit größerer Sicherheit, namentlich wegen des kugeligen Schalenanfangs, auf Flossenfüßer, und bei Gelegenheit der refe- rierenden Besprechung wies ich auf die auffallende Tatsache hin, daß die Gymnosomen lediglich von Thecosomen, diese aber von planktonischem Material sich nähren. Wenigstens soll Clione borealis, wiewohl man sie im Aquarium mit Rindfleisch füttern und züchten kann, in der freien Natur nur von Limacina leben, ähnlich wie man junge Limax maximus in der Gefangenschaft recht wohl bei Salat- und Mohrrübenfütterung aufziehen kann, da man sie im Freien doch nur an Pilzen findet. Solche Beziehungen aber deuten einen uralten Zusammenhang im Meere an, auf den wir nachher zurückkommen (s. u.). Neuerdings hat auch Meıszx#Eımer in seiner ausgezeichneten Bearbeitung der Pteropoden?) gegen PELsENEER Stellung genommen insofern, als er sie zwar noch in Thecosomen und Gymnosomen gliedert und den Thecosomen die Pseudotheco- somen mit ihrer Gallertschale anschließt, als er aber unter den 1) SIMROTH. Gastropodenlaiche und Gastropodenlarven der Deutschen Tiefsee-Expedition 1898—1899. In dem Werke der Expedition. Im Erscheinen begriffen. | ?) MEISENHEIMER. Pteropoda. In dem Werke der Deutschen Tiefsee- Expedition, 227 Gymnosomen Halopsyche nicht ans Ende, sondern an den Anfang ‘stellt und von ihr die übrigen Gymnosomen ableitet. Das nähere Urteil über die Herkunft der ganzen Gruppe aus den Opisthobranchien will er sich aufsparen, bis die Durcharbeitung einerseits der On- togenie der Pteropoden, andererseits der Morphologie der Hinter- Rig. I Limacosphaera Macdonaldi, halbschematisch. Der rechte vordere Velarfortsatz zur Hälfte abgeschnitten. au Auge; ep Epipodium; m Mantel; mp Mantelporus; op Operculum; sh Schale; shg Schalengang; t Tentakel; vf Velarfortsätze (epipodiale Verlängerungen). kiemer ihm festere Anhaltspunkte geben wird. Fischer, der in seinem Manuel!) die Pteropoden noch als selbständige Klasse be- ' handelt, macht doch darauf aufmerksam, daß die Pseudothecosomen nach ihrer Radula nicht den Thecosomen, sondern eher den Halopsy- 1) FISCHER. Manuel der Conchyliologie. 15* 228 chiden oder Eurybiiden anzuschließen wären, ein Punkt, worin ich ihm völlig beistimme, wie wir gleich sehen werden. Schale. Und nun zu Limacosphaera! Innerhalb einer weiten, fast kugligen Hülle finden wir eine kleine, gewundene Schnecke mit zarter Schale. Macvonaun hatte beides bemerkt und auch gesehen, daß die äußere Schale am Hinterrande einen Porus besitzt (Fig. 1). Er hielt sie für die Eischale, welche die Larve während ihrer pelagischen Existenz mitschleppen sollte. Nach dem Äußern schien mirs näher zu liegen, daß wir einen Vertreter der Echinospiren vor uns hätten, d.h. mit einer äußeren, gequollenen Schleimschale oder Scaphoconcha, die aus dem Periostracum hervorgegangen sein würde, und einer bieibenden Innenschale, die dem Ostracum und Hypostracum entspräche. Schnitte ergaben ganz andere Bilder, sie bewiesen, daß die knorpelige Außenschale nichts anderes ist als der durch Schleimgewebe aufgetriebene Mantel (Fig. 1m). Er hüllt den Eingeweidesack vollkommen ein und erweitert seine Ränder nach vorn, so daß nur eine ziemlich enge Pforte für den Kopf bleibt. Vom Intestinalsack ist er durch eine typische Schalentasche getrennt, die eine ganz feine, zusammengeknitterte Conchinschale enthält und durch einen Schalengang nach außen führt, um sich in dem bereits erwähnten Porus zu öffnen. Der Weichkörper zeigt „wei Tentakel mit wohlentwickelten Augen an der Basis, zwei Paare von Velarfortsätzen (vf), von denen das hintere mehr die Form einer zusammengefalteten Flosse angenommen hat, auf dem Fußende ein zartes Operculum (op) und davor noch ein Paar epipodiale Verbreiterungen (ep). Man könnte daran denken, das Tier auf die fast verschollene oder doch wenig geklärte Hwrybia zu beziehen, wenn nicht die Tentakel und Augen, weniger die taenioglosse Radula, gegen die Pteropodennatur sprächen. Aber der Vergleich mit Halopsyche, mit der Hurybia jetzt meist zusammen- seworfen wird, liegt nahe genug. Freilich spricht MeısexHEImer der erwachsenen Halopsyche ein gewöhnliches Integument zu, ohne jede Spur von Schale Aber die Embryonen, die er von dem lebendig gebärenden Tier abbildet, zeigen noch ein so dickes, durch Schleimgewebe gequollenes Integument, wie Limacosphaera, und ich glaube auch noch in einem von ihm gezeichneten Querschnitt (1. c. Taf. XVI Fig. 5) die Schalentasche zu erkennen, gleichgültig, ob darin eine Schale fehlte oder wegen ihrer Zartheit nicht als solche erkannt war, was’ bei der Kleinheit des Objektes um so weniger 1 verwunderlich wäre (s. u.). Solche Mantelbildungen aber, wie bei Limacosphaera, finden sich meines Wissens allein bei Lungen- schnecken, vornehmlich bei der Parmarion-Gruppe, und ain schärfsten bei der altertümlichen Ostracolethe (Fig. 2). Hier stoßen wir zwar noch auf eine dicke kurze Kalkplatte zum Schutze der Lunge, der übrige Teil der Schale aber ist ein ganz ähnliches zusammengeknit- tertes Conchinhäutchen, das noch einen Zipfel aus der Manteléfinung durch den Schalengang herausstreckt und wegen seiner Zartbeit vermut- lich von Coruınee bei seiner Myo- testa, die wahrscheinlich mit Ostra- colethe identisch ist, übersehen wurde. Das weitere Schicksal dieses dünnen Häutchens läßt sich aber erschließen aus dem Verhalten der ähnlich alter- tümlichen, mit zwei einfachen, nicht umstülpbaren Tentakeln versehenen Janelliden, deren Röhrenlunge, auf Giund deren sie von Pıare als Tracheopulmonaten allen übrigen Lungenschnecken gegenübergestellt werden sollten, ich auf die von Ostra- colethe zurückführen zu sollen glaubte. Bei diesen haben wir entweder noch eine kurze, derbe Schalenplatte zum Schutze der Lunge, oder aber mehrere derartige Schalenstücke, deren jedes, von den anderen getrennt, in einer engen Tasche steckt (Fig. 3). Es ist anzunehmen, daß die Taschen Fig. 2. früher zusammenhingen und daß die Ostracolethe von rechts, schematisch. au = ‘ 2 Auge; 1 Lunge; m Mantel; mp Mantel- Schalstücke durch ein Conchinhäut- porus: pn Pneumostom; sh Schale. chen, dem von Östracolethe ent- sprechend, verbunden waren. Aber das Häutchen ist resorbiert und an seiner Stelle sind Boden und Decke der Schalentasche mit- einander verschmolzen, so daß nur noch die getrennten Reste übrig geblieben sind. Bewiesen wird der Vorgang durch das bisher rätselhafte abgekapselte Sinnesbläschen hinter den Schalentaschen. Es enthält dieselben Sinnesleisten, wie solche von Täuser im 230 Schalengange der Limaciden nachgewiesen wurden, und findet seine Erklärung durch die Verschmelzung des Integumentes mit dem Mantel; es gibt die Stelle des alten Schalenganges an (s. u.). Genau derselbe Vorgang, wie hier, scheint bei den. Pteropoden stattgefunden zu haben, nur daß bei ihnen, wo eine stärkere Kalk- platte fehlt, die ganze Schalentasche geschwunden ist, bei Halo- psyche unter Abplattung des Integuments auf die gewöhnliche Form, bei den Pseudothecosomen unter Erhaltung des gequollenen Mantels der Limacosphaera und der Halopsyche-Embryonen. Somit rücken die Pseudothecosomen mit Halopsyche zusammen, wie es Fig. 3. Fig. 4. Vorderkörper einer Janellide, Schale von Cleodora pygmaea. von rechts, schematisch. ap Apex oder Embryonal- au Auge; 1 Lunge; sh Schale. schale. Nach Boas. die Radula verlangt (s. 0.); Limacosphaera aber ist das Bindeglied zwischen ihnen und altertümlichen Lungenschnecken. Um bei der Schale zu bleiben, so schließt sich die der be- schalten Pteropoden oder Thecosomen ‘in ähnlicher Weise an die Lungenschnecken an, wie der Mantel der Pseudothecosomen und — von Halopsyche ausgehend —- der Gymnosomen. Soweit die Theco- somen eine weiter aufgewundene Spira haben, wie die Limaciniden, läßt sich kein näherer Vergleich durchführen. Anders bei denen, die nachträglich zu einer abweichenden, gestreckten Wachstums- richtung übergegangen sind. So zeigt Cleodora z.B. (Fig. 4) einen haselnuß- oder eiförmigen Apex, an den sich der weitere Schalen- 231 trichter ansetzt. Ein solcher Schalenanfang gilt ja den Palaeontologen als typisches Molluskenkriterium. Unter den rezenten aber ist es außer bei Pteropoden nirgends so klar ausgeprägt, als bei alter- tiimlichen stylommatophoren Pulmonaten. Als Beispiel ist in erster Linie — mir allerdings nur aus Abbildung und Beschreibung be- kannt — der Paraparmarion Collinge') an- zuführen, bei dem nicht nur die Gestalt, son- dern beinahe auch die Größe zu der hypothe- tischen Urform paßt, denn das Tier über- schreitet nicht den Umfang einer kleinen Vitrina. Der Cleodora möchte ich die Par- macellilla an die Seite stellen, die ich kürz- lich beschreiben konnte, als den zu den Testacelliden abgeschwenkten Zweig der alten Parmacellenwurzel?). Hier besteht (Fig. 5) die Schale noch aus dem eiförmigen Apex, der die Spitze des Eingeweidesacks bedeckt ds Fig. 5. Schale der erwachsenen Parmacellilla. ap Apex oder Embryonalschale. sp Spatha oder Schalenplatte. und nur ganz wenig asymmetrisch geworden ist, und der noch kurzen Platte oder Spatha. Während Cleodora zur gestreckten Tauch- oder Schwimmform übergegangen ist, hat sich bei der ter- restrischen Halbnacktschnecke an die ursprüngliche Schale die Platte der Nacktschnecken angesetzt, in Anschmiegung an die abgeflachte Oberseite. Bei der erwachsenen Parmacella mit ihrer viel größeren Spatha ist der eiförmige Apex schon etwas asymmetrischer geworden, aber die eben ausgeschlüpfte Schnecke der kanarischen Parmacella, wie sie von Wess und Ber- tHELoT abgebildet wird (Fig. 6), zeigt die typische Fig. 6. 3 £ * 2 3 Sohale der epen Form. Ja, sie zeigt noch mehr, nämlich ein echtes ausgeschläpften Operculum auf dem Fußrücken, das aber gleich ab- kanarischen x er . 4 . ‘ : 2 Parmacella, op geworfen wird. Meine Bemühungen, die wichtige Be Operculum. obachtung an kaukasischem Materiale nachzupriifen, schlugen zwar bisher fehl, insofern als es mir noch nicht gelang, Embryonen in der Eischale zu erhalten. Wohl 1) CoLLInGE, On the non-operculate Land and Freshwater Mollusca collected by the Members of the ‚Skeat-Expedition‘ in the Malay Peninsula 1899—1900. Journ. of Malacol. IX. 1902. ?) SIMROTH, Kaukasische und asiatische Limaciden und Raublungen- schnecken. Annuaire de Mus. Zool. de l’ac. imp, d. sc. St. Pétersbourg XV. (1910). 1911. 232 aber zeigte das jiingste der eben ausgekrochenen Stiicke, das mir unter die Hände kam, auf dem Fußrücken noch die ab- geplattete Deckelfacette, auf der das Operculum gesessen hatte. Sie macht in kürzester Frist, wie die Geschwister beweisen, einem gekielten Fußrücken Platz. Ich habe kaum nötig, darauf hinzu- weisen, daß ich das Operculum schon seit Jahren als ein Epiphragma angesprochen habe, das mit dem Fußrücken verwächst, so gut, wie die Schale als Abscheidung der Rückenfläche nachträglich sich an dieser befestigt. Parmacella zeigt den noch flüchtigen Zusammen- hang zwischen Deckel und Fuß, während bei den nicht weniger altertümlichen Clausilien das Epiphragma mit der Schale in festen Zusammenhang getreten ist als Clausilium. Hier, bei den Pul- monaten, liegen die Wurzeln. Ich glaube, aus diesen Tatsachen eine Korrektur des konstruktiven, hypothetischen Prorhipidoglossums ableiten zu müssen, insofern als man diesem vielfach eine kegel- förmige Schale zugeschrieben hat. Die erwähnten Stylommatophoren mit ihrer eiförmigen Schale stellen, soweit eben die Schale in Betracht kommt, das Proripidoglossum dar, allerdings erst eine zweite Stufe, wie wir gleich sehen werden. Zunächst möchte ich noch darauf hinweisen, dab das einfache, noch nicht spiralig gewundene Operculum der Limacosphaera und so mancher pelagischer Larven — Echinospira, Calcarella u. a. — noch dem einfachen Epiphragma-Operculum des Parmacellenembryos gleicht. Wie aber dieser Embryo den Deckel gleich wieder abwirft, so entledigen sich viele andere Larven nach der Einwanderung ins Meer mit dem Deckel auch ihrer einfachen, eiförmigen Schale, namentlich die Oncidien und die sämtlichen gymnobranchen Hinterkiemer, die sich somit an die Lungenschnecken anschließen (s. u.). Mehr nebenbei mag erwähnt werden, daß die eiförmige Schale frühzeitig in eine gestreckt kegelförmige übergehen konnte, bei kletternden Formen, die an senkrechten Felswänden lebten, daher ihr Eingeweidesack der vollen Wirkung der Schwerkraft ausgesetzt war, unter den symmetrisch gebliebenen bei Orthoceratiten und Belemniten, unter den asymmetrisch gewordenen bei Clausilien, Turmschnecken und ähnlichen Gestalten. Die allerälteste Schale aber ist das flache Rückenschälchen des Vagınula- s. Veronicella-Embryos. Es stellt weiter nichts dar, als den erhärteten Rückenschleim einer aus der Region mit Feuchtigkeit gesättigter Luft herausgetretenen und mit der Bauch- fläche dem Boden angeschmiegten Landplanarie. Wie seine Ent- nn ne 20 m a om ame 12 aan \\ 233 decker, die Vettern Sarasın!), gezeigt haben, wird es noch während der Entwicklung wieder abgeworfen durch den von den Seiten her nach oben sich ausbreitenden Mantelrand oder das Perinotum (Fig. 7). Damit aber erlangt die Schnecke wieder die Fähigkeit, nach Planarienart durch die ganze Haut zu atmen; mir wenigstens scheint Peusenger’s?) Nachweis, daß das Epithel der Kloakenwand zu hoch ist, um als Lungenepithel wirken zu können, noch durch die Tatsache unterstützt zu werden, dab man die Kloake in der Mehrzahl der Fälle mit Fäces vollgestopft findet. Freilich wurden die Vaginuliden damit auf die Gebiete stets mit Wasserdampf, gesättigter Luft eingeengt, den Regenwald und die Küsten der Tropen. Wo die Rückenschale bleibt, mußten Atmungswerk- zeuge entstehen (s. U.). Fuß. Der Querschnitt durch den Vaginula-Embryo (Fig. 7) gibt noch Anlaß zu einer Anmerkung über den Fuß. Wir sehen die Mittellinie kielartig vorspringen, Rie. 7: \ : ; Querschnitt durch den Embryo von Vaginula und der Kiel wird von einer boriceps; cl Kloake; f Fuß; hp Hyponotum oder Wimperleiste gebildet Man Mantel; me mittlere, wimpernde Fußleiste; g 4 EN sh Schale, nach Sarasin. hat daraus eine Bilateralität in der Anlage des Fußes herleiten wollen, und in der Tat sehen wir in der Medianlinie des locomotorischen Mittelfeldes vieler Nacktschnecken einen feinen Längsstrich durchschimmern, der noch nicht genügend geklärt ist (Fig. 8), und viele Prosobranchien, voran das terrestrische Cyclostoma, haben den Fuß durch eine tiefe Längsrinne halbiert (Fig. 9). Gleichwohl kommt der Mittellinie morphologisch nur eine sekundäre Bedeutung zu, so wichtig die Scheidung beim Cyclostoma physiologisch ist für abwechselnden Gebrauch der Sohlenhälften. Das Spiel der locomotorischen, automatisch von hinten nach vorn über den Fuß ziehenden Wellen vereinigt, da es in der charak- teristischen Weise nur ihnen gemeinsam ist, die Landplanarien und die Stylommatophoren aufs engste, und die Vaginuliden sind als 1) P. und F. SARASIN, Die Landmollusken von Celebes. 1899. 2) PELSENEER, Etudes sur les Gastropodes pulmonés, 1901. 234 Soleoliferen mit ihren feinen Querriefen auf der Sohle die energischste Weiterfiihrung ihrer Vorliufer, auf deren Atmungsstufe sie, wie wir sahen, sehr früh wieder zurückgesunken sind. Die Hervorhebung der Mittellinie dürfte mit der Einlage- rung einer stärkeren Eingeweidehöhle in den Planarienkörper zusammenhängen. Durch sie werden die Muskeln der parenchymatösen Tiere, namentlich die diagonalen, in ihren oberen Abschnitten schärfer nach rechts und links aus- einandergedrängt, so daß die Halbierung des Hautmuskelschlauches in der ven- tralen Medianlinie bestimmten Ausdruck findet. Das wesentliche ist der gemein- same Ausgangspunkt aller Schnecken- sohlen von den Landplanarien aus. Alle übrigen Gliederungen des Fußes, Fig. 8. Schwelleinrichtungen u. dgl. leiten sich Vorderende einer jungen Acker- a 3 schnecke, von unten, mit einigen Sekundär von der Gleitsohle ab, deren Eintragungen. k Kiefer; meinnere Medianlinie zunächst eine kaum merk- aa 5 Jiche Differenzierung zeigt. Im übrigen pMundpapillen;rRadula; sSohle; t,—t, Tentakel, der rechte dritte Johnt wohl für weitere Ableitungen, (auf der linken Seite der Figur) von - £ a a dati “iach tea. etwa eines Propodiums oder vorsprin- gender Seitenteile, wie sie sich u. a. bei den Pteropoden finden, der Hinweis, daß die Anlagen dazu bei den -Pulmonaten gegeben sind: die Aulacopoden trennen die Seitenteile von dem allein die Fortbewegung besorgenden locomotorischen Mittel- feld; es fehlt auch nicht an einer tiefen Querfurche, welche nament- lich bei Pedipes die vordere Hälfte von der hinteren trennt. Proctodaeum. Fiir die Aufwindung und die mit ihr zusam- BR menhängenden Verwandtschaftsbeziehungen Fig. 9. : pei’ - Querschnitt durch den Fuß gab mir neuerdings die Untersuchung der kau- \on Krieia s. Cyclostoma. kasischen und innerasiatischen Limacidenfauna einen bedeutsamen Wink. Bekanntlich haben wir sowohl bei der Gattung Limazx wie bei Agriolimax Arten mit und Arten ohne Blind- darm am Rektum. Von Limax wird durch das Merkmal die Unter- gattung Lehmannia abgespalten, von unseren gemeinen Acker- schnecken unterscheidet sich Agr. agrestis durch den Besitz des 235 Coecums von Agr. laevis. Beide werden bereits durch ihre kosmo- politische Verbreitung, welche fast die kalten Zonen verbindet und bis in die Wüsten reicht, als eine der ältesten Schneckengruppen gekennzeichnet. Nach der Pendula- tionstheorie haben wir von den ver- schiedenen Limaciden, die bei uns unter dem Schwingungskreis entstan- den und in den Südalpen ihre höchste Blüte erreichen, die ältesten Glieder, vielfach als Zwischenformen, im Kau- kasus zu suchen. Und da ist es merk- würdig genug, daß dort auch andere Gattungen, wie Gigantolimax und Me- talımax, Arten mit und Arten ohne Blinddarm aufweisen, und noch mehr, daß der Blinddarm um so länger wird und sich um so gerader in der Median- linie des Rückens unter dem Kiel er- streckt, je mehr wir uns dem Altai nähern. Agriolimax buchar z. B. (Fig. 10) hat ein solches schnurgerades Coecum, während es sich beim Agr. agre- stis von den Kerguelen unregelmäßig zusammenknäuelt. Da liegt der Ge- danke nahe genug, daß diesem Coe- cum, das niemals Nahrungsteile in sich aufnimmt, eine tiefere morphologische Bedeutung zukomme. Ich halte es für den ursprünglichen Enddarm, der am Hinterende ausmiindete. Der jetzige Enddarm, in Fig. 10 blab ge- halten, wäre danach als eine Neu- bildung zu betrachten, in Anlehnung an den einseitigen Nieren-, Lungen- und Geschlechtsporus. Aber noch mehr! Der ursprüng- liche Enddarm mündete nicht unmittel- bar frei aus, sondern verband sich sekun- Fig. 10. Ackerschnecke mit eingezeichnetem Darm und hinzukonstruierter Schwanz- driise. a After; c Blinddarm (der ur- sprüngliche Enddarm); d,—d, die vier Darmschenkel; ed den sekundär erwor- bene Enddarm; 1 Lebergänge; ph Pha- rynx oder Stomatodaeum; sd Schwanz- drüse oder Proctodaeum; t, Augen- träger. där mit einem Proctodaeum, so gut wie der Vorderdarm sich an ein Stomatodaeum, d. h. den Pharynx oder die Bucca anschließt und wie der Pharynx bei den Turbellarien, am klarsten bei den Acoelen, 236 der Anlage des Darms vorhergeht. Dieses Proctodaeum ist aber nichts anderes als die Schwanzdrüse, die ich in Fig. 10 eingetragen habe. Wären die Limaciden noch im Besitz dieser vorwiegend auf Tropenformen beschränkten Bildung, so würde wahrscheinlich noch das Coecum als Enddarm funktionieren. Die Entwicklungs- geschichte von Schnecken mit wohlausgebildeter, vertiefter Schwanz- driise ist meines Wissens noch nicht untersucht. Man wird aber schwerlich einen Fehlschluß tun, wenn man die Schwanzdrüse auf die nachträglich eingestülpte Schwanzblase oder Podocyste zurückführt oder wohl besser umgekehrt die Podocyste auf ein ausgestülptes Proctodaeum. Die absolut gleiche Lage und das gleiche dünne Epithel fordern den Schluß geradezu heraus. Das Proctodaeum wäre also durch Funktionswechsel zu einem embryo- nalen Atmungsorgan geworden. Das kann nicht weiter in Erstaunen setzen. Übernimmt doch das Stomatodaeum vielfach, bei den Wirbel- tieren z. B., die Atmung; dient doch nicht selten der Enddarm, bei Holothurien oder der Aeschnalarve etwa, dem gleichen Zwecke. Die hier für die Limaciden erschlossene Ableitung findet aber ihren realen Ausdruck noch jetzt bei vielen nackten Hinterkiemern. Doris z. B. hat noch die ursprüngliche Lage des Afters und End- darms. Und wenn der After von einem Kranz einstülpbarer Kiemen umgeben wird, so sind sie nichts anderes als die erweiterten Wände des alten Proctodaeums, so gut wie die Analkiemen der Insekten- larven. Sie sind bald ausgestülpt wie die Podocyste, bald einge- zogen wie die Schwanzdrüse der Stylommatophoren. Eine Form, wie Doris, ist mithin am einfachsten von ursprünglichen Pulmonaten, die ins Meer einwanderten, herzuleiten. Atmung. Man könnte wohl diesen Gedanken noch weiter ausspinnen und das endständige Proctodaeum, die spätere Schwanzdrüse und Podocyste, für das ursprünglichste Atemorgan halten, das als Lunge diente, um das durch die Rückenschale der Respiration entzogene Integumentstück zu ersetzen, und zwar schon bei den alten noch nicht asymmetrisch gewordenen Vorfahren. Die Ableitung ist insofern weniger wichtig, als die Lunge der rezenten Pulmonaten sicherlich bei der Vertiefung mancherlei verschiedene Wege einge- schlagen hat, wenn auch vermutlich von derselben Grundlage aus. Das Prorhipidoglossum hatte höchstwahrscheinlich das endständige Lungenproctodaeum, meinetwegen ein Pulmoproctodaeum. Bei der Einwanderung ins Wasser konnte die Lunge Wasser aufnehmen, A 237 so gut wie die Limnaeenlunge in der Tiefe des Genfer Sees. Bei weiterer Größenzunahme entstanden, entsprechend dem äußere - Wucherungen begünstigenden Einfluß des Mediums, randständige _ Kiemen, wie wir bei einer Plewrotomaria, nach Bouvier, im Hinter- grunde der Atemhöhle ein Lungengefäßnetz und davor zwei Kiemen antreffen. Den typischen Beginn dieser Bildung zeigt aber die kleine Valvata, da die Kiemen, von denen die rechte, entsprechend dem allgemeinen Verlauf innerhalb der Prosobranchien, bereits ihre Aktionsfähigkeit eingebüßt hat, noch am Mantelrande stehen (Fig. 11). Das Genus beweist seine Sonderstellung und seine Altertümlichkeit E 1g al ty i ee rj Fa? Fig. 11. Valvata von rechts. br Kiemen, die rechte verkümmert; fFuß; op Deckel; sn Schnauze; t Fühler. Mei ebenso durch zwei andere Eigenheiten, durch seinen Hermaphroditis- mus und seine Verbreitung, denn es ist unter allen Vorderkiemern des süßen Wassers am weitesten nordwärts vorgedrungen. Bei weiterer Zunahme der Windungen würden die Kiemen unter den | verlängerten Mantel geraten, der mitsamt der Schale zwischen '- ihnen einen Spalt frei lassen würde zur Entleerung der Faces. H In bezug auf die Kiemen also bildet Valvata den Anfang und die Vorstufe zu den Pleurotomariiden, Scissurellen usw. Man kann diese Entwicklungsreihe noch weiter nach riickwirts verfolgen, da die parallele Bildung bereits bei den noch symmetrischen Vorfahren zu beobachten ist, bei den palaeozoischen Bellerophonten (Fig. 12). Der Spalt liegt hier in der Medianlinie auf der Rückseite; so weit er reicht, reichten vermutlich auch die Kiemen.. Das obere Feld, das ich durch die punktierte Linie abgegrenzt habe, dürfte nach 238 meiner Meinung den alten terrestrischen Kern repräsentieren. Ob dabei der Spalt zwischen den Kiemen kontinuierlich sich erhalt oder durch Überbrückungen in einzelne Löcher zerfällt, wie bei Haliotis unter den asymmetrischen Schnecken, bei Trematonotus unter den Bellerophonten, ist selbstverständlich für die Beurteilung gleichgültig. Herz und Nephridien. Man bringt gewöhnlich die Entstehung des Molluskenherzens mit der Erwerbung gesonderter Atemwerkzeuge — der ursprüng- lichen Hautatmung gegenüber — in Zusammenhang. Mir scheint die Schale allein verantwortlich und ausreichend. So weit sie reicht, ver- liert die Haut ihre Muskulatur. Die Zirkulation hört auf. Um die dadurch entstehende lokale Stauung der Säfte, die-sich im Gesamtstoffwechsel stö- rend bemerklich macht, zu beseitigen, treten pulsierende Kontraktionen auf, die zur Bildung des Herzens führen. Sie übernehmen zugleich die Besei- tigung der lokalen Anhäufung innerer Abfallsprodukte des Stoffwechsels, und die Nephridien entstehen im Zu- sammenhange mit dem Zentralorgan Fig. 12. Bellerophont von hinten, schematisch. des Kreislaufs. Die Verbindung mit ap Apex, die Schale des terrestrischen : dem Atemraum erscheint danach Vorläufers; br Kiemen. erst als sekundär, wenn auch dieser wieder von der Schalenerwerbung abhängig ist (s. 0.) und somit der ganze Komplex sich frühzeitig vereinigt. Nervensystem. Als wesentlich für die Beurteilung der Verwandtschaft gilt mit Recht das Nervensystem, das aber trotzdem bei den Mollusken an vielen Stellen versagt hat und gerade an der Stelle, die ich hier in den Vordergrund rücke, am wenigsten zu leisten scheint — bei oberflächlicher Betrachtung. Keine der hier in Betracht kommenden Gruppen hat einen so ebenmäßigen Schlundring als die Pulmonaten. Für die Cephalopoden genügt es, auf die gewaltigen Unterschiede zwischen den Di- und Tetrabranchiaten hinzuweisen. Die Prosobranchien beginnen mit Marksträngen und enden mit scharf umschriebenen Ganglien, die fast bis zu einer einheitlichen 239 Masse verschmelzen können, bei Valvata z. B.; dazu kommen die mannigfachen sekundären Verbindungen, die u. a. zur Chiastoneurie führen u.dgl. Die Opisthobranchien haben zwar durchweg abgerundete Ganglien, aber in außerordentlich verschiedener Anordnung, bald weit voneinander getrennt, bald zu einem Knoten über dem Schlunde Fig. 13. Schlundring einer Lungenschnecke, von oben. ep,, — ep, Epipodialnerven; g.b Buccal-; g.c Cerebral-; g.p Pedal-; g.pl Pleural-; g.vi Visceralganglien. Die Epipodialnerven sind einer Zeichnung von Vaginula entnommen, die ich machte, ohne von der Bedeutung der Zahl eine Ahnung zu haben. miteinander verschmolzen wie bei Tethys und Aplysia. Die Ptero- poden zeigen ähnliche, wenn auch etwas weniger starke Differenzen, auf die Psrseneer seine Ansicht von dem doppelten Ursprung der Gruppe gründete, so daß er sie an verschiedenen Stellen in das System der Hinterkiemer einfiigte (s.0.). Die Pulmonaten allein 240 haben ein auffallendes Gleichmaß, namentlich in den symmetrischen Teilen des Schlundrings, niemals Markstränge, sondern zwei Cerebral-, zwei Buccal-, zwei Pedal- und zwei Pleural- oder Commissural- ganglien, die Pedalganglien durch eine doppelte, eine stärkere vordere und eine schwächere hintere Commissur untereinander verbunden, die Pleuralganglien stets ohne abtretende Nerven, die Buccalganglien stets einfach (Fig. 13). Nur die Kette der Visceralganglien, auf die hier nichts ankommt, kann noch ein wenig wechseln, sowohl in der Länge der Verbindungsstränge als in der Verschmelzung der einzelnen Nervenknoten. Natürlich geben auch die symmetrischen Ganglien verschiedene Bilder, die teils auf der wechselnden Größe, teils auf der Verkürzung der Commissuren, teils auf dem Belag dieser Faser- stränge mit Nervenzellen, also auf einer Ausdehnung der Ganglien beruhen. Am stärksten sind die Abweichungen an den Grenzen _ der Gruppe, die Verschmelzung geht etwa am weitesten unter den Soleoliferen bei den Oncidien, immer aber tritt das Grundschema klar hervor. Es ist sicherlich nicht erlaubt, aus der homogenen Gestaltung des Pulmonatenschlundrings auf eine besonders enge Verwandtschaft zu schließen. Vaginuliden und Ancyliden, Testa- celliden und Limaciden, Clausiliiden und Philomyciden stehen sich untereinander schwerlich näher, als die extremen Glieder der anderen Gruppen. Der Grund scheint mir vielmehr ein anderer zu sein, ein rein biologischer. Der Schlundring der Lungenschnecken steht im physiologischen Gleichgewicht mit der Außenwelt. Die Bean- spruchung der einzelnen Körperabschnitte durch die schwierigen Faktoren des Landlebens — volle Wirkung der Körperlast, scharfe Reaktion auf wechselnden Feuchtigkeitsgehalt und Temperatur- schwankungen, Eindringen in den Boden, Bohren in der Erde zum Zwecke der Eiablage u. dgl.m. — erlaubt und begünstigt zwar eine scharfe Konzentration der ursprünglichen Markstränge zu geschlossenen Ganglien, hält aber diese voneinander getrennt, während umgekehrt der Eintritt in das gleichmäßigere Wasser oder der hermetische Abschluß durch ein aufgewachsenes Operculum auf dem Lande einerseits die Beibehaltung aller möglichen altertüm- lichen Zwischenstufen, Markstränge u. a., gestattet, andererseits weitergehenden Verschmelzungen keine Grenze setzt. Nur bei den Pulmonaten bleiben die Funktionen gesondert, die Cerebralganglien ‚dienen den Sinneswerkzeugen am Vorderende, die Pedalganglien der Locomotion, diese aber kann ihren Impuls von zwei ver- schiedenen Reizstätten aus erhalten, bei der wachen, ausgestreckten ‚Schnecke von den Perceptionsorganen des Kopfes, bei der schlafenden, fice 241 retrahierten von denen des Mantelrandes. Der erste Impuls wird vermittelt durch das Cerebropedalconnectiv, für den zweiten ist als Zwischenstation jederseits das Pleuralganglion eingeschaltet, das entweder unmittelbar von den visceralen Pallialganglien aus durch das Pleuropedalconnectiv die Pedalganglien zur Auslösung der Loco- motion veranlaßt oder durch das Cerebropleuralconnectiv erst noch die Cerebralganglien als das höchste psychische Centrum be- nachrichtigt. Findet so, wie mir scheint, das Ebenmaß des Pulmonaten- schlundrings eine natürliche und ausreichende Erklärung, dann fordert eine Gruppe bisher wenig beachteter Nerven an demselben besondere Aufmerksamkeit, die seitlichen Fußnerven nämlich, die man wohl am besten als Epipodialnerven bezeichnet (Fig. 13 ep, bisep,). Sie fallen des- halb wenig ins Auge, weil ihre peripherische Ausbreitung schein- bar keinen besonders abgegrenz- ten Körperabschnitt versorgt, so wenig, als man für die verschie- denen Längsnervenstämme des Planariennervennetzes scharf ab- gesetzte Innervationsbezirke her- ausrechnet. Gleichwohl kommt diesen Nerven nicht nur die be- en pole Ben: Elysia. au Auge ea TER t Fühler licher Näherung einzelner Wur- er zeln), sondern auch ein besonderes Centrum, oberhalb und seitlich von dem eigentlichen Locomotionscentrum, bei Amalia z. B. sehr deutlich, und dazu endlich ein bestimmtes peripherisches Gebiet, die Körperseiten nämlich, die bei den primitivsten, den Vaginu- liden, als Perinotum wohl abgegrenzt sind. Epipodium. Velum. Die Lokalisation des Gebietes tritt sofort klar hervor, wenn der Ubergang ins Meer, wo die Gefahr größerer Verdunstungsflächen Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1911. 16 242 wegfällt, den verschiedenen Körperteilen freies Auswachsen gestattet. Eine Form, wie Llysia (Fig. 14) zeigt ohne weiteres die Verbreitung der ganzen Epipodiallinie, und die Flügel, die sich am bequemsten auf das der Atmung dienende Perinotum der Vaginuliden (s. 0.) zurückführen lassen, genügen sogleich den gesteigerten Ansprüchen der Respiration, denn wenn auch das Wasser von den Bestandteilen der Luft den Sauerstoif in hervorragendem Masse absorbiert, so enthält doch ein Liter Wasser weniger Luft als ein Liter der freien Atmosphäre. Die Zahl der Epipodialnerven macht sich bemerkbar, wenn das Auswachsen nicht in einer flügelförmigen Leiste, sondern in dem Hervorsprossen von Epipodialtastern zum Ausdruck kommt. Denn Fig. 15 und 16. Trochusembryo, von rechts und von unten. au Auge; ep.t Epipodialtaster; pp Propodium (Cephalopodentrichter); s Sohle; sh Schale; sk Sinnesknospen; t Kopffühler. wir finden deren bei Trochus in der Regel jederseits 4. Daß gelegentlich eine Steigerung statt hat, erweist am besten der über- reiche Tasteranhang am Epipodium von Haliotis. Die Trochus-Larve, wie sie Roserr beschrieben hat (Fig. 15 und 16), macht am besten die Entstehung der Cephalopoden erklärlich, worauf ich bereits früher hinwies!). Schon bildet sich der Fuß vom rinnenförmigen zum Nautilus-Trichter um; und die Epipodiallinie, verkürzt, würde die Arme eines Octopoden ergeben, das Epipodialcentrum wird zum Brachialganglion, das locomotorische Pedalganglion versorgt den Trichter. Beim Nautilus ist es die ganze mit Tastern versehene Epipodialleiste, die sich, nach den Nerven in vier Abschnitte zerlegt, nach dem Kopfende zusammenschiebt. Ich habe kaum 1) SIMROTH, Uber den Ursprung der Cephalopoden. 6. intern. Zoologen- Kongreß. Bern 1904. 243 nötig zu erwähnen, daß ich die Lassoarme der zehnarmigen Di- branchiaten für ein Paar differenzierte Kopftentakel halte, wie wir sie bei Pulmonaten und höheren marinen Schnecken durchweg finden. Andererseits ist aber zu betonen, daß die Epipodiallinie, so gut wie das gleichmäßige Nervennetz der Planarien, ursprünglich ohne Grenze in den Kopf überging und über dem Munde herumgriff, so gut wie am Hinterende. Möglicherweise gehören die Mundlappen der Pulmonaten, die man schon früher als Velarteile (s. u.) betrachten wollte, zu der Linie, jedenfalls aber die mancherlei verzweigten Kopffübler auf der Stirn altertümlicher Vorderkiemer, Turbiniden z.B. Ich füge die Beziehung deshalb bei, weil bei solcher Auf- fassung wir für die Herleitung der Octopodiden oder Polypodiden nicht erst auf den erwachsenen Trochus mit vier Epipodialtastern, sondern unmittelbar auf die von Rozerr beschriebene Larve mit einem Paar Kopf- und drei Paar Epipodialtastern (Fig. 15) zurück- zugreifen brauchen, natürlich zunächst nur in bezug auf das eine Meıkmal. Die Epipodialtaster haben hier ganz die Form des Kopftentakels, beide sind mit Tastpapillen besetzt, die zu Saug- näpfen werden können (s.u.). Die Frage scheint mir deshalb wichtig, weil bei ihrer Bejahung die Octopodiden auf eine altertümliche, ursprüngliche Stufe zuriicksinken. Mir scheinen sie auf solcher zu stehen, trotz mancher besonders hohen Differenzierung, die nach- träglich erworben sein kann; aber man wird in der Schale der weiblichen Argonauta schwerlich etwas anderes erblicken dürfen, als die ursprüngliche, der der Bellerophonten durchaus gleichende Schale, welche keineswegs von den Armen, sondern direkt vom Mantel aus gebildet wird, vielleicht unter nachträglicher Beteiligung der sie haltenden Arme. Schon die neuere Beobachtung, daß das Tier die beiden Arme gelegentlich in die Schale hineinzieht, spricht gegen einen festeren Zusammenhang, und die Beobachtungen über die erste Schalenanlage scheinen veraltet und der Nachuntersuchung dringend bedürftig. Aber die Zahl der Epipodialtaster kommt noch bei einer anderen, bisher nicht dazu gerechneten Form zum Ausdruck, bei den so- genannten Velarfortsätzen oder Segelzipfeln nämlich, mit denen sich eupelagische Gastropodenlarven schwimmend bewegen. Bis jetzt hat man sie fälschlicherweise als Neuerwerbungen besonderer Art aufgeführt, während sie doch offenbar weiter nichts bedeuten, als verlängerte Epipodialtaster, die — wie die Cephalopodenarme — nach dem Kopfe zu verschoben und mit einem starken Wimper- besatz ausgerüstet sind. Ihre Zahl allein schon spricht für solche 16* 244 Deutung; denn wenn sie auch schwankt und bei den verschiedenen Larven, Macgillivrayia, Echinospira, Atlanta, Sinusigera usw., wechselnd angegeben wird, so übersteigt sie doch niemals die 4 jederseits. Bei Echinospira z. B., der typischen Schwimmform, unter der sich die Jugendstadien von Lamellariiden und Heteropoden zum mindesten verbergen, haben wir vorn drei Paare von Segel- fortsätzen mit schmalen Wurzeln, und hinten noch eine wenig vor- springende Epipodialleiste mit breiter Wurzel (Fig. 17). Diesen Formen, Fig. 17. Echinospira, schwimmend, von der Ventralseite. au Auge; ep Epipodium; op Deckel; s Sohle; sh Schwimmschale ode) Scaphoconcha; t Fühler; vf Velar- fortsätze oder Epipodialtaster. die den Vorderkiemern einschließlich der Kielfüßer entnommen sind, kann man von den tectibranchen Hinterkiemern etwa Lobiger (Fig.18) gegentiberstellen, bei dem zwei Paar Epipodialtaster an normaler Stelle, ohne Verschiebung nach vorn, ausgebildet und zu Schwimm- werkzeugen umgewandelt sind. Bei Limacosphaera (Fig. 1) ist das vorderste Paar Epipodialtaster nach Art der Segelfortsätze der Prosobranchienlarven ausgestaltet, dahinter aber kommt ein anderer ähnlicher, aber doch bei näherem Zusehn abweichender Zipfel, er hat eine breitere Fläche, die beim Rückzuge des Tieres sich nicht FETTE 245 einfach verkürzt, sondern in zahlreiche Falten legt. Hinten hat der Fuß noch die gewöhnliche epipodiale Leiste. Hier ist also der vorderste Epipodialtaster für sich entwickelt, sodann ist das mittlere Stück der Epipodialleiste, das zum zweiten und dritten Epipodial- nerven gehören dürfte, zum zweiten Paar von Segellappen geworden, und der hintere, vierte Abschnitt ist flach geblieben. Die oben Fig. 18. . Lobiger von oben. p Penis; sh Schale; t Fühler; vf Velarfortsätze oder f: Epipodiallappen. vorgetragene Anschauung, dab Limacosphaera eine Zwischenstufe zwischen Pulmonaten und gymnosomen sowie pseudothecosomen Pteropoden darstellt, wird durch ähnliche Flossenbildungen bei den Pseudothecosomen unterstützt. So zeigt Desmopterus (Fig. 19) eine geteilte Flosse, die noch ein Flossententakel trägt. Die Inner- vierung, die nach Meısex#eımer eingezeichnet wurde, macht die BEN: * u ate pa 246 Deutung vollkommen klar. Wir haben die vier Paare der typischen Epipodialnerven der Pulmonaten, der vordere Flossenteil entspricht dem ersten und zweiten, der hintere dem vierten Abschnitt des Epipodiums, der dritte Abschnitt hat einen Epipodialtaster ent- wickelt. Dabei bemerke ich, daß allerdings in Meısenuemer’s Figur der zweite Nerv mit dem dritten stärker verschmolzen ist und ein schwächerer Seitenast des vierten nicht gerechnet ist. Der Schwanz- teil der Flosse würde dem Hinterende des Epipodiums entsprechen, das bei manchen Schnecken, wie erwähnt bei Haliotis z. B., über den Fußrücken herumgreift. Fig. 19. Desmopterus, mit eingezeichneten Epipodialnerven. ep Flosse oder Epipodium; ep.t, (vermutlich dritter) Epipodialtaster oder Flossententakel; m Mantel; sr Schlund- ring. Die Epipodialnerven sind an der Wurzel vereinigt. Frei nach Meisenheimer. Die Bezeichnung der Epipodialfortsätze, die zum Schwimmen dienen, als Segellappen deutet auf den morphologischen Wert des Velums hin. Es scheint mir nichts andres zu sein, als ein ver- kürztes Epipodium. Das wird wohl am klarsten bei dem verbreiterten Velum der Rissoen und Hydrobien, welche die jüngsten eupela- gischen Schwimmlarven zu sein scheinen!). Hier haben wir (Fig. 20) eine gewaltige Verbreiterung, dahinter aber noch einen Rest der gewöhnlichen Epipodialleiste. Die erstere entspricht vermutlich den drei vorderen Abschnitten, aus denen unter Entwicklung von 1) SIMROTH, Die Gastropoden des nordischen Planktons. In BRANDT und APSTEIN, Nordisches Plankton, 1911. 247 Epipodialtastern die Segellappen der Echinospiren entstanden sind. Wie aber niemand Anstoß nimmt, die Verbreiterung der issoa- Larve als Velum aufzufassen, so kann auch das Velum als gewöhn- licher, auf dem Rücken unterbrochener Wimperkranz schließlich nur als ein verkürztes Epipodium gelten. Die Vermehrung solcher Kränze oder Trochs namentlich bei manchen Pteropodenlarven fällt dann unter den gleichen Gesichtspunkt, wie die Vermehrung der Notocerata bei den Aeolididen. Diese Notocerata der nudibranchen Hinterkiemer sind nach der jüngsten Arbeit von Dreyrr’) entweder lediglich von den f sh Fig. 20. Rissoa-Larve, von der Ventralseite; au Auge; ep Epipodium ; s Sohle; sh Schale; t Fühler; v Velum oder vorderer Teil des Epipodiums. Nach Loven. Pedalganglien aus innerviert, sofern sie reine Pleurocerate sind und bald als Sinnes-, bald als Atmungsorgane dienen, oder sie enthalten, bei den Aeolidiern, außer den pedalen auch viscerale Elemente. Die pedalen Fasern gehören offenbar zu den epipodialen Centren, die visceralen in den Hepatocerata der Aeolidier sind durch die Einwucherung der Darmäste hinzugekommen. Auch deren Ursprung läßt sich meiner Meinung nach klar verfolgen von den Pulmonaten aus. Wieder ist es eins der altertümlichsten Soleoliferen, das die Anknüpfung bietet. Und damit mögen dem 1) DREYER, Über das Blutgefäß- und Nervensystem der Aeolididae und Tritoniadae. Zeitschr. f. wiss. Zool. XCVI 1910. 248 Darmtractus einige Bemerkungen gewidmet sein. Vom Blinddarm der Limaciden war oben schon die Rede. Unter den Soleoliferen, selbst noch unter den verwandten Janelliden, finden sich gelegentlich drei Lebern. Man kann daran denken, daß zwei davon durch Teilung einer Leber bis auf den Ausführungsgang entstanden sind, man kann aber ebensogut alle drei gesondert auf die drei Darmäste der Tricladen zurückführen, wobei freilich die Entscheidung im einzelnen schwer fällt. Immerhin spricht der Nachweis, daß die Verdauung, Lösung wie Resorption der Nahrung fast ausschließlich in der Leber statt hat, sehr zugunsten einer engen Homologisierung der Lebern mit dem Turbellariendarm. Unter den Soleoliferen hat Atopos s. Rathowisia den kurzen, U-förmigen Darm der Aeolidier und daran nur eine nach hinten gerichtete weite Leber, die einem der Darmäste der Tricladen in doppelter Weise entspricht: sie nimmt die sämtliche Nahrung in ihr weites Lumen auf und sie ist rings mit kurzen Aus- sackungen besetzt, in welche ebenfalls Nahrungsteile eintreten. Aus dieser Darmanlage leitet sich ohne weiteres die der Cladohepatiker unter den Nudibranchien her. Die Leberaussackungen haben sich weiter verzweigt nach Art der Tricladen, wobei sie sich über die Körperoberfläche in die Rückenanhänge ausdehnten nach Art der Gastropoden, deren Integument eben über die glatte Fläche der Turbellarien sich vielfach erhebt. Als die ursprünglichste Radula betrachtet man meist die der Pleurotomarien mit ihrem überaus reichen Zahnbesatz und ihrer ungewöhnlich großen Fläche, die durch viele Längsfurchen ihre Unterbringung in der Pharynxhöhle ermöglicht. Ganz dieselbe längsgefurchte und mit mehr als 700 Zähnen in einer Querreihe besetzte Radula finden wir aber unter den Stylommatophoren bei der altertümlichen Ostracolethe, nur daß hier die Zähne nicht die reiche Differenzierung der Rhipidoglossenraspel zeigen, sondern sämtlich untereinander gleich und zweispitzig sind, vermutlich von je zwei Odontoblasten erzeugt. Diese Stylommatophorenradula ist mithin, wenn wir die bisherigen Anschauungen der Zoologie gelten lassen wollen, die ursprünglichste von allen. Bekanntlich sind die Umwandlungen der Zähne außerordentlich verschieden innerhalb jeder einzelnen Schneckengruppe. Wiederum fällt es da in die Augen, wie beim Nervensystem (s. o.), daß das höchste Gleichmaß den Pulmonaten zukommt. Es können zwar Verschmelzungen ein- treten, so daß die Zähne wohl sieben Spitzen bekommen, die Zahl kann abnehmen u. dgl.m. Aber niemals gehen diese Umbildungen 249 so weit als bei den Prosobranchien, wo Rhipidoglossen, Doco-, Rhachi- und Toxoglossen nach Differenzierung und Reduktion das Extremste leisten, oder bei den Opisthobranchien, wo die Zahlen in der Quer- reihe von eins bis zu Hunderten schwanken. Niemals auch finden: sich unter den Pulmonaten Aglossa, ohne jede Zahlenbildung, wie bei den anderen Gruppen. Die wesentlichste Umformung der Pulmonatenradula besteht in der pfriemenförmigen Verlängerung der seitlichen Zähne, die sich dann bis zur Mitte erstreckt. Damit ist das Raubschnecken- oder Testacellidengebiß erreicht, das be- kanntlich in jedem Tribus sich besonders entwickelt und die alte Familie der Testacelliden in eine große Reihe convergierender’ Formen auflöst. Für die Raublungenschnecken ist es nun überhaupt bezeichnend, daß sie Spezialisten sind, die entweder von Lumbriciden: oder von anderen Pulmonaten sich nähren. Und da ist denn über- aus charakteristisch, daß die nackten Pteropoden, wie oben erwälınt, von beschalten leben, diese aber vom Plankton. Wir haben in ihnen: offenbar älteste Lungenschnecken vor uns, die ins Meer eingewandert sind; die beschalten haben die ursprüngliche Lebensweise beibehalten. Denn die Pulmonaten nähren sich anfangs von Moder, Algen und Flechten, wie etwa Limax arborum, Clausilien und Pupen an den Felsen, oder wie sich Helix desertorum selbst in der trockensten. Wüste von Nostocaceen mästet, die an den Sandkörnern haften und mit der Schnecke zusammen bei der geringsten Feuchtigkeit zu aktivem Leben erwachen. Solcher Lebensweise entspricht die Aufnahme des Microplanktons im Meere. Die Gymnosomen aber leben von den Thecosomen, wie die Testacelliden von ihren Ver- wandten. | Dabei bleiben aber noch einige Organe der Pteropoden zu er- örtern, die mit der Nahrungsaufnahme zusammenhängen, die Haken- säcke, die Cephaloconen und die beiden mit Saugnäpfen besetzten: Tentakel unter dem Munde. Die ausstülpbaren Hakensäcke zunächst werden meist als Sondererwerbung betrachtet ohne jedes Homologon. Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, daß sich doch wohl etwas ähnliches findet. in dem Sacke, den nach Sars zu jeder Seite des Mundes die Scalarien tragen mit einem Stilet im Innern. Die Scalarien sind aber nach ihrer Mundbewaffnung ebensogut agnath und testacellid wie die Gymnosomen, Pteropoden, und sie stehen innerhalb der Vorderkiemer völlig isoliert. Auch sie haben vermutlich, wie die Flossenfüßer, ihre Wurzel bei den Pulmonaten. Wo aber liegt bei denen das Organ, aus dem sich Stilet und Hakensäcke entwickelt 250 ' haben? Bestimmte Antwort wage ich noch nicht zu geben, denn es liegen verschiedene Bildungen vor, von denen man ausgehen kann. Einmal zeigen mehrere Pulmonatengruppen, besonders die Amalien und die Elasmognathen, eine reiche Auskleidung der Pharynxhöhle mit Conchin oder Chitin, wie sie bei einer anderen, gleichfalls isoliert stehenden Vorderkiemerfamilie, den Janthiniden, besonders entwickelt ist. Aus ihr können sich allerlei Hartgebilde, Kiefer sowohl wie Hakensäcke, entwickelt haben, welche letzteren so gut wie der Kiefer mit der Hautmuskulatur in Zusammenhang treten mögen. Zu etwas präziserer Vorstellung mag schon der Kiefer der jedenfalls altertümlichen Ancyliden unter den Pulmonaten führen. Er ist keine feste Platte, sondern besteht aus vielen ge- trennten gezähnten Plättchen, die sich zu beiden Seiten häufen. 1 Unter Schwund des mittleren, oberen, schwächeren Bogens konnten daraus ebensogut die meisten seitlichen Kiefer der Vorder- und Hinterkiemer durch Verschmelzung, wie die Hakensäcke der Ptero- poden hervorgehen. Doch stehen bei den Pulmonaten noch andere Organe für die Ableitung der letzteren zur Verfügung. Da sind einmal die großen, mit einem Retraktor versehenen Sımrora’schen ~ Drüsen von Afopos, von denen ich einerseits die überzähligen Speichel- oder Lippendrüsen mancher Vorderkiemer, andererseits den Liebespfeil der Pulmonaten abzuleiten suchte‘); sie können — ebensogut den Stiletsack der Scalarien wie die Hakensäcke der Pteropoden ergeben haben. Es bietet sich aber noch ein weiteres Gebilde, das bei keiner anderen Schneckengruppe als bei den Stylommatophoren vorkommt, das Semrer’sche Organ nämlich, d. h. jene Drüsenballen im Umkreis der Mundöffnung, deren physiologische Bedeutung sich noch nicht genügend präzisieren ließ. Sie stellen gewissermaßen eine Anlage in nuce vor, aus der sich allerlei kom- plizierte Organe differenzieren können. Vielleicht bringt die Zu- kunft bestimmteren Anhalt in der einen oder anderen Richtung. Sinnesorgane. Die Cephaloconen von Clione können ebensowohl als Sinnes- werkzeuge wie als Greiforgane betrachtet werden (Fig. 21). Sie betasten die Nahrung und halten sie fest. Mir scheint, sie sind entstanden aus den Hautpapillen, die bei vielen Pulmonaten die Mundöffnung umgeben. Sarısım hat sie von der Ackerschnecke 1) SIMROTH, Uber den Ursprung des Liebespfeiles. Diese Ver lungen 1909. 251 sehr deutlich abgebildet (Fig. 8 mp). Die Vorstellung, daß sie sich verlängert haben und Kleborgane geworden sind, wird wesentlich unterstützt durch eine Betrachtung allgemeinerer Art, den Schleim . betreffend. Bei Landschnecken wird der Schleim nur ganz aus- nahmsweise als Klebemittel verwandt, bei der Laichbildung nämlich (Ss. u.). Um so mehr scheint er dazu im Meere geeignet. Hier liegt jedenfalls mehr ein Problem der modernen Colloidchemie vor, als der Biologie. Im Meere, weniger im Flußwasser, finden wir einen vielfachen Gebrauch der Hautabscheidungen zum Festleimen, beim Festwachsen von Ostrea oder Vermetus, bei vielen Laichbildungen, Fig. 21. Fig. 22. _ Vorderende von Clione borealis,von derVentral- Vorderende von Pneumoderma, von der Ven- seite. cp Cephaloconen oder Mundpapillen; tralseite; fl Flosse oder Epipodium; s Sohle; fi Flosse oder Epipodium; r Radula; s Sohle; t, Fühler; t, mit Saugnäpfen besetzte Arme, | t, Tentakel. welche dem Mundlappen oder dem dritten Tentakelpaar der Raublungenschnecken ent- sprechen. bei den Captacula der Scaphopoden. Namentlich die letzteren, die doch auf Sinnesknospen zurückgeführt werden, geben die beste Parallele. | Die beiden mit Saugnäpfen besetzten Fangarme, einfach bei Pneumoderma (Fig. 22), verästelt bei dem von Mrısexmemer (I. €.) ‚beschriebenen Schizobrachium, dürften auf das dritte Tentakelpaar ~ der Raublungenschnecken, die sogenannten Mundlappen zurückgehen. Sie werden zumal bei den Glandiniden stark verlängert und geraten bei der Ergreifung der Beuteschnecke in lebhafte Bewegung. Ent- - sprechend habe ich einen in Fig. 8 (t,) eingetragen. Hier herrscht dasselbe Prinzip wie am Cephalopodenarm, die’Sinnesknospen werden ' zu Saugnäpfen, und es ist bezeichnend genug, daß Meisennermer’s Abbildung der Radula von Schizobrachium (1. e. Taf. XXVII Fig. 14) durchaus mit der Testacellidenradula übereinstimmt. 252 Die übrigen Sinnesorgane. erfordern nur wenige Worte Eine — gewisse Schwierigkeit könnte das Osphradium vieler Vorder- und Hinterkiemer machen, wo es zu dem Ctenidium in Nachbarschaft tritt, während die Pulmonaten hauptsächlich mit den Fühlern riechen. Aber unter den Vorderkiemern hat der Geruch bei den Landformen seinen Sitz ebensogut in den Fühlern, so gut wie viele Hinterkiemer besondere Geruchsfühler oder Rhinophoren heraus- — bilden. Andererseits hat ja Prarz bei den Testacellen auch ein echtes Osphradium als Geruchsleiste in der Lungenhöhle nach- gewiesen, wozu ich die Sinnesleiste unter der Mantelkappe der nicht weniger altertümlichen Parmacella stelle. Daß die Fühler der Opisthobranchien vielfach rinnen- oder ohrförmig sind (Fig. 14), spricht um so weniger gegen die Ableitung von den Pulmonaten, als auch bei denen mancherlei Taschen vor- kommen, namentlich auf primitiver Stufe bei den Vaginuliden in den unteren Tentakeln, auch bei Protancylus, und der Sarasın’sche Ausdruck ‚Sinnespfanne‘ für die Anlage gibt ohne weiteres die Er- klärung. Daß die zu einem Kopfschilde verschmolzenen Fühler der Cephalaspideen eine Sonderanpassung an die grabende Lebensweise darstellen, bedarf kaum der Erwähnung, höchstens könnte man darauf hinweisen, daß sich bereits viele Pulmonaten in die Erde verkriechen. Die Einstülpbarkeit der Stylommatophorententakel. ist eine sekundäre Sondererwerbung, als Folge des terrestrischen Aufenthalts, sie fehlt noch den niedersten Formen auch auf dem Lande, den Vaginuliden und Janelliden. Auf deren Tentakel sind jedenfalls die der Pteropoden zurückzuführen. Ihre Rudimentation hängt mit dem pelagischen Aufenthalt zusammen, denn auch bei den Heteropoden finden wir die gleiche Erscheinung, besonders bei den Pterotracheen, denen sie oft individuell zu fehlen scheinen. Wie es scheint, kam dem terrestrischen Prorhipidoglossum am hinteren Körperende noch eine terminale, vielleicht paarige Sinnes- leiste zu, wie solche bisweilen am Vorderende sich finden, z. B. bei Opisthobranchien. Das Terminalorgan scheint sich erhalten zu haben in den Sinnesleisten des Ganges der Schalentasche am hinteren Mantelumfange bei den Limaciden so gut wie bei den Janelliden, wo es infolge der Integumentverschmelzung zwischen Schalentaschen- decke und -boden zum Bläschen abgekapselt wurde (s. 0). Die reichste Sonderausstattung mit Sinneswerkzeugen erhält aber die Epipodiallinie, bei Docoglossen mancherlei Sinnesleisten, bei Diotocardien die erwähnten Epipodialtaster. Zu denen kommen 253 aber noch rundliche Sinnesknospen, wie sie Rogerr besonders deutlich von der Trochus-Larve angibt (Fig. 16). Sie wurden früher wohl am erwachsenen Tier ihrer Pigmentierung wegen als Augen gedeutet. Von diesen Knospen ist eine unpaar, die vorderste neben dem rechten Kopftentakel, ohne Gegenstück auf der linken Seite. Sie ist offenbar zur Glans des Penis geworden, entsprechend der etwas unklaren Angabe in der Literatur, nach welcher Trochus einen Penisrest be- sitzen soll. Paludina zeigt das Verhalten am deutlichsten, denn wie der kurze Augenfühler ist auch die Penisknospe mit dem rechten Kopftentakel verschmolzen, das nun als Penis fungiert. Die Be- ziehungen sind umso schärfer, als Paludina den Trochiden durch ihre pedalen Markstränge an Stelle geschlossener Ganglien noch nahe genug steht. Das Auge kommt vielleicht insofern weniger in Betracht, als die neueren Untersuchungen selbst bei nahe verwandten Formen einen unerwarteten Reichtum convergenter Erwerbungen gezeigt haben. Selbstverständlich wird man vom offenen Augenbecher aus- zugehen haben, wie bei Patella und Nautilus, wenigstens für die beiden Kopfaugen. Das Auge der heutigen Pulmonaten ist, der "ganzen Ökonomie entsprechend, sehr gleichförmig geworden. Trotz der bescheidenen Ausbildung zeigt es. in der Nebenretina von Limax maximus eine Steigerung, die bisher bei keinem Vertreter einer anderen Gruppe beobachtet wurde. Daß aber bei den Lungen- schnecken von Anfang an die breiteste Grundlage der Entwicklung von Sehwerkzeugen gegeben war, beweisen die Rückenaugen der Oncidien, die wohl in der Vermehrung der Augen bei den Planarien ihre Wurzel haben, mit denen sie den inversen Bau der Retina teilen. Die ungeheure Steigerung in der Entwicklung der Sehorgane bei den Cephalopoden hängt jedenfalls mit der im Meere erworbenen freien Beweglichkeit infolge der doppelten Erwerbung von neuen Locomotionsorganen, Trichter und Armen, zusammen. Die dem- nächst beweglichsten, die Heteropoden, namentlich die Pterotracheen, bilden auch die zweite Stufe in der Augenentwicklung nach Größe und Sonderung. Aber der von ihnen eingeschlagene Weg läuft so weit abseits von dem der Tintenfische, daß man die gemeinsame Wurzel nach rückwärts verlegen muß; und da scheint wenigstens der Herleitung von Pulmonaten nichts im Wege zu stehn. Die Geschlechtsorgane und die Asymmetrie. Der Penis ist, wie bereits gesagt, selbständig aus einer Sinnes- _knospe der Epipodiallinie hervorgegangen, anfangs jedenfalls so 254 gut rechts wie links. Und wie jeder Epipodialtaster der Trochus- Larve seine Sinnesknospe neben sich .hat, so konnte bei der Ver- kürzung der Epipodiallinie nach vorn jeder Taster zum Penis werden oder, was dasselbe besagt, jeder Arm der Tintenfische konnte hektokotylisiert werden, wie wir’s jetzt noch finden, bald auf der rechten, bald auf der linken Seite, bald auch noch auf beiden. Der Landaufenthalt aber mit seiner erzwungenen sparsamen Ökonomie verbot den doppelten Luxus. Geschlechtswege, Gonade und Begattungsorgane konnten sich nur auf einer Seite erhalten. Ebenso nahe liegt der Gedanke, daß die Erwerbung der Rückenschale die freie Beweglichkeit, wie wir sie bei den Planarien finden, behinderte und die Copulationséffnung zur Seite drängte. Hierin haben wir vermutlich die wahre und einzige Ursache der asymmetrischen Auf- windung. Die Gonade mit ihren Adnexen ist das einzige unpaare Organ der Gastropoden, während alle andern Weichtiergruppen. sie noch doppelt haben oder doch auf Verschmelzung aus paariger Anlage hinweisen. Alle übrigen Versuche, die Asymmetrie zu er- klären, scheinen fehlzuschlagen, so daß ich von meiner vor Jahr- zehnten ausgesprochenen Ansicht abzuweichen keine Veranlassung habe. Die asymmetrische Aufwindung betraf zunächst die mit der — Gonade verbundenen Nephridien, in der Verbindung zum Coelom. Der Enddarm braucht nicht zu folgen (s. 0... Ob und inwieweit nachträglich wieder Detorsion eintrat als sekundäre Annäherung zur Bilateralität, bleibt noch zu untersuchen. Hier scheint Vorsicht am Platze, zum mindesten in bezug auf den After. Die ursprüng- liche Geschlechtsanlage war hermaphroditisch, wie bei den Turbel- larien. Alle Pulmonaten, Opisthobranchien und Pteropoden sind ~ Zwitter, dazu altertiimliche Vorderkiemer, wie Valvata, andere deuten, scheinbar diöcisch, auf protandrische Entwicklung hin, bloß die Cephalopoden sind rein diöcisch geworden. Man braucht nur mit Bourne die Bezeichnungen der Plattwürmer auf die Schnecken zu übertragen, die Gonade als Keim-, die Eiweißdrüse als Dotter- stock zu bezeichnen usw., und die Beziehungen treten klar hervor. Der Penis lag anfangs am Vorderende, die Geschlechtséffnung am Umfange des Mantels. Beide wurden durch eine äußere Flimmer- oder Genitalrinne verbunden. Da ist es höchst bezeichnend, daß diese Flimmerrinne sich unter den Pulmonaten nur beiterrestrischen Formen erhalten hat, bei einer Auriculacee und als Rest bei Oopelta®). Den äußeren Rest tragen aber noch alle Stylommatophoren in der 1) SIMROTH, Die Landschnecken der deutschen Südpolar- Expedition 1901—1903. Im Werke der Expedition 1911. 255 Rinne, die vom Mantel nach dem vorderen, seitlichen Sohlenende herunterzieht. Wahrscheinlich glitten anfangs sowohl Sperma wie Kier hier herab (s. u.). Und gerade dieselben Stylommatophoren haben noch dieses Merkmal von den urspriinglichen symmetrischen Vorfahren ererbt, denn die gleiche Genitalfurche tritt auch auf der anderen Seite auf, die keinen Geschlechtsporus hat. Und es ist wohl selbst kein Zufall, daß gelegentlich noch ein zweiter, funktions- unfähiger Penis „ohne Verbindung mit den übrigen Genitalien“ bei Sty- lommatophoren (Helix pomatia) und Pteropoden (Thliptodon) be- obachtet wurde, so gut wie vereinzelte Cephalopoden noch ein Armpaar zu Hectocotylen umformen. Geschlechtswerkzeuge sind primitive Kennzeichen. Hier dokumentieren Stylommatophoren, Pteropoden und Cephalopoden alte Verwandtschaft. Bei den Pul- monaten findet sich die höchste Steigerung und Komplikation in den sekundären Anhängen, namentlich für geschlechtliche Reizung im Vorspiel. Bei ihnen allein wird die Einstülpung des Penis zur Bedingung, bei ihnen allein ist der Tonus der Muskulatur so fest abgestimmt, daß -durch ausführliche Stimulation eine Umstimmung nötig ist zur Ausstülpung der Begattungswerkzeuge und zur Ent- leerung der Zeugungsstoffe. Als eine besondere Anpassung an das Landleben mit seiner Trocknis muß die Spermatophore gelten, die sich erst innerhalb der Pulmonaten entwickelt hat und Körper- länge erreichen kann; sie fehlt altertümlichen Gruppen, Basomma- tophoren, Soleoliferen, Janelliden und selbst noch den meisten Limaciden. Man kann sich fragen, ob sie in diesen Linien wieder rückgebildet oder gar nicht erworben wurde. Daß sie die Cephalo- poden bereits von alten Landformen übernommen haben, kann kaum zweifelhaft sein. Ihre verschwenderische Zunahme an Zahl ist jedenfalls dem Einfluß des Lebens im Meere zuzuschreiben. Dafür spricht die Rückbildung der Copulationswerkzeuge bei alten Vorder- kiemern, die in der Litoralzone ein halb sessiles Dasein führen. Während der Wegfall des scharfen terrestrischen Trainings die Ausbildung der Genitalwege vernachlässigen läßt, schwillt umgekehrt die Gonade ungeheuer an, und die Geschlechtsprodukte brechen an dem locus minoris resistentiae durch, d. h. durch die Niere. Damit trete ich in Gegensatz zu der üblichen Deutung, als wenn wir in dieser Kombination den Anfang vor uns hätten und der _ Verlust des einen Nephridiums der Diotocardien bei den übrigen _ durch die Umwandlung in die Geschlechtswege zu erklären wäre. _ Das ursprüngliche Prorhipidoglossum hat jedenfalls zwei Nephridien gehabt, aber das eine ist bei den Pulmonaten auf dem Lande sehr 256 "bald verloren gegangen, so gut wie das Nervensystem schnell dem -Gleichgewichtszustande entgegeneilte, den es jetzt einnimmt, ohne .daß die Entwicklungsgeschichte noch frühere Phasen aufbewahrt ‚hätte. Die Auflösung der scharfen morphologischen Ordnung im Wasser läßt sich sehr genau an der Eibildung verfolgen. Auf .dem Lande erhält jeder Dotter, nachdem er befruchtet und vom Dotterstock oder der Eiweißdrüse mit Nahrungseiweiß versorgt ist, von der Schalendrüse, d. h. dem weiblichen Teil des Spermovidukts, ‚seine Schale, und so wird das Ei abgelegt. Nur bei den letzten Eiern eines Limaxlaichs kommt es vor, daß mehrere Dotter in „eine Schale geraten. Umgekehrt im Wasser sowohl bei Vorder- wie Hinterkiemern. Hier werden meist viele Dotter in einer Ei- -schale vereinigt, und nur die letzten Eischalen eines Opisthobranchien- laichs enthalten weniger oder, wieich eben melden konnte (Valdivia), gar keinen, sie sind einfach leer. An Stelle der regelmäßigen Ver- -sorgung mit Nahrungsdotter tritt häufig der Kampf zwischen den vielen Dottern in einer Eischale, von denen nur der stärkste auf ‚Kosten der Geschwister heranwächst. Es kann keinem Zweifel ‚unterliegen, daß das geordnete Verhältnis der Pulmonaten das ‚ursprüngliche ist. Als etwas Absonderliches können wohl die mancherlei wunder- ‚lichen Laiche der Vorderkiemer gelten, Kapseln von oft bizarrer Form, oder der große Sandnapf von Natica, in dessen Wände die Eier eingebettet sind. Und doch läßt sich beweisen, daß die Anfänge -dazu bei den Pulmonaten zu finden sind. PELSENEER!) hat eben gezeigt, dab die komplizierten Cocons mit dem Vorhandensein einer ‚Sohlendrüse zusammenhängen, die, hinter der vorderen Fußdrüse „meist mitten auf der Sohle gelegen, das Material für den Cocon liefert, nachdem die Eier durch eine Flimmerrinne, wohl die ur- -sprüngliche Genitalrinne (s. 0.), von der Geschlechtsöffnung herab- .geglitten sind. Der Fuß drückt nachher wohl den Cocon nieder, -schließt ihn und überzieht ihn mit einer Schleimschicht, die nur ‚aus gewöhnlichen Schleimdrüsen in der Umgebung der Sohlendrüse stammen kann (SIMROTH ]. c. Valdivia). Aber verfährt nicht die Weinbergschnecke ebenso, wenn sie mit der Sohle ein Loch im Erdboden aushöhlt und nach der Eiablage wieder glättet? Ist der .Sandnapf der alten Natica etwas anderes als diese Höhlung, die . durch Schleim verfertigt wird? Geht nicht das Einbohren in den Sand auf den gleichen Sohlengebrauch zurück? Zeigt nicht Jan- 1) PELSENEER, Glandes pédieuses et coques ovigeres des Gastropodes. . Bull. scientif. de la’ France et de la Belgique (7) XLIV 1910. 257 thina, die ihr Floß ganz in Anlehnung an den Schleimschwimmer der Basommatophoren fabriziert, in der stärkeren Absonderung des mittleren Sohlennapfes, in dem das Floß haftet, den Übergang zur Sohlendrüse? Ein anderes Beispiel brachte mir jüngst die Aus- beute der Valdivia (l. c.). Die Struthiolaria von den Kerguelen, durch ihre Radula als ältestes Taeniogloß gekennzeichnet, das den Rhipidoglossen noch nahe steht, hat ein Laichband, wo die großen Eier der Reihe nach in Mudd eingebettet sind, der offenbar durch den Fuß zu einer Form zusammengepreßt wurde, welche einer Hülsenfrucht gleicht. Das erinnert lebhaft an die Cochlostyla leucophthalma, welche ihre Eier in ein Blatt hüllt, dessen Ränder sie durch die Absonderung des Fußes zusammenleimt (P. und F. Sarasin ]. c. Celebes). Beziehungen zu den Echinodermen. Noch gedenke ich hier der biologischen Beziehungen, welche die Schnecken, ja auch Muscheln, zu den Stachelhäutern unterhalten. Ich habe sie früher bereits durch Blutsverwandtschaft und damit durch Chemotaxis, welche stofflich verwandtes zu verwandtem hinzieht, zu erklären gesucht, worauf ich hier nicht wieder ein- gehen will. Zahlreiche Schnecken leben bekanntlich als Raum- parasiten oder echte Schmarotzer an oder in Echinodermen, andere, wie Dolum und Triton, nähren sich von ihnen, indem sie das Kalkskelett durch den Säuregehalt ihrer Speicheldrüsen zertrümmern. Nun scheint es aber auch einen Stachelhäuter zu geben, der im Darm einer Schnecke gedeiht. So wenigstens glaube ich die Tat- sache deuten zu sollen, die B. Harzer!) beschrieben hat. Er fand im weiten Vorderdarm zweier Siphonaria gigas von im ganzen 5 Stück aus der Ausbeute des Vettore Pısanr je eine erwachsene unverletzte Ophiure und deutete den Befund so, dab die Schnecke den Schlangenstern gefressen hätte. Das scheint mir ganz unmöglich. Vielmehr wird man anzunehmen haben, daß die Ophiure als Jugend- form in den Darm einwanderte und dort heranwuchs. Ist es nicht auffallend, daß dieser scheinbar so extreme Fall wiederum eine Lungenschnecke betrifft? Geographische Beziehungen. Es mag noch gestattet sein, kurz der geographischen Ver- breitung der hier besonders erwähnten Weichtiere im Lichte der 1) B. HALLER, Die Anatomie von Siphonaria gigas Less., einem opistho- branchen Gastropoden. Arb. Zool. Institut Wien X 1892, dazu SIMROTH in den Sitzgsber. natf. Ges. Leipzig 1910. Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1911. 17 258 Pendulationstheorie zu gedenken. Sie zeigt, daß es sich vorwiegend um Formen handelt, die durch ihre Wohnorte bereits ihre Alter- tümlichkeit beweisen. Limacosphaera findet sich von Aden bis Sumatra, weiter im australischen Teile der Südsee und am reichsten in der Antarktis; sie ist auf der Ostpollinie am weitesten nach Süden abgedrängt. Die Soleoliferen sind, soweit sie streng das Land bewohnen, Wärmeformen geblieben, die Atopiden im Ostpolgebiet, die Vaginu- liden tropisch circumpolar, nur auf der ostafrikanischen Linie in Abessinien, im fernsten Südosten (Australien) und Südwesten (Chile) - die Tropengrenze etwas überschreitend.. Die Oncidiiden hausen nur noch vereinzelt im Ostpolgebiet hoch über der Meeresküste, die Strandformen sind tropisch circumpolar, nur die kleine Oncidiella ist in Schwingungskreislage weitergegangen, an der Küste von Westeuropa und von Alaska mechanisch herausgehoben. Die Janelliden sind weit nach Südosten über den Ostpol hinausgedrängt. Paraparmarion lebt am Ostpol. Die eupelagischen Larven, Echinospira, Sinusigera usw. sind strenge Warmwasserformen geblieben. Die Rissoa- und Hydrobia-Larve beruhen auf Einwanderung ins Meer und haben sich im Norden außerhalb der Warmwassergebiete herausgebildet. Von den Limaciden sind die ältesten, die Ackerschnecken, -kosmopolitisch, so zwar, daß die beiden Stammarten, Agriolimax laevis und agrestis, an der Küste des Eismeeres miteinander zu verschmelzen scheinen. Kaum voneinander zu trennen sind die Formen der Gobi; in den Tropen wiegt Agr. laevis vor. Alle übrigen sehr zahlreichen Arten der Gattung bewohnen das ursprüng- liche Schöpfungsgebiet, die Mittelmeerländer von Portugal und den kanarischen Inseln bis Abessinien und Turkestan. ZLimax erreicht seinen Nordpunkt unter dem Schwingungskreis, seine höchste Aus- bildung in den Südalpen. Die übrigen Gattungen sind nach Süd- osten verdrängt bis ins Kaukasusgebiet und Turkestan. | Parmacella geht jetzt im Bogen von Nordindien durch die Mediterranländer bis zu den Canaren. Ihr Vorkommen im baltischen Bernstein beweist die Herkunft vom Schwingungskreis. Nach ihr ist auch der Ursprung der Parmacellilla zu beurteilen, die bisher in einem einzigen Exemplare im südöstlichen Kaukasusgebiete ge- funden wurde. 259 Die Valvaten gehen von allen fluviatilen Vorderkiemern am weitesten nach Norden und erreichen ihren Nordpunkt in Europa unter dem Schwingungskreis. Struthiolaria mirabilis von den Kerguelen gehört zu einer Gattung, die jetzt auf die südliche Erdhälfte beschränkt ist, aber nach dem Zeugnis der Palaeontologie von der nördlichen stammt. Sie ist nach der Radula (mit überzähligen Randzähnen) die pri- mitivste Form, entsprechend der südlichsten Lage ihres Wohnortes. Testacella beschränkt sich streng auf das außertropische Schwingungskreisgebiet von Mitteleuropa bis Südafrika. Die meisten Arten hausen genau oder ganz nahe unter dem Schwingungs- kreis, einige sind bis auf die atlantischen Inseln nach Westen vorgedrungen. Schluß. Somit ergibt sich für mich der bestimmte Schluß, daß das jetzige System der Gastropoden, welches die Wurzeln im Meere sucht, unhaltbar ist. Alle einzelnen Züge der Vorder- und Hinter- kiemer, der Ptero- und Cephalopoden, ja wohl auch der Scapho- poden, weisen auf die Pulmonaten zurück, bei denen sie nur am freien Auswachsen verhindert wurden durch die strengen An- forderungen des Landlebens. Die Pulmonaten sind die unmittel- baren Nachkommen der Planarien, und man darf wohl die genauere Einschränkung machen, daß die Stammform in vier pseudometamere Abschnitte zerlegt war, sei es durch Darmäste, wie Gunda, sei es durch Rückenporen des Excretionsorgans, sei es durch Borsten- bündel, wie das Gastrotrich Dasydytes. Die Stylommatophoren stellen die morphologische Weiterbildung des Landplanarienkörpers dar, unter Erwerbung einer Schale und doppelter Genitalwege, von denen der eine sehr bald durch die sparsame Ökonomie des Land- lebens unterdrückt wurde. Biologisch dehnen sie die Lebensweise der auf die Gebiete stetig mit Wasserdampf gesättigter Luft be- schränkten Landplanarien bis zu den trockensten Gegenden aus, soweit noch ein seltener Nebelstreif die Übersättigung der Luft mit dem notwendigen Naß andeutet. Die Einwanderung ins Wasser, oder der Schutz terrestrischer Formen durch ein fest schließendes Operculum hat vielen alten Zwischenformen dauernde Existenz und den ersteren die freie Entfaltung der im Stylommatophoren- körper schlummernden, aber durch die schweren Lebensbedingungen in Schranken gehaltenen Anlagen gestattet, ohne indes wesentlich Neues hervorzurufen. Ir 260 Es versteht sich für mich von selbst, daß die auf dem Spezial- gebiete gewonnenen Anschauungen die Grundlage abgeben müssen für die Beurteilung der übrigen, der gesamten Lebewelt. Vortrag des Herrn Prof. Dr. Goupschmivr (München): Ein Fall geschlechtsbegrenzter Vererbung. (Mit Lichtbildern). Manuskript nicht eingegangen. Vortrag des Herrn Dr. Geruarpr (Breslau): Zur Morphologie der Säugetierniere. Meine Herren! Zum Zweck einer Bearbeitung der Harnorgane der Säugetiere für Brony’s „Klassen und Ordnungen“ habe ich das Material des Breslauer Zoologischen Instituts an Säugernieren zur Kontrolle der bisherigen Literaturangaben, zunächst in morpho- logischer Beziehung, durchuntersucht, und ich bin dabei zu Ergebnissen gekommen, die in einigen Punkten die früheren Befunde ergänzen, in anderen in einem gewissen Widerspruch zu ihnen stehen, und die mir daher erwähnenswert erscheinen. Entwicklungsgeschichtlich hat man bekanntlich an der Säugerniere zwei auf verschiedene Art entstandene Teile zu unter- scheiden: Einen Ureteranteil, der vom Harnleiter geliefert wird, und einen eigentlichen Nierenanteil, der vom Nierenblastem in der Gegend des kaudalen Urnierenpoles herstammt. Der Ureter sproßt als hohler, blind endender Auswuchs vom Urnieren- gang kopfwärts aus und treibt, im Nierenblastem angelangt, zunächst zwei blinde, gleichfalls hohle Fortsätze, einen kaudalen und einen oralen. Der Ureter liefert dann durch einen weiteren Aussprossungs- prozeß die Sammelröhren, während vom Nierenblastem die Glomeruli und die Tubuli contorti entstammen. Sammelröhren und Tubuli contorti verwachsen, und ihre Gesamtheit bildet das aus Mark und Rinde bestehende Nierenparenchym, während der schon ursprünglich erweiterte Teil des Ureters bestehen bleibt als Nieren- becken oder dessen Äquivalent. An der erwachsenen Niere können wir also noch einen Ureteranteil von der eigentlichen Nieren- substanz unterscheiden, nur liegen die Grenzen zwischen beiden anders als im embryonalen Zustande. In allen hier beigefügten schematischen Abbildungen ist der Ureteranteil rot, der Nieren- anteil schwarz gezeichnet. Die Grenze zwischen der Mark- substanz (gestrichelt) und der Rinde durch Punkte angedeutet. 261 Im einfachsten Falle stellt die erwachsene Säugetierniere ein kompaktes, glattes, bohnenförmiges Organ dar; in die dem Nabel der Bohne entsprechende Einziehung, den Hilus, der in den Sinus renis führt, ist der Ureter mit seiner Erweiterung, dem Nieren- becken, so eingepaßt, daß er das Dach des Nierenbeckens, den dem Sinus zugewandten Teil des Nierenparenchyms, umfaßt. Bei den Monotremen treffen wir die einfachsten Zustände an. Bei Ornithorhynchus strahlt der Ureter, der ein erweitertes Nieren- becken bildet, in einigen gröberen Ästen ins Parenchym der Niere aus, wie dies von GEGENBAUR,') Homs,”) Mecker?) richtig angegeben worden ist. Für Zchidna findet sich bei älteren Autoren (UUVIER?), GEGENBAUR!) die Angabe, daß hier kein eigentliches Nierenbecken differenziert sei, vielmehr der Ureter ohne Enderweiterung Äste ins Parenchym aussende. Das ist, wie ZARNIK?) angegeben hat, und wie ich es durchaus bestätigen kann, nicht richtig. Vielmehr finden wir bei Zchidna nicht nur eine in den schwach angedeuteten Sinus renis hineingesenkte Erweiterung des Ureters, ein Nierenbecken, son- UZ dern in dies Becken ragt auch vom Nierenparen- chym her eine stumpfe, wenig prominente Nieren- warze oder Papille, die die Miindungen der Sam- nur melröhren, in einer Area cribrosa vereinigt, trägt. Einfache, einwarzige Hier haben wir in der einfachsten Form das vor Nies: uns, was wir auch bei Placentaliern als „einfache, einwarzige Niere“ wieder antreffen. Fig. 1 zeigt ein Schema dieser Nierenform, die ausgezeichnet ist durch glatte Oberfläche, dieser Oberfläche parallele (im Schema punktierte) Grenze zwischen Mark und Rinde, Aus- mündung sämtlicher Sammelröhren in einer relativ großen, kegel- förmigen Papille, die mehr oder weniger tief ins Nierenbecken hineinragt, ja sogar mit ihrer Spitze bis in den Ureter reichen kann. — Dieser Typus findet sich bei primitiven Säugerformen, bei Marsupialiern und bei niederen Monodelphiern von geringer Körper- 1) GEGENBAUR, Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere, Bd. II, Leipzig 1901, S. 467. ?) E. Home, a) Description of the anat. of the Ornithorhynchus hystria Phil. transact. 1802, Pt. I, S. 348; b) Deser. of the Anat. of Ornith. paradoxus ibid. 1801, p. 67. 3) Mecker, Ornithorhynchi paradoxi deseriptio anatomica. Leipzig 1826. *) G. Cuvier, Vorlesungen über vergl. Anatomie, übers. von Meckkı, Bd. 4, Leipzig 1810. 5) B. Zarnix, Vergleichende Studien über den Bau der Niere von Echidna und der Reptilienniere. Jenaische Ztschr. f. Naturw. Bd. 46, 1910, S. 113. ; . 262 größe, bis etwa Igelgröße, bei Edentaten, Insectivoren, Chiropteren, Nagern!). Bei größeren, hierhergehörigen Säugern tritt eine Modi- fikation des Nierentypus auf, die auf dem durch den größten Umfang der Niere und den Hilus gelegten Schnitt, den „Hauptschnitt“, wie ich ihn nennen möchte, nicht hervortritt. So kommt es, daß die Nieren von Kaninchen und Katze, die diese Modifikation auf- weisen, in den Lehrbüchern geradezu als Paradigmate für Typus I angeführt werden. Die Modifikation äußert sich an den seitlichen Partien der Papille, wo von ihr ausgehend seitliche Wülste ausstrahlen, die zwischen sich tiefe Nischen fassen. In diese Nischen hinein ragen Fortsätze des Nieren- beckens, das sich in einer komplizierteren Linie Einwarzige mit Neben. AM Sinus renis ansetzt, als beim Typus I (Fig. 2). papillen und verzweigtem Wir haben hier also eine Hauptwarze mit Seiten- san, wülsten, und gleichzeitig ein mehr oder weniger ausgesprochen verzweigtes Nierenbecken. Während kleine Beutler (Dasyurus, Phalangista, auch Phascolomys) einfache Nieren besitzen, zeigt Halmaturus und Macropus ein verzweigtes Becken. Bei ihnen und bei Monodelphiern, die diese Beckenform besitzen, zeigt sich häufig bereits eine weitere Veränderung: Auf Seiten- schnitten, parallel zum Hauptschnitt, finden sich einige, meist drei oder vier, zirkumskripte Mark- partien, Nierenpyramiden, die durch zwischen sie eingesenkte Rinden- partien, die Columnae bertini, ge- trennt werden. Die Pyramiden ent- sprechen den Seitenwülsten der Pa- pille2). Bei Edentaten, Chirop- teren, Nagern, Carnivoren, Pro- Fig. 3. simiern und Primaten treffen wir Leistenniere. diesen Typus an, der an Verbreitung mit dem folgenden, sich eng an ihn anschließenden, wetteifert. Es ist dies der Typus, der in Fig. 3 dargestellt ist, und den man als Leistenniere bezeichnen kann. Wir haben hier nicht eine kurze, gegen das Nierenbecken hin konvexe Papille, sondern eine gestreckte, nach dieser Seite konkave 1) Vgl. besonders die vortrefflichen Abbildungen von Nierenbecken- ausgüssen bei JOS. HYRTL, das Nierenbecken der Säugetiere und des Menschen, Denkschr. d. K. Akad. d. Wiss. Wien. Bd. 31, 1872, S. 107, 7 Tafeln. 2) GEGENBAUR (l. c. S. 468) führt die Bildung der Beckenfortsätze und damit auch der angedeuteten Pyramiden auf die Verteilung der Blutgefäße zurück. 263 Leiste, die allerdings auf dem Querschnitt papillenförmig aussieht, die aber, im Gegensatz zur Papille, die Mündungen der Harn- kanälchen nicht in einer circumskripten kreisförmigen Area cribrosa, sondern über ihre ganze Länge verteilt trägt. Bei diesem Typus finden sich regelmäßig seitlich mehr oder weniger deutliche Pyramiden, Nebenwülste der Papille und Beckenverzweigungen. GEGENBAUR (]. c.) glaubt den Unterschied zwischen diesem und dem vorigen Typus besonders scharf betonen zu müssen und meint, beide Typen seien häufig miteinander konfundiert worden. Ich glaube nach meinen Befunden im Gegenteil sagen zu müssen, dab sie allzu scharf voneinander getrennt worden sind. Es kann, wie dies z.B. bei Musteliden der Fall ist, bei kleinen Tieren (Wieseln) eine Papille vorhanden sein, während größere Spezies (z.B. Marder, Iltis usw.) bei sonst gleicher Nierenstruktur eine ausgesprochene Leiste besitzen. Noch eigentümlicher liegen die Verhältnisse bei den Feliden. Hier haben kleinere Arten und mittelgroße (felis catus domesticus, Lynchus barbarus) eine deutliche Papille. Löwe und Tiger, die ja ungefähr die gleiche Körpergröße haben, unter- scheiden sich im Bau ihrer Niere insofern voneinander, als, nach mir vorliegenden Präparaten, Fels leo eine deutliche Papille, F. tigris dagegen eine ebenso ausgesprochene Leiste besitzt, während beide Nierenformen im übrigen in ihrer gedrungenen, dicken, kurzen Form und der Verteilung der Gefäße auf der äußeren Oberfläche übereinstimmen. Endlich finde ich bei Hyrax abyssinicus an einem Exemplar die linke Niere gestreckter und mit einer Leiste, die rechte kürzer und mit einer Papille versehen! So scheint es also, als ob diese beiden Zustände füreinander eintreten könnten. Eigentümlich liegen die Dinge bei den anthropoiden Affen. Der Gibbon Hylobates leuciscus besitzt bei großer äußerer Asymmetrie der Nieren beiderseits eine ausgesprochene Papille, ebenso der Schimpanse. Beim Orang-Utan finde ich, wie dies auch GEGENBAUR (]. c.) angibt, eine Leiste, die allerdings bei dem mir vorliegenden Objekt auffallend kurz ist. Eine reine Leistenform finde ich in der rechten Niere des bekannten Breslauer Gorilla- weibchens, während die Leiste der linken Niere kurz und papillen- ähnlich ist, so daß also auch für die Anthropoiden keine einheit- liche Regel gilt, sondern bald der zweite, bald der dritte der hier beschriebenen Typen vorkommt. Wir finden die Leistenniere in reiner Form nur bei Monodel- phiern, und zwar bei Carnivoren und artiodaktylen Ungulaten in größter Verbreitung, außerdem auch bei Affen. Bei einigen 264 Lemuriden und kleineren Affen, auch bei kleineren Raubtieren, finden sich Ubergangsformen, bei denen schwer zu sagen ist, ob es sich um eine gestreckte Papille oder eine verkürzte Leiste handelt, zumal wenn weder eine ausgeprägte Konkavität noch eine Kon- vexität nach dem Nierenbecken hin existiert. — Diese drei Typen bilden untereinander eine kontinuierliche Formenreihe und stehen zweifellos in enger Beziehung zueinander. Die größer werdende Zahl der Sammelröhrchen bedingt Ver- größerung der Marksubstanz und des auffangenden Hohlraums, die Umformung der Papille in eine Leiste ermöglicht eine beträchtliche Vergrößerung der secretorischen Oberfläche. . Bei manchen Formen mit einer Leistenniere findet man die Leiste andeutungsweise in zwei hintereinander gelegene Papillen geteilt, so sehe ich dies bei Meles taxus. Viel ausgeprägter und zu einem anderen Typus geworden ist dieser Zustand bei neu- weltlichen Affen, besonders bei Ateles paniscus (Fig. 4). Hier finde ich die Leiste auf der rechten Seite in drei, auf der linken in zwei Papillen auf- gelöst, die sich dadurch auszeichnen, daß sie alle in der Ebene des Haupt- schnittes der Niere in cranio-caudaler AR Richtung hintereinander gelagert sind. Typus der Niere von Ateles (Schema). Las Nierenbecken mit seitlichen Ver- zweigungen entspricht dem des vorigen Typus, auf den dieser neue wohl sicher zurückzuführen sein dürfte Auch bei Cynocephalus sphinx finde ich, allerdings weniger ausgeprägt, diesen Typus vor. Vielleicht ist der Nierentypus, den wir beim Menschen finden, und der wohl die bekannteste aller Säugernierenformen darstellt, als eine Weiterführung dieses Typus zu betrachten. Die mensch- liche Niere ist bekanntlich dadurch charakterisiert, daß bei ihr die Columnae bertini tief sind, so daß durch einragende Rindenpartien die Gebiete der einzelnen Papillen scharf voneinander getrennt sind. Diese Papillen liegen durchaus nicht alle in der Ebene des Hauptschnittes, sondern ragen, ungefähr 12 bis 13 an der Zahl, von allen Seiten gegen den Sinus renis vor. Die Verzweigungen des Nierenbeckens entsprechen diesen Papillen, von denen jede von einem Nierenkelch, Calyx renis, umfaßt wird. Jede Papille trägt eine Area cibrosa, so daß also an 12 bis 15 Orten die Ab- leitung des Harnes ins Nierenbecken statthat (Fig. 5). 265 Wenn wir uns unter den Säugetieren nach einem der Menschen- niere ähnlichen Typus umsehen, so finden wir ihn nur unter den Artiodactyla non ruminantia, und zwar unter den Suiden. Ich finde bei Sus scrofa, domestica et fera, und bei Phacochoerus africanus den Typus gleich ausgebildet, während Curevrrz*) für Dicotyles einen wesentlich abweichenden Typus angibt, der später zu erwähnen sein wird. Besonders an der Niere des Schweines läßt sich, wie TOEPPER ”) dies getan hat, an der Hand embryologischer Präparate zeigen, daß der Typus des verzweigten. kelchtragenden Nierenbeckens bei glatter Nierenoberfläche aus dem Typus der Leistenniere hervor- gegangen ist. Für den Menschen läßt sich das minder deutlich nachweisen. Es ist eine bekannte und in allen anatomischen Lehrbüchern hinreichend hervorgehobene Tatsache, daß die nach dem soeben besprochenen Typus ge- baute Niere ein Stadium durchmacht, in dem den durch das Auswachsen der Nierenkelche von seiten des Beckens und durch das Einwachsen der Co- Schema der eh Niere. lumnae bertini zustande kommenden Bezirken der Niere äußerliche Lappen entsprechen, in die die Nierenoberfläche geteilt ist. So haben wir beim Menschen, wie auch beim Schwein, im fötalen Zustande eine Niere, die einen verzweigten, kelchtragenden Ureter und, diesen Verzweigungen entsprechend, Lappung der Oberfläche besitzt ?). Während beim Menschen und beim Schwein dieser Zustand mit dem Abschluß der Entwicklung des Organes wieder rückgängig gemacht wird, erfährt er bei anderen Säugetieren eine Ausgestaltung 1) J. H. Carevirz, Beobachtungen und Bemerkungen über Säugetiernieren, Arch. f. Anat., Suppl. 1897, S. 80. 2) P. ToEPPpER, Untersuchungen über das Nierenbecken der Säugetiere mit Hilfe der Corrosions-Anatomie. Diss. Basel 1896. A 3) Über die Entwicklung der menschlichen Niere s. besonders E. Hauch: Uber die Anatomie und Entwicklung der Nieren. Anat. Hefte H. 69, Bd. 22, Heft 2, 1903, S. 158. 266 zu cinem selbstständigen und eigenartigen Typus, dem der zusam- mengesetzten oder Renculiniere. Sie entsteht dadurch, daß einmal die Columnae bertini bis auf den Ureter einschneiden, und zweitens die Verzweigungen des Ureter an Zahl, bisweilen sehr bedeutend, zunehmen. So kommt es, daß jeder Ureterzweig mit seinem Calyx eine Nierenpapille umfaßt, die in ihn hinein- ragt, und die von einem durchaus selbständig gewordenen Mantel von Nierenrinde umgeben wird. Wie auf Fig. 6 schematisch dar- gestellt ist, können in einen Endast des Ureters zwei Papillen ragen. Dann sind zwei Renculi, „Nierchen“, miteinander leicht verwachsen, oder auch, wenn man will, durch eine Columna bertini, die nicht ganz durch- geschnitten hat, nur un- vollkommen getrennt. Daneben finden sich Renculi, die genau so gebaut sind, wie die ganze Niere im ein- fachsten Falle bei nie- deren Säugern (Fig. 1). Es braucht aber kaum betont zu werden, dab morphologisch wie phy- siologisch nicht ein solcher Renculus, son- dern ihre Gesamtheit auch dereinfachstenGe- Fig. 6. samtniere homolog ist. Schema des Baues der Renculiniere. Ein Renculus Z, tzt mit zwei Papillen. usammengesetzte Nieren finden sich bei Bos unter den Huftieren, unter den Carnivoren bei Lutra, allen Ursiden, ferner bei allen Cetaceen, sowohl Zahn- wie Bartenwalen. In der Literatur findet man regelmäßig auch die Niere der Pinni- pedier hierher gerechnet, doch stellt sie nach meiner Auffassung einen gesonderten Typus dar, der sich allerdings an den vorigen anschließen läßt. Bei Bos tawrus finden sich nach HyRru!) circa 25 Ureterzweige und Renculi, bei Zutra nach Cuvier?) 10, bei Ursus gegen 50, bei Cetaceen kommen bis über 200 vor. Man hat sich die Frage vorgelegt, ob das auffallend versprengte Auftreten der Renculiniere y he. BR, 267 an so verschiedenen Stellen der Säugetierklasse durch physiologische gemeinsame Ursachen zu erklären sei, und Cuvırr !) hat ausführ- lich erörtert, ob das Leben im Wasser, das lange Atmungspausen beim Tauchen bedingt, bei Cetaceen, Lwtra und Pinnipediern, der lange Winterschlaf bei Ursiden, die komplizierte Gestaltung der Nieren, die eine sehr ausgiebige Vascularisation gestattet, bedingen können. Dadurch wäre aber ihr Vorkommen beim Rinde nicht erklärt, und andererseits müßte es auffallen, daß andere Winter- schläfer, Chiropteren, Meles usw. keine Lappung der Nieren aufweisen, ebenso wie unter Wassertieren Mustela lutreola nach einem mir vorliegenden Präparat Nieren besitzt, die sich in nichts von denen der landbewohnenden Musteliden unterscheiden. Auch hat Halicore ?) ungefurchte und Mana- tus?) je nach der Art ent- weder gleichfalls glatte, oder nur ganz seicht ge- furchte Nieren. Dieser physiologischeErklärungs- versuch gelingt also nicht, und eine andere Erklä- rung dürfte heutzutage für die seltsame morpho- logische Erscheinung nicht zu geben sein. Die Niere der Pinni- pedier (Fig. 7) besitzt wie SR die der Cetaceen einen Schema der Niere der Pinnipedier. stark verzweigten Ureter, dessen vielen Calyces ebensoviele kleine, spitze Papillen entsprechen. Die wesentlichen Unterschiede gegenüber der Walniere sind (bei Phoca und Otaria) die, daß die Pinnipedierniere auf der Oberfläche nur relativ seicht gefurcht ist, so daß durchaus nicht für jede Papille ein Renculus existiert. Wohl aber ist die kompakte, derbe Niere von einem wahren Netz bertinischer Säulen durchzogen, so daß bei ihr nicht von einer einheitlichen Mark- und Rindenschicht gesprochen werden kann, sondern vielmehr das erwähnte Netz von Rindensubstanz in seinen y AN WATE S Ve SL ;e, 2) A. RIHA, Das männliche Urogenitalsystem von Halicore dugong Erxl. Zeitschr. Morphol. u. Anthropol. Bd. 13, Heft 3, S. 395, 1911. 3) Mir liegt. ein Fötus von 5l em Länge von M. köllikeri aus dem Besitz von Herrn Prof. KÜKENTHAL vor. Näheres s. b. RIHA I. ce. S. 397. 268 Maschen Marksubstanz umschließt, für deren Papillen das ableitende Netz der Ureterzweige mit ihren Kelchen durch die Nierensubstanz überall verteilt ist. Die secretorische Oberfläche ist bei dieser Anordnung in gleichem Maße vergrößert wie bei Cetaceen, so dab es berechtigt erscheinen muß, diesen abweichenden Typ dem gleichen biologischen Erklärungsversuch zu unterziehen, allerdings mit dem- selben unbefriedigenden Ergebnis. Wesentlich anders ist ein Nierentypus gestaltet, den wir als Recessusniere bezeichnen können (Fig. 8) und der in seiner einfachsten Form bei Zguus und Tapirus unter den Perissodactylen auftritt. Hier haben wir ein kleines Nierenbecken, daß aber fast verschwinden kann. Den Hauptanteil des Ureters in der Niere stellen zwei I eee? die Recessus terminales, Tubi maxim, dar, die diet ins Niabee! parenchym, oral und cau- dal, hineinragen und in die, ohne irgendwelche Papillenbildung, Sammel- röhrchen münden. Bei Tapirus besitzt jeder Re- cessus noch einige End- äste. Die Nierenoberfläche ist bei den erwähnten = Gattungen glatt. Uber- Be raschenderweise finde ich Schema der Niere des Pferdes. A solche Recessusnieren auch bei einigen Nagern und zwar unter den Hystricomorphen bei Hydrochoerus capybara und Coelogenys paca, außerdem bei Castor, bei dem also auch, trotz des Wasserlebens, keine Lappung auftritt. Bei Hydrochoerus und Coelogenys sind wie bei Equus je zwei sehr lange Recessus vorhanden, entsprechend den besonders beim Wasser- schwein sehr gestreckten Nierenform. In der sehr kompakten Niere des Bibers finde ich mehrere Recessus (ca. 4) bei glatter Oberfläche der Niere. Eine weitere Ausbildung dieses Typus, besonders der bei Tapırus vorliegenden Modifikation, kann man wohl füglich in der Nierenform sehen, die bei Rhinoceros und Hippopotamus*) sowie nach Döntrz ?) bei Elefas vorkommt und die in Fig. 9 schematisch 1) Präparate des Breslauer Instituts, 2) DÖNITZ, Über die Nieren des afrikanischen Elefanten. Arch. f. Anat. 1872, S. 72. 269 dargestellt ist. Wir haben hier eine Anzahl seichter, unregelmabiger Furchen, die die Nierenoberfläche in knollige Lappen teilt. Diesen Lappen in der Zahl nicht entsprechend gehen von dem kaum angedeuteten Nierenbecken einige (4—5) lange Recessus terminales in die Niere hinein, die in gleicher Weise wie die zwei bei Zguus die Harnkanälchen in sich aufnehmen. Bei dem mir vorliegenden, sehr jungen Rhinoceros bicornis werden die (Gebiete der Recessus auch äußerlich durch tiefere Furchen getrennt. Überraschend ist die große Übereinstimmung des gröberen Baues der Niere, sogar bis auf die Färbung der Mark- und Rinden- partien, bei Rhinoceros bicornis und Hippopotamus amphibius, also bei einem Artiodac- tylen und einem Pe- rissodactylen. Nach der Schilderung von Donrrz muß auch die Niere von Elephas afrıcanus eine große Übereinstimmung im Bau mit der der ge- nannten beiden Säuger aufweisen). Diese be- fremdende Gleichheit im Bau der Niere bei nicht verwandten Säu- RN gern legt auch hier Schema der Niere von Elefas und Hippopotamus. die Frage nach einem gemeinsamen biologischen, erklarenden Moment nahe. Als solches ließe sich wohl nur der gleiche Habitus von Elefant, Nilpferd und Nashorn, außerodentliche Körpergröße und Pachydermie, her- anziehen. Möglich könnte es immerhin sein, daß die ähnliche Beschaffenheit der wenig behaarten, dicken Haut, die ja in hohem Maße excretorische Funktionen besitzt, ähnlichen Bau des Haupt- excretionsorganes bedingt. Natürlich handelt es sich aber nur um eine Vermutung, die experimentell kaum zu prüfen ist, da es schwer sein dürfte, den Anteil von Haut und Niere an der Excretion bei pachydermen Säugern durch Schädigung des einen oder an- deren Organes festzustellen. Recessus werden auch für Dicotyles 1) Während des Druckes dieses Vortrages hatte ich Gelegenheit, die Nieren eines weiblichen indischen Elefanten zu untersuchen, und ich finde die vermutete Ahnlichkeit mit der Niere von Hippopotamus durchaus bestätigt. 270 (CHevitz |. c.) und Canis!) beschrieben. Beim Hunde handelt es sich wohl, wie ich dies bei Oreas unter den Ruminantien finde, nur um partielle Einengungen des Beckens der nach unserem Typus III — gebauten Niere. Zu erwähnen ware hier noch, daß nach der erwähnten, ganz neuerdings erschienenen Arbeit von Risa bei Halicore dugong ein besonderer isolierter Nierentypus vorliegt. In der äußerlich glatten, gestreckten Niere gehen vom Nierenbecken bindegewebige Septa aus, zwischen denen die Markpartien liegen. Es handelt sich weder um Calyces, noch um Recessusbildungen. Wenn wir nun die geschilderten Befunde kurz überblicken, so muß uns vor allem eine große Unregelmäßigkeit in dem Auftreten der einzelnen Typen auffallen. Allerdings treffen wir, besonders bei primitiveren Säugern, wie Marsupialiern, Eden- taten, Insektivoren, Chiropteren, den Nagern außer den er- wähnten Ausnahmen und bei Hyrax, nur die einander nahestehenden Typen I—III an. Während aber bei Carnivoren auch die Typen II und JII vorwiegen (bei Viverriden, Feliden, Procyoniden, Musteliden, Hyaena und den Caniden), fallen Zutra und die Ursiden mit ihrer Reculiniere völlig aus diesem Rahmen heraus. _ Die Pinnipedier haben einen einheitlichen Nierentypus, ebenso die Cetaceen, die Sirenenniere dürfte vergleichend anatomisch erst dann definitiv zu beurteilen sein, wenn wir über die Manatus-Niere ebensoviel erfahren, wie neuerdings über die von Halicore. Unter den Ungulaten haben wir bei den Perissodactylen einheitlichen Nierenbau (Typus VIII und IX), dem sich (außer Zlefas) von Artrodactylen Aippopotamus anschließt. Die Suiden weichen von diesem Typus ab, ja es scheinen unter ihnen (CHIEVITZ ]. c.) zwei Typen vorzukommen. Die Ruminantien haben fast durchweg eine Leistenniere. Eine Ausnahme bildet Bos (Renculi). Prosimier und Primaten zeigen überwiegend einwarzige oder Leistennieren. Nieren mit mehreren Papillen finde ich bei Platyrhinen und bei Cynocephalus-Arten, wo die Warzen allerdings mehr angedeutet sind, bei Anthropoiden, im Gegensatz zu Homo, eine Papille (Hylobates, Troglodytes), oder eine Leiste (Simia, Gorilla). Ich möchte nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß, wie auch in anderen Merkmalen, z. B. der Knochenlosigkeit des Penis, hier eine größere Übereinstimmung im Bau eines Organes mit dem des Menschen bei neuweltlichen Affen besteht als bei Anthropoiden. 1) ELLENBERGER und BAUM, Handbuch der vergleichenden Anatomie der Haustiere, 9. Auflage, Berlin 1900. ae, Sa cl un eh en ee | 271 Das weist uns darauf hin, wie vorsichtig man mit phylogene- tischen Schliissen sein muß, die aus der Vergleichung nur eines Organes bei verschiedenen Tierformen gezogen werden könnten. So würde der Bau der Niere den Menschen in die Nähe der Schweine stellen, während die des Gorilla sich an die von Carnivoren und Huftieren anschließen würde! Ein Stammbaum, auf Grund der Nierenmorphologie entworfen, würde eine seltsame Gruppierung der ‚Säuger ergeben, die der auf anderem Wege gewonnenen in vielen Punkten direkt widersprechen, in andern aber auch mit ihr über- einstimmen würde. Jedenfalls lassen sich die Organe des Urogenital- systems, die innerhalb der Klasse außerordentlich variieren, nicht in ähnlicher Weise zu phylogenetischen Spekulationen verwenden, wie etwa die des Skelettsystems oder wie die Zähne. Welche Einflüsse die innere Ausgestaltung der Niere im Spezial- fall bedingen, darüber lassen sich kaum Vermutungen äußern. Sicher spricht die Körpergröße des Tieres mit, sehr kleine Tiere haben einfacher gebaute Nieren als große. Vielleicht spielt auch die Ernährung eine Rolle. Aber wie wir aus einigen Beispielen schon gesehen haben, lassen sonstige biologische Er- klärungsversuche uns regelmäßig im Stich. Selektionseinflüsse scheinen mir für die Variabilität der Säugetierniere jedenfalls nicht verantwortlich gemacht werden zu können. Für die Form der Oberfläche der Niere kommt einesteils die Gefäßverteilung in Betracht, durch die z. B. bei Viverriden und Katzen eine äußere Felderung der einwarzigen Niere hervorgerufen wird, die einige Autoren (GEGENBAUR |. c.) veranlaßt hat, den Beginn einer Lappen- bildung der Niere in ihr zu erblicken, offenbar mit Unrecht. Weshalb die Nieren erwachsener Säugetiere bald glatt, bald gefurcht sind (die eigentliche Renculiniere bildet einen besonderen Fall), dafür läßt sich keine Erklärung geben, ebensowenig wie für die fötale Lappung der Menschen- und Schweineniere. Vielleicht spielen hier rein meehanische Momente die Hauptrolle (stärkeres Wachstum der Rinde als des Gesamtorganes). Die allgemeine Form der Niere wird beeinflußt von der Lage und Gestalt der Nachbarorgane. Im übrigen müssen wir eine für uns nicht kontrollierbare Variations- möglichkeit des Organes selbst mit in Rechnung ziehen, die aus uns unbekannten Gründen bald ausgenutzt wird, so daß aberrante Formen entstehen, bald nicht, so daß dann wohlumschriebene, zu- sammenhängende Formenreihen enstehen, die denen der Säuger: selbst entsprechen, denen diese Nieren angehören. 272 Im Anschluß an diesen Vortrag Demonstration von Präparaten der Nieren von: Centetes, Bradypus, Myopotamus, Coelgoenys, Hydrochoerus, Lutra, Delphinus, Otaria, Rhinoceros, Ateles, Hylo- bates, Simia, Troglodytes, Gorilla, sowie von Zeichnungen von Schnitten durch verschiedene Säugetiernieren. Vortrag des Herrn Dr. Jorpan (Tübingen): Über die secretive und absorptive Funktion der Darmzelien bei Wirbellosen, insbesondere bei Insekten. (Zum Teil auf Grund von Untersuchungen von | Cand. rer. nat. A. STEUDEL.) Die Verdauung — Bereitung des lösenden Ferments, Absorption der gelösten Nahrung — ist ursprünglich, wie jede andere Funktion, Leistung einer einzigen Zelle. Das gilt für Protozoen und Schwämme in uneingeschränktem Maße. So nimmt die Kragenzelle des Schwammes lediglich solche Partikel auf, die sich in der Geißel- kammer oder den ihr bei Askonen und Sykonen entsprechenden Teilen des Schwamminnern befinden. Die „phagocytierten“ Partikel kommen in Vacuolen des Zellplasmas zu liegen, in welche die Zelle ihre Fermente abscheidet. Es erfolgt Lösung, die Lösungsprodukte aber werden von dem nämlichen Protoplasma absorbiert. Bei höher organisierten, auf größere Nahrungskörper an- gewiesenen Wesen reicht diese Art der Verdauung nicht mehr hin: Können doch große Beuteobjekte nicht in das Innere des mehr oder weniger kleinen Zellkörpers gelangen. Zwei Arten kennen wir, wie von Tieren, die intracellulär verdauen, auch größere Beute- objekte bewältigt werden: 1. Die verdauenden Zellen bilden ein großes Syncytium, in dessen großen Vacuolen die Verdauung statt- finden kann (acoele Turbellarien). 2. Im Darminnern, also vor Aufnahme in die Zellen, wird durch ein sezerniertes Secret die große Beute vorverdaut, d. h. zu einem Haufen kleiner Partikel (also unvollkommen) aufgelöst, die Partikel aber werden phagocy- tiert. Dies ist die verbreitetere Art, der Aufgabe, große Beute vornehmlich intracellulär zu verdauen, gerecht zu werden. Sie findet sich bei den Cölenteraten (wie ich speziell für Aktinien nachwies !) und Plattwürmer (insbesondere den Turbellarien). In allen diesen Fällen sind uns im Darmepithel, neben den eigentlichen Phagocyten, Drüsenzellen bekannt, sicherlich berufen, 1) JORDAN, H,, Arch. ges. Physiol. Bd. 116, 1907, p.617 (Anemonia suleata). 273 das Ferment abzuscheiden, durch welches die großen Beuteobjekte fiir die Phagocytose vorbereitet werden. Bei den Aktinien finden wir solche Drüsenzellen (seröse Drüsen, „Eiweißzellen“ K.C. SCHNEIDER ) insbesondere auf den Drüsenstreifen der Mesenterialwiilste. Neben diesen und den Phagocyten kommen noch Schleimzellen mit be- sonderer Funktion vor. Bei den Strudelwürmern sind solche Drüsen- zellen gleichfalls gefunden worden, und zwar z. B. bei Tricladen in großen Mengen, vornehmlich da, wonach WILHELMr’s!) Beobachtungen die Einschmelzung großer Beuteobjekte tatsächlich stattfindet. Den Drüsenzellen dürfte ausschließlich die Bereitung des zur Vor-- verdauung dienenden Ferments obliegen. Niemals wird man z. B. in den Drüsenzellen des Aktinienmagens verfüttertes Karmin finden. Betrachten wir uns nun z. B. die höheren Würmer, so finden wir daselbst Verhältnisse, die zeigen, daß die angedeutete Differenzierung der erste Schritt war auf dem Wege, die secretive Funktion von der Absorption zu trennen. Statt der Phagocytose sind die „Nähr- zellen“ nur mehr befähigt, Substanzen, die im Darmlumen voll- kommen verdaut wurden, in sich aufzunehmen, sie wieder zu den bekannten (assimilierten) Substanzen wie natives Eiweiß, Neutral- fett und Glykogen aufzubauen, zu speichern und je nach Bedarf dem Säftestrom zu übergeben. Sie vereinigen also noch einen Teil der Leistungen von Darm- und Leberzellen bei Wirbeltieren. Wie bei Cölenteraten und Strudelwürmern, so finden wir auch bei den höheren Würmern die Drüsenzellen zwischen die „Nähr- zellen“ eingestreut. Nur sie, die Drüsenzellen, vermögen hier noch Fermente zu bilden, womit denn auch ihre Tätigkeit erschöpfend angedeutet ist. Beide Zellarten lassen sich stets gut voneinander unterscheiden: Wenn man die Tiere (z. B. Aphrodite aculeata ?) etwa mit Eisen füttert, so kann man dieses stets nur in den verhältnismäßig undifferenzierten, mit schaumigem Plasma ver- sehenen Zellen mikrochemisch (Berlinerblaureaktion) nachweisen. Der andere Zelltypus aber kennzeichnet sich durch Bildung ganzer Trauben stark färbbarer Kügelchen, die sich noch innerhalb des Plasmas in Secret auflösen (Secretblasen), als Drüsenzellen. Es sind das die nämlichen Secretkügelchen, die schon in den Drüsen- zellen von Cölenteraten und Strudelwürmern auftreten, und die überhaupt sehr verbreitet sind. 1) WILHELMI, J., Tricladen in Fauna und Flora des Golfes von Neapel, No. 82. Berlin 1909. *) JORDAN, H., Zeitschr. wiss. Zool, Bd. 78, 1904, p. 165. Verh. d. Dtsch. Zool. Ges, 1911. 18 274 Am besten dürften diese Dinge beim Flußkrebs bekannt sein, wo sich histologische Beobachtung!) und Experiment?) ergänzen: Nach ArAray und FArkas sind alle Zellen der Mitteldarmgebilde (Mitteldarmrest mit Coecum, Mitteldarmdriise*) als Differenzierung einer einzigen Zellart, der „Anfangszellen“, anzusehen, die sich in Mitteldarm, Coecum sowie den großen Ausführungsgängen und blinden Schlauchenden der Mitteldarmdrüse stets nachweisen lassen. Aus diesen gewissermaßen embryonalen Zellen entwickeln sich einmal die Secretionszellen. Das Protoplasma fängt an, sein ‘farberisches Verhalten derart zu ändern, dab es durch Kernfarb- stoffe annähernd ebenso intensiv gefärbt wird als Kernchromatin. Dann sieht man in ihm Secretkugeln sich bilden, die auf seine Kosten wachsen. Die Kugeln lösen sich auf, es entsteht in letzter Linie eine einzige große, mit bräunlichem Secret erfüllte Blase, die. durch Platzen ihren Inhalt in das Lumen eutleert, oder aber durch. Abstoßen der ganzen Zelle in das Darminnere gelangt. Eine Reihe von Argumenten sprechen dafür, daß es sich hier wirklich um die Bildung des verdauenden Saftes unseres Krebses handelt, die wir hier nicht wiederholen werden (siehe die Literatur). Nur- auf einen Versuch muß hier aufmerksam gemacht worden: Spritzt man- in die Leibeshöhle des Krebses Eisenlösungen, so erscheint das Eisen im verdauenden Safte, und es sind, wie man mikrochemisch beweisen kann, stets die Blasenzellen, welche das Eisen eben in der Blase enthalten und mit deren Inhalt in den Darmraum er- gießen. Sie haben beim Secretionsakt das im Blut gelöste Eisen mit aufgenommen und abgeschieden *). Als Absorptionszellen charakterisieren sich nach Eisen- fütterung, durch Aufnahme dieser Substanz, gewisse Zellen, die eine viel weniger weitgehende Differenzierung erfahren haben als die Driisenzellen (Jorpan). Es sind das, ähnlich wie bei Aphrodite, Gebilde mit, durch feine „Alveolen“, schaumig erscheinendem Plasma. Die „Alveolen“ sind nichts als die Räume, welche vor der Behandlung mit Xylol resorbiertes Fett beherbergten. Nach ArAruy und Farkas vermögen aber schon die völlig undifferenzierten 1) Hauptsächlich: APATHY STEPHAN und BELA FARKAS, Naturwiss. Museumshefte Klausenburg Bd. 1, 1908, p. 117. i 2) JORDAN, H., Arch. ges. Physiol. Bd. 101, 1904, p. 263 und Bd. 105, 1904, p. 365. 3) Riehtiger wäre „drüsenförmiger Mitteldarm“, *) Daß es sich hierbei nicht, wie manche Autoren glaubten, um Exeretions- erscheinungen handelt, wurde |. e. Bd. 105 bewiesen. 275 „Anfangszellen“, aus denen ja diese Alveolen- wie die Secretzellen hervorgehen, zu absorbieren (Fettnachweis durch Osmirumsäure). Überblicken wir kurz das Gesagte, so ergibt sich, daß bei den erwähnten Tiergruppen, ja bei fast allen Wirbellosen (und Wirbel- tieren), soweit sie extracellulär verdauen, Absorptionszellen neben Drüsenzellen vorkommen, die stets durch ihr Aussehen deutlich voneinander zu unterscheiden sind. Beim Krebs gelang es auBer- dem in den Absorptionszellen Eisen nachzuweisen, wenn diese Substanz verfüttert worden war, in den Secretionszellen aber, wenn wir sie dem Blute beigemischt hatten. Ganz anders sind diese Dinge bei den Insekten. Von einigen ganz wenigen Fällen!) abgesehen, liegen keinerlei Angaben vor über Absorptions- und Secretionszellen, die man voneinander hätte unterscheiden können. Die aktiven Mitteldarmzellen der Insekten sind einander durchaus gleich ?) und auch im Enddarm sind nirgends solche Verschiedenheiten nachzuweisen, wie wir sie bei anderen Tieren kennen lernten. | Die Identität aller Darmzellen ergibt sich aus einer Reihe von Beobachtungen. So sah BrieDERMANN*) in allen Mitteldarmzellen der Larve von Tenebrio molitor, unterschiedlos gewisse Eiweißreserven. Gräfin v. LinDEn®) fand bei Vanessa-Raupen das ganze Mitteldarm- epithel und ebenso das Epithel des Enddarms von grünen Farb- stofftröpfchen dicht erfüllt. Daß es sich um Absorpta handelt, konnte wahrscheinlich gemacht werden (Chlorophyllan). Dem Gesagten zufolge stehen die Insekten unter allen uns sonst bekannten Tieren bezüglich Absorption und Secretion vereinzelt da. Obige Argumente beweisen zwar nicht, machen aber Absorption im Mittel- und Enddarm der betreffenden Larvenarten wahrscheinlich, und gewisse histologische Vorgänge deuten ihrerseits daraufbin, daß in den nämlichen Darmteilen überall, und somit von den nämlichen Zellen, denen wir Absorption zuschrieben, verdauender Saft abge- schieden wird. Wie kann das sein, wie kann eine Drüsenzelle ungleich absorbieren ? Secretion: Am besten bekannt sind gewisse histologische Erscheinungen an den Zellen, die als Secretionsvorgänge anzusehen sind, zunächst im Mitteldarm. Mehrere Autoren beschreiben sie, 1) Z. B. Larve von Ptychoptera contaminata. van GEHUCHTEN, La Cellale T. 6, 1890, p. 184. 2) Z. B. CUENOT, Arch. Biol. Gand. T. 14, 1896, p. 307. 3) Arch. ges, Physiol. Bd. 72, 1898. p. 105. (4) Arch. ges. Physiol. Bd. 98, 1903, p. 1. 276 so BIEDERMANN (]. c.), van GEHUCHTEN (].c.) und ADLERZ!). Der Mitteldarm besitzt hohe ,,Cylinderzellen“ mit wohlausgebildetem Stäbchensaum. Das Plasma ist feinkörnig und weist oftmals Ein- schlüsse auf. ADLERZ unterscheidet zwei Stadien, in welchen diese Zellen verkehren können, ein Ruhestadium und ein Secretionsstadium. Im Ruhestadium besitzen die Zellen ein stark färbbares, mit regelmäßigen vertikalen Streifen versehenes Plasma. Das Plasma ist hauptsächlich an der Zellfront kompakt (Coeca von Periplaneta). Die Kerne sind oval und enthalten eine größere Zahl Chromatin- körner. Ein zusammenhängender Zellsaum ist vorhanden. Das Secretionsstadium. Der Zellsaum ist in Auflösung begriffen, er verschwindet allmählich. Das Plasma ist schwer färb- bar; es nimmt mehr und melir unregelmäßige Netzstruktur an, eine Anzalıl größerer und kleinerer Vacuolen in sich einschließend. Die Vakuolen fließen später zu einer einzigen großen Secretblase zusammen, die Kern- und Restplasma verdrängend, einen großen Teil der Zelle erfüllt. Die Kerne sind größer als im Ruhestadium, ihre Form ist oft unregelmäßig und das Chromatin befindet sich in Auflösung. | Die Beschaffenheit des Secrets ist bei verschiedenen Arten verschieden (FRENZEL?), ADLERZ, van GEHUCHTEN), Es sind, wie ADLERZ sagt, „teils feste, teils flüssige, teils formlose, teils charakte- ristisch geformte, teils gefärbte, teils farblose Absonderungsprodukte, deutlich gesondert vom plasmatischen Inhalt der Zelle“. Der Secretionsakt: Das Secret treibt die Zellfront, sei es zu (meist mehreren) kleinen, gestielten Blasen, sei es zu einer einzigen, die ganze Zellfront einnehmenden Vorwölbung auf. Die Blasen beider Art entleeren durch Platzen ihren Inhalt in den Mitteldarm, oder schnüren sich ab und lösen sich erst im Darm- inhalte auf. Zuweilen gehen auch ganze Zellen, ja ganze Epithelien bei diesen Vorgängen zugrunde’). Falls der Zellsaum beim Se- cretionsakt nicht aufgelöst wurde, so wird er jetzt bei Seite gedrückt (v. GEHUCHTEN). Der Enddarm: Bei Formen mit großem Enddarm nahmen verschiedene Autoren an, daß daselbst auch absorbiert werde. An eine Secretion im Enddarm glaubt PrarEAu®), der findet, daß der lange !) Bihang till. K. Svensk. Vet.-Akad. Handl. Bd. 16, Afd. 4 No. 2 1890, ?2) Arch. mikr. Anat. Bd. 26, 1886, p. 229. 3) Vgl. BIEDERMANN (l. e.), RENGEL, Zeitschr. wiss. Zool. Bd. 63, 1898, p. 440. BIZZOZERO, Arch. mikr. Anat. Bd. 44, 1893. *) Mém. Acad. Belg. T. 41, Mém. 2. 277 „Dünndarm“ von Carabus und Dytiscus, vor allem aber von Necro- phorus drüsiges Aussehen habe, und meint, daß auch in diesem Darmteil Absorption und Secretion nebeneinander hergehen. Sehen wir von einigen Angaben ab, welche die Tatsache der Absorption in gewissen Darmteilen schlechthin feststellen!), so ist über den eigentlichen Vorgang der Absorption nichts bekannt. Wir wissen nicht wie die absorptiven Vorgänge sich zu den secre- tiven verhalten, ja, auch der strenge Beweis, daß stets die gleichen Zellen absorbieren und sezernieren, steht noch aus. Wir haben darum diese Dinge zunächst an der Kiichenschabe untersucht. Es soll hier lediglich über diejenigen Versuche berichtet werden, die sich auf Blinddärme (und Dickdarm’)) beziehen, die ferner einmal durch Fütterung dann aber durch Injektion von Eisenlösungen (Ferrum oxydatum saccharatum, Ferrum lactatum) in die Leibes- höhle angestellt wurden, und endlich, soweit sie sich auf die skizzierten Fragen beschränken. Kurz zusammengefaßt ergab sich folgendes: Eisen wird von den Zellen der Blinddärme und des Enddarms absorbiert. Wurde den Tieren Eisenlösung in die Leibeshöhle gespritzt, so konnte man das Metall in vielen Fällen in nicht unbeträchtlichen Mengen an den nämlichen Darmstellen innerhalb der Zeilen nachweisen, wo beim gefütterten Tiere die eisenhaltigen Vacuolen sich fanden. Wir können in folgender Weise zeigen, daß, nach Injektion in die Leibeshöhle, das Eisen durch den Secretionsakt in die Zellen gelangt. Wir finden nach Injektion stets viel Eisen in der Leibes- höhle, und meist noch kein solches im Darmlumen. Zeigt sich Eisen im Lumen (nur Coeca) so ist es daselbst nicht nur in recht geringer Menge vorhanden, sondern vor allem in der typischen Form in der es als „Eisenvacuole“ innerhalb der Zellen zu entdecken war. Meist ist noch deutlich die es umgebende Masse der abgeschnürten Secret- blasen, mit undeutlicher Kontur, zu sehen. Unser wichtigstes Argu- ment aber ist: Findet man nach Injektion überhaupt Eisen in den Zellen der Blindschläuche und des Enddarms, so befinden sich diese Zellen im typischen „Secretions- 1) Unter anderen Autoren sind zu nennen MEFTALNIKOFF, Bull. Acad. imper. Se, St. Pétersbourg (5) T. 4, p. 495; Cutnor, Arch. Biol. Gand. T. 14, 1896 auf p. 304, Arch. Zool. exper. (3) T. 6, p. LXV; Vomow, Bull. Soc. Se. Bukarest T. 7, 1898, p. 49. 2) Die Versuche über die Sekretion im Dickdarm sind noch nicht ab- geschlossen. 278 stadium“ ADLERz’; relativ schwach sich färbendes Plasma, große Sekretblasen, in denen man z. T. deutlich das Eisen sehen kann. In den Blinddärmen, wie gesagt, ist öfters auch Eisen in den ab- gseschnürten Secretblasen zu sehen. Während sich nun also das Secretionsstadium mit einiger Sicherheit als solches auch experimentell erweisen ließ, ergab sich, daß Absorption von den nämlichen Zellen, und zwar nur dann ausgeführt wird, wenn sie sich in einem Zustande befinden, der durchaus dem „Ruhestadium“ ADLERZ gleich ist. Nur dann fanden wir in den Zellen der Blinddärme und des Enddarms Eisen, wenn diese Zellen sich in jenem Ruhezustande befanden: zusammenhängendes, nicht nennenswert vacuolisiertes Protoplasma, in den Blinddärmen wenigstens, durch jene außer- ordentliche Färbbarkeit, vornehmlich an der Zellfront, ausgezeichnet. Kurz der Beweis scheint erbracht, daß bei Insekten (zunächst der Küchenschabe), im Gegensatz zu allen anderen extracellular ver- dauenden Tieren, die nämliche Zelle Fermente sezerniert und das Verdaute absorbiert, daß sie aber, für jede der beiden Funktionen einen besonderen Habitus annehmen muß: Im Secretionszustand absorbiert sie nicht, im Absorptionszustand resorbiert sie nicht’). Vortrag von Dr. E. Teıcumann (Frankfurt a. M.): Über ein Protozoentoxin. Es ist seit langem bekannt, daß die unter dem Namen der Misscuer’schen Schläuche bekannt gewordenen, in der Muskulatur vieler Wirbeltiere parasitierenden Protozoen, die heute als Sarko- sporidien bezeichnet werden, ein starkes Gift enthalten. Als erster hat dies im Jahre 1889 L. Preırrer festgestellt. Im Laufe der Jahre haben sich dann LaveRAN und Mesnın, Rırver und BEHRENS und ich selbst?) um eine genauere Erforschung dieses Giftes be- 1) Bezüglich weiterer Details sei auf die ausführliche Publikation STEUDEL’s verwiesen. Erwähnt sei nur noch, daß sehr oft bei „Absorption“ der Darm zwar voller Eisen ist, solehes aber in der Leibeshöhle noch durchaus veımißt werden kann, so daß sich Täuschung durch etwaige Secretion vorher absorbierten Eisens auch auf diesem Wege ausschließt. Verfüttertes Eisen wird vom Enddarm in sehr großen Mengen absorbiert, während die Aufnahme von seiten der Coeca viel weniger ergiebig ist. Die einzelnen Kontrollversuche, z. B. um zu zeigen, daß es sich nicht um „normales“ Eisen in den Darmzellen handelt (Cusnot, Enddarm) können erst in der ausführlichen Mitteilung dar- gestellt werden. 2) PFEIFFER, L. Die Protozoen als Krankheitserreger. 2. Aufl. S. 123 ff. Jena, Gustav Fischer. — LAVERAN, A. et MESNIL, F. De la Sarcocystine toxine des Sarcosporidies. C. R. Soc. Biol. 1899 Vol. 51 Nr. 14. — RIEVEL und 279 müht. Ganz kurz sei angegeben, was die genannten Autoren fest gestellt haben. Es ergab sich: 1. daß nur das Kaninchen für dies Gift empfänglich ist; 2. daß sowohl die frischen, also lebenden Sarkosporidien giftig wirken, als auch der aus getrocknetem Material gewonnene wässerige Extrakt; 3. daß das Gift bei subkutaner, intraperitonealer und intravenöser Injektion seine Wirkung ausübt, während diese bei intrastomachaler Einverleibung ausbleibt; 4. daß das Gift thermolabil ist; 5. daß es filtrabel ist; 6. daß es seine Aktivität längere Zeit bewahrt, wenn es unter Zusatz von Toluol bei niedriger Temperatur (8°) gehalten wird; . 7. daß es möglich ist, Kaninchen gegen das Gift unempfindlich zu machen. Die zuletzt genannte Tatsache, die von mir festgestellt wurde, gab mir den Anstoß zu einer weiteren Untersuchung. Sie sollte Aufschluß darüber bringen, ob das Gift der Sarkosporidien ein echtes Toxin im Sinne der modernen Immunitätslehre sei oder nicht. Ich habe diese Untersuchung zusammen mit Herrn Dr. H. Braun, Vorsteher der bakteriologischen Abteilung des unter Leitung von Professor Dr. M. NEISSER stehenden Städtischen Hygienischen Instituts zu Frankfurt a. M. ausgeführt und möchte hier ganz kurz die Resultate mitteilen, zu denen wir gelangt sind’). Die Toxine bilden, wie bekannt, unter den Giften eine scharf umschriebene Gruppe. Sie lassen sich bisher zwar nicht chemisch charakterisieren, doch sind sie durch bestimmte biologische Eigen- schaften ausgezeichnet. Während nämlich die Gifte bekannter chemischer Konstitution, wie etwa die Alkaloide und Glykoside, nicht imstande sind, bei ihrer Einverleibung in den Organismus die Produktion von Antikörpern zu veranlassen, wirken die Toxine unter den gleichen Bedingungen stets als Antigene. Diese Eigenschaft der Toxine hängt damit zusammen, daß sie nicht wie die chemischen Gifte durch physikalische Kräfte in den empfindlichen Organen ge- speichert, sondern auf Grund chemischer Affinitäten zu gewissen Zellbestandteilen vom Protoplasma der Zellen chemisch gebunden BEHRENS. Beiträge zur Kenntnis der Sarkosporidien. Zentralbl. f. Bakt. Abt. 1 Bd. 35 Heft 3. — TEICHMANN, E. Über das Gift der Sarkosporidien. Experi- mentelle Untersuchungen am Kaninchen. Arch. f. Prot. 1910 Bd. 20 8. 97ff. 1) Der ausführliche Bericht über unsere Arbeit ist inzwischen im Arch. f. Prot. Bd. 22 1911 erschienen. 280 -werden. Denn nur solche Substanzen besitzen die Fähigkeit, die Bildung von Antikörpern zu veranlassen. Daher kommt es, dab es bisher niemals gelungen ist, gegen Gifte bekannter chemischer Konstitution zu immunisieren. Die Toxine dagegen regen den Organismus, dem sie einverleibt werden, dazu an, Stoffe zu bilden, die imstande sind, die Gewebe vor der Einwirkung des Giftes zu schützen. Solche Stoffe werden als Antitoxine bezeichnet. Indem nun ein Organismus die Schädlichkeiten des ihm einverleibten Giftes durch Produzierung eines Antitoxins überwindet, erwirbt er eine Immunität, die als aktiv bezeichnet wird, weil sie durch Betätigung der eigenen Kräfte hervorgerufen wird. Demgegenüber wird eine Immunität als passiv bezeichnet, bei der der Organismus gegen ein Gift dadurch widerstandsfähig wird, daß ihm schützende Sub- stanzen einverleibt werden, die in einem anderen Individuum durch aktive Immunisierung entstanden sind. Die Aufgabe, die sich daraus für uns ergab, bestand also darin, festzustellen, ob sich bei Kaninchen aktive und passive Immunität gegen das Gift der Sarkosporidien erreichen lasse. 1. Wir haben eine ganze Reihe von Kaninchen aktivimmuni- siert, indem wir von untertödlichen Dosen des Giftes ausgingen und zu immer stärker werdenden anstiegen. Die Tiere vertragen zuletzt jedes beliebige Quantum des Giftes. Ich habe vor kurzem einem Kaninchen, das sich seit längerer Zeit in Behandlung befindet, ein Quantum Gift injiziert, das genügen würde, um 1000 nicht vor- behandelte Tiere zu töten. | 2. Wir prüften sodann das Serum derart immunisierter Kaninchen. Dabei ergab sich, daß bereits 1/,,, ccm solchen Serums gegen die tödliche Dosis schützt. Das Serum eines anderen Tieres, das länger mit dem Gift behandelt worden war, hatte noch höheren Wert, indem schon 0,05 ccm gegen die zehnfach tödliche Dosis schützten. 3. Auch das „Gesetz der Multipla“ hat für das Sarko- sporidiengift Geltung. Dies Gesetz besagt, daß bei der Neutralisierung des Toxins durch das Antitoxin konstante Mengenverhältnisse obwalten. Die doppelte, dreifache, zehnfache Menge des Toxins muß mithin durch die entsprechende Menge des Antitoxins ent- giftet werden. In der Tat bestätigte der Ausfall einer Reihe von Versuchen, daß dies Gesetz für das Toxin und Antitoxin der Sarkosporidien zutrifft. Wir haben, um ein Beispiel zu geben, Kaninchen nicht nur gegen die zehnfach, zwanzigfach, fünfzigfach, sondern sogar gegen die hundertfach tödliche Dosis durch Hinzu- fügung des entsprechenden Antitoxinquantums schützen können. 281 4. Schließlich haben wir auch die Neutralisierung des Giftes im Tierkörper selbst sich vollziehen lassen. Kaninchen, denen in un- mittelbarer Folge Immunserum und Gift intravenös injiziert wurde, blieben am Leben, während die Kontrolltiere, bei denen normales Serum zu Verwendung kam, stets eingingen. Nach alledem kann es keinem Zweifel unterliegen, daß das Gift der Sarkosporidien ein echtes Toxin ist. Es ist das erste überhaupt bekannt gewordene Protozoentoxin und wurde von uns Sarkosporidiotoxin genannt. Wir haben nun zur Ergänzung der am lebenden Organismus vorgenommenen Versuche die Wirkung unseres Toxins und seines Immunserums im Reagenzglase geprüft. 1. Die erste Frage, die zu beantworten war, lautete: wirkt das Sarkosporidiotoxin auf die Erythrocyten der empfindlichen und der refraktären Tiere ein? Es ergab sich, daß die roten Blut- körperchen vom Menschen, vom Pferd, vom Hammel, vom Meer- schweinchen und von der Taube durch das Gift sehr stark zusammen- geballt werden. Die roten Blutkörperchen des Kaninchens dagegen sind dem Gifte gegenüber völlig resistent. Dieser Befund schien uns bemerkenswert, da ja das Kaninchen das einzige Tier ist, das gegen das Gift empfindlich ist. Wir dachten daran, die natürliche Im- munität der übrigen Tiere könne darauf beruhen, daß ihre Erythro- cyten das Gift abfingen und so von lebenswichtigen Zentren ab- hielten, während das beim Kaninchen nicht der Fall sei und daher das Gift seine tödliche Wirkung ausüben könne. Um festzustellen, ob diese Vorstellung zutreffe, führten wir „Erschöpfungsversuche“ aus, indem wir Gift mit gewaschenem Blut einmal vom Hammel, das andere Mal vom Kaninchen digerierten, abzentrifugierten und die so gewonnenen Flüssigkeiten prüften. Dabei ergab sich a) durch den Reagenzglasversuch, daß beide Flüssigkeiten, sowohl die mit Hammelblut als auch die mit Kaninchenblut digerierte, die ag- glomerierende Fähigkeit verloren hatten. Also die Erythrocyten auch des Kaninchens, die durch das Gift nicht zusammengeballt werden, entziehen ihm doch die Fähigkeit, Hammel- oder Taubenblut zu agglomerieren; b) durch den Tierversuch, daß die Giftigkeit des Toxins nicht nachweislich abgenommen hatte. Hieraus ist zu schließen, 1. daß die natürliche Immunität nicht auf der Eigenschaft der Erythrocyten beruht, sich agglomerieren zu lassen, und 2. daß der agglomerierende Stoff nicht mit dem im Kaninchenkörper wirksamen Gifte identisch ist. 282 9. Eine zweite Frage, die sich erhob, ging dahin, ob das Im- munserum außer dem Antitoxin vielleicht noch andere Antikörper enthielte. Es zeigte sich, daß dies in der Tat zutraf. In unserem Immunserum ist eine nicht geringe Menge von sogenannten kom- plementbindenden Antikörpern nachzuweisen. Ich will versuchen, mit wenig Worten auseinanderzusetzen, um was es sich hier handelt. Die Sera vieler Tiere besitzen die Eigenschaft, die roten Blut-— körperchen anderer Species „aufzulösen“, d.h. das Hämoglobin aus ihnen zum Austritt zu bringen. Erhitzt man aber solche Sera auf etwa 60°, so verlieren sie ihre hämolytische Kraft; man bezeichnet sie denn als inaktiviert. Andererseits gibt es sae Sera, die für sich selbst nicht imstande sind, die roten Blutkörperchen be- stimmter Tierarten aufzulösen. Fügt man aber ein derartiges Serum zu einem inaktivierten Serum anderer Tierspecies hinzu, so wirken beide zusammen hämolytisch, gewinnen also eine Eigenschaft, die jedes für sich nicht besaß. Hieraus geht hervor, daß die blut- lösende Substanz des Serums, das Hämolysin, komplexer Natur ist: es besitzt eine thermostabile Komponente, den von EHRLICH und MORGENROTH sogenannten Amboceptor, und eine thermolabile Kom- — ponente, das sogenannte Komplement. Z. B. bringt inaktiviertes Hundeserum (Amboceptor) die roten Blutkörperchen des Kaninchens‘ nicht zur Auflösung: ebensowenig wirkt aktives Meerschweinchen- serum (Komplement) hämolytisch auf diese ein. Läßt man jedoch beide Sera zusammen auf die genannten Blutkörperchen einwirken, so erfolgt Hämolyse; man sagt dann, das Meerschweinchenserum? habe das Hundeserum komplettiert. In viel stärkerem Maße als normale Sera besitzen die Im-- munsera hämolytische Eigenschaften. Will man sie also darauf prüfen, ob sie imstande sind, Komplement unwirksam zu machen, so müssen sie inaktiviert, d. h. des eigenen Komplementes beraubt werden. Der Versuch selbst geht dann in der Weise vor sich, daß man absteigende Mengen des inaktivierten Immunserums unter Hinzufügung eines bestimmten Quantums seines Antigens, also des “ Giftes, mit Komplement und Amboceptor vereinigt und auf rote Blutkörperchen einwirken läßt. Wir benutzten als Komplement aktives Meerschweinchenserum, als Amboceptor Kaninchenserum und ließen die Mischung auf Hammelblut einwirken. Es ergab’ sich, daß bei genügend großen Mengen von Immunserum die Hämolyse gehemmt wurde. Das inaktivierte Immunserum enthält mithin Stoffe, die das Komplement an sich binden und es so verhindern, den hämolytischen Amboceptor zu komplettieren. Hämolyse kann 283 ‚daher nicht eintreten. Das normale Kaninchenserum besitzt da- gegen keine derartigen komplementbindenden Antikörper. Mit diesen Mitteilungen will ich mich begnügen und im übrigen auf unsere ausführliche Arbeit verweisen. Doch möchte ich schließ- lich nicht unterlassen, zu bemerken, daß wir damit beschäftigt sind, auch andere Protozoen auf die Anwesenheit toxischer Substanzen zu untersuchen. Die Schwierigkeit dabei besteht natürlich darin, genügende Mengen von solchen rein, d. h. ohne Zusatz von Bakterien oder anderen zelligen Bestandteilen, zu erhalten. Wir haben aber eine Methode ausgearbeitet, mit der es uns gelingt, Trypanosomen in reichlicher Menge und von den Bestandteilen des Blutes befreit zu erlangen. Das Verhalten dieser Protozoen unter den hier an- gedeuteten Gesichtspunkten zu prüfen, haben wir bereits begonnen. Herr Dr. PAUL Sarasin (Basel) berichtet, daß vom VIII. Inter- nationalen Zoologenkongreß in Graz am 16. August 1910 der hohe Schweizerische Bundesrat beauftragt worden sei, aus Vertretern aller Staaten eine internationale oder Weltnaturschutzkommission gusammenzuberufen und fragt die Versammlung an, ob er eine Sympathiekundgebung von ihrer Seite nach Bern überbringen dürfe. ‘Daraufhin wurde auf Antrag des Vorsitzenden die folgende Re- ‚solution gefaßt: „Die in Basel am 6. bis 9. Juni 1911 tagende Deutsche Zoo- logische Gesellschaft hat Kenntnis genommen von dem Beschlusse des internationalen Zoologenkongresses in Graz, es sei der Schweize- rische Bundesrat zu beauftragen, eine internationale oder Weltnatur- schutzkommission aus Vertretern aller Staaten zusammenzuberufen, = und sie gibt zu Händen des hohen Schweizerischen Bundesrates ihrer lebhaften Sympathie mit der wichtigen Unternehmung Aus- druck.“ Vortrag des Herrn Dr. Fr. Voss (Göttingen): Morphologisches und Kinematisches vom Ende des Embryonalstadium der Geradflüglert). Bei einer Behandlung der Frage nach den innerhalb der physiologisch-kinematischen Einheit des Hautmuskelsystemes der ‘) Das Tatsachenmaterial zu den nachfolgenden Ausführungen ist zu einem Teil bereits in der 1905 erschienenen Bearbeitung des imaginalen „Thorax von Gryllus domesticus (Zeitschr. f. wiss. Zoologie, Bd. 78) enthalten; es ist mit einer Bearbeitung des 1. Stadium der Grille, welche im Laufe des Jahres in der Zeitschr. f. wiss. Zoologie erscheinen soll, zu einem gewissen Abschluß gelangt. 284 Insekten vorliegenden morphologischen und funktionellen Verhält- nissen Kaun u. a. der Versuch als Ausgangspunkt genommen werden, die von seiten der Systematik geschaffenen Begriffsbildungen und Determinationen für die im Skelett getroffenen Unterscheidungen einzelner Regionen und deren Teilbezirke kinematisch oder im speziellen funktionell zu begründen; d. h. es wäre nachzuforschen, inwiefern die sehr engen und eigentümlichen Wechselbeziehungen zwischen Skelett und Muskulatur in jedem einzelnen Segmente zum Ausdruck gelangen, im besonderen ob und in welcher Weise die Gestaltungen im Skelett der letzte Ausdruck kine- matischer, ihm durch die Muskulatur mittelbar oder un- mittelbar übertragener Beziehungen sind. Es interessiert uns bei dieser Fragestellung zunächst nicht der Bestand, die Existenz eines Skeletteiles oder eines Muskels an sich, sondern vielmehr — nehmen wir z. B. den letzteren Fall — die Beurteilung der Stellung des Muskels als ein Differenzierungs- produkt aus einer Muskelkategorie heraus, d. h. es interessiert die Tatsache, welcher Kategorie er angehört, wie und unter welchen tepographischen und funktionellen Verhältnissen diese Differenzierung auftritt, wie sie sich vergleichsweise zu den Differenzierungspro- dukten der gleichen Kategorie in anderen Segmenten verhält, unter welchem allgemeinen physiologischen oder biologischen Gesichts- punkte sie verstanden werden muß. Die Analyse des Muskels zu solchen Zwecken erstreckt sich bis auf den Faserverlauf. Für das Skelett sei beispielsweise an das in der Systematik vielfach hervorgehobene Scutellum erinnert, welches als ein tergaler Teilbezirk topographisch dem hinteren, auf das Epimeron bezogenen Segmentbezirke angehört; seine Existenz ist an die Wirkung des mit dem großen dorsalen Längsmuskel verknüpften Teilmechanismus (Senken des Flügels) bei der indirekten Flugmechanik gebunden; seine Formselbständigkeit ist bei den vorherrschend mit direkten Muskelwirkungen beim Flügelschlag arbeitenden Insekten gering, während es bei den Höchstleistungen der indirekten Flugmechanik zu mächtiger Entfaltung kommt. Es ist die Aufgabe der morphologischen Betrachtungsweise, durch Vergleichung der anatomischen Tatsachen festzustellen, auf welchem Wege die Beurteilung derartiger kinematischer Beziehungen möglich ist. Anhaltspunkte dafür kann man bis zu einem gewissen Grade aus dem Studium .des fertigen Tieres, des imaginalen Stadium gewinnen. Mit Sicherheit und mit der notwendigen Vollständigkeit 285 | erhält man über derartige Fragen Aufschluß erst dann, wenn man | die am Abschluß der Embryonalperiode vorliegenden Befunde zu Rate zieht und nun die Umwandlungen verfolgt, welche mit den wechselnden Lebensäußerungen während der nachembryonalen Meta- morphose verknüpft sind. Die Untersuchung des imaginalen Stadium läßt bereits die Erkenntnis einer Reihe von Gesichtspunkten und Gesetzmäßigkeiten zu, von denen einige hervorgehoben seien: a) Die wichtigste Erkenntnis für die Beurteilung der morpho- kinematischen Verhältnisse ist die Unterscheidung und begriff- liche Feststellung der Muskelkategorien. Wir unterscheiden jetzt folgende Kategorien: 1. Die dorsale Längsmuskulatur, 2. die ventrale Längsmuskulatur, 3. die Transversalmuskulatur, 4. die sternale Muskulatur, 5. die mediale, die innere Dorsoventralmuskulatur, 6. die laterale, die äußere Dorsoventralmuskulatur, d. i. die dorsoventrale Seitenmuskulatur, 7. die unterbrochenen tergalpleuralen oder sternalpleuralen Seitenmuskeln, 8. die intratergale Muskulatur, 9. verschiedene Muskeln, die keiner bestimmten Kategorie angehören. Die Unterscheidung der Kategorie der medialen Dorsoventral- muskulatur von der lateralen ist erst durch die Kenntnis frühester Zustände des ersten Stadium ermöglicht worden. . Alle diese genannten Kategorien sind begrifflich einheitliche, primir gegebene morphologische Grundelemente der Muskelver- teilung; sie fallen je nach den funktionellen Aufgaben in den ein- zelnen Segmenten einer für diese spezifisch verschiedenen Ditfe- renzierung anheim. Erst aus der Feststellung dieser primären Kategorien erfolgt eine sichere Beurteilung der Morphologie, z. B. der Flügel als tergaler, ,intratergaler“ Bildungen und u. a. z. B. der bisher als „pleural“ bezeichneten thorakalen Seitenwand als _ eine Vereinigung morphologisch tergaler Bezirke mit morphologisch e pleuralen zu einem topographisch einheitlichen Skelettgebilde. b) Es muß zwischen den Wirkungeu segmentaler und inter- segmentaler Kinematik unterschieden werden. Erstere betrifft Eu a. die Bewegungen der Beine und der Flügel. Letztere bezieht 286 sich auf die Vorgänge der intersegmentalen Verbindung, Stabilität und Bewegung. Zwischen beiden Arten von Wirkungen bestehen gesetzmäßig wiederkehrende Wechselbeziehungen. Aus den An- forderungen segmentaler Kinematik ist z. B die Bildung von Prä- sesmentallamellen zu verstehen, welche bei niederen Insekten die Unabhängigkeit der segmentalen Flügelkinematik von der inter- segmentalen Kinematik verbürgen. Die intersegmentale Kinematik spiegelt sich in der Differenzierungsart der dorsalen und ventralen Längsmuskulatur, der Transversalmuskulatur und in der interseg- mentalen Dorsoventralmuskulatur, bzw. in den von diesen abhängigen Skelettgebilden wieder. So fehlt z. B. zwischen den Abdominal- segmenten ein intersegmentaler Dorsoventralmuskel bei dem Mangel intersegmental-rotatorischer Aufgaben. | c) Die in der Muskelverteilung zu beobachtende Regel von der gleichwertigen (äquivalenten) Beteiligung ver- schiedener Muskelkategorien in gleichen Bewegungs- bezirken bei gleichartigen Bewegungsvorgängen besagt: Wenn an einem Skelettstück mehrere Muskeln an gleicher Stelle sich zu gleichartigen Bewegungsvorgängen vereinigen, so müssen diese Muskeln verschiedenen Kategorien angehören. Die Erkennt- nis dieser Regel ermöglicht es in manchen Fällen allein, über die Zugehörigkeit eines Muskels zu einer Kategorie zu entscheiden. d) Hinsichtlich der Differenzierungsabstufung in den Segmenten beobachtet man folgende Regel: Die Differenzierungshöhe ist eine nach vorne zu allmählich fortschreitende. Manche Organisations- verhältnisse in einem Segmente lassen sich erst durch die in den nach hinten folgenden Segmenten herrschenden auffassen und deuten; die spezifischen Unterschiede treten in der Muskulatur der einzelnen Segmente nicht sprungweise auf, sondern indem sie sich allmählich — abstufend verändern. Diese Regel von der allmählichen Ab- stufung der Organisationsverhältnisse benachbarter Seg- mente läßt den besonderen verwandtschaftlichen Charakter der- selben — seien auch die funktionellen Aufgaben verschieden — erkennen. Als Beispiel diene die vermittelnde Stellung, welche das erste Abdominalsegment zwischen den folgenden Abdominal- segmenten einerseits und dem Metathorax anderseits einnimmt; ferner die Tatsache, daß ein Muskel (ipm 5) von typisch ab- dominalem Charakter unter gewissen (pathologischen?) Verhältnissen im Methathorax auftreten kann, während er in der Regel diesem fehlt. Aus diesem Gedankengang heraus ist ferner z. B. die spezi- fische Differenzierung der Halthausmuskulatur zu verstehen, deren 287 Eigentümlichkeiten im intersegmental-epimeralen Bezirk des Pro- thorax bereits vorbereitet sind. e) Die mit der Flügel- und mit der Beinbewegung gegebenen kinematischen Prinzipien führen innerhalb der thorakalen Seiten- wand zu der Sonderung eines episternalen Bezirkes von einem epimeralen derart, daß dem episternalen Bezirk eine vor- wiegend segmental-kinematische, dem epimeralen eine vorherrschend intersegmental-kinematische Bedeutung zukommt (vgl. hierzu das Nachlassen der epimeralen Flugmechanik in „höheren“ Organisationsstufen, aber auch die Einschränkungen dieses Prinzips bei thorakaler Verwachsung). Alle diese Erkenntnisse sind der vergleichend anatomischen Betrachtung an imaginalen Stadien der Geradflügler zugänglich. Sie erhalten eine Bestätigung, Bekräftigung und Ergänzung bei einem Vergleich der Muskeln der Imago mit einem ersten Stadium nach Zahl und Stärkeverhältnissen. Solche Feststellungen erstrecken sich über 178 Muskeln, welche dem dem Ei entschlüpfenden Embryo in den 7 Segmenten vom Kopfsegment der zweiten Maxille bis zum dritten Abdominalsegment einschließlich eigen sind. Mit welchen Bedingtheiten eine solche Vergleichung zu rechnen hat, ist in meiner Arbeit (vgl. die Anm. auf S. 283) näher angegeben. Die -Vergleichung der Imago mit dem durch mehr als 12 Stadien von ihm entfernten ersten Stadium, so wie es dem Ei soeben ent- schlüpft ist, ergibt eine Reihe neuer Tatsachen: Von vornherein erwartet man, daß ein äußerlich gering differenziertes, nur anscheinend „flügelloses“ erstes Stadium ganz allgemein auch hinsichtlich der in Betracht kommenden inneren Organisationsverhältnisse eine niedere Entwicklungsstufe darstelle. So ließ sich z. B. voraussetzen, daß die Differenzierungshöhe inner- halb der Muskulatur, besonders hinsichtlich der Flügelmuskulatur eine geringere sein müsse. Dies ist aber keineswegs der Fall. 1. Zahl der Muskeln. Nicht allein, daß das erste Stadium in den genannten Seg- menten 8 Muskeln mehr aufweist (es gehen ohne Anrechnung der gesonderten Teilgruppen eines Muskels mindestens 11 Muskeln zu- grunde), gerade die gesamte Flügelmuskulatur ist, von zwei unwesentlichen, wahrscheinlich individuell variabeln, ihrer Natur nach noch nicht sichergestellten (II pm 7 und II dvm 7 + pm 14 [ldvm 14]) Muskeln abgesehen, bereits völlig differenziert und ent- wickelt! Die Differenzierung der Muskulatur ist also im ersten 288 Stadium eine höhere, und zwar ist sie eine vollständigere als in — der Imago. Der Rückgang der Differenzierungshéhe in der Imago gegenüber dem ersten Stadium beruht darauf, daß eine Anzahl von Längs- muskeln der dorsalen Kategorie (0 dim 5a, la usw.) im Hals- hautbezirk, ein ventraler Längsmuskel (I vim 8) im Prosternum, die transversalen Tm- und Cm-Muskeln des Hinterhauptes und die medialen Dorsoventralmuskeln des Abdomens (edvm) schon inner- halb des ersten Stadium fortfallen. 2. Relative Stärkeverhältnisse der Muskeln. Außerdem bestehen zwischen den beiden verglichenen Stadien ganz erhebliche Unterschiede der relativen Stärkeverhältnisse in positiver und negativer Hinsicht. Man unterscheidet zwischen stärker und schwächer werdenden Muskeln. a) Eine Stärkezunahme zeigen: die wichtigsten Flugmuskeln (dorsoventrale Muskeln und dorsale Längsmuskeln), ein Teil der sternalen Beinmuskeln, die abdominalen unterbrochenen Seitenmugkein als Kreis die intersegmentalen Dorsoventralmuskeln, die Rotatoren. b) Schwächer werden u. a. folgende Muskeln: die intersegmentalen Längsmuskeln als Muskeln der inter- _ segmentalen Kinematik, gewisse zerstreute Muskeln von besonderem Charakter, besonders auffallend z. B. der I pm 17, später als Flügelmuskeln wirksame Muskeln, deren Stärke- abnahme darauf hinweist, daß ihnen eine besondere Auf- gabe am Ende des embryonalen Lebens zufällt. Diese Tatsachen legen eine eigentümliche neue Auffassung über den Charakter der Flügelanlage im ersten Stadinm und über den Begriff der Metamorphose nahe: Indem man im ersten Stadium bereits alle wesentlichen Einzelelenente der Flügelmuskulatur fertig differenziert vorfindet und indem im Verlaufe der nach- embryonalen Metamorphose neben der Stärkezunahme einzelner Flügelmuskeln lediglich noch eine der Flügelmuskulatur und den mit ihr verknüpften kinematischen Verhältnissen entsprechende Ausgestaltung des Skeletts eintritt, gewinnt die im ersten Stadium äußerlich nur gering entwickelte, innerlich aber so hoch differen- zierte Flügelanlage den Charakter einer nur äußerlichen Hemmungs- bildung. Hinsichtlich der kinematischen Grundbedingungen der 289 Fliigelbildung — also in ihren wesentlichen Charakterziigen — beobachten wir demnach keine fortschreitende Differenzierung mehr, sondern wir bemerken einen latenten Zustand, welcher äußerlich zu schneller Entfaltung kommt, wenn das Tier sich durch Wachstum dem erwachsenen Zustande sehr genähert hat. Werden alle diese Feststellungen der Zahlen- und Stärke- unterschiede in der Muskulatur beider Stadien zusammengefaßt nach kinematischen Gesichtspunkten, so kann man sagen: Die nachembryonalen Änderungen in den kinematischen Vorgängen beziehen sich a) auf die segmentale Flug- und Beinkinematik, welche beide je für sich unabhängig eine Stärkezunahme — am wenigsten noch die letztere — aber keine wesentliche Zahlenzunahme erfahren, ferner auf die zunehmende Atmungskinematik, b) und auf die intersegmentale Häutungskinematik, welche ganz allgemein eine Abnahme der Stärke erfährt. In letzterem kinematischen Zusammenhang nun treffen wir auf einen besonderen funktionellen Vorgang, der sich gegenüber den gewöhnlichen Häutungen durch eine ganz erhebliche Intensität der Kraftwirkungen auszeichnet und welcher die meisten der genannten Unterschiede zwischen den beiden Stadien verständlich macht, es ist die embryonale Kinematik des Schlüpfens aus dem Ei. Sie ist als ein besonders intensiver Spezialfall der intersegmentalen Häutungskinematik anzusehen. Mit diesem Vorgang wird die Tat- sache verständlich, daß eine Anzahl Muskeln fortfällt und daß ein beträchtlicher Teil der fortbestehenden schwächer wird. Der embryonale Mechanismus zum Schlüpfen aus dem Ei und aus der ersten Larvenhaut in seiner kinematischen und morphologischen Bedeutung. Die mit dem Schlüpfen des Embryo aus dem Ei verbundenen allgemein kinematischen Vorgänge beruhen nicht allein auf einer Wirkung dorsoventraler Muskulatur im Abdomen, sondern auf einem viel komplizierteren besonderen Mechanismus. Bisher schrieb man die Sprengung der Eischale nur dem einen Faktor des Blut- drucks und der Wirkung abdominaler dorsoventraler Kontraktionen zu. In dieser Hinsicht sei auf die von Hrymons (1895 Embryonal- entwicklung von Dermapteren und Orthopteren) beiläufig erwähnte starke Entwicklung einer dorsoventralen Muskulatur im Abdomen aufmerksam gemacht, mit deren Feststellung seine Untersuchungen über die Embryonalentwicklung der Muskulatur enden. VosseuErR Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1910. 19 290 (1905 „Die Wanderheuschrecke in Usambara“ und 1908 „Die Gattung _ Myrmecophana“) hat auf die äußeren Erscheinungen bei den Vor- — giingen des Schliipfens aus dem Ei und auf das Spiel der Nacken- — blase in eingehender Weise aufmerksam gemacht. Mit diesen Angaben ist aber über die feineren Mechanismen kein Anhalts- punkt gewonnen, über die morphologische Grundlage des Vorgangs und über die morphologische Stellung der betreffenden dorsoventralen — Muskeln ist ferner nichts ausgesagt. Bei einer Übersicht über die für diesen Vorgang in Betracht kommenden Muskeln unterscheidet man solche, welche nach Er- ledigung ihrer Aufgabe fortfallen, von solchen, welche danach schwächer werden. Dementsprechend können zwei Teilmechanismen unterschieden werden: a) der Befreiungsmechanismus und b) der Sicherungsmechanismus, ohne daß eine strenge Scheidung der genannten Muskelarten nach diesen Mechanismen beiderseits durchführbar wäre. a) Der Befreiungsmechanismus. Diesem Mechanismus fällt eine doppelte Aufgabe zu, die Sprengung und Erweiterung der Eischale, welche zunächst durch den Eizahn bzw. die Stirnsäge (vgl. Hxvmons und VosseLer) ver- — mittelt wird, ferner die Befreiung aus der Eischale und aus der eng anschließenden, das Tier in Embryonallage festlegenden — Embryonalhaut (fälschlich sog. Amnion), welche mit oder unmittel- bar naclı Verlassen des Eies mitsamt dem Eizahn (bzw. der Stirn- säge) abgeworfen wird. Dieser Mechanismus beruht nicht auf einer einseitigen Druckwirkung der abdominalen Dorsoventral- muskulatur, welche den Blutdruck nach vorn hervorruft, sondern er besteht in einer antagonistischen Wechselwirkung zwischen der abdominalen Dorsoventralmuskulatur einerseits und einer im vorderen Thorax und im Segment der zweiten Maxille, d. h. im Occiput und in der Halshaut gelegenen besonderen Muskulatur anderseits. Diese letztere Muskulatur besteht in folgenden Hauptgruppen: q 1. Dorsale Längsmuskeln der Halshaut, mediale (dim la usw.) — und seitliche (dlm 5a); | 2. transversale Muskulatur des Hinterhauptes (Cm, Tm); 3. prothorakaler ventraler Längsmuskel (I vlm 8). ~~ Die Muskulatur dieses antagonistischen Systemes ist merk- würdig besonders dureh zwei Eigenschaften: 291 Sie übertrifft an Mächtigkeit der Entwicklung alles was relativ genommen jemals an Muskulatur im Tiere zur Entwicklung kommt; selbst die Flugmuskulatur, von welcher höchstens der dorsale Längs- muskel im Metathorax sich mit ihr messen kann. Ferner geht sie schon innerhalb des ersten Stadiums in den ersten Tagen des nachembryonalen Lebens mehr oder minder schnell und vollständig zugrunde. Die histolytischen Vorgänge, welche sich hierbei abspielen, gleichen denen bei weiblichen Ameisen, wenn bei solchen die Flugmuskulatur nach dem Hochzeitsfluge innerhalb kurzer Zeit atrophiert. Sie sind von Janer für Lasius niger 1907 beschrieben worden. Im einzelnen habe ich diese histolytischen Vorgänge an der Grille noch nicht untersucht, so daß ich mich mit diesem Hinweis zunächst begnüge. Jedenfalls scheinen für die Auflösung der abdominalen Dorsoventralmuskulatur jene merkwürdigen segmental angeordneten Ansammlungen von Önocyten von Bedeutung zu sein, welche schon Heymons auffielen, ohne dab ihre Bedeutung damals wahrscheinlich gemacht werden konnte. Das schnelle Verschwinden dieser Muskulatur ist ein Hinweis auf die besondere und durchgreifende Bedeutung, welche dieser Mechanismus für das Tier besitzt, und die mächtige Entfaltung dieser höchst wirksamen Muskelmassen gibt eine Andeutung von den gewaltigen Arbeitsleistungen, welche von dem Tier während des Schlüpfens aus dem Ei und aus der ersten Larvenhaut voll- _ zogen werden müssen. Die Beobachtungen, welche ich hierüber an- gestellt habe, stimmen mit denen überein, welche Vossener 1905 an der Wanderheuschrecke anschaulich beschrieben hat; sie finden sich dort mit Besonderheiten spezieller Natur in analoger Weise wieder. Die Beobachtungen zeigen, in welch durchgreifender Weise ‚ der „Inhalt des Hautmuskelschlauches“ durch die Blutpressungen und durch die abwechselnden Dehnungen und Verkürzungen bzw. durch die verschiedenen Biegungen des Körpers hin- und her- | getrieben, um nicht zu sagen gequetscht wird. Der Embryo zeigt innerhalb der Eischale neben der Einkrümmung des abdominalen Hinterendes und der angedrückten Lage der | Extremitäten jene charakteristische Kopfbeuge, welche eine be- | trächtliche Strecke der Nackenhaut zur Entfaltung kommen läßt. | Diese Nackenhaut tritt bei der Befreiung des Tieres aus der Eischale als die bekannte Nackenblase vor. Der innere Vorgang spielt sich nun nach dem Muskelbefunde beurteilt im wesentlichen in folgender Weise ab, wobei zu unterscheiden ist zwischen den 19* WRN 292 allgemeinen intersegmentalen und den segmental-abdominalen Kon- traktionen, ferner dem besonderen Spiel der Nackenblase: | Die abdominale Dorsoventralmuskulatur treibt die Flüssigkeit der Leibeshöhle unter enormem Druck nach vorn. Die transversale Muskulatur des Hinterhauptes sperrt den Weg, den diese Flüssigkeit in das Kopfinnere nehmen könnte, und verhindert so die Zerstörung der dort befindlichen Organe. Die seitliche dorsale Längsmuskulatur der Halshaut und die ventrale Längsmuskulatur im Prothorax weisen der Flüssigkeit den Weg dorsalwärts, sodaß die Nackenhaut als Nackenblase vor- getrieben werden kann. zi Die letztgenannte Muskulatur und die vorgenannte mediale dorsale Längsmuskulatur mitsamt der Spezialmuskulatur der Nacken- blase treiben bei ihrer Kontraktion im antagonistischen Sinne die Flüssigkeit der Leibeshöhle in das Abdomen zurück. Dieses Spiel wiederholt sich und führt schließlich die Befreiung des Tieres aus der Eischale und aus der ersten Larvenhaut herbei. Die Rolle, welche der Eizahn (die Stirnsäge) speziell bei dem Beginne dieser Vorgänge, bei der ersten Durchbrechung der Ei- schale spielt, ist bekannt. | | | Der Befreiungsmechanismus besteht jedoch wahrscheinlich nicht nur aus jenen genannten Muskeln, welche infolge ihres gänzlichen Fortfalles ihre funktionelle Bedeutung für das nach- embryonale Leben verlieren, sondern auch aus jenen Muskeln, welche für das spätere Leben des Tieres eine solche Bedeutung beibehalten; das gilt besonders für jene Muskeln, welche sich durch eine Abnahme ihrer Stärke im Verlaufe der nachembryonalen Metamorphose verraten. b) Der Sicherungsmechanismus. Dem Befreiungsmechanismus stehen mit besonderen Muskeln verknüpfte Vorgänge zur Seite, welche die Bedeutung besitzen, während der gewaltsamen Vorgänge der Befreiung des Tieres aus der Eischale und aus der ersten Larvenhaut die Teile des Tieres in Lage zu erhalten und ihnen jene Form zu sichern bzw. zu geben, welche für den nachembryonalen Zustand charakteristisch ist. Es kommen hierfür neben einem Teile der vorgenannten ver- gänglichen Muskeln vorwiegend alle jene Muskeln in Betracht, welche im Verlaufe der nachembryonalen Metamorphose schwächer oder — zwar ohne zu schwinden — gänzlich rudimentär werden. Unter ersteren befinden sich z. B. einige der kurzen Muskeln der — 293 tergalpleuralen Kategorie, welche in der Imago eine besondere Bedeutung als Flugmuskeln besitzen. Solche notwendigen Sicherungen bestehen besonders für jene Faltenbildungen, welche wir als die Duplikaturen des Halsschild- seitenlappens und der ersten Flügelanlagen kennen. Nebenbei kommt auch eine Reihe jener schon bei dem Befreiungsmechanismus genannten Muskeln hier in Betracht. Man findet also, dab für die endgültige Formvollendung des Tieres besondere grobe Mecha- nismen bestehen, welche den etwa vorhandenen präformierten, auf die definitive Gestaltung gerichteten Spannungsverhältuissen — im entwicklungsmechanischen Sinne — der Gewebe wenigstens zu Hilfe kommen, wenn man sie nicht sogar hauptsächlich dafür ver- antwortlich machen will. - Der gesamte vergängliche Mechanismus nun, der für das Embryonalleben des Tieres von so hervorragender Bedeutung ist, umfaßt also eine Reihe kinematischer Vorgänge, welche insgesamt als die Vorgänge einer „Embryonalkinematik des Schlüpfens aus dem Ei und aus der ersten Larvenhaut“ bezeichnet werden können. Indem sie eine Zeit betrefien, in welcher das Tier von dem Embryonalstadium in das erste Stadium übergeht, und indem diese Zeit durch die genannten Befunde und Vorgänge gut charakterisiert ist, kann man von einer embryonalen Kinematik und den entsprechenden Mechanismen des Übergangszustandes im ersten Stadium reden. | Den Tatsachen kommt nun eine besondere morphologische Bedeutung zu, da sie zeigen, daß wesentliche Grundelemente der morphologischen Gestaltung, wie sie mit dem Bestehen einer primär bedeutsamen Muskelkategorie, dem Grundelemente für jede Muskel- differenzierung gegeben sind, im Zusammenhang mit kinematischen und physiologischen Vorgängen restlos zugrunde gehen. Diese Erkenntnis wirft ein besonderes Licht auf das Wesen der Beziehungen innerhalb der kinematischen Einheit, welche uns im Skelett und in der Muskulatur durch deren enge Wechselbeziehungen vor- geführt wird und in welcher der Muskulatur eine primäre und bedingende Rolle für die Gestaltungen im Chitinskelett der Insekten zukommt. Es beruht auf der besonderen physiologischen Be- deutung der Muskulatur im Haushalte des Tierkörpers als ein Vorratsort für Bau- und Ernährungsmaterial und auf der besonderen Möglichkeit des Abbaues dieser Gewebsmassen zwecks ihrer Ver- wertung im Tierkörper, daß diese’ Muskeln so schnell schwinden. So müssen wir denn auch die Vorstellung, es möchten sich funktions- 294 lose Muskeln als „rudimentäre Organe“ erhalten können, wohl ganz aufgeben. Diese Tatsache scheint geeignet unsere Begriffe von funktionslosen rudimentären Organen einzuschränken. Von be- sonderem Interesse ist es, daß wir die Muskulatur schon in einem so jungen Stadium schwinden sehen, welches doch befähigt ist, sich die Nahrungszufuhr von der Außenwelt her zu vermitteln, während wir den Vorgang des Muskelschwundes bei Ameisen im imaginalen Leben zu dem besonderen Zwang der biologischen Um- stände (Produktion der Eier unter völliger Isolation bei der Nest- gründung und Fehlen der Nahrungsaufnahme) in Beziehung setzen und daraus verständlich machen können. | Aus der Tatsache des völligen Verschwindens mächtiger und grundlegender Muskelkategorien leitet sich die Feststellung her, daß der Einblick in die Morphologie der Muskeldifferenzierung nicht ohne Berücksichtigung embryonaler Zustände möglich ist, da die Vergleichsmöglichkeit der Segmente untereinander in dieser Hinsicht nach dem Fortfall primärer Muskelkategorien fehlt. So verliert z. B. jedes Abdominalsegment seine gesamte mediale Dorsoven- tralmuskulatur, in deren Vorhandensein ein wesentlicher primärer Faktor gesehen werden muß und deren Unterscheidung von einer primär gegebenen lateralen dorsoventralen Muskulatur eine Beur- teilung der Morphologie der thorakalen Muskulatur, insbesondere der Morphologie der Flügel und der thorakalen Seitenwand über- haupt erst ermöglicht. | Im Thorax bestehen beide Muskelkategorien fort und werden im Dienste der Bein- und Flügelbewegung weiter differenziert. Sie zeigen klar die tergale Natur der Flügel. Im Abdomen mag durch den Fortfall der medialen Dorsoventral- muskulatur eine Beziehung dazu angedeutet sein, daß ein Fortbestehen dieser Muskulatur keinen Raum für die Entfaltung der Keimdrüsen lassen würde und daß bei der hohen Bedeutung der pleuralen Flankenhaut für die Atmungsbewegungen der seitlichen Dorsoven- tralmuskulatur neben der unterbrochenen Seitenmuskulatur eine wesentliche bzw. ausschließliche Aufgabe dabei zufällt. So verliert das Segment der zweiten Maxille, für welches die intersegmentale Kinematik — die Embryonalkinematik und die Kinematik der Kopfbewegung im nachembryonalen Leben — so charakteristisch und durch die große Entfaltung des intersegmen- talen Bezirks ausgedrückt ist, durch den teilweisen Fortfall der dorsalen Längsmuskulatur charakteristische Merkmale eines voll- ständigen Muskelsegmentes. So tritt durch das Schwinden der 295 occipitalen Transversalmuskelkategorie eine Muskelkategorie in den Hintergrund, die für die Beurteilnng der grundlegenden Formeinheiten, welche einem typischen Muskelsegmente primär zukommen, uner- läßlich ist. Durch Analogieschlußfolgerung ist es wahrscheinlich, daß im wesentlichen gleiche Vorgänge der Embryonalkinematik auch bei den übrigen epimorphen und hemimetabolen Insekten vorkommen. Dies müßte bei den einzelnen Insektenordnungen einmal näher untersucht werden; ebenso harrt die Frage einer Beantwortung, in welcher Weise bei holometabolen Insektenlarven die gleichen Vorgänge in abgeänderter Form wiederkehren und durch welche Übergänge dieselben vermittelt werden. Durch die Untersuchung des Übergangszustandes des ersten Stadium ist ein Urteil möglich über die wesentliche, vielleicht ausschließliche Bedingtheit der Ausgestaltung morphologischer Verhältnisse in den Einzelelementen des Hautmuskelschlauches bei Insekten durch kinematische Vorgänge und Beziehungen, welche im einzelnen aus der Lebensgeschichte des Individuums mit seinen Funktionen erkannt werden müssen. Vortrag des Herrn Prof. L. RHuumsBLer (Hann.-Münden): Weitere Vorschläge zur Modernisierung der seitherigen binären Nomenklatur. Meine Herrschaften! Von der, in den anderthalb Jahrhunderten nach Lixn£, ge- leisteten Arbeit der Systematik hat die Nomenklatur nicht die wünschenswerte Notiz genommen und es ist Zeit, daran zu denken, wie das Resultat dieser systematischen Arbeit in der Nomenklatur zu fruchtbarem Ausdruck gebracht werden kann, um die seitherige Bezeichnungsweise aus dem primitiven Anfangszustand ganz will- kürlicher Benennungen zu einer Nomenklatur fortgeschritteneren -und leistungsfähigeren Stiles weiterentwickeln zu können. So sind denn in den letzten Dezennien mehrere Vorschläge gemacht worden, welche durch den Aufbau der Namen, durch systematische Signale oder Formelzeichen, mit der Benennung zugleich die systematische Stellung des Tieres anzeigen sollen. Es sind hier die Namen HAECKEL, HERRERA und TORNIER zu nennen, um zu zeigen, daß das Bedürfnis zu einer derartigen Weiterbildung unserer Nomenklatur schon mehrfach in geachteten Köpfen aufgetreten und nicht als das Hirngespinst eines Einzelnen anzusehen ist. 296 Die von den genannten Autoren vorgeschlagenen Signaturen scheinen mir indes zu lang und im gesprochenen oder gelesenen Wort zu vordringlich, so dab sie die ganzen Wortformen dem Ohr und dem Gedächtnis zu ähnlich machten!). Sehr ähnlich klingende Worte lassen sich viel schwerer erlernen, behalten und auseinander- halten als verschieden klingende. Um durch die signalisierende Bezeichnungsweise die Wort- gefüge nicht zu gleichlautend werden zu lassen, habe ich auf der internationalen Zoologenversammlung in Graz den Vorschlag ge- macht, -die systematischen Signalbuchstaben an denjenigen Stellen der seitherigen binären Bezeichnungen einzusetzen, die die Worte am wenigsten ähnlich lautend machen. Unstreitig sind es einer- seits die Vorsilben und andrerseits die Endungen, die im Bereich der indogermanischen Sprachen — zu welchen unsere wissenschaft- lichen Kultursprachen sämtlich gehören — den Wortklang am wenigsten beherrschen. Um ferner, trotz der Nomenklaturänderung, den Anschluß an die früheren Namen und ihre Literatur zu ermög- lichen, habe ich weiter vorgeschlagen, die seitherigen Bezeichnungen als Hauptwurzel der neuen Namen stehen zu lassen und nun die systematischen Signale als Vorsilbe einerseits und Endungen andrer- seits den Stammwurzeln der früheren Genusbezeichnungen an- zuhängen. Die großen Hauptstämme der Vertebraten, Invertebraten und Protozoen sollen dadurch im Namen erkennbar werden, daß alle Genusbezeichnungen für Wirbeltiere auf „us“ oder ,s“, die der Wirbellosen auf „a“, die der Protozoen aber auf „um“ enden. Die Klassen und Ordnungen, welchen die Genusnamen zugehören, sollen durch eine aus zwei Buchstaben zusammengesetzte Vorsilbe erkennbar werden, und zwar in der Weise, daß der erste Buchstabe der modernisierten Genusbezeichnung die Klasse, der zweite aber die Ordnung ankündigt, zu welcher das Genus gehört. Ich wählte die Anfangsbuchstaben für die Klassen nach der Reihenfolge des Alphabetes, so daß die niedrigsten Klassen innerhalb der Us-Gruppe der Wirbeltiere, der A-Gruppe der Wirbel- losen und der Um-Gruppe der Protozoen jedesmal mit „A“ be- ginnen, die folgenden mit B, C usw.”), um hierdurch alle alpha- 1) Auch entbehren sie des großen Vorteils, daß eine alphabetische Anord- nung der signalisierten Genera diese Anordnung zugleich zu einer eyalemullE TEE macht, wie es bei meinen Vorschlägen der Fall ist. 2) ef. RHUMBLER ‚in: Zool. Anz., V. 36, 1910, p. 459--460, wo die den einzelnen Klassen zukommenden Anfangsbuchstaben genannt sind. 297 betischen Register in Reisewerken, in vergleichenden Werken, in Museumskatalogen und in Jahresberichten zugleich auch zu syste- matischen zu machen und um gleichzeitig mit dem Erlernen der Namen auch eine automatisch ausgelöste Erkennung der’ syste- matischen Stellung der Namenträger zu ermöglichen. Auf den ersten Blick könnte die Anklammerung der syste- matischen Zeichen an das Alphabet abstrus und willkürlich er- scheinen; es ist aber klar, was das Alphabet bei dieser Verwendung hergeben soll, nämlich eine ganz bestimmte Reihenfolge, die für alle Kultursprachen dieselbe ist. Der zweite Buchstabe des systematischen Präsignals sollte als Signatur für die Ordnung dem Anfangsbuchstaben derjenigen Benennung entnommen werden, welche die betreffende Ordnung heutzutage trägt, so wie es aus den aufgehängten Tabellen für die Säugetiere und die Schmetterlinge zu ersehen ist!). Die seit- herige Proechidna würde zu Eoprochidnus, weil sie als Wirbeltier mit „us“ endigen, als Säugetier mit dem Anfangssignal „E“ be- ginnen und, als den Ornithodelphiern zugehörig, das Ordnungs- präsignal „o“ an zweiter Stelle führen muß usf. Wie der Genusnamen die systematische Stellung des Tieres bis zum Klassifikationsbegriff der Ordnung durch seine Anfangs- und Endsignale angeben soll, so wurde vorgeschlagen, im Species- namen die geographische Verbreitung einer Tierspecies zum Aus- druck zu bringen; die Vokale wurden zur Bezeichnung von Erd- teilen, die Konsonanten zur Signalisierung von Meeresteilen, außerdem noch verschiedenartige Akzente zur Kennzeichnung bestimmter Himmelsrichtungen gewählt und die an sich nicht schwierige Er- lernbarkeit der vorgeschlagenen Zeichen außerdem noch durch Angabe mnemotechnischer Merkmittel erleichtert. Diese Patria- signale sind in der nächsten Tabelle zusammengestellt. Patriasignale als Anfangsbuchstaben für die Speciesnamen. a) Vokale für die Erdteile°). a — Asien i — Afrika e — Nordamerika 0 = Europa e — Südamerika u —= Australien 1) Abgedruckt in: Zool. Anz., V. 36; 1910. p. 461, 462. 2) Da die Namen der Kontinente für unsere Zeiten durchaus feststehende Begriffe darstellen, halte ich es für zweckmaBiger, sie in die Signaturen ein- zuführen, als etwa die zoogeographischen Regionen, deren Einteilung dem Wechsel der Anschauungen unterworfen ist. | 298 ü = wenn allein stehend = kos- mopolitisch (überall); mit anderen Buchstaben zu- sammen = an vielen Orten y = unbekannt oder noch nicht _ genauer anzugeben (y=Un- bekannte in mathematischen Gleichungen). | b) Konsonanten für die Meeresteile. t = Nord-Atlantik t = Süd-Atlantik s = Stiller Ozean (Pacifie)!) n = Indik p = Nordpolar = (Arktik) p = Südpolar (Antarktik) d = zerstreut in allen Meeren (diffuse — ausgedehnt zer- streut) c) Gleichzeitig in ae — Asien und Amerika ai = Asien und Afrika ao = Asien und Europa aeo = Europa, Asien und Amerika aju = Asien, Afrika, Australien au = Asien und Australien iu = Afrika und Australien d) Lokalisationsakzente, d. m = mittlere Meeresteilezwischen den Wendekreisen (medie = in der Mitte) q = unbekannt (quaerendo loco). — in weit auseinander liegenden Meeresteilen (vaste=in wei- ter Ausdehnung). mehreren Gebieten. st = stiller Ozean und Atlantik ps = südpolar und stiller Ozean sn = stiller Ozean und Indik pn = südpolar und Indik pt = südpolar und Atlantik ps = nordpolar und stiller Ozean pt = nordpolar und Atlantik. h. Akzente für die nähere Bestimmung der Gegend des Vorkommens. Akzente. «== nördlich v = südlich " = westlich * — östlich — — mittleres Gebiet Mnemotechnische Bemer- kungen. soll an die nördliche Polkappe der Erde erinnern. | soll an die südliche Polkappe der Erde erinnern. der Akzent deutet im Sinne der Kartendarstellungnach Westen. der Akzent deutet im Sinne der Kartendarstellung nach Osten. erinnert an die Projektionsdar- stellung des Aquators. 1) Da sich p mit.e nieht aussprechbar kombinieren läßt, mußte s für den Paeifie (stiller Ozean): gewählt werden, sonst wäre e (Pacific) wegen der übrigen Kultursprachen praktischer geworden. 299 “~~ — ganzes Gebiet Die Wellenlinie zieht sich im Sinne der Kartendarstellung von Westen nach Osten und deutet in ihrem Verlauf bald nach N., bald nach S., so daß sie alle Himmelsrichtungen an- deutet. ... = zerstreute Verteilung Die einzelnen Punkte des Trema we sollen an die punktweise, d.h. zerstreute Verteilung erinnern. Also z. B. & = nördliches Asien, ö = mittleres Europa, i = Süd- afrika, & = östliches Südamerika, uU — in ganz Australien, aj — zer- streut in Eurasien. Um die Ansichten hervorragender Systematiker zu erfahren, habe ich mehrere Autoren, von denen ich annehmen zu dürfen glaubte, daß sie sich für das Thema interessieren, schriftlich oder mündlich um ihre gelegentliche Meinungsäußerung gebeten; unter den Befragten befinden sich sämtliche Mitglieder der internationalen Nomenklaturkommission. Von 17 Antworten, die bis jetzt auf 28 von mir aus ergangene Anfragen eingelaufen sind, lauteten acht absolut ablehnend, zwei schlugen einen eventuellen formelähnlichen Gebrauch der Zeichen unabhängig von dem Namen vor, Diskussion auf Zoologenversammlungen empfahlen vier, im Prinzip aber nicht mit der näheren Ausführung der Genusnamen einverstanden war einer, und nur zwei brachten den Vorschlägen eine uneingeschränkte Zustimmung entgegen. Den Herren, die geantwortet haben, sage ich meinen verbindlichsten Dank. Die in den Antworten gemachten Einwände waren folgende: l. Eine Umänderung der Nomenklatur in dem vorgeschlagenen Umfange würde einen fürchterlichen Zusammenbruch unserer ganzen Systematik veranlassen. Auf diese Befürchtung möchte ich mir zu entgegnen erlauben, daß die Festigkeit der Systematik nicht auf den Namen beruht, sondern auf guten Diagnosen. Die Diagnosen, auf welche die Synonymieenlisten verweisen, werden aber von den Neuerungs- vorschlägen in keiner Weise berührt. Wir sind an einen Wechsel der Namen gewöhnt und auf die Überwindung der Folgen eines solchen Wechsels gut eingeschult. Ein Namen mehr spielt keine Rolle, zumal wenn er mehr Wissen übermittelt als alle vor ihm gebrauchten Namen zusammengenommen. 300 2. Ein zweiter Einwand lautet: „An den Namen darf nichts geändert werden, weder am Anfang, noch in der Mitte, noch am Ende.“ Ich möchte hiergegen aber in Erwägung bringen, daß es den wissenschaftlichen Fortschritt abstoppen heißen würde, wenn man irgendeine wissenschaftliche Methode oder Ansicht als für alle Zeiten unveränderlich und unumstößlich fixieren wollte, ganz ab- gesehen davon, daß sich die kommenden Generationen kaum vor- schreiben lassen werden, was sie unverändert lassen müssen ‚und was sie weiterbilden anton, : 3. Ein dritter Einwand war folgender: „Warum soll man ‚gerade von Tier- und Pflanzennamen verlangen. daß jedermann bei der Namensnennung sofort wissen soll, wohin das benannte Objekt ungefähr gehört? Dies ist weder bei geographischen Namen, noch bei Gegenständen der Technik, ja überhaupt bei den von lebenden Sprachen erzeugten Worten der Fall?“ Hierauf ist zu entgegnen: Es muß von einer wissenschaftlichen Nomenklatur mehr verlangt werden, als von einer Umgangssprache, deren Worte der Zufall geprägt hat. Hätte die Chemie ihre alten willkürlichen, binären Bezeichnungen (Chamaeleon minerale, Sal mirabile usw.) aus dem Liywz’schen 18. Jahrhundert beibehalten, so wäre sie ohne Frage in ihrer Entwicklung nicht so weit wie heute. 4. Ein vierter Einwand lautete: „Wenn wir Liyns nicht gehabt hätten, könnten wir vielleicht den vorgebrachten oder ähnlichen Vorschlägen folgen.“ Würde man diesen Einwand verallgemeinern, so würde dadur ch jede große Autorität im Laufe der Zeit zu einem Urheber von Stillstand und Hemmung, anstatt von Fortschritt und Entwicklung. 5. Ein fünfter Einwand war folgender: „Etwas Ähnliches kommt sicher, aber es ist noch zu früh.“ Hier läßt sich einfach im Anschluß an DrizscH antworten: Es kommt zu früh, sollte man in einer Wissenschaft nie sagen, denn eigentlich kann man es bei jeder Neuerung sagen. 6. Eine sechste Befürchtung lautet: „Selbst wenn eine geringe Minorität die Vorschläge annehmen sollte, so werden dieselben doch niemals eine internationale Annahme erfahren.“ | Hierauf läßt sich erwidern: Wenn die Vorschläge sich aie praktisch und verniinftig erweisen, dann ist auch auf eine inter- nationale Ausbreitung derselben zu hoffen, denn gesunde Einsicht und Vernunft sind internationale Eigenschaften. 7. Ein recht wesentlicher siebenter Einwand sagt: „Die er schauungen über die systematische Stellung eines Tieres schwanken 30] zu sehr, als daß es praktisch wäre, sie durch Formelzeichen im Namen festzulegen.“ Ich möchte aber hierauf antworten: Diese Schwankungen kann die Nomenklatur getrost mitmachen; unsere Synonymieenlisten werden dadurch nur reicher als bisher, weil sie gleichzeitig mit dem verlassenen, in die Liste verwiesenen Namen außerdem auch die Ansicht früherer Autoren über die systematische Stellung des Namenträgers kundgeben werden. Neben diesen allgemeinen Einwänden gegen jedwede Nomen- klaturänderung überhaupt wurden noch solche vorgebracht, die sich gegen die von mir im speziellen vorgeschlagene Art und Weise der Modernisierung richten. Der erste lautet, „man wird Sie von Philologenseiten einen „Barbar“ nennen. wenn Sie die seitherigen lateinischen Namen mit Vorsilben und Endsilben behängen, die jedem Sprachgefiihl zuwiderlaufen.“ Hier antworte ich: Es sind bis jetzt mehr als 80000 Genera mit Namen belegt worden; die lateinische Sprache hat aber nur etwa 25000 Wortstämme zur Verfügung, daraus erhellt, daß mehr als zwei Drittel unserer Genusnamen nicht dem klassischen Latein entstammen oder in klassischer Weise latinisiert sein können. Wir hängen, ohne philologisches Ärgernis zu fürchten, bei der seitherigen Namengebung Endungen, wie ella, wa, lina, aria, larıa u. dgl. m. an lateinische oder latinisierte Stämme an, unbekümmert darum, ob die lateinische Sprache derartige Kombinationen kennt oder nicht. Wenn aber dem Hinterende der lateinischen Stammworte seither keine philologische Schonung zuteil geworden ist, warum soll man nicht auch den Wortanfang verändern dürfen, wenn da- durch so Wichtiges erreicht wird wie die Erkennbarkeit der Eigenart des Benannten ohne lexikalische Hilfsmittel irgendwelcher Art. Die zoologische Nomenklatur hat keinenfalls den Beruf, konservative Philologie an ausgestorbenen Sprachen zu treiben, sondern, wie mir scheint, die Hauptaufgabe, auf möglichst leichte und einfache Weise möglichst viel brauchbare eindeutige Aussagen über das benannte Tier zu liefern; alle sonstigen Rücksichten müssen hinter dieser Hauptaufgabe zurücktreten‘). Hiermit will ich nicht abweisen, dab eine unnötige etymologische Verstümmelung der 1) So scheut die heutige Chemie auch vor den längsten und schwerfälligsten Namen nicht zurück, wenn sie durch dieselben die chemische Komposition der benannten Körper besser zum Ausdruck bringen kann, als durch kürzere, aber willkürliche Bezeichnungen. 302 Worte nach Möglichkeit zu vermeiden ist. Daß sie sich fast immer vermeiden läßt, steht mir nach meinen seitherigen Erfahrungen ganz außer Frage. Die unten folgende Foraminiferentabelle nennt einige Maßnahmen, die man gegen philologische Ungereimtheiten bei der Modernisierung zur Anwendung bringen kann. Die moderni- sierten Namen sind ihrem sprachlichen Bau nach nicht schlechter als die unmodernisierten, und lassen sich meiner Überzeugung nach genau ebenso leicht merken. Ein weiterer Einwand lautet: Wenn alle Vertebraten auf „us“ enden sollen, wie kann man dann die seitherigen Genusnamen Pica von Picus, Spermophila von Spermophilus und Symplecta von Symplectes mit ihren Endungen auseinanderhalten, da doch Pica als Wirbeltier gleichfalls zu Picus usw. werden müßte? Hierauf ist kurz zu erwidern, daß das Stammwort Pica durch die vorgeschiagene Modernisierung nicht zu Picus, sondern zu Picaus, Spermophila zu Spermophilaus würde, dab also das Zusammen- fallen verschiedener Namen durch Gleichwerden der Endung bei der Modernisierung leicht zu umgehen ist. Die vorgeführten Einwände lassen sich, abgesehen von den erledigten philologischen Bedenken, im wesentlichen auf zwei Be- fürchtungen zurückführen, nämlich darauf, daß erstens eine neue Nomenklatur die Kontinuität der Systematik stören könne, mit anderen Worten, daß die auf den alten Namen laufende Literatur durch den neuen Namen außer Kurs oder doch in erschwerte Erreichbarkeit gesetzt werden könne, und zweitens, daß die Anschauungen über die systematische Stellung und außerdem auch unsere Kenntnisse von der geographischen Verbreitung der Tiere allzu großer Änderung unterworfen sind, um durch die Namengebung festgelegt werden zu dürfen. Um diesen gewichtigen Einwänden Rechnung zu tragen, möchte ich daher neuerdings den Vorschlag machen, die von dem seitherigen Namen übernommenen Stammwurzeln, in Kursivschrift oder in Fettschrift drucken oder sperren zu lassen; es wird dann, wie — die nachfolgende Tabelle zeigen wird, bei einiger Übung sehr leicht fallen, den alten Namen aus dem neuen wieder herauszuerkennen, auch wenn der alte Namen nur in gekürzter Form, etwa so, wie man ihn auf der schmalen Etikette eines mikroskopischen Präparates abkürzen würde, in den Stammsilben des Neunamens Aufnahme gefunden hat. Somit wäre das Zurückfinden zu dem alten Namen mit seiner Literatur wesentlich erleichtert. | 303 Die Wandlungen in den Anschauungen über die systematische Stellung eines Genus werden heutigentags nur selten über Ver- schiebungen eines Genus in eine andere Ordnung hinausgehen. Derartige Verschiebungen können aber ohne weiteres mit den modernisierten Genera vorgenommen werden, da die systematischen Signale, gerade um die Verschiebbarkeit der Genera nicht zu er- schweren, überhaupt nur bis zum Klassifikationsbegriff der Ordnung ‘hinabreichen sollen. Wo ausgiebigere Verschiebungen notwendig werden, muß allerdings auch der modernisierte Namen eine der Verschiebung entsprechende Veränderung erfahren; der gelöschte und durch einen neuen ersetzte modernisierte Namen zeigt dann aber in der Synonymieenliste, wie schon einmal erwähnt, die frühere Anschauung über die systematische Stellung des verschobenen Genus an; er stört nicht, er klärt nur. Anders verhält es sich aber in betreff der Patriasignale des Speciesnamens. Die Kenntnis von der geographischen Verbreitung ist in gegenwärtigen Zeiten namentlich bezüglich der marinen Tiere noch in starker Entwicklung begriffen, es empfiehlt sich daher, die Patriasignale mit dem Speciesnamen loser zu verbinden, als dies mit den systematischen Präsignalen am Genusnamen geschah. Um die lose angefügten Patriasignale eventuell mit fortschreitender Kenntnis ändern zu können, ohne daß dadurch die konstant bleibenden Stammsilben wesentlich alteriert werden, möchte ich einer gelegentlichen Anregung von Mr. Davis STARR-JORDAN folgend, die Patriasignale in eine gemeinsame Vorsilbe zusammenfassen und diese nicht direkt dem Stammwort vorschmelzen, sondern sie nur durch einen Bindestrich mit dem eigentlichen Speciesnamen verbinden. Es wäre hiermit zugleich ähnliches erreicht, als ob für die geographische Verbreitung eine von dem Speciesnamen unabhängig aufgestellte Formel hergerichtet worden wäre, ein Vorgehen, das mir von den Herrn Geheimräten Braun und F. E. Scuuuze als vielleicht durchführbar empfohlen wurde. Alles, was vor dem Bindestrich des Speciesnamens steht, ist demnach Patriasignal. Durch die Anwendung dieses Bindestriches wird es auch möglich, über die Anzahl von zwei Buchstaben bei der Patriabezeichnung hinauszugehen und hierdurch die geographische Verbreitung noch lokalisierter zum Ausdruck zu bringen. | Alle Patriavorsilben, die mit einem Konsonanten anfangen, weisen also auf eine in den bezüglichen Meeren vorkommende marine Species hin. Im Unterschied zu marinen Species sollen die 304 Patriasignale terrestrischen Arten und der im Süßwasser lebenden Species mit konventionell festzulegenden, dem Namen der Kontinente entnommenen Vokalen beginnen, ich möchte nunmehr meinen Vor- schlag aber dalıin erweitern, daß die gleichen Vokale dazu benutzt werden, ihrem angegebenen Sinne entsprechend, den Meeresabschnitt, der für die betreffende Species in Betracht kommt, genauer anzu- geben. Wobei nur zu merken ist, dab die Vokale stets zu den vorausgehenden Konsonanten gehören, wenn die vor dem Binde- strich stehende Patriavorsilbe mit einem Konsonanten beginnt, niemals in einem solchen Fall aber zu einem nach- folgenden Konsonanten. Die Vokale geben dann diejenigen Teile des Meeres an, die durch die, dem Meereskonsonanten nachfolgenden Erdteilvokale genannt werden; so bedeutet die Vorsilbe to= Atlantik, europäische Seite, te— Atlantik, amerikanische Seite, die Vorsilbe sate = stiller Ozean, asiatische Seite und Atlantik, amerika- nische Seite. Man kann auch in der Spezialisierung der Fundorte noch weitergehen und dabei die von mir empfohlenen Akzente benutzen, deren praktische Auswahl auch von sonstigen Gegnern meiner Reformvorschläge mehrfach anerkannt worden ist. In ganz entsprechender Weise würden die Patriavorsilben für terrestrische Tiere mit einem Vokal zu beginnen haben, dem sich dann Konsonanten zur eventuellen näheren Bestimmung von Meeres- küsten anreihen ließen, während die Innengebiete der Kontinente durch die Akzente zu spezialisieren wären. | Um Ihre Geduld nicht zu lange in Anspruch nehmen zu müssen, möchte ich mir erlauben, Ihnen einige Proben der Modernisierung vorzuführen, die einer andrenorts erscheinenden Bearbeitung des Systems der Foraminiferen entnommen sind und sich also ganz auf Meeresbewohner beschränken. Alle Foraminiferengattungsbezeichnungen müssen, als den Protozoen zugehörend, auf um enden und die systematischen Prä- signale „Ar“ tragen, weil sie zur untersten A-Klasse, den Rhizopodia, und zur Ordnung der mit „r“ zu signierenden Reticularia gehören. Die Speciesbezeichnung baut sich je nach dem geographischen Vor- kommen mit einer vor dem Bindestrich stehenden Patriavorsilbe auf und enthält dann die auf „um“ geendete alte Speciesbezeichnung, eventuell in gekürzter Form. Die Tabelle zeigt, wie sich trotz Einführung der „um“-Endung für die seither anders auslautenden Speciesnamen philologische Gewaltsamkeiten vermeiden lassen. Ich bin seither auf keinen Fall gestoßen, der nicht durch relativ gering- fügige Manipulationen abstoßende, grammatikalische Ungeheuerlich- 305 keiten zu umgehen erlaubt hätte. Im übrigen erklärt sich die Tabelle von selbst. NB. Die systematischen Präsignale „Ar“ sind überall für sich wie ein Artikel zu sprechen. A. Grammatische Verstöße sind vermieden worden durch: 1. Ersatz einer Substantivform durch eine andere auf „um“ endende gleichen Stammes: Pleurostomella rapa Gümb, = Arpleurostomum ny-rapum Gümb. m!! - [„rapum“ heißt ebensogut „Rübe“ wie „rapa“] (n=1Indik; y=Fundorte noch nicht näher bestimmt). 2. Ersatz eines Eigennamens durch ein entsprechendes Adjektiv. Tolyammına schaudınnı R. = Artolypum ti-schaudinnicum em (t= Atlantik; 1=mittelafrikanische Küste). 3. Ersatz eines Substantivs durch ein entsprechendes Adjektiv. Truncatulina culter P. et J. = Artruneatium sti-eultratum Poet Jd.) m!! (s=südlicher stiller Ozean ; ti= Atlantik, afrikanische Seite). Tholosina bulla (H. Brady) = Artholosum seut - bullatum (H. Brady) m!! (seu = Stiller Ozean, e = amerikanische Seite, u = au- stralische Seite; t = Atlantik. 4. Ersatz eines Particip praesens durch ein entsprechen- des Adjektiv. Sagenina frondescens H. Brady = Arsagenum sy-frondeum H. Brady! m!! [frondeus, a, un—mit Laub bedekt; Virgil.| (s=mittlerer stiller Ozean; y—=Fundorte noch nicht näher bestimmt). | 5. Ersatz eines Adjektivs der dritten Deklination durch ein solches der zweiten Deklination. Polymorphina amygdaloides Reuß —Arpolymorphum tüs = amygdalinum Reus! m!! (tii — Atlantik, überall = an vielen Orten; s = stiller Ozean). Clavulına angularis d’Orb. = Arelavulum teö-angulatum d’Orb! m!! Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1911. 20 306 (teö — Atlantik, mittelamerikanische und südeuropäische (Mittelmeer-)Küste). Squamulına laevis M. Schultze = Arsquamulum tönü-laevatum M. Schultze! m!! (t6 — Atlantik, südeuropäische Küste, d. h. Mittelmeer; nü=Indik, westaustralisches Gebiet). Proteonina difflugiformis (H. Brady) = Arproteonum dü- difflugicum (H. Brady!) (dü= diffuse überall= überall zerstreut). Masonella patelliformis (H. Brady = Armasonum na-patellicum (na = Indik, ostasiatische Seite; d.h. bengalischer Teil des- selben). B. Allzu große Längendehnung der Speciesnamen ist (bei Vor- setzung der Patriavorsilbe) vermieden worden durch: 1. Ersatz eines längeren Adjektivs durch ein kürzeres gleichen Stammes. Cristellarva mamilligera Karrer = Areristellium sü-mamill- atum Karrer! m!! C. Modernisierungen ohne weitere Schwierigkeiten: Psammosphaera fusca F. E. Schulze = Arpsammosphaerium stü- fuscum F. E. Schulze m!! (s=stiller Ozean; tii— Atlantik, überall zerstreut). Chrysalidına dimon je H. Brady = AT san-dimorphum Brady! m!! (Sa = südlicher stiller Ozean, BEN Küste; n= Indik). Peneroplis pertusus Forsk. = Arpeneroplium mü -pertusum Forsk. m!! (mii = mittlere Meeresgebiete, zwischen den Wendekreisen überall zerstreut). Ich hoffe, durch die Berücksichtigung der gegen meine früheren Vorschläge gemachten Einwände und durch Umgestaltung dieser Vorschläge in die jetzige Form, die Mißhelligkeiten, die sich aus der eventuellen Veränderung .des Althergebrachten notwendig er- — geben werden, recht erheblich vermindert zu haben, und hoffe ferner auf eine Sinnesänderung wenigstens von einigen der Ablehnenden, — von. solchen nämlich, die sich überhaupt die Mühe geben, die Vor- teile, welche die Reform mit sich bringen soll, in Überlegung zu ziehen. Über Einführung oder Fallenlassen der Modernisierung werden sich erst die kommenden Dezennien schlüssig werden können, wenn Proben der praktischen Durchführbarkeit zur Beurteilung 307 vorliegen; solche Proben werde ich mich im Laufe der nächsten Jahre den Fachkreisen zur Verfügung zu stellen bemühen; hier sollte nur vorbereitet werden, was die beabsichtigten Proben wollen, und die Art aufgezeigt werden, wie sie und warum sie gebildet werden sollen. Sie bezwecken: Automatische Erkennung der Ordnungszu- gehörigkeit des Genus und dadurch Möglichkeit von dem Namen aus, auf eine die Ordnung behandelnde Monographie überzugehen; automatische Erkennung der geographischen Verbreitung der Species und hierdurch zugleich automatisch assoziative Zusammengruppierung der Einzelfaunen im Gedächtnis des der modernisierten Nomen- klatur Kundigen; automatisch ausgelöste Anordnung der Genera zu systematischer Folge in alphabetischen Verzeichnissen jeder Art und dadurch eminente Erleichterung beim Auffinden versteckter Literaturstellen. Kurzum, sie bezweckt Ersparung von Gehirn- arbeit und Zeit nach vielen Richtungen, Erleichterung des Zusammen- findens neuer wissenschaftlicher Resultate auf kürzestem Wege. Diskussion: Herr Prof. ZiESLER (Stuttgart): Da hier von Nomenklaturfragen die Rede ist, möchte ich einige Bemerkungen über die neue Nomenklatur machen, wie sie aus dem Prioritätsgesetz sich ergibt, welches von den internationalen Zoologenkongressen festgesetzt und auch von der Deutschen Zoo- logischen Gesellschaft angenommen wurde. Bei der Bearbeitung der zweiten Auflage des „Zoologischen Wörterbuches“ habe ich Gelegenheit gehabt, die bedenklichen Wirkungen dieser neuen Bestimmungen zu beobachten’). Die bisher üblichen Benennungen der Gattungen, welche in der so reichhaltigen - Literatur der letzten 50 Jahre benutzt wurden, verschwinden zum großen Teil. Dafür werden aus dem Staub der Jahrhunderte alte und längst vergessene Namen wieder hervorgeholt. Die Arbeiten der Zoologen des 19. Jahrhunderts bilden den Boden, auf welchem die moderne Zoologie steht, und die bisher gebräuchlichen Namen ‘sind in der Literatur so vielfach verwendet, daß der Versuch einer so weitgehenden Abänderung zu endlosen Verwechslungen und Schwierigkeiten führen muß. Das Prioritätsprinzip hat einen ver- _ nünftigen Sinn nur insofern, als dadurch unnötige Neubenennungen _ verhindert werden sollen. Ich muß aber nach reiflicher Überlegung den Gedanken für gänzlich verfehlt halten, diesem Gesetze eine weitgehende Rückwirkung zu verleihen und bis zum Jahre 1758 1) Ich werde mich in der Vorrede der zweiten Auflage des Worterbuchs und in einem Artikel im Zoologischen Anzeiger genauer darüber aussprechen. | 20* 308 zuriickzugehen. Nicht eine solche Ausdehnung des Prioritätsprinzips, ‘sondern eine möglichst beschränkte Anwendung desselben könnte unserer Wissenschaft Vorteil bringen. Für jede Klasse oder Ord- nung des Tierreichs gab es im 19. Jahrhundert große grundlegende Werke oder autoritative Zusammenfassungen, deren Namen damals von den meisten oder allen Forschern akzeptiert wurden und durch Jahrzehnte hindurch in Geltung waren. Diese Namen sind nicht mehr auszutilgen und haben noch heute eine gewisse Wichtigkeit, da sie in vielen Werken unserer Literatur benützt sind. Die Absicht, diese Namen aufzugeben und an ihre Stelle wieder die Benennungen des 18. Jahrhunderts zu setzen, war meiner Ansicht nach ein unglücklicher Gedanke. Möglichste Erhaltung der Nomeuklatur, nicht weitgehende Umgestaltung hätte uns als Ziel vorschweben sollen. Aus diesem Grunde kann ich auch der von Herrn Kollegen RHUMBLER vorgeschlagenen neuen Benennungsweise keine Sympathie entgegenbringen. Obgleich dabei die Wortstämme erhalten bleiben, werden doch die Namen durch neue Endungen und vorgesetzte Buchstaben und Silben verändert, wobei sogar die lexikalische Stellung der Namen eine ganz andere würde. Herr Prof. RHUMBLER: Herrn Professor ZIEGLER muß ich durchaus beistimmen, wenn er vor dem in der Neuzeit üblich gewordenen Zurückgehen auf die älteste Bezeichnungsweise nur einzig und allein aus Prioritäts- rücksichten abrät, zumal diese älteste Bezeichnung zugleich oft auch mit der schlechtesten (weil frühesten) Beschreibung verkettet ist. Zweckmäßiger ist es jedenfalls gebräuchliche Namen, die auf einer guten Beschreibung in einer Standard-Monographie zu ruhen pflegen, nicht ohne Not und hohen Gewinn in anderer Richtung durch andere Namen zu ersetzen. Die gebräuchlichsten von guten Diagnosen gestiitzten Namen mögen, was auch sonst immer an ihnen geändert werden mag, in maßgebender Erkennbarkeit verharren; sie sollen auch bei der Modernisierung benutzt werden. 7 Wenn aber Herr Professor ZIEGLER auch die von mir empfohlene | Modernisierung wegen der dadurch erforderlichen Veränderung der geltenden Namen verwerfen möchte, so muß ich ihm hierin aus folgendem Grunde entgegentreten. Eine Modernisierung der Namen bis zur Erkennbarkeit der Ordnung ist eine unausbleibliche Not- wendigkeit, die um so akuter wird, je mehr sich die zoologischen Untersuchungen auf weitere Gebiete ausdehnen. Die Amerikaner beginnen jetzt beispielsweise bedeutungsvolle Untersuchungen auf cytologisch entwicklungsmechanischem Gebiete an Tieren, die uns 309 Europäern ganz unbekannt zu sein pflegen; bald werden auch die Japaner ihr Arbeitsbereich ausdehnen usf. Es wird dadurch notwendig, eine so große Menge von Namen zu behalten und zu deuten, daß das Gedächtnis des Nichtspezialisten unmöglich auf die Dauer mitkommen kann — für Spezialisten der Systematik allein, denen die seitherige Methode vielleicht noch auf längere Zeit hin genügen könnte, ist aber die Nomenklatur nicht da; sie muß für alle Forschungszweige der Zoologie in dienstbare, zweck- dienliche Verfassung gebracht werden. Je eher die Erkennbarkeit der systematischen Stellung im Namen angestrebt wird, desto leichter wird sich die mit ihr ver- bundene Neuerung durchführen lassen, denn um Umänderungen von Namen, die nur dem Spezialisten bekannt sind, härmt sich kein Mensch; Hunderte von Namen werden jährlich geändert, ohne dab sich jemand darüber beschwert. Nur wenn solche Namen, die zu- fällig einem allgemein bekannten Tiere zugehören, verändert werden sollen, entsteht jedesmal ein allgemeines schreiendes Entsetzen. Man lachte, als man Fasciolarıa statt Distomum sagen sollte, sträubte sich dagegen, lächelte dann bittersüß und gebrauchte schließlich den historisch begründbaren Namen, ohne durch diesen Neubrauch weiter angeschmerzt zu werden. Je mehr Tierformen sich durch bedeutende oder wenigstens berühmte Untersuchungen mit ihren alten Bezeichnungen im Gedächtnis der Menge einnisten, desto größer wird die Auflehnung gegen die Modernisierung und die vom Herrn Vorredner gefürchtete Störung in der Übergangszeit werden. Eine Modernisierung aber bleibt auf alle Fälle notwendig, wenn der wissenschaftliche Überblick und die wissenschaftliche Ps Nutzbarmachung der Systematik nicht in der Ubermenge nichts- sagender Namen ersticken soll; darum: je eher die Modernisierung in Angriff genommen wird, desto leichter und konfliktloser wird sie sich durchführen lassen. Eine babylonische Sprachenverwirrung, wie Herr Professor ZIEGLER meint, ist absolut nicht zu fürchten — sie ist ja auch bei den seitherigen Umänderungen noch nicht in störender, wenigstens nie in wirklich verwirrender Weise hervorgetreten — einmal hängt sich die, in jedem Falle durch ihr „m!“ als solche kenntlich gemachte modernisierte Bezeichnung an die alte Bezeichnung mit ihrer Literatur mnemotechnisch bequem an, da beide die gleichen Stammsilben benutzen, und zum anderen verrät ja der modernisierte Namen, in welchem Gebiet der Systematik der alte Namen mit seinen gleichlautenden Stammsilben und seiner Literatur zu finden ist. 310 Wenn Herr Prof. ZiesLer als Abhilfe gegen die Undeut- — barkeit der seither gebräuchlichen Namen ein Lexikon empfiehlt, so wird man den Gebrauch eines solchen ablehnen müssen. Solange man derartige Lexika nicht in Berlockform an der Uhrkette tragen kann, sondern solange man, wie gegenwärtig, auf dickleibige Lexika angewiesen ist, wird man sich gegen einen derartigen Komfort, der uns bei jedem Gang auf die Bibliothek von vornherein mit Hilfs- büchern belasten würde, durchaus ablehnend verhalten. Schließlich solite man doch von einer Wissenschaft verlangen können, daß sie die Namen für ihre Objekte derart einzurichten vermag, daß wenigstens der Fachmann nicht erst nötig hat, die gebrauchten Namen aus dem Unverständlichen ins Verständliche mit Hilfe eines Wörterbuches zu übersetzen. Auf alle Fälle ist eine Methode, wie die vorgeschlagene, vor- zuziehen, denn sie erlaubt, durch die Erlernung von nur wenigen Buchstaben — es sind deren erheblich weniger als die Formel- buchstaben, die die Chemie für ihre Elemente verwendet — ohne lexigraphische Hilfsmittel irgendwelcher Art die modernisierten Genusbezeichnungen ohne weiteres in einem zum Weiterfinden in der Spezialliteratur notwendigen Umfange zu deuten. Meine Herren! Sie müssen mir zugestehen, daß ich mich — Ihnen gegenüber in einer fatalen Lage befinde Ich muß Ihnen von Vorteilen und Einfachheiten der neuen Methode berichten, die Sie gar nicht abzuschätzen in der Lage sind, weil Sie erst die Be- deutung der Signale geläufig beherrschen müßten, um ein Urteil über die Brauchbarkeit der vorgeschlagenen Modernisierung abgeben zu können; ich befinde mich in einer Lage, ähnlich der, als ob ich Leuten, die seither nur mit Feder und Tinte geschrieben haben und das Tippen auf den Schreibtasten noch nicht eingeübt haben, eine Schreibmaschine vorsetzen sollte mit der Aufforderung: „Schreiben Sie mit der Maschine, dann geht es viel rascher!“ Die Aufgeforderten werden anfänglich nur eine Belästigung und keine Erleichterung empfinden. Man muß eine Methode erst be- herrschen, ehe man über ihren Wert oder Unwert aburteilen kann. Ich darf Ihnen aber aus meiner eigenen Erfahrung heraus, auch wenn ich einen großen Teil meiner nicht geringen Bewertung der — vorgeschlagenen Benennungsmethode als Vaterfreuden in Abzug | bringe, die Versicherung geben, daß der Gewinn an Wissen, den die vorgeschlagene Nomenklatur mit sich bringt, ein geradezu erstaunlicher ist. Die Kenntnis auch einer sehr komplizierten geographischen Verbreitung schlüpft mit der Namenerlernung in 311 das Gedächtnis mit ein, ohne daß man das geringste mehr als bei der seitherigen Namenerlernung zu leisten hätte, denn die Neu- namen erlernen sich genau so leicht als die unserem heutigen und kommenden Wissen nicht mehr äquivalenten bisherigen Namen. Der vom Herrn Vorredner erhobene Einwand, daß man den modernisierten Genusnamen nicht in einem Register finden könne, solange man nur den alten kennt, scheint mir leicht zu entkräften. Natürlich muß dem betreffenden Register die Bemerkung vorge- druckt werden, daß die Generanamen modernisiert sind; man wird alsdann nur die der Klasse und Ordnung entsprechenden Präsignale dem alten Genusnamen vorzusetzen haben, um an der betreffenden Registerstelle den modernisierten Genusnamen mit seinen alten Stammwurzeln leicht aufzufinden und wiederzuerkennen. Gerade in der Ausdeutbarkeit der in einem Register zusammen- stehenden Namen beruht ja einer der Hauptvorteile der Moderni- sierung. Suche ich in einem Reisewerk nach, welche Vertreter aus einer mich interessierenden Ordnung in dem bereisten Gebiete gefunden oder in dem betreffenden Werke behandelt worden sind, so muß ich bei der heutigen Benennungsweise das ganze Register durchsuchen und werde auch dann nur das Gesuchte finden, wenn ich alle in Frage kommenden Generanamen aus der betreffenden Ordnung im Kopfe habe; eventuelle in dem Buche neubenannte Genera werden mir auch so noch entgehen. Im modernisierten Register steht dagegen alles zur Ordnung Gehörige unter den be- treffenden Präsignalen zusammen nnd auch jede Neubenennung läßt sofort die Ordnungszugehörigkeit des mir neuen und folglich ganz fremden Namens erkennen; suche ich also beispielsweise nach Nagetieren, so werde ich alle in dem betreffenden Werke genannten Formen dieser Gruppe unter den Anfangsbuchstaben „Er“ finden, weil das Präsignal der Säugetiere „E“ ist, und die Rodentia außerdem mit dem zweiten Buchstaben „r“ ausgezeichnet sind, einerlei, ob es sich um Namen handelt, die ich schon vorher kannte, oder um solche, von denen ich vorher noch nie etwas gehört hatte. Der gesunde Menschenverstand muß die Vorteile der Vorschläge auch in dieser Beziehung ebenso wie in vielen anderen genannten Hinsichten anerkennen, ohne daß hiermit gesagt sein soll, daß sich vielleicht nicht noch eine bessere Benennungsmethode ausarbeiten ließet); ich selbst weiß aber keine bessere und bezweifle, daß sich 1) Zahlen fallen von vornherein als weniger günstig fort, weil sie sich in größerer Menge dem Gedächtnis viel weniger leicht eiuprägen als Namen. 312 mit anderen gleich einfachen Mitteln ähnlich Vielseitiges erreichen läßt. Die Einführung der geographischen Kennzeichen in die Speciesbezeichnungen entspricht der nächstliegenden Aufgabe der Systematik, die geographische Verbreitung der Arten Pk Herr Dr. Voss (Göttingen). Herr Prof. RHUMBLER: Meiner seitherigen Erfahrung nach macht das Mitlernen der Patriavorsilbe mit dem Speciesnamen nicht die geringsten Schwierigkeiten. Die Vorsilben müssen nur derartig kombiniert werden, daß sie bequem aussprechbar bleiben, dann behalten sie sich auch leicht. Psychische Schwierigkeiten in dem Festhalten der dem überkommenen Sprachgebrauch fremd- artigen Patriavorsilben entstehen hier ebensowenig wie bei der Einlernung der philologisch unbegründbaren willkürlichen Endungen, die ich vorher schon genannt habe, also beispielsweise der Endungen arıa, larıa, ına und lina und. dergleichen mehr; überhaupt- spielt die philologische Korrektheit der Namenbildungen bei der Erlernung keine sehr große Rolle. Wir behalten die vielen Namen, deren — Etymologie uns nicht gegenwärtig ist, kaum weniger leicht als diejenigen, deren philologische Herkunft uns ohne weiteres klar ist. Der Vorsitzende schließt die Tagung. Herr Prof. ZIEGLER (Stuttgart) spricht ihm für die gewandte und umsichtige Leitung den Dank der Versammlung aus. Statuten ‘der Deutschen Zoologischen Gesellschaft mit den Beschliissen der Versammlungen vom 9. April 1894, vom 29. Mai 1896, vom 10. Juni 1897, vom 11. August 1901 und vom 2. Juni 1909, Sr de. Die „Deutsche Zoologische Gesellschaft“ ist eine Ver- einigung auf dem Gebiete der Zoologie tätiger Forscher, welche den Zweck verfolgt, die zoologische Wissenschaft zu fördern, die gemein- samen Interessen zu wahren und die persönlichen Beziehungen der Mitglieder zu pflegen. 5.2: Diesen Zweck sucht sie zu erreichen a) durch jährlich einmal stattfindende Versammlungen zur Ab- haltung von Vorträgen und Demonstrationen, zur Erstattung von Referaten und zur Besprechung und Feststellung gemein- sam in Angriff zu nehmender Aufgaben, b) durch Veröffentlichung von Berichten und anderen, in ihrem Umfange vom Stande der Mittel der Gesellschaft abhängigen gemeinsamen Arbeiten. 88. Die Mitglieder der Gesellschaft sind ordentliche und außer- ordentliche. | Ordentliches Mitglied kann jeder werden, der als Forscher in irgendeinem Zweige der Zoologie hervorgetreten ist. Außerordentliches Mitglied kann jeder Freund der Zoolo- gie und der Bestrebungen der Gesellschaft werden, auch wenn er sich nicht als Forscher betätigt hat. Die außerordentlichen Mitglieder haben in allen Angelegenheiten der Gesellschaft nur beratende _ Stimme. § 4. Anmeldungen zur Mitgliedschaft nimmt der Schriftführer entgegen. Von der erfolgten Aufnahme durch den Vorstand macht er dem Betreffenden Mitteilung. Der Vorstand entscheidet in zweifel- haften Fällen, ob die Bedingungen zur Aufnahme erfüllt sind. 314 § 5. ¢ Jedes Mitglied zahlt zu Anfang des Geschäftsjahres, welches mit — dem 1. April beginnt und mit dem 31. März endet, einen Jahres- — beitrag von zehn bzw. fünf Mark (s. $ 12 Abs. 3) an die Kasse der Gesellschaft!). Die Jahresbeiträge können durch eine einmalige Bezahlung von — einhundert Mark abgelöst werden. | Wer im Laufe eines Geschäftsjahres eintritt, zahlt den vollen | Jahresbeitrag. | Mitglieder, welche der Gesellschaft mindestens 10 Jahre angehört F und während dieser Zeit jährlich einen Beitrag von 10 Mark entrichtet — haben, können für die Zukunft ihre Beiträge durch eine einmalige Zahlung von fünfzig Mark ablösen. § 6. Der Austritt aus der Gesellschaft erfolgt auf Erklärung an den Schriftführer oder durch Verweigerung der Beitragszahlung. § 7. | Die Geschäfte der Gesellschaft werden von einem Vorstande versehen. Derselbe besteht aus: l. einem Vorsitzenden, welcher in den Versammlungen den Vorsitz führt und die Oberleitung der Geschäfte hat, 2. drei stellvertretenden Vorsitzenden, welche m? schwierigen und zweifelhaften Fällen der Geschäftsführung gemeinsam mit den beiden anderen Vorstandsmitgliedern durch einfache Stimmenmehrheit entscheiden, | 7 3. einem Schriftführer, welcher die laufenden Geschäfte — besorgt und die Kasse der Gesellschaft führt; er wird nach Ermessen des Vorstandes honoriert. | ii Se. | Die Amtsdauer des Vorstandes erstreckt sich auf zwei Kalenderjahre. Während ihrer Amtszeit ausscheidende Vorstandsmitglieder — werden vom Vorstande auf die Restzeit aa Amtsdauer durch Zu- — wahl ersetzt. > a. Der Schriftfiihrer ist unbeschrankt wieder wihlbar. Der Vor- sitzende kann nach Ablauf seiner Amtszeit während der nächsten zwei Wahlperioden nicht wieder Vorsitzender sein. 1) Zu zahlen an die Filiale der Mitteldeutschen Kreditbank in Gießen (Hessen). nee LT I hp 315 § 10. Die Wahl des Vorstandes geschieht durch Zettelabstimmung der ordentlichen Mitglieder. Die Aufforderung dazu, sowie der Vorschlag des Vorstandes für das Amt des Schriftführers, haben rechtzeitig durch den Vorstand zu erfolgen. Die Wahl geschieht in der Weise, daß jedes Mitglied bis zum 31. Dezember seinen Wahlzettelan den Vorsitzenden einsendet. Zettel, welche nach dem 31. Dezember eingehen, sind ungültig. Der Wahlzettel muß enthalten: 1. einen Namen für das Amt des Vor- sitzenden und 2. drei Namen für die Ämter seiner drei Stellvertreter; 3. einen Namen für das Amt des Schriftführers. Diejenigen Mit- glieder, auf welche die meisten Stimmen fielen, sind zum ersten bzw. zweiten und dritten stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Bei Stimmengleichheit für zwei oder mehrere der Gewählten ent- scheidet über deren Reihenfolge das Los. Lehnen einer oder mehrere der Gewählten die Annahme der Wahl ab, so ist sofort für die Stelle der Ablehnenden eine Ersatz- wahl anzuordnen, die innerhalb 6 Wochen vorzunehmen ist. Das Wahlergebnis stellt der Vorsitzende in Gegenwart eines oder mehrerer Mitglieder der Gesellschaft fest; es wird unter An- gabe der Stimmenzahlen im Vereinsorgan bekannt gemacht. 8 11. Der neugewählte Vorstand übernimmt die Leitung der Geschäfte, sobald die Wahl entsprechend den Vorschriften des § 10 vollzogen ist. Bis dahin bleibt der frühere Vorstand im Amt. § 12. Die Jahresversammlung beschließt über Ort und Zeit der nächstjährigen Versammlung. In Ausnahmefällen, wenn uniiberwind- liche Hindernisse das Stattfinden der Versammlung an dem von der vorjaihrigen Versammlung beschlossenen Orte oder zu der von ihr fest- gesetzten Zeit unmöglich machen, kann der Vorstand beide bestimmen. Die Vorbereitung der Versammlungen und die Einladung dazu besorgt der Vorstand. Er bestimmt auch die Dauer der Ver- sammlungen. Über jede Versammlung wird ein Bericht veröffentlicht. Von diesem erhält jedes Mitglied, welches einen Jahresbeitrag von 10 Mark entrichtet oder gemäß § 5 Abs. 3 die Jahresbeiträge durch eine einmalige Zahlung abgelöst hat, ein Exemplar unentgeltlich. 316 § 13. Die Jahresbeiträge dienen zunächst zur Bestreitung der Un- kosten, welche aus den in den vorhergehenden Paragraphen auf- geführten Geschäften erwachsen. Das übrige wird auf Antrag des Vorstandes und nach Beschluß der Jahresversammlung im Sinne des $ 2, unter b, verwendet. § 14. Der Rechnungsabschluß des Geschäftsjahres wird von dem Schriftführer der Jahresversammlung vorgelegt, welche auf Grund der Prüfung der Rechnung durch zwei von ihr ernannte Revisoren Beschluß faßt. Se Als Organ für alle geschäftlichen Veröftentlichungen der Oe sellschaft dient der „Zoologische Anzeiger“. § 16. Anträge auf Abänderung der Statuten müssen mindestens zwei Monate vor der Jahresversammlung eingebracht und spätestens einen Monat vor der Jahresversammlung den Mitgliedern besonders bekannt gemacht werden. Zur Annahme solcher Anträge ist */,-Ma- jorität der Anwesenden erforderlich. Sr Wird ein Antrag auf Auflösung der Gesellschaft gestellt, so ist er vom Vorsitzenden zur schriftlichen Abstimmung zu bringen. Die Auflösung ist beschlossen, wenn °/, aller Mitglieder dafür stimmen. Die darauf folgende letzte Jahresversammlung entscheidet über die Verwendung des Gesellschaftsvermégens. | Verzeichnis der Mitglieder 1910/11}). = lebenslängliches Mitglied. Die hinter dem Namen stehenden Zahlen bedeuten das Jahr des Eintritts. (Etwaige Fehler sowie Änderungen von Adressen sind dem Schriftführer mitzuteilen.) A. Ordentliche Mitglieder. 1. *v. Apathy, Professor Dr. St. (1890) . . . Kolozsvar (Klausenburg). 2. Apstein, Professor Dr. C. (1897) . . : . . Berlin N. 4, Zoolog. Institut. 3. Assmuth, P.Jos., S.J. St. Xaviers College (1909) Bombay. 4. Auerbach, Professor Dr. (1911) . . . . . . Karlsruhe, Großh. Museum. 5. Augener, Dr. Hermann (1906) . . . .-. Hamburg, Bürgerweide 40. 6. Balss, Dr. H., Assistent am Zool. Museum (1909) München, Neuhauserstr. 7. Baltzer, Dr. F., Privatdozent (1908) . . . . Würzburg, Zoolog. Institut. BerBssihelsı ree a. (BIG)... 0.2 200. es Königswinter a. Rh., Hauptstr. Ber ocramenn,.e. W2(1905) 5. «4. ou. . Eigenheim bei Wiesbaden. 10. Berndt, Dr. Wilh., Abteilungsvorsteher am Zoolog. Institut (1906) . . » . .. . Berlin N. 4, Invalidenstr. 43. Beamer Eros Drie. (1911) oo... ee Lausanne. 12. *Blanchard, Professor Dr. Raphael (1893) . Paris, 226 Boulev. St.-Germain. 13. *Blasius, Geh. Hofrat Prof. Dr. W. (1890) . Braunschweig, Gaußstr. 17. 14. *Blochmann, Professor Dr. Fr. (1891) . . . Tübingen. 15. *Böhmig, Professor Dr. L. (1891) . . . . . Graz, Morellenfeldg. 33. Berner Dr aC. (1908) u are re Ss St. Julien bei Metz. 17. *Borgert, Professor Dr. A. (1896) . . . . . Bonn, Kaufmannstr. 45. fe povert, Professor Dr. Th. (1891)... . „°. Würzburg. 19. *Brandes, Professor Dr. G., Direktor des Zoolog. Gartens (1891) RE ER . Dresden. 20. *Brandt, Geh. Regierungsrat Professor Dr. K. BEE en nee a Kiel, Düppelstr. 3. 21. *Brauer, Professor Dr. Aug., Direktor des Zoologischen Museums (1891) . . . . Berlin N. 4, Invalidenstr. 43. 22. Braun, Geh. Regierungsrat Professor Dr. M. ES) ee ne ee ie. „Konipsberp 1. Pr., Zoolog. Mu- seum. 23. *Bresslau, Professor Dr. Ernst (1902) . . . Straßburgi.E., Zoolog. Institut. 24. Brüel, Dr. L., Privatdozent (189) . . . . Halle a. S., Zool. Institut. er em, Br. MENISIN . . .. 25... Hamburg, Naturhist. Museum. =o, Buchner, Dr. P. (1911)... . . 2... München, Zoolog. Institut Alte Akademie. 27. *Bütschli, Geh. Hofrat Professor Dr. O. (1890) Heidelberg. | 28. *v. Buttel-Reepen, Dr. H., Professor (1902) Oldenburg, Gr, 1) Abgeschlossen am 10. Juni 1911. 54. 55. 56. 57. 58. 39. 318 . *Chun, Professor Dr. C., Geheimrat (1890) . Collin, Professor Dr. Anton (1890) .... . Cori, Professor Dr. C, J., Zoolog. Station (1891) . *Dahl, Professor Dr. Fr. (1892) ...... . *v. Dalla Torre, Professor Dr. K. W. (1890) . Daudt, Dr. Wilhelm, Oberlehrer (1901) . Deegener, Professor Dr. P. (1902) . Demoll, Dr., Privatdozent u. Assistent am Zoolog. Institut (1909) ..-..... . Dinsler,; Dr. Max - W942 „ars Saal. . *Döderlein, Professor Dr. L. (1890) . .. . . *Doflein, Professor Dr. Franz, 2. Direktor der Zoolog. Staatssammlung . Dohrn, Professor Dr. Reinhard (1907) . . . . #Dreyer, Dr. Imdwig’ (189) 7. 2. ur, = 152% .=Driesch, Dr. Bans SIR 2 22er . Yuncker, Dr. Gr. (ieee) aces 20 Reg . *Eckstein, Professor Dr. K. (1890) . .. . . Ehlers, Geh. Regierungsrat Professor Dr. E. (BO) „ru nim ner ee ..Basıg, Professor Dr. 3. 191). gs . Erdmann, Dr. Rh. (1910) ag . Birhard, Dr. Hab. (91D) 6 2. 2 5 . Escherich, Dr. K., Professor an der Forst- akademie (TEN: iin. haat . *PField, ‚Dr. Herbert... (1892) 2 as 278 . *Fleischmann, Professor Dr. A. (1903). . . . *Branz, Ur. Viktor (UM), soa eee eee . Freund, Dr. Ludwig, Privatdozent u. Assistent am K. K. Tierärztlichen Institut der Deutschen Universität (1906) Friederichs, Dr. Karl, Generalsekretär des Fischereivereius für die Provinz Branden- bag (10T): = —.,32..2: one SF ’Friese, Dr, Hi (ISO), 3 se ee ee Frisch, De. K 5.091 u 1 ee *Fritze, Dr. Ad., Abteilungsdirektor des Mu- seums (1695) 470. 4 ee Se u *Fallarton, -f. (FL (806): 5 nme *Gaupp, E., Professor Dr., Prosektor (1909) . Leipzig, Zoolog. Institut. Berlin N. 4, Invalidenstr. 43, Museum für Naturkunde. Triest, Passeggio S. Andrea. Berlin N. 4, Invalidenstr. 43, Museum für Naturkunde. Innsbruck, Claudiastr. 6 11. . Mainz, Bingerstr. 15. . Berlin N. 4, Invalidenstr. 43, Zoolog. Institut. Gießen. Murnau, VillaAumüller Bayern. _ Straßburg i. E.. Illstaden 30. München. Neapel, Acquario. Wiesbaden, Schubertstr. 1. Heidelberg. | Hamburg, Naturhistor. Museum. Eberswalde bei Berlin. Göttingen, Neapel, Acquario. . Berlin- Wilmersdorf, Güntzel- straße 44 IIT. München, Zoolog. Institut Alte Akademie. Tharandt. Zürich-Neumünster. Erlangen. Frankfurt a. M., Neurologisches Institut. Prag Il, Taborgasse 48. Berlin W. 62, Lutherstr. 47. Schwerin i. M., Kirchenstraße, Friesenhaus. München, Zoolog. Institut Alte Akademie. Hannover, Rumannstr. 13. Edinburgh, Fishery Board of Scotland. Freiburg i. Br., Zasiusstr. 53. harte a er hh aT TR NE . *Goette, Professor Dr. A. (1890) . Goldschmidt, Dr. R., ao. Professor (1902) . Gonder, Dr. R. (1911) . *v. Graff, Hofrat Professor Dr. L. (1890) . *Grobben, Professor Dr. ©. (1890) . *Gruber, Professor Dr. A. (1890) . Grünberg, Dr. K. (1906) . *de Guerne, Baron Jules (1893) . Günther, Dr. Konrad, Privatdozent (1903) . . *Häcker, Professor Dr. V. (1891) . . . . Haempel, Dr. Oskar, Assistent an der K.K. . Hagmann, Dr. Gottfried (1909) . . Hamann, Professor Dr. O. (1890) . *Hamburger, Dr. Clara, Assistent am Zoolog. . Hammer, Dr. Ernst (1906) . *Hartmeyer, Dr. Robert (1899) 319 . Gerhardt, Dr. Ulrich, Prof. (1905)... . » . Giesbreebt, Dr. W. (1894) . Glaue, Dr. Heinrich, Korvettenkapitän a. D. (1906) BL wen ae a ai BE . Gruner, Dr. Max (1901) Landw. Chem. Versuchsstation Abt. für Fischerei (1908) In WE nie ale] 4) a dene . v. Hanstein, Professor Dr. R. (1902) . Harms, Dr. W., Privatdozent (1908) . Hartert, Dr. Ernst, Zoolog. Museum (1890) . *Hartlaub, Professor Dr. Cl. (1890) . Hartmann, Professor Dr. M., Institut für In- fektionskrankheiten (1902) Ber lols Mme ie) > . Hasse, Geh. Medizinalrat Professor Dr. ©. (1890) . *Hatschek, Professor Dr. B. (1891) . *Heider, Professor Dr. K. (1892) . v. Heider, Professor Dr. Arthur R. (1894) . . Hein, Dr. W., Wissenschaftl. Mitglied der K. Bayr. Biolog, Versuchsstation, Di- rektor der Fischereischule Starnberg (1905) Dia int (Sales 6. ER ow a} 8 . *Heincke, Professor Dr. Fr., Direktor der K. Biolog. Anstalt (1891) . Heine, Ferdinand, Amtsrat (1906). . . . . Breslau, Zoolog. Institut. Neapel, Acquario. Kiel, Zoolog. Institut. Straßburg i. E., Spachallee. München, Alte Akademie. Frankfurt a. M., Speyerhaus. Graz, Attemsgasse 24. Wien XVIII, Anton-Frankg, 11. Freiburg i. B., Stadtstr. 3. Berlin N. 4, Zoolog. Museum, Invalidenstr. 43. Berlin - Halensee, Hobrecht- straBe 10. Paris, rue de Tournon 6. Freiburg i. Br., Karlspl. 36. Halle a. S., Zoolog. Institut. Wien II, Trunner StraBe 3. Bischweiler 1. E. Steglitz b. Berlin. Heidelberg. Berlin W. 15, Konstanzer Straße 8111. Gr.-Lichterfeldeb. Berlin, Karl- straße 40. Marburg a. L., Zoolog. Institut. Tring, Herts., England. Helgoland, K. Biolog. Anstalt. Halensee-Berlin, Kronprinzen- damm 10. Berlin N. 4, Invalidenstr. 43, Zoolog. Museum. Breslau, Anatom. Institut. Wien IX, Maximilianplatz 10. Innsbruck, Falkstr. 14. Graz, Maiffredygasse 2. München, Franz Josefstr. 13. Helgoland. Kloster Hadmersleben, Reg.- Bez. Magdeburg. 92. 93. 94. 95. 96. 97. 98. 99. 100. 101. 102. 103. 104. 105. 106. 107. 108. 109. 110. 111: 112. Lis: 114. 115. 116. Ibn 118. 119. 120. 121. 122. 123. 124. 125. 126. J2T. Heinroth, Dr. O. (1899) oa a le ae ee Ee Heller, Professor Dr. C. (1891) | *Hempelmann, Dr. F., Privatdozent (1905) *Henking, Professor D. H. (1890) *Hertwig, Geheimrat Professor Dr. R. (1890) Hess, Professor Dr. W. (1890) Hesse, Professor Dr. R. (1898) u “ER v. Heyden, Professor Dr. L., Major a. D. (1890) *Heymons, Professor Dr. Richard (1892) *Hilger, Dr: ©. (1891) Hilzheimer, Dr. M., Privatdozent a. d. Tech- nischen Hochschule (1906) *Hofer, Professor Dr. Bruno (1894) . Hoffmann, Dr. K. R. (1908) Hoffmann, Dr. R. W., Privatdozent er Hoppe-Moser Dr. F. (1911) Hoyle, William E., Direktor of the National Museum of Wales (1903) Hüeber, Dr. Th., Generaloberarzt’a. D. (1903) Imhof, Dr. O. Em. (1890) Jacobi, Professor Dr. Arnold, Direktor des Kgl. Zoolog. Museums (1901) *Jaekel, Professor Dr. O. (1893) . * Janet, Charles, Ingenieur des Arts et Manu- factures (1897) . Janson, Dr. O. (1909) Japha, Dr. Arnold, Privatdozent (1907) Jollos, Dr. Victor (1911) ay ve ta ei “ Jordan, Dr. H., Privatdozent (1902) Jordan. Dr. K., Zoolog. Museum (1901) Kaiser, Dr. Joh. (1891) Kathariner, Professor Dr. L. (1902) Kautzsch, Dr. G. (1910) *v, Kennel, Professor Dr. J. (1891) . . .- *Klinkhardt, Dr. Werner (1907) *Klunzinger, Professor Dr. ©. B. (1890) Kobelt, Professor Dr. W. (1890) . *v. Koch, Professor Dr. G. (1890) *Kohl, Dr. C. (1891) *Köhler, Dr. Aug. (1892) Berlin W. 62, Zoolog. Garten, Kurfürstendamm 99. Innsbruck, Tempelstr. 10. ‚Leipzig, Zoolog. Institut. Gr.-Lichterfelde, Bellevue- straße 13. München, Schackstr. 2. Hannover. Berlin N. 4, Invalidenstr. 42, Landwirtsch. Hochschule. Bockenheim-Frankfurt a. M. Berlin N. 4, Invalidenstr. 43, Zoolog. Museum. Essen, Chausseestr. 12/14. Stuttgart, Naturhistor. Museum. München, Veterinärstr. 6. Basel, St.-Alban-Anlage 27. Göttingen, Zoolog. Institut. Berlin - Wilmersdorf, Kaiser- allee 222. Cardiff, England. Ulm, Heimstr. 7. Windisch- Aargau b. Brugg i. Schweiz. Dresden-Altstadt, Zwinger. Greifswald, Geolog. Institut. Beauvais-Oise, Villa des Roses. Coln a. Rh., Naturhist. Museum. Halle a. S., Zoolog. Institut. Miinchen, Alte Akademie, Zool. Institut. ; Tübingen, Mühlstraße 14. Tring, Herts., England. Leipzig-Lindenau, Merseburger Straße 127. Freiburg, Schweiz. Würzburg, Zoolog. Institut. Jurjew (Dorpat), Rußland. Leipzig, Turnerstr. 22. Stuttgart, Hölderlinstr. Schwanheim a. M. . Darmstadt, Victoriastr. 49. Stuttgart, Kriegsbergstr. 15. Jena, Löbdergraben 11. 128. 129. 130. 131. 132. 133. 134. 135. 136. 137. 138. 139. 140. 141. 142. 143. 144. 145. 146. 147. 148. 149. 150. | 151. 152. 153. 154. 155. 156. 157. 158. Köhler, Professor Dr. R. (1897) By 6 BETT BOS *Kolbe, Professor H. J. (1892) *Kollmann, Professor Dr. J. (1890) *König, Professor Dr. A. (1890) .. . *Korschelt, Professor Dr. E. (1891) Kraepelin, Professor Dr. C., Direktor des Naturhistorischen Museums (1897) . . Krauß, Dr. H. A. (1896) Krimmel, Dr. Otto, Professor am höheren Lehrerinnen-Seminar (1908) . . Krüger, Dr. (1911) CHAR de ED: Or OC RER | O50 ee) Ker a plete 0 eR 7) Eh a. Eee". Kiikenthal, Professor Dr. W. (1893) Kiinkel, Carl, Seminarlehrer (1900) . . *y. Künssberg, Dr. Katharina Freifrau (1910) BEINE. Dr Ola CLOUD): en ei Lameere, Professor Dr, Aug. (1896) Lampert, Oberstudienrat Professor Dr. K. (1895) *Lang, Professor Dr. A (1890) Langhoffer, Professor Dr. Aug. (1901) Lauterborn, Professor Dr. R. i. Heidelberg Cs 3 Sen ans eee ier oe Lehmann, Professor Dr. -Otto, PERCU (L902). ow hs tsi. he Leiber, Dr. A., Lehramtspraktikant (1903) . v. Lendenfeld, ofökich Dr. fh. (1892). Heng, Professor’ Dr: A: (1890) 2. So .. . v. Linden, Professor Dr. Maria Gräfin, Ab- teilungsvorsteher am Hygien. Institut MER N TE St alt ne List, Professor Dr. Th., Landesmuseum und Technische Hochschule (1903) . Lohmann, Professor Dr. H., Zoolog, Institut Deine Si. AR, ER: *Looss, Professor Dr. A. (1891) ..... * Ludwig, Geh. Regierungsrat Professor Dr. H. PIERRE LAWS ne *Lühe, Professor Dr. M. (1895) Museums- *Maas, a. o. Professor Dr. O. (1891) . . . Maier, Dr. H.N., Kgl. Bayer. Landesinspektor für Fischzucht im Ministerium des Innern (1903) Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1911. . Bonn, Colmantstr. Lyon, 18 rue de Monplaisir. Berlin N. 4, Invalidenstr, 43, Museum fiir Naturkunde. Basel, St. Johann 88. Bonn, Koblenzer Str, Marburg i. H. Grenoble, 164. Liibecker Str. 29. Tübingen, Hafengasse 3. Hamburg, Stuttgart, Neckarstr. 39 A. München, Alte Akademie, Zool. Institut. Freiburg i. B., Reiterstr. 10. Breslau, Zoologisches Institut, SternstraBe. . Ettlingen. Heidelberg. . Berlin W., Kurfürstendamm 75. Briissel, 10 Avenue du Haut Pont. Stuttgart, Naturalienkabinett. ZiirichLV Oberstraß, Rigistr. 50. Zagreb (Kroatien). Ludwigshafen a. Rh. Altona. Freiburg i. Br., „> Pea Lübeck, Naturhist. Museum. Erwinstr. 10. Bonn a. Rh., Quantiusstr. 13. Darmstadt, Stiftstr. 29. Kiel. Cairo, School of Medicine. 32. Königsberg i. Pr., Mitteltrag- heim 4. München, Zoolog. Institut. München. a 186. 187. . *v. Marenzeller, Dr. Emil (1890) . Matschie, Paul, Professor (1899) . Meyer, Dr. Werner (1910) . *Michaelsen, Professor Dr. W. (1897) . Milani, Dr. Alfons (1893) . *Mrazek, Professor Dr. Alois (1896) . *Müller, Professor Dr. G. 'W. (1892) . . : . *Nalepa, Professor Dr. A. (1891) . Neresheimer, Dr. Eugen, Abteilungsvorstand . *Ortmann, Dr. Arnold E. (1890) . *Pappenheim, Dr. P. (1906) . Pauly, Professor Dr. A. (1894) . *Penther, Dr. A. (1898) 329 . *Malsen, Dr. Hans Freiherr von (1906) . . . Mark, Professor Dr. E. L. (1911) . Martin, Dr. Paul, Professor der Tieranatomie an der Universität (1902) . *Martini, Dr. E., Privatdozent und Assistent am Zoolog. Institut (1906) . *Matzdorff, Dr. C., Direktor der V. Real- schule (1891) . Meisenheimer, Professor Dr. Joh. (1897) . *Merton, Dr. Hugo (1907) . Metzger, Geh. Regierungsrat Professor Dr. A. . Daten in +a, oes. ee us 1 te) min ia Me oe Le) dal are ie Tre (1890) RR a i Ar See ee en you Der me er 1 ne > an der K. K. Landwirtschaftl. Chem. Versuchsstation (1903) . "Nieden, Dr. Fritz, Assistent am Zoolog, See 07 Ne. ae Fer See. fe) ier” ie Re Museum (1909) . Nüßlin, Hofrat Professor Dr. O. (1895) . . . *Obst, Dr. Paul (1904) . *Oka, Professor Dr. Asajiro (1896)... . a B+ tes orten bie, 1875,00, ee . *Petersen, Mag. Wilh., Direktor der Petri- Oka 8. Fa VE EHE Se Realschule (1892) . *Petrunkewitsch, Dr. Alexander, Honorary Curator for Arachnida at the American Museum of Nat. Hist. (1903) *Pfeffer, Professor Dr. Georg (1893) Piesberger, Dr, med. F., Augenarzt (1908) Malseneck, Post Kraiburg. Bayern. Wien VIII, Tulpengasse 5, k. k. Naturhist. Hofmuseum. Cambridge, Mass. Harvard Univ. Zool. Labor., U, S. A. Gießen. Tübingen. Berlin N. 4, Invalidenstr. 43, Museum für Naturkunde. Berlin NW. 5, Stephanstr. 2. Jena, Zoolog. Institut. Heidelberg, Zoolog. Institut. Hann.-Münden, Bismarckstr. 7. Hamburg 11, Deichstr. 241I. Hamburg, Naturhist. Museum. Eltville. Prag II, 1807 Fügnerplatz. Greifswald, Brinkstr. 3. WienV 1, k.k.Staatsgymnasium. Wien II, Trunner Str. 3. Berlin N. 4, Invalidenstr. 43. Karlsruhe, Parkstr. 9. Berlin W. 57, Winterfeldstr. 12. Tokyo, Japan, Koto Shihan- — Gakko. Pittsburg, Pa., Carnegie Mu- seum Shenley Park. Berlin N. 4, Invalidenstr. 43, Zoologisches Museum. München, Ainmillerstr. 10 ITI. Wien I, k. k. Hofmuseum, Burgring 7. Mont Clair, New Jersey, 54 Walnut Street. - Hamburg, Naturh. Museum. Stuttgart, Schellingstr. 19. 188. 189. 190. 191. 192. 193. 194. 195. 196. 197. 198. 199. 200. 201. 202. 203. 204. 205. 206. 207. 208. 209. 210. 211. 212. 213. 214. 215. 216. 217. 218. 323 *Plate, Professor Dr. L., Direktor des Zoolog. Instituts (1890) H. Prell (1908) BEE Re DE ine en Priemel, Dr. Kurt, Direktor des Zoolog. Gartens (1909) Prowazek, Dr. Stanislaus Edlerv. Lanov (1903) Pütter, Professor Dr. A. (1900) Rauther, Dr. Max (1905) . . . Rawitz, Professor Dr. B. (1890) Reh, Dr. L. (1902) | Reibisch, Dr. J., Zoolog. Institut (1907) *Reichenbach, Professor Dr. H. (1890) . . Reichensperger, Dr. A., Privatdozent (1911) *Rengel, Professor Dr. C. (1900) Reuß, Dr. Hans, Assistent an der Biolog. Versuchsstation (1906) *Rhumbler, Professor Dr. L. (1893) Richters, Prof. Dr. Ferd. (1890) Rohde, Professor Dr. E. (1905) *y. Rothschild, Baron Dr. W. (1900) . . . Roux, Dr. Jean, Custos am Naturhist. Mu- a) ei VO RR Sé DORT Ail le ed *Roux, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Wilh. (1895) sr, rd Tage BRAUNE) 2 es ew bg ea rerasın. Dr. Eritz (1890)... ge -. ww . Roerasin. De Dank (1890)... 20.000: *Schaxel, Dr. Jul., Privatdozent und Assistent am Zoolog. Institut (1910) ..... *Schauinsland, Professor Dr. H., Direktor Ec aie wit wa tye a Je ny iene Schleip, Dr. Waldemar, Assistent am Zoolog. Psst OF ad ee Won’ Schmeil, Professor Dr. O. (1906)... ... *Schmidt, Privatdozent Dr. W. J. (1909) . *Schroder, Dr. Olaw, Assistent am Zoolog. Institut (1906) Schuberg, Regierungsrat Professor Dr. A. SE Ck cS) ee aa an *Schuckmann, Dr. W. v., Assistent am In- stitut für Krebsforschung (1909). . . Schultze, Professor Dr. L. S. (1897) . . Jena. Loschwitz - Dresden, Schiller- straße 27. Frankfurt a. M. Hamburg, Institut für Tropen- krankheiten. Bonn a. Rh., Physiolog. Institut. Jena, Zoolog. Institut. Berlin W. 35, Blumes Hof 3. Hamburg, Naturhistor. Museum. Kiel, Adolfstr. 591. Frankfurt a. M., Unterlindau. Bonn a. Rh., Zoolog. Institut. Schöneberg (Berlin), Stierstr.19. München, Veterinärstr, 6. Hann.-Münden, Forstakademie. Frankfurt a. M., Wiesenau 22. Breslau, Zoolog. Institut. Tring, Herts., England, Basel. Halle a. S., Anat, Institut. Halensee - Berlin, Friedrichs- ruher Str. 21. Basel, Ba Spitalstr. 22. Jena. Bremen, Humboldtstr. Freiburg i. Br. Heidelberg, Schloß Wolfs- brunnenweg 29. Bonn a. Rh., Zoolog. Institut. Heidelberg, Zoolog. Institut. Groß - Lichterfelde - West, Knesebeckstr. 7. Heidelberg, Ladenburger Straße 1 III. + Wiel, ake 324 219. *Schulze, Geg. Regierungsrat Professor Dr. BY; EB. (8890). Aaa te ee Berlin N. 4, Invalidenstr. aes Zoolog. Institut. 220. Schwalbe, Professor Dr. G. (1890) . . . . Straßburg i, E., Schwarzwald- straBe 39. 221. *Seitz, Professor Dr. A. (1891) .. . . . Darmstadt, Bismarckstr. 59. 222. de Selys Longchamps, Dr. Mare (1911) . . Briissel,61 Avenue Jean Linden. 223. *Semon, Professor Dr. R. (1893). . . . . München 23, Martiusstr. 7. 224. *Simroth, Professor Dr. H. (1890) . . . . Leipzig-Gautzsch, Kregelstr.12. 225. *Spangenberg, Professor Dr. Fr. (1890) . . Aschaffenburg. 226. Spemann, Professor Dr. Hans (1900) . . . Rostock, Zoolog. Institut. 227. *Spengel, Geh. Hofrat Professor Dr. J. W. Ir (TSO) pa: Br ERRNE eee Gießen. 228, *Spuleg; Peotessor ‚Dr. A (18932) 2.7 cones 3 Erlangen, Heuwaagstr. 229. *Steche, Dr. med. etphil., Privatdozent (1907) Leipzig, Zoolog. Institut. 220, ‚Stechow., ‚Dr. EB i PORO oo 6 I a, na München, Zoolog. Sammlungen, Alte Akademie. 231. *Steindachner, Hofrat Dr. Franz (1890). . Wien I, Burgring 7, k. k. Hof- museum. 232. Steinhaus, Dr. Otto, Assistent am Naturhist. Museum: (1899) Im. oa a . . . . Hamburg-Hamm, Landwehr- damm 1711. 233. Steinmann, Dr, Paul (1908) .......... . Basel, Zoolog. Anstalt. 234. *Stempell, Professor Dr. W. (1899) . .. Münster 1. W. 235. *Steuer, Dr. Adolf, a. o. Professor, k. k. Zoolog. Institut der Universität (1906) Innsbruck, Tirol. 236. *Stiles, Prof. Dr. Charles Wardell (1894) . Washington, D. C., U. 8. A. Publie Health and Marine Hospital Service Hygienic Laboratory. 237. *Stitz, Herm., Lehrer (1900). . . . . . . Berlin NW., Essener Str. 4. 238. *zur Strassen, Professor Dr. O., Direktor des Senckenbergischen Museums (1895) . Frankfurt a. M., Senckenbergi- sches Museum, Victoria- allee 7. 239. Strodtmann, Dr. 8.1897) 2 wur ler: . Wilhelmsburg a. Elbe. 240. *Strohl, Dr. Hans, Zoolog. Institut (1909). Zürich. 241. Strubell, Professor Dr. Ad. (1891) . . . . Bonn, Niebuhrstr. 51. 242. Studer, Professor Dr. (1911) . - . . » Bern, Zoolog. Anstalt: 243. *v. Stummer- Traunfels, Dr. kei, (1896) . Graz, Zoolog. Institut. 244. Sturany, Dr. R., Kustos am k. k. Natur- histor. Hofmuseum (1900). . . . . . Wien I, Burgring 7. 245, Büßbach, Dr: phil X IWS) ne (Pos . . Charlottenburg, Bleibtreustr. 4. 246. Taschenberg, Professor Dr. O. (1890). . . Halle a. S. 247. Teichmann, Dr.:B. (1902) ul: meilzsnale . Frankfurt a. M., Steinlestr. 33. — 248. *Dhesing,. Dr. Oart<1906) > 7 WUE) Eu: Leipzig, Teubners Verlag. | 249. *Thiele, Professor Dr. Joh. (1891) . . . . Berlin N. 4, Invalidenstr. 43, Museum für Naturkunde. . . 269. 270. 271. 272, 273. 274. 275. 325 . *Thorsch, Dr. Emil, Assistent am Anatom, Institut der Deutschen Universität (1909) . Tonniges, Dr. Carl, Assistent am Zoolog. DEN IE Whe ve ART es Tornier, Professor Dr.@. (1905) . «2-1. . *Vanhöffen, Professor Dr. E., Kustos am Zoolog. Museum (1897) . » . - .’. . . Vejdovsky, Professor Dr. F. (1900)... . . Versluys, Dr. J., Professor, Zoolog. Institut bo NN ES IE, e Voelizkow, Prof. Dr} (OTT) 2) las tig. “Voigt, Professor Dr, W. (1890). ... +. . Voß, Dr. Friedrich, Privatdozent, Assistent am Zoolog. Institut (1906) ..... . Vosseler, Professor Dr. J., Direktor des Zoologischen Gartens (1930) pov semet De TK aGhObd ie. eee af . *y. Wagner, Professor Dr. Fr. (1890) . *Wahl, Professor Dr. Bruno, k. k. Land- wirt.-bakteriol. Pflanzenstation (1900) bay Moms BU S:.J. (1891). 4.40. we he . Weber, Dr. L., Sanitätsrat, Leitender Arzt am Krankenhaus vom Roten Kreuz (1904) „»=Weber.Professor. Dr. Max (1890) . - . . . *Weismann, Professor Dr. A., Wirkl. Geh. Rats Bszellena (18 Wii ei = » . *Weltner, Professor Dr. W. (1890)... . . Wenck, Wilhelm (Löbbecke-Museum, Natur- historische Sammlung der Stadt Düssel- dorf), Oberlehrer (1906) ...... Wilhelmi, Dr. J., wiss. Mitglied d. Kgl. Prüfungs- und Untersuchungsanstalt für Wasserversorgung und Abwässer- Deserguna (L906): hr er, Will, Professor Dr, L. (1890) DE 4 ig 2 own eS '. ee Wolf, Dr. Eugen, Kustos am Senckenb. Pepa U. 1 Teeth ak eM ER rote Der Mau POLO) ee ala *Woltereck, Professor Dr. Rich. (1897) . . *Wolterstorff, Dr. W., Kustos (1890) . . . Prag. Marburg i. H. Berlin N. 4, Zoolog. Museum, Invalidenstr. 43. Berlin N., Museum fiir Natur- kunde, Invalidenstr. 43. Prag. GieBen, Wilhelmstr, 41. Berlin W. 30, Luitpoldstr. 3 HI. Bonn, Maarflachweg 4. Gottingen. Hamburg, Zoolog. Garten. Bonn a. Rh., Zoolog. Institut. Graz, Steiermark, Zool, Institut. Wien II, Trunnerstr. 1. Valkenburg (L.) Holland, Ignatius-Kolleg. Kassel. Eerbeck, Holland. Freiburg i, B. Berlin N. 4, Invalidenstr. 43, Zoolog. Museum, Düsseldorf- Grafenburg, Burg- müllerstr. 16. Berlin SW. 68, Kochstr. 73 LI. Rostock. Frankfurt a. M., Lithogra- phische Kunstanstalt Werner und Winter. Frankfurt a. M., Victoriaallee, Bromberg, Fischerstr. 10. Gautzsch b. Leipzig, Weberstr. Magdeburg, Domplatz 5. 276. 277. 278. 279. 280. 281. 282. 283. 234. 285. 286. 287. = 1 i oe ae OO) E 326 * Wunderlich, Dr. Ludw., Direktor desZoolog. Gartens (1897) ar. COREL: LAIEET . . Köln-Riehl. Zacharias, Professor Dr. O. (1907) . . . . Plön-Holstein, Biolog. Station. *Zarnik, Dr. Boris, Privatdozent (1909) . Würzburg, Zoolog. Institut. *Zelinka, Professor Dr. K. (1890) . . . . Czernowitz. *Ziegler, Professor Dr. H. E. (1890) . . . Stuttgart, Techn. Hochschule. Zimmer, Prof. Dr. Carl, Kustos am Zoolog.. nstin KLIDD) EIER. RO tae E Breslau. | *Zschokke, Professor Dr. Fr. (1890) . . . Basel, Zool. Anstalt. *Zugmayer, Dr. Erich, Zoolog. Staatssamm- long (L909) (Oe 6. Sere 4 . + .. « München, Alte Akademie. B. AuBerordentliche Mitglieder. Nägele, Erwin, Verlagsbuchhändler (1904) Stuttgart, Johannesstr. 3. Reinicke, E., Verlagsbuchhändler, Chef der Firma Wilhelm Engelmann (1894) . . Leipzig. Sproesser, Dr. Th., Verlagsbuchhändler (Schweizerbartsche Verlagsbuchhandl. RL A A det Pol aE: Stuttgart. Kgl. Universitätsbibliothek (1911) . . . . Bonn a. Rh. Inhaltsverzeichnis. Seite Verhandlungen auf der zwanzigsten Jahresversammlung in Graz ..... 38 Verhandlungen auf der einundzwanzigsten Jahresversammlung in Basel . . 12 Bante Tort Aim wWenemden ! Kaya) unten, eel ees ns dines hg a en ie Ne en are eo ays 13 Begrüßungen durch den Vorsitzenden, den Vertreter der Regierung ind Stadt und der Universität Basel. ...... ee RE 14 ee TE u ee ee 8 18 Referat des Herrn Prof. Tornier: Über die Art, wie en Einflüsse den Aufbau des Tieres abändern ...... ree Vortrag des Herrn Prof. Ziegler: Uber Insekten- eee oo Titel) GP tyne oa Vortrag des Herrn Prof. Korschelt: Perlen und Perlenbildung bei LER: Ce REED ER ne em eis os Lie Vortrag des Herrn Dr. Hartmeyer: Die geographische Verbreitung der OECD — Tah Gy ae inthe) Gone va, net 2.095 Vortrag des Herrn Prof. Haecker: Die meee Te Men cane ute LOO Vortrag des Herrn Dr. Wolf: Uber die Bildung der Korallenriffe in der SS ST el Ie 2) 2 ie a ee arr i ET eB Demonstration des Herrn De Teichmann: Tore Menke von patho- genen Mikroorganismen ...... : ga We At EEE 113 Demonstration des Herrn Dr. Harms: Pia yon Ovarialtrans- plantationen auf fremde Species... . a (ll Bericht des Herausgebers des „Tierreichs“, edt Prof. De F. E. Schulze 114 Bericht des Herrn Prof. Kraepelin über die Tätigkeit des deutschen Aus- schusses für den mathematischen und ae u che gohen Unterricht Ld oc) SELLER Di ee Re Fo eee ee Er Er 117 iran. desew ersammiungsortes für VOID. 2. ei ieee nee en Lae Beratung über Vorschläge betr. zweckentsprechendere Gestaltung des Literatur- werzeichniasen im Aoolop. Auzeiger 62, ul a ae . 120 Vortrag des Herrn Prof. Klunzinger: Über die Gliederung und Gelenke der Decapoden-Crustaceen im Vergleich mit den Insekten .... . 125 Demonstration von Präparaten von Amöben und AR: durch Herrn ree eunuekmaun. Loe ae ee . 141 Vortrag des Herrn Prof. Bullterask, Beitrag zur a der u erworbener Eigenschaften“: Transmutation und Präinduktion bei ED ORS TS) i Ee a a. Serre eee „141 Vortrag des Herrn Prof. Spemann: Versuche über Asymmetrie des Ww cea Berge a Bla 8 ee we be 8 172 Vortrag des Herrn Dr. P. Sarasin: os EN nie Schätzung der sogenannten Haarmenschen (nur Titel)... . . Bey ah: a eye ana Demonstration des Herrn Dr. Steinmann: Polypharyngie bei Planarien . 173 328 Seite Vortrag des Herrn Prof. Bresslau: Uber RN Verdoppelung von Organen u, 2 cen Se EUG Marta eee De 174 Vortrag des Herrn Prof. Maas: Abgüsse rezenter Tiefseemedusen zum Vergleich mit Fossilien aus der Kreide : . 22 re 186 Vortrag. des Herrn Prof. Studer: Eine neue Equiden-Form.aus dem Obermiveän von Samos... 2 en oe ee 192 Vortrag des Herrn Dr. Franz: Vom Kleinhirn (nach Studien an Knochen- fischen) . 273%, Og”. eee EN oy eke Vortrag des Horra Prof. Chun: Über Bolitaena (nur Titel) . =) ee 205 Vortrag des Herrn Dr. Zarnik: Uber den Chromosomencyelus bei Pierepoden® =. 0... Be oe eee OS oe 205 Vortrag des Herrn Dr. Kautzsch: Uber Auftreten und Teilungen abnorm ar großer 2.“Richtungdkorper \ 1: HE 0 LESER er. Bericht der Beyisoren, .... a. ou. num ıune pis a Tal Aare ieee 219 Antrag des Vorstandes, 500 M. für die A. Dohrn-Stiftung zu bewilligen . 219 Vortrag des Herrn Dr. v. Frisch: Uber den Farbensinn der Fische . . . 220 Vortrag des Herrn Prof. Simroth: Über das System der Gastropoden . . 225 Vortrag des Herrn Prof. Goldschmidt: Ein Fall geschlechtsbegrenzter Vererbung (mut Titel) .. ... 2 „ „wu, ein Se en |) Vortrag des Herrn Dr. Gerhardt: Zur Morphologie der Säugetierniere . 260 Vortrag des Herrn Dr. Jordan: Secretion des verdauenden Saftes und Absorption bei Wirbellosen, insbesondere bei Insekten . . . ... .272 Vortrag des Herrn Dr. Tei shinhitat Uber Protozoengifte. ..... “ene Vortrag des Herrn Dr. Voss: Morphologisches und Kinematisches vom Ende des Embryonalstadiums der Geradflügler . ......4... 283 Vortrag des Herrn Prof. Rhumbler: Weitere Vorschläge zum Moderni- sierung der seitherigen binären Nomenklatur ......... . . 295 Schluß der Versammlung '. |. 7. 2 0. seg (noe wen: es 312 Statuten. "an ae er en ee ah Mn ion icy . 313 Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig Das neue zoologischeSystem von Berthold Hatschek 31S. 8. Geheftet M. —.60 Mikroskopische Untersuchungen über die Übereinstimmung in der Struktur und dem Wachstume der Tiere und Pflanzen Th. Schwann Herausgegeben von F. Hünseler Mit dem Bilde von Th. Schwann und 4 Tafeln Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften Nr, 176 (242 S.) 8. Kart. M. 3.60 Vorlesungen über Tierpsvchologie von Karl Camillo Schneider XII u. 310 8. Mit 60 Figuren im Text Geheftet M. 8.— Gatalogus Dipterorum hucusque descriptorum von C. Kertesz Vol, I. 1902 (IIE und 338 S.) M. 15.— Vol. II. 1902 (857 S.) M. 17.—. Vol. V. 1909 (200 S.) M. 11.-- Vol. ILL. 1908 (367 S.) M. 18.—. Vol. VI. 1910 (862 S) M. 18.— Vol.IV. 1909 (349 S.) M. 18.—-. Vol. VII. 1910 (470 S.) M. 25.— Kataloge und Sonderverzeichnisse meines Verlages stehen unberechnet und postfrei zur Verfügung OR op le Die Insektenfamilie der Phasmideı mn x B von Le Bi | Brunner von Wattenwyl und J. Redtenbacher og Mit Unterstiitzung der K. K. Akademie der Wissenschaften in Wien aus der Treitl- Stiftung Lieferung 1. Phasmidae areolatae. (Bogen 1—23 und Tafeln I—VI) 1906. M. Tee Lieferung 2. Phasmidae anareolatae (Clitamnini, Lonchodini, -Bacuneulini) ~ (Bogen 24—43 und Tafeln VII-XV) 1907 M. 18.-— Lieferung 3. (Schluß). _Phasmidae anareolatae (Phibalosomini, Acrophyllini, — Necroseinii) (Bogen 44—74 und Tafeln XVI—XXVII) 1908 M. 30.— 5 Preis des vollständigen Werkes M. 65.—.. Einbanddecke in Ganzleinen M. 3.50 | Einführung 1 in die Vererbungswissenschaft 3 | In zwanzig Vorlesungen für Studierende, Ärzte, Züchter von Richard Goldschmidt Mit 161 Abbildungen im Text a IX und 520 Seiten. Preis or M. 11.—; in Leinen ER m. 12 Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere mit Berücksichtigung der Wirbellosen. a ; von are: ae Carl Gegenbaur ke 2 Bände = Band I: Einleitung, Skeletsystem, Muskel- = system, Nervensystem und Sinnesorgane “ Mit 617 zum Teil farbigen Figuren im Text gr. 8. M. 27.— Br in Halbfranz gebunden M. 30.— Be Band II: Darmsystem und Atmungsorgane, a Gefäßsystem, Harn- und Geschlechtsorgane (Urogenitalsystem) Mit 355 Figuren im Text und dem Register fiir beide Bande gr. 8..M. 20.—; in Halbfranz gebunden M. 23.— Kataloge and Ve duis meines Verlages stehen unbe und postfrei zur Verfügung MAY 3 2044 11 8 6 35 630 Date Due