u a are: Ge \ N N Kibrarn of tbe Museum | OF COMPARATIVE ZOÖLOGY, | AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS. HDounded bp private subscription, in 1861. 7, No. #79 72 L / pr | 2 BENTARER (ee REN VERHANDLUNGEN DES _NATUORHISTORISCH- MEDICINISCHEN VEREINS ZU HEIDELBERG. NEUE FOLGE, DRITTER DBAND. , MIT DREI TAFELN U. EINER KARTE. -I- HEIDELBERG. CARL WINTER’S UNIVERSITÄTSBUCHHANDLUNG. "886. Inhalt. W. Kühne und J. Steiner, Ueber electrische Vorgänge im Sehorgan August Bernthsen, Ueber die Constitution der Thiocarbaminsäure- derivate und über die Nomenclatur der näheren Kohlensäure- derivate und der Isothiamide . a INT : H. Alex. Pagenstecher, Zur Entwicklungsgeschichte der Treu cden — Ueber die Hirsche . a N K. Mays, Ueber die Bewegungen He enschliehen Gehirns, €. Fr. W. Krukenberg, Ueber die Hydrophilus-Lymphe und über die . Hämolymphe von Planorbis Lymn&us und Paludina . Geschäftliches F j Verzeichniss der vom 1. Norenhet 1880 bis Ende Deknber 1881 ein- gegangenen Druckschriften . DAL W. Kühne, Ueber motorische Nervenendigung i A. Bernthsen und Fritz Bender, Ueber einige Derivate a ‚Styrols E. Pfitzer, Beobachtungen über Bau und Entwicklung der Orchideen + Fr. Schultze, Ueber Muskelatrophie F. A. Kehrer, Ueber den Soorpilz NE, AR, W. Kühne, Weitere Beobachtungen über ech re Geschäftliches Er RER EU ESHR NEN Verzeichniss der vom 1. le bis dr Norenies 1882 eingegangenen Druckschriften . i IRRE A ne W. Kühne, Die motorische eine) er nach Bench. tungen an Muskelquerschnitten von Dr. med. M. B. van Syckel aus New-York . i Seen 2 Adolf Schmidt, Ueber die eng von Were in ee Generatoren . ER En Bar RR LER W. Kühne, Ueber Kenner in Her Muskeln. Nach weiteren Be- 4 obachtungen von Dr. M. B. van Syckel FE. Blochmann, Ueber eine Metamorphose der Kerne in den Or eiern und über den Beginn der Blastodermbildung bei den Ameisen II Seite. 243 IV Inhalt. Horstmann, Ueber den Zusammenhang zwischen dem Wärmewerth und dem Verlauf chemischer Reactionen Bash 6. Quincke, Ueber elektrische und magnetische Druckkräfte ; Vereinsnachrichten . SR i LOSE Ed Verzeichniss der vom November 1882 bis Apnil 1884 eingegangenen Druckschriften . BT SE RENNEN Ro W. Kühne, Ueber Form, Structur und Entwicklung der moi Nervenendigung ; W. Kühne, Albumosen und Panne 3 a K. Mays, Notiz über eine bequeme een a ee Lackmuspapieres . Ä August Bernthsen, Studien in ae ee Vereinsnachrichten . Verzeichniss der vom Apnil 1884 bie März 1835 eingegangenen Druckschriften . AR DERZE F. Blochmann, Ueber eine neue Häenmkerdboeukärt W. Kühne, Vereinfachte Darstellung des Trypsins . er Adolf Schmidt, Geologie des Münsterthals im badischen .! Erster Theil . A, Bernthsen, Zur Frage nach der Obnstikicn 1 N: nt verwandter Farbstoffe . Vereinsnachrichten . ; LET SR DAR BSR RN Verzeichniss der vom Mai 1885 bis März 1886 eingegangenen Deahke schriften Seite. Ueber eleetrische Vorgänge im Sehorgan. Von W. Kühne und J. Steiner, Die folgenden, an anderer Stelle ausführlicher erscheinenden Unter- suchungen wurden in der Absicht unternommen, für die im gesammten Gebiete der neuroelectrischen Vorgänge schon ihrer Mächtigkeit wegen hervorragendes Interesse in Anspruch nehmenden Stromesschwankungen, welche der Lichtreiz am Sehapparate erzeugt, weiteres Verständniss zu gewinnen. 1. In erster Linie handelte es sich um Beseitigung eines Wider- spruches zwischen den früheren Angaben Holmgren’s und den späteren unsrigen, was um so nothwendiger erschien, als die Differenz das hier vermuthlich noch lange massgebend bleibende Froschauge betraf. Holmgren schrieb dem Froschbulbus, sowie Stücken des Augenhinter- grundes und der isolirten Retina (im Gegensatze zu allen übrigen von ihm untersuchten Augen von Säugern, Vögeln und Reptilien) positive Schwankung je bei einfallendem und bei wegfallendem Lichte des in der Dunkelheit im Allgemeinen in dem Organe von hinten nach vorn ge- richteten Stromes zu, während wir auf die erste positive Schwankung x ‘an der isolirten Netzhaut und an Stücken des Augengrundes sofort eine negative, nicht selten bis zur Umkehr des Stromes gehende und ix h während der Dauer des Belichtens bleibende Schwankung folgen sahen. Nach einigen anfangs verfehlten Bemühungen, den Widerspruch zu lösen, glauben wir heute auch Holingren’s Zustimmung sicher zu sein, wenn wir den Grund der Differenz darin finden, dass Holmgren die in der isolirten Netzhaut, welche er, wie er selber sagte, - nur beiläufig berücksichtigte und auch die an Stücken des Augen- h A 5 grundes zu beobachtenden Erscheinungen nicht so eingehend unter- Wirt SI Bi Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. III. 1 9 W. Kühne und J. Steiner suchte, wie die von ihm am unversehrten Bulbus gefundenen, während wir fast ausschliesslich mit der erst nach dem jetzt üblichen Verfahren für solche Zwecke exact isolirbaren Retina experimentirten und den so viele andere Gewebe ausser den retinalen einschliessenden Bulbus früher auch desshalb nicht benutzten, weil die Stromesschwankungen daran vergleichsweise sehr schwach ausfielen. In der That ist nichts constanter und mehr ins Auge fallend als der zweite Antheil der von uns beim Kommen des Lichtes gefundenen Doppelschwankung, und es tritt in ermüdeten Netzhäuten im Hellen gehaltener Frösche sogar nur dieser auf, während der vorangehende positive zuvor in fortwährender Abnahme begriffen ist. Völlig anders und übereinstimmend mit Alolmgren’s Angaben fanden wir dagegen am unversehrten Bulbus beim Kommen des Lichtes statt der Doppel- schwankung, entweder gerade so, wie auf Entziehung des Lichtes, nur eine einfache positive oder höchstens eine dem Lichtzutritte rasch folgende mässige Abnahme des ersten Stromzuwachses. Obgleich diese Schwankungen als Bruchtheile des ursprünglichen Dunkelstromes so- wohl, wie überhaupt an Mächtigkeit denen der isolirten Netzhaut ausserordentlich nachstehen, so muss doch entweder durch die Eröffnung des Auges oder durch das Abheben der Retina eine Veränderung des electromotorischen Verhaltens erfolgen. Ohne Zweifel ist die Lockerung der Retina hier die wesentliche Ursache, da man das halbirte, die Linse noch enthaltende, zuweilen selbst das dieser schon beraubte Auge oft nur mit zwei positiven Schwankungen reagiren, die erste Doppel- a schwankung aber sofort erscheinen und sich bis zum Absterben bei jeder erneuten Belichtung einstellen sieht, wenn man die Retina von der Zonula Zinnii etwas anzieht, lockert oder nur den Augengrund in zwei Quadranten theilt. In allen diesen Fällen ist jedoch das etwaige: 4 Haften des Pigmentepithels an der Stäbchenschicht oder dessen Zurück- bleiben an der Chorioidea ohne Einfluss. u Trotz der augenscheinlichen Veränderung, welche der beim Isoliren der Netzhaut unumgängliche Eingriff erzeugt, zeigt das damit erhaltene Präparat, in den Kreis des Galvanometers aufgenommen, eine bis zum. Unglaublichen gehende, der des menschlichen Sehorgans kaum nach- h Ueber electrische Vorgänge im Sehorgan. 3 stehende Lichtempfindlichkeit, der Art, dass der Beobachter am Fern- rohre z. B. jeden Zug anzugeben vermag, mittelst dessen ein Raucher im benachbarten Dunkelzimmer '/; Meter von der Froschretina ent- ‘ fernt die Gluth etwas lebhafter durch die Asche schimmern lässt. Erst das zerstreute Licht, das von einem im Dunkeln gerade noch als roth kenntlichen Löthkolben ausging, fanden wir an unseren Einrichtungen wirkungslos. Bei intensiverem Lichte genügte ferner die kürzeste Zeit, da der Funke einer Leidener Flasche (bei Abblendung seines Lichtes völlig wirkungslos) zuweilen sogar alle drei Schwankungen zum Vorschein brachte. Endlich sahen wir jedes kleinste im Auge oder durch andere * brechende Medien auf der isolirten Netzhaut zu entwerfende Bild in ersterem Falle die beiden positiven, in letzterem dreifache Schwan- kungen hervorrufen, gleichviel von welcher unbeleuchteten Gegend die Ableitung zum Galvanometer bewirkt wurde. 2. Hinsichtlich der Dauer der Leistungsfähigkeit der Retina be- merkten wir, dass dieselbe im exstirpirten aber uneröffneten Bulbus rasch abnimmt und selbst bei niederer Temperatur schon nach einer Stunde gänzlich schwinden kann, dass aber merkliche Erholung nicht & nur nach dem Aussetzen der Netzhaut an die Luft, sondern auch im E unversehrten Bulbus von der Zeit an eintritt, wo derselbe im feuchten - Raume stark zu erschlaffen und einzusinken beginnt. Bei 12—135°C. wurde die photoelectrische Reaction oft nach 24 Stunden noch deutlich gefunden. Durch Chloroformiren der Frösche unwirksam gewordene Retinae wurden nach 1—2stündigem Liegen in der feuchten Kammer meist wieder regelrecht wirksam. Er EA EIER 3. Im Gegensatze zu Holmgren’s abrathenden Aeusserungen fanden „wir den Bulbus und besonders die isolirte Retina mehrerer Fische!) für die vorliegenden Zwecke vorzüglich geeignet, obgleich die Ver- änderlichkeit der Gewebe hier einige neue Erscheinungen einführte. R- Im frischesten Zustande zeigte der vom exstirpirten und gesäuberten Br Auge des Flussbarsches in derselben Weise und mit gleicher Richtung !) 1874 bemerkten zuerst Dewar u. M’Kendrick am Fischbulbus positive Schwankung des Stromes auf Lichtzutritt. 1* 4 . W. Kühne und J. Steiner: wie vom Froschbulbus abzuleitende, recht erhebliche Strom beim Kommen des Lichtes positive, in einem wenig späteren Stadium des Absterbens negative Schwankung, beide während des Belichtens ziemlich anhaltend und auf Lichtentziehung ohne erhebliche neue Reaction dem ursprüng- lichen Dunkelstrome weichend. Dem entsprechend sahen wir den Strom der eiligst isolirten Retina im Beginne der Belichtung oft rasch abnehmen, darauf zuweilen nur wenig wachsen und unter diesen günstigeren, die übrigen als Nebenschliessung besonders nachtheiligen Bestandtheile des Fischauges umgehenden Ableitungsbedingungen, bei Entziehung des Lichtes so plötzlich zur vorigen Höhe zurückkehren, oder vorher noch einmal um soviel zunehmen, dass dem Abschlusse der Beleuchtung ein besonderer Effect zuzuschreiben war. In der Mehrzahl der Fälle war die Retina (vom Barsche, Hechte, Aale und der Barbe) freilich schon soweit verändert, dass nur eine Schwankung beim Kommen des Lichtes auf- trat, und zwar die negative, die während der Dauer des Belichtens langsam, beim Entziehen des Lichtes etwas rascher abnahm und den Dunkelstrom gewöhnlich nicht wieder bis zur Anfangsgrösse zurück- kehren liess. Durch langsames Einschleichenlassen des Lichtreizes war die Schwankung nicht, wie es nach den Erfahrungen an der Froschretina hätte vorausgesetzt werden können, zu umgehen und es fiel dieselbe auch nur in wenigen Fällen grösser aus bei geeigneter Intermittenz des Lichtes. Mittelst der bisweilen colossalen Schwankungen Er- regungen eines Froschnerven oder Muskels zu erzeugen, gelang mit der Fischretina sowenig, wie mit der anderer Thiere. In sämmtlichen von Fischen hergestellten Präparaten erlosch die Leistungsfähigkeit früh. 4. Durch die eben mitgetheilten Erfahrungen ermuthigt, haben wir die bisher für hoffnungslos gehaltenen Bemühungen, den Effect der Lichtreizung im Auge am Stamme des N. Opticus mit Hülfe der negativen Schwankung seines Längs- Querschnittstroms sichtbar zu machen, nicht unterlassen und damit in der That zum ersten Male jene nach Reizung sensibler Endorgane bis heute vergeblich gesuchten objectiven Zeichen der Nervenerregung zu erhalten vermocht. 3 Nachdem durch Vorversuche festgestellt war, dass der Stamm des E Ueber electrische Vorgänge im Sehorgan. 5 mit zwei Querschnitten versehenen N. Opticus der Barbe und des Hechtes bei electrischem Tetanisiren negative Schwankung von beträcht- licher Grösse zeigt und 15—30 Min. nach der Isolirung mit dem Bulbus dieselbe Schwankung am centralen Ende abzuleiten gestattet, wenn die periphere Ausbreitung in den vorderen Schichten der Retina mittelst zweier in den -Grund des halbirten Auges befestigter, ring- förmiger Electroden erregt wird, legten wir den unversehrten Bulbus des Barsches mit der Cornea auf ein horizontales Diaphragma, durch welches mit einem Spiegel Licht hineingelenkt werden konnte, während der weitentfernte Querschnitt und eine diesem nahe Strecke des natür- lichen Längsschnittes des völlig frei präparirten N. Opticus in der üblichen Weise zum Galvanometer abgeleitet wurden. War die Präpa- ration möglichst schonend und schnell genug (in 6—10 Min.) aus- geführt, so machte sich jede Belichtung durch eine rückgängige Be- wegung des Magneten von 1—3 Scalentheilen im Fernrohre bemerk- lich, nach welcher die Lage während der Dauer des Lichtes ziemlich fest blieb und gewöhnlich einfache Wiederkehr des ursprünglichen Stromes (nur bei sehr frischen Präparaten nach einer schwachen 2ten negativen Schwankung) vom Momente der Lichtentziehung an erfolgte. Diese - allerdings kleinen Ausschläge treten mit solcher Regelmässigkeit auf, dass _ der Beobachter des Magneten viele Male nacheinander Kommen und Gehen des Lichtes richtig bezeichnet ohne von den im Nebenzimmer vorge- ‚ nommenen Belichtungen zu wissen und absichtlich versuchten Täuschungen mit Sicherheit entgeht. Bestenfalls. bleibt die Schwankung übrigens nur 20 Min. nach Herstellung des Präparats erkennbar und es ist dieselbe auch weder durch Intermittenz noch durch bedeutende Steigerung der Intensität des Lichtes zu vergrössern. Einmal am Sehnerven des Fisches zum Ziele gelangt erreichten wir noch schlagendere Erfolge beim Frosche, wo die Präparation zwar recht mühsam und zeitraubender, jedoch an sehr grossen Exemplaren !) nach einiger Uebung so ausführbar ist, dass ein völlig gesäuberter u Nervenstiel von 4—4'/, mm. mit seinem kurz vor dem Chiasma ab- !) Herrn Prof. F. Klug in Klausenburg sind wir für eine Sendung Ungarischer Frösche, von denen viele 28 Ctm. massen, besonders verbunden, 6 W. Kühne und J. Steiner: geschnittenen Ende zwischen die Thoneleetroden, ohne Berührung dieser mit dem Bulbus genommen werden kann. An diesem Objecte be- obachteten wir Ausschläge von 4—6 Scth., wiederum nur negative Schwankung anzeigend, aber bemerkenswerther Weise nach der ersten mit dem Lichte auftretenden und während der Dauer derselben nahezu in gleicher Grösse fortbestehenden, noch eine 2te kräftige negative im Momente der Entziehung des Lichtes, worauf der Magnet rasch in die frühere dem Ruhestrom entsprechende Stellung, also um den Betrag von mehr als 10 Seth. zurückschlug. Hiernach entsprechen die Schwankungen des Opticusstromes zwar wie es zu erwarten war, nicht der Richtung, wohl aber der Anzahl und Folge nach sehr genau den durch Belichtung erzeugten electrischen Veränderungen in der Netzhaut, indem sowohl beim Einfallen als beim Schwinden des Lichtes im Auge Zeichen der Erregung im Nervenstamme auftreten, eine Uebereinstimmung, welche durch das häufige, ebenso an der Retina wie am N. Opticus bemerkte Ausbleiben der Schluss- reaction des Beleuchtungsactes bei den Fischen noch evidenter wird. Von der vorderen Faserschicht der Retina aus electrisch tetanisirt, y verhielt sich der Optieusstamm des Frosches bezüglich der negativen Schwankung wie jeder andere Froschnerv. Dennoch scheint der Opticus- strom auch beim Frosche auf den die Retina treffenden Lichtreiz nicht länger als 30 Min. nach der Exstirpation des Bulbus zu reagiren. 5. Da die Fasern des N. Opticus auf die normale Erregung des Sinnesepithels in der Retina ausschliesslich negative Schwankung zeigen, während Retina und Bulbus Schwankungen aller Art und vielfach rein positive darbieten, die Reaction am N. Opticus ferner längst erloschen ist, während die der Retina oft noch kaum geschwächt fortbesteht, ‘so wird es wahrscheinlich, dass die namentlich im länger überlebenden Auge durch Licht hervorzurufenden electrischen Vorgänge mit echten leitenden Nervenfasern nichts zu schaffen haben und dass die Schwan- kungen der Retinaströme wirklich objective Zeichen der Lichterregung im Sinnesepithel darstellen. Wird die Leitung von den Sehzellen bis r zur vorderen Faserschicht oder bis zum Opticusstamme, der sich be- 2 Ueber electrische Vorgänge im Sehorgan. 7 züglich seiner Leistungsdauer nicht verschieden von seiner nächsten fasrigen Ausstrahlung erwies, im exstirpirten Auge durch die Entziehung des Blut- und Gaswechsels unterbrochen, so dürfte die Bruchstelle zu- nächst in den retinalen Ganglienzellen zu suchen sein, da solche Zellen erfahrungsgemäss auch bei den Poikilothermen unter allen Elementar- organismen der normalen Ernährung am meisten bedürfen. Von diesen Zellen bis zum Sehepithel giebt es aber unter den in Betracht kommen - den Elementen der Netzhaut nur Dinge, die für nichts anderes, als für leitende Fasern und nervöse Zellen zu halten sind, und da die ersteren trotz der ihnen mangelnden Markumhüllung lange erregbar bleiben können, wird der Process des Absterbens vermuthlich auch in den mittleren Schichten der Retina erst die in sie eingeschalteten gangliösen Elemente treffen. Dann bleiben als Stromgeber ausser den Sehzellen nur mehrfach unterbrochene Nervenbahnen übrig, denen bestenfalls eine Betheiligung am Ruhe- oder Dunkelstrome zuzuschreiben wäre, von den Schwankungen dieses aber höchstens der Antheil, welcher negativ ist; doch auch dieser Theil der elecetrischen Aenderungen wäre nur in eine bestimmte Strecke jener Fasern zu verlegen, nämlich in die von den Stäbehen und Zapfen zur inneren Körnerschicht reichenden, welche gerade bei den Fischen, wo in der isolirten Retina vorwiegend negative Schwankung besteht, unter allen Thieren am kürzesten zu sein scheint und beim Frosche auch nur geringe Ausdehnung besitzt. Erwägt man aber, dass die genannten Stäbchen- und Zapfenfasern der vorderen Retinafläche nach der Leitungsunterbrechung gar keine Längs- schnitte mehr, sondern ausschliesslich Querschnitte zuwenden, so ist für sie sogar Betheiligung am Ruhestrome ausgeschlossen. Wir sind daher zu der Ansicht gekommen, dass der Dunkelstrom lange überlebender Netzhäute wesentlich von den Sehzellen (Stäbchen und Zapfen) herrühre, welche sich in dieser Beziehung etwa wie die regsameren Epithelien anderer Organe (Drüsen etc.) verhalten, und dass diesen allein _ die vom Lichte hervorgerufenen electrischen Vorgänge zuzuschreiben seien. Daneben mag den vorn in die Netzhaut einbiegenden Elementen der - Opticeusfaserschicht, welche ihre nächst den Ganglien absterbenden Strecken der negativen Stäbchenseite, ihre natürlichen Längsschnitte der 8 W. Kühne und J. Steizer: positiven vorderen Retinafläche zukehren, ein Antheil am Ruhestrome ge- wahrt bleiben. In welcher Weise man schliesslich die electrischen Vor- gänge in der vollkommenen lebenskräftigen Netzhaut auf deren einzelne Bestandtheile zu beziehen habe, mag noch unerörtert bleiben, aber Das müssen wir schon hier hervorheben, dass die Schwankungswelle in den retinalen Opticusfasern nach den mitgetheilten Thatsachen nur . geringen Einfluss auf die Beschaffenheit des die Belichtung begleiten- den Gesammtvorganges haben kann. Um die angeregten wichtigen Fragen der Entscheidung näher zu bringen, haben wir Versuche angestellt an solchen Netzhäuten, deren Nerven und Nervenzellen sicher für die allervergänglichsten in der Thier- reihe gehalten werden. Indem wir von den Säugern, speciell vom Kaninchen absahen, dessen Retina zu zerreissliich und mit zu kleinen leicht abknickenden Stäbchen besetzt ist, wendeten wir uns an die derbe mit langen Zapfen und Stäbchen versehene Netzhaut der Taube. Vorversuche lehrten, dass an diesen Vögeln wenige Minuten nach der Decapitation und Verblutung keine Reflexe, nach 10 Min. keine Zuckungen auf stärkste Reizung der Nerven, nach 7 Min. keine nega- tive Schwankung mehr des übrigens zu dieser Zeit noch erheblichen Längsquerschnittstromes des N. Ischiadicus durch electrisches Tetani- siren zu erhalten waren. Gleichwohl fanden wir die Netzhaut oft noch 45 Min. nach der Isolirung stromgebend nicht nur. sondern auch auf Licht mit Stromesschwankungen überaus kräftig reagirend.. Wie kaum anders zu erwarten, unterlagen Kraft und Richtung des Dunkelstromes hier freilich mehrfachen Aenderungen, indem zuweilen in raschem Wechsel bald die Faser-, bald die Stäbchenseite positiv wurde, aber es war daneben meist eine Regel für die vom Lichte erregten Schwan- kungen zu erkennen, da diese während vorhandener, wahrscheinlich normaler Positivität der Faserseite beim Kommen des Lichtes negativ, bei Lichtentziehung positiv, gerade umgekehrt während entgegengesetzter Richtung des Dunkelstromes ausfielen. Besonders constant und deutlich erwiesen sich die Schwankungen, wenn die Netzhaut sich sammt den Electroden in einem 30—35° C. warmen Dunstbade befand. Versuche, die Retina in zwei Blätter zu spalten, deren eines nur Ueber electrische Vorgänge im Sehorgan. ) die Sehzellen enthalten sollte, schlugen bis jetzt fehl; doch gelang es, normal gerichtete Dunkelströme sowohl, wie negative Schwankung beim Kommen, positive bei Entziehung des Lichtes an Froschnetzhäuten zu beobachten, welche an der Rückseite nur von den unversehrten Zapfen und sämmtlichen Innengliedern der Stäbchen bedeckt waren, während die auf einem Blättchen Seidenpapier z. Th. noch regelmässig ange- ordnet klebenden purpurnen Aussenglieder der Stäbchen keine Spur elektrischer Vorgänge im Lichte verriethen. 6. Photorheostatische Erscheinungen an Netzhäuten, die auf Licht- reiz nicht mehr electrisch reagirten oder an dem in frischestem Zu- staude electromotorisch indifferenten Pigmentepithel zu constatiren, ver- mochten wir ebensowenig, wie Widerstandsveränderungen an den in Galle löslichen Bestandtheilen der gesammten Retina durch Belichtung nachzuweisen. So lange die Netzhaut an sich aber auf Licht electrisch reagirte, erzeugten durch den Compensator zugeleitete Ströme bei keiner denselben gegebenen Richtung und zulässigen Stärke irgendwelche Ver- änderung in der Grösse und Richtung der vom Lichte verursachten Schwankungen. Heidelberg, den 7. Februar 1881. 10 Dr. August Bernthsen: Ueber die Constitution der Thiocarbaminsäurederivate, und über die Nomenclatur der näheren Kohlensäurederivate und der Isothiamide. Von Dr. August Bernthsen, Privatdocent der Chemie in Heidelberg. Die Constitution der geschwefelten Amide ist in neuester Zeit ein Gegenstand besonderen Interesses und eingehender Untersuchungen geworden. Durch meine seit 1874 ausgeführten Untersuchungen!) habe ich zunächst den Beweis zu erbringen versucht, dass die damals bekannten Thiamide einbasischer Säuren den Schwefel in doppelter Bindung an Kohlenstoff enthalten, dass also z. B. das Benzothiamid (geschwefeltes Benzamid) die Constitution ER NH, besitzt. Die angeführten Gründe bezogen sich vorwiegend auf meine mannigfachen Beobachtungen, dass diese Thiamide in ihrem chemischen Verhalten völlige Analogie mit den geschwefelten Harnstoffen zeigen. Dureh O. Wallach und H. Leo?) einerseits, eigene Untersuchungen?) andererseits wurden alsdann auch im Ammoniakrest substituirte Thiamide R-CS: NHR' und R-CS: NR’R’ bekannt, welche, wie z. B. das von mir dargestellte Benzodiphenyl- thiamid, C,H, -CS'N(C,H3,):; ') Ann. Ch. 184, 290; 184, 321; 192, 1. ?) Berl. Ber. 9, 1216; 10, 2133. 3) Ann. Ch. 192, 1. a Ueber die Constitution der Thiocarbaminsäurederivate u. s. w, 11 und das Acetodiphenylthiamid CH, -CS N(C,H,): ; nach Bildung und Verhalten die Constitution der wahren Thiamide besitzen und also den Schwefel in doppelter Bindung an dem Kohlen- stoffatom enthalten, das aus dem COOH-rest herstammt. In derselben- Abhandlung zeigte ich, dass Aethbylbromid, Methyl- jodid sich mit Thiamiden (Phenylacetothiamid) leicht zu krystallisirten Verbindungen, z. B. C;3H,NS + CH,J vereinigen, dass aber aus “ diesen durch Alkalien nicht die erwarteten substituirten Thiamide u ) entstehen, sondern unangenehm riechende Oele, die sich leicht zersetzen. Während HZ. Klinger und ich!) — jeder aus besonderen Grün- den, ich wegen der grossen Analogie der Thiamide mit den Thioharn- stoffen — gemeinsam das Verhalten des Thioharnstoffs gegen Jodme- thyl ete. einer erneuerten Untersuchung unterworfen und bereits con- statirt hatten, dass aus den genannten Substanzen eine dem jJodwasser- stoffsauren Methylthioharnstoff isomere Verbindung gebildet wird, in welcher das eingetretene (Methyl-) Radical mit dem Schwefel in Bin- dung getreten ist, zeigte O. Wallach in Gemeinschaft mit H. Bleib- treu’), dass aus substituirten Thiamiden einbasischer Säuren (resp. deren Na-salzen) durch Alkylhalogene Substanzen von der Constitution SR’ NR,’ I mithin den eigentlichen Thiamiden isomere Verbindungen des Typus SH NH entstehen. ©. W. nannte sie „Isothiamide“. 7. Klinger’s und meine R.Cz RC fortgesetzten Untersuchungen?) gestatteten uns, durch Einwirkung von 1) Berl. Ber. X, 492. 2) Berl. Ber. XI, 1590. 3) Berl. Ber. XII, 574. Genaueres findet sich in meiner Abhandlung Ann. Ch. 197, 341, in welcher ich die Analogie der aus den nicht substituirten Thiamiden darstellbaren isomer&n Thiamide, die ich Imidothioäther nenne, mit Wallach’s Isothiamiden und mit den Imidothioäthern, die von Pinner u. Klein _ auf anderem Wege gewonnen wurden, besprochen habe. 12 Dr. August Bernthsen: -_ Benzylchlorid auf Thioharnstoff und Behandeln des entstandenen Salzes mit NH, die interessante Base NH C_ NH, 'SC,H, zu gewinnen, in welcher der erste Repräsentant einergrossen Klasse von mit den Thioharnstoffen isomeren Verbindungen entdeckt war. Die ausserordentliche Leichtigkeit der Bildung dieses Körpers erlaubt das Entstehen einer ausserordentlich grossen Zahl derartiger Isomeren vörauszusehen. Gleichzeitig wurde die seitherige Annahme über die Constitution der Thioharnstoffe durch diese Resultate wesentlich gefestigt; sie enthalten den S in doppelter Bin- dung an das massgebende C-atom. In derselben Beziehung wie die Urethane zum Harnstoff stehen die geschwefelten Urethane zum Thioharnstoff; man hat ihnen daher die Formeln NR’R" NR/R“ SR OR gegeben, während Isomere der letzteren Substanzen, NR’R' SR ebenfalls bekannt sind und dem Harnstoff näher stehen. CS und CS co Diese Formeln sind durch das chemische Verhalten der genannten Substanzen aufs genügendste unterstützt und bringen ‚die Analogie mit den Urethanen, für welche die Constitution NR/R’ OR nicht zweifelhaft erscheint, zu vollem Ausdruck. co Unter Voraussetzung dieser Aehnlichkeit des chemischen Charak- ters der Thiurethane mit den Thioharnstoffen musste es begreiflicher- weise von grossem Interesse sein, zu untersuchen, ob der in ihnen vorhandene Schwefel der Thiocarbonylgruppe (CS)‘ das Verhalten der Thiurethane gegen Halogenalkyle in ähnlicher Weise bestimmen würde wie das des Thioharnstoffs. War dies der Fall, so liess sich erwarten, dass die Repräsentanten der beiden genannten Klassen von Verbin- Ueber die Constitution der Thiocarbaminsäurederivate u. s. w. 13 dungen sich zunächst geradezu vereinigen würden zu Substanzen der Formel: LS KIGIeie EN welche wie Jodmethyl-, Bromäthyl-, Chlorbenzyl-Thioharnstoff die salz- sauren etc. Salze eigenthümlicher neuer Verbindungen sein würden, falls R‘' Wasserstoff bedeutete. Solche Verbindungen mussten dann den Thiurethanen von gleicherZusammensetzung isomer sein. Z. B. würde aus Dithiourethan und Jodäthyl das HJ-salz einer Substanz Cs + X'’C] etc,, SC,H, zu erwarten sein, welche dem Aethyldithiourethan NHC,H, ; SC,H, isomer sein und als Verseifungsproducte CO,, NH, und 2C,H,SH geben müsste, während letzteres CO,,SH,, C,H,NH, und (,H,SH giebt. Meine diesbezüglichen Versuche sind, weil andere Arbeiten dräng- C(NH) CS ten, bis jetzt wenig weit gediehen; ich gebe einen Ueberblick über dieselben schon jetzt, weil ©. Liebermann in neuerer Zeit das be- treffende Gebiet nahe zu streifen beginnt (siehe unten). 1, Xanthogenamid, osNH: , vereinigt sich bei mehrstündi- gem Erwärmen auf 60—80° quantitativ mit Benzylchlorid zu einer Verbindung, die aus einem Gemisch von Alkohol und Petroläther in schönen atlasglänzenden, weissen Blättern vom Schmp. 82 —84° krystalli- sirt. Sie löst sich in Alkohol, Aether, Benzol, Chloroform, Schwefelkohlen- - stoff ungemein leicht, in Ligroin schwierig, in Wasser wenig. Beim Erwärmen mit Wasser tritt Zersetzung und Abscheidung von Benzyl- sulfhydrat ein; ebenso wirkt kalte Natronlauge. Daraus folgt, dass das eingetretene Radical sich genau wie beim Thioharnstoff mit dem Schwefel . verbunden hat. Platinchlorid giebt ein schöne Blätter bildendes Pla- tinsalze Man darf wohl dieser Substanz die Formel des HCl-salzes von 'SC,H, CENH 00,H, 14 Dr. August Bernthsen: zuertheilen, wonach sie als ein Derivat einer (unbekannten) isome- ren Thiocarbaminsäure C(NH“)(OH)(SH) erscheinen würde. 2. XKanthogenamid giebt bei mehrstündigem Kochen mit Jod- äthyl und Kalilauge beträchtliche Mengen von Aethylmercaptan, das offenbar durch Zersetzung einer der vorigen analogen Verbindung entsteht, in welcher das C,H, sich ebenfalls an S gebunden hat. 3. Das Dithiourethan, ostH: vereinigt sich leicht beim SC,H, Erwärmen mit Benzylcehlorid auf dem Wasserbad zu einer festen Verbindung, die durch Krystallisation. aus Alkoholäther gereinist wird, Dass es sich mit Jodäthyl, Bromäthyl ete. zu krystallisirenden Sub- stanzen vereinigt, ist übrigens schon von Jeanjean!) vor 15 Jahren beobachtet worden. Wahrscheinlich liegt hier die Halogenwasserstoff- verbindung einer Substanz SC,H; C=-NH - NSCHHz vor, welche sich von einer (unbekannten) isomeren Dithiocarb- aminsäure C(NH‘)(SH), ableitet. — Einige Derivate der erstgenannten isomeren Thiocarbaminsäure hat in neuester Zeit €. Liebermann?) dargestellt. Nachdem er zeigte, dass das Sulfhydantoin nicht die Constitution _NH-CH, SH C=-S | , sondern die folgende: C—NH | NH-C0O >NH-C0O besitzt, untersuchte er die Constitution der Sulfurethane (Thiourethane). NHC,H; 0C,H, tungen nicht mit Jodäthyl in Reaction; als er aber das Silbersalz Das Phenylsulfurethan, CS ‚ trat nach seinen Beobach- desselben mit Jodäthyl behandelte, resultirte eine als Phenylsulf- urethanätliyläther bezeichnete Verbindung, für welche die Con- stitution '!) Jahresbericht 1866, 501. ?) Ann. Ch. 207, 121. Ueber die Constitution der Thiocarbaminsäurederivate u. s. w. 15 C=NC,H, 00,H; aus ihren Umsetzungen klar hervorging. (Es ist dies also ein Derivat des Isomeren canon der Thiocarbaminsäure). ©. L. schreibt daher dem Silbersalz des Urethans die Constitution „SAg C=NG,H, 0C,H, zu und ist geneigt, auch dem Phenylsulfurethan die entsprechende Formel SH 4 ! NHC,H CINCH, oc, H, (I) statt der seitherigen, CSoC,H, SH) zuzuertheilen. Allerdings erklärt er die letztere für durch seine Ver- suche nicht widerlegt, aber er glaubt, erstere gebe die Beziehung zu dem wie oben constituirten Silbersalz besser als letztere wieder, wäh- rend man sonst bei der Bildung des Silbersalzes eine Verschiebung der Atome im Molekül II zu Molekül I annehmen müsse. Auch dass das Urethan selbst mit Jodäthyl nicht in Reaction trete, spricht ihm für diese Ansicht. Indessen habe ich, wie oben beschrieben, solche directe Ein- wirkung von Halogenalkylen auf das Xanthogenamid und Dithiourethan wahrnehmen können. Die Verhältnisse liegen hier also doch vollkommen so, wie bei dem Entstehen der iso- meren Thioharnstoffe und Thiamide einbasischer Säuren. Wäh- rend ich die halogenwasserstoffsauren Salze dieser Substanzen direct auf die mehrfach erwähnte Weise gewann, hat O. Wallach Isothiamide einbasischer Säuren durch Einwirkung von Halogenalkylen auf die Natriumsalze der betr. Thiamide gewonnen. Es genügt, auf des Genannten Erklärung der letzteren Reaction zu verweisen, um zu zeigen, dass kein zwingender Grund vorliegt, den Natronsalzen der Thiamide eine andere Constitution als R-CS.NR'Na _ zuzuschreiben, und dass in analoger Weise das Silbersalz des Phenyl- e. urethans sich als 16 Dr. August Bernthsen: NC,H,Ag 00, H,; auffassen und so mit der seither üblichen Formel des letzteren sich CS in Einklang bringen lässt. Dass der Amid-Wasserstoff der Thiamide, zu welchen ja auch die Thiurethane gehören, relativ leicht gegen Metalle ausgetauscht werden kann, kann ja eigentlich nicht auffallend erscheinen, wenn man sich erinnert, dass schon die Amidwasserstoffatome des Acetamids, Benzamids etc. schwach saure Eigenschaften besitzen, welche durch Ersetzen des O gegen S jedenfalls eher gesteigert als abgeschwächt werden. Ich möchte durch das Dargelegte meine Ansicht begründen, dass die meisten beschriebenen Thiourethane die ihnen bis jetzt zugeschriebene Constitution besitzen, und dass man also wie bei den Thiamiden und Thioharnstoffen auch bei den Thioure- thanen und Dithiourethanen zwei Classen isomerer Verbin- dungen zu unterscheiden hat, deren eine den Typen cgNH: NH, OH und CS ; deren andere den Typen SH SH CNH)on und © (NH) sr entspricht. Der strengere Beweis für diese Anschauung wird natür- lich erst dann geliefert sein, wenn man etwa zu einer aus Aethylthio- urethan und Jodäthyl entstehenden Verbindung SC,H, N(C,H;); C-NG,H, (I) ein Isomeres C-8 (DM), "00, H; "0C,H,; das eigentliche Diäthylthiourethan, aufgefunden haben wird. Diesbezügliche Versuche gedenke ich anzustellen; ich hoffe die Verbindung (II) durch Einwirkung von Diäthylamin auf Thiocarbon- säureäthyläther zu gewinnen. Die dargelegte Ansicht, dass, wie bei den Thiamiden, so auch bei den Thiurethanen isomere Formen existiren, bei deren einen die Ueber die Constitution der Thiocarbaminsäurederivate u. s. w. 17 Gruppe - C-S, bei deren anderen die Gruppe -C-N - vorhanden ist, veranlasst mich, mir folgenden Vorschlag zu erlauben: Es mögen die Namep Thio- oder Sulfurethane, Thio-(Sulfo-) Carbaminsäure etc. auf diejenigen Verbindungen beschränkt bleiben, die der seither angenommenen Constitution der Thiurethane entsprechen, also die Thiocarbonylgruppe enthal- ten; hingegen mögen die isomeren Körper, welche die Gruppe -0=N-— enthalten, in anderer Weise bezeichnet werden. Die der Liebermann’schen analoge Verbindung (I) würde demnach nicht als Aethylsulfurethanäthyläther zu benennen sein, sondern letzterer Name (oder der abgekürzte „Diäthylthiourethan“) für die zu erwar- tende isomere Substanz (II) reservirt bleiben. In welcher Weise ein-die Constitution dieser Isomeren ausdrücken- der Name zu finden sei, wurde einer sorgsamen Erwägung im Zusam- menhang mit der weiteren Frage unterzogen, welchen Namen man zweckmässig der Klinger-Bernthsen’schen Base NH, SC,H, (Ss. 0.) und den vielen zu erwartenden Analogen derselben geben solle. C(NH) Die gewählten Namen sind die folgenden: CN En = Imidothiocarbon(säure)diäthyl(äther) ; 2.3 SC,H, SC,H, Phenylimido- 00,H, _ (Anilido-) ferner C(NH) Imido-benzylthiocarbon (säure)äthyl(äther); CiNC,H,) thiocarbon(säure)diäthyl(äther) ; CNEDSC, H, ‚Imido thiocarbamin(säure)benzyl(äther), u. s. w. Die beiden Verticalstriche in letzterem Namen geben die Stellen wieder, an welche die Namen der in die Imid- resp. Amidgruppe bei eomplieirteren Derivaten eintretenden Radicale zu setzen sind. Man könnte zwar vielleicht sich mit den Namen Isothiourethane Isothioharnstoffe vorläufig begnügen, aber dieselben würden sehr bald ungenügend Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. III. 2 18 Dr. August Bernthsen: werden; z. B. würde man alle folgenden Körper durch ein und den- selben Namen, Diätbylbenzylisothioharnstoff, wiedergeben müssen: NH(C,H,)., IT: Es Se ai SC,H; C(NC,H;). C(NHY C(NC,H 80 NHC,H; SC,H; Die genauere Begründung der mitgetheilten Namen ist im fol- C(NC,H,) senden Capitel enthalten. Studie über die Nomenclatur der näheren Derivate der Kohlensäure. 81. Der Mangel an einer consequent durchgeführten Bezeichnungs- weise der Aether, Amide, Aethersäuren und Aminsäuren der Kohlen- säure, zumal der verschiedenen isomeren Mono- und Di-thiokohlensäuren (carbonsäuren) dürfte wohl ziemlich allgemein anerkannt sein. Be- sonders die Isomerien der complieirteren Kohlensäurederivate lassen sich bis jetzt zwar für spezielle Fälle oft recht gut wiedergeben, aber eine consequente Verallgemeinerung der gebildeten Namen stösst auf Schwierigkeiten. Ich bin mir wohl bewusst, wie schwer eine völlige Consequenz herbeizuführen ist, und wie wenig man im Allge- meinen geneigt sein kann, Bezeichnungen anzunehmen, welche sich von bereits vorhandenen unterscheiden. Aber ich möchte dennoch im Folgenden einen Vorschlag zu einer folgerichtigeren Nomen- clatur der genannten Körper der Oeftentlichkeit übergeben. Bei der Schwierigkeit der Frage darf ich hoffentlich um nachsichtige Beur- theilung dieses Versuchs bitten; ich würde meinen Zweck als erreicht ansehen, wenn es mir gelingen sollte, durch diese Studie die Aufmerk- . samkeit der Herren Fachgenossen aufs neue auf diesen Punkt zu lenken und Aeusserungen darüber zu veranlassen. Es sei zunächst eine Zusammenstellung der Bezeichnungen ge- geben, die sich für die Muttersubstanzen der bekannten Verbindungen — auch wenn erstere nicht isolirt sind — empfehlen würden. In die Ueber die Constitution der Thiocarbaminsäurederivate u. s. w. 19 Tabelle sind der Vollständigkeit halber auch die Vertreter einiger bis jetzt unbekannten, aber von der Theorie vorauszusehenden Klassen von Verbindungen aufgenommen. Wo die seitherigen Namen beibehalten wurden oder aus den vorhandenen Namen der Derivate der Substanzen abgeleitet worden sind, ist ein x zugefügt; ein f bezeichnet die ab- weichend vom seitherigen Usus gebildeten Namen. “ Uebersicht der vorgeschlagenen Namen. + ' EN Su | Eh 4 COoH COoH | COsH | Kohlensäure * Carbonylthiosäure 7 Carbonyldithiosäure * u: OH Er : SH ee SH a CS | CSoH | Cie ‚ Thiocarbonsäure* | Dithiocarbonsäure* | Trithiocarbonsäure * 3. Coon | Si je; \Carbaminsäure * | ‚Carbamintbiosäure j* ö Pa, | NH, E. "on . SH RB? ‚Thiocarbaminsäure * ‚Dithiocarbaminsäure * JE N: a3 SER .| SH | CONH)on | C(NH)oH | CONH)oH “ (Imidolearbonsäure | Imidoithiocarbon- | Imidoldithiocarbon- | säure. | säure en NH a NH NENT 2 |* T 2 2 CH) oH | Sg ' Imido/&arbaminsäure ' Imido/thiocarbaminsäure | NH, | NH, 7. rc | So '‚Carbaminchlorid + \ ‚Thiocarbaminchlorid + | Anm. Die in die Namen eingefügten Striche geben die Stellen an, wohin man den Namen der Radicale bei den substituirten Verbin- dungen resp. Aethern zu setzen bat. Genaueres folgt bei der Besprechung der einzelnen Namen !). vn ') Ueber die Verwendung der Bezeichungen: Urethane, Thiurethane, - Xanthogensäure, Xanthogenamide siehe ebenfalls weiter unten. & _ 2% 30 Dr. August Bernthsen: Das Folgende enthält die Begründung dieser Bezeichnungsweise nebst Bemerkungen über die sonst angewandten Namen, die den ein- zelnen Abschnitten stets vorangestellt sind. Ss 2. Allgemeine Regel. Die Thiocarbonsäuren mit der Gruppe Carbonyl, =C=0, sind stets als „Carbonyl“säuren bezeichnet (Zeile. 1 der Tabelle). Die Thiocarbonsäuren mit der Gruppe =C=$, Thiocarbonyfl, führen den Namen „Thiocarbon“säuren (Zeile 2). Die den Carbaminsäuren und Thiocarbaminsäuren isomeren Verbindungen der Zeile 5, welche die Gruppe =C=NH enthalten, heissen stets „Imidocarbon“säuren. Die Gruppe co" wird im Namen durch „Carbamin® — die Gruppe es NE: durch „Thiocarbamin“ — wiedergegeben (Zeilen 3, 4, N. Die Namen der Zeile 6 ergeben sich durch Combination dieser” Prineipien. Es scheint, äls ob eine relativ consequente Nomenclatur auf Grund obiger Grundsätze möglich sei; sie ist im Folgenden näher ausgear- beitet. Von den 10 Namen der Zeilen I—4, welche die bis vor kurzem fast ausschliesslich bekannten Substanzen repräsentiren, werden nur die. zwei Namen „Carbonylthiosäure* und „Carbaminthiosäure“* neu verwendet!). $ 3. Trithiocarbonsäure und Dithiocarbaminsäure sind die jetzt. schon meistens für die völlig geschwefelte‘ Kohlensäure und Carbaminsäure verwendeten Namen. Man sollte zur Vermeidung von Verwechslungen mit den einfach geschwefelten Säuren streng die kürzeren, früher üblichen Namen Thiocarbonsäure (Sulfokohlensäure), Thio(Sulfo-)carbaminsäure für diese Substanzen vermeiden. Entspre- chendes Bil für die Namen Dithiourethan (Disulfo-, Sulfo-urethan). !) Es sind durchweg die Silben „thio“, nicht „sulfo“ gebraucht worden, weil die sonst sich ergebenden Namen „Carbonylsulfosäure* etc. zu vermei- dende Anklänge an die Sulfonsäuren X—SOsH enthalten würden. ' Für die folgenden Citate wird keine Vollständigkeit beansprucht; sie sind gerade herausgegriffen. Ueber die Constitution der Thiocarbaminsäurederivate u. s. w. 2] Für die Benennung der sich von ihnen ableitenden Aether und Aethersäuren hat die seitherige Praxis sich tals zweckmässig erwiesen. AVB: De „Aethyltrithiocarbonsaures Kali“. 3 4. zum Eee Bone Auen 2. co | | Frühere Bezeichnung: | Vorgeschlagene Bezeichnung: | El LE coH ı | fehlte („Isomere Dithiocarbon- | | | Carbonyldithiosäure, aus Carb- | SH säure“) . onyldithiäthyl sich ergebend | '__SCH Car bonyldithioäthyl 1) Dieselbe, bleibt als Abkürzung ‚COsH. Carbonyldisulfoäthyl ?) von Carbonylditkio(säure)- | “—° 1 Dithiokohlensäureäther ®) N äthyl(äther) | | co a | — au were | Ben u EEE TER ka 2. ‚Ele .) SH | b= Son f | Frühere Bezeichnung: | Vorgeschlagene Bezeichnung: 3 csSH u 2) | bleibt | | OH (Disulfocarbonsäure) *) a | SCH \\Dithiocarbonsäureäthyläther 5) bleibt [abgek.: Dithiocarbonäthy]] | CSoC5H; Xanthogensäureäthyläther®) | bleibt [abgek.: Xanthogenäthyl] ‚[Carbsulfüroxysulfodiäthyl?) | — Bern, | (Aethyl-)Xanthogensäure ‚ bleibt | sSH \ Propylxanthogensäure®) | : OR oCsH: | (abgek. —xanthonsäure?) Ep I ncSCsH5 | 2 Aethyldithiocarbonsäure, wo- ! CSoH ı von Aether * | | '(Methylxanthogen(säure)äthyl- | SC2H5 | Sulfocarbonyloxymethylsulfo- et Boch | äthyl 7) (äther) oder Aethyldithio | carbon(säure)methyl(äther). Bei denjenigen Di ivaten = zweifach geschwefelten Kohlen- säuren, deren Constitution noch nicht bekannt ist, würde Man den mit „Dithio—“ verbundenen Theil des Worts in Klammer hinter diese Silben zu setzen haben. * Der Constitution entsprechend findet sich im Namen das Radical ‚dicht vor die Silben „Dithio—“ gesetzt. 1) Salomon, J. pr. Ch. [2] 8, 114; 10,28; Lehrb. von Richter. — °) Lehrb. von Fittig. -— 3) Handb. Beilstein. B.1, 166. — *) Lehrb. von Fittig, Richter. — 5) Aus ) folgend. — $) Berl. Ber. ], 166. — ”) Salomon, Jahresb. 1873, 531; 532; J. pr. Ch. [2], 8. — °) Römer, Berl. Ber. 6, 785; 8, 955. — °) Mylius, Berl. Ber. 5, 972. 225 ERS, Dr. August Bernthsen: $ 5. Einfach geschwefelte Kohlensäuren. a. Co, 0 Seither: | > Jetzt vorgeschlagen: (Mono)sulfocarbonsäure !) SH Thiocarbonsäure ?) COoH ı Oxysulfokohlensäure °) | | ı (Carbonyloxysulfosäure) 5) Carbonylthiosäure | | (Sulfodioxycarbonsäure) ‘) | 'coH Aethyl(mono)thiocarbonsäure - Aethylcarbonylthiosäure * OC2Hs | etc. ; | | ran N ; ke | _ , Carbonyläthylthiosäure* SC, | (Monv)Thiocarbonsäureäthyl- | CO) äther ©) | Carbonylthio(säure)äthyl(äther) Carbonyloxysulfodiäthyl°) | | Butylearbonylthio(säure)äthyl- (äther) oder Carbonyläthylthio- (säure)butyl(äther) co°&@H5 | Sulfoäthyldioxycarbonsaures OC4Hs | Isobutyl*) OH | ‘ b. (Son Seither: Jetzt vorgeschlagen: OH _ Meist nicht benannt, sonst Thio- y: n en en) D) Thiocarbonsäure (Mono-) 0CH5 ; ä | CSoH | n Aethylthiocarbonsäure cs 0@Hs , Carbsulfürdioxydiäthy] °) Thiocarbon(säure)äthyl(äther) I7>OCaHs. | y M y ; * Eine solche Unterscheidung der Isomeren beruht, wie man sieht, auf dem Princip, da, wo das Radical an Schwefel gebunden ist, auch im Namen das Radical unmittelbar vor die Silbe „Thio—“ zu setzen. Vgl. Aethyldithiocarbonsäure. Auch hier würde man bei denjenigen Derivaten der einfach ge- schwefelten Kohlensäuren, deren Constitution noch unbekannt ist, den mit „Thio—‘‘ verbundenen Theil des Wortes hinter diese Silben in Klammer zu setzen haben, wie Analoges von //eumanr bei den Azoverbindungen geschieht. . ') Z. B. Salomon, Berl. Ber. 8, 1506. Ann. 75, 130; 148, 137. — ?) Beil- stein; nach Fittig, Richter’s Aethyl.... gebildet. — °) Jahresber. 1862,:428. 114. — °) Lehrb. Zichter. — ?).Beilstein, Handbuch. -— *) Mylius, Berl. Ber. 6, 312. — 5} Salomon u. Manitz, J. pr. Ch. [2], 8, Ueber die Constitution der Thiocarbaminsäurederivate u. s. w. |) (SB) s 6. Garbaminsäureäther (Urethane). Man bezeichnet die Aether der Carbaminsäure vielfach mit dem sehr bequemen Namen „Urethane“*, die der geschwefelten Carb- aminsäuren als Thiourethane (Sulfurethane). Jedoch herrscht in der Nomenclatur dieser Verbindungen ein grosser Uebelstand; der Name Methylurethan z. B. ‚dient sowohl für die Substanz NHCH, | NH, als auch für ee ; COocH, es werden also mit dem Namen „Alkylurethane“* sowohl die verschie- denen Carbaminsäurealkyläther (Verbindungen, bei denen der H der -OH resp. -SH gruppe gegen Alkoholradicale vertreten ist) als auch ‚die eigentlichen im Ammoniakrest substituirten Urethane belegt. Man könnte diesen Uebelstand, auf den auch ©. Hell im neuen Handwörterbuch aufmerksam macht, nach des Genannten Vorgang leicht vermeiden, wenn man unter „Urethan“ stets den Aethyläther der Carbaminsäure (und analog bei den Thio- urethanen) verstehen würde und also nurdie im Aminrest substituirten Carbaminsäureäthyläther Alkylurethane nennen würde. Also würde man setzen: Sonn Carbaminsäure | Eon Methylcarbaminsäure | NH» Carbaminsäureäthyl- | NHCsHs5 . | COocH; äther — Urethan | CORE en | coNH: Carbaminsäurepropyl- coNHCsH5 Phenylearbaminsäure- OCs;H7 äther etc. | OCHs methyläther etc. S 7. Zweifach geschwefelte Carbaminsäure us wird seither schon meist als Dithiocarbaminsäure (Disulfocarb- “ aminsäure), ihre Aethyläther als Dithiourethane (Disulfurethane) 1) Erstere Bezeichnung: Römer, Mylius, Spiea, Fittig’s Lehrbuch; Berl. Ber. 6, 822, 1102; 7, 1081; 5, 972 etc.; Generalregister der Berl. Ber.; letz- tere: N. Handwörterbuch; Bischof, Liebermann, Losanitsch, Berl. Ber. 7, 629, 161; 1078; Ann. 207, 121; Berl. Ber. 10, 691 etc. 24 Dr. August Bernthsen: bezeichnet!); diese Namen bewähren sich völlig, wenn man nach $ 3 die Silbe „Di—“* stets beifügt und das in $ 6 bezüglich des Begriffs „Urethan“* Be berücksichtigt. Also: on Dithooebantunne | Ga HCHHs Aethyldithiocarb- | SCH; methyläther | SH aminsäure !) csNH» Dithiourethan (frühere |. SCeHs Namen: IR a6 Sulfocarbaminsaures S Aetbyl?°), a Phenyläihn ei - Thiuramsulfäthyl), | r Sulfocarbonylsulfäthyl- | BR 28 amin®)) SHE ir us. 7: ss sus: Hingegen wird der Name Thiocarbaminsäure sowohl für a als auch für CO 3 ° gebraucht; für letztere Substanz existirt ferner die Bezeichnung Oxysulfocarbaminsäure, die besonders für das betr. Ammoniaksalz gilt. Andere Derivate der letzteren, als die Aethyläther, die gerade so wie ihre Isomeren als Sulfurethane bezeich- net werden, kennt man kaum. Der an sich annehmbare Name „Oxy- sulfocarbaminsäure“ aber hat besonders wegen der Silbe „Oxy“ seine . bekannten Schattenseiten, (da dann con. Dioxysulfokohlensäure u. s.w. heissen sollte, u. s. w.), und man darf ihn, zumal er fast nur für das NH,-salz verwendet wird, wohl um so mehr fallen lassen, als er ja auf beide isomefen Thiocarbaminsäuren bezogen werden kann. Entsprechend der Thiocarbonsäure on und der Carbonylthio- “ T - säure OD (siehe oben) würde ik 2 . ” .. - . . Com Thiocarbaminsäure, wie seither, NH, CO." dagegen Garbaminthiosäure zu nennen Sein. Es ist dann stets, der vorgeschlagenen allgemeinen Regel ($ 2) see o NE ge Ken als „Thiocarbamin —* die Gruppe co die Gruppe © 2ER Fr 1) 2. B. Fittig’e, Richter’s Lebrbuch. — ?) Jahresb. 1866, 501; 1868, 649; 1873, 773 ete.— 3) Hlasüwetz u. Kachler, Ann, 166, 137. — *) Conrad u. Salomon. Ueber die Constitution der Thiocarbaminsäurederivate u. s. w. 95 als "„Carbamin—* wiedergegeben. Den Namen Carbaminthiosäure hat schon Ülässon') implieite angewandt, und er findet erfreulicherweise sich in dem während des Schreibens dieses Aufsatzes erscheinenden Handbuche von Deilstein in demselben Sinne benutzt. Xanthogenamid heisst die Verbindung en . für letztere 2 5 ’ sowohl wie für den isomeren Körper No H, findet auch der Name „Sulfurethan“, „Monothiourethan“ vielfach Verwendung, der diese Isomerie nicht auszudrücken gestattet. Könnte man sich entschliessen, den Namen „(Mono) Thiourethan“ ausschliesslich für das Iso- : R NH i mere des Xanthogenamids, für COse H ,‚ zu verwenden, so würde 2779 für die Aethyläther beider Carbaminsäuren eine sehr bequeme Bezeich- nungsweise vorliegen; aber dann dürfte man wieder nicht unter Methyl- A NH NHCH, xanthogenamid die Substanz Car. ‚ sondern vielmehr CSoc,H, verstehen, sodass der Begriff „Xanthogenamid“ analog „Ure- than“ auf die Aethyläther der betr. Säuren beschränkt bliebe. Man hätte dann: | a COsH | Seitherige Bezeichnung : | Vorgeschlagene Bezeichnung: ne Pa era en | ES | | | Oxysulfocarbaminsäure ?) CO9sH ' Isomere Thiocarbaminsäure | (Carbaminthiosäure (Carbaminthiosäure) | coNH:' | Monosulfurethan 3) Thiourethan, Carbaminthio- SCeH5;s Carbonylsulfäthylamin ®) (säure)äthyl(äther) | NH» Br Carbaminthio(säure)methyl- | | COgCH; | _ (äther) | nn nn | — | Phenyltkiurethan. NHa !) Die Verbindung COscH> coon "ent er ÖGarbaminthioglycolsäure. (Jahresb. Städel 1877, 258; 1878, 264). — °) Lehrb. Fittig; Jahresb. 1869, 627; 1873, 462, 774; 1876, 1308, Ann. Ch. 168, 239; J. pr. Ch. [2] 7, 474. —°) J. F pr. Ch. 10, 28, Conrad u. Salomon. — *) Salomon, J. pr. Ch. [2] 7, 256. 96 Dr. August Bernthsen: — — no — ne al m | ee NH» | ie EN | ar Seither benannt: Zu benennen vorgeschlagen: code: Thio(Sulfo-J)earbaminsäure!) | Thiocarbaminsäure NH> | DEE Zn | Xanthogenamid | GSP Sulfurethan ?) _ OC2H | ; 25 | \halbgeschw. Urethan ?) | a | ’ ua acht methyh ERISEE ) Methylxanthogenamid °) | Phioearbamin(säure) yuty]. }- S0B) halbgeschw. Butylurethan *) (äther) | NHCsH Phenylsulfurethan °) Phenylxanthogenamid | | CS Soc z ; its Aethylphenyl-- (Phenylthiocarbamin(säure)- | | Era) urethan , äthyl(äther) | csNHGHS Fa Phenylthiocarbamin(säure)- "OCH3 | methyl(äther) | etc. etc. Da, wo die Constitution der Derivate einer einfach geschwefelten. Carbaminsäure resp. eines einfach geschwefelten Urethans noch nicht bekannt ist, würde man, ähnlich wie bei den geschwefelten Kohlen- säuren, den den Silben „Thio— * folgenden Theil des Namens in Klammer setzen; unter „Thio(äthylearbaminsäure)“ würde also eine Verbindung von der Formel: NHC,H, SH NHC,H, oder CSoH entweder (0X zu verstehen sein. $ 9. Imidocarbonsäuren. Wie oben dargelegt, leitet sich der Liebermann’sche „Phenyl- sulfurethanäthyläther“* von einer Verbindung SH oo SH. ab, an zwischen CINMDOH und CNH) sp in der Mitte steht, und, wie ein Blick auf Zeile 5 der Zusammenstellung von Seite 10 zeigt, zweck- 1) Fittig, Richter, Beilstein’s Lehr- resp. Handbücher. — ?) Nach den vielen Derivaten. — °) Salomon u. Manitz, Jahresb. Fittica 1873, 531. — *) Mylius, Berl. Ber. 5, 972. — 5) Hofmann, Berl. Ber. 2, 116; Liebermann, Ann. Ch, 207, 141. gr - ee u Ueber die Constitution. der Thiocarbaminsäurederivate u. s. w. HR mässig den Namen 'Imidojthiocarbonsäure* erhält. Folgende Zu- sammenstellung zeigt die Ableitung der Namen für die Derivate der drei Klassen von Verbindungen : "OH SH SE | C(NH)oH de C(NH)OH E(NH)sH | Imidocarbonsäure Imidothiocarbonsäure. Imidodithiocarbon- | säure i er OH IK Er SH N SH | E(NC2B5) A C(NCeHs) og C(NCeHs)s , Aethylimidocarbon- Aethylimidothio- Aethylimidodithio- | säure carbonsäure. carbonsäure. | OCH:; 17 SCHs ELECSHS | | Bros C(NCH:)oH ar C(NCeH5)sn | Aethylimido-methyl- | Aethylimidomethylthio- Aethylimido-äthyldi- | | carbonsäure carbonsäure !) thiocarbonsäure 4 | x | | | CNSHS) Sam, | | Aethylimidothio- N | | methylcarbonsäure ') ımOC2H; a SCaHs x SCeB5 0 COM)oGB5 Docs sc Imidocarbon(säure)- Iımidothiocarbon- ' Imidodithiocarbon- äthyl(äther) (säure)äthyl(äther) (säure)äthyl(äther). Die meisten in dieser Tabelle enthaltenen Verbindungen sind aller- dings zur Zeit noch unbekannt. Allein diejenigen der zweiten‘ und dritten Verticalreihe werden voraussichtlich bald in grösserer Zahl be- kannt werden, da ihre Existenz durch die Arbeit Ziebermann’s (be- züglich Reihe 2) und meine eigenen Beobachtungen (bezüglich Reihe 3 und 2, vergleiche oben Seite 4) signalisirt ist. Liebermann’s Phenyl- sulfurethanäthyläther würde also nach Obigem heissen: Phenylimidothiocarbonäthyl; sein Phenylsulfurethanmethyläther:: Phenylimidomethylthiocarbonäthy], welche Namen allerdings nicht von idealer Kürze, aber nach Prinzipien gebildet sind, welche die eonsequente Bezeichnung aller in Aussicht = Mit absichtlicher Inconsequenz sind diese gefälligeren Namen statt der ganz correcten „Imidocarbonylthiosäure* ete. gewählt, da dadurch doch kein Irrthum entstehen kann. 1) Zur Unterscheidung dieser 2 Isomeren dient wieder die Regel: man setze den Namen des mit dem Schwefel verbundenen Radicals (hier Methyl) dicht vor die Silben „thio“. 38 Dr. August Bernthsen: stehenden Isomeren dieser Substanzen gestatten. Die aus dem Xan- thogenamid-Benzylchlorid (siehe oben Seite 4) zu erwartende Base T ‚SC, H, C(N Moc.H; wird entsprechend als Imidobenzylthiocarbon(säure)äthyl(äther), die Base aus Dithiourethan und Benzylchlorid (siehe daselbst), als Imidodithiocarbon(säure)benzyläthyl(äther) zu benennen sein. Verbindungen der ersten Vertikalreihe sind bis jetzt unbekannt, und es lässt sich natürlich nicht entscheiden, ob, ist aber immerhin wahrscheinlich, dass wenigstens die mehrfach substituirten Deri- vate von C(NH)(OH), existenzfähig sind. Ich halte es für möglich, dass man aus den Carbaminsäure-Derivaten durch Einwirkung von Jod- äthyl etc. zu ihnen gelangen kann. Sie sind selbstverständlich den Carbaminsäuren isomer, wie ja die Imidothiocarbonsäure den beiden „Thio(carbaminsäuren), die Imidothiocarbonsäure der Dithio- carbaminsäure isomer ist. $ 10. Imidocarbaminsäuren. Die Halogenalkyl- Verbindungen des Thioharnstoffs sind von H. Klinger und mir als Halogenwasserstoffsaure Salze von mit sub- stituirten Thioharnstoffen isomeren Verbindungen erkannt worden. Ausser der Base CNEDSc, H,' welche frei dargestellt und analysirt werden konnte, H Lösung erhalten. Aeusserst mannigfaltig erscheinen die durch Ver- i : NH® NH, 20 or wurden die Verbindungen CNB)sc H und CE) c in wässriger 2745 3 bindung beliebiger alkylirter Thioharnstoffe und Alkylhalogene in Aus- sicht stehenden verwandten Verbindungen, worauf schon oben hinge- wiesen wurde. Analog der Imidothiocarbonsäure COSHIEH wird die Muttersubstanz dieser Verbindungen, , NH, CNH)or ; als Imidothiocarbaminsäure Fr en VE Ueber die Constitution der Thiocarbaminsäurederivate u. s. w. 99 bezeichnet, sodass für die oben genannten Verbindungen die Namen benzyl Tnidolhocarbarminsänren hy] äther ImeibyiN ‘oder abgekürzt Imidothiocarbaminbenzyl ete. resultiren. Entsprechend würde BOCH z. B. Aethylimidothiobenzylearbamin (säure)- 2.453 äthyl(äther) heissen, aus welchem Beispiel das allgemeine Prineip der Benennung ähnlicher Substanzen klar hervorgeht. Man vgl. Seite 8. Uebrigens ist eine mit diesen Verbindungen verwandte Substanz NHC,H, 2 3. a a C(NH)scH,cooH’ die „Phenylcarbodiimidosulfoessigsäure* 1377 von ‚Jäger schon dargestellt worden'). Sie würde nach Obigem „Imido- phenylearbaminthioglycolsäure“* heissen, und dieser Name würde die Beziehung zu (lässon’s und Nencki’s?) Carbaminthioglycolsäure are COSCH,CooH klar wiedergeben. Die entsprechende Sauerstoffverbindung \T NED °; die Imidocarbaminsäure, welche dem Harnstoff isomer sein würde, ist bis jetzt weder für sich noch in Derivaten bekannt. Erinnert man sich daran, dass alle seit- herigen Versuche, in den Harnstoff durch Alkyljodide etc. Alkohol- radicale einzuführen, vergebens gewesen sind, so ist es nicht unwahr- scheinlich, dass das Alkyljodid zunächst zur Bildung eines Imidocarb- aminsäureäthers Veranlassung giebt, der vielleicht in den untersuchten Fällen wegen zu leichter Zersetzlichkeit nicht gefasst werden konnte, indess möglicherweise. bei Anwendung von substituirten Harnstoffen sich isoliren lässt. s 11. Garbaminchlorid CONF* und Thiocarbaminchlorid osN®. Verbindungen des Typus co ” sind bisher meist Harnstoff- chloride genannt worden. Da sie indessen nicht Chloride des Harn- 1) J. pr. Ch. [2] 16, 17; Jahresb. Fittica 1857, 257. ?) Jahresb. Fittica 1877, 258; 1878, 264. 30 Dr. August Berntbsen: stoffs sind, vielmehr zu den Carbaminsäuren COoH in derselben Be- ziehung stehen wie allgemein das Chlorid einer Säure zur letzteren selbst, so sollte man ihnen die diese Beziehung ausdrückende Bezeich- nung „Carbamin(säure)chloride* nicht versagen. Die in den Amin- rest eintretenden Radicale sind vor den Stamm zu setzen, also z. B. con Ba): Dimethylearbaminchlorid. 8 12. Complicirtere Derivate der seither besprochenen Verbindungen sind in der vorliegenden Studie ausser Betracht geblieben. Für eine Art derselben, diejenigen, welche einen Rest der Glycol- säure oder Thioglycolsäure enthalten, werden wohl die z. Th. mehr empirischen Namen: Hydantoin, Sulfhydantoin, Senfölessigsäure, Rho- daninsäure, Urethan-Benzoösäure ete. beibehalten werden '). Eine‘ andere Art derselben umfasst die aus den verschiedenen Carbonsäuren oder Carbaminsäuren durch Austritt von H,O oder H,S enstanden zu denkenden anhydritartigen Substanzen und die Disulfid-artigen Verbindungen. Hierhin gehören z. B.: OH NH, co RER es das Thiuramsulfür?) _ > die Dicarbothionsäure ?), Ir Thiocarhaminseltte it co cs (Thiocarbaminsulfür) ÖH NH, ferner das Disulfid der Xanthogensäure, 0C,H Ss 5 Se OR welches aus deren K-salz durch Halogene entsteht und mit den Namen !) Man vgl. Liebermann. Berl. Ber. 12, 595; 1588; Ann. Ch. 207, 141; P. Clässon, Berl. Ber. 10, 1046; Nencki, J. pr. Ch. [2], 16, 1; Jahresber. Fit- tica 1877, 257; Jäger, Jahresber. Fittica 1877, 257; J. pr. Ch. 16, 17; Jahresb. 1878, 264; Wachendorff, Berl. Ber. 11, 701. ) V. Meyer, Ber}. Ber. 2, 298. 3) Hlasiwetz u. Kachler, Ann. 166, 137. u Ze u Ueber die Constitution der Thiocarbaminsäurederivate u. s: w. 31 „Aethyldioxysulfocarbonat“ '), „Aethyldisulfocarbonsulfid*'), „Kohlen- sulfidsäureäther“?) belegt worden ist. Der Name „Xanthogensäure- disulfid“ ist vielleicht genügend bezeichnend. Das Dithiocarbamin- säure-Disulfid, (Thiocarbamindisulfid), hat von seinen Entdeckern den Namen „Thiuramdisulfür“®) er- halten, indem sie die „Thiocarbamin-*gruppe „Thiuram— “ genannt haben. SE Den seitherigen Betrachtungen möge als Anhang eine Bemerkung über die Nomenclatur der Isothiamide beigegeben werden. Während ©. Wallach*) die Verbindungen des Typus _NH RC SH als Isothiamide bezeichnet, z. B. N on, oc NCeHs 15 _Aethylisothiacetanilid“, SC,H, » habe ich für die Aether derselben einen Namen Pinner’s: | Imidothioäther adoptirt. Der Muttersubstanz ' ! a SNHr a ke welchein der Benzoösäurereihe Benzimidothiosäure (oder —thihydrat) heissen würde, z. B. entsprachen die von mir untersuchten Verbindungen -NH R=0=z Sp welche als Benzimidothiäthyl(äther) u. s. w. bezeichnet wurden. Ich möchte letztere Bezeichnung desswegen empfehlen, weil man so die vielfachen zu erwartenden Isomerien klar wiederzugeben vermag, z. B. 1) Berl. Ber..$. 773. ?) Kolbe’s „Kurzes Lehrbuch der org. Chemie“, 3) Hlasiwelz und Kachler, Ann. 166, 137. *) Literatur: siehe Einleitung. 39 Dr. August Bernthsen: Ueber die Constitution u. s. w: CH, C CH, € CH, -C : Be Acetimidothio(säure)äthyl@äther) ae Acetäthylimidothiosäure NG, . Acetäthylimidothio(säure)methyl(äther) SCH, NCH, .SC,H, Acetomethylimidothiäthyl. Die beiden letzteren Substanzen würden nach ©. Wallach: Methylisothiacetäthylamid und Aethylisothiacetmethylamid ‘heissen. 33 Zur Entwicklungsgeschichte der Trematoden, insbesondere über eine Arbeit des Prof. Griambattista Ercolani: „Dell’ Adattamento della specie all’ ambiente, nuove ricerche sulla storia genetica dei Trematodi* (Estratta dalla Serie IV Tomo II delle Memorie dell’ Accademia delle Scienze dell’ Istituto di Bologna, letta li 10 Febbrajo 1881). Von H. Alex, Pagenstecher (2. Dezember 1881). Als ich vor 25 Jahren, im Sommer und Herbst 1856, meine erste zoologische Arbeit über „Trematodenlarven und Trematoden“ (Druck- titel 1857) verfasste, traf das der Zeit nach nahe zusammen mit ver- schiedenen Epoche machenden Arbeiten über denselben Gegenstand, insbesondere den drei Denkschriften von de Filippi aus 1854, 1855 und 1857, den Symbolae des Baron de la Valette St.- George, der Arbeit „de la reproduction chez les Tr&matodes endo-parasites“ von J. J. Moulinie, diesen beiden aus 1856, und den Beiträgen zur Entwicklungsgeschichte der Eingeweidewürmer von @. R. Wagener, welche, schon 1855 von der Holländischen Sozietät der Wissenschaften zu Haarlem gekrönt, erst 1857 zum Drucke gelangten. Indem die literarischen Nachrichten damals nicht ganz so schleunig sich verbrei- teten als heute, sind meine eigenen Ausführungen weniger abhängig von denjenigen, welche unter den erwähnten ihnen ganz kurz voraus- gingen, als das nach der Zeitfolge sich hätte stellen können. Nur während der letzten Ausführung konnte auf die Arbeit von de la Valette, nur anhangsweise auf die von Moulinie, noch gar nicht auf die von Wagener Rücksicht genommen werden. Aehnlich ist es de Filippi in seinem dritten M&moire mir gegenüber gegangen, und es hat vielleicht daran gelegen, dass dieser für verschiedene Theile der Lehre von den Trematoden höchst verdienstvolle Gelehrte, meh- Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. III. 3 34 H. Alex. Pagenstecher: rere der von mir aufgestellten Sätze gering achtend, auf dem Stand- punkte beharrte, welchen er in den beiden früheren eingenommen hatte. Es haben so, indem man de Filippi und MouliniE mehr nachsprach, einige meiner damaligen Mittheilungen und Erklärungen vielleicht etwas weniger allgemeine Würdigung erfahren, als sie ver- dient hätten. Heute kann ich Ihnen in einer Arbeit des Professor Ercolani ein Dokument vorlegen, welches, aus dem Vaterlande de Fiüippes, auf neue Untersuchungen in einigen damals strittig ge- machten Punkten die von mir gegebene Lösung annimmt, die Meinung de Filippis verurtheilt. Ich will zur Einleitung bemerken, dass der Gedanke, welcher mich bei Abfassung meiner damaligen Arbeit über Trematoden vor den übrigen beherrscht hat. nicht hinein getragen, sondern aus den Untersuchungen geboren, ein sich über die Spezialitäten erhebender kritischer gewesen ist, dahin, es sei in der Betrachtung des in dieser Ordnung mannigfaltigen, 1842 von Öteenstrup mit besonderem Hin- blick auch auf sie definirten Generationswechsels ein vorzüglicherer Werth auf dasjenige zu legen, was die Differenzen der von einander abweichenden Generationsfolgen minder erscheinen liesse, was vermit- tele, was die aufeinander folgenden Generationen, wie die einander parallel gehenden Stadien in der Organisation und in der Bruterzeu- gung verbinde, als auf dasjenige, welches sie in Gegensatz stelle. Durch Nachweise in diesem Sinne schien mir der Generationswechsel der Trematoden in eine bequeme Verbindung mit dem der Naiden und gewisser polychäter Anneliden gebracht werden zu können, bei welchen Geschlechtsthiere sich in metamorphischer Gliederung von Ammen lösen, und ich hatte die Hoffnung, aus den in den Ammen der Trematoden stattfindenden Produktionen, wenn diese Ammen dem Geschlechts- thiere näher traten, mehr auf das Wesen der geschlechtlichen Produk- tion schliessen zu können, als bei scharfer Gegensetzung. Für damals Angebahntes haben spätere Arbeiten Fortführungen ge- geben. Einmal konnte ich schon im Sommer 1857 dem Vereine die Mittheilung machen, dass die Erziehung des Distoma echinatum aus dem encystirten Stande in Paludina vivipara zum erwachsenen und voll Zur Entwicklungsgeschichte der Trematoden. oo w geschlechtsthätigen, für welche minder vollkommene Experimente mit Sperlingen und die richtige Voraussicht schon bei de la Valette vor- lagen, welche mir aber früher nicht hatte glücken wollen, nunmehr in der Ente gelungen sei‘). Von R. Leuckart und Olaus erfolgreich wiederholt, kann dieser Versuch noch heute als einer der sichersten und vielleicht als der reinste in diesem Abschnitte der experimentellen Helminthologie, als ein Musterversuch angesehen werden. Wichtiger für meine prinzipielle Auffassung habe ich an die statt mit eigentlichen Schwänzen mit anders gearteten Anhängen ver- sehenen, in diesen Brut erzeugenden Bucephalus polymorphus und Distoma duplicatum in meinem Vortrage vom 16. Mai 1862 aus meinen Funden in Cette die Cercaria cotylura aus Trochus cinereus angeschlossen ?) als einen weiteren Fall, in welchem der hier gewöhnlich zu einem Napfe sich gestaltende Schwanz- anhang zur Amme werden könne, was ich übrigens bereits 1856 auch für einen die echte, lokomotorisch dienliche Schwanzform erreichenden Anhang der Cercaria ornata vermuthet hatte. Der Vorgang solcher Brutbildung in Schwanzanhängen erschien hiernach in den verschiedenen Fällen nur dadurch nicht mit derselben Sicherheit oder Leichtigkeit nachweisbar, dass die Zeit der Ablösung der An- hänge von dem Rumpfe der Larven sich in Relation zu der Entwick- lungshöhe der in ihnen steckenden, ihr wahres Wesen deutlich machenden Keime ungleich stellte. Bei dieser Gelegenheit habe ich die allgemeine Tragweite meiner Beobachtungen über die Schwanzanhänge deutlich hervorgehoben und die ganz erhebliche Verschiedenheit meiner These speziell für Bucephalus und Distoma duplicatum gegenüber vorbereitenden bei v. Bär und Diesing ausführlich erörtert. !) Pagenstecher in Verhandlungen des Naturhistorisch-Medizinischen Vereins zu Heidelberg. I. 1857—59. p.59; Archiv für Naturgeschichte. XXIII. 1857. I. p. 246. R. Leuckart im Jahresbericht, Archiv für Naturgeschichte. XXIV. 1858. II. p. 112. ?) Pagenstecher in Verhandlungen des Naturhistorisch-Medizinischen Vereins zu Heidelberg. II. 1859—62. p. 210; Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. XII. 1862. p. 293; 302. 3*+ 36 H. Alex. Pagenstecher: In einer mehr allgemein verständlichen Behandlung habe ich 1864 jener Cercaria cotylura eine solche aus einer Süsswasser-Rhipido- glossate, der Neritina fluviatilis, anschliessen können !), welcher ich später den Namen der Cercaria myzura gegeben habe’). Ich würde dessen nicht erwähnen, wenn Frcolani in der mir zu diesem Vortrage Anlass gebenden Arbeit aus der nach 1857 fallenden Literatur von dem, was zur Beurtheilung der berührten Punkte wichtig ist, genügend Notiz genommen hätte. Dieser Vorwurf geht durchaus nicht blos auf von mir Veröffentlichtes. Obwohl es nicht meine Auf- gabe sein kann, bei dieser Gelegenheit diese Lücken vollständig aus- zufüllen, werde ich doch Bemerkungen über die Verdienste verschie- | dener anderer, noch weniger als ich berücksichtigter Autoren in Ergänzung und Berichtigung des von Ercolani Mitgetheilten, ein- streuen. Ich wende mich nun zu einer kritischen Besprechung der Arbeit des Professor Ercolani selbst, welche mir mit dem ausdrücklichen Wunsche, mich über sie zu äussern, überreicht worden ist und welche durch Mehreres jedenfalls ein erhebliches Interesse, in Anderem aller- dings auch Zweifel und Widerspruch bei den Helminthologen erre- gen wird. Jene Arbeit ist zunächst aus dem Wunsche hervorgegangen, die nationalökonomisch höchst wichtige Frage der Abkunft des Distoma hepaticum und des D. lanceolatum zu lösen, welche Thiere als Leberegel auch in Italien grosse Verwüstungen unter den Wieder- kauern, vorzüglich den Schafen anrichten. Da die nach den Arbeiten von Steenstrup und v. Siebold berechtigten Hoffnungen auf Aufklärung der Entwicklungsgeschichte dieser Parasiten nach fast einem halben Jahrhundert noch unerfüllt geblieben seien, hielt Prcolani als Grund- lage weiterer Forschung eine Zusammenstellung der verbreitetsten Trematodenlarven in Mollusken Italiens für unerlässlich, um so mehr, !) Pagenstecher, Die Trichinen, mit Rücksicht auf den jetzigen Stand- punkt der Parasitenlehre; Der Zoologische Garten. 1864. März, p. 73. *) Pagenstecher, Allgemeine Zoologie. IV. 1881. p. 25. Zur Entwicklungsgeschichte der Trematoden, 37 da über dieselben seit der eigenen Arbeit Ercolan?’s aus 1855 und denen de Filippvs nichts bekannt geworden sei. Dazu glaube ich, ohne die Diskretion zu verletzen, bemerken zu sollen, dass, soviel ich nach Briefen annehmen darf, es derweilen meinem ausgezeichneten Freunde A. Leuckart gelungen ist, die Ent- wicklungsgeschichte des Distoma hepaticum und seine Verbrei- tung durch Limnaeus pereger in sicherem Abschlusse festzustellen. Die Arbeit von Zrcolanmı ist in drei Theile zerfällt. Der erste behandelt die Trematoden in Süsswassermollusken, nebst Entwicklung einiger derselben in warmblütigen Wirbelthieren; der zweite die in Landmollusken nebst Entwicklung eines in der Ringelnatter; der dritte die Wandlungen, welche Trematoden erleiden, wenn man sie aus den Eingeweiden der Natter in die von Fröschen und umgekehrt über- trägt. Es ist dem Verfasser dabei besonders angelegen, zu zeigen, wie in bis dahin nicht bemerkter Häufigkeit Sporocysten mit Cerca- rien und Larven von Distomen sich in Landschnecken finden, wodurch auf die allgemeine Meinung, dass Trematoden nur im Wasser ent- weder durch infusorienartige Embryonalstände oder durch Cercarien verbreitet werden könnten, ein Zweifel falle, wie auch die Hirten im Apennin versicherten, dass es kleine Landschnecken seien, welche mit den Kräutern verschluckt, den Schafen die Leberegel erzeugten. Es ist jedoch etwas mehr über die Larven aus Landschnecken bekannt, als Ercolan? annimmt, und jene Meinung über eine ausschliessliche Verbreitung im Wasser nicht entfernt eine allgemeine, wofür ich hier nur das Lehrbuch von Olaus als zusammenfassend, und nur die Sätze von Wagener!) und die 1873 von Willemoes-Suhm gegebene, wie es scheint, Zrcolani unbekannt gebliebene Disposition der digenetischen Trematoden nach Bewimperung oder Mangel solcher an den Embryo- nen, als Einzelnachweise anführen will. In letzterer kommen auf 16 würmer. 1857. p. 45. - ?) R. v. Willemoes-Suhm, Helminthologische Notizen. III; Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. XXIII. 3. H. 1873. p. 331. 38 H. Alex. Pagenstecher: sogar, ohne dass ich meine, dem beitreten zu sollen, für Monostoma faba der Schnecken als Zwischenwirthe überhaupt entbehren zu kön- nen. Die Vermuthungen Zaddach’s') über direkte Entwicklung des ge- schlechtslosen Distoma isostomum im Krebse aus den Eiern des D. cirri- gerum scheinen mir noch sehr zu weiteren Untersuchungen aufzufordern. Im ersten Theile bemüht sich Zrcolanı zunächst, die spezifischen Eigenschaften der in Wasserschnecken beobachteten Cercarien, ©. chlo- rotica Diesing (C. pugnax dela Valette), brunnea D., vesicu- losa D., mierocotyla Ercolani (nicht Filippi, dessen microcotyla die ©. brunnea sei), triloba F., gibba F., armata vo. Steenstrup und v. Siebold, tripunctata E., echinata S, Limnaei ob- scuri E., ocellata V., eristata V., bucephalus E., poly- morpha ®. Deer festzustellen. Es ist klar, dass ohne solche Siche- rung der Arten die Untersuchungen einerseits über Abkunft, andererseits über spätere Geschicke einer Larve der festen Unterlage entbehren. Es wird bei der grossen Schwierigkeit fester Diagnosen allerdings überall eine grosse Erleichterung für die Untersuchungen aus den Wahrscheinlichkeiten erwachsen, welche aus dem natürlichen Zusam- menleben und den Beziehungen zwischen gewissen Mollusken und Wirbelthieren gezogen werden können, wobei nur häufig die Mitwir- kung von Zwischenwirthen aus allerlei Thierklassen für encystirte Stände mit in Rechnung zu nehmen ist. Je ärmer die lokale Fauna, um so weniger Vermuthungen für Zusammengehörigkeit sind zu erör- tern, um so leichter stellt sich die Aufgabe. Die meisten Schwierig- keiten veranlassen die sporadisch kommenden und über die verschie- densten Breiten wegziehenden Wandervögel. In diesen Auseinandersetzungen, wie an vielen anderen Stellen, wo es angebracht wäre, hat Ercolani: meiner ersten Arbeit?) nicht ausdrücklich gedacht ausser in Beziehung auf C. (Bucephalus) !) @. Zaddach, Ueber die im Flusskrebse vorkommenden Distomun: eirrigerum v, Ber und Distomum isostomum Rudolfi; Zoologischer Anzeiger. IV, Nr. 90. 15. August 1881. ?) Pagenstecher, Trematodenlarven und Trematoden. Helminthologischer Beitrag. Heidelberg, 1857. Zur Entwicklungsgeschichte der Trematoden. 39 polymorphus, so dass ich anzunehmen Ursache habe, auch diese sei ihm erst im Verlaufe seiner Untersuchungen bekannt geworden oder sie sei ihm nicht vollständig verständlich gewesen. So scheint mir Ercolanı unter seiner vornehmlich in Paludinen gefundenen Cercaria micerocotyla die ©. pugnax von de la Valette und mir verstanden zu haben. Diese Art glaubt er, neben zahlreicheren C. echinata in Mäusen»bis zur doppelten Länge und zur Bildung eines feinen Stachelkleides der Haut, sowie eines deut- lichen Verdauungskanales herangezogen zu haben, von welchem den Schlundkopf ich übrigens schon bei der gedachten Cercarie gesehen hatte. Der Koth der Mäuse und verwandten Nager könnte allerdings sehr leicht in die Gewässer gelangen und Eier und Embryonen von Distomen verbreiten, auch würde die Lebensweise der Murinen nicht minder tausendfältige Gelegenheit zum Rückerwerb der Larven ge- währen. Doch darf nicht verhehlt werden, dass Distomen wie Trema- toden überhaupt nicht häufig bei Murinen sind, beispielsweise viel sel- tener als etwa bei Sorizinen. Indem Ereolani der ©. armata bei Steenstrup als eine ver- änderte Form die C. armata bei v. Siebold anschliesst, hat er, wie es mir scheint, die C. ornata von de la Valette und mir vor sich gehabt, welche, wie er selbst es für die gedachte zweite bewaffnete Form er- wähnt, ihren Sitz in Planorbis corneus hat und welche unvollkommen in grünen Fröschen, vollkommen in braunen Fröschen und Kröten zum Distoma clavigerum zu erziehen, mir schon 1856 gelungen war. Es hatte darnach keinen Zweck mehr, diese Cercarie mit Moulinie, als durch Encystirung in Insekten wahrscheinlich in insektenfressende Vögel gelangend, neben Distoma maculosum und als dessen Quelle in den Nestjungen der Hirundo rustica aufzusuchen. Es wäre für dieses Distoma nach anderen Larven zu forschen gewesen. Nicht minder hatte ich in jenem Jahre bereits die wahre CGer- caria armata in grünen Fröschen zum Distoma endolobum er- zogen, eine Zucht, welche Ercolani, ohne dessen zu gedenken, anfäng- lich mindestens bis zum Ausschlüpfen aus den Cysten erlangt zu haben meinte, bis er durch weiterhin zu besprechende Betrachtungen über 40 H. Alex. Pagenstecher: die Distomen des Froschdarmes daran irre wurde. Im Hinblick auf diese Betrachtungen darf ich hier besonders hervorheben, dass es mir damals gelang, bei anscheinend so nah verwandten Wohnthieren, wie grünen und braunen Fröschen, die in ihnen wohnenden Distomen spezifisch und auch bereits in den Larven zu unterscheiden, so dass für die Experimente bei Fröschen fortan mindestens genaue Angaben über die Spezies des verwendeten Amphibiums nöthig waren. Die Augen der jungen Exemplare von Amphistoma sub- clavatum im Frosche konnte Zrcolani bestätigen. Es ist kein Zweifel, dass dieser Parasit den erwachsenen Stand meiner, ihm im Rumpfe vollkommen adäquaten, zwei Augen führenden Cercaria diplocotylea bildet. Mit Distoma echinatum (echiniferum) hat Zrcolant viele Experimente bei kaltblütigen und warmblütigen Wirbelthieren gemacht und hat endlich die längst bekannten Erfolge bei Enten erzielt. In- dem er, wie möglicher Weise Swammerdam, gewiss de la Valette und de Filippi, die merkwürdigen zugehörigen, mir nicht sicher vor- gekommenen Ammen gesehen hat, fand er an diesen, neben der Bil- dung von Brut aus Cercarien und Redien im Inneren, eine exogene Vermehrung durch Theilung, welche, hier in höherem Grade als bei den des Mundes und Darmes entbehrenden Sporocysten, bei welchen sie bekannt war und von Wagener für ein „Zerbrechen“ genommen werden konnte, überrascht und von viel höherer Bedeutung ist, da die Amme unter der Form der Redie mit Mund und Darm ausgerüstet ist. Diese Organe scheinen sich erst an den sich abschnürenden Knos- pen nachzubilden. Wie hierbei innerhalb einer Art mundlose und mund- begabte Ammen vorkommen müssen, hatte ich, gegen de Filippi, welcher die bewaffneten Cercarien ausschliesslich in Sporocysten ent- stehend erachtete, bereits bei Uercaria ornata einzelne Redien neben den zahlreicheren Sporocysten gefunden, solche aber nicht aus exogenen Knospen, sondern aus metamorphosirten Cercarien abgeleitet. Auch hatte ich bei ©. pugnax, indem ich die Knospenbildung der Sporocysten zeigte, Gründe beigebracht für die Annahme, dass diese Sporoeysten im Winter statt der Cercarien Redien erzeugten. Eine Zur Entwicklungsgeschichte der Trematoden. 41 mehrtheilige Redie mit bereits fortgeschrittenen Anlagen für neue Mäuler und Därme ist eine ganz neue Art strobiloider Kolonie. Die Verschiedenheiten seiner schwanzlosen, in einer Redie mit Gebäröffnung und rundem Magen erzeugten Cercaria Limn&i obseuri von dem Distoma Paludinae impurae de Filippi denkt Ercolani sich als möglicher Weise abhängig von dem Sitze in verschiedenen Wohnthieren. Die Untersuchungen über Cercaria cristata sind die erste der bedeutenden Leistungen in dieser Arbeit. Zu dieser Cercarie, welche sich durch einen segelartigen Kamm auf dem Rumpfe und einen schlank schlauchförmigen, an der Spitze gegabelten Schwanz auszeichnet, hatte de Filippi nie Ammen, de la Valette aber fadige Sporocysten gefun- den. Diese Frage erledigt sich nach Ereolani dahin, dass, wie bei Distoma duplicatum und Bucephalus, für welche nach Voraus- gang unvollständiger und nicht richtig gefasster Angaben bei v. Der, Jacobsen, Diesing, de Lacaze-Duthiers, zurückgewiesen von Moulinie, ich die Gewissheit solchen Verhaltens gegeben hatte, so auch bei Cerca- ria cristata der vom gewöhnlichen Verhalten abweichendeSchwanz als Sporocyste zu fungiren im Stande sei. Während alle bei gewissen In- dividuen von Limn&as auricularis, in welcher Schnecke allein Ercolani diese Larven sah, gefundenen Cercarien dieser Art einen glatten, sterilen, kontraktilen Gabelschwanz hatten, zeigte sich nämlich in anderen Schneckenindividuen der Schwanz der grösseren Zahl der erwachsenen Öercarien knotig, geschwollen und fertil, möge dies ab- gehangen haben von dem Alter der Thiere oder von den Verhältnissen der Umgebung. Zu welcher Zeit und unter welchen besonderen Verhält- nissen der Sümpfe das eine oder andere Verhalten der Cercarien vor- komme, ist nicht angegeben, obgleich ich auf die wahrscheinliche Wir- kung der Jahreszeit oder Epoche auf die Entwicklung der Trematoden aufmerksam gemacht hatte. Nimmt doch der Jahreseyklus im Auf- treten der Eingeweidewürmer nach Erfahrungen schon seit langer Zeit eine Rolle ein. In den glatten Schwänzen findet man glänzende Kör- ner, diese in grösserer Menge in den knotigen Schwänzen; beziehungs- weise letztere werden knotig durch Anhäufung der Körner. Die innere 43 H. Alex. Pagenstecher: Wand der Schwänze, das Stratum germinativum für die Keimkörner, ist dann dicker und etwas dunkler gefärbt als zuvor. Die Gliederung dieser Keimkörner in einen Rumpftheil und einen Schwanztheil geht ganz wie für Cercarien in anderen Ammen vor sich; nur treibt der Schwanz zwei kleine Fortsätze als Anfänge seiner späteren Endgabel. Der Rumpf erhält eine Art von Mundnapf, keinen Bauchnapf, eine kleine dreieckige ventrale, hintere Excretionsöffnung. Innere Organe, besonders Gefässe hat Zrcolani an ihnen nicht gesehen. Derselbe hat aber in Erkenntniss der Organisation auch in anderen Fällen nicht das schon ohne besondere mikrotechnische Manipulationen Mögliche ge- leistet. Der Unterschied der so hergestellten Keimschläuche von anderen sei allein, dass sie ursprünglich ein Theil des Körpers einer Cercarie nach Art eines Bewegungsorganes gewesen und dass sie nicht direkt aus einem Ei, sondern in einer Amme entstanden seien, was übrigens für alle Ammen aus Ammen gilt. Uebrigens könnten die Keime auch direkt zu Sporocysten werden, ohne durch die zweitheilige und zweierlei re- präsentirende Form der Cercarie hindurchzugeben. Nur sagt Zrcolani nicht, ob er solches im Inneren der primären Cyste geschehend ge- sehen habe, für welches ich es seiner Zeit (meine These 4) ausschloss, während ich es im Inneren von Redien (These 3) beobachtet hatte. Für Bucephalus hat Ercolani eine erheblich kleinere als die in Anodonten gewöhnliche Form in Unio pietorum als Vercaria buce- phalus von jener, dem Bucephalus polymorphus Bär, der CGercaria polymorpha Moulinie, unterschieden. Ausserdem ist ihm der Bucephalus Haimeanus dDacaze- Duthiers bekannt geworden, nicht aber der Bucephalus intermedius Uleny') aus Anodonten mit tief getrennten nierenförmigen, gestreckten An- schwellungen an der Wurzel der zwei knotenlosen Schwanzfäden, noch selbstverständlich der ganz neue Bucephalus crux Levinson?). Die 1) Joh Ulicny, Helwinthologische Beiträge. Archiv für Naturgeschichte, XXXXIV. 1878. 1. p. 214. 2) Levinson, Trematoda of Greenland; aus Overs. K. Dansk. Vidensk. Selsk. Forhandl. 1881. p. 52. in Journ. of the Royal Microscopical Society, Ser. II, I part. 5. Oct. 1881. p. 738. Zur Entwicklungsgeschichte der Trematoden. 43 Sporocysten der Cercaria bucephalus Kreolanı finde man nie verzweigt, sondern als einfache, längliche, abgerundete Säcke. Die sie verbindenden schwarzgelben Stränge seien nicht blose Einengungen, übrigens den erweiterten Theilen gleichwerthig, wie das ©. polymorpha hat, sondern sterile, selbst abgestorbene und zerfallende Partieen, ohne dass übrigens jemals eine vollständige Auflösung in isolirte Sporocysten zu Stande komme. Bei beiden Arten hat Frcolani, wie ich seiner Zeit und wie nach seinen Abbildungen Ulieny, am Rumpfe den von mir beschriebenen, von anderer Seite geleugneten Bauchnapf gesehen. Die Sichtbarkeit der zwei Darmschenkel kann nicht zur Unterscheidung von C. bucephalus benutzt werden, da ich sie nicht minder bei C. polymorpha abgebildet habe. Die Schwanzanhänge der C. bu- cephalus erzeugen nach ZKrcolani ebensowohl durch äussere Knos- pung als durch innere Keime Brut. Diese entwickele sich in den Schläuchen minder weit als bei C. polymorpha und erlange die gestaltliche Vollendung erst nach dem Austritt aus den Säcken. Wir wollen hier zufügen, dass nach Giard!) der Bucephalus Haimea- nus in Belone vulgaris zur Encystirung gelangt und dass Wagener?) bereits 1857 aus der Bauähnlichkeit als sehr wahrscheinlich geschlos- sen hat, Bucephalus polymorphus gehe aus dem Embryo des Gasterostomum fimbriatum des Hechts hervor, wie Distoma duplicatum aus dem des D. tereticolle desselben Fisches, wo dann in beiden Fällen Eneystirung in Cyprinoiden den Uebertritt in den Hecht vermitteln würde. ®v. Wiülemoes-Suhm hat sich bei Be- sprechung des Embryo von Gasterostoma crucibulum der Meinung von Wagener insofern angeschlossen, dass er dieses Gastero- stoma, welches encystirt und im Darm von Seeraubfischen erwachsen 1) A. Giard, Comptes rendus de l’Acad&mie des sciences. 17. August 1874. LXXIX. p. 485. Revue des sciences naturelles par Dabrueil. Ill. 1874. p- 443. The Annals and Magazins of natural history. IV. Ser. XIV. 1874. pag. 375. 2) @. Wagener, Helminthologische Bemerkungen aus einem Sendschrei- ben an (. Th. v. Siebold. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. IX. H. I. 1857. p. 89. Beiträge p. 45. 44 H. Alex. Pagenstecher: bekannt ist, aus dem Bucephalus Haimeanus ableitet‘). Der Bucephalus muss allerdings, um zum Gasterostoma mit den Fimbrien um den Mundnapf zu werden, erhebliche Veränderungen erleiden, über den Vorgang bei welchen die nur bildlichen Darstellungen von Wa- gener nicht hinlänglichen Aufschluss geben. Die von Wagener?) als „furcocerce* aus Planorbis marginatus abgebildete Cercarie kann auch unter Bucephalus gestellt werden. Wagener selbst?) hat sie später Cercaria cystophora genannt, indem sich der Rumpf sowie der Schwanz in die Cyste zurückzuziehen vermag, weiche den zwei rundlichen oder nierenförmigen Massen der Bucephalen am Uebergange vom Rumpf zum Schwanz entspricht. In der Beschreibung tritt eine Ungleichheit der zwei Fadenanhänge oder Schwanzhörner dieser Oer- carie bestimmter hervor als in der ersten Abbildung. Nach der ge- streckten Gestalt ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Sporocysten dieses Trematoden aus jenen Fadenanhängen hervorgehen. Wagener hat darüber nichts ausgesagt. Er sah, wieder ein Beweis gegen de Filippv's Theorie, in den Sporocysten zunächst Redien, in diesen Cer- carien entstehen. Stellt man die Frage, ob Distomen, welche sich in geschlechts- unreifem Stande in Mollusken finden, wenn encystirt, ohne zugehörige Cercarien, wenn frei, ohne Ammen, als verirrt anzusehen seien oder als nothwendige Durchgangsstufen für Wirbelthierdistomen, so scheint es Ercolani, Distoma luteum der Paludina vivipara könne wegen des bestimmten Wohnsitzes nicht als verirrt angesehen werden. Meiner Fütterungsversuche mit diesem Distoma erwähnt Zrcolant nicht. Distoma pacificum, welches Steenstrup aus Cercaria echinata abgeleitet hatte, sieht hingegen Zrcolani nach der Un- deutlichkeit der Organisation, der Atrophie der Näpfe, der Unbeweg- 1) R. v. Willemoes-Suhm, Helminthologische Notizen. Ill. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. XXIII. 1873. p. 337. 2) @G. R. Wagener, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Eingeweide- würmer, Taf. XXX. Fig. 2. 3) @G. R. Wagener, Ueber Redien und Sporocysten Filippi. Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medizin. 1866. p. 145. Zur Entwicklungsgeschichte der Trematoden. 45 lichkeit gleich Moulinie für verirrt und in regressiver Metamorphose begriffen an. Ereolani wendet sich hiernach zu Tetracotyle, welche Form encystirt, eingebettet gefunden in Sporocysten verschiedener Schnecken, gleich irrig von Steenstrup als in die Entwicklung der Cercaria ar- mata zu Distoma tarda gehörig, und von de Filippi als in den Redien, in welchen er sie fand, in regelmässigem Entwicklungsgange entstanden und als Erzeugerin neuer Ammen angesehen worden war. Er berichtet dabei zwar, dass Moulinie ‘die Ansichten de Filippis bekämpft habe, nimmt aber keine Notiz davon, dass ich diese gänzlich zurückgewiesen, Tetracotyle überhaupt nicht in solchen Ammen, hingegen von !/, seiner gewöhnlichen Grösse aufsteigend, in verschiedenem Grade der Entwicklung der Organe und auch vor der Eneystirung in Lim- nzus gefunden und mich dafür ausgesprochen habe, dass dasselbe erst in dem Verdauungsapparate eines neuen Wohnthieres seine Vollendung zu erreichen habe. Tetracotyle hat sich seitdem einerseits als encystirter Stand einer in die verschiedensten Thiere einwandernden Trematodenlarve erwiesen. Wie Moulinie im Barsch und in Cyprinus Idus, fand Claparede') dasselbe im Bauchfell des Kaulbarsches und stellte, von Wagener ?) auf die ohrförmigen Lappen neben dem Munde bei den Holostomen aufmerksam gemacht, die Vermuthung auf, dass diese aus den Tetracotylen hervorgingen. LZinstow fand Tetracotylen im Iltis®), durch deren Gestalt die Vermuthung des Zusammengehörens mit Holostoma verstärkt wurde, danach in der gemeinen Spitzmaus‘), ') E. Claparede, Ueber die Kalkkörperchen der Trematoden und die Gattung Tetracotyle, vorgelegt der Gesellschaft der naturforschenden Freunde zu Berlin, in der Sitzung des 19. Mai 1857. Vossische Zeitung. 28. Mai 1857. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. IX. H. I. 1857. p. 103. ?) Wagener selbst beschrieb es im Kaulbarsch noch wie de Filippi als Holostoma. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. IX. H. I. 1857. p. 90, 3) 0. v. Linstow, Helminthologische Beobachtungen. 2. Tetracotyle Fe- torii. Archiv für Naturgeschichte. XXXXII. 1876. Ip. 1. *) 0. v. Linstow, Enthelminthologica, 41. Tetracotyle sorieis, 42, T. co- lubri, 43. T. Percae fluviatilis, 44. T. ovata, 45. T. typica. Archiv f. Natur- geschichte. XXXXII. 1877. I. p. 191. 46 H. Alex. Pagenstecher: der Natter, der Blicca byeerkna und in Planorbis, vereinigte damit das encystirte Distoma erystallinum von Rudolphi und mir aus Fröschen, welches jedenfalls sehr nahe steht, und nahm alle diese, wie auch die Diplostomen als Larven der Holostomen, deren wimpernde Embryonen er beim Ausschlüpfen 0,18mm lang fand, während ich die kleinsten, nicht encystirten Tetracotyle zusammengezogen mit 0,063 mm gemessen habe. Durch die direkte Entstehung aus dem Embryo erklärt sich die Zerstreuung der Tetracotylen und es bleibt von dem bei digenetischen Trematoden Gewöhnlichen nur die Ency- stirung und Uebertragung im encystirten Stande. Die Theilung des Kör- pers durch eine ringförmige Abschnürung war bereits für Linstow ein für die Zusammengehörigkeit leitendes Merkmal. Ercolani hat dazu hervorgehoben, dass das Feld, welches am Vorderkörper die vier Näpfe trägt, konkav und von einem sehr kontraktilen Rande umgeben ist, wie ich es schon bei Distoma cerystallinum als trichterförmiges Feld mit kappenartigem Saum nur um die drei vorderen Näpfe beschrieben hatte. Es dürften dafür bei den verschiedenen Arten sich Verschieden- heiten finden, etwa dieser erhabene Rand und die Abschnürung, die charakterischsten Holostomeneigenschaften, sich der Zeit und dem Grade nach ungleich ausbilden, wie ja die Näpfe nach meinen Beobachtungen überhaupt erst allmählich deutlich werden, selbstverständlich gemäss der Ausbildung des Mesoderms. Auf die histiologische Beschaffenheit der cystenartigen Umhüllung und deren Durchbohrung durch den Endstamm der Exkretionsgefässe will ich hier, obwohl meine Auffassung von der von Ercolani abweicht, nicht eintreten, da ich diese Punkte erst eben in meiner allgemeinen Zoologie berührt habe!). Dass der Embryo von Holostoma squamosum einen Augenfleck habe, hat Villot?) gezeigt. !) Pagenstecher, Allgemeine Zoologie. IV. 1881. p. 25 u. p. 291. ?) A. Villot, Organisation et developpement de quelques especes de Tı&matodes endoparasites marins. Annales des sciences naturelles VI. Ser. Zoologie et Pal&ontologie VIII. 1879. Deuxieme article. Resume dans les Comptes rendus de l’Acad&mie des sciences, Sdance du 13. Sept. 1875 et du 5. Juin 1876. Dabei auch Cercaria leptosoma, ein echinates eneystirtes Di- stoma in Scrobicularia tenuis, wahrscheinlich erwachsend zu Distoma lep- tosomum in Tringa variabilis. u nn Zur Entwicklungsgeschichte der Trematoden, 47 Nachdem Ercolani bereits bei Verfütterung neben Cercaria echinata im Sperling nach 20 Stunden die Tetracotylen hatte aus- schlüpfen und die Einschnürung erlangen sehen, gelang ihm bei der Ente in 5 Tagen eine vollkommene Zucht zu Holostomen, welche be- reits einige der sehr grossen Eier in sich trugen. Dabei entwickelte sich der hintere Abschnitt besonders in die Länge, der vordere in die Weite. Diese Vervollkommnung der Erziehung der Holostomen ist die zweite bedeutende Leistung Ereolani’s. Uebrigens will Ercolanı nicht mit Gewissheit behaupten, dass die mit Planorbis corneus und Paludina vivipara und achatina eingeführten Tetracotylen gerade zum Holostoma erraticum geworden seien, welches im natürlichen Verhältnisse hauptsächlich bei den Anatiden vorkommt; er glaubt, dieselben Tetracotylen könnten je nach dem Wirthe, in welchen sie gelangten, die verschiedenen vermeintlichen Arten darstellen. Die Schwierigkeit, welche Ercolan: dafür findet, zu erklären, wie es komme, dass bei den von ihm gezüchteten Holostomen neben dem Munde zwei Gruben persistiren, welche bei den Holostomen sonst, etwa eine Andeutung bei Zudolphi ausgenommen, nirgends angegeben seien, ist bereits durch Linstow erledigt, nach welchem auch bei Tetracotyle diese Organe keine accessorischen Sauggruben sind, indem sie der charakteristischen Muskulatur solcher entbehren, vielmehr die Oeffnungen von Leimdrüsen, welche nur bei den Formen mit flachem Kopfende persistiren, bei denen mit rundem, gelapptem zu struk- tur- und funktionslosen Massen zurückgebildet werden. Wie sich Diplo- stoma und Tetracotyle speziell zu Hemistoma und Holostoma stellen, bedarf noch weiterer Untersuchung. In dem zweiten Abschnitte seines Werkes, dem von Trematoden- larven in Landschnecken, ist es Krcolani, wie es scheint, unbekannt ge- blieben, dass ich in Bulimus radiatus ein agames Distoma flavescens und neben ihm die möglicher Weise zugehörigen Ammen beschrieben hatte. Auch scheinen ihm die späteren Mittheilungen über das merk- würdige Leucochloridium paradoxum Carus der Succinea amphibia von Zeller!) unbekannt geblieben, nach welchen die in demselben ") E. Zeller, Ueber Leucochloridium paradoxum Carus und die weitere 48 H. Alex. Pagenstecher: erzeugten Larven zu Distoma macrostomum Judolphi der insekten- fressenden Singvögel zu erziehen vollkommen gelang, dieses Distoma aber wahrscheinlich identisch ist mit dem D. holostomum der Ral- liden, auf welches sich bereits die Vermuthung ®. Siebold’s!) gerichtet hatte. Den ihm ausser dem Leucochloridium bekannten Formen, von Siebold?), Meckel?), Dujardin*), de Filippi?) und Moulinie aus Helix pomatia und aspersa, Limax agrestis, cinereus und rufus, ist Ercolani in der Lage, neue beizufügen aus Helix aspersa, carthusia- nella und maculosa und aus Pupa triticum, eine erhebliche Bereicherung unserer Kenntnisse in diesem Felde. Dabei gelang es, die Existenz wahrer Sporocysten mit schwanzlosen Cercarien, welche übrigens nicht allein Dujardin und Moulinie, sondern auch v. Siebold bereits ge- sehen, letzterer auch scharf) betont hatte, und die Möglichkeit der Verästelung von Sporocysten auch in Landschnecken, welche allerdings von Leucochloridium bekannt war, zu bestätigen, sowie auch in Land- schnecken nicht am Platz entstandene, eingewanderte agame Distomen aufzufinden. Die daraus gerechtfertigte Meinung, dass gewisse Trema- toden sich verbreiten, indem die Eier vor Austritt des Embryo von Mollusken aufgenommen ’) und ohne Umherschwimmen ihres Embryo mit Wimpern direkt Redien liefern, fand Unterstützung durch die Leichtigkeit, mit welcher Eier des Distoma hepaticum von Helix po- Entwicklung seiner Distomenbrut. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, XXIV. H. 4. 1874. p. 564. 1) C. Th. v. Siebold, Ueber Leucochloridium paradoxum. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. IV. H. 3 u. 4. 1853. p. 425. ?) Derselbe über die Band- und Blasenwürmer. 1854, p. 18, Die Cer- carien in den hier aus Helix pomatia abgebildeten Schläuchen, Cercaria sa- gittifera, sind geschwänzt, N 3) H. Meckel v. Hemsbach, Mikrographie einiger Drüsenapparate nie- derer Tbiere. Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftl. Medizin. 1846. p. 2. Hat beim gedachten Trematoden nur das Wassergefässsystem im Ange. *) Siehe weiter unten. 5) Distoma renale aus Helix adspersa. 2. Mem. 1855. p. 19. 6) Wie oben. Zeitschr. f, wissensch. Zoologie. IV. p. 431. ?) Vergl. auch meine These 1, Trematoden u. Trematodenlarven, p.5l. Zur Entwicklungsgeschichte der Trematoden. 49 matia aufgenommen wurden, ohne übrigens in dieser Schnecke die ge- ringste Veränderung zu erfahren. Die von Ercolani in den drei erstgenannten Landschnecken ge- fundenen Formen sind von den früher beschriebenen ganz verschieden. Die Sporocysten bildeten ein Gewirr sehr langer Fäden um Einge- weide und Leber, bei den beiden ersten Schnecken sehr durchsichtig und verästelt, bei H. maculosa viel dunkler, indem die Schläuche oft innen schwärzlich waren, knotig und stielartig abgeschnürt. Die in- nere Auskleidung der Schläuche, lamina germinativa, ist zottig; die Keimkörner vertauschen im Wachsthum die runde Gestalt mit der hinten spitzen der Larve. Diese hät hinten, einen einzigen Fall, viel- leicht bei Erzeugung einer Sporocyste in Sporocyste, ausgenommen, einen Zapfen. In den abgeschnürten, Sporocysten erreicht die Brut eine grössere Vollendung als in den zusammenhängenden. Die Meinung von de Filippi und Moulinie, dass die frei oder eneystirt in Landschnecken vorkommenden Trematodenlarven stets von in denselben Schnecken wohnenden Redien stammten, ist nach Er- colani ebenso wenig haltbar, als die der spontanen Entstehung bei Dujardin. Ercolani fand deren häufig 1—4 in verschiedener Ent- wicklung bei Helix carthusianella, ohne dass ein einziges Mal der Nach- weis einer Sporocyste oder Redie möglich war. Zugleich ergab sich, dass die daneben wohnende Helix maculosa fast niemals infizirt und an anderer Stelle auch H. carthusianella frei war. Die Infektion war demnach vielleicht an die Art, sicherer an den Ort gebunden, sie hatte nur sporadisch stattgefunden. Das verringere sehr die Wahrschein- lichkeit des Geschehens durch wimpernde Embryonen und im weiter gewöhnlichen Verlauf bis zur Encystirung. Wie eigentlich Dujardin'), welcher doch annahm, dass sein Dist. migrans der Spitzmäuse aus einem Distoma von Limax agrestis und rufa hervorgehe, und sah, dass es Eier habe, darüber gedacht habe, was aus diesen Eiern werde, ist unverständlich. !) F. Dujardin, Histoire naturelle des Helminthes ou vers intestinaux. 1845. p. 408 u.472; Annales des sciences naturelles Il. Ser. XX. Zool. 1843. p. 341. Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. III. 4 50 H. Alex. Pagenstecher: Solehe Larven ohne Keimschläuche fand Zrcolani frei und en- eystirt in Helix carthusianella und Pupa triticum in einer grossen und einer kleinen Form. Er blieb unsicher, ob sie spezifisch von einander und von denen bei Dujardin und bei Meckel zu unterscheiden seien. Wären sie durchaus in verschiedenen Wohnthieren gefunden, so würde Niemand an der Spezifizität zweifeln. Der Hauptunterschied sei, dass bei den grossen die Darmschenkel minder lang seien, als bei den kleinen. Die kleinen kamen nicht im Wasserfrosch und der Eidechse, aber, wie es schien, in Kröten zur Weiterentwicklung, sicher aber nach der Gleichmässigkeit und der Proportion der Grösse zur Zeit bei der Ringelnatter, deren gewöhnliches, den Magen bewohnendes Distoma allostomum Diesing durch die Aehnlichkeit mit dieser Larvenform zu Versuchen einlud. Wurden sie dann aus der Natter in den Frosch übertragen, so hielten sie sich auch im Magen, blieben zwar agam, nahmen aber doch an Grösse zu. Mit diesen Landschneckendistomen beabsichtigte Versuche an Schafen mussten wegen der Jahreszeit verschoben werden. Von den im Januar durch Leberseuche sehr abgemergelten Schafen aus Nieder-Ferrara entnommenen Leberegeln, in Grösse von Amm auf- steigend, angeblich das Wassergefässsystem erst bei 6—8 mm Körper- länge zeigend, hatten auch die erwachsenen keine Eier, als ob sie nur eine bestimmte Periode der Geschlechtsthätigkeit hätten. Ercolani versprach sich nach diesen ziemlich befriedigenden Uebertragungsversuchen noch bessere Erfolge mit den Distomen, welche für gewöhnlich beim Wasserfrosch und der Ringelnatter schmarotzen. Der vorbereitenden Untersuchung über die Charaktere dieser Parasiten schien ein Hinderniss zu erwachsen aus dem Vorkommen sehr zahl- reicher agamer Distomen in dem Verdauungskanal gedachter Thiere. Solche sind vordem als besondere Arten beschrieben, oder als erratisch, oder als Junge, deren erwachsene Stände in denselben Wohnthieren vorkämen, aber noch nicht bekannt seien. Hingegen dachte man, wie Ercolani annimmt, nie, dass Distomen in den Därmen von Wirbel- thieren vorkämen, welche daselbst für eine unbestimmte Zeit leben könnten, ohne doch über einen niederen oder höheren Larvenstand Zur Entwicklungsgeschichte der Trematoden. 51 hinauszukommen. Dass solches geschehe, sei, wie schwer bei anderen Wirbelthieren, so leicht bei Nattern und Fröschen festzustellen. Im Darm der Schleie fand Krcolanı oft eine Menge kleiner agamer Di- stomen, nach Nordmann D. perlatum, andere Male erwachsene. Hätte man solche vermischt gefunden. so würde man die einen leicht von den anderen abgeleitet haben; da jedoch die agamen sich durch den ganzen Darm, also zu verschiedener Zeit eingeführt fanden, Di- stomen sich sehr rasch entwickeln, so könne man die agamen nicht für an dieser Stelle entwickelbar halten, ausser es müssten besondere Umstände eine Hemmung bedingen, was Zreolani wohl für Distomen der Frösche, aber nicht für D. perlatum anzunehmen geneigt ist. Es ist z. B. nach den Erfahrungen mit Trichinen ganz wohl zu- zugeben, dass auch Distomen in einigen anderen als ihren richtigen Wohnthieren einer gewissen Entwicklung und Lebensfähigkeit geniessen, ohne die volle Höhe der Entwicklung zu erlangen. Mir hat die Setzung von Cysten, welche in einer Froschart ausschlüpften und heranwuchsen, in eine andere Froschart, mehreren Untersuchern hat die Verfütterung von Cysten an unrichtige Vögel dafür Beispiele gegeben. Dieses vorausschickend, hat Krcolanı in dem dritten Theile seiner Schrift zu zeigen versucht, wie Trematoden sich verschiedenen Wirthen anzupassen vermögen, damit im Vorhergehenden Angedeutetes fester be- gründend. Die Anpassung könne auch bei Uebertragung erwachsener geschehen. Die übertragenen Arten suchten im neuen Wirth die gleichen Organe auf, welche sie im alten einnahmen, so aus der Natter in Frosch Distoma allostomum den Magen, D. mentulatum und D. signatum den Darm. D. allostomum, welches, direkt in Frösche gebracht, verdaut wurde, pflegte sich, wenn aus der Natter übertragen, rasch zu entwickeln, aber nicht zu ändern. Von den vom Frosch in die Natter übertragenen Arten schien sich D. retusum am besten zu befinden und wuchs in wenigen Tagen auf das Doppelte. So schien bewiesen, dass ein Parasit durch kurzen Aufenthalt in dem richtigen Wohnthier die Fähigkeit zum Aufenthalt in einem anderen erlangen, auch im neuen Wohnthier günstigere Bedingungen finden könne. Beachtenswerthere Daten für die Anpassung entnahm Preolani 4* 59 H. Alex. Pagenstecher : bei Uebertragung ganz agamer oder unvollkommener Distomen, wie sie erratisch so gewöhnlich bei Natter und Fröschen vorkommen. Um einen festen Faden für die Experimente zu haben, sah er sich zu- nächst nach den Charakteren der agamen und der geschlechtsthätigen Distomen der Natter und der Frösche um. Bei der Natter finden sich kleine agame Distomen, welche bei aller Aenderung in Grösse, Gestalt, Organisationshöhe durch einen grossen, dreilappigen, mit schwärzlichen Körnern gefüllten Endbehälter des Wassergefässsystems ausgezeichnet sind, neben Distoma signatum Dujardin und D. mentulatum Rudolphi, ohne dass sich erkennen liess, von was für Larven solche stammten. D. mentulatum war auch in seinen jüngsten Stadien nicht mit den agamen Distomen der ersten Kategorie zu verwechseln. Dist. signatum war zwar nur durch die Y-Form .des Reservoirs und den Mangel an Concretionen zu unterscheiden, aber man dürfe nicht da- ran zweifeln, dass die Larven der ersten Kategorie, welche sich durch den ganzen Darm finden, etwas anderes als diese Art seien. Ueber- trug man nun jene in den Verdauungskanal der Frösche, so verloren sie in 12—-24 Stunden die Körner des Endbehälters und wuchsen. Genaue weitere Verfolgung wurde vereitelt zunächst durch die Menge agamer und unvollkommen entwickelter Distomen im Darm der Frösche und, als man Notizen gesammelt hatte, um von den präexistirenden die eingeführten Experiment-Distomen unterscheiden zu können, durch den Mangel an Nattern. Die beobachtete Veränderung nennt Zrcolani eine Anpassung an die Umgebung. Mir scheint dieses Wort mit seiner jetzt gewöhn- lichen Bedeutung hier nicht anwendbar zu sein. Der Schwund der Concretionen ist eine direkte Folge der Verhältnisse in der Umgebung und’ wird ermöglicht durch die bei reichlicher Feuchtigkeit gegebene bessere Durchspülung der Harngefässe. Das Distoma im Frosch scheint sich zum Distoma in der Schlange verhalten zu haben, wie das Amphibium selbst zum Reptil. Dort flüssiger Harn, hier ein Brei von Körnern, solches auch wohl noch abhängig von den das In- dividuum zur Zeit treffenden Umständen, welche sich Jeder ausdenken kann. Eine Harnentleerung oder Verwässerung pflegt man ebenso Zur Entwicklungsgeschichte der Trematoden. 53 wenig als eine Abmagerung aus Futtermangel eine Anpassung zu nennen. Darum verlieren übrigens diese Beobachtungen keineswegs ganz ihr Interesse. Die Besonderheiten des Distoma mentulatum in Bestache- lung, kleinerem Bauchnapf, weit hinaufreichenden Endstämmen des Wassergefässsystems, rundovaler Körperform und einem eigenthümlichen Parenchym des Hinterkörpers durch dunkelwandige Blasen gestatteten, diese Art, wie von dem agamen Individuum der ersten Kategorie zu unterscheiden, so auch nach Uebertragung im Frosche leicht zu ver- folgen. An ihm glaubt dabei Krcolanı den Beweis erhalten zu haben, dass solche übertragene Distomen unter einer gänzlichen Veränderung der Gestalt und Disposition der Organe gegenüber dem, was sie in normalem Wirthe geworden wären, in einem anderen Wirthe reif werden können. Das D. mentulatum soll, unter Kennbarkeit vorzüg- lich durch das Parenchym, in Fröschen sich vorn verschmälern und in zwei Tagen die doppelte Länge erlangen, wobei der Bauchnapf sich weiter zurück verlege, am dritten Tage schon einige Eier und einen kurzen Penis zeigen, während sonst für D. mentulatum und D. signatum die Länge des letzteren Organs als Auszeichnung hervorgehoben wird, am fünften Tag ganz vollendet sein, nun aber subelliptisch, statt in die Länge gezogen, ganz bestachelt, statt nur vorn, mit den Eiern auf einem Klumpen hinter dem Bauchnapf, statt der schnurförmigen Ei- leiter, sehr ähnlich dem dem Frosche eigenthümlichen Distoma clavi- gerum, besonders der von Ercolani bei diesem unterschiedenen Va- rietät mit relativ langen Darmschenkeln, unterscheidbar besonders durch die abgeplattete, mehr elliptische und hinten wie kurzge- schwänzte Form. Die hier angegebenen Differenzen der Gestaltung im normalen und im aussergewöhnlichen Wirth lassen sich, wie es mir scheint, sämmtlich daraus erklären, dass das beregte Distoma zwar im Frosche eine grössere Menge Flüssigkeit finde und dadurch zunächst, besonders auch im vorderen Theile, unter Quellung sich vergrössere, später aber in der normalen Zunahme des Hinterkörpers mangels der ihm ganz konvenirenden Lebensbedingungen zurückbleibe.. Die Zu- nahme des Hinterkörpers bei Entwicklung der Geschlechtsprodukte 54 H. Alex. Pagenstecher: schiebt, wie ich seiner Zeit gezeigt, den Bauchnapf relativ vor, sie macht die Bestachelung zerstreuter und lässt sie zum Theil ausfallen, sie zieht den Eileiter in die Länge, verschiebt die Lage des Recep- taculum penis und Samenbehälters. Diesing!) stellt überhaupt D. men- tulatum unter die unbewaffneten Distomen, aber es ist wohl nicht zu bezweifeln, dass Zrcolani diese Spezies vor sich gehabt habe, da die bewaffneten Distoma assula Dujardin und D. signatum Rudolphi?) der Natter beide einen grösseren Saugnapf, von Grösse des Mund- napfes, haben. Dass eine der eben geschilderten Anpassung bei künst- licher Uebertragung gleiche auch im natürlichen Verhalten in grossem Maassstabe vorkomme, glaubt Zreolani aus der verschiedenen Beschaf- fenheit der beim Frosche als Distoma elavigerum gehenden Individuen schliessen zu dürfen. Die Entwicklung der von ihm für Distoma signatum gehal- tenen Art in der Natter verfolgend, sah Ercolani die hier nicht drei- lappige Caudalblase sich verengern, den Körper sich verlängern, den Darm deutlicher werden, dann die Hoden sich entwickeln, erst zwei hintere, dann einen vorderen, die „vesikulöse“ Beschaffenheit des D. men- tulatum nie, die Bestachelung erst später auftreten. Bei der hier, wie an anderen Stellen aufgeführten Dreizahl der Hoden ist Brcolanı im Irrthum älterer Autoren gewesen, indem er den Keimstock als Hoden rechnete. Das Distoma naja Zudolphi, welches bei Diesing®) unter den unbestachelten zählt und in der Lunge der Natter lebt, bis dahin nur im erwachsenen Stande beschrieben, hält Ercolani, nachdem er davon auch junge gefunden, für identisch mit D. signatum, nur durch den anderen Aufenthaltsort modifizirt, vorzüglich dahin, dass in der Lunge die Darmschenkel an Länge sehr zurückbleiben und die Penistasche vor dem Bauchnapfe statt hinter demselben liegt, während der Eileiter in den Thieren aus beiden Wohnsitzen bedeutend lang ist. Ich glaube durch den eben gewählten Ausdruck gegenüber Hrcolant, welcher sagt, ') C. M. Diesing, Systema helminthum. I. 1850. p. 355. Nr. 70. ?) Ibidem p. 390 Nr. 177 u. 178. ?) loco eitato. p. 348. Nr. 49. Zur Entwicklungsgeschichte der Trematoden. 55 im einen Falle läge der „Penis“ über, im anderen Falle unter dem Saugnapf, da sich je nach Füllung des Hinterkörpers wohl die Lage des Receptaculum in der Tiefe verändern kann, aber weit schwieriger und nicht wohl in solchem Grade die Mündung desselben und die Vorbringstelle des Penis verlegen, mit Recht die Unterschiede so weit gemindert zu haben, dass das meiste sich aus ungleicher Um- gebung erklären liesse. Doch habe ich nach den Abbildungen wegen der relativen Grösse des Bauchnapfes erhebliche Bedenken über die vermeintliche Identität und meine auch, es müsse ernstlich erwogen werden, ob nicht für das Gelangen in die Lunge anders geartete Jugend- stände geeignet seien, als für das in den Magen und Darm. Den jungen Individuen von Distoma naja fanden sich reich- lich untermischt anders gestaltete, für welche man wegen des Vorkom- mens am gleichen Platze wohl hätte denken können, sie seien der erste Zustand des D. naja, für welche jedoch der Mangel an Fortschritt in einer über einen Monat lebend bewahrten Natter diese Vermuthung ausschloss und sie als agame Formen darstellte, welche wohl an dieser Stelle zu leben, aber nicht sich zu entwickeln vermögen. Diese Di- stomen sind plump oval, vorn etwas gespitzt; der Mundnapf ist etwas kleiner als der ziemlich centrale Bauchnapf, das Parenchym mit glän- zenden Bläschen (Fett?) gefüllt. Waren etwa ihre Besonderheiten nur Folge des Fastens der Natter? Für die Distomen im Darme der Frösche erachtet Ereolani die bisherige Unterscheidung von D. clavigerum Kudolphi, D. retu- sum Dujardin, (welches ich bei uns nicht gefunden oder zu unter- scheiden für nicht nöthig gehalten habe) und D. endolobum Du- jardin (dieses vorzüglich beim grünen, die anderen beim braunen Frosch) für nicht ausreichend. Auch fand er im Darmschleim zahl- reiche ganz agame oder unvollkommen entwickelte Distomen, abzuleiten von freien oder encystirten Cercarien, welche mit ungleichem Glück sich dem Aufenthalt anzupassen bemüht sind. Sei für die permanent agamen Distomen im Darm der Natter die dreilappige Gestalt des Exkretionsreservoirs, d. h. Blähung des einfachen Endraums und der beiden Hörner in einiger Abschnürung von einander, ein gemeinsames 56 H. A. Pagenstecher: Zur Entwicklungsgeschichte d. Trematoden. Merkmal gewesen, so komme den Distomen des Froschdarms, agamen, wie sich entwickelnden, durchaus die Bestachelung des Vorderkörpers zu. Es ist nicht möglich, jede einzelne Darstellung Ercolanı's in Wort oder Bild darauf zu prüfen, ob die agamen mit Recht anders zu betrachten seien, denn als unfertige Exemplare der gedachten erwach- senen, bei Fröschen bekannten Arten, vielleicht zu früh in den Frosch gekommen, um überhaupt reif zu werden, und welcher Werth den Beobachtungen von mangelndem Penis, verkrüppeltem Darm, Mangel eines Hodens u. dgl. bei einzelnen Individuen zukomme. Von der Nothwendigkeit, neue Arten zu machen, habe ich mich nicht über- zeugen können. Agame, bestachelte aus Fröschen in zwei Nattern übertragene Individuen (ohne Angabe der Art der Frösche; nach Proportion der Näpfe wahrscheinlich D. clavigerum), wuchsen in den neuen Wirthen in drei Tagen in linearer Gestalt, hatten aber um diese Zeit noch keine Spur der Geschlechtsorgane. In einer erst nach fünf Tagen getödteten Natter hingegen wurde ein, wie mir scheint, hierher zu beziehendes Distom gefunden, welches bei 1,5 mm Länge es zur Geschlechtsreife gebracht hatte. Auf die Zusammenfassung, mit welcher Zreolani seine Arbeit beschliesst, bei diesem an sich übersichtlicheren Bericht wiederholend einzugehen, ist entbehrlich; in jener Arbeit berührte Punkte nicht betreffende Fortschritte der Kenntniss der Trematodenentwicklung zu erörtern, nicht mein Zweck. Ich will nur noch beifügen, dass eine kürzere Besprechung der Arbeit Brcolanis durch C. Emery') mir soeben bei Vollendung dieses Berichtes zu Gesicht gekommen ist. !) Biologisches Centralblatt von J. Rosenthal. I. I. 1881. p. 104. u | wb} Ueber die Hirsche. Vorgetragen bei der Feier des 25jährigen Bestehens des Vereins am 30. Dezember 1881. Von H. Alex. Pagenstecher. Indem ich dem Vereine 30 Originalaquarelle vorlege, auf welchen ich von den Malern Ü. F. Deiker in Düsseldorf und Josef Smit in London Hirsche verschiedener Art in Gruppen, fast durchweg nach dem Leben habe darstellen lassen, knüpfe ich daran einige Bemer- kungen über die Eigenschaften der Familie der Hirsche. Diese von der Poäösie des Waldes umworbene, Grazie mit Kraft, scheues Wesen mit Zutraulichkeit merkwürdig paarende Thierfamilie erregt in hohem Grade auch das Interesse des wissenschaftlichen For- schers. Reich an Arten und in ausgedehnter geographischer Verbrei- tung zeigt sie allerlei Eigenschaften in Entwieklungsreihen und ge- währt ein Musterfeld für Studien über Descendenz und Anpassung. Der Ableitung definitiver Schlüsse über den Stammbaum der Familie, über die Begründung von Modifikationen des Baus durch Lebensverhältnisse, über die Quellen der jetzigen faunalen Vertheilung stellen sich allerdings Schwierigkeiten in den Weg, indem, wie das auch in anderen Fällen zu geschehen pflegt, die auf Grund der ein- zelnen Organe festgestellten Beziehungen nicht nothwendig zusammen- fallen. Der Reichthum in der Gestaltung und die Menge der Arten machen solches in dieser Thiergruppe besonders deutlich. Die Lösung kann nur auf Grund des Prinzipes gewonnen werden, dass die Organe in der Folge der Individuen sich nicht auf einem regelmässigen Wege in gleichsinniger oder in antithetischer Bewegung befunden haben, 58 H. Alex. Pagenstecher: sondern ein jegliches eigenthümlich in einem Schwanken vorwärts oder rückwärts jederzeit allen Umständen gerecht geworden sei, welche direkt oder indirekt in Zuchtwahl auf sie wirkten und von welchen die Beziehungen zu anderen Organen nur einen Theil ausmachten. Ob ein Organ den endlichen Standpunkt fortschreitend oder rückschreitend gewonnen habe und auf welches Organ darauf hin oder wegen seiner grösseren Wichtigkeit oder Beständigkeit ein höherer Werth für die Feststellung der Verwandtschaft gelegt werden müsse, das ist schwer » mit Sicherheit festzustellen und wird gewöhnlich nach wenig klaren Gesammtvorstellungen mit individuellem Takt geschätzt. Die Modifikationen der Eigenschaften innerhalb der Hirschfamilie schliessen sich an deren Abgränzung von den nächstverwandten Säu- gern. Von langer Zeit, von Aristoteles her gültige Charaktere der Hirsche sind das Wiederkaugeschäft, der Bau der Gliedmaassen, die Ausrüstung mit Geweihen. Die Studien der letzten Zeit haben diese Eigenschaften an immer mehr Einzelformen genauer verfolgt und die Wichtigkeit einiger anderer klar gemacht. Für das Wiederkaugeschäft muss man nicht nur die Einrichtungen des Magens, sondern auch die des Gebisses in Anspruch nehmen. Bei vollkommenen Wiederkauern ist der Magen durch eine. Einschnürung in zwei Hauptabschnitte, einen vorbereitenden und einen vollendenden, getheilt. Im ersten sondert sich der zunächst recipirende Pansen von der die Portionen zum Wiederkauen abmessenden Haube, im zweiten der Buchmagen, rauh und mit tiefen Taschen zwischen den Falten, vom schwach faltigen, weichen Labmagen. So giebt es vier Magen- abtheilungen. Durch Ausbleiben, wenn auch nicht, wie Flower für Tragulus und Hyomoschus gezeigt hat, der rauheren Beschaffenheit einer dritten Abtheilung, doch ihrer Abschnürung von der vierten, also den Mangel einer Abgränzung des Buchmagens, unterscheiden sich die Schwielen- füsser, Tylopoda, das sind Kamele und Llamas, sowie die sogenannten /wergmoschusthiere. Sie sind unvollkommene Wiederkauer mit nur drei Magenabtheilungen. Die Kamele waren schon wegen der den Boden mit einer Sohle der ganzen Reihe der Phalangen berührenden Ueber die Hirsche. 59 Füsse abgetrennt; sehr passend sind es nun auch die anderen Halb- wiederkauer, die Traguliden, nicht allein von den Hirschen, sondern auch vom Moschusthier, mit welchem sie einige Zeit, namentlich bis auf Rapp, innigst verbunden erachtet wurden. Vollkommene Wiederkauer entbehren gänzlich der oberen Vorder- zähne, welche man obere Schneidezähne zu nennen pflegt. Dieser Charakter darf nicht blos von negativer Seite angesehen werden ; der gedachte Mangel hat einen positiven Werth; durch ihn können die Mahlbewegungen der Backzähne, welche beim Wiederkauen allein in Betracht kommen, weit freier geschehen. Für Aufnahme des Futters sind durch ihn zwar die Wiederkauer an engere Bedingungen für Art und Reichthum gebun- den, als sie ohne ihn sein würden, hingegen um so besser im Stande» hastig aufgenommene grosse Massen rauher Pflanzenkost an sicherer Stelle in Ruhe nachträglich vollkommen nutzbar zu machen. In diesem Mangel stehen die Traguliden ganz zu den echten Wiederkauern. Die Tylopoda aber schliessen sich durch den Besitz von nicht eng zusammenschliessenden oberen Vorderzähnen näher an die Schweine, von welchen ihnen die Bisamschweine durch den Besitz eines dreitheiligen, übrigens anders eingerichteten Magens entgegen- kommen. Was den Magen innerhalb der Ordnung der Wiederkauer betrifft, so haben die Hirsche den Theil, welcher nach der individuellen Lebens- weise am meisten veränderlich ist, den Pansen, im ganzen klein, auch sind die Zellen der Haube nur mässig ausgetieft. Die Falten des Buchmagens sind auf Grund von zehn Hauptfalten in der Regel in vier, bei einigen, wie Damhirsch, Muntjac, Blastoceros nur in drei, bei Moschus nur in zwei Faltensystemen entwickelt. Im Vergleiche mit anderen Wiederkauern, unter welchen z. B. das Rind erwachsen 240 Blätter im Buchmagen hat, sind demnach die Hirsche nur mässige Mengen Nahrung aufzunehmen und der eben genossenen wie der neu mit Speichel gemischten und wiedergekauten Speise weniger Flüssig- keit zu entziehen oder minder wasserreiche Nahrung zu bewältigen eingerichtet, nicht so geeignet, lange zu fasten, kerniger Nahrung be- dürftig, aber auch weniger beschwert durch die Aufnahme der Malılzeit. 60 H. Alex. Pagenstecher: Damit steht in Verbindung, dass die Gallenblase, welche den- jenigen Säugern am sichersten zukommt, welche ihre Mahlzeit nur in grösseren Zwischenräumen aufnehmen, denjenigen am mindesten, welche in kurzen Unterbrechungen zu speisen pflegen, bei den Hirschen, wenn auch nicht unbedingt fehlend, doch viel seltener gefunden wird, als bei den Boviden, wie sie ebenso den Giraffen, Kamelen und Pekaris abgeht. Für das Gebiss ist noch etwas beizufügen. Die Tylopoden und Traguliden haben in den Oberkiefern starke Eckzähne, während be- kanntlich die Schweine oben und unten meist durch ihre Richtung auch zum Wühlen geeignete Hauer haben. Auch die Männchen der geweih- losen Hirsche haben starke obere Eckzähne, desgleichen der schwächst geweihte Hirsch der alten Welt, Elaphodus, und die Muntjakhirsche. Minder starke besitzen einige gut geweihte Hirsche, andere, nament- lich die spezifisch amerikanischen, entbehren ihrer. Man hat ange- nommen, dass die Geweihe im Kampfe um die Weibchen die Eckzähne ersetzt hätten, aber die Ausbildung dieser beiden Organe ist nicht umgekehrt proportional. Während der Edelhirsch Eekzähne hat, fehlen solche dem weit schwächer geweihten Rehbock so gut wie immer'), bei den nur Spiesse tragenden Pudua und Coassus sind sie schwach und unsicher. Es kann also die eine oder die andere, oder jede dieser beiden Geschlechtsauszeichnungen gering geblieben oder geworden sein; nur sind niemals die beiden zugleich stark entwickeit. Den Weibchen kommen diese oberen Eckzähne, trotz des Geweihmangels ausser beim Ren, seltener und schwächer zu. Da die hohlhörnigen Wiederkauer ihrer gänzlich ermangeln, wird man denken dürfen, diese hätten solcher Waffe sich eher entschlagen können als Wiederkauer mit zeitweise mangelndem und in der Neubildung noch unbrauchbarem Wechsel- geweih. Auch vom Mangel der Eckzähne ziehen Wiederkauer Nutzen durch grössere Freiheit im Mahlgeschäfte der Backzähne. Für die Gliedmaassen stehen die Hirsche mit den anderen Wieder- !) Doch z. B. gefunden von A. Kölliker; Würzburger naturwissenschaft- liche Zeitschrift. VI. 1866—67. p. 82, und R. Hensel; Archiv f. Naturge- schichte. XIX. 1. 1853. p. 23. Ueber die Hirsche. 61 kauern unter den Paarzehern. Mit diesem Titel ist passend der der Zweihufer unterdrückt und indem man auch das Flusspferd und die Schweine als Paarzeher oder Artiodactyla annimmt, die innige Zusam- mengehörigkeit zumal mit den letzteren ausgesprochen. Das Hufpaar nämlich, welches der dritten und vierten Phalangenreihe angehört und vorherrscht, kommt doch selten allein vor; solche Ausnahmen _ zer- streuen sich auf verschiedene Familien vollkommener und unvollkom- mener Wiederkauer: die Tylopoda, hier modifizirt durch das Auftreten mit der Sohle der ganzen Phalangenreihe, die Giraffe, Antilocapra, einige andere Antilopen, wie A. melampus, gewisse Schafrassen. Droole hat auch bei Cervulus unter den Hirschen nie Skeletttheile der Neben- hufe gefunden. Das Wesentliche ist die Symmetrie im Spiegelbilde an den Haupthufen. Zu diesen haben die weitaus meisten Afterhufe oder Achterhufe, welche der zweiten und fünften Phalangenreihe ent- sprechen. Damit reihen sich die Wiederkauer den Schweinen, den omnivoren Paarzehern an, unter welchen nur der Gattung Dicotyles hinten der äussere Nebenhuf fehlt. Die Traguliden bleiben diesen auch hierbei näher. Sie haben gleich den Schweinen relativ grosse Afterhufe. Das Laufbein für die zwei Haupthufe zeigt entweder, bei Tragulus und Meminna, deutlich durch Rinnen seine Verschmelzung aus zwei Mittelhand- oder Mittelfussknochen,, oder es sind, bei Hyo- moschus, diese beiden Elemente gar nicht verwachsen. Indem zu- gleich die Mittelhand- und Mittelfussknochen der Afterklauen von oben bis unten ausgebildet sind, entstehen tetradaetyle Füsse mit vier von der Wurzel bis zum Hufe reichenden, gleichwerthigen Reihen von Knochen, nur die innere und die äussere schwächer als die beiden mittleren. Von einer innersten Reihe, der des Daumens oder der srossen Zehe, findet sich bei Paarzehern, auch den Schweinen, keine Spur. Es ist kein Zweifel, dass im allgemeinen geringere Zehenzahlen aus den grösseren hervorgegangen sind; es ist jedoch nicht unvor- stellbar, dass ein Rückschlag in grössere Zahlen, wie er abnorm vor- kommt, sich auch wieder habe als Norm einbürgern können. Bei den Tylopoden ist die Zusammensetzung des Hauptlaufbeins aus zwei pa- rallelen Stücken durch eine Spaltung der unteren Rolle angedeutet. 62 H. Alex. Pagenstecher: Mit der Unifikation des Hauptlaufbeins geht Hand in Hand die Verlängerung dieses Theiles der Gliedmaassen, die grazile Erhöhung des Körpers, die Erhebung von Auge und Ohr zu fernhin reichender Leistung über den Boden, die Fähigkeit zu eiligster Flucht. Es ist leicht ersichtlich, wie das ineinander greift mit dem Austreten zu hastiger Nahrungsaufnahme auf üppig bewachsenen Gefilden und dem Wieder- kauen im verborgenen Lager, wie also der Gliederbau die Einrichtung der Wiederkauer vollendet. Die Ausführung der accessorischen Stücke an den Gliedmaassen, der Laufbeine und Phalangenreihen der Afterklauen, ist im ganzen bei den Hirschen reichlicher als bei den Hohlhörnern. Namentlich aber finden sich bei ihnen solche an den Vorderfüssen, an welchen sie überhaupt vollkommner vorkommen, nach zwei Schematen gebildet, von welchen es bei den Hohlhörnern nur das eine giebt. Entweder ist nämlich der untere, distale Abschnitt der accessorischen Mittelhand- knochen oder es ist der obere, proximale vorhanden. In jenem Falle ist das Stück mit der basalen Phalanx der Zehe durch Band verbun- den und diese Phalanx ist stark. Im anderen Falle zieht sich jener Knochen von der Fusswurzel aus nur eine Strecke neben dem Haupt- laufbein herab, lehnt sich an dieses und endet spitz, als Griffelbein, die basale Phalanx ist weit von ihm entfernt, unverbunden und schwä- cher als die mittlere und die huftragende. Drooke hat die Hirsche mit der ersten Einrichtung telemetakarp, die mit der zweiten plesiometa- karp genannt. Ganz durchgehende Nebenlaufbeine kommen bei Hir- schen nicht vor. Alle Hohlhörner sind, soweit überhaupt die Griffelbeine merklich, nicht in verkümmerten Spuren dem Hauptlaufbeine angewachsen sind, plesiometakarp. Die Griffelbeine der Rinder und schweren Antilopen sind plump, breit, kurz, die graziler Antilopen, z. B. A. mhorr und A. Soemmeringii, sind lang und abwärts grätenartig ausgezogen; die zwei Griffelbeine sind öfter ungleich in Grösse und gesondertem Vor- kommen; gewöhnlich wachsen sie im höheren Alter mindestens am oberen Ende an. Die zwei Schemata für die Nebenmetakarpen finden bei den Ueber die Hirsche., 63 Hirschen sich fast gänzlich in Uebereinstimmung mit der geographischen Vertheilung. Telemetakarp sind die Hirsche der neuen Welt, die ihr und der alten gemeinsamen, circumpolaren Elch und Ren, in der alten Welt nur das Reh, welches ohne eine nahe stehende Vertretung in der neuen Welt zu finden, sich in zwei wenig verschiedenen Formen durch Europa und Nordasien über eine ungeheuere Strecke verbreitet, und die beiden geweihlosen Hirsche Moschus und Hydropotes. Plesio- metarkarp sind die übrigen Hirsche der alten Welt, auch die mit der schwächsten Geweihbildung, Elaphodus und Cervulus, in der neuen Welt nur der dortige Edelhirsch, Cervuscanadensis, welcher sich dem europäi- schen und dem nordasiatischen Cervus xanthopygus auf das engste an- schliesst und welchen die Paläontologen in einem Theile der quaternären Hirschrasse Europas mehr zu erkennen geneigt sind, als den gemeinen Edelhirsch. Die Telemetakarpie hat also von ihrem amerikanischen Heerde aus in hohem Norden die ganze Erde umgriffen und ist daselbst allein vertreten. Der Zusammenhang der hochnordischen Formen unter ein- ander ist deutlicher als ihre Verbindung mit den amerikanischen ge- mässigterer Breiten. Die Telemetakarpie umzieht ein zweites Mal in der gemässigten septentrionalen Zone die ganze Erde. Sie verbreitet sich aus ihr in Amerika in mässiger Verschiedenheit der Gattungen mit zahlreichen Arten bis gegen die antarktische Spitze des Kontinents. Sie überschreitet jene Zone hingegen nicht in der alten Welt. Die wenigen daselbst mit ihr ausgerüsteten Gattungen sind von einander sehr verschieden, an Arten sehr arm, in anderen Punkten weit ver- schieden von den amerikanischen. Der Grad der Verwandtschaft scheint umgekehrt proportional der seit kontinentalem Zusammenhang ver- gangenen Zeit. Die Plesiometakarpie schiebt sich von der alten Welt mit einer einzigen Art in der neuen Welt ein zwischen die hochnordischen telemetakarpen und die der gemässigten Breiten. Sie tritt in der grössten Mannigfaltigkeit im östlichen Asien und auf dessen Inseln auf und überschreitet daselbst nur wenig den Aequator, wobei die natür- liche Grenze im Gebiete der Sunda und Molukken selbst bis zu den Marianen durch künstliche Verpflanzung unsicher geworden ist. Austra- lien, Neu-Guinea, Neu-Seeland besitzen keine eingeborenen Hirsche. 64 H. Alex, Pagenstecher: In Afrika sind sie nur in den nordwestlichen Winkel mit einer kleinen Edelhirschform und dem Damhirsch eingetreten, wahrscheinlicher im alten Zusammenhange dieses Gebietes mit Südeuropa als durch die Hand des Menschen gebracht. Die physiologische Differenz der Telemetakarpie und Plesiometa- karpie bestimmt sich dahin, dass jene eine breitere Handwurzel und ein feineres Ende des Vorderbeins, damit grössere Energie und Leich- tigkeit des Sprunges auch im Vorderkörper, diese einen breiteren und befestigteren Fuss, damit grössere Sicherheit gegen Ausgleiten, zumal an Abhängen, und Einsinken in sumpfiigem Boden gewähre. Die Plesiometakarpie macht ein Thier geeigneter zum Leben in lichten Ebenen, Weidegebieten, Steppen, Prärien, die Telemetakarpie zu dem in Bergwäldern, Sumpfgebüschen, Geländen, welche einen grossen Theil des Jahres mit Schnee und Eis bedeckt sind. Indem die Telemeta- karpie, wo sie bei Arten vorkommt, welche der alten Welt angehören oder mit angehören, besonders energisch auftritt, scheint sie hier mehr durch das Bedürfniss erwählt, in Amerika mehr durch die Kraft der Vererbung erhalten. Indem die Hohlhörner für diese Einrichtungen nur einem Theile der Hirsche gleichwerthig sind, stehen sie in minder inniger Verbindung mit den Schweinen als diese, sind auch hier die vollkommeneren Wiederkauer, obwohl zum Theil durch den schweren Bau an Flüchtigkeit hinter den Hirschen zurückbleibend. Wir wenden uns zu den Geweihen. Diejenigen echten Wiederkauer, welche weder Geweihe noch Hohl- hörner besitzen, schliessen sich innig denen mit Geweihen, nicht denen mit Hörnern an. Das gilt zunächst für Moschus. Dessen Anatomie wurde vor hundert Jahren von Pallas gegeben, in jüngster Zeit durch Flower, Bell, Garrod vervollständigt, nachdem dieses Thier 1869 zum ersten Male und seitdem, soviel ich weiss, im ganzen mit fünf Exemplaren lebend nach London gebracht wurde. Ihm fehlt keine der charakteristischen Eigenschaften der echten Wiederkauer, nicht das vollkommene Psal- terium, nicht der den schärferen Schnitt des Thorax bezeichnende Ursprung der linken Arteria subelavia von besonderem vorderen Aorten- Ueber die Hirsche: 65 stamm, statt vom Arcus aortae, nicht die Vertretung des Wadenbeins nur im untersten Stücke und die Minderung in den accessorischen Mittelfussknochen, nicht die für leiseres Geräusch empfindlich machende Aushöhlung der Bulla ossea des Schläfenbeins. Mit den Traguliden theilt es nur den Geweihmangel und die starken Hauer. Ihm allein kommt der Moschusbeutel zu. Die Vereinsamung dieser Art hat aufgehört, nachdem ein zweiter gänzlich geweihloser Hirsch bekannt geworden ist. Swinhoe gab 1865 die Nachricht, dass bei Chinkiang auf einer Insel des Yangtsye bei Hochfluth Heerden kleiner Hirsche mit rauhem Haar, starken Eckzähnen, schweineähnlichem Ansehen einzutreffen pflegten und bei sinkendem Wasser, wegen Steilheit der Ufer ausser Stande zu entrinnen, in Menge erlegt würden. Weitere Mittheilungen von Hamilton, Arnott, Gerard und Brooke stellten fest, dass es sich um eine neue Art, den chinesischen Wasserhirsch, Hydropotes inermis, handele. Am meisten überraschte, dass dieser Hirsch, während das Rothwild gewöhnlich nur ein Kalb bringt, Rehe nie mehr als zwei'), Damwild selten drei, in einer an die Schweine erinnernden - Fruchtbarkeit gewöhnlich deren vier bis sechs, zuweilen selbst sieben trägt. Ein von Cornely in Tours gehegtes Weibchen warf nur drei. Es muss an dieser Stelle genügen, zu bemerken, dass nach dem Bau des Schädels dieser Hirsch nicht, wie Swinhoe meinte, vornehmlich dem kleinsten Spiesshirsch Süd-Amerikas, dem Pudu, sondern, wie übereinstimmend Flower und Garrod gezeigt haben, den Rusa-Hirschen Indiens, diesen erheblich näher als das Moschusthier verwandt ist. Für die Frage, auf welchem Wege die, soviel wir wissen, in der Untermiozänzeit der Geweihe noch gänzlich entbehrenden hirschartigen Thiere zu solchen gekommen seien, giebt uns das Verhalten dieser und verwandter Kopfbewaffnungen in der Jetztzeit Folgendes. Im Kontraste stehen Hohlhörner, Oberhautverdichtungen auf Zapfen, welche den Stirnbeinen in vollem, festem Zusammenhange ständig auf- 1) O0. v. Lewis beobachtete allerdings (Der Zoologische Garten. 1879, p. 318.), dass eine Rehgais mit drei Kälbern ging; aber daraus lässt sich nicht folgern, dass sie alle drei seibst geworfen gehabt habe. Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie III. 5 66 H. Alex. Pagenstecher: sitzen, zu anfänglich mit behaarter Haut bedeckten periodisch aus- wachsenden und zu Knochen erhärtenden, nach Absterben der Haut von ihr gefegten, einige Zeit nachher von den ständigen Zapfen der Stirnbeine sich ablösenden somit abgeworfenen Geweihen. Jene kommen in der Mehrzahl der Arten beiden Geschlechtern, diese mit einer Ausnahme nur den Männchen zu; individuell oder rassenweise können beide ausbleiben. Erläuterungen geben in abweichendem Verhalten Antilocapra und Giraffe. Bei Antilocapra, deren Hörner, durch einen besonderen Vorder- zacken gegabelt, an das Geweih des Muntjac erinnern, sind. die Hornscheiden weit hinauf reichlich mit Haaren durchwachsen und werden, in der Härung vergleichbarer Weise, alljährlich abgeworfen, was bei anderen Hohlhörnern nur aussergewöhnlich vorkommt. _ Die Zapfen bleiben davon unberührt, nicht minder die Haut, welche unter der alten Scheide bereits mit jungem Haar und neuen Epiderm- lagen bedeckt ist. Es ist sehr verkehrt, diese Abwerfen dem der Hirsche gleichzustellen; es ist nicht einmal gleichwerthig dem Fegen dieser. Bei der Giraffe giebt es paarige Hörner, welche bestehen aus einem auf der Grenze von Stirnbein und Scheitelbein Jahre lang ab- gesondert aufsitzenden, erst in höherem Alter anwachsenden Knochen- stücke und dem an der Spitze mit schwarzem Haarbusche gezierten Hautüberzuge. Dazu kommt besonders bei Männchen weiter vorn eine unpaare Erhebung mit minderer Deutlichkeit einer abgesonderten Knochenunterlage. Die erste Geweihanlage bei einem Rehböckehen zeigt unter be- haartem Ueberzuge den Stirnbeinen kontinuirliche Stirnzapfen, an deren Spitze ein winziges Buckelchen von Knochensubstanz ; dieses und in dessen späterer Fortbildung das Geweih verwächst für einige Zeit fest mit dem Zapfen, um sich später von ihm zu lösen. Die Organe der Giraffe erscheinen im Vergleich hiermit als Geweihe, welche aber nicht gefegt, abgeworfen und erneuert werden, und welchen eigentliche Zapfen fehlen. Die Hohlhörner haben also Zapfen ohne Geweihe, die Hirsche Zapfen mit Geweihen, die Giraffen Geweihe ohne Zapfen. Ueber die Hirsche. 67 Wie unter den Hohlhörnern bei Antilocapra aussergewöhnlich stark, so tritt die Periodizität des Bildungsvermögens bei den tropischen Hirschen, wie es scheint, besonders beim Muntjak, minder sicher auf. Man hat diesen Hirsch auch abwerfen sehen, ohne dass er nur voll- ständig gefegt hatte. Die frühsten bekannten geweihten Hirsche im Mittelmiozän Frank- reichs und Deutschlands und in ziemlich gleichem geologischen Hori- zonte in Nord-Amerika, Procervulus, Dierocerus, Cosoryx, hatten ein ‘sehr kurzes Geweih mit einer nach vorn gerichteten und höchstens einer zweiten Sprosse,. sehr ähnlich dem der lebenden Muntjaks. Vielleicht warfen sie die Geweihe überhaupt nicht ab. Zum Theil waren sie tetradaktyl. Von dieser Periode an sind allmählich üppigere und ver- schiedenartigere Geweihe gekommen. Brooke ‘) nimmt an, es hätten, nachdem tetradaktyle, geweihlose Hirsche sich von einem geographischen Centrum, wahrscheinlich im Osten der alten Welt und in Indien westlich nach Europa und östlich nach Nord-Amerika verbreitet hatten, sich die Frontalfortsätze gebildet, allmählich verlängert und gablig verästelt, es habe dann der grosse Vorzug eines Ersatzes durch Nekrose des Knochens verlorener und beschädigter Geweihe das Wechselgeweih im Kampfe um das Dasein siegen lassen. Mir scheint, es sei in der zeitlichen Entwicklung das Geweih durchaus nicht als eine Metamorphose der Stirnzapfen. sondern als ein Gebilde für sich aufgetreten, da jener ganz dem Schädel, dieses ganz der Haut angehört, beide zwar gewöhnlich, aber durchaus nicht nothwendig in Combination, sogar in einiger Antithese gefunden werden, indem Elaphodus und Muntjakhirsche auf langen Stirnzapfen sehr schwache Geweihe besitzen, auch während des Heranwachsens eines Hirsches das Geweih sich verstärkt, der Stirnzapfen oder Rosenstock aber sich verkürzt. Die Zapfen der Stirnbeine dürften sich bei Wiederkauern nur !) Baronet Sir Vietor Brooke, Proceedings of the Zoological Society of London. 1878. p. 383: Ueber die Klassifikation der Hirsche mit Uebersicht über die lebenden Arten. 5 * 68 H. Alex. Pagenstecher: dann gebildet haben, wenn eine Modifikation der aufliegenden Haut bereits gegeben war oder indem diese zugleich entstand. Horn- artige Modifikationen der Haut sind im Vorkommen nach Thierarten und Körpertheilen in normalem und abnormem Vorkommen sehr ver- breitet und können als ein allgemeiner Grund angesehen werden, aus welchem sich die normalen Hörner entwickelten. ZLebert!) konnte be- reits vor 20 Jahren fast 100 Fälle von Hauthörnern nur beim Menschen und davon fast die Hälfte an Kopf und Stirn registriren. Eines, welches ich selbst zweimal vom Kopfe einer Frau absägen half, das erste Mal S—9' lang, glich vollständig solchen, welche bei gewissen Schafen beweglich, ohne von Zapfen gestützt zu sein, vorkommen. Oliger Jacobeus?) hat Hörner, welche aus den beiden Ohren eines Pferdes heraus gewachsen waren, ein ungeheures hüfähnlich plumpes in der Seite eines Schafes, auch Hörner von Hasen, welche angeblich mit dem Schädel zusammenhingen, abgebildet. Diejenigen freilich, welche im Gazophylacium rerum naturalium ®) als von Hasen her- rührend stehen, scheinen missgestaltete von Rehen, den Hasen künst- lich aufgesetzt gewesen zu sein. Das angeblich einem genau beschrie- benen Fohlen entnommene, 3 Ellen lange, daselbst ist ein Narwalstoss- zahn. Valisneri hatte ein Horn, welches in Venedig auf dem Kopfe einer Katze gewachsen war *). Erst unter Wucherungen der Haut, besonders der Oberhaut als ererbter Norm zeigen sich die Skeletttheile gleichfalls durch Vermehrung der Knochenmasse verändert, nicht nur bei Stirnhörnern, auch bei Nashörnern, bei Wangenschwielen, Bekleidungen der letzten Phalangen, Gesässschwielen u. a. An jeder Stelle nimmt die Modifikation eine dienliche Gestalt an, auf den Stirnbeinen der Wiederkauer die be- sonders ausgezeichnete der Zapfen. 1) Lebert, Ueber Hauthörner; 39ster Jahresbericht der schlesischen &e- sellschaft für vaterländische Kultur. 1862. p. 107. ?) Museum regium Frideriei quarti, auctore accurante J. Lauensen, Havmae 1710. Tab. III. IV. 3) Leipzig 1733. Tab. XII. *) Hamburgisches Magazin. XV, 5. St. 1755. p. 523. Ueber die Hirsche. 69 Man muss hiernach die Zapfen als sekundäre, die Hornschwiele, aus welcher ein solides, erst bei Gegenwart eines Zapfens hohles Horn wurde, einerseits, die Bindegewebsvermehrung, Knorpelbildung, endlich Hautverknöcherung mit behaartem Ueberzuge, aus welcher ein nach Ausbildung eines Zapfens mit diesem verwachsendes Geweih wurde, andererseits als primäre Gebilde ansehen. Damit lassen sich alle Wieder- kauer nach einem sehr einfachen Stammbaum verbinden und begreift man, dass Hohlhörner und Hirsche zu gleicher geologischer Zeit im Miozän entstehen konnten, nicht die letztere Familie, deren Geweihe, so- weit ich Brooke verstehe, nach dessen Meinung ein neueresOrgan sein müssten, während doch die Füsse älter sind, aus der ersten hervor- zugehen brauchte. Aber auch dahin wird man Drooke’s Meinung modifiziren müssen, dass man annimmt, ein Fegen des Geweihs sei erst dann regelmässig eingetreten, als die Steigerung der Periodizität in Ernährung und Ausgaben des Körpers zugleich den Ersatz sicherte. Dass bei den Wiederkauern gerade die Stirnbeine der Ort für die gedachten Bildungen geworden sind, wird sich wohl daraus erklären, dass sie nach dem ganzen Baue der Thiere die für den Angriff ge- eignetste Stelle bieten, kann aber hier nicht untersucht werden. Die Besonderheiten der Geweihe sind das auffälligste Merkmal der Hirscharten. Einige erzeugen im Geweihwechsel ein ebenso einfaches Geweih, als sie es zuerst produzirt hatten, immer wieder einen Spiess, in China Elaphodus, in Südamerika Pudua und Coassus. Der Spiess der älteren ist nur ein wenig grösser. Diese Grössenzunahme würde auch ohne Fegen und Abwerfen des Geweihs eintreten können. Bei den übrigen komplizirt sich das Geweih im Wechsel durch Gabelung zu Gestalten, welche zum grössten Theile an einem stabilen Geweih aus dem Spiesse nicht würden erwachsen können. Man hat einige Arten, welche nicht über den Gabler, viele, welche, in Zusammenzählung der Enden beider Seiten nicht über den Sechsender und Achtender hinaus kommen; andere bringen es weiter, bis endlich Bucervus gewöhnlich 20 Enden erreicht und bei den Edelhirschen normale Geweihe gar bis zu 50 Enden, monströse 70 H. Alex. Pagenstecher: mit bis 66 Enden !) gefunden worden’sind. Die Zahl der erreichten Sprossen ist für die verschieden zählenden Arten nicht absolut und nicht ohne Vermittlung. Ein Beispiel der Minderzahl gegen die Norm geben die Edelhirsche der Mittelmeerinseln und der Berberei, für die Mehrzahl die vorliegende Abbildung eines achtendigen Molukken- hirsches aus der Rusa-Gruppe. Je später nach den klimatischen Verhältnissen die Geschlechtsthätigkeit eintritt, je stärker die Perio- dizität in der Ernährung sich geltend macht, um so sprossenreicher wird das Geweih. Das zackenreiche Geweih erscheint als ein Produkt stark kontinentaler Regionen in gemässigten und hohen Breiten. Es würde uns heute zu weit führen, wenn ich in die Einzelnheiten der Geweihbildung eintreten wollte °), ich will nur erwähnen, dass vorzüg- lich die Nothwendigkeit, Schnee zu beseitigen, die Schaufelbildung®), dass der Kampf im Anrennen die Augensprosse und der mit Schlagen die hinteren Theile des Geweihs zu bevorzugter Entwicklung gebracht zu haben scheinen. Die Rehe als telemetakarpe Hirsche der alten Welt, abgesehen von den circumpolaren, lassen sich nach der geringen Grösse und be- schränkten Verästelung des Geweihs wohl mit den südamerikanischen aber nicht mit den telemetakarpen nordamerikanischen vergleichen. Sie trennen sich aber von allen der neuen Welt und stehen zusammen mit denen der alten Welt und dem Elen durch einen Charakter des Schädels, indem durchweg in der neuen Welt und beim Ren das Pflugscharbein den Nasengang bis in die Choanen halbirt, durchweg in der alten Welt sich minder weit erstreckt. Die physiologische Be- deutung dieses Merkmals ist noch nicht aufgeklärt. !) v. Friesen, Uebersicht der Hirschgeweihsammlung im Königlichen Jagdschlosse Moritzburg in Bezug auf Grösse und Stärke; Sitzungsbericht der naturwissenschaftlichen Gesellschaft Isis zu Dresden. 1870. p. 83. ?) Ich kann dafür verweisen auf meine: Allgemeine Zoologie. IV. 1881. p: 849—866. 3) Ein Beispiel von schaufelförmiger, gezackter Bildung der Augen- sprosse beim Edelhirsch habe ich abgebildet: Allgemeine Zoologie. IV. p. 356. Fig. 305, 13. Ueber die Hirsche. al Gray hat 1836 als Eintheilungsmoment bei den Hirschen die so- genannten Bürsten an den Hinterfüssen eingeführt. Es sind das durch die Anordnung der Haare sich verrathende Drüsenfelder, welche ich als mit der Minderung der Achterhufe verschobene Klauendrüsen betrachte. So fehlen sie dem Muntjak mit den Klauendrüsen der Haupthufe, auch Moschus, Elaphodus und auch einigen Hirschen der neuen Welt ganz, sind bei den Plesiometacarpen und den ihnen im Schädel verwandten Telemetakarpen nur an der Aussenfläche des Hinterfusses vertreten und hoch hinaufgerückt, bei dem Hauptstamme der Telemetakarpen aussen weiter abwärts angebracht und dazu nicht selten innen an der Fusswurzel vertreten. Dieses Merkmal geht also ziemlich proportional der Einrichtung der vorderen Füsse, ist auch nach der Funktion solcher Drüsen ihr physiologisch beigeordnet. Es wird genauer unter- sucht werden müssen, ob das Fehlen in einigen Fällen nur ein schein- bares sei, indem die Klauendrüsen der Achterhufe an der ursprüng- lichen Stelle vorhanden sind. Die meisten Hirsche haben im frühsten Lebensalter hellgefleckte Seiten. Während einige, am ausgezeichnetsten Axis und Dama vulgaris, minder namentlich noch die Arten von Pseudaxis. diese Eigenschaft zeitlebens behalten, oder, wie einige Cervus, im Sommer bemerken lassen, ist bei anderen die definitive Uniformität der Decke schon vor der Geburt erreicht, besonders beim Ren und Elen, auch bei südamerika- nischen, oder sind doch die Flecken auch bei jungen Thieren nur sehr unbedeutend, wie bei den meisten Rusa. Die Variabilität in dieser Beziehung ist übrigens, wie Damhirsch und Sika lehren, sehr bedeutend. Die auffälligere Zeichnung, welche das Kalb von der Mutter leichter finden lässt, und die minder auffällige, welche es den Nachstellungen entzieht, scheinen hier einen meist schwer zu entscheidenden Kampf geführt zu haben. Die Erhaltung der Flecken geht übrigens als Zeichen mangelnder Vollendung bei Axis und Dama zusammen mit dem Mangel bleibender Eckzähne. Ein tief greifender Unterschied in den Eihüllen trennt alle echten Wiederkauer von den Tylopoden, den Traguliden und den Schweinen. Jene bilden am Chorion die Gefässeinsenkungen in die Uterinwand SI W H. Alex. Pagenstecher: an zerstreuten umschriebenen Stellen, in Cotyledonen, diese kontinuir- lich auf dem grössten Theile der die Uterinwand berührenden Fläche. Die physiologische Bedeutung dieses Unterschiedes ist bis dahin, soviel ich weiss, nicht besprochen. Mir scheint die Befestigung durch Cotyle- donen für Thiere mit lebhafter Bewegung geeigneter zu sein, indem so nicht an einer Stelle der Eihaut die Erschütterungen ganz zur Geltung kommen können, sondern durch die unbefestigten Zwischen- räume gebrochen werden. Die einzelne Cotyledone ist dazu energischer mit dem Uterus verbunden als ein entsprechend grosser Fleck einer einheitlichen diffusen Placenta. Auch würde eine Störung an einem Flecke in dieser schlimmer wirken als an einer isolirten Cotyledone oder selbst Loslösung dieser. Die Hirsche haben die Cotyledonen in geringerer Zahl als die übrigen Wiederkauer, sind nach Garrod Olygocotyledontophora. Nach allem diesem stehen die Hirsche auf einer ein wenig nie- drigeren Stufe der Spezialisation, in welcher die Wiederkauer sich aus den artiodactylen Hufthieren herausgebildet haben. Die besprochenen Punkte habe ich wegen der eng bemessenen Zeit nach ihrem Wesen und ihrer Tragweite durchaus nicht vollständig ausführen können, andere von minder grosser oder minder vollständig erkannter Bedeutung gänzlich unberücksichtigt lassen müssen. 73 Ueber die Bewegungen des menschlichen Gehirns. Von Dr. K. Mays, Assistent am physiologischen Institut zu Heidelberg. Die Bewegungen des menschlichen Gehirns, wie sie bekanntlich an Schädeldefecten oder an den Fontanellen der Kinder beobachtet werden, sind in neuerer Zeit häufig graphisch verzeichnet worden und es hat namentlich Mosso') ein sehr einfaches Verfahren angegeben, dieselben aufzuzeichnen. Es besteht in Uebertragung der Bewegungen ‚mittels einer Luftsäule auf eine registrirende Marey’sche Luft-Kapsel. Dies Verfahren, nicht ganz ohne Mängel für die Untersuchung der feineren Details der Curven, ist genügend, um sehr wichtige Eigen- thümlichkeiten der Bewegungen zu constatiren. Ich habe die gleiche Methode an zwei mir zu Gebote stehenden Fällen von Schädeldefeeten angewandt und dabei Resultate erhalten, die theils mit den Mosso’schen übereinstimmen, theils davon abweichen. Eine ausführlichere Abhandlung mit den dazugehörigen Curven werde ich nächstens folgen lassen. Man erhält auf diese Weise Curvensysteme, die man in Curven erster, zweiter und dritter Ordnung trennen kann. Die Curven erster Ordnung sind sehr verschieden ausgeprägt: bald können sie minuten- lang gänzlich fehlen, oder nur als sehr kleine Unterschiede im Niveau der Gesammteurve sich geltend machen, bald treten sie in der Minute zu mehreren auf, können eine sehr bedeutende Amplitude haben und !) Ueber den Kreislauf des Blutes im menschlichen Gehirn. Leipzig 1881. 74 Dr. K, Mays: manchmal einen gewissen Rhythmus zeigen. Sie können Modificationen erfahren durch psychische Thätigkeit und im Schlafe. Die diesen aufgesetzten Curven zweiter Ordnung sind stets rhyth- misch und ihr Rhythmus ist parallel dem der Athmung. Im Allge- meinen steigt die Curve während der Exspiration und sinkt während der Inspiration. Wird der Athem angehalten, so verschwindet zunächst dieser Rhythmus, kehrt aber nach einigen, nicht ganz regelmässigen Anfangserscheinungen, noch während des Athemhaltens wieder. Ebenfalls rhythmisch sind die Curven dritter Ordnung, die sich im Allgemeinen mit dem Herzschlage synchron erweisen. Sie erinnern beim ersten Anblick an jene Curven, die man mit dem Sphygmographen an Arterien erhält und man kann sie als Organpulscurven bezeichnen. Ich habe wegen der Kürze der Zeit, in der ich meine Beobach- tungen anzustellen genöthigt war, auf die Veränderung der Form dieser Organpulscurven nicht soviel Gewicht legen können wie es Mosso gethan hat und kann nur in Bezug auf ihre Gestalt bemerken, dass ich seine als Regel hingestellte „Trieuspidalform“ nicht so häufig gefun- den habe wie er, woran individuelle Verhältnisse schuld zu sein scheinen, Dies sind im Allgemeinen die Charaktere dieser Curvensysteme und ich will nun zu Einzelheiten übergehen und mit den Schwankungen erster Ordnung beginnen. Von hervorragendem Interesse sind unter diesen Schwankungen jene die wir experimentell erzeugen können, die, wie Mosso gezeigt hat, von psychischen ‘Functionen abhängen. Mosso hat dabei schon einen Unterschied gemacht zwischen intellectueller Arbeit und gemüth- licher Erregung, hat jedoch diese beiden Geistesfunctionen nicht gehörig auseinandergehalten, und aus seinen Auseinandersetzungen geht nicht mit Schärfe hervor, wie gross der Antheil ist, den er jedem dieser Functionen zuschreibt. Ich habe nun gefunden, dass ein Zustand völliger Gemüthsruhe herbeigeführt werden kann, in dem eine intelleetuelle Arbeit ausgeführt werden kann, ohne dass die Curve erster Ordnung eine Schwankung zeigte, so dass, wenn eine solche bei derartigen Experimenten zur Beobachtung kommt, sie nur von begleitenden ge- müthlichen Regungen abhängig sein würde. Ueber die Bewegungen des menschlichen Gehirns. 1 ou Nicht minder interessant sind die Schwankungen erster Ordnung während des Schlafes. Ich kann dabei Mosso’s neueren Angaben durchweg beitreten. Bald sind hier die Schwankungen äusserst gering oder können ganz fehlen, bald ist der Schlaf durch grosse Schwan- kungen charakterisirt. Auch hier dürften wieder die gemüthlichen Regungen, von denen unsere Träume begleitet zu sein pflegen, die Ursache sein. Ich habe weiter die Beobachtung Mosso’s constatirt, dass äussere Reize und zwar besonders solche, die das Gehörorgan treffen, während des Schlafes zu Schwankungen der Curve Veranlassung geben können, woraus wir zu schliessen berechtigt sein dürften, dass durch solche Reize auch während des Schlafes Vorstellungen, Träume und damit verbundene Erregungen des Gemüthes ausgelöst zu werden pflegen. Mosso hat früher im Schlafe im Allgemeinen eine Verringerung des Blutgehaltes des Gehirns annehmen zu müssen geglaubt und folglich beim Erwachen eine Vermehrung desselben. Wie er sich nun aber später von der Inconstanz dieser Vermehrung beim Erwachen überzeugt hat, so habe auch ich gefunden, dass dies je nach der Tiefe des vorher- sehenden Schlafes sehr verschieden sein kann, so dass bald ein Sinken bald ein Steigen der Curven den Moment des Erwachens begleitet. Unter den Curven zweiter Ordnung sind es namentlich die bei angehaltener Athmung auftretenden, die einer Erklärung bedürfen. Sie scheinen mir aus verschiedenen Gründen den Hering ')- Mayer’schen ?) Schwankungen gleichzustellen zu sein, wenn sie auch in einigen Bezieh- ungen von diesen abweichen. Ich habe ähnliche, wenn auch nicht ganz gleiche Schwankungen auch an mir selbst und an meinem Collegen Ewald bei angehaltener Athmung an einer Arterie constatirt. Der Unterschied von den Hering’schen besteht hauptsächlich in einer un- zweifelhaften Betheiligung des Herzens an diesen Schwankungen. Burkhardt?) glaubt, die von Mayer am normal athmenden Thiere 1) Sitzungsber. der Wiener Acad. Bd. LX. II. p. 829. ?) Sitzungsber. der Wiener Acad. Bd. LXXIII. III. p. 281. ®) Ueber Gehirnbewegungen. Bern 1881. 76 Dr. K. Mays: gefundenen Wellen, die vom Athemcentrum abhängen, auch am mensch- lichen Gehirn beobachtet zu haben, jedoch muss man bei den compli- eirten Curvensystemen, die vom Hirn verzeichnet werden, sehr vorsichtig mit deren Beurtheilung sein. Die Bedeutung der Curven dritter Ord- nung wird sich aus den folgenden Betrachtungen über das Wesen der Gehirnbewegungen und die Art ihres Zustandekommens am besten ergeben. Nach neueren Anschauungen, denen auch ich beitreten muss, sind die Bewegungen des Gehirns, bedingt durch Schwankungen seines Ge- sammtvolums, die aus der wechselnden Fülle des darin enthaltenen Ernährungsmaterials hervorgehen. Das von der Cerebrospinalflüssigkeit umgebene Gehirn trägt wie eine elastische Flüssigkeit Volumänderungen, die in seinem Innern entstehen, nach allen Richtungen gleich hin fort, zumeist auf Stellen geringeren Widerstandes. Solcher Stellen sind aber auch im geschlossenen, völlig verknöcherten Schädel noch genug vorhanden, um Volumschwankungen auftreten zu lassen, wenn sie auch vielleicht nicht genügen, um die ganze mögliche Ausdehnung des Ge- hirns zu Stande kommen zu lassen. Die Volumschwankungen der Extremitäten, die durch die ver- schiedene Fülle von Ernährungsmaterial bedingt sind, können durch plethysmographische Methoden demonstrirt und aufgezeichnet werden. Wenn man den Plethysmographen an einer oder besser an mehreren Stellen mit elastischen Membranen abschliesst, hat man genau dieselben Verhältnisse wie beim Gehirn, und wie man dort die Bewegungen dieser Membran, als der Bewegung des ganzen Organs proportional, mit irgend welchen Registrirapparaten verzeichnen kann, so auch an einer, einen Defect des knöchernen Schädels abschliessenden, aus Weichtheilen bestehenden Stelle. Was nun mit jenen Methoden graphisch dargestellt wird, sind Volumschwankungen des ganzen Organs, die, wie Fick!) gezeigt hat, von der Differenz des Zu- und Abflusses des Ernährungsmaterials !) Unters. aus dem physiol. Labor. der Züricher Hochschule. Heft I. p. SEM. u | u | Ueber die Bewegungen des menschlichen Gehirns. bedingt sind. Alle neueren Forscher haben diese Curven falsch ge- deutet, indem sie sämmtlich den einen Factor, den Abfluss, ausser Auge liessen, oder nur ganz gesondert vom Zufluss in Betracht zogen, Die äusserliche Aehnlichkeit derjenigen Einzelglieder dieser Volum- curven, die mit dem Herzschlage synchron sind, mit Arteriensphygmo- grammen, hat Viele verleitet, die Volumschwankungen ganzer Organe nur den Arterien zuzuscheiben oder aber Aernde anzunehmen veran- lasst, die mit jenen Methoden verzeichneten Curven nur für einen Ausdruck der Bewegungen oberflächlicher Theile eines Organs zu halten. Die erstere Ansicht wird durch die Fick’schen Erörterungen widerlegt; für die zweite habe ich nirgends einen triftigen Grund finden können, Uebrigens ist die Aehnlichkeit der beiden Arten von Curven, wenn man die Sache weiter verfolgt, nach dem Material, wie es sich bis heute zum Vergleich bietet, zu urtheilen, durchaus nicht mit Sicher- heit so weit gehend anzunehmen, als dies auf den ersten Blick scheinen möchte, aber auch wenn sie ziemlich gross ist, ist damit durchaus noch nicht die gleiche Entstehungsweise der beiden Curvenarten ge- fordert. Bei Arteriensphygmogrammen kommt nur die Wandbewegung der Arterien in Betracht, bei Plethysmographencurven ausser dem Wechsel des venösen Abflusses der Wechsel des Querschnitts der Arterie und der Geschwindigkeit des zufliessenden Blutes; man kann bei so vielen Factoren a priori gar nicht sagen, ob die Volumcurve ähnlich der Arteriensphygmographencurve ausfällt oder nicht. Es zeigt jedoch eine einfache Betrachtung, dass die Arteriencurve für gewisse Fälle anders ausfallen muss, als die Volumcurve. Das einfachste Beispiel hierfür ist folgendes: Denkt man sich in einen Arm, dessen venöser (und Iymphatischer) Abfluss verhindert ist in einem Zeitmoment durch die zuführende Arterie die Blutmasse a und im nächsten Zeitmoment die Blutmasse a— « eindringen, so wird im zweiten Zeitmomente das Volum der Arterie gegen das im ersten ge- sunken sein, das des Armes aber auch im zweiten Zeitmoment, wenn auch langsamer als im ersten zugenommen haben. Aber auch bei vor- handenem venösen Abfluss können solche Verschiedenheiten der beiden 78 Dr. K. Mays: Ueber die Bewegungen des menschlichen Gehirns. Curven vorkommen und man sieht daraus, dass man Organ- und Arterienpulscurven wohl auseinander halten muss. Jedenfalls aber können die äusserlichen Aehnlichkeiten der beiden Curvenarten nicht die Fick’sche Erklärung der Volumschwankungen umstossen, sondern man muss danach streben, an der Hand der Fick’schen Anschauung und mit Beachtung aller dabei in Betracht kommenden einzelnen Factoren nach dem Grunde jener Aehnlichkeit zu suchen. WE NE (8 Ueber die Hydrophilus-Lymphe und über die Hiämolymphe von Planorbis, Lymnaus und Paludina. Von C. Fr. W. Krukenberg. (Aus dem physiologischen Institute der Universität Heidelberg.) Während meines diesjährigen Aufenthaltes in Triest hatte ich Gelegenheit genommen, die spontanen Gerinnungen sowie die Coagu- lationstemperaturen an den Körpersäften mehrerer Vertreter sehr ver- schiedenartiger Evertebratentypen zu untersuchen '). Eine in dieser Beziehung voraussichtlich ganz besonders interessante Classe unter den Wirbellosen konnte damals von mir leider nicht berücksichtigt werden; es waren die Insecten, an deren Lymphe ich bereits früher eine spon- tane Schwarzfärbung beobachtet und deren Ursache festgestellt hatte. Ich wählte mir von den Arthropoden zu meinen Untersuchungen den grossen schwarzen Wasserkäfer (Hydrophilus piceus L.). Ein mittelgrosser Hydrophilus liefert, wenn man nach dem Ab- tragen der Flügel das Rückengefäss von oben anschneidet, durchschnitt- lich 12 bis 14 Tropfen reine Lymphe: also eine hinreichende Menge, um mit der Lymphe ein und desselben Exemplares mehrere Versuche gleichzeitig ausführen zu können, was für die Entscheidung einiger !) Krukenberyg, Zur vergleichenden Physiologie der Lympbe, der Hydro- und Hämolymphe. Vergl.-physiol. Studien. II. Reihe. I, Abth. S. 87—138. Die von mir bei den im Folgenden mitgetheilten Untersuchungen angewen- deten Methoden (besonders bei den Bestimmungen der Coagulationstempera- turen) sind in der hier eitirten Abhandlung ausführlich beschrieben, so dass ich von einer abermaligen Auseinandersetzung füglich Abstand nehmen darf. s0 C. Fr. W. Krukenberg: Fragen unbedingt nöthig ist'!); denn die Lymphe weicht in ihren Eigenschaften bei verschiedenen Individuen bemerkenswerth ab. Auch wenn die Käfer längere Zeit unter ein und dasselbe Regime gestellt, wenn sie sämmtlich, wie bei meinen Versuchen ausschliesslich mit un- gekochtem Fibrin gefüttert wurden, zeigte die Lymphe verschiedener Thiere eine differente Färbung; bald erschien sie nur schwach gelblich, bald tief orange gefärbt, in dem einen Falle schwärzte sie sich bereits nach 5 bis 10 Minuten, in einem andern erst nach 1 bis 2 Stunden oder sogar erst nach über 12 Stunden, ja es ereignete sich auch, dass die Lymphe 1 bis 2 Tage lang, bis sie eintrocknete, an der Luft stand, ohne überhaupt einen dunkleren Farbenton anzunehmen. Selbst die Misfärbung, welche die gelassene Lymphe schliesslich meistens an- nimmt, ist, — obgleich sie bei verschiedenen, ein und demselben Käfer entnommenen Portionen kaum differirt, — eine sehr wechselnde, indem dieselbe zwischen purpurn, weinroth bis rothbraun, blaugrau, olivengrün, braun- und tiefschwarz variiren kann. Das in der Hydrophilus-Lymphe spontan entstehende Ge- rinnsel ist, verglichen mit dem, welches sich in der Mollusken- und Crustaceenhämolymphe ausbildet, mehr membranöser Art, nicht gal- lertig wie in den Vergleichsfällen ?). Die spontane Gerinnung wird, wie schon Frederieg?) für die Lymphe der Larve von Oryctes nasicornis angab, durch Sättigen der Lymphe mit CINa oder SO,Mg nicht verhindert; mir scheint vielmehr die mit einem dieser Salze gesättigte Lymphe ein noch bedeutenderes Gerinnsel abzusetzen !) Wenn ich im Folgenden bei Erörterung des Einflusses, den das Licht, die Temperatur, organische Substanzen etc. auf die Schwarzfärbung der Hydrophilus-Lymphe ausüben, von mehreren Portionen der Lymphe spreche , handelt es sich stets um solche, welche ein und demselben Käfer entstammten und genau aus derselben Auzahl von Tropfen (meistens 4) be- standen; würde diese Bedingung nicht erfüllt sein, so wären selbstverständ- lich die Resultate völlig nichtig. 2) Der Gerinnungsvorgang lässt sich auch bei der Hydrophilus-Lymphe durch Schlagen der Flüssigkeit sehr beschleunigen. 3) Frederieg, L., Sur le sang des Insectes. Bull. de l’Acad. r. de Bel- gique. 50me Annde, 3° Ser. T. I. 1881. p. 487 — 490. Ueber die Hydrophilus-Lymphe u. die Hämolymphe von Planorbis ete. 81 als eine reine Lymphportion. In der reinen Lymphe entsteht durch Alkohol und destillirtes Wasser ein flockiger, ‘durch Natronlauge ein gallertiger'), durch Essigsäure ein höchst geringer, bei Säureüber- schuss sich lösender Niederschlag; auch mit Aether gemischt, gesteht die Flüssigkeit zu einer weissen käsigen Masse, die sich aber sofort wieder verflüssigt, wenn.der Aether verdunstet ist. Im Gegensatze zu der Hämocyanin-haltigen Molluskenhämolymphe, welche bei successiver Erwärmung bis zum Siedepuncte gewöhnlich nur einmal, nämlich gegen Mitte der 70er Grade gerinnt, zu der Hämo- Iymphe der Kruster, welche bei 64° C. und ausserdem noch in den 70er Graden coagulirt, und zu der Chlorocruorin- oder Hämerythrin- haltigen Würmerhämolymphe, deren Coagulationspunct zwischen 63 und 66° C. schwankt, zeigt die Hydrophilus-Lymphe drei, gegen einander scharf abgesetzte Gerinnungen. Bereits bei 61—62° C. wird die Flüssigkeit zu einem compacten weissen Coagulum, und der filtrirte Presssaft desselben gerinnt abermals bei 66° C. Erwärmt man vor der Filtration die Flüssigkeit bis 69° C. (bis zu welchem Temperaturpuncte das Gerinnsel nicht an Masse und die Flüssigkeit kaum an Undurchsichtigkeit zunimmt), so trübt sich das erhaltene Filtrat bei 71° C. und verwandelt sich bei 73—74° C. in eine feste käse- artige Materie; nach längerem Erhitzen auf 75° C. tritt in dem filtrirten Presssafte bei allmäliger Steigerung der Temperatur bis auf 100° C. keine Trübung mehr auf. Aber weit merkwürdiger noch als der Gehalt der Hydrophi- lus-Lymphe an mindestens drei, bei verschiedenen Temperaturgraden coagulirenden Eiweisskörpern ist die cadaveröse Erscheinung einer mehr oder weniger intensiven Schwarzfärbung, welche sich an ihr fast regel- !) Setzt man zu Hämoeyanin-haltiger Gastropodenhämolymphe eine grössere Menge Natronlauge, so entsteht darin ein starkes flockiges Coagu- lum, welches sich im grösseren Ueberschuss von Natronlauge nicht löst; ver- schieden aber von der Hydrophilus-Lymphe, wird die Gastropodenhämo- lymphe (wenigstens diejenige von Paludina nicht, welche mir zum Vergleiche diente) durch Zusatz reichlicher Quantitäten von destillirtem Was- ser durchaus nicht gefällt. Verhandl, d. Heidelb. Naturhist.-Med, Vereins. N. Serie III. 6 823 C. Fr. W. Krukenberg: mässig beim Aufbewahren an der Luft, bald früher, bald später ein- stellt. Wie auch Frederieg es von der Lymphe der Oryctes-Larve beschreibt, ist bei dieser melanotischen Verfärbung das Licht einfluss- los. Bei Versuchen, welche ich in der Weise ausführte, dass ich von zwei Portionen (jede aus einer gleichen Anzahl von Tropfen ein und demselben Käfer entnommener Lymphe bestehend) die eine von der Sonne direct bescheinen liess, die andere dagegen gleichzeitig im Dunkeln hielt, schwärzten sich beide ziemlich zu der nämlichen Zeit; das eine Mal die belichtete 1—2 Minuten früher, in anderen Fällen die dunkel gehaltene. Ohne bemerkbaren Einfluss auf das Eintreten der Misfärbung erwiesen sich auch die täglichen Temperaturschwan- kungen. Die Schwärzung der Lymphe trat bei 18° C., 13° C. und 8° C. in den einzelnen Portionen zu gleicher oder zu annähernd gleicher Zeit auf, und auch eine successive Erwärmung der Flüssigkeit auf 40 oder 46° C©. beschleunigte den Vorgang nicht. Fredericg hat von der Lymphe der Oryctes-Larve berichtet, dass, wenn das Insect, bevor man es öffnet, '/;, Stunde in warmes Wasser von 50—55 C. gelegt wird, der Inhalt des Rückengefässes sich bei Berührung mit der Luft nicht mehr schwärzt. Ganz ähnlich ist das Verbalten der Hydrophilus-Lymphe. Von vier lebenden Hydrophilus liess ich den ersten 30 Minuten in einem Wasser von constant 73—74° C., den zweiten 35 Minuten in einem Wasser von constant 61—63° C., den dritten 35 Minuten in einem Wasser von constant 51—54° C. und den vierten 30 Minuten in einem Wasser von constant 44— 45° C. Das Ergebniss war, dass die Lymphe der ersteren drei Käfer bis zu ihrem Eintrocknen, welches am nächsten Tage erfolgte, gelb blieb, während sich die Lymphe des Hydro- philus, der nur 30 Minuten lang bis auf 45° C. erwärmt (bei dieser Temperatur aber ebenso wie die anderen nach wenigen Minuten ge- storben) war, an der Luft bald bräunte und später schwarz wurde. Sättigen der Lymphe mit neutralen Alkalisalzen (ClNa, SO, Mg), Ansäuern mit Essigsäure, wobei ein minimaler, weiss bleibender Ei- weissniederschlag entsteht, Zusatz von Natronlauge, welche die Lymphe Ueber die Hydrophilus-Lymphe u. die Hämolymphe von Planorbis ete. 83 gallertartig gerinnen macht, verhindern den Eintritt des Schwarzwer- dens resp. einer Bräunung meist vollständig; nur in seltenen Fällen tritt nachträglich an den mit SO,Mg oder CINa gesättigten Lymph- portionen eine dunklere Färbung auf. Zu einem andern Resultate als Fredericeg an der Oryctes- Larve gelangte ich bei meinen Versuchen über den Einfluss des Al- kohols auf die Schwarzfärbung der Hydrophilus-Lymphe; denn versetzte ich die Flüssigkeit mit Alkohol, so bildete sich sogleich ein weisses, flockiges Coagulum, welches seine Farbe aber nicht, wie Fredericg angibt, unverändert beibehielt, sondern wie die reine Lymphe bald dunkelte und sich schliesslich blauschwarz färbte. Aehnlich wie nach Alkoholzusatz entsteht in der Lymphe beim Mischen mit Aether eine 'käsige Eiweissfällung, welche aber, wie ich bereits be- merkte, sofort wieder in Lösung geht, wenn der Aether verdunstet ist, und die Flüssigkeit verhält sich alsdann wie die unvermischt ge- bliebene Lymphe. Beschleunigt wird der Eintritt der Schwärzung durch Vermischen der Lymphe mit destillirtem Wasser; es bildet sich dabei anfangs ein voluminöses Gerinnsel, welches sich rascher oder langsamer röthet, dann bräunt und bei geeigneten Portionen sich: späterhin auch tief schwarz färbt. Verfolgt man den Vorgang der Melanose genauer, so bemerkt man, dass dieselbe gewöhnlich von den Rändern der Flüssigkeitsober- fläche aus beginnt und erst ganz allmälig weiter um sich greift; auch da, wo ein Gerinnsel sich an der Oberfläche zu halten wusste, ent- steht ein neuer Ausgangspunct für die cadaveröse Umsetzung. Nicht nur das Schlagen beschleunigt den melanotischen Process in sehr auf- fälliger Weise, sondern in gleichem Masse auch das Einlegen organi- sirter Gebilde (z. B. Federn, Holz) in die Lymphe. Als ich dieses Verhalten an einem Fichtenspahne, den ich in die Flüssigkeit gebracht, zuerst beobachtete, liess sich vermuthen, dass die ozonisirenden Oele, wie z. B. das Terpentinöl, einen gleichen beschleunigenden Einfluss auf die Schwärzung der Lymphe haben würden. Ich tränkte deshalb feine Glascapillaren mit theilweise verharztem Terpentinöl, erzielte dadurch aber keinen nennenswerth grösseren Erfolg als durch einge- 6* 84 0. Fr. W. Krukenberg: legte Gummistückchen und halte mich somit für überzeugt, dass die beschleunigende Wirkung des Holzes (zumal diese von derjenigen, welche eingelegte Federbärte haben, noch übertroffen wird) lediglich auf dessen Porosität beruht. Um zu erfahren, ob die Fibringeneratoren des Säugerblutes auf das Schwarzwerden der Hydrophilus-Lymphe beschleunigend wirken, mischte ich je 4 Tropfen einer demselben Käfer gleichzeitig ent- nommener Lymphe 1) 7 h. 24 min. mit 2 Tropfen geschlagenen Hundeserums, 2) 7 h. 25,5 min. mit 2 Tropfen in wenig Serum suspendirter Blutkörperchen von demselben Hunde und liess die 3) Lymphportion, welche wie die übrigen beiden 1'/, Minuten (von 7h. 27 min. bis 7 h. 28,5 min.) geschlagen war, der Controle wegen, unvermischt. } Fast gleichzeitig (um 7 h. 50 min. bis 8 h.) trat in allen 3 Por- tionen das erste Zeichen von einer Misfärbung ein, indem sie einen unreinen rosafarbigen Ton annahmen, welcher allerdings in der, mit Blutkörperchen versetzten Probe am raschesten in ein tiefes Schwarz überging, während von den beiden anderen Portionen erst mehrere Minuten später das Maximum der Schwärzung erreicht wurde. Ich zweifle nicht, das raschere Fortschreiten der Melanose in der, mit den Blutkörperchen versetzten Lymphe nur auf die Gegenwart körperlicher, der Flüssigkeit eine grosse Berührungsfläche bietender Elemente zu beziehen, von welchen wir wissen, dass sie, gleichgültig welcher chemi- schen Beschaffenheit sie sind, das Schwarzwerden dieser Lymphe sehr beschleunigen. Die reine Lymphportion schwärzte sich nicht langsamer als die mit Hundeblutserum gemischte, und zu dem entsprechenden Ergebnisse führte eine ähnliche Versuchsreihe, bei welcher ein Theil der Hydrophilus-Lymphe (statt wie in jenem Falle mit Hunde- blutserum) mit der Hämolymphe von Paludina vivipara versetzt war. Ohne beschleunigenden Einfluss auf die melanotische Verfärbung erwies sich auch der Zusatz einiger Tropfen bereits schwarz gewor- dener Hydrophilus-Lymphe zu frisch den Käfern entnommener. Mittelst eines Drowning’schen Speetroskopes bei direetem Sonnen- Ueber die Hydrophilus-Lympke u. die Hämolymphe von Planorbis etc. 85 lichte untersucht, erwies sich die den Käfern frisch entnommene, orangegelb erscheinende Lymphe als frei von Absorptionsbändern; die schwarz gewordene (der Oryctes-Larve) lässt nach Z’redericg’s Mit- theilungen gleichfalls keinen Absorptionsstreifen erkennen. Lässt man eine grössere Quantität frisch gewonnener Hydro- philus-Lymphe in einem langen, engen Probirröhrchen an der Luft stehen, so schwärzt sich anfangs nur die Oberfläche der Flüssigkeit, — was deutlich beweist, dass ein für das Zustandekommen der Ver- färbung wichtiger Factor in der Luft enthalten ist; anderseits lehrt aber die bisweilen (auch nach dem Einleiten von Kohlensäure, wodurch die Lymphe alsdann nicht getrübt wird, oder von Sauerstoff) erst nach Stunden eintretende Schwärzung, dass die Luft nicht die alleinige Ursache davon ist, sondern dass, wie Fredericg zuerst richtig er- kannte, es sich hierbei um einen spontanen Zersetzungsvorgang handelt. Dieser ist jedoch nicht, wie Frederieg anzunehmen scheint, mit der spontanen Gerinnung zu identificiren, denn, wie sich aus dem Vor- stehenden zur Genüge ergibt, können beide Processe von einander völlig unabhängig verlaufen. Der langsame und unbestimmte Eintritt der sich in der Schwärzung der Flüssigkeit documentirenden Umsetzung erlaubt an der Hydrophilus-Lymphe nicht, die Frage zu entschei- den, ob auch bei dieser die Kohlensäure und nicht der Sauerstoff, was ich bei Dytiscus sicher beobachtet zu haben glaube‘), das ver- ursachende Moment ist, welches sich bei Berührung der Lymphe mit der Luft zu erkennen gibt. Wenn ich Hydrophilus-Lymphe mit reiner Kohlensäure oder mit reinem Sauerstoff in Glasröhrchen ein- schloss, so trat bei beiden Versuchsreihen jedesmal nur eine so geringe Bräunung der Flüssigkeit ein, dass es unmöglich ist, aus den Ergeb- nissen irgend welche Schlussfolgerungen zu ziehen. Die auffälligen individuellen Verschiedenheiten, welche die Hydrophilus-Lymphe in Betreff der melanotischen Veränderung darbietet, lässt uns ver- muthen, dass der sich an der Luft augenblicklich schwärzende Körper unter gewissen Umständen schon in der eirculirenden Lymphe präfor- !) Krukenberg, Vergl.-physiol. Studien. V. Abth. S. 49—57. 36 C. Fr. W. Krukenberg: mirt vorkommt, und besonders aus diesem Grunde halte ich meine frühere Auffassung '), der gemäss bei diesem Käfer eine Beziehung zwischen der Schwarzfärbung der äusseren Chitinschichten und der, meist erst postmortal erkennbaren Melanose seiner Lymphe besteht, fernerhin aufrecht. Die Gerinnungstemperatur der reinen unverdünnten Hämoglobin- haltigen °) Hämolymphe von Planorbis corneus weicht von der- Jenigen der Hämocyanin-haltigen Gastropodenhämolymphe erheblich ab; denn jene gerinnt auffallender Weise bei 60° C., aber nicht, wie Sorby?) meinte, schon bei 45°C. Bei allmäliger Steigerung der Temperatur nimmt die Hämolymphe bereits bei 58°C. eine dunklere Färbung an und beginnt sich zu trüben. Erhitzt man die Flüssigkeit bis auf 64° C., so liefert sie ein nur äusserst schwach gelbbraun gefärbtes Filtrat, welches weder bei höherer Temperatur, noch durch wenig oder viel Essigsäure, durch wenig oder viel Natronlauge eine Trübung erfährt. Auf dem Filter bleibt ein hämatinfarbiges Coagulum zurück. Die Gerinnungstemperaturen der Hämocyanin-haltigen Hämolymphen von Süsswassergastropoden waren bislang nicht untersucht. Da es mir für die Deutung des Verhaltens der Planorbis-Hämolymphe noth- wendig erschien, auch diese zu kennen, bestimmte ich die Coagu- lationspuncte an der Hämolymphe von Lymnaeus stagnalis und Paludina vivipara und ich fand, dass diese von denen der übri- gen Hämoeyanin-haltigen Molluskenhämolymphen nicht abweichen. Die Hämolymphe von Lymnaeus stagnalis trübte sich bei 75°C. und gerann Stark bei 78°C. Abgesehen von einer kaum erkennlichen, nur bei günstiger Beleuchtung sichtbaren, ausserordentlich geringen Trübung in der Mitte der 60 ger Grade begann auch die Hämolymphe !) Arukenberg, Vergl.-physiol, Vorträge. Heft I. S. 21. ?) Cf. Krükenberg, Vergl.-physiol. Studien. III. Abth. S. 76. Anm. 3. 3) Sorby, H. C., On the Evolution of Hxzmoglobin. Nature. Vol. XIII. 17. Febr. 1876. p. 306. Ueber die Hydrophilus-Lymphe u. die Hämolymphe von Planorbis et. 87 von Paludina vivipara sich erst bei 72—75°C. deutlicher zu trüben und gestand bei 78—79°C. zu einem festen Coagulum. Verdünnt man die Planorbis-Hämolymphe schwach mit destil- lirtem Wasser, wodurch sie ebensowenig wie die Hämolymphe der Paludina oder anderer Gastropodenformen eine Trübung erleidet, so zeigt sie bei genauer spectroskopischer Betrachtung die beiden Streifen des Oxyhämoglobins (das zweite Band reicht genau bis E, während das erste erst hinter D beginnt), welche, entgegen der An- gabe von Sordy'), von denen des Hundeblut-Hämoglobins weder in der Intensität, noch in der Lage irgendwie abweichen. Das, wie man annimmt, im Hämoglobin enthaltene Eiweissradical scheint somit von dem des Säugerhämoglobins nicht nennenswerth verschieden zu sein, wennschon das Planorbis-Hämoglobin bei einer etwas niedrigern Temperatur zersetzt wird. Nach Behandlung mit Schwefelammonium zeigt die Planorbis- Hämolymphe das einheitliche Band des reducirten Hämoglobins, nach Einwirkung von Essigsäure das bekannte dunkle Säureband zwischen B und C (Spectrum des Hämatins in essigsaurer Lösung); letzteres Spectrum verändert sich nach reichlicherem Zusatz von Schwefel- ammonium, indem das Band zwischen B und © verschwindet, und statt dessen ein dunkler Streifen ziemlich genau in der Mitte von D und E, und ein schwächerer Streifen um E auftritt (Speetrum des reducirten Hämatins in alkalischer Lösung). Die Planorbis-Hämolymphe verdankt dem Hämoglobin aus- schlieslich ihre Färbung. Ihr Gehalt an Hämoglobin und somit auch ihr Farbenton unterliegt aber grossen individuellen Schwankungen; nie fand ich letzteren so intensiv, wie man es am Säugerblute zu sehen gewohnt ist. Bald erscheint die Planorbis-Hämolymphe nur schwach geröthet, meist ist die Röthung doch eine verhältnissmässig sehr starke. Die Planorbis- Hämolymphe reagirt wie diejenige irgend eines andern Mollusken deutlich alkalisch. Auf Zusatz von Essigsäure nimmt !) Sorby, H. C., Quart. Journ. of mikr. Science, January. 1876 and Nature. Vol. XIII. 27. Jan. 1876. p. 257. s3 C. Fr. W. Krukenberg: Ueber die Hydrophilus-Lymphe etc. sie eine braune Färbung an, wird von der Essigsäure aber nicht ge- fällt, weil das aus dem Hämoglobin abgespaltene Eiweiss als Syntonin in Lösung bleibt. Die Flüssigkeit gerinnt deshalb auch nicht nach anhaltendem Kochen. Ein geringer Zusatz von Natronlauge bewirkt weder in der Planorbis-Hämolymphe noch in der von Paludina vivi- para eine Eiweissfällung; in beiden Hämolymphen bilden sich jedoch starke Coagula, wenn ihnen grössere Mengen des Alkalis zugesetzt werden. Nach stundenlangem Einleiten von Kohlensäure scheidet sich in der Planorbis-Hämolymphe nur wenig Eiweiss aus. Wird die Hämolymphe mit neutralen Alkalisalzen (ClNa, SO,Mg) gesättigt, so bildet sich darin ein flockiger, hämoglobinfarbiger Eiweissniederschlag, und das erhaltene Filtrat zeigt sich alsdann nur wenig geröthet. Nach dem Sättigen der Hämolymphe mit SO,Mg trübt sich das klare , Filtrat schwach bereits bei 52° C., stärker erst bei 55°C., ohne dass es aber selbst nach längerem Erwärmen auf 58° C. vollständig gerinnt. Die Ausscheidung des Gerinnsels erfolgt erst gegen 70° C., und die Menge des Coagulum ist in diesem Falle viel geringer, als wenn reine Hämolymphe zu dem Versuche verwendet wird; dieses hat sicherlich darin seinen Grund, dass ein grosser Theil des coagulabeln Eiweisses zuvor durch das Salz ausgefällt war. Beim Erhitzen von 70—100° 0. entstand in der Flüssigkeit kein neues Gerinnsel. Aehnlich der der Würmer gerinnt die Hämolymphe von Pla- norbis spontan nicht; weder wenn sie anhaltend geschlagen und tagelang stehen bleibt, noch wenn sie mit Hundeblutserum versetzt wird, wie denn überhaupt kein anderer als der im Hämoglobin vor- handene Eiweisskörper in der Planorbis-Hämolymphe nachzu- weisen ist. | Geschäftliches. 39 Geschäftliehes. In der Sitzung vom 4, November 1881 wurde Herr Ge- heimerath Kühne wieder zum Vorsitzenden, Herr Professor H. Alex. Pagenstecher wieder zum Schriftführer und Herr Buchhändler Köster wieder zum Rechner gewählt. Seit dem letzten Beriehte wurden als Mitglieder aufgenom- men die Herren Geheimer Hofrath Bekker, Dr. Bender, Dr. Mommsen, Dr. Ruge, Dr. Steinbrügge, Dr. Oraw- ford aus Glasgow, Professor Kehrer, Dr. von den Steinen, Dr. Winter, Dr. Schwarz, Kreisschulinspector Strübe. Hingegen verlor der Verein durch den Tod den Herrn Geheimerath Lange, welcher in den ersten Jahren des Be- stehens Vorsitzender des Vereins gewesen war; durch Verziehen und anderweitigen Austritt die Herren Dr. Gaspey, Dr. Thost, Professor Caspary,.auch bereits wieder Dr. Crawford. Der Verein beschloss, sein fünfundzwanzigjähriges Bestehen (vom 24. Oct. 1856 an) am 30. Dez. d. J. feierlich zu begehen. Er ernannte bei dieser Gelegenheit den Herrn Geheimrath und Professor G. Kirchhoff, jetzt in Berlin, welcher dem Ver- eine längere Zeit zu dessen Förderung und Ruhm vorgestanden hat, zu seinem Ehrenmitgliede. Sendungen bittet man wie bisher an Professor A. Pagen- stecher richten und aus den gedruckten Verzeichnissen die Be- stätigung des Eingangs und den Dank des Vereins, aus Uebersen- dung der Verhandlungen den Wunsch zum Tauschverkehr, bezieh- ungsweise die Einwilligung zu einem solchen entnehmen zu wollen. Ausser für ganz vereinzelte Hefte einiger Bände ist der Verein dem mehrfach an ihn gelangenden Ansuchen auf Aus- füllung von Lücken in den früheren Publikationen aus eigenen Beständen nicht, somit nur durch Entnahme bei der Verlags- buchhandlung und solches nur für die Hefte der neuen Serie in der Lage. 90 Verz.der v. 1. Nov. 1880 bis Ende Dezbr. 1881 eingeg. Druckschr, Verzeichniss der vom 1. November 1880 bis Ende Dezbr. 1881 eingegangenen Druckschriften. Vom Unit. States Departm. of the Interior; Washington: Allen, Northamerican Pinnipeds. Rendiconti del Reale Istituto Lombardo di scienze e lettere, S. II. XII, Milano. Verhandlungen des Naturhistor. Vereins d. preuss. Rheinlande u. West- phalens.. XXXVI. 2. XXXVI. 1. Bonn. 19.—21. Bericht des Offenbacher Vereins für Naturkunde. 57. u. 58. Jahresbericht der Schlesischen Gesellsch. f. vaterländ. Cultur zu Breslau. Mittheilungen des Vereins für Erdkunde zu Halle a. S. 1880, Von der Soeiet& entomologique de Belgique ABruxelles. Annales XXIII, XXIV. Assemblee gen. extraord. 1880. Bullettino della Societä entomologiea Italiana. XI. 3. 4. XII. 1—2, Canestrini e Berlese: la stregghia degli Imenotteri. Resoconti delle adunanze 1881. 1. Firenze. Bulletin de l’Acad&mie Imp. des sciences de St. Petersbourg. XXVI, 3. XXVII. 1—3. Leopoldina. Halle a. S. 1880. XVI. 19—25. 1881. XVII. 1—22. Verhandlungen der physiolog. Gesellschaft zu Berlin. V. Regist. VI. 2. 3. 6—18. VIL 1—5. Anzeiger d. K. Akademie d. Wissenschaften in Wien. 1880. 23—28. 1881. 1— 25, | V. d. Geschäftsführung d. 53. Vers. deutsch. Naturforscher u. Aerzte zu Danzig: Danzig in naturwissenschaftlicher und medizinischer Be- ziehung. Oesterreichische Monatsschrift für Thierheilkunde, VI. 1. Wien. XI. Jahresbericht des Vereins f. Naturkunde in Oesterreich o. d. Ens; Linz, Lotos, Jahrbuch f. Naturwissenschaft. N. F. I. Prag. Verz. der v. 1. Nov. 1880 bis Ende Dezbr. 1881 eingeg. Druckschr. 9] Bulletin de la soeiet€ Vaudoise des sciences naturelles. 2. S. XVII. 84—86. Lausanne. Atti della R. Accademia dei Linceei. A. 278. S. III. Transunti vol. V. 1—11. 13. 14. VI. 1. Memorie Serie terza, V—VIII, 1880. Roma. Mittheilungen aus dem Österlande. N. F. I. Altenburg. Nuovo giornale botanico Italiano. XII. 4. Pisa. Journal of the Royal mier. Society. III. 6 and suppl. Ser. II. v. I. 1—6. Literarischer Generalanzeiger. Godesberg-Bonn. 1. 2. Das Museum Ludwig Salvator in Ober-Blasewitz bei Dresden. Vom Museum of Compar. Zoology at Harvard College, Cambridge, Mass.: Bulletins VII. 9—11. VII. Annual report 1879—S0. Obituary of L. F. de Pourtales. Verhandlungen d. Physik.-Medizin. Gesellsch. zu Würzburg. XV. Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin. 1880. Von der Societe malacologique de Belgique, Bruxelles: Annales XII; Proc&s-verbaux VIII. X. 1—90. Sitzungsberichte d. math.-phys. Classe der K. B. Akademie der Wissen- schaften zu München, 1881. 1—4, Archiv des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in Meeklenburg zu Neubrandenburg. XXXIV, Von der Soc. Veneto-Trentina di seienze naturali in Padova. Atti VII 3. Bullettino 1881. S. I. 1. Von St. Louis Academy of science: Contribut. to the Archxology of Missouri. I. Proceedings of the American Academy of arts and sciences atBoston, DEFSSVLU2 VI, Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft zu Berlin. XXXII. SARSERRXIT. 15,2: Giornale della societä di letture e conversazioni scientifiche di Genova. BEN HER, . ‘Nuovo Giornale botanieo italiano. Firenze. XII. 1. 2. 4. 93 Verz. der v. 1. Nov. 1880 bis Ende Dezbr. 1881 eingeg. Druckschr. Jahrbücher des Nassauischen Vereins für Naturkunde zu Wiesbaden, AXXI. XXX. Bulletin de la Soei6te Imp. des naturalistes de Moseou. 1880. 2—4. 1881. Von H. Dr. Cathrein in Strassburg: Die Dolomitzone bei Brixlegg. Beitrag zur Kenntniss d. Wildschönauer Schiefer u. d. Thhonschiefer- nädelchen. Verhandlungen der K. K. Geologischen Reichsanstalt zu Wien. 1880. 12—18. 1881. 1—6. Von Literary and philosophical Society of Manchester: Proceedings 16—19. Memoirs. III. Series. 6. Bericht üb. d. Thätigk. der naturw. Gesellsch. zu St. Gallen. 1878—79. Verhandlungen des Vereins für Natur- und Heilkunde zu Pressburg. N. „EL SI8: 65. Jahresber. d. Naturforsch. Gesellsch. in Emden. 1879-—80, Archives neerlandaises des sciences exactes et naturelles. XV.3—5.Harlem. Der Zoologische Garten, Frankfurt a. M. XXI. 7—12. XXIIL 1—6, Annuario della Soecietä dei naturalisti in Modena. S. II. XIV. 4, Nachrichten v. d. K. Gesellsch. d. Wissensch. z. Göttingen. 1880, Von der Academie Roy. des sciences, des lettres et des beaux arts A Bruxelles: Bulletins. II. Ser, 46—50. Annuaires 1879 —81. Von der Societä Adriatica di scienze naturali in Trieste. Bolletino. vol. VI. Bulletin de la Societe des sciences historiques et naturelles de 1’Yonne. Auxerre. XXXIV. Memoires de l’Acad&mie des sciences, insceriptions et belles lettres de Toulouse. VII. Serie, IL. 2. II. 1. Von der Koninklijke Akademie van Wetenschappen zu Amsterdam: Verslagen en mededeelingen ; Afdeeling Natuurkunde II Reeks. XV, Processen Verbaal 1879— 80. Von der Dorpater Naturforscher-Gesellschaft: Sitzungsberichte. V. 3. Archiv f. d. Naturkunde Liv-, Ehst- u. Kurlands. II S. IX. 1. 2. Sitzungsberichte der Naturw. Gesellschaft Isis in Dresden. 1880, 1881 Januar—Juli, re Verz. der v. 1. Nov. 1880 bis Ende Dezbr. 1881 eingeg. Druckschr. 93 Bulletin de la Soeciet& d’histoire naturelle de Colmar. 20. 21. Sitzungsberichte der Naturf. Gesellschaft zu Leipzig. 15879. 1880. Correspondenzblatt des Naturforscher-Vereins zu Riga. 23 J. Acta horti Petropolitani. VII. 1. Von der Royal Society of N. S. W. Sydney: Journal XIII. Annual report of the Dep. of mines. N. S. Wales. 1878. 1879. Maps. Mittheilungen des Naturwiss, Vereines für Steiermark. 1880. Graz. Verhandlungen des naturf. Vereines in Brünn. XVII. Katalog der Bibliothek d. Herz. Technischen Hochschule zu Braun- schweig. ‘Den Norske Nordhavs-Expedition 1876—1878. Chemi. Fiske, Christia- nia. Danielssen og Johan Koren: Gephyrea. Schriften des Naturw. Vereins für Schleswig-Holstein zu Kiel. IV. 1. Sitzungsberichte der physik.-mediz. Societät zu Erlangen. XII. Jahresberichte der Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Dresden. 1879—81. Botanisches Centralblatt von ©. Uhlworm, Register für 1580. Jahresbericht d. Naturhist. Vereins für Wisconsir. Milwaukee, 1880, Vom Institut national de Geneve: Me&moires 1—14. Bulletin 3—6. S—10. 12—14. 16—23. OÖ. Herman, Sprache und Wissenschaft. Ad. Wasseige, Ablation d’une tumeur kystique. Mittheilungen aus dem Vereine der Naturfreunde in Reichenberg. XI, Von d. Senekenbergischen Gesellsch. zu Frankfurt a. M.: Bericht 1879/80. Abhandlungen XI. 1. 2. XXXVII. Jahresheft des Vereins f. vaterl. Naturkunde in Würtemberg zu Stuttgart. Mittheilungen a. d. naturw. Vereine v. Neu-Vorpommern u. Rügen in Greifswald XII. Schriften des Vereins z. Verbreitung naturwiss. Kenntnisse in Wien. XXI. Memoires de la Societ@E des seienees phys. et nat. de Bordeaux. 2.9. IV. 2. Memoires de la Soc. nationale des sciences naturelles et mathemat. de Cherbourg: XXL. 94 Verz. der v. J. Nov. 1880 bis Ende Dezbr. 1881 eingeg. Druckschr. Journal de l’&cole polytechnique & Paris. Cahier 48. Tome XXIX. Vom K. K. Oesterr. Minist. für Ackerbau: Das K. K. Quecksilberwerk Idria in Krain. Verhandlungen der Zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien. XXX. XIV. Jahrbuch des naturhist. Landesmuseums v. Kärnthen zu Klagenfurt. + Von der R. Biblioteca nazionale di Firenze: Fil Pacini: del processo morboso del colera asiatico. Fil- Parlatore: Tavole per una anatomia delle piante aquatiche. Ern. Grassi: Il primo anno della clinica ostetrica. Schriften der Naturf. Gesellschaft in Danzig N. F. V. 1-—2. Notizblatt des Vereins für Erdkunde zu Darmstadt. IV. F. I. Abhandlungen herausgegeb. v. naturw. Vereine zu Bremen. VII. 1. 2, Beilage VIII. Jahresbericht der Naturhist. Gesellschaft zu Hannover. 29. u. 50. Zeitschrift f. d. gesammten Naturwissenschaften v. C. G. Giebel. III. F, V. XXIV. Jahresbericht über die Verwaltung des Medizinalwesens der Stadt . Frankfurta.M. Verhandlungen des Vereins für Natur- und Heilkunde zu Pressburg. N. F. 4. 1875 —80. Annual Report of the board of regents of the Smithsonian institution 1879. Washington. Proceedings of the Academy of natural history of Philadelphia, 1880. Von der Schweizerischen Gesellschaft für die gesammten Naturwissen- schaften zu Bern: Verhandlungen der Schweiz. Naturforschenden Gesellschaft in Brieg. 63. Jahresvers. Bericht 1879/80, Von der Naturforschenden Gesellschaft in Bern: Mittheilungen 1880. 1881. 1. | Chemiker-Zeitung Nr. 27. Cöthen. 7, Juli 1881. Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft Graubündens, XXI. XXI. XXIV. Chur. Bulletin des travaux de la soc. Murithienne du Valais A Sion. Annee 1880. Proceedings of the Natural History Society of Glasgow. IV. part PR 1879/80, - Verz. der v. 1. Nov. 1880 bis Ende Dezbr. 1881 eingeg. Druckschr. 95 Bericht über die Sitzungen der Naturf. Gesellschaft zu Halle a/S. 1880, Berichte des Naturw.-Mediz. Vereins in Innsbruck. XI. 1880/81. Dr. Herm. Scheffler, Die Naturgesetze. IV. Die Theorie des Bewusst- seins. 1881. Tachtigste Verslag van het natuurkundig Genootschap te Groningen. 1880, Annales de la Societe d’agrieulture, histoire naturelle et arts utiles de yon... Ser: II. Bollettino del R. Comitato Geologico d’Italia. XI. Roma 1880. Jahresbericht des physikal. Vereins zu Frankfurt a. M, 1879—80, Verhandlungen des naturwissensch. Vereins in Karlsruhe, H. VII. Von der Societe Hollandaise des sciences A Harlem: Programme 1831. Archives neerlandaises des sciences exactes et naturelles. XIV. 1. 2. Archives du Musde Teyler, Haarlem: Serie 2. P. I. Proceedings of the Royal Society. Nr. 206— 213. London. XI. Jahresbericht d. Gr. Bad. meteorolog. Centralstation Karlsruhe. Mittheilungen des Vereines der Aerzte in Steiermark. XVII. Graz. Correspondenzblatt des Zoologisch-Mineralog. Vereins zu Regensburg. XXXIV. Von der deutschen Seewarte: Monatl. Uebersicht der Witterung, 1879 Apr.—Nov. 1880 Juni, Aug.—Dee. z. Einleitung, 1881 Jan.—Febr., April, Mai, Juli. Hamburg. Aus dem Archiv der deutschen Seewarte. II. u. III. Jahrg. 1879 u. 1880, Annalen d. Physikal. Central-Observatoriums zu Petersburg. 1879. 1. 2. Repertorium für Meteorologie. VII. 1. 2. Supplement. II. Hälfte. Atlas. Bulletin de la soc. desseienc. histor. et nat. de I’Yonne. XXXIV. Auxerre, Jahresbericht des Vereins für Naturkunde zu Zwiekau. 1880. Statistische Mittheil. über den Civilstand der Stadt Frankfurt a. M. 1880. Programm für die Allgemeine deutsche Ausstellung auf dem Gebiete der Hygiene und des Rettungswesens zu Berlin. 1882, Verhandlungen des Naturwissensch. Vereins zu Hamburg-Altona im Jahre 1880. Vierteljahrsschrift d. Naturf. Gesellschaft zu Zürich, XXIV. XXV, 96 Verz. der v. 1. Nov. 1880 bis Ende Dezbr. 1881 eingeg. Druckschr. Verhandlungen des naturhistorischen Vereines der preuss. Rheinlande und Westfalens zu Bonn. XXXVIL 2. XXXVII. 1. Supplement: Westhoff, die Käfer Westfalens. Freytag, Bad Oeynhausen. Publications de linstitut Royal Grand-Ducal de Luxembourg. Seiences nat, XVII. Mittheilungen des Vereins für Erdkunde zu Halle a. S. 1881. IX. Jahresbericht des Westfälischen Provinzialvereins für Wissenschaft und Kunst zu Münster. Recueil des Memoires et des travaux publies par la Soeiet6 botanique du Grand-Duche de Luxembourg. IV—V. 1877—78, Index medieus III. Nr. 5. New-York. XXVIII. Bericht des Vereins für Naturkunde zu Cassel. XX. Bericht der Oberhessischen Ges. f. Natur- u. Heilkunde. Giessen, Berichte über die Verhandl. der K. Sächs. Gesellsch. der Wissenschaften, zu Leipzig. Mathem.-physik. Cl. 1880. I. II. Jahresberichte der Fürstl. Jablonowski’schen Gesellschaft. Leipzig 1880. 1881. Vom mittelrheinischen Geologischen Verein in Darmstadt. Abhdl. L 1. Correspondenzblatt des botanischen Vereins Irmischia in Sondershausen. 1881.11 4u,..12, Schriften des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar in Donaueschingen, IV. Memoires de la Section des sciences de l’Acad@mie des sciences et lettres de Montpellier. X. 1, Transactions and proceedings of the Royal Society of Victoria. XVII. Melbourne. Dr. Alois Husza, Nekrolog aus der „Carintiha* Nr. 8. 1881. Bericht über die Verhandlungen und Ergebnisse der III. internationalen Polar-Konferenz, abgehalten in St. Petersburg 1.—6. Aug. 1881. Abhandlungen der Naturhistorischen Gesellschaft zu Nürnberg. VII. 97 Ueber motorische Nervenendigung. Von W. Kühne. Sitzung vom 4. August 1882, Prof. Kühne spricht unter Vorlegung von Präparaten und Abbildungen über motorische Nervenendigung. Im Anschlusse an frühere Untersuchungen über die Formen der hypolemmalen Nervenverästelung bei den Amphibien habe ich versucht, die Gestalt der verästelten Endplatten in den Muskeln der Säuger und Reptilien durch Beobachtung einer möglichst grossen Anzahl von Prä- paraten festzustellen. Die namentlich beim Frosche geeignete Methode der Versilberung nach Cohnheim erwies sich bei den Reptilien zwar brauchbar, aber doch in geringerem Grade und musste für die Säugethiermuskeln, - wegen der Schwierigkeit, deren Fasern in genügender Anzahl frisch zu isoliren, ganz verlassen werden. Deshalb wurde die von A. Ewald und von E. Fischer mit bekanntem, seither viel bestätigtem Erfolge an- gewendete Goldmethode benutzt und vorzugsweise das Löwzt’sche Verfahren verwendet, das als wesentlichen Fortschritt den Zusatz eines die ver- goldeten Objecte durchdringenden reducirenden Agens einführte. Von dem oft überflüssigen, selbst schädlichen Theile des Verfahrens, die Muskeln vor dem Einlegen in die Goldlösung anzusäuern, wurde nur für bestimmte Zwecke Gebrauch gemacht, denn es schien im Gegentheile vortheilhafter, statt eines erweichenden oder quellenden ein härtendes oder fixirendes Mittel zu Hülfe zu nehmen, z. B. OsO,, welche A. Ewald, derselben Ueberlegung folgend, zuerst mit gutem Erfolge verwendete. Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. III. 2 98 W. Kühne: Wie bekannt, fällt an den Goldpräparaten die Stelle der Nerven- endigung hauptsächlich auf durch die tiefgefärbte, eigenthümlich ver- ästelte und verschlungene Figur, welche bis heute für identisch mit der von mir in den Nervenhügeln der Reptilien und Säuger gefunde- nen Nervenendplatte gehalten wurde. In der Folge werde ich dieses Astwerk (franz. :„arborisation“), das im Allgemeinen beträchtlich schmäler als die Platte im Nervenhügel ausfällt, als „Axialbaum“ bezeichnen. Beim Säugethiere (Kaninchen) ist der Axialbaum in vielen Fällen so verschlungen, mit zahlreichen Anastomosen oder Ueber- schneidungen, Auswüchsen und kolbigen Endigungen versehen, dass eine Beschreibung ohne Abbildungen unthunlich und Reduction auf ein Schema unzulässig wären. Nur an einzelnen Theilen der Figur kann erwiesen werden, dass Endigungen oder Auswüchse gegen einander neigen, deren Entfernung von der nächsten gemeinsamen Innervations- stelle ungleich ist. Diese complieirteren Formen bilden oft breite Kränze um eine nervenfreie Muskelstelle, etwa wie überreiche Rahmen um zu kleine Bilder. Es kommen aber auch bei den Säugern einfachere Formen des Axialbaumes vor, die einfachsten in den Intercostalmuskeln. Hier kann der Baum auf einen nur mit kurzen Auswüchsen besetzten knor- rigen Stamm reducirt sein, von welchem irgendwo ein dicker Ast ab- geht, der nach kurzer Biegung nahezu parallel neben dem Stamme verläuft, diesen etwa '/, seiner Länge begleitend, bei gemeinsamem, zur Muskelfaserachse fast parallelem Verlaufe. Wenig complieirter sind I-Iförmige Gestalten, ähnlich den bei den Amphibien bekannten, mit dem bemerkenswerthen Unterschiede jedoch, dass die Figur, welche bei verticaler Stellung der Froschmuskelfaser ein stehendes |-| darstellt, in der» des Kaninchens liegend erscheint. Diese Figuren treten in. einer Nervenendigung zu Ketten verbunden auf und ihre nächste Complication besteht darin, dass die Balken der Buchstaben gekrümm- ter und bis zur Unkenntlichkeit moderner Monogramme verschnörkelt werden. Eine andere Grundform des Axialbaumes ist die des ein- fachen Hakens, welche durch angesetzte, wiederhakenförmige Aeste verwickelter wird. A 1 Ueber motorische Nervenendigung. 99 Bei den Reptilien (Lacerta, C'hamzxleon) wurden, wenigstens in grösseren Nervenhügeln, nicht so einfache Formen wie beim Kanin- chen gefunden, die reicheren Verästelungen dagegen übersichtlicher als beim Säuger. Die einfacheren, gewöhnlich am Ende sehr feiner Nerven- fasern beobachteten Formen bestehen in einem "J förmig angesetzten, verdickten, parallel zur Muskelfaser verlaufenden Querbalken, der mit zahlreichen kurzen, gekrümmten Aesten vorwiegend auf einer Seite besetzt ist. Bei Coronella laevis ist der Axialbaum durch dicke, kolbige Enden und blattförmige Entwicklung ausgezeichnet und in diesem Falle durch die Kleinheit des Areals, das er am Umfange der contractilen Substanz bedeckt. An den grösseren Axialbäumen pflegt ein Theil des Geästes sehr an das des Frosches zu erinnern, mit dem Unter- schiede nur, dass-es mit vielen kurzen, dicken Auswüchsen besetzt ist. Dasselbe Aussehen haben die meisten Axialbäume von Anguis fragilis und bei Emys europ. fand ich, in theilweiser Uebereinstim- mung mit den Angaben T'schirjew's, nur diese Formen, die sich, abge- sehen von der rosenkranzartigen Beschaffenheit der Aeste, von denen des Frosches höchstens durch mehr geschlängelten Verlauf unterschieden. In welchem Grade die complicirtesten Axialbäume der Reptilien dem Gesetze der Gegenüberstellung verschieden weit vom nächsten Innervationsorte entfernter Astenden entsprechen, wird unter Er- läuterung durch genaue Abbildungen in späterer ausführlicher Dar- stellung gezeigt werden. | Unter den Amphibien zeichnet sich Salamandra mac. durch Reichthum und erstaunliche Länge der Axialbiume aus, deren Aeste grösstentheils perlschnurartig sind. Ihnen stehen die Formen bei Tri- ton am nächsten, bei übrigens geringerer Ausdehnung und glatterer Beschaffenheit der Aeste. Beim Frosche endlich enthüllt die Gold- methode in den bekannten hypolemmalen Nervenfasern, deren Anordnung von dem ganzen Axialbaume im wesentlichen wiederholt wird, eine axiale Krume, welche entweder wie eine Schmelzenperlschnur aussieht oder einem stark verkleinerten Abbilde schmälerer Zweige des Axialbaumes der Reptilien gleicht. 7* 100 W. Kühne: Abweichungen von den geschilderten Formen gibt es bei Lacerta und dem Cham&leon und, wie ich in Uebereinstimmung mit Anderen finde, auch beim Frosche. In den Schwanzmuskeln von Lacerta kommen z. B. ganz ähnliche biattartige Bildungen vor, wie bei Coro- nella, und solche, deren sehr schmale kurze Aeste mit dicken kol- bigen Enden versehen sind. Dasselbe findet sich in den Intercostal- muskeln des Chamzleon, dort zum Theil an den Enden feiner, anscheinend markloser epilemmaler Nerven oder ganzer Bündel solcher Fasern. Derartige, schon von Bremer an anderen Objecten beobachtete Nervenfasern scheinen auch aus den Axialbäumen wieder entspringen zu können und gehen im weiteren Verlaufe nicht selten wieder in markhaltige Fasern über. Beim Chamzleon wurde auch ein unzweifel- hafter Ursprung einer Mark und Scheiden führenden Nervenfaser aus einem Axialbaume beobachtet, welche nach kurzem Verlaufe über eine benachbarte Muskelfaser in eine zweite Muskelfaser und deren End- platte verfolgt werden konnte. Beim Chamzxleon kommen einzelne Endplatten vor, deren kurze, marklose und ziemlich dicke Wurzeln nicht nur ausserhalb des Sarko- lemms liegen, sondern bei denen auch Aeste der Platte in Gestalt von Bögen und Schlingen erheblich über den Rand der Muskelfaser hinausragen. Nicht nur an vergoldeten Muskelfasern, sondern auch durch die Silbermethode gelang es, im M. sternoradialis und im M. hyoglossus des Frosches die schon von mehreren Beobachtern beschriebenen ab- weichenden Formen der Nervenendigung zu bestätigen. Die Abweichung besteht darin, dass die hypolemmalen Nervenfasern 1. einen geschlängel- ten Verlauf nehmen, 2. auch gekrümmte Aeste abgeben, dass 3. meh- rere Paralleläste senkrecht zur Achse der Muskelfaser (eireulär unter dem Sarkolemm) verlaufen, 4. kolbenförmige und platte Verbreite- rungen, namentlich an den Enden der Aeste, auftreten. Vorwiegend in schmalen Muskelfasern des M. hyoglossus finden sich auch an- scheinend einfache "| förmige Nervenenden; dieselben sind aber von ungewöhnlicher Breite und enthalten ausnahmslos einen durch starke Buckel und zur contractilen Substanz vorspringende Zähne ausgezeich- neten Axialbaum. | Ueber motorische Nervenendigung. 101 Bezüglich der Vertheilung der Nervenendigung an den Muskel- fasern habe ich bemerkt, dass kurze Muskelfasern (besonders die kaum 1 mm langen des Eidechsenschwanzes) sehr häufig ganz nahe an ihrem Sehnenansatze innervirt werden. Diese meist einen kräftigen Buckel bildenden Nervenenden liegen ausnahmslos am stumpfen Winkel der zugeschärften Muskelfaser, ein Gesetz, das ich auch bei den Wirbellosen an zahlreichen Präparaten der an Chitinbalken schräg inserirenden Muskeln von Hydrophilus bestätigt fand. An den längeren Muskelfasern der Reptilien kommen gelegent- lich zwei, ‘/;—1 mm von einander entfernte Nervenhügel vor; häu- figer und vorwiegend am Ende feinster oder markloser Nervenfasern, sind an derselben Muskelfaser zwei kleinere Platten zu finden, die sich unter dem Sarkolemm entweder gerade oder in geringer Ent- fernung schräg gegenüberliegen. In letzteren Fällen scheinen die Endigungen immer einer gemeinsamen Stammfaser anzugehören. An- dererseits wurden an den dünnen, nach vollständiger Vergoldung ohne Zerfaserung zu untersuchenden Intercostalmuskeln des Chamzleons mehrfach Endplatten beobachtet, in welche zwei auf weite Strecken getrennt zu den Stämmen zurück zu verfolgende Nervenfasern ein- mündeten, deren Ursprung aus einer Stammfaser mindestens zweifel- haft blieb. Bau der Endplatten. Allen Beobachtern vergoldeter Muskeln ist es bekannt, dass daran ausser der Nervenendplatte noch ein anderer Bestandtheil des Nervenhügels in dunklerer Färbung hervorzutreten pflegt. Es ist dies die granulirte Substanz der Plattensohle, die entweder als breiter kör- niger Schleier die eigentliche Nervenendigung umgiebt oder, bald einen compacten Kuchen darstellend, bald in Gestalt eines von Inseln gebildeten Rahmens, auch als blasige Masse, deren Lücken in der Regel die Sohlenkerne enthalten, auftritt. In den meisten Fällen ist die körnige Umhüllungsmasse von der dunklen Nervenverästelung getrennt durch einen hellen ziemlich breiten Saum. Wo der letztere Zwischenraum sehr breit und unregelmässig ist, verdankt er seine Entstehung ohne Zweifel einer Zusammenballung der Sohlensubstanz, welche diese von 102 W. Kühne: der Platte ablöste, während er gewöhnlich wie durch Schrumpfung des Plattengeästes, welches dieses umgekehrt von der Sohle in regelmässigerer Weise zurückzog, erzeugt scheint. Sehr geneigt, eine Schrumpfung der Platte anzunehmen, weil das vergoldete Astwerk bekanntlich viel schmäler ausfällt als das der frischen Nervenendplatte, fand ich jedoch, dass dem Saume ein wirklicher Bestandtheil des Plattengeästes zu Grunde liege, nämlich eine auch nach aussen wohl begrenzte, starke Rinde, welche die schmälere dunkel tingirte Nervenendigung überall umgiebt, also den Axialbaum einschliesst. Direkt mit Gold behandelte Muskeln zeigen statt des Bann einen hell kirschrothen, die Aeste des Axialbaumes umkleidenden, so- zusagen dickfleischigen Ueberzug, der sich entweder scharf gegen heller tingirte Muskelsubstanz oder gegen eine schwarzkörnig gewordene Sohlenmasse absetzt und auch an weniger in der Färbung differen- zirten, durchweg dunkleren Objecten scharf berandet zu sehen ist, wo man optische Querschnitte der Plattenäste am Rande der Muskel- faser im Profilbilde vor sich hat. Hier erscheint jeder Ast des Baumes wie ein dunkel purpurner Kern in dem rothen Fleische einer Frucht. Was ich 1864 in den frischen Muskelfasern fand und als Nervenend- platte bezeichnete, wurde also bisher nicht, wie man meinte, durch die jetzt von so vielen Seiten nach Goldpräparaten beschriebene „Ar- borisation“ einfach bestätigt, sondern nur zum Theile wiedergefunden, indem man den Inhalt für das Ganze nahm, das Kernhaus für die Frucht. Hiernach ist an der motorischen Nervenendigung ausser dem Axial- baume ein zweiter Bestandtheil zu unterscheiden, welcher das „Stroma“ heissen mag: eine dicke periaxiale Rinde von gewöhnlich weit grösserer Masse als ihr axialer Einschluss. Dieses Stroma allein ist es, das bisher an frischen Muskeln gesehen wurde und auch meine ersten Darstellungen der motorischen Endplatten nach mit, angesäuertem Serum, verdünnten Säuren, Chromaten und Eisensalzen behandelten Präparaten beziehen sich nur auf die Platte in ihrem vollen Um- fange, d. h. auf das Stroma, das die Axialbäume umhüllt. Das- selbe gilt von den durch Cohnheim hergestellten Silberbildern der Reptilienmuskeln. Dass man die letzteren und die freilich erheblich Ueber motorische Nervenendigung. 103 schwieriger als die Goldbilder der Axialbäume zur Anschauung zu bringenden Erscheinungen der frischen Platten meist überging oder ungenügend nachuntersuchte, erklärt vornehmlich den Widerstand, welchen meine Bezeichnung der Nervenendigung als „Platte“ gefunden hat. Die Nervenendplatte als Ganzes, zunächst ohne erkennbaren Axialbaum, ist unter gewissen Bedingungen auch an vergoldeten Prä- päraten, namentlich der Kaninchenmuskeln, zu erkennen. Auf dem violetten Grunde der durchgoldeten Muskelsubstanz erscheint sie ‚dann wie ein gelappter Kuchen von feurig. rother Farbe und erst wenn man das in stark mit Ameisensäure versetztem Glycerin befind- liche Präparat von Tag zu Tag weiter untersucht, hat man Gelegen- heit, die Farbe sich im Innern zu schwärzlichem Violett vertiefen zu sehen, während sie sich an der Peripherie etwas aufhellt. So ent- wickelt sich allmählich ein rother Saum und endlich das ganze breite ‚Stroma der Platte, ohne Aenderung des äusseren Contours, während im Innern der dunkle Axialbaum mit bekannter Schärfe als relativ schmales Gestänge zum Vorschein kommt. .Ein anderes empfehlenswerthes Mittel, beide Theile der Platte sichtbar zu machen, besteht in der Untersuchung frisch ohne Zusatz isolirter Muskelfasern eines Reptils in einem Tropfen Collodium. Das Reagens schlägt zwar nicht immer an, zeigt aber in günstigen Fällen ‚ kaum geschrumpfte Plattenäste mit hart contourirten inneren Figuren, welche durchaus an den vergoldeten Axialbaum. erinnern. Ferner glückt es zuweilen, durch blosses schwaches Ansäuern frischer Objecte aus tetanisch erschöpften Muskeln den Axialbaum im Stroma wenig- stens einiger Plattenlappen, abgesehen von der Farblosigkeit, genau so sichtbar zu machen, wie in den besten Goldpräparaten. Eine zweck- mässige Verbindung der Vergoldung mit der Versilberung liefert Prä- parate, an denen das Stroma dunkel grauroth, der schmälere Axial- baum hellrosa gefärbt hervortritt. Da das Stroma den Axialbaum nicht ganz gleichmässig überzieht, einzelne Lappen der Platte nicht selten zwei axiale Aeste oder deren Endverzweigungen einschliessen, so gestaltet sich die Nervenend- platte zu etwas ganz anderem, als zu einer blossen Wiederholung 104 W. Kühne: oder Verdickung des Axialbaumes.. Nur in den schmäleren, mehr faserigen oder bandartigen Theilen der Platte, die übrigens noch stark verästelt sein können, wird das Stroma schmal und dünner, als der axiale Bestandtheil, so dass es den Formen des letzteren einigermassen entspricht. In den dickeren Antheilen der Platte bleibt der Axial- baum dagegen nicht einmal überall in grösserer Entfernung von den Rändern des Stroma, sondern schiebt seine fachen und kolbigen Enden mehrfach bis gegen den äusseren Plattenrand vor. Da die Goldbehandlung auch bei den Amphibien nicht die ganze hypolemmale Nervenverästelung in dünklerer Färbung herzustellen pflegt, so stimmen die Abbildungen der neueren Autoren grösstentheils weder in der Form, noch hinsichtlich der Breite der Nervenäste mit meinen früheren Darstellungen überein. Wo ich breitere glatte, parallelberandete, höchstens sanft gewellte, stumpf gekerbte Fasern be- schrieb, wurden meuerdings viel feiner gezähnelte oder knorrige, wenig- stensum die Hälfte schmälere Fasern abgebildet. Nur A. Ewald hat diesen Unterschied und ein Goldbild vom Frosche beachtet, das den hypo- lemmalen Achsenecylinder als breitere, hell tingirte Röhre zeigte, erfüllt von einem durch einen dünnen Faden verbundenen klumpigen Inhalte. Augenscheinlich weniger deformirte Goldpräparate vom Frosche zeigen mir den Inhalt der terminalen Fasern allerdings anders, und zwar von der S. 99 erwähnten Gestalt, aber als Umhüllung der Axialkrume, wie man hier besser statt Axialbaum sagt, überall in hellröthlicher Färbung das Stroma mit den breiteren und glatten Formen der frischen . hypolemmalen Fasern, das offenbar von den Meisten übersehen wurde. Damit soll nicht geleugnet werden, dass nicht ein Theil der Fasern in toto stark gewellt oder gerunzelt erscheinen könne; das frische Object lehrt uns aber, die, welche es auch nach der Vergoldung nicht sind, für die besser erhaltenen zu nehmen. Beachtung verdient hier noch, dass man an bestimmten Stücken des sogenannten Endbusches, nämlich an den schmalen, die Parallelfasern rechtwinklig verbindenden kurzen hypolemmalen Brücken, die Scheidung in zwei Bestandtheile vermisst. Bis jetzt habe ich nicht zu entscheiden vermocht, ob der Axial- baum präformirt sei. Manches spricht dafür, besonders der Umstand, Ueber motorische Nervenendigung. 105 dass das Gebilde durch so sehr verschiedene Mittel zum Vorschein zu bringen ist, ebenso die Erfahrung, dass die Goldbehandlung es kaum alterirt zeigt, nachdem das Stroma zuvor, z. B. durch Säurewirkung, stark verändert und anscheinend in einen Haufen blasser Kugeln zer- sprengt worden ist. Dagegen giebt es Goldpräparate, welche der Präexistenz ungünstig scheinen, nämlich diejenigen seltener zu erzie- lenden, welche das ganze Plattengeäst oder Theile desselben ungefähr von der Breite des frischen Gebildes zeigen; an diesen ist aber die dunkle Farbe auffallend körnig und in der Regel so vertheilt, als ob das Stroma allein oder vorwiegend, nicht der Axialbaum das reducirte Metall aufgenommen hätte. Sollte die Platte im Leben schon aus Stroma und Axialbaum bestehen, so wird noch zu untersuchen sein, ob der letztere nicht durch die jetzigen Methoden nur in deformirtem Zu- stande zur Anschauung gekommen ist. In den markhaltigen Nervenfasern habe ich bisher vergeblich ver- sucht, eine Zusammensetzung des Achsencylinders aus periaxialem Stroma und einer axialen Krume zu erkennen, wenn nicht die an ver- goldeten Nerven zuweilen zu sehenden, feinen geschlängelten, sehr dunkelviolett gefärbten Achsencylinder hierher zu rechnen sind, welche viel zu schmal sind, um den Binnenraum der Mark- und Hornscheide auszufüllen. Unter den älteren Beobachtungen könnten die von Mauthner an den dicken Nervenfasern des Hechtrückenmarks gefun- denen Achsencylinder mit tiefroth gefärbter Achse und relativ dicker, durch Carmin blass tingirter periaxialer Schicht für die Beant- wortung der vorliegenden Frage werthvoll werden. Wie die Frage aber auch entschieden werden mag, ob bezüglich der Endplatten für oder gegen die Präexistenz des Axialbaumes, so wird dies nichts an dem Nachweise ändern, dass unter den vergoldeten motorischen Nerven- endigungen nur die das Stroma mitdarstellenden die Endplatte selber constatiren. An der Nervenendplatte der Reptilien habe ich einige Erschei- nungen beobachtet, welche vielleicht auf eine besondere Structur des Stroma oder des Randes zu beziehen sind. An absterbenden, schwach gesäuerten und besonders an mit schwachem Alkohol behandelten 106 W. Kühne: Präparaten sind die Plattenränder stellenweise mit einer quer oder radiär gestellten Strichelung ‚versehen, wie wenn sich feine, kurze Fäserchen, Buckel oder Riffe auf der Oberfläche befänden. Die nur mit den besten Objectiven zu erkennende Zeichnung. beruht nicht auf einer Täuschung durch ‘die allerdings merkwürdig regelmässig aus- gestreuten Körnchen des Sohlenprotoplasma im Nervenhügel, denn die Strichelung wurde auch an Plattenrändern gesehen, welche gerade über einem klaren Kerne oder über dem hellen Hofe lagen, der sich wäh- rend des Absterbens um die Sohlenkerne entwickelt. Ebenso fand ich die Strichelung. an Lappen der Platte, die der contractilen Substanz unmittelbar anlagen, wo auch die Muskelquerstreifung nichts vorzu- täuschen vermochte, da die Plattenstreifung erheblich feiner ist und zum Theil in starken Winkeln zu der des Muskels verläuft. Eine ähnliche, jedoch viel kräftiger markirte, braune Strichelung umgibt den Plattenrand oft an schwach versilberten Muskeln als ein breiter Saum, dessen Ausfüllung an die Schraffirung erinnert, durch welche auf Land- karten Gebirgsabhänge dargestellt werden, ein Bild, das sich an mit Gold und Silber hergestellten Präparaten in krassester Weise durch schwarze, radiär gestellte, zum Theil verästelte Borsten zu erkennen giebt. Indess sind diese durch Metallausscheidungen erzeugten Zeich- nungen vielleicht als reine Kunstprodukte und als nicht einmal in Beziehung zu der durch Alkohol erzeugten Strichelung stehend auf- zufassen. An den hypolemmalen Fasern des Frosches pflegen die End- knospen bei der Vergoldung entweder ungefärbt zu bleiben oder, wie nach längerer Einwirkung und darauf folgender gründlicher Ameisen- säurewirkung, eine rothe und etwas gesättigtere Farbe anzunehmen als die Axialkrume. Ich bewahre Präparate auf, in denen, sehr im Gegensatze zu den carminrothen Endknospen, alle Kerne der Nerven- scheiden, besonders die der Schwann’schen Scheide, undurchsichtig, tiefschwarz tingirt sind und worin auch die Muskelkerne von schwarzen Körnchen erfüllt oder von einem schwarzen Körnerschleier ganz be- deckt sind. Da mehrere Beobachter meine Beschreibung der Kerne und des Re ER EL Se ee ze ee Ueber motorische Nervenendigung. 107 Protoplasma im Nervenhügel als einer Sohle zur Platte bezweifelt haben, so muss ich zunächst darauf aufmerksam machen, dass das jetzt so sehr betonte Vorkommen dieser Gebilde neben der Platte, das ich überdies ‚selber zuerst beschrieb und abbildete, ihre Anwesenheit unter der Platte nicht ausschliesst, da es ja auch überstehende Sohlen gibt. Zum Ueberflusse sind wir aber jetzt in der Lage, aus den entgegenstehenden Angaben selbst zu beweisen, dass die fragliche ' Masse sich zum grossen Theile unter der Platte befinden muss, denn nach jenen Angaben soll dieselbe ganz nahe den Rändern der vergoldeten Arborisation, also des Axialbaumes, liegen; wird aber dieser von dem Stroma stark überragt, so muss letzteres, also die Plattenmasse, die Kerne und das zugehörige Protoplasma bedecken. Zweifellos lehren dies auch alle gehörig gewaschenen und bis auf die Nerven- endigung wieder entfärbten Goldpräparate, an welchen man die Kerne genügend übersieht, und vollends die so häufigen Bilder einfach ab- sterbender Muskelfasern, welche grosse, der Platte angehörige Areale lückenlos von der Sohlensubstanz eingenommen zeigen. Mit dem Allem soll jedoch nicht gesagt sein, dass die Sohle immer continuir- lich sei, oder geleugnet werden, dass nicht Sohlenkerne in den Zwischenräumen des Plattengeästes bis an das Sarkolemm und selbst bis an das Dach des Nervenhügels vordringen, denn es breitet sich die Sohlensubstanz wie ein weiches Futter um die Platte aus, etwa wie plastischer Thon unter der Last einer Hand mit gespreiz- _ ten Fingern. Den Aeusserungen Ranvier’s entgegen habe ich wiederholt zu behaupten, dass die Endplatte der Reptilien und Säuger an frisch iso- lirten Muskelfasern, auch ohne Zusatz, sichtbar sind, aber ich muss zugeben, dass es besser ist, die Fasern dabei nicht zu pressen, wie es Kanvier nach seiner ausführlichen Beschreibung that. Die Be- obachtung ohne Druck in der feuchten Kammer war es im wesent- lichen, der ich die Entdeckung der Endplatten verdankte und sie erfordert, wie die Untersuchung des frischen Objectes überhaupt, ein ungwöhn- lich geduldiges Durchsuchen sehr zahlreicher, gut isolirter Muskelfasern, das auch den schärfsten Beobachtern nicht erspart werden wird. Auf 108 W. Kühne: solche Weise sieht man nicht nur die Platte, sondern auch die Kerne des Nervenhügels jeder Art, und zum Beweise, dass man von den Sohlenkernen nicht nur die glänzenden Kernkörperchen wahrnimmt, wie Ranvier. behauptet, sondern deren ganze Gestalt, habe ich ausser dem Orte der Kerne auch die Orientirung der langen Kern- achse durch die Uebereinstimmung mehrerer unvorbereiteter Beobachter feststellen lassen, was ohne Erfassung des Kerncontours nicht mög- lich gewesen wäre. Richtig ist es aber, dass auch die besten frischen Objecte nur einen Theil der Sohlenkerne zeigen, nämlich nur die von der Platte nicht bedeckten, da die Lichtbrechung der Platte es ist, welche die übrigen unsichtbar werden lässt. Tritt im Absterben Deformation der Platte ein, so werden die unterliegenden Kerne zunächst nur so weit sichtbar, als sich die Plattenränder von ihnen zurückziehen. Weder an den Reptilien- und Säugermuskeln, noch an denen der Amphibien und Insekten habe ich mit Hülfe der in verschiedenster Weise modifizirten Goldmethode etwas zu finden vermocht, das auf einen Zusammenhang der hypolemmalen Nervenverästelung mit der contractilen Substanz oder deren Zwischensubstanz und Zwischenmem- branen gedeutet hätte. Ausser der starken Curarevergiftung wurde ein neues,.in physio- logischer Hinsicht besonderes Interesse bietendes Verfahren gefunden, die Endplatten von Lacerta zu verändern und. damit zugleich schärfer sichtbar zu machen. Dasselbe besteht in einer bis zu starker Er- müdung und Erschöpfung fortgesetzten Reizung der motorischen Stämme durch oft wiederholtes electrisches Tetanisiren. So lange der Muskel mitreagirt, sind die Veränderungen im Nervenhügel begreiflich kaum andere, als wenn der Muskel direkt gereizt oder in mancher anderen Weise geschädigt wäre: die Platte wird etwas deutlicher, wie im All- gemeinen beim Absterben, und vermuthlich ebenfalls in Folge beginnen- der Säuerung wird namentlich die granulirte Sohlensubstanz trüber, während die Sohlenkerne sich etwas falten und einsinken. Wenn man aber den Muskel durch minimale Curarevergiftung, die für sich gar keine erkennbare Veränderung im Nervenhügel erzeugt, an der Reaction auf 4 Ki Ueber motorische Nervenendigung. 109 den Nervenreiz ganz oder nahezu verhindert, so stellt vorsichtige, aber ermüdende electrische Reizung der Nervenstämme einen Zustand der Platten her, der die gewagtesten Erwartungen überbietet. Ganze Reihen nebenein- ander liegender, kaum isolirter Muskelfasern weisen die Platten mit einer Deutlichkeit, an welche die durch starke Curarevergiftung erzeugte nicht entfernt heranreicht: sogenannte Myelinfiguren könnten nicht "greifbarer erscheinen, als diese derb contourirten, bei richtiger Ein- stellung wie Vacuolen aufleuchtenden gelappten Figuren, die umsomehr überraschen und auf eine in der Plattensubstanz selbst erfolgte Ver- änderung zu beziehen sind, als sich die umgebende Sohle gar nicht verändert zeigt. Langdauernde Strychninwirkung, mit schwacher Curarevergiftung combinirt, erzeugt, obwohl weit unsicherer, dieselben Erscheinungen. In der grossen Zahl der für das Vorstehende verwendeten Prä- parate stiess ich, wie zu erwarten, häufig auf Muskelspindeln, und zwar beim Chamxleon, Lacerta, der Blindschleiche und im Frühjahre be- sonders häufig bei nicht ausgewachsenen Exempiaren von Coronella; nur beim Kaninchen begegnete ich den Spindeln merkwürdiger Weise unter den Goldpräparaten nicht. Obgleich ich dem Gegenstande zur Zeit keine besondere Untersuchung zuzuwenden vermochte, glaube ich einiges gelegentlich Gesehene doch mittheilen zu sollen: 1. kommen öfter, als ich früher wähnte und angab, zwei und mehrere Muskelspindeln in einem Muskel vor. 2. In den Stamm-Haut- muskeln von Coronella pflegen die aus den Spindeln hervorgehenden schmalen Muskelfasern mit breiter Querstreifung die Enden der übrigen Muskelfasern beträchtlich ins Sehnengewebe zu überragen und daselbst so eigenthümlich umzubiegen, dass der Verdacht entsteht, die Spindeln hingen untereinander durch Schleifen zusammen. 3. Bei Coronella besitzen die meisten Muskelspindeln in einiger Entfernung von der zutretenden mächtigen Nervenfaser noch einen Nervenansatz, bestehend aus einer feinen Nervenfaser und einer kleinen, mit vielen Buckeln besetzten Platte. Die Muskelfaser ist an dieser Stelle in der Regel 110 W. Kühne: Ueber motorische Nervenendigung. spindelförmig verdickt und zeigt statt der Querstreifung eine schräge, zum Nervenansatze fast radiär angeordnete Streifung, welcher jedoch alle Bestandtheile der Muskelfächer zukommen. 4. Manche Muskelspindeln der Reptilien enthalten eine Stelle mit weit abstehenden mehrfachen Scheiden, wo die feine Muskelfaser von beiden Seiten her in ein kurzes eingeschaltetes Stück einer dicken, markhaltigen Nervenfaser übergeht, welche in der Mitte einen gewöhnlichen Schnürring mit mark- freiem Achsencylinder besitzt. Ob an diesen Stellen ursprünglich ein Nerv von aussen [förmig einmündete, war nicht festzustellen. Die feinen Muskelfasern enthielten zuweilen noch eine merkwürdige Stelle, wo sich dieselbe axiale Kernsäule, welche gewöhnlich die Gegend des stärkeren Nervenansatzes charakterisirt, wiederholte und überdies ein kurzer dicker, wie eine Nervenmarkscheide aussehender Ueberzug untep dem Sarkolemm erschien. 5. In den Schwanzmuskeln von La- certa wurden kurze Muskelspindeln angetroffen, zu denen sich theilende Nervenfasern von bisher ungesehener Dicke traten. Diese an frischen Objecten beobachteten Fasern bestanden aus Schwann’scher Scheide, dünner Markrinde und einem kolossalen, auf weite Strecken in Serum zu isolirenden Achsencylinder von 30—40 u Durchmesser, dessen Oberfläche sehr deutlich, obschon nicht ganz continuirlich längs- gestreift war, während der optische Querschnitt an umgebogenen Stellen nur leicht getrübt erschien und nichts aufwies, was das Innere für faserig zu halten berechtigte. E Die obigen Untersuchungen werden demnächst, durch zählreiche Tafeln erläutert, in ausführlicher Darstellung veröffentlicht werden. LEI Ueber einige Derivate des Styrols. Von A. Bernthsen und Fritz Bender. (Mittheilung aus dem Laboratorium von A. Bernthsen in Heidelberg.) Die nachfolgende Mittheilung enthält einige Beobachtungen, welche gelegentlich ausgedehnter Versuche, Tyrosin synthetisch zu gewinnen, von uns gemacht worden sind. p-Amidostyrol. Schon vor einem Jahre haben A. Bernthsen und Georg Bender') mitgetheilt, dass bei der Reduktion des p-Nitrozimmt- säureäthylesters mit Zinn und Salzsäure neben der erwarteten p-Amido- zimmtsäure eine Substanz entsteht, welche in Säuren leicht, in Alka- lien aber nicht löslich ist und nach der Analyse ihres Platinsalzes als p-Amidostyrol angesprochen werden muss. Wir haben uns überzeugt, dass eine Verbindung von denselben Eigenschaften auch direkt aus der reinen p-Amidozimmtsäure ?) erhalten wird, wenn man dieselbe vorsichtig im Paraffinbad so lange erhitzt, bis die Kohlensäureentwick- _ lung beendet ist und die Masse ruhig fliesst. Die Reaktion verläuft glatt und offenbar quantitativ. Das gelblich gefärbte Produkt kann man durch Lösen in Säure und Fällen mit Natron weiter reinigen; !) Berliner Berichte 14, 2359. 2) Wir haben die p-Amidozimmtsäure sowohl mit Zinn und Salzsäure als nach Tiemann und Oppermann (Berliner Berichte 13, 2061) aus p-Nitro- zimmtsäureester dargestellt. In letzterem Fall verarbeiteten wir direkt die durch Verseifen des’ Esters mit alkoholischem Natron erhaltene Lösung und erhielten gute Ausbeute auch ohne Entfernung des Natrons, wenn wir auf 66 g Nitroester 960 g Barythydrat, 420 g Eisenvitriol und 81 Flüssigkeit an- wendeten. Das Filtrat wurde mit CO2 gesättigt, auf ein kleines Volum ein- gedampft und mit Essigsäure gefällt, 113 A. Bernthsen und Fritz Bender: es liess sich nicht krystallisirt erhalten (in Benzol mässig, in Ligroin fast nicht löslich) und zersetzt sich beim Erhitzen unter Verkohlung und Bildung eines gelben Destillats. Die Analyse bestätigte die er- 2 wartete Formel Gin Der Schmelzpunkt ist nicht genau be- 2,8 stimmbar; bei 76° tritt Erweichung, erst bei etwa 81° völlige Schmel- zung ein. Das Platinsalz, durch fraktionirte Fällung erhalten, zeigt nach dem Trocknen bei 110—115° die Zusammensetzung 2C,H;N, HCl -;- PtCl, (gefunden Pt 30,66 und 30,61 °/,, berechnet 30,32 %,). Es gelang nicht, aus Nitrometastyrol durch Amidirung zur obigen Verbindung zu gelangen. Ebenso blieb ein Versuch, durch Diazotirung das dem Amidostyrol entsprechende Oxystyrol darzustellen, erfolglos; die resultirende braune amorphe Masse erwies sich als stickstoffhaltig. Hingegen scheint ein Oxystyrol C,H, Ken durch trockene De- 278 stillation des mit dem gleichen Volumen Sand gemengten neutralen paracumarsauren Baryts sich zu bilden. Das leider nur in geringer Menge erhaltene Produkt stellt ein fast farbloses, stark nach Phenol riechendes Oel dar, welches sich in Wasser schwer löst, aus der Lö- sung durch Bromwasser gefällt wird, mit Eisenchlorid keine Färbung gibt und sich mit destillirter Bromwasserstoffsäure zu einer flüssigen bromhaltigen Verbindung von Phenoleigenschaften vereinigt. Auch Styrol'‘) addirt leicht HBr. Wenn man 1 Volumen des- selben mit etwa 3 Volumen bei 0° gesättigter Bromwasserstoffsäure bei gewöhnlicher Temperatur zusammenstellt und wiederholt umschüttelt, so tritt unter Erwärmung die Vereinigung rasch ein. Wir liessen der Vorsicht wegen das Gemisch 2—4 Tage lang einwirken. Die abge- hobene, mit Wasser, dann mit Sodalösung, dann wieder mit Wasser 1) Wir haben Styrol nach der von Fittig und Binder (Annalen 195, 131) gegebenen Vorschrift leicht in grösseren Quantitäten erhalten, als wir auf 508 g Zimmtsäure mindestens 2 Kilo bei 0° gesättigter Bromwasserstoffsäure (entsprechend 1640 g HBr) verwendeten, die Masse mehrere Wochen sich selbst überliessen, sie dann in Sodalösung eintrugen und das Styrol mit Wasser- dämpfen abdestillirten. Ueber einige Derivate des Styrols. 113 geschüttelte, schliesslich mit Chlorcaleium getrocknete Flüssigkeit zeigte sofort die Zusammensetzung eines Bromäthylbenzols, welches nach folgender Gleichung entstanden ist: C,H, — C,H, 4 HBr == C,H, — C,H,Br. Die gegebene Formel verlangt © 51,89, H 4,87, Br 43,24 °/,; gefunden C 51,62, H 5,53, Br 43,66 °,. Unser Bromäthylbenzol bildet ‘eine gewöhnlich schwach gelblich gefärbte Flüssigkeit von angenehmem, an Benzylchlorid erinnerndem doch mehr rosenähnlichem Geruch und zeigt bei 23° das spezifische Gewicht 1,3108. Seine Löslichkeitsverhältnisse entsprechen denen der gebromten Kohlenwasserstoffe. Beim Aufbewahren färbt es sich dunkler. Beim Erhitzen im Reagensrohr treten dicke Nebel von HBr auf und es wird Styrol rückgebildet. Durch Destillation im Vacuum lässt sich die HBr-Abspaltung nicht verhindern: neben nur wenig leichtflüchtigen Produkten resultiren hauptsächlich bromfreie, zähflüssige, erst weit über 360° siedende Kohlenwasserstoffe. Das Bromatom ist leicht beweglich und lässt sich z. B. durch Natriumamalgam leicht eliminiren. Nach der Theorie kommen folgende beiden Formeln für die be- schriebene Verbindung in Betracht: 1. C,H,CH,CH,Br (= Pf), 2. C,H,;,CHBrCH, (= e). Die erste dieser Formeln würde einer zur Zeit noch unbekannten Substanz zukommen, welche dem von Fittig und Kresow!) dargestellten _Phenyläthylchlorid entspräche. Eine Substanz von der Formel C;H;CHBrCH,- ist hingegen bereits bekannt; Derthelot?) erhielt sie durch Einleiten von Bromdampf in siedendes Aethylbenzol, Kadzi- szewski’) durch Eintragen von Brom in auf 140—150° erhitztes Aethylbenzol neben Styrolbromid, Engler und Bethge*) aus Methyl- phenylcarbinol und HBr. Sie wird ‚beschrieben als eine braungelbe Flüssigkeit, welche nach T’horpe°?) bei 500 mm sich unzersetzt de- !) Ann. 156, 240. ?) Bull. soc. cnim. 10, 343. 3) Berliner Berichte 6, 492. *) Daselbst 7, 1126. 5) Zeitschrift für Chemie 1871, 130. Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. II. 8 il4 A. Bernthsen und Fritz Bender: stilliren lässt, nach Radziszewski') bei der Behandlung mit Zinkstaub und Benzol mit Leichtigkeit das bei 268—270° siedende Diphenyl- äthan (C,H,),CH.CH, liefert, welches seinerseits durch Oxydation Benzophenon gibt. Eine Angabe des spezifischen Gewichts haben wir nicht gefunden. Um zwischen den beiden möglichen Formeln zu entscheiden, haben wir mehrfach unser Bromäthylbenzol mit Benzol und Zinkstaub zusammengebracht. Es erfolgt leicht eine stürmische Reaktion, wess- halb man zweckmässig das Bromäthylbenzol allmälig zudem Gemisch von Benzol und Zinkstaub hinzufügt und im Uebrigen nach den Vorschriften von Zincke?) verfährt. Wir erhielten als Hauptprodukt der Reaktion hochsiedende blaufluoreseirende Oele und selbst nach viermaliger Frak- tionirung stellte sich kein konstanter Siedepunkt bei 268—270° (Di- phenyläthan) ein. Dagegen destillirte eine relativ grössere Menge leid- lich konstant bei 2837—295°. Dieselbe gab bei der Analyse die Formel C„H„: gefunden C 91,52 und 92,13; H 8,15 und 8,33; berechnet C 92,31, H 7,69. Der zwischen 240 und 270° übergehende Antheil scheint nach der Analyse dieselbe Zusammensetzung zu besitzen, ist aber noch schwach bromhaltig. Bei der Oxydation dieser beiden Fraktionen mit Chromsäuremischung wurde stets als fast ausschliessliches Produkt eine wachsweiche, grüne Masse erhalten, ähnlich derjenigen, welche Zincke ?) als benzoylben- zoösaures Chromoxyd beschrieben hat. Durch successives Auskochen mit Salzsäure und Natronlauge wurde daraus eine Säure erhalten, welche in heissem Wasser wenig, in Alkohol leicht löslich ist, und aus ersterem, sowie aus verdünntem Alkohol in irisirenden, farblosen, länglichen Blättchen krystallisirt, nach vorherigem Erweichen bei 184—186° schmilzt und bei der Analyse Zahlen ergab, welche auf die Formel (,;H,,0; stimmen (gefunden C 75,41, H 5,42, berechnet C 75,00, H 5,00). — Benzoösäure und Benzophenon wurden unter den Oxydationsprodukten _ nicht beobachtet. Obgleich die sehr schlechten Ausbeuten uns eine genauere Unter- [ !) Berliner Berichte 7, 142. ?) Annalen 159, 367. 161, 93. ®)l.’e. Ueber einige Derivate des Styrols. 115 suchung, vor Allem weitere Analysen nicht gestatteten,, glauben wir doch aus den mitgetheilten Resultaten den Schluss ziehen zu dürfen, dass unser Bromäthylbenzol nicht mit dem bereits beschriebenen über- einstimmt und also wohl die #-Constitution C,H,CH,CH,Br besitzt. Ein solches sollte nach der Zincke’schen Reaktion zur Bildung des symmetrischen Diphenyläthans (Dibenzyls) führen, welches bei der Oxydation in Benzoösäure übergeht. Die Reaktion verläuft aber offen- bar in viel complieirterer Weise, nämlich, wie uns scheint, zum Theil so, dass durch den Zinkstaub aus 1 Molekül Bromäthylbenzol HBr abgespal- ten wird und das regenerirte Styrol mit einem zweiten Molekül Bromäthyl- benzol zu dem Kohlenwasserstoff C,H, s = C,H,;CH,CH,0,;H,CH: CH, zusammentritt. Ein solches könnte bei der Oxydation durch Spaltung an der Stelle der doppelten Bindung und Verwandlung eine Gruppe CH, in CO die Säure C,;H,,0; liefern. Es ist indesszu bemerken, dass die beobachtete Säure mitder bereits beschriebenen C,H; CH, C0OC,H,C0,H !) in ihren Eigenschaften nicht übereinstimmt. Weitere Versuche werden zeigen, ob die Formel (1) für unser Bromäthylbenzol die richtige ist. Die Möglichkeit ist nicht ausge- schlossen, dass sich der Körper (2) daneben in geringer Menge bildet; wenngleich wir kein Diphenyläthan (C,H,),CH.CH, und unter den Oxy- dationsprodukten kein Benzophenon nachgewiesen haben, so beobach- teten wir doch eine höchst geringe Menge eines festen, bei 123° schmelzenden Kohlenwasserstoffs, welche mit dem von Kadziszewsky und von Zngler und Bethge beschriebenen, aus (2) entstehenden i Ä : 3 HN. SACHH N. 3 symmetrischen Diphenyldimethyläthan &; ° _CH.CH< 8.5 identisch y: pheny y CH, SCH, identisc sein könnte. — Es ist bemerkenswerth, dass beim Zusammentritt von Styrol und Bromwasserstoff das Halogen diesmal nicht oder nur unter- geordnet an das weniger Wasserstoff führende Kohlenstoffatom zu treten scheint. Die obigen Versuche wurden in der Hoffnung angestellt, auf OH iCHeH.NH, (9) u, Be !) Gabriel und Michael, Berl, Ber. 11, 1018. synthetischem Wege zu der Basis C,H g* 116 A. Bernthsen und Fritz Bender: Ueber einige Derivate des Styrols. langen, welche aus dem Tyrosin nach Schmidt und Nasse unter CO, - Abspaltung entsteht‘). Wir hofften sie unter Anderem auch aus p- Amidobenzyleyanid durch Diazotirung, Bildung des Thiamids und Re- duktion desselben zu erhalten; indess führte schon die Diazotirung nicht zum Ziel. Wir hofften dann p-Oxybenzyleyanid aus p-Oxybenzyl- chlorid zu gewinnen, aber diese Substanz ist uns trotz vielfacher Be- mühung nicht zugänglich geworden; weder beim Chloriren des Acetyl- oder Methylparakresols in der Siedehitze, noch durch Reduktion ete. des p-Nitrobenzylchlorids oder p-Nitrobenzylacetats — Versuche, die Herr Friese unter den verschiedensten Bedingungen ausgeführt hat — noch endlich aus p-Oxybenzylalkohol, dessen Gewinnung aus dem Al- dehyd sich beträchtlich grössere Schwierigkeiten in den Weg stellen, als man nach den vorliegenden Angaben erwarten könnte. Es ist uns dadurch auch nicht möglich geworden, die von dem einen von uns und Herrn G. Bender in Aussicht gestellten Versuche der Synthese des Tyrosins aus p-Oxybenzylchlorid auszuführen. Es möge noch erwähnt sein, dass sich durch Erhitzen des Tyro- sins mit bei 0° gesättigter Bromwasserstoffsäure auf 240° oder mit analoger Chlorwasserstoffsäure auf 260° eine Spaltung nicht bewirken liess. Das sämmtliche angewandte Tyrosin wurde durch mehrfach wiederholtes Eindampfen der Reaktionsmasse zur Trockne, Aufnehmen mit Wasser, Abfiltriren des ausgeschiedenen Tyrosins, erneutes Ein- dampfen etc. wiedergewonnen. Die Mutterlauge enthielt sehr geringe Mengen Ammoniak, was sich indess aus dem Umstand erklärt, dass das nach den üblichen Methoden gereinigte Tyrosin hartnäckig eine geringe Menge Ammoniak zurückhält, welche bei einer direkten Be- stimmung sich zu 0,19 Prozent ergab. Auffallend erscheint unter diesen Umständen die Angabe von Hüfner, dass Jodwasserstoff bereits bei 150° das Tyrosin unter Ammoniakspaltung zerlege. Die mittlerweile durch Herrn Zrlenmeyer bewerkstelligte schöne Syn- these des Tyrosinshat uns bewogen, unsereVersuchenicht weiter fortzusetzen. !) Diese bekanntlich nur sehr mühsam darstellbare Base lässt sich auch nicht leichter durch Destillation des Tyrosins oder seines salzsauren Salzes im Vacuum gewinnen. et a; 117 Beobachtungen über Bau und Entwicklung der Orchideen. Von E. Pfitzer. 9. Ueber das Wachsthum der Kronblätter von Cypripedium caudatum Ldl. (Vorgetragen den 3. März 1882.) In meinem kürzlich erschienenen Buche über die Morphologie der Orchideen!) wurde darauf hingewiesen, dass bei Cypripedium cau- datum Ldl. und bei dem als Pelorie dieser Art zu betrachtenden Uropedium Lindenii Ldl. die Petalen eine ganz ungewöhnliche Länge, den Angaben nach bis 72 cm erreichen und dass dieselben nach einer Notiz von Lüddemann?) beim Oeffnen nur etwa 10 cm messen und dann in 9 bis 12 Tagen auf die oben angegebenen Di- mensionen anwachsen. Bei der von Züöddemann gemessenen Blüthe waren dabei die Zuwachse in den ersten beiden Tagen seiner Be- obachtungen klein (höchstens 2 cm), dann an fünf folgenden Tagen zwischen 4 und 6 cm, endlich am achten bis zehnten Tage wieder kleiner (2—3 cm). Die definitiv erreichte Länge der Petalen war in diesem Falle 55 em. Ein im Heidelberger Garten ceultivirtes C. caudatum entwickelte nun Ende Februar 1882 zwei einblumige Inflorescenzen, die wohl als Erstlinge noch etwas hinter den überhaupt möglichen Dimensionen 1) Grundzüge einer vergleichenden Morphologie der Orchideen. Heidel- berg 1882. S. 135. ?) Pescatorea, Taf. Il. Vgl. Reichenbach, Xenia orchidacea 1. 8. 36. 118 E. Pfitzer: zurückblieben, womit auch stimmen würde, dass jede Inflorescenz nur eine Blüthe zur Ausbildung brachte, während nach Du Buysson') bis sechs Blumen an einem Blüthenstand vorkommen. Ich habe trotzdem Messungen ausgeführt und gebe nachstehend die erhaltenen Resultate. Ueber den allgemeinen Verlauf der Entwicklung wäre Folgendes zu bemerken. Auf die sehr kurzen Internodien, welche die zweizeilig gestellten Laubblätter tragen, folgten bei der einen Inflorescenz ein sehr langes, bei der anderen zwei mässig lange Stammglieder, zwischen welchen letzteren dann noch ein kurzes stengelumfassendes, aber bis zum Grunde freirandiges grünes Hochblatt vorhanden war. An der Spitze des so gebildeten schräg aufrechten, etwa 20 cm langen Schaftes standen zwei von den Seiten her zusammengedrückte, stengelumfassende und bis zur halben Höhe scheidenartig geschlossene grüne, auf der Innenseite behaarte Bracteen von 5—6 cm Länge und 2 cm Breite. Nur aus der Achsel der unteren grösseren trat je eine Blüthenknospe hervor, die rasch anwachsend eine im Verhältniss zu der ganzen Pflanze bedeutende Grösse erreichte; die in den Achseln der oberen Bracteen angelegten Knospen wurden nur etwa 1,5 cm lang und ent- wickelten sich dann nicht weiter. Der unten gerade, an der Spitze leicht abwärts übergebogene unterständige Fruchtknoten der grösseren normal ausgebildeten Knospe mass bei einem Durchmesser von circa 4 mm etwa 15cm, ihr oberer, nach unten schlank schnabelartig zu- laufender Theil war kurz vor dem Aufblühen 13 cm lang, so dass also die Gesammtlänge der gerade gedachten Knospe 28cm war. Der obere Knospentheil war anfangs aufwärts concav gekrümmt und stand horizontal, später stellte er sich mit zunehmender nach unten concaver Krümmung der obersten Region des Fruchtknotens senkrecht abwärts, während seine eigene Krümmung sich ausglich und endlich in die ent- gegengesetzte, zur Blüthenstandsachse concave überging. Der Quer- schnitt der Knospe war ein Kreisabschnitt; die ebene, 1,8 cm lange Seite war nach aussen, der stark,convexe, etwa 1,5cm hohe Bogen nach dem Fruchtknoten hin gewandt. Man sah schon einige Zeit ') L’ Orchidophile, Paris 1878. $. 469. le nn Beobachtungen über Bau und Entwicklung der Orchideen. 119 vor dem Aufblühen das etwa 3cm lange Labellum durchschimmern und auch die beiden schmalen dunklen Petalen waren, ausser im untersten Viertel des oberen Knospentheils, unter der Commissurlinie der Sepalen als dunkle Streifen erkennbar. Beim Aufblühen, welches spät Abends oder in der Nacht begann, trennten sich die beiden Sepalen, deren unteres bekanntlich als aus zweien verwachsen betrachtet werden muss, zunächst so, dass sie unten noch mehr oder weniger weit zusammenhingen, oben aber weite Spalten bildeten; die bereits lebhaft wachsenden Petalen waren mehrfach hin- und hergebogen und lagen zum grössten Theil mit den dicht be- haarten Oberseiten fest an einander. Bei der einen, in der Nacht vom 19. auf den 20. Februar den Anfang der Oeffnung zeigenden Blüthe traten beide nach derselben Seite aus der ersteren hervor und bilde- ten einen immer grösser werdenden Bogen — bei der anderen trenn- ten sie sich im oberen Theil und hingen beiderseits zwischen den unten noch immer fest verbundenen Sepalen bogig heraus. An der grösseren, zuerst sich erschliessenden Blume trennte ich die letzteren am 21. Morgens vorsichtig; an der anderen, welche am 22. Februar Abends 11 Uhr sich zu öffnen begann, wurden erst in der Nacht des 24. Februar die Spitzen der Petalen von selbst völlig frei. Die Se- palen krümmten sich, nachdem ihre Spitzen sich von einander gelöst hatten, das obere stark aufwärts, das untere ebenso abwärts, so dass das erstere etwa horizontal zu stehen kam, während das letztere sich der Blüthenstandsachse bis zur Berührung näherte; beide machten einen Winkel von etwa 150°. Gleichzeitig rollten sich die Ränder in Folge stärkeren Querwachsthums der Innenseite bis zur Berührung rückwärts ein und ging die bis dahin lichtgrüne Farbe in Gelb über. Die breiteren Basaltheile der Petalen divergirten bis zu 120°; auch bei ihnen bogen sich die Ränder nach rückwärts um. Die bandartig schmalen, durchschnittlich nur 2 mm breiten Obertheile der Blüthen- blätter blieben dagegen flach und hingen mit einem horizontalen Ab- stand von etwa 6 cm senkrecht abwärts; sie zeigten dabei sowohl leichte Biegungen als auch eine auf stärkerem Längenwachsthum der Kanten beruhende Torsion, ähnlich wie sie etwa an den Laubblättern 120 E. Pfitzer: von Typha so deutlich hervortritt. Die Innenseite der Petalen war mit ziemlich langen, bräunlichen Haaren bedeckt, die Aussenseite kurz- haarig. Das Labellum stand schliesslich senkrecht abwärts. Sepalen und Lippe zeigten nach der Oeffnung der Blüthe nur noch ein mässiges Wachsthum: die ersteren verlängerten sich von 13, beziehungsweise 11,9cm auf etwa 16 und 13cm. Die Lippe wuchs von 3 zu 6cm Länge heran. Die schmalen Petalen zeigten dagegen allerdings ein sehr lebhaftes Wachsthum und erreichten in nicht ganz zwei Wochen im Maximum 46,7 cm Länge. Um das Wachsthum genauer zu verfolgen, wurden die Blüthen am oberen Theil des Fruchtknotens fest eingespannt und darauf an die Enden der Petalen mit Gummi sehr kleine, einseitig aufgeschnittene Korkwürfel so befestigt, dass die Spitze des Kronblattes in dem Ein- schnitt festgeklemmt und festgeklebt war. Um das Korkstück wurden dann dünne versilberte Kupferdrähte von 0,0754 mm Durchmesser festgeknüpft. Der mit 6gr gespannte Draht lief über eine sich in Spitzen drehende Scheibe, deren leichter, 26,6 cm langer, durch eine kurze Metallnadel am entgegengesetzten Theil der Scheibe äquilibrirter Zeiger sich vor einer Gradtheilung bewegte, deren einzelne Grade im Bogen 4,6 mm Länge hatten. Die so erzielte Vergrösserung, d. h. das Verhältniss des Radius der Rolle zur Zeigerlänge, betrug 1: 12, und liess sich Y/,o °, somit ein Wachsthum von etwa 0,04mm noch gut ablesen. Während des lebhaftesten Wachsthums der Petalen war es bei dieser Einrichtung möglich, das Fortschreiten des Zeigers direct mit den Augen zu verfolgen. In dieser Weise wurde je ein horizontal ausgespanntes Petalum beider Blüthen (in den Tabellen a und c) be- obachtet. Bei einem dritten Petalum (b) lief der horizontale Draht ebenfalls über eine leicht drehbare Scheibe und trug an dem spannen- den kleinen Gewicht (6,6 gr) eine horizontale Nadel, deren Spitze vor einer Millimeterscala stand, so dass hier der Zuwachs unmittelbar ge- messen werden konnte. Durch genügende Länge der feinen Drähte zwischen den Enden der Petalen und der Scheibe war den ersteren Torsion bei gerade bleibender Mittellinie möglich. Von Zeit zu Zeit wurden noch die Gesammtlängen der Petalen Beobachtungen über Bau und Entwicklung der Orchideen, 121 En auf einen dahinter gehaltenen Maassstab projieirt und so im Ganzen bestimmt. Auf ein Petalum (a) trug ich am 20. Febr. Abends mit weisser Farbe im Abstande von 1 cm Marken auf, deren zunehmende Entfernung von einander über die Vertheilung des Wachsthums Auf- schluss gewährte. Das vierte Kronblatt (d) wurde verwendet, um durch Bestimmung der Zellenlänge die Frage zu entscheiden, ob es sich nur um Streckung oder auch um Zelltheilung handle. _ Leider war es in der so ungünstigen Jahreszeit nicht möglich die Pflanze in constanter Temperatur und im Dunkeln zu beobachten, da der ganze Versuchsapparat zu umfangreich war, um ihn in einen Thermostaten einzuschliessen und die im Dunkelzimmer des Instituts, im Keller u. s. w. herrschende niedere Temperatur einer tropischen Pflanze kein erhebliches Wachsthum gestattet haben würde, während es doch auch gerade darauf ankam zu bestimmen, welche maximale Höhe dasselbe erreichen würde. Es blieb somit nur übrig Beleuchtung und Temperatur in verschiedener Weise variiren zu lassen und aus dem wechselnden Verhalten der Pflanze auf die Abhängigkeit des Zuwachses von Licht, Wärme u. s. w. Schlüsse zu ziehen. Während des kräftigsten Wachsthums wurde die in dem mit dem Institut verbundenen Warmhaus stehende Pflanze von 7 Uhr Morgens bis 11 Uhr Abends stündlich beobachtet, vorher und nachher in grösse- ren Zwischenräumen. Die betreffenden Tabellen sind am Schluss dieses Aufsatzes gegeben — die allgemeinen Resultate seien hier mitgetheilt. Zunächst ergaben sich, immer von 9 Uhr Morgens bis wieder 9 Uhr Morgens bestimmt, folgende Zuwachse: 122 E. Pfitzer: Aeltere Blüthe. Jüngere Blüthe. Täglieber Zuwachs von Täglicher Zuwachs von Petalum a. Petalum b. Petalum ce. 18.— 21. Februar Gesammt- zuwachs von a 8,0, von b 4,5cm, somit im Mittel taglich EV ER 28cm RT Foscm 21.22: Bebruar Sen 260707 5 22.—23. 5 EAU A Ara 1,85 23.—24. = Ara IE Duo 41%, 4,4 cm 24.—25. > ARE RS 3,4 2 25, —26b. = Be AL ee De 18 „ 26.—27. » ER 1,2, 0,6 „ 5,4 „ 27.—28. 5 a 0.9 „ 0,4 „ en 28. Februar—1. März. . 0,8, 0,9 „ 3,025 1.— 2. Marz 2. END TrS 0,3: 2, 2.—3. „ net le 0,8 „ 1 1,2, BA N ORG 0,3 % 0,3 A. en AS Dre Aue — = 005 5.6.0, EN ARINE _ == 0,4 „ Gesammt- Gesammt- Gesammt- länge länge länge 46,7 cm 44,0 cm 46,5 cm. Aus diesen Zahlen ist zunächst ersichtlich, dass der ansteigende Theil der grossen Periode des Wachsthums fast ganz innerhalb der noch ge- schlossenen Knospe verläuft und schon am zweiten (a) oder dritten (b, ec) Tage nach Beginn der Blüthenöffnung (vgl. S. 119) der grösste Zuwachs eintritt, worauf dann das Wachsthum rasch langsamer wird, aber noch etwa eine Woche fortdauert. Als die Blüthen behufs ihrer Aufbewahrung am 4., beziehungsweise 8. März abgeschnitten wurden, waren die Sepalen schon fast bis zur Hälfte welk und auch das Aus- sehen der Petalen liess mit Sicherheit annehmen, dass irgend erheb- licher Zuwachs nicht mehr zu erwarten war. | Was dann die Vertheilung des Wachsthums anlangt, so zeigte die Messung des calibrirten Petalums (a), dass es sich um eine ziem- Beobachtungen über Bau und Entwicklung der Orchideen. 12 w lich gleichförmige Streckung auf fast der ganzen Länge desselben han- _ delt. Von der Spitze beginnend, waren 16 je lem lange Stücke (I—XVI) und ein etwa 5mm langes Schlussstück (XVII) vorhanden, welche, jedesmal um 5 Uhr Nachmittags gemessen, die in der folgen- den kleinen Tabelle verzeichneten Längen hatten. Das Stück I wurde, so lange es zum Theil in den Korkwürfel eingeschlossen war, nicht gemessen, da es im freien Wachsthum behindert war. | | | | | | | | | | I | Ir) IV) V NL LU X SS en | | | | | | | 21.Fbr. — 1,4 1.413138 1,513) 1,3 11,4/1,2 1,2 1,3 | 1,2 | 152211521, 2 | 0,8 22. „ | 1,61,81,611,78,011,6| 1,7 1,9]1,211,711,711,6 1,6115 1,5 1,0 23. , iger 1,9 ala ae 27]%2,1.1251 Aa 2,3 2,2 | 2,2 11,8| 1,8 | 1a 26. 112,0 2,312,312,3 2,5 3,0 2,5 12,7 3,22,9) 3,0 | 3,0 \ 3,0 | 2,0 1,92 158 12,0 2,412,512,6 2,7|3,4| 2,9 13,0 3,713,3| 3,5. 3,5 | 3,4 [3,0 | 2,0 | 1,2 4.Mrz. 1,6 Hieraus folgt, dass der obere Theil bis etwas über die Mitte des Petalums (VII—XV) die stärkste Streckung erfährt, doch ist dieselbe nicht so sehr viel grösser als die Verlängerung der übrigen Abschnitte, die sich alle, wenn wir von dem befestigten Stück I absehen, auf min- destens das Doppelte ihrer ursprünglichen Länge gestreckt haben, während im Maximum (X) das 3,7fache erreicht wurde. Der grösste, auf den 23. Februar, den vierten Tag nach Beginn der Blüthenöffnung, fallende Zuwachs ist (XTI—XIV) auf l1cm in einem Tage 6 mm. _ Die ganze Erscheinung ist dabei wesentlich nur eine Verlängerung _ der bereits in der Knospe vorhandenen Zellen. Zelltheilung kommt nur vereinzelt vor. Alles in Allem sehen wir, dass Lüddemann’s Angaben nicht über- trieben waren: in dem hier mitgetheilten Versuche wurde ja ein Maximalzuwachs von 7,8cm im Tage gefunden, d. h. auf die Stunde eine mittlere Verlängerung um 3,25 mm, auf die Minute um 0,054 mm. h Einen etwas höheren Werth erhalten wir, wenn wir den wirklich in einer Stunde beobachteten maximalen Zuwachs der Tabelle 4,5 mm, -_d. h. in der Minute 0,075 mm in Betracht ziehen. Um nun zu beurtheilen, inwieweit dieses auf den ersten Blick in der That recht ansehnlich erscheinende Wachsthum wirklich auffallend 124 E. Pfitzer: schnell ist, seien hier zum Vergleich noch einige andere analoge Zahlen- angaben angeführt. Filamente von Triticum') inder Minute 1,800 mm Verlängerung, Junger Spross von Bambusa?) „ „ „ ' 0,643 „ 5 Blatt von Victoria?) a I 0,255 „ ” Stiel von Coprinus®) RAR 0,225 „ 5 Blüthenstiel von Vallisneria?)„ „ , 0,209 „ = Hyphe von Ancylistes*) a 0,100 „ n Petalum v. Cypripediumcaud.„ » ,„ 0,073. 5 “ Spirogyra princeps’) an 0,013 „ » Wurzel von Vicia Faba°) es 0,006 „ “ Es sind jedoch diese Werthe nicht ohne Weiteres unter einander vergleichbar. Wie schon Bennett?) und Askenasy'°) hervorhoben und neuerdings Pfeffer'') betont hat, muss man, um eine richtige Vor- stellung von der eigentlichen Wachsthumsintensität zu erhalten, in Betracht ziehen, wie lang die sich streckende Zone ist. Gleichförmige - Vertheilung des Wachsthums vorausgesetzt, wird ein Organ von Im Länge eine Gesammtverlängerung von l cm zeigen, wenn jeder Milli- !) Askenasy, Ueber das Aufblühen der Gräser. Verhandl. d. naturhist,- medic. Vereins zu Heidelberg. II. S. 264. ?) Martius, Münchener gelehrte Anzeigen, 1848. S. 763. Gardener's Chronicle. 1855. S.583, Vgl. Drude, Nov. Act. Acad. Leop. Carol. XLIII. S, 261. ®) Caspary, Weber die tägliche Periode des Wuchsthutg des Blattes der Victoria regia. Flora 1856. S. 113. *) Brefeld, Untersuchungen über Schimmelpilze. III. S. 61. Pi ee 5) Bennett, On the rate of growth of the female flower-stalk of Vallis- B neria spiralis. Transact. Linn. Society 1875. S. 134. 6) Pfitzer, Ancylistes Closterii. Monatsber, d. Berlin. Academie 1872. S. 384. 7) Hofmeister, Ueber die Bewegungen der Fäden der Spirogyra princeps. Jahreshefte d. Vereins f. vaterländ. Naturkunde in Würtemberg. 1874. S. 222. 8) Sachs, Ueber das Wachsthum der Haupt- und Nebenwurzeln. Ar- beiten d. Würzb. Instituts. I. S. 425. D)Eanıa, 0.8. 134, 1%) Ueber eine neue Methode, um die Vertheilung der Wachsthumsinten- sität zu messen. A. a. O. II. S. 77. "!) Pflanzenphysiologie II. S. 80. ee [9 or Beobachtungen über Bau und Entwicklung der Orchideen. 1 meter seiner Länge sich in der gegebenen Zeit um '/,.. mm streckt; ein | Organ von l1cm Länge wird dagegen, um denselben Gesammtzuwachs zu erhalten, in jedem Millimeter seiner Länge Imm wachsen müssen. Um zu vergleichen, um die eigentliche Wachsthumsintensität zu finden, müssen wir also den Zuwachs dividiren durch die Länge des wachsen- den Stückes, wobei hier, da es sich nur um Annäherungswerthe han- - delt, von der von Askenasy ') angegebenen genaueren Berechnung der > ” Wachsthumsgeschwindigkeit abgesehen werden soll. Was dabei speciell unseren Fall betrifft, so wäre zunächst her- vorzuheben, dass der Verlauf der grossen Periode für die Wachsthums- intensität berechnet sich nicht wesentlich von der in der Tabelle S. 122 gegebenen Folge der Zuwachse unterscheidet. Allerdings ist die Wachsthumsintensität anfangs beträchtlicher, als es nach dem Zuwachs scheint, da ja das wachsende Petalum zuerst noch kurz ist, und nimmt später rascher ab, da ja dessen Länge, der Divisor, fortwährend zu- nimmt. Doch bleiben die Maxima ziemlich an derselben Stelle. Es würde z. B. an die Stelle der für Petalum a gegebenen Zahlenreihe die folgende treten: 0,203 — 0,309 — 0,233 —0,115 —0,064 —0,035 0,029 —0,021 — 0,018 —0,016 —0,018 —0,013, deren Ziffern also den täglichen Zuwachs auf die Längeneinheit angeben. Berechnen wir dann ferner den beobachteten maximalen stündlichen Zuwachs 4,5 mm auf 1 Minute und dividiren den gefundenen Werth 0,075 mm durch die derzeitige ungefähre Länge des Petalums 225 mm, so er- giebt sich die maximale Wachsthumsintensität in einer Minute zu 0,00033 , oder, wenn wir in Betracht ziehen, dass nachweislich 1,6 cm - des Petalums sich in 24 Stunden um 6 mm verlängerte (S. 123), 0,00026. Hinsichtlich der übrigen angeführten Beispiele ist zu bemerken, dass die Länge der wachsenden Zone fast nirgends angegeben, ja vielfach nicht einmal die Länge des ganzen wachsenden Organs mitgetheilt ist. So finde ich z.B. über Bambusa nur die Notiz, dass ein4’ 8” langer, aus 20 Internodien bestehender Trieb nach vorgängigem Wachsthum von 27‘, einen maximalen täglichen Zuwachs von 4,5‘ zeigte. Setzen )a. a. 0.8, 80. 126 E. Pfitzer: wir hier in Ermangelung besserer Information gleichförmige Streckung voraus, so wäre die auf die Minute berechnete Wachsthumsintensität 4,5 $ 1440. 63,25 = 0,00005, also sehr klein. Erheblichere Werthe ergaben folgende im Warmhaus gemachte Messungen über einen jungen Spross von Bambusa verticillata und ein junges Blatt von Musa rosacea. Bambusa. Musa. Sprosslänge. Se Blattlänge. ee U./Marz u: el R 11,6 = En em cm 2. Te lahlan 170m ‘ 4,9 3 ar 0? 00,0, 130 ee BR 93,0. 130 BR 30 12,7 , 28,0, 129 ee Bao 10, 31,0 „ . wonach, gleichförmige Streckung vorausgesetzt, die mittlere Wachs- thumsintensität in der Minute für Bambusa im Maximum 0,00022, für Musa 0,00032, also fast eben so gross wie bei Cypripedium, bei irgend ungleichförmigem Wachsthum stellenweise grösser sein würde. Bei Victoria regia giebt Caspary bei ziemlich gleichförmig ver- theiltem Wachsthum einen stündlichen Zuwachs von 12 mm auf 408 mm ursprüngliche Länge an; die Wachsthumsintensität in der Minute ist danach fast 0,0005. Beim Blüthenstiel von Vallisneria streckte sich ein 2,25’ langes Stück in 4Y, Stunden um 0,35, was auf die Minute berechnet 0,006 ergiebt. Noch höhere Werthe zeigen dann die übrigen obengenannten Fälle. Bei Coprinus verlängert sich der Stiel bei grossen Exemplaren, wo Drefeld seine Länge etwa zu 6 Zoll angiebt, in einer Stunde um '), Zoll, also, gleichförmige Streckung angenommen, um '/J;>, in der Minute um so Seiner Länge, wonach hier die Wachsthumsintensität mindestens 0,0014 wäre, wäh- rend die oben angeführten Zahlen bei Vicia Faba 0,0061 ergeben. Nehmen wir bei Ancylistes an, dass die ganze etwa 0,22 mm lange Endzelle der Hyphen, welche allein wächst, sich gleichmässig streckt, so würde der Zuwachs in der Minute hier '/, des sich streckenden Beobachtungen über Bau und Entwicklung der Orchideen. 127 Stückes sein, machen wir die wahrscheinlichere Annahme, dass höch- stens ihre obere Hälfte in Verlängerung begriffen, die untere bereits starr ist, so erhalten wir die Wachsthumsintensität '/,, oder 0,091. Da die Zellen von Spirogyra princeps sich in 1 Minute nach Hofmeister um 7'/, °/, ihrer Länge strecken können, so wäre hier die Wachsthumsintensität 0,075. Bei der Oeffnung der Blüthen von Stanhopea beobachtete ich '), dass zwei 4 mm von einander abstehende Flecken an der Basis des Kronblatts nach 1 Minute 4,5 mm von einan- der entfernt waren, ‘was einer Wachsthumsintensität von 0,125 ent- spricht. Das bei weitem rascheste Wachsthum zeigen aber die Fila- mente der Grasblüthen, wo nach Askenasy sich ein 3mm langer Staubfaden in einer Minute auf 4,8mm streckt, also einen Zuwachs von 0,6 seiner Länge zeigt. Stellen wir diese Resultate noch einmal vergleichend neben einander, so wäre die Wachsthumsintensität auf die Längeneinheit bezogen für in der Minute in der Stunde Filamente von Triticum . . 06 36,0 Petalum von Stanhopea . . 0,12 /,2 Hyphe von Ancylistess . . . 0,091 5,46 Zelle, von?Spirogyra... 2... 2.0075 4,5 NWeurzekivon Viecia ... ,....:2:0,0061 0,37 Stiel von Coprinuss . . . ..0,0014 0,08 Blüthenstiel von Vallisneria . 0,0006 0,036 Petalum von Cypripedium . 0,00033 0,020 Bkitt von Musa. 22:.0%.%0,00032 0,019 Spross von Bambusa . . . 0,00022 0.013, wobei natürlich die Berechnung auf die Stunde in einigen Fällen, wo _ das Wachsthum nur wenige Minuten dauert, nur eine theoretische _ Bedeutung hat und wobei ferner zu bedenken ist, dass die Zahlen in manchen Fällen, z.B. Musa, Bambusa, sich höher stellen würden, !) Ueber das Aufspringen der Blüthen von Stanhopea oculata. Ver- handl. d. naturh.-mediein. Vereins in Heidelberg. II. S. 31. 128 E. Pfitzer: wenn eine Beschränkung des Wachsthums auf eine kurze Strecke nach- gewiesen würde. Alles in Allem sehen wir, dass die Reihenfolge sich gegenüber der S. 124 gegebenen Tabelle sehr geändert hat und dass das anscheinend so schnelle Wachsthum der Petalen von Cypri- pedium vorzugsweise auf der grossen Länge des wachsenden Organs beruht, während die eigentliche Wachsthumsintensität zwar noch er- heblich ist, aber doch von einer ganzen Anzahl anderer Fälle über- troffen wird. Es bliebe dann weiter noch zu untersuchen, welche Abhängigkeit das Wachsthum in unserem Falle von Wärme, Licht und etwaigen anderen äusseren Einflüssen zeigt. Ein Blick auf die beigegebene, die stündlichen Zuwachse darstellende Curventafel lehrt zunächst, dass die Wachsthumseurven der beiden Petalen derselben Blüthe (a und b) grosse Uebereinstimmung zeigen, wenn auch natürlich bei der am Zeiger be- obachteten Curve (a) der Hebelvergrösserung wegen die Schwankungen viel stärker sind, als bei der auf directen Zuwachsmessungen beruhen- den Curve (b). Es ist ferner ersichtlich, dass alle drei gezeichneten Curven sich derjenigen, welche die Temperatur angiebt, überall an- schliessen, * wo nicht Lichteinflüsse dies verhindern, wobei natürlich abgesehen wird von den kleinen stossweisen Aenderungen des Wachs- thums, welche gar keine Beziehung zu äusseren Verhältnissen erkennen lassen. Der Parallelismus der 'Temperatur- und Wachsthumscurven tritt namentlich hervor am 21., dem Vormittag des 22., dem Nach- mittag und Abend des 23., dem 25. bis 27. Februar. Im Uebrigen zeigt sich, dass, während das Wachsthum mit steigender Temperatur steigt und fällt, das Licht gerade einen entgegengesetzten Einfluss übt. Am 22. Februar, einem hellen, sonnigen Tage, war das Warm- haus, in welchem die Pflanze beobachtet wurde, und diese letztere selbst der Sonne ausgesetzt. Die Folge davon war, dass die Tem- peratur im Hause rasch stieg. Bis 11 Uhr Vormittags, wo dieselbe im ‚Schatten 22,2° R., in der Sonne neben der Pflanze 23,8° erreicht hatte, stieg auch das Wachsthum mit an, dann aber sank es bei noch weiter bis 24,4 beziehungsweise 26,6° steigender Temperatur sehr rasch und begann erst wieder nach 3 Uhr Nachmittags erheblich zu steigen. p rs sr " { > 2 2 h E 3 ER! Beobachtungen über Bau und Entwicklung der Orchideen, 129 Da die genannten Temperaturen für eine tropische Pflanze keine über- mässig hohen sind, auch die Luft im Hause, wie die psychrometrische Differenz zeigt, immer noch recht feucht war, so kann nur die intensive Beleuchtung das Wachsthum herabgedrückt haben, obgleich dieselbe, beiläufig bemerkt, in Folge der trüben doppelten Beglasung des Warmhauses erheblich geschwächt sein musste. Dabei sei noch darauf hingewiesen, dass mit sinkender Lichtintensität das Petalum a schon nach 4 Uhr sein Wachsthum erheblich steigerte, obgleich die Tempe- ratur noch bis 6 Uhr fortwährend sank. Instructiv ist auch eine Vergleichung des 21. und 23. Februar, die beide trüb waren. Wäh- rend am ersteren in Folge der gleichzeitigen Abnahme der Wärme und Zunahme der Beleuchtung in den Mittagsstunden die Wachsthums- eurven sich der Temperaturcurve einfach anschliessen, zeigt der 23., wo die Temperatur und die Beleuchtungsintensität gleichzeitig stiegen, doch ebenfalls ein Sinken der Wachsthumscurve-bis zum Nachmittag, also ein Ueberwiegen des Einflusses der Beleuchtung; ein Ansteigen der Curve in den späteren Abendstunden trat wohl in Folge der stetig und tief sinkenden Temperatur nicht ein, doch blieb das Wachsthum trotzdem ziemlich gleichförmig und hob sich nach 11 Uhr energisch, so dass es früh Morgens bei etwa 14° weit stärker war als Mittags bei höherer Temperatur. An dem hellen sonnigen 24. Februar wurde die Pflanze selbst beschattet, so dass sie nicht direct von den Sonnen- strahlen getroffen’ wurde , während das Warmhaus von den letzteren durchleuchtet war, wodurch die Temperatur im Hause in den Mittags- stunden stark, jedoch immerhin nur auf höchstens 22,1° R. anstieg. Trotz der Beschattung und hohen Temperatur finden wir doch eine _ jedenfalls auf den retardirenden Einfluss des hellen Lichtes zurück- zuführende Verminderung der Wachsthumsintensität in den Mittags- stunden, der in den Abendstunden noch eine schwache Hebung folgte. j Immerhin war jedoch jetzt das ganze Wachsthum schon zu träge ge- worden, um weitere sichere Schlüsse über die Ursachen fernerer Schwankungen zuzulassen. Die obere Figur der Curventafel stellt das Wachsthum des Pe- ; ums c der jüngeren Blüthe dar: an dem hellen 25. Februar zeigt WEIRERFER Verhandl. d. Heidelb, Naturhist. "Med. Vereins, N. Serie. III. b) 130 E. Pfitzer: ' die — übrigens beschattete — Pflanze deutlich wieder den Anschluss der Wachsthumscurve an die Temperatur, doch zeigt sich der retar- dirende Einfluss des Lichtes vielleicht in dem Sinken der Wachs- thumsintensität am Vormittag bei noch steigender Temperatur und in dem Ansteigen der Curve in den Abendstunden trotz nahezu constanter oder sinkender Temperatur. An dem trüben 26. Februar tritt eben- falls der Parallelismus der Temperatur- und Wachsthumscurve hervor, ebenso an dem sehr trüben 27., während der 28. Februar mit schwachem Sonnenschein in den Mittagsstunden wieder in den letzteren die Herab- drückung der Curve trotz steigender, ihr Ansteigen in den Abend- stunden trotz fallender Temperatur illustrirt. Bei der hervorragenden Bedeutung, welche nach dem Mitgetheil- ten das Licht als Wachsthumshemmer bei Cypripedium hat, ist es von Interesse, das gesammte Wachsthum bei Tage und bei Nacht zu vergleichen. Ich will dabei annehmen, dass der Tag von 7 Uhr Mor- gens bis 7 Uhr Abends dauere. Es ergiebt sich dann folgende Tabelle der Zuwachse: . Dan Pet. a. Pet. b. Pet. ’e. Tag Nacht. | Tag Nacht. Tag Nacht. 21. Februar... 2,80 | 4,05 2,85 | 41 a 22. 1“ Ehe 2,18 3,89 2,28 | 3,28 ae A N 3. e PR SE: 2,57 1,701 3,55 1,82 ER 24, 5 1.77 1,60 1,7.39.4 271,68 ee Een 25. n — — a 3,76 | -3,98 26: 1, _ a RN 2,66 | 2,16 20. n — — —_— | ,—- 2,40 | 2,37 28. B — — —.,|. — 1,81 1,67 Es zeigt sich also, dass Anfangs, in den ersten Tagen nach dem Oeffnen der Blüthe während der überhaupt grössten Wachsthumsinten- sität das nächtliche Wachsthum, später dagegen das tägliche Wachs- thum überwiegt. Doch ist dabei in Betracht zu ziehen, dass am 21. Februar die Temperatur in der Nacht höher war als am Tage, wie denn überhaupt der Mangel constanter Temperatur, der an den hier mitgetheilten Beobachtungen so vielfach störend hervortritt, hier das Resultat sehr zweifelhaft macht. Wenn es gelingt, das Cypripedium Pe u weh! Beobachtungen über Bau und Entwicklung der Orchideen. 151 im Sommer zur Blüthe zu bringen, wird sich dieser Fehler besser ver- meiden lassen; bei der Seltenheit der Pflanze glaubte ich jedoch auch die minder günstige Gelegenheit nicht unbenutzt vorübergehen lassen zu sollen. Eine Frage, auf welche ich schliesslich noch hindeuten möchte, wäre die, ob die Belastung der Petalen mit 6 bis 6,6 gr einen Einfluss auf die Wachsthumsintensität hatte. Jedenfalls war dieser Einfluss, wenn überhaupt ein solcher bestand, während des ganzen Versuchs . constant und also höchstens von Bedeutung für die Bestimmung der absoluten Grösse der Zuwachse. Da es sich hier aber doch nur um Annäherungswerthe handelt, so dürfte die'geringe Belastung wohl keine wesentliche Fehlerquelle sein. Ebenso erschien es unnöthig, für die Wärmeausdehnung des Drahtes (etwa Yssoo0 der Länge auf 1° C.) eine Correetur vorzunehmen. Tabelle der stündlicken Zuwachse. ‚| Zuwachs [Zuwachs] Ther-| Psy- = "des “ des Bo chan Tag. &[Petalums a| Petal. b | meter meter Bemerkungen. Rn in in °.R. OR, Grad.| mm mm im Schatten 21. Februar| SI — | — — 114,1 | 12,1 Andauernd trüber Morgens | 91 6,7%2,3| 3,0 [15,1 13,0 Regentag. 10| — — 3,0’ | 15,4 | 13,3 115,8,3:4°35271 5 3,92.1.19,3 1.1853 121 86. 33.173,92. 14,9:,12,9 15651254 2,708 1 18,7, 1251 2| 5,5 | 2,1 2,07112,9 | 11,6 364557|-15.2:1%7 25559 17:9|.10,9 4| 4,0 | 1,5 1,6 [11,1 | 10,4 513,8 7.15 1,244, 10,7.| 10,1 61.5,212,2/- 1,5825 12,8:.11,5 2.9,0:1.14991° ; 2,0:216,2:.13;57 8] 7,9 | 3,01 2,7 117,0) 14,3 98,271, 332.17.73,3 51 87,7. .14,7 10| 9,9 | 4,0 117,8 14,9 11, 9,71,3,01:73,6 117,8. 1951 . - 9%* 132 E. Pfitzer: = Zuwächs |Zuwachs| Ther- | Psy- = des des mo- | chro- Tag 3 |Petalums a| Petal. b | meter meter ® a = oR: | °R. Grad.| mm mm im Schatten 22. Februar| 7 |(8,4) (3,2)| (3,4) | 15,5 | 13,8 81:32.) ,2 1:921.15,49.41337 9:1 4.3156 20.2,1.17,08..1951 10=1.'6,77] 22,3 3:9.21759,2,121758 11 | 7.8| 3,0 22,22 11959 12278.0. 0159 45 | 24,4 | 21,0 1791..355. 1155 2,8 24.0 20,8 a SE — 24,0 | 20,2 3.110958 | 1,5 — 23,3 | 19,4 47112574 2:0 — 2:14644.1.758 RD a 2,0 | 18,0 | 16,3 6 I 6,4| 2,5 2,0 | 15,9 | 14,9 DOT 2,8 17.2.1.16,1 Ba 330:721.1.9.70 21659 I 30) °3,1 3,0.2,1420, 1516761 10. 18,03 ,1. 4,0 120,0.) 17,0 1471993629, 7; 3:5 120,2 117,1 ; 12 | 9,4 | 3,6 4,0. | 19,8 | 16,5 23.Februar| 1 |10,2| 3,9| 3,5 [19,2 | 16,1 2 | 89| 3,4 DSB 3 | 85| 33 3,2 18,1 | 15,4 148,0) 29,421. (258) 21.15.1 13,3 8 | 80| 3,1 2,7.:1°15561,44,1 a SER | 2,9. | 15,6 | 14,1 10 | 6,8 | 2,6 2,9 15:0 13,8 11217741228 2,7 .1 16,0.| 14,6 12 | 6,8 2,6 2,1 16,4 | 14,9 a an | 2,2 16,9 | 15,9 271456219158 2,0 117,2 | 15,5 2021 74,9.1031 39 2,01 17,5 1915,79 4 14,0 |: 1,5 1475: 17609: 15,3 9, 14,9% .6 1.6 16,8 | 15,1 6:1 3,5119 LO a 1 Bra 1,5. 145341350 8° 1.2,8.1.1,1,1,21,001 18552495 9. 2,5:0,9.# 691195707059 19%.1-2,71:1,0.11 10,9: 76. 1204 10% 1171.2,2 | 0,8 0,38: TON 24.Februar| 7,0[(4,2) 1,6| (1,8) | 14,2 82.4.0 1,5 138701388 | SEN a 5) 1,3 | 13,8 | 12,7 Bemerkungen. Gesammtzuwachs 11—7" 67,3°, 27,4mm. In den Columnen sind in Klam- mern 20,8. 18,1 die Durch- 23,8 20,1 schnittswerthe 26, ‚6 21,0 d.nächtlichen 96 A 21, ’g A p- Stunde gege- 25, ı 20,6 ben. Heller, 23,8 20, sonniger Tag. Die Pflanze war der vol- 3 |len Sonne hinter trüber doppelter Beglasung aus- gesetzt. Beistehend Tker- mometer und Psychro- meter in der Sonne. Gesammtzuwachs von 3 3 (his 7031 ‚9° und 1,13 em. Trüber Tag. 12,7 |Gesammtzuwachs von 11 12,9 bis 7"io 34,30 u. 1,44 cm. Tr äbes Wetter. ET EEE DEE = En . Beobachtungen über Bau und Entwicklung der Orchideen. 133 Zuwachs |Zuwachs| Ther- | Psy- 1S des des mo- | chro- Tag. 5 | Petalums a| Petal. b| meter EReRBE za Ir in in OR. | °R, Grad.| mm mm im Schatten 24. Februar |10| 4,0 | 1,5| 1,4 [14,3 | 13,5 111°4,5.1,7 2,0 18,5 16,4 121 4,5 | 1,7, 2,0 20,5 | 17,8 1] 4,3 | 1,6 ıha7f 22,1 119,1 318330: | al 153 21,8 | 18,9 3| 3,5 | 1,3 1,3 21,1 18,5 4| 2,7 | 1,0 0,7 138 | 17,7 #51:3,0 1,1), 263°. 1,18,1..16,4 6| 4,0 | 1,5 1,2 18,6 | 16,6 71 3,5 | 1,3 1,5 20,0 | 17,3 81 4,0 | 1,5 1,4 20,1 17,5 9] 4,0 | 1,5 1,6 20,2 | 17,5 10} 3,8 | 1,5 1,6 19,7. | 27,1 11!4,1 11,6 1,6 19,8 | 17.2 Bemerkungen. Sonnenschein, Pflanze beschattet. Wegen schwach ‘gewordenen Wachsthums wurden die stündlichen Beobachtungen abgebrochen. Jüngere Blüthe (Petalum ce). S Zuwachs | Thermo- Sa chro- ag. =) meter Bemerkungen. Tag 3 5 erkungen 07) Graden mm oR. oR. 35. Februar — — 17,5 155 ne Pflanze 6,0 | 2, 18,6 | 17,6 beschattet. 8,8 - 20,1 18,8 v De Dr SR o >) woman wm mm m D S DES AU HMWO RP OD Co 0 Er _ - | o de) 21,4 |19,8 22,6 | 20,8 23,4 |21,3 23,0 | 21,0 20,9 19,6 21,9 |19,8 21,8 119,5 20,8 | 18,9 20,0 | 18,3 20,4 | 18,3 20,5 18,5 19,9 18,0 Sonne verschwunden. Be. 134 E. Pfitzer: Zuwachs | Thermo- Psy- © rI = chro- Tag. = ö meter Bemerkungen. = in meter i Graden mm OR °R. (7,4) (2,8) 15,2 14,5 bis En 6 1"30 A 2 15,0 |14,6| Schwacher Sonnenschein, 16,7 1:16,41 Pflanze beschattet. wn 15,6 |15,2| Sonne verschwunden, trüb. 15,7 15,0 | Gesammtzuwachs von 10" a ) bis 1% 16,10 Er DDD wt —] ER oaommt oowr © ei Frese DDHDBDDyRBHFE DH H VRR RD HD HH OS HH Hmmm m Sn SSOWWÜUNOHrFHrQSJIISspun pyBRyR SNHTHHOSWUWVDOH Hr DS OD wm co Mat A N O0 m ww [ee ae we S1000 nr Ir 26. Februar [ (3,9) 18,2 16,8 Gesammtzuwachs von 11" | un _ ehe eh. tet. x ne fer er = HMO] vb ro I je = > -_ Km oO 27.Februar |12 14,0 ’ Gesammtzuwachs von 12° 8 5, 3 15,0 |ıy1 bis 7" 41,0%. Sehr trüb. 10 (5,5) (2,1) 16,5 15,7 | Gesammtzuwachs von gt 11 5,9159; 16,2 | 14,9 bis 10° 11,0%. 12 | 5,5 | 2, 15,92 712,9 1 7,0| 2, 18,4 116,4 2 5,8| 2, 1:51.,1°16,6 3| 5,7| 2, 18,8 | 17,4 4 3:32], 16,042 .15,7 Heller durch hervor- 5 3,0241, 15,2 | 14,6 brechende Sonne. 6| 52180 | 163 151 TA 17,6 | 15,9 | £4 1,7 | 181 62 9 | 5,4| 2, 1747. 116,0 10 “| 169 1154 er jur won 28. Februar| 7 | (5,0) (1,9)| 15,2 |13,7| Gesammtzuwachs von IT 8 6,5 - 17,2 15,4 bis 7" 40,30. Trüb. Wetter, 9.217.6,201029 17,2 15,6 - Er ro \ —_ DD or [e>} m o% er x o fear R=2 [Sb] Be en TENIQAF IE et => \ F A ERSEETEERTREISE or 0) 1 Tag. 36. Februa 37. Februa 38. Februaı Beobachtungen über Bau und Entwicklung der Orchideen. 135 Psy- ö] Zuwachs Thermo- = ‚ | ehro- : Tag. =) meteı Bemerkungen. en in meter Graden]| mm SIR! OFRE 28. Februar| 3] 3,2 | 1,2 19,6 |18,0| Schwacher Sonnenschein. 41 3,0, 1,1 ES le 5I 2,5 | 0,9 LISORD 1752 6 2,5 | 0,9 SCHE 17,1 er 17,9: .2|216°6 8] 4,4 | 1,7 17,9 | 16,4 9| 3,4 | 1,3 18,2 16,5 10| 3,2 1,2 18,4 16,6 Gesammtzuwachs: f 1. März 8| 8,7) (1,4) 18,0 16,2 | von 10— eG Se Trüb. 11| (4,2) | (1,6)| 18,5 |17,6| » 8-19 12,5. 21 2,2)| (0,85)| 194 |ıs4| » IR 65%. 51 (0,8) | (0,3) | 17,5 116,7 | » 25 25%. 81. @#5).11(0,5) 16 13,12. 16,41 91.915982. 74,52 2. März | 8|.@2,6)'.(1,0)| 16,4 |15,1| » . 8- 8° 31,5% Trüb. 101,6): ,00,6) 216,3. |.15, 6% n %* 8 — 1157 4,32 136 Fr. Schultze: Ueber Muskelatrophie. “Nach einem in der medicinischen Section am 29. November 1881 gehaltenen Vortrage von Prof. Fr, Schultze, Das Vorkommen von Muskelschwund beim Menschen hat äls eine sehr in die Augen fallende Anomalie seit lange die Aufmerksamkeit der Pathologen erregt. Besonders diejenigen Formen desselben, bei welchen allmälig der grösste Theil der Gesammtmuskulatur von dem krankhaften Processe ergriffen wurde, boten das grösste Interesse. Es entstanden mit der Zeit zwei sich entgegenstehende Anschauungen, von welchen die eine alle Arten von progressivem Muskelschwund aus pri- mären Nervenerkrankungen, die andere aus primären Muskelverände- rungen, besonders Muskelentzündung, herleitete. Die letztere Auf-, fassung wurde am systematischsten bekanntlich von Friedreich vertreten. Seit dem werthvollen Buche desselben, welches 1873 erschien, haben sich unsere Erfahrungen über die genannten Krankheitszustände sehr vermehrt und unsere anatomischen Untersuchungsmethoden weiter vervollkommnet. Man kann jetzt sagen, dass die von Friedreich be- schriebenen zahlreichen Fälle ein Gemisch von primären Myopathien, primären Spinalaffectionen und peripheren Nervenerkrankungen dar- stellen. So entsprechen z. B. die Fälle I und IX dem Bilde einer spinalen Kinderlähmung oder einer Poliomyelitis acuta, der Fall V einer Vorder- horn-Seitenstrangatrophie mit Bulbaerparalyse, desgleichen der Fall IV, wie ich durch eine Nachuntersuchung des noch vorhandenen Präpa- yates von letzterem direct nachweisen konnte. Im Falle II fand Ueber Muskelatrophie. 137 Friedreich selbst eine centrale Affection (Degeneration eines Theiles der Hinterstränge des Rückenmarkes); bei eigener Untersuchung er- schienen mir die Vorderhörner in der Lenden- und Halsanschwellung von geringerem Volum und weniger Ganglienzellen enthaltend. Eine Reihe anderer Fälle betraf nur partielle Muskelgebiete ; die Affection blieb stationär, war also nicht in eigentlichem Sinne progressiv; weiter- hin werden dann aber echte Myopathien beschrieben, besonders die sogenannte Pseudohypertrophie der Muskeln. — Immerhin bleibt auch für unseren heutigen Standpunkt noch eine Anzahl von Fällen übrig, in welchen eine sichere Entscheidung über die Natur der Erkrankung noch nicht getroffen werden kann. | Im Folgenden möchte ich nur einige der hier in Betracht. kom- menden Fragen kurz erörtern. Eine interessante Gruppe von einfacher Muskelatrophie ist die- jenige, welche im Anschlusse an irgend ein Gelenkleiden entsteht. Es pflegen bei bestimmten Gelenken ganz bestimmte Muskeln zu atrophiren und zwar schon nach kurzer Zeit, oft nach einigen Tagen. Es fragt sich, ob es sich dabei um eine einfache Atrophie durch Nichtgebrauch handelt, oder ob, wie die französischen Autoren ( Vül- pian, Valtat) annehmen, hier eine Art von nervöser Reflexwirkung statt hat, deren Natur freilich ganz unbekannter Art ist. Eine sichere Entscheidung lässt sich zur Zeit nicht treffen; auffallend bleibt jeden- falls, dass in anderen Fällen von Nichtgebrauch der Muskulatur, z. B. bei der gewöhnlichen cerebralen Hemiplegie, eine so rasche Abmage- rung sich meistentheils nicht zeigt. | Bei Hüftgelenksaffectionen pflegt sich schon früh eine Abmage- ; rung des ganzen Beines einzustellen, und es ist dieses Verhalten von grosser praktischer Wichtigkeit. Bekanntlich macht die Erkennung von Hüft- gelenksentzündungen besonders bei Kindern im Beginne der Erkrankung ‚oft grosse Schwierigkeiten. Bei der vom Arzte vorgenommenen Unter- suchung lässt sich vielleicht kaum ein Nachschleppen des kranken Beines konstatiren, die activen und passiven Bewegungen gehen schmerz- los und leicht, -ohne Mitbewegung des Beckens, von Statten; auch Druck auf das Hüftgelenk erweist sich in keiner Weise schmerzhaft. 138 Fr. Sehultze: Dann deutet die vorhandene einfache Muskelabmagerung des ganzen Beines bei normaler electrischer Erregbarkeit der Nerven und Muskeln und ohne Erscheinungen von lähmungsartiger Schwäche mit grosser Wahrschein- lichkeit auf eine beginnende Hüftgelenksentzündung oder auf periosti- tische und ostitische Processe in der Nähe desselben, umsomehr, als die Ischias, welche bei Erwachsenen oft ebenfalls eine mässige einfache Abmagerung des Beines hervorruft, bei Kindern kaum vorkommt. Es ist mir schon ein paar Mal gelungen, die Diagnose auf beginnende Coxitis allein aus dem genannten Symptome zu stellen, in Fällen, in denen sachkundige Untersuchung von chirurgischer Seite eine Hüft- gelenksentzündung noch nicht zu erweisen vermochte. Wenn eine allgemeine Erkrankung der Gelenke vorliegt, wie bei der chronischen deformirenden Arthritis, so kann die Muskelatrophie eine so erhebliche und ausgedehnte werden, dass man an eine eigent- liche progressive Muskelatrophie aus centraler Ursache denken kann, besonders wenn sich noch fibrilläre Zuckungen in den Muskelbündeln dazugesellen, wie das vorkommt. Indessen schützt in solchen Fällen der Befund einer völlig normalen electrischen Erregbarkeit vor Ver- wechselungen. Es giebt nun aber Affectionen von eigenthümlicher Lokalisation und eigenthümlichem Verhalten, die trotz ihrer anscheinenden Identität mit der progressiven Muskelatrophie aus centraler Ursache doch höchst‘ wahrscheinlich primär myopathischer Natur sind, und dabei von dem ‚Krankheitsbilde der Pseudohypertrophie erheblich abweichen. Ein derartiger Fall ist in Kürze beschrieben der folgende: Ein 23jähriger Färber bemerkt seit einem Jahr zuerst Schwäche bei Schulterbewegungen der rechten Seite und zunehmende Atrophie, dann dasselbe links. Niemals Schmerzen oder Parästhesien. Niemals fibrilläre Zuckungen. — Objectiv ergiebt sich: 1. Doppelseitige Atrophie beider Serrat. ant. majores und Functionsverlust” derselben. 2. Atrophie beider Deltoides zum grossen Theile,"sowie beider bicipites und tricipites brachü; links mehr als rechts. 3. Atrophie beider Pectorales majores und minores (hochgradig). 4. Völlige Atrophie beider latissimi | + “ Ueber Muskelatrophie. 139 dorsi und der wnteren Theile der cucullares, und schliesslich 5. völlige Atrophie und völliges Fehlen beider supinatores longi. — Soweit die Muskelsubstanz erhalten war, völlig normale Reac- tion gegen den faradischen sowie den galvanischen Strom; keine Spur von Entartungsreaction, trotz äusserst häufiger genauer Untersuchung. Sensibilität vollständig normal. — Keine fibrillären Zuckungen. — Ursache unbekannt. Bleiintoxication nicht nachweisbar; Heredität nicht vorhanden; wahrscheinlich Muskelüberanstrengung. Der geschilderte Zustand ist bis heute, etwa ein Jahr lang, sta- tionär geblieben; die Functionsfähigkeit ist nach der Angabe des Kranken eher besser. — Bei dem andauernden Fehlen irgendwelcher nervöser Krankheits- erscheinungen jeder Art, beidem Nichtvorhandensein fibrillärer Zuckungen, bei dem Mangel einer weiteren Progression des Schwundes und schliess- lich bei der Beschaffenheit der electrischen Reaction, wie sie in dieser Weise bei peripheren Lähmungen, z. B. der Bleilähmung oder bei der Poliomyelitis nicht beobachtet wird, bleibt, wie ich glaube, nur die Annahme eines primären Muskelschwundes übrig. — Unzweifelhaft primär myopathischer Natur ist jedenfalls die so- genannte Pseudohypertrophie der Kinder, wie eine Reihe von Sections- befunden übereinstimmend erweist. Bei Erwachsenen scheint ausnahms- weise eine ähnliche Affection vorzukommen (z. B. Fall XX der Fried- reich'schen Monographie). — Äuf die Muskelatrophieen nach Aftectionen peripherer Nerven soll hier nicht eingegangen werden. Es sei nur auf die Bleilähmung hingewiesen, für welche wesentlich desswegen, weil sensible Symptome fehlen und weil die Entartungsreaction sich bei ihr gewöhnlich findet, eine Affection der spinalen Vorderhörner als Ursache angenommen wurde. E. Remak glaubt auch die eigenthümliche Lokalisationsweise der Lähmung, welche gewissen spinalen Lähmungsformen entspreche, für die Annahme einer Ganglienzellenerkrankung verwerthen zu können. Seitdem man aber Systemerkrankungen innerhalb der nervösen Bahnen kennt, ist auch die Annahme keineswegs von der Hand zu weisen, 140 Fr. Schultze B dass das Blei nur auf den motorischen Theil gewisser peripherer Nervenstämme einwirken könne, ohne die sensiblen Fasern zur Ent- artung zu bringen. Angesichts des negativen Befundes im Rücken- marke bei Fällen von Bleilähmung (der scheinbar positive Befund von Monakow beweist nichts, da er einen Fall von progressiver Paralyse betraf) kann man jedenfalls eine primäre Atrophie der Ganglienzellen nicht annehmen. — Die wenigen bekannt gewordenen Fälle einer ausgedehnten mul- tiplen Neuritis mit secundärer Muskelatrophie sind durch heftige Schmerzen, Parästhesien und Anästhesien von den rein trophisch- motorischen Störungen bei degenerativer und einfacher allgemeiner Muskelatrophie deutlich unterschieden. Immerhin kommen auch bei der gewöhnlichen Vorderhorn-Seitenstrangatrophie mit Bulbaerparalyse, bei welcher nach dem anatomischen Befunde nur motorische Theile des centralen Nervensystems zu erkranken pflegen, heftige Schmerzen vor, ‘die sich nicht nur auf die Muskeln allein beschränken, sondern z. B. in die Finger hineinstrahlen können (klinische Beobachtung eines der- artigen Falles von v. Renz mit dem Seetionsbefunde einer ächten Vorderhorn-Seitenstrangatrophie). Ä Diese letztgenannte Form des früher unter dem Namen der pro- gressiven Muskelatrophie mitinbegriffenen allgemeinen degenerativen Muskelschwundes wurde von den Franzosen als „amyotrophische Lateralsclerose“ mit oder ohne amyotrophische progressive Bulbaer- paralyse (Zeyden) als eine besondere Krankheitsform abgetrennt. Damit kommen wir zu den allgemeinen Muskelatrophieen spi- nalen Ursprunges, von denen ausser der obengenannten Form noch die acute Poliomyelitis und die Degeneration der Vorderhörner bei Gliose und Gliomatose im Rückenmark am bekanntesten sind. Ich will auf diese hier nicht näher eingehen. — Dann giebt es noch besondere Formen, von denen die eine als subacute oder chronische Poliomyelitis aufgeführt wird, da sie klinisch sich von der acuten Poliomyelitis hauptsächlich durch den langsameren Verlauf ihrer Symptome unterscheidet. Man beobachtet bei ihr langsam sich einstellende Paralyse mit nachfolgender degene- Ueber Muskelatrophie. 141 rativer Massenatrophie der Muskeln, welche complete Entartungsreaction zeigen. Bei einer mitigirten Abart dieser Erkrankung kommt es nur zu Paresen und zu partieller Entartungsreaction. Leider besitzen wir noch zu wenige und zum Theile nicht allen Ansprüchen genügende Autopsien von diesen Fällen; es sind nur fünf vorhanden; bei drei derselben .waren zugleich Veränderungen in den Seitensträngen, also keineswegs eine reine Poliomyelitis nach- zuweisen. Noch viel schlimmer steht es mit unserer Kenntniss derjenigen Fälle von ganz langsam sich entwickelnder degenerativer Muskel- atrophie, welche besonders gern in den kleinen Handmuskeln entsteht, bei der die Schwäche parallel mit dem Muskelschwunde einhergeht und die electrische Untersuchung nur in einzelnen Muskeln partielle oder complete Entartungsreaction ergiebt. Irgendwelche Störungen der Sensibilität fehlen zu jeder Zeit des Ablaufes der Erkrankung. Wenn man auch wegen des Verhaltens der electrischen Reaction hier nicht in erster Linie an ein primäres Muskelleiden denken kann, so ist doch die Anzahl der vorliegenden Befunde keineswegs aus- reichend, um uns über den Ausgangspunkt der Erkrankung innerhalb des ganzen motorischen Apparates von der Ganglienzelle an bis zu ‘den Muskelnervenendigungen Aufschluss zu geben. In einem von Erb und mir früher publieirten Falle besteht ein so grosses Missverhältniss zwischen der geringen Atrophie der multipolaren Ganglienzellen und dem hochgradigen Schwunde der Muskelfasern, dass bei einer Erkrankung, die man mit Wahrscheinlichkeit in vielen Fällen auf eine Ueber- anstrengung des, ganzen neuromuskulären motorischen Apparates zurückführen kann, der Gedanke nicht von der Hand zu weisen ist, dass innerhalb des genannten Systems ein Mal irgend ein Theil des peri- pheren Apparates, etwa die Muskelnervenendigungen, zuerst erkrankten und erst später, oder in anderen Fällen vielleicht überhaupt nicht die moto- Tischen Ganglienzellen. Ist doch die verwandte Affection, die Vorder- horn-Seitenstrangatrophie sicherlich eine Systemerkrankung, bei welcher einmal die Pyramidenfasern gegenüber den Vorderhornzellen stärker, das andere Mal schwächer erkranken. 142 Fr. Schultze: Ueber Muskelatrophie. Offenbar erkranken aber bei dieser Affection nicht alle Muskel- fasern resp. Ganglienzellen und zugehörige Nervenfasern innerhalb eines grösseren Ausbreitungsbezirkes gleichmässig stark, so dass noch f verhältnissmässig lange Contraction der restirenden Bündel eintreten kann und die Entartungsreaction nur in einem Theile der Muskeln und erst recht spät eintritt. Zur Entscheidung der diesbezüglichen Fragen ist noch ein viel b grösseres anatomisches Material nothwendig, als uns bisher zu Ge- ö bote steht. Ueber den Soorpilz. 143 ‚Ueber den Soorpilz. Von F. A. Kehrer. Literatur. Ein reiches, wenn auch nicht ganz vollständiges Literaturver- zeichniss findet sich im: Index-Catalogue of the Library of the Surgeon-General’s Office, Uni- ted States Army. Washington 1880. vol. I. p. 486 u, 487 unter „Aphthae“, Die in der folgenden Arbeit citirten Werke und Abhandlungen sind: G. A. Jahn. „Wirkungen einer Blutvergiftung durch den Holzschwamm nebst einer Beleuchtung der bisherigen Meinungen von den animalischen Schwämmchen (Aphthae)“ in Hufeland’s Journal. 1826. Bd. 62. St. 6. eu. 63, 1,49, Buchner. „Ueber pathogenische Wirkungen der Pilzkeimkörper“ in den Jahrb. des ärztl. Vereins in München. 1841. p. 70. B. Langenbeck in Froriep’s Notizen. 1839. Nr. 252, F. F, Berg. „De la structure anatomico-mieroscopique du muquet.* Clin, d. höp. d. enfant. Paris 1842. I. 143 —145. „Torsk i mikroskopiskt anatomiskt hänseende* in Hygiea, Stockholm 1841. III. 541. „Om Torsk, serdeles i barnaaldern“. Ibid. 1846. VIII. 337. „Om Torsk hos barn“, Uebersetzung von Gerh. van dem Busch „Ueber die Schwämmcehen bei Kindern“. Bremen 1848. Jul. Vogel. „Pilzbildung bei Aphthen“ in Allg. Zeitg. für Chirurgie, München 1841. Nr. 24. 189. Graz. med. de Paris 1842. 234. Icones histologiae pathologicae, 1843. p. 93. u. Tab. XXL, Fig. 1—3. 144 1 F. A. Kehrer: Oesterlen. „Mikroskop. Untersuch. der Aphthen bei Neugeborenen‘, in Roser-Wunderlich’s Arch. f. physiol. Heilkunde. Stuttgart 1842. p. 471, Gruby. „Sur le muquet“ in Clin. d. höp. d. enf. Paris 1842, II. 191. Froriep’s neue Notizen. 1842. Nr. 470. 'Compt. rend. s6ance 3. May 1842, T. 14,p.'634 u. X. 1844. 18. 585. - Hannöver. Müller’s Arch, März 1842, 281. { Honerkopff. „De natura vegetabili ac diagnosi Aphtharum“*. Diss. Vra- tislaviae 1843, Ch. Robin. These. „Des veg&taux qui croissent sur l’homme et les animaux vivants“. Paris 1847. p. 32. „Oidium albicans“ in Hist. nat. d. vögetaux parasites. 1853. 488. Gubler. „Note sur le muquet“. Gaz: med: de Paris. 1852. 412, Compt. rend. et M&m., de la soeiete de biologie. Paris 18520. 1855. 290% „Etudes sur l’origine et les conditions de developpement de la Muc&- dinge du Muquet (Oidium albicans).“ M&m, lu A l’acad. imp. d. med. 4. aoüt 1857. Reubold. „Beitr: z. Lehre vom Soor*. Virchow’s Archiv. 1854, VI. 76. Burchardt. „Ueber Soor und den dieser Krankheit eigenthümlichen Pilz“, in den Annal. d. Charite-Krankenhauses zu Berlin, 1864. XII. 1.1. N. Zalesky. „Ein Fall v. Soor im Magen“, in Virchow’s Archiv. 1864. 31. 426. E. Hallier. Botan. Ztg. 1865. 32 u. 33. und „Die pflanzlichen Parasiten > r DE Br BEE OONE VRHNE Zaumi REITER TRETEN zu IERTTTTER AEE: des menschlichen Körpers“. Leipzig 1866. III. 86: M. Quinquaud. „Nouvelles recherches sur le muquet* in Brown- Sequard’s Arch. d. physiol. normale et pathol. 1868. I. 290. Hausmann in „Die Parasiten der weiblichen Geschlechtsorgane des Menschen und einiger Thiere“. Berlin 1870. p. 58. Rees. „Ueber den Soorpilz“, in d, Sitzungsber. d. physik.-med. Societät zu Erlangen. 9. Juli 1877, und „Ist Soor- und Kahmpilz identisch ?* ibidem 14. Jan. 1878. Grawitz. „Zur Botanik des Soors und der Dermatomykosen“, Vortrag, 2 in d. Deutschen Zeitschr. £, prakt. Med. 19. Mai 1877. „Beiträge zur systematischen Botanik der pflanzlichen Parasiten ete.*, in Virchow’s Arch, 1877. 70. 546. Ueber den Soorpilz. 145 Grawitz. „Die Stellung des Soorpilzes in der Mykologie der Kahmpilze“, in Virchow’s Arch, 1878. 73. 147. W. Kosegarten. „Der Einfluss des Kali chlorie. und des Borax auf niedere pflanzliche Organismen, untersucht rücksichtlich ihrer Anwen- dung bei Soor“. Inaug.-Diss. Kiel 1878. Bohn. Artikel „Soor“ in Gerhardt’s Handbuch der Kinderkrankheiten. Tübingen 1880. IV. Bd. 2. Abth. S. 80. Geschichtliches. Es kann nicht überraschen, dass eine Krankheit mit so augen- | fälligen Producten, wie es die weissen Soorschorfe auf der Mundschleim- haut der Kinder sind, schon von den ältesten medicinischen Schrift- stellern erwähnt wird. Dagegen muss man es in hohem Grade auf- fallend finden, dass der Soor länger als zwei Jahrtausende mit allen übrigen Affectionen der Mundschleimhaut unter dem Hippocratischen Namen &pcı zusammengeworfen worden ist. Erst das Mikroskop hat auch in diese Materie Klarheit gebracht; mit‘ seiner Hülfe ist in den Soorschorfen ein Pilz aufgefunden, und der Soor danach den Mykosen eingereiht worden. Wie bei so vielen Entdeckungen, so ist auch hier die Ahnung und Vermuthung, dass dem Soor ein Pilz zu Grunde liege, der wirk- lichen Auffindung des Pilzes vorangeeilt. Man könnte zur Stütze dieser Behauptung anknüpfen an die seit langem populäre Bezeichnung „Schwämmcehen“ und daraus schliessen,. dass der einfache, unbefangene Sinn des Volkes schon längst eine Aehnlichkeit von Soor und Pilzen - gefunden, vielleicht selbst einen Zusammenhang beider geahnt habe. Doch sehen wir davon ab, so lässt sich der Nachweiss führen, dass _ bereits in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts, ehe noch das Mikroskop zur Untersuchung der Soorschorfe benutzt wurde, ärztlicher- seits die Hypothese bestimmt ausgesprochen worden ist, es liege dem Soor eine Pilzwucherung zu Grunde. Jahn hatte 1826 mehrere Fälle von Aphthen oder Noma bei Erwachsenen beobachtet, die in einem von Holzschwamm heimgesuchten _ Verhandl. d. Heidelb, Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. III. 10 146 F. A. Kehrer: Hause gewohnt resp. gearbeitet hatten, und die Erkrankung auf diesen - Pilz bezogen. Buchner, der an diese Fälle anknüpfte, hob hervor, dass sich die Schwämmchen kleiner Kinder gewöhnlich unter Verhältnissen entwickeln, die der Schwammvegetation überhaupt günstig sind, nämlich in dumpfen, feuchten Wohnungen. Er begründete seine Annahme von der Pilznatur der Schwämmchen mit folgenden Worten: „Für die Schwammnatur der x Aphthen spricht schon der Umstand, dass sie keine Empfindlichkeit und 4 kein Blut besitzen und weggefegt werden können, ohne eine blutende Ä ‘oder eiternde Oberfläche zu hinterlassen“. ' Die Jahre 1839 und 1841 sind für die Erkenntniss der Natur des Soor von Bedeutung geworden, indem 1839 Langenbeck im Oeso- phagus eines Typhuskranken, 1841 Berg und Vogel im Soor der kind- lichen Mundschleimhaut Pilzfäden mikroskopisch nachwiesen. Bernh. Langenbeck fand auf den Mandeln, dem Schlundkopf, der Speiseröhre und ebenso im Darminhalte eines Typhuskranken verästelte und gekreuzte Fäden, welche dem Thallus der Flechten glichen und mit länglichen Zellen gemischt waren. Die Fäden bestanden aus aneinandergereihten Zellen und trugen an ihrer Oberfläche zer- 4 streut kuglige, den Mucorsporen ähnliche Zellen mit 1—2 Körnern. Langenbeck hielt diese Fäden für die Ursache des Typhus. | berg sah den Soorpilz der Kinder bereits während seines Pariser Aufenthaltes, verfolgte dann die Sache im Stockholmer Findelhause und i hielt 1841 einen Vortrag über den Soorpilz, den J. Müller in seinem Archiv Jahrgang 1842 erwähnt. Im Jahre 1846 beschrieb er den | Aphthenpilz in folgender Weise: Man sieht sphärische oder ovale, si selbst langgestreckte Zellen von 0,004—0,015 mm, homogen oder mit einer oder mehreren Kernzellen, welche, wie ihr Uebergang in Fasern % zeigt, als Sporidien zu betrachten sind. Aus diesen Zellen sprossen x perlschnurartig andere hervor. Die daneben vorkommenden eylindri- % schen Fasern sind septirt und an den Scheidewänden öfters eingeschnürt, a haben eine Länge von 0,1—0,2 mm und eine Dicke von 0,001—0,004mm. Ins Innere dieser Fasern „scheinen oft kerngleiche, kleine oder grössere ’ Zellen eingedrungen zu sein“. Die Fasern theilen sich in Zweige von a 3 Ja Ku X 2 Ueber den Soorpilz. 147 gleicher Dicke wie der Stamm, treiben seitlich Sporidien, aus denen oft neue Zweige entstehen, und an ihren Enden keulenartige Anschwel- lungen oder einen Kranz von Sporidien. Sie breiten sich in dem *Mundepithel bis zu dessen innerster Schicht aus, erheben sich aber auch über die freie Fläche. Im selben Jahre 1841 untersuchte Jul. Vogel — ob früher oder später als Berg ist mir unbekannt — die Aphthen aus Mund und Speiseröhre eines l5tägigen Kindes bei 220facher Vergrösserung und fand Pilze, die den Schönlein’schen Impetigo-Pilzen ähnlich sahen. Er unterschied 1. runde Körper, welche zum Theil Kügelchen ent- hielten, und einzeln waren oder gruppenweise beisammenlagen oder torula- artig zusammenhingen. Sie glichen den Hefepilzen, Torula cerevisiae, hatten '/;oo—"/soo Pariser Linie Durchmesser, waren blass, in Wasser und Ammoniak unveränderlich, blassten in Essigsäure ab. Ein zweites Element waren Fäden, welche baumartig sich verästelten und zum Theil aus jenen Kügelchen hervorkamen. Dieselben zeigten in der Mitte und am ‚Ende Anschwellungen, waren bisweilen gegliedert, bis zu 1 Linie lang, und soo— "soo , an den kolbigen Stellen selbst 00‘ breit. In Wasser, Ammoniak und Essigsäure blieben sie voll- kommen unverändert, in letzterer wurden sie aber durch Lösung der umgebenden Bindemittel deutlicher. Vogel liess es unentschieden, ob diese Pilze Ursache, Folge oder Complication der Aphthen seien. Die nächsten Decennien haben eine ganze Reihe zum Theil werth- voller botanischer und klinischer Untersuchungen über den Soor ge- bracht, unter denen ich besonders hervorheben möchte die Arbeiten von Gruby, Oesterlen, Hannover 1842, Hanerkopf 1843, Robin 1847 und 1853, Gubler 1852, Reubold 1854, Burchardt 1864, Hallier 1865, Quinguaud 1868, Hausmann 1870, Rees, Grawitz 1877 und 1978, Bohn 1880. Auf die Ergebnisse dieser Arbeiten werde ich in den folgenden Kapiteln eingehender zurückkommen. Bau und Entwicklung des Soorpilzes. Alle Autoren, welche Soorschorfe untersucht haben, erwähnen zwei Elemente: Fäden, d. h. Mykelien, und kleine hefezellenartige Gebilde, d. h. Conidien. 10 * 148 F. A. Kehrer: Die Mykelien bestehen aus einer wechselnden Anzahl eylin- drischer Zellen mit seitlichen oder terminalen Knospen oder Zweigen. Lange Zellschläuche ohne Septa, etwa wie bei den Mucorinen, kommen dem Soorpilz nicht zu. Die Mykelzellen sind meist vollkommen cylindrisch, nicht selten an den Enden leicht ampullenartig aufgetrieben und an den Scheide- wänden etwas eingeschnürt, von wechselnder Länge und 0,025 mm Dicke. Sie haben scharfe Contouren, darauf folgt beiderseits ein lichter Streif, der sich durch seine Färbung oder eine sehr zarte Linie von: dem Innern abgrenzt (Zellschlauch). Der Inhalt ist in den frischesten, Jüngsten Elementen vollkommen klar; bei etwas älteren Zellen sieht ıman darin mehrere rundliche, ‚später längliche Flecken, die sich theils durch ganz zarte Linien, theils nur durch eine etwas abweichende Fär- bung von dem übrigen Zellinhalte abheben (Vacuolen), oder ein oder wenige glänzende Kügelchen. Noch später treten im .Zellinhalte eine Anzahl kugliger, stark lichtbrechender und bald in regelmässigen Abständen, bald mehr haufenweise beisammen liegender Körner oder dicker abgerundeter Schollen hervor. Die auf den Mykelfäden aufsitzenden Zweige sind zum Theil von gleichem, meist von etwas geringerem Durchmesser als die Stämme, gehen recht- oder spitzwinklig aus letzteren hervor, und sind ebenfalls aus aneinandergpreihten Zellschläuchen zusammengesetzt. Stämme und Zweige haben abgerundete oder kolbig angeschwollene Enden, oder tragen hier eine oder mehrere Knospen. Ueber die Wirkung von Reagentien auf die Mykelien liegen Angaben vor von He@nerkopff, Berg, Quinguaud. Nach Hener- kopf verändern Alkohol, Kalilauge und Borax die Mykelzellen nicht, während Schwefelsäure sie bräunt, körnig trübt und zuletzt auflöst; Essigsäure hellt die Fäden auf und bewirkt Schrumpfung; Salzsäure färbt sie violett, verändert sie aber nicht; in Salpetersäure wird der Faden gelb, der Zeliinhalt dunkel und löst sich dann letzterer stellen- weise von der Hülle ab. Berg hebt hervor, dass durch Kalilauge die Epithelien des Schorfs durchsichtiger und derart in ihrem Zusammenhang gelöst werden, dass Ueber den Soorpilz. 149 die Pilzfasern deutlicher hervortreten. Es ist diese Beobachtung von grösstem Werth bei der Untersuchung des Mykelgehaltes eines Schorfes. Vorher vielleicht ganz unkenntlich, treten nach Kalizusatz die Fäden mit überraschender Deutlichkeit aus dem aufgehellten Ge- webe hervor. Aehnlich aufhellend auf die übrigen Bestandtheile des Soorschorfes wirkt nach Quinguaud Soda, Pottasche und Ammoniak. Knospen (Conidien). Aus den Mykelien wachsen, und zwar an deren freien Enden oder in der Nähe der Septa, seltner aus der Mitte einer cylindrischen Zelle, Knospen von runder oder ovaler Form hervor, die sich entweder perlschnurartig aneinanderreihen oder kleinere oder grössere, manchmal sehr ansehnliche Gruppen bilden. Man kann durch fortgesetzte Beobachtung eines einzelnen Objectes sich leicht überzeugen, dass sich stets aus der Mykelzelle oder einer bereits vorhandenen Knospe zuerst ein kleines Kügelchen vordrängt, das allmählich grösser wird, zuletzt die Grösse der übrigen Knospen erreicht und sich von der Mutterzelle oder -Knospe durch eine scharfe Contour abgrenzt. Die an dem freien Ende einer Mykelzelle entstehende Knospe ist anfänglich stets einfach und treibt an ihrer Oberfläche bald weitere Knospen, die sich dann aneinanderreihen oder zu Haufen gruppiren. Das Wachsthum dieser Knospen geschieht sehr rasch, so dass man bei mikroskopischer Beobachtung eines am Rande eines Schorfes vorspringenden Mykelfadens in guter Nährflüssigkeit nach mehreren Stunden oft schon Dutzende dieser Knospen an Stellen findet, wo vor- her nur eine oder wenige Knospen gesessen haben. Der ganze auf dem Objeetträger eingeschlossene Soorschorf ist oft über Nacht von einer breiten Zone dieser dicht aneinandergedrängten Knospen umgeben (Rees). An Präparaten mit längeren, aus mehreren Zellen gebildeten _ Mykelien sieht man deutlich um die Septa herum die Knospenhaufen sich Den. entwickeln, die dann bei ganz schwachen Vergrösserungen wie dicke Punkte aussehen, welche in regelmässigen Abständen in eine breite Linie (den Mykelfaden) eingelegt sind. Die Knospen sind theils kuglig, theils elliptisch, in guten 150 F. A. Kehrer: Nährflüssigkeiten oft von sehr wechselnder Grösse. Sie lösen sich leicht von den Mykelien und von einander ab. Man sieht an den Knospen aussen eine scharfe, breite Contour, darauf folgt eine lichte Randzone, die sich gegen den klaren, leicht gefärbten Inhalt bald scharf, bald nicht deutlich abgrenzt. Im In- halt tritt ein excentrischer heller Flecken hervor, worin sich lebhaft ein kugliges, grösseres oder kleineres, stark lichtbrechendes, homogenes Korn, zuweilen 2—3 derselben bewegen; der Flecken bedeutet also eine mit Flüssigkeit gefüllte Vacuole. In anderen Knospen liegt das Körnchen unbeweglich an der Wand der Vacuole oder ausserhalb der- selben inmitten des Protoplasma. Bei Zusatz von Methylviolett färbt sich die Membran der Knospe dunkelblau, der Zellinhalt blassblau, die Vacuole bleibt stets licht, das Korn wird dunkel. In Osmiumsäure bräunt sich das Korn, doch nicht constant. Die Veränderungen, welche Reagentien in den Knospen hervor- rufen, sind nach Henerkopff, Berg und Juinguaud folgende: In Kalilauge werden sie nach Henerkopff 1. c. p. 27 kleiner und undeutlicher, in Essigsäure kleiner und durchsichtiger, in Salzsäure undeutlicher. Berg 1. c. 11 bemerkt, dass Wasser, Alkohol, Aether, Borax, Soda, Kalilauge, Sublimat, Essig-, Salz-, Phosphor-, Schwefel-, Chromsäure die „Aphthenpilzsporidien“ nicht verändern. Nach Quinguaud werden die Sporenkerne durch Schwefelsäure frei und färben sich durch Jod orange; in Aether treten die Sporenkerne R schärfer hervor, in Salzsäure erblasst der Kern, und zieht sich der In- 4 halt von der Sporenhülle zurück. Phenylsäure verändert die Sporen nicht. An dieser Stelle möchte ich noch Einiges zufügen über das Aus- sehen der Knospen bei Züchtung in verschiedenen Culturflüssigkeiten. In 2 °/,iger Dextrinlösung gezüchtet sind sie relativ gross, mit einer E dicken Contour und einer zarten Begrenzungslinie der Zellmembran nach innen versehen. Die Vacuole ist meist undeutlich, das Korn stark glänzend und von sehr zarter Contour begrenzt. In einer Lösung von 1°, milchsaurem Natron ist die innere | Grenze der Membran zart, das Korn mit dicker Contour versehen. A Ueber den Soorpilz. 151 In 1 °/siger Brechweinsteinlösung ist das Korn häufig nicht scharf begrenzt, scheint selbst zu fehlen. In Urin gezüchtete Conidien besitzen meist eine deutliche Vacuole, das Korn ist kaum sichtbar. Die hier mit dem unverfänglichen Namen ‚Knospen‘ bezeichneten hefezellenähnlichen Gebilde werden von den Autoren meist als „Sporen“ oder „Sporidien‘ aufgeführt. Dieser Name wird bekanntlich für den Inhalt der Fructificationsorgane der Pilze gebraucht, ist also hier nicht zutreffend, und muss füglich durch den der Brutzellen oder Conidien ersetzt werden. Aus diesen Conidien gehen nun durch Sprossung theils andere hervor, theils wachsen dieselben am Einen Pole in die Länge und bilden zuerst einfache cylindrische Zellen, dann Mykelien mit Seitenzweigen. Diesen Uebergang von Conidien in Mykelien, bereits von Robin be- schrieben und abgebildet, am genauesten an Reinculturen (nach der Methode von Brefeld) von Grawitz verfolgt, habe ich ebenfalls häufig und zwar in verschiedenen Nährflüssigkeiten, z. B. Lösungen von Am- mon. acet. 1°/, oder Traubenzucker 5 °/, mit Tartar. boraxat. 1°/, u. A. beobachtet. Ich verfuhr dabei so, dass ich den mit dem Schorf ver- sehenen Objectträger auf einen kleinen Trog legte, aus einem in letz- teren gestellten Glase mittelst eines Fadens die Lösung zum Rande - des Deckglases leitete und durch einen zweiten an den gegenüberliegenden Deckglasrande aufgelegten Faden den Ueberschuss fortwährend ableitete. Den Apparat stellt man 2 Tage in einen Brutofen von 30—40° R.' Wenn Rees aus einer Conidie nur massenhaft andere, aber keine Fäden hervorwachsen sah, so liegt dies offenbar in der Natur der von ihm benutzten vorzugsweise zucker- und stärkehaltigen Nährflüssig- keiten, welche in der That die Conidienbildung besonders fördern. Ist nun der Lebenskreislauf unseres Pilzes auf die Entwicklung von Conidien aus Mykelien und die Umwandlung der Conidien in My- kelien beschränkt, gehört also der Soorpilz zu den allereinfachsten, den Hefepilzen nahestehenden Formen, oder ist er im Stande, unter gewissen Bedingungen Dauersporen, ungeschlechtliche oder gar geschlechtliche Fructificationsorgane auszubilden ? 1523 F. A. Kehrer: Es liegen in dieser Beziehung zwei Angaben vor. Die Erste stammt von Durchardt, der in den Soorschorfen eigen- thümliche Kapseln auffand. Dieselben sind rund oder oval, von /so— 'h, mm Duschiiesser. einfach, mitunter doppelt contourirt, jeden- falls mit einer Membran versehen, und mit runden Sporen vollgepfropft. Die Kapseln sind gleich den Fäden und Sporen in Aetzkali unlöslich. Sie platzen leicht. Ihre äussere Contour geht manchmal in einen stumpfspitzen Höcker oder in einen weiten zwischen den Kapseln zu- sammengefallenen Schlauch über. Einen Zusammenhang zwischen den Kapseln oder deren Hüllmembranen und den Fäden des Pilzmykeliums konnte Durchardt nicht finden, hält aber trotzdem einen solchen für „zweifellos“ und die Kapseln für Fructifieationsorgane, d.h.Sporangien, die sich vielleicht aus den endständigen Knospen entwickeln, oder durch Ausdehnung der Hohlräume in den breiteren Fäden und Umwandlung der Membran der Fäden zur Hüllmembran der Kapseln entstehen. Die Sporenkapseln werden von Durchardt für die hauptsächlichen, die Mykelknospen für die weniger wichtigen Re- productionsorgane erklärt. Die Kapseln wurden von Jlallier und Hausmann bestätigt und ebenfalls als Sporangien aufgefasst. Die Beschreibung Durchardt's ist im Ganzen richtig, ob aber die Deutung? das ist eine andere und hier um so wichtigere Frage, als mit der Auffindung eines wenn auch ungeschlechtlichen Fructi- ficationsorganes die systematische Stellung des Pilzes immerhin besser fixirt werden könnte, als dies bisher möglich war. Setzt man Kalilauge, also eine Substanz, die zur Unterscheidung von thierischen und pflanzlichen Zellhäuten vielfach benutzt worden ist, zu einem Präparat, welches diese angeblichen Sporenkapseln ent- hält, so blasst die um den Sporenhaufen liegende Membran ab, wird durchsichtiger, ihre Contouren werden zarter, schwinden aber nicht ganz, immer bleibt noch eine lichte Randzone übrig. Ganz dasselbe Verhalten beobachtet man an den daneben liegenden Plattenepithelien. Im Gegensatz dazu werden die Sporangienhäute von Mucorinen (z. B. Pilobolus) dureh Kali gar nicht verändert. Gegen Farbstoffe verhält sich die Membran dieser Kapseln gerade wie Mundepithel. HARTE EIER RE Ueber den Soorpilz. 153 In manchen Fällen erkennt man deutlich, dass ein Mykelfaden über, unter oder neben dem Sporenhaufen herläuft oder dass sich ein Faden in den Sporenhaufen direct einsenkt, und kann so den Zusammen- hang dieser Sporen in Kapseln mit dem Soormykel demonstriren. Ver- sucht man es aber, solche Sporenkapseln aus Soorschorf zu züchten, so schlagen die Versuche jedesmal fehl. Ich habe mit den besten Nährlösungen, insbesondere auch solchen, welche die Sporenbildung mächtig anregen, also Lösungen verschiedener Zuckerarten, Bier, unter Zusatz von Salzen, wie namentlich Tartar. boraxatus etc. zahlreiche Ver- suche unter manchfacher Abänderung der Bedingungen, bei Licht- und ‚Luftzutritt wie im Dunklen, in Zimmer- und Körperwärme angestellt, und zwar neben reichlichen Einzelknospen rundliche oder un- regelmässige Haufen von Conidien aus den Mykelien hervorsprossen gesehen, oft weit massigere Gruppen als in den Kapseln vorkommen, aber eine äussere Hülle, eine Kapsel um die Sporengruppen, wurde stets bei Abwesenheit von Plattenepithel vermisst. Dagegen kann man bei der Durchmusterung der einzelnen Epithelien eines Schorfs eine ganze Entwicklungsreihe zusammenstellen. Einige der Epithelien zeigen auf ihrer Oberfläche oder im Inneren nur einzelne Conidien, in anderen bilden letztere diehtgedrängte rundliche oder längliche Haufen, an ihren Rändern von gut erhaltener Epithelmasse umgeben, noch in anderen ist eine helle Schicht, nach aussen durch eine zarte, scharfe Grenzlinie abgegrenzt, um die äussersten Conidien gelegt, und endlich fehlt eine Hülle vollständig, die Conidien bilden einen dichten Haufen von runder oder länglicher Form. Vermeidet man jeden Druck auf das Object, ist der Schorf dünn und vorsichtig abgelöst worden, so kann man sich überzeugen, dass die einzelnen Gruppen oft in grosser Ausdehnung ohne Grenze ineinander über- gehen, förmlich homogene Lager darstellen. Nimmt man alle diese Bilder zusammen, so kommt man zur Ueberzeugung, dass es sich bei den fraglichen Bildungen um eine Knospung, d. h. Conidienvermehrung innerhalb dereinzelnen Epithelien oder Epithelgruppen handelt. Die Epithelien bieten jedenfalls durch ihren Gehalt an Albu- minaten eine sehr geeignete Nahrung, sowohl für die Micrococcen, die 154 F. A. Kehrer: oft in dichten Haufen andere Zellen ausfüllen, wie auch für die Soor- pilze. Werden sie bis auf eine dünne Rindenschicht verzehrt, dann haben wir die von Burchardt beschriebenen und gezeichneten Bilder vor uns, wird die ganze Zelle vollständig aufgefressen, oder geschah die Knospenbildung frei, dann haben wir rundliche Sporenhaufen ohne Membran. Die andere Angabe über Reproductionsorgane rührt von Grawitz. Nach diesem Forscher bilden sich in den runden Seitenknospen der My- kelien Dauersporen, „indem jene ihrhomogenes, zart durchscheinendes Protoplasma zu einer stark lichtbrechenden centralen Kugel concentriren, welche von der ursprünglichen Zellmembran durch eine bald ganz’ schmale, bald breitere Zone leicht granulirten oder auch homogenen, jedenfalls weit weniger glänzenden Protoplasmas getrennt bleibt“. Diese Gebilde bleiben nach Grawitz sehr lange keimfähig, und kommen aus E denselben nach Platzen der Zellhülle Faden- und Hefezellen hervor. 3 Ich habe über diese Dauersporen eine längere Reihe von Ver- suchen angestellt mit folgendem Ergebniss: Handelt es sich darum, eine grössere Zahl von Dauersporen, etwa zum Zwecke von Culturversuchen, zu züchten, so legt man einen Soor- schorf auf nassen Sand in einer Schale, stülpt ein Glas darüber und hält den Sand feucht. Nach 2—-3 Wochen finden sich in dem schmierigen, gelbbraunen Schorf grosse Mengen von Dauersporen. p Objectträgerculturen werden zweckmässig in folgender Weise an- gestellt. Man schneidet in ein Stück Fliesspapier von der Breite des 4 Öbjectträgers und der halben Länge desselben ein Fenster, legt es auf den Träger, bringt etwas Schorf in das Fenster, füllt dies mit 1 °/, Chlorcaleiumlösung aus und deckt mit einem grossen Deckglase. Meh- rere solcher Objectträger legt man in einen Teller, der mit 1 °/, Chlor- % caleiumlösung halb gefüllt ist und zwar auf einen Glastrog, und führt von den gegenüberliegenden Rändern jenes Papierstückes zwei schmale Fliesspapierstreifen in die Lösung. Durch die Capillarität des Papiers ! wird das Object stets feucht gehalten, aber niemals überschwemmt. Ueber den Teller wird eine Glasglocke gestülpt. Es versteht sich, dass Gläser, Flüssigkeit und Fliesspapier gehörig sterilisirt sein müssen, Ueber den Soorpilz. 155 andernfalls hat man Verunreinigungen durch Eurotium, Penieillium u. a. Pilze zu erwarten. | Die Untersuchung dieser Culturen ergiebt nun Folgendes: Die Dauersporen bilden sich entweder an den Enden von langen dieken Mykelfäden, oder von kurzen Seitenzweigen aus den hier vor- kommenden Conidien, oder aus freien, ruhenden Conidien. Innerhalb einer Gruppe der letzteren sieht man oft die ‚einzelnen Entwicklungsstadien nebeneinander. Ich nehme deren, wenn auch etwas willkürlich, drei an. Erstes Stadium. Die Conidien sind weit grösser und stärker lichtbrechend als die ruhenden. Sie lassen zunächst zwei in einander eingeschlossene Kreislinien erkennen, eine äusserst zarte äussere, welche manchmal mit kurzen vorragenden Ecken versehen ist, und eine dickere, schärfere innere. Letztere erinnert in ihrem optischen Verhalten an die Contour der ruhenden Conidien, und machen die Gebilde in diesem Stadium den Eindruck, als hätte sich eine zarte helle Haut um die gequollene ruhende Conidie gelegt. Das von der inneren Kreislinie umschlossene Feld ist glänzend und zeigt oft deutlich einen kleinen centralen Kreis. ‘ Zweites Stadium. Man sieht zwei ineinander gelegte Kreise, der äussere entweder gerade so scharf und dick als der innere, oder ersterer noch dicker, also umgekehrt wie im vorigen Stadium. Zwischen beiden Kreisen ist eine lichte gelbliche Zone eingeschlossen. Das von der inneren Kreislinie eingeschlossene Feld ist dunkler, etwas feinkörnig und schliesst ein excentrisches, nicht sehr scharf begrenztes Kügelchen ein. Bei manchen Exemplaren ist der Inhalt grobkörnig und füllt entweder den Raum innerhalb der inneren Kreislinie ganz aus, oder hat sich in das Innere als ein rundliches Häufchen zurückgezogen. Zuweilen sieht man Sporen von der Grösse der eben beschriebenen, welche aus einem liehten, nach aussen und nach innen von zarten Kreislinien begrenzten Ring bestehen, und einen unregelmässig gefalteten Körper mit dunkler, scharfer Begrenzung enthalten, der stellenweise sich von der inneren Kreislinie etwas zurückgezogen hat. Die Faltungen dieses Körpers deuten auf eine membranöse Begrenzung des Inhaltes, so dass wir also 156 PB. A. Kehrer: hier zwei ineinandergeschachtelte Membranen finden, ein Exosporium, dem der periphere lichte Ring entspricht, und ein Endosporium, welches den Inhalt umschliesst. Drittes Stadium. Die Sporen zeigen zwei unregelmässig gebogene oder selbst winklig geknickte Kreislinien von ziemlich gleicher Dicke und Lichtbrechung. Die Windungen entsprechender Abschnitte dieser Kreise sind verschieden, das innere ‚Feld ist feinkörnig und lässt häufig, doch nicht immer, einen von einer zarten Linie begrenzten kugligen Kern erkennen. Anilinblau färbt das Exosporium viel schwächer als das Endosporium mit seinem Inhalte; Jodwasser färbt das erstere schwach gelb, das letztere braungelb, und tritt bei starker Verdünnung in dem Inhalte oft deutlich ein kugliger, scharf begrenzter Kern hervor. Goldchlorid ('/, °,) färbt die ganze Spore lichtgelb, der In- # halt wird feinkörnig und lässt oft einen kleinen runden Kern erkennen. | Gone. Essigsäure bringt anfänglich das Endosporium zum Schrumpfen, später legt es sich wieder an das Exosporium an, und tritt in dem feinkörnigen Inhalt ein zart begrenzter Kern hervor. 1°, Schwefelsäure bewirkt ebenfalls zuerst eine Schrumpfung des Endosporium. Tritt die Säure von einer Seite her an eine in den Schorf eingebettete Dauerspore, so buchtet sich hier das Endo- sporium ein und bildet mit seinem Inhalt einen Halbmond, später gleicht sich die einspringende Falte aus, aber es bleibt ein kleiner Zwischen- raum zwischen beiden Membranen. Aetzkali (Lig. Kali caust.) bewirkt ebenfalls eine Faltung des Endosporium. Ueber die weitere Entwicklung dieser Dauersporen, die mögliche Dauer ihres Ruhezustandes, die Nährflüssigkeiten und Temperaturen, die zu ihrem Auskeimen erforderlich sind, sind weitere Versuche er- forderlich. Von dem Soorpilz kennen wir also Mykelien, Gonidien und Dauersporen. Ob damit die Entwicklungsreihe abgeschlossen ist, wie Grawitz meint, steht dahin. Ich kann mur das angeben, dass ich mich auf alle Art bemüht \ Ueber den Soorpilz. 137 habe, auf geeignetem todtem Nährmaterial, unter Bedingungen, bei denen Aspergillus, Penicillium, Mucor u. a. Pilze üppig fructificirten, bei Luftabschluss in zugeschmolzenen Glasröhren, und bei genügendem Luftzutritt!) Fructificationsorgane zu erzielen — bis jetzt ohne jeden Erfolg. Aus diesen negativen Versuchsergebnissen muss man schliessen, dass 1. entweder in unseren Versuchen nicht die geeigneten Nähr- flüssigkeiten benutzt resp. nicht die nöthigen anderweitigen Bedingungen zur Fructification hergestellt worden seien, oder 2. dass der Pilz der Coneurrenz der mit dem Saatmaterial eingeführten und nur schwer fern zu haltenden Spaltpilze erlegen sei, oder 3. dass dem Soorpilz keine Fructificationsorgane zukommen, oder endlich 4. dass der Pilz nur zeitweise ein Saprophyt sei, seine wichtigsten Entwicklungsvorgänge aber als Parasit auf lebenden Pflanzen zurücklege. Die erstere Eventualität ist mir bei der Menge und Verschieden- artigkeit der Versuche nicht gerade wahrscheinlich. Bezüglich der zweiten muss ich allerdings bestätigen, was Drefeld für die Fadenpilze hervorhebt, dass sie schliesslich von etwa gleichzeitig reichlich vor- handenen Spaltpilzen verdrängt werden. Man sieht in der That viel- fach Soorfäden und Conidien besetzt und durchsetzt von kleinen Bacillen und Micrococcen, und sicher verfallen unsere Pilze im Alter ebensogut den Bacterien wie jedes andere organische Product. Aber nichtsdesto- weniger sehen wir neben den frischesten wuchernden Mykelien und Knospen des Pilzes auf der Mundschleimhaut stets massenhaft Bac- terien, zum Beweis, dass jene neben und trotz Bacterien sich voll- !) Um eine möglichst ergiebige Berührung mit Luft zu ermöglichen, genügt das Einführen eines Soorschorfs in eine geeignete Nährlösung nicht, denn der Schorf fällt meist sofort zu Boden, beim Ankleben an die Glaswand dicht am Wasserspiegel trocknet er bald ein. Ich wählte desshalb folgendes Verfahren: Kurze, dicke Gummischläuche werden am oberen Ende mit Mull überspannt, auf diesen ein Soorschorf ausgebreitet, ein kurzes Reagenzrohr umgekehrt darüber gestülpt, und das Ganze in ein Glas gestellt, welches die bis zur Höhe des Mullplättchens reichende Nährflüssigkeit enthält. Das Glas wird mit einer Glasplatte bedeckt. 158 F. A. Kehrer: kommen entwickeln können. Ueberhaupt giebt es ja in der Natur wohl kaum einen Ort, an dem ein höherer saprophytischer Pilz seine Ent- 3 wicklungsphasen ohne Concurrenz mit Bacterien vollenden könnte. 1 Wenn auch die niedersten Pilze, unter den Spaltpilzen die Bacillen (Cohn, Koch), ferner die Hefepilze (Rees) keine weiteren Reproductions- organe als Dauersporen zu Stande bringen, so ist es doch nicht gerade wahrscheinlich, dass eine Pilzart, die so mächtige Mykelien treibt wie ‘der Soorpilz, mit den Dauersporen seine Entwicklung abschliessen sollte. i Desshalb möchte ich glauben, dass die 4. Eventualität hier zutreffe, dass nämlich .der Pilz seine Fructificationsorgane nicht als Saprophyt, sondern als Parasit in oder auf lebenden Pflanzen hervorbringe. Ich habe bereits Versuche mit Ueberimpfung von Soor in die Stengel lebender Getreidearten (Gerste, Hafer, Korn) begonnen, kann jedoch über das Ergebniss noch nichts berichten, da äussere Umstände zum Abschluss dieser Publication drängen. Zu der Wahl der Halm- u früchte veranlasste die Betrachtung, dass vielleicht die im lebenden “ Getreide gezüchteten Pilzkeime durch Stroh, Häckerling u. dergl. in 4 | die Zimmer eingeführt, und nachdem sie den kindlichen Darm- j canal durchsetzt, mit dem Dünger wieder dem Acker zurückgegeben und dem Getreide aufgeimpft würden. Ein solcher Lebenskreislauf hätte bei anderen Parasiten manche Analogien, und verdient wohl der angeführte Gedanke — den ich übrigens vorläufig als weiter h nichts denn als eine Hypothese zu betrachten bitte — eine experimentelle Prüfung. Anlangend die Benennung und Stellung des „Soorpilzes“ im myko- logischen System, so scheint es mir vorerst rathsam, die Taufe des- selben so lange zu verschieben, als wir nicht sicher wissen, ob nicht r unser Pilz vielleicht als der heruntergekommene Sprössling hochstehen- der, unbekannter Eltern zu betrachten ist. Der Vollständigkeit halber seien folgende Namen angeführt: Hannover rechnete den Soorpilz zu den Hyphomyceten. Oh. Robin reihte ihn dem Link’schen Genus 'Oidium ein, und nannte ihn Oidium albicans, ein heute noch vielgebrauchter Name, trotz der Einwände von Burchardt, der Sporangien des Soorpilzes Ueber den Soorpilz. Krla9 gefunden haben wollte, der von Quinguaud, welcher die grossen mor- : phologischen Verschiedenheiten von Oidium betonte, und der von Grawitz, welcher den Soorpilz für einen Kahmpilz erklärte. Hallier glaubt den Pilz, auf Grund einer Beobachtung, bei welcher aus einem mehrere Mönate unter einer Glasglocke gestandenen Soor- schorfe Sporentrüchte eines Stemphylium wuchsen, als St. polymorphum bezeichnen zu sollen, fügt jedoch zu, dass es sich nicht sicher ent- scheiden lasse, ob diese Bestimmung richtig sei. (Juinguaud nannte ihn Syringospora Robinii. Das von ihm neu aufgestellte Genus gehört zu dem Tribus der Oidien, Unterabtheilung Hormiscineen, Abtheilung Arthrosporeen. deees nannte ihn Saccharomyces albicans. Grawitz betrachtet ihn für gleich oder ähnlich einem von Üken- ‚kowsky aus Sauerkohlsaft gezüchteten Kahmpilz (Mycoderma vini) und hält diese Auffassung den Einwänden von Ztees gegenüber aufrecht. Nähr- und Zerstörungsmittel des Soorpilzes. Das Studium der Medien, in welchen der Soorpilz Mycelien und Sprossen treibt, und derjenigen, welche seine Entwicklung vorüber- gehend hemmen oder ihn tödten, ist zunächst für die Myko-Physio- logie, weiterhin aber für die Aetiologie, die prophylactische und curative Behandlung der Soorkrankheit von grösster Bedeutung. Die ersten Culturversuche hat Henerkopff 1. c. 47 an- gestellt. Er brachte Aphthenschorfe in eine colirte Lösung von Hausenblase und sah nach 24 Stunden in der Umgebung der Schorfe ' eine feinkörnige bräunliche Masse. Nach 48 Stunden zeigten sich ‘dünne, durchsichtige, vielästige, gerade oder spiralige, nicht gegliederte Schläuche von 3 Linien Länge. Wegen Austrocknens der Nähr- flüssigkeit wurde das weitere Wachsthum nicht verfolgt. Es ist aus mehreren Gründen zweifelhaft, ob die gezüchteten Fäden dem Soor- pilz oder nicht vielmehr einer anderen vom Soorschorf selbst oder von aussen stammenden Pilzart angehörten. Denn wie schon Grawitz hervorhob und meine eigenen Versuche bestätigen, kann man aus Soorsporen häufig Penicillium, Mucor, Aspergillus und Pleosporen züchten. 160 F. A. Kehrer: Berg brachte Soorschorfe in Reagenzgläser mit destillirtem Wasser, Pfeilwurzelaufguss, 10 °/, Rohr- und Milchzuckerlösung, ohne und mit Hühnereiweiss bei einer Temperatur von 12—30°C., und sah darin früher oder später in der Tiefe und an der Oberfläche Fäden und Sporidien reichlich wachsen. ’ In einer weiteren Versuchsreihe wusch er den gezüchteten Pilz möglichst vollständig mit destillirtem Wasser ab, züchtete in Rohr- zuckerlösung mit und ohne Albumin, und sah jetzt Fäden und Sporen üppig wachsen. Demgemäss hält er die Anwesenheit eines stickstoff- haltigen Körpers wie Eiweiss, und eines Materials, das Säure bildet, nothwendig für das Wachsthum. Auch auf der Magenwand eines Neu- geborenen, die mit Milchzuckerlösung übergossen wurde, sah Derg eine Pilzhaut entstehen, die bei Fortzüchtung in Rohrzucker-Eiweiss Aphthen- pilze entwickelte. Auch in Speichel, der mit Rohrzuckerlösung bei 30—35° C. hin- gestellt wurde, in Lösungen von unreinem Kuh- und Frauenmilch- zucker, in doppelt verdünntem Blutserum entstanden Fäden und Sporidien, welche denen des Aphthenpilzes glichen. Gubler 1. e. p. 53 säete den Pilz auf Blätter und Früchte meh- rerer Cucurbitaceen, in die von Saft befeuchteten Ritzen von Baum- rinden — doch ohne Erfolg. Hallier 1. e. 88 cultivirte auf Citronen, wo der Pilz in 24 Stun- den ungeheure Massen eiförmiger Hefezellen hervorbrachte, neben rund- lichen zu Penicillium gehörigen Zellen. In Wasser übertragen wurden die Keimlinge dünn, in Glycerin bräunlich, und entstanden hier lange E Sporenketten mit längeren, an beiden Enden zugespitzten Gliedern ; die letzten Glieder waren kreisrund und etwas abgestutzt. [Diese Sporenketten scheinen dem Soorpilz nicht anzugehören, wenigstens sah ich in Culturen mit reinen Soorconidien nichts derart. Ref.] | Sehr interessante Versuche über Nähr- und Zerstörungsmittel hat (Juinguaud (l. c. 242) angestellt. Er legte auf ein Objectglas ein Soorstückchen mit Speichel, Zucker, phosphorsaurem Natron, einigen Tropfen Ammoniak deckte es mit einem Deckgläschen zu, und setzte das Object einer Temperatur von 26° aus, unter öfterem Zusatz von Ueber den Soorpilz. 161 Speichel. Nach 3 Tagen waren lange, schlingenartige Fäden und zahlreiche Sporen entwickelt. Ausserdem brachte er Sporen mit Speichel auf ein Objeetglas und legte einen Seidenfaden derart auf, dass dessen Mitte in den Spei- chel, die beiden Enden in nebenanstehende Gläser mit Wasser tauch- ten. Da sah er denn aus den Sporen Schläuche hervorkeimen, an deren Seiten sich neue Sporen entwickelten. Auf abgespülten Citronenscheiben entstanden nach 30 Stun- den aus einzelnen eingeimpften Sporen grosse Sporenlager, einzelne Sporen keimten. Ein Gleiches beobachtete @. auf den mit Speichel be- schickten Objectgläsern im Verlaufe von 24 Stunden. Die Temperatur, bei welcher Sporen absterben, liegt für die trockenen Sporen bei 115°, für die in Wasser eingeschlossenen bei 98° C. Ausgetrocknete und in trocknem Raume aufbewahrte Sporen keimen noch nach 3 Monaten. Durch zweistündig wiederholtes Electrisiren wird die Sporenkeimung begünstigt. Trockne Sporen keimen auf Citronen- scheiben bei 30°. Getrocknete, in Schwefelsäure gelegte und abge- - waschene Sporen keimen nicht. Nach Einlegen in Essig- und Salz- säure (10 Minuten lang) und Abwaschen keimen die Sporen, die in ersterer gelegenen nach 12—15, die in letzterer nach 24 Stunden. Durch Einlegen in Aether und Verdampfen desselben wird die Keim- fähigkeit der Sporen nicht zerstört. In Lösungen von doppeltkoblen- saurem Natron, Borax, Citronen- und Milchsäure gelegte Sporenhaufen keimten äusserst langsam nach 15—16 Stunden ; wurden die Lösungen auf Citronenscheiben gebracht, so war die Keimung nach 10—12 Stunden sehr lebhaft. In Magensaft keimen die Sporen, in Arsenik langsam und erst nach 24 Stunden. In einem Glase mit Zucker, Salmiak, phosphorsaurem Ammoniak und Wasser keimen Soorsporen lebhaft, in dem Gemische ohne Wasser nicht, nach Weglassen des Salmiaks sieht man nur die Anfänge der Keimung, nach Entziehung des Zuckers allein bleibt die Keimung aus. heees züchtete vorzugsweise in zucker- und stärkehaltigen Flüssig- keiten, verdünntem Kirschsaft, Brodabkochung, Fleischauszug, Milch, ferner auf Möhrenscheiben, Fleisch, Brod. In Kirschsafteulturen um- Verhandl.d. Heidelb. Naturhist.-Med, Vereins. N. Serie. II. 11 162 F. A. Kehrer: geben sich die Schorfe mit Höfen von gleichartigen, lebhaft sprossen- den Hefezellen. Die Höfe hatten nach 24 Stunden einen Durchmesser von 2 mm, nach 2 Tagen von 4—5 mm. Die aus den Pilzschorfen vorragenden Fäden bedecken sich mit Knäueln von Hefezellen, die nach '/, Tag die erwähnten Höfe bilden; die Fäden wachsen nicht über die Höfe hinaus. Die an den Fäden entstandenen Hefezellen sind noch oval und ungleich gross, deren Nachkonmen sind gleich, nämlich 0,004 mm, gross, kugelrund, sprossen nach allen Seiten, bilden hundertzellige Knäuel und Rispen, die dann in ihre Glieder zerfallen. Eine isolirte Hefezelle hatte nach 39 Stun- den unzählige Zellen entwickelt. Diese runden Zellformen konnte $ Jtees wochenlang weiterzüchten und beobachtete dann nur einzelne eiförmige oder längliche Zellen, ferner ovale Mutter- mit rundlichen Tochterzellen. Mehrzellige Fäden oder Sporenbildungen wie bei Bier- und Weinhefezellen konnte Rees nicht erziehen. Grawitz benutzte Lösungen von Traubenzucker mit weinsaurem Ammoniak und Asche, eingedicktes Pflaumendecoct oder Johannisbeer- gelee. 2 Tropfen der Flüssigkeit werden auf den Objectträger gebracht und mit Soorschorf geimpft. In concentrirter oder schwacher Zucker- Salzlösung stirbt der Pilz ab, bei mittleren Concentrationen entwickelt er sich rasch. Durch mehrmalige Uebertragung von Soorhäufchen in neue Lösungen wird der Soorpilz von Bacterien, aber nicht von Hefe- zellen befreit. In zuckerarmen Lösungen wächst der Faden rasch in die Länge und stirbt dann ab, in zuckerreichen sind die Zellen kurz, mit zahlreichen, oft traubenartigen Knospen besetzt, die wieder secun- däre Knospen treiben. In den Glaskörper eines lebenden Auges injieirt, entwickeln die Conidien reiche Mykelgeflechte, stecknadelkopfgrosse Soorhäufchen. Dann giebt es Eiterung. In dem Humor aqueus entstehen lange Fäden mit spärlichen Seitenknospen. Nach Injection in die Bauch- höhle von (durch Amylnitrit) diabetisch gemachten Kaninchen trieben die Conidien Schläuche, welche in die Lymphgefässe des Zwerchfells, der Leber und Gedärme eindrangen und körnigen, dann fettigen % Zerfall der Lymphgefässendothelien und Leberzellen bewirkten. ER IE RE ee an Wu ST raete WTTTETELT EEE EIER TE Ueber den Soorpilz. 163 Man sieht aus diesen Beobachtungen, dass der Soorpilz in leben- den, gefässhaltigen Geweben fortzuvegetiren im Stande ist. Kosegarten’s Versuche beziehen sich grösstentheils auf Hefezellen, Sporen von Oidium lactis, Penieillium, Mucor, und nur wenige, die Reihen 38—41, auf Soor. Die Soorpilze wurden in Wasser gebracht, und eine Probe ohne Zusatz, die zweite mit concentrirter Kali chloric.- Lösung, die dritte mit kalt gesättigter Boraxlösung versetzt. In der Probe ohne und mit Kali chloricum-Zusatz wuchsen die zelligen Gebilde und Fäden stark, nicht aber in der mit Borax versetzten dritten Probe. Bei genauer Durchsicht der Boraxversuche ergiebt sich aber, dass in dem ersten (Nr. 38) sich Boraxkrystalle ausschieden, welche den Soorschorf einhüllten, beim 39. Versuch wuchs ein Schimmel- pilz (Mucor ?) im Glase, bei 40—41 entstanden reichlich Bacterien — und gesteht denn der Autor, dass die Versuche „in Beziehung auf den Soorpilz selbst vielleicht keinen Werth haben“. Meine eigenen Culturversuche waren dreifacher Art: Schorfeul- turen in Reagenzgläsern, Conidienculturen auf Objectträgern und in Capillarröhren. 1. Schorfeulturenin Reagenzgläsern. Ausgeglühte, 6cm lange Reagenzröhrchen werden zu °/, mit ausgekochter Culturflüssig- keit gefüllt, und dann ein Stückchen Soorschorf zugesetzt. Am besten wählt man junge Schorfe, welche mittelst eines Ohrlöffels von der Mundschleimhaut abgehoben und direct ins Glas übertragen werden. Man ist versucht, zumal wenn man eine grössere Zahl von Cultur- - gläsern infieiren will, gerade solche Kinder zur Abimpfung zu benutzen, deren Zungenrücken mit einem dicken, zusammenhängenden und leicht ablösbaren Schorfe bedeckt ist. Dies Material enthält massenhaft Epithelien, vollgepfropft von Micrococcen, und verschiedene Arten von Bacillen, sowie Milchreste, aber wenig Pilzelemente. In den Culturen überwuchern dann leicht die Bacterien. Die geimpften Gläser werden mit Baumwolle verschlossen oder mit Zinkkappen bedeckt, an deren Ränder ein Icm hoher Ring angelöthet ist. Zur Aufnahme der Glas- röhren dienen Gestelle aus zwei Brettehen oder Zinkplatten von der 11 * 164 F. A. Kehrer: Grösse der Lichtung der Brutmaschine, das oberste von mehreren Reihen Löcher durchbobrt und durch vier 3cm hohe Eckpfeiler auf dem unteren befestigt. Als Brutmaschine benutzte ich einen viereckigen Kasten von doppeltem Zinkblech, umgeben von einem diekwandigen Holzkasten mit vorderer Thüre. Die Einfüllung des heissen Wassers geschieht durch ein Spundloch an einer Ecke der Oberwand, das Ab- ziehen des Wassers durch einen als Heber wirkenden Gummischlauch. In der Mitte der Decke ist ein durchgehendes Rohr für den Thermo- meter angebracht. Die Lichtung des Kastens hat 38cm Länge, 24 cm Breite und Höhe. Die seitlichen Innenwände des Zinkkastens tragen mehrere Paare schmaler Leisten zum Aufsetzen der Gestelle, deren drei in den Kasten eingesetzt werden können, mit zusammen 252 Reagenzgläsern. Die Temperatur wird durch eine untergestellte Spiritusflamme oder öftere Wassererneuerung zwischen 30—40° R. erhalten. Alle paar Tage fand eine Durchmusterung sämmtlicher Präparate statt, indem man mittelst einer leicht hakenförmig gebogenen Lanzen- nadel ein kleines Schorfstückchen hervorholte und das Glas sofort verstopfte. Diese Methode hat unter den dreien den Vortheil der grösseren Einfachheit und Bequemlichkeit, sowie vor Allem den, dass ihre Er- gebnisse am ehesten klinisch zu verwerthen sind, wenn es sich um die Frage nach der Verwendung eines Gegenmittels gegen Soor handelt. Denn bei dieser Methode wird den natürlichen Verhältnissen in der Mundhöhle am meisten Rechnung getragen. Die Nachtheile liegen darin, dass das Saatmaterial, der Schorf, sehr unrein, d. h. an Bacterien überreich und auch häufig von den Sporen anderer Pilze durchsetzt ist. Ein weiterer Nachtheil ist der, dass den Pilzen eine grosse Menge Nahrungsmaterial in dem Schorf mitgegeben wird: Eiweiss des Mundepithels, Milchcasein, Milchzucker, Salze u. 5. w., auf dessen Unkosten die Pilze bei ihrer grossen Genügsamkeit längere Zeit fortwachsen. Diese Mitgift hat denn zur Folge, dass auch in indifferenten Medien, z. B. in destillirtem Wasser, Wachsthum der Mykelien und Vermehrung der. Conidien stattfindet. | Ueber den Soorpilz. 165 Immerhin sind diese Culturen zu einer vorläufigen Orientirung darüber geeignet, ob das einzelne Medium zu den wachsthumshem- menden oder befördernden Mitteln zu rechnen ist. Um zuverlässige Resultate zu erhalten, muss man jedoch das einzelne Mittel mit Schorfen verschiedenen Ursprungs impfen, da der Reichthum der Schorfe an Soor- pilz, Bacterien, Epithelien und Milch starken Schwankungen unterliegt. Zu den Conidienculturen wurde das Saatmäterial in folgen- der Weise gewonnen: Man bringt einige Soorschorfe in eine Lösung von 5 °/, Trauben- zucker und 1°/, Tartarus boraxatus und stellt das Glas einige Zeit wohlbedeckt hin. Neben grossen Pilzflocken entsteht bald ein feiner, weisser Bodensatz von Soorconidien. Nun nimmt man die Schorfe mit den anhängenden Flocken und allen grösseren Partikeln heraus, giesst die Flüssigkeit vorsichtig bis auf den letzten Tropfen ab und einige Male destillirtes Wasser auf. Es ist nicht zweckmässig, zum voll- ständigen Ausziehen aller Reste der Nährflüssigkeit das destillirte ‚ Wasser 2—3 Tage über der Conidienschicht stehen zu lassen, denn die Conidien keimen dann schwerer als frisch aus guter Culturflüssig- keit entnommene. Nach genügender Abspülung des Bodensatzes setzt man destillirtes Wasser zu, rührt den Bodensatz auf und vertheilt und verdünnt ihn derart, dass das Wasser eine äusserst schwache Trübung zeigt, und ein feinstes Tröpfchen ca. 1—2 Dutzend Soor- conidien enthält. Mittelst eines in eine lange Spitze ausgezogenen Capillarröhrchens saugt man diese Flüssigkeit auf und lässt ein klein- stes Tröpfchen auf den Objectträger oder in die Culturcapillare aus- treten. Mit diesem Saatmaterial wurde auf Objectträgern und in Glas- capillaren gezüchtet. 2. Objectträgerculturen. Hier handelte es sich zunächst - darum, eine Art Wall zur Aufnahme der Culturflüssigkeit aus einem indifferenten, bei der Temperatur der Brutmaschine nicht schmelzenden Medium herzustellen. Ich benutzte dazu Rindstalg, ein Mittel, welches Rob. Koch, allerdings aus einem anderen Grunde (um zu erkennen, ob die Temperatur der Brutmaschine eine gewisse Höhe nicht über- 166 F. A. Kehrer: schritten) bereits benutzt hat. Harze, Balsame u. dgl. sind für unsern Zweck ungeeignet, weil sie pilztödtende Bestandtheile enthalten. Zunächst bildet man auf dem Objectträger einen viereckigen Wall von Rindstalg, etwas kleiner als das Deckglas, indem man eine conisch zugespitzte Glasröhre erhitzt, damit einige Tropfen des verflüssigten Talges aufnimmt und Streifen von 3—-5mm Breite auf dem Object- träger zieht. Damit das Deckglas sich fest auflege, erwärmt man nach dem Erstarren der Masse den Objectträger bis zur vollständigen Verflüssigung des Talgs. Man erhält dadurch eine ebene Oberfläche. Dann lässt man auf die Mitte der umwallten Fläche ein Tröpfchen Saatflüssigkeit von 3—4mm Durchmesser aus der oben erwähnten Capillare ausfliessen und auftrocknen. Dasselbe enthält etwa 1—2 Dutzend Soor-Conidien. Nach Auftrocknen des Tröpfchens füllt man den Binnenraum mit der Culturflüssigkeit und legt das Deckgläschen auf. Eine etwa eingeschlossene Luftblase schadet nichts; am Rande aussickernde Flüssigkeit saugt man mit Fliesspapier sorgfältig. auf. Um die Verdunstung der eingeschlossenen Flüssigkeit zu verhindern, zieht man um den Rand des Deckgläschens einen zweiten circa 0,5 cm breiten Ring flüssigen Talgs. Die so zubereiteten Objectträger kommen in die Brutmaschine. Die mikroskopische 'Durchmusterung muss mit schwachen Systemen geschehen — mit Rücksicht auf die relativ bedeutende Dicke der Flüssigkeitsschicht. Diese Methode ist unstreitig die bequemste für die mikroskopische Untersuchung. Doch verlangt sie grosse Exactheit beim Einschluss. Entweicht der Inhalt in der höheren Bruttemperatur, so wird mit der zunehmenden Concentration das Resultat unrein, resp. vertrocknet die Flüssigkeit sehr bald. Letzteres geschieht auch oft in trockener Luft, indem der Talg Sprünge bekommt, durch welche die Flüssigkeit verdunstet. Ferner kann durch geringe Mengen Zucker, welcher mit den Conidien übertragen wird und zunächst an der Stelle des ein- getrockneten Tropfens liegen bleibt, innerhalb beschränkter Grenzen » eine Vermehrung der Conidien stattfinden, und dadurch die Täuschung entstehen, die Zusatzflüssigkeit sei ein Nährmittel. Um letztere Täuschung zu verhüten, sind Controlversuche nöthig, RFE EEE: ;c Ueber den Soorpilz. 167 indem man die Saatflüssigkeit in einer grösseren Flüssigkeitsmenge vertheilt. Diess geschieht in den 3. Capillarröhren-Culturen. Eine Glasröhre von circa 5cm Länge und 2mm Lichtung wird geglüht, am einen Ende in eine feine Spitze ausgezogen, und diese in die Culturflüssigkeit eingesenkt, worauf man durch einen am stumpfen Ende angebrachten Gummi- schlauch einige Tropfen aspirirt. Dann schmilzt man die Spitze zu, lässt aus dem Impfglase ein kleines Tröpfchen conidienhaltiger Flüssigkeit zutreten, und verschliesst das freie Ende mit Siegellack, oder zieht das- selbe, nach Einfüllung von Kali, Alkohol u. dgl. den Siegellack lösen- den Mitteln, ebenfalls in eine Spitze aus, in welch’ letzterem Falle zur Verhütung einer für die Pilze nachtheiligen Erhitzung natürlich eine längere Röhre zu wählen ist. Diese Capillaren werden bis zu gehöriger Mischung des Inhaltes 'umgeschüttelt, in Papier (mit Namen des Culturmittels und Versuchs- datum versehen) eingewickelt, in die Brutmaschine gelegt und nach Verlauf einer Woche der Inhalt mikroskopisch untersucht. Die Materialien zu den Culturflüssigkeiten waren aus einer guten Apotheke bezogen. _ Alle Culturen dauerten 8—14 Tage; am 2.—3. Tage sieht man jedoch schon bei den meisten, ob eine Entwicklung des Pilzes stattgefunden hat. Die folgende Tabelle enthält die Ergebnisse der, für jedes einzelne Mittel natürlich viele Male wiederholten, Versuche. Es sind darin folgende Abkürzungen gebraucht: +r bedeutet gutes Nährmittel. Hier entstanden aus den einzelnen Conidien meist strahlige Torulaketten oder Sprossverbände und grössere Zellengruppen; die eingepflanzten Mykelien verlängerten sich, trieben Knospen und Zweige. —+- bedeutet Wachsthumsmittel. Hier entstanden Zellketten, gewöhnlich aber keine grossen Conidienhaufen, und war das Wachs- thum der Mykelien weniger energisch als bei den vorigen. 0 bedeutet Hemmungsmittel. Hierin erhielten sich die Coni- dien noch eine Reihe von Tagen ohne sich zu trüben, dann zerfielen sie entweder oder sie verwandelten sich in Dauersporen. Auch die Mykelien 168 | F. A. Kehrer: blieben für eine gewisse Zeit unverändert, dann stellte sich auch bei ihnen rückschreitende Metamorphose ein. Jedenfalls trat so wenig Vermehrung der Conidien, wie Verlängerung oder Sprossung der Mykelien ein. — bedeutet Zerstörungsmittel. In diesem schrumpften die eingesenkten Conidien und Mykelien schon nach kurzer Zeit, trübten sich körnig oder veränderten sich sonstwie auffällig. Eine Zellen- vermehrung fand hier nie statt. Die Nichtausfüllung einzelner Abschnitte der Columnen „Conidien oder Mykelien“ bedeutet entweder, dass keine Culturversuche angestellt wurden, oder dass das Ergebniss zweifelhaft war. Wir ersehen aus’ nebenstehender Tabelle, dass der Soorpilz in manchen Substanzen üppig vegetirt, reichlich Conidien und Mykelien entwickelt, dass er in anderen weniger üppig vegetirt, aber immerhin noch gut fortkommt, dass er in einer dritten Reihe gar nicht wächst, sich aber auch nicht merklich verändert, und endlich in einer vierten Reihe ebenfalls nicht wächst, sich aber merklich verändert oder gar zerstört wird. Zur Veranschaulichung des wechselnden Verhältnisses der Cultur- flüssigkeiten zum Pilze möge folgende Parallele dienen. Säen wir einen bestimmten Pflanzensamen in 4 Culturgefässe, welche ausgeglühten und ausgewaschenen Sand enthalten, und begiessen die Culturen täglich mit destillirtem Wasser. 1. Cultur. Der Sand wird reichlich gedüngt. Die Pflanze entwickelt sich kräftig, treibt Blüthen und Früchte. Der Boden nebst Dünger, Wasser und den atmosphärischen Gasen enthalten alle zum Aufbau der. Pflanze erforderlichen Stoffe, d. h. die pflanzlichen Nahrungsmittel. 2. Cultur. Dem Sande wird Pflanzenasche in mässiger Menge zugesetzt. Der Samen geht auf, entwickelt wohl spärliche Blätter und Stengel, aber keine Blüthen und Früchte. Aus der Asche, dem Wasser, der Kohlensäure und dem Ammoniak der Luft, sowie den im Samen mitgegebenen Stoffen (Stärkemehl u. dgl.) hat also ein beschränktes Wachsthum stattgefunden; die Asche und das Wasser genügten nur einzelnen Bedürfnissen der Pflanze, Zee ee a | »Opurq1aAssordg | — E= Sur] Pujozumm| + | . . _ 0 0 0 ‘(usddnazsjaz) Sun | alas -youzoA oBurlos | : pe aınyın) ueufpzurn | - -IPZ MPZUTDIOA 1) En en orra FO jydumayase3 JoWwS|ı _ =, "UOSUITA9S | -sng ueddnıg uam | 0 J-ıamm nz ’goupzug +"nQ 2 . | | 1 Sıu1oy “ydumayos | 39 -SıuloN N) | 0 JPswaneg wunp-m, — — + + Be < —n0 0) Su 9 mW — — cr "uaddnasıoz "zur ) 0 . . 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Der Samen geht nicht auf, keimt auch nach Ueber- tragung in guten Humus nicht weiter. Die Säure hat eben den Samen chemisch verändert, keimungsunfähig gemacht oder ganz zerstört. Aehnlich wie in diesen vier Culturen die dem Sande zugesetzten Substanzen zum Samen, verhalten sich die einzelnen Mittel obiger Ta- belle zum Soorpilz. Sie sind entweder gute Nähr- oder beschränkte Wachsthums- oder Hemmungs- oder Zerstörungsmittel des Soorpilzes. Der folgenden Gruppirung sind ausschliesslich die in der Tabelle angegebenen Concentrationen zu Grunde gelegt, in anderen Verdün- nungen eines bestimmten Mittels kann selbstredend das Wachsthum sehr verschieden ausfallen. 1. Gute Nährmittel des Soorpilzes, welche dessen Nahrungs- bedarf vermöge ihrer. complexen Zusammensetzung ganz oder grössten- theils decken, sind: Stärke- und Weizenkleister, Dextrin und mehrere Zuckerarten (Trauben-, Rohr-, Milchzucker, Süss- holzsaft, sowie Mischungen von Traubenzucker mit Chlorcaleium, Tar- tarus boraxatus u. a.), Hühnereiweiss, Gelatine, Speichel, Urin. In süsser Frauenmilch (ausgekocht und in Capillaren ein- geschlossen) vermehren sich die Conidien sichtlich, mit der stärkeren Milchsäurebildung wird das Pilzwachsthum dagegen in Milch und Molken rasch unterbrochen. 2. Wachsthumsmittel, unvollkommene oder einseitige Nähr- mittel, sind diejenigen, welche zwar in die Ernährung des Pilzes ein- gehen, aber dessen Nahrungsbedarf nicht decken. Es findet in ihnen eine mehr oder weniger lebhafte Pilzvermehrung statt, theils und bei manchen vorzugsweise auf Unkosten der noch von der Conidienzüchtung 'anhaftenden und durch Auswaschen nicht vollständig beseitigten Nähr - 174 F. A. Kehrer: substanzen, theils unter Benutzung des Wassers selbst, sowie der darin gelösten Stoffe. Die schlechteren Mittel dieser Gruppe verhalten sich passiv, sie lassen den Pilz von seiner Mitgift leben und daraus vege- tiren, die besseren nehmen einen gewissen, doch kaum genügenden Antheil an dem Aufbau der Pilzzellen. In Bezug auf Ueppigkeit der Conidienvermehrung stehen in dieser Gruppe obenan gewisse pflanzensaure Salze, nämlich die benzo&-, milch- und weinsauren Alkalien, Tartarus boraxatus und Tartarus stibiatus und das essigsaure Ammoniak. Dann folgen Wasser, Citronen- und Weinsäure, Borax, Bromkalium, Chlor-Kalium, -Natrium und -Magnesium, die phosphor-, salpeter-, schwefelsauren Alkalien und schwefelsaure Magnesia. Am schwächsten war das Conidienwachsthum in ara- bischem Gummi, kohlensaurem Kali und Natron, in Chlor- caleium und Chlorammonium, in Osmium-, Gallus- und Gerbsäure, inMilchsäure von 0,01—0,25 °, sowie in Mischungen von 4°, Milchzucker und 0,01—0,4°%, Milchsäure. 3. Hemmungsmittel sind solche, welche während ihrer Ein- wirkung das Pilzwachsthum aufheben, die Pilzelemente jedoch nicht merklich verändern und vermuthlich deren spätere Keimung in guten Nährsubstanzen nicht hindern. Sie sind dem Pilz gegenüber nicht in- different, wie ja die Aufhebung der Vegetation beweist, allein ihre Wirkung ist nicht tiefgreifend genug, um nachhaltig zu sein. Hierher gehören: eine Anzahl anorganischer und organischer Säuren, wie Bor-, Phosphor-, Salpeter-, Salz-, Schwefelsäure, Benzo&-, Bernstein-, Butter-, Essig-, Milchsäure (0,5 % u. m.), Salicyl-, Zimmtsäure; ferner Chlorbarium, Chlor- zink, Jodkalium, kohlensaures Ammoniak, essigsaures Kali, Combinationen von Milchzucker 4°, und Milchsäure 0,5 — 2,0 %,, Alkohol, -Resorein, Weisswein. In Glycerin entwickelten sich bloss die Schorfpilze. 4. Zerstörungs- oder pilztödtende Mittel, welche relativ rasch sichtliche Veränderungen (Schrumpfung, Trübung, starkes Ab- lassen u. dgl.) hervorrufen und die Keimkraft dauernd vernichten. Ä | ER u a Ueber den Soorpilz. 175 In diese Gruppe sind zu rechnen: Chromsäure, Aetzkali, Sublimat (1:5000), salpetersaures Silberoxyd, Eisenchlorid, Eisen- und Zinkvitriol, Alaun, essigsaures Bleioxyd. Die Unterscheidung zwischen den letzten beiden Gruppen mittelst des Mikroskops stiess öfters auf Schwierigkeiten, indem nicht bloss das Ergebniss nach der Qualität des Saatmaterials wechselte (die aus- gewaschenen und einige Tage unter Wasser gestandenen Conidien gingen früher ein als die frisch aus guter Nährlösung genommenen), söndern auch innerhalb Eines Präparates ein Theil der Zellen gut er- halten, ein anderer geschrumpft, körnig getrübt oder sonstwie verän- dert war. Die Einreihung in die Tabelle richtete sich dann nach dem Ergebniss der Majorität der Versuche und besonders der mit guten Keimen angestellten. Ich betrachte jedoch die obige Gruppirung nur als eine provisorische. Es sind weitere Versuche nöthig zur Lösung der Frage, ob ein gegebenes Mittel nur vorübergehend die Pilzvegeta- tion hemmt, oder ob es den Pilz rasch tödtet. Es handelt sich, wie man sieht, nicht um eine Eintheilung nach dem obigen histolo- gischen, sondern nach dem physiologisch-pharmakologischen Principe — wie dies flob. Koch bezüglich der auf Spaltpilze wirkenden Mittel bereits durchgeführt hat. Koch unterschied bekanntlich scharf zwischen einer antiseptischen (vorübergehend wachsthumhemmenden) und des- infieirenden (tödtenden) Wirkung. Auf Grund solcher Versuche wird voraussichtlich ein oder das andere Mittel der obigen dritten in die vierte Gruppe überwandern müssen. Die erforderlichen Versuche sind wohl in der Art anzustellen, dass man eine Cultur mit einem bestimmten Mittel eine gewisse Zeit fortsetzt, dann die Culturflüssigkeit mit Zurücklassung der Conidien vollständig entfernt, Dextrin- oder Zuckerlösung nebst Nährsalzen zusetzt, und damit neue Keimversuche beginnt. Vorkommen des Soorpilzes im menschlichen Körper. Es ist bekannt, dass der Soor auf der Mund- und Schlund- schleimhaut von Neugeborenen und Kindern der ersten Lebens- monate, bei Erwachsenen manchmal epidemisch im Verlaufe verschie- 176 F. A. Kehrer: dener fieberhafter Erkrankungen, sowie öfters im Endstadium schwerer Allgemeinkrankheiten, wie Typhus, Pneumonie, Py&mie, Erysipelas, Puerperalfieber, Tuberculose, Carcinose u. s. w. vorkommt. Seltener findet er sich auf den Brustwarzen und den Warzenhöfen Stillender und auf der Scheidenschleimhaut, besonders Schwangerer, sehr selten auf der Magen- und Bronchialschleimhaut. Die Häufigkeit des Mundsoors der Neugeborenen ist nach Ort, Zeit und Wartung sehr verschieden, wie zahlreiche Berichte aus Entbindungsanstalten und Findelhäusern lehren. Ich beschränke mich hier auf eine Statistik, die sich auf die von er Te PIE T Anfang Juli bis Ende October 1882 in der Heidelberger Entbindungs- anstalt geborenen Kinder bezieht. Unter 60 Neugeborenen dieses Zeitraumes erkrankten 48 — 80°], an Soor, in manchen Fällen aller- dings nur an mikroskopisch nachweisbaren Formen. Bei allen Kindern wurde in dieser Zeit täglich die Mundschleimhaut genau betrachtet, in den ersten Tagen bei jedem Kinde das Epithel von verschiedenen Stellen, später jeder irgend verdächtige Fleck mikroskopisch untersucht. Während dieser Beobachtungszeit waren folgende sanitäre Maass- regeln, wie auch sonst, getroffen. Die Wochenzimmer werden durch Offenlassen der Fenster bei Tage fortwährend gelüftet, alle 2 bis 3 Wochen der einzelne Wochensaal entleert, gründlich geschwefelt und dann mehrere Tage und Nächte gelüftet. Das Bettzeug der Wöch- werin und des Kindes wird jedesmal nach deren Entlassung vollkom- men erneuert, das Bettstroh entfernt. Die Gummihütchen, Saug- und Formgläser, deren jede Wöchnerin, welche derselben bedarf, ein be- sonderes erhält, liegen stets in Wasser, werden nach dem Ge- brauche abgespült und dann das Wasser erneuert, alle 3 Tage in 5procentiges Carbolwasser gelegt und dann in Wasser abgewaschen. Die Badewanne, welche allen Kindern eines Saales, mit Ausnahme der syphilitischen und augenkranken, gemeinsam ist, wird nach dem Baden des einzelnen Kindes entleert, mit einem Tuche ausgerieben und frisch gefüllt. Aber Eine sonst streng durchgeführte Maassregel wurde absichtlich, des Versuches halber, unterlassen, das Ueber den Soorpilz. 177 Auswaschen des kindlichen Mundes nach dem Trinken mit einem in Wasser getauchten Leinwandläppchen. Früher, als regelmässige Mundwaschungen vorgenommen wurden, hatten wir 12 %,,nach Unterlassung dieser Mundwaschungen 80 °/,Soorfälle! Nach Wiedereinführung der Mundwaschungen erkrankte von 14 im November ]l. J. geborenen Kindern keines an Soor. Auf die hohe Bedeutung dieser Erfahrungen für die Prophylaxe werde ich weiter unten eingehen. Die ersten Spuren wurden durchschnittlich am 9. Tage beobachtet, genauer einmal am 3., je zweimal am 4. und 5., fünfmal am 6., neun- mal am 7., fünfmal am 8., viermal am 9., sechsmal am 10., zweimal ‘am 11., achtmal am 12., einmal am 13., zweimal am 14. Tage. Dass der Soor nicht so selten auf den Schlundkopf und die Speiseröhre übergeht, ist bekannt, doch existirt meines Wissens keine zuverlässige Statistik über die Häufigkeit des Soors an diesen tieferen Abschnitten des Alimentartractus. Der Magen ist nur ganz ausnahmsweise Sitz der Erkrankung, und wenn wir von einigen Fällen französischer Autoren absehen, in denen es nicht ganz sicher ist, ob bloss verschluckte Soorschorfe im Magen gefunden wurden, oder ob der Pilz wirklich in der Magen- schleimhaut sich eingenistet hatte, so war der Fall von Zalesky der erste, in weichem dieser Nachweis geführt ist. Nie. Zalesky fand bei einem 18 Tage alten Kinde, das mit Milch und Brei genährt worden und an Brechdurchfall gestorben war, neben Soor des Mundes, Schlundes und der Speiseröhre ca. 60—80 weiss- liche, flache, Pockenpusteln ähnliche Erhebungen auf der Magenschleim- haut, die von der Cardia nach dem Pylorus hin spärlicher wurden, aus Fäden und Sporen des Soorpilzes gebildet. Zalesky betrachtet diese Soorbildung als Ursache des Brechdurchfalls. Ein zweiter Fall von Magensoor ist von Eberth beschrieben. Von Entwicklung des Soors auf der Luftröhrenschleim- haut erwähnt Gabler, 1. c. p. 56, drei Fälle. 1. Fall: Bei der Sec- _ tion eines an Morbus Bright, Anasarca und Glottisoedem verstorbenen Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. III. 12 1 78 F. A. Kehrer: Individuums wurden neben Mundsoor auf der gerötheten Luftröhren- schleimhaut da und dort kleine weisse Concretionen gefunden, „extr&me- - ment peu adherentes“, mit charakteristischen Fäden von Oidium albi- . cans. Gerade dies oberflächliche Aufsitzen erweckt aber Zweifel, ob h nicht vielleicht aspirirte Soorschorfe hier vorlagen. In einem weiteren Falle Gubler’s, p. 54, wurde bei einer Kranken, die nicht an Mund- L soor, wohl aber an Stimmlosigkeit gelitten, eine cylindrische Pseudo- membran ausgehustet, die nur aus Oidiumfäden bestand. In einem dritten Falle handelte es sich um Mundsoor, Heiserkeit, Husten, Kratzen im Halse. In den Sputa wurden nesterweise Soorfäden und Sporen gefunden. Wenn auch im letzteren Falle eine Aufnahme des Soors beim Durchgang durch die Mundhöhle nicht ausgeschlossen ist, so ist diese Deutung beim zweiten Falle unzulässig. i Von Soor auf den Brustwarzen und Warzenhöfen Stil- lender, deren Kinder an Soor litten, werden Beispiele angeführt schon von Girtanner, ferner von Kayer und. Trousseau, Bouchut, Simonis Empis und von Gubler, 1. c. p. 50, ausserdem von Küchen- meister (Wchbl. d. Ztschr. d. k. k. Ges. f. Aerzte zu Wien. 1857. 3. 417). Es waren weisse, fest anhaftende Flecken mit welliger Oberfläche. | Hausmann fand den Soorpilz öfters in dem Scheideninhalt schwangerer Frauen und in dem Mundschleim der von diesen ge- borenen Kinder gleich nach der Geburt. Wie schon von verschiedenen Seiten, zuerst wohl von Berg, be- tont worden ist, muss man nach diesen Erfahrungen behaupten, dass der Soorpilz vorzugsweise auf Schleimhäuten mit geschichtetem Pflaster- epithel und der befeuchteten Oberhaut, nur ganz ausnahmsweise auf solchen mit einfachem Cylinderepithel vorkomme. Die folgenden Untersuchungen betreffen Eine und zwar die häu- figste Form, den Soor der Mundhöhle. Wir werden zu erforschen suchen, wie der Pilz in die Mundhöhle gelangt, unter welchen Be- dingungen er daselbst vegetirt, welche Krankheitserscheinungen er auslöst, wie man ihn fernhalten oder. zerstören kann. Ueber den Soorpilz. 179 Uebertragung des Soorpilzes auf die Mundschleimhaut. Es giebt offenbar zwei Hauptarten der Uebertragung: 1. directe Ueberimpfung oder Transplantation der frischen Mykelien oder Co- nidien durch feste oder flüssige Mittelglieder, und 2. Uebergang ge- trockneter Pilzeonidien in die Luft und Eindringen in die Mundhöhle, I. Directe Uebertragung des frischen Soorpilzes. Die direete Uebertragung von Kranken auf Gesunde ist zuerst von Derg versucht worden. Dieser führte Soorschorfe zwischen Wangen und hintere Theile der Alveolen von 3—25 Tage alten ge- sunden Kindern ein, isolirte die Kinder und liess sie von besonderen Ammen säugen. Bei 2 der Geimpften waren nach 65 Stunden Schwämm- chen nachzuweisen, anfangs zerstreut, später zusammenfliessend, welche das Saugen störten; beim 3. Kinde zeigten sich die ersten Soorspuren am 4. Tage, und war die Affection am 8. Tage deutlich entwickelt; beim 4. Kinde entstand zwischen dem 5.—6. Tage zerstreuter Soor. In den beiden letzten Fällen erfolgte rasche Abheilung. (Juinguaud wiederholte den Derg’schen Versuch 8mal bei er- wachsenen Menschen, 15 mal bei Meerschweinchen, 4mal bei Hunden, nach künstlicher Ansäuerung der Mundschleimhaut mit Milchsäure. Es keimte der Pilz auf der Zungenoberfläche schwach, aber nach 2 Tagen war nichts mehr nachzuweisen, trotzdem die Mundflüssigkeit sauer reagirte. 4mal impfte Quinguaud den Soorpilz in die eigne Haut; es entstand am 2. und 3. Tage um die Impfstelle ein rother Hof, am 4. Tage war Alles verschwunden. Küchenmeister impfte Soor erfolglos auf die Zunge eines Hundes, Haubner dagegen mit Erfolg auf die Zunge eines jumgen Hundes und Kalbes. Grawitz fütterte 3—8 Tage alte Hunde und Katzen mit Kulmilch, welcher reine Conidien eines Kahmpilzes zugesetzt waren. Es ent- standen auf der Zunge, dem Gaumen und den Schlundtaschen weiss- gelbe, submiliare Herde mit Büscheln von Fäden und Rundzellen (Hefeform) — ganz wie beim Soor. In einer zweiten Versuchsreihe wurden Kahmpilze von Sauerkohl- 12* 180 F. A. Kehrer: saft in Gelee und sauren Molken cultivirt, und die in ersterem gezüch- teten Pilze 2 Tage alten Hündchen mit Kuhmilch gereicht. Die Thiere starben nach einer Woche an Magenkatarrh und Bronchopneumonie. Man fand an der unteren Zungenfläche weisse Pünktchen mit Hefe- knospen und Fäden, am Gaumen eines Thieres exquisite Soorfäden. Die zwei mit Kahm aus sauren Molken gefütterten Thiere blieben von Soor verschont. Hausmann 1. e. 72 übertrug Soorschorf eines Kindes auf die Scheidenschleimhaut einer Schwangeren, und beobachtete danach stär- kere Schleimabsonderung und Brennen in den Genitalien, sowie Ent- wicklung von weissen, aus Pilzgeflechten bestehenden Flocken. Am 8. Tage waren die Pilzfäden verschwunden und nur noch Sporen vor- handen. Die negativen Versuchsergebnisse von Quinguaud und von Küchen- meister beweisen nicht mehr, als was wir durch anderweitige klinische Erfahrungen wissen, dass gerade die Mundschleimhaut Neugeborener einen besonders günstigen Nährboden für den Soorpilz abgiebt. Den positiven Impfversuchen Derg’s gegenüber können sie kaum in Betracht kommen. wir müssen vielmehr nach letzteren und vielen anderen Er- fahrungen die directe Uebertragbarkeit desfrischen Soor- pilzes als eine sichere Thatsache betrachten. Diese Art der Weiterverbreitung hat nun statt in folgenden Einzel- fällen: 1. indem ein soorkrankes Kind die Brustwarze und den Warzen- hof der Stillenden infieirt (s. oben p. 178); / 3. indem ein soorkrankes und gesundes Kind nacheinander an derselben Brustwarze saugen — eine in Anstalten nicht seltene Ent- 2 Re“ stehungsweise des Soor; 3. indem Saug- und Formgläser sowie Warzenhütchen von Wöch- nerinnen mit soorkranken Kindern und dann nachträglich ohne gründ- liche Desinfection von Wöchnerinnen mit gesunden Kindern benutzt werden, oder indem sich in der Milch, welche an der Innenfläche solcher Gläser zurückbleibt, aus den Luftkeimen Soorpilze bilden. Dieser Entstehungsmodus ist von Mettenheimer (Betz, Memorabilien 1869) A u RE IE Ueber den Soorpilz. 181 als der gewöhnliche bezeichnet worden. Mettenheimer fand an der Innenfläche solcher Gläser, die mit Milch benetzt 24 Stunden gestanden hatten, zahlreiche Pilze, die er als Soorpilze deutet. Ich habe den Inhalt alter Sauggläser, die ich bei meinen Inspectionsreisen den Heb- ammen abgenommen hatte, vielfach untersucht und darin Soorpilze, massenhaft Penicillium, Aspergillus und Oidium lactis gefunden. Ob- wohl ich also das Vorkommen des Soorpilzes im Inneren der Saug- gläser in keiner Weise bestreite, möchte ich doch darauf hinweisen, dass in meinem Institute bei blosser Unterlassung der Mundreinigung 850°, der Kinder an Soor erkrankten, trotzdem gerade auf die Des- infection von Sauggläsern und Gummihütchen die peinlichste Sorgfalt verwendet wurde; 4. indem soorkranke und gesunde Kinder einen gemeinsamen Saug- pfropfen benutzen; 5. indem soorkranke und gesunde Kinder in einer gemeinschaft- lichen, nach dem Einzelbade nicht genügend gereinigten Badewanne gebadet werden. Hier kommt neben dem Uebergang von Mundsoor- pilz auch noch der Eintritt von Soorconidien aus den Fieces in das Badewasser in Betracht (s. unten p. 184); 6. indem eine Hebamme oder Wärterin den Mund eines soor- kranken, und bald nachher, ohne vorherige gründliche Reinigung ihrer Finger, den eines gesunden Kindes ausreibt; 7. indem bei der Geburt Scheidenschleim mit Soorpilz in die Mundhöhle des Kindes eindringt. Hausmann hat 3 mal Soormykelien oder Sporen in dem Munde frischgeborener Kinder nachgewiesen. In 2 Fällen hatte die vorherige Untersuchung Sporen in dem Scheiden- inhalte der betr. Schwangeren ergeben. — Dass dieser Modus vorkommen könne, bezweifle ich nicht, doch dürfte er nicht besonders häufig sein. Denn nach Berg’s allerdings nicht zahlreichen Versuchen dauert das Incubationsstadium des Soors 65 Stunden bis 5 Tage. In unserer Sta- tistik erkrankten aber von 48 Kindern nur 5 = 10°/, innerhalb der ersten 5 Tage, nur für diese 10%, könnte die Hausmann’sche An- ‘nahme zutreffen. 182 F. A. Kehrer: II. Uebertragung eingetrockneten Soorpilzes durch die Luft. Prüfen wir die Realität dieser Uebertragungsweise, so ist die nächste Frage: Enthält die Luft, insbesondere in Zimmern mit soorkranken Kindern, Soorpilzkeime? Zur Beantwortung dieser Frage wurden in einer ersten Ver- suchsreihe sog. Kobaltgläser benutzt. Der aus dem Stöpsel her- vorgehende Glasstab wurde mit Traubenzuckersyrup (2 Stunden gekocht) dick bestrichen, in einen breiten Korkpfropf, mit der Spitze nach oben, eingeklemmt, und dann 24 Stunden an einen bestimmten Ort hingestellt. Dann füllte man die sterilisirten Gläser mit ausgekochter 1°/,iger Lö- sung von Tartarus boraxatus, senkte an den Orten, wo die Stöpsel gestanden, letztere in die Nährlösung, deckte die Glaskappen auf und brachte die Gläser in die Brutmaschine. Nach 8 Tagen wurde der Inhalt untersucht. Das Ergebniss von 12 derartigen Versuchen ist in folgender Ta- belle enthalten: Ve a EI I I En SENT DER TUE EEE a Ber ELERERTDE STE BES TEE N DEE EEE LE er. Nr. endortkdasGlüker‘ ' Inhalt der Culturflüssigkeit nach | 8 Tagen. 1 | Wochenzimmer unter dem Bette | Kein Pilzrasen, einzelne Leinenfäden | eines soorfreien Kindes. | m. rundl.u. ovalen Conidien übersäet. 2 Wochenzimmer unter dem Bette Zahlreiche kleine Pilzflocken (Asper- | eines soorkranken Kindes. |, gillus), längliche keimende Conidien. | do. ' Grosse Pilzfloeke (Aspergillus). 4 do. Grosse Pilzflocke (Aspergillus), schmale, | | körnige Mykelien. 5 do. do, 6, do. Kleine Pilzflocken an der Glaswand, | | Bodensatz mit spärlichen Conidien. 7 Corridorfenster, 2. Stock. Mehrere kleine Pilzflocken. 8| Wäschekammer. Einzelne Penicilliumsporen. 9| Laboratorium. Grosse Pilzflocke, Haufen von Peni- | eilliumsporen. 10 | Gynäkol. Präparatensammlung. | Grosse Pilzflocke. iu! Speicher. Leinenfäden, kleine Gruppe v. Faden- { ' pilz m.rundlich. Conidien — ob Soor? 12 Holzschoppen. Klar. # Die bei Nr. 1, 2 und 6 gefundenen Conidien glichen vollkommen denen des Soorpilzes. Bemerkenswerth ist die Thatsache, dass diese A TE eh Ueber den Soorpilz. 183 Conidien nur in den mit dem Staub der Wochenzimmer infieirten Gläsern gefunden wurden, nicht aber in dem aus anderen Localitäten stammenden. Die andere Versuchsreihe wurde in der Art angestellt, dass man Cylindergläser von Scm Höhe und 5 cm Lichtung mehrere Stunden auskochte, dann mit ausgekochter 1 %,iger Lösung von Tartarus bo- raxatus bis lcm unter den freien Rand füllte und 24 Stunden an bestimmte Orte hinstellte.e Dann verschloss man sie mit Glasplatten und brachte sie bei 30—40° R. in die Brutmaschine. Die Gläser Nr. 1—6 hatten unter den Betten von gesunden und soorkranken Kindern, d. h. in einem belegten Wochenzimmer ge- standen. Sie enthielten nach 7 Tagen sämmtlich Aspergillus-Flocken und -Rasen an der Oberfläche, zum Theil mit Sporangien, ferner einen weisslichen Bodensatz, der aus Soorconidien bestand. Das Gläschen Nr. 7, welches in einem leeren Wochenzimmer, und Nr. 8, welches in der Wäschekammer gestanden hatte, enthielt ebenfalls Aspergillus-Flocken und Bodensatz, Nr. 9, welches in der Präparatensammlung gestanden, einen grossen Aspergillus-Rasen mit Sporangien, aber keinen Boden- satz. Auch in dieser Versuchsreihe wurden nur aus dem Staub der Wochenzimmer und Wäschekammer, nicht aber aus dem der Präpa- ratensammlung die Soorconidien gezüchtet. Diese Versuche, welche natürlich noch weiterer Vervielfältigung bedürfen, zeigen jedenfalls eine sehr ungleiche Vertheilung der ver- schiedenen Pilzkeime in der Luft einzelner Räume. Bemerkenswerth ist dabei der Umstand, dass die Soorpilzkeime auf die Wochenzimmer (in einem Fall auch in der Wäschekammer) beschränkt blieben, so dass man schliessen muss, unser Pilz gehöre nicht zu den Kosmopoliten, deren Keime allerwärts reichlich im Staube vorhanden sind, sondern zu denen, welche nur unter gewissen Bedingungen, wenn auch vielleicht häufig, in der Luft vorkommen. Für Wochenzimmer, worin fortwährend soorkranke Kinder liegen, ist der nächstliegende, bereits von Derg ausgesprochene Gedanke der, dass die Keime sich vom Munde der Kinder (durch Eintrocknen des nach aussen gelangten Mundinhaltes) der Luft mittheilen. Dass 184 EA. Kehrer: Eintrocknen die Keimkraft der Soorconidien nicht beeinträchtigt, hat (uinguaud nachgewiesen. Aber auch durch die F&ces kann vermuthlich eine Tlebertragung stattfinden, nicht bloss in der Weise, dass mit denselben die Conidien in gemeinsames Badewasser übergehen, oder dass durch die Hände unreiner Wärterinnen eine Verschleppung stattfindet, sondern auch so, dass trocknende Fxces als Staub in die Luft gelangen. Der Nachweis von Soorconidien in den Fxces lässt sich durch mikro- skopische Untersuchung frischen Materials, ausserdem auch durch Culturversuche führen. Was die Untersuchung frischer F&ces (mit Ausschluss des Meconium) anlangt, so findet man in denen von soor- kranken, doch auch denen gesunder Kinder häufig unzweifelhafte Soor- conidien, doch stets in geringer Menge. Viel leichter gelingt der Nachweis durch Culturen. Zu dem Zwecke wird nach Reinigung der Analgegend durch Druck auf das Abdomen eine Def&cation bewirkt. Die Fx&ces fängt man in einem Uhrschälchen auf und überträgt sie sofort mit Glasspatel auf die Innenwände aus- gekochter Gläser. Zur Verhütung des Austrocknens wird eine 1cm hohe Schicht von ausgekochtem destillirtem Wasser in die Culturgläser geschüttet, worauf man diese mit Glasstöpseln und Papier schliesst und in eine Brutmaschine bei einer Temperatur von 30—40°R. ein- schliesst. Das Ergebniss von 11 solchen Versuchen war folgendes: Nr. Abstammung der Fzxces, Untersuchung der Culturen. 1. Faces eines soorkr. K. von 35 T. Nach 3 Tagen neben Baeillen u. Coccen ungeheure Mengen Soorconidien; nach 10 Tagen dto., an Oberfl. Peni- eilliumrasen. 2% n R = „ 16, Nach 3 Tagen massenhaft Conidien und Bacterien ; nach 10 Tagen dto. u. weisse Micro- eoccennester. Fructif. Aspergill. 3. R Er a „ 15 „ Nach 3 Tagen massenhaft Conidien und Bacterien ; nach 10 Tagen dto. sowie dicke Peni- eilliumrasen. f Ri 5 N . EI ln u ET BES fe) 10. 11. Abstammung der Fxces. 62) gesund. K. » 10 [9 D . F&ces eines soorkr. K. von 14 T. % Ueber den Soorpilz. 185 Untersuchung der Culturen. Nach 3 Tagen im Wasser Conidien, an der Oberfläche Penicilliumrasen ; nach 10 Tagen Penicilliumhaut auf dem Wasser. Nach 3 Tagen im Wasser viele Co- nidien; nach 10 Tagen dto., auf d. F. weiss- grauer Filz mit Asperg. u. Mucor. Nach 3 Tagen massenhaft runde Co- nidien, dicke Micrococcen, kleine und mittelgrosse Stäbchen; nach 10 Tagen dto. Nach 3 Tagen in d. Flüssigkeit mässige Mengen Conidien, an Oberfi. d. Fixces Penicillium u. Aspergillus; nach 10 Tagen Penicilliumhaut an d. Wasseroberfläche. Nach 3 Tagen Conidien im Wasser; nach 10 Tagen auf dem Wasser eine Penieilliumhaut. Nach 3 Tagen keine Conidien, nur Epidermiszellen, Cholestearintafeln, Bacillen; nach 10 Tagen dto. Nach 3 Tagen keine Conidien, nur Epidermiszellen, Cholestearintafeln, Bacillen; nach 10 Tagen dto. Nach 3 Tagen Epidermiszellen, Chole- stearintafeln, grosse dicke Bacillen, Micrococcen-Zoogloea, spärl.Sporen ; nach 10 Tagen ganz vereinzelte Co- nidien. Wir erfahren aus dieser Tabelle, dass sich in den mehrere Tage der Brutwärme ausgesetzten F&ces sowohl von gesunden wie von soor- kranken Kindern Conidien in wechselnder Menge finden. Bei keinem der soorkranken Kinder wurden sie vermisst, in den Fices der ge- sunden Kinder fehlten sie entweder oder waren spärlich, manchmal aber auch reichlich vorhanden. Wir müssen aus diesem Befunde weiterhin schliessen, 1. dass die Soorconidien durch die Verdauungssäfte nicht zerstört werden, 2. dass 186 F. A. Kehrer: Soorconidien in den Mund von Kindern gelangen und deren Darm- canal passiren können, ohne diese Kinder zu infieiren. Bedingungen der Entwicklung des Soorpilzes aut der Mundschleimhaut. Wir sahen oben, dass der Soorpilz — von seltenen Ausnahmen abgesehen — auf Schleimhäuten mit geschichtetem Pflasterepithel, resp. der befeuchteten Oberhaut vorkomme, und dass sein Lieblingssitz die Schleimhaut des oberen Alimentartractus sei. Man kann die Bevorzugung des geschichteten Pflaster- epithels durch eine allgemeine Erfahrung plausibel machen, dass nämlich eine Pflanze um so fester der Unterlage anhaftet, um so schwieriger durch äussere Gewalten davon abgelöst wird, je tiefer die Wurzel in den Boden eindringt resp. einzudringen vermag. In einfachem Cylinder- epithel können die Soormykelien nur lose haften, sie werden durch die darüber hinfliessenden Secrete und die Bewegungen der Canal- wand leicht abgestreift, oder gehen mit den Zellen, die sie zerstören, bald wieder ab. In den geschichteten Plattenepithelien können sie da- gegen, selbst nach Ablösung der oberflächlichen Elemente, in den tieferen Schichten immer noch haften oder dieselben durch ihre Knospen frisch inficiren. Dass gerade auf der Mundschleimhaut der Soorpilz besonders häufig sich festsetzt, ist begreiflich. Denn 1. enthält die Mundhöhle stets Mundspeichel, abgelöste Epithelien und Nahrungsreste mit Milch- zucker, Casein u. a. Eiweissarten, milchsaure und anorganische Salze, also solche Substanzen, welche sehr gute Nährstoffe für den Pilz abgeben; 2. es erleichtert die offene, nicht durch Haare u. dergl. Vorrichtungen geschützte Lage der Mundspalte das Eindringen der Luftkeime, und 3. wird durch unreine Fremdkörper der Pilz häufig in die Mundschleimhaut eingeimpft. Alle anderen Bedingungen, auf welche von verschiedenen Seiten hingewiesen ist: erhöhte Temperatur, Be- feuchtung der Flächen mit Schleim u. a. Flüssigkeiten, Anwesenheit von Luft resp. Sauerstoff, erklären die Prädilection der Mundschleim- haut nicht, da solche Bedingungen auch in anderen, von Soor nicht Ueber den Soorpilz. 187 oder nur ausnahmsweise heimgesuchten Höhlen und Schleimhäuten bestehen. Warum kommt Soor besonders häufig bei jungen Kindern, bei Erwachsenen aber — von Epidemien ab- gesehen — fastausschliesslich im Endstadium schwerer Allgemeinkrankheiten vor? Wie bei allen Mykosen, so wird man auch hier zunächst das Vorkommen resp. die Menge der Pilzkeime, welche in die Mundhöhle gelangen, ins Auge zu fassen haben. Mag man auch zugeben, dass in Findelhäusern und Entbindungs- anstalten von soorkranken Kindern massenhafte Soorkeime in die Luft übergehen, will man selbst einräumen, dass diese „Luftverderbniss“ und nicht die Benutzung gemeinsamer Gebrauchsgegenstände die Häufig- keit des Soors in einzelnen Localitäten erkläre, so kommt doch Eines in Betracht, dass die in den gleichen Räumen sich aufhal- tenden Erwachsenen (Wöchnerinnen, Ammen und Wär- terinnen) nicht oder nur ausnahmsweise an Soor er- kranken, obwohl letztere beim Athmen durch den Mund in gegebener Zeit mit der grösseren Luftmenge sicher auch ein erheblich grösseres Quantum Pilzkeime einführen. Der Unterschied in der Prädisposition von Kindern und Erwachsenen kann also nicht von der Menge der eingedrungenen Luftkeime abgeleitet werden, sondern muss in anderen Verhältnissen begründet sein. Anders liegen die Dinge, wenn man die Uebertragung von frischen oder aufgetrockneten Soorkeimen durch feste Gebrauchsgegenstände resp. Wasser ins Auge fasst. Weniger Gewicht möchte hier zu legen sein auf das Baden vieler Kinder in gemeinsamen Badewannen. Denn wenn auch gewiss hier- bei das Badewasser öfters direkt von der Mundhöhle der Kranken, so- wie durch deren Fxces verunreinigt wird, und dadurch gesunde Kinder angesteckt werden — dieses Moment könnte wohl das häufigere Vorkommen in bestimmten Localitäten verständlich machen, nicht aber die Prädisposition des ersten Kindesalters. Dagegen wird durch gewisse Gebrauchsgegenstände (Saughütchen, 188 FÜ A. Kehrer: Schnuller, Saugstopfen u. dergl,), welche das Kind oft lange im Munde behält und denen, wie wir oben sahen, frische oder eingetrocknete Sooreonidien öfters anhaften, die Mundhöhle der Kinder häufiger direkt infieirt als die der Erwachsenen. Doch erklärt auch dies nicht die Prädis- position der Säuglinge, da Soor oft genug auch bei Kindern entsteht, welche keine derartigen Körper gebraucht hatten. Die Prädisposition kleiner Kinder zu Soor muss offenbar, die stattgehabte Infeetion vorausgesetzt, durch gewisse chemische und mechanische Bedingungen erklärt werden, die gerade in der Mundhöhle von Neugeborenen meistens, im späteren Kindesalter und bei Erwachsenen aber nur ausnahmsweise vorhanden sind. Säuretheorie. Derg sprach sich dahin aus, dass der Speichel mit seinem Eiweiss, sowie die Milch mit ihrem Gehalt an Käsestoff und Milchzucker (der bekanntlich leicht in Milchsäure übergeht) gerade die Mundschleimhaut der Kinder zu einem geeigneten Boden für den Aphthenpilz mache und erklärte dann „die Prädisposition junger Kinder für Schwämmchen aus der überwiegend sauren Beschaffenheit des Belegs der Mundschleimhaut“. Die im Munde vorkommende Säure hält er für Milch-, vielleicht Butter- und Essigsäure. Die Al- kalescenz des Mundsecrets Erwachsener ist nach Derg als chemisches Schutzmittel gegen die Schwämmchen zu betrachten. Auch Gubler betrachtet einesaure Reaction der Mundflüssig- keit als Hauptbedingung der Soorbildung und bezieht sich bei dieser Ansicht zunächst auf die Angabe von T’reviranus (Biologie II. 325. Göttingen 1822), dass sich Schimmel in vegetabilischen Stoffen, welche zu saurer und weiniger Gährung neigen, besonders leicht entwickelt. Ferner gedenkt er der Versuche von Dutrochet (Me&m. pour servir & l'historie anat. et physiol. d. vegetaux et des animaux, Paris 1837. I. 190), wonach die niederen Cryptogamen mit Vorliebe in sauren (nur einzelne Species bei längerer Versuchsdauer auch in alkalischen) Flüssigkeiten wachsen. Diese Erfahrungen brachten Gubler auf den Ge- danken, dass auch der Soorpilz unter ähnlichen Bedingungen gedeihen möchte. Er beobachtete daun angeblich, dass vor dem Ausbruch des Soors die Mundschleimhaut roth war und, der Mundschleim deutlich sauer Ueber den Soorpilz. 189 reagirte, und betrachtete demnach eine gewisse Entzündung der Di- gestionsorgane, welche die Absonderung alkalischen Speichels zu be- schränken und die Säuerung des Mundschleims zu vermehren scheine, als Vorbedingung der Pilzentwicklung. Die Säure leitete er nicht bloss von der milchsauren Gährung der Mund- secrete, welche nach Oh. Dernard dann sich entwickelt, wenn letztere bei Luftzutritt längere Zeit im Munde stocken, sondern vor Allem von der im Munde zurückbleibenden oder aus dem Magen regurgitirenden Milch ab. Die theils von Gubler veranlassten, theils von ihm selbst unter- nommenen Versuche über die Reaction der Mundflüssigkeiten von Kindern hatten folgendes Ergebniss. Nat. Guillot fand bei 30 meist soorfreien Kindern die Reaction der Mundschleimhaut 6mal neutral, 24mal sauer; die letzteren Kinder waren weniger kräftig und von ungesundem Aussehen, doch litten nur 3 an Soor. Unter 20 gesunden Kindern der ersten 14 Tage fand G@ubler (l. e. p. 23) nur bei 4 leicht saure, sonst alkalische oder neutrale Reaction der Mund- flüssigkeit; bei 11 Soorkindern war die Reaction 9mal stark sauer, 2mal neutral. Zautton untersuchte 41 soorfreie Kinder, die mit Milch und Cerealien aufgefüttert wurden, und fand die Reaction schwach sauer, was Gubler auf die Säure der Nahrung oder die saure Gährung der im Munde stockenden Milch zurückführte. Nat. Guillot fand bei 55 soorkranken Kindern 5lmal saure Reaction, in 8 Fällen, in denen darauf geachtet wurde, schon vor dem Ausbruch des Soors. Es stieg und fiel die, saure Reaction mit der Entwicklung und der Abnahme des Soors, nachher blieb die Reaction bald sauer, bald neutral. Auch Lutton fand bei 13 soorkranken Kindern nur lmal neutrale, sonst schwach oder stark saure Reaction. Die Fälle neutraler Reaction bei Soorkranken erklärt Gudler durch complicirende Krankheiten des Gaumens, durch Agone, alkalische Milch, Zumischung von Blut oder Serum, oder Rückkehr normaler Speichelsecretion bei fortdauerndem Soor; die Fälle von saurer Reaction ohne Soor durch Abstumpfung der die Soorbildung fördernden Säure durch alkalischen Speichel, oder durch Existenz von Oidium ohne Bildung von Plaques, was Gubler oft gesehen hat. Man sieht, Gubler ist durchaus nicht ver- 190 F. A. Kehrer: legen gegenüber den offenbar seiner Ansicht widersprechenden That- sachen. j Soll Soor gedeihen, sagt Gubler, so müssen gährungsfähige Stoffe vorhanden sein, deren durch Soor erzeugte Säure nicht immer wieder durch alkalischen Speichel zerstört wird. In seinem Resume hebt Gubler hervor, dass sich die in der Luft schwebenden Sporen nur dann auf der Mundschleimhaut entwickeln, wenn durch Störungen in den Verdauungswerkzeugen bei Kindern und schwerkranken Erwachsenen die Mundsecrete sauer geworden sind. Dass die Säure Lebensbedingung für. den Soor sei, ergiebt sich nach Gubler 1. aus dem Gedeihen der Pilze überhaupt in saueren organischen Flüssigkeiten, 2. aus der bei Soor stets saueren Reac- tion der Mundflüssigkeit, 3. aus der Wirksamkeit der Alkalien gegen den Soor. Robin hat sich der Gubler’schen Auffassung im Wesentlichen an- geschlossen und betont, dass Soor nur auf denjenigen Schleimhäuten vorkomme, deren Secret oder Inhalt zeitweise sauer reagire, dagegen auf alkalisch reagirenden Membranen vermisst werde. Bereits Reubold hat gegen diese Derg-Gubler’sche Theorie ein- gewendet, dass Soor auch ohne saure Reaction vorkomme, und ander- seits oft saure Reaction ohne Soor vorhanden sei. Auch Quenguaud wies darauf hin, dass man saure Reaction ohne Soorbildung beobachtet habe. Doch sieht er nicht von der Säuretheorie ab, ist vielmehr der Ansicht, es müssten eine Anzahl von Bedingungen gleichzeitig bestehen, nämlich die Producte saurer Gährung (Säure, Vibrionen etc.), seltene Schlingbewegungen und geringe Speichelab- sonderung, daher Trockenheit der Mundhöhle. Er betont, dass Speichel leicht in saure Gährung übergehe. Ritter von Rittershain hat im Prager Findelhause die Reaction der Mundschleimhaut bei zahlreichen Kindern geprüft, auch bei Fehlen von Soor in der überwiegenden Mehrzahl mehr minder stark sauer gefunden, und sich demgemäss ebenfalls gegen diese Theorie ausge- sprochen. Bei der Milchsäuretheorie vermisst man, von allem Anderen ab- EL IE ERELETEERT A ELETTEETE LE NETETEEENE: 2 le Muhr! Be vuekär Ueber den Soorpilz. 791 gesehen, eine fundamentale Fragestellung: Ist reine Milchsäure ein Wachsthumsmittel des Soorpilzes? Ich habe alle Concentrationen bis zu 0,01°/ herab geprüft und bin zum Ergebniss gelangt, dass in Milchsäure von 0,5 °/, und darüber der Soorpilz nicht wächst, in schwächerer Säure aber um so lebhafter, je grösser die Verdünnung ist. Das Wachs- thum ist der Säuremenge umgekehrt proportional. Aber vielleicht könnte ein Milchsäurezusatz zu einer guten Nähr- flüssigkeit das Pilzwachsthum doch lebhafter gestalten, als es in der betr. Flüssigkeit sonst vor sich geht. Grawitz giebt 1. c. p. 580 an, dass nach Aussäen von Pencillium- oder Aspergillus-Sporen 1. in alkalisches und 2. in durch eine orga- nische Säure leicht angesäuertes Serum, in der 2. Probe schon nach 12—18 Stunden weitverzweigte Mykelien gebildet sind, während es in der 1. Probe meist 36 Stunden dauert, ehe man ein Wachsthum wahr- nimmt. Ferner macht er l. c. p. 581 die gelegentliche Mittheilung, dass in Serum, welches mit einigen Tropfen Acid. acetie. angesäuert, mit Soorconidien geimpft und dann in einen Rotationsapparat gestellt war, „Sprossungen entstanden, welche 1—3 Tage lang zu Fäden weiter wuchsen“. Meine Versuche haben Folgendes ergeben: Beschickt man eine Conidien-Objectträgercultur mit (käuflichem) 4 °/, Milchzucker (beiläufig das procentische Verhältniss in der Milch), so treiben schon nach kurzer Zeit die Conidien reiche Sprossverbände. Setzt man in anderen Versuchen zu 4°/, Zuckerlösung 0,5 °/, Milchsäure, so ist bei gleicher Culturdauer die Pilzentwicklung viel spärlicher, in manchen Proben ist von einer Conidienvermehrung gar nichts zu sehen. Nimmt man mehr Milchsäure, so steht das Wachsthum still, nimmt man weniger, so gedeiht der Pilz um so besser, je schwächer der Säure- zusatz ist, immer aber weniger gut als in reinen Milchzucker- lösungen. Ein Soorpilzwachsthum ist also in guten Nähr- flüssigkeiten trotz Milchsäure noch bei geringen Mengen der letzteren möglich, wird aber durch einen Zusatz von mehr als 0,5%, Säure aufgehoben. 192 F. A. Kehrer: Nur indirekt könnte die Milchsäure das Pilzwachsthum fördern, wenn sie genügende Mengen Alkalien im Munde vorfände und dann sofort nach ihrer Entstehung sich mit diesen verbände. Denn in milch- saurem Kali und Natron gedeiht nach obigen Versuchen der Pilz sehr gut, und treiben die Conidien sogar Mykelien. Eines ergiebt sich jedenfalls aus obigen Versuchen, dass das erste Argument Gubler’s, wonach die Pilze in säurehaltigen Substanzen mit Vorliebe gedeihen, für die Combination Soorpilz-Milchsäure nicht zutrifft. Betr. des zweiten Arguments Gubler’s, dass die Soorschorfe und Mundflüssigkeiten bei Soor meist sauer reagiren, so könnte man dies auf die saure Gährung zuckerhaltiger Flüssigkeiten beziehen, welche nach Berg durch den Soorpilz eingeleitet wird, oder als eine Wirkung der in der Mundhöhle stets vorhandenen Bacterien betrachten. Das dritte Argument Gubler’s, Alkalien seien die besten Antidota gegen den Soorpilz, trifft, von den therapeutischen Erfahrungen zu schweigen, schon desshalb nicht zu, weil wir in obiger Tabelle eine Anzahl von alkalisch reagirenden Salzen kennen gelernt haben, in welchen der Soorpilz sehr gut gedeiht. Nach alledem muss m. E. die ursprüngliche Säuretheorie verlassen werden. Die Theorie des primären Mundkatarrhs. Eine bei den Autoren öfters wiederkehrende, von Gubler u. A. ausgesprochene Be- hauptung ist die, dass ein Mundkatarrh oder gar eine Entzün- dung der Mundschleimhaut dem Soor vorausgehe, und dass das hierbei reichlich sich abschilfernde Epithel nebst Schleim eine, wie es die Franzosen nannten, dicke Humusschicht für den Soorpilz liefern. Gerade auf diesen Punkt habe ich nun sämmtliche Kinder gleich nach der Geburt und dann täglich untersucht und dabei Folgendes gefunden. Gleich nach der Geburt und am ersten Tage reagirt die meist spärliche Mundflüssigkeit stets neutral oder ganz schwach alkalisch. Die Mundschleimhaut ist fleischfarben, oder es zeigt ihre oberste Lage einen ganz zarten Stich ins Weisse oder Bläuliche. Die Mundepithelien Ueber den Soorpilz. 195 sind entweder vollkommen klar oder nur mit einzelnen Fetttröpfehen in der Nähe der Kerne versehen, aber, wie Färbungen mit Anilin- blau zeigen, in den ersten Lebensstunden noch ganz frei von Bacterien. e Im Verlaufe des ersten oder doch am 2. Tag ändert sich dies Bild insofern, als die Röthung der Mundschleimhaut, entsprechend der stärkeren Hautröthe, oft dunkler wird, als ferner jetzt regelmässig in oder auf einzelnen Epithelien durch Anilin leicht nachzuweisende Mi- erococcen und kurze, relativ dicke Bacillen sichtbar werden. Diese beiden Bacterienformen findet man vom 2. Tage constant in einer Menge von Epithelien, und oft sind in der Foige die ganzen Zellen- leiber mit Coccen dicht gefüllt. Die Reaction der Mundflüssigkeit ist vom 2. Tage an bald neutral, bald leichter oder stärker sauer, letzteres sowohl bei soorkranken, wie bei gesunden Kindern. Bei vielen Kindern entwickelt sich vom 2. Tag an auf dem Zungenrücken ein ganz leichter, weisslicher Beleg, der hauptsächlich, wie das Mikroskop lehrt, aus Milch, zum Theil auch aus coccenhaltigen Epithelien besteht. In Bezug auf diesen Beleg habe ich keinen Unterschied zwischen den soorkranken und gesunden Kindern finden können. Diese Veränderungen zeigten alle Kinder, und es ist mir unmög- lich gewesen bei denen, welche später an Soor erkrankten, irgend welche regelmässige prodromale Veränderungen wahrzunehmen. Man muss zugeben, dass auch bei jüngeren Kindern die Mund- epithelien fortwährend absterben und sich abstossen, allein ein dem Soor vorangehender Mundkatarrh ist doch nach meinen Beobachtungen nur in einer ganz geringen Minorität von Fällen nachzuweisen, und sind dann oft schon mikroskopisch nachweisbare Soorpilze vorhanden. Ein Mundkatarrh ist jedenfalls nicht nothwendige Vor- _ bedingung des Soors. Trockenheit der Mundhöhle durch spärliche Spei- chelabsonderung ist von G@ubler u. A. als prädisponirendes Moment des Soors betrachtet worden, nicht bloss in dem Sinne, dass der Wegfall alkalischen Speichels bei kleinen Kindern die Säuerung der Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. II. 13 ..194 F. A. Kehrer: Mundflüssigkeit begünstige, sondern auch in der Weise, dass mit dem Speichel ein mechanisches Reinigungsmittel der Mundschleimhaut wegfalle. Mag man auch mit Schiffer und Korowin anerkennen, dass bei Kindern der ersten Lebensmonate die Absonderung von Mundspeichel nicht ganz fehlt, wie dies früher Kitter von Rittershain behauptet hatte, — Eines ist sicher, dass bis etwa zur Zeit der Dentition, jeden- falls bei Kindern der ersten Lebenswochen, die Speichelabsonderung im Vergleich zum späteren Leben noch sehr gering ist. Also von dieser Seite stände jener Auffassung Gubler’s nichts im Wege. Dagegen müssen wir hervorheben, dass der Speichel ein ganz vorzügliches Nährmaterial des Soorpilzes dar- stellt, welches sogar die Zuckerarten noch übertrifft. rg Ai ee a Fi Bei obigen Objectträgerculturen mit filtrirtem Speichel Erwach- sener waren nach 24 Stunden nicht bloss reichlich Conidien, sondern auch lange knospende und verästelte Mykelien aus den Cultureonidien hervorgewachsen. Wäre die Grösse der Speichelabsonderung für die Soorentwicklung maassgebend, so würden wir im Hinblick auf letztere Erfahrung gerade bei Erwachsenen den Soor häufig, bei Neugeborenen aber selten an- treffen müssen. Von kleinen, unreifen, durch mangelhafte Ernährung oder Krankheiten atrophischen Kindern erkrankt nach den Er- fahrungen vieler Kinderärzte (s. u. A. üitter von Rittershain in der Prager Vierteljahrschrift. 1868. 25. Jahrg. I. 40) ein höherer Procentsatz an Soor als von starken Kindern. Zur Illustration, wenn auch nicht zur Entscheidung dieser Frage, mögen folgende Tabellen dienen, in denen zunächst das Geburtsgewicht, er } weiterhin aber auch, mit Rücksicht auf die später zu prüfende Frage nach dem Einfluss des Soors auf das Körpergewicht, das Abgangs- i gewicht von 60 Kindern aus meiner Klinik aufgezeichnet ist. In Be- zug auf das Abgangsgewicht bemerke ich, dass mehrere länger zurück- behaltene Kinder erst bei ihrer Entlassung, andere derselben aber am 13—15 Tage gewogen worden sind. Die eingeklammerten sind die am 16. Tage oder später entlassenen Kinder. Ueber den Soorpilz. 195 Alle Kinder wurden von ihren Müttern gestillt, mit Ausnahme des soorkranken Nr. 18, welches vorzugsweise mit Kuhmilch ernährt wurde und ausserhalb der Anstalt am 30. Tage starb, sowie der Soor- kranken Nr. 19 und 20, welche ebenfalls Kuhmilch erhielten. 1. Soorfreie Kinder. SORRAnSTT 52 m Nr hart Abe Entl. a Ny. | Feburts- | Abgangs-| Entl. a. Gewicht in g. ee j Gewicht in g. x. Tage. 16| 4425 4291 12 il 30 | a2 | u ı7| 3125 | 2708 12 2 3105 3215 10 (18 3925 , 2545 29) £ 3560 | 3414 14 19 2980 2968 12 4 2930 2621 13 20 3258 3010 15 SE Bean. 3350 12 21h] 3017 2580 12 6 3500 3425 13 22 2343 2788 12 7 3201 | 3088 12 23 3228 3310 16 8 | 3205 | 2870 12 24| 2848 |, 3120 8 9 2905 3085 14 25 33237 10.3175 13 10 3462 | 3561 10 26 2261 2218 11 11 3622 3530 14 27 3180 2982 14 12 3290 3702 Our 28 2975 29283 13 3 ED i (29| 3539 3497 19) Mittel: 3275 | 3255 12,5 30| 3082 | 3285 13 31 38820.1259293 12 i 32 2575 2692 11 33| 3029 3068 11 2. Soorkranke Kinder. ie N | a Hi — — 36| 2340 | 2280 13 Nr. ee | Abgangs-| Entl. (37| 3462 | 4430 42) Gewicht in g- x a: 38 2942 3310 13 ne nn 39 2872 3070 12 ı | 3097 | 3239 ae (AN 3065174) ,9860 24) 92 3045 | 2640 13 41 3655 3765 12 3 3143 3005 13 42 2330 2835 11 4 2835 2900 15 43 3334 ! 3422 12 (5 2975 3015 18) (44 | 3207 | 3330 17) 6 | 2965 2535 15 (45| 2895 |. 2975 21) 7 |. 3052 .| 3025 15 46 |. 3085 2260 1 s | 3060 3229 13 aT| 3867 | 83838 12 9 2974 3323 12 48 27092717..-20932 13 10 | 2545 2527 13 BF EEN Fee BETEN TA (11 3475 3388 17) Mittel: 5128 3125 ° | 14,8 al 3 3 D) BRETT ET ERLITTEN ROSEN: er TEEN BEE . « } 1 TT —— 1: ne as 7 Mittel der in den ersten 16 Tg. | entlassenen Kinder. Das mittlere Geburtsgewicht der 12 soorfreien Säuglinge betrug 3275, das der 48 soorkranken Kinder 3128 g, die Soorkranken waren also durchschnittlich 147 g leichter. 13* 196 F. A. Kehrer: Stellen wir die Zahlen nach einem anderen Gesichtspunkte zusam- men. Das Mittelgewicht aller 60 Kinder betrug 3157 g. Dieses Ge- wicht wurde nicht erreicht von 3, d. h. 25°, soorfreien und über- schritten von 9, d. h. 75 °%, dieser Kinder, nicht erreicht von 30, d. h. 62,5°/, soorkranken und überschritten von 18, d. h. 37,5 % der Kranken. Von den soorfreien Kindern erreichten also , von den soorkranken fast %, das mittlere Geburtsgewicht nicht. Wir müssen mithin eine (in unseren Beobachtungen um 37,5 °%) grössere Disposition zu Soor beidenleichteren Kindern zugeben, jedoch zufügen, dass auch schwere Kinder (in der Tabelle sind 6 = 12,5°, Kinder, Nr. 12, 13, 16, 31, 41, 47, mit Ge- wichten über 3600 g verzeichnet) von Soor und zwar selbst von hohen Graden desselben ergriffen werden. Die Erklärung der grösseren Disposition leichterer Kinder zu Soor ist wohl darin zu suchen, dass bei solchen die Kau- und Schling- bewegungen viel schwächer geschehen, und in Folge dessen die Milch- reste und abgestossenen Mundepithelien länger im Munde zurückbleiben, den Soorkeimen also einerseits reichlicheres Ernährungsmaterial geboten, andererseits aber auch die ihrer Vermehrung, sowie dem Ein- dringen der Mykelien in die tieferen Epithelschichten günstige Ruhe gewährt wird. Erwägt man überhaupt, dass Säuglinge, zumal wenn sie genügend Muttermilch vorfinden, den grössten Theil der Zeit schlafend verbringen, dass sich die Thätigkeit ihres Masticationsapparates auf die Zeit des Saugens beschränkt, die Reibungen der Zunge an Gaumen, Zahnfleisch, Lippen und Wangenschleimhaut demnach im Vergleich zu Erwachse- iu nen in hohem Grade beschränkt sind und nur periodisch geschehen, . so wird man die relative Ruhe der Organe der Mundhöhle, insbesondere der Zunge, als ein der Entwicklung des Soors im Säuglingsalter höchst förderliches Moment zu betrach- ten haben. Es stimmt diese Annahme auch zu unserer obigen Er- fahrung, dass von den Kindern, bei denen Ausreibungen des Mundes % ul m E u Ueber den Soorpilz. 197 unterblieben, 80 °/,. von denen, deren Mund öfters am Tage ausgerieben wurde, nur 12 °/, an Soor erkrankten. Vielleicht ist auch auf die beschränkte Bewegung der Zunge in den Endstadien schwerer Allgemeinkrankheit das hier nicht seltene - Vorkommen des Soors zurückzuführen. Ruhe der umgebenden Luft und des Nährbodens begünstigt aber ' nach allgemeinen Erfahrungen die Entwicklung der Fadenpilze in hohem Grade. Für den Soorpilz speciell hat 'Grawitz durch Versuche mit einem rotirenden Apparate den wachsthumshemmenden Einfluss der Bewegung nachgewiesen. Die Behauptung, dass schlechte Milch und Surrogate ver- schiedener Art die Entwicklung des Soors begünstigen, bin ich nicht in der Lage durch obiges klinische Material zu unterstützen oder zurück- zuweisen, da von den erwähnten 60 Kindern alle, mit Ausnahme von dreien, von ihren Müttern gestillt worden sind. Doch ersieht man aus obiger Tabelle, dass Stärke- und Weizen- kleister vorzügliche Nährmittel des Soorpilzes sind, woraus zu schliessen, dass die verschiedenen Formen von Kinderbrei, ferner der meist _ aus Semmeln und Milch bestehende Inhalt der Schnuller u. dgl., zumal der zähe Kleister auf der Zunge fest haften bleibt, die Ent- stehung des Soors in hohem Grade begünstigen müssen. 'Fassen wir alles über die Entstehung des Soors Gesagte zusam- men, so scheinen mir weder Säurebildung in der Mundhöhle, noch - Mundkatarrh, noch beschränkte Speichelabsonderung, sondern einzig _ die schwachen und nur periodisch geschehenden Kau- und Schlingbewegungen die Prädisposition des Säuglings- _ alters zum Soor zu erklären. Dadurch bleiben das Eiweiss des ; Epithels und der Mundsecrete, das Casein, der Milchzucker und die Salze der Milch, sowie die bei der Milchsäuerung sich bildenden milchsauren Salze, endlich bei künstlicher Ernährung die Amylacea, also solche hi Substanzen, welche gute, zum Theil beste Nährmittel des Soorpilzes sind, reichlich in der Mundhöhle zurück. Es wird ferner dem Pilz die zu seiner Vermehrung und Einwucherung in das Mundepithel 8 8 _ nöthige Ruhe gewährt. 198 F. A. Kehrer: Ob ausser der angeführten noch andere Bedingungen gerade auf der Mundschleimhaut von kleinen Kindern vorhanden sind, welche die Soorbildung befördern, bleibt dahingestellt. Der Soorpilz als Krankheitserreger. Die durch Einwanderung und Sprossung des Soorpilzes bedingten Krankheitserscheinungen sind: Schorfbildung. Dass der Soorpilz die Entstehung weisser oder gelblicher, anfangs inselförmiger, später meist zusammenfliessender Membranen oder Schorfe veranlasst, ergiebt sich aus den positiven Versuchen der Ueberimpfung. Der Pilz bewirkt nun eine locale Ver- dickung des Epithellagers, sei es in der Weise, dass er die Epithelien, welche physiologisch oder in Folge seiner Einwirkung absterben und sonst rasch sich abstossen, mit seinem Mykel umfasst und an Ort und Stelle zurückhält, sei es, dass er eine reichliche Neubildung von Epi- thelien anregt. Der relative Gehalt der Soorschorfe an Pilzelementen wechselt individuell und nach den Stadien, so zwar, dass die dünnen jüngeren Inseln oft mykelreicher gefunden werden als liniendicke Schorfe, welch’ letztere grösstentheils aus coccenreichen Epithelien, Milchresten u. s. w. bestehen. Dass sich der Pilz meist auf das Epithel beschränkt und dass nach Ablösung des Schorfs, die anfangs schwer, später leicht gelingt, noch eine tiefste Epithelschicht übrig bleibt, welche die Gefässe des Schleimhautbindegewebes bedeckt, ist schon den Aelteren bekannt ge- wesen. Nur ausnahmsweise dringt der Pilz in die tiefere, vascularisirte ee en rei Bindegewebsschicht und verbreitet sich in den Blutgefässen weiter (E. Wagner im Jahrb. f. Kinderheilkunde N. F. I. 58), ja es können von hier die Pilzmassen fortgeschwemmt werden, und als inficirte Em- bolen zur Entstehung kleiner Eiterherde im Gehirn und zu Ence- phalitis führen, wie ein Fall von Zenker gelehrt hat. Ein Erythem der Mundschleimhaut unter dem Schorf oder in Form eines Hofes um dessen Ränder oder gar auf der ganzen Mundschleimhaut ist eine häufige, doch nicht ganz regelmässige egleiterscheinung resp. Folgezustand. Ueber den Soorpilz. 199 Gestörtes Saugen, so zwar, dass die Kinder die Brustwarze nicht nehmen oder bald wieder loslassen, kommt bei stärkerer Soor- bildung meistens zur Beobachtung, weniger oft bei starken, weil viel- - leicht weniger empfindlichen, als bei kleinen und zarten Kindern. Diese Störung pflegt nur kurze Zeit, einen bis wenige Tage, anzu- halten. Es liegt nahe, eine gesteigerte Tastempfindlichkeit, welche das Saugen schmerzhaft macht und vielleicht mit dem Erythem zu- sammenhängt, als Ursache des gestörten Saugens zu betrachten. Säurebildung. Derg brachte l. c. p. 48 wiederholt ausge- waschenen, gezüchteten Soorpilz in 10°, Rohrzuckerlösung. Nach Verlauf von höchstens 1—2 Tagen reagirte die Lösung sauer. Wurde ein Eiweisskörper der geimpften Zuckerlösung zugesetzt, so gerann derselbe, nachdem sich Säure gebildet hatte. Die durch den Soorpilz eingeleitete, von Kohlensäureentwicklung begleitete Gährung erzeugt nach Derg Milch-, später Butter- und Essigsäure, In einem andern Versuche 1. c. p. 51 wurde Aphthenpilz in Rohr- zuckerlösuug gezüchtet, und zu der stark sauren Flüssigkeit überschüs- sige Kalilauge bis zu starker Alkalescenz zugesetzt. Die Flüssigkeit . blieb nun 5 Tage alkalisch, dann wurde sie sauer, es entstand Gas- entwicklung, Opalescenz und es wuchsen neue Sporidien. Aus diesen Versuchen schloss Derg, dass der Soorpilz, als Fer- ment wirkend, in zuckerhaltigen Flüssigkeiten Säurebildung hervorrufe. Da nun durch die Untersuchungen von Pasteur u. A. Micro- coccen als Erreger von Milch-, Buttersäure- u. a. Gährungen nach- gewiesen sind, und in den Soorschorfen regelmässig ungeheure Mengen von Micrococcen zwischen und in den Epithelien vorkommen, so musste man sich fragen, ob die von Derg beobachtete Säure nicht vielmehr als Product der Lebensthätigkeit der Micrococcen, denn als Soorpilz- product zu betrachten sei. Ich habe in dieser Richtung Versuche mit 5 °/,igen Traubenzucker- lösungen in Reagenzgläsern angesteilt, indem ich Soorschorf, Conidien und Bacterien zu den einzelnen Proben setzte. Die Versuche sind aber unbefriedigend ausgefallen, da es nicht gelang genügende Mengen bacterienfreier Soorconidien zur Aussaat zu gewinnen, und andrer- 900 F. A. Kehrer: seits mit der bacterienhaltigen Zusatzflüssigkeit auch Keime von Faden- pilzen, insbesondere auch von Soorpilz, in die Culturen eingeführt . wurden. Ich muss es also unentschieden lassen, ob der saure Mundgeruch vieler soorkranker Kinder, sowie die stark saure Reaction der Faces bei der Mehrzahl dieser Kranken auf die vom Soorpilz oder von den Spaltpilzen hervorgerufene saure Gährung zu beziehen ist. Verdauungsstörungen, Magen- und Darmkatarrhe wurden vielfach als Folgen der den Soor begleitenden Säurebildung im Munde oder des Verschluckens abgelöster Soorschorfe und der von letzteren im Darmcanal eingeleiteten Fermentationen betrachtet. Nach meinen Beobachtungen leidet nur ein kleiner Procentsatz soorkranker Brust- kinder an Digestionskatarrhen. Angesichts dieser Sachlage fragt es sich denn, ob solehe Katarrhe vielleicht nur bei gewissen Constitutionen sich dem Soor zugesellen, ob sie nicht öfters gleich dem Soor in Folge ungeeigneter Ernährung und Pflege entstehen, ob nicht endlich der Collaps, welcher grade bei jüngeren Kindern so leicht nach stärkeren Magen- und Darmkatarrhen entsteht, indirect den Soor herbeiführt, indem er die Saug- und Schlingbewegungen abschwächt. Der Zu- sammenhang dieser Zustände ist jedenfalls individuell sehr verschieden. Veränderungen des Körpergewichts. Bei. gesunden, mit Muttermilch ernährten Kindern gleicht sich bekanntlich der physio- logische Gewichtsverlust der ersten Tage bald wieder aus, so dass im Verlaufe der zweiten Woche bei der überwiegenden Mehrzahl das an- fängliche Körpergewicht erreicht oder gar überschritten wird. Bei ungeeigneter Ernährung, bei Magen-Darmaffectionen u. a. Krankbeiten hat diese Ausgleichung gegen den 14. Tag noch nicht stattgefunden, die Kinder sind oft viel leichter als gleich nach der Geburt. Wenn der Soor die Verdauung und Ernährung tief beeinträchtigte, so würde sich dies in dem „Abgangsgewichte“ jedenfalls ausdrücken müssen. Betrachten wir uns die Tabellen p. 195. Scheiden wir alle nach dem 16. Tage entlassenen resp. gewogenen und in den Tabellen ein- seklammerten Kinder aus, so erhalten wir bei den soorfreien Kindern in 12,5 Tagen einen mittleren Gewichtsverlust von 20, bei den soor- en 2 5 E r # 2 “ 5 Ei £ ® \ b ; . ”r 8 22 Ueber den Soorpilz. 201 kranken Kindern von 1 g. Das Anfangsgewicht hatten von 12 soor- freien Kindern 5 = 41,6 °%,, von 40 soorkranken 22 = 50°/, am 12. Tag überschritten. Bei der Kleinheit der Zahlen der ersten Reihe sehe ich natürlich von allgemeineren Schlussfolgerungen ab, und begnüge mich festzu- stellen, dass in unseren Beobachtungen eine nachtheilige Rückwirkung des Soors auf das Körpergewicht nicht her- vorgetreten ist. Vom Soor hat man endlich behauptet, dass er durch Beeinträch- tigung des Saugens, Störung der Verdauung und damit der Blut- bildung, Atrophie, Anämie und selbst den Exitus letalis herbeiführen könne. Ja es werden Fälle angeführt, wie der von Schweninger (Ann. d. städtischen allg. Krankenhauses v. München von Ziemssen. München 1878 u. Schmidt’s Jahrb. Bd. 181 p. 214), in welchem bei einer 54 jährigen syphilitischen Person der Oesophagus so vollständig durch Soormassen verstopft war, dass man daran denken konnte, die Pilzwucherungen hätten mechanisch durch Störung der Deglutition zu dem Exitus letalis beigetragen. Fasst man das über die klinische Bedeutung des Soors Gesagte vorurtheilslos zusammen, so kommt man zu der Ansicht, dass bei sonst gut constituirteh und ernährten Kindern der Soor eine Affection von relativ geringen Folgen darstellt, dass aber seine Bedeutung wächst, je tiefer die Verdauung, Ernährung und Constitution daniederliegen. Bei sehr redueirten Kindern und Erwachsenen kann wohl der Soor eine Complication darstellen, die ihrerseits zu einem ungünstigen Ver- laufe Vieles beiträgt. Doch ist es stets misslich, den Antheil eines g begleitenden Vorganges an dem schliesslichen Ausgang im Einzelfalle genauer abzuwägen. Verhütung des Soors. Da nach meinen oben mitgetheilten Beobachtungen jedes neu- geborene Kind in hohem Grade der Gefahr ausgesetzt ist, soorkrank zu werden, so müssen alle Möglichkeiten der Einimpfung aufgesucht und beseitigt, sowie die eingedrungenen Conidien vor und während ihrer Keimung von der Mundschleimhaut möglichst rasch entfernt werden. 202 F. A. Kehrer: Gegen die Luftkeime werden eine ergiebige Ventilation, häufiges Abwaschen des Bodens und der Zimmerwände und öfterer Anstrich der letzteren jedenfalls die wirksamsten Mittel darstellen. Inwieweit Zim- merräucherungen mit Chlor oder schwefliger Säure die trockenen Soor- conidien zu zerstören im Stande sind, muss durch weitere Versuche entschieden werden; die Untersuchungen des K. Deutschen Reichs- gesundheitsamtes begründen jedenfalls gewisse Zweifel an der Wirk- samkeit dieser Dämpfe. Gegen die Uebertragung durch Gummistopfen, Saughütchen, Warzenzieher schützt am besten die penibelste Reinigung nach jedesmaligem Gebrauch, zunächst tüchtiges Abreiben resp. Ausspülen in reinem Wasser, ferner alle 3 Tage wiederholtes Einlegen in 5% Carbollösung, stärkere Mineralsäuren u. dergl. und nachträglich in reines Wasser. Gegen Uebertragung in einer gemeinsamen Badewanne (etwa in Entbindungsanstalten und Findelhäusern) ist ein tüchtiges Ausreiben der Wanne nach jedem einzelnen Bade mit einem trockenen Tuche jedenfalls ein relatives Schutzmittel. Das Hauptgewicht der Prophylaxe muss unstreitig auf das Ab- waschen der Brustwarzen der Stillenden vor und nach dem Saugen, sowie auf das täglich mehrmals wiederholte sorg- fältige Ausreiben der ganzen Mundhöhle aller Neugebornen mittelst eines in Wasser getauchten zarten und reinen Lein- wandläppchens gelegt werden. Dadurch werden die eingedrungenen Keime rasch nach aussen geschafft oder mit dem zurückbleibenden Wasser verschluckt. Die Wirksamkeit dieser Ausreibungen wird durch obige Statistik genügend beleuchtet. Vor Beginn des Versuchs waren die Wöch- nerinnen und Wärterinnen gehalten, den Mund jeden Kindes täglich mehrmals, womöglich nach jedesmaligem Trinken, mit feuchter Lein- wand auszureiben. Es erkrankte dabei nur ein mässiger Procentsatz von 12°/, an Soor. Als das Auswaschen absichtlich unterblieb, er- reichte die Soormorbidität die hohe Zahl von 80°/,. Die übrigen Massregeln wurden während dieser Soorepidemie noch sorgfältiger wie Pe nern. Zn a Er tg irn Tu je Hg a a ARE 3 IS} Ueber den Soorpilz. 20: früher durchgeführt. Nach Wiederaufnahme der Mundwaschungen kam unter 14 Kindern kein Soorfall vor. Letztere Erfahrung ist aber auch noch in anderer Richtung zu verwerthen. Bei Erwachsenen in den Endstadien schwerer Allgemein- krankheiten, wobei die Kau- und Schlingbewegungen unkräftig ge- schehen, werden wir ebenfalls durch häufiges Auswaschen der Mund- höhle, insbesondere Abreiben der Zunge, die Entwicklung des Soors zu verhindern bestrebt sein müssen. Eine nicht unwichtige Aufgabe der Prophylaxe des Soors besteht endlich darin, diejenigen Substanzen, welche nicht als Nahrungsmittel nothwendig sind, in denen aber der Pilz gut gedeiht, von der Mundschleimhaut fern zu halten. Also kein Zuckerwasser, keine Syrupzusätze zu den Lecksäften, keine Schnuller! Behandlung des Soors. u) Bei jeder Krankheitsbehandlung muss man sich fragen, ob man sich darauf beschränken will oder muss, den sog. natürlichen Heilungs- process zu unterstützen und vielleicht nur gegen gewisse lästige oder gefährliche Erscheinungen anzukämpfen, oder ob man direct gegen den Krankheitserreger vorgehen, d. h. denselben zerstören und damit der Entwicklung krankhafter Vorgänge Einhalt gebieten will. Gerade die Mykosen sind für ein direetes Vorgehen gegen die „Materia peecans“ um so eher geeignet, wenn die Pilze und die von ihnen pro- dueirten Gifte noch localisirt, noch nicht in die Säftemasse eingedrungen sind. Allerdings begegnet dieses directe Vorgehen in der Praxis manchen Schwierigkeiten. Insbesondere ist es die durch ihre Klein- heit und oft verdeckte Lage bedingte Schwerzugänglichkeit der Pilze, ferner ihre grosse, die Gewebszellen vielfach übertreffende Widerstands- fähigkeit gegen differente Mittel, und endlich die ungeheure Zahl der Individuen, welche der Behandlung manchmal die grössten, selbst un- übersteigliche Schwierigkeiten bereiten. Prüfen wir, welche der beiden Behandlungsprineipien, die symp- tomatische oder causale, beim Soor Platz greifen soll. Wie verläuft der ganz sich selbst überlassene Soor? 204 F. A. Kehrer : Ueber die Dauer fehlt es uns noch an genügenden Beobachtungen. In Entbindungsanstalten lassen sich hierüber wegen der frühzeitigen Ent- lassung der Kinder nur ausnahmsweise genügende Frfahrungen an- stellen. Von obigen 48 soorkranken Kindern wurden 36 gar nicht behandelt. Nr. 1 erkrankte am 10. Tage, der Soor war am 12. Tage vollkommen entwickelt, nahm dann ab und war am 26. Tage ganz geschwunden. Das Kind wurde bis zum 64. Tage beobachtet. Recidiv trat nicht ein. Bei einem anderen Kinde (Nr. 37) bestand der Soor vom 11.—34. Tage, Beobachtung bis zum 43. Tage. Die Dauer be- trug also 16 und 23 Tage. Bei den übrigen 34 Kindern trat der Soor zwischen dem 5.—12. Tag ein und bestand zur Zeit der Ent- lassung noch in höherem oder geringerem Grade fort. Nur in Findel- häusern und der Privatpraxis liessen sich über die Soordauer genügend zahlreiche Beobachtungen anstellen, und sind solche um so noth- wendiger, als sich ein richtiges Urtheil über den Einfluss bestimmter Behandlungsmethoden nur bei Vergleichung mit unbehandelten Fällen gewinnen lässt. Von dem Verlaufe kann man sagen, dass sich anfänglich zer- streute Soorflecken zeigen, die sich dann in die Fläche ausbreiten, confluiren, und auf dem Zungenrücken dichte, oft 1—2 mm dicke Lager darstellen. Anfangs meist fest mit dem Epithel verbunden und schwer ablösbar, werden die Schorfe nach einem mehrtägigen Bestande oft über Nacht locker und leicht löslich gefunden, worauf sich dann die Schleimhaut rasch reinigt. Doch pflegen sich in den folgenden Tagen neue, aber dünnere Inseln zu entwickeln. Zuletzt löst sich eine Insel nach der andern los. Welches ist nun der Mechanismus der Naturheilung des Soors? Die Naturheilmittel scheinen mir doppelter Art zu sein: 1. der Soorpilz erliegt den concurrirenden Spaltpilzen; 2. er wird allmählich durch die Saug- und Kaubewegungen abgestreift. 1. Es wurde schon oben hervorgehoben, dass junge, dünne Soor- inseln meist relativ reicher an Mykel sind als die liniendicken zu- sammenhängenden Belege des Zungenrückens. Untersucht man letztere zur Zeit ihrer leichten Löslichkeit, d. h. auf der Höhe ihrer Ent- Ueber den Soorpilz. 205 wicklung, wenn die Kinder nicht recht saugen wollen, so findet man eine dieke Epithellage, die Epithelien meist vollgepfropft von Micro- coccen, und letztere nebst Bacillen reichlich in der Umgebung. Die Mykelien sind relativ spärlich geworden, und auch die Conidien scheinen, soweit man ohne Zählung urtheilen kann, nicht mehr so massenhaft zu sein. Viele Mykelien und Conidien sind förmlich gespickt mit Bacillen oder enthalten diese, sowie Coccen in ihrem Inneren. Drefeld hat gesagt, die Bacterien verzehren die höheren Fadenpilze. Man könnte aiso die ersteren als die natürlichen Zerstörer der letzteren betrachten. Aber es scheint noch unentschieden, ob die Bacterien in die lebenden Fadenpilze eindringen und dieselben tödten, oder ob sie nur die bereits abgestorbenen Fadenpilze fressen ? Diese Frage ist schwer durch vor- wurfsfreie Thatsachen zu beantworten. Wie immer in Zukunft die Antwort ausfallen möge — Eines thun die Bacterien jedenfalls, sie bilden freie Säure (Milchsäure). Je’ mehr Milchsäure aber gebildet wird, um so mehr wird das Soorpilz- wachsthum gehemmt und steht bei einer gewissen Concentration stille: das ergiebt sich aus obigen Experimenten mit reiner Milchsäure und Zusatz von Milchsäure zu Milchzuckerlösungen. Durch Säurebildung, vielleicht auch mechanisch durch Ein- wanderung, tödten also die Spalt- die Soorpilze, erstere über- wuchern; die Mykelien, welche die Epithelzellen des Schorfs zusammen- hielten, gehen zu Grunde: der Schorf wird löslich. Aus den in den tiefen Epitbellagen zurückgebliebenen Conidien entstehen nach Ab- lösung der dicken Schorfe neue Sprossungen, dünnere Belege wie vorher, die dann weiterhin wohl denselben Zerstörungsmitteln ver- fallen. 2. Hat der Soorpilz eine gewisse Entwicklung erreicht, so reizt ‘er seine Umgebung, die Schleimhaut wird empfindlich, das Kind saugt schlecht, der dicke Beleg bleibt sitzen und wird nun in der soeben angegebenen Weise durch Zerstörung der Soormykelien locker. Jetzt genügen die vielleicht durch den inzwischen eingetretenen Hunger lebhafter gewordenen Saugebewegungen, um die Schorfe abzureiben. Was vorher, zur Zeit der üppigen Pilzvegetation, den Saugebewegungen 206 F. A. Kehrer: nur unvollständig gelingen konnte, wird jetzt, bei der leichten Ablös- barkeit der Membranen, mit Leichtigkeit erreicht: eine Reinigung der Mundschleimhaut. In der geschilderten Weise müssen wir uns, wie es scheint, die einzelnen Glieder des Naturbeilungsprocesses aneinandergereiht denken. Es fragt sich nun, soll sich die Therapie auf Nichtsthun oder vielleicht auf öftere Auswaschungen oder Abreibungen des Mundes be- schränken, oder soll sie direct gegen die Vermehrung des Soorpilzes gerichtet sein? Bei gut constituirten und ernährten Kindern kann man wohl die „exspectative Methode“ verantworten. Anders liegen aber die Dinge bei schwächlichen, anderweitig kranken Kindern und Erwachsenen. Hier wird ein directes Vorgehen zur ärztlichen Pflicht. Einer historischen Aufzählung der zahlreichen gegen Soor ange- wendeten und als wirksam empfohlenen Mittel kann ich mich hier um so eher entschlagen, als Derg l. c. p. 98 die bis zum Jahre 1848 angerathenen Mittel, nach Gruppen geordnet, aufgezählt hat. Ich beschränke mich, die Indicationen anzugeben, welchen ein gutes Mittel gegen den Soorpilz entsprechen muss: 1. Da das Medicament nur kurze Zeit und zwar stets gleichzeitig mit „Nährmitteln® des Pilzes (Epithel, Schleim, Speichel, Milchresten) in der Mundhöhle verweilt und dann verschluckt wird, so scheint es mir fraglich, ob ein „Hemmungsmittel® ausreichen wird, die zum Theil ‚tiefgebetteten Conidien unschädlich zu machen. Soll ein Mittel über- haupt wirken, so muss es in kürzester Zeit die Pilzfäden und -Conidien derart physikalisch und chemisch verändern, dass sie absterben, es muss ein „Zerstörungsmittel“ sein. 2. Es darf die Mundepithelien zwar zum Schrumpfen bringen, oder deren Kittsubstanz lösen, den Zellkörper etwas erweichen, die Epithelabschuppung und -Neubildung auch anregen, aber es darf die Zellen nicht derart auflösen, dass die Gefahr eines vollständigen Epithel- verlustes und damit einer Verschwärung eintritt. 3. Es darf die übrige Digestionsschleimheit nicht merklich ver- ändern und es darf Ueber den Soorpilz. 207 4. durch Uebergang in die Säftemasse oder sonstwie keinerlei unangenehme oder gar vergiftende Nebenwirkungen äussern. 5. Es muss den Soor rasch beseitigen oder, wenn dies unmöglich, den Verlauf erheblich abkürzen. Wie man sieht, kommen nach dieser Indicationsstellung zwei Mittel gar nicht in Betracht, die von vielen Seiten warm empfohlen worden sind und auch heute noch in der Praxis vielfach Verwendung finden: der Borax und das Kali chloricum, denn beide gehören nach obigen Versuchen zu den „Wachsthumsmitteln“. Der Borax wurde bereits im vorigen und in unserem Jahrhundert von vielen Kinderärzten als ein vorzügliches Mittel gegen Soor em- pfohlen und wird auch heute noch von vielen Aerzten verwendet. Die von Anderen mit Borax angestellten Culturversuche haben ein wechselndes Ergebniss geliefert. Derg setzte zu Rohrzuckerlösung mit Aphthenschorf concentrirte Boraxlösung. Dieser Zusatz „schien“ das Wachsthum zu beschränken. Oesterlen bemerkt, dass auch bei stundenlanger Einwirkung die Boraxlösung die Pilzfäden nicht im geringsten verändert. Auch Hanerkopff sah. nach 36stündiger Ein- wirkung einer Boraxlösung keine Veränderung. Quinguaud cultivirte Soorpilz auf Citronenschnitten, trocknete die cultivirten Conidien, säte sie auf Citronenschnitten und übergoss letztere mit Boraxlösung. Nach 10-12 Stunden keimten die Sporen lebhaft, andere erst nach 15 Stunden. „Done favorise*, fügt Quinguaud zu „le borax la germination“. Der Berg’sche Versuch ist der einzige, welcher vielleicht zu Gunsten der Boraxbehandlung angeführt werden könnte; denn Yuinguaud’s Versuch beweist nichts, da die gleichzeitig vorhandene Citronensäure ein gutes „Wachsthumsmittel“ des Pilzes darstellt. Nach meinen obigen Versuchen vermehren sich in einer concentrirten Boraxlösung die Soorpilzconidien reichlich, und es ist mir desshalb nicht verständlich, mit welchem Rechte der Borax in den Ruf eines guten Mittels gegen den Soor gekom- men ist. Früher habe ich selbst in einer ganzen Reihe von Fällen die Soorschorfe mit concentrirter Boraxlösung öfters den Tag ab- pinseln lassen. danach aber so rasch sich neue Soorinseln bilden 208 F. A. Kehrer: gesehen, dass ich seitdem von weiteren Versuchen abstand. Uebri- gens haben auch viele Kinderärzte nach dem Vorgange von Oesterlen und Hoenerkopf, welche nach Boraxeinwirkung keinerlei Ver- änderungen an den Soorpilzfäden bemerkten, und bei der häufigen Erfolglosigkeit des Mittels, zumal in schweren Soorfällen, den Borax verlassen. Was von dem Borax, das gilt auch von dem Kali chloricum. Husemann hat es zwar (Hdb. d. gesammten Arzneimittellehre) ein specifisch gegen den Soorpilz wirkendes Antiparasiticum genannt, übrigens es fraglich gelassen, ob es den Soorpilz direct vernichte oder auf die vom Oidium bedeckten geschwürigen Partien besonders einwirke. Kosegarten hat jedoch bereits gezeigt, dass in einer concen- trirten Lösung von Kali chloricum, die mit Soorklümpchen versetzt war, eine „starke Entwicklung von zelligen Gebilden und Fäden“ statt- fand. Aus meinen Versuchen ergiebt sich ebenfalls, dass die Soor- elemente in einer econcentrirten Lösung dieses Salzes sich reichlich vermehren. Auf Grund der Beobachtung, dass in Weisswein gelegte Soor- schorfe in Reagenzglaseulturen schrumpften, eine dunkle Rinde be- kamen und keine merkliche Pilzvermehrung in den Schorfen eintrat, und in Anbetracht des Vortheils, welcher aus der Benutzung eines verbreiteten Genussmittels für die Soorbehandlung erwachsen könnte, habe ich bei 11 soorkranken Kindern die Mundhöhle täglich 3—4mal mit einem in Weisswein getauchten Leinwandläppchen ausreiben lassen, in der Hoffnung, dass der Wein die mechanische Wirkung der Ausreibungen steigern würde. Das Ergebniss dieser Versuche ist in folgender Ta- belle zusammengestellt, worin Zg. = Zunge, Wg. = Wangenschleim- haut, Gm. — Gaumen, Lpp. = Lippenschleimhaut, Sch. = Soorschorf, Schlht. = Schleimhaut, d. = der, a. = auf, m. = mit — bedeuten. Die Nummern der Kinder sind die der ‚Tabellen auf p. 195. a an ng 209 Ueber don Soorpilz. | "gs | ‚10Zun103 'u9S 1ayaıp Irelagen “yos uroy \L’Pl | | | "EI er er | | | ; "uoyoaL T Suunp | | ] | gsuos “yos -ınds syıea | | | | | | "yu09 wexoıp -ıapue ‘uunp | | | | | uw opım-"3z "yS-"3Z "LI | | | | | | "IL sı | ST | | | | "UONOOIT | “yag mouunp | | | “ıauunp SJABgATOPUE "mr Iurgog "aan | | | rersan 'yos 5972q uunp '3Z ‘woyaıp "u "SZ 7 *uunp "yag \L'21 | | i | | Pop aa Ache ‘FI °eI ß I | | | | . | | | | | yog weuunp | S | | | | -301 ru UTTOS = | | | | | 2 og WON 95U0S| -ıqn ‘yuod 2 Zu pe | | | | '3M 'e ueındg | ‘Zurlo3 ‘yo |‘rauunp 'yaS-"3Z| yıur oımn-Sz | P womdg [m | | | ei | zT Si OR m #680 E | | | | | | | | -yag woxaıp = ; | | | "Zunes "OS | gu ONIN-'SZ S uunp | | | | | 2 : 6 8.5 ayas 'yaS "LFI | | | | &I sl = | - | | . -IOU > | | | "zog -10A OIM *yfy9S| "uoyoaıg "TIds S . | | | | "puo9 wONDIP “ıqn “"yog "yUoo|ur ur) "uoNoaıd = omal| | | | | u pueı-3z |wouunp "w "Sy uasıum "ur 07 © u az u 91 | | | "cc FILDEET, 'zI 11.9 = | | | | “yoS we. E | | | og aouunp | -Y20] “waxoıp 3 ! | "o3ola “IurgoS ussaqan) Mur “Nuryos a | -3unsd "yog jwagyprar w'szp 'e “ıoıy 'SZ| -puum vzush) = wg °L 61 | | | *81— "91 °cL In el II 5 0.8 | | 8 | | "uasungloisute 5 = Bi a - -uo Mm SAN en ce -SunssepJug Ge 19/ = Au L uopu9oS[o7 uap us usuauuogdg yo = nn ap osL ur |' > ” B E | 35158 5 DB | ‚og, 'X we meywimjyaspuny A9p Fne SI0OOoS Sop Zunjyarnyug en =. > \ F. A. Kehrer 210 -uaındg TON "ib 6a -uoyaoLT uauunp "uw "IM mn "wg ‘Gl "uo.L -ndg Auu 9suos al 3Z "SL '68 -U9Ny29LT U9ZLuLa tur 37 “LE »Zunsse]4ug dop adeL we TONIP "yaS ‘ei “10Iy01p "n A0SS0.1S uoyooL I sr n’zI “I9uanp "yog ‘el al} '3Z "85 -ıaoydıT -ırds u9yooLg “gL "uay9aL A uouunp wu aM 'n '3Z el "qpıp "yag Sf *19SS018 sen79 uU9NI9LT yZ -UONYOOL A uasıuaa "uw '3Z CT ED PEIKE uoauunp "u "IM "TI ‚uunp wg | “OT Uax9aLT 9Sıurd ısuos ‘ray "37 "95 0 'Cz "yas weyaıp gu '3Z| 2, "uayooL Jg "uw YylyaS ozuun) “OL ayoru ‘uodıuan "u '3Z "usdunglau -suy euro] "66 "yog 6 ED PEIG "ur "ZM “yoIp Ts 0 '8% -ı93uLıa3 "yag Set "u9N9old ERIUEHNN "6 "usseL, uppues[oJ usp ur ode] ‘x we neywrojyaspuny Aep zue stoog sap Sanpyoraguzf "ad1p uorndg-"yog "uunp 'yS | ayas "yag-"dz GET SED "sI 9 yorpagds *yoS | "IOyIEIS "YOS | “Touunp "ya ‘st Ja SITE -ZuLied | SITeMIOpuR "uunp "yas ‘ayuunp 'yag-'3Z|39lag Jsuos “op uaypıp "u '3Z end 9 'S € "I92.124S "yogı "uunp "yaS "y1ejs "yagı "zz 0 16 "oz ‘6I "sopoq | AOyıeIS OYJIeH "32 -3z oaayull | 'QOS della |'e "yag AdaNdLgq | " 1 E: ER 07 LI Ueber den Soorpilz. 211 Man könnte geneigt sein, den in einigen Fällen beobachteten Nachlass des Soors nach Beginn der regelmässigen Weinausreibungen ‚als mechanisch-chemische Wirkung der letzteren zu deuten. Allein leider gestatten die meisten Fälle keine zuverlässigen Schlüsse, weil die Kinder zu frühe, d. h. vor vollständigem Ablauf der Krankheit, entlassen werden mussten. Nur in wenigen Fällen war eine längere Beobachtung möglich. Bei Nr. 16 beobachtete man ein fortwährendes Schwanken in der Soorstärke, und war am 19. Krankheitstage die Heilung fast vollständig. Das scheint nun keine Abkürzung der Krank- heitsdauer zu bedeuten. Bei Nr. 29 kamen ähnliche Schwankungen vor, am 16. Krankheitstage sah man nur noch vereinzelte Flecken. Bei Nr. 40 wurde der anfänglich starke Soor am Tage nach Beginn » der Ausreibungen entschieden schwächer und nahm dann rasch ab, so dass am 16. Tage die Ausreibungen unterblieben. Die angestellten Versuche sind zu spärlich, um Schlüsse zu ge- statten. Sie haben vielleicht nicht die vollkommene Wirkungslosigkeit der Weinausreibungen ergeben, ermuthigen aber gerade nicht zu wei- terer Fortsetzung. Aus den oben angegebenen Gründen dürfte man die Mittel zur raschen Unterdrückung der Soorpilzentwicklung weniger in der Gruppe der „Hemmungsmittel® als in derjenigen der „Zerstörungsmittel® zu suchen haben. Die Adstringentien, Sublimat, Höllenstein, Eisenvitriol, Eisen- chlorid, Alaun u. dgl., welche bereits in der Praxis vieler Kinderärzte Verwendung gegen Soor gefunden haben, kommen vor allen hier in Betracht. Aber es wird noch vieler klinischer Versuche bedürfen, um zu entscheiden, welches dieser Mittel den Vorzug verdient. Denn ein gutes Soormittel muss nicht bloss das Pilzwachsthum rasch unter- drücken, sondern auch die Schleimhäute und den übrigen Organismus. möglichst wenig feindlich berühren. Heidelberg, 8. December 1882. 14* 2129 W. Kühne: Weitere Beobachtungen über motorische Nervenendigung. Von W. Kühne. 1, Gestalt der motorischen Nervenendplatte. Bei den Reptilien und den Säugern ist die Verästelung der End- platten sehr häufig eine so verschlungene, dass es kaum möglich scheint, dieselben ganz zu übersehen oder auf ein Schema zurückzuführen ; besonders gilt dies für die mässig ausgedehnten, in Nervenhügeln mit kleiner Basis aber beträchtlicher Höhe zusammengedrängten Platten, an welchen auch die meisten Anastomosen vorkommen. Ein einfaches Mittel gestattet diese Endplatten derart auszubreiten, dass ihre Verästelungsweise klarer wird. Man braucht nur die Gold- präparate durch angesäuertes Glycerin zu erweichen. bis die Muskel- fasern sich leicht zerdrücken lassen, um die isolirten Endplatten unter dem Deckglase oder in einer frisch gespaltenen Glimmerplatte aus- walzen zu können. Die Platten legen sich dann in der Weise etwa auseinander, wie ein Pliss6-Haufen unter dem Bügeleisen und nichts kann überraschender sein, als die Figuren von fast schematischer Ein- fachheit, welche sich darauf aus höchst labyrinthischen Anfängen ent- wickeln. Namentlich sind es die dem Verständnisse der Function wie der Form gleich hinderlichen Anastomosen, welche dem Ausplätten zu- erst weichen, was schwer begreiflich wäre, wenn es sich um ächte Ana- stomosen handelte, die bei keineswegs zu bemerkender besonderer Schmalheit doch nicht gerade die zerreisslichsten Stellen sein könnten. Unzweckmässige Vergoldungsmethoden führen zwar an sich leicht zu Einschnürungen und Zerreissungen des Plattengeästes und zu totalen ae Bu TE ee Weitere Beobachtungen über motorische Nervenendigung. 913 Ablösungen ganzer Büsche und Zweige oder kleinerer Lappen, wenn aber die Objecte vor dem Vergolden keiner Säurewirkung unterworfen wurden, so bedarf es bedeutend grösserer mechanischer Gewalt als der zum Ausplätten erforderlichen, um solche Continuitätstrennungen hervorzubringen. Die charakteristische Gestalt der entfalteten Platten ist deshalb an sehr zahlreichen Exemplaren festzustellen, von denen keines Defecte erlitten hat. Gelingt es auch nicht alle Anastomosen fortzuschaffen und mag deren heute selbst von Aanvver nicht mehr gegen mich bestrittenes Vorkommen, wie unbequem es scheinen mag, nicht ganz zu leugnen sein, so weisen die ausgewalzten Präparate dieselben doch selten auf: ächte Anastomosen dürften demnach an den motorischen Endplatten nicht häufiger als an den elektrischen (von Torpedo) sein. Mit dem Fortfallen der Pseudoanastomosen ' entfaltet sich fast jede Platte zu einer Figur, deren Grundform eine Wiederholung der einfachsten Gestalten der Platten in den Muskeln der Blindschleiche oder der Natter genannt werden kann und da sich diese durch wirkliche Ueber- gänge an die übersichtlichsten gestreckten Formen des hypolemmalen Nervengeästes der Schildkröten und Amphibien anschliessen, so kann kein Zweifel mehr darüber bestehen, dass alie bis heute bekannten hypolemmalen Nerven der Wirbelthiere ein gemeinsames Prineip der Endverästelung erkennen lassen, 2. Structur der Endplatte. Die aus den Nervenhügeln befreiten Endplätten sind vorzüglich - geeignet zur Wahrnehmung ihrer Zusammensetzung aus dem dunkler vergoldeten Axialbaume und der diesen umgebenden breiten Rinde, dem heller bleibenden Stroma. Konnte das Stroma noch als Ausdruck eines zwischen den Plattenästen und deren Umgebung ent- standenen Hohlraumes gedeutet werden, so wird dieser Annahme jeder Grund entzogen, wo es sich als breiter, hellerer Saum erhalten und nach aussen überall scharf begrenzt an isolirten Platten zeigt, denen jede Spur anklebender Muskel- oder Sohlensubstanz fehlt und wo die homogene Einschlussflüssigkeit die einzige Umgebung bildet. 914 W. Kühne: Weitere Beobachtungen über motorische Nervenendigung, Bei den Säugern und den Eidechsen pflegt die Platte schon von der Stelle an, wo sie aus dem markhaltigen Nerven entspringt, beide Bestandtheile aufzuweisen, bei der Blindschleiche und den Schlangen dagegen erst in einiger Entfernung von diesem Punkte, nämlich da, wo die Lappen oder Kolben der Platte aus den oft ziemlich langen, schmalen Wurzeln hervorgehen. Die letzteren marklosen hypolem- malen Wurzeln haben unerwarteter Weise nicht das Aussehen des Axialbaumes, sondern das des Stroma, d.h. sie nehmen nur schwache Goldfärbung an und sind selbst an überfärbten Präparaten heller als die Axialbäume oder bleiben zeitlich in der Färbung hinter diesen zurück, wo der Verlauf der Färbung an nachdunkelnden Objecten zu verfolgen ist. Für die einstweilen schwer zu beantwortende Frage nach der Prae- existenz des Axialbaumes und des Stroma könnte es Bedeutung ge- winnen, dass geeignete Vergoldungen an Axencylindern innerhalb mark- haltiger Nerven eine ähnliche Differenzirung hervorrufen, wie an den hypolemmalen. Ich sah in den Nerven des Frosches, deren Markscheide blass lila gefärbt worden, die breiten Axencylinder stellenweise aus einem inneren tief violetten Bande gebildet, das in einer dicken röth- lichen Hülse lag. An andern Stellen war freilich der ganze vom Marke gelassene Axenraum dunkelviolett gefärbt, aber es schien hier, ähnlich wie in den zuweilen vorkommenden breiteren Vergoldungsbildern von Endplatten, die periaxiale Schicht statt der centralen die tiefere Färbung zu haben. Dazu erinnerte das Aussehen der markfreien Strecken des Axencylinders am Orte der Schnürringe und der Thei- lungen der Nervenfaser vollkommen an das der Plattenwurzeln bei den Schlangen, indem die schmalen nervösen Brücken keinerlei Schich- tung und nur die hellere röthliche Färbung des Stroma darboten, was um so bemerkenswerther ist, als der Zutritt des Reagenz gerade hier den geringsten Hindernissen begegnet. Heidelberg, 30. Nov. 1882. 1 I BI Geschäftliches, 0) ar DU (Greschäftliches. Am 30. December 1881 feierte der Verein sein 2djähriges Stiftungsfest durch eine Festsitzung, die ausgefüllt wurde durch wissenschaftliche Demonstrationen von: Prof. A. Pagenstecher, 30 Aquarellbilder von Hirschen ete. Dr. ©. Mittermaier, Relief der Insel Madeira. Prof. Bütschly, Sciopticonbilder zur Entwicklungsgeschichte des Amphioxus. Prof. Thoma, mikroskopische Präparate krankheitserregen- der Bacterien. Prof. Pfitzer, mikroskopische Präparate über Diatomeen. Dr. Ewald, histologische mikroskopische Präparate. Hofrath Czerny, Chirurgische Instrumente. Daran schloss sich ein glänzendes Festmahl. Als neue Mitglieder wurden seit dem letzten Berichte bis heute in den Verein aufgenommen: Die Herren Dr. Ziehl, Dr DierG amaPinto,: "Dr. Hänsell, Dr. Schäfer, Dr, Jickely, Dr. Ebenau, Dr. Dilg, Dr, Gehle, Dr. Hof- mann und Dr. Wirth, ferner die königl. Bibliothek in Berlin, Herr Professor Caspary ist im letzten Hefte der Verhandlungen irrthümlich als ausgetreten genannt. Die Herren Dr. Heuck und Dr. Crawford traten wieder in den Verein ein. Der Verein verlor durch den Tod eines seiner hervor- ragendsten Mitglieder, Herrn Geheimerath N. Friedreich, ferner Herrn Apotheker H. Buch, und durch Wegzug die 216 Geschäftliches. Herren Prof. Dr. A. Pagenstecher, Dr. Bender,Dr. Maurer, Dr. E. von den Steinen, Dr. Hänsell und Herrn Zahnarzt A. Werner. | Herr Professor Pagenstecher, der einem ehrenvollen . | Rufe als Direktor an das zoologische Museum in Hamburg folgte, gehörte dem Vereine seit seiner Gründung als eifriges Mitglied an und förderte in aufopfernder Weise die Interessen des Vereins als Rechner und bis zuletzt als Schriftführer. Der Verein hat dem Scheidenden dafür seinen Dank und seine An- erkennung in einem besonderen Schreiben ausgesprochen. In der Sitzung vom 5. Mai wurde Herr Professor Horst- mann provisorisch zum Schriftführer gewählt. Die regelmässige Vorstandswahl in der Sitzung vom 4. November ergab für das Vereinsjahr 1882/83: Herr Professor Quincke als Vorsitzender, Herr Professor Horstmann als Schriftführer, Herr Buchhändler G. Köster als Rechner. Für die in dem umstehenden Verzeichniss aufgeführten Druckschriften sagt der Verein den Uebersendern: besten Dank. Die Aufführung in dem Verzeichniss wolle man als Empfangs- bescheinigung nehmen. Alle Zusendungen beliebe man einfach an den Naturhistorisch-medizinischen Verein Heidel- berg zu adressiren. Heidelberg, November 18832. "ea Au ren nn Verzeichn. der v. 1. Jan. bis 1. Nov. 1882 eingeg. Druckschriften. 917 Verzeichniss der vom 1. Januar bis 1. November 1882 eingegangenen Druckschriften. Zugleich als Empfangsbescheinigung. Washington, Annual Report of the commissioner of Agriculture for 1878 u. 79. Boston, Proceedings of the American Academy of arts and sciences. Nee VII 2, — Anniversary Memoirs of the B. Society of natural history. Rom, Atti della R. Accademia dei Lincei. Ser. III. Transunti VI. 2 —14. Genua, Giornale della societd di letture e conversazione scient. V. 9—12. VI. 1—8. New-Cambridge, Annual report of the ceurator of the Museum of Compar. Zoology at Harvard College for 1880/81. — Bull. of the Museum ete. IX. 1—8. and Contents X. 1. Berlin, Deutsche Medizinalzeitung. III. 2. Wien, Anzeiger d. K. K. Akademie der Wissenschaften. 1881, 26 bis 28. 1882, 1—19, — Verhandlungen der K. K. Geologischen Reichsanstalt, 1881, S—18. 1882, 1—11. — Catalog der Ausstellungsgegenstände auf der Wiener Weltausstellung: Halle a. S., Leopoldina. XVII, 23—24. XVII, 1—5. 7—18. Hamburg, Deutsche Seewarte. Monatl. Uebersicht der Witterung für 1879 Dez., 1881 Aug.—Dez., 1882 Jan.— April, Jährliche Uebersicht für 1881. Sidney, Journal-Proceedings ofthe RoyalSociety of New-South-Wales. XIV. Augsburg, 26. Bericht des naturhistorischen Vereins. Berlin, Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft. XXXIIL, 3 und 4. XXXIV, 1 und 2. Beilage: Uebersicht d. geolog. Verhältnisse b, Meiningen v. W. Frantzen. — Verhandlungen der physiolog, Gesellschaft. 1881/82, 6—21, 318 Verzeichn. der v. 1. Jan. bis 1. Nov. 1882 eingeg. Druckschriften. Braunschweig, Jahresber. d. Vereins für Naturwissenschaft. 1880/81. Budapest, K. Ungarische naturwissensch, Gesellschaft : G. Schenzl, Beitrag zur Kenntniss der erdmagnetischen Verhältnisse, L. Madersbach, Ungarns Erzlagerstätten. L. Oerley, Monographie der Anguilluliden. — H. Scheffler, Das Wesen der Elektrieität, des Galvanismus und des Magnetismus. Riga, Correspondenzblatt des Naturforscher-Vereins. XXIV. Florenz, Nuovo giornale botanico italiano, XIV, 1—4. — Bull. della Soeietä entomologica italiana. XIII, 3. 4. XIV, 1—4. XV, 1, Prag, K. Böhmische Gesellschaft der Wissenschaften: Abhandlungen. VI. F. X. Sitzungsberichte. 1880. Jahresberichte. 1879 und 1880. Harlem, Archives hollandaises des sciences exactes et naturelles, XVI, 3—5, XVIL 1—2. Programme pour 1882. — Archives du Musee Teyler. Serie II. Part, II. 1881. St. Petersburg, Acta horti P. VII. 2. 1881. — Annalen d. Physikal. Central-Observatoriums. 1880 u. 1881, I. — Bulletin de l’Academie Imp. des sciences. XXVI, 4. XXVIIL, 1—2, Dublin, Royal D. Society: ‘ Seientifie transaetions. Ser. II. Vol. I. 13—14. Scientifie proceedings. II. 7. III. 1—4. St. Gallen, Ber. üb. d. Thätigkeit der S.G.naturw. Gesellsch. 1879 —80. München, Sitzungsberichte der math.-phys. Classe d. K. B. Akademie der Wissenschaften, 1882, I—IV. | Göttingen, Nachrichten der K. Gesellschaft d. Wissenschaften. 18831. Sondershausen, Irmischia, botanische Monatsschrift. II. 1—7. — Anonym, Neue Naturgesetze, i Berlin, Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde. 1881. London, Journal of the Royal mierose. Society. Ser. II. vol. II. 1—5. Toulouse, Memoires de l’Acad&mie des sciences, inscriptions et belles lettres, VIII, Serie, III, 2me sem. Verzeichn. der v. 1. Jan. bis 1. Nov. 1882 eingeg. Druckschriften. 219 Amsterdam, Koninklijke Akademie van Wetenschappen: Processen Verbaal 1880— 81. Verslagen en med. Afd,. Natuurkunde, II. 16. Turin, Atti della R. Accademia delle scienze. XVII. Disp. 1—7. Auxerre, Bulletin de la soe. dessciene. histor, et nat. de l’Yonne. vol. 35. Padua, Societä Veneto-Trentina di seienze nat.: Atti VII. 2. Bull. II. 2. Frauenfeld, Mittheilungen der thurgauischen naturf. Gesellschaft. V. Dürkheim, Jahresbericht der Pollichia. 36--39. Beilage: Mehlis, Grabfund aus der Steinzeit von Kirchheim a. d. Eck. Frankfurt a/M., Statist. Mitth. über d, Civilstand d. Stadt Frankfurt a/M. Brüssel, Annales de la Soeiet& entomologique de Belgique. XXV. — Soeiete malacologique de Belgique: Annales XII. Proces verb. 1880 Oct.-fin. 1881 Juin-fin. 1882 p. 1—32. Paris, Journal de l’&cole polytechnique. T. XXX, cahier 49. Würzburg, Physikal.-medizin. Gesellschaft :: Sitzungsberichte 1831. Verhandlungen. N. F, XVI. Darmstadt, Notizblatt des Vereins für Erdkunde. IV. 2. — Abhandlungen des mittelrheinischen geologischen Vereins. I. 2, Bremen, Abhandlungen des naturwissenschaftlichen Vereins. VII. 3. Brünn, Verhandlungen des naturforschenden Vereins. 1880. Bd. 19. Dorpat, Sitzungsberichte der Naturforscher- Gesellschaft. VI. 1. Erlangen, Sitzungsberichte der physik.-mediz. Societät. 13. Wiesbaden, Jahrb. des Nassauischen Vereins für Naturkunde. 33 u. 34. Dorpat, Archiv f. Naturkunde v. Liv-, Ehst- u. Kurland. II. S. IX. 3—4. Moskau, Kaiserliche Akademie der Naturforscher: Bull. 1881. 2—4. nebst table des mat. für 1821—381. N. Memoires. XIV. 2, Wien, Verhandlungen der K. K. Botanisch -zoologischen Gesellschaft. 1881: Bd. 31. a Prag, „Lotos“, Jahrbuch f. Naturw.; v. d. naturw. Verein. N. F. VII. Hamburg, Verh. d. Vereins für naturw. Unterhaltung, 1877. Bq. IV. Mailand, Rendiconti del Reale Istituto lombardo di scienze e lettere, Ser. II. vol. XIII, 330 Verzeichn. der v. 1. Jan. bis 1. Nov. 1882 eingeg. Druckschriften. Bonn, Correspondenzblatt der ärztl. Vereine in Rheinland, Westphalen und Lothringen. 1882. Apr. Nr. 29, Graz, Mittheilungen des Naturwiss, Vereines für Steiermark. 1881. , Sitzungsber. u. Abh. der Naturw. Gesellschaft „Isis“. 1881. Juli—Deec. 1882, Januar— Juni, Berlin, Verhandlungen des botanischen Vereins der Provinz Branden- burg. Bd. 21, 22 u. 23. ; Reichenberg (inBöhmen), Mittheilungen des Vereins der Naturfreunde, Dresden 13. Jahrgang. Stuttgart, Jahresheft des Vereins f. vaterl. Naturkunde in Würtemberg. : XXXVLOI. 18832. Bern, Mittheilungen d. Naturiocch Gesellsch. 1881. II. Nr. 1018— 1029. Aarau, Verhandlungen der schweiz. naturf. Gesellsch. 1880/81. Emden, Jahresber. d. naturforsch. Gesellsch. 36. 1880/81. Frankfurt a. M., Senckenbergische naturforschende Gesellschaft, Jahresbericht 1880/81. Abhandlungen. Bd. XII. 3—4. Montreal, Geological et natural history survey of Canada; Report of 4 progress for 1879/80 (with maps). 2 Wien, Schriften des Vereins z. Verbreitung naturwiss, Kenntnisse, 1882. Ba. 22. Leipzig, Sitzungsberichte der Naturf. Gesellschaft. 8; 1881. Chemnitz, Bericht der naturw. Gesellschaft. 7. 1878/80. Triest, Boll. della Societä Adriatica di scienze naturali. vol. VII. 1. Regensburg, Correspondenzblatt des Zoologisch-Mineral. Vereins. 3—5. Sidney, Australian Museum: Catalogue of the austr. Stalk- and sessile- eyed erustacea by W. A. Hoswell. 1882, Groningen: 81 Verslag van het natuurkundig Genootschap. 1881. Königsberg, Schriften der physik.-ökonomischen Gesellschaft. 21. 1880. u. 22. 1881. I—II. Lausanne, Bulletin de la societ€E Vaudoise des sciences naturelles, 2.8. "RVILMNT. 87. Klagenfurt, Naturhist. Landesmuseum für Kärnten: A Jahrbuch XV. Bericht für 1880 u. 1881. Brüssel, A. Wasseige: Deux observ.-obstetricales. Verzeichn. der v. 1. Jan. bis 1. Nov. 1882 eingeg. Druckschriften. 221 Sidney, List of the scientific papers and reports of Prof. A. Liversidge. Greifswald, Mittheilungen des naturw. Vereins von Neu-Vorpommern u. Rügen. Jahrg. 13. Bonn, Verhandlungen des Naturhistorischen Vereins für Rheinland und Westfalen. 4. F. 8, Jahrg. 2. Hälfte, Bologna, Accademia delle Seienze: Memorie Ser. IV. T.I, 1—4. U, 1—4. Geschichte des Instituts vom Anfang bis 1880. Cöthen, Chemiker-Zeitung. VI. Nr. 36. Wien, V. Bericht des naturw. Vereins der technischen Hochschule. Chur, Jahresbericht der naturforschenden Gesellschaft Graubündens. N. F. XXV. 1880/81. Rom, Bollettino del R. Comitato Geologieo d’Italia. 1881. 1-—12. Washington, Smithsonian institution : Smithsonian report for 1880. Congressional Direetory, 47 Congress. Proceedings of the Phyladelphia Akademy of nat.-seiencee. 1881. Jan.—Dec, Proceedings of the am. Ass. for the advancement of science, Boston meeting. 1881. vol, XXIX,. 1—2. Memoirs of the American Akademy of Sciences and arts. vol. XI. 1, Zwickau, Jahresbericht des Vereins für Naturkunde, 1881. Danzig, Schriften der Naturf. Gesellschaft. N. F. V. 3. Karlsruhe, Meteorolog. Centralstation, Uebers. der Witterung. April bis Juni 1882, Landshut, 8. Bericht des botanischen Vereins. 1880/81. Lüneburg, Jahresbericht des naturwissensch. Vereins. VII. 1879/82. Sidney, Australian Museum: Report for 1881. i Turin, Boll. dell’ Observatorio della R, Universitd. XVI. 1881. Bonn, Naturwissenschaftliche Studien von G. vom Rath. Christiania, Norwegische Regierung: Den norske Nordhavs-Espedition, 1876/78. IV u. V. Magdeburg, Jahresbericht des naturw. Vereins. 9—12. 1878/81. Halle a/S., Bericht über die Sitzungen des naturw. Vereins. 1881. 333 Verzeichn. der v. ]. Jan. bis 1. Nov. 1832 eingeg. Druckschriften, Genf, Bull. de I’Institut nationale Genevoise. XXIV. Lyon, Ann, de la Soe. d’agrieulture, hist. nat. et arts utiles, Ser. V. T. II. 1880. | | Kiel, Schriften des Naturw. Vereins für Schleswig-Holstein, IV. 2. Graz, Mittheilungen des Vereins der Aerzte in Steiermark. 1881. XVIIL. Bistritz, Jahresbericht der Gewerbeschule, VII. VIII. | Halle a/S., Ueber die syst. Förderung wissenschaftl, Landeskunde in Deutschland. Vortrag von Dr. R. Lehmann. Frankfurt a/M., Jahresbericht der physikal. Gesellschaft. 1880/81. Sidney, Annual report of the Dep. of mines of N. S. Wales. 1881. Frankfurt a/M., Jahresbericht über die Verwaltung des Medizinal- wesens etc. der Stadt Frankfurt a/M. Herausgegeben vom Aerztlichen Verein. XXV. 18831. Freiburg i/B., Berichte der naturf. Gesellschaft. VIIL, 1. Dresden, Jahresberichte der Gesellschaft für Natur- und Heilkunde, 1881/82. | Marburg, Sitzungsber. der Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Naturwissenschaften. 1880/81, Beilagen: Casuist. Mitth. aus dem path.-anat. Inst. von M. Schottelius. Zur Statistik der Carcinome von F. W. Benecke. Basel, Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft. VII. 1, Giessen, 21. Bericht der oberhessischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. | Upsala, Nova acta regiae societatis Seientiarum. Ser, TIL, vol. XI. 1.1881. Moskau, Decas plantarium novarum. Festschrift zum Jubiläum des Horn Pnardı Neubrandenburg, Archiv des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg. Jahrg. 35. 1881. Breslau, Jahresbericht der Schlesischen Gesellsch. f. vaterländ. Cultur. 35. für 1881. Die motorische Nervenendigung, besondersnachBeobachtungen an Muskelquerschnitten von Dr. med. M. B. van Syckel aus New York. Mitgetheilt von W. Kühne. An vergoldeten Querschnitten der Öberschenkelmuskeln von Lacerta agilis sind sämmtliche Bestandtheile der motorischen Nervenendigung zu erkennen: man sieht daran den zutretenden markhaltigen Nerven, das Telolemm, die Kerne des Epilemms, die hypolemmale Ausbreitung des Axencylinders (das Endgeweih) und dessen Zusammensetzung aus dem Axialbaume und dem Stroma, endlich die Kerne und die Körnchen der Plattensohle. Je nach der vom Schnitte getroffenen Stelle können zwar einige dieser Bestandtheile fehlen, so lange sich aber noch etwas vom Endgeweih in der Schnittebene befindet, bleibt das Object charak- teristisch genug, um es mit Sicherheit als zugehörig zur Innervations- stelle des Muskels zu erkennen. 1. Formen der Muskelquerschnitte. Ziemlich unabhängig von dem Zustande, in welchem sich die Muskeln während des Sehneidens befinden, erscheinen die Querschnitte der Fasern theils kreisförmig bis elliptisch, theils drei- und viereckig oder polygonal, sowohl mit scharfen, wie mit abgerundeten Winkeln versehen, theils nach einer Seite bogenförmig, auf den übrigen Seiten durch grade Linien begrenzt. Nur die Querschnitte der feinsten Fasern und der Muskelspindeln schienen immer kreisförmig zu sein. Diese Formen wurden auch an Fasern beobachtet, welche ihre Nachbarn nicht berührten, ebenso an gänzlich isolirten Scheibchen. Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. III. 15 294 W. Kühne: Einer ausführlicheren Publication, in welcher die verwendeten Härtungen zu beschreiben sind, wird die Erörterung der Frage vorbehalten, ob die gefundenen Formen den natürlichen entsprechen. 2. Lage der Nervenendigung am Umfange der Muskelfaser. Die Nervenendigung liegt auffallend häufig reitend auf einer Kante der Muskelfaser, also an einem Winkel des Querschnitts, und wo es mehrere Winkel giebt, an dem spitzesten unter ihnen, dessen Schenkel bald symmetrisch, bald in sehr verschiedener Ausdehnung begleitend, häufig so, dass der Winkel selbst frei bleibt. An günstig : gefallenen oder an nicht zu dünnen Schnitten ist in der Regel gablige Theilung des präterminalen markhaltigen Nerven, welche die Muskel- kante überspannt, zu erkennen. | Annähernd kreisförmigen oder elliptischen Querschnitten schliesst sich der Nervenendapparat bogenförmig, höchstens '/, des Umfanges einnehmend an, gewöhnlich auch im äusseren Contour einen sichel- förmigen Ansatz darstellend. Elliptische Querschnitte zeigen die Nerven- | endigung vorwiegend am Ende der langen Axe. Eckigen Muskelquerschnitten liegt das Endgeweih sehr selten an einer von einer Graden gebildeten Seite an und wo dieses vorkommt, R handelt es sich um Geweihe geringer Masse oder um Querschnittsränder, deren Beschaffenheit durch Druck benachbarter Fasern beeinflusst scheint. Wo also das Geweih keinen Winkel einnimmt, ist es eine bogenförmige Seite, unter welcher es sich ausdehnt, wobei dann häufig sämmtliche übrigen Seiten durch grade Linien gebildet sind. Aus diesen Beobachtungen erklärt sich, weshalb man beim Durch- mustern isolirter Muskelfasern den Nervenhügeln überwiegend im Profil- bilde, am Rande der Fasern begegnet und weshalb ebene Bilder in der Aufsicht am seltensten gefunden werden. 3. Die Nervenhügel. Dass bei den Eidechsen und bei den Säugern alle verschlungeneren Endgeweihe in ausgeprägten Nervenhügeln liegen, ist ausser Zweifel, obgleich die Hügel von Manchen für Artefacte, entstanden durch Zug an den präterminalen Nerven, gehalten werden. Das absolute Fehlen Die motorische Nervenendigung. 22 8 der Hügel an den typischen Endgeweihen des Frosches, der Amphibien und an den einfacheren, auch bei den Reptilien vorkommenden ge- streckten Geweihen, durch deren Nerven doch derselbe Zug und die- selbe Zerrung an den Muskelfasern auszuüben sein müssten, beweist indess, dass auf diese Weise Nervenhügel künstlich gar nicht zu erzeugen sind. Auch hat die Präexistenz der Hügel nur bezweifelt werden können, indem man deren Auftreten an jedem flachen, hinreichend dünnen Muskel, an welchem weder etwas mechanisch gezerrt, noch durch quellende Zusätze gedehnt worden ist, überging, oder in Unkenntniss der Hügel an allen gehärteten Muskeln, an denen es nichts zu dehnen giebt und deren Nerven bei leichtem Zuge zerbröckeln. Das häufige Vorkommen von Hügeln endlich, in welche der Nerv nicht an der Kuppe sondern am Rande der Basis einmündet, ist mit der Annahnıe der Hügelbildung durch Dehnung ganz unvereinbar. Am Querschnitte der Muskelfaser präsentirt sich der Nervenhügel entweder als sichelförmiger Ansatz oder dadurch, dass sein Inhalt die convexe Seite eines im übrigen gradlinig begrenzten Scheibchens ein- nimmt; doch kann man im letzteren Falle begreiflich nicht wissen, ob nicht der Muskelfaser dieselbe Gestalt auch über die Innervationsstelle hinaus, ja fast in ihrer ganzen Länge zukomme. Berufung auf den Querschnitt wird daher nicht in allen Fällen zulässig sein, um über die Präexistenz des Nervenhügels zu entscheiden: man braucht nur die Muskelfasern aus Wachs oder Thon nachzubilden und mit den kräftigsten Hügeln zu bekleben, um sich zu überzeugen, wie wenig davon unter Umständen am Querschnitte zu sehen ist und dass dann nicht dieser Durchschnitt, sondern der Längsschnitt und das Profil mass- gebend sind. Jedenfalls müssten es steilere Hügel mit kleinerer Basis, als in Wirklichkeit vorkommen, auf verhältnissmässig breiten Muskel- flächen sein, welche die Erhebung am Querschnitte deutlicher zeigen sollten. Selbst an ausserordentlich dünnen Längsschnitten gehärteter Muskeln gelang es, die Nervenhügel ebenso deutlich, wie in den be- kannten Profilbildern zur Anschauung zu bringen, wenn der Schnitt in die erforderliche Richtung und Ebene gefallen war. 226 W. Kühne: 4, Lage des markhaltigen Nerven auf dem Nervenhügel. Obgleich viele Querschnitte den Nerven radiär zur Muskelfaser tretend und diesen selbst im Längsschnitte, als Fortsetzung irgend einer Stelle des Nervenhügels zeigen, so ist doch die Zahl der Objecte nicht gering, in welchen der Nerv ebenfalls als zierlicher Querschnitt auftritt, wobei dann natürlich die Nerveneintrittsstelle fehlt. Solche Nervenquerschnitte pflegen wie eingefalzt in der Kuppe des Hügels zu liegen, so dass die Erhebung mit einer Furche versehen erscheint. An den Querschnitten der präterminalen, markhaltigen Fasern ist auch zu bestätigen, dass dieselben häufig stark abgeplattet sind. Messende Einstellungsversuche an Aufsichtsbildern frischer isolirter Muskelfasern und manche Profilbilder beseitigen alle Zweifel über das Vorkommen von Furchen zur Aufnahme sich anschmiegender Aeste des präterminalen Endbusches. 5. Dicke des Endgeweihs. Die Aeste, Lappen und Kolben des hypolemmalen Geweihs sind nicht, wie zuweilen behauptet worden, von membranartiger, etwa dem Telolemm vergleichbaren Dünne, sondern in der Richtung senkrecht zur Muskelaxe mindestens ebenso stark, wie in der dem Umfange des Muskels parallelen Ebene, also reichlich so dick wie breit. Im Quer- schnitte bilden sie daher einen beträchtlichen Wulst, der ebenso, wie er den Muskel von aussen belegt, ins Innere der Muskelsubstanz hinein- ragt und diese mit einspringenden Buchten versieht. Der Wulst nimmt in vollkommen senkrecht geführten Schnitten bis '/; des grössten Quer- durchmessers der Muskelfaser ein. Das Bild des Querschnitts entspricht also vollkommen der früher von mir gegebenen schematischen Abbildung eines Längsschnittes der Nervenendplatte !) und meiner Beschreibung, nach welcher die Inner- vationsfliche der quergestreiften Substanz nicht genau eben oder cylindrisch, sondern wie mit Furchen ausgebrochener Muskelelemente versehen ist, ein Verhalten, das übrigens an der muskulären Unterlage !) Virchow’s Archiv. Bd. 30. Taf. IX, Fig. 6 (1864), a wD DD u | Die motorische Nervenendigung. des typischen Nervengeweihs der Amphibien, dessen Stangen in die sublemmale Muskelfläche eingefalzt sind, bis heute nicht bezweifelt worden ist. 6. Dicke und Lage der Plattensohle. In den vergoldeten Muskelquerschnitten ist die granulirte Substanz („Granulosa®) der Plattensohle gewöhnlich durch feine, dichtstehende schwarze Pünktchen gekennzeichnet, welche das Geweih zwar nicht überall, aber doch grösstentheils gegen die Muskelsubstanz abgrenzen. Wo die Geweihstücke am weitesten in die Muskelsubstanz hineinragen, bildet die Granulosa nur eine sehr schmale Zone, dagegen stärkere Anhäufungen in den tieferen Kerben des Geweihs. Die Sohlenkerne sind an den Goldpräparaten etwas geschrumpft, von starkem Glanze und gewöhnlich ungefärbt;; grösstentheils in den Geweihbuchten liegend, berühren sie oft die eontractile Substanz direkt ohne Zwischentreten der Granulosa. Wo der Schnitt im Geweih bis zum Telolemm reichende Lücken zeigt, berühren die Sohlenkerne nach aussen auch jene häutige Grenze und in diesem Falle pflegt eine besonders starke Lage der Granu- losa die Kerne von der Muskelsubstanz zu trennen. 7. Gestalt der unteren Geweihfläche. Im Allgemeinen ist diese Fläche als wulstig zu bezeichnen; jeden- falls ist sie nicht mit Härchen oder feineren Papillen besetzt; dagegen trägt sie hier und da breitere stempelartige Füsse und man kann nach dem Anblicke des Querschnittes nur sagen, dass das Geweih zur Muskelaxe hin ähnlich geformt sei wie an seinen Enden, also viel buchtiger und weniger glatt als an der äusseren dem Telolemm zu- gewendeten Fläche. 8. Form und Structur des Geweihs. Besonders deutlich enthüllen die dünnen Querschnitte die Zu- sammensetzung des Geweihs aus dunkel vergoldeten Axialbäumen und heller geröthetem Stroma, indem die einzelnen durch den Schnitt her- gestellten Stücke der Nervensubstanz fast aussehen wie röthliche Zellen 228 W. Kühne: mit tiefrothen Kernen. In andern Fällen sind die mehr zapfenartigen Figuren so regelmässig mit einer dunkleren axialen scharf begrenzten Zeichnung versehen, dass den zum Muskel gewendeten Antheilen des Geweihs nur dieselbe Structur zuzuschreiben ist, wie der in der Auf- sicht kenntlichen Ausbreitung. Ueberdies kann der Querschnitt circulär verlaufende Aeste mit kurzen einwärts gerichteten Buckeln oder Zapfen, in welche der Axialbaum kleinere kolbenförmige Enden sendet, zeigen. Bei dieser Gelegenheit mag bemerkt werden, dass die sog. trauben-, beeren- oder doldenförmigen Nervenendigungen, welche Ranvier, Tschirjew, Bremer, Heidenhain beschrieben oder abgebildet haben, nichts anderes sind als besonders deutlich durch die Goldbehandlung zum Vorschein gekommene Axialbäume mit angeschwollenen Enden, welche sich in dieser Gestalt grade aus den breitlappigsten Endgeweihen vom Stroma sondern. Nirgends vielleicht treten diese Formen crasser auf als bei der Natter und bei der Blindschleiche, und gerade diese Thiere sind es, welche die plattenartigsten Geweihe, ja vollkommen blattartig verbreiterte hypolemmale Axencylinder besitzen. 9. Kerne des Telolemms. Ausser den Sohlenkernen zeigen die Muskelquerschnitte auch die Kerne des Telolemms, vor den ersteren im Goldbilde ausgezeichnet durch starken Glanz und wenn der Schnitt selbst durch den grössten Durch- messer der Kerne gefallen ist, noch durch geringeres Volumen unter- schieden. Ein Theil dieser Kerne springt so weit nach aussen vor, dass man dieselben entweder in die Substanz des Epilemms verlegen, oder alsauf dieser Membran gelegen betrachten muss; andere liegen dagegen unter dem Epilemm; da die letzteren aber zwischen dem Epi- und Endolemm liegen, bleiben sie dem ersteren noch zuzurechnen. Von diesen Scheidenkernen, die ich früher als „Kerne der Hügelmembran“ in der Substanz dieser Membran beschrieben und von den Sohlenkernen zuerst unterschieden hatte '), sind durch Ranvwier noch Geweihkerne 1) Vergl. Virchow's Arch. Bd. 27. S. 508. Taf. XI. Fig. 1, 6, 7. Bd. 30. S. 187. Taf. IX. Fig. 6. an nn nn een RI ee a te Be RUE SER » Die motorische Nervenendigung. „229 als homolog den Kernen der Schwann’schen Scheide unterschieden worden, welche ich nach meinen jetzigen Erfahrungen über die Natur des Telolemms als Endolemmkerne zu bezeichnen hätte. Indess hat Ranvier seit einiger Zeit selber zugegeben, dass es kein anderes unter- scheidendes Merkmal für diese Kerne gebe als ihre Lage. Wir sahen uns ausser Stande die behauptete Lagendifferenz zu constatiren und zweifeln sehr, dass Andere, welche noch nicht über die gefärbten Muskelquerschnitte verfügten, darin glücklicher gewesen sein können, denn bis jetzt haben auch diese massgebenden Objecte bei dem Versuche, die Frage zu entscheiden, im Stiche gelassen. Ist die äussere Fläche des Geweihs, auf die es hier vorzugsweise ankommen wird, auch nicht so unregelmässig wie die untere, so ist sie doch nicht überall glatt, sondern stellenweise gewellt und da das ganze Telolemm ihren Einbiegungen folgt, so können auch Epilemmkerne etwas in die Tiefe des Nervenhügels gelangen oder darin eingefalzt erscheinen. Wo der ganze markhaltige präterminale Nerv sammt. allen Scheiden und deren Kernen in die Kuppe des Hügels gefalzt und wie versenkt zwischen die Geweihlappen erscheinen kann, wird man aus der tieferen Lage eines Telolemmkerns noch nicht schliessen dürfen, dass derselbe unter dem Endolemm liege. Ich muss sogar das Vorkommen solcher Endolemmkerne, bei den Eidechsen wenigstens, für sehr un- wahrscheinlich halten, weil wir niemals einen der durch ihren Glanz als dem Telolemm zugehörig erkennbaren Kerne gesehen haben, der nicht aus seiner Versenkung mit einem Ende bis zur Umhüllung des Nervenhügels herausgeragt hätte. Das Fehlen völlig sublemmaler, zwischen dem Nervengeweih und dem Endolemm gelegener Kerne, von welchem man bis heute überhaupt nur etwas zu wissen behaupten kann, falls man die Endknospen einiger Amphibien als Kerne betrachtet, wäre nicht auffällig, da diese Bildungen 2. B. beim Salamander sehr spärlich und an vielen Nervenendigungen der Tritonen gar nicht vorhanden sind. Jedenfalls sind derartige Kerne, von denen auch z. Z. nicht zu sagen wäre, ob sie dem Endolemm oder dem Axencylinder angehörten, bis jetzt an den Nervengeweihen der 3 D J 5 Reptilien und Säuger von Niemanden nachgewiesen. 330 « W. Kühne: 10. Hypolemmale Lage des Nervengeweihs. Wer irgend noch an diesem Verhältnisse zweifeln könnte, würde durch den Anblick vergoldeter Muskelquerschnitte sofort anders belehrt. Das Sarkolemm bildet um die Muskelscheibchen einen so deutlichen Saum und dieser läuft so glatt in das Endolemm über, während durchaus nichts davon zum unteren Geweihrande abbiegt und die Grenze des letzteren gegen die Muskelsubstanz so gänzlich jenes harten Contours ermangelt, welcher sogar das Endolemm vom Epilemm scheidet, dass alle Zweifel an der Membranlosigkeit des Muskels unter der Nerven- endigung verstummen müssen. Uebereinstimmend mit der Quellung, welche die Perineuralscheide bei der Vergoldung durch die Säurewirkung in dem Masse erleidet, als die imprägnirenden Goldverbindungen reducirt werden, erscheint auch das Epilemm oft aufgequollen und dann am deutlichsten vom Endolemm unterschieden, namentlich in der Nähe des Nerveneintritts, wo die Mark- und Hornhüllen der präterminalen Faser plötzlich ab- setzen. Ein vortreffliches Mittel die hypolemmale Lage der Nervenendigung zu beweisen, besteht in der Auflösung des Sarkolemms der Eidechsen- oder Kaninchenmuskeln durch Kochen in Salieylsäure von 1°/,, das hinreichend lange fortgesetzt auch die Schwann’sche und die Perineural- scheide beseitigt. Es ist durch Chittenden ') dargethan, dass man aus dieser Reaction nicht auf collagene Beschaffenheit der in Lösung gehenden Membranen schliessen dürfe, und dass das Sarkolemm von allem collagenen Gewebe grundverschieden ist; die von Froriep an- gegebene Löslichkeit des Sarkolemms durch Salicylsäure ist aber eine leicht zu bestätigende Thatsache. j Jedes Präparat so behandelter und dabei völlig isolirter Muskel- fasern weist noch eine grosse Anzahl von Nervenhügeln mit daran haftenden, bis auf die äussere Hornscheide und das Mark gänzlich ent- blössten Nervenfasern auf, mit wohlerhaltenen Endgeweihen sammt !) Vergl. Histochemische Untersuchungen über das Sarkolemm und einige g 8 verwandte Membranen von R. H. Chittenden. Unters. aus dem physiol. Inst. zu Heidelberg -IH. 8. 171 (1879). Die motorische Nervenendigung. 931 deren kernhaltiger Sohle. Die Objecte nehmen auch noch Vergoldung an, freilich ohne differenzirende Färbung der Nervenendigung; das Mittel ist aber nicht zu verschmähen, weil es die Kerne sehr deutlich hervortreten lässt, entweder ungefärbt auf tiefvioletter Unterlage oder violett auf blassblauen Muskelfasern.. Wo die Scheiden gänzlich be- seitigt sind, giebt es am Innervationsorte keine anderen Kerne, als die der Sohle. 11. Querschnitte der Nerven. Begreiflich fehlt es in den Muskelschnitten an zierlichen Quer- schnitten von Nervenstämmehen und deren Fasern nicht, die man hier . am vergoldeten Zustande zu sehen bekommt. Die Markhüllen erscheinen nicht so schmal, wie nach der Härtung in OsO, und von tiefrother Farbe unter den ungefärbten Scheiden. Nur an Objecten, welche für die Nervenendigung schon zu intensiv gefärbt worden, sind die etwas buchtig umrahmten Axencylinder deutlich gefärbt und zuweilen im Centrum tief braunroth, - dagegen in einer periaxialen Schicht hell- röthlich oder lila von der fast schwarzen Markhülle abgegrenzt. Ohne Zweifel hat sich in diesen Fällen ein dem terminalen Axialbaume gleich- zustellender axialer Fibrillarstrang von dem weniger gefärbten Stroma gesondert. Heidelberg, 23. December 1883. ‘Adolf Schmidt: [S} wo ww Ueber .die Verwendung von Wasserdampf in Gas-Generatoren. Von Prof. Dr. Adolf Schmidt. Bei der wachsenden Bedeutung der Heizung mit Generator-Gasen für die Technik erscheint es von Interesse, die Vortheile, welche die Verwendung von Wasserdämpfen in Gas-Generatoren bietet, einer theoretischen Prüfung zu unterziehen. Da die Zusammensetzung der sich bildenden Gase eine sehr verschiedene ist je nach der Beschaffen- heit des im Generator verwendeten Brennstoffs und da insbesondere manche Brennstoffe die Eigenschaft haben, bei Erhitzung .Kohlen- wasserstoffe zu entwickeln, welehe bei wechselnden Temperaturen eine wechselnde Konstitution annehmen, erscheinen die Vorgänge im Gene- rator als ziemlich verwickelte und nach den Umständen verschieden- artige. Die damit zusammenhängenden wissenschaftlichen Fragen sind desshalb in einer ganz allgemeinen Form nicht wohl zu lösen. Ich werde daher, um die folgenden Betrachtungen möglichst zu verein- fachen, nur die Gas-Erzeugung aus Coak ins Auge fassen, welche in der Technik häufig Anwendung findet und bei welcher die Kohlen- wasserstoffe eine so geringe Rolle spielen, dass sie ganz ausser Acht gelassen werden können. ich werde untersuchen: 1. welches günstigst zusammengesetzte Gas-Gemenge ohne Wasserdampf; 2. welches mit Wasserdampf aus Coak kann erhalten werden; 3. wie weit man mit der Zuführung von Wasserdampf höchstens gehen darf; endlich 4. welche materielle Ersparniss durch solche Zuführung zu erzielen ist. Ueber die Verwendung von Wasserdampf in Gas-Generatoren. 233 1. Coak-Gas ohne Wasserdampf. Lässt man in den mit glühendem Coak angefüllten Generator nur Luft zutreten, so verbinden sich je 12 Gewichtseinheiten Kohlenstoff mit je 16 G.-E. Sauerstoff zu 28 G.-E. Kohlenoxyd und man erhält 10 2 ra . ausserdem 16 as; 53,3 G.-E. Stickstoff in dem erzeugten Gas, welches sonach, in prozentalen Verhältnissen berechnet, bestehen wird aus: 34,4 Gewichtsprozent Kohlenoxyd und 65,6 5 Stickstoff. Der absolute Wärme-Effekt, d. h. die in Wärme-Einheiten aus- gedrückte Wärmemenge, welche eine Gewichts-Einheit des Gases bei vollständiger Verbrennung entwickelt, beträgt, da der absolute Wärme- Effekt des Kohlenoxyds = 2400, 0,544 > 2400 = 826 Wärme-Einheiten. Durch die Verbrennung im Generator von je einer Gewichts-Einheit Kohlenstoff mit dem freien Sauerstoff der Luft zu Kohlenoxyd-Gas werden je 2480 Wärme-Einheiten frei. Folglich wird stets ein bedeu- tender Ueberschuss an Wärme im Generator enthalten sein, welcher die Verluste durch Ausstrahlung aus dem Apparate mehr als ausgleicht. 2. Coak-Gas mit Wasserdampf. Leitet man in den vorher nur mit Luft betriebenen Generator noch Wasserdampf, so wird das Wasser durch den glühenden Coak zersetzt, und zwar bei genügend hoher Temperatur nach der Formel: | MO+C= 2H + 00, d.h. 18 Gewichts-Einheiten Wasser Zersetzen sich mit 12 G.-E. Kohlen- stoff und liefern 28 G.-E. Kohlenoxyd und 2 G.-E. Wasserstoff, also ausschliesslich brennbare Gase. Dieser Vorgang ist aber mit einem Latentwerden von ‚Wärme verbunden, deren Menge sich folgendermassen berechnen lässt: 1 G.-E. Wasserstoff erzeugt bei seiner Verbrennung zu Wasser- dampf 29000 W.-E., folglich die in 18 G.-E. Wasserdampf enthaltenen 2 G.-E. Wasserstoff 2 x 29000 = 58000 W.-E. 934 Adolf Schmidt: Ebensoviel Wärme verschwindet, wenn sich im Generator 18 G.-E. Wasser zersetzen in 2 G.-E. Wasserstoff und 16 G.-E. Sauer- stoff. Gleichzeitig verbinden sich aber diese 16 G.-E. Sauerstoff mit 12 G.-E. Kohlenstoff und erzeugen dadurch 12 > 2480 = 29760 W.-E. Bei dem ganzen Vorgang kommt daher ein Wärme-Verlust heraus von 58000 — 29760 —= 28240 W.-E. Die so verlorene Wärme muss wieder ersetzt werden, wenn der Generator nicht sich abkühlen und zuletzt erlöschen soll. Sie kann nur ersetzt werden durch Verbrennung einer ferneren Menge Kohlen- 3 stoff mittelst der zugeführten Luft zu Kohlenoxyd. 1 G.-E. Kohlenstoff, zu Kohlenoxyd verbrennend, erzeugt 2480 W.-E. Zu ersetzen sind 28240 W.-E. Hierzu sind also nöthig 4 EI 11,38 G.-E. Kohlenstoff. 2480 ? 11,38 G.-E. Kohlenstoff erfordern */;, x 11,38 = 15 G.-E. Sauerstoff und geben 26,38 oder rund 26 G.-E. Kohlenoxyd. Mit den 15 G.-E. Sauerstoff gelangen ausserdem ungefähr 50 G.-E. Stickstoff in die Gase. Das günstigste Gas-Gemenge, welches bei dauerndem Betrieb durch Zersetzung von je 18 G.-E. Wasserdampf erhalten werden kann, er- giebt sich darnach wie folgt: durch Zersetzung: 28 Kohlenoxyd + 2 Wasserstoff durch Verbrennung: 26 n + 50 Stickstoff zusammen: 54 Kohlenoxyd + 2 Wasserstoff -- 50 Stickstoff, m was, in Prozenten umgerechnet, ergiebt: 4 50,9 Gewichtsprozent Kohlenoxyd = 42 Volumprozent, 1,9 a Wasserstoff = 20 ” 47,2 Ya Stickstoff = 38 Is Aus dieser Zusammensetzung berechnet sich der absolute Wärme- Effekt zu: 0,509 >= 2400 = 1221 0,019 > 29000 = 551 1772 Wärme-Einheiten. Da, wie oben gezeigt wurde, das ohne Wasser dargestellte Gas oa Ueber die Verwendung von Wasserdampf in Gas-Generatoren. 957 nur 826 W.-E. zu erzeugen im Stande ist, so ersieht man, dass durch . Anwendung von Wasserdampf ein Gas von mehr als doppelter Heiz- kraft, auf die Gewichts-Einheit berechnet, sollte erhalten werden können. In der Praxis wird sich jedoch das Gas-Gemenge etwas ungünstiger gestalten, weil auch die vom Apparat ausgestrahlte Wärme fortwährend muss ausgeglichen werden durch Verbrennung von Kohlenstoff, dessen Menge von der Vollkommenbeit oder Unvollkommenheit der technischen Einrichtungen abhängt. 3. Theoretische Grenze der zuzulassenden Dampf-Menge. Bei Zersetzung von 18 kg Wasserdampf erfolgen nach Obigem 54 kg Kohlenoxyd, diese enthalten 23,14 kg Kohlenstoff. Auf je 23,14 kg Kohlenstoff können also höchstens 18 kg Dampf zugelassen werden, oder auf 100 kg Kohlenstoff 77,9 kg Dampf. Besteht der verwendete Coak aus 10 °/, Asche, 5 °/, hygr. Wasser € 5 und 85 °/, Kohlenstoff, so wären auf 100 kg Coak zulässig n., >11 = 66,2 kg Dampf. In dem Coak sind aber schon 5°, Wasser vor- handen. Folglich können auf das Gewicht der jeweils verbrannten Coak höchstens etwa 60°), Wasserdampf zugelassen werden. In der Praxis wird auch diese Ziffer niemals völlig erreicht werden können. 4. Ersparniss an Brennstoff. Dass hiebei eine wirkliche Ersparniss an Brennstoff stattfinden kann, ergiebt sich aus der Vergleichung derjenigen Wärmemengen, welche man erhält durch die Verbrennung der einerseits ohne, anderer- seits mit Wasserdampf, aus einer gleichen Gewichts- Menge Kohlenstoff erzeugten Generator-Gase. Bei dauernder Zersetzung von Dampf im Generator entstehen nach Obigem auf 18 kg Dampf 54 kg Kohlenoxyd mit 23,14 kg Kohlenstoff. Vergast man im Generator diese 23,14 kg Kohlenstoff ohne W asser- dampf, so erhält man ein Gas-Gemenge von 236 Adolf Schmidt: 54 kg Kohlenoxyd und 103 „ Stickstoff zusammen 157 kg Gas, von welchem je 1 kg 826 W.-E. erzeugen kann, also im Ganzen 157 >< 826 = 129682 Wärme-Einheiten. Vergast man dieselbe Menge Kohlenstoff mit Wasserdampf, so erhält man, wie oben gezeigt, 54 kg Kohlenoxyd, 2 , Wasserstoff, 50 ,„, Stickstoff, zusammen 106 kg Gas von einem absoluten Wärme-Effekt von 1770 Wärme-Einheiten, also im Ganzen 106 X 1770 = 187620 Wärme- Einheiten. Der Gewinn beträgt also 187620 — 129682 = 57938, oder rund 58000 W.-E. Um diese sonst zu erzeugen, müsste man, da der 58000 absolute Wärme-Effekt des Kohlenstofis = 8080 ist, Sog. — 71T kg Kohlenstoff mehr verbrauchen, also 23,14 + 7,17 = 30,31 kg. . Hierauf beträgt die Ersparniss 7,17 kg, d. i. 23,6 %,. Dieser Gewinn ist aber selbstverständlich kein absoluter, sondern er besteht nur in einem theilweisen Wiederersatz derjenigen Wärme, welche durch die Vergasung, d. i. durch die Verwandlung des Kohlen- stoffs in Kohlenoxyd, für die Heizung verloren geht. Dieser Gewinn wird sich daher um so mehr geltend machen, je weniger es die be- nützten Einrichtungen gestatten, die bei der Erzeugung des Kohlen- oxyds freiwerdende und von den Generator-Gasen getragene Wärme für die nachherige Heizung mittelst dieser Gase nutzbar zu machen, also je weiter die Heizöfen von den Generatoren entfernt sind und je mehr sich in Folge dieser Entfernung die Heizgase vor ihrer Verbrennung abkühlen. Hieraus geht hervor, dass bei grossem Betrieb und centralisirter Gas-Erzeugung der materielle Vortheil der Benützung von Wasserdampf ein sehr bemerkbarer sein wird, wogegen die Brennstoff-Ersparniss nur eine ganz unbedeutende da sein kann, wo man für jeden Ofen einen besonderen Generator und diesen Generator unmittelbar an den Ofen } E x ; 5 ; 1% EEE NT ST ET a a RL NE Ed Ueber die Verwendung von Wasserdampf in Gas-Generatoren. 9237 ae angebaut hat. Bei letzterer Einrichtung wird eben die bei der Ver- gasung freiwerdende Wärme ohnehin schon benützt. Unabhängig davon bleibt aber für beide Fälle jener Vortheil der Dampf-Verwendung bestehen, dass, wenn auch im ersten Fall mit ent- sprechendem Mehraufwand an Brennstoff, stets ein heizkräftigeres Gas dargestellt wird, mit welchem sich eine höhere Temperatur erzielen lässt, ein Umstand, welcher für manche technische Zwecke von der grössten Wichtigkeit ist. Die Verwendung von Dampf bringt aber noch einen anderen Nutzen, welcher selbst da zur Geltung kommt, wo weder der eine noch der andere der eben besprochenen Vortheile von Bedeutung ist. Die Wasserzersetzung entzieht nämlich dem Generator jenen Ueber- schuss an Hitze, welcher sonst unvermeidlich ist und welcher unter Umständen Sinterung und Schmelzung von Asche und Zerstörung von Mauerwerk, sowohl an den Generator-Wänden und -Gewölben als in den Gas-Abzugs-Oefinungen zur Folge haben kann. Sie bewirkt diese erwünschte Milderung der Generator-Temperatur unbeschadet der nach- herigen Heizwirkung der Gase, weil der Ueberschuss an Wärme zur Darstellung von Wasserstoff-Gas verwendet wird, welches diese Wärme in gebundenem, fakultativem: Zustand aus dem Generator nach dem Ofen führt und dieselbe erst dort durch seine Verbrennung wieder frei und wirksam macht. Da dieser Nutzen allein nicht überall hinreicht, um die Kosten einer künstlichen Wasser-Verdampfung zu decken, begnügt man sich häufig damit, ein Wasserbehälter unter dem Rost des Gene- rators anzubringen. Hiebei verdampft die strahlende Wärme des glühenden Brennstoffs fortdauernd gewisse Mengen von Wasser in den Generator hinein, und die schadenfreie Abkühlung des Generators wird so auf eine zwar nicht vollkommene, aber sehr einfache und billige Weise erreicht. 238 W. Kühne: Ueber Nervenendigung in den Muskeln. ' Nach weiteren Beobachtungen von Dr. M. B. van Syckel mitgetheilt von W. Kühne. Im Anschlusse an die S. 223—231 dieses Heftes mitgetheilten Beobachtungen hat Herr v. Syckel die motorische Nervenendigung auch an vergoldeten Durchschnitten von Muskeln der Säuger (Ca- ® ninchen, Hund, Katze), einiger Amphibien und der Zungenmuskulatur der Eidechse untersucht. Leider stellte sich heraus, dass die früher mit bestem Erfolge verwendeten Methoden an den Muskelschnitten der Säuger und namentlich der Amphibien sehr häufig in der Färbung ungenügend differenzirte Objekte lieferten, so dass die Bestandtheile der Nervenendigung unkenntlich blieben. Es gelang daher erst nach langem Probiren und Suchen die in $ 1—10 der vorigen Mittheilung von den Reptilien erörterten Verhältnisse für die Säugermuskeln zu eonstatiren. Als Abweichungen sind nur hervorzuheben: im Allgemeinen stärkere Ausprägung oder Prominenz der Nervenhügel in Folge grösserer Dicke des Geweihs sowohl als besonders der Sohle und die bedeutendere 3 Grösse der Telolemmkerne. Unter den Amphibien lieferte bis jetzt nur der Salamander einige ' brauchbare Präparate. Hier erscheinen von dem Nervengeweih nur k einzelne scheibenförmige Segmente hart unter dem Sarkolemm, in dunkler Färbung, ausschliesslich nach innen gegen die Muskelsubstanz prominirend, zuweilen einen mehr oder minder excentrisch gelegenen 2 dunkleren Antheil (Axialbaum) zeigend. Von den Anhäufungen sublem- ; malen körnigen Protoplasmas, das in allen Muskelquerschnitten in Ge- 3 stalt einspringender Zwickel gefunden werden kann, unterscheiden sich Y Ueber Nervenendigung in den Muskeln. 339 die Querschnitte der bypolemmalen Geweihstangen durch ihre scharfe Begrenzung und die nahezu kreisförmige oder abgeplattete Form. Man muss das Bild erst in solchen Objekten kennen gelernt haben, an denen der epilemmale Nerv erhalten ist, um es an den begreiflich viel häufigeren Schnitten, welche jenen Nerventheil nicht getroffen haben, wieder zu erkennen, und es ist dasselbe überhaupt nur überzeugend, wenn mehrere Stangenquerschnitte in den von der Aufsicht auf die unversehrte Muskel- faser her bekannten Abständen unter dem Sarkolemm orientirt auftreten. Das wichtigste diesen Beobachtungen zu entnehmende Resultat dürfte in der Constatirung des Fehlens einer besonderen Sohle unter den Stangen- geweihen liegen und in dem scharfen Nachweise der Einfalzung der Stangen in Canneluren der Muskelsubstanz. Besohlung des Nervengeweihs. Noch seltener als bei den Reptilien findet man in den Quer- schnitten der Säugermuskeln Stellen, wo das Geweih die Muskelsubstanz direkt berührt, und in der Regel mächtigere Lagen der Sohlengranulosa nebst deren Kernen unter den Lappen des Geweihs. Ein Theil der eigent- lichen Nervensubstanz ist also in allen Nervenhügeln von der direkten Berührung mit der quergestreiften Substanz ausgeschlossen, ja stellen- weise durch starke *Schichten protoplasmatischer Massen von jener geschieden. Bei einer Art von Muskeln konnte nun auf das Bestimmteste nach- gewiesen werden, dass das Geweih in gar keine Berührung mit der gestreiften Substanz trete, sondern gänzlich auf eine Sohle von ausser- ordentlicher Dicke gelagert sei. Dies ist der Fall in der Zungen- muskulatur der Eidechse und daselbst besonders gut festzustellen, weil die in irgend welcher Richtung durch das Muskelgeflecht geführten Schnitte den Vortheil gewähren, sowohl Quer- als Längsschnitte und in diekeren Präparaten auch hinreichend lange Strecken unversehrter Muskelfasern aufzuweisen. Unter den vollkommen senkrecht zur Faseraxe gefallenen Schnitten begegnet man solchen, in denen mehr als die Hälfte der Querschnittsfläche dem Nervenhügel angehört, wo also ein riesiger Nervenhügel auf ein schmales Muskelband oder ein hoher Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med, Vereins. N. Serie. III. 16 340 W. Kühne: Kegel auf einen dünnen Cylinder aufgesetzt erscheint und unter den E Längsschnitten sieht man manche, welche das correspondirende Bild ö darbieten. An den letzteren erweist sich die Muskelfaser nicht selten 9 nur unter dem Nervenhügel stark verdünnt, indem dieser etwa das N Durchschnittsbild einer papilla eircumvallata mit stark erhobener Kuppe darstellt. h Nicht nur auf Quer- und Längsschnitten, sondern auch an den un- versehrten Fasern, an denen die ganze Ausbreitung des Nerven- # geweihes zu übersehen ist, erkennt man die mächtigen Nervenhügel als 3 fast ganz von der granulirten Sohlensubstanz und verhältnissmässig wenigen Kernen eingenommen und das Geweih in der Weise auf den % Gipfel beschränkt, dass die Unterlage überall mehr einem hohen Sockel als einer Sohle gleicht. \ Nach diesen Befunden, welche über das Vorkommen mächtiger, das & Geweih von der quergestreiften Substanz vollkommen trennender Ei Schichten keinen Zweifel mehr lassen, dürfte die Besohlung des mo- F torischen Nervenendes, welche mich selbst ehemals nicht weniger als die späteren Forscher überraschte, in anderem Lichte erscheinen, als bisher. Früher allgemein für unvollkommen und für keine continuirliche ; Unterlage des Geweihs gehalten, wie sie in den meisten Reptilienmuskeln 1 wirklich gefunden wird (worin mir Ranvver nicht, wie er glauben liess, entgegen — sondern beigetreten ist) fordert die Sohle jetzt in der Innervationsfrage erneute Beachtung. Sie kann kein Hinderniss für 1 den Uebergang der Erregung vom Nerven zum Muskel sein, wie ich es mir bei der Hypothese dachte, dass ihre Lücken bestimmt seien, nur 8 gewisse Stellen des Geweihs zum Contakte mit der quergestreiften Sub- 1 stanz zuzulassen, nachdem sie sich in vielen Fasern der Zunge als die einzige Brücke jenes Ueberganges dargestellt hat, sondern wird als ein“ erregbares Glied des Gesammtwesens, das wir Muskel oder contractile Substanz nennen, aufzufassen sein. Herdenhains kürzlich ausgesprochene“ Vermuthungen über Erregungen der Sohle bei der von ihm unter so neuen Gesichtspunkten mit verdientem Erfolge untersuchten pseudo- 1 motorischen Wirkung eines Zungennerven würden daher in unsern Be- obachtungen eine thatsächliche Unterlage finden. Ueber Nervenendigung in den Muskeln. 941 Vor langer Zeit schon habe ich die Sohle für übereinstimmend mit dem Muskelbildungsmaterial und nur der Anhäufung und Orientirung ihrer Kerne nach für abweichend von der uns durch Max Schultze zuerst verständlich gewordenen, die ganze Muskelfaser durchsetzenden Zellenmasse erklärt. Seit diese Masse namentlich mit Hülfe der Gold- methode von Diedermann, Letzius u. A. als eine bis zu den feinsten Strängen und Gitterwerken durch die gesammte quergestreifte Substanz vertheilte erkannt worden, welche ohne Zweifel bei den Leistungen auch des kleinsten Muskelabschnittes in Betracht zu ziehen ist, haben wir uns die Muskelsubstanz aus zwei wesentlichen Bestandtheilen errichtet vorzustellen, nämlich aus einer in der Querstreifung gegebenen Rhabdia und aus einer die Kerne und das zugehörige feinkörnige Protoplasma be- greifenden Sarkoglia. Diese Theile scheinen so vollkommen in einander verwoben zu sein, dass selbst in die geregelte Streifung eingereihte Schichten, wie z. B. die Nebenscheiben, der Glia angehören könnten. Dass ein motorisches Geweih die Rhabdia berühren könne, ohne zugleich mit der Glia in Contakt zu gerathen, wird in keinem Falle zu behaupten sein, obgleich die typischen Stangengeweihe der Am- phibien unbesoblt sind, denn hier kann das Fehlen der Sohle nur heissen, dass keine besondere Anhäufung des Sarkoglia unter dem Geweih zu Stande gekommen oder bei der Entwicklung des Muskels zurück geblieben ist, da jedes leidliche Goldpräparat feine Gliastreifen, (freilich ohne Kerne) in den subnervösen Muskelcanneluren nachweist. Einstweilen wären daher Diejenigen nicht zu widerlegen, welche sich die Erregung der Rhabdia, wenn sie vom Nerven her gekommen, durch das «Zwischenorgan» der Glia erziehlt vorstellen wollen; und nicht einmal die direkte Muskelreizung wäre sicher als primäre Erregung der Rhabdia anerkannt zu werden. Solchen in nächster Zeit von den verschiedensten Seiten zu erwartenden Erwägungen gegenüber, ver- fehle ich nicht meine Auffassung gleich auszusprechen, dass mir die Glia als Bestandtheil des Muskels und nicht des Nerven gilt und dass die Innervationsfrage nicht die Erregung der Rhabdia durch die Glia, sondern die der letzteren durch das Geweih ins Auge zu fassen hätte. Die andere Frage geht die Lehre von der Muskelirritabilität an 16 * 943 W. Kühne: Ueber Nervenendigung in den Muskeln, und wird zunächst ausgedehnt werden müssen auf die der Contraktilität der Glia, die in den Nervenhügeln und wo sie sonst in Haufen un- geordnet auftritt, vermuthlich der amöboiden Beweglichkeit nicht entbehrt. Anastomosen oder Pseudoanastomosen im Nervengeweih? Von den Querschnitten der Nervenendigung hatten wir erwartet, entscheidenden Aufschluss über die wahre Beschaffenheit der in den labyrinthischen Nervengeweihen so zahlreich auftretenden Anastomosen ?) zu erhalten. Die Durchmusterung einiger hundert guter Präparate vor- i wiegend von Eidechsenmuskeln hat diese Erwartung jedoch in sofern getäuscht, als wir nur schuppenartig übereinander liegende, gewöhnlich am Basalrande des Nervenhügels befindliche Stücke des Geweihs auf- zufinden vermochten und keine deutlichen mehrstöckigen Geweihe, welche | den Pseudoanastomosen entsprechen würden. Ein sicherer Beweis, dass die Mehrzahl der Anastomosen unächt sei, vorgetäuscht durch Ueber- 2 kreuzungen einzelner Geweihäste, war also auf diesem Wege nicht zu erbringen. Heidelberg, 15. April 1884. !) Unter diesen Anastomosen sind nur solche ganzer Geweihäste zu verstehen, nicht die in Goldbildern häufigen, welche nur die Axialbäume be- treffen und ersichtlich durch Auffaserungen und Schlierenbildungen der Axial- massen innerhalb eines einzelnen «-Stromaastes oder -Lappens entstehen. Ueber eine Metamorphose der Kerne in den Ovarialeiern und über den Beginn der Blastodermbildung bei den Ameisen. Von Dr. F. Blochmann. Durch die in No. 167 des Zoologischen Anzeigers erschienene vorläufige Mittheilung von Will: ‚‚Ueber die Entstehung des Dotters und der Epithelzellen bei den Amphibien und Insecten‘‘ sehe ich mich veranlasst, die Resultate meiner Untersuchungen über ähnliche Vorgänge bei den Ameisen ebenfalls in einer vorläufigen Mittheilung zu pub- lieiren, trotzdem dies nicht in meiner Absicht lag, da ich hoffe, die- selben in Kurzem in ihrer ganzen Ausdehnung vorlegen zu können. Auf die von sonstigen Befunden abweichenden Kernverhältnisse der Ovarialeier der Ameisen machte mich zuerst mein hochverehrter Lehrer, Herr Prof. Bütschli, aufmerksam, als ich im Sommer 1880 an einem zufällig eingefangenen Weibchen von Camponotus ligniperda Latr. die Ovarien präparirte. Durch verschiedene Umstände war ich verhindert diese Verhältnisse damals einer genaueren Untersuchung zu unter- ziehen. Erst im Sommer vorigen Jahres war es mir möglich, wieder mit der Untersuchung zu beginnen, und wurden dann die Resultate derselben, soweit sie-sich auf das noch im Ovarium befindliche Ei er- strecken, dem hiesigen naturhistorisch-medieinischen Verein in der Sitzung vom 1. Februar dieses Jahres vorgelegt. Ich vermeide es, hier auf die Vergleichung meiner Resultate mit den von Fol!) und Balbiani°) mitgetheilten ähnlichen Vorgängen ı) Fol, Sur l’oeuf et ses enveloppes chez les Tuniciers. Rec. zool. suisse 1271. 1883. 2) Balbiani, Sur l’origine des cellules du follicule et du noyau vitellin etc. Zool. Anz. Nr. 155 et 156, D44 F. Blochmann: einzugehen, trotzdem dieselben eine grosse Uebereinstimmung mit meinen Befunden aufweisen. Die Entstehung der Eier und Dotterzellen aus den Kernen des Keimfaches habe ich nicht näher untersucht und beginne meine Schilderung darum mit derjenigen Entwickelungsstufe der Eier, auf welcher sich dieselben durch die Grösse des Kernes sowohl als durch die grössere Dichte ihres Protoplasmas von Dotterzellen und Epithel- zellen leicht unterscheiden lassen. Auf diesem Stadium ist der Eikern verhältnissmässig gross bläschenförmig und enthält ein nur wenig ausgebildetes Chromatingerüst. Bei etwas älteren Eiern finden sich an der Kernmembran zarte knötchenförmige Verdichtungen, welche allmählich grösser werdend sich ablösen und selbst Bläschengestalt annehmen, In. demselben Masse, wie dieser Process der Ablösung von neuen Kernen fortschreitet, wird der ursprüngliche Kern allmählich kleiner, so dass bei Eiern ungefähr aus der Mitte der Eiröhre ein Haufen von dicht zusammengedrängten kleinen Kernen an Stelle des ursprünglichen sich findet. Dieser Kernhaufen liegt immer in dem dem oberen Ende der Eiröhre zugekehrten Theile des Eies. Die neu- entstandenen Kerne zeigen deutlich eine Membran, ein feines Chromatin- gerüst und gewöhnlich einen oder zwei Nucleolen. So sind die Ver- hältnisse bei Camponotus und einigen anderen Formieiden, bei den Myrmiciden dagegen und bei Vespa behält der ursprüngliche Kern immer eine bedeutendere Grösse als die neuentstandenen. Nach den Beobachtungen von Fol und Dalbiani lag es nahe, auch die bei den Ameisen beobachteten Vorgänge mit der Entstehung des Epithels der Eifollikel in Zusammenhang zu bringen. Dieser Zu- sammenhang existirt hier jedoch keineswegs; denn erstens zeigen die Eifollikel schon sehr frühe ein wohlausgebildetes Epithel und zweitens lassen sich die Kerne mit Leichtigkeit noch in den Eiern nachweisen, die schon ein ‘Chorion besitzen, so dass an ein nachträgliches Aus- treten zur Bildung von Epithelzellen nicht zn denken ist. An dem oberen Ende des Eies ist das Chorion noch nicht geschlossen und durch diese Oeffnung dringt ein Protoplasmafortsatz des Eies zwischen de Ueber eine Metamorphose der Kerne in den Ovarialeiern ete. 945 \ die hinteren Zellen des zugehörigen Dotterfaches ein. Im weiteren _ Verlauf der Reifung des Eies breiten sich bei Camponotus die kleinen Kerne über die ganze Oberfläche des Eies aus, bei anderen Arten, 2. B. Formica fusca, Myrmica, Vespa, bleiben sie auf den vordersten Theil des Eies beschränkt. Ueber das endliche Schicksal dieser Kerne bin ich bis jetzt noch zu keinem vollständig sicheren Resultat gekommen. Sie gehen, wie es scheint, allmählich zu Grunde, ohne irgend einem später in dem reifen Ei sich findenden Gebilde den Ursprung zu geben. Den Dotter- körnchen dürften sie in unserem Fall wohl kaum den Ursprung geben. Ich sah diese immer zuerst in grösserer Menge im hinteren Theile des Eies auftreten als ganz kleine Körnchen, die allmählich an Grösse zunehmen. Es ist mir gelungen, durch eine combinirte Färbungs- methode die Dotterkörnchen besonders deutlich hervorzuheben, und konnte ich mich auch an solchen Präparaten nicht von dem Zusammen- hang zwischen den Kernen und den Dotterelementen überzeugen. Auch bei Spinneneiern, wo ich diese Verhältnisse genauer untersuchte, konnte ich bis jetzt nichts von einem derartigen Zusammenhange finden. Bei gefärbten Präparaten bemerkt man ferner, dass der central gelegene Kern des Kernhaufens sich vor den anderen durch ein viel dichteres, sich intensiv färbendes Chromatingerüst auszeichnet, und dieser Kern, der jedenfalls dem Reste des ursprünglichen. Eikernes entspricht, ist in dem vollständig reifen Ei allen noch nach- weisbar. Bevor ich auf die weiteren Metamorphosen desselben beim Beginn - der Entwicklung eingehe, sei es mir noch gestattet, -einiges über eine merkwürdige, besonders in den Eiern von Camponotus ligniperda sich findende Protoplasmastructur zu sagen. In den Eiern, die sich un- gefähr in der Mitte der Eiröhre finden, bemerkt man eine sehr auf- fallende faserige Differenzirung des Eiplasmas, welche man am besten mit dem Aussehen eines vielfach durcheinander geschlungenen Fadenbündels vergleichen kann. Zerdrückt man ein derartiges Ei, so ergibt sich, dass diese Structur bedingt wird durch eine ungeheure Menge kleiner 0,012 mm langer Stäbchen, welche in regelmässiger Weise angeordnet 346 F. Blochmann: sind. Auch bei anderen Ameisen, z. B. Formica fusca, findet sich Aehn- i liches, nur nicht in dieser auffallenden Deutlichkeit wie bei Camponotus, ; indem die Plasmastäbchen viel kleiner und nicht so regelmässig an- geordnet sind. Bei der beginnenden Dotterbildung verschwindet all- mählich die erwähnte Structur. Wie oben bemerkt, lässt sich in den fast reifen Eiern der Ameisen etc. nur noch ein am oberen Ende, dem animalen Pol, gelegener Kern nachweisen, von welchem dann die Entwicklung ihren Ausgang nimmt. In den ganz reifen Eiern nämlich zeigt dieser Kern nicht mehr die gewöhnliche Structur rahender Kerne, sondern er hat eine Kernspindel formirt, welche in einem von der oberflächlichen, von Dotter freien Protoplasmaschicht gegen das Eiinnere sich erstreckenden Fortsatze liegt. Sehr häufig gelingt es neben diesem einen den umgewandelten Eikern enthaltenden Fortsatze noch einen anderen aufzufinden, welcher einen sich intensiv tingirenden länglichen Kern enthält, ohne Zweifel den Kopf des eingedrungenen Spermatozoons. An diesem oberen animalen Pole des Eies liegt nämlich auch die Mikropyle, auf deren Beschreibung ich jedoch hier nicht näher eingehen will. Hier weisen meine Beobachtungen noch eine Lücke auf, indem es mir bis jetzt noch nicht gelungen ist zu beobachten, was aus der ersten Kernspindel wird, die sich in jedem reifen Ei ohne Ausnahme nachweisen lässt, ob sie eventuell die Bildung von Richtungskörperchen hervorruft oder nicht. Ferner konnte ich die Conjugation des Eikerns mit dem Spermakern noch nieht direct beobachten. Dagegen habe ich wieder die ersten Theilungsstadien des aus der Verschmelzung beider Kerne resultirenden Furchungskernes - verfolgen können. Man findet bei jüngeren Eiern an der dem animalen Pole genäherten Seite zuerst zwei, dann vier Kerne und so fort, welche in der gleichen Weise, wie es Dobrets/.y für Schmetter- lingseier beschreibt, von einem strahligen Protoplasmahof umgeben sind und sich dann allmählich durch den ganzen Dotter zerstreuen. Jeden- falls handelt es sich bei der Vermehrung dieser Kerne immer um eine indirecte Kerntheilung, da man alle möglichen Theilungsstadien in reichlicher Zahl antrifft. Eine Anzahl dieser Kerne ordnet sich in regelmässiger Weise unter der Eioberfläche an, um je einer Blastoderm- Ueber eine Metamorphose der Kerne in den Övarialeiern etc. 947 zelle den Vorsprung zu geben, deren Abschnürung zuerst am animalen Pole beginnt. Auch über einige ältere Embryonalstadien stehen mir bereits Be- obachtungen zu Gebote, deren Auseinandersetzung ich mir jedoch auf die ausführliche Darstellung versparen muss, welche ich in Bälde fertig zu stellen hoffe. Heidelberg, den 26. Mai. 248 Horstmann: Ueber den Zusammenhang zwischen dem Wärme- werth und dem Verlauf chemischer Reactionen. Von Professor Horstmann. Die Wärmemengen, die bei chemischen Vorgängen zum Vorschein kommen, stehen ohne Zweifel in naher Beziehung zu den Verwandt- schaftskräften, die man als Ursache der chemischen Veränderungen anzusehen pflegt. Die entwickelte Wärme ist das Aequivalent der von den Verwandtschaftskräften geleisteten Arbeit. Je grösser die Wärmemenge, desto grösser diese Arbeit. Wären nun bei chemischen Veränderungen die chemischen Kräfte allein thätig, um die bestehende Ordnung der Atome und Molecule zu stören und eine neue Ordnung herbeizuführen, so müsste die Veränderung stets im Sinne der chemischen Kräfte erfolgen, wie ein schwerer Körper unter dem Ein- fluss der Schwerkraft allein sich immer nur im Sinne der Schwere, nach dem Mittelpunkt der Erde zu, bewegen kann. Die Arbeit der chemischen Kräfte müsste alsdann bei allen wirklich stattfindenden chemischen Vorgängen positiv sein; es müsste bei allen Wärme entwickelt werden. Chemische Reactionen, die Wärme absor- 3 biren, würden dagegen unmöglich sein. | Jene Voraussetzung trifft aber nach unsern heutigen Ansichten nicht zu. Die chemischen Reactionen vollziehen sich stets zwischen . warmen Körpern, und die Wärme ist nichts anderes als eine Bewegung der Atome und Molecule. Diese. Bewegung kann den Verlauf der chemischen Vorgänge entscheidend beeinflussen. Denn bewegte Atome können sich von einander entfernen, auch wenn sie sich in Folge der 4 chemischen Verwandtschaft gegenseitig anziehen, ebenso gut wie ein schwerer bewegter Körper sich bei geeigneter Richtung seiner Ge- schwindigkeit von dem Mittelpunkt der Erde entfernen kann. Wärme- absorbirende, endothermische Reactionen erscheinen darnach gleichfalls Zusammenhang zwischen d. Wärmewerth u. d. Verlauf chem. Reactionen. 949 möglich, und wo man solche Reactionen beobachtet, können dieselben ‘ durch das Eingreifen der Wärmebewegung erklärt werden. Gegenüber diesen theoretischen Betrachtungen hat nun die Er- fahrung gelehrt, dass weitaus die grösste Mehrzahl aller wirklich statt- findenden chemischen Reactionen exothermisch, d. h. unter Wärme- entwicklung verlaufen und also im Sinne der überwiegenden chemischen Verwandtschaft. Man findet überdies in sehr zahlreichen Beispielen, dass von analogen Reactionen nur diejenigen wirklich eintreten, welche Wärme entwickeln, die andern nicht, welche Wärme absorbiren würden. Die Fällung von Silber, Quecksilber, Kupfer, Blei, Thallium, Cadmium ‘aus den verdünnten Lösungen ihrer Salpetersäure-Salze durch Schwefel- wasserstöff z. B. entwickelt Wärme; die Fällung von Zink, Cobalt, Nickel, Eisen, Mangan als Schwefelmetalle unter gleichen Umständen würde dagegen Wärme absorbiren, wie man auf Umwegen leicht be- stimmen kann. Die letztgenannten Metalle werden aber aus salpeter- saurer Lösung nicht gefällt. Aus einer Acetatlösung fällt noch das Zink als Schwefelmetall, und zwar jetzt unter Wärmeentwicklung in Folge der geringeren Neutralisationswärme der Essigsäure. Durch Schwefelammonium werden alle genannten Metalle gefällt und alle unter Wärmeentwicklung. — Die Verdrängung des Jods aus seinen Verbindungen durch freies Brom und des Broms durch freies Chlor, die in den meisten Fällen bei gewöhnlicher oder höherer Temperatur möglich ist, erfolgt unter Wärmeentwicklung. Ausgenommen sind jedoch die Sauerstoffsäuren der Halogene. Chlorsäure und ihre Salze z. B. werden durch freies Jod in Jodsäure oder Jodsäuresalze ver- wandelt, und gerade in diesem Falle ist die Verdrängung des Chlors durch Jod, nicht aber der umgekehrte Vorgang, exothermisch. Auf Grund solcher Erfahrungen hat man vielfach behauptet, chemische Reactionen seien überhaupt nur unter Wärmeentwicklung möglich, und sehr zahlreiche Beispiele ähnlicher Art sind zusammengetragen worden, um diese Behauptung zu befestigen. Allein es kann dadurch doch, gewichtigen Ausnahmen gegenüber, nur bewiesen werden, dass der Eintritt exothermischer Reactionen mit viel grösserer Wahrscheinlich- keit zu erwarten ist als endothermischer. 350 Horstmann: Es kann nicht bestritten werden, dass gewisse chemische Vor- gänge thatsächlich unter Wärmeabsorption stattfinden. Seit der näheren Kenntniss der Dissociationserscheinungen bestreitet auch in der That Niemand, dass wenigstens Zersetzung chemischer Verbindungen unter Wärmeabsorption möglich sei. Die Dissociation beruht eben darauf, dass die chemischen Kräfte durch die Wirkung der Wärme unter Aufwand von Arbeit und entsprechendem Wärmeverbrauch über- wunden werden können. Aber noch immer wird sehr lebhaft die Ansicht vertheidigt, dass chem. Umsetzungen stets nur unter Wärme- entwicklung stattfinden könnten. Und mit grossem Scharfsinne hat namentlich Derthelot alle widersprechenden Thatsachen zu deuten und zu erklären versucht. Berthelot nimmt an, dass die Wärmeabsorption, welche man bei vielen Umsetzungen thatsächlich beobachtet, entweder von einer Dissociation eines der betheiligten Stoffe vor oder nach der eigent- lichen Umsetzung herrühre, oder von einer Aenderung des physi- kalischen Zustandes der betheiligten Stoffe gleichzeitig mit der Reaction, während die chemische Umsetzung selbst stets unter Wärme- entwicklung stattfinde. Ueber den ersten Theil dieser Annahme lässt sich nicht viel streiten. Man muss zugestehen, dass wir von dem Mechanismus chemischer Reactionen wenig genug wissen, und dass wohl manche Reactionen durch complicirte Vorgänge, durch eine Reihe aufeinander folgender oder gleichzeitiger Zersetzungen und Umsetzungen zu Stande kommen mögen, wo wir nur eine einfache Umsetzung sehen. In welcher Phase Wärmeabsorption, in welcher Wärmeentwicklung ein- tritt, bleibt alsdann schwer zu entscheiden; aber Berthelot konnte doch für seine Ansicht manche gewichtige Wahrscheinlichkeitsgründe geltend machen. — Anders liegt die Frage, ob die beobachtete Wärme- absorption in gewissen Fällen auf physikalische Veränderungen zurück- geführt werden dürfe, die von dem chemischen Vorgang unabhängig sich gleichzeitig mit demselben vollziehen. Der Uebergang aus dem festen in den flüssigen Zustand durch Schmelzen oder Auflösen er- fordert in der Regel Verbrauch von Wärme, und wenn ein solcher Uebergang gleichzeitig mit einer chemischen Reaction eintritt, so kann Zusammenhang zwischen d. Wärmewerth u. d. Verlauf chem. Reactoinen. 951 der ganze Vorgang endothermisch erscheinen, obgleich die Reactions- wärme allein positiv ist. Die Wirkung der Kältemischungen und über- haupt starke Abkühlung durch chemische Vorgänge scheint in der Regel durch solche Aenderungen des physikalischen Zustandes neben . eigentlich chemischen Reactionen bedingt zu sein. Reibt man z. B. Glaubersalz Na,S0, + 10H,;,0 mit krystallisirtem Chlorbarium BaCl, + 2H,O zusammen, so verflüssigt sich das Gemisch unter starker Ab- kühlung, indem sich Baryumsulfat und. Chlornatrium bilden, welch’ letzteres sich zum Theil in dem abgeschiedenen flüssigen Krystallwasser auflöst. Der ganze Vorgang absorbirt 16,1 Cal. Man berechnet aber, dass die chemische Umsetzung zwischen den wasserfreien trockenen Salzen allein 9,9 Cal. entwickeln würde. Die Wärmeabsorption wird also lediglich durch die Lostrennung und Verflüssigung des Krystall- wassers und die Auflösung des Chlornatriums bedingt. — Das in Wasser unlösliche Silberacetat löst sich in verdünnter Salpetersäure, indem die Essigsäure durch Salpetersäure verdrängt wird. Die Reaction absorbirt 3,5 Cal. Aber es scheint der Wärmeverbrauch nur davon herzurühren, dass ein fester Körper, das Silberacetat, in einen flüssigen, das gelöste Silbernitrat, verwandelt wird. Die Lösungswärme des Silbernitrates beträgt nämlich — 5,4 Cal. Denkt man sich das Silbernitrat am Ende der Reaction in demselben festen Aggregat- zustande wie am Anfang das Silberacetat, so wird die Reactionswärme positiv (— 3,5 + 5,4 = + 1,9 Cal.). — Trägt man also dem Wechsel des Aggregatzustandes Rechnung, so verschwindet bei einer Reihe von Reactionen die Wärmeabsorption, die nach Berthelots Ansicht bei einfachen Umsetzungen überhaupt nicht möglich ist. Aber allerdings gilt das Gleiche nicht in allen ähnlichen Fällen. Calciumoxalat z. B. wird gleichfalls durch verdünnte Salpetersäure im Ueberschuss unter ziemlich bedeutender Wärmeabsorption gelöst, aber die Reactionswärme bliebe auch negativ, wenn das unlösliche Oxalat in festes Caleium- nitrat verwandelt würde. 353 Horstmann: Nun kommt bei allen Reactionen, bei welchen gelöste Stoffe be- theiligt sind, noch weiter der Umstand in Betracht, dass die Lösungs- wärme der Stoffe, die vor und nach der Reaction vorhanden sind, sehr ungleich gross sein kann. Wenn aber durch eine Reaction ein Stoff mit grosser Lösungswärme aus der Lösung herausgenommen und. ein anderer mit kleiner Lösungswärme dafür erzeugt und in die Lösung gebracht wird, so kann dadurch wieder der Wärmewerth des gesammten Vorganges negativ erscheinen, während die Reactionswärme an sich positiv ist. So scheint es in dem zuletzt betrachteten Beispiele der Fall zu sein. Es wird durch die Reaction Salpetersäure aus der Lösung entfernt, wozu eine beträchtliche Wärmemenge verbraucht werden muss; denn die Salpetersäure löst sich unter starker Erwärmung in Wasser. Dafür wird eine äquivalente Menge Oxalsäure in die Lösung gebracht, wodurch noch mehr Wärme absorbirt wird; denn die Oxalsäure löst sich unter Wärmeabsorption. Berechnet man danach den Wärmewerth der Umsetzung von festem Calciumoxalat mit fester Salpetersäure zu fester Oxalsäure und festem Nitrat, so findet man denselben positiv; es würden 4,4 Cal. entwickelt, während bei dem ganzen in Gegenwart von Wasser wirklich stattfindenden Vorgange 8,7 Cal. absorbirt werden. Auf dem angedeuteten Wege kann man in ferneren zahlreichen Fällen die thatsächlich vorhandene Wärmeabsorption von der chemischen Umsetzung selbst abwälzen. Aber es fragt sich doch, ob es erlaubt ist, in allen solchen Fällen von der Mitwirkung des Lösungsmittels gänzlich abzusehen, und der Bejahung dieser Frage stellen sich nach | meiner Ansicht sehr bedeutende Schwierigkeiten entgegen. Zunächst “ wird man thatsächlich auf Widersprüche geführt, wenn man versucht, consequent bei allen analogen Reactionen das Lösungsmittel ausser Acht zu lassen. Man vergleiche z. B. die folgenden beiden völlig ent- sprechenden Umsetzungen: Fluornatrium in wässriger Lösung mit 4 Chlorwasserstoff versetzt, verwandelt sich in Chlornatrium und freie Fluorwasserstoffsäure. Die Umsetzung in der Lösung verräth sich durch eine ziemlich starke Wärmeabsorption, die sie begleitet. In ent- ® sprechender Weise wird Quecksilberchlorid in wässriger Lösung durch 3 - Zusammenhang zwischen d. Wärmewerth u. d. Verlauf chem. Reactionen. 953 Cyanwasserstoff zersetzt, aber unter Wärmeentwicklung. Nun könnte in dem ersten Falle die Wärmeabsorption auf Rechnung physikalischer Veränderungen der gelösten Stoffe, die sich unabhängig von der chemischen Reaction vollziehen, gesetzt werden. Die Lostrennung des Flurornatriums und der Chlorwasserstoffsäure aus der Lösung erfordert bedeutend grösseren Aufwand von Wärme als durch die Lösung der Reactionsproducte, des Chlornatriums und der Fluorwasserstoffsäure, geliefert werden kann und dieselbe Umsetzung würde sich zwischen trockenem Fluornatrium und gasförmigem Chlorwasserstoff unter Wärme- entwicklung vollziehen. Lässt man aber consequenter Weise das Lösungsmittel auch in dem anderen analogen Beispiel ausser Acht, so findet man, dass der ursprünglich positive Wärmewerth negativ wird. Die Umsetzung zwischen trockenem Quecksilberchlorid und gas- förmiger Cyanwasserstoffsäure würde Wärme absorbiren. Man erreicht also in diesem Falle das Gegentheil von dem, was beabsichtigt worden, und doch ist kein Grund ersichtlich, der die eine Reaction von anderem Gesichtspunkt zu urtheilen gestattete als die andere. Es erscheint danach mindestens zweifelhaft, ob der Verlauf der Reactionen wirklich zu dem Wärmewerth derselben in nähere Beziehung gebracht wird, dadurch, dass man denselben auf die von dem Lösungsmittel getrennten Stoffe bezogen denkt. | Weiter ist aber zu beachten, dass durch die Gegenwart des Lösungs- mittels nicht nur der Wärmewerth, sondern auch der Verlauf chemischer Reactionen selbst abgeändert werden kann. Wir wissen in der That, dass das Lösungswasser auf die gelösten Stoffe öfter chemisch einwirkt, indem es sich mit demselben nach festen Verhältnissen verbindet oder auch dieselben sonst verändert. Daraus kann schon geschlossen werden, dass gelöste Stoffe unter Umständen andere Reactionen eingehen als feste, und die Erfahrung bestätigt dies in ausgedehntem Maasse. Die zuletzt betrachtete Reaction z. B. kehrt sich um, wenn kein Wasser zugegen ist. Trockenes Quecksilbereyanid und gasförmiger Chlorwasser- stoff geben Quecksilberchlorid und Cyanwasserstoff. Ebenso sieht man Quecksilbersulfid und Chlorwasserstoffgas zu Chlorid und Schwefel- wasserstoffgas sich umsetzen, während doch in wässriger Lösung Queck- 254 Horstmann: silberchlorid durch Schwefelwasserstoff als Sulfid gefällt wird. Aehnliche i Fälle von Umkehrung chemischer Reaction durch die Gegenwart eines Lösungsmittels kennt man noch ziemlich viele, und man hat mit grossem Nachdruck hervorgehoben, dass durch die veränderten Umstände zu- gleich mit dem Verlauf der Reaction das Vorzeichen ihres Wärme- werthes sich verkehre, so dass beide entgegengesetzte Reactionen unter Wärmeentwicklung stattfinden. Man hat darin eine. gewichtige Stütze der Ansicht gesehen, dass überhaupt nur exothermische Reactionen möglich seien, obgleich man andererseits zur Befestigung derselben An- sicht genöthigt war, von der Betheiligung des Lösungsmittels gänzlich abzusehen. In der That erscheint nun der Verlauf der Reactionen, die durch die Gegenwart von Wasser als Lösungsmittel umgekehrt werden, in vielen Fällen durch das positive Vorzeichen des Wärmewerthes be- stimmt. Die Umsetzung des trockenen Quecksilbersulfides mit Chlor- wasserstoff z. B. erfolgt unter Wärmeentwicklung, und die umgekehrte Reaction in wässriger Lösung zwischen Quecksilberchlorid und Schwefel- wasserstoff ist gleichfalls exothermisch. Allein die nähere Betrachtung derartiger Vorgänge lehrt, dass jener Zusammenhang nicht ohne Be- schränkung besteht; dieselben dürfen nicht immer, wie ich glaube, zu Gunsten der Berthelot’schen Ansicht gedeutet werden. Für ein Beispiel, auf welches man besonderen Werth gelegt hat, sind aus- reichende Beobachtungen vorhanden, um die nähere Betrachtung durch- führen zu können, für die Wechselwirkung zwischen Jod und Schwefel- wasserstoff und zwischen Jodwasserstoff und Schwefel. Jodwasserstoff EB wird nach einer bekannten Methode dargestellt, indem man Schwefe- wasserstoff auf Jod einwirken lässt. Die Umsetzung zu Jodwasserstoff und Schwefel erfolgt jedoch nur in Gegenwart von Wasser, welches den Jodwasserstoff auflösen kann. Die grosse Lösungswärme des Jod- wasserstoffs macht den ganzen Vorgang exothermisch. Die Umsetzung zwischen Jod und Schwefelwasserstoff bei Ausschluss von Wasser würde 5 Wärme absorbiren, und dieser Umstand wird bereits in allen Lehrbüchern als Grund angegeben, dass die Umsetzung nur in Lösung erfolgt. Nun ist aber die Reaction auch in Gegenwart von Wasser begrenzt; sie Zusammenhang zwischen d. Wärmewerth u, d. Verlauf chem. Reactionen. 955 geht nur solange voran, bis die gebildete Jodwasserstofflösung eine gewisse Concentration erreicht hat; sie beginnt immer wieder, wenn neue Mengen Wasser zugesetzt werden und hört immer wieder auf, wenn auch dieses Wasser zu demselben Grade gesättigt ist. Die con- centrirteste Jodwasserstofflösung, die man bei Ueberschuss von Jod und Schwefelwasserstoff erhalten kann, besitzt das specifische Gewicht 1,56 und enthält danach etwa 13 JH auf 100 H,O. — Diese Er- scheinung hat Naumann zu erklären versucht durch den Hinweis auf die mit steigender Concentration abnehmende Lösungswärme der Jodwasser- stoffsäure. Die Umsetzung nach der Gleichung H,S+J,=2JH +8 entwickelt nämlich bei Gegenwart von Wasser 17,0 Cal.; die Ab- sorption des gebildeten Jodwasserstoffs allein entwickelt aber schon 2 = 19,2 = 38,4 Cal. Die übrigen Vorgänge zusammen absorbiren demnach 21,4 Cal. Wenn also die Lösungswärme der Jodwasser- stoffsäure kleiner würde als 10,7 Cal. für 1 JH. so müsste der Wärme- werth der gesammten Reaction negativ werden. Naumann hat be- hauptet, dass dies in dem Momente eintrete, in welchem eben die Reaction aufhört. Er sieht darin eine neue bemerkenswerthe Be- stätigung der Ansicht, dass endothermische Umsetzungen nicht möglich seien. Nun lässt sich aber jene Behauptung an dem vorhandenen Beobachtungsmaterial viel eingehender prüfen, als es von Naumann geschehen ist, und dabei zeigt sich, dass dieseibe nicht aufrecht erhalten werden kann. Die Lösungswärme der Jodwasserstoffsäure ist in der That beträchtlich kleiner als 19,2 Cal. pro Mol. Gew., wenn man nicht einen grossen Ueberschuss von Wasser anwendet. Aber selbst die Entstehung einer sehr concentrirten Jodwasserstoffsäure, die etwa 35 JH auf 100 H,O enthält, entwickelt noch immer etwa 13 Cal. im Durchschnitt pro Mol. JH, d.i. hinreichend viel, um den Wärmewerth des betrachteten Vorganges positiv zu machen. Der Vorgang ist nun freilich in Wirklichkeit so, dass jedes neugebildete Mol. Gew. JH von einer Lösung aufgenommen wird, die bereits steigende Mengen Jod- wasserstoff gelöst enthält, und um streng zu rechnen, muss man zu- nächst bestimmen, wie gross die Lösungswärme des Jodwasserstoffs in Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. III. 17 ® 956 Horstmann: seinen Lösungen bei verschiedener Concentration ist. Dies ist nach den vorhandenen Beobachtungen möglich. Die Wärmemenge Q, welche durch die Auflösung von einem Mol. Gew. JH in nH,O nach den Unter- suchungen von J. Thomsen entwickelt wird, kann mit hinreichender Annäherung durch die Formel dargestellt werden: n | n—1,76° Die Auflösung von x JH in 100 H,O entwickelt demnach R=xQ Wärmeeinheiten, wenn man x = 100: n setzt, und der Differential- Q = 22,40 — 3,15 dx einer Lösung, die auf 100 H,O bereits x JH enthält. Die numerische Rechnung ergibt folgende Werthe: SON s quotient -— — stellt die gesuchte Lösurgswärme dar von einem JH in x (JH, 100 H,O + x JH) 19,18 Cal. Pr) 19.1300. 10 18:07, 15 17,98. 7, 20 17,02 Da 15,68 „ 30 ER REE 33,3 11.928 7 35 9,69, 4 Man ersieht aus diesen Zahlen, dass die Lösungswärme des Jod- wasserstoffs noch hinreicht, den untersuchten Vorgang exothermisch zu machen, wenn die bereits vorhandene Lösung selbst mehr als 33 JH auf, 100 H,O enthält. Nur in der concentrirtesten der untersuchten Lösungen würde die Auflösung weiterer Jodwasserstoffmengen weniger als 10,7 Cal. hervorbringen. Bei derjenigen Concentration aber, bei welcher die Reaction in Wirklichkeit aufhört, könnte mindestens noch einmal soviel Jodwasserstoff unter Wärmeentwicklung gebildet und auf- gelöst werden, als die Lösung schon enthält. Das Ende der Reaction fällt also keineswegs auf den Moment, wo bei weiterem Fortschreiten der Wärmewerth des Vorganges in Folge der kleiner werdenden Lösungs- ® B Zusammenhang zwischen d. Wärmewerth u. d. Verlauf chem. Reactionen. 957 wärme des Jodwasserstoffs negativ werden würde. Aber noch mehr! Man weiss, dass die Reaction zwischen Jod und Schwefelwasserstoff nicht nur aufhört, wenn die Concentration der entstehenden Jodwasser- stofflösung eine gewisse Grenze erreicht, sondern auch, dass sich die Reaction umkehrt, wenn man die Concentration über jene Grenze hinaus steigert. Jodwasserstoff in concentrirter Lösung setzt sich mit Schwefel zu Jod und Schwefelwasserstoff um, wie es auch gasförmiger Jodwasserstoff thut. Während aber diese Reaction mit dem gasförmigen Jodwasserstoff bei Ausschluss von Wasser Wärme entwickelt, ver- langt dieselbe bei Gegenwart von Wasser Wärmeabsorption, wenn nicht die allerconcentrirtesten Lösungen angewendet werden. Man beobachtet z. B. schon deutlich eine langsame Umsetzung zwischen Schwefel und Jodwasserstoff an dem Geruch des gebildeten Schwefelwasserstoffs in der Jodwasserstofflösung mit dem spec. Gewicht 1,67, die unter ge- wöhnlichem Luftdruck bei 127° mit unveränderter Zusammensetzung destillirt und etwa 20 JH auf 100 H,O enthält. Die Bildung von - einem Mol. Gew. Schwefelwasserstoff erfordert aber unter diesen Um- ständen, nach den oben angeführten Zahlen, eine Absorption von 12,6 Cal. und selbst in einer Lösung, die 30 JH auf 100 H,O ent- hält, müssten noch 5,6 Cal. absorbirt werden. Das betrachtete Beispiel lehrt also, dass der Verlauf einer Reaction der gleiche sein kann bei Ausschluss und in Gegenwart von Wasser, trotzdem die vorhandene Wassermenge ausreicht, um das Vorzeichen der gesammten Reactionswärme umzukehren, und ferner, dass der Ver- lauf der Reaction in verschieden concentrirten Lösungen sich um- kehren kann, obgleich das Vorzeichen der Reactionswärme ungeändert bleibt. Meiner Ansicht nach kann man diesen Thatsachen gegenüber nicht mehr behaupten, dass der Verlauf der Reaction durch das positive Vorzeichen des Wärmewerthes bestimmt werde, ob man diesen Wärme- werth auf die wasserfreien Stoffe oder auf die gelösten bezogen denkt. Wie die betrachtete Reaction und ähnliche andere aufzufassen sind, mag nur noch mit wenigen Worten berührt werden. Man muss sich die Umsetzung zwischen Jodwasserstoff und Schwefel an sich um- kehrbar denken. Die Wärmebewegung, welche den reagirenden Mole- 17* 358 Horstmann: Zusammenh. zwisch. d. Wärmewerth u. d. Verl. chem. React. \ cülen inne wohnt, macht es möglich, dass unter geeigneten Umständen auch Jod und Schwefelwasserstoff sich in Schwefel und Jodwasserstoff umsetzen können, obgleich dabei Wärme absorbirt wird. Die Bewegung der Molecüle hilft die stärkeren Verwandtschaftskräfte, welche dieser Umsetzung wiederstreben, überwinden. Bei Ausschluss von Wasser bringt die Reaction nur minimale Mengen ihrer Producte hervor, weil diese sogleich wieder in entgegengesetztem Sinne aufeinander einwirken. Wenn aber Wasser zugegen ist, welches den gebildeten Jodwasserstoff zu lösen und dadurch dessen Einwirkung auf den Schwefel zu hemmen vermag, so schreitet jene Umsetzung voran und zwar so lange, als die vorhandene Wassermenge hinreicht, den 'neugebildeten Jodwasserstoff noch vor der Einwirkung des Schwefels zu schützen. 259 Ueber elektrische und magnetische Druckkräfte. Von Professor @. Quincke. (Vorgetragen und durch Versuche erläutert in der Sitzung vom 2. Mai 1884.) Der eine enge verticale Schenkel einer U-förmigen Glasröhre wurde in ein starkes homogenes Magnetfeld gebracht, während der andere verticale Schenkel von 25 mm Durchmesser sich ausserhalb des Magnetfeldes befand. Das Magnetfeld lag zwischen den runden verticalen ebenen Polflächen von 24 mm Durchmesser und 3,5 mm Abstand eines ARuhmkorff’schen Elektromagneten, der durch eine Volta’sche Säule von 3 Bunsen’schen Elementen erregt wurde. Die U-förmige Glasröhre wurde so weit mit magnetischer Flüssig- keit gefüllt, dass die Kuppe im engen Schenkel in der Mitte des Magnetfeldes lag. Beim Erregen des Elektromagneten wurde dann die magnetische Flüssigkeit mit grösserer Kraft in das Magnetfeld hineingezogen als die über der Flüssigkeit befindliche Luft, und die magnetische Flüssigkeit stieg so lange, bis die Zunahme des hydro- statischen Drucks gleich dem Unterschied der magnetischen Druck- kräfte an der Grenze von Flüssigkeit und dem darüber befindlichen Gase war. Die Druckzunahme lässt sich mit einem Kathetometer-Mikroskop messen oder objectiv einer grösseren Zuhörerzahl zeigen, indem man das Glasrohr in dem magnetischen Felde stark beleuchtet und mit einer Linse ein Bild desselben auf einer weissen Papiertafel entwirft, die mit einer passenden Theilung versehen ist. Die Zunahme des Drucks ist unabhängig von der Richtung der magnetischen Kraftlinien und durch die Gleichung gegeben 260 G. Quincke: wenn man bezeichnet durch h die magnetische Steighöhe oder die Zunahme der Höhendifferenz der magnetischen Flüssigkeit in den beiden Schenkeln der U-för- migen Röhre, 6 das speeifische Gewicht der Flüssigkeit, H, die magnetische Kraft des Magnetfeldes, X, die Dimagnetisirungs-Constante der Flüssigkeit, wenn die der atmosphärischen Luft = 1 gesetzt wird. Bei diamagnetischen Flüssigkeiten sinkt die Flüssigkeitskuppe in dem engen Schenkel der U-förmigen Glasröhre beim Erregen des Elektromagneten, da dann $, kleiner ist als die Dimagnetisirungs- Constante der darüber stehenden Luft. Bei Auflösungen magnetischer Salze in diamagnetischen Flüssig- keiten, wie Wasser, nimmt die magnetische Steighöhe mit dem Salz- E gehalt zu, mit dem Wassergehalt ab. Der von dem magnetischen Salz herrührende Theil der magnetischen Steighöhe ist dann durch die Gl. gegeben wenn man bezeichnet durch G den Procentgehait der Lösung an wasserfreiem Salz, A das Aequivalentgewicht des Salzes, H, die magnetische Kraft des Magnetfeldes, die durch Inductions- ströme mit der horizontalen erdmagnetischen Kraft verglichen und gemessen wird. A ist eine Constante, die man den Atommagnetismus des be- treffenden Salzes nennen kann. Es ist die magnetische Druckkraft, gemessen durch das Gewicht von A Gramm auf 1 Quadratcentimeter, um welche das wasserfreie Salz stärker drückt als die atmosphärische Luft in einem Magnetfeld von der Kraft 1 C. G. S., wenn in 1 Cubik- E centimeter so viel Gramm Salz vertheilt sind, als die Aequivalentzahl = desselben angibt. | \ Ueber elektrische und magnetische Druckkräfte. 361 Für die verschiedenen Salze desselben Metalls, bei denen gleiche Oxydationsstufen mit verschiedenen Säuren verbunden sind, findet man nahezu denselben Atommagnetismus W. Die Eisenoxydsalze haben grösseren Atommagnetismus als die Eisenoxydulsalze; die Chromoxydsalze kleineren Atommagnetismus als die Chromoxydulsalze. Es lässt sich dies leicht zeigen, indem man eine Eisenchlorür- oder Chromchlorürlösung in der U-förmigen Glasröhre im Magnetfelde unter- sucht und dann nach Zusatz von ein wenig chlorsaurem Kali durch Erwärmen und Durchsaugen von atmosphärischer Luft die Chlorüre in Chloride überführt. Beim Fisen nimmt dann, obwohl der Quotient - nahezu ungeändert bleibt, die magnetische Steighöhe ein wenig zu, beim Chrom dagegen bedeutend ab. Bilden sich colloidale Modificationen des Eisenoxyds, so können diese das magnetische Verhalten erheblich beeinflussen. Wenn folgende Aequivalentzahlen zu Grunde gelegt wurden, u! Fe = 55,88 N = 14,01 Co = 58,60 0 — 15,96 Ni = 58,60 S = 31,98 Cu=63,18 Cl = 35,37 La = 138,5 Cr = 52,45 Ce = 141,2 Mn —= 54,80 Di= 145 so ergaben sich folgende Werthe für den Atommagnetismus: Salze Aeg. | 9% .108 a { 2.108 | | ? Manganchlorür . . | MnCk | 8328 | 100,4 0,0849 Eisenchlorid . . . | FeCls 7465 | 100 746 Eisenchlorür . . . FeCla | 6,263 83,1 754 Kobaltchlorür . . . CoCl 756%. 1. 807,2 856 Chromchlorür . . . CrOla 5,643 Chromehlorid . . . | CrCk 3310-5 |) 5, 41,9 790 Bersultät“. v4 1... 0% Ce(SOs)3/2 2,827 | 30,0 942 Nickelchlorür . . . | NiCk BOB, | 80,8 876 Didymsulfat . . . , Di(S04)3/e 2481 1: 68,8 317 Kaliumeiseneyanid . KsFeCys 1295." | 16,1 804 Kupfersulfat . . ..| CuSO4 0,811 108 | 751 Lanthansulfat . . . La(S0s)?/2 0,423 262 G. Quincke: Die Verbindungen von Chrom, Cer, Didym, Lanthan wurden dem Vortragenden von Herrn R. W. Bunsen für diese Untersuchungen gütigst zur Verfügung gestelit. Bei Mangan, Eisen, Kobalt und Nickel wurden ausser den Chlorverbindungen auch die entsprechenden Sulfate unter- sucht und sind die Mittelwerthe aller Bestimmungen unter X an- gegeben. Die mit & überschriebene Spalte enthält die von Herrn G. Wiede- mann (Poggendorff's Annalen 126, 8. 23, 1865; @. Wiedemann Electricitätslehre. 3. Aufl. III. S. 852, 1883) auf anderem Wege gefundenen relativen Werthe des Atommagnetismus. Dieselben stehen zu den von dem Vortragenden gefundenen Zahlen in dem nahezu con- stanten Verhältniss 0,08. Eine Ausnahme bildet das Didym, dessen vor längerer Zeit durch Herrn G. W’iedemann im Handel bezogenes und untersuchtes Salz vielleicht nicht ganz rein war. Wurde die U-förmige Glasröhre in einem grösseren Wasserbade im magnetischen Felde erwärmt und untersucht, so zeigte sich bei magnetischen Flüssigkeiten eine erhebliche Abnahme der magnetischen Steighöhe mit zunehmender Temperatur, während die magnetische Depression bei dem diamagnetischen Wasser ungeändert blieb. Die Abnahme erfolgte etwa in demselben Verhältniss, wie die Dichtigkeit einer Luftmasse mit steigender Temperatur abnimmt. Die Messungen der Abnahme der magnetischen Steighöhe zeigten aber bei längerem Erwärmen keine genügende Uebereinstimmung, viel- leicht desshalb, weil die Glasröhre durch die erwärmte Flüssigkeit nicht mehr gehörig benetzt wurde: Um das magnetische Verhalten des sogenannten luftleeren Raumes zu untersuchen, wurde Wasser in U-förmigen Röhren gekocht und in die oben geschlossenen Röhren so eingeschmolzen, dass über dem Wasser in beiden Schenkeln sich ein einziger in sich zusammen- hängender, mit Wasserdampf gefüllter, luftleerer Raum befand. Die magnetische Depression war nahezu dieselbe wie bei lufterfülltem Raum. Genaue Messungen wurden leider dadurch vereitelt, dass der Dampf- druck durch die strahlende Wärme der Zimmerwände wechselte und die Flüssigkeitskuppe fortwährend kleine Schwankungen zeigte. # Rt DE En OEL, Dr SE ET = en " je J b>2 a E +. . Ueber elektrische und magnetische Druckkräfte. 363 Mit denselben Apparaten wurden auch die magnetischen Druck- kräfte verschiedener Gase untersucht. Man leitet das betreffende Gas vom Gasometer durch einen horizon- talen meterlangen dünnen Kautschukschlauch und enge Glasröhren zu dem engen Schenkel der U-förmigen Glasröhre im Magnetfeld, so dass die Luftblasen durch die Flüssigkeit hindurchstreichen und durch den weiten Schenkel der U-förmigen Glasröhre entweichen. Gleichzeitig geht durch einen horizontalen meterlangen engen Seitenzweig ein Theil des Gases in die freie Atmosphäre. Beim Abschliessen des Gasometer- hahnes sind die Röhren und der enge Schenkel der U-förmigen Glas- röhre mit dem betreffenden Gase vom Druck der Atmosphäre gefüllt. Beim Erregen des Elektromagneten wird die Flüssigkeit (Steinöl oder Wasser) deprimirt und die Depression mit einem Kathetometer-Mikro- skop gemessen. Um eine grössere magnetische Verschiebung der Flüssigkeitskuppe zu erhalten, wurde häufig statt eines verticalen Schenkels der U-förmigen Glasröhre ein solcher benutzt, der gegen den Horizont um einen kleinen Winkel geneigt war. Dieser Winkel liess sich mit dem Reflexions- Goniometer bis auf Minuten genau messen, indem ein an der horizon- ‚talen Goniometer-Axe befestigter Planspiegel so lange gedreht wurde, bis er parallel einem andern an der geneigten Glasröhre mit Wachs befestigten Planspiegel stand. Das letztere liess sich leicht beurtheilen, wenn man durch ein Papierblatt mit kleiner dreieckiger Oeffnung nahezu senkrecht auf beide Spiegel blickte und die Spiegelbilder der Oeffnungs- ‚ränder zusammenfallen liess. Unter der Flüssigkeitskuppe in dem schrägen Glasrohr wurde ein rechtwinkeliges Prisma angebracht und in diesem _ mit einem horizontalen Kathetometer-Mikroskop das Bild der Flüssig- keitskuppe beobachtet. Es liess sich leicht, ohne die Flüssigkeit oder die Neigung des Glas- rohrs zu ändern, das Gas über der Flüssigkeit im Magnetfeld wechseln und die magnetische Depression bei den verschiedenen Gasen vergleichen. Dieselbe war am grössten bei Sauerstoff; dann folgten nach der Grösse der magnetischen Depression geordnet Luft, Kohlensäure, Leucht- gas, Wasserstoff. 264 G. Quincke: Bei Sauerstoff war die magnetische Depression etwa 12 Procent grösser als bei atmosphärischer Luft; bei Kohlensäure und Leuchtgas 5 Procent kleiner als bei Luft; bei Wasserstoff 8 Procent kleiner. Für die 3 ersten Gase verhalten sich die magnetischen Depressionen mit Steinöl als Manometerflüssigkeit nahezu wie die Constanten der inneren Reibung der betreffenden Gase. Wenn aber die magnetische Steighöhe wirklich proportional der inneren Reibung der Gase wäre, so müsste Wasserstoff etwa die halbe magnetische Steighöhe wie atmo- sphärische Luft unter sonst gleichen Verhältnissen zeigen, während in der That nur eine wenig kleinere magnetische Steighöhe beobachtet wird. Berücksichtigt man die vorher beschriebenen Versuche über mag- netische Steighöhen in dem sogenannten luftleeren, d. h. mit Wasser- dampf und anderen unbekannten Substanzen gefüllten Raum, so könnten freilich die in diesem enthaltenen Substanzen noch einen merklichen magnetischen Druck ausüben und die Erscheinung bei den verschiedenen Gasen wesentlich beeinflussen. Da die magnetischen Flüssigkeiten parallel und senkrecht zu den - magnetischen Kraftlinien des Magnetfeldes dieselben Druckkräfte und dieselbe magnetische Steighöhe zeigen, so dürfte in einem homogenen Magnetfeld eine an einem dünnen Faden leicht beweglich aufgehängte und mit magnetischer Flüssigkeit gefüllte Glasröhre sich nicht mit ihrer Längsrichtung parallel den magnetischen Kraftlinien stellen, sobald der : Elektromagnet erregt wird. Der Versuch bestätigte dies vollkommen, Hat man dagegen ein nicht homogenes Magnetfeld zwischen kegel- förmigen Polflächen, so dreht sich das Röhrchen mit magnetischer Flüssigkeit stets nach der kürzesten Magnetkraftlinie hin oder von F dieser fort, je nachdem die Flüssigkeit magnetisch oder diamagnetisch ist. 7 In dieser Beziehung unterscheidet sich das magnetische Ver- halten der Flüssigkeiten wesentlich von dem fester Substanzen, wie E mit der Längsrichtung parallel den Magnet-Kraftlinien stellen. Einen ähnlichen Unterschied zeigen flüssige und feste Substanzen = im elektrischen Felde. Bringt man zwischen die Condensatorplatten einer elektrischen Eisen, Nickel u. s. w., die auch in dem homogenen Magnetfeld sich “ g Ueber elektrische und magnetische Druckkräfte. 265 Wage statt Luft andere isolirende Flüssigkeiten, so findet man bei gleicher elektrischer Kraft des elektrischen Feldes die Capacität des Condensators oder die Anziehungskraft der Condensatorplatten um so grösser, je grösser die Dielektrieitätsconstante der betreffenden Flüssig- keit ist. Die Zunahme der Capacität ist zwar kleiner als die Zunahme der Anziehungskraft, aber bei Wiederholung des Versuches ergeben sich stets dieselben Zahlen für Capacität und Anziehungskraft. | Schiebt man dagegen feste isolirende Substanzen wie Glimmer, Glas, Schellack, Hartgummi, zwischen die Condensatorplatten, so nimmt bei gleichem Abstand und gleicher elektrischer Potentialdifferenz der Condensatorplatten die Capacität zu, die Anziehungskraft auch ge- wöhnlich zu, in seltenen Fällen aber auch ab. Die Capacität ist un- abhängig von der Lage der eingeschobenen Platte zwischen den Conden- satorplatten, die Anziehung dagegen abhängig von dieser Lage oder von der Entfernung zwischen fester Zwischenplatte und der zur Erde abgeleiteten Condensatorplatte. Die Anziehungskraft nimmt gewöhnlich beim Einschalten der festen Zwischenplatte um doppelt so viel zu, wie die elektrische Capacität. Bei Wiederholung des Versuchs findet man stets nahezu dieselbe Capaeität, dagegen sehr veränderliche Werthe der Anziehungskraft, . die um 100 Procent schwanken können. 266 Vereinsnachrichten. Vereinsnachrichten. Seit dem letzten Berichte verlor der Verein durch Tod sein langjähriges Mitglied Herrn Geh. Hofrath Professor Dr. Blum; ferner traten aus und zogen von Heidelberg weg die Herren Dr. Zacher, Professor Thoma und Professor Fuchs. Da- gegen wurden als Mitglieder neu aufgenommen die Herren Dr. Bänziger, Dr. Benkiser, Dr. Beselin, Dr. Breitner, Dr. Ebenau, Dr. Dilg, Dr. Fröhlich, Dr. Gehle, Dr. Hofmann, Dr. Homburger, Dr. Noll, Dr. Reichenheim, Dr. Sachs, Dr. Schapira, Prof. Scheible, Dr. Wirth und die Königl. Bibliothek zu Berlin. Wiedereingetreten sind die früheren Mitglieder Herren Professor Erb und Geh. Hof- rath Prof. Dr. Königsberger. Herr Professor Pagenstecher in Hamburg wurde zum correspondirenden Mitgliede ernannt und Herr Prof. Wilhelm Weber in Göttingen in Anerkennung seiner Ver- dienste um die Wissenschaft, namentlich durch die vor 50 Jahren gemachte Entdeckung des elektrischen Telegraphen, zum Ehrenmitgliede. Der Vorstand des Vereines besteht aus den Herren Prof. Quincke als Präsident, Professor Horstmann als Schrift- führer und Buchhändler G. Koster als Rechner, die in der Sitzung vom 2. Nov. 1883 wiedergewählt wurden. In den Sitzungen wurden folgende Vorträge gehalten: 3. Nov. 1882. Geh. Ratı Kühne über Verwendung elektrischer Beleuchtung bei anatomischen undmikroskopischen Arbeiten. Dr. Ziehl über die Mikroparasiten der Malaria und der Tuberculose mit Demonstrationen, 8. Dec. 1882. Prof. Kehrer über den bee. We „ h Ale a Y fr HR 7 = 7 ei S En 9 : De u ar A SE ENER 45 = 2 Vereinsnachrichten. 267 5. Jan. 1883. Prof. Quincke über die Beziehungen der Brechungs- exponenten und Dichtigkeit der Körper. Prof. Bernthsen über die technischen Verwendungen der Kohlensäure. 2. Febr. 1885. Dr. eh über die Einheit in der Mathe- matik und die Einheit in der Natur. Prof. Pfitzer über ein Härtung und Färbung vereinigendes Verfahren für die Untersuchung des plasmatischen Zell- leibs. 2. März 1883. Prof. Thoma über die Rückwirkung des Ver- schlusses des Ductus botalli und der Arteria umbilicalis auf die Struktur der Aortenwand. Prof. Askenasy über Zellenanordnung und Wachsthum, 4. Mai 1883. Prof. Quincke über die Eigenschaften isolirender Flüssigkeiten. 1. Juni 1883. Prof. Quincke über elektrische Doppelbrechung. Prof. Bütschly über den sog. Globigerinenschlamm der Tiefsee. 6. Juli 1883. Prof. Bernthsen über die stickstoffhaltigen Basen des Steinkohlentheers und die Synthese des Acridins. Geh. Rath Kühne über die motorischen Nervenerdigungen. Dr. Mays über Dialyse des Lakmus. 3. Aug. 1883. Hofrath Knauff über Schulbygiene. 7. Dec. 1883. Prof. Schmidt über Heizgase und Gasheizung. Dr. Mays über Nervenendigungen in Muskeln. 11. Jan. 1884. Prof. Kossmann über die auf Schmarotzer- krebsen hausenden Schmarotzerkrebse. 1. Febr. 1884. Prof. Askenasy über Nägeli’s Theorie der Abstammung. Dr. Blochmann über eine interessante Metamorphose in den Kernen der Eier der Ameisen. 7. März 1884. Prof. Quincke über magnetische Druckkräfte. 2. Mai 1884. Prof. Quincke über elektrische und magnetische Kräfte mit Demonstrationen. 2 68 Vereinsnachrichten. Für die folgenden dem Vereine seit dem letzten Berichte zugegangenen Druckschriften den Uebersendern besten Dank. Die Aufführung in dem Verzeichniss wolle man zugleich als Empfangsbescheinigung hinnehmen. Alle Zusendungen an den Verein beliebe man einfach an den naturhistorisch-medi- cinischen Verein Heidelberg zu adressiren. Heidelberg, im Mai 1884. Verzeichn. der v. Nov. 1382 bis April 1884 eingeg. Druckschriften. 269 Verzeichniss der vom November 1882 bis April 1884 eingegangenen Druckschriften. Zugleich als Empfangsbescheinigung. Amsterdam. Koningljke Akademie van Wetenschappen: Processen-Verbal 1831— 82. Verslagen en Mededelingen 17. 18. Jahrboek voor 1882. Annaberg-Buchholz. Verein für Naturkunde: Jahresbericht VI. . Augsburg. Naturhistorischer Verein: 27. Bericht 1883. Auxerre,. Societe des sciences historiques et naturelles de l’Yonne; Bulletin 36, 1. 2; 37,1. Baltimore. Johns Hopkings University: Cireulars vol. III, 27. 29. 30. Studies from the biologieal Laboratory vol. I, 2.4; II, 2.3.4; IIL 1. Berlin. Deutsche geologische Gesellschaft: Zeitschrift XXXIV, 3. 4. — Gesellschaft naturforschender Freunde: Sitzungsberichte 1882. 1883. — Physiolog. Gesellschaft: Verhandlungen VIII; IX, 2. 3. 6.7. 93—11. Bern. Naturforschende Gesellschaft: Mittheilungen 1832, 1. 2; 1883, 1. _ — Allgemeine schweizerische Gesellschaft für die gesammte Naturwissen- schaft: Verhandl. in Linthal, 1882. Bistritz. Gewerbeschule: Jahresbericht IX. Bologna. Accademia delle Scienze dell’ Instituto: Memorie III, 1—4, Bonn. Naturhistorischer Verein für die preussischen Rheinlande und Westfalen: Verhandlungen VIII, 2 und Suppl.; IX, 1. 2; X. 1. — Niederrheinische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde: Sitzungs- berichte 1882. Bordeaux. Soci6t& des sciences physiques et naturelles: M&moires IV, 3; 1.2, 970 Verzeichn. der v. Nov. 1882 bis April 1884 eingeg. Druckschriften. Boston. American Academy of arts and sciences: Proceedings X, — Society of natural history: Memoirs III, 1—7. Proceedings XX, 4; XXI, 1—4; XXI, 1. Bremen. Naturwissenschaftlicher Verein: Verhandlungen VIII, 1. Breslau. Schlesische Gesellschaft für 'vaterländische Cultur:. Jahres- bericht für 1882. Brünn. Naturforschender Verein: Verhandlungen 20. 21. Brüssel. Acadömie royale de medecine de Belgique: Bulletin 1—5. Annuaire 1882/83. — Soeiete entomologique de Belgique: Bulletin 1883. Annales XXIV. XXV. — Soeiete malacologique de Belgique: Annales XIV. XVI. XVII Proces verb. 1882 p. 41 bis Ende; 1883 p. 1—108. Chemnitz. Naturwissenschaftliche Gesellschaft: Bericht VIII. Cherbourg. Societe nationale des seiences nat. et math.: Memoires XXILH. Christiania. Königl. Gesellschaft der Wissenschaften: Den norske Nordhovs-Expedition VIII. IX. X. Chur, Naturforschende Gesellschaft von Graubünden: Jahresbericht XXVI Colmar: Naturwissenschaftliche Gesellschaft: Bulletin 22. 23. Danzig. Naturforschende Gesellschaft: Schriften V, 4. Darmstadt. Verein für Erdkunde und verwandte Wissenschaften: Notizblatt IV. 3. Davenport. D. Akademy of natural seiences: Proc. III, 1. 2, Dorpat. Naturforschende Gesellschaft: Sitzungsberichte VI, 2. Archiv für Naturkunde von Liv-, Esth- u. Kurland VIII, 4; IX, 1. 2. Dresden. Gesellschaft für Natur- und Heilkunde: Jahresber. 1882/83. — Naturwissenschaftliche Gesellschaft „Isis“: Sitzungsberichte und Abh, Juli — Dee. 1882; Jan. — Dec. 1883. seen AD Er ne. BE 2 Eee FE VE Bag Tr Fur ie “u ra 8 = Verzeichn. der v. Nov. 1882 bis April 1884 eingeg. Druckschriften. 271 - Dublin. Royal Dublin Society: Transactions vol. I, 15—19; II, 2, Proceedings vol. III, 5. Dürkheim a. d. H. Naturwissenschaftlicher Verein „Pollichia“: Jahresber. 40—42, Emden. Naturforschende Gesellschaft: Jahresber, 67. Erlangen. Physikalisch-medieinische Societät: Sitzungsbericht 14. 15. Florenz. Societä entomologica italiana: Bulletin XV, 2, 3. — Nuovo Giornale botanico italiano: XV, 1—4; XVI, 1. u. 2, Frankfurt a. M. Physikalischer Verein: Jahresber. 1881/82. — Senkenbergische naturforschende Gesellschaft: Jahresber, 1881/82. 1882/83. Abhandlungen XIII, 1—3. — Aerztlicher Verein: Jahresbericht über die Verwaltung des Medieinal- wesens etc, 1882. XXVI. Frauenfeld. Thurgauische naturforschende Gesellschaft: Mitth. VI. Freiburg i. B. Naturforschende Gesellschaft: Festschrift 1883. Fulda. Verein für Naturkunde: Bericht VII. Genf. Institut national genevois: Bulletin XXVI. Genua, Societä seientifiche di letture e conversazione: Giornale MUNSR VI, 4. 11. 12; VIL 1—12; VII, 1—4. Glasgow. Natural history society: Proceedings II, 1. 2; II, 1. 3; a a Giessen, ÖOberhessische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde: Bericht, Jubelband, XXII. Götheborg. Königl. Gesellschaft der Wissenschaften: XVII Häftet. Göttingen. Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften; Nachrichten 1882.1883. Graz. Naturwissenschaftlicher Verein für Steyermark: Mittheilungen 1882. — Verein für Aerzte in Steiermark: Mittheilungen 19. 1882. Greifswald. Naturwissenschaftlicher Verein für Neuvorpommern und Rügen: Mittheilungen, Jahrgang 14. — Geographische Gesellschaft: Jahresber. I. Groningen. Natuurkundig Genootschap: Verslag 1882, Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. III. 18 272 Verzeichn. der v. Nov. 1882 bis April 1884 eingeg. Druckschriften. Güstrow. Naturwissenschaftlicher Verein in Mecklenburg: Archiv der Freunde der Naturgesch. in Mecklenburg 36. 37. Halle a. S. Leopoldina XVII, 18—24; XIX, 1—20; XX, 1—6. — Naturforschende Gesellschaft: Sitzungsber. 1882. — Zeitschrift für die Naturwissenschaften I; II, 1—6. — Verein für Erdkunde: Mittheilungen 1882/83. Hamburg-Altona. Naturwissenschaftlicher Verein: Abhandlungen VII, 2; Verhandlungen 1881. Hamburg. Deutsche Seewarte: Witterungsübersicht für 1882 Mai bis Dec.; 1883 Jan. bis Aug.; Jahresübersicht für 1882. Hanau. Wetterauer Gesellschaft für die gesammte Naturkunde: Bericht für 1879/83. Hannover. Naturhistorische Gesellschaft: Jahresber. 31. 32, Harlem. Societe hollandaise des sciences exactes et natur.: Archive neerlandaise XVIIL, 3—5; XVIL, 1. Programm pour 1882, — Fondation P. Teyler van der Hulst: Archiv Ser. II, 1881, 3. Innsbruck. Naturwissenschaftlich-mediein. Verein: Berichte XII. XII. Karlsruhe. Naturwissenschaftlicher Verein: Verhandlungen Heft IX. Kiel. Naturwissenschaftl. Verein für Schleswig-Holstein: Schriften V, 1. Königsberg. Physikalisch-ökonomische Gesellschaft: Schriften Jahr- sang 23, 1. 2. Lausanne. Societe vaudoise des sciences naturelles:: XVIII. XIX. Leipzig. Königl. sächsische Gesellschaft der Wissenschaften: Bericht über die Verh. der math.-phys. Klasse 1882. — Naturforschende Gesellschaft: Sitzungsber. IX, 1882, Linz. Verein für Naturkunde in Oesterreich ob der Enns: Jahres- bericht XXI, XXIII. London. Royal mieroscopical Society: Journal H, 6; III, 1—6. — Royal Society: Proceedings XXXIV. XXXV. Luxemburg. Institut Grand Ducal: Section des Sciences nat. et math. XIX. — Societ® de Botanique du Grand-Duch® de L.: Recueil VI—VIIL, h ? Verzeichn. der v. Nov. 1882 bis April 1884 eingeg. Druckschriften. 273 Luxemburg. Soci6t& des sciences medicales du Grand-Duche: Bull. 1882, Lyon. Soeiete d’agrieulture, hist, nat. et arts utiles: Annales IV, 1881. Madison, U. A. Wisconsin Academy of Sciences, Arts and Letters: Transactions V, 1877 —81. 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Physikalisch-medieinische Gesellschaft: Sitzungsber. 1882. 1883, Verhandlungen. XVII. Zwickau. Verein für Naturkunde: Jahresber. 1882. J. R. A. Newlands, the periodie Law. 18 +* Ueber Form, Structur und Entwicklung der motorischen Nervenendigung. Von W. Kühne. Von allen in Vorschlag gebrachten Vergoldungsmethoden habe ich die von Golgi!) angegebene Combination der Arsensäure mit Gold- salzen am geeignetsten zur Belehrung über die Form und Structur der motorischen Nervenendigung gefunden. Die Methode schliesst sich dem ältesten Cohnheim’schen Verfahren an, da kein Reductionsmittel zugesetzt, sondern die Ausscheidung des Goldes dem Lichte überlassen - wird, nachdem man die in Arsensäure von !/,°/, vorgesäuerten Muskel- streifehen mit Goldchloridchlorkalium getränkt und in Arsensäure von 1 °/, gelegt hat. Es scheint dabei aber etwas Reduecirendes zu entstehen, denn die Färbung erfolgt auch, obschon langsamer, im Dunkeln und in ganz anderer Weise als an Muskeln, die mit Salzsäure oder mit Essigsäure behandelt worden. Gute Präparate werden jedoch nur bei möglichst schneller Reduction in direktem Sonnenlichte erhalten. 1 Die Vorzüge der Methode haben mich veranlasst die in Bd. III, 8. 97, 212, 223 u. 238 dieser Verhandlungen mitgetheilten Unter- h suchungen damit zum grossen Theile zu wiederholen und zu erweitern, namentlich indem ich dieselben auf die Muskeln der Vögel und auf embryonales Material ausdehnte. Bei späterer Gelegenheit hoffe ich über die Nervenendigung bei den Knochenfischen und bei einigen Wirbellosen, wo die Goldmethoden bisher sämmtlich versagten, Mit- 1) Mem. d. R. Accad. d. Sc, d. Torino XXXII. Ser. II. 1880, Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. III. 19 278 W. Kühne: theilung machen zu können, da das Verfahren auch an diesen Ob- jecten Aufschlüsse verspricht. Form der Endgeweihe. Bei den Säugern (Kaninchen, Hund, Katze, Maus, Ratte, Meer- schweinchen, Igel) wird das Endgeweih gewöhnlich in toto gefärbt, ohne Sonderung des Axialbaumes vom Stroma; das tiefrothe Geweih auf fast ungefärbter Unterlage, erscheint darum ausserordentlich dickästig und mit breiten Lappen ausgestattet, also nahezu über- einstimmend mit dem Ueberlebenszustande. Bezüglich der Verästelungs- formen habe ich den früheren Beschreibungen kaum anderes hinzu- zufügen, als dass ich dieselben jetzt an einer viel grösseren Zahl von Fasern der verschiedensten Muskeln und von zahlreicheren Arten der Classe bestätigt fand und nur als besonderen Gewinn hervorzuheben, dass es nunmehr ein Leichtes ist, die einfachste Form der Nerven- endigung, die ich für die gekrümmten Verästelungen vor einigen Jahren voraussagen durfte, in fast beliebiger Menge zur Anschauung zu bringen. Es sind dies die Endigungen in Gestalt eines einfachen Hakens, deren oft Dutzende in einem Präparate anzutreffen sind. Die Haken bestehen ausnahmslos aus einem kurzen und aus einem langen Bogen, welche von der Eintrittsstelle der markhaltigen Nervenfaser ausgehen, wie die Bügel eines Uhrhakens mit Selbstverschluss von dessen Hand- griffe. Die stets unsymmetrisch liegende Lücke der Haken ist von verschiedener Grösse, oft aber nur scheinbar sehr gering, weil die Bügelenden wie an einem nach der Fläche verbogenen Haken nicht in einer Ebene, sondern der eine in der Wölbung, der andere in der Basis des Nervenhügels liegen. Demselben Umstande ist es zuzu- schreiben, dass statt der Haken nicht selten vollkommene Ringe oder geschlossene Kränze zu sehen sind, also die verhassteste Paradoxie der «Nervenendschlingen» in optima forma, und es möchte schwer halten von allen derartigen, in untadelhafter Klarheit vorkommenden Bildern den Beweis ihrer Entstehung aus übereinanderliegenden Hakenschenkeln zu führen, obschon man in vielen Fällen durch Einstellungsversuche, Umwälzen der Muskelfaser, Quetschen und Auswalzen des. Objectes Ueber Form, Structur u. Entwicklung d. motorischen Nervenendigung. 279 oder durch die keulenförmige Gestalt der sich überschneidenden Haken- enden die Ueberzeugung gewinnt, dass der Ring nichts als eine Pseudo- anastomose ist. Ueberdies liess mich die Golgesche Methode auf Querschnitte der Säugermuskeln angewendet, wobei ich ihr wieder einen Fortschritt gegen die frühere Erkenntniss (vergl. dse. Verhandl. III. S. 242) zu danken hatte, über diesen Punkt nicht mehr zweifeln. Somit ist also das Schema der einfachsten motorischen Nervenendigung keine Hypothese mehr, sondern thatsächlich und keineswegs ausnahms- weise in der Natur vorhanden. Unter den Vögeln wurden die Brust- und Extremitätenmuskeln von der Krähe, Elster, dem Bussard, der Taube, dem Huhn, Canarien- vogel, Sperling, Zeisig und von der Thurmschwalbe untersucht. Trotz der sehr augenfälligen Verschiedenheit des Fleisches dieser Vögel habe ich die Nervenendigung darin ziemlich übereinstimmend gefunden. Dieselbe ist von der Endigungsweise bei den Eidechsen, Schlangen und Säugern so verschieden wie möglich, dagegen der der Amphibien, besonders der Salamandrinen oft zum Verwechseln ähnlich, sowohl durch _ die gestreckte Form, als durch die perlschnurartige Beschaffenheit, welche die Geweihstangen nach der Vergoldung zeigen. Nur Eines scheint die hypolemmalen Nerven der Vögel auszuzeichnen (obschon es auch bei Testudo vereinzelt vorkommt), nämlich dass manche Ge- weihe die Muskelfaser eine Strecke weit vollkommen umgreifen, ferner das den Amphibien gegenüber häufigere Vorkommen von Geweihen, deren Hauptäste statt parallel der Muskelfaseraxe cireulär unter dem Sarkolemm verlaufen. Von den Reptilien wurden Eidechsen, Schlangen und Schildkröten erneuter Untersuchung unterzogen, die letzteren u. A. in der Absicht, eine Differenz zwischen T'schirjew’s und meinen Befunden aufzuklären. Während ich bei Testudo Nervenhügel mit «Platten»geweihen be- obachtet hatte, beschrieb T7Sschirjew von der », von dem ich freilich nicht weiss, ob es mit der Zeit nicht vielleicht etwas schwerer löslich wird; ich muss daran denken, weil ein vor langer Zeit nach Vogel’s Vorschrift bereitetes Präparat sich auch nicht mehr vollkommen löste. Notiz über eine bequeme Bereitungsweise des neutralen Laekmuspapieres. 299 Endlich will ich noch erwähnen, dass ich mich bemüht habe, der Empfindlichkeit solchen Lackmuspapiers durch Zahlen Ausdruck zu geben, und gefunden habe, dass ein Gehalt von 0,001 gr wasser- freier Soda und von 0,0025 gr Oxalsäure die Grenzen sind, die damit # zuverlässig erkannt werden können. 300 August Berntlsen: Studien in der Methylenblaugruppe. Von August Bernthsen. Die vorliegende Untersuchung ist, wie aus kurzen Mittheilungen in den Berichten der Deutschen chemischen Gesellschaft ') ersichtlich, hervorgegangen aus einem eingehenden Studium des Methylenblaus, jenes schönen blauen schwefelhaltigen Farbstoffs, mit welchem der um die Entwicklung der Farbenindustrie hochverdiente Forscher 4. Caro im Jahre 1876 die Chemie beschenkt hat ?). Aus dem genaueren Studium des genannten Farbstoffs, welcher aus p-Amido-dimethylanilin durch Schwefelwasserstoff und Eisenchlorid dar- gestellt wird, ging die Erkenntniss hervor, dass, früheren Angaben ent- gegen, in seinem Molecül auf 16 Atome Kohlenstoff drei (nicht vier) Atome Stickstoff enthalten sind, und dass ihm die Formel C,;H,sN;SCl zukommt. Ferner konnte dem sog. Lauth’schen Violett oder Thionin, wie es hier auch genannt werden soll?), welches in analoger Weise aus p-Phenylendiamin, Schwefelwasserstoff und Eisenchlorid entsteht, die Formel C,,H,,N;SCl zuertheilt werden, und so zeigte sich die Analogie in der Bildungsweise der Farbstoffe auch in ihren Formeln, welche nun- mehr nur um C,H,, gleich 4>) Von »eiov, Schwefel und, ro iov, Veilchen, also veilchenfarbener schwefelhaltiger Farbstoff. Ein analoger violetter, aber phenolartiger Farb- stoff kann so den analogen Namen „Thionol* erhalten. Studien in der Methylenblaugruppe. 301 Stickstoffatome im ZLauth’schen Violett an Wasserstoff gebunden seien ‘(welche Betrachtung zumal für die Leukobasen genannter Farbstoffe Geltung haben musste). Für diesen Fall aber hatte man anzunehmen, dass ihnen beiden eine gemeinsame Muttersubstanz zu Grunde liege, aus welcher durch Eintritt zweier Amidogruppen das Leuko- violett (oder Violett), und durch Substitution der Amidwasserstoffatome gegen Methyl das Leukomethylenblau (oder das Blau selbst) entstehe. Das Experinıent bestätigte diese Betrachtungen. Es gelang, aus Diphenylamin durch Einwirkung von Schwefel eine schön charakteri- sirte Verbindung, das Thiodiphenylamin, C,,H,NS, zu gewinnen, welches in der That die Stammsubstanz obiger Farbstoffe ist. Somit war die Frage nach deren Constitution im wesentlichen auf jene des Thiodiphenylamins zurückgeführt. Es ist daher diese Verbindung in Anbetracht ihrer Wichtigkeit ausführlicher studirt worden; die im ersten Abschnitt niedergelegten Untersuchungen setzen ausser Zweifel, dass es die Constitution NHS besitzt. ; Dass die Leukobase des Zauth’schen Violett das Leukothionin, wie sie im Folgenden bezeichnet werden wird, thatsächlich Diamidothio- diphenylamin ist, hat sich durch seine Synthese aus Thiodiphenylamin nachweisen lassen. Dem Studium dieses Farbstofis ist der dritte Abschnitt gewidmet. Das Methylenblau, als der technisch bis jetzt allein wichtige Farbstoff dieser Gruppe, hat im fünften Abschnitt eine ausführlichere Behandlung erfahren, die sich sowohl auf seine Bildungsweise und seine Zusammensetzung, als auf seine Constitution und seine Beziehungen zum Thionin erstreckt hat. Anhangsweise werden in diesem Abschnitt auch einige Beobachtungen über den schön rothen Körper, der bei der technischen Darstellung neben dem Blau entsteht, das Methylen- roth, mitgetheilt. Da der Eintritt zweier Amido- oder Dimethylamidogruppen das 302 August Bernthsen: Thiodiphenylamin in die Leukobase von Farbstoffen verwandelt, so war es ferner sehr interessant, die Frage näher zu untersuchen, ob hier nur ein speziellerer Fall von Farbstoffbildung vorliege, oder -ob das Thiodiphenylamin in ähnlicher Weise die Muttersubstanz einer ganzen Farbstoffklasse sei, wie dies das Triphenylmethan für die um- fangreiche Klasse der Rosanilinfarben ist. Das Ergebniss der bezüglichen Untersuchungen ist, dass das Thiodiphenylamin schon durch den Eintritt einer einzigen Amido- gruppe, ferner durch denjenigen eines oder zweier Hydroxyle in Leukofarbstoffe, theils von basischem, theils von Phenolcharakter über- TER a EEE NE geht. Die zugehörigen Farben können freilich an Schönheit mit dem Methylenblau und Thionin nicht wetteifern, sind aber immerhin inter- essante und wohl charakterisirte Verbindungen. Dem Farbstoff aus Monoamidothiodiphenylamin ist der zweite, jenem aus Monooxy- thiodiphenylamin der siebente, endlich demjenigen aus Dioxythio- diphenylamin, dem Thionol, der achte Abschnitt gewidmet. Der vierte Abschnitt behandelt einen bei der Darstellung des Lauth’schen Violett nebenher entstehenden Farbstoff, das Jsothionin, dessen Existenz darthut, dass zwei Amidogruppen in das Thiodiphenylamin in verschiedener Weise eintreten und zur Farbstoffbildung Veranlassung geben können. Im sechsten Abschnitt endlich sind zwei Verbindungen be- sprochen, die aus dem Methylenblau durch Einwirkung von Alkali entstehen und ihm noch nahe verwandt sind; der eine, das Methylen- azur, steht in seiner Zusammensetzung anscheinend in der Mitte zwischen Methylenblau und Thionin, der andere, das Methylenviolett, zwischen 3 jenem und dem schon erwähnten Thionol, das, wie im achten Abschnitt ausgeführt wird, auch aus Methylenblau und Thionin durch energischere h Umwandlungsprocesse sich darstellen lässt. Somit beginnt sich eine ganze Klasse neuer schwefelhaltiger Farbstoffe zu erschliessen, deren einzelne Glieder vielfache Analogie pa mit den Triphenylmethanderivaten aufweisen. Andrerseits zeigen die besprochenen Verbindungen in ihrer Constitution (wenigstens äusser- lich) viele Analogien mit Derivaten des Diphenylamins, wie dem Studien in der Methylenblaugruppe. 303 Dimethylphenylengrün (Dinschedler’s Grün) und den Indophenolen ; zu einzelnen derselben existiren auch genetische Beziehungen, auf die im Verlauf der Arbeit hingewiesen werden wird (deren allgemeinere Berücksichtigung resp. Erforschung im Uebrigen zunächst nicht in das Programm dieser Publication aufgenommen worden ist). Die folgende Tabelle S. 304, in der der Einfachheit halber die Leukoverbindungen der Farbstoffe aufgeführt werden, veranschaulicht die angedeuteten Beziehungen (wobei die horizontalen Glieder einander eorrespondiren). Die Verwandtschaft dieser drei Klassen von Farbstoften zeigt sich auch darin, dass sie die Amido- oder Oxygruppen in Parastellung zum Imidstickstoff resp. Methinkohlenstoff enthalten. Die in der mittleren Verticalreihe verzeichneten Leukoverbindungen gehen in der- selben Weise wie die der ersten, sowie die complieirten der dritten Reihe in Farbstoffe über, also unter Austritt zweier Wasserstoffatome und Verkettung ‘des Imidstickstoffs mit einem Amidstickstofl- oder Hydroxylsauerstoff-Atom, z. B. er GO’ Dies wird unten besonders bei der Besprechung des Lauth’schen N‘ N Thionol. Violett und Methylenblau genauer begründet werden. Bei der Ausführung der vorliegenden Untersuchungen bin ich von meinen Privatassistenten Herrn Dr. H. Sattler und Herrn A. Simon, denen ich auch an dieser Stelle meinen: herzlichen Dank ausspreche, sowie von Herrn N. Fraenkel eifrig unterstützt worden. Der Antheil dieser Herren ist, soweit er nicht mehr besonders erwähnt wird, aus den vorläufigen Mittheilungen in den Berichten der Deutschen chem. Gesellschaft zu Berlin ') ersichtlich. Insbesondere möchte ich auch - mit verbindlichem Danke hier des freundlichen Entgegenkommens des Herrn Dr. 7. Caro und der Liberalität der Direction der Badischen Anilin- und Sodafabrik gedenken. \) Berl. Ber. XVI, 1025; 2896; XVII, 611, 2854, 2857, 2860. 304 August Bernthsen: Triphenylmethan Thiodiphenylamin Diphenylamin C,H, C,H c Zu 65 % 6 N NH“ 675 ER 3 NH S nn NH NOCH; C,H; CH<-C.H, C,H," NH, C,H Monamidotriphenylmethan | NEK i D SI: Ga Er C,H,ZNH, CH,NH, 5 CHXTC,H,-NH, p-Amidothiodiphenylamin | p-Amidodiphenylamin C,H, NH, 3 Diamidotriphenylmethan N CH,-NH, + | C,H,-NH CH.-NH { CHXC,H,-NH, NHÖ 8° NH ® * N C,H,-NH, C,H, NH, C;H,-NH, | Paraleukanilin Leukothionin und Isom. | p-Diamidodiphenylamin ü (Lauth’sches Weiss) 6 C,H,-N(CH,) C,H, —N(CH,) _N{C 1 j CH C,H,-N(CH,), N Nu NICH. } C,H, N(CH,), C,H,-N(CH,), 0,H,-N(CH,, L. B. des „Krystallviolett“ Leukomethylenblau Tetramethyldiamido- 4 diphenylamin 4 CH - en a x C,H,-OH 5 & C,H C,H 3 NHK e > NHX 6*°5 # CH; C,H,-0H C,H,-OH % CHTOSH;- OH Oxythiodiphenylamin p-Oxydiphenylamin i Be 2 Leukobenzaurin % C;H,-OH C,H; -OH C,H,:OH # CHZC.H,-OH NH SS NK: | ‘C;H,-OH si CH,-OH F Leukaurin Leukothionol Dioxydiphenylamin (Leuko-chinonphenolimid) CH, . N(CH,3), ‚Cs TN(CH)), ‚&H,-N(CH;), 1) 3 CHTC;H,-N(CH;), NK 8 NH< 4 C,H,-OH C,H, —OH C,H,-OH N (intermeliär) Leuko-Indophenol (der Oxytetramethyldiamido- | Leukomethylenviolett |Benzolreihe) oder Leuko- triphenylmethan Phenolblau. !) Unter der Voraussetzung, dass den betr. Verbindungen diese Con- stitution wirklich zukommt. Studien in der Methylenblaugruppe. 305 Erster Abschnitt: Thiodiphenylamin und seine näheren Abkömmlinge. 1, Darstellung des Thiodiphenylamins aus Diphenylamin und Schwefel. Schwefel wirkt auf geschmolzenes Diphenylamin bei höherer Tem- peratur energisch unter Schwefelwasserstoffentwicklung und Bräunung ein'). Die Reaction beginnt schon etwas über 200°, verläuft langsam und ruhig bei 230°, und wird durch weitere Temperatursteigerung auf 250-—-300° lebhafter und selbst sehr energisch. Der Schwefel wirkt hierbei substituirend auf das Diphenyl- amin ein nach folgender Gleichung: C.H,N-+28=(,H,NS+ HS.) Indess treten neben dieser Reaction stets noch andere auf, sodass nicht viel mehr als die Hälfte des Diphenylamins in Thiodiphenylamin übergeführt wird; ein geringer Theil des ersteren bleibt unverändert, ein anderer nicht unbeträchtlicher Theil wird in harzige beim Destilliren verkohlende Producte verwandelt. !) Ein Zusatz von Bleioxyd, welches beim Eintragen in die erhitzte Masse sogleich unter Aufschäumen derselben in Schwefelblei übergeht, ist weder erforderlich noch von Vortheil. 2) Es ist also hier eine directe Substitution von zwei Wasserstoffatomen gegen ein Schwefelstoffatom eingetreten. Man sieht daraus aufs neue, wie die substituirende Wirkung des Schwefels viel häufiger ist, als man früher angenommen hat. Die Einwirkung ist hier eine analoge wie bei der Bildung des Thioanilins aus Schwefel und Anilin, nur dass von letzterem hierzu zwei Molecüle erforderlich sind. Hingegen ist sie nicht gleichartig mit der inter- essanten von A. W. Hofmann studirten Reaction des Schwefels auf substituirte Säureamide, wie z. B. Benzanilid. 306 August Bernthsen: Auf die Ausbeute ist es anscheinend von geringfügigem Einfluss, ob man gleich auf höhere Temperatur und bis zum Sieden erhitzt — die Reaction ist alsdann in kurzer Zeit beendigt —, oder ob man die Temperatur längere Zeit auf 230°—250° hält und schliesslich bis z. B. 265° steigert, ebenso, ob man die Materialien von vorn herein mit einander mischt !), oder ob man den Schwefel in einzelnen Portionen und grösseren Zeitintervallen in das geschmolzene Amin einträgt. Die grössere Menge des zu den nachfolgenden Versuchen verwendeten Thiodiphenylamins wurde daher durch directes langsames Erhitzen der von vornherein gemischten Materialien (je 1500 g Diphenylamin mit der entsprechenden Menge Schwefel) auf freiem Feuer bis schliesslich zum Sieden dargestellt, wozu etwa sechs bis acht Stunden (bei den angegebenen Mengenverhältnissen und stetiger mässiger Schwefel- wasserstoffentwicklung) erforderlich waren. Den Schluss der Reaction erkennt man an dem fast völligen Aufhören der Schwefelwasserstoff- — entwicklung bei z. B. 265° (ganz sistirt dieselbe bei weiterem und Ä höherem Erhitzen nicht, vielmehr wird auch noch beim Destilliren der Schmelze andauernd etwas Schwefelwasserstoff entbunden), oder auch an der nicht bemerkenswerth weiter fortschreitenden Gewichtsabnahme $ (welche bei 250 g Diphenylamin z. B. 63 g betrug, während nach obiger Gleichung 50,5 g hätten entwickelt werden sollen). Die erhaltene Schmelze, welche beim Erkalten erstarrt, wird am geeignetsten wie folgt verarbeitet: Man giebt sie noch flüssig durch einen vorgewärmten langhalsigen Trichter in nicht tubulirte Retorten, welche damit nicht weiter als bis zur Hälfte gefüllt werden dürfen (bei Verarbeitung von 1500 g Diphenylamin werden vier Retorten von je 750 ccm Inhalt verwendet) und erhitzt zu lebhaftem Sieden. Es destillirt eine anfangs schwach, später stärker gelblich gefärbte, - beim Erkalten krystallinisch erstarrende Flüssigkeit über. Schliesslich tritt ein Punkt ein, wo diese nur noch in geringer Menge übergeht, und wenn dann die Temperatur noch weiter zur beginnenden Dunkel- rothgluth gesteigert wird, so beginnt unter erneuter Schwefelwasserstoff- !) In geschmolzenem- Diphenyliamin löst sich Schwefel leicht und reich- lich auf, und scheidet sich beim Erkalten wieder in hübschen Kıystallen ak. - Studien in der Methylenblaugruppe. 307 entwicklung die dunkelbraun gewordene Masse plötzlich zu schäumen und zu steigen, indem völlige Verkohlung eintritt. Man muss zur Vermeidung des Ueberschäumens alsbald die Flamme entfernen; nach dem Erkalten zeigt sich alsdann die Retorte erfüllt von einer sehr porösen, leicht zerdrückbaren, glänzenden, schwarzen, kokligen Masse. Das Gewicht des Destillates beläuft sich durchschnittlich auf 50 bis 65 Procent vom Gewicht des angewandten Diphenylamins, so resul- tirten aus 1500 g des letzteren a) bis 325° siedend: 11,98 b) von 325°—350° siedend: 236,0), c) über 350° übergehend: 626,5 » Summa 940 g _ 62,0: Die Destillate bestehen aus drei Substanzen: dem gebildeten Thio- diphenylamin (das auch in der mittleren Fraction b) in beträchtlicher Menge vorhanden ist), unverändertem Diphenylamin und sehr geringen Mengen eines penetrant riechenden, die Augen zu Thränen reizenden Oels, welches die erstarrten Krystallkuchen durchtränkt. Zur Reindarstellung des Thiodiphenylamins gelangt man leicht durch mehrfache Destillation aus tubulirten Retorten, unter Anwendung eines @eissler’schen unter Druck mit Stickstoff gefüllten Thermometers, welches für Temperaturen über 360° und selbst 400° sehr gute Dienste geleistet hat. Man fängt dabei das von 368°—372° (uncorr.) Siedende getrennt auf. Noch besser, wenn auch etwas umständlicher, gelangt man zu einem sehr reinen Product, wenn die durch Destillation erhaltenen erstarrten Kuchen zerkleinert und aus heissem Alkohol umkrystallisirt werden; das Thiodiphenylamin scheidet sich beim Er- kalten zum weitaus grössten Theil ab, während ein Rest desselben, das Diphenylamin und das erwähnte Oel, in Lösung bleiben. So resul- irten aus obigen Mengen leicht über 500 g krystallisirter reiner Verbindung, die nach dem Trocknen bei nochmaliger Destillation nun- mehr bei 368° (nach obigem Thermometer) zu sieden begann und bis 372° fast vollkommen überging; das Thermometer blieb für °/, der Gesammtmenge bei 371° stationär; in der Retorte hinterblieb eine nur ganz geringe Menge verkohlenden Harzes. 308 August Bernthsen: Endlich kann man auch die Trennung des Diphenylamins vom Thiodiphenylamin glatt in der Weise bewerkstelligen, dass man die Destillate (nach dem Zerkleinern) in Aether löst (von welchem ziem- lich viel, z. B. das 18-fache Gewicht erforderlich ist) und gasförmige Salzsäure einleitet. Das Diphenylamin fällt so völlig aus, während das Thiodiphenylamin in Lösung bleibt; letztere wird dann mit Wasser oder verdünnter Natronlösung von überschüssiger Salzsäure befreit und der Aether dann abdestillirt (schon beim partiellen Verdampfen der Lösung krystallisirt das Thiodiphenylamin recht rein aus). Der Rück- stand ist durch einmalige Destillation leicht vollkommen zu reinigen. Die Ausbeute an Thiodiphenylamin betrug nach diesem Verfahren mehr- fach 45—47°/, vom Gewicht des angewandten Diphenylamins. Wird die erste Schmelze statt unter gewöhnlichem Luftdruck in vacuo destillirt, so ist das Verhalten kein anderes, wie oben beschrieben wurde; es tritt also auch hier beträchtliche Verkohlung ein, und die Ausbeute ist nicht wesentlich grösser (z. k. 34 g Destillat auf 50 g Diphenylamin, = 68°/,). Zudem ist es schwierig, eine Destil- lation andauernd im Vacuum oder bei constant geringem Druck durch- zuführen, weil das erstarrende Thiodiphenylamin leicht Verstopfung herbeiführt, oder, wenn man durch äusseres Erhitzen es flüssig hält, die Dichtungen nicht halten. Vermeidet man die Destillation des rohen Einwirkungsproducts vollständig, indem man es mit Aether extrahirt und durch HOl reinigt, so ist zwar die Menge des Aetherrückstandes grösser (z. B. 56 bis 65°/, des Diphenylamins), aber er ist dann minder rein und noch klebrig. Das als Nebenproduct auftretende penetrant, lJauchartig riechende Oel, welches anfänglich für Phenylsulfid gehalten wurde, geht bei den Destillationen im Wesentlichen mit dem Diphenylamin, dieses durch- tränkend, über. Nach Versuchen des Hrn. N. Fraenkel lässt sich das- selbe vom Diphenylamin seiner geringen Menge wegen schwer durch frac- tionirte Destillation oder durch Ausziehen mit Petroläther trennen, aber eine Trennung gelingt, wenn auf solche Weise zunächst eine Anreicherung des Oels in einem Theil des Diphenylamins erreicht worden ist, leicht = Eu z a ihre E Studien in der Methylenblaugruppe. 309 (wenigstens annähernd), wenn man die Masse in trockenem Aether löst, die Base durch HCl-gas fällt und nach dem Waschen des Filtrats mit Wasser den Aether abdestillirt. Das zurückbleibende Oel, dessen Menge übrigens nur wenige Cubikeentimeter betrug und welches nur noch ganz wenig Diphenylamin enthielt, zeigte bei der Rectification den annähernden Siedepunkt 165°—174°. Es enthielt reichliche Mengen Schwefel, dagegen keinen Stickstoff. In alkoholischer Lösung gab es mit CuSO, einen eigelben, mit AgNO, einen weissgelben Kry- stallinischen, mit Pb(C,H,O,), einen eitronengelben, mit HgCl, einen schweren weissen Niederschlag; in conc. H,SO, unter Erwärmung ge- löst, fürbte es die Säure kirschroth, wenn auch nicht später rein blau. Es war daher offenbar Phenylsulfhydrat, dessen Siedepunkt zu 174° angegeben ist. Zur Bestätigung wurde es nach Voigt‘) mittelst Quecksilberchlorid in die Verbindung C;H,-S-Hg-Cl übergeführt, welche aus viel heissem Alkohol in prächtigen weissen Blättern krystallisirte, und diese der Analyse unterworfen. ?) 9,3678 g gaben 0,2477 g HgS, = 0,2135 g Hg. Berechnet für Gefunden: C,H,SHgCl: He. ©58,05%/, 58,05. Das reine Thiodiphenylamin ist eine sehr schöne und wohl- charakterisirte Verbindung. Es ist in heissem Alkohol ziemlich leicht, in kaltem wenig, in Aether mässig leicht, leicht in Benzol, zumal heissem, desgleichen ziemlich leicht in heissem Eisessig, dagegen sehr wenig in Ligroin löslich. Durch Krystallisation aus heissem Alkohol oder Benzol oder aus Aether erhalten stellt es kleine, schöne, glän- zende, hell weissgelbe, fettglänzende Blätter dar, welche an der Luft ‘) Diese Annalen 119, 142. ?) Diese Analyse wurde derart ausgeführt, dass die Substanz in heissem Alkohol gelöst und mit Schwefelwasserstoff behandelt wurde. Es fiel so schwarzes Schwefelquecksilber, welches zur Vorsicht noch einige Zeit mit etwas Schwefelammonium warm digerirt wurde (es ging dabei in die rothe Modification über), dann mit Alkohol, Aether, Schwefelkohlenstoff etc. ge- waschen und wie üblich gewogen wurde. Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. III. al ie 310 August Bernthsen: sich leicht oberflächlich oxydiren und grün färben, zumal wenn sie noch feucht sind. Es schmilzt bei 180° (uncorr.), und siedet fast unzersetzt gegen 371° (uncorr.). Bei einem Druck von etwa 40 mm wurde der Siede- punkt bei 290° beobachtet. Es sublimirt sehr leicht und schön in sehr dünnen irisirenden Blättchen, welche ganz farblos erhalten werden, wenn man während der Operation die atmosphärische Luft möglichst abschliesst. Die Dämpfe besitzen einen eigenthümlichen, leicht wiederzu-, erkennenden nicht unangenehmen Geruch. Das durch Destillation erhaltene Thiodiphenylamin bildet schöne, hell weisslichgelbe Krystallkuchen, welche leicht senkrecht zur Erstarrungs- fläche auseinander gebrochen werden können und auf der Bruchfläche als aus langen annähernd parallelen, glänzenden, dieken Prismen be- stehend erscheinen. Beim Aufbewahren an der Luft verlieren die- selben allmählich in Folge geringer Oxydation ihren Oberflächenglanz und nehmen eine dunklere bis schmutzig grüngraue Farbe an. Die Analysen der bei 100° getrockneten Substanz ergaben fol- gende Zahlen: 1. 0,2275 g gaben 0,6046 g CO, und 0,1041 g H,0.') 2.70,206945 9 40%.0,5506% Es +0,08 3. 0,6188 „ ,„ 41,0ccm Stickstoff bei + 12,8° und 752,8 mm Bstd. NO BTIHE N N FLGLONN; N 10,10 ara 5. 0,2533 „ ,„ 0,3112 g BaS0,.?) LS VETER N ETLL e 7. 0,2178 5 „0,5802 „ CO, und 0,0919 g H;0. !) Das Vorlegen einer (aus dünnem Silberdraht gewickelten) Silber- spirale bei den Verbrennungen dieser und ähnlicher Substanzen statt einer Kupferdrahtnetzrolle musste nach wiederholten unangenehmen Erfahrungen als nicht genügenden Schutz gegen das Entweichen von Oxyden des Stick- stoffs gewährend wieder aufgegeben werden. ?) Die Schwefelbestimmungen dieser und vieler der folgenden Verbindungen wurden in der Art ausgeführt, dass das Thiodiphenylamin in der Porzellanschale in wenig rauchende Salpetersäure langsam eingetragen wurde (wodurch es in Nitroverbindung übergeht), dass alsdann mit Kalihydrat im Ueberschuss versetzt und in üblicher Weise in einer Silberschaale all- mählich bis zum Schmelzen erhitzt wurde, Studien in der Methylenblaugruppe. 311 Berechnet für Gefunden: CsH,NO: 1 9 3 4 5 6 7 036. 79,47 795%. — = ee ag Be 452 ,.509..466.:0— a = rn 4,69 N 7,04 en ER ESONNEZ.OREN 2 = S 16,08 er er = =, 1116,90, 11,30 — Die Dampfdichte wurde bei der Temperatur des siedenden Schwefels nach V. Meyer in einer Stickstoffatmosphäre'). bestimmt und steht eben- falls in. Uebereinstimmung mit der Formel 0,,;H,NS: 0,1766 g Substanz gaben 21,2 cem Luft bei + 9,0° und 756,0 mm Bstd.; Wassersäule = 19,0 cm. Berechnet für 0,2H,NS: Gefunden: Specif. Gewicht: 6,89 6,81. Verhalten des Thiodiphenylamins. Dem entsprechend, dass sich das Thiodiphenylamin leicht schon an der Luft etwas oxydirt, wirken die verschiedensten Oxydationsmittel leicht auf dasselbe ein, wobei bald dunkelgrüne, bald rothe oder violette Färbungen auftreten. So z. B. wird die verdünnte alkoholische Lösung an der Luft (resp. beim Aufbewahren) allmählich roth gefärbt, durch Eisenchlorid dunkelgrün gefärbt und gefällt unter Bildung eines eisenhaltigen in Alkohol und Wasser wenig löslichen Niederschlags, welcher nach beiläufigen Versuchen des Herrn N. Fraenkel 7,97 und 7,66°/, Fe enthält. Ebenso wird sie durch Bromdampf grün gefärbt (und gefällt), während minimale Mengen Bromdampf eine sehr stark verdünnte Lösung gelbroth, nach Wasserzusatz purpurroth färben. Die erwähnte grüne Färbung verschwindet durch Alkali sofort und tritt auch auf Säurezusatz höchstens unvollkommen wieder ein. Mehr Brom erzeugt einen schwarzen Niederschlag. Alkoholische Jodlösung giebt einen dunkeln Niederschlag und aus dem Filtrat: fällt Natronlauge eine grün gefärbte Verbindung. Festes Thiodiphenylamin wird durch salpetrige Säure oder !) In Luft ergaben sich minder günstige Zahlen, da bei der hohen Temperatur durch den Sauerstoff der Luft eine deutlich wahrnehmbare Oxy- dation der Substanz eintritt, 21* 312 August Beruthsen: die Dämpfe rauchender Salpetersäure intensiv braunroth durch ver- dünntere Säuren (besonders in Gegenwart von Eisessig) dunkelgrün gefärbt. Kalte concentrirte Schwefelsäure löst das Thiodiphenylamin unter Auftreten von SO, mit grünbrauner Farbe; die Lösung erscheint in dünnen Schichten (im Ablauf) vosenroth; auf Zusatz von Wasser der die Färbung zunächst nicht wesentlich verändert, scheidet sich allmählich ein grünlicher, krystallinischer Niederschlag von im wesent- lichen unveränderter Substanz ab, welcher sofort entsteht, wenn man mit verdünntem Natron oder Ammoniak versetzt. Erhitzt man hingegen mit der concentrirten Säure oder auch mit 75°/,iger Säure auf höhere Temperatur (140° — 170°—200°), so tritt blauviolette Färbung ein, indem unter theilweiser Verkohlung eine eigenthümliche, in schwachsaurer Lösung rothe, in alkalischer dunkel- violette Substanz von Säurecharakter entsteht, von welcher später die Rede sein wird: das Thionol. Salpetersäure wirkt auf das Thiodiphenylamin energisch nitrirend ein; über die entstehenden Nitroproducte wird weiter unten berichtet werden. Dieselben werden durch Reductionsmittel in die Leukobasen von violetten oder violettrothen Farbstoffen übergeführt. Hierauf gründet sich eine empfindliche Reaction zur Erkennung von selbst noch Bruchtheilen eines Milligramms Thiodiphenylamin: Zur (zweckmässig mit einigen Tropfen "Eisessig übergossenen) Probe setzt man einen oder einige Tropfen rauchender Salpetersäure, wodurch sie sich mit rother Farbe löst, alsdann etwas Wasser, Salzsäure und (wenig) Zinn- chlorürlösung hinzu und erhitzt zum Sieden, wodurch eine farblose ‘Lösung entsteht. Man schlägt dann das Zink durch Zinn nieder und versetzt die Lösung mit überschüssigem Ammoniak; sie färbt sich als- bald unter Sauerstoffaufnahme intensiv violett. Desgleichen erhält man wenn man einen Tropfen der entzinnten Lösung auf Papier giebt und über eine mit Ammoniak gefüllte Flasche hält, auf dem Papier einen violetten Fleck. Oder man giebt zur Lösung Eisenchlorid; ist sie eoncentrirter, so entsteht ein rothvioletter schlammiger Niederschlag, der sich beim Verdünnen mit prächtig violetter Farbe löst; in sehr verdünnten Lösungen entsteht nur diese Färbung, keine Fällung. Man Studien in der Methylenblaugruppe. 313 kann dieselbe auch in der mit Zinnchlorür behandelten erkalteten Flüssigkeit durch Eisenchlorid direct hervorbringen, nur verschwindet alsdann die Färbung langsam wieder, solange noch Zinnchlorür vor- handen ist. Von weiteren Reactionen des Thiodiphenylamins mögen hier noch die folgenden erwähnt werden, welche mit einer alkoholischen nicht gesättigten kalten Lösung desselben ausgeführt worden sind: Silbernitrat in wässrig-alkoholischer Lösung giebt sofort eine dunkelgrüne Färbung unter Ausscheidung schwarzen Pulvers; die Lösung ist — bei genügendem Zusatz des Reagens — mit Wasser mischbar und färbt Seide bläulich. Der Vorgang ist offenbar ein oxydativer. Die grüne Farbe verschwindet sofort durch Alkali und wird in eine röthliche übergeführt. Platinchlorid erzeugt einen grünen Niederschlag (offenbar ebenfalls durch Oxydation). Kupfersulfat bewirkt keine Veränderung, ebensowenig entstehen mit Quecksilberchlorid oder Bleiacetat Fällungen. Beim Erhitzen mit trockenem Quecksilberoxyd entsteht unter Quecksilberbildung eine dunkelrothe Schmelze, welche von heissem Alkohol ein wenig mit rother Farbe gelöst wird. Durch den Eintritt des. Schwefels in das Diphenylamin sind die basischen Figenschaften des letzteren aufgehoben worden. Es ist daher in verdünnter Salzsäure unlöslich, und auch seine ätherische Lösung wird durch Chlorwasserstoffgas nicht gefällt. Durch diese Eigenschaft kann man es leicht vom Diphenylamin trennen. Nascirender Wasserstoff (aus Zn und H,SO,) wirkt auf Thiodi- phenylamin nicht ein. Bei Destilliren über glühendem Zinkstaub destillirt es, nach Ver- suchen von N. Fraenkel, theilweise unverändert, theilweise geht es wieder in Diphenylamin über, das leicht durch seine charakteristischen Reactionen erkannt wird. Auch Chlorzink wirkt in der Hitze (schon bei 200°) entschwefelnd auf Thiodiphenylamin ein, unter Bildung von Schwefelzink, so dass die mit Alkohol und Salzsäure versetzte Schmelze Schwefelwasserstoff _ entwickelt. Hiedurch findet die folgende auffallende Beobachtung von 314 August Bernthsen: N. Fraenkel ihre Erklärung. Da Diphenylamin beim Erhitzen mit Benzoösäure und Chlorzink zu dem neuerdings so interessant ge- wordenen Phenylacridin führt, so erschien es als nicht unmöglich, bei analoger Behandlung des Thiodiphenylamins ein Thiophenylacridin zu erhalten. Bei ‘geeigneter Verarbeitung der Schmelze resultirte nun thatsächlich in nicht unbeträchtlicher Menge ein Acridin, welches durch prächtige grüne Fluorescenz seiner gelben Lösungen in Säuren ausge- zeichnet war und aus Alkohol krystallisirt erhalten werden konnte; dasselbe erwies sich indess als schwefelfrei und identisch mit dem oben erwähnten Phenylacridin. Die Schmelze enthielt Schwefelzink. Das Acridin ist somit durch Austreibung des Schwefels und Ersatz gegen den Benzoösäurerest C,H,-C entstanden. Durch Kaliumpermanganat tritt in der mässig erwärmten wäss- rigen Suspension des Thiodiphenylamins schnell Oxydation ein, welche nach allmählicher Zugabe von 2 Mol. auf 1 Mol. Thiodiphenylamin und Erhitzen auf dem Wasserbad langsamer wird; aus dem gebildeten Braun- stein wird alsdann durch kochenden Alkohol eine (vielleicht noch thiodi- phenylaminhaltige) rosa gefärbte Verbindung ausgezogen (die alkoholische Lösung war violettroth), welche indess nicht in krystallisirter Form er- halten worden ist. Bei Gegenwart von Eisessig (in dem das Thiodi- phenylamin gelöst wurde und zum Zweck feinerer Vertheilung unter Schütteln mit Wasser ausgefällt wurde) dauerte die Oxydation durch Permanganat in der Wärme noch fort, wenn schon eine mehr als 18 Atomen Sauerstoff entsprechende Menge eingetragen war; aber das Filtrat des Mangansuperoxyds enthielt alsdann beträchtliche Mengen Schwefelsäure, und auf Kalizusatz trat Ammoniakgeruch auf, zudem zeigt sich während der Einwirkung Gasentwicklung (wohl von C0O,), so dass offenbar eine weitgehende Oxydation der Verbindung einge- treten ist. Beim Zusatz einer Eisessig-Permanganatlösung zu einer Lösung des Thiodiphenylamins in Eisessig treten der Reihe nach die folgenden Färbungen auf: dunkelgrün, grünblau, dintenfarbig, violett, rothbraun bis gelbbraun. Auch hier wurde kein wohl definirtes Oxy- dationsproduct erhalten. Die letzteren Oxydationsversuche wurden in der Hoffnung aus- & 3 be gi a = Studien in der Methylenblaugruppe. 315 geführt, von Thiodiphenylamin aus zu einem Sulfon (s. u.) zu gelangen. Ein solches scheint sich nicht .zu bilden; — hingegen entsteht aus dem Methylthiodiphenylamin ein Sulfon (s. u.). Das Verhalten des Thiodiphenylamins gegen Halogenalkyle, Essig- säureanhydrid etc. wird weiter unten besprochen werden. 2. Andere Bildungsweisen des Thiodiphenylamins, Ausser durch Einwirkung von Schwefel entsteht das Thiodiphenyl- amin aus dem Diphenylamin auch durch Substanzen oder Gemische, welche den erforderlichen Schwefel in der Hitze zu liefern im Stande sind. So wirkt Chlorschwefel äusserst heftig auf Diphenylamin ein (gemässigter eine gesättigte Lösung von Schwefel in Chlorschwefel), wobei das Reductionsproduct beim Destilliren Thiodiphenylamin neben Salzsäure etc. liefert; in ätherischer Lösung entsteht aus den beiden Substanzen eine in Aether unlösliche grüngefärbte Masse, die beim directen Destilliren Thiodiphenylamin giebt, aber nur noch in geringer Menge, wenn es erst mit Alkohol und Soda digerirt und nachher der Destillation unterworfen wird. Es ist ein Gemisch von salzsaurem Diphenylamin und einem schwefelhaltigen Einwirkungsproduct, das beim Erhitzen mit Alkohol Schwefelwasserstoff liefert. Weiter entsteht Thiodiphenylamin beim Erhitzen von salzsaurem Diphenylamin') mit getrocknetem thioschwefelsauren Natron; die Salz- säure entweicht dabei theilweise, bevor sie in Wirkung tritt, theilweise giebt sie mit dem thioschwefelsauren Salz in bekannter Weise schweflige Säure und Schwefel, der dann in Reaction treten kann. Die Ausbeute ist gering. Auch fünffach-Schwefelantimon giebt beim Erhitzen mit Diphenyl- amin nicht geringe Mengen Thiodiphenylamin unter Bildung schwarzen Trisulfids; hingegen scheint zweifach-Schwefelzinn nicht oder kaum ein- zuwirken, und auch beim Behandeln mit gepulverter Schwefelleber in der Hitze wird Diphenylamin nur in geringem Masse geschwefelt. — !) Diphenylamin selbst wird von thioschwefelsaurem Natron beim Er- hitzen nicht verändert. 316 August Bernthsen: Beim Einleiten von Schwefelwasserstoff in eine Lösung des Diphenyl- amins in ziemlich concentrirter Schwefelsäure wurde keine Umwandlung des letzteren in seine Thioverbindung beobachtet. 3. Methylthiodiphenylamin. 0,,H, (CH, )NS. Erhitzt man Thiodiphenylamin mit etwas mehr als der für das Verhältniss gleicher Molecüle berechneten Menge Jodmethyl unter Zusatz eines etwa gleich grossen Gewichts Methylalkohol mehrere Stunden auf 100°—110° (z.B. je 15 g mit 5 cem CH,J und 15 ccm CH,OH 9 Stunden auf 100°), so enthalten die erkalteten Röhren in der Regel zwei Flüssigkeitsschichten, eine obere helle und eine untere ölige schwach bräunlich gefärbte. Man findet auch wohl die letztere zu einem Magma grosser Krystalle, erstarrt. Die Röhren öffnen sich ohne bedeutenderen Druck; ist ihr Inhalt flüssig geblieben, so beginnt er wenige Secunden nach dem Ausgiessen zu erstarren und es wird dabei ‚gelegentlich so viel Wärme entwickelt, dass die obere Schicht ins Sieden geräth; beim Erkalten scheiden sich auch aus letzterer Nadeln ab. Man saugt ab, wäscht die durch Jodausscheidung etwas gebräunte Masse mit etwas kaltem Alkohol nach, wodurch sie fast rein weiss wird, und krystallisirt alsdann einige Male aus heissem Alkohol um, wenn nöthig unter Anwendung von Thierkohle. Man erhält so gelegentlich fast deeimeterlange dünne völlig weisse Prismen oder auch kleinere glasglänzende schwach röthlich gefärbte dünne Prismen, denen die röthliche Farbe auch nach wiederholtem Umkrystallisiren — offenbar in Folge sehr geringfügiger dabei eintretender Oxydation — hartnäckig anhaftet. In den Mutterlaugen ist etwas unverändertes Thiodiphenyl- amin vorhanden, welches durch seine total verschiedene Krystallisations- weise (kleine Blättchen) sofort erkannt wird. Es lässt sich von der gleichzeitig noch vorhandenen Methylverbindung schliesslich nicht mehr leicht durch Alkohol trennen, dagegen kann das durch Verdampfen der Mutterlaugen erhaltene Gemisch bequem zur Darstellung neuer Mengen der Methylverbindung dienen. Die Analysen der bei 75° getrockneten Verbindung ergaben: 1. 0,2594 g gaben 0,6975 g CO, und 0,1255. g H,O, 2. 0,2601 ,„ ,„ 0,2871 ,„ BaSO,, = 0,03943 „8. l Te Studien in der Methylenblaugruppe. 317 Berechnet für Gefunden: C,sH, NS: 1 2 C 73,24 73,31 _ EENCHENT a — N 657 23 = S 15,02 a 15,16 Es ist also eine Methylgruppe in das Thiodiphenylamin eingetreten und ein Methylthiodiphenylamin C,,H;(CH, )NS entstanden. Die Ausbeute ist eine vorzügliche. . Das Methylthiodiphenylamin ist in kaltem Alkohol wenig, in Aether mässig, leicht in heissem Alkohol, nicht in Wasser löslich; in heissem Eisessig löst es sich leicht, in kaltem wenig, in Benzol wiederum leicht. Es schmilzt bei 99,3° und destillirt etwa zwischen 360°—365° ziemlich unzersetzt, jedoch tritt dabei Geruch nach Methylmercaptan und zu Schluss der Destillation Verkohlung ein. ; In concentrirter Schwefelsäure löst es sich ähnlich dem Thiodi- phenylamin mit dunkler, aber nicht grünbrauner, sondern mehr rein rothbrauner Farbe auf, die in dünnen Schichten im Ablauf rosaroth (schöner roth als bei diesem) erscheint. Dabei tritt schwacher, beim . Erwärmen stärkerer Geruch nach schwefliger Säure auf. Erhitzt man die Lösung bis zum Sieden, so wird sie violettbraunschwarz und zeigt braunen Ablauf. Ein Oxydationsprodukt, welches dem aus concentrirter Schwefelsäure und Thiodiphenylamin entstehenden analog wäre, scheint sich dabei nicht oder kaum zu bilden, ebensowenig, wenn man mit einer etwa 70-procentigen Säure erhitzt (vergl. auch bei Aethylthio- diphenylamin). Das Verhalten des Methylthiodiphenylamins gegen rauchende Salpetersäure ist weiter unten besprochen. Versuche, durch weiteres Behandeln des Methylthiodiphenylamins mit Jodmethyl und Methylalkohol zu einem höher methylirten Product zu gelangen, haben ein negatives Resultat ergeben. Noch bei 180° und bei 200° und sechsstündigem Erhitzen, blieb das Methylthio- diphenylamin unverändert; steigerte man aber die Temperatur auf 230° 318 August Bernthsen: bis 240°, so trat tiefere Zersetzung ein; ein Jodmethylat oder Sulfin- jodid, wie es durch weitere Addition von CH,J hätte entstehen können, war nicht nachzuweisen. Bei der Reinigung des rohen Methylthiodiphenylamins durch Um- krystallisiren aus Alkohol erhielt man neben den langen Prismen des ersteren gelegentlich kleine weisse Täfelchen. Sie wurden mecha- nisch herausgelesen; ihr Schmelzpunkt lag ebenfalls bei 99,5°—100° Da bei erneutem Umkrystallisiren diese Formen nicht wieder auftraten, sondern nur die Nadeln des Methylthiophenylamins, so stellen sie bloss eine andere Ausbildungsform des letzteren dar. Demgemäss zeigen sie beim Nitriren und Amidiren, sowie bei Zusatz von FeÜl, zur gebildeten Amidoverbindung dasselbe Verhalten, wie die langen Primen (8. u.). Zur Erkennung des Methylthiodiphenylamins kann folgende Re- action dienen: Man nitrirt es durch Eintragen in einige Tropfen rauchender Salpetersäure ; durch Wasserzusatz resultirt alsdann eine gelbe Nitroverbindung, welche zum Unterschied von der aus Thiodi- phenylamin entstehenden in Natronlauge unlöslich ist. Bei der Re- duction giebt sie eine in HCl schwer lösliche, weisse Nadeln bildende Amidoverbindung, deren wässrige Lösung durch etwas FeÜCl, intensiv blaugrün gefärbt wird. | Durch etwas Bromdampf wird die alkoholische Lösung des Methyl- thiodiphenylamins gründlich braun (mit rosa Ablauf) gefärbt, bei successiv weiterer Bromzufuhr hellt sich die Lösung auf und wird hellröthlich, dann entsteht ein grünschwarzer Niederschlag, der später reichlich von helleren (farblosen?) glitzernden Nadeln durchsetzt wird. Letztere sind in heissem Alkohol löslich uud stellen wohl ein Brom- substitutionsproduct dar. Alkoholische Jodlösung wirkt auf Methylthio- diphenylamin in der Kälte nicht ein. - Eisenchlorid erzeugt in der alkoholischen Lösung des Methyl- thiodiphenylamins (im Gegensatz zu der des Thiodiphenylamins) nur eine bräunlich gelbe Färbung. Silbernitrat wirkt auf die kalte alko- holische Lösung nicht ein, sodass Spuren beigemengten Thiodi- phenylamins durch Eintreten einer schwach bräunlichröthlichen Färbung erkannt werden können. Platinchlorid giebt zunächst eine schön Studien in der Methylenblaugruppe. 319 grasgrüne Färbung, bald aber trübt sich die Lösung und es scheidet sich ein aus mikroskopischen Nadeln bestehendes braunes glitzerndes Pulver ab. | Durch Oxydation mit KMnO, wird das Methylthiodiphenylamin in Methyldiphenylaminsulfon übergeführt (s. u.). Einwirkung von Schwefel auf Methyldiphenylamin. Da es als möglich erscheinen konnte, dass das Methylthiodi- phenylamin auch durch Erhitzen von Methyldiphenylamin mit Schwefel entstehen würde, nach der Gleichung (C;H,),N(CH,) + 2 S = C,;Hs(CH,)NS -+ H,S, also analog dem Thiodiphenylamin selbst, so wurden wiederholte Versuche in diesbezüglicher Richtung mit sorgfältig gereinigtem (diphenylaminfreiem) Methyldiphenylamin angestellt. Es hat sich aus diesen ergeben, dass die Einwirkung des Schwefels auf Methyldiphenyl- amin ganz anders verläuft wie jene auf Diphenylamin. Beim Er- hitzen entwickelt sich lebhaft Schwefelwasserstoff, aber es tritt nicht, wie bei letzterem, bei darauf folgender Destillation grössere Verkoh- lung ein, sondern fast Alles destillirt unzersetzt über. Eine zweimalige fractionirte Destillation führte nicht zur Trennung der hauptsächlich zwischen 280° und 330° siedenden, beim Erkalten meist partiell er- starrenden Producte, welche ausser unverändertem Methyldiphenylamin und etwas widrig riechenden Oelen ganz beträchtliche Mengen Di- phenylamin enthielten (F.-P. 53,50; F.-P. der daraus dargestellten Benzoylverbindung, welche in den bekannten Formen krystallisirte, 176%,°%). Durch die Einwirkung des Schwefels wird also u. A. sonderbarer Weise die Methylgruppe aus dem Methylthiodiphenylamin abgespalten (anscheinend als Methylmercaptan), während die erwartete Schwefelverbindung (die bei etwa 360° hätte destilliren sollen) nicht (wenigstens nicht in nachweisbarer Menge) entsteht. 4. Methyldpihenylaminsulfon. C,,H;(CH,)N(S0,). Das Methylthiodiphenylamin wird von Oxydationsmitteln leicht angegriffen, indess weit weniger leicht als das Thiodiphenylamin selbst. 320 August Bernthsen: Es erschien daher geeigneter als letzteres zur Untersuchung, ob es den Charakter eines organischen Sulfids R,S besitzt. Falls dies der | Fall war, durfte man erwarten, dass es sich eher als das allzuleicht veränderliche Thiodiphenylamin zu einem Sulfon oxydiren lasse. Als Oxydationsmittel erschien Salpetersäure wegen ihrer lebhaft nitrirenden Wirkung von vornherein ungeeignet. Es wurde daher die Anwendung des Kaliumpermanganats versucht, welches mehrfach mit Vortheil schon früher verwendet worden ist, um organische Sulfide in Sulfone überzuführen. Kaliumpermanganat wirkt auf Methylthiodiphenylamin sowohl in wässriger Suspension als in Eisessiglösung ein. In letzterer bewirkt es zunächst die braungrüne Färbung mit rosa Ablauf, wie sie auch concentrirte Schwefelsäure giebt, alsdann ‚treten andere Farbentöne auf, die Flüssigkeit färbt sich carmin- bis fuchsinroth, und setzt, falls sie nicht zu verdünnt ist, beim Stehen Kryställchen ab, welche wohl identisch sind mit der unten zu beschreibenden Verbindung. Anscheinend glatter und ohne namhafte Bildung gefärbter Producte (resp. Zwischenproducte) wirkt das Permanganat in wässriger Lösung. Es wurden je 6 g Methylthiodiphenylamin fein zerrieben, in je 120 g Wasser suspendirt, letzteres zum Sieden erhitzt (wobei ersteres zu auf- schwimmenden Oeltröpfehen schmilzt) und dann in die kochende Flüssig- keit nach und nach 8 g Kaliumpermanganat (gleich */, der theoretisch | erforderlichen Menge), gelöst in der dreissigfachen Menge Wasser, so langsam eingetröpfelt, dass die Flüssigkeit nie nennenswerth roth erschien. In 1 bis 2 Stunden ist die ganze Menge des Permanganats ver- braucht (es wirkt schliesslich nur noch sehr langsam ein), und an Stelle der Oeltröpfehen des Ausgangsmaterials schwimmen auf der Flüssigkeit kleine glitzernde Kryställchen. Man lässt erkalten und filtrirt ; in der wässrigen Lösung ist etwas gebildete Schwefelsäure nach- weisbar; der abgeschiedene Braunstein schliesst das gebildete Product ein und wird zur Gewinnung desselben mehrfach mit nicht zu wenig Alkohol (z.B. je '/, bis '/, Liter) ausgekocht. Das schwach röthlich gefärbte Filtrat setzt beim Erkalten röthliche dicke derbe Krystalle ab, deren Menge durch Eindampfen der Mutterlaugen noch etwas ver- Studien in der Methylenblaugruppe. 321 mehrt werden kann; aus den letzten Mutterlaugen krystallisirt neben der neuen Substanz etwas unverändertes Methylthiodiphenylamin von etwas dunklerer, röthlicher Färbung, von welchem erstere durch Aus- kochen mit wenig Alkohol (welcher es schwerer löst) und Umkrystallisiren aus diesem Lösungsmittel befreit werden kann. Die durch wiederholtes Umkrystallisiren gereinigte Verbindung ist stickstoff- und schwefelhaltig. Ihre Analysen ergaben Folgendes: 1. 0,1838 g gaben 0,4315 g CO, und 0,0784 g H,O, 2. 0,1651 „ via? 0,3878050 5 0, 01,.38%. 5007 Berechnet für C,;H,ı NSO;: Gefunden: 6 63.67 64,09 64,06 H 4,49 4,74 4,97. Die neue Verbindung ist demnach aus dem Methylthiodiphenylamin unter Aufnahme zweier Sauerstoffatome entstanden, ebenso wie Aethyl- - sulfon sich vom Aethylsulfid durch den Mehrgehalt zweier Sauerstoff- atome unterscheidet. In der That besitzt die Verbindung den Charakter eines Sulfons. Sie krystallisirt aus heissem Alkohol in kleinen, zu grösseren Kıystallskeletten locker vereinigten farblosen, spiessig-compacten Kry- stallen, welche leicht eine ganz schwach röthliche Färbung behalten. Aus Eisessig wird sie in kleinen compacten Prismen von weisser (an- fangs grauweisser) Farbe erhalten. In kaltem Alkohol, Eisessig oder Aether ist sie sehr schwer löslich. Sie schmilzt bei etwa 222°, also 123° höher als das Ausgangsproduct. Sie besitzt weder alkalische noch saure Eigenschaften; durch Zink und Schwefelsäure in heisser alkoholischer Lösung wird kein Methylthiodiphenylamin zurückgebildet. Kochendes concentrirtes Kali oder concentrirte Salzsäure verändern sie nicht; Silbernitrat oder Quecksilberchlorid erzeugen keine Niederschläge. In rauchender Salpetersäure löst sie sich mit gelbrother Farbe; fällt man die (gelbe) Nitroverbindung mit Wasser aus, reducirt sie durch Zinnchlorür und Salzsäure und setzt zur verdünnten Lösung Eisenchlorid, so tritt keine Färbung ein (Unterschied von Thio- und Methylthio- diphenylamin). Dagegen zeigt die Substanz mit eoncentrirter H,SO, eine hübsche Farbreaction: beim Erhitzen bis zum Sieden entsteht 322 August Bernthsen: eine zunächst schwarzblaue, dann schön königsblaue Lösung, welche Färbung beim Eingiessen in Wasser in ein schwaches Violettbraun übergeht. Wässrige Kaliumpermanganatlösung, mit der pulverisirten Ver- bindung kurze Zeit aufgekocht, scheint auf letztere nicht (oder nur sehr langsam) weiter einzuwirken. Die Ausbeute an diesem Sulfon nach beschriebenem Verfahren ist eine recht gute; aus obigen 6 g Methylthiodiphenylamin resultirten (neben einem in den Mutterlaugen bleibenden Rest) 4,2 g der neuen Verbindung in krystallisirtem Zustand. 5. Aethylthiodiphenylamin. C,.H3(0,H,)NS. Je 10 g Thiodiphenylamin wurden mit 4,3 ccm Bromäthyl und 10 cem absolutem Alkohol neun Stunden auf 110°—120° erhitzt. Die Röhren öffneten sich ohne Druck, der flüssige Inhalt krystallisirte wie bei der Methylverbindung gleich nach dem Ausgiessen. Die erstarrte Masse wurde abgesogen, mit kaltem Alkohol gewaschen, alsdann aus heissem Alkohol umkrystallisirt. So resultirten sofort 6 bis 8 Centi- meter lange schöne dünne weisse Prismen, welche kaum weiterer Reinigung bedurften. In den Mutterlaugen war etwas unverändertes Thiodiphenylamin vorhanden. Die bei 75° getrocknete Verbindung ergab bei der Analyse Zahlen, welche zeigen, dass eine Aethylgruppe in das Thiodiphenylamin ein- getreten ist: 0,3490 g Substanz gaben 0,9436 g CO, und 0,1843 g H,O. Berechnet für Q,;3H,,NS: Gefunden: C 74,01 73,70, Sy H 5,73 5,87 N 6,17 2 S 14,09 BE Das Aethylthiodiphenylamin zeigt ähnliche Löslichkeitsverhältnisse ? wie das Methylthiodiphenylamin. Sein Schmelzpunkt liegt bei 102°. x In verdünnter alkoholischer Lösung zeigt es folgende Reactionen: Studien in der Methylenblaugruppe. 323 Eisenchlorid färbt die Lösung (schwach) gelbbraun. Silbernitrat wirkt in der Kälte nicht ein; ebensowenig Jod. Platinchlorid färbt die Lösung zuerst hellgrün, sehr bald scheidet sich dann ein schwarzgrüner aus mikroskopischen Nädelchen bestehender Niederschlag ab. Vom Methylthiodiphenylamin unterscheidet es sich besonders durch sein Verhalten gegen. concentrirte Schwefelsäure. Es löst sich darin langsam gleich ersterem auf mit gelbbraunrother (etwas mehr gelb- licher) Farbe und rosa Ablauf. Beim Erhitzen tritt der Geruch nach SO, stärker hervor und die Farbe der Lösung geht über in Dunkel- gelbbraun, Rothbraun, schliesslich bei beginnendem Sieden Braunroth bis Zwiebelroth. Sie enthält dann eine in Natron mit violetter Farbe lösliche Verbindung, wohl analog der aus Thiodiphenylamin unter ähnlichen Verhältnissen entstehende. Erhitzen mit einer mit _ etwas Wasser versetzten Schwefelsäure (75°/,) giebt ebenfalls eine rein violettrothe Lösung. Methylthiodiphenylamin hingegen giebt mit conc. H,SO, (wie erwähnt) eine braunschwarze Lösung, und bei Verwendung von 75procentiger Säure eine Ausscheidung einer schwärzlichen Ver- bindung, ohne dass eine in Natron lösliche violette Substanz auftritt. Rauchende Salpetersäure wirkt auf Aethylthiodiphenylamin ener- gisch nitrirend; bei der Amidirung erhält man eine farblose (nicht wie diejenige aus der Methylverbindung in Salzsäure fast unlösliche) Verbindung, deren Lösung durch Eisenchlorid (wie bei letzterer) blau- grün (bis grün) gefärbt wird. Wird Thiodiphenylamin mit Bromäthyl und Natriumäthylat in alkoholischer Lösung längere Zeit am Rückflusskühler erhitzt, so bleibt es der Hauptsache nach unverändert; neben Aether entstehen nur ge- ringe Mengen von Nadeln des äthylirten Products. - 6. Acetylthiodiphenylamin. C,.H;(C;H,O)NS. Wie durch Alkoholradicale, so lässt sich ein Wasserstoffatom des Thiodiphenylamins auch durch Säureradicale ersetzen. 15 g Thiodiphenylamin wurden mit 30 cem Essigsäureanhydrid einige Stunden am Rückflusskühler erhitzt. Es trat klare Lösung ein, 324 August Bernthsen: und beim Erkalten krystallisirte die weitaus grösste Menge des ge- bildeten Products in schön einheitlich aussehenden rein weissen, dieken Prismen. Dieselben lassen sich durch einmaliges Krystallisiren aus viel heissem Alkohol leicht völlig rein erhalten. | 0,2100 g der bei 100° getrockneten Substanz gaben 0,5359 g CO, und 0,0941 g H,O. Berechnet für Gefunden: C,.H,,ONS: C 69,71 69,60 H 4,56 4,98. Verwendet man eine grössere Menge Acetanhydrid unter Zugabe von wasserfreiem Natriumacetat, so ist — wie anfängliche Versuche zeigten — die Reinigung des erhaltenen Products mit grösseren Schwierigkeiten verbunden. ER Das Acetylthiodiphenylamin ist in kaltem Risessig und Alkohol sehr wenig, auch in heissem Alkohol, Eisessig und Benzol, sowie in Aether nur wenig löslich. Aus Alkohol (oder Benzol) krystallisirt es in schönen glasglänzenden dünnen farblosen Prismen. „Es schmilzt bei 197°— 197,5 °. Es löst sich in concentrirter Schwefelsäure (iangsamer als das Thiodiphenylamin) bei einigem Schütteln oder schwachem Erwärmen mit derselben charakteristischen Färbung wie das letztere selbst (grün- braun mit roth Ablauf) unter Auftreten des Geruchs nach schwefliger Säure. In der alkoholischen Lösung erzeugt Eisenchlorid keine grüne Färbung, vielmehr wird die Lösung beim Erwärmen dunkelgelbroth; auch Jod oder chromsaures Kali, ebenso Silbernitrat wirken in der Kälte nicht ein. Durch diese Reactionen ist das Acetylthiodiphenyl- amin von seiner Muttersubstanz scharf unterschieden. Kochen mit alkoholischem Kali verseift es unter Rückbildung von Thiodiphenylamin. Kaliumpermanganat oxydirt die fein zerriebene in siedendem Wasser suspendirte Verbindung langsam, aber offenbar unter tiefgreifender Zersetzung; ein dem Methyldiphenylaminsulfon analoges Acetyldiphenyl- 2) Y ae aminsulfon, C,zH3(C,;H,O)NSO,, aus welchem man dann das eigent- liche Diphenylaminsulfon (C,H; NH)SO, zu gewinnen hätte hoffen Studien in der Methylenblaugruppe. 395 können, wurde nicht: erhalten (bei Anwendung analoger Gewichts- verhältnisse wie bei der Oxydation. des Methylthiodiphenylamins blieb der grösste Theil der Acetylverbindung unverändert, und in der al- kalischen Lösung war Essigsäure leicht nachzuweisen). Nitrirt und amidirt man das Acetylthiodiphenylamin in der oben bei Thiodiphenylamin beschriebenen Weise und setzt dann Eisenchlorid zu, so entsteht (vgl. Abschn. III) eine intensiv violettblaue Färbung. Acetyldiphenylamin und Schwefel. Es ist auch versucht worden, das Acetylthiodiphenylamin durch Erhitzen von Acetyldiphenylamin mit Schwefel darzustellen, nach der Gleichung: (C,H, ),N(C,H,0) + 2S = (,:Hg(C;H,0O)NS + H,S. In der That wirkt Schwefel auf Acetyldiphenylamin ') beim Er- hitzen unter lebhafter Schwefelwasserstoffentwicklung ein, und beim Destilliren des Products erhält, man (bei theilweiser Verkohlung des Retorteninhalts) ein partiell erstarrendes Destillat. Der feste Bestand- theil desselben zeigte beim Nitriren, Amidiren und Oxydiren die oben beschriebene empfindliche Violettfärbung in characteristischer Weise und das so gewonnene Violett ist identisch mit dem aus der Acetylthio- verbindung erhaltenen (siehe Abschnitt III?). Indess ist die Substanz, da sie in Alkohol sehr leicht löslich ist, kein Acetylthiodiphenylamin, sondern es ist unter Abspaltung der Acetylgruppe Thiodiphenylamin selbst gebildet worden; durch Eisenchlorid wurde ihre alkoholische Lösung wie die des letzteren dunkelgrün gefärbt. !) Das Acetyldiphenylamin zeigt in ausgezeichneter Weise nach Ein- dampfen der ätherischen Lösung die Erscheinung des Freiwerdens von Wärme beim Kırystallisiren, welche bewirkt, dass die übersättigte ätherische Lösung während des Erstarrens ins Sieden geräth, und durch die eintretende - Dampfentwicklung die Masse umhergeschleudert wird. 2) Nebenher scheint übrigens bei obiger Reaction noch eine andere Ver- bindung zu entstehen, welche in analoger Weise behandelt mit Eisenchlorid eine schwärzliche Färbung giebt (man trennt in chlorzinkhaltiger Lösung durch partiellen Zusatz von Eisenchlorid, wodurch das Violett zuerst ab- geschieden wird). Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. II. 22 396 August Bernthsen: 7. Benzoylthiodiphenylamin. e = >S (Fraenkel). Je 5 g Thiodiphenylamin wurden mit der äquivalenten Menge (3,8 g) Benzoylchlorid und einem dem letzteren gleichen Volumen Ligroin verdünnt und im geschlossenen Rohr vier Stunden lang auf 100° erhitzt. Beim nachherigen Oeffnen des Rohrs entwich Salzsäure. Die dunkelgraue krystallinische Reactionsmasse wurde abgepresst und. C,H, -C0-N< mit Ligroin gewaschen, alsdann mehrfach aus kochendem Alkohol unter Zugabe von Thierkohle umkrystallisirt. Man erhält so farblose oder schwach gelblich gefärbte seideglänzende Blättchen, welche die gesuchte Benzoylverbindung vorstellen, wie die Analyse zeigt: 1. 0,1552 g bei 100° getrocknet, im geschlossenen Rohr verbr., gaben 0,4304 g CO, und 0,0681 g H,O. 2. 0,3931 g gaben (im offenen Rohr) 1,0796 g CO, und 0,1576 g H,O. Berechnet für Gefunden C,sH,,;NS0: 1 2 C 75,24 75,63 74,90 H 4,29 4,87 4,45. JoR Das Benzoylthiodiphenylamin ist sehr leicht in kaltem Chloroform und heissem Eisessig, leicht auch in heissem Benzol, Ligroin und kaltem Aether, ziemlich schwer dagegen in kaltem, leichter in heissem Alkohol löslich. Aus Alkohol schiesst es in Blättchen, aus Eisessig, Benzol und Ligroin in flachen Nadeln an. Es schmilzt bei 170,5° nach vorheriger Bräunung von 167° an. Bei höherem Erhitzen ent- wickelt es Schwefelwasserstoff. Gegen rauchende Salpetersäure verhält das Benzoyl- sich wie das Acetylderivat, es tritt sogleich Nitrirung ein, und das gebildete Product zeigt, mit Zinnchlorür und dann Eisenchlorid behandelt, die prächtige Färbung des Lauth’schen Violett. Die Benzoylgruppe wird dabei, nicht schon beim Nitriren, abgespalten. Concentrirte Schwefelsäure löst das Benzoylthiodiphenylamin in der Kälte mit gelbbrauner, beim Erhitzen violett werdender Farbe. I Studien in der Methylenblaugruppe. 32 8. Thiodiphenylurethan. sN-C0.0C,H, (Fraenkel). Je 5 g Thiodiphenylamin wurden mit je 3 g (etwas mehr als der theoretisch erforderlichen Menge) Chlorkohlensäureäther unter Zusatz eines gleichen Volums Aethyläther auf 100°, dann, da die Reaction noch unvollendet war, auf 120° 8 Stunden lang erhitzt. Der Rohr- inhalt stellte eine dunkelgrüne Flüssigkeit dar, welche beim Oeffnen des Rohrs (wobei reichlich HCl entwich) und Ausgiessen zu einem hellen krystallinischen Brei von sternförmig gruppirten Blättchen er- _ starrte. Sie wurden abgesogen und zweimal aus heissem Alkohol um- krystallisirt. Man erhält so die Verbindung in seideglänzenden weissen - Blättchen, welche bei 109°—110° zu einer gelblichen Flüssigkeit schmelzen und beim Erhitzen im Reagensröhrchen unzersetzt destilliren. Dieselben sind in Alkohol leicht, in Aether sehr leicht, in Eis- essig, Benzol sowie Ligroin ebenfalls sehr leicht, in Chloroform un- gemein leicht löslich. Das bei 80° getrocknete Product gab bei der Analyse folgende Resultate: 1. 0,2669 g gaben 0,6508 g CO, und 0,1198 g H,O (geschlossenes Rohr). I 2. 0,3490 g, nitrirt, mit Aetzkali und Salpeter geschmolzen, gaben 0,2928 g BaS0,. Berechnet für Gefunden: Cs: NS0:: C 66,42 66,46 — H 4,79 4,98 = S 11,80 = 11552: Es liegt also das erwartete „Thiodiphenylurethan“, g CeH Cm N 0ER: vor. Als Urethan ist es durch kochendes alkoholisches Kali verseifbar unter Rückbildung von Thiodiphenylamin; von rauchender Salzsäure wird es bei höherer Temperatur in zugeschmolzenem Rohr in eine 22 * 3283 August Bernthsen: schwarze amorphe, in Aether unlösliche chlorhaltige Masse verwandelt. Concentrirte Schwefelsäure löst es ohne nennenswerthe Färbung (eine Spur auftretender Rosafärbung wird wohl auf eine minimale Menge durch Verseifung entstehenden Thiodiphenylamins zurückzuführen sein); beim Erhitzen hingegen tritt die intensive Farbreaction des Thio- diphenylamins mit cone. Schwefelsäure ein. In kalte rauchende Salpeter- säure vorsichtig eingetragen, wird Thiodiphenylurethan nicht nitrirt, wie es sich denn auch darin ohne Rothfärbung löst und durch Wasser- zusatz farblos gefällt wird; beim kurzen Erhitzen mit der Säure hin- gegen tritt Nitrirung ein, was daran zu erkennen ist, dass die roth- gewordene Lösung durch Wasser nunmehr gelb gefällt wird, und der Niederschlag beim Behandeln mit Zinnchlorür und dann Eisenchlorid die schöne Thiodiphenylaminfarbreaction giebt. Wahrscheinlich wird dabei die Gruppe CO,C,H, abgespalten. 9. Thiodiphenylcarbaminchlorid. Ce no N-C0'C1 (Fraenkel). Hu SEE Thiodiphenylamin (8 g) wurde mit überschüssigem Chlorkohlen- oxyd (4 g einer 16 procentigen Lösung in Toluol!) im zugeschmolzenen Rohr auf 100° acht Stunden lang erhitzt. Der deutlich krystallinische dunkelgraue Röhreninhalt wurde durch Absaugen von der stark ge- färbten Toluollauge befreit, und dann dreimal aus kochendem Alkohol unter Zugabe von Thierkohle umkrystallisirt. So wurden schöne farb- lose dicke zu Büscheln vereinigte Nadeln oder Prismen erhalten, welche bei 167,5° zu einer (grünen) Flüssigkeit schmolzen. Die Substanz wurde bei 100° getrocknet und analysirt. 1. 0,1578 g. gaben (geschlossenes Rohr) 0,5479 g CO, und 0,0524 g H,0. 2. 0,1479 g gaben (desgl.) 0,3258 g CO, und 0,0467 g H,O. 3. 0,3956 g, mit Kalk geglüht, gaben 0,2119 g AgCl, = 0,5024 g Ol. ') Diese Chlorkohlenoxydtoluollösung war bezogen worden von der chem. Fabrik vorm. Hofmann $& Schoetensack in Ludwigshafen a, Rh. Studien in der Methylenblaugruppe. 329 Berechnet für Gefunden: GC, ;3H, NSOCI: % > 8: C 59,65 60,12 60,07 — H 3,05 3,68 3,50 — Cl 13,37 — — 15,25. Es hat daher das Chlorkohlenoxyd ein COhloratom gegen einen Thiodiphenylaminrest ausgetauscht, sodass die vorliegende Substanz ein Carbaminchlorid, das Thiodiphenylcarbaminchlorid, Cl co< C,H, Neon vorstellt '). Die Verbindung ist sehr leicht in kaltem Chloroform, auch in heissem Eisessig, leicht in Ligroin, schwerer in heissem Benzol und Alkohol, sehr wenig in kaltem Benzol, Alkohol und Aether löslich. Sie wird nicht durch kalte rauchende Salpetersäure, und auch durch ein Gemisch von dieser und conc. Schwefelsäure in der Kälte nur spurenweise angegriffen. In kalter conc. Schwefelsäure löst sie sich sehr schwer und ohne nennenswerthe Färbung, beim Erhitzen tritt — offenbar unter Verseifung — die grünbraune, dann violette Färbung ein, welche Thiodiphenylamin unter gleichen Verhältnissen zeigt. Das Thiodiphenylearbaminchlorid schliesst; sich in seinen Eigen- schaften völlig an die schon bekannten Carbaminchloride, z. B. das Diphenylcarbaminchlorid (C;H,;);N-COC]1 (das Diphenylharnstoffehlorid Michlers°) an. Wie letzteres beim Erhitzen mit Anilin auf 150° -Carbanilid und Diphenylamin bildet, so wird auch beim Erhitzen des Thiodiphenylcarbaminchlorids mit Anilin auf 180° das Thiodiphenylamin durch das letztere ausgetrieben und unter gleichzeitigem Austausch des Chlors gegen den Rest NHC,H, Carbanilid gebildet: cl NHC;H, NC,;H; NHC,H, co + 36H, NH, = 00 + 0,,H,NS + C,H,N,HCI. !) Die hier benutzte Nomenelatur ist conform den vor einiger Zeit in Liebigs Annalen dargelegten Prineipien zur Benennung der näheren Kohlen- säurederivate. Früher waren die betr. Verbindungen als Harnstoffchloride bezeichnet worden. 2) Berichte der deutschen chem. Gesellschaft IX, 711. 330 August Bernthsen: Das Carbanilid ist in Alkohol schwerer als Thiodiphenylamin löslich und durch mehrfaches Umkrystallisiren daher rein zu erhalten (lange Nadeln, Schmelzpunkt 150°; gab bei der Verseifung Anilin, das noch besonders nachgewiesen wurde), während man das Thiodiphenylamin aus der Mutterlauge wohl am leichtesten nach Verseifung des beigemengten Carbanilids etc. erhält. Es wurde gleichfalls besonders nachgewiesen. Beim Erhitzen des Diphenylcarbaminchlorids mit Diphenylamin auf 200 °—220° resultirt Tetraphenylharnstoff. Durch vollkommen analoge Reaction entsteht der 10. Dithiotetraphenylharnstoff, NC ,.H3S CONc. HS (Fraenkel). Gleiche moleculare Mengen von Thiodiphenylcarbaminchlorid (10 g) und Thiodiphenylamin (8 g), mit (12 g) Benzol verdünnt, wurden im zugeschmolzenen Rohr vier Stunden auf 200° erhitzt. Beim Oeffnen des Rohrs entwich unter Druck Salzsäure; die graugelbe krystallinische Reactionsmasse, von durchtränkender dunkler Lauge durch Absaugen befreit, wurde mehrfach mit geringen Mengen siedenden Alkohols aus- gezogen, um etwaiges unverändertes Thiodiphenylamin zu entfernen, - alsdann aus heissem Benzol, schliesslich aus kochendem Eisessig um- krystallisirt. So resultirten schöne flache farblose Blättchen von schwach gelblichem Stich, dem Thiodiphenylamin im Aussehen nicht unähnlich, aber davon verschieden. Ihr Schmelzpunkt lag bei 223°—225°. Die Analyse ergab die Formel C,;H,sN,8,0. 0,2497 g, bei 100° getr., gaben (i. 0. R.) 0,6456 g CO, und 0,0877 g H,0. Berechnet: Gefunden: C 70,75 70,51 H 3,77 3,92. Es liegt somit der gesuchte Harnstoff des Thiodiphenylamins vor, welcher nach der Gleichung cl 204 COyo, us 5 HNO: H,S = CO(NC, HS), + HCI entstanden ist. nn Studien in der Methylenblaugruppe. 3a Dieser Dithiotetraphenylharnstoff ist sehr leicht in Chloroform, nur mässig leicht in heissem Benzol oder Fisessig oder Ligroin, in siedendem Alkohol nur sehr schwer, weit schwerer als Thiodiphenyl- amin, und auch in Aether sehr wenig löslich. Aus Benzol scheidet er sich meist in krystallinischen Warzen, aus Alkohol in Nadeln oder Blättchen, aus Eisessig, wie erwähnt, in Blättchen ab. Diese sind von Thiodiphenylamin (abgesehen von Löslichkeit, Schmelzpunkt und Zu- sammensetzung) leicht dadurch zu unterscheiden, dass ihre alkoholische Lösung durch Eisenchlorid nicht grün gefärbt wird, und dass sie von rauchender Salpetersäure beim Erhitzen zwar gelöst, aber unverändert durch Wasser wieder gefällt wird. Die Widerstandsfähigkeit der letzt beschriebenen Verbindungen gegen nitrirende Einflüsse contrastirt ungemein mit der energischen nitrirenden Einwirkung selbst verdünnter Salpetersäure auf Thiodiphenyl- amin, und mit der vergleichsweise auch noch leichten Nitrirbarkeit der Methyl-, Aethyl-, Acetyl- und Benzoylverbindung. 11. Constitution des Thiodiphenylamins. Werden im Diphenylamin zwei Wasserstoffatome durch ein Schwefel- atom ersetzt, so sind für die Constitution der gebildeten Verbindung (wenn man von dem analogielosen und unwahrscheinlichen Fall ab- sieht, dass zwei Wasserstoffatome eines Benzolkerns gegen Schwefel ausgetauscht werden) im Wesentlichen nur folgende zwei Formeln in Betracht zu ziehen: GH, _—5H,N 1) l. NA®8: TEN Se S. !) Die anfangs auch noch als möglich in Betracht gezogene Formel NH 1, gleich CiHuuNS, würde zwei Wasserstoffatome mehr als die obigen beiden verlangen; sie wider- legt sich sowohl durch die gut zur Formel Cı2HsNS stimmenden Analysen des Thiodiphenylamins, als auch durch den Umstand, dass letzteres keinen Sulfhydratcharakter besitzt, was zur Genüge aus seinem beschriebenen Verhalten gegen Metallsalze hervorgeht. Auch sollte sonst bei der Oxydation unter Aufnahme von 3 (nicht 2) Atomen Sauerstoff eine Sulfosäure (statt eines Sulfons) aus dem Methylthiodiphenylamin entstanden sein, 332 August Berntbsen: Nach der ersten dieser Formeln wäre der Schwefel an die beiden Benzolreste gebunden, wie im Phenylsulfid; nach der zweiten aber nur an einen Benzolrest, ausserdem an das Stickstoffatom. Die letztere Auffassung erscheint schon darum unwahrscheinlich, weil eine so constituirte Verbindung durch Reduction in eine Substanz CH; -NH-C,H,-SH sollte übergehen können, während doch. Thio- diphenylamin durch reducirende Mittel nicht verändert wird. Sie steht ausserdem im"Widerspruch mit der constatirten leichten Ersetzbarkeit eines Wasserstoffatoms im Thiodiphenylamin durch Alkohol — wie durch Säureradicale. Die Formel (I) stimmt hingegen aufs befriedigendste zu allen beobachteten Thatsachen; das gegen Methyl, Aethyl, Acety], gegen die Gruppe CO,'C,H, etc. ersetzbare Wasserstoffatom ist das- jenige, welches mit Stickstoff verbunden und schon vom Diphenylamin her vorhanden ist. Der Schwefel ist nach dieser Formel in sulfid- artiger Bindung, indem er die schon durch die Imidgruppe verbundenen Benzolkerne nochmals mit einander verknüpft. Die aus dieser Auf- fassung ableitbare Forderung, dass man im Stande sein müsse, ein solches Sulfid zu einem Sulfon zu oxydiren, hat sich beim Methylthio- diphenylamin durch Ueberführung in das Methyldiphenylaminsulfon realisiren lassen. Man gelangt so zu den folgenden Constitutionsformeln: H NHS (00,0, 3,)< 0 >8 DR GH, C,H, Thiodiphenylamin Atetyithiodinhemylainin Thiodiphenylurethan. N(CH, a os NH) < 7 >80, 4 Methylihiophenylamin Methyldiphenylaminsulfon. Dass das Thiodiphenylamin selbst nicht in ein Sulfon übergeführt werden konnte, erklärt sich aus der leichten Angreifbarkeit der NH-gruppe, welche schon beim Diphenylamin auffällt;* dieselbe wird durch die Oxydation früher als der Schwefel angegriffen, wohingegen, wenn die Imidgruppe durch den Eintritt des Methyls gewissermassen geschützt ist, die Oxydation in der gewünschten Richtung erfolgen kann. Dass die Acetylverbindung nicht analog der Methylverbindung Studien in der Methylenblaugruppe. 3353 zu einem Sulfon oxydirbar ist, wird seinen Grund darin haben, dass sie in der siedenden Lösung fest bleibt, während Methylthiodiphenyl- amin schmilzt (also mit der Oxydationsflüssigkeit in innigeren Contact kommen kann), und weiter darin, dass die Oxydation von der Ab- spaltung der Acetylgruppe begleitet ist und sich dann auf das leicht veränderliche Thiodiphenylamin wirft. Dass endlich das Methylthiodiphenylamin bei weiterer Behandlung mit Jodmethyl mit letzterem nicht erneut in Reaction tritt, da doch sowohl Sulfide der Fettreihe wie tertiäre Basen in Jodmethylate über- geführt werden können, erscheint nicht besonders auffallend, wenn man sich erinnert, dass auch das Phenylsulfid mit Jodmethyl nicht zu "einem Sulfinjodid sich vereinigt. | Die Theorie lässt voraussehen, dass, wenn die obigen Sulfide, wenigstens das Methylthiodiphenylamin, zu Sulfonen oxydirbar sind, unter anderen Umständen vielleicht auch eine Oxydation zu Sulfoxyden eintreten kann — ähnlich wie das Aethylsulfid (C,H;),S durch rauchende Salpetersäure in Aethylsulfon (C,H,);SO,, durch verdünntere Säure indess in Aethylsulfoxyd (C, H,),SO umgewandelt werden kann. Weiter ‚unten — im II. Capitel — wird gezeigt werden, dass durch Salpeter- säure in der That eine derartige Oxydation zu Sulfoxyden möglich und sogar leicht ausführbar ist; nur ist sie stets von einer Nitrirung begleitet. Was die Stellung der Imidgruppe zum Schwefelatom in den beiden Benzolkernen des Thiodiphenylamins GEN Un betrifft, so ergiebt sich aus seiner Ueberführbarkeit in die später zu besprechenden Farbstoffe, bei welchen Amidogruppen etc. die Para- stellung zum Imid einnehmen, dass letzteres in beiden Kernen zum Schwefel nicht in Parastellung stehen kann. Es bleibt beiderseits also nur die Meta- oder Orthostellung möglich. Man darf wohl annehmen, dass die letztere, die Orthostellung, der Wirklichkeit entspricht. Es würde alsdann das Thiodiphenylamin mit der Formel: 354 August Bernthsen: * AUSA N | Son | | NEN ZH ta in eine gewisse Analogie zum Anthracen und Acridin, resp. deren Hydroverbindungen, treten, und die NH-gruppe und das Schwefelatom würden mit je zwei benachbarten Kohlenstoffatomen der beiden Benzol- kerne einen dritten sechsgliedrigen Ring constituiren. Diese Annahme ist jedenfalls eine weit wahrscheinlichere als die einer Metastellung, welche die eines achtgliedrigen Rings als Consequenz nach sich ziehen müsste. | Auch die Tbatsache, dass beim Erhitzen des Thiodiphenylamins mit Benzoesäure und Chlorzink der Schwefel eliminirt wird und Phenyl- acridin entsteht, in welchem ja Stickstoff und der Benzoösäurerest in Örthostellung zu einander stehen: kann wohl zur Stütze der oben entwickelten Ansicht dienen, da ein in Örthostellung zum Stickstoff befindliches Schwefelatom natürlich weichen muss, wenn die Gruppe (,H,-C in Orthostellung treten soll. Zweiter Abschnitt: Ueber Monamidothiodiphenylamin und den zugehörigen Farbstoff, das Imidothiodiphenylimid. 1. Mononitrodiphenylaminsulfoxyd. CH, NH 0,H,(NO,) So. Bei der Einwirkung rauchender Salpetersäure auf Diphenylamin Studien in der Methylenblaugruppe. 335 wendet, so entsteht neben Dinitro- auch Mononitrosulfoxyd. Es ergiebt sich dies sowohl aus den Analysen der gewonnenen Producte (in einem besonders günstigen Fall entstanden auf je 1 Theil Di- 5 Theile Mononitroverbindung '), als auch aus ihrem Verhalten bei der Re- duction. Das Dinitrosulfoxyd liefert dabei das Diamidothiodiphenylamin (Leukothionin), das Mononitroproduet geht in Monoamidothiodiphenyl- amin über, welches sogleich näher besprochen wird. Es ist trotz vielfacher Bemühungen nicht möglich gewesen, das Mononitroproduct ausschliesslich zu erhalten oder von der Dinitro- verbindung zu trennen (etwa durch Krystallisation aus einem Gemisch von Cumol und Anilin). So lange die Salpetersäure noch nitrirend wirkt, entsteht gleich auch Dinitroproduct, und schwache Säure (oder die berechnete Menge Säure in viel Eisessig) wirkt in der Kältemischung nicht, bei gewöhnlicher Temperatur unter Oxydation und Grünfärbung ein. 2. Amidothiodiphenylamin aus Thiodiphenylamin. Nach Analogie mit dem später zu besprechenden Diamidothio- diphenylamin entsteht das Monamidothiodiphenylamin durch Reduction des Mononitrodiphenylaminsulfoxyds nach der Gleichung: CH, CsH, (NH,) ‘Schon oben ist angegeben worden, dass die Mononitroverbindung 6 R (Ma : DICH ao, >>0 r 8H = NH< >S + 3H,0. nicht isolirt, sondern nur im Gemisch mit Dinitrosulfoxyd erhalten werden konnte. Reducirt man nun das Gemisch der beiden Verbin- dungen in der üblichen Weise durch Zinnchlorür und Salzsäure unter Zusatz von Zinn, und fällt dann aus der nur mässig verdünnten Lösung - das Zinn durch Zink aus, so lassen sich die entstandenen Salze zufolge !) Berechnet für Gefunden: EEE SE Dinitro- Mononitro- Gemisch von diphenylaminsulfoxyd: 1 Di: 3 Mono: 247,3 55,4 53,4 De Er H 23 3,1 2,9 3,3 3,1 N 13,8 10,8 11,5 — ERST, 1,35 SET Die Verbindung war durch mässig coneentrirte Säure erhalten und aus Anilin umkrystallisirt worden, . 336 August Bernthsen: ihrer ungleichen Löslichkeit von einander trennen. Dasjenige der : Monamidoverbindung ist in Wasser und besonders in Salzsäure weit weniger löslich als dasjenige des Zauth’schen Weiss (und ev. seines Isomeren'). Zu ihrer Darstellung verfährt man zweckmässig folgender- massen: Je 20 g Thiodiphenylamin werden in fein pulverisirter Form in einer Reibschale allmählich unter stetem Rühren mit einem Gemisch von 80 cem Salpetersäure von 1,4 spec. G. und 80 cem Wasser über- gossen, und die Mischung mässig gekühlt, sobald sich salpetrige Säure unter Aufschäumen zu entwickeln beginnt. Es wird nach vollendeter Reaction der Rest der Nitroverbindungen durch Wasser ausgefällt, und der ausgewaschene Niederschlag mit 50 cem 30°/yiger SnCl,-Lösung, 150 cem conc. HCl, etwa 100 ccm Wasser und 60 g metallischen Zinns auf dem Wasserbad, später auf dem Drahtnetz erhitzt. Wenn alle Nitroverbindung redueirt ist, wird ohne Rücksicht auf ungelöst ge- bildetes Salz der Amidoverbindungen das Zinn durch 50 g Zink aus- gefällt, erkalten gelassen und filtrirt: Das schwach grünbraune Filtrat enthält fast ausschliesslich Diamidoverbindung. Der Rückstand wird (wenn nöthig durch mehrfaches) Digeriren mit verdünnter Salzsäure in Lösung gebracht, diese wenn nöthig durch Zusatz einiger Tropfen Zinnchlorür und Einwerfen einiger Zinkstückchen entfärbt, filtrirt und, vor Luft geschützt, in möglichst bis zum Halse gefüllten Kolben zur Krystallisation hingestellt. Es scheidet sich eine weisse oder nur schwach grau gefärbte, krümelige, aus kleinen Krystallblättchen be- stehende Masse, unter Umständen vermischt mit schönen, sehr feinen langen Nadeln ab. Man saugt ab, löst in nicht zu viel heissem Wasser und setzt so lange concentrirte Salzsäure und Chlorzink hinzu, als die Verbindung in der Hitze noch gelöst bleibt, worauf sie beim Er- kalten auskrystallisirt. Diese Operation wird erforderlichenfalls mehr- fach wiederholt. Man erhält so auch wohl direct eine schöne Kry- stallisation von weissen atlasglänzenden Blättchen. Von der Reinheit des erhaltenen Salzes überzeugt man sich durch Lösen einer Probe !) Letzteres sei im Folgenden nicht besonders mehr erwähnt. Studien in der Methylenblaugruppe. 337 in mit wenig Salzsäure versetztem Wasser, Oxydation mit Eisen- chlorid, und Prüfung, ob noch Zauth’sches Violett beigemischt ist; die gewünschte Verbindung giebt eine weit mehr rothe Färbung als das Thionin, welches letztere zudem selbst in geringen Mengen noch durch Aufgiessen einiger Tropfen der Lösung auf Filtrirpapier an den blauvioletten Kränzen erkannt wird, welche dieses bildet. Die Lösung des aus der Monamidoverbindung entstehenden Farbstoffs hin- gegen verbreitet sich gleichmässig auf dem Papier. Das so erhaltene Chlorzinkdoppelsalz des Amidothiodiphenylamins wurde durch überschüssige Natronlauge zersetzt, wobei zur Vermei- dung von Oxydation etwas alkalische Lösung unterschwefligsauren (hydroschwefligsauren) Natrons, Na,S,O0,, zugegeben wurde, die freie Base in Aether aufgenommen [die Lösung ist farblos, oxydirt sich aber schnell an der Luft; eine etwas oxydirte Lösung kann man durch Schütteln mit etwas alkalischer Hyposulfitlösung wieder theilweise ent- färben], und zu der ätherischen Lösung alsdann so lange tropfenweise stark rauchende Salzsäure gegeben, als noch ein Niederschlag entsteht. Man erhält so das Salzsaure Amidothiodiphenylamin, C,;Hs(NH,)NS, HCl, in ursprünglich weissen, gewöhnlich schwach grau gefärbten fett- glänzenden Krystallblättchen, die nach dem Trocknen im Exsiecator zur Analyse ohne Weiteres verwendet wurden. 0,2340 g gaben 0,1012 g Ag. Die Analyse wurde in der Art ausgeführt, dass das Salz in heissem Wasser gelöst und mit Ammoniak bis zur schwach alkalischen Reaction versetzt wurde; nach dem Erkalten wurde die ab- geschiedene Base filtrirt, das Filtrat mit Salpetersäure angesäuert und mit Silbernitrat gefällt. Da das gebildete Chlorsilber so aber noch nicht ganz’ frei von ‘organischer Substanz war, so wurde es durch Glühen im Wasser- stoffstrom in Silber übergeführt. ; . Berechnet für Gefunden: C,.H,0oN:S,HCl: | cl 14.170), 14,21. Das. Salz ist in heissem Wasser ziemlich leicht, besonders bei Zusatz einiger Tropfen Salzsäure, in kaltem weniger, aber immerhin 338 August Bernthsen: nicht schwer löslich. Es kann in farblosen Krystallen (langen Nadeln) erhalten werden, wenn man es in wenig Wasser unter Zugabe einiger Tropfen Salzsäure löst, mit Zinkstaub kurze Zeit erwärmt, bis die Lösung hell geworden, und filtrirt. Enthält die Lösung zu viel Zink, so entsteht indess statt des salzsauren Salzes das in rundlichen Ag- gregaten oder atlasglänzenden Blättchen krystallisirende Chlorzink- doppelsalz. Seine wässrige Lösung färbt sich durch Eisenchlorid. intensiv violettroth. | | Br Monamidothiodiphenylamin, C,:sH,(NH,)NS. Die freie Base wird. aus der wässrigen Lösung des Salzes durch Alkali oder Ammoniak in krystallinischer Form abgeschieden, wobei man Luftzutritt möglichst vermeiden muss. Sie krystallisirt aus heissem Wasser in atlasglänzenden weissen, gewöhnlich schwach grau gefärbten Blättehen. Aus Alkohol, dem man einige Tropfen Schwefelammonium zugesetzt hat, krystallisirt es in grösseren perlmutterglänzenden, farb- 4 losen oder schwach gelblichen Blättern oder auch wohl Naden. Es wird ebenfalls leicht aus dem Imidothiodiphenylimid durch Erhitzen 4 mit Alkohol und Schwefelammonium erhalten. An der Luft färbt es sich, wenn feucht, leicht grau bis violett, a besitzt aber in trockner Form grössere Beständigkeit. Es ist ver- gleichslos beständiger als die Diamidoverbindungen des Thiodiphenyl- % amins. Beim Erhitzen beginnt es von 80° an sich langsam dunkel : zu färben, so dass ein genauer Schmelzpunkt nicht bestimmt werden 2 konnte; übrigens siedet es wenigstens theilweise unzersetzt. | Analyse: , 0,1490 g, bei 50° getr., ergaben i. geschl. R. 0,3680 g CO, 2 und 0,0678 g H,O. Berechnet für Gefunden: k C,:H, oN5S: C 67,28 67,35 H 4,67 5,05. Studien in der Methylenblaugruppe. 339 3. Imidothiodiphenylimid. Salzsaures Imidothiodiphenylimid-Chlorzink, GU—g + ZnOl,. °NSNH,HOL 2N< Dass das Amidothiodiphenylamin in salzsaurer Lösung durch Eisenchlorid zu einem violettrothen Farbstoff oxydirt wird, ist oben schon besprochen worden. Derselbe wird durch Chlorzink und Koch- salz aus seiner Lösung niedergeschlagen, ist aber in Wasser weit leichter löslich als das Zauth’sche Violett. Der wie letzteres erhaltene, durch conc. Kochsalzlösung etwas gewaschene Niederschlag wird in heissem Wasser gelöst, und der Lösung wird in der Hitze etwas Salz- säure und so lange conc. Chlorzinklösung zugefügt, bis eine Probe beim Erkalten reichliche Krystallisation giebt. Man erhält alsdann beim Erkalten das Salz in schönen, z. B. bis zu ');, em langen schwarz-braun-violetten Nadeln, welche in Wasser und auch in heissem Alkohol ziemlich leicht löslich sind. Sie zeigen vollständig die gleichen Reactionen wie das sogleich zu beschreibende salzsaure Salz. Die Analyse des bei 80° getrockneten Products gab: 0,1598 g Substanz gaben 0,1109 g Silber (die Analyse wurde nach Carius ausgeführt, das durch Auswaschen von Farbstoff nicht frei zu erhaltende Chlorsilber im Wasserstoffstrom redueirt). Berechnet für Gefunden: (C,,H,;N,S,HCI),,‚ZnC];: cl 22,449), 22,80. Imidothiodiphenylimid, ER NE: Zur Darstellung der freien Farbbase erhitzt man das Chlorzink- doppelsalz mit zur Lösung eben hinreichender Menge Alkohol’ zum Sieden, setzt Alkali in nicht zu grossem Ueberschuss zu, filtrirt er- forderlichenfalls und setzt sur Lösung so viel Wasser, dass beim 340 August Bernthsen: Erkalten die erhaltene Farbbase auskrystallisirt, oder fällt letztere direct durch genügenden Wasserzusatz aus. Die ganze Operation muss ziemlich schnell vorgenommen werden, auch das Erkalten der Mischung zweckmässig durch Einstellung in kaltes Wasser etwas beschleunigt werden, da sich gezeigt hat, dass sonst leicht Zersetzung unter Bil- dung dunkel gefärbter Producte eintritt. In der Mutterlauge bleibt ein Theil der Farbbase gelöst, so dass man nicht mehr Alkohol als nöthig verwenden darf. Das Imidothiodiphenylimid wird so in kleinen rothbraunen Nadeln oder als krystallinisches ziegelrothes Pulver erhalten, das beim Reiben grünlichen Metallglanz annimmt und sich in Säuren wieder mit violett- _ rother Farbe löst. Die alkoholische Lösung ist gelbroth bis braunroth gefärbt, ebenso die ätherische. Es ist in heissem Alkohol ziemlich leicht, auch in Aether ziemlich leicht (weniger als in Alkohol) löslich, beträchtlich leichter als die Farbbase des Lauth’schen Violett. In alkoholischer Lösung wird es durch Schwefelammon leicht zur Leuko- base reducirt. Ein genauer Schmelzpunkt liess sich nicht beobachten, da oberhalb 130° die Substanz schwarz und undurchsichtig wurde. Die Analyse ergab die erwartete Zusammensetzung: 0,1873 g, bei 70° getr., gaben 20,4 cem Stickstoff bei 12° C. und 755,5 mm Bstd. Berechnet: Gefunden: N 13,08 12,86. Das salzsaure Imidothiodiphenylimid kann durch. Auflösen der Base in wenig Salzsäure und Eindunsten der Lösung erhalten werden; bequemer verfährt man folgendermassen. Man verreibt die Farbbase mit etwas Alkohol, giebt dann eine reichliche Menge trockenen Aethers hinzu, so dass sie (wenigstens zu grösstem Theil) in Lösung geht und fällt die Lösung durch Zugabe von etwas mit Chlorwasserstoff gesättigtem Aether. Es fällt alsdann ein in Aether unlöslicher brauner Niederschlag. Nach dem Trocknen bei 50° zeigte dasselbe folgende Zusammensetzung: 0,2086 g Substanz gaben 0,0875 g. Silber (nach besprochener Methode). Studien in der Methylenblaugruppe. 341 Berechnet für Gefunden: -C,;H, N,S, HCI+ 1,H,0: Ch 2.2378. 13,79. | Das salzsaure Imidothiodiphenylimid ist. in Wasser und Alkohol sehr leicht löslich. Die Lösung, wie die des Chlorzinkdoppelsalzes färbt Seide grauviolettroth, fast neutralfarben. Es löst sich in conc. Schwefelsäure mit dunkelgrüner, in dünnen Schichten gelbgrüner, beim Verdünnen wieder violettroth werdender Farbe. In concentrirter Salzsäure ist es mit dunkelgrüner Farbe (Ablauf gelbgrün) löslich. Eine mässig verdünnte, wässrige Lösung wird von Jodkaliumlösung nicht gefällt, leicht und fast quantitativ hingegen durch Chlorzink (Ss. 0.). Kochsalz allein salzt nur in geringem Masse aus. Die Lösung giebt, wie erwähnt, auf Papier keine Kränze, sondern breitet sich gleich- mässig Aus. 4. Amidothiodiphenylamin und Imidothiodiphenylimid aus Amidodiphenylamin. Das Amidodiphenylamin der Parareihe wurde dargestellt durch Reduction des Orange IV, N = N-C,H,-NH-C,H,, GB, ) auf dem letztbeschriebenen Wege dargestellt und näher untersucht worden. Koch stellte sowohl die freie Farbstoffbase als auch eine Reihe von Salzen und Doppelsalzen derselben dar und analysirte die meisten derselben. Er zog aus den Analysen den Schluss, dass die Base die Formel (C,,H,9NgS, besitze und zweiwerthig sei, also ihr salzsaures Salz nach der Formel C,,H,,NsS:,2HC1l zusammengesetzt sei. Demnach drückte er die Bildung der Farbbase durch folgende Gleichung aus: | 40,H;N,; + 2H,;S + 50 = (,,H,0N6S: + 2NH, + 5H,0. In Koch’s Dissertation finden sich speciellere Betrachtungen über diese Formel und die vermuthliche Constitution des Körpers nieder- gelegt. Ausser der obigen findet sich auch die nach ihm weniger wahrscheinliche Formel C,,H,N,S in Betracht gezogen. Schon in der Einleitung wurden die Gründe dargelegt, welche zu einer erneuten Untersuchung des Thionins geführt haben. Der unten gebrachte Nachweis, dass es sich vom Thiodiphenylamin ableitet, ') Comptes rendus (1876) 82, 1441, Bull. soc. chem. (25), 422; auszügl. x Berl. Ber. 9, 1035; Jahresbericht 1876, 1185; Dingl. pol. J. (1878) 230, 456; Wagners Jahresbericht 1878, 1055. ”) Ad. Koch, Berl. Ber. 1879 (12), 2069; Inaug. Dissert. Berl. 1880. Studien in der Methylenblaugruppe. 345 GENE & CH.(NH,) >’ gleich C,,H,ıN,;S, das Leukothionin, (das ich früher als Lauth’sches Weiss sodass das Diamidothiodiphenylamin, NH< bezeichnet habe) ist, und dass die Farbbase zwei Wasserstoffatome weniger enthält als dieses, führt für letztere zur Formel (,,HyN,S, welche nur in ihrem Wasserstoffgehalt von der halbirten Formel C,,H,;,N,S,;, abweicht. Die genaue Anzahl der Wasserstoffatome lässt sich auf Grund dieser Synthese mit grösserer Bestimmtheit als durch die Analysen feststellen; aber selbst die von Koch mit-- geteilten Resultate der letzteren stimmen bis auf den Wasserstoff, den man ja bei so complieirten Verbindungen leicht zu hoch findet, befriedigend zu der einfacheren Formel. Es tritt das sowohl bei der Farbbase selbst als auch z. B. ihrem salzsauren Salz hervor: Berechnet für Gefunden (Koch): CauHsoNeS GsH,N;S: C 63,15 63,44 63,08 62,95 — — H 4,33 3,97 4,63 4,69 — — N 18,42 18,50 — _ 17,94 — S 14,04 14,09 = = — 13,75. Berechnet für Gefunden (Koch): C,H: 0NeS,,2HC1 C,,H,N,8,HCl: N 15,88 15,93 15,70 3 cl 13,42 13,47 13,60 13,54. Es ist demnach die Bildung des Violett durch die folgende Gleichung auszudrücken: 2C,H,N, + H,S + 30 = C,;H,N,S + 3H,0 + NH,. Hiernach nehmen die von Koch analysirten Salze folgende Formeln an: Salzsaures Salz GC ;HsN,S,HCl + 2H,0. Schwefelsaures Salz (C,:H,N;S),,H,S0, + H,O - Nitrat C.H,N,SHNO, 4 2H,0 Oxalat (C,H,N,8),,C,0,H, + 2H,0 Chlorzinkverbindung 2(C,:H,N,S,HCI) + ZuCl, + H,O Quecksilberchloridvbdg. 2(C,:H,N,S,HCl) + HgÜl,. 346 August Bernthsen: Ueber die Eigenschaften des Thionins, der Base des Lauth’schen Violett‘) und des letzteren selbst, ihres salzsauren Salzes, mag hier noch Folgendes bemerkt werden. Das salzsaure Thionin ist selbst in heissem Wasser nur mässig, in kaltem Wasser schwer, mit intensiv violetter Farbe löslich, welche im durchfallenden Licht mehr dunkelviolettroth, im auffallenden Licht und in verdünnten Lösungen mehr violettblau erscheint. Es krystallisirt aus sehr schwach saurer Lösung in schönen kleinen cantharidengrünen glänzenden Nadeln oder dünnen Prismen. Das Salz kann aus der wässrigen Lösung durch vorsichtigen Zusatz concentrirter Salzsäure fast vollständig in Form kleiner voluminöser Nädelchen ausgefällt werden, sodass die Lösung fast dickbreiig wird und die Lauge kaum noch gefärbt erscheint. Setzt man dann aber mehr concentrirte Salzsäure zu, so geht das Salz mit schöner dunkler reinblauer Farbe wieder in Lösung, welche Farbe auch durch einen beträchlichen Ueberschuss freier Säure nicht mehr verändert wird. Die wässrige Lösung des Salzes wird ferner durch Jodkalium ge- fällt und bei genügendem Zusatz des letzteren wird das gebildete jodwasserstoffsaure Thionin völlig ausgesalzen; es erscheint unter dem Mikroskop — ‘auch nach dem Umkrystallisiren aus heissem Wasser — meist als unkrystallinisches flockiges violettes Gerinnsel, kann aber auch in kleinen feinen Nädelchen erhalten werden. Es löst sich in kaltem Wasser sehr wenig, auch in !) Beim Erhitzen mit Anilin wird das Zauth’sche Violett (wie bereits von Lauth angegeben worden ist, in einem in Alkohol, nicht in Wasser lös- lichen blauen Farbstofl-übergeführt. Nach Analogie mit dem Verhalten des Rosanilins dürfte bei dieser Reaction ein Gipbenybr tes Lauth’sches Violett von der Formel: C,H: sNHCH, Ne, 28 | GB; NG, H; entstehen, welches auch aus p-Amidodiphenylamin nach der Lauth’schen Reaction möglicherweise entstehen könnte (vgl. pag. 364). SE A, ne Studien in der Methylenblaugruppe. . 347 heissem Wasser nur mässig stark; die Lösung erstarrt beim Erkalten fast gallertartig; das ausgeschiedene Salz zeigt schon in der Flüssig- keit broncegrünen Metallglanz. Concentrirte Schwefelsäure löst das Violett wie die Base und ihre anderen Salze mit schön grüner Farbe, welche beim Verdünnen zu- nächst in ein reines Blau und bei weiterem Wasserzusatz alsdann in die Farbe der wässrigen Lösung des Violett übergeht. Es ist dieses Verhalten sehr ähnlich dem des Saffranin, und ist, "wie bei diesem schon von Nietzki vermuthet wurde, wohl auf die Exi- stenz verschiedener Reihen von Salzen, deren jede durch eine bestimmte Färbung charakterisirt ist, zurückzuführen. Achnlich dem -Methylen- blau bildet das Zauth’sche Violett mit Fliesspapier eine Art von Ver- bindung: giebt man einige Tropfen seiner Lösung auf Fliesspapier, so entsteht ein ziemlich scharf begrenzter violetter Kranz, um welchen herum das Papier zwar auch befeuchtet, aber nicht gefärbt ist. Dieses Verhalten kann gelegentlich mit Vortheil zur Erkennung des Lauth’schen Violett mit verwendet werden. Auch durch Chlorzink wird Zauth’sches Violett aus seiner wäss- rigen resp. salzsauren Lösung ausgesalzen. Um aus dem entstandenen Chlorzinkdoppelsalz das Zink wieder zu entfernen, fällt man zweck- . mässig seine heisse Lösung mit überschüssigem Alkali, wodurch die Farbbase niedergeschlagen wird. Letztere, das, Thionin, C,,HgN;S, wird, wie das schon von Koch mitgetheilt wurde, durch Fällen der Salze mit Natronlauge oder Ammoniak als schwarzes krystallinisches Pulver erhalten, und scheidet sich besonders schön aus verdünnten ‚heissen, mit Alkali versetzten Lösungen in Form kleiner schwach grün schimmernder Nädelchen ab. Sie ist in heissem Wasser nicht ganz, in ‘kaltem fast unlöslich, und in Alkohol leichter, immerhin aber ziem- lich schwer löslich. Die alkoholische Lösung ist violett bis violettroth, in verdünntem Zustand violettblau (weit röther als die wässrige Lösung des salzsauren Salzes) gefärbt, und zeigt ziemlich starke rothbraune Fluorescenz; .ihre Farbe verändert sich beim Erhitzen ins Rothe, stellt 348 August Bernthsen: sich aber beim Erkalten wieder her. — In Aether endlich ist die Farb- base auch etwas löslich, sodass sie aus wässriger Lösung durch Aether mit gelbrother Farbe völlig ausgeschüttelt wird. In Benzol löst sie sich kalt sehr wenig mit violetter, heiss etwas mehr mit gelbbrauner Farbe, die beim Verdünnen mit Benzol wieder blauviolett wird; durch Wasser wird die Base der Lösung theilweise entzogen, mit violett- blauer Farbe. In Ligroin ist sie in der Kälte fast unlöslich, auch in der Hitze sehr wenig mit gelblicher Farbe löslich; hingegen löst sie sich nicht unbedeutend in Chloroform kalt mit violetter, heiss stärker mit rothbrauner, beim Verdünnen wieder violett werdender Farbe. Leukothionin oder Lauth'sches Weiss, C.H.N:S. Durch Reductionsmittel wird das Lauth’sche Violett sowohl in saurer als auch in alkalischer Lösung in seine Leukobase, das Lauth’sche Weiss, übergeführt. Erhitzt man z. B. das Violett mit dem 50- bis 100fachen Gewicht Alkohol zum Sieden und trägt die Lösung in ein warmes Gemisch von wenig aber überschüssigem Ammoniak und Schwefelammonium ein, so wird sie sofort fast völlig entfärbt (hell- gelb) und aus dem alkoholischen Filtrat scheidet sich nach Zusatz eines gleich grossen Volums heissen Wassers beim Erkalten das Leukothionin in schönen farblosen oder schwach gelb gefärbten Blätt- chen ab, die sich, mit der Mutterlauge in ein Glasrohr eingeschmolzen, unverändert aufbewahren lassen. Sucht man aber die Leukobase ab- zufiltriren und zu trocknen, so kann man, auch wenn man unter An- wendung von Kohlensäure arbeitet, eine partielle, zum wenigsten oberflächliche Oxydation der ungemein energisch Sauerstoff fixirenden Base kaum vermeiden. Es ist daher das Herstellen etwas grösserer Mengen Leukobasen eine recht heikle, wenn gleich ausführbare Operation, welche auch noch durch die ungünstigen Löslichkeitsver- hältnisse derselben erschwert wird, da ziemlich viel Alkohol zur Lösung des Lauth’schen Violett angewendet werden muss, aber nachher ein Theil der Leukobase in der wässrig-alkoholischen Flüssigkeit gelöst bleibt. So zu verfahren (wie beim Leukomethylenblau), dass man die Base aus ätherischer Lösung gewinne, ist hier wegen ihrer zu geringen Löslichkeit in Aether im Grossen nicht wohl auszuführen. Studien in der Methylenblaugruppe. 349 Nach obiger Methode dargestellt und über Schwefelsäure im mit Kohlensäure gefüllten und dann evacuirten Exsiecator getrocknet, stellte das Lauth’sche Weiss ein oberflächlich grünbläulich oder schwarzbläulich gefärbtes, beim Zerreiben ein helles, schwach violettes Pulver gebendes Krystallaggregat dar. Dasselbe hält sich an der Luft in trockener beträchtlich besser als in feuchter. Form, oxydirt sich aber auch, wenn trocken, bald wieder zur Farbbase. Auf eine Analyse des ZLauth’schen Weiss wurde verzichtet, weil ein völlig unverändertes Präparat nicht erhalten werden konnte. ei Dass es indess nach der Formel ; Q,sH.ıN;S, gleich 0,,H,N,S + 2H zusammengesetzt ist, liess sich dadurch beweisen, dass man feststellte, wie viel Zinnchlorür das Violett zu seiner Reduction bedarf. Die Filtration wurde in der unten für Methylenblau besprochenen Weise vorgenommen und ergab Folgendes: 1. 0,4650 g 0,,H,N,S, HCl erforderten zur Reduction 3,20 cem ' einer Zinnchlorürlösung, die im Liter 107,4 g SnCl, enthielt. . 0,2501 g HCl-Salz erforderten zur Reduction -10.57 ccm einer SnCl,-Lösung von 15,68 g SnCl, im Liter. [S} Berechnet auf Gefunden: # Mol.-C,,B,N,S, HCl = 263,5 *(SnCl,): 189 = 1 Mol. 194,7 = 1,03 Mol.; 176 = 0,93. Mol. Das Leukothionin löst sich in verdünnten Säuren farblos, gewöhn- lich natürlich mit einer schwach violetten Farbe, welche auf Eisen- chloridzusatz intensiv prächtig violett wird. Die sauren Lösungen sind beständiger als die alkalischen; setzt: man zur salzsauren Lösung der Leukobase überschüssiges Ammoniak, so tritt sofort unter Sauer- stoffabsorption aus der Luft und aus dem Wasser Violettfärbung ein. Giebt man einen Tropfen der salzsauren Lösung auf Filtrirpapier und hält dies über eine Flasche mit Ammoniak, so entsteht schnell auf dem Papier ein dunkelvioletter Fleck. — Auch Zinnchlorür redueirt in der Hitze das Zauth’sche. Violett mit Leichtigkeit; setzt man zur heissen entfärbten Lösung alsdann tropfenweise Eisenchlorid, so ver- schwindet die jedesmal auftretende violette Färbung fast sofort wieder, a 350 August Bernthsen: solange noch Reductionsmittel vorhanden ist; ist dagegen die Flüssig- ‚ keit kalt, so wird durch Eisenchlorid die Lösung jedesmal minuten- lang schön violett gefärbt, bevor wieder Entfärbung eintritt, welches | Farbenspiel sich wiederholen lässt, solange noch Zinnchlorür da ist. S. o. pag. 313. Unter den Salzen des Lauth’schen Weiss mag das Sulfat erwähnt werden, welches in Wasser, selbst heissem, schwer löslich ist und daraus in längeren weissen Nadeln krystallisirt, aber auch leicht sich an der Luft oxydirt. Das Chlorzink-Doppelsalz endlich ist in Wasser ziemlich leicht löslich. | Verhalten des Thionins und seiner Leukobase gegen Jodmethyl (Pentamethylleukothionindijodmethylat, CoH23N,8J,). Wenn man Lauth’sches Weiss mit Jodmethyl unter Zusatz von ‘ Methylalkohol längere Zeit auf höhere Temperatur erhitzt, so resultirt schliesslich eine farblose Verbindung, welche durch Oxydation mit Eisenchlorid keinen Farbstoff mehr giebt. Man verfährt zweckmässig folgendermassen : Je 5 g Leukothionin werden mit 25 g Jodmethyl und einem gleichen Volumen Methylalkohol 4—6 Stunden auf 110° erhitzt. Der in der Regel dunkel, aber auch öfters hellgelblich gefärbte Röhren- inhalt wird mit Alkohol herausgespült, filtrirt und mit Alkohol nach- gewaschen, auch wohl mit etwas heissem Alkohol extrahirt, alsdann | aus ziemlich viel heissem Wasser unter Zusatz von Thierkohle und etwas schwefliger Säure (zur Entfernung freien Jods) wiederholt um- krystallisirt. Man erhält farblose oder in.der Regel schwach gelblich gefärbte prächtige Krystalblättchen, unter gewissen Verhältnissen statt derselben verfilzte Nadeln. Dieselben sind in kaltem Wasser sehr wenig, in warmem (mit einer ganz schwachen violetten Farbe) ziemlich leicht, in Alkohol sehr wenig, in Aether nicht löslich. Das bei etwa 60° getrocknete Product (welches bei höherer Temperatur grünlich bis bläulich gefärbt wird) ergab folgende analytische Resultate: Studien in der Methylenblaugruppe. 351 1. 0,2959 g, mit CuO unter Vorlage von PbCrO,, Cu und Ag verbrannt, gaben 0,4262 g CO, und 0,1232 g H,O. 2. 0,2046 g gaben 0,1649 g Ag). Diese Zablen stimmen zur Formel (C,.H:,N,SJ; : Berechnet: Gefunden: C 39,11 39,28 — H 4,63 4,63 Zu Na Ki De ur S RT Su 2 J 43,57 ee 43,54. Die beschriebene Verbindung leitet sich aus dem Zauth’schen Weiss durch Ersatz von fünf Wasserstoffatomen gegen Methyl und Additon zweier Molecüle Jodmethyl ab: C,H,N(CH,)J. CH, NICH, I Dieselbe Verbindung entsteht auch durch Erhitzen des (freien) Thionin, N(CH;) des Methylenweiss- und Methylenblau (s. u.) mit Jodmethyl ete. und wird weiter unten noch ausführlicher zu besprechen sein. Acetylleukothionin. Beim Kochen mit Essigsäureanhydrid wird das Lauth’sche Weiss leicht in eine farblose aus Alkohol krystallisirbare Acetylverbindung übergeführt. Dieselbe ist nicht weiter untersucht worden; wahrschein- lich ist sie ein Triacetylproduct von der Formel: CH, NHO,H,O Ze N(C,H,0%X C,H,— NHC,H,O Dieselbe Acetylverbindung hat vermuthlich Koch bereits unter Händen gehabt; er erhielt ein farbloses Acetylproduct, das er für ein diacetylirtes Lauth’'sches Violett (nach seiner Formel tetraacetylirt) ausprach, beim Kochen des Lauth’schen Violett mit Essigsäureanhydrid und essigsaurem Natron. Dass er nicht die Acetylverbindung des Farbstoffs, sondern die der Leukobase erhalten hat, erscheint nach den analogen Er- fahrungen beim Methylenblau nicht zweifelhaft, 352 August Bernthsen: EL et. . Dass ; Homologe des Zauth’schen Violetts aus den Homologen des p-Phenylendiamins dargestellt werden können, ist bereits von Zauth selbst angegeben worden. - Sie sind durch eine ; weit röthere Farbe charakterisirt. Es mag hier beiläufig erwähnt b werden, dass auch das Dichlor-p-phenylendiamin (dargestellt aus p-Nitranilin, HCl und KC1O,, und Reduction) die Lauth’sche Reaction mit H,S und FeCl, zeigt. (Fränkel). 2. «-Dinitrodiphenylaminsulfoxyd, Salpetersäure wirkt ungemein leicht auf Thiodiphenylamin ein. Ihre Concentration kann innerhalb beträchtlicher Grenzen schwanken; rauchende Säure reagirt heftig unter Zischen und lebhafter Erwärmung, aber auch eine Säure von 1,4 oder 1,3 spec. Gew. und selbst nach grösserer Verdünnung wirkt nitrirend. Eine rauchende ' oder sehr concentrirte Säure erzeugt wesentlich Dinitroverbindungen, und zwar zwei isomere, deren Löslichkeit in der Säure verschieden ist; eine verdünntere Säure giebt wie im vorigen Abschnitt besprochen, ausser- dem ein Mononitroproduct. Eine Complication erleiden die bezüglicher Verhältnisse dadurch, dass die Salpetersäure auf das: Thiodiphenylamin nicht nur nitrirend, sondern gleichzeitig oxydirend wirkt: es .wird ein Atom Sauerstoff hinzugefügt, so dass Nitroproducte des (an sich unbekannten) „Diphenyl- aminsulfoxyds“, UN80, entstehen. Zur Darstellung des &-Dinitro-sulfoxyds kann man eine Salpeter- säure von 1,40—1,48 spec. Gew. verwenden. So erhält man dasselbe, % wenn man Thiodiphenylamin bei-0 — bis 45° mit dem 20fachen Gewicht Salpetersäure von 1,4 spec. Gew. nitrirt. Am geeignetsten erwies sich folgendes Verfahren. 2 50 g Thiodiphenylamin werden in ein Gemisch von je 500 es Salpetersäure vom spec. Gew. 1,48 und 500 g Säure von 1,40 ganz 3 allmählich unter stetem Umschütteln und energischer Kühlung durch Eis Studien’ in der Methylenblaugruppe. 353 oder selbst eine Kältemischung eingetragen (es wurde in 5 Kölbchen zu je 200 g Säure operirt); die Temperatur der Mischung darf sich dabei nicht wesentlich über 0° (bis 5°) erheben, und es dürfen nur so kleine Quäntitäten auf einmal eingetragen werden, dass ein Zischen kaum bemerkbar ist. Das Thiodiphenylamin löst sich anfangs klar mit rother Farbe auf, aber noch während des Eintragens verdickt sich die Lösung, indem das gebildete Nitroproduct in kleinen Kryställchen sich aus- scheidet. Es thut dies dem Fortgang der Reaction, wenn man kräftig schüttelt, keinen Eintrag. Nach mehrstündigem bis halbtägigem Stehen wird die braun- gefärbte Mutterlauge (in welcher ‘sich die isomere P-Verbindung befindet) abgesogen, und der erhaltene gelbe Brei kleiner mikrosko- ‚pischer Nadeln erst mit concentrirter Salpetersäure, dann mit verdünn- terer, schliesslich mit Wasser ausgewaschen. Man erhält sie so von schön chromgelber Farbe, und kann.sie noch etwas weiter reinigen, indem man sie mit siedendem Alkohol extrahirt, wobei sie fast völlig ungelöst bleibt. | Die so erhaltene Nitroverbindung ist — wenn man das Nitri- rungsgemisch nicht zu lange hat stehen lassen, fast vollkommen rein und frei von ihrem Isomeren. Ein Gehalt an letzterem lässt sich daran erkennen, dass nach der weiter unten zu beschreibenden Re- duction und Ueberführung in das Zauth’sche Violett in den letzten *Mutterlaugen dieses Farbstoffs ein anderer, violettrother, leicht lös- licher Farbstoff sich findet. Die Analysen der bei 150° getrockneten Substanz ergaben fol- gende Resultate: 1. 0,3317 g gaben 0,5728 g CO, und 0,0753 g H,0'). EST TONER NE 008 3. 03219 „ „ 0,2951 , BaSO.. 4. 0,4250 „ „ 48,2 cmN bei + 8,3° und 752,9 mm Bstd. ') Die Analysen dieser und der weiter zu beschreibenden Nitrover- bindungen haben anfangs Schwierigkeiten geboten, da sie trotz inniger Mischung mit gepulvertem chromsauren Blei nur sehr schwer völlig ver- brennen. Auch ein Zusatz von Kaliumbichromat hob diese Schwierigkeit S 354 August Bernthsen: i Berechnet für Gefunden: | (Berechnet für C,.H,N,SO,: 1 2 3 4 C,.H}N;S0,): ON a2 lo >. 93 H 2,29 2,52 D77 — = 2,42 N 13,77 en — — 13,67 14,53 Ss 10,49 — _ 1085 11,07. 0 26,23 EN — an EN 22.14. W Wie man sieht, entscheiden die Analysen unzweifelhaft zu Gunsten der »Formel C,,H,N,SO,, so dass also nicht ein Sulfid, sondern ein 1 Sulfoxyd, ein Dinitrodiphenylaminsulfoxyd, C,,H,(NO,),NSO, vorliegt. Dass ein solches Sulfoxyd hier durch Salpetersäure schon bei Ä niedriger Temperatur erzeugt wird, erscheint nicht sehr auffällig, da auch die meisten bekannten’ Sulfide der Fettreihe, z. B. Aethyl- oder Isoamylsulfid, Normal- und Isobutylsulfid, Isopropylsulfid, Isamylaethyl-" sulfid, Aethylendiaethylsulfid und Methylsulfid schon beim blossen Ein- g tropfen in Salpetersäure von 1,4 bis 1,5 spee. Gew. zu Sulfoxyden oxydirt 5 werden, grossentheils selbst wenn man von aussen kühlt oder Säure R von geringerer Concentration (z. B. 1,2 spec. Gew. nach Beckmann) ver- wendet. Auch das gemischte Phenylaethylsulfid zeigt analoges Ver- halten ').. Von Sulfiden der aromatischen Reihe war ein solches £ Verhalten meines Wissens seither nicht bekannt; Stenhouse ?) hat‘ das Phenylsulfid durch Kochen mit Salpetersäure in sein Sulfon (Sulfobenzid) übergeführt. F. Kraft?) hat das Phenylsulfid zwar na nitrirt, aber die entstehende Nitroverbindung nicht specieller unter- 5 i sucht, sondern direct weiter durch Reduction in Thioanilin verwandelt. nicht, vielmehr trat dann in der halbgeschmolzenen Mischung öfters Bildung von Hohlräumen und Verstopfung der Röhre ein. Später wurde daher die Substanz mit Kupferoxyd innig gemischt, und unter Vorlegung einer Schicht von Bleichromat verbrannt. ie !) Man vgl. die bez. Litteratur: v, Oefele, Ann. 132, 86; Saytreff, das.’ 139, 354; 144, 152; Grabowski, 175, 349; Beckmann, J. pr. Ch. (2) 8, 439; Eberlöw, Ber. der d. chem. Ges. IV, -716, u. =» f. N ?) Ann. Chem. 140, 289. { 3) Berichte der d. chem. Ges. VII, 384; 1164. Studien in der Methylenblaugruppe. 355 Ich halte es für sehr wohl möglich, dass auch bei genanntem Phenyl- sulfid als Product der Nitrirung ebenfalls ein Sulfoxyd, Dinitrophenyl- sulfoxyd, resultirt. Dass dieses bei der Reduction seinen Sauerstoff wieder verliert, erscheint völlig begründet in der bekannten Eigen- ‘schaft der Sulfoxyde (z. B. Diaethylsulfoxyd), bei der Reduction wieder in Sulfide überzugehen (im Gegensatz zu den Sulfonen, welche nicht reducirt werden). In Uebereinstimmung hiermit geben auch die nitrirten „Diphenylaminsulfoxyde“ bei der Reduction ihren Sauer- stoff wieder ab und werden wieder zu Sulfiden. Dass in der That hier ein Sulfoxyd vorliegt, liess sich auch direct auf folgende Art feststellen: Da bei der Reduction Nitro- in Amido- verbindungen, Sulfoxyde wieder in Sulfide übergehen (es ist kein Sulf- oxyd bekannt, welches nicht letzteres Verhalten zeigt), so muss, wenn man die Substanz mit Reductionsmitteln behandelt, aus der verbrauchten Menge der letzteren ein Schluss auf die Zusammensetzung der Ver- bindung gezogen werden können. Zur Reduction eines Sulfids C,,H,(NO,),NS wären auf je 1 Mol. 6 Mol. Zinnchlorür, zur Re- duetion eines Sulfoxyds C,.H,(NO,),NSO hingegen nach der Gleichung: C,;H,(N0,),NSO + 7SnCl, + 15HCl = C,,H,(NH,),NS,HC1 752.0 1378n0, sieben Molecüle‘ Zinnchlorür erforderlich. Da nun die Reduction ‘beim Erhitzen mit Zinnchlorür und Salzsäure leicht erfolgt, das ent- standene Product aber durch die geringsten Mengen Eisenchlorid zu einem violetten Farbstoff oxydirt wird, der seinerseits durch Zinn- chlorür, besonders in der Wärme, zu einer farblosen Verbindung re- ducirt wird, so kann der Ueberschuss von Zinnchlorür, den man bei der Reduction nicht umgehen kann, leicht durch Eisenchlorid zurück- titrirt werden, und das Reductionsproduct selbst dient als empfind- licher Indicator, so dass das Stehenbleiben der bei Eisenchloridzusatz ‚an der Stelle des Eintropfens zunächst vorübergehend entstehenden violetten Färbung das Ende der Reaction anzeigt. Zur Ausführung der Titration bringt man die abgewogene Sub- stanz mit etwas Salzsäure von z. B. 1,12 spec. Gew. in ein Kölbcehen mit 356 August Bernthsen: dreifach durchbohrtem Stopfen, dessen erste und zweite Oeffnung zum Ein- und Austritt durchzuleitender Kohlensäure dienen, während durch die dritte Oeffnung ein Glasröhrchen geht, welches durch einen kurzen Gummischlauch mit dem unteren Ende einer mit Zinnchlorürlösung gefüllten Bürette verbunden ist. Man füllt das Kölbcehen mit Kohlen- säure, giebt eine zur Reduction mehr als hinreichende Menge titrirte Zinnchlorürlösung zu und digerirt im schwachen CO,-Strom auf dem Drahtnetz bei einer dem Sieden nahen Temperatur, bis die Nitro- verbindung völlig zu einer farblosen Flüssigkeit gelöst ist. Alsdann titrirt man in der warmgehaltenen Lösung das überschüssige Zinn- chlorür mit Eisenchloridlösung von bekanntem Gehalt zurück. So wurden folgende Resultate erhalten: Gehalt der Lösungen: 1 Liter Zinnchlorür = 107,4 g SnClz (ohne H2O gerechnet). 5. 0,2404 g Substanz erfordern zur Reduction 9,36 cem Zinnchlorür., 6. 0,2513 g erfordern 9,82 ccm SnCls. Berechnet auf 1 Mol. Sulfoxyd (= 305) Gefunden: Verbrauchte Mol. SnCle: 7 Gl 7,13 Mol. (Auf 1 Molekül Dinitrosulfid würden sich berechnen 6,74 und 6,76 Mol. SnCls statt 6 Mol.) Das «-Dinitrodiphenylaminsulfoxyd ist in Wasser nur äusserst wenig mit gelblicher Farbe, auch in Alkohol und den meisten üblichen Lösungsmitteln sehr schwer löslich. Ein wenig leichter löst es sich in Eisessig. Auch in siedendem Anilin ist es, wenn gleich schwer, löslich (weniger in. einem Gemisch von Cumol und Anilin) und kry- f stallisirtt daraus beim Erkalten in kleinen röthgelben Nadeln oder seinen kurzen Prismen. Wenn man diese mit Alkohol (um zur Ana- lyse vorzubereiten) auskocht, so gehen sie theilweise in ein Aggregat j lockerer, heller, gelber Kryställchen über, ohne dass diese von den compacteren und rothgelb bleibenden Kryställchen verschieden wären. (Obige Analyse 5) ist mit den rothgelben, 6) mit den hellgelben: Kryställchen ausgeführt worden.) M Beim höheren Erhitzen schmilzt die Nitroverbindung und zersetzt sich. lebhaft unter Verkehlen und Ausstossen eines röthlichbraunen Rauchs. Beim Erhitzen mit concentrirter Salzsäure (in welcher sie Bi = etwas löslich ist, beginnt sie bald sich unter Zersetzung braunroth zu Studien in der Methylenblaugruppe. oo oa a? färben. In concentrirter Schwefelsäure löst sie sich in der Kälte mit rothbrauner Farbe, beim Erhitzen wird die Lösung erst gelbgrün- schwärzlich, daun beim Sieden schön violett; die letztere Färbung verwandelt sich beim Verdünnen mit Wasser in ein schönes Bordeaux- roth, das durch Alkali in Violett und durch Zinnchlorür, unter fast völliger Entfarbung in ein ganz schwaches Grün verwandelt wird, um durch Fe,Cl, wieder hergestellt zu werden (Zwischenfärbungen blau und violett). Vielleicht entsteht hierbei Thinol (s. u.). In Alkalien, selbst in Ammoniak ist das Dinitrosulfoxyd mit blutrother Farbe (besonders beim Erwärmen) löslich, und wird aus der Lösung durch Säuren, auch Essigsäure und Kohlensäure, wieder als hellgelbe flockige Masse abgeschieden. Dieser Säurecharakter der Nitroverbindung ist dadurch zu erklären, dass der Wasserstoff der Imid- gruppe durch den Eintritt der negativen Nitrogruppen [und der Gruppe —(SO)] zu leichterem Austausch gegen Metalle befähigt wird, wie dies ja häufig in ähnlichen Fällen, z. B. bei den höher nitrirten Di- phenylaminen selbst, beobachtet worden ist. Versuche, eine Alkali- oder Silberverbindung rein zu gewinnen, haben seither zu keinem Resultat geführt. Die ammoniakalische Lösung setzt beim Stehen an der Luft wieder die unveränderte Sub- stanz ab. Die alkalische, mit Essigsäure bis zum Entstehen eines bleibenden Niederschlags versetzte und dann filtrirte Lösung der Nitronverbindung gab folgende Reactionen: Silbernitrat erzeugte einen weisslichen, schwach röthlich gelb ge- färbten voluminösen, in Alkobol unlöslichen Niederschlag. Mercuronitrat gab einen hellgelben dichten Niederschlag, der in heissem Wasser etwas löslich war; Quecksilberchlorid erst allmählich einen geringen, sich beim Erwärmen lösenden Niederschlag. Kupfersulfat fällte einen grünlichen und voluminösen Niederschlag, der allmählich rasch beim Kochen dichter (blaugrün) wurde; Bleiacetat gab eine gelbe voluminöse, in Wasser unlösliche, beim Kochen pulverig werdende Fällung. Beim Er- hitzen mit rauchender Salpetersäure wird das «-Dinitrosulfoxyd weiter verändert; es resultiren hell eitronengelbe Nitroproducte, welche durch SnCl, in farblose Amidoverbindungen übergeführt werden und Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. III. 24 un 358 August Bernthsen: je nach der Dauer des Erhitzens alsdann durch Eisenchlorid in zwiebelrothe bis dem Methylenblau ähnliche blaue (etwas mehr violette) Farbstoffe übergehen; letzterer ist in der Siedehöhe vergänglich und auch durch Ammoniak verschwindet die blaue Farbe seiner Lösung. 3. Acetyl-«-dinitrodiphenylaminsulfoxyd, CH,(NO;) C,H, (NO,) Wird Acetylthiodiphenylamin (4 g) in rauchende Salpetersäure oder ein Gemisch von dieser mit Eisessig (es wurden 15 g Salpetersäure von N(0,H,0)< >SO, ——= C, ‚HRN, S08. 1,5 spec. Gew. und 15 g Eisessig verwendet) unter guter Kühlung langsam eingetragen, so tritt zunächst klare Lösung zu einer rothen Flüssigkeit ein. Man liess die Temperatur auf höchstens + 4° steigen. Rothe Dämpfe traten nur in geringer Menge auf. Schon bevor alles Acetyl- thiodiphenylamin eingetragen war, begann das Nitroproduct in schön hellgelben Nadeln zu krystallisiren. Die rothe Mutterlauge wurde abgesogen, das Product mit Eisessig, Essigsäure, Wasser, schliesslich mit Alkohol und Aether gewaschen. 0,2963 g der bei 120° getrockneten Substanz gaben 0,5282 g CO, und 0,0747 g H,O. Berechnet für Gefunden: 0,2H3N,S0:: C 48,41 48,61 H 9,59 2,80. Es ist also ein Dinitroacetyldiphenylaminsulfoxyd entstanden. Das- selbe ist in seinen Löslichkeitsverhältnissen etc. dem &-Dinitrodiphenyl- aminsulfoxyd sehr ähnlich. Obschon der Wasserstoff der Imidgruppe durch Acetyl ersetzt ist, löst es sich in Alkalien, selbst in '/;-procentiger Kalilauge mit gelbrother Farbe auf; die Acetylgruppe wird hierbei offenbar abgespalten und in dem Alkali löst sich das so entstehende U * Äh Dinitrodiphenylanıinsulfoxyd. Auch bei der Reduction mit SnCl;, wo- M durch eine klare farblose Lösung entsteht, und Zusatz von Eisenchlorid wird die Acetylgruppe unter Bildung von Lauth’schem Violett abge- e spalten. Hieraus geht gleichzeitig hervor, dass die Acetylverbindung Studien in der Methylenblaugruppe. 359 der &-Reihe angehört, und dass sie die oben gegebene Constitution besitzt. Aus der Mutterlauge der Nitrirung wird durch Wasser ein dunkler gefärbtes Product gefällt, in welchem eventuell eine isomere Verbin- dung enthalten sein könnte. Dasselbe wurde nicht weiter untersucht. 4. Thionin aus Thiodiphenylamin. Das beim Nitriren des Thiodiphenylamins unter den oben be- schriebenen Verhältnissen entstehende «&-Dinitrodiphenylaminsulfoxyd ist das Ausgangsmaterial zur synthetischen Darstellung von Thionin. Dasselbe wird durch Zinn resp. Zinnchlorür und Salzsäure zunächst in &-Diamidothiodiphenylamin oder Leukothionin (Zauth’sches Weiss) übergeführt und daraus wird der Farbstoff durch Oxydation erhalten. Man verfährt zweckmässig folgendermassen: Die Nitroverbindung wird in ein geeignet gewähltes Gemisch von Zinn und Salzsäure eingetragen, deren Mengenverhältnisse ungefähr durch die bereits oben gegebene Gleichung bestimmt werden: 5 g Nitroverbindung, ERS 50 „ 44°/,ige SnCl,-Lösung, 35 „ HCl (30°), 33352 H,0: wobei man indess zweckmässig von vorn herein eine grössere Menge fertig gebildeten Zinnchlorürs zugiebt. Die Salzsäure mag z. B. aus 1 Vol. Säure von 1,15 + 2 Vol. H,O bestehen, kann indessen auch weit schwächer noch verwendet werden. Die Reduction vollzieht sich beim Erwärmen auf dem Wasserbad schnell und glatt, und man erhält, wenn man reines Ausgangsmaterial verwendet hat, eine wasserklare Lösung. Man kann aus derselben durch Krystallisation ein Zinndoppelsalz des Leukothionins in weissen - Blättchen erhalten. Bequemer jedoch verarbeitet man gleich weiter auf den Farbstoff, indem man die Flüssigkeit etwas verdünnt, das Zinn durch Zink ausfällt, und das Filtrat nach weiterem Verdünnen z. B. mit dem vierfachen Volum Wasser langsam unter Umschütteln 24 * a ne 360 August Bernthsen: mit Eisenchlorid versetzt, bis letzteres schwach vorwaltet. Der Farb- stoff fällt so in Form des Chlorzinkdoppelsalzes fast vollkommen als röthlichbraune, im durchscheinenden Licht violette schlammige Masse aus. Ob genug FeCl, zugesetzt ist, erkennt man, indem man einen Tropfen der Masse auf Fliesspapier giebt und in die helle, durch Ausbreiten ent- standene, den dunklen Niederschlag umgebende Zone ein Tröpfchen weiteres Eisenchlorid bringt. Wenn dies keine dunklere (violette) Färbung mehr verursacht, ist auch keine Leukobase mehr vor- handen. Der erhaltene Niederschlag wird abgesogen (das Filtrat ist nur schwach blau gefärbt) und mit einer concentrirten Kochsalzlösung (20°/,) ausgewaschen, bis das Filtrat eisenfrei ist. Waschen mit Wasser ist nicht anzurathen, da dasselbe von der Verbindung wegen h der feinen Vertheilung derselben zu viel lösen würde. Das so erhaltene Chlorzinkdoppelsalz ist zwar zu den Reactionen, h Färbungen etc. direct verwendbar, zweckmässig führt man es indess in die freie Farbbase über, indem man es in feuchtem, fein vertheilten Zustand in einen grossen Ueberschuss 33procentiger Natronlauge ein- trägt, damit einige Zeit stehen lässt, dann verdünnt und filtrirt. Aus der so erhaltenen Base (welche übrigens leicht noch etwas aschen- haltig ist) kann man dann leicht die gewünschten Verbindungen ä darstellen. i Das salzsaure Salz, durch Auflösen der Farbbase (5 g) in. der gerade erforderlichen Menge Salzsäure (2 cm von 1,127 spec. Gew.) 5 und heissem Wasser (250 g) erhalten, krystallisirte beim Erkalten in schönen lebhaft cantharidengrünen glänzenden Kryställchen (a). Aus a der Mutterlauge wurde durch Salzsäure etwas weiteres Salz in längeren dunkleren, schwach grünglänzenden, verfilzten Nadeln (b) erhalten, (ebenso aus etwas ungelöst gebliebener Base durch Ausziehen mit wenig i heisser Salzsäure), welche aber gleiche Zusammensetzung wie a) be sitzen. Die Analysen ergaben folgende Zahlen : ® a) 1. 0,2321 g bei 100° getrocknet gaben 0,4650 g Kohlensäure und 0,0905 g Wasser. 2. 0,2036 g gaben 0,1817 g BaSO,. Studien in der Metbylenblaugruppe. 361 b) % 0,1686 g gaben, mit NO,H von 1,44 2%/, St. auf 260° er- hitzt, 0,0906 g AgCl.') 4. Dieselbe Probe ergab 0,1543 g BaS0O,. Berechnet für Gefunden: USH,N,S, HC: Dr & 4. 54,66 54,64 =; - 1 3,80 4,33 — 2 — 15,93 — — — — 12,14 — 12,26 zei 12,57 IE 213,47 en _ 13,30 = Die aus dem Salz regenerirte Farbbase, bei 100° getrocknet, @! del 02, \es ergab Folgendes: 1. 0,2940 g gaben 0,6850 g CO, und 0,1110 g H,O, DO SED A STIL IA, Berechnet für Gefunden: GaHgN,;S: le 2. GC, 63,44 63,54 63,04 El.2.3,07 4,19 4,43 1.70218,5055 — — S 14,09 — — Aus heissem Alkohol wurde das freie Thionin in schönen grün- glänzenden oft gezackten Tafeln krystallisirt erhalten. (Anal. 2). Ist das zur Darstellung dienende &-Diritrosulfoxyd nicht frei von seinem Isomeren, so enthält die Mutterlauge obiger Krystallisationen des salzsauren Thionins das salzsaure Salz einer isomeren Farbbase (Isothionin), die im Abschnitt IV beschrieben wird. Auch im vor- liegenden Fall war eine sehr geringe Menge davon in den Mutter- laugen vorhanden, so dass das nach der früher gegebenen Vorschrift gewonnene &-Dinitroproduct zwar fast frei, aber nicht vollkommen frei von seinem Isomeren erhalten worden ist. Ich schätze die Menge des letzteren auf höchstens ein Procent. !) Die Röhrenwandung ist eigenthümlicherweise bei allen diesen Be- stimmungen nach Carius mit Silbernitratzusatz mehr oder weniger stark roth gefärbt; die Färbung wird durch Säuren oder Alkalien nicht heraus gelöst. 362 August Bernthsen: Ein ausführlicher Vergleich der auf den beiden Wegen dargestellten : Farbstoffe 5 hat ergeben, dass sie in jeder Beziehung völlig identisch sind. Das 3 charakteristische Verhalten gegen concentrirte Salzsäure, welche die vio- r lette Lösung erst fällt, dann mit blauer Farbe wieder den Niederschlag ; löst; gegen concentrirte Schwefelsäure, welche mit grüner, beim Ver- dünnen blau, dann violett werdender Farbe löst; gegen Jodkalium, gegen 2 Reductionsmittel u. s. f. lassen an dieser Identität keinen Zweifel. Beide Verbindungen färben Seide oder gebeizte Baumwolle ganz gleich, mit violetter (in dünner Färbung mehr violettblauer) Farbe; die freien Farb- basen gleichen einander völlig, und die Leukobase des synthetischen Violett krystallisirt aus verdünntem Alkohol in gleicher Weise wie die 3 schon beschriebene, zeigt gleiche Löslichkeit und giebt ein gleiches $ schwer lösliches, in Nadeln krystallisirendes Sulfat wie jene. Auch E das Verhalten gegen Jodmethyl ist ein völlig gleiches: beim Erhitzen mit Jodmethyl und Methylalkohol auf 110° wird es in das oben be- i schriebene Pentamethylleukothionindijodmethylat, C,sH,, N,;SJ,, überge- 5 führt, welches aus Wasser wie jenes in fast farblosen Blättern oder 3 Nadeln krystallisirte, sich beim Erhitzen für sich, gegen Natronlauge, N Silberoxyd etc. jenem völlig gleich verhält und bei der Analyse ein der 5 Theorie entsprechendes Resultat gab: 4 0,2255 g, bei 55° getrocknet, gaben (nach Carius) 0,1809 g Agl.- Berechnet für Gefunden: y C,4H37 N38J;: I: BA3:57 43,34. 5. Thionin aus Acetylthiodiphenylamin. Bei der Reduction des oben beschriebenen Dinitroacetyldiphenylamin- N sulfoxyds mit Zinnchlorür und Oxydation mit Eisenchlorid entsteht ein y Farbstoff, welcher mit Lauth’schem Violett identisch ist. Das am N 8 der ursprünglichen Imidgruppe haftende Acetyl ist daher abgespalten worden, was mit der unten dargelegten Ansicht in Uebereinstimmung R' steht, dass der Wasserstoff genannter Imidgruppe bei der Farbstofi- “ bildung wegoxydirt wird. Studien in der Methylenblaugruppe. 363 Dass auch aus Acetyldiphenylamin durch Erhitzen mit Schwefel etc. Lauth’sches Violett erhalten werden kann, ist qualitativ constatirt und oben schon erwähnt worden. 6. Thionin aus p-Diamidodiphenylamin. Die Theorie liess es als möglich erscheinen, dass das Lauth’sche Weiss aus Diphenylamin nicht nur durch Schwefelung und Einführung zweier Amidogruppen, sondern auch unter Umkehrung dieses Processes, also durch Einführen von Schwefel in bereits amidirtes Diphenylamin entstehen werde, entsprechend der Gleichung: C,H,.(NH;) C,H,.(NH;,) C,H,.(NB;) GH. (NH) Als Ausgangspunkt zu diesen Versuchen diente das sog. gelbe NH< +25 —NH< >S-FH;8. Dinitrodiphenylamin, dessen Nitrogruppen nach Neetzki und Witt zur Imidogruppe in Parastellung stehen. Es wurde nach den Angaben letzterer Forscher durch Darstellung der gemischten Dinitrodiphenyl- nitrosamine, Behandeln derselben mit Alkohol und Umkrystallisiren aus siedendem Anilin, durch welches es vom isomeren „rothen* Dini- trodiphenylamin getrennt wird, erhalten. Durch Reduction mit Eis- essig und Zinkstaub wurde es in die entsprechende Diamidoverbindung übergeführt, diese nach Uebersättigen mit Natronlauge mit Aether ausgeschüttelt und nach dem Abdestilliren des Aethers und einigem Trocknen, wobei es als rothbraunes Oel hinterblieb, ohne weitere Reinigung mit der der obigen Gleichung entsprechenden Menge Schwefel erhitzt. Es entwickelte sich reichlich Schwefelwasserstoff; die Tem- peratur wurde möglichst niedrig gehalten und das Erhitzen fortgesetzt, bis die Schwefelwasserstoffentwickelung fast beendigt war, was nach einstündigem Erhitzen (bei einigen Grammen Substanz) der Fall war. Die erkaltete und erstarrte Schmelze löste sich fast ganz in ver- dünnter Salzsäure auf; die Lösung, welche sich schon an der Luft durch Oxydation schmutzig blau färbte, wurde mit Eisenchlorid ver- setzt und mit Kochsalz und Chlorzink gefällt. Der dunkle Niederschlag wurde mit heissem Wasser extrahirt, dabei blieb ein schwarzer Rück- stand, während das Chlorzinkdoppelsalz des entstandenen violetten 364 August Bernthsen: Farbstoffs in Lösung ging. Auf schon beschriebene Weise wurde 4 daraus die Farbbase, aus dieser das salzsaure Salz gewonnen, welches | gleich dem Lauth’schen Violett in kleinen cantharidengrünen Kryställchen anschoss. Die qualitativen Reactionen derselben (Verhalten gegen conc. Salzsäure, conc. Schwefelsäure, Zinnchlorür, Jodkalium), die Eigen- schaften der Farbbase und der daraus gewonnenen Leukobase liessen keinen Zweifel darüber, dass die Verbindung mit dem Thionin identisch ist. Diese Bildungsweise bietet einen neuen Beweis für die Richtig- keit der oben dargelegten Anschauung über die Constitution des Lauth’schen Violett. Im Uebrigen ist sie offenbar der Einwirkung von Schwefel auf das p-Phenylendiamin nicht analog. Die Ausbeute ist nach diesem (schon an sich umständlichen) Verfahren keine grosse; es wurde keine zur Analyse ausreichende Quantität erhalten. Es war von Interesse, ob auch auf nassem Wege (durch Schwefel- x wasserstoff und Eisenchlorid) Schwefel in analoger Weise wie auf 1 trockenem in das p-Diamidodiphenylamin eingeführt werden könne. | Nach einigen in dieser Richtung ausgeführten Experimenten bildet sich zwar durch Zusatz von Eisenchlorid zu einer mit Schwefelwasser- stoff gesättigten salzsauren Lösung obiger Base ein schwefelhaltiger Farbstoff, allein derselbe ist in seiner Färbung dem Methylenblau | ähnlicher als dem Thionin und mit letzterem nicht identisch. In der That sollte er von demselben verschieden sein, wenn hier die eigent- 3 liche sogenannte Lauth’sche Reaction einträte; nach dem Schema | 0 nf GHNHR) NHR & 2C,H, ESS )S + 3H,0 + NH, NH, | Nc,H,(NR) | sollte nämlich alsdann ein Farbstoff entstehen von der Constitution: | 0,H,—N- C,H; NH, REF nt 7. Lauth’sches Violett aus p-Nitranilin und Schwefel. Da p-Nitranilin durch Schwefel möglicherweise analog Phenylen- diamin substituirt werden kann, wobei die Nitrogruppe durch den resultirenden Schwefelwasserstoff oder auch durch Schwefel selbst weiter Studien in der Methylenblaugruppe. 365 verändert werden kann, so war nicht undenkbar, dass auch durch Erhitzen von p-Nitranilin mit Schwefel und weitere Behandlung Lauth’- sches Violett sich darstellen lasse. In der That wirken die genannten Substanzen beim Erhitzen lebhaft, sogar unter Verpuffung, bei etwa 200° auf einander ein, wobei erst schweflige Säure, dann Schwefel- wasserstoff entweicht, und durch Ausziehen der Schmelze mit Salz- säure, Kochen mit Zinnchlorür und Oxydation mit Eisenchlorid hat etwas Lauth’sches Violett gewonnen werden können, dessen Mei“ aber bei Anwendung von 5 g Nitranilin äusserst gering war'). 8. Dinitromethyldiphenylaminsulfoxyd, N(CH,):C, ,Hs (NO, ),:50 = C,H, N,S0;. Auch Methylthiodiphenylamin wird durch Salpetersäure sehr leicht nitrirt. 4,7 g wurden, fein zerrieben, unter den für die Nitrirung des Thio- diphenylamins angewendeten Vorsichtsmassregeln in 20 g rauchende Salpetersäure (1,48 spec. Gew.) eingetragen. Es erfoigte völlige Lösung, dann erstarrte ziemlich plötzlich unter Entweichen rother Dämpfe die Masse zu einem dieken Brei kleiner Kryställchen. Man saugt nach halbstündigem Stehen von derselben die Mutterlauge ab und wäscht. erst mit concentrirter Salpetersäure, dann mit verdünnter, zuletzt mit Wasser nach. Zur weiteren Reinigung kann man die Substanz mit ein wenig heissem Alkohol extrahiren, wobei sie fast völlig ungelöst bleibt. Aus der salpetersauren Mutterlauge wurde durch Wasser eine weitere Menge etwas dunkler gelb gefärbter Nitro- verbindung gefällt, welche der Hauptsache nach mit der auskrystalli- _sirten identisch zu sein scheint. Die Verbindung ergab bei der Analyse folgende Resultate: 0,2140 g, bei 100° getrocknet, gaben 0,3867 g CO, und 0,0633 g H;0. Berechnet für C,;H,N,S0O,: Gefunden: C. 48,90 49,28 H 2,82 | 3,29. !) Neuerdings durch Ewer und Pick patentirt. _ 366 August Bernthsen: Das Dinitromethyldiphenylaminsulfoxyd bildet kleine Nädelchen von Löslichkeitsverhältnissen, welche denen des &-Dinitrodiphenylamin- sulfoxyds ähnlich sind. Indess ist es in Salpetersäure und Eisessig leichter als dieses löslich, so dass es bei Anwendung von 30 statt 20 g Salpetersäure beim Nitriren nur zu kleinerem Theil aus- krystallisirt. Bei längerem Stehen mit Salpetersäure erleidet es weitere Zer- setzung resp. Veränderung. Als man zu seiner Darstellung auf 5 g Methylthiodiphenylamin 100 g Säure vom spec. Gew. 1,5 verwendet hatte, war die Lösung über ‘Nacht klar geblieben, und lieferte auch auf Zusatz von Wasser eine erst ölig-teigige, dann erstarrende eitronen- gelbe Nitroverbindung, indess zeigte dieselbe nicht mehr die sogleich zu beschreibende Reaction mit Zinnchlorür und Eisenchlorid. Viel- leicht war eine Oxydation zu Sulfon eingetreten; die ausgeführten Analysen aber gestatteten keine sicheren Schlüsse '!). Von den Dinitrosulfoxyden, die sich vom Thiodipbenylamin ab- leiten, unterscheidet sich das Dinitromethyldiphenylaminsulfoxyd scharf durch seine Unlöslichkeit in Alkalien. Dieselbe war durch die Theorie vorauszusehen, da der Wasserstoff der Imidgruppe, auf welchem die Alkalilöslichkeit jener Substanzen beruht, hier durch das fest haftende Methyl ersetzt ‚ist. Das Dinitromethyldiphenylaminsulfoxyd ist ferner durch sein Ver- halten bei der Reduction charakterisirt. 9. Diamidomethyldiphenylamin. N(CH,)=C, ;Hs (NH, ),„=8. Wird obige Nitroverbindung durch Erwärmen mit Zinnchlorür und Salzsäure reducirt, so scheidet sich — bei grösserer Concentration !) Es scheint, als ob auch beim Nitriren des Methylthiodiphenylamins bei Anwendung schwächerer Säure, z. B. von der Concentration 1,4 bei Ver- dünnung mit Eisessig (wenigstens theilweise), nur eine Nitro-Gruppe eintrete; das gebildete Product fällt durch Wasser zunächst ölig aus (es erstarrt bei einigem Stehen), ist in Eisessig leicht löslich, auch in Alkohol ziemlich leicht löslich, und krystallisirt aus einem Gemisch beider Lösungsmittel langsam in Warzen. Es ist also verschieden vom oben beschriebenen Dinitromethyl- sulfoxyd. Studien in der Methylenblaugruppe. 367 schon in der heissen Lösung — ein weisses Salz ab, welches zinnfrei ist, ebenso nach dem Entzinnen der Lösung durch Zink dasselbe (zink- freie) Salz). Dasselbe ist in Wasser, besonders warmem, leicht löslich, in eoncentrirter Salzsäure fast vollkommen unlöslich; aus verdünnter Salzsäure krystallisirt es in schönen schneeweissen Nadeln, we’che sich an der Luft — wie ihre Lösung — durch Oxydation schnell etwas blau färben. Die Analysen eines möglichst sorgfältig dargestellten, nur schwach oxydirten Products gaben etwas mehr Gehalt an Salzsäure an, als der Formel C,;H,,N,S,2HCl entspricht (gef. 24,02 und 24,32, ber. 22,47°/, Cl). Durch Ammoniak wird aus der wässrigen Lösung die freie Base als weisser sich schnell bläuender in Wasser nicht unlöslicher Niederschlag gefällt, der in Aether löslich ist. Durch Oxydation dieser Substanz resultirt kein Farbstoff vom Charakter des Lauth'schen Violett. Es geht dies aus folgenden Beobachtungen hervor?): Die wässrige Lösung des Salzes wird durch Eisenchlorid in sehr verdünnter Lösung stark blaugrün gefärbt (empfindliche Reaction). In concentrirter chlorzinkhaltiger Lösung erzeugt Eisenchlorid einen blaugrünen Niederschlag, der gelegentlich in bronceglänzenden Nädel- chen erhalten wird, und sich in Wasser mit blaugrüner Farbe löst. Indessen ist die entstandene Verbindung sehr vergänglicher Natur, sie zersetzt sich schon beim Erhitzen des Wassers (zum Zwecke des Umkrystallisirens) und wird dadurch theilweise zu einem schwärzlichen Pulver, während die Lösung blauviolett wird. Selbst in der Kälte geht die Substanz nicht unverändert auf Seide, sondern letztere wird missfarbig bläulich gefärbt. Bei sofortigem Wiederlösen in kaltem Wasser zeigt die Verbindung mit concentrirter Salzsäure einen Ueber- gang der blaugrünen in grüne durch weitere Säure nicht mehr ver- !) Ein bei früheren Versuchen gewonnenes Zinn, resp. Zink enthaltendes Produet wurde bei späteren Versuchen nicht wieder beobachtet. ”) Das pag. 366 erwähnte durch zu starke Einwirkung von NOsH auf Methyldiphenylamin entstandene Nitroproduct giebt mit SnCle reducirt und FeeCls versetzt einen braunschwarzen Niederschlag. 368 August Bernthsen: änderte Farbe; beim Erwärmen mit Alkohol und Natronlauge und Wiederansäuern Uebergang der Färbung in ein schwärzliches Violett. Concentrirte Schwefelsäure löst den Chlorzinkniederschlag gelbgrün, die Lösung wird beim Verdünnen blau und zeigt bald einen offenbar auf Zersetzung beruhenden Farbenumschlag in Violett und Rothviolett. Ein monomethylirtes Zauth’sches Violett würde sich vorausichtlich nur durch etwas blaueren Farbenton von diesem selbst unterschieden haben. 10. Constitution des Lauth’schen Violett. Die verschiedenen oben besprochenen Bildungsweisen des Thionins aus p-Phenylendiamin, aus Thiodiphenylamin, vor allem die letztere, ferner aus p-Diamidodiphenylamin geben Aufschluss über die Constitution desselben. Bei der Reduction des &-Dinitrodiphenylaminsulfoxyds, ent- steht das Leukothionin oder Diamidothiodiphenylamin, NH: C,H, (NH,),: S. Dass dasselbe die beiden Amidogruppen an die beiden Benzolkerne vertheilt enthält, also die Constitution CH, (NH;)\ NC,H,(NH,)/ besitzt, ergiebt sich aus der Bildungsweise des Violett aus p-Diamido- I diphenylamin sowie aus p-Phenylendiamin nach der Zauth’schen Re- action. Diese, die Einwirkung von Schwefelwasserstoff und Eisen- chlorid resp. von Schwefel auf das p-Phenylendiamin, erfolgt offenbar in der Art, dass zwei Molecüle des letzteren unter Amoniakaustritt zu Diamidodiphenylamin sich vereinigen: N CH,-NH en C,H, NH, C,;H,-NH, NH, während zugleich eine Substitution zweier Wasserstoffatome je eines jeden Benzolkerns gegen 1 Schwefelatom eintritt. Es bleibt dadurch an jeden Benzolkern je eine Amidogruppe gebunden. Obige Ansicht wird durch die Thatsache unterstützt, dass die Lauth’sche Reaction nur bei den- jenigen Diaminen eintritt, welche eine einfache Amidogruppe enthalten. Aus den beiden letzteren Bildungsweisen folgt zugleich, dass die Studien in der Methylenblaugruppe. 369 beiden Amidogruppen zur die Benzolreste verknüpfenden Imidgruppe in Parastellung sich befinden. Das Thionin leitet sich aus seiner Leukobase nachgewiesener- massen ab durch Austritt von zwei Wasserstoffatomen. Dass eines von diesen aus der Imidgruppe herrühre, erscheint schon wegen der Analogie unseres Farbstoffs mit anderen vom Diphenylamin sich ab- leitenden Farbstoffen wahrscheinlich, bezüglich welcher dasselbe an- genommen wird (z. B. Dimethylphenylengrün). Es ergiebt sich aber weit sicherer aus dem oben besprochenen Umstand, dass nach Er- setzung des betreffenden Wasserstoffatoms durch Methyl die Fähigkeit des so resultirenden Atomcomplexes zur Bildung eines dem Lauth’- schen Violett correspondirenden Farbstoffs verloren gegangen ist: das Diamidomethylthiodiphenylamin, N(CH,) : C,zH,(NH,), : S, giebt mit Eisenchlorid kein methylirtes Zauth’sches Violett. Da das zweite Wasserstoffatom aus einem der beiden Amidoreste stammen muss, so ergiebt sich hiermit die folgende Constitutionsformel für das Thionin: yCGHsNB;)\ | NONE) 7° 2 | Dies oben beschriebene Verhalten des Leukothionin gegen Jod- methyl steht mit seiner Constitutionsformel (I) in völliger Ueberein- stimmung, denn in ihm sind fünf an N gebundene vertretbare Wasser- stoffatome vorhanden, so dass ein Pentamethylleukothionin entstehen kann, C,H; SICH), ne welches dann noch mit zwei Molecülen Jodmethyl zum Dijodmethylat, C,sH,,N3SJ,, gleich N(CH, NG CH; TIICH,), "CH; J SCH, 2 N(CH,) CH, J zusammentritt. Dass nicht mehr Molecüle Jodmethyl eintreten, har- N(CH, IR monirt mit der Thatsache, dass, wie oben angegeben, das Methyl- thiodiphenylamin, NCCH,< Gy" >8, kein Jodmethyl addirt. 370 | August Bernthsen: Vierter Abschnitt: Isothionin (dem Lauth’schen Violett isomerer Farbstoff). 1. -Dinitrodiphenylaminsulfoxyd. NH(C, ,Hg (NO, ),)SO. Hat man das Thiodiphenylamin nach ‘der oben, p. 352 u. 353, gegebenen Vorschrift (50 g Th. 4 500 g NO,H 1,48 + 500 von 1,40) nitrirt und die Mischung einige Zeit (mehrere Stunden, oder auch über Nacht) sich selbst überlassen, alsdann das ausge- schiedene Product von der überschüssigen Säure getrennt, so ist in letzterer eine Nitroverbindung gelöst geblieben, welche auf Wasser- zusatz in dunkelgelben bis bräunlichgelben Flocken gefällt wird. Man wäscht sie mit Wasser und digerirt sie alsdann mit Alkohol einige Zeit auf dem Wasserbad. Es gehen so kleine Mengen dunkler gefärbter Substanz neben etwas Nitroproduct in Lösung, während die Haupt- menge des letzteren ungelöst bleibt und schön eitronengelbe Farbe annimmt. Die so erhaltene Nitroverbindung war ohne weiteres rein. Die Analysen ergaben: 1. 0,2265 g gaben 0,3941 g CO, und -0,0498 g H,O. 2..0,2367 ». 5.1 1.0.1809, Ba50,, Berechnet für C,5H,.N,SO,: Gefunden: C 47,22 47,26 n H 2,29 3,24 es NO 3TT — - S 10,49 a 10,40 0 26,23 AR 2 Auch hier sind also zwei Nitrogruppen eingetreten und ist gleichzeitig unter Oxydation ein Sulfoxyd gebildet worden. Das gleiche Resultat ergaben die Titrirungen mittelst Zinnchlorür, welche in gleicher Weise wie bei der &-Verbindung ausgeführt wurden: Studien in der Methylenblaugruppe. 371 Concentration der SnCl,-Lsg : 1 Liter = 107,4 g SnC],. I 1. 0,2007 g erforderten 7,90 ccm SnQ],. 2.0.1853. „ 1,67 „ » RO HT, 6,90 „ v Berechnet auf 1 Molecül Sulfoxyd Gefunden: F=305): Mol. SnCl, : 7 A Le Auch der bei der Reinigung durch Alkohol in Lösung gegangene dunkler braungelb gefärbte Theil des rohen Nitroproducts ist im Wesentlichen Dinitrosulfoxyd: 1. 0,2445 g erfordern 9,77 ccm SnC];. 2. 0,1436 „ S BP Berechnet: Gefunden: Mol. SnC], : 7 6,92 7,03. Auch hier liegt also ein Dinitrodiphenylaminsulfoxyd NH(C,;Hs[NO,],)SO vor. Dass dasselbe von der oben beschriebenen «-Verbindung verschieden ist, geht besonders aus seinem Verhalten gegen Zinnchlorür und Eisenchlorid hervor. Wie unten ausgeführt, erhält man durch Einwirkung dieser Reagentien einen Farbstoff, welcher zum Unterschied vom (blauvioletten) Thionin durch eine weit hellere, violettrothe Nuance charakterisirt und von jenem scharf unterscheidbar ist. Die Verbindung ist daher als isomeres oder P-Dinitrodiphenylaminsulfoxyd zu bezeichnen. Das -Dinitrosulfoxyd ist seinem Isomeren ausserordentlich ähnlich ; es ist in Wasser spuren- weise mit gelblicher Farbe, in Alkohol, Aether etc. sehr wenig löslich, löst sich wie dieses in verdünnten Alkalien mit blutrother Farbe und wird, selbst wenn man zum Kochen erhitzt hat, aus der nicht allzu verdünnten Lösung durch Säuren unverändert wieder gefällt. Zum Unterschied von der «&-Verbindung ist es in rauchender Salpetersäure — worauf schon die Darstellungsmethode hinweist — leicht löslich. Auch in Anilin ist es in der Hitze sehr leicht und selbst in der Kälte ziemlich leicht löslich, während selbst siedendes Anilin von der &-Ver- bindung nur wenig aufnimmt. Offenbar lässt sich auch auf diesen Unter- schied eine Trennung der beiden Isomeren begründen, doch wurde er 372 August Bernthsen: erst nach Fertigstellung dieses Capitels aufgefunden und konnte so zu genanntem Zweck nicht verwerthet werden. Das /-Sulfoxyd ist also nur dadurch rein erhalten worden, dass von vorn herein durch die Art des Nitrirens eine Trennung der beiden Isomeren erzielt wurde. Dass letztere im vorliegenden Fall eine vollständige gewesen war, ging daraus hervor, dass bei der Reduction der P-Verbindung ausser obigem rothvioletten Farbstoff, dem Isothionin, kein Thionin (das eventuell durch seine sehr geringe Löslichkeit in schwacher Salz- säure etc. leicht hätte abgeschieden und erkannt werden können) in nachweisbarer Menge entstand. In kalter concentrirter Schwefelsäure löst sich die A-Nitroverbin- dung mit rothbrauner Farbe; beim Erhitzen wird die Lösung zunächst braunschwarz (und in diesem Stadium beim Verdünnen mit Wasser schön blutroth, durch Alkali hellroth), dann beim Sieden rothbraun (beim Verdünnen bräunlich). Erhitzt man mit rauchender Salpetersäure zum Sieden, so tritt weitere Einwirkung ein, und dem entstehenden Product geht schliess- lich die Fähigkeit verloren, in üblicher Weise einen Farbstoff zu bilden. 2. Isothionin (#-Amimidothiodiphenylimid). So wie aus dem «&-Dinitrodiphenylaminsulfoxyd, so entsteht auch aus dem isomeren P-Dinitrosulfoxyd durch Reduction und nach- folgende Oxydation ein Farbstoff. Derselbe ist von dem Lauth’- schen Violett schon durch die Farbe verschieden; die beiden Farb- basen sind isomer; aber während das salzsaure Thionin aus gleichen Moleeülen Base und Salzsäure besteht, bindet die neue Base zwei Molecüle Salzsäure. Die Darstellung dieser Verbindung ist ganz analog der des Thionins; man reducirt mit Zinnchlorür, entfernt das Zinn durch Zink, fällt mit Eisenchlorid, wäscht mit Chlornatriumlösung, trägt den Niederschlag in concentrirte Natronlauge ein und löst die gebildete Farbbase in Salzsäure. Während aber durch die geeignete Menge von Salzsäure das Thionin aus der Lösung dann fast völlig abgeschieden wird, bleibt das salzsaure Isothionin gelöst. Man muss daher die salzsaure Lösung - Studien in der Methylenblaugruppe. 373 ziemlich stark eindampfen; aus der concentrirten Lösung krystallisirt alsdann das salzsaure Salz in kleinen dunkeln Nadeln. Dieselben schliessen noch etwas anorganische Verbindung ein; indess wurden sie wegen ihrer grossen Löslichkeit nicht sorgfältiger gereinigt, zumal eine ausführliche Untersuchung nicht im Programm dieser Arbeit lag; die Analysen stimmen daher auch nicht scharf: 0,2074 g gaben 0,1764 g AgCl + 0,0163 g Ag; ferner 0,1592 g BaSO,. Berechnet für 0,5H;N,S, 2HCl: Gefunden: S 10,67 10,54 Cl 23,66 29,83 . Es sind also auf ein Molecül Farbbase zwei Molecüle Salz- säure vorhanden. Die Verbindung ist in Wasser und Alkohol leicht löslich und, ‚wie erwähnt, durch Krystallisation leicht vom salzsauren Thionin zu trennen. Sie unterscheidet sich von diesem ausser durch Löslichkeit und Zusammensetzung beträchtlich durch ihre Farbe: die wässrige Lösung ist violettroth (weit röther als jene) und färbt Seide etc. schön amethystfarben mit grauem Stich. Es wird aus seiner wässrigen Lösung durch Salzsäure nicht ausgefüllt, und ihre Farbe bleibt auch bei grösserem Zusatz concentrirter Salzsäure unverändert (wird nicht blau). Desgleichen löst concentrirte Schwefelsäure es (nicht mit grüner, sondern) mit violetter auch beim Verdünnen sich kaum verändernder Farbe. Der Farbstoff zeigt ähnliche Affinität zu Papier (und dem- nach Kranzbildung) wie sein Isomeres. Das freie Isothionin ist krystallisirbar und bildet ein dunkel- graubraunes glitzerndes Pulver; es löst sich sehr wenig in kaltem Wasser mit (violett-) rother Farbe, leicht in Alkohol, ebenfalls violett- roth; nicht in kaltem, sehr wenig mit gelblicher Farbe in heissem Ligroin, sehr wenig in kaltem, etwas mehr in heissem Benzol mit orangegelber, endlich auch wenig in kaltem, etwas mehr in heissem Chloroform mit röthlich gelber Farbe. Bezüglich der Constitution dieser Verbindung ist vielleicht vorläufig die Vermuthung statthaft, dass die beiden Amidogruppen Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie, III, 25 374 August Bernthsen: (der Leukobase) an denselben Benzolkern gebunden sind, entsprechend den Formeln: C;H,N CH N omZnH /. 6 >35 6 NH NC,H,(NH,), 2 Leukoisothionin, Isothionin. Es entspräche das der Thatsache, dass auch der aus Monamido- thiodiphenylamin entstehende Farbstoff eine violettrothe Farbe besitzt. Das salzsaure Salz wäre alsdann: ns Nc,H, N(CH,) ‘tr! 3/2 EI Ne: „CH N(CH,), SS See SER LS KU NH + NH;. INNERES ns CH, -N(CH,), Indess ist nicht zu verkennen, dass ein solcher Eintritt von Schwefel, der sich bei gewöhnlicher Temperatur und in ganz ver- dünnter Lösung vollzieht, nicht wohl als directe Substitution von H, durch S etwa in statu nascendi sich auffassen lässt, denn es ist keine Reaction bekannt, bei welcher nascirender Schwefel eine so energische Wirkungsweise ausübt. Der im Folgenden wiedergegebene Erklärungsversuch des Reactions- mechanismus trägt dem Umstand Rechnung, dass das Amidodimethyl- anilin in neutraler Lösung durch Eisenchlorid zu dem schon erwähnten unbeständigen prächtig rothen Körper oxydirt wird, welcher durch HCl entfärbt, und in saurer Lösung durch sofortigen Zusatz von H,S in das Blau übergeführt wird. Wie bei den 1.4 —= Dioxybenzolen, die Chinone, den Amido- phenolen, die (Chlor)chinonimide, oder beim Diamidonaphtol, das Di- imidonaphtol bildet, so wird -auch hier das rothe Oxydationsproduct eine Art Diimid sein, auf welches dann Schwefelwasserstoff in ähnlicher Weise wirken kann, wie z. B. Salzsäure auf Chinon; wie in letzterem Fall das Chlor substituirend in den Benzolkern eintritt, so könnte man im ersteren Fall sich Analoges auch bezüglich des Schwefels vorstellen, nur dass der zweiwerthige Schwefel zwei Benzolreste verketten würde; gleichzeitig würden dabei die Amidogruppen regenerirt, und könnten wie nach obiger Anschauung Ammoniak abspalten, wodurch Leuko- methylenblau resultiren würde. 396 August Bernthsen: Die theilweise directe Bildung des Leukoblaus beim Einleiten von Schwefelwasserstoff in eine salzsaure Auflösung von Nitrosodi- methylanilin würde analog erklärt werden können; denn eine Ver- bindung vom angedeuteten Diimidocharakter würde als Zwischen- product bei der Reduction des Nitrosodimethylanilins leicht auftreten können. 9. Ueber das Verhalten des Methylenblaus im Organismus liegen unter anderen einige interessante Versuche von Dr. H. Dreser!) vor. Wird eine "/,- bis 1-procentige Lösung von Methylenblau in das Lymphgefässsystem (Lymphsäcke) der Frösche injicirt, so enthält nachher der Harn eine ganz beträchtliche Menge Leukomethylenblau [seine höchstens schwach bläuliche Farbe wird durch Eisenchlorid dunkelblau]. Die Reduction erfolgt in saurer Lösung, also nicht im Blut oder der Lymphe, sondern in der Niere. Nach Injection einer Blaulösung in die Vene eines Kaninchens ist weder im Blut noch im Harn Leukoblau nachweisbar; die frisch nach dem Tode herausgenommenen Nieren zeigen durch FeCl, keinerlei Veränderung; lässt man sie aber 3—4 Stunden im Eiskasten oder im ungeöffneten Thier selbst liegen, so werden nachher die Schnittflächen in einer halben bis ganzen Minute blau. Offenbar also hat Reduction und gleichzeitige Bildung eines Paarlings?) stattgefunden, welcher sich unter dem Einfluss des nach dem Tode sich schnell entwickelnden Ferments Histozym bald wieder spaltet. 10. Methylenroth. Bei der Bereitung des Methylenblaus nach dem Patent der Bad. Anilin und Sodafabrik entsteht, wie schon in der Patentschrift ange- geben worden ist, neben diesem Farbstoff eine gleichfalls schwefel- haltige Verbindung von prächtig rother Farbe, das Methylenroth. Seine Anwesenheit erkennt man durch Auftropfen der gemischten !) Zeitschrift für Biologie 1885, pag. 41. ?) Wohl analog der amidartigen Verbindungen des Glycocolls (Hippur- säure etc.). Studien in der Methylenblaugruppe. 397 Lösung auf Fliesspapier: rings um den scharf begrenzten centralen vom Methylenblau herrührenden Fleck sieht man eine rosarothe Zone. Beim Aussalzen des Methylenblaus bleibt es in den Mutterlaugen, und kann aus diesen durch Eindampfen etc. gewonnen werden. Nach gütiger Privatmittheilung des Herrn Dr. Caro, der mir eine kleine Menge dieser Verbindung zur Verfügung stellte, ist es zur Bereitung grösserer Mengen empfehlenswerth, die oben erwähnte Lauge mit roher Carbolsäure zu extrahiren; durch Alkohol plus Aether wird als- dann aus letzterem ein rothes Oel abgeschieden, welches durch erneute Behandlung mit Alkohol und Aether in krystallinische Form über- geführt wird. Die Verbindung lässt sich aus Alkohol in schönen kleinen grün glitzernden Prismen krystallisirt erhalten. Auch in Wasser ist sie leicht, in Aether nicht löslich. Ihre wässrige wie alkoholische Lösung besitzen eine prächtige feurig purpurne Farbe. Sie ist durch zwei Umstände besonders interessant: durch ihren hohen Schwefelgehalt und durch ihre ausserordentliche Empfindlichkeit gegen Alkalien bei grosser Beständigkeit gegen Säuren (selbst kochende Salzsäure wirkt nicht ein). Was den Schwefelgehalt anbetrifft, so hat Koch, der bereits diese Verbindung etwas näher untersucht hat, nachgewiesen, dass in ihr auf C,; vier Atome Schwefel vorhanden sind. Er hat für das Chlorzinkdoppelsalz derselben die Formel C,H, N48,,2HC1,ZnCl, + 2H,0 aufgestellt. Der Schwefelgehalt ist also etwa viermal so gross als der des Methylenblaus. Die im Laboratorium der Bad. Anilin- und Sodafabrik (nach gütiger Privatmittheilung) ausgeführte Untersuchung hat für die mittelst Carbolsäure dargestellte Verbindung, welche zinkfrei ist, die mit obiger correspondirende Formel C,sH,sN;S,, 2HC1 ergeben, zu welcher auch einige von mir ausgeführte Analysen stimmen, so dass diese Formel als feststehend betrachtet werden darf. 398 August Pernthsen: Durch Jodkalium wird aus der wässrigen Lösung des salzsauren Salzes das jodwasserstoffsaure Salz ausgefällt, welches aus viel heissem Wasser in dieken Nadeln oder Prismen krystallisirt. Höchst auffallend ist das Verhalten dieses Methylenroths gegen Alkali: schon durch sehr geringe Mengen fixen Alkalis, Ammoniaks, durch kohlensaures, selbst essigsaures und phosphorsaures Natron wird die rothe Lösung entfärbt und Säurezusatz stellt alsdann die rothe Farbe nicht wieder her. Hingegen wird durch Zusatz eines Oxydationsmittels zu dieser Lösung, zumal nach voraufgegangener Reduc- tion, ein dem Methylenblau ähnlicher Farbstoff gebildet (s. u.). Durch Zink und Salzsäure oder Zinnchlorür wird die rothe Lösung gleichfalls, und zwar unter Schwefelwasserstoffentwicklung, entfärbt; die redueirte Lösung giebt mit Eisenchlorid ebenfalls einen dem Methylenblau ähnlichen Farbstoff und, falls schwefelwasserstoffhaltig, ausserdem wieder Methylenroth. Die wenigen zur Verfügung stehenden Gramme dieser räthselhaften Verbindung liessen eine ausführliche Untersuchung nicht zu; immerhin mögen hier einige weitere Beobachtungen mitgetheilt sein, welche bei künftigen Untersuchungen vielleicht von Nutzen sein können. Zur Entfärbung der neutralen Rothlösung sind bei einer Ver- dünnung von 1: 1000 etwa 6 (bis 6,4) Molecüle NaOH erforderlich. Die Endreaction ist etwas gestört durch das Auftreten einer schwach bläulichen Färbung und Spuren eines dunklen Niederschlags. Beim Kochen mit Zinnehlorür sind von letzterem annähernd 4 * Molecüle zu Entfärbung erforderlich; es entweicht viel Schwefelwasser- stoff und es werden sehr geringe Mengen Zinnsulfid gebildet. Wird die saure Lösung unter Erwärmen mit Zink reducirt, dies so- fort nach eingetretener Entfärbung durch besondere Vorrichtung ohne Oeffnen der Flasche aus der Lösung herausgezogen und der ent- weichende Schwefelwasserstoff quantitativ durch Einleiten in arsenig- saures - Natron bestimmt, so zeigt sich, dass etwa 21,6°, Schwefel aus dem Methylenroth abgespalten worden sind, was 2'/, Atomen oder 62,5°/, des Gesammtschwefels entspricht. — Bei weiterer Einwirkung des Zinks scheint erneute Schwefelwasserstoffbildung einzutreten. — ec Studien in der Methylenblaugruppe. 399 _ Wenn man durch Ammoniakzusatz das Methylenroth zerstört, so wird eine gelblich gefärbte Base gebildet, welche sich aus concentrirterer Lösung in Flocken abscheidet und durch Aether leicht aufgenommen wird. Dieselbe ist auch in Alkohol leicht löslich und wird aus der Lösung durch Wasser gefällt. Die ammoniakalisch-wässrige Lösung enthielt (nach Ausäthern ge- nannter Base) 12,40°/, Schwefel des Methylenroths, gleich 45°, der Totalmenge; sehr wahrscheinlich sind also durch das Ammoniak zwei Atome Schwefel aus dem Methylenroth abgespalten worden. In welcher Form, kann nicht angegeben werden; weder Schwefelwasserstoff noch schweflige oder Schwefelsäure sind in der Lösung nachweisbar. Die gelbliche Base bildet ein sehr zerfliessliches, kaum gefärbtes salzsaures Salz. Sie steht zum Methylenroth offenbar noch in näherer Beziehung: wenn man sie in saurer Lösung mit Schwefelwasserstoff und Eisenchlorid versetzt, so entsteht neben Methylenblau (oder wenig- stens einem ähnlichen Blau) viel Methylenroth; auch ohne Schwefel- wasserstoff wird durch FeCl, neben Blau unter Umständen allmählich dies Roth (oder eine ähnliche, auch durch Alkali sich entfärbende Ver- bindung) ') erzeugt, und wenn man die salzsaure Lösung der Base mit Zink redueirt, so entsteht eine farblose leicht oxydirbare Base, deren mit viel Schwefelwasserstoff versetzte Lösung mit Eisenchlorid reichlich Methylenroth regenerirt, ohne dass gleichzeitig auch Blau entstünde. Aus der obigen ammoniakalisch-wässrigen Lauge entsteht nach dem Ansäuern durch Oxydation auch bei H,S-Gegenwart weder Blau noch Roth mehr. In der Technik wird die saure Lösung des Roth durch Zinkstaub redueirt?) und mit Eisenchlorid versetzt, wodurch neue Mengen blauen Farbstoffs resultiren. Ich habe nicht specieller untersucht, ob letzterer {) Die direct mit Alkali, dann mit Salzsäure und Eisenchlorid versetzte Rothlösung giebt neben Blau eir violettliches Braun, vielleicht von Chinon- charakter; es dürfte aus derjenigen Substanz entstehen, welche bei gleich- zeitiger H2S-Gegenwart Roth liefert. 2) Ohne Reduction entsteht zwar auch Blau, aber in entschieden ge- ringerer Menge. 400 August Beruthsen: mit dem Methylenblau identisch ist, möchte aber aus verschiedenen Gründen fast eher das Gegentheil annehmen. Eine Reciproeität ist keinen Falls zwischen beiden Verbindungen vorhanden, denn Leuko- methylenblau bei Gegenwart von Schwefelwasserstoff in saurer Lösung mit Eisenchlorid oxydirt ergiebt nur Blau, keine Spur Methylenroth. Die mitgetheilten Thatsachen gestatten, wie man sieht, noch keine Lösung der Frage nach der Constitution dieser merkwürdigen Ver- bindung. Sechster Abschnitt: Ueber die bei kürzerer Einwirkung von Alkali auf Methylenblau entstehenden Producte, Methylenazur und Methylenviolett. Wie schon früher erwähnt, entsteht, wenn man eine kalte ver- dünnte Methylenblaulösung mit viel concentrirtem Kali versetzt, unter völliger Entfärbung der Flüssigkeit ein schlammiger Niederschlag, der beim sofortigen Verdünnen sich wieder leicht in Wasser löst und wohl im Wesentlichen aus der Base des Methylenblaus besteht. Bei Verwendung verdünnteren Kalis vermag man leicht einen Punkt zu treffen, bei welchem das Alkali in der Lösung des Blaus anscheinend momentan keine Veränderung verursacht; nach kurzem Stehen aber entsteht alsdann ein Niederschlag, dessen Reactionen von denjenigen des Methylenblaus bereits verschieden sind. Selbst Am- moniak wirkt auf die wässrige Blaulösung bald verändernd ein. Die Veränderung giebt sich in allen Fällen dadurch kund, dass die durch Zusatz von Ammoniak einerseits, von Salzsäure anderseits zur wieder neutralisirten und bis zur Durchsichtigkeit verdünnten Lösung, resp. zur Lösung der gebildeten Abscheidung entstehenden blauen Fär- bungen nicht gleiche Nuance zeigen, sondern z. B. in saurer Lösung blauer als in alkalischer (die mehr violett ist) erscheint. Die be- schriebenen, bei Verwendung verdünnten Alkalis, sei es durch längeres Stehen oder durch Aufkochen der Lösung entstehenden Fällungen sind Studien in der Methylenblaugruppe. 401 schon durch ihre geringere Löslichkeit in Wasser leicht von der wirklichen Base des Methylenblaus, die oben beschrieben worden ist, zu unterscheiden. Die Ausscheidung, welche durch Zusatz von z. B. 300 g Kali zur heissen Lösung von 340 g Methylenblau in 17 Liter Wasser und kurzes Aufkochen, wobei Geruch nach Dimethylamin auftritt, erhalten wird, ist ein Gemenge verschiedener Substanzen; es konnten darin nachgewiesen werden: 1) eine im Folgenden als Methylenazur, 2) eine als Methylenviolett bezeichnete Verbindung, 3) Leukomethylenblau !). Die ziemlich unerwartete und daher bei den ersten Darstellungen über- sehene Anwesenheit dieses Leukoproducts verhindert die Reindarstel- lung des Methylenazurs, so dass letztere nur unter solchen Bedingungen möglich ist, unter denen eine Wiederoxydation des Leukoblaus und somit eine völlige Umwandlung des Blaus selbst erfolgt ist. Da dies aber bei grösseren präparativen Darstellungen nicht mit Zuverlässig- keit erreicht werden konnte, so wurde zur Darstellung des Azurs und Violetts schliesslich ein anderer Weg eingeschlagen. Vorversuche mit z. B. 1 g jodwasserstoffsaurem Methylenblau hatten gezeigt, dass die wässrige Lösung der aus diesem durch Silberoxyd dargestellten freien Blaubase beim Kochen Veränderung erleidet, und dass dabei allmählich ein krystallisirtes Product ausge- schieden wird. Demgemäss wurden z. B. 3mal 20 g krystallisirten jodwasser- stoffsauren Methylenblaus in 3 Kolben mit je 4 Liter Wasser erhitzt, und in die filtrirtten und nur mehr lauwarmen Lösungen frisch ge- fälltes Silberoxyd (bereitet aus je 17 g AgNO,, welche dem Zwei- fachen der Theorie entsprechen) unter andauerndem Schütteln eingetragen; zu den vereinigten und auf etwa 14 Liter verdünnten Lösungen wurde schliesslich nochmals das Silberoxyd aus 25 g Nitrat hinzugesetzt. Das jodfreie Filtrat wurde in mehreren grossen Kolben erhitzt und a bis 1%, Tage im Sieden erhalten. Schon nach kurzem Sieden erfüllten sich die Lösungen mit prächtigen grünglitzernden Krystall- ‘) Möglicherweise sind diesem auch die Leukoverbindungen der beiden ersteren Substanzen beigemischt. f 402 August Bernthsen: blättchen von Methylenviolett, während die entweichenden Wasser- dämpfe stark alkalisch (durch Dimethylamin, s. u.) waren. Die einge- kochten Laugen enthielten nur noch wenig dieses Methylenvioletts neben viel Methylenazur. Leukobase war in ihnen nicht nachzuweisen. Hingegen war mit dem gebildeten Jodsilber und überschüssigem Silber- oxyd sowohl Farbstoff als Leukobase in fein vertheilter Form nieder- geschlagen, letztere in so reichlicher Menge, dass beim Ausziehen des Niederschlags mit verdünnter Salzsäure eine farblose Lösung resul- tirte '), welche die Leukoverbindungen beider Farbstoffe, aber kein Leukomethylenblau, mehr enthielt. Die Trennung des Methylenazurs und Methylenvioletts, welcher übrigens die oben erwähnten direet ausgeschiedenen Blättchen des Methylenvioletts nicht unterworfen zu werden brauchen, hat sich nach mancherlei Versuchen am sichersten darauf begründen lassen, dass das Leukomethylenazur in Alkalien unlöslich, das Leukoviolett hingegen (als Phenol) alkalilöslich ist. Die in dem einen oder andern Falle resultirenden Mischungen der Farbstoffe, resp. ihrer Leukoverbindungen wurden in wässriger, möglichst wenig überschüssige Salzsäure enthaltender, heissen Lösung mit einer viel freies Alkali enthaltenden alkalischen filtrirten Zinn- chlorürlösung bis zur völligen Reduction und stark alkalischen Reaction versetzt. Es wurde dann das halbe Volum warmer Alkohol zugegeben, gut verstopft und unter Wasserstoffverschluss erkalten gelassen. Das ursprünglich feinschlammig ausgeschiedene Leukoazur — welches sich bei Alkoholzugabe nicht völlig zu lösen braucht — krystallisirt meistens beim Erkalten und ist jedenfalls nunmehr filtrirbar und auswaschbar. (Man wäscht mit schwach alkalischem zinnchlorürhaltigem, zuletzt mit reinem Wasser aus.) Die Filtration der Lösungen wurde im Wasserstoffstrom ausgeführt in der Art, dass sie durch Wasser- stoffdruck in einen Trichter übergeleitet wurden, der unten Glaswolle auf einem Drathconus enthielt, und der mit einer aufgeschliffenen ') Worauf es beruhen mag, dass hierbei völlige Reduction zur Leuko- verbindung erfolgte, während doch kein Reductionsmittel zugegen ist, konnte nicht ermittelt werden. Rn Studien in der Methylenblaugruppe. 403 Glasplatte bedeckt war. Letztere war in der Mitte durchbohrt und durch einen dreifach durchbohrten Kautschukstopfen verschlossen, durch dessen zwei (kleinere) Oeffnungen der Wasserstoff ein- und austrat, während die dritte Oeffnung die zum Zufluss der zu filtrirenden Lösung dienende Glasröhre aufnahm. | Dieser Apparat hat sich zum obigen Zwecke ungemein geeignet erwiesen und darf sehr zum Filtriren in Wasserstoff ete. empfohlen werden. Der abfiltrirte Rückstand besteht fast ausschliesslich aus freiem Leukomethylenazur, die Lösung enthält neben Resten des letzteren das Leukoviolett. Diese Reste können erforderlichenfalls durch Aus- schütteln mit Aether unter möglichstem Luftabschluss entfernt werden. Zur Trennung geringer Mengen von Methylenazur und -violett kann man bequem die alkalische reducirte Mischung mit Aether aus- schütteln; trägt man Sorge, dass durch kräftiges Durchschütteln die trotz überschüssigen Reduktionsmitteln kaum ganz zu vermeidende Oxydation wieder rückgängig gemacht wird, so befindet sich alles Leukoazur in der ätherischen, alles Leukoviolett in der wässrig- alkalischen Lösung. 1. Methylenazur'). Das abfiltrirte Leukomethylenazur wird in verdünnter Salzsäure gelöst, mit Fisenchlorid unter Vermeidung eines Ueberschusses (Tüpfelprobe) oxydirt und mit Kochsalz durchgerührt. Der gebildete Farbstoff scheidet sich (theilweise «auch ohne Kochsalzzusatz) in schlammiger brauner Form, gelegentlich auch in nadel- bis haarför- migen Gestalten, ab. Nach dem Filtriren und möglichst vollkommenen Auswaschen mittelst Kochsalzlösung wurde derselbe wieder in Wasser " gelöst und erneut mit Kochsalz gefällt (die Aussalzung war hierbei unvollständiger als beim ersten Mal). Da die Reindarstellung sowohl des salzsauren Salzes wie des Chlorzinkdoppelsalzes in krystallisirter Form Schwierigkeiten bot, so wurde die wässrige Lösung des Farb- stoffs mit ein paar Tropfen Salzsäure und mit überschüssigem Jodkalium ') So genannt wegen der grossen Aehnlichkeit mit Methylenblau. 404 August Bernthsen: versetzt und so das jodwasserstoffsaure Salz fast quantitativ ausgefällt, dieses sodann wiederholt aus Wasser (unter Zugabe von wenig Jod- kalium, freier Jodwasserstoffsäure und einem Tropfen schwefliger Säure) umkrystallisirt. Man erhält es so in prächtigen grünglitzernden Nadeln, die beim Zerreiben lebhaften Messingglanz annehmen. Analysen: 1. 0,2208 g, bei 110° bis zur Constanz getrocknet, gaben 0,3539 g CO, und 0,0815 g H,0. 2. 0,2417 g (110°) gaben 0,3924 g CO, und 0,0919 g H,O. 3.051968 7,909. 7.22.0,3184.5 25 2 2.007 4548,1423,:(11092.5,. 09986 2404, .0:0480 5. 0,2472 „ (110%) „ 20,75 cem Stickst. bei 754 mm Bstd.u.+11°C. 6:20,1392 5,110), 5, & 2. 746,8, nen 4. 0,1449,,.(1109, 57.1225, 5 One lontz 8. 0,2955 „ (110) ,„ 0,1460 g AgJ -' 0,006 g Ag. 9.20,2210 2.(109.2.25.220410900, 5 7277700080 10. 0,2649, 1E109 = 20.1313 4 +2 4.:0.0051 ae Berechnet für Gefunden: En ee, Methylenblau CsH1sN3SI: CaH1aN3SJ: CiH3sN3SIO;: 1. 2. 3. A. 9 Dy te 329% 10. C 46,2 43,86 43,34. 43,71 44.34 44,12 8,80. - Il on Ha 4,38 3,65 4:06 18,73: 23 A008 B,zo u N 1021 10,97 a. mr en rn a la Dr ee S 7,75 8,36 a2 en N Je ee ee 75004 33,16 ER a A NEN EN. !) Die Analysen 4, 7, 8-10 rühren von Herrn Dr. Lazarus, die anderen von Herrn Simon her. Die zu ersteren dienende Substanz war aus der zu letzteren verwendeten durch erneutes Umkrystallisiren dargestellt. Anfänglich hatte sich Herrn Simon (vgl. dessen Inauguraldissertation, Zürich, 1885) ein höherer Jodgehalt (32, 45, 32, 78°/o) ergeben, wesshalb derselbe nicht die hier besprochene, sondern die Formel Cı4H14NsSJ in Betracht gezogen hat. Die Analyse 10 ist durch Glühen mit fast chlorfreiem Kalk (Correetur 0,0017 g AgCl), die Analysen 8 und 9 in der Art ausgeführt worden, dass die Sub- stanz in einem Silbertiegel in heissem Wasser gelöst, mit überschüssiger aus metallischem chlorfreien Natrium dargestellter Natronlauge versetzt und nach dem Eindampfen bis zur Verkohlung der abgeschiedenen Base, aber nicht bis zum Glühen erhitzt wurde. Alsdann wurde mit Wasser extrahirt, und die Bestimmung wie üblich vorgenommen. m, ur Studien in der Methylenblaugruppe. 409 Die mitgetheilten Analysen erlauben kaum einen anderen Schluss, als dass das Methylenazur ein Oxydationsproduct des Methylenblaus ist und aus diesem durch Aufnahme von zwei Sauerstoffatomen entsteht. Es ergiebt sich dies auch daraus, dass um so mehr Azur entsteht, je mehr überschüssiges Silberoxyd bei der Darstellung verwendet worden ist. Bei Anwendung von !'/,, der berechneten Menge Silberoxyd er- hält man nur geringfügige Mengen desselben. Auch das Auftreten von Leukoverbindung, das oben beschrieben wurde, findet nun seine Er- klärung; es vermag sich unter den betr. Bedingungen ein Theil der Blaubase unter Reduction eines anderen Theils ihrer selbst zu oxydiren. Die Aufnahme von zwei Atomen Sauerstoff seitens des Methylen- blaus ist eine überraschende Reaction. Da an directe Hydroxylirung der Benzolkerne, oder an eine Veränderung der dimethylirten Amido- gruppen kaum gedacht werden kann, und ferner wegen der Existenz einer Leukoverbindung der Sauerstoff in dieser nicht wohl andersartig gebunden sein kann als im Methylenazur selbst, so bleibt als wahr- scheinlichste Vermuthung, dass der Schwefel die beiden Sauerstoffatome gebunden habe, und so ein Sulfon des Methylenblaus, | "OH N(CH,),d | | entstanden sei. Alsdann ist auch die selbständige Existenz des Leuko- methylenazurs verständlich, denn Sulfone werden durch naseirenden Wasserstoff nicht in Sulfide verwandelt. Es läge somit ein ganz eigenartiger Farbstoff vor, der sich nicht von Thiodiphenylamin, sondern von dem leider bisher nicht dargestellten „Sulfon desselben, er n a0 ableiten würde. Nach dieser Annahme könnte letzteres ebensowohl Mutter- ‚substanz einer ganzen Reihe von Farbstoffen sein wie das Thiodiphenyl- amin. Weitere Untersuchungen in dieser Richtung sind noch nicht an- gestellt worden, dürften aber vielleicht manches Neue erschliessen '). ') Es hätte nahe gelegen, die analogen Verhältnisse beim Lauth’schen Violett zu prüfen. Es kann in der That nach einigen Anzeichen wohl mög- Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. III. 27 [2 406 August Bernthsen: Das oben beschriebene Jodid ist, zumal in sehr verdünnter wäss- riger Lösung, dem jodwasserstoffsauren Methylenblau sehr ähnlich, da- von aber doch schon dadurch leicht zu unterscheiden, dass es in reinem Wasser weit löslicher als jenes ist, und dass die etwas concentrirtere Lösung, zumal in der Wärme, weit violetter, bei künstlichem Licht sogar vollkommen violettroth mit Blauablauf ist. Der charakteristischste Unter- schied ist indess der folgende: schon ganz verdünnte Lösungen von fixem Alkali bewirken in der neutralen Lösung des Salzes momentan einen vollkommenen Farbenumschlag; bei selbst sehr verdünnten _ Lösungen entsteht dabei ein Niederschlag der freien Farbbase, und nur bei äusserst verdünnten helldurchsichtigen Lösungen zeigt sich der Farbenumschlag nicht, weil alsdann die Farbbase gelöst bleiben kann. Irgendwie nennenswerthe Spuren beigemischten Methylenblaus können durch diese Reaction leicht an dem Blaubleiben der Mutter- lauge erkannt werden, zumal dann mit Sicherheit, wenn man Aueh sofortiges Ausschütteln mit Aether die Farbbase des neuen Körpers entfernt. j Im Uebrigen ist die letztere Farbbase nur umständlich in etwas grösserer Menge rein zu gewinnen, wesshalb auf eine Isolirung der- selben verzichtet wurde. Beim Abfiltriren verstopft sie schnell die Poren der Filter, und geht beim Auswaschen sehr beträchtlich in Lösung. Anscheinend verbindet sie sich leicht mit Kohlensäure; jeden- falls ist das durch Oxydation des Leukoazurs an der Luft entstehende Product kohlensäurehaltig, und die beim Auswaschen abfliessende Lauge wird durch verdünntes Natron wieder partiell gefällt. Die ätherische Lösung der Base ist hellscharlachroth gefärbt, die alkoholische violett- roth. Durch Schwefelammonium etc. wird leicht die Leukobase ge- bildet, welche aus der ammoniakalischen Lösung auch nach Zusatz fixen Alkalis durch Aether extrahirt wird und,aus Alkohol in kleinen ‘ farblosen Nadeln krystallisirt. Im Uebrigen zeigt die Leukobase die lich sein, dass auch dies durch Alkali theilweise in eine sauerstoffreichere Verbindung verwandelt wird; darauf deuten wenigstens die Bruttoanalysen der erhaltenen Rohproducte hin. Indess konnten keine krystallisirenden hierhin gehörigen Verbindungen aus denselben isolirt werden. 1 Studien in der Methylenblaugruppe. 407 völligste Aehnlichkeit mit dem Leukomethylenblau, so z. B. bezüglich ihrer Oxydirbarkeit in einer NH,-Atmosphäre. Das salzsaure Methylenazur ist in Wasser sehr leicht (weit leichter als salzsaures Blau) löslich und kann daher nur schwierig in Nädelchen krystallisirt resp. aschenfrei erhalten werden. Es bildet eine dunkle nach dem Zerreiben messingglänzende Masse und färbt Seide prächtig blau, kaum vom Methylenblau, zu unterscheiden. Eine Verbrennung gab Zahlen, welche unter Berücksichtigung des 'Aschengehalts zur Formel C,sH,N,S0,Cl leidlich stimmen (gefdn. C 55,26, H 4,61°%,; ber. C*54,7, H 5,2%,). Durch Salzsäure wird es aus der wässrigen Lösung nicht ausgefällt; in conc. Salzsäure löst es sich mit blauer Farbe, die beim Verdünnen mehr violettlich, bei ganz starker Verdünnung wieder blau wird. Conc. Schwefelsäure löst es mit grüner Farbe, die beim Verdünnen blau wird. Das schon besprochene jodwasserstoffsaure Salz wird auch aus seiner wässrigen Lösung durch Jodkalium qualitativ gefällt. Das Chlorzinkdoppelsalz wurde nicht krystallisirt erhalten. | Durch Zusatz chromsauren Kalis zur Lösung des salzsauren Salzes entsteht das Chromat als dunkler Niederschlag, der beim Umkrystalli- siren in mikroskopischen kleinen kugeligen aus Nädelchen bestehenden Conglomeraten erhalten wird und getrocknet ein blaubraunes, beim Reiben lebhaften Messingglanz annehmendes Pulver bildet. Das exsiccator- trockene Product gab bei der “Analyse Zahlen, welche annähernd zur Formel (C,5H,3N;S0,),CrO, stimmen (gef. C 43,4, H 3,9; ber. © 44,3, "H4,3). | Eigenthümlicherweise zersetzt sich das Chromat beinr Trocknen bei 110° unter Verglimmung. 2. Methylenviolett. Die zweite der bei der Zersetzung des Methylenblaus durch Alkalien, resp. der freien Blaubase, entstehenden Verbindungen ist nach früherer Darlegung an zwei Stellen erhalten worden: a) als Krystallausscheidung beim Kochen der Lösung der Blaubase; b) bei der Trennung von. Methylenazur als Leukoverbindung in der alkalischen Flüssigkeit gelöst, 2U* ” 408 August Bernthsen: aus welcher das Leukomethylenazur auskrystallisirt ist. Aus letzterer ‘ scheidet es sich durch Oxydation (längeres Durchsaugen eines Luftstroms) als amorphes dunkelrothbraunes Pulver ab. Obschon der Umstand, dass die Substanz krystallisirt und in ein- heitlicher Form erhalten worden war, ihre chemische Individualität ziemlich verbürgt, welche auch dadurch weiter bewiesen wird, dass die Reactionen der von verschiedenen Darstellungen herrührenden Producte völlig übereinstimmende sind, so hat es dennoch beträchtliche Schwierig-. . keiten gemacht, diese Substanz in krystallisirter und zur Analyse ver- wendbarer Form zu erhalten. Entweder wird ihre Krystallisations- fähigkeit durch mässige Verunreinigungen schon aufgehoben, oder sie besitzt, solange unrein, Neigung, sich zu zersetzen. Das aus der alkalischen Lösung der Leukoverbindung an der Luft, ausgeschiedene Product war nicht krystallisirt zu erhalten, ebensowenig wurde das aus der freien Methylenblaubase durch Kochen der wässrigen Lösung in Krystallblättchen ausgeschiedene noch silberhaltige Product durch Ueberführung ins salzsaure Salz etc. wieder krystallisirt erhalten. Wohl aber hat sich das gewünschte Ziel nach Versuchen des Herrn Lazarus durch wiederholtes Umkrystallisiren der erwähnten krystallisirten Roh- base aus heissem Alkohol erreichen lassen. Das Methylenviolett schiesst daraus in prächtigen langen Nadeln an, während in den Mutterlaugen ziemlich viel amorphes. oder undeutlich krystallisirtes Product hinter- bleibt. . \ Die Analysen haben die Formel C,,H,,N,SO ergeben. 1. 0,1314 g, bei 100° getr., gaben 0,3155 g CO, und 0,0569 g H,O. 2. 0,1467 g gaben 15,0 ccm Stickst. bei 755 mm Bstd. und + 26,2°C. OR EN ee “ 3 740,8. m. AR Berechnet: Gefunden: I» 9. 3. C 65,63 65,48 er = H 4,69 4,81 _ = N 10,94 = 11,26 10,86. Die Bildung einer Substanz C,,H,;N,SO aus dem Methylenblau ist sehr einfach zu verstehen. Nach weiter unten mitzutheilenden That- ® Studien in der Methylenblaugruppe. 409 sachen werden durch längeres Kochen des Methylenblaus mit Alkali die beiden Dimethylamidogruppen gegen Sauerstofi, resp. Hydroxyl ausgetauscht. Wenn diese Reaction nur bis zur Hälfte verläuft, so muss man ein Zwischenglied von der Formel C,,H,,N,;SO erwarten, nach der Formel: C,6H,s3N;S(OH) = C,,H,:N,SO + NH(CH; ).. Dass in der That bei der Bildung des Methylenvioletts Dimethyl- amin entsteht, ist besonders nachgewiesen worden; die aus der kochen- . den Lösung (von Methylenblau + Kali oder von freier Blaubase) ent- weichenden alkalischen Dämpfe wurden in Salzsäure geleitet, und die übergegangene Base ins "Platindoppelsalz übergeführt, welches in den prächtigen fast zolllangen dicken Prismen des Dimethylaminsalzes an- schoss und nur ganz wenig Platinsalmiak enthielt. 0,2348 g gaben 0,0927 g Platin. Berechnet: Gefunden: PL 39,02 39,48"). Da die Substanz kein Phenol ist, so kann sie kein durch Ersatz von N(CH,), gegen HO eingetretenes Hydroxyl enthalten; es muss also an Stelle des Complexes = N(CH,),OH ein Sauerstoffatom getreten sein, und demnach die Verbindung folgende Constitutions- formel besitzen: { R a CH, 0 Mit dieser steht der Umstand in vollkommenster Uebereinstim- mung, dass das Leuko methylenviolett alkalilöslich ist und also Phenolcharakter besitzt. Es lässt sich nicht aus der Lösung in fixem Alkali, wohl aber aus der ammoniakalischen Lösung. (die man leicht durch Erwärmen des Farbstoffs mit etwas verdünntem Alkohol und Schwefelammonium erhält) durch Aether extrahiren. Es krystallisirt aus verdünntem Alkohol in kleinen weissen Blättchen oder Nädelchen. Seine saure Lösung ist — wie die der übrigen Farbstoffe — leidlich beständig, die alkalische ist aber die denkbar energischste Küpe und absorbirt äusserst schnell Sauerstoff unter Abscheidung des Violetts. > 410 August Bernthsen: Daher beobachtet man beim Durchschütteln der (farblosen) ätherischen Lösung mit ein wenig verdünnter Kalilösung sofort starke Oxydation unter Violettfärbung, während sich der Aether himbeerroth färbt. Zur Vervollständigung der bisherigen Angaben über die Eigen- schaften des Methylenvioletts diene noch Folgendes: Es ist in kaltem Wasser äusserst wenig, auch in heissem nur schwer mit blauer Farbe und braunrother Fluorescenz löslich und krystallisirt daraus in Nädel- chen. In Alkohol löst es sich mehr mit violetter Farbe und pracht- voller rothbrauner Fluorescenz; gleichfalls prächtige Fluorescenz zeigen die (roth gefärbten) Lösungen in Aceton oder besonders Chloroform; in Aether ist es sehr wenig mit himbeerrother Farbe und schöner Fluorescenz löslich; desgleichen sind die Lösungen in Benzol (welches auch sehr wenig aufnimmt), Ligroin und Cumol himbeerroth bei schwacher rother Fluorescenz; in Anilin löst es sich leicht mit violettrother Farbe und blauem Ablauf ohne nennenswerthe Fluorescenz. Die eoncentrirtere Lösung in Salzsäure ist schmutzig roth (zumal bei Gaslicht) gefärbt, und wird bei zunehmender Verdünnung mit Wasser rein violett, schliesslich blau; durch conc. Salzsäure wird sie gleich- falls blau gefärbt. Eine höchst verdünnte Lösung in schwacher Salz- säure ist grauviolett und wird durch Ammoniak reinblau. Die blauen Färbungen sind von denen unzersetzten Methylenblaus im Ansehen nicht zu unterscheiden. ' Conc. Schwefelsäure löst die Substanz mit blauvioletter (nicht grüner) Farbe, wie denn überhaupt die weiter unten beschriebenen sauerstoffhaltigen Farbstoffe (z. B. Dioxythiodiphenylimid) in Schwefel- säure blaue Färbung zeigen. Das salzsaure Salz wird durch Krystallisiren der völlig reinen Methylenviolettbase aus verdünnter Salzsäure leicht in prächtigen centimeterlangen sehr dünnen schwarzen schwach grünlich glänzenden Nadeln krystallisirt erhalten (Lazarus). Es ist in der warmen Säure ziemlich leicht, in kalter verdünnter Salzsäure fast gar nicht löslich (Unterschied von HCl-Methylenblau oder -azur). Seine wässrige Lösung färbt Seide violett, etwas blauer als Thionin, und mit einem Stich ins Graue. ef a re Studien in der Methylenblaugruppe. 411 0,1150 g, bei 70° getr., gaben 0,2411 g CO, und 0,0490 g H,O. Berechnet für: Gefunden: . C,,H,:N,S0,HCl: [6 57,46 HT H 4,44 4,73. Das Jodid und Chromat des Methylenvioletts sind den entsprechen- den Verbindungen des Methylenblaus ähnlich, ab&r in heissem rsaet ungemein schwer löslich. Das salzsaure Leukomethylenviolett ist krystallisirbar. Siebenter Abschnitt: Ueber Monooxythiodiphenylamin und den zugehörigen Farbstoff, Oxythiodiphenylimid. 1. Oxythiodiphenylimid. Das zu diesen Versuchen dienende p-Oxydiphenylamin C,H; ı C,H,.0 H, ist durch die neueren Untersuchungen A. Ualım’s') relativ leicht zugäng- 1 N H< lich geworden. Es wurde nach des Genannten Angabe aus Hydrochinon, Anilin und Chlorcaleium dargestellt und durch Destillation mit über- hitztem Wasserdampf in schönen weissen atlasglänzenden Blättern erhalten. 10 g desselbert wurden mit 3,5 g Schwefel (1 Mol. : 2 At.) bei möglichst niedriger Temperatur so lange geschmolzen, bis die reich- "liche Schwefelwasserstoffentwicklung im Wesentlichen beendigt war. Die Reaction erfolgt ziemlich glatt unter nur geringer Verkohlung (weit glatter .als bei Thiodiphenylamin selbst). Die gepulverte Schmelze 1) Ber. d. d. chem. Gesellsch. XVII, 2786; XVII, 2431. 412 August Bernthsen: wurde zur Befreiung von unverändertem Oxydiphenylamin mit Salz- säure extrahirt; dabei löst sich nur ein geringer Theil mit schön purpurner Farbe, die sich auf der Faser fixiren lässt; derselbe wurde nicht weiter untersucht. Der Rückstand löste sich in Alkohol fast farblos (die Lösung. kann eventuell durch einige Tropfen sauren Zinn- chlorürs entfärbt werden, und durch Eingiessen in schwach mit Salz- säure angesäuertes Wasser erhält man eventuell einen grünlich weissen flockigen Niederschlag des unten zu beschreibenden Leukoproducts). Die alkoholische Lösung, mit Wasser bis zur beginnenden Trübung, dann mit einigen Tropfen Salzsäure und sodann mit Eisenchlorid ver- setzt, giebt einen reichlichen schlammigen chocoladebraunen Nieder- schlag, während die nyr noch wenig organische Substanz enthaltende Mutterlauge roth gefärbt ist. Der Niederschlag wurde abfiltrirt, ge- waschen, auf Thon gebracht, mit verdünnter Salzsäure erneut aufge- schlämmt, wieder filtrirt und gewaschen, schliesslich auf Thon ge- trocknet und so fast vollkommen eisenfrei erhalten. Er wog 7,2 @. Die so gewonnene Verbindung konnte auf keine praktisch durch- führbare Weise in krystallisirter Form erhalten werden. Da dieselbe indess einen vollkommen einheitlichen Charakter besass, so durfte man sie trotzdem der Analyse unterwerfen. ; 0,4043 g gaben, bei 100° getrocknet, bei 762 mm Bstd. und -+ 14° ©. 21,75 cem Stickstoff. | Berechnet für R dan C,;H,NSO: N 6,58 BRUS 6,59 %- Man darf daher annehmen, dass die vorliegende Verbindung nach der Formel C,;H,NSO zusammengesetzt ist, und dass ihre in der Schmelze enthaltene und unten zu besprechende Leukoverbindung that- sächlich aus dem Oxydiphenylamin nach folgender Gleichung «entsteht: , C;H,,80 + 2S = 0,:H,NS0 + B,S; aus dieser Leukoverbindung entsteht alsdann die braune Substanz durch Eisenchlorid nach folgender Gleichung: C,.H,NSO + F&,Cl, = C,;H;NSO + 2HCI + F&Ql.. Studien in der Methylenblaugruppe. 413 Die erhaltene Substanz, welche als Oxythiodiphenylimid!) bezeichnet werden soll, ist in Wasser unlöslich, in Aether, Chloroform, Aceton, Eisessig ungemein schwer mit orangerother Farbe, etwas besser in Alkohol, sodann, aber auch noch sehr wenig, in Benzol, Toluol und Cumol löslich; aus beiden letzteren ‘scheidet sie sich beim Erkalten in undeutlichen mikroskopischen Nädelchen aus. Sehr leicht ist sie schon in kaltem Anilin löslich und wird daraus durch Aether als braunes Pulver wieder "gefällt. R Kalte concentrirte Schwefelsäure löst sie mit intensiv blauschwarzer Farbe; Wasser fällt die Verbindung wieder aus. Beim Erbitzen über 108° sintert sie allmählich zusammen und er- leidet partielle Zersetzung. ’ Das Oxythiodiphenylimid hat thatsächlich den Charakter eines schwachen rothbraunen Farbstoffs und zwar zeigt es mit dem Indigo ‚eine gewisse Analogie, insofern als seine Leukoverbindung wie das Indigweiss alkälilöslich ist und ungemein energisch Küpe bildet, aus der sich der Farbstoff rothbraun auf der Faser fixiren lässt. Es färbt Seide rosa mit schwachem Stich.ins Violettbraune. 2. Oxythiodiphenylamin. Die Leukoverbindung” obigen Farbstoffs, das Oxythiodiphenylamin, ist das directe Einwirkungproduct des Schwefels auf p-Oxydiphenylamin, und daher in der rohen Schmelze vorhanden. Man kann es entweder aus dieser direct auf dem oben angedeuteten Wege, oder aus dem Farbstoff durch Reduction erhalten. Bei Einschlagung letzteren Wegs wurde das Oxythiodiphenylimid mit Alkohol übergossen und mit Salz- säure und etwas Zinnchlorür auf dem Wasserbad erwärmt, bis. der grösste Theil in Lösung gegangen und letztere hellgrünlich gefärbt war, alsdann nach dem Erkalten in Wasser gegossen. Es entstand ein dunkel gefärbtes Gerinnsel und nach Abgiessen und Zusatz von mehr Wasser ein grünlich weisser flockiger Niederschlag. Das Ge- _ rinnsel konnte durch Wiederholung der Operation ebenfalls in helleres 1) Dieser Name ist analog dem für die Farbbase aus Monoamidothio- diphenylamin oben gebrauchten (Imidothiodiphenylimid). 414 August Bernthsen: flockiges Product übergeführt werden. Man filtrirt möglichst unter Luftabschluss und erhält so ein anfänglich weisslich grünes, sich bald dunklergrün oder graugrün färbendes Pulver, das an der Luft sich schliesslich wieder zum Braun oxydirt. Auch diese Verbindung wurde — wegen der Misslichkeit der weiteren Reinigung derartiger Leuko- verbindungen — direct analysirt. 0,2539 g, exsiccatortrocken, gaben bei + 13,4° C. und 761 mm Bstd. 12,75 ccm Stickstoff. ß Berechnet für " Gefunden: C,;H,NSO: NER 51) N 1: 5,9300. Die Verbindung lässt sich auch in der Art darstellen, dass man den braunen Farbstoff mit Alkohol unter Zusatz von Schwefel- ammonium erwärmt. Es tritt unter Aufhellung Lösung ein, und bei Zusatz von genügend, Wasser und Aether geht die gewünschte Sub- stanz mit schwach gelblicher Farbe in den Aether und. hinterbleibt nach dem Trocknen (mit CaCl,) und Abdestilliren (zweckmässig im Kohlensäurestrom) als eine schwach bräunliche, in reinem Zustand offen- bar farblose, schon in wenig Aether leicht lösliche, aus spröden Häuten bestehende Masse. Auch in Alkohol und Eisessig ist dieselbe leicht löslich. Beim Stehen an der Luft scheidet sich aus der ätherischen Lösung das Oxythiodiphenylimid in braunen Flocken ab. Desgleichen “ braucht man nur die farblose ätherische Lösung mit verdünnter Natron- lauge zu versetzen, um an der Berührungsstelle eine braune Zone und beim Umschütteln intensive Braunfärbung und Abscheidung des Farbstoffs zu beobachten, da die Oxydation der alkalischen Lösung momentan eintritt. Beim Erhitzen verkohlt die Leukoverbindung grossentheils, destillirt aber in kleinerer Menge unzersetzt. Ihren Phenolcharakter documentirt die Leukoverbindung unzwei- deutig durch ihre Löslichkeit in Alkali, sowie durch ihre Fähigkeit, bei Gegenwart von freiem Ammoniak durch Aether extrahirt zu werden; es erscheint daher nicht zweifelhaft, dass sie die dem gewählten Namen entsprechende Constitution Studien in der Methylenblaugruppe. 415 1: 0 C,H, OH | besitzt.) Die vielfach vorliegenden Analogien stellen ausser Zweifel, dass der braune Farbstoff zwei Atome Wasserstoff weniger enthält und daher die Constitution k En Seid, 0 besitzt. Die Unlöslichkeit dieses Körpers in Alkali steht mit der ge- gebenen Constitutionsformel in bestem Einklang. Der Sauerstoff nimmt nach der Bildungsweise dieser Substanzen die Parastellung zum Stickstoff ein. Achter Abschnitt: Ueber das Thionol (Dioxythiodiphenylimid). 1. Einwirkung der Schwefelsäure auf Thiodiphenylamin; Thionol. Das Thiodiphenylamin zeigt gegen conc. Schwefelsäure ein sehr eigenthümliches Verhalten. Mit derselben übergossen löst es sich mit bräunlich grüner, im Ablauf rosenrother Farbe auf. Ebenso ist die stark mit Schwefelsäure verdünnte Lösung roth gefärbt. Mit dem Hervortreten der Färbung beginnt der Geruch nach schwefliger Säure aufzutreten, zumal nach schwachem Erwärmen. Der Lösungsprocess ist daher ein nicht rein mechanischer, sondern zugleich oxydativer. Immerhin scheidet sich beim Verdünnen der Lösung mit Wasser all- !) Streng &enommen sollte man diese Substanz Hydroxythiediphenyl- amin, den Farbstoff Oxy....imid nennen, damit auch die Praefixe anzeigten, dass der Wasserstoff des Hydroxyls zur Farbstoffbildung verbraucht wird; da man aber meist die durch Substitution von OH für H entstehenden Ver- bindungen kurzweg „Oxy“-verbindungen nennt, so möge das auch hier ge- schehen; die Unterscheidung zwischen Leukoproducet und Farbstoff wird ja durch die Endsilben genügend gesichert. 416 August Bernthsen: mählich unreines Thiodiphenylamin von grünlicher Farbe wieder ab. Die erste Phase der Einwirkung ist daher offenbar ähnlich wie jene anderer Oxydationsmittel, von welchen oben schon die Rede war. Wenn man mit der concentrirten oder auch etwas mit Wasser ver- dünnten Säure indessen auf höhere Temperatur erhitzt, so beoachtet man das Auftreten einer mehr oder weniger intensiven violetten Färbung, während sich schweflige Säure in grösseren Mengen entwickelt. Durch Wasser wird alsdann eine schwärzliche Masse gefällt, während die Lauge hellroth wird und kaum noch organische Substanzen ent- hält. Das ausgeschiedene Product besteht zum Theil aus alkalilöslichen Körpern, zu grösserem Theil aber aus einer darin unlöslichen an- scheinend ziemlich verkohlten Masse, welche immerhin in concentrirter Schwefelsäure sich wieder mit schmutzig blauschwarzer Farbe löst. Das in Natron Gelöste wird durch Salzsäure wieder gefälit und be- sitzt die Eigenschaften einer Säure oder auch eines starken Phenols; auch durch verdünntes Ammoniak, kohlensaure Alkalien und durch "Erwärmen mit kohlensaurem Baryt entstehen violette Lösungen, in welchen ein violetter Farbstoff enthalten ist, der sich auf der Faser fixiren lässt., Diesen Farbstoff nenne ich Thionol!). Der Farbstoff- charakter des Körpers documentirt sich weiter durch Ueberführbarkeit in eine Leukoverbindung, welche in alkalischer Lösung äusserst ener- gisch wieder Sauerstoff aus der Luft anzieht. — Das hervorragende Interesse, welches die directe Bildung eines Farbstoffes aus dem Thio- ‘diphenylamin haben musste, liess es wünschenswerth erscheinen, das Einwirkungsproduct in wohlcharakterisirter Form zu gewinnen. Der Darstellung eines völlig reinen Productes stellten sich indessen sehr beträchtliche Schwierigkeiten entgegen, die nur mühsam und erst fast zum Schluss der Arbeit überwunden werden konnten. Die von mir zuletzt eingeschlagene Methode der Darstellung mag bier etwas aus- führlicher besprochen werden. 50 g Thiodiphenylamin wurden mit I kg cone. Schwefelsäure, die !) Gleich: von Thionin abgeleiteter phenolartiger (violetter schwefel- haltiger) Farbstoff. Studien in der Methylenblaugruppe. ' 417 mit '/, ihres Gewichtes Wasser verdünnt war, 25 Stunden auf etwa 150°—160° C. erhitzt‘). ! Das Einwirkungsproduct, aus der Schwefelsäure durch Wasser gefällt “und ausgewaschen, wurde in heisser verdünnter Natronlauge gelöst, filtrirt und mit Salzsäure wieder ausgefällt. Die Fällung war nach dem Auswaschen und Trocknen von schwärzlichgrüner Farbe und theilweise krystallinischer Beschaffenheit. Ihr Gewicht. betrug etwa 12 g?). Sie besteht aus einem leichter und einem schwerer löslichen Product. Es sei gleich bemerkt, dass dieses schwerer lösliche Product auf keine Weise in krystallisirter Form oder (wegen seiner schlammigen Natur und der Schwierigkeit seines Auswaschens) aschenfrei gewonnen werden konnte und desshalb nicht weiter untersucht worden ist, ob- schon es an Versuchen, dasselbe in eine hinreichend reine Form zu bringen (z. B. durch Vermittlung einer etwaigen Leukoverbindung), nicht gefehlt hat. Das oben erwähnte: leichter lösliche Product wurde in verschiedener Weise weiter gereinigt. Eiu Theil wurde mit heissem Eisessig extrahirt und schied sich aus der Lösung nach einigem Stehen in schwärzlichen eichenblattähnlichen Formen ab, er wurde durch Krystallisation aus 40°,iger Schwefelsäure in Form prächtiger grünblitzender Nadeln erhalten. Ein anderer Theil wurde durch Extraction des rohen Productes mit verdünntem warmen Ammoniak, ein dritter durch Kochen mit viel Wasser und fein geschlämmtem kohlensauren Baryt in Lösung gebracht und durch Salzsäure gefällt. Die Füllungen erwiesen sich grösstentheils als amorph; aus schwach salzsauren Lösungen krystallisirten gelegentlich schöne Nadeln, aber auch amorphe warzenförmige Massen. Nachdem ermittelt worden war, dass die Nadeln sich aus einer 5,3°/, HCl enthaltenen Lösung ab- '1) Diese Mengenverhältnisse erwiesen sich auf Grund zahlreicher Ver- suche bei 140°, 170° und 200° mit Schwefelsäure, die man nicht oder mit 3/20, "/20 oder !%/20 ihres Gewichtes Wasser verdünnt hatte, auf Grund colori- metrischen Vergleichs, als die ergiebigsten. * ?) Das Product einer anderen Darstellung, welche im Laboratorium der badischen Anilin- und Sodafabrik aus einer grösseren Menge Thiodiphenyl- amin ausführen zu lassen Herr Dr. Caro die grosse Liebenswürdigkeit hatte, zeigte keine solche krystallinische Beschaffenheit. — Es wog roh 35 g. 418 August Berntlsen: geschieden hatten, wurden die Laugen (ca. 12 Liter) auf gleichen Säure- gehalt gebracht und’ mit dem daraus Abgeschiedenen wie darin Un- gelösten zum Sieden erhitzt und filtrirt. Nunmehr enthielten die Filtrate alle die mehrfach beobachteten grün glitzernden langen geraden oder auch haarförmig gebogenen Nadeln. Bei einer neuen. Darstellung wurde das in Wasser gegossene Reactionsproduct (von SO,H, auf C,,H,NS) einfach mit Natron übersättigt, einige Zeit auf dem Wasserbad digerirt, filtrirt, mit soviel Salzsäure versetzt, dass die etwa 4 Liter be- tragende Lösung 5 Procent dieser Säure enthielt, und siedend filtrirt; das ungelöst gebliebene nochmals derselben Behandlung unterworfen. Im Ganzen resultirten alsdann aus 50 g Thiodiphenylamin etwa 5 g der neuen Verbindung. 4 Trotz ihres schönen Aussehens und ihres unzweifelhaft einheit- lichen chemischen Charakters ist die Verbindung zur Feststellung einer Formel nicht geeignet. Sie ist die Salzsäureverbindung des unten zu beschreibenden Dioxythiodiphenylimids oder Thionols, C,,H,NSO,, und enthält ausser der Salzsäure noch Krystallwasser ; aber die Salzsäure ist nur locker gebunden und beginnt schon beim Aus- waschen der Verbindung oder beim Trocknen im Vacuum, etwas mehr bei 100°, zu entweichen, während gleichzeitig ein Theil des Krystallwassers abgegeben wird. Es erhellt dies aus mehrfachen Analysen!). Etwas besser ist das schwefelsaure Salz, dessen Bereitung oben erwähnt wurde, zur Analyse zu verwenden. Leider kann das- selbe nur unter besonders günstigen Bedingungen schön krystallisirt erhalten werden, und scheint auch leicht beim stärkeren Auswaschen etwas Schwefelsäure zu verlieren, während umgekehrt bei geringem Auswaschen und Abpressen etwas freie Säure adhaerirt. # * ’ !) Analysen: a) vacuumtrocken; b) bei 100° bis zur Constanz getrocknet: Gefunden: erochnet für: i EEE U end a) b) C.H,NSO,HCl C3H,NSO,,HCl: C2H,NSO,,',HCL +H,0 + #0 m — m r ” C 50,58 — — 53,56 — 50,8 54,3 54,4 HA. HT Ta A Ten 3,0 3,6 Cl ..—% 19,70:10,01..'—!8,98.12,5 13,4 6,7. Studien in der Methylenblaugruppe. 419 1. 0,1062 g prächtige Nadeln gaben 0,2012 g CO, und 0,0346 Mn H,O. 2. 0,2055 g, nur wenig gewaschen, gaben 0,3836 g CO, und 0,0590 g H,0. 3: 0,1606 g, lange ausgewaschen, gaben 0,3105 g CO, und 0.0587 € H,O: 4. 0,2239 g (wie 3) gaben 0,2640 g BaSO,. Berechnet für Gefunden: 20,.H;NS0, + H,S0,: 1. 9. 3 4, e 51,80 51,66 50,89 52,72 er [0 2,88 ‚ 8,62 3,19 4,12 — S 17,26° a Ber = 16,19. Er Aus der alkalischen Lösung des Salz- oder Schwefelsäureproductes wird durch verdünnte Säuren das freie Thionol als ein braunrother feinschlammiger Niederschlag gefällt; man führt zweckmässig die Fällung in der Wärme aus, und wäscht lange mit warmem bis heissem Wasser aus. | Um dieses Thionol in reiner, zur Analyse geeigneter Form zu ge- ° winnen, ist begreiflich bei dem unbefriedigenden Ergebniss der obigen Ana- Iysen keine Mühe gescheut worden. Aber trotzdem kanh hierfür keine mit Sicherheit zum Ziel führende Vorschrift gegeben werden. Bei einer Operation resultirte ein Product, welches zur Formel C,,H,NSO, stimmende Zahlen ergab (a), und ebenso stimmen die Analysen eines auf anderem Wege | (aus Methylenblau s. u.), dargestellten Products zur Theorie; aber zu anderen Malen wurde bei scheinbar gleichem Verfahren die Verbindung kohlenstoffärmer erhalten (b): 1. (a) 0,1871 g Substanz, bei ‚110° getr., gaben 0,4285 g CO, und 0,0558 g H;0. Ä Ä * 2..(b) 0,2387 g gaben 0,5270 g CO, und 0,0659 g H,O. . 3. (b) 0,2588 g, scharf bei 110° getr., gaben 0,5782 g CO, und 0,0713. H,0: 4. (2) 0,2978 g gaben 0,3033 g BaS0,. 0,3576 „ „ 18,5 ccm Stickst. bei 758 mm Bstd. u. 11,8°C. au 420 August Bernthsen: a Berechnet für: Gefunden: i CiHrNSO: (2CeHıNSO 1.(a) 2.(b) 3.(b) Ale) . | + H2O) Ö 62,88 60,50 62,46 60,30 60,93 — — H 3,05 3,96 3,31 3,08 306 — — 4 N 6,11 5,38 = — = — 6,13 ’ Ss 13,98 13,45 — — — 13,96. — 10) 13,98 16,81 = = == Zul Die dargelegten Verhältnisse würden nicht erlauben, für das Thionol die Formel C,,H,NSO, als Ausdruck seiner Zusammensetzung an- zunehmen, wenn nicht die Richtigkeit dieser Formel durch verschiedene andere Gründe, auf die weiter unten eingegangen werden soll, zumal aber durch seinen nahen Zusammenhang mit Zauth’schem Violett und Methylenblau, aus dem es durch eine Art’ von Verseifung resultirt, sehr ä wahrscheinlich gemacht würde‘). Eigenschaften des Thionols, Salze desseiben. Das Thionol ist in kaltem Wasser fast völlig unlöslich, in kochen- dem Wasser auch äusserst wenig mit rother Farbe. In Essigsäure, verdünnter Salzsäure und Schwefelsäure löst es sich leichter, zumal in der Wärme, mit violettrother bis rother Farbe. Aus Eisessig krystallisirt es in eichenblattähnlichen Formen, aus den beiden anderen Säuren bei geeigneter Concentration (HCl 5—6°,, H,SO, 30--40°/,) in prächtigen grünen Nadeln, die, wie oben dargelegt, Säure enthalten. Die Eisessiglösung besitzt gelb- bis blutrothe, die alkoholische purpur- rothe Färbung mit violettem Ablauf, bei Gegenwart von "etwas Salz- säure färbt sie sich gelbbraun. In Benzol ist es sehr schwer, mit rother Farbe, desgleichen in Cumol tind Chloroform löslich. Leichter en j % ” - ') Während des Drucks dieser Arbeit erneut angestellte Versuche haben ergeben, dass die oben geschilderten Schwierigkeiten wenigstens theilweise auf einem anderen Grunde ‘beruhen: das Thionol .verbrennt sehr schwer im Sauerstoffstrom im offenen Rohr. Bei’ Anwendung geschlossenen Rohrs und inniger Mischung mit Kupferoxyd und ehromsaurem Blei gab auch das Product (b) zur Theorie stimmende Zahlen. Studien in der Methylenblaugruppe. 491 löst es sich in Anilin oder geschmolzenem Naphtalin mit rothbrauner Farbe. Concentrirte Schwefelsäure löst es leicht mit prächtig blauer Farbe und violettem Ablauf; die Lösung wird beim Verdünnen erst violett, dann zwiebel- bis hellroth (event. fällt dabei ein Theil der Substanz aus). Concentrirte Salzsäure löst es mit violetter Farbe. In Kali, Natron, Ammoniak, deren kohlensauren Salzen, heissem essig- sauren Natron löst sich das Thionol mit prächtig violetter Farbe und rothbrauner Fluorescenz; das Kalisalz wird durch überschüssiges Kali theilweise in schlammiger Form ausgesalzen. Die Lösung in Ammoniak verliert dies völlig beim Eindampfen auf dem Wasserbad. Durch Kochen des fein zerriebenen Thionols mit in viel Wasser aufgeschläimmtem kohlen- sauren Baryt geht es zum Theil als Baryumsalz mit violetter Farbe in Lösung. Beim Verdampfen der Lösung scheidet es sich in Krusten, auch wohl in grösseren grünglänzenden krystallinischen Aggregaten, Blättehen, ab. Dieselben wurden, von restirender Mutterlauge ab- gezogen und bei 100° getrocknet, der Analyse unterworfen. 0,2131 g gaben 0,1301 g BaSO,. Die Formel 0,,H,NSO,Ba, gleich C,,H,NSO,,BaO, verlangt: Berechnet: Gefunden: Ba 35,86 35,86%. Ein Theil der Barytsalzlösung wurde mit Silbernitrat gefällt; das in Wasser fast unlösliche Silbersalz ist ein brauner amorpher schlam- miger, schwer zu filtrirender und auszuwaschender Niederschlag. Die geringe erhaltene Menge wurde bei 100° getrocknet.. 0,1296 g gaben 0,0611 g Silber. Berechnet für Gefunden: (,,H,.NS0O,Ag;: Ag 46,85 47,14°),. Zur Salzbildung nimmt also das Thionol ein Molecül H,O auf, und in der entstehenden Verbindung C,,H,NSO, werden alsdann zwei Wasserstoffatome gegen ein Baryum-, resp. zwei Silberatome ersetzt. Ein Acetylproduct des Thionols liess sich nicht erhalten, da das- selbe unter Reduction in das unten zu beschreibende Triacetylleuk o- Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. III. 28 422 August Bernthsen: thionol übergeht. Es ist dies Verhalten des Thionols analog demjenigen der Rosolsäure. Das Thionol färbt, in kohlensaurem Alkali gelöst, Seide etc. violett; die Färbung wird indess an der Luft bald röthlich. Manche Eigenschaften des Thionols erinnern — wie unten noch weiter auffallen wird — lebhaft an die Rosolsäure; selbst die bei den Analysen auftretenden Schwierigkeiten sind in ähnlicher, wenn auch minder unüberwindbarer Weise, von Forschern, welche sich mit letzterer beschäftigt haben, empfunden worden'). 2. Leukothionol. Sowohl die (naturgemäss sehr verdünnten) sauren als auch die al- kalischen Lösungen des violetten Phenols werden durch Reductionsmittel leicht entfärbt, so durch Zink und Salzsäure oder Schwefelsäure, Zinn- chlorür, Schwefelammonium, alkalische Zinnchlorürlösung, Ammoniak und Zinkstaub. Die Lösungen, falls sauer, oxydiren sich langsam an der Luft, sofort durch Eisenchlorid wieder unter Rückbildung der rothen Farbe und Auftreten einer intermediären blauen. Die alka- lischen Lösungen hingegen sind äusserst unbeständig, jede Spur zu- tretender Luft verursacht energische Violettfärbung durch Oxydation, sodass die Lösungen ausserordentlich starken Küpencharakter besitzen. Um das Leukoproduct zu ®ewinnen, verfährt man zweckmässig folgendermassen: Die sehr verdünnte ammoniakalische Lösung des violetten Körpers wird mit Zinkstaub unter gutem Umschütteln (z. B. direct im Scheidetrichter) versetzt, bis Entfärbung eingetreten ist, als- dann mit Salzsäure übersättigt und sofort mit Aether ausgeschüttelt ; die filtrirte ätherische Lösung (zweckmässig in einem schwachen Kohlen- säurestrom) abdestillirt. Es hinterbleibt eine deutlich aus kleinen Nädelchen bestehende fast farblose (durch beginnende Oxydation leicht etwas bräunliche) Masse. Das Leukothionol ist in Aether mit fast farbloser oder nur schwach gelblicher, in Alkohol mit schwach gelbbräunlicher Farbe relativ leicht, ') Vgl. die Anm, auf 8. 420, i Studien in der Methylenblaugruppe, 423 in Wasser sehr wenig, leichter bei Gegenwart freier Säure löslich. Die ätherische Lösung, mit etwas verdünntem Ammoniak oder Alkali ge- schüttelt, färbt dieses momentan tief violett, weil das sich zuerst bildende Ammoniaksalz des Leukothionols sofort den in der Umgebung befind- lichen Sauerstoff, zumal auch den im Aether absorbirt vorhandenen, an sich reisst. Aus der alkalischen, überschüssiges Reductionsmittel enthaltenden Lösung lässt sich das Leukoproduct durch Aether nicht ausschütteln. Es zeigt sich durch die besprochenen Reactionen mit den Leukobasen anderer Farbstoffe dieser Gruppe verwandt, welche auch in saurer Lösung relativ beständig sind, durch Alkalizugabe aber sich mit Vehemenz zu den Farbbasen oxydiren. Die Zusammensetzung des Leukothionols wurde, da directe Ana- Iysen derartiger Leukoverbindungen wenig Zweck haben, durch Be- stimmung des zur Reduction des Thionols erforderlichen Wasserstoffs ermittelt. Als Reductionsmittel diente eine frisch bereitete Lösung von hydro-(unter-)schwefligssaurem Natron, Na,S,0,, dessen Gehalt durch Titration mit ammoniakalischer Kupfersulfatlösung nach früher') beschriebener Methode bestimmt wurde); die Titration wurde in schwach ammoniakalischer Lösung und im Wasserstoffstrom ausgeführt ganz ähnlich wie dies seiner Zeit für den Indigo besprochen worden ist. Die Endreaetion ist sehr schön wahrzunehmen; die reducirte Flüssigkeit ist fast völlig farblos. 0,3423 g Thionol (fein gepulvert und bei 110° getrocknet) ‚wurden in schwacher Kalilauge gelöst und auf 300 ccm gebracht. Die ammoniakalische Kupferlösung enthielt im Liter 9,9865 gCuSO, 4- 5aq; 10 eem derselben waren äquivalent (i. M. 23,58 ccm Hydrosulfitlösung;; von letzterer entsprachen (i. M.) 6,14 ccm 10 cem obiger Thionollösung. Es ergiebt sich daraus, dass 2,15 Atome Wasserstoff zur Reduction er- forderlich sind, während die Theorie 2 Atome verlangt. Es kommt dem Leukethionol also die Formel C,;H,NSO, zu. 1) Annalen Bd. 208, 155; Ber. d. d. chem. Ges. XIII, 2283. 2) Statt des Indigos kann das Thignol selbst als’Indicator dienen, um nach der beschriebenen Methode die Endreaction — Entfärbung der Kupfer- lösung — zu verschärfen. 23 # 494 August Bernthsen: 3. Acetylverbindung des Leukoproducts: Triacetylleukothionol. Durch Erhitzen des Leukoproducts mit überschüssigem Essigsäure- anhydrid erfolgt sofortige Lösung und Entfärbung, und die Einwirkung ist anscheinend nach kurzem Aufkochen vollendet. Es wurde einige Stunden am Rückflusskühler gekocht. Bei Wasserzugabe zu der braun gefärbten Lösung scheidet sich das gebildete Product theilweise als braunes Harz ab, theilweise wird es erst beim Neutralisiren der Lösung mit kohlensaurem Natron allmählich in krystallinischer Form gefällt. Das Harz, mit wenig heissem Alkohol aufgenommen und darin mit Thierkohle gekocht, giebt beim Erkalten eine Ausscheidung noch schwach gelblich gefärbter derber Kryställchen, während aus der Mutterlauge nur noch ein röthlich gefärbtes, weiches, harziges Product sich isoliren liess. Die Substanz ist sowohl in neutraler Lösung als auch in fester Form recht luftbeständig. Sie schmilzt bei 155°—156°. Die Analysen der bei 110° getrockneten Verbindung ergaben folgende Resultate: 1. 0,1677 g (i. off. Rohr) gaben 0,3718 g CO, und 0,0607 g H,O. 2. 0,2153 g, mit Kali und Salpeter geschmolzen, gaben 0,1437 g BaSO,. Daraus berechnet sich die Formel C,3H,;NS0,: Berechnet: . Gefunden: 1. a C 60,49 60,47 = H 4,19 4,029 N 3,92 _ —= S 8,96 = 9,16 0 22,44 | — = Diese Substanz ist aus dem Leukothionol in der Art entstanden, dass in demselben drei Atome Wasserstoff gegen Acetyl ausgetauscht worden sind: u C,.H,NSO, + 3(C,H,0),0 = C,;H;(C;H,0),NS0, + 3C,H,0,. . 3 ? + $ g ‚Studien in der Methylenblaugruppe. 425 Hiermit stimmen die Reactionen der Substanz völlig überein: durch Erhitzen sowohl mit Alkali als mit concentrirter (70 °/,) Schwefelsäure tritt Verseifung ein, natürlich unter gleichzeitiger Oxydation. Dem- gemäss zeigt das Acetylproduct folgendes charakteristische Verhalten: Beim Erwärmen mit z. B. 60- oder 70-°/,iger (auch englischer) Schwe- felsäure tritt sehr bald intensiv blaue, im Ablauf violette, durch Ver- dünnen roth werdende Färbung auf, welche alsdann durch Ueber- sättigen mit Alkali in ein schönes Violett übergeht. Da die Zu- sammensetzung dieses Acetylproducts von besonderer Wichtigkeit ist, um die Formel C,,H,NSO, des Thionols als richtig zu bestätigen, so wurde auch ein directer Beweis für das Vorhandensein dreier Acetyl- gruppen geführt, indem man die Menge der bei der Verseifung frei ‘ werdenden Essigsäure bestimmte. 0,2305 g Substanz bei 110° getrocknet, wurden im Kölbchen am Rückflusskühler mit überschüssigem Kalihydrat zum Sieden er- wärmt, etwa 3 Stunden lang, nach dem Erkalten mit Schwefelsäure stark angesäuert, und dann unter wiederholter Zugabe neuen Wassers destillirt, so lange noch das Destillat eine saure Reaction zeigte. Die in demselben vorhandene Essigsäuremenge betrug 0,1219 g (durch Titration bestimmt; Schwefelsäure oder schweflige Säure war nicht nachzuweisen). Auf 3 Acetylgruppen berechnen sich 0,1203 g ab- -gespaltener Essigsäure, oder in Procenten des Acetylproducts aus- gedrückt: Berechnet: Gefunden: Essigsäure 52,18 °/, 52-91 %.: Die Bildung dieses Triacetylleukothionols ergänzt in erwünsch- tester Weise die Beweisführung für die Formel C,,H,NSO, des phenol- artigen Farbstoffs, welche demnach als festgestellt gelten darf, um so mehr, als auch die folgenden Thatsachen zu Gunsten derselben sprechen. 4. Verhalten des Methylenblaus gegen Alkalien bei längerer Einwirkung. Während bei kürzerer Einwirkung von Alkalien auf Methylenblau die oben beschriebenen dem Blau noch sehr ähnlichen basischen Farb- 426 August Bernthsen: stoffe, Methylenazur und Methylenviolett, entstehen, werden bei län- gerem Kochen phenolartige Producte erhalten. Die Lösungen färben sich unter andauernder Entwickelung von Dimethylamin schmutzig violettroth und lassen auf Zusatz von Säuren amorphe, in Wasser fast unlösliche, auch in den meisten anderen Lösungsmitteln nur sehr wenig lösliche Producte fallen, die zudem wegen ihrer schlammigen Be- schaffenheit sehr schwer auszuwaschen und kaum aschenfrei zu er- halten sind. . Die Enträthselung der so entstehenden phenolartigen Substanzen hat, wie aus diesen Andeutungen schon ersichtlich, beträchtliche Schwie- rigkeiten geboten. Schliesslich zeigte sich, dass das rohe Product aus zwei Substanzen besteht, deren eine schliesslich in krystallinischer Form erhalten werden kann, und ein wohl verbundenes charakterisirtes + chemisches Individuum ist, deren andere hingegen sich wegen ihrer amorphen Beschaffenheit und des nie fehlenden beträchtlichen Aschen- gehalts zu eingehenderer Untersuchung ungeeignet erwies. Die Trennung beider Substanzen erfolgte schliesslich in folgender Weise. Das durch Salzsäure gefällte trockene braune schwach bronce- grün glänzende Product wurde sehr fein zerrieben und alsdann mit Wasser unter Zugabe geschlämmten kohlensauren Baryts einige Zeit ausgekocht. Es ging ein Theil des Products dabei mit, prächtig violett rother Farbe in Lösung; ein anderer — der grösste — Theil blieb ungelöst. Es ist diese Methode leider nicht geeignet zur Gewinnung irgendwie grösserer Mengen des leichter löslichen Productes, da, wie besondere Versuche gezeigt haben, es durch längeres Kochen mit koh- lensaurem Baryt theilweise unlöslich wird. Der beim überschüssigen kohlensauren Baryt hinterbleihende schwer lösliche Körper ist in dem Rückstand als in Wasser unlösliches Ba- riumsalz vorhanden. Ausziehen mit Salzsäure genügt nicht zur Ent- fernung des Baryts, welche auch durch Zusatz schwefelsauren Natrons zur alkalischen Lösung des Products nicht bewerkstelligt werden konnte. Die ausgeführten Analysen erlauben daher keinen Rückschluss auf die Zusammensetzung desselben, scheinen jedoch ausser Zweifel zu stellen, dass dasselbe durch Eintritt von Sauerstoff kohlenstoff- Studien in der Metbylenblaugruppe. 497 ärmer geworden ist als Methylenblau, resp. das unten beschriebene Phenol. Das durch kohlensauren Baryt in Lösung gegangene Phenol hin- gegen lässt sich beim Ausfällen der Lösung durch Salzsäure und sorg- fältiges Auswaschen aschenfrei und in anscheinend krystallinischer Form erhalten, wie denn auch das Baryumsalz beim Eindampfen der Lösung in grünglänzenden krystallinischen Formen anschiesst. Die Ausbeute ist eine sehr geringe. ä Die Analysen zweier Proben von zwei verschiedenen Darstellungen ergaben folgende Zahlen: 1. 0,1534 g Substanz, bei 100° getrocknet, ergaben 0,3553 g CO, und 0,0474 g H,O. 2. 0,2064 g Substanz gaben 0,4770 g CO, und 0,0599 g H,O. Berechnet für Gefunden: C+H5,NSO;: T: 28 C 62,90 63,15 62,11 H 3,06 3,43 3,26. Auch eine nachweislich zu hoch ausgefallene Stickstoffbestimmung steht mit obiger Formel noch annähernd in Uebereinstimmung (gef. 50 °%%5;.ber. 6,12%. .N): Man würde angesichts dieser zur Theorie resp. unter einander nur wenig harmonirenden Zahlen Anstand nehmen müssen, die Formel C,,H;NSO, als wirklichen Ausdruck der Zusammensetzung der frag- lichen Verbindung zu betrachten, wenn jene nicht durch die gleich- zeitigen oben besprochenen Untersuchungen über das Verhalten des Thiodiphenylamins gegen Schwefelsäure weiter hätten gestützt werden können. $ Die auf letzterem Weg erhaltene Verbindung, welche oben als „Thionol“ beschrieben worden, und für welche die Zusammensetzung C,;H,NSO, als sehr wahrscheinlich nachgewiesen worden ist, ist nämlich, wie der genauere Vergleich gezeigt hat, mit obigem Phenol in allen Punkten identisch. Die fast völlige Unlöslichkeit in Wasser, ‘ die Fähigkeit, sich in Wasser bei Gegenwart von fixem oder kohlen- 428 August Bernthsen: saurem Alkali, von Ammoniak, von kohlensaurem Baryt, Ja, beim Erwärmen mit essigsaurem Natron mit prächtig violetter bis violett- rother Farbe zu lösen, die Färbungen mit conc. Salzsäure (violettroth), mit conc. Schwefelsäure (dunkelblauviolett, beim Verdünnen roth), die Eigenschaften der Leukoverbindung ete. stimmen bei beiden Substanzen völlig überein. Desgleichen lässt sich obiges Phenol ebensowohl aus z. B. 40 °/siger Schwefelsäure als aus 5 °/,iger Salzsäure in schwarzen grünglänzenden Nadeln, die Säure enthalten, krystallisirt erhalten. Nach den bei früherer Gelegenheit beschriebenen Schwierigkeiten, welche auch diese Verbindungen der analytischen Untersuchung ent- gegenstellen, wurde für das vorliegende (nur in spärlicher Menge vor- handene) Phenol von weiteren Analysen abgesehen, zumal die Identi- ficirung mit dem Thionol auf Grund der oben angegebenen charakte- ristischen Reactionen mit Sicherheit möglich war. 5. Verhalten des Lauth’schen Violett gegen Alkali. 50 g rohen Lauth’schen Violetts (HC}-salz) wurden in 5 Litern Wasser gelöst, und zur siedenden filtrirten Lösung eine Auflösung von 100 g Aetzkali hinzugegeben. Es erfolgte sofort völliger Farbenum- schlag und Abscheidung eines verhältnissmässig geringen Theils freien Tbionins in glitzernden Kryställchen; der grössere Theil des Farbstoffs blieb jedoch mit schmutzig bordeauxrother Farbe in Lösung, dabei machte sich starker Ammoniakgeruch bemerklich. Die filtrirte Lösung mit Salzsäure schwach angesäuert, gab einen schlammigen braunen voluminösen Niederschlag, und das noch heisse Filtrat setzte beim Erkalten weitere Mengen desselben ab. Der ausgewaschene Niederschlag erwies sich durch wiederholtes Auskochen mit 2 bis 4 Litern Wasser als ein Gemisch von mindestens zwei Substanzen, deren eine in Lösung geht, während ein in Wasser fast unlöslicher Rückstand bleibt. Trotz aller Reinigungsversuche resultirten die Producte nur in amorpher Form; sie wurden daher genauer analytisch untersucht und ergaben Zahlen, die zwar unter sich gut stimmten und zeigten, dass eine Sauerstoffaufnahme statt- gefunden hat, während Stickstoff ausgetreten ist, aus denen sich Zug u u > u Studien in der Methylenblaugruppe. 429 aber keine einigermassen einleuchtenden Formeln haben ableiten lassen '). Erst die mittlerweile durchgeführte genauere Untersuchung des oben beschriebenen Thionols gab den Schlüssel zur Aufklärung dieser Verhältnisse. Beide beschriebenen Producte zeigten mit dem Thionol in ihren Eigenschaften manches Gemeinsame, weshalb vermuthet wurde, dass dies Phenol in ihnen neben einer andern vielleicht basischen Substanz vorhanden sei. Dies liess sich in der That nachweisen, und darauf konnte man folgendermassen trennen: Die Auflösung der roh erhaltenen Producte in Alkali wurde durch Zusatz von unterschwefligsaurem Natron (sog. hydroschwefligsaurem), Na,S,0,, reducirt und dadurch fast vollkommen entfärbt. Dieselbe wurde mit Salzsäure übersättigt und alsdann drei bis vier Mal mit Aether extrahirt. Der nur schwach gelb oder grünlich gefärbte Aether enthält eine Leukoverbindung von sauren Eigenschaften, während die Leukoverbindung einer basischen Substanz in der wässrigen sauren Lösung verbleibt. Beim Schütteln der ätherischen Lösung mit ver- dünntem Natron zeigt sich nunmehr das charakteristische Verhalten des Thionols: die alkalisch-wässrige Lösung färbt sich momentan prächtig rothviolett und die Substanz wird dem Aether völlig entzogen, so dass dieser nur Spuren von Beimengungen gelöst entbält. Man lässt die abgehobene alkalische Lösung an der Luft einige Zeit stehen, verdünnt auf z. B. drei Liter mit Wasser und versetzt alsdann mit so viel Salzsäure, dass die Lösung 5%, freie Säure enthält, giebt erforder- lichen Falls zur Vollendung der Oxydation einen Tropfen Eisenchlorid hinzu, erhitzt zum Sieden und filtrirt. Beim Erkalten scheiden sich !) So ergab das leichter lösliche Produet: C 56,98 °/o, H 4,5 °/0, N 11,34 %o (10,35 °/0), berechnet für C24HısN4S205 C 57,1; H 3,2; N 11,1°/o; und das schwer lösliche: C 57,48 und 57,64; H 3,38 und 3,41; N 8,72 und 8,67 °/o; S 13,1°/o; ber. für C24H15N38206: C 57,0; H 3,0; N 8,3; S 12,7°/o (die letztere dieser Formeln leitet sich aus der ersteren durch Ersatz von NH gegen O ' ab, von derjenigen zweier Molecüle Thbionin durch Austritt der Hälfte des Stickstoffs als NHs, Ersatz gegen die äquivalente Menge OH, und weiteren Zutritt dreier Atome Sauerstoff). 430 August Bernthsen: alsdann die prächtigen dunklen grünglitzernden Nadeln des salzsauren Thionols, wie bei diesem oft S-förmig gewunden, ab. Ein genauer Vergleich mit dem auf anderen Wegen erhaltenen Thionol ergab die völlige Identität der Substanzen. Von analytischer Bestätigung dieses Resultats wurde aus den im vorigen Abschnitt besprochenen Gründen verzichtet, jedoch nicht unterlassen, die gewonnene Verbindung in das Acetylderivat ihres Leukokörpers überzuführen, welches von gleichen Eigenschaften wie das aus Thiodiphenylamin gewonnen erhalten wurde. Der andere aus Thionin durch die Einwirkung des Alkalis ent- stehende Farbstoff ist noch in Untersuchung. Er wurde erst neuer- dings — durch Einwirkung von H,S und Eisenchlorid auf p-Amido- phenol — in etwas grösserer Menge erhalten. Es sei daher hier über ihn nur Folgendes bemerkt, Er löst sich in Säuren mit bordeaux- rother bis purpurner Farbe; die Leukoverbindung ist in Salzsäure wie in Natronlauge löslich, daher sowohl "Base wie Phenol. In seinen Reactionen erinnert er sowohl an das Thionin wie an das Thionol; er ist in conc. HCl mit blauer, in Alkohol mit (violett-)rother, in conc. Schwefelsäure mit tiefblauer Farbe (Ablauf violett) löslich. Es hat sich gezeigt, dass er ein Zwischenproduct der Veran lunp des Thionins in das Thionol ist und die Constitution C,H, NH, N Ag | "H,O besitzt; er soll daher als „Thionolin“ bezeichnet werden. Ausser Thionon und Thionolin entstehen bei obiger Reaction amorphe Producte, welche mehr Sauerstoff zu enthalten scheinen als einem blossen Verseifungsprocess entsprechen würde. ‚Hierauf weisen die oben erwähnten Analysen des Rohproducts hin (vgl. Anm. pag. 429). 6. Verhalten des Thionins beim Erhitzen mit Schwefelsäure. Wird ZLauth’sches Violett mit Schwefelsäure, die mit ',; bis '\, ihres Gewichts Wasser verdünnt ist, zunächst zur Entfernung der Salzsäure gelinde, dann eine halbe oder eine Stunde stärker (auf ” x R" R. Studien in der Methylenblaugruppe. 431 150°—180°) erhitzt, so wandelt sich die dunkelgrüne Farbe der Lösung in eine violettlich blaue um, und in der Flüssigkeit ist ein dunkler Bodensatz wahrnehmbar. Man giesst in Wasser, filtrirt das Ausge- schiedene, zieht es mit kaltem Ammoniak aus (wobei viel kohlige in conc. H,SO, noch blau lösliche Masse zurückbleibt), fällt mit Salz- säure und krystallisirt die Abscheidung aus 5°/,iger Salzsäure um. Man erhält so dunkle grünglänzende Nadeln, welche die sämmtlichen charakteristischen Reactionen der Salzsäureverbindung des Thionols | zeigen. Die Umsetzung verläuft demnach in ähnlicher Richtung wie durch Kali, nur vielleicht glatter und anscheinend ohne Bildung basi- schen Zwischenproducts. 7. Die Constitution des Thionols lässt sich aus den verschiedenen mitgetheilten Bildungsweisen nunmehr mit Sicherheit nachweisen. Es ist offenbar als Dioxydiphenylimid C,H, OH NE ONS C.H,0 Ze - aufzufassen. Seine Bildung aus Thionin erfolgt offenbar durch Austausch von —NH, gegen OH, sowie von NH gegen 0: C,H, NH, C,H, OH Ne NS +3,0=- N 8 + 2NH, CH,/NH C,H 0 tun un , In analoger Weise ist seine Bildung aus dem Methylenblau zu erklären; es wird N(CH,), gegen OH, resp. gegen O ausgetauscht: GH, NICH), OL OR NG Is +H0O=K >s + 2NH(CH,),'). SGHÖNICH,)- .OH “CH, 0 Der Process besteht daher in einer Art von Verseifung, wie sie für die Säureamide, aber im Allgemeinen nicht für die aromatischen Amine bekannt ist. Dass eine solche Verseifung hier vor sich geht, weist darauf hin, dass der Thiodiphenylaminrest einen relativ starken !) Dass beim Kochen von Methylenblau mit Alkali sich Dimethylamin entwickelt, ist bereits früher besprochen worden. 432 August Bernthsen: negativen Charakter besitzt, wodurch denn auch es sich erklärt, dass das Thionol, obwohl nur Phenol, Carbonate zersetzt (seine ammonia- kalische Lösung verliert übrigens, wie erwähnt, beim Verdampfen das Ammoniak wieder). Das Leukoproduct obigen Phenolfarbstoffs, Leukothionol, ist daher als Dioxythiodiphenylamin ug C,H, OH aufzufassen und man muss demnach erwarten, dass bei der Acetylirung drei Acetylgruppen eintreten. Dies ist nach den obigen Darlegungen wirklich der Fall. Zwischen Thionin und Thionol existiren daher ganz ähnliche Be- ziehungen wie zwischen Rosanilin und Rosolsäure. Letztere kann aus ersterem nach den vorliegenden Angaben durch Behandeln mit salpe- triger Säure gewonnen werden, während Rosanilin beim Erhitzen mit Wasser auf 250—270° zwar nicht Rosolsäure, aber doch die bei dieser Temperatur aus letzterer weiter resultirenden Producte (Dioxy- bensophenon und Phenol) liefert, sodass also auch hier durch Wasser ein Austausch von NH, gegen OH resp. NH gegen O bewirkt wird. Es ist nicht schwer, thatsächlich weitere Analogien zwischen Rosolsäure resp. Aurin und Dioxythiodiphenylimid zu constatiren; so z. B. sind beide eigenthümlicher Weise von schwach basischem Cha- rakter, und die Analysen der Salze haben Dale und Schorlemmer ') ähnliche, wenn auch nicht so beträchtliche Schwierigkeiten geboten, als dies oben für den schwefelhaltigen Phenolfarbstoff besprochen worden ist. Die Bildung des Thionols aus Thiodiphenylamin unter dem Ein- fluss der Schwefelsäure erweist sich nunmehr als ein oxydativer Vor- gang, und zwar als eine directe Hydroxylirung; man darf wohl an- nehmen, dass zunächst durch zweimaligen Austausch von H gegen OH das Leukothionol entsteht, welches dann durch die Säure unter weiterer Oxydation in den Farbstoff Thionol verwandelt wird; der ganze Pro- cess lässt sich durch folgende Gleichung ausdrücken: !) Annalen d. Ch. 196, 75 ft. EN Studien in der Methylenblaugruppe. 433 /C,H; C,H, OH NIK 0 28+3H,80,=N( )8 +380,-+4H;0. CH, eo \ Was schliesslich die Salze des Thionols betrifft, von denen das Baryum- und Silbersalz oben besprochen worden sind, denen die Zu- sammensetzung C,.H,NSO,Ba, resp. C,.H,NSO, Ag, zukommt, so ist deren Bildung leicht verständlich, wenn man, wie bereits oben angedeutet, annimmt, dass bei der Salzbildung das Thionol ein Molecül Wasser addire und so zunächst in ein hypothetisches Thionolhydrat, von der Formel: Nom. Ss C,H, -OH übergehe. Die Salze würden aus diesem durch Ersetzung der zwei Phenolwasserstoffatome gegen Metall hervorgehen. Die Formel eines solchen Thionolhydrats, welches als ein Hydro- xylaminderiyat aufgefasst werden müsste, mag auch wegen der be- kannten Verhältnisse in der Triphenylmethan-Farbstoffklasse, in der ja die freien Farbbasen meist Carbinole sind, als nicht unwahrschein- lich erscheinen; aber die Analogie kann natürlich bei der grossen Verschiedenheit der Muttersubstanzen nur eine beschränkte sein, wes- halb bei den beschriebenen basischen Farbstoffen analoge Hydrate auch nicht beobachtet worden sind. Eine gleiche Hydratation wird von k. Möhlau'‘) in der Indo- phenolreihe angenommen, nämlich bei der Einwirkung von Natron auf den blauen Farbstoff Dibromchinonphenolimid &H,-OH | NO;H,Br,-0 1) Berl. Ber. XVI, 2843. 434 Vereinsnachrichten. Vereinsnachrichten. Seit Mai 1833 sind aus dem Verein ausgetreten und von Heidelberg weggezogen die Mitglieder Herren Dr. Benckiser, Prof. Braun, Dr. Breitner, Dr. Cohnstein, Dr. Greiff, Dr. Heuck und Dr. Schäfer. Als Mitglieder wurden dagegen neu aufgenommen die Herren Dr. König, Dr. Wegerle, Dr. Merkel, Dr. Jüngst, Dr. Hanau und Dr. Middelkamp. Der Vorstand des Vereines besteht wie bisher aus den Herren Prof. Quincke als Präsident, Prof. Horstmann als Schrift- führer und Buchhändler G. Köster als Rechner. Dieselben wurden in der Sitzung vom 7. Nov. 1884 wiedergewählt. ‘In den Sitzungen wurden folgende Vorträge gehalten: 13. Juni. Prof. Bernthsen über Methylenblau und verwandte Verbindungen. Prof. Pfitzer zeigt einige Pflanzen, namentlich sog. fleisch- fressende Arten vor. 4. Juli. Prof. Horstmann über den Zusammenhang zwischen dem Wärmewerth und dem Verlauf chemischer Reactionen. Dr. Blochmann über directe Kerntheilung in der Embryo- nalhülle von Skorpionen mit Demonstration von Präparaten. 1. August. Dr. Ziehl: Demonstration von Typhusbakterien. Dr. Steinbrügge: Demonstration mikroskopischer Prä- parate aus thierischen und menschlichen Gchörschnecken. 7. Nov. Hofrath Prof. Knauff über die Cholera mit Demon- strationen. 5. Dec. Prof. Bütschli: Vorzeigung und Besprechung einiger ‚Präparate und Zellkernen. Dr. Blochmann über die Gründung neuer Ameisencolonien. Prof. Quineke über den Magnetismus des leeren Raumes, & Vereinsnachrichten. 435 6. Febr. Prof. Pfitzer über Früchte, Keimung und Jugend- zustände einiger Palmen. 6. März. Prof. Steiner über die Theorie der Zwangsbewegungen. Für die folgenden dem Vereine seit dem letzten Berichte zugegangenen Druckschriften den Uebersendern besten Dank. Die Aufführung in dem Verzeichniss wolle man zugleich als Empfangsbescheinigung hinnehmen. Alle ferneren Zusendungen beliebe man einfach an den naturhistorisch-medieinischen Verein Heidelberg zu adressiren. Heidelberg, im Mai 1885. 436 Verzeichn. der v. April 1884 bis März 1885 eingeg. Druckschriften. Verzeichniss der vom April 1884 bis März 1885 eingegangenen Druckschriften. Zugleich als Empfangsbescheinigung. Altenburg. Naturforschende Gesellschaft des Osterlandes: Mittheilungen N. F. II, nebst Catalog der Bibliothek. Auxerre, Societ& des sciences historiques et naturelles de I’Yonne: Bulletin 37, 2; 38, 1. Baltimore. Johns Hopkins University: Studies from the biologieal Laboratory III, 2. Cireulars 31, 32, 35, 36. Basel. Naturforschende Gesellschaft; Verhandlungen VII, 2 nebst Beilage. Berlin. Botanischer Verein der Provinz Brandenburg; Verhandlungen 24, — Deutsche geologische Gesellschaft: Zeitschrift XXXVL, 1. -— Gesellschaft naturforschender Freunde: Sitzungsberichte 1884. — Physiologische Gesellschaft: Verhandlungen IX, Nr. 1—21. Bern. Naturforschende Gesellschaft: Mittheilungen 1883, 2; 1884, 1 u. 2. — Allgemeine schweizerische Gesellschaft für die gesammten Naturwissen- schaften: Verhandl. in Zürich 1883, Nr. 66. Bistritz. Gewerbeschule: Jahresbericht X. Bologna. Accademia delle Seienze dell’ Instituto: Memorie IV. Bonn. Aerztlicher Verein für Rheinland, Westphalen und Lothringen: Correspondenzblatt 33, 34. — Niederrheinische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde: Sitzungs- bericht 1883. — Naturhistorischer Verein für die preussischen Rheinlande und West- phalen: 4 Folge X, 2; 5. Folge I, 1. Bordeaux, Soci6t& des sciences physiques’et naturelles: V, 3 nebst Beilage. Verzeichn. der v. April 1884 bis März 1885 eingeg. Druckschriften. 437 Bostön. American Academy of Arts and Sciences: Proceedings XI, 1 und 2 Bremen. Naturwissenschaftlicher Verein: VIII, 2; IX, 1. Breslau. Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur: 61. Jahres- bericht für 1883. Brüssel. L’Universit& de Bruxelles 1834—1848 par L. Vanderbilt. Budapest. Königl. ungarische Gesellschaft der Naturwissenschaften : Mathem.-physikal. Berichte I, nebst sechs diversen Beilagen, Chemnitz. Naturwissenschaftliche Gesellschaft: Bericht IX, 1883 —84, Christiania. Den norske Nordhavs-Expedition 1876 — 78 XI, XII, XIII. Cordoba. Academia Nacional di Cieneias: Rolletino VI, 1—4; VL, 1. Actas V, 1. Danzig. Naturforschende Gesellschaft: Schriften VI, 1. Darmstadt. Verein für Erdkunde und verwandte Wissenschaften: Notizblatt IV, 4. Davenport. D. Akademy of natural sciences: Proceedings III, 3. Dorpat. Naturforschende Gesellschaft: Sitzungsbericht VI, 3. Archiv für Naturkunde von Liv-, Esth- u. Kurland IX, 5, Dresden. Gesellschaft für Natur- und Heilkunde: Jahresber. 1883 —84. — Naturwissenschaftliche Gesellschaft „Isis“: Sitzungsberichte und Ab- handlungen 1884 Jan. — Juni, Dublin. Royal D. Society: Seientifie transacetions Vol. I, 20—25; Vol, II, 1—3, Proceedings Vol. III, 6, 7; IV, 1—4, Elberfeld. Naturwissenschaftlicher Verein: Jahresbericht VI, Emden. Naturforschende Gesellschaft: Jahresbericht 68. Erlangen. Physikalisch-medieinische Soeietät: Sitzungsbericht 16. Florenz. Societa entomologiea italiana: Bull. XV, 2 u. 3; XVI, 14. — Nuovo giornale botanico italiano XVI, 3 und 4; XVLL, 1. Frankfurt. Aerztlicher Verein: Jahresbericht über die Verwaltung des Medicinalwesens ete. 1883. — Physikalischer Verein: Jahresbericht 1882—83, — Senkenbergische naturforschende Gesellschaft: Jahresbericht 1884, Abhandlungen XII, 4. Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie, III. 29 438 Verzeichn. der v. April 1884 bis März 1835 eingeg. Druckschriften. Freiburg i: B. Naturforschende Gesellschaft: Ber. VILI, 2. Genf. Institut national genevois: Memoirs XV. Genua. Soeieta di letture e conversazione scientifiche: Giornale VIII, 5—12; IX, 1 u. 2, Giessen. Oberhessische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde: Be- richt Nr. 23, Götheborg. Königl. Gesellschaft der Wissenschaften: Handlingar X VIII. Häftet. Graz. Naturwissenschaftlicher Verein für Steiermark: Mittheilungen für 1883 nebst Beilage. / — Verein für Aerzte in Steiermark: Mittheilungen XX, 1883. Greifswald. Naturwissenschaftlicher Verein für Neuvorpommern und Rügen: Mittheilungen XV. Groningen. Naturkundig Genootschap: Verslag 1883. Güstrow. Naturwissenschaftlicher Verein in Mecklenburg: Archiv 38, 1884. Harlem. Societe hollandaise des sciences exaetes et naturelles: Archives XVII, 2—5; XIX, 1—3. — Fondation P. Teyler van der Hulst: Archives 2 Ser. I, 4; HD, 1. Halle a. S. Leopoldina XX, 7—24; XXI, 1 und 2. — Naturforschende Gesellschaft: Sitzungsber. 1833. Abhandlungen XV], 2. — Zeitschrift für die Naturwissenschaften III, 1—5. — Verein für Erdkunde: Mittheilungen 1884. Hamburg-Altona. Naturwissenschaftlicher Verein: Abhandlungen VIII, 1, 2,3. Hamburg. Deutsche Seewarte; Meteorologische Beobachtungen II, III, IV. Aus dem Archiv d. S. IV. Witterungsübersicht, monatliche für Sept. bis Dec. 1883 und Jan. bis Juni 1884; jährliche für 1883. Karlsruhe. Veröffentlichungen der grossh. Sternwarte I. Kassel. Verein für Naturkunde: Ber. XXXI, nebst Beilagen. Kiel. Naturwissenschaftlicher Verein für Sehleswig-Holstein: Schriften VER: Klagenfurt. Naturhistorisches Landesmuseum für Kärnthen: Jahr- buch XIV, nebst Ber. 1883. Meteorologische Diagramme 1882—83. Verzeichn. der v. April 1884 bis März 1885 eingeg. Druckschriften. 439 Königsberg i. Pr. Physikalisch-ökonomische Gesellschaft: Schriften 24, 1 und 2. Lausanne. Societ& vaudoise des seiences naturelles: Bulletin XX, Nr. 90, Leipzig. Königl. sächsische Gesellschaft der Wissenschaften: Ver- handlungen, math.-phys. Klasse, 1883. — Naturforschende Gesellschaft: Sitzungsber. X, 1883. London. Royal society: Proceedings XXXVI, Nr. 227— 231. Lüneburg. Naturwissenschaftlicher Verein: Jahresbericht IX, 13883 — 84, Lyon. Soeciete d’agrieulture, hist. nat. et arts utiles: Annales V, 1882. Manchester. Literary and philosophical Society: Memoirs 3, Ser. VII. Proceedings XX—XXII A centenary of science at Manchester by Angus Smith 18834. Mailand. R. Istituto dei scienze e lettere: Rendiconti XVI. Melbourne. Royal Society of Vietoria: Transactions and Proceedings XX. Milwaukee. Annual report of the Wisconsin public Museum 1884. Montreal. Descriptive sketch of the physical, geographical and geo- logieal survey of Canada by Selwyn and Dawson. Compar. Voca- bulary of the indian tribes of british Columbia by F. Tolmie and Dawson. — Royal Society of Canada: Proceedings and Trans. 1832— 1883 Vol. I. Moskau. Kaiserl. Gesellschaft der Naturforscher: Bull. 1883, III u. IV; 1884, I nebst meteorologischen Beilagen. München. K. bayr. Akademie der Wissenschaften: Sitzungsber. math. phys. Klasse 1884, I, II, III. Münster. Westphälischer Provineial-Verein für Wissenschaft und Kunst: Jahresbericht XII für 1883. Neuchätel. Societe murithienne du Valais: Bull. 1883, XII. New-Cambridge. Museum of comparative Zoology at Harvard College: Bull. VII, 2—9; IX, 10. Annual report 1883—84. Padua. Societä veneto-trentino di scienze naturali: Atti IX, 1. Bull. III, 2. Paris. Societe zoologique de France: Bull. VIII, 5, 6; IX, 1—4. Petersburg. Kaiserl. Academie der Wissenschaften : Bull. XXIX; 2, 3, 4. 29 * 440 Verzeichn. der v. April 1884 bis März 1885 eingeg. Druckschriften. Philadelphia. Academy of natural sciences: Proceedings 1884, I u. II. Journal IX, 1. Regensburg. Zoologisch-Mineralogischer Verein: Corresp.-Blatt 37. Reichenberg. Verein der Naturfreunde: Mittheilungen XV. Riga. Naturforscher -Verein: Corresp.-Blatt XXVII. Rom. R, Academia dei Lincei: Transunti VIII, 11—16; Rendicontil, 1—5. Sidney. R,. Society of New South Wales: Report for 1883—84, Journal and Proc. XVI, XVII. Sondershausen. Irmischia: Botanische Monatsschrift IV, 4—11. St. Louis. Academy of sciences: Transactions IV, 3. Stuttgart. Verein für vaterl. Kultur in Würtemberg: Jahresheft 40. Toulouse. Acaddmie des sciences, des inscriptions et belles lettres: V,1. 2. Triest. Societä adriatica di seienze naturali: Bolletino VIII. Boll. del’ Observ. XVIII, 1884, Turin. Academia reale delle Secienze: XIX, 2—7. Upsala.’° Königl. Gesellschaft der Wissenschaften: Nova acta XL, 1. Washington. Dep. of Agriculture ann. Report 1883, — U. S. geologieal survey: The mineral resources of the U. S. by C. Williams. — Smithsonian Institution: Report für 1882. Report of the Comptroller of the Curreney 1883. Wien. Geologische Reichsanstalt: Verhandlungen 1884, 1—17. — k. k. Akademie der Wissenschaften: Anzeiger 1834, 10—28; 1885, 1—5. — Zoologisch-botanische Gesellschaft: Verhandl. 33 nebst Beilagen. — Verein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse: Bd. 24, Wiesbaden. Nassauischer Verein für Naturkunde: Jahrbuch 37. Würzburg. Physikalisch-medieinische Gesellschaft: Sitzungsber. 1884, Verhandlungen. X VIII. Zürich. Naturforschende Gesellschaft: Jahresbericht 1882—83. Zwickau. Verein für Naturkunde: Jahresber. 1883. Ueber eine neue Haematococeusart. Von Dr. F, Blochmann, Assistent am zoologischen Institut zu Heidelberg. Mit zwei Tafeln. Der Organismus, dessen Bau und Entwickelungsgeschichte im Nach- stehenden geschildert werden soll, wurde in diesem Jahre Anfangs Mai von mir bei einer Excursion im Schlossgarten zu Schwetzingen aufgefunden. Die beiden kleinen Bassins rechts vom Eingang fielen durch die intensiv grasgrüne Färbung ihres Wassers gegenüber den anderen, die vollständig klar waren, sofort auf. Es wurde von jedem Bassin eine kleine Probe Wasser mit nach Hause genommen, und die mikroskopische Untersuchung zeigte, dass die Grünfärbung in beiden Fällen fast ausschliesslich durch einen Haematococcus bedingt war. Ausserdem fand sich noch in nicht gerade grosser Menge Scenedesmus, eine Anzahl nicht gefärbter Flagellaten und verschiedene Infusorien. Die Vergleichung mit den bereits bekannten Haematococcen ergab bald, dass eine neue. Art vorlag, für welche ich den Namen Haema- tococeus Bütschlii n. sp. gewählt habe. Dieser Haematococeus ist unter anderm auch dadurch ausgezeichnet, dass die beweglichen Zustände sich nur verhältnissmässig kurze Zeit finden. Eine am 31. Mai vorgenommene Untersuchung ergab näm- lich, dass dieselben in dem ersten Bassin vollständig verschwunden waren; am 7. Juni fehlten sie bereits auch in dem anderen, und es gelang trotz wiederholter Untersuchungen bis jetzt (October) nicht mehr Gieselben aufzufinden, so dass man wohl zu der Annahme berechtigt ist, dass sie hier nur im Frühjahr auftreten, während in der übrigen Zeit Verhandl, d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie II. 30 443 Dr. F. Blochmann: sich nur die Dauercysten finden. Das Wasser blieb jedoch in beiden Bassins den ganzen Sommer über mehr oder weniger grün, was durelı eine massenhafte Entwickelung von Scenedesmus bedingt wurde. Auch in den Gläsern, in denen ich den Haematococcus zu Hause züchtete, verschwanden um dieselbe Zeit alle Schwärmzustände. Es haben sich die Dauereysten auch hier bis jetzt erhalten, ohne dass es gelungen wäre, durch Austrocknen und Wiederbefeuchten die beweg- lichen Formen aus ihnen zu erhalten. Ich will nun zunächst zur Schilderung des Baues der beweglichen Formen übergehen, daran dann das anschliessen, was ich bis jetzt über die Entwickelung ermitteln konnte, und schliesslich noch anhangs- weise einer kleinen Amöbe gedenken, welcher die beweglichen Haema- tococcen häufig zum Opfer fallen. I. Die beweglichen Formen. Die Schwärmer des Haematococeus Bütschlii sind im ausge- wachsenen Zustand ca. 60 mm lang (Fig. 1). Sie besitzen, wie dies überhaupt für die Gattung Haematococcus charakteristisch ist, eine zarte, hyaline, weit vom eigentlichen Zellkörper abstehende Hülle von regelmässiger, ellipsoidischer Gestalt. Die Hülle ist allseitig geschlossen und prall ausgedehnt. Am Vorderende finden sich zwei feine Oeffnungen zum Durchtritt der Geisseln. Diese Oeffnungen durchbohren nicht unmittelbar die Hülle, sondern, wie Fig. 5 zeigt, sind dem Vorderende derselben zwei kurze seitwärts gerichtete Röhren aufgesetzt, aus deren Oeffnungen die Geisseln hervortreten. Bei manchen Individuen ist das hintere Ende der Hülle in einen kurzen kegelförmigen Fortsatz aus- gezogen, wie ich es in Fig. 12 dargestellt habe. Ob sich hier eine Oeffnung findet oder nicht, konnte ich bis jetzt noch nicht mit Sicher- heit entscheiden. Dieser kurze Fortsatz findet sich nicht bei allen Exemplaren ; möglicherweise besitzen ihn nur diejenigen, welche bei der Viertheilung als vorderstes Individuum entstanden sind. Höchst wahrscheinlich wird die Hülle ebenso wie bei H. pluvialis und ver- wandten Formen aus Cellulose bestehen; doch ist es mir bei einigen Versuchen weder mit Chlorzinkjodlösung, noch mit Jod und Schwefel- Ueber eine neue Haematococeusart. 443 säure gelungen, eine deutliche Blaufärbung zu erhalten. Ich zweifle jedoch nicht daran, dass es bei weiteren Versuchen gelingen wird, die Reaction zu erzielen, da die dicke Hülle der Dauercysten dieselbe mit Leichtigkeit ergiebt. { Der eigentliche Zellleib nimmt den centralen Raum der Hülle ein und scheint mit seinem lang ausgezogenen Vorderende, von dem die Geisseln entspringen, an die Hülle festgeheftet zu sein. Wenigstens be- merkt man öfter bei der Schwärmerbildung sowohl als auch beim Zer- fall in Mikrogonidien, dass der vorderste Theilsprössling fest an der Hülle haftet und durch ruckweise Bewegungen sich loszulösen strebt, nachdem die anderen Sprösslinge schon aus der Mutterhülle ausgeschwärmt sind. Ausserdem erstrecken sich von dem Protoplasmaleib zahlreiche und zum Theil vielfach verästelte Pseudopodien zur Hülle. Diese werden nur bei Beginn der Theilung spärlicher. Vollständig verschwinden sie jedoch erst nach vollendeter Theilung. (Vergl. Fig. 6 ff.) Das Protoplasma erscheint mit Ausnahme des vordersten ausgezogenen Theiles und der Pseudopodienenden gleichmässig grün gefärbt. Ich habe mich mehrfach bemüht, die grüne Färbung auf ein bestimmt abgegrenztes Chromatophor zurückzuführen, da sich für die meisten grüngefärbten Flagellaten ein solches oder mehrere nachweisen, oder wenigstens deren Existenz wahrscheinlich machen liess !) und da sich auch bei H. pluvialis ein solches findet. Bis jetzt jedoch konnte ich mich weder am frischen noch an dem mit Reagenzien behandelten Materiale mit Sicherheit von der Existenz eines solchen überzeugen. Gegen das Vorhandensein eines Chromatophors dürfte vielleicht auch die Beobachtung sprechen, dass die grüne Färbung gegen die vordere Spitze zu ganz allmählich abnimmt, ebenso dass sich dieselbe regelmässig auf den unteren Theil der Pseudopodien fortsetzt, um dann 1) Vergl. Schmitz, Fr, Die Chromatophoren der Algen. Verhandlungen d, naturhist. Vereins d. preuss. Rheinlande und Westfalens. 1883. Derselbe, Beiträge zur Kenntniss der Chromatophoren ; Pringshein’s Jahr- bücher, Bd. XV. 1884. Bütschli, Protozoen p. 716 ff. 30 * 444 Dr. F. Blochmann: auch in diesen, allmählich schwächer werdend, aufzuhören, während ich bei H. pluvialis, wo sich ein Chromatophor findet, die Pseudopodien stets ganz hyalin gefunden habe. (cf. Fig. 1 und 32.) Möglich wäre der Fall, dass kein Chromatophor vorhanden, sondern das ganze Plasma grün gefärbt ist, ja immerhin. Besonders da in neuester Zeit Engelmann ') das Vorkommen von diffus ver- theiltem Chlorophyll bei einer Vorticelle angibt. Von Einschlüssen finden wir im Protoplasma des Haematococcus zunächst mehr oder weniger feine, dunkel erscheinende Körnchen von unbekannter Natur. Sie sind durch das ganze Plasma zerstreut. Ferner liegen im Vorderkörper, wo sich derselbe zu der schnabel- artigen Spitze zu verschmälern beginnt, 2 bis 3 kleine contractile Vacuolen (Fig. 1. cv). Gleich hinter den Vacuolen findet sich ganz oberflächlich, meistens sogar etwas vorspringend, das ziemlich ansehn- liche Stigma. Von oben betrachtet zeigt dasselbe gewöhnlich eine etwa halbmondförmige Gestalt (Fig. 2). Es erscheint wie in anderen Fällen auch aus einzelnen Körnchen oder Tröpfchen zusammengesetzt und wird durch Jodbehandlung tief blau, besteht also aus dem bei den Phytomastigoden so verbreiteten Farbstoffe, dem Haematochrom. Während sich nun bei H. pluvialis das Haematochrom in grosser Menge, meist in Gestalt einer centralen Anhäufung findet, ein Stigma dagegen fehlt, so habe ich bei H. Bütschlii dasselbe immer an das Stigma gebunden gefunden. Nur die durch Copulation der Mikro- gonidien entstandenen Dauercysten sind ganz und intensiv roth gefärbt. Pyrenoide sind gewöhnlich in der Zweizahl vorhanden. Sie sind ansehnlich und liegen symmetrisch dem Vorder- und Hinterende genähert. Zwischen denselben in der Mitte findet sich der Kern. Die Substanz der Pyrenoide erscheint fast homogen. stark glänzend und färbt sich auffallend wenig (sowohl mit Haematoxylin als auch mit Pikrokarmin), während sie ja in anderen Fällen eine grosse Tingir- barkeit besitzen. Rings um die Pyrenoide findet sich Stärke abge- ') Engelmann, Th. W., Ucber ınierisches Chlorophyll. Pflüger’s Archiv f. d. ges. Physiologie, Bd. XXXII. 1883.-p. 80, Ueber eine neue Haematococeusart. 445 lagert und zwar in Gestalt von einzelnen Stäbchen (Fig. 3). Diese Stärkestäbchen bilden keine continuirliche Hülle, sondern formiren nur ein das Pyrenoid umgebendes Netz. Bei ganz jungen Theilsprösslingen gelang es mir nicht, in der Umgebung der Pyrenoide Stärke nachzuweisen. | Ausnahmsweise treffen wir in einem Individuum auch mehr als zwei Pyrenoide. Die Fälle sind jedoch nicht gerade häufig und zwar finden sich dann gewöhnlich drei, wovon zwei hinter oder vor dem Kern liegen. Man könnte natürlich zunächst daran denken, dass derartige Individuen in Vorbereitung zur Theilung sich befinden; dies ist jedoch nicht nothwendig der Fall, denn wie wir weiter unten sehen werden, tritt die Theilung der Pyrenoide gewöhnlich erst nach der Zweitheilung des Zellkörpers ein. Der .Kern ist bläschenförmig, mit ansehnlichem Nucleolus. Er erscheint bei lebenden Individuen als heller Fleck, in welchem der Nucleolus deutlich zu erkennen ist. Durch Reagenzienbehandlung und nach Entfernung des Chlorophylis lässt er eine deutliche Membran und ein feines, den Raum zwischen Membran und Nucleolus ausfüllendes Netzwerk erkennen (Fig. 4). Diese Schwärmzustände des H. Bütschlii zeigen nun eine auf- fallende Aehnlichkeit mit den aus den Dauercysten hervorgegangenen, umhüllten Schwärmzellen von Stephanosphaera, welche Cohn und Wichura') abbilden (Fig. 12), und ebenso auch mit den von Hieronymus ?) abgebildeten „einzelligen Familien‘ dieser Volvoeine FRI. Bie.7 u, 8.) k Die Pseudopodienbildungen sind bei beiden Organismen ganz übereinstimmend, besonders auch dadurch, dassbei Stephanosphaera eben- falls der Stamm der reichverästelten Pseudopodien grün gefärbt erscheint, während nach den Enden zu diese Färbung allmählich verschwindet. Es dürfte darum bei Stephanosphaera gleichfalls noch fraglich sein, !) Cohn, F., u. Wichura, M., Ueber Stephanosphaera pluvialis. Nov. Acta, vol. XXVI. I. Nachtrag. 1857. ?) Hieronymus, @., Ueber Stephanosphaera pluvialis Cohn, in Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Bd. IV, 1884. p. 51. 446 Dr. F, Blochmann: ob sich ein bestimmt abgegrenztes Chromatophor vorfindet. Der neueste Untersucher derselben, Freronymus, macht darüber keine Angaben. Besonders charakteristisch für unseren Haematococeus ist dagegen die Zahl und Lagerung der Pyrenoide. Wie erwähnt, finden sich fast constant zwei, je eines vor und eines hinter dem Kern. Er unter- scheidet sich dadurch leicht einerseits von H. pluvialis mit mehreren unregelmässig gelagerten Pyrenoiden und andererseits von H. fluviatilis Stein mit einem hinter dem Kern liegenden Pyrenoid. Mit letzterer Form hat er den Besitz eines Stigmas gemein !). II. Die vegetative Vermehrung der beweglichen Formen. Während der ganzen Zeit, in der ich Gelegenheit hatte, den H. Bütschlii zu beobachten, trat täglich regelmässig sowohl die vegetative Vermehrung der schwärmenden Zellen, als auch die Bildung von Mikro- gonidien ein. Die Vorbereitungen zur vegetativen Vermehrung der Schwärm- zellen machten sich erst gegen Abend bemerkbar, während die zur Bildung der Mikrogonidien führenden Theilungen schon um die Mittags- zeit begannen. An den in die vegetative Theilung eingehenden Zellen «bemerkt man zunächst, dass der vordere schnabelartig ausgezogene Theil sich etwas verdünnt und dass an demselben das ursprünglich in der Nähe des vorderen Pyrenoids gelegene Stigma fast bis an die Geisselbasis nach vorne wandert. Meistens werden zugleich auch die Pseudopodien etwas spärlicher. Dann macht sich eine den Protoplasmakörper in der Mitte zwischen den beiden Pyrenoiden quer umziehende Einschnürung bemerklich, welche, allmählich tiefer eindringend, den Zellleib in eine vordere und hintere Hälfte theilt. Die Theilebene steht zur Längs- axe ein wenig schief, wie es Fig. 6 zeigt. Jede der so entstandenen !) Die von Cienkowsky, L., Ueber einige chlorophyllhaltige Gloeocapsen, Bot. Zeit. 1865, p. 26, erwähnte Chlamydomonas rostrata dürfte wohl auch zu der Gattung Haematococeus in der von Bütschli angenommenen Fassung zu stellen sein. Ueber eine neue Haematococeusart. 447 Hälften enthält ein Pyrenoid. Beim Beginn der Theilung bemerkt man den Kern als einen senkrecht zur Theilungsebene in die Länge ge- zogenen hellen Fleck und nach vollendeter Theilung findet sich in jeder Hälfte, nahe der Trennungsebene gelegen, ein junger Kern (Fig. 6). Ueber die feineren Vorgänge bei der Kerntheilung konnte ich bis jetzt noch nichts Genaueres feststellen, doch scheint dieser Haematococeus dafür ein günstiges Object zu sein, sowohl seiner Grösse wegen, als auch wegen der ausserordentlich zahlreichen Theilungs- stadien, die man zur geeigneten Zeit antrifft. Als Einleitung der nächsten Theilung macht sich eine Vermehrung der Pyrenoide auf vier bemerkbar, und gleich darauf erfolgt die Theilung der beiden Zellen zweiter Generation durch eine auf der ersten Theilebene senkrechte Ebene (Fig. 7). Da, wie bemerkt, die erste Theilebene ein wenig schief zur Längsaxe stand, so bildet auch diese zweite Ebene einen kleinen Winkel mit derselben. Daraus folgt, dass der vordere schnabelartige Fortsatz nur mit einem der Theilspröss- linge in Verbindung bleibt. Mit der Viertheilung schliesst diese Art der Vermehrung für gewöhnlich ab. In einigen wenigen Fällen fand ich, dass die vier Sprösslinge durch eine erneute Theilung in acht zerlegt wurden. Nach Vollendung der Theilung werden nun -zunächst die noch vorhandenen Pseudopodien eingezogen, die Theilsprösslinge runden sich ab und scheiden eine zarte Hülle aus (Fig. 8). Zu gleicher Zeit ent- stehen auch die Geisseln, und zwar beobachtete ich öfter, dass sich ursprünglich nur eine solche fand, wie es in der Figur dargestellt ist. Fig. 9 zeigt ein etwas weiter fortgeschrittenes Stadium, wo die Spröss- linge schon eine mehr birnförmige Gestalt angenommen haben. Die Hülle hat sich schon ziemlich weit von dem Protoplasmaleib abge- hoben, die Geisseln sind vollständig entwickelt und jeder Sprössling enthält bereits zwei Pyrenoide in der oben für die ausgebildete Form beschriebenen Stellung: Während dieser Theilungsvorgänge bleiben die Geisseln des Mutter- organismus fortwährend in Function, und während die jungen Indivi- duen sich bereits mehr oder weniger lebhaft in der Mutterhülle be- 448 Dr. F. Blochmann: wegen, schwimmt diese ununterbrochen umher. Die ursprünglichen Geisseln sind noch mit einem, dem vordersten der vier Theilspröss- linge, verbunden. Ausserdem hat derselbe aber bereits an seinem anderen Ende zwei neue Geisseln erzeugt (Fig. 9), so dass er also eine Zeit lang vier Geisseln, zwei am Vorderende und zwei am Hinter- ende, besitzt. Ferner ist das Stigma an der Stelle, wohin es sich gleich bei Beginn der Theilung begab, liegen geblieben, so dass es sich dann beim Freiwerden des jungen Individuums an dessen Hinter- ende findet (Fig. 11). Es lässt sich also hier mit aller wünschenswerthen Sicherheit feststellen, dass bei jeder Theilung wenigstens für den vorderen Spröss- ling eine vollständige Umkehrung der Körperpole und damit auch der Bewegungsrichtung stattfindet. Wie sich die übrigen Sprösslinge in dieser Beziehung verhalten, kann man nicht so ohne Weiteres eruiren. Möglicherweise wird sich auch hier, vielleicht durch genauere Beachtung der relativen Lage von Kern und Pyrenoid, heraus- bringen lassen, ob sich ähnliche Lageveränderungen finden. Das Ausschwärmen der so entstandenen Sprösslinge aus der Mutter- hülle erfolgt gewöhnlich gegen Morgen, bei manchen jedoch auch erst im Laufe des Vormittages. Es werden dann die Bewegungen derselben in der Hülle lebhafter, schliesslich reisst diese an irgend einer Stelle ein, und die jungen Individuen schwärmen aus. Meistens befreit sich der erste Sprössling am letzten. Die Geisseln des Mutterindi- viduums bleiben an der Hülle und fallen mit derselben dem Unter- gang anheim. Die jungen Individuen entbehren des Stigmas mit Aus- nahme des ersten, an dessen Hinterende das alte Stigma noch liegt. Bald jedoch entstehen die neuen Stigmata am Vorderende der Individuen; auch bei dem ersten Sprössling entsteht vorne ein neues, sodass man dann nicht selten auf Formen, wie die in Fig. 12 dargestellte, stösst, bei denen ein Stigma vorne in der normalen Lage vorhanden ist, während am Hinterende sich noch das alte findet, welches. dann allmählich verschwindet. Die jungen Individuen wachsen nun verhältnissmässig rasch zur normalen Grösse heran und entwickeln die für die ausgebildete Form + Ze Ueber eine neue Haematococcusart. 449 charakteristischen Protoplasmafortsätze. Schon oben wurde erwähnt, dass man nicht gerade selten Individuen trifft, bei denen das Hinterende der Hülle in einen kurzen kegelförmigen Fortsatz ausgezogen ist und dass dies vermuthlich immer die vorderen Theilsprösslinge sind. In Fig. 10 ist ein Theilungsstadium dargestellt, bei welchem die zweite Theilung nicht zur vollständigen Trennung der Sprösslinge geführt hat. Dieser Fall scheint ziemlich häufig vorzukommen; die Doppelindividuen befreien sich manchmal auch aus der Mutterhülle und werden dann freischwimmend angetroffen, wodurch sie leicht zu irrigen Vorstellungen Veranlassung geben können, indem man ent- weder glauben kann, dass man es mit einer Theilung zu thun habe, bei der sich die Hülle mit theilt, oder indem man das Doppelindividuum für ein Copulationsstadium hält. Als Theilungsstadien fasst Perty') solche Doppelindividuen von H. pluvialis auf, für Conjugationsstadien hielt sie Velten), ein Irrthum, der übrigens schon von Rostafinski?), berichtigt wurde. Ich selbst habe solche Doppelindividuen mehrmals längere Zeit beobachtet, ohne irgend eine wesentliche Veränderung derselben con- statiren zu können. Dieselben gingen zu Grunde, ohne dass die Theilung zur Vollendung geführt wurde, und ohne dass ein bemerkbares Wachsthum stattfand. Bei dem nahverwandten H. pluvialis wurde auch öfter der Fall beobachtet, dass die vier aus einer Schwärmzelle entstandenen Tochter- individuen im Zusammenhang blieben, z. B. Cohn?) Tf. 67. B. Fig. 76. Ebenso beobachtete Cohn Tf. 67. A. Fig. 43., dass ausser den vier regelmässig entstehenden Sprösslingen noch ein fünfter kleiner ohne Hülle sich findet, der gewissermassen als Rest bei der Theilung !) Perty, M., Zur Kenntniss kleinster Lebensformen p. 91 und 94. T£. XII. Fig. 2 F. 2) Velten, W., Beobachtungen über Paarung von Schwärmsporen. Bot. Zeit., Nr. 23. 1871. Tf.. V. Fig. 9. 3) Rostafinski, J. T., Beobachtungen über Paarung von Schwärmsporen. Dies. Zeit., Nr. 46. 1871. *) Cohn, F., Nachträge zur Naturgeschichte des Protococeus pluvialis Kütz, Nov. Acta Bd. XXII. 1857, p. 607. » 450 Dr. F. Blochmann; übrig blieb. Auch bei H. Bütschlii habe ich mehrmals bei vier normalen, noch in der Mutterhülle eingeschlossenen Sprösslingen ein oder zwei solcher kleiner grüner Kugeln ohne Hülle und Geisseln beobachtet, die beim Ausschwärmen der jungen Individuen liegen blieben und wahr- scheinlich zu Grunde gingen. Die bis jetzt geschilderte vegetative Vermehrung des H. Bütschlii schliesst sich enge an das an, was wir von demselben Vorgange bei den übrigen Chlamydomonadinen, speciell von H. pluvialis kennen. Ein nicht sehr wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Haematococeusarten besteht darin, dass bei H. pluvialis die Theilungen gewöhnlich in transitorisch ruhenden Zellen vor sich gehen, während bei der neuen Art der ganze Theilungsvorgang während der Bewegung abläuft und sich auch nach vollständiger Ausbildung der Theilspröss- linge die Mutterhülle oft noch lange Zeit mit Hülfe der ursprünglichen Geisseln als Ganzes weiterbewegt. Aber auch bei der ersteren Art treten nach den Beobachtungen von Perty und Cohn häufig schon während der Bewegung Theilungen auf, oder es geschieht sogar die Theilung in vier Tochterindividuen vollständig wie bei H. Bütschlii. Nach den Angaben von Cohn sollen ferner bei H. pluvialis die jungen Individuen beim Austritt aus der Mutterhülle gewöhnlich noch der Hülle entbehren, letztere soll erst später ausgeschieden werden. Stein‘) erhob dagegen schon Einsprache, und es ist ja leicht möglich, dass die zarte und Anfangs dicht aufliegende Hülle übersehen wurde. III. Die Entstehung der Mikrogonidien und die aus der Copulation derselben hervorgehenden Dauercysten. Zu der Zeit, in welcher ich den H. Bütschlii beobachtete, traf ich in den Gläsern, in welchen er eultivirt wurde, ebenso häufig in Mikro- gonidien -zerfallende Individuen als solche, welche in vegetativer Ver- mehrung begriffen waren. Die die Mikrogonidienbildung einleitenden Theilungen begannen gewöhnlich um die Mittagszeit und schritten rasch fort, so dass der ganze Vorgang bis ungefähr 11 Uhr des Nachts be- endet war, wo dann die Mikrogonidien auszuschwärmen und unter ein- !) Stein, F., Der Organismus der Infusionsthiere, Ill. 1. p. 55. Ueber eine neue Haematococeusart. 451 ander zu copuliren begannen. Nur ganz ausnahmsweise fanden sich noch am nächsten Morgen Individuen, deren Mikrogonidien noch nicht ausgeschwärmt waren. Soweit es sich im Nachfolgenden um die Be- obachtung des lebenden Materials handelte, wurde die Untersuchung durchweg im hängenden Tropfen vorgenommen. Auf diese Weise lassen sich nicht nur die gewöhnlichen Individuen Tage lang am Tieben erhalten, sondern die durch Copulation der Mikrogonidien entstehenden Cysten gedeihen ausgezeichnet und sind bei etwas vorsichtiger Behandlung wochenlang der Beobachtung zugänglich. Es hat dabei gar keine Schwierigkeiten, sogar mit starken Immersionssystemen zu beobachten, ‚weil die copulirten Mikrogonidien sich durchweg an den Rand des Tropfens begeben und hier liegen bleiben. Bei dieser Methode ge- lingt es auch leicht, sich von beliebigen Copulationsstadien Dauer- präparate zu verschaffen, wenn man nämlich das Ausschwärmen und Copuliren der Mikrogonidien unter dem Mikroskope beobachtet und im geeigneten Moment durch Hinzufügen einer Spur Osmiumsäure fixirt, worauf das Präparat durch Zusatz von ein wenig Glycerin zur Aufbewahrung geeignet gemacht wird. | Wie die vegetative Vermehrung wird auch der Zerfall in Mikro- gonidien dadurch eingeleitet, dass die Pseudopodien etwas spärlicher werden und sich das Vorderende dünn auszieht; letzteres geschieht hier in noch viel höherem Masse wie dort, so dass der etwas mehr kugel- förmig gewordene und mehr in die hintere Hälfte der Hülle verlagerte Zellleib mit den Geisseln nur noch durch einen dünnen, hyalinen Faden verbunden erscheint (Fig. 13 ft.). Die oben bei der vegetativen Vermehrung beschriebene Wanderung des Stigmas an das vordere Ennde des fadenartig ausgezogenen Theiles tritt nicht ein; dasselbe bleibt an seiner ursprünglichen Stelle liegen. Die erste und zweite Theilungs- . ebene verlaufen ganz analog wie dort (Fig. 13—15). Es tritt keine Vermehrung der Pyrenoide ein; die beiden ursprünglich vorhandenen lassen sich manchmal noch nachweisen, wenn der Zellkörper schon in 16 Theile zerfallen ist; später verschwinden sie. Ebenso bleibt das Stigma bei noch weiter fortgeschrittener Theilung erhalten, ohne seinen Platz zu ändern (Fig. 19). 452 Dr. F. Blochmann: Die Theilung des Protoplasmakörpers schreitet fort, es entstehen 32 und schliesslich wohl 64 Theilsprösslinge (Fig. 19 u. 20). Sehr bemerkenswerth ist dabei die Anordnung der entstandenen Mikro- gonidien. Schon ziemlich früh (Fig. 17) sind dieselben etwas ausein- andergewichen, so dass ein centraler Hohlraum entsteht, welcher durch eine Oeffnung mit der Aussenwelt communieirt. Dieser Vorgang führt dann schliesslich zur Bildung einer einschichtigen Blase, deren Hohl- raum durch eine ziemlich ansehnliche Oeffnung von aussen zugänglich ist (Fig. 18 u. 20). Wird ein solches Stadium abgetödtet und ge- färbt, so zeigt’ sich weiter, dass die Mikrogonidien alle ihre Vorder- enden dem Inneren der Blase zukehren. Dies lässt sich leicht durch die Lage des Kernes feststellen, welcher unmittelbar am Vorder- ende liegt (vergl. Fig. 23). Es sind also somit auch die Geisseln der Mikrogonidien in die Höhlung der Blase hineingerichtet. Bei diesen Vorgängen ist eine gewisse Aehnlichkeit mit der Neuentstehung der Volvocinencolonien nicht zu verkennen. Möglicherweise verlaufen näm- lich auch bei unserem Haematococcus die Theilebenen so, dass die Zellen eigentlich allein einer Ebene liegen würden, die Gestalt einer Hohl- kugel würde dann wie bei Volvox durch Verschiebung der einzelnen Zellen zu Stande kommen. Schliesslich haben wir da wie dort eine Hohlkugel aus gleichgerichteten Individuen, nur mit dem Unterschied, dass bei den Volvocinen die Geisselenden nach aussen, bei dem Haema- tococcus nach innen Sehen. In diesem Zustand sieht man nun die in Mikrogonidien zer- fallenen Individuen eine Zeit lang umherschwimmen. Allmählich werden dann die noch vorhandenen wenigen Pseudopodien eingezogen. Die Mikrogonidien gerathen in eine schwache Bewegung, die, allmählich an Stärke zunehmend, schliesslich zu einer Trennung derselben führt. Sobald diese eintritt, oder schon etwas früher, hört das Weiterschwimmen der Mutterhülle auf. Sie bleibt ruhig liegen, während ihre Geisseln noch schwache und unregelmässige Bewegungen zeigen, denn meistens bleibt 'das vorderste Mikrogonidium noch eine Zeit lang durch sein lang ausgezogenes Hinterende mit den Geisseln des Mutterindividiums verbunden und löst sich erst, nachdem die übrigen Mikrogonidien Ueber eine neue Haematococeusart. 453 chon ausgeschwärmt sind. Dann hört die Bewegung der alten Geisseln sofort auf, und sie gehen wie die Hülle zu Grunde. Die von einander getrennten Mikrogonidien fahren einige Augenblicke aufs Lebhafteste in der Mutterhülle durch einander, bis diese an irgend einer Stelle ein- reisst. Sofort schwärmen sie durch die enstandene Oeffnung aus und beginnen unter einander zu copuliren. Ehe wir nun den Copulationsvorgang weiter verfolgen, will ich hier noch einiges Wenige über die ausgebildeten Mikrogonidien selbst bemerken. Dieselben sind in Gestalt und Grösse etwas verschieden, ohne dass sich jedoch constante Unterschiede auffinden liessen; ihre durchschnittliche Länge beträgt 6—8 mm; ebensowerig konnte ich ein verschiedenes Verhalten derselben bei der Copulation constatiren. Sie sind entweder mehr birnförmig (Fig. 21 a), oder mehr spindelförmig, das Vorderende ist hyalin, der grösste Theil des Körpers blassgrün gefärbt. Nahe dem Vorderende findet sich ein Stigma, welches recht schwer wahrzunehmen ist; ich glaube mich jedoch in mehreren Fällen von seinem Vorhandensein sicher überzeugt zu haben. Die Geisseln entspringen an dem zugespitzten Vorderende und erscheinen im Ver- hältniss zum Körper des Mikrogonidiums ziemlich dick. Ob ceontractile Vacuolen vorhanden sind oder nicht, konnte ich bis jetzt noch nicht feststellen. Der Kern ist am lebenden Object nicht wahrnehmbar. Er liegt, wie gefärbte Exemplare zeigen (Fig. 23 a), ganz in der vorderen hyalinen Spitze, erscheint bläschenförmig und lässt im Inneren noch einige intensiv gefärbte Körnchen, also die Andeutung eines Chromatingerüstes erkennen. Von dem Vorhandensein eines Pyrenoids konnte ich mich nicht mit vollständiger Sicherheit überzeugen. In einer Anzahl von Präparaten ist nichts vorhanden, was sich auf ein solches beziehen liesse. Bei anderen dagegen sieht man im hinteren Theil des Mikrogonidiums ganz deutlich einen mattglänzenden, homogenen, runden Körper, von welchem sich das Plasma bei Rea- genzienbehandlung zurückzieht, so dass ein ringförmiger Hof um denselben entsteht. Auch in den durch Copulation schon theilweise verschmolzenen Mikrogonidien lassen sich diese Körper bisweilen noch nachweisen, ja manchmal glaubte ich sogar einen Verschmelzungsprocess 454 Dr. F. Blochmann: derselben zu sehen. Die Kürze der Zeit und die Beschränktheit des Materials liess mich hier zu keinem definitiven Resultat gelangen. Dagegen kann man sich leicht vergewissern, dass die Mikrogonidien einer Membram entbehren. Bei den copulirten Paaren, wo sehr bald eine Hülle ausgeschieden wird, hebt sich dieselbe durch Behandlung mit Alkohol weit von dem Plasmakörper ab (Fig. 23 ce, f), während bei einzelnen, eben erst verbundenen Mikrogonidien keine Spur einer solchen zu bemerken ist. In dem Augenblick also, in dem die Mikrogonidien aus der Mutterhülle ausschwärmen, beginnen sie auch unter einander zu copu- liren und zwar verbinden sie sich, wie es gewöhnlich der Fall ist, mit den hyalinen Vorderenden. Seltener fallen dabei ihre Längsaxen in dieselbe Linie (Fig. 21 c), gewöhnlich legen sie sich seitlich an- einander (Fig. 21 d). Allmählich schreitet die Verschmelzung fort (Fig. 21 e, f), wobei die Geisseln noch eine Zeit lang functioniren. Die Zygoten schwimmen noch lebhaft umher und begeben sich schliess- lich an den Rand des Wassertropfens, wo wohl gleichzeitig mit dem Auftreten der Hülle die Geisseln verloren gehen. Die zur Ruhe ge- kommene Zygote stellt dann einen kleinen, runden, grünen Körper dar, an welchem im lebenden Zustand nicht viel von Organisation zu bemerken ist (Fig. 22 a, b). An den mit Pikrinschwefelsäure fixirten und gefärbten Präparaten lässt sich leicht die im Verlauf der Conjugation stattfindende Kern- verschmelzung nachweisen (Fig. 23 b--f). Die Kerne legen sich zuerst aneinander, so dass ihre zugekehrten Seiten sich gegenseitig abplatten. An dieser Stelle tritt dann im weiteren Verlauf eine wirk- liche Verschmelzung ein, so dass wir in jungen Zygoten einen biscuit- förmigen Kern finden, der dann allmählich wieder die runde Gestalt annimmt. ‘Der Inhalt der verschmelzenden Kerne erschien schwach- körnig wie derjenige des einzelnen Kernes. Möglicherweise finden sich besondere Differenzirungen, die jedoch bei der Kleinheit des Objects vorderhand der Erkenntniss bedeutende Schwierigkeiten bereiten dürften. Obgleich sich schon aus der Analogie zwischen Copulation und Be- fruchtung bei den höheren Thieren die Verschmelzung der Kerne der Ueber eine neue Haematococeusart. 455 beiden copulirenden Individuen erwarten liess, so wurde dieselbe bisher doch erst in einem Falle nachgewiesen, nämlich bei Polytoma von Krassilstschik '). Gewöhnlich copuliren die aus demselben Individuum entstandenen Mikrogonidien. Natürlich kommen auch von verschiedenen Individuen abstammende zur Vereinigung, da bei der massenhaften Mikrogonidenentwickelung oft zwei oder drei nebeneinanderliegende Individuen gleichzeitig dieselben entleeren. Hat man in einen Wassertropfen eine grössere Zahl von in Mikro- gonidien zerfallenden Exemplaren gebracht, so bilden die Zygoten am Rand desselben einen dichten Kranz und platten sich gegenseitig ab, so dass sie oft mehr oder weniger unregelmässige Gestalten erhalten. Im Lauf des nächsten Tages erscheint dann gewöhnlich ein wohl als Pyrenoid zu deutendes Körperchen in demselben (Fig. 22 c). Sie nehmen lang- sam an Grösse zu und besonders ist nach einigen Tagen die Hülle sehr deutlich wahrzunehmen (Fig. 22 d, e), dieselbe besteht aus Cellulose; zugleich beginnt eine allmähliche Röthung des Inhalts sich bemerklich zu machen. Nach einigen Wochen haben die Cysten die in Fig. 22 f, h dargestellte Grösse erreicht und der Inhalt ist fast voll- ständig glänzend gelbroth geworden. ohne dass sich jedoch einzelne Haema- tochromtröpfehen nachweisen liessen. Die Färbung erscheint vollkommen gleichmässig durch den ganzen Inhalt verbreitet, ähnlich wie es Draun ?) für H. pluvialis angibt. Ferner enthalten die Cysten ziemlich viel Stärke. Nachdem ich zuerst durch Züchtung die Cysten des H. Bütschlii hatte kennen gelernt, gelang es mir auch, dieselben an dessen ursprüng- lichem Fundorte nachzuweisen. Sie finden sich in beiden oben er- wähnten Bassins zahlreich in dem die Wand bedeckenden, aus Schlamm, Algen u. s. w. bestehenden Ueberzuge, und zwar hauptsächlich in der Nähe des Randes des Wasserspiegels. In den vom Grunde der etwa 1 m tiefen Bassins heraufgeholten Schlammproben habe ich bis jetzt vergeblich nach denselben gesucht. !) Krassistschik, J., Zur Entwickelung und Systematik der Gattung Poly- toma. Zool. Anz. 1882. p. 426. ?) Braun, A., Betrachtungen über die Erscheinung der Verjüngung in der Natur. Leipzig 1851. p. 229. 456 Dr. F. Blochmann: Die Cysten haben sich nun von Juni bis jetzt (October) erhalten, ohne irgend eine wesentliche Veränderung zu zeigen. Ich habe wieder- holt, sowohl bei zu Hause gezüchteten als bei im Freien gesammelten Cysten versucht, dieselben durch Austrocknen und wieder unter Wasser setzen zur Weiterentwickelung zu bringen, jedoch ohne Erfolg. Wahr- scheinlich wird also eine Weiterentwickelung erst im nächsten Frühjahr eintreten, wie sich dies auch bei manchen Chlamydomonasarten (z. B. Chl. obtusa nach A. Braun 1. e. p. 230) und manchen Algen findet. Erwähnen möchte ich hier noch, dass sich vielleicht, ähnlich wie - bei H. pluvialis eine vegetative Vermehrung dieser Cysten und in Folge dessen protococcusähnliche Zustände auch bei H. Bütschlii finden. Ich bemerkte nämlich, dass in einem Glase, in dem Cysten von H. Bütschlii waren, und das eine Zeit lang unbeachtet stand, der ganze Boden von kleinen rothen Cysten bedeckt war, von denen viele in Zwei- und Viertheilung sich befanden, und die ebenfalls beim Austrocknen und Wiederbefeuchten keine weitere Veränderung zeigten. Ich habe keine Abbildungen der Theilungszustände dieser Cysten gegeben, weil ich über ihre Abstammung nicht ganz sicher bin. Es wird sich im nächsten Frühjahr ergeben, ob sich aus ihnen der Haematococcus wird züchten lassen oder nicht. Unter den im Freien gesammelten Cysten habe ich allerdings bis jetzt keine Theilungszustände auffinden können. Die Entstehung der Mikrogonidien und die Bildung der Zygoten bei H. Bütschlii stimmt im Allgemeinen vollständig mit dem überein, was wir über diese Vorgänge bei anderen Chlamydomonadinen wissen. Bei dem nächst verwandten H. pluvialis sind diese Verhältnisse aller- dings noch nicht völlig aufgeklärt. Doch lässt sich nach Allem, was wir bis jetzt kennen, vermuthen, dass sich keine wesentlichen Unter- schiede finden werden. Schon Flotow') hat die Mikrogonidien beob- achtet und als Varietät „Porphyrocephalus“ beschrieben. Draun und Cohn haben ihre Entwickelung verfolgt, und die diesbezüglichen ') Flotow J., v., Ueber Haematococeus pluvialis. Nov. Acta vol, XX. 1844. p. 413, af Se ee ee Ueber eine neue Haematococcusart. 457 Abbildungen Cohn’s zeigen grosse Uebereinstimmung mit den meinigen. Für gewöhnlich scheinen auch die Mikrogonidien in transitorisch ruhenden Zellen zu entstehen, doch sind auch Zellen beobachtet worden, die bei weit fortgeschrittenem Zerfall in Mikrogonidien noch beweglich waren. In den meisten Fällen scheinen bei H. pluvialis nur 32 ‘ Mikrogonidien in einer Zelle zu entstehen, doch haben Cohn sowohl als auch Perty gelegentlich 64 gefunden, was ja bei H. Bütschlii das Gewöhnliche ist. Nach den Beobachtungen von Cohn ') und Bütschli (Protozoen p. 763) sind auch bei H. pluvialis die Mikrogonidien nackt, was zu betonen ist, da sie bei der nahe verwandten Gattung Chlamy- domonas eine deutliche Hülle besitzen. Copulation der Mikrogonidien wurde bei H. pluvialis bis jetzt noch nicht beobachtet, doch darf man mit ziemlicher Sicherheit annehmen, dass sie sich findet, und man wird die von Cohn und Wichura (Ueber Stephanosphaera, Fig. 21) abge- bildeten viergeissligen Mikrogonidien sicher auf solche Copulations- stadien beziehen dürfen, mit Ausnahme derjenigen Formen, bei denen die Hinterenden vereinigt, die Vorderenden noch frei sind. Diese werden wohl als Zwillingsbildungen zu gelten haben. Weiter haben auch Braun und später Oienkowsky 1. c. beobachtet, dass aus den Mikrogonidien kleine langsam vegetirende Zellen entstehen, was eben wahrscheinlich die durch Copulation entstandenen Zygoten sind. Aehn- liche Stadien bildet auch Cohn ab und giebt ebenfalls an, dass die Mikrogonidien durch Ausscheidung einer Membran in die ruhende Form übergehen können (l. c. p. 712). Zum Theil soll dieser Uebergang in den Ruhezustand schon in der Mutterhülle eintreten, so dass viel- leicht ähnlich wie bei Stephanosphaera auch die Copulation theilweise schon in der Hülle stattfindet. Jedenfalls bedarf die Angabe Kosta- Jinskvs?), dass sich bei H. pluvialis nur ungeschlechtliche Vermehrung 1) Cohn, T., Ueber eine neue Gattung aus der Familie der Volvocinen. Zeit. f. wiss. Zool., Bd. I. 1853. p. 95. 2) Rostafinski, J., Quelques mots sur l’Haematococcus lacustris. Me&m. d. 1. soc. nation. des sciences nat. d. Cherbourg t. XIX. 1875. p. 137. Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. II. sı 458 Dr. F. Blochmann: fände, noch einer genauen Prüfung. Ebenso muss wohl die Angabe von Klebs '), dass die Mikrogonidien von Chlamydomonas parthenogene- tisch keimen, einstweilen mit Vorsicht aufgenommen werden. Vergleichen wir noch einmal im Allgemeinen die Entwickelung der beiden bis jetzt eingehender untersuchten Haematococcusarten, so ergeben sich neben der grossen Uebereinstimmung in allen wesent- lichen Vorgängen doch auch einige allerdings nicht bedeutende Ver- schiedenheiten. Zunächst fällt auf, dass die gewöhnlichen beweglichen Individuen des H. Bütschlii sich nicht encystiren, während denen von. H. pluvialis diese Fähigkeit in hohem Masse zukommt. Ich habe speciell darauf geachtet, konnte aber weder bei den Culturen im hängenden Tropfen, noch bei denen in Gläsern, noch im Freien irgend etwas beobachten, was auf diesen Vorgang hinwiese. Ferner scheint bei H. pluvialis im Allgemeinen eine viel grössere Variabilität in den einzelnen Fortpflanzungsarten zu herrschen, was vielleicht ebenso wie die Fähigkeit, rasch aus dem beweglichen Zustand in den encystirten überzugehen und umgekehrt, mit seiner Lebensweise in Regenlachen zusammenhängen mag, wo sich die äusseren Umstände in kurzen Zwischenräumen und oft in sehr unregelmässiger Weise verändern, während an dem Standorte des H. Bütschlii die Verhältnisse den ganzen Sommer über annähernd gleich bleiben. Es dürfte wohl angebracht sein, hier noch eine kurze Diagnose der neu beschriebenen Haematococcusart zu geben. Unter Zugrund- legung der Gattungsdiagnose, wie sie Dütschli (Protozoen p. 836) gefasst hat, wobei jedoch der Satz: „Augenfleck fehlt“ in: „Augen- fleck ist vorhanden oder fehlt“ verändert werden muss, würde dieselbe lauten: \ H. Bütschlii n. sp. Die Hülle der Schwärmzustände am Vorder- ende mit zwei aussen aufliegenden seitwärts gerichteten Röhrchen zum Durchtritt der Geisseln. Protoplasmakörper mit zahlreichen reich verästelten grün gefärbten Pseudopodien, Kern central, davor und da- hinter je ein ansehnliches Pyrenoid. In der Höhe des vorderen !) Klebs, @., Ueber die Organisation einiger Flegellatengruppen. Unters. a. d. bot. Institut zu Tübingen, Bd. !. 1883. p. 104. u A ee Ye Ueber eine neue Haematococcusart. 459 Pyrenoids ein etwa halbmondförmiges Stigma, vor demselben zwei bis drei contractile Vacuolen. Vorkommen: Stehende Gewässer im Frühjahr und Anfang des Sommers. (Bis jetzt nur in zwei Bassins des Schlossgartens zu Schwetzingen beobachtet.) Anhang. Ueber eine an Haematococcus Bütschlii schmarotzende Amöbe. In einem Glas, in welchem ich Wasser mit Haematococeusschwärmern hatte, fand sich in grosser Zahl eine kleine Amöbe, die durch ihre Unersättlichkeit in kurzer Zeit die ganze Cultur zu Grunde richtete. Dieselbe gleicht in ihrer Gestalt einigermassen der Amöba limax Duj. Sie erscheint für gewöhnlich ziemlich langgestreckt, rasch auf der Unter- lage dahingleitend (Fig. 24). Sie besitzt einen bläschenförmigen Kern mit ansehnlichem Nucleolus und eine in kurzen Intervallen pulsirende Vacuole. Bei nahrungsfreien Exemplaren finden sich im Entoplasma kleine Körnchen von unbekannter Natur. Gewöhnlich ist jedoch das ganze Entoplasma vollgepfropft von grünen Protoplasmatropfen, die von Haematococcusschwärmern stammen. Die Tropfen verfärben sich in dem Masse, wie sie verdaut werden, röthlichbraun, wie dies z. B. auch bei den Vampyrellen der Fall ist (Fig. 25). Wenn die Amöben sich in normalen Umständen befinden, so zeigen sie die in Fig. 24 und 25 dargestellte Gestalt; in Figur 26 ist ein Exemplar abgebildet, das, am Rande des (hängenden) Tropfens liegend, sich ganz flach ausgedehnt und spitze lappenartige Pseudopodien ent- wickelt hat. Trifft eine solche Amöbe nun mit einem Haematococcusschwärmer zusammen, so setzt sie sich an dessen Hülle fest. Nach kurzer Zeit sieht man, wie sie die Hülle durchbrochen hat und jetzt allmählich ins Innere hineinkriecht (Fig. 27). Sie legt sich fest an den Körper des Haematococcus an, wobei sie öfter fadenförmige, die ganze Hülle 31* 460 Dr. F. Blochmann: durchsetzende Pseudopodien entwickelt (Fig. 28). Sobald die Amöbe mit dem Haematococeus in Berührung gekommen ist, zieht dieser seine Pseudopodien ein und bald sieht man einen kleinen Tropfen seines Protoplasmas in den Körper der Amöbe hinüberfliessen (Fig. 29). Darauf lässt sie für einen Augenblick ihr Opfer los (Fig. 30), um sich jedoch bald wieder von neuem anzulegen. In dieser Weise frisst sie den Haematococcus Stück für Stück auf. Manchmal kommt ihr noch eine andere zu Hülfe. Schliesslich finden sich die Amöben allein in der leeren Hülle (Fig. 31), die sie dann bald wieder verlassen, um eine neue Beute aufzusuchen. Ich unterlasse es vorderhand, der Amöbe einen Namen zu geben, oder sie mit bekannten, in ähnlicher Weise lebenden Organismen zu vergleichen, da wahrscheinlich weiter ausgedehnte Beobachtungen bessere Anhaltspunkte liefern werden. Heidelberg, im October 1885. Figurenerklärung, Die Figuren sind bei ca. 600facher Vergrösserung gezeichnet, mit Ausnahme von Fig. 2—5 und 21—23, welche ungefähr 1200 mal vergrössert sind; für Fig. 21 f, g, h beträgt die Vergrösserung jedoch nur 800. Die Figuren sind theils nach lebenden, theils nach mit Osmium- säure getödteten Objecten entworfen. Fig. 23 a—f jedoch nach mit Pikrinschwefelsäure getödteten und mit Haematoxylin gefärbten Präpa- raten, Die contractilen Vacuolen sind nur in Fig. 1 eingezeichnet. n —= Nucleus, p = Pyrenoid, st = Stigma, ev — contractile Vacuale. Fig. 1. Ausgewachsener Schwärmer. „ 2. Vorderer Theil desselben mit dem Stigma. „» 3. Isolirtes Pyrenoid. str = Stärkestäbchen in dessen Umgebung. > A Ueber eine neue Haematococeusart. 461 Fig. 4. Kern, nach Behandlung mit Chromsäure. „ er 5. Vordertheil der Hülle mit den Röhren für den Durchtritt der Geisseln. 6—12. Ungeschlechtliche Fortpflanzung durch Bil- dungen von umhüllten Sprösslingen. 6. Zweitheilung. 7. Viertheilung. 8. Die einzelnen Theilsprösslinge haben sich abgerundet und von einander getrennt; bei zweien ist schon je eine Geissel bemerkbar. 9. Die Geisseln sind bei allen vier Sprösslingen entwickelt und die Gestalt derselben nähert sich der ausgebildeten Form; die Hülle hat sich bereits etwas abgehoben. 10. Ein abnormes Theilungsstadium, bei dem die zweite Theilung nicht zu Ende geführt wurde, und darum die vier Sprösslinge paarweise vereint blieben. 11. Ein freigewordener vorderer Theilsprössling, bei dem das ur- sprüngliche Stigma jetzt noch am Hinterende liegt. 12. Ein solcher etwas weiter fortgeschritten. Ausser dem alten noch am Hinterende liegenden Stigma. ist vorne das definitive neu entstanden. 13—20. Mikrogonidienbildung. 13. Zweitheilung. 14—15. Viertheilung von oben und von der Seite. 16—20. Weitere Theilungsstadien bis zur 64. Theilung. 31. a, b. Einzelne Mikrogonidien. c, d, e, f. Verschiedene Copulationsstadien derselben. 32. a, b. Die aus je zwei copulirten Mikrogonidien entstandenen Dauercysten (Zygosporen). 0. Die einen Tag alte Dauercyste. d, e. 12 Tage alte Dauercysten. f, g, h. Aeltere im Freien aufgefundene Dauercysten. 23. Mikrogonidien, Copulationsstadien und junge Dauercysten nach mit Haematoxylin gefärbten Präparaten, um die Verschmelzung der Kerne und die Ausscheidung der Cystenhülle zu zeigen. 462 >) Dr. F. Blochmann: Ueber eine neue Haematococcusart. . 24. Eine an Haematococcus Bütschlii schmarotzende Amöbe ohne aufgenommene Nahrung. 25—26. Zwei solche mit aufgenommener Nahrung. 27. Eine solche Amöbe im Begriff, in einen Haematococcus einzu- dringen. 28, 29, 30. Verschiedene Stadien der Nahrungsaufnahme dieser Amöbe. 31. Die leere Hülle eines Haematococeus mit zwei Amöben. Die Eintrittsöffnungen o derselben sind noch zu sehen. 32. Haematococcus pluvialis Flot. "u ur: ee N W. Kühne: Vereinfachte Darstellung des Trypsins. 463 Vereinfachte Darstellung des Trypsins. Von W. Kühne, Diese Mittheilung bezweckt hauptsächlich eine Vorschrift zur Herstellung eines für alle Verdauungsversuche ausreichenden Trypsins zu geben, das frei von den störenden Producten der Selbstverdauung der Bauchspeicheldrüse ist, welche Verwechselungen mit denen der zu verdauenden Albuminstoffe oder beachtenswerthe Verunreinigungen der letzteren veranlassen können. Das Trypsin kann sowohl aus mit Alkohol und Aether entfettetem trockenen Pankreas, wie aus der frischen Drüse dargestellt werden. Im ersteren Falle wird ein Infus nach der früheren Vorschrift ') be- reitet, indem man 1 Th. der trockenen Drüsensubstanz mit 5 Th. Salieylsäure von 0,1 p.Ct. wenigstens 4 Stunden bei 40° C. digerirt, durch Gaze abpresst, den elastischen Rückstand 12 Stunden mit 5 Th. kohlensaurem Natron von 0,25 p.Ot. weiter digerirt, wieder abpresst, die saure und die alkalische Flüssigkeit zusammengiesst und das ganze auf den Gehalt von 0,5 p.Ct. Thymol und von 0,25—0,5 p.Ct. Soda bringt. Hierauf ist das Digeriren noch etwa 6 Tage fortzusetzen, damit in der Lösung vorhandene Albumosen namentlich vollkommen in Peptone und weiter verwandelt werden. Zur Bereitung des Infuses aus frischem Pankreas stellt man eine Mischung her von 600 Cub. Gent. Wasser, 6 gr. Thymol, 2—3 gr. Salicylsäure, 20 Cub. Cent. Alkohol und 5 Cub. Cent. Aether und verwendet von dem bei 40°C. klar werdenden Gemenge so viele Cub. Cent. als Gramm zerriebenen Drüsenbreis in Arbeit genommen werden. Nach !) Unters. aus d. physiol. Inst. z, Heidelberg I, S. 222, 464 W. Kühne: 3—4 tägigem Digeriren wird abgepresst '), das Flüssige auf 0,5 p.Ct. Soda gebracht und 6 Tage weiter digerirt. Von hier an bleibt die Behandlung des auf die eine oder auf die andere Weise bereiteten Infuses dieselbe. Nach 24 stündigem Abkühlen wird von den hauptsächlich aus Tyrosin bestehenden Ausscheidungen durch Papier filtrirt, mit Essigsäure bis zur grade deutlichen sauren Reaction versetzt und mit neutralem schwefelsauren Ammoniak durch Schütteln oder Reiben gesättigt. Hierdurch entsteht eine feine schlammige, alles Trypsin enthaltende Trübung, die auf dem Filter unter Verhütung des Mit- fliessens von Salzkrystallen gesammelt und so lange mit gesättigtem schwefelsauren Ammoniak gewaschen wird, bis das Ablaufende mit viel Natronlauge und einer Spur Kupfervitriol versetzt rein blaue, nicht mehr röthliche Farbe annimmt. Sind auf diese Weise die Peptone beseitigt, so kann man die Substanz sofort benutzen, indem man das Filter mit einer thymolisirten 0,25 procentigen Sodalösung auslaugt und Verdauungen mit der so erhaltenen Lösung vornimmt. Die letztere ist allerdings noch nicht so rein, wie man sie er- halten kann, genügt aber den für Verdauungsversuche zu stellenden Anforderungen, da die dem Enzyme darin noch beigemengten Stoffe weder dessen erstaunliche Wirksamkeit beeinträchtigen, noch die spätere Untersuchung der Verdauungsproducte stören. Die Verunreinigung besteht nämlich nur aus schwefelsaurem Ammoniak, bezw. aus kohlen- saurem Ammoniak und Natriumsulfat und aus etwas organischer Substanz, die bei der ausserordentlichen Verdünnung, welche auch die wirksamsten Lösungen nur zu haben brauchen, unschädlich sind oder auch in anderer Beziehung nicht in Betracht kommen. Geht man z. B. von 10 gr. Trockenpankreas aus, so bildet die durch schwefel- saures Ammoniak zu erzeugende Fällung nicht mehr als einen gelblichen 1) Diese recht haltbare saure Lösung, obgleich nicht ganz so wirksam wie die aus Trockenpankreas erhaltene, kann namentlich zur Gewebsanalyse direkt verwendet und empfohlen werden, da sie einfacher und weniger kost- spielig als jene herzustellen ist und vor dem Gebrauche jedesmal passend alkalisirt den histologischen Zwecken vollkommen genügt. ne 5” Vereinfachte Darstellung des Trypsins. 465 Anflug auf dem Filter, der aber zur Gewinnung von mehr als 100 Oub. Cent. kräftig wirkender Verdauungsflüssigkeit ausreicht. Eine weitere Reinigung des Trypsins wird erzielt, indem man es vom Filter in Wasser löst, mit absolutem Alkohol versetzt, so lange derselbe noch etwas ausscheidet und die neue, verhältnissmässig viel schwefelsaures Ammoniak enthaltende Fällung mit Alkohol und Aether wäscht, wobei eine beachtenswerthe Menge organischer, aber unwirk- samer Stoffe in den Alkohol übergeht. Für practische Zwecke würde sich dieses leicht als trocknes weisses unveränderliches Pulver her- zustellende Präparat trotz seines Gehaltes an schwefelsaurem Ammoniak am meisten empfehlen, da die Befreiung des Trypsins von diesem Salze nicht ohne grossen Verlust möglich ist. Das Salz wird nämlich so hartnäckig von dem Enzym festge- halten, dass es daraus nur theilweise durch Dialyse zu entfernen ist. Um das Trypsin ganz davon zu befreien, muss die zunächst ausdialysirte Lösung mit kohlensaurem Barium, erst unter Einleiten von Kohlensäure, später zur Erleichterung der Einwirkung unter beständigem Aufrühren durch einen Luftstrom behandelt werden. Darauf kommt der Brei zur Beseitigung des kohlensauren Ammoniaks nochmals in den Dialysor, um schliesslich so lange oder so oft filtrirt zu werden, bis alles schwefel- saure und kohlensaure Barium zurückgehalten ist. Aus der endlich erhaltenen schwach alkalischen Lösung ist das Trypsin nach passender Concentration durch Alkohol als schneeweiss trocknende, amorphe Substanz zu fällen. Während des Reinigens wird immer ein Theil des Trypsins in Wasser unlöslich, der dann, z. B. aus den Bariumverbindungen, nur durch NaCl, besser durch sehr verdünnte Sodalösung zu extrahiren ist. Sowohl das lösliche, wie das in Wasser unlösliche Trypsin werden durch starken Ueberschuss 1 procentiger Essigsäure gefällt, wenn die Lösungen arm genug an Salzen und andern löslichen Stoffen sind; ersteres ist nach dem Auswaschen der Säure in Wasser wieder löslich. Da das Trypsin durch Säuren ausgefällt am reinsten erhalten wird, ist es zu bedauern, dass es dabei leicht in einen unwirksamen Zustand übergeht; niedere Temperatur und Abkürzung der Berührungs- 466 W, Kühne: Vereinfachte Darstellung des Trypsins. zeit mit der Säure verhüten aber diesen Uebelstand.. Auch das durch Essigsäure ausgeschiedene (nicht mit dem Pankreas-Leukoid !) zu ver- wechselnde) Trypsin bildet nach dem Abdampfen seiner wässrigen Lösung jene merkwürdig aufbröckelnde Wolle, wie das früher ?) von mir auf ganz anderem Wege dargestellte. Mit letzterem theilt es die Eigenschaft beim Sieden partiell zu coaguliren unter Entstehung eines andern uncoagulirbaren Albuminkörpers, der nach unsern jetzigen Er- fabrungen nicht den Peptonen sondern den Albumosen zuzurechnen ist. Auch das nach dem früheren Verfahren dargestellte Trypsin wird, wenn es arm genug an löslichen Salzen ist, durch überschüssige verdünnte Essigsäure gefällt. Heidelberg, 12. Januar 1886. !) Vergl.: Diese Verhandl. I. S. 195. 2) Ibid. S. 197. ’ a ET a N a D Dr. Adolf Schmidt: Geologie des Münsterthals im bad. Schwarzwald. 467 Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. Von Dr. Adolf Schmidt, a. 0. Professor an der Universität Heidelberg. Mit einer geognostischen Karte. Vorwort Nachdem ich im Jahre 1881 meine Arbeit über die Zinkerz-Lager- stätten von Wiesloch veröffentlicht hatte, gingen mir von mehreren Seiten Aufforderungen zu, die altbekannten Erzgänge des Münsterthals im badischen Schwarzwald einer ähnlichen Bearbeitung zu unterziehen. Es scheint, dass die Abhandlung des Berg-Inspektor Daub über diesen Gegenstand, welche im Jahrbuch für Mineralogie 1851 erschienen war, das Interesse in nachhaltiger Weise erregt hatte. Es wurde mir auch mitgetheilt, Daub habe eine geognostische Aufnahme der Gegend schon ausgeführt und nur die Karte nicht veröffentlicht. Dies hat sich aber nicht als richtig herausgestellt. Wenigstens ist es mir nicht gelungen, einer solchen oder irgend welcher andern geologischen Karte dieses Bezirkes habhaft zu werden. Eine solche herzustellen schien eine leichte Aufgabe, weil das Gebiet hauptsächlich nur Grundgebirge und Porphyre umschliesst, nebst einem schmalen Streifen von Sediment- gesteinen am Gebirgsrand, welche letztere für die Betrachtung der Erzgänge von keiner Bedeutung sind. Die Aufnahme der Porphyre erwies sich aber bald als eine sehr mühevolle und langwierige Arbeit wegen der grossen Zersplitterung und Zerstückelung der einzelnen Porphyr-Züge, wegen der Rauhigkeit und Zerrissenheit des zum grössern Theil mit Wald bedeckten Geländes, besonders im Hochgebirg, endlich 468 Dr. Adolf Schmidt: wegen der Mangelhaftigkeit der bis jetzt vorhandenen topographischen Karte. Die dieser Abhandlung beigelegte geologische Karte ist das Ergebniss dieser Aufnahme. Sie enthält zugleich die Erzgänge.. Um letztere möglichst vollzählig einzeichnen zu können, mussten die alten Bergwerks-Akten im Karlsruher General-Landes-Archiv durchforscht und mittelst der dort vorgefundenen Angaben die längst ausser Abbau gesetzten Gänge an Ort und Stelle aufgesucht werden. Die in den Sammlungen zu Basel, Freiburg i. Br., Donaueschingen, Karlsruhe und Heidelberg vorhandenen Münsterthäler Mineralien wurden genau durch- gegangen. Dem grösstentheils sehr einförmigen Grundgebirge schenkte ich anfangs wenig Beachtung. Als aber im Hochgebirg am Belchen-Stock eine gewisse Gesteinsfolge bemerklich wurde, wendete ich demselben grössere Aufmerksamkeit zu, und es hat in Folge dessen der dasselbe behandelnde „Erste Theil“ meiner Abhandlung einen so ansehnlichen Umfang angenommen, dass ich beschloss, denselben zunächst für sich zu veröffentlichen. Den zweiten Theil (Porphyre) gedenke ich gegen Ende dieses Jahres, den dritten (Erzgänge) im Laufe des nächsten Jahres folgen zu lassen. Den Herren Geheime Rath Bunsen Excellenz, Professor Rosen- busch und Dr. Pawel in Heidelberg, Geheime Hofrath Fischer in Freiburg, Professor Sandberger in Würzburg, Geheime Hofrath Knop und Professor Platz in Karlsruhe, Professor Alb. Müller in Basel, Hof- rath Tschermak in Wien, Oberbergrath Credner und Dr. J. Hazard in Leipzig, Bürgermeister Burstert und Oberförster Schütt in Staufen schulde ich besondern Dank für wesentliche’ und freundlichst gewährte Unterstützung. Heidelberg, März 1886. Adolf Schmidt. Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 469 Einleitung. 1. Geographie und Umfang des Gebiets. Das bearbeitete Gebiet liegt im südlichen Theile des badischen Schwarzwalds, etwa zwei geographische Meilen oder 15 Kilometer süd- lich von Freiburg im Breisgau. Es wird erreicht, wenn man die Eisen- bahn von Freiburg nach Basel bei der Station Krotzingen verlässt und von da eine halbe Meile ostwärts wandert nach der Stadt Staufen. Diese liegt am Ausgang des sogenannten Münsterthals. Der Name rührt von einem früheren Städtchen Münster her, welches (nach im Staufener Wochenblatt 1882 No. 13 und 1883 No. 112 veröffent- lichten Untersuchungen) vermuthlich 5—6 Kilometer oberhalb Staufen, im Thale selbst gelegen war und 1346 von Herzog Albrecht von Oesterreich zerstört wurde. Die Einwohner des Städtchens waren wahr- scheinlich grossentheils Bergleute. Heute besitzt das Münsterthal eine ansehnliche, meist Viehzucht treibende Bevölkerung, deren Häuser durch das ganze Thal vertheilt sind und eine Anzahl Gruppen, sogenannte „Rotten* bilden. Die ver- schiedenen Rotten sind in administrativer Beziehung vereinigt zu den zwei getrennten Gemeinden „Untermünsterthal“ und „Obermünsterthal“. Das Thal zieht sich von Staufen in südöstlicher Richtung über die zu Untermünsterthal gehörigen Häusergruppen Kropbach und Hof bis zur Rotte Wasen, wo es sich gabelt in einen nach Süden und einen nach Nordosten verlaufenden Arm. Ersterer enthält die ebenfalls der Gemeinde Untermünsterthal zugehörigen Rotten Ziegelplatz, Neuhäuser mit der Neumühl, Rothbuck und Münsterhalden; nebst Mulden, welches in dem bei der Neumühl von Osten her einmündenden Muldner Thal gelegen ist. Der andere Arm, in nordöstlicher Richtung, bildet das Ober- münsterthal mit der Rotte Münster, dem ehemaligen Kloster St. Trudpert, ferner Krummlinden, Lehner Rotte mit dem Spielweg, wo abermals eine Gabelung stattfindet, deren einer Arm nach Süden gegen das Hochgebirge aufsteigt durch die Elendgass 470 Dr. Adolf Schmidt: zur Rotte Neuhof, der andere nach Nordwesten zur Rotte Storen in der Richtung gegen den schon jenseits der Wasserscheide des Thales gelegenen Ort Hofsgrund, unweit des Erzkasten oder Schauinsland genannten Gipfels. Vom Storen herab fliesst in letzterem Thal-Arm der Storener Bach durch die Obergass; von Neuhof herab der Neuhofer Bach durch die Elendgass, am Fels Scharfenstein vorüber. Beide vereinigen sich beim Spielweg und bilden so den Hauptbach des Münsterthals, Neumagen genannt, welchen Namen derselbe beibehält. Bei der Rotte Wasen, wo das Obermünsterthal in das Unter- münsterthal einmündet, nimmt der Neumagen den Münsterhalder Bach auf, welcher durch den Rothbuck herabströmt und, nachdem er bei Neumühl die Mulde aufgenommen hat, sich bei Wasen mit dem Neumagen vereinigt. Die in westlicher Richtung fliessende Mulde einerseits und der. nördlich fliessende Münsterhalder Bach andrerseits umschliessen einen unter dem Namen Langeck bekannten nordwestlichen Ausläufer des Belchen, des zweithöchsten Berges des Schwarzwalds. Der Belchen, der Erzkasten und die Stadt Staufen bilden die äussersten Punkte des von mir untersuchten Gebietes und die Grenze des Gebietes folgt im Wesentlichen der Wasserscheide des gesammten Münsterthals. Diese Grenze läuft von dem Orte Grunern bei Staufen auf dem Kamm des als Riester bezeichneten Gebirgszugs hin, nach Süd-Osten, über die Gipfelpunkte: Katzenstuhl (592 m über dem Meere), Fischbuckkopf (700 m), Kohlplattenkopf (759 m), Dreieckiger Bannstein (821 m), zur Ramsbacher Eck (863 m) und Schlossberg (879 m) bei Münsterhalden; von da durch Münsterhalden (600 m) hindurch nach dem Sattel bei Hinter-Heubronn, der sogenannten Heubronner Eck (933 m), und dann wieder dem höchsten Gebirgskamm nach, in nordöstlicher Rich- tung, über den Stuhlskopf (1058 m), Dachseck-Bühl (1132 m), Hochkelch (1263 m), Belehen (1415 m), Rübgarten (1246 m); ferner über den Bergsattel Krinne (1119 m), den Gipfel Hohe Tanne (1248 m), den Sattel Wiedener Eck (845 m) bei Wieden, Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 471 welcher Ort selbst schon im Wassergebiet des Wiesenthals liegt; von da nordwärts über das Wiedener Hörnle (1190 m), durch den Glashofwald nach dem Halden-Wirthshaus (1147 m), Hofs- grund (1013 m) und dem Gipfel des Erzkasten (1286 m). Die ganze Linie von der Heubronner Eck bis zum Erzkasten bildet im Wesentlichen die Wasserscheide zwischen dem Münsterthal und dem Wiesenthal. Vom Erzkasten ab wendet sich die Grenze zurück nach Stüd- Westen auf der Scheide zwischen Münsterthal und dem sich unmittelbar in die Rheinebene hinabsenkenden Ehrenstetter Grund, über den Giesshübel (1055 m), den Grat der Sonnhaldeneck (im Mittel etwa 850 m), zu den Gipfeln Maistollen (835 m), Laitschen- bacher Kopf (766 m) und Rödelsburg oder Regelsburg (774 m). Von letzterem Höhenpunkt an wird die Wasserscheide des Münster- thales verlassen, und das untersuchte Gebiet dehnt sich hier über die- sclbe hinaus weiter nach Norden aus, entsprechend der Ausdehnung der aus dem Münsterthal herüberstreichenden Porpbyrzüge, für welche äch hier einen Abschluss suchte und fand. Die Grenze läuft dem- nach hier von der Rödelsburg zunächst auf dem nördlich gerichteten Grat nach dem Norsinger Grund hinab, sodann gegen Ehrenstetten hin in die Rheinebene und in dieser nach Staufen zurück. Sie umfasst also in dieser nordöstlich von Staufen gelegenen Gegend, ausserhalb des Münsterthales, die unmittelbar in die Rheinebene mündenden kleineren Wassergebiete: Ambringer Grund, Amselgrund und Bözen, mit den am Rand der Rheinebene gelegenen kleineren Gipfeln Staufener Hörnle (454 m) beim Rotlıhof, und Eichbuck am Bözen, während die Wasserscheide des Münsterthals von der Rödelsburg genau westlich zieht über die Diezelbacher Höhe (749 m), die etwas gestreckte Metzenbacher Höhe (712 und 714 m), den Alt-Schloss-Berg (679 m) und endlich die St. Johanneskapelle (415 m) bei Staufen. Das ganze so umschriebene Gebiet erstreckt sich von West nach Ost, von Staufen bis zum Wiedener Hörnle, etwa 12 Kilometer, von Nord nach Süd 7 bis 10 Kilometer, und nimmt eine Fläche ein von etwa 96 Quadratkilometer oder 1°/, Quadratmeilen. 479 Dr. Adolf Schmidt: 2. Topographie und Hydrographie. Der topographische Charakter dieses Gebiets ist im Allgemeinen der überaus rauhe des hohen Schwarzwalds. Es wechseln miteinander: tiefeingeschnittene, stellenweise schluchtartige Thäler; steile Hänge mit rölligem Gesteins-Schutt überdeckt, und durchfurcht von kleinen Seiten- thälern und Schluchten, welche als „Gründe“ und „Gründle“ bezeichnet werden; rasch fallende Wildbäche; schwer zugängliche Felsgruppen und Block-Meere. Das Ganze ist, wenn man von den die Hauptthäler berührenden Geländen absieht, von wenig unterbrochenen Waldungen bedeckt. Metzenbacher Höhenzug. Diesen Charakter zeigen schon die noch nicht hoch gelegenen Gebiets-Theile, welche unmittelbar ans Rhein-Thal stossen, Ambringer Grund, Amsel-Grund und, dicht bei Staufen, der hintere Theil des Bözen; ferner der Hellenberg, Alt- Schloss-Berg und die Metzenbacher Höhe. Der Hellenberg steigt schroff und unvermittelt aus dem dort sehr breiten Haupt-Thal empor. Die südlichen Hänge der Metzenbacher Höhe sind tief durchfurcht von engen und wilden „Gründen“, Wölfenthal, Metzenbach (Etzenbach), Diezelbach, und sind vom Prälatenwald über- deckt. Dann folgt der Riggenbach, welcher sich nach der steinigen Rödelsburg hinaufzieht. Dieser ganze Bezirk stellt einen im Norden vom Ambringer Grund, im Osten vom Riggenbach, im Süden vom Münsterthal und im Westen von der Rheinebene begrenzten Gebirgs- stock dar, dessen mittlerer und Haupttheil von der Metzenbacher Höhe mit dem Altschloss-Berg gebildet wird. Maistollen-Zug. Aehnliche Zustände zeigen sich im Ober- münsterthal, wo an dem nördlichen Gehänge der Laitschenbach, der Steinbrunnen und andere Seiten-Thäler ins Hauptthal ein- münden, alle von jenem langen Bergzug herabkommend, welcher die Metzenbacher Höhe mit dem Storener Hochland verbindet und dessen höchster Punkt der Maistollen ist. Storener Hochland. An den Erzkasten schliesst sich im Süden und Südwesten ein welliges Hochland an, auf welchem die zer- Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 473 streuten Häuser von Halden und der Storener Rotte liegen, und welches sich gegen Südwest hin, zuerst flach, dann steiler, nach dem Storener Bach hinabsenkt. Burgeck-Stock. Von Süden her münden ins Obermünsterthal der Gutenbach-Grund, Münster-Grund, die Pfaffenbach bei St. Trudpert und der Stollbach. Sie senken sich von einem mächtigen Gebirgs-Stock herab, welcher im Norden und Westen durch das Obermünsterthal, im Süden durch das Mulde- Thal mit seinem Oberlauf, dem Kaibengrund, im Osten durch den Neuhofer Bach, vom umgebenden Gebirge nahezu abgeschnitten ist, nur mittelst eines schmalen Sattels bei der Breitnau (995 m, westlich Neuhof) mit den südlichen Gebirgs- Theilen zusammenhängt, als Hauptgipfel den Streicherkopf (802 m), Brandenberg (986 m), Burgeck (1122 m), Schindlerkopf (859 m), Teufelsgrunderkopf (860 m) enthält, und in einiger Höhe fast ganz bewaldet ist. Dieser Gebirgs- Stock lässt sich nach seinem höchsten Punkt als „Burgeck-Stock“ bezeichnen. Hörnle-Bezirk. Tiefe und felsenreiche Thäler sind auch die des Storener und des Neuhofer Bachs. Die Hochlande aber, welchen sie entströmen, nämlich für ersteren die Hochflächen südwestlich vom Erzkasten, für letzteren die Umgegend von Neuhof und Breitnau, sind grossentheils weniger rauh und als Weidfeld und Matten benützt. Da- gegen liegt östlich vom Neuhofer Bach zwischen dem Scharfenstein (916 m), Brombühl (1058 m), Rothenberg (1225 m), Wiedener Hörnle (1190 m) und Laien (1085 m) ein rauhes, felsiges und grösstentheils bewaldetes Gelände, welches von dem aus dem Glashofwald herabströmenden Scharfensteiner Bach durchschnitten und in seinem Haupttheil von dem Wiedener Hörnle, einem auf die breite Wasserscheide aufgesetzten Kegel, beherrscht wird. Heidenstein. Mit dem Burgeck-Stock hängt nach Süden durch den Breitnau-Sattel und durch die sogenannte Breitnauer Ebene, einen von da sanft aufsteigenden breiten Berg-Grat, ein anderer gleichfalls ziemlich scharf umgrenzter Gebirgs-Stock zusammen, welcher Verhandl, d.. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. III. 32 474 Dr. Adolf Schmidt: im Heidenstein (1277 m) gipfelt und ausserdem hauptsächlich den Dietschel (1243 m), die Hohe Tanne (1249 m) und den Roll- spitz (12338 m) bei Wieden umfasst. Er stellt oben ein stark ge- welltes Hochland dar und senkt sich nach Süd-Osten, von zwei Zu- flüssen der Wiese eingefasst, allmählig und langgestreckt ins Wiesen- thal hinab. Sein westlicher Hang gehört zu den rauhesten Gegenden des Münsterthal - Gebietes. Die mächtigen Felspartien im Holz- schlag und besonders im oberen Herrenwald sind zum Theil fast unzugänglich. Im Nordwesten ist der Heidenstein durch den tief- einschneidenden Kaibengrund vom Burgeck-Stock, im Süd-Westen durch das schluchtähnliche Krinnerloch vom Belchen scharf geschieden. Verbunden ist er mit letzterem nur durch den als Krinne bezeich- neten Sattel (1119 m). Belchen-Stock. Der höchste und in seinen Umfassungs-Linien abgerundetste Gebirgsstock des Münsterthäler Gebiets ist derjenige des Belchen. Er besteht aus der grossentheils von schroffen Felsmassen und rölligen Steilhängen umgebenen Belchenkuppe (1415 m) und einer Anzahl von kürzeren und längeren Ausläufern, welche die Kuppe gleichsam umstrahlen. Diese sind im Nordosten in der Richtung der Krinne der Rübgarten-Berg (1246 m), nach Südosten der Klein- Belchen (1299 m), nach Südwesten der felsreiche und abschüssige Hochkelch (1263 m), an welchen sich Dachseckbühl (1132 m) und Stuhlskopf (1117 m) anschliessen, und endlich nach Nordwesten der langgestreckte Grat des Langeck, dessen steilgesenktes Ende die Einmündung des Mulde-Thals in das Untermünsterthal bei der Neumühl (412 m) berührt. Da die horizontale Entfernung des Belchen- gipfels von der Neumühl 3750 m beträgt und der Höhenunterschied 1000 m, so ergibt sich für die Langeck ein durchschnittliches Fallen von 1:3.75 oder 15°. An einzelnen Stellen mag dasselbe 20—25° betragen. Zahlreiche Gewässer entspringen dem Belchen-Stock. Während diejenigen der östlichen und südlichen Gehänge dem Wiesenthal zu- fliessen, gehören die der Nord- und der West-Seite in das hydro- graphische Gebiet des Münsterthals. Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 475 Die Wasser des sehr abschüssigen Nordhangs werden sämmtlich von dem Bach im Krinnerloch aufgenommen, weicher sie zunächst der Mulde zuführt. Das Krinnerloch hat einen Fall von etwa 1:4",. Die bedeutendsten der in dasselbe sich ergiessenden Wildbäche sind, von Ost nach West aufgezählt: das im Sattel zwischen Belchenkuppe und Rübgarten entspringende Rosenbächle, ferner die Wasser des Langengrunds, des Knappengrunds und des Kaltwasser- grunds. Alle diese Gründe haben sehr steilen Fall. Beispielsweise beträgt der Höhenunterschied zwischen dem Hochbelchen und der Mitte des Knappengrunds 560 m auf eine horizontale Entfernung von 900 m, also der Abfall 1:1.6 oder 32°. ® An der Westseite des Belchen entspringt zunächst zwischen Belchen- kuppe und Hochkelch der Sturzbach des Tiefen Graben. Der Höhenunterschied zwischen Hochbelchen und etwa Mitte des Tiefen Graben beträgt 620 m auf eine horizontale Entfernung von 1500 m, d. i. 1:2.4. Der Tiefe-Graben mündet bald in den, einer Schlucht am Hochkelch entspringenden Starkenbronn, welcher seinerseits in einem sich rasch senkenden felsigen Grund dem Rothbuck zufliesst. Der Fuss des Hochkelch am oberen Starkenbronn liegt in einer Meeres- höhe von etwa 874 m, folglich tiefer als der Hochkelch-Gipfel um 382 m, bei einer horizontalen Entfernung beider Punkte von 600 m. Hieraus ergiebt sich der durchschnittliche Abfall des südwestlichen Hanges des Hochkelchs zu 1:1.6 oder 32°, also dem des nördlichen Belchen - Abfalls im Knappengrund gleichkommend. Diese ganze Gegend ist reich an mächtigen Felsen mit zum Theil senkrecht ab- Stürzenden Wänden. Der noch zum Belchen-Stock zu rechnende Stuhlskopf mit seinen beiden nordwestlichen Ausläufern, dem Wölfleskopf und der Langenbacher Eck, entsendet den Bach des Wölfle-Grunds und den Langenbach unweit Münsterhalden in den Münster- halder Bach. Sämmtliche Nord- und West-Gehänge des Belchenstocks sind bis weit herab dicht bewaldet. 32 * 476 Dr. Adolf Schmidt: Riester-Zug. Kaum weniger zerrissen und wasserreich als die bisher beschriebenen Gebietstheile - sind die gleichfalls mit un- unterbrochenen Waldungen bedeckten nördlichen Abfälle desjenigen Ge- birgszugs, welcher sich vom Schlossberg bei Münsterhalden . bis zur Rheinebene bei Staufen hinzieht, das Untermünsterthal vom Sulzburger Thal scheidet und dessen mittlerer Theil als Riester bezeichnet wird. Auch hier finden sich fast überall steile, nicht selten felsige Hänge, entlang den tief ins Gebirge einschneidenden meist wasserreichen Gründen, wie die Gabel beim Rothbuck, der Sussenbrunnen beim Ziegelplatz, Wogenbach und Wildsbach bei Hof, die Krop- bach (fälschlieh auch Krottenbach genannt) mit ihren zahlreichen wilden Seitengründen, die Salenbach und das Tiefenthal un- weit Staufen. Zwischen diesen Wasserläufen streckt der Gebirgskamm langgezogene mächtige und grossentheils schroff abfallende Ausläufer in nördlicher Richtung gegen das Hauptthal vor, stets von Gipfelpunkten des Hauptzuges ausgehend. So geht vom Münsterhalder Schlossberg der Glasergrund (656 m) aus. Vom Dreieckigen Bannstein (821 m) zieht sich ebenso, über Hoh- rittieck (778 m) und Wildsbacherkopf (744 m) nach der Galgen- halde (542m) beiKropbach, ein sich nach Westen krümmender Seiten-Zug, welcher seinerseits wieder lange und hohe Ausläufer nach Nordosten sendet, und zwar vom Hohrittieck aus den Sägenbühl (649 m), vom Wildsbacherkopf aus den Läger (604 m). Diese letzteren Höhezahlen beziehen sich jeweils auf die vordersten Eckpunkte der einzelnen Kämme. Diese Kämme senken sich nur ganz allmählich bis in die Nähe des Haupt- thals, wo sie dann plötzlich jäh abfallen, wie auch die Seitenhänge dieser Ausläufer meist sehr steil sind. Der vom Dreieckigen Bannstein ausgehende Berggrat zum Beispiel wird von diesem Punkt bis zur vorderen Ecke der Galgenhalde, d. i. auf eine Entfernung von '3000 m nur um 280 m niedriger oder im Verhältniss 1 : 11, fällt aber dann von der Ecke (542 m) rasch ins Thal (340 m) ab, um 200 m auf eine Entfernung von 250 m, also im Verhältniss 1: 1Y,, oder mit einem Fallwinkel von 38°. Etwas weniger steil sind die Abfälle westlich vom Kropbach, bei ee sen Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 477 der Josefshalde und bei dem Katzenstuhl-Grat gegenüber Staufen. Der Boden des Hauptthals hebt sich in dessen unterem Theil fast unmerklich von einer Meereshöhe von 300 m bei Staufen auf 385 m bei Wasen, 412 m bei der Neumühl und 422 m bei St. Trudpert, und gewinnt erst von letzteren Punkten ab ein nach und nach stärkeres Ansteigen auf 560 m bei Münsterhalden und auf 550 m beim Spiel- weg, an welchen Orten dann die eigentlichen Hochgebirgsthäler beginnen. Aus obiger Darstellung geht hervor, dass sich das gesammte Münster- thal-Gebiet in topographischer Hinsicht in folgende Bezirke natur- gemäss eintheilt: 1. Der Gebirgs-Zug der Metzenbacher Höhe, mit dem Alt- schloss-Berg. 2. Der Maistollen-Zug vonder Rödelsburg bis zur Sonnhalde. 3. Das Storener Hochland mit Halden und Erzkasten. 4. Der Bezirk des Wiedener Hörnle und des Scharfenstein. 5. Der Heidenstein mit Dietschel und Hoher Tanne. 6. Der Belchen-Stock mit Stuhlskopf. 7. Der Riesterzug vom Münsterhalder Schlossberg bis Grunern bei Staufen, mit seinen zahlreichen nördlichen Ausläufern. Endlich 8. der im Zentrum des ganzen Gebiets gelegene Burgeck-Stock mit dem Brandenberg. Die im Obigen benützten Bezeichnungen und Höhenangaben sind fast alle der Section „Todtnau‘‘ der älteren topographischen Karte des Grossherzogthums, Massstab 1:50000, entnommen. In der neueren Ausgabe dieser Karte, Massstab 1:25 000, ist das Münsterthal-Gebiet noch nicht erschienen. Einige ergänzende Bezeichnungen wurden den Waldkarten der Gr. Bezirksforstei Staufen entlehnt, obgleich die forst- lichen Benennungen sich nur auf die Wald-Distriete beziehen ohne Rücksicht auf topographische Verhältnisse und desshalb bei der Be- schreibung der letzteren nur schwierig zu verwenden sind. 478 Dr. Adolf Schmidt: 3. Geognostische Uebersicht. Die geognostischen Verhältnisse des Münsterthals sind, dem Material nach, im Allgemeinen sehr einfache. Wir finden fast nur Gneis, Porphyre und Erzgänge. Das Münsterthal liegt in der südwestlichen Ecke des Haupt-Gneis-Gebiets des Schwarzwalds, welches hier im Westen nahezu die Rheinebene berührt, im Süden von Granit be- grenzt ist. Die Granitgrenze ist verschwommen und liegt nach meinen Beobachtungen schon in unserm Gebiet, bei Münsterhalden. Erst etwas weiter südlich, oberhalb Münsterhalden trifft man auf den quer durch den Schwarzwald liegenden, westöstlich gestreckten Streifen von Kulm- Schichten. Wenn daher gewöhnlich angegeben wird, dass dieser Streifen die Grenze zwischen Granit und Gmneis bilde, so ist dies, für unser Gebiet wenigstens, nicht genau. Vielmehr ist der Kulm nicht nur süd- lich, sondern zunächst auch nördlich von Granit begrenzt. Mitten im Gneis-Gebiet finden sich stellenweise ansehnliche Partien von Granit, sowie geringere von Amphibol-Gesteinen. Von nachcarbonischen Sedimenten ist nur ein ganz schwacher Streifen am westlichen Gebirgsrand vorhanden, bestehend aus Bunt- sandstein, Muschelkalk, Keuper, Lias, Dogger und tertiären Kalk- Sandsteinen, alle in schwacher Entwicklung und gestörter Lagerung. In einigen Thälern, sowie an dem Ausgang mancher in der Rheinebene, liegen diluviale Gerölle, Geschiebe und Schutt; in der Ebene selbst auch Löss in bedeutender Ausdehnung. Die Erzgänge sind auf die Gneis-Gebiete beschränkt. Die beigegebene Geognostische Karte hat zur geographischen Grundlage eine Kopie eines Theils der oben erwähnten „Sektion Todtnau‘ der topographischen Karte des Grossherzogthums Baden im Massstab 1:50000. Sie bringt in geognostischer Beziehung hauptsäch- lich die den Gneis durchziehenden Porphyre und Erzgänge zur Dar- stellung. Einige grössere Granit-Partieen, sowie auch das einzige ansehn- lichere Vorkommniss von Hornblende-Gestein, auf dem Belchen-Grat, sind angegeben. Ebenso die Ausdehnung der Krystall-Gneise. Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 479 Die Süd-Grenze der letzteren kann auch als Grenze des Granits gelten, von welcher im folgenden Text näher die Rede sein wird. Endgiltig wird aber diese Grenze erst dann kartirt werden können, nachdem eine genaue Aufnahme des südlich daran stossenden Gebirges erfolgt sein wird. In Betreff der West-Grenze des Grundgebirges, entlang der Rhein- ebene, ist zu bemerken, dass südlich vom Ausgang des Münsterthals die Petrefakten führenden Schichtgesteine sich unmittelbar an den Gneis anlegen. Dies gibt auch die Sandberger’sche Karte der Sektion Müllheim-Badenweiler im 7. Heft der Beiträge zur Statistik der inneren Verwaltung des Grossherzogthums Baden an. Jedoch findet sich auf dieser Karte gerade hier ein Irrthum, indem die vom Katzenstuhl nördlich und westlich auslaufenden Berggrate als Buntsandstein ver- zeichnet sind, während sie in Wirklichkeit aus Gneis mit nicht unbe- deutenden später zu besprecbenden Erzgängen bestehen, und nur ein ganz schmaler Streifen an ihrem äussersten Fuss aus Buntsandstein. Nördlich vom Ausgang des Münsterthals dagegen lehnen sich die Schichtgesteine an den, wie meine Karte zeigt, daselbst bis zur Rhein- ebene reichenden Porphyr an, so dass hier die angegebene westliche Porphyrgrenze auch die östliche Grenze der Schichtgesteine darstellt. Die Verbreitung der letzteren selbst wurde auf der Karte nur durch die Worte «Trias>, «Jura», «Löss», angedeutet. Im Uebrigen muss in dieser Beziehung auf den Text verwiesen werden. Für die genaue Kartirung dieser Bildungen ist der vorliegende Karten-Massstab zu klein. 4. Literatur. An Veröffentlichungen, welche Aufschlüsse enthalten über Minera- logie, Geologie, Bergbau oder Bergbau-Geschichte des Münsterthal-Ge- biets, sind bekannt: Gmelin. Beiträge zur Geschichte des deutschen Bergbaus. 1783. — Enthält eine kurze Erwähnung des Bergbaus im «Hofergrund» (Hofsgrund). Beyer. Beiträge zur Bergbaukunde. Dresden. 1794. — Enthält unter I «Geognostische und bergmännische Bemerkungen 480 Dr. Adolf Schmidt: auf einer im Jahre 1788 gemachten Reise in die hochfürstlich badenschen Lande». Darin ist der Bergbau bei Sulzburg und bei’ Grunern behandelt, derjenige im eigentlichen Münsterthal kurz erwähnt. Kolb. Historisch-statistisch-topographisches Lexikon des Grossher- zogthums Baden. 1813. — Die Artikel: «Schwarzwald», «Münsterthal>, «St. Trudpert» und «Staufen» geben gute und besonders historisch wichtige Mit- theilungen. P. Merian. Beiträge zur Geognosie. Enthalten eine «Geognostische Uebersicht des südlichen Schwarz- walds. Basel. 1831.» — Ziemlich ausführliche Darstellung mit geologischer Karte und unter Berücksichtigung des Bergbaus. Münsterthal-Porphyre p. 86—90. Erzgänge p. 96. Fromherz. Geognostische Skizze der Umgegend von Freiburg. Enthalten in Schreiber’s «Freiburg und seine Umgebungen». — Von diesem Buch bestehen mehrere Ausgaben. Diejenige von 1833 behandelt die Geognosie und den Bergbau am ausführ- lichsten und erwähnt auf Seite 83 den Bergbau im Hofsgrund und im Münsterthal. Daub. Der Bergbau des Münsterthals. Finthalten in Karsten und v. Dechen’s Archiv. 1846. Band 20. p- 501 fl. — Enthält Ausführliches über: «]. Gangverhältnisse» im Teufelsgrund und Schindler, nebst Be- merkungen über Gneis und Porphyr. «II. Grubenbetrieb» im Allgemeinen und im Teufelsgrund ins- besondere. | Fromherz. Brief über die Gesammtergebnisse seiner geologischen Untersuchungen im Schwarzwald. Jahrbuch für Mineralogie. 1847. p. 813. — Handelt vorzugsweise von der «Uebergangsföormations. Bemer- kungen über das Alter der Granite und das der Porphyre, welches zwischen Uebergangsformation und: Rothliegendes gelegt wird. in ie lad ee Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 481 Daub. Die Feldsteinporphyre und die Erzgänge des Münsterthals. Jahrbuch für Mineralogie. 1851. p. 1 ft. (Gekürzter Abdruck hiervon in G. Leonhard’s «Beiträge zur mineralogischen und geognostischen Kenntniss des Grossherzog- thums Baden» 1853. Heft I. p. 111 und Heft I. p. 107.) — Kurze Beschreibung der Porphyr-Züge im Münsterthal. Allge- meines über die Erzgänge des Schwarzwalds und ihre Beziehungen zu den Porphyren. Daub. Der bunte Sandstein bei Staufen. N. Jahrbuch f. Min. 1852. p. 536. D. Fournet. Ueber gewisse Krystalle in Drusenräumen des Teufels- grunder Ganges. G. Leonhard, Beiträge 1853. II. p. 94. — Enthält paragenetische Beobachtungen. G. Leonhard. Geschichte des Bergbaus in Baden. G. Leonhard, Beiträge 1854. Heft III. p. 97 fi. — Münsterthal und Hofsgrund. p. 110—112. H. Fischer. Ueber Eusynchit vom Hofsgrund. Berichte über die Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. B. 1854. Bd. I. Heft 1. Nr. 3. A. Müller. Pseudomorphosen vom Teufelsgrund. Jahrbuch für Mineralogie 1855. p. 411. H. Fischer. Ueber die Verbreitung der triklinoödrischen Feldspathe in Schwarzwald-Gesteinen. Bericht der Verhandlungen der Natur- forschenden Gesellschaft zu Freiburg i. B. Band I und II. 1857 bis 1860. — Von den Porphyren handelt Bd. II. p. 209— 256. F.Sandberger. Geologische Beschreibung der Umgebung von Baden- weiler. Beiträge zur Statistik der innern Verwaltung des Gross- herzogthums Baden. Heft 7. 1858. — ’ Mit geologischer Karte, welche den Ausgang des Münsterthals um- fasst. G. Leonhard. Geognostische Skizze des Grossherzogthums Baden. Zweite, verbesserte Auflage. 1861. — Gneis und Erzgänge: p. 12--18. Porphyre. p. 48—50. 482 Dr. Adolf Schmidt: J. B. Trenkle. Geschichte der Schwarzwälder Industrie. Braun. Karlsruhe. 1874. — Auf die Münsterthal-Gegend beziehen sich: $ 6. St. Trudpert. $ 17. Münsterthal. $ 18. Hofsgrund. Bei- lage A. 1. d. Römischer Bergbau im Münsterthal. Die Akten im Karlsruher General-Landes-Archiv, sowie andere alte Quellen, welche in der Vorrede aufgeführt sind, wurden benützt. F. Sandberger. Zur Urgeschichte des Schwarzwalds. Ausland. 1876. p. 925 fi. — — Enthält Bemerkungen über die Gliederung der Gneis-Formation und über die Erzgänge. G. Leonhard. Die Mineralien Badens. Dritte Auflage. 1876. Fr. Klocke. Krystallographische Mittheilungen. Berichte über die Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg. Bd, VI. 1876. — Fluss-Spathe aus dem Münsterthal. Ph. Platz. Geologische Skizze des Grossherzogthums Baden mit Karte 1:400000; in: «Das Grossherzogthum Baden. Karlsruhe. J. Biele- feld, 1885.» — Enthält Bemerkungen über das Alter der Porphyre. p. 13. E. Weber. Studien über Schwarzwälder Gneise. Tschermak’s Min. und petr. Mittheilungen. Bd. VI. 1884. — Enthält nichts Specielles über den westlichen Theil des hohen Sehwarzwalds. R. Lepsius. Die oberrheinische Tiefebene und ihre Randgebirge. Erschienen als Heft 2 des I. Bandes von Dr. R. Lehmann’s Forschungen zur Deutschen Landes- und Völkerkunde. Engelhorn, Stuttgart. 1885. Lagerungsverhältnisse des Grundgebirgs im Schwarzwald. p. 22. Aus vorstehender Uebersicht der Literatur ist zu erkennen, dass, abgesehen von einigen wenigen mineralogischen Mittheilungen, sich nur die beiden Arbeiten des früheren Berg-Inspectors Daub speciell mit dem Münsterthal befassen. Von diesen ist die eine vom Jahr 1846 nur dem Bergbau im Teufelsgrund gewidmet, die andere vom Jahr es Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 483 1851 bietet eine zwar sehr anziehende, aber nur allgemeine und nicht durchweg richtige Darstellung der geologischen Verhältnisse. Eine genaue kartographische Aufnahme und Beschreibung der Porphyre und Erzgänge des Münsterthals scheint niemals durchgeführt worden zu sein, ebensowenig als eine petrographische und geognostische Darstellung des Grundgebirges. Dies versucht nun die vorliegende Arbeit, welche folgende Theile umfassen wird: Erster Theil: Das Grundgebirge. Zweiter Theil: Die Porphyre. Dritter Theil: Erzgänge und Bergbau. Erster Theil. Das Grundgebirge. A D-S20-H. 1 Lot A, Petrographie. Das Hauptgestein des Münsterthäler Grundgebirges ist Biotit-Gneis, welcher theils als gewöhnlicher grauer Normal-Gneis, theils als Krystall-Gneis entwickelt ist. Weniger verbreitet sind Leptinit und rother Muskovit-Gneis. Ferner kommen vor Granite und Amphibolite, chloritische und Pyroxen-Gesteine, Felsitfels und Quarzfels. Bei den folgenden petrographischen Beschreibungen beziehen sich die Ausdrücke: grosskörnig (Korn über 5 mm), grobkörnig (Korn 3—5 mm), mittelkörnig (Korn 1-3 mm), feinkörnig (Korn unter 1 mm) und aphanitisch (Korn unerkennbar), sowie auch die entsprechenden Ausdrücke: grosskrystallin, grob- krystallin, feinkrystallin, stets nur auf makroskopische Ver- hältnisse. Das Wort makrokrystallin bedeutet: makroskopisch als krystallin erkennbar. Mikrokrystallin bedeutet: aphanitisch, jedoch mikro- 484 Dr. Adolf Schmidt: skopisch als krystallin erkennbar. Das Wort dicht verwende ich nicht als Synonym von „aphanitisch“, sondern nur als Gegensatz zu „undicht* oder „porös“. Manche der zu beschreibenden mikroskopischen Beobachtungen lassen sich nur unter solchen Umständen machen, welche einen Ueber- blick über grössere Schliff-Flächen gestatten, also im Allgemeinen bei schwachen, etwa 20 bis 60fachen Vergrösserungen, welche daher immer zur ersten Orientirung anzuwenden sind. Dieser Abschnitt A. wird folgende Kapitel enthalten: . Petrographische Beschreibung des Normal-Gneises. . Abarten des Normal-Gneises. . Struktur-Erscheinungen im Normal-Gneis. . Krystall-Gneis. . Leptinit. . Rother Gneis. . Granite. . Amphipbolite. . Chlorit- und Pyroxen-Gesteine. k. Felsitfels. . Quarzfels. m. Gesammt-Paragenesis der Hauptgesteine des Grundgebirges. En» mn.o co» 7 Den a. Petrographische Beschreibung des Normal-Gneises. Der gewöhnliche oder Normal-Gneis des Schwarzwalds ist im All- gemeinen ein grauer Biotit-Gneis von sehr wechselndem Plagioklas- Gehalt. Der Plagioklas der Schwarzwald-Gneise hat sich durch mehr- fache Untersuchungen fast ausschliesslich als Oligoklas ergeben. Schwarzwälder Gneise sind theils im Ganzen, theils im Einzelnen beschrieben worden von Merian, Fromherz, Daub, F. Sandberger, @G. Leonhard, E. Weber, in den im vorstehenden Literatur-Verzeich- niss angegebenen Schriften, ferner von Schill, Sandberger, Platz, Vogelgesang, in verschiedenen Heften der „Beiträge zur Statistik des Grossherzogthums Baden“, endlich noch von Arlliny (Gneis des nord- östlichen Schwarzwalds, Inaug.-Diss. Würzburg 1876), Hebenstreit te Fe Sn nn nam an A E Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 485 (Urgesteine des nordwestlichen Schwarzwalds, Inaug.-Diss. Würzburg 1877), F. Sandberger (Untersuchungen über Erzgänge. 1882 und 1885), 7. Eck (Geognostische Karte der Umgegend yon Lahr. 1884. Mit Text). Makroskopische Beschreibung. Der Münsterthal-Gneis ist in seiner gewöhnlichsten Erscheinungsform ein graues, mittelkörniges, parallelstruirtes Gemenge von Feldspath, Quarz und Biotit, welches je nach der geringeren oder grösseren Kontinuität der parallelgelagerten Glimmer-Partien in eine schuppige, eine flasrige und eine schiefrige Unterart zerfällt, also als Schuppengneiss, Flasergneis oder Schiefer- gneis entwickelt sein kann. Der Flasergneis ist der verbreitetste und geht nur örtlich in die schiefrige Unterart über. Schuppengneis ist selten. Dagegen sind granitische Theile, d. h. solehe ohne Parallel- Struktur, häufig in längeren oder kürzeren Streifen eingeschaltet. Der Feldspath ist in völlig frischen Stücken farblos bis grau, durchsichtig bis durchscheinend, auf den meist schwach welligen Spal- tungsflächen lebhaft glasglänzend. Selten ist Zwillings-Streifung er- erkennbar. Der. Feldspath bildet körnige Krystall-Aggregate von einer gewöhnlichen Korngrösse von 1 bis 1%, mm. Die Krystall- körner sind meist von einer sehr fein krystallinen oft mit Quarz durchwobenen Feldspathmasse umgeben, welche letztere fast matt ist, uneben bricht und in frischem Zustand von Quarz nur schwierig zu unterscheiden ist. Bei Verwitterung tritt am Feldspath zuerst eine schwache Trü- bung auf und ein Stich ins Grüne, Später wird er kaolinisirt, und damit ganz undurchsichtig, weiss bis hellgelb. Rothe Farben treten selten auf und rühren meist von Zersetzungs-Produkten des Glim- mers her. Der Glimmer ist grauschwarzer bis schwarzgrauer Biotit, fast undurchsichtig, lebhaft metallisch glänzend. Bisweilen zeigt sich ein Stich ins Rothe oder Gelbe, und spaltet man solche Partien, so fallen stets dünne, durchsichtige, blassrothe oder blassgelbe Blättchen heraus, welche zwischen dem dunklen Glimmer eingeschaltet waren. Die stau- roskopische Untersuchung ergibt, dass diese hellfarbigen Blättchen einen 486 Dr. Adolf Schmidt: sehr kleinen optischen Achsenwinkel besitzen, also ebenfalls Biotit sind. Da auch absichtlich sehr dünn hergestellte Spaltblättchen röthlichbraun oder gelblichbraun durchscheinen, lässt sich schliessen, dass der er- wähnte Stich ins Rothe oder Gelbe nur daher rührt, dass sehr dünne Blätter sich von der übrigen Masse etwas abgelöst haben, durchscheinen und so die eigentlichen braunen Farben des Glimmers erkennen lassen, durch Interferenz-Erscheinungen mehr oder weniger verändert. Der Biotit bildet im Gestein zum Theil einzelne Schuppen von '/;, bis 1 mm Durchmesser, rundlich oder sechsseitig, oder auch dreiseitig mit abgestumpften Ecken, so dass man sie der Form nach für hexagonal halten müsste. Sie sind indess optisch zweiachsig. Meistens aber bildet der Glimmer dickere oder dünnere, gestreckte oder unregelmässige, kleinschuppige Aggregate, in welchen auch grössere Schuppen, von 2 mm Durchmesser und darüber, nicht selten sind. In diesen Aggre- gaten sind die einzelnen Schuppen grösstentheils annähernd einander parallel gelagert; allein nur annähernd, denn sie sind stets wieder durch etwas schief gestellte und oft gewundene abgeschnitten, und bisweilen stehen einzelne Aggregat -Partien fast rechtwinklig zu der allgemeinen Richtung. Diese Erscheinungen deuten entschieden auf Bewegungen während der Glimmer-Bildung hin. Grössere Glimmerhäute treten im frischen Normal-Gneis niemals auf. Selbst in den glimmerreicheren Unterarten zeigen sie sich nur an durch Zersetzung gebleichtem Glimmer und an solchen Stellen, wo spätere Verschiebungen stattgefunden haben; und selbst da scheint es, als haben sie sich nachträglich aus schuppigem Glimmer gebildet, indem sie stets in letzteren Uebergänge zeigen. Zwischen dem frischen, schwarzen Biotit trifft man manchmal dünne, weisse, perlmutterglänzende bis matte Häutchen, welche bei Behandlung mit Salzsäure Kohlensäure entwickeln, also zum Theil aus Carbonaten bestehen, dann aber äusserst feine Schuppen von weissem Glimmer hinterlassen, dessen grosser optischer Achsenwinkel auf Muskovit deutet. Die gewöhnlichste Verwitterungsweise des Biotits besteht in einer Bleichung, welche fast immer von einer Ausscheidung von rothem TE Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 487 oder gelbem Eisenerz begleitet ist. Der gebleichte Glimmer ist stahl- grau bis hellgelblichgrau, schwach perlmutterglänzend, durchscheinend, unter dem Mikroskop ziemlich durchsichtig und farblos mit gelblichen Wolken und einzelnen rothen Körnchen. Er zeigt im Stauroskop den kleinen Achsenwinkel des Biotits. Sein Volum hat bedeutend abge- nommen; die Blättchen sind so dünn geworden, dass sich nur selten und schwierig eines rein vom Gestein ablösen lässt. Wo Verschie- bungen stattgefunden haben, bildet dieser gebleichte Biotit bisweilen äusserst dünne, zusammenhängende Häute auf den Ablösungsflächen des schiefrig gewordenen Gesteins. Diekere Häute dieser Art geben nicht selten einen rothen oder braunen Strich von, dem Glimmer zwischengelagertem, Eisenerz, was die sehr feinen niemals thun. Es gehen daher diese Veränderungen des Biotits theils unter Abscheidung von Eisenoxyden an Ort und Stelle, theils unter Wegführung derselben vor sich. Der Quarz ist in ganz frischem Gestein von den feinkrystallinen Feldspath-Partien schwer zu unterscheiden, weil beide Mineralien stets annähernd gleich gefärbt sind. An allen Stellen des Gesteins, wo die hellgraue Farbe des Feldspaths einen Stich ins Blaue oder ins Grüne oder ins Gelbe hat, ist der Quarz ebenso gefärbt. Dies ist oft an verschiedenen Stellen eines und desselben Handstücks zu beobachten. Ueberdies zeigt im Gesteinsbruch auch der Quarz nicht selten glänzende, ebene Flächen, von in ihm abgedrückten Feldspath-Kryställchen her- rührend. Der Quarz selbst ist stets feinkrystallin bis aphanitisch, im Bruch matt bis schwach fettglänzend. Er ist sehr ungleich im Gestein vertheilt als unregelmässige Körner, als langgezogene Schmitzen, oder als bald gröbere bald äusserst dünne Füllmasse zwischen den Feld. spathkörnern. Diese letztern Verhältnisse lassen sich nur an etwas verwitterten Gneis-Stücken deutlich erkennen, wo der Feldspath ge- trübt oder stärker gefärbt erscheint. Mikroskopische Beschreibung. Im Dünnschliff unter dem Mikroskop ergibt der Normal-Gneis ein ungefähres Mengungs- verhältniss von 3/, Feldspath, °/; Quarz, '/, Biotit. Orthoklas. Der weitaus grössere Theil, mehr als 90 °/, des 488 Dr. Adolf Schmidt: _ vorhandenen Feldspaths ist Orthoklas. Einzelne rektanguläre Schnitte zeigen gerade Auslöschung. Die übrigen lassen sich durch ihr, diesen ähnliches, den Plagioklasen unähnliches, allgemeines Verhalten mit ziemlicher Sicherheit bestimmen. Der Orthoklas gibt gedrungen rektan- guläre Schnitte mit nur selten geraden, gewöhnlich gezackten oder gewellten Rändern, in. welche Quarz-Körner eingreifen. Besonders unvollkommen sind die Ecken ausgebildet: Der Orthoklas ist meist wolkig getrübt. Die Trübungen schliessen sich oft den Spaltungs- durchgängen an und sind bald rein grau und opak (Kaolin), bald röthlich oder gelblich und etwas durchscheinend (Eisenoxyde); oft be- gleitet von Carbonaten mit grober Aggregat-Polarisation. Karlsbader Zwillinge kommen äusserst selten vor. Die häufigsten Einschlüsse sind mikrolithische oder sehr kleine Krystalle von Feldspath und: von Quarz, letztere entweder bipyramidal oder prismatisch; ferner grössere Quarz-Körner, theils unregelmässig aber glatt gerundet, scharf begrenzt und einheitlich polarisirend, theils annähernd bipyramidal oder deutlich sechsseitig. Weniger häufig sind Biotit-Blättehen und -Leistchen, oft scharf ausgebildet. Alle diese Einschlüsse liegen gewöhnlich ganz regellos ohne bestimmte Orientirung. Sehr zahlreich finden sich die bekannten sehr feinen, rothen, blauen und grünen, durchsichtigen Körnchen, welche erst bei etwa 200facher Vergrösserung deutlich werden. Die grössten derselben erscheinen grasgrün bis bläulich-grün, die mittelgrossen blau, die kleinsten blau mit rothem Rand, roth mit blauem Kern oder völlig roth. Stellt man ein grünes Körnchen im Mikroskop scharf ein und schraubt sodann das Okular ein wenig auf oder nieder, so wird in beiden Fällen der Rand verschwommen, der Umfang des Körnchens kleiner und die grüne Farbe geht in Blau über. Thut man dasselbe mit einem blauen Körnchen, so treten dieselben Erscheinungen ein, nur gewinnt das blaue Körnchen einen rothen Rand und wird unter Umständen ganz roth. Aus alledem geht hervor, dass die Farbe dieser Körnchen etwas Unwesentliches ist und nur von Re- flexerscheinungen herrührt, welche mit dem Durchmesser der Körnchen in Beziehung stehen. Die Gestalt dieser Gebilde ist bekanntlich sehr verschieden: rund, elliptisch, schlauchförmig und gekrümmt, nicht selten Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 489 auch lappig und eckig. Bei scharfer Einstellung zeigen sie einen kräftigen, aber nicht sehr breiten dunklen Rand und werden daher wohl mit Recht für Flüssigkeits-Einschlüsse gehalten. Sie häufen sich an zersetzten Stellen besonders an, ohne daran gebunden zu sein, und finden sich in gleicher Weise, wenn auch weniger zahlreich, im Plagioklas und im Quarz. Plagioklas ist accessorisch im Gestein vorhanden in einzelnen "Kryställchen, welche meist kleiner und der Mehrzahl nach etwas klarer sind als die Orthoklase. Im Plagioklas häufen sich die Trübungen, besonders auch feinkörnige Carbonate, zuerst an abwechselnden Zwillings- streifen an, so dass die Streifung auch ohne Analysator deutlich an ‚der abwechselnden Trübung erkennbar ist. Die zum Theil überaus geringe Schiefe der Auslöschung deutet auf Oligoklas. Derselbe ent- hält die gleichen Einschlüsse wie der Orthoklas, jedoch in viel geringerer Zahl und ist in manchen Schliffen ganz frei davon. Biotit erscheint gleichförmig gelblich-braun gefärbt, meist nur unvollkommen durchsichtig, bisweilen hexagonal umgrenzt. In Schnitten senkrecht zur Spaltung ist er stark pleochroitisch, dunkel rothbraun und hell gelblichgrün bis fast farblos, und besitzt die Gestalt von bald langen, bald gedrungenen Leisten. Als Seltenheit kommen auch Kryställchen vor, welche in der Richtung der Hauptachse grössere Aus- dehnung haben als quer dazu, also wirkliche Säulchen darstellen. Alle krystallähnlichen Bildungen sind klein und einzeln in Orthoklas, weniger häufig in Quarz eingewachsen. Grössere Gebilde sind immer ver- hältnissmässig schmal. Sie sind zum Theil gerade gestreckt, im Quarz liegend, aber oft in Feldspathe hineingreifend ; zum andern Theil mehr oder weniger ausgefasert und zwischen Quarz- und Feldspath-Körnern hindurchgewunden. In Schnitten nach der Parallelstruktur des Gneises erscheinen letztere Biotit-Blätter als zackige und gegabelte Lappen, zwischen deren Zacken die Feldspath- und Quarz-Körner sichtbar werden, um welche die Blätter herumgekrümmt sind. Solche Lappen scheinen bisweilen in den Feldspath hineinzugreifen. Man bemerkt aber stets, dass der Feldspath innerhalb der Gabelungen anders aus- löscht als derjenige ausserhalb, woraus auf verschiedene Individuen zu Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. III. 33 490 Dr. Adolf Schmidt: schliessen ist. Ein thatsächliches Eingreifen von Glimmer in Feldspath ist selbstverständlich nur dann mit Sicherheit anzunehmen, wenn eine Glimmer-Leiste in einheitlich polarisirenden Feldspath hineinragt. Dies findet aber nur bei den obigen, gerade auskrystallisirten Leisten statt. Schliesst sich ein gegabeltes Glimmer-Blatt wieder völlig hinter einem Quarz- oder Feldspath-Korn, so hat es im Schliff den Anschein, als sei das Korn ein Einschlüss im Glimmer. Dagegen spricht aber oft der Umstand, dass Quarz und Glimmer nicht scharf gegeneinander abgegrenzt sind, sondern ein zartes Glimmer-Häutchen sich stellen- weise etwas über den Quarz hinzieht. Diese scheinbaren Quarzein- schlüsse polarisiren stets einheitlich. Sonstige, sicher als solche fest- zustellende, Einschlüsse habe ich im Biotit nicht gefunden. Der Biotit zeigt häufig, besonders in flachen Schliffen, deutliche Zerreissungs-Erscheinungen, wie Spaltungen, Ausfaserungen, ausgezogene Schweife, Querbrüche mit sich entsprechender Kanten-Gestaltung der getrennten Theile. In solchen Fällen schiebt sich nicht selten ein quergestelltes Glimmer-Blatt in den Zwischenraum oder in die Ein- spaltung ein und füllt dieselbe vollständig aus. Oefter aber geschieht solche Ausfüllung durch polysynthetischen und oft chalzedonartigen Quarz. Die beim Feldspath erwähnten feinen Körnchen fehlen im ge- wöhnlichen Glimmer. In der Nähe stark zersetzter Feldspathe ist der Biotit oft theil- weise verändert. Der dann schon makroskopisch als gebleicht erkenn- bare Glimmer hat seinen Pleochroismus verloren und erscheint unter dem Mikroskop im Allgemeinen hell grünlichgelb und stark getrübt. Oft sind wenig angegriffene braune Lamellen noch vorhanden, von welchen aus sich die eintretenden Veränderungen beobachten lassen. Es treten zuerst feine spiessige Nädelchen auf, entweder in regelloser Lagerung oder zu Systemen geordnet, welche sich in Winkeln von 60° schneiden. Die feinsten davon erscheinen undurchsichtig; bei den grösseren lassen sich zwei Randlinien und ein farbloser, durchsichtiger Kern unterscheiden, aber keine deutliche Einwirkung auf polarisirtes Licht. Im auffallenden Licht erscheinen die Nädelchen, da wo sie an der Oberfläche des Schliffes liegen, farblos mit weissem Rand und dia- Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 491 mantartigem Glanz. Es sind dies die bekannten Gebilde, welche schon von verschiedenen Autoren beschrieben wurden und als Rutil bestimmt worden sind. Sie sind auch schon vor der Entfärbung in noch braunen Glimmer-Theilen, wenn auch hier in weit geringerer Zahl, bemerkbar. Ihre Entstehung leitet also den Entfärbungs-Vorgang ein und begleitet denselben auch fernerhin. Dieser Vorgang selbst bekundet sich haupt- sächlich darin, dass sich dunkle, stellenweise undurchsichtige, unregel- mässig gestaltete Wolken an einzelnen Punkten der Blätter bilden, welche sich im auffallenden Licht als weisse, gelblichweisse bis hellgelbe, schwammige Massen darstellen (Leukoxen). Der Glimmer selbst erscheint dazwischen durchsichtiger als früher, hell grünlichgelb und im auffal- lenden Licht stellenweise schuppig und perlmutterglänzend. Öbige Nädelchen sind bedeutend vermehrt, bisweilen um benachbarte Quarz- Körner radial angeschlossen. Daneben bemerkt man nun aber auch jene feinsten farbigen Körnchen, welche im Feldspath so zahlreich sind, jedoch in geringerer Zahl als in letzterem. Da sie in dem ganz frischen Biotit nicht vorhanden, müssen sie im Verlauf des Entfärbungs- Prozesses darin entstanden sein. Von sich neu bildenden Eisenerzen ist nichts zu bemerken. Im Innern der entfärbten Glimmer noch vor- handene rothbraune Glimmer-Theile erscheinen in dem Maasse dunkler als ganz frischer Biotit, als sich die beschriebenen Nädelchen etc. darin angehäuft haben. Das den Glimmer ursprünglich färbende Eisen scheint daher grossentheils aus dem Mineral entfernt worden zu sein. Quarz. Dieser bildet, ausser den erwähnten Einschlüssen in Feldspath und ausser den in die Ränder der Feldspathe eingreifenden Körnern, hauptsächlich ganz unregelmässige oder langgestreckte Partien, nicht selten einheitlich auslöschend, meist aber von grob- bis feinpoly- synthetischer Struktur, indem sie aus verschieden orientirten polygonalen Körnern zusammengefügt erscheinen. Der Quarz in dieser seiner vor- wiegenden Form umschliesst ähnliche Mikrolithe von Biotit und von Quarz wie der Feldspath, gelegentlich auch grössere eirunde Körner von ‚verschieden orientirtem, aber in sich einheitlich polarisirendem Quarz. Ausserdem enthält er die in den Granit-Quarzen bekannten unregel- mässig verlaufenden und sich kreuzenden Reihen von Flüssigkeits-Ein- 33 * 499 Dr. Adolf Schmidt: schlüssen, oft mit Libellen, und mit diesen vermengt jene feinsten farbigen Körnchen. Beide verhalten sich in optischer Beziehung sehr ähnlich und scheinen sich nur durch verschiedene Grösse zu unter- scheiden. Apatit-Mikrolithe sind selten und vereinzelt. Ferner er- kennt man noch grössere und kleinere, unregelmässig eckige, farblose und etwas irrisirende Blättchen, welche, wie es scheint, von dem nach- barlichen Glimmer losgerissene, äusserst feine Glimmer-Blättchen sind. Denn die in den Quarz hineinragenden zerrissenen Biotit-Theile werden an den Bruch-Rändern stets stufenweise heller und ziehen sich oft zuletzt als, obigen ganz ähnliche, farblose, irrisirende Blätter weit in den Quarz hinein. Gas-Poren oder Glas-Einschlüsse habe ich nirgends wahrnehmen können. Die Hauptmasse des Quarzes erfüllt im Gestein sämmtliche Räume, welche von Feldspath, Glimmer und Korn-Quarz übrig gelassen sind, und kann daher passend als «Füll-Quarz> bezeichnet werden. Der- selbe ist meist gestreckt in der Richtung der Parallel-Struktur des Gesteins. Dies gilt aber nur für die Gesammt-Umrisse grösserer Partien. Die polysynthetische Struktur solcher Partien ist dagegen oft gänzlich unbeeinflusst von der Streckung, d. h. die polygonalen Körner, aus welchen die gestreckten Partien zusammengesetzt sind, erscheinen selbst nicht in die Länge gezogen; ein Zeichen dafür, dass die Krystallisirung des Füll-Quarzes erst nach der Gesteins-Streckung erfolgte. Ebenso unabhängig von der Parallel-Struktur sind auch die Reihen der Flüssigkeits-Einschlüsse. Diese sind sogar zumeist auch unabhängig von der Individualisirung des Quarzes selbst und reichen gänzlich unbeirrt aus einem einheitlichen Korn des polysynthetischen Quarzes in das benachbarte hinüber; eine Thatsache, welche auch schon von anderen in ähnlichen Gesteinen beobachtet worden ist. Dass solche Reihen mitten in einem Korn aufhören, habe ich nirgends ge- sehen. Dies könnte auch wohl nur bedeuten, dass die Reihe von der Oberfläche des Schliffes geschnitten wird. Dagegen habe ich in ein- zelnen Fällen bemerkt, dass die Reihen ungefähr senkrecht zur Parallel- Struktur standen. Bisweilen sind in der Nähe der Reihen feine Spalten als helle Linien erkennbar; öfter aber ist nichts dergleichen zu sehen. u Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 493 Die Kontinuität dieser „Reihen“ in allen Schnitten beweist, dass die Einschlüsse thatsächlich nicht in Reihen, sondern in gewellten Ebenen angeordnet sind. Alles deutet darauf, dass der Quarz nach seiner - Krystallisation noch einige Zeit plastisch war. Zirkon. Neben obigen Mineralien treten noch vereinzelte, grössere und kleinere Zirkon-Körner oder Krystalle auf; gewöhnlich im Quarz, am Rand von Orthoklasen und in letztere hineinragend. Im Ganzen bietet ein Dünnschliff des Normal-Gneises bei einer .übersichtlichen Betrachtung, welche nur bei schwacher Vergrösserung möglich ist, folgendes Bild. Grössere und kleinere, nicht selten an- nähernd parallel gelagerte, Feldspath-Krystalle umschliessen häufig vereinzelte, meist scharf ausgebildete Kryställchen von Feldspath, Quarz und Biotit. In die Ränder derselben Feldspath-Krystalle greifen grössere, aber nicht krystallisch, sondern rundlich ausgebildete Quarz-Körner und einzelne gerade gestreckte Biotit-Lamellen ein. Andere noch grössere Biotit-Lamellen und -Flasern winden sich wellenförmig zwischen Feldspathen und Quarzen hindurch, ohne in Individuen derselben ein- zugreifen. Endlich sind die verbleibenden, meist gestreckten Zwischen- räume mit polysynthetischem Quarz erfüllt. Paragenesis. Wenn man bei Beurtheilung der paragenetischen Verhältnisse als Grundsätze gelten lässt, dass das Eingeschlossene älter ist als das Einschliessende, dass das sich um krystallische Individuen Herumlegende und das in Spalten solcher Individuen Eindringende jünger ist als die Individuen selbst, so ergeben sich für die Auf- einanderfolge der Entstehung der besprochenen Gneis-Mineralien die nachstehenden Anhaltspunkte. Die ältesten Bestandtheile sind die Kryställchen von Feldspath, Quarz und Biotit, welche in den Orthoklasen, wie auch im Quarz, eingeschlossen sind. Sie finden sich in gleicher Weise und Zahl in frischem wie in zersetztem Orthoklas, sind also keine Zersetzungs- Erzeugnisse. Sie bilden eine erste Generation der Gesteins-Gemeng- theile, welche ihrer relativen Kleinheit wegen als mikrolithische be- nannt werden mag, wenn auch ein bedeutender Theil dieser Gebilde das, was man gewöhnlich als Mikrolithe bezeichnet, an Grösse über- 494 Dr. Adolf Schmidt: trifft. Da sie stets vereinzelt liegen, lässt sich nicht feststellen, welches der drei Mineralien das älteste und welches das jüngste ist. Ihnen folgen die Feldspathe selbst. Allein schon während, insbesondere gegen Ende, der Feldspath-Bildung trat eine zweite Generation von Biotit und, besonders in den glimmerärmeren und mehr granitisch ausgebildeten Theilen des Gesteins, auch von Quarz auf; der Biotit in gerade ge- streckten Leisten, der Quarz in grösseren Körnern, beide in die Ränder der Feldspathe eingreifend.. Auch hier ist nicht darzuthun, ob der Leisten-Glimmer oder der Korn-Quarz das ältere Mineral ist. Die grösseren Biotit-Aggregate, welche besonders in den glimmer- reicheren Gesteins-Varietäten eine bedeutende Rolle spielen, legen sich, wie schon makroskopisch zu sehen. stets um die ÖOrthoklase, sowie auch um die zuletzt erwähnten Quarze herum und erfüllen bisweilen Spalten in zersprungenem Feldspath. Vom Glimmer der zweiten Ge- neration, wenn sie mit ihm in Berührung kommen, sind sie bisweilen nur schwierig zu trennen. Wo beide Arten getrennt liegen, unter- scheiden sie sich dadurch, dass die Glimmer dieser dritten Generation stets wellig gekrümmt sind und stets einander parallel und in der Richtung der Gesteins-Struktur liegen, die der zweiten dagegen ge- streckt sind und keine bestimmte relative Lage einnehmen. Das zuletzt entstandene oder festgewordene Mineral ist endlich die meist polysynthetische Hauptmasse des Quarzes, welche alle ver- bliebenen Räume ausfüllt. An der Parallel-Struktur des Gesteins nimmt die erste Mineral- Generation gar keinen Antheil. Ihre Lage steht in keiner bestimmten Beziehung zur Umgebung. Zur Zeit, als sie entstanden, besass das Ganze noch keine Neigung, eine parallele Anordnung anzunehmen. Von den grösseren Orthoklasen liegen die grössten annähernd parallel der Gesteins-Struktur; die weniger grossen stehen fast niemals rechtwinklig dazu, sondern mindestens stark geneigt, und zwar oft in einem Schliff viel in auffallender Weise nach einer und derselben Seite geneigt. Sie nehmen daher schon einen merklichen Antheil an der Parallel-Struktur, sind oft gerundet, ohne jedoch ausgezogen zu erscheinen. Sie müssen schon fest gewesen sein, als die Gesammtmasse diese Struktur annahm. Ihre Um- Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 495 gebung dagegen war zu der gleichen Zeit noch plastisch; denn andernfalls hätte die Parallel-Struktur wenigstens hie und da einen Feldspath durch- schneiden und seine Theile verschieben müssen, was niemals zu bemerken ist. Allerdings finden sich als Seltenheiten geknickte Plagioklase. Diese beweisen aber durch die Vollkommenheit der Ausbildung ihrer einzelnen Theile und durch die Abwesenheit jeglicher Bruch-Erschei- nung, dass die Knickung entweder schon ganz zu Anfang ihres Werdens eingetreten oder eine abnorme Wachsthums-Erscheinung ist, wie solche auch hei Gang-Mineralien nicht selten sind. Für die Annahme nach- träglicher Knickung fertig gebildeter Krystalle sind in den von mir beobachteten Fällen durchaus keine Stützpunkte vorzufinden. Die zweite Glimmer-Generation nimmt an der Parallel-Struktur nur insofern Antheil, als bisweilen aus Feldspathen hervorragende Leisten etwas abgebogen sind. Der ausgezogene und theilweise etwas zerrissene Zustand der parallelen Biotit-Aggregate zeigt, dass sie zum Theil schon vorhanden gewesen sein müssen, als die Parallel-Struktur entstand, zum Theil vielleicht als gleichzeitig mit dieser betrachtet werden mögen, während vom Füll-Quarz oben nachgewiesen wurde, dass seine Krystallisation in der Hauptsache erst nach der Ausbildung dieser Struktur erfolgt sein kann. Hieraus geht hervor, dass die Entstehurg der Parallel- Struktur entweder noch in die Bildungszeit der dritten Glimmer-Gene- ration fällt oder zwischen diese Zeit und diejenige der Krystallisation des Füll-Quarzes. Die paragenetischen Verhältnisse des Normal-Gneises stellen sich daher so dar: 1. Mikrolithische Mineral-Generation. 2. Haupt-Feldspath-Bildung, zuletzt gleichzeitig mit 3. Biotit-Leisten und Korn-Quarz. 4. Grössere Biotit- Aggregate. 5. Herausbildung der Parallel-Struktur. 6. Füll-Quarz. Chemische Zusammensetzung. Eine im Heidelberger Universitäts-Laboratorium von Herrn ©. Fuchs unter Anleitung des 496 Dr. Adolf Schmidt: Herrn Dr. Pawel ausgeführte Analyse eines ganz frischen, ziemlich glimmer-reichen Normal-Gneises vom Storen ergab: SiO;: 66,93 AL,O,: 16,47 Ca0: 50 Ms0: 1,29 FeO: 3,95 Fe&,0,: 1,31 K,0: 1,52 N3,0: 3,96 H20: 1519 99,53. Dieselbe steht im Allgemeinen dem Durchschnitt derjenigen Analysen von Gneisen des nördlichen Schwarzwalds nahe, welche in den Würz- burger Inaugural-Dissertationen von Hebenstreit und von Killing, sowie in der E. Weber’schen Arbeit über Schwarzwald-Gneise, und in F. Sandberger’s Untersuchungen über Erzgänge veröffentlicht worden sind. Auch darin stimmt diese Analyse mit ihren Vorgängerinnen überein, dass der Gehalt an Na den an K wesentlich übersteigt. Dabei ist auffallend, dass die mikroskopische Untersuchung ein bedeutendes Ueberwiegen des Orthoklases über den Oligoklas nachweist. Zur Auf- klärung dieses Punktes werden fernere chemische Einzeluntersuchungen nothwendig sein. Baryum wurde nicht in bestimmbarer Menge entdeckt. In etwa 1'/, Gramm Substanz konnten weder durch Schwefelwasserstoff aus saurer Lösung fällbare Metalle, noch Zink aufgefunden werden. Für die spätere Beschreibung der Erzgänge des Gebiets werden in- dessen noch besondere Untersuchungen von isolirtem Glimmer auf Metall-Spuren zur Ausführung gelangen. b. Abarten des Normal-Gneises. Nach Obigem ist der Münsterthaler Normal-Gneis ein grauer Biotit-Gneis, arm an Plagioklas und fast frei von anderen Bei- mengungen, also von überaus einfacher Zusammensetzung. Er zeigt Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 497 beim Zerschlagen einen mit dem Glimmer-Gehalt wechselnden, im All- gemeinen aber bedeutenden Grad von Zähigkeit. Dieses weitaus vor- waltende Gestein nimmt aber an einzelnen Punkten auf meist nur geringe Erstreckungen einen von obigem etwas verschiedenen Charakter an. Bald enthält der Gneis etwas Hornblende, ohne sein allgemeines Ver- halten zu ändern; bald wird er auffallend spröde; bald wird seine weisse Grundmasse trüb-grau; bald wird das Korn überaus fein bis vollkommen aphanitisch; bald verschwindet die Parallel-Struktur, wodurch granitische Zwischengebilde entstehen. Diese verschiedenen Abarten sind zunächst zu betrachten. Hornblende führender Normal-Gneis. Makroskopisch ist dieser Gneis vom Hornblende-freien entweder gar nicht zu unter- scheiden oder nur dadurch, dass sich mit der Lupe bisweilen etwas schwarze Hornblende erkennen lässt und gleichzeitig an dem Feldspath Zwillings-Streifung öfter bemerklich wird. Die bisweilen etwas dunklere Farbe kommt bei Hornblende-freiem auch vor und hängt vorwiegend vom Glimmer-Gehalt ab. Mikroskopisch unterscheidet sich dieser Gneis in folgenden Punkten: 1. Gegenwart von wechselnden, aber immer geringen Mengen von grün-durchsichtiger Hornblende, mit starkem Pleochroismus, hell gelblich-grün und dunkel blau-grün. Sie bildet: a) feine Kryställchen, in Feldspath, besonders in Plagioklas, einge- wachsen; die kleinsten sind geradlinig begrenzte ächte Mikrolithe, die etwas grösseren weniger regelmässig ausgebildet; b) grössere unregelmässig begrenzte Partien; zum Theil einheitlich polarisirend und krystallähnlichh zum Theil nicht; einheitliche Quarz-Körner einschliessend; gewöhnlich zwischen Feldspath einer- seits und polysynthetischem Quarz andererseits liegend; bisweilen auf unregelmässigen Spalten in Plagioklas-Krystalle eindringend; c) mit Biotit unregelmässig verwachsen und mit demselben parallel der Gesteins-Struktur ausgezogen ; dies ist das häufigste Vorkommen und insbesondere dasjenige der grössten Partien; Uebergänge zwischen Hornblende und Biotit sind nicht nachzuweisen; meist 498 Dr. Adolf Schmidt: sind beide durch scharfe Linien von einander getrennt, wenn nicht vollkommen räumlich gesondert. [867 . Der Orthoklas ist noch weniger gut ausgebildet, meist stark ver- rundet oder gar parallel der Gesteins-Struktur in Linsen gezogen; er enthält nur selten andere Mineral-Einschlüsse als Biotit-Blättchen, dagegen oft Gruppen von grösseren Flüssigkeits-Einschlüssen. 3. Der Plagioklas ist bedeutend vermehrt auf Kosten des Orthoklases, während die Quarz-Menge annähernd dieselbe bleibt; stellenweise kommt der gestreifte Feldspath dem ungestreiften an Fläche un- gefähr gleich, woraus man füglich entnehmen kann, dass der Plagioklas den Orthoklas sogar überwiegt, da manche ungestreifte Individuen ebenfalls dem ersteren zugehören mögen. Die Plagioklase sind etwas gedrungener in ihrer Gestalt, niemals mit geraden Kanten und scharfen Ecken ausgebildet, aber nicht rundlich, sondern mehr zackig umrandet. Der Plagioklas umschliesst oft Körner und Kryställchen von Quarz und von Hornblende, sowie Biotit-Blättchen. Polysynthetischer Quarz dringt bisweilen buchtartig in ihn ein. 4. Auftreten von einzelnen wohlausgebildeten hexaödrischen Krystallen von Pyrit. Kleinere sind zum Theil in Oxyde verwandelt. Der Biotit legt sich um dieselben herum. Die Hornblende bildet nach dem Gesagten dieselben drei Gene- rationen wie der Biotit. Die genaue paragenetische Stellung derselben, sowie auch die des Plagioklases ist nicht klarzustellen. Die mikro- lithische Hornblende muss, wie die übrigen kleinen Einschlüsse, zu den ältesten Bildungen des Gesteins gerechnet werden. “Die grössern Vorkommnisse schliessen sich meist dem Biotit an und sind annähernd gleichzeitig mit diesem gebildet. An einer Stelle bemerkte ich eine an einem Ende etwas aufgeblätterte Biotit-Leiste, deren Klaffungen von Theilen der angrenzenden Hornblende erfüllt waren, was auf spätere Entstehung der letzteren hindeuten würde. Sonst scheint es bald, als umgebe die Hornblende den Glimmer, bald umgekehrt. Da aber beide meist zerrissen auftreten, lässt sich hieraus nichts Be- stimmtes schliessen. Vom Plagioklas ist nur sicher, dass er im Alter dem Orthoklas nahesteht, weil sich die dritte Glimmer- und Hornblende- vi, I a Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 499 Generation um beide herumlegt und stellenweise in Spältchen, ge- legentlich auch in Zwillings-Fugen, eindring. Wenn man annehmen will, dass die Abrundung der Orthoklase Folge von Verschiebungen bei Eintritt der Parallel-Struktur sei, so muss man sagen, dass die Plagioklase dieser Wirkung besser widerstanden haben und zu dieser Zeit fester müssen gewesen sein als der Orthoklas. Ob sich hierauf die Vermuthung eines höhern Alters basiren lässt, bleibe dahingestellt. Spröder Normal-Gneis. Bei den Untersuchungen im Felde fällt dieser Gneis, welcher sich im äusseren Ansehen nicht vom ge- wöhnlichen unterscheidet, durch geringere Verwitterbarkeit auf und durch Sprödigkeit beim Zerschlagen. Mit der Lupe erkennt man etwas mehr Quarz darin, und dies bestätigt sich auch unter dem Mikroskope, wobei insbesondere noch bemerkt wird, dass sich der stark und oft fein polysynthetische Füll-Quarz an manchen Stellen sehr anhäuft. Es kommen Gesteins-Partien vor, welche nur aus Quarz und Biotit, beide parallel gestreckt, bestehen. Sonst ist dieser Gneis äuch mikro- skopisch vom gewöhnlichen nicht wesentlich verschieden. Er ist frei von Hornblende. Der Plagioklas ist auch hier etwas besser ausge- bildet oder erhalten als der Orthoklas. Trüber Normal-Gneis. In diesem selten vorkommenden, schmutziggrauen, körnigbrechenden Gneis erkennt man makroskopisch zahlreiche, hellgraue, wenig glänzende Feldspath-Körner von '/, bis 1'/, mm Durchmesser, welche in eine feinkrystalline, parallel-struirte, dunkelgraue Gründmasse eingebettet sind. Glimmer ist keiner sichtbar. Unter dem Mikroskop sind die grösseren Feldspathe deutlich als Orthoklase charakterisirt, indem sie öfter in pinakoidalen Schnitten gerade auslöschen. Sie umschliessen Quarz-Körnchen und Biotit-Blättchen. Um sie herum legt sich gewöhnlich zunächst Biotit an, oft ganz flach an gerade Krystall-Flächen. Die Zwischenräume sind von einer holo- krystallinen Grundmasse erfüllt, welche aus einem parallel-struirten Ge- menge von kleineren Orthoklasen und Plagioklasen, Biotit-Flasern und polysynthetischem Quarz besteht. Von dieser Grundmasse sind die Ortho- klase wie umflossen, und es zeigt selbst der reichlich vorhandene Füll- Quarz in sich eine Art von grober Fluidal-Struktur, indem die einzelnen 500 Dr. Adolf Schmidt: einheitlich polarisirenden Partien, aus welchen er zusammengesetzt ist, oft zu schmalen parallelen Flasern oder Bändern ausgezogen sind, welche aber an ihren Berührungslinien zackig ineinandergreifen. Hier zeigt sich also eine Abhängigkeit der polysynthetischen Krystallisation des Quarzes von der Parallel-Struktur des Gesteins. Die Kräfte, welche diese Parallel-Struktur hervorbrachten, müssen also in diesem Fall länger fortgewirkt haben, bis in die Krystallisations-Periode des Füll-Quarzes hinein. Dass aber diese Parallel-Struktur des Quarzes nicht erst nach der Krystallisation desselben kann entstanden sein, ist dadurch an- gedeutet, dass keinerlei Bruch-Erscheinungen, nicht einmal an den oft ziemlich feinen Zacken der ineinandergreifenden Quarz-Lagen, er- kennbar sind. Dieser Gneis lässt sich, nach der gegebenen Beschreibung, als ein feinkrystallin ausgebildeter Krystall- oder Augen-Gneis betrachten. Das untersuchte Stück stammt vom Heidenstein beim Belchen. Aphanitischer Gneis. An nur einer Stelle, und zwar bei dem sogenannten «Wasserfelsen», welcher mitten im Wald an dem steilen Osthang des Schlossberges bei Münsterhalden liegt, fand ich, anscheinend als wenig mächtige Einlagerung im Normal-Gneis, ein mikrokrystallines, grünlich schwarzes, mit dem Messer ziem- lich leicht ritzbares Gestein, welches ich zuerst für Serpentin hielt. Es enthält stellenweis kleine Quarz-Drusen und kleine Aggregate von Pyrit-Kryställchen. Es lässt sich selbst mit der Lupe kaum als kry- stallin erkennen. Eine Parallel-Struktur ist makroskopisch gar nicht bemerkbar, wohl aber zahlreiche kleine Körnchen eines schwarzen metallglänzenden Minerals. Im Dünnschliff erweist sich das Gestein als ein parallel-struirtes (emenge von Orthoklas, theilweise starkgebleichtem Biotit und einem letzteren begleitenden, völlig opaken, starkglänzenden schwarzen Erze, welches unlöslich in Salzsäure ist, leistenförmige, zerhackte, selten sechsseitige Durchschnitte gibt und mit dem Magneten nicht ausge- zogen werden kann, also Titaneisen. Das Gestein gibt mit Phosphor- salz und Zinn eine erkennbare Titan-Reaktion. Daneben findet sich nur stellenweise noch etwas Quarz. Die Menge des Erzes und die ® Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 501 zum Theil ansehnliche relative Grösse seiner Kryställchen gestatten nicht, dasselbe als Zersetzungs-Erzeugniss des Glimmers zu betrachten. Dasselbe liegt ohne alle Rücksicht auf die übrigen Mineralien bald in Feldspath, bald in braunem oder in gebleichtem Glimmer eingeschlossen. Die Glimmer-Leisten legen sich aber nicht um das Erz herum. Dieselben verfolgen ihre Richtung unbekümmert um etwa dazwischenliegendes Erz. Dies zeigt, dass der Glimmer die Erzkörnchen umwachsen hat. Das Titaneisen ist jedenfalls der älteste Bestandtheil des Gesteins. Die sonst häufig das Titaneisen begleitenden Zersetzungsprodukte fehlen gänzlich. Die Lage und die paragenetischen Beziehungen von Feld- spath, Glimmer und Quarz sind genau dieselben wie im gewöhnlichen Normal-Gneis. Die Feldspathe sind meist frisch und gut durchsichtig, etwas gerundet, von Glimmer umschlossen und in Spalten durch- drungen. Sie sind arm an Finschlüssen, welche nur aus Erz-Kryställchen und seltenen Biotit-Blättchen bestehen. Quarz-Einschlüsse fehlen ganz. Die farbigen Körnchen sind nicht sehr zahlreich darin und so klein, dass sie erst bei 400- bis 600-facher Vergrösserung überhaupt gesehen werden. Grössere Flüssigkeits-Einschlüsse habe ich keine bemerkt. Der -Biotit ist theilweise noch braun und dann stark pleochroitisch. Der bedeutendere Theil desselben ist aber fast farblos, schwach pleochroitisch, und enthält zahlreiche farbige Körnchen, dagegen keine Rutil-Nädelchen. Bisweilen ist der bleiche Biotit durch Anhäufungen feiner grauer Schüppchen getrübt, an andern Stellen aber völlig klar und durchsichtig. Das Gestein könnte, nach obigem, auch als ein parallel- struirter, stellenweise Quarz führender Glimmer-Syenit aufgefasst werden. Lager-Granite. Granitische Bildungen, welche vielfach im Normal-Gneis vorkommen, theils als unregelmässige Partien mit Ueber- gängen in den Gneis, tbeils als mehr oder weniger scharf abgegrenzte Bänder und Lagen, sind stets viel ärmer an Biotit, meist etwas feiner und insbesondere gleichmässiger im Korn .als der Gneis, so dass sie im Handstück von massigen Graniten nicht zu unterscheiden sind. Ihre Farbe ist theils weiss oder hellgrau, theils röthlich bis gelblich. Diese letzteren Färbungen rühren, wie sich im Dünnschliff zeigt, von stärkerer Zersetzung der Feldspathe her, welche im röthlichen Ge- 502 Dr. Adolf Schmidt: stein oft bis zur Undurchsichtigkeit kaolinisirt sind, im weissen weit weniger. Im weissen Gestein kann man mit der Lupe Feldspath und Quarz schwer unterscheiden. Man sieht nur ein Gemenge von farb- losen, glasglänzenden Kryställchen mit einzelnen regellos gestellten Biotit-Blättchen. In der farbigen Varietät dagegen erscheint ein Theil des Feldspaths etwas gefärbt und fast sämmtlicher getrübt; und aus demselben heben sich etwas dunklere, oft matte, bräunlichgrüne, bipyra- midale Quarz-Kryställchen hervor. Ausserdem erkennt man noch ein- zelne Glimmer-Blättchen und unregelmässige Partien von hellgrauem, etwas fettigglänzendem Quarz. Die Grenze zwischen Gneis und Granit- Lagen zeigt sich unter der Lupe theils durch eine Glimmer-Lage her- gestellt, theils unregelmässig und verwischt. Unter dem Mikroskop ergeben sich ausgeprägtere Unter- schiede zwischen Gneis und Granit. Das erste, was auffällt, ist, dass die wenigen vorhandenen Biotit-Leisten, obgleich sie in seltenen Fällen »och Zerreissungen zeigen und obgleich sie fast niemals eigentliche Krystallform besitzen, sondern sich entweder auskeilen oder zackig endigen, dennoch meist vollkommen grade sind und nicht allein durch Füll-Quarz hindurch, sondern auch in die Feldspathe hinein- greifen, also zur zweiten Biotit-Generation gehören. Der Feldspath ist auch hier zum Theil Plagioklas, und zwar mit denselben Eigenschaften wie im Gneis. PBisweilen finden sich Plagio- klas-Krystalle in nicht gestreiftem Feldspath eingeschlossen. Häufiger aber greifen wohlausgebildete und theilweise auch wohlcharakterisirte Orthoklase in Plagioklase ein. Die Feldspathe enthalten einzelne kleine Biotit-Blättchen und Leistehen und zahlreiche, theils mikrolithische, theils recht grosse Quarze von bipyramidaler, gerundet säulenförmiger bis ovaler, endlich von unregelmässiger Gestaltung. Grössere Körner liegen oft an den Rändern der Feldspath-Krystalle, in welchem Fall letztere um erstere herumgewachsen sind. Schliessen sich nun, wie häufig geschieht, andere ähnliche Quarzkörner ausserhalb der Feldspathe an die eingewachsenen an, so ist, wenn die Körner unregelmässig ge- staltet sind, nicht immer möglich zu entscheiden, ob man es nicht mit Einbuchtungen von polysynthetischem Quarz der dritten Generation zu Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 503 thun hat. An einer Stelle sah ich eine Kette aneinandergereihter, aber selbstständig ausgebildeter und verschieden polarisirender Quarz- Körner quer durch einen Plagioklas-Krystall hindurchliegen. Die gleich- zeitige Auslöschung der von der Quarz-Kette getrennten Plagioklas- Theile bewies aber in diesem Falle die spätere Entstehung der um- gebenden Plagioklas-Theile, folglich die Zugehörigkeit dieser Quarze zur zweiten Generation. An andern Stellen aber, wo die Quarze sich stark angehäuft haben, macht das lappige Ineinandergreifen zwischen Feldspath und Quarz die Bestimmung des paragenetischen Alters des letztern unsicher, weil Anhäufungen von Korn-Quarzen mit polysyn- thetischem Füll-Quarz grosse Aehnlichkeit besitzen. Wo jedoch der Quarz ein gradlinig begrenztes Feldspath-Individuum berührt, erkennt man den Korn-Quarz immer an der scharfen Einrundung, welche er in den Rand des Feldspaths hinein ausführt, während der Füll-Quarz letzterem ausweicht. Auf diese Schwierigkeiten stösst man im eigent- lichen Gneis weit seltener, weil da der Korn-Quarz weniger reichlich eutwickelt ist als im Granit. Glimmer-Leisten zeigen sich bisweilen durch Quarze an ihrer Ausbildung behindert, was auf eine etwas spätere Bildung der ersteren hinweist. Die erwähnten Quarz- und Glimmer-Einschlüsse im Feldspath sind niemals in bestimmter Weise orientirt. Dagegen finden sich im Plagio- klas oft zahlreiche krystallähnliche Theile von nicht gestreiftem Feld- spath parallel der Zwillings-Streifung eingewachsen. Im Quarz sind die gereihten Flüssigkeits-Einschlüsse bisweilen durch feinste Haar-Spältchen verbunden. Sonst umschliesst der Quarz nur noch einzelne Mikrolithe von Apatit. Kommt Hornblende im Gneis vor, so wird sie auch sporadisch im benachbarten Lager-Granit angetroffen. Ihre paragenetische Stellung ist aber aus meinen Schliffen auch hier nicht genau festzustellen. Nach allem Gesagten unterscheiden sich die granitischen Theile des Normal-Gneises von den gneisischen Theilen desselben durch folgende Merkmale: 1. Etwas reichlichere Entwicklung des Leisten - Glimmers (zweite Generation); 504 Dr. Adolf Schmidt: 2. reichlichere, und grössere Entwicklung des Korn-Quarzes (zweite Generation); 3. Fehlen der dritten Glimmer-Generation. Die Grenze zwischen dem Gneis und einer zwischengelagerten granitischen Masse erscheint unter dem Mikroskop etwas schärfer als unter der Lupe. Sie ist grösstentheils durch die erste zusammen- hängende Glimmer-Lage des Gneises bestimmt und, wo diese unter- brochen ist, durch einen in die Länge gezogenen, meist nicht polysyn- thetischen Quarz-Streifen, welcher überhaupt den Grenz-Glimmer auf der Granit-Seite zunächst begleitet, so dass man diesen Quarz selbst als Grenz-Bildung ansehen kann. Die vorstehenden Beobachtungen sind zum Theil an grani- tischen Lagen von nur 4—10 mm Dicke gemacht worden, welche also als wirkliche Bestandtheile des Gneises zu betrachten sind. Vergleichende Paragenesis. Alle die bisher betrachteten, zur Normal-Gneis-Formation gehörigen Gesteine haben in paragenetischer Beziehung zunächst das gemeinsam, dass ihre Feldspathe eine mikro- lithische Musterkarte der Haupt-Mineralien des betreffenden Gesteins einschliessen. Dies ist indessen nicht so zu verstehen, als müsse jeder Feldspath solche Einschlüsse aufweisen. Im Gegentheil, es sind viele Feldspath-Individuen ganz frei von Einschlüssen, andere enthalten nur einzelne Quärzchen, andere einzelne Biotit-Kryställchen, u. s. f£ An Häufigkeit des Vorkommens als Einschluss steht hiebei der Quarz obenan, ziemlich häufig sind Biotite, weniger häufig Feldspathe. Ist das Gestein sehr quarzarm, wie der aphanitische Gneis, so fehlen auch die Quarze im Feldspath. Führt das Gestein Hornblende, so finden sich auch einzelne Hornblende-Mikrolithe im Feldspath. Ist primäres Eisenerz im Gestein, so zeigen sich auch feinste Kryställchen davon im Feldspath. In allen beschriebenen Gesteinen lassen sich für die einzelnen Haupt-Mineralien verschiedene Generationen aufweisen. Der Quarz zeigt deutlich deren drei: eine erste mikrolithische im Feldspath, eine zweite ‚körnige (Dihexaöder, eckige Körner, Eier) an den Rändern der Feldspathe und im Füll-Quarz, und die- dritte des Füll-Quarzes selbst. nr u CE NEE ee _ Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 505 Bei Orthoklas und bei Hornblende sind zwei Generationen zu erkennen: eine mikrolithische im Feldspath und eine grössere, schlechter ausge- bildete, im Quarz. Am Biotit sind deren drei zu unterscheiden, näm- lich eine älteste mikrolithische im Feldspath und im Quarz; ferner diejenige der regellos gelagerten geraden Leisten mit unscharfen Enden, im Quarz und in Feldspathe eingreifend; endlich die dritte und letzte der parallel-verlaufenden gewellten Aggregate. Die zweite und die dritte der Quarz-, sowie auch der Biotit-Generationen verschwimmen bisweilen ineinander. Je schwächer die Parallel-Struktur des Gesteins ausgebildet ist, desto stärker tritt der körnige Quarz auf und desto mehr verschwindet die dritte Biotit-Generation. c. Struktur-Erscheinungen im Normal-Gneis. In dem innern Aufbau des Normal-Gneises spielt der Glimmer dritter Generation die Haupt-Rolle. Da dieser die Neigung hat, sich flach und parallel zu legen, erzeugt er hauptsächlich die Parallel- Struktur des Gesteins und in je grösserer Menge er vorhanden ist, desto schärfer findet sich diese Struktur ausgebildet. Betrachtet man sehr glimmerreichen Normal-Gneis im Querschnitt, etwa mit Hilfe der Lupe, so zeigt sich derselbe bestehend aus bald dünneren, bald dickeren "Bänkchen eines granitähnlichen Gemenges von Feldspath, Quarz und Leisten-Biotit, welche durch Lagen von Parallel-Glimmer von einander geschieden sind. Verfolgt man aber solche Bänkchen oder Lagen an grösseren Gesteins-Stücken oder an Gesteins-Wänden, so bemerkt man stets, dass dieselben sich niemals auf grössere Erstreckungen in gleichem | Bestand fortsetzen. Eine Glimmer-Lage wird dünner und verläuft voll- ständig in granitischer Masse, während gleichzeitig etwas höher oder tiefer ganz neue Lagen ansetzen. Granitische Bänke, selbst dickere, von mehreren Centimetern oder gar Decimetern Mächtigkeit, welche bisweilen auf Längen von einer Anzahl von Metern sich gleich ge- blieben waren, nehmen auf einmal Parallel-Glimmer auf, zuerst viel- ‘ leicht schmitzenweise, dann zusammenhängend, spalten sich in dünne Lagen und verwandeln sich so im Verlauf ihres eigenen Streichens in schiefrigen Gmeis. An einer andern Stelle vereinigen sich zwei Glimmer- Verhandl. d Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. II. 34 506 Dr. Adolf Schmidt: Lagen zu einer einzigen und die dazwischenliegende granitische Masse keilt sich aus. Mitten im schiefrigen Gneis finden sich oft unregel- mässige granitische Partien von Durchmessern, welche sich nach Centimetern oder nach Decimetern messen lassen, ohne alle schärfere Begrenzung und nur dadurch hergestellt, dass hier grade der Parallel- Glimmer fehlt. Kurz, es lassen sich oft an einer einzigen freien Fels- wand die allermannigfaltigsten Wechsel beobachten, während sich gleich- bleibende parallele Lagen, auf Erstreckungen von einer grösseren Anzahl von Metern, im Münsterthal-Gebiet zu den Ausnahmen und Seltenheiten gehören. Alles dies zeigt, dass man es hier nicht mit Schichtung, sondern mit einer durch mechanische Kräfte erzeugten Parallel-Struktur zu thun hat, ähnlich derjenigen, welche Daubree in einem bekannten Versuch mit Thonmasse und Borsäure durch Druck und Verschiebung künstlich hervorgebracht hat. Damit soll aber keineswegs gesagt sein, dass dieser Gneis kein Sediment-Gestein sein könne, sondern nur, dass die Parallel-Struktur desselben kein Beweis für seine Sedimentirung sei, und zwar, je stärker sie sich ausgebildet findet, desto weniger, und ebensowenig als die Parallel-Struktur und Schieferung der Dach-Schiefer ein Beweis ist für oder gegen die Sedi- mentirung dieses Thongesteins.. Auch in Dach-Schiefern, und über- haupt in allen Glimmer-Thon-Schiefern, sind die Glimmer, sowie auch gelegentlich andere nicht klastische Bestandtheile, in der Richtung der Schieferung angeordnet, nicht aber in derjenigen der Schichtung, wenn nicht gerade letztere zu ersterer parallel ist. Ausser der gewöhnlichen geraden Parallel-Struktur zeigen die Normal-Gneise sehr häufig verwickeltere Zustände, indem die Parallel- Struktur verbogen, gefaltet, geknickt auftritt. Dies ist sowohl im Kleinen an Handstücken (vgl. Fig. 1, 2, 3, 4) erkennbar, als auch im Grossen an Felswänden (vgl. Fig. 5, 6). Klein-Struktur des Gneises. Das Handstück Fig. 1 zeigt eine Faltung des Gneises, welche nicht bis zur Knickung getrieben ist. Man erkennt zunächst, dass der Gesteinswechsel kein fortlaufender ist, sondern granitische Partien in ihrem Streichen in gneisische über- gehen und umgekehrt, und zwar ohne dass diejenige Erscheinung Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 507 eintritt, welche man bei Schichtgesteinen als «diskordante Parallel- Struktur» bezeichnet. Ferner bemerkt man eine gewisse Abhängigkeit des Gesteins-Charakters von der Faltung. An den stärkstgekrümmten Stellen wird das Material gern granitisch, und in Fig. 1. Gneis-Handstück. (Normal-Gneis. Ober-Münsterthal,) den gneisisch ge- bliebenen Partien häuftsich der Biotit in der Nähe der Krümmungen an. u Biotit. granitisch. Alles dies zeigt, dass das Gestein zu der Zeit, als die Krümmung erfolgte, noch kein fertig.gebildetes war, sondern seine jetzige petrographische Beschaffenheit, mindestens zum Theil, durch die Faltung erst erhalten hat. Die einzelnen Gesteins-Lagen, sowohl die granitischen als die gneisischen, sind in den Krümmungen durchgehends verdickt, d. h. es wurde Gesteins-Masse in den Krümmungen zusammengeschoben. Dieser Umstand zeugt dafür, dass zur Zeit der Faltung des Gesteins die Masse desselben in einem plastischen Zustand muss gewesen sein, mag man sich diese Plastizität nun so vorstellen, wie es Heim (Mechanismus der Gebirgsbildung), oder so, wie es ). Lehmann (Entstehung der kryst. Schiefergesteine) thut, oder mag man sie sich vorstellen als diejenige eines ursprünglichen Magma’s, welches im Ganzen oder in einem Theil seiner Masse nicht völlig erstarrt war. An den einzelnen Glimmer-Lagen ist es auffallend, dass die- selben zwar in der Nähe der Krümmungen verdickte Stellen besitzen, allein die benachbarten Theile derselben Lage dadurch keine merk- liche Verminderung erfahren. Es wurde also nicht etwa eine be- stimmte Menge schon vorhandenen Glimmers nur in den Biegungen zusammengeschoben, sondern der Glimmer-Zuwachs in den Biegungen scheint eine wirkliche Glimmer-Vermehrung darzustellen, welche während 34% 508 Dr. Adolf Schmidt: der Faltungs-Bewegung stattfand, und vielleicht unter dem Einfluss derselben. Zu demselben Schluss gelangt man durch Betrachtung der beson- . deren Verhältnisse auf der linken Seite der Fig. 1, wo eine grössere Anzahl von Biotit-Lagen zusammenlaufen, ohne dass dadurch eine grössere Glimmer-Anhäufung entsteht, wie es der Fall sein müsste, wenn ausschliesslich fertig gebildete Glimmer-Lagen wären rein mechanisch zusammengeschoben worden. Da nach den mikroskopischen Beobachtungen die Glimmer-Ent- stehung in der Hauptsache mit der Entstehung der Parallel-Struktur des Gneises zusammenfällt und, nach dem eben Angeführten, auch die Faltung mit der Glimmer-Bildung zusammenhängt, so können Schieferung und Faltung des Gesteins keine zeitlich weit auseinanderliegende Vor- gänge gewesen sein. Unter dem Mikroskop zeigen sich im Dünnschliff an diesen gebogenen Gneisen keine besonderen Erscheinungen, welche nicht schon beim geraden Gneis wären beobachtet worden. Manche dem freien Auge als fortlaufend erscheinende Glimmer-Lagen erweisen sich hier als unterbrochen, ohne dass sich wirkliche Zerreissungen öfter nach- weisen liessen als beim geraden Gneis. Auch die fortlaufenden Glimmer- Lagen enthalten nur selten sehr lange gewellte Leisten, sondern sind meist Aggregate von annähernd parallel liegenden kürzeren Leisten, Fig. 2. Gneis-Handstück. (Normal-Gneis. Ober-Münsterthal.) m Biotit. < 4 tm. 3 granitisch. deren jede einzelne oft fast ohne Ausnahme gerade ist, und nicht gebogen, was ebenfalls auf eine Entstehung des Glimmers während der Faltung hindeutet. Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 509 Das Handstück Fig. 2 zeigt in seinem unteren Theil eben- falls, wie mehrere Biotit-Lagen sich in ihrem Streichen zu einer einzigen vereinigen, ohne dass dadurch eine dickere Glimmer-Lage entstünde, woraus wieder obiger Schluss zu ziehen ist. Im oberen Theil des Stücks sind scharfe Knickungen zu erkennen, an welchen stellenweise die Spitze zu einem Schweif ausgezogen er- scheint, was manchmal in noch viel auffallenderem Masse der Fall ist als an diesem Stück. Im Dünnschliff erkennt man, dass auch hier die Biotit-Lagen aus Aggregaten von theils geraden, theils ge- bogenen, ziemlich kurzen und annähernd parallelen Leisten bestehen. An der Knickung selbst liegt ein Theil dieser Leisten in einer die Falten-Schenkel verbindenden Kurve, während ein anderer Theil sich rechtwinklig zur Kurve anlegt und den erwähnten Schweif bildet, an dessen äusserstem Ende die einzelnen Biotit-Leisten bisweilen dünn ausgezogen erscheinen, oft aber auch stumpf abstossen. In letzterem Fall sind diese Leisten gut ausgebildet und gut erhalten, frei von Zerrungen oder Quetschungen. Die ausgezogene Gestalt, welche diese Bildungen makroskopisch zeigen, ist daher oft nur eine scheinbare. Es wurde nicht immer nur fertig gebildeter Biotit nachträglich aus- gezogen, sondern die ganze Gesteins-Masse wurde gestreckt, während sich gleichzeitig noch Biotit aus ihr abschied. Die geknickten Stellen zeichnen sich unter dem Mikroskop noch dadurch aus, dass der Feldspath stärker als sonst getrübt und theil- weise zerkleinert erscheint und den oft reichlich vorhandenen Korn- Quarz füllmassenähnlich umgibt. Auch zeigen sich, meist im Feld- spath, theils unregelmässige , theils sechsseitige, theils quadratische, farblose, oft zersprungene isotrope Körner, welche ich für Granat halte, Das Handstück Fig. 3 bietet eine Anzahl beachtenswerther Erscheinungen. Zuvörderst fällt es auf, dass hier vier verschiedene Arten der Gesteins-Ausbildung in einem kleinen Handstück neben- einander auftreten. Wir haben oben am Stück den selteneren Schiefer- Gneis; die Haupt-Masse besteht aus dem flasrigen Gneis mit unge- wöhnlich stark und unregelmässig verwundenen Biotit-Streifen ; ferner treten granitische Lagen auf, und endlich ist ein grosser linsen- 510 Dr. Adolf Schmidt: förmiger Kern von grobkrystallinem Feldspath vorhanden. Sowohl der schiefrige als der flasrige Gneis geht im Verlauf des Streichens stellenweise in Granit über. Fig. 3. Gneis-Handstück. (Normal-Gneis. Ober-Münsterthal.) Biotit. biotitreich, schiefrig. granitisch. Der weisse Kern ist gross- krystalliner Feldspath. ——bam: — Die seltsamen Verschlingungen der Biotit-Lagen rechts vom Kern deuten auf stattgehabte Stauchung einer noch plastischen Masse an dem schon festen Kern. Dass sich diese Lagen durchkreuzen, beweist, dass die Bildung des Glimmers eine begleitende Erscheinung von successiven Einzelbewegungen war. Dass der Kern, sowohl rechts als auch links oben, Uebergänge in Gneis zeigt, deutet darauf, dass derselbe bestrebt war, sich in diesen Richtungen fortzubilden, aber durch die eintretende Verfestigung seiner Umgebun& daran gehindert wurde. Da nach dem Gesagten der Kern früher fest war als die ihn umgebende Masse, da ferner dieser Kern, wie aus der Abbildung er- sichtlich, eine Anzahl kleiner Glimmer-Leisten und Aggregate solcher einschliesst, andererseits aber oben und unten von. sich an ihn anlegen- den groben Glimmer-Lagen umflossen ist, welche daher später gebildet sein müssen, so haben wir hier zwei verschiedene Biotit-Generationen, deren eine vor, deren andere nach der Bildung der Haupt-Masse des Feldspaths entstanden ist. Wir haben also ein makroskopisches Ab- bild eines Theiles der mikroskopisch im gewöhnlichen Normal-Gneis beobachteten Zustände, mit dem Unterschied, dass der Feldspath hier ein Aggregat ist und nicht ein Krystall. Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 511 Das Handstück Fig. 4 illustrirt, im Gegensatz zu den bisher beschriebenen Stücken, solche Veränderungen im Gneis, welche nach‘ vollständiger Festigung des Gesteins stattgefunden haben. Der Normal- Gneis, welcher auch hier in verschiedenen Varietäten auftritt, ist durch- klüftet. Die zwei grössten Klüfte, welche mit a—b bezeichnet sind, Fig. 4. Gneis-Handstück. (Normal-Gneis. Ober-Münsterthal.) ——Z> Biotit. [: 5] granitisch. Klüfte mit Chlorit und Quarz. liegen einander parallel, aber unter einem Winkel von etwa 35° zur Parallel-Struktur des Gesteins.. Durch solche Zerklüftungen entsteht die beim Münsterthal-Gneis häufig vorkommende Transversal - Ab- sonderung. Mehrere kleinere, nicht ganz durchgreifende Klüfte schneiden die Parallel-Struktur unter grösserem Winkel. Alle diese Klüfte sind in ihren einzelnen Theilen annähernd geradlinig, woraus auf Starrheit des Gesteins zur Zeit ihrer Entstehung zu schliessen ist. Auf ihnen hat eine Neubildung von Mineralien stattgefunden, wodurch das zer- klüftete Gestein zu einer völlig festen Masse wieder verkittet wurde. Die Klüfte sind fein, daher die Füllung sehr spärlich. Letztere besitzt eine schmutziggrüne Färbung und erweist sich im Dünnschliff als ein Gemenge von Chlorit und Quarz. Biotit wurde auf solchen Klüften nie beobachtet. Zu beiden Seiten solcher Klüfte ist meist der Biotit des Gneises auf geringe Erstreckung theilweise chloritisirt. 519 Dr. Adolf Schmidt: Gross-Struktur des Gneises. Sowie im Kleinen an Hand- stücken, so ist, in manchen Gegenden des Gebiets, z. B. im Drehbach, im Storener Bach, in der Elendgass beim Spielweg, auch an grösseren Felswänden die verwickelte Struktur des 'Gneises im Grossen zu be- obachten. Als Beispiele hiervon gebe ich die Abbildungen Fig. 5 und 6 von sichtbaren Theilen von Felswänden. In diesen Figuren bedeuten die Linien nicht mehr einzelne Glimmer-Lagen, sondern nur den all- gemeinen Verlauf der Gesteins-Struktur. Das Merkwürdigste an beiden Bildern sind die darin vorkommen- den Diskordanzen der Parallel-Struktur. So ist der obere Theil von Fig. 5 nach einem gänzlich verschiedenen System gefaltet als der untere. Die Achsen beider Systeme stehen etwa rechtwinklig zu einander. An der Grenze beider Systeme schmiegen sich aber die Kurven sanft aneinander; die Scheidelinie selbst ist eine zarte, die Verbindung eine innige und feste. Ob die Herstellung solcher Zu- stände in einem starren Gesteine gedacht werden kann, das überlasse ich dem Gefühl meiner Leser. Fig. 5. Normal-Gneis. Drehbach. Ober-Münsterthal. Die Linien deuten die allgemeine Struktur des Gesteins an. Der dunkle Kern ist hauptsächlich Biotit, Ebenso finden sich in Fig. 6 zwei ganz verschiedene Systeme von Parallel-Struktur, ein fast gradliniges links unten und ein ge- Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 513 welltes und zum Theil gefaltetes. Beide sind auch hier zu einem soliden Ganzen fest verwachsen. Fig. 5 zeigt eine etwa 15 cm lange, dunkle, verzogene, im Gneis eingeschlossene Linse, welche makroskopisch nur aus einem dunkel-grünlich-grauen, ziemlich grobblättrigen Biotit-Aggregat zu bestehen scheint, mit einer der Haupt-Ausdehnung der Linse annähernd entsprechenden Parallel-Struktur. Im Dünnschliff ergibt sich ein ver- worrenes Gemenge von vorwiegendem grünlich-gelbem, stark pleochro- itischem Biotit, schmutziggrünem, etwas fasrigem, schwach pleochro- itischem Amphibol, nebst ansehnlichen Mengen von polysynthetischem Füll-Quarz. Der Amphibol ist nicht deutlich krystallisirt und scheint die Biotit-Leisten und -Flasern umwachsen zu haben. Beide Mineralien sind von Quarz-Körnern durchspickt. Im Biotit finden sich zahlreiche, schön rothe, zum Theil durchsichtige Eisenglimmer-Blättchen, sowie grössere, undurchsichtige, unregelmässig gestaltete Theilchen von Rotheisenerz, während der Amphibol fast frei davon ist. Auch der Füll-Quarz enthält sehr feine Eisenerz-Theilchen, dagegen fehlen ihm die gereihten Flüssigkeits-Einschlüsse. Eine andere solche Linse im Gneis fand ich am Aussichts-Felsen zwischen Spielweg und Scharfenstein. Diese bildet dort den innersten Kern eines stark verwundenen Gneis-Knäuels und sieht äusserlich wie ein mittelkörniger, parallel-struirter Grünstein aus. Das Mikroskop zeigt ein Gemenge hauptsächlich von grüner pleochroitischer Hornblende und von nicht gestreiftem zersetztem Feldspath nebst geringen Mengen von Füll- Quarz, einzelnen grösseren, stark zersprungenen Granat- Körnern, einzelnen kleinen gelben Biotit-Blättchen und wenigen grösseren Flasern von chloritisirttem Glimmer. Die Hornblende ist hier gut charakterisirt, zum Theil in deutlicher Krystallform, grösstentheils aber unregelmässig geformt, mit Zerreissungs-Erscheinungen behaftet, oft von Quarz-Körnern durchspickt und bisweilen Feldspath-Theile ein- schliessend. Der Feldspath ist schlecht ausgebildet, zeigt lebhafte Aggregat-Polarisation, so dass er für porphyrische Grundmasse könnte gehalten werden, wenn er nicht meist deutliche Auslöschung nach grösseren Flächen zeigte. 514 . Dr. Adolf Schmidt: Solche Linsen, von welchen hier zwei beschrieben wurden, besitzen ; also keineswegs alle dieselbe Zusammensetzung. Da aber Amphibol; ; wie es scheint, stets eine ansehnliche Rolle in ihrer Masse spielt, so ist der Ausdruck „Amphibolit-Linsen“, womit man sie öfter bezeichnet, | kein unpassender. Fig. 6. Normal-Gneis mit Granit-Gang. Storener Bach, Ober-Münsterthal. In der Gneis-Wand Fig. 6 sieht man zwei verschiedene Struktur- Systeme des Normal-Gneises von einem wohlabgegrenzten, geraden Granit-Gang durchsetzt, welcher in gar keiner genetischen Beziehung zur Struktur des durchsetzten Gneises steht und daher weit später als der Gneis und zu einer Zeit entstanden sein muss, als dieses Gestein sich in einem vollkommen starren Zustande befand. Um die bier in Fig. 6 vorliegenden Verhältnisse herzustellen, waren also der Reihe nach folgende Vorgänge nothwendig: 1. Bildung eines Gesteins-Magmas in plastischem Zustand ; 2. Herstellung der Parallel-Struktur darin; 3. Herstellung der Diskordanz beider Struktur-Systeme durch innere Massen-Verschiebung; 4. Erstarrung des Gesteins; 5. Gang-Bildung. Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 515 d. Krystall- Gneis. Unter „Krystall-Gneis“ verstehe ich einen Gmneis, aus dessen Gesammt-Masse sich auffallend grosse Krystalle, gewöhnlich von Orthoklas, hervorheben, in solcher Zahl und Vertheilung, dass dieselben als wesentliche Bestandtheile des Gesteins angesehen werden müssen. Sind die Krystalle linsenförmig ausgezogen, so wird das Gestein gewöhnlich als „Augen-Gneis“ bezeichnet. Alle solchen Gneise sind, auch in ihrer Grundmasse, nicht nur makrokrystallin, sondern sogar fast immer grobkörnig. Derjenige des Münsterthal- Gebiets erscheint dem freien Auge als ein parallel-struirtes, grobkörniges Gemenge von grauem bis weissem Orthoklas, grauem Quarz und schwarzem Biotit, in welchem Gemenge grosse weisse Orthoklase von ', cm bis 3 cm Länge ausgeschieden sind. Diese Orthoklas-Ein- sprenglinge stellen theils flache, theils etwas gedrungene Tafeln dar, hauptsächlich von den Flächen &P, oP und «“Px begrenzt, nach oP zusammengedrückt und nach der Klinodiagonalen etwas in die Länge gezogen. Da sie sich nicht aus dem Gestein herauslösen lassen, ist ihre Krystallform genauer nicht zu bestimmen. Sie sind theilweise scharf und geradlinig begrenzt, grösserentheils aber an den Kanten mehr oder weniger stark gerundet. Bisweilen erscheinen sie in der Richtung der Parallel-Struktur des Gesteins linsenförmig ausgezogen und dabei quer zerrissen und theilweise zertrümmert, während sich in die so entstehenden Zwischenräume Biotit und Quarz hineinlegen. Die Orthoklas - Krystalle sind stets von kleinen Biotit-Blättchen durch- pfeffert, schliessen bisweilen auch Quarz-Körner und verschieden orientirte Feldspath-Kryställchen ein, welche letzteren bei etwas verwittertem Ge- stein durch andere Färbung hervortreten. Die grossen Krystalle, mögen sie scharf ausgebildet oder gerundet sein, sind meist von einer dünneren oder dickeren Lage grobblättrigen Biotits zunächst umgeben, an welche sich erst das körnige Gemenge der Gesteins-Grundmasse anschliesst. Die körnige Struktur dieser Grundmasse ist hauptsächlich durch die an Menge vorwiegenden Feldspath-Körner hervorgebracht, welche sich paragenetisch wie die grossen Krystalle verhalten und daher als 516 Dr. Adolf Schmidt: schwächere Ausbildung derselben Generation betrachtet werden dürfen. Der Glimmer windet sich in Flasern von sehr verschiedenen Längen und Dicken zwischen den Feldspath-Körnern hindurch. Der Quarz erscheint nur zum Theil in Körnern, zum weitüberwiegenden Theil als Füll-Quarz. Wir erkennen also in diesem Gestein schon makroskopisch zwei Generationen Feldspath, nämlich erstens die eingeschlossenen Kryställchen und zweitens die dieselben einschliessenden Orthoklase selbst. An manchen Stellen scheint die Masse der letzteren in die umgebende körnige Grundmasse überzugehen. Dies beweist, dass die Bildung der grossen Krystalle kein der Zeit nach völlig getrennter oder glatt abgeschlossener Vorgang war, sondern zuletzt mit der Bildung des kleineren Feldspaths in der Grundmasse zusammenging. Wir sehen ferner zwei Generationen Biotit, nämlich einerseits die feinen Blättchen und Leistehen in den Orthoklasen, andererseits den grobblättrigen, welcher die grossen Krystalle umgibt und sich zum Theil durch die Grundmasse hindurchschlingt. Endlich erkennt man drei Generationen _ Quarz, nämlich die kleinen Einschlüsse, die grösseren freien Körner und die Füllung. Im Ganzen sieht man also in diesem Gestein schon makroskopisch ungefähr dasselbe, was man im Normal-Gneis nur mikro- skopisch beobachten konnte. In der Umgebung des Hochkelch beim Belchen nimmt der Krystall- Gneis durch Zersetzungs-Vorgänge eine bunte Färbung an. Während der Quarz unverändert grau bleibt, wird der Biotit grün, der körnige Feld- spath, auch die in den grossen Einsprenglingen eingeschlossenen Feld- spath-Kryställchen, roth, und die Einsprenglinge selbst erhalten rothe Umrandung. Ich habe diesen bunten Krystall-Gneis als Hochkelch- Gneis bezeichnet. Die mikroskopische Untersuchung des Krystall-Gneises be- stätigt im Allgemeinen das makroskopisch Beobachtete. Die Ein- schlüsse von Biotit in den Feldspath-Krystallen sind nur ganz vereinzelt zu bemerken, die von Feldspath und Quarz sind noch seltener. Diese Dinge sind desshalb makroskropisch besser zu finden, weil man da grössere und mehr Bruchflächen mit Leichtigkeit übersehen kann. Korn-Quarz ist nur schwach vertreten. ‘Fast aller vorhandene Quarz Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 517 ist nicht nur polysynthetisch, sondern charakterisirt sich entschieden als Füll-Quarz, indem er mit prachtvoller Fluidal-Struktur den Glimmer um die Feldspathe herum begleitet und Glimmer-Flasern ganz ein- schliesst. Das Verhältniss zwischen Orthoklas und Plagioklas (Oligo- klas) ist ein wechselndes, ähnlich wie im Normal-Gneis. Auch hier sind die Plagioklase meist bedeutend kleiner als die Orthoklase. Die meisten Feldspath-Körner sind gerundet und grossentheils entweder unregelmässig zerbrochen oder nach den Haupt-Spaltungs-Richtungen zerspalten. In beiden Fällen sind die Risse mit Quarz und Biotit erfüllt von genau derselben Beschaffenheit wie der übrige Quarz und Biotit. Letzterer besitzt in diesem Gestein die gleichen Eigenschaften wie im Normal-Gneis. In Feldspath, Quarz und Glimmer finden sich grössere und kleinere Apatit-Mikrolithe sehr häufig, seltener Zirkone, Magnetit, Pyrit. In Qnarz und Feldspath liegen ausserdem einzelne schöne Titanite, theils in doppel-keilförmiger, theils in rundlieh-körniger Gestalt, oft stark zersprungen. Bisweilen tritt schmutziggrüne Hornblende accessorisch auf, meist mit Biotit zusammen und genau die gleiche Rolle spielend wie letzterer. Die zwischen Feldspath-Körnern sich hindurchwindenden Biotit-Bänder enthalten manchmal Stellen, an welchen der Biotit voll- ständig durch Hornblende ersetzt ist. Die beiden Mineralien gehen aber nicht ineinander über, sondern jedes ist für sich in ganz charakte- ristischer Weise ausgebildet. Biotit-Blätter liegen bisweilen in Horn- blende, während andererseits auch von Biotit umwachsene Hornblende vorkommt. In den Rand-Theilen der Feldspathe treten grosse gerade Biotit- Leisten zweiter Generation nur gelegentlich auf. Den Füll-Quarz durchziehen die gereihten Flüssigkeits-Einschlüsse chne Rücksicht auf die Polysynthetik, dagegen oft quer zur Richtung der Fluidal-Struktur. Nach Obigem unterscheidet sich der Krystall-Gneis vom Normal- “ Gneis im Wesentlichen: 1. durch das Zurücktreten der zweiten Generation von Quarz und von Glimmer; 518 Dr. Adolf Schmidt: 2. durch ungewöhnliche Grössen - Entwicklung vieler Individuen der zweiten Feldspath-Generation ; 3. dadurch, dass der Glimmer dritter Generation sich grossentheils unmittelbar an die Orthoklas-Krystalle anlegt, was im Normal-Gneis seltener der Fall ist. Sonst sind die paragenetischen Verhältnisse bei beiden Gesteinen die gleichen. In dem bunten Hochkelch-Gneis ergibt die mikroskopische Untersuchung, dass der Biotit sich theilweise oder ganz in gelbgrüne, nicht pleochroitische Substanz verwandelt hat, unter Ausscheidung weisser opaker Titanate und unter Verlust seiner feinblättrigen Struktur. Die Feldspathe sind, besonders in der Nachbarschaft dieser zersetzten Glimmer, mit feinsten Pünktchen von Rotheisenerz durchsäet, welche den Bruch- oder Spaltungs-Linien folgen, oder den durch Kaolinisirung getrübten Theilen der Krystalle, stets aber den Charakter von Infil- trationen tragen, welche vom Glimmer ausgehen. Die Feldspathe sind nicht auffallend stärker zersetzt als im grauen Krystall-Gneis. Die makroskopisch beobachtete rothe Umrandung der Feldspathe er- klärt sich leicht dadurch, dass die Krystalle stets von grossblättrigem Glimmer umlagert sind. Der Magnetit ist ganz, der Pyrit theilweise in _ rothes Eisenoxyd verwandelt. Manche Hochkelch-Gneise sind sehr glimmerreich und haben eine auffallend dunkle Grundmasse. Diese erweisen sich im Dünnschliff als stark Hornblende-führend. Die Feldspathe enthalten dann auch einzelne feine Theilchen von Hornblende eingeschlossen. e. Leptinit. Unter diesem Namen fasse ich eine Gruppe äusserlich recht wechselnd aussehender Gesteine zusammen, welche besonders am Nordhang der Belchen-Kuppe in grösseren Massen vorkommen und sämmtlich aus einem mehr oder weniger deutlich parallel-struirten Gemenge von Orthoklas und Quarz in der Hauptsache bestehen. Sie sind nahezu oder ganz frei von Glimmer, oft transversal abgesondert und spröde beim Zerschlagen. Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 519 Makroskopisch wechseln sie im Korn oft rasch zwischen fein und grob, in der Farbe zwischen grau, grünlich, roth, bräunlichgelb. Die graue Farbe mit einem Stich ins Grüne ist die gewöhnlichste. Mit der Lupe erkennt man graue oder bräunliche, seltener rothe Feldspath-Körner, welche von Füll-Quarz in parallelen Streifen um- flossen sind. Oft sind schwache, lichtgrüne Flasern und Linien be- merklich und meistens auch metallisch glänzende schwarze Erz-Körner, welche sich auch wohl streifenweise aneinanderreihen. Seltener finden sich in paraltelen Ebenen gelagerte Kryställchen von schwarzem Amphibol. Unter dem Mikroskop sieht man Orthoklas-Individuen (Plagio- klas ist selten) in einer fluidalen Masse liegen, welche theils aus einem feinen Gemenge von Feldspath- und Quarz-Körnchen besteht, theils nur aus polysynthetischem Quarz. Die Feldspathe schliessen bipyra- midale und andere weniger regelmässig geformte Quarze ein. Die spärlich vorhandene grüne Substanz spielt dieselbe paragenetische Rolle wie der Glimmer in den Gneisen. Sie ist schön grasgrün bis gelblich- grün durchsichtig, tritt in langen Flasern oder in ganz unregelmässigen, oft sehr zarten Partien auf; ist nur dann pleochroitisch, wenn sie blättrige Struktur. besitzt. Letzterer Umstand deutet darauf hin, dass sie ein Zersetzungs-Erzeugniss von Glimmer sei, was auch dadurch be- stätigt wird, dass sich in seltenen Fällen braunrothe pleochroitische Biotit-Kerne darin finden, welche in die grüne Substanz überzugehen scheinen. Von Salzsäure, selbst starker und erwärmter, wird die Sub- stanz nicht angegriffen. Ihre Polarisationsfarben sind sehr lebhaft, bald an die des Chlorits, bald an die der Hornblende erinnernd. Läng- liche Partien löschen stets gerade aus. Feldspathe enthalten bisweilen Blättchen von wohl charakterisirtem Biotit, theils noch braun, theils durch obige Umwandlung grün gefärbt. Die metallglänzenden Theilchen ergeben sich unter dem Mikroskop als vollkommen undurchsichtig, schwarz bis bräunlichschwarz, dick- blättrig. Die Durchschnitte sind bald schmal leistenförmig, bald sechs- seitig, bald zu unregelmässigen Gestalten aggregirt, meist langgestreckt nach der Parallel-Struktur des Gesteins. Sie werden von erwärmter OT RR Dr. Adolf Seknndt: Salzsäure, selbst bei Zusatz von etwas Salpetersäure, nicht merklich . angegriffen und sind stellenweise von etwas weissen oder gelblichen, schwach durchscheinenden Leukoxen begleitet, also Titaneisen. Sie finden sich als kleine Einschlüsse im Feldspath. Grössere Partien greifen durch sämmtliche Gesteins - Bestandtheile hindurch. Das Titaneisen ist jedenfalls das älteste Ausscheidungs-Erzeugniss in dem Gestein. Wenn Amphibol auftritt, fehlen gewöhnlich sowohl die grüne Sub- stanz als auch das Erz. Der Amphibol erscheint unter dem Mikroskop schmutzig-grün, deutlich pleochroitisch, oft mit auffallend fein aus- gebildeter Spaltbarkeit, so dass er mit Biotit verwechselt werden könnte, wenn nicht die schiefe Auslöschung dies verhinderte. Para- genetisch spielt er dieselbe Rolle wie der Glimmer im Normal -Gneis und zeigt alle drei Generationen desselben, indem er als kleine Ein- schlüsse im Feldspath vorkommt, ferner als grössere gestreckte Partien in die Ränder der Feldspathe stark eingreift; endlich, für sich oder von Füll-Quarz begleitet, sich um Feldspath und um Korn-Quarz herumlegt. Die Parallel - Struktur der Leptinite verwischt sich stellenweise, wodurch granitische Varietäten entstehen, welche sich ebenfalls durch sehr ungleiches Korn auszeichnen und bisweilen ein hornfels-ähnliches Aussehen annehmen. Die Absonderung der Leptinite ist selten schiefrig, sondern mit Vorliebe transversal, oft mit einem Winkel von etwa 45° zur Parallel-Struktur. f. Rother Gneis. Der rothe oder Muskovit-Gneis, welcher besonders an der Südost- Seite der Belchen-Kuppe zu Tage tritt, ist ein parallel-struirtes ‘Ge- menge von hell fleischrothem bis röthlich-gelbem Feldspath mit grauem Quarz, und sehr wechselnden, meist geringen Mengen von weissem perlmutterglänzendem Muskovit. Es gehören hierher also nur ganz hellfarbige, bald mehr röthliche, bald mehr gelbliche Gesteine. Ihr Korn ist sehr verschieden. Am häufigsten sind sie mittel- bis grob- körnig. Nicht selten verwischt sich die Parallel-Struktur und es bilden di. ge dr a Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 591 sich Uebergänge in granitische Massen von sonst gleicher Zusammen- setzung, wie dies auch bei den benachbarten Leptiniten der Fall ist. An letztere schliessen sich die rothen Gneise auch darin enge an, dass die die Parallel-Struktur hervorbringenden Elemente nicht der Glimmer, sondern Feldspath und Quarz sind. Im Querbruch sieht man nämlich, dass parallele Linsen und Flammen aus Feldspath und Quarz von fluidalem Füll-Quarz in welligen Lagen umflossen sind, während der in '/; bis 2 mm grossen einzelnen Schüppchen vorhandene Muskovit sich nur zum Theil dem parallelen Gefüge anschmiegt, zum andern Theil aber beliebige andere Lagen einnimmt. Die Schüppehen sind nicht scharf auskrystallisirt, sondern unregelmässig begrenzt und scheinen in der sie umgebenden Mineral- Masse zu verschwimmen. Accessorisch finden sich: Eisenkies, in bis erbsengrossen, zum Theil ge- streckten Aggregaten; feine Körnchen schwarzer Hornblende, in der Richtung der Parallel-Struktur gereiht; an einem Punkt, am West- Ende der Belchen-Kuppe auch hübsche Turmalin-Säulchen, bis 5 mm lang, und ebenda vereinzelte nur mit der Lupe erkennbare gelbrothe Granaten. Der Quarz ist selten etwas grünlich gefärbt und von feinen gelbgrünen Häutchen begleitet. Bisweilen schiefert der Muskovit-Gneis, besonders wenn er sich in etwas verwittertem Zustand befindet. Der angedeutete innige Zusammenhang zwischen rothen Gneisen und Leptiniten bekundet sich auch in petrographischen Uebergängen ‘zwischen beiden, indem die Leptinite stellenweise röthliche Färbungen erhalten und damit meistens auch Muskovit aufnehmen. Der mikroskopische Befund entspricht im Allgemeinen obiger makroskopischer Beschreibung. Plagioklas ist sehr spärlich vertreten. Jede Feldspath-Linse löst sich in mehrere verschieden orientirte, meist gerundete, und nicht selten stark zersprungene, Orthoklas-Individuen auf, welche durch Füll-Quarz verkittet sind. Sie sind meist stark zersetzt und getrübt durch Kaolin und durch rothe oder gelbe, fein vertheilte Eisenoxyde, welche dem Feldspath seine Färbung geben, und zeigen in Folge dieser Zersetzung fast durchgängig Aggregat- Polarisation, auch in äusserlich frisch aussehendem Gestein. Ausser Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N, Serie. IIl. 85 599 Dr. Adolf Schmidt: feinem, durch die Zersetzung abgeschiedenen Quarz enthalten sie einzelne bipyramidal oder anders gestaltete klare Quarz-Individuen und kleine etwas zersetzte Feldspäthchen. Eigentlicher Korn - Quarz ausserhalb der grösseren Feldspathe ist nur stellenweise vertreten. Die Haupt- Masse des Quarzes ist, oft fluidal-struirter, polysynthetischer Füll-Quarz, in welchem, wo er ganz klar ist, gereihte Flüssigkeits-Einschlüsse sich erkennen lassen, auch hier durch mehrere, verschieden orientirte Körner hindurchsetzend. Derselbe ist aber oft innig mit feinen Feldspath- Theilchen vermengt, welche theils kleinere Krystalle, theils Trümmer zu sein scheinen. Grössere Feldspathe, welche breit im Fluidal-Quarz liegen, haben manchmal einen gleichbreiten Schweif solcher mit Quarz vermengter detritischer Masse hinter sich. Neben diesem Quarze kommt aber, und zwar ziemlich reichlich, äusserst fein gekörnter oder gefaserter Kalzedon vor, oft so fein struirt, dass er bei schwächerer Vergrösserung mit Muskovit verwechselt werden kann. Bei Anwendung von 400 bis 600fachen Vergrösserungen ist er gewöhnlich mit Bestimmtheit davon zu unterscheiden durch seine etwas gröbere und gezackte Liniirung und seine weit lebhaftere Färbung im polarisirten Licht, während der Muskovit stets durch äusserst feine und scharfe, sanft geschwungene Liniirung ausgezeichnet ist, sowie in ganz unverkennbarer Weise durch die wunderbar zarten, weichen und gefälligen Töne seiner überwiegend in mildes Grün und Rosa spielenden Polarisations-Farben. Der Kalzedon bildet feine gerade Fäserchen und feinfaserige oder gekörnelte Aggregate, auch vielfach verzweigte Spaltenfüllungen in stark zersetzten Feldspathen, und ist dann entschieden ein sekundäres Produkt. Ausserdem tritt er in grösseren Mengen als Begleiter der grösseren im Fluidal-Quarz liegen- den Muskovit-Leisten auf. Der Muskovit ist bald äusserst spärlich, bald ziemlich reichlich im Gestein vertreten. Er ist farblos, besitzt aber deutliche Ab- sorption und sehr schwachen Pleochroismus, indem er mit wachsen- der Absorption einen Stich ins Blau-Grüne annimmt. Er ist gewöhnlich scharf abgegrenzt und greift randlich in Feldspathe ein, bisweilen mit stumpfer Endigung. Ferner tritt er in dünnen Lamellen in paralleler Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 5923 Verwachsung nach den Spaltungs-Richtungen im Feldspath auf. Meist aber schwimmt er als scharf aber unregelmässig endigende, bisweilen ausgezogene, breite Leisten, oft von Kalzedon begleitet, im Fluidal- Quarz, und schmiegt sich dann auch wohl an Feldspathe oder an Korn-Quarze an. a An einer Stelle beobachtete ich einen, nahezu bis zur Undurch- sichtigkeit gelb zersetzten Feldspath, welcher von einer überaus fein- faserigen, sich vielfach verzweigenden, farblosen Masse durchädert und fein durchwebt ist, welche Masse sich zwar auch bei starker Ver- grösserung nicht vollkommen auflöst, aber doch mit genügender Deut- lichkeit als ein inniges Gemenge von Kalzedon und Muskovit zu er- kennen gibt, in welches sich ein Theil des Feldspath-Krystalls verwandelt hat. Hier liegt also ein Beispiel sekundärer Entstehung des Muskovits vor, Allein daraus zu folgern, dass aller Muskovit im Gestein so ent- standen sei, scheint mir, angesichts der übrigen beschriebenen Ver- hältnisse, nicht wohl thunlich. Mit einigem Rechte könnte dies nur für diejenigen der grösseren Muskovit-Vorkommnisse gefolgert werden, wo das Mineral von Kalzedon begleitet ist. — Eine in Feldspath ein- geschlossene, kleinkrystallische Generation findet sich allerdings vom Muskovit nicht vor. Die Paragenesis ist auch im rothen Gneis eine ähnliche wie in den vorigen. Vor der Parallel-Struktur entstanden kleine, theil- weise bipyramidale Quarze und die dieselben einschliessenden Feld- spath-Krystalle, sowie auch ein Theil des Muskovits und der übrigens nicht sehr häufige Korn-Quarz, welcher ebenfalls Bruch-Erscheinungen zeigt. Während der Herausbildung der Parallel-Struktur wurde der mit kleinen Feldspath-Theilen vermengte fluidale Füll-Quarz fest, und wenn man, wie wohl natürlich, diesen Vorgang als einen überaus lang- wierigen annimmt, lässt es sich denken, dass gleichzeitig Zersetzungs- Prozesse in den vorhandenen Feldspathen und in Folge deren Bildungen von Muskovit und Kalzedon eingetreten seien, welche sich parallel in die fluidale Masse einlagern konnten. Ich bin indessen mehr geneigt, die Hauptmasse des Muskovits für primär zu halten. Die im rothen Gneis makroskopisch bisweilen beobachtete grünliche - 35 * 524 Dr. Adolf Schmidt: Färbung der Quarz-Streifen rührt, wie das Mikroskop zeigt, von fein- vertheilten Hornblende-Theileben her. — Diejenige Hornblende, welche in manchen Varietäten des Gesteins auch mit freiem Auge als dunkle Körnchen erkennbar ist, tritt stets nur als gelegentlicher Gemengtheil auf und ist dann sehr ungleich im Gestein vertheilt. -Sie erscheint im auffallenden Licht dunkelgrün, im durchfallenden stark pleochroitisch, schmutzig-grün nach gelblich-braun, als einzelne rhomboidale Kıy- ställchen oder als grössere meist zerrissene Massen, an Feldspathen anliegend oder frei im Quarz. Sie zeigt viel deutlichere Zerreissungs- Erscheinungen als der Feldspath. Manche längere Krystalloide sind in der Richtung der Gesteins-Struktur in eine Anzahl kurzer Stücke zerrissen und die Zwischenräume sind mit Quarz ausgefüllt. Ihre Bildungszeit fällt also zwischen die der Feldspathe und die Entstehungs- zeit der Gesteins-Struktur (also auch hier der dritten Biotit-Generation des Normal-Gneises entsprechend). Turmaline habe ich nur an obengenanntem Punkt im Gneis an- getroffen. Dieselben werden nur in sehr dünnen Schliffen gut durch- sichtig und zeigen dann einen kräftigen Pleochroismus, dunkel braun- grün nach hell grünlichgrau. Sie zeigen die gewöhnlichen Formen, und manche besitzen hier, wie oft anderwärts, zonaren Aufbau und blaugrauen Kern. Sie schliessen einzelne Quarz-Kryställchen ein, in Rissen auch polysynthetischen Quarz und feinen Kalzedon. Ihre scharf ausgebildeten Formen greifen in Feldspathe ein, was ihre frühere Ent- stehung bekundet. Gleich letzteren sind sie von Füll-Quarz umflossen und bisweilen etwas zerrissen. Doch haben sie augenscheinlich diesen mechanischen Wirkungen grösseren Widerstand geleistet als Feldspath und Hornblende. Die in diesem Turmalin führenden Gneis äusserst sparsam vor- kommenden Granaten sind ebenfalls scharf ausgebildet und scheinen älter als der Feldspath zu sein. g. Granite. Diejenigen granitischen Gesteine, welche im Gneis eingeschaltet sind und als demselben zugehörige Lager-Granite auftreten, sind bei der Beschreibung des Normal-Gneises behandelt worden. | Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 595 Granite bilden aber im Münsterthal-Gebiet oft auch Gänge im Gneis und andere verbreiten sich, wie die Karte zeigt, über grössere Oberflächen-Bezirke, einerseits in grosser Ausdehnung an der süd- lichen Gebiets-Grenze bei Münsterhalden, andererseits an einzelnen Stellen als rundlich umgrenzte Massen mitten im Gneis. Sind die Lager-Granite ziemlich einförmig und im Wesentlichen von der Zusammensetzung des Gneises selbst, so zeigen im Gegentheil die Gang-Granite und die Massen-Granite eine bedeutende Mannig- faltigkeit ihrer petrographischen Entwicklung. Verglichen mit dem Normal-Gneis sind alle diese Granite überaus arm an Glimmer. 1. Gang-Granite. Die Gang-Granite sind theils Granitite, theils Muskovit-Granite, theils zweiglimmerig, theils endlich ganz oder beinahe frei von Glimmer. Einzelne Gänge enthalten quarzfreies Material, welches zum Syenit zu rechnen ist. Granitit. Der Gang-Granitit zeigt sich in den verschiedensten ‚, Korn-Grössen bis zu pegmatitischer Ausbildung. Die Farbe ist meist weiss oder hellgrau, seltener röthlich bis braunroth. Letztere Färbungen rühren meist davon her, dass sich der Feldspath zersetzt hat unter Ausscheidung von feinem Rotheisenerz, welches fein vertheilt in den stark getrübten und Aggregat-Polarisation zeigenden Mineral-Theilen mikroskopisch erkannt werden kann. Doch kommt es auch vor, dass der Quarz röthlich gefärbt erscheint, und zwar bisweilen in weissen Graniten. In diesem Fall zeigt das Mikroskop sehr feine Blättchen von Eisenglimmer in den Quarz-Körnern. Hier ist also die Färbung eine ursprüngliche, bei den Feldspathen eine sekundäre, und die beiden Erscheinungen stehen in keinem Zusammenhang. Der Orthoklas bildet fast immer den weit überwiegenden Bestand- theil des Gesteins. Seine Farbe ist die Gesteinsfarbe, sein Korn das Korn des Gesteins. In grosskörnigen Varietäten ist er nicht selten bläulich gefärbt. Der Quarz ist gewöhnlich grau und matt und bildet theils einzelne 526 Dr. Adolf Schmidt: in oder ausserhalb des Feldspaths liegende Körner, theils Füllmasse. Charakter und Menge desselben sind sehr wechselnd, besonders in grobkörnigem und pegmatitischem Gestein. Der braunschwarze Biotit ist in den fein- und mittel-körnigen Gang-Graniten nur äusserst spärlich, als vereinzelte feine Leistchen, vertreten. In den gröberen Graniten dagegen bildet er oft zwar dünne, aber scharf auskrystallisirte grosse Blätter; bald regelmässig sechs- seitig, bald in einer Richtung sehr stark verlängert, so dass Bänder hergestellt werden von nur 1—2 mm Breite aber bis 30 mm Länge; bald endlich regelmässig dreiseitig mit wohlausgebildeten Ecken. An einem solchen dreiseitigen Blatt mass ich zwei Seiten zu je 5 mm, die dritte zu 5'/, mm. Grössere Biotit- Blätter bilden in gross- körnigem Granitit oft die Scheidewände zwischen zwei verschieden orientirten Orthoklas-Partien. Doch greift der Biotit auch in einheit- lich orientirte Masse ein. Die Blätter sind fast ausnahmslos gerade; ihre Lagerung im Gestein ist aber eine ganz regellose. Gewöhnlich entspricht die Grösse der Biotit-Blätter annähernd der Korn-Grösse des Gesteins. Doch finden sich auch Beispiele von grossen Glimmer- Blättern oder bis 20 mm langen Bändern in mittelkörnigem Gestein. Auch in diesem Fall zeigen die oft recht zarten Blätter keine Biegungen von Belang, sondern sind fast durchweg schnurgerade durchs Gestein gewachsen, den Quarz durchschneidend und in Feldspathe eingreifend. Dies zeigt klar die paragenetiSche Priorität dieses Glimmers gegenüber der Hauptmasse des Quarzes und einem Theil des Feldspathes an, und wenn nun, wie ich es beobachtet habe, in einem Gang von nur 15 mm Mächtigkeit solche dünne Glimmer liegen von 12 mm Länge, ohne ver- bogen zu sein, so sind dies Umstände, welche die eruptive Entstehung eines solchen Ganges als eine überaus kühne Vorstellung erscheinen lassen, da allein schon die Ausdehnungen und Zusammenziehungen beim Erstarren einer irgendwie gearteten Eruptiv-Masse die zarten und grossen Blätter müssten in irgend einer Weise deformirt haben. Ein äusserst langsam und ruhig erfolgender Niederschlag aus dünnen wässrigen Lösungen scheint mir für die erwähnten Zustände die einzig mögliche Erklärung zu sein. Gewiss nicht mit Unrecht hat man sich Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 597 in letzter Zeit mehr und mehr daran gewöhnt, die pegmatitischen Gänge als wässrige Bildungen anzusehen. Unter dem Mikroskop fallen in den Gang-Granititen zunächst die Feldspathe als reichlichster Gemengtheil von theilweise guter kry- stallischer Ausbildung ins Auge. Besonders scharf sind die, übrigens nicht sehr häufigen und stets auch kleineren, Plagioklas-Krystalle aus- gebildet und theilweise von den Orthoklasen umwachsen. Nach ihrer Löschung scheinen sie hier, wie im Normal-Gneis, Oligoklase zu sein. Viele Orthoklase sind etwas gerundet und zum Theil wie zertrümmert, auch oft zersetzt unter Ausscheidung von fein vertheiltem rothen Eisenerz. Sie schliessen Feldspath-Kryställchen ein, weniger häufig Biotit-Blättchen und kleine Quarze; ferner gelegentlich noch ziemlich grosse Apatit-Säulen, welche gewöhnlich in grösserer Anzahl ohne be- stimmte Orientirung beisammen liegen. Karlsbader Zwillinge sind an den Orthoklasen hier öfter zu bemerken als im Gneis. Der Biotit ist derselbe wie im Normal-Gneis. Ausser als Ein- schlüsse im Feldspath trifft man ihn noch in grösseren Individuen, die Feldspathe umwachsend und stellenweise in dieselben eingreifend. Diese beiden Vorkommen entsprechen also den beiden ersten Glinmer- Generationen in den beschriebenen Gneisen. Allein die in letzteren am bedeutendsten entwickelte dritte Generation fehlt hier oder ist mit der zweiten vereinigt. Grüne Hornblende findet sich accessorisch und spielt auch hier die gleiche Rolle wie der Biotit. Sie kommt auch mit letzterem zusammen und in lamellarer Parallel-Verwachsung vor. Manche Gang-Granitite führen zahlreiche und ziemlich grosse, aber nicht besonders gut ausgebildete Titanit-Körner, zum Theil mit Einschlüssen von Eisenglimmer und mit grüner opaker Umrandung. Der Quarz tritt in Feldspathen in zweierlei Gestalt auf, eines- theils als kleine Krystall-Einschlüsse, anderntheils als unregelmässige kalzedonartige Ausscheidungen sekundärer Natur. Reichlich findet sich der Quarz ferner als Korn-Quarz, die Feldspathe umgebend und in ihre Ränder eingreifend. In Folge der reichlichen Entwicklung dieses Korn-Quarzes nimmt er hier, wie bisweilen im Gneis, einen grob- polysynthetischen Charakter an und ist dann vom Füll-Quarz schwer 398 Dr. Adolf Schmidt: zu unterscheiden und zu trennen. Stellenweise findet man indessen neben obigem auch den fein-polysynthetischen eigentlichen Füll- Quarz. Auf dem Berg-Grat des Riester, unweit des Katzenstuhl-Gipfels, fand ich granatführenden Granitit, als unscheinbar braun- graues feinkörniges Gestein. Dasselbe wird schon mit der Lupe als ein Gemenge erkannt von weissem bis braungelbem Feldspath, grauem Quarz und wenig dunklem Glimmer in feinen Leistchen, und endlich von ziemlich gleichförmig vertheilten gelbrothen Granaten, deren grösste etwa 1 mm Durchmesser besitzen. Wo der Glimmer sich vermindert, erscheinen die Granaten zahlreicher. Das Gestein besitzt zum Theil Neigung zur Parallel-Struktur. Da kein Aufschluss vorhanden, bleibt es zweifelhaft, ob es einem Gang zugehört oder granitisch ausgebildetem Gneis. Für letzteres spricht einigermassen das mikroskopische Aus- sehen des vorhandenen Biotits, dessen zerfaserte Blätter sich oft zwischen Mineral-Körnern wellig hindurchwinden. Andererseits zeigt das Mikroskop eine prachtvolle Entwicklung des Korn-Quarzes. Auch sind die bipyra- midalen Quarze in den Feldspathen verhältnissmässig gross und zahl- reich. Die Granaten werden im Dünnschliff schön gelblich-roth durch- sichtig. Sie liegen durchgängig an den Rändern der Feldspathe, in letztere stark eingreifend, und sind meist von Korn-Quarz umgeben, in dessen Entstehungs-Zeit, gegen Ende der Feldspath-Bildung, sie in paragenetischer Beziehung fallen. Die Granaten im Heidelberger Turmalin-Granit verhalten sich ähnlich. Grösse und Gestalt der Granaten sind überaus wechselnd. Die meisten haben rundliche Umrisse. Andere aber sind eiförmig oder gar schlauchartig verlängert, in welchem Fall sie Einwirkung auf polarisirtes Licht zeigen. Sie sind ‘oft stark zersprungen und auf den Sprüngen ist braungelbes Eisenerz abgelagert. Die nicht zersprungenen sind fast frei von Einschlüssen. Die stark zersprungenen, und grösseren enthalten dagegen zahlreiche, unregelmässig eckige Gebilde, wahrschein- lich etwas losgelöste Granat-Splitter; ferner feine gelbe Eisenerz- Theilchen, Flüssigkeits-Einschlüsse und endlich die ebenfalls zu letzteren zu rechnenden farbigen Körnchen. Alle diese Dinge dürften sonach sekundäre Bildungen sein. | Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. : 599 Zweiglimmer- und Muskovit-Granit. Diese unter- scheiden sich in ihrem ganzen, sowohl makroskopischen als mikro- skopischen Verhalten von den Granititen nur durch ihren theilweisen oder ausschliesslichen Gehalt an Muskovit. Der Muskovit verhält sich ähnlich wie der Biotit und liegt ent- weder zwischen Quarz und Feldspath oder häufiger zwischen verschieden orientirten Feldspath-Individuen und stellenweise in diese eingreifend. Er gehört also zur zweiten Glimmer-Generation. Er bildet entweder linsenförmige Körper oder ziemlich dicke Lamellen, welche oft in den Feldspathen stumpf abstossen, also nicht als Zersetzungs-Erzeugnisse betrachtet werden können. Grössere Partien sind, wie im rothen Gneis, meist innig mit feinem Kalzedon vermengt. Als wirklichen Einschluss in einheitlich polarisirendem Feldspath zeigt sich der Mus- kovit ebenfalls gelegentlich in meist zerfaserten Lamellen. Ob gewisse feinste Fäserchen, welche manche Feldspathe des Gesteins durch- schwärmen, auch als Muskovit zu deuten sind, möchte ich nicht mit Sicherheit behaupten, obgleich ihr Aussehen dafür spricht. In den zweiglimmerigen Graniten finden sich die beiden Glimmer- Arten bisweilen getrennt, öfter aber in gegenseitiger Berührung vor, jedoch selten in paralleler Stellung zu’ einander. Accessorisch kommt Hornblende vor, sowie mikroskopischer Eisenglimmer, letzterer in Quarz liegend und eine makroskopisch erkennbare Rothfärbung desselben bedingend. Glimmerfreier Granit. Viel seltener als die beschriebenen kommen im Normal-Gneis gangartige Bildungen von glimmerfreien Graniten vor. Sie sind fast immer fleischroth gefärbt, ziemlich eben im Bruch, oft einem Felsitfels nicht unähnlich. Mit der Lupe unter- sucht, ergeben sie sich als ein Gemenge von meist rothen Feldspath- Individuen von sehr wechselnder Grösse, wenigen grauen Quarz-Körnern, dagegen sehr vielem mikrokrystallinen Füll-Quarz, welcher nicht selten auch in Gestalt von Adern auftritt. Sehr feine gerade Spalten im Gestein scheinen mit demselben grünlichen Gemenge von Chlerit und Quarz erfüllt zu sein, welches ich beim Normal-Gneis als dünne Klüfte erfüllend erwähnt habe. 530 Dr. Adolf Schmidt: Syenit. Manche Gänge im Gneis enthalten ein fleisch- bis dunkel-rothes, mittelkörniges, quarzfreies Gestein, hauptsächlich be- stellend aus einem Aggregat vom Orthoklas-Kryställchen, dessen un- regelmässig eckige Zwischenräume mit dunkelbraunen Eisenerzen theils erfüllt, theils nur ausgekleidet sind. Auch einzelne gerade leistenförmige, auf zerstörten Glimmer deutende Lücken sind erkennbar. Im Dünnschliff erweist sich das Gestein ebenfalls als quarzfrei. Der grösstentheils gut auskrystallisirte Feldspath ist zu etwa einem Drittheil Plagioklas (Oligoklas), welcher gelegentlich von Orthoklas umwachsen ist. Das opake, theils rothe, theils braune Eisenerz nimmt zwischen den Feldspath-Individuen eine ähnliche Stellung ein, wie in den Graniten oft die Hornblende und die Glimmer zweiter Generation. Gelegentlich treten zwischen dem Eisenerz grün durchsichtige Stellen hervor, welche theils strukturlos, theils gestreift oder gefasert sind. Letztere besitzen Spuren von Pleochroismus. Sehr kleine, in einheitlich polarisirenden Feldspathen eingeschlossene, grüne, durchsichtige Bildungen ähnlicher Art zeigen die optischen Eigenschaften theils von Hornblende, theils von Biotit. Es kann kaum zweifelhaft sein, dass hier ein zer- setzter Syenit vorliegt. Eine Anzahl eckig begrenzter kleiner Eisenerz-Körnchen im Feld- spath sind oxydirte Pyrit-Kryställchen, wie aus ihrer Gestalt sowie auch daraus hervorgeht, dass sich selten noch Kies-Reste vorfinden. Ausser diesen und den vorher erwähnten Einschlüssen enthalten die Feldspathe stellenweise auch kleine, verschieden orientirte Orthoklas- Kryställchen eingeschlossen, dagegen keine Quarze, wie sie in den Feldspathen der Granite so schön vorkommen. Da der Quarz sonst im Gestein fehlt, fehlt er auch als mikrolithischer Einschluss. 2. Massen-Granite. Die in grösseren, nicht gangförmigen, Massen vorkommenden Granite sind entweder Granitit oder Zweiglimmer-Granit. Muskovit- Granit zeigt sich in grösseren Massen nur insoweit, als die oben be- schriebenen Muskovit-Gneise durch Aufgabe ihrer Parallel-Struktur granitisch werden. Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 531 Granitit. Die untersuchten Massen-Granitite des Gebiets sind im Allgemeinen klein-körnig, hellroth oder grünlich-grau gefärbt, und viel glimmerreicher als die meisten Gang-Granite. In den rothen erkennt man leicht, ausser rothem Feldspath und grauem Quarz, zahlreiche einzelne Leistchen und Blättchen, oft hübsch sechsseitig ausgebildet, von bräunlich-schwarzem Biotit, regellos ge- lagert, bisweilen auch daneben etwas grössere in die Länge gezogene und annähernd parallele Glimmer-Theile, welche an manchen Stellen eine gneis-ähnliche Struktur des Gesteins hervorrufen. Mikroskopisch wiederholen sich hier im Wesentlichen die bei den Gang-Granititen beschriebenen Verhältnisse, mit folgenden Unterschieden: 1. Geringere und insbesondere mehr lokalisirte Entwicklung des kör- nigen Quarzes. 9. Ein stellenweise ganz ansehnliches Auftreten der dritten Glimmer- Generation, wie schon makroskopisch bemerkt wurde. 3. Ziemlich reichliches Vorkommen von makroskopisch nicht erkenn- barem Muskovit, welcher hier, gleich dem Biotit, in allen drei Generationen- auftritt. Er ist grossentheils mit dem Biotit parallel verwachsen, und zwar oft so, dass in der Längserstreckung einer und derselben Glimmer-Leiste der Muskovit den Biotit ablöst und die Spaltung in gleicher Richtung durch beide Glimmer-Arten hin- durchgeht. Diese innige Verwachsung ist es wohl, was den Mus- kovit makroskopisch unkenntlich macht. Die beiden erstgenannten Punkte deuten an, dass diese Massen- Granite in paragenetischer Hinsicht eine Zwischenstellung einnehmen zwischen Gang-Granit und Gneis. Die röthliche Farbe der Feldspathe rührt auch hier von Zersetzung derselben unter Eisen-Abscheidung her. Die grünlich grau gefärbten Massen-Granitite (Münsterhalden- Granit) enthalten makroskopisch, ausser röthlich-grauem Feldspath und grauem Quarz, reichliche Mengen eines blass grau-grünen, schwach glänzenden, feinschuppigen Minerals, welches in den gestreckten Formen eines Glimmers auftritt und sich den übrigen Mineralien gegenüber ebenso verhält wie der Biotit im rothen Massen-Granitit. Im Dünn- schliff zeigt sich ein in allen drei Generationen auftretender blassgrüner 532 Dr. Adolf Schmidt: Glimmer, welcher aber seinen Pleochroismus fast ganz eingebüsst hat, grossentheils schön indigo-blaue Polarisations-Farben und vielfach eine feinschuppige Struktur aufweist. Stellenweise besitzt er noch dunklere, bräunliche Färbung und damit etwas deutlicheren Pleochroismus. Es ist dies hiernach ein chloritisirter Biotit. Er ist mit opaken Körnchen von Leukoxen besäet. Von den Glimmern aus ziehen sich oft Adern von Brauneisenerz in die benachbarten Feldspathe hinein. Es scheint also bei der Umwandlung Eisen ausgezogen und in den Feldspath infiltrirt worden zu sein. Auch die Feldspathe, Orthoklase und Plagioklase, sind mehr oder weniger zersetzt und besitzen grossentheils Aggregat-Polarisation. Sie ent- halten zahlreiche, schön ausgebildete Apatit-Kryställchen und -Mikrolithe. Das Gestein ist ziemlich reich an kleinen Zirkonen, welche am häufigsten im Quarz, doch auch im Feldspath und im Glimmer liegen. Die paragenetischen Verhältnisse sind dieselben wie in dem rothen Gestein. Muskovit fehlt hier. Die zweite und die dritte Glimmer- Generation sind oft schwierig von einander zu trennen und scheinen ineinander überzugehen. ; Zweiglimmer-Granit. Die beschriebenen Granitite gehen häufig in Zweiglimmer-Granite über. Mit dem reichlicheren und makro- skopischen Auftreten des Muskovits nimmt gewöhnlich, aber nicht immer, die Korngrösse des Gesteins zu. Wir treffen daher unter den Zweiglimmer-Graniten, ausser den fein- und mittelkörnigen, auch sehr grobkörnige an. Je grobkörniger sie sind, desto leichter zersetzen sie sich und nehmen damit fleischrothe bis gelbrothe Färbungen an, während die feinkörnigen weiss oder hellgrau sind. \ Der Gehalt an Glimmer ist ein überaus wechselnder. Die grob- körnigen Granite sind gewöhnlich reicher daran als die feinen. in beiden ist nicht selten der Biotit mehr oder weniger chloritisirt. In anderen Fällen ist er gänzlich entfernt unter Zurücklassung von rothem erdigen Eisenerz. Feldspath-Körner finden sich gelegentlich in grünes Pinitoid verwandelt. Epidot-Granit. An einer Stelle am Brandenberg finden sich kleinere Partien im dortigen Granit-Stock so reichlich mit Aggregaten Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 533 von Epidot-Kryställchen durchsetzt, dass sie sich von dem umgebenden Gestein durch dunklere Färbung abheben. In diesem Gestein ist der Biotit mit Hinterlassung von Eisenoxyd verschwunden und nur ganz vereinzelte J,eistehen davon finden sich im Quarz noch erhalten. Beide Glimmer sind überhaupt nur spärlich vertreten und die dritte Generation fehlt ganz. Der Epidot ist sehr stark pleochroitisch in den ihm eigenthüm- lichen gelben, braunen und gelbgrünen Farben und fällt in para- genetischer Beziehung ans Ende der Feldspath-Periode. Die kleineren Feldspathe werden von ihm umschlossen; in die Ränder der grösseren greift er mit Entschiedenheit ein. Er ist also etwa gleichzeitig mit dem Korn-Quarz, von welchem er indessen manchmal wohlausgebildete Körner vollständig einschliesst. In den Füll-Quarz dagegen dringt er in fein-zackigen Formen (Durchschnitten von Krystall-Aggregaten) ein. Mitten in den Feldspathen finden sich einzelne sehr kleine Epidot- Körnchen, so dass auch dieses Mineral eine erste Generation besitzt, zur Vervollständigung der mikrolithischen Musterkarte des Gesteins. Allgemeines über Granite. Im Ganzen ergibt sich aus obigen Untersuchungen über die Gang- und Massen-Granite, dass sie sich in ganz gleicher Weise von den glimmerreichen Gneis-Lagen in paragenetischer Beziehung unterscheiden wie die granitischen Gneis- Lagen oder Lager-Granite, nämlich durch reichlichere und oft grössere Entwicklung von Leisten-Glimmer und Korn-Quarz, und durch Mangel oder schwache Vertretung der dritten Glimmer-Generation. Auch sind im Allgemeinen bei diesen Graniten die einzelnen Mineral-Generationen etwas weniger scharf geschieden und desshalb: die Paragenesis viel schwieriger zu entziffern als im Gneis. Trotz der Mannigfaltigkeit der Ausbildung dieser Gesteine ist aber die Paragenesis derselben im Prinzip übereinstimmend mit derjenigen der Gmneise. In Bezug auf die Ent- faltung der Einzelheiten stehen die Massen-Granite dem Gneis weit näher als die Gang-Granite. h. Amphibolite. Unter diesem Titel fasse ich alle solche im Gneis des Münster- thal-Gebiets in unregelmässigen Schlieren vorkommenden Gesteine zu- 534 Dr. Adolf Schmidt: sammen, in welchen ein Amphibol, und zwar meist Hornblende, ent- weder den vorwiegenden oder doch wenigstens einen hervorragenden und wesentlichen Bestandtheil ausmacht. Sie zeichnen sich im All- gemeinen durch grosse Unbeständigkeit der Zusammensetzung und der Struktur aus. Makroskopisch sieht man bald nur eine anscheinend homogene mikrokrystalline Gesteinsmasse von schwarzer Farbe vor sich, bald eine ebensolche mit ausgeschiedenen Hornblende-Kryställchen und seltenen Biotit-Blättchen oder auch Eisenkies-Körnchen; bald wird die Masse um weniges heller, grünlich-schwarz bis grauschwarz, etwas gröber im Korn und enthält feine graulich-weisse Pünktchen und Schnürchen; bald wird die Masse fein- bis mittelkörnig und von weissem oder gelblichem Feldspath durchzogen, welcher stellenweise die Horn- blende sogar überwiegt, womit das Gestein eine grobkörnige Struktur erreicht. Der körnige Feldspath bildet unregelmässige, oft mehrere Centimeter breite Adern im Gestein, welche aber nicht scharf begrenzt sind, sondern durch allmähliche Aufnahme von Hornblende in ihr Neben- gestein übergehen. Zu dem, zum Theil auch röthlichen, Feldspath ge- sellt sich oft weisser, gelblicher oder grauer Qarz in inniger Ver- mengung, so dass sich granitähnliche Schlieren herausbilden. Endlich enthalten diese Gesteine stellenweise rothen oder grauen Kalzedon, welcher in Schnüren die Masse durchzieht oder dieselbe völlig durch- tränkt, so dass bei Zunahme desselben Uebergänge in Quarzfelse statt- finden. Diese Amphibolite könnte man zum Theil als Hornblende-Fels, zum Theil als Syenite und Hornblende-Granite bezeichnen, und, da manche davon entweder ausgesprochene oder angedeutete Parallel- Struktur besitzen und dann auch wohl parallel spalten, zum Theil als Hornblende-Schiefer, Syenit-Schiefer und Hornblende-Gneis. Alle diese Dinge gehen aber ineinander über. | Viele dieser Gesteine bestehen aus ziemlich lose zusammengefügten Körnern und bröckeln stark beim Schleifen, Sehr dünne Schliffe sind oft recht schwierig zu erhalten. Wie makroskopisch, so sind auch mikro- skopisch die Amphibolite von recht verschiedenartiger Beschaffenheit. Es mögen daher zunächst einige der hervorragenderen Typen derselben einzeln beschrieben werden. Vielleicht lassen sich sonach eher einige Kenn- Geologie des Miinsterthals im badischen Schwarzwald. 535 zeichen aufstellen, welche allen gemeinsam sind. Ich beginne dabei mit den dem Korn nach grössten und schreite von da zu den feineren vor. 1. Grobkörniger Syenit-Schiefer. Vom Kaltwasser- Grund. Korngrösse zwischen 2 mm und 15 mm wechselnd. Dies be- zieht sich auf den an Masse überwiegenden bläulich-grauen Orthoklas. Zwischen den Orthoklas-Individuen hindurch ziehen sich, annähernd parallel, unregelmässige zwischen '/);, mm und 10 mm dicke Flasern und Streifen einer dunkel graulich-grünen, ziemlich feinkörnigen Horn- blende, mit kleinen grauen Feldspäthchen vermengt. Kein weiteres Mineral ist makroskopisch zu bemerken. Wohl aber sieht man in den grösseren Feldspathen einzelne kleine Hornblende-Theilchen ein- geschlossen, und stellenweise grössere, meist gerade und schmale Horn- blende-Aggregate ziemlich tief in die Ränder der Orthoklase hinein- ragen. Wir erkennen also hier schon makroskopisch drei, ihrer Bildungszeit nach, verschiedene Vorkommnisse der Hornblende, welche den früher beim Glimmer beobachteten drei Generationen entsprechen. Dieses Ergebniss hat nichts Ueberraschendes, wenn man sich daran er- innert, dass auch in den Gneisen die accessorische Hornblende sich paragenetisch genau wie der Glimmer verhält. Der Dünnschliff bestätigt diese Beobachtungen und zeigt ausser- dem noch folgendes. Plagioklas ist keiner bemerkbar. Die Ortho- klase sind ziemlich stark zersetzt, gerundet, oft zersprungen und zer- rissen. Sie schliessen kleine Orthoklase, einzelne braune Biotit-Blättchen, selten auch Apatite ein. Hornblende-Einschlüsse sind in diesem Schliff keine zu sehen, wurden aber, wie erwähnt, makroskopisch gesehen. Quarz-Einschlüsse sind keine vorhanden. Die Hauptmasse der graugrünen, schwach-pleochroitischen Horn- blende gehört der dritten Generation an, welche entschieden jünger ist als der Feldspath. Sie legt sich um grössere Orthoklase herum und dringt in Zerreissungs-Spalten derselben ein, bisweilen begleitet von chloritischen Glimmer-Aggregaten und von etwas polysynthetischem Quarz. Sie schliesst kleine Feldspathe ein. Feinkörniger Quarz tritt auch für sich in Rissen und an den Rändern von Feldspathen auf anscheinend als Zersetzungs-Erzeugniss, .536 Dr. Adolf Schmidt: 9. Mittelkörniger Hornblende-Granit (?). Vom Herren- wald-Grund. Korngrösse 1 bis 2 mm. Unregelmässiges Gemenge von gelblichem Feldspath und Quarz einerseits, mit schwarzer Hornblende und braunem Glimmer andrerseits. Bei Betrachtung mit der. Lupe erscheinen die Feldspath-Körner selbst nur wenig gefärbt, aber von gelbem Quarz rings umgeben und verkittet. Der Glimmer ist: acces- sorischer Begleiter der Hornblende. Letztere bildet zum grossen Theil mittelkörnige Aggregate, zum andern Theil wohlausgebildete Krystalle, welche die Grösse von 4 mm erreichen, bisweilen fast isolirt im körnigen Feldspath-Gemenge liegend, so dass sie den Eindruck des zuerst gebildeten Minerals machen. Sie halten aber immer '/, bis '/; mm grosse, hellgraue Feldspath-Körner eingeschlossen, in einzelnen Fällen so reichlich, dass die Feldspath-Masse etwa ein Drittheil der Gesammt-Masse ausmacht, woraus umgekehrt auf die spätere Ent- stehung der Hornblende zu schliessen ist. Unter dem Mikroskop fällt, dem vorhergehenden Gesteins- Beispiel gegenüber, sofort die Gegenwart von Plagioklas in nicht .un- bedeutender Menge auf, sowie die grössere Rolle, welche hier Quarz und Biotit spielen. Auch sind die Feldspathe nur wenig angegriffen, vielleicht in Folge ihrer Beschützung durch den umgebenden Quarz. Die Plagioklase sind kleiner und schärfer ausgebildet als die Ortho- klase und greifen in solcher Weise in letztere ein, dass man sie für älter als diese halten muss. Die Feldspathe enthalten kleine Glimmer- Blättehen und Hornblende-Mikrolithe eingeschlossen. Andere lebhaft polarisirende, farblose Einschlüsse, von etwas verschwommener Um- grenzung, lassen sich, jedoch nicht mit voller Sicherheit, theils. als Quarz, theils als Feldspath deuten. Ausserdem finden sich noch in Feldspathen eingeschlossen: deutlichere, verschieden polarisirende, kleine Örthoklase, einzelne Apatite, theilweise zersetzte und in Rotheisenerz und Eisenglimmer verwandelte Eisenkies-Kryställchen und -Aggregate, endlich doppelkeilförmige und rundlichkörnige Titanite. Auch in diesem Gestein, wie in allen bisher beschriebenen, ist die Hornblende grün, der Biotit roth-braun. Beide sind hier stark pleochroitisch. Wie schon makroskopisch erkannt wurde, umschliessen Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 537 die grösseren Hornblende-Individuen zahlreiche, zum Theil sehr schön ausgebildete und nicht gerade sehr kleine Krystalle von gestreiftem und von ungestreiftem Feldspath, sowie auch Apatit-Säulen und Biotit- Leisten, beide ebenfalls von stattlicher Grösse. Diese einschlussreichen Hornblende-Individuen besitzen sehr unregelmässig. gestaltete Ränder in Folge der meist scharf-eckigen Eingriffe von Feldspath-Krystallen. Der reichlich und in grossen Blättern im Gestein vorhandene Biotit umfasst gleichfalls Krystalle der beiden Feldspathe. Dagegen greifen seine zum Theil breiten Leisten mit Entschiedenheit in die Hornblende ein und endigen darin vollkommen stumpf mit scharfer Begrenzung. Wir gewinnen also hier zum ersten Mal einen ganz sicheren Anbhalts- punkt für die Bestimmung der paragenetischen Beziehungen zwischen Biotit und Hornblende, und zwar erweist sich der Biotit hier älter als die Hornblende. Der Quarz tritt nur sporadisch, dann aber in grösseren Partien auf, welche aus Korn-Quarz und Füll-Quarz gemengt sind. Auffallend ist der Mangel an Mineral-Einschlüssen. Während sonst insbesondere der Füll-Quarz gewöhnlich sämmtliche Arten von Einschlüssen enthält, welche in den betreffenden Gesteinen überhaupt vorkommen, habe ich hier nur einzelne in Roth- oder Braun-Eisenerz verwandelte Eisenkiese wahr- nehmen können. Dies dürfte darauf hinweisen, dass der hier vorliegende Quarz in seiner Haupt-Masse nicht zum ursprünglichen Magma gehört habe, sondern erst in späterer Zeit selbstständig zugeführt worden sei. 3. Mittelkörniger Hornblende-Gneis. Vom Rothbuck. Ein zum Theil fast feinkörniges Gemenge von überwiegender grünlich- schwarzer Hornblende mit weissem Feldspath ist von unregelmässigen Adern aus weissem mittelkörnigen Feldspath durchzogen, in welchem Hornblende-Kryställchen zerstreut sind und auch vereinzelte krystalli- sirte Korn-Quarze vorkommen. Stellenweise ist Parallel-Struktur be- merklich, welche sich auch etwas in die Adern von der Seite hinein- zieht, sich aber rasch darin verliert. Diese Umstände deuten an, dass die Parallel-Struktur zu einer Zeit entstanden ist, als. die Ader-Masse etwas weicher war, als das umgebende Gestein, und noch zu beweglich, um eine bestimmte Struktur dauernd anzunehmen. Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. Ill. 36 538 Dr. Adolf Schmidt: Der Dünnschliff des Gesteins zeigt stark zersprungene und zer- brochene, gerundete Feldspath-Individuen, äusserst selten gestreift, wolkig getrübt, jedoch ohne Aggregat-Polarisation, durchädert und zu- sammengekittet durch kalzedon-artigen Zersetzungs-Quarz und durch eine aggregat-polarisirende Meng-Masse, vielleicht Produkt der Feld- spath-Zertrüämmerung. Die Feldspathe enthalten zahlreiche Hornblende- Kryställchen als Einschlüsse. Die Hornblende ist ganz frisch und durchsichtig, stark pleoch- roitisch in ungewöhnlich hellen Farben, grasgrün und gelb. Sie tritt auch als zweite und in grösserer Menge als dritte Generation auf, welche letztere stellenweise kleinere Feldspath-Krystalle umschliesst. Dass die Hornblende von den quetschenden Gesteins- Bewegungen, welche die grösseren Feldspathe zerrissen und gerundet haben, wäre berührt worden, dafür sind keine Anzeichen vorhanden. Es haben also diese Bewegungen schon vor der Enstehung der Hornblende wieder aufgehört. 4. Feinkörniger Syenit-Schiefer. Vom Scheuerle-Kopf am Belchen. Feinkörniges, grünlich-schwarzes Gestein mit mehr oder weniger deutlich ausgebildeter Parallel-Struktur. Dasselbe ist von gelblichen bis rothen Adern und Schmitzen aus theils feinkörniger, theils mikrokrystalliner Feldspath-Masse durchsetzt, welche Horn- blende einschliessen und oft wenig scharf begrenzt sind. Die Parallel- Struktur ist auf einer Seite solcher Adern gelegentlich etwas ver- schieden in Richtung und in Deutlichkeit als auf der andern. Im Dünnschliff betrachtet, umgibt die Haupt-Masse der sehr ' charakteristisch ausgebildeten Hornblende grössere, gerundete und etwas aggregat-polarisirende Orthoklas-Körner, sowie einige kleinere, klarere und schärfere Plagioklase, während sonst, ausser Titaniten und kleinen Apatiten im Feldspath, kein anderes Mineral zum Vorschein kommt. Vereinzelt tritt auch der Fall ein, dass grössere und scharfe Hornblende-Krystalle in einheitlich polarisirende Orthoklas-Masse ein- greifen, woraus auf eine zwar spärliche aber ungewöhnlich kräftige Ausbildung der zweiten Hornblende-Generation zu schliessen ist. Im Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 539 Allgemeinen aber erscheint die Hornblende als Füllmasse zwischen Feldspath-Körnern. Die Parallel-Struktur des Gesteins ist mikroskopisch nur daran zu erkennen, dass die Feldspathe grossentheils in parallelen Reihen gelagert sind. Die Feldspathe schliessen auch hier kleine Hornblende- Theile, niemals aber Quarz ein. - Von der Masse der rothen Adern, welche das Gestein durch- ziehen, habe ich einen besonderen Schliff angefertigt. Sie besteht fast pur aus körnigem Feldspath und zwar zum grossen Theil aus Plagio- klas. Die Feldspathe sind reich an Apatiten und Zirkonen. Zwischen den Feldspathen stecken einzelne grössere Titanite und Hornblende- Körner, und um die Feldspathe herum zieht sich ein Geäder, welches aus Hornblende-Flasern, Titanit-Körnern, Leukoxen-Masse und rothem Eisenoxyd zusammengesetzt ist. Letzteres gibt dem Ganzen seine Färbung. 5. Feinkörniger Hornblende-Schiefer. Vom Sonn- haldeneck. Dunkel bräunlich-grünes, feinstruirtes, körnig-schuppiges Gestein mit Parallel-Struktur, welche hauptsächlich durch graue Feld- spath-Streifen erzeugt ist; zum Schiefern geneigt. In der dunklen Masse sind grössere, mit Feldspath durchwachsene, Hornblende-Krystalle und zahlreiche einzelne röthlich-braune Glimmer-Schüppchen bemerkbar. Die mikroskopische Untersuchung ergibt, dass die gelblich-grüne, deutlich pleochroitische Hornblende im Durchschnitt etwa die Hälfte der Gesteins-Masse ausmacht. Sie polarisirt in grossen Flächen von krystall-ähnlicher Umgrenzung, ist aber meist so stark von Einschlüssen durchspickt, dass man bei stärkeren Vergrösserungen, bei welchen der Ueberblick verloren geht, ein feinkörniges, krystallines Gemenge vor sich zu haben glaubt. Die Masse der Einschlüsse mag sich zur Gesammt -Masse eines Krystalles (incl. Einschlüsse) verhalten, im Minimum wie 1:6, im Maximum wie 4:6, so dass im letzteren Fall die eingeschiossene Masse doppelt so gross ist, als die Masse der einschliessenden Hornblende, indem sich erstere zu letzterer verhält wie 4:2. Da ebensoviele Einschlüsse am Rande eines Hornblende- Krystalls liegen als im Innern desselben, so zeigt der Krystall gezackte 36* 540 Dr. Adolf Schmidt: und unregelmässige Umrandung. Diese Krystalle finden sich in ver- schiedenen Grössen neben einander, und das ganze Gestein besteht, bei schwacher Vergrösserung besehen, nur aus solchen einschlussreichen Hornblende-Krystallen. Unter den in ihnen enthaltenen Einschlüssen erreichen die ziem- lich reichlich vorhandenen Glimmer die ansehnlichsten Abmessungen. Es sind gerade, braune, stark pleochroitische Biotit-Leisten. Die Lage dieser Leisten ist eine recht verschiedene; allein die weit überwiegende Mehrzahl derselben, und die grösseren alle, liegen im ganzen Gestein annähernd einander parallel, dagegen völlig unabhängig von der Lage der sie einschliessenden Hornblende-Krystalle. Die Winkel, welche die Auslöschungs-Richtung solcher unter sich paralleler Biotite bildet mit der Auslöschungs-Richtung der verschiedenen sie beherbergenden Horn- blende-Individuen sind sehr wechselnde. Ich habe im selben Schliff solche Winkel beobachtet von 5° bis zu 55° Die Glimmer liegen in der Richtung der Parallel-Struktur des Gesteins, während die Lage der Haupt-Axen der Hornblenden obige Winkel mit dieser Richtung bilden. Kleiner, aber viel zahlreicher sind die sehr frischen und klaren Feldspath-Einschlüsse, welche zum grösseren Theil Orthoklase zu sein scheinen, da nur ausnahmsweise Zwillings-Streifung daran zu be- merken ist. Sie zeigen grösstentheils über grössere, von Hornblende durchsetzte, Flächen ziemlich übereinstimmende Polarisation. Doch sind diese einheitlich polarisirenden Feldspath-Flächen kleinere als die der Hornblende, und ihre Längserstreckung steht in keiner Be- ziehung zu der Lage der Hornblende, sondern liegt ebenfalls fast immer in der Richtung der Gesteins-Struktur. Der Wechsel der Polarisations-Farben ist nicht, wie bei der Hornblende, ein völlig gleichzeitiger, sondern erscheint, bei schwachen Vergrösserungen, als . ein über die Fläche hinschleichender, bei stärkerer als diejenige eines aus nahezu gleich orientirten Individuen bestehenden Aggregates. Völlig gleichzeitig erfolgt sie nur in gewissen, parallel der Gesteins- Struktur sich ausdehnenden Theilen des Minerals. Auch grössere zusammenhängende Feldspath-Theile sind, ihrer äusseren Gestalt nach meist in der. Richtung der Gesteins-Struktur Al Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 541 gestreckt, wie schon makroskopisch beobachtet wurde, und zwar, wie das Mikroskop lehrt, mitten durch die beschriebenen grossen Horn- blenden hindurch, welche letztere aber dadurch keine Zerreissung oder Verrückung erfahren. Die Begrenzung aller dieser eingeschlossenen Feldspath-Theile ist eine krystallisch-zackige, wie sie bei Krystall- Skeletten auftritt, und auch die Lage der Zacken steht mit der Lage und Struktur der Hornblende in keinem bestimmten und gleichmässigen Zusammenhang. Für alle diese eben beschriebenen Verhältnisse ist nur die eine Erklärung möglich, dass Glimmer und Feldspath zuerst ein zackiges Gesteins-Skelett gebildet haben, welches Parallel-Struktur annahm und innerhalb dessen erst später die Hornblende zur Krystal- lisation gelangte, zu einer Zeit, als die die Parallel-Struktur erzeugen- den Gesteins-Bewegungen wieder zur Ruhe gekommen waren. Grössere und kleinere Biotit-Flasern und -Leisten finden sich eben- sowohl im F'reldspath als in der letzteren umgebenden Hornblende. Kleine Leisten davon greifen in einheitlich polarisirende Feldspath-Theile ein und sind daher der zweiten Generation zuzurechnen. Ob die grösseren der dritten angehören, lässt sich bei der unvollkommenen Ausbildung des Feldspaths nicht bestimmt erkennen. Da die Hornblende beide um- schliesst, gehört sie jedenfalls zur dritten Generation, welche also hier (und das ist das Charakteristische an diesem Gestein) eine ungewöhn- lich grosse Ausbildung ihrer Krystalle zeigt. Die nach Obigem in der Hornblende eingewachsenen Feldspathe enthalten nun selbst wieder zahlreiche und wegen der Klarheit des Feldspathes leicht erkennbare mikrolithische Einschlüsse von Biotit, Hornblende, Apatit, Zirkon, sowie lange, farblose, bisweilen schwach pleochroitische Nadeln mit schiefer Auslöschung, wahrscheinlich Disthen, endlich die gewöhnlichen Flüssigkeits-Einschlüsse und farbigen Körnchen. Von diesen allen ist die Hornblende-Masse frei. Diese letztere enthält aber ausser den soeben ausführlich be- schriebenen Einschlüssen von Glimmer und Feldspath noch einige andere. Es finden sich darin kleine Krystalloide, der Form nach dem Feldspathe ähnlich, aber trübe und aggregat-polarisirend; manche stellen sich bei sehr starker Vergrösserung als ein sehr feines Gemenge 549 Dr. Adolf Schmidt: von körnigem Feldspath, Glimmer und Hornblende dar. Ferner fallen in der Hornblende-Masse einzelne rundliche farblose, stark zersprungene Körner auf, vielleicht Granaten, sowie auch selten opake, braun-schwarze Erzkörner, welche theils sechsseitige, theils leistenförmige Durchschnitte und bisweilen die eigenthümliche Netz-Struktur des Titaneisens zeigen und von durchscheinenden Leukoxen-Körnern begleitet sind. Diese Erzkörner greifen indessen auch in Glimmer und Feldspath ein und gehören daher zu den ältesten Gebilden des Gesteins. 6. Aphanitischer Amphibolit-Schiefer. Von der Wie- dener Eck. Dieses Gestein ist dunkel bräunlich-grau, mikrokrystallin, sehr dicht und spröde, von halbmuschligem Bruch, und hat im ganzen fast das Ansehen eines sogenannten Hornstein-Porphyrs. Die Parallel- Struktur ist makroskopisch nur so schwach angedeutet, dass man die- selbe erst dann bemerkt, nachdem man mit Hilfe des Mikroskops er- kannt hat, dass sie vorhanden ist. Das Gestein fand ich nur in losen Stücken unterhalb der Wiedener Eck gegen Neuhof hin. Im Dünnschliff entpuppt sich das Gestein als ein überaus fein- körniges, parallel-struirtes Gemenge von fast ganz wasserhellem Ortho- klas und Plagioklas, zersetztem und grossentheils in 'braunes Eisenerz verwandeltem Biotit, blassgrünem fasrigem Amphibol, endlich etwas Quarz und Magneteisen. Die Feldspathe bilden in dem Gestein den überwiegenden Gemeng- theil. Ihre Korngrösse schwankt zwischen 0.04 und 0.08 Millimeter. Nur einzelne Orthoklase erreichen etwas grössere Durchmesser. Auch die Länge der Biotit-Leisten und der Amphibol-Flasern ist oft nicht viel beträchtlicher. Die Parallel-Struktur ist eine sehr ausgesprochene und besonders durch die Parallel-Stellung der Biotite und Amphibole, und durch die etwas gestreckten Formen der Quarz-Partien hervor- gebracht. Die Plagioklase sind meist bedeutend kleiner, aber schärfer aus- gebildet als der Orthoklas und greifen stets in letzteren ein, sind also älter. Sie zeigen sehr grosse Löschwinkel.e. An einem Individuum mass ich 36° einerseits und 38° andererseits, was auf Anorthit hin- weisen würde. Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 543 Beide Feldspathe sind sehr klar und rein in ihrer Hauptmasse und sind ungewöhnlich arm an farbigen Körnchen und Flüssigkeits- Einschlüssen. Dagegen umschliessen sie kleine verschieden orientirte Feldspathe, kleine Individuen des nachher zu besprechenden fasrigen Amphibols, Blättehen von braunem Biotit, sehr zahlreiche grosse und kleine Apatite, einzelne schön ausgebildete prismatische Kryställchen von Rutil, endlich einzelne Magnetit-Körner. Der Amphibol bildet den an Masse dem Feldspath zunächst stehenden Bestandtheil des Gesteins. Er ist hell, gelblich- oder grünlich- grau bis fast farblos, und erscheint zum Theil in ziemlich gedrungenen Leisten, meist aber in längeren oder kürzeren, gestreckten und an den Enden zerfaserten Schmitzen und Flasern. Seine Struktur ist durchweg überaus feinfasrig, so dass er einem entfärbten und sehr schwach pleochroitischen Glimmer täuschend ähnlich sieht. Von letzterem unterscheidet er sich hauptsächlich nur durch seine schiefe Löschung, welche ich an verschiedenen Stellen beispielsweise zu 9°, 14°, 15°, 20°, 24° gemessen habe. Er gehört also jedenfalls zu den fasrigen Amphibolen und kann seiner sehr schwachen Färbung wegen zum Tremolit gestellt werden. Einschlüsse sind, ausser äusserst feinen Flecken von gelbem Eisenerz, keine in ihm zu finden. Stellenweise scheint er mit Biotit parallel verwachsen gewesen zu sein, was durch braune Eisenerz-Streifen angedeutet wird. Meist in Begleitung dieses Amphibols, aber in viel geringerer Menge, tritt der fast ganz in Brauneisenerz verwandelte Biotit auf, an welchem man nur gelegentlich noch Durchsichtigkeit mit brauner Farbe und kräftigem Pleochroismus erkennen kann. Der stark zer- setzte Zustand des Glimmers in dem sonst völlig frischen Gestein ist sehr auffallend. Er ist die Ursache der ins Braune spielenden Ge- sammt-Farbe. In paragenetischer Beziehung greift der Biotit stellenweise in den Tremolit ein. Beide zusammen spielen aber im Gestein dieselbe Rolle wie der Biotit im Normal-Gneis. Sie kommen, wie dieser, in drei Generationen vor, überwiegend aber in der zweiten, so dass die Ent- stehung ihrer Haupt-Masse gegen das Ende der Feldspath-Bildung fällt. 544 Dr. Adolf Schmidt: Der Quarz tritt sehr ungleichmässig vertheilt auf, in einzelnen, etwas gestreckten, zum Theil grob-polysynthetischen Partien, Zwischen- räume ausfüllend, und kann daher möglicherweise sekundär sein. Als mikrolithischer Einschluss wurde Quarz nicht bemerkt. Endlich finden sich noch zahlreiche, feine, ziemlich gleichmässig vertheilte Körner und Aggregate von Magneteisen, welche als wesentliche Gemengtheile anzusehen sind. Sie sind ziemlich scharf ausgebildet und greifen in sämmtliche andere Mineralien ein, bilden also den ältesten Bestandtheil des Gesteins. Nach Obigem ergibt sich im grossen Ganzen etwa folgende para- genetische Reihe: 1. Magneteisen und kleine Einschlüsse von Orthoklas, Biotit, Tremolit. 2. Plagioklas. 3. Orthoklas. 4. Biotit. 5. Tremolit. 6. Quarz. Allgemeines über die Amphibolite. Aus den vorstehen- den Beschreibungen von sechs makroskopisch und mikroskopisch recht verschiedenen Amphibol-Gesteinen lassen sich folgende allgemeine Schlüsse ziehen: 1. Die Gesteine tragen im Allgemeinen einen syenitischen Charakter. Der Quarz scheint meistens sekundärer oder wenigstens entschieden späterer Bildung zu sein. 2. Die Amphibole treten in drei verschiedenen Generationen auf, welche den drei Generationen des Biotits in den Gneisen ent- sprechen; nämlich in einer mikrolithischen, älter als der Feldspath, in einer grösseren, welche an das Ende der Feldspath-Bildung fällt, und in einer dritten, oft die grösste Rolle spielenden, jünger. als der Feldspath. 3. Biotit tritt ebenso auf, begleitet den Amphibol, und ist bisweilen als älter als letzterer nachgewiesen. 4. Die beiden Feldspathe gehen zusammen; der Plagioklas ist ge- wöhnlich älter als der Orthoklas. . Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 545 5. Auchin den Amphiboliten zeigt sich, wie bei den früher besprochenen Gneisen und Graniten, fast durchgängig die auffallende Erscheinung, dass die Feldspathe mikrolithische Proben von sämmtlichen wesent- lichen Gesteins-Gemengtheilen einschliessen. i. Chloritische und Pyroxen-Gesteine. Solche Gesteine kommen in unregelmässigen Schlieren im Gneis vor, aber viel seltener und in weit geringeren Mengen als die Am- phibolite. Chlorit-Syenit. Vom Nordhang des Belchen. Durch ein grob- bis fast grosskörniges Aggregat von bläulich-grauen Orthoklas- Krystallen winden sich verschwommene Flasern und Adern von gelblich- grünem schuppigen Chlorit. Letzterer wird grossentheils und ziemlich leicht durch erwärmte Säuren zersetzt. Unter dem Mikroskop erscheint der makroskopisch ganz frisch aussehende Feldspath stark getrübt und aggregat-polarisirend. Doch bleiben oft kleinere Stellen in der Mitte völlig durchsichtig. Kleinere Körner besitzen Zwillingsstreifung und auf Oligoklas deutende Aus- löschung, sind meist scharf ausgebildet und greifen in die Orthoklase mit Entschiedenheit ein. ‘Von den Orthoklasen besitzen einzelne ebenfalls krystallische Umgrenzung, die meisten aber greifen zackig ineinander oder sind un- regelmässig gerundet zu oft wolkenähnlichen Gestalten. In letzterem Fall sind sie unmittelbar umgeben von einem feinkörnigen Feldspath- Gemenge, welches theils aus Bruchstücken, theils aus wohlausgebildeten kleineren Orthoklasen zusammengesetzt ist, welche sich aber beide in etwas zersetztem Zustand befinden. Nicht selten sind die grossen Feldspathe zersprungen und die Risse entweder mit Chlorit erfüllt, oder mit einem Gemenge von Chlorit und zersetzten Feldspath-Bruch- stücken, zu welchen sich bisweilen frische und scharfe Orthoklas- Kryställchen gesellen. An Einschlüssen sind die Feldspathe sehr arm. In den meisten sind, ausser der kaolinischen Trübung, in welcher bisweilen radial- gruppirte Kaolin-Schüppchen erkennbar sind, und ausser etwas feinem 546 Dr. Adolf Schmidt: Zersetzungs-Quarz, nur ganz vereinzelte Apatit-Mikrolithe, braune Eisen-Wölkchen und die farbigen Körnchen zu erkennen, In manchen finden sich auch kleine Theilchen von Chlorit eingeschlossen, allein fast immer in der Nähe der grösseren Chlorit-Massen, so dass eine ausserhalb des Schliffs liegende Verbindung mit letzterer nicht ausge- schlossen ist. Der Chlorit ist hell gelblich-grün, vollkommen durchsichtig, sehr schwach pleochroitisch, und zeigt kräftige dunkelblaue Polarisations- Farben. Seine Struktur ist nur selten eine schuppige, sondern fast durchgehends die glimmer-ähnliche des Klinochlor. Die Löschung erfolgt, wie bei Glimmer, in der Richtung der Blätter-Struktur. Er enthält nur selten Eisenerz-Körnchen, dagegen stets in grosser Menge eckige Körner und gestreckte Aggregate aus einer gelblich-weissen, schwach durchscheinenden Masse, wahrscheinlich aus den bekannten Titanaten zusammengesetzt. In paragenetischer Beziehung erweist sich der Chlorit als ein entschieden jüngeres Mineral als der Feldspath. Vermengt mit zer- setzten Feldspath-Bruchstücken und mit frischen, neugebildeten Ortho- klas-Krystallen, erfüllt er die Zwischenräume zwischen den grösseren Feldspathen, legt sich um dieselben herum und dringt in Spalten derselben ein. Ueberall aber bestehen scharfe Grenzlinien zwischen Chlorit und Feldspath, so dass eine Entstehung des ersteren durch eine Umwandlung des letzteren nicht vorliegt, wenn es auch auf den ersten Blick an. manchen Stellen den Anschein hat, als haben sich sehr feine Chlorit-Theilchen in der zersetzten Feldspath-Masse ent- wickelt. Dies erscheint aber, wie eine genauere Untersuchung zeigt, nur deshalb so, weil die bei der Zersetzung des Feldspaths entstan- denen Kaolin-Schüppchen einige Aehnlichkeit haben mit den erwähnten im Chlorit vertheilten Körnchen. Letztere sind aber gelblich, während erstere immer weiss sind, in auffallendem Licht. Uebergänge von Feldspath in Chlorit habe ich .nicht beobachtet, ebensowenig sehr feine Verzweigungen des Chlorits im Feldspath. Der Chlorit umhüllt auch die kleineren Feldspath-Bruchstücke, sowie ebenfalls die frischen Feldspathe. Es scheint daher, dass sich zuerst Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. HAT nur Feldspath bildete, sodann durch innere Gesteins-Bewegungen eine theilweise Zerquetschung desselben eintrat, sodann eine beginnende Zersetzung desselben, hierauf stellenweise erneuter Absatz kleinerer Orthoklase, und dass zuletzt erst der Chlorit entstand, welcher dem- nach eine sehr späte und ohne Zweifel erst nachträgliche Bildung darstellt, wie dies auch nach früheren Bemerkungen mit dem in Klüften des Normal-Gneises auftretenden Chlorit der Fall ist, Chlorit-Gneis. Vom Storener Bach. Parallel-struirtes, mittel- körniges Gemenge aus farblosem bis gelblich-weissem F'eldspath, hell- grauem Quarz und einem weichen, lauchgrünen, slimmer-artigen Mineral, welches, in ähnlicher Weise wie der Glimmer im Gneis, die Parallel- Struktur veranlasst, aber von heisser Salzsäure theilweise gelöst wird, also chloritischer Natur ist. Ausser diesem die Rolle des Glimmers spielenden Chlorit finden sich in dem Gestein grosse unregelmässig vertheilte hellgrüne Flecke, welche ihrem Ansehen nach auf Um- wandlungen von Feldspath in Chlorit hinweisen. Das Mikroskop zeigt in der Hauptsache ein Gemenge von zersprungenen und stark getrübten Feldspathen, grösstentheils Ortho- klas, und von schön ausgebildetem Korn-Quarz, durch welches Gemenge sich parallele, vielfach .unterbrochene Streifen hinziehen, welche zum Theil aus reinem schuppigem Chlorit bestehen, meist aber aus Mus- kovit, Quarz und Kalzedon, vermengt mit bald schuppigem, bald fas- rigem Chlorit und mit zersetzten Feldspath-Theilchen. Die Feldspathe schliessen kleinere Feldspathe, Quarze und bisweilen scharfbegrenzte, grün-durchsichtige, parallel-spaltende Krystalloide ein, welche ihrer Gestalt nach der in den Gneisen auftretenden Hornblende gleichen, auch oft deutlichen Pleochroismus und schiefe Auslöschung, andererseits aber die tiefblauen bis blau-grünen Polarisations-Farben der Chlorite zeigen, folglich als chloritisirte Hornblende zu betrachten sind. Grössere Gebilde gleicher Art kommen auch ausserhalb der Feldspathe und dieselben umschliessend vor. An manchen Stellen dringen feinfasrige Gemenge von vorwiegendem Muskovit, nebst Chlorit und Quarz, tief in die Orthoklase ein, deren Masse in diese Gemenge umgewandelt erscheint. Die Plagioklase sind grossentheils ziemlich frisch. 548 Dr. Adolf Schmidt: Der Korn-Quarz tritt genau in derselben Weise auf, wie in den granitischen Partien des Normal-Gneises. Das oben erwähnte Gemenge von Muskovit, Chlorit, Quarz und trüber Feldspath-Masse, welches sich zwischen den Körnern von Feld- spath und Korn- Quarz hindurchwindet, enthält an manchen Stellen auch Leistchen und Flasern von chloritisirtem Biotit. Das Gestein erscheint sonach im Ganzen als ein Hornblende- Gneis, in welchem Hornblende und Biotit fast ganz, der Feldspath theilweise in chloritische Substanzen verwandelt sind, und welcher ausserdem stellenweise gestreckte Aggregate und Adern von reinem schuppigen Chlorit enthält. — Aus diesen zwei Beispielen ist ersichtlich, dass die chloritischen Gesteine des Gebiets, welche übrigens nur örtliche Vorkommnisse ohne geologische Bedeutung darstellen, von sehr verschiedener Natur sein können, dass aber der Chlorit, mag er als Umwandlungs-Produkt oder als Neubildung auftreten, stets zu den allerjüngsten Mineral-Erzeug- nissen gehört. Pyroxen-Plagioklas-Gestein. Vom Rothbuck. Bei dem Zusammenvorkommen dieses aphanitischen Gesteins mit Amphi- boliten hatte ich dasselbe im Feld für Hornblende-Fels angesehen. Doch fällt die entschiedener grüne Färbung auf, gegenüber der fast immer schwarzen Färbung der Hornblende. Das Gestein stellt makro- skopisch eine einförmige, dunkelgrüne aphanitische Masse dar, mit sehr feinen, schwarzen, metall-glänzenden Theilchen und stellenweise mit zahlreichen weissen Hexaöderchen von Eisenkies, welcher von fein- gestrickten Aggregaten von dunklerem und weicherem Magnetkies be- gleitet ist. Beide Kiese finden sich auch als Adern im Gestein sowie auf Kluft-Flächen als dünner Ueberzug. Die mikroskopische Untersuchung ergibt ein ungewöhnlich gleichkörniges Gemenge von überwiegendem hellgrünem Pyroxen, farb- losem Feldspath und etwas Magneteisen. Der Pyroxen ist vollkommen frisch und durchsichtig, an einzelnen Stellen sehr schwach pleochroitisch, wobei die sonst grasgrüne Farbe etwas ins Gelbliche spielt. Er tritt .auf theils als einzel-liegende Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 549 Krystalloide von sechs- oder achtseitigen Umrissen, an welchen nicht selten nahezu rechte Winkel erkannt werden, theils als sich gegen- seitig berührende und daher unregelmässig polygonale Körner, theils endlich als dichtgedrängte Korn- Aggregate. Alle Körner sind an- nähernd von gleicher Grösse, etwa 0,1 mm, was auch ungefähr die Grösse der begleitenden Feldspathe ist, so dass die gleichkörnige Aus- bildung des Gesteins eine sehr auffällige wird. Die meisten Pyroxen- Körner sind von Spaltungs-Rissen durchsetzt, deren je zwei, zweien Krystall-Flächen parallele, nahezu rechte Winkel mit einander bilden, Mehrfache Messungen im Gesteins-Schliff, also unvollkommen orientirt, haben 86° bis 89° ergeben. Es ist dies die prismatische Spaltung der augitischen Mineralien. Ausserdem tritt aber noch eine dritte, ‘ebenso vollkommene Spaltung auf, welche den stumpfen: Winkel der vorigen halbirt, also eine orthodiagonale Lage besitzt. In Schnitten annähernd in der Richtung der Hauptaxe, habe ich zahlreiche Löschwinkel zwischen 30° und 48° gemessen. Es liegt also hier bestimmt ein Pyroxen vor, und zwar ein grasgrüner und dreifach- spaltender, ähnlich demjenigen, welcher bisweilen als Omphaeit be- zeichnet wird. Manche dieser Pyroxen-Körner enthalten ausser feinsten, bläulich, und röthlich durchsichtigen, nicht bestimmbaren Körnchen und Fäserchen, nur noch unregelmässige, seltener rhomboidale, gründurchsichtige Körner, welche wohl selbst als eine kleinere Pyroxen-Generation an- zusehen sein dürften. In vielen kommen aber ausserdem auch zahl- reiche, theils eiförmig verlängerte, verschieden grosse Körner vor, welche man an besonders günstigen Stellen als farblos bis gelblich gefärbt erkennen kann. Ausser diesen Eigenschaften lässt ihre starke, Licht- Brechung bei nur schwachen Polarisationsfarben auf Titanit schliessen. Das Gesteinspulver zeigt vor dem Löthrohr eine schwache Titan-Reaktion. Endlich enthält der Pyroxen noch einzelne Kryställchen und Körnchen von Zirkon. Der Feldspath ist vorwiegend Plagioklas, wenn auch die Zwillings- Streifung oft nicht sehr scharf hervortritt und in manchen Krystallen sich verläuft oder sich auskeilt, so dass das eine Ende eines und 550 Dr. Adolf Schmidt: desselben Krystalls die Streifung zeigt, das andere nicht. Unter den ebenfalls vorhandenen ungestreiften Individuen konnte ich keines finden, welches mit Sicherheit als Orthoklas wäre zu bestimmen gewesen. Der Plagioklas gibt die grossen Löschwinkel des Anorthits. Bei annähernd gleichem beiderseitigem Ausschlag habe ich Winkel von 44° und dar- über erhalten. Die Gestalt der Plagioklase ist nicht, wie bei Dia- basen, eine schmal-leistenförmige, sondern sie ist entweder eine ziemlich gedrungene oder, bei kleineren Individuen, sogar nicht selten eine quer zur Streifung ausgedehnte. Die Streifung deutet stellenweise auf (das Periklin-Gesetz. | Die Feldspathe enthalten dieselben Arten von Einschlüssen wie der Pyroxen und ausserdem grössere, meist länglich runde bis läng- lich achteckige Körner desselben Pyroxens, und stellenweise etwas Apatit, sowie einzelne Zirkone, welche hier bedeutendere Grössen er- reichen als im Pyroxen. Stark getrübte Stellen zeigen eine Umwandlung des Feldspaths in farblosen Glimmer. In paragenetischer Beziehung erscheint der Feldspath als Füll- masse zwischen den Pyroxen-Körnern. Ausser diesen beiden Mineralien finden sich im Gestein noch zahlreiche bläulich-schwarze, magnetische Erzkörner, also Magnetit, und Aggregate davon. Sie stellen sich als älter dar als der Pyroxen, so dass die paragenetische Reihe wäre: 1. Magneteisen, 2. Pyroxen, 3. Plagioklas. Accessorisch und ungleich vertheilt, aber in ansehnlicher Menge, zeigen sich endlich die schon makroskopisch bemerkten Kiese. Ihre. paragenetische Stellung ist in meinen Schliffen unklar. Ihr Vorkommen auf Klüften deutet auf sekundären Ursprung. k. Felsitfels. Abgesehen von dem mit Porphyren in Verbindung stehenden und zu solchen gehörigen Felsitfels, finden sich im Normal-Gneisan manchen Orten kleine Partien von felsitischen Gesteinen von meist trüben Farben, graugelb bis rothbraun; matt und erdig bis steinig (subkrystallin) im Bruch-Ansehen; bald von Feldspath-Härte, bald quarzreich und von Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 551 Quarz-Schnüren durchzogen, bisweilen in unreinen Quarzfels über- gehend. Nicht selten ist eine feine und ziemlich gerade Parallel- Struktur bemerkbar, welche die Zugehörigkeit solcher Gesteine zum Gneis bezeugt. In andern Fällen besitzen solche Gesteine das ein- förmige und strukturlose Aussehen einer Porphyr-Grundmasse. Felsitfels vom Eichbuck. Von einem und demselben Fund- ort, nämlich vom Eichbuck bei Staufen, habe ich zwei Proben mikro- skopisch untersucht, welche durch ihre gelblich-graue Farbe, ihren erdigen bis steinigen Bruch und durch die bald mehr bald weniger deutlich erkennbare Parallel-Struktur einem nicht ganz frischen, glimmerfreien und überaus feinkörnigen Gneis gleichen. Die eine Probe ist parallel-struirt, die andere nicht. a. Probe obne Parallel-Struktur. Das makroskopisch nicht parallel-struirte Gestein zeigt auch unter dem Mikroskop nur stellen- weise schwache Andeutungen einer solchen Struktur. Es besteht haupt- sächlich aus einer trüben, gelblich-grauen, wolkigen Grundmasse, in welcher eine Anzahl grosser, scharf begrenzter, fast wasserheller Krystalloide liegen. Weniger deutlich heben sich auffallend dunkel gefärbte Flecke hervor. 1. Die holokrystalline Grundmasse unterscheidet sich von mancher nicht mikrofelsitischen Porphyr-Grundmasse nur durch einen geringern Grad von Gleichförmigkeit. Sie zeigt im Ganzen Aggregat- Polarisation und ist zusammengesetzt aus einem Gemenge feiner ein- heitlich polarisirender Körner und feiner aggregat-polarisirender Fasern. Korngrösse: 20 bis 40 Mikromillimeter = 0,02 bis 0,04 mm. Die Polarisation beider ist im Allgemeinen ziemlich matt. Die Fasern be- sitzen meist eine gerade Gesammt-Löschung. Es dürfen die Körner vorwiegend als etwas zersetzte Feldspath-Theile, die Fasern als Schnitte von mit etwas Quarz vermengten Thonschuppen angesehen werden. Vereinzelt finden sich blauschwarze opake Erzkörner und braune ver- wischte Eisenoxyd-Flecke. 2. Die wasserhellen Krystalloide sind ziemlich scharf und geradlinig begrenzt und haben auf den ersten Blick genau das Aussehen der in Porphyren oft ausgeschiedenen Quarze. Doch 552 Dr. Adolf Schmidt: zeigen sich in ihnen stets örtlich beschränkte Trübungen. Auch sie schliessen Erzkörnchen ein und feine, braunrothe, opake Lamellen vom Ansehen zersetzten Glimmers. Die Grösse dieser Krystalloide be- trägt etwa '/, Millimeter. Sie sind schon mit freiem Auge, wenn man den Dünnschliff ans Licht hält, ganz gut erkennbar. Ihre Um- risse sind bisweilen bipyramidale, meistens aber gleichen sie in aus- gesprochenster Weise Durchschnitten von Feldspathen. Betrachtet. man sie zwischen gekreuzten Nicols, so werden sie als körnige Aggregate erkannt von einer stark wechselnden Korngrösse, zwischen 25 und 100 Mikromillimeter, also bedeutend grobkörniger als die Grundmasse des Gesteins. Charakter und Lebhaftigkeit der Polarisations-Farben deuten auf ein unregelmässiges Gemenge von ungleich orientirten Körnern von Feldspath und von etwas gröberem Quarz. Bisweilen macht sich, insbesondere beim Feldspath, eine nahezu gleiche Löschung. einer grösseren Anzahl von Körnern geltend und dadurch eine unvoll- kommene Gesammt-Löschung über grössere Theile dieser Krystalloide, schief zu deren Umriss-Linien. Die getrübten Stellen in den Krystalloiden enthalten ausser den beschriebenen Körnern auch noch fasrige Gebilde, ähnlich denjenigen in der Gesteins-Grundmasse. Die Grenzen der Krystalloide erscheinen auch bei gekreuzten Nicols scharf, aber nicht mehr geradlinig, sondern gezackt. 3. Die erwähnten dunkeln und trüben Flecke, welche sich ausser den beschriebenen Krystalloiden aus der Gesteins-Grundmasse, wenn auch weniger deutlich, abheben, erscheinen im polarisirten Licht als, grössere einheitlich polarisirende Feldspath-Körner von länglichen, aber verschwommenen Umrissen, von grösseren flasrigen Gebilden durch- spickt, welche letztere hellgrau, fast undurchsichtig, nicht scharf be- grenzt und die einzige Ursache der Trübungen sind, also wohl als Kaolin angesehen werden müssen. Ausserdem sind nur winzige Theilchen von Zersetzungs-Quarz bemerkbar. Diese dunklen Partien sind also schlecht ausgebildete und zersetzte Feldspathe. Oft sind mehrere solcher aggregirt. Ueberaus auffallend ist nach Obigem in diesem Gestein, dass die hellen, scharfen Krystalloide sich mikroskopisch als körnige Aggregate, Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 553 dagegen die verschwommenen Partien sich als Krystall- Individuen ausweisen. b. Probe mit Parallel-Struktur. Diese Gesteins-Probe erscheint unter dem Mikroskop von gleicher Zusammensetzung wie die eben beschriebene. Die feine Parallel-Struktur ist schon im gewöhn- lichen Licht an der parallelen, welligen Vertheilung der Trübungen gut zu erkennen. Bei gekreuzten Nicols ist dieselbe sehr auffallend, und man sieht, dass die grösseren einheitlich polarisirenden Feldspathe hier in überwiegender Menge vorhanden, aber grösstentheils in die Länge gezogen und sämmtlich von der Parallel-Struktur durchsetzt sind, welche letztere hauptsächlich durch eine feinlinige Vertbeilung der Kaolin-Flasern und des feinen Zersetzungs- Quarzes hervorgebracht erscheint. Von den wasserhellen Krystalloiden zeigen die meisten eine viel feinkörnigere Aggregat-Polarisation als diejenigen in dem nicht parallel- struirten Gestein, und diese scheinen nach ihrem sonstigen Verhalten fast ausschliesslich aus Feldspath zu bestehen, wogegen einzelne andere ganz grobkörnig struirt sind und nur aus aggregirtem Quarz bestehen, dessen einzelne Individuen wenig abweichend von einander auslöschen. Letztere Krystalloide besitzen auch wohl Gestalten, welche man auf Bipyramiden deuten kann, während erstere stets Feldspath-Formen zeigen. Beide Arten dieser Krystalloide sind von der Parallel-Struktur wenig behelligt, sondern werden gewöhnlich von derselben umflossen. — Diese Gesteine machen nach dem Gesagten den Eindruck einer durch Zersetzung und durch mechanische Wirkungen zerstörten Gneis-Masse, welche sich unter versuchsweiser Neubildung von Feldspath- und von Quarz-Krystallen wieder regenerirt und in eine einem Porphyr ähnelnde Masse verwandelt hat. Felsitfels vom Starkenbronn. Dieses Gestein, welches ebenfalls ohne ersichtliche Verbindung mit Porphyr-Vorkommnissen, mitten im Gneis, ansehnliche Felsen bildend, auftritt, ist grau, röthlich- grau bis rothbraun von Farbe; aphanitisch und einförmig; halbmuschlig bis steinig im Bruch. Es ist von helleren feinen Quarz-Schnüren und Drusen durchschwärmt, und geht stellenweise in rothe und graue, horn- Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. III. 37 554 Dr. Adolf Schmidt: stein-artige Massen über. Seine Härte steht zwischen der des Quarzes und der des Feldspaths. Vor dem Löthrohr in der Parafin-Flamme schmilzt es überaus schwierig zu einem dunkelgrauen Email. Es enthält nicht selten eckige bis schwach gerundete Einschlüsse eines grauen hornstein-artigen Quarzfelses und wird dadurch stellenweise breceienartig. Das Mikroskop zeigt eine farblos durchsichtige, ziemlich gleich- körnige, holokrystalline, aggregat-polarisirende Masse, deren Polari- sationsfarben theils schwächer (Feldspath), theils lebhafter (Quarz) sind. In dieser Masse sind feinste, rothe, runde oder rundliche Eisen- oxyd-Körnchen sehr ungleich vertheilt und häufen sich in wolkigen und streifigen Partien oft so an, dass örtlich vollständige Undurch- sichtigkeit eintritt. Die Art der Vertheilung dieser Erztheilchen ist oft eine ausgesprochen parallel- und wellig-streifige, wodurch eine zum Theil sehr schöne Fluidal-Struktur entsteht, welche die Hornstein- Einschlüsse umfliesst. Diese Einschlüsse selbst verhalten sich unter dem Mikroskop ähnlich wie der Haupt-Theil der Grundmasse. Nur sind sie gröber im Korn und zeigen viel lebhaftere Polarisations-Farben, und zwar in der nicht scharfkörnigen, sondern mehr lappigen und verschwom- menen Weise. wie dies dem Hornstein eigen ist. Zwischen den Körnern lässt sich stellenweise auch etwas isotrope Masse unterscheiden. Aus dieser ganzen Darlegung geht hervor, dass dieser zuletzt be- schriebene Felsitfels, abweichend von den zuerst beschriebenen, viel weniger Aehnlichkeiten mit Gmneis besitzt, dagegen zu den Quarz- Gesteinen in naher Beziehung steht. — Diejenigen Felsitfelse, welche mit den Porphyren nachweislich zusammenhängen, werde ich mit letzteren im zweiten Theile dieser Arbeit besprechen und bei dieser Gelegenheit auf die jetzt behandelten vielleicht nochmals zurückkommen. 1. Quarzfels. Die selbständig im Gneis auftretenden Quarz-Gesteine des Gebiets bieten in petrographischer Hinsicht kein bedeutendes Interesse, obgleich Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 555 sie eine recht mannigfaltige äussere Erscheinung zeigen. Bald sind es grobstenglige Bildungen, welche von beiden Wänden einer Kluft im Gneis angeschossen sind und in der Mitte drusige Hohlräume lassen; bald sind es richtungslos struirte, körnige Gesteine von verschiedenen, meist gröberen Korngrössen, ebenfalls grössere oder kleinere Drusen enthaltend; bald wieder treten feinkörnige, zellige und gestrickte Formen auf, deren Zellen und Maschen ausgekleidet sind mit kleinen Quarz-Krystallen, oft von weingelber Färbung, und mit gelbem Eisen- erz dünner oder dicker belegt; bisweilen sind grössere solcher Zellen mit dicken Ueberzügen von prächtigem braunem Glaskopf bedeckt, oder auch wohl die ganze Zelle mit derbem, muschlig brechenden Brauneisenerz ausgefüllt. Bei allen diesen Quarzfels-Varietäten ist der Quarz selbst ent- weder farblos bis milchweiss oder hellgrau, in der Nähe der Eisenerze oft hell-weingelb, besitzt also fast immer helle und ziemlich klare Färbungen. An andern Orten aber finden sich, und zwar bisweilen grössere Felsen bildend, mikrokrystalline, quarzige Gemenge und Hornsteine, welche trübe und dunklere Farben zeigen: rauchgrau, graubraun, röthlich-grau, dunkelroth. Die rothen und braunen Färbungen durch- ziehen meist aderförmig das graue Gestein und stehen in Verbindung mit Klüften,, welche Rotheisenerz führen, sind daher durch nachträgliche Infiltrationen entstanden. Der Bruch ist oft an verschiedenen Stellen eines Handstücks sehr verschieden, bald steinig, bald splittrig, bald muschlig. Auch in diesen Hornsteinen kommen kleine Quarz-Drusen vor, sowie kleine Spalten, welche theils mit auskrystallisirten Quarzen, theils mit stalaktitischem Quarz, theils mit Eisenglanz-Kryställchen aus- gekleidet sind. Ueber den Quarzen sitzen oft grössere Blätter und Kämme von Schwerspath. Sowohl die makrokrystallinen als auch noch häufiger die mikro- krystallinen Quarz-Gesteine zeigen stellenweise breccienartige Struktur, indem unregelmässige, graue Hornstein -Bruchstücke durch gröber struirte und oft von Eisen gefärbte Quarz-Masse zusammengekittet sind. Die mikroskopische Untersuchung fügt diesen Beobachtungen 37* 556 Dr. Adolf Schmidt: wenig hinzu. Der graue Hornstein wird gut durchsichtig und zeigt die ihm eigenthümliche verschwommen-lappige Aggregat-Polarisation. Er schliesst einzelne ziemlich grosse und trübe, an den Enden zer- faserte Leisten von Muskovit ein. Die rothen Eisenerze bieten unter dem Mikroskop ihren Charakter als Infiltrationen weit weniger deutlich dar als makroskopisch. Die- selben sind meist nicht scharf abgegrenzt gegen die Hornstein-Masse, sondern verschwimmen in letztere, indem sich theils feinster rother Staub, theils durchsichtige Eisenglimmer-Blättchen in dieselbe ver- breiten, aus welchen beiden Bestandtheilen auch das die Infiltrationen färbende Eisenerz zusammengesetzt erscheint. Ausserdem finden sich im Hornstein einzelne Apatit-Mikrolithe, ferner Flüssigkeits-Einschlüsse und farbige Körnchen, meist von ungewöhnlicher Kleinheit; endlich feine wolkige Trübungen. Alle diese Quarz-Gesteine präsentiren sich als epigene wässrige Absätze, deren Struktur-Verschiedenheiten durch grössere oder ge- ringere Konzentration und Temperatur, sowie durch grössere, ge- ringere oder fehlende Bewegung der sie absetzenden Lösungen zu erklären sind. m. Gesammt-Paragenesis der Haupt-Gesteine des Grundgebirges. Ueberblickt man die in Obigem beschriebene Paragenesis der eigentlich und ursprünglich zum Grundgebirge des Gebiets gehörigen Felsarten, insbesondere der Gneise, Granite und Amphibolite, so findet man eine so auffallende Uebereinstimmung der paragenetischen Ver- hältnisse in diesen Gesteinen, dass sich leicht eine gemeingiltige Ge- sammt-Paragenesis für dieselben aufstellen lässt. Wir finden durchgängig, dass die jedes einzelne Gestein wesent- lich zusammensetzenden Mineralien stets zuerst sich in mikrolithischer oder kleinkrystallischer Gestalt ausgeschieden haben. Wir finden diese kleinen Bildungen sowohl im Feldspath als im Füll-Quarz liegend. Weniger häufig sind sie in Glimmer und Hornblende zu beobachten, welche beiden Mineralien seltener als grössere Individuen auftreten und auch bei ihrer Krystallisation die Neigung zeigen, andern schon 2 Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 557 vorhandenen Mineral-Gebilden eher einseitig auszuweichen, als die- selben zu umschliessen. Ich erinnere hier daran, dass Einschlüsse und Eingriffe eines Minerals in ein anderes in der Regel nur dann von paragenetischer Bedeutung sein können, wenn der Wirth oder das umschliessende Mineral durch einheitliche Polarisation als Indi- viduum charakterisirt ist. Die Feldspathe haben im Allgemeinen die Neigung, zu grösseren Individuen fortzuwachsen, während bei Glimmer, Hornblende und auch bei Quarz, neu sich bildende Mineral-Masse gerne zahlreiche einzelne Individuen in den Gesteins-Massen erzeugt, oder mit andern Worten, lieber Aggregate bildet als grosse Indi- viduen, und in Folge dessen weniger häufig andere Mineralien parä- genetisch umfasst, als dies bei Feldspathen, besonders beim Orthoklas, geschieht. Die nächste Bildung ist überall die Haupt-Masse des Feldspaths, meist Orthoklas und Oligoklas, von welchen beiden in den meisten Fällen der letztere als der ältere erscheint. Aber schon gegen Ende und vor Abschluss der Feldspath-Periode, also während des fort- gesetzten Grösserwerdens der Feldspathe, haben sich wieder Quarz, Glimmer und Hornblende in grösseren, zum Theil noch ziemlich deutlich krystallisirten Exemplaren gebildet, welche daher an den Rändern der Feldspath-Krystalle liegen und in diese Ränder, wenn auch fast nie- mals tief, eingreifen und so die meist unvollkommene Gestaltung der Feldspathe grossentheils verschulden. Es ist dies die Periode des Korn-Quarzes und des Leisten-Glimmers, welche vorzugsweise in den granitischen Gesteinen eine oft bedeutende Rolle spielen. Soweit ist von einer Parallel-Struktur der Gesteine noch wenig zu bemerken. Diese tritt, wenn überhaupt, erst in der zunächst folgen- den Periode ein, in welcher sich die Haupt-Masse des Glimmers bildet. welcher sich entweder um Vorhandenes herumlegt oder in mehr ‚oder weniger parallelen Flasern oder Lagen hindurchschlingt. Ihn begleitet mit einem meist ähnlichen Verhalten die Hornblende, von welcher sich in manchen Gesteinen eine etwas spätere Entstehung dem Glimmer gegenüber nachweisen lässt. Zuletzt ist überall die Haupt-Masse des Quarzes fest geworden 558 Dr. Adolf Schmidt: und vervollständigt das Gestein, in der Gestalt von Füll-Quarz, stellen- weise ebenfalls Streckungs-Erscheinungen zeigend. Es lassen sich also im Allgemeinen folgende paragenetische Perioden unterscheiden: 1. Mikrolithische oder kleinkrystallische Periode als älteste. 9. Feldspath-Periode. 3. Periode des Korn-Quarzes und Leisten-Glimmers, unter Fortsetzung der Feldspath-Bildung. 4. Periode des Haupt-Glimmers und der Entstehung der Parallel- Struktur. 5. Füll-Quarz-Periode, als jüngste; die Herausbildung der Parallel- Struktur setzt sich in ihr bisweilen fort, bisweilen nicht. In zersetzten Gesteinen kommt dazu noch oft der feinstruirte Zersetzungs-Quarz und Kalzedon. Die Hornblende geht stets mit dem Glimmer und wurde nur der Einfachheit wegen bei dieser Uebersicht der Perioden hinweggelassen. Der Unterschied zwischen den einzelnen Gesteinen rührt nur daher, dass die Erzeugnisse der genannten fünf Perioden nicht in gleichmässiger Weise in allen vertreten sind, ja dass manche dieser Erzeugnisse in manchen Gesteinen gänzlich fehlen. Das in dieser Hinsicht vollständigste Gestein ist der gewöhnliche, nicht sehr glimmer- reiche Normal-Gneis. Bei eigentlichen Graniten tritt die 4. Periode sehr zurück, die 3. mehr in den Vordergrund. In den Amphiboliten treten überaus wechselnde, aber dennoch in obigen Rahmen einzu. passende Verhältnisse auf. Die Entstehung der Parallel - Struktur scheint in manchen Fällen, innerhalb der 4. Periode, zwischen die Glimmer- und die Hornblende-Bildung gefallen zu sein, so dass die später entstandene Hornblende eine Anordnung nach der Parallel- Struktur nicht mehr zeigt (obiger Amphibolit Nr. 5). Aus der Zusammenstellung der fünf Perioden ergibt sich, dass jedes der Haupt-Mineralien, mit Ausnahme des Feldspaths, drei ver- schiedene Entwicklungs - Phasen zeigt, nämlich eine früheste in schr kleinen Krystallen, eine mittlere mit körnigen, beziehungsweise leisten- förmigen Gebilden, und endlich eine solche, in welcher deutlichere EN Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 559 Krystall-Bildungen selten mehr vorkommen, vielleicht weil kein Raum zur Ausbildung mehr vorhanden war. Auch der Orthoklas tritt in vielen Gesteinen, besonders in den Krystall-Gneisen, in sehr verschiedener Korngrösse auf. Allein seine Individuen verhalten sich alle ähnlich in paragenetischer Beziehung. Wenigstens ist es mir nicht gelungen, in den untersuchten Gesteinen Beweise dafür aufzufinden, dass die verschieden grossen Feldspathe, von den mikrolithischen abgesehen, zu verschiedenen Zeiten zur Krystalli- sation gelangt seien. Bei der Beschreibung des Normal-Gneises wurde gezeigt, wie die gneisische Ausbildung des Gesteins in die granitische übergeht und wie oft von Zoll zu Zoll Verschiedenheiten der Ausbildungsweise auf- treten. Bei anderen Gesteinen, insbesondere auch bei den Amphi- boliten, wurde ähnliches bemerkt. Sind nun auch die einzelnen Generationen .der diese Gesteine bildenden Mineralien viel schärfer von einander unterschieden als die Gesteins-Varietäten, so ist deren Unterscheidung doch nicht immer eine ganz leichte, und in einzelnen Fällen wurden wirkliche Uebergänge zwischen zwei Generationen be- merkt. Die erste Generation der Glimmer und Quarze ist von der zweiten viel schärfer geschieden als die zweite von der dritten, welche bisweilen ineinander verschwimmen. Bei gänzlichem Fehlen einer Generation mögen daher unter Umständen für ein und dasselbe Ge- stein etwas verschiedene Deutungen zulässig sein. Blicken wir über- dies auf alle drei Generationen in ihrer Gesammtheit, und beachten wir, dass für die beiden in Rede stehenden Mineralien die erste Generation sich durch Kleinheit, Schärfe und centrale Lage in den Feldspathen; die zweite durch bedeutendere Grösse und geringere Schärfe der immer noch individuell getrennten Gebilde, sowie durch randliche Lage in den Feldspathen; die dritte endlich durch Aggre- girung und durch behinderte oder gestörte Ausbildung und durch ihre Lage ausserhalb der Feldspathe, gekennzeichnet ist, so er- kennen wir sofort, dass diese Generationen, welche überdies noch stellenweise ineinander übergehen, in ihrer Gesammtheit auch als fortlaufende Bildungen aufgefasst werden können. Die Natur 560 Dr. Adolf Sehmidt: selbst scheint ebensowenig in diesen Gesteinen ganz bestimmt ab- gegrenzte Mineral-Generationen erzeugt zu haben, als sie scharf ge- trennte Gesteins-Klassen ‚geschaffen hat. Vielmehr gewinnt man die Anschauung, dass gleichzeitig mit der fortschreitenden Herausbildung der Feldspath-Individuen sich auch die andern Mineralien in mit der Zeit wachsender Grösse der Einzel-Gebilde niedergeschlagen haben und dass bei diesem, im Allgemeinen stetigen Vorgang nur zu Zeiten eine Schwächung, vielleicht sogar gänzliche Unterbrechung der mineral- bildenden Thätigkeit stattgefunden habe. Solche Schwächungen mussten, abgesehen von Temperatur-Einflüssen, schon dadurch eintreten, dass in Folge der Mineral-Ausscheidung selbst die Zusammensetzung der Lösungen oder Magmen nothwendige Aenderungen erfuhr. ° Aus alledem geht hervor, dass die trotz mancher gegentheiliger, in älteren Arbeiten und Büchern verzeichneter Beobachtungen immer noch vertretene Ansicht, als sei auch in altkrystallinen Gesteinen die Herausbildung der einzelnen Mineralien getrennt erfolgt und in ganz bestimmter Reihenfolge, und als sei die Wiederholung gleicher Bildungen eine, nur gewisse Gesteins-Gruppen charakterisirende, Ausnahme, bei den Gesteinen des Münsterthals nicht Stich hält. Bei diesen ist viel- mehr letzteres, d. h. die Wiederholung der Bildungen, die Regel, und Ausnahmen von dieser Regel sind, wenigstens unter den in grösseren Massen auftretenden Gesteinen des Grundgebirges, gar keine zu bemerken. | Der im Obigen angenommenen Eintheilung der paragenetischen Reihe in Generationen ist vielleicht, nach dem zuletzt Gesagten, eine sehr hohe theoretisch-wissenschaftliche Bedeutung ebensowenig beizu- messen, als den in petrographischen Lehrbüchern angewandten ver- schiedenen Klassificirungen der Gesteine im Allgemeinen eine solche zukommt. Jedenfalls aber ist auch sie von praktischem Werth, weil ihre Anwendung genaue Gesteins-Beschreibungen ausserordentlich zu er- leichtern, zu kürzen und zu verschärfen geeignet ist. Auch die Be- obachtung im Felde kann durch sie erleichtert werden, da, sobald einmal die Sache mikroskopisch erkannt und durchgearbeitet wurde, man in vielen Fällen, selbst bei nicht sehr grobkörnigen-Gesteinen, die bezüglichen Verhältnisse schon makroskopisch zu sehen im Stande ist. Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 561 Genetische Folgerungen. Wenn es sich, wie es den An- schein hat, bestätigen sollte, dass in denjenigen Gesteinen, welche als rein thermischer Entstehung oder, wie man sich gewöhnlich ausdrückt, als pyrogen anerkannt sind, die paragenetische Reihenfolge der die- selben bildenden primären :Mineralien dem Gesetze der abnehmenden Basieität folgt, so würde aus vorstehenden Beschreibungen zunächst hervorgehen, dass, mit einziger Ausnahme des Pyroxen-Plagioklas-Ge- steins, die beschriebenen Gesteine nicht pyrogener Natur sein können, weil ihre Paragenesis dem erwähnten Gesetze nicht entspricht. Ob aber dann diese Gesteine aus einem hydatothermischen Schmelzfluss heraus erstarrt, d. h. aus einem solchen Zustand, in welchem sich bei- spielsweise ein Salz befindet, wenn es bei niedriger Temperatur in seinem Krystallwasser schmilzt, ob sie also hydropyrogen sind; oder ob sie sich aus wässrigen Lösungen allmählich abgeschieden haben; oder ob sie endlich durch Metamorphismus solcher hydatischer Bildungen entstanden sind, hierüber scheint mir aus den gemachten paragene- tischen Beobachtungen nichts mit Bestimmtheit hervorzugehen. Nur bei den pegmatitischen Gang-Graniten wurden Verhältnisse beschrieben, welche sich kaum anders erklären lassen als durch die Annahme wässriger Entstehung, eine Annahme, zu welcher auch andere Autoren durch Beobachtungen an anderen Orten geführt worden sind. J. Lehmann (Untersuchungen über die Entstehung der kryst. Schiefergesteine) nimmt für das «granitische Magma» einen «gallert- artigen» Zustand an und führt aus (Kap. III, p. 55 und 56), dass zwischen diesem gallertartigen Magma und einer wässrigen Lösung Uebergangs-Zustände möglich seien, aus welchen sich die genetische Verknüpfung der Pegmatite mit dem körnigen Granit erklären liesse., Dieser Gedanke ist, besonders im Hinblick auf die wässrige Schmelzung der Salze, welche thatsächlich einen derartigen Zwischenzustand dar- stellt, eine sehr beachtenswerthe. Mit Annahme derselben fällt aber auch alle Schärfe des Begriffs der Eruptivität hinweg, welcher von Lehmann selbst in manchen Kapiteln des genannten Werkes so sehr, und wie mir scheint, mit Unrecht, betont wird. Es verlieren damit die Streitigkeiten über eruptive Bildung oder wässrigen Niederschlag 562 Dr. Adolf Schmidt: mancher krystallinen Gang- und Massen-Gesteine die diesem Unter- schiede von vielen zugeschriebene Wichtigkeit. Es würde sich dann nur darum handeln, in jedem einzelnen Fall zu entscheiden, ob der Zustand der granitischen Masse bei ihrem Eintritt in die. Gesteins- Spalten mehr einem Magma oder mehr einer Lösung glich, eine Ent- scheidung, welcher ein hohes wissenschaftliches Interesse kaum zuge- geschrieben werden kann. Die Entscheidung selbst müsste aber, einzelne Ausnahmen vorbehalten, im Allgemeinen zu Gunsten einer Lösung getroffen werden, eben desshalb, weil es nach Obigem gewisse Granit- Gänge gibt, deren Zustand sich nur durch Absatz aus Lösung er- klären lässt, während die Beweise für den umgekehrten Fall immer recht zweifelhafter Natur sind, und weil auch die später zu besprechenden Kontakt-Verhältnisse zwar bisweilen auf Eruptivität, weit öfter aber auf wässrigen Absatz hindeuten. Dass aber beides vorkommt, und zwar nicht selten an verschiedenen Stellen eines und desselben Ganges, das zeugt entschieden für die Richtigkeit der obenerwähnten Vor- stellung. Wenn aber der Mantel fällt, muss auch der Herzog nach. Wird die Möglichkeit der Entstehung aus wässriger Lösung den Granit-Gängen zuerkannt, so liegt kein vernünftiger Grund vor, eine gleiche Entstehungsweise auch den grösseren granitischen Massen zuzusprechen, ohne dass man damit gelegentliche Eruptivität aus- schlösse; denn letztere ist keine ausschliessliche Eigenschaft . ganz bestimmter Gesteine, sondern sie ist nur eine Erschei- nungsform, welche unter Umständen auch Sedimentär-Gesteinen, welche sich nach ihrem Absatz längere Zeit eine gewisse Beweglichkeit er- halten haben, zukommen kann. Hydatische Absätze gemengter krystalliner Gesteine darf man sich natürlich nicht als nach Art der Erzgänge entstanden vorstellen, bei deren Bildung der Charakter und Gehalt der Lösungen ein vielfach und unregelmässig wechselnder war, ja nicht selten die mineralab- setzenden Gewässer zeitweise ganz aus der Spalte entwichen, wie zwischenhinein eingetretene Verwitterungs-, Oxydations- und stalakti- tische Erscheinungen beweisen, welche, letztere namentlich, in wasser- erfüllten Räumen nicht möglich sind.. Gemengte krystalline Gesteine Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 563 können sich, wenn überhaupt aus Lösungen, nur aus solchen ge- bildet haben, welche von vorneherein sämmtliches, zur Erzeugung des betreffenden Gesteins nothwendige Material in sich enthielten und von zudringenden fremdartigen Lösungen in der Hauptsache ge- schützt waren. Nur unter diesen Umständen konnten sich beispiels- weise zuerst kleine Krystalle abscheiden; sodann ein grosses Gesteins- Skelett aus Feldspath-Krystallen ; innerhalb desselben die übrigen ge- lösten Stoffe in solcher Reihenfolge, wie sie durch die bei fort- schreitendem Absatz und gleichzeitiger Verdunstung sich verändernden Lösungen bedingt war; wobei zuletzt eine gelatinöse Kieselmasse übrig bleiben konnte. Unter den im Vorstehenden beschriebenen, in verschiedenen Gesteinen auftretenden, innern Zuständen befinden sich keine, deren Herstellung sich auf solche Weise nicht erklären liesse. Für eine endgiltige Beantwortung der soeben berührten genetischen Fragen ist die Zeit noch nicht gekommen. Dennoch scheint mir aus den gegebenen Beschreibungen der Münsterthal-Gesteine wenigstens ein Resultat mit Sicherheit hervorzugehen. Jedem, welcher diese Beschreibungen ohne Voreingenommenheit liest, wird sich nothwendig die Ueberzeugung aufdrängen, dass die granitischen und die gneisischen Gesteine des Gebiets, welchen Ursprungs sie auch sein mögen, jeden- falls beide gleichen Ursprungs sein müssen. Denn wenn es auch kaum zu bezweifeln ist, bei einiger Kenntniss der genetisch- geologischen Literatur, dass die meisten der diese Gesteine zusammen- setzenden einzelnen Mineralien auf mehrfache Weise entstehen können, so erscheint es doch als höchst unwahrscheinlich, wenn nicht undenk- bar, dass in einem geographisch so beschränkten Gebiet zwei einander so ähnliche, aus den gleichen und im Gestein gleich beeigenschafteten Mineralien bestehende Gesteins-Arten, welche überdies in einander übergehen und eine im Prineip so völlig übereinstimmende Paragenesis zeigen, auf wesentlich verschiedene Weise sollten entstanden sein. Hieraus ergibt sich aber wieder, unter Hinblick auf die geschilderten Verhältnisse im Normal-Gneis, dass entweder der Granit ein Gneis sein müsse, welcher durch innere Gesteins-Bewegungen seine Parallel- Struktur verloren hat; oder wahrscheinlicher, der Gneis ein Granit, 564 Dr. Adolf Schmidt: welcher in einem gewissen Stadium seiner Ausbildung durch ebensolche Bewegungen eine Parallel-Struktur angenommen hat. Sind aber beide Gesteins-Arten ähnlichen Ursprungs, so können sie auch in geognostischer Beziehung einander äquivalent sein. Hierauf werde ich im nächsten Abschnitt zurückkommen. Ab Sue Den Lett Stratigraphie. Dieser Abschnitt: wird sich mit der Lagerungsweise der be- schriebenen Gesteine des Münsterthaler Grundgebirges befassen und folgende Kapitel enthalten: a. Verbreitung‘ des Normal-Gneises und seiner Abarten. . Streichen und Fallen der Gneis-Formation. . Verbreitung und Verband des Krystall-Gneises. : Verbreitung und Verband der Leptinite und Muskovit-Gneise. . Verbreitung und Verband der Massen-Granite. Verbreitung und Verband der Gang-Granite. . Verbreitung und Verband der Amphibolite. . Verbreitung und Verband der Felsitfelse. i. Verbreitung und Verband der Quarzfelse. Da mo mo k. Gliederung des gesammten Grundgebirges. }. Allgemeine Systematik der Laurentischen Bildungen. m. Alter und Entstehungsweise der Grundgebirgs-Gesteine. a. Verbreitung des Normal-Gneises und seiner Abarten. Der Normal-Gneis, welcher, wie bei der petrographischen Be- schreibung desselben bemerkt wurde, in drei Unterarten: den schuppigen, flasrigen und schiefrigen, zerfällt und ausserdem einige Abarten auf- weist, wie: Hornblende-führender, spröder, trüber, aphanitischer Gneis, bildet die Haupt-Masse des Grundgebirges innerhalb des auf der bei- liegenden geologischen Karte dargestellten Gebietes. Wenn man von den Porphyren, Graniten und Amphiboliten absieht, besteht das ganze, Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 565 Gelände nördlich von der auf der Karte eingezeichneten Zone der Krystall-Gneise und nördlich von der gleichfalls anderes Material ent- haltenden Belehen-Kuppe, fast ausschliesslich aus Normal-Gneis und dessen Abarten. Seine flasrige Unterart ist weitaus die verbreitetste. Doch kommen in fast allen Theilen des Gebietes, mit dieser wechsellagernd und in dieselbe übergehend, untergeordnete Partien von Schiefer - Gneis vor, sowie auch von Schuppen-Gneis. Der letztere geht häufig, durch Auf- gabe der parallelen Lage der Glimmer-Schuppen, in die beschriebenen, theils lagerartigen, theils unregelmässig gestalteten granitischen Ein- schaltungen (Lager-Granite) über, welche bisweilen eine Mächtigkeit von mehreren Metern erreichen. Gute Aufschlüsse sind in dem Gebiet nur wenige vorhanden. Die deutlichsten finden sich an der neu hergerichteten Strasse, welche vom Spielweg im Ober-Münsterthal dem Storener Bach entlang nach dem Storen hinaufführt. Dort zeigen’ sich ganz unregelmässige Wechsel obiger Unterarten, mit Windungen, Knickungen und Uebergängen, grossentheils in frischem Anbruch. Insbesondere treten dort auch Partien von Schuppen-Gneis auf mit Uebergang in Lager-Granite. Letztere - zeigen sich weniger deutlich auch auf dem Langeck-Grat am Belchen, ferner auf dem Grat zwischen dem Wildsbacher Kopf und dem Drei- eckigen Bannstein; gelegentlich auch noch im Prälatenwald und im Ambringer Grund. Schiefrige Gneise finden sich am Belchen-Stock und überhaupt im Hochgebirg der südlichen Gebiets- Theile nur selten. Unter- geordnet treten sie in der Umgegend des Storen und der Sonnhalde auf, ferner am Wolfsgrüble und im Teufelsgrund. Am häufigsten sind sie in den mittleren und nördlichen Gebiets - Theilen, besonders dem Haupt-Thal entlang, wo sie bei St. Trudpert, im Wogenbach-Grund, am Riggenbach, sowie auch nördlich der Metzenbacher Höhe hin und wieder zu beobachten sind. Sie finden sich überall vorwiegend in den Thal-Einschnitten und mögen in Folge ihrer leichteren Zerstörbarkeit ein Faktor gewesen sein bei der Bestimmung der von den Wasser- läufen verfolgten Richtungen. 566 Dr. Adolf Schmidt: Alle übrigen Theile des Gebietes enthalten hauptsächlich Flaser- Gneis. Wenn auch die Beschaffenheit der Gneise eine sehr wechselnde ist, so kann man nach dem eben Gesagten doch angeben, dass von dem Hochgebirge ab, welches sich vom Belchen gegen den Erzkasten hinzieht, sowohl gegen Norden als gegen Osten hin der Glimmer- Gehalt im Allgemeinen zu-, dagegen die Häufigkeit der Lager-Granite abnimmt. Was die Abarten des Normal-Gneises anbelangt, so ist zunächst über das Vorkommen der Hornblende-führenden, in welchen die Hornblende äccessorisch und in wechselnden Mengen auftritt, schwer etwas Bestimmtes zu sagen, weil die Hornblende oft nur mikroskopisch erkennbar ist. Die mir bekannten Fundorte liegen indessen sämmt- lich in den mittleren Theilen des Gebiets, dessen Gneise noch nicht zu den glimmerreicheren gehören, wohl aber noch ziemlich reich sind an granitischen Lagen. Sie liegen auch sämmtlich nördlich von den Haupt-Vorkommnissen der eigentlichen Hornblende-Gesteine. In den noch nördlicheren und glimmerreicheren Gneisen sind sie dagegen nicht mehr bemerkt worden. Die übrigen der beschriebenen Abarten des Normal-Gneises sind nur ganz örtliche Erscheinungen, wenn auch anscheinend an die Nähe der Haupt-Gebirgszüge gebunden. Kleine Vorkommnisse des spröden Gneises treten sporadisch auf. Den trüben fand ich nur auf dem höchsten Rücken des Heidenstein in geringer Menge; den aphanitischen nur an dem sogenannten „Wasserfelsen“ am Ost- hang des Schlossbergs bei Münsterhalden, zwischen den dortigen beiden Porphyr-Zügen, also, wie die Karte zeigt, innerhalb der Krystall- Gneis-Zone. b. Streichen und Fallen der Gneis-Formation. Da der Normal-Gneis, wie bei der unter A. c. gegebenen Be- schreibung seiner Struktur erwähnt wurde, eine eigentliche Schichtung in unserm Gebiete gewöhnlich nicht zeigt, kann hier nur von dem Streichen und Fallen der Parallel-Struktur die Rede sein. Von früheren Autoren wurde diese Struktur oft als-Schichtung bezeichnet. Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 567 P. Merian sagt in seiner Geognost. Uebersicht des südl. Schwarz- walds p. 73: „Die Stellung der Schichten des Schwarzwälder Gneises ist äusserst veränderlich. Im Allgemeinen herrscht vielleicht eine Richtung von W. nach O., oder von SW. nach NO., und ein nördliches Einfallen vor.“ Ferner sagt er p. 86 und 87: „Bei Obermulten, auf der Höhe des Passes zwischen Schönau und Niedermünsterthal, fällt der Gneis schwach gegen NW. ein“, und „Bei der Poche (am Teufels- grund) stehen beinahe senkrechte Gneis-Schichten, welche von O. nach W. streichen. Auch der höher gelegene Gneis zeigt dieses Streichen und ein höchst steiles Einfallen gegen N.“ Ferner p. 98: „Im Niedermünsterthal findet man Porphyr in dem Gneise, welcher hier ziemlich beständig ein Einfallen nach WSW. beibehält“, während nach p. 88 in der „Gabel* ein flaches Einfallen nach WNW. stattfindet. E. Weber (Studien über Schwarzwälder Gmneise p. 39) gibt an, dass der Schwarzwald-Gneis „bei einem ost-westlichen Streichen ein vorwiegend nördliches Einfallen der Schichten beobachten lässt“. — F. Sandberger (Beschreibung d. Umg. von Badenweiler) bezeichnet das Streichen als meist OW.; und H. Eck (Umgebung von Lahr) als meist SW.—NO., und das Fallen als oft NW. R. Lepsius (Die oberrhein. Tiefebene p. 54) sagt: „Die Schichten des Grund-Gebirges bilden im Allgemeinen ein System von Falten, welche vorherrschend von WSW. nach ONO. streichen; die Flügel der Falten fallen in der Regel in NNW. oder NW. ein.“ Alle genannten Autoren stimmen also darin überein, dass das Fallen der Schwarzwald-Gneise vorwiegend ein nördliches ist und das Streichen sich bald mehr bald weniger der Ost-West-Linie anschliesst. Die Verhältnisse im Münsterthal-Gebiet widersprechen "diesen Angaben im Ganzen nicht. Wegen Seltenheit der Aufschlüsse sind zusammenhängende Beobachtungen hierüber schwierig anzustellen. Hier, wie im übrigen Schwarzwald, sind Streichen und Fallen sehr wechselnd und unregelmässig. Im nördlichen Theil des Gebiets, zwischen Erzkasten und Brandenberg, wurden folgende Beobachtungen gemacht. Westlich vom Storen zwischen Gieshübel und Sonnhaldeneck zeigt die Gneis-Struktur 568 Dr. Adolf Schmidt: sehr wechselndes Einfallen, vorwiegend aber ein solches nach WSW. unter etwa 45°. Südlich davon, dem Storener Bach entlang, zwischen Käppele-Hof und Sorbaum (s. d. Karte), herrscht in ziemlich be- ständiger Weise ein südwestliches Einfallen unter Winkeln von 40—50°, Das Streichen ist folglich NW.—SO. Dasselbe ist am Wolfsgrüble zu bemerken; hier aber fällt der Gneis unter theilweise stärkeren Winkeln bis 70° Weiter südwestlich beim Sorbaum treten wieder grosse Schwankungen auf, doch im Allgemeinen stärkere Neigungen bis zu völlig saigerer Stellung bei ostwestlichem Streichen. Dieses Streichen ist auch beim Spielweg das vorherrschende, während das Fallen hier in ein steil nördliches übergeht. Etwas weiter südlich, in der Elend- gass, wird das Einfallen nordöstlich, also das Streichen wieder NW.—SO. — Da sonach im Ganzen in diesem Gebietstheil die Fall-Richtung aus einer steil südwestlichen in eine steil nordwestliche übergeht, so stellt sich ein Fächer-System heraus mit von NW. nach SO. ge- richteter Axe, deren Lage (das Streichen) aber stellenweise eine ostwestliche wird, also etwas gewunden erscheint. Am Gebirgs-Stock des Belchen angestellte Beobarhlängen lieferten folgende Ergebnisse. In dem unteren Theil des in den Süd-Abfall des Belchen- Stocks einschneidenden Starkenbronn wurde ein Fallen von 30° nach NNO. bemerkt; weiter oben gegen den Hochkelch hin, im Krystall-Gneis, ein solches von 60° nach N.; am Osthang des Hochkelch 40° NO., beim Gipfel desselben 50° N., beide im Krystall-Gneis. Dasselbe Gestein fällt am Südhang des Hoch- Belchen auf grössere Strecken ziemlich gleichmässig 30—40° N. Auch die rothen Gneise. des östlichen Theils der Belchen-Kuppe fallen meist nach Norden, obgleich die schiefrige Absonderung nicht selten eine entgegengesetzte Fall-Richtung zeigt, also quer zur Parallel-Struktur verläuft. Die leptinitischen Gneise der Nord- und West-Hänge der Kuppe liegen sehr wenig regelmässig; es wurde da an besonders geeigneter Stelle bei saigerem Fallen ein Streichen von NNW. nach SSO. beobachtet. Dieses fast nordsüdliche Streichen setzt sich auch in dem Normal-Gneis des Langeck-Grats fort, wo NS.-Streichen und Einfallen von 45° nach Westen stellenweise gesehen wurde. Weiter Geologie des Münstertbals im badischen Schwarzwald. 569 nach unten auf demselben Grat, aber noch oberhalb des dort quer herüberziehenden Porphyr-Zugs, ergab sich an einer Stelle ein Fallen von 75° nach SW., also ein Streichen NW.—SO., wogegen unterhalb des Porphyrs am Nordost- Hang des Gebirgs wieder OW.-Streichen und nördliches Einfallen von 45° zu bemerken ist. Noch weiter unten, im Hockenbrunn, zeigen sich sehr wechselnde, aber vorwiegend west- liche und südwestliche Fall-Richtungen von 45 bis 70°. Da aber grössere Aufschlüsse hier nicht vorhanden sind, so ist die Beurtheilung, welche von diesen Beobachtungen an der Gebirgs-Masse selbst und welche an kleinen von ihr losgelösten Massen gemacht sind, nicht möglich. Noch schwieriger sind die Verhältnisse an dem steil ab- stürzenden Nord-Hang. des Belchen zu beurtheilen, und die Fall- Richtungen erweisen sich da als überaus wechselnde und deuten daher auf das Vorhandensein loser Massen. — Da die obigen Be- obachtungen am Süd-Hang des Belchen, wo bessere Aufschlüsse und regelmässigere Zustände vorhanden sind, übereinstimmend ein nörd- liches bis nordöstliches Einfallen ergeben haben, so ist es sehr wahr- scheinlich, dass diese Fall-Richtung die in der Haupt-Masse des Belchen-Körpers herrschende ist. Da aber der Gneis auf der Langeck grossentheils ein Fallen gegen W. und sogar SW. zeigt, so scheint die Gneis-Struktur sich um die West-Seite des Hoch-Belchen gewölbe- artig herumzulegen. In dem Hochgebirge an der Südwest-Grenze unseres Gebietes konnten nur zwei Beobachtungen gemacht werden, eine am Schloss- berg bei Münsterhalden, welche ein Fallen von 80° nach NW. ergab, und eine in der Grossen Gabel, wo sich bei saigerem Fallen ein ost- westliches Streichen herausstellte. Hier scheinen also wieder normalere Zustände zu herrschen, Im mittleren Theil des Gebietes zeigte der Normal-Gneis: Auf der Breitenau ein Fallen von 45° NW.; am Osthang des Herrenwald-Grunds ein Fallen nach N., fast saiger, und OW.-Streichen;; in der Schindler-Schlucht, auf der Westseite derselben, oben ein Fallen von 50° NO., weiter unten von 70—80° NNO.; Verhandl d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. III. 38 570 Dr. Adolf Schmidt: zwischen Schindler und Teufelsgrund 30—50° NW.; am Sägenbühl, bis in den Sussenbrunnen hinab, ein Fallen nach NW. Zwischen Läger und Wildsbach lässt sich sowohl an den Fels- wänden am Haupt-Thal, als auch an ebensolchen beim Eingang des Wogenbach-Grunds erkennen, dass die Parallel-Struktur eine sehr un- regelmässige ist und vielerlei Verschiebungen erfahren hat. Es treten Transversal - Schieferung und parallelepipedische Absonderung auf, an andern Stellen zahlreiche gekrümmte und gewundene Rutsch-Flächen parallel der Struktur. Wo aber letztere regelmässig erscheint, da zeigt sich durchweg ein Fallen von 10—40° SW. Auf diese Oertlich- PERFEZ a a an a nl Sl an SA Zu keit bezieht sich ohne Zweifel die oben aufgeführte Bemerkung Merians. bezüglich des «Niedermünster-Thals>. Allein etwas weiter abwärts im Thal und an dessen Nord-Seite bietet der Gneis am Eingang des Wölfenthals ein, zwar ebenfalls wechselndes, jedoch hauptsächlich wieder nach NW. gerichtetes Einfallen. Das Thal erscheint demnach hier als ein antiklinales, oder als in der Scheitel-Linie eines Gewölbes liegend. Ueberblicken wir alles, was über das Streichen und Fallen der Gneis-Struktur im Münsterthal-Gebiet gesagt wurde, so erkennen wir im Allgemeinen, dass das Streichen durchschnittlich von Ost nach West und das Fallen gegen Norden stattfindet; im Besondern aber, dass das Fallen sich in den östlichen und höher gelegenen Gebiets- Theilen etwas nach Osten, in den westlichen Gebiets - Theilen stark nach Westen, stellenweise sogar nach Süd-Westen, hinwendet, so dass der ganze Aufbau der westlich vom Neuhofer Bach sich bis zur Rhein- ebene ausdehnenden Gebirgs-Massen betrachtet werden kann als der- jenige eines von SO.nach NW. gestreckten und sich in letzterer Richtung absenkenden und ausrundenden flachen Gewölbes, dessen theilweise ein- gesunkenen oder ausgewaschenen Scheitel der untere Theil des Münster- thals darstellt, während die südöstliche Fortsetzung der Scheitel-Linie südlich vom Belchen zu suchen ist. An dieses flache Gewölbe schliesst sich im äussersten Nord-Osten des Gebietes zwischen Spielweg und Storen das erwähnte Fächer-System an, dessen Axe gleichfalls eine nordwest-südöstliche, also diesem Ge- wölbe parallele, Stellung einnimmt. Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 571 Betrachtet man nun die beiliegende Karte, so fällt sofort in die Augen, dass die Haupt-Richtung der specielleren Gebirgs - Struktur, d. h. die Längen-Ausdehnung obigen Gewölbes, der Haupt-Erstreckung der Porphyr-Züge entspricht, und dass der Gewölbe -Scheitel dem- . jenigen stark zerrissenen Porphyr-Zuge, und zwar entlang dessen Nord-Seite, folgt, welcher vom Ausgang des Münsterthals quer über das südliche Gebirge nach dem Stuhlskopf und theilweise noch weiter bis an die südliche Grenze der Karte sich hinzieht. c. Verbreitung und Verband des Krystall-Gneises. Krystall-Gneis und Augen-Gneis treten hauptsächlich nur inner- halb der auf der Karte angedeuteten „Zone der Krystall-Gneise“ auf, welche sich in einer nach Westen hin abnehmenden Breite und in gewelltem Verlauf vom Südhang der Belchen-Kuppe über den Hoch- kelch durch den Tiefen Graben und Starkenbronn in den Rothbuck hinabzieht, hier die Rängefelsen und Rappenfelsen bildet und sodann in gleicher Richtung über den Schlossberg nach der Ramsbacher Eck läuft, wo sie die Grenze der Karte erreicht. Die Richtung ist im Allgemeinen eine ostwestliche; die Breite im Osten etwa 800 Meter, im Westen 450 Meter. Diese Zone bildet, wenn man von einzelnen, noch zu erwähnenden Uebergriffen und Unregelmässigkeiten absieht, die Grenze zwischen dem Granit von Münsterhalden und dem Normal- Gneis des Münsterthals. Der Krystall-Gneis dieser Zone ist vorwiegend der graue; zu nicht geringem Theil aber auch der buntgefärbte Hochkelch-Gneis. Letzterer bildet die Haupt-Masse des Hochkelch selbst bis in den Starkenbronn hinab, wo er in grauen Krystall-Gneis übergeht. Am Süd-Hang des Starkenbronn zieht sich der Hochkelch-Gneis weit gegen Westen vor und zeigt da stellenweise Uebergänge in gleichfalls grün- glimmerigen Münsterhalden-Granit. Ferner findet er sich am Rappen- felsen; am Ost-Hang, auf dem Gipfel und am Nördhang des Schloss- bergs bis gegen die kleine Gabel hinab; überall Uebergänge in grauen Krystall-Gneis zeigend. Er hält sich demnach vorzugsweise an die beiden Enden und an die Süd- oder Granit-Grenze der Zone, d.h. 38 + 572 Dr. Adolf Schmidt: da oben (Kap. b) ein nördliches Einfallen der Struktur konstatirt wurde, im liegenden Theil der Zone. An manchen Orten werden die grossen Orthoklase im Krystall- Gneis selten, so dass das Gestein in einen gewöhnlichen grobkörnigen Gneis übergeht. Dies ist fast nur der Fall entlang der Nord-Grenze, d. i. im hangenden Theil der Zone und in den daselbst mit Normal- Gneis wechselnden Partien, wo auch Uebergänge in Normal-Gneis stattfinden. Die ganze Krystall-Gneis-Zone ist überhaupt keineswegs so scharf abgegrenzt, wie dies beim Beschauen der Karte scheinen möchte; sondern einerseits liegen in ihr einzelne Partien von Normal-Gneis, anderseits finden sich kleine Partien von Krystall-Gneis auch ausser- halb und besonders nördlich der angegebenen Zone. Zur Aufzeichnung dieser Vorkommnisse wird ein grösserer Karten-Massstab erforderlich sein. — Schon der Fuss des Hochkelch zwischen dem Tiefen Graben und dem oberen Starkenbronn besteht aus Normal-Gneis; ebenso im unteren Starkenbronn der Fuss des Wölfleskopfes; ferner findet sich solcher stellenweise am Ost-Hang des Schlossberg. Während die beiden ersteren Vorkommnisse zwischen Krystall-Gneis und Granit, beziehungsweise Porphyr, eingeschoben erscheinen, liegt das letztere mitten im Krystall-Gneis. Die Gestalt dieser Einschaltungen ist un- regelmässig, aber mehr oder weniger in der Ost-West-Richtung gestreckt. Als Vorkommnisse von Krystall-Gneis und von, in diesen über- gehendem, grobkörnigem Gneis ausserhalb der kartirten Zone sind folgende zu erwähnen: am steilen Nordhang des Belchen, sowohl zwischen dem Rosen- bächle und dem oberen Langen Grund, als auch stellenweise in den höheren Theilen des Knappen-Grunds und des Kaltwasser-Grunds; in letzteren beiden Gründen sind ausserdem grosse lose Blöcke von Krystall-Gneis bis weit hinab vorzufinden; auf dem Langeck-Grat am Belchen, zwischen dem dortigen Porphyr und dem Feuersteinfelsen; hier mit Normal-Gneis wechselnd ; am Ausgang des Starkenbronn, hier zum Theil mit verwischter ET EN NE Or u Gevlogie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 573 Parallel-Struktur, also granitisch, und von zahlreichen Rutschflächen durchzogen ; in der oberen Kleinen Gabel; in der Grossen Gabel, am Fuss des Hoh-Ritti-Eck; auf dem Grat zwischen Hoh-Ritti-Eck und Dreieckigem Bannstein; im hinteren Theil des Kropbach, das unter dem Namen „Nikeli’s Krautgarten®“ bekannte Felsenmeer bildend; hier meist arm an grossen Krystallen und in Normal-Gneis übergehend. Aus dieser Zusammenstellung ist leicht mit Hülfe der Karte zu ersehen, dass alle diese Vorkommnisse der Nord-Grenze der kartirten Krystall-Gneis-Zone folgen, und zwar in geringer und ziemlich gleicher Entfernung von dieser Zone; das heisst, die eigentliche Krystall-Gneis- Zone ist über einen grossen Theil ihrer Länge im Norden oder Hangenden begleitet von einer Zone von Normal-Gneis, welcher Ein- lagerungen von Krystall-Gneis enthält. Die Verband-Verhältnisse zwischen dem Krystall-Gneis und dem Massen-Granit der Münsterhalde sind wegen mangelnder Aufschlüsse nicht deutlich erkennbar. Auf dem Sattel zwischen Dachseck-Bühl und Hochkelch ist die Grenze zwischen beiden Gesteinen an der Erdoberfläche eine ziemlich scharfe. Dagegen finden sich im oberen Starkenbronn stellenweise Gesteine, welche Zwischen-Gebilde darstellen zwischen dem nicht selten granit-ähnlichen Hochkelch-Gneis und dem ebenfalls grün-glimmerigen und zum Theil ziemlich grobkörnig werdenden Granit. Weiteres hierüber in Kap. e. Etwas besser, wenn auch nicht völlig klar, sind die Verband- Verhältnisse zwischen Krystall-Gneis, beziehungsweise grobkörnigem Gneis, und Normal-Gneis zu erkennen. Die besten Aufschlüsse finden sich östlich vom Belchen, etwas ausserhalb unserer Karte, an der südlichen Fortsetzung des auf der Karte noch sichtbaren, am Süd- Hang des Rübgarten-Bergs hinführenden und sich sodann südlich gegen Unter-Multen hinabziehenden, neu hergerichteten Fahrwegs. Hier haben wir am Rübgarten-Hang neben dem dort vorkommenden rothen Gneis und Granit auch grobkörnigen Gneis, zum Theil bunt- farbig wie Hochkelch-Gneis, 30 bis 40° nach Norden einfallend. 574 Dr, Adolf Schmidt: Etwas tiefer und südlicher folgen Aufschlüsse mit abwechselnden Lagen von grobkörnigem Gneis und von schiefrigem Normal-Gneis, dazwischen einzelne dünne Lagen von Hornblende-Gneis. Noch weiter unten, bei den obersten Unter-Multener Matten, geht der grobe Gneis gänz- lich über in Normal-Gmneis, wechselnd mit 1 bis 3 cm starken Lagen von Leptinit. Das Einfallen bleibt auch hier gegen N. oder NNO. gerichtet. Stellenweise finden sich auch dicke leptinitische Bänke, welche in unregelmässige Massen übergehen, zugleich granitisch werden und die Parallel-Struktur des Gneises quer abschneiden, also die Charaktere eines Eruptiv-Gesteins annehmen. Die grobkörnigen Gneis-Lagen werden bisweilen auch in der Richtung ihres Streichens durch mittelkörnigen Normal-Gneis abgelöst. Kleinere Aufschlüsse sind auch am Hochkelch selbst zu sehen, und zwar an dem auf der Karte nicht angegebenen obersten Hutpfad, welcher sich vom Feuerstein-Felsen ab am steilen West-Hang des Berges hinzieht. Hier sind an einigen Stellen Wechsel von Krystall- Gneis mit schiefrigem Normal-Gneis entblösst, zum Theil sehr flach, zum Theil unter Winkeln bis zu 40° nach NO. einfallend. Dass der untere Theil des Hochkelch hier aus Normal-Gneis besteht, wurde schon oben bemerkt. Aus diesen Beobachtungen geht hervor, dass die grobkörnigen Gneis-Arten zwar petrographisch ziemlich scharf geschiedene Gebilde sind, aber in stratigraphischer Beziehung insofern Uebergänge in Normal-Gneis zeigen, als sie an ihren Grenzen mit demselben wechsel- lagern. Da dies nicht nur im Hangenden, sondern wie die letzteren - Bemerkungen ergeben, am Belchen-Süd-Hang auch im Liegenden der Fall ist, so lassen sich diese grobkörnigen und Krystall-Gneise als zum Theil sehr mächtige Einlagerungen betrachten, welche sich mit . Vorliebe an den Grenzen des Massen-Granits einfinden. Die geschilderten Verhältnisse weisen aber auch darauf ‘hin, dass hier wirkliche Wechsel-Lagerung petrographisch ungleicher Gesteins- Arten stattfindet, welche, wenn sie vielleicht auch nicht nothwendig als Schichtung gedeutet werden muss, doch einer solchen vollkommen ähnlich sieht und jedenfalls als solche gedeutet werden kann. in rn ee re a Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 575 Die Krystall-Gneise sind sehr oft von rothen Graniten begleitet und durchsetzt, welche theils butzen- und stock-förmige Massen, theils Gänge darin bilden und sich bisweilen in feine Adern verzweigen. d. Verbreitung und Verband der Leptinite und der Muskovit-Gneise. Die Leptinite oder Gneise, in welchen der Glimmer entweder ganz fehlt oder nur spurweise vorhanden ist, besitzen eine nur geringe Ver- breitung. Selten finden sie sich als kleine Schmitzen mitten im Normal- Gneis; so beobachtete ich sie z. B. im Holzschlag und Herrenwald, im Wogenbach-Grund, bei St. Trudpert oberhalb des Scheibenfelses. Grössere Massen bilden sie nur am Hoch-Belchen, auf dessen Rücken sie abwechselnd oder vermengt mit grobkörnigen und rothen Gneisen, vom Rosenbächle ab bis gegen den Porphyr des Langecks hin, gefunden werden. Dasselbe ist auch der Fall am steilen Nord-Hang der Belchen- Kuppe, zwischen dem Rosenbächle und dem Feuerstein-Felsen, wo auch grössere Felsmassen davon zu beobachten sind. Nirgends aber sind solche Aufschlüsse vorhanden, welche die besonderen Lagerungs-Ver- hältnisse dieser Gesteine mit voller Sicherheit erkennen liessen. Das- selbe ist auch von den rothen oder Muskovit-Gneisen zu sagen. Diese Erkennung wird noch dadurch erschwert, dass die einzelnen Gesteine von Ort zu Ort eine verschiedene Beschaffenheit annehmen, auch über grössere Flächen, besonders auf der Belchen-Kuppe, mit- einander unregelmässig vermengt erscheinen und, wie schon im petro- graphischen Abschnitt bemerkt wurde, zum Theil ineinander über- gehen. Sowohl Leptinite als rothe Gneise werden sehr häufig granitisch ; die Leptinite nicht selten sehr feinkörnig bis fast hornfelsartig. Petro- graphische Uebergänge zeigen die Leptinite nicht nur in Muskovit- Gneis, sondern auch in Normal-Gneis, nicht aber unmittelbar in Krystall-Gneis. Trotz der angeführten Schwierigkeiten lassen sich durch sorg- fältige Zusammenstellung von Einzelbeobachtungen einige Schlüsse auf die Lagerung dieser Gesteine ziehen. Steigt man von der Neumühle im Unter -Münsterthal aus über die Langeck auf den Belchen hinauf, so trifft man bis zu dem die 576 Dr. Adolf Schmidt: | ” Langeck kreuzenden Porphyr-Zug nur Normal-Gneis. Weiter hinauf, zwischen dem Porphyr und dem Feuerstein-Felsen, wechseln die Ge- steine alle 30 bis 100 Meter, und es zeigen sich der Reihe nach: Normal-Gneis, Leptinit, Grobkörniger Gneis, Leptinit, Normal-Gneis, Grobkörniger Gneis, Wechsel oder Gemenge von grauen und rothen Leptiniten und von Krystall-Gneis. Noch höher hinauf, in gleicher Richtung auf dem Grat fort, folgen sich zwischen dem Feuerstein-Felsen und der Bank mit Wegweiser, welche schon an dem südlich um die Belchen-Kuppe herum nach dem Belchen-Wirthshaus führenden Weg liegt: Leptinit, Wechsel von Leptinit, grobkörnigem Gneis und Amphibolit, Amphibolit, von rothen granitischen Adern durchsetzt (beim „Scheuerle-Berg“ 1199,2 m), Wechsel von schiefrigem Leptinit und Hornblende-Gneis, Wechsel von grauen und rothen leptinitischen Gneisen. Die seitliche Ausdehnung dieser verschiedenen Gesteine liesse sich nur in sehr grossem Masstab kartiren und dann nur sehr unsicher, weil der Berggrat schmal und zu beiden Seiten von ziemlich steilen Hängen begrenzt ist. Zwischen der Bank und dem Belchen -Wirthshaus, am Südhang der Belchen-Kuppe hin, ebenfalls von West nach Ost, folgen weiter: Graue und rothe Leptinite, Rother Gneis-Granit mit Turmalin, Rother Gneis-Granit in Leptinit übergehend, -Graue, rothe und grüne Leptinite, Grobkörniger Gneis. \ a Sa ee Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 577 Von derselben Bank aus über den Rücken der Belchen- Kuppe hinweg folgen von West nach Ost, also der eben aufgeführten Reihe parallel: Leptinit, Grobkörniger Gneis, Leptinit, Rother Gneis-Granit, Leptinit, Ziemlich grobkörniger rother Gmneis, (Belchen-Gipfel) Leptinit, Grobkörniger Gneis, auf mehrere 100 Meter; endlich am Weg nach der Krinne hinab: Zuerst Wechsel von Leptinit und Normal-Gneis; später, östlich vom Rosenbächle, nur noch Normal-Gneis. Begeht man nun den Nord-Hang des Hoch-Belchen auf dem dortigen obersten Hutpfad, welcher sich vom Feuerstein- Felsen am steilen und felsigen Nord- Hang hinzieht, quer durch den oberen Kaltwasser-Grund, den Knappen-Grund, den Langen-Grund und das Rosenbächle bis zum Weg vom Belchen nach der Krinne am Rübgarten-Berg, so trifft man, wieder von West nach Ost, also un- gefähr parallel den letztaufgeführten beiden Reihen: Zwischen Feuerstein-Fels und Langen-Grund: Normal-Gneis, Wechsel von grauen, rothen und grünen Leptiniten und fein- körnigen Graniten; Beim Langen-Grund: Rother Gneis; Zwischen Langen-Grund und Rosenbächle: Grobkörniger Gneis, z. Th. mit Krystallen, Leptinit, Rother Gneis, Normal-Gneis, Rother Gneis; 578 Dr. Adolf Schmidt: endlich östlich vom Rosenbächle: Normal-Gneis. Etwas tiefer am Nord-Hang des Belchen liegt der mittlere Hutpfad, welcher zu dem eben betrachteten oberen Hutpfad an- nähernd parallel verläuft. Es ist derjenige, welcher sich auf der Karte angegeben findet. Wie auf der Karte ersichtlich, beginnt dieser Pfad unterhalb und westlich vom Porphyr des Langeneck-Grats, durch- schneidet den nördlichen Theil des Porphyr-Zugs, sodann ebenfalls Kaltwasser, Knappen-Grund, Langen-Grund und Rosenbächle, und zieht sich weiter nach Osten in das Krinner Loch. An diesem Pfad findet man bis zum Kaltwasser nur Normal-Gneis; von da bis zum Knappen- Grund hauptsächlich graue und rothe leptinitische Gneise wie am oberen Pfad. Sie reichen aber hier nur eine kleine Strecke über den Knappen-Grund hinaus und werden zunächst von Muskovit-Gneis ab- gelöst, welcher beim Langen-Grund von Krystall-Gneis unterbrochen wird, sich aber gegen das Rosenbächle hin abermals in ansehnlicher Entwicklung einstellt, welches letztere auch am oberen Pfad der Fall ist. Am West-Hang des Rosenbächle zieht er sich bis gegen den i dortigen Porphyr-Stock hinunter. Im Uebrigen verbreiten sich die erwähnten Gesteine nicht weiter abwärts am Belchen-Hang, sondern werden sämmtlich zwischen dem mittleren und unteren Hutpfad durch Normal-Gneis ersetzt. An letzterem Pfad findet man nur noch ver- einzelte kleinere Partien obiger Gesteine zwischen Kaltwasser und Knappen-Grund. Am Ost-Ende der Belchen-Kuppe, im Sattel zwischen dieser und dem Rübgarten, liegt ein grösserer Komplex von Muskovit - Gneis und -Granit. Dieser legt sich an den Süd-Ost-Hang der Belchen- Kuppe an und berührt daselbst die Zone des Krystall-Gneises. Eine kleinere granitische Partie tritt weiter westlich am Nord-Hang des Starkenbronn an der Grenze zwischen Matten und Wald auf, gleich- falls am Rand der Krystall-Gneis-Zone. Mit Hülfe aller angeführten Einzel-Beobachtungen lassen sich die } verwickelten Verhältnisse am Belchen so darstellen, wie dies in der. Skizze Fig. 7 geschehen ist. rt Gevlogie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 579 Diese Skizze, welche keine genaue Aufnahme darstellt, sondern nur den Zweck hat, über obige Beobachtungen eine allgemeinere Grobhörn. Gneis und Normal-Cneis Krinner Loch ce © c D= [+b) En £ Se E [77] ox at N 5 Ar Be [77] le} i © ee [>)} u “on B- (=) o cb Norn.al - Gneis, Crobkörn.. Gneis Uebersicht zu gestatten, zeigt zunächst, dass die ganze Formation der Leptinite und der rothen Gneise im Westen, Norden und Osten von dem das Münsterthal-Gebiet beherrschenden Normal-Gneis umgeben ist, auf der Südseite dagegen sich an den Krystall-Gneis anschliesst. 580 Dr. Adolf Schmidt: Sie bildet also eine zwischen letzterem und dem Normal-Gneis einge- klemmte, von Ost nach West gestreckte Gebirgs-Masse. Die oberste Belchen-Kuppe erstreckt sich in ost-westlicher Richtung von dem „Weg“, welcher vom „Wirthshaus“ nach der Krinne führt, bis zu der „Bank“. In geringer Entfernung nördlich vom „Belchen- | Gipfel“, sowie auch von der „Bank“, beginnen die abschüssigen nörd- lichen Gehänge des Berges. Von der „Bank“ nordwestwärts läuft der beiderseits ziemlich steil abfallende Langeck-Grat über das „Horn- blende“-Gestein und den „Feuerstein-Felsen“ quer durch den Porphyr- Zug. Auf diesem Grat bis über die ganze Belchen-Kuppe hinüber finden sich keine grösseren Aufschlüsse, und die an der Oberfläche vorfindlichen Gesteine wechseln theils mit einander ab, theils sind sie unregelmässig mit einander vermengt. Doch kommt der Normal-Gneis auf der Langeck reichlich vor, verschwindet aber gegen den Belchen- Gipfel hin. Dagegen fehlt auf der Langeck der rothe Gneis, welcher weiter nach Osten, auf der eigentlichen Belchen-Kuppe, ziemlich reich- _ lich vertreten ist und im Osten derselben sogar eine grosse zusammen- hängende Masse bildet. Allerdings sind dazwischen, östlich vom Belchen- Gipfel, über eine grosse Fläche wieder die grobkörnigen Gneise vor- herrschend. Die Haupt-Masse der rothen Gneise scheint sich östlich um diesen Gipfel herum zu ziehen. Die Leptinite sind am Langeck reichlicher vorhanden als auf der Belchen-Kuppe, und bilden ausser- dem am Nord-Hang des Berges eine lang-gestreckte Zone, in deren östliches Ende sich wieder grosse Partien von rothem Gneis und von Krystall-Gneis einmengen. Die Leptinite setzen daher hauptsächlich die nördlichen und nordwestlichen Theile der Kuppe zusammen. Im Ganzen ergibt sich sonach von Süd-Osten nach Nord-Westen hin folgende Gesteinsfolge: 1. ‚Haupt-Zone des Krystall-Gneises. 2. Rothe Gneise und Granite, in vereinzelten Partien. 3. Gemischte Zone der Hochfläche des Belchen, in welcher zuerst 7 Krystall-Gneis und rother Gneis, weiter nordwestlich Leptinit vorwiegt. 4. Leptinite, gegen Norden und Westen übergehend in - AT a ee ee Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 581 5. Normal-Gneis. Die ganze Kuppe erscheint als eine unter vielfachen Störungen gehobene Gebirgs-Scholle. e. Verbreitung und Verband der Massen-Granite. Grössere Granit-Massen finden sich im Münsterthal-Gebiet nur an zwei Stellen, nämlich am Süd-Rand der Karte, bei Münsterhalden, und nahe dem Ost-Rand derselben, zu beiden Seiten des die Elend- Gass durchfliessenden Neuhofer Baches. Der Granit der Umgegend von Münsterhalden gehört, nach den bis jetzt vorhandenen geologischen Karten, zu dem grossen südlichen Granit-Massiv des Schwarzwalds und bildet einen Theil der nördlichen Rand-Zone dieses Massivs. Manche neueren Karten haben die Gegend von Münsterhalden als Gneis bezeichnet. Dies ist aber ein Irrthum, und die alte Karte von ?. Merian (Südl. Schwarzwald 1831), obgleich sie in Folge ihrer mangelhaft ausgeführten Topo- graphie recht ungenau ist, gibt die nördliche Grenze des Granits in dieser Gegend am richtigsten an. Diese Grenze folgt im Allgemeinen der Süd-Grenze der auf meiner Karte angegebenen Krystall-Gneis-Zone. Sie ist indessen keine scharfe. Vielmehr zieht sich zwischen Krystall-Gneis und Granit vom Süd- West-Hang des Hochkelch im Starkenbronn über den Wölfleskopf, durch den Wölflings-Grund und den Münsterhalder Engpass hindurch, dann den Schlossberg hinan eine schmale Uebergangs-Zone, in welcher Hochkelch-Gneis, Normal-Gneis, Massen- und Gang-Granite nebeneinander auftreten, ohne dass ihre gegenseitigen Lagerungs- Beziehungen klar erkennbar wären. Fast alle Gesteine dieser Ueber- gangs-Zone zeichnen sich durch einen Gehalt an grünem, chloritisirtem Glimmer, ein Theil derselben auch durch gerötheten Feldspath aus, welche letztere Erscheinung, wie im Abschnitt A gezeigt wurde, eine Folge der ersteren ist. Ziemlich scharf erscheint die Grenze nur auf dem Sattel zwischen Hochkelch und Dachseck-Bühl. Von da in den Starkenbronn hinab findet man zunächst fein- bis mittelkörnigen grünen Granit, welcher 582 Dr. Adolf Schmidt: sich auch nördlich in den Fuss des Hochkelch hineinzieht, wo er aber, gegen den Tiefen Graben hin, von grauem und buntem Krystall-Gneis mit Gängen von theils rothen, theils grauen, grünglimmerigen Graniten abgelöst wird. Im Krystall-Gneis sind, wie früher erwähnt, Normal- Gneis-Partien eingeschaltet. Unweit der Einmündung des Tiefen Grabens finden sich im Starkenbronn bunte, mittel- bis grobkörnige Granite, welche als Uebergangs-Gesteine nach Hochkelch-Gneis aufgefasst werden können. Etwas unterhalb des Tiefen Grabens ist der Krystall-Gneis von rothen Granit-Gängen mit zum Theil sehr feinen Verzweigungen durchsetzt. Der Wölfleskopf besteht wieder, vom Porphyr abgesehen, vorwiegend aus Normal-Gneis mit viel Granit-Gneis und grösseren Partien von feinkörnigem Granitit, oft mit grünem Glimmer. Aehnliches zeigt sich auch noch im Wölflings-Grund, während gegenüber am Süd-Hang des Schlossbergs die mit Normal-Gneis und mit rothen Graniten vermengten Krystall-Gneise dort rasch durch den am Fusse des Süd-Hangs dieses Berges herrschenden Massen-Granit ersetzt werden. Aus letzterem besteht auch die Langenbacher-Eck und das ganze weiter südlich gelegene Gelände, obgleich auch hier noch stellenweise Andeutungen von Parallel-Struktur zu bemerken sind, so z. B. am Gipfel des Stuhlskopf und an dem westlich davon gelegenen Mützenbühl. Die Granite der Umgegend von Münsterhalden sind aber auch weiter im Innern des Massivs keineswegs von gleichförmiger Beschaffenheit. Die gewöhnlichsten sind fein- bis mittelkörnige, grün- lich-graue Granite. An der Langenbacher-Eck nehmen sie ein gröberes Korn an und oft gelbe, rothe und violette Färbungen, enthalten auch theilweise grosse Orthoklase, bis zu 25 mm lang, und gehen so in Krystall-Granit über. Letzterer ist am West-Hang des Langenbacher- Thals und in der Münsterhalde selbst noch stärker, aber auch hier nur örtlich verbreitet. Mit dem zahlreicheren Auftreten der grossen Krystalle nimmt gewöhnlich auch die Korngrösse der Grundmasse zu. Die meisten dieser Granite zeichnen sich durch die grüne Farbe des Biotits aus, ähnlich wie der Hochkelch-Gneis; und die grobkörnigen Varietäten sind oft, von der Parallel-Struktur abgesehen, letzterem 4 5 1 ae mn ar San ln Zn ee a ne a ae me ut u on Ze mn Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 583 Gestein sehr ähnlich. Die feinkörnigen Arten enthalten bisweilen Muskovit-Blättchen neben dem chloritischen Biotit. Mitten im Granit kommen stellenweise gneis-ähnliche Massen vor. An einer Stelle der grossen Strasse durch die Münsterhalde sind auch Granit-Brekzien aufgeschlossen mit Feldspath als Bindemittel. Die gegenseitigen Lagerungs- und Verband-Verhältnisse von Granit und Gneis finden sich nirgends deutlich aufgeschlossen, müssen aber nach Obigem recht verwickelter Natur sein. Einerseits ist aus dem nördlichen Einfallen der Gneises und der südlichen Lage des Granits zu vermuthen, dass der Granit die Unterlage des Gmneises bilde, was auch durch andere Beobachtungen im Schwarzwald (vgl. Merian, Südl. Schwarzw. p. 91, 92) unterstützt wird. Uebergänge zwischen beiden Gesteinen sind nicht selten. Auch finden sich sowohl mitten im Gneis granitische, als mitten im Granit gneisische Partien. Andrerseits ist der Gneis an den Rändern des Massen-Granits von Granit-Gängen besonders reichlich durchsetzt. Von diesen Gängen ist es aber nicht nachweisbar, ob sie von der Haupt-Granit-Masse aus- gehen oder in dieselbe hineinsetzen. Die Deutung dieser Verhältnisse ist bis jetzt überaus schwierig und wird auch durch die Betrachtung der kleineren stockförmigen Granit-Massen nicht aufgeklärt. Die zwei bedeutendsten Granit-Stöcke des Gebiets habe ich nach ihrem ungefähren Umfang und ihrer Lage auf der Karte an- gegeben. Beide bilden von ONO. nach WSW. etwas gestreckte, un- regelmässig rundliche Körper. Der eine liegt östlich vom Neuhofer Bach zwischen der Loch-Matte und dem Schürle-Buck, und besteht hauptsächlich aus einem ziemlich feinkörnigen, hellgrauen Zweiglimmer- Granit, welcher an der grossen Strasse von Ober-Münsterthal nach Neuhof schön aufgeschlossen ist. Der zweite liegt diesem gegenüber, westlich vom Neuhofer Bach, am Ost-Hang des Brandenbergs, und enthält Zweiglimmer-Granite von sehr wechselnder Farbe und Korn- Grösse; stellenweise grau, vorwiegend aber roth, fleischroth, gelb- roth; mittelkörnig bis ganz grobkörnig (Korn Grösse bis zu 5 mm). In den feineren Arten finden sich auffallend dunklere Partien durch fein eingemengten Epidot, nicht scharf abgegrenzt. Der den Granit 584 Dr. Adolf Schmidt: umgebende Gneis ist stellenweise durchsetzt von grob- bis grosskörnigen Granitit-Gängen. Eine kleinere, auf der Karte nicht angegebene Granit-Masse findet sich auf dem -Sonnhaldeneck, etwas nördlich vom dortigen Porphyr, ohne dass sich jedoch ibre Lagerungsform bestimmt feststellen liesse. In dem petrographischen Abschnitt wurde näher ausgeführt, dass und wie der Normal-Gneis in seinem Streichen nicht selten in flache oder in ganz unregelmässig gestaltete granitische Massen übergeht. Aehnliches wurde auch schon früher in anderen Gegenden des Schwarz- waldes beobachtet, so z. B. von Vogelgesang bei Gütenbach (Beitr. zur Stat. d. Gr. Baden. Heft 30, p. 22). So entwickelte Granite ändern auch bisweilen ihre graue Farbe in eine röthliche um und er- scheinen dadurch wie fremdartige Zwischenlagerungen, besonders dann, wenn sie stellenweise dickere '/, bis 1'/; m mächtige Bänke bilden. Der Glimmer-Gehalt ist in solchen Lager-Graniten gewöhnlich vermindert bei Vergleichung mit dem Gneis. Dagegen habe ich in ihnen nie einen erheblichen Wechsel in der Korn-Grösse bemerkt, wie er in den eben beschriebenen, grossen Granit-Stöcken auftritt; ebensowenig eine Aenderung in der mineralogischen Zusammensetzung, während die grossen Stöcke gewöhnlich zu dem Biotit noch makroskopischen Mus- kovit aufnehmen, und bisweilen noch andere Mineralien, wie z. B. Epidot. Bei diesem abweichenden Verhalten kann nicht behauptet werden, dass diese grösseren Stöcke in den gleichen Beziehungen zum Gneis stehen, wie die sogenannten Lager-Granite. Randliche Ueber- gänge solcher Stöcke in Gneis lassen sich in den von mir untersuchten Gegenden auch nicht nachweisen. Diese Vorkommnisse dürften daher entweder als Eruptiv-Massen oder als gehobene Theile der granitischen Unterlage des Gneises zu betrachten sein. f. Verbreitung und Verband der Gang-Granite. In der Gestalt von Gängen, oft nur 1 bis 10 cm, seltener bis 3% m mächtig, finden sich im .Gneis granitische Gesteine von recht mannigfaltiger Beschaffenheit, wie aus der unter A. g. gegebenen petrographischen Beschreibung derselben ersichtlich ist. In den centralen Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 585 und tiefergelegenen Gebiets-Theilen sind sie auffallend spärlich, reich- licher in den rauhsten Geländen des Hochgebirgs, am zahlreichsten in der Nähe der Massen-Granite. Vereinzelte Vorkommnisse lassen sich fast überall im Münsterthal-Gebiet beobachten; so am Heidenstein, auf der Langeck, bei St. Trudpert, beim Spielweg; ferner auf dem Riester-Grat zwischen dem Dreieckigen Bannstein und dem Kohlplatten-Kopf, sowie auch am südlichen Riester-Hang; sodann am Wildsbacher-Kopf und in der hinteren Salenbach, besonders im sogenannten Rotlacher Gründle. Ob der granatführende Granit vom Katzenstuhl zu den Gang-Graniten gehört, ist nicht sicher. Weiter nördlich werden sie seltener und nur noch auf einzelnen Höhen bemerkbar; so zwischen Ambringer und Norsinger Grund. Um den Walterstall-Kopf und im Ehrenstetter Grund kommen schöne Pegmatite vor mit grossen Biotit-Blättern und bisweilen mit grossen Pseudomorphosen von Biotit nach Turmalin. Zahlreicher sind die Granit-Gänge in der Umgebung der Massen-Granite. Die Gänge im Krystall-Gneis am Nord-Rande des Münsterhalden-Granits wurden bei diesem erwähnt. Wie dieser führen sie grossentheils grünen Glimmer, wenn auch sonst von wechselnder Beschaffenheit. Die Gesteinsfarben sind grünlich-weiss, grau oder roth. Muskovit haben ich keinen darin bemerkt. Ganz durchmengt mit grösseren Massen meist rother Granite erscheinen weiter westlich in dieser „Uebergangszone“ die Krystall- Gneise und Normal-Gneise des Schlossbergs und der Ramsbacher-Eck. Die mächtigen Felsen südlich und westlich vom Schlossberg-Gipfel be- stehen grossentheils aus solchen. Viele dieser Gesteine sind nur un- deutlich gekörnt, steinig im Bruch, wenig gleichmässige Gemenge von fleischrothem Feldspath mit grauem Quarz und seltenen Muskovit- Blättchen; feine Klüftchen sind mit chloritischen Gebilden erfüllt. Die bedeutende vertikale Ausdehnung dieser Granite quer zur Gneis- Struktur beweist ihre durchgreifende Lagerung. An dem Hutpfad, welcher südlich um den Gipfel des Schlossbergs herum führt, wechseln solche Granite mit Krystall-Gneis und mit Normal- Gneis. Dies setzt sich fort bis über die Ramsbacher-Eck hinaus, deren Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. III. 39 586 Dr. Adolf Schmidt: Gipfel rother Granit ist. Weiter westlich, gegen den Dreieckigen Bannstein hin, gewinnt der Normal-Gneis die Oberhand und herrscht zuletzt allein. Die vom Dreieckigen Bannstein nach Norden und Nord-Westen auslaufenden beiden Berg-Grate enthalten einerseits bis zum Wilds- bacher-Kopf, andrerseits bis zum Kohlplatten - Kopf die erwähnten Einzel-Vorkommnisse von feinen und groben Graniten. Diese zeigen sich fast nur auf den Höhen. In den Thal-Tiefen, sowie auf den niederen Ausläufern dieser Berg-Grate sind keine solche Vorkomm- nisse von Belang zu bemerken. So wie der Massen-Granit der Münsterhaldener Gegend, so sind auch die beschriebenen beiden Granit-Stöcke zwischen Bran- denberg und Schürle-Buck von Granit-Gängen begleitet. Zwischen den beiden Stöcken sieht man an den Felsen der Elendgass rothe Granit- Gänge den Gneis durchsetzen, theils parallel, theils schief, seltener senkrecht zur Gneis-Struktur, scharf gegen den Gneis abgegrenzt. Die Granite sind fein- bis mittelkörnig, von ungleichmässiger Zusammen- ‘ setzung meist aus rothem und weissem Feldspath, grauem Quarz, nebst geringen Mengen von chloritischen Bestandtheilen und selten etwas Biotit bestehend. Auch in der Umgegend des Spielwegs finden sich graue und röthliche, aber meist glimmerarme Granite; desgleichen beim Sorbaum, wo auf der rechten Bach-Seite mehrere feinkörnige Granit-Gänge von 20 bis 170 cm Mächtigkeit anstehen. Solche Gänge finden sich ferner im Wald unterhalb dem Sattel-Grund. Oben im Feld des Sattel-Grunds, am Weg nach Schöneck, sah ich einen 2 Meter mächtigen Gang im frischen Anbruch, den Gneis schief durchsetzend. . Weniger deutlich als Gänge gekennzeichnet sind granitische Vorkomm- nisse oberhalb der Milch-Matte. Beim Wolfsgrüble setzen 3 bis 5 cm starke, graue Granit-Gänge in nord-südlicher Richtung quer durch den Gneis, Besser aufgeschlossen und leichter zu beobachten sind eine Anzahl Gänge entlang dem Storener Bach, an der neu hergerichteten Strasse nach dem Storen, sowohl unterhalb der Einmündung des Sügenbachs, als auch weiter oben am Drehbach. Auch hier bestehen die Gänge Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 587 meist aus glimmerarmem Granitit, weiss, grau, stellenweise mit reich- lichem Epidot-Gehalt. Einer der Gänge am Storener Bach erwies sich bei mikroskopischer Untersuchung als syenitisch. Ueberblickt man diese Vorkommnisse unter Zuhilfenahme der Karte, so findet man, dass von den zwei beiderseits des Neuhofer Bachs gelegenen Granit-Stöcken sich eine an granitischen Gängen reiche Zone in nord-östlicher Richtung über die obengenannten Fund- orte gegen den Storen hinaufzieht. Die Gneise dieser Gegend sind stark verwunden und gefaltet, ohne dass sich diese Erscheinung auf die Granite als Ursache zurückführen liesse. Die Gänge setzen viel- mehr in beliebigen Richtungen durch die gefalteten und geknickten Gneis-Massen hindurch. Ein Zusammenhang zwischen den Gang- Richtungen der Granite und den Struktur- Störungen im Gneis ist nirgends erkennbar. Die in Abschnitt A. Kap. c. gegebene Fig. 6 zeigt in schlagender Weise die Unabhängigkeit eines Granit-Ganges von der Gneis-Struktur. Dass die Korn-Grösse an den Salbändern eines Granit- Ganges eine wesentlich verschiedene wäre von derjenigen in der Mitte desselben Ganges, habe ich nirgends bemerkt. Der Kontakt zwischen solchen Gängen und dem Gneis ist in den meisten Fällen makroskopisch als ein zwar scharfer, aber sehr inniger zu erkennen. Am deutlichsten ist er bei den Pegmatiten, weil hier die sehr verschiedene Korn- Grösse der beiden Gesteine deren scharfe Unterscheidung erleichtert. Man kann hier bisweilen be- obachten, dass die grossen Orthoklas-Individuen des Pegmatits Abdrücke der kleinen Mineral - Theile des Gneises enthalten. Der Gneis ist in der Nähe der Gänge gewöhnlich in Zusammensetzung und Struktur unverändert. Die Gneis-Wände, an welche sich der Granit angelegt findet, sind bald ziemlich eben, bald rauh. In letzterem Falle füllt der Granit alle Unebenheiten vollständig aus und dringt gelegentlich in kleine, der Struktur parallele Spalten des Gneises ein. Bei fein- und mittelkörnigen Graniten ist die Beobachtung des Kontakts dann ziemlich leicht, wenn der Granit, wie dies oft der Fall, sehr arm, der anstossende Gneis dagegen reich an Glimmer ist, und wenn sich ausserdem noch der Feldspath des Granits durch reinere, s9*+ 588 Dr. Adolf Schmidt: besonders weisse Färbung von demjenigen des Gneises unterscheidet. Unter diesen Umständen ergeben sich dieselben Verhältnisse wie beim Pegmatit. Verwischt erscheint dagegen der Kontakt, selbst bei Verschieden- heit des Glimmer-Gehalts, dann, wenn bei annähernd gleicher Korn- Grösse die Feldspathe beider Gesteine in gleicher Weise getrübt und röthlich, gelblich oder bräunlich gefärbt sind. Eine sorgfältige Prüfung mit der Lupe lässt auch dann meist die Grenze gut erkennen und zeigt dasselbe innige Anlegen der Granit-Masse an den Gneis. Unter dem Mikroskop im Dünnschliff ändert sich diese Er- scheinung nicht. Selbst da zeigt sich gewöhnlich keinerlei Kluft oder Spalt zwischen den beiden Gesteinen. Die beiderseitigen Mineralien sind ganz ebenso innig verbunden als die Mineralien jedes der Gesteine unter sich. Das Auffinden der Gesteins-Grenze wird dann um so schwieriger, je stärker die angewandte Vergrösserung, weil damit der Ueberblick über das Allgemein-Verhalten der einzelnen Mineralien mehr und mehr ver- loren geht. Unter Anwendung von Vergrösserungen der Art, dass eben noch genügende Flächen beider Gesteine gleichzeitig im Gesichtsfelde liegen, sieht man im polarisirten Licht oft gewisse makroskopisch nicht erkennbare Unterschiede in der Beschaffenheit der einzelnen Mineralien beider Gesteine, welche Unterschiede sodann die Grenz-Linie genau verfolgen lassen. So mag sich beispielsweise zeigen und wurde von mir beobachtet: im Gneis eine Art von detritischer Grundmasse, welche im Granit fehlt; in den Gneis- Feldspathen zahlreiche Einschlüsse, in denen des Granits nur sehr spärliche ; b die Einschlüsse in den Gneis-Feldspathen waren in einem Fall hauptsächlich Quarze, die in den Granit- Feldspathen fast nur kleine Feldspathe und Glimmer; der Füll-Quarz des Granits war viel gröber polysynthetisch als der des Grneises; der Quarz des Granits enthielt viel Eisenglimmer, der des Gneises war frei davon; ar er Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 589 und so weiter. Solche Unterschiede machen, wo sie auftreten, die mikroskopische Kontakt-Bestimmung oft zu einer leichten und sicheren. Die auf diese Weise gemachten Beobachtungen bestätigen nur die er- wähnten makroskopischen. Das Herumwachsen der Granit-Mineralien um vorspringende Theile von Gneis- Mineralien, und überhaupt um Rauhigkeiten der Gneis-Wand, ist auch hier überall erkennbar, während dieselben Mineralien nach der Gang-Seite hin bisweilen auskrystallisirt sind. Zerrissene Biotit-Blätter des Gneises stecken mit ihren in den Gang vorragenden Enden in einheitlich polarisirenden, zum Granit gehörigen Körnern von Feldspath oder Quarz. Die Verbindung der beiderseitigen Mineralien ist nicht selten eine innigere als diejenige der oft etwas lockerer zusammengefügten Granit-Mineralien unter sich. Fluidal-Erscheinungen, wie sie im Gneis nicht selten sind, wurden in diesen Graniten keine bemerkt, weder makroskopisch noch mikro- skopisch. Kurz, nichts ist vielleicht geeignet, den Glauben an eine thermische Eruptivität solcher Gänge gewaltiger zu erschüttern, als die genaue Untersuchung ihrer Berührungs-Flächen. Kontakt - Wirkungen fehlen gewöhnlich ganz. Sowohl der Granit als der Gneis haben dicht bei der Berührungs-Fläche genau dieselbe Beschaffenheit wie in einiger Entfernung davon. Dass dies auch bei dem Gneis der Fall, beweist, dass die Gang-Spalte nach ihrer Aufreissung nicht lange kann leer geblieben sein. Wo Ver- ‘änderungen am Kontakt vorkommen, begleiten sie die Gänge nicht auf ihrer ganzen Ausdehnung, sondern treten nur an einzelnen weniger dichten Stellen auf und betreffen sowohl Granit als Gneis, sind also sekundärer Natur. Dahin gehören von Farben - Aenderung begleitete Zersetzungs-Erscheinungen. Dahin gehört auch eine mehrfach von mir bemerkte Kontakt- Erscheinung, welche sich in sehr auffallender Weise dadurch kund thut, dass ein Theil des Feldspaths in eine dunkelgrüne, serpentin- ähnliche, etwas schuppige Masse verwandelt ist, aus welcher sich un- verändert erscheinende schwarze Biotit- Blätter stellenweise abheben. Die Umwandlung erstreckt sich in unregelmässig begrenzten Partien in beide Gesteine, viel weiter in den Gneis als in den Granit. Sie 590 | Dr. Adolf Schmidt: erfasst auch einzelne isolirte Mineral-Theile in geringer Entfernung von der Berührungsfläche. Der Feldspath des Granites ist grossen- theils röthlich, die Quarz-Körner roth bis braunroth gefärbt. Die Untersuchung im Dünnschliff ergibt, dass der braune Biotit der beiden Gesteine theilweise unverändert geblieben ist, theilweise sich gebleicht hat unter Abscheidung von Rutil-Nädelchen und von Leukoxen, und zu einem andern und dritten Theil eine hell- grüne Färbung angenommen und damit seinen kräftigen Pleochroismus mehr oder weniger verloren hat. Die Umwandlung des Feldspaths erstreckt sich nur auf den Orthoklas. Derselbe trübt sich unter Aus- scheidung feiner Fäserchen, und entwickelt grössere, meist von aussen in ihn eindringende Flasern von zwei parallel miteinander verwachsenen Glimmer-Arten, deren eine alle Eigenschaften des gewöhnlichen Mus- kovits besitzt, während die andere zwar hellgrün gefärbt und schwach pleochroitisch ist, aber die für den Muskovit charakteristischen zarten Polarisations - Farben zeigt. Oft scheiden sich gleichzeitig feine Blättchen von Eisenglimmer aus, besonders im Granit, dessen röth- liche Färbung davon herrührt. Mit obiger Umwandlung ist dies aber nur stellenweise verknüpft, und die Eisen-Blättchen sind sehr ungleich- mässig und in einer von der Haupt-Veränderung unabhängigen Weise vertheilt. Das erwähnte grüne, serpentinähnliche Umwandlungs-Erzeugniss, welches im Kontakt oft in grösserer Menge schon makroskopisch ge- sehen wird, besteht im Dünnschliff unter dem Mikroskop betrachtet aus einem anscheinend feinfasrigen bis schuppigen Gemenge von braunem und grünem Glimmer, mit farblosem Muskovit. Der grüne Glimmer tritt in zweierlei Weise auf. Der eine Theil erscheint als Bleichungs- Produkt des braunen; beide gehen in der Spaltungs-Richtung ineinander über, so dass nicht selten eine Lamelle an einem Ende braun, an dem andern grün ist. Der andere Theil ist mit dem farblosen Muskovit parallel und polysynthetisch verwachsen und bildet mit diesem das schon oben besprochene Umwandlungs-Produkt des Orthoklases. Die Stellung dieser letzteren Glimmer - Kombination ist völlig unabhängig von der Stellung der ersteren Kombination. Der grüne Glimmer zeigt RITTER ER Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 591 aber in beiden Verbindungen in mehr oder minderem Grade die Polari- sations-Erscheinungen des Muskovits. Die grüne Kontakt-Substanz wäre demnach als ein theils aus Orthoklas, theils aus Biotit entstandenes, serizitisches Glimmer-Gemenge anzusehen. Wo diese Substanz in grösserer Menge auftritt, kann die Gesteins-Grenze weder makroskopisch noch mikroskopisch genau ver- folgt werden. 8. Verbreitung und Verband der Amphibolite. Die Amphibolite, welche, wie aus der petrographischen Beschrei- bung hervorgeht, von sehr wechselnder Beschaffenheit sind, spielen im Münsterthal-Gebiet eine nur kleine geologische Rolle. Die Vor- kommnisse sind fast alle von ganz geringer Ausdehnung, so dass bei dem gänzlichen Mangel an Aufschlüssen in denselben meist nur einzelne lose Stücke oder Blöcke oder Klippen an der Boden-Oberfläche die Anwesenheit derselben bekunden. Selbst innerhalb kleiner Grenzen ist die Beschaffenheit und bisweilen auch die Zusammensetzung dieser Gesteine eine nicht völlig gleiche. Die einzelnen Vorkommnisse sind über den ganzen südlichen und mittleren Theil des Gebiets zerstreut und scheinen hauptsächlich an den Normal-Gneis gebunden zu sein. In den Krystall-Gneisen tritt Horn- blende nur selten und nur accessorisch auf. Dagegen zeigen sich geringe Mengen von Hornblende-Gestein mikrokrystallin oder sehr . feinkörnig am Fuss des Süd-Hangs des Hochkelchs und im Starken- bronn im Normal-Gneis der Krystall-Gneis-Zone. Die bedeutendsten Vorkommnisse liegen entlang dem Nord-Rand dieser Zone, und zwar das grösste, welches allein ich auf der Karte verzeichnet habe, am sogenannten Scheuerle-Kopf (1199,2 der Karte) auf dem Grat der Langeck. Dieses ist auch in der obigen Hoch-Belchen-Skizze Fig. 7 angegeben, wo ersichtlich ist, dass das- selbe noch innerhalb des an Leptiniten reichen Bezirkes fällt. Aber auch diese grösste Partie besitzt keine sehr grosse Ausdehnung. Auf dem Grat zwischen Scheuerle-Kopf und Belchen-Kuppe ist sie 40 bis 50 Meter breit und reicht von da mit abnehmender Breite nur 5923 Dr. Adolf Schmidt: 30 bis 40 Meter am Nord-Ost-Hang hinab. Am andern oder Süd- West-Hang dagegen nimmt sie an Breite rasch zu und erreicht bei dem auf der Karte angegebenen Pfad eine ost-westliche Ausdehnung von etwa 180 Meter. Da sie aber nur wenig unter den Pfad hinab- reicht, so ist dies hier ihre Haupt-Erstreckung, und sie stellt sich daher dar als ein um die Ost- und Süd-Seite des Scheuerle-Kopfs herumgelegtes, 40 bis 80 Meter breites und ungefähr 300 Meter langes Band. Die Haupt-Masse des Gesteins ist quarzfrei, feinkörnig und parallel-struirt, und wurde im Abschnitt A. Kap. h. als No. 4 der Amphibolite beschrieben. Das Gestein wird nicht selten auch mittel- und grobkörnig, Am andern Stellen schiefert es, wird heller von Farbe und gneis-artig. An dem erwähnten Pfad finden sich ansehn- liche Felsen, welche zum Theil nur aus Amphibolit bestehen, zum Theil aus solchem vermengt mit rother, bald granit-ähnlicher, bald felsit- bis hornstein-ähnlicher Feldspath-Masse, welche theils parallel, theils durchgreifend auftritt; endlich kommen auch noch Gemenge von Amphibolit und von leptinitischem Gneise vor mit Uebergängen in- einander. Die Umgebung des Ganzen besteht vorwiegend aus Leptinit, welcher gegen die Belchen-Kuppe hinauf noch mit Hornblende-Gneis wechselt, bis die Hornblende endlich ganz verschwindet. Ein weiteres Vorkommen von Amphibolit ist im Rothbuck, etwas nördlich vom Rängefelsen, also ebenfalls nahe der Nord-Grenze des Krystall-Gneises. Es liegen da nur eine Anzahl grösserer und kleinerer Blöcke umher, unmittelbar oberhalb der Strasse. Die petrographische Beschreibung wurde unter A. h. No. 3 gegeben. Dieses Gestein ist viel gröber im Korn und die feldspathigen Adern sind weiss. Es zeigt Uebergänge in grobkörnigen Gneis. Daneben kommen Stücke von dunkelgrüner Farbe und feinerem Korn vor, welche aus dem unter A. i. beschriebenen Pyroxen-Plagioklas-Gestein bestehen. In noch geringerer Menge ist Hornblende-Gestein in der Kleinen Gabel vertreten. Es sind nur wenige lose Blöcke unweit des Wald- Randes im Weid-Feld. In der Nähe findet sich auch etwas Quarzfels. Die besprochenen drei Vorkommnisse liegen ungefähr in einer Ost-West-Linie nahe dem Nord-Rand der Krystall-Gneis-Zone. ar Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 593 In dem Thälchen im Herrenwald findet man einzelne Blöcke des unter A. h. No. 2 beschriebenen Gesteins, ebenfalls reich an Feldspath-Adern, welche rein körnig und gelb gefärbt sind; daneben tritt auch Glimmer auf und stellenweise Partien von Quarz, letzterer anscheinend nachträglich infiltrirt. Eine Strecke westlich von diesem Fundort trifft man an dem auf der Karte angegebenen älteren Weg (der neuere ist nicht darauf verzeichnet) von Mulden nach der Krinne feinkörnigen Horn- blende-Gneis in kleineren Stücken mit Normal-Gneis vermengt. Diesem Vorkommniss gegenüber zeigt sich im Kaltwasser- Grund in geringer Menge das unter A. h. No. 1 beschriebene grob- körnige Gestein von gänzlich verschiedenem Habitus als die früheren, indem es mehr einem von parallelen grünen Hornblende-Flasern durch- zogenen, grobkörnigen Granit gleicht. Die drei zuletzt besprochenen Vorkommnisse liegen ebenfalls auf einer Ost-West-Linie, annähernd parallel der vorhin erwähnten, etwas weiter nördlich. Alle übrigen sind noch unbedeutender und liegen noch weiter nördlich und westlich und gänzlich zerstreut. Hierzu gehören: das nur in wenigen Stücken gefundene aphanitische Amphibol- Gestein A. h. No. 6 von der Wiedener-Eck; ein feinkörniges, syenitisches Gestein am Streicherkopf bei St. Trudpert; ein grobkörniger, etwas Feldspath führender, Hornblende-Fels unweit Grunern bei Staufen; der unter A. h. No. 5 beschriebene Schiefer, welcher oben auf dem Sonnhaldeneck, beim Gipfel 799,3 der Karte, einige aus dem Boden hervorragende Klippen bildet. Ausserdem wurden nur noch in der hinteren Metzenbach und an einer Stelle auf der Metzenbacher Höhe geringe Spuren von Hornblende- Gestein angetroffen; weiter nördlich aber gar keine mehr. Aus dieser ganzen Darstellung geht hervor, dass die Amphibolite im Ganzen wenig vorkommen, am meisten in einer unmittelbar im Hangenden des Krystall-Gneises liegenden Zone, welche theils aus 594 Dr. Adolf Schmidt: leptinitischem, theils aus normalem Gneis besteht, und dass von dieser _ Zone aus gegen Norden die Hornblende-Vorkommnisse immer seltener und schwächer werden und jenseits der Metzenbacher Höhe völlig verschwinden. Die in Abschnitt A. Kap. i. beschriebenen chloritischen Ge- steine sind nur ganz geringfügige Erscheinungen sekundärer Entstehung und ohne geologische Bedeutung für unser Gebiet. h. Verbreitung und Verband der Felsitfelse. Anscheinend zum Gneis gehörige Felsitfelse kommen nur unter- geordnet an einzelnen unregelmässig vertheilten Punkten vor. Die Leptinite gehen bisweilen in felsitische oder felsitähnliche Massen über. Im Normal-Gneis, besonders an durchklüfteten und in ihrer Lagerung zerstörten Theilen desselben, finden sich unregelmässige felsitische Ein- schaltungen, welche oft von Quarz-Schnüren begleitet und durchadert sind, nicht selten körnige Feldspath- und Quarz-Theile eingeschlossen enthalten und bisweilen Parallel-Struktur besitzen. Von einem Vorkommniss dieser Art hinter dem Eichbuck bei Staufen stammen zwei Stücke, deren makroskopische und mikroskopische Beschreibung unter A. k. mitgetheilt wurde. Dieselben scheinen zer- trümmerter und unvollkommen regenerirter Gneis zu sein. Einige Felsen aus quarzig-felsitischer Masse stehen an einer Stelle im obersten Starkenbronn an, am steilen Hang des Hochkelchs. Sie bilden Uebergänge in Hornstein und in Quarzfels und schliessen bisweilen Bruchstücke von solchen Gesteinen ein. Auch hievon wurde eine Probe mikroskopisch untersucht. Vgl. A. k. Im Allgemeinen ist von solchen felsitäbnlichen Massen im Gneis zu sagen, dass sie sehr wechselnde Beschaffenheit und Färbung an- nehmen und fast immer mit Quarz-Gesteinen in Verband stehen. Sie erscheinen als Erzeugnisse gewaltsamer, wenn auch langsam vor sich gehender Gesteins-Bewegungen, mit welchen Eruptionen von Kiesel- säure-Lösungen einhergingen, entweder gleichzeitig oder schr bald nach- folgend. RE WEEZE TE ea di LT ee a a ni ern a en Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 59 ou Endlich treten gleichmässiger zusammengesetzte Felsitfelse mit den Porphyren zusammen auf und werden mit diesen besprochen werden. i. Verbreitung und Verband der Quarzfelse. Die Haupt-Masse der eben erwähnten Felsen am Hochkelch besteht aus grauem Hornstein und feinkrystallinem Quarzfels, mit ein- gesprengten Eisenglanz-Theilchen und mit rothen und braunen Adern. In der Umgebung zeigen sich Gänge und Schnüre von denselben Quarz- Gesteinen, sowohl im Krystall-Gneis und in zersetztem und wieder ver- kieseltem Normal-Gneis, als auch in dem anstossenden Münsterhalden- Granit. Brekzien-Struktur ist häufig, indem Bruchstücke von älterem, hellerem, gelblich-grauem Hornstein durch später abgesetzte, trübere und braun durchaderte Hornstein-Masse zusammengekittet wurden. Es ist dies ein Beweis, dass der von dem Auftreten von Kieselsäure- Lösungen begleitete Zertrümmerungs-Vorgang längere Zeit mit Unter- brechungen angedauert hat. Ein ähnliches Vorkommen von Hornstein bildet der auf der Karte angegebene sogenannte Feuerstein-Felsen auf dem Langeck-Grat des Belchen. Hier ist theils normaler, theils grobkörniger Gneis mehr oder weniger zersetzt, durchtränkt von Kieselmasse und gangförmig durch- zogen von grauem Hornstein, welcher in der Nähe von den zahlreichen, Rotheisenerz führenden Klüften, in rothen Jaspis und Eisenkiesel übergeht. In Hohlräumen des Kiesel-Gesteins hat sich gelegent- lich kammförmiger oder blättrig-derber Schwerspath in geringer Menge angesiedelt als späteste Bildung. Im Gegensatz zu dem Vorkommen am Hochkeleh sind hier keine Uebergänge in felsitische Massen be- merkbar. Auf dem Grat des Schlossbergs bei Münsterhalden, etwas west- - lich vom höchsten Gipfel, liegen grosse Blöcke von weissem, krystallinem, drusigem Quarzfels in Menge herum. Am Nord-Hang desselben Berges steht am oberen Hutpfad ein Fels dieser Art an. Noch tiefer und ungefähr ‘in derselben Richtung ist in der Kleinen Gabel am Wald- rand cin solcher Fels zu sehen, und auf dem Buck zwischen der 596 Dr. Adolf Schmidt: Kleinen und der Grossen Gabel kommen poröse und kavernöse Quarzit-Massen vor, deren Hohlräume grossentheils mit braunem Glas- kopf ausgekleidet oder mit Brauneisenerz ausgefüllt sind. Nicht selten ist darin eine rohe Parallel-Struktur erkennbar, indem Brauneisenerz- Partien von einander parallelen, bräunlichen Quarz-Schnüren durchsetzt sind. Ueberhaupt erweist sich die grobe, weisse Quarzit-Masse als älter, die feinere, bräunliche als jünger als das Eisenerz. Es sind also hier den ersten Zerklüftungen Quarz-Absätze, diesen Eisenerz-Bildungen gefolgt; diesen wieder erneute Gesteins-Bewegungen und endlich noch- mals Quarz-Absätze. Am Nord-Hang des Läger-Bergs kommen ebenfalls grosse Blöcke von weissem, mittelkörnigem Quarzit vor, welcher eckige Stücke von grobkrystallinem, farblosem Quarzit einschliesst. Etwas weiter west- lich, im sogenannten Finstergrund, einem Seitengrund des Wildsbachs, zeigt sich in der Nähe des dortigen alten Stollens hellgrauer, zer- hackter Quarzit mit hübschen Drusen von farblosen bis reingelben Quarz-Krystallen. Etwas südlich von dem vordersten Gipfel der Galgenhalde be- gleitet ein Quarz-Gestein den dortigen Porphyr-Zug gegen die Krop- bach hinab. Ein solches zeigt sich auch an einem Punkt auf dem Grat der gegenübergelegenen Josefshalde; dann, abermals weiter ‚west- lich, auf dem Grat zwischen Wannethal und Salenbach,_ stellen- weise in Felsitfels übergehend, und endlich nochmals als auffallender Kamm im Wald auf dem vordersten Theil des Bucks zwischen Salen- bach und Tiefenthal. Da alle diese Vorkommnisse. ungefähr in einer Linie liegen, mögen sie einer und derselben Gebirgs -Zer- spaltung ihren Ursprung verdanken, obgleich sich ein direkter Zu- sammenhang nicht nachweisen lässt. Das Gesammt-Streichen wäre von OSO. nach WNW. Zahlreiche Quarzgänge finden sich im hinteren Salenbach, zum Theil ebenfalls mit felsitischem Material vermengt und stellenweise mit Gneis- und Felsit-Bruchstücken Brekzien bildend. Einer der auf- fallendsten zieht sich vom sogenannten hinteren Dreiersgrund südwest- lich gegen den Kohlplatten-Kopf hinauf und kann auf eine Strecke EEE ee Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 597 von 100 Meter verfolgt werden. Auch hier führen diese Gänge oft Schwerspath in zum Theil grobkörnigen Aggregaten. Sie streichen ungefähr SO.-NW. . Ein ähnlicher Quarz-Gang ist auf dem vorderen Riester-Grat unter- halb des Katzenstuhls (ausserhalb der Karten-Grenze) mit SSO.-NNW. Streichen auf etwa 50 Meter Länge zu verfolgen, begleitet von Quarz- Trümmern im Gneis. Auch nördlich vom Unter-Münsterthal treten solche Gänge auf. Am Ost-Hang des Riggenbach kommt von der „Klöpfe“ herab ein von SO. nach NW. sich erstreckender Streifen von losen Blöcken und Brocken von Quarzfels und Gmneis-Brekzie, unweit der Nord-Grenze des dortigen Porphyr-Zugs. Aehnliche Gesteine finden sich auch am West-Hang desselben Baches in der Nähe des grossen Riggenbacher Erz-Gangs. Weiter westlich sieht man wieder Quarz-Gesteine, zusammen mit felsitischen Massen, oft auch mit thonigem und kieseligem Roth- eisenerz stark vermengt, am West-Hang des mittleren Metzenbaches, zwischen den dortigen Porphyren; und dann wieder einige hundert Schritte hinter dem „Baderskopf* (513,5 der Karte) auf dem Berg- Grat, in der Gestalt grösserer Blöcke von quarzigem Gneis, nebst Gneis- und Quarzfels-Brekzien, mit Schwerspath. In fast gleicher Ost-West-Richtung treten endlich am Süd-Hang des Hellenbergs bei Staufen an verschiedenen Steilen 1 bis 2 Meter mächtige gangförmige Partien von Quarz und von Brekzien auf, welche indessen meist nur auf kurze Strecken, bisweilen nur auf 8 bis 10 Meter, anhalten und dann wieder verschwinden. Sie liegen hier, wie an allen übrigen Orten, im Gneis. — Das Vorkommen am Eichbuck bei Staufen wurde beim Felsit-Fels erwähnt. — Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass die Quarzfels-Arten des Gebiets als grössere und kleinere, meist von Ost nach West streichende, gangartige Schlieren auftreten, deren gewöhnlich mebrere in ungefähr gleicher Richtung im Gneis liegen. Das Streichen stimmt wohl im Ganzen ungefähr mit demjenigen der Gneis-Struktur überein, im Einzelnen aber zeigt der Quarz häufig genug eine entschieden unab- hängige, durchgreifende Lagerung. Der Kontakt ist gewöhnlich ein 598 Dr. Adolf Schmidt: scharfer. Doch ist der benachbarte Gneis nicht unverändert, wie bei den Granit-Gängen, sondern kaolinisch zersetzt unter Abscheidung kleiner Muskovit-Blättchen und nicht selten durch Eisenerze farbig gefleckt und von Quarz-Schnüren durchzogen. Der Biotit ist oft ganz verschwunden. Unter dem Mikroskop zeigen sich rothe und gelbe Eisenerz - Theilchen unregelmässig in der zersetzten Gmneis- Masse vertheilt. Der Verbreitungsbezirk der Quarzfelse fällt annähernd mit dem der Amphibolite zusammen, mit welchen sie aber selten in unmittel- bare Berührung treten und überhaupt in keiner Weise in Beziehung gebracht werden können. Während die Amphibolite von der Süd- Grenze des Normal-Gneises nach Norden hin rasch abnehmen, sind die Quarz-Gesteine nördlich vom Münsterthal noch ebenso kräftig entwickelt als südlich davon. k. Gliederung des gesammten Grundgebirges. In den vorhergehenden Kapiteln dieses stratigraphischen Ab- schnittes wurden eine Reihe von Beobachtungen erwähnt, aus welchen für das gesammte Grundgebirge des Münsterthal- Gebiets eine be- stimmte Gesteins-Folge und andere Gesetzmässigkeiten zu entnehmen sind; nämlich nach vorstehenden Kapiteln geordnet, hauptsächlich folgende: (Kap. a.) Der Glimmer-Gehalt und die damit zusammenhängende Schiefrigkeit- des Normal-Gneises sind zwar sehr wechselnd, nehmen aber doch im grossen Ganzen von Süden nach Norden hin etwas zu, während gleichzeitig die Häufigkeit der eingeschalteten Lager-Granite nach Norden hin abnimmt. Die Hornblende -führenden Abarten des Normal-Gneises wurden hauptsächlich in den mittleren Gebiets-Theilen bemerkt und nördlich von den Haupt-Vorkommnissen der Amphibolite. (Kap. b.) Das Streichen und Fallen der Parallel-Struktur der Gneise ist derart, dass sich ein von SO. nach NW. gestrecktes, flaches Gewölbe herausstellt, dessen Scheitel-Linie sich vom Stubls- Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 599 kopf gegen Staufen parallel den Porphyr-Zügen hinzieht, in der- selben Richtung abfällt und sich bei Staufen in die Rhein-Ebene ver- senkt. Auf der Karte ist ersichtlich, dass diese Linie die Krystall- Gneis-Zone unter einem Winkel von annähernd 45° schneidet, woraus hervorgeht, dass diese Faltung von der Richtung des Gesteins- Wechsels unabhängig ist. Das Fallen ist im Allgemeinen ein über- wiegend nördliches. (Kap. c.) Der Krystall-Gneis bildet die auf der Karte ange- gebene, ostwestlich verlaufende Zone zwischen Granit und Normal- Gneis. Innerhalb dieser Zone kommen Partien von Normal-Gneis vor, und an der Nord-Grenze der Zone geht der. Krystall-Gneis durch Wechsel-Lagerungen mit demselben, oder, am Belchen, durch Ver- mittlung von grobkörnigen, von rothen und von leptinitischen Gneisen in den Nermal-Gneis über. (Kap. d.) Rothe oder Muskovit-Gneise finden sich nur stellen- weise an der Nord-Grenze des Krystall-Gneises. Dieselben werden oft granitisch. Die Leptinite liegen hauptsächlich zwischen Muskovit-Gneis und Normal-Gneis und zeigen Uebergänge in beide. Auch sie verlieren häufig ihre Parallel-Struktur. . (Kap. e.) Der Massen-Granit der Münsterhalde bildet wahrschein- lich die Unterlage der Gneis- Formation. Er ist meist mittelkörnig und grünglimmerig, enthält aber auch Partien von Gmeis-Granit und von Krystall-Granit. Zwischen diesem Massen-Granit und dem Krystall-Gneis liegt eine Uebergangs-Zone, aus Hochkeleh-Gneis. Normal-Gneis, Massen- und Gang-Graniten bestehend. | (Kap. f.) Gang-Granite finden sich im ganzen Gebiet; am zahl- reichsten aber in der Nähe der Granit-Massive. (Kap. g.) Amphibolite bilden zerstreute Schlieren entlang der Nord-Grenze des Krystall-Gneises. Das bedeutendste Vorkommniss am Belchen liegt im leptinitischen Gneis, die übrigen im gewöhnlichen Normal-Gneis, in welchem sie nach Norden hin immer schwächer und seltener werden. 600 Dr. Adolf Schmidt: Durch Zusammenstellung dieser Beobachtungen ergibt sich für das Münsterthal - Gebiet folgende Gesteinsfolge in der Richtung von Süden nach Norden: 1. 1%} na 10. Granit, hauptsächlich grünglimmeriger Granitit; Theil der nörd- lichen Randzone des südlichen Granit-Massivs des Schwarzwalds. . Vebergangs-Zone: Wechsel von Hochkelch-Gneis, Normal- Gneis, Massen- und Gang-Graniten. Zonenbreite: 100 —200 m. . Krystall-Gneis, mit Einschluss des buntfarbigen Hochkelch-Gneises. Zonenbreite: 400—800 m. . Rother oder Muskovit-Gneis, in ebensolchen Granit übergehend; nur stellenweise auftretend, in Breiten von weniger als 100 m. . Gemischte Zone der Belchen-Kuppe, östlicher Theil: Wechsel von grobkörnigem Gneis, rothem Granit und Leptinit. Zonenbreite: 200—300 m. . Westlicher Theil derselben Zone: Wechsel von grobkörnigem Gneis, Amphibolit und Leptinit. Zonenbreite: 200—500 m. . Leptinitische Gesteine des Belchen-Nord-Hangs, theils mit, theils ohne Parallel- Struktur; zum Theil wechselnd mit grobkörnigem Gneis und übergehend in Normal-Gneis. - Zonenbreite: höchstens bis 200 m. . Erste Normal-Gneis-Zone; ziemlich reich an Lager-Graniten und stellenweise an Granit-Gängen; mit Einlagerungen von Amphiboliten. Zonenbreite: etwa 500 m. . Zweite Normal-Gneis-Zone, weniger granitisch, bisweilen Hornblende- führend. Zonenbreite: etwa 5000 m, bis zum Metzenbacher Höhen-Zug. Dritte Normal-Gneis-Zone, etwas glimmerreicher als die vorigen, oft schiefernd, frei von Hornblende. Diese Reihe bezieht sich hauptsächlich auf die mittleren und west- lichen Theile der beiliegenden Karte, über welche Theile sich das in Kap. b. behandelte flache Gneis-Gewölbe verbreitet. Im selben Kapitel wurde aber bemerkt, dass sich diesem Gewölbe im Nord-Osten des Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 601 Münsterthal-Gebiets ein kleines Fächer-System anschliesst. Dieses liegt unmittelbar nördlich von den auf der Karte verzeichneten Granit- Stöcken oder kleineren Granit-Massiven. Hier bieten sich besondere, aber den obigen einigermassen vergleichbare Verhältnisse dar, indem sich (vgl. B. Kap. a., e. und f.) an diese Massive in nordöstlicher Richtung ein Gebiet anschliesst, dessen Normal-Gneis zunächst dem Granite reich ist an Lager-Granit und an granitischen Gängen, bis- weilen die unter A. c. beschriebenen kleinen Amphibolit-Linsen ein- schliesst, nicht selten Hornblende führt; weiter nördlich aber, auf den Höhen des Storen und des Sonnhaldenecks, in die etwas glimmer- reichere und gelegentlich schiefernde Unterart übergeht und so mit dem Gneis des Haupt-Systems seitlich verschmilzt. Es besteht also in den beiden tektonischen Systemen eine gewisse Aehnlichkeit der Gesteinsfolge. Aber hier wie dort ist ein genetischer Zusammenhang zwischen Massen-Granit, Lager-Granit und Gang-Granit nicht direkt nachweisbar. Die reichlichere Anwesenheit der Schuppen-Gneise und . Lager-Granite kann auf eine etwaige metamorphische Wirkung der Massen-Granite nicht zurückgeführt werden. Es lässt sich weder hier noch dort an vorhandenen Aufschlüssen feststellen, ob die Massen- Granite als eruptiv zu betrachten seien, oder ob sie gehobene Theile einer ursprünglichen Granit-Unterlage der Gneis-Formation darstellen. Der Umstand, dass die Parallel-Struktur der verschiedenen Gneise an dem Rande des Massen-Granits vom Granit selbst abfällt, weist in- dessen auf letztere Anschauung als die wahrscheinlich richtigere hin. Betrachtet man nun die Parallel-Struktur der Gneise, wenn auch nicht als wirkliche Schichtung, so doch als die ungefähre Richtung der ursprünglichen Horizontalität, so lässt sich die aufgeführte Gesteins- folge als eine von unten nach oben gehende auffassen, und bei Ab- sehen von den gemischten Zwischen-Zonen in Kürze folgendermassen darstellen: 1. Massen-Granitit (unten). 2. Krystall-Gneis. 3. Rother oder Muskovit-Gneis und -Granit. 4. Leptinit. Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. IH. 40 602 Dr. Adolf Schmidt: 5. Unterer glimmerärmerer Normal-Gneis mit Amphiboliten. 6. Oberer glimmerreicherer Normal-Gneis (oben). 1. Allgemeine Systematik der Laurentischen Bildungen. Es ist bekannt, dass die archäischen Gebilde verschiedener Länder sich überaus verschieden verhalten und sich nur schwierig und oft nicht ohne Zwang miteinander parallelisiren lassen. Doch bilden in vielen Gebirgen granitische Massen oder Gneis-Granite den Kern, und es folgen einem solchen mehr oder weniger massig-krystallinen Gebirgs- Kern nach aussen hin zunächst Gneise (Laurentisches System), hierauf Glimmer-Schiefer oder ähnliche Gesteine (Huronisches System), auf welchen als Unterlage sich erst die übrigen Formationen aufbauen. Die Angaben über viel jüngere Gneis-Bildungen sind mit einiger Vor- sicht aufzunehmen, seitdem eines der hervorragendsten Beispiele dieser Art in Schottland von Geikie selbst als eine grossartige Ueberschiebung anerkannt worden ist (Am. Journ. III Ser. XXIX. Januar 1885). Versucht man, die eben fürs Münsterthal des Schwarzwalds auf- gestellte Gesteinsfolge mit Forschungs-Ergebnissen, welche in andern archäischen Gebieten erhalten wurden, im Einzelnen zu vergleichen, so findet man für manche dieser Gebiete fast keine, für andere aber ziemlich auffallende Aehnlichkeiten. Die Einzel-Gliederung ist eben, wie dies ja auch in den jüngeren geologischen Systemen der Fall, nicht allein von Land zu Land etwas verschieden, sondern oft sogar von Bezirk zu Bezirk, in einem und demselben Gebirge. In Bezug auf die archäischen Bildungen insbesondere lässt sich bei dem Mangel an Versteinerungen oft nur schwer feststellen, ob eine gewisse beobachtete Gesteinsfolge wirklich die eigentliche und ursprüngliche Gliederung der Formation darstelle, oder etwa erst später durch mechanische Verschiebungen hervorgebracht worden sei. Den meisten Anspruch darauf, eine wirk- liche Gliederung der Formation vorzustellen, haben von solchen Be- obachtungen sicherlich diejenigen, welche, obgleich in verschiedenen Gegenden gemacht, dennoch einige Uebereinstimmung miteinander auf- weisen... Mit der obigen für das Münsterthal-Gebiet erhaltenen Reihe lassen sich in dieser Hinsicht folgende Vergleichungen anstellen. Sun. re Sec Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 603 Ostbayrisches Grenzgebirge. Wenn auch v. Gümbel in seiner „Beschreibung des ostbayrischen Grenzgebirges“ den Massen- Granit als eruptiv bezeichnet, so geht doch aus einigen der von ihm gegebenen Profile hervor, dass derselbe mancherorts als Unterlage des Gneises aufgefasst werden kann. Den Gneis selbst theilt v. Gümbel (l. ce. p. 480) in eine untere oder I. „Bojische Gneisformation“, bestehend aus sogenanntem „buntem“ (rothem) Gneis, welcher neben grünem Glimmer auch Muskovit-Schuppen führt und mit ähnlichem „buntem Granit“ wechsellagert; und in eine obere oder II. „Hereynische Gneisformation“. In dieser wechselt „flasrig-streifiger* Schuppen-Gneis mit „körnig- streifigem“ „Körnel-Gneis“; beide halten braunen Glimmer. Gegen das Hangende hin gewinnen die glimmer-reicheren körnig-streifigen Varietäten des Körnel-Gneises die Oberhand. Zwischen den Gneisen finden sich Granulite und Hornblende-Gesteine eingeschaltet. Die linsenförmigen Partien der letzteren ziehen sich durch die ganze Formation, sind aber in den unteren Theilen derselben meist stärker angehäuft. Die Aehnlichkeit dieser Verhältnisse mit denjenigen im Münster- thal sind unschwer zu erkennen: stellenweise granitische Unterlage, verbunden mit durchgreifend auftretendem Granit; der untere Gneis hellfarbig, roth oder bunt und Muskovit führend; der obere ist Biotit- Gneis, in welchem der Glimmergehalt nach oben zunimmt; die Horn- blende-Gesteine in den unteren Biotit-Gneisen vorwiegend angehäuft. Es fehlen in Ost-Bayern der Krystall-Gneis und die Leptinite, wenn man nicht die Granulite als Aequivalent der letzteren betrachten will. Man könnte sonach im Münsterthal-Gebiet die rothen Gneise und Granite mit dem darunter liegenden Krystall-Gneis zur „Bojischen*“, den Normal-Gneis zur „Hereynischen* Formation rechnen, während die Leptinite als Uebergangs-Glied zu betrachten wären. Dass eine solche Parallelisirung gerechtfertigt ist, wird sich aus dem Nach- folgenden ergeben. Im Fichtel-Gebirge sind nach »v. Gümbel’s Karte bei 40 * 604 Dr. Adolf Schmidt: Kupferberg und Goldkronach zwischen dem Granit und dem hier ebenfalls Hornblende-Gestein führenden grauen Gmeis „Augen-Gneise* eingeschaltet, als Vertreter des Münsterthaler „Krystall-Gneises“. In Sachsen (Erläuterungen zur geologischen Speeial-Karte des Kgr. Sachsen) wurde in Laurentischen Gesteinen bis jetzt nur von Hazard in der Sektion Zöblitz eine zusammenhängende Gesteinsfolge angegeben, und zwar folgende: unterste Zone: „Riesengneis*, ein grosskörniger Krystall- oder Augen-Gneis; geht nach oben allmälig in langflasrigen rothen Gneis über; zweite Zone: langflasriger, rother Muskovit-Gneis; wechselt mit „zweiglimmerigem Flaser- und Augen-Gneis“; dritte Zone: sehr mannigfaltig; vorwiegend ist der zweiglimmerige „körnig-flasrige* „Haupt-Gneis“; daneben „feinkörnig -flasriger“ Platten-Gneis, sowie grobflasrige und „dichte“ Gneise; im grauen „Haupt-Gneis“ sind eingelagert: unten Quarzit-Schiefer, in der Mitte Hornblende-Gesteine; vierte Zone: Muskovit-Gneis in grossen Einlagerungen, mit andern Varietäten; granatführend; fünfte Zone: „Flammen-Gneis“; mit sogenannten „Flammen“, d. h. wellig-ausgezogenen Ausscheidungen eines grobkörnigen Quarz- Oligoklas-Gemenges; granatführend. Granit ist hier keiner angegeben, doch wird solcher in andern Sektionen (Marienberg, Schwarzenberg) als Unterlage des Gneises verzeichnet. | Mit Genehmigung von Oberbergrath Credner hatte Dr. G. Hazard die Gefälligkeit, mir eine Suite obiger Gesteine zur Vergleichung zu- zusenden. Diese sächsischen Gneise unterscheiden sich von denjenigen des Schwarzwaldes vor allem durch eine gewisse Grossartigkeit der strukturellen Ausbildung; sie sind fast alle grobkörnig bis grosskörnig. Auch führen die meisten zweierlei Glimmer, was im Münsterthal fast nie der Fall ist. Im Uebrigen entspricht der Riesen-Gneis genau dem Schwarzwälder Krystall-Gneis. Man kann an ihm schon mit freiem Auge die drei Glimmer- und die drei Quarz-Generationen unterscheiden. he en, a en ge" Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 605 Der zweiglimmerige „Hauptgneis“ zeigt, abgesehen von gröberem Korn, viele Aehnlichkeit mit unserm Normal-Gneis. Er könnte auch wohl als Muskovit-führender Biotit-Gneis bezeichnet werden; denn der Muskovit tritt darin gegen den sehr reichlichen Biotit an Menge sehr zurück und ist in manchen ganz frischen Stücken makroskopisch kaum aufzufinden. Der „dichte Gneis“ ist von meinem „aphanitischen“ Gneis eben- falls durch grösseres Korn unterschieden, welches mit freiem Auge noch ziemlich, mit der Lupe völlig gut zu erkennen ist. Nach der von mir eingehaltenen Nomenklatur würde ich denselben als „fein- körnigen“ bezeichnen. Der „Flammengneis“ ist ein plagioklasreicher, grobkörniger Zwei- glimmer-Gneis. Die Gesteins-Reihe der Sektion Zöblitz unterscheidet sich dem- nach, wenn man von den eben angegebenen allgemeinen Unterschieden absieht, in ihrem untern Theil, nämlich in der Folge: Riesengneis, Rother Gneis, Hauptgneis mit Hornblende-Gesteinen, von der Folge im Münsterthal-Gebiet nur dadurch, dass die Leptinite des Schwarz- wald-Belchen in Sachsen fehlen. Die beiden weiteren granatführen- den Zonen Hazard's finden in unserem Gebiete selbst keine Vertreter. Jedoch sind weiter nördlich zwischen Freiburg und Lahr, sowie” auch an verschiedenen Punkten im nördlichen Schwarzwald granatführende Gneise bekannt geworden. In den Vogesen wurde „das Gneis-Gebiet von Markirch“ durch P. Groth beschrieben in den „Abhandlungen zur geologischen Special- karte von Elsass-Lothringen“. I. Bd. ; Der Haupt-Gebirgskamm besteht aus Krystall-Granitit, zum Theil viel Hornblende haltend; als „Kammgranit“ bezeichnet. Die unmittelbare Unterlage des Gneises bildet der „Bressoir- Granit“, ein rother Muskovit-Granit, stellenweise mit etwas Biotit. Ein Zusammenhang zwischen diesem Granit und dem vorigen ist nicht unmittelbar zu beobachten, erscheint aber wahrscheinlich, da im Ge- biet des Bressoir-Granits bei der Hohkönigsburg ebenfalls Krystall- Granitit vorkommt. 606 Dr. Adolf Schmidt: Die Gneis-Formation zerfällt in eine „ältere* und in eine „Jüngere“. Der ältere Gneis ist in seiner Hauptmasse ein glimmerreicher Biotit-Gneis mit zolldicken, glimmerarmen, granitischen Zwischenlagen. Er enthält nicht selten Cordierit und Graphit. Rother oder grauer Krystall-Gneis, theils mit nur Muskovit, theils zweiglimmerig, findet sich stellenweise eingelagert. Der jüngere oder Granat-Gneis ist von sehr wechselnder Be- schaffenheit; bald röthlich-grau, schiefrig und reich an Granaten; bald hellgrau, schiefrig, mit wenig Glimmer, aber mit viel Graphit und makroskopischen Granaten; bald grobkörniger Augen-Gneis; bald glimmerfreier oder glimmerarmer Leptinit mit oder ohne Parallel- Struktur. Graphit-führende Hornblende-Gesteine finden sich eingelagert, theils wechsellagernd mit Leptinit, theils Uebergänge bildend in dio- ritische oder syenitische Gesteine oder in Normal-Gneis. Auch Kalk- stein-Lager kommen darin vor, begleitet von Augit-Feldspath-Gestein, seltener Serpentin. Aus dieser Darstellung ergibt sich die Gesteinsfolge: 1. Krystall-Granit (Gebirgs-Kern). 2. Rother Muskovit-Granit. 3. Normal-Gneis. 4. Granat-Gneis (oben). Da nun, wie früher erwähnt wurde, sowohl der Krystall-Gneis als der rothe Gneis des Schwarzwälder Belchen-Stocks oft granitische Struktur annehmen, auch mitten im Massen-Granit der Münsterhalde Krystall - Granit vorkommt, und da ferner aus anderen in Abth. A. Kap. m. aufgeführten Gründen Granite und Gneise unter Umständen als geognostische Aequivalente betrachtet werden können, so erscheint es als natürlich, den Krystall-Gneis und den rothen Gneis des Schwarz- walds mit dem Krystall-Granit und dem rothen Granit der Vogesen in Parallele zu stellen. Auf den Muskovit-Gesteinen ruht in beiden Gebieten der Normal-Gneis. Da auch im Schwarzwald die nördlicher gelegenen oberen Gneise bisweilen Granaten und Einlagerungen von körnigem Kalkstein einschliessen, so wurden diese oberen Gneise schon EEE. Er ER a ae be nn a 1 Sn nn a Be Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 607 von Eck („Umgegend von Lahr* p. 33) mit dem „jüngeren Gneise“ der Vogesen nicht mit Unrecht in eine Linie gestellt. Es ergibt sich somit eine vollständige Uebereinstimmung zwischen den archäischen Reihen im Schwarzwald und in den Vogesen. Im Einzelnen sind allerdings merkliche Unterschiede zu verzeichnen. Der im Vogesen-Gneis so häufige Graphit ist im Schwarzwald selten, fehlt aber nicht ganz. (Vgl. HM. Eck. „Umg. v. Lahr“ p. 29 und E. Weber. „Studien üb. Schwarzw. Gneise*, pp. 20 und 25.) Ebenso sind Granaten hier viel seltener als dort. Doch ist dies kaum als völlig feststehend anzusehen, da mikroskopische Arbeiten über die Gneise des nördlichen Schwarzwaldes noch zu wenig ausgeführt sind. Weber erwähnt granatführende Gneise in genannter Schrift pp. 7, 12, 20, 25—27; ebenso Zck in „Umg. v. Lahr“, p. 28. — Den „Kinzigit“ (Granat-Graphit-Gneis, nach Hlebenstreit’s Inaug.- Diss. Würzb. 1877) beschrieb zuerst 77. Fischer. N. Jahrbuch f. Min. 1860, p- 796 und 1861, p. 641. Es erscheint daher immerhin als möglich, dass man auch im Schwarzwald bei genauerer Prüfung einen älteren oder Normal-Gneis und einen jüngeren oder Granat-Gneis mit mehr Bestimmtheit und Schärfe wird von einander trennen können, als dies bis jetzt geschehen ist. Weber hat auch Cordierit mehrfach in Schwarzwald-Gneisen bemerkt, wie Groth in dem Gneis von Markirch. Die Hornblende-Gesteine, welche im Münsterthal-Gebiet des Schwarzwalds vorwiegend an der unteren Gneis-Grenze auftreten, sind im Markircher Gebiet mehr nach oben gedrängt in den jüngeren Gneis. Auch in Sektion Zöblitz in Sachsen liegen sie höher. Im Schwarzwald selbst werden in seinen nördlichen Theilen abermals Hornblende-Gesteine in Gneis gefunden, über deren geognostische Stellung indessen nichts Genaues bekannt ist. Im Allgemeinen scheinen diese Gesteine zwar überall den Biotit- oder Zweiglimmer-Gneis-Zonen, innerhalb dieser aber in verschiedenen Gegenden etwas verschiedenen Horizonten vorzugsweise anzugehören und wohl auch mehrere Horizonte zugleich einnehmen zu können. Das Gleiche lässt sich von den Leptiniten sagen, welche im Münsterthal-Gebiet an der Basis des Normal-Gneises, in den Vogesen 608 Dr. Adolf Schmidt: dagegen im jüngeren Gneis beobachtet wurden; im nördlichen Schwarz- wald, bei Gengenbach, treten sie abermals auf. (Zck „Umg. v. Lahr“, D.. 39.) Hält man die so dargestellte Vergleichung des Markircher Bezirks und des Schwarzwalds zusammen mit dem vorher über die Beziehungen zwischen Ost-Bayern und Schwarzwald gesagten, so wird man noth- wendig die Gneis-Formationen von Markirch beide zur oberen oder Hereynischen Formation v. Gümbel’s rechnen müssen, welche dadurch für Vogesen und Schwarzwald in zwei Stufen zerlegt wäre. Die Bojische Gneis-Formation wäre dann im Schwarzwald (Münsterthal) durch bis- weilen granitische Krystall-Gneise und Muskovit-Gneise, in den Vogesen (Markirch) durch ebensolche Granite vertreten. In Sachsen (Sektion Zöblitz) würden dementsprechend Riesen- Gneis und rother Gneis der Bojischen, der Haupt-Gneis und die oberen granat-führenden Gneise der Hercynischen Formation zufallen. Im Odenwald ruht der Gneis ebenfalls zunächst auf grossen- theils Hornblende-führendem Krystall-Granitit. Im Limousin des französischen Central-Plateaus fand Dowville die Gesteinsfolge: Augen-Gneis; OS Gebänderten grauen Gneis mit Leptinit-Lagen, von Graniten durchsetzt ; 3. Glimmer-reiche, graphit-führende Gneise, mit granat-führenden Leptiniten, mit Amphiboliten, körnigem Kalkstein und Serpentin. ‘ (De Lapparent. Geologie. 1. Aufl. p. 624.) In den Cevennen beobachtete Fabre die Reihe: Granit, Granit-Gneis, Augen-Gneis mit Leptinit-Lagen, oben Glimmer-Schiefer. (Ebenda p. 626.) Hier liegen also die Leptinite, wie am Schwarz- wald-Belchen, mit dem Augen-Gneis zusammen an der unteren Gneis- Grenze. In Norwegen (Äjerulf, Die Geologie des südl. und mittl. Norwegens, deutsch von @urlt, 1880) geht bei Kongsvinger der Grund- Granit in Augen-Gneis über (p. 118);. im Spirillen-Gebiete (Profil. Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 609 Fig. 186, p. 230) folgen sich: Granit mit Gneis, Augen-Gneis, ge- 'wöhnlieher Gneis. Der „Grund-Granit“ tritt auch in Norwegen häufig eruptiv auf und bewirkt Metamorphismus von Schicht-Gesteinen. Im Allgemeinen scheint in Norwegen das Laurent zwar mächtig, aber unvollständig, das Huron nur schwach entwickelt zu sein. Im Aar-Massiv der Schweiz beobachtete Daltzer (N. Jahrb. f. Min. 1885, I. p. 31) auf einer Unterlage von Granit: Wechsel von Granit-Gneis, zur Augenbildung geneigt, und von dickbankigem Granit; und etwas weiter oben: Wechsel von Granit-Gneis, Granit und Augen-Gneis. Also auch hier Augen-Gneis führende Gesteinslagen auf granitischer Unterlage. In den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika finden sich Augen- oder Krystall-Gneise als Unterlage des gewöhnlichen grauen Gneises. Hitchcock (Am. Journ. III Ser. Vol. XXX. Oct. 1885) theilt das Laurentische System der östlichen Landestheile ein in: unteres: Augen-Gneis; mittleres: wohlcharakterisirte, dickschichtige Gneise ; oberes: grobe Glimmer-Schiefer oder unvollkommen ausgebildete Gneise. In Canada gibt die Commission geologique (Dr. Selwyn, Directeur) in ihrem Rapport des Operations 1882—84, ein Profil von Fort Hope bis Waterton, in welchem sich von unten nach oben folgen: Granit, ganz allmälig in Gneis übergehend ; Gneis, streifig und „porphyritic“ (d. h. Krystall-Gneis); granitische und syenitische Gneise (also Hornblende - Gesteine führend). In allen diesen Beispielen ist die Uebereinstimmung doch eine zu auffallende, als dass man sich der Meinung verschliessen könnte, dass ein allgemeines Gesetz diesen Gesteinsfolgen zu Grunde läge. Sind die Beispiele auch absichtlich ausgewählt, um eben gewisse Achnlichkeiten darzuthun, so bemerke ich andererseits, dass mir unter den hier nicht aufgeführten, bis jetzt beobachteten Gesteins-Reihen des Laurentischen Systems nur wenige bekannt geworden sind, welche mit den aus obiger Zusammenstellung zu entnehmenden Folgerungen nicht in Einklang zu 610 Dr. Adolf Schmidt: bringen wären. An vielen Orten fehlen gewisse Glieder oder sie liegen verdeckt, oder endlich die vorhandenen Unregelmässigkeiten sind durch mechanische Störungen erklärbar. Aus der Vergleichung der aufgeführten Beobachtungen geht hervor, dass das Laurentische System sich nach bisherigen Erfahrungen folgendermassen zergliedern lässt: | A. Untere Abtheilung : Bojische Formation. Stufe a. Granitit, theils als Unterlage, theils in durchgreifen- der Lagerung auftretend. Stufe b. Krystall-granitische Gesteine: Krystall-Granitit oder Krystall- und Augen-Gneis. Stufe e. Muskovit-granitische Gesteine: Rother oder Muskovit-Gneis und -Granit. B. Obere Abtheilung: Hercynische Formation. Stufed. Normal-Gneis, d. i. ziemlich einförmiger Biotit-Gneis, bisweilen durch zweiglimmerigen „Haupt-Gneis“ (Sachsen) vertreten; oft mit Amphiboliten, Leptiniten, Granuliten. Stufe e. Granat-Gneis: Granat-führende Gneise von sehr wechselnder Beschaffenheit, oft reich an Einlagerungen von Leptiniten, Amphiboliten, körnigen Kalksteinen u. s. f. Auf der Grundlage dieser Eintheilung lassen sich die in ver- schiedenen Gegenden gemachten Beobachtungen so miteinander paralleli- siren, wie dies in beisteheuder Tabelle dargestellt ist. Die Laurentischen Gesteine sind meistens unmittelbar von den glimmerigen Schiefern des Huron überlagert. In andern Gegenden scheint sich eine sehr feinkörnige bis mikrokrystalline Gesteins-Gruppe dazwischen zu schieben; so in Schweden und England die Hälleflinte, in den Appalachen die Green-Mountain-Serie (Eurite u. dgl.), welche in Canada durch die Norische oder Labradorit-Gruppe, von Logan als „Ober-Laurent“ bezeichnet, ersetzt ist. m. Alter und Entstehungsweise der Grundgebirgs-Gesteine. Ich muss hier zunächst an die im Abschnitt A. enthaltenen Be- schreibungen und an die schliesslich daran geknüpften genetischen 611 Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. er 'SIPUK)-UaUI | urg43>1[63 2 | urojsyje} “ydeng ei se "SIOuUN -UTSISTIEy pıan “uayeuran) pw a er -RUBIN an nydeig MU ostamua][ejs ee ie) ! 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Es ergab sich dort, dass die Granite und Gneise des Münsterthals sich weder petrographisch noch genetisch scharf von einander scheiden lassen. Ferner machten die mikro- skopischen Beobachtungen es unzweifelhaft, dass die Parallel-Struktur der dortigen Gneise schon während der Verfestigung derselben ent- stand. Als Beweise gegen die Entstehung dieser Struktur in dem schon völlig gefestigten Gestein lassen sich anführen: 1, dass selbst die grösseren Feldspathe nicht von dieser Struktur durchschnitten sind; ID dass in Knickungen des Gneises keine auffallend stärkeren Bruch- Erscheinungen zu bemerken sind als an anderen Stellen des Ge- steins; 3. dass bisweilen verschiedene Struktur-Systeme ineinander geknetet und aufs Innigste miteinander verschmolzen erscheinen, ohne die leiseste Andeutung einer Rutsch- oder Absonderungs-Fläche (vgl. A.C.. Fig. 9): 4. Bruch-Erscheinungen zeigen sich oft an Feldspathen, seltener an Glimmern und Hornblenden, niemals an dem zuletzt entstandenen Füll-Quarz. Damit soll aber nicht gesagt sein, dass spätere Entstehung einer Parallel-Struktur bei solchen Gesteinen überhaupt unmöglich sei. Im Gegentheil weisen J. Lehmann’s Untersuchungen über die Konglome- rate von Ober-Mittweida (Entst. d. Kryst. Schiefer, Kap. VI) mit Bestimmtheit auf eine solche Möglichkeit hin; ebenso Beobachtungen von Reusch in Norwegen (Die krystallinen Schiefer von Bergen) und solche von J. MH. Teall an einem zum Theil in Hornblende-Schiefer verwandelten Diabas-Gang (Quart. Journ. Geol. Soc. XLI. 2. 1885, pp- 133—145), sowie noch manche andere. Dies sind aber meist nur örtliche Erscheinungen. Jedenfalls ist in den Gneisen des Münsterthals eine nachträgliche Struktur-Entstehung nach Obigem ausgeschlossen. Dass in allen Fällen die Struktur in der Hauptsache eine Wirkung von inneren Gesteins-Verschiebungen unter Druck und nicht mit Schich- tung zu verwechseln sei, ergibt sich sowohl aus Lehmann’s Unter- suchungen als aus den vorstehenden. Es ist aber sicherlich zu weit gehend, u { / ä a ” [ nt Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 613 wenn man aus der Thatsache, dass die Parallel-Struktur der Gneise keine Schichtung ist, den Schluss ziehen will, dass die Gneise keine Schicht- Gesteine sein könnten. Auch die Struktur der Glimmer-Thon-Schiefer ist keine Schichtung, und dennoch sind diese zweifellos Schicht-Gesteine; Ja, die Richtung der Struktur ist bei ihnen oft augenscheinlich durch die Schichtung beeinflusst worden. Gegen diesen Schluss hat sich auch J. D. Dana feierlich verwahrt (Am. Jour. Ser. IH. Vol. XXVIH. Nov. 1884, p. 393) und Beispiele angeführt von Gneis-Bildungen, in welchen Einlagerungen von, zum Theil fossil-führenden, Kalksteinen auf grosse Entfernungen alle Biegungen des Gneises mitmachen. Dana bemerkt sogar, er habe niemals Gneis ohne sedimentären Charakter gesehen. Letzteres kann ich von meiner Seite nicht sagen, eben im Hin- blick auf die Beobachtungen im Münsterthal, wo sich zwar An- deutungen von Schichtung im Gneis, besonders am Süd-Hang des Belchen vorfinden, nirgends aber etwas, was man ganz zweifellos für Schichtung nehmen müsste. Nichtsdestoweniger werden wohl die meisten Geologen nicht anstehen, nach den oben geschilderten Ver- hältnissen des Gebiets eine schichtweise Ueberlagerung der nördlicheren Gesteine über den südlicheren, also im Allgemeinen das Vorhandensein eines Schichten-Systems anzunehmen, und zwar ans folgenden Gründen: 1. Verschiedenartige Gesteine folgen an der Erd-Oberfläche von Süd nach Nord zonenweise aufeinander. 2. Die meisten derselben besitzen eine (stellenweise schichten-ähnliche) Parallel-Struktur, eine bei den verschiedensten Sedimenten vielver- breitete Erscheinung. [S®) Das Einfallen ist ein der Richtung nach gleiches für alle vor- handenen Gesteine. 4. Das Einfallen findet in nördlicher Richtung statt, d. h. in derselben Richtung, in welcher die verschiedenen Gesteine zonenweise auf- einander folgen. 5. Die Gesteinsfolge zeigt eine unverkennbare Uebereinstimmung mit derjenigen anderer Gebiete, in welchen zum Theil Ueberlagerungen unmittelbar beobachtet wurden. 614 Dr. Adolf Schmidt: Man wird sich daher die verschiedenen Gesteine im Allgemeinen in der Altersfolge entstanden denken müssen, welche ihrer Reihenfolge von Süden nach Norden entspricht. Verschiedener Ansicht könnte man etwa sein bezüglich des rela- tiven Alters der Massen- und Gang-Granite. Dafür, dass diese Granite nicht durchgängig jünger sein können als die Gneise, glaube ich einen unmittelbaren Beweis gefunden zu haben. Am nörd- lichen Gehänge des Drehbachs, etwas oberhalb des Zusammenflusses desselben mit dem Sägenbach, war zur Zeit meiner Untersuchung (und ist vielleicht noch) an dem dort neu angelegten Fahrweg nach dem Storen eine Stelle entblösst, welche das in Fig. 8 dargestellte Bild bot. Fig. 8 Granit-Block im Gneis. Drehbach. Ober-Münsterthal. Man sieht hier einen unregelmässig eckig gestalteten Granit-Klotz von beinahe 2 Meter Durchmesser in Gneis eingebettet. Der Granit ist unten von einem Quarz-Trum begrenzt. Ein gleiches und ungefähr paralleles Trum von grobkörnigem Quarz schneidet von einer Seite in den Klotz ein. Beide Quarz-Trümer stossen am Gneis stumpf ab, ein Beweis, dass sie ausschliesslich zum Granit gehören, und dass der Granit in anderer Lage und lange vor dem Gneis muss fest gewesen sein. Die Glimmer-Lagen des Gneises ziehen sich unten etwas um den Klotz herum; diejenigen links vom Klotz stossen stumpf an ihm 2 ab, wogegen die auf der rechten Seite sich an dem Klotz hinaufziehen, Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. 615 was den Anschein gewährt, als habe sich die noch weiche Gneis-Masse an dem festen Granit herabgesenkt. Die Grenze zwischen beiden Gesteinen ist scharf; Kontakt-Erscheinungen sind keine bemerkbar. Dieses Vorkommniss kann, wie mir scheint, nur durch die An- nahme eines höheren Alters für den Granit gedeutet werden. Diesem ganz vereinzelten Fall stehen allerdings zahlreiche Granit-Gänge im Gneis gegenüber, welche zum Theil, wie der in Fig. 6, Abschnitt A. Kap. c. abgebildete, durch ihre Lage zur Gneis-Struktur zeigen, dass zur Zeit ihrer Entstehung der Gneis völlig fest war und daher ent- schieden älter ist als die granitische Gang-Füllung. Die Frage nach dem relativen Alter der Granite und Gneise ist also ganz im Allge- meinen nicht zu entscheiden. Was speciell die Massen-Granite anbetrifft, so scheinen diese einerseits die Unterlage der Gneise zu bilden; andererseits finden sich aber in ihrer Nähe so zahlreiche Granit-Gänge, dass man versucht ist, an einen Zusammenhang zwischen beiden zu glauben, obgleich sich ein soleher unmittelbar nicht beobachten lässt. Sollte sich ein solcher Zusammenhang noch nachweisen lassen, so wäre die Sachlage durch die Vermuthung erklärbar, dass der tieferliegende Granit länger in magmatischem Zustand verblieben sei als der darüberliegende Gneis, und so in letzteren stellenweise habe eindringen können. Jedenfalls machen es die obigen Vergleichungen mit anderen archäischen Gebieten sehr wahrscheinlich, dass auch hier die Haupt-Granit-Masse unter dem Gneis liege und daher als das älteste der vorhandenen Gesteine zu betrachten sei. Ueber die Entstehung granitischer Gänge ist bis jetzt nichts Sicheres bekannt. Ich weiss nicht, ist ehrfürchtige Anhänglichkeit an das in der Jugend Gelernte, oder ist ein kühner Flug der Gedanken die Ursache, dass manche Geologen jeden durchgreifend gelagerten Granit- Körper sofort für „eruptiv“.erklären, als sei dies ganz selbstverständ- lich. Vorsichtigere Leute führen wenigstens für jeden einzelnen Fall Gründe an, wie z. B. Verzweigung im Nebengestein, das Vorkommen eingeschlossener Stücke von Nebengestein, Feinerwerden des Korns an den Salbändern, Veränderungen des Nebengesteins u. dgl. Aber 616 Dr. Adolf Schmidt; alles dies zeigt sich ja auch nicht selten an Gängen von körnigem Kalkstein, an solchen von Quarz-Gesteinen, und theilweise an Erz- Gängen, welche alle niemand für eruptiv hält. Es erscheint geradezu als zweifelhaft, ob es überhaupt absolute Beweise allgemeiner Art für Eruptivität gibt, ausser etwa auffallende Hitze-Wirkungen im Kontakt; und diese können nur bei solchen Massen eintreten, welche aus feurigem Flusse erstarren. Granitische Gänge zeigen niemals solche. Auch die Münsterthaler Gänge sind gemäss obigen Unter- suchungen frei von syngenen Kontakt-Wirkungen. Es zeigen sich weder Frittungen und Verschmelzungen, noch eine scharfe Ab- lösung beider Gesteine von einander; sonstige oben dargestellte Um- stände zeugen entschieden gegen die Erstarrung aus heisser Schmelzung. Es bleibt also nur noch die Wahl zwischen rein hydatischer Entstehung, auf welche insbesondere bei den Pegmatiten manche Beobachtungen verweisen, und einer immerhin noch etwas problematischen hydato- thermischen Eruptivität, wie sie J. Lehmann für manche körnige Granit-Gänge in Anspruch zu nehmen scheint. Hierbei muss die Präexistenz solcher Massen in der Tiefe natürlich vorausgesetzt werden. Es ist also die Entstehung selbst damit nicht erklärt. — Ebenso sanguinisch sind manche bezüglich der Frage, woher das Material der Granit-Gänge gekommen ist. Gewöhnlich wird für dasselbe ohne nähere Begründung eine Herkunft von unten beansprucht. So lange man indessen nicht die Möglichkeit einer wässrigen Granit- und Gneis- Entstehung vollständig aufgegeben hat, liegt selbst dies keineswegs auf der Hand. Denn wenn sich granitische Gesteine aus einem heissen Urmeer, wie jetzt viele glauben, überhaupt niedergeschlagen haben können, so muss dies auch in offenen Spalten möglich gewesen sein. Die Art der Entstehung der Granit-Gänge ist auch in dieser Hinsicht eine noch überaus dunkle Frage, welche nur durch fortgesetzte, sorg- fältige und vorurtheilslose Einzeluntersuchungen ihrer Lösung nach und nach zugeführt werden kann. Ueber das Alter der Münsterthäler Granit-Gänge ist nur soviel zu sagen, dass die meisten auf Grund mangelnder Kontakt-Er- scheinungen für nur wenig jünger erklärt werden müssen als der Gneis, Pin; ee De u a nn nn az Geologie des Münstertbals im badischen Schwarzwald. 617 welchen sie durchsetzen; und dass sie, selbstinnerhalb der Gneis- Formation, alte Bildungen sind, da sie zum grössten Theil nur in den untersten Lagen der Formation auftreten. Die verhältnissmässig wenigen, welche sich in höheren geognostischen Horizonten zeigen, besitzen meist einen pegmatitischen Charakter. Da auch. diese in unserem Gebiete nirgends mit jüngern Sedimenten in Berührung treten, ist das Ende ihrer Bildungszeit nicht festzustellen. Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. Serie. III, 41 618 A. Bernthsen: Zur Frage nach der Constitution der Safranine und verwandter Farbstoffe. Von A. Bernthsen. Aus einer vor einigen Monaten in den Ber. der D. chem. Gesell- schaft veröffentlichen Notiz: „Ueber eine bei dem Durchleiten von Anilindampf durch glühende Röhren entstehende .. .. Base“ ist ersicht- lich, dass ich auf verschiedenen Wegen, durch Ueberhitzen von Anilin- dampf wie durch den Versuch der Ammoniakabspaltung aus o-Diamido- diphenylamin versucht habe, eine dem Thiodiphenylamin analoge Base von der Constitution N NH HK CH, I oder HK mr II zu gewinnen, welche „in vieler Hinsicht, zumal wegen ihrer Be- ziehungen zum Acridin und vielleicht zu gewissen Farbstoffen (Harmin, Harmalin) grosses Interesse verdienen würde“. Da die erwähnten zunächst eingeschlagenen Wege das gewünschte Ziel nicht ergeben hatten, so erschien es angezeigt, den umgekehrten Versuchsweg einzuschlagen, also durch Abbau von Farbstoffen, deren Verwandtschaft mit der gesuchten Verbindung (I) vermuthet wurde, zu der letzteren zu gelangen. Zumal war es die noch immer ungelöste . Frage nach der Constitution der Safranine, welche zu weiteren der- artigen Untersuchungen einladen musste. Ist es bei interessanteren theoretischen Fragen der Neuzeit meist ' der Fall, dass ihre Lösung von mehreren Seiten gleichzeitig angestrebt wird, so trifft dies auch im vorliegenden: Fall zu. Im eben erschienenen Zur Frage nach d. Constitution d. Safranine u. verwandter Farbstoffe. 619 Heft 6 der Berichte der D. chem. Gesellschaft wird von V. Merz‘) die Mittheilung gemacht, dass bei der Einwirkung von Brenzcatechin auf o-Toluylendiamin (1:3:4) bei 200— 220° eine in hellgelben Nadeln krystallisirende Substanz entsteht, welche die Formel C,,H,,N, und also wahrscheinlich die Constitution: N GEL 4 JCsHr-CH; II besitzt und welche er Methylphenazin nennt, indem er die obige Substanz (I) als Phenazin (welchen Namen ich im Folgenden be- nutzen werde) bezeichnet. Dieselbe hat basische Eigenschaften, löst sich in verdünnten Säuren mit ‘gelber, in concentr. Schwefelsäure mit blutrother Farbe auf, bildet ein Platindoppelsalz, ein Pikrat, und ist durch Schwefelammon zu weissen silberglänzenden Blättchen (wahr- scheinlich des der Formel II entsprechenden Hydromethylphenazins) reducirbar. Das Metlıylphenazin ähnelt, worauf Merz besonders hinweist, in seinen Eigenschaften dem „Azophenylen“ von Claus, welchem von letzterem auch bereits die Formel I zugeschrieben worden ist. Es ist hiermit anscheinend in der That das nächst höhere Homologe der gesuchten Verbindung (I) zugänglich geworden. Ob dasselbe thatsächlich, wie ich glaube, und worauf immer mehr Merkmale hindeuten, die Muttersubstanz von Farbstoffen ist, wird durch die Erfahrung nunmehr vielleicht schon in kurzem entschieden werden können. Besonders ist zu untersuchen, ob es durch den Eintritt salz- bildender Gruppen, etwa durch Nitrirung und Amidirung, wie das Thiodiphenylamin in Farbstoffe übergeht. Derartige Versuche stehen nunmehr Herrn Merz — welcher ihnen seither noch nicht näher getreten ist — in erster Linie zu. Den umgekehrten Weg zur Entscheidung obiger Frage, den Abbau von Farbstoffen, möchte ich mir indess vorbehalten, und mir daher erlauben, heute die hauptsächlichsten mich bei jenen Versuchen leiten- den Gesichtspunkte in Form einer Theorie der Safraninfarbstoffe dar- zulegen. !) Merz, Berichte 19, 725. 41 * 620 A. Bernthsen: Ich möchte zu diesem Zweck zunächst an die kürzlich erschienenen schönen Untersuchungen meines Freundes Witt „über eine neue Klasse von Farbstoffen, die Eurhodine“ erinnern. Durch Einwirkung von Orthoamidoazo-p-toluol vom F.P. 118° auf salzsaures &-Naphtylamin erhielt Witt einen schönen Farbstoff, das Eurhodin, für das er anfänglich die Formel C,,H,,N, aufgestellt, neuer- dings aber die einfachere Formel Q,„H,;N, erkannt hat. Es ist ihm gelungen, eine darin enthaltene Amidogruppe zu eliminiren und da- durch als Muttersubstanz des Eurhodins die Verbindung IE IV Ar wahrscheinlich identisch mit dem Naphtyltoluchinoxalin von Zins- berg, nachzuweisen. Dem entsprechend hat er durch Combinirung des aus Chrysoidin resultirenden Triamidobenzols (1:2:4) mit Phenan- threnchinon, P-Naphtochinon, Benzil, Glyoxal ete. weitere Eurhodine darstellen können, woraus sich ergiebt, dass die aus o-Phenylen- oder Toluylen-diamin entstehenden Chinoxaline chromogenen Charakter be- sitzen und durch Eintritt von salzbildenden Gruppen zu Farbstoffen werden. Wenn man zugiebt, dass die Synthese der Chinoxaline nach der schönen Methode von Hinsberg auch mit einer im Vergleich zu der seinigen etwas modificirten Chinoxalinformel in Einklang ge- bracht werden kann, so könnte man dem Naphtyltoluchinoxalin die Formel ) & N OD U \ geben, und es erschiene so als ein Derivat des „Phenazins“, nämlich als „Methylphenaphtazin*, = „Tolunaphtazin“. Ich mache bei dieser Schlussfolgerung die Voraussetzung, dass Zur Frage nach d. Constitution d. Safranine u. verwandter Farbstoffe. 621 das „Phenazin“ von Merz wirklich der von letzterem gegebenen Con- stitutionsformel (I) entsprechend constituirt ist. Die wenigen von M. seither mitgetheilten Eigenschaften des Methylphenazins sprechen zu Gunsten dieser Annahme, zumal hat es wie die Chinoxaline basischen Charakter, gelbliche Farbe und löst sich in concentrirter Schwefelsäure mit rother Farbe. Zur Darstellung des Phenazins oder Methylphenazins selbst ist die synthetische Methode Hinsberg’s nicht verwendbar, da man kein o-Benzochinon kennt, und auch die Witt'sche Methode nicht, da sie nach seinen Versuchen nur beim «&-Naphtylamin zum Ziel führt. Wenn so der Eintritt einer Amidogruppe schon die chromogenen Eigenschaften des Phenazins offenbart, so wird dies um so mehr der Fall sein, wenn zwei salzbildende, z. B. Amido-Gruppen eintreten. Von solchen hierhin gehörigen Farbstoffen scheint mir aber bereits ein Vertreter als bekannt vorzuliegen: das Toluylenroth Wii!s, dessen Constitution bis jetzt noch nicht festgestellt ist, die man aber wegen seiner an das Safranin erinnernden Eigenschaften als der des letzteren Farbstoffs analog annimmt. Das Toluylenroth entsteht bekanntlich aus dem Toluylenblau, dem interessanten Farbstoff, welchen Witt durch Einwirkung von salzsaurem Nitrosodimethylanilin auf m-Toluylendiamin in wässriger Lösung er- halten hat, durch Kochen seiner wässrigen Lösung, neben Leuko- toluylenblau, d. h. indem ein Theil des Blau auf Kosten des anderen Oxydation erleidet. Das Toluylenblau, C,;H,sN,, geht dabei durch Verlust zweier Wasserstoffatome in das Roth, C,;H,eN,, über. Die Constitution dieses Toluylenblau ist nun nach Nietzki die folgende: (CH,),N-0,H,-N-C,H;-NH, . %H.-N(CH;), Nr ‚gleich NX_ NEL. E CH< ’ NH es gehört wie das Dimethylphenylengrün in die Klasse der „Indamine“ '). Giebt man der obigen Constitutionsformel des Toluylenblau eine etwas 1!) Vgl. Nietzki, Farbstoffe. 622 A. Bernthsen: andere Gestalt, so sieht man, dass es in der That durch Abspaltung zweier Atome Wasserstoff sehr leicht in ein Phenazinderivat übergehen könnte: () 6) (4) ”% N X (4) x N\ (CH,;),N-CoH;(H) | 205H,(CH;)NH,-H, = (CH;),N-C;H, | G;H,(CH,)NA,) VI N(H) NN? Toluylenblau Toluylenroth. Das Toluylenroth erscheint nach dieser Auffassung als ein dime- thylirtes Diamidomethylphenazin. Die relative Stellung, der Substituenten an den beiden Benzolkernen steht mit ihr in voller Uebereinstimmung, denn da bei der Indaminbildung der Stickstoff der ursprünglichen Nitrosogruppe zu einer Amidogruppe des Toluylendiaminrestes in Para- stellung tritt!), so ergiebt sich hieraus für das andere Stickstoffatom des Diamins die o-Stellung zum Nitrosostickstoft, und es ist anderer- seits im Nitrosodimethylanilinrest die o-Stellung zu jenem nicht besetzt, also mit Leichtigkeit zugänglich. Eine nahe Beziehung zwischen Toluylenroth und Eurhodin scheint mir nach dem Vergleich ihrer von Witt mitgetheilten Eigenschaften unzweifelhaft; die Salze beider sind roth, die freien Basen (Nadeln) gelb resp. orangeroth; mit conc. Säuren existiren mehrere Reihen charakteristisch verschieden gefärbter Salze; die freien Basen werden durch Alkali leicht in Freiheit gesetzt und zeigen in ätherischer Lösung prächtige Fluorescenz u. s. f., und wenn sie in manchen Eigenschaften an das Phosphin erinnern, so erklärt auch dies sich sehr einfach durch die gleichartige Constitution: NI,- OB, JOH,-NI, NICH »-O,ER JO (CH,)-NIE, CH, Phosphin Toluylenroth. Dem Leukotoluylenroth käme nach Obigem die Formel NH | C,H —N(CH,) N(CH,)»-C,H,l NCHL(CH,-NH,, gleich NH£ ° ® SNH' Wu N N / NH C,H,(CH,) NH, zu. Nietzki, „Organische Farbstoffe“, Trewendt, Breslau, p. 116, ') Vgl. R. Nietzki, B. 16, 464; R. Möhlau, B. 16, 2845; ferner z, B. Zur Frage näch d. Constitution d. Safranine u. verwandter Farbstoffe. 693 Die Analogie dieser Constitutionsformel mit derjenigen des Leuko- methylenblaus: LEN ip ist eine frappante. Der Gedanke scheint in der That kaum abzuweisen, dass die Rolle, welche in den Leukothioninen der Schwefel spielt, bei den Leukoverbindungen des Toluylenroth und Eurhodin von einer Imidogruppe übernommen werde. Die Consequenz dieser Anschauung könnte freilich dazu führen, für die den Leukoverbindungen entsprechenden Farbstoffe auch analoge Constitution anzunehmen. Dieser Gesichtspunkt, auf den weiter unten zurückgekommen werden soll, ist aber, wie es scheint, wenigstens für « Eurhodin und Toluylenroth wegen ihrer Diazotirbarkeit nicht zu- treffend. Wenn man die seitherigen Ausführungen für wahrscheinlich zu- treffend erachtet, so wird man auch als einfache Consequenz derselben | den weiteren Schritt vom Toluylenroth zu den Safraninen wagen dürfen. Der einfache Vertreter der Safraningruppe, dessen Trimethylderivat das gewöhnliche Safranin C,,H,;,N,, HCl darstellt, ist das Pheno- safranin Q,sH,,N,, HC1 Witt's'). Dasselbe enhält im Vergleiche zum einfachsten Homologen des Toluylenroth, dem Diamidophenazin, C,.5HsN,(NH,),;, —= C,;H,,N,, noch einen weiteren Benzolrest und unterscheidet sich von genannter Verbindung in der Zusammensetzung um C,H,, d. h. es leitet sich von ihr durch Austausch von H gegen C,H, ab. Dieser Austausch kann nun nach der Theorie an sehr verschiedenen Orten vor sich gehen. Berücksichtigt man aber die vor drei Jahren von Nietzki mitgetheilten grundlegenden Unternehmungen über Safraninbildung, so gelangt man zu der Folge- rung, dass diese Phenylgruppe sich an demjenigen Stickstoffatom be- findet, welches die zweitmalige Verbindung der beiden anderen Benzol- !) Vgl. Nietzki, Farbstoffe p. 125 Anm. 694 A. Bernthsen: reste übernimmt. Man wird zu dieser Ansicht geführt hauptsächlich durch die wichtige Beobachtung Nietzkx’s, dass die Indamine Zwischen- glieder bei der Safraninbildung sind. So entsteht das Phenosafranin, resp. dessen Leukoverbindung, durch Oxydation eines Gemisches gleicher Molecüle p-Diamidodiphenylamin (Leukoindamin) und Anilin, welche Reaction ich mir folgendermassen erkläre: L N ER NEN NH,-C,H,;H HiC;H,-NH, —4H = NH,-0H;S N 7CsHs-NH, VI :HH: N GH, + | Leukophenosafranin. CH; Ist diese Auffassung richtig, so Können nur primäre Amine mit Leukoindamin Safranine geben. Dies ist nach Nietzki wirklich der Fall, Mono- und Dimethylanilin geben keine Safranine, hingegen ausser Anilin alle drei Toluidine. Die gewöhnliche Safraninbildung durch gemeinsame Oxydation von einem Molecül eines Paradiamins mit zwei Molecülen eines Mon- amins geht alsdann folgendermassen vor sich: AI RE ER NH zu, er al, — 6H — N N a N | C,H, 1 Mol. C,H,(NH;), + 2 Mol. C,H,.NH, Leukophenosafranin. Diese Theorie erklärt gleichzeitig in einfachster Weise, warum nach Nietzki bei der Safraninbildung in einem der beiden Monamin- molecüle die Parastellung zum Amidstickstoff nicht besetzt sein darf, dies Monamin hingegen nicht primär zu sein braucht. Sie giebt ferner Rechenschaft davon, dass die Safranine zwei Stickstoffatome in Form von Amidogruppen enthalten (Nietzki, s. a. unten) u. 8. f. ') !) Nach obiger Theorie sollten die zwei Monoäthylsafranine aus einer- seits p-Aethylphenylendiamin und Anilin, andrerseits p-Phenylendiam ‚Anilir und Aethylanilin identisch sein, während W. Schweitzer (diese Ber. 19, 150) sie für isomer hält. Das Gleiche sollte von den Diäthylsafraninen gelten, welche einerseits aus Diäthylphenylendiamin und Anilin, andererseits aus EEE Zur Frage nach d. Constitution d. Safranine u. verwandter Farbstoffe. 6925 Auch das Leukosafranin zeigt grosse Analogie mit den Farbstoffen der Methylenblaugruppe: ‚H,aH:; C,H.N-CuH,; , gleich C„H,N,, H 10 Sn HCI in Einklang zu bringen sein, zu welcher seine (der des Eurhodins ganz analoge) Bildung und seine Eigenschaften meines Erachtens sehr wohl stimmen würden. Um aus den weiter erwähnten Farbstoffen schliesslich noch einige herauszugreifen, so sei z. B. bezüglich der blauen (violetten) Farb- stoffe Meldola’s aus salzsaurem Nitrosodimethylanilin und gewissen Phenolen, wie Resorein oder /-Naphtol, und der analogen Gallo- cyanine darauf hingewiesen, dass sie sich meines Erachtens von einer dem Thiodiphenylamin analogen Muttersubstanz NH GH : ICH, welche man „Phenoxazin“ nennen könnte, ableiten; der erwähnte Resoreinfarbstoff wäre hiernach z. B. folgendermassen constituirt: N & se 3) 0,H;, = Dies Phenoxazin dürfte vielleicht durch die von Merz geplante Unter- suchung der Einwirkung von Brenzcatechin auf o-Amidophenol zugäng- lich werden. Ich möchte diese Betrachtungen aber zur Zeit nicht weiter führen und auch nur mit Vorbehalt gegeben haben. Wenn ich schliesslich auf die dargelegte Safranintheorie nochmals zurückkomme, so geschieht es, um darauf hinzuweisen, dass in ihr die s. Z. von Nietzki ausgesprochene Vermuthung, die S. seien Triphenyl- aminderivate, mit ihren Ausdruck gefunden hat; aber das Leuko- safranin ist hiernach kein Triamidotriphenylamin N(C;H,.NH,),, für die es auch zwei Wasserstoffatome zu wenig enthält. Hingegen er- scheint es nunmehr gleichzeitig auch als Diphenylaminderivat. Es zeigt dies die folgende Anordnung der Formel: C,H, N C, .H. ‚(NH Leukosafranin. NCHHr nm) NH’ Zur Frage nach d. Constitution d. Safranine u. verwandter Farbstoffe. 629 Es leuchtet hiernach ein, warum Hr. Heydrich, der im eben erschienenen Heft der Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft über Triamidotriphenylamin berichtet'), dies als von Leukosafranin ver- schieden findet. Hr. Heydrich, welcher auffallender Weise bei seinen Betrachtungen noch die ältere (seitdem zu C,3H,,N, corrigirte) Safraninformel C,3H,6N, berücksichtigt, erhält bei der Behandlung des Triamins mit Oxydationsmitteln kein Safranin, sondern meist blau- grüne Körper. Nur beim Erhitzen des salzsauren Triamidotriphenyl- amins mit Chloranil in Eisessiglösung bildet sich ein safranin- ähnlicher, aber bläulicherer und nicht fluorescirender Körper. Nach meiner Theorie könnte hier sehr wohl eine Art Safranin entstanden sein, nach einem an die Bildung des Toluylenroth aus Toluylenblau erinnernden Process: CH,(NH,) en N \ > ZERER NH,-C,H,H' ICH, — 2 = NH,-OH\ JOSE, (= Leukofarbstofl) HNH ne aber das gebildete Produkt müsste ein Isomeres des Phenosafranins _ sein, wobei noch die weitere Voraussetzung zu machen wäre, dass von den drei Amidogruppen des Triamidotriphenylamins eine in Ortho- stellung zum Stickstoff der Nitrilbase stünde. Man darf den von Liebermann in Aussicht gestellten weiteren Mittheilungen ”) daher mit, Interesse entgegensehen. Heidelberg, den 20. April 1886. !) Berichte 19, 758. 2) Daselbst pag. 761 Anm. 1). 630 Vereinsnachrichten. Vereinsnachrichten. Der Vorstand des Vereins besteht, nach der statutenmässigen Wahl in der Sitzung vom 5. Nov. 1885, aus den Herren Prof. Pfitzer als Vorsitzender, Prof. Horstmann als Schriftführer und G. Köster als Rechner. Als ordentliche Mitglieder neu aufgenommen wurden die Herren Privatdocent Dr. Andreae, Dr. Greffrath, Dr. E. Werner, Dr. Lazarus, Dr. Stadelmann, Dr. Fleiner, Dr. Doll, Dr. Demmer, Dr. Wagemann. — Ausgetreten sind die Herren Dr. Bänziger, Dr. Beselin, Dr. Ebenau, Dr. Hanau, Dr. Henkenius, Dr. Mommsen, Dr. Steinbrügge, Dr. Wegerle. In den Sitzungen wurden folgende Vorträge gehalten: 1. Mai 1885. Dr. Mays über die Theilung von Nervenröhren in den Nervenstämmen; daran anknüpfend Geh. Rath Kühne, Bemerkungen über die physiologische Bedeutung der gewonnenen Resultate. 5. Juni 1885. Dr. Schapira über eine Erweiterung des Be- grifts der Differentialquotienten. 3. Juli 1885. Hofrath Bütschli über Noctiluca, die Ursache des diffusen Meerleuchtens. 6. Nov. 1885. Prof. Horstmann über die Affinität der Säuren. 4. Dec. 1885. Dr. Blochmann über die Entwicklungsgeschichte von Hämatococeus. 8. Jan. 1886. Hofrath Bütschli über die Ableitung der Glockenthierchen aus einfacheren Infusorien. a u Pe Ex Vereinsnachrichten. 631 5. Febr. 1886. Dr. Steiner über das Grosshirn der Knochen- fische, mit Demonstrationen. 19. Febr. 1886. Prof. Pfitzer über Amorphophallus, mit Demon- strationen. 5. März 1886. Prof. Ad. Schmidt über das Grundgebirge des Münsterthales im Schwarzwalde. Für die nachstehend aufgezählten Druckschriften, welche dem Vereine seit dem letzten Berichte zugegangen sind, sagt derselbe besten Dank. Die Aufführung in dem Verzeichniss wolle man zugleich als Empfangsbescheinigung hinnehmen. Alle ferner uns zugedachten Sendungen beliebe man einfach an den Naturhistorisch-medicinischen Verein Heidel- berg zu adressiren. Heidelberg, März 1886. 632 Verzeichn. der v. Mai 1885 bis März 1886 eingeg. Druckschriften. Verzeichniss der vom Mai 1885 bis März 1886 eingegangenen Druckschriften. Zugleich als Empfangsbescheinigung. Amsterdam. Koninglijke Akademie van Wetenschappen: Processen verbaal 1883/84. Verslagen en Mededelingen 2 Ser. T. 19 und 20 mit Reg. für 1—20. Augsburg. Naturhistorischer Verein: Ber. XXVII, 1885. Auxerre. Societ6 des sciences historiques et naturelles de I’Yonne: Bull. Vol. XXXVIIL, 2. Baltimore, Johns Hopkins University: Circulars. Nrs, 37—45. Studies from the biologieal Lab. III, 3, 4. Basel. Naturforschende Gesellschaft: Verh. VII, 3: Berlin. Botanischer Verein der Provinz Brandenburg: Verhandlungen 25, 26. — Deutsche geologische Gesellschaft: Zeitschrift XXXV, XXXVI, XXXVIL, 1—3. — Gesellschaft naturforschender Freunde: Sitzungsberichte 1885. — Physiologische Gesellschaft: Verhandlungen X, 1884/5; XI, 1885J6, 1—4, Bern: Naturforschende Gesellschaft: Verh. 1884, III; 1885, I, I. — Allgemeine schweizerische Gesellschaft für die gesammten Naturwissen- schaften: Nr. 67, Verh. in Luzern 1884. Bistritz. Gewerbeschule: Jahresber. XI. Bologna. Accademia delle Scienze dell’ Istituto: Memorie Ser. 4, T. V, 1-4. Verzeichn. der v. Mai 1885 bis März 1886 eingeg. Druckschriften. 633 Bonn, Naturhistorischer Verein der preuss. Rheinlande und Westphalen: Verhandl. 5. Folge, I, 2; IL, 1 nebst Reg. — Aerztlicher Verein für Rheinland, Westphalen und Lothringen : Corre- spondenzblatt 35, 36. — Niederrheinische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. Sitzungsber. 1884, Bordeaux, Soeiet& des sciences physiques et naturelles: M&m. Ser. 3, T. I. Boston. American Academy of Arts and Sciences: Proceedings N. S. XI. — Soc. of natural history: Mem. Vol. III, 8—11. Proc. XXI, 2, 3, 4; XXIII, 1. Bremen. Naturwissenschaftlicher Verein: Abh. IX, 2. Breslau. Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur: 62, Jahres- bericht für 1884. Brünn. Naturforschender Verein: Verhandlungen XX, 1, 2. Ber. der meteorologischen Commission für 1882. Brüssel. 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Winter’sche Buchdruckerei. ki A R IM er en A year " ’ uhl RN) N} ie‘ un Ne | Mr wur H Koh rg Nm ıw Da) De a a Naturkist. med.Verein. IT Bd. Jaf. T. EBlochmann gez. Zieh Anser Werner # inter, Prankfurt FM. Carl Winter’s Universttätsbuchhandlung in Heidelberg. Naturhist.med. Verein Il. Bd. Zieh. Anst.v.WernerdWinter Prookfurt iM: Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung in Heidelberg. RITETEN MRS m; SE LE zu) ah N MM AN EN »4e15 ET SANS SL N] 7 ie Mm 2% Porphyre wem Zone der [ze] am Arystall-Gneise Karte zur Geologie des Vene MÜNSTERTHALS im badischen Schwarzwald von . Professor DT Adolf Schmidt Nördlich von dieser Zone std alle nicht besonders “= _dlte Verhaue bezeichneten Flächen Gneis südl /ı daron. Granit . — lirag änge Granit-Stöcke Heidelberg 1886 we Homiblerslenaeken N fOrerze des IS: Mafsstab 1:50000. Em Belehen) \V/ untersuchten Ge FE P = Da ee un, &L 1.25% | geogr-Anst:r. C.Welzbacher, Darmstadt Carl Winter's Unirersitatsbuchhandlung in Heldelberg .. vgy2_ Ahasme, Ruta 41, VERHANDLUNGEN DES NATURHISTORISCH-MEDICINISCHEN VERBIN ZU HEIDELBERG. NEUE FOLGE. DRITTER BAND. ERSTES HEFT. HI HEIDELBERG. er ar 7 \ IN k % { a i 7 e N - - & ' Er 3 er I ne 1 \ ° 2." EN, ; + B Ws w u N Inhalt. Seite. W. Kühne und J. Steiner, Ueber electrische Vorgänge im Sehorgan August Bernthsen, Ueber die Constitution der Thiocarbaminsäure- derivate, und über die Nomenclatur der näheren Kohlensäure- ‚derivate und der Isothiamide H. Alex. Pagenstecher, Zur Entwicklungsgeschichte der Trematoden eher, die‘ Hirschags 0er we re ea te a K. Mays, Ueber die Bewegungen des menschlichen Gehirns . €. Fr. W. Krukenberg, Ueber die Hydrophilus-Lymphe und über die Hämolymphe von Planorbis Lymn&us und Paludina EL RE ON ER N Verzeichniss der vom 1. November 1880 bis Ende Dezember 1881 ein- gegangenen Druckschriften . . . . . C. F. Winter’sche Buchdruckerei. \ I \ \ VERHANDLUNGEN DES NATURHISTORISCH-MEDICINISCHEN VEREINS ZU HEIDELBERG. NEUE FOLGE. DRITTER BAND. ZWEITES HEFT. Seite. \ W. Kühne, Ueber motorische Nervenendigung . . ..2.2.2....97 A. Bernthsen und Fritz Bender, Ueber einige Derivate des Styrols 111 E. Pfitzer, Beobachtungen -über Bau und Entwicklung der Orchideen 117 Fr. Schultze, Ueber Muskelatrophie : .. » 2»... 0...» 136 F. A. Kehrer, Ueber den Soorpilz 2 z07.2.71., Masaıe Se A W. Kühne, Weitere Beobachtungen über motorische Nervenendigung 212 ERS ES RO res Say A NE EEE Er Verzeichniss der vom 1. Januar bis 1. November 1832 eingegangenen PILUERSCHPILENE San ee a N Ve — m ©. F. Winter’sche Buchdruckerei. 2 RER 5X VERHANDLUNGEN SO NATURHISTORISCH-MEDICINISCHEN VEREINS ZU HEIDELBERG. NEUE FOLGE. DRITTER BAND. / DRITTES HEFT. HEIDELBERG. CARL WINTER?’S UNIVERSITATSBUCHHANDLUNG 1884. Inhalt. unen Seite. W. Kiihne, Die motorische Nervenendigung, besonders nach Beobach- tungen an Muskelquerschnitten von Dr. med. M. B. van Syckel AUS NEWIVORR A RE ee ae A 223 Adolf Schmidt, Ueber die Verwendung von Wasserdampf in Gas- Generatoren ONE U RR TUN are, "232 W. Kühne, Ueber Nervenendigung in den Muskeln. Nach weiteren Be- obachtungen von Dr. M. B. van Syckl .. .: -ı.... » 238 F. Blochmann, Ueber eine Metamorphose der Kerne in den Ovarial- eiern und über den Beginn der Blastodermbildung bei den Ameisen. 243 Horstmann, Ueber den Zusammenhang zwischen dem Wärmewerth und dem Verlauf chemischer Reactionen . . . >» .2....- 248 6. Quincke, Ueber elektrische und magnetische Druckkräfte. . . . 259 . Vereinsnachrichten . . . . . . BE RE ab a A =, A Verzeichniss der vom November 1882 bis April 1884 eingegangenen Drocksehriften-.ns. Kos araal e E VDEeN 269 2 ' — > Tymm—— C. F. Winter’sche Buchdruckerei. en x “ \ -” VERHANDLUNGEN | DES NATURHINTORISCH-MEDIGINISCHEN VEREINS ZU N HEIDELBERG. =“ N NEUE FOLGE. DRITTER BAND. Inhalt. nn Seite W. Kühne, Ueber Form, Structur und Entwicklung der motorischen Nervenendisung . ..... HORSE ER N E 1 IR W. Kühne, Albumosen und Peptone . 286 K.Mays, Notiz über eine bequeme Bereitungsweise des neutralen Lackmuspapieres.. . . N ER HL DENDERRLE geleı- 295 _ August Bernthsen, Studien in der Methylenblaugruppe 300 WerRBistachkichten. 7 ae Nee ee at 434 Verzeichniss der vom April 1884 bis März 1885 eingegangenen Druckschriften . 436 » C. F. Winter’sche Buchdruckerei. DE :. (DE.12,788%6, VERHANDLUNGEN DES ZU HEIDELBERG. NEUE FOLGE. DRITTER BAND.- 1 EN FÜNFTES HEFT. MIT ZWEI TAFELN U: EINER KARTE. AS HEIDELBERG. NATURHISTORISCH-MEDIGINISCHEN VEREINS J - CARL WINTER’S UNIVERSITÄTSBU UCHHANDLUNG,. | | 1886. Inhalt Seite. F. Blochmann, Ueber eine neue Haematococeusartt . 2. .... 441 W. Kühne, Vereinfachte Darstellung des Trypsins. » . 2... ..'468 Adolf Schmidt, Geologie des Münsterthals im badischen Schwarzwald. Fürsten Bheila Ra ES EN EN NEE 22 le DE A. Bernthsen, Zur Frage nach der Constitution der Safranine und verwandter ‚Barbstöfle . 2. Nu9.. Su en Re ae Vereuisnächrichten® „a... on. “ ee ern NRa , # Verzeichniss der vom Mai 1885 bis März 1886 eingegangenen Druck- SER ETEL BIER OR LE EEE BREITEREN RENT a) ae k C. F. Winter’sehe Buchdruckerei. e viren ' Ta) IIANINDIINNUNN! 3 2044 106 3 Ser ERNÄHREN ANNE (} a - Am: a Re: