The Project Gutenberg EBook of Versuch einer Kritik aller Offenbarung, by 
Johann Gottlieb Fichte

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Title: Versuch einer Kritik aller Offenbarung

Author: Johann Gottlieb Fichte

Release Date: April 25, 2006 [EBook #18255]

Language: German

Character set encoding: ISO-8859-1

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VERSUCH

EINER KRITIK

ALLER OFFENBARUNG.





VON

JOHANN GOTTLIEB FICHTE.


Zweite, vermehrte, und verbesserte Auflage.


KÖNIGSBERG 1793.

IM VERLAG DER HARTUNGSCHEN BUCHHANDLUNG.


INHALT


VORREDE
VORREDE ZUR ERSTEN AUSGABE
VORREDE ZUR ZWEITEN AUSGABE
VERSUCH EINER KRITIK ALLER OFFENBARUNG
§. 1. EINLEITUNG.
§. 2. Theorie des Willens, als Vorbereitung einer Deduction der Religion überhaupt.
§. 3. Deduction der Religion überhaupt.
§. 4. Eintheilung der Religion überhaupt, in die natürliche und geoffenbarte.
§. 5. Formale Erörterung des Offenbarungsbegriffs, als Vorbereitung einer materialen Erörterung desselben.
§. 6. Materiale Erörterung des Offenbarungsbegriffs, als Vorbereitung einer Deduktion desselben.
§. 7. Deduktion des Begriffs der Offenbarung von Principien der reinen Vernunft a priori.
§. 8. Von der Möglichkeit des im Begriffe der Offenbarung vorausgesetzten empirischen Datum.
§. 9. Von der physischen Möglichkeit einer Offenbarung.
§. 10. Kriterien der Göttlichkeit einer Offenbarung ihrer Form nach.
§. 11. Kriterien der Göttlichkeit einer Offenbarung in Absicht ihres möglichen Inhalts (materiae revelationis).
§. 12. Kriterien der Göttlichkeit einer Offenbarung in Absicht der möglichen Darstellung dieses Inhalts.
§. 13. Systematische Ordnung dieser Kriterien.
§. 14. Von der Möglichkeit, eine gegebne Erscheinung für göttliche Offenbarung aufzunehmen.
§. 15. Allgemeine Übersicht dieser Kritik.
SCHLUSSANMERKUNG



VORREDE.

Dieser Aufsatz heißt ein Versuch, nicht als ob man überhaupt bei Untersuchungen der Art blind herumtappen und nach Grund fühlen müsse, und nie ein sicheres Resultat finden könne; sondern darum, weil ich mir noch nicht die Reife zutrauen darf, die dazu gehören würde, dies sichere Resultat hinzustellen. Wenigstens war diese Schrift ihrer ersten Bestimmung nach nicht für die Presse; verehrungswürdige Männer beurtheilten sie gütig, und sie waren es, die mir den ersten Gedanken, sie dem Publicum vorzulegen, gaben.

Hier ist sie. Stil und Einkleidung sind meine Sache; der Tadel oder die Verachtung, die diese trift, trift nur mich, und das ist wenig. Das Resultat ist Angelegenheit der Wahrheit, und das ist mehr. Dieses muß einer strengen, aber sorgfältigen, und unpartheiischen Prüfung unterworfen werden. Ich wenigstens verfuhr unpartheiisch.

Ich kann geirrt haben, und es wäre ein Wunder, wenn ich es nicht hätte. Welchen Ton der Zurechtweisung ich verdiene, entscheide das Publicum.

Jede Berichtigung, in welchem Tone sie auch abgefaßt sey, werde ich dankbar anerkennen; jedem Einwurfe, der mir der Sache der Wahrheit zuwider scheint, begegnen, so gut ich kann. Ihr, der Wahrheit, weihe ich mich feierlich, bei meinem ersten Eintritte in's Publicum. Ohne Rücksicht auf Parthei, oder auf eigne Ehre, werde ich immer dafür anerkennen, was ich dafür halte, es komme, woher es wolle, und nie dafür anerkennen, was ich nicht dafür halte. — Das Publicum verzeihe es mir dieses erste und einzige mal, vor ihm von mir gesprochen zu haben. Ihm kann diese Versicherung sehr unwichtig seyn; aber mir war es wichtig für mich selbst, dasselbe zum Zeugen meines feierlichen Gelübdes zu nehmen.

Königsberg, im December 1791.


Dem

Herrn Ober-Hof-Prediger

D. Franz Volkmar Reinhard

als ein reines Opfer

der freisten Verehrung



vom Verfasser.


Verehrungswürdigster Mann,




Nicht meine eigne Meinung von dieser Schrift, sondern das vortheilhafte Urtheil würdiger Männer über sie, machte mich so kühn, ihr in dieser zweiten Auflage jene für sie so ehrenvolle Bestimmung zu geben.

So wenig mir es zukommt, vor dem Publikum Ihre Verdienste zu rühmen, so wenig würde Ihnen es möglich seyn, selbst von einem würdigern, das anzuhören: das größte Verdienst war immer das bescheidenste.

Doch erlaubt selbst die Gottheit ihren vernünftigen Geschöpfen, die Empfindungen ihrer Verehrung und Liebe gegen sie in Worte ausströmen zu lassen, um das Bedürfniß ihres vollen Herzens zu befriedigen, und der gute Mensch versagt es gewiß nicht dem Menschen.

Gewiß nehmen Sie also die aus der gleichen Quelle fließende Versicherung ähnlicher Empfindungen gütig auf von

Eurer Hochwürdigen
Magnificenz

innigstem Verehrer
Johann Gottlieb Fichte.


VORREDE[1]

ZUR ERSTEN AUFLAGE.



Dieser Aufsatz heißt ein Versuch, nicht als ob man überhaupt bei Untersuchungen der Art blind herumtappen und nach Grund fühlen müsse, und nie ein sicheres Resultat finden könne; sondern darum, weil ich mir noch nicht die Reife zutrauen darf, die dazu gehören würde, dies sichere Resultat hinzustellen. Wenigstens war diese Schrift ihrer ersten Bestimmung nach nicht für die Presse; verehrungswürdige Männer beurtheilten sie gütig, und sie waren es, die mir den ersten Gedanken, sie dem Publikum vorzulegen, gaben.

Hier ist sie. Stil und Einkleidung sind meine Sache; der Tadel oder die Verachtung, die diese trift, trift nur mich, und das ist wenig. Das Resultat ist Angelegenheit der Wahrheit, und das ist mehr. Dieses muß einer strengen, aber sorgfältigen, und unpartheiischen Prüfung unterworfen werden. Ich wenigstens verfuhr unparteiisch.

Ich kann geirrt haben, und es wäre ein Wunder, wenn ich es nicht hätte. Welchen Ton der Zurechtweisung ich verdiene, entscheide das Publikum.

Jede Berichtigung, in welchem Tone sie auch abgefaßt sey, werde ich dankbar anerkennen; jedem Einwurfe, der mir der Sache der Wahrheit zuwider scheint, begegnen, so gut ich kann. Ihr, der Wahrheit, weihe ich mich feierlich, bei meinem ersten Eintritte in's Publikum. Ohne Rücksicht auf Parthei, oder auf eigne Ehre, werde ich immer dafür anerkennen, was ich dafür halte, es komme, woher es wolle, und nie dafür anerkennen, was ich nicht dafür halte. — Das Publikum verzeihe es mir, dieses erste und einzige mal vor ihm von mir gesprochen zu haben. Ihm kann diese Versicherung sehr unwichtig seyn; aber mir war es wichtig für mich selbst, dasselbe zum Zeugen meines feierlichen Gelübdes zu nehmen.

Königsberg, im December 1791.


VORREDE

ZUR ZWEITEN AUFLAGE.



Auch nach dieser zweiten Ausgabe bleibt gegenwärtige Schrift noch immer ein Versuch; so unangenehm es mir auch war, mich der gütigen Meinung, die ein verehrungswürdiger Theil des Publikums etwa von ihrem Verfasser gefaßt haben könnte, nur aus einer großen Entfernung anzunähern. So fest auch meines Erachtens noch die Kritik der Offenbarung auf dem Boden der praktischen Philosophie als ein einzelnes Nebengebäude stehet; so kommt sie doch erst durch eine kritische Untersuchung der ganzen Familie, wozu jener Begriff gehört, und welche ich die der Reflexions-Ideen nennen möchte, mit dem ganzen Gebäude in Verbindung, und wird erst dadurch unzertrennlich mit ihm vereiniget.

Diese Kritik der Reflexions-Ideen war es, welche ich lieber, als eine zweite Ausgabe der gegenwärtigen Schrift hätte geben mögen, wenn meine Muße hingereicht hätte, mehr zu leisten, als ich wirklich geleistet habe. Jedoch werde ich, ohne Anstand, zur Bearbeitung der dafür gesammelten Materialien schreiten, und dann wird diese Schrift eine weitere Auseinandersetzung eines dort nur kurz zu behandelnden Theils jener Kritik seyn.

Was ich in dieser zweiten Ausgabe hinzugefügt, oder geändert habe, und warum — wird hoffentlich jeder Kenner selbst bemerken. Einige Erinnerungen, worunter ich deren in den Göttingischen gelehrten Anzeigen mit Achtung erwähne, kamen mir zu spät zu Gesicht, als daß ich ausdrücklich auf sie hätte Rücksicht nehmen können. Da sie jedoch nicht mein Verfahren im Ganzen treffen, sondern durch eine weitläuftigere Erläuterung einzelner Resultate zu heben sind, so hoffe ich in der künftigen Kritik der Reflexions-Ideen den würdigen Recensenten völlig zu befriedigen.

Noch bin ich eine nähere Bestimmung des in der ersten Vorrede gegebnen Versprechens, mich auf jeden mir ungegründet scheinenden Einwurf gegen diese Kritik einzulassen, dem Publikum schuldig. — Ich konnte dieses Versprechen nur in dem Sinne geben, insofern es mir scheinen würde, daß die Wahrheit selbst, oder ihre Darstellung durch Erörterung der Einwürfe gewinnen könnte; und dieser Zweck scheint mir auf keine würdigere Art erreicht werden zu können, als wenn ich in meinen künftigen Arbeiten auf Einwürfe gegen das, was ich wirklich behaupte, oder zu behaupten scheine — nicht aber etwa gegen das, was ich ausdrücklich läugne — da, wo ich den Urheber derselben nicht mit der größten Hochachtung nennen könnte, nur stillschweigend Rücksicht nehme.

Zur Jubilate-Messe 1793.


VERSUCH

EINER

CRITIK ALLER OFFENBARUNG.



§. 1.

EINLEITUNG.

Es ist ein wenigstens merkwürdiges Phänomen für den Beobachter, bei allen Nationen, so wie sie sich aus dem Zustande der gänzlichen Rohheit bis zur Gesellschaftlichkeit emporgehoben haben, Meinungen von einer Gegenmittheilung zwischen höhern Wesen, und Menschen, — Traditionen von übernatürlichen Eingebungen, und Einwirkungen der Gottheit auf Sterbliche, — hier roher, da verfeinerter, aber dennoch allgemein, den Begriff der Offenbarung vorzufinden. Dieser Begriff scheint also schon an sich, wäre es auch nur um seiner Allgemeinheit willen, einige Achtung zu verdienen; und es scheint einer gründlichen Philosophie anständiger, seinem Ursprunge nachzuspüren, seine Anmaaßungen und Befugnisse zu untersuchen, und nach Maaßgabe dieser Entdeckungen ihm sein Urtheil zu sprechen, als ihn geradezu, und unverhört, entweder unter die Erfindungen der Betrüger, oder in das Land der Träume zu verweisen. Wenn diese Untersuchung philosophisch seyn soll, so muß sie aus Principien a priori, und zwar, wenn dieser Begriff, wie vorläufig wenigstens zu vermuthen ist, sich blos auf Religion beziehen sollte, aus denen der practischen Vernunft angestellt werden; und wird von dem besondern, das in einer gegebenen Offenbarung möglich wäre, gänzlich abstrahiren, ja sogar ignoriren, ob irgend eine gegeben sey, um allgemein für jede Offenbarung gültige Principien aufzustellen.

Da man bei Prüfung eines Gegenstandes, der so wichtige Folgen für die Menschheit zu haben scheint, über den jedes Mitglied derselben sein Stimmrecht hat, und bei weitem die meisten, es in Ausübung bringen, und der daher entweder unbegränzt verehrt, oder unmäßig verachtet, und gehaßt ist, nur zu leicht von einer vorgefaßten Meinung fortgerissen wird; so ist es hier doppelt nöthig, blos auf den Weg zu sehen, den die Critik vorzeichnet; ihn geradefort, ohne ein mögliches Ziel in den Augen zu haben, zu gehen; und ihren Ausspruch zu erwarten, ohne ihn ihr in den Mund zu legen.

§. 2.

Theorie des Willens, als Vorbereitung einer Deduction der Religion überhaupt.

Sich mit dem Bewußtseyn eigner Thätigkeit zur Hervorbringung einer Vorstellung bestimmen, heißt Wollen; das Vermögen sich mit diesem Bewußtseyn der Selbstthätigkeit zu bestimmen, heißt das Begehrungsvermögen: beides in der weitesten Bedeutung. Das Wollen unterscheidet sich vom Begehrungsvermögen, wie das Wirkliche vom Möglichen. — Ob das im Wollen vorkommende Bewußtseyn der Selbstthätigkeit uns nicht vielleicht täuschen möge, bleibt vor der Hand ununtersucht, und unentschieden.

Die hervorzubringende Vorstellung ist entweder gegeben, insofern nemlich eine Vorstellung gegeben seyn kann, die ihrem Stoffe nach, wie aus der theoretischen Philosophie als ausgemacht und anerkannt vorausgesetzt wird; oder die Selbstthätigkeit bringt sie auch sogar ihrem Stoffe nach hervor, wovon wir die Möglichkeit oder Unmöglichkeit vor der Hand noch ganz an ihrem Orte gestellt seyn lassen.

I.

Der Stoff einer Vorstellung kann, wenn er nicht durch absolute Spontaneität hervorgebracht seyn soll, nur der Receptivität, und dieses nur in der Sinnenempfindung gegeben seyn; — denn selbst die a priori gegebnen Formen der Anschauung, und der Begriffe müssen, insofern sie den Stoff einer Vorstellung ausmachen sollen, der Empfindung, in diesem Falle der innern, gegeben werden; — folglich steht jedes Object des Begehrungsvermögens, dem eine Vorstellung entspricht, deren Stoff nicht durch absolute Spontaneität hervorgebracht ist, unter den Bedingungen der Sinnlichkeit, und ist empirisch. In dieser Rücksicht also ist das Begehrungsvermögen gar keiner Bestimmung a priori fähig; was Object desselben werden soll, muß empfunden seyn, und sich empfinden lassen, und jedem Wollen muß die Vorstellung der Materie des Wollens (des Stoffs der hervorzubringenden Vorstellung) vorhergegangen seyn.

Nun aber ist mit dem bloßen Vermögen, sich durch die Vorstellung des Stoffs einer Vorstellung zur Hervorbringung dieser Vorstellung selbst — zu bestimmen, noch gar nicht die Bestimmung gesetzt, so wie mit dem Möglichen noch nicht das Wirkliche gesetzt ist. Die Vorstellung nemlich soll nicht bestimmen, in welchem Falle sich das Subject blos leidend verhielte, — bestimmt würde, nicht aber sich bestimmte — sondern wir sollen uns durch die Vorstellung bestimmen, welches »durch« sogleich völlig klar seyn wird. Es muß nemlich ein Medium seyn, welches von der einen Seite durch die Vorstellung, gegen welche das Subject sich blos leidend verhält, von der ändern durch Spontaneität, deren Bewußtseyn der ausschließende Charakter alles Wollens ist, bestimmbar sey; und dieses Medium nennen wir den Trieb.

Was von der einen Seite das Gemüth in der Sinnenempfindung als blos leidend afficirt, ist der Stoff oder die Materie derselben; nicht ihre Form, welche ihr vom Gemüthe durch seine Selbstthätigkeit gegeben wird[2]. Der Trieb ist also, insofern er auf eine Sinnenempfindung geht, nur durch das Materielle derselben, durch das in dem Afficirtwerden unmittelbar empfundne, bestimmbar. — Was in der Materie der Sinnenempfindung von der Art ist, daß es den Trieb bestimmt, nennen wir angenehm, und den Trieb, insofern er dadurch bestimmt wird, den sinnlichen Trieb: welche Erklärungen wir vor der Hand für nichts weiter, als für Worterklärungen geben.

Nun theilt die Sinnempfindung überhaupt sich in die des äußern, und die des innern Sinnes; davon der erstere die Veränderungen der Erscheinungen im Räume mittelbar, der zweite die Modificationen unsers Gemüths, insofern es Erscheinung ist, in der Zeit unmittelbar anschaut; und der Trieb kann, insofern er auf Empfindungen der erstem Art geht, der grobsinnliche, und insofern er durch Empfindungen der zweiten Art bestimmt wird, der feinsinnliche genannt werden: aber in beiden Fällen bezieht er sich doch blos auf das angenehme, weil, und inwiefern es angenehm ist; ein angemaaßter Vorzug des letztern könnte sich doch auf nichts weiter gründen, als daß seine Objecte mehr Lust, nicht aber eine der Art nach verschiedene Lust gewährten; jemand, der sich vorzugsweise durch ihn bestimmen ließe, könnte höchstens etwa das von sich rühmen, daß er sich besser auf das Vergnügen verstehe, und könnte auch sogar das dem nicht beweisen, der ihn versicherte: er mache aus seinen feinern Vergnügungen einmal nichts, er lobe sich seine gröbern; — da das auf den Sinnengeschmack ankommt, über den sich nicht streiten läßt; und da alle angenehme Affectionen des innern Sinnes sich doch zuletzt auf angenehme äußere Sensationen dürften zurückführen lassen.

Soll von der andern Seite dieser Trieb durch Spontaneität bestimmbar seyn; so geschieht diese Bestimmung entweder nach gegebnen Gesetzen[TN1], die durch die Spontaneität auf ihn blos angewendet werden, mithin nicht unmittelbar durch Spontaneität, oder sie geschieht ohne alle Gesetze, mithin unmittelbar durch absolute Spontaneität.

Für den erstern Fall ist dasjenige Vermögen in uns, das gegebne Gesetze auf gegebnen Stoff anwendet, die Urtheilskraft: folglich müßte die Urtheilskraft es seyn, die den sinnlichen Trieb den Gesetzen des Verstandes gemäß bestimmte. — Dies kann sie nun nicht so thun, wie die Empfindung es thut, daß sie ihm Stoff gebe, denn die Urtheilskraft giebt überhaupt nicht, sondern sie ordnet nur das gegebne Mannigfaltige unter die synthetische Einheit.

Zwar geben alle obern Gemüthsvermögen durch ihre Geschäfte reichlichen Stoff für den sinnlichen Trieb, aber sie geben ihn nicht dem Triebe; ihm giebt sie die Empfindung. Die Thätigkeit des Verstandes bei'm Denken, die hohen Aussichten, die uns die Vernunft eröfnet, gegenseitige Mittheilung der Gedanken unter vernünftigen Wesen u. dergl. sind allerdings ergiebige Quellen des Vergnügens; aber wir schöpfen aus diesen Quellen gerade so, wie wir uns vom Küzzel des Gaumens afficiren lassen — durch die Empfindung.

Ferner kann das Mannigfaltige, welches sie für die Bestimmung des sinnlichen Triebes ordnet, nicht das Einer gegebnen Anschauung an sich seyn, wie sie es für den Verstand, um es zum Behuf einer theoretischen Erkenntniß auf Begriffe zu bringen, thun muß; also keine Bestimmung des Stoffs durch Form, weil der sinnliche Trieb blos durch den Stoff, und gar nicht durch Begriffe bestimmt wird; — eine Anmerkung, die für die Theorie des Begehrungsvermögens sehr wichtig ist, da man durch Vernachlässigung derselben von ihr aus in das Gebiet der ästhetischen Urtheilskraft irre geleitet wird: — sondern mannigfaltige angenehme Empfindungen. Die Urtheilskraft steht während dieses Geschäfts ganz und lediglich im Dienste der Sinnlichkeit; diese liefert Mannigfaltiges, und Maaßstab der Vergleichung: der Verstand giebt nichts, als die Regeln des Systems.

Der Qualität nach ist das zu beurtheilende durch die Empfindung unmittelbar gegeben; es ist positiv das angenehme, welches eben so viel heißt, als das den sinnlichen Trieb bestimmende, und keiner weitern Zergliederung fähig ist. Das Angenehme ist angenehm, weil es den Trieb bestimmt, und es bestimmt den Trieb, weil es angenehm ist. Warum etwas der Empfindung unmittelbar wohlthue, und wie es beschaffen seyn müsse, wenn es ihr wohlthun solle, untersuchen wollen, hieße sich geradezu widersprechen; denn dann sollte es ja auf Begriffe zurückgeführt werden, mithin der Empfindung nicht unmittelbar; sondern vermittelst eines Begriffs wohlthun. Negativ, das unangenehme; limitativ, das indifferente für die Empfindung.

Der Quantität nach werden die Objecte des sinnlichen Triebes beurtheilt ihrer Extension und Intension nach; alles nach dem Maaßstabe der unmittelbaren Empfindung. — Der Relation nach, wo wieder blos das angenehme blos auf das angenehme bezogen wird, 1) in Absicht seines Einflusses auf die Beharrlichkeit des Empfindungsvermögens selbst, wie sie nemlich unmittelbar durch die Empfindung dargestellt wird, 2) in Absicht seines Einflusses auf Entstehung oder Vermehrung andrer angenehmen Sinnenempfindungen — der Causalität des angenehmen aufs angenehme, 3) in Absicht der Bestehbarkeit oder Nichtbestehbarkeit mehrerer angenehmer Empfindungen neben einander. — Endlich der Modalität nach wird beurtheilt 1) die Möglichkeit, ob eine Empfindung angenehm seyn könne, nach Maasgabe vorhergegangener Empfindungen ähnlicher Art, 2) die Wirklichkeit — daß sie angenehm sey; 3) die Nothwendigkeit ihrer Annehmlichkeit, wobei der Trieb Instinct wird.

Durch diese Bestimmung des Mannigfaltigen, das in der Empfindung blos angenehm ist, nach Verstandesgesetzen, — durch dieses Ordnen desselben entsteht der Begriff des Glücks; der Begriff von einem Zustande des empfindenden Subjects, in welchem nach Regeln genossen wird: so daß eine angenehme Empfindung einer andern von größerer Intension, oder Extension, — eine, die dem Empfindungsvermögen schadet, einer andern, die es stärkt — eine, die in sich isolirt ist, einer andern, die selbst wieder Ursache angenehmer Empfindungen wird, oder viele andre neben sich duldet, und erhöht — endlich ein blos möglicher Genuß, Empfindungen, die nothwendig angenehm seyn müssen, oder die man als wirklich angenehm empfindet, nachgesetzt und aufgeopfert werden. Ein nach diesem Grundrisse verfertigtes System gäbe eine Glückslehre — gleichsam eine Rechenkunst des Sinnengenusses[3], welche aber keine Gemeingültigkeit haben könnte, da sie blos empirische Principien hätte. Jeder müßte sein eignes System haben, da jeder nur selbst beurtheilen kann, was ihm angenehm, oder noch angenehmer sey; nur in der Form kämen diese individuellen Systeme überein, weil diese durch die nothwendigen Verstandesgesetze gegeben ist, nicht aber in der Materie. Den Begriff des Glücks, so bestimmt ist es völlig richtig, daß wir nicht wissen können, was das Glück des andern befördre, ja, worin wir selbst in der nächsten Stunde unser Glück setzen werden.

Wird dieser Begriff des Glücks durch die Vernunft aufs unbedingte und unbegränzte ausgedehnt, so entsteht die Idee der Glückseeligkeit, welche, als gleichfals lediglich auf empirischen Principien beruhend, nie allgemeingültig bestimmt werden kann. Jeder hat in diesem Sinne seine eigne Glückseeligkeitslehre: eine auch nur comparativ allgemeine ist unmöglich, und widersprechend.

Aber mit einer solchen blos mittelbaren Bestimmbarkeit des sinnlichen Triebes durch Spontaneität reichen wir zur Erklärung der wirklichen Bestimmung noch gar nicht aus; denn schon für die Möglichkeit dieser Bestimmbarkeit mußten wir wenigstens ein Vermögen, die durch die Empfindung geschehne Bestimmung des Triebes wenigstens aufzuhalten, stillschweigend voraussetzen, weil ohne dies eine Vergleichung und Unterordnung des verschiedenen Angenehmen unter Verstandesgesetze, zum Behuf einer Bestimmung des Willens nach den Resultaten dieser Vergleichung, gar nicht möglich wäre. Dieses Aufhalten nemlich kann gar nicht durch die Urtheilskraft selbst nach Verstandesgesetzen geschehen; denn dann müßten Verstandesgesetze auch practisch seyn können, welches ihrer Natur geradezu widerspricht. Wir müssen demnach den obengesetzten zweiten Fall annehmen, daß dieses Aufhalten unmittelbar durch die Spontaneität geschehe.

Aber nicht nur dieses Aufhalten, sondern auch die endliche wirkliche Bestimmung des Willens kann nicht blos durch jene Gesetze vollendet werden; denn alles, was wir nach ihnen in unserm Gemüthe zu Stande bringen, geschiehet mit dem Gefühle der Nothwendigkeit, welches dem jedes Wollen characterisirenden Bewußtseyn der Selbstthätigkeit widerstreitet: sondern sie muß unmittelbar durch Spontaneität geschehen.

Aber man beurtheile das hier gesagte ja nicht zu voreilig, als ob wir es uns hier bequem machten, und aus unserm Bewußtseyn der Selbstthätigkeit im Wollen unmittelbar auf die wirkliche Existenz dieser Selbstthätigkeit schlössen. Allerdings könnte nicht blos dies Bewußtseyn der Selbstthätigkeit, oder der Freiheit, welches an sich und seiner Natur nach nicht anders als negativ (eine Abwesenheit des Gefühls der Nothwendigkeit) ist, blos aus dem Nichtbewußtseyn der eigentlichen erst aufhaltenden, dann bestimmenden Ursache entstehen; sondern wenn wir keinen anderweitigen Grund für Freiheit, d. i. Unabhängigkeit vom Zwange des Naturgesetzes fänden, müßte es sogar daher entstehen: dann wäre die Jochsche Philosophie die einzige wahre, und einzige consequente: aber dann gäbe es auch gar keinen Willen, die Erscheinungen desselben wären erweisbare Täuschungen, Denken und Wollen wären nur dem Anscheine nach verschieden, und der Mensch wäre eine Maschine, in der Vorstellungen in Vorstellungen eingriffen, wie in der Uhr Räder in Räder. (Gegen diese durch die bündigsten Schlüsse abzuleitenden Folgerungen ist keine Rettung, als durch Anerkennung einer practischen Vernunft, und, was eben das sagt, eines categorischen Imperativs derselben). — Wir haben also bis jetzt nichts weiter gethan, als den vorausgesetzten Begriff eines Willens, insofern er durch das untere Begehrungsvermögen bestimmt seyn soll, analysirt; wir haben gezeigt, wenn ein Wille sey, wie seine Bestimmung durch den sinnlichen Trieb möglich sey; daß aber ein Wille sey, haben wir bis jetzt weder erweisen gewollt, noch gekonnt, noch zu erweisen vorgegeben. Ein solcher Erweis dürfte vielleicht aus Untersuchung des oben angenommenen zweiten Falls, daß nemlich die durch die Handlung des Willens hervorzubringende Vorstellung selbst ihrem Stoffe nach, nicht durch Empfindung, sondern durch absolute Spontaneität, d. i. durch Spontaneität mit Bewußtseyn hervorgebracht sey, sich ergeben.

II.

Alles, was bloßer Stoff ist, und nichts anders seyn kann, wird durch die Empfindung gegeben; die Spontaneität bringt nur Formen hervor: die angenommene Vorstellung müßte demnach eine Vorstellung von so etwas seyn, das an sich Form, und nur als Object einer Vorstellung von ihr, relativ (in Beziehung auf diese Vorstellung) Stoff wäre; so wie z. B. Raum und Zeit, — an sich Formen der Anschauung — von einer Vorstellung von Raum oder Zeit der Stoff sind.

Formen kündigen sich dem Bewußtseyn nur in ihrer Anwendung auf Objecte an. Nun werden die in der reinen Vernunft ursprünglich liegenden Formen der Anschauung, der Begriffe und der Ideen auf ihre Objecte mit dem Gefühl der Nothwendigkeit angewendet; sie kündigen sich demnach dem Bewußtseyn mit Zwang, und nicht mit Freiheit an, und heißen daher auch gegeben, nicht hervorgebracht.

Soll nun jene gesuchte Form sich dem Bewußtseyn als durch absolute Spontaneität hervorgebracht (nicht als mit Zwang gegeben) ankündigen, so muß sie es in Anwendung auf ein durch absolute Spontaneität bestimmbares Object thun. Nun ist das einzige, was unserm Selbstbewußtseyn als ein solches gegeben ist, — das Begehrungsvermögen; mithin muß jene Form, objectiv betrachtet, Form des Begehrungsvermögens seyn. Wird diese Form Stoff einer Vorstellung, so ist dieser Vorstellung Stoff durch absolute Spontaneität hervorgebracht; wir haben eine Vorstellung, wie wir sie suchten — welches aber die einzige in ihrer Art seyn muß, weil die Bedingungen ihrer Möglichkeit einzig auf das Begehrungsvermögen passen — und die aufgegebne Frage ist gelöst. Daß nun wirklich eine solche ursprüngliche Form des Begehrungsvermögens, und ein ursprüngliches Begehrungsvermögen selbst vermittelst dieser Form sich in unserm Gemüthe dem Bewußtseyn ankündige, ist Thatsache dieses Bewußtseyns; und über dieses letzte, einzig allgemeingeltende Princip aller Philosophie hinaus findet keine Philosophie mehr statt. Durch diese Thatsache nun wird es erst gesichert, daß der Mensch einen Willen habe.

In diesem Zusammenhange wird denn auch, welches wir hier blos im Vorbeigehen erinnern, völlig klar, wie Vorstellungen, nemlich jene einzige, deren Stoff nicht durch Sinnenempfindung gegeben, sondern durch absolute Spontaneität hervorgebracht ist, und die von ihr abgeleiteten, möglich sind, welche über alle Erfahrung in der Sinnenwelt hinausgehen; — wie der Stoff dieser Vorstellungen, der reingeistig ist, um in's Bewußtseyn aufgenommen werden zu können, durch die uns für Gegenstände der Sinnenwelt gegebnen Formen müsse bestimmt werden; welche Bestimmungen aber, da sie nicht durch die Bedingungen des Dinges an sich, sondern durch die Bedingungen unsers Selbstbewußtseyns nothwendig gemacht wurden, nicht für objectiv, sondern nur für subjectiv — doch aber, da sie sich auf die Gesetze des reinen Selbstbewußtseyns gründen, für allgemeingültig für jeden discursiven Verstand angenommen, aber nicht weiter ausgedehnt werden müssen, als ihre Aufnehmbarkeit ins reine Selbstbewußtseyn es erfordert, weil sie im letztern Falle ihre Allgemeingültigkeit verlieren würden; endlich, daß dieser Übergang in das Reich des Übersinnlichen für endliche Wesen der einzig mögliche sey.

Insofern nun — um den Faden unsrer Betrachtung da wieder aufzunehmen, wo wir ihn fallen ließen — insofern dem Begehrungsvermögen ursprünglich seine Form bestimt ist, wird es nicht erst durch ein gegebnes Object bestimmt, sondern es giebt sich durch diese Form sein Object selbst: d. h. wird diese Form Object einer Vorstellung, so ist diese Vorstellung Object des Begehrungsvermögens zu nennen. Diese Vorstellung nun ist die Idee des schlechthin rechten. Auf den Willen bezogen treibt dieses Vermögen, — zu wollen, schlechthin weil man will. Dieses wunderbare Vermögen in uns nun nennt man das obere Begehrungsvermögen, und sein characteristischer Unterschied von dem niedern Begehrungsvermögen ist der, daß dem erstern kein Object gegeben wird, sondern daß es sich selbst eins giebt; dem letztern aber sein Object gegeben werden muß. Das erstere ist absolut selbstthätig, das letztere in vieler Rücksicht blos leidend.

Daß aber dieses obere Begehrungsvermögen, welches auch blos ein Vermögen ist, — ein Wollen, als wirkliche Handlung des Gemüths, mithin eine empirische Bestimmung, hervorbringe, dazu wird noch etwas mehr erfordert. Nemlich jedes Wollen, als Handlung des Gemüths betrachtet, geschieht mit dem Bewußtseyn der Selbstthätigkeit. Nun kann dasjenige, worauf die Selbstthätigkeit in dieser Handlung wirkt, nicht selbst wieder Selbstthätigkeit seyn, wenigstens in dieser Function nicht, sondern es ist, insofern die Spontaneität auf dasselbe wirkt, blos leidend, mithin eine Affection. Die dem obern Begehrungsvermögen a priori beiwohnende nothwendige Willensform aber kann nie durch eine im empirischen Selbstbewußtseyn gegebne Spontaneität afficirt werden, welches ihrer Ursprünglichkeit und ihrer Nothwendigkeit schlechthin widersprechen würde. Soll nun die Bestimmbarkeit des Willens in endlichen Wesen durch jene nothwendige Form nicht ganz aufgegeben werden, so muß sich ein Medium aufzeigen lassen, das von der einen Seite durch die absolute Spontaneität jener Form hervorgebracht, von der andern durch die Spontaneität im empirischen Selbstbewußtseyn bestimmbar sey[4]. Insofern es das letztere ist, muß es leidend bestimmbar, mithin eine Affection des Empfindungsvermögens seyn. Insofern es aber, der erstern Bedingung gemäß, durch absolute Spontaneität hervorgebracht seyn soll, kann es nicht eine Affection der Receptivität durch gegebne Materie — mithin, da sich außer dieser keine positive Affection des Empfindungsvermögens denken läßt, überhaupt keine positive, sondern nur eine negative Affection — eine Niederdrückung, eine Einschränkung desselben seyn. Nun aber ist das Empfindungsvermögen, insofern es bloße Receptivität ist, weder positiv noch negativ durch die Spontaneität, sondern blos durchs Gegebenwerden eines Materiellen afficirbar; folglich kann die postulirte negative Bestimmung überhaupt nicht die Receptivität betreffen (etwa eine Verstopfung oder Verengerung der Sinnlichkeit an sich seyn;) sondern sie muß sich auf die Sinnlichkeit beziehen, insofern sie durch Spontaneität bestimmbar ist, (s. oben) sich auf den Willen bezieht, und sinnlicher Trieb heißt.

Insofern nun diese Bestimmung auf die absolute Spontaneität zurückbezogen wird, ist sie blos negativ — eine Unterdrückung der willensbestimmenden Anmaaßung des Triebes; — insofern sie auf die Empfindung dieser geschehenen Unterdrückung bezogen wird, ist sie positiv, und heißt das Gefühl der Achtung. Dieses Gefühl ist gleichsam der Punct, in welchem die vernünftige und die sinnliche Natur endlicher Wesen innig zusammenfließen.

Um das höchst möglichste Licht über unsern weitern Weg zu verbreiten, wollen wir hier noch über dieses wichtige Gefühl, den Momenten des Urtheilens nach, reflectiren. — Es ist nemlich, wie eben jetzt erörtert worden, der Qualität nach eine positive Affection des innern Sinnes, die aus der Vernichtung des sinnlichen Triebes, als alleinigen Bestimmungstriebes des Willens, mithin aus Einschränkung desselben entsteht. Die Quantität desselben ist bedingt-bestimmbar, der Grade der Intension und Extension fähig, in Beziehung der Willensformen empirisch-bestimmbares Wesen auf das Gesetz; — unbedingt, und völlig bestimmt, keiner Grade der Intension oder Extension fähig, Achtung schlechthin, gegen die einfache Idee des Gesetzes; — unbedingt, und unbestimmbar, unendlich, gegen das Ideal, in welchem Gesetz und Willensform Eins ist. Der Relation nach bezieht sich dieses Gefühl auf das Ich, als Substanz, entweder im reinen Selbstbewußtseyn, und wird dann Achtung unsrer höhern geistigen Natur, die sich ästhetisch im Gefühle des Erhabnen äußert; oder im empirischen, in Absicht der Congruenz unsrer besondern Willensformen mit dem Gesetze — Selbstzufriedenheit, — Scham vor sich selbst: — oder auf das Gesetz, als Grund unsrer Verbindlichkeit — die Achtung schlechthin, das Gefühl des nothwendigen Primats des Gesetzes, und unsrer nothwendigen Subordination unter dasselbe: — oder, auf das Gesetz als Substanz gedacht, — unser Ideal. Endlich der Modalität nach ist Achtung möglich gegen empirisch bestimmbare vernünftige Wesen; wirklich gegen das Gesetz, und nothwendig gegen das alleinheilige Wesen.

So etwas nun, wie Achtung ist, welches wir hier blos zur Erläuterung hinzusetzen, ist zwar in allen, endlichen Wesen anzunehmen, in denen die nothwendige Form des Begehrungsvermögens noch nicht nothwendig Willensform ist; aber in einem Wesen, in welchem Vermögen und Handlung, Denken und Wollen Eins ist, läßt sich Achtung gegen das Gesetz gar nicht denken.

Insofern nun dieses Gefühl der Achtung den Willen, als empirisches Vermögen, bestimmt; und wieder im Wollen durch Selbstthätigkeit bestimmbar ist, als zu welchem Behuf wir ein solches Gefühl in uns aufsuchen mußten, heißt es Trieb. — Trieb aber eines wirklichen Wollens kann es, da kein Wollen ohne Selbstbewußtseyn (der Freiheit) möglich ist, nur durch Beziehung auf das Ich, folglich nur in der Form der Selbstachtung seyn. — Daß diese Selbstachtung nun entweder rein, schlechthin Achtung der Würde der Menschheit in uns, oder empirisch, Zufriedenheit über die wirkliche Behauptung derselben, sey, haben wir eben gesagt. Es scheint in der Betrachtung allerdings weit edler und erhabner, sich durch die reine Selbstachtung, — durch den einfachen Gedanken, ich muß so handeln, wenn ich ein Mensch seyn will, als durch die empirische, — durch den Gedanken, wenn ich so handle, werde ich als Mensch mit mir zufrieden seyn können, bestimmen zu lassen: aber in der Ausübung fließen beide Gedanken so innig in einander, daß es selbst dem aufmerksamsten Beobachter schwer werden muß, den Antheil, den der eine oder der andre an seiner Willensbestimmung hatte, genau von einander zu scheiden. — Aus dem gesagten erhellet, daß es eine völlig richtige Maxime der Sittlichkeit sey: respectire dich selbst; und erklärt sich, warum nicht unedle Gemüther vor sich selbst weit mehr Furcht und Scheu empfinden, als vor der Macht der gesammten Natur, — und den Beifall ihres eignen Herzens weit höher achten, als die Lobpreisungen einer ganzen Welt.

Insofern nun diese Selbstachtung als activer, den Willen zwar nicht nothwendig zum wirklichen Wollen, aber doch thätig zur Neigung bestimmender Trieb betrachtet wird, heißt sie sittliches Interesse; welches entweder rein ist, — Interesse für die Würde der Menschheit an sich, oder empirisch — Interesse für die Würde der Menschheit in unserm empirisch bestimmbaren Selbst. Interesse aber muß nothwendig von einem Gefühle der Lust begleitet seyn, und ein wirklich behauptetes Interesse empirisch ein Gefühl der Lust hervorbringen, daher auch die empirische Selbstachtung sich als Selbstzufriedenheit äußert[TN2]. Dieses Interesse bezieht sich allerdings auf das Selbst, aber nicht auf die Liebe, sondern auf die Achtung dieses Selbst, welches Gefühl seinem Ursprunge nach rein sittlich ist. Will man den sinnlichen Trieb, den eigennützigen, und den sittlichen den uneigennützigen nennen, so kann man zur Erläuterung das wohl thun; aber mir wenigstens scheint diese Benennung da, wo es um scharfe Bestimmung zu thun ist, unbequem, da auch der sittliche Trieb, um ein wirkliches Wollen zu bewirken, sich auf das Selbst beziehen muß; und empirische Merkmale da, wo man die oben erörterten transscendentalen hat, überflüssig. — Daß aber die ursprüngliche nothwendige Bestimmung des Begehrungsvermögens ein Interesse, und zwar ein alles Sinnliche unterjochendes Interesse hervorbringt, entsteht aus der categorisch-gesetzlichen Form desselben, und ist nur unter dieser Voraussetzung zu erklären[5]. Man erlaube mir hierbei einen Augenblick stehen zu bleiben.

Achtung ist das zunächst, und wohl in jedem Menschen sich äußernde wunderbare Gefühl, das aus der ganzen sinnlichen Natur desselben sich nicht erklären läßt, und auf seinen Zusammenhang mit einer höhern Welt unmittelbar hindeutet. Das wunderbarste dabei ist dies, daß dieses Gefühl, das an sich doch niederbeugend für unsre Sinnlichkeit ist, von einem unnennbaren, der Art nach von jeder Sinnenlust gänzlich verschiedenen, dem Grade nach sie unendlich übertreffenden Vergnügen begleitet wird. Wer, der dieses Vergnügen nur einmal innig empfand, möchte nur z. B. das Hinstaunen in den tobenden Sturz des Rheinfalls, oder das Aufblicken an den jeden Augenblick das Herabsinken zu drohen scheinenden ewigen Eismassen, unter dem erhebenden Gefühle: ich trotze eurer Macht[6] — oder sein Selbstgefühl bei der freien, und wohl überlegten Unterwerfung auch nur unter die Idee des allgemeinen nothwendigen Naturgesetzes, dieses Naturgesetz unterjoche nun seine Neigung oder seine Meinung — oder endlich sein Selbstgefühl bei der freien Aufopferung seines Theuersten für die Pflicht, gegen irgend einen sinnlichen Genuß vertauschen? Daß der sinnliche Trieb von einer, und der reinsittliche Trieb von der andern Seite im menschlichen Willen sich die Waage halten, ließe sich wohl daraus erklären, weil sie beide in einem und eben demselben Subjecte erscheinen; daß aber der erstere dem letztern sich so wenig gleich setzt, daß er vielmehr bei der bloßen Idee eines Gesetzes sich niederbeugt, und ein weit innigeres Vergnügen aus seiner Nichtbefriedigung, als aus seiner Befriedigung gewährt — dieses, oder mit einen Worte, das Categorische, schlechthin unbedingte und unbedingbare des Gesetzes deutet auf unsern höhern Ursprung, und auf unsre geistige Abkunft — ist ein göttlicher Funke in uns, und ein Unterpfand, daß Wir Seines Geschlechts sind: und hier geht denn die Betrachtung in Bewunderung und Erstaunen über. An diesem Puncte stehend verzeiht man der kühnsten Phantasie ihren Schwung, und wird mit der liebenswürdigen Quelle aller Schwärmereien der Pythagoräer und Platoniker, wenn auch nicht mit ihren Ausflüssen völlig ausgesöhnt.

Und hierdurch wäre denn auch die Dunkelheit gehoben, welche noch immer, besonders guten Seelen, die sich des dringendsten Interesse fürs schlechthin Rechte bewußt waren, das Verstehen des hartscheinenden Ausspruchs der Critik, daß das Gute gar nicht auf unsre Glückseeligkeit bezogen werden müßte, erschwerte. Sie haben ganz recht, wenn sie auf ihrem Selbstgefühle bestehen, daß sie zu wirklich guten Entschließungen doch nur durch das Interesse bestimmt werden; nur müssen sie den Ursprung dieses Interesse, wenn ihre Entschließung rein sittlich war, nicht im Sinnengefühle, sondern in der Gesetzgebung der reinen Vernunft aufsuchen. Der nächste, nicht nothwendig bestimmende, aber doch eine Neigung verursachende Bestimmungsgrund ihres Willens ist freilich das Vergnügen des innern Sinnes aus Anschauung des Rechten; daß aber eine solche Anschauung ihnen Vergnügen macht, davon liegt der Grund gar nicht in einer etwanigen Affection der innern Receptivität durch den Stoff jener Idee, welches schlechthin unmöglich ist; sondern in der a priori vorhandenen nothwendigen Bestimmung des Begehrungsvermögens, als obern Vermögens. — Wenn ich also jemanden fragte: würdest du, selbst wenn du keine Unsterblichkeit der Seele glaubtest, lieber unter tausend Martern dein Leben aufopfern, als unrecht thun; und er mir antwortete: auch unter dieser Bedingung würde ich lieber sterben, und das um mein selbst willen, weil ein unter unsäglichen Martern mich vernichtender Tod mir weit erträglicher ist, als ein, in dem Gefühle der Unwürdigkeit zu leben, unter Schaam und Selbstverachtung hinzubringendes Leben — so würde er darinn, insofern er von dem empirischen Bestimmungstriebe seiner Entschließung redete, völlig recht haben. Daß er aber in diesem Falle sich selbst würde verachten müssen — daß die Aussicht auf eine solche Selbstverachtung ihm so drückend wäre, daß er lieber sein Leben aufopfern, als ihr sich unterwerfen wollte, davon würde er den Grund vergebens wieder in der Sinnenempfindung aufsuchen, aus welcher er so etwas, wie Achten, oder Verachten, mit aller Mühe nicht würde herauskünsteln können.

Selbst dieses Interesse aber bewirkt noch nicht nothwendig ein wirkliches Wollen; dazu wird in unserm Bewußtseyn noch eine Handlung der Spontaneität erfordert, wodurch das Wollen, als wirkliche Handlung unsers Gemüthes, erst vollendet wird. Die in dieser Function des Wählens dem Bewußtseyn empirisch gegebne Freiheit der Willkühr (libertas arbitrii), die auch bei einer Bestimmung des Willens durch die sinnliche Neigung vorkommt, und nicht blos in dem Vermögen zwischen der Bestimmung nach dem sittlichen, oder nach dem sinnlichen Triebe, sondern auch zwischen mehrern sich widerstreitenden Bestimmungen durch den letzteren — zum Behuf einer Beurtheilung derselben — zu wählen besteht, ist wohl zu unterscheiden von der absolut-ersten Äußerung der Freiheit durch das practische Vernunftgesetz; wo Freiheit gar nicht etwa Willkühr heißt, indem das Gesetz uns keine Wahl läßt, sondern mit Nothwendigkeit gebietet, sondern nur negativ gänzliche Befreiung vom Zwange der Naturnothwendigkeit bedeutet, so daß das Sittengesetz auf gar keinen in der theoretischen Naturphilosophie liegenden Gründen, als seinen Prämissen, beruhe, und ein Vermögen im Menschen voraussetze, sich unabhängig von Naturnothwendigkeit zu bestimmen. Ohne diese absolut-erste Äußerung der Freiheit wäre die zweite blos empirische nicht zu retten, sie wäre ein bloßer Schein, und das erste ernsthafte Nachdenken vernichtete den schönen Traum, in dem wir uns einen Augenblick von der Kette der Naturnothwendigkeit losgefesselt wähnten. — Wo ich nicht irre, so ist die Verwechselung dieser zwei sehr verschiednen Äußerungen der Freiheit eine der Hauptursachen, warum man sich die moralische (nicht etwa physische) Nothwendigkeit, womit ein Gesetz der Freiheit gebieten soll, so schwer denken konnte. Denkt man nemlich in den Begriff der Freiheit das Merkmal der Willkühr hinein (ein Gedanke, dessen noch immer viele sich nicht erwehren können), so läßt damit sich freilich auch die moralische Nothwendigkeit nicht vereinigen. Aber davon ist bei der ersten ursprünglichen Äußerung der Freiheit, durch welche allein sie sich überhaupt bewährt, gar nicht die Rede. Die Vernunft giebt sich selbst, unabhängig von irgend etwas außer ihr, durch absolut eigne Spontaneität, ein Gesetz; das ist der einzig richtige Begriff der transscendentalen Freiheit: dieses Gesetz nun gebietet, eben weil es Gesetz ist, nothwendig und unbedingt, und da findet keine Willkühr, kein Auswählen zwischen verschiednen Bestimmungen durch dieses Gesetz statt, weil es nur auf eine Art bestimmt. — Folgendes noch zur Erläuterung. Diese transscendentale Freiheit, als ausschließender Character der Vernunft, insofern sie practisch ist, ist jedem moralischen Wesen, folglich auch dem Unendlichen beizulegen. Insofern aber diese Freiheit auf empirische Bedingungen endlicher Wesen sich bezieht, gelten ihre Äußerungen in diesem Falle nur unter diesen Bedingungen; folglich ist eine Freiheit der Willkühr da sie auf der Bestimmbarkeit eines Wesens noch durch andere als das practische Vernunftgesetz beruht, in Gott, der blos durch dieses Gesetz bestimmt wird, eben so wenig, als Achtung fürs Gesetz, oder Interesse am Schlechthinrechten anzunehmen; und die Philosophen, welche in diesem Sinne des Worts die Freiheit, als durch die Schranken der Endlichkeit bedingt, Gott absprachen, hatten daran vollkommen recht.

Damit nun diese Zergliederung, die neben der Hauptabsicht, unbemerkte Schwierigkeiten einer Offenbarungscritik zu heben, noch die Nebenabsicht hatte, einige Dunkelheiten in der critischen Philosophie überhaupt aufzuklären, und den bisherigen Nichtkennern oder Gegnern derselben eine neue Thür zu eröfnen, um in sie einzudringen, nicht von critischen Philosophen selbst misverstanden, und so gedeutet werde, als sey dadurch die Tugend abermals zur Magd der Lust herabgewürdigt, so machen wir unsre Gedanken durch folgende Tabelle noch deutlicher:

Wollen, die Bestimmung durch Selbstthätigkeit zur Hervorbringung einer Vorstellung, als Handlung des Gemüths betrachtet, ist

A.

B.

rein,

nicht rein,

wenn Vorstellung sowohl, als Bestimmung, durch absolute Selbstthätigkeit hervorgebracht ist. — Dieses ist nur in einem Wesen möglich, das blos thätig und nie leidend ist, in Gott.

a.

wenn zwar die Bestimmung, aber nicht die Vorstellung durch Selbstthätigkeit hervorgebracht wird. — Bei der Bestimmung durch den sinnlichen Trieb in endlichen Wesen.

b.

wenn zwar die Vorstellung, aber nicht die Bestimmung durch Selbstthätigkeit hervorgebracht wird. — Nun aber soll schon vermöge des Begriffs des Wollens die Bestimmung allemahl durch Selbstthätigkeit hervorgebracht werden; folglich ist dieser Fall nur unter der Bedingung denkbar, daß zwar die eigentliche Bestimmung als Handlung durch Spontaneität geschehe, der bestimmende Trieb aber eine Affection sey. — Sittliche Bestimmung des Willens in endlichen Wesen vermöge des Triebs der Selbstachtung, als eines sittlichen Interesse.

 

Reines Wollen ist demnach in endlichen Wesen nicht möglich, weil das Wollen nicht Geschäft des reinen Geistes, sondern des empirisch-bestimmbaren Wesens ist; aber wohl ein reines Begehrungsvermögen, als Vermögen, welches nicht dem empirisch-bestimmbaren Wesen, sondern dem reinen Geiste beiwohnt, und allein durch sein Daseyn unsre geistige Natur offenbart. — Anders hat sich denn auch, so wie ich wenigstens es verstanden habe, die reine Vernunft durch ihren bevollmächtigten Interpreten unter uns nicht erklärt, wie aus einer Vergleichung dieser Darstellung mit der in der Critik der practischen Vernunft sich ergeben dürfte[7].

III.

Die Affection des Glückseeligkeitstriebes durch das Sittengesetz zur Erregung der Achtung ist, in Beziehung auf ihn, als Glückseeligkeitstrieb, blos negativ: auch die Selbstachtung wirkt so wenig Glückseeligkeit, wenn Glückseeligkeit, wie es geschehen muß, blos in das angenehme gesetzt wird, daß sie vielmehr steigt, so wie jene fällt, und daß man sich nur um so mehr achten kann, je mehr von seiner Glückseeligkeit man der Pflicht aufgeopfert hat. Dennoch ist zu erwarten, daß das Sittengesetz den Glückseeligkeitstrieb, selbst als Glückseeligkeitstrieb, wenigstens mittelbar auch positiv afficiren werde, um Einheit in den ganzen, rein- und empirisch-bestimmbaren Menschen zu bringen; und da dieses Gesetz ein Primat in uns verlangt, so ist es sogar zu fordern[8].

Nemlich der Glückseeligkeitstrieb wird vors erste durch das Sittengesetz nach Regeln eingeschränkt; ich darf nicht alles wollen, wozu dieser Trieb mich bestimmen könnte. Durch diese vors erste blos negative Gesetzmäßigkeit nun kommt der Trieb, der vorher gesetzlos und blind vom Ohngefähr oder der blinden Naturnothwendigkeit abhing, überhaupt unter ein Gesetz, und Wird auch da, wo das Gesetz nicht redet, wenn dieses Gesetz nur für ihn alleingültig ist, eben durch das Stillschweigen des Gesetzes, positiv gesetzmäßig, (gesetzlich noch nicht). Darf ich nicht wollen, was das Sittengesetz verbietet, so darf ich alles wollen, was es nicht verbietet — nicht aber, ich soll es wollen, denn das Gesetz schweigt ganz; sondern das hängt ganz von meiner freien Willkühr ab. — Dieses Dürfen ist einer der Begriffe, die ihren Ursprung an der Stirne tragen. Er ist nemlich offenbar durch das Sittengesetz bedingt; — die Naturphilosophie weiß nur von können, oder nicht können, aber von keinem dürfen: — aber er ist durch dasselbe nur negativ bedingt, und überläßt die positive Bestimmung lediglich der Neigung.

Was man, wegen des Stillschweigens des Gesetzes, darf, heißt, insofern es auf das Gesetz bezogen wird, negativ nicht unrecht; und insofern es auf die dadurch entstehende Gesetzmäßigkeit des Triebes bezogen wird, positiv ein Recht. Zu allem, was nicht unrecht ist, habe ich ein Recht[9].

Insofern das Gesetz durch sein Stillschweigen dem Triebe ein Recht giebt, ist dieser blos gesetzmäßig; der Genuß wird durch dieses Stillschweigen blos (moralisch) möglich. Dies leitet uns auf eine Modalität der Berechtigung des Triebes, und es läßt sich erwarten, daß der Trieb durch das practische Gesetz mittelbar auch gesetzlich — daß ein Genuß durch dasselbe auch wirklich werden könne. — Dieser letztere Ausdruck kann nun nicht soviel heißen, als ob die Sinnlichkeit durch einen ihr vom Sittengesetze gegebnen Stoff in der Receptivität positiv angenehm afficirt werden solle, wovon die Unmöglichkeit schon oben zur Genüge dargethan worden; — der Genuß soll nemlich nicht physisch-, sondern moralisch-wirklich gemacht werden, welcher ungewöhnliche Ausdruck sogleich seine völlige Klarheit erhalten wird. Eine solche moralische Wirklichmachung des Genusses müßte sich noch immer auf jene negative Bestimmung des Triebes durchs Gesetz gründen. Durch diese nun erhielt der Trieb vors erste ein Recht. Nun aber können Fälle eintreten, wo das Gesetz seine Berechtigung zurücknimmt. So ist ohne Zweifel jeder berechtiget zu leben; dennoch aber kann es Pflicht werden, sein Leben aufzuopfern. Dieses Zurücknehmen der Berechtigung wäre ein förmlicher Widerspruch des Gesetzes mit sich selbst. Nun kann das Gesetz sich nicht widersprechen, ohne seinen gesetzlichen Character zu verlieren, aufzuhören, ein Gesetz zu seyn, und gänzlich aufgegeben werden zu müssen. — Dieses würde uns nun vors erste darauf führen, daß alle Objecte des sinnlichen Triebes, laut der Anforderung des Sittengesetzes sich nicht selbst zu widersprechen, nur Erscheinungen, nicht Dinge an sich, seyn könnten; daß mithin ein solcher Widerspruch in den Objecten, insofern sie Erscheinungen sind, gegründet, mithin nur scheinbar sey. Jener Satz ist also eben so gewiß ein Postulat der practischen Vernunft, als er ein Theorem der theoretischen ist. Es gäbe demnach an sich gar keinen Tod, kein Leiden, keine Aufopferung für die Pflicht, sondern der Schein dieser Dinge gründete sich blos auf das, was die Dinge zu Erscheinungen macht.

Aber, da unser sinnlicher Trieb doch einmal auf Erscheinungen geht; da das Gesetz ihn als solchen, mithin insofern er darauf geht, berechtigt, so kann es auch diese Berechtigung nicht zurücknehmen; es muß mithin, vermöge seines geforderten Primats, auch über die Welt der Erscheinungen gebieten. Nun kann es das nicht unmittelbar, da es sich positiv nur an das Ding an sich, an unser oberes, reingeistiges Begehrungsvermögen wendet; es muß also mittelbar, mithin durch den sinnlichen Trieb geschehen, auf den es negativ allerdings wirkt. Daraus nun entsteht eine von der negativen Bestimmung des Triebes durch das Gesetz abgeleitete positive Gesetzlichkeit desselben. — Wer z. B. für die Pflicht stirbt, dem nimmt das Sittengesetz ein vorher zugestandnes Recht; das kann aber das Gesetz nicht thun, ohne sich UN widersprechen; folglich ist ihm dieses Recht nur insofern er Erscheinung ist, (hier — in der Zeit) genommen: sein durch das Gesetz berechtigter Lebenstrieb fordert es als Erscheinung, mithin in der Zeit, zurück, und wird durch dieses rechtliche Zurückfordern gesetzlich für die Welt der Erscheinungen. Wer im Gegentheile auf Anforderung des Gesetzes an ihn sein Leben nicht aufgeopfert hat, ist des Lebens unwürdig, und muß es, wenn das Sittengesetz auch für die Welt der Erscheinungen gelten soll, der Causalität dieses Gesetzes gemäß, als Erscheinung verlieren[10].

Aus dieser Gesetzlichkeit des Triebes entsteht der Begriff der Glückswürdigkeit, als das zweite Moment der Modalität der Berechtigung. — Würdig ist ein Begriff, der sich offenbar auf Sittlichkeit bezieht, und der aus keiner Naturphilosophie zu schöpfen ist; ferner sagt würdig offenbar mehr, als ein Recht, — wir gestehen manchem ein Recht zu einem Genusse zu, den wir doch desselben sehr unwürdig halten, niemanden aber werden wir umgekehrt eines Glücks würdig achten, auf welches er ursprünglich (nicht etwa hypothetisch) kein Recht hat; endlich entdeckt man auch im Gebrauche den negativen Ursprung dieses Begriffs, denn in der Beurtheilung, ob jemand eines Genusses würdig sey, sind wir genöthiget, den wirklichen Genuß wegzudenken. — — Es ist eine der äußern Anzeigen der Wahrheit der critischen Moralphilosophie, daß man keinen Schritt in ihr thun kann, ohne auf einen in der allgemeinen Menschenempfindung tief eingeprägten Grundsatz zu stoßen, der sich nur aus ihr, und aus ihr leicht und faßlich erklärt. So ist hier die Billigung und das Verlangen der Wiedervergeltung (jus talionis) allgemeine Menschenempfindung. Wir gönnen es jedem, daß es ihm eben so gehe, wie ers andern gemacht hat, und daß ihm gerade so geschehe, wie er gehandelt hat. Wir betrachten demnach, selbst in der gemeinsten Beurtheilung, die Erscheinungen seines sinnlichen Triebes, als gesetzlich für die Welt der Erscheinungen; wir nehmen an, seine Handlungsarten sollen, in Rücksicht auf ihn, als allgemeines Gesetz gelten.

Diese Gesetzlichkeit des Triebes fordert nun die völlige Congruenz der Schicksale eines vernünftigen Wesens mit seinem sittlichen Verhalten, als erstes Postulat der an sinnliche Wesen sich wendenden practischen Vernunft: in welchem verlangt wird, daß stets diejenige Erscheinung erfolge, welche, wenn der Trieb legitim durch das Sittengesetz bestimmt, und für die Welt der Erscheinungen gesetzgebend gewesen wäre, hätte erfolgen müssen. — Und hier sind wir denn zugleich unvermerkt über eine, von keinem Gegner der critischen Philosophie, so viel ich weiß, bemerkte, aber darum nicht minder sie drückende Schwierigkeit hinweggekommen: wie es nemlich möglich sey, das Sittengesetz, welches an sich nur auf die Willensform moralischer Wesen, als solches anwendbar ist, auf Erscheinungen in der Sinnenwelt zu beziehen; welches doch, zum Behuf einer postulirten Congruenz der Schicksale moralischer Wesen mit ihrem Verhalten, und der übrigen daraus zu deducirenden Vernunftpostulate, nothwendig geschehen mußte. Diese Anwendbarkeit nemlich erhellet blos aus der, von der negativen Bestimmung des Glückseeligkeitstriebes abgeleiteten, Gesetzlichkeit desselben für die Welt der Erscheinungen.

Werden endlich im dritten Momente der Modalität Recht, und Würdigkeit in Verbindung gedacht, in welcher Verbindung das Recht seinen positiven Character, als Gesetzmäßigkeit der sinnlichen Neigung[11], und die Würdigkeit ihren negativen, als durch Aufhebung eines Rechts durch ein Gebot entstanden, verliert; so entsteht ein Begriff, der positiv für uns überschwenglich ist, weil alle Schranken aus ihm hinweggedacht werden, negativ aber ein Zustand ist, in dem das Sittengesetz keine sinnliche Neigung einzuschränken hat, weil keine da ist — unendliche Glückseligkeit mit unendlichem Rechte, und Würdigkeit[12] — Seeligkeit — eine unbestimmbare Idee, die aber dennoch durch das Sittengesetz uns als das letzte Ziel aufgestellt wird, und an die wir uns, da die Neigungen in uns immer übereinstimmender mit dem Sittengesetze werden, folglich unsre Rechte sich immer mehr ausbreiten sollen, stets annähern; aber sie, ohne Vernichtung der Schranken der Endlichkeit, nie erreichen können. Und so wäre denn der Begriff des ganzen höchsten Guts, oder der Seeligkeit, aus der Gesetzgebung der practischen Vernunft, deducirbar: der erste Theil desselben, die Heiligkeit, rein; aus der positiven Bestimmung des obern Begehrungsvermögens durch dieses Gesetz, welches in der Critik der practischen Vernunft so einleuchtend geschehen ist, daß hier keine Wiederholung nöthig war: der zweite Theil, die Seeligkeit (im engern Sinne) nicht rein; aus der negativen Bestimmung des niedern Begehrungsvermögens durch dieses Gesetz. Daß wir aber, um den zweiten Theil zu deduciren, von empirischen Prämissen ausgehen mußten, darf uns nicht irren; da theils zwar das zu bestimmende empirisch, das bestimmende aber rein geistig war; theils in der aus diesen Bestimmungen deducirten Vernunftidee der Seeligkeit alles empirische weggedacht, und diese Idee rein geistig aufgefaßt werden sollte, welches für sinnliche Wesen freilich nicht möglich ist.

 

§. 3.

Deduction der Religion überhaupt.

Oben wurde, aus der Anforderung des Sittengesetzes, sich durch Aufhebung seiner Berechtigungen des sinnlichen Triebes nicht zu widersprechen, eine mittelbare Gesetzlichkeit dieses Triebes selbst, und aus ihr eine anzunehmende vollkommne Congruenz der Schicksale vernünftiger Wesen mit ihren moralischen Gesinnungen deducirt. Nun aber hat der Trieb, ob er gleich hierdurch gesetzliche Rechte, als moralisches Vermögen, bekommt, so wenig eine gesetzgebende Macht, als physisches Vermögen; daß er vielmehr selbst von empirischen Naturgesetzen abhängig ist, und seine Befriedigung lediglich von ihnen leidend erwarten muß. Jener Widerspruch des Sittengesetzes mit sich selbst in Anwendung auf empirisch-bestimmbare Wesen wäre demnach blos weiter hinausgerückt, nicht gründlich gehoben, denn wenn auch das Gesetz dem Triebe ein Recht giebt, seine Befriedigung zu fordern, so ist ihm, der nicht blos ein Recht sucht, sondern die Behauptung in seinem Rechte, das er selbst nicht behaupten kann, damit noch kein Genüge geschehen; er bleibt nach wie vor, ohngeachtet der Erlaubniß des Sittengesetzes sich zu befriedigen, unbefriedigt. Das Sittengesetz selbst also muß, wenn es sich nicht widersprechen, und aufhören soll, ein Gesetz zu seyn, diese von ihm selbst ertheilten Rechte behaupten; es muß mithin auch über die Natur nicht nur gebieten, sondern herrschen. Das kann es nun nicht in Wesen, die selbst von der Natur leidend afficirt werden, sondern nur in einem solchen, welches die Natur durchaus selbstthätig bestimmet; in welchem moralische Nothwendigkeit, und absolute physische Freiheit sich vereinigen. So ein Wesen nennen wir Gott. Eines Gottes Existenz ist mithin eben so gewiß anzunehmen, als ein Sittengesetz. — Es ist ein Gott.

In Gott herrscht nur das Sittengesetz, und dieses ohne alle Einschränkung. Gott ist heilig und seelig, und wenn das letztere in Beziehung auf die Sinnenwelt gedacht wird, allmächtig.

Gott muß, vermöge der Anforderung des Moralgesetzes an ihn, jene völlige Congruenz zwischen der Sittlichkeit und dem Glücke endlicher vernünftiger Wesen hervorbringen, da nur durch und in Ihm die Vernunft über die sinnliche Natur herrscht: er muß ganz gerecht seyn.

Im Begriffe alles existirenden überhaupt wird nichts gedacht, als die Reihe von Ursachen und Wirkungen nach Naturgesetzen in der Sinnenwelt, und die freien Entschließungen moralischer Wesen in der übersinnlichen. Gott muß die erstere ganz übersehen, denn er muß die Gesetze der Natur vermöge seiner Causalitat durch Freiheit bestimmt, und, der nach denselben fortlaufenden Reihe der Ursachen und Wirkungen den ersten Stoß gegeben haben: er muß die letztern alle kennen, denn alle bestimmen den Grad der Moralität eines Wesens; und dieser Grad ist der Maaßstab, nach welchem die Austheilung des Glücks an vernünftige Wesen, laut des Moralgesetzes, dessen Executor er ist, geschehen muß. Da nun außer diesen beiden Stücken für uns nichts denkbar ist, so müssen wir Gott allwissend denken.

So lange endliche Wesen endlich bleiben, werden sie — denn das ist der Begriff der Endlichkeit in der Moral — noch unter andern Gesetzen stehen, als denen der Vernunft; sie werden folglich die völlige Congruenz des Glücks mit der Sittlichkeit durch sich selbst nie hervorbringen können. Nun aber fordert das Moralgesetz dies ganz unbedingt. Daher kann dieses Gesetz nie aufhören gültig zu seyn, da es nie erreicht seyn wird; seine Forderung kann nie ein Ende nehmen, da sie nie erfüllt seyn wird. Es gilt für die Ewigkeit. — Es thut diese Forderung an jenes heilige Wesen, in Ewigkeit das höchste Gut in allen vernünftigen Naturen zu befördern; in Ewigkeit das Gleichgewicht zwischen Sittlichkeit und Glück herzustellen: jenes Wesen muß also selbst ewig seyn, um einem ewigen Moralgesetze, das seine Natur bestimmt, zu entsprechen; und es muß, diesem Gesetze gemäß, allen vernünftigen Wesen, an die dieses Gesetz gerichtet ist, und von welchen es Ewigkeit fordert, die Ewigkeit geben. Es muß also ein ewiger Gott seyn, und jedes moralische Wesen muß ewig fortdauern[TN3], wenn der Endzweck des Moralgesetzes nicht unmöglich seyn soll.

Diese Sätze nennen wir, als mit der Anforderung der Vernunft uns endlichen Wesen ein practisches Gesetz zu geben, unmittelbar verbunden, und von ihr unzertrennlich, Postulate der Vernunft. Nemlich diese Sätze werden nicht etwa durch das Gesetz geboten, welches ein practisches Gesetz für Theoreme nicht kann, sondern sie müssen nothwendig angenommen werden, wenn die Vernunft gesetzgebend seyn soll. Ein solches Annehmen nun, zu dem die Möglichkeit der Anerkennung eines Gesetzes überhaupt uns nöthiget, nennen wir ein Glauben. — Da Da jedoch diese Sätze sich blos auf die Anwendung des Sittengesetzes auf endliche Wesen, wie sich oben aus der Deduction derselben hinlänglich ergeben hat, nicht aber auf die Möglichkeit des Gesetzes an sich, welche Untersuchung für uns transscendent ist, sich gründen, so sind sie in dieser Form nur subjectiv, d. i. nur für endliche Naturen, — für diese aber, da sie auf den bloßen Begriff der moralischen Endlichkeit, abgesehen von allen besonderen Modificationen derselben sich gründen, allgemeingültig. Wie der unendliche Verstand sein Daseyn und seine Eigenschaften anschauen möge, können wir, ohne selbst der unendliche Verstand zu seyn, nicht wissen.

Die Bestimmungen im Begriffe Gottes, den die durch das Moralgebot praktisch bestimmte Vernunft aufstellte, lassen sich in zwei Hauptklassen theilen: die erste enthält diejenigen, welche sein Begriff selbst unmittelbar giebt, daß er nemlich gänzlich und allein durch das Sittengesetz[13] bestimmt sey; die zweite diejenigen, welche ihm in Beziehung auf die Möglichkeit endlicher moralischer Wesen zukommen, um welcher Möglichkeit willen wir eben seine Existenz annehmen mußten. Die erstern stellen Gott dar als die vollkommenste Heiligkeit, in welcher das Sittengesetz sich ganz beobachtet darstellt, als das Ideal aller moralischen Vollkommenheit; und zugleich als den Alleinseligen, weil er der Alleinheilige ist; mithin als Darstellung des erreichten Endzwecks der practischen Vernunft, als das höchste Gut selbst, dessen Möglichkeit sie postulirte: die zweiten als den obersten Weltregenten nach moralischen Gesetzen, als Richter, aller vernünftigen Geister. Die erstem betrachten ihn an und für sich selbst, nach seinem Seyn, und er erscheint durch sie als vollkommenster Beobachter des Moralgesetzes: die zweiten nach den Wirkungen dieses Seyns auf andere moralische Wesen, und er ist vermöge derselben höchster, niemanden untergeordneter Executor der Verheißungen des Moralgesetzes, mithin auch Gesetzgeber; welche Folgerung aber noch nicht unmittelbar klar ist, sondern unten weitläufiger erörtert werden soll. So lange wir nun bei diesen Wahrheiten, als solchen, stehen bleiben, haben wir zwar eine Theologie, die wir haben mußten, um unsre theoretischen Überzeugungen, und unsre practische Willensbestimmung nicht in Widerspruch zu setzen; aber noch keine Religion, die selbst wieder als Ursache auf diese Willensbestimmung einen Einfluß hätte. Wie entsteht nun aus Theologie Religion?

Theologie ist bloße Wissenschaft, todte Kenntniß ohne practischen Einfluß; Religion aber soll der Wortbedeutung nach (religio) etwas seyn, das uns verbindet, und zwar stärker verbindet, als wir es ohne dasselbe waren. In wiefern diese Wortbedeutung hier der Strenge nach anwendbar sey, muß sich sogleich ergeben.

Nun scheint es vors erste; daß Theologie auf solche Principien gegründet nie bloße Wissenschaft ohne practischen Einfluß seyn könne, sondern daß sie, durch vorhergegangene Bestimmung des Begehrungsvermögens bewirkt, hinwiederum auf dasselbe zurückwirken müsse. Bei jeder Bestimmung des untern Begehrungsvermögens müssen wir wenigstens die Möglichkeit des Objects unsrer Begierde annehmen, und durch dieses Annehmen wird die Begierde, die vorher blind und unvernünftig war, erst gerechtfertiget, und theoretisch vernünftig; hier also findet diese Zurückwirkung unmittelbar statt. Die Bestimmung des obern Begehrungsvermögens aber, das Gute zu wollen, ist an sich vernünftig, denn sie geschieht unmittelbar durch ein Gesetz der Vernunft und bedarf keiner Rechtfertigung durch Anerkennung der Möglichkeit ihres Objects: diese Möglichkeit aber nicht anerkennen, das wäre gegen die Vernunft, und mithin ist das Verhältniß hier umgekehrt. Beim untern Begehrungsvermögen geschieht die Bestimmung erst durchs Object; beim obern wird das Object erst durch die Bestimmung des Willens realisirt.

Der Begriff von etwas, das schlechthin recht ist[14], hier insbesondre von der nothwendigen Congruenz des Grades des Glücks eines vernünftigen, oder eines als solches betrachteten Wesens; mit dem Grade seiner sittlichen Vollkommenheit, ist in unsrer Natur, unabhängig von Naturbegriffen, und von der durch dieselben möglichen Erfahrung, a priori da. Betrachten wir diese Idee nur blos als Begriff, ohne Rücksicht auf das durch dieselbe bestimmte Begehrungsvermögen, so kann sie uns nichts weiter seyn, und werden, als ein durch die Vernunft unsrer Urtheilskraft gegebnes Gesetz zur Reflexion, über gewisse Dinge in der Natur, sie auch noch in einer andern Absicht, als der ihres Seyns, nemlich der ihres Seynsollens, zu betrachten. In diesem Falle scheint es vors erste, daß wir gänzlich gleichgültig gegen die Übereinstimmung mit dieser Idee bleiben, und weder Wohlgefallen noch Interesse für dieselbe empfinden würden.

Aber auch dann wäre alles, was außer uns mit dem a priori in uns vorhandenen Begriffe des Rechts übereinstimmend gefunden würde, zweckmäßig für eine uns durch die Vernunft aufgegebne Art über die Dinge zu reflectiren, und müßte, da alle Zweckmäßigkeit mit Wohlgefallen angeblickt wird, ein Gefühl der Lust in uns erregen. Und so ist es denn, auch wirklich. Die Freude über das Mißlingen böser Absichten, und über die Entdeckung und Bestrafung des Bösewichts, eben so, wie über das Gelingen redlicher Bemühungen, über die Anerkennung der verkannten Tugend, und über die Entschädigung des Rechtschaffnen für die auf dem Wege der Tugend erlittenen Kränkungen und gemachten Aufopferungen ist allgemein, im Innersten der menschlichen Natur gegründet, und die nie versiegende Quelle des Interesse, das wir an Dichtungen nehmen. Wir gefallen uns in so einer Welt, wo alles der Regel des Rechts gemäß ist, weit besser, als in der wirklichen, wo wir so mannigfaltige Verstoße gegen dieselbe zu entdecken glauben. — Aber es kann uns auch etwas, ohne daß wir Interesse dafür fühlen, d. i. ohne daß wir das Daseyn des Gegenstandes begehren, gefallen; und von der Art ist z. B. das Wohlgefallen am Schönen. Wäre es mit dem Wohlgefallen am Rechten eben so beschaffen, so wäre dasselbe ein Gegenstand unsrer bloßen Billigung. Wenn uns einmal ein Gegenstand gegeben wäre, der diesem Begriffe entspräche, so könnten wir nicht vermeiden, Vergnügen, und bei dem Anblicke eines Gegenstandes, der ihm widerspräche, Mißvergnügen zu empfinden; aber es würde dadurch noch keine Begierde in uns entstehen, daß überhaupt etwas gegeben werden möchte, worauf dieser Begriff anwendbar sey. Hier wäre also bloße Bestimmung des Gefühls der Lust und Unlust, ohne die geringste Bestimmung des Begehrungsvermögens.

Abgerechnet, daß der Begriff des Sollens an sich schon eine Bestimmung des Begehrungsvermögens, das Daseyn eines gewissen Objects zu wollen, anzeigt: so bestätigt es die Erfahrung eben so allgemein, daß wir auf gewisse Gegenstände nothwendig diesen Begriff anwenden, und die Übereinstimmung derselben mit ihm unnachläßlich verlangen. So sind wir in der Welt der Dichtungen, im Trauerspiele, oder Romane, nicht eher befriedigt, bis wenigstens die Ehre des unschuldig Verfolgten gerettet, und seine Unschuld anerkannt, der ungerechte Verfolger aber entlarvt ist, und die gerechte Strafe erlitten hat, so angemessen es auch dem gewöhnlichen Laufe der Dinge in der Welt seyn mag, daß dies nicht geschehe; zum sichern Beweise, daß wir es nicht von uns erhalten können, dergleichen Gegenstände, wie die Handlungen moralischer Wesen, und ihre Folgen sind, blos nach der Causalität der Naturgesetze zu betrachten; sondern daß wir sie nothwendig mit dem Begriffe des Rechts vergleichen müssen. Wir sagen in solchen Fällen, das Stück sey nicht geendigt; und eben so wenig können wir bei Vorfällen in der wirklichen Welt, wenn wir z. B. den Bösewicht im höchsten Wohlstände mit Ehre und Gut gekrönt, oder den Tugendhaften verkannt, verfolgt, und unter tausend Martern sterben sehen, uns befriedigen, wenn nun alles aus, und der Schauplatz auf immer geschlossen seyn soll. Unser Wohlgefallen an dem, was recht ist, ist also keine bloße Billigung, sondern es ist mit Interesse verbunden. — Es kann aber ein Wohlgefallen gar wohl mit einem Interesse verbunden seyn, ohne daß wir darum diesem Wohlgefallen eine Causalität zur Hervorbringung des Objects desselben zuschreiben; ohne daß wir auch nur das geringste zum Daseyn des Gegenstandes desselben beitragen wollen, oder auch nur wollen können. Dann ist das Verlangen nach diesem Daseyn ein müßiger Wunsch (pium desiderium). Wir mögen es begehren so heftig wir wollen, wir müssen uns doch bescheiden, daß wir keinen rechtlich gegründeten Anspruch darauf machen können. So ist das Begehren vieler Arten des Angenehmen blos ein müßiger Wunsch. Wer verlangt z. B. nicht nach anhaltendem ungestümen Wetter einen hellen Tag? aber einem solchen Verlangen können wir gar keine Causalität zur Hervorbringung eines solchen Tages zuschreiben.

Hätte es mit dem Wohlgefallen am Sittlich-guten eine solche Bewandtniß, wie mit irgend einem der Dinge, die wir angeführt haben, so könnten wir keine Theologie haben, und bedürften keiner Religion: denn so innig wir auch im letzten Falle die Fortdauer der moralischen Wesen, und einen allmächtigen, allwissenden und gerechten Vergelter ihrer Handlungen wünschen müßten, so wäre es doch sehr vermessen, aus einem bloßen Wunsche, so allgemein und so stark er auch wäre, auf die Realität seines Objects zu schließen, und dieselbe auch nur als subjectiv-gültig anzunehmen.

Aber die Bestimmung des Begehrungsvermögens durch das Moralgesetz, das Recht zu wollen, soll eine Causalität haben, es wenigstens zum Theil wirklich hervorzubringen. Wir sind unmittelbar genöthigt, das Recht in unsrer eignen Natur als von uns abhängig zu betrachten; und wenn wir etwas dem Begriffe desselben widerstreitendes in uns entdecken, so empfinden wir nicht bloßes Mißvergnügen, wie bei der Nichterfüllung eines müßigen Wunsches, oder auch nur bloßen Unwillen gegen uns selbst, wie bei der Abwesenheit eines Gegenstandes unsres Interesse, daran wir selbst Schuld sind (also bei Vernachlässigung einer Regel der Klugheit), sondern Reue, Schaam, Selbstverachtung. In Absicht des Rechts in uns fordert also das Moralgesetz in uns schlechterdings eine Causalität zur Hervorbringung desselben, in Absicht desselben außer uns aber kann es dieselbe nicht geradezu fordern, weil wir dasselbe nicht als unmittelbar von uns abhängig betrachten können, da dieses nicht durch moralische Gesetze, sondern durch physische Macht hervorgebracht werden muß. In Absicht des letztern also wirkt das Moralgesetz in uns ein bloßes Verlangen des Rechts, aber kein Bestreben es hervorzubringen. Dieses Verlangen des Rechts außer uns, d. i. einer dem Grade unsrer Moralität angemessenen Glückseligkeit ist wirklich durch das Moralgesetz entstanden. Glückseligkeit zwar überhaupt zu verlangen, ist ein Naturtrieb; diesem gemäß aber verlangen wir sie unbedingt, uneingeschränkt, und ohne die geringste Rücksicht auf etwas außer uns; mit Moralbegriffen aber, d. i. als vernünftige Wesen, bescheiden wir uns bald, gerade nur dasjenige Maaß derselben verlangen zu können, dessen wir werth sind, und diese Einschränkung des Glückseligkeitstriebes ist unabhängig von aller religiösen Belehrung selbst der ununterrichtetsten Menschheit tief eingeprägt, der Grund aller Beurtheilung über die Zweckmäßigkeit der menschlichen Schicksale, und jenes eben unter dem unbelehrtesten Theile der Menschheit am meisten ausgebreiteten Vorurtheils, daß der ein vorzüglich böser Mensch seyn müsse, den vorzüglich traurige Schicksale treffen.

Dieses Verlangen aber ist so wenig weder müßig, d. i. ein solches, dessen Befriedigung wir zwar gerne sehen, bei dessen Nichtbefriedigung wir uns aber auch zur Ruhe weisen lassen würden, noch unberechtigt, daß vielmehr das Moralgesetz das Recht in uns zur Bedingung des Rechts außer uns macht: (das heißt nicht soviel, als ob es nur unter der Bedingung Gehorsam von uns verlange, wenn wir die demselben angemessene Glückseligkeit erwarten dürfen [denn, es gebietet ohne alle Bedingung], sondern, daß es uns alle Glückseligkeit nur als Bedingung unsers Gehorsams möglich darstellt; das Gebot nemlich ist das unbedingte, die Glückseligkeit aber das dadurch bedingte:) und dies thut es dadurch, indem es unsre Handlungen dem Princip der Allgemeingültigkeit unterzuordnen befiehlt; da allgemeines Gelten (nicht blos Gültigkeit) des Moralgesetzes und dem Grade der Moralität jedes vernünftigen Wesens völlig angemessene Glückseligkeit identische Begriffe sind. Wenn nun die Regel des Rechts nie allgemeingeltend werden weder würde noch könnte, so bliebe zwar darum immer jene Forderung der Causalität des Moralgesetzes zur Hervorbringung des Rechts in uns, als Factum da, aber es wäre schlechterdings unmöglich, daß sie in concreto, in einer Natur wie die unsrige, erfüllt werden könnte. Denn sobald wir bei einer moralischen Handlung uns nur fragten: was mache ich doch? so müßte unsre theoretische Vernunft uns antworten: ich ringe, etwas schlechthin unmögliches möglich zu machen, ich laufe nach einer Schimäre, ich handle offenbar unvernünftig; und sobald wir wieder auf die Stimme des Gesetzes hörten, müßten wir urtheilen: ich denke offenbar unvernünftig, indem ich dasjenige, was mir schlechthin als Princip aller meiner Handlungen aufgestellt ist, für unmöglich erkläre. Folglich wäre in diesem Zustande, so fortdauernd auch die Forderung des Moralgesetzes, eine Causalität in uns zu haben, bliebe, eine fortgesetzte Erfüllung desselben nach Regeln schlechterdings unmöglich; sondern unser Ungehorsam oder Gehorsam hinge davon ab, ob eben der Ausspruch der theoretischen, oder der der practischen Vernunft das Übergewicht in unserm Gemüthe hätte (wobei jedoch im letztern Falle offenbar die theoretischgeleugnete Möglichkeit des Endzwecks des Moralgesetzes stillschweigend angenommen, und durch unsre Handlung anerkannt würde); worüber wir, nach aufgehobner Machtgewalt des practischen Vermögens über das theoretische nichts bestimmen könnten, folglich weder freie, noch moralische, noch der Imputation fähige Wesen, sondern wieder ein Spiel des Zufalls, oder eine durch Naturgesetze bestimmte Maschine würden. Theologie also ist, auf diese Grundsätze gebaut, in Concreto betrachtet nie bloße Wissenschaft, sondern wird ganz unmittelbar in ihrer Entstehung schon dadurch Religion, indem sie allein, durch Aufhebung[TN4] des Widerspruchs zwischen unsrer theoretischen und unsrer practischen Vernunft, eine fortgesetzte Causalität des Moralgesetzes in uns möglich macht.

Und dies zeigt denn auch, welches wir blos im Vorbeigehn erinnern, das eigentliche Moment des moralischen Beweises für das Daseyn Gottes. Wie man aus theoretisch anerkannten Wahrheiten practische Folgerungen herleiten könne, welche dann eben den Grad der Gewißheit haben, als die Wahrheiten, auf welche sie sich gründen, wie z. B. aus unsrer a priori theoretisch erwiesenen Abhängigkeit von Gott die Pflicht folgen werde, sich gegen ihn dieser Abhängigkeit gemäß zu betragen, hat man immer leicht einsehen zu können geglaubt, weil man sich an diesen Gang der Folgerung gewöhnt hatte, da sie doch eigentlich gar nicht begreiflich ist, weil sie nicht richtig ist, indem der theoretischen Vernunft keine Machtgewalt über die practische zugeschrieben werden kann. Umgekehrt aber können aus einem practischen Gebote, das schlechthin a priori ist, und sich auf keine theoretischen Sätze, als seine Prämissen, gründet, theoretische Sätze abgeleitet werden, weil der practischen Vernunft allerdings eine Machtgewalt über die theoretische, doch gemäß den eignen Gesetzen derselben, zuzuschreiben ist. Es ist also ganz der umgekehrte Gang der Folgerung, und hat man sie je misverstanden, so ist es blos daher gekommen, weil man sich das Moralgesetz nicht als schlechthin a priori, und die Causalität desselben nicht als schlechthin (nicht theoretisch, aber practisch) nothwendig dachte.

Der Widerspruch zwischen theoretischer und practischer Vernunft ist nun gehoben, und die Handhabung des Rechts ist einem Wesen übertragen worden, in welchem die Regel desselben nicht blos allgemeingültig, sondern allgemeingeltend ist, der also das Recht auch außer uns uns zusichern kann. — Sie ist allgemeingeltend für die Natur, die nicht moralisch ist, aber auf die Glückseligkeit moralischer Wesen Einfluß hat. Insofern auf diese Glückseligkeit auch andrer moralischen Wesen Betragen einfließt, lassen auch diese sich betrachten als Natur. In dieser Rücksicht ist Gott der Bestimmer der durch die Causalität ihres Willens in der Natur hervorgebrachten Wirkungen, aber nicht ihres Willens selbst.

Moralische Wesen aber, als solche, d. i. in Absicht ihres Willens, können nicht so durch den Willen des allgemeinen Gesetzgebers bestimmt werden, wie die unmoralische Natur, denn sonst hörten sie auf es zu seyn, und die Bestimmung der erstem durch diesen Willen muß, wenn sich ihre Möglichkeit zeigen sollte, ganz etwas anderes seyn, als die der letztern. Die letztere kann nie selbst moralisch werden, sondern mir in Übereinstimmung mit den moralischen Ideen eines vernünftigen Wesens gesetzt werden; die erstem sollen frei, und blos durch sich erste Ursachen moralischer Bestimmungen seyn. In Absicht der letztern ist also Gott nicht eigentlich Gesetzgeber, sondern Beweger, Bestimmer; sie ist bloßes Instrument, und der moralisch handelnde blos Er.

Moralische Wesen sind aber, nicht nur insofern sie nach Naturgesetzen thätig, sondern auch insofern sie nach denselben leidend sind, Theile der Natur, und als solche Gegenstand der Bestimmung der Natur nach moralischen Ideen, insofern durch dieselbe ihnen der gebührende Grad der Glückseligkeit zugemessen wird, und als solche sind sie völlig in der moralischen Ordnung, wenn der Grad ihrer Glückseligkeit dem Grade ihrer sittlichen Vollkommenheit völlig angemessen ist.

Dadurch nun kommen wir zuerst, daß ich mich so ausdrücke, in Correspondenz mit Gott. Wir sind genöthigt bei allen unsern Entschließungen auf ihn aufzusehen, als den, der den moralischen Werth derselben allein und genau kennt, da er nach ihnen unsre Schicksale zu bestimmen hat, und dessen Billigung oder Misbilligung das einzig richtige Unheil über dieselben ist. Unsre Furcht, unsre Hoffnung, alle unsre Erwartungen beziehen sich auf ihn: nur in seinem Begriffe von uns finden wir unsern wahren Werth. Die heilige Ehrfurcht vor Gott, die dadurch nothwendig in uns entstehen muß, verbunden mit der Begierde der nur von ihm zu erwartenden Glückseligkeit, bestimmet nicht unser oberes Begehrungsvermögen, das Recht überhaupt zu wollen, (das kann sie nie, da sie selbst auf die schon geschehene Bestimmung desselben sich gründet) sondern unsern empirisch-bestimmbaren Willen, dasselbe wirklich in uns anhaltend und fortgesetzt hervorzubringen. Hier ist also schon Religion, gegründet auf die Idee von Gott, als Bestimmer der Natur nach moralischen Zwecken, und in uns auf die Begierde der Glückseligkeit, welche aber gar nicht etwa unsre Verbindlichkeit zur Tugend, sondern nur unsre Begierde, dieser Verbindlichkeit Genüge zu thun, vermehrt, und verstärkert.

Nun läßt aber ferner das allgemeine Gelten des göttlichen Willens für uns als passive Wesen, uns auf die Allgemeingültigkeit desselben für uns auch als active Wesen schließen. Gott richtet uns nach einem Gesetze, das ihm nicht anders, als durch seine Vernunft gegeben seyn kann, folglich nach seinem durch das Moralgesetz bestimmten Willen. Seinem Urtheile also liegt sein Wille, als allgemeingeltendes Gesetz für vernünftige Wesen, auch insofern sie activ sind, zum Grunde, indem ihre Übereinstimmung mit demselben der Maaßstab ist, nach welchem ihnen, als passiven, ihr Antheil an der Glückseligkeit zugemessen wird. Die Anwendbarkeit dieses Maaßstabes erhellet sogleich daraus, weil die Vernunft ihr selbst nie widersprechen kann, sondern in allen vernünftigen Wesen eben dasselbe aussagen, folglich der durch das Moralgesetz bestimmte Wille Gottes völlig gleichlautend mit dem uns durch eben dieselbe Vernunft gegebnen Gesetze seyn muß. Es ist nach diesem für die Legalität unsrer Handlungen völlig gleichgültig, ob wir sie dem Vernunftgesetze darum gemäß einrichten, weil unsre Vernunft gebietet; oder darum, weil Gott das will, was unsre Vernunft fordert: ob wir unsre Verbindlichkeit vom bloßen Gebote der Vernunft, oder ob wir sie vom Willen Gottes herleiten: — ob es aber für die Moralität derselben völlig gleichgültig sey, ist dadurch noch nicht klar, und bedarf einer weitern Untersuchung.

Unsre Verbindlichkeit vom Willen Gottes ableiten, heißt, seinen Willen, als solchen, für unser Gesetz anerkennen; sich darum zur Heiligkeit verbunden erachten, weil Er sie von uns fordert. Es ist also dann nicht blos von einer Vollbringung des Willens Gottes, der Materie des Wollens nach, sondern von einer auf die Form desselben gegründeten Verbindlichkeit die Rede; — wir handeln dem Gesetze der Vernunft gemäß, weil es Gottes Gesetz ist.

Hierbei entstehen folgende zwei Fragen: Giebt es eine Verbindlichkeit, dem Willen Gottes, als solchem, zu gehorchen, und worauf könnte sich dieselbe gründen? und dann: Wie erkennen wir das Gesetz der Vernunft in uns als Gesetz Gottes? Wir gehen an die Beantwortung der ersten.

Schon der Begriff von Gott wird uns blos durch unsre Vernunft gegeben, und blos durch sie, insofern sie a priori gebietend ist, realisirt, und es ist schlechterdings keine andre Art gedenkbar, auf welche wir zu diesem Begriffe kommen könnten. Ferner verbindet uns die Vernunft ihrem Gesetze zu gehorchen, ohne Rückweisung an einen Gesetzgeber über sie, so daß sie selbst verwirrt und schlechterdings vernichtet wird, und aufhört Vernunft zu seyn, wenn man annimmt, daß noch etwas anderes ihr gebiete, als sie sich selbst. Stellt sie uns nun den Willen Gottes als völlig gleichlautend mit ihrem Gesetze dar, so verbindet sie uns freilich mittelbar, auch diesem zu gehorchen; aber diese Verbindlichkeit gründet sich auf nichts anders, als auf die Übereinstimmung desselben mit ihrem eignen Gesetze, und es ist kein Gehorsam gegen Gott möglich, ohne aus Gehorsam gegen die Vernunft. Hieraus erhellet nun vors erste zwar soviel, daß es völlig gleich auch für die Moralität unsrer Handlungen ist, ob wir uns zu etwas verbunden erachten, darum, weil es unsre Vernunft befiehlt, oder darum, weil es Gott befiehlt; aber es läßt sich daraus noch gar nicht einsehen, wozu uns die letztere Vorstellung dienen soll, da ihre Wirksamkeit die Wirksamkeit der erstern schon voraussetzt, da das Gemüth schon bestimmt seyn muß, der Vernunft gehorchen zu wollen, ehe der Wille, Gott zu gehorchen, möglich ist; da es mithin scheint, daß die letztere Vorstellung uns weder allgemeiner noch stärker bestimmen könne, als diejenige, von der sie abhängt, und durch die sie erst möglich wird. Gesetzt aber, es ließe sich zeigen, daß sie unter gewissen Bedingungen wirklich unsre Willensbestimmung erweitere, so ist vorher doch noch auszumachen, ob eine Verbindlichkeit sich ihrer überhaupt zu bedienen statt finde: und da folgt denn unmittelbar aus dem obigen, daß, obgleich die Vernunft uns verbindet, den Willen Gottes seinem Inhalte nach (voluntati ejus materialiter spectatae) zu gehorchen, weil dieser mit dem Vernunftgesetze völlig gleichlautend ist, sie doch unmittelbar keinen Gehorsam fordert, als den für ihr Gesetz, aus keinem andern Grunde, als weil es ihr Gesetz ist; daß sie folglich, da nur unmittelbare practische Gesetze der Vernunft verbindend sind, zu keinem Gehorsam gegen den Willen Gottes, als solchen, (voluntatem ejus formaliter spectatam) verbinde. Die practische Vernunft enthält mithin kein Gebot, uns den Willen Gottes, als solchen, gesetzlich für uns zu denken, sondern blos eine Erlaubniß; und sollten wir a posteriori finden, daß diese Vorstellung uns stärker bestimme, so kann die Klugheit anrathen, uns derselben zu bedienen, aber Pflicht kann der Gebrauch dieser Vorstellung nie seyn. Zur Religion also, d. i. zur Anerkennung Gottes, als moralischen Gesetzgebers, findet keine Verbindlichkeit statt; um so weniger, da, so nothwendig es auch ist, die Existenz Gottes und die Unsterblichkeit unsrer Seele anzunehmen, weil ohne diese Annahme die geforderte Causalität des Moralgesetzes in uns gar nicht möglich ist, und diese Nothwendigkeit eben so allgemein gilt, als das Moralgesetz selbst, wir doch nicht einmal sagen können, wir seyen verbunden diese Sätze anzunehmen, weil Verbindlichkeit nur vom Practischen gilt. In wie weit aber die Vorstellung von Gott, als Gesetzgeber durch dieses Gesetz in uns, gelte, hängt von der Ausbreitung ihres Einflusses auf die Willensbestimmung, und diese hinwiederum von den Bedingungen ab, unter welchen vernünftige Wesen durch sie bestimmt werden können. Könnte nemlich gezeigt werden, daß diese Vorstellung nöthig sey, um dem Gebote der Vernunft überhaupt Gesetzeskraft zu geben (wovon aber das Gegentheil gezeigt worden ist), so würde sie für alle vernünftige Wesen gelten; kann gezeigt werden, daß sie in allen endlichen vernünftigen Wesen die Willensbestimmung erleichtert, so ist sie gemeingültig für diese; sind die Bedingungen, unter denen sie diese Bestimmung erleichtert und erweitert, nur von der menschlichen Natur gedenkbar, so gilt sie, falls sie in allgemeinen Eigenschaften derselben liegen, für alle, oder wenn sie in besondern Eigenschaften derselben liegen, nur für einige Menschen.

Die Bestimmung des Willens, dem Gesetze Gottes überhaupt zu gehorchen, kann nur durch das Gesetz der practischen Vernunft geschehen, und ist als bleibender und daurender Entschluß des Gemüths vorauszusetzen. Nun aber können einzelne Fälle der Anwendung des Gesetzes gedacht werden, in denen die bloße Vernunft nicht Kraft genug haben würde, den Willen zu bestimmen, sondern zu Verstärkung ihrer Wirksamkeit noch die Vorstellung bedarf, daß eine gewisse Handlung durch Gott geboten sey. Diese Unzulänglichkeit des Vernunftgebotes, als solches, kann keinen ändern Grund haben, als Verminderung unsrer Achtung gegen die Vernunft in diesem besondern Falle; und diese Achtung kann durch nichts anderes vermindert worden seyn, als durch ein derselben widerstreitendes Naturgesetz, das unsre Neigung bestimmt, und welches mit jenem der Vernunft, das unser oberes Begehrungsvermögen bestimmt, in einem und ebendemselben Subjecte! nemlich in uns erscheint, und mithin, wenn die Würde des Gesetzes blos nach der des gesetzgebenden Subjects bestimmt wird, von einerlei Range und Werthe mit jenem zu seyn[TN5] scheinen könnte. Hier noch ganz davon abstrahirt, daß wir in einem solchen Falle uns täuschen, daß wir die Stimme der Pflicht vor dem Schreien der Neigung nicht hören, sondern uns in der Lage zu seyn dünken könnten, wo wir unter bloßen Naturgesetzen stehen; sondern vorausgesetzt, daß wir die Anforderungen beider Gesetze und ihre Grenze richtig unterscheiden, und unwidersprechlich erkennen, was unsre Pflicht in diesem Falle sey, so kann es doch leicht geschehen, daß wir uns entschließen, nur hier dies einemal eine Ausnahme von der allgemeinen Regel zu machen, nur dies einemal wider den klaren Ausspruch der Vernunft zu handeln, weil wir dabei niemanden verantwortlich zu seyn glauben, als uns selbst, und weil wir meinen, es sey unsre Sache, ob wir vernünftig oder unvernünftig handeln wollen; es verschlage niemanden etwas, als uns selbst, wenn wir uns dem Nachtheile, der freilich daraus für uns entstehen müsse, wenn ein moralischer Richter unsrer Handlungen sey, unterwerfen, durch welche Strafe unser Ungehorsam gleichsam abgebüßt zu werden scheint; wir sündigten auf eigne Gefahr. Ein solcher Mangel an Achtung für die Vernunft gründet sich mithin auf Mangel der Achtung gegen uns selbst, welche wir bei uns wol verantworten zu können glauben. Erscheint uns aber die in diesem Falle eintretende Pflicht als von Gott geboten, oder, welches eben das ist, erscheint das Gesetz der Vernunft durchgängig und in allen seinen Anwendungen als Gesetz Gottes, so erscheint es in einem Wesen, in Absicht dessen es nicht in unserm Belieben steht, ob wir es achten, oder ihm die gebührende Achtung versagen wollen; wir machen bei jedem wissentlichen Ungehorsame gegen dasselbe nicht etwa nur eine Ausnahme von der Regel, sondern wir verleugnen geradezu die Vernunft überhaupt; wir sündigen nicht blos gegen eine von derselben abgeleitete Regel, sondern gegen ihr erstes Gebot; wir sind nun, die Verantwortlichkeit zur Strafe, die wir allenfalls auf uns selbst nehmen könnten, abgerechnet, einem Wesen, dessen bloßer Gedanke uns die tiefste Ehrfurcht einprägen muß, und welches nicht zu verehren der höchste Unsinn ist, auch noch für Verweigerung der ihm schuldigen Ehrfurcht verantwortlich, welche durch keine Strafe abzubüßen ist.

Die Idee von Gott, als Gesetzgeber durchs Moralgesetz in uns, gründet sich also auf eine Entäußerung des unsrigen, auf Übertragung eines Subjectiven in ein Wesen außer uns, und diese Entäußerung ist das eigentliche Princip der Religion, insofern sie zur Willensbestimmung gebraucht werden soll. Sie kann nicht im eigentlichsten Sinne unsre Achtung für das Moralgesetz überhaupt verstärken, weil alle Achtung für Gott sich blos auf seine anerkannte Übereinstimmung mit diesem Gesetze, und folglich auf Achtung für das Gesetz selbst gründet; aber sie kann unsre Achtung für die Entscheidungen derselben in einzelnen Fällen, wo sich ein starkes Gegengewicht der Neigung zeigt, vermehren; und so ist es klar, wie, obgleich die Vernunft uns überhaupt erst bestimmen muß dem Willen Gottes zu gehorchen, doch in einzelnen Fällen die Vorstellung dieses uns hinwiederum bestimmen könne, der Vernunft zu gehorchen.

Im Vorbeigehn ist noch zu erinnern, daß diese Achtung für Gott, und die auf dieselbe gegründete Achtung für das Moralgesetz, als das seinige, sich auch blos auf die Übereinstimmung desselben mit diesem Gesetze, d. i. auf seine Heiligkeit gründen müsse, weil sie nur unter dieser Bedingung Achtung für das Moralgesetz ist, die allein die Triebfeder jeder rein moralischen Handlung seyn muß. Gründet sie sich etwa auf die Begierde sich in seine Güte einzuschmeicheln, oder auf Furcht vor seiner Gerechtigkeit, so läge unserm Gehorsame auch nicht einmal Achtung für Gott, sondern Selbstsucht zu Grunde.

Der Pflicht, widerstreitende Neigungen sind wol in allen endlichen Wesen anzunehmen, denn das ist eben der Begriff des Endlichen in der Moral, daß es noch durch andere Gesetze, als durch das Moralgesetz, d. i. durch die Gesetze seiner Natur bestimmt werde; und warum Naturgesetze unter irgend einer Bedingung, für Naturwesen, auf welch einer erhabnen Stuffe sie auch stehen mögen, stets und immer mit dem Moralgesetze zusammenstimmen sollten, läßt sich kein Grund angeben; aber es läßt sich gar nicht bestimmen, in wie weit, und warum nothwendig dieser Widerstreit der Neigung gegen das Gesetz die Achtung für dasselbe, als bloßes Vernunftgesetz, so schwächen solle, daß es, um thätig zu wirken, noch durch die Idee einer göttlichen Gesetzgebung geheiligt werden müsse; und wir können uns nicht einbrechen, für jedes vernünftige Wesen, welches, nicht weil die Neigung in ihm schwächer ist, in welchem Falle es kein Verdienst haben würde, sondern weil die Achtung für die Vernunft in ihm stärker ist, dieser Vorstellung zur Willensbestimmung nicht bedarf, eine weit größere Verehrung zu fühlen, als gegen dasjenige, welches ihrer bedarf. Es läßt sich also der Religion, insofern sie nicht bloßer Glaube an die Postulate der practischen Vernunft ist, sondern als Moment der Willensbestimmung gebraucht werden soll, auch nicht einmal für Menschen subjective Allgemeingültigkeit (denn nur von dergleichen kann hier die Rede seyn) zusichern; ob wir gleich auch von der ändern Seite nicht beweisen können, daß endlichen Wesen überhaupt, oder daß insbesondere Menschen in diesem Erdenleben eine Tugend möglich sey, die dieses Moments gänzlich entbehren könne.

Diese Übertragung der gesetzgebenden Autorität an Gott nun gründet sich laut obigem darauf, daß ihm durch seine eigne Vernunft ein Gesetz gegeben seyn muß, welches für uns gültig ist, weil er uns darnach richtet, und welches mit dem uns durch unsre eigne Vernunft gegebnen, wornach wir handeln sollen, völlig gleichlautend seyn muß. Hier werden also zwei an sich von einander gänzlich unabhängige Gesetze, die blos in ihrem Princip, der reinen practischen Vernunft, zusammenkommen, beide für uns gültig gedacht, ganz gleichlautend in Absicht ihres Inhalts, blos in Absicht der Subjecte verschieden, in denen sie[TN6] sich befinden. Wir können jetzt bei jeder Forderung des Sittengesetzes in uns sicher schließen, daß eine gleichlautende Forderung in Gott an uns ergehe, daß also das Gebot des Gesetzes in uns auch Gebot Gottes sey der Materie nach: aber wir können noch nicht sagen, das Gebot des Gesetzes in uns, sey schon als solches, mithin der Form nach, Gebot Gottes. Um das letztere annehmen zu dürfen, müssen wir einen Grund haben, das Sittengesetz in uns als abhängig von dem Sittengesetze in Gott für uns, zu betrachten, d. i. den Willen Gottes als die Ursache desselben anzunehmen.

Nun scheint es zwar ganz einerlei zu seyn, ob wir die Befehle unsrer Vernunft, als völlig gleichlautend mit dem Befehle Gottes an uns, oder ob wir sie selbst unmittelbar als Befehle Gottes ansehen; aber theils wird durch das letztere der Begriff der Gesetzgebung erst völlig ergänzt, theils aber und vorzüglich muß nothwendig beim Widerstreite der Neigung gegen die Pflicht die letztere Vorstellung dem Gebote der Vernunft ein neues Gewicht hinzufügen.

Den Willen Gottes als Ursache des Sittengesetzes in uns annehmen, kann zweierlei heißen, nemlich daß der Wille Gottes entweder Ursache vom Inhalte des Sittengesetzes, oder daß er es nur von der Existenz des Sittengesetzes in uns sey. Daß das erstere schlechterdings nicht anzunehmen sey, ist schon aus dem obigen klar, denn dadurch würde Heteronomie der Vernunft eingeführt, und das Recht einer unbedingten Willkühr unterworfen, das heißt, es gäbe gar kein Recht. Ob das zweite gedenkbar sey, und ob sich ein vernünftiger Grund dafür finde, bedarf einer weitern Untersuchung.

Die Frage also, um deren Beantwortung, es jetzt zu thun ist, ist diese: Finden wir irgend einen Grund, Gott als die Ursache der Existenz des Moralgesetzes in uns anzusehen? oder als Aufgabe ausgedrückt: wir haben ein Princip zu suchen, aus welchem Gottes Wille, als Grund der Existenz des Moralgesetzes in uns erkannt werde. Daß das Sittengesetz in uns das Gesetz Gottes an uns enthalte, und materialiter sein Gesetz sey, ist aus dem obigen klar: ob es auch der Form nach sein Gesetz, d. i. durch ihn und als das seinige promulgirt sey, als wodurch der Begriff der Gesetzgebung vollständig gemacht wird, davon ist jetzt die Frage, welche mithin auch so ausgedrückt werden kann: hat Gott sein Gesetz an uns wirklich promulgirt? können wir ein Factum aufweisen, das sich als eine dergleichen Promulgation bestätigt?

Würde diese Frage in theoretischer Absicht, blos um unsre Erkenntniß zu erweitern, erhoben, so könnten wir uns auch ohne Antwort auf dieselbe begnügen, und schon a priori (vor ihrer Beantwortung) sicher seyn, daß eine zu dieser Absicht befriedigende Antwort gar nicht möglich sey, indem nach der Ursache eines Übernatürlichen, nemlich des Moralgesetzes in uns gefragt, mithin die Categorie der Causalität auf ein Numen angewendet wird. Da sie aber in practischer Absicht zur Erweiterung der Willensbestimmung gethan wird, so können wir theils sie nicht so geradezu abweisen, theils bescheiden wir uns schon zum voraus, daß auch eine nur subjectiv, d. i. für unsre Denkgesetze, gültige Antwort uns befriedigen werde.

 

§. 4.

Eintheilung der Religion überhaupt, in die natürliche und geoffenbarte.

In der allgemeinsten Bedeutung wird Theologie Religion, wenn die um unsrer Willensbestimmung durch das Gesetz der Vernunft angenommenen Sätze practisch auf uns wirken. Diese Wirkung geschieht entweder auf unser ganzes Vermögen, zur Hervorbringung der Harmonie in desselben verschiedenen Functionen, indem die theoretische und practische Vernunft in Übereinstimmung gesetzt, und die postulirte Causalität der letztern in uns möglich gemacht wird. Hierdurch erst wird Einheit in den Menschen gebracht, und alle Functionen seines Vermögens auf einen einzigen Endzweck hingeleitet. Oder sie geschieht insbesondre, nemlich negativ, auf unser Empfindungsvermögen, indem für das höchste Ideal aller Vollkommenheit tiefe Ehrfurcht, und für den einzig richtigen Beurtheiler unsrer Moralität, und gerechten Bestimmer unsrer Schicksale nach derselben, Vertrauen, heilige Scheu, Dankbarkeit gewirkt wird. Diese Empfindungen sollen nicht eigentlich den Willen bestimmen; aber sie sollen die Wirksamkeit der schon geschehenen Bestimmung vermehren. Man würde aber nicht wohl thun, auf eine unbegrenzte Erhöhung dieser Empfindungen, besonders insofern sie sich auf den Begriff Gottes als unsers moralischen Richters gründen,(und welche zusammen das ausmachen, was man Frömmigkeit nennt) hinzuarbeiten, weil dem eigentlichen Momente aller Moralität, das was recht ist schlechthin darum zu wollen, weil es recht ist, dadurch leicht Abbruch geschehen könnte. Oder endlich sie geschieht unmittelbar auf unsern Willen, durch das dem Gewichte des Gebots hinzugefügte Moment, daß es Gebot Gottes sey; und dadurch entsteht Religion in der eigentlichsten Bedeutung.

Daß das Sittengesetz in uns seinem Inhalte nach als Gesetz Gottes in uns anzunehmen sey, ist schon aus dem Begriffe Gottes, als unabhängigen Executors des Vernunftgesetzes überhaupt, klar. Ob wir einen Grund haben, es auch seiner Form nach dafür anzunehmen, ist die jetzt zu untersuchende Frage. Da hierbei gar nicht vom Gesetze an sich die Rede ist, als welches wir in uns haben, sondern vom Urheber des Gesetzes; so können wir im Begriffe der göttlichen Gesetzgebung von dem Inhalte (materia) derselben hier gänzlich abstrahiren, und haben nur auf ihre Form zu sehen. Die gegenwärtige Aufgabe ist also die: ein Princip zu suchen, aus welchem Gott als moralischer Gesetzgeber erkannt werde; oder es wird gefragt: hat sich Gott uns als moralischer Gesetzgeber angekündigt, und wie hat er's?

Dies läßt sich auf zweierlei Art als möglich denken, nemlich daß es entweder in uns, als moralischen Wesen, in unsrer vernünftigen Natur; oder außer derselben geschehen sey. Nun liegt in unsrer Vernunft, insofern sie rein a priori gesetzgebend ist, nichts, das uns berechtigte, dies anzunehmen: wir müssen uns also nach etwas außer ihr umsehen, welches uns wieder an sie zurückweise, um nun aus ihren Gesetzen mehr schließen zu können, als wozu diese allein uns berechtigen: oder wir müssen es ganz aufgeben, aus diesem Princip Gott als Gesetzgeber zu erkennen. Außer unsrer vernünftigen Natur ist das, was uns zur Betrachtung und Erkenntniß vorliegt, die Sinnenwelt. In dieser finden wir allenthalben Ordnung und Zweckmäßigkeit; alles leitet uns auf eine Entstehung derselben nach Begriffen eines vernünftigen Wesens. Aber zu allen den Zwecken, auf welche wir durch ihre Betrachtung geführt werden, muß unsre Vernunft einen letzten, einen Endzweck, als das Unbedingte zu dem Bedingten, suchen. Alles aber in unsrer Erkenntniß ist bedingt, außer dem durch die practische Vernunft uns aufgestellten Zwecke des höchsten Gutes, welcher schlechthin und unbedingt geboten wird. Dieser allein also ist fähig der gesuchte Endzweck zu seyn; und wir sind durch die subjective Beschaffenheit unsrer Natur gedrungen, ihn dafür anzuerkennen. Kein Wesen konnte diesen Endzweck haben, als dasjenige, dessen practisches Vermögen blos durch das Moralgesetz bestimmt wird; und keins die Natur demselben anpassen, als dasjenige, das die Naturgesetze durch sich selbst bestimmt. Dieses Wesen ist Gott. Gott ist also Weltschöpfer. Kein Wesen ist fähig Object dieses Endzwecks zu seyn, als nur moralische Wesen, weil diese allein des höchsten Gutes fähig sind. Wir selbst also sind als moralische Wesen (objetiv) Endzweck der Schöpfung. Wir sind aber, als sinnliche, d. i. als solche Wesen, die unter den Naturgesetzen stehen, auch Theile der Schöpfung, und die ganze Einrichtung unsrer Natur, insofern sie von diesen Gesetzen abhängt, ist Werk des Schöpfers, d. i. des Bestimmers der Naturgesetze durch seine moralische Natur. Nun hängt es zwar theils offenbar nicht von der Natur ab, daß die Vernunft in uns eben so, und nicht anders spricht; theils würde die Frage, ob es von ihr abhänge, daß wir eben moralische Wesen sind, durchaus dialectisch seyn. Denn erstens dächten wir uns da den Begriff der Moralität aus uns weg, und nähmen dennoch an, daß wir dann noch wir seyn würden, d. i. unsre Identität beibehalten haben würden, welches sich nicht annehmen läßt; zweitens geht sie auf objective Behauptungen im Felde des Übersinnlichen aus, in welchem wir nichts objectiv behaupten dürfen[15]. Da es aber für uns ganz einerlei ist, ob wir uns des Gebots des Moralgesetzes in uns nicht bewußt sind, oder ob wir überhaupt keine moralischen Wesen sind; da ferner unser Selbstbewußtseyn ganz unter Naturgesetzen steht: so folgt daraus sehr richtig, daß es von der Einrichtung der sinnlichen Natur endlicher Wesen herkomme, daß sie sich des Moralgesetzes in ihnen bewußt sind; und wir dürfen, wenn wir uns vorher nur richtig bestimmt haben, hinzusetzen: daß sie moralische Wesen sind. Da nun Gott der Urheber dieser Einrichtung ist, so ist die Ankündigung des Moralgesetzes in uns durch das Selbstbewußtseyn, zu betrachten als Seine Ankündigung, und der Endzweck, den uns dasselbe aufstellt, als Sein Endzweck, den er bei unsrer Hervorbringung hatte. So wie wir ihn also für den Schöpfer unsrer Natur erkennen, müssen wir ihn auch für unsern moralischen Gesetzgeber anerkennen; weil nur durch eben, eine solche Einrichtung uns Bewußtseyn des Moralgesetzes in uns, möglich war. Diese Ankündigung Gottes selbst geschieht nun durch das Übernatürliche in uns; und es darf uns nicht irren, daß wir, um das zu erkennen, einen Begriff außer demselben, nemlich den der Natur, zu Hülfe nehmen mußten. Denn theils war es die Vernunft, die uns das, ohne welches jener Begriff uns zu unsrer Absicht gar nicht hätte dienen können, den Begriff des möglichen Endzwecks, hergab, und dadurch erst die Erkenntniß Gottes als Schöpfers möglich machte; theils hätte auch diese Erkenntniß uns Gott noch gar nicht als Gesetzgeber darstellen können, ohne das Moralgesetz in uns, dessen Daseyn erst die gesuchte Ankündigung Gottes ist.

Die zweite uns gedenkbare Art, wie sich Gott als moralischen Gesetzgeber ankündigen konnte, war außer dem Übernatürlichen in uns, also, in der Sinnenwelt, da wir außer diesen beiden kein drittes Objekt haben. Da wir aber, weder aus dem Begriffe der Welt überhaupt, noch aus irgend einem Gegenstande oder Vorfalle in derselben insbesondre, mittelst der Naturbegriffe, welche die einzigen auf die Sinnenwelt anwendbaren sind, auf etwas übernatürliches schließen können; dem Begriffe einer Ankündigung Gottes als moralischen Gesetzgeber aber etwas übernatürliches zum Grunde liegt: so müßte dies durch ein Faktum in der Sinnenwelt geschehen, dessen Kausalität wir alsbald, folglich ohne erst zu schließen, in ein übernatürliches Wesen setzten, und dessen Zweck, es sey eine Ankündigung Gottes, als moralischen Gesetzgebers, wir sogleich, d. i. unmittelbar durch Wahrnehmung erkennten; wenn dieser Fall überhaupt möglich seyn soll.

Diese Untersuchung stellt nun vorläufig zwei Principien der Religion, insofern diese sich auf Anerkennung einer formalen Gesetzgebung Gottes gründet, dar; deren eines das Princip des Übernatürlichen in uns, das andere das Princip eines Übernatürlichen außer uns ist. Die Möglichkeit des erstem ist schon gezeigt; die Möglichkeit des zweiten, um welche es hier eigentlich zu thun ist, müssen wir weiter darthun. Eine Religion, die sich auf das erste Princip gründet, können wir, da sie den Begriff einer Natur überhaupt zu Hülfe nimmt, Naturreligion nennen: und eine solche, der das zweite zum Grunde liegt, nennen wir, da sie durch ein geheimnißvolles übernatürliches Mittel zu uns gelangen soll, das ganz eigentlich zu dieser Absicht bestimmt ist, geoffenbarte Religion. Subjektiv, als Habitus eines vernünftigen Geistes (als Religiosität) betrachtet, können beide Religionen, da sie zwar entgegengesetzte, aber nicht sich widersprechende Principien haben, sich in einem Individuo gar wohl vereinigen, und eine einzige ausmachen.

Ehe wir weiter gehen, müssen wir noch anmerken, daß, da hier blos von einem Princip der Gesetzgebung ihrer Form nach die Rede gewesen, vom Inhalte derselben aber gänzlich abstrahirt worden, die Untersuchung, wohin nach diesen beiden verschiedenen Principien die Gesetzgebung ihrem Inhalte nach (legislatio materialiter spectata) zu setzen sey, nicht berührt werden konnte. Daß nach dem ersten Princip, welches, die Ankündigung des Gesetzgebers in uns setzt, auch die Gesetzgebung selbst in uns, nemlich in unsrer vernünftigen Natur zu suchen sey, ist sogleich von selbst klar. Nach dem zweiten Princip aber sind wieder zwei Fälle möglich: entweder die Ankündigung des Gesetzgebers außer uns verweist uns an unsre vernünftige Natur zurück, und die ganze Offenbarung sagt, in Worten ausgedruckt, nur soviel; Gott ist Gesetzgeber; das euch ins Herz geschriebne Gesetz ist das Seinige; oder sie schreibt uns auf eben dem Wege, auf dem sie Gott als Gesetzgeber bekannt macht, noch sein Gesetz besonders vor. Nichts verhindert, daß in einer in concreto gegebnen Offenbarung nicht beides geschehen könne.

Man hat seit Erscheinung der Kritik schon mehrmals die Frage aufgeworfen: Wie ist geoffenbarte Religion möglich? — eine Frage, die sich zwar immer aufdrang, die aber erst, seitdem dieses Licht den Pfad unsrer Untersuchungen beleuchtet, gehörig gestellt werden konnte. Aber wie mir's scheint, hat man in allen Versuchen, die ich wenigstens kenne, den Knoten mehr zerschnitten, als aufgelöst. Der eine deducirt die Möglichkeit der Religion überhaupt richtig, entwickelt ihren Inhalt, stellt ihre Kriterien fest; und gelangt nun durch drei ungeheure Sprünge (1) indem er Religion in der weitesten, und die in der engsten Bedeutung verwechselt, 2) indem er natürliche und geoffenbarte Religion verwechselt, 3) indem er geoffenbarte überhaupt und christliche verwechselt,) zu dem Satze: völlig so eine Vernunftreligion ist die christliche. Ein andrer, dem es sich freilich nicht verbergen konnte, daß diese noch etwas mehr sey, setzt dieses Mehrere blos in größere Versinnlichung der abstracten Ideen jener. Aber die Vernunft giebt a priori gar kein Gesetz, und kann kein's geben, über die Art, wie wir uns die durch ihre Postulate realisirten Ideen vorstellen sollen. Jeder, auch der schärfste Denker, meine ich, denkt sie sich, wenn er sie in praktischer Absicht auf sich anwendet, mit einiger Beimischung von Sinnlichkeit, und so geht es bis zu dem rohsinnlichsten Menschen in unmerkbaren Abstufungen fort. Ganz rein von Sinnlichkeit ist in concreto keine Religion; denn die Religion überhaupt gründet sich auf das Bedürfniß der Sinnlichkeit. Das Mehr oder Weniger aber berechtigt zu keiner Eintheilung. Wo hören denn nach dieser Vorstellungsart die Grenzen der Vernunftreligion auf, und wo gehen die der geoffenbarten an? Es gäbe nach ihr so viele Religionen, als es schriftliche oder mündliche Belehrungen über Religionswahrheiten, als es überhaupt Subjekte gäbe, die an eine Religion glaubten; und es ließe sich durch nichts, als durch das Herkommen begreiflich machen, warum eben diese oder jene Darstellung der Religionswahrheiten die autorisirteste seyn sollte; und durch gar nichts, woher die Berufung auf eine übernatürliche Autorität, käme, die wir als das charakteristische Merkmal aller vorgeblichen Offenbarungen vorfinden. Diese Verirrung vom einzig möglichen Wege einer Deduktion des Offenbarungsbegriffs kam blos daher, daß man jene allbekannte Regel der Logik vernachlässigte: Begriffe, die zu einer Einteilung berechtigen sollen, müssen unter einem höhern Geschlechtsbegriffe enthalten, unter sich aber specifisch verschieden seyn. Der Begriff der Religion überhaupt ist Geschlechtsbegriff. Sollen Natur- und geoffenbarte Religion, als unter ihm enthalten, specifisch verschieden seyn; so müssen sie es entweder in Absicht ihres Inhalts, oder wenn dies, wie schon a priori zu vermuthen, nicht möglich ist, wenigstens in Absicht ihrer Erkenntnißprincipien seyn; oder die ganze Eintheilung ist leer, und wir müssen auf die Befugniß, eine geoffenbarte Religion anzunehmen, gänzlich Verzicht thun. Der oben angezeigte Begriff ist es denn auch, den der Sprachgebrauch von jeher mit dem Worte Offenbarung verknüpft hat. Alle Religionsstifter haben sich zum Beweise der Wahrheit ihrer Lehren nicht auf die Beistimmung unsrer Vernunft, noch auf theoretische Beweise, sondern auf eine übernatürliche Autorität berufen, und den Glauben an diese, als den einzigen rechtmäßigen Weg der Überzeugung, gefordert.

 

§. 5.

Formale Erörterung des Offenbarungsbegriffs, als Vorbereitung einer materialen Erörterung desselben.

Wir kamen im vorigen §. von dem Begriffe der Religion aus auf den Begriff einer möglichen Offenbarung, welche Religionsgrundsätze zu ihrem Stoff haben könnte. Das wäre, wenn jene jetzt blos vorausgesetzte Möglichkeit des Begriffs sich bestätigen sollte, der materielle Ort dieses Begriffs in unserm Verstände. Jetzt werden wir, nicht um systematischer Nothwendigkeit willen, sondern zur Beförderung der Deutlichkeit, ihn auch seiner Form nach aufsuchen.

Offenbarung ist der Form nach eine Art von Bekanntmachung, und alles, was von dieser ihrer Gattung gilt, gilt auch von ihr.

Der innern Bedingungen aller Bekanntmachung sind zwei; nemlich, etwas das bekannt gemacht wird, der Stoff, und dann, die Art, wie es bekannt gemacht wird, die Form der Bekanntmachung Aeußere sind auch zwei; ein Bekanntmachender, und einer, dem bekannt gemacht wird. Wir gehen von den Innern aus.

Das Bekanntgemachte wird nur dadurch ein Bekanntgemachtes, daß ich es nicht schon vorher wußte. Wußte ich es schon, so macht mir der andre nur das bekannt, daß er's auch wußte; und der Stoff der Bekanntmachung ist dann ein andrer. Dinge, die jeder nothwendig weiß, können nicht bekannt gemacht werden. A priori mögliche, oder philosophische Erkenntnisse werden entwickelt, der andre wird darauf geleitet; ich zeige jemanden einen Fehler in seiner Schlußfolge oder die Gleichheit zweier Triangel, aber ich mache sie ihm nicht bekannt: Erkenntnisse, die nur a posteriori möglich sind, historische, werden bekannt gemacht, — aber nicht bewiesen, weil man zuletzt doch auf etwas a priori nicht abzuleitendes, auf das Zeugniß der empirischen Sinnlichkeit, stößt. Sie werden auf Autorität angenommen. Autorität ist das Zutrauen zu unsrer richtigen Beobachtungsgabe, und unsrer Wahrhaftigkeit. — Zwar können auch a priori mögliche Erkenntnisse auf Autorität angenommen werden, wie z. B. der mechanische Künstler so viele mathematische Sätze ohne Untersuchung und Beweis auf das Zeugniß andrer, und seiner eignen Erfahrung von der Anwendbarkeit derselben, annimmt. Eine solche Erkenntniß nun ist zwar an sich, ihrem Stoffe nach, philosophisch; ihrer Form im Subjekte nach aber blos historisch. Sein Annehmen gründet sich zuletzt auf das Zeugniß des innern Sinns desjenigen, der den Satz untersuche, und wahr befunden hat.

Erste Folgerung. Nur historische Erkenntnisse, die es wenigstens der Form, oder auch wohl der Materie nach sind — also nur Wahrnehmungen können bekannt gemacht werden. — Werden weiterhin auf solche Wahrnehmungen Schlüsse gebaut, (comparative) allgemeine Wahrheiten davon abgeleitet, so wird von da an nichts weiter bekannt gemacht, sondern nur gezeigt.

Können, um zum zweiten innern Merkmale der Bekanntmachung fortzugehen, nur in der Form historischer Erkenntnisse Wahrnehmungen bekannt gemacht werden, so sind sie, insofern sie das werden, nicht selbst Form, sondern Stoff; sie müssen mithin der Receptivität gegeben werden. Dann aber, von der äußern Bedingung eines bekanntmachenden abgesehen, wäre unsre ganze empirische Erkenntniß bekannt gemacht, denn sie ist durchgängig gegeben. Verursacht uns aber jemand eine Sinnenempfindung unmittelbar, so sagen wir von der daher entstehenden Erkenntniß nicht, er mache sie uns bekannt, sondern wir erkennen dann selbst. Giebt uns z. B. jemand eine Rose zu riechen, so sagen wir nicht, er mache uns den Geruch der Rose bekannt, d. h. er macht uns eben so wenig bekannt, daß überhaupt uns die Rose angenehm rieche, noch in welchem Grade; das läßt sich nur durch unmittelbare Empfindung beurtheilen. Aber das dürften wir wohl sagen: er habe uns mit dem Gerüche der Rose bekannt gemacht, d. h. er habe in unsrer Vorstellung unser Subjekt mit der Vorstellung eines gewissen Experiments verbunden. Eigentliche Bekanntmachung findet nur dann statt, wenn in unsrer Vorstellung nicht unser Subjekt, sondern ein gewisses anderes Subjekt mit dem Prädikate einer Wahrnehmung verknüpft wird. Diese Verknüpfung selbst nun geschieht freilich wieder zu Folge einer subjektiven Wahrnehmung; aber nicht diese Wahrnehmung unsers Subjekts, sondern eine andre Wahrnehmung eines andern Subjekts ist Stoff des bekanntgemachten.

Zweite Folgerung, Die Wahrnehmung, welche bekannt gemacht wird, ist nicht unmittelbar, sondern sie wird durch Wahrnehmung einer Vorstellung von ihr gegeben. — Diese eigentlich bekannt gemachte Wahrnehmung nun kann durch eine lange Reihe von Gliedern gehen; dann wird sie durch Tradition fortgepflanzt. — Der Supernaturalist, der die Existenz Gottes nur durch Offenbarung erkennbar annimmt, nimmt an: Gott sage uns, er selbst (Gott) nehme seine Existenz wahr; nun müsse man doch seiner (Gottes) Versicherung trauen, mithin u. s. w. — welches ohne Zweifel ein Cirkel im Beweisen ist.

Wir gehen jetzt zu den äußern Bedingungen der Bekanntmachung über. — Zu jeder Bekanntmachung gehört ein Bekanntmachender. Wenn wir aus gewissen Wahrnehmungen am andern selbst schließen, er müsse eine gewisse Wahrnehmung gemacht haben, so macht er uns seine Wahrnehmung nicht bekannt, sondern sie verräth sich uns — wir entdecken sie selbst. Wir setzen also eine bekanntmachende Spontaneität mit Willkühr, folglich mit Bewußtseyn voraus, und nur hierdurch wird er bekanntmachend. — Er muß uns aber nicht nur überhaupt etwas, — er muß uns eine gewisse bestimmte Vorstellung bekannt machen wollen, die er nicht nur selbst hat, sondern deren Hervorbringung in uns durch die Kausalität seines Begriffs von dieser Hervorbringung er sich denkt. So ein Begriff nun heißt ein Begriff vom Zwecke.

Dritte Folgerung. Jede Bekanntmachung setze also im Bekanntmachenden einen Begriff von der hervorzubringenden Vorstellung, als Zwecke seiner Handlung voraus. Mithin muß der Bekanntmachende ein intelligentes Wesen seyn, und seine Handlung, und die dadurch in dem andern erregte Vorstellung müssen sich verhalten, wie moralischer Grund und Folge.

Zur Bekanntmachung gehört endlich einer, dem etwas bekannt wird. Wird ihm überhaupt nichts bekannt, oder wird ihm nur das nicht bekannt, was der andre beabsichtigte, oder wird es ihm vielleicht durch andre Mittel, nur nicht durch die Mittheilung des ändern bekannt, so ist wenigstens die verlangte Bekanntmachung nicht geschehen.

Vierte Folgerung. Die Handlung des Bekanntmachenden muß sich mithin zu der in dem andern hervorgebrachten Vorstellung verhalten, wie physische Ursache zur Wirkung. — Daß ein solches Verhältniß möglich sey, d. i. daß ein intelligentes Wesen zu Folge eines Zweckbegriffs durch Freiheit physische Ursache werden könne, wird zur Möglichkeit einer Bekanntmachung überhaupt postulirt, kann aber nicht theoretisch bewiesen werden.

Der Begriff der Offenbarung, als unter diesem Gattungsbegriffe enthalten, muß alle die angezeigten Merkmale, aber er kann ihrer noch mehrere haben, d. i. er kann gewisse auf verschiedne Art bestimmbare Merkmale der Bekanntmachung völlig bestimmen; und wir müssen uns hier, da wir ihn bis jetzt als blos empirisch behandeln, an den Sprachgebrauch halten.

Gewöhnlich sagt man offenbaren in Absicht der Materie nur von sehr wichtig geglaubten, oder von sehr tief verborgnen Erkenntnissen, die nicht jeder finden könne. Da dieses Merkmal blos relativ ist, indem die Wichtigkeit oder Unwichtigkeit, Schwierigkeit oder Leichtigkeit einer Erkenntniß blos von der Meinung des Subjekts abhängt, so ist sogleich einleuchtend, daß diese Bestimmung für die Philosophie nicht tauge.

Eben so untauglich ist eine andere Bestimmung im Sprachgebrauche, die sich auf den Bekanntmachenden bezieht; da man nemlich offenbaren vorzüglich nur von der Mittheilung überirrdischer Wesen, Dämonen, sagt. So waren alle heidnische Orakel angebliche Offenbarungen. Daß der Offenbarende ein freies und intelligentes Wesen seyn, also unter den Gattungsbegriff gehören müsse, unter den auch die Dämonen gehören, liegt schon im Begriffe der Bekanntmachung; wie aber Dämonen und z. B. Menschen der Art nach scharf zu unterscheiden wären, möchte sich so leicht nicht ergeben. Alle Unterscheidungen würden nur relativ ausfallen.

Es bliebe uns demnach keine für die Philosophie taugliche scharfe Bestimmung übrig, als die, daß in der Bekanntmachung überhaupt jeder freie Geist, sey er endlich oder unendlich, in der Offenbarung aber der Unendliche Bekanntmachender sey: eine Bedeutung, für welche man auch im gemeinen Sprachgebrauche die Wörter: Offenbarung, offenbaren, u. s. f. aufsparen möchte.

Die Bestimmungen der Bekanntmachung überhaupt bleiben auch dem Offenbarungsbegriffe; mithin werden durch die dritte und vierte Folgerung, alle durch Betrachtung der Sinnenwelt, als deren Urgrund wir Gott ansehen müssen, mögliche Belehrungen, und Erkenntnisse aus dem Begriffe der Offenbarung ausgeschlossen. Es wird uns durch diese Betrachtung nichts bekannt gemacht, sondern wir erkennen selbst, oder meinen vielmehr daraus zu erkennen, was wir selbst erst unvermerkt hineintrugen. Nemlich wir betrachten die Erscheinungen in der Sinnenwelt theils als Zwecke an sich, theils als Mittel zu ganz andern Zwecken, als zu dem, einer möglichen Belehrung, Insofern zwar dadurch auch zugleich eine Erkenntniß, und insbesondre eine Erkenntniß Gottes, unsrer Abhängigkeit von ihm, und unsrer hieraus folgenden Pflichten möglich wäre — insofern, weil sie möglich wäre, der Begriff von einer solchen Erkenntniß in Gott versetzt, und ihm als Absicht bei der Weltschöpfung untergelegt werden könnte, dürfte man einen Augenblick glauben, das ganze System der Erscheinungen lasse sich als Offenbarung ansehen. Aber, hier davon noch abgesehen, daß eine solche Erkenntniß des Übersinnlichen von der Sinnenwelt aus ganz unmöglich ist, und daß wir erst unvermerkt die auf einem ganz ändern Wege gegebnen geistigen Begriffe in die Sinnenwelt hineintragen, die wir dann in ihr gefunden zu haben glauben — so wäre eine solche Absicht Gottes doch nicht als die letzte, mithin nicht als Endzweck der Schöpfung anzuerkennen. Erkenntniß ist unfähig Endzweck zu seyn: denn immer bleibt noch die Frage zu beantworten: warum soll ich denn nun Gott erkennen? Erkenntniß wäre nur Mittel zu einem hohem Zwecke, mithin nicht letzte Absicht der Weltschöpfung, und zwischen letzterer und der dabei beabsichtigt seyn sollenden Erkenntniß fiele das Verhältniß des Grundes zur Folge weg. — Ferner ist es auch in jenem System gar nicht nothwendig, durch die Betrachtung des Weltgebäudes jene Erkenntnisse zu erhalten; die Erfahrung lehrt, daß sehr viele es nach ganz ändern Gesetzen beurtheilen, mithin fällt auch das Verhältniß der Ursache zur Wirkung weg, und die Schöpfung ist keine Offenbarung.

Offenbarung ist, insoweit wir vor jetzt den Begriff bestimmt haben, eine Wahrnehmung, die von Gott, gemäß dem Begriffe irgend einer dadurch zu gebenden Belehrung,(was auch immer ihr Stoff seyn möge) als Zwecke derselben, in uns bewirkt wird. — Man hat dies letztere Verhältniß, um welches es hier eigentlich zu thun ist, auch durch das Wort unmittelbar bezeichnet; und wenn man damit nur nicht sagen will: unsere Wahrnehmung solle in der Reihe der wirkenden Ursachen zunächst auf die Handlung Gottes folgen, sie solle schlechthin B seyn, als worauf es hier gar nicht ankommt, (wenn nur die Handlung Gottes auch in dieser Reihe schlechthin A ist, so mögen zwischen ihr und unsrer Wahrnehmung der Mittelglieder so viele seyn, als ihrer wollen;) sondern nur so viel: der Begriff Gottes von der zu gebenden Belehrung solle in der Reihe der Endursachen A, und unsere Belehrung solle B seyn, so ist dies ganz richtig.

Über die logische Möglichkeit dieses Begriffs kann kein Zweifel entstehen; denn wenn seine Bestimmungen sich widersprächen, so würde dieser Widerspruch sich bald entdeckt haben. Die physische Möglichkeit desselben gründet sich auf das Postulat des Sittengesetzes, daß ein freies, intelligentes Wesen einem Begriffe vom Zwecke gemäß Ursache in der Sinnenwelt seyn könne; welches wir für Gott, um der Möglichkeit eines praktischen Gesetzes in sinnlichen Wesen willen, annehmen mußten.

In der Anwendung dieses Begriffs auf ein Faktum aber thun sich große Schwierigkeiten hervor. — Wenn nemlich blos davon die Rede wäre, daß eine gewisse Wahrnehmung, und eine dabei beabsichtigte Erkenntniß in uns wirklich würde, ohne dass wir nöthig hätten auf den Grund der Erscheinung zurückzugehen, so wäre unsre Untersuchung jetzt geschlossen. Wir hätten blos auf die Materie einer Offenbarung zu sehen, die wir uns ruhig geben liessen. Aber es ist von der Materie am allerwenigsten, sondern ganz vorzüglich von der Form der Offenbarung die Rede: es soll uns nicht etwa nur überhaupt etwas bekannt gemacht werden, sondern dieses etwas wird vorzüglich nur dadurch bekannt, daß wir es für offenbart anerkennen. Gott soll uns eine Erkenntniß mittheilen, die nur dadurch Erkenntniß wird, weil der Mittheilende kein andrer ist, als Gott. — Dies kommt daher, weil der Glaube an jede Bekanntmachung, der Natur dieses Begriffs nach, sich auf nichts anders, als die Autorität des Bekanntmachenden gründen kann, wie oben gezeigt worden.

Die wichtigere Frage also, die noch zu beantworten ist, ist die: wie sollen wir erkennen, daß Gott, gemäß einem Begriffe vom Zwecke, eine gewisse Wahrnehmung in uns bewirkt habe?

Man dürfte etwa einen Augenblick meinen, das könne Stoff der durch die Wahrnehmung hervorgebrachten Vorstellung seyn; wenn z. B. jemand eine Erscheinung hätte, die sich ihm als Gott ankündigte, und als solcher, ihn über manches belehrte. Aber davon ist eben die Frage, wie er erkennen solle, daß diese Erscheinung wirklich durch Gott gewirkt sey; dass weder er selbst sich, noch ein anderes Wesen ihn täusche; die Frage ist von einer Kausal Verbindung, und diese werden nicht wahrgenommen, es wird auf sie geschlossen[16].

Ein solcher Schluß könnte vorläufig auf zweierlei Art möglich scheinen; nemlich entweder a posteriori, durch das Aufsteigen von der gegebener Wahrnehmung als Wirkung, zu ihrer Ursache; oder a priori, durch das Herabsteigen von der bekannten Ursache zur Wirkung. Wir untersuchen die Möglichkeit des erstem Schlusses, den man sich für die Theologie noch immer nicht will rauben lassen, ohne erachtet alles mögliche geschehen ist, um seine Unrichtigkeit in die Augen springend zu machen.

Es giebt zwei Wege, um von einer Wahrnehmung zur Erkenntniß ihrer, als solcher, nicht wahrgenommenen Ursache aufzusteigen; nemlich entweder in der Reihe der wirkenden, oder der, der Endursachen. Im ersten Falle bestimme ich den Begriff der Ursache durch die wahrgenommene Wirkung. Es wird z. B. eine Last fortgerückt. Ich wende auf diese Wahrnehmung die Gesetze der Bewegung an, und schließe: die Ursache sey eine physische Kraft, im Räume, wirke mit so oder so viel Kraft; u. s. w. Die Wahrnehmung, die mich a posteriori auf den Begriff der Offenbarung bringen soll, muss nach physischen Gesetzen nicht erklärbar seyn, sonst würde ich ihre Ursache auf dem Gebiete dieser Gesetze suchen, und finden, und nicht nöthig haben, sie in den freien Urgrund aller Gesetze überzutragen. Das einzige vernunftmäßige Prädikat dieser Ursache ist also subjektiv und negativ: sie ist mir unbestimmbar — ein Prädikat, wozu mich das Nichtbewußtseyn meines Bestimmens derselben vollkommen berechtigt. Indem ich aber dieses subjektiv unbestimmbare A. sofort, und ohne allen weitern Grund (und es läßt sich kein andrer angeben, als das Nichtbewußtseyn meines Bestimmens) zum absolut- und objektiv-unbestimmbaren A. mache, so folge ich freilich dem Hange meines Geistes, sobald sich's thun läßt, zum schlechthin unbedingten fortzuschreiten; aber die Unrechtmäßigkeit dieses Verfahrens sollte doch wohl jetzt keiner weitern Rüge bedürfen. — Wir sind freilich genöthiget, überhaupt ein absolut erstes Glied in der Reihe anzunehmen; aber bei keinem bestimmten Gliede dürfen wir sagen: dies ist das erste. Denn die Reihe (ich rede von der der wirkenden Ursachen) ist unendlich, und unser Aufsteigen in ihr ist nie vollendet. Vollenden wir sie irgendwo, so nehmen wir ein unendliches an, welches endlich ist; und das — ist ein Widerspruch.

Was wir in der Reihe der wirkenden Ursachen nicht können, laßt uns in der der Endursachen versuchen.

Wir machen eine Wahrnehmung, und auf sie zunächst in der Zeit folgt die Wahrnehmung einer Erkenntniß in uns, die wir vorher in uns nicht wahrgenommen haben. Wir sind durch die Gesetze des Denkens genöthiget, beide Wahrnehmungen in Kausalverbindung zu denken: die erstere ist Ursache der zweiten, als ihrer Wirkung. Nun wollen wir auch umgekehrt die Erkenntniß als Ursache der sie selbst verursachenden Wahrnehmung denken, d. i. wir wollen annehmen, dass diese Wahrnehmung nur durch den Begriff von der verursachten Erkenntniß, möglich gewesen. Sind wir zu dieser Annahme nicht durch Nothwendigkeit getrieben, so nehmen wir etwas ganz willkührlich, und ohne Grund an; — wir meinen nur so. — Nothwendigkeit (ob subjektive, oder objektive wird sich gleich zeigen) treibt uns zu dieser Annahme nur dann, wenn die Wahrnehmung und die dadurch ertheilte Belehrung sich verhalten, wie Theile, und Ganzes, und wenn weder ein Theil ohne das Ganze, noch das Ganze ohne alle Theile denkbar ist. Ein solches Verhältniß ist nicht nur an sich möglich, sondern auch in vielen Fällen der untersuchten Art wirklich. Ich muß dann mir beide Dinge in Zweckverbindung denken; ich kann die Wahrnehmung nicht erklären, wenn ich nicht den Begriff der dadurch entstandenen Erkenntniß, die in der Zeitreihe, mithin in der Reihe meiner Empfindungen folgt, in der Reihe meiner Beurtheilungen, die durch Spontaneität geleitet wird, vorher setze. Bis dahin habe ich ganz recht. Nun aber trage ich das subjektive Gesetz der Möglichkeit meiner Beurtheilung auf die Möglichkeit des Dinges an sich über, und schließe: weil ich mir den Begriff der Wirkung vor der Ursache vorher denken muß, so musste er auch vorher in irgend einem intelligenten Wesen seyn: ein Schluß, zu dem der Hang, alles Subjektive für objektiv-gültig anzunehmen, mich zwar verleitet, aber nicht berechtiget. Auf eine solche offenbar erschlichene Schlußfolge läßt sich keine vernünftige Überzeugung gründen.

Aber, gesetzt wir ließen euch diesen Schluß gelten, so hättet ihr nun zwar allerdings Grund, ein freies intelligentes Wesen, als Ursache der untersuchten Erscheinung anzunehmen, für welches das in der Reihe der wirkenden Ursachen euch unbestimmbare A bestimmbar wäre; und das kann der erste beste Mensch seyn, der ein wenig mehr weiß, als ihr: aber was berechtigt euch denn eben das unendliche Wesen dafür anzunehmen? Was ich nicht einsehen kann, kann nur der unendliche Verstand einsehen: — dieser Schluß ist vermessen, wenn je einer es war. Weit bescheidner, und konsequenter urtheilten die heidnischen Theologen, die für Ursache unerklärbarer Erscheinungen schlechthin Dämonen, nicht eben den unendlichen Geist annahmen; und unter uns das Volk, das sie für Wirkungen der Zauberer, Gespenster, und Kobolde erklärt.

A posteriori ist es also schlechthin unmöglich, eine Erscheinung für Offenbarung theoretisch anzuerkennen.

Eben so unmöglich ist ein theoretischer Beweis a priori. Man hat nur die Erfordernisse eines solchen Beweises zu nennen, um seine Unmöglichkeit und seine Widersprüche zu zeigen. Es müßte nemlich aus dem durch theoretische Naturphilosophie a priori gegebnen Begriffe von Gott die Nothwendigkeit gezeigt werden, daß in Gott der Begriff einer gewissen empirisch-bestimmten Offenbarung, und der Entschluß, ihn darzustellen, vorhanden sey.

Wir müssen, demnach die Möglichkeit, von der Seite der Form in diesen Begriff einzudringen, und, wenn sich kein andrer Weg zeigen sollte, die reale Möglichkeit des Begriffes selbst aufgeben. — Aber wir kamen oben, von der Seite seiner Materie, von dem Begriffe der Religion aus, auf ihn. Wir haben also noch vermittelst einer materialen Erörterung zu versuchen, was uns durch eine formale nicht gelang.

Durch die gezeigte Unhaltbarkeit dieses Begriffs von Seiten seiner Form, wird zugleich alles, was nicht Religion betrifft, von welcher allein er noch seine Bestätigung erwartet, aus seinem Umfange ausgeschlossen, da zuvor über den möglichen Inhalt einer Offenbarung nichts zu bestimmen war. Wir fügen also diesem Begriffe noch das Merkmal hinzu, daß das in einer Offenbarung bekannt gemachte religiösen Inhalts seyn müsse, und hiermit ist denn die Bestimmung dieses Begriffs vollendet.

 

§. 6[TN7].

Materiale Erörterung des Offenbarungsbegriffs, als Vorbereitung einer Deduktion desselben.

Alle religiösen Begriffe lassen sich nur a priori von den Postulaten der praktischen Vernunft ableiten, wie oben §. 3. durch die wirkliche Deduktion derselben gezeigt worden. Da nun der Offenbarungsbegriff eine gewisse Form solcher Begriffe zum Gegenstande haben soll, und nicht von Seiten seiner Form, (nemlich als Begriff) mithin, wenn seine reale Möglichkeit sich soll sichern lassen, nur von Seiten seines Inhalte deducirt werden kann, so haben wie seinen Ursprung im Felde der reinen praktischen Vernunft aufzusuchen. Er muß sich a priori von Ideen dieser Vernunft deduciren lassen, wenn auch nicht ohne Voraussetzung aller Erfahrung, dennoch blos mit Voraussetzung einer Erfahrung überhaupt, und zwar ohne etwas von ihr entlehnt oder gelernt zu haben, sondern um einer gewissen Erfahrung — die aber nicht als Erfahrung nach theoretischen, sondern als Moment der Willensbestimmung nach praktischen Gesetzen beurtheilt wird, und bei der es nicht um die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der gemachten Beobachtung, sondern um ihre praktischen Folgen zu thun ist — selbst das Gesetz nach praktischen Grundsätzen vorzuschreiben. Es ist hier nicht wie im Felde der Naturbegriffe, wo wir bei Deduktion, eines Begriffs a priori, zeigen können und müssen, daß ohne ihn entweder Erfahrung überhaupt, wenn er rein ist, oder eine gewisse bestimmte Erfahrung, wenn er nicht rein ist, gar nicht möglich sey: sondern, da wir im Felde der Vernunft sind, können und dürfen wir nur zeigen, daß ohne den Ursprung eines gewissen Begriffs a priori keine vernunftmäßige Anerkennung einer gewissen Erfahrung für das, für was sie sich giebt, möglich sey. Dies ist hier um so nöthiger, da dieser Begriff von einem Wege aus, der in dieser Rücksicht schon verdächtig ist, uns wer weiß welche Erkenntnisse im Felde des Übersinnlichen verspricht, und aller Schwärmerei Thor und Thüre zu öffnen droht, wenn er nicht a priori ist, und wir ihm also Gesetze vorschreiben können, an welche wir alle seine a posteriori möglichen Anmaaßungen halten, und sie nach denselben beschränken können. Es muß also gezeigt werden, daß dieser Begriff vernunftmäßig nur a priori möglich sey, und daß er also die Gesetze des Princips, durch welches es möglich ist, anerkennen müsse; oder, wenn er das nicht sey, und seine Befugnisse gänzlich und allein a posteriori zu erweisen Anspruch mache, gänzlich falsch und erschlichen sey, und daß von dieser Untersuchung sein ganzes Schicksal abhange. Sie ist also der Hauptpunkt dieser Kritik.

Gesetzt nun aber auch, die Möglichkeit seines Ursprungs a priori, als einer Vernunftidee, ließe sich durch eine Deduktion darthun; so bliebe immer noch auszumachen, ob er a priori gegeben, oder gemacht, und erkünstelt sey; und wir gestehen, daß der sonderbare Weg, den er aus der Ideen — in die Sinnenwelt, und aus dieser wieder in jene nimmt, ihn des letztem wenigstens sehr verdächtig mache. Sollte sich dies bestätigen, so gäbe es freilich vor's erste kein gutes Vorurtheil für ihn; da es schon bekannt ist, daß die Vernunft im Felde des Übersinnlichen zwar in's Unermeßliche schwärmen, und dichten; aber daraus, daß es ihr möglich war sich etwas zu denken, noch nicht einmal die Möglichkeit folgern könne, daß dieser Idee überhaupt etwas entspreche. Es bleibt aber doch noch ein Weg übrig, diese Idee aus den leeren Träumen der Vernunft herauszuheben, wenn sich nemlich in der Erfahrung, und zwar — da hier von einem praktischen Begriffe die Rede ist, — ein empirisch gegebnes praktisches Bedürfniß zeigt, welches jenen Begriff, der a priori freilich nicht gegeben war, a posteriori, zwar nicht giebt aber doch berechtiget. Diese Erfahrung ergänzt dann, was zur Rechtmäßigkeit dieses Begriffs a priori fehlte; sie liefert das vermißte Datum. Daraus nun folgt noch nicht, daß der Begriff selbst a posteriori sey, sondern nur, daß sich a priori nicht zeigen lasse, ob er nicht überhaupt ganz leer sey.

Diese Einschränkung bestimmt denn auch die wahre Beschaffenheit der Deduktion dieses Begriffs a priori. Es soll nemlich durch dieselbe nicht dargethan werden, daß er wirklich a priori da sey, sondern nur, daß er a priori möglich sey; nicht daß jede Vernunft ihn nothwendig a priori haben müsse, sondern daß sie ihn, wenn ihre Ideenreihe ohngefähr nach dieser Richtung hingeht, haben könne. Das erstere wäre nur möglich, wenn ein Datum der reinen Vernunft a priori angezeigt werden könnte, wie z. B. bei der Idee von Gott, vom absoluten Weltganzen, u. s. w. die nothwendige Aufgabe der Vernunft war, zu allem Bedingten das schlechthin Unbedingte zu suchen, welches die Vernunft nöthigte, auf diesen Begriff zu kommen. Da aber ein solches Datum a priori sich nicht vorfindet, so darf und kann die Deduktion desselben nur seine Möglichkeit als Idee, und insofern er das ist, zeigen. — Keine historische[17] Deduktion also der Entstehung dieses Begriffs unter der Menschheit, welche es auch noch so wahrscheinlich machte, daß er zuerst durch wirkliche Fakta in der Sinnenwelt, die man aus Unwissenheit übernatürlichen Ursachen zugeschrieben, oder durch geflissentlichen Betrug, entstanden sey; selbst kein unwiderlegbarer Beweis, daß keine Vernunft ohne jenes empirisch gegebne Bedürfniß je auf diese Idee gekommen seyn würde, wenn ein solcher möglich wäre, würde dieser Deduktion widersprechen. Denn im ersten Falle wäre der Begriff in concreto freilich ganz unrechtmäßig entstanden, welches aber der Möglichkeit, sich einen rechtmäßigen Ursprung desselben in abstracto zu denken, nicht den geringsten Eintrag thun kann: im zweiten wäre jenes empirische Datum zwar die Gelegenheitsursache gewesen, auf ihn zu kommen; wenn er aber durch den Inhalt der gemachten Erfahrung nur nicht bestimmt ist, (und eine Deduktion a priori muß die Unmöglichkeit hiervon zeigen) so wäre sie nicht sein Princip gewesen. Ein andres ist die Gültigkeit dieses Begriffs, d. i. ob sich vernünftiger Weise annehmen lasse, daß ihm etwas außer uns korrespondiren werde; diese kann freilich nur empirisch deducirt werden, und erstreckt sich mithin nicht weiter, als das Datum gilt, aus dem sie deducirt wird. Laßt uns dies durch ein Beispiel erläutern. — Der Begriff eines bösen Grundprincips neben einem guten ist offenbar ein Begriff a priori, denn er kann in keiner Erfahrung gegeben seyn; und zwar eine Vernunftidee; und sie muß sich mithin, ihrer Möglichkeit nach, deduciren lassen, wenn sie nicht etwa den Vernunftprincipien gar widerspricht. Diese Idee ist aber a priori nicht gegeben, sondern gemacht, denn es läßt sich kein Datum der reinen Vernunft für sie anführen. In der Erfahrung aber kommen mehrere Data vor, welche diesen Begriff zu berechtigen scheinen, und welche die Gelegenheitsursachen seiner Entstehung gewesen seyn können. Wenn nun nur diese Data ihn wirklich berechtigten; wenn man ihn nur für ein praktisches, wenn gleich empirisch-bedingtes Bedürfniß, und nicht lediglich zur theoretischen Naturerklärung hätte brauchen wollen; wenn er nur endlich der praktischen Vernunft nicht gar widerspräche: so hätte man ihn, ohngeachtet seine Gültigkeit sich nur auf empirische Data beruft, wenigstens für eine Idee, der etwas entsprechen könnte, wol annehmen dürfen.

Durch die erstere Deduktion der Möglichkeit des Begriffs der Offenbarung a priori scheint nun nicht viel ausgerichtet zu werden, und es ist nicht zu leugnen, daß sie eine sehr leere und unnütze Bemühung seyn würde, wenn nicht gezeigt werden könnte, daß dieser Begriff, wenn er nicht a priori möglich ist, überhaupt nicht vernunftmäßig ist. Folglich hängt sein ganzer Werth von dieser Deduktion ab.

 

§. 7.

Deduktion des Begriffs der Offenbarung von Principien der reinen Vernunft a priori.

Wenn endliche moralische Wesen, d. i. solche Wesen, welche außer dem Moralgesetze noch unter Naturgesetzen stehen, als gegeben gedacht werden; so läßt sich, da das Moralgesetz nicht blos in demjenigen Theile dieser Wesen, der unmittelbar und allein unter desselben Gesetzgebung steht, (ihrem obern Begehrungsvermögen) sondern auch in demjenigen, der zunächst unter den Naturgesetzen steht, seine Kausalität ausüben soll, vermuthen, daß die Wirkungen dieser beiden Kausalitäten, deren Gesetze gegenseitig ganz unabhängig von einander sind, auf die Willensbestimmung solcher Wesen, in Widerstreit gerathen werden. Dieser Widerstreit des Naturgesetzes gegen das Sittengesetz kann nach Maaßgabe der besondern Beschaffenheit ihrer sinnlichen Natur der Stärke nach sehr verschieden seyn, und es läßt sich ein Grad dieser Stärke denken, bei welchem das Sittengesetz seine Kausalität in ihrer sinnlichen Natur entweder auf immer, oder nur in gewissen Fällen, gänzlich verliert. Sollen nun solche Wesen in diesem Falle der Moralität nicht gänzlich unfähig werden, so muß ihre sinnliche Natur selbst, durch sinnliche Antriebe bestimmt werden, sich durch das Moralgesetz bestimmen zu lassen. Soll dies kein Widerspruch seyn — und es ist an sich allerdings einer, sinnliche Antriebe als Bestimmungsgründe reiner Moralität gebrauchen zu wollen — so kann es nichts anders heißen, als daß rein moralische Antriebe auf dem Wege der Sinne an sie gebracht werden sollen. Der einzige rein moralische Antrieb ist die innere Heiligkeit des Rechts. Diese ist durch ein Postulat der reinen praktischen Vernunft in Gott in concreto, (folglich der Sinnlichkeit zugänglich) und er selbst als moralischer Richter aller vernünftigen Wesen nach diesem ihm durch seine Vernunft gegebnen Gesetze, mithin als Gesetzgeber jener Wesen, dargestellt worden. Diese Idee vom Willen des Heiligsten als Sittengesetze für alle moralische Wesen ist nun von der einen Seite völlig identisch mit dem Begriffe der innern Heiligkeit des Rechts, folglich jener einige rein moralische Antrieb, und von der andern des Vehikulums der Sinne fähig. Sie allein also entspricht der zu lösenden Aufgabe. Nun aber ist kein Wesen fähig, diese Idee auf dem Wege der sinnlichen Natur an sie gelangen zu lassen, oder, wenn sie schon in ihnen mit Bewußtseyn vorhanden ist, sie auf demselben zu bestätigen, als ein Gesetzgeber dieser Natur, welches denn auch, laut der Postulate der praktischen Vernunft, jener moralische Gesetzgeber endlicher vernünftiger Wesen ist. Gott selbst also müßte ihnen sich und seinen Willen als gesetzlich für sie, in der Sinnenwelt ankündigen. Nun aber ist in der Sinnenwelt überhaupt so wenig eine Ankündigung der gesetzgebenden Heiligkeit enthalten, daß wir vielmehr von ihr aus durch die auf sie anwendbaren Begriffe auf gar nichts Übernatürliches schließen können; und ob wir gleich durch Verbindung des Begriffs der Freiheit mit diesen Begriffen, und den dadurch möglichen Begriff eines moralischen Endzwecks der Welt auf diese Gesetzgebung schließen können (§. 4.), so setzt doch dieser Schluß schon eine Kausalität des Moralgesetzes in dem so schließenden Subjekte voraus, die nicht nur das völlige, nur nach Naturgesetzen mögliche Bewußtseyn seines Gebots, sondern auch den festen Willen, die Wirksamkeit desselben in sich durch freie Aufsuchung und Gebrauch jedes Mittels zu vermehren, bewirkt hat, welche aber in den vorausgesetzten sinnlich-bedingten Wesen nicht angenommen worden ist. Gott müsste sich also durch eine besondre ausdrücklich dazu und für sie bestimmte Erscheinung in der Sinnenwelt ihnen als Gesetzgeber ankündigen. Da Gott durch das Moralgesetz bestimmt ist, die höchstmögliche Moralität in allen vernünftigen Wesen durch alle moralische Mittel zu befördern, so läßt sich erwarten, dass er, wenn dergleichen Wesen wirklich vorhanden seyn sollten, sich dieses Mittels bedienen werde, wenn es physisch möglich ist[18].

Diese Deduktion leistet, was sie versprochen. Der deducirte Begriff ist wirklich der Begriff der Offenbarung, d. i. der Begriff von einer durch die Kausalität Gottes in der Sinnenwelt bewirkten Erscheinung, wodurch er sich als moralischen Gesetzgeber ankündigt. Er ist aus lauter Begriffen a priori der reinen praktischen Vernunft deducirt; aus der schlechthin und ohne alle Bedingung geforderten Kausalität des Moralgesetzes in allen vernünftigen Wesen, aus dem einzig reinen Motiv dieser Kausalität, der innern Heiligkeit des Rechts, aus dem für die Möglichkeit der geforderten Kausalität als real anzunehmenden Begriffe Gottes, und seiner Bestimmungen. Aus dieser Deduktion ergiebt sich unmittelbar die Befugniß, jede angebliche Offenbarung, d. i. jede Erscheinung in der Sinnenwelt, welche diesem Begriffe als korrespondirend gedacht werden soll, einer Kritik der Vernunft zu unterwerfen. Denn wenn es schlechterdings nicht möglich ist, den Begriff derselben a posteriori durch die gegebne Erscheinung zu bekommen, sondern er selbst, als Begriff, a priori da ist, und nur eine ihm entsprechende Erscheinung erwartet, so ist es offenbar Sache der Vernunft, zu entscheiden, ob diese gegebne Erscheinung mit ihrem Begriffe von derselben übereinkomme, oder nicht; und sie erwartet demnach von ihr so wenig das Gesetz, daß sie vielmehr es ihr selbst vorschreibt. Aus ihr müssen sich ferner alle Bedingungen ergeben, unter denen eine Erscheinung als göttliche Offenbarung angenommen werden kann: nemlich, sie kann es nur insofern, als sie mit diesem deducirten Begriffe übereinstimmt. Diese Bedingungen nennen wir Kriterien der Göttlichkeit einer Offenbarung. Alles also, was als ein dergleichen Kriterium aufgestellt wird, muß sich aus dieser Deduktion ableiten lassen, und alles was sich aus ihr ableiten läßt, ist ein dergleichen Kriterium.

Sie leistet aber auch nicht mehr, als sie versprochen. Der zu deducirende Begriff wurde blos als eine Idee angekündigt; sie hat mithin keine objektive Gültigkeit desselben zu erweisen, mit welchem Erweise sie auch nicht sonderlich fortkommen dürfte. Alles was von ihr gefordert wird, ist, zu zeigen, daß der zu deducirende Begriff weder sich selbst, noch einem der vorauszusetzenden Principien widerspreche. Er kündigte sich ferner nicht als gegeben, sondern als gemacht an, (conceptus non datus, sed ratiocinatus) sie hat mithin kein Datum der reinen Vernunft aufzuzeigen, wodurch er uns gegeben würde, welches sie zu leisten auch nicht vorgegeben hat. Aus diesen beiden Bestimmungen ergiebt sich denn vorläufig die Folge, daß, wenn auch eine Erscheinung in der Sinnenwelt gegeben seyn sollte, welche mit ihm vollkommen übereinstimmte (eine Offenbarung, welche alle Kriterien der Göttlichkeit hätte), dennoch weder eine objektive, noch selbst für alle vernünftige Wesen subjektive Gültigkeit dieser Erscheinung behauptet werden könnte, sondern die wirkliche Annehmung derselben, als einer solchen, noch unter andern Bedingungen stehen müßte. Das von der reinen Vernunft aus vermißte, nur in der Erfahrung mögliche Datum zu diesem Begriffe, daß nemlich moralische Wesen gegeben seyen, welche ohne Offenbarung der Moralität unfähig seyn würden, wird als Hypothese vorausgesetzt, und eine Deduktion des Offenbarungsbegriffs hat nicht die Wirklichkeit desselben darzuthun, welches sie ohnehin als Deduktion a priori für ein empirisches Datum nicht leisten könnte, sondern es ist für sie völlig hinreichend, wenn diese Voraussetzung sich nur nicht widerspricht, und demnach nur vollkommen denkbar ist. Aber eben darum, weil dieses Datum erst von der Erfahrung erwartet wird, ist dieser Begriff nicht rein a priori. Die physische Möglichkeit einer diesem Begriffe entsprechenden Erscheinung kann eine Deduktion desselben, die nur aus Principien der praktischen, nicht der theoretischen Vernunft geführt wird, nicht erweisen, sondern muß sie voraussetzen. Ihre moralische Möglichkeit wird zur Möglichkeit ihres Begriffs schlechterdings erfordert, und folgt im Allgemeinen aus der Möglichkeit obiger Deduktion. Ob aber eine in concreto gegebne Offenbarung dieser Erfordernis nicht widerspreche, ist das Geschäft einer angewandten Kritik dieser gegebnen Offenbarung; und unter welchen Bedingungen sie ihr nicht widerspreche, das Geschäft einer Kritik des Offenbarungsbegriffs überhaupt.

Aus allem bis jetzt gesagten ergiebt sich nun auch, welchen Weg unsre Untersuchung weiter zu nehmen habe. Die Möglichkeit dieses Begriffs, insofern er das ist, d. i. seine Gedenkbarkeit, ist gezeigt. Ob er aber nicht etwa überhaupt leer sey, oder ob etwas ihm korrespondirendes sich vernünftiger Weise erwarten lasse, hängt von der empirischen Möglichkeit (nicht der bloßen Gedenkbarkeit) des in ihm als Bedingung vorausgesetzten empirischen Datums ab. Diese also ist es, welche vor allen Dingen dargethan werden muß. Eine Kritik aller Offenbarung überhaupt hat aber in Rüchsicht[TN8] dieses Datums auch weiter nichts darzuthun, als seine absolute Möglichkeit; da hingegen die Kritik einer angeblichen Offenbarung in concreto die bestimmte Wirklichkeit des vorausgesetzten empirischen Bedürfnisses zu zeigen hätte, wie erst weiter unten bewiesen werden kann.

Daß eine durch Freiheit einem Begriffe vom Zwecke gemäß bewirkte Erscheinung in der Sinnenwelt überhaupt, folglich auch eine Offenbarung sich als physisch möglich denken lasse, bedarf keines Beweises, indem es zum Behufe der Möglichkeit der schlechthin geforderten Kausalität des Moralgesetzes auf die Sinnenwelt schon angenommen worden ist. Dennoch werden wir zur Erläuterung, nicht zum Beweise, und wegen einiger daraus herfließender wichtigen Folgen auf Berichtigung des Offenbarungsbegriffs, einige Untersuchungen über diese physische Möglichkeit anstellen.

Beym Schlusse dieser beiden Untersuchungen muß es völlig klar seyn, ob sich vernünftiger Weise etwas dem Offenbarungsbegriffe korrespondirendes überhaupt erwarten lasse, oder nicht. Zum Behufe der Möglichkeit aber, diesen Begriff auf eine besondre in concreto gegebne Erscheinung anzuwenden, bedarf es noch einer genauem Zergliederung des Offenbarungsbegriffs selbst, welcher angewendet werden soll. Die Bedingungen, unter welchen eine solche Anwendung möglich ist, müssen alle im Begriffe liegen, und sich durch eine Analysis desselben aus ihm entwickeln lassen. Sie heißen Kriterien. Unser nächstes Geschäft nach jenen Untersuchungen wird also das seyn, diese Kriterien aufzustellen, und zu beweisen.

Hiedurch wird nun nicht nur die Möglichkeit, für diesen Begriff überhaupt etwas ihm korrespondirendes zu erwarten, sondern auch die, ihn auf eine wirklich gegebne Erscheinung anzuwenden, völlig gesichert. Wenn aber eine solche Anwendung gleich völlig möglich ist, so läßt sich doch daraus noch kein Grund erkennen, warum wir sie wirklich machen sollten. Nur nach Aufzeigung eines solchen Grundes also ist die Kritik aller Offenbarung geschlossen.

§. 8.

Von der Möglichkeit des im Begriffe der Offenbarung vorausgesetzten empirischen Datum.

Die in der Deduktion des Begriffs der Offenbarung von praktischen Vernunftprincipien a priori vorausgesetzte Erfahrung ist die: es könne moralische Wesen geben, in welchen das Moralgesetz seine Kausalität für immer, oder nur in gewissen Fällen verliere. Das Moralgesetz fordert eine Kausalität auf das obere Begehrungsvermögen um die Bestimmung des Willens; es fordert vermittelst jenes eine auf das untere, um die völlige Freiheit des moralischen Subjekts vom Zwange der Naturtriebe hervorzubringen. Ist die erstere Art der Kausalität aufgehoben, so fehlt der Wille, überhaupt ein Gesetz anzuerkennen, und ihm Gehorsam zu leisten; ist nur die zweite gehindert, so ist bei allem guten Willen der Mensch zu schwach, das Gute, das er will, wirklich auszuüben. Dieser Hypothese empirische Möglichkeit soll bewiesen werden, d. h. es soll, nicht aus der Einrichtung der menschlichen Natur überhaupt, insofern sie allgemein und a priori zu erkennen ist, sondern aus ihren empirischen Bestimmungen gezeigt werden, daß es möglich, und wahrscheinlich sey, daß das Sittengesetz seine Kausalität in ihnen verlieren könne; wodurch denn die Frage beantwortet wird: Warum war eine Offenbarung nöthig, und warum konnten die Menschen sich nicht mit der Naturreligion allein behelfen? Die Ursachen davon können nicht in der Einrichtung der menschlichen Natur überhaupt, insofern sie a priori zu erkennen ist, liegen; denn sonst müßten wir das Bedürfniß einer Offenbarung schon a priori zeigen können, es müßte sich ein Datum der reinen Vernunft dafür anführen lassen, und der Begriff von ihr wäre ein gegebner: sondern in zufälligen Bestimmungen derselben. Um aber die völlige Einsicht in die Grenzen, innerhalb welcher Vernunftreligion zulänglich ist, innerhalb welcher Naturreligion eintritt, und wo endlich geoffenbarte nöthig wird, zu eröffnen, wird es sehr dienlich seyn, das Verhältniß der menschlichen Natur zur Religion, sowohl überhaupt, als ihren besondern Bestimmungen nach, zu untersuchen.

Der Mensch steht, als Theil der Sinnenwelt, unter Naturgesetzen. Er ist in Absicht seines Erkenntnißvermögens genöthigt, von Anschauungen, die unter den Gesetzen der Sinnlichkeit stehen, zu Begriffen fortzugehen; und in Absicht des untern Begehrungsvermögens sich durch sinnliche Antriebe bestimmen zu lassen. Als Wesen einer übersinnlichen Welt aber, seiner vernünftigen Natur nach, wird sein oberes Begehrungsvermögen, durch ein ganz anderes Gesetz bestimmt, und dieses Gesetz eröffnet durch seine Anforderungen ihm Aussichten auf Erkenntnisse, die weder unter den Bedingungen der Anschauung, noch unter denen der Begriffe stehen. Da aber sein Erkenntnißvermögen schlechterdings an jene Bedingungen gebunden ist, und er ohne sie sich gar nichts denken kann, so ist er genöthigt auch diese Gegenstände einer übernatürlichen Welt unter jene Bedingungen zu setzen, ob er gleich erkennt, daß eine solche Vorstellungsart nur subjektiv, nicht objektiv gültig sey, und daß sie ihn weder zu theoretischen, noch praktischen Folgerungen berechtige. Sein unteres, durch sinnliche Antriebe bestimmbares Begehrungsvermögen ist dem obern untergeordnet, und es soll nie seinen Willen bestimmen, wo die Pflicht redet. Dies ist wesentliche Einrichtung der menschlichen Natur. So soll der Mensch seyn, und so kann er auch seyn, denn alles, was ihn verhindert, so zu seyn, ist seiner Natur nicht wesentlich, sondern zufällig, und kann also nicht nur weggedacht werden, sondern auch wirklich weg seyn. In welchem Verhältnisse steht er nun in diesem Zustande gegen die Religion? bedarf er ihrer? welcher? und wozu?

Die nächste Folge dieser ursprünglichen Einrichtung der menschlichen Natur ist die, daß ihm das Moralgesetz als Gebot, und nicht als Aussage erscheint, daß es zu ihm von Sollen redet, und nicht von Seyn; daß er sich bewußt ist, auch anders, als dieses Gesetz befiehlt, handeln zu können; daß er folglich, seiner Vorstellung nach, einen Werth, und ein Verdienst erhält, wenn er so handelt. Dieser Werth, den er sich selbst giebt, berechtigt ihn, die demselben angemessene Glückseligkeit zu erwarten: aber diese kann er sich nicht selbst geben, so wie jenen; er erwartet sie also vom höchsten Exekutor des Gesetzes, der ihm durch dasselbe angekündigt wird. Dieses Wesen zieht seine ganze Verehrung auf sich, weil es einen unendlichen Werth hat, gegen welchen der seinige in Nichts verschwindet; und seine ganze Zuneigung, weil er alles von ihm erwartet, was er gutes zu erwarten hat. Er kann nicht gleichgültig gegen den stets gegenwärtigen Beobachter, Späher, und Beurtheiler seiner geheimsten Gedanken, und den gerechtesten Vergelter derselben bleiben. Er muß wünschen, ihm seine Bewunderung und Verehrung zu bezeigen, und da er's durch nichts anders kann, es durch pünktlichen in Rücksicht auf Ihn geleisteten Gehorsam zu thun. — Dies ist reine Vernunftreligion. Religiosität von dieser Art erwartet nicht vom Gedanken des Gesetzgebers ein Moment zur Erleichterung der Willensbestimmung, sondern nur Befriedigung ihres Bedürfnisses ihm ihre Zuneigung zu erkennen zu geben. Sie erwartet keine Anforderung von Gott, ihm zu gehorchen, sondern nur die Erlaubniß, bei ihrem willigen Gehorsame auf ihn zu sehen. Sie will nicht Gott eine Gunst erweisen, indem sie ihm dient; sondern sie erwartet es von ihm als die höchste Gnade, sich von ihr dienen zu lassen. — Dies ist die höchste moralische Vollkommenheit des Menschen. Sie setzt nicht nur den festen Willen immer sittlich gut zu handeln, sondern auch völlige Freiheit voraus. Es ist a priori unmöglich zu bestimmen, ob in concreto irgend ein Mensch dieser moralischen Vollkommenheit fähig sey, und es ist bei gegenwärtiger Lage der Menschheit gar nicht wahrscheinlich.

Der zweite Grad der moralischen Güte setzt eben diesen festen Willen, im Ganzen dem Moralgesetze zu gehorchen, aber keine völlige Freiheit in einzelnen Fällen voraus. Die sinnliche Neigung kämpft noch gegen das Pflichtgefühl, und ist eben so oft Siegerin[TN9], als besiegt. Die Ursachen dieser moralischen Schwäche liegen nicht im Wesentlichen der menschlichen Natur, sondern sie sind zufällig: theils bei diesem und jenem Subjekte eine körperliche Konstitution, welche die größere Heftigkeit, und die anhaltendere Dauer der Leidenschaften begünstigt; theils, und hauptsächlich die gegenwärtige Lage der Menschheit, in welcher wir weit früher angewöhnt werden, nach Naturtrieben zu handeln, als nach moralischen Gründen, und weit öftrer in den Fall kommen, uns durch die ersteren bestimmen lassen zu müssen, als durch die letzteren, so daß unsre Ausbildung als Naturmenschen meist immer große Vorschritte vor unsrer moralischen Bildung voraus hat. Da in diesem Zustande der ernste Wille moralisch zu handeln, mithin ein lebhaftes, thätiges, sittliches Gefühl vorausgesetzt wird, so muß diese Schwäche dem Menschen sehr unangenehm seyn, und er muß begierig jedes Mittel aufsuchen, und ergreifen, um seine Bestimmung durchs Moralgesetz zu erleichtern. Wenn es darum zu thun ist, der moralischen Neigung das Übergewicht über die sinnliche zu verschaffen, so kann dies auf zweierlei Art geschehen, theils indem man die sinnliche Neigung schwächt, theils indem man den Antrieb des Sittengesetzes, die Achtung für dasselbe, verstärkt. Das erste geschieht nach technisch-praktischen Regeln, die auf Naturprincipien beruhen, und über welche jeden sein eignes Nachdenken, Erfahrung, und empirische Selbstkenntniß belehren muß. Sie liegen außer dem Kreise unsrer gegenwärtigen Untersuchung. Der Antrieb des Moralgesetzes läßt sich, ohne der Moralität Abbruch zu thun, nicht anders verstärken, als durch lebhafte Vorstellung der innern Erhabenheit und Heiligkeit seiner Forderungen; durch ein dringenderes Gefühl des Sollens und Müssens. Und wie kann dies dringender werden, als wenn uns stets die Vorstellung eines ganz heiligen Wesens vorschwebt, das uns heilig zu seyn befiehlt? In ihm erblicken wir die Übereinstimmung mit dem Gesetze nicht mehr blos als etwas, das seyn soll, sondern als etwas, das ist; in ihm erblicken wir die Nothwendigkeit, so zu seyn, dargestellt. Wie kann das sittliche Gefühl mehr verstärkt werden, als durch die Vorstellung, daß bei unmoralischen Handlungen nicht blos wir selbst, die wir unvollkommne Wesen sind — nein, daß die höchste Vollkommenheit uns verachten müsse? daß bei Selbstüberwindung, und Aufopferung unsrer liebsten Neigungen für die Pflicht, nicht nur wir selbst, sondern die wesentliche Heiligkeit uns ehren müsse? Wie können wir aufmerksamer auf die Stimme unsers Gewissens, und gelehriger gegen sie werden, als wenn wir in ihr die Stimme des Heiligsten hören, der unsichtbar[TN10] uns immer begleitet, und die geheimsten Gedanken unsers Herzens späht — vor dem wir wandeln? Da die Neigung im Subjekte gegen dieses neue Moment des Sittengesetzes, welches ihr Abbruch thut, streitet, so wird die Vernunft suchen, dasselbe durch völlige Sicherung des Grundes, auf dem es beruht, zu befestigen; sie wird einen Beweis für den Begriff Gottes als moralischen Gesetzgebers suchen, und sie wird ihn im Begriffe desselben, als Weltschöpfers, finden. Dies ist der zweite Grad der sittlichen Vollkommenheit, der die Naturreligion begründet. — Diese Religion soll allerdings Mittel der Willensbestimmung in einzelnen Fällen, bei eintretendem Kampfe der Neigung gegen die Pflicht, werden; aber sie setzt die erste, höchste Bestimmung des Willens, dem Moralgesetze überhaupt zu gehorchen, als durch dasselbe schon geschehen, voraus, denn sie bietet sich nicht dar, sondern sie muß gesucht werden, und niemand kann sie suchen, der sie nicht wünscht.

Der tiefste Verfall vernünftiger Wesen in Rücksicht auf Sittlichkeit endlich ist es, wenn nicht einmal der Wille da ist, ein Moralgesetz anzuerkennen, und ihm zu gehorchen; wenn sinnliche Triebe die einzigen Bestimmungsgründe ihres Begehrungsvermögens sind. Es scheint wenigstens, vor der Hand gar nichts für die Nothwendigkeit einer Offenbarung zu beweisen, wenn man auch in der Gesellschaft unter andern moralisch bessern Menschen noch so viele in diesem Grade verdorbne Subjekte sollte aufzeigen können: denn es muß den bessern möglich seyn, und es ist ihre Pflicht, — könnte man sagen, — in den schlechtern durch Belehrung und Bildung das moralische Gefühl zu entwickeln, und sie so bis zum Bedürfniß einer Religion zu führen. Ohne uns vor der Hand auf diese Untersuchung einzulassen, wollen wir die Frage nur so stellen, wie ihre Beantwortung für den Erweis eines empirischen Bedürfnisses der Offenbarung entscheidend wird: War es möglich, dass die ganze Menschheit, oder wenigstens ganze Völker- und Länderstriche in diesen tiefen moralischen Verfall gerathen konnten? Um sie beantworten zu können, müssen wir erst den Begriff der empirischen Sinnlichkeit etwas näher bestimmen.

Sinnlichkeit überhaupt, nemlich empirische, könnte man füglich als eine Unfähigkeit zur Vorstellung der Ideen beschreiben; um dadurch zugleich den theoretischen Fehler, sich dieselben entweder gar nicht, oder nicht anders, als unter den Bedingungen der empirischen Sinnlichkeit, denken zu können, und den praktischen, sich nicht durch dieselben bestimmen zu lassen, der aus dem erstem nothwendig folgt, zu befassen. Man kann die empirische Sinnlichkeit, eben so wie die reine, in zwei Gattungen eintheilen, in die äussere und innere. Die erstere besteht in theoretischer Rücksicht darin, wenn man sich alles unter die empirischen Bedingungen der äußern Sinne, alles hörbar, fühlbar, sichtbar u. s. w. denkt, und auch alles wirklich sehen, hören, fühlen will, und damit ist immer eine gänzliche Unfähigkeit zum Nachdenken, zu Verfolgung einer Reihe von Schlüssen, wenn es auch nur über Gegenstände der Natur ist, verbunden; und in praktischer, wenn man sich nur durch die Lust des äußern Sinns, bestimmen läßt. Dieses ist derjenige Grad derselben, den man auch rohe Sinnlichkeit nennt. Die zweite besteht in theoretischer Rücksicht darin, daß man sich alles wenigstens unter die empirischen Bedingungen unsers innern Sinns, alles modificirbar denkt, und es auch wirklich modificiren will; und in praktischer, wenn man sich durch nichts höheres bestimmen läßt, als durch die Lust des innern Sinns. Dahin gehört die Lust am Spiel, am Dichten, am Schönen (aber nicht am Erhabnen), selbst am Nachdenken, am Gefühl seiner Kraft, und sogar das Mitgefühl, ob es gleich der edelste aller sinnlichen Triebe ist. Wenn diese Sinnlichkeit herrschend ist, d. i. wenn wir blos und lediglich durch ihren Antrieb und nie durch das Moralgesetz uns bestimmen lassen, so ist klar, dass sie allen Willen gut zu seyn, und alle Moralität gänzlich ausschließt. Aber bei den meisten Menschen hat sie zwar bei weitem das Übergewicht, und sie werden in den meisten Fällen blos durch sie bestimmt; aber dennoch sind sie darum noch nicht überhaupt aller reinmoralischen Handlungen unfähig, und haben wenigstens noch soviel moralisches Gefühl, um die Sträflichkeit und Unanständigkeit ihrer Handlungsart in auffallenden Fällen oder bei gewissen Veranlassungen zu fühlen, und sich deren zu schämen. Gesetzt aber, sie wendeten das Moralgesetz auch nie auf sich selbst an, und hätten nie Schaam oder Reue über ihre eigne Unvollkommenheit empfunden, so zeigt es sich doch in ihrer Beurtheilung der Handlungen andrer, in ihrer oft starken Misbilligung derselben aus richtigen moralischen Gründen, dass sie des moralischen Sinns nicht gänzlich unfähig sind. Auf Menschen von dieser Art, sollte man glauben, würde man eben von der Seite aus, wo sie noch Empfänglichkeit für Moralität zeigen, wirken, — man würde sich eben der Grundsätze, die sie auf andre anwenden, bedienen können, um ihnen über ihren eignen Zustand die Augen zu öffnen, sie so allmählich zum guten Willen, und durch ihn endlich zur Religiosität zu führen. Es müsste also, zum Behufe der Nothwendigkeit einer Offenbarung gezeigt werden können, dass Menschen, und ganze Menschengeschlechter möglich seyen, die durch herrschende Sinnlichkeit des Sinns für Moralität entweder gänzlich, oder doch in einem so hohen Grade beraubt wären, dass man von diesem Wege aus gar nicht auf sie wirken könne; welche sich des Moralgesetzes in ihnen entweder gar nicht, oder doch so wenig bewusst seyen, dass man auf diesen Grund in ihnen gar nichts bauen könne. Es lässt sich a priori wol denken, daß die Menschheit entweder von ihrem Ursprünge an, oder durch mancherlei Schicksale in so eine Lage habe kommen können, daß sie, in beständigem harten Kampfe mit der Natur um ihre Subsistenz, genöthigt gewesen sey, alle ihre Gedanken stets auf das, was vor ihren Füßen lag, zu richten; auf nichts denken zu können, als auf das Gegenwärtige; und kein ander Gesetz hören zu können, als das der Noth. In so einer Lage ist es unmöglich, dass das moralische Gefühl erwache, und sittliche Begriffe sich entwickeln: aber die Menschheit wird nicht immer, sie wird außer besondern Fällen nicht lange in derselben bleiben: sie wird durch Hülfe der Erfahrung sich Regeln machen, und Maximen ihres Verhaltens abstrahiren. Diese Maximen, blos durch Erfahrung in der Natur entstanden, werden auch blos auf diese angewendet seyn, und möglichen moralischen Regeln oft widersprechen. Sie werden sich dennoch, durch ihre Anwendbarkeit und durch das allgemeine Beispiel bewährt, von Generation auf Generation fortpflanzen, und vermehrt werden; und nun werden sie es seyn, die die Möglichkeit der Moralität vernichten, nachdem jene dringende Noth, die vor ihnen es that, durch sie zum Theil gehoben ist. Denkt man an die Bewohner des Feuerlandes, welche ihr Leben in einem Zustande, der so nahe an die Thierheit gränzt, hinbringen, an die meisten Bewohner der Südsee-Inseln, welchen der Diebstahl etwas ganz gleichgültiges zu seyn, und welche sich desselben nicht im geringsten zu schämen scheinen, an jene Negern, welche ohne langes Bedenken ihre Frau, oder ihre Kinder gegen einen Trunk Brandwein in die Sklaverei verkaufen, so scheint man die erstere Bemerkung in der Erfahrung bestätigt zu finden; und um sich von der Richtigkeit der zweiten zu überzeugen, hat man nur die Sitten und Maximen policirter Völker zu studiren.

Wie soll nun die Menschheit aus diesem Zustande zur Moralität, und durch sie zur Religion gelangen? Kann sie dieselbe nicht selbst finden? Um diese Frage bestimmter zu beantworten, müssen wir dasjenige, was hierzu vorausgesetzt wird, mit ihrem Zustande, vergleichen. Um zu entscheiden, ob ein Volk der Sittlichkeit überhaupt in seinem gegenwärtigen Zustande fähig sey, oder nicht, ist es nicht genug, ihr Verhalten zu betrachten, und der Schluß: ein gewisses Volk begeht allgemein, und ohne Spur der geringsten Schaam, Handlungen, die gegen die ersten Grundsätze aller Moral streiten, also ist es ohne alles moralisches Gefühl; ist übereilt. Man muß untersuchen, ob sich denn nicht einmal der Begriff von Pflicht überhaupt, wenn gleich noch so dunkel gedacht, bei ihnen zeige, und wenn man denn da z. B. nur soviel findet, daß sie auf die Beobachtung eines Vertrags, die sie nicht erzwingen können, auch in dem Falle, da es dem zweiten Theile zuträglich wäre ihm nicht zu halten, trauen, und in diesem Vertrauen sich wagen; daß sie im Fall der Verletzung desselben lebhaftern und bitterern Unwillen zeigen, als sie über den ihnen dadurch zugefügten Schaden an sich zeigen würden; so muß man ihnen den Begriff der Pflicht überhaupt zugestehen. Nun aber ist ohne dieses Vertrauen auf Beobachtung der Verträge es auch nicht einmal möglich, sich zur Gesellschaft zu verbinden. Jedes Volk also, das nur in gesellschaftlicher Vereinigung lebt, ist nicht ohne allen moralischen Sinn. Aber leider ist es allgemeine Gewohnheit aller derer, bei denen die Sinnlichkeit herrschend ist, sich dieses Gefühls nicht sowohl als Bestimmungsgrundes ihrer eignen Handlungen, als vielmehr blos und lediglich als Beurtheilungsprincips der Handlungen anderer zu bedienen. Ja, sie gehen wol so weit, besonders wenn die Sinnlichkeit schon in Maximen gebracht ist, eine Aufopferung, eine Verleugnung des Eigennutzes für die Pflicht, sich als lächerliche Thorheit anzurechnen, und sich derselben zu schämen; sich also stets und immer als blos unter dem Naturbegriffe stehend zu betrachten; verfahren endlich auch wol so konsequent, es auch dem ändern für eben das anzurechnen, wofern sie nicht etwa selbst persönlich dabei interessirt, und durch die Pflichtverletzung des ändern an ihrem eignen Vortheile gekränkt worden sind. Nur im letztern Falle erinnern sie sich, daß es Pflichten giebt; und dies macht denn die Entwickelung dieses Begriffs, wo wir ihn mit herrschender Sinnlichkeit vereinigt antreffen, sehr verdächtig, und berechtigt uns zu glauben, daß blos das Princip der letztern, das des Eigennutzes, sie bewirkt habe. Mit herrschender Sinnlichkeit ist also sogar der Wille, moralisch gut zu seyn, nicht zu vereinigen. Da aber dieser Wille unumgänglich nöthig ist, um eine Religion als Mittel einer stärkern Bestimmung durchs Moralgesetz zu suchen, so kann die Menschheit in diesem Zustande nie von selbst eine Religion finden, denn sie kann sie nicht einmal suchen.

Und wenn sie dieselbe auch suchen könnte, so kann sie sie nicht finden. Um sich auf die oben entwickelte Art zu überzeugen, daß Gott es ist, der durchs Moralgesetz zu uns redet, bedarf es vor's erste des Begriffe einer Schöpfung der Welt durch eine Ursache außer ihr. Auf diesen Begriff wird die Menschheit, selbst die noch sehr ungebildete Menschheit, leicht kommen. Sie ist a priori genöthigt, sich absolute Totalität der Bedingungen zu denken; und sie schließt die Reihe derselben nur eher und schneller, je weniger sie gebildet, und je unfähiger sie ist, eine lange Reihe zu verfolgen. Daher wird unter rohsinnlichen Menschen alles voll von Glauben an übernatürliche Ursachen, an Dämonen ohne Zahl seyn. Eine gebildetere Sinnlichkeit wird sich vielleicht zum Begriffe einer einzigen ersten Ursache, eines kunstvollen Architekten der Welt erheben. Aber zum Behuf einer Religion brauchen, wir nicht diesen, sondern den von einem moralischen Weltschöpfer, und, um zu ihm zu gelangen, den Begriff eines moralischen Endzwecks der Welt. Nun wird abermals die Sinnlichkeit zwar leicht auf den Begriff von möglichen Zwecken in der Weit kommen, weil sie selbst durch die Vorstellung von Zwecken bei ihren Geschäften hienieden geleitet wird: aber der Begriff eines moralischen Endzwecks der Schöpfung ist nur dem gebildeten moralischen Gefühle möglich. Der blos sinnliche Mensch wird also nie weder auf ihn, noch durch ihn auf das Princip einer Religion kommen.

Vor's erste, wenn doch ein Mittel sollte ausfindig gemacht werden, Religion an ihn zu bringen, wozu bedarf er ihrer? Der beste moralische Mensch, der nicht nur den ernsten Willen hätte, dem Moralgesetze zu gehorchen, sondern auch die völlige Freiheit, bedurfte ihrer blos dazu, um die Empfindung der Verehrung und Dankbarkeit gegen das höchste Wesen auf irgend eine Art zu befriedigen. Derjenige, der zwar eben den ernsten Willen, aber nicht völlige Freiheit hatte, bedurfte ihrer, um der Autorität des Moralgesetzes ein neues Moment hinzuzufügen, durch welches der Stärke der Neigung das Gegengewicht gehalten und die Freiheit hergestellt würde. Derjenige, der auch nicht den Willen hat, ein sittliches Gesetz anzuerkennen, und ihm zu gehorchen, bedarf ihrer, um nur erst diesen Willen, und dann durch ihn die Freiheit in sich hervorzubringen. Mit ihm hat also die Religion einen andern Weg zu nehmen. Die reine Vernunftreligion, sowohl als die natürliche, gründeten sich auf Moralgefühl: die geoffenbarte hingegen soll selbst erst Moralgefühl begründen. Die erstere fand gar keinen Widerstand, sondern alle Neigungen im Subjekte bereit, sie anzunehmen; die zweite hatte nur in einzelnen Fällen die Neigungen zu bekämpfen, kam aber im Ganzen erwünscht, und gesucht; die letztere hat nicht nur allen unmoralischen Neigungen, sondern sogar dem völligen Widerstreben, überhaupt ein Gesetz anzuerkennen, und der Abneigung gegen sie selbst, die sie das Gesetz gültig machen will, das Gegengewicht zu haben. Sie kann also und wird sich wichtigerer Momente bedienen, so viel es geschehen kann, ohne der Freiheit Abbruch zu thun, d. h. ohne gegen ihren eignen Zweck zu handeln.

Durch welchen Weg nun kann diese Religion an die so beschaffne Menschheit gelangen? Natürlich auf eben dem, auf welchem alles an sie gelangt, was sie sich denkt, oder wodurch sie sich bestimmen läßt, auf dem der Sinnlichkeit. Gott muß sich ihnen unmittelbar durch die Sinne ankündigen, unmittelbar durch die Sinne Gehorsam von ihnen verlangen.

Aber hier sind noch zwei Fälle möglich, nemlich entweder Gott entwickelt durch eine übernatürliche Wirkung in der Sinnenwelt in dem Herzen eines oder mehrerer, die er zu seinen Mittelspersonen an die Menschheit ausersehen hat, auf dem Wege des Nachdenkens das moralische Gefühl, und bauet auf eben dem Wege auf dasselbe das Princip aller Religion, mit dem Befehle, an den übrigen Menschen eben das zu thun, was er an ihnen gethan hat: oder er kündigt geradezu dieses Princip an, und gründet es auf seine Autorität, als Herr. Im erstem Falle wären wir nicht einmal genöthigt, Gott als unmittelbare Ursache dieser übernatürlichen Wirkung anzunehmen, sondern, ob wir gleich ein allgemeines sittliches Verderben der Menschheit angenommen haben, so könnte doch recht füglich eins der möglichen höhern moralischen Wesen Ursache einer solchen Wirkung seyn. Finden wir aber anderweitige Gründe, den Grund einer solchen Wirkung unmittelbar in Gott zu setzen, so werden wir diese Gründe dadurch gar nicht entkräften, wenn wir sagen, es sey Gott unanständig, den Pädagogen zu machen; denn nach unsrer Erkenntniß von Gott ist nichts ihm unanständig, als was gegen das Moralgesetz ist. In diesem Falle hätten wir denn auch, ununtersucht, welches moralische Wesen die veranlassende Ursache dieser Entwickelung sey, keine Offenbarung, sondern eine auf einem übernatürlichen Wege an uns gebrachte Naturreligion. Wenn dieses Mittel nur möglich und zur Erreichung des Zwecks hinlänglich war, so war keine Offenbarung, d. i. keine unmittelbar auf Gottes Autorität gegründete Ankündigung desselben, als Gesetzgebers, nöthig. Laßt uns einen Augenblick annehmen, Gott wolle sich desselben bedienen. Er wird ohne Zweifel in den Seelen derer, auf die er wirkt, die erwartete vernünftige Überzeugung hervorbringen. Diese werden seinem Befehle, und ihrem eignen Gefühl der Verbindlichkeit, Moralität weiter zu verbreiten, gemäß, sich an die übrige Menschheit wenden, und eben diese Überzeugung auf eben dem Wege in ihnen aufzubauen suchen, auf welchem sie in ihnen selbst aufgebaut wurde. Es liegt weder in der menschlichen Natur überhaupt, noch in der empirischen Beschaffenheit der angenommenen Menschen insbesondre ein Grund, warum es diesen Abgeordneten unmöglich seyn sollte, ihren Zweck zu erreichen, wenn sie nur Gehör finden, wenn sie sich nur Aufmerksamkeit verschaffen können. Aber wie wollen sie sich diese verschaffen bei Menschen, die schon im Voraus gegen das Resultat ihrer Vorstellungen eingenommen seyn müssen? Was wollen sie diesen das Nachdenken scheuenden Menschen geben, damit sie die Mühe desselben auf sich nehmen, um die Wahrheit einer Religion erkennen zu müssen, welche ihre Neigungen einschränken und sie unter ein Gesetz bringen will? Es bleibt also nur der letzte Fall übrig: sie müssen ihre Lehren unter göttlicher Autorität, und als seine Gesandten an die Menschheit, ankündigen.

Auch dies scheint wieder auf zweierlei Art möglich zu seyn, daß nemlich Gott entweder auch dieser seiner Gesandten Glauben schlechthin auf Autorität gründe, oder daß er nur wolle, und es von ihrer eignen Einsicht erwarte, daß sie dasjenige, was auf dem bloßen Wege des Nachdenkens durch irgend ein Mittel aus ihrem Herzen entwickelt worden, den übrigen Menschen unter göttlicher Autorität ankündigen, insofern sie einsehen, daß kein anderes Mittel übrig ist, Religion an sie zu bringen. Das letztere aber ist unmöglich; denn dann hätte Gott gewollt, daß diese seine Abgeordneten, — zwar in der wohlthätigsten Absicht, — aber doch, daß sie lügen und betrügen sollten: Lügen und Betrug aber bleibt immer, in welcher Absicht er auch geschehe, unrecht, weil das nie Princip einer allgemeinen Gesetzgebung werden kann; und Gott kann nie etwas unrechtes wollen.

Man könnte endlich sich drittens noch als möglich denken, Gott habe gewollt, daß sich diese angeblichen Inspirirten täuschen, und eine auf Autorität gegründete Ankündigung der göttlichen Moralgesetzgebung, die ganz natürlich, z. B. durch die vom Wunsche darnach aufgeregte Phantasie in ihnen entstanden wäre, einer übernatürlichen Ursache zuschreiben sollten. Da jede kategorische Antwort auf diese Frage, die bejahende sowohl, als die verneinende, sich lediglich auf theoretische Principien gründen könnte, weil von Erklärung einer Naturerscheinung nach derselben Gesetzen die Rede ist; alle Naturphilosophie aber nicht so weit reicht, um zu beweisen, daß etwas in der Sinnenwelt nur durch Gesetze der Natur, oder, daß es durch sie nicht möglich sey; so kann diese Behauptung, auf Erörterung einer Offenbarung in concreto angewandt, nie, weder bewiesen, noch widerlegt werden; sie gehört aber auch nicht in die Untersuchung vom möglichen Ursprünge einer geoffenbarten Religion, als welche blos aus praktischen Principien angestellt wird. Allerdings könnte eine gewisse Wirkung, als Naturerscheinung betrachtet, aus uns entdeckbaren Naturgesetzen entstanden seyn, und dennoch könnte es zugleich dem Begriffe eines vernünftigen Wesens sehr gemäß seyn, daß wir sie, wenigstens bis zur Erreichung ihrer moralischen Absicht, einer übernatürlichen Ursache zuschrieben; und jener disjunktive Satz: Gewisse angebliche Inspirirten waren entweder wirklich inspirirt, oder sie waren Betrüger, oder sie waren Schwärmer — richtiger, und gelinder ausgedrückt, sie waren unvollkommne Naturforscher — reicht bei weitem nicht hin, durch ihn die kategorischen Behauptungen, auf welche er ausgeht, zu begründen. Denn erstens heben die Begriffe, die als Glieder der Eintheilung neben einander gestellt sind, sich nicht wechselseitig auf. Die Möglichkeit, den letztern anzunehmen, muß aus Naturbegriffen widerlegt, oder bewiesen werden; die Möglichkeit der beiden erstem aber kann nur aus praktischen Principien dargethan werden: beide Principien aber treffen, sich nicht, und aus dem einen kann sehr wohl bejaht werden, was das andre verneint. Der letzte Fall also, und einer von den beiden erstern, sind zugleich möglich, nur die beiden erstern widersprechen sich. Zweitens ist die Unmöglichkeit des letztern nie in einem gegebnen Falle darzuthun. Aber dies alles wird erst in der Folge, wo wir von der physischen Möglichkeit der erwarteten übernatürlichen Wirkung in der Sinnenwelt reden werden, seine völlige Deutlichkeit erhalten.

Da also die Möglichkeit des letztern Falles, die wir freilich nicht wegräumen können, uns nicht irre machen darf, so können wir nun aus allem bis jetzt bewiesenen sicher folgende Resultate ziehen: Die Menschheit kann so tief in moralischen Verfall gerathen, daß sie nicht anders zur Sittlichkeit zurückzubringen ist, als durch die Religion, und zur Religion nicht anders, als durch die Sinne: eine Religion, die auf solche Menschen wirken soll, kann sich auf nichts anders gründen, als unmittelbar auf göttliche Autorität: da Gott nicht wollen kann, daß irgend ein moralisches Wesen eine solche Autorität erdichte, so muß er selbst es seyn, der sie einer solchen Religion beilegt.

Aber wozu soll nun diese Autorität? und worauf kann Gott, wenn er es mit Menschen, die in diesem Grade sinnlich sind, zu thun hat, sie gründen? Offenbar nicht auf eine Erhabenheit, für welche sie keinen Sinn und keine Ehrfurcht haben, auf seine Heiligkeit, als welches das moralische Gefühl in ihnen schon voraussetzen würde, das erst durch die Religion entwickelt werden soll; sondern auf diejenige, für deren Bewunderung sie aus Naturgründen empfänglich sind, auf seine Größe, und Macht als Herr der Natur und als ihr Herr. Nun aber ist es Heteronomie, und bewirkt keine Moralität, sondern erzwingt höchstens Legalität, wenn wir nur darum uns dem Inhalte des Moralgesetzes gemäß betragen, weil ein übermächtiges Wesen es will; und eine auf diese Autorität gegründete Religion widerspräche folglich sich selbst. Aber diese Autorität soll denn auch nicht Gehorsam, sie soll nur Aufmerksamkeit auf die weiter vorzulegenden Motiven des Gehorsams begründen. Aufmerksamkeit aber, als eine empirische Bestimmung unsrer Seele, ist durch natürliche Mittel zu erregen. Es würde zwar offenbar widersprechend seyn, auch nur diese durch Furcht vor angedrohten Strafen dieses mächtigen Wesens, oder wol gar durch physische Mittel erzwingen, oder durch verheißne Belohnungen erschleichen zu wollen; widersprechend, weil Furcht und Hoffnung die Aufmerksamkeit mehr zerstreuen, als erregen, und höchstens nur ein mechanisches Nachsagen, aber keine auf vernünftige Überlegung gegründete Überzeugung, welche allein der Grund aller Moralität seyn muß, hervorbringen können; widersprechend, weil dies gleich anfangs das Princip aller Religion verfälschen, und Gott als ein Wesen darstellen würde, dem man sich noch durch etwas anderes, als durch moralische Gesinnungen, — hier durch unwilliges Anhören von Dingen, an denen man kein Interesse hat, und durch ängstliches Nachplaudern derselben — gefällig machen könnte. Aber die Vorstellung einer noch so großen Macht errege auch, so lange wir uns nicht im Widerstreite gegen sie denken, nicht Furcht, sondern Bewunderung, und Verehrung, die zwar nur auf pathologischen, und nicht moralischen, Gründen beruht, die aber unsre Aufmerksamkeit auf alles, was von dem mächtigen Wesen herkommt, kräftig hinzieht. So lange sich nun Gott noch nicht als moralischen Gesetzgeber, sondern blos als redende Person ankündigt, so denken wir uns noch nicht im Widerstreite gegen ihn; und wenn er sich als solchen ankündigt, so kündigt er uns zugleich seine Heiligkeit an, welche uns alle mögliche Furcht vor seiner Macht benimmt, indem sie uns zusichert, daß er nie einen willkührlichen Gebrauch von derselben gegen uns machen, sondern daß ihre Wirkungen auf uns gänzlich von uns selbst abhängen werden. Die Anforderung Gottes also an uns in einer möglichen Offenbarung, ihn anzuhören, gründet sich auf seine Allmacht, und unendliche Größe, und kann sich auf nichts anders gründen, indem Wesen, die einer Offenbarung bedürfen, vor's erste keiner andern Vorstellung von ihm fähig sind. Seine Anforderung aber ihm zu gehorchen, kann sich auf nichts anderes, als auf seine Heiligkeit gründen, weil sonst der Zweck aller Offenbarung, reine Moralität zu befördern, nicht erreicht würde; aber der Begriff der Heiligkeit sowohl, als die Verehrung gegen sie, muß schon vorher durch die Offenbarung entwickelt worden seyn. — Wir haben einen erhabnen Ausspruch, der dies erläutert: Ihr sollt heilig seyn, denn ich bin heilig, spricht der Herr. Der Herr redet, als Herr, und fordert dadurch alles zur Aufmerksamkeit auf. Aber die Forderung der Heiligkeit gründet er nicht auf diese seine Herrschaft, sondern auf seine eigne Heiligkeit.

Aber, wie sollen denn diese Menschen, ehe ihr sittliches Gefühl noch geweckt ist, beurtheilen, ob es Gott seyn könne, welcher redet? wird noch gefragt; und hier kommen wir dann auf die Beantwortung eines Einwurfs, der schon seit langem vor der Seele jedes Lesers geschwebt haben muß. Wir haben im vorigen §. bewiesen, daß der Begriff der Offenbarung vernünftiger Weise nur a priori möglich sey, und a posteriori gar nicht rechtmäßig entstehen könne; und in diesem haben wir gezeigt, daß es einen Zustand geben könne, ja daß die ganze Menschheit in diesen Zustand verfallen könne, in welchem es ihr unmöglich ist, a priori auf den Begriff der Religion, und also auch der Offenbarung zu kommen. Dies sey ein förmlicher Widerspruch, kann man sagen: oder man kann uns das Dilemma vorlegen: Entweder fühlten die Menschen schon das sittliche Bedürfniß, das sie treiben konnte, eine Religion zu suchen, und hätten schon alle Moralbegriffe, die sie von den Wahrheiten derselben vernünftig überzeugen konnten; so bedurften sie keiner Offenbarung, sondern hatten schon a priori Religion: oder sie fühlten weder jenes Bedürfniß, noch hatten sie jene Begriffe; so konnten sie sich nie aus moralischen Gründen von der Göttlichkeit einer Religion überzeugen; aus theoretischen konnten sie es auch nicht; sie konnten es also überhaupt nicht, und eine Offenbarung ist folglich unmöglich. Aber es folgt nicht, daß Menschen, die sich des Moralgebots in ihnen wenig bewußt waren, und durch dasselbe nicht zur Aufsuchung einer Religion getrieben werden konnten, also der Offenbarung bedurften, nicht nachher eben durch Hülfe dieser Offenbarung jenes Gefühl in sich entwickeln, und so geschickt werden konnten, eine Offenbarung zu prüfen, und so vernünftig zu untersuchen, ob sie göttlichen Ursprungs seyn könne, oder nicht. Es kündigte sich ihnen eine Lehre als göttlich an, und erregte dadurch wenigstens ihre Aufmerksamkeit. Entweder nahmen sie nun dieselbe sogleich für göttlich an; und da sie dies weder aus theoretischen Principien folgern, noch nach moralischen untersuchen konnten, weil noch bis jetzt ihr Moralgefühl unentwickelt war, nahmen sie etwas ganz ohne Grund an, und es war ein Glück für sie, wenn ihnen der Zufall nützlich wurde: oder sie verwarfen sie sogleich; so verwarfen sie wieder etwas ganz ohne Grund: oder endlich sie ließen die Sache unentschieden, bis sie vernünftige Gründe eines Unheils finden würden, und in diesem einzigen Falle handelten sie vernünftig. Daß Gott rede, oder daß er nicht rede (als kategorische, aus theoretischen Gründen mögliche, Behauptung), konnten sie nie beweisen; ob er geredet haben könne, konnte nur aus dem Inhalte dessen erhellen, was in seinem Namen gesagt ward; sie mußten es also vor's, erste anhören. Wenn nun durch dieses Anhören ihr moralisches Gefühl entwickelt wurde, so wurde zugleich der Begriff einer Religion, und des möglichen Inhalts derselben, sie komme nun durch Offenbarung, oder ohne sie an uns, entwickelt; und nun konnten, und mußten sie, um zu einem vernünftigen Fürwahrhalten zu gelangen, die ihren als göttlich angekündigte Offenbarung mit ihrem nun entwickelten Begriffe einer Offenbarung a priori vergleichen, und nach der Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung mit demselben ein Urtheil über sie fällen: und das lös't dann den vermeinten Widerspruch völlig auf. Ein vernünftiges Aufnehmen einer gegebnen Offenbarung, als göttlich, ist nur aus Gründen a priori möglich, aber a posteriori können, und müssen in gewissen Fällen, Gelegenheitsursachen gegeben werden, um diese Gründe zu entwickeln.

Alle diese Untersuchungen nun haben den eigentlichen Fragepunkt mehr vorbereitet, als bestimmt und entwickelt. Da nemlich nach allem bisher gesagten kein vernünftiges Aufnehmen einer Offenbarung als göttlich, eher als nach völliger Entwickelung des Moralgefühls in uns, statt findet; da ferner nur auf dieses Gefühl, und den dadurch in uns begründeten Willen der Vernunft zu gehorchen, jeder Entschluß einem Gesetze Gottes zu gehorchen sich gründen kann: (§. 3.) so scheint die göttliche Autorität, worauf eine gegebne Offenbarung sich gründen könnte, ihren ganzen Nutzen zu verlieren, sobald es möglich wird, sie anzuerkennen. So lange nemlich eine solche Offenbarung noch arbeitet, um den Menschen zur Empfänglichkeit für Moralität zu bilden, ist es demselben völlig problematisch, ob sie göttlichen Ursprungs auch nur seyn könne, weil dies sich nur aus einer Beurtheilung derselben nach Moralprincipien ergeben, kann; sobald aber nach geschehener Entwickelung des Moralgefühls in ihm, eine solche Beurtheilung möglich ist, so scheint dies Moralgefühl allein hinlänglich seyn zu können, um ihn zum Gehorsam gegen das Moralgesetz, blos als solches, zu bestimmen. Und obgleich, wie ebenfalls oben (§. 3.) gezeigt worden, auch bei dem festesten Willen dem Moralgesetze, blos als Gesetze der Vernunft, zu gehorchen, einzelne Fälle möglich sind, in denen dasselbe einer Verstärkerung seiner Kausalität durch die Vorstellung, es sey Gottes Gesetz, bedarf, so ist doch in dem durch eine geschehene Offenbarung zur Moralität gebildeten Subjekte die Vorstellung dieser göttlichen Gesetzgebung sowohl ihrer Materie nach durch praktische Vernunftprincipien, als ihrer Form nach durch Anwendung derselben auf den Begriff einer Welt, völlig möglich, und es erscheint kein Grund, warum er sie sich, als durch eine übernatürliche Wirkung in der Sinnenwelt gegeben, denken sollte. Es muß also ein Bedürfniß, freilich nur ein empirisches, aufgezeigt werden, welchem nur durch die bestimmte Vorstellung einer durch eine Wirkung in der Sinnenwelt geschehnen Ankündigung Gottes als moralischen Gesetzgebers abgeholfen werden kann, wenn diese ganze Vorstellung nicht vergeblich, und der Begriff einer Offenbarung nicht leer seyn soll, indem ein Glaube an dieselbe allenfalls nützlich seyn könnte, so lange er nicht möglich ist, und sobald er möglich wird, seinen ganzen Nutzen verlöhre: denn unmöglich können wir die frommen Empfindungen über die zu unsrer Schwachheit sich herablassende Güte Gottes, u. dergl., die durch eine solche Vorstellung in uns entstehen müssen, als den ganzen bleibenden Nutzen einer Offenbarung angeben.

Nun sind in obiger Deduktion des Offenbarungsbegriffs zum Behuf der realen Möglichkeit desselben nicht nur solche vernünftige Wesen Vorausgesetzt worden, in denen das Moralgesetz seine Kausalität auf immer, sondern auch solche, bei denen es dieselbe in einzelnen Fällen verlohren habe. Wo auch nicht der Wille ein Sittengesetz anzuerkennen, und ihm zu gehorchen, vorhanden ist, ist das Moralgesetz ganz ohne Kausalität; wo hingegen zwar dieser, aber nicht die völlige Freiheit da ist, verliert es seine Kausalität in einzelnen Fällen. Wie die Offenbarung die Wirksamkeit desselben im ersten Falle wieder herstelle, ist jetzt gezeigt worden: ob sie auch im zweiten einen ihr wesentlichen, nur durch sie möglichen Einfluß habe, davon ist jetzt die Frage. Da im ersten Falle die Offenbarung noch gar nicht als das, für was sie sich vernünftiger Weise anerkannt werden kann, so könnte man diese ihre Funktion — die der Offenbarung an sich, insofern sie von unsrer Vorstellungsart ganz unabhängig ist, oder ihrer Materie nach (functio revelationis materialiter spectatae) nennen; hingegen das, was sie im zweiten Falle zu leisten hätte, die Funktion der Offenbarung, insofern wir sie dafür anerkennen, oder ihrer Form nach (functio revelationis formaliter spectatae), und, da Offenbarung eigentlich nur dadurch es wird, daß wir sie dafür erkennen, der Offenbarung im eigentlichsten Sinne.

Wir haben oben bei Erörterung der Funktion einer Offenbarung ihrer Materie nach ganz richtig angenommen, daß dieselbe sich nur auf Subjekte beziehe, in denen auch nicht einmal der Wille dem Vernunftgesetze zu gehorchen vorhanden sey, daß sie hingegen in dieser Funktion diejenigen, denen es nicht an diesem Willen, wol aber an völliger Freiheit ihn zu vollbringen, mangelt, nicht zu Objekten habe, sondern daß zu Herstellung der Freiheit in dergleichen Subjekten die Naturreligion hinlänglich sey. Da nun durch die Offenbarung vermittelst ihrer ersten Funktion die Willensbestimmung durchs Moralgesetz möglich gemacht, mithin alle vernünftige Wesen zur zweiten Stuffe der moralischen Vollkommenheit erhoben werden sollen, so würde, wenn Wesen auf dieser zweiten Stuffe die Naturreligion stets genugthuend seyn könnte, gar keine Funktion der Offenbarung ihrer Form nach, nemlich keine Wirksamkeit derselben zu Herstellung der Freiheit statt finden, und, da dies die Funktion der Offenbarung im eigentlichsten Sinne ist, kein wahres Bedürfniß eines Glaubens an Offenbarung gezeigt werden können; fände sie aber statt, so scheint dies dem obigen Satze von der Hinlänglichkeit der Naturreligion zur Herstellung der Freiheit zu widersprechen. Wir haben also vor's erste zu untersuchen, ob sich ein Einfluß der Vorstellung von einer geschehnen Offenbarung auf das Gemüth zur Herstellung der gehemmten Freiheit des Willens denken lasse, und dann, wenn sich ein solcher Einfluß zeigen sollte, zu untersuchen, ob und inwiefern beide Behauptungen beisammenstehen können.

Es ist eine der Eigentümlichkeiten des empirischen Charakters des Menschen, daß, so lange eine seiner Gemüthskräfte besonders aufgeregt, und in lebhafter Thätigkeit ist, andere, und das um desto mehr, jemehr sie sich, von jener entfernen, unthätig, und gleichsam erschlafft sind: und daß diese ihre Erschlaffung größer ist, je größer, die Thätigkeit jener. So vergeblich man sich bemühen würde, jemanden, der durch sinnlichen Reitz bestimmt, oder in einem heftigen Affekte ist, durch Vernunftgründe anders zu bestimmen; eben so sicher ist's, daß im Gegensatze eine Erhebung der Seele durch Ideen, oder eine Anstrengung derselben durch Nachdenken möglich ist, bei welcher sinnliche Eindrücke fast ihre ganze Kraft verlieren. Soll in solchen Fällen auf einen Menschen gewirkt werden, so kann es fast nicht anders geschehen, als vermittelst derjenigen Kraft, die eben jetzt in Thätigkeit ist, indem auf die übrigen kaum ein Eindruck zu machen ist, oder wenn er auch zu machen wäre, er nicht hinreichend seyn würde, den Willen des Menschen zu bestimmen.

Einige Gemüthskräfte haben eine nähere Verwandtschaft, und einen größern wechselseitigen Einfluß auf einander, als andere. Denjenigen, der vom Sinnenreize fortgerissen ist, wird man durch Vernunftgründe vergeblich zurückhalten wollen, aber durch Darstellung eines andern sinnlichen Eindrucks vermittelst der Einbildungskraft kann es sehr leicht, ohne Anwesenheit des sinnlichen Gegenstandes, also ohne unmittelbare Sinnenempfindung, gelingen. Alle durch empirische Sinnlichkeit bestimmbare Kräfte stehen in solcher Korrespondenz.

Die der Pflicht widerstreitenden Bestimmungen werden alle durch Eindrücke auf diese Kräfte bewirkt; durch Sinnenempfindung, die entweder unmittelbar dem Gegenstande außer uns korrespondirt, oder die durch die empirische Einbildungskraft reproducirt wird, durch Affekten, durch Leidenschaften. Welches Gegengewicht soll nun der Mensch einer solchen Bestimmung entgegensetzen, wenn sie so stark ist, daß sie die Stimme der Vernunft gänzlich unterdrückt? Offenbar muß dies Gegengewicht durch eine Kraft des Gemüths an die Seele gebracht werden, welche von der einen Seite sinnlich, und also fähig ist einer Bestimmung der sinnlichen Natur des Menschen entgegenzuwirken, von der andern durch Freiheit bestimmbar ist, und Spontaneität hat: und diese Kraft des Gemüths ist die Einbildungskraft. Durch sie also muß das einzig mögliche Motiv einer Moralität, die Vorstellung der Gesetzgebung des Heiligen, an die Seele gebracht werden. Diese Vorstellung nun gründet in der Naturreligion sich auf Vernunftprincipien; ist aber diese Vernunft, wie wir voraussetzen, gänzlich unterdrückt, so erscheinen die Resultate derselben dunkel, ungewiß, unzuverlässig. Auch die Principien dieser Vorstellung also sollten durch die Einbildungskraft vorstellbar seyn. Dergleichen Principien nun wären Fakta in der Sinnenwelt, oder eine Offenbarung. — Gott ist, denn er hat geredet, und gehandelt, muß sich der Mensch in solchen Augenblicken sagen können: er will, daß ich jetzt nicht so handle, denn er hat es ausdrücklich, mit solchen Worten, unter solchen Umständen, u. s. f., verboten; ich werde einst wegen der Entschließung, die ich jetzt fassen werde, unter gewissen bestimmten Feierlichkeiten ihm Rechenschaft geben. — Sollen solche Vorstellungen aber Eindruck auf ihn machen, so muß er die denselben zum Grunde liegenden Fakta als völlig wahr und richtig annehmen können; sie müssen also nicht etwan durch seine eigne Einbildungskraft erdichtet, sondern ihr gegeben werden. Daß durch eine solche Vorstellung, der reinen Moralität einer durch sie bewirkten Handlung kein Abbruch gethan werde, folgt unmittelbar aus unsrer Voraussetzung, das durch die Einbildungskraft versinnlicht dargestellte Motiv solle kein andres als die Heiligkeit des Gesetzgebers, und nur das Vehikulum derselben solle sinnlich seyn.

Ob inzwischen die Reinheit des Motivs nicht oft durch die Sinnlichkeit des Vehikulums leide, und ob nicht oft Furcht der Strafe, oder Hoffnung der Belohnung, auf einen durch die Vorstellung der Offenbarung bewirkten Gehorsam weit mehr Einfluß habe, als reine Achtung für die Heiligkeit des Gesetzgebers, hat eine allgemeine Kritik des Offenbarungsbegriffs eigentlich nicht zu untersuchen; sondern nur zu erweisen, daß dies in abstracto nicht nothwendig sey, und in concreto schlechterdings nicht geschehen dürfe, wenn die Religiosität ächt und nicht blos feinere Selbstsucht seyn solle. Da dies inzwischen nur zu leicht geschehen kann; da sich ferner im Allgemeinen nicht zeigen läßt, wenn, in wie weit, und warum überhaupt eine solche Verstärkung des Moralgesetzes durch Vorstellung einer Offenbarung nöthig sey; da endlich es schlechterdings nicht zu leugnen ist, daß nicht ein allgemeiner unbezweifelt auf das Moralgesetz gegründeter Trieb in uns sey, ein vernünftiges Wesen mehr zu ehren, je weniger Verstärkung die Idee des schlechthin Rechten in seinem Gemüthe bedarf, um ihn zu bewegen, es hervorzubringen; so läßt sich auch nicht leugnen, daß es weit ehrenvoller für die Menschheit seyn würde, wenn die Naturreligion stets hinlänglich wäre, sie in jedem Falle zum Gehorsam gegen das Moralgesetz zu bestimmen: und in diesem Sinne können denn beide Sätze wohl beisammenstehen, nemlich, daß sich a priori (vor der wirklich gemachten Erfahrung) nicht einsehen lasse, warum die Vorstellung einer Offenbarung nöthig seyn sollte, um die gehemmte Freiheit herzustellen; daß aber die fast allgemeine Erfahrung in uns und andern uns fast täglich belehre, daß wir allerdings schwach genug sind, einer dergleichen Vorstellung zu bedürfen.

 

§. 9.

Von der physischen Möglichkeit einer Offenbarung.

Der Begriff der Offenbarung a priori, wie er durch Aufzeigung eines Bedürfnisses der empirischen Sinnlichkeit a posteriori berechtigt ist, erwartet eine übernatürliche Wirkung in der Sinnenwelt. Ist diese auch überhaupt möglich? ist es überhaupt gedenkbar, daß etwas außer der Natur eine Kausalität in der Natur habe? könnte man dabei noch fragen: und wir beantworten diese Frage, um theils in die noch immer dunkle Lehre von der Möglichkeit des Beisammenstehens der Nothwendigkeit nach Natur-, und der Freiheit nach Moralgesetzen, wenigstens für unsre gegenwärtige Absicht, wo möglich, etwas mehr Licht zu bringen, theils um aus ihrer Erörterung eine für die Berichtigung des Begriffs der Offenbarung nicht unwichtige Folge herzuleiten.

Daß es überhaupt möglich seyn müsse, ist erstes Postulat, das die praktische Vernunft a priori macht, indem sie das Übernatürliche in uns, unser oberes Begehrungsvermögen, bestimmt, Ursache außer sich in der Sinnenwelt, entweder der in uns, oder der außer uns zu werden, welches hier Eins ist.

Es ist aber vor's erste zu erinnern, daß es ganz zweierlei ist, ob wir sagen: der Wille, als oberes Begehrungsvermögen, ist frei; denn wenn das letztere heißt, wie es denn das heißt, er steht nicht unter Naturgesetzen, so ist dies sogleich einleuchtend, weil er, als oberes Vermögen, gar kein Theil der Natur, sondern etwas übersinnliches ist: — oder ob wir sagen: eine solche Bestimmung des Willens wird Kausalität in der Sinnenwelt; wo wir allerdings fordern, daß etwas, das unter Naturgesetzen steht, durch etwas, das kein Theil der Natur ist, bestimmt werden soll, welches sich zu widersprechen und den Begriff von der Naturnothwendigkeit aufzuheben scheint, der doch den Begriff einer Natur überhaupt erst möglich macht.

Hierauf ist vor's erste überhaupt zu erinnern, daß, so lange die Rede von bloßer Naturerklärung ist, es uns schlechterdings nicht erlaubt ist, eine Kausalität durch Freiheit anzunehmen, weil die ganze Naturphilosophie von einer solchen Kausalität nichts weiß; und hinwiederum, so lange die Rede von bloßer Bestimmung des obern Begehrungsvermögens ist, es gar nicht nöthig ist, auf die Existenz einer Natur überhaupt Rücksicht zu nehmen. Beide Kausalitäten, die des Natur- und die des Moralgesetzes, sind sowohl der Art ihrer Kausalität, als ihrer Objekte nach, unendlich verschieden. Das Naturgesetz gebietet mit absoluter Nothwendigkeit, das Moralgesetz befiehlt der Freiheit; das erstere beherrscht die Natur, das zweite die Geisterwelt. Muß, das Losungswort des ersten, und Soll, das Losungswort des zweiten, reden von ganz verschiednen Dingen, und können sich, auch einander entgegengesetzt, nicht widersprechen, denn sie begegnen sich nicht.

Ihre Wirkungen in der Sinnenwelt aber begegnen sich, und dürfen sich auch nicht widersprechen, wenn nicht entweder Naturerkenntniß von der einen, oder die durch die praktische Vernunft geforderte Kausalität der Freiheit in der Sinnenwelt von der andern Seite unmöglich seyn soll. Die Möglichkeit dieser Übereinkunft zweier von einander selbst gänzlich unabhängiger Gesetzgebungen läßt sich nun nicht anders denken, als durch ihre gemeinschaftliche Abhängigkeit von einer obern Gesetzgebung, welche beiden zum Grunde liegt, die für uns aber gänzlich unzugänglich ist. Könnten wir das Princip derselben einer Weltanschauung zum Grunde legen, so würde nach ihm, eine, und eben dieselbe Wirkung, die uns auf die Sinnenwelt bezogen nach dem Moralgesetze als frei, und auf Kausalität der Vernunft zurückgeführt, in der Natur als zufällig erscheint, als völlig nothwendig erkannt werden. Da wir aber dies nicht können, so folgt daraus offenbar, daß wir, sobald wir auf eine Kausalität durch Freiheit Rücksicht nehmen, nicht alle Erscheinungen in der Sinnenwelt nach bloßen Naturgesetzen als nothwendig, sondern viele nur als zufällig annehmen müssen; und daß wir sonach nicht alle aus den Gesetzen der Natur, sondern manche blos nach Naturgesetzen erklären dürfen. Etwas blos nach Naturgesetzen erklären aber heißt: die Kausalität der Materie der Wirkung außer der Natur; die Kausalität der Form der Wirkung aber in der Natur annehmen. Nach den Gesetzen der Natur müssen sich alle Erscheinungen in der Sinnenwelt erklären lassen, denn sonst könnten sie nie ein Gegenstand der Erkenntniß werden.

Laßt uns jetzt diese Grundsätze auf jene erwartete übernatürliche Einwirkung Gottes in die Sinnenwelt anwenden. Gott ist, laut der Vernunftpostulate, als dasjenige Wesen zu denken, welches die Natur dem Moralgesetze gemäß bestimmt. In ihm also ist die Vereinigung beider Gesetzgebungen, und seiner Weltanschauung liegt jenes Princip, von welchem sie beide gemeinschaftlich abhängen, zum Grunde. Ihm ist also nichts natürlich, und nichts übernatürlich, nichts nothwendig, und nichts zufällig, nichts möglich, und nichts wirklich. Soviel können wir negativ, durch die Gesetze unsers Denkens genöthigt, sicher behaupten; wenn wir aber positiv die Modalität seines Verstandes bestimmen wollten, so würden wir transscendent. Es kann also die Frage gar nicht davon seyn, wie Gott eine übernatürliche Wirkung in der Sinnenwelt sich als möglich denken, und wie er sie wirklich machen könne; sondern wie wir uns eine Erscheinung als durch eine übernatürliche Kausalität Gottes gewirkt denken können?

Wir sind durch unsre Vernunft genöthigt, das ganze System der Erscheinungen, die ganze Sinnenwelt zuletzt von einer Kausalität durch Freiheit nach Vernunftgesetzen, und zwar von der Kausalität Gottes abzuleiten. Die ganze Welt ist für uns übernatürliche Wirkung Gottes. Es ließe sich also wol denken, daß Gott die erste natürliche Ursache einer gewissen Erscheinung, die einer seiner moralischen Absichten gemäß war, gleich Anfangs (denn wir dürfen hier ganz menschlich reden, da wir hier nicht objektive Wahrheiten, sondern subjektive Denkmöglichkeiten aufstellen) in den Plan des Ganzen verflochten habe. Die Einwendung, die man dagegen gemacht hat: das heiße durch einen Umweg thun, was man geradezu thun könne; gründet sich auf eine grobe Anthropomorphose, als ob Gott unter Zeitbedingungen stehe. In diesem Falle würde die Erscheinung ganz und vollkommen aus den Gesetzen der Natur, bis zum übernatürlichen Ursprünge der ganzen Natur selbst, erklärt werden können, wenn wir dieselbe im Zusammenhange Übersehen könnten; und dennoch wäre sie auch zugleich, als durch die Kausalität eines göttlichen Begriffs vom moralischen dadurch zu erreichenden Zwecke bewirkt, anzusehen.

Oder wir könnten für's zweite annehmen, Gott habe wirklich in die schon angefangne, und nach Naturgesetzen fortlaufende Reihe der Ursachen und Wirkungen einen Eingriff gethan, und durch unmittelbare Kausalität seines moralischen Begriffs eine andre Wirkung hervorgebracht, als durch die bloße Kausalität der Naturwesen nach Naturgesetzen würde erfolgt seyn; so haben wir hierdurch wieder nicht bestimmt, bei welchem Gliede der Kette er eingreifen sollte, ob eben bei dem der beabsichtigten Wirkung unmittelbar vorhergehenden, oder ob er es nicht auch bei einem der Zeit und den Zwischenwirkungen nach vielleicht sehr weit von ihr entfernten thun konnte. Nehmen wir den zweiten Fall an, so werden wir, wenn wir die Naturgesetze durchaus kennen, die Erscheinung, von der die Rede ist, nach Naturgesetzen richtig aus der vorhergehenden, und diese wieder aus der vorhergehenden, und so vielleicht ins Unendliche fort, erklären können, bis wir endlich freilich auf eine Wirkung stoßen, die wir nicht mehr aus, sondern blos nach Naturgesetzen erklären können. Gesetzt aber, wir könnten oder wollten dieser Reihe der natürlichen Ursachen nur bis auf einen gewissen Punkt nachspüren; so wäre es sehr möglich, daß innerhalb dieser uns gesetzten Grenzen jene nicht mehr natürlich zu erklärende Wirkung nicht fiele: aber wir wären dadurch noch gar nicht berechtiget, zu schließen, daß die untersuchte Erscheinung überhaupt nicht durch eine übernatürliche Kausalität bewirkt seyn könnte. Nur im ersten Falle also würden wir sogleich von der Erscheinung aus auf eine aus Naturgesetzen nicht zu erklärende Kausalität stoßen, die es uns theoretisch möglich machte, eine übernatürliche für sie anzunehmen.

Aber will Gott nicht, daß der sinnliche Mensch, gegen welchen er sich durch diese Wirkung als Urheber der Offenbarung legitimirt, sie für übernatürlich anerkennen solle? Es würde nicht anständig seyn, zu sagen, Gott wolle, daß wir jenen falschen Schluß machen sollten, auf welchen eine theoretische Anerkennung einer Erscheinung in der Natur, als durch eine Kausalität außer ihr bewirkt, sich nach obiger Erörterung offenbar gründet. Aber da sie denn auch nicht Überzeugung, welches sie nicht kann, sondern nur Aufmerksamkeit begründen soll, so ist es für diese Absicht völlig hinreichend, wenn wir es indeß, bis wir der moralischen Überzeugung fähig sind, theoretisch nur für möglich annehmen, daß sie durch übernatürliche Kausalität bewirkt worden seyn könne, und dazu (um es theoretisch möglich zu denken, denn um es moralisch möglich zu finden, gehört laut obiger Erörterung auch nicht einmal das,) gehört weiter nichts, als daß wir keine natürliche Ursachen dieser Erscheinung sehen. Denn es ist der Vernunft ganz gemäß gedacht: wenn ich eine Begebenheit nicht aus Naturursachen erklären kann, so kommt dies entweder daher, weil ich die Naturgesetze, nach denen sie möglich ist, nicht kenne, oder daher, weil sie nach dergleichen Gesetzen überhaupt nicht möglich ist[19]. — Wen faßt nun hier dieses Wir in sich? Offenbar diejenigen, und nur sie, welche in dem Plane der zu erregenden Aufmerksamkeit befaßt sind. Gesetzt also, man könnte, nachdem dieser Zweck erreicht, und die Menschheit zur Fähigkeit eines moralischen Glaubens an die Göttlichkeit einer Offenbarung erhoben ist, durch erhöhte Einsicht in die Gesetze der Natur zeigen, daß gewisse für übernatürlich gehaltne Erscheinungen, auf welche diese Offenbarung sich gründet, aus Naturgesetzen völlig erklärbar seyen; so würde blos hieraus, wann nur diesem Irrthume nicht wilkührlicher geflissentlicher Betrug, sondern blos unwillkührliche Täuschung zum Grunde gelegen, gegen die mögliche Göttlichkeit einer solchen Offenbarung gar nichts gefolgert werden können: da eine Wirkung, besonders wenn sie dem Urgrunde aller Naturgesetze zugeschrieben wird, gar wohl völlig natürlich, und doch zugleich übernatürlich, d. i. durch die Kausalität seiner Freiheit, gemäß dem Begriffe einer moralischen Absicht, gewirkt seyn kann.

Das Resultat des hier gesagten ist, daß, so wenig es dem dogmatischen Vertheidiger des Offenbarungsbegriffs erlaubt werden dürfe, aus der Unerklärbarkeit einer gewissen Erscheinung aus Naturgesetzen auf eine übernatürliche Kausalität, und wol gar geradezu auf die Kausalität Gottes zu schließen; eben so wenig sey es dem dogmatischen Gegner desselben zu verstatten, aus der Erklärbarkeit eben dieser Erscheinungen aus Naturgesetzen zu schließen, daß sie weder durch übernatürliche Kausalität überhaupt, noch insbesondre durch Kausalität Gottes möglich seyen. Die ganze Frage darf gar nicht dogmatisch, nach theoretischen Principien, sondern sie muß moralisch, nach Principien der praktischen Vernunft, erörtert werden, wie sich aus allem bisher gesagten zur Gnüge[TN11] ergiebt; wie dieses aber geschehen müsse, wird im Verfolge dieser Abhandlung gezeigt werden.

 

§. 10.

Kriterien der Göttlichkeit einer Offenbarung ihrer Form nach.

Um uns von der Möglichkeit, daß eine gegebne Offenbarung von Gott sey, vernünftig überzeugen zu können, müssen wir sichere Kriterien dieser Göttlichkeit haben. Da der Begriff einer Offenbarung a priori möglich ist, so ist es dieser Begriff selbst, an den wir eine a posteriori gegebne Offenbarung halten müssen, d. i. von diesem Begriffe müssen sich die Kriterien ihrer Göttlichkeit ableiten lassen.

Wir haben bisher den Begriff der Offenbarung, blos ihrer Form nach, insofern diese religiös seyn muss, mit gänzlicher Abstraktion vom möglichen Inhalte einer in concreto gegebnen Offenbarung, erörtert; wir haben also vor jetzt nur die Kriterien der Göttlichkeit einer Offenbarung in Absicht ihrer Form festzusetzen. An der Form einer Offenbarung aber, d. i. an einer bloßen Ankündigung Gottes als moralischen Gesetzgebers durch eine übernatürliche Erscheinung in der Sinnenwelt, können wir zweierlei unterscheiden, nemlich das äußere derselben, d. i. die Umstände, unter welchen, und die Mittel, durch welche diese Ankündigung geschah, und dann das innere, d. i. die Ankündigung selbst.

Der Begriff der Offenbarung a priori setzt ein empirisch gegebnes moralisches Bedürfniß derselben voraus, ohne welches sich die Vernunft eine Veranstaltung der Gottheit, die dann überflüssig, und gänzlich zwecklos war, nicht als moralisch möglich denken konnte, und die empirische Deduktion der Bedingungen der Wirklichkeit dieses Begriffs entwickelte dieses Bedürfniß. Es muß also gezeigt werden können, daß zur Zeit der Entstehung einer Offenbarung, die auf einen göttlichen Ursprung Anspruch macht, dieses Bedürfniß wirklich da gewesen, und daß nicht schon eine andere, alle Kriterien der Göttlichkeit an sich tragende Religion unter eben den Menschen, denen sich diese bestimmte, vorhanden, oder ihnen leicht durch natürliche Mittel mitzutheilen war. Eine Offenbarung, von der dies gezeigt werden kann, kann von Gott seyn: eine, von der das Gegentheil gezeigt werden kann, ist sicher nicht von Gott. — Es ist nöthig, dieses Kriterium ausdrücklich festzusetzen, um aller Schwärmerei und allen möglichen unberufenen Inspirirten jetziger oder künftiger Zeiten, Einhalt zu thun. Ist eine Offenbarung, ihrem Inhalte nach, verfälscht, so ist es Pflicht und Recht jedes tugendhaften Mannes, ihr ihre ursprüngliche Reinigkeit wiederzugeben, aber dazu bedarf es keiner neuen göttlichen Autorität, sondern bloßer Berufung auf die schon vorhandne, und Entwickelung der Wahrheit aus unserm moralischen Gefühle. Auch wird durch dieses Kriterium nicht schlechthin die Möglichkeit zweier zugleich existirender göttlicher Offenbarungen geleugnet, wenn die Besitzer derselben nur nicht in der Lage sind, sie sich mitzutheilen.

Gott soll Ursache der Wirkungen seyn, durch welche die Offenbarung geschieht. Alles aber, was unmoralisch ist, widerspricht dem Begriffe von Gott. Jede Offenbarung also, die sich durch unmoralische Mittel angekündigt, behauptet, fortgepflanzt hat, ist sicher nicht von Gott. — Es ist allemal, die Absicht mag seyn, welche sie wolle, unmoralisch, zu betrügen. Unterstützt also ein angeblich göttlicher Gesandter seine Autorität durch Betrug, so kann das Gott nicht gewollt haben. Überdies bedarf ein wirklich von Gott unterstützter Prophet keines Betrugs. Er führt nicht seine Absicht, sondern die Absicht Gottes aus, und kann es also Gott völlig überlassen, in wie weit, und wie er diese Absicht unterstützen wolle. Aber, könnte man noch sagen, der Wille des göttlichen Gesandten ist frei, und er kann, vielleicht aus wohlmeinender Absicht, mehr thun wollen, als ihm aufgetragen ist, die Sache noch mehr beglaubigen wollen, als sie schon beglaubigt ist, und dadurch zum Betruge hingerissen werden; und dann ist nicht Gott, sondern der Mensch, dessen er sich bediente, Ursache dieses Betruges. — Wir dürfen nicht überhaupt leugnen, daß sich Gott nicht unmoralischer, oder moralisch schwacher Menschen zur Ausbreitung einer Offenbarung bedienen könne; denn wie, wenn keine andere da sind? und es werden, wo das höchste Bedürfniß der Offenbarung vorhanden ist, allerdings keine andere seyn. Aber er darf ihnen, wenigstens in Verrichtung seines Auftrags, den Gebrauch unmoralischer Mittel auch nicht zulassen; er müßte es durch seine Allmacht verhindern, wenn ihr freier Wille sich dahin lenkte. Denn wenn der Betrug entdeckt würde, — und jeder Betrag kann es, — so sind zwei Fälle möglich. Entweder die erregte Aufmerksamkeit verschwindet, und an ihre Stelle tritt der Verdruß, sich getäuscht zu sehen, und das Mistrauen gegen alles, was aus diesen oder ähnlichen Quellen kommt, welches dem bei dieser Anstalt überhaupt beabsichtigten Zwecke widerspricht: oder wenn die Lehre schon autorisirt genug ist, so wird dadurch auch der Betrug autorisirt; jeder hält sich für völlig erlaubt, was ein göttlicher Gesandter sich erlaubte; welches der Moralität, und dem Begriffe aller Religion widerspricht.

Der Endzweck jeder Offenbarung ist reine Moralität. Diese ist nur durch Freiheit möglich, und läßt sich also nicht erzwingen. Nicht nur sie aber, sondern auch die Aufmerksamkeit auf Vorstellungen, welche dahin abzwecken, das Gefühl für sie zu entwickeln, und die Bestimmung des Willens beim Widerstreite der Neigung zu erleichtern, läßt sich nicht erzwingen, sondern Zwang ist ihr vielmehr entgegen. Keine göttliche Religion also muß durch Zwang oder Verfolgung sich angekündigt oder ausgebreitet haben: denn Gott kann sich keiner zweckwidrigen Mittel bedienen, oder den Gebrauch solcher Mittel bei Absichten, die die seinigen sind, auch nur zulassen, weil sie dadurch gerechtfertiget würden. Jede Offenbarung also, die durch Verfolgung sich angekündigt und befestigt hat, ist sicher nicht von Gott. Diejenige Offenbarung aber, die sich keiner andern, als moralischer Mittel, zu ihrer Ankündigung und Behauptung bedient hat, kann von Gott seyn. Dies sind die Kriterien der Göttlichkeit einer Offenbarung in Rücksicht auf ihre äußere Form. Wir gehen zu denen der Innern fort.

Jede Offenbarung soll Religion begründen, und alle Religion gründet sich auf den Begriff Gottes, als moralischen Gesetzgebers. Eine Offenbarung also, die uns ihn als etwas anderes ankündigt, welche uns etwa theoretisch sein Wesen kennen lehren will, oder ihn als politischen Gesetzgeber aufstellt, ist wenigstens das nicht, was wir suchen, sie ist nicht geoffenbarte Religion. Jede Offenbarung also muß uns Gott als moralischen Gesetzgeber ankündigen, und nur von derjenigen, deren Zweck das ist, können wir aus moralischen Gründen glauben, daß sie von Gott sey.

Der Gehorsam gegen die moralischen Befehle Gottes kann sich nur auf Verehrung, und Achtung für seine Heiligkeit gründen, weil er nur in diesem Falle rein moralisch ist. Jede Offenbarung also, die uns durch andre Motiven, z. B. durch angedrohte Strafen, oder versprochne Belohnungen, zum Gehorsam bewegen will, kann nicht von Gott seyn, denn dergleichen Motiven widersprechen der reinen Moralität. — Es ist zwar sicher, und wird weiter unten ausgeführt werden, daß eine Offenbarung die Verheißungen des Moralgesetzes, als Verheißungen Gottes, entweder ausdrücklich enthalten, oder uns auf ihre Aufsuchung in unserm eignen Herzen hinleiten könne. Aber sie müssen nur als Folgen, und nicht als Motive aufgestellt werden[20].

 

§. 11.

Kriterien der Göttlichkeit einer Offenbarung in Absicht ihres möglichen Inhalts (materiae revelationis).

Das Wesentliche der Offenbarung überhaupt ist Ankündigung Gottes als moralischen Gesetzgebers, durch eine übernatürliche Wirkung in der Sinnenwelt. Eine in concreto gegebne Offenbarung kann Erzählungen von dieser, oder diesen Wirkungen, Mitteln, Anstalten, Umständen, u. s. w. enthalten. Alles, was dahin einschlägt, gehört zur äußern Form der Offenbarung, und steht unter derselben Kriterien. Wohin durch diese Ankündigung des Gesetzgebers das Gesetz selbst, seinem Inhalte nach, gesetzt werde, bleibt dadurch noch gänzlich unentschieden. Sie kann uns geradezu an unser Herz verweisen: oder sie kann auch das, was dieses uns sagen würde, noch besonders als Aussage Gottes aufstellen, und es nun uns selbst überlassen, das letztere mit dem erstem zu vergleichen. Die Ankündigung Gottes als Gesetzgebers würde, in Worte verfaßt, so heißen: Gott ist moralischer Gesetzgeber; und da wir sie in Worte verfassen müssen, so können wir auch dies einen Inhalt, nemlich den der Ankündigung an sich selbst, die Bedeutung der Form der Offenbarung nennen. Wird uns aber außer diesem noch mehr gesagt, so ist dies der Inhalt der Offenbarung. Das erstere können wir a priori uns zwar denken, und wenn a posteriori uns das Bedürfniß gegeben wird, wünschen, und erwarten; aber nie selbst realisiren, sondern die Realisirung dieses Begriffs muß durch ein Faktum in der Sinnenwelt geschehen; wir können also nie a priori wissen, wie und auf welche Art die Offenbarung wird gegeben werden. Das zweite, daß nemlich eine Offenbarung überhaupt einen Inhalt haben werde, können wir a priori nicht erwarten, denn es gehört nicht zum Wesen der Offenbarung; aber dagegen können wir völlig a priori wissen, welches dieser Inhalt seyn kann: und hiermit stehen wir denn sogleich bei der Frage: Können wir von einer Offenbarung Belehrungen und Aufklärungen erwarten, auf die unsre sich selbst überlassene, und durch keine übernatürliche Hülfe geleitete Vernunft nicht etwa blos unter den zufälligen Bedingungen, unter denen sie sich befunden hat, und befindet, sondern überhaupt ihrer Natur nach nie würde haben kommen können? und wir können desto ruhiger zu ihrer Beantwortung schreiten, da wir, im Falle daß, wir sie verneinen müßten, nach obiger Deduktion, laut welcher es uns eigentlich um die Form der Offenbarung zu thun war, nicht mehr den Einwurf zu befürchten haben: die Offenbarung sey überhaupt überflüssig, wenn sie uns nichts neues habe lehren können.

Diese blos aus übernatürlichen Quellen zu schöpfenden Belehrungen könnten entweder Erweiterung unsrer theoretischen Erkenntniß des Übersinnlichen, oder nähere Bestimmung unsrer Pflichten zum Gegenstände haben. Also, Erweiterung unsrer theoretischen Erkenntniß könnten wir von einer Offenbarung erwarten? Die Beantwortung dieser Frage gründet sich auf folgende zwei: ist eine solche Erweiterung moralisch möglich, d. i. streitet sie nicht gegen reine Moralität? und dann, ist sie physisch möglich, widerspricht sie nicht etwa der Natur der Dinge? und endlich, widerspricht sie nicht etwa dem Begriffe der Offenbarung, und folglich sich selbst[TN12]? —

Ist sie moralisch möglich? Die Ideen vom Übersinnlichen, die durch die praktische Vernunft realisirt werden, sind Freiheit, Gott, Unsterblichkeit. Daß wir, in Absicht unsers obern Begehrungsvermögens, frei sind, d. i. daß wir ein oberes von Naturgesetzen unabhängiges Begehrungsvermögen haben, ist unmittelbare Thatsache. Was wir in Absicht des Begriffs von Gott zur moralischen Willensbestimmung bedürfen, daß ein Gott sey, daß er der alleinheilige, der alleingerechte, der allmächtige, der allwissende, der oberste Gesetzgeber und Richter aller vernünftigen Wesen sey, ist unmittelbar durch unsre moralische Bestimmung, den Endzweck des Sittengesetzes zu wollen, uns zu glauben auferlegt. Daß wir unsterblich seyn müssen, folgt unmittelbar aus der Anforderung das höchste Gut zu realisiren, an unsre endliche Naturen, welche als solche nicht fähig sind dieser Forderung genugzuthun, aber dazu immer fähiger werden sollen, und es also können müssen. Was wollen wir über diese Ideen noch weiter wissen? Wollen wir die Verbindung des Naturgesetzes, und des für die Freiheit im übersinnlichen Substrat der Natur, erblicken? Wenn wir nicht zugleich die Kraft erhalten, die Gesetze der Natur durch unsre Freiheit zu beherrschen, so kann dies nicht den geringsten praktischen Nutzen für uns haben; wenn wir sie aber erhalten, so hören wir auf endliche Wesen zu seyn, und werden Götter. Wollen wir einen bestimmten Begriff von Gott haben; sein Wesen, wie es an sich ist, erkennen? Das wird reine Moralität nicht nur nicht befördern, sondern sie hindern. Ein unendliches Wesen, das wir erkennen, das in seiner ganzen Majestät vor unsern Augen schwebt, wird uns mit Gewalt treiben, und drängen, seine Befehle zu erfüllen; die Freiheit wird aufgehoben werden; die sinnliche Neigung wird auf ewig verstummen, wir werden alles Verdienst, und alle Übung, Stärkung, und Freude durch den Kampf, verlieren, und aus freien Wesen mit eingeschränkten Kenntnissen, moralische Maschinen mit erweiterten Kenntnissen geworden seyn. Wollen wir endlich alle die Bestimmungen unsrer künftigen Existenz schon jetzt durchdringen? Das wird uns theils aller Empfindungen der Glückseligkeit, die die allmähliche Verbesserung unsers Zustandes uns geben kann, berauben; wir werden auf einmal verschwelgen, was uns für eine ewige Existenz bestimmt ist; theils werden die uns vorschwebenden Belohnungen uns wieder zu kräftig bestimmen, und uns Freiheit, Verdienst, und Selbstachtung nehmen. Alle solche Kenntnisse werden unsre Moralität nicht vermehren, sondern vermindern, und das kann Gott nicht wollen; es ist also moralisch unmöglich. Und ist es physisch möglich? Widerstreitet es nicht etwa gar den Gesetzen der Natur, d. i. unsrer Natur, an welche diese Belehrungen gegeben werden sollen? Mögliche Belehrungen einer Offenbarung an uns über das Übersinnliche müssen unserm Erkenntnißvermögen angemessen seyn, sie müssen unter den Gesetzen unsers Denkens stehen. Diese Gesetze sind die Kategorien, ohne welche uns keine bestimmte Vorstellung möglich ist. Wären sie demselben nicht angemessen, so wäre der ganze Unterricht für uns verloren, er wäre uns schlechterdings unverständlich und unbegreiflich, und es wäre völlig so gut, als ob wir ihn nicht hätten. Wären sie ihm angemessen, so würden die übersinnlichen Gegenstände in die sinnliche Welt herabgezogen, das Übernatürliche würde zu einem Theile der Natur gemacht. Ich untersuche hier nicht, ob eine solche für objektiv gültig gegebne Versinnlichung nicht der praktischen Vernunft widerspreche, das wird weiter unten klar werden: aber das ist sogleich klar, daß wir dadurch eine Erkenntniß eines Übersinnlichen bekämen, das kein Übersinnliches wäre, daß wir also unsern Zweck, in die Welt der Geister eingeführt zu werden, nicht erreichten, sondern selbst diejenige richtige Einsicht in dieselbe, die uns von der praktischen Vernunft aus möglich ist, verlöhren. Widerspricht endlich eine solche Erwartung nicht etwa der Natur der Offenbarung?[21] Da Belehrungen dieser Art an unsere durch das Moralgesetz bestimmte Vernunft gar nicht gehalten werden könnten, um sie an ihr zu versuchen, ob sie mit derselben übereinkämen, oder nicht, indem sie auf diesen Principien sich gar nicht gründeten (denn wenn sie sich darauf gründeten, so müßte unsre sich selbst überlassene Vernunft ohne alle fremde Beihülfe darauf haben kommen können); so könnte der Glaube an ihre Wahrheit sich auf nichts gründen, als etwa auf die göttliche Autorität, auf welche eine Offenbarung sich beruft. Nun aber findet für diese göttliche Autorität selbst kein andrer Glaubensgrund statt, als die Vernunftmäßigkeit (die Übereinstimmung nicht mit der vernünftelnden, sondern mit der moralischgläubigen Vernunft,) der Lehren, die auf sie gegründet werden: mithin kann diese göttliche Autorität nicht selbst wieder Beglaubigungsgrund dessen seyn, was erst der ihrige werden soll. — Wenn ein andrer Weg gedenkbar wäre, zur vernünftigen Anerkennung der Göttlichkeit einer Offenbarung zu kommen, als dieser, wenn z. B. Wunder oder Weissagungen, d. h. wenn überhaupt die Unerklärbarkeit einer Begebenheit aus natürlichen Ursachen uns berechtigen könnte, ihren Ursprung der unmittelbaren Kausalität Gottes zuzuschreiben, welcher Schluß aber, wie oben gezeigt ist, offenbar falsch seyn würde, so ließe sich denken, wie unsre dadurch begründete Überzeugung von der Göttlichkeit einer gegebnen Offenbarung überhaupt unsern Glauben an jede ihrer einzelnen Belehrungen begründen könnte. Da aber dieser Glaube an die Göttlichkeit einer Offenbarung überhaupt nur durch den Glauben an jede ihrer einzelnen Aussagen möglich ist, so kann keine Offenbarung, als solche, irgend einer Behauptung die Wahrheit versichern, die sich dieselbe nicht selbst versichern kann. An keine nur durch Offenbarung mögliche Belehrung ist also vernünftiger Weise ein Glaube möglich; und jede Anforderung von dieser Art würde der Möglichkeit des Fürwahrhaltens, das bei einer Offenbarung Statt hat, folglich dem Begriffe der Offenbarung an sich, widersprechen. Wir dürfen also das, was die Kritik uns von Seiten der sich selbst gelassenen theoretischen Vernunft vereitelte, einen Übergang in die übersinnliche Welt, auch nicht von der Offenbarung erwarten; sondern wir müssen diese Hoffnung einer bestimmten Erkenntniß derselben für unsre gegenwärtige Natur ganz, und auf immer, und aus jeder Quelle aufgeben[22].

Oder können wir von einer Offenbarung vielleicht praktische Maximen, Moralvorschriften erwarten, die wir von dem Princip aller Moral, aus und durch unsre Vernunft nicht auch selbst ableiten, konnten? Das Moralgesetz in uns ist die Stimme der reinen Vernunft, der Vernunft in abstracto. Vernunft kann sich nicht nur nicht widersprechen, sondern sie kann auch in verschiedenen Subjekten nichts verschiedenes aussagen, weil ihr Gebot die reinste Einheit ist, und also Verschiedenheit zugleich Widersprach seyn würde. Wie die Vernunft zu uns redet, redet sie zu allen vernünftigen Wesen, redet sie zu Gott selbst. Er kann uns also weder ein anderes Princip, noch Vorschriften für besondere Fälle geben, die sich auf ein anderes Princip gründeten, denn Er selbst ist durch kein anderes bestimmt. Die besondre Regel, die durch Anwendung des Princips auf einen besondern Fall entsteht, ist freilich nach den Fällen, in die das Subjekt seiner Natur nach kommen kann, verschieden[23], aber alle müssen sich durch eine und eben dieselbe Vernunft von einer und eben derselben Vernunft ableiten lassen. Ein anderes ists, ob in concreto gegebne empirisch bestimmte Subjekte mit gleicher Richtigkeit und Leichtigkeit sie in besondern Fällen ableiten werden, und ob sie dabei nicht einer fremden Hülfe bedürfen können, die es — nicht für sie thue, und ihnen nun das Resultat auf ihre Autorität als richtig hingebe; dies würde, wenn die Regel auch richtig abgeleitet wäre, doch nur Legalität und nicht Moralität begründen; — sondern die sie bei ihrer eignen Ableitung leite: aber dazu bedarf es keiner Offenbarung, sondern das kann und soll jeder weisere Mensch dem unweiseren leisten.

Es ist also weder moralisch noch theoretisch möglich, daß eine Offenbarung uns Belehrungen gebe, auf die unsre Vernunft nicht ohne sie hätte kommen können und sollen; und keine Offenbarung kann für dergleichen Belehrungen Glauben fordern; denn einer Offenbarung um dieser einzigen Ursache willen den göttlichen Ursprung gänzlich abläugnen, würde nicht Statt haben, da dergleichen vermeintliche Belehrungen, ob sie gleich vom Gesetze der praktischen Vernunft sich nicht ableiten lassen, ihm dennoch auch nicht nothwendig widersprechen müssen.

Was kann sie aber denn enthalten, wenn sie nichts uns unbekanntes enthalten soll? Ohne Zweifel eben das, worauf uns die praktische Vernunft a priori leitet: ein Moralgesetz, und die Postulate desselben.

In Absicht der durch eine Offenbarung möglichen Moral ist schon oben die Unterscheidung gemacht worden, daß dieselbe Offenbarung uns entweder geradezu auf das Gesetz der Vernunft in uns, als Gesetz Gottes, verweisen; oder, daß sie sowol das Princip derselben an sich, als in Anwendung auf mögliche Fälle, unter göttlicher Autorität aufstellen könne.

Geschieht das erstere, so enthält eine solche Offenbarung keine Moral, sondern unsre eigne Vernunft enthält die Moral derselben. Es ist also nur der zweite Fall, der hier in Untersuchung kömmt. Die Offenbarung stellt theils das Princip aller Moral in Worte gebracht, theils besondre durch Anwendung desselben auf empirisch bedingte Fälle entstandene Maximen als Gesetze Gottes auf. Daß das Princip der Moral richtig angegeben, d. i. dem des Moralgesetzes in uns völlig gemäß seyn müsse, und daß eine Religion, deren Moralprincip diesem widerspricht, nicht von Gott seyn könne, ist unmittelbar klar; so wie die Befugniß, dieses Princip als Gesetz Gottes anzukündigen, schon zur Form einer Offenbarung gehört, und zugleich mit ihr deducirt ist. In Absicht der besondern moralischen Vorschriften aber entsteht die Frage: soll eine Offenbarung jede dieser besondern Regeln von dem als göttliches Gesetz angekündigten Moralprincip ableiten, oder darf sie dieselben schlechthin, ohne weitern Beweis, auf die göttliche Autorität gründen? — Wenn die göttliche Autorität, uns zu befehlen, nur blos auf seine Heiligkeit gegründet ist, welches schon die Form jeder Religion, die göttlich seyn soll; erfordert, so ist Achtung für seinen Befehl, weil es sein Befehl ist, auch in besondern Fällen, nichts anders, als Achtung für das Moralgesetz selbst. Eine Offenbarung darf dergleichen Gebote folglich schlechthin als Befehle Gottes, ohne weitere Deduktion vom Princip aufstellen. Eine andere Frage aber ists, ob nicht jede dieser besondern Vorschriften einer geoffenbarten Moral sich wenigstens hinterher vom Princip richtig deduciren lassen, und ob nicht jede Offenbarung am Ende uns doch an dieses Princip verweisen müsse.

Da wir uns von der Möglichkeit des göttlichen Ursprungs einer Offenbarung sowohl überhaupt, als jedes besondern Theils ihres Inhalts, nur durch die völlige Übereinstimmung desselben mit der praktischen Vernunft überzeugen können; diese Überzeugung aber bei einer besondern moralischen Maxime nur durch ihre Ableitung vom Princip aller Moral möglich ist, so folgt daraus unmittelbar, daß jede in einer göttlichen Offenbarung als moralisch aufgestellte Maxime sich von diesem Princip müsse ableiten lassen. Nun wird zwar eine Maxime dadurch, daß sie sich nicht davon ableiten läßt, noch nicht falsch, sondern es folgt daraus nur soviel, daß sie nicht in das Feld der Moral gehöre; sie kann aber etwa in das Gebiet der Theorie gehören, politisch, technisch, praktisch, oder dergl. seyn. So ist z. B. jener Ausspruch: Sollen wir böses thun, daß gutes daraus komme? das sey ferne — allgemeines moralisches Gebot, weil es sich vom Princip aller Moral deduciren läßt, und das Gegentheil ihm widersprechen würde: hingegen jene Maximen: So jemand mit dir rechten will um deinen Rock, dem laß auch den Mantel, u. s. w., sind keine Moralvorschriften, sondern nur in besondern Fällen gültige Regeln der Politik, die als solche nicht länger gelten, als so lange sie mit keiner Moralvorschrift in Kollision kommen, weil diesen alles untergeordnet werden muß. Wenn eine Offenbarung nun Regeln der letztern Art enthält, so folgt daraus noch gar nicht, daß darum die ganze Offenbarung nicht göttlich sey, und eben so wenig, daß jene Regeln falsch seyen. — Das hängt von anderweitigen Beweisen aus den Principien, unter denen sie stehen, ab — sondern nur, daß diese Regeln nicht zum Inhalte einer geoffenbarten Religion, als solcher, gehören, sondern ihren Werth anderwärtsher ableiten müssen. Eine Offenbarung aber, die Maximen enthält, welche dem Princip aller Moral widersprechen, die z. B. frommen, oder nicht frommen Betrug, Unduldsamkeit gegen Andersdenkende, Verfolgungsgeist, die überhaupt andere Mittel zur Ausbreitung der Wahrheit, als Belehrung, autorisirt, ist sicher nicht von Gott, denn der Wille Gottes ist dem Moralgesetze gemäß, und was diesem widerspricht, kann er weder wollen, noch kann er zulassen, daß jemand es als seinen Willen ankündige, der außerdem auf seinen Befehl handelt.

Da zweitens alle besondre Fälle, in denen Moralgesetze eintreten, durch einen endlichen Verstand unmöglich a priori vorherzusehn, noch durch einen unendlichen, der sie vorhersieht, endlichen Wesen mitzutheilen sind, folglich keine Offenbarung alle mögliche besondre Regeln der Moral enthalten kann, so muß sie uns doch noch zuletzt entweder an das Moralgesetz in uns, oder an ein von ihr als göttlich aufgestelltes allgemeines Princip desselben, welches mit jenem gleichlautend sey, verweisen. Dies gehört schon zur Form, und eine Offenbarung, die dies nicht thut, kommt mit ihrem eignen Begriffe nicht überein, und ist keine Offenbarung. Ob sie das erstere, oder das letztere, oder beides thun wolle, darüber ist a priori kein Gesetz der Vernunft vorhanden.

Das allgemeine Kriterium der Göttlichkeit einer Religion in Absicht ihres moralischen Inhalts ist also folgendes: Nur diejenige Offenbarung, welche ein Princip der Moral, welches mit dem Princip der praktischen Vernunft übereinkommt, und lauter solche moralische Maximen aufstellt, welche sich davon ableiten lassen, kann von Gott seyn.

Der zweite Theil des möglichen Inhalts einer Religion sind jene Sätze, welche als Postulate der Vernunft gewiß sind, und welche die Möglichkeit des Endzwecks des Moralgesetzes in sinnlich bedingbaren Wesen voraussetzt, welche also durch unsre Willensbestimmung zugleich mit gegeben, und durch welche hinwiederum gegenseitig unsre Willensbestimmung erleichtert wird. Diesen Theil des Inhalts einer Religion nennt man Dogmatik, und kann ihn ferner so nennen, wenn man dabei nur auf die Materie desselben, und nicht auf die Beweisart sieht, und sich nicht durch diese Benennung berechtigt glaubt zu dogmatisiren, d. i. diese Sätze als objektiv gültig darzustellen. Daß eine Offenbarung uns über dieselben nichts weiter lehren könne, als was aus den Principien der reinen Vernunft folgt, ist schon oben erwiesen. Hier ist also blos noch die Frage zu erörtern: worauf kann eine Offenbarung unsern Glauben an diese Wahrheiten gründen? Es sind nach obigen Erörterungen noch folgende zwei Fälle möglich: Entweder die Offenbarung leitet sie von dem Moralgesetze in uns, das sie als Gesetz Gottes aufstellt, ab, und giebt sie uns dadurch nur unmittelbar als Zusicherungen Gottes; oder sie stellt sie unmittelbar als Entschließungen der Gottheit, entweder schlechthin als solche, oder als Entschließungen seines durch das Moralgesetz bestimmten Wesens auf, ohne sie noch besonders von diesem Gesetze abzuleiten. Die erste Art der Begründung unsers Glaubens ist dem Verfahren der Vernunft- und Naturreligion ganz gemäß, und die Rechtmäßigkeit desselben ist mithin außer Zweifel. Bei der zweiten entstehen folgende zwei Fragen: Thut es unsrer Freiheit, und also unsrer Moralität nicht Abbruch, wenn wir die blos postulirten Verheißungen des Moralgesetzes als Verheißungen eines unendlichen Wesens ansehen; und — müssen alle diese Zusicherungen sich nicht wenigstens hinterher vom Endzwecke des Moralgesetzes ableiten lassen? Was die erste anbelangt, so ist sogleich klar, daß, wenn eine Offenbarung uns Gott nur als den Alleinheiligen, als den genauesten Abdruck des Moralgesetzes dargestellt hat, wie jede Offenbarung das soll, aller Glaube an Gott Glaube an das in concreto dargestellte Moralgesetz ist. In Absicht des zweiten aber sind, wenn eine gewisse Lehre nicht vom Endzwecke des Moralgesetzes abzuleiten ist, wieder zwei Fälle möglich; entweder, sie läßt sich blos nicht ableiten, oder sie widerspricht demselben.

Widersprechen gewisse dogmatische Behauptungen dem Endzwecke des Moralgesetzes, so widersprechen sie dem Begriffe von Gott, und dem Begriffe aller Religion; und eine Offenbarung, die dergleichen enthält, kann nicht von Gott seyn. Gott kann zu dergleichen Behauptungen nicht nur nicht berechtigen, sondern er kann sie, bei einem Zwecke, der der seinige ist, auch nicht einmal zulassen, weil sie seinem Zwecke widersprechen. Lassen sich aber einige nur nicht davon ableiten, ohne ihnen gerade zu widersprechen, so ist daraus noch nicht zu schließen, daß die ganze Offenbarung nicht von Gott seyn könne; denn Gott bedient sich des Dienstes von Menschen, welche irren, welche sich selbst ein Hirngespinst erdichten können, um es, vielleicht in wohlmeinender Absicht, neben göttliche Belehrungen zu stellen, und nach ihrer Meinung noch mehr gutes zu stiften; und es ist ihm nicht anständig ihre Freiheit einzuschränken, wenn sie nur nicht einen seinem Zwecke geradezu entgegenstehenden Gebrauch davon machen wollen: aber das folgt sicher, daß alles von dieser Art nicht Bestandtheil einer göttlichen Offenbarung, sondern menschlicher Zusatz ist, von welchem wir keine weitere Notiz zu nehmen haben, als insofern sein Werth aus ändern Gründen erhellet. Dergleichen Sätze können, da sie einer moralischen Absicht ganz unfähig sind, meist nur theoretische Aufschlüsse versprechen: und wenn sie von übernatürlichen Dingen reden, werden sie meistens sich gar nicht denken, lassen, weil sie nicht unter den Bedingungen der Kategorien stehen können. Stünden sie, als objektive Behauptungen, darunter, so würden sie sich nicht blos nicht ableiten lassen, sondern sie würden dem Moralgesetze sogar widersprechen, wie im folgenden §. dargethan werden wird.

Eine Offenbarung kann endlich gewisse, mit größerer oder geringerer Feierlichkeit verbundene, in Gesellschaft oder für sich allein zu gebrauchende Aufmunterungs- und Beförderungsmittel zur Tugend vorschlagen. Da alle Religion Gott nur als moralischen Gesetzgeber darstellt, so ist alles, was nicht Gebot des Moralgesetzes in uns ist, auch nicht das seinige, und es ist kein Mittel ihm zu gefallen, als durch Beobachtung desselben: diese Beförderungsmittel der Tugend müssen sich also nicht in die Tugend selbst, diese Anempfehlungen derselben müssen sich nicht in Gebote, die uns eine Pflicht auflegen, verwandeln, es muß nicht zweideutig gelassen werden, ob man etwa auch durch den Gebrauch dieser Mittel, oder vielleicht nur durch ihn, sich den Beifall der Gottheit erwerben könne, sondern ihr Verhältniß zu dem wirklichen Moralgesetze muß genau bestimmt werden. — Wenn ein weises Wesen den Zweck will, will es auch die Mittel, könnte man sagen; aber es will sie nur, inwiefern sie wirklich Mittel sind und werden, und, — da dieses in der Sinnenwelt anzuwendende Mittel sind, und wir mithin hier in den Bezirk, des Naturbegriffs kommen, — es kann sie nur wollen, inwiefern sie in unsrer Macht stehen. Es ist z. B. sehr wahr, und jeder Beter erfährt's, daß das Gebet, es sey nun anbetende Betrachtung Gottes, oder Bitte oder Dank, unsre Sinnlichkeit kräftig verstummen macht, und unser Herz mächtig zum Gefühl, und zur Liebe unsrer Pflichten emporhebt. Aber, wie können wir den kalten, keines Enthusiasmus fähigen Mann — und es ist sehr möglich, daß es deren gebe — verbinden, seine Betrachtung bis zur Anbetung emporzuzwingen, und zu begeistern; wie können wir ihn nöthigen, Ideen der Vernunft durch ihre Darstellung vermittelst der Einbildungskraft zu beleben, wenn subjektive Ursachen ihn dieser Fähigkeit beraubten, da dieselbe eine empirische Bestimmung ist; wie können wir ihn nöthigen, irgend ein Bedürfniß so stark zu fühlen, so innig zu begehren, daß er sich vergesse dasselbe einem übernatürlichen Wesen mitzutheilen, von dem er kalt denkend erkennt, daß er's ohne ihn weiß, und daß er's ohne ihm geben wird, wenn er's verdient und haben muß, und sein Bedürfniß keine Einbildung ist? — Dergleichen Beförderungsmittel sind also nur darzustellen als das, was sie sind, und nicht den durch das Moralgesetz unbedingt gebotnen Handlungen gleich zu setzen; sie sind nicht schlechthin zu gebieten, sondern dem, den sein Bedürfniß zu ihnen treibt, blos anzuempfehlen; sie sind weniger Befehl, als Erlaubniß. Jede Offenbarung, die sie den Moralgesetzen gleichsetzt, ist sicher nicht von Gott; denn es widerspricht dem Moralgesetze, irgend etwas in gleichen Rang mit seinen Anforderungen zu setzen.

Welche Wirkungen aber auf unsre moralische Natur darf eine Offenbarung von dergleichen Mitteln versprechen, blos natürliche, oder übernatürliche, d. i. solche, die nach den Gesetzen der Natur mit ihnen, als Wirkungen mit ihren Ursachen, nicht nothwendig verbunden sind, sondern bei Gelegenheit des Gebrauchs dieser Mittel, durch eine übernatürliche Ursache außer uns, gewirkt werden? Laßt uns einen Augenblick das letztere annehmen, daß nemlich unser Wille durch eine übernatürliche Ursache außer uns dem Moralgesetze gemäß bestimmt werde. Nun aber ist keine Bestimmung, die nicht durch und mit Freiheit geschieht, dem Moralgesetze gemäß, folglich widerspricht diese Annahme sich selbst, und jede durch eine solche Bestimmung erfolgte Handlung wäre nicht moralisch; könnte folglich weder das geringste Verdienst haben, noch auf irgend eine Art eine Quelle von Achtung und Glückseligkeit für uns werden; wir wären in diesem Falle Maschinen, und nicht moralische Wesen, und eine dadurch hervorgebrachte Handlung wäre in der Reihe unsrer moralischen schlechterdings Null. — Wenn man aber dies auch zugeben müßte, wie man es denn muß, so könnte man noch weiter sagen: eine solche Bestimmung sollte, bei Gelegenheit des Gebrauchs jener Mittel in uns hervorgebracht werden, nicht, um unsre Moralität zu erhöhen, welches freilich nicht möglich wäre, sondern um durch die in uns übernatürlich hervorgebrachte Wirkung eine Reihe in der Sinnenwelt hervorzubringen, die für die Bestimmung anderer moralischen Wesen, nach Gesetzen der Natur, Mittel würde, und wobei wir freilich bloße Maschinen wären: daß aber Gott sich vielmehr unsrer, als andrer, dazu bediene, hange von der Bedingung des Gebrauchs jenes Mittels ab. — Jetzt ununtersucht, was denn das für einen Werth für uns haben könne, ob eben wir als Maschinen, oder ob andere Maschinen zur Beförderung des Guten gebraucht würden; kann auch in dieser Absicht keine Offenbarung allgemeingültige Verheißungen von dieser Art geben, denn wenn jeder die Bedingung derselben erfüllte, jeder dadurch eine fremde übernatürliche Kausalität in sich veranlaßte, so würden dadurch nicht nur alle Gesetze der Natur außer uns, sondern auch alle Moralität in uns aufgehoben. — Wir dürfen aber nicht schlechthin läugnen, daß nicht in besondern Fällen dergleichen Wirkungen in dem Plane der Gottheit gewesen seyn konnten, ohne das Princip der Offenbarung überhaupt zu läugnen; wir dürfen eben so wenig läugnen, daß nicht einige dieser Wirkungen an Bedingungen von Seiten der Werkzeuge könnten gebunden gewesen seyn, weil wir das nicht wissen können; aber wenn in einer Offenbarung Erzählungen davon, Vorschriften, und Verheißungen hierüber vorkommen, so gehören diese zur äußern Form der Offenbarung, und nicht zum allgemeinen Inhalte derselben. Bestimmung durch übernatürliche Ursachen außer uns hebt die Moralität auf; jede Religion also, die unter irgend einer Bedingung dergleichen Bestimmungen verspricht, widerspricht dem Moralgesetze, und ist folglich sicher nicht von Gott.

Es bleibt also der Offenbarung von dergleichen Mitteln nichts übrig zu versprechen, als natürliche Wirkungen. — So wie wir von Beförderungsmitteln der Tugend reden, sind wir im Gebiete des Naturbegriffs. Das Mittel ist in der sinnlichen Natur; das was dadurch bestimmt werden soll, ist die sinnliche Natur in uns; unsre unedlen Neigungen sollen geschwächt und unterdrückt, unsre edlern sollen gestärkt und erhöht werden; die moralische Bestimmung des Willens soll dadurch nicht geschehen, sondern nur erleichtert werden. Alles also muß nothwendig wie Ursache und Wirkung zusammenhängen, und dieser Zusammenhang muß sich klar einsehen lassen. — Es wird aber hierdurch nicht behauptet, daß die Offenbarung in Anspruch genommen werden könne, diesen Zusammenhang zu zeigen. Der Zweck der Offenbarung ist praktisch, eine solche Deduktion aber theoretisch, und kann demnach dem eignen Nachdenken eines jeden überlassen werden. Jene kann sich begnügen, diese Mittel, blos als von Gott anempfohlen, aufzustellen. Nur muß sich dieser Zusammenhang hinterher zeigen lassen; denn Gott, der unsre sinnliche Natur kennt, kann ihr keine Mittel der Besserung anpreisen, die den Gesetzen derselben nicht gemäß sind. Jede Offenbarung also, welche Mittel zur Beförderung der Tugend vorschlägt, von denen man nicht zeigen kann, wie sie natürlich dazu beitragen können, ist, wenigstens inwiefern sie dies thut, nicht von Gott. — Wir dürfen hier die Einschränkung hinzusetzen: denn wenn solche Mittel nur nicht zu Pflichten gemacht werden; wenn nur nicht übernatürliche Wirkungen von ihnen versprochen werden; so ist ihre Anempfehlung nicht der Moral widersprechend, sie ist blos leer und unnütz[24].

 

§. 12.

Kriterien der Göttlichkeit einer Offenbarung in Absicht der möglichen Darstellung dieses Inhalts.

Da die Offenbarung überhaupt schon ihrer Form nach, für das Bedürfniß der Sinnlichkeit da ist, so ist es sehr wahrscheinlich, daß sie sich auch in ihrer Darstellung zu derselben herablassen werde, wenn gezeigt werden sollte, daß die Sinnlichkeit hierüber besondre Bedürfnisse habe. Doch ist diese Darstellung so wenig das Wesentliche und Charakteristische einer Offenbarung, daß wir sogar, wie oben gezeigt worden ist, a priori nicht einmal fordern können, daß sie einen Inhalt habe, oder überhaupt irgend etwas mehr thue, als daß sie Gott für den Urheber des Moralgesetzes ankündige.

Die Sinnlichkeit überhaupt ist, wegen des Widerstrebens der Neigung, nur zu bereit, die Erfüllung des Moralgesetzes für unmöglich zu halten, und das Gebot nicht, als für sich gegeben, anzuerkennen. Nun giebt zwar die Offenbarung dies Gesetz ausdrücklich an die Sinnlichkeit; aber doch redet in dem sinnlichen Menschen noch immer die Stimme der Pflicht, durch das Schreien der Begierde geschwächt, und durch die falschen Begriffe, die jene in Menge liefert, gedämpft, nur leise, wenn sie über seine eigenen Handlungen sprechen soll — wenn sie im eigentlichen Verstande gebietend ist. Aber auch der rohsinnlichste Mensch hört sie, wenn von Beurtheilung einer Handlung die Rede ist, bei welcher seine Neigung von keiner Seite mit in's Spiel gezogen wird. Und lernt er sie nur dadurch in sich unterscheiden, wird sie nur dadurch aus ihrer Unthätigkeit gezogen, und er mit ihr bekannter und vertrauter, so wird er endlich doch anfangen, auch an sich zu hassen, was er an andern verabscheut, und sich selbst so zu wünschen, wie er andere fordert. — Der Widersinn, alles um sich her gerecht haben, und nur allein ungerecht seyn zu wollen, ist zu auffallend, als daß irgend ein Mensch sich ihn gern gestehen wolle. Bringe man ihn dahin, daß, im Falle er ungerecht ist, er sich ihn gestehen müsse! Wie kann dieser Zweck erreicht werden? Durch Aufstellung moralischer Beispiele. Die Offenbarung kann also ihre Moral in Erzählungen einkleiden, und sie entspricht dem Bedürfniß des Menschen nur um so besser, wenn sie es thut. Sie kann ungerechte Handlungen zur Verachtung, gerechte, besonders mit großen Aufopferungen und Anstrengungen durchgesetzte, zur Bewunderung und Nachahmung aufstellen. Über die Befugniß einer Offenbarung, ihre Sittenlehre so vorzutragen, kann keine Frage entstehen: und daß die von ihr als mustermäßig aufgestellten Handlungen rein moralisch, seyn müssen; daß sie nicht etwa zweideutige, oder wohl gar offenbar schlechte Handlungen als gute rühmen, und Leute, die dergleichen verrichtet haben, als Muster anpreisen dürfe, folgt aus dem Zwecke der Offenbarung. Jede Offenbarung, die dieses thut, widerspricht dem Moralgesetze, und dem Begriffe von Gott, und kann folglich nicht göttlichen Ursprungs seyn.

Eine Offenbarung hat die Vernunftideen, Freiheit, Gott, Unsterblichkeit darzustellen. — Daß der Mensch frei sey, lehrt jeden unmittelbar sein Selbstbewußtseyn und er zweifelt um so weniger daran, je weniger er durch Vernünfteln sein natürliches Gefühl verfälscht hat. Die Möglichkeit aller Religion, und aller Offenbarung, setzt die Freiheit voraus. Die Darstellung dieser Idee für die sinnlich bedingte Vernunft ist also kein Geschäft für eine Offenbarung: und mit Auflösung der dialektischen Scheingründe dagegen hat keine Offenbarung es zu thun, als welche nicht vernünftelt, sondern gebietet, und sich nicht an vernünftelnde, sondern sinnliche Subjekte richtet. — Aber dagegen ist die Idee von Gott es desto mehr. Unter die Bedingungen der reinen Sinnlichkeit, Zeit und Raum, Gott sich zu denken, wenn er sich ihn denken will, ist jeder gedrungen, der Mensch ist. Wir mögen noch so sehr überzeugt seyn, noch so scharf erweisen können, daß sie auf ihn nicht passen, so überrascht uns doch dieser Fehler, indem wir ihn noch rügen. Wir wollen jetzt uns Gott als uns gegenwärtig denken, und wir können nicht verhindern, ihn an den Ort hinzudenken, wo wir sind: wir wollen jetzt Gott als den Vorherseher unsrer künftigen Schicksale, unsrer freien Entschließungen denken, und wir denken ihn als in der Zeit, in der er jetzt ist, blickend in eine Zeit, in der er noch nicht ist. Solchen Vorstellungen muß die Darstellung einer Religion sich anpassen; denn sie redet mit Menschen, und kann keine andre, als der Menschen Sprache reden. — Aber die empirische Sinnlichkeit bedarf noch mehr. Der innere Sinn, das empirische Selbstbewußtseyn steht unter der Bedingung, ein mannichfaltiges nach und nach, und allmählich aufzunehmen, und zu einander hinzuzusetzen; nichts aufnehmen zu können, was sich nicht von den vorherigen unterscheidet, also nur Veränderungen bemerken zu können. Seine Welt ist eine unaufhörliche Kette von Modifikationen. Unter dieser Bedingung will er sich auch das Selbstbewußtseyn Gottes denken. — Er bedarf z. B. jetzt eines Zeugens der Reinigkeit seiner Gesinnungen bei einer gewissen Entschließung. Gott hat bemerkt, so denkt er sich's, was in meiner Seele vorging. — Er ist jetzt beschämt über eine unmoralische Handlung: sein Gewissen erinnert ihn an die Heiligkeit des Gesetzgebers. Er hat sie, er hat das ganze Verderben, das sich darinn zeigt, entdeckt, denkt er. Aber er bemerkt auch die Reue, die ich jetzt darüber empfinde, fährt er fort. — Er entschließt sich jetzt recht stark, hinführe aufmerksam an seiner Heiligung zu arbeiten. Er fühlt, daß ihm die Kräfte dazu fehlen. Er ringt mit sich, und zu schwach im Kampfe, siehe er sich nach fremder Hülfe um, und betet zu Gott. Gott wird auf mein flehentliches, anhaltendes Bitten sich entschließen mir beizustehen, denkt er; — und denkt sich in allen diesen Fällen Gott als durch ihn modificirbar. — Er denkt sich in Gott Affekten, und Leidenschaften, damit er Theil nehmen könne an den seinigen; — Mitleid, Bedauren, Erbarmen, Liebe, Vergnügen, u. dergl. — Die höchste, oder tiefste Stufe der Sinnlichkeit, die alles unter die empirischen Bedingungen des äussern Sinns setzt, verlangt noch mehr. Sie will einen körperlichen Gott, der ihre Handlungen im eigentlichen Verstande sieht, ihre Worte hört, mit dem sie reden könne, wie ein Freund mit seinem Freunde. Ob eine Offenbarung sich zu diesen Bedürfnissen herablassen könne, ist keine Frage: ob sie aber dürfe, und in wie weit sie dürfe, muß eine Kritik der Offenbarung beantworten.

Der Zweck aller dieser Belehrungen ist kein andrer, als Beförderung reiner Moralität, und der versinnlichenden Darstellung derselben insbesondere Beförderung reiner Moralität in dem sinnlichen Menschen. Insofern nur diese Versinnlichung mit diesem Zwecke übereinkommt, kann die Offenbarung göttlich seyn: wenn sie ihm aber widerspricht, ist sie gewiß nicht göttlich.

Die Versinnlichung des Begriffs von Gott kann den moralischen Eigenschaften Gottes, und mithin aller Moralität auf zweierlei Art widersprechen: nemlich theils unmittelbar, wenn Gott mit Leidenschaften dargestellt wird, die geradezu gegen das Moralgesetz sind, wenn ihm z. B. Zorn und Rache aus Eigenwillen, Vorliebe oder Vorhaß, welche sich auf etwas anders als auf die Moralität der Objekte dieser Leidenschaften gründen, zugeschrieben wird. Ein solcher Gott würde kein Muster unsrer Nachahmung, und kein Wesen seyn, für welches wir Achtung haben könnten, sondern ein Gegenstand einer ängstlichen zur Verzweiflung bringenden Furcht. Jedoch widerspricht dieses schon der Form aller Offenbarung, welche einen heiligen Gott als Gesetzgeber verlangt. Es würde aber dem moralischen Begriffe von Gott gar nicht widersprechen, wenn ihm z. B. lebhafter Unwille über das unmoralische Verhalten endlicher Wesen zugeschrieben würde; denn das ist blos sinnliche Darstellung einer nothwendigen Wirkung der Heiligkeit Gottes, die wir, wie sie an sich in Gott ist, gar nicht erkennen können; und wenn in einer Sprache, die zu den feinern Modifikationen der Affekten keine bestimmten Worte hätte, dieser Unwille auch Zorn genennt würde, so widerspricht auch dies, im Geiste der Menschen, die diese Sprache redeten, verstanden, dem Begriffe von Gott nicht, Mittelbar würde jede sinnliche Darstellung von Gott der Moralität widersprechen, wenn sie als objektiv gültig, und nicht als bloße Herablassung zu unserm subjektiven Bedürfniß vorgestellt würde. Denn alles, was vom Objekte, an sich gilt, daraus kann ich Schlüsse ziehen, und das Objekt dadurch weiter bestimmen. Leiten wir aber aus irgend einer sinnlichen Bedingung Gottes, als objektiv gültig, Schlüsse ab, so verwickeln wir uns mit jedem Schlüsse tiefer in Widersprüche gegen seine moralischen Eigenschaften. Sieht z. B. und hört Gott wirklich, so muß er auch durch diese Sinne des Vergnügens theilhaftig seyn; so ist es sehr möglich, daß wir ihm ein sinnliches Vergnügen machen können, daß der Geruch der Brandopfer und Speisopfer, ihm wirklich gefallen kann[25], und wir haben folglich Mittel ihm durch etwas anderes, als durch Moralität gefällig zu werden. Können wir Gott wirklich durch unsre Empfindungen bestimmen, ihn zum Mitleiden, zum Erbarmen, zur Freude bewegen, so ist er nicht der Unveränderliche, der Alleingenugsame, der Alleinselige, so ist er noch durch etwas anderes, als durch das Moralgesetz bestimmbar; so können wir auch wol hoffen, ihn durch Winseln und Zerknirschung zu bewegen, daß er anders mit uns verfahre, als der Grad unsrer Moralität es verdient hätte. Alle diese sinnlichen Darstellungen göttlicher Eigenschaften müssen also nicht als objektiv gültig angekündigt werden; es muß nicht zweideutig gelassen werden, ob Gott an sich so beschaffen sey, oder ob er uns nur zum Behuf unsers sinnlichen Bedürfnisses erlauben wolle, ihn so zu denken. — Außer dieser Bedingung aber können wir keiner Offenbarung a priori Gesetze vorschreiben, wie weit sie mit der Versinnlichung des Begriffs von Gott gehen dürfe: sondern dies hängt gänzlich von dem empirisch gegebnen Bedürfnisse des Zeitalters ab, für welches sie zunächst bestimmt ist. Wenn z. B. irgend eine Offenbarung, um von einer Seite allen Bedürfnissen der rohsten Sinnlichkeit Genüge zu thun, und von der andern Seite dem Begriffe von Gott seine völlige Reinheit zu sichern, uns irgend ein ganz sinnlich bedingtes Wesen, als einen Abdruck der moralischen Eigenschaften Gottes, insofern sie Beziehungen auf Menschen haben, eine verkörperte praktische Vernunft λογον gleichsam als einen Gott der Menschen, darstellte: so wäre dies noch gar kein Grund, so einer Offenbarung überhaupt, oder auch nur dieser Darstellung derselben den göttlichen Ursprung abzusprechen; wenn nur dieses Wesen so vorgestellt wäre, daß es jener Absicht entsprechen könnte, und wenn nur diese Stellvertretung nicht als objektiv gültig behauptet, sondern blos als Herablassung zur Sinnlichkeit, die derselben bedürfen könnte[26], vorgestellt, und, was daraus nothwendig folgt, jedem völlig freigestellt würde, sich dieser Vorstellung zu bedienen, oder nicht, je nachdem er es für sich moralisch nützlich fände. Nur eine solche Offenbarung also kann göttlichen Ursprungs seyn, die einen anthropomorphosirten Gott, nicht als objektiv, sondern blos für subjektiv gültig giebt.

Der Begriff der Unsterblichkeit der Seele gründet sich auf eine Abstraktion, die die Sinnlichkeit, besonders der tiefste Grad der Sinnlichkeit, nicht macht. Seiner Persönlichkeit ist jeder unmittelbar durch das Selbstbewußtseyn sicher; das: Ich bin — bin selbstständiges Wesen, läßt er sich durch keine Vernünfteleien rauben. Aber welche von diesen Bestimmungen dieses seines Ich reine, oder empirische, welche für und durch den innern oder äußern Sinn, oder welche durch die reine Vernunft gegeben, welche wesentlich, und welche nur zufällig seyen, und nur von seiner gegenwärtigen Lage abhängen, sondert er nicht ab, und ist nicht fähig es zu thun. Er wird vielleicht nie auf den Begriff einer Seele, als eines reinen Geistes kommen; und giebt man ihm auch denselben, so wird man ihm oft nichts als ein Wort geben, das für ihn ohne Bedeutung ist. Er kann also Fortdauer seines Ich sich nicht anders denken, als unter der Gestalt der Fortdauer desselben mit allen seinen gegenwärtigen Bestimmungen. Wenn eine Offenbarung sich zu dieser Schwachheit herablassen will, — und sie wird es fast müssen, um verständlich zu werden, — so wird sie ihm jene Idee in die Gestalt kleiden, in der er allein fähig ist, sie zu denken, in die, der Fortdauer alles dessen, was er gegenwärtig zu seinem Ich rechnet; und, da er den einstigen Untergang eines Theils desselben offenbar vorhersieht, der Wiederauferstehung[27]; und die Hervorbringung der völligen Kongruenz zwischen Moralität und Glückseligkeit in das Bild eines allgemeinen Verhörs und Gerichtstages, und einer Austheilung von Strafen und Belohnungen. — Aber sie darf diese Bilder nicht als objektive Wahrheiten aufstellen. — Nur eine solche Offenbarung also kann göttlich seyn, welche eine versinnlichte Darstellung unsrer Unsterblichkeit, und des moralischen Gerichts Gottes über endliche Wesen, nicht als objektiv, sondern nur als subjektiv (nemlich nicht für Menschen überhaupt, sondern nur für diejenigen sinnlichen Menschen, die einer solchen Darstellung bedürfen) gültig giebt. Thut sie das erstere, so ist ihr zwar darum noch nicht die Möglichkeit eines göttlichen Ursprungs überhaupt abzusprechen, denn eine solche Behauptung widerspricht der Moral nicht, sie ist blos nicht von ihren Principien abzuleiten; aber sie ist, wenigstens in Rücksicht dieser Behauptung, nicht göttlich.

Ob eine Offenbarung ihren versinnlichenden Vorstellungen reiner Vernunftideen objektive, oder blos subjektive Gültigkeit beilege, ist, wenn sie es auch nicht ausdrücklich erinnert, welches jedoch zur Vermeidung alles möglichen Misverständnisses zu wünschen ist, daraus zu ersehen, ob sie auf dieselben Schlüsse bauet oder, nicht. Thut sie das erstere, so ist offenbar, daß sie ihnen objektive Gültigkeit beilegt.

Da endlich die empirische Sinnlichkeit sich, ihren besondern Modifikationen nach, bei verschiedenen Völkern, und in verschiedenen Zeitaltern verändert, und unter der Zucht einer guten Offenbarung sich immer mehr verringern soll; so ist es Kriterium, zwar nicht der Göttlichkeit einer Offenbarung, aber doch ihrer möglichen Bestimmung für viele Völker, und Zeiten, wenn die Körper, in die sie den Geist kleidet, nicht zu fest, und zu haltbar, sondern von einem leichten Umrisse, und dem Geiste verschiedener Völker und Zeiten ohne Mühe anzupassen sind. — Eben dies gilt von den Aufmunterungs- und Beförderungsmitteln zur Moralität, die eine Offenbarung empfiehlt. Unter der Leitung einer weisen Offenbarung, die in weisen Händen ist, sollten die erstem und letztern immer mehr von ihrer Beimischung grober Sinnlichkeit ablegen, weil sie immer entbehrlicher werden sollte.

 

§. 13.

Systematische Ordnung dieser Kriterien.

Die jetzt aufgestellten Kriterien sind Bedingungen der Möglichkeit unsern Begriff a priori von einer Offenbarung auf eine in der Sinnenwelt gegebne Erscheinung anzuwenden, und zu urtheilen, sie sey eine Offenbarung; nemlich nicht Bedingungen der Anwendung des Begriffs überhaupt, denn davon werden wir erst im folgenden §. reden, sondern seiner Anwendung auf die bestimmte gegebne Erfahrung. Um sicher zu seyn, daß wir diese Bedingungen alle erschöpft haben, und daß es außer den angeführten keine mehr gebe, (denn wenn wir etwa im Gegentheile welche aufgestellt hätten, die keine sind, so müßte sich das sogleich daraus ergeben haben, daß wir sie aus dem Offenbarungsbegriffe nicht hätten ableiten können,) müssen wir uns nach einem Leitfaden zur Entdeckung aller Bestimmungen dieses Begriffs umsehen; und ein solcher ist bei allen möglichen Begriffen die Tafel der Kategorien.

Der Begriff einer Offenbarung ist nemlich ein Begriff von einer Erscheinung in der Sinnenwelt, welche der Qualität nach unmittelbar durch göttliche Kausalität bewirkt seyn soll. Es ist mithin Kriterium einer diesem Begriffe entsprechenden Erscheinung, daß sie durch keine Mittel gewirkt sey, die dem Begriffe einer göttlichen Kausalität widersprechen; und dieses sind, da wir von Gott nur einen moralischen Begriff haben, alle unmoralische. Diese Erscheinung soll der subjektiven Quantität nach, (denn die objektive giebt kein eigentliches Kriterium ab, sondern auf sie gründet sich blos die Erinnerung, daß mehrere Offenbarungen zu gleicher Zeit bei entfernten Völkern nicht unmöglich sind,) für alle sinnliche Menschen gelten, die derselben bedürfen. Es ist mithin Bedingung jeder in concreto gegebnen Offenbarung, daß Menschen mit einem dergleichen Bedürfniß wirklich nachzuweisen seyen. — Dies sind die Kriterien einer Offenbarung ihrer äußern Form nach, welche sich aus den mathematischen Bestimmungen ihres Begriffs ergeben, was denn der Natur der Sache nach so seyn mußte.

Diese Erscheinung wird in ihrem Begriffe der Relation nach auf einen Zweck bezogen, nemlich den, reine Moralität zu befördern: eine in concreto gegebne Offenbarung muß folglich diesen Zweck erweislich beabsichtigen, — nicht eben nothwendig erreichen, welches schon dem Begriffe moralischer, d. i. freier Wesen, in welchen allein sich Moralität hervorbringen läßt, widersprechen würde. Dieses Zwecks Beförderung aber ist in sinnlichen Menschen nicht anders, als durch Ankündigung Gottes, als moralischen Gesetzgebers, möglich; und der Gehorsam gegen diesen Gesetzgeber ist nur dann moralisch, wenn er sich auf die Vorstellung seiner Heiligkeit gründet. Diese Ankündigung sowohl, als die Reinigkeit des aufgestellten Motivs des geforderten Gehorsams ist mithin Kriterium jeder Offenbarung.

In Absicht der Modalität endlich würde eine Offenbarung in ihrem Begriffe blos als möglich angenommen, woraus, da es zu dem Begriffe an sich nichts hinzuthut, sondern nur das Verhältniß seines Gegenstandes zu unserm Verstande ausdrückt, keine Bedingung der Anwendung dieses Begriffs auf eine in concreto gegebne Erscheinung, d. i. kein Kriterium einer Offenbarung sich ergeben kann. Was aber daraus auf die Möglichkeit ihn überhaupt anzuwenden folge, das werden wir im folgenden §. sehen.

Dies sind nun die Kriterien einer Offenbarung ihrer Form nach, und, da das Wesen der Offenbarung eben in der besondern Form einer schon a priori vorhandenen Materie besteht, die einzigen ihr wesentlichen: und es sind außer den aufgestellten keine mehr möglich, weil in ihrem Begriffe keine Bestimmungen mehr sind.

Die Materie einer Offenbarung ist a priori durch die reine praktische Vernunft da, und steht an sich unter eben der Kritik, unter welcher letztere selbst steht: mithin ist, sofern sie als Materie einer Offenbarung betrachtet wird, sowohl dem Inhalte als der Darstellung nach, welche jenen modificirt, ihr einziges Kriterium, daß sie mit der Aussage der praktischen Vernunft völlig übereinstimme; der Qualität nach, daß sie eben das aussage; der Quantität nach, daß sie nicht mehr aussagen zu wollen vorgebe, (denn daß weniger in ihr ausgesagt werde, ist unmöglich, da sie ein Princip aufzustellen hat, in welchem alles, was Inhalt einer Religion werden kann, wenn auch vielleicht unentwickelt, enthalten seyn muß;) der Relation nach, als abzuleitend und untergeordnet unter das einzige Moralprincip, und der Modalität nach, nicht als objektiv, sondern blos als subjektiv, allgemeingültig. — Nach dem jetztgesagten würde sich leicht eine Tafel aller Kriterien jeder möglichen Offenbarung nach der Ordnung der Kategorien entwerfen lassen.

§. 14.

Von der Möglichkeit, eine gegebne Erscheinung für göttliche Offenbarung aufzunehmen.

Bis jetzt ist eigentlich weiter nichts ausgemacht worden, als die völlige Gedenkbarkeit einer Offenbarung überhaupt, d. i. daß der Begriff einer dergleichen Offenbarung sich nicht selbst widerspreche; und da in demselben eine Erscheinung in der Sinnenwelt postulirt wird, haben die Bedingungen festgesetzt werden müssen, unter denen dieser Begriff auf eine Erscheinung anwendbar ist. Diese Bedingungen waren die durch eine Analysis gefundenen Bestimmungen des anzuwendenden Begriffs.

Was aber noch nicht geschehen ist, ja wozu noch gar keine Anstalten gemacht worden sind, ist das, diesem Begriffe eine Realität außer uns zuzusichern, welches doch, der Natur dieses Begriffs nach, geschehen müßte. — Wenn nemlich ein Begriff a priori, als anwendbar in der Sinnenwelt, gegeben ist, (wie etwa der der Kausalität,) so sichert schon der Erweis, daß er gegeben ist, ihm seine objektive Gültigkeit; wenn er aber a priori auch nur gemacht ist, wie etwa der eines Dreiecks, oder auch der eines Pegasus, so versichert unmittelbar die Konstruktion desselben im Raume ihm diese Realität, und das Urtheil: das ist ein Dreieck, oder, das ist ein Pegasus, heißt weiter nichts, als: das ist die Darstellung eines Begriffs, den ich mir gemacht habe. Es wird in einem solchen Urtheile vorausgesetzt, daß zur Realität des Begriffs weiter nichts gehöre, als der Begriff selbst; und daß er allein als zureichender Grund des ihm korrespondirenden anzusehen sey. In dem a priori gemachten Begriffe der Offenbarung aber wird zur Realität desselben allerdings noch etwas ganz anderes vorausgesetzt, als unser Begriff von ihr, nemlich, ein Begriff in Gott, der dem unsrigen ähnlich sey. Das kategorische Urtheil: das ist eine Offenbarung, heißt nicht etwa blos: diese Erscheinung in der Sinnenwelt ist Darstellung eines meiner Begriffe, sondern: sie ist Darstellung eines göttlichen Begriffs, gemäß einem meiner Begriffe. Um ein solches kategorisches Urtheil zu berechtigen, d. i. um dem Offenbarungsbegriffe eine Realität außer uns zuzusichern, müßte erwiesen werden können, daß ein Begriff von derselben in Gott vorhanden, gewesen sey, und daß eine gewisse Erscheinung beabsichtigte Darstellung desselben sey.

Ein solcher Beweis könnte entweder a priori geführt werden, nemlich so, daß aus dem Begriffe von Gott die Nothwendigkeit gezeigt werde daß er diesen Begriff nicht nur habe, sondern auch eine Darstellung desselben habe bewirken wollen; etwa so, wie wir aus der Anforderung des Moralgesetzes an Gott, endlichen Wesen die Ewigkeit zu geben, damit sie dem ewiggültigen Gebote desselben Genüge leisten können, nothwendig schließen müssen, daß der Begriff der unendlichen Dauer endlicher moralischer Wesen nicht nur als Begriff in Gott sey, sondern daß er ihn auch außer sich realisiren müsse. So ein Beweis, der, wie ohne alle Erinnerung sich versteht, freilich nur subjektiv, aber dennoch allgemeingültig seyn würde, würde sehr viel und mehr noch beweisen, als wir wollten, indem er ganz unabhängig von aller Erfahrung in der Sinnenwelt uns berechtigte, die absolute Existenz einer Offenbarung anzunehmen, es möchte eine dem Begriffe desselben entsprechende Erscheinung in der Sinnenwelt gegeben seyn oder nicht. Daß ein solcher Beweis aber unmöglich sey, haben wir schon oben gesehen. Wir haben nemlich von Gott nur einen moralischen, durch die reine praktische Vernunft gegebnen Begriff. Fände in demselben sich ein Datum, das uns berechtigte, Gott den Begriff der Offenbarung zuzuschreiben, so wäre dieses Datum zugleich dasjenige, was den Offenbarungsbegriff selbst gäbe, und zwar a priori gäbe. Nach einem solchen Datum der reinen Vernunft aber haben wir uns oben vergeblich umgesehen, und daher von diesem Begriffe eingestanden, daß er ein blos gemachter sey.

Oder dieser Beweis könnte a posteriori geführt werden, nämlich so daß man aus den Bestimmungen der in der Natur gegebnen Erscheinung darthue, sie können nicht anders, als unmittelbar durch göttliche Kausalität, und durch diese wieder nicht anders, als nach dem Begriffe der Offenbarung gewirkt seyn. Da ein solcher Beweis die Kräfte des menschlichen Geistes unendlich übersteige, bedürfte eigentlich nicht dargethan zu werden, da man nur die Erfordernisse eines solchen Beweises nennen darf, um ihn von Übernehmung desselben zurückzuschrecken; doch ist oben auch das zum Überflusse geschehen.

Man könnte aber etwa noch, nachdem man auf die Hoffnung eines strengen Beweises Verzicht gethan, glauben, der nicht erweisbare Satz werde sich wenigstens wahrscheinlich machen lassen. Wahrscheinlichkeit nemlich entsteht, wenn man in die Reihe von Gründen kommt, welche uns auf den zureichenden Grund für einen gewissen Satz führen müßte, doch ohne diesen zureichenden Grund selbst, oder auch den, der sein zureichender ist, u. s. w. als gegeben aufzeigen zu können, und je näher man diesem zureichenden Grunde ist, desto höher ist der Grad der Wahrscheinlichkeit. Diesen zureichenden Grund konnte man nun entweder a priori, (durch's Herabsteigen von den Ursachen zu den Wirkungen) oder a posteriori (durch's Heraufsteigen von den Wirkungen zu den Ursachen) aufsuchen wollen. Im ersten Falle müßte man etwa eine Eigenschaft in Gott aufzeigen, welche ihn, wenn etwa noch ein Bestimmungsgrund, der sich nicht aufzeigen ließe, dazu käme, bewegen müßte, den Begriff einer Offenbarung nicht etwa überhaupt — denn eine solche Eigenschaft in Gott fanden wir oben §. 7. allerdings an seiner Bestimmung durch's Sittengesetz, Moralität außer sich durch jedes mögliche Mittel zu verbreiten — sondern unter den empirisch gegebnen Bestimmungen dieser besondern Offenbarung zu realisiren; so wie man etwa von der Weisheit Gottes, nach der Analogie ihrer Wirkungsart hienieden (also durch Verbindung dieses Begriffs a priori mit einer Erfahrung) vermuthen, aber nicht beweisen kann, (weil Gründe dagegen seyn möchten, die wir nicht wissen) daß endliche Wesen mit Körpern, aber immer sich verfeinernden Körpern fortdauern werden. Abgerechnet, daß unser Geist so eingerichtet ist daß Wahrscheinlichkeitsgründe a priori nicht das geringste Fürwahrhalten in ihm begründen können; so wird man auch eine solche Bestimmung in Gott nie auffinden. Oder im zweiten Falle müßte man alle Möglichkeiten, daß eine gewisse Begebenheit anders als durch göttliche Kausalität bewirkt seyn könnte, bis etwa auf eine, oder zwei, u. s. f. wegräumen. In diese Reihe der Gründe, eine göttliche Kausalität für gewisse Erscheinungen in der Sinnenwelt anzunehmen, kommen wir denn nun allerdings. Denn es ist, theoretisch betrachtet, allerdings der erste Grund für den Ursprung einer gewissen Begebenheit durch unmittelbare Wirkung Gottes, wenn wir ihre Entstehung aus natürlichen Ursachen nicht zu erklären wissen. Aber dieses ist nur das erste Glied einer Reihe, deren Ausdehnung wir gar nicht wissen, und welche schon an sich aller Wahrscheinlichkeit nach uns ungedenkbar ist, und es verschwindet folglich in Nichts vor der unendlichen Menge der möglichen übrigen. Wir können mithin für die Befugniß eines kategorischen Urtheils, daß etwas eine Offenbarung sey, auch nicht einmal Wahrscheinlichkeitsgründe anführen.

Es dürfte etwa jemand noch einen Augenblick glauben, daß diese Wahrscheinlichkeit durch die gefundne Übereinstimmung einer angeblichen Offenbarung mit den Kriterien derselben begründet werde; daher, und zuförderst: wenn eine angebliche Offenbarung vorhanden wäre, an der wir alle Kriterien der Wahrheit gefunden hätten, — welches Urtheil über dieselbe würde dies berechtigen? Alle diese Kriterien sind die moralischen Bedingungen, unter denen allein, und außer welchen nicht, eine solche Erscheinung von Gott, dem Begriffe einer Offenbarung gemäß, bewirkt seyn könnte; aber gar nicht umgekehrt, — die Bedingungen einer Wirkung, die blos durch Gott diesem Begriffe gemäß bewirkt seyn könnte. Wären sie das letztere, so berechtigten sie durch Ausschließung der Kausalität aller übrigen Wesen zu dem Urtheile: das ist Offenbarung; da sie aber das nicht, sondern nur das erstere sind, so berechtigen sie blos zu dem Urtheile: das kann Offenbarung seyn, d. h. wenn vorausgesetzt wird, daß in Gott der Begriff einer Offenbarung vorhanden gewesen sey, und daß er ihn habe darstellen wollen, so ist in der gegebnen Erscheinung nichts, was der möglichen Annahme, sie sey eine dergleichen Darstellung, widersprechen könnte. Es wird also durch eine solche Prüfung nach den Kriterien blos problematisch, daß irgend etwas eine Offenbarung seyn könne; dieses problematische Urtheil aber ist nun auch völlig sicher.

Es wird nemlich in demselben eigentlich zweierlei ausgesagt; zuerst: es ist überhaupt möglich, daß Gott den Begriff einer Offenbarung gehabt habe, und daß er ihn habe darstellen wollen — und dies ist schon unmittelbar aus der Vernunftmäßigkeit des Offenbarungsbegriffs, in welchem diese Möglichkeit angenommen wird, klar; und dann: es ist möglich, daß diese bestimmte angebliche Offenbarung eine Darstellung desselben sey. Das letztere Urtheil kann nun, und muß der Billigkeit gemäß, vor aller Prüfung vorher von jeder als Offenbarung angekündigten Erscheinung gefällt werden; in dem Sinne nemlich: es sey möglich, daß sie die Kriterien einer Offenbarung an sich haben könne. Hier nemlich (vor der Prüfung vorher) ist das problematische Urtheil aus zweien problematischen zusammengesetzt. Wenn aber diese Prüfung vollendet, und die angekündigte Offenbarung in derselben bewährt gefunden ist, so ist das erstere nicht mehr problematisch, sondern völlig sicher; die Erscheinung hat alle Kriterien einer Offenbarung au sich: man kann daher nun mit völliger Sicherheit, ohne noch ein anderweitiges Datum zu erwarten, oder irgend woher einen Einspruch zu befürchten, urtheilen, sie könne eine seyn. Aus der Prüfung nach den Kriterien ergiebt sich also das, was sich aus ihnen ergeben kann, nicht blos als wahrscheinlich, sondern als gewiß, ob sie nemlich göttlichen Ursprungs seyn könne; ob sie es aber wirklich sey, — darüber ergiebt sich aus ihr gar nichts, denn davon ist bei ihrer Übernehmung gar nicht die Frage gewesen.

Nach Vollendung dieser Prüfung kommt nun in Absicht auf ein kategorisches Urtheil das Gemüth, oder sollte es wenigstens vernünftiger Weise, in ein völliges Gleichgewicht zwischen dem Für und dem Wider; noch auf keine Seite geneigt, aber bereit, bei dem ersten kleinsten Momente sich auf die eine oder die andre hinzuneigen. Für ein verneinendes Urtheil ist kein der Vernunft nicht widersprechendes Moment denkbar; weder ein strenger, noch ein zur wahrscheinlichen Vermuthung hinreichender Beweis; denn der verneinende ist eben so und aus eben den Gründen unmöglich als der bejahende; noch eine Bestimmung des Begehrungsvermögens durchs praktische Gesetz, weil die Annehmung einer alle Kriterien der Göttlichkeit an sich habenden. Offenbarung diesem Gesetze in nichts widerspricht. (Es läßt sich zwar allerdings eine Bestimmung des untern Begehrungsvermögens durch die Neigung denken, welche uns gegen die Anerkennung einer Offenbarung einnehmen könnte, und man kann, ohne sich der Lieblosigkeit schuldig zu machen, wol annehmen, daß eine solche Bestimmung bei manchem der Grund sey, warum er keine Offenbarung annehmen wolle; aber eine solche Neigung widerspricht offenbar der praktischen Vernunft.) Es muß sich also, ein Moment für das bejahende Urtheil auffinden lassen, oder wir müssen in dieser Unentschiedenheit immer bleiben. Da auch dieses Moment weder ein strenges, noch ein zur wahrscheinlichen Vermuthung hinreichender Beweis seyn kann, so muß es eine Bestimmung des Begehrungsvermögens seyn.

Schon ehemals sind wir mit dem Begriffe von Gott in diesem Falle gewesen. Unsere bei allem Bedingten Totalität der Bedingungen suchende Vernunft führte uns in der Ontologie auf den Begriff des allerrealsten Wesens, in der Cosmologie auf eine erste Ursache, in der Teleologie auf ein verständiges Wesen, von dessen Begriffen wir die in der Welt für unsre Reflexion allenthalben nothwendig anzunehmende Zweckverbindung ableiten könnten; es zeigte sich schlechterdings keine Ursache, warum diesem Begriffe nicht etwas außer uns korrespondiren sollte, aber dennoch konnte unsre theoretische Vernunft ihm diese Realität durch nichts zusichern. Durch das Gesetz der praktischen Vernunft aber wurde uns zum Zwecke unsrer Willensform ein Endzweck aufgestellt, dessen Möglichkeit für uns nur unter der Voraussetzung der Realität jenes Begriffs denkbar war; und da wir diesen Endzweck schlechterdings wollen, mithin auch theoretisch seine Möglichkeit annehmen mußten, so mußten wir auch zugleich die Bedingungen desselben, die Existenz Gottes, und die unendliche Dauer aller moralischen Wesen annehmen. Hier wurde also ein Begriff, dessen Gültigkeit vorher schlechterdings problematisch war, nicht durch theoretische Beweisgründe, sondern um einer Bestimmung des Begehrungsvermögens willen realisirt. — In Absicht der Aufgabe sind wir hier ganz in dem gleichen Falle. Es ist nemlich ein Begriff in unserm Gemüthe vorhanden, der blos als solcher vollkommen denkbar ist, und nachdem eine alle Kriterien einer Offenbarung an sich habende Erscheinung in der Sinnenwelt gegeben ist, so ist schlechterdings nichts mehr möglich, was der Annahme seiner Gültigkeit widersprechen könnte; es läßt sich aber auch kein theoretischer Beweisgrund aufzeigen, der uns berechtigen könnte, diese Gültigkeit anzunehmen. Dieselbe ist also völlig problematisch. Daß man aber bei Auflösung dieser Aufgabe mit der der obigen nicht völlig gleichen Schritt halten könne, fällt bald in die Augen. Der Begriff von Gott nemlich war a priori durch unsre Vernunft gegeben, war als solcher uns schlechterdings nothwendig, und wir konnten mithin die Aufgabe unsrer Vernunft, über seine Gültigkeit außer uns etwas zu entscheiden, nicht so nach Belieben ablehnen; für den einer Offenbarung aber haben wir a priori kein dergleichen Datum anzuführen, und es wäre mithin recht wohl möglich, diesen Begriff entweder überhaupt nicht zu haben, oder die Frage über seine Gültigkeit außer uns als völlig unnütz von der Hand zu weisen. Was hieraus, daß er a priori nicht gegeben ist, schon unmittelbar folgt, daß nemlich auch keine a priori geschehne Willensbestimmung sich werde aufzeigen lassen, die uns bestimme seine Realität anzunehmen, weil ja dann diese Willensbestimmung das vermißte Datum a priori seyn würde, wird völlig klar, wenn man sich erinnert, daß, um sich den uns a priori aufgestellten Endzweck als möglich zu denken, nichts weiter erfordert wird, als die Existenz Gottes, und die Fortdauer endlicher moralischer Wesen anzunehmen, um welche Sätze, ihrer Materie nach, es im Begriffe einer Offenbarung gar nicht zu thun ist, der sie vielmehr zum Behuf seiner eignen Möglichkeit schon als angenommen voraussetzt; es ist vielmehr blos um die Annehmung einer gewissen Form der Bestätigung dieser Sätze zu thun. Aus der Bestimmung des obern Begehrungsvermögens durch das Moralgesetz läßt mithin kein Moment, die Gültigkeit des Offenbarungsbegriffs anzunehmen, sich ableiten. Vielleicht aber aus einer durch das obere dem Moralgesetze gemäß geschehne Bestimmung des untern? — Das Moralgesetz nemlich gebietet schlechthin, ohne Rücksicht auf die Möglichkeit oder Unmöglichkeit, überhaupt, oder in einzelnen Fällen eine Kausalität in der Sinnenwelt zu haben; und durch die dadurch geschehne Bestimmung des obern Begehrungsvermögens, das Gute schlechthin zu wollen, wird das untere auch durch Naturgesetze bestimmbare bestimmt, die Mittel zu wollen, dasselbe wenigstens in sich (in seiner sinnlichen Natur) hervorzubringen. Das obere Begehrungsvermögen will schlechthin den Zweck, das untere will die Mittel dazu. Nun ist es, laut der §. 8. geschehnen Entwickelung der formalen Funktion der Offenbarung, welche zugleich die einzige ihr wesentliche ist, ein Mittel für sinnlich Menschen, im Kampfe der Neigung gegen die Pflicht, der letztern die Oberhand über die erstere zu verschaffen, wenn sie sich die Gesetzgebung des Heiligsten unter sinnlichen Bedingungen vorstellen dürfen. Diese Vorstellung ist denn die einer Offenbarung. Das untere Begehrungsvermögen muß mithin unter obigen Bedingungen die Realität des Begriffs der Offenbarung nothwendig wollen, und, da gar kein vernünftiger Grund dagegen ist, so bestimmt dasselbe das Gemüth, ihn als wirklich realisirt anzunehmen, d. h. als bewiesen anzunehmen, eine gewisse Erscheinung sey wirklich durch göttliche Kausalität bewirkte absichtliche Darstellung dieses Begriffs, und sie dieser Annahme gemäß zu brauchen.

Eine Bestimmung durchs untere Begehrungsvermögen die Realität einer Vorstellung zu wollen, deren Gegenstand man nicht selbst hervorbringen kann, ist, sie sey auch bewirkt durch was sie wolle, ein Wunsch; mithin liegt der Aufnahme einer gewissen Erscheinung als göttlicher Offenbarung, nichts mehr als ein Wunsch zum Grunde. Da nun ein solches Verfahren, etwas zu glauben, weil das Herz es wünscht, nicht wenig, und nicht mit Unrecht, verschrieen ist, so müssen wir noch einige Worte, wenn auch nicht zur Deduktion der Rechtmäßigkeit, doch zur Ablehnung aller Einsprüche gegen dieses Verfahren im gegenwärtigen Falle hinzusetzen.

Wenn ein bloßer Wunsch uns berechtigen soll, die Realität seines Objekts anzunehmen, so muß derselbe sich auf die Bestimmung des obern Begehrungsvermögens durchs Moralgesetz gründen, und durch dieselbe entstanden seyn; die Annahme der Wirklichkeit seines Objekts muß uns die Ausübung unsrer Pflichten, und zwar nicht etwa blos dieser oder jener, sondern des pflichtmäßigen Verhaltens überhaupt erleichtern, und von der Annahme des Gegentheils muß sich zeigen lassen, daß sie dieses pflichtmäßige Verhalten in den wünschenden Subjekten erschweren würde; und dieses darum, weil wir nur bei einem Wunsche dieser Art einen Grund anführen können, warum wir über die Wirklichkeit seines Objekts überhaupt etwas annehmen, und die Frage über dieselbe nicht gänzlich abweisen wollen. Daß beim Wunsche einer Offenbarung dieses der Fall sey, ist schon oben zur Genüge gezeigt.

Mit diesem Kriterio der Annehmbarkeit eines gewünschten blos um des Wunsches willen, muß sich nun auch das zweite vereinigen, nemlich die völlige Sicherheit, daß wir nie eines Irrthums bei dieser Annahme werden überfuhrt werden können, in welchem Falle die Sache für uns völlig wahr, es für uns eben so gut ist, als ob dabei gar kein Irrthum möglich wäre. Dies findet nun bei der Annahme einer alle Kriterien der Göttlichkeit an sich habenden Offenbarung, d. i. bei der Annahme, daß eine gewisse Erscheinung durch unmittelbare göttliche Kausalität dem Begriffe einer Offenbarung gemäß bewirkt sey, der höchsten Strenge nach statt. Der Irrthum dieser Annahme kann uns, und wenn wir Ewigkeiten hindurch an Einsichten zunehmen, nie aus Gründen einleuchten, oder dargethan werden; denn dann müßte, da vor der theoretischen Vernunft Richterstuhl diese Annahme schlechterdings nicht gehört, gezeigt werden können, daß sie der praktischen Vernunft, nemlich dem durch dieselbe gegebnen Begriffe von Gott widerspräche, welcher Widerspruch aber, da das Moralgesetz für alle vernünftige Wesen auf jeder Stufe ihrer Existenz das gleiche ist, schon jetzt erhellen müßte. Eben so wenig kann ein solcher Irrthum, wie es bei andern menschlichen Wünschen, die meist auf die Zukunft gehen, so oft der Fall ist, durch eine nachmalige Erfahrung dargethan werden; denn wie sollte die Erfahrung wol beschaffen seyn, die uns belehren könnte, eine einem möglichen Begriffe in Gott völlig gemäße Wirkung sey nicht durch die Kausalität dieses Begriffs bewirkt? welches eine offenbare Unmöglichkeit ist: oder auch nur die, welche wir, im Falle daß sie es sey, machen müßten, und aus deren Abwesenheit wir schließen könnten, sie sey es nicht? — Die Untersuchung ist bis zu einem Punkte getrieben, von welchem aus sie für uns nicht weiter gehen kann: bis zur Einsicht in die völlige Möglichkeit einer Offenbarung sowohl überhaupt, als insbesondre durch eine bestimmt gegebne Erscheinung; sie ist für uns (alle endliche Wesen) völlig geschlossen; wir sehen am Endpunkte dieser Untersuchung mit völliger Sicherheit, daß über die Wirklichkeit einer Offenbarung schlechterdings kein Beweis weder für sie, noch wider sie statt finde, noch je statt finden werde, und daß, wie es mit der Sache an sich sey, nie irgend ein Wesen wissen werde, als Gott allein. — Wollte man etwa noch zuletzt als den einzigen Weg, wie wir hierüber belehrt werden könnten, annehmen, Gott selbst könne es uns mittheilen, so wäre dies eine neue Offenbarung, über deren objektive Realität die vorige Unwissenheit entstehen würde, und bei der wir wieder da seyn würden wo wir vorher waren. — Da es aus allem gesagten völlig sicher ist, daß über diesen Punkt keine Überführung des Irrthums, d. i. daß für uns überhaupt kein Irrthum darüber möglich sey, eine Bestimmung des Begehrungsvermögens aber uns treibt, uns für das bejahende Urtheil zu erklären, so können wir mit völliger Sicherheit dieser Bestimmung nachgeben[28].

Diese Annahme einer Offenbarung ist nun, da sie auf eine Bestimmung des Begehrungsvermögens rechtmäßig sich gründet ein Glaube, den wir zum Unterschiede vom reinen Vernunftglauben an Gott und Unsterblichkeit, der sich auf etwas materielles bezieht, den formalen, empirisch bedingten, Glauben nennen wollen. Der Unterschied beider, und alles, was wir über den letztern noch zu sagen haben, wird aus einer Vergleichung der Bestimmung des Gemüths bei einem oder dem ändern nach Ordnung der Kategorientitel sich ergeben.

Der Qualität nach nemlich ist der Glaube im ersten so wie im zweiten Falle eine freie durch keine Gründe erzwungne Annahme der Realität eines Begriffs, dem diese Realität durch keine Gründe zugesichert werden kann, im ersten Falle eines gegebnen, im zweiten eines gemachten, im ersten um einer negativen Bestimmung des untern Begehrungsvermögens (§. 2.) durch das obere, im zweiten um einer positiven Bestimmung desselben willen vermittelst jener negativen. Dies sind Verschiedenheiten, welche schon angezeigt, und deren Folgen schon entwickelt worden. Aber es zeigt sich hier noch eine neue. Im reinen Vernunftglauben nemlich wird blos angenommen, daß einem Begriffe, dem von Gott, überhaupt ein Gegenstand außer uns korrespondire, (denn der Glaube an Unsterblichkeit läßt sich als von der Existenz Gottes blos abgeleitet betrachten, und wir haben mithin hier keine besondre Rücksicht auf ihn zu nehmen): im Offenbarungsglauben aber nicht blos das, sondern auch, daß ein gewisses gegebnes ein diesem Begriffe korrespondirendes sey. Im letztern also scheint das Gemüth einen Schritt weiter zu gehen, und eine kühnere Anmaaßung zu machen, die eine größere Berechtigung für sich anzuführen haben sollte. Aber das hegt in der Natur beider Begriffe, und der Schritt ist wirklich im letzteren Falle nicht kühner, als im ersteren. Der Begriff von Gott nemlich ist schon a priori völlig bestimmt gegeben, so weit er nemlich von uns bestimmt werden kann, und läßt durch keine Erfahrung, und eben so wenig durch Schlüsse aus der angenommenen Existenz sich weiter bestimmen. Eine Realisation desselben kann mithin gar nichts, weiter thun, als die Existenz eines demselben korrespondirenden Gegenstandes annehmen; sie kann weiter nichts zu ihm hinzusetzen, weil dieser Gegenstand nur auf diese eine a priori gegebne Art bestimmt seyn kann. Im Begriffe der Offenbarung aber wird eine zu gebende Erfahrung gedacht, die als solche, und inwiefern sie das ist, a priori gar nicht bestimmt werden kann, sondern als a posteriori auf mannigfaltige Art bestimmbar angenommen werden muß. Sie als realisirt annehmen, heißt nichts anderes, und kann nichts anderes heißen, als sie völlig bestimmt gegeben zu denken; diese völlige Bestimmung muß aber durch die Erfahrung gegeben werden. Folglich findet gar keine Annahme der Realität dieses Begriffs überhaupt (in abstracto) statt, sondern er kann nur durch Anwendung auf eine bestimmte Erscheinung (in concreto) realisirt werden, und durch diese Anwendung geschieht nichts anderes, als was im reinen Vernunftglauben geschieht: es wird angenommen, daß einem a priori vorhandenen Begriffe etwas außer ihm entspreche. Wenn von der Quantität des Glaubens die Rede ist, so kann damit nur eine subjektive gemeint seyn, weil kein Glaube auf objektive Gültigkeit Anspruch macht, in welchem Falle er kein Glaube wäre. In dieser Rücksicht ist nun der reine Vernunftglaube allgemeingültig für alle endliche vernünftige Wesen, weil er sich auf eine a priori geschehne Bestimmung des Begehrungsvermögens durch das Moralgesetz, etwas nothwendig zu wollen, gründet, und auf einen a priori durch die reine Vernunft gegebnen Begriff geht. Er läßt sich zwar niemanden aufdringen, weil er auf eine Bestimmung der Freiheit sich gründet, aber er läßt sich von jedermann fordern, und ihm ansinnen. — Es leuchtet sogleich ein, daß der empirisch bedingte Glaube auf diese Allgemeingültigkeit nicht Anspruch machen könne. Denn theils geht er auf einen nicht gegebnen, sondern gemachten Begriff, der mithin nicht nothwendig im menschlichen Gemüthe ist. Wenn nun jemand auf diesen Begriff überhaupt nicht käme, so könnte er auch keine Darstellung desselben annehmen, und wir wurden mithin diese Annahme vergeblich in ihm voraussetzen, da wir nicht einmal den Begriff derselben in ihm mit Sicherheit voraussetzen können. Theils aber wird die Bestimmung des Gemüths, eine Darstellung dieses Begriffs anzunehmen, nur durch einen Wunsch, der sich auf ein empirisches Bedürfniß gründet, bewirkt. Wenn nun jemand dieses Bedürfniß in sich nicht fühlt, wenn er auch historisch wissen sollte, daß es bei andern vorhanden sey, so kann in demselben nimmermehr der Wunsch entstehen, eine Offenbarung annehmen zu dürfen, mithin auch kein Glaube an dieselbe. — Nur ein einziger Fall läßt sich denken, in welchem auch ohne das Gefühl dieses Bedürfnisses in sich selbst wenigstens ein vorübergehender Glaube möglich ist, wenn nemlich jemand in die Nothwendigkeit versetzt wird, durch die Vorstellung einer Offenbarung, ohne ihrer eben für sich selbst zu bedürfen, auf die Herzen andrer zu wirken, die derselben bedürfen. Der lebhafte, seiner Pflicht, Moralität nach seinen Kräften auch außer sich zu verbreiten, gemäße Wunsch, vereint mit der Überzeugung, daß dies bei den gegebnen Subjekten nur durch diese Vorstellung möglich sey, wird ihn treiben, sie zu gebrauchen. Mit wahrer Energie kann er sie nicht brauchen, ohne als ein selbst überzeugter und glaubender zu reden. Diesen Glauben zu heucheln, wäre gegen die Wahrheit und Lauterkeit des Gemüths, und folglich moralisch unmöglich. Das dadurch entstehende dringende Gefühl eines Bedürfnisses des Offenbarungsglaubens in dieser Lage wird, wenigstens so lange dieses Gefühl dauert; den Glauben selbst in ihm hervorbringen, wenn er auch etwa, nachdem er kälter geworden ist, diese Vorstellungen allmählig wieder bei Seite legen sollte[29].

Es folgt also aus dem gesagten, daß der Glaube an Offenbarung sich nicht nur nicht aufdringen, sondern auch nicht einmal von jedermann fordern, oder ihm ansinnen lasse.

So wie der Glaube an Offenbarung nur unter zwei Bedingungen möglich ist, daß man nemlich theils gut seyn wolle, theils der Vorstellung einer geschehnen Offenbarung als eines Mittels bedürfe, um das Gute in sich hervorzubringen[30], so kann auch der Unglaube in Rücksicht auf sie zweierlei Ursachen haben, daß man nemlich entweder gar keinen guten Willen habe, und mithin, alles, was uns zum Guten antreiben, und unsre Neigungen einschränken zu wollen das Ansehen hat, hasse, und von der Hand weise, oder daß man bei dem besten Willen nur die Unterstützung einer Offenbarung nicht bedürfe, um ihn in's Werk setzen zu können. Die erstere Verfassung der Seele ist tiefes moralisches Verderben; die letztere ist, wenn sie sich nur etwa nicht auf die natürliche Schwäche unsrer Neigungen, oder auf eine dieselben tödtende Lebensart, sondern auf wirksame Hochachtung des Guten, um sein selbst willen, gründet, wirkliche Stärke, und man darf, ohne Furcht, der Würde der Offenbarung dadurch etwas zu benehmen, das sagen, weil bei wirklich vorherrschender Liebe des Guten, ohne welche überhaupt kein Glaube möglich ist, nicht zu befürchten steht, daß jemand sie von der Hand weisen werde, so lange er noch irgend eine gute Wirkung derselben an sich verspürt. Aus welchen Ursachen von beiden der Unglaube bei einem bestimmten Subjekte entstanden sey, können nur die Früchte lehren.

Zur Ablehnung einer übereilten Folgerung hieraus aber müssen wir schon hier anmerken, daß, wenn gleich nicht der Glaube an Offenbarung, dennoch die Kritik ihres Begriffs auf Allgemeingültigkeit Anspruch mache. Denn letztere hat nichts zu begründen, als die absolute Möglichkeit einer Offenbarung, sowohl in ihrem Begriffe, als daß etwas demselben korrespondirendes angenommen werden könne, und dies thut sie aus Principien a priori, mithin allgemeingültig. Jedem also wird durch sie angemuthet, zuzugestehen, daß nicht nur überhaupt eine Offenbarung möglich sey, sondern auch, daß eine in der Sinnenwelt wirklich gegebne Erscheinung, die alle Kriterien derselben an sich hat, eine seyn könne. Hierbei aber muß sie es bewenden lassen, und hierbei kann und muß es vernünftiger Weise jeder, der kein Bedürfniß derselben zum Gebrauche weder an sich, noch an ändern fühlt, bewenden lassen; ist aber durch die Kritik genöthigt, denen, die an sie glauben, die Vernunftmäßigkeit ihres Glaubens zuzugestehen, und sie in völlig ruhigem und ungestörtem Besitze und Gebrauche desselben zu lassen.

In Absicht der Relation bezieht sich der reine Vernunftglaube auf etwas Materielles, der Offenbarungsglaube aber blos auf eine bestimmte Form dieses a priori gegebnen, und schon als angenommen vorausgesetzten Materiellen. Dieser Unterschied, der aus allem bisher gesagten zur Genüge klar ist, veranlaßt uns blos hier noch die Anmerkung zu machen, daß derjenige, der diese bestimmte Form einer Offenbarung nicht annimmt, darum das Materielle, Gott und Unsterblichkeit, nicht nur nicht nothwendig läugne, sondern daß er auch dem Glauben an dieselben in sich nicht nothwendig Abbruch thue, wenn er sie sich außer dieser Form eben so gut denken, und sie zur Willensbestimmung brauchen kann.

In Absicht der Modalität endlich drückt sich der reine Vernunftglaube, nach Voraussetzung der Möglichkeit des Endzwecks des Moralgesetzes, apodiktisch ans; es ist nemlich, einmal angenommen, daß das absolute Recht möglich sey, für uns schlechterdings nothwendig zu denken, daß ein Gott sey, und daß moralische Wesen ewig dauern. Der Glaube an Offenbarung aber kann sich nur kategorisch ausdrücken: eine gewisse Erscheinung ist Offenbarung; nicht: sie muß nothwendig Offenbarung seyn, weil, so sicher es auch ist, daß uns kein Irrthum in diesem Urtheile gezeigt werden kann, das Gegentheil an sich doch immer möglich bleibt.

 

§. 15.

Allgemeine Übersicht dieser Kritik.

Ehe irgend eine Untersuchung über den Offenbarungsbegriff möglich war, mußte dieser Begriff wenigstens vorläufig bestimmt werden; und da es uns hier nicht so gut ward, wie bei gegebnen Begriffen in der reinen Philosophie, denen wir bis zu ihrer ersten Entstehung nachspüren, und sie gleichsam werden sehen, da hingegen dieser sich blos als ein empirischer ankündiget, und wenigstens, wenn auch bei näherer Untersuchung seine Möglichkeit a priori sich ergiebt, nicht das Ansehen hat, ein Datum a priori für sich anführen zu können: so hatten wir vor der Hand darüber nur den Sprachgebrauch abzuhören. Dies geschah §. 5. Da aber dieser Begriff, wie schon vorläufig zu vermuthen, §. 5. aber vollkommen erweisbar war, nur in Beziehung auf Religion vernunftmäßig ist, so mußte eine Deduktion der Religion überhaupt zum Behuf der Ableitung des zu untersuchenden Begriffs aus seinem höhern vorausgeschickt werden (§. 2. 3. 4.).

Nach dieser vorläufigen Bestimmung des Begriffs war zu untersuchen, ob er überhaupt einer philosophischen Kritik zu unterwerfen, und vor welchem Richterstuhle seine Sache anhängig zu machen sey. Das erste hing davon ab, ob er a priori möglich sey, und das zweite mußte sich durch eine wirkliche Deduktion a priori aus den Principien, von welchen er sich ableiten ließ, ergeben; indem offenbar jeder Begriff unter das Gebiet desjenigen Princips gehört, von welchem er abgeleitet ist. Diese Deduktion wurde §. 5. 6. 7. wirklich gegeben, und aus ihr erhellte, daß dieser Begriff vor den Richterstuhl der praktischen Vernunft gehöre. Der zweite Punkt, der einer strengen Prüfung unterworfen werden muß, ist mithin diese Deduktion a priori, weil mit ihrer Möglichkeit die Möglichkeit jeder Kritik dieses Begriffs überhaupt, und die Richtigkeit der gegebnen, zugleich aber auch die Vernunftmäßigkeit des kritisirten Begriffs selbst steht oder fällt.

Da sich bei dieser Deduktion fand, daß der in Untersuchung befindliche Begriff kein Datum a priori aufzuweisen habe, sondern dasselbe a posteriori erwarte, so mußte die Möglichkeit dieses verlangten Datum in der Erfahrung, aber auch nur seine Möglichkeit, gezeigt werden. Dies geschah §. 8. Es kommt also bei Prüfung dieses §. blos darauf an, ob ein empirisches Bedürfniß einer Offenbarung, welches das verlangte Datum ist, nicht etwa wirklich aufgezeigt, sondern nur richtig angezeigt worden, und ob aus den empirischen Bestimmungen der Menschheit die Möglichkeit abgeleitet worden, daß ein solches Bedürfniß eintreten könne.

Mehr um den Satz, daß die Untersuchung der Möglichkeit einer Offenbarung schlechterdings nicht vor das Forum der theoretischen Vernunft gehöre, welcher schon, aus der Deduktion ihres Begriffs erhellet, noch einleuchtender zu machen, als um einer systematischen Nothwendigkeit willen, wurde §. 9. noch die physische Möglichkeit einer Offenbarung, über welche an sich gar keine Frage entstehen konnte, gezeigt.

Nach Beendigung dieser Untersuchungen muß es völlig klar seyn, daß der Begriff der Offenbarung überhaupt nicht nur an sich denkbar sey, sondern daß auch, im Falle des eintretenden empirischen Bedürfnisses sich etwas ihm korrespondirendes außer ihm erwarten lasse. Da aber dieses korrespondirende eine Erscheinung in der Sinnenwelt seyn soll, welche gegeben werden muß (nicht gemacht werden kann), so kann nun der menschliche Geist hierbei nichts weiter thun, als diesen Begriff auf eine dergleichen Erscheinung anwenden, und die Kritik weiter nichts, als ihn dabei leiten, d. i. die Bedingungen festsetzen, unter denen eine solche Anwendung möglich ist. Diese Bedingungen sind §. 10. 11. 12. entwickelt worden. Da dieselben nichts weiter, als die durch eine Analysis sich ergebenden Bestimmungen des Offenbarungsbegriffs selbst sind, so kommt es bei ihrer Prüfung nur darauf an, ob sie aus diesem Begriffe wirklich herfließen, und ob sie alle angegeben sind. Die Prüfung des letztern Punktes sucht §. 13. zu erleichtern.

Da aber aus der Art dieses Begriffs sich offenbar ergeben hat, daß seine wirkliche Anwendung auf eine gegebne Erfahrung immer nur willkührlich ist, und sich auf keine Zunöthigung der Vernunft gründet, so hat §. 14 noch gezeigt werden müssen, worauf diese Anwendung überhaupt sich gründe, und inwiefern sie vernunftmäßig sey. Auch diese Deduktion der Vernunftmäßigkeit dieses Verfahrens mit dem Offenbarungsbegriffe bedarf einer besondern Prüfung.

Aus dieser kurzen Übersicht erhellet, daß die Kritik der Offenbarung aus Principien a priori geführt werde — denn bei Untersuchung des empirischen Datum für den Offenbarungsbegriff ist sie blos gehalten die Möglichkeit desselben zu zeigen; daß sie mithin, wenn in keinem der angezeigten Punkte ihr ein Fehler nachzuweisen ist, auf allgemeine Gültigkeit rechtmäßigen Anspruch mache. Sollten aber in gegenwärtiger Bearbeitung dieser Kritik dergleichen Fehler gemacht worden seyn, wie wol zu erwarten steht; so müßte es, wenn nur der Weg einer möglichen Kritik richtig angegeben ist, welches sich bald zeigen muß, besonders durch gemeinschaftliche Bemühungen, leicht seyn, ihnen abzuhelfen, und eine allgemeingeltende Kritik aller Offenbarung aufzustellen.

Durch diese Kritik wird nun die Möglichkeit einer Offenbarung an sich, und die Möglichkeit eines Glaubens an eine bestimmte gegebne insbesondre, wenn dieselbe nur vorher vor dem Richterstuhle ihrer besondern Kritik bewährt gefunden, völlig gesichert, alle Einwendungen dagegen auf immer zur Ruhe verwiesen, und aller Streit darüber auf ewige Zeiten beigelegt[31]. Durch sie wird alle Kritik jeder besondern gegebnen Offenbarung begründet, indem sie die allgemeinen Grundsätze jeder dergleichen Kritik an den Kriterien aller Offenbarung aufstellt. Es wird, nach vorher ausgemachter historischer Frage, was eine gegebne Offenbarung eigentlich lehre — welche in einzelnen Fällen leicht die schwerste seyn dürfte, möglich, mit völliger Sicherheit zu entscheiden, ob eine Offenbarung göttlichen Ursprungs seyn könne, oder nicht, und im ersten Falle ohne alle Furcht irgend einer Störung an sie zu glauben.

Fußnoten:

[1] Diese Vorrede, und das ächte vom Verfasser mit seinem Namen unterzeichnete Titelblatt wurden durch ein Versehen nicht in der Ostermesse, aber wohl späterhin, mir ausgegeben.

Der Verleger.

[2] Diese Form der empirischen Anschauung, insofern sie empirisch ist, ist der Gegenstand des Gefühls des Schönen. Richtig verstanden entdeckt dies einen leichtern Weg zum Eindringen in das Feld der ästhetischen Urtheilskraft.

[3] Ehemals auch — Sittenlehre genannt.

[4] Es sind nemlich, bei der characteristischen Beschaffenheit endlicher Wesen leidend afficirt zu werden, und durch Spontaneität sich zu bestimmen, bei jeder Äußerung ihrer Thätigkeit Mittelvermögen anzunehmen, die von der einen Seite der Bestimmbarkeit durch Leiden, von der andern der Bestimmbarkeit durch Thun fähig sind.

[5] Ich füge zur Erläuterung auch hier noch hinzu, daß so etwas, wie Interesse am Guten blos von endlichen, d. h. empirisch bestimmbaren Wesen gelte, von dem Unendlichen aber gar nicht auszusagen sey: daß mithin in der reinen Philosophie, wo von allen empirischen Bedingungen gänzlich abstrahirt wird, der Satz: das Gute muß schlechthin darum geschehen, weil es gut ist — ohne alle Einschränkung vorzutragen; für sinnlich bestimmbare Wesen aber so einzuschränken ist: das Gute wirkt Interesse, schlechthin darum, weil es gut ist, und dieses Interesse muß den Willen bestimmt haben, es hervorzubringen, wenn die Willensform rein moralisch seyn soll.

[6] Sollten wir nicht bei der Erziehung mehr auf die Entwickelung des Gefühls für das Erhabne bedacht seyn? — ein Weg, den uns die Natur selbst öfnete, um von der Sinnlichkeit aus zur Moralität überzugehen, und der in unserm Zeitalter uns meist schon sehr früh durch Frivolitäten und Colifischets, und unter andern auch durch Theodiceen und Glückseeligkeitslehren, verdämmt wird. — Nil admirari — omnia humana infra so posita carnere — ist es nicht das unsichtbare Wehen dieses Geistes, das uns hier weniger, da mehr an die classischen Schriften der Alten anzieht? Was müßten wir bei unsern ohne Zweifel entwickeltern Humanitätsgefühlen gegen Jene bald werden, wenn wir ihnen nur hierinn ähnlich werden wollten? und was sind wir jetzt gegen sie?

[7] Welches nicht zum Beweise, sondern κατ' ανθρωπον gesetzt wird. Jede Behauptung muß auf sich selbst stehen, oder fallen. — Der verehrt Kanten noch wenig, der es nicht am ganzen Umrisse und Vortrage seiner Schriften gemerkt hat, daß er uns nicht seinen Buchstaben, sondern seinen Geist mittheilen wollte; und er verdankt ihm noch weniger.

[8] Die Vernachläßigung dieses Theils der Theorie des Willens, nemlich der Entwickelung der positiven Bestimmung des sinnlichen Triebes durch das Sittengesetz führt nothwendig zum Stoicismus in der Sittenlehre — dem Princip der Selbstgenugsamkeit — und zur Läugnung Gottes und der Unsterblichkeit der Seele, wenn man consequent ist.

[9] Im Vorbeigehen die Frage: Soll der erste Grundsatz des Naturrechts ein Imperativ, oder eine Thesis seyn? Soll diese Wissenschaft im Tone der practischen, oder in dem der theoretischen Philosophie Vorgetragen werden?

[10] Welch ein sonderbares Zusammentreffen! — «Wer sein Leben lieb hat, der wird es verlieren; wer es aber verlieret, der wirds erhalten zum ewigen Leben:»sagte Jesus; welches gerade so viel heißt, als das obige.

[11] Gott hat keine Rechte: denn er hat keine sinnliche Neigung.

[12] Welche beiden letztern Begriffe hier nur dazu da stehen, um die leere Stelle einer Idee zu bezeichnen, die aus ihrer Verbindung entsteht, und die für uns undenkbar ist.

[13] Wenn man von Gott redet, so heißt die Anforderung der practischen Vernunft an ihn nicht Gebot, sondern Gesetz. Sie sagt von ihm kein Sollen, sondern ein Seyn aus; sie ist in Rücksicht auf ihn nicht imperativ, sondern constitutiv.

[14] Das Wort recht (welches wohl zu unterscheiden ist von einem Rechte, von welchem die Lehrer des Naturrechts reden,) hat einen ihm eigenthümlichen Nachdruck, weil es keiner Grade der Vergleichung fähig ist. Nichts ist so gut, oder so edel, daß sich nicht noch etwas besseres oder edleres denken ließe; aber recht ist nur eins: alles, worauf dieser Begriff anwendbar ist, ist entweder schlechthin recht oder schlechthin unrecht, und da giebt's kein drittes. Weder das lateinische honestum, noch das griechische καλον κ'αγαθον hat diesen Nachdruck. (Vielleicht das lateinische par — egisti uti par est —?) Es ist ein Glück für unsre Sprache, daß man diesem Worte durch Mißbrauch desselben seinen Nachdruck nicht geraubt hat, welches sie ohne Zweifel dem Geschmacke der Superlativen, und der Übertreibung, — der Meinung, daß es eben nicht viel gesagt sey, wenn man z. B. eine Handlung recht nenne, und daß sie wenigstens edel heißen müsse, zu verdanken hat.

[15] Die Frage: warum überhaupt moralische Wesen seyn sollten? ist leicht zu beantworten: wegen der Anforderung des Moralgesetzes an Gott, das höchste Gut außer Sich zu befördern, welches nur durch Existenz vernünftiger Wesen möglich ist.

[16] Wer unwillig wird, daß ich das sagte, dem sagte ich's nicht. Ich kenne aber Leser, denen man es allerdings sagen muß.

[17] Überhaupt haben alle, die durch historische, geographische, physische Deduktionen die kritische Philosophie widerlegen, noch nicht den ersten Satz der Philosophie gefaßt, die sie widerlegen.

[18] Daß dieser Deduktion gar nicht eine objektive, einen theoretischen Beweis a priori begründende, sondern blos eine subjektive, für den empirisch-bedingten Glauben hinlängliche, Gültigkeit zugeschrieben werde, ist wohl für keinen Leser, der auch nur eine dunkle Ahndung von dem Gange und Ziele dieser Abhandlung hat, zu erinnern — auch sogar dann nicht, wenn jemand ihren Sinn vorsätzlich misdeuten sollte, um den Leser irre zu führen.

[19] Ich sehe nicht ab, wie die Bewohner von Hispaniola, wenn Christoph Colon, statt durch seine vorgebliche Verfinsterung des Mondes nur Lebensmittel von ihnen zu erzwingen, dieselbe als göttliche Beglaubigung einer Gesandtschaft von ihm an sie in moralischen Absichten gebraucht hätte, ihm vor der Hand vernünftiger Weise ihre Aufmerksamkeit hätten versagen können, da der Erfolg dieser Naturbegebenheit nach seiner bestimmten Vorherverkündigung ihnen nach Naturgesetzen schlechterdings unerklärbar seyn mußte. Und wenn er denn auf diese Beglaubigung eine den Principien der Vernunft völlig angemessene Religion gegründet hätte, so hätten sie nicht nur auf keinen Fall etwas dabei verloren, sondern sie hätten auch diese Religion mit völliger Überzeugung so lange für unmittelbar göttlichen Ursprungs halten können, bis sie durch eigne Einsicht in die Naturgesetze, und durch die historische Belehrung, daß Colon sie eben so gut gekannt, und daß er also nicht allerdings ehrlich mit ihnen umgegangen, diese Religion zwar nicht mehr für göttliche Offenbarung hätten halten können, aber doch verbunden geblieben wären, sie wegen ihrer gänzlichen Übereinstimmung mit dem Moralgesetze, für göttliche Religion anzuerkennen.

[20] Wenn es erwiesen werden könnte, daß ein vernünftiges Fürwahrhalten einer Offenbarung Gottes als politischen Gesetzgebers (etwa als Vorbereitung auf eine moralische Offenbarung) möglich wäre, als mit welcher Möglichkeit des Fürwahrhaltens zugleich die Möglichkeit der ganzen Sache steht und fällt (ein Erweis, der aus dem oben §. 5. gesagten als fast unmöglich erscheint); so wäre es klar, daß der Gehorsam gegen dergleichen Gesetze in einer solchen Offenbarung auf Furcht der Strafe, und Hoffnung der Belohnung, nicht nur gegründet werden könnte, sondern müßte, da der Endzweck politischer Gesetze bloße Legalität ist, und diese durch jene Triebfedern am sichersten bewirkt wird.

[21] Ich bitte jeden, dem die hier zu beweisende Behauptung noch anstößig vorkommt, auf das von hier an folgende besonders aufzumerken. Entweder die ganze Offenbarungskritik muß umgestoßen, und die Möglichkeit einer theoretischen Überzeugung a posteriori von der Göttlichkeit einer gegebnen Offenbarung erhärtet werden, (worüber man sich an §. 5. zu halten hat:) oder man muß den Satz: daß eine Offenbarung unsre übersinnliche Erkenntniß nicht erweitern könne, unbedingt zugeben.

[22] Zu Ablehnung übereilter Konsequenzen und unstatthafter Anwendungen merken wir nochmals ausdrücklich an, daß hier nur von als objektiv gültig angekündigten Sätzen die Rede sey, und daß vieles, was als Erweiterung unsrer Erkenntniß des Übersinnlichen aussehe, versinnlichte Darstellung unmittelbarer, oder durch Anwendung dieser auf gewisse Erfahrungen entstandener Vernunftpostulate seyn könne; daß es mithin, wenn es erweislich das ist, durch dieses Kriterium nicht ausgeschlossen werde. Der Erweis davon gehört aber nicht hierher, sondern in die angewandte Kritik einer besondern Offenbarung.

[23] So ist es freilich eine richtige Regel: Fasse nie einen Entschluß in der Hitze des Affekts: aber diese Regel, als empirisch bedingt, kann sogar nicht auf Menschen allgemeine Anwendung haben, denn es ist wol möglich, und soll möglich seyn, sich von allen aufbrausenden Affekten gänzlich frei zu machen.

[24] Es folgt aber gar nicht, daß, weil ein gewisses Mittel für ein Subjekt, oder auch für die meisten von keinem Nutzen sey, es darum für niemanden einigen Nutzen haben könne; und man ist in den neuern Zeiten in Verwerfung vieler ascetischen Uebungen, aus Haß gegen den in den ältern damit getriebnen Mißbrauch, zu weit gegangen, wie mir's scheint. Daß es überhaupt gut und nützlich sey, seine Sinnlichkeit auch zuweilen da, wo kein ausdrückliches Gesetz redet, zu unterdrücken, blos um sie zu schwächen und immer freier zu werden, weiß jeder, der an sich gearbeitet hat.

[25] Daß die Juden älterer Zeiten wirklich so schlossen, bezeugen die Vorstellungen der Propheten gegen diesen Irrthum; daß sie in neuern Zeiten nicht klüger sind, beweisen die lächerlich kindischen Vorstellungen von Gott, die ihr Talmud enthält: ob durch Schuld ihrer Religion, oder ihre eigne, bleibt hier ununtersucht. — Woher aber komme bei manchen Christen mittlerer und neuerer Zeiten sogar, der Wahn, daß gewisse Anrufungen, z. B. Kyrie Eleison, Vater unsers Herrn Jesu Christi, u. dergl. ihm besser gefallen, als andere?

[26] Wer mich siehet, siehet den Vater, — sagte Jesus nicht eher, bis Philippus von ihm verlangte, ihm den Vater zu zeigen.

[27] Daß z. B. Jesus sich Unsterblichkeit gedacht habe, wenn er von Auferstehung redete, und daß beide Begriffe damals für völlig gleich gegolten, erhellet, außer seinen Reden beim Johannes über diesen Gegenstand, wo er die ununterbrochne Fortdauer seiner Anhänger in einigen Aussprüchen ganz rein ohne das Bild der Auferstehung, doch ohne sich auf den Unterschied zwischen Seele und Körper, und auf die vom körperlichen Tode mögliche Einwendung einzulassen, vorträgt; unter andern ganz offenbar aus jenem Beweise κατ' ανθρωπον gegen die Sadducäer. Der angezogne Ausspruch Gottes konnte, alles übrige als richtig zugestanden, nichts weiter als die fortdauernde Existenz Abrahams, Isaaks, und Jakobs, zur Zeit Moses, aber keine eigentliche Auferstehung des Fleisches beweisen. Daß auch die Sadducäer es so verstanden, und nicht blos die körperliche Auferstehung, sondern Unsterblichkeit überhaupt, läugneten, folgt daraus, weil sie sich mit diesem Beweise Jesu befriedigten.

Die Widersprüche, die aus einer zu groben Vorstellung dieser Lehre folgen, nöthigten schon Paulus, sie etwas näher zu bestimmen.

[28] Lasset uns das hier über die Bedingungen der Erlaubniß etwas zu glauben, weil das Herz es wünscht, gesagte, durch ein Beispiel vom Gegentheile klärer machen. Man könnte nemlich etwa die Wiedererneuerung des Umganges gewesener Freunde im künftigen Leben aus dem Verlangen guter zur Freundschaft gestimmter Menschen nach dieser Wiedererneuerung erweisen wollen. Mit einem solchen Beweise aber würde man dicht wohl fortkommen. Denn ob man gleich etwa sagen könnte, die Vollbringung mancher schweren Pflicht werde dem, der einen geliebten Freund in der Ewigkeit weiß, durch den Gedanken erleichtert werden, daß er sich dadurch des Genusses der Seligkeit mit seinem abgeschiednen Freunde immer mehr versichere, so würde, ganz abgerechnet, daß man wol unzählige Motiven der Art würde aufweisen können, denen man aber darum die objektive Realität zuzusprechen doch ein Bedenken tragen würde, dadurch doch gar nicht reine Moralität, sondern blos Legalität befördert werden, und es würde demnach eine vergebliche Bemühung seyn, diesen Wunsch von der Bestimmung des obern Begehrungsvermögens durch das Moralgesetz ableiten zu wollen. Überhaupt sind wol — der Wunsch, überhaupt Spuren der göttlichen moralischen Regierung in der ganzen Natur, und vorzüglich in unserm eignen Leben, und der, insbesondre eine Offenbarung annehmen zu dürfen, die einzigen, die mit Recht auf eine so erhabne Abstammung Ansprach machen möchten. Was die zweite Bedingung anbetrifft, so lassen sich schon hienieden der Analogie nach Gründe genug vermuthen, die eine solche Wiedervereinigung im künftigen Leben zweckwidrig machen könnten, als z. B. daß etwa der Zweck einer vielseitigen Ausbildung uns den Umgang des ehemaligen Freundes, dessen Absicht für unsre Bildung erreicht ist, unnütz, oder gar schädlich machen könnte, — daß desselben Gegenwart in andern Verbindungen nöthiger, und für das Ganze nützlicher sey, — daß die unsrige in ändern Verbindungen es sey u. dgl. Blos der letzten Bedingung entspricht die angenommene Realität dieses Wunsches, denn in einer Dauer ohne Ende kann diese Wiedervereinigung, wenn sie an keinen bestimmten Punkt dieser Dauer gebunden wird, immer noch erwartet werden, und mithin die Erfahrung ihrer Wirklichkeit nie widersprechen. Aus diesem Grunde also ist kein Beweis der Befriedigung dieses Wunsches möglich; und wenn es keinen ändern Beweis giebt (es giebt aber einen, der jedoch auch nur zur wahrscheinlichen Vermuthung hinreicht), so müßte das menschliche Gemüth sich über dieselbe auf Hoffnung, d. i. auf eine durch eine Bestimmung des Begehrungsvermögens motivirte Hinneigung des Urtheils auf eine Seite bei einem Gegenstände, der übrigens als problematisch erkannt wird, einschränken.

Übrigens hat es in Absicht der Unwiderlegbarkeit mit den unmittelbaren Postulaten der praktischen Vernunft, der Existenz Gottes, und der ewigen Fortdauer moralischer Wesen die gleiche Bewandtniß. Unsre Fortdauer zwar ist Gegenstand unmittelbarer Erfahrung; der Glaube, an die Fortdauer aber kann nie durch Erfahrung widerlegt werden; denn, wenn wir nicht existiren, so machen wir gar keine Erfahrung. So lange wir ferner als wir, d. i. als moralische Wesen, fortdauern, kann auch der Glaube an Gott weder durch Gründe, denn auf theoretische gründet er sich nicht, und das für die Ewigkeit gültige Gesetz der praktischen Vernunft unterstützt ihn, noch durch Erfahrung umgestoßen werden; denn die Existenz Gottes kann nie Gegenstand der Erfahrung werden, mithin auch aus der Ermangelung einer solchen Erfahrung sich nie auf die Nichtexistenz desselben schließen lassen. Aus eben diesen Gründen aber können diese Sätze auch nie, für irgend ein endliches Wesen, Gegenstände des Wissens werden, sondern müssen in alle Ewigkeit Gegenstände des Glaubens bleiben. Denn für die Existenz Gottes werden wir nie andre als moralische Gründe haben, da keine andern möglich sind, und unsrer eignen Existenz werden wir zwar für jeden Punkt derselben unmittelbar durch das Selbstbewußtseyn sicher seyn, für die Zukunft aber sie aus keinen ändern, als moralischen Gründen erwarten können.

[29] Daß dies nicht eine leere Vernünftelei sei, sondern sich auch in der Erfahrung, besondere beim Halten öffentlicher Reden an das Volk, bestätige, wird uns vielleicht jeder Religionslehrer, der etwa sich für seine Person der aus der Offenbarung hergenommenen Vorstellungen, nicht bedient, übrigens aber lebhaftes Gefühl seiner Bestimmung mit Ehrlichkeit (welches nicht wenig gesagt ist) vereinigt, wenn auch nicht öffentlich, doch wenigstens in seinem Herzen zugestehen. — Es geschieht vermittelst der Begeisterung durch die Einbildungskraft; und dieser Umstand darf die Sache niemanden verdächtig machen, da ja die Offenbarung überhaupt nur durch dieses Vehikulum wirken kann, und soll.

[30] Dies waren auch die Maximen Jesu. In Absicht des erstern: So jemand will den Willen thun des der mich gesandt hat, der wird innen werden, ob diese Lehre von Gott sey; und im Gegensatze: Wer Arges thut, hasset das Licht, und kommt nicht an das Licht. In Absicht des letztern: Die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken; ich bin kommen die Sünder zur Busse zu rufen, und nicht, die Gerechten — welche Aussprüche ich nicht für Ironie halte.

[31] Dieser Streit gründet sich auf eine Antinomie des Offenbarungsbegriffs, und ist völlig dialektisch. Anerkennung einer Offenbarung ist nicht möglich, sagt der eine Theil; Anerkennung einer Offenbarung ist möglich, sagt der zweite; und so ausgedrückt widersprechen sich beide Sätze geradezu. Wenn aber der erste so bestimmt wird: Anerkennung einer Offenbarung aus theoretischen Gründen ist unmöglich; und der zweite: Anerkennung einer Offenbarung um einer Bestimmung des Begehrungsvermögens willen, d. i. ein Glaube an Offenbarung, ist möglich; so widersprechen sie sich nicht, sondern können beide wahr seyn, und sind es beide, laut unsrer Kritik.


SCHLUSSANMERKUNG.

Es ist eine sehr allgemeine Bemerkung, daß alles, was Spekulation ist, oder so aussieht, sehr wenig Eindruck auf das menschliche Gemüth mache. Man wird allenfalls angenehm dadurch beschäfftiget; man läßt sich das Resultat gefallen, weil man nichts dagegen einwenden kann, würde aber auch nichts arges daraus haben, wenn es anders ausgefallen wäre; denkt und handelt übrigens in praktischer Rücksicht wie vorher, so daß der auf Spekulation gegründete Satz wie ein todtes Kapital ohne alle Zinsen in der Seele zu liegen, scheint, und daß man seine Anwesenheit durch nichts gewahr wird. So ging es von jeher mit den Spekulationen der Idealisten und Skeptiker. Sie dachten, wie niemand, und handelten, wie alle.

Daß gegenwärtige Spekulation, wenn sie auch etwa nicht nothwendig praktische Folgen aufs Leben hat, (wie sie doch, wenn sie sich behauptet, haben möchte,) dennoch in Absicht des Interesse nicht so kalt und gleichgültig werde aufgenommen werden, dafür bürgt ihr wol der Gegenstand, den sie behandelt. Es ist nemlich in der menschlichen Seele ein nothwendiges Interesse für alles, was auf Religion Bezug hat, und das ist denn ganz natürlich daraus zu erklären, weil nur durch Bestimmung des Begehrungsvermögens Religion möglich geworden ist; daß also diese Theorie durch die allgemeine Erfahrung bestätigt wird, und daß man sich fast wundern sollte, warum man nicht längst selbst von dieser Erfahrung aus auf sie kam. Wenn jemand etwa einen andern unmittelbar gewissen Satz, z. B. daß zwischen zwey Punkten nur Eine gerade Linie möglich sey, läugnen würde, so würden wir ihn vielmehr verlachen und bedauren, als uns über ihn erzürnen; und wenn ja etwa der Mathematiker sich dabey ereifern sollte, so könnte dies nur entweder aus Mißvergnügen über sich selbst herkommen, daß er ihn seines Irrthums nicht sogleich überführen könne, oder aus der Vermuthung, daß bey diesem hartnäckigen Abläugnen der böse Wille, ihn zu ärgern, (mithin doch auch etwas unmoralisches) zum Grunde liege: aber dieser Unwille würde doch ein ganz anderer seyn, als derjenige, der jeden, und den unausgebildetsten Menschen eben am meisten angreift, wenn jemand das Daseyn Gottes, oder die Unsterblichkeit der Seele abläugnet; welcher mit Furcht und Abscheu vermischt ist, zum deutlichen Zeichen, daß wir diesen Glauben als einen theuren Besitz, und denjenigen als unsern persönlichen Feind ansehen, der Mine macht, uns in diesem Besitze stören zu wollen. Dieses Interesse verbreitet sich denn verhältnißmäßig weiter, je mehrere Ideen wir auf die Religion beziehen, und mit ihr in Verbindung bringen können; und wir würden daher uns sehr bedenken, zu entscheiden, ob vorherrschende Toleranz in einer Seele, in welcher sie sich nicht auf langes anhaltendes Nachdenken gründen kann, ein sehr achtungswerther Zug sey. Aus eben diesem Interesse läßt sich auch im Gegentheile die empfindliche Abneigung erklären, mit der wir gegen Vorstellungen eingenommen werden, die wir etwa ehedem für heilig hielten, von denen wir aber bey zunehmender Reife uns überzeugt oder überredet haben, daß sie es nicht sind. Wir erinnern uns ja andrer Träume unsrer frühern Jahre, wie etwa des von einer uneigennützigen Hülfsbereitwilligkeit der Menschen, von einer arkadischen Schäferunschuld u. dergl. mit einem wehmüthig-frohen Andenken der Jahre, wo wir noch so angenehm träumen konnten; ohnerachtet das Gegentheil und die Erfahrungen, wodurch wir etwa darüber belehrt worden sind, uns doch an sich unmöglich angenehm seyn können. Der Täuschungen von oben angezeigter Art aber erinnern wir uns lange mit Verdruß, und es gehört viel Zeit und Nachdenken dazu, um auch darüber kalt zu werden; ein Phänomen, welches man gar nicht der dunkeln Vorstellung des durch dergleichen Ideen entstehenden Schadens, (indem wir ja den offenbaren Schaden selbst mit mehr Gleichmuth erblicken,) sondern blos daraus zu erklären hat, daß das Heilige uns theuer ist, und daß wir jede Beimischung eines fremdartigen Zusatzes als Entweihung desselben ansehen. Dieses Interesse zeigt sich endlich sogar darin, daß wir mit keinerlei Art Kenntnissen uns so breit machen, als mit vermeinten bessern Religionseinsichten, als ob hierin die größte Ehre liege, und daß wir sie — wenn nicht etwa der gute Ton dergleichen Unterhaltungen verbannt hat, wiewohl eben das, daß er sie verbannen müßte, eine allgemeine Neigung zu denselben anzuzeigen scheint, — so gern ändern mittheilen mögen, in der sichern Voraussetzung, daß dies ein allgemein interessanter Gegenstand sey.

So sicher wir also von dieser Seite seyn dürften, daß gegenwärtige Untersuchung nicht ganz ohne Interesse werde aufgenommen werden, so haben wir eben von diesem Interesse zu befürchten, daß es sich gegen uns kehren, und den Leser in der ruhigen Betrachtung und Abwägung der Gründe stören könne, wenn er etwa voraussehen, oder wirklich finden sollte, daß das Resultat nicht ganz seiner vorgefaßten Meinung gemäß ausfalle. Es scheint also eine nicht ganz vergebliche Arbeit zu seyn, hier noch, ganz ohne Rücksicht auf die Begründung des Resultats, und gleich als ob wir nicht einen a priori vorgeschriebnen Weg gegangen wären, der uns nothwendig auf dasselbe hätte führen müssen, sondern, als ob es gänzlich von uns abgehangen hätte, wie dasselbe ausfallen solle, zu untersuchen, ob wir Ursache gehabt hätten, ein günstigeres zu wünschen, oder ob gegenwärtiges etwa überhaupt das vorteilhafteste sey, das wir uns versprechen durften; kurz, dasselbe, ganz ohne Rücksicht auf seine Wahrheit, blos von Seiten seiner Nützlichkeit zu untersuchen.

Aber hier stoßen wir denn zuerst auf diejenigen, welche in der besten Meinung von der Welt sagen werden, bey einer Untersuchung der Art könne überhaupt nichts kluges herauskommen, und es würde besser gewesen seyn, gegenwärtige ganz zu unterlassen; die alles, was mit der Offenbarung, in Verbindung steht, überhaupt nicht auf Principien zurückgeführt wissen wollen; die jede Prüfung derselben scheuen, fürchten, von sich ablehnen. Diese werden denn doch, wenn sie aufrichtig seyn wollen, zugestehen, daß sie selbst eine schlechte Meinung von ihrem Glauben haben, und mögen selbst entscheiden, ob ihnen die Achtung und Schonung derjenigen besser gefällt, welche die Sache der Offenbarung schon für völlig abgeurtheilt[TN13] und in allen Instanzen verlohren ansehen, und meinen, ein Mann, der auf seine Ehre halte, könne einmal mit ihr sich nicht mehr befassen, es sey sogar ein schlechtes Heldenstück, sie vollends zu Grunde zu richten, und möge man ja auch wohl aus mitleidiger Schonung, denen, die nun einmal ihr Herz daran gehängt haben, dies im Grunde unschuldige Spielwerk wohl gönnen. Doch haben wir, mit diesen es eigentlich hier nicht zu thun, denn von ihnen wird wahrscheinlich keiner diese Schrift lesen; sondern nur mit solchen, die eine Prüfung der Offenbarung verstatten.

Gegenwärtige sollte unsrer Absicht nach die strengste seyn, welche möglich ist. Was haben wir nun durch dieselbe verlohren? was gewonnen? wo ist das Übergewicht?

Verlohren haben wir alle unsere Aussichten auf Eroberungen, sowohl objektive, als subjektive. Wir können nicht mehr hoffen durch Hülfe einer Offenbarung in das Reich des Übersinnlichen einzudringen, und von da, wer weiß welche Ausbeute zurückzubringen, sondern müssen uns bescheiden, uns mit dem, was uns mit einemmale zu unsrer völligen Ausstattung gegeben war, zu begnügen. Eben so wenig dürfen wir weiter hoffen andre zu unterjochen, und sie zu zwingen ihren Antheil an dem gemeinschaftlichen Erbe, oder an dieser neuen vermeinten Akquisition von uns zu Lehn zu nehmen, sondern müssen, jeder für sich, uns auf unsre eignen Geschäfte einschränken.

Gewonnen haben wir völlige Ruhe, und Sicherheit in unserm Eigenthume; Sicherheit vor den zudringlichen Wohlthätern, die uns ihre Gaben aufnöthigen, ohne daß wir etwas damit anzufangen wissen; Sicherheit vor Friedensstörern andrer Art, die uns das verleiden möchten, was sie selbst nicht zu gebrauchen wissen. Wir haben beide nur an ihre Armuth zu erinnern, die sie mit uns gemein haben, und in Absicht welcher wir nur darinn von ihnen verschieden sind, daß wir sie wissen, und unsern Aufwand darnach einrichten.

Haben wir nun mehr verlohren, oder mehr gewonnen? — Freilich scheint der Verlust der gehofften Einsichten in das Übersinnliche ein wesentlicher, ein nicht zu ersetzender, noch zu verschmerzender Verlust; wenn es sich aber bey näherer Untersuchung ergeben sollte, daß wir dergleichen Einsichten zu gar nichts brauchen, ja daß wir nicht einmal sicher seyn können, ob wir sie wirklich besitzen, oder ob wir auch sogar hierüber uns täuschen, so möchte es leichter werden, sich darüber zu trösten.

Daß von der Realität aller Ideen vom Übersinnlichen keine objektive Gewißheit, sondern nur ein Glaube an sie stattfinde, ist nun zur Genüge erwiesen. Aller bisher entwickelte Glaube gründet sich auf eine Bestimmung des Begehrungsvermögens, (bey der Existenz Gottes, und der Seelen Unsterblichkeit auf eine des obern, bey dem Vorsehungs- und Offenbarungsbegriffe auf eine durch das obere geschehne Bestimmung, des untern,) und erleichtert gegenseitig wieder diese Bestimmung. Daß weiter keine Ideen möglich sind, an deren Realität zu glauben eine unmittelbare oder mittelbare Bestimmung durch das praktische Gesetz uns bewege, ist klärlich gezeigt. Es fragt sich also hier nur noch, ob nicht ein Glaube möglich sey, der nicht durch eine dergleichen Bestimmung entsteht, und sie nicht wieder erleichtert. Im ersten Falle muß es leicht auszumachen seyn, ob der Glaube in concreto wirklich da ist; das muß sich nemlich aus den praktischen Folgen ergeben, die er, als die Willensbestimmung erleichternd, nothwendig hervorbringen muß. Im letztern Falle aber, wo keine dergleichen praktische Folgen möglich sind, scheint es, da der Glaube etwas blos subjektives ist, schwer, hierüber etwas festes zu bestimmen, und es hat völlig das Ansehen, daß uns nichts übrig bleibt, als jedem ehrlichen Manne auf sein Wort zu glauben, wenn er uns sagt: ich glaube das, oder ich glaube jenes. Dennoch ist es vielleicht möglich auch hierüber etwas auszumitteln. Es ist nemlich an sich gar nicht zu läugnen, daß man oft andre, und eben so oft sich selbst überredet, man glaube etwas, wenn man blos nichts dagegen hat, und es ruhig an seinen Ort gestellt seyn läßt. Von dieser Art ist fast aller historischer Glaube, wenn er sich nicht etwa auf eine Bestimmung des Begehrungsvermögens gründet, wie der an das historische in einer Offenbarung, oder der eines Geschichtforschers von Profession, der von der Achtung für sein Geschäft, und von der Wichtigkeit, die er in seine mühsamen Untersuchungen schlechterdings setzen muß, unzertrennlich ist; oder der einer Nation an eine Begebenheit, die ihren Nationalstolz unterstützt. Das Lesen der Begebenheiten und Handlungen von Wesen, die gleiche Begriffe und gleiche Leidenschaften mit uns haben, beschäftigt uns auf eine angenehme Art, und es trägt zur Vermehrung unsers Vergnügens etwas bei, wenn wir annehmen dürfen, daß dergleichen Menschen wirklich lebten, und wir nehmen dies um so fester an, je mehr die Geschichte uns interessirt, je mehr sie Ähnlichkeit mit unsern Begebenheiten oder unsrer Denkungsart hat; wir würden aber, besonders in manchen Fällen, auch nicht viel dagegen haben, wenn alles bloße Erdichtung wäre. Ist's auch nicht wahr, so ist es gut erfunden, möchten wir denken. Wie soll man nun hierüber zu einiger Gewißheit über sich selbst kommen? — Die einzige wahre Probe, ob man etwas wirklich annehme, ist die, ob man darnach handelt, oder, im vorkommenden Falle der Anwendung, darnach handeln würde. Über Meinungen, die an sich keine praktische Anwendung haben, noch haben können, findet dennoch zu jeder Zeit ein Experiment statt, daß man sich nemlich aufs Gewissen frage, ob man wol für die Richtigkeit einer gewissen Meinung einen Theil seines Vermögens, oder das ganze, oder sein Leben, oder seine Freiheit verwetten wolle, wenn etwas gewisses darüber auszumachen seyn sollte. Man giebt dann einer Meinung, die an sich keine praktischen Folgen hat, durch Kunst eine praktische Anwendung. Wenn man auf diese Art jemanden eine Wette um sein ganzes Vermögen antrüge, daß kein Alexander der Große gelebt habe, so könnte er vielleicht diese Wette ohne Bedenken annehmen, weil er bei völliger Redlichkeit dennoch ganz dunkel denken möchte, daß diejenige Erfahrung, welche dies entscheiden könnte, schlechterdings nicht mehr möglich sey; wenn man aber etwa eben demselben die gleiche Wette darauf antrüge, daß kein Dalai Lama existire, mit dem Erbieten, die Sache an Ort und Stelle durch die unmittelbare Erfahrung zu verificiren, so möchte er vielleicht bedenklicher dabei werden, und sich dadurch verrathen, daß er mit seinem Glauben über diesen Punkt nicht völlig in Richtigkeit sey. Wenn man nun über den Glauben an übersinnliche Dinge, deren Begriff durch die reine praktische Vernunft a priori nicht gegeben ist, die mithin an sich gar keine praktischen Folgen haben können, sich eben so eine beträchtliche Wette antrüge, so wäre es sehr leicht möglich, daß man dadurch, daß man sie von der Hand wiese, entdeckte, man habe bisher den Glauben an sie nicht gehabt, sondern sich nur überredet, ihn zu haben; wenn man aber diese Wette auch wirklich annähme, so könnte man noch immer nicht sicher seyn, ob sich nicht das Gemüth ganz dunkel besonnen habe, es habe hier noch gar nicht nöthig, sich auf seiner Schalkheit ertappen zu lassen, da bei einer solchen Wette gar nichts zu wagen sey, weil die Sache (bei dergleichen Ideen) in Ewigkeit nicht, weder durch Gründe, noch durch Erfahrungen auszumachen sey. Wenn also auch nicht darzuthun seyn sollte, daß an die Realität von dergleichen Ideen gar kein Glaube möglich sey; so ergiebt sich hieraus doch leicht soviel, daß es möglich sey, auch nur mit sich selbst in's Reine zu kommen, ob man diesen Glauben überhaupt habe, welches eben soviel ist, als ob er überhaupt und an sich nicht möglich wäre. Es ist hieraus zu beurtheilen, ob wir Ursache haben, über den Verlust unsrer Hoffnung durch eine Offenbarung erweiterte Aussichten in die übersinnliche Welt zu bekommen, sehr verlegen zu seyn.

In Absicht des zweiten Verlustes bitten wir jeden, sich vor seinem Gewissen die Frage zu beantworten, zu welcher Absicht er eigentlich eine Religion haben wolle; ob dazu, um sich über andre zu erheben, und sich vor ihnen aufzublähen, zur Befriedigung seines Stolzes, seiner Herrschsucht über die Gewissen, welche weit ärger ist, als die Herrschsucht über die Körper; oder dazu, um sich selbst zum bessern Menschen zu bilden. — Inzwischen bedürfen wir sie auch mit für andre, theils um reine Moralität unter ihnen zu verbreiten; aber da darf nur dargethan seyn, daß dies auf keinem ändern Wege, als dem angezeigten, geschehen könne, so werden wir ja gern, wenn dies wirklich unser Ernst ist, jeden andern vermeiden; theils, wenn wir das nicht können sollten, uns wenigstens der Legalität von ihnen zu versichern, — ein Wunsch, der an sich völlig rechtmäßig ist. Und in Absicht der Möglichkeit ihn dadurch zu erreichen, ist denn ganz sicher nichts leichter, als den Menschen, der sich im Dunkeln überhaupt fürchtet, zu schrecken, ihn dadurch zu leiten, wohin man will, und ihn zu bewegen, in Hoffnung des Paradieses seinen sterblichen Leib brennen zu lassen, so sehr man will; wenn aber gezeigt ist, daß durch eine solche Behandlung der Religion die Moralität nothwendig gänzlich vernichtet werde, so wird man ja gar gern eine Gewalt aufgeben, zu der man kein Recht hat; da zumal diese Legalität weit sicherer, und wenigstens ohne schädliche Folgen für die Moralität durch andre Mittel erreicht wird.

Dies wäre denn die Berechnung unsers Verlusts. Laßt um nun den Gewinn dagegen halten!

Wir gewinnen völlige Sicherheit in unserm Eigenthume. Wir dürfen ohne Furcht, daß unser Glaube uns durch irgend eine Vernünftelei geraubt werde, ohne Besorgniß, daß man ihn lächerlich machen könne, ohne Scheu vor der Bezüchtigung des Blödsinns und der Geistesschwäche, ihn zu unserer Verbesserung brauchen. Jede Widerlegung muß falsch seyn, das können wir a priori wissen: jeder Spott muß auf den Urheber zurückfallen.

Wir gewinnen völlige Gewissensfreiheit, nicht vom Gewissenszwange durch physische Mittel, welcher eigentlich nicht statt findet; denn äußerer Zwang kann uns zwar nöthigen mit dem Munde zu bekennen, was er will, aber nie, im Herzen etwas dem ähnliches zu denken; sondern von dem unendlich härteren Geisteszwange durch moralische Bedrückungen und Vexationen, durch Zureden, Zunöthigungen, Drohungen, wer weiß welcher schlimmen Übel, die man unterm Gemüthe anlegt. Dadurch wird nothwendig die Seele in eine ängstliche Furcht versetzt, und quält sich so lange, bis sie es endlich so weit bringt, sich selbst zu belügen, und den Glauben in sich zu erheucheln; eine Heuchelei, welche weit schrecklicher ist, als der völlige Unglaube, weil der letztere den Charakter nur so lange, als er dauert, verderbet, die erstere aber ihn ohne Hoffnung jemaliger Besserung zu Grunde richtet, so daß ein solcher Mensch nie wieder die geringste Achtung oder das geringste Zutrauen zu sich fassen kann. Dies ist die Folge, welche das Verfahren, den Glauben auf Furcht und Schrecken, und auf diesen erpreßten Glauben erst die Moralität (eine Nebensache, die wol ganz gut seyn mag, wenn sie zu haben ist, in Ermangelung deren aber auch wol der Glaube allein uns durchhelfen kann,) gründen zu wollen, nothwendig haben muß, und welche er auch allemal gehabt haben würde, wenn man immer konsequent zu Werke gegangen, und die menschliche Natur von ihrem Schöpfer nicht zu gut eingerichtet wäre, als daß sie sich so sollte verdrehen lassen.

Nach Maaßgabe dieser Grundsätze würde der einzige Weg — ein Weg, den offenbar auch das Christenthum vorschreibt — den Glauben in den Herzen der Menschen hervorzubringen, der seyn, ihnen durch Entwickelung des Moralgefühls das Gute erst recht lieb und werth zu machen, und dadurch den Entschluß, gute Menschen zu werden, in ihnen zu erwecken; dann sie ihre Schwäche allenthalben fühlen zu lassen, und nun erst ihnen die Aussicht auf die Unterstützung einer Offenbarung zu geben, und sie würden glauben, ehe man ihnen zugerufen hätte: glaubet!

Und jetzt darf die Entscheidung, wo das Übergewicht sey, ob auf der Seite des Gewinns, oder der des Verlusts, dem Herzen eines jeden Lesers überlassen werden, mit Zusicherung des beiläufigen Vortheils, daß ein jeder dieses Herz selbst aus dem Urtheile, das es hierüber fället, näher wird kennen lernen.



Ansmerkungen zur Transkription:

[TN1] Korrektur eines typographischen Fehlers im Originals. Im Original ist hier "Gesezzen" gedruckt.

[TN2] Korrektur eines typographischen Fehlers im Originals. Im Original ist hier "änßert" gedruckt.

[TN3] Korrektur eines typographischen Fehlers im Originals. Im Original ist hier "fordauern" gedruckt.

[TN4] Korrektur eines typographischen Fehlers im Originals. Im Original ist hier "Aufhebug" gedruckt.

[TN5] Korrektur eines typographischen Fehlers im Originals. Im Original ist hier "seyu" gedruckt.

[TN6] Korrektur eines typographischen Fehlers im Originals. Im Original ist hier "sis" gedruckt.

[TN7] Korrektur eines typographischen Fehlers im Originals. Im Original ist hier "4" gedruckt.

[TN8] Mit großer Wahrscheinlichtkeit ein typographischer Fehler im Original, könnte aber auch ein geschriebener Dialekt sein, daher nicht verbessert (Rüchsicht an Stelle von Rücksicht).

[TN9] Korrektur eines typographischen Fehlers im Originals. Im Original ist hier "Siegerinn" gedruckt.

[TN10] Korrektur eines typographischen Fehlers im Originals. Im Original ist hier ein weiteres "bar" gedruckt.

[TN11] Mit großer Wahrscheinlichtkeit ein typographischer Fehler im Original, könnte aber auch ein geschriebener Dialekt sein, daher nicht verbessert (Gnüge an Stelle von Genüge).

[TN12] Korrektur eines typographischen Fehlers im Originals. Im Original ist hier "selbt" gedruckt.

[TN13] Korrektur eines typographischen Fehlers im Originals. Im Original ist hier "abgeurthelt" gedruckt.






End of the Project Gutenberg EBook of Versuch einer Kritik aller Offenbarung, by 
Johann Gottlieb Fichte

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*** START: FULL LICENSE ***

THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE
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paragraph 1.C below.  There are a lot of things you can do with Project
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Gutenberg-tm electronic works.  Nearly all the individual works in the
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or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.


Section  2.  Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of computers
including obsolete, old, middle-aged and new computers.  It exists
because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need, is critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come.  In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.


Section 3.  Information about the Project Gutenberg Literary Archive
Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service.  The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541.  Its 501(c)(3) letter is posted at
http://pglaf.org/fundraising.  Contributions to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
permitted by U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
throughout numerous locations.  Its business office is located at
809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
business@pglaf.org.  Email contact links and up to date contact
information can be found at the Foundation's web site and official
page at http://pglaf.org

For additional contact information:
     Dr. Gregory B. Newby
     Chief Executive and Director
     gbnewby@pglaf.org


Section 4.  Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment.  Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States.  Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements.  We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance.  To
SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
particular state visit http://pglaf.org

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
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against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
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Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
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works.

Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm
concept of a library of electronic works that could be freely shared
with anyone.  For thirty years, he produced and distributed Project
Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.


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